Pseudoisidor und das Papsttum: Funktion und Bedeutung des apostolischen Stuhls in den pseudoisidorischen Fälschungen 9783412217426, 9783412223380


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Pseudoisidor und das Papsttum: Funktion und Bedeutung des apostolischen Stuhls in den pseudoisidorischen Fälschungen
 9783412217426, 9783412223380

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Papsttum im mittelalterlichen Europa BA N D 2

Herausgegeben von Jochen Johrendt und Harald Müller

Clara Harder

PSEUDOISIDOR UND DAS PAPSTTUM Funktion und Bedeutung des apostolischen Stuhls in den pseudoisidorischen Fälschungen

2014 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG Wort

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://portal.dnb.de abrufbar. Umschlagabbildung: New Haven, Beinecke Rare Book & Manuscript Library, Yale University, ms. 442, fol. 3v

© 2014 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Korrektorat: Meinrad Böhl, Leipzig Satz: WBD Wissenschaftlicher Bücherdienst, Köln Druck und Bindung: TZ-Verlag & Print, Roßdorf Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier ISBN 978-3-412-22338-0

Für Klaus Zechiel-Eckes 1959 – 2010

Inhalt Vorwort  . . ..................................................................................................................... 

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Einleitung  . . ................................................................................................................. 

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1.  Der römische Primat im Frühmittelalter und die Fälschungen Pseudoisidors  . . .............................................................  1.1  Das Papsttum in der politischen Theologie des Frankenreichs  ............  1.1.1  Spätantike Grundlagen der Primatslehre  .......................................  1.1.2  Die Abwesenheit des Primats? Die kirchenrechtliche Bedeutung des Papstes in Theorie und Praxis im Frankenreich bis 750  . . .....  1.1.3  Neue Autorität und neue Abhängigkeit – Das Papsttum und die Franken bis zum Tode Karls des Großen (814)  .............  1.1.4  Der römische Primat im Frankenreich Ludwigs des Frommen  . 1.1.4.1  Kaiser und Papst – Partner oder Gegner?  . . ......................  1.1.4.2 Gregor IV. und der fränkische Klerus  ..............................  1.2  Die pseudoisidorischen Fälschungen  .. ......................................................  1.2.1  Die falschen Dekretalen: Woher Pseudoisidor seinen Namen bekam  ..................................  1.2.2  Die Capitula Angilramni: Kleiner Anhang, große Wirkung  ....  1.2.3  Die Kapitularien des Benedictus Levita: Beginn oder Schlusspunkt der Fälschungen?  ...............................  1.2.4  Die Excerptiones de gestis Chalcedonensis concilii: Materialsammlung oder selbstständige Fälschung?  ....................  1.3  Die Entstehung der pseudoisidorischen Fälschungen  . . ..........................  1.3.1  Zeit und Ort  .......................................................................................  1.3.2  Radbert von Corbie und die Opposition gegen Ludwig den Frommen  ......................................................................  1.3.2.1  Im Schatten großer Männer – Leben und Wirken des Radbert  ..........................................................................  1.3.2.2  Radbert als Pseudoisidor  .. ................................................... 

21 21 21 30 33 40 40 49 60 61 68 72 75 78 78 83 83 89

2.  Der Papst in den pseudoisidorischen Dekretalen  . . .....................................  95 2.1  Der Papst als Haupt der Kirche  . . ...............................................................  95 2.1.1  Der Einfluss des Papstes auf Synoden  .. ...........................................  95 2.1.2  Rom als Schutzmacht der Bischöfe  ................................................  98 2.1.3  Die falschen Dekretalen als Wegbereiter päpstlichen Selbstbewusstseins  ............................................................................  102

8

Inhalt

2.2  Formale Überhöhung päpstlicher Gewalt  .. .............................................  2.3  Der Papst als Haupt der Welt?  ..................................................................  2.4  Die historische Dimension der pseudoisidorischen Sammlung  .........  2.5  Vorlagen und Arbeitstechniken Pseudoisidors  .......................................  2.5.1  Die Bibel: Fundament für Fälschung  .............................................  2.5.2  Von echten und falschen Päpsten  ...................................................  2.5.2.1  Innozenz I.: Das Haupt, der Ursprung und wichtige Angelegenheiten  .........................................  2.5.2.2  Leo I.: Vom Lehrer zum Richter  .......................................  2.5.3  Konzile als Vorlagen für päpstlichen Machtzuwachs  ..................  2.5.3.1  Die Vorrede des Konzils von Nicäa: Fälschung ohne Veränderung?  . . ........................................  2.5.3.2  Das Fälschungsgeflecht von Sardika  .................................  2.5.3.3  Die Verformung der Kanones von Chalkedon  . . ..............  2.5.4  Die Kirchengeschichte des Cassiodor in den falschen Dekretalen  ..........................................................................  2.5.5  Römisches Recht bei Pseudoisidor  . . ............................................... 

106 112 116 118 118 120 121 124 128 128 131 134 139 141

3.  Der Papst in den Capitula Angilramni  . . ........................................................  145 3.1  Bischofsprozess und apostolischer Stuhl  . . ................................................  145 3.2  Vorlagen und Parallelen zu den falschen Dekretalen  .. ...........................  148 4.  Der Papst in den Kapitularien des Benedictus Levita  ...............................  153 4.1  Schmückendes Beiwerk? Die Bedeutung des apostolischen Stuhls in den Kapitularien des Benedictus Levita  . . ......  153 4.2  Weltliche Gesetzgebung für kirchliche Unabhängigkeit?  ...................  156 4.3  Vorlagen, Parallelen und Unterschiede zu den falschen Dekretalen und den Capitula Angilramni  ..............................  160 4.3.1  Die Sardika-Rezeption in den falschen Kapitularien  .................  161 4.3.2  Die Verwendung authentischer Dekretalen bei Benedictus Levita  164 4.3.3  Die Historia Tripartita und die falschen Kapitularien  ...............  166 4.3.4  Zwischenergebnis: Pseudoisidor, Angilram, Benedikt und der Papst  .....................................................................................  168 5.  Der Papst und die Excerptiones de gestis Chalcedonensis concilii  ........  5.1  Die Verfälschung der Chalkedon-Akten  ..................................................  5.2  Papst, Kaiser und Konzil – Die kirchliche Machtverteilung in den Excerptiones de gestis Chalcedonensis concilii  .........................  5.3  Die Chalkedon-Exzerpte und die weiteren pseudoisidorischen Fälschungen  .. ............................................................. 

171 171 173 176

Inhalt

6.  Eine weitere pseudoisidorische Fälschung? Eine Dekretale Gregors IV. ( JE † 2579)  . . .....................................................  6.1  Ein Schutzbrief als Manifestation päpstlicher Macht?  .. ........................  6.2  Überlieferung, Edition und Forschungsstand  . . ......................................  6.2.1  Die älteste Überlieferung  .. ...............................................................  6.2.2  Die folgende Überlieferung  ............................................................  6.2.3  Die Überlieferung aus Le Mans und die Fälschungen aus Le Mans  . . ......................................................................................  6.2.3.1  Die Le Mans-Hypothese  . . ...................................................  6.2.3.2  Fiktion oder Wahrheit?  ......................................................  6.3  JE † 2579 und Pseudoisidor  . . ......................................................................  6.3.1  Vorlagen und Parallelen zu den falschen Dekretalen  ..................  6.3.2  JE † 2579 und die weiteren pseudoisidorischen Fälschungen  . . ..  6.4  JE † 2579 als pseudoisidorische Fälschung  . . ............................................ 

9

181 182 186 187 190 193 196 199 202 202 208 209

7.  Der Papst und Pseudoisidor  ............................................................................  7.1  Der Papst als Mittel zum Zweck  .. ..............................................................  7.2  Noch einmal: Die Entstehung der pseudoisidorischen Fälschungen  ....  7.3  Eine pseudoisidorische Wende  .................................................................. 

213 213 216 220

Anhang  .. ......................................................................................................................  Abkürzungsverzeichnis .......................................................................................  Quellen- und Literaturverzeichnis  .. .................................................................  Ungedruckte Quellen ..................................................................................  Internet-Quellen .. .........................................................................................  Gedruckte Quellen  .....................................................................................  Literaturverzeichnis  ....................................................................................  Tabellen  .. ...............................................................................................................  Register der Orts- und Personennamen  ..........................................................  Falsche Papstbriefe  ..............................................................................................  Echte Papstbriefe  . . ............................................................................................... 

227 227 228 228 228 228 231 244 284 287 290

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Universität zu Köln im Oktober 2012 als Disser­ tation angenommen und von Professor Dr. Karl Ubl (Köln) und Professor Dr. Theo Kölzer (Bonn) begutachtet. Die Arbeit wurde für den Druck geringfügig überarbeitet. Im Februar 2010, wenige Monate nach dem Beginn meines Dissertationsvorhabens, verstarb plötzlich und unerwartet mein Doktorvater, Professor Dr. Klaus Zechiel-Eckes (Köln), was leicht das Ende für meine Arbeit hätte bedeuten können. Dass es nicht so kam, verdanke ich zahlreichen Unterstützern, bei denen ich mich hier bedanken möchte: Karl Ubl übernahm seit dem Herbst 2011 nicht nur die Betreuung meiner Arbeit, sondern gab mir auch als Mitarbeiterin die Möglichkeit, mich fachlich und persönlich weiterzuentwickeln. Für seine intensive, kritische, inhaltlich und methodisch anregende Begleitung meiner Forschungen gebührt ihm mein tiefster Dank. Ohne ihn wäre die Arbeit nicht das geworden, was sie ist. Theo Kölzer erklärte sich bereits im Frühjahr 2010 zur Übernahme der Zweit-Begutachtung bereit und war mir gleichermaßen eine fachliche wie moralische Stütze. Ich danke ihm dafür herzlich. Von Professor Dr. Gerhard Schmitz (Tübingen) erhielt ich wertvolle Hinweise in Bezug auf Benedictus Levita und viel ermutigenden Zuspruch. Für ihre Hilfe danke ich außerdem Dr. Eric Knibbs (Williamstown), Dr. Veronika Lucas (München) und meinem lieben „Lateinonkel“ Siegfried Budack. Des Weiteren gebührt meinen Kölner Kolleginnen Dr. Lioba Geis und Dr. Julia Bruch mein großer Dank, da sie mich bei der kurzfristigen und nervenaufreibenden Schlussredaktion meiner Arbeit tatkräftig unterstützt haben. Dr. Daniel Ziemann (Budapest) nahm es auf sich, die gesamte Arbeit in kürzester Zeit komplett durchzuarbeiten. Ihm sei für seinen unermüd­ lichen Einsatz und die vielen ­kritischen Anregungen herzlich gedankt. Professor Dr. Jochen Johrendt (Wuppertal) und Professor Dr. Harald Müller (Aachen) danke ich für die Aufnahme meiner Arbeit in die Reihe „Papsttum im mittelalterlichen Europa“, für Kritik und Unterstützung. Annette Eckes danke ich für die Ermutigung, mein Forschungsvor­haben nicht aufzugeben. Meine Familie stand mir während meiner gesamten Studien- und Promotionszeit zur Seite. Vor allem meinem Mann Nils danke ich für seine liebevolle und engagierte Unterstützung. Zum Schluss noch dies: Klaus Zechiel-Eckes hat mich für die mittelalterliche Geschichte im Allgemeinen und Pseudoisidor im Besonderen begeistert. Die vorliegende Arbeit verdankt sich seiner Anregung, aber mehr noch seinem Zutrauen in meine Fähigkeiten als Historikerin. Die Leidenschaft und die Akribie, mit der er seine eigenen Forschungen betrieb, bleiben mir ebenso im Gedächtnis wie seine Herzlichkeit und sein geselliges Wesen. Er bleibt mir – fachlich und menschlich – Vorbild und Antrieb. Seinem Andenken ist diese Arbeit gewidmet.

Einleitung Die „pseudoisidorische Frage“1 kann auf eine beachtliche, knapp 400 Jahre um­­ fassende Forschungsgeschichte zurückblicken, ohne dass der Faden der Diskussion je gänzlich abgerissen wäre 2. Dies liegt mit Sicherheit an der besonderen Dimension dieser Fälschung, die auch für „den größten und folgenschwersten Betrug der Welt­ geschichte“3 gehalten wird. Generell lässt sich wohl sagen, Fälschungen regen die Fanta­sie der Forschung in erheblichem Maße an. Einer der jüngsten Pseudo­isidorForscher urteilte denn auch: „Selbst wenn die Geschichte der pseudoisidorischen ­Fälschungen zu nichts anderem zu gebrauchen wäre, eines muß man ihr sicher zugute halten: Sie ist unterhaltsam“4. Tatsächlich ist aber die Verbreitung der gefälschten Rechtssammlungen, die unter den Namen Pseudoisidor, Capitula Angilramni und Benedictus Levita firmieren 5, durchaus nicht folgenlos geblieben. Im Kulturkampf des 19. Jahrhunderts erregten sich antikatholische Gemüter intensiv darüber, dass der päpstliche Universal­episkopat und das Unfehlbarkeitsdogma sich ausschließlich auf die Fälschung Pseudo­isidors gründeten und folglich mit aller Entschiedenheit abzulehnen seien 6. Horst ­Fuhrmann, dem bedeutendsten Pseudoisidor-Kenner des 20. Jahrhunderts, gelang es dagegen, die Diskussion um den Einfluss der pseudoisidorischen Fälschungen, von aller Polemik

1 Von dieser sprach vor allem die Forschung des 19. Jahrhunderts, vgl. z. B. W ­ asserschleben: Frage; Weizsäcker: Frage; Fournier: Études; Lot: Question. 2 Den Beginn der Pseudoisidor-Forschung markiert die Arbeit von Blondel: Pseudo-Isidorus, von 1628, in der die vereinzelt geäußerten Zweifel an der Echtheit der pseudoisidorischen Dekretalensammlung durch eine philologische Analyse bestätigt wurden. Blondel wies nicht nur nach, dass die pseudoisidorischen Märtyrerpäpste der ersten drei Jahr­hunderte den Bibeltext in Gestalt der Vulgata (spätes 4. Jahrhundert) benutzten, sondern legte darüber hinaus einen Großteil der weiteren pseudoisidorischen Quellen, die bis ins frühe 9. Jahrhundert reichen, in akribischer Kleinarbeit offen. 3 Haller: Nikolaus I., S. 155 f. 4 Zechiel-Eckes: Verecundus, S. 413 (unter Verweis auf Bloch: Apologie, S. 8). 5 Die vorliegende Untersuchung greift die in der Forschung etablierte Bezeichnung der ­Fälschungen auf und bemüht sich stets um eine eindeutige Abgrenzung. Es ist wichtig, ­zwischen Pseudoisidor bzw. den falschen Dekretalen und Benedictus Levita bzw. den f­ alschen Kapitularien zu unterscheiden, da trotz der engen Verflechtungen zwischen den Fälschungen nicht automatisch von identischen Urhebern ausgegangen werden kann. Auch die kürzeren Fälschungen werden deswegen immer präzise von den anderen Texten abgegrenzt. Wenn von „den Fälschern“ die Rede ist, wird damit der gesamte Kreis unbekannter Personen bezeichnet, die für die Konstruktion der Falsifikate verantwortlich ist. Gleiches gilt für die pseudoisidorische „Werkstatt“. 6 Vgl. Fuhrmann: Einfluß, Bd. 1, S. 1 – 38, für eine Zusammenfassung der Diskussion.

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Einleitung

befreit, auf eine wissenschaftlich tragfähige Grundlage zu stellen 7. Er konzentrierte sich bei seinen Analysen auf den Einfluss der Falsifikate auf die Entwicklung des kirchlichen Rechts bis zum Dekret Gratians im 12. Jahrhundert. Ein Schwerpunkt musste naturgemäß in der Frage bestehen, ob denn tatsächlich „Pseudoisidor […] den ganzen historischen Boden des Papalsystems abgegeben habe“8. Fuhrmann kam dabei zu dem Schluss, dass die Fälschungen tatsächlich, trotz ihrer raschen und weitreichenden Verbreitung, zur Ausbildung der „normativen Stellung des römischen Bischofs wenig beigetragen“9 hätten. Dies deckte sich im Wesentlichen mit der seit den Arbeiten von Herrmann Wasserschleben und Emil Seckel dominanten These, dass Pseudoisidor keineswegs die Mehrung päpstlicher Rechte zum Ziel gehabt habe, sondern vorrangig um Förderung und Schutz des Episkopats vor Verfolgung und Unterwerfung durch Metropoliten und weltliche Machthaber besorgt gewesen sei. Nur in diesem Zusammenhang sei die Machterweiterung für den apostolischen Stuhl von Pseudoisidor beabsichtigt gewesen. Seckel glaubte sogar zu wissen, dass der Fälscher sich nicht habe vorstellen können, dass die vermehrten päpstlichen Rechte zum Nachteil des Episkopats eingesetzt werden könnten 10. Aus dieser Perspektive musste die starke Rezeption der pseudoisidorischen Sammlung während der Zeit des Reformpapsttums und ihr Einfluss auf die in diesem Zusammenhang entstehenden systematischen Kirchenrechtssammlungen geradezu als Ironie der Geschichte, als Fehlinterpretation des Ausgangsmaterials erscheinen. Die Aktivität der Pseudoisidor-Forschung hatte seit den Arbeiten Fuhrmanns in den 1970er Jahren stark abgenommen, als um die Wende zum 21. Jahrhundert eine für die Mediävistik sensationelle Entdeckung gemacht wurde. Klaus Zechiel-Eckes verkündete, ihm sei das geglückt, was in über 400 Jahren Forschung noch keinem Historiker 7 Fuhrmann: Einfluß, 3 Bde. Vgl. ebd., Bd. 2, S. 335 – 353, zu Pseudoisidor und gregorianischer Reform und ebd., S. 442 – 541, zum Einfluss der Fälschungen auf die systematischen Kirchenrechtssammlungen des 11. Jahrhunderts. Vgl. Cushing: Papacy, S. 72 – 78, zur Rezeption Pseudo­isidors bei Anselm von Lucca und ebd., S. 104 – 110, zum Verhältnis der Sammlungen Anselms, Pseudo­isidors und dem Dictatus Papae. 8 Fuhrmann: Einfluß, Bd. 1, S. 4 (unter Verweis auf Ignaz von Döllinger: Papst). ­Döllinger lehnte den Universalepiskopat des Papstes ab und begründete dies vor allem damit, dass ­dessen Anhänger von einer falschen historischen Grundlage ausgingen. Vgl. ebd., S. 100 – 119, 127 – 131, 154 – 156, 159, zu Pseudoisidor. 9 Fuhrmann: Einfluß, Bd. 2, S. 622. 10 Seckel: Pseudoisidor, S. 281, Z. 49-S. 282, Z. 18. Seckel schloss sich darin der Ansicht von Wasserschleben: Beiträge, S. 30 – 42, an. Rezipiert wurde diese Sicht auch von ­Fuhrmann: Einfluß, Bd. 1, S. 147. Zumeist ausgehend von den Arbeiten Seckels wurde diese Position im Wesentlichen von der gesamten folgenden (auch der aktuellen) Pseudo­ isidor-Forschung übernommen. In jüngerer Zeit wurde eine neuerliche Untersuchung dieser Frage allerdings angeregt von Ubl: Mehrwert, S. 206.

Einleitung

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gelungen war. Er glaubte sagen zu können, wo und unter wessen geistiger Leitung die pseudoisidorischen Dekretalen entstanden seien. Eine Spur aus kodiko­logischen und paläografischen Beobachtungen hatte ihm den Weg ins Kloster Corbie an der Somme und zum dortigen Abt der 840er Jahre, dem Mönch Radbert, ­gewiesen  11. So umstritten die Folgerungen seien mögen, die Zechiel-Eckes aus seinen Funden zog 12, so sicher ist, dass sie eine Auseinandersetzung mit etablierten Forschungs­positionen geradezu herausfordern 13. Gleichzeitig stellen eine Reihe jüngerer Arbeiten verschiedener Art das etablierte Bild der Geschichtswissenschaft vom Frankenreich der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts und insbesondere von der Herrschaft Ludwigs des Frommen infrage 14. Es ist deswegen an der Zeit, sich der Inhalte der pseudoisidorischen Fälschungen angesichts der neuen Erkenntnisse zu ihren Ursprüngen und der politisch-gesellschaftlichen Hintergründe ihrer Entstehungszeit neu anzunehmen. Da die Bedeutung der Fälschung vor allem durch ihre Rezeption im Zusammenhang mit dem Investiturstreit begründet ist, liegt es nahe, dabei zunächst die Rolle des Papsttums bei Pseudoisidor in den Blick zu nehmen. Dies gilt umso mehr, da eine ausführliche, systematische Analyse von Bedeutung und Funktion des apostolischen Stuhls 15 in den pseudoisidorischen Falsifikaten bislang noch aussteht 16. Die vorliegende Arbeit wird eine solche Untersuchung leisten. Dabei steht die Frage im Vordergrund, ob die These vom Papst als Mittel zum Zweck bei Pseudo­ isidor einer kritischen Textanalyse standhalten kann. Es wird nach dem Ursprung der pseudoisidorischen Vorstellungen zum päpstlichen Primat gefragt werden, ebenso wie 11 Vgl. Zechiel-Eckes: Spur; ders.: Arbeitshandschriften; ders.: Blick; ders.: Fälschung. 12 Zu den kritischen Stimmen siehe S. 80 – 83. 13 Vgl. Fried: Schatten, S. 103 – 106. 14 Z. B. Jong: State; Patzold: Episcopus. 15 In der Terminologie dieser Arbeit wird für die Zeit bis Gregor I. (590 – 604) auf die Bezeichnung „Papst“ für die römischen Bischöfe verzichtet, auch wenn diese bereits im 4. Jahrhundert für den Bischof von Rom verwendet wurde. Alternativ und zeitübergreifend wird vom „apostolischen Stuhl“ die Rede sein. Vgl. auch Plöchl: Geschichte, S. 123 f., für die verschiedenen Titel der römischen Bischöfe. 16 Einen Versuch in dieser Art stellt die solide Arbeit von Gotthold Hartmann: Primat, zum päpstlichen Primat bei Pseudoisidor dar. Abgesehen davon, dass diese aus den 1930er Jahren stammende Untersuchung aufgrund der neueren Forschungen einer dringenden Aktualisierung bedurfte, ist zu sagen, dass sie sich ausschließlich auf die falschen D ­ ekretalen konzentriert und alle anderen Fälschungsteile ausklammert, was zu einem verkürzten Blick auf die Fälschungen führt. Des Weiteren ist die Arbeit von der Prämisse des Papstes als Mittel zum Zweck geprägt, anstatt das Material unvoreingenommen zu analysieren, und legt den Schwerpunkt auf die von Döllinger angestoßene Diskussion zwischen Papalismus und Episko­palismus, die in der gegenwärtigen Forschung aus guten Gründen vernachlässigt wird. Auch die Studie von Agostino Marchetto: Episcopato, von 1971 beschränkt sich in ihrer Untersuchung des pseudoisidorischen Kirchensystems auf die falschen Dekretalen.

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Einleitung

nach den inneren Zusammenhängen zwischen den einzelnen Fälschungsteilen und ihren Vorlagen. Das Ziel ist es, durch die exemplarische Diskussion eines zentralen Bausteins des pseudoisidorischen Œuvres einerseits einen Einblick in die (kirchen-) politische Motivation der Fälscher und Hinweise auf die Entstehungsgeschichte der Fälschungen zu gewinnen. Andererseits wird die pseudoisidorische Sicht auf das Papsttum auf dem Hintergrund der theologisch-politischen Diskussion um den päpstlichen Primat im Frankenreich interpretiert, deren grundsätzlicher Wandel in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts durch die Fälschungen bezeugt wird. Wie alle mediävistischen Untersuchungen ist auch die vorliegende zu einem kri­ tischen Blick auf die wissenschaftlichen Grundlagen ihres Materials gezwungen, bevor eine Analyse des eigentlichen Gegenstandes erfolgen kann. Die Über­lieferung der pseudoisidorischen Fälschungen ist sehr komplex und wird durch die derzeit existierenden Editionen und Textausgaben nicht ausreichend abgebildet 17. Ein Rückgriff auf die handschriftliche Tradition kann zu einer Verbesserung des Textes nur bedingt beitragen, da es der Forschung bislang nicht gelungen ist, die verschiedenen Handschriftenklassen in eine eindeutige chronologische Ordnung zu bringen. Noch schlimmer steht es um die Beziehungen zwischen den Fälschungsteilen unter­einander. Diese sind zwar eindeutig miteinander verwoben, die jeweiligen textlichen Abhängigkeiten haben jedoch nicht zu aussagekräftigen Erkenntnissen bezüglich der inneren Chrono­ logie des Fälschungskomplexes geführt 18. Die Analyse der einzelnen Fälschungen wird die jeweiligen Bedingungen der Textgrundlage entsprechend berücksichtigen. Durch einen Abgleich der Produkte der pseudoisidorischen Fälscherwerkstatt mit ihren Vorlagen wird zudem ermöglicht, die genaue Art der jeweiligen Verfälschung des Ausgangsmaterials nachzuvollziehen. Das Ziel ist es dabei nicht in erster Linie, die Arbeitsweise der Fälscher offenzulegen, sondern vor allem die Tragweite der Veränderungen zu diskutieren 19. Fügten die Fälscher ihr Material mehr oder weniger originalgetreu in einen ähnlichen Kontext ein oder veränderten sie ihre Vorlagen wesentlich, um Macht und Kompetenz des römischen Bischofs zu erweitern? Werden 17 Eine den Maßgaben moderner Editionsprinzipien genügende Edition liegt lediglich für die Capitula Angilramni vor, vgl. CA, ed. Schon. Im 19. Jahrhundert entstand die E ­ dition der ­falschen Dekretalen von Paul Hinschius (Decretales), zu ihren Defiziten siehe S. 64 f. Die gedruckte Ausgabe der Kapitularien des Benedictus Levita durch Etienne Baluze (Mansi 17b) ist der jüngeren Version von Pertz (MGH LL 2.2, S. 17 – 158) textlich vorzuziehen, siehe S. 73 (mit Anm. 225). Die Edition der Chalkedon-Exzerpte durch Jean-­Baptiste Pitra stammt aus dem mittleren 19. Jahrhundert und bildet die frühe Hand­schriftentradition des Textes nicht ausreichend ab, siehe S. 77 f 18 Siehe S. 78 – 83, 168, 176 – 180, 202 – 212 und 216 – 220. 19 Schmitz: Echtes, S. 154 f., plädiert für eine differenzierte Analyse der Abweichungen ­zwischen Vorlage und Fälschung in der Sammlung des Benedictus Levita und weist auf die damit verbundenen zahlreichen methodischen Probleme hin.

Einleitung

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die Bischöfe, wie von der älteren Forschung behauptet, wirklich immer mit bedacht, wenn Pseudoisidor dem Papst etwas „schenkt“20? Da keine eindeutige Entstehungsreihenfolge der Falsifikate nachgewiesen ist, kann der Aufbau der Untersuchung nur nach inhaltlichen Kriterien erfolgen. Die falschen Dekretalen stehen deswegen am Anfang der Analyse (Kapitel 2): Sie nahmen den größten Einfluss auf die Stärkung des apostolischen Stuhls im 11. Jahrhundert. Es folgt, entsprechend ihrer rezeptionsgeschichtlichen Bedeutung, die vergleichende Untersuchung der Capitula Angilramni (Kapitel 3) und der Kapitulariensammlung des Benedictus Levita (Kapitel 4). Nachgeordnet werden die Diskussion zu den ­Chalkedon-Exzerpten (Kapitel 5) sowie eine ausführliche Analyse einer falschen Dekretale Gregors IV. (Kapitel 6). Das Schreiben steht in engem Zusammenhang mit den Fälschungen und muss diesen wahrscheinlich zugerechnet werden. Der Brief und die genannte Exzerptsammlung sind aber eher als Anhängsel im pseudoisidorischen Fälschungskomplex zu betrachten, nicht als zur selbstständigen Verbreitung gedachte Endprodukte, was sich auch in ihrer geringen Rezeption widerspiegelt. Entsprechend steht ihre Untersuchung am Ende der vorliegenden Arbeit. Zwei wesentliche Herausforderungen der Analyse sind des Weiteren die schiere Masse an Material, das zu analysieren ist, und die innere Verflechtung der ­Fälschungen. Um einen besseren Zugriff auf die über 100 falschen Papstbriefe, die knapp 70 Rechtssätze der Capitula Angilramni und die über 1700 Kapitel des Benedictus Levita zu gewährleisten, beinhaltet die Untersuchung für jede dieser Fälschungen eine ­tabellarische Übersicht über das ausgewertete Material, die sowohl auf Vorlagen als auch auf die parallele Überlieferung in den anderen Fälschungen hinweist. Die Forschung differenzierte bislang nicht zwischen wörtlichen und inhaltlichen Parallelen oder s­ olchen, bei denen zwar die gleiche Vorlage benutzt wurde, die ­gefälschten Rechtssätze jedoch inhaltliche Unterschiede aufweisen. Nur ein Vergleich, der sowohl den Text als auch die Vorlage berücksichtigt, kann aber die genaue Art der jewei­ligen inneren Verflechtungen zwischen den Falsifikaten bestimmen. Somit wird durch die systematisch zusammengestellten Materialien die wissenschaftliche Transparenz dieser Analyse erhöht und gleichzeitig ein wichtiges Arbeitsmittel für weitere Forschungen geschaffen.

20 Wasserschleben: Beiträge, S. 40 f.: „Pseudoisidor schenkt den Päpsten nichts, ohne den Episkopat zu bedenken.“ Auf die Notwendigkeit zur Relativierung dieser Aussage verwies auch Schon: Pseudoisidor, http://www.pseudoisidor.mgh.de/html/Pseudoisidor%20 und%20die%20Opposition%20gegen%20Ludwig%20den%20Frommen.html (30.10.13): „[…] der Schutz der Bischöfe ist ohne Zweifel eine wichtige Funktion des Papsttums bei Pseudo­isidor. Dennoch ist es nicht seine einzige Funktion, und vielleicht hat W ­ asserschleben auch ein wenig übertrieben.“

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Einleitung

Der eigentlichen Untersuchung der Fälschungen wird eine Zusammenfassung der Grundlagen des römischen Primats im Frankenreich vorangestellt, um die histo­rischen Voraussetzungen und Hintergründe der Falsifikate und des enthaltenen Diskurses zum apostolischen Stuhl verständlich zu machen (Kapitel 1, Teil 1). Ins­besondere das Verhältnis zwischen Kaiser, Klerus und Papst während der Herrschaft Ludwigs des Frommen, vor allem während der zentralen Krise der Jahre 830 – 835, ist vor dem Hintergrund der Thesen von Zechiel-Eckes zu hinterfragen. Es mangelt der Forschung in Bezug auf diese Periode oft an der notwendigen Differenzierung der individuellen Haltungen gegenüber dem Papst, die zugunsten verallgemeinernder Parteinahmen der Beteiligten im Konflikt zwischen dem Kaiser und seinen älteren Söhnen vernachlässigt wird. Dies zeigt sich vor allem an der irreführenden Bezeichnung „Reichseinheits­ partei“, unter der die Gegner Ludwigs in den 830er Jahren immer wieder zusammengefasst werden 21. Doch nur durch eine eng an den ver­fügbaren Quellen ausgerichtete Analyse der unterschiedlichen Sichtweisen kann die pseudoisidorische Position gegenüber dem apostolischen Stuhl richtig eingeordnet werden. Im Abschluss der Untersuchung verdeutlicht ein knapper Ausblick auf die 840er bis 860er Jahre, dass die Fälschungen am Beginn eines Wandels im Diskurs um den päpstlichen Primat im Frankenreich des 9. Jahrhunderts stehen (Kapitel 7). Um eine eindeutige Differenzierung der verschiedenen Forschungskonzepte zu ermöglichen, wird in der Terminologie der Untersuchung immer zwischen Lehrprimat, also dem Vorrang des römischen Bischofs beziehungsweise der römischen Tradition in Fragen der Theologie und des christlichen Ritus, und Jurisdiktionsprimat, welcher die örtliche wie sachliche Zuständigkeit Roms für kirchliche Gerichtsverfahren und rechtliche Fragen beinhaltet, unterschieden. Während die weltlichen und geistlichen Oberhäupter im Frankenreich des beginnenden 9. Jahrhunderts durchaus mit dem Konzept des Lehrprimats vertraut waren, gab es so gut wie keine Forderungen nach einem römischen Jurisdiktionsprimat 22. In Bezug auf die (theoretischen und tatsächlichen) jurisdiktionellen Rechte des apostolischen Stuhls muss außerdem differenziert werden, ob es sich ausschließlich um prozess- und verfahrensrechtliche oder auch um materielle Entscheidungskompetenzen handelt. Ist der Papst im ­ersten Fall in seinen jurisdiktionellen Befugnissen auf die Überwachung des korrekten Verfahrens

21 Diesen Begriff macht sich nach wie vor die Forschung für die Aufstände von 830 und 833 zu eigen, obgleich schon Schieffer: Krise, S. 12 f., für 833 auf die individuellen und eher persönlich statt am Gemeinwohl orientierten Interessen hingewiesen hat. Patzold: Palast­ revolution, S. 44 f., zeigte darüber hinaus, dass auch für die erste Absetzung Ludwigs 830 von einer „Reichseinheitspartei“ keine Rede sein kann. Für die unkritische Verwendung des Begriffes in der jüngeren Pseudoisidor-Forschung vgl. z. B. Zechiel-Eckes: Spur, S. 17. 22 Siehe S. 33 – 60.

Einleitung

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beschränkt, steht ihm im zweiten Falle die richterliche Beurteilung der tatsächlichen Streitfrage zu. Der Analyse der historischen Hintergründe der Fälschungen zu Beginn der Arbeit folgt eine Auseinandersetzung mit den einzelnen Fälschungsteilen und den Forschungs­ positionen bezüglich ihrer Entstehung (Kapitel 1, Teil 2). Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf der Person Radberts von Corbie. Seine Person und sein Werk werden vor dem Hintergrund der Thesen zur Entstehung der falschen Dekretalen von Zechiel-Eckes betrachtet. Im Sinne der in der vorliegenden Arbeit zu unter­ suchenden Fragestellung ist dabei insbesondere Radberts Haltung zum Papsttum von entscheidender Relevanz. Jeder Fälschung liegt ein bestimmter Zweck zugrunde 23. Der Versuch, Fälschungsabsichten aus einer Fälschung herauszulösen, ist ein komplexer Prozess, der auch bei der sensibelsten Analyse nicht immer zum Erfolg führt. Die Forschungsgeschichte der pseudoisidorischen Dekretalen und vor allem auch der Kapitularien des B ­ enedictus Levita sind hierfür die besten Beispiele. Die vorliegende Arbeit ist sich daher des eingegangenen Wagnisses bewusst. Um Missverständnisse zu vermeiden, wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es nicht das Ziel dieser Arbeit ist, die in der Forschung stets herausgestrichene Bedeutung des Episkopats in den Fälschungen zu bestreiten 24. Die systematische Untersuchung der episkopalen Gewalt in den falschen Dekretalen und Kapitularien ist kein Bestandteil dieser Analyse, die bischöfliche Kompetenzen nur dort berührt, wo der apostolische Stuhl betroffen ist. Die Arbeit wird vielmehr zeigen, dass es den Fälschern sehr gut möglich war, das eine zu tun und einen recht­ lichen Schutzwall um den Episkopat zu errichten, ohne das andere zu lassen, nämlich die Macht des römischen Bischofs um seiner selbst willen massiv zu erhöhen.

23 Schmitz: Waffe, S. 92: „[…] das Phänomen der absichtslosen Fälschung müßte wohl noch erfunden werden.“ 24 Vgl. z. B. Seckel: Pseudoisidor, S. 280, Z. 1-S. 281, Z. 48; Fuhrmann: Einfluß, Bd. 1, S. 145 f.; oder Zechiel-Eckes: Spur, S. 14 – 26, in Bezug auf die politischen Hintergründe der ­Fälschungen.

1.  Der römische Primat im Frühmittelalter und die Fälschungen Pseudo­isidors 1.1  Das Papsttum in der politischen Theologie des Frankenreichs 1.1.1  Spätantike Grundlagen der Primatslehre In der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts war der Primat des römischen Bischofs keine neue Idee, sondern eine längst wirksam gewordene Tatsache. Die Entwicklung der Primatslehre ist im Wesentlichen den Zeugnissen einzelner Päpste und den Kanones einiger spätantiker Konzilien zu entnehmen. Dabei ist die Grundlage aller römischen Ansprüche eine Passage im Matthäus-Evangelium, in welchem Jesus seinem Jünger Petrus die Binde- und Lösegewalt überträgt: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen, und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen. Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein 1.

Ausgehend von der Interpretation dieser Bibelstelle und der Tatsache, dass Petrus von der frühen Kirche als erster Bischof von Rom verehrt wurde, entstand zwischen dem 3. und 5. Jahrhundert in mehreren Entwicklungsschritten die Idee des römischen Primats 2. Bischof Cyprian von Karthago (248/49 – 258) sprach in seiner Schrift De ecclesiae unitate erstmals von der Kirche und dem Primat des Petrus (cathedra Petri/primatus Petri). Auch wenn dem Bischof Gedanken bezüglich einer römischen Vorherrschaft über die Kirche fernlagen, so waren seine Ausführungen doch entscheidend für die Entwicklung der Primatsidee, da sie das Versprechen Jesu, die Übertragung der



1 Mt. 16, 18 – 19. 2 Eine Skizze dazu bietet Angenendt: Princeps, S. 14 – 18. Nach wie vor grundlegend in ­Fragen der Primatsgeschichte von den Anfängen der Kirche bis ins Jahr 750 ist die zweibändige Darstellung von Caspar: Geschichte. Für die Frühzeit der Kirche bis zu Leo I. (440 – 461) insbesondere zu beachten ist auch Wojtowytsch: Papsttum. Einen knappen Abriss bietet außerdem Schatz: Primat.

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Der römische Primat im Frühmittelalter und die Fälschungen Pseudo­isidors

Binde- und Lösegewalt an Petrus, in Beziehung zu Rom setzten.3 Erich Caspar sah durch Cyprian den Gedanken ausgelöst, dass „der römische Bischof, als der Nachfolger des Petrus auf der Kathedra, Erbe jener Herrenverheißung sei“4. Entsprechende Vorstellungen verbreiteten sich jedoch nur sehr langsam. Das erste ökumenische Konzil von Nicäa (325), das maßgeblich für die Formierung der spät­antiken Kirche war, sprach Rom keine besonderen Rechte zu. Auch die Legaten des damaligen Bischofs von Rom, Sylvester I. (314 – 335), konnten keinen entscheidenden Einfluss auf die Versammlung ausüben. Das Konzil wurde von Kaiser K ­ onstantin I. (306 – 337) einberufen und von diesem in seinen wesentlichen Entscheidungen zu Glaubens­formel und Ostertermin maßgeblich beeinflusst 5. Julius I. (337 – 352) erlaubte sich kurze Zeit später, in einen Streit der Ostkirche mit einigen von ihr ausge­schlossenen Geistlichen einzugreifen, indem er die zu ihm nach Rom geflohenen Bischöfe im Rahmen einer Synode wieder in die Kirchen­gemeinschaft aufnahm 6. Als Begründung für sein Vorgehen führte Julius jedoch nicht einen gene­ rellen Vorrang seines Amtes, sondern das Unrecht an, das den Bischöfen aus dem Osten zuteil geworden sei. Obgleich Julius’ Vorgehen und seine Äußerungen in dieser An­gelegenheit nachträglich anders gedeutet wurden, kann von einer Beanspruchung einer generellen Leitungsfunktion Roms über die gesamte Kirche noch keine Rede sein 7. Einen ersten Hinweis darauf, dass die römische Kirche und der ihr vorstehende Bischof jedoch zumindest eine moralisch privilegierte Position innerhalb der K ­ irche einnahmen, bieten die Kanones der Synode von Sardika (343), die bald darauf abgehalten wurde. Im dritten, vierten und siebten Kanon dieses Konzils wird dem Papst das Recht eingeräumt, als Kontrollinstanz bei Verfahren gegen Bischöfe zu ­fun­gieren. Für den Fall, dass die angeklagten oder abgesetzten Geistlichen sich ungerecht b­ ehandelt fühlten, wird ihnen durch diese Kanones ermöglicht nach Rom zu appellieren, wo der römische Bischof darüber zu befinden hat, ob die zuständige Synode das Ver­fahren neu aufrollen muss 8. Auch wenn dies eine nicht unbedeutende Privilegierung des römischen Bischofs darstellte, so hat die Synode von Sardika dennoch keine plötzliche

3 Dies gilt unabhängig davon, ob man wie Zwierlein: Petrus, die Präsenz des Petrus in Rom für eine im 2. Jahrhundert konstruierte Legende hält oder nicht. Vgl. kritisch zu Zwierleins Thesen z. B. die Rezension von Schmitt: Petrus. 4 Caspar: Geschichte, Bd. 1, S. 79. Vgl. zur Bedeutung Cyprians für die Entwicklung der Primatslehre ebd., S. 72 – 83. Vgl. Wojtowytsch: Papsttum, S. 39 – 57, zu Cyprians Vorstellung der Gleichrangigkeit der Kirchen und der Position des römischen Bischofs. Vgl. grundlegend auch Koch: Cathedra, insbes. S. 179: „Die Kirche des  III. Jh. s. kennt eben nur ein […] Bischofsamt, ein ‚Papsttum‘ kennt sie nicht.“ 5 Vgl. Wojtowytsch: Papsttum, S. 82 – 89; Schwaiger: Primat, S. 24 – 27. 6 Julius I., JK 186, Migne PL 8, Sp. 879 – 907. 7 Wojtowytsch: Papsttum, S. 89 – 105; Schatz: Primat, S. 37 – 39. 8 Vgl. Hess: Canons, insbes. S. 109 – 127; siehe S. 131 – 134.

Das Papsttum in der politischen Theologie des Frankenreichs

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Steigerung der römischen Autorität in der Kirche ausgelöst. Dies liegt unter anderem darin begründet, dass auf der Synode keine einzige gemeinsame S­ itzung westlicher und östlicher Bischöfe stattgefunden hatte. Die Kanones sind daher lediglich Ausdruck der Vorstellungen der lateinischen Westkirche. Der eigentliche Wert der Synode scheint darin bestanden zu haben, dass ihre Kanones in zahlreiche Kirchenrechtssammlungen einflossen und von dort aus in die mittelalterliche kirchen­rechtliche Praxis hineinwirken konnten 9. Entscheidenden Anteil an der Entwicklung der Primatslehre hatten einzelne spätantike Päpste, die in ihren Dekretalen den Anspruch formulierten, als Oberhaupt der Kirche zu fungieren 10. Dekretalen waren dabei weit mehr als einfache Briefe. Sie waren von der gesamten Kirche zur Kenntnis zu nehmen und aufzubewahren, ihr Inhalt galt als rechtsverbindlich 11. Die Forschung subsumiert alle päpstlichen S­ chreiben (spätestens) ab dem 9. Jahrhundert unter dem Begriff ‚Dekretale’12. Die Definition der literarischen Gattung der Dekretale ist in der Forschung nicht unumstritten. Im engsten Sinne ist eine Dekretale (litterae decretalis oder epistolae decretalis) eine päpstliche Antwort (responsa) auf eine konkrete Anfrage eines Bischofs (relatio)13. Dekretalen unterscheiden sich sprachlich und formal von einfachen Briefen und wurden als literarische Form erst im späten 4. Jahr­hundert kultiviert. Für die ersten Jahrhunderte spricht man in Bezug auf die wenigen erhaltenen Schreiben römischer Bischöfe von christlichen Privatbriefen, die durch einen zurückhaltenden Charakter geprägt sind 14. Die erste echte Dekretale wird auf Siricius I. (384 – 399) zurück­geführt 15. Sie gilt als Revolution im Kirchenrecht: „Die Dekretale nahm Stilelemente der Synodalentschei

9 Zur Bedeutung von Sardika ausführlich Wojtowytsch: Papsttum, S. 105 – 116. Deutlich knapper das Urteil von Schwaiger: Primat, S. 27, und Schatz: Primat, S. 39 – 41. Vgl. Maassen: Geschichte, S. 57 f.; Brennecke: Rom, S. 19 – 22 und 39 – 45, bezüglich der irrtümlichen Zuschreibung der Kanones zu den nicänischen Beschlüssen. Vgl. auch ausführlich Sieben: Petri, zu ihrer Rezeption und Mordek: Primat, S. 540 – 542, zu den römischen Versuchen, die Primatslehre mit Hilfe von Kanonessammlungen zu befördern. 10 Vgl. ebd., S. 544 – 550, zu den frühesten Dekretalen und Dekretalensammlungen. 11 Vgl. Hack: Codex, S. 31. 12 Jasper/Fuhrmann: Letters, S. 20 (Anm. 74). 13 Vgl. Van Hove: Papal Decretals, http://www.newadvent.org/cathen/04.670b.htm (30.10.13). Getzeny: Stil, S. 47, 51 – 54, spricht für die amtlichen Schreiben Innozenz’ I. von „­Responsum“, welche er stilistisch von den Dekretalen abgegrenzt wissen will. 14 Vgl. ebd., S. 3 – 24. Diese privaten Schreiben werden nicht durch die Dekretalen ersetzt, vielmehr treten diese als amtliche Schriftstücke der Päpste neben die Privatbriefe, vgl. ebd., S. 47. 15 Siricius an Himericus von Tarragona, JK 255, ed. Zechiel-Eckes (MGH Studien und Texte 55). Vgl. zu den besonderen Merkmalen der Dekretale ebd., S. 3 – 5, und zuletzt ausführlich Hornung: Directa; sowie Getzeny: Stil, S. 27 – 38; Caspar: Geschichte, Bd. 1, S. 261 – 266; Jasper/Fuhrmann: Letters, S. 11 – 22; Hack: Codex, S. 30 f. Vgl. auch

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Der römische Primat im Frühmittelalter und die Fälschungen Pseudo­isidors

dungen, aber auch solche der juristischen Sprache staatlicher Gesetze auf und führte sich selbst als eine der älteren synodalen ebenbürtige kirchliche Rechtsquelle ein“16. Das Schreiben wirkte stilbildend für Siricius’ Nachfolger. Dekretalen unterscheiden sich von normalen Briefen durch eine autoritär ­gehaltene Sprache, die mit juristischen Begriffen durchsetzt ist. Stilistisch scheinen sich die römischen Bischöfe dabei an den Schreiben der römischen Kaiser und ihrer Beamten zu orientieren, deren zentrale Bestandteile sich auch in den Dekretalen wieder­finden 17. Insbesondere in der Arenga platzierten die Päpste des späten 4. und 5. ­Jahrhunderts Aussagen zur eigenen Autorität und bekräftigten ihre primatialen ­Ansprüche zur Leitung der Kirche 18. Diese kamen auch in der Forderung der Päpste zum Ausdruck, den Inhalt der Dekretalen zu verbreiten und der ganzen Kirche bekannt zu machen. Ursprünglich wurden in Dekretalen vor allem Fragen der kirchlichen Dis­ziplin ­behandelt. Im Laufe der Zeit wurde das inhaltliche Spektrum jedoch ausgeweitet und den Erfordernissen der Zeit an­­gepasst. Die wichtigste Quelle für die Dekretalen war dabei die Bibel. Des Weiteren griffen die Päpste neben den Kanones im Laufe der Zeit auch auf ältere Dekretalen ihrer Vorgänger zurück 19. Eine Ausdifferenzierung des Primatbegriffs durch die Dekretalengesetzgebung erfolgte in der zweiten Hälfte des 4. und während des gesamten 5. Jahrhunderts 20. Unter Damasus I. (366 – 384) wurde die Formulierung des Primats erstmals auf die römische Kirche angewendet, woraus zwar keine konkreten Rechte für den Papst ­resultierten, jedoch zumindest eine größere Autorität Roms abgeleitet wurde 21. ­Damasus’ Nachfolger Siricius füllte diese Vorstellung von der größeren Autorität Roms mit Leben. In den überlieferten Schreiben an verschiedene Diözesen weist er diese in herrschaftlich-autoritärem Ton an, die römischen Beschlüsse und Urteile zu achten und sich bei Unklarheiten in Fragen der Lehre und der religiösen Praxis an den römischen Bischof zu wenden. Aus diesen Schreiben spricht das Selbstverständnis des Papstes, für die Aufdeckung und Bekämpfung möglicher Missstände in der Kirche verantwortlich zu sein 22. Reutter: Damasus, S. 205 – 245, zur Diskussion darüber, ob die erste Dekretale nicht besser Siricius’ Vorgänger Damasus I. (366 – 384) zugeschrieben werden sollte. 16 Caspar: Geschichte, Bd. 1, S. 262. Zum Verhältnis zwischen Synodalgesetzgebung und Dekretalen zwischen dem 4. und 6. Jahrhundert vgl. Jasper/Fuhrmann: Letters, S. 16 – 19. 17 Vgl. Getzeny: Stil, S. 55 – 62; Jasper/Fuhrmann: Letters, S. 13 f. Dies erschwert zuweilen die Unterscheidung zwischen Papstbrief und Urkunde, vgl. die entsprechende Diskussion der diplomatischen Forschung zusammengefasst bei Hack: Codex, S. 32 – 38. 18 Vgl. Jasper/Fuhrmann: Letters, S. 14 – 16. 19 Vgl. ebd., S. 19 – 22. 20 Vgl. Schatz: Primat, S. 44 – 55. 21 Wojtowytsch: Papsttum, S. 138 – 141. 22 Vgl. ebd., S. 141 – 145.

Das Papsttum in der politischen Theologie des Frankenreichs

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Konsequenter noch als von Siricius wurden diese Primatsvorstellungen von ­Innozenz I. (401/02 – 417)23 vertreten. Sein Pontifikat „bildete eine neue Stufe in der Ausbildung der Herrschaft der römischen Kirche sowohl in der Theorie als auch in der Praxis“24. I­ nnozenz’ Vorstellungen des Primats gingen über diejenigen seiner Vorgänger hinaus, denn im Gegensatz zu diesen beanspruchte er für sich Entscheidungskompetenz in kirchlichen Sachfragen. Eine Redewendung aus der Korres­pondenz des Siricius aufgreifend, erklärte Innozenz gegenüber dem Bischof Felix von Nucera, der Papst sei das Haupt (caput) des Episkopats, und der Bischof verhalte sich korrekt, wenn er sich bei Unsicherheiten an den apostolischen Stuhl wende, damit dieser eine sachgerechte Entscheidung treffe 25. Auch im Hinblick auf die Beziehung Roms zu den anderen Kirchen des Reiches hatte Innozenz klare Vorstellungen. In einer weiteren Dekretale ließ der Papst den Bischof Decentius von Gubbio wissen, dass die Kirchen in Italien, Gallien, Spanien, Afrika und Sizilien in Abhängigkeit von Petrus entstanden seien. Folglich schuldeten diese der römischen Kirche, der Petrus seine Autorität übertragen habe, Gehorsam 26. In einem weiteren Brief bestimmte Innozenz schließlich gegenüber dem Bischof Victricius von Rouen zum Vorgehen in innerkirchlichen Anklageverfahren: Wenn aber zwischen den Klerikern sowohl höheren als auch niedrigeren Weihegrades Streitsachen oder Zwistigkeiten entstehen, soll der Zwist gemäß dem Konzil von Nicäa nach Versammlung der Bischöfe derselben Provinz beendet werden. Und es soll keinem erlaubt sein (allerdings ohne die Präjudiz der römischen Kirche, der in allen Dingen Achtung zu bezeigen ist), die Bischöfe, die in derselben Provinz auf göttlichen Wink die Kirchen des Herrn lenken, zu verlassen und zu anderen Provinzen zu eilen. Wenn einer dies trotzdem wagt, soll er von allen als vom Amt des Klerus entfernt betrachtet und als seiner Vergehen schuldig verurteilt werden. Wenn aber bedeutendere Sachen vor die Versammlung gebracht wurden, dann sollen sie – wie es die Synode beschloss und der heilige Brauch fordert – nach dem bischöflichen Urteil an den apostolischen Stuhl mitgeteilt werden 27. 23 Eine Monografie zu Innozenz  I. ist ein Desiderat. Die Ausführungen von Caspar: Geschichte, Bd. 1, S. 296 – 343, dürfen weiterhin als maßgeblich gelten. Ergänzend dazu vgl. W ­ ojtowytsch: Papsttum, S. 205 – 235. 24 Ebd., S. 205. 25 Innozenz I., JK 314, Kap. 1, Migne PL 20, Sp. 603A-B. Vgl. Wojtowytsch: Papsttum, S. 206. 26 Innozenz I., JK 311, Kap. 2, ed. Cabié, S. 18, Z. 12 – 18, S. 20, Z. 19 – 37. Vgl. zum Inhalt ­Caspar: Geschichte, Bd. 1, S. 301 – 303; Wojtowytsch: Papsttum, S. 206 f. 27 Innozenz I., JK 286, Kap. 3, Migne PL 20, Sp. 472A-473A: Si quae autem causae vel contentiones inter clericos tam superioris ordinis, quam etiam inferioris, fuerint exortae, ut, secundum synodum Nicaenam, congregatis ejusdem provinciae episcopis jurgium terminetur, nec alicui liceat (sine praejudicio tamen Romanae Ecclesiae, cui in omnibus causis debet reverentia custodiri), relictis his sacerdotibus qui in eadem provincia Dei Ecclesiam nutu divino gubernant, ad

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Der römische Primat im Frühmittelalter und die Fälschungen Pseudo­isidors

Der Papst wollte dieses Kapitel als Lehrschrift (didascalium) in Gallien verbreitet wissen. Innozenz unterscheidet deutlich die Aufgaben der einzelnen kirchlichen Institutionen. Die Synode ist zuständig für die Klärung einzelner Vorwürfe und die Verfahrensdurchführung. Der römische Bischof soll über Verlauf und Ausgang von Streitigkeiten und Verhandlungen in wichtigen Angelegenheiten (causae maiores) unterrichtet werden. Er erhält kein generelles Prüfungs- oder gar Entscheidungsrecht zugesprochen. Allerdings lässt Innozenz den Einfluss des apostolischen Stuhls auf jedwedes innerkirchliche Verfahren offen, wenn er auf das Recht des Papstes zu einem sachlichen Vorentscheid (praejudicio) verweist 28. Eine generelle Vormacht des Papstes über Bischöfe und Synoden ist damit nicht verbunden, wohl aber der Anspruch, der weiterhin im Werden begriffenen Kirche die rechte Richtung zu weisen. Die römischen Anweisungen scheinen dabei in der Praxis keineswegs immer durchgesetzt worden zu sein. Doch die Päpste des 5. Jahrhunderts waren nicht bereit, das schweigend hinzunehmen. Zosimus I. (417 – 418) erklärte in einem Brief an die afrikanischen Bischöfe, dass ein einmal vom römischen Bischof gesprochenes Urteil aufgrund dessen apostolischer Autorität nicht nachverhandelt werden dürfe 29. Ähn­ liche Aussagen finden sich auch bei Bonifaz I. (419 – 422)30. Als prägend für die theo­ retische Manifestierung der Primatslehre gelten jedoch vor allem zwei spätere Nach­ folger Innozenz’ I.: Leo der Große (440 – 461)31 und Gelasius I. (492 – 496)32. Leo hob den päpstlichen Primat sowohl theoretisch als auch praktisch auf eine neue Stufe. Er konzentrierte sich dabei vor allem auf die innerkirchliche Hierarchie. Gelasius ­äußerte sich hingegen erstmals zum Verhältnis zwischen geistlicher und weltlicher Macht.

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alias convolare provincias. Quod si quis forte praesumpserit, et ab officio clericatus submotus, et injuriarum reus ab omnibus judicetur. Si majores causae in medium fuerint devolutae, ad sedem apostolicam, sicut synodus statuit, et beata consuetudo exigit, post judicium episcopale referantur. Übers. zitiert nach Wojtowytsch: Papsttum, S. 207 f. Vgl. zum Inhalt C ­ aspar: Geschichte, Bd. 1, S. 306 – 308; ders.: Probleme, S. 238 – 240. Vgl. ebd., insbes. S. 239 (mit Anm. 1), zum Begriff der causae maiores. Zosimus I., Ep. 12, JK 342, Migne PL 20, Sp. 676A-B: Quamvis Patrum traditio apostolicae sedi auctoritatem tantam tribuerit, ut de ejus judicio disceptare nullus auderet idque per canones semper regulasque servaverit […] tamen cum nobis tantum esset auctoritatis, ut ­nullus de nostra possit retractare sententia, […]. Vgl. Caspar: Geschichte, Bd. 1, S. 344 – 360, ausführlich zum Pontifikat des Zosimus. Vgl. auch Koeniger: Sedes, zur Entstehung des Grundsatzes der späteren päpstlichen Unjustizierbarkeit (mit Bezug auf Zosimus ebd., S. 298). Z. B. Bonifaz I., Ep. 14, JK 364, Migne PL 20, Sp. 775B-776A. Vgl. Caspar: Geschichte, Bd. 1, S. 361 – 388 (insbes. S. 376 – 379); Koeniger: Sedes, S. 298. Auch zu Leo dem Großen liegt keine Monografie vor. Weiterhin maßgeblich ist auch hier Caspar: Geschichte, Bd. 1, S. 423 – 564. Ungedruckt, aber mit ausführlicher Analyse des Beitrags Leos des Großen zur Primatsentwicklung ist die Dissertation von ­Klinkenberg: Papst. Ullmann: Gelasius, bietet eine grundlegende Würdigung dieses Papstes.

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Leo I. verband in seinen Predigten und Dekretalen die zentralen Passagen des Matthäus-Evangeliums mit dem römischen Erbrecht zur sogenannten „Erben­theorie“ als rechtlicher Legitimation des römischen Primats 33. Ein zentrales Element seiner Überlegungen war Petrus, dem er den Großteil seiner Predigten widmete. Jesus habe Petrus als gleichgestellt betrachtet, indem er ihn als Fundament der Kirche ­bezeichnet und ihm einen Anteil an der göttlichen Macht zugesprochen habe 34. Auch die Glaubens­prüfung des Petrus durch Jesus war für Leo ein Zeichen dafür, dass der ­Apostel zur Leitung der Kirche berufen sein sollte 35. Diese von Gott verliehene Macht lebt nach Leos Worten in den Nachfolgern des Petrus im Amt des römischen Bischofs als dessen Erben (haeres) fort 36. Die Erbentheorie überträgt also die Petrus durch Christus verliehene Macht auf das Amt des römischen Bischofs, unabhängig davon, wer dieses Amt ausfüllt. Auch in seinen Dekretalen vertrat Leo I. den Anspruch, die Leitung der K ­ irche innezuhaben. Besonders deutlich wird dies in der Korrespondenz des Papstes mit dem Bischof Anastasius von Thessaloniki. Leo lässt keinen Zweifel an seinem Herrschaftsanspruch über die Kirche aufkommen. Er fordert den Bischof auf, ihn bezüglich aller kirchlichen Missstände zu konsultieren, damit von Rom aus ein weisender Beschluss erlassen werde 37. Seine Vorstellung einer streng hierarchisch organisierten Kirche mit dem Papst an der Spitze führte er auf die Apostel zurück, die wie die Bischöfe einander zwar in Würde, nicht aber im Rang gleich gewesen seien 38. Entsprechend leitet Leo ab, die Bischöfe seien „zwar zur Teilhabe an unserer Sorge, nicht aber zum Vollbesitze unserer Macht berufen“39. Der Episkopat stand folglich unter Beobachtung durch den römischen Bischof und unterlag seiner Kontrolle. Sollte Uneinigkeit zwischen den Bischöfen herrschen, so sollten diese sich zur Klärung an 33 Vgl. Maccarrone: Dottrina, S. 670 – 688. Über das Verhältnis von Recht und Theologie im Denken Leos I. herrschen unterschiedliche Ansichten. Klinkenberg: Papst, S. 33, war der Meinung, „[…] in Leo überdeckt der Jurist völlig den Theologen […].“ Ein ähn­liches Bild vermittelt auch der Aufsatz von Ullmann: Leo I., der ausführlich die von Leo benutzte Terminologie analysiert. Wojtowytsch: Papsttum, S. 305, hingegen ist diese Einschätzung „zu einseitig“. 34 Leo I., Sermo 4, Kap. 2, ed. Chavasse (CCL 138), S. 17, Z. 32-S. 19, Z. 76. 35 Leo I., Sermo 4, Kap. 3, ed. Chavasse (CCL 138), S. 19, Z. 77-S. 20, Z. 104. 36 Ebd. Vgl. auch Leo I., Sermo 3, Kap. 4, ed. Chavasse (CCL 138), S. 13, Z. 83-S. 15, Z. 117. 37 Leo I., Ep. 14, JK 411, Kap. 11, Migne PL 54, Sp. 669A-B und 671A-B. Vgl. zum gesamten Schreiben ausführlich Caspar: Geschichte, Bd. 1, S. 454 – 457. 38 Leo I., Ep. 14, JK 411, Kap. 11, Migne PL 54, Sp. 676A: Quibus cum dignitas sit communis, non est tamen ordo generalis […]. 39 Ebd., Sp. 671B: Vices enim nostras ita tuae credidimus charitati, ut in partem sis vocatus sollici­ tudinis, non in plenitudinem potestati. Vgl. Benson: Plenitudo potestatis, S. 198 – 200; Ubl: Mehrwert, S. 203. Siehe auch S. 182 – 186 und 202 – 208.

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den apostolischen Stuhl wenden, denn in diesem Amt fließe die „Sorge um die ganze Kirche“ zusammen 40. Leos offensiv vertretene Macht­ansprüche 41 wurden durch die Ereignisse w ­ ährend der Synode von Ephesus (449) auf die Probe gestellt. Seine Legaten hatten auf ­dieser Kirchenversammlung die theologischen Vorstellungen des Papstes bezüglich der Verurteilung der Lehren des Eutyches nicht gegen den alexandrinischen Patriarchen Dioskur durchsetzen k­ önnen, der eine Annahme der fraglichen Ansichten teils mit Waffengewalt erzwungen haben soll. Leos Protest über das Vorgehen und den Konzils­beschluss gegenüber Kaiser Theodosius  II. (408 – 450) verhallte ungehört. Theodosius Nachfolger Marcian (450 – 457) berief zwar im Jahr 451 das von Leo geforderte neue Konzil ein, jedoch fand es entgegen Leos Wünschen nicht auf römischem Boden, sondern im bithynischen Chalkedon statt. Leos Legaten konnten sich mit kaiserlicher Unterstützung diesmal durchsetzen, Eutyches Lehren wurden für nicht rechtgläubig befunden, der Mönch ebenso wie der Bischof Dioskur verurteilt. Leos größter Erfolg war aber viel nachhaltiger: Das Chalcedonense, die durch das Konzil etablierte christologische Formel, mit welcher die Trinität zum Dogma wurde, geht fast vollständig auf die Worte Leos des Großen zurück 42. Gelasius I. konnte während seines kurzen Pontifikats nicht den Einfluss Leos erreichen. Er ist jedoch für die weitere theoretische Grundlegung des päpstlichen Primats in Form der Zwei-Gewalten-Lehre bekannt. In einem Schreiben ließ ­Gelasius den Kaiser Anastasius wissen, dass die Welt einerseits durch die geheiligte Autorität der Bischöfe (auctoritas sacrata pontificum), andererseits durch die könig­liche Gewalt (regalis potestas) regiert werde. Die Autorität der Priester wiege insofern schwerer, als diese nicht nur für ihr eigenes Verhalten, sondern auch für das der weltlichen Machthaber vor Gott Rechenschaft ablegen müssten. Während in allen weltlichen Belangen den kaiserlichen Befehlen zu gehorchen sei, so Gelasius weiter, treffe dies gleichermaßen für den kirchlichen Bereich auf die priesterlichen und vor allem die päpstlichen Bestimmungen zu 43. Diese Ausführungen sind nur die Erklärung für 40 Leo I., Ep. 14, JK 411, Kap. 11, Migne PL 54, Sp. 676B: […] per quos ad unam Petri sedem universalis Ecclesiae cura conflueret, et nihil usquam a suo capite dissideret. 41 Diese treten auch in seiner weiteren Korrespondenz hervor, z. B. in seinen Briefen an die Patriarchen von Alexandrien und Antiochien: Leo I., Ep. 9, JK 406, Migne PL 54, Sp. 624B-627B; ders., Ep. 119, JK 495, ebd., Sp. 1040D-1046A. 42 Schwaiger: Primat, S. 46 f., betont, dass die Annahme des Lehrschreibens Leos I. (der sogennante Tomus Leonis) kein Automatismus infolge der Autorität des apostolischen Stuhls, sondern das Ergebnis einer sachlichen Prüfung durch die Synode war. Vgl. zur „Räubersynode“ von Ephesus, dem Konzil von Chalkedon und Leos Rolle ausführlich Caspar: Geschichte, Bd. 1, S. 462 – 564; Wojtowytsch: Papsttum, S. 318 – 350; Horn: Stellung, S. 266 – 274. 43 Gelasius I., Ep. 12, JK 632, ed. Schwartz, S. 20, Z. 5 – 22: duo sunt quippe, imperator auguste, quibus principaliter mundus hic regitur, auctoritas sancta pontificum et regalis potestas, in quibus

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das Schreiben des Papstes an den Kaiser und eine Vorbereitung auf den eigentlichen Inhalt der Dekretale. Während Letzterer jedoch in Vergessenheit geraten ist, hat sich die von Gelasius in wenigen Sätzen aufgestellte These der zwei Gewalten als überaus haltbar und einflussreich erwiesen 44. Daneben haben vor allem zwei weitere Briefe dieses Papstes die Entwicklung der Primatslehre beeinflusst. Im Anschluss an die Dekretalen Innozenz’ und Zosimus’ vertrat Gelasius gegenüber verschiedenen Bischöfen die Ansicht, dass es dem Bischof von Rom zustehe, über die ganze Kirche zu richten, er selbst jedoch keiner Gerichtsbarkeit unterstellt sei und römische Urteile ebenso wenig gerichtet werden könnten 45. Für die fränkische Kirchengeschichte spielten Gelasius’ Ausführungen zunächst jedoch keine Rolle. Sie überdauerten die Zeit in kirchenrechtlichen Sammlungen, genau wie diejenigen Innozenz’ und Leos. Erst im Zuge der Bildungsreform Karls des Großen wurden diese wichtigen Dekretalen der Päpste des 5. Jahrhunderts wieder stärker rezipiert, Gelasius’ Zwei-Gewalten-Lehre erstmals wieder 829 auf dem Konzil von Paris.46 Doch auch die fränkische Kirche unter den Merowingern hatte Kenntnis von den Primatsansprüchen Roms. tanto grauius pondus est sacerdotum quando etiam pro ipsis regibus hominum in diuino reddituri sunt examine rationem. nosti etenim, fili clementissime, quoniam licet praesedeas humano generi dignitate, rerum tamen praesulibus diuinarum deuotus colla summittis atque ab eius causas tuae salutis expetis hincque sumendis caelestibus sacramentis eisque, ut competit, disponendis subdi te debere cognoscis religionis ordine potius quam praeesse, itaque inter haec illorum te pendere iudicio, non illos ad tuam uelle redigi uoluntatem. […] et si cunctis generaliter sacerdotibus recte diuina tractantibus fidelium conuenit corda submitti, quanto potius sedis illius praesuli consensus est adhibendus quem cunctis sacerdotibus et diuinitas summa uoluit praeminere et subsequens ecclesiae generalis iugiter pietas celebrauit? Vgl. zur ausführlichen Interpretation und historischen Einordnung des Schreibens die Ausführungen von Caspar: Geschichte, Bd. 2, S. 64 – 73; Ullmann: Gelasius, S. 198 – 212; Meier: Anastasios, S. 103 – 117; und differenziert zu der Analyse der genannten Passage Ensslin: Auctoritas. 44 Die späteren Interpretationen gingen dabei häufig über den Inhalt der gelasianischen Worte hinaus; zum Deutungswandel vgl. Knabe: Zweigewaltentheorie. 45 Gelasius I. an Faustus, Ep. 10, JK 622, ed. Schwartz, S. 17, Z. 13 – 15: […] illam de tota ecclesia iudicare, ipsam ad nullius commeare iudicium, nec de eius umquam praeceperunt iudicio iudicari sententiamque illius constituerunt opportere dissolui […]. Ders. an die Bischöfe der Provinz Dardania, JK 664, ed. Guenther (CSEL 35,1), S. 378, Z. 7 – 11: Non reticemus autem, quod cuncta per mundum nouit ecclesia, quoniam quorumlibet sententiis ligata pontificum sedes beati Petri apostoli ius habeat resoluendi, utpote quae de omni ecclesia fas habeat iudicandi neque cuiquam de eius liceat iudicare iudicio, […]. Vgl. Koeniger: Sedes, S. 298 f.; Vacca: Sedes, S. 28 – 31. 46 Fried: Herrschaftsverband, S. 22 (mit Anm. 87); Hartmann: Synoden, S. 183; vgl. zur Gelasius-Rezeption auf dem Konzil von 829 und generell im Frankenreich zuletzt ­Patzold: Episcopus, S. 155 – 157 (insbes. Anm 339).

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1.1.2  Die Abwesenheit des Primats? Die kirchenrechtliche Bedeutung des Papstes in Theorie und Praxis im Frankenreich bis 75047 Die gallo-romanische Kirche ging seit der Taufe Chlodwigs I. (481/82 – 511) im frühen 6. Jahrhundert in einer merowingisch-fränkischen Kirche auf. Das päpstliche ­Vikariat von Arles hatte zunächst noch als Vermittlungsinstanz gegenüber Rom gedient, verlor seinen Einfluss aber im Verlauf des 6. Jahrhunderts 48. Dennoch verschwand das Wissen um den römischen Primat nicht, wie die kirchenrechtlichen Dokumente des 6. und 7. Jahrhunderts beweisen. Spätantike päpstliche Dekretalen als Quellen kirchlichen Rechts waren bekannt und wurden von den merowingischen Synoden rezipiert 49. Auch entstanden in dieser Zeit im gallischen Raum mehrere Dekretalensammlungen. Diese bewahrten unter anderem jene zwei Dekretalen Papst Innozenz’ I. (401/02 – 417), die für dessen Primatsauffassung entscheidend waren 50. Darüber hinaus war auch das umfangreiche Briefkorpus Leos des Großen (440 – 461) bereits im merowingischen Frankenreich verbreitet 51. Etwa zur g­ leichen Zeit wurden auch die ersten fränkischen Kirchenrechtssammlungen verfasst. Diese bewahrten spätantikes Kirchenrecht zumindest in Teilen und machten es für die merowingische Kirche nutzbar 52. Auch die kirchenrechtliche Praxis zeigt, dass die fränkische Kirche sich in 47 Für die Geschichte des Papsttums im Frühmittelalter vgl. Seppelt: Papsttum; Ullmann: Machtstellung. 48 Vgl. Wallace-Hadrill: Church, S. 1 – 122, zur gallo-romanischen Kirche und den An­ fängen der fränkischen Kirche unter den Merowingern. Vgl. Fuhrmann: Patriarchate, zum Vikariat von Arles, und Maccarone: Dottrina, S. 732 f., für seine Bedeutung bei der Verbreitung der Primatslehre im 6. Jahrhundert. Vgl. auch Kempf: Struktur, 31 f.; Suntrup: Studien, S. 47 – 51. 49 Vgl. Pontal: Synoden, S. 221 (mit Anm. 14); Kempf: Struktur, S. 32 f. 50 Vgl. den Überblick über die frühe Dekretalentradition bei Jasper/Fuhrmann: Letters, S. 22 – 28. Scheinbar enthielten alle frühen Dekretalensammlungen den Brief Innozenz’ an den Bischof von Rouen (JK 286). Die Dekretale an den Bischof von Gubbio (JK 311) zirkulierte unabhängig von einzelnen Sammlungen, fand jedoch wie JK 286 ebenfalls im 6. Jahrhundert Eingang in die Collectio Corbeiensis (Paris, BnF, lat. 12097, 6. Jahrhundert, aber nach 524, Corbie), die Collectio Pithouensis (Paris, BnF, lat. 1564, spätes 6. Jahr­hundert, Zentralgallien) und die Collectio Coloniensis (Köln, Dombibliothek, Hs. 212, zweite Hälfte des 6. Jahrhunderts, wahrscheinlich Lyon). 51 Ausführlich Jasper/Fuhrmann: Letters, S. 41 – 53. Zu den 17 Dekretalen, die in verschiedenen Sammlungen des 6. und 7. Jahrhunderts enthalten waren, gehört auch das Schreiben Leos an Anastasius von Thessaloniki (JK 411), vgl. ebd., S. 49 – 59. 52 Um 600 entstand mit der Collectio Vetus Gallica die älteste kirchenrechtliche Sammlung des Frankenreichs, die im Laufe des 7. und 8. Jahrhunderts mehrfach an verschiedenen Stellen überarbeitet wurde und folglich schon früh eine weitere Verbreitung erfuhr. Sie belegt nach Mordek: Kirchenrecht, S. 82, ein „Bewußtsein einer besonderen Zuständig­keit Roms in

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Fragen der christlichen Lehre und des Glaubens an Rom gebunden fühlte. In Fragen der Administration und Jurisdiktion scheinen die Päpste hingegen keinerlei Einfluss ausgeübt zu haben. Zumindest wissen die Quellen bis ins frühe 8. Jahrhundert nichts von einem regelmäßigen Austausch der merowingischen Bischöfe mit der römischen Kirche. Die Synoden und die Ein- und Absetzung von Bischöfen fanden unter Leitung und in Abstimmung mit den merowingischen Königen statt. Der Kontakt zwischen Herrschern und Geistlichkeit des merowingischen Frankenreichs auf der einen und den Päpsten auf der anderen Seite riss aber zu keinem Zeitpunkt vollständig ab 53. Die Beziehungen zwischen Rom und den Franken intensivierten sich im 8. Jahrhundert aus mehreren Gründen. Zum einen waren die Päpste selbst auf der Suche nach einem einflussreichen Verbündeten, der sie aus ihrer Abhängigkeit vom Imperium lösen konnte, da sich das Verhältnis zum Osten erheblich verschlechtert und Rom an den Rand des wirtschaftlichen Ruins geführt hatte 54. Zum anderen fanden die karolingischen Hausmeier, die neue politische Macht im Frankenreich, und die Päpste über Fragen der Mission zueinander. Zunächst verstärkte sich der Kontakt zwischen beiden Seiten infolge der Zu­ stimmung Pippins des Mittleren (687 – 714) zur Missionsarbeit des Angelsachsen

kirchenrechtlichen Fragen“ für die merowingische Epoche. Vgl. ebd., S. 62 – 70, zur Datierung, und ebd., S. 82 – 95, zu den verschiedenen Überarbeitungen der Sammlung. Die Sammlung zitiert nur einmal eine päpstliche Dekretale, vgl. ebd., S. 424 – 429. 53 Vgl. Pontal: Synoden, S. 219 – 225, und Wallace-Hadrill: Church, S. 110 – 122, zur Beziehung zwischen Papsttum und Merowingern. Beide sehen in der Tendenz eine widersprüchliche, aber durchaus vorhandene Beziehung zwischen Rom und merowingischer Kirche. Vgl. auch Seppelt: Papsttum, S. 29 f. und 60 f., und Schatz: Primat, S. 83, für ähnliche Einschätzungen. Angenendt: Princeps, S. 18 – 23, betont dagegen stärker den Gelegenheitscharakter römisch-fränkischer Kontakte und die Bedeutung des merowingischen Königs als rex et sacerdos. Ähnlich auch Fuhrmann: Papsttum, S. 421 – 424, der vor allem darauf hinweist, dass es zu keinem echten Austausch kam, da es in Rom kaum Geistliche fränkischer Herkunft und im Merowingerreich keine römisch-stämmigen Bischöfe gab. Dieser Ansatz beschränkt jedoch das Spektrum der Vielfältigkeit fränkisch-römischer Beziehungen auf unzulässige Weise. Tatsächlich wäre eine umfangreiche Untersuchung der merowingisch-römischen Beziehungen, die beide Seiten gleichermaßen in den Blick nimmt, noch zu leisten. Bisher liegen lediglich Einzelstudien vor, vgl. Noble: Gregory, der auf die Abwesenheit konkreter Bezüge auf die römische Kirche bei Gregor von Tours hinweist, ohne daraus jedoch eine grundsätzliche Missachtung des Papsttums abzuleiten. Kempf: Struktur, S. 31 – 33, betont die grundsätzliche Anerkennung des römischen Primats bei den Kirchen des Westens. Suntrup: Studien, S. 136 f., sieht die Bischöfe im 5. und 6. Jahrhundert zwar als weitgehend unabhängig von Rom agierende Akteure an, betont jedoch, dass sie sich nicht vollständig aus der Bindung an den apostolischen Stuhl lösten. 54 Vgl. Caspar: Geschichte, Bd. 2, S. 665 – 668; Ullmann: Machtstellung, S. 67 – 73.

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­Willibrord bei den Friesen 55. Die enge Bindung der angelsächsischen Kirche an den apostolischen Stuhl exportierten die ihr angehörigen Missionare seit dem späten 7. Jahrhundert ins Frankenreich 56. Die Annäherung der Franken an den apostolischen Stuhl sollte im römischen Auftrag durch den Angelsachsen Bonifatius befördert werden 57. Er wurde 719 erstmals vom römischen Bischof als Missionar in fränkische Gebiete ausgesandt und wirkte dort über drei Dekaden. Bonifatius steht wie kein Zweiter seiner Zeitgenossen für den Versuch, die primatialen Rechte der Päpste im Frankenreich umzusetzen. Bei ihm war die für die angelsächsische ­Kirche charakteristische Petrus-Verehrung besonders ausgeprägt. Seine umfangreiche Korrespondenz mit dem apostolischen Stuhl legt davon Zeugnis ab 58. Er bemühte sich, die fränkischen Bischöfe in engeren Kontakt mit dem apostolischen Stuhl zu bringen. Keineswegs war aber mit dem Bekenntnis einiger fränkischer Bischöfe zur Gemeinschaft mit Papst Zacharias (741 – 752)59 auch eine automatische Unter­werfung unter den römischen Primat verbunden. Einen regelmäßigen Kontakt zwischen dem Franken­reich der karolingischen Hausmeier mit Rom scheint es, abgesehen von der Korrespondenz des Bonifatius, nicht gegeben zu haben. Diesen Missstand zu beheben, gelang dem Bischof zeitlebens nicht. Während er einige praktische Erfolge, zum Beispiel auf dem Gebiet der Liturgie, erzielte, waren die Gehorsamsbekundungen gegenüber Rom, die er Teilen des fränkischen Episkopats abrang, zunächst wohl kaum mehr als Lippen­ bekenntnisse 60. Erst die politische Verbindung der Karo­linger mit dem Papsttum durch 55 Vgl. Angenendt: Willibrord; Maccarone: Dottrina, S. 738; Seppelt: Papsttum, S. 81 f.; Schieffer: Karolinger, S. 30 f. Vgl. ausführlich Scholz: Politik, S. 24 – 77, zur Beziehung zwischen Papsttum und Karolingern bis zu Pippin dem Jüngeren. 56 Vgl. Palmer: Anglo-Saxons, insbes. S. 215 – 247. 57 Zum Missionar nach wie vor grundlegend: Schieffer: Winfrid-Bonifatius. Vgl. auch ausführlich Glatthaar: Bonifatius, und Kempf: Struktur, S. 49 f., sowie Maccarrone: Dottrina, S. 739 – 742, zu der Bedeutung des Bonifatius für die römische Primatslehre. Vgl. auch Seppelt: Pasttum, S. 94 – 98, 103 – 105 und 108 – 112, zum Einfluss des Boni­fatius auf das fränkische Verhältnis zu Rom. Vgl. des Weiteren Semmler: Bonifatius, zur Beziehung zwischen dem Missionar und den Franken und zur Praxis des Bonifatius, seine Handlungen von Rom genehmigen zu lassen, und Schramm: Kaiser, Bd. 1, S. 113 – 118, zum Papst im Denken des Bonifatius. 58 Angenendt: Princeps, S. 32 f.; vgl. Fuhrmann: Papsttum, S. 425; Schatz: Primat, S. 88. 59 Zacharias an Bonifatius, Ep. 80, JE 2286, ed. Tangl (MGH Epp. sel. 1.), S. 178, Z. 10 – 19; ders. an mehrere fränkische Bischöfe, Ep. 82, JE 2287, ebd., S. 182, Z. 16-S. 183, Z. 26. 60 Bonifatius scheint als Vermittler zwischen Franken und Rom in seinen letzten Lebens­ jahren keine Rolle mehr gespielt zu haben. So war er z. B. nicht Teil jener Gesandtschaft, die Pippin nach Rom schickte, um seinen Zugriff auf die fränkische Krone vorzube­reiten. Vielleicht waren es auch Bonifatius’ eigene Ambitionen und seine Rivalität zu den einflussreichen fränkischen Bischöfen, die nach Karlmanns Rückzug seinen Einfluss im Frankenreich schmälerten. Zum Beispiel beschwerte Bonifatius sich noch wenige Jahre vor seinem

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die Salbung Pippins zum König und den Schutz Roms durch die Franken im Jahr 754 schuf die Grundlage, dem Primat im Frankenreich neue G ­ eltung zu verschaffen 61.

1.1.3  Neue Autorität und neue Abhängigkeit – Das Papsttum und die Franken bis zum Tode Karls des Großen (814) Die Beziehung zwischen den ersten beiden karolingischen Königen und der frän­ kischen Kirche auf der einen und dem Papsttum auf der anderen Seite war von großer Ambivalenz geprägt. Der von Pippin dem Jüngeren (751 – 768) geschlossene Bund mit dem apostolischen Stuhl und die frühen Anfragen an die Päpste Zacharias (741 – 752) und Stephan  II. (752 – 757) spiegeln einerseits die Wertschätzung für die römische Autorität wider 62. Auch die Einrichtung mehrerer fränkischer Erzbis­tümer unter den Karolingern führte zu einer symbolischen Bindung der fränki­schen Kirchenoberen an Rom. Die Metropoliten bekamen als „Rangabzeichen“ für ihre über­geordnete Stellung das Pallium vom Papst verliehen 63. Andererseits ist bekannt, dass sich ­Pippin und die fränkischen Bischöfe in der Folge des päpstlich sanktionierten Dynastiewechsels keineswegs bedingungslos römischen Anweisungen unter­worfen haben. Der fränkische Episkopat schuf neues Kirchenrecht auf den von Rom weitgehend unabhängig stattfindenden fränkischen Synoden. Päpstliche Beschlüsse wurden

Tod bei Stephan  II., dass die Pläne Bischof Hildegars von Köln, sich das Bistum anzueignen, dazu führten, dass „es keinen dem römischen Bischof unterstellten Bischofssitz gibt, der dem Friesenvolk predigt“. Bonifatius, Ep. 109, ed. Tangl (MGH Epp. sel. 1), S. 236, Z. 11 f.: Et modo vult Colonensis episcopus sedem supradicti predicatoris Willibrordi sibi contra­ her, ut non sit episcopalis sedis subiecta Romano pontifici predicans gentem Fresorum. Übers. nach Rau: Briefe, S. 341, Z. 30 – 32. Die seit Theodor Schieffers Darstellung zu Bonifatius ­gängige Ansicht, der Missionar habe in der Spätphase seines Lebens keinen Einfluss mehr auf die fränkische (Kirchen-)Gesetzgebung gehabt, wurde infrage gestellt von Glatthaar: ­Bonifatius, S. 343 – 359; vgl. dazu kritisch Ubl: Schatten, S. 423. 61 Vgl. Kempf: Struktur, S. 34 f. 62 Vgl. Mordek: Autoritäten, S. 240 – 242; Scholz: Politik, S. 51 – 77. Zu den Ereignissen vgl. die knappe Darstellung bei Schieffer: Karolinger, S. 58 – 63, sowie u. a. Angenendt: Bündnis; Engels: Bündnis; Fritze: Papst; Semmler: Dynastiewechsel; Haller: Karolinger. Älteren Datums, aber immer noch lesenswert ist auch Caspar: Pippin. M ­ cKitterick: Illusion, S. 9 f. und 16 – 19, stellte die gängige Interpretation der Verbindung Pippins mit dem Papsttum zu Beginn der 750er Jahre infrage. Dagegen wandte sich Ubl: Schatten, insbes. S. 422. 63 Vgl. Fuhrmann: Widerstände, S. 721 f. (Zitat ebd., S. 721); Kempf: Struktur, S. 46 – 54; Pangerl: Metropolitanverfassung, S. 15 – 20.

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nur dann übernommen, wenn diese inhaltlich den Ansichten der Synodalen ent­ sprachen 64. Die schon unter den Merowingern vorhandenen Übereinstimmungen der f­ rän­kischen Kirche mit der römischen Lehre verstärkten sich zwar unter der Herrschaft der Karolinger. Daraus ergab sich aber keinesfalls ein größerer Einfluss Roms auf die fränkische Kirchengesetzgebung. Die Franken, Herrscher und Klerus, suchten zwar die Gemeinschaft mit dem apostolischen Stuhl, ihre Entscheidungen jedoch trafen sie weitgehend unabhängig von diesem 65. Das Wissen um die Primatsvorstellungen der Spätantike, wie sie vor allem in den päpstlichen Dekretalen greifbar werden, wurde im karolingischen Frankenreich auf eine breitere Grundlage gestellt. Begünstigt durch die Anfänge der karolingischen Bildungsreform, kann man seit dem späteren achten Jahrhundert eine deutliche ­Steigerung bei der Verbreitung und Herstellung von kirchenrechtlichen Dokumenten beobachten. Am einflussreichsten erwies sich die Übergabe der D ­ ionysio-Hadriana durch Hadrian I. (772 – 795)66 an Karl den Großen (768 – 814) im Jahr 774. Diese historisch geordnete kirchenrechtliche Sammlung von Kanones und Dekretalen erfuhr um 800 eine weite Verbreitung und wurde auf den fränkischen Synoden des 9. Jahrhunderts herangezogen 67. Benutzungsspuren der Collectio Quesnelliana, 64 Ubl: Schatten, S. 416 – 422, zeigt dies am Beispiel der Responsa Papst Stephans II. (752 – 757) aus dem Jahr 754. Darin enthaltene neue Regelungen zum Eherecht wurden demnach von den fränkischen Bischöfen in Teilen übernommen, manche Entscheidungen jedoch inhaltlich modifiziert oder durch gegensätzliche Anordnungen ersetzt: „Die Bischöfe brachten die Autorität des Papstes zum Einsatz, ohne den Anspruch auf eigenständige Gesetzgebung aufzugeben.“ (Ebd., S. 423.) Auch Mordek: Autoritäten, S. 242, verweist darauf, dass die Karolinger sich in ihrer Gesetzgebung auf die Autorität Roms beriefen, auch (oder gerade) dann, wenn sie Beschlüsse fassten, die im Gegensatz zur päpstlichen Lehrmeinung standen. Hartmann: Autorität, S. 113 – 124, betont die selbstbewusste Haltung des fränkischen Klerus gegenüber den Päpsten in karolingischer Zeit, die auch zu offener Ablehnung päpstlicher Entscheidungen führte. 65 In diesem Sinne auch grundsätzlich Angenendt: Princeps, S. 23 – 28, mit Blick auf die Institution des Erzbischofs im karolingischen Frankenreich. Fuhrmann: Papsttum, S. 448 – 453, betont insbesondere die Rolle Karls des Großen bei der fränkischen Kirchengesetzgebung. Auch Scholz: Politik, S. 144 – 146, hebt den selbstständigen Charakter der fränkischen Kirche hervor. 66 Vgl. zu diesem ausführlich Hartmann: Hadrian. 67 Allerdings ist die Rezeption der Sammlung auf den karolingischen Synoden im Vergleich zu ihrer Verbreitung eher gering, vgl. Hartmann: Kirche, S. 99 – 105. Zu Wirkung und Wert der Dionysio-Hadriana vgl. Mordek: Autoritäten, S. 238 – 240, 244 f.; ders.: Kirchen­ recht, S. 151 und 241 – 250. Vgl. auch Fuhrmann: Papsttum, S. 433 – 436, und insbes. Kéry: C ­ ollections, S. 13 – 20, zur umfangreichen Überlieferung der Dionysio-Hadriana. Die Sammlung gilt als einflussreichste (aber nicht einzige) Kirchenrechtssammlung der karolingischen Zeit und war u. a. eine wichtige Quelle für die Admonitio generalis, das zentrale

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der Hispana und der Vetus Gallica sind im späteren 8. und frühen 9. Jahrhundert nachweisbar 68. Aus den verschiedenen Sammlungen entstanden auch neue, speziell fränkische Versionen, wie die Collectio Hispana Gallica 69, oder neue Sammlungen systema­tischer Ordnung, wie die Dacheriana 70. Die genannten Sammlungen referierten kirchliches Recht, wie es durch Kanones, die Werke der Kirchenväter und päpstliche Dekretalen überliefert wurde. Die Papstbriefe waren dabei quantitativ den beiden anderen Quellengruppen untergeordnet 71. Auch konnte keine dieser Sammlungen das gesamte spätantike Material an Dekretalen aufweisen. Jedoch ergänzten sie sich in ihren unterschiedlichen Inhalten und stellten auf diese Weise gemeinsam den größten Teil der überlieferten spätantiken Papstbriefe den interessierten fränkischen Benutzern zur Verfügung. Dekrete von Päpsten des 8. Jahrhunderts konnten die Zeitgenossen sowohl der Korrespondenz des Bonifatius 72 als auch dem Codex Carolinus entnehmen. Das Inter­ esse daran scheint jedoch nicht allzu groß gewesen zu sein. Zumindest der Codex Carolinus wurde anscheinend kaum verbreitet 73. Die Dekretalengesetz­gebung des frühmittelalterlichen Papsttums kann dabei als „konservativ“ in dem Sinne bezeichnet Reformkapitular Karls des Großen. Vgl. Admonitio Generalis, ed. Mordek u. a. (MGH Fontes iuris 16). Zur Bedeutung Roms als Quelle literarischer und kanonistischer Texte im Frühmittelalter vgl. ausführlich Schieffer: Redeamus ad fontem (darin S. 45 – 47 und 58 f. zur Dionysio-Hadriana). Zum Kontext der Übergabe der Sammlung vgl. Hartmann: Hadrian, S. 148 f. 68 Vgl. Mordek: Kirchenrecht, darin insbes. S. 238 – 240 (Quesnelliana) und 250 – 252 (Hispana); ders.: Autoritäten, S. 243 – 250. Das Nebeneinander zahlreicher, zueinander in Konkurrenz stehender Kirchenrechtssammlungen in karolingischer Zeit (confusio librorum) erklärt Mordek damit, dass nicht aus reiner Gelehrsamkeit, sondern „vornehmlich für die administrative, jurisdiktionelle und seelsorgerische Praxis gearbeitet wurde“ (ebd., S. 248). 69 Manifestiert in Codex Wien, Österreichische Nationalbibliothek, lat. 411. 70 Um 800 entstanden. Vgl. zur Überlieferung ausführlich Mordek: Kirchenrecht, S. 259 – 263; ders.: Autoritäten, S. 247. 71 Vgl. Hartmann: Autorität, S. 124 – 128. 72 In der Edition von Tangl (MGH Epp. sel. 1), S. XIII, als Collectio pontifica bzw. C ­ ollectio minor vom Rest der Sammlung, Collectio communis bzw. Collectio maior, geschieden. Die Sammlung enthält acht Briefe von Gregor II., sechs von Gregor III. und 15 von Zacharias. Vgl. zu den päpstlichen Dekretalen in der Briefsammlung des Bonifatius auch Jasper/ Fuhrmann: Letters, S. 96 – 102, und sehr knapp Hack: Codex, S. 28 f. 73 Codex Carolinus, ed. Gundlach (MGH Epp. 3), S. 469 – 657. Diese im Jahr 791 zusammen­ gestellte Sammlung von 99 Briefen umfasst ausschließlich die Korrespondenz der Karolinger mit den Päpsten von Gregor III. (731 – 741) bis zu Hadrian I. (772 – 795). Der Codex ist in einer einzigen Handschrift überliefert: Wien, Österreichische Nationalbibliothek, lat. 449 (wahrscheinlich spätes 9. Jahrhundert, Köln), vgl. Jasper/Fuhrman: Letters, S. 104. Eine detaillierte Untersuchung des Codex Carolinus leistete zuletzt Hack: Codex.

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werden, dass eine kreative Gestaltung von Gesetzen weit­gehend unterblieb, solange man auf ältere „Präzedenzentscheidungen aus der alten K ­ irche“ zurückgreifen konnte 74. Ebenso verfuhren die Päpste des 8. Jahrhunderts bei der stilistischen Ausgestaltung ihrer Briefe 75. Dies trifft im Wesentlichen auch auf den Primats­gedanken zu. Er wurde in dem Sinne bewahrt, dass die spätantiken D ­ ekretalen zur Quelle für die Korrespondenz frühmittelalterlicher Päpste avancierten. Eine Weiterentwicklung der Primatsidee fand von römischer Seite aus zunächst jedoch nicht statt. Auch die Kaiserkrönung Karls des Großen durch Leo III. (795 – 816) im Jahr 800 scheint daran nichts geändert zu haben 76. Wenn auch keine theoretischen Impulse aus Rom kamen, um die Primatsidee zu aktualisieren, so ergibt sich doch aus den Zeugnissen führender Geistlicher des Frankenreichs, dass das Konzept des Primats dort eher zurückhaltend interpretiert wurde. Grundsätzliche Auffassungen zu den päpstlichen Rechten und Aufgaben aus fränkischer Feder finden sich aber erst zur Zeit Karls des Großen. Der fränkische König erklärte gegenüber Leo  III . in einem Schreiben von 796 seine Vorstellung von der Aufgabenteilung zwischen Herrscher und römischem Bischof: Der Papst habe für den König zu beten, während dieser die Kirche nach außen verteidige und nach innen lenke 77. Nach dem Angriff auf Leo III . im April 799 und den f­ olgenden Wirren in Rom scheinen die Berater Karls der Ansicht gewesen zu sein, dass vom gegenwärtigen Papst keinerlei Führung mehr zu erwarten sei. Alkuin jedenfalls sprach davon, dass von den drei höchsten Gewalten, König, Kaiser und Papst, der König, Karl, die anderen beiden Gewalten an Macht, Weisheit und Würde übertreffe und folglich zur Leitung der Christenheit berufen sei 78. ­Theodulf von Orléans wies vor 74 Ubl: Schatten, S. 423. 75 Wie von Fuhrmann: Vorlagen, S. 358 (mit Anm. 3), betont, benannte Hinkmar von Reims dieses Kompositionsprinzip päpstlicher Dekretalen bereits 870. Vgl. zur Verwendung älterer Autoriäten in der Korrespondenz der Päpste des 8. Jahrhunderts ebd.; ders.: Papsttum, S. 425 – 433; Jasper/Fuhrmann: Letters, S. 105 – 107. 76 Vgl. Fuhrmann: Widerstände, S. 720. 77 Karl der Große, Ep. 93, ed. Dümmler (MGH Epp. 4), S. 137, Z. 31-S. 138, Z. 2. Möglicher­ weise geht das Schreiben zurück auf den Angelsachsen Alkuin, mit dessen Vorstellung zu Karl dem Großen als König und Priester diese Aussage weitgehend übereinstimmt, wie z. B. die Widmung an Karl in seinem Werk über die Trinität zeigt, vgl. Alkuin, De trinitate, M ­ igne PL 101, Sp. 13A-B. Vgl. dazu auch Angenendt: Princeps, S. 33 f. Karls Selbstverständnis als Lenker der Kirche kommt auch zum Ausdruck in der Admonitio Generalis, ed. ­Mordek u. a. (MGH Fontes iuris 16), vgl. v. a. die Praefatio, ebd., S. 180 – 185. Vgl. dazu Buck: Admonitio, S. 84 – 156; Scholz: Politik, S. 106 f. 78 Alkuin, Ep. 174, ed. Dümmler (MGH Epp. 4), S. 288, Z. 17 – 27, darin insbes. Z. 22 – 27: Tertia est regalis dignitas, in qua vos domini nostri Iesu Christi dispensatio rectorem populi christiani disposuit, ceteris praefatis dignitatibus potentia excellentiorem, sapientia clariorem, regni dignitate sublimiorem. Ecce in te solo tota salus ecclesiarum Christi inclinata recumbit.

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dem gleichen politischen Hintergrund Karl, und nicht dem Papst, die Rolle des Stellvertreters Petri zu 79. Seinem eigenen Anspruch auf Leitung der Kirche konnte Karl der Große gerecht werden. Er regierte die fränkische Kirche unabhängig von Rom, griff seinerseits aber durchaus in römische Belange ein, wenn er die Notwendigkeit dafür gegeben sah 80. Papst Hadrian I. und sein Nachfolger Leo  III. waren zwar bemüht, sich gegenüber Karl in Glaubensangelegenheiten zu behaupten. In Streitfragen konnten sie sich gegenüber dem Frankenkönig jedoch nicht durchsetzen. Die lange Beziehung zwischen Karl und Hadrian hat nach der neueren Forschung als weniger harmonisch zu gelten, als bislang angenommen wurde 81. Vor allem im Zuge des Bilderstreits kam es zu einer Kontroverse, als die karolingischen Hoftheologen die römische Tradition in dieser Frage ablehnten. Hadrian reagierte auf die entsprechenden Vorwürfe ungewöhnlich gereizt. Er stellte dem ausführlichen Antwortschreiben an Karl unter anderem die Passage des Matthäus-­Evangeliums voran, in der Petrus die Binde- und Lösegewalt übertragen wird. Es scheint dies das einzige Mal gewesen zu sein, dass Hadrian diesen Verweis auf die apostolische Autorität in einem Schreiben an den König bemühte. Der Papst verteidigte im weiteren Verlauf des Briefes den päpstlichen Lehrprimat und berief sich ausdrücklich auf die römische Tradition in der Bilderfrage 82. Der König und seine Berater hingegen beharrten auf ihrer Position und verliehen ihr auf der Synode von Frankfurt (794) kirchenrechtlich Ausdruck 83. Es

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Tu vindex scelerum, tu rector errantium, tu consolator maerentium, tu exaltatio bonorum. Vgl. dazu Ohr: Gottesstaat, S. 21; Hartmann: Autorität, S. 114, sowie Scholz: P ­ olitik, S. 128 (mit Anm. 539), der betont, dass die Äußerungen Alkuins sich speziell auf die politische Situation von 799 beziehen, in welcher Papst Leo III. vom König abhängig geworden war. Theodulf, Carmen 32, ed. Dümmler (MGH Poetae 1), S. 524, Z. 35 – 38: Ergo sede tuta sanate in sede sacerdos/ Et regi a domino posce libenter opem/ Ut det ei Christus vitam tribuatque salutem/ Illius et regnum semper ad alta levet. Vgl. Ohr: Gottesstaat, S. 24; Hartmann: Autorität, S. 115; Scholz: Politik, S. 129. Vgl. ebd., S. 78 – 143; Seppelt: Papsttum, S. 158 – 199, zur Beziehung Karls des Großen zum Papsttum, sowie Schieffer: Charlemagne, für das Wirken Karls in der Stadt Rom. Vgl. auch sehr knapp das Urteil von Schatz: Primat, S. 89. Hartmann: Hadrian, insbes. S. 153 – 155 und 261 – 265. Für die ältere Forschung vgl. dagegen z. B. Seppelt: Papsttum, S. 184; Collins: Charlemagne, S. 61; Noble: ­Republic, S. 138; Hägermann: Karl der Große, S. 359. Epistolae selectae pontificum Romanorum, Ep. 2, JE 2483, ed. Hampe (MGH Epp. 5), S. 6 – 57, darin insbes. S. 6, Z. 24 – 27 (Mt. 16, 18 – 19), und S. 11, Z. 12 (Bezug auf die Synode von Rom 769). Vgl. dazu Classen: Karl, S. 34 – 39; Scholz: Politik, S. 102 f.; Hauck: Kirchengeschichte Bd. 2, S. 339. Vgl. auch Hartmann: Hadrian, S. 278 – 291, zur Rolle Hadrians I. im Bilderstreit. Konzil von Frankfurt, ed. Werminghoff (MGH Conc. 2, 1), S. 165 – 171, darin insbes. Kap. 2, S. 165, Z. 26 – 30. Vgl. Hartmann: Konzil, S. 307 – 315. Vgl. zur fränkischen Sicht

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Der römische Primat im Frühmittelalter und die Fälschungen Pseudo­isidors

zeigt sich hier ein ähnliches Verhalten der Franken, wie es bereits beim Umgang mit den päpstlichen Responsa im mittleren achten Jahrhundert zu beobachten war: Die Meinung des Papstes wurde zwar grundsätzlich geschätzt, aber im Zweifelsfall fühlte man sich – auch in Glaubensfragen – nicht an die römische Lehre gebunden. Der Frankenkönig machte sich selbst zum Sprecher in wichtigen Glaubensfragen, unabhängig davon, ob seine eigenen Ansichten mit denen der Päpste überein­stimmten oder nicht 84. Rom hingegen hatte das Problem, dass man kaum über Mittel verfügte, die eigenen Ansichten durchzusetzen. Die schärfste Waffe des Papstes scheint die Drohung mit der Exkommunikation gewesen zu sein, ein Schwert, das jedoch bei übermäßiger Benutzung abzustumpfen drohte. Bei handfesteren Auseinander­setzungen in Italien um die Verteilung von Kirchengut oder die Einhaltung der Diözesangrenzen war der Papst auf fränkische Unterstützung angewiesen 85. Hadrians Nachfolger Leo  III . sah sich noch stärker als sein Vorgänger mit der schwierigen Aufgabe konfrontiert, die eigene Autorität gegenüber Karl dem Großen verteidigen zu müssen, während er gleichzeitig auf die fränkische Unterstützung angewiesen war, um sein eigenes (kirchenpolitisches) Überleben zu sichern. Die Wirren, die nach dem Attentat auf den Papst im Frühjahr 799 entstanden, erforderten das Eingreifen des Frankenkönigs, obgleich der Grundsatz der Nicht-­Justizierbarkeit des Papstes bereits bekannt war 86. Auch wenn Leo im Rahmen der Kaiserkrönung möglicherweise die eigene Position stärker in den Fokus der Aufmerksamkeit rücken konnte als von Karl beabsichtigt 87, so gibt es doch keine Anzeichen dafür, dass der

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auf den Bilderstreit und die politisch-theologische Motivation der Franken in dieser Frage ausführlich Noble: Images, S. 158 – 243. Zu beobachten ist dieses Verhalten auch im Streit um den Adoptianismus, vgl. Classen: Karl, S. 38 – 40; Scholz: Politk, S. 104 f. Vgl. ausführlich Hartmann: Hadrian, S. 197 – 265; Scholz: Politik, S. 105 f. Vgl. Alkuin an Arn von Salzburg, Ep. 179, ed. Dümmler (MGH Epp. 4), S. 297, Z. 21 – 24, darin insbes. Z. 23 f.: Insuper et in aliis legebam canonibus apostolicam sedem iudicariam esse, non iudicandam. Vgl. dazu Caspar: Papsttum, S. 125 – 129. Aus der umfangreichen Literatur zum Attentat auf Leo vgl. v. a. die ausführlichen Überlegungen von S­ chieffer: Attentat; Fried: Papst; Becher, Reise; sowie zusammenfassend die Ausführungen bei Herbers: Leo III., S. 5 – 9; Scholz: Politik, S. 126 – 128; Zimmermann: Papst­absetzungen, S. 27 f. Der Grundsatz prima sedes a nemine iudicatur geht auf das Constitutum Pseudo-­Silvestri in den symmachianischen Fälschungen zurück, vgl. das Konzil Silvesters mit 284 B ­ ischöfen, ed. Wirbelauer, S. 246, Z. 205 – 207: Nemo enim iudicabit primam sedem, quoniam omnes sedes a prima sede iustitia desiderant temperari. neque ab augusto, neque ab omni clero, neque a regibus, neque a populo iudex iudicabitur. Vgl. zu diesem Prinzip im Frühmittelalter ­Koeniger: Sedes; Vacca: Sedes, S. 79 – 130; Schatz: Primat, S. 95 f.; Zimmermann: Papst­absetzungen, S. 2 – 6. Dies ist zumindest eine gängige Interpretation der folgenden Passage bei Einhard, Vita, Kap. 28, ed. Holger-Egger (MGH SS rer. Germ. 25), S. 32, Z. 23 – 26: Quod primo in

Das Papsttum in der politischen Theologie des Frankenreichs

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Papst anschließend den Versuch unternommen hätte, aus der Krönung Karls im W ­ inter 800/01 eine größere Autorität für sein eigenes Amt oder gar eine Abhängigkeit des Kaisers vom Papst durchzusetzen 88. Im Gegenteil, die Beziehungen blieben angespannt. Im Streit um das filioque wollte Leo an der nicänischen Tradition festhalten, während Karl der Große und seine Berater das Glaubensbekenntnis um die Einfügung der Formulierung erweitert wissen wollten. Beide Positionen standen unversöhnlich nebeneinander. Der Papst äußerte zwar seinen Unmut über die Situation, hatte aber faktisch keine Möglichkeit, sich in dieser höchst wichtigen Glaubensfrage gegenüber den Franken durchzusetzen 89. Leos Bemühungen, der päpstlichen Unabhängigkeit Ausdruck zu verleihen, beschränkten sich auf Rom 90. Über all diesen Konflikten sollte nicht vergessen werden, dass Karl der Große die Päpste schätzte. Der Bund, den sein Vater Pippin mit Rom geschlossen hatte, wurde von Karl durch seine zahlreichen Italienzüge, die Unterwerfung der Langobarden und die Kaiserkrönung verstärkt. Der Kaiser und seine Berater brachten dem Amt des Bischofs von Rom höchste Achtung entgegen. Dies zeigt zum Beispiel die Übersendung der Divisio Regnorum im Jahr 806 nach Rom. Karl zeigte die Nachfolgeregelung für sein Reich dem Papst an und erbat die Zustimmung und Unterschrift Leos 91. In der gleichen Weise wurde bezüglich des Friedensschlusses mit Byzanz in der Frage des „Zweikaiserproblems“ 812 verfahren, die Urkunde wurde zur Bestätigung

tantum aversatus est, ut adfirmaret se eo die, quamvis praecipua festivitas esset, ecclesiam non intraturum, si pontificis consilium praescire potuisset. Vgl. zu den Ereignissen die knappe, aber treffende Zusammenfassung bei Schieffer: Karolinger, S. 100 – 105. Die intensive Forschungsdebatte zur Kaiserkrönung Karls des Großen kann an dieser Stelle nicht wieder­ gegeben werden. Vgl. aber zur Frage der Initiative bei der Kaiserkrönung und der Inter­pretation von Einhards Behauptung im Vergleich mit anderen Quellen z. B. Fried: Papst; Becher: Kaiserkrönung; ders.: Karl; ders.: Reise; Schieffer: Neues. 88 Vgl. Fuhrmann: Papsttum, S. 453; ausführlich Scholz: Politik, S. 78 – 143. Scholz betont, dass sich die Sprache Leos gegenüber Karl infolge der Kaiserkrönung nicht wesentlich geändert hat und es keine Anzeichen dafür gibt, wie der Papst seine eigene Rolle bei der Krönung beurteilte, vgl. ebd., S. 135 f. 89 Vgl. Scholz: Politik, S. 139 – 143; Classen: Karl, S. 98 f. 90 Vgl. zu Leo III. Scholz: Politik, S. 108 – 143; Herbers: Leo III. (insbes. mit dem Urteil auf S. 16). Vgl. zur Kirchenpolitik Karls des Großen zuletzt Close: Uniformiser, S. 83 – 224; sowie Seppelt: Geschichte, Bd. 2, S. 158 – 199; Morrisson: Tradition, S. 160 – 194. Vgl. zur filioque-Kontroverse Scholz: Politik, S. 139 – 143. Vgl. zum Bilderstreit unter Karl dem Großen ausführlich Noble: Images, S. 111 – 243; Scholz: Politik, S. 100 – 104. 91 Annales regni Francorum a. 806, ed. Kurze (MGH SS rer. Germ. 6), S. 121. Vgl. dazu Schlesinger: Kaisertum, S. 125; Hägermann: Reichseinheit, S. 283 – 287; Scholz: Politik, S. 138 f.

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Der römische Primat im Frühmittelalter und die Fälschungen Pseudo­isidors

nach Rom übersandt 92. Den Spannungen mit den Päpsten steht also gleichzeitig ein ausgeprägter Respekt vor der apostolischen Autorität gegenüber. In der Praxis blieb die Primatslehre der Spätantike im Frankenreich allerdings unter den ersten karolingischen Königen Pippin und Karl wenig einflussreich. Auch gibt es keine Anzeichen dafür, dass es Bemühungen um eine Aufwertung der römischen Autorität, schon gar nicht in Fragen des Kirchenrechts, gegeben hätte. Der Papst genoss ein hohes Ansehen, bei Kontroversen mit Rom folgten die Franken jedoch ihren eigenen Auffassungen, anstatt sich der römischen Lehre anzuschließen. Die Bewahrung und Verbreitung des spätantiken Kirchenrechts während der Herrschaft Karls des Großen führte jedoch zu einer Belebung der Primatsidee im weiteren Verlauf des 9. Jahrhunderts.

1.1.4  Der römische Primat im Frankenreich Ludwigs des Frommen 1.1.4.1  Kaiser und Papst – Partner oder Gegner?

Viele Untersuchungen zu den Beziehungen zwischen Papsttum und Franken sparen die erste Hälfte des 9. Jahrhunderts weitgehend aus 93. Offensichtlich bereitet es große 92 Annales regni Francorum a. 812, ed. Kurze (MGH SS rer. Germ. 6), S. 136. Vgl. dazu Hägermann: Karl, S. 595 f. 93 Vgl. z. B. Angenendt: Princeps imperii; Mordek: Autoritäten; Hartmann: Auto­ rität. Ullmann: Machtstellung, umgeht die Thematik fast vollständig. Auch Wallace-­ Hadrill: Frankish Church, äußert sich nicht zur Beziehung zwischen Rom und den Franken unter Ludwig dem Frommen, obgleich die ebenfalls wenig untersuchten päpstlich-merowingischen Beziehungen in einem eigenen Kapitel gewürdigt werden. Morrisson: Tradition, S. 214, begründet diese ein halbes Jahrhundert umfassende Lücke in seiner Darstellung mit dem Mangel an päpstlichen Zeugnissen in der Zeit zwischen dem Tod Hadrians I. im Jahr 795 und dem Beginn des Pontifikats Nikolaus’ I. im Jahr 858. Fuhrmann: Papsttum, löst das Problem, indem er sich auf die Zeit bis zum Tod Karls des Großen konzentriert. In ders.: Widerstände, S. 722, springt er dagegen vom späten 8. Jahrhundert direkt zu Hinkmar von Reims (845 – 882) und umgeht dadurch die erste Hälfte des 9. Jahrhunderts. Die Unter­ suchung von Fritze: Papst, endet im Jahr 824. Vor allem für die Geschichte des Papsttums ist die erste Hälfte des 9. Jahrhunderts erstaunlich schlecht erforscht. Entsprechend wenig Platz räumt Seppelt: Papsttum, S. 200 – 220, den Jahren 814 – 840 in seiner Darstellung ein. Einen Versuch, diese Lücke der Forschung zu füllen, leistete Scholz: Politik, S. 147 – 184, der neben Dekretalen und Urkunden auch bauliche Zeugnisse und Inschriften stärker als die bisherige Forschung als Quellen berücksichtigte. Aber auch hier ist der Umfang der Ausführungen im Vergleich zu den anderen Teilen der Darstellung über die Beziehungen zwischen Papsttum und Karolingern deutlich geringer. Von Scholz herangezogen wurde auch die Dissertation von Noble: Louis the Pious and the Papacy, aus den 1970er Jahren.

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Schwierigkeiten, das Verhältnis zwischen Kaiser Ludwig dem Frommen (814 – 840) und den sechs römischen Bischöfen zu greifen, deren Pontifikate in die Zeit seiner Herrschaft fielen. Dies ist vor allem durch die kurzen Amtszeiten einiger Päpste bedingt, die mit einem Mangel an schriftlichen Hinterlassenschaften der Amts­träger und äußerst knappen Biografien im Liber Pontificalis einher­gehen 94. Stephan  IV . (816 – 817), Paschalis I. (817 – 824)95, Eugen II. (824 – 827) und ­Valentin (827) ­wurden von der Forschung folglich so gut wie gar nicht beachtet. Leo  III. (795 – 816) und Gregor  IV. (827 – 844)96 hingegen fanden etwas mehr Beachtung. Die Forschung hat im Wesentlichen eine enge Bindung und gute Kontakte ­Ludwigs des Frommen zu den verschiedenen Päpsten angenommen 97. Diese Ansicht wurde von Johannes Fried infrage gestellt. Er unterteilte die Beziehungen zwischen fränkischem Kaiser und Papsttum in drei Phasen. In der ersten, von Fried als „entschlossene Reform“ bezeichnet, habe Ludwig sich in der Zeit zwischen seinem Amtsantritt 814 und den frühen 820er Jahren bewusst von Rom distanziert und dadurch Rechte und Einfluss des apostolischen Stuhls herab­gesetzt 98. In einer zweiten Phase, der „restaurativen Diskussion“ bis zur Absetzung Ludwigs 833, habe der Kaiser dann, beeinflusst durch neue Berater, wieder einen engeren Kontakt mit dem apostolischen Stuhl gesucht. Infolgedessen sei auch der päpst­liche Lehrprimat im Frankenreich wieder stärker zur Geltung gelangt. Fried strebte auch eine Neuinterpretation der Rolle Gregors IV. Sie enthält eine ausführliche, quellennahe und sehr differenzierte Auseinandersetzung mit entscheidenden Aspekten der kaiserlich-päpstlichen B ­ eziehungen zwischen 814 und 840. Leider ist diese ungedruckte Darstellung in Deutschland nur mit einigem Aufwand greifbar und wird, obwohl sie Wesentliches zum Thema beiträgt, von der deutschsprachigen Forschung kaum rezipiert. Knapper äußerte sich Noble noch einmal in ders.: Louis the Pious and his piety, S. 299 f. Für die Beziehungen zwischen Ludwig dem Frommen und dem Papsttum mit starkem Schwerpunkt auf dem Franken vgl. Fried: Ludwig, und die erstaunlich ­knappen Ausführungen bei Boshof: Ludwig, S. 135 – 140 (allgemein zur kaiserlich-päpstlichen Beziehung) und 163 – 165 (zum Bilderstreit) und 192 – 195 (zu Gregor IV.). 94 Mit den Papstbiografien des 9. Jahrhunderts im Liber Pontificalis und den päpstlich-fränkischen Beziehungen hat sich Frances Parton in ihrer Cambridger Dissertation von 2009 (The Liber Pontificalis and Franco-Papal Relations, 824 – 891) auseinandergesetzt. Da diese Arbeit unveröffentlich ist, konnte sie für die vorliegende Untersuchung nicht heran­gezogen werden. 95 Vgl. jedoch Goodson: Rome, insbes. S. 257 – 278, mit einem Schwerpunkt auf ­Paschalis I. als Bauherr in Rom. 96 Moderne Untersuchungen zu Gregor  IV. sind zumeist auf seine Rolle bei der Absetzung Ludwigs des Frommen reduziert, vgl. z. B. Scholz: Politik, S. 163 – 172. Vgl. dagegen seit Neuestem Scherer: Pontifikat, für eine ausführliche Neubewertung der kirchenpolitischen Wirkung Gregors  IV. Mein Dank gilt Cornelia Scherer, die mir ihre Arbeit noch vor der Veröffentlichung für die vorliegende Untersuchung zur Verfügung gestellt hat. 97 Vgl. Seppelt: Geschichte, Bd. 2, S. 200 – 220. 98 Fried: Ludwig, S. 233 – 254 (Benennung der drei Phasen auf S. 233).

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bei den Ereignissen von 833 an. Dieser habe keinen Ausgleich zwischen den Parteien gesucht, sondern sei offensiv für Lothar eingetreten. Erst durch seine Beteiligung in Colmar hätten die ältesten drei Söhne des Kaisers den Sieg über den Vater davon­ tragen können 99. Die letzten Jahre der Herrschaft ­Ludwigs, seit 834, bezeichnet Fried als „vollzogene Revision“. Diese Phase sei durch eine deutlich stärkere Anerkennung der päpstlichen Autorität durch den Kaiser gekennzeichnet 100. Frieds Ansichten bezüglich der kaiserlich-päpstlichen Beziehungen während der Herrschaft Ludwigs des Frommen wurden weitgehend skeptisch aufgenommen. ­Wilfried Hartmann wies insbesondere die Vorstellung zurück, Ludwig habe sich in der Frühphase seiner Herrschaft vom Papsttum distanziert, und hinterfragte die ent­ sprechenden Interpretationen des von Fried herangezogenen Quellen­materials 101. Auch Philippe Depreux fand Frieds Ansatz insgesamt nicht überzeugend 102. Es erscheint daher angemessen, zunächst die Frage nach der Natur der kaiserlich-päpstlichen Beziehungen und der Bedeutung des Primats im Frankenreich zwischen 814 und 840 in den Blick zu nehmen. Die von Fried favorisierte Einteilung der kaiserlich-päpstlichen Beziehungen liegt aus ereignisgeschichtlichen Gründen nahe und wurde ähnlich bereits von Noble vertreten. Dieser hatte die erste Dekade von Ludwigs Herrschaft bis in die mitt­leren 820er Jahre als eine Phase bezeichnet, in welcher der kaiserlichen Seite stärkeres Gewicht beizumessen sei als der päpstlichen 103. Noble begründete dies mit den verschiedenen Krönungen Ludwigs und Lothars in den Jahren 813, 814, 817 und 823 und mit den kaiserlich-päpstlichen Verträgen von 816, dem Pactum Hludowicianum von 817 und der Constitutio Romana. Die verschiedenen Krönungsvorgänge deutete er als Beleg 99 Ebd., S. 254 – 271. 100 Ebd., S. 271 – 273. 101 Hartmann: Autorität, S. 116 – 124. Ebenso entschlossen lehnt ders., ebd., S. 129 f., die Einschätzung Frieds ab, die Synoden von 816 und 817 seien aufgrund eines Mangels an zitierten Dekretalen ein Zeichen eines kaiserlichen Monismus (Fried: Ludwig, S. 154). Er verweist auf die Tatsache, dass es zu dieser Zeit kaum Dekretalen gab, die sich mit den auf den S­ ynoden verhandelten monastischen Fragen beschäftigten. 102 Depreux: Empereur, insbes. S. 894 – 898. Ihm folgt weitestgehend Scherer: Pontifikat, S. 133 – 135. Vgl. zur Argumentation von Depreux auch Noble: Louis the Pious and the Papacy; ders.: Louis the Pious and his piety; ders.: Republic, S. 299 – 322. 103 Noble: Louis the Pious and the Papacy, S. 242. Noble kommt in seinem einleitenden ­Abstract (ohne Seitenzahl) zu folgender Einschätzung der politischen Realitäten in der Mitte der 820er Jahre: „By 824 the papacy had been effectively integrated into the institutional life of the empire and a Carolingian legal and political presence had been c­ reated in Rome. The very unclear legal and political position of the papacy before 814 was resolved in favor of the empire and Louis had used his coronation in 816 to demonstrate that his imperial dignity was the highest dignity in the Christian world.“

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dafür, dass die Beteiligung des Papstes 814 beziehungsweise 823 nicht als konsekutives Element, sondern lediglich als sichtbare Manifestation der spirituellen Verantwortung des Kaisers für das Seelenheil seiner Untertanen vor Gott, ähnlich einer Bischofsweihe, zu interpretieren sei. Die Kontrolle über das Krönungszere­moniell habe dabei im Wesentlichen auf kaiserlicher Seite gelegen 104. Ebenso zeigten das 817 geschlossene Pactum Hludowicianum, die 824 von Lothar erlassene Constitutio Romana und die gehäuften Rombesuche Lothars in den frühen 820er Jahren, dass der Papst als Untertan des Kaisers gesehen wurde und Rom im institutionellen Sinne in das fränkische Reich integriert werden sollte. Das Pactum Hludowicianum wird dabei als erster und weitreichender Versuch der Karolinger gedeutet, ihre Rechte in und über Rom zu definieren. Die Constitutio Romana gibt hingegen konkrete Handlungsanweisungen und wurde als Ausdruck der Kaiser interpretiert, die fränkische Kontrolle über Rom zu verstärken 105. Fried deutete die Abwesenheit römischer Bezüge in den wichtigen Reformvorhaben in der ersten Dekade von Ludwigs Regierungszeit als eine demonstrative Ablösung von Rom und eine Einschränkung der Rechte und des Einflusses des Papstes. Ein „kraftvoller kaiserlicher Monismus“ habe dazu geführt, dass der Papst „mit seiner politischen Unabhängigkeit einen wesentlichen Teil seiner geistlichen Autorität“ verlor 106. Im Gegensatz dazu betonte Noble, dass die vertragliche Eingliederung Roms in das Imperium nicht den geistlichen Primat des Papstes bedroht habe 107. Tatsächlich erscheint es nicht zwingend, aus der Abwesenheit päpstlicher Legaten auf fränkischen Versammlungen oder aufgrund fehlender

104 Ebd., S. 40 – 115 (insbes. S. 44 und 114). Ebd., S. 51 – 56, spekuliert Noble, dass die Krönung Ludwigs 813 durch Karl den Großen möglicherweise als Zeichen der Unzufriedenheit mit der eigenen Kaiserkrönung im Jahr 800 zu werten sei. Den damaligen – ungewollten – Rombezug habe man 813 durch den ausdrücklichen Bezug auf die Franken ersetzt. ­Ludwig sei seinem Vater in der Annahme dieser fränkisch-zentrierten Kaiserkrönung gefolgt, indem er sie 817 bei der Krönung Lothars zum (Mit-)Kaiser wiederholt habe (ebd., S. 104 f.). Vgl. dazu auch Scholz: Politik, S. 145 f.; Boshof: Ludwig, S. 129 – 138. 105 So die Einschätzung von Herbers: Leo  IV., S. 203 f. Vgl. zum umstrittenen Verhältnis zwischen Hludowicianum und Constitutio Romana und zum Vertrag von 816 zwischen Stephan IV. und Ludwig, der als Vorläufer des Hludowicianum interpretiert wird, Noble: Louis the Pious and the Papacy, S. 116 – 177 (zum Hludovicianum) und S. 178 – 241 (zur Constitutio Romana); ders.: Republic, S. 299 – 322; Fritze: Papst, S. 16 – 18; Hahn: ­Hludowicianum, S. 23 – 30 und 100; Kempf, Gewalt, S. 155 (mit Anm. 77); Scholz: ­Politik, S. 150. Zur Constitutio Romana vgl. auch Drabek: Verträge, S. 43 – 47. 106 Fried: Ludwig, S. 233 – 254 (Zitat ebd., S. 254). 107 Noble: Louis the Pious and the Papacy, S. 241: „All of this is not to say that Louis turned the pope into some kind of an imperial chaplain. A very wide scope of secular business was left to the pope in and around Rome, and the spiritual primacy of Peter’s successor was never called into question.“

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Bezüge auf den Papst in den Dokumenten der Kirchenreformen auf eine bewusste Distanzierung oder eine Herabwürdigung Roms zu schließen. Einige Ereignisse während des Pontifikats Paschalis’ I. zeigen, dass das Papsttum seinerseits gegenüber den Franken durchaus selbstbewusst primatiale Rechte vertrat. Eine Auseinandersetzung mit Hrabanus Maurus um ein in Fulda gefälschtes Privileg führte dazu, dass Paschalis dem Abt mit der Exkommunikation drohte. Es scheint dies das erste Mal gewesen zu sein, dass ein Papst eine solche Drohung gegenüber einem einflussreichen Mitglied der fränkischen Kirche aussprach 108. Auch zeigte sich, dass das römische Selbstbewusstsein auch über die Stadt und das direkte politische Einflussgebiet Paschalis’ hinauswies 109. Während Ludwig und Lothar ihre Herrschaft im römischen Territorium verstärkten, versuchte der Papst, den Primat in der frän­ kischen Kirche auch in der Praxis durchzusetzen. Die Nachfolger Paschalis’ beschritten ebenfalls diesen Weg 110. Gleichzeitig muss betont werden, dass die Franken sich durchaus darum bemühten, den Papst in kirchlichen Angelegenheiten einzubinden. Ebo von Reims erbat die päpstliche Zustimmung zu der durch Ludwig den Frommen initi­ierten Dänen-Mission  111. Im wieder aufbrechenden Bilderstreit in den Jahren 824 – 825 suchte Ludwig der Fromme keine direkte Konfrontation mit Rom, sondern ging diplomatischer als sein Vater vor ihm daran, dem Papst seine Auffassung der Angelegenheit, die von der Roms abwich, näherzubringen 112. Der Papst rief im November 826 eine römische Synode ein, die ein sichtbares ­Zeichen der päpstlichen Autorität sein sollte 113. Die Versammlung ist in Bezug auf die fränkisch-römischen Beziehungen in zwei Aspekten bedeutsam: Zum einen war es scheinbar die erste unter karolingischer Herrschaft stattfindende Kirchenversammlung, 108 Ebd., S. 296 – 298. Vgl. zur Auseinandersetzung zwischen Paschalis und Hrabanus Maurus auch Fried: Ludwig, S. 254 f. 109 Für die Demonstration von Paschalis’ Selbstverständnis durch verschiedene Mosaiken in Rom vgl. Scholz: Politik, S. 151 – 157. 110 Noble: Louis the Pious and the Papacy, S. 244 f.: „During the later years of Louis’ reign the major initiatives in papal-imperial relations came from Rome, not Aachen. […] the papacy became the driving force.“ 111 Vgl. Epistolae selectae pontificum Romanorum, Ep. 11, JE 2553, ed. Hampe (MGH Epp. 5), S. 68 – 70. Vgl. dazu Scholz: Politik, S. 160. Noble: Louis the Pious and the Papacy, S. 298 – 305, deutete das Schreiben als Versuch des Paschalis, die Dänen-Mission unter päpstliche Hoheit zu stellen; vgl. ebenso Boshof: Ludwig, S. 164 f. 112 Vgl. Scholz: Politik, S. 160 – 163; Fried: Ludwig, S. 261 f.; Boshof: Ludwig, S. 163 f.; und Noble: Louis the Pious and the Papacy, S. 245 – 291, mit stärkerer Betonung der päpst­ lichen Seite in der Bilderfrage. Zum zweiten Bilderstreit vgl. ders.: Images, S. 244 – 286, insbes. S. 264 f., zu den Mühen Ludwigs des Frommen um einen Ausgleich mit dem Papsttum ohne Aufgabe der eigenen Position. Zur indirekten Kritik der Franken am Papsttum in der Frage des Bilderstreits auf der Synode von Paris von 825 vgl. ebd., S. 330 – 333. 113 Synode von Rom 826, ed. Werminghoff (MGH Conc. 2, 2), S. 553 – 558.

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die nicht von den fränkischen Königen einberufen wurde und auf der keine fränkischen Legaten vertreten waren. Zum anderen verstand sich die Synode als Reformkonzil, das die von den Karolingern angestoßene Kirchenreform jedoch im Gegensatz zur herrschenden kirchenrechtlichen Praxis nicht als kaiserliche, sondern als päpstliche Aufgabe begriff 114. Scholz sieht die Synode aufgrund ihrer inhaltlichen Nähe zum karolingischen Reformprogramm als Beleg dafür an, dass sich Rom dem Einfluss der Franken geöffnet habe 115. Tatsächlich muss festgehalten werden, dass der fränkische Einfluss in Rom spätestens seit Karl dem Großen eine Tatsache war, mit der sich die römischen Bischöfe abzufinden hatten, wenn sie politisch überleben wollten. Die genannten Beispiele zeigen jedoch, dass das Papsttum unter Ludwig dem Frommen kein passiver Akteur war, sondern durchaus versuchte, die Beziehungen zum Frankenreich mit zu gestalten. Der päpstliche Lehrprimat besaß im Frankenreich weiterhin ­Gültigkeit, und die Päpste nutzten sich ihnen bietende Gelegenheiten, um ihm Geltung zu verschaffen 116. Einen größeren Bruch in den fränkisch-päpstlichen Beziehungen zu Beginn der 820er Jahre hat es demnach nicht gegeben. Vielmehr scheinen beide Seiten bemüht gewesen zu sein, eigene Interessen voranzubringen, ohne dabei Rechte und Stellung der anderen Partei zu missachten. Dass die machtpolitische Position des Kaisers dabei derjenigen des Papstes überlegen war und auch in kirchenrechtliche Fragen hineinreichte, war keineswegs ungewöhnlich oder auch nur bemerkenswert. Die Päpste agierten im Rahmen ihrer realpolitischen Möglichkeiten durchaus selbstbewusst, scheinen aber Grundsatzdebatten jeglicher Art mit dem Kaiser vermieden zu haben. Erst als mit dem Jahr 833 die Krise des karolingischen Imperiums ihren vorläufigen Höhepunkt erreichte, wurde es notwendig, grundsätzlich Stellung zu beziehen. Die Ereignisse des Sommers dieses Jahres bildeten „den Auftakt zu einem

114 Noble: Louis the Pious and the Papacy, S. 308 f. Ausführlich zur Synode von 826 vgl. ebd., S. 308 – 320. Noble, ebd., S. 309 – 311 und 380 – 386 (Appendix E), betont, dass die Kanones selbst inhaltlich wenig originell waren und sich stark an ältere karolingische Reformsynoden anlehnten. Seppelt: Geschichte, Bd. 2, S. 211, wertet die Synode als Versuch Eugens II., die Führung über die von den Karolingern begonnenen Kirchen­reformen zu erlangen. Vgl. auch Hartmann: Synoden, S. 173 – 177. 115 Scholz: Politik, S. 165. 116 Vgl. Fried: Ludwig, S. 254 – 266, mit den Ausführungen zur „restaurativen Diskussion“ (S. 233). Es ist wohl eher unwahrscheinlich, dass, wie ebd., S. 262, suggeriert, der Primat in der Frühphase von Ludwigs Regierungszeit infrage gestellt worden ist, um nur wenige Jahre später voll akzeptiert oder sogar verteidigt zu werden. Einen derartigen grundlegenden ­kirchenpoltischen Stimmungsumschwung belegen die Quellen nicht. Vielmehr ist zu folgern, dass der Lehrprimat Roms im Frankenreich Ludwigs des Frommen nie zur Disposition gestanden hat, in späteren Jahren jedoch von Teilen der fränkischen Geistlichkeit stärker betont wurde.

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tiefgreifenden Beziehungswandel zwischen dem Papsttum und dem Frankenreich“117. Dieser vollzog sich jedoch nicht schlagartig, sondern nahm auf dem Rothfeld in Colmar lediglich seinen Anfang. Mit Gregor IV.118 kam 827 derjenige Papst ins Amt, der die Krise der Herrschaft Ludwigs des Frommen in der ersten Hälfte der 830er Jahre begleitete. Der Ponti­ fikat Gregors überdauerte auch den Tod des Kaisers im Jahr 840 und endete erst ein Jahr nach dem Friedensschluss von Verdun (843). Das Verhalten des Papstes im Jahr 833 hat für zahlreiche Diskussionen unter Zeitgenossen und Mediävisten gesorgt. Dabei sind die Quellen bezüglich Gregors Rolle bei der Absetzung des ­Kaisers überaus zurückhaltend. Gewiss scheint nur das Folgende: Gregor IV. reiste im Frühjahr 833 im Gefolge Lothars ins Frankenreich und hielt sich während der in der zweiten Junihälfte stattfindenden Verhandlungen zwischen dem Kaiser und der von seinen drei ältesten Söhnen geführten Opposition im Lager der Gegner ­Ludwigs auf. Er kam bei ­Colmar schließlich zu Gesprächen mit dem Kaiser zusammen, über deren Inhalt nichts bekannt ist. Mehr oder weniger gleichzeitig fielen große Teile des kaiser­lichen Heeres von Ludwig ab, sodass dieser faktisch entmachtet war und sich ­schließlich ­seinen Söhnen ergeben musste. Der Papst kehrte nach Italien zurück, während Lothar als neuer Kaiser im Frankenreich blieb 119. Sofern sich die erzählenden Quellen überhaupt zu Gregors Rolle bei diesen Ereignissen äußern, zeigen sie einen Papst, der, ohne es zu wollen, von Lothar und seinen Anhägern zum Gehilfen bei der Absetzung des Kaisers degradiert wurde. Der Astronomus genannte Biograf Ludwigs des Frommen glaubt zu wissen, dass der Papst von Lothar und seinen Anhängern unter Vorspiegelung falscher Tatsachen ins Frankenreich gebracht worden sei. Gregor habe geglaubt, einer Friedensmission vorzustehen, sei aber in Wirklichkeit von Lothar zum Erreichen seiner Ziele instrumentalisiert worden. Der Astronomus berichtet weiter davon, es habe das (unzu­ treffende) Gerücht gegeben, Gregor habe den Kaiser und seine treuen Bischöfe exkommunizieren wollen. Die Gegenreaktion des kaisertreuen Episkopats, der seinerseits dem Papst mit dem Bann drohte, beurteilt der ­Schreiber als Grenzüberschreitung, die nicht konform mit kanonischem Recht sei. Die Begegnung zwischen Kaiser und 117 Scholz: Politik, S. 163. 118 Ähnlich wie im Falle Ludwigs des Frommen galt Gregor IV. der älteren Forschung gemeinhin als schwächlicher Papst, der es nicht schaffte, seinem Amt genügend Geltung zu verschaffen, vgl. z. B. das vernichtende Urteil bei Ohr: Fragen, S. 333 – 352 (darin ­insbes. S. 338 – 339 und 343). 119 Die Literatur zu den Ereignissen des Sommers 833 ist ausufernd. Vgl. aber knapp und präzise Schieffer: Karolinger, S. 131 – 133; sowie mit wichtigen Einsichten, Jong: State, S. 46 – 50. Zur Rolle des Papstes bei diesen Ereignissen zuletzt Scherer: Pontifikat, S. 165 – 183. Eine ausführliche Analyse der einzelnen fränkischen Quellen zu diesen Ereignissen bietet ­Booker: Convictions, insbes. S. 22 – 67.

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Papst wird als zunächst reservierte, dann jedoch freundschaftliche Zusammen­kunft über mehrere Tage beschrieben. Nach dem Verrat von Ludwigs Anhängern und der Entmachtung des Kaisers sei der Papst „in großer Trauer“ nach Rom zurück­gekehrt 120. Gregor erscheint hier als ehrlicher Vermittler, dem von den hinterhältigen Kaisersöhnen und deren Anhängern übel mitgespielt worden ist. Seine Freundschaft zu Ludwig dem Frommen steht für den Astronomus außer Frage. Ludwigs zweiter Biograf, Thegan, hält sich bezüglich einer Wertung von Gregors Erscheinen zurück. Sein Bericht von einer langen, freundschaftlichen Unterredung zwischen Kaiser und Papst lässt darauf schließen, dass er Letzteren aber eindeutig nicht zu den Gegnern Ludwigs zählte 121. Nithard übernimmt die Einschätzung des Astronomus und spricht davon, dass Gregor „Reue über seine Reise“ emp­funden habe, nachdem er erkannt hatte, dass Lothar ihn nicht mit ins Frankenreich gebracht hatte, um Frieden zu stiften, sondern um seine eigene Position zu stärken 122. Signifikanterweise übergeht der Liber Pontificalis die Ereignisse vollständig und erwähnt nicht einmal die Reise Gregors über die Alpen, sodass uns kein Bericht über die Ereignisse aus römischer Sicht vorliegt 123. Das Schweigen der Quellen erscheint auch in einem weiteren Punkt erwähnenswert: Es gibt keine einzige Quelle, die von einer (versuchten) Beteiligung Gregors IV. an den weiteren Ereignissen im Frankenreich spricht. Weder an Ludwigs öffentlicher Buße, seiner Haft, Lothars Streit mit ­seinen Brüdern, der Rückkehr des alten Kaisers an die Macht und der Abstrafung s­ einer Gegner hat der Papst mitgewirkt oder auch nur Anteil genommen. Nach Ludwigs 120 Astronomus, Vita Hludowici, Kap. 48, ed. Tremp (MGH SS rer. Germ. 64), S. 472, Z. 6-S. 480, Z. 7, mit Zitat S. 478, Z. 16 f.: Gregorius papa talia cernens, cum maximo merore Romam regreditur […]. Vgl. zur Vita Hludowici Jong: State, S. 79 – 89. Vgl. zur Recht­ fertigung des Astronomus für das fehlende Einholungszeremoniell Hack: Empfangs­ zeremoniell, S. 464 – 466. 121 Thegan, Gesta Hludowici, Kap. 42., ed. Tremp (MGH SS rer. Germ. 64), S. 228, Z. 5-S. 230, Z. 10. Vgl. zu den Gesta Hludowici Jong: State, S. 72 – 79. 122 Nithard, Historiarum Libri, Buch 1, Kap. 4, ed. Müller (MGH SS rer. Germ. 44), S. 5, Z. 9-S. 7, Z. 8, mit Zitat S. 5, Z. 29-S. 6, Z. 1: Gregorius siquidem papa iteneris penitudine correptus tardius/ quam vellet Romam revertitur. Vgl. zu Nithards Darstellung der Regierungszeit Ludwigs des Frommen Jong: State, S. 96 – 102, und die Deutung des genannten Kapitels bei Fried: Ludwig, S. 267 f. In der Fortsetzung der Reichsannalen wird lediglich darauf verwiesen, dass der Papst mit dem Gefolge Lothars ins Frankenreich kam, vgl. Annales Bertiniani, a. 833, ed. Grat u. a., S. 8 – 11. Vgl. dazu Scherer: Pontifikat, S. 166 – 169. Vgl. auch Annales Xantenses, a. 833, ed. Simson (SS rer. Germ. 12), S. 8, Z. 15 – 28. Zeitgenössische Quellen, die aus Sicht der Opposition gegen Ludwig verfasst wurden, zeichnen ein anderes Bild von Gregors Auftreten 833, siehe S. 49 – 60 und 89 – 94.. 123 Vgl. Vita Gregor  IV., Liber Pontificalis, Bd. 2, ed. Duchesne, S. 73 – 85. Die Lebens­ darstellung Gregors  IV. im Liber Pontificalis ist ausschließlich auf die Ereignisse in Rom konzentriert. Vgl. dazu Scherer: Pontifikat, S. 15 – 22 und 170 f.

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Rückkehr zur Macht scheint sich sein Verhältnis zu Gregor kaum verändert zu haben. Jedenfalls gibt es keinerlei Anzeichen für Groll zwischen Kaiser und Papst. Eine ­mögliche, jedoch nicht zweifelsfrei belegte Rücksichtnahme Ludwigs auf die Wünsche Gregors bezüglich der Sedisvakanz im Erzbistum Reims ist nicht überzubewerten 124. Die genaueren Umstände der Pläne des alternden Kaisers für seinen ersten Romzug, die er nicht mehr in die Tat umsetzen konnte, liegen im Dunkeln. Sie sind sowohl als Versuch Ludwigs interpretiert worden, seinen weiterhin gültigen Herrschafts­anspruch über Rom zu bekräftigen, als auch als Zeichen einer stärkeren Annäherung an das Papsttum und einer (zuvor verweigerten) Anerkennung des Primats 125. Tatsächlich lassen sich aus den verfügbaren Quellen keine Anzeichen dafür erkennen, dass es in den Beziehungen zwischen Ludwig dem Frommen und Gregor  IV. nach 833 eine signifikante Veränderung gegeben hätte 126. Dies spricht dafür, dass die Darstellung des Astronomus insofern als korrekt gelten kann, dass Gregors Auftreten im Frankenreich von Ludwig selbst nicht als Angriff des Papstes auf den Kaiser verstanden wurde. In einem solchen Fall hätte sich das kaiserlich-päpstliche Verhältnis nach 833 sicherlich deutlich verschlechtert. Die Politik des Kaisers gegenüber Rom scheint aber während seiner gesamten Herrschaft konstant geblieben zu sein 127. Im Gegensatz dazu waren die Beziehungen zwischen Lothar und dem Papst nach 833 deutlich abgekühlt. Lothar versuchte offenbar, eine Zusammenkunft zwischen ­seinem Vater und dem Papst zu vereiteln und auch die kaiserlich-päpstliche Kommuni­ kation zu stören 128. Dies spricht dafür, dass die Beziehungen zwischen Ludwig und Gregor intakt waren, während die Konflikte zwischen kaiserlichem Vater und Sohn sowie jetzt auch zwischen Lothar und Gregor weiter schwelten. Ebenso könnten diese Ereignisse ein Indiz dafür sein, dass der Papst tatsächlich mit der Position unzufrieden 124 Vgl. den Brief Karls des Kahlen an Nikolaus I., Migne PL 124, Sp. 870D-875C (insbes. Sp. 871C-D). Fried: Ludwig, S. 271 f., betont diesen Aspekt meines Erachtens zu stark, auch wenn ich grundsätzlich damit übereinstimme, dass die Aussagen Karls zunächst als korrekt zu akzeptieren sind, vgl. ebd., S. 271 (Anm. 238). Vgl. dazu auch Scherer: Ponti­ fikat, S. 157 – 164. 125 Für die erste Sicht vgl. z. B. Noble: Louis the Pious and the Papacy, S. 354. Für die zweite Sicht vgl. vor allem Fried: Ludwig, S. 270 – 273, der die Zeit ab 834 für die kaiserlich-päpstlichen Beziehungen als „vollzogene Revision“ bezeichnet (ebd., S. 233). Boshof: Ludwig, S. 233 f., glaubt, Ludwig habe beabsichtigt, den Papst in eine Neuregelung der Nachfolgefrage einzubinden, um einen möglichst stabilen Frieden für das Reich herzustellen. Scherer: Pontifikat, S. 152 – 157, sieht vor allem den Konflikt zwischen Ludwig und Lothar als Anlass für den Romzug. 126 Vgl. ebenso (und ausdrücklich gegen Fried) die Position von Scherer: Pontifikat, S. 164: „Das Jahr 833 scheint kein Wendepunkt gewesen zu sein.“ 127 Vgl. Noble: Louis the Pious and the Papacy, S. 354. 128 Vgl. Boshof: Ludwig, S. 233 f.; Scherer: Pontifikat, S. 127 – 129.

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war, in die Lothar ihn 833 hineingedrängt hatte. Es ist in diesem Zusammenhang wichtig zu wissen, welche Rolle die Berater Lothars im Konflikt mit Gregor gespielt haben. Die Beziehungen zwischen fränkischem Klerus und Papst waren auch im ­frühen 9. Jahrhundert ambivalenter Natur. Die Geistlichen des Frankenreichs ­scheinen unterschiedliche Ansichten bezüglich der Autorität Roms vertreten zu haben. Teile des kaisertreuen Episkopats wandten sich 833 direkt gegen Gregor, wodurch der Papst sich herausgefordert sah, seinen eigenen Standpunkt deutlich zu machen. Aber auch im Lager der oppositionellen Kleriker waren die Ansichten über die Natur des päpstlichen Primats weniger einheitlich, als es gemeinhin den Anschein hat.

1.1.4.2  Gregor IV. und der fränkische Klerus

Der Begriff „Reichseinheitspartei“, unter dem die Gegner Ludwigs des Frommen von der Forschung immer wieder subsumiert wurden, gilt inzwischen als überholt. Die Bezeichnung suggeriert eine einheitliche Zielsetzung und Motivation der ihr zugeordneten Akteure 129, namentlich die Bewahrung der staatlichen Einheit des Franken­reichs. Dabei geben die Quellen keinen Anlass für eine solche Interpretation 130. Ebenso wenig kann man davon sprechen, dass der fränkische Klerus gegenüber dem Bischof von Rom eine einheitliche Politik verfolgte. Auf die mögliche Instrumen­ talisierung Gregors IV. durch Lothar und seine Anhänger wurde bereits hingewiesen. Aber auch diejenigen Mitglieder des fränkischen Klerus, die sich 833 hinter Lothar stellten, scheinen unterschiedliche Vorstellungen davon gehabt zu haben, was es im 129 Zu diesen gehörten 833 die Bischöfe Ebo von Reims, Agobard von Lyon, Barnard von Vienne, Bartholomäus von Narbonne, Elias von Troyes, Heribald von Auxerre, Hildemann von ­Beauvais, Jesse von Amiens, Joseph von Evreux und der Vetter Ludwigs, Abt Wala von Corbie. Vgl. Zechiel-Eckes: Fälschung, S. 15. Auch der Abt Hilduin von St. Denis, in dem Fried: Donation, S. 106 – 109, den Urheber der Konstantinischen Schenkung vermutet, stand wohl kurzfristig auf der Seite Lothars, vgl. Buchner: Vizepapsttum, S. 102 – 104. Levison: Hilduin, S. 524, betont gegen die Ausführungen Buchners, dass eine stärkere Besinnung des Abtes von St. Denis auf die päpstliche bzw. petrinische Autorität erst nach seinem Sturz als Erzkaplan erfolgt und Ausdruck von Hilduins „­Schutzbedürfnis“gewesen sei. 130 Patzold: Palastrevolution, lehnt die Begriffe „loyale Palastrevolution“ für den Aufstand 830 und „Reichseinheitspartei“ ab, vgl. insbes. ebd., S. 44 f. (Anm. 6), für die Verwendung dieser Begrifflichkeiten auch in der jüngeren Forschung und ebd., S. 71 – 75, für die unterschiedlichen Motive der beteiligten Geistlichen am Aufstand von 830. Bereits Schieffer: Krise, S. 12 f., hatte rhetorisch zuspitzend darauf hingewiesen, dass spätestens 833 die verschiedenen fränkischen Akteure keine gemeinsamen Ziele mehr verfolgten, sondern sich nur noch, jeder um den eigenen Vorteil bemüht, zu Zweckbündnissen zusammenschlossen und in diesem Zusammenhang auch Gregor  IV. instrumentalisierten, vgl. ebd., S. 6 (mit Anm. 21).

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Konflikt mit dem Kaiser zu gewinnen galt. Im gleichen Maße unterschieden sich auch die Meinungen darüber, welche Rolle Papst Gregor  IV. in der Auseinander­setzung mit Ludwig zukommen sollte und welche Bedeutung dem päpstlichen Primat insgesamt zuzumessen sei. In jüngeren Darstellungen zur Krise des karolingischen Imperiums ist zu lesen, dass diejenigen Teile der fränkischen Geistlichkeit seit den 820er Jahren die B ­ edeutung des päpstlichen Primats betonten, die in der Auseinandersetzung 833 in Opposition zum Kaiser standen 131. Tatsächlich werden hier aber die Meinungen einzelner P ­ ersonen mit denen einer ganzen Gruppe von Klerikern gleichgesetzt. Die Position der einzelnen fränkischen Geistlichen zum Primat sollte differenziert betrachtet werden. Allerdings äußerten sich die fränkischen Geistlichen während der ersten zwanzig Jahre der Regierungszeit Ludwigs nur selten zum Primat, sodass nur für wenige Akteure eine Standortbestimmung gegenüber dem Papsttum vorgenommen werden kann 132. Die Vorstellungen vom römischen Primat waren im fränkischen Episkopat unterschied­ licher Natur, wobei sich nicht nur die Ansichten der kaisertreuen Bischöfe 133 von denen des oppositionellen Episkopats unterschieden. Auch innerhalb dieser zwei Gruppen scheinen verschiedene Vorstellungen von der römischen Autorität geherrscht zu haben. Zwei der erbittertsten Gegner Ludwigs waren die Erzbischöfe Ebo von Reims und Agobard von Lyon. Waren sie 833 in ihrer Kritik gegen Ludwig geeint und ­wurden 835 wegen ihrer Beteiligung am Aufstand vom Kaiser abgesetzt, so lässt sich für beide kein einheitliches Verhalten gegenüber Rom feststellen. Ebo von Reims ließ an der Reimser Kathedrale eine bildliche Darstellung der Krönung Ludwigs durch Stephan IV. anbringen, was als erzbischöfliche Betonung der Bedeutung der Krönung durch den Papst gewertet wird 134. Ebo war es auch, der die römische Unterstützung für die Dänen-Mission beim Papst erbat.135 Es scheint für den Bischof wichtig ­gewesen zu sein, gute Beziehungen mit Rom zu pflegen und die römische Zustimmung zu 131 Vgl. Scholz: Politik, S. 148 f.; Fried: Ludwig, S. 263 – 265. 132 Fried: Ludwig, S. 263, teilt diese Einschätzung vor allem für die Jahre 814 – 824. Für die folgen­den Jahre nimmt er vor allem die gehäuften Bitten Hilduins von St. Denis und E ­ inhards um römische Reliquien als Belege für eine gewachsene Achtung gegenüber dem Papst. ­Heiligenverehrung ist jedoch nicht mit der Anerkennung primatialer Rechte gleichzusetzen. 133 Zu diesen zählen der Halbbruder Ludwigs, Drogo von Metz, des Weiteren Modoin von Autun, Willerich von Bremen, Aldrich von Le Mans, Otgar von Mainz, Hilti von Verdun, Bernard von Straßburg, Verendarius von Chur, Christian von St. Germain d’Auxerre, ­Hraban von Fulda und Jonas von Orléans. Vgl. Noble: Louis the Pious and the Papacy, S. 329 (mit Anm. 17). 134 Vgl. Boshof: Ludwig, S. 139; Fried: Ludwig, S. 271. Ob sich diese Wertschätzung Ebos auf das Amt des Papstes oder die darin ausgedrückte Mitwirkung der Kirche bei der Krönung Ludwigs (und der Begründung seiner Autorität) bezieht, sei dahingestellt. 135 Vgl. Knibbs: Ansgar, S. 66 – 68.

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eigenen Projekten zu erlangen. Anders ging hingegen Agobard von Lyon vor. Er verteidigte fränkische Kanones gegen Kritik, sie seien ohne römische Beteiligung zustande gekommen, und verwehrte sich gegen Bestrebungen, die Traditionen der fränkischen Kirche durch den römischen Ritus zu ersetzen. Die Einheit der Kirche orientierte sich Agobard zufolge nicht an Rom. Zumindest in den Fragen, die seinen eigenen Wirkungsbereich betrafen, scheint der Bischof nicht gewillt gewesen zu sein, sich Rom anzupassen 136. Eine besondere Wertschätzung für die kirchenrechtliche Autorität Roms lässt sich aus den Äußerungen Agobards jedenfalls nicht entnehmen. Auch andere fränkische Geistliche scheinen im Zweifelsfall die römische Autori­tät als wenig relevant beurteilt zu haben. Als sich der beim Kaiser in Ungnade gefallene Theodulf von Orléans 817/18 gegen seine Absetzung zu wehren versuchte, indem er erklärte, dass sein Fall nur vor dem Papst rechtmäßig verhandelt werden könne, lehnte das der Bischof Modoin von Autun ab 137. Modoin gehörte 833 zum kaisertreuen Episkopat, so dass seine Ablehnung einer päpstlichen Jurisdiktion selbst­verständlich erscheint. Tatsächlich aber hätten wohl die meisten fränkischen Bischöfe die Argumentation Theodulfs abgelehnt. Gleichzeitig ist es wichtig zu betonen, dass die treu zu Ludwig stehenden Bischöfe keineswegs durch besondere Geringschätzung des Papstes aufgefallen wären. Als Beispiel sei auf Jonas von Orléans verwiesen, der 833 ein Anhänger des Kaisers war. Jonas schrieb im Zuge des zweiten Bilderstreits an Claudius von Turin und tadelte diesen für seine Kritik an Papst Paschalis, der ihm schließlich vorgesetzt (praelatus) sei 138. Er argumentierte weniger gegen die von Claudius auf­geworfenen Fragen, sondern leitete aus dem Rang des Bischofs von Rom ab, dass dieser von dem ihm unterstellten Bischof nicht kritisiert werden dürfe. Die Wertschätzung für das Amt verbot in Jonas Augen die Kritik am Papst. Der Primat scheint im Denken Jonas’ von Orléans fest verankert gewesen zu sein 139. 136 Vgl. Boshof: Agobard, S. 97 f.; Fried: Ludwig, S. 244 f. 137 Vgl. ebd., S. 252 f., zu den gegensätzlichen Positionen Theodulfs und Modoins in dieser Angelegenheit. Die sich von den Quellen weit entfernende Interpretation Frieds, ebd., S. 253, Theodulf sei wegen seiner Weigerung, auf die papstfeindliche Haltung des neuen Kaisers Ludwig umzuschwenken, abgesetzt worden, halte ich hingegen für sehr gewagt. 138 Vgl. Claudius von Turins Kritik an dem Geschäft mit der Pilgerfahrt nach Rom und seiner damit verbundenen indirekten Papstschelte in ders., Ep. 12, ed. Dümmler (MGH Epp. 4), S. 612, Z. 28 – 613, Z. 34. Vgl. Jonas von Orléans, De cultu imaginum, Kap. 3, Migne PL 106, Sp. 363 – 388 (darin insbes. Sp. 385C-D), als Antwort auf Claudius’ Kritik. Vgl. zu den Vorgängen Fried: Ludwig, S. 264 (mit Anm. 198), mit mehreren Hinweisen auf Jonas’ Achtung vor den römischen Vorschriften in Fragen der Kirchenrechtspraxis. Vgl. zur Kontroverse zwischen Claudius und Jonas auch Noble: Images, S. 288 – 306 (darin insbes. S. 305 f.), zu Claudius’ Kritik am Papst und der Erwiderung von Jonas. 139 Noble: Images, S. 331, verwies darauf, dass Jonas 825 auf der Synode von Paris a­ nwesend und möglicherweise an der Abfassung der zentralen Dokumente der Versammlung beteiligt war,

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Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass der fränkische Klerus den Vorrang des Papstes grundsätzlich infrage gestellt hätte. Ebenso wenig aber scheinen die Bischöfe mit dem Primat weitreichende Rechte bezüglich der Leitung der fränkischen Kirche oder gar jurisdiktionelle Befugnisse verbunden zu haben. In diesem Sinne kam Rom nach fränkischem Verständnis in erster Linie ein Ehren- und, in den Augen mancher fränkischer Geistlicher, auch ein Lehrprimat zu. Die konkrete Ausgestaltung der reli­ giösen Praxis und der Kirchenpolitik fand unabhängig von Rom statt. Dies wird besonders deutlich, wenn man die seit den späteren 820er Jahren verstärkt geäußerte Kritik des fränkischen Klerus am stockenden Reformprozess im Frankenreich betrachtet. Bereits im Winter 828/29 fand eine Reichsversammlung in Worms statt, auf der offenbar Unzufriedenheit mit den Zuständen im Frankenreich geäußert wurde. In der Kritik standen möglicherweise die Aufgaben der weltlichen und geistlichen Gewalt, Probleme bei der Ausgabe von Kirchengut und Konflikte um Laienäbte und Hofkapelle 140. Ludwig der Fromme verschloss sich den Beschwerden nicht, sondern forderte die Geistlichkeit auf, ihm ihre konkreten Vorstellungen zur richtigen Fortführung des begonnenen Reformprozesses mitzuteilen. Die in der Folge abgehaltenen Reformsynoden von 829 gelten als wegweisend für die Ereignisse der 830er Jahre und als Ausdruck eines neuen Selbstbewusstseins des fränkischen Klerus. Einzig die Akten der Synode von Paris sind dabei überliefert 141. Es gilt als wahrscheinlich, dass die insgesamt 94 Kapitel der Synode von Bischof Jonas von Orléans in denen der Papst zumindest indirekt kritisiert wird, was seine Kritik an Claudius widersprüchlich erscheinen lässt. 140 Angeblich wurden diese Kritikpunkte vorgetragen von Wala, vgl. Paschasius Radbertus, Epitaphium Arsenii, Buch 2, Kap. 2, ed. Dümmler, S. 62. Patzold: Episcopus, S. 150 f., hält die Darstellung Radberts im Wesentlichen für glaubwürdig. Felten: Äbte, S. 294 f., betrachtet dagegen das entsprechende memorandum Walas kritisch und hält zumindest die angeblich von Wala geäußerten Klagen über Laienäbte für nachträgliche Zugaben ­Radberts. Umstritten ist, welche Rolle der Konflikt um eine mögliche Ausstattung von Ludwigs nachgeborenem Sohn Karl in der Auseinandersetzung zwischen Klerus und K ­ aiser spielte. Während die Forschung lange Zeit darin einen der maßgeblichen Streitpunkte erkannte, verwies Patzold: Palastrevolution, S. 46 – 55, darauf, dass keine der maßgeblichen Quellen zu den Ereignissen von 829 – 830 auf diese Frage Bezug nimmt. In eine ähnliche Richtung wies bereits Ward: Caesar’s Wife, S. 211. 141 Concilium Parisiense, ed. Werminghoff (MGH Conc. 2, 2), S. 606 – 680. Als Teil­nehmer der Synode sicher belegt sind ebd., S. 605, Z. 12-S. 606, Z. 15, die Erzbischöfe Ebo von Reims, Aldrich von Sens, Ragnoard von Rouen und Landram von Tours, ihre Suffragane Inchad von Paris, Halitgar von Cambrai, Franco von Le Mans, Bernoin von Chartres, ­Heribald von Auxerre, Jonas von Orléans, Jesse von Amiens, Rangarius von Noyon, Rothad von S­ oisson, Adalhelm von Châlons, Hildemann von Beauvais, Godefried von Senlis, Frechulf von ­Lisieux, Wiladus von Coutances, Elias von Troyes, Hucbert von Meaux und Herbert von Bayeux, ferner die Bischöfe Amatheus, Theodesclus und Fulchar, deren Sitze unbekannt sind. Weinrich:

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niedergeschrieben wurden. In welchem Maße er dabei den Vorgaben der Synodalen folgte, ist ungewiss 142. In jedem Fall waren die Teilnehmer mit dem Ergebnis seiner Arbeit einverstanden. Dem Dokument wurde von der Forschung von jeher große Bedeutung beigemessen, da darin die Kritik an den Zuständen im Reich g­ ebündelt und so die Unzufriedenheit in weiten Teilen des Klerus mit der Herrschaft ­Ludwigs widergespiegelt werde. Gleichzeitig definierten die Synodalen auch ihre eigene Rolle innerhalb des Reiches. Sie griffen dabei auf die Zwei-Gewalten-Lehre des Gelasius zurück und nutzten diese, um ihre eigene Position gegenüber dem Kaiser zu ­stärken 143. Die Synode von Paris nahm dabei keinerlei direkten Bezug auf den Primat Roms. Weder fand die Versammlung unter römischer Autorität statt, noch wurde der Papst in den Kanones besonders hervorgehoben 144. Für das Voranbringen der fränkischen (Kirchen-)Reformen und die Verbesserung der eigenen Position im Reich bemühte der Klerus ausdrücklich nicht das Papsttum. Sollten entsprechende Ver­suche gemacht worden sein, so lassen sie sich aus den überlieferten Quellen nicht mehr rekonstru­ ieren. Die Synodalen von Paris stehen exemplarisch für eine neue Bischofsgeneration, die mehrheitlich unter Ludwig ins Amt gekommen und eng mit diesem und seiner Politik verbunden war 145. Ihre Erwartung, dass der Kaiser das eingereichte Reform­ programm wohlwollend aufnehmen würde, erwies sich indes als falsch. Die Beschlüsse der Reichsversammlung in Worms im gleichen Jahr haben die Pariser Beschlüsse weitgehend ignoriert 146.

Wala, S. 69 (mit Anm. 116), bezweifelt die Anwesenheit Walas auf dem Konzil, auch weil dessen Biograf Radbert über die Versammlungen rasch hinweggeht. ­Weinrich weist jedoch auch darauf hin, dass die Teilnehmerliste gar keine Äbte nennt. So fehlt z. B. auch Hilduin von St.-Denis, dessen Anwesenheit auf dem ­Konzil durch eine andere Quelle wahr­scheinlich gemacht wird. Hartmann: Synoden, S. 182 (Anm. 8), und Patzold: Episcopus, S. 160, gehen davon aus, dass Wala und Hilduin zu den Teilnehmern des Konzils gehörten, auch wenn beide einräumen, dass dies nur eine Vermutung ist, die durch die Überlieferung nicht zweifelsfrei zu rekonstruieren ist. Die übrigen Synoden fanden in Mainz, Lyon und T ­ oulouse statt, vgl. ebd., S. 179. Lediglich für das Konzil in Mainz sind eine Aufstellung der Teil­nehmer und einige wenige inhaltliche Details überliefert, vgl. ebd., S. 180 f. (mit Anm. 4). 142 Hartmann: Synoden, S. 182, verteidigt die Autorschaft Jonas’ gegen die Annahme von Weinrich: Wala, S. 69, der Bischof von Orléans habe nicht über die intellektuellen Fähigkeit verfügt, die komplexe „Staatstheologie“ der Synodalkapitel zu verfassen. 143 Concilium Parisiense, Kap. 3, ed. Werminghoff (MGH Conc. 2, 2), S. 610, Z. 32-S. 611, Z. 4. Vgl. Patzold: Episcopus, S. 149 – 168. 144 Die von Fried: Ludwig, S. 266 (mit Anm. 212), behauptete Anwesenheit päpstlicher Legaten auf den Konzilien von 829 wurde von Hartmann: Autorität, S. 130 (mit Anm. 72), als Fehlinterpretation zurückgewiesen. 145 Vgl. Patzold: Episcopus, S. 160 – 162. 146 Vgl. Hartmann: Synoden, S. 186.

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Der Aufstand von 830, bei dem Ludwig der Fromme erstmals entmachtet wurde und Lothar kurzfristig die Regierungsgeschäfte übernahm, fand unabhängig von Rom statt und scheint dort auch keinerlei Eindruck hinterlassen zu haben. Der Papst war im Frankenreich von 830 kein wichtiger politischer Faktor, weder der kaisertreue noch der oppositionelle Episkopat fühlten sich bemüßigt, Gregor  IV. in die Ereignisse einzubinden. Warum setzte Lothar dann im Jahr 833 auf den Papst? Womöglich auch, weil ihm und seinen Vertrauten der erste, gescheiterte Versuch, sein Kaisertum gegenüber seinem Vater und seinem Halbbruder Karl zu verteidigen, noch klar vor Augen stand. Der älteste Sohn Ludwigs brauchte alle Unterstützung, die er bekommen konnte, um ein erneutes Scheitern seiner Sache zu verhindern 147. Gregors Anwesenheit beeindruckte sowohl Anhänger als auch Gegner des Kaisers. Aus einigen Briefwechseln des Sommers 833, den Darstellungen des ­Astronomus und Nithards und auch aus im Nachhinein verfassten Schriften einiger Beteiligter wird deutlich, dass das Auftreten des Papstes in dem Konflikt zwischen Vater und S­ öhnen reichlich Anlass zur Diskussion gab. Anscheinend gab es Versuche Gregors, den gesamten Episkopat zu versammeln und auf eine gemeinsame Linie einzu­schwören. Der Papst forderte die fränkische Geistlichkeit auf, dafür zu beten, dass seine Mission erfolgreich sein möge und die Streitigkeiten der kaiserlichen ­Familie zum Wohle aller und des Reiches beigelegt werden könnten 148. Gregor schrieb, er komme, um Frieden und Einheit des Reiches zu verteidigen, und forderte die fränkischen Bischöfe auf, ihm entgegenzueilen 149. Die Anhänger Ludwigs jedoch lehnten dies ebenso ab, wie sie sich auch grund­ sätzlich jegliche Einmischung Gregors in diese ihrer Ansicht nach innerfränkische An­gelegenheit verbaten. Das entsprechende Schreiben ist nicht überliefert, jedoch zeugt die Antwort des Papstes von der Schärfe, mit der ihn die kaisertreuen Bischöfe an­ griffen und mit der Exkommunikation bedrohten 150. Gregor begegnete den An­griffen 147 Ob Lothar und seine Berater den Papst dabei unter falschen Versprechungen ins Franken­ reich brachten, ist nicht mehr zu klären und letztlich irrelevant. Es scheint jedoch aufgrund der Umstände kaum möglich, dass Gregor gegen Lothars Willen ins Frankenreich kam, sodass es irgendeine Form der Verständigung über den Sinn der Reise zwischen Kaisersohn und Papst gegeben haben muss. 148 Agobard an Ludwig den Frommen, ed. Van Acker (CC Cont. Med. 52), Nr. 19, S. 305. 149 Gregor IV. an die fränkischen Bischöfe (Agobard von Lyon, Ep. 17), JE 2578, ed. Dümmler (MGH Epp. 5), S. 231, Z. 8; Paschasius Radbertus, Epitaphium Arsenii, Buch 2, Kap. 14, ed. Dümmler, S. 81. 150 Das ergibt sich auch aus der entsprechenden Darstellung des Astronomus, der sich einiger­ maßen entsetzt über diesen Vorstoß des kaisertreuen Episkopats gibt. Siehe auch S. 46 f. Vgl. Paschasius Radbertus, Epitaphium Arsenii, Buch 2, Kap. 16, ed. Dümmler, S. 84. B ­ oshof: Agobard, S. 224, und ders.: Ludwig, S. 194 f., glaubt, dass die Anhänger ­Ludwigs versucht hätten, Amt und Person des Papstes zu trennen, dass sie also nicht generell die Autorität

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offensiv und unterstrich in seiner Replik den päpstlichen Primat im Frankenreich 151. Er wies die Vorwürfe und Herabwürdigungen der Anhänger Ludwigs empört zurück und erklärte in Anlehnung an die gelasianische Zwei-Gewalten-Lehre, dass „die päpstliche Aufgabe der Leitung der Seelen wichtiger sei als die weltliche Herrschaft des Kaisers“152. Außerdem sei auch der Kaiser der priester­lichen Gewalt unterworfen 153. Diese Aussagen sind als Versuch Gregors gedeutet worden, sein Eingreifen in den Konflikt mit seiner Zuständigkeit für das Seelenheil des Kaisers zu recht­fertigen. Der Papst habe kein grundsätzliches Recht beansprucht, die fränkischen Angelegen­ heiten zu entscheiden. Vielmehr habe er die Rettung der kaiserlichen Seele im Sinn gehabt, die Ludwig zu verlieren drohte, indem er die 817 getroffene Nachfolge­regelung nachträglich veränderte 154. Johannes Fried hingegen argumentiert, Gregor habe die des Amtes infrage gestellt hätten. Diese vorrangig aus der Antwort Gregors rekonstruierte These ist meines Erachtens nicht aus den Quellen zu belegen. Die Ansichten z. B. Jonas’ von Orléans stehen dazu eindeutig im Gegensatz. Da das kritische Schreiben an Ludwig nicht überliefert ist, kann auch keine Analyse mehr die Frage beantworten, wer der Hauptverantwortliche für den Angriff auf den Papst war. Es ist anzunehmen, dass auch im kaiserlichen Lager nicht alle Ansichten vollkommen deckungsgleich waren. Zimmermann: Papst­ absetzungen, S. 40, zieht aus den Ereignissen den Schluss, dass die Absetzung eines Papstes grundsätzlich für möglich gehalten wurde. Ohr: Fragen, S. 342, glaubt dagegen nicht an eine Androhung der Exkommunikation gegen Gregor: „In den zornigen Worten des Antwortschreibens [des Papstes] liegt also wohl nur die Absicht einzuschüchtern, und wenn den Bischöfen untergeschoben wird, sie hätten mit der Absetzung des Papstes gedroht, so wird man dem nicht viel Glauben beizumessen haben.“ Diese unzureichend belegte These steht in offensichtlichem Gegensatz zu den genannten Quellen. 151 Vgl. die Einschätzung von Noble: Louis the Pious and the Papacy, S. 337: „But theoretical is all what that primacy was in 833. This is the only possible interpretation of the actual events involved in the resolution of the revolt of 833.“ 152 Scholz: Politik, S. 164 f. Vgl. Gregor IV. an die fränkischen Bischöfe (Agobard von Lyon, Ep. 17), JE 2578, ed. Dümmler (MGH Epp. 5), S. 228, Z. 40: Neque ignorare debueratis maius esse regimen animarum, quod est pontificale, quam imperiale, quod est temporale. Die ältere Forschung, zuletzt Ohr: Fragen, S. 346 – 348, hat sich aus inhaltlichen und stilistischen Überlegungen für Agobard als Verfasser des Schreibens Gregors  IV. an den kaisertreuen Episkopat ausgesprochen. Boshof: Agobard, S. 226 f., hat dieser These widersprochen und die Diskussion über eine mögliche (Mit-)Autorschaft Agobards zum Erliegen gebracht. Ihm folgten grundsätzlich Van Acker: Agobard, S. XXI-XXII; Scholz: Politik, S. 164 (Anm. 718); Jong: State, S. 221. Vgl. zuletzt sehr differenziert zum Schreiben Gregors Scherer: Pontifikat, S. 171 – 183. 153 Gregor IV. an die fränkischen Bischöfe (Agobard von Lyon, Ep. 17), JE 2578, ed. ­Dümmler (MGH Epp. 5), S. 229, Z. 1 – 15 (unter Bezugnahme auf Gregor von Nazianz). Vgl. auch ­Ullmann: Machtstellung, S. 248 – 252; Scholz: Politik, S. 165. 154 Vgl. ebd.; ausführlich auch Scherer: Pontifikat, S. 171 – 179; sowie (mit deutlich geringerer Gewichtung) Boshof: Ludwig, S. 193. Vgl. Patzold: Palastrevolution, S. 59 f., zur

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Einhaltung der ursprünglichen Regelung verteidigen müssen, weil mit einer weit­ reichenden Veränderung der Nachfolgeregelung auch die apostolische Autorität zur Disposition gestanden hätte 155. Er lehnt sich dabei eng an die Beurteilung Agobards von Lyon an, der 833 zu Ludwigs schärfsten Kritikern zählte 156. Agobard rechtfertigte das Erscheinen Gregors damit, dass der Papst ­ausschließlich um die Bewahrung des Friedens in der Kirche bemüht sei und nur die Unfähigkeit Ludwigs, seinen Pflichten als Herrscher nachzukommen, das Eingreifen einer moralisch übergeordneten Instanz notwendig gemacht habe 157. Der Bischof betonte den moralischen Vorrang des Papstes, leitete aber daraus keine jurisdiktionellen Rechte ab 158. Kritik an der Bezeichnung Ordinatio Imperii für die Nachfolgeregelung von 817. Patzold ­bezeichnet diese entsprechend der Überlieferung des Textes und dem Sprachgebrauch der Quellen als Divisio Imperii. Dieser Begriff ist sicherlich treffender als der ältere, durch ­Boretius auf­gebrachte Titel – ob er sich in der Forschung durchsetzen wird, ist allerdings noch nicht abzusehen. Im Folgenden soll deswegen auf beide Bezeichnungen möglichst verzichtet werden. Patzold betont sachlich überzeugend, dass Kritik an der Veränderung der Nachfolgeregelung nicht, wie die Forschung gemeinhin annimmt, auf die Aus­stattung Karls des Kahlen abzielte, sondern auf die Aberkennung der Mitkaiserwürde für Lothar (S. 62 f.). Für die ältere Sicht (in jüngeren Arbeiten) vgl. exemplarisch Boshof: Einheits­ idee, S. 182 – 184; ausführlich Erkens: Divisio, S. 469 – 485. 155 Vgl. Fried: Ludwig, S. 267. Der Papst dürfte demzufolge entgegen den Darstellungen des Astronomus und Nithards entsprechend wenig Reue über sein Eingreifen ­empfunden haben. Vgl. dagegen das Urteil von Noble: Louis the Pious and the Papacy, S. 347: „Finally, Gregory must have come to the painful realization that he and Lothar had very different understandings of what it meant to intercede.“ Vgl. Agobard von Lyon, De Divisione Imperii, ed. van Acker (CC Cont. Med. 52), Nr. 16, Kap. 4, S. 247 – 250, zur Bestätigung der Nachfolgerelung von 817 durch Papst Paschalis. Darin insbes. Kap. 4, S. 248, Z. 23 – 25: Ac deinde gesta scribere mandastis, scripta signare et roborare, et consortem nominis uestri factum Romam misistis, a summo pontifice gesta uestra probanda et firmanda […]. Vgl. ausführlich Boshof: Agobard, S. 200 – 205, zur Interpretation dieses ­Schreibens und seiner Datierung. 156 Diese Interpretation setzt voraus, dass Lothar tatsächlich 823 in Rom die Nachfolgerelung von 817 bestätigen ließ, was keineswegs zweifelsfrei gesichert ist, da nur Agobard und ­Radbert die Ereignisse in diesen Zusammenhang stellen, vgl. Fried: Ludwig, S. 256 f. (mit Anm. 156). Einerseits zeigt die Krönung Lothars zwar die Anerkennung seines Kaiser­tums durch den Papst, andererseits ist damit noch nichts über die Haltung Roms zu seiner territorialen Ausstattung oder der seiner Brüder gesagt. Dieser Aspekt wiegt umso schwerer, als sich die Forschung letztlich gar nicht einig ist, um was es 833 im Kern ging, um eine Herabwürdigung Lothars oder die Ausstattung Karls des Kahlen. 157 Agobard von Lyon, De privilegio apostlicae sedis, ed. van Acker (CC Cont. Med. 52), Nr. 19, S. 303 – 306. Vgl. die ausführliche Interpretation des Schreibens bei Boshof: ­Agobard, S. 217 – 220; ders.: Ludwig, S. 193 – 195. 158 Vgl. Ohr: Fragen, S. 343 – 345.

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Es ist festgestellt worden, dass die Argumentation Agobards gegenüber Ludwig sehr stark den Aussagen ähnelt, mit denen Gregor IV . sich gegen die Angriffe des kaisertreuen Episkopats verteidigte. Anstatt den Grundsatz der päpstlichen Nicht­ justizierbarkeit für sich ins Feld zu führen, räumte Gregor die Möglichkeit ein, dass ein Papst exkommuniziert werden könne, sofern er eines schweren Verbrechens überführt werde. Agobard von Lyon zeigte sich gegenüber Ludwig ähnlich ab­­wägend. Da der Papst gute Gründe für sein Handeln habe, nämlich die Wahrung des Friedens, sei sein Eingreifen in den Streit der Franken gerechtfertigt. Wäre Gregor aus anderem Grunde gekommen, so müsste man ihn abweisen und ihm keinesfalls gehorchen 159. Agobard und Gregor forderten Gehorsam nicht wegen des päpstlichen Amtes und der damit einhergehenden Autorität, sondern wegen der gerechten Sache, für die der Papst eintrete 160. Ein bedenkenswerter Aspekt, an den sich ein Argument Ohrs anschließt. Gerade das zurückhaltende Vokabular, mit dem Gregor  IV . in s­ einem Schreiben sein eigenes Amt beschreibe, mache eine Verfasserschaft A ­ gobards wahrscheinlich 161. Der Erzbischof von Lyon war kein besonders überzeugter Anhänger des apostolischen Stuhls, wenn es darum ging, aus dem Ehrenprimat des Papstes eine rechtliche Vorrangstellung in der Kirche abzuleiten. Konsequent wird auch in dem Brief des Papstes an den kaisertreuen Episkopat auf alle Formulie­rungen verzichtet, welche Rom eine uneingeschränkte Vorrangstellung mit juristischen Konsequenzen zugestehen würden. Es ist nicht anzunehmen, dass Agobard den Brief ohne Wissen des Papstes verfasste. Es scheint aber sehr wohl möglich, dass er die Abfassung des Schreibens maßgeblich beeinflusste. Dies wäre ein weiterer Beleg dafür, wie gut es der Erzbischof von Lyon vermochte, den Papst bei der Durchsetzung seiner eigenen Ziele einzu­binden. Ob Gregor sich dabei unwissentlich durch Agobard instrumen­talisieren ließ, kann aufgrund fehlender Aussagen des Papstes zu den Ereignissen kaum festgestellt werden. Die Schilderungen des Astronomus und Nithards müssen zwar aufgrund ihrer eindeutigen Parteinahme für Ludwig in diesem Aspekt zurückhaltend bewertet werden, lassen einen solchen Schluss jedoch grundsätzlich zu 162. In diesem Sinne urteilt auch Boshof. Er sieht Gregor als gescheitert an, da der Papst nicht habe verhindern können, dass sein Amt und die apostolische Autorität 159 Agobard von Lyon, De privilegio apostolicae sedis, ed. van Acker (CC Cont. Med. 52), Nr. 19, Kap. 4, S. 305, Z. 1 – 5 : […] si nunc Gregorius papa inrationabiliter et ad pugnandum uenit, merito et pugnatus et repulsus recedet, si autem pro quiete et pace populi et uestra laborare nititur bene et rationabiliter, obtemperandum est illi, non repugnandum. 160 Ohr: Fragen, S. 349, weist mit Recht darauf hin, dass das Schreiben Gregors gegenüber der unter Karl dem Großen vertretenden Position der Nichtjustizierbarkeit des Papstes einen Rückschritt darstellt und keine Rolle bei der theoretischen Entwicklung der ­Primatslehre spielte. 161 Vgl. ebd., S. 346. 162 Vgl. Mohr: Einheitspartei, S. 32 und 37.

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von den beteiligten Parteien instrumentalisiert und dadurch erheblich beschädigt worden sei 163. Genau gegenteilig schließt Fried: „Durch Vermittlung des Papstes hat sich ein Gottes­urteil vollzogen; im Bewußtsein des Erfolgs kehrt Gregor nach Rom zurück“.164 Zu einer solchen Interpretation geben die Quellen jedoch wenig Anlass 165. Es bleibt der begründete Verdacht bestehen, dass Gregor IV. durch Lothar und einige seiner Partei­gänger in eine Rolle gedrängt worden war, die der Papst später zu vergessen suchte. Im Nachhinein haben nicht nur die Ludwig zugewandten Historiografen das Eingreifen Gregors  IV. in den Konflikt zwischen Kaiser und Söhnen thematisiert. Vergleichsweise ausführlich behandelte der Abt Radbert die Episode von 833 in ­seiner apologetischen Lebensbeschreibung Walas von Corbie, dem Epitaphium Arsenii. Radbert betont die Rolle Gregors stärker als jede andere Quelle und spricht dem Papst einen Richterspruch über den Konflikt zugunsten Lothars zu 166. Im Gegensatz dazu sah sich die Synode von Troyes (867) veranlasst festzuhalten, Ludwig sei ohne den Rat und die Zustimmung Gregors abgesetzt worden 167. Keine dieser beiden Einschätzungen kommt aus neutraler Perspektive. Radbert hatte nicht nur Walas, sondern auch seine eigene Beteiligung an der Absetzung Ludwigs zu rechtfertigen und bediente sich dafür der päpstlichen Autorität. Die Synodalen in Troyes zielten

163 Boshof: Ludwig, S. 193 f. Boshof interpretiert darin das Schreiben Gregors folgendermaßen: Der Papst habe die Auffassung vertreten, dass der Versuch, die Reichsaufteilung an die veränderten realpolitischen Gegebenheiten anzupassen und Karl den Kahlen ebenfalls in die Erbfolge mit einzubeziehen, für eine solche Vielzahl an Verwirrungen und gebrochenen Eiden gesorgt habe, dass diese Veränderung der gottgewollten Ordnung kaum rechtens sein könne. 164 Fried: Ludwig, S. 268. Vgl. dagegen Boshof: Ludwig, S. 199 (Anm. 131): „Die Einschätzung Frieds, die Mission Gregors IV. sei ein Erfolg im Sinne päpstlicher Primatspolitik gewesen, läßt sich aus den Quellen nicht wirklich begründen.“ 165 Es stellt sich die Frage, ob es der Verfasser der Gregor-Vita im Liber Pontificalis wirklich unterlassen hätte, auf eine solche triumphale Durchsetzung primatialer Macht im Franken­ reich hinzuweisen. Zumindest Zweifel scheinen in dieser Hinsicht angebracht, auch wenn aus dem Schweigen der Quellen in dieser Frage keine definitiven Schlüsse gezogen werden können. 166 Paschasius Rabertus, Epitaphium Arsenii, Buch 2, Kap. 14 – 18, ed. Dümmler, S. 81 – 89. Dass Fried: Ludwig, S. 268 (Anm. 228), ein solches Urteil als wahrscheinlich ansieht, überrascht angesichts des Ursprungs dieser Information. Siehe zum Epitaphium Arsenii ausführlich S. 83 – 94. Vgl. auch Booker: Penance, S. 14. 167 Synodalschreiben an Nikolaus I., ed. Hartmann (MGH Conc. 4), Nr. 24, S. 233. Vgl. Fried: Ludwig, S. 268 (Anm. 228); Scholz: Politik, S. 168; Booker: Convictions, S. 198 f.; Scherer: Pontifikat, S. 168.

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darauf, die Absetzung Ebos von Reims als unrechtmäßig darzustellen und die Gunst Papst Nikolaus’ I. zu erringen 168. Die Beziehungen zwischen fränkischem Klerus und Rom während der Herrschaft Ludwigs des Frommen lassen sich nur schwer charakterisieren. Es hat sich gezeigt, dass die Beteiligung Gregors IV. an der Absetzung Ludwigs 833 nach wie vor höchst umstritten ist und die genauen Umstände seiner Präsenz im Frankenreich kaum zu klären sind. Ins Grundsätzliche zielende Aussagen zum Primat ­finden sich für die Jahre 814 – 840 kaum. Es ist entgegen der Auffassung Frieds weder zu erkennen, dass der römische Bischof aktiv die Absetzung Ludwigs zugunsten Lothars betrieben hätte, noch kann man davon sprechen, dass der Kaiser nach 833 gegenüber dem Papst auffällig unterwürfig aufgetreten wäre oder Letzterem nach 833 eine größere Autorität zugekommen wäre als zuvor. Die konstante Beziehung zwischen Ludwig dem Frommen und Gregor  IV. deutet darauf hin, dass in den 830er Jahren weniger die Beziehung zwischen fränkischem Kaiser und römischem Bischof neu definiert wurde. Stattdessen weisen die unterschiedlichen Zeugnisse darauf hin, dass es vor allem die Oberhäupter der fränkischen Geistlichkeit waren, die mit dem Erscheinen Gregors im Frankenreich 833 mit der Frage konfrontiert wurden, ob die eigene Autorität, die sie 829 so vehement eingefordert hatten, durch den Auftritt des Papstes gemindert oder gar infrage gestellt wurde 169. Agobard, der sich weigerte, in Fragen kirchlicher Gewohnheiten Rom zu f­ olgen, akzeptierte Gregors Eingreifen im Konflikt augenscheinlich vor allem deswegen, weil der Papst seine eigene Position als Anhänger Lothars stärkte. Ebo von Reims, der durch Ehrfurchtsbekundungen gegenüber dem Papst in schriftlicher und baulicher Form aufgefallen war, scheint sich in der Auseinandersetzung mit Ludwig dem Frommen nach 834 nicht an Gregor gewandt zu haben. Die kaisertreuen Bischöfe, die zuvor mehrheitlich nicht durch besondere Geringschätzung des Papstes aufgefallen waren, verbaten sich dort die Einmischung Gregors, wo sie die eigenen Ziele gefährdet sahen. Sicherlich stehen also individuelle Interessen in den wenigen Schilderungen der Ereignisse des Sommers 833 im Vordergrund. Dennoch muss festgehalten w ­ erden, dass der fränkische Klerus im Vorfeld der Absetzung Kaiser Ludwigs auf dem „Lügenfeld“ 168 Vgl. auch Fried: Ludwig, S. 268 (Anm. 228). Dass Fried die Erklärung der Synodalen von Troyes als „höchst tendenzielle Darstellung“ beurteilt und glaubt, das „Dementi von Troyes legt geradezu die gegenteilige Annahme dar“ (also dass der Kaiser mit voller Zustimmung Gregors abgesetzt worden sei), und gleichzeitig nicht ein kritisches Wort über Radberts Ausführungen verliert, schwächt seine Argumentation erheblich. 169 Vgl. Noble: Louis the Pious and the Papacy, S. 358 – 364 und den Schluss der Zusammen­ fassung am Beginn der Arbeit (ohne Seitenzahl): „Finally, the years 814 – 840 were marked by a set of profound ecclesiological tensions, turning mainly on the question of papal or episcopal control of the Church, and that these tensions had to be resolved before the clergy as a whole could turn to a full integration of kingship into ist conception of the world order.“

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das erste Mal nachweislich den apostolischen Primat grundsätzlich infrage stellte. Nie zuvor waren von fränkischer Seite Überlegungen bezüglich der Wirkungsfelder und Grenzen päpstlicher Autorität angestellt worden. Die Diskussion entbrannte plötzlich und lebhaft in dem Moment, in dem Gregor IV. über die Alpen reiste, und sie verebbte danach scheinbar ebenso schnell, wie sie entfacht worden war. Sie verhallte jedoch nicht gänzlich ungehört. In den folgenden zwei Jahrzehnten entstanden im Frankenreich zwei Dokumente, welche die Autorität des apostolischen Stuhls nachdrücklich unterstreichen: Das Epitaphium Arsenii Radberts von Corbie und Pseudo­isidors Sammlung falscher Dekretalen. Letztere ist Ausdruck des komplizierten Spannungsverhältnisses zwischen dem fränkischem Klerus, dem Kaiser und der Autorität Roms im zweiten Viertel des 9. Jahrhunderts.

1.2  Die pseudoisidorischen Fälschungen Emil Seckel und Horst Fuhrmann, die besten Kenner der pseudoisidorischen Fälschungen im 19. und 20. Jahrhundert, benennen als wesentliche Teile der Falsifikate vier Texte 170: Die Collectio Hispana Gallica Augustodunensis, die falschen Dekretalen des Pseudoisidor, die falschen Kapitularien des Benedictus Levita und die Capitula Angilramni. Fuhrmann vermutete, dass Einzeluntersuchungen wahrscheinlich noch weitere Fälschungen aus dem Kreise Pseudo­isidors aufdecken könnten 171. Tatsächlich wird seit einiger Zeit auch ein Florileg der Akten des Konzils von Chalkedon, die sogenannten Excerptiones de gestis Chalcedonensis concilii, den pseudoisidorischen Fälschungen zugerechnet. Während die falschen Dekretalen und Kapitulariensammlungen von der ­Forschung als Endprodukte der Fälscher angesehen werden, gelten die pseudoisidorische Version der Hispana und die Chalkedon-Exzerpte als Vorarbeiten für die eigentlichen ­Fälschungen, wobei vor allem für die Chalkedon-Exzerpte intensivere Unter­suchungen dieser Frage noch fehlen. Ob die Hispana Gallica Augusto­dunensis „nur“ eine pseudo­ isidorische Vorarbeit war und wie genau sie innerhalb des Fälschungskomplexes einzuordnen ist, wird weiterhin diskutiert 172. Sie wird im Rahmen dieser Untersuchung nicht gesondert betrachtet, da sie im Wesentlichen in den falschen Dekretalen auf­ gegangen ist. Die Analyse konzentriert sich ausschließlich auf die falschen Dekretalen, die Capitula Angilramni, Benedictus Levita und die Excerptiones de gestis Chalce­ donensis concilii. Zunächst müssen die Texte charakterisiert und Anmerkungen zur Überlieferung und zur Edition gemacht werden. Im Anschluss daran wird der 170 Seckel: Pseudoisidor, S. 267, Z. 63-S. 268, Z. 8; Fuhrmann: Einfluß, Bd. 1, S. 147 – 191. 171 Ebd., S. 138 – 140 (insbes. Anm. 6, 8 und 9). 172 Siehe zur pseudoisidorischen Hispana auch S. 61 – 68.

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aktuelle Forschungsstand zur Entstehung der Fälschungen dargestellt und ergänzt. Erst danach kann die Bedeutung des Papsttums innerhalb der pseudoisidorischen Falsifikate genauer analysiert werden 173.

1.2.1  Die falschen Dekretalen: Woher Pseudoisidor seinen Namen bekam Ausgangspunkt für alle Untersuchungen des Fälschungsunternehmens, das in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts im Frankenreich durchgeführt wurde, müssen die falschen Dekretalen sein. Benannt nach ihrem vermeintlichen Kompilator, ­Isidorus Mercator 174, ist die Sammlung ge- und verfälschter Papstbriefe und Kanones der berühmteste und wirkmächtigste Teil der Fälschungen. In ihrem jahrhundertelangen Einfluss auf das kanonische Recht und auf die Ausbildung des römischen Primats liegt das intensive Interesse der Forschung an den pseudoisidorischen ­Fälschungen begründet 175. Die falschen Dekretalen lassen sich in drei größere Abschnitte einteilen. Der erste Teil beginnt mit einigen falschen einleitenden Stücken. In der kurzen ­Praefatio 176 stellt Pseudoisidor seine Sammlung vor und behauptet, diese auf Anweisung von 80 Bischöfen angefertigt zu haben. Die Sammlung umfasse die Ordnung, nach welcher Konzile abzuhalten seien (Ordo de celebrando concilio), die Canones Apostolorum, die Dekretalen vom heiligen Clemens bis zu Sylvester und danach ein Breviar der Konzilien in ihrer chronologischen Ordnung 177. Dieser Einleitung folgt ein gefälschter Briefwechsel zwischen Damasus I. (366 – 384) und Aurelius, dem Bischof von 173 Die im Namen Gregors IV. gefälschte Dekretale (bekannt als JE † 2579 oder D ­ ivinis p­ raeceptis) wurde gelegentlich von der Forschung mit Pseudoisidor in Verbindung gebracht. Sie wird am Ende der vorliegenden Untersuchung gesondert betrachtet, siehe S. 181 – 212. 174 Decretales, Praefatio, ed. Hinschius, S. 17. 175 Vgl. ausführlich Fuhrmann: Einfluß, Bd. 1 – 3, zur Rezeptionsgeschichte der pseudo­ isidorischen Fälschungen, insbesondere der falschen Dekretalen. Es ist Fuhrmanns sachlicher Darstellung zu verdanken, dass die Pseudoisidor-Forschung sich weitestgehend von den emotionalen Debatten des 19. und frühen 20. Jahrhundert befreien konnte. In diesem Sinne wurde seine Arbeit auch frühzeitig wahrgenommen, vgl. z. B. Congar: Décrétales, S. 288. Zechiel-Eckes: Recht, S. 96 (Anm. 39), wies auf die Notwendigkeit einer zusammen­ fassenden Untersuchung der Rezeption der Fälschungen im 9. Jahrhundert hin, da sich seit der Untersuchung Fuhrmanns neue Quellenfunde ergeben hätten, die eine häufigere Benutzung der Fälschungen kurz nach ihrer Entstehung wahrscheinlich m ­ achten. Vgl. ebd., S. 92 (Anm. 24), zum frühesten Fragment der falschen Dekretalen (Leiden, Bibliotheek der Rijksuniversiteit, Ms. Voss. Lat. Q. 108, fol. 68 – 82); ders.: Rebellische Kleriker, S. 11 – 17. 176 Decretales, Praefatio, ed. Hinschius, S. 17 – 20. 177 Ebd., Kap. 11, S. 20.

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Karthago (391/92 – 429/30), in dem Letzterer vom römischen Bischof eine kanonische Sammlung erbittet, damit er wisse, wie die römischen Bischöfe in strittigen Angelegen­ heiten entschieden hätten. Das Antwortschreiben des Pseudo-Damasus verweist auf die ­folgende Dekretalensammlung, die bis auf den Pontifikat des ­Damasus ergänzt worden sei.178 Es entsteht also der Eindruck, die Sammlung des Isidorus Mercator sei Ende des 4. Jahrhunderts in Rom verfügbar gewesen, um Dekretalen von Marcus (336) bis Damasus erweitert und dann nach Karthago geschickt worden. Tatsächlich stellt sich der Umfang der pseudoisidorischen Sammlung noch etwas anders dar. Der erste Teil beginnt tatsächlich mit dem Ordo de celebrando concilii und den Canones Apostolorum 179. Es folgen 60 komplett gefälschte Dekretalen der Nachfolger Petri von Anaklet (ca. 79 – 88) bis Melchiades (310 – 314)180. Der zweite Teil enthält – neben weiteren gefälschten einleitenden Stücken 181 – eine Kanonessammlung in 54 Teilen vom Konzil von Nicäa (325) bis zum zweiten Konzil von Sevilla (527) und geht somit weit über den Pontifikat des Damasus hinaus 182. Der Text der Kanones ist weitestgehend authentisch und basiert auf der gallischen Version der Hispana 183. Der dritte Teil der falschen Dekretalen ist weniger systematisch angelegt. Er enthält neben zwei kurzen Einleitungsstücken 184 eine vermischte Sammlung echter und falscher Stücke, Papstbriefe und Synodaldekrete von S­ ylvester I. (314 – 335) bis

178 Ps.-Aurelius an Damasus, ed. Hinschius (Decretales), S. 20 f. Es ist unklar, warum Pseudo­ isidor ausgerechnet Aurelius mit Damasus in Dialog treten ließ. Der Episkopat des Aurelius begann etwa acht Jahre nach Damasus’ Tod, sodass der Bischof für diesen Briefwechsel eine für den Fälscher ungewöhnlich schlechte Wahl war. Die historische Fiktion in den falschen Dekretalen ist normalerweise sorgfältiger gearbeitet, siehe S. 106 – 112 und 116 – 118. 179 Ed. Hinschius (Decretales), S. 22 – 30; vgl. Fuhrmann: Einfluß, Bd. 1, S. 182 (mit Anm. 99). 180 Ed. Hinschius (Decretales), S. 22 – 247. 181 Der Traktat De primitiva ecclesia, das Constitutum Constantini und drei Vorreden zum Konzil von Nicäa, vgl. ebd., S. 247 – 257. Vgl. dazu Fuhrmann: Einfluß, Bd. 1, S. 184, mit den entsprechenden weiterführenden Hinweisen. 182 Ed. Hinschius (Decretales), S. 258 – 444. 183 Vgl. Fuhrmann: Einfluß, Bd. 1, S. 171. Pseudoisidor redigierte den stark korrumpierten Text der Hispana Gallica, um den Kanones wieder Sinn zu verleihen. Der Text im zweiten Teil der Dekretalen entspricht dabei fast vollständig dem ersten Teil (Konzilsteil) der Hispana Gallica Augustodunensis, sodass Fuhrmann ebd., S. 160 f., eine nachträgliche R ­ ekonstruktion der Entstehungsreihenfolge der Texte mit philologischen Mitteln an ­dieser Stelle für ausgeschlossen hielt. Zur pseudoisidorischen Version der Hispana und ihrer Beziehung zu den falschen Dekretalen vgl. Maassen: Pseudoisidor-Studien 2; R ­ ichter: Stufen, S. 3 – 31; und die neueste Studie von Knibbs: Origins. Ich danke Eric Knibbs, der mir sein Manuskript für diese Arbeit zur Verfügung gestellt hat. 184 Ed. Hinschius (Decretales), S. 444 – 448. Vgl. dazu Fuhrmann: Einfluß, Bd. 1, S. 186.

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zu Gregor  II. (715 – 731)185. Damit übersteigt die Sammlung deutlich den Umfang, den die Praefatio und der Briefwechsel z­ wischen Damasus und A ­ urelius über die Kompilation behaupten. Einleitung und Text passen also auf den ersten Blick nicht recht zusammen. ­Dieser Tatsache wurde bislang von der Forschung leider nur wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Am ehesten entspricht dieser Einleitung die Handschriftenklasse A2, die sogenannte Kurzversion, die lediglich den gesamten ersten und den Beginn des dritten Teils der Sammlung beinhaltet. Aber auch hier passen Beschreibung und Inhalt nicht recht zusammen, da die in der Praefatio angekündigte Kanones­ sammlung nicht enthalten ist 186. Das Zustandekommen dieser inneren Widersprüche ist nur hypothetisch zu erklären und hängt mit dem Herstellungsprozess der Fälschung zusammen. Wenn man annimmt, dass mehrere Personen aus einer gemeinsamen Materialsammlung schöpften 187, um die einzelnen Dekretalen zu erstellen, deren chronologisches und inhaltliches Grundgerüst zuvor von einem Redakteur festgelegt wurde, scheint zu Beginn die Definition eines gewissen Umfangs der Sammlung notwendig gewesen zu sein. Dies ist in meinen Augen die Aurelius-Damasus-Korrespondenz. Im w ­ eiteren Verlauf des Fälschungsunternehmens entstand die Idee, die Sammlung an der Hispana orientiert in einen Dekretalen- und einen Konzilsteil zu gliedern; eine neue Prae­fatio wurde verfasst, die diesen Inhalt beschreibt. Warum letztlich diese Sammlung mit der pseudoisidorischen Hispana Gallica vereint, um einige weitere falsche Stücke ergänzt und in drei Teile geteilt wurde, ist nicht erkennbar. Es scheint sich um eine schrittweise Ausdehnung des Fälschungsunternehmens zu handeln, das im Kleinen begann und schließlich immer ausuferndere Züge annahm. Möglicherweise konnte man der finalen Redaktion der Sammlung keine neue, passende Praefatio auf den Leib ­schneidern, weil bereits erste Versionen in Umlauf gebracht worden waren, sodass man, um die Authentizität der Dekretalen nicht in Zweifel zu ziehen, keine

185 Ed. Hinschius (Decretales), S. 449 – 754. Die echten Stücke sind zum Teil der Hispana Gallica entnommen, zum Teil mithilfe der Collectio Quesnelliana und der Dionysio-­Hadriana kompiliert worden. Vgl. zur Zusammensetzung des dritten Dekretalenteils ausführlich ­Fuhrmann: Einfluß, Bd. 1, S. 186 – 191. Zu den echten Stücken der pseudo­isidorischen Sammlung nach wie vor aufschlussreich ist Maassen: Pseudoisidor-Studien 1. 186 Gleiches gilt im Übrigen für eine der wichtigsten Pseudoisidorhandschriften überhaupt, Codex New Haven, Beinecke Library, Ms. 442, der die sogenannte Cluny-Version enthält. Zechiel-Eckes: Spur, S. 26 (Anm. 79), war der Ansicht, dass diese Handschrift den Konzils­ teil nicht enthält, weil „dieser Baustein […] im Entstehungsprozeß der pseudo­isidorischen Sammlung noch gar nicht eingefügt worden“ war. 187 Dass eine solche Materialsammlung existierte, gilt als sicher, vgl. z. B. Zechiel-Eckes: Blick, S. 44 (Anm. 29) und S. 52 (Anm. 44); ders.: Verecundus, S. 427.

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Der römische Primat im Frühmittelalter und die Fälschungen Pseudo­isidors

andere Wahl hatte, als die Langversion der Sammlung mit den bereits verbreiteten und bekannten einleitenden Stücken zu versehen 188. Anlage und Ordnung der pseudoisidorischen Kompilation entsprechen im Wesentlichen derjenigen anderer bekannter Kirchenrechtssammlungen des 9. Jahrhunderts. Das Besondere an den falschen Dekretalen war ihr – gegenüber Sammlungen wie der Hispana – größerer Umfang an Schreiben römischer Bischöfe insbesondere der ersten Jahrhunderte. Die Briefe sind dabei inhaltlich von großer Bandbreite. Im Vordergrund stehen Fragen der innerkirchlichen Hierarchie und Jurisdiktion, es werden jedoch auch zahlreiche kirchen- und gesellschaftspolitische Einzelfragen behandelt 189. Der mit Abstand am häufigsten behandelte Gegenstand ist dabei fraglos das kirchliche Anklageverfahren gegen Bischöfe, das in über 70 falschen Dekretalen thematisiert wird und auch das Hauptinteresse in den anderen pseudoisidorischen Fälschungen darstellt 190. Paul Hinschius, der die bislang einzige vollständige Edition der Fälschung besorgte, etablierte für die umfangreiche Überlieferung fünf verschiedene Handschriftenklassen,

188 Hinschius, Seckel und andere Vertreter der älteren Forschung sahen die Kurzversion A2 als der Langversion A1 nachgeordnet an. Zechiel-Eckes: Spur, S. 25, ders.: Exterminator, S. 189 f., sprach sich hingegen für eine zeitliche Präferenz von A2 aus und griff damit eine bereits von Wasserschleben: Frage, S. 274, ders.: Vaterland, S. 235 – 237, vertretene Sichtweise wieder auf. In eine ähnliche Richtung weisen auch die Überlegungen von Knibbs: Origins, S. 20 – 22, der von A2 noch eine „Pseudo-Damasus collection“ unterscheidet, eine Vorstufe zu den verschiedenen Redaktionsformen der Dekretalensammlung, die er verloren glaubt. Für A2 als aus den Langversionen abgeleitete Kurzfassung sprach sich dagegen zuletzt Schon: Frühgeschichte, S. 147 f., aus, der glaubt, diese kürzere Fassung sei von Rothad von Soissons als einem der am Fälschungsunternehmen beteiligten Kleriker im Reisegepäck nach Rom gebracht worden. Keine Ansicht konnte bislang paläografisch, kodikologisch und philo­logisch ausreichend belegt werden. Es erscheint mir logischer, dass die kurze Version vor der langen kam und parallel zu dieser in Umlauf gebracht wurde, und die intensiven Studien zur pseudoisidorischen Hispana scheinen dies zu bestätigen, vgl. Knibbs: Origins. Das hier angebotene Erklärungsmodell zum Zustandekommen der Widersprüche zwischen Ein­leitung und Umfang der pseudoisidorischen Sammlung ist nur eine, wenn auch recht plausibel erscheinende Möglichkeit und bietet keine definitive Gewissheit. 189 Zusammenfassend, aber mit Vorsicht zu betrachten ist der Überblick bei Seckel: Pseudo­ isidor, S. 279, Z. 22-S. 284, Z. 41. Es hat sich gezeigt, dass die von Seckel und der ä­ lteren Forschung etablierten Ansichten über den inhaltlichen Gehalt der Sammlung nicht immer verlässlich sind, vgl. z. B. Zechiel-Eckes: Exterminator, in Bezug auf die Bedeutung der Chorbischöfe bei Pseudoisidor. Weitere Einzelstudien zu inhaltlichen Fragen der ­Fälschungen sind unerlässlich. 190 Vgl. Weizsäcker: Frage, S. 53; Seckel: Pseudoisidor, S. 280, Z. 8 – 20; Fuhrmann: Einfluß, Bd. 1, S. 146 f.; Zechiel-Eckes: Exegese, S. 135. Die ältere und neuere Forschung ist sich in dieser Frage ausnahmsweise einig, sodass diese wenigen Verweise genügen sollen.

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die seit der Entdeckung einer bis dahin unbekannten Pseudo­isidorhandschrift in den 1970er Jahren um eine weitere Klasse bereichert wurden 191. In seiner paläografischen Studie zu den pseudoisidorischen Dekretalen zählte Schafer Williams 80 erhaltene Handschriften und 47 Fragmente 192. Einige dieser Zeugen entstammen noch dem 9. Jahrhundert, in dessen zweitem Viertel die Fälschungen angefertigt wurden. ­Leider wurde dieser ältesten Überlieferung in der maßgeblichen Textausgabe der pseudo­ isidorischen Sammlung nicht immer das größte Gewicht beigemessen 193. Darüber hinaus hat Hinschius die echten Stücke im zweiten und dritten Teil der Sammlung unkritisch nach einer bereits vorhandenen Edition nachgedruckt, anstatt der pseudo­ isidorischen Überlieferung zu folgen, wodurch sich der gedruckte Text in Teilen vollständig von dieser entfernt. Bereits Emil Seckel wollte eine neue, wirklich kritische Edition der falschen ­Dekretalen besorgen, scheiterte jedoch an diesem Unterfangen 194. Karl-Georg Schon hat Teile der Sammlung auf Basis des gegenwärtigen Forschungsstandes zur pseudo­ isidorischen Überlieferung ediert und in einer elektronischen Version im Internet 191 Hinschius unterschied zwischen den Klassen A1 und A2, B, A/B und C. Auch wenn ­Hinschius zahlreiche Handschriften falsch datierte und zuordnete, so ist seine grundsätzliche Unterscheidung der Handschriftenklassen als weiterhin gültig anzusehen. Zu den Klassen mit der frühesten Überlieferung gehören beide A-Klassen, A/B sowie die – Hinschius noch unbekannte – sogenannte Cluny-Version. Knibbs: Origins, S. 14 f. und 44 – 46, hält die im Codex New Haven, Beinecke Library, Ms. 442, überlieferte Cluny-Version der Dekretalen für eine Variante von A1. Die Klasse A2 enthält als einziger Teil der Überlieferung die ­Sammlung nur in verkürztem Umfang. Der Konzilsteil fehlt, stattdessen bieten die Handschriften ­dieser Klasse nur den ersten sowie den Anfang des dritten Teils der Sammlung bis zur ­vierten Ps.-Damasus-Dekretale, JK † 243, ed. Hinschius (Decretales), S. 508. Die Klassen B und C leiten sich aus A/B ab, die vermutlich mehr oder weniger zeitgleich mit A1 (und der Cluny-­Version) entstanden ist. Vgl. dazu Fuhrmann: Einfluß, Bd. 1, S. 171 f. Zur Überlieferung der Cluny-Version vgl. insbes. Erickson: Manuscripts; Schon: Redaktion. 192 Williams: Codices, S. 3 – 93. Kritik und Ergänzungen zur Arbeit von Williams in den Rezensionen von Reynolds: Codices; Landau: Codices; Mordek: Codices. 193 Die Edition beruht auf zehn Handschriften, vgl. Hinschius: Decretales, S. CCXXXVII: Angers, Bibliothèque municipale, 367; Bamberg, Staatsbibliothek, Can. 4; Köln, Dom­ bibliothek, 114; Modena, Biblioteca Capitolare, O. I. 4; Paris, BnF, lat. 3839A (Fragment); Paris, BnF, lat. 3852; Paris, BnF, lat. 4280AA; Paris, BnF, lat. 9629; Paris, BnF, lat. 12445 (Fragment); St. Gallen, Stiftsbibliothek, 670. Vgl. auch Zechiel-Eckes: Exegese, S. 127 (Anm. 35). Diese von Hinschius für die Edition herangezogenen Handschriften ­stammen überwiegend aus dem 10. und 11. Jahrhundert und repräsentieren fast ausschließlich die Handschriftenklassen A1 und A2. Vgl. zu den einzelnen Handschriften die entsprechenden Einträge bei Williams: Codices. 194 Vgl. Williams: Pseudo-Isidore, S. 59 – 61; ders.: Problem S. 704 – 706; Fuhrmann: Einfluß, Bd. 1, S. 172 – 175; Hartmann: Schwierigkeiten, S. 212 – 214 und 216 – 218; Zechiel-Eckes: Exegese, S. 126 f., zur Kritik an Hinschius und den gescheiterten Editionsversuchen Seckels.

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zugänglich gemacht. Doch auch dieses Unternehmen ist in seinem gegenwärtigen, ­editorisch unbefriedigenden Zustand zum Erliegen gekommen und wird allem An­ schein nach nicht mehr fortgesetzt 195. Für die vorliegende Untersuchung wurde sowohl auf den besseren Text von Schon als auch auf die Edition von H ­ inschius zurückgegriffen, insbesondere in Hinblick auf die Verwendung des darin ent­haltenen Quellenapparats 196. 195 Schon: Projekt Pseudoisidor, http://www.pseudoisidor.mgh.de/index.htm (30.10.13). Schon hat bei der Kollation der wichtigsten Handschriften eine wichtige Verbesserung gegenüber dem Text von Hinschius erreicht, diese jedoch noch nicht für alle enthaltenen Dokumente der Homepage abgeschlossen (z. B. liegen die Excerptiones de gestis Chalcedonensis concilii nur in der Textgestalt einer einzigen Handschrift vor). Eine wirkliche Edition bietet Schon nur für den ersten Teil der falschen Dekretalen unter http://www.pseudoisidor. mgh.de/pdf (30.10.13). Für diese verwendete Schon die Codices Vatikan, Ottob., lat. 93 (Frankreich, 850 – 875, A1); Vatikan, lat. 630 (Corbie, 850 – 875, A/B); Paris, BnF, lat. 9629 (Laon, 872 – 882, A1); New Haven, Beinecke Library, Ms. 442 (Frankreich, nach 858, Cluny-­ Version); Ivrea, Biblioteca Capitolare, 83 (Oberitalien, 850 – 900, A2); Rom, Vallicelliana, 38 (Kirchenprovinz Reims, 850 – 900, A2); St. Gallen, Stifts­bibliothek, 670 (9. Jh., A2); Bamberg, Staats­bibliothek, Can. 4 (10. Jh., A2); Pistoia, Biblioteca Capitolare, 102 (9.-10. Jh., A2); Eton, College Library, 97 (12. Jh.); und einige weitere Handschriften, die Lücken in der genannten Überlieferung schließen sollen. Der Rezeptionsapparat stützt sich im Wesent­ lichen auf ­Fuhrmann: Einfluß, Bd. 1 – 3, bietet aber auch Ergänzungen. Ein Quellen­apparat ist ebenfalls im ersten Teil der Sammlung eingefügt, für den zweiten und dritten Teil der Sammlung fehlt er ebenso wie Angaben zur Rezeption. Der vorhandene Quellenapparat bietet gegenüber Hinschius im Wesentlichen nichts Neues und bedürfte dringend umfangreicher Präzisierungen und Ergänzungen. Die auf der Projektseite eingestellte, unkommentierte und auf weniger Handschriften als der erste Teil der Sammlung basierende Text (nur HTMLVersion) des zweiten und dritten Teils der pseudoisidorischen Sammlung ist für eine wissenschaftliche Auswertung nur schlecht zu verwenden. Es ist derzeit nicht davon auszugehen, dass das von Schon begonnene „Projekt Pseudoisidor“ zu einem ­abschließenden (oder gar druckreifen) Ergebnis kommen wird. Es wird in Zukunft parallel zur Arbeit von Hinschius Verwendung finden ­müssen, kann diese in seinem derzeitigen Zustand aber nicht vollständig ersetzen. Zweifellos jedoch wird Schons Textgestalt der Überlieferung der falschen Dekretalen sehr viel ­besser gerecht als diejenige Hinschius’, vor allem im ersten und zweiten Teil der Sammlung. Für den ­dritten Teil der Sammlung hat Zechiel-Eckes: Blick, S. 62 – 88, die Dekretale Ps.-Julius’ I. an die orientalischen Bischöfe, JK † 196, exemplarisch ediert. Es bleibt also dabei: Wer wissen­schaftlich zu den falschen Dekretalen arbeiten will, muss sich mit einem editorischen Flickenteppich auseinandersetzen und darf vor einem Blick in die wichtigen Leithand­schriften nicht zurückschrecken. Die Textanalyse der Sammlung aufgrund der unvollkommenen Editionslage vollkommen auszuschließen kann hingegen nicht die Antwort sein und würde der in den letzten Jahren wiederbelebten wissenschaftlichen Diskussion zu den pseudoisidorischen Fälschungen großen Schaden zufügen. 196 Ein entsprechendes Vorgehen wurde angeregt durch Klaus Zechiel-Eckes, vgl. dazu ders.: Exegese, S. 128. In den Anmerkungen wird lediglich auf die gedruckte Edition verwiesen.

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Die Schwierigkeiten, welche eine neue kritische Edition der falschen ­Dekre­talen bislang verhindert haben, liegen zum einen in der verworrenen Überlieferung der Sammlung, zum anderen in ihrer Komposition begründet. Zur Überlieferung sei hier nur angemerkt, dass die genauen Abhängigkeiten und die Entstehungsreihenfolge der Handschriftenklassen A1, A2 und A/B sowie der Cluny-Version nach wie vor diskutiert werden und in dieser Frage bislang keine Einigkeit erzielt werden konnte 197. Ebenso sind die Beziehungen zwischen der pseudoisidorischen Sammlung beziehungsweise ihren einzelnen Rezensionen und den weiteren Falsi­fikaten aus dem pseudo­isidorischen Umfeld, insbesondere der Hispana Gallica Augustodunensis, den Capitula Angilramni und Benedictus Levita, unklar. Das Arrangement der einzelnen Stücke der falschen Dekretalen erleichtert die Klärung dieser Fragen nicht. Die Fälschungen sind nicht vollkommen frei erdacht, sondern eine sorgfältige Aneinanderreihung kleiner und kleinster Zitate aus ­echtem Material. Diese wurden dabei teils im genauen Wortlaut übernommen, teils sinn­ent­ stellend verkürzt oder ergänzt oder mit anderen Bausteinen in einen völlig neuen Sinnzusammenhang gebracht. Diese sogenannte „Mosaiktechnik“198 hat einer­ seits die pseudoisidorischen Dekretalen jahrhundertelang vor einer Enttarnung als ­Fälschung bewahrt, andererseits gilt sie der Forschung als die spezielle Handschrift der pseudo­isidorischen Werkstatt und hat maßgeblich zu der Verknüpfung der ­einzelnen ­Fälschungs­teile auf einen gemeinsamen Ursprung beigetragen. Das von Hinschius zusammen­gestellte umfangreiche Quellenverzeichnis vermittelt einen ersten Eindruck davon, wie aufwendig die Herstellung der falschen Dekretalen Alle zitierten und paraphrasierten Auszüge aus den falschen Dekretalen werden dabei so exakt wie möglich gekennzeichnet, sodass ein Auffinden der entsprechenden Passagen bei Schon: Projekt Pseudoisidor, http://www.pseudoisidor.mgh.de/index.htm (30.10.13), problem­los möglich sein sollte. 197 Eine gänzlich neue Hypothese zur Entstehung der frühesten Fassungen der pseudoisidorischen Sammlung bietet Knibbs: Origins, S. 47 – 52, der von einer voneinander unab­hängigen und parallelen Entstehung der pseudoisidorischen Dekretalen in den Ver­sionen A1 und A/B an zwei Orten (A/B in Corbie) auf Basis einer kürzeren, von Radbert von Corbie verfassten Sammlung ausgeht, die er „Pseudo-Damasus collection“ nennt und die im Wesentlichen, mit Ausnahme der pseudoisidorischen Praefatio, der A2-Redaktion der Sammlung entspreche. Knibbs Ergebnisse stützen sich im Wesentlichen auf seine detaillierte Analyse des Verhältnisses zwischen der pseudoisidorischen Version der Hispana und den verschiedenen Redaktions­ formen der Dekretalensammlung. Seinen Schlussfolgerungen kann ich mich derzeit nur in Bezug auf die Einordnung von A2 als früher Redaktionsform der falschen Dekretalen anschließen, die auf Radbert von Corbie zurückgeht. Die These von der ­späten und räumlich getrennten Entstehung der pseudoisidorischen Langversionen erscheint mir auch deswegen sehr problematisch, weil Knibbs derzeit noch keine Erklärung für die Zusammenhänge mit den anderen Fälschungsteilen bzw. pseudoisidorischen Vorarbeiten bieten kann. 198 Seckel: Pseudoisidor, S. 272, Z. 40.

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gewesen sein muss. Neben der Bibel wurden zahlreiche echte Dekretalen, römische Rechtstexte und fränkische Kapi­tularien, Bußbücher, Schriften der Kirchenväter und anderer antiker Autoren, Briefe von Bischöfen und anderen Personen, der Liber Pontificalis, die Regula Benedicti und zahlreiche weitere Quellen für die Produktion der Fälschung herangezogen 199. Der wissenschaftliche Diskurs über Urheber, Entstehungszeit und Hintergründe der pseudoisidorischen Dekretalen dauert seit ihrer Enttarnung als Fälschung durch David Blondel 200 im Jahr 1628 an. Bevor eine ausführliche Diskussion des gegen­ wärtigen Forschungsstands in dieser Frage erfolgt, sollen die weiteren Fälschungen der pseudoisidorischen Werkstatt vorgestellt werden, da die inneren Beziehungen der einzelnen Fälschungsteile untereinander wesentlich für diese Thematik ist.

1.2.2  Die Capitula Angilramni: Kleiner Anhang, große Wirkung Die Capitula Angilramni geben sich als eine Sammlung griechischer und l­ ateinischer Kanones und Dekrete römischer Bischöfe und Kaiser aus, welche im Jahr 786 in Rom von Papst Hadrian an den Bischof Angilram von Metz übergeben worden sei 201. Der Text ist eine Prozessrechtsordnung, welche Anklagen und Verurteilungen von ­Bischöfen durch umständliche Verfahrensvorschriften zu verhindern sucht 202. Die 199 Vgl. Hinschius: Decretales, S. CXI-CXXXVII; Seckel: Pseudoisidor, S. 272, Z. 31-S. 274, Z. 48. Seckel sah Pseudoisidor „in der Reihe der gelehrtesten Männer des 9. Jahrhunderts“ (S. 274, Z. 47 f.). Das Quellenverzeichnis von Hinschius und der entsprechende ­Apparat im Text der falschen Dekretalen gehört zu den Merkmalen, die seine Edition nach wie vor so unentbehrlich machen, vgl. Zechiel-Eckes: Exegese, S. 119 (Anm. 13). Eine aktualisierte Version des Quellenverzeichnisses wurde vor wenigen Jahren an der Universität zu Köln erstellt. Dieses wichtige, leider unveröffentlichte Hilfsmittel wurde für die vorliegende Arbeit herangezogen, mein Dank dafür gebührt Cornelia Herbers-Rauhut und Klaus Zechiel-Eckes. 200 Vgl. Blondel: Pseudo-Isidorus (insbes. S. 37 – 46), zur Verwendung der Vulgata bei Pseudo­ isidor. Vgl. zur neuzeitlichen Kritik an den falschen Dekretalen Fuhrmann: Einfluß, Bd. 1, S. 3 – 41. 201 CA, ed. Schon (MGH Studien und Texte 39), S. 93: EX GRAECIS ET LATINIS CANONIBUS ET SYNODIS ROMANIS ATQUE DECRETIS PRAESULUM AC PRINCIPUM ROMANORUM HAEC CAPITULA SPARSIM COLLECTA SUNT ET ANGILRAMNO MEDIOMATRICAE URBIS EPISCOPO ROMAE A BEATO PAPA ADRIANO TRADITA SUB DIE TERTIO DECIMO KALENDARUM OCTOBRIUM INDICTIONE NONA, QUANDO PRO SUI NEGOTII CAUSA AGEBATUR. 202 Auch in diesem Zusammenhang maßgeblich ist das Urteil von Seckel: Pseudoisidor, S. 295, Z. 25-S. 296, Z. 33. Er sieht in den Capitula Angilramni das zentrale Thema der falschen Dekretalen behandelt. Ihm folgte diesbezüglich die gesamte Forschung, u. a. Fuhrmann: Einfluß, Bd. 1, S. 161. Schon: Capitula, S. 9, spricht von einer „Prozeßverhinderungsordnung“

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Capitula Angilramni sind von deutlich geringerem Umfang als die falschen Dekretalen und die Kapitularien des Benedictus Levita. Sie umfassen lediglich 71 Kapitel, von denen die überwiegende Mehrzahl aus nur einem kurzen Satz besteht 203. Deshalb ist zu betonen, dass die Capitula Angilramni inhaltlich deutlich komprimierter sind als die Sammlungen Pseudo­isidors und Benedikts. Die Überlieferung der Capitula Angilramni ist durch ihren engen Zusammenhang mit den falschen Dekretalen überaus komplex. Das Kapitular wird in denjenigen Handschriften der Fälschungen überliefert, welche die Langversion der Papstbriefe enthalten. Darüber hinaus sind fünf Handschriften bekannt, welche die Capitula Angilramni unabhängig von den falschen Dekretalen enthalten 204, sowie diverse unabhängige Fragmente 205. Es ist möglich, dass der Text zur selbstständigen Ver­öffentlichung bestimmt war, tatsächlich aber hing seine weitreichende Verbreitung im Mittelalter maßgeblich von der Rezeption der pseudoisidorischen Dekretalen ab 206. Hinschius folgte der Überlieferungstradition und legte in seiner Ausgabe der gefälschten Papstbriefe auch eine Edition der Capitula Angilramni vor, die an den gleichen Mängeln krankt wie die Edition der pseudoisidorischen Dekretalen 207. 2006 wurde von Schon eine von den Dekretalen losgelöste neue Edition der Capitula Angilramni vorgelegt, die als Basis für jede weitere Untersuchung des K ­ apitulars zu 208 gelten hat  . angesichts der schier unüberwindlichen formalen Hürden, die in dem Kapitular für einen Bischofsprozess errichtet werden. Vgl. zum Inhalt allgemein ebd., S. 5 – 9. 203 In der Neu-Edition nimmt der Text des Kapitulars ohne Varianten-, Quellen- und Rezep­ tionsapparat nur 10 Seiten ein. Vgl. CA, ed. Schon (MGH Studien und Texte 39), S. 169 – 178. 204 Keine dieser Überlieferungen ist jünger als die ältesten Pseudoisidor-Codices, die den Text der Capitula Angilramni beinhalten. Drei Hss. (1, 12, 14) stammen aus dem 10., zwei (13, 22) aus dem 11., weitere drei (11, 27, 30) aus dem 12. und eine Hs. (2) aus dem 18. Jahrhundert. Vgl. Schon: Capitula, S. 21, 26 f. und 29 – 31. 205 Detailliert ebd., S. 11 (Anm. 49). 206 Seckel: Pseudoisidor, S. 296, Z. 28 f. Vgl. zur ausführlichen Analyse der Rezeptions­geschichte Schon: Capitula, S. 43 – 82. Schon hält die Capitula Angilramni für die „erfolgreichste Fälschung der K ­ irchengeschichte“, ebd., S. 1. Weniger enthusiastisch, aber mit deutlichem Hinweis auf die enorme Verbreitung. Jasper/Fuhrmann: Letters, S. 102. 207 Ed. Hinschius (Decretales), S. 757 – 769. 208 Schon bemüht sich, und das ist ein Novum gegenüber der Ausgabe von Hinschius, vor allem darum, die Wirkungsgeschichte der Capitula Angilramni in der Einleitung und mithilfe eines detaillierten Apparates sichtbar zu machen. Zudem enthält seine Edition eine deutschsprachige Übersetzung des Kapitulars. Leider muss festgehalten werden, dass sein Apparat zu den „Quellen und Parallelfälschungen“ zwar umfangreich, aber auch unpräzise ist. In welcher Art Material aus den Vorlagen in den Text der einzelnen Kapitel eingeflossen ist (z. B. durch komplette Übernahme eines Satzes, wörtliche Übernahme von Textpartikeln

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Wann genau die Capitula Angilramni entstanden sind, ist umstritten. Ebenso herrscht Unsicherheit in Bezug auf ihre früheste Benutzung. Ihre Verwendung durch Hadrian  II. (867 – 872) in der Korrespondenz mit dem Herzog Salomon  III. von der Bretagne (857 – 874) ist nicht zu verifizieren 209. Als sicher gilt hingegen, dass die Capitula Angilramni Eingang gefunden haben in den Libellus, den Hinkmar von Laon seinen Klerus im Sommer 869 zu unterzeichnen zwang und der zum Stein des Anstoßes in der Auseinandersetzung mit seinem gleichnamigen Onkel, dem Bischof Hinkmar von Reims, wurde 210. Fraglich sind auch die Wechselbeziehungen zwischen den Capitula Angilramni und den anderen Teilen des Fälschungskomplexes. Ältere Forschungspositionen, welche die Capitula Angilramni als Exzerpt der falschen Dekretalen 211 auswiesen, werden seit den maßgeblichen Arbeiten von Seckel nicht mehr diskutiert. Dieser war durch seine ausführliche Analyse der Quellen von Benedictus Levita zu dem Schluss oder nur des Kerngedankens), lässt sich mithilfe des Apparates nicht nachvollziehen (vgl. im Gegensatz dazu die neue Edition des falschen Julius-Briefes JK † 196 in Zechiel-Eckes: Blick, S. 71 – 88). Auch entsteht bei Schon der Eindruck, dass die angegebenen Parallel­stellen zu den falschen Dekretalen und Benedictus Levita alle von annähernd gleicher Qualität sind. Dabei gibt es enorme qualitative Unterschiede: Mal besteht die Parallele im Inhalt des Kapitels, mal in der benutzten Vorlage (was nicht notwendigerweise zu identischen I­ n­halten führt), mal im Wortlaut. Eine moderne Edition hätte diesen höchst problematischen Aspekt wenigstens mit einem Hinweis bedenken müssen. Die Tabellen 1 – 3 im Anhang der vor­ liegenden Arbeit kennzeichnen Unterschiede in der Art der Parallelen. 209 Schon: Capitula, S. 43 – 45. 210 Vgl. für die Ereignisse McKeon: Hincmar, S. 36 – 38; Zechiel-Eckes: Pseudoisidor-­ Rezeption, S. 20 – 22. Fuhrmann: Einfluß, Bd. 3, S. 703 – 707, hat eine scharfe Analyse der Begleitumstände des Konflikts und der damit im Zusammenhang stehenden Quellen durchgeführt und geschlossen, dass „am Ende der pseudoisidorischen Exzerptsammlung vom 8. Juli 869 vor der Unterschrift Hinkmars von Laon Capitula Angilramni gewöhnlicher Art gestanden haben“ (ebd., S. 707). Vgl. auch Schon: Capitula, S. 45. Der Text dieses Unterschriftenwerks ist in seiner Gänze verloren, es ist jedoch wahrscheinlich, dass im Codex Bern, Burgerbibliothek, Ms. 451, ein Fragment des Libellus zu finden ist, vgl. Zechiel-Eckes: Pseudoisidor-Rezeption, S. 19 – 37 (mit anschließender Edition ebd., S. 37 – 54). Seinen Onkel griff der Bischof von Laon auch mithilfe der falschen Dekretalen und der Capitula Angilramni in der nachfolgenden Schrift von Ende 869, dem sogenannten Pittaciolus, an, vgl. Streitschriften, ed. Schieffer (MGH Conc. 4 Suppl. 2), S. 65 – 97. Vgl. dazu aus­führlich auch Fuhrmann: Einfluß, Bd. 3, S. 712 – 720; McKeon: Hincmar, S. 71 – 74; Schon: ­Capitula, S. 45 – 49. Hinkmar von Reims freilich zweifelte in seiner ausführlichen Antwort von 870 an der Echtheit der von Hinkmar von Laon angeführten angeblichen (quae dicuntur) Kapitel, nutzte aber gleichzeitig die innere Widersprüchlichkeit der Capitula Angilramni aus, um den Neffen in seine Schranken zu weisen, vgl. ders., Opusculum LV Capitulorum, Kap. 24, Streitschriften, ed. Schieffer (MGH Conc. 4 Suppl. 2), S. 240 f. 211 Vgl. die Übersicht bei Seckel: Pseudoisidor, S. 295, Z. 39 – 51.

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gekommen, dass „mehrschichtige Hin- und Herbenutzungen“ zwischen diesem und den Capitula Angilramni es unmöglich machten, eine eindeutige Chronologie der Entstehung dieser Fälschungen festzulegen 212. Seckels Fest­halten an der Prämisse, dass die falschen Kapitularien vor den falschen Dekretalen entstanden seien, begründete letztlich seine Ansicht, dass die Parallelen zwischen CA und den falschen Papst­briefen daraus resultieren müssten, dass die Capitula Angilramni bei der Abfassung der Dekretalen vorgelegen hätten und vom Fälscher bei ihrer Erstellung benutzt ­worden seien 213. Einen Beweis dafür oder auch nur eine tiefer gehende Studie zu dieser Frage blieb Seckel ebenso wie die folgende Forschung jedoch schuldig. Die Ansicht, dass die Capitula Angilramni zwangsläufig vor den pseudo­isidorischen Dekretalen verfasst worden seien, lässt sich nach den neueren Erkenntnissen zur Entstehungszeit der Papstbriefe nicht mehr aufrechterhalten. Die jüngere Forschung hat immer wieder auf „verschiedene Redaktionsstufen“214 bei falschen Dekretalen, ­Capitula Angilramni und Benedictus Levita hingewiesen. Es ist davon auszugehen, dass diese sich gegenseitig beeinflusst haben 215.

212 Ebd., S. 295, Z. 54-S. 296, Z. 8. 213 Ebd., S. 295, Z. 48 – 53. Ähnlich wie Seckel argumentierte z. B. auch Wasserschleben: Frage, S. 286, der die Capitula Angilramni als „Vorarbeit“ für die pseudoisidorischen ­Dekretalen ansah; vgl. ders.: Beiträge, S. 13 – 22. 214 Zechiel-Eckes: Spur, S. 25; Fuhrmann: Einfluß, Bd. 1, S. 181 (Anm. 94). Schon: ­Capitula, S. 9, erkennt ebenfalls verschiedene Formen der Fälschungen, die in Umlauf gebracht wurden. Wenn er ebd. davon spricht, dass die Capitula Angilramni „auf älterer Verfälschungsstufe als andere Stücke der falschen Dekretalen“ stünden, so ist damit wohl in erster Linie gemeint, dass die Capitula dem Wortlaut der Vorlagen teilweise näher­stehen als die Papstbriefe, in denen auf das gleiche Material zurückgegriffen wurde. Meines Erachtens können dadurch aber keineswegs Rückschlüsse gezogen werden, welcher Text „älter“ oder „jünger“ ist. Schließlich ist es durchaus möglich, dass eine Vorlage einmal nur als gedankliche Grundlage für eine gefälschte Passage herangezogen und zu einem späteren Zeitpunkt an anderer Stelle im Wortlaut in die Fälschung(en) inseriert wurde. 215 Wobei nicht alle Redaktionsstufen der falschen Dekretalen vorgelegen haben müssen, als die Arbeit an Benedictus Levita aufgenommen wurde, und Letztere die späteren Ver­sionen der Dekretalen durchaus beeinflusst haben können. Gleiches gilt für die Capitula Angilramni. Aber es scheint allein aufgrund der dafür notwendigen Ressourcen ausgeschlossen, dass die beiden umfangreichen Fälschungen der falschen Dekretalen und der falschen Kapitularien komplett zeitgleich entstanden sein sollen. Vgl. dazu auch Schmitz: Verfertigung, S. 30. In diesem Falle müsste man meines Erachtens von einer Entstehung an zwei unter­schiedlichen Orten ausgehen. Auch Fried: Donation, S. 101, weist auf die Möglichkeit hin, dass die ­einzelnen Teile der Fälschungen an unterschiedlichen Orten entstanden sein könnten.

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1.2.3  Die Kapitularien des Benedictus Levita: Beginn oder Schlusspunkt der Fälschungen? Neben den falschen Dekretalen bildet die Kapitulariensammlung eines fiktiven ­ ainzer Diakons mit Namen Benedikt (Benedictus Levita 216) den umfang­reichsten M Teil der pseudoisidorischen Fälschungen. Sie besteht aus drei Büchern und vier Additiones, die zusammen 1721 Kapitel enthalten. Außerdem sind der Sammlung diverse Begleitstücke beigefügt, welche die Authentizität der Arbeiten Benedikts belegen sollen. Die falschen Kapitularien geben vor, eine in Mainz auf Verlangen des Erz­ bischofs Otgar von Mainz (826 – 847) entstandene Auftragsarbeit zu sein 217. Sie sehen sich als Ergänzung der Kapitulariensammlung des Ansegis von Fontenelle 218 und ahmen deren Stil und Diktion nach. Sie sind ebenso wie die falschen Dekretalen keine vollständig durch die Fälscher erdachten Rechtssätze, sondern setzen sich aus authentischem Material zusammen. Die Vorlagen lieferten zum Großteil dieselben Quellen, die auch den falschen Papstbriefen zugrunde liegen 219. Seckel zeigte in seinen umfangreichen Studien zu den Quellen des Benedictus Levita, dass die Fälschungstechnik in den Kapitularien sich von der Pseudo­isidors gelegentlich unterscheidet 220. 216 So die Selbstauskunft des Kompilators im ersten Prolog der Sammlung. Ben. Lev., P ­ raefatio, ed. Schmitz, http://www.benedictus.mgh.de/edition/archiv/bl_20080.226/praef.pdf (02.11.13), S. 1, Z. 12. Kritisch zur Zuweisung der Sammlung zu den pseudo­isidorischen ­Fälschungen bzw. ihrer Kategorisierung als Fälschung äußerte sich zuletzt nur noch ­McKitterick: History, Law and Communication, S. 971 – 974, ohne jedoch stichhaltige Argumente für ihre Ansicht zu liefern, weswegen hier nicht näher darauf eingegangen wird. 217 Ben. Lev., Praefatio, ed. Schmitz, http://www.benedictus.mgh.de/edition/archiv/ bl_20080.226/praef.pdf (02.11.13), S. 3, Z. 1 – 4. 218 Ed. Schmitz (MGH Capit. N. S. 1); vgl. dazu ders.: Ansegis. Zu den Parallelen von echter und falscher Kapitulariensammlung vgl. Seckel: Pseudoisidor, S. 297, Z. 8-S. 298, Z. 21. 219 Vgl. Schmitz: Benedictus Levita, Sp. 520, und für die wenigen zusätzlichen, über das ­Material der Dekretalen hinausgehenden Quellen der Kapitularien Seckel: Pseudoisidor, S. 298, Z. 22-S. 299, Z. 37; Fuhrmann: Einfluß, Bd. 1, S. 167. 220 Seckel: Studien I, S. 39 – 72; ders.: Studien II-V, S. 275 – 331; ders.: Studien VI, S. 59 – 139; ders., Studien VII, S. 319 – 381, 105 – 191 und 433 – 539; ders., Studien VIII, S. 327 – 431, 15 – 130, 157 – 263; Seckel/Juncker: Studien VIII, S. 269 – 377, 1 – 112. Benedikt benutzte z. B. oftmals für ein falsches Kapitel „nur“ eine Quelle und übernahm oftmals auch die innere Ordnung der Vorlagen, woraus Seckel dann „Reihen“ und „Mischreihen“ von Vorlagen heraus­präparieren konnte. Vgl. dazu auch Seckel: Pseudoisidor, S. 237, Z. 40 – 43. Man sollte an dieser Stelle aber daran erinnern, dass Pseudoisidor in den Dekretalen seine Mosaik­technik keineswegs immer auf die Spitze trieb, sondern sich nicht scheute, gelegentlich ganze D ­ ekretalen mit seitenlangen Bibelzitaten aufzufüllen. Zur Bibel als „Lückenfüller“ für Pseudo­isidor vgl. Zechiel-Eckes: Exegese, S. 130. Auch die vielen Wiederholungen e­ inzelner Kapitel in den Kapitularien waren keine Nachlässigkeit des Fälschers, sondern wurden als

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Man datiert die Veröffentlichung der falschen Kapitularien gemeinhin auf den Zeitraum zwischen dem 21. April 847 und dem 14. Februar 857221. Der älteren Forschung galt die gefälschte Kapitulariensammlung als erstes Produkt der pseudoisidorischen Werkstatt, eine Ansicht, die erst seit Kurzem ­wieder infrage gestellt wird 222. Die Überlieferung der falschen Kapitularien ist nicht so umfangreich wie die der falschen Dekretalen. Auch unterscheiden sich die verschiedenen Handschriften vor allem im Umfang der Sammlung, während die Textgestalt weniger variantenreich erscheint 223. Der Text der falschen Kapitularien wird derzeit nach modernen ­editorischen Maßstäben von Gerhard Schmitz neu ediert und sukzessive im Internet zur Veröffentlichung gebracht. Wenn die Edition abgeschlossen ist, soll auch eine gedruckte Version folgen 224. Während diese Arbeit entstand, waren noch nicht alle für die Fragestellung relevanten Kapitel in die neue Edition aufgenommen worden. Parallel zur Edition von Schmitz muss deswegen auch die Ausgabe der Kapitularien von Baluze aus dem Jahr 1677 benutzt werden, die für ihre Zeit als herausragend gelten muss, den Ansprüchen der modernen Editionstechnik aber nicht genügen kann 225.

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bewusstes Mittel der Persuasion eingesetzt, Seckel: Pseudo­isidor, S. 237, Z. 56-S. 298, Z. 4. Vgl. zur Funktion der Wiederholung bei Pseudoisidor auch Zechiel-Eckes: Exegese, S. 118 f., 123 f. und 134 f.; ders.: Arbeitshandschriften, S. 207 (mit Anm. 12). Da das einleitende Gedicht von Bischof Otgar als Verstorbenem spricht, wird dessen Todesdatum als terminus post quem angenommen, vgl. Ben. Lev., Praefatio, ed. Schmitz, http:// www.benedictus.mgh.de/edition/archiv/bl_20080.226/praef.pdf (02.11.13), S. 1, Z. 10. Der terminus ante quem ergibt sich aus der ersten bekannten Benutzung der ­falschen Kapitu­ larien auf der Synode von Quierzy (857). Vgl. Seckel: Pseudoisidor, S. 299, Z. 38 – 54, zum terminus post quem. Einen terminus ante quem zu benennen lehnte Seckel ab, vielleicht auch weil ihm die Eingrenzung mit der Synode von Quierzy zu grob erschien. Vgl. zu Letzterer Fuhrmann: Einfluß, Bd. 1, S. 166. Knust: MGH LL 2.2, S. 19, Z. 22 f., nahm bereits eine zeitliche Präferenz der falschen Dekretalen an und benannte sie als Quelle für die falschen Kapitularien, ebenso ­Wasserschleben: Frage, S. 279 – 286. Dagegen wandte sich energisch und ausführlich Hinschius: Decre­ tales, S. CXLIII-CLXIII, und ihm folgten darin sowohl Maassen: Excurse, S. 296, als auch Seckel: Pseudoisidor, S. 304, Z. 9 – 56, dessen Urteil wiederum Fuhrmann: Einfluß, Bd. 1, S. 166, übernahm. Grundlegend zur Überlieferung ist Seckel: Benedictus. Vgl. auch ders.: Pseudoisidor, S. 296, Z. 42-S. 297, Z. 7. Für weiterführende Literaturhinweise vgl. Fuhrmann: Einfluß, Bd. 1, S. 164 f. (Anm. 52). Im Rahmen der neuen Edition durch Schmitz sind diverse Hand­ schriften als Transkription (z. T. mit Abbildungen) im Internet einsehbar. So die Selbstauskunft des Projektleiters Gerhard Schmitz: http://www.benedictus.mgh. de/projekt/einfuehrung/einfuehrung.htm (30.10.13). Zur Editionsgeschichte der falschen Kapitularien vgl. ebd. und Hartmann: Schwierigkeiten, S. 216 – 218 und 223. Die Ausgabe der Kapitularien durch Pertz (MGH LL 2.2) von 1837 ist zwar jüngeren Datums als die Ausgabe der Capitularia Regum Francorum von Baluze (Nachdruck in Mansi 17b), dieser jedoch textlich nicht vorzuziehen. Vgl. dazu

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Benedictus Levita galt schon Seckel als inhaltlich deutlich vielseitiger als Pseudo­ isidor. In kirchlichen Angelegenheiten und Fragen der Anklage gegen Bischöfe w ­ enden sich die falschen Kapitularien explizit gegen alle Formen der Beteiligung oder gar Einflussnahme durch Laien 226. Sie liegen damit weitestgehend auf der Linie der f­ alschen Dekretalen, jedoch werden die inhaltlichen Schwerpunkte in den Fälschungen jeweils unterschiedlich gesetzt. Schmitz wies darauf hin, dass die Forschung in der Ausein­ andersetzung mit den Inhalten der pseudoisidorischen Fälschungen dazu neige, Inhalte und vermeintliche Fälschungsziele der falschen Dekretalen auf die Kapitularien zu übertragen. Demgegenüber betonte er, dass die Erstellung der Fälschungen einen ­längeren Zeitraum beansprucht haben muss, während dessen sich die Intentionen der Fälscher verändert haben könnten 227. Dies ist insbesondere nach den Überlegungen von Zechiel-Eckes zur Entstehung der falschen Dekretalen zu bedenken 228. Seit den intensiven Studien von Emil Seckel zu den Quellen der falschen Kapitu­ larien steht ihre textlich enge Beziehung zu den Capitula Angilramni außer Frage. Auch zwischen den falschen Dekretalen und den Kapitularien gibt es zahlreiche Querverbindungen. Diese vollständig aufzulösen und den Fälschungsteilen gleichsam Schmitz: http://www.benedictus.mgh.de/projekt/einfuehrung/einfuehrung.htm und http://www.benedictus.mgh.de/alte_edd/baluze/baluze.htm (30.10.13). Für Ben. Lev., Buch 3, Kap. 315 und 412, sowie Add. 4, Kap. 27 und 28, hat mir Gerhard Schmitz bislang noch unveröffentlichte Ergebnisse seiner Editionsarbeit zur Verfügung gestellt, nach welcher der Text der entsprechenden Kapitel in Tabelle 3 angegeben wird. Die Anmerkungen in Kapitel 4 verweisen für diese Kapitel des Weiteren auf die Ausgabe von Baluze. 226 Seckel: Pseudoisidor, S. 300, Z. 56. 227 Schmitz: Verfertigung, S. 34 – 37. Ein Beispiel dafür ist z. B. Maassen: Excurse, S. 295. Dieser sah folgende Themen als zentral für die falschen Kapitularien an: „Vorrang der kirch­ lichen vor der weltlichen Gesetzgebung, ausschliessliche Competenz des apostolischen Stuhles für die causae maiores, insbesondere für die iudicia episcoporum, das Erforder­nis der päpstlichen Autorisation für die Berufung aller Synoden und der Bestätigung ihrer Beschlüsse durch den Papst, die Nothwendigkeit der Restitution abgesetzter oder vertriebener und ihrer Güter beraubter Bischöfe vor Erhebung einer Anklage wider sie, die Ausschliessung der weltlichen Gerichtsbarkeit über Cleriker, insbesondere bei wider sie erhobenen Accusationen, die concurrierende Gerichtsbarkeit der Bischöfe auch in Rechtsstreitigkeiten unter Laien, die Begründung und Befestigung der Primatenwürde, die Abolition des Institutes der Chorbischöfe.“ Diese Zusammenfassung trifft, vor allem in der vorliegenden Reihenfolge, eher auf die falschen Dekretalen als auf die Kapitularien zu. Siehe für die den Papst betreffenden Aspekte die zusammengefassten Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung z. B. S. 168 f. 228 Die politische Situation änderte sich gegenüber den mittleren bis späten 830er Jahren im Verlauf der 840er Jahre durch den Tod Ludwigs des Frommen und die folgenden Ausein­ andersetzungen zwischen seinen Erben grundlegend. Es ist eher unwahrscheinlich anzu­ nehmen, dass sich diese Entwicklung nicht in irgendeiner Form auch in den in dieser Periode des Umbruchs entstandenen Fälschungen widerspiegelt. Siehe dazu S. 78 – 94.

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eine innere Chronologie zuzuweisen, hat die Pseudoisidor-Forschung der letzten zwei Jahrhunderte zwar vielfach versucht, ihren eigenen Ansprüchen dabei jedoch kaum genügen können. Emil Seckels Feststellung, die Fälschungen seien „alle untereinander sozusagen verfilzt“229, und Fuhrmanns Zusammenfassung, dass weder die Reihenfolge der Fälschungen noch der Umfang ihrer wechselseitigen Beeinflussung bislang festgestellt worden sei, haben weiterhin Gültigkeit 230. Für die falschen Kapitu­larien des Benedictus Levita wird vielfach ein zeitlicher Vorrang vor den falschen Dekretalen angenommen, da man aufgrund des Umfangs beider Fälschungen und der damit verbundenen Arbeit davon ausgeht, dass zumindest diese nicht parallel entstanden sein können. Gleichzeitig wird aber mindestens für das vierte Buch der Benedikt‘schen Additionen eine intensive Benutzung der falschen Dekretalen angenommen. ­Gerhard Schmitz rief deswegen zuletzt wieder in Erinnerung, dass man der Versuchung widerstehen müsse, eine in einem Punkt nachvollziehbare Reihenfolge der Fälschungen auf den gesamten Fälschungskomplex zu übertragen 231. Eine definitive Lösung ­dieser Frage ist aufgrund der vielschichtigen Natur der Querbeziehungen zwischen den ­Fälschungsteilen wahrscheinlich nicht möglich.

1.2.4  Die Excerptiones de gestis Chalcedonensis concilii: Materialsammlung oder selbstständige Fälschung? Die Excerptiones de gestis Chalcedonensis concilii 232 sind ein interpoliertes Florileg aus den Protokollen des Konzils von Chalkedon (451). Der Text besteht aus über 229 Seckel: Pseudoisidor, S. 305, Z. 4 f. 230 Fuhrmann: Einfluß, Bd. 1, S. 147. Vgl. auch Schmitz: Benedictus Levita, Sp. 521. 231 Schmitz: Verfertigung, S. 29 – 31 (insbes. S. 31 unten). Gerhard Schmitz erneuerte seine Ansicht zuletzt in einem Vortrag an der Universität zu Köln am 22. Feburar 2013. Er gab bei dieser Gelegenheit zu bedenken, dass es nicht möglich sei, eine chronologische Reihenfolge der Fälschungen allein aufgrund der textlichen Abhängigkeiten zu rekonstruieren und dass eine Suche nach den gemeinsamen Vorlagen der Fälschungen größeren Erkenntnisgewinn in Bezug auf das Verhältnis zwischen Pseudoisidor und Benedictus Levita verspreche. Der Vortrag fand im Rahmen einer internationalen Tagung zu Pseudoisidor statt („Fälschung als Mittel der Politik? Pseudoisidor im Lichte der neuen Forschung“, 22./23.02.2013, Universität zu Köln). Der zugehörige Tagungsband erscheint voraussichtlich 2014 (in: MGH Studien und Texte). Eine Zusammenfassung der Ergebnisse bietet der Tagungsbericht von Lioba Geis: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=4721 (30.10.13). 232 Die Namensgebung bezüglich dieses Dokumentes ist in der jüngeren Forschung uneinheitlich. Schon: Exzerpte, S. 548 und 550, und ders.: Capitula, S. 2, nennt sie nach ihren ein­leitenden Worten sehr umständlich die Nonnullae sanctiones sparsim collectae actionis ­primae sancti et magni Chalcedonensis concilii (Nonnullae sanctiones). Griffiger erscheint die hier benutzte und auf den Druck des Textes von Pitra: Spicilegium, S. 166, zurückgehende

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hundert Auszügen aus den Akten der Kirchenversammlung 233. Als Vorlage diente eine Redaktion der Synodalprotokolle, die der römische Diakon Rusticus Mitte der 560er Jahre im Exil in der Thebais erstellt hatte 234. Von diesem Wissen ausgehend, ermittelte Zechiel-Eckes, dass der im ersten Viertel des 9. Jahrhunderts in Corbie entstandene Codex Paris, Bibliothèque nationale, lat. 11611, die direkte Vorlage für die Excerptiones gewesen ist 235. Die Chalkedon-Akten wurden darin an genau den Abschnitten markiert, die im Florileg extrahiert wurden 236. Aufgrund der spezifischen Natur der Randnotizen in der Handschrift, der Überlieferung des Florilegs und des Zusammenhangs zwischen den pseudoisidorischen Fälschungen und der Rusticus-Version der Chalkedon-Akten zog Zechiel-Eckes den Schluss, dass die Excerptiones ebenfalls ein Produkt der pseudoisidorischen Fälscherwerkstatt sein müssen 237. Dass es einen Zusammenhang zwischen dieser besonderen Version der Chalke­donAkten und der pseudoisidorischen Fälscherwerkstatt geben musste, war seit L ­ angem bekannt: Die Rusticus-Version der chalkedonensischen Protokolle wurde bereits von Seckel als Vorlage für Benedictus Levita identifiziert. Für ihn lag es „auf der Hand,

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Bezeichnung der Excerptiones de gestis Chalcedonensis concilii (Excerptiones); vgl. auch Zechiel-Eckes: Verecundus, S. 413. Zu möglichen interpretatorischen Trugschlüssen ob der Bezeichnung des Textes als Exzerpt siehe S. 171 f. Je nach Einteilung des Textes ergibt sich eine abweichende Anzahl an Kapiteln. So endet der Text bei Pitra: Spicilegium, S. 183 – 185, mit Auszug 111; Wiegelmann: E ­ xcerptiones, S. 1 bzw. XXVI, zählt dagegen nur 104 Abschnitte, orientiert an folgenden Hand­schriften der pseudoisidorischen Langversion: Vatikan, lat. 630; New Haven, Beinecke Library, Ms. 442 (beide 9. Jh.); Rouen, Bibliothèque municipale, E. 27 (11. Jh.). Schon: Auszüge, S. 550 f., belegte mit dieser Zuweisung auch, dass der Urheber der Ex­­ cerptiones unmöglich Bischof Verecundus von Junca († 552) gewesen sein konnte, wie von Pitra: Spicilegium, S. 166, angenommen worden war. Die Rusticus-Version der Chalkedon-­ Akten entstand laut Schwartz: ACO 2, 3, 1, S. 27, und ders.: ACO 2, 3, 3, S. 561, zwischen Februar 564 und April 566, d. h. zu einem Zeitpunkt, an dem Verecundus bereits lange tot war; vgl. Zechiel-Eckes: Verecundus, S. 414. Zu Rusticus allgemein vgl. Grillmeier: Vorbereitung, S. 816 – 822. Zechiel-Eckes: Verecundus, S. 416 – 419; zur Datierung ebd., S. 416 (mit Anm. 17). Vgl. dazu die tabellarische Übersicht ebd., S. 431 – 446. Schon: Auszüge, S. 551 – 557, lehnte die gänzliche Zuweisung der Excerptiones zu Pseudo­ isidor ab und hielt den Text ursprünglich für ein Produkt aus dem 6. oder 7. Jahrhundert, ­welches später von Pseudoisidor bearbeitet worden sei. Später revidierte er seine dies­bezügliche Ansicht, Schon: Pseudoisidor; vgl. auch Knibbs: http://pseudoisidore.blogspot.de/search/ label/Council%20of%20Chalcedon (30.10.13). Die ältere Pseudoisidor-Forschung, ver­treten z. B. durch Seckel oder Fuhrmann, hat sich, wohl aufgrund der lange Zeit an­­genommen vermeintlichen Autorschaft des Verecundus, überhaupt nicht mit den Chalkedon-Ex­zerpten auseinandergesetzt.

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daß Benedikt aus dieser Sammlung schöpft[e]“238. Auch über­lieferungsgeschichtlich lag eine Beziehung zwischen Pseudoisidor und den Exzerpten schon längere Zeit nahe, da der Text fast ausschließlich durch Pseudoisidorhandschriften tradiert ist 239. Zechiel-Eckes betrachtete die Arbeit Pseudo­isidors an dem Chalkedon-Florileg als Vorbereitung für die eigentliche Fälschung, die falschen Dekretalen. Sie stünden in der inneren Chronologie des Fälschungskomplexes somit vor den Dekretalen und den Kapitularien, welche dann, in reduzierter Form, aus der Exzerptsammlung schöpften 240. Aber die Excerptiones sind keine reine Materialsammlung. Das Florileg enthält im Vergleich zu seiner Vorlage Verfälschungen des Textes, die zum Teil zu inhaltlich signifikanten Veränderungen führten 241. Nach einer groben Durchsicht des Textes gelangte Zechiel-Eckes zu der Erkenntnis, dass dabei vor allem die Überhöhung päpstlicher Befugnisse im Mittelpunkt stand 242. Wie bei fast allen hier untersuchten Fälschungsteilen ist auch für die Excerp­tiones de gestis Chalcedonensis concilii die editorische Ausgangsbasis nicht zufrieden­stellend. Pitras Druck aus dem 19. Jahrhundert muss als Grundlage genügen, obgleich er lediglich auf fünf Handschriften aus dem 12. und 13. Jahrhundert basiert und so zahlreiche frühe und gute Manuskripte aus dem 9. Jahrhundert vollkommen ignoriert 243. Ebenso 238 Seckel/Juncker: Studien VIII, Teil 4, S. 373 – 377 (Zitat ebd., S. 374). 239 Schon: Exzerpte, S. 548 f. (Anm. 18), fasst die 34 der Forschung bekannten ­Überlieferungen des Florilegs zusammen, in der Datierung folgt er dabei Williams: Codices. 240 Zechiel-Eckes: Verecundus, S. 420 – 427. Insbesondere zu beachten ist der Nachweis von Zechiel-Eckes, dass der Fälscher einen in den Fälschungen häufig benutzten Auszug aus den Chalkedon-Akten nach der um ein Wort bereicherten Version der Excerptiones zitierte, ebd., S. 427 (Anm. 50). Dass diese zwangsläufig bei der Erstellung der falschen Dekretalen bereits vollständig vorgelegen haben müssen, lässt sich daraus allerdings nicht zweifelsfrei ableiten. Fest steht jedoch, dass sie nicht lange danach entstanden sein ­können, da sie mit diesen verbreitet wurden. Siehe S. 176 – 179. 241 Zechiel-Eckes: Verecundus, S. 420 f. 242 Ebd., S. 424, lässt keinen Zweifel an Pseudo­isidors Absichten aufkommen: „Er überhöht die Machtbefugnis des römischen Bischofs in eklatanter Weise. […] An nahezu jeder syntaktisch möglichen Stelle findet sich die Zuständigkeit des Papstes eingeschoben […].“ Siehe auch S. 173 – 176. 243 Pitra: Spicilegium, S. 166 – 221. Zur Kritik an dieser Ausgabe vgl. Schon: Exzerpte, S. 548 f. (Anm. 18); Zechiel-Eckes: Verecundus, S. 431. Eine Neuedition der Excerptiones, die der frühen Pseudoisidor-Tradition und ihren verschiedenen Versionen Rechnung trägt, wäre höchst wünschenswert. Die Edition müsste dabei folgende Codices unbedingt berücksichtigen: Vatikan, lat. 630 (3. Viertel des 9. Jhs., Handschriftenklasse A/B); New Haven, Beinecke Library, Ms. 442 (3. Viertel des 9. Jhs., Cluny-Version); Paris, BnF, lat. 1557, und Rouen, Bibliothèque municipale, E. 27 (9. und 11. Jh., beide Handschriftenklasse A1). Der früheste Vertreter dieser Klasse, Codex Vatikan, Ottob., lat. 93 (mittleres 9. Jh.), enthält die Excerptiones nicht, die Handschrift ist jedoch beschädigt. Siehe zu Paris, BnF, lat. 1557,

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fehlt es bislang an detaillierten Einzeluntersuchungen, die sich mit der spezifischen Natur des Textes auseinandersetzen sowie einen Vergleich zwischen Vorlage und Bearbeitung bieten 244. Im Rahmen dieser Untersuchung kann lediglich die Rolle des Papstes in den Auszügen selbst und die Abweichungen zwischen diesen, ihrer Vorlage und den anderen pseudoisidorischen Fälschungen herausgearbeitet werden.

1.3  Die Entstehung der pseudoisidorischen Fälschungen 1.3.1  Zeit und Ort Die Festlegung auf einen konkreten Entstehungszeitpunkt gehört zu den zentralen Problemen der Pseudoisidor-Forschung. Dies hängt damit ­zu­sammen, dass die Reihen­folge, in der die einzelnen Fälschungen entstanden sind, unklar ist. Paul Hinschius und Emil Seckel bestanden darauf, dass die falschen Kapitularien zeitlich vor den falschen Dekretalen anzusetzen seien, weil Letztere textlich von der Arbeit des Benedictus Levita abhingen. Seckel hatte geschlossen, dass die falschen Kapitularien nicht vor April 847 veröffentlicht sein konnten und die Dekretalen deswegen zeitlich noch später anzusetzen seien 245. Einen über­zeugenden Beleg für diese These blieb die Forschung indes schuldig. Vor den maßgeblichen Äußerungen Seckels wurde kontrovers über die Frage diskutiert, ob die falschen Dekretalen zeitlich vor den ausführlich S. 187 – 190. Vgl. zu Rouen, Bibliothèque municipale, E. 27, und Vatikan, Ottob., lat. 93, Williams: Codices, S. 54 f. und 60 f. Dies würde auch zu einem erheblich besseren Wortlaut des Textes führen sowie zu einer abweichenden Zählung. Eine Neu­edition könnte überdies einen Abgleich mit der Vorlagehandschrift Paris, BnF, lat. 11611, bieten und ggf. auch Parallelen zu den anderen pseudoisidorischen Fälschungen sichtbar machen. Die genannten Handschriften wurden teilweise im Original, teilweise in Reproduktion (Digitali­sat) bei der Analyse der Chalkedon-Exzerpte parallel zur Textausgabe Pitras herangezogen. Die Textverweise in Kapitel 5 geben neben der Kapitelzählung bei Pitra: Spicilegium, in Klammern die alternative Kapitelzählungen an, die sich auf die genannte ältere handschriftliche Tradition stützen und nur zum Teil mit der Zählung bei Pitra übereinstimmen. 244 Es fehlen überdies auch genauere Erkenntnisse zur Rezeption der Chalkedon-Auszüge. Un­ veröffentlicht ist die Magisterarbeit von Wiegelmann: Excerptiones, die im WS 2007/08 an der Universität zu Köln entstand und einen inhaltlichen Vergleich von Vorlage und ­Fälschung und eine provisorische Neu-Edition des Textes enthält. Mein Dank gilt Lucas Wiegelmann, der mir diese Arbeit als Hilfsmittel zur Verfügung gestellt hat. 245 Hinschius: Decretales, S. CLXXXIII -CLXXXVI ; Seckel: Pseudoisidor, S. 274, Z. 53-S. 275, Z. 9. Der terminus post quem April 847 ergibt sich für Hinschius und Seckel aus dem Todesdatum des Mainzer Erzbischofs Otgar, nach dem die Kapitularien­sammlung laut eigener Aussage fertiggestellt worden ist, vgl. Schmitz: Verfertigung, S. 31.

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Kapitularien liegen oder umgekehrt, oder ob beide Fälschungen mehr oder w ­ eniger parallel entstanden sein könnten 246. Die Ähnlichkeiten zwischen Dekretalen und Kapitularien sind in erster Linie auf den Rückgriff auf das gleiche Ausgangsmaterial zurückzuführen 247. Gerhard Schmitz wies darauf hin, dass aus einzelnen gegenseitigen Anleihen der Fälschungen nicht notwendiger Weise auf die immer noch unzureichend erforschte innere Chronologie der Fälschungen geschlossen werden könne 248. Eine Rückbesinnung auf die Fakten ist daher dringend geboten. Wichtigster Anhaltspunkt für die Entstehungszeit der Fälschungen bleiben ihre Vorlagen. Für die falschen Dekretalen wurde das Ausgangsmaterial in lobenswerter Klarheit von Hinschius zusammengetragen. Demnach ist die jüngste Quelle der ­falschen Dekretalen die Aachener Synode von 836, die in Auszügen zitiert wird und an der man den terminus post quem festmachen kann. Dieser früheste Zeitpunkt einer Redaktion der Dekretalen 249 liegt deutlich vor dem terminus post quem für die falschen Kapitularien. Fuhrmann hat intensiv die Rezeption des pseudoisidorischen Materials untersucht und nachgewiesen, dass seit den frühen 850er Jahren die falschen ­Dekretalen zumindest teilweise an verschiedenen Stellen des Frankenreichs kursiert sein müssen 250. Frühestens können die falschen Dekretalen also 836 erstmals vollständig als Langversion vorgelegen haben, spätestens 850/51 müssen sie in Umlauf gebracht worden sein 251. Es ist kaum zu sagen, wie viel Zeit für die Erstellung der Fälschungen benötigt wurde. Eindeutig ist jedoch, dass sie nicht zu denjenigen Texten gehören, die im Schnellverfahren angefertigt werden konnten. Auch wenn längst feststeht, dass hier viele Hände mitgewirkt haben müssen, ist eine angenommene Produktionszeit von einem oder, wahrscheinlicher, mehreren Jahren wohl kaum übertrieben, zumindest wenn man die Entstehung als einen Prozess begreift, der Idee, Materialsammlung 246 Möhler: Fragmente, S. 48, glaubte an eine Entstehungszeit der Dekretalen zwischen 836 und 840, ebenso Wasserschleben: Beiträge, S. 64 – 68, der die Kapitularien als den Dekretalen zeitlich nachgeordnet ansah. 247 Vgl. Wasserschleben: Beiträge, S. 59 f.; ders.: Frage, S. 280. 248 Vgl. Schmitz: Verfertigung, S. 29 – 31. 249 Mit allen Einschränkungen, die sich aus den vielen verschiedenen Redaktionsformen der falschen Dekretalen ergeben. Semih Heinen hat auf der Kölner Pseudoisidortagung im ­Februar 2013 die These vertreten, dass eine erste Redaktion der falschen Dekretalen in Form der Kurzversion A2 bereits vor dem Aachener Konzil 836 vorgelegen habe. 250 Fuhrmann: Einfluß, Bd. 1, S. 197 – 210. 251 Die grobe Eingrenzung des Entstehungszeitraums der falschen Dekretalen anhand ihrer ­Quellen und Rezeption deckt sich mit der Überlieferung. Das früheste Fragment der ­Sammlung, Leiden, Bibliotheek der Rijksuniversiteit, Ms. Voss. Lat. Q. 108 (fol. 68 – 82), wurde von Bischoff: Katalog, Teil 2, S. 62, Nr. 2236, ins zweite Drittel des 9. Jahr­hunderts datiert; Zechiel-Eckes: Recht, S. 92 (Anm. 24), glaubte, das Fragment sei unbedingt vor der Jahrhundertmitte entstanden.

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(mit pseudoisidorischer Hispana und den Chalkedon-Exzerpten) und eigentliche Er­ stellung der Dekretalen und der beiden falschen Kapitulariensammlungen umfasst 252. Von der Entstehungszeit nun zum möglichen Ort des Geschehens: Die ältere ­Forschung hat vor allem das westfränkische Reich und speziell die Kirchenprovinz Reims in den Blick genommen, wenn nach dem „Vaterland“ der falschen Dekretalen gefragt wurde 253. Alle Versuche, die Urheber der Fälschungen ausfindig zu machen, gingen dabei vom Inhalt der Fälschungen aus, sodass die Vielzahl an Themen und Tendenzen innerhalb der Texte auch zu einer Vielzahl an Mutmaßungen über die Verfasser der Falsifikate führte. 1972 erklärte Horst Fuhrmann, dass in der Frage der Urheberschaft der Fälschungen auf diesem Weg kein Durchbruch zu erwarten sei. „Größeren Erfolg“, so Fuhrmann, „dürfte der Weg über die Vorlagen Pseudo­isidors, die Suche nach seiner Bibliothek versprechen“254. Dieser Weg wurde etwa dreißig Jahre später von Klaus Zechiel-Eckes beschritten. Er hat bei der Suche nach dem Ursprungsort der falschen Dekretalen den besagten Umweg über die Vor­lagen der Fälschungen genommen. Durch seine Identifizierung mehrerer direkter Vorlagenhandschriften konnte er glaubhaft machen, dass die falschen Dekretalen im Kloster Corbie an der Somme entstanden sind 255. Unzweifelhaft nachgewiesen hat er den gleichen Ursprung überdies für die Excerptiones de gestis Chalcedonensis concilii 256. Die Zuordnung der Dekretalen nach Corbie erklärt er nicht nur da­raus, dass besagte Vorlagen, die von den Fälschern mit eindeutigen Markierungen versehen worden sind, sich im fraglichen Zeitraum in der Bibliothek ebenjener Abtei befanden, sondern auch aus der Tatsache, dass Corbie erwiesenermaßen einer der wenigen Orte im Frankenreich war, an dem man zu den teilweise exotischen ­Quellen der falschen Dekretalen überhaupt Zugang hatte 257. Zechiel-Eckes erntete viel Zustimmung für seine These über Corbie 252 In diesem Sinne bereits Noorden: Ebo, S. 321 f.; zuletzt Schon: Frühgeschichte, S. 139 – 143. 253 Vgl. Seckel: Pseudoisidor, S. 276, Z. 29-S. 279, Z. 21. Nicht diskutiert werden kann hier die letzte abweichende These von Magnou-Nortier: La confiscation, S. 168, die von einer Entstehung der Fälschungen im Rheinland ausgeht. Eine detaillierte Zurück­weisung unter Verweis auf die Ergebnisse der Foschungen von Zechiel-Eckes findet sich bei Schmitz: Quellen, S. 281 – 284. 254 Fuhrmann: Einfluß, Bd. 1, S. 194. 255 Dies betrifft die Codices Paris, BnF, lat. 11611, und St. Petersburg, Russische Nationalbibliothek, F. v. I. 11. Vgl. dazu v. a. Zechiel-Eckes: Arbeitshandschriften; ders.: Blick, S. 39 – 54; ders.: Spur, S. 6 – 9; zuletzt ders.: Fälschung, S. 10 – 13. Auf Verbindungen des Kloster Corbie zu den pseudoisidorischen Fälschungen wies auch Fuhrmann: Einfluß, Bd. 1, S. 195 f. (mit Anm. 1), und ebd., Bd. 2, S. 252 – 254, hin. 256 Vgl. Zechiel-Eckes: Verecundus; siehe auch S. 75 – 78. 257 Z. B. Ps.-Vigilius Thapsensis, Liber contra Varimadum, der nach heutigem Kenntnisstand lediglich in Corbie zur Verfügung stand (Codex Paris, BnF, lat. 12217), die Collectio Vetus Gallica in der Corbie-Redaktion oder die Kirchenrechtssammlung des Ferrandus, die in

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als dem Entstehungsort der pseudo­isidorischen Dekretalen 258. Steffen Patzold wies hingegen auf einige kritische Punkte in Zechiel-Eckes’ Beweisführung hin, die noch näherer Untersuchungen vor allem auf kodikologischer und paläografischer Ebene bedürfen. Gleichzeitig räumte er ein, dass die Schlussfolgerungen von Zechiel-Eckes durchaus plau­sibel erscheinen 259. Nach gegenwärtigem Forschungsstand muss das Kloster an der Somme als Heimat der falschen Dekretalen und der Chalkedon-Exzerpte angesehen ­werden. Für die falschen Kapitularien konnte bislang keine direkte handschriftliche Verbindung zu Corbie nachgewiesen werden, sodass ihr Ursprung weiterhin als unbekannt gelten sollte.260 Nach der Identifizierung des Ursprungsortes stellt sich in erster Linie noch die Frage, was der konkrete Anlass für die Fälschungen gewesen sein könnte. Zechiel-Eckes Gallien nur in Form der Collectio Corbeiensis (Codex Paris, BnF, lat. 12097) existierte. Für diese und weitere Beispiele vgl. Zechiel-Eckes: Fälschung, S. 13. 258 Zustimmend äußerten sich u. a. Fried: Erinnerung, S. 582 f.; ders.: Schatten, S. 103 f.; ­Hartmann/Schmitz: Fortschritt, S. VI; Mordek: Pseudo-Isidor, S. 317b; Schmitz: Quellen, S. 284; Schieffer: Zeit, S. 159; Ubl: Mehrwert, S. 203; ders.: Inzestverbot, S. 323 – 325; Nelson: Law, S. 315 – 318; Goodson/Nelson: Review, S. 450. 259 Patzold: Episcopus, S. 221 – 226. So sehr Patzold insbesondere im Hinblick auf die Not­ wendigkeit einer vertieften Analyse des pseudoisidorischen Exzerpiersystems unter Berücksichtigung der Arbeiten von David Ganz bezüglich der Bestände und Arbeitsweisen im Skriptorium von Corbie (S. 226 f.) zuzustimmen ist, so fraglich ist es, ob sich jemand f­ indet, um die Forschungen von Zechiel-Eckes an dieser Stelle zu vertiefen, vor allem, wenn man bedenkt, wie lange es nach dem Appell von Fuhrmann gedauert hat, bis sich überhaupt jemand an die möglichen pseudoisidorischen Vorlagehandschriften wagte. Die Kritik von Fuhrmann: Stand, S. 257, und Patzold, Episcopus, S. 225, dass Mönche kein Interesse an Bischofsabsetzungen gehabt hätten, erscheint mir zu kurz gedacht. Die Dekretalen sind in der Tat kein monastischer Text, ebenso wenig die falschen Kapitularien. Daraus jedoch abzuleiten, Mönche könnten nicht an der Abfassung derselben beteiligt gewesen sein, ist absurd. Zum einen kann es sich natürlich, wie Patzold, ebd., spekuliert, um eine Auftragsarbeit gehandelt haben. Zum anderen ist es meiner Meinung nach nicht überzeugend anzunehmen, die Mönche der einflussreichen Abtei Corbie hätten sich nur für ihre eigenen Belange interessiert und seien von den politischen Erosionsprozessen der 830er und 840er Jahre unbeeindruckt gewesen. Die pseudoisidorischen Dekretalen sind, wie die F ­ älschungen insgesamt, nicht als rein tagespolitische Schrift zu lesen, sondern sind auch Ausdruck einer Idealvorstellung von Kirche. Dies war selbstverständlich auch ein Thema für Mönche, zumal für solche, deren Wirkungsfelder weit über die eigene Abtei hinausragten, siehe auch S. 83 – 94 sowie 216 – 220. 260 Abigail Firey stellte auf der Kölner Pseudoisidortagung im Februar 2013 infrage, ob ­Corbie wirklich alleiniger Herstellungsort der Fälschungen gewesen sei, und stellte aufgrund einiger paläografischer Beobachtungen am Codex Hamilton 132 (Berlin, Staatsbibliothek P ­ reußischer Kulturbesitz) die These auf, mindestens die Hispana Gallica ­Augustodunensis habe ebenso gut auch im Nonnenkloster Notre Dame de Soissons entstanden sein k­ önnen, sodass z­ umindest eine Kooperation der Skriptorien von Corbie und Soissons denkbar wäre.

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belebte im Zusammenhang mit seinen Entdeckungen eine These der älteren Forschung wieder und ging davon aus, dass die falschen Dekretalen zum frühest­möglichen Zeitpunkt, also bereits in der zweiten Hälfte der 830er Jahre entstanden seien 261. Er sah die Entstehung der falschen Dekretalen durch die Konflikte zwischen Ludwig dem Frommen, seinen Söhnen und dem fränkischen Episkopat ausgelöst. Demzufolge sind die pseudoisidorischen Fälschungen eine direkte Folge der A ­ bsetzung zahlreicher oppositioneller Kleriker, unter anderem Ebos von Reims, durch den Kaiser Mitte der 830er Jahre. In der Tat sind die inhaltlichen Bezüge der pseudoisidorischen D ­ ekretalen zum Fall Ebos von Reims kaum zu übersehen 262. Aus dieser Datierung erwachsen aber neue Fragen: Wie ist die zeitliche Lücke ­zwischen diesem frühen Entstehungszeitpunkt der Dekretalen und dem ersten Nachweis ihrer Benutzung zu erklären? Sie widerspricht der häufig geäußerten Erwar­tung, dass die Fälschungen sofort nach ihrer Herstellung in Umlauf gebracht ­worden sein müssen, um ein bestimmtes Ziel zum Nutzen ihrer Urheber zu erreichen. Horst ­Fuhrmann hat allerdings schon früher darauf hingewiesen, dass wir mit der ­Konstantinischen Schenkung eine weitere prominente Fälschung des Frühmittel­alters kennen, auf die diese Erwartung nicht zutrifft 263. Es sei an dieser Stelle außerdem daran erinnert, dass sich das Frankenreich in den frühen 840er Jahre in einem blutigen Bürgerkrieg befand und es möglicherweise schlichtweg keine günstige ­Gelegenheit für die Fälscher gab, ihre Werke zu platzieren. Ver­ortet man die Kompilation der 261 Fried: Donation, S. 99 – 101 plädiert für einen noch früheren Beginn der Fälschungs­arbeiten. Vgl. in diesem Sinne auch die Überlegungen von Knibbs: Pseudo-Isidore, S. 33 f.; ders.: Origins, S. 4 und 68 – 70. Die Indizienlage für eine solche Annahme ist aber bisher überaus brüchig, wie v. a. Patzold: Episcopus, S. 224 (Anm. 269), in Bezug auf die Äußerungen Frieds betont. Auf der Kölner Pseudoisidortagung plädierte Patzold dann aber doch für einen Beginn der Fälschungsarbeiten zu Beginn der 830er Jahre und stellte die These auf, die in den falschen Dekretalen skizzierten Fälle von Bischofsabsetzungen passten weniger auf Ebo von Reims im Jahr 835 als auf Jesse von Amiens im Jahr 830/31. Die Fälschung stünde somit nicht mit der Absetzung Ludwigs des Frommen auf dem Lügenfeld von Colmar, sondern mit dem ersten Aufstand gegen den Kaiser im Jahr 830 in Zusammenhang. Patzold räumte bei seinem Vortrag jedoch ein, dass es bislang an quellenkritischen Beweisen für eine solch frühe Datierung der Fälschungen fehle. 262 Vgl. z. B. Zechiel-Eckes: Blick, S. 54 – 59; ders.: Spur, S. 9 – 12; ders.: Fälschung, S. 13 – 16. Für die ältere Forschung vgl. v. a. Wasserschleben: Beiträge, S. 61 – 70. Vgl. Patzold: Episcopus, S. 226, zur Datierung der Fälschungen. 263 Fuhrmann: Einfluß, Bd. 1, S. 197. Dies gilt im Übrigen unabhängig davon, ob man die ­Konstantinische Schenkung ins 8. oder ins 9. Jahrhundert datiert, wie zuletzt Fried: Donation, S. 73 – 88, da sich ihre Rezeption im 9. Jahrhundert im Wesentlichen auf die Aufnahme in die pseudoisidorische Sammlung beschränkte und die Urkunde auch bis ins 11. Jahrhundert hinein keine größere Wirksamkeit entfaltete, vgl. Fuhrmann: Einfluß, Bd. 2, S. 386. Vgl. auch ebd., S. 386 – 407, für die Rezeption des Constitutum Constantini im 10. Jahrhundert.

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­falschen Dekretalen in der zweiten Hälfte der 830er Jahre und nimmt man eine Entstehungszeit von wenigen Jahren an, so drängt sich der Eindruck auf, dass die Fälschung just in dem Moment fertiggestellt wurde, in dem aufgrund der instabilen politischen Lage die geringste Wirkung von ihr zu erwarten war. Die ­Fälschungen wurden zwar in Umlauf gebracht, ihr Nutzen wurde aber erstmals Mitte des 9. Jahrhunderts erkannt. Eine direkte, zweckgebundene Absicht nach einem modernen Verständnis per­ sönlichen Gewinnstrebens muss mit der Erstellung der pseudoisidorischen ­Dekretalen nicht verfolgt worden sein. Man sollte in diesem Zusammenhang beachten, dass die Falsifikate in erster Linie defensives Rechtsmaterial beinhalten. Anzunehmen ist aufgrund der spezifischen Natur der Texte viel eher, dass die Urheber der Fälschungen die Absicht verfolgten, ein nach ihrer Sicht aus den Fugen geratenes Rechtssystem zu korrigieren, um die wahre, die göttliche Ordnung wiederherzustellen 264. Insofern wirkt Corbie als Ursprung der Fälschungen wenig überraschend. Denn hier wirkten in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts einige Persönlichkeiten, in deren Augen die rechte Ordnung in ihrer Welt bedenklich ins Wanken geraten war. Einer von ihnen war der Mönch Radbert – nach Zechiel-Eckes der spiritus rector des pseudo­isidorischen Fälschungsunternehmens 265.

1.3.2  Radbert von Corbie und die Opposition gegen Ludwig den Frommen 1.3.2.1  Im Schatten großer Männer – Leben und Wirken des Radbert

Radbert, Mönch und Abt des Klosters Corbie, gilt in der Mediävistik als einer der gelehrtesten Männer des 9. Jahrhunderts 266. Sein schriftstellerisches Werk umfasst zahlreiche historiografische und theologische Abhandlungen und ist umfassend erforscht worden. Der Mensch Radbert tritt dem Leser dabei gelegentlich aus s­ einen Schriften hervor. Ergänzende Informationen über ihn aus anderen ­Quellen hingegen sind kaum überliefert 267. Nach seiner Selbstbezeichnung in mehreren seiner Schriften

264 Vgl. ebd., Bd. 1, S. 108 f. und 197. Vgl. in diesem Sinn auch Fried: Donation, S. 99. 265 Zechiel-Eckes: Spur, S. 12 – 14; ders., Blick: S. 59 f.; ders.: Fälschung, S. 17 – 19. 266 Vgl. Brunhölzl: Geschichte, S. 371. Für Manitius: Geschichte, Bd. 1, S. 406, ist R ­ adbert „ohne Zweifel der gelehrteste und am weitesten blickende fränkische Theologe des 9. Jahrhunderts“ gewesen. 267 Es sind neben seinen theologischen, historiografischen und poetischen Schriften fünf Briefe Radberts erhalten, vgl. ed. Dümmler (MGH Epp. 6), S. 132 – 149.

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wird er im wissenschaftlichen Diskurs zumeist als Paschasius Radbertus geführt 268. Radberts politisches Wirken steht im Schatten seiner ­beiden Mentoren und Vorgänger im Amt des Abtes von Corbie, deren Leben er in historiografischen Texten für die Nachwelt bewahrte: Adalhard und Wala. Durch seine Beschreibungen ihrer Leben und ihres Einflusses auf die politischen Geschicke des Frankenreiches lässt sich allerdings kaum ermessen, welche Rolle er selbst im Zuge der Auseinandersetzungen zwischen Herrscher und Kirchenreformern in den 820er und 830er Jahren spielte. Sie muss im Wesentlichen aus Andeutungen in seinen Schriften rekonstruiert werden. Radbert verbrachte den Großteil seines Lebens in klösterlichen Gemein­schaften. Seine genaue Herkunft ist unbekannt, seine Geburt liegt wohl zwischen 785 und 795. Als Kind wurde er von den Nonnen von St. Maria in Soissons aufgezogen. Seine Jugendjahre verbrachte er wohl außerhalb des Klosters, möglicherweise am karolingischen Hof 269. Um 812 trat er als Mönch ins Kloster Corbie ein und lebte fortan unter dem Einfluss der Halbbrüder Adalhard, seit 771 Abt von Corbie, und Wala, der 814 von Ludwig dem Frommen zum Eintritt ins Kloster gezwungen wurde 270. Seine Verbundenheit mit beiden beschreibt Radbert vielfach in seinen historio­grafischen Schriften, die als Ganzes ebenso Ausdruck seiner Verehrung für die Brüder sind. Nach Adalhards Tod 826 verfasste Radbert als sein erstes literarisches Werk dessen 268 Nicht nur in seinen historiografischen Schriften taucht dieser Name auf, sondern auch in weiteren seiner Werke, vgl. z. B. Paschasius Radbertus, De corpore et sanguine Domini, ed. Paulus (CC Cont. Med. 16), S. 8. Eine Bezeichnung, die eine Unterscheidung zwischen den gesicherten Fakten über den Menschen Radbert und seine eigene Selbstdarstellung im Epitaphium Arsenii nicht immer ermöglicht. Mayke de Jong: Jeremiah, S. 187, wies auf die dringend notwendige Unterscheidung zwischen dem Menschen Radbert und seiner Selbststilisierung als Paschasius Radbertus hin. Zur möglichen Bedeutung des Beinamen Paschasius vgl. ebd., S. 189 f. Zur Bedeutung des Epitaphium Arsenii, die an dieser Stelle nicht im Einzelnen diskutiert werden kann, vgl. ausführlich Ganz: Epitaphium; ders.: Corbie, S. 112 – 114, mit der Einschätzung, die Schrift stelle Radberts „political testament“ dar (ebd., S. 114). Vgl. auch die kritisch abwägende Analyse von Jong: State, S. 104 – 111; dies.: Jeremiah, S. 194 – 196. Der maßgebliche Unterschied zwischen den Ansichten scheint mir, dass David Ganz davon ausgeht, dass das Epitaphium nur zur Nutzung im Kloster Corbie gedacht war, während Mayke de Jong einen größeren Adressatenkreis vermutet. Die einzige umfassende Lebensbeschreibung Radberts bietet Peltier: Pascase Radbert, eine Dissertation aus dem Jahr 1938, die sich im Wesentlichen mit dem Theologen R ­ adbert und seinen entsprechenden Schriften befasst. Eine politische Biografie des Mönches aus Corbie fehlt bislang. In dieser Arbeit wird, den Anregungen von de Jong folgend, das Individuum als Radbert, sein literarisches Alter Ego als Paschasius Radbertus bezeichnet. 269 Jong: Jeremiah, S. 187. Theodrada war Äbtissin in Soissons, Walas Schwester und ­Adalhards Halbschwester. Vgl. auch Peltier: Pascase Radbert, S. 28 – 33, zu den Jugendjahren des Radbert. 270 Weinrich: Wala, S. 28 – 33. Vgl. Peltier: Pascase Radbert, S. 33 – 41, für die Beziehung zwischen Radbert und Adalhard und ebd., S. 49 – 64, zur Freundschaft zwischen Radbert und Wala.

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Lebensbeschreibung 271. Zunächst jedoch begleitete er Wala zwischen 822 und 825 auf eine dreijährige Reise nach Italien im Gefolge von K ­ aiser Ludwigs ältestem Sohn Lothar 272. Nachdem sich die Mönche in Corbie nach Adalhards Tod auf Wala als dessen Nachfolger geeinigt hatten, reiste Radbert als Leiter einer Delegation an den kaiserlichen Hof, um Ludwigs Zustimmung zu dieser Personalie zu erbitten, welche der Kaiser gewährte 273. Es ist unklar, ob Radbert sich in den folgenden Jahren ausschließlich in Corbie aufhielt. Es ist möglich, dass er seinen Abt Wala auch auf dessen Reisen an den karolingischen Hof, zu den Reichsversammlungen und den Synoden der späteren 820er Jahre begleitete. Radbert berichtet in seiner Vita Walae, dem bereits ­erwähnten ­Epitaphium Arsenii, wie Wala im Dezember 828 auf einer Reichsversammlung in Aachen massive Kritik am Kaiser und am fränkischen Episkopat vortrug und sich über die Zustände im Reich erregte 274. Ob er dies den Aufzeichnungen Walas entnahm 275, bei der Versammlung selbst zugegen war oder die Klagen im Nachhinein hinzudichtete, ist ungewiss. Sicherlich war er als enger Vertrauter des Abtes jedoch auch an dessen politischem Wirken beteiligt. Da Wala wahrscheinlich auch an der Synode von Paris im Jahr 829 teilnahm, ist eine direkte oder indirekte Beteiligung Radberts auch hier anzunehmen 276. 831 wurde Wala wegen seiner Rolle während des gescheiterten ersten Aufstands gegen Kaiser Ludwig den Frommen im Jahr zuvor abgesetzt und ins Exil in die Nähe des Genfer Sees, wahrscheinlich ins ­Kloster ­St. Maurice, geschickt. ­Radbert, der während dieser Zeit im Auftrag Ludwigs nach Sachsen gereist war, äußerte sich bedrückt über das Schicksal seines Abtes 277. Bereits kurze Zeit später besuchte er ihn in seinem Exil. Radbert beschreibt in seiner apologetischen Biografie Walas emphatisch, wie dieser 271 Eine verlässliche Edition der Vita fehlt, sodass auf den Druck bei Migne zurückgegriffen werden muss. Vgl. Paschasius Radbertus, Vita Adalhardi, Migne PL 120, Sp. 1507 – 1556. Vgl. Kasten: Adalhard, S. 10 – 12. 272 Weinrich: Wala, S. 44 – 53, zur Anwesenheit Radberts in Italien (insbes. S. 45 [mit Anm. 16]). Die Schilderungen Radberts über die Zustände in Italien sind auffallend ­negativ, vgl. Paschasius Radbertus, Epitaphium Arsenii, Buch 1, Kap. 26 – 28, ed. D ­ ümmler, S. 55 – 60. 273 Weinrich: Wala, S. 55 f. Wala wurde, wie Adalhard vor ihm, sowohl Abt des Klosters ­Corbie als auch des 822 neu gegründeten Klosters Corvey. 274 Paschasius Radbertus, Epitaphium Arsenii, Buch 2, Kap. 2 – 4, ed. Dümmler, S. 62 – 65. Vgl. zur Versammlung in Aachen ausführlich Weinrich: Wala, S. 60 – 69; Wehlen: Geschichtsschreibung, S. 107 – 115; Patzold: Episcopus, S. 150 – 152. 275 So Dümmler: Epitaphium Arsenii, S. 12. 276 Zur Teilnahme Walas an der Versammlung in Paris vgl. Weinrich: Wala, S. 69; Scharf: Studien, S. 373 (mit Anm. 21); Patzold: Episcopus, S. 160. 277 Vgl. seinen Brief an Warin von Corvey, Paschasius Radbertus, De corpore et sanguine Domini, ed. Paulus (CC Cont. Med. 16), S. 3. Vgl. auch Weinrich: Wala, S. 76 f. (mit Anm. 47); Jong: Jeremiah, S. 195.

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sich geweigert habe, auf Radberts Bitte einzugehen, den Kaiser um Verzeihung zu ­bitten 278. Zwischen 831 und 833 entstand Radberts einflussreiche Schrift zur Eucharistie, De corpore et sanguine Domini, er dürfte sich also in dieser Zeit vornehmlich seinen Studien in Corbie gewidmet haben. Im Frühsommer des Jahres 833 jedoch nahm er zusammen mit seinem ehemaligen Abt wieder am ­politischen Geschehen im Frankenreich teil. Wala, seit 832 wieder als einfacher Mönch in Corbie lebend 279, wurde vom aus Italien anreisenden Lothar aufgefordert, sich seiner Gefolgschaft anzuschließen, und Radbert begleitete Wala auf dieser Mission. Im Epitaphium Arsenii berichtet Radberts Alter Ego Paschasius, dass es die Aufforderung des Papstes gewesen sei, die Wala bewogen habe, in den Konflikt zwischen dem Kaiser und seinen Söhnen einzutreten. Der Bericht ist dramatisch angelegt: Die Gesandten Lothars können Wala nicht überzeugen, mit ihnen zu kommen. Dem Aufruf des Papstes jedoch, ihn bei der Bewahrung des Friedens in der kaiserlichen Familie zur Sicherheit von Kirche und Reich zu unterstützen, kann der Mönch sich nicht entziehen, zumal die Gottgefälligkeit von Gregors Mission durch ein Wunder belegt wird, das sich zu Beginn der päpstlichen Reise ereignet haben soll 280. Wala wird in der gesamten Schrift als ein aufrechter Held dargestellt, der stets, vielfach zu seinem eigenen Nachteil, Gottes Werk verrichtete. Der apostolische Stuhl ist demgegenüber die Verkörperung des göttlichen Willens, dem also unbedingt Folge zu leisten ist. Die Person Gregors IV. wird von Paschasius Radbertus nicht ganz so herausragend beschrieben, da dieser von der verfahrenen Situation vollkommen verunsichert scheint 281. Als die Mönche von Corbie dem Papst im Lager Lothars

278 Paschasius Radbertus, Epitaphium Arsenii, Buch 2, Kap. 10, ed. Dümmler, S. 74 f.; vgl. zur Interpretation Weinrich: Wala, S. 77. 279 Ebd., S. 79. 280 Vgl. Paschasius Radbertus, Epitaphium Arsenii, Buch 2, Kap. 14, ed. Dümmler, S. 81: Quod cum audissemus omnes, pertimuimus valde, maxime quia totum a militibus nostrum occupabatur coenobium. Nos tamen primum nesciebamus, quid sibi vellent. Unde plurimum expavimus et quesivimus quid esset. Tum illi rei veritatem pandentes, sed idem ire cum eis recusavit. […] Ostendebatur coram auctoritas et legebatur summi pontificis, pro pace, pro reconciliatione patris et filiorum, principum et seniorum, pro statu ecclesiarum, pro adunatione populi et salvatione totius imperii. […] Nuntiabatur et virtus divina, quae preruptam viam Alpium Penniarum obviam coram sacrosancto complanasset apostolica, quae obstrusa multis fuerat argumentis, ne ultra de illis in partibus ullus amplius huc transiret exercitus, quae ultro, ut fertur, aperta est eis. Vgl. auch ebd., Kap. 15, S. 83: […] nisi ab omnibus nobis violenter cogeretur et tanta auctoritas summi pontificis eum non premeret, iam ulterius nihil tale adsentisset. 281 Ebd., Buch 2, Kap. 16, S. 84: Deinde oblati sanctissimo pontifici, satis venerabiliter cum magna alcritate nos excepit, quia cruciebatur et ipse animo pro talibus quae repererat, qualia numquam prius credere potuisset. Terrebatur autem (quod valde dolendum est) ab augusto et ab omnibus suis, etiam ab episcopis, […].

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begegnen, versuchen sie ihn gegen die Vorwürfe der kaisertreuen Bischöfe mit einer patristischen Sammlung zu stärken: Wir überreichten dem Papst Gregor einige Dokumente seiner Vorgänger, die niemand zurückweisen darf (…) und in denen steht, dass die ganze Autorität und Kraft des Heiligen Petrus in ihm lebt, in ihm, der über alle richten kann, der aber von niemandem gerichtet werden darf 282.

Diese Passage erregte seit jeher die Gemüter der Pseudoisidor-Forschung. Hermann Wasserschleben sah in der Kompilation, von der Radbert behauptet, sie dem Papst übergeben zu haben, „die ersten Anfänge der Verfälschung, nach Form, Inhalt und Tendenz den bald darauf verbreiteten Dekretalen vollkommen gleich“ 283. Diese weitreichende Interpretation forderte Ablehnung geradezu heraus, zumal sich die fragliche Sammlung selbst nicht erhalten hat und auch keine anderen Quellen von ihrer Existenz zeugen. So sprach im Gegenzug Emil Seckel dem „Histörchen“ des Radbert jeglichen Wahrheitsgehalt rundheraus ab 284. So weit sollte die Ablehnung bei aller berechtigten Kritik am apologetisch-polemischen Charakter des Epitaphium Arsenii jedoch nicht gehen. Es besteht kein Grund, daran zu zweifeln, dass Radbert eine kirchenrechtliche Sammlung des beschriebenen Inhalts dem Papst übergeben hat. Dass es sich dabei um den Kern der falschen Dekretalen handelte, ist eher unwahrscheinlich. Es ist jedoch möglich, dass die zusammengestellten Texte eine Art Materialsammlung für die späteren Fälschungen darstellten 285. Der entscheidende Punkt ist an dieser Stelle jedoch ein anderer. Die genannte Passage aus Radberts Schrift bezeugt Walas und auch Radberts Auffassung von der großen Bedeutung des Papstes, sowohl in christlich-moralischer als auch in juristischer Hinsicht. Sie sahen in dem römischen Bischof das Oberhaupt ihrer Kirche, das über alle Menschen zu richten befugt, jedoch nicht selbst justizierbar sei 286. Dies 282 Ebd.: Unde et ei dedimus nonnulla sanctorum patrum auctoritate firmata, predecessorumque suorum conscripta, quibus nullus contradicere possit, quod eius esset potestas, immo Dei et beati Petri apostoli, suaque auctoritas, ire, mittere ad omnes gentes pro fide Christi et pace ecclesiarum, pro predicatione evangelii et assertione veritatis, et in eo esset omnis auctoritas beati Petri excellens et potestas viva, a quo oporteret universos iudicari, ita ut ipse a nemine iudicandus esset. Nach der Übergabe der Sammlung heißt es vom Papst ebd.: Quibus profecto scriptis, gratanter accepit, et valde confortatus est. Übers. nach Zechiel-Eckes: Fälschung, S. 17. 283 Wasserschleben: Beiträge, S. 49 f. In eine ähnliche Richtung wies zuletzt Fried: Donation, S. 99. 284 Seckel: Pseudoisidor, S. 276, Z. 9 – 28 (Zitat ebd., Z. 28). 285 Knibbs: Origins, S. 60, hält die Sammlung für eine Version der Hispana Gallica Augusto­ dunensis; vgl. auch ders.: Pseudo-Isidore, S. 18 – 20. 286 Zechiel-Eckes: Fälschung, S. 18. Erinnert sei hier auch daran, dass Radbert das E ­ rscheinen Gregors IV. als einen entscheidenden Faktor bei der Absetzung Ludwigs darstellte, was die

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ist ein Grundsatz, der in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts bekannt war, aber nicht sehr häufig geäußert wurde 287 – er ist allerdings ein wichtiger Bestandteil der pseudo­ isidorischen Fälschungen. Bevor diese Gedanken vertieft werden können, muss das weitere Schicksal ­Radberts in den Blick genommen werden. Die Ereignisse von der Absetzung des Kaisers bis zu Ludwigs Rückkehr zur Macht im folgenden Jahr dürfte er aus nächster Nähe an der Seite Walas und Lothars mitverfolgt haben. Er begleitete Wala jedoch 834 nicht nach Italien 288, sondern kehrte nach Corbie zurück. Radberts Wirken in den folgenden Jahren liegt weitgehend im Dunkeln. Er folgte nach Walas Tod im Exil 836 diesem nicht sofort als Abt nach, sondern wurde erst im September 843 in dieses Amt e­ rhoben 289. Um 850 trat er, wohl aus eigenem Antrieb, als Abt zurück und lebte fortan im Kloster St. Riquier, wo er zwischen 853 und 860 verstarb 290. Sein literarisches Schaffen kam in der zweiten Hälfte der 830er und in den 840er Jahren fast vollständig zum Erliegen. Die Arbeit an seinem eindrucksvollen ­Matthäus-Kommentar 291 hatte er 831 unter­ brochen und setzte sie erst in den Jahren seines Ruhestandes in St. Riquier in den 850er Jahren fort. Dort fertigte Radbert auch seinen Kommentar zum 44. Psalm an, den er den Nonnen in Soissons widmete 292. Auch die Entstehung des Epitaphium Arsenii begann Radbert irgendwann zwischen 836 und 844, unterbrach die Arbeiten jedoch

Anerkennung der päpstlichen Autorität durch Radbert unterstreicht. 287 Im Zusammenhang mit den Vorwürfen gegen Leo  III. spielte er jedoch eine Rolle, siehe S. 38 f. (mit Anm. 86). 288 Vgl. Paschasius Radbertus, Epitaphium Arsenii, Buch 2, Kap. 20, ed. Dümmler, S. 92, zu Wala als Abt des Klosters Bobbio und Weinrich: Wala, S. 85 – 89, zu den letzten Jahren des Abtes. 289 Jong: Jeremiah, S. 189, vermutet, dass Radbert zu diesem Zeitpunkt aufgrund seiner Nähe zu Wala und seiner Beteiligung 833 trotz seiner offensichtlichen Eignung für das Amt eine nicht durchsetzbare Wahl gewesen sei. Vgl. Peltier: Pascase Radbert, S. 65 – 77, zu Radbert als Abt von Corbie. 290 849 nahm Radbert noch als Abt von Corbie auf der Versammlung von Quierzy teil, zwei Jahre später hatte sein Nachfolger Odo sein Amt angetreten, vgl. Ganz: Corbie, S. 32. David Ganz vermutet eine Kontroverse Radberts mit Karl dem Kahlen um einen entlaufenen Mönch als Anlass des – vielleicht nicht ganz freiwilligen – Rücktritts des Abtes. Jong: Jeremiah, S. 189, wies hingegen darauf hin, dass der Rücktritt eines Abts in dem Wunsch, den irdischen Geschäften zu entsagen und sich vor allem eigenen Studien zu widmen, nichts Ungewöhnliches war und als Beweggrund ausreichend gewesen sein kann. Vgl. ebd. zum Zeitpunkt von Radberts Tod; vgl. auch Peltier: Pascase Radbert, S. 78 – 83, zu Rücktritt und Tod Radberts. 291 Paschasius Radbertus, Expositio in Matheum, ed. Paulus (CC Cont. Med. 56, 56A, 56B). 292 Paschasius Radbertus, Expositio in psalmum 44, Kap. 3, ed. Paulus (CC Cont. Med. 94), S. 74.

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und vollendete sein Werk später, womöglich erst 856293. Für den hier ­an­ge­sprochenen Sachverhalt der langen kreativen Lücke in Radberts Schaffen zwischen 834 und 850 ist die Frage, wann genau er das Werk beendete, letztlich nicht entscheidend, da ihn in jedem Fall die Arbeit am kurzen Epitaphium Arsenii kaum zehn Jahre oder länger beschäftigt haben wird. War er nach 843 womöglich vollständig von seinen ­Pflichten als Abt in Beschlag genommen, so stellt sich aber doch immer noch die Frage, ­welchen Aufgaben er sich in den knapp zehn Jahren nach seiner endgültigen Trennung von Wala widmete.

1.3.2.2  Radbert als Pseudoisidor

Wie bereits dargelegt, entwickelte Klaus Zechiel-Eckes ausgehend von seinen Handschriftenfunden die These, dass der Autor Paschasius Radbertus für die Komposition der falschen Dekretalen verantwortlich sei. Grundsätzlich erscheint das möglich, da sich der Mönch Radbert zur fraglichen Zeit in Corbie aufhielt und allem Anschein nach nicht durch andere intellektuell fordernde Aufgaben gebunden war. Dies gilt unabhängig davon, ob man einen Beginn der Fälschung in den frühen oder mittleren 830er Jahren oder in der zweiten Hälfte der 840er Jahre annimmt. Radbert brachte zweifellos die nötigen intellektuellen Kompetenzen mit, die für den geistigen S­ chöpfer der falschen Dekretalen angenommen werden müssen 294. Darüber hinaus wies Zechiel-Eckes darauf hin, dass Paschasius Radbertus als einziger bekannter Autor des 9. Jahrhunderts neben Pseudoisidor die weitgehend unbekannten Schriften des Bischofs Ennodius von Pavia verwendete 295. Außerdem hat Radbert unter dem Namen des Kirchen­vaters Hieronymus (347 – 420) eine 293 Die Datierung des Epitaphium Arsenii ist umstritten. Für die ältere, klassische Sichtweise steht Weinrich: Wala, S. 7, der das erste der zwei Bücher der Schrift in die Jahre 836/37 datiert. Vgl. auch Dümmler: Epitaphium Arsenii, S. 4, 9 und 11 f., zur Entstehung des zweiten Buches nach 852. Dagegen plädierte Ganz: Epitaphium, S. 537 – 540, für einen Beginn der Arbeiten am Epitaphium nach 844 und eine Fertigstellung um 856. Patzold: Episcopus, S. 136 f. (Anm. 209), scheint sich Ganz anzuschließen, während Jong: State, S. 104 f., und dies.: Jeremiah, S. 189, für beide Ansichten bedenkenswerte Argumente anführt. Sie hält die Frage für letztlich nicht zu entscheiden und bestätigt lediglich, dass die Schrift nach dem Tod Walas begonnen wurde. 294 Bei allen Differenzen ist sich die gesamte Pseudoisidor-Forschung von jeher einig, dass der Schöpfer der Dekretalensammlung ein herausragend gebildeter Mann gewesen sein muss. Vgl. z. B. Seckel: Pseudoisidor, S. 274, Z. 46 – 48; Williams: Pseudo-Isidorian Problem, S. 704; Zechiel-Eckes: Fälschung, S. 8. 295 Zechiel-Eckes: Blick, S. 59 f. (mit Anm. 81); ders.: Fälschung, S. 18 und 22 (Anm. 53). Auch andere ungewöhnliche Quellen Pseudo­isidors, wie den seltenen Liber contra Varimandum

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­ älschung in Umlauf gebracht, die ähnlich wie die falschen Dekretalen aus a­ nderen F Quellen zusammengesetzt ist 296. Der Inhalt seiner Schrift scheint dem Mönch wichtiger gewesen zu sein als eine wahrheitsgemäße Angabe zum ­Verfasser 297. Dass er den Traktat dabei dem Kirchenvater Hieronymus zuwies, zeigt, dass er nicht nur um den Nutzen von Autoritäten wusste, sondern auch nicht davor zurückschreckte, diese für seine ­Zwecke zu instrumentalisieren. Es muss dabei betont werden, dass Radbert keinerlei direkter oder indirekter Vorteil aus dieser Fälschung erwuchs, ebenso wenig seinem Kloster. Der Brief scheint zur öffentlichen Lesung im ­Rahmen der Assumptionsfeier (Mariä Himmelfahrt) in einem Nonnen­kloster bestimmt gewesen zu sein, und setzt sich mit der marianischen Lehre und Frömmig­keit auseinander. Radbert steht dem aus der Ostkirche ­stammenden ­Glauben an die leibliche Aufnahme Mariens (assumptio corporalis) in den Himmel kritisch gegenüber. Sein Schreiben ist die erste theologische Aus­einandersetzung ­dieser Art mit dieser Thema­tik und steht in einer Reihe mit ­Radberts weiteren m ­ arianischen ­Schriften 298. Der Betrug hatte somit wohl lediglich die Beförderung der aus seiner Sicht göttlichen Wahrheit zum Ziel. Eine ähnliche Überlegung dürfte auch den ­falschen Dekretalen zugrunde gelegen haben. Wie das literarische Werk, so spricht auch die Arbeitsweise des Autors ­Paschasius Radbertus dafür, dass er beim pseudoisidorischen Fälschungsunternehmen eine Rolle gespielt haben könnte. David Ganz hat mehrmals dargelegt, dass Radbert des Pseudo-Vigilius Thapsensis, hat Radbert mit den falschen Dekretalen gemein, vgl. ders., Spur, S. 13 f. (Anm. 41). 296 Ps.-Hieronymus, Ep. 9, Migne PL 30, Sp. 297 – 305. Vgl. zur Urheberschaft des Briefes die Studie von Ripberger: Pseudo-Hieronymus-Brief (insbes. S. 7 – 14 und 25 – 36); vgl. Zechiel-Eckes: Fälschung, S. 18 f. Zu den Ergebnissen Ripbergers eher kritisch äußerte sich Brunhölzl: Geschichte, S. 374 – 376, zustimmend dagegen Vielhaber: Paschasius Radbertus, Sp. 131; Jorissen: Paschasius Radbertus, Sp. 1412; Aris: Paschasius Radbertus, Sp. 1754. Auch Fuhrmann: Fälscher, S. 224, ordnet Radbert den zahlreichen Fälschern des 9. Jahrhunderts zu, wohl unter Bezug auf den Pseudo-Hieronymus-Brief. Es sei an dieser Stelle daran erinnert, dass der Name des vermeintlichen Kompilators der falschen D ­ ekretalen, I­ sidorus Mercator, gemeinhin (auch) als Anlehnung an Isidor von Sevilla (600 – 636) verstanden wird, einer weiteren ausgewiesenen Autorität für die frühmittelalterliche Kirche. 297 Wobei seine diesbezüglichen Ansichten nicht konstant geblieben sein müssen, blickte er doch in seinen letzten Jahren durchaus kritisch auf sein eigenes Leben zurück. Vgl. ­Paschasius Radbertus, Expositio in Matheum, Präf. Buch 9, ed. Paulus (CC Cont. Med. 56B), S. 931, Z. 9 f. Vgl. auch Jong: Jeremiah, S. 192 – 196, zur Genese des Paschasius Radbertus als Verkündiger der Wahrheit im Rahmen des Epitaphium Arsenii. 298 De partu virginis und möglicherweise auch die Bearbeitung von De navitate s. Mariae, vgl. dazu Rippberger: Pseudo-Hieronymus Brief, S. 6. Vgl. ebd., S. 14 – 25, zum Inhalt des Traktats Cogitis me.

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entgegen dem literarischen Zeitgeist in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts in s­ einen ­Werken nicht einfach nur aus Quellen verschiedenster Art zitierte, sondern die Zitate mal mit eigenen Worten zusammenfasste, mal ergänzte, einzelne Ausdrücke um­formulierte und Versatzstücke neu zusammensetzte, ohne dabei immer Rücksicht auf den ursprünglichen Kontext seiner Quellen zu nehmen 299: „The great merit of Paschasius Radbertus is his originality in the use of quotations. He is ready to alter them for ­doctrinal purposes“300. Radbert, so scheint es, trug also in seinen eigenen Schriften nicht nur eine Vielzahl von Autoritäten zusammen, sondern er war auch bereit, über diese hinauszugehen. Er ist dadurch ein für seine Zeit un­gewöhnlich kreativer Autor 301. Wo hätte er diese im 9. Jahrhundert nicht alltäglichen Fähigkeiten besser einsetzen können als bei der Schöpfung der falschen Dekretalen, einer Textsammlung, die aus Tausenden Zitat-Bausteinen zusammengesetzt ist, deren ursprünglicher inhaltlicher Gehalt durch ihre neue Zusammenstellung oftmals vollkommen entstellt wurde? Man muss sich bewusst machen, dass es im gesamten Frankenreich wohl nur wenige ­Personen gab, die überhaupt zu einem solch kreativ-schöpferischen Akt fähig waren 302. Radbert ist also aus mehreren Gründen ein naheliegender Verdächtiger, wenn man auf der Suche nach Pseudoisidor ist. Es gibt keinen definitiven Hinweis darauf, womit er sich zwischen 836 und dem Beginn der 850er Jahre intellektuell b­ eschäftigt hat. Er lebte in der fraglichen Zeit in Corbie, und seine spätere Wahl zum Abt zeigt, dass er dort über einiges Ansehen verfügte. Er hatte folglich die Gelegenheit und die Mittel, nicht zuletzt in Form der notwendigen Bildung und Kreativität, um die Fälschung zu ersinnen. Doch reichen diese Indizien allein nicht aus, um Radbert der Täterschaft 299 Vgl. Ganz: Epitaphium, S. 537 – 539, darin S. 537 f.: „The quotation, like a Roman coin in a Carolingian mint, is melted down and stamped in a new mould. Sentences are transposed rewritten, expanded, or paraphrased. Consequently many borrowings have escaped detection.“ Vgl. ders.: Corbie, S. 81 f. 300 Ebd., S. 82. 301 Ebd., S. 83: „There is a remarkable originality both in Radbert’s treatment of his sources, and in his willingness to go beyond them.“ 302 Wie bereits erwähnt wurde, ist nicht gesichert, ob die falschen Kapitularien ebenfalls in Corbie entstanden. Es ist aufgrund ihrer im Vergleich mit den Arbeiten Radberts und den falschen Dekretalen geringeren Kompositionsdichte meiner Meinung nach unwahrscheinlich, dass sie ebenfalls vom späteren Abt des Klosters ersonnen wurden. Möglicherweise zeichnete ein zweites Fälscherteam am Standort Corbie dafür verantwortlich, oder die Produktion fand an einem zweiten Ort statt. Ein Entstehungszusammenhang zwischen den Fälschungen steht fest: Die Idee, die politische Stoßrichtung und die Methoden der Fälscher sind sich ähnlich, das Material ähnelte sich stark und Teile der Fälschungen wurden in irgendeiner Weise zwischen den Gruppen ausgetauscht, sodass sie ineinander verwoben sind. Es muss aber betont werden, dass sich daraus nicht zwangsläufig eine gemeinsame Entstehung unter einem Dach und unter einer Leitung ergibt.

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zu überführen. Es stellt sich die Frage, welche Motivation er gehabt hätte, einem ­solchen Unternehmen vorzustehen. Seltene Einigkeit zeigt die Forschung bei der Frage, wo Pseudoisidor politisch zu verorten ist. Zweifelsfrei, so steht spätestens seit Seckel fest, ist der Fälscher ein Partei­gänger Lothars, des ältesten Sohns Kaiser Ludwigs des Frommen 303. Radbert mag nicht zur ersten Garde der Opposition gegen Ludwig gehört haben, doch an ­seiner politischen Zuordnung kann kein ernsthafter Zweifel bestehen. Bereits in seiner Vita Adalhardi aus den späteren 820er Jahren kritisierte er den Kaiser in Bezug auf dessen Kirchenbuße von 822, die er als unaufrichtig empfand 304. Die Aberkennung von Lothars Mitkaisertum verurteilte er im Epitaphium Arsenii nachdrücklich und erinnerte daran, dass die Kaiserwürde Lothar nicht nur durch Ludwig selbst übertragen worden war, sondern dass auch die Autorität des apostolischen Stuhls diese Wahl bestätigt und unterstützt habe 305. Persönlich war Radbert eng an die Familie Adalhards gebunden, vor allem an dessen Halbbruder Wala. Er bewunderte beide Männer und beschrieb sich selbst als glücklicher, wenn auch unwürdiger Dritter im Bunde der Halbbrüder 306. Auch wenn man nicht den Fehler machen sollte, Radbert mit Wala gleichzu­setzen, so kann man doch davon ausgehen, dass ihre kirchenpolitischen Ideale einander sehr ähnlich waren. Ihre gemeinsamen Vorstellungen beschrieb und verteidigte Radbert im Epitaphium Arsenii. Demnach sind die göttlichen Angelegenheiten innerhalb der Kirche von den Bischöfen und Klerikern zu regeln, während der Kaiser für die 303 Seckel: Zeile, S. 40 – 46, betont, dass die Invokation der falschen Dekretalen eng an die­ jenige Lothars angelehnt ist, eine Parteinahme, die, hätte man gewollt, leicht hätte vermieden werden können. Vgl. Zechiel-Eckes: Spur, S. 14 f. 304 Paschasius Radbertus, Vita Adalhardi, Kap. 51, Migne PL 120, Sp. 1534D-1535A. Vgl. Jong: State, S. 107 f. und 126 – 128. 305 Paschasius Radbertus, Epitaphium Arsenii, Buch 2, Kap. 10, ed. Dümmler, S. 76: […] ­monarchiam tunc ire in partes non permisit, sacramenta filio augusto facta violare vetuit. […] electio quae sollemniter facta fuerat in filio a patre et ab omnibus et consecratio imperialis apostolice sedis auctoritate firmata, […]. Vgl. auch ebd., Kap. 17, S. 86. Der Eidbruch gegenüber Lothar wurde auch von anderen Franken beklagt, z. B. von Agobard von Lyon, siehe S. 56 f. Ob die im Epitaphium Arsenii vielfach von Paschasius Radbertus g­ eäußerte Klage über die Teilung des Reiches bereits in den 830er Jahren das Denken Walas und Radberts beherrschte, lässt sich im Nachhinein nicht mehr sagen. Es ist meines Erachtens wahrscheinlicher, dass es sich hierbei um eine nachträgliche Zutat handelt, basierend auf den schmerzlichen ­Erfahrungen der frühen 840er Jahre. Patzold: Palastrevolution, S. 55, weist darauf hin, dass keine der offiziellen, hofnahen fränkischen Quellen bis 841 dieses Thema behandelt. 306 Paschasius Radbertus, Epitaphium Arsenii, Buch 1, Kap. 15, ed. Dümmler, S. 43: Fateor quia non possum retexere, quantum virtutes eorum ipse mecum tacitus admirabar, quantumque mihi adplaudebam, quod tales mihi Dominus dederit patronos, quorum in consortio, etsi indignus, tertius eram. Vgl. dazu ausführlich Jong: Jeremiah; dies.: State, S. 102 – 111.

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weltlichen Aspekte, wie die Einhaltung von Recht und Gesetz, verantwortlich sei. Der Herrscher steht demnach für die Stabilität des Reiches, wird aber ausdrücklich davor gewarnt, sich auf unangemessene Weise in Kirchenfragen einzumischen 307. Diese Vorstellungen erinnern an diejenigen, die auf der Pariser Synode von 829 formuliert wurden. Ebenso wie diese erkennt Paschasius ­Radbertus Leitung und Führung der Kirche den Bischöfen zu. Er geht aber über die Beschlüsse von 829 hinaus, wenn er im Epitaphium Arsenii mehrmals ausdrücklich die herausgehobene Autorität des Papsttums beschwört 308. Es bleibt zusammenzufassen, dass der Mönch Radbert nach derzeitigem Forschungsstand die einzige namentlich bekannte Person zu sein scheint, die durch eine Vielzahl von Indizien mit dem Fälschungsunternehmen in Corbie in Verbindung gebracht werden kann. Seine Beteiligung an der Komposition der ­falschen Dekretalen ist aus mehreren Gründen wahrscheinlich: Radbert ist als Fälscher ausgewiesen, er verfügte neben dem notwendigen Intellekt und schriftstellerischen Talent über Zeit, Ressourcen und Autorität im Kloster Corbie und seine politischen Ansichten passen grundsätzlich zu denen Pseudo­isidors 309. Er ist neben Pseudo­isidor der einzige Autor im Frankenreich, der im Nachklang der Ereignisse der 830er Jahre offensiv die päpstliche Autorität beschwor. Es ist jedoch nicht zweifelsfrei nach­zuweisen, dass Radbert tatsächlich der Kopf hinter Pseudoisidor war, ebenso wenig wie mit dieser Prämisse ausgesagt werden kann, dass keine anderen Personen oder Skriptorien in die Herstellung der Falsifikate eingebunden waren. Der Mönch aus Corbie ist aber

307 Paschasius Radbertus, Epitaphium Arsenii, Buch 2, Kap. 2, ed. Dümmler, S. 62: Certum quippe quod secundum singulorum officia requirendus est ordo discipline et status reipublice. Unde primum considerari oportet intus divina, tum exterius humana, quia procul dubio his duobus totius ecclesiae status administratur ordinibus: ut sit imperator et rex suo mancipatus officio, nec alia gerat, sed ea quae sui iuris competunt propria, neque pretermittat ea, quia pro his omnibus adducet eum Dominus in iudicio: episcopus vero et ministri ecclesiarum, specialius quae Dei sunt, agant. […] Ideo providendum nihil neglegas, quia in te uno, secundum Salomonem, totius stabilimentum est regni, in divinis autem ne ultra te ingeras quam expediat. Vgl. dazu auch Patzold: Episcopus, S. 150 f.; Weinrich: Wala, S. 62 – 65. 308 Während die Pariser Synode das Papsttum nicht erwähnte, bezieht sich Paschasius ­Radbertus im Zusammenhang mit der Entfremdung von Kirchengut auf die römische Autorität. Er verweist darauf, dass durch die kirchliche Weihe im Namen der apostolischen Autorität der kirchliche Besitz zu göttlichem Besitz gebunden werde und nicht durch den Herrscher gelöst werden könne, sondern nur durch die Päpste, welche das Kirchengut aber nicht für weltliche Angelegenheiten herausgeben dürften, vgl. Paschasius Radbertus, Epitaphium Arsenii, Buch 2, Kap. 3, ed. Dümmler, S. 64 f. 309 Diese wäre sowohl für Radbert als auch für Pseudoisidor im Einzelnen noch weiter zu untersuchen. Für Letzteren leistet dies zum Teil die vorliegende Untersuchung.

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von allen je mit Pseudoisidor in Verbindung gebrachten Persönlichkeiten 310 nach derzeitigem Forschungsstand die beste Spur zum Fälscherkreis.

310 Eine Auswahl umfasst die Gegner Hinkmars von Reims und Anhänger Ebos von Reims, ­Kleriker des Bistums Le Mans, die Hofkapelle Karls des Kahlen, Lupus von ­Ferrières, Wenilo von Sens, Wulfhad von Bourges. Vgl. dazu Seckel: Pseudoisidor, S. 276, Z. 29-S. 279, Z. 21; Fuhrmann: Einfluß, Bd. 1, S. 191 – 194, mit den entsprechenden Literaturhin­weisen.

2.  Der Papst in den pseudoisidorischen Dekretalen 2.1  Der Papst als Haupt der Kirche Dem Papst als Nachfolger Petri auf dem apostolischen Stuhl in Rom kommen in den falschen Dekretalen zahlreiche Funktionen zu. Im Vordergrund steht dabei die innerkirchliche Hierarchie, wie sie in den pseudoisidorischen Papstbriefen dar­ gestellt wird. Aus systematischen Erwägungen wird dabei zwischen dem Verhältnis von Papst und Synoden auf der einen und Papst und Bischöfen auf der anderen Seite unterschieden – auch wenn die Synoden faktisch Versammlungen des Episkopats darstellen. Alle Sachverhalte beziehen sich auf die Kirchenverfassung, wie sie von den pseudoisidorischen Dekretalen konstruiert wird. Die tatsächlichen Verhältnisse der frühen Kirche oder des 9. Jahrhunderts spielen in diesem Zusammenhang eine untergeordnete Rolle. Vielmehr wird der Standpunkt Pseudo­isidors zu Funktionen und Kompetenzen des Papstes innerhalb der Kirche herausgearbeitet.

2.1.1  Der Einfluss des Papstes auf Synoden Es war Pseudoisidor nicht möglich, die päpstliche Macht auszubauen, ohne zum Verhältnis des apostolischen Stuhls zur Synode als der maßgeblichen gesetzgebenden Instanz der Kirche Stellung zu nehmen. Tatsächlich verknüpft der Fälscher das Thema der Verfolgung der Bischöfe eng mit Bestimmungen über die rechtmäßige Abhaltung von Konzilen 1. Entgegen der gängigen Praxis wird der Papst in den Fälschungen zum entscheidenden Faktor für die Kirchenversammlungen stilisiert. Von einem Recht des Herrschers, die Kirchenversammlungen einzuberufen, ist in den falschen Dekretalen nicht die Rede. Man liest lediglich von der unumgänglichen päpstlichen Bestätigung, welcher jede Synode bedürfe. Pseudo-Marcellus (308 – 309) bestimmt die Synoden zum Ort der Verhandlung über „Urteile der Bischöfe und die Geschäfte der ­höchsten Angelegenheiten“, verknüpft ihre Bedeutung aber untrennbar mit der Autorität Roms,



1 Vgl. dazu auch Sieben: Pseudoisidor, S. 511 – 518 und insbes. S. 513 (Anm. 97), mit dem Hinweis auf das methodische Problem, ob bei einer Untersuchung der pseudoisidorischen Auffassungen zur Synode auch der echte Konzilsteil miteinzubeziehen sei. Die vorliegende Analyse konzentriert sich im Wesentlichen auf die falschen Stücke der Sammlung.

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von der die jurisdiktionelle sowie die legislative Kraft der Konzile abhänge 2. Wird eine Synode nicht vom Papst einberufen, sind die Synodalbeschlüsse ungültig, und wer dennoch eine nicht autorisierte Synode aufsucht, verliert die Zugehörigkeit zur r­ ömischen Kirche  3. Die falschen Dekretalen beziehen also eindeutig Stellung, wenn es um Kirchenversammlungen geht: Eine Synode kann nur dann rechtsgültige Beschlüsse fassen, wenn sie kraft päpstlicher Autorität berufen wurde. Trifft dies nicht zu, sind die Kanones ohne rechtsbindende Wirkung 4. Laut Pseudoisidor soll der Papst aber nicht nur die Autorität zur Einberufung der Synoden haben, sondern ihm wird darüber hinaus bei Pseudo-Julius I. (337 – 352) auch entscheidender Einfluss auf die Verhandlungen der Versammlung ­zugestanden 5. Diese Macht hatte der Papst in der frühen Kirche keineswegs ­be­sessen 6. Die Päpste Pseudo­isidors hingegen treten energisch dafür ein, auf die Konzile einzuwirken. Im pseudoisidorischen Sinne kann die Synode nur in Abstimmung mit Rom eine ­Wirkung entfalten, nicht aber ohne und schon gar nicht gegen den apostolischen Stuhl. Auffällig ist dabei, dass Pseudoisidor die Synoden zwar von Rom ­ab­hängig macht, sie aber nicht grundsätzlich ihrer jurisdiktionellen Befugnis beraubt. Für den niederen Klerus sind nach wie vor die Provinzialsynoden zuständig 7. Auch in Verfahren gegen Bischöfe sind die Synoden nach Pseudoisidor zumindest grundsätzlich zuständig, wenn auch der apostolische Stuhl ihnen diese Zuständigkeit problemlos entziehen kann 8.

2 Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 2, ed. Hinschius (Decretales), S. 224: […] nulla fieret synodus praeter eiusdem sedis auctoritatem […], episcoporum iudicia et summarum causarum negotia sive cuncta dubia apostolicae sedis auctoritate sunt agenda et finienda […]. 3 So Ps.-Pelagius II., JK † 1051, ebd., S. 721: […] cum generalium synodorum convocandi auctoritas apostolicae beati Petri sedi singulari privilegio sit tradita et nulla umquam synodus rata legatur, quae apostolica auctoritate non fuerit fulta. […] Multis denuo apostolicis et canonicis atque ecclesiasticis instruimur regulis non debere absque sententia Romani pontificis concilia celebrari, quapropter, ut iam dictum est, recte non concilium, sed vestrum conventiculum vel conciliabulum cassatur, et quicquid in eo actum est irritum habetur et vacuum. Vos quoque deinceps videte, ut nullius hortatu talia praesumatis, si apostolicae sedis communione carere non vultis. […] nolite attendere nec vocatione eius ad synodum absque auctoritate sedis apostolicae umquam venire, si apostolicae sedis et ceterorum episcoporum communione vultis frui. 4 Vgl. neben den bereits angeführten Briefen auch Ps.-Marcellus, JK † 161, Kap. 10, ebd., S. 228; Ps.-Damasus, JK † 242, Kap. 9, ebd., S. 503; Ps-Julius I., JK † 195, Kap. 5, ebd., S. 459. 5 Ps.-Julius I, JK † 195, Kap. 5, ebd., S. 459: Ipsi vero primae sedis ecclesiae convocandum generalium synodorum iura et iudicia episcoporum singulari privilegio evangelicis et apostolicis atque canonicis concessa […]. Ähnliches auch in der Praefatio, Kap. 8, ebd., S. 18, und bei Ps.-­ Pelagius II., JK † 1051, ebd., S. 721. 6 Siehe S. 21 – 29. 7 Ps.-Eleutherus, JK † 68, Kap. 2, ed. Hinschius (Decretales), S. 125. 8 Siehe S. 98 – 102.

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Einerseits werden die Synoden also der päpstlichen Autorität untergeordnet, andererseits entmachtet Pseudoisidor die Kirchenversammlungen nicht voll­ständig, sondern gesteht ihnen weiter ihre rechtsetzende Funktion zu. Das spiegelt sich auch in der Tatsache wider, dass die Pseudo-Päpste und auch der falsche Isidor in seiner Vorrede sich auf die Autorität älterer Synodalbeschlüsse berufen, allen voran auf das Konzil von Nicäa (325), dessen Kanones der Fälscher von 20 auf 70 vermehrt, sowie die Versammlungen von Konstantinopel (381), Ephesus (431) und Chalkedon (451) 1. Zunächst betont der Fälscher also die Bedeutung der Synoden, deren Einfluss er jedoch gleichzeitig vor allem im Bereich der jurisdiktionellen Tätigkeit stark beschränkt. Zudem bedient sich Pseudoisidor einer umgekehrten Chrono­logie und erweckt den Eindruck, die frühen Päpste seien Urheber der Satzungen, die spätere Konzile verabschiedet hätten. Anders kann das Auftauchen der bekannten (echten) Worte des ersten ökumenischen Konzils in den Briefen der vornicänischen Päpste Anaklet (ca. 76 – 88) und Anicetus (155 – 166)2 sowie Calixts I. (217 – 222) und Marcellinus‘ (296 – 304)3 kaum gedeutet werden 4. Auch für andere wichtige Synoden lassen sich ähnliche Befunde nachweisen. Besonders auffällig ist dieser Anachronismus in der Chalkedon-Rezeption Pseudo­isidors. Die Worte einzelner Kanones werden von mindestens elf Päpsten angeführt, deren Pontifikat deutlich vor dem Konzil von 451 lag 5. Dem Fälscher gelang es auf diese Weise, durch die im kanonischen Recht tief verwurzelten Grundsätze die Autorität seiner falschen Päpste zu stützen, indem er sie zu denjenigen machte, die für diese Grundsätze in letzter Konsequenz verantwortlich zeichneten. Die gesetzgeberische Kraft der Konzile rückte er so immer mehr in den Hintergrund. Selbst für Nicäa scheint dies zu gelten, wenn in einem gefälschten Brief

1 Pseudoisidor, Praefatio, Kap. 5 – 11, ed. Hinschius (Decretales), S. 18 – 20. 2 Beide zitieren Kap. 4 der echten Kanones des Konzils von Nicäa. Ps.-Anaklet, JK † 3, Kap. 18, ebd., S. 75: Ordinationes episcoporum auctoritate apostolica ab omnibus, qui in eadem fuerint provincia episcopis, sunt celebrandae. Ps.-Anicetus, JK † 57, Kap. 1, ebd., S. 120: Scimus enim beatissimum Iacobum, qui dicebatur Iustus, qui etiam secundum carnem frater domini nuncupatus est, a Petro, Iacobo et Iohanne apostolis Hierosolimorum episcopum esse ordinatum. […] non minus quam a tribus episcopis episcopum ordinari debere. 3 Beide zitieren Kap. 9 der echten Kanones des Konzils von Nicäa. Ps.-Calixt I., JK † 85, Kap. 5, ebd., S. 137: Quicquid ergo repraehensibile est, catholica defendit ecclesia. Allerdings verdreht der Fälscher die Aussage ins glatte Gegenteil, die Vorlage hat inreprehensibile, vgl. Nicäa, Kap. 9, ed. Turner (EOMIA 1, 1, 2), S. 127, Z. 8 – 10. Ebenso Ps.-Marcellinus, JK † 159, Kap. 3, ed. Hinschius (Decretales), S. 222: Omne enim, quod repraehensibile est, catholica defendit ecclesia. 4 Vgl. Hartmann: Primat, S. 44 (insbes. Anm. 1). 5 Namentlich von Anaklet (ca. 76 – 88), dessen (vermutlich) direkten Nachfolgern Clemens I. (ca. 88 – 97) und Evaristus (ca. 97 – 105) sowie Pius I. (140 – 155), Anicetus (155 – 166), V ­ iktor I. (189 – 199), Calixt (217 – 222), Stephan I. (254 – 257), Sixtus  II. (257 – 258), ­Marcellinus (296 – 304) und Julius I. (337 – 352). Vgl. Hinschius: Decretales, S. CXXVII.

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Bischof Athanasius von Alexandrien an Papst Liberius schreibt, das Konzil von Nicäa bekräftige die Lehre der römischen Bischöfe 6. Man muss sich die Kon­sequenz dieser Worte bewusst machen: Das ehrwürdigste aller Konzile wird in geistige Abhängigkeit von den Inhabern des apostolischen Stuhls gerückt! Die Autorität der Päpste steht demnach über dem Einfluss der Synoden, und diese sind in ihrer Organisation abhängig vom apostolischen Stuhl. Außerdem haben Konzile in Fragen der christlichen Lehre und besonders der Jurisdiktion in Übereinstimmung mit Rom zu entscheiden, nicht gegen den Willen des jeweiligen Papstes. Die Konzile werden von Pseudoisidor gegenüber der ­römischen Machtfülle marginalisiert.

2.1.2  Rom als Schutzmacht der Bischöfe Die päpstliche Autorität wird von Pseudoisidor sehr konkret gestärkt, wenn von Gerichtsverfahren gegen Bischöfe die Rede ist. Da dies das Hauptthema der f­ alschen Dekretalen ist, überrascht es wenig, dass auch die Funktion des Papstes als Schutzmacht der Bischöfe entsprechend ausführlich behandelt wird. Die Aufgaben Roms in diesem Zusammenhang werden in den Dekretalen nicht nach einem Schema dargestellt, sondern die Anordnungen der Pseudo-Päpste weichen zum Teil erheblich voneinander ab. So wird die Synode als regulärer Ort einer Anklage gegen Bischöfe nicht vollkommen entmachtet, verliert jedoch ihre absolute Freiheit. Nur der apostolische Stuhl hat laut Pseudoisidor die Autorität, Synoden einzuberufen, die grundsätzlich für die Verhandlung zuständig sind. Eine nicht von Rom autorisierte Synode und ihre Beschlüsse sind nicht rechtsgültig 7. Hinzu kommt das in den Dekretalen dem Papst zugeschriebene Recht, jederzeit in das laufende V ­ erfahren eingreifen zu dürfen. Denn die Falsifikate spielen verschiedene Möglich­keiten durch, die alle dazu führen, dass das Verfahren vor den apostolischen Stuhl gebracht werden muss. Den Bischöfen wird zunächst das Recht eingeräumt, nach Rom zu appellieren, wobei der Zeitpunkt der Anrufung des Papstes keine Rolle spielt. Ob sie nur beschuldigt, schon angeklagt oder sogar bereits abgesetzt, verurteilt oder verfolgt sind – ein Bischof kann sicher sein, zunächst Schutz beim apostolischen Stuhl zu finden 8. Eine ­Appellation



6 Ps.-Athanasius an Papst Liberius, Kap. 1, ebd., S. 457: […] ea, quae a sancta sede vestra apostolorum eorumque successorum praedicatione percepimus, atque quae in Nicena synodo roborata cognovimus, praedicare […]. 7 Siehe S. 95 – 98. 8 Die verschiedenen Variationen bei: Ps.-Melchiades, JK † 171, Kap. 4, ed. Hinschius (Decretales), S. 243; Ps.-Sixtus I., JK † 32, Kap. 5, ebd., S. 108; Ps.-Sixtus II., JK † 133, Kap. 2, ebd., S. 190; Ps.-Viktor I., JK † 74, Kap. 5 – 6, ebd., S. 128; Ps.-Damasus, JK † 242, Kap. 8 – 9, ebd., S. 502 f.; Ps.-Athanasius an Felix II., Kap. 4, ebd., S. 480; Ps.-Felix II., JK † 230, Kap. 12/xx, ebd., S. 488.

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hat zur Folge, dass die Gerichtssache an Rom überstellt wird und die Synode ihren gesamten Einfluss in der Sache verliert 9. Pseudo-Marcellus (308 – 309) äußert sich dazu eindeutig, wenn er den Synoden untersagt, einen an Rom appellierenden Bischof zu verurteilen, „bevor nicht von hier [Rom] ein abschließendes Urteil vorangeht“10. Ganz ähnlich b­ efindet auch der falsche Sixtus III. (432 – 440), „dass, wenn ein angeklagter Bischof an den apostolischen Stuhl appelliert, dann das festzusetzen ist, was der Pontifex des nämlichen Stuhles entschieden hat“11. Daraus muss man den Schluss ziehen, dass die Synoden für Verfahren gegen angeklagte Bischöfe zuständig sind, es sei denn, der Beklagte oder bereits Verurteilte ruft den römischen Stuhl an. In diesem Falle geht die Gerichtsbarkeit auf den Papst über. Dieser zunächst eindeutig scheinende Befund steht in einem Spannungs­­ver­ hältnis zu einer ganzen Reihe anderer Aussagen pseudoisidorischer Päpste, die für den ­apostolischen Stuhl eine grundsätzliche, nicht von der Appellation abhängige ­Entscheidungsbefugnis für bischöfliche Gerichtssachen einfordern. So verbietet Pseudo-­Zepherin (199 – 217), dass ein nicht von Rom bestätigtes Urteil über einen Bischof gefällt wird, und erklärt des Weiteren jedes Verfahren so lange als nicht abgeschlossen, bis in der Sache eine päpstliche Entscheidung ergeht 12. Pseudo-Evaristus

9 Für Pseudo-Stephan (254 – 257) endet die provinzielle Zuständigkeit mit der Appellation. Ps.-Stephan I., JK † 131, Kap. 10, ebd., S. 185 f.: Ultra provinciae vero terminos accusandi licentia non progrediatur, sed omnis accusatio intra provinciam audiatur, et a comprovincialibus terminetur, nisi ad sedem apostolicam fuerit tantum appellatum. 10 Ps.-Marcellus, JK † 161, Kap. 10, ebd., S. 228: Synodos ergo absque huius sanctae sedis auctoritate episcoporum, quamquam quosdam episcopos possitis congregare, non potestis regulariter facere, neque ullum episcopum, qui hanc appellaverit apostolicam sedem damnare, antequam hinc sententia finitiva procedat. Vgl. inhaltlich auch Ps.-Fabian, JK † 94, Kap. 29, ebd., S. 168; Ps.-Viktor I., JK † 74, Kap. 5, ebd., S. 128; Ps.- Felix  II., JK † 230, Kap. 12/xx und 14, ebd., S. 488 f.; Vigilius, JK 907, Kap. 7, ebd., S. 712. 11 Ps.-Sixtus III., JK † 397, ebd., S. 563: […] si episcopus accusatus appellaverit apostolicam sedem, id statuendum, quod eiusdem sedis pontifex censuerit. 12 Ps.-Zepherin, JK † 80, Kap. 2, ed. Hinschius (Decretales), S. 131: […] non ante sententiam proferant primitivant, quam apostolica fulti auctoritate […]. Und ders., Kap. 6, ebd., S. 132: Finis vero eius cause ad sedem apostolicam deferatur, ut ibidem terminetur. Nec antea finiatur, sicut ab apostolis vel successoribus eorum olim statutum est, quam eius auctoritate fulciatur. Ad eam quoque ab omnibus, maxime tamen ab oppressis, appellandum est et concurrendum quasi ad matrem, ut eius uberibus nutriantur, auctoritate defendantur et a suis oppressionibus releventur quia non potest nec debet mater oblivisci filium suum. Iudicia enim] episcoporum maioresque eccl[esiae causae a sede apostolica et non ab alia, sicut apostoli et sancti successores eorum cum alii]s episcopis statuerunt, sunt terminan[dae, quia, licet in alio transferatur episcopos, […]. Sehr ähnlich Ps.-Melchiades, JK † 171, Kap. 2, ebd., S. 243: Episcopos nolite iudicare, nolite condemnare absque sedis huius auctoritate. Quod si feceritis, irrita erunt vestra iudicia et vos condemnabimini. Hoc enim privilegium huic sanctae sedi a temporibus apostolorum

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(ca. 97 – 105) spricht davon, dass Beschwerden gegen Bischöfe generell vom Papst geregelt werden müssten 13. Darüber hinaus nehmen gleich mehrere falsche D ­ ekretalen die Bischöfe ausdrücklich vor den Metropoliten in Schutz, indem sie diesen die Zuständigkeit für die Verfahren entziehen, sollten sie in irgendeiner Weise gegen die Bischöfe vorgehen. Dabei ist es unerheblich, ob der Metropolit sich aktiv an den Beschuldigungen beteiligt oder lediglich von den Beklagten als voreingenommen eingeschätzt wird 14. Die Synoden, so heißt es beim falschen Sixtus II . (257 – 258) recht herablassend, könnten zwar den Fall eines Bischofs untersuchen, ein Urteil dürfe aber nur nach Konsultation des Papstes ergehen, da diesem die Schlüsselgewalt obliege 15. Roms Zuständigkeit für alle wichtigeren Angelegenheiten (causae maiores) wird demnach auf alle die Bischöfe betreffenden Fragen und Verfahren ausgeweitet. Die in zahlreichen Variationen auftretende Maxime lautet: Ein Bischof kann ohne die Mitwirkung des apostolischen Stuhls nicht rechtskräftig angeklagt und verurteilt werden. Die Appellation ist den Bischöfen als zusätzliches Mittel gegeben, wohl vor allem, um den Prozessverlauf zu stören beziehungsweise zu unterbrechen. Letzteres ist darum für die Bischöfe so bedeutsam, weil sie laut einem falschen Brief von Felix II. (483 – 492) nicht enteignet werden dürfen, bis ein abschließendes, also päpstliches Urteil ergangen ist 16. Zusätzlich halten Pseudo­isidors falsche Päpste fest, dass ohne die statutum est servare, quod illaesum manet usque in hodiernum diem. Vgl. auch Ps.-Anaklet, JK † 3, Kap. 26, ebd., S. 80; Ps.-Sixtus II., JK † 133, Kap. 2, ebd., S. 190; Ps.-Damasus, JK † 242, Kap. 8 – 9, 18 und 21, ebd., S. 502 f., 505 und 507; Ps.-Felix II., JK † 230, Kap. 14, ebd., S. 489; Ps.-Julius, JK † 195, Kap. 6, ebd., S. 459; Vigilius, JK 907, Kap. 7, ebd., S. 712. 13 Ps.-Evaristus, JK † 21, Kap. 7, ebd., S. 91: Si autem adversus eos aliquam querelam habueritis, his peractis inquirendum erit et auctoritate huius sanctae sedis terminandum. Sehr ähnlich Ps.-Eleutherus, JK † 68, Kap. 2, ebd., S. 125: De accusationibus ergo clericorum, super quibus consulti sumus, quia omnes eorum accusationes difficile est ad sedem apostolicam deferre, finitiva episcoporum tantum iudicia huc deferantur et huius sanctae sedis auctoritate finiantur, […]. 14 Vgl. dazu z. B. Ps.-Anicetus, JK † 57, Kap. 4, ebd., S. 121; Ps.-Viktor I., JK † 74, Kap. 6, ebd., S. 128; Ps.-Sixtus  II., JK †133, Kap. 3, ebd., S. 190; Ps.-Athanasius an Felix  II., Kap. 4, ebd., S. 480; Ps.-Felix II., JK † 230, Kap.12/xx, ebd., S. 488. 15 Ps.-Sixtus II., JK † 133, Kap. 2, ebd., S. 190: […] quamquam comprovincialibus episcopis accusati causam pontificis scrutari liceat, non tamen definiri inconsulto Romano pontifice permissum est, cum beato Petro apostolo non ab alio quam ab ipso dictum sit domino: Quaecumque ligaveris super terram, erunt ligata et in caelis. Vgl. dazu Ps.-Viktor I., JK † 74, Kap. 5, ebd., S. 128, wonach das Recht der Provinz zwar benannt, aber im gleichen Atemzug wieder entzogen wird, wenn es heißt, kein abschließendes Urteil könne ohne Rom ergehen: […] comprovincialibus episcopis accusa[ti causam pontificis scrutari liceat, non tamen definiri inconsulto Romano pontifice] permissum est, […]. 16 Felix  II., JK † 230, Kap 12/xx, ebd., S. 488: Quoties episcopi se a suis comprovincialibus vel a metropolitano putaverint praegravari aut eos suspectos habuerint, mox Romanam appellent sedem, ad quam eos absque ulla detentione aut suarum rerum ablatione libere ire liceat et dum

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apostolische Zustimmung verurteilte, abgesetzte und enteignete Bischöfe durch die päpstliche Autorität wieder in ihr Amt eingesetzt würden 17. Der apostolische Stuhl wird auf diese Weise zum Hort des Schutzes für zu Unrecht verfolgte Bischöfe stilisiert 18. Anklagen gegen Bischöfe von Laien werden durch Pseudoisidor schlichtweg unmöglich gemacht und Verfahren innerhalb der kirchenrechtlichen Ordnung enorm erschwert. Die pseudoisidorischen Päpste zeichnen sich zum Großteil dadurch aus, dass sie zunächst die Unschuldsvermutung gelten lassen und sich weniger auf die gerechte Bestrafung fehlgeleiteter Bischöfe als auf den Schutz zu Unrecht Verfolgter konzentrieren. Dennoch darf man ein wichtiges Detail in der Sache nicht übersehen. Bei all den verfahrensrechtlichen Hürden, welche die Dekretalen konstruieren, bleibt der apostolische Stuhl als Instanz zu übergeordneter und abschließender Beurteilung des Falles berechtigt. Für ihn gibt es keine Auflagen und keine Beschränkungen, wie es für eine rechtskräftige Verurteilung durch eine Synode der Fall ist. Das bedeutet, der Papst kann jederzeit jeden Bischof entmachten, absetzen, verurteilen, ohne dass dem Betroffenen eine Möglichkeit zur Revision oder Appellation bleibt. Diese Folge ist in den falschen Dekretalen impliziert, sie wird aber an keiner Stelle ausdrücklich so ausgeführt. Nur eingeschränkt ist deshalb Fuhrmann zuzustimmen, der die päpstlichen Rechte durch die falschen Dekretalen nur insoweit betont w ­ issen wollte, „als sie den Suffraganbischöfen nutzen“19. Einerseits bietet der Papst den B ­ ischöfen Schutz gegen Anfeindungen von Laien und Metropoliten. Doch andererseits w ­ erden sie durch Pseudoisidor in ein sehr starkes, rechtlich bindendes und in keiner Weise durch eine andere Instanz kontrollierbares Abhängigkeitsverhältnis von Rom überstellt. Diese unweigerliche Folge der pseudoisidorischen Beschlüsse wird in der Forschung zumeist ausgeblendet, ebenso die Tatsache, dass Pseudoisidor den Papst rechtlich unangreifbar macht. Zunächst wird die gesamte Jurisdiktion gegen Kleriker in die Hände der Kirche gelegt und den Laien entzogen. Gleichzeitig wird der Papst zum Haupt der Kirche erklärt, er ist den Bischöfen nicht ebenbürtig, sondern im Rang eindeutig überlegen. praedictam Romanam matrem appellaverint ecclesiam aut ab ea se audiri exposcerint, nullus eos aut excommunicare aut eorum sedes subripere aut eorum res auferre aut aliquam vim eis inferre praesumat, […]. 17 Vgl. Ps.-Athanasius an Felix  II., Kap. 4, ebd., S. 480. Einige falsche Päpste setzen in ihren Briefen abgesetzte Bischöfe wieder ein, so z. B. Ps.-Sixtus  II., JK † 133, Kap. 7, ebd., S. 192; Ps.-Julius, JK † 195, Kap. 8, ebd., S. 460; Ps.-Felix  II., JK † 230, Kap. 12/xix, ebd., S. 488; Ps.-Damasus, JK † 242, Kap. 7, ebd., S. 501. 18 Wobei es sich in den falschen Dekretalen fast immer so darstellt, dass die Bischöfe zu Unrecht verfolgt werden. Der Fall eines Bischofs, der zu Recht und aus guten Gründen abgesetzt wird, wird kaum thematisiert – die ungerechte Verfolgung und Absetzung unschuldiger Bischöfe jedoch zuhauf. 19 Fuhrmann: Einfluß, Bd. 1, S. 147.

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Kombiniert man dies mit dem beim falschen Julius I. an prominenter Stelle angeführten Satz, dass „auf keine Weise ein Höherer von einem Niedrigeren gerichtet werden kann“20, bleibt nur der Schluss, dass der Papst als oberste Instanz der ­Kirche von ­niemanden in irgendeiner Weise belangt werden kann. In allen wichtigen Kirchen­ dingen ist das Wort des Papstes Gesetz und steht im Zweifelsfall auch über den Beschlüssen der Synoden. Die Kirche wird von Pseudoisidor nach außen abgeriegelt. Es wird eine strenge Hierarchie festgelegt, die die Bischöfe eindeutig gegenüber allen anderen Instanzen bevorzugt, aber an die Spitze den apostolischen Stuhl setzt, dessen Macht auch die der Bischöfe eindrucksvoll in den Schatten stellt. Es ist dabei eine Vielzahl an Faktoren zu bedenken, die nicht nur die Wirkung des Gesamtkomplexes und seiner Verordnungen bezüglich Synoden und Episkopat betreffen, sondern auch die (Selbst-)Darstellung der vermeintlichen Verfasser der Dekretalen, der frühen Päpste.

2.1.3  Die falschen Dekretalen als Wegbereiter päpstlichen Selbstbewusstseins Die falschen Dekretalen benutzen eine begrenzte Auswahl an festen Begriffen, um die Autorität des römischen Bischofs zum Ausdruck zu bringen 21. Die Pseudo-Päpste verkörpern ein selbstbewusstes und autoritäres Papsttum. Sie fordern nicht nur die Jurisdiktionsgewalt für ihr Amt ein, sondern lassen darüber hinaus keinen Zweifel daran, dass ausschließlich dem römischen Bischof die Leitung der Kirche zusteht. Abgeleitet wird die Kompetenz aus der Übertragung der Schlüsselgewalt an Petrus durch Jesus Christus 22. Der apostolische Stuhl, der von den Nachfolgern Petri besetzt wird, ist mit den entsprechenden Kompetenzen ausgestattet und übernimmt so die Leitungsfunktion in der Kirche. Rom ist das Haupt (caput) der Kirche, da auf diesen apostolischen Stuhl die Petrus von Gott verliehene Autorität übergegangen sei 23. Die Macht des Primats wird dabei auf Gott selbst zurückgeführt, wenn es beim falschen Papst Anaklet (ca. 76 – 88) heißt: „Aber diese hochheilige römische und apostolische 20 Ps.-Julius, JK † 195, Kap. 5, ed. Hinschius (Decretales), S. 459: […] nec ullo modo potest maior a minore iudicari. Vgl. Schatz: Primat, S. 95 f., zum Ursprung dieses Gedankens bei Gelasius und seiner Durchsetzung in den Symmachianischen Fälschungen. Vgl. dazu auch Wirbelauer: Päpste, insbes. S. 33. 21 Zur Benutzung der Eigenbezeichnung Papst (papa) durch die Pseudo-Päpste siehe S. 106 – 112 und Tabelle 4, S. 275 – 282. 22 Mt. 16, 18 – 19. Siehe S. 118 – 120. 23 Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 1, ed. Hinschius (Decretales), S. 223: Ipse [Petrus] enim caput est totius ecclesiae, […]. Eius enim sedes primitus apud vos fuit, quae postea iubente domino Romam translata est, cui adminiculante gratia divina hodierna praesidemus die. Nec ab eius dispositione vos deviare oportet […].

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Kirche hat nicht von den Aposteln, sondern vom Herrn selbst, unserem Heiland, die Führungsstelle übernommen […]“24. Als sei diese göttliche Machtbefugnis nicht ausreichend, fügt der Fälscher an einer späteren Stelle des gleichen Briefes zur Sicherheit an, dass die Apostel diese Übertragung der göttlichen Macht auf Petrus erkannt hätten: „Und sie selbst haben untereinander eben dieses selbst gewollt, dass er an der Spitze aller übrigen Apostel stehen solle, und […] auch die erste Stelle im Apostolat inne haben solle“25. In dieser Vorrangstellung Roms liegt auch die in den falschen Briefen ­viel­beschworene Zuständigkeit für die wichtigen Angelegenheiten (causae maiores) der Kirche begründet. Der apostolische Stuhl habe die Pflicht, dafür zu sorgen, dass niemand vom rechten Wege abkomme, so heißt es im falschen Brief von Papst Melchiades (310 – 314)26. Der Papst, so liest man in immer neuen Variationen, wache über die Einhaltung des kirchlichen Rechts 27, er besitze die Autorität, die Kirche zu lenken und Irrlehren zu korrigieren 28. Der Papst wird als Verteidiger des christlichen Glaubens dargestellt 29. Der Primat erstreckt sich somit auf Jurisdiktion und christliche Lehre gleichermaßen. Dabei verweist Pseudo-Felix I. (269 – 274) auf die unumstößliche Autorität, die päpstliche Beschlüsse besäßen 30, und verleiht damit dem gesamten Komplex der falschen Dekretalen zusätzliches Gewicht. Eines der Bilder, das vom Fälscher am häufigsten heraufbeschworen wird, sieht die römische Kirche als Mutter (mater), die vor allem den Bedrängten und Verfolgten schützend zur Seite steht. Gleichzeitig wird sie als Instanz dargestellt, von deren Vorschriften nicht abgewichen werden darf. Das Mutterbild wird dabei mehrfach mit

24 Ps.-Anaklet, JK † 4, Kap. 30, ebd., S. 83: Haec vero sacrosancta Romana et apostolica ecclesia non ab apostolis, sed ab ipso domino salvatore nostro primatum obtinuit, […]. Mt. 16, 18 – 19, schließt Pseudoisidor folgerichtig daran an. 25 Ps.-Anaklet, JK † 4, Kap. 33, ed. Hinschius (Decretales), S. 83: Et licet omnes essent apostoli, Petro tamen a domino est concessum, et ipsi inter se idipsum voluerunt, ut reliquis omnibus praeesset apostolis, et cephas, id est caput, et principium teneret apostolatus. 26 Ps.-Melchiades, JK † 171, Kap. 3, ebd., S. 243: […] sed semper causae maiores, sicut sunt episcoporum et potiorum curae negotiorum ad unam beati principis apostolorum Petri sedem confluerent, ut inde suscipiant finem iudiciorum, unde acceperunt initium institutionum, ne quandoque a suo discreparent capite. 27 Z. B. Ps.-Sixtus II., JK † 133, Kap. 8, ebd., S. 193: […] quoniam convenit nos paternarum sanctionum diligentes esse custodes. 28 Z. B. Ps.-Dionysius, JK † 139, Kap. 2, ebd., S. 195: […] ut habeamus auctoritatem universali ecclesiae auxiliante domino subvenire et, quicquid nocivum est, auctoritate apostolica corrigere et emendare. Vgl. auch Ps.-Bonifaz, JK † 883, ebd., S. 703. 29 Ps.-Liber., JK † 222, ebd., S. 476: […] ut habeamus auctoritatem pro universali ecclesia ad rectam defendendam fidem, […]. 30 Ps.-Felix I., JK † 143, Kap. 16, ebd., S. 204.

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der Vorstellung von Rom als Haupt der Kirche verbunden 31. Neben der konkreten Aufgabe der römischen Kirche als mater et caput wird ihr in einem verfälschten Brief von Papst Vigilius (537 – 555) zusätzlich eine Ordnungsfunktion als „Mutter priesterlicher Würde und Lehrerin kirchlicher Einsicht“ zugewiesen 32, sodass der doppelte Charakter des römischen Primats in Lehre und Jurisdiktion erneut betont wird. Die falschen Dekretalen heben mit diesen Bildern die Position des römischen Bischofs an der Spitze der Kirche immer wieder hervor. Das mag auf der einen Seite sehr plakativ und uninspiriert wirken, andererseits verfehlt die ständige Wiederholung keineswegs ihre Wirkung. Ein Leser der Dekretalen muss bei den Schlagworten mater oder caput unweigerlich eine Assoziation mit dem Papst herstellen. Die literarische Qualität der Fälschung mag in diesem Fall begrenzt sein, der rhetorische Nutzen dieses Stilmittels wiegt dabei ungleich stärker und ist Teil einer Strategie der Überredung 33. Die stilistische Ausgestaltung der falschen Dekretalen gehört zu den folgen­ schwersten Aspekten ihrer Konstruktion, wirkte dieser neue, vermeintlich wieder­ entdeckte Dekretalenstil doch als Vorbild für spätere Päpste und Bischöfe. Megan McLaughlin hat darauf hingewiesen, dass die falschen Dekretalen das Vokabular zur Beschreibung der Beziehung zwischen Kirche, Klerikern und Gläubigen nachhaltig beeinflussten und dadurch auch Impulse für gesellschaftspolitische Veränderungen setzten 34. In ähnlicher Weise wirkte die Fälschung auch auf die Formulierung der päpstlichen Autorität in den Dekretalen der Päpste seit dem mittleren 9. Jahrhundert ein. Es genügt ein kurzer Blick in einige echte Papstbriefe, um zu erkennen, dass die falschen Dekretalen das zentrale Vokabular päpstlicher Dekretalen stark beein­flussten. Das bei Pseudoisidor zentrale Schlagwort caput ist der Korrespondenz Innozenz’ I. entlehnt 35, wurde aber von wichtigen vor-pseudoisidorischen Päpsten der Karolinger­ zeit, wie Paul I. (757 – 767), Hadrian I. (772 – 795) und Leo  III. (795 – 816), kaum verwendet 36. Ab der Mitte des 9. Jahrhunderts, also seit dem Erscheinen der pseudoi 31 Bezüglich Rom als Mutter (mater) vgl. Ps.-Zepherin, JK † 80, Kap. 6, ebd., S. 132; Ps.-­Sixtus II., JK † 133, Kap. 2, ebd., S. 190; Ps.-Athanasius an Felix  II., Kap. 1, ebd., S. 479; Ps.-Felix  II., JK † 230, Kap. 12/xx, ebd., S. 488; Ps.-Marcus, JK † 181, Kap. 2, ebd., S. 454. Für eine Verbindung von römischer Kirche als Mutter und Haupt vgl. Ps.-Athanasius an Marcus, ebd., S. 452; Ps.-Julius, JK † 195, Kap. 6, ebd., S. 459. 32 Vigilius, JK 907, Kap. 7, ebd., S. 712: […] sedes sacerdotalis mater sit dignitatis atque ecclesiasticae magistra rationis. 33 Dies trifft auch auf andere wichtige Sachverhalte zu, in erster Linie die Rechte der Bischöfe im Prozess. Zur persuasiven Technik der Wiederholung bei Pseudoisidor zuletzt ZechielEckes: Exegese, S. 123 und besonders S. 135 – 137; vgl. auch ders.: Exterminator, S. 173 f. 34 McLaughlin: Sex, darin insbes. S. 8, 57 f., 65 f., 137 – 141 und 146. 35 Siehe S. 25 f. 36 Der Begriff findet sich einmal in der Korrespondenz Pauls I., vgl. Codex Carolinus, Ep. 37, JE 2364, ed. Gundlach (MGH Epp. 3), S. 549, Z. 6. Bei Hadrian I. taucht das Schlagwort

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sidorischen Dekretalen, taucht der Begriff jedoch häufiger in päpstlichen Dekretalen auf. In der Korrespondenz Nikolaus’ I. (858 – 867) ist er mindestens 30-mal belegt 37 und somit ein prominenter Ausdruck, Ähnliches gilt für die Briefe Johannes’ VIII. (872 – 882), wo das Schlagwort immerhin 27-mal fällt 38. Eine ähnliche Tendenz lässt sich für den Gebrauch des pseudoisidorischen Schlagwortes mater feststellen 39. Mit aller Vorsicht, die ein solcher, rein quantitativer Befund gebietet, gilt es daher festzustellen, dass Pseudoisidor den Diskurs um die apostolische Autorität auch in semantischer Hinsicht beeinflusste 40. immerhin sechs Mal auf, vgl. Epistolae selectae, Ep. 1, ed. Hampe (MGH Epp. 5), S. 3, Z. 17, und S. 4, Z. 7; Ep. 2, ebd., S. 57, Z. 14; Codex Carolinus, Ep. 49, JE 2408, ed. Gundlach (MGH Epp. 3), S. 569, Z. 11; Ep. 72, JE 2440, ebd., S. 602, Z. 30; Ep. 92, JE 2476, ebd., S. 629, Z. 25; Ep. 95, JE 2479, ebd., S. 641, Z. 35. Leo III. scheint es nur einmal verwendet zu haben, Epistolae selectae, Ep. 4, ebd., S. 60, Z. 10. Die Päpste während der Herrschaftszeit Ludwigs des Frommen haben diesen Ausdruck scheinbar nicht verwendet. 37 Nikolaus I., Epistolae, ed. Perels (MGH Epp. 6), S. 296, Z. 24; S. 306, Z. 34; S. 347, Z. 8 und 15; S. 365, Z. 15; S. 393, Z. 10, 12 f.; S. 398, Z. 11; S. 399, Z. 35; S. 443, Z. 6; S. 447, Z. 33; S. 448, Z. 2; S. 452, Z. 15; S. 468, Z. 30; S. 479, Z. 2; S. 488, Z. 39; S. 497, Z. 33; S. 502, Z. 1; S. 524, Z. 3 f.; S. 531, Z. 26; S. 550, Z. 13; S. 563, Z. 29; S. 588, Z. 19 und 22; S. 591, Z. 2 f. und 13; S. 593, Z. 1; S. 595, Z. 27; S. 611, Z. 25; S. 637, Z. 26. Der Begriff ist dagegen noch selten bei Leo IV., vgl. Epistolae selectae, Ep. 37, ed. Hampe (MGH Epp. 5), S. 606; Ep. 41, ebd., S. 607; Ep. 46, ebd., S. 609. 38 Johannes VIII., Epistolae, ed. Caspar (MGH Epp. 7), S. 3, Z. 9; S. 17, Z. 35; S. 24, Z. 27; S. 27, Z. 37; S. 31, Z. 13; S. 32, Z. 3 und 5; S. 33, Z. 3; S. 46, Z. 1; S. 52, Z. 2; S. 69, Z. 9; S. 74, Z. 25; S. 79, Z. 33; S. 82, Z. 36; S. 105, Z. 33; S. 146, Z. 23; S. 153, Z. 22; S. 154, Z. 4; S. 157, Z. 9; S. 159, Z. 12 und 19; S. 163, Z. 23; S. 165, Z. 21; S. 167a, Z. 36; S. 267, Z. 4; S. 269, Z. 18; S. 322, Z. 43. 39 Das Bild ist hier jedoch weniger eindeutig. Bereits Hadrian I. benutzte mater häufiger, wenn er von der römischen Kirche sprach, wie seine Vorgänger Stephan II. und Paul I. jedoch fast ausschließlich in der Intitulatio. Vgl. für Hadrian I. Codex Carolinus, ed. Gundlach (MGH Epp. 3), S. 568, Z. 27; S. 569, Z. 10; S. 573, Z. 32; S. 575, Z. 15; S. 577, Z. 10; S. 578, Z. 10; S. 597, Z. 23; S. 603, Z. 5; S. 608, Z. 30. Vgl. für Stephan II. ebd., S. 488, Z. 3; S. 502, Z. 38; S. 504, Z. 16, sowie für Paul I. ebd., S. 519, Z. 27; S. 538, Z. 16; S. 540, Z. 15; S. 550, Z. 20; S. 557, Z. 12. Dagegen spricht Leo III. nur einmal von Rom als Mutter, vgl. Leo III., Epistolae, ed. Hampe (MGH Epp. 5), S. 32. Ebenfalls nur einmal fällt der Begriff bei Leo IV., ebd., S. 603, Z. 35. Nikolaus I. setzte ihn zurückhaltend ein, vgl. ed. Perels (MGH Epp. 6), S. 302, Z. 12; S. 305, Z. 23; S. 382, Z. 31; S. 389, Z. 11; S. 597, Z. 8. Erstaunliche zwölf Mal fällt der Begriff hingegen bei Johannes VIII., Epistolae, ed. Caspar (MGH Epp. 7), S. 20, Z. 13; S. 31, Z. 16 und 26; S. 32, Z. 2; S. 35, Z. 27; S. 74, S. 25; S. 82, Z. 16; S. 101, Z. 18; S. 104, Z. 4; S. 137, Z. 2; S. 245, Z. 9; S. 263, Z. 32. 40 Eine systematische semantische Analyse zur apostolischen Autorität im Mittelalter fehlt, vgl. jedoch McLaughlin: Sex, insbes. S. 132 – 155, 200 – 203 und 212 – 218. Ein von McLaughlin identifizierter zentraler Begriff für die römische Kirche, Lehrmeisterin (magistra), kommt

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Der Papst in den pseudoisidorischen Dekretalen

2.2  Formale Überhöhung päpstlicher Gewalt Die pseudoisidorischen Dekretalen wirkten nicht nur inhaltlich, sondern bezogen einen großen Teil ihres Erfolgs auch aus ihrer Form. Sie stellten die im 9. Jahrhundert etablierten kirchenrechtlichen Verhältnisse auf den Kopf. Bis zur Veröffentlichung der falschen Papstbriefe hatten die Kanones in den vorhandenen Kirchenrechtssammlungen nicht an Zahl, jedoch an Umfang deutlich mehr Raum eingenommen als die Quellengruppe der päpstlichen Dekretalen. Durch die „neuen“ Papstbriefe des falschen Isidor verkehrte sich dieses Verhältnis ins Gegenteil 41. Bereits durch diese quantitative Verfälschung der Überlieferung wurde den Dekretalen als Dokumenten kirchlicher Rechtssetzung mehr Geltung verliehen. Überdies wurde durch die Sammlung die Existenz dieser bestimmten päpstlichen Briefform für die frühe Kirche ebenso fälschlich behauptet wie eine rechtsetzende Autorität der römischen Bischöfe in dieser Zeit 42. Daneben entwarf Pseudoisidor mit dem ersten Teil seiner Sammlung eine völlig neue Chronologie in der Entwicklung des kirchlichen Rechts. Die 60 falschen Briefe der ersten 30 Bischöfe von Rom von Anaklet (ca. 79 – 88) bis Melchiades (310 – 314) waren nicht, wie die wenigen bis dahin bekannten Zeugnisse dieser Zeit, christliche Privatbriefe, sondern echte Dekretalen im Stile eines Innozenz oder Leo 43. Darüber hinaus fanden sich in diesen frühen Dekretalen bereits die zentralen Aussagen der – als höchste kirchenrechtliche Autorität geltenden – ersten ökumenischen Konzile von Nicäa (325), Konstantinopel (381), Ephesus (431) und Chalkedon (451). In der historischen Logik der pseudoisidorischen Sammlung zitierten diese Synoden aber lediglich die älteren, von den römischen Bischöfen festgelegten Grundsätze. Dadurch wurden die Kirchenversammlungen und ihre Beschlüsse gegenüber den Päpsten und der von ihnen verfassten Dekretalengesetzgebung zurückgesetzt. Dies spiegelt sich auch in der Position wider, welche die Konzilien innerhalb der Sammlung ein­nehmen. Sie stehen, anders als in der Hispana, nicht am Anfang der Sammlung, sondern sind eingerahmt vom Dekretalenrecht, wodurch dieses formal einen größeren Stellenwert erhält 44. Neben dieser Umschreibung der Kirchenrechtsgeschichte bemühte sich Pseudoisidor um größtmögliche historische Authentizität bei der Konstruktion seiner Fälschungen. bei Pseudoisidor in diesem Sinne nur zweimal vor, vgl. Ps.-Julius, JK † 195, Kap. 7, ed. Hinschius (Decretales), S. 460, und Ps.-Vigilius, JK 907, Kap. 7, ebd., S. 712. 41 Vgl. Hartmann: Primat, S. 39 (Anm. 1 und 2 schlüsseln das Verhältnis zwischen Synodalbeschlüssen und Dekretalen auf ). 42 Vgl. Landau: Recht, S. 13 f. 43 Siehe S. 25 – 28. 44 Vgl. Sieben: Pseudoisidor, S. 514 f.

Formale Überhöhung päpstlicher Gewalt

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Die Namen und die Reihenfolge der römischen Bischöfe entnahm der Fälscher den Biografien im Liber Pontificalis, der zu den wichtigsten Quellen der pseudo­ isidorischen Sammlung gehört. Über diese frühesten Nachfolger des Petrus war im 9. Jahrhundert kaum etwas bekannt, gleichwohl galten viele von ihnen als Märtyrer. Pseudoisidor verlieh seiner Fälschung durch diese größtmögliche Autorität. R ­ osamond McKitterick wies auf die Methode karolingischer Autoren hin, ihren Inhalten dadurch größeres Gewicht zu verleihen, dass sie sich auf ihnen vorausgehende Aussagen anderer beriefen: „The methods of working of Carolingian authors show them to have worked through the medium of authority. The more their wisdom rested on the w ­ isdom of others, the greater its power“45. Man könnte sagen, Pseudoisidor habe dieses Prinzip auf die Spitze getrieben, indem er seine Worte den Nachfolgern Petri als den ­höchsten fassbaren irdischen Autoritäten der Kirche in den Mund legte. Während die Auswahl der vermeintlichen Verfasser der falschen Dekretalen vom ausgeprägten historischen Bewusstsein des Fälschers zeugt, so beweist die formale Gestaltung der Schreiben Pseudo­isidors Geschick. Im Protokoll der Briefe variiert der Fälscher die Reihenfolge von Intitulatio und Inscriptio. Die frühesten Märtyrerpäpste verzichten jedoch auf eine aufwendige Intitulatio. Dem Namen des jeweiligen Inhabers des apostolischen Stuhls wird zumeist der schlichte Titel „Bischof “, teils mit kurzen Zusätzen, beigegeben 46. Im ersten Teil der pseudoisidorischen ­Sammlung gibt es von diesem Schema nur wenige Abweichungen. Nur bei Pseudo-Anaklet (ca. 79 – 88) verwendet der Fälscher zusätzlich eine Devotionsformel 47. Pseudo-­ Viginius (ca. 136 – 140)48 und Pseudo-Sother (166 – 175)49 verwenden in der Intitulatio die Bezeichnung papa. Dieser aus dem Griechischen stammende Titel wurde im Frankenreich des 9. Jahrhunderts vornehmlich dem Papst zugewiesen. Er ist aber auch als generelle Bezeichnung für Bischöfe, Äbte oder Patriarchen belegt. Für den 45 Vgl. McKitterick: History and Memory, S. 242 – 244 (Zitat ebd., S. 242). 46 Meist episcopus, archiepiscopus oder urbis Romae (bzw. Romanae urbis) (archi)episcopus und ab Ps.-Pius (JK † 43) vermehrt auch apostolicae sedis (archi)episcopus. Aber auch Romanae ecclesiae praesul (Ps.-Clemens, JK † 11, ed. Hinschius (Decretales), S. 46); universalis apostolicae ecclesiae episcopus (Ps.-Sixtus I., JK † 32, ebd., S. 108; Ps.-Viktor, JK † 74, ebd., S. 127); sanctae et universalis ecclesiae episcopus (Ps.-Pontianus, JK † 89, ebd., S. 148); sanctae apostolicae et universalis Romanae ecclesiae episcopus (Ps.-Stephan, JK † 131, ebd., S. 183); episcopus sanctae (ecclesiae) catholicae urbis Romae (Ps.-Marcellinus, JK † 158, ebd., S. 218; Ps.-Marcellus, JK † 161, ebd., S. 226); Romanae et apostolicae ecclesiae episcopus (Ps.-Euseb., JK † 164, ebd., S. 233). Siehe Tabelle 4 für die Adressen der falschen Dekretalen mit Intitulatio und Inscriptio. 47 Ps.-Anaklet, JK † 2, ed. Hinschius (Decretales), S. 66: Anacletus servus Christi Iesu in sede apostolica domino […]; ders., JK † 4, ebd., S. 81: Anacletus servus Christi Iesu, in apostolica sede a domino constitutus et a sancto Petro apostolorum […]. 48 Ps.-Viginius, JK † 36, ebd., S. 115. 49 Ps.-Sother, JK † 61, ebd., S. 124.

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Der Papst in den pseudoisidorischen Dekretalen

Bischof von Rom ist er erst im 4. Jahrhundert bezeugt 50. Da der Titel in den ersten 60 falschen Dekretalen nur zweimal verwendet wurde, liegt die Folgerung nahe, dass sich die Fälscher der Ambivalenz des Begriffes durchaus bewusst waren. Diese Einschätzung unterstreicht auch die Benutzung dieses Titels in den wenigen an die Päpste gerichteten fiktiven Schreiben einzelner Bischöfe im dritten Teil der S­ ammlung. Die darin enthaltenen Inscriptiones stehen im Gegensatz zu den überwiegend s­ chlichten Intitulationes der ersten 30 Pseudo-Päpste. In den falschen Athanasius-Briefen überschlägt sich der Bischof von Alexandrien (328 – 373) geradezu mit ausführlichsten Devotionsbekundungen gegenüber den römischen Bischöfen 51. Die zu Pseudo-­Julius (337 – 352) in Opposition stehende Gruppe um den Bischof Eusebius von N ­ ikomedia († 341) verwendet zwar eine längere, durchaus ehrerbietig scheinende Inscriptio, verzichtet aber auf den Titel papa, der in allen drei Schreiben des falschen Bischofs Athanasius benutzt wurde 52. Pseudoisidor trägt durch diese bewusste Auslassung des Ehrentitels dem Konflikt zwischen Papst und Bischöfen schon in der I­ nscriptio Rechnung und unterstützt so auch formal seine geschichtliche Fiktion. Der vermeintliche Erzbischof Stephanus von Mauretanien hingegen zeigt sich gegenüber Pseudo-Damasus (366 – 384) ähnlich devot wie zuvor Athanasius und benutzt auch die Bezeichnung papa wieder 53. In dem kurzen Schreiben des Bischofs Amator an Pseudo-Silverius (536 – 537) verzichtet der Fälscher hingegen wieder auf den Titel 54. Auch in diesem Fall trägt Pseudoisidor der konkreten historischen Situation seiner Fiktion Rechnung. Das Schreiben des Bischofs richtet sich nämlich an Silverius, nachdem dieser bereits abgesetzt und ins Exil getrieben worden war, und bringt das Entsetzen des Bischofs Amator über diesen Vorgang zum Ausdruck. Es ist hier also kein Mangel an Ehr­ erbietung, der durch die Auslassung des Titels ausgedrückt wird, sondern die An­erkennung der kirchenpolitischen Realität, in der diese Bezeichnung nur noch 50 Wahrscheinlich für Papst Liberius (352 – 366), vgl. Duchesne: Liber Pontificalis 1, S. 209 f. (Anm. 19); Borgolte: Petrusnachfolge, S. 39 f. (mit Anm. 14); Hack: Codex Carolinus, S. 106 f. Zur historischen Entwicklung des Titels papa als Bezeichnung für den Bischof von Rom vgl. Schützeichel: Titel. 51 Besonders ehrerbietig: Ps.-Athanasius an Ps.-Marcus, ed. Hinschius (Decretales), S. 451: Domino sancto et apostolici culminis venerando Marco sanctae Romanae et apostolicae sedis atque universalis ecclesiae papae […]. Vergleichsweise schlicht: ders. an Ps.-Liberius, ebd., S. 474: Domino beatissimo et honorabili sancto patri Liberio papae […]. Etwas ausführlicher: ders. an Ps.-Felix II., ebd., S. 478: Domino ter beatissimo et honorabili sancto patri Felici ­sanctae sedis apostolicae urbis Romae papae […]. 52 Ps.-Eusebius (u. a.) an Ps.-Julius, ebd., S. 462. 53 Ps.-Stephan an Ps.-Damasus, ebd., S. 501: Domino beatissimo et apostolico culmine sublimato sancto patri patrum Damaso papae […]. 54 Ps.-Amator an Silverius, ebd., S. 708: Beatissimo Silverio Amator episcopus.

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dem tatsächlichen Amtsinhaber auf dem apostolischen Stuhl, Silverius’ Nach­folger Vigilius (537 – 555), zustand 55. Die Pseudo-Päpste im dritten Teil der pseudoisidorischen Dekretalen benutzen im Wesentlichen die gleichen Formulierungen für ihre Inscriptiones, die auch schon in den Schreiben von Pseudo-Anaklet bis Pseudo-Melchiades (310 – 314) gepflegt wurden. Am häufigsten wird dabei der einfache Titel „Bischof “ (episcopus) verwendet oder die Pseudo-Päpste verzichten auf ergänzende Angaben. Dabei fällt auf, dass nur in den Briefen bis zu Pseudo-Damasus längere oder besondere Namenszusätze gepflegt werden. Die Pseudo-Päpste nach Damasus verzichten vollständig darauf. Die Selbstbezeichnung papa wird dabei in je einem Brief von Pseudo-Julius, Pseudo-Liberius (352 – 366) und Pseudo-Felix II. (355 – 365) verwendet 56. Bei Pseudo-Damasus taucht darüber hinaus die Devotionsformel „Diener der Diener Gottes“ (servus servorum dei) auf 57. Diese wurde seit Gregor dem Großen (590 – 604) in der päpstlichen Intitu­ latio verwendet und erfreute sich im späten 8. und früheren 9. Jahrhundert bei den Päpsten größter Beliebtheit 58. In einer Damasus-Dekretale stellt diese Formulierung jedoch einen kaum zu übersehenden Anachronismus und einen für Pseudoisidor ungewöhnlich offensichtlichen Fauxpas dar. Historisch korrekt benutzte der Fälscher die Formel jedoch bei einem nachträglich der Fälschung hinzugefügten falschen Brief Gregors I. an Bischof Felix von Messina 59. Insgesamt muss festgestellt werden, dass Pseudoisidor sich bemühte, jede Intitulatio der historischen Fiktion seiner Fälschung anzupassen, was ihm überzeugend gelang. Die Namenszusätze um den Titel episcopus wurden dabei immer wieder leicht variiert. Lediglich am Ende seiner Sammlung gibt es einen Bruch. Hier scheint der Fälscher die Geduld bei der Konstruktion der individuellen Intitulationes verloren zu haben. Noch aufwendiger als die Formulierung der Intitulatio war derjenige Teil des Proto­kolls der falschen Dekretalen, welcher die Inscriptio beinhaltete. Rudolf S­ chieffer hat darauf hingewiesen, dass Pseudoisidor viel Sorgfalt auf die Platzierung ge­eigneter Empfänger für seine falschen Dekretalen verwendet hat 60. Die Mehrzahl der 55 Vgl. Caspar: Geschichte 2, S. 230 – 286, zu den schwierigen Pontifikaten des Silverius und Vigilius. 56 Ps.-Julius, JK † 194, ed. Hinschius (Decretales), S. 454; Ps.-Liberius, JK † 222, ebd., S. 494; Ps.-Felix II., JK † 231, ebd., S. 491. 57 Ps.-Damasus, JK † 243, ebd., S. 502. Vgl. dazu Schmitz: Devotionsformeln, S. 120 – 139; Levison: Vorgeschichte. 58 So enthalten z. B. die Briefe Leos  III. an Karl den Großen eine entsprechende Intitulatio, vgl. Leo  III., Epistolae, ed. Hampe (MGH Epp. 5), S. 85 – 104; Hack: Codex Carolinus, S. 108. 59 Ps.-Gregor I., JE † 1334, ed. Hinschius (Decretales), S. 749 – 753. Vgl. zu diesem Briefwechsel zuletzt Ubl: Inzestverbot, S. 337 – 340. 60 Schieffer: Adressaten.

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Der Papst in den pseudoisidorischen Dekretalen

Fälschungen richtet sich an Sammeladressen. Dies gilt vor allem für den ersten Teil der pseudoisidorischen Sammlung, der zu zwei Dritteln aus solchen Inscriptiones besteht, was möglicherweise aus dem Mangel an verfügbaren historischen Quellen über diese Zeit resultierte, aus denen der Fälscher konkrete Adressaten hätte ent­nehmen können. Immerhin für zwanzig falsche Briefe im ersten Teil der Sammlung und für etwa die Hälfte der falschen Briefe im dritten Teil hat Pseudoisidor die Empfänger namentlich benannt. Die Einzeladressen der pseudoisidorischen Dekretalen gehen in der Mehrzahl auf Anregungen zurück, die der Fälscher der Historia Tripartita des Cassiodor und dem Liber Pontificalis entnahm 61. Fast alle entsprechenden Schreiben richten sich an Bischöfe. Lediglich fünf Schreiben der pseudoisidorischen Sammlung haben einen Laien als Adressaten 62. Von den ersten 60 falschen Dekretalen sind 17 an den Klerus im Allgemeinen gerichtet 63. Weitere 17 allgemein adressierte Briefe ergingen in den Westen: sieben an die Bischöfe Italiens 64, weitere fünf an die Geistlichen der gallischen Provinzen 65, vier an den spanischen Klerus 66, und ein Schreiben wurde an den gallischen und den spanischen Episkopat adressiert 67. Die Kirchen des Ostens wurden ebenfalls bemüht: Zwei Briefe richten sich an die orientalischen Bischöfe im Allgemeinen 68, drei an die Bischöfe Ägyptens 69, zwei an die Bischöfe Afrikas 70, je einer an die Athener 71 sowie

61 Vgl. ebd. und siehe auch Tabelle 4, S. 275 – 282. 62 Ps.-Pontianus, JK † 88; Ps.-Dionysius, JK † 138; Ps.-Marcellus, JK † 161; Ps.-Anastasius, JK † 278; Ps.-Felix IV., JK † 879. 63 Ps.-Clemens I., JK † 12; Ps.-Anaklet, JK † 2 und 4; Ps.-Alexander, JK † 24, 25 und 26; Ps.-Sixtus I., JK † 31 und 32; Ps.-Telsphorus, JK † 34; Ps.-Viginius, JK † 35; Ps.-Pius, JK † 43; Ps.-Sother, JK † 60; Ps.-Urban, JK † 87; Ps.-Pontianus, JK † 89; Ps.-Fabian, JK † 92; Ps.-Cornelius, JK † 114; Ps.-Stephan, JK † 130. 64 Ps.-Anaklet, JK † 3; Ps.-Pius, JK † 44; Ps.-Sother, JK † 61; Ps.-Zepherin, JK † 80 (an die Bischöfe Siziliens); Ps.-Felix, JK † 142 (an die Geistlichen in Paternum); Ps.-Euticianus, JK † 146 (an die Bischöfe Siziliens); Ps.-Eusebius, JK † 165 (an die Bischöfe Tusziens und der Campagna Romana). 65 Ps.-Anicetus, JK † 57; Ps.-Eleutherus, JK † 68; Ps.-Calixt, JK † 86; Ps.-Felix, JK † 143; Ps.-Eusebius, JK † 163. 66 Ps.-Anterus, JK † 90; Ps.-Sixtus II., JK † 132; Ps.-Euticianus, JK † 145 (an Bischof Johannes und die Geistlichen von Betica); Ps.-Melchiades, JK † 171. 67 Ps.-Lucius, JK † 123. 68 Ps.-Fabian, JK † 93; Ps.-Marcellinus, JK † 159. 69 Ps.-Evaristus, JK † 21; Ps.-Zepherin, JK † 81; Ps.-Eusebius, JK † 164 (an die Geistlichen Antiochiens und Ägyptens). 70 Ps.-Evaristus, JK † 20; Ps.-Viktor, JK † 75. 71 Ps.-Viginius, JK † 36. Vgl. dazu Schieffer: Adressaten, S. 44.

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die Bischöfe Antiochiens 72 und Alexandriens 73. Im dritten Teil der Sammlung gibt es weniger Sammeladressen und mehr individuelle Empfänger. In sechs Fällen wurde sogar eine bischöfliche Anfrage beziehungsweise Erwiderung entwickelt, sodass der Fälscher seine falschen Päpste und ihre Adressaten in einen Dialog treten ließ 74. Die restlichen Schreiben teilen sich wie folgt auf: Fünf richten sich an den Klerus im Allgemeinen 75, drei an die orientalischen Bischöfe 76, zwei an den italienischen E ­ piskopat  77, je einer an die Bischöfe Germaniens und Burgunds 78 beziehungsweise Germaniens und Galliens 79, und drei Schreiben ergingen an verschiedene Synoden 80. Es wäre jedoch ein Irrtum, anzunehmen, dass der Gehalt eines Schreibens von einem namentlich genannten Empfänger abhinge. Im Gegenteil, Pseudoisidor machte sich die generalisierenden Adressen auch inhaltlich zunutze. Die echten frühen Päpste forderten die Anerkennung ihrer Autorität besonders von den ihnen direkt unterstellten Bischöfen. Gegenüber den Diözesen im Orient traten sie eher freundschaftlich als herrschaftlich auf. Pseudoisidor jedoch macht ­keinen Unterschied zwischen Bischöfen in Nah und Fern. Die römische Autorität wird unabhängig vom Adressaten ausgedrückt 81. Im Gegensatz zu den echten D ­ ekretalen der früheren Päpste zeichnen sich in den falschen Briefen der Pseudo-Päpste deutlich gesteigerte Machtansprüche innerhalb der kirchlichen Hierarchie ab. Auch Leo I. (440 – 461) hatte sich die Freiheit genommen, in seinen echten Schreiben selbst­ bewusst die römischen Autoritätsansprüche zu vertreten, die angeschriebenen ­Kleriker zu verbessern und zu ermahnen. Er tat dies aber vor allem gegenüber denjenigen

72 Ps.-Marcellus, JK † 160. 73 Ps.-Eusebius, JK † 164 (an die Geistlichen Antiochiens und Ägyptens). 74 Drei Briefe wurden auf den Namen des Athanasius von Alexandrien (328 – 373) gefälscht (an die Päpste Marcus, Liberius und Felix II.), einer auf die Bischöfe Eusebius von Nikomedia († 341), Theoginus von Nicäa († vor 342), Theodor von Heraclea († 355) und einen fiktiven Bischof Berintus an Papst Julius I., siehe zu Letzterem Tabelle 4, S. 279 f. (mit Anm. 19). Ein weiterer Brief erging im Namen des Erzbischofs Stephanus (von Mauretanien?) an Papst Damasus und einer von Bischof Amator an Papst Silverius. 75 Ps.-Liberius, JK † 224; Ps.-Felix II., JK † 231; Ps.-Damasus, JK † 244; Ps.-Felix IV., JK † 878; Ps.-Pelagius II., JK † 1050. 76 Ps.-Julius, JK † 195 und 196 (an Eusebius, Teogninus, Theodorus, Berinthus und die weiteren orientalischen Bischöfe); Ps.-Sixtus III., JK † 397. 77 Ps.-Damasus, JK † 245; Ps.-Johannes, JK † 873. 78 Ps.-Anastasius, JK † 277. 79 Ps.-Johannes III., JK † 1042. 80 Ps.-Julius, JK † 194 (an die römische Synode); Ps.-Damasus, JK † 243 (an Erzbischof Stephanus und drei afrikanische Konzile); Ps.-Pelagius II., JK † 1051 (an das Konzil von Konstantinopel und den dortigen Bischof Johannes IV.). 81 Vgl. dazu Hartmann: Primat, S. 28 f. (Anm. 2).

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Der Papst in den pseudoisidorischen Dekretalen

Bischöfen, die sich in seinem direkten Einflussbereich befanden 82. Dies unter­scheidet sein Vor­gehen von dem der falschen Päpste Pseudo­isidors. So wird beispielsweise eine ­Passage eines echten Leo-Briefes an die Bischöfe Siziliens in einen gefälschten Brief des Papstes Julius I. (337 – 352) an die orientalischen Bischöfe übertragen. Darin erklärt der Papst, die Bischöfe hätten sich an die römische Kirche als Lehrerin ­halten sollen, um sich vor der Sünde zu schützen, die römische Tradition zu übertreten. Es ist ein kaum verschleierter Befehl, den Pseudo-Julius an die Bischöfe des Orients entsendet: Die römische Tradition ist in allem einzuhalten 83. Was Leo I. an ihm geo­ grafisch und kirchen­politisch vergleichsweise nahestehende Bischöfe schrieb, über­ liefert Pseudoisidor als Anweisung Roms an die Ostkirche. Dies entsprach weder den kirchenpolitischen Realitäten des 4. noch denen des 9. Jahrhunderts. Ähnlich bedient sich auch Pseudo-Damasus I. (366 – 384) in seinem Brief über die Chorbischöfe einer Leo-Passage aus einem Brief an einen kleinen Kreis bestimmter Bischöfe, um diese mit einem einfachen Satz als Aussage an alle Bischöfe zu verwandeln 84. Bereits durch eine solche „Umadressierung“ verfälschte Pseudoisidor die eigentliche Vorlage f­ ormal erheblich. Durch die Kombination von Absender, Adressat und Inhalt war es dem Fälscher gelungen, „die Geltung des römischen Brauchs in der ganzen Kirche“85 zu behaupten – was durchaus eine kleine kirchenrechtliche Revolution darstellte.

2.3  Der Papst als Haupt der Welt? Wie dargestellt wurde, steht neben den Bischöfen der Papst im Zentrum der pseudo­ isidorischen Dekretalen. Der Fälscher erweitert die päpstlichen Befugnisse, um den Episkopat vor Verfolgung und Exkommunikation zu schützen. Dadurch beschneidet er gleichzeitig die Rechte der Bischöfe selbst in großem Maße: Sie dürfen ohne päpstliche Autorität keine Synoden abhalten. Auch werden Synodalbeschlüsse ungültig, sollte der Papst sie nicht bestätigen. Aber damit nicht genug, die Bischöfe in den Synoden verlieren die Gerichtsbarkeit über Verfahren gegen Ihresgleichen und sind überhaupt 82 Z. B. Leo I., JK 402, Kap. 5, Migne PL 54, Sp. 614A-B: […] omnis decretalia constituta […] custodire debere mandamus […]. 83 Ps.-Julius, JK † 195, Kap. 8, ed. Hinschius (Decretales), S. 460: […] Quam culpam nullo modo potuissetis incidere, si, unde consecrationem honoris accipitis, inde legem totius observantiae sumeretis et beati apostoli Petri sedes, quae vobis sacerdotalis mater est dignitatis, esset ecclesiasticae magistrationis. Als Vorlage diente Leo I., JK 414, Migne PL 54, Sp. 696B. 84 Ps.-Damasus an alle orthodoxen Bischöfe, JK † 244, ed. Hinschius (Decretales), S. 515: […] ita vobis et omnibus episcopis ac cunctis generaliter sacerdotibus custodiri debere mandamus, […]. Die vorhergehende Leo-Vorlage ist Leo I., JK 402, Migne PL 54, Sp. 610B. Vgl. zur Verallgemeinerung der Adressaten Hartmann: Primat, S. 27 – 30. 85 Ebd., S. 33.

Der Papst als Haupt der Welt?

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in allen wichtigen Angelegenheiten an die Weisungen Roms gebunden. Dieser Antagonismus zwischen Ziel und Mittel offenbart sich dem Leser der falschen Papstbriefe sehr bald und kann vom Urheber der Fälschung nicht übersehen worden sein 86. Es ist anzunehmen, dass seine Bereitschaft, die Machtbefugnisse der ­Synoden deutlich zu beschränken, aus negativen Erfahrungen der synodalen Praxis oder zumindest einer latenten Unzufriedenheit mit den Praktiken und Beschlüssen der Konzile entstammt. Tatsächlich war es so, dass die Synoden im Frankenreich in der Regel nicht vom Episkopat oder vom apostolischen Stuhl, sondern vom Herrscher einberufen wurden. Ohne seine (formale) Zustimmung konnten ihre Beschlüsse kaum wirksam werden 87. Was also zunächst wie ein Angriff auf die Freiheit der Bischöfe anmutet, bedeutete im 9. Jahrhundert vor allem, dass königliche Gewohnheitsrechte auf den Bischof von Rom übertragen wurden. Es konnte einem Leser des 9. Jahr­hunderts ­keinesfalls entgehen, dass hier elementare Kompetenzen neu verortet wurden 88. Die weltlichen Machthaber werden in den falschen Dekretalen kaum direkt erwähnt. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang der Brief von Pseudo-­Marcellus an den heidnischen Usurpator Maxentius, der 306 zum Kaiser erhoben wurde und 312 Konstantin dem Großen bei der Schlacht an der Milvischen Brücke unterlag. Es ist das einzige pseudoisidorische Schreiben an einen Kaiser. Das Schreiben empört sich über die christenfeindliche Religionspolitik des Kaisers, die Pseudoisidor wohl aus dem Liber Pontificalis rekonstruierte, und gibt dem fehlgeleiteten Herrscher auch gleich konkrete Handlungsanweisungen mit auf den Weg: „Die Pflicht eines guten Herrschers und Königs ist es, zerstörte und gespaltene Kirchen wieder herzustellen,

86 Vgl. ebd., S. 74 – 82. 87 Vgl. Eichler: Reichsversammlungen, S. 35 – 37. 88 Geleugnet wurde dies noch von Buchner: Pseudoisidor, S. 182, der die pseudoisidorische Sammlung als Produkt der Hofkapelle Karls des Kahlen ansah. Tatsächlich offenbaren die pseudoisidorischen Bestimmungen über die korrekte Abhaltung von Kirchenversammlungen einen Einblick in das Spannungsfeld, dem die falschen Dekretalen entspringen. Einerseits schwächt der Fälscher die Bischöfe, indem er den Synoden die gesetzgeberische Freiheit abspricht, andererseits richten sich die Vorgaben eindeutig gegen den Einfluss der Könige auf die Synodalgesetzgebung und die Gefahr der Instrumentalisierung der Kirche durch die Herrscher. Des Weiteren wird der Episkopat auf vielfältige Weise vor jeglicher Verfolgung durch Metropoliten und weltliche Machthaber geschützt. Die Bestimmungen über die Einberufung und Abhaltung von Konzilien kann man auch in diesem Sinne verstehen. Tatsache bleibt jedoch, dass Pseudoisidor in diesem Zusammenhang eindeutig die kirchenpolitischen Kompetenzen des apostolischen Stuhls auf Kosten kaiserlicher und bischöflicher Gewalt ausbaut. Dass Pseudoisidor auch seinem vielfach so sorgsam gehüteten „Augapfel“, den Bischöfen, nicht ausschließlich freundlich gesonnen war, zeigt z. B. auch die massive Einschränkung der metropolitanen, d. h. erzbischöflichen, Gewalt, vgl. Seckel: Pseudoisidor, S. 279, Z. 54-S. 280, Z. 7 (Zitat ebd., S. 280, Z. 1).

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neue zu erbauen und die Priester Gottes zu ehren und zu schützen“89. Pseudoisidor billigt dem Herrscher zu, die Rahmenbedingungen für die Kirche sicherzustellen und sie zu schützen. Er weist dem Kaiser darüber hinaus aber keine Verfügungs­ gewalt über die Kirche oder die Geistlichen zu. Auch wenn dies nur ein kurzes und einmaliges Schlaglicht ist, so sollte doch hervorgehoben werden, dass der Kaiser in Pseudo­isidors Fiktion innerhalb der Ordnung der Kirche keine Rolle spielt. Er soll lediglich für die Sicherheit der Institution sorgen. Diese Aufgabenteilung entspricht im Wesentlichen den Forderungen, die Wala gegenüber Ludwig dem Frommen in Radberts Epitaphium Arsenii vortrug 90. Eine Einmischung der weltlichen Kräfte in die inneren Angelegenheiten der Kirche soll ausbleiben und der Herrscher sich nicht über kirchliches Recht hinwegsetzen. Pseudo-Marcellinus betont entsprechend den Vorrang der kanonischen und apostolischen Gesetze, die auch nicht durch den ­Kaiser außer Kraft gesetzt werden könnten. Ein aus Furcht vor kaiserlicher Strafe oder durch kaiserlichen Befehl beeinflusstes Urteil ist demnach ebenso ungültig wie alles, was gegen die Anordnungen der Apostel und ihrer Nachfolger verstößt 91. Es war in erster Linie das Ziel Pseudo­isidors, kirchliche Autonomie herzustellen. Der Fälscher hatte nicht die Absicht, in originär weltliche Machtbereiche ein­zugreifen und der Geistlichkeit generell weltliche Befugnisse zuzuweisen 92. Der Text der ­falschen Dekretalen liefert für derlei Absichten jedenfalls keinen Beweis. Die gefälschten Papstbriefe behandeln in ihrer Gesamtheit in erster Linie Fragen der Kirchen­strukturen. Die weltliche Sphäre wird nur dann thematisiert, wenn es um Angelegenheiten geht, die den kirchlich-seelsorgerischen Bereich betreffen. Ein Satz, der den Papst „gleichsam als Haupt der ganzen Welt“93 bezeichnet, wie es in einer falschen Dekretale 89 Ps.-Marcellus, JK † 161, Kap. 7, ed. Hinschius (Decretales), S. 227: Boni enim principis ac regis est ecclesias contritas atque scissas restaurare novasque aedificare et dei sacerdotes honorare atque tueri. Im Weiteren werden die (unrechtmäßige) Verfolgung und Anklage von Bischöfen sowie die rechtmäßige Abhaltung von Konzilien unter apostolischer Autorität behandelt. Zur Besonderheit dieser Dekretale vgl. auch Schon: Pseudoisidor. 90 Siehe S. 89 – 94. 91 Ps.-Marcellinus, JK † 159, Kap. 4, ed. Hinschius (Decretales), S. 222 f.: Non licet ergo imperatori vel cuiquam pietatem custodienti aliquid contra mandata divina praesumere nec quicquam, quod evangelicis propheticisque et apostolicis regulis obviatur, agere. Iniustum enim iudicium et definitio iniusta regio metu vel iussu a iudicibus ordinata non valeat, nec quicquam quod contra evangelicam vel propheticam aut apostolicam doctrinam constitutionem sive eorum sive sanctorum patrum actum fuerit, stabit. 92 Vgl. in diesem Sinne bereits Hauck: Gedanke, S. 4 – 7. Er betonte in diesem Zusammenhang ebd., S. 6, dass die Ausweitung der apostolischen Autorität auf das Gebiet des welt­ lichen Rechts schon deswegen nicht beabsichtigt gewesen sein konnte, da die Fälscher „mit der Konstantinischen Schenkung nichts anzufangen wußten.“ 93 Ps.-Felix II., JK † 230, Kap. 13, ed. Hinschius (Decretales), S. 489: […] quasi ad totius orbis caput, […].

Der Papst als Haupt der Welt?

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Felix’ II. (483 – 492) heißt, ist nicht überzubewerten 94. Er findet sich in dieser Form nur einmal in der gesamten Fälschung. Wichtige Aussagen hat Pseudoisidor aber zumeist deutlich mehr als einmal platziert. Auch muss man auf den Kontext achten. Es ist unwahrscheinlich, dass sich hinter dieser kurzen Passage ein politischer Macht­ anspruch des Fälschers verbirgt. Pseudo-Felix II. beschreibt den apostolischen Stuhl als Zufluchtsort für Bischöfe der Ostkirche, sodass in dieser ­Formulierung weniger tatsächliche weltliche Machtansprüche zum Ausdruck kommen als vielmehr der Anspruch des pseudoisidorischen Papstes, an der Spitze der g­ esamten christlichen Kirche zu stehen – eine Forderung, die bereits sehr viel Sprengkraft enthielt, auch ohne dass dies weltliche Befugnisse mit eingeschlossen hätte. In diesem Zusammenhang soll kurz Pseudo­isidors besonderes Verhältnis zur Ostkirche in den Blick gerückt werden. 17 der falschen Papstbriefe richten sich an Kirchen des Ostens. Von dort stammen auch fünf der sechs gefälschten, vermeintlich bischöflichen Anfragen an diverse Päpste im dritten Teil der Sammlung 95, sodass sich etwas mehr als ein Fünftel der falschen Dekretalen den Kirchen der Orients widmet. Es kann nur vermutet werden, was die Fälscher zu diesen Schreiben veranlasste. Die Fälscher versuchten sich, so gut es möglich war, in ihrer Fiktion an das zu halten, was sie über die Geschichte des Papsttums zu wissen glaubten. Ihre diesbezüglichen Informationen stammten mehrheitlich aus dem Liber Pontificalis und der Historia Tripartita. Wenn diese auf Kontakte der Päpste mit dem Osten hinwiesen, nutzte Pseudoisidor die Gelegenheit, um eine möglichst glaubwürdige, mit dem verfüg­baren historischen Wissen in Übereinstimmung stehende Darstellung zu konstruieren. Da die frühen römischen Bischöfe also bekanntermaßen mit der Kirche im Osten in ­Kontakt gestanden hatten, war es kaum möglich, in der Sammlung auf jegliche Korres­ pondenz zwischen diesen beiden Parteien zu verzichten. Hervorzuheben ist hingegen die Tatsache, dass die Pseudo-Päpste gegenüber den Bischöfen des Orients genauso herrschaftlich-autoritär auftraten wie gegenüber den Kirchen des Abend­landes. Sollte der päpstliche Primat dadurch gestärkt werden, dass ein Teil der falschen D ­ ekretalen den Lesern suggerierte, dass die Kirchen des Ostens sich selbst­verständlich in ­ab­soluter hierarchischer Abhängigkeit von den frühen römischen Bischöfen b­ efunden h ­ ätten? Oder ging es hier um mehr als die Stärkung der apostolischen Autorität und die ­Konstruktion einer historisch möglichst korrekten Fiktion? Es lässt sich kaum ­greifen, ob die Fälscher auch eine politische Botschaft gen Osten senden wollten. Nach den Auseinandersetzungen mit den Byzantinern im Bilderstreit und in der Frage des filioque mag es im fränkischen Klerus den Wunsch gegeben haben, die Ostkirche in ihre Schranken zu weisen. Explizite Angriffe bleiben jedoch aus, sodass eine solche 94 Dagegen vgl. Ullmann: Machtstellung, S. 269 f. Ullmann abstrahiert die Worte Pseudo­ isidors in sehr starkem Maße und berücksichtigt den Kontext nicht ausreichend. 95 Siehe S. 106 – 112 und Tabelle 4, S. 275 – 282.

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Der Papst in den pseudoisidorischen Dekretalen

Deutung zu weit gehen mag. Da Pseudoisidor aber seine Gegner nicht direkt angreift, sondern ihnen vielmehr einen systemischen Gegenentwurf präsentiert, in dem sie keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielen, ist die Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen. Die selbstverständliche Eingliederung des Ostens in die Hierarchie der pseudoisidorischen Kirchenstruktur und die damit verbundene Unterordnung unter den apostolischen Primat kann zumindest als politischer Kommentar zu den wechselhaften fränkisch-byzantinischen Beziehungen gelesen werden.

2.4  Die historische Dimension der pseudoisidorischen Sammlung Es wurde bereits mehrfach angedeutet: Die falschen Dekretalen sind mehr als eine gefälschte kirchenrechtliche Sammlung, mehr als nur eine erweiterte Form der Hispana. Sie besitzen auch eine historiografische Komponente. Rosamond ­McKitterick wies ­darauf hin, dass frühmittelalterliche kirchenrechtliche Sammlungen nicht nur Rechts­ texte, sondern ebenso Geschichtsquellen seien: „Chronologically-ordered canon law collections are essentially history books, for they offer a progression of ideas and decisions of the church issuing from the great councils and popes of the church, all securely dated and geographically located. […] In addition, however, their emphasis on law and authoritative decisions emanating from a specific series of places in an historical progression makes them texts fundamental in shaping the perception of the history of the early church. […] If we consider the question of audience, then this particular form of history in the form of canon law was probably more widespread and known far more generally than the narratives provided by the church historians“96. Diese Überlegungen sind in dieser Form nicht auf die pseudoisidorische S­ ammlung übertragbar, da diese schließlich eine Fälschung darstellt, doch enthalten sie einen wichtigen Hinweis. Denn natürlich können die pseudoisidorischen Dekretalen auch als Geschichtsquelle gelesen werden. Sie enthalten das historische Wissen der ­Fälscher über die frühe Kirche, sind Ausdruck eines konkreten Geschichtsbildes und ­zeugen von einer bestimmten Vorgehensweise beim Umgang mit schriftlich fixierter V ­ ergangenheit  97.

96 McKitterick: History and Memory, S. 255; vgl. auch dies.: History, Law and Communication, S. 958 – 962. 97 Diese Dimension der Fälschungen kann hier nur angedeutet werden, eine Vertiefung in einer Einzelstudie dürfte ein lohnenswertes Unterfangen darstellen.

Die historische Dimension der pseudoisidorischen Sammlung

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Für fast alle Pseudo-Päpste griff der Fälscher auf Angaben aus dem Liber Ponti­ficalis zurück. Dieser war insbesondere für den ersten Dekretalenteil eine der wichtigsten Quellen des Fälschers, da er nur aus diesem Angaben zu den frühesten Nachfolgern Petri entnehmen konnte. Pseudo­isidors zweitwichtigste historiografische Quelle, die Historia Tripartita, setzt schließlich erst im 4. Jahrhundert ein. Die Informationen des Liber Pontificalis sind in den ersten Einträgen sehr knapp gehalten, aber der Fälscher wagte nicht, über sie hinauszugehen. Verweise auf konkrete Personen und Ereignisse werden in den ersten 60 falschen Dekretalen vermieden, die Inhalte sind mehrheitlich allgemein gehalten, ebenso die Adressaten 98. Die geschichtliche Wahrheit, wie sie der Fälscher dem Liber Pontificalis entnahm, wurde nicht verändert. Pseudoisidor zeigt sich hier von einer ganz neuen Seite. Erscheint er auf den ersten Blick als skrupelloser Fälscher, der alles und jeden für seine Zwecke instrumentalisiert, so erkennt man hier den Willen, die Geschichte – im Sinne der überlieferten Vergangenheit – möglichst unangetastet zu lassen. Dieser Widerspruch wird umso offensichtlicher, wenn man die ersten Briefe des dritten Teils der Sammlung, vom ersten Brief Pseudo-Athanasius bis zur Damasus-­ Korrespondenz, auf ihren historischen Gehalt hin untersucht. Diese Briefe strotzen nur so vor historischen Details. Nicht zufällig gehören zu diesem Komplex auch die drei Briefe des Pseudo-Athanasius und der Brief mehrerer orientalischer Bischöfe an Pseudo-Julius. Diese eng miteinander verbundene, dialogische Folge von B ­ riefen war nur möglich, weil für die Zeit ab dem 4. Jahrhundert die Quellenbasis des Fälschers eine erheblich bessere war. Entnommen wurden die Informationen zum Großteil der Historia Tripartita, die dem Fälscher ausführliches Material zu den arianischen ­Wirren des 4. Jahrhunderts lieferte. Wo solche Quellen zur Verfügung standen, wurden sie also aufgegriffen, aber nicht weitreichend ergänzt. Es ist eine eigenartige Zurück­ haltung, die Pseudoisidor hier an den Tag legt. Stellt er einerseits das kanonische Recht formal und inhaltlich auf den Kopf, konstruiert falsche Abhängig­keiten und Rechtssätze, so erweist er sich andererseits zurückhaltend bei der konkreten Dar­ stellung von Geschichte. Möglicherweise wagte man nicht, allzu viele neue Infor­ mationen, die über die eigenen Quellen und das Wissen der eigenen Zeit über die frühe Kirche hinausführten, hinzuzudichten aus Angst, die Fälschung könnte dadurch entlarvt werden. Aber vielleicht ist diese Zurückhaltung in Bezug auf die historischen Details auch anders zu verstehen. Die Fälschung diente ihren Urhebern als Mittel, eine Idealvorstellung der christlichen Kirche auszudrücken.99 In diesem Sinne transportiert die pseudoisidorische Sammlung Wahrheit, nämlich die gottgewollte Ordnung der Kirche. Diesem auf den ersten Blick eigenartig anmutenden Wahrheitsanspruch entspricht auch das 98 Siehe S. 106 – 112. 99 Siehe S. 83 (mit Anm. 264).

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Der Papst in den pseudoisidorischen Dekretalen

Vor­gehen der Fälscher in Bezug auf die historischen Inhalte. Es wurde nur dort von der über­lieferten Geschichte abgewichen, wo es nötig war, um der tieferen Wahrheit der idealen Kirche Ausdruck zu verleihen. Ansonsten hielt man sich strikt an das, was den Quellen, zum Beispiel dem Liber Pontificalis und der Historia Tripartita, zu entnehmen war. Wer die Frage nach Bedeutung und Funktion des apostolischen Stuhls mit der Erklärung beantwortet, der Papst sei nur Mittel zum Zweck, um die Bischöfe zu schützen, blendet die zahlreichen Zeugnisse päpstlicher Machtfülle inhaltlicher Art in den Dekretalen ebenso aus wie das autoritative und selbstbewusste Gebaren der falschen Päpste und die zahlreichen formalen Aspekte der Fälschung. Gleichzeitig offenbart der sorgfältige Umgang mit den historischen Quellen, dass Pseudoisidor die Geschichte des Papsttums eher neu akzentuieren als völlig neu schreiben wollte. Wirft man einen Blick in diejenigen Quellen, die der Fälscher an den ent­sprechenden Stellen seines Werkes als Vorlagen benutzte, lässt sich erkennen, wie eindeutig Pseudo­ isidor sein Material zugunsten des Papstes verfälschte.

2.5  Vorlagen und Arbeitstechniken Pseudo­isidors Es ist notwendig, das pseudoisidorische Fälschungskonstrukt zu entwirren, wenn man begreifen will, zu welchem Zweck die Fälschungen angefertigt wurden. Das Vor­ gehen der Verfasser, die Auswahl der Vorlagen und vor allem ihre Verarbeitung in den ­falschen Dekretalen öffnen den Blick auf den Herstellungsprozess der Falsifikate. Die Vorlagen wurden nicht willkürlich gewählt und in neue Zusammenhänge gerückt. Die Auswahl der Textpartikel sowie die Art und Weise, wie aus authentischem Material falsches Recht formuliert wurde, lässt Rückschlüsse darauf zu, welchem Zweck diese Arbeit diente. Die Aussagen des Ausgangsmaterials werden deshalb im Folgenden mit dem Ergebnis der pseudoisidorischen Redaktion der Texte verglichen. Es wird dabei deutlich, dass die Fälscherwerkstatt die Machterweiterung des römischen Bischofs als eigenständiges Ziel ihrer Bemühungen betrieben haben muss. Mit dem alleinigen Ziel des Schutzes der Bischöfe lassen sich viele Veränderungen des Ausgangsmaterials zumindest nicht erklären.

2.5.1  Die Bibel: Fundament für Fälschung Die Heilige Schrift war für jeden gelehrten Christen des 9. Jahrhunderts die herausragende Autorität 100, deren intime Kenntnis jedweder intellektuellen Neuschöpfung 100 Vgl. Fuhrmann: Bibel, S. 183.

Vorlagen und Arbeitstechniken Pseudo­isidors

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zugrunde liegen musste. So überrascht es wenig, dass die Bibel die wichtigste Vorlage war, die der falsche Isidor nutzte, um sein Dekretalenwerk zusammenzustellen 101. Im Vergleich mit der Vielzahl der Zitate ist die Benutzung des Bibeltextes in denjenigen Passagen des Fälschungskomplexes, in denen päpstliche Autorität und Befugnisse im Vordergrund stehen, recht übersichtlich 102. Es ist in erster Linie das Neue Testament und darin vor allem das Matthäus-Evangelium, das dem Fälscher als theologische Grundlage diente. Die zwei zentralen Textpassagen sind die Namensgebung des Petrus und die daran anschließende Vergabe der Binde- und Lösegewalt an ihn durch Christus 103. Im Zusammenhang mit den Abschnitten der Dekretalen, die nach der Fragestellung der vorliegenden Arbeit untersucht wurden, findet sich dreimal die Benutzung der Petrus-Passage 104, viermal der Verweis auf die Schlüsselgewalt 105 und fünfmal werden beide Matthäus-Verse zitiert 106. Die Worte des Matthäus-Evangeliums benutzte der Fälscher getreu dem Vorbild der echten frühen Päpste wie Leo I. als eine Grundlage, deren Gültigkeit von niemandem angezweifelt werden konnte. Pseudoisidor übernahm die Matthäus-Passage, variierte gegebenenfalls den Wortlaut leicht, verfälschte ihn aber nicht. Man hätte die Worte der Heiligen Schrift nicht verfremden können, ohne dass dieser Betrug sofort aufgefallen wäre. Auch dürfte die Ehrfurcht vor dem Text zu groß gewesen sein. Zudem wäre ein solches Sakrileg vollkommen unnötig gewesen. Die isolierte Matthäus-Passage wurde für Pseudoisidor zu einer wichtigen Komponente in seinem Bestreben, die herausgehobene Position des römischen Bischofs in der Kirche zu untermauern. Schließlich hatte exakt diese Bibelstelle seit dem dritten Jahrhundert den Lehrprimat des Papstes über die Kirche

101 Allein ein Blick in das Quellenverzeichnis unter dem Eintrag „Biblia Sacra“ spricht für sich. Neben der gezielten Platzierung aussagekräftiger Textbausteine diente der Bibeltext dem Fälscher aber auch als Füllmaterial, sehr wahrscheinlich, um schnell Briefe zu produzieren oder zu verlängern. Vgl. Zechiel-Eckes: Exegese, S. 123 f. Auf die eher wenig gewürdigten exegetischen Qualitäten der falschen Dekretalen wies hingegen Abigail Firey: Lawyers, hin. 102 Vgl. ebd., S. 191 f. 103 Mt. 16, 18 – 19. 104 Nicht im Quellenverzeichnis: Ps.-Alexander, JK † 24, Kap. 4, ed. Hinschius (Decre­tales), S. 95. Indirektes Zitat über die Vorlage und deshalb nicht im Quellenverzeichnis bei Ps.-­ Marcellus, JK † 160, Kap. 1, ebd., S. 223; Ps.-Bonifaz II., JK † 883, ebd., S. 704. 105 Ps.-Viktor I., JK † 74, Kap. 5, ebd., S. 128; Ps.-Zepherin, JK † 80, Kap. 6, ebd., S. 132; Ps.-­ Sixtus II., JK † 133, Kap. 2, ebd., S. 190; Ps.-Felix II., JK † 230, Kap. 14, ebd., S. 489. 106 Ps.-Pius I., JK † 43, Kap. 2, ebd., S. 117; Ps.-Pelagius, JK † 1051, ebd., S. 721. Indirekt über Vorlage: Ps.-Anaklet, JK † 4, Kap. 30, ebd., S. 83; Ps.-Julius, JK † 195, Kap. 6, ebd., S. 459; Ps.-­ Athanasius an Felix II., Kap. 4, ebd., S. 480. Das Quellenverzeichnis ist in diesem Zusammen­ hang irreführend, da Bibelzitate, die aus einer Vorlage stammen, nicht extra aufgelistet ­werden und teilweise Zitate übersehen wurden, wie z. B. Mt. 16, 18, bei Pseudo-Alexander (siehe S. 119, Anm. 104).

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Der Papst in den pseudoisidorischen Dekretalen

maßgeblich mitbegründet 107. Der Fälscher setzte sie ohne exegetische Aus­führungen voraus und verwendete sie lediglich als Basis für seine Ausführungen über den apostolischen Jurisdiktionsprimat 108. Die Passage wurde mit weiteren Bausteinen aus anderen Quellen zusammengefügt, um ihr eine viel weitreichendere Dimension zu verleihen. Erst in der Kombination mit dem verfälschten Gedankengut der frühen Päpste und Konzilien übertrug der Fälscher dem römischen Bischof die oberste Jurisdiktionsgewalt in der Kirche. Für sich genommen, wäre das Matthäus-Zitat kaum geeignet gewesen, eine solche Machtfülle für den Papst abzuleiten.

2.5.2  Von echten und falschen Päpsten Zu den zahlreichen Vorlagen Pseudo­isidors gehören auch echte Papstbriefe, die der Fälscher teilweise in den zweiten Dekretalenteil der Sammlung aufnahm 109. Durch die Abwechslung echter und falscher sowie verfälschter Dekretalen wurde die Authenti­ zität des Gesamtwerkes untermauert und der Wert der Sammlung aufgrund ihrer vermeintlichen Vollständigkeit erhöht. Pseudoisidor musste nicht befürchten, dass sein Werk durch das Nebeneinander von Vorlage und Fälschung enttarnt werden würde. Schließlich extrahierte der Fälscher die überlieferten Worte echter Päpste, ver­arbeitete sie auf verschiedene Weise und legte das Ergebnis den zumeist f­ rüheren, falschen Päpsten in den Mund. So musste ein Leser folgern, dass verschiedene bekannte Worte bestimmter Päpste eben nur die Wiederholung dessen waren, was ihre Vorgänger be­­ reits geschrieben hatten. Dies war nicht ungewöhnlich und passte sich hervorragend in das pseudoisidorische Schema falscher Autoritäten ein, die in der Begründung ihrer Ansprüche in der Regel auf die Beschlüsse ihrer Vorgänger hinwiesen. Die Wahl der Vorlagen erscheint dabei nicht immer konsequent. Obgleich Pseudo­­ isidors Sammlung im zweiten Dekretalenteil auch Briefe des Papstes ­Gelasius I. (492 – 496) beinhaltet, griff der Fälscher nur fünf Mal auf diese als Vorlage zurück 110. Das ist eine verschwindend geringe Zahl, verglichen mit der Häufigkeit, mit der die Pseudo-Päpste Dekretalen von Leo I. (440 – 461) oder Gregor I. (590 – 604) verwendeten. Dabei wäre das gelasianische Material durchaus geeignet gewesen, den

107 Siehe S. 21 – 30. 108 Vgl. Firey: Lawyers, S. 192. 109 Siehe S. 62 f. 110 Ps.-Calixt I., JK † 85, Kap. 1; Ps.-Symmachus syn. VI.; Ps.-Stephan I., JK † 130, Kap. 2; Ps.-­ Euticianus, JK † 145, Kap. 3; Ps.-Julius I., JK † 195, Kap. 9. Papst Hilarus wird z. B. ebenso oft benutzt, Hormisda wesentlich öfter. Vgl. Hinschius: Decretales, S. CXXXI und CXXXII.

Vorlagen und Arbeitstechniken Pseudo­isidors

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pseudoisidorischen Kurs wirkungsvoll zu stützen 111. Dies erstaunt umso mehr, als die fränkischen Bischöfe in der Auseinandersetzung mit Ludwig dem Frommen durchaus auf die Zwei-Gewalten-Lehre des Gelasius verwiesen hatten, um ihre Vorstellung eines freien Episkopats und das an Gelasius angelehnte Aufsichtsrecht des Papstes über den Kaiser zu proklamieren 112. Für die diskutierten Aspekte päpstlicher Machtfülle in den falschen Dekretalen haben in erster Linie die Briefe Innozenz’ I. und Leos I. als Vorlage gedient.

2.5.2.1  Innozenz I.: Das Haupt, der Ursprung und wichtige Angelegenheiten

Innozenz I. (402 – 417) gehört zu denjenigen Päpsten, deren Schriften und Wirken den römischen Primat in der frühen Kirche geprägt haben 113. Pseudoisidor erkannte den Wert dieses Materials und griff vielfach darauf zurück. Einige der einpräg­samsten Begriffe, die der Fälscher benutzte, um das Amt des Papstes zu charakterisieren, sind auf die umfangreich überlieferte Innozenz-Korrespondenz zurückzuführen. So zieht sich die auf Innozenz zurückgehende Formulierung vom Papst als Haupt (caput) der Kirche durch die gesamte pseudoisidorische Sammlung 114. Auch verkünden die ­falschen Päpste mehrfach die Überlegenheit der römischen Tradition, die sie aus der Tatsache ableiten, dass die römische Kirche nicht nur Haupt, sondern auch Ursprung der gesamten Kirche sei, ein ebenfalls auf Innozenz zurückzuführender Gedanke 115. Der Fälscher benutzte Innozenz’ sorgfältige Argumentation als Grundlage, um die Bedeutung der römischen Tradition und die Macht des Papstes zu überhöhen. Er komprimierte die Essenz der Vorlage und spitzte ihre Aussage dramatisch zu, wenn er im verfälschten Vigilius-Brief schreibt, Rom sei Ursprung, Fundament und Schicksal der gesamten christlichen Kirche 116. Pseudo­isidors inhaltliche Verdichtung des Ausgangsmaterials 111 Hartmann: Primat, S. 35, meint, auch wenn er entscheidende Stellen nicht benutzt, sei der Fälscher Gelasius‘ Meinung über die Natur des römischen Primats gewesen – nur erklärt diese Einschätzung leider nicht die Abwesenheit der entsprechenden Zitate, die ja zur Verfügung gestanden haben. 112 Siehe S. 52 f. 113 Siehe S. 25 – 27. 114 Innozenz I., JK 314, Praefatio 1, Migne PL 20, Sp. 603A. Vgl. Ps.-Anaklet, JK † 4, Kap. 34, ed. Hinschius (Decretales), S. 84; Ps.-Evaristus, JK † 20, Kap. 1, ebd., S. 87; Ps.-­Alexander, JK † 24, Kap. 4, ebd., S. 95; Ps.-Sixtus I., JK † 32, Kap. 5, ebd., S. 108; Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 2, ebd., S. 224; Ps.-Julius, JK † 195, Kap. 6, ebd., S. 459; Ps.-Damasus, JK † 244, ebd., S. 510; Ps.-Anastasius I., JK † 277, ebd., S. 525; Ps.-Felix IV., JK † 878, ebd., S. 696. 115 Innozenz I., JK 311, ed. Cabié, S. 18, Z. 12 – 18, und S. 20, Z. 19 – 37. Siehe S. 25 f. 116 Vigilius, JK 907, Kap. 7, ed. Hinschius (Decretales), S. 712: […] ecclesia Romana fundamentum et sors sit ecclesiarum, a qua omnes ecclesias principium sumpsisse […]. Die Gleichsetzung

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Der Papst in den pseudoisidorischen Dekretalen

lässt Innozenz’ Worte kompromissloser erscheinen, als sie ursprünglich gemeint waren. Sie bilden die Grundlage für den Machtzuwachs, zu dem der Fälscher dem Papst verhelfen wollte. Pseudoisidor verwendete Innozenz’ Dekretalenwerk aber nicht nur als Begriffsquelle oder gedankliche Basis. Innozenz I. wird vom Fälscher beinahe wörtlich zitiert, wenn Letzterer ihn als Quelle für die Darstellung des Verhältnisses zwischen Papst und Bischöfen benutzt. So überträgt er den Beginn eines Innozenz-Briefes an Bischof E ­ xsuperius von Toulouse 117 an den Anfang des Briefes von Pseudo-Evaristus (ca. 97 – 105) an die afrikanischen Bischöfe. Die Passage drückt ein Lob des Papstes an den Empfänger aus, der eine Anfrage an Rom gesandt habe, anstatt den römischen Beschlüssen vorzugreifen. Pseudoisidor übernimmt aber die Worte Innozenz’ nicht wortwörtlich, sondern moduliert den Ton leicht in eine verbindlichere Grund­ stimmung. Im Hinweis auf die Tradition, die das Vorgehen der Anfrage an Rom in nicht durch das kanonische Recht gedeckten Angelegenheiten vorschreibe, ersetzt der ­Fälscher das bei Innozenz benutzte schwächere institutum durch die stärker b­ indende norma. Auch fügt er zur weiteren Verstärkung die Formel quasi ad caput ein 118. Stünde dieser Befund für sich alleine, wäre er kaum bemerkenswert. Aber hier verbirgt sich eine der grundlegenden Arbeitstechniken des Fälschers. Durch die immer wieder angewandten leichten Verschiebungen des inhaltlichen Schwerpunkts der Vorlagen erzielt er eine ebenso große Wirkung wie durch Verallgemeinerung und Einrückung echter Passagen in einen neuen Kontext. Eine für seine Fälschungsabsicht gut g­ eeignete Vorlage hat er lediglich ein wenig „verbessert“ und dann als Baustein für seine Fälschung verwendet. Auch die Lehrschrift des Innozenz’ aus dessen Brief an Vitricius von Rouen verwendete Pseudoisidor als Baustein für seine Fälschung. Innozenz erweitert darin die nicänischen und sardischen Beschlüsse über die Beilegung von Streitigkeiten zwischen Klerikern. Diese sollen ihre Streitigkeiten zwar grundsätzlich in ihrer eigenen Provinz unter sich regeln, allerdings weist er dem Papst ein davon unberührtes Recht zu, in der Sache richterlich einzugreifen. Die Formulierung, in welcher Art dieser Eingriff gestaltet sein kann, wird wohl bewusst offen gelassen 119. Davon kann bei Pseudoisidor Roms mit dem Ursprung aller Kirchen übernimmt auch der falsche Marcellus von Innozenz I., vgl. Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 1, ebd., S. 223. 117 Innozenz I., JK 293, ed. Munier (CCL 148), S. 197, Z. 89 – 97; vgl. zum Inhalt Caspar, Geschichte, S. 305. 118 Ps.-Evaristus, JK † 20, Kap. 1, ed. Hinschius (Decretales), S. 87: […] nostris instrui documentis, si quidem dilectio vestra normam secuta prudentium ad sedem apostolicam referre maluit quasi ad caput, quid deberet de rebus dubiis custodire potius quam usurpatione praesumere. Der Brief ist ein weiterer Beleg für die Entfremdung der Wirkung der Vorlagen durch einfache Veränderung des Empfängers, siehe S. 106 – 112. 119 Vgl. Wojtowytsch: Papsttum, S. 208; siehe auch S. 25 f.

Vorlagen und Arbeitstechniken Pseudo­isidors

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keine Rede mehr sein. Die falschen Päpste entwerfen ein Kirchenrechtssystem, in dem die Synode in bischöflichen Angelegenheiten vom Papst abhängig gemacht und entmachtet wird. Und selbst wenn die Synode Beschlüsse fasst, obliegt es dem Papst, diese zu bestätigen oder aufzuheben, ohne dass die versammelten Bischöfe irgend­ einen Einfluss auf die römische Entscheidung nehmen könnten 120. An gleicher Stelle findet sich bei Innozenz auch die für Pseudoisidor so wichtige Formulierung von den causae maiores, die in den römischen Kompetenzbereich ­fielen. Wo Innozenz die Konsequenz dieser Mitteilung der wichtigen Fälle an den apostolischen Stuhl aber noch offen ließ, kann es bei Pseudoisidor keinen Zweifel mehr geben. Der Fälscher griff Innozenz’ Vorstellung auf und überführte sie in seine sehr konkreten Vorstellungen des Prozessrechts. Die wichtigen Angelegenheiten (wozu Anklagen gegen Bischöfe ausdrücklich auch gehören) müssen nach Rom gemeldet und dann vom Papst entschieden werden 121. In einem gefälschten Brief an alle Bischöfe lässt Pseudoisidor Alexander I. (ca. 105 – 115) den Anspruch vortragen, als Haupt der Kirche „die Verwaltung der wichtigsten Fälle und die Geschäfte aller Kirchen vom Herrn selbst übertragen“ bekommen zu haben 122. Deswegen könnten Bischöfe nicht vor weltlichen Richtern verklagt werden, sondern nur vor dem apostolischen Stuhl. In ähnlicher Weise wird die gleiche Innozenz-Vorlage bei Pseudo-Sixtus I. (ca. 115 – 125) übernommen und als Grundlage für die Schutzfunktion gegenüber den Bischöfen benutzt, die der Fälscher dem römischen Bischof zuschreibt 123. Ähnliches findet sich auch bei Pseudo-Stephan I. (254 – 257), Pseudo-Sixtus II. (257 – 258) und Pseudo-­Julius I. (337 – 352)124. In einem gefälschten Brief verwendet Felix I. (269 – 274) I­ nnozenz’ Worte, um zu erklären, dass es schon immer Brauch gewesen sei, strittige Fragen von Rom entscheiden zu lassen 125. Angesichts der Tatsache, dass die gedankliche 120 Siehe S. 95 – 98. 121 Siehe S. 98 – 102. Zur Zuständigkeit Roms in den causae maiores vgl. Ps.-Anaklet, JK † 2, Kap. 17, ed. Hinschius (Decretales), S. 74; ders., JK †4, Kap. 34, ebd., S. 84; Ps.-Gaius, JK † 157, Kap. 7, ebd., S. 218; Ps.-Julius, JK † 195, Kap. 5, ebd., S. 459; Vigilius, JK 907, Kap. 7, ebd., S. 712; Ps.-Pelagius II., JK † 1051, Kap. 1, ebd., S. 724. Wojtowytsch: Papsttum, S. 208 f., ist der Meinung, in der Dekretale Innozenz‘ I. eine ähnliche, wenn auch unausgesprochene Intention finden zu können. 122 Ps.-Alexander, JK † 24, Kap. 4, ed. Hinschius (Decretales), S. 95: […] ad huius sanctae et apostolicae sedis apicem, cui summarum dispensationes causarum et omnium negotia ecclesiarum ab ipso domino tradita sunt quasi ad caput […]. Zusammengesetzt aus Innozenz I., JK 314, Praefatio 1, Migne PL 20, Sp. 603B, sowie ders., JK 286, Kap. 3, ebd., Sp. 473A (mit Anm. a). 123 Ps.-Sixtus I., JK † 32, Kap. 5, ed. Hinschius (Decretales), S. 108. 124 Ps.-Stephan I., JK † 131, Kap. 9 – 10, ebd., S. 185 f.; Ps.-Sixtus II., JK † 133, Kap. 2, ebd., S. 190; Ps.-Julius, JK † 196, ed. Zechiel-Eckes (Blick), S. 74, Z. 66, und S. 76, Z. 120. 125 Ps.-Felix I., JK † 144, Kap. 17, ed. Hinschius (Decretales), S. 204.

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Der Papst in den pseudoisidorischen Dekretalen

Basis für diese Passage gut 150 Jahre, nachdem Felix I. auf dem apostolischen Stuhl gesessen hatte, geschaffen wurde, kann man dem Fälscher gerade an dieser Stelle, an der von der Tradition die Rede ist, eine gewisse Kaltblütigkeit bei der Komposition seiner Falsifikate nicht absprechen. Pseudo-Anicetus (155 – 166) benutzt die gleiche Vorlage, um gegen Metro­politen vorzugehen die Bischöfe belasten oder anklagen. Hier wird die Weiterentwicklung der Gedanken Innozenz’ I. besonders sichtbar, wenn der Fälscher schreibt, die „Unbeugsamkeit“ des Metropoliten solle „vor diesen apostolischen Stuhl gebracht werden, dem aufgetragen ist, alle Gerichtsverfahren gegen Bischöfe zu beenden“126. Pseudo­ isidor entwickelt den Anspruch Innozenz’ weiter und rückt die Passage in einen voll­kommen neuen Kontext. Dadurch wird eine Machtverschiebung der innerkirch­ lichen Hierarchie zugunsten der Bischöfe mithilfe des Papstes konstruiert. In Bezug auf die Entfremdung der Vorlage ist die Verwendung des Begriffes terminare zentral. Dieser kommt so bei Innozenz nicht vor. Pseudoisidor charakterisiert damit den rechtlich bindenden Charakter der päpstlichen Entscheidung, der das Verfahren zu einem endgültigen Abschluss bringt. Das beinhaltet, dass päpstliche Beschlüsse nicht revisions­fähig sind. In gleicher Weise und mit ähnlichen Worten verfremdet Pseudo­ isidor die Vorlage im ersten gefälschten Brief Papst Zepherins (199 – 217): „Das Ende aber dieses Falles soll vor den apostolischen Stuhl gebracht werden, dass es ebendort seinen Abschluss finde“127.

2.5.2.2  Leo I.: Vom Lehrer zum Richter

Der zweite wichtige Papst, der Pseudoisidor Material für seine Überhöhung der römischen Gewalt lieferte, war Leo der Große (440 – 461). Dies ist zunächst wenig überraschend, war Leo I. doch einer der ersten Päpste, die für den apostolischen Stuhl weitreichende Herrschaftsbefugnisse innerhalb der Kirche forderten und ­diesen Anspruch auch durch ihr Handeln untermauerten 128. Leos Briefe, die der dritte Teil der pseudoisidorischen Dekretalen ebenso wie die Briefe Innozenz I. mit über­liefert 129, gehören folgerichtig zu den bevorzugten Vorlagen Pseudo­isidors. Wie bereits an 126 Ps.-Anicetus, JK † 57, Kap. 4, ebd., S. 121: Si vero incorrigibilis eisque inoboediens apparuerit, ad hanc apostolicam sedem, cui omnia episcoporum iudicia terminare praecepta sunt, […]. 127 Ps.-Zepherin, JK † 80, Kap. 6, ebd., S. 132: Finis vero eius causae ad sedem apostolicam deferatur, ut ibidem terminetur. Mit anderen Worten, aber gleicher Wirkung, vgl. Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 2, ebd., S. 224: […] episcoporum iudicia et summarum causarum negotia sive cuncta dubia apostolicae sedis auctoritate sunt agenda et finienda […]. 128 Siehe S. 26 – 28. 129 Vgl. Chavasse: Lettres, S. 30 – 39, zur Überlieferung der Briefe Leos I. bei Pseudoisidor.

Vorlagen und Arbeitstechniken Pseudo­isidors

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anderer Stelle beschrieben, zeichnet sich Pseudo­isidors Verwendung des Brief­k orpus Leos I. auch dadurch aus, dass er den autoritären Stil, den der Papst gegenüber den Bischöfen des Abendlandes pflegte, auf die falschen Dekretalen anderer Päpste gegenüber allen Bischöfen übertrug 130. In den Passagen der falschen Dekretalen, in denen Pseudoisidor die Macht Roms konsequent ausbaut, bediente der Fälscher sich vor allem bei zwei Leo-Briefen, die er auf verschiedene Weise verarbeitete. Auch die Worte Leos des Großen wurden nicht einfach übernommen, sondern inhaltlich weiterentwickelt. Um die römische Autorität auszubauen, verwendete Pseudoisidor ein Versatzstück aus dem bereits erwähnten Brief Leos an Anastasius von Thessaloniki 131. In diesem mahnte der römische Bischof den besonderen Vorrang Roms an, der sich aus der Autorität des Petrus ableite. Doch auch wenn Leo dezidiert die plenitudo potestatis des römischen Bischofs betont, so ist der Stil seines Schreibens doch eher zurückhaltend, weniger im Befehlston verfasst 132. Ganz anders liest sich die entsprechende Passage Pseudo-Anaklets (ca. 76 – 88), in der mit der dem Leo-Brief entnommenen Formulierung auf den Unterschied zwischen den Aposteln hingewiesen wird, um anschließend festzustellen, dass Petrus sowohl von Gott als auch den Jüngern selbst an die Spitze aller übrigen Apostel bestellt worden sei 133. Leo hatte im Fall des Streits unter den Bischöfen auf Rom als gewichtige Lehrautorität hingewiesen, die zur Schlichtung zu konsultieren sei. Pseudoisidor konstruierte daraus eine generelle Darstellung der päpstlichen Vormacht über die ganze Kirche. Dieselbe Leo-Passage benutzte der Fälscher auch im gefälschten Brief des Melchiades (310 – 314) und verfuhr dabei ganz ähnlich wie bei Pseudo-Anaklet. Die Passage über die Machtverteilung zwischen den Aposteln wurde relativ originalgetreu verwertet, aber die Schlussfolgerung fiel sehr viel radikaler aus. Wo bei Leo die Sorge um die Einigkeit in der Kirche im Vordergrund stand, schuf Pseudo-Melchiades machtpolitische Fakten. Er will alle causae maiores, wozu er ausdrücklich Angelegenheiten der Bischöfe zählt, nach Rom überstellt wissen, „damit sie [die Bischöfe] von dort die Endurteile empfangen, […] damit sie nicht irgendwann von ihrem Haupte abweichen“134. Mit dieser absoluten Abhängigkeit der Bischöfe von Rom hatte sich Pseudoisidor weit von seiner Vorlage entfernt. Beim verfälschten Brief von Papst Vigilius (537 – 555) verwendete

130 Siehe S. 106 – 112. 131 Leo I., JK 411, Migne PL 54, Sp. 668A-677A. Siehe S. 16. 132 Vgl. Benson: Plenitudo Potestatis, S. 196 – 200; Ubl: Mehrwert, S. 202 – 204; Fried: Donation, S. 103. 133 Ps.-Anaklet, JK † 4, Kap. 33, ed. Hinschius (Decretales), S. 83. 134 Ps.-Melchiades, JK † 171, Kap. 3, ebd., S. 243: […] sed semper causae maiores, sicut sunt episcoporum et potiorum curae negotiorum ad unam beati principis apostolorum Petri sedem confluerent, ut inde suscipiant finem iudiciorum, unde acceperunt initium institutionum, ne quandoque a suo discreparent capite.

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Der Papst in den pseudoisidorischen Dekretalen

der Fälscher den Abschnitt aus dem Brief Leos I. an den Bischof von Thessaloniki auf vergleichbare Weise 135. Der gleiche Brief Leos des Großen hat dem Fälscher auch an anderer Stelle Material zur Überhöhung der päpstlichen Autorität geliefert. Zu Beginn des Briefes schreibt Leo, er erwarte, konsultiert zu werden, sofern der Bischof Missstände beobachte, damit der Papst, ohne dass diesem vorgegriffen werde, einen weisenden Beschluss erlasse 136. Freilich geht es in diesem Fall um Fragen religiöser Praxis und nicht um das Prozessrecht für Bischöfe. Genau in diesen Zusammenhang rückte Pseudo­isidor die Leo-Passage aber bei Pseudo-Sixtus II. (257 – 258). Der Papst äußert sich in d­ iesem gefälschten Brief empört über das eigenmächtige Vorgehen des spanischen Epis­ kopats, ihn nicht an einem Prozess gegen Bischöfe zu beteiligen. Er weist die Bischöfe ­energisch darauf hin, dass, gleich, welcher schweren Vergehen die Kleriker angeklagt sein mögen, die Angelegenheit vor den apostolischen Stuhl hätte gebracht werden müssen. Pseudoisidor schreibt weiter, die Bischöfe müssten die päpstliche Entscheidung abwarten und dürften dem Urteil keinesfalls vorgreifen 137. Mit der Einbettung in diesen jurisdiktionellen Kontext verfremdet der Fälscher den Gedanken Leos er­­ heblich. In ganz ähnlicher Weise verwendet er die gleiche Leo-Passage auch in Briefen Pseudo-Marcellus’ (308 – 309) und Pseudo-Damasus’ I. (366 – 384), sodass die von Leo proklamierte Lehrautorität des Papstes in den pseudoisidorischen Dekretalen zu einer Jurisdiktionsgewalt umgewandelt wird 138. Damit verfälschte Pseudoisidor das Gedankengut Leos, war diesem doch keineswegs daran gelegen gewesen, die Synoden zu entmachten 139. Ein weiterer als Vorlage verwendeter Brief Leos an den Kaiser Theodosius  II . beginnt mit der Erklärung des Papstes, dass der apostolische Stuhl von Petrus mit der Wahrung des Friedens beauftragt worden sei 140. Der Brief ist eine vor-pseudo­isidorische 135 Vigilius, JK 907, Kap. 7, ebd., S. 712. 136 Leo I., JK 411, Kap. 1, Migne PL 54, Sp. 669A-B und 671A-B. 137 Ps.-Sixtus  II., JK † 134, Kap. 8, ed. Hinschius (Decretales), S. 193. Zusammengesetzt aus Leo I., JK 411, Kap. 1, Migne PL 54, Sp. 669A-B und 671A-B, und ders., Kap. 2, ebd., Sp. 672A. Vgl. für die gleiche Komposition (nahezu wörtlich) Ps.-Julius, JK † 196, Kap. 19, ed. Zechiel-Eckes (Blick), S. 87 f., Z. 338 – 345. 138 Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 1, ed. Hinschius (Decretales), S. 223; Ps.-Damasus, JK † 242, Kap. 18, ebd., S. 505; Vigilius, JK 907, Kap. 7, ebd., S. 712. 139 Wojtowytsch: Papsttum, S. 348 f., weist auf die widersprüchliche Position Leos in Bezug auf die Machtverlagerung zwischen Konzil und Papst hin, die aber anscheinend weder von diesem selbst noch seinen Zeitgenossen problematisiert wurde. 140 Leo I., JK 437, ed. Schwartz (ACO 2, 4), S. 26, Z. 8 – 10: Olim et ab initio in conciliis celebratis tantam nos percepimus a beato Petro apostolorum principe fiduciam, ut habeamus auctoritatem ad ueritatem pro nostra pace defendendam, […]. Vgl. zum Inhalt des Schreibens ausführlich Caspar: Geschichte, S. 493 – 497.

Vorlagen und Arbeitstechniken Pseudo­isidors

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Fälschung 141. Die Verwertung dieser Passage ist dennoch interessant, denn Pseudoisidor geht in der Entfremdung immer weiter. Zunächst legt er Leos Worte Pseudo-Zepherin (199 – 217) in den Mund, wobei er den Kontext etwas anpasst und den apostolischen Stuhl als „Diener des Herrn“ beschreibt, der sich für die gesamte Kirche in „unermüdlichem Einsatz“ befinde 142. Rom wird durch Pseudoisidor die Verantwortung für die gesamte christliche Kirche zugewiesen. Nichtsdestoweniger genügte dem Fälscher die darin dargestellte Autorität des römischen Bischofs nicht, sondern er steigerte sie weiter, indem er den Beginn des Leo-Satzes bei Pseudo-­Dionysius (259 – 268) anders weiterführt. Dionysius will in diesem gefälschten Brief von Petrus die Autorität erhalten haben, „der gesamten Kirche zu Hilfe zu kommen und zu verbessern und zu berichtigen, was immer schädlich ist“143. Die mit dem Primat verbundenen Rechte und Pflichten, die sich zunächst auf die moralische Verantwortung beschränkten, werden dadurch um eine eingreifende Autorität erweitert. Hierbei lässt der Fälscher bewusst Art und Gebiete der Eingriffe offen, wodurch diese gleichsam generalisiert werden und potenziell für jeden Fall theologischer und rechts­praktischer Natur gelten k­ önnten. Unmissverständlich drückt sich der Fälscher aber aus, wenn er beim gefälschten Brief des Papstes Liberius (352 – 266) das dritte Mal Leos Eröffnungspassage zitiert und in folgende Worte einbettet: „Längst und von Anfang an haben wir vom seligen Petrus, dem Fürsten der Apostel, eine so große Gewissheit übernommen, dass wir die Autorität für die gesamte Kirche in Besitz haben, um den rechten Glauben zu verteidigen“144. Die Entstellung durch den Fälscher erreicht hier ihren Höhepunkt, wenn Pseudoisidor Leos für sich reklamierte Verantwortung für den kirchlichen Frieden durch die Verteidigung des wahren Glaubens in der ganzen Kirche ersetzt. Dadurch wird nicht nur, wie in den vorhergegangenen Entlehnungen beim falschen Zepherin und Dionysius, die päpstliche Verantwortung auf die ganze Kirche ausgedehnt, sondern gleichzeitig erklärt der römische Bischof indi 141 Für den Fälschungsbeweis vgl. Schwartz: ACO 2, 4, S. XXII-XXIII. Die Frage, ob Pseudo­ isidor um diese Fälschung wusste, ist für seine Verarbeitung der Passage unerheblich. 142 Ps.-Zepherin, JK † 81, Kap. 10, ed. Hinschius (Decretales), S. 133: Tantam a domino huius sanctae sedis et apostolicae ecclesiae fundatore et beato Petro principe apostolorum accepimus fiduciam, ut pro universali Christi sanguine redempta ecclesia impigro laboremus effectum et omnibus domino famulantibus succurramus et cunctis pie viventibus apostolica auctoritate opem feramus. 143 Ps.-Dionysius, JK † 139, Kap. 2, ebd., S. 195: […] Olim et ab initio tantam percepimus a beato Petro apostolorum principe fiduciam, ut habeamus auctoritatem universali ecclesiae auxiliante domino subvenire et, quicquid nocivum est, auctoritate apostolica corrigere et emendare. Ebenso bei Ps.-Bonifaz, JK † 883, ebd., S. 703. 144 Ps.-Liberius, JK † 222, Kap. 1, ebd., S. 476: Olim et ab initio tantam percepimus a beato Petro apostolorum principe fiduciam, ut habeamus auctoritatem pro universali ecclesia ad rectam defendendam fidem, […].

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Der Papst in den pseudoisidorischen Dekretalen

rekt die römische Tradition und die Beschlüsse der römischen Kirche automatisch für all­gemein verbindlich. Dies entsprach ebenso wenig den Realitäten Leos I. oder Liberius’ I. wie denen der fränkischen Kirche des 9. Jahrhunderts. Mit nur wenigen Änderungen an dem gleichen Textpartikel dokumentierte Pseudoisidor aber in seinen falschen Dekretalen geschickt einen schrittweisen Ausbau der päpstlichen Autorität vom zweiten bis ins vierte Jahrhundert, den es so nie gegeben hatte.

2.5.3  Konzile als Vorlagen für päpstlichen Machtzuwachs Die Bedeutung von Kirchenversammlungen für die pseudoisidorischen Dekretalen ist vielfältig. Wie dargestellt wurde, entmachtete der Fälscher die Synoden innerhalb ­seines Werkes erheblich 145. Gleichzeitig überliefern bestimmte Handschriftenklassen der Dekretalen das zumeist echte Material von insgesamt 54 Synoden. ­Außerdem benutzte Pseudoisidor über 40 Konzile als Vorlagen für seine Dekretalen 146. ­Während der ­Fälscher einerseits die kirchenrechtliche Bedeutung von Synoden reduzierte, s­ tellten andererseits ihre Beschlüsse einen unverzichtbaren Bestandteil seiner S­ chöpfung dar. Den offensichtlichen Widerspruch zwischen diesem wichtigen Mittel und dem Inhalt seiner Fälschung vermochte Pseudoisidor offenbar nicht zu lösen.

2.5.3.1  Die Vorrede des Konzils von Nicäa: Fälschung ohne Veränderung?

Obgleich das Konzil von Nicäa (325)147 als erstes seiner Art die höchste Autorität unter den ökumenischen Konzilien besaß, waren seine Kanones für die Steigerung päpstlicher Machtansprüche nur bedingt geeignet. Die römische Kirche wurde zwar in ihrer besonderen Bedeutung für die christliche Kirche gewürdigt und als Autorität im Westen herausgehoben, mehr aber auch nicht. Der Primat, so ist in der Praefatio zu lesen, leite sich zum einen aus der Namensgebung des Petrus und die Verleihung der Binde- und Lösegewalt durch Christus ab. Zum anderen werde Rom durch das Martyrium des Paulus und des Petrus geheiligt. Genau diesen Abschnitt aus der nicänischen Praefatio zitiert der falsche Anaklet (ca. 76 – 88) in seinem Brief an alle Bischöfe beinahe wörtlich. Der Fälscher dichtete lediglich den Anfang um, worin er den römischen Primat nicht von der Synode und Gott, sondern von den Aposteln

145 Siehe S. 95 – 98. 146 Vgl. Hinschius: Decretales, S. CXXV-CXXIX. 147 Ed. Turner, EOMIA 1, 2.

Vorlagen und Arbeitstechniken Pseudo­isidors

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und Gott abhängig machte 148. Dies war eine inhaltlich notwendige Verfälschung, um die historische Fiktion der Urheberschaft dieser Passage glaubhaft zu gestalten. Anaklet konnte sich schwerlich auf die Autorität einer Synode berufen, die über zwei Jahr­hunderte nach seiner Amtszeit zusammentrat. Die Bedeutung dieser Passage liegt in der „Umdatierung“ durch den Fälscher, die zu folgender Erkenntnis führen sollte: Nicht erst die Kirche der Spätantike, sondern bereits die frühesten römischen Bischöfe ­hatten ihre innerhalb der Kirche herausgehobene Position auf theologisch glaubhaften Boden gestellt und dadurch ihre Autorität untermauert. Pseudoisidor ließ aber diese Aus­sagen über den römischen Primat nicht so stehen, wie dies in den nicänischen Konzils­akten der Fall war. Stattdessen verstärkte der Fälscher die Tendenz, dem Papst eine von je her den Bischöfen übergeordnete Position zu verleihen. Er nutzte dafür das nachfolgende Kapitel 33 im gleichen Brief, in welchem der P ­ seudo-Anaklet sich auf eine von den Aposteln verliehene Vorrangstellung Petri beruft 149. Den zentralen Gedanken dieser Passage – der mit der Matthäus-Passage ver­ bundene Anspruch des Petrus auf die Leitung der Kirche und die Manifestation dieses Anspruches in der Kirche von Rom – wiederholt später der falsche Papst Marcellus I. (308 – 309). Die Bedeutung dieser Textstelle liegt nicht nur in der Tatsache, dass der nicänische Gedanke erneut durch einen vornicänischen Papst ausgedrückt wird. Viel deutlicher als bei Pseudo-Anaklet verbindet der falsche Marcellus mit der historischen Autorität Roms konkrete Forderungen für die innerkirchliche Hierarchie. Er leitet davon (auf Basis des Gedankenguts Leos I.) ab, dass die Bischöfe von Antiochien den Anordnungen des apostolischen Stuhls Folge zu leisten hätten, indem er sie anweist: „Von seiner [Petri] Ordnung dürft ihr nicht abweichen“150. Die antiochenische Kirche sei, wie alle anderen Kirchen, der päpstlichen Weisungsbefugnis unterworfen, Rom sei das Haupt der Kirche und der Ort, an dem Bedrängte Zuflucht fänden 151. Diese Folgerung fußt auf der Basis der nicänischen Praefatio und verfälscht deren ursprüngliche Aussage dadurch erheblich. Ein gefälschter Brief Papst Julius’ I. (337 – 352) verwendet ähnlich wie bei Pseudo-­ Marcellus maßgeblich den Inhalt der nicänischen Praefatio und kein ausgedehntes Zitat wie Pseudo-Anaklet. Bei dieser dritten Verwendung der nicänischen Vorrede bringt der Fälscher das bereits bekannte Thema recht zugespitzt auf den Punkt: Die 148 Ps.-Anaklet, JK † 4, Kap. 30, ed. Hinschius (Decretales), S. 83: Haec vero sacrosancta Romana et apostolica ecclesia non ab apostolis, sed ab ipso domino salvatore nostro primatum obtinuit, […]. Dagegen Nicäa, Praefatio, verwendet nach der Collectio Quesnelliana, ed. Turner (EOMIA 1, 1, 2), S. 156b, Z. 18 – 22: […] sancta ecclesia Romana nullis synodicis decretis praelata est sed euangelica uoce domini et saluatoris nostri primatum obtenuit, […]. 149 Siehe S. 129. 150 Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 1, ed. Hinschius (Decretales), S. 223: Nec ab eius dispositione vos deviare oportet, […]. 151 Ders., Kap. 2, ebd., S. 224.

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Der Papst in den pseudoisidorischen Dekretalen

Kirche Roms „ist größer als alle Kirchen und ihnen vorgeordnet“152. Gut nachvollziehen kann man an dieser Stelle die akkurate, der jeweiligen historischen Fiktion entsprechende Verarbeitung der Vorlage durch den Fälscher. Hatte Pseudoisidor bei Pseudo-Anaklet noch die Synode als Autoritätsquelle gegen die Apostel ausgetauscht, kann er Pseudo-Julius problemlos darauf verweisen lassen. Außerdem bezieht dieser sich neben den Schriften des kanonischen Rechts auch auf die Beschlüsse der Väter. Für einen Leser der Dekretalen war das nur folgerichtig, hatte er doch schon m ­ indestens in den Briefen Anaklets und Marcellus’ vom historisch und theologisch begründeten Vorrang Roms gelesen. Da diese vermeintlich vor denen Julius’ I. entstanden waren, konnte und musste der Papst sich in seinen Ausführungen auf diese beziehen. Tatsächlich spitzt auch Pseudo-Julius in diesem Teil seines Briefes die Ausführungen über die päpstliche Autorität mit energischen Worten zu. Direkt im Anschluss an den Verweis auf die älteren Autoritäten und das Felsenwort kann der Leser sozusagen die Quintessenz der falschen Dekretalen in Bezug auf den Papst lesen: Ferner war längst von den heiligen Aposteln und deren Nachfolgern in den vorgenannten altehrwürdigen Satzungen festgelegt, was bis heute die heilige und allgemeine apostolische Kirche festhält, dass außerhalb des Spruches des römischen Pontifex keine Konzile abgehalten noch Bischöfe verurteilt werden dürfen, da sie gewollt haben, dass die heilige römische Kirche die Vorrangstellung vor allen Kirchen haben soll 153.

Pseudoisidor verwendete hier ein im originalen Kontext zu vernachlässigendes Element des ehrwürdigsten aller Konzile als Basis für seine ausufernden Ansprüche päpstlicher Macht. Diese Art der Entfremdung der Vorlagen ist für den Fälscher typisch und in seiner Konsequenz keineswegs weniger dramatisch als eine Veränderung im Wortlaut der Quellen. Die Essenz aus einer kleinen Passage der nicänischen Praefatio wird durch Pseudoisidor einem neuen Urheber zugeschrieben, in einen vollkommen neuen Kontext gerückt und mit weitreichenden kirchenrechtlichen Implikationen verbunden. Dies blieb jedoch nicht sein einziger Eingriff in das Konzilsrecht. Neben dem Konzil von Nicäa verarbeitete Pseudoisidor zur Machtsteigerung des apostolischen Stuhls die Kanones zweier weiterer Konzilien und verfälschte diese inhaltlich noch stärker.

152 Ps.-Julius, JK † 195, Kap. 6, ebd., S. 459: Ipsa namque omnibus maior et praelata est ecclesiis […]. 153 Ebd.: Porro dudum a sanctis apostolis successoribusque eorum in praefatis antiquis decretum fuerat statutis, quae hactenus sancta et universalis apostolica tenet ecclesia, non oportere praeter sententiam Romani pontificis concilia celebrari nec episcopum damnari, quoniam sanctam Romanam ecclesiam primatum omnium ecclesiarum esse voluerunt […].

Vorlagen und Arbeitstechniken Pseudo­isidors

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2.5.3.2  Das Fälschungsgeflecht von Sardika

Das Konzil von Sardika (343)154 gehört zu denjenigen Vorlagen, die vom Fälscher vergleichsweise selten benutzt wurden. Er verarbeitete wohl nur fünf der 21 K ­ anones in den falschen Dekretalen 155. Damit scheint Sardika auf den ersten Blick eine u­ n­wichtigere Vorlage zu sein 156. Für die in der vorliegenden Arbeit zu behandelnde Fragestellung ist aber die Rezeption der sardischen Konzilsbeschlüsse elementar; nicht zuletzt deshalb, weil bis auf eine Entlehnung jede Verwendung dieser Kanones mit dem Aspekt der päpstlichen Jurisdiktionsgewalt verbunden ist. Auch wenn die Synode in Bezug auf die Entwicklung des römischen Primats recht einflusslos war 157, bot sie den Fälschern des 9. Jahrhunderts mit ihren Ausführungen zum Appellations- und Revisionsrecht doch gutes Ausgangsmaterial. Grundsätzlich schreiben die Kanones die Zu­­ständigkeit für Streitigkeiten unter den Bischöfen und Anklagen gegen sie der Provinzialsynode zu (Kanon 3b). Sofern sich der Verurteilte jedoch ungerecht be­­handelt fühle, sollten seine Richter nach Rom schreiben, damit der Papst das Urteil prüfen und gegebenenfalls eine Revisionsverhandlung vor neuen Richtern anordnen könne. Die Richter w ­ erden in diesem Fall vom Papst benannt, ihm selbst wird in der Sache keine Urteilskraft erteilt (Kanon 3c)158. Der römische Bischof darf weder Beschlüsse aufheben noch das

154 Ed. Turner, EOMIA 1, 2. 155 Hinschius‘ Quellenverzeichnis nennt nur drei Kanones als Vorlagen, den ersten, vierten und siebten, vgl. Hinschius: Decretales, S. CXXIX. Die Auflistung müsste um den dritten (nur Rubrik) und elften Kanon ergänzt werden. 156 Tatsächlich nimmt die Versammlung in dem Vorlagenbereich der Konzile, gemessen an ihrer Rezeptionshäufigkeit, eine mittlere Position ein. An die vom Fälscher als Vorlagen prä­ferierten Synoden, wie Chalkedon (451), die Lateransynode (649) oder das Konzil von Aachen (816), reicht Sardika längst nicht heran. Allerdings wird die Synode nur dreimal weniger verwendet als das kirchenrechtlich deutlich gewichtigere Nicäa (325). 157 Siehe S. 22 f. 158 Sardika, Kap. 3, ed. Turner (EOMIA 1, 2, 3), S. 455 – 457: Illud quoque providendum est, si in aliqua provincia forte aliquis episcopus contra fratrem suum episcopum litem habuerit, non ex his unus ex alia provincia ad vocet episcopos. Quod si aliquis episcopus iudicatus fuerit in aliqua causa et putat bonam causam habere ut iterum iudicium renovetur, si vobis placet, sanctissimi Petri apostoli memoriam honoremus: scribatur vel ab his episcopis qui in proxima provincia morantur romano episcopo, si iudicaverit renovandum esse iudicium, renovetur et det iudices, si autem obaverit talem causam esse ut ea non refricentur quae acta sunt, quae decreverit confirmatur erunt. Si hoc omnibus placet? Synodus respondit: Placet. Auch wenn dieses Kapitel keine pseudoisidorische Vorlage darstellt, ist sein Inhalt doch essenziell, um die Verfremdung der sardischen Rechtsbeschlüsse durch den Fälscher zu verstehen. Vgl. zu seiner Interpretation Brennecke: Rom, S. 23 f.

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Der Papst in den pseudoisidorischen Dekretalen

Verfahren nach Rom ziehen 159. Während dieses Prozesses darf der vakante Bischofsstuhl nicht neu besetzt werden (Kanon 4). Schließlich wird dem verurteilten Bischof selbst das Recht erteilt, nach Rom zu appellieren (Kanon 7/V)160. Sieben von Pseudo­isidors falschen Päpsten entstellen die sardischen Beschlüsse zur Appellation, indem sie das Urteil von Rom abhängig machen beziehungsweise die Macht zur endgültigen und bindenden Verurteilung nur dem Papst zusprechen 161. Dabei muss man zwischen zwei unterschiedlichen Anwendungsweisen unterscheiden. Dreimal findet eine Kombination aus dem Beginn des siebten Kanons und der Rubrik des dritten Kanons eine beinahe wörtliche Übernahme, viermal wird der Wortlaut der Kanones zumeist nicht wörtlich zitiert, sondern in Übereinstimmung mit der Verfälschungsabsicht frei entlehnt. Zunächst zur Verwendung der Rubrik des dritten Kanons. Darin wird die Quint­ essenz des Kanons zusammengefasst. Bei Streitigkeiten zwischen den Bischöfen bestehe die Möglichkeit einer Appellation an Rom zu dem bereits beschrieben Zweck 162. Bei den falschen Päpsten hört sich die Angelegenheit jedoch ganz anders an. Pseudo-­ Fabian (236 – 250) stellt ganz einfach fest, dass, wenn ein angeklagter Bischof an den römischen Bischof appelliere, Roms Entscheidung in der Sache rechtliche Wirksam­ keit habe 163. Auf diese Weise findet die Rubrik ebenfalls Eingang in die falschen Dekretalen Julius’ I. (337 – 352) und Sixtus’ III. (432 – 440)164. Es handelt sich also um eine deutliche Kompetenzverschiebung in dem Sinne, dass der Papst nicht mehr 159 Vgl. Caspar: Geschichte, Bd. 1, S. 161; Wojtowytsch: Papsttum, S. 111 – 115. Hartmann: Primat, S. 54 f., ist in seiner Darstellung der Kanones von Sardika wenig präzise, wenn er davon spricht, dass dem römischen Bischof in Sardika eine eng beschränkte „oberrichterliche Gewalt“ (S. 54) zugesprochen wurde, wo in den Beschlüssen der Papst doch nur eine rein formelle Berufungsinstanz ohne Sachkompetenz darstellt. 160 Zur Interpretation dieser Kanones vgl. ausführlich Hess: Canons, S. 109 – 126. 161 Auch bei Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 2, ed. Hinschius (Decretales), S. 224, wird Sardika rezipiert, aber nur indirekt über eine Vorlage, die sich aus den sardischen Kanones speiste. Letztere Passage wird deshalb hier nicht berücksichtigt und trägt in ihrer Benutzung der Konzilsbeschlüsse auch nichts Entscheidendes zur Diskussion bei. 162 Sardika, Kap. 3 (Rubrik), ed. Turner (EOMIA 1, 2, 3), S. 447: Ut inter discordes episcopos conprouinciales antistites audiant: quod si damnatus appellauerit Romanum pontificem, id obseruandum quod ipse censuerit. 163 Ps.-Fabian, JK † 94, Kap. 29, ed. Hinschius (Decretales), S. 168: Placuit etiam ut si episcopus accusatus appellaverit ad apostolicam sedem, id statuendum quod eiusdem sedis pontifex censuerit […]. Der Beginn dieses Satzes (Placuit […] accusatus) stammt aus dem Anfang des siebten Kanons der sardischen Beschlüsse: Sardika, Kap. 7, ed. Turner (EOMIA 1, 2, 3), S. 460. 164 Unwesentlich abgewandelt bei Ps.-Julius, JK † 196, Kap. 12, ed. Zechiel-Eckes (Blick), S. 78, Z. 152 f. Wörtlich wie Ps.-Fabian ist Ps.-Sixtus III., JK † 397, ed. Hinschius (Decretales), S. 563.

Vorlagen und Arbeitstechniken Pseudo­isidors

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nur formal- und prozessrechtliche Appellationsinstanz ist, sondern weitaus mehr. Er bekommt die Kompetenz zugesprochen, die Fälle angeklagter Bischöfe inhaltlich zu entscheiden. In die gleiche Richtung weist auch die eher indirekte Sardika-Rezeption in den falschen Dekretalen. Die Rezeption beginnt bei Pseudo-Eleutherus (175 – 189), der den endgültigen Ausgang des Verfahrens von Rom abhängig macht. Hier will der Fälscher augenscheinlich die Bischöfe schützen, indem er den Gehalt des vierten sardischen Kanons in den Mittelpunkt stellt und bestimmt, den Bischofsstuhl des Angeklagten für die Dauer des Prozesses nicht neu zu vergeben 165. Pseudo-Viktor I. (189 – 199) kombiniert den vierten und siebten Kanon von S­ ardika, verschiebt aber gegenüber seinem Vorgänger Pseudo-Eleutherus den Schwerpunkt seiner Argumentation. Im Fokus stehen bei ihm die jurisdiktionellen Vorrechte des Papstes. Es wird darauf verwiesen, dass angeklagte Bischöfe nach Rom ­appellieren können. Auch ihr vermeintlich vakanter Stuhl soll nach dem Willen des Pseudo-­ Papstes unbesetzt bleiben. Diese zwei Punkte, die sich auf den Schutz der Bischöfe in Prozessfragen beziehen, stehen in beinahe vollständiger Übereinstimmung mit den Beschlüssen von Sardika 166. Die eigentliche inhaltliche Fälschung dieses Kapitels liegt aber in der Kompetenz, die dem Papst in dieser Frage zugesprochen wird. Der römische Bischof kann Richter einsetzen, so wie dies der sardische Kanon 3c bereits gestattete, oder aber, ein Novum gegenüber Sardika, selber zum Richter werden. In jedem Fall wird die Kraft zur Verurteilung ausdrücklich den Synoden entzogen und Rom zugeordnet 167. Prozessrechtliche Schutzmechanismen für die Bischöfe lieferten dem Fälscher hier also bereits seine Vorlage. Es sind seine eigenen Einfügungen und Änderungen im Text, die dem Papst Macht verleihen – eine Änderung, die weder die 165 Auch wird recht lapidar darauf hingewiesen, dass der Papst nur in Prozessen gegen Bischöfe oberster Richter ist, die Angelegenheiten kleinerer Geistlicher verbleiben in den Händen der Provinzen. Ps.-Eleutherus, JK † 68, Kap. 2, ebd., S. 125: Nec in eorum ecclesiis alii aut praeponantur aut ordinetur, antequam hic eorum iuste terminentur negotia, […]. Reliquorum vero clericorum apud provinciales et metropolitanos ac primates et ventilare et iuste finire licet. Vgl. zur Benutzung des vierten sardischen Kanons auch Ps.-Sixtus II., JK † 133, Kap. 2, ebd., S. 190. 166 Lediglich die Möglichkeit zur Appellation wird erweitert, da Pseudo-Viktor den Zeitpunkt der Anrufung Roms nicht prozessrechtlich festschreibt. 167 Ps.-Viktor I., JK † 74, Kap. 5, ed. Hinschius (Decretales), S. 128: Placuit, ut accusatus vel iudicatus a comprovincialibus in aliqua causa episcopus licenter appellet et adeat apostolicae sedis pontificem, […] comprovincialibus episcopis accusa[ti causam pontificis scrutari liceat, non tamen definiri inconsulto Romano pontifice] permissum est, […]. Genauso bei Ps.-Julius, JK † 196, Kap. 12, ed. Zechiel-Eckes (Blick), S. 76, Z. 124-S. 77, Z. 129. Die komplizierte Zusammensetzung der verschiedenen Teile der sardischen Kanones kann an zuletzt ­genannter Edition gut nachvollzogen werden.

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Der Papst in den pseudoisidorischen Dekretalen

sardischen Beschlüsse nahegelegt hatten noch die Situation der Bischöfe elementar verbesserte. Sie wurde ausschließlich vorgenommen, um Rom entscheidende jurisdiktionelle Kompetenz zu verleihen. Auch der gefälschte Brief Julius’ I. stützt sich gleich mehrfach auf die Beschlüsse von Sardika. Zunächst zitiert er die Inhalte des vierten und siebten Kanons wortwörtlich wie Pseudo-Viktor I., um anschließend nochmals die Rubrik des siebten Kanons anzuführen, nach der ein von einer Provinzialsynode abgesetzter Bischof beim Papst Hilfe suchen könne 168. Inhaltlich liefert Pseudo-Julius also kaum etwas Neues gegenüber seinen falschen Vorgängern. Seine Sardika-Rezeption ist aus einem anderen Grund hervorzuheben. Er zitiert in seinem Brief die angeblichen zusätz­ lichen Kanones von Nicäa und ordnet das sardische Gedankengut diesen zu. Das mag für den Fälscher nahegelegen haben, wenn man bedenkt, dass die echten sardischen Beschlüsse in Rom „ohne Kennzeichnung ihrer Herkunft an die Kanones von Nikäa angeschlossen und so als nikänische rubriziert wurden“169. Tatsächlich wird an dieser Stelle erneut Pseudo­isidors kompliziertes Fälschungsgeflecht offenbar. Er benutzte echte Textpartikel einer Synode, die im kanonischen Recht kaum Relevanz besaß, und verfälschte sie zugunsten des Papstes. Er schob sie durch den falschen Julius-Brief der Synode von Nicäa unter, die mehr Autorität als alle anderen Kirchenversammlungen besaß. Gleichzeitig positionierte er seine Fälschung wörtlich als ursprüngliche Verlautbarung des vornicänischen Papstes Viktor I. und ließ den Grundsatz päpstlicher Jurisdiktion in Bischofsprozessen somit noch älter und ehrwürdiger erscheinen – und auf einen römischen Bischof zurückgehen. Durch die Beschreibung als nicänischer Kanon erlangte der Beschluss unanfechtbare kanonische Autorität. Der Fälscher erschuf hier ein atemberaubend vielschichtiges Lügengebäude, das man Schicht um Schicht entblättern muss, um zu seinem Kern zu gelangen. Ähnlich komplex, wenn auch auf eine andere Art, gestaltete sich auch Pseudo­isidors Verarbeitung der d­ ritten Konzilsvorlage.

2.5.3.3  Die Verformung der Kanones von Chalkedon

Die Kanones des Konzils von Chalkedon (451)170 sind die dritte Vorlage aus der Quellen­gruppe der Konzile, die Pseudoisidor benutzte, um die Herrschaft des P ­ apstes in der Kirche zu untermauern. Die eigentliche Bedeutung der Kirchenversammlung von Chalkedon rührt in erster Linie von der Tatsache her, dass man sich dort in dem seit dem Konzil von Nicäa schwelenden christologischen Streit auf eine 168 Ps.-Julius, JK † 196, ebd., S. 81, Z. 194 f. 169 Wojtowytsch: Papsttum, S. 115. 170 Ed. Schwartz, ACO 2, 3, 1 – 3.

Vorlagen und Arbeitstechniken Pseudo­isidors

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Glaubensformel einigte, die noch heute in der römisch-katholischen Kirche gilt 171. Für Pseudoisidor waren jedoch solcherlei Überlegungen vollkommen unerheblich. Schließlich hatte sich die Versammlung als zweitwichtigsten Verhandlungspunkt nach Glaubens­fragen vor allem mit kirchenrechtlichen Aspekten, insbesondere mit der Absetzung und Restituierung von Bischöfen beschäftigt 172. Hier wurde der ­Fälscher in seinem Sinne fündig. Er griff für die Komposition der falschen Papstbriefe ­mindestens 28-mal auf die Kanones und die Konzilsakten zurück 173. Bei der Erhöhung der päpstlichen Gewalt waren für Pseudoisidor in erster Linie drei kurze Passagen der Vorlage relevant. In Kapitel neun der Konzilsbeschlüsse ist zu lesen, dass Anklagen gegen Metro­ politen durch Bischöfe oder Kleriker an den Primas der Diözese oder den Stuhl von Konstantinopel gerichtet werden sollten 174. Desgleichen liest man in ­Kapitel zwölf, dass Beschwerden gegen Metropoliten dem Vorsitzenden der Diözese oder dem Patriarchen von Konstantinopel vorzutragen seinen 175. Letztere Anordnung erklärt sich aus der Tatsache, dass auf dem Konzil in erster Linie Bischöfe der Ostkirche versammelt waren, für die Rom keine Weisungsbefugnis besaß. ­Folgerichtig vertauschte Pseudoisidor für sein eigenes Fälschungsgeflecht in den falschen Dekretalen den ­Patriarchen von Konstantinopel mit dem apostolischen Stuhl in Rom. So liest man bei Pseudo-Anicetus (155 – 166) beinahe parallel zu den Chalkedon-Beschlüssen ­folgende Worte: „In ähnlicher Weise soll, wenn irgendein Bischof seinen eigenen Metropoliten verdächtigt, dieser vom Primas der Diözese oder vom apostolischen Stuhl angehört werden“176. Erneut offenbart 171 Chalkedon, ed. Schwartz (ACO 2, 3, 2), S. 156, Z. 14 – 16. Aufgrund dieser Glaubensformel wurde Chalkedon von Ritter: Christologie, Sp. 1923, als „das wichtigste der mit den christologischen Kontroversen befaßten Reichs- oder ökumenischen Konzile der Alten Kirche“ bezeichnet. 172 Dies trifft sowohl auf die Verarbeitung der Konzilsakten in den falschen Dekretalen als auch die Anfertigung der verfälschten Excerptiones de gestis Chalcedonensis concilii zu. Dass diese überhaupt angefertigt wurden, stellt schon die Bedeutung heraus, die das Konzil von Chalkedon für den Fälscher hatte, siehe S. 171 – 173.Vgl. auch Wiegelmann: Excerptiones, S. 29 – 32. 173 Vgl. Hinschius: Decretales, S. CXXVII. 174 Chalkedon, Kap. 9, ed. Schwartz (ACO 2, 2, 1), S. 56, Z. 18 – 20: Quodsi auersus eiusdem prouinciae metropolitanum episcopus uel clericus habet querellam, petat primatem diocesos aut sedem regiae urbis Constantinopolitanae et apud ipsam iudicetur. 175 Ebd., Kap. 12, ed. Schwartz (ACO 2, 2, 2), S. 90, Z. 31-S. 91, Z. 1: Siquis uero putauerit se a proprio metropolitano grauari, apud principem ipsius dioceseos aut apud Constantinopolitanae ciuitatis sedem agat iudicum, sicut iam dictum est. 176 Ps.-Anicetus, JK † 57, Kap. 4, ed. Hinschius (Decretales), S. 121: Similiter si aliquis episcoporum proprium metropolitanum suspectum habuerit, apud primatem dioceseos aut apud hanc apostolicam sedem audiatur.

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Der Papst in den pseudoisidorischen Dekretalen

sich das bereits bekannte Bild. Eine k­ anonische Anordnung des 5. Jahrhunderts wird einem Papst des ­zweiten Jahrhunderts in den Mund gelegt. Alle Elemente der Vorlage, die nicht ins Bild passen, werden ausge­lassen. So zum Beispiel die nach den Kanones von Chalkedon ebenfalls zur Beschwerde ­berechtigten niederen Kleriker. In diesem Falle geht die Verfälschung noch weiter, weil der chalkedonensische Wortlaut relativ genau übernommen wird, der aposto­lische Stuhl jedoch stillschweigend den Platz des Primas von K ­ onstantinopel einnimmt. Die Verwendung dieser Passagen aus den Kanones von Chalkedon ist in erster Linie Pseudo­isidors Hauptziel geschuldet, die Bischöfe zu schützen, in ­diesem Fall vor den Metropoliten. Die gesamte Passage in dem falschen Anicetus-Brief beschäftigt sich mit diesem Thema 177. Es ist wohl auch dieses Kapitel, auf das sich der nachfolgende Brief Pseudo-­Viktors I. (189 – 199) bezieht. Dort heißt es, in den apostolischen Satzungen sei zu lesen, dass, wenn einer meine, vom eigenen Metropoliten bedrückt zu werden, das Urteil vom Primas der Diözese oder vom apostolischen Stuhl ergehen müsse 178. Interessanterweise verstärkt Pseudoisidor beim gefälschten Viktor-Brief die Position des Papstes, indem er den apostolischen Stuhl mit dem Zusatz universalis ecclesiae belegt, um ­seiner zentralen Auffassung vom Papst als Oberhaupt der gesamten Kirche Ausdruck zu verleihen. Der gleiche Wortlaut wie bei Pseudo-Viktor findet sich auch bei einem gefälschten Brief von Papst Sixtus II. (257 – 258)179. Der Verweis auf diese älteren Autoritäten wird durch den falschen Brief des Bischofs Athanasius von Alexandrien an Papst Felix  II . (483 – 492) auf die Spitze getrieben. Pseudoisidor verkürzt nochmals den von seinen früheren Pseudo-­Päpsten modifizierten Inhalt der Chalkedon-Kanones, indem er schreibt, diese hätten festgesetzt, dass ein Bischof, der seinen Metropoliten für voreingenommen hält, den apostolischen Stuhl anrufen solle.180 Vom Primas der Diözese, also von einer lokalen übergeordneten Einigungsinstanz, ist keine Rede mehr. Der apostolische Stuhl ist diejenige Einrichtung, die derlei schwerwiegende Angelegenheiten zu ent­scheiden hat. Gleichermaßen erfolgt auch die Antwort des Pseudo-Felix  II . an Athanasius: „Sooft Bischöfe sich von ihren Amtsbrüdern oder von einem Metropoliten be­­drücket wähnen oder sie als voreingenommen beurteilen, sollen sie sogleich an den ­römischen 177 Siehe S. 121 – 124. 178 Ps.-Viktor I., JK † 74, Kap. 6, ed. Hinschius (Decretales), S. 128: Et alibis in statuis legitur apostolicis:] Si quis putaverit se a proprio metropolitano gravari, apud patri[archam vel primat] em dioceseo aut penes universalis apostolicae ecclesiae iudicetur sedem. 179 Ps.-Sixtus II., JK † 133, Kap. 3, ebd., S. 190. 180 Bf. Athanasius an Felix II., Kap. 4, ebd., S. 480: Similiter et a supradictis patribus est definitum consonanter, ut, si quisquam episcoporum aut metropolitanum aut comprovinciales vel iudices suspectos habuerint, vestram sanctam Romanam interpellet sedem, […].

Vorlagen und Arbeitstechniken Pseudo­isidors

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Stuhl appellieren“181. Pseudoisidor verfolgt hier eine Verfälschungstaktik, die zu einer inhaltlichen Weiterentwicklung seiner Vorlage im Verlauf der Dekretalen führt, wie bereits an anderer Stelle zu beobachten war 182. Er beginnt mit der recht wort­ getreuen Verwendung der Kanones bei Pseudo-Anicetus und setzt seine Arbeit mit einer Akzentverschiebung in den gefälschten Dekretalen Viktors I. und Sixtus’ II. fort. S­ chließlich gipfelt die Entstellung der Beschlüsse im falschen Brief des Bischofs Athanasius und in der Antwort des Pseudo-Papstes Felix II. Der Papst, der im Original gar nicht vorkam, wird erst zu einem möglichen Richter in Streitigkeiten zwischen Metropolit und Bischof erklärt, dann wird ihm zusätzlich der Vorsitz über die gesamte christliche Kirche zugesprochen, schließlich ruft Pseudoisidor ihn zur entscheidenden Appellationsinstanz für die Bischöfe aus. Dadurch wird zum einen die Schutzfunktion des Papstes untermauert. Zum anderen aber wird der Papst in eine machtvolle Position gehoben, welche die Beschlüsse von Chalkedon in keiner Weise enthalten. Die Identifikation einiger direkter Vorlagen Pseudo­isidors durch Zechiel-Eckes hat ergeben, dass der Fälscher auch in vier falschen Papstbriefen auf die Actio I aus den chalkedonensischen Protokollen zugegriffen hat, um die päpstliche Vorherrschaft in der Kirche zu untermauern 183. Dort findet sich die Aussage der auf dem Konzil den Vorsitz führenden päpstlichen Legaten, dass die sogenannte „Räubersynode“ von Ephesus (449) auf Wirken des Dioskur und ohne apostolische Autorität durchgeführt worden sei, „was niemals geschehen ist und auch nicht geschehen durfte“184. Tatsächlich traf diese Einschätzung der päpstlichen Gesandten den Kern der Angelegenheiten in Ephesus keineswegs. Die Problematik um die „Räubersynode“ rührte weniger aus der mangelnden römischen Bestätigung als vielmehr aus der Tatsache, dass die Beschlüsse durch massive und gewaltsame Bedrohung der beteiligten Bischöfe

181 Ps.-Felix  II., JK † 230, Kap. 12/xx, ebd., S. 488: Quoties episcopi se a suis comprovincialibus vel a metropolitano putaverint praegravari aut eos suspectos habuerint, mox Romanam appellent sedem, […]. 182 Siehe S. 124 – 128. 183 Hinschius hatte alle vier betreffenden Stellen noch der Historia Tripartita des Cassiodor, Buch 4, Kap. 9, zugeordnet. Vgl. Zechiel-Eckes: Blick, S. 50 (Tabelle, Lemma 1) und S. 51 (mit Anm. 43). 184 Chalkedon, Actio I, ed. Schwartz (ACO 2, 3, 1), S. 40, Z. 18 f.: […] synodum ausus est facere sine auctoritate sedis apostolicae, quod numquam factum est nec fieri licuit. In der ­annotierten Version des Rusticus, auf die Pseudoisidor zurückgegriffen hat, liest man ebd., Apparat 16 – 19: synodum ausus est facere sine auctoritate sedis apostolicae, quod numquam licuit, numquam factum est. Vgl. inhaltlich Caspar: Geschichte, Bd. 1, S. 512. Der Vorsitz der päpstlichen Legaten in Chalkedon verdankte sich im Übrigen wohl eher der kaiserlichen, nicht der apostolischen Autorität.

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Der Papst in den pseudoisidorischen Dekretalen

erzwungen worden waren 185. Dennoch lieferte dieser kurze Satz aus der Actio I hervorragendes Material für den Fälscher. Das erste Mal begegnet dem Leser der falschen Dekretalen dieses Versatzstück in den Briefen Pseudo-Marcellus’ I. (308 – 309), die folgende Aussage transportieren: Synoden müssen durch den apostolischen Stuhl einberufen werden und sind ohne seine Autorisierung nicht durchzuführen 186. Der gleiche Inhalt in ähnlichem Wortlaut findet sich auch bei Pseudo-Julius I.187 und in einer gefälschten Damasus-­Dekretale  188. Zechiel-Eckes hat an der unmittelbaren Vorlage des Fälschers nachgewiesen, dass ­dieser die Rusticus-Bearbeitung der Chalkedon-Passage herausgehoben hatte und diese wörtlich am nächsten an den benutzten Versatzstücken in den falschen Dekretalen liegt 189. Die Verarbeitung dieser Passage der Chalkedon-Protokolle zeigt sehr deutlich, wie weit der Fälscher sich inhaltlich von der historischen Grundlage seiner Quellen entfernte. Eine Anmerkung zu den Chalkedon-Protokollen wurde als Textpartikel isoliert und dann in zugespitzter Form in die falschen Dekretalen eingelassen. Aus einer einzelnen, sachlich unzutreffenden und nicht kanonisierten Aussage eines päpstlichen Legaten zu einer bestimmten Synode machte Pseudoisidor ein generelles Verbot, Synoden ohne päpstliche Zustimmung abzuhalten. An dieser Stelle fälschte man eindeutig zugunsten des Papstes. Man sollte sich folgenden Sachverhalt vergegenwärtigen: Es muss allem Anschein nach so gewesen sein, dass die Fälscherwerkstatt die Vorlagen auf geeignetes M ­ aterial hin durchgesehen und anschließend eine Art „Sachkatalog“ angelegt hat, deren Bausteine in den falschen Dekretalen in unterschiedlicher Form zusammengesetzt ­wurden  190. Es ist keinesfalls zwingend notwendig, dass der Fälscher, als er die ent­ sprechende Passage in der Vorlage anstrich, bereits die Kombination mit dem Ge­ dankengut Innozenz’ I. im Hinterkopf hatte, wie sie beispielsweise im ersten falschen Marcellus-Brief zum Tragen kommt. Das bedeutet für das Vorgehen Pseudo­isidors, dass man eben nicht nur nach Material suchte, um Bischöfe vor Prozessen zu ­schützen oder diese zu erschweren. Auch Passagen, die ausschließlich dafür geeignet waren, 185 Vgl. ebd., S. 483 – 487, zu Ephesus. Siehe auch S. 173 – 176. 186 Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 2, ed. Hinschius (Decretales), S. 224: […] nulla fieret synodus praeter eiusdem sedis auctoritatem […]. Und Ps.-Marcellus, JK † 161, Kap. 10, ebd., S. 228: Synodos ergo absque huius sanctae sedis auctoritate episcoporum, quamquam quosdam episcopos possitis congregare, non potestis regulariter facere. 187 Ps.-Julius, JK † 196, Kap. 11, ed. Zechiel-Eckes (Blick), S. 75, Z. 96 f.: [..] ut absque eius sanctae sedis auctoritate nullus deberet aut concilia celebrare […]. 188 Ps.-Damasus, JK † 242, Kap. 9, ed. Hinschius (Decretales), S. 503: […] synodum sine eius auctoritate fieri non est catholicum, […]. 189 Vgl. dazu Zechiel-Eckes: Verecundus, S. 420 f., und ders.: Blick, S. 50 f. Annotation des Rusticus ed. Schwartz (ACO 2, 3, 1), S. 40 (Apparat 16 – 19). 190 Zechiel-Eckes: Blick, S. 51 f. (Anm. 44).

Vorlagen und Arbeitstechniken Pseudo­isidors

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die päpstliche Macht auszubauen, wurden extrahiert und der Materialsammlung zugeführt. Die Ausgestaltung in den falschen Dekretalen muss zu diesem Zeitpunkt nicht bereits vollständig konzipiert gewesen sein.

2.5.4  Die Kirchengeschichte des Cassiodor in den falschen Dekretalen Neben der Bibel, echten Papstbriefen und Kanones verarbeitete Pseudoisidor auch historiografisches Material in seiner Fälschung. Die Historia ecclesiastica tripartita 191 des Cassiodor ist eine Kompilation aus den Schriften mehrerer griechischer Kirchenhistoriker der Spätantike und entstand im 6. Jahrhundert 192. Das Kompendium wurde das ganze Mittelalter hindurch bis in die Reformationszeit benutzt und war eine der prominentesten Vorlagen für die falschen Dekretalen Pseudo­isidors. Schließlich benötigte die Fälscherwerkstatt dringend historische Hintergrundinformationen, um die Briefe authentisch wirken zu lassen. Man weiß von 32 Textpartikeln, die der Fälscher mindestens 59-mal in den falschen Papstbriefen verwendete 193. In Hinblick auf diejenigen Passagen, die die päpstliche Macht überhöhen, diente Cassiodors Werk in erster Linie im zweiten Teil der falschen Papstbriefe als Vorlage. Dazu waren verschiedene Stellen in so großem Maße geeignet, dass der Fälscher kaum etwas an ihnen verändern musste. In diesem Zusammenhang ist auf die Vorgeschichte des Konzils von Sardika (343) einzugehen, welches als Vorlage bereits behandelt wurde 194. In der Auseinander­setzung um die Absetzung der Bischöfe Athanasius von Alexandrien und Marcellus von Ankyra gelang es Papst Julius I. (337 – 352), eine wichtige Rolle einzunehmen. Er versammelte im Frühjahr 341 eine Synode in Rom, auf der die beiden Bischöfe sowie weitere aus der Ostkirche vertriebene Geistliche wieder in die Kirchengemeinschaft aufgenommen wurden. In seinem Begründungsschreiben setzte der Papst sich ausführlich mit seiner eigenen Rolle in dem Konflikt auseinander und begründete seine Initiative mit der ihm zustehenden Sorge um den kirchlichen Frieden 195. Er verlangte in den Schlusskapiteln, bezüglich eines so schwerwiegenden Verfahrens wie der Absetzung 191 Ed. Hanslik/Jakob, CSEL 71. 192 Übersetzt durch Cassiodors Freund Epiphanius, vgl. Bautz: Cassiodor, Sp. 953. 193 Diese Beobachtung speist sich erneut aus dem überarbeiteten Quellenverzeichnis auf der Basis von Hinschius‘ Arbeit. Zu den genannten Stellen kommt noch die Benutzung des Textes bei Benedictus Levita und den Capitula Angilramni hinzu. Die Abweichung zum Quellenverzeichnis, das 63 Belegstellen in den falschen Dekretalen zählt, erklärt sich aus der fälschlichen Zuweisung von vier Stellen, die sich aus Actio I der Chalkedon-Protokolle ableiten. Siehe S. 137 – 139. 194 Siehe S. 131 – 134. 195 Julius I., JK 186, Migne PL 8, Sp. 980B-994A. Vgl. Wojtowytsch: Papsttum, S. 99 – 101.

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Der Papst in den pseudoisidorischen Dekretalen

von Bischöfen sei die gesamte Kirche mit einzubeziehen. Es hätte eine Meldung an die Westkirche ergehen müssen, damit sich der gesamte Episkopat zu einem ent­ sprechenden Prozess hätte einfinden können 196. Er beanspruchte die Zuständigkeit in dieser Frage also nicht für sich persönlich, sondern für die Ökumene als Ganzes 197. In der Kirchengeschichte des Cassiodor hingegen wurde daraus die „Regel“ (regula) abgeleitet, dass Konzile „nicht ohne den Spruch des römischen Bischofs gefeiert“ werden dürften 198, eine auf den Primat bezogene Rigorosität, die so keineswegs der Intention Julius’ I. entsprach. Ungeachtet der Frage, ob sich Pseudoisidor dieses Sachverhalts bewusst gewesen sein konnte, verwendete der Fälscher eben diese konzentrierte Passage der Kirchen­ geschichte und legte sie „historisch korrekt“ Pseudo-Julius I. in seinen Dekretalen wortgetreu in den Mund 199. Pseudoisidor griff also auf eine Passage der Historia Tripartita zurück, die den gleichen Inhalt ausdrückte wie die von ihm parallel benutzte Actio I der Chalkedon-Akten in der Rusticus-Version, die seiner Bearbeitung bedurft hatte. An dieser Stelle legt die Doppelung der Vorlagen nahe, dass der Fälscher tat­sächlich einen „Schlagwortkatalog“ angefertigt hatte, aus dem er sich an entsprechender Stelle bediente 200. Doch damit nicht genug: Man bediente sich bei der Konstruktion der falschen Briefe offensichtlich auch beider Vorlagen in einem Brief, wie man im zweiten gefälschten Julius-Brief beobachten kann. Neben der Chalkedon-Rezeption findet sich dort auch die Verwertung der Cassiodor-Passage 201. Eine eher typische pseudoisidorische Verfälschung findet sich im falschen Brief des Bischofs Athanasius an Papst Felix  II. (269 – 274). In Buch vier, Kapitel 19 der Historia Tripartita schreibt der Historiograf Socrates, dass im Streit zwischen Julius und der Ostkirche um die Behandlung des Athanasius der Papst geschrieben habe, die Angelegenheit hätte nach kanonischem Recht nicht ohne ihn entschieden werden

196 Vgl. Julius I., JK 186, Kap. 32 – 36, Migne PL 8, Sp. 991B-994A. 197 Vgl. Caspar: Geschichte, Bd. 1, S. 150 – 152; Wojtowytsch: Papsttum, S. 102 – 104. 198 Cassiodor, Historia Tripartita, Buch 4, Kap. 9, Abs. 4, ed. Hanslik/Jakob (CSEL 71), S. 165, Z. 20 f. 199 Ps.-Julius, JK † 195, Kap. 6, ed. Hinschius (Decretales), S. 459. Nicht wortwörtlich, aber nah am Originalwortlaut der Historia Tripartita ist auch Ps.-Pelagius  II., JK † 1051, ebd., S. 721: Multis denuo apostolicis et canonicis atque ecclesiasticis instruimur regulis non debere absque sententia Romani pontificis concilia celebrari, […]. 200 Ein interessanter Aspekt in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass die Passage der Historia Tripartita, die in ihren Worten so eindeutig ist und keiner weiteren Bearbeitung bedurfte, von Pseudoisidor scheinbar nur im zweiten falschen Julius-Brief und bei Pseudo-­ Pelagius II. verwendet wurde. Hingegen wurde die „exotischere“ Vorlage der Actio I in der Rusticus-Bearbeitung anscheinend viermal verwertet. 201 Ps.-Julius, JK † 196, Kap. 11, ed. Zechiel-Eckes (Blick), S. 73, Z. 48 f . und Quellen­apparat.

Vorlagen und Arbeitstechniken Pseudo­isidors

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dürfen 202. Im falschen Athanasius-Brief wird darauf die griffige Verallgemeinerung, dass nach kanonischem Recht „nichts betreffs größerer Angelegenheiten“ ent­schieden werden dürfe „ohne den römischen Pontifex“203. Die Verbindung der Worte aus der Kirchengeschichte mit einem der Schlüsselbegriffe Pseudo­isidors, den causae ­maiores, verschiebt die historisch ohnehin wacklige Vorlage in vollkommen neue kirchenrechtliche Dimensionen.

2.5.5  Römisches Recht bei Pseudoisidor Die einzige Vorlage aus dem Bereich des weltlichen Rechts, die der Fälscher benutzte, um die päpstlichen Machtbefugnisse auszubauen, ist der sogenannte Codex Theodosianus 204 aus dem Jahre 438, eine vom oströmischen Kaiser Theodosius  II. beauftragte Rechtssammlung. Diese wurde von Pseudoisidor in der Version des Breviarium ­Alaricianum benutzt 205. Es liegt in der Natur der Vorlage, dass der Papst keine herausragende Rolle innerhalb der Gesetzessammlung spielt. Allerdings behandelt das ­Kompendium sowohl weltliches als auch kirchliches Recht. So ist im Breviar beispielsweise die Anklage von Bischöfen vor weltlichen Richtern ausgeschlossen. Entsprechende Verfahren sollen vor anderen Bischöfen verhandelt werden 206. Dies war ganz im Sinne Pseudo­isidors, der sich ja vehement dafür einsetzte, Anklagen gegen Bischöfe innerhalb der Kirche zu untersuchen. Freilich enthielt der Codex Theodosianus Gesetze, die der Kaiser im Osten und nicht der Papst erlassen hatte. Das hinderte Pseudoisidor aber keineswegs daran, verschiedene Elemente des weltlichen und kirchlichen Rechts in den falschen Dekretalen auf das kirchliche Verfahrens­recht gegen Bischöfe zu übertragen und den Papst in diesem Zusammenhang mit ­besonderen Kompetenzen zu bedenken. Er musste sich aus seiner Vorlage die ­passenden Rechtssätze heraussuchen und anschließend nur die Protagonisten austauschen. Es ist im Breviarium Alaricianum zu lesen, dass die den Angeklagten ­vernehmenden Richter erst dann über diesen richten sollen, wenn er gesteht oder anhand un­­beschol­tener

202 Cassiodor, Historia Tripartita, Buch 4, Kap. 19, Abs. 4, ed. Hanslik/Jakob (CSEL 71), S. 174, Z. 14 f.: […] canonibus quippe iubentibus extra Romanum nihil decerni pontificem, […]. 203 Bf. Athanasius an Felix II., Kap. 1, ed. Hinschius (Decretales), S. 479: […] canonibus quippe iubentibus absque Romano nos de maioribus causis nihil debere decernere pontifice. Die A ­ ntwort bei Pseudo-Felix erfolgte dann nach Chalkedon, siehe S. 134 – 139. 204 Codex Theodosianus 1, 2, ed. Mommsen/Meyer. Vgl. dazu Pieler: Codex, Sp. 2208. 205 Pseudoisidor verwendet für die falschen Dekretalen sowohl den Text des Codex Theodosianus als auch die auf das Breviar zurückgehende Interpretation, vgl. Seckel: Pseudoisidor, S. 273, Z. 55 – 58; Hinschius: Decretales, S. CCXXIV. 206 Codex Theodosianus, Buch 16, 2, Kap. 12, Interpretatio, ed. Mommsen/Meyer, S. 839.

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Der Papst in den pseudoisidorischen Dekretalen

und glaubwürdiger Zeugen überführt wurde 207. Teilweise greift dies der gefälschte Brief von Papst Zepherin (199 – 217) auf. Richter und Angeklagte werden durch unter­ suchende und angeklagte Bischöfe ersetzt, die Regeln zur Urteilsfindung maßgeblich dadurch erweitert, dass die Zahl der notwendigen Zeugen stark heraufgesetzt wird. Wäre es Pseudoisidor allein um das Wohl der Bischöfe gegangen, so hätte er damit schon eine in diesem Sinne effektive Verfälschung der Vorlage durchgeführt. Er ging jedoch weiter und schob zu Beginn des Absatzes einen wichtigen Nebensatz ein. So ist zu lesen, dass die prozessführenden Bischöfe nicht eher ein Urteil fällen sollten, „als bis sie von der päpstlichen Autorität gestützt sind“208. Der Einschub ist bezeichnend für Pseudo­isidors Haltung gegenüber dem Papst. Dieser steht neben den Bischöfen im Fokus der falschen Dekretalen, was man am Grad der Verfälschung der Vorlagen ablesen kann. An anderer Stelle verbietet der Codex Theodosianus in Verfahren zivilen Charakters, dass eine Partei zu etwas gezwungen werde, ohne dass vom zuständigen Richter ein Urteil ergangen sei 209. Diesen Rechtssatz wiederholt Pseudo-Fabianus (236 – 250) mit leichter Modifikation, indem hier die Zivilsachen (privatorum causa) durch die Angelegenheiten der Priester (sacerdotum causa) ersetzt werden. Aus einem weltlichen Gesetz macht der Fälscher kurzerhand ein kirchliches. Noch entscheidender aber ist, in welchen Zusammenhang die Passage bei Pseudoisidor fällt. Der gesamte Abschnitt beschäftigt sich nämlich mit der Zuständigkeit Roms im Falle einer Appellation durch angeklagte Bischöfe. So wird der Rechtssatz nicht nur für kirchliche Angelegenheiten umformuliert, sondern explizit auf den Papst bezogen 210, wenn es heißt: Auch ist beschlossen, dass, wenn ein angeklagter Bischof an den apostolischen Stuhl appelliert, feststehen soll, dass der Pontifex desselben Stuhles das Urteil fällt. Freilich soll überhaupt in einer Sache von Priestern dieses Vorgehen beachtet werden, damit niemanden ein Spruch ­bindet, der nicht von seinen Richtern gesprochen ist 211. 207 Ebd., Buch 9, 40, Kap. 1, Interpretatio, S. 501, Z. 3 – 5: Iudex criminosum discutiens non ante sententiam proferat capitalem, quam aut reus ipse fateatur aut convictus vel per innocentes testes […]. 208 Ps.-Zepherin, JK † 80, Kap. 2, ed. Hinschius (Decretales), S. 131: […] non ante sententiam proferant primitivam, quam apostolica fulti auctoritate […]. Sehr ähnlich auch bei Ps.-Julius, JK † 196, Kap. 12, ed. Zechiel-Eckes (Blick), S. 82, Z. 217 – 219. 209 Codex Theodosius, Buch 4, 16, Kap. 2, ed. Mommsen/Meyer, S. 197, Z. 2 f.: In privatorum causis huiusmodi forma servetur, ne quemquam litigatorum sententia non a suo iudice dicta constringat. 210 Im Gegensatz zu der bei Hinschius als Parallelstellen angegebenen Verwendung bei Pseudo-Zepherin und Pseudo-Eusebius. 211 Ps.-Fabian, JK † 94, Kap. 29, ed. Hinschius (Decretales), S. 168: Placuit etiam, ut, si episcopus accusatus appellaverit apostolicam sedem, id statuendum, quod eiusdem sedis pontifex

Vorlagen und Arbeitstechniken Pseudo­isidors

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Nach Pseudoisidor ist ausschließlich der Papst der zuständige Richter in allen An­­ gelegenheiten der Priester und explizit der Bischöfe. Die Absicht, Letztere zu schützen, bleibt in dieser Passage ebenso greifbar wie der Wille des Fälschers, den apostolischen Stuhl zur einzigen Ordnungsinstanz der Kirche auszurufen. Die Autorität des römischen Bischofs wird durch Pseudoisidor mithilfe eines ­Fundus an Vorlagen ausgebaut, der übersichtlich erscheint, verglichen mit der Gesamtheit der Quellen, aus denen die pseudoisidorische Sammlung schöpft. Das Material wird durch den Fälscher nicht nur aus dem ursprünglichen Kontext gerissen, sondern so manipuliert, dass die jurisdiktionellen Kompetenzen des apostolischen Stuhls auf alle wesentlichen Bereiche der kirchlichen Rechtsprechung sowohl in Fragen der Verfahrensordnung als auch der materiellen Entscheidungsgewalt ausgedehnt ­werden. Dies diente zum einen dem Zweck, weltliche Einflüsse auf die innerkirch­liche Rechtsprechung auszuschließen, zum anderen privilegierte der Fälscher den Epis­kopat, indem er die besondere Zuständigkeit Roms für Verfahren gegen die Bischöfe betonte. Gleichzeitig wird in der Dekretalensammlung die apostolische Autorität mit so weitreichenden Kompetenzen versehen, dass die bischöfliche Autonomie durch diese eingeschränkt erscheint. Die falschen Dekretalen sind in ihrer Gesamtheit diejenige pseudoisidorische Fälschung, welche den Befugnissen des römischen Bischofs am weitreichendsten und am differenziertesten Ausdruck verleiht. Die f­ alschen Kapitu­ lariensammlungen, die Capitula Angilramni und die Kapitularien des Benedictus Levita, bleiben deutlich dahinter zurück.

censuerit. Haec tamen omnino in sacerdotum causa forma servetur, ne quemquam sententia non a suo iudice dicta constringat. Die gesamte Pseudo-Fabianus-Passage wortwörtlich bei Ps.-Sixtus III., JK † 397, ebd., S. 563.

3.  Der Papst in den Capitula Angilramni 3.1  Bischofsprozess und apostolischer Stuhl In den Capitula Angilramni handeln sieben der insgesamt 71 Kapitel ganz oder teilweise vom Papst. Dies erscheint auf den ersten Blick wenig, jedoch sollte man beachten, dass das Kapitular ein recht kurzer Text ist. Die römischen Vorrechte ­stellen nicht das Hauptthema des Kapitulars dar, sondern sind ein Baustein im sorgfältigen Konstrukt des Fälschers, um die Prozessvorschriften möglichst kompliziert zu halten 1. Thematisch sind die entsprechenden Sentenzen eng an die Zielsetzung der Capitula Angilramni zur Verhinderung von Bischofsprozessen angelehnt, und ihr Inhalt ist dem Leser der falschen Dekretalen längst bekannt. Die Erhöhung Roms ist auch in den Capitula Angilramni kein rein formaler Akt, sondern hat handfeste juristische Konsequenzen. Bereits im zweiten Kapitel wird die Bedeutung des römischen Bischofs für die rechtmäßige Einberufung einer Synode thematisiert. Dem Papst wird ausdrücklich als Einzigem die Autorität zugestanden, Konzilien einzuberufen 2. Wie in den ­falschen Dekretalen werden an dieser Stelle keinerlei weltliche Autoritäten erwähnt, deren Recht hier beschnitten wird. Ferner wird die herausgehobene Bedeutung des apostolischen Stuhls betont, wenn es heißt, der römische Bischof sei „das Haupt aller Kirchen, von dem sie alle ihren Ursprung genommen haben“3. Und selbstverständlich spart sich der Fälscher auch nicht den obligatorischen Verweis auf das Felsenwort aus dem Matthäus-Evangelium, aus dem er die Tradition der römischen Vormacht­stellung ableitet. Der Bischofsprozess an sich ist in diesem Kapitel nur der Aufhänger für die unmissverständliche Feststellung der römischen Vorrechte. ­Während der Inhalt dieses Kapitels weniger überraschend ist, scheint die Positionierung am Anfang des Kapitulars ebenso bemerkenswert wie die Tatsache, dass das Kapitel vergleichsweise lang geraten ist. Auch im weiteren Verlauf werden die Themen des zweiten Kapitels wieder aufgegriffen. Es wird mehrmals der römische Primat in Fragen der Jurisdiktion betont. Ein zentraler Grundsatz der Capitula Angilramni besagt, dass ein Bischof, der seinen 1 Siehe S. 68 – 71. 2 CA, Kap. 2(a), ed. Schon (MGH Studien und Texte 39), S. 96, Z. 3-S. 97, Z. 2: […] beati Petri apostoli singularis congregandorum conciliorum auctoritas et sanctorum canonum ac venerandorum patrum decretis multipliciter privata tradita est potestas, super quibuslibet criminibus pulsatus audiatur vel impetatur. 3 Ebd., Kap. 2(c), S. 97, Z. 6-S. 98, Z. 1: […] quae etiam caput est omnium ecclesiarum, a qua omnes sumpsere originem.

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Der Papst in den Capitula Angilramni

Metropoliten für parteiisch oder befangen hält, im Falle eines Rechtsstreits den ­ rimas der Diözese oder den apostolischen Stuhl anrufen kann. Diese ausdrück­ P liche ­Forderung findet sich in den Kapiteln 17 und 264. Parallel dazu wird den ange­ klagten Bischöfen das Recht eingeräumt, beim Papst Berufung einzulegen. Damit ist jedoch nicht nur eine rein formale Prüfung gemeint, sondern dem römischen Bischof obliegt es in diesem Fall, die fragliche Angelegenheit zu entscheiden 5. Die gleichen ­Befugnisse werden dem Papst auch über Provinzialsynoden eingeräumt 6. Ergänzend dazu ­werden die legislativen Befugnisse der Päpste betont. Kapitel 37 schreibt fest, dass die römischen Dekrete eingehalten werden müssen, die römische Tradition wird mit der kanonistischen gleichgesetzt 7. Des Weiteren wird im Verlauf des falschen Kapitulars erneut die übergeordnete Position des römischen Stuhls in der Kirche betont. So schließt Kapitel 23 mit dem Hinweis, dass dem Papst allein der Titel des „Bischofs des ersten Stuhls“ (prima sedis) zustehe 8. Obgleich der Fälscher in den Capitula Angilramni eindeutig den Schutz der Bischöfe vor einer Anklage ins Zentrum gerückt hat, wird also auch die juris­diktionelle Rolle des Papsttums festgeschrieben. Dabei beschränkt sich die Kompetenz des ­Papstes – ähnlich wie in den falschen Dekretalen – nicht nur auf die Appellation, ­sondern es wird ein jurisdiktioneller Primatsanspruch für Rom aufgebaut. Die Rechtskraft der Synoden hängt vom apostolischen Stuhl ab, er ist das unangefochtene Oberhaupt der Kirche, das jede Entscheidung aufheben kann, dessen eigene Beschlüsse

4 Ebd., S. 124, Z. 5 – 7, und S. 131, Z. 9 – 11. In Kap. 5, ebd., S. 110, Z. 4, hingegen heißt es, in einem solchen Fall sei an den Stuhl der Stadt Konstantinopel zu appellieren: […] aut apud Constantinopolitanae civitatis sedem […]. Fuhrmann: Einfluß, Bd. 1, S. 162, sah die Capitula Angilramni unter Verweis auf Kapitel 5 als „an manchen Stellen für die Praxis der abendländischen Kirche wenig sinnvollen Text“ an. Schon: Capitula, S. 6 (Anm. 29), nimmt an, dass lediglich vergessen wurde, die Nennung von Konstantinopel aus der Vorlage durch Rom zu ersetzen. Diese Erklärung ist nachvollziehbar, allerdings erscheint es für den gründlichen Pseudoisidor zumindest ungewöhnlich, sich in einem kurzen Text wie den Capitula Angilramni einen so großen Fehler zu leisten. Da der Bischof von Konstantinopel aber in keiner der pseudoisidorischen Fälschungen eine besondere Rolle spielt und nur selten Erwähnung findet, ist man geneigt, Schon zuzustimmen. Auch sei an die bereits erwähnte Tatsache erinnert, dass die pseudoisidorischen Fälschungen nicht frei von inhaltlichen Widersprüchen sind. Ob dies, wie von Schon vermutet, in der Absicht der Fälscher lag, die dadurch den Bischofsprozess noch weiter verkomplizieren wollten, oder schlicht ein Ergebnis des geteilten Arbeitsprozesses bei der Produktion der Fälschungen, kann hier nicht abschließßend beurteilt werden. 5 CA, Kap. 20, ed. Schon (MGH Studien und Texte 39), S. 127, Z. 1 – 2: Placuit, ut, si episcopus accusatus appellaverit Romanum pontificem, id statuendum, quod ipse censuerit. 6 CA, Kap. 39, ebd., S. 140, Z. 2 – 4. 7 CA, Kap. 37(a), ebd., S. 138, Z. 1-S. 139, Z. 1. 8 CA, Kap. 23, ebd., S. 129, Z. 7 – 9. Übers. ebd., S. 174, Z. 5 – 7.

Bischofsprozess und apostolischer Stuhl

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jedoch von allen anderen eingehalten werden müssen. Die Capitula Angilramni ­bieten damit eine stark verkürzte Version der päpstlichen Befugnisse, so wie die falschen Dekretalen sie bereits festgeschrieben haben. Zuletzt muss auch auf die knappe fiktionale Rahmenhandlung verwiesen werden, welche die Fälscher für die Capitula Angilramni im Prolog entwerfen. Das Kapitular soll durch Hadrian I. (772 – 795) an Angilram von Metz ausgehändigt worden sein 9, als dieser in Rom weilte, um die päpstliche Erlaubnis zu erlangen, sich aus ­seiner Diözese zu entfernen, um der Hofkapelle Karls des Großen vorzustehen. Diese un­ gewöhnliche Konstellation, die päpstliche Ausgabe eines Kapitulars, überrascht und verlangt nach einer Erklärung; schließlich wurden Kapitularien eigentlich durch die fränkischen Könige erlassen. Vorbilder für ein solches päpstliches Kapitular aus dem frühen Mittelalter gibt es kaum. Das prominenteste Beispiel einer vergleich­baren päpstlichen Zusammenstellung von verschiedenen, aus dem kanonischen Recht kompilierten capitula ist die Responsio Zacharias’ I. (741 – 752) an den damaligen Hausmeier Pippin aus dem Jahr 74710, mit der Letzterer den ersten Schritt auf dem Weg zur Erlangung der Königswürde tat. Es ist denkbar, dass die Fälscher die ­Capitula Angilramni an diesen Text angelehnt sehen wollten, auch wenn die Briefform der Responsio nicht übernommen wurde. Dass Hadrian I. von den Fälschern als vermeintlicher Kompilator der Capitula Angilramni ausgewählt wurde, lässt sich wahrscheinlich darauf zurückführen, dass er durch die Übergabe der Collectio Dionysio-Hadriana 11 an Karl den Großen 774 bereits als Stifter der prominentesten kirchenrechtlichen Sammlung des Frankenreichs im 9. Jahrhundert bekannt war. Es konnte daher für die Zeitgenossen Pseudo­isidors als durchaus plausibel erscheinen, dass Hadrian I. eine weitere kurze kirchenrechtliche Sammlung herausgegeben haben könnte 12, welche vielleicht aufgrund der Tatsache, dass sie nicht dem König, sondern seinem Kaplan anvertraut worden war, bislang noch keine größere Verbreitung erfahren hatte. Beide Anlehnungen der Capitula Angilramni, sowohl an die Responsio als päpstliches Kapitular als auch die vermeintliche Urheberschaft Hadrians I., legen das Handlungsmoment, die Initiative und die Fähigkeit, das wahre Recht zu verbreiten, in die Hände des Papsttums. Auch wenn man den kurzen Einleitungstext der Capitula Angilramni nicht überbewerten sollte, so scheint 9 Vgl. CA, Überschrift, ebd., S. 93, Z. 1 – 7. 10 JE 2277, Codex Carolinus, ed. Gundlach (MGH Epp. 3), S. 479 – 487. 11 Eine auf Anweisung Hadrians I. vor 774 zusammengestellte, chronologisch geordnete kirchen­rechtliche Sammlung mit Kanones und Dekretalen. Die Dionysio-Hadriana ist nur in T ­ eilen ediert: Die Canones apostolorum und die griechischen Konzilien sind enthalten in ed. Schwartz (ACO 2, 2, 2), S. 49 – 60. Die afrikanischen Konzilien finden sich in ­Concilia Africae, ed. Munier (CCL 149). Vgl. Kéry: Collections, S. 14 – 18, für eine Übersicht der weiteren Teildrucke und Handschriften der Sammlung. 12 In diesem Sinne urteilte auch Schieffer: Redeamus ad fontem, S. 65.

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Der Papst in den Capitula Angilramni

es doch, als hätten die Fälscher Wert darauf gelegt, die päpstliche Gestaltungs­macht über das kirchliche (Prozess-)Recht nicht nur in einzelnen Abschnitten, sondern für das gesamte Kapitular zu betonen.

3.2  Vorlagen und Parallelen zu den falschen Dekretalen Die Vorlagen für die Capitula Angilramni sind durch die Arbeiten von Hinschius, Seckel und Schon weitgehend erschlossen. Für die in dieser Untersuchung thema­ tisierten Kapitel der Capitula Angilramni wurden in erster Linie die Kanones der Konzilien von Nicäa (325), Sardika (343) und Chalkedon (451) herangezogen, die bereits im Rahmen der Analyse der falschen Dekretalen eine Rolle spielten. Darüber hinaus werden auch in den Capitula Angilramni die afrikanischen Konzile herangezogen, und einmal bemüht der Fälscher überdies das römische Recht 13. Im Vergleich zu den pseudoisidorischen Dekretalen ist auffällig, dass die Capitula Angilramni in den hier relevanten Kapiteln weder echte Papstbriefe noch die Historia Tripartita heranziehen. Auch in den Capitula Angilramni wird sichtbar, wie komplex Pseudoisidor sein Material zu verarbeiten wusste und es gleichzeitig hervorragend verstand, dadurch seine Spuren zu verwischen. Ein gutes Beispiel für diese Vorgehensweise des ­Fälschers, die es erschwert, das Ausgangsmaterial aus dem neu geformten Text herauszu­präparieren, ist das zweite Kapitel der Capitula Angilramni. Inhaltlich völlig konform mit dem altbekannten pseudoisidorischen Glaubenssatz, nur dem Papst die Autorität zuzugestehen, eine Synode einzuberufen, ist doch kaum mehr zu rekonstruieren, aus welchen Quellen sich dieser Kanon im Einzelnen speist 14. Wie bereits bei den ­falschen Dekretalen benutzte Pseudoisidor an dieser Stelle höchstwahrscheinlich Versatzstücke aus der Praefatio des ersten ökumenischen Konzils von Nicäa, in der eine 13 In seiner westgotischen Redaktion in den Sententiae Pauli. 14 Seckel: Studien VII, NA 35 (1910), S. 492 (darin insbes. Anm. 4), hielt Ben. Lev., Buch 2, Kap. 381, für die Quelle. Für den Anfang des Kapitels verweist Schon: Capitula, S. 96, neben einer grundsätzlich unstrittigen, wenn auch recht losen Anleihe bei der römischen Synode von 501 noch auf das Apologeticum Ebonis, vermutlich unter Rückbezug auf H ­ inschius: Decretales, S. 757, bzw. in Hinblick auf Benedictus Levita ebd., S. CXIII. Hier muss allerdings wiederholt werden, was Seckel in Bezug auf Ben. Lev., Buch 2, Kap. 381, festgehalten hat, nämlich dass neben einem sehr freien Bezug auf zwei Wörter in den von Schon angegebenen Passagen keine echten Parallelen zum Kapitel zwei der Capitula Angilramni aufzufinden sind. Vgl. dazu Seckel: Studien VII, NA 35 (1910), S. 492 f. Es ist kaum nachzuvollziehen, warum Schon diesen Verweis auf das Apologeticum von Hinschius übernommen hat, zumal mit dem einschränkenden „vielleicht“, obwohl er die eher nachvollziehbaren Verbindungen des Teilkapitels zu Cassiodors Historia Tripartita, die Hinschius angemerkt hatte, aus seiner Edition getilgt hat. Siehe dazu S. 166 – 168 sowie Tabellen 2 und 3, S. 267 – 274.

Vorlagen und Parallelen zu den falschen Dekretalen

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grundsätzliche Autorität Roms ausgedrückt wird 15. Die alleinige Befugnis Roms, die Kirchenversammlungen einzuberufen, wird mit dem Hinweis auf das Felsenwort aus dem Matthäus-Evangelium begründet. Durch den Sammlungscharakter der Capitula Angilramni ist die Verfälschung der nicänischen Praefatio zwar nicht annähernd so vielschichtig wie in den falschen Dekretalen, seinem grundsätzlichen Vorgehen bleibt der Fälscher jedoch treu: Bekannte Gedanken der Vorlage werden extrahiert und in einen neuen Zusammenhang gerückt. Dadurch entsteht eine massive Verfälschung des Ausgangsmaterials: Wo die Praefatio des Konzils nur eine generelle Ehren­position Roms feststellte, ohne daraus Vorrechte abzuleiten, konstruieren die Capitula Angilramni eine Begründung für ein Recht, das dem römischen Bischof eine heraus­gehobene Machtposition innerhalb der Kirche verlieh und gleichzeitig in Konkurrenz zu den Gewohnheitsrechten der weltlichen Machthaber stand. Eine Kombination aus Textpartikeln des Anfangs des siebten Kanons und der Rubrik des dritten Kanons der Synode von Sardika 16 wurde von Pseudoisidor dreimal innerhalb der falschen Dekretalen benutzt 17. Sie fand ebenfalls Eingang in Kapitel 20 der Capitula Angilramni. Die Veränderung gegenüber der Vorlage ist scheinbar nur graduell. Beide Sentenzen bringen zum Ausdruck, dass in Streitfragen zwischen Bischöfen die Appellation nach Rom als Ort und Träger der endgültigen Ent­scheidung erfolgen müsse. Wie bereits dargestellt wurde, ist die Regelung der Synode von ­Sardika jedoch komplizierter. Zunächst räumt der dritte Kanon der Provinzialsynode grundsätzlich die Zuständigkeit ein, Streitigkeiten zwischen und Anklagen gegen Bischöfe zu verhandeln. Nur in dem Fall, dass ein Verurteilter sich ungerecht behandelt fühlt, räumt die Synode das Recht ein, sich in Rom dafür einzusetzen, dass eine Wiederaufnahme des Verfahrens vor neuen Richtern stattfinden kann 18. Das Verfahren selbst wird keineswegs nach Rom gezogen. Davon jedoch wissen die Capitula Angilramni nichts. Sie verkünden eindeutig, dass im Falle einer Anklage ein Bischof durch die Appellation erreicht, dass das Verfahren selbst vom apostolischen Stuhl entschieden wird 19. Die Art der Verfälschung ist hier mit dem Vorgehen bei den falschen Dekre­ talen insofern identisch, als sie nicht nur dem Schutz der Bischöfe dient. Dazu hätte das Material auch in seiner ursprünglichen Version ausgereicht. Der Fälscher geht

15 Nicäa, Praefatio, ed. Turner (EOMIA 1, 1, 2), S. 156b, Z. 18 – 25. 16 Sardika, Kap. 7, ed. Turner (EOMIA 1, 2, 3), S. 460: […] placuit autem ut si episcopus accusatus fuerit […]. Ebd., Kap. 3 (Rubrik), ed. Turner (EOMIA 1, 2, 3), S. 447: Ut inter discordes episcopos conprouinciales antistites audiant: quod si damnatus appelauerit Romanum pontificem, id obseruandum quod ipse censuerit. 17 Ps.-Fabian, JK † 94, Kap. 29; Ps.-Julius, JK † 196, Kap. 12; Ps.-Sixtus III., JK † 397. 18 Siehe S. 131 – 134. 19 CA, Kap. 20, ed. Schon (MGH Studien und Texte 39), S. 127, Z. 1 f.: Placuit, ut, si episcopus accusatus appellaverit Romanum pontificem, id statuendum, quod ipse censuerit.

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Der Papst in den Capitula Angilramni

wieder den entscheidenden Schritt weiter und zieht eben nicht nur die prozessrechtliche, sondern die materielle jurisdiktionelle Entscheidungsbefugnis nach Rom. Fast wörtlich zitieren die Kapitularien des falschen Angilram die Rubrik des ­siebten Kanons von Sardika in Kapitel 39: „Die Provinzialsynode ist durch Vertreter des römischen Bischofs wieder aufzurollen, wenn dieser so entscheidet”20. Dadurch, dass der Fälscher lediglich die Rubrik des Kanons übernimmt, verkürzt er den im Kanon selbst enthaltenen Rechtsinhalt deutlich, mehr noch, er verschiebt den inhaltlichen Schwerpunkt. Die Vorlage stellt das Recht des durch eine Provinzialsynode verur­teilten Bischofs, nach Rom zu appellieren, in den Vordergrund. Für die Wiederaufnahme des Verfahrens werden dabei mehrere Möglichkeiten genannt. Entweder ermahnt der Papst die Bischöfe der Synode, das Verfahren erneut einer gerechten ­Prüfung zu unterziehen, oder er entsendet Vertreter, welche gemeinsam mit der Synode das Verfahren wieder aufrollen 21. Obwohl in der Vorlage das Recht des Bischofs zur Appellation im Vordergrund steht, findet sie an dieser Stelle lediglich in einer Weise Verwendung, die das Recht Roms festschreibt, ein Verfahren selbstständig und unter eigener Leitung wieder aufzunehmen. Von den Rechten des Bischofs selbst ist, entgegen der Vorlage, keine Rede. Pseudoisidor schenkt an dieser Stelle den päpstlichen Rechten deutlich mehr Aufmerksamkeit als den bischöflichen. Wie in den falschen Dekretalen spielte das Konzil von Chalkedon auch bei der Abfassung der Capitula Angilramni eine wichtige Rolle. Für Letztere wurden ins­ besondere der neunte und der 17. Kanon des Konzils herangezogen, die Verfahrensfragen in jurisdiktionellen Angelegenheiten zwischen Klerikern beziehungsweise ­zwischen Klerikern und Bischöfen regeln. In beiden Kanones wird auf den Bischof von Konstantinopel als alternative oberste Entscheidungsinstanz verwiesen 22. Diese Vorlage ließ sich vom Fälscher leicht für seine Zwecke nutzbar machen. Die ursprünglichen jurisdiktionellen Verfügungen der chalkedonensischen Kanones wurden ignoriert, der Abschnitt bezüglich der obersten Entscheidungsinstanz beibehalten und in einen anderen Zusammenhang gerückt. Zuletzt wurde der Bischof von ­Konstantinopel als Richter durch den römischen Bischof ausgetauscht. In Kapitel 17 der Capitula Angilramni wird dadurch das Recht eines angeklagten Bischofs festgeschrieben, in Fällen von vermuteter Befangenheit der zuständigen Richter, das Verfahren vor den Papst zu bringen. Diese Verfügung wurde in Anlehnung an den 17. chalkedonensischen 20 CA, Kap. 39, ebd., S. 140, Z. 2 – 4: Ut provincialis synodus retractetur per vicarios urbis Romae episcopi, si ipse decreverit. Übers. ebd., S. 175, Z. 31 f. Vgl. dagegen Sardika, Kap. 7 (Rubrik), ed. Turner (EOMIA 1, 2, 3), S. 447: De prouinciali synodo retractanda per uicarios episcopi urbis Romae si ipse decreuerit. 21 Ebd., S. 498. Zur inhaltlichen Auslegung vgl. Hess: Canons, S. 122 f. 22 Chalkedon, Kap. 9 und 17, ed. Schwartz (ACO 2, 2, 2), S. 56 (148) und 58 (150). Vgl. zum Inhalt der Kanones auch Camelot: Ephesus, S. 176 f. und 181 f.

Vorlagen und Parallelen zu den falschen Dekretalen

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Kanon verfasst 23. Kapitel 26 der Capitula Angilramni verarbeitet sogar fast wörtlich den neunten Kanon des Konzils von Chalkedon. Freilich wird auch hier das Recht, eine Anklage gegen einen Metropoliten zu entscheiden, durch den Fälscher Konstantinopel entzogen und Rom zugewiesen 24. Im Sinne der kirchenpolitischen Situation des 9. Jahrhunderts erscheint es folgerichtig, die Instanz Konstantinopel durch eine römische zu ersetzen. Nichtsdestoweniger sei darauf hingewiesen, dass der Fälscher diese zweite richterliche Instanz ebenso gut hätte aussparen können, ohne die Bischöfe rechtlich schlechter zu stellen, da beide Kanones den Primas der Diözese als neutrale richterliche Instanz beinhalten. Eine Erweiterung der römischen Machtbefugnisse verschaffte den betroffenen Bischöfen an dieser Stelle keinen offensichtlichen Vorteil. Neben den bereits aus den falschen Dekretalen bekannten Vorlagen fand auch ein Auszug aus den afrikanischen Konzilien in den Capitula Angilramni Verwendung. Kapitel 23 beschreibt die korrekten Titel der höchsten Kirchenämter und bestimmt, dass der Papst im Sinne der durch Petrus übertragenen Autorität „Bischof des ersten Stuhls“ zu nennen sei. Die Betonung dieser Amtsbezeichnung geht auf einen inhaltlich ähnlich lautenden Rechtssatz aus den Registri ecclesiae Carthaginensis excerpta zurück 25. Die Capitula Angilramni sind in dieser recht nüchternen Ausrichtung ihrer den Papst betreffenden Terminologie deutlich von den falschen Dekretalen zu unterscheiden. Diese sprachen weniger von der Amtsbezeichnung des Papstes als von seiner Rolle als Haupt (caput) der Kirche. Aus dieser Terminologie kon­struierte Pseudoisidor eine Abhängigkeit der übrigen Glieder, d. h. der gesamten Kirche, vom römischen Bischof. In den Capitula Angilramni fehlt diese überschwängliche ­Betonung der herausragenden Position des apostolischen Stuhls vollkommen, und auch die sich daraus ergebenden Folgen werden kaum behandelt. Die Capitula Angilramni nutzen auch die westgotische Rezeption des römischen Rechts. Einen einfachen Rechtssatz über die Gültigkeit von Testamentsbestimmungen aus den Sententiae Pauli übernahm der Fälscher in Kapitel 37(a) fast wörtlich. Die Vorlage besagt, dass vertragliche Bestimmungen gegen Gesetze, die von den weltlichen 23 Chalkedon, Kap. 17, ed. Schwartz (ACO 2, 2, 2), S. 58 (150), Z. 18 f.: quodsi quis a metropolitano laeditur, apud primatem dioceseos aut apud Constantinopolitanam sedem iudicetur, sicut superius dictum est. Dagegen CA, Kap. 17, ed. Schon (MGH Studien und Texte 39), S. 124, Z. 5 – 7: Nam si ipse metropolitanum aut iudices suspectos habuerit aut infestos senserit, apud primatem dioceseos aut apud Romanae sedis pontificem iudicetur. 24 Chalkedon, Kap. 9, ed. Schwartz (ACO 2, 2, 2), S. 56 (148), Z. 18 – 20: quodsi aduersus eiusdem prouinciae metropolitanum episcopus uel clericus habet querellam, petat primatem diocesos aut sedem regiae urbis Constantinopolitanae et apud ipsam iudicetur. CA, Kap. 26, ed. Schon (MGH Studien und Texte 39), S. 131, Z. 9 – 11: Quod, si adversus eiusdem provinciae metropolitanum episcopus vel clericus habuerit querelam, petat primatem diocesos et apud ipsum iudicetur aut apud sedem apostolicam. 25 Konzil v. Afrika, Kap. 6, ed. Munier (CCL 149), S. 237. Vgl. ebd., S. 185, Z. 93 – 96.

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Der Papst in den Capitula Angilramni

Machthabern erlassen wurden, nichtig sind 26. Mit wenigen Veränderungen wandelte der Fälscher den Rechtssatz so um, dass nun zu lesen war, dass „Gesetze gegen die Kanones und die Dekrete der römischen Bischöfe” nichtig seien 27. Der Rechtsinhalt der Vorlage hat keinerlei Bezug zum pseudoisidorischen Kanon, lediglich die Formulierung diente dem Fälscher als Grundgerüst, um seinen neuen Rechtssatz ­möglichst authentisch zu formulieren. Die Capitula Angilramni geben nicht nur vor, eine Sammlung altehrwürdiger kirchlicher Rechtssätze zu sein, sondern attestieren diesen und damit sich selbst gleichzeitig höchste juristische Autorität, ein formalrechtlicher Kunstgriff, wie ihn auch die falschen Dekretalen so und in ähnlicher Form kennen 28. Sowohl inhaltlich als auch im Umgang mit den Vorlagen besteht also eine große Ähnlichkeit zwischen pseudoisidorischen Dekretalen und Capitula Angilramni. ­Letztere weisen dem Papst im Bischofsprozess eine einzigartige und von keiner anderen Autorität angreifbare Position zu. Selbst wenn die Capitula Angilramni insgesamt als prozessrechtlicher Versuch gelesen werden müssen, Bischofsprozesse unmöglich zu machen, bleibt festzuhalten, dass die päpstliche Autorität vom Fälscher dabei stärker überhöht wurde, als es zum Erreichen seines Zieles notwendig gewesen wäre. Gleich­ zeitig sind deutliche Akzentverschiebungen in der Behandlung des apostolischen Stuhls gegenüber den pseudoisidorischen Dekretalen zu erkennen: Das Recht Roms, über die Rechtmäßigkeit der Synoden und ihrer Beschlüsse zu befinden, wird gegenüber den Befugnissen des Papstes im Rahmen des Appellationsverfahrens deutlich vernachlässigt. Diese von der Dekretalensammlung abweichende Schwerpunktsetzung findet sich auch in den falschen Kapitularien des Benedictus Levita.

26 Brev. Pauli Sent., 3, 6, 8, ed. Haenel (Lex Romana Visigothorum), S. 382: Conditiones contra leges et decreta principum vel bonos mores adscriptae nullius sunt momenti […]. 27 CA, Kap. 37 (a), ed. Schon (MGH Studien und Texte 39), S. 138 f.: Constitutiones contra canones et decreta praesulum Romanorum vel bonos mores nullius sunt momenti. 28 Siehe S. 106 – 112 sowie S. 141 – 144.

4.  Der Papst in den Kapitularien des Benedictus Levita 4.1  Schmückendes Beiwerk? Die Bedeutung des apostolischen Stuhls in den Kapitularien des Benedictus Levita Gemessen an der enormen Textmasse, welche Benedictus Levita in seinen falschen Kapitularien aufbietet, ist der Anteil derjenigen Erlasse, welche den apostolischen Stuhl betreffen, verschwindend gering. In lediglich 22 der 1721 Kapitel werden die Befugnisse des Papstes behandelt, davon befinden sich sieben in der vierten Additio der Sammlung. Schon Seckel ging davon aus, dass diese aus den pseudoisidorischen Dekretalen kompiliert wurde 1. Das bedeutet, dass nur knapp zwei Drittel der hier untersuchten Kapitel direkt auf Benedictus Levita zurückgehen, während die ­anderen Pseudoisidor selbst beziehungsweise den falschen Dekretalen zuzuordnen sind 2. Manche dieser Kapitel sind recht ausführlich, doch in diesen Fällen steht der römische Bischof nicht ausschließlich im Fokus des jeweiligen Gesetzes. Er wird fast ausschließlich im Zusammenhang mit Anklagen und Urteilen gegen Bischöfe erwähnt 3. Das zweite Buch der Sammlung zählt in einem ausführlichen Kapitel eine Vielzahl an Vorschriften für einen Bischofsprozess auf 4. Am Anfang dieser Aufzählung steht die

1 Vgl. Seckel: Pseudoisidor, S. 303, Z. 5 – 7, und v. a. S. 304, Z. 46 – 56. 2 Betrachtet man die vierte Additio der falschen Kapitularien gesondert und nicht als Bestandteil des Gesamtwerks, so nimmt der römische Bischof darin einen deutlich größeren Raum ein als in der Sammlung des Benedictus Levita. Dennoch muss betont werden, dass sich in diesem letzten Anhang zu den falschen Kapitularien keine Bestimmung zum apostolischen Stuhl findet, die nicht auch in ähnlicher Form in der Sammlung Benedikts auftauchen würde. Würde dieser Befund auch auf die anderen Kapitel der vierten Additio zutreffen, so ließe sich mutmaßen, ob diese nicht ursprünglich eine Kladde derjenigen Inhalte war, die Benedikt aus den falschen Dekretalen extrahierte, um sie in seine Sammlung einzubauen. Die vierte Additio wäre somit nicht eigentlich Teil der falschen Kapitularien, sondern vielmehr Teil der pseudoisidorisch-benediktschen Materialsammlung. 3 Nur drei der 19 Kapitel thematisieren den apostolischen Stuhl in Bezug auf andere Aspekte: Ben. Lev., Buch 3, Kap. 29, ed. Schmitz, http://www.benedictus.mgh.de/edition/archiv/ bl_20080.226/libIII.pdf (02.11.13), S. 7, Z. 16 – 18; ebd., Kap. 260 und 439, Mansi 17b, Sp. 1080 f. und Sp. 1122 f. 4 Ben. Lev., Buch 2, Kap. 381, Mansi 17b, Sp. 994 – 996.

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Der Papst in den Kapitularien des Benedictus Levita

Feststellung, dass eine Synode immer durch den Papst genehmigt sein muss 5. Ebendieser Kirchenversammlung obliegen aber die Bestimmung der R ­ ichter und Ankläger und die Durchführung des Verfahrens. Der gesamte Vorgang wird dadurch von der Legitimation des Papstes abhängig gemacht. Ohne seine Zustimmung ist ein Prozess unmöglich. Darüber hinaus schreibt das Kapitel dem Papst das Recht zu, wichtige Angelegenheiten (causae maiores) direkt zu entscheiden 6. Diese Befugnis des Papstes bezieht sich demzufolge ausdrücklich auf Fragen der Jurisdiktion sowie auf andere kirchliche Angelegenheiten. Streitigkeiten zwischen Bischof und Metropoliten ­sollen dabei entweder vom Primas der Diözese oder vom Papst entschieden werden 7. Die knappen Ausführungen zur Wirksamkeit von Konzilien werden in den Kapitularien noch präzisiert. Es wird ausdrücklich festgestellt, dass eine Synode und jedweder auf ihr gefasste Beschluss durch päpstlichen Befehl für ungültig erklärt werden kann 8. Ein weiteres Kapitel betont – unter Berufung auf die von Petrus abgeleitete Autorität des apostolischen Stuhls – die besondere und einzigartige Macht des Papstes, Konzilien einzuberufen und ihre Beschlüsse zu legitimieren. Dem römischen Bischof sei als Haupt der Kirche keine andere Instanz übergeordnet, da seine Macht ihm direkt von Gott verliehen worden sei 9. Demzufolge ist der Papst nicht von innerkirchlichen

5 Ebd.: Auctoritas ecclesiastica atque canonica docet non debere absque sententia Romani Pontificis Concilia celebrare. 6 Ben. Lev., Buch 3, Kap. 153, Mansi 17b, Sp. 1057 f., nennt den römischen Bischof generell als eine der zwei möglichen Instanzen (neben der Diözese), vor denen ein Prozess gegen einen Bischof stattfinden könne. Diese hier nicht näher definierten causae maiores werden auch in einem anderen Kapitel erwähnt, das sich nicht direkt mit prozessrechtlichen Fragen beschäftigt: Ben. Lev., Buch 3, Kap. 260, Mansi 17b, Sp. 1080 f. Siehe S. 156 – 160. 7 Ben. Lev., Buch 3, Kap. 321, Mansi 17b, Sp. 1095 f.: Quod si adversus eiusdem provinciae Metropolitanum Episcopus vel Clericus habuerit querelam, petat Primatem dioeceseos, et apud ipsum iudicetur, aut apud Sedem apostolicam. 8 Ebd., Buch 3, Kap. 349, ebd., Sp. 1100, und, fast identisch, Add. 4, Kap. 12, ed. Schmitz, http://www.benedictus.mgh.de/edition/archiv/bl_20080.226/additio4.pdf (02.11.13), S. 2, Z. 10 – 13: Ut provincialis synodus retractetur per vicarios urbis Romae episcopi, si ipse decreverit. 9 Ebd., Add. 4, Kap. 24, Mansi 17b, Sp. 1197 f.: Nullus Episcopus, nisi canonice vocatus, et in legitima synodo suo tempore apostolica auctoritate convocata, cui iussione Domini et meritis beati Petri Apostoli singularis congregandorum Conciliorum auctoritas et sanctorum canonum ac venerandorum patrum decretis multipliciter privata tradita est potestas, super quibuslibet criminibus pulsetur, id est, iudicetur, audiatur, vel impetatur. Sin aliter praesumptum a quibuslibet fuerit, in vanum deducatur quod egerint, nec inter ecclesiastica ullo modo reputabitur nec ullas habebit vires quicquid ei obviaverit: quoniam eadem Sedes, testante Veritatis voce, primum primatum obtinuit. Nec prima diceretur si aliam super se haberet, quae etiam Caput est omnium Ecclesiarum, a qua omnes sumpsere originem: primatum enim non synodalibus aut aliquibus commentis meruit institutis, sed Domino largiente, qui ait: Tu es Petrus, et super

Schmückendes Beiwerk?

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oder weltlichen Institutionen abhängig. Parallel dazu betonen zwei weitere Kapitel den Ehrentitel des Papstes als „Bischof des ersten Stuhls“10. Die Kapitularien verweisen mehrfach auf das Appellationsrecht eines ange­klagten Bischofs und weisen für diese Fälle dem Papst das Recht zu, selbst das Urteil in der entsprechenden Angelegenheit zu fällen. Diese Möglichkeit wird sowohl nach ­erfolgter Anklage als auch nach bereits ergangenem Urteil eingeräumt. Das Verfahren muss in diesem Falle unter päpstlichem Vorsitz neu aufgerollt werden. Die Kapitel ­sprechen in mehreren Fällen davon, dass der apostolische Stuhl die Verhandlungssache durch seinen Spruch beende. Das bedeutet, dass die Kapitularien nach einem päpstlichen Urteil keine Revisionsmöglichkeit einräumen, ein Synodalbeschluss hingegen anfechtbar bleibt 11. Der Papst wird in diesem Zusammenhang auch als Schutzmacht für verfolgte Bischöfe stilisiert, ohne dessen Beteiligung keine causae maiores, zu denen alle Anklagen gegen Bischöfe gehören, entschieden werden können. Besonders ein Kapitel in der vierten Addition erweckt den Eindruck, dass die angeklagten Bischöfe vom Papst in jedem Fall in Schutz genommen würden, während die anderen ­entsprechenden Passagen deutlich stärker den Ausgang eines Appellationsverfahrens offenlassen 12. Die jurisdiktionellen Entscheidungen des Bischofs von Rom sind laut den Kapitularien des Benedictus Levita zwar unumstößlich, stehen aber anscheinend nicht im Zentrum der Fälschung.

hanc petram aedificabo Ecclesiam meam. Et reliqua talia et his similia. Quibus si aliquis superbo spiritu obviaverit praeceptionibus, non exeat impunitus, sed gradus sui periculo subiacebit. 10 Ebd., Buch 3, Kap. 29, ed. Schmitz, http://www.benedictus.mgh.de/edition/archiv/ bl_20080.226/libIII.pdf (02.11.13), S. 7, Z. 16 – 18: Ut primae sedis episcopus non apelletur princeps sacerdotum aut summus sacerdos aut aliquid huiuscemodi, sed tantum primae sedis episcopus. Vgl. ebd., Kap. 439, Mansi 17b, Sp. 1122 f. 11 Generell zum Recht eines angeklagten Bischofs, an den Papst zu appellieren: Ben. Lev., Buch, 2, Kap. 401, ed. Schmitz, http://www.benedictus.mgh.de/edition/archiv/bl_20080.226/ libII.pdf (02.11.13), S. 70, Z. 1 – 4; Buch 3, Kap. 103, ed. Schmitz, http://www.benedictus. mgh.de/edition/archiv/bl_20080.226/libIII.pdf (02.11.13), S. 25, Z. 12 – 17; Kap. 315, Mansi 17b, Sp. 1094; Add. 4, Kap. 27, ebd., Sp. 1198. Zur Appellation für den Fall, dass Richter oder Ankläger für befangen gehalten werden: Ben. Lev., Buch 3, Kap. 173, ebd., Sp. 1071; Kap. 314, ebd., Sp. 1094. Zur Appellation nach bereits gefälltem Urteil: Ben. Lev., Buch 3, Kap. 412, ebd., Sp. 1114; Add. 4, Kap. 28, ebd., Sp. 1198 f., und Kap. 29, ebd., Sp. 1199. 12 Ben. Lev., Add. 4, Kap. 30, ebd., Sp. 1199: Ut omnes Episcopi […] quotiens necesse fuerit, libere apostolicam appellent sedem, atque ad eam quasi ad matrem confugiant, ut ab ea, sicut semper fuit, pie fulciantur, defendantur, et liberentur, […].

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Der Papst in den Kapitularien des Benedictus Levita

4.2  Weltliche Gesetzgebung für kirchliche Unabhängigkeit? Es ist bemerkenswert, dass die Fälscher neben der Form der Dekretale auch die des Kapitulars für ihre Fälschungen wählten. Diese Gesetzestexte stammten schließlich von den fränkischen Herrschern, denen man in den falschen Kapitularien so niemals formulierte Erlasse gleichsam in den Mund legte 13. Dennoch blieben die gefälschten Gesetze abhängig von der Autorität derjenigen karolingischen Herrscher, auf die sich Benedictus Levita berief. Musste die Form deshalb nicht das Ziel einer von Eingriffen durch Laien befreiten Kirche gleichsam ad absurdum führen? Auf den ­ersten Blick mag dies so scheinen. Tatsächlich muss aber die Komposition der falschen Kapitularien bedacht werden. Die einzelnen Kapitel verweisen in einigen Fällen auf eine ältere kanonische Gesetzesgrundlage, auf der sie basieren 14. Die karolingischen Könige verhalfen also scheinbar nur älteren und möglicherweise vergessenen kirchlichen Rechtssätzen zu neuer Verbreitung. Sie akzeptierten dadurch nicht nur die Inhalte dieser Gesetze, sondern stellten deren Autorität über ihre eigene. Die falschen Kapitularien degradierten die Herrscher dadurch zu Kompilatoren k­ anonischen Rechts. Hinsichtlich der Beziehung zwischen weltlichem Herrscher und apostolischen Stuhl ist dabei insbesondere Kapitel 260 im dritten Buch der Sammlung des ­Benedictus Levita bedeutsam. Dieses Kapitel widmet sich den Chorbischöfen 15. Es wird darin behauptet, dass vielfache Klagen über jene aus den Diözesen an den König heran­ ge­tragen worden seien. Nachdem die Argumentation der Gegner der Chorbischöfe wieder­gegeben worden ist, erklärt der Herrscher, wie er dieses Problem zu lösen gedenkt: Er habe eine Gesandtschaft zum Papst geschickt, welcher die vor­liegenden Streit­fragen entscheiden solle. Zur Begründung dieses Vorgehens führt das Kapitel die nicht näher präzisierte „kanonische Autorität“ (canonica auctoritate) an, ­welche vorschreibe, wichtige Angelegenheiten zur Entscheidung unverzüglich vor den ­apostolischen Stuhl zu bringen 16. Ein ähnliches Vorgehen wird auch in Kapitel 35

13 Für eine Zusammenfassung des akutellen Forschungsstands zur Gattung der Kapitularien vgl. Schmitz: Kapitularien. 14 Z. B. Ben. Lev., Buch 3, Kap. 260, Mansi 17b, Sp. 1080 f. Vgl. dazu auch Seckel: Pseudo­ isidor, S. 297, Z. 46 – 55. 15 Zur Problematik der Chorbischöfe bei Pseudoisidor und Benedictus Levita vgl. für die ältere Forschung exemplarisch Seckel: Pseudoisidor, S. 282, Z. 19 – 36, und S. 301, Z. 38 – 45. Zuletzt zu dieser Diskussion – und mit deutlichen Abweichungen von Seckel – für die f­ alschen Dekretalen Zechiel-Eckes: Exterminator, S. 174 f. und 184 – 190, und für ­Benedictus Levita Schmitz: Verfertigung, S. 32 – 34. 16 Ben. Lev., Buch 3, Kap. 260, Mansi 17b, Sp. 1080 f.: Si causae maiores in medio fuerint devolutae, ad Sedem apostolicam, ut sancta Synodus statuit et beata consuetudo exigit, incunctanter referatur.

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des ersten Buchs der Sammlung beschrieben 17. Die Kapitularien verweisen an diesen Stellen nicht nur abstrakt auf das kanonische Recht. Vielmehr wird zum Ausdruck gebracht, dass der Herrscher sich konform zu diesem verhält und die vorliegende inner­ kirchliche Streitfrage nicht eigenmächtig entscheidet, sondern das bekannte Recht umsetzt und ein Urteil in der Sache vom römischen Bischof erbittet. Auch wenn dies nur zwei einzelne Beispiele sind, so illustrieren sie doch, dass in den Kapitularien über den bloßen Inhalt der einzelnen Gesetze hinweg auch indirekt ausgedrückt werden konnte, dass die kirchlichen und insbesondere die bischöflichen Angelegenheiten im Falle eines Konflikts nicht vom König, sondern vom Papst zu entscheiden seien. Die Form des Kapitulars wurde von den Fälschern instrumentalisiert, um auszudrücken, dass die karolingischen Könige diejenigen Gesetze, die ihnen selbst den Einfluss auf die Kirche in allen entscheidenden Angelegenheiten absprachen, sowohl kannten als auch umsetzten. Man könnte in diesem Sinne in den falschen Kapitularien indirekt sogar eine (fiktive) königliche Anerkennung der falschen Dekretalen sehen 18. Auch der Beginn des Kapitulars unterstützt diese Interpretation. Wie in den ­falschen Dekretalen und den Capitula Angilramni wurde auch für die falschen Kapitu­ larien des Benedictus Levita ein fiktiver Handlungsrahmen entworfen, bestehend aus einem zweigeteilten Prolog in Versform, in welchen eine in Prosa verfasste Praefatio eingebettet ist 19. Darüber hinaus bietet der Anfang des ersten Buches der Sammlung eine inhaltliche Besonderheit gegenüber gewöhnlichen Kapitularien. Das erste Kapitel besteht aus einem echten Brief Zacharias’ I. (741 – 752) von Ende Oktober 74520 an den Klerus und die Großen des Frankenreiches. In den nächsten Kapiteln folgen die ebenfalls authentischen Kapitularien zweier karolingischer Synoden von 742 und 74321. Hier findet sich bereits die Verquickung einer Form der weltlichen 17 Ben. Lev., Buch 1, Kap. 35, ed. Schmitz: Verfertigung, S. 53, Z. 6 – 8: Unde ad consulandum patrem nostrum Leonem papam sacerdotes nostros mittimus. Vgl. dazu inhaltlich ebd., S. 37 – 41, und ders.: Echtes, S. 156 – 158. 18 Ähnlich beurteilte dies bereits Maassen: Excurse, S. 295. 19 Ben. Lev., Praefatio, ed. Schmitz, http://www.benedictus.mgh.de/edition/archiv/ bl_20080.226/praef.pdf (02.11.13). Vgl. Seckel: Pseudoisidor, S. 297, Z. 10 – 28. 20 Zach. I., JE 2275, ediert aus der Korrespondenz des Bonifatius, Ep. 61, ed. Tangl (MGH Epp. sel. 1), S. 125, Z. 10-S. 127, Z. 4. Vgl. Ben. Lev., Buch 1, Kap. 1, ed. Schmitz, http://www. benedictus.mgh.de/edition/archiv/bl_20080.226/libI.pdf (02.11.13), S. 1, Z. 1-S. 2, Z. 17. 21 Ben. Lev., Buch 1, Kap. 2, beinhaltet das Concilium Germanicum vom 21. April 742, ed. Werminghoff (MGH Conc. 2, 1), S. 2 – 4. Ben. Lev., Buch 1, Kap. 3, führt die Synode von Estinnes vom 1. März 743 an, ed. Werminghoff (MGH Conc. 2,1), S. 6 f. Vgl. Ben. Lev., Buch 1, Kap. 2 und 3, ed. Schmitz, http://www.benedictus.mgh.de/edition/archiv/ bl_20080.226/libI.pdf (02.11.13), S. 2, Z. 18-S. 6, Z. 3. Beide Konzilien sind auch in einem Brief des Bonifatius überliefert und durch die Rubrik De alio synodali conventu getrennt: Bonifatius, Epistola 56, ed. Tangl (MGH Epp. sel. 1), S. 98, Z. 25-S. 102, Z. 23. Von dort

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Gesetzgebung, der Kapitularien, mit kirchlichen Rechtsinhalten. Die Folge dieser einleitenden Texte ist auffällig: Der Brief von Papst Zacharias wäre chronologisch den beiden Synodalbeschlüssen nachzuordnen, jedoch ist er von Benedictus Levita diesen vorangestellt worden und enthält keine Datierung. Zacharias nimmt in dem Schreiben Bezug auf eine unter Pippin und Karlmann abgehaltene Synode 22 und erklärt, diese sei entsprechend seinen eigenen Weisungen und in Anwesenheit des Bonifatius als päpstlichem Vertreter abgehalten worden. Er lobt die Hausmeier für ihren auf dem Konzil gezeigten Einsatz gegen schlechte Priester und ermahnt sie, mit ihren reformerischen Bemühungen nicht nachzulassen 23. Während die Praefatio der Kapitularien keine Auskunft darüber gibt, warum die Sammlung mit diesem ­Schreiben Zacharias’ I. beginnt, führt sie zumindest für die folgenden beiden Konzilsauszüge eine Er­­klärung an. Nach Aussage des fiktiven Kompilators seien die Kanones des Concilium Germanicum (742) und der Synode von Estinnes (743) der Sammlung hinzugefügt worden, um die Anerkennung der apostolischen Autorität zu unterstützen 24. Seckel ging in seiner Interpretation deutlich weiter. Er hielt die Auswahl dieser authentischen einleitenden Stücke für „kluge Berechnung“25. Die Texte seien eingesetzt worden, um zum Ausdruck zu bringen, dass die weltliche Gesetzgebung für kirchliche Angelegenheiten nur dann Relevanz habe, wenn sie von der Kirche bestätigt worden sei 26. Tatsächlich hat bereits der Brief Papst Zacharias’ einen entsprechenden Ton. Er kann ganz im Sinne Pseudo­isidors als päpstliche Anerkennung der Beschlüsse eines nach apostolischer Genehmigung abgehaltenen Konzils gelesen werden. Der von Karlmann erlassene Text des Concilium Germanicum bestätigt Seckels These insofern, als darin die Mitwirkung diverser Bischöfe und vor allem des

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haben sie möglicherweise Eingang in die falschen Kapitularien gefunden. Der Zusammenhang zwischen den pseudoisidorischen Fälschungen und der Bonifatius-Überlieferung wurde bislang nicht hinreichend untersucht. Vgl. zum Concilium Germanicum und der Synode von Estinnes Hartmann: Synoden, S. 50 – 59. Wo und wann dieses Konzil genau abgehalten wurde, ist unklar. Aus den Andeutungen im Brief des Papstes ergibt sich die Schlussfolgerungen, dass es sich um eine gesamt­fränkische Synode gehandelt haben dürfte. Das Schreiben ist von Ende Oktober 745 und wird (inhaltlich) ergänzt durch ein weiteres Schreiben des Papstes an seinen Legaten Bonifatius: ­Zacharias I., JE 2274, ediert aus der Korrespondenz des Bonifatius, Ep. 60, ed. Tangl (MGH Epp. sel. 1), S. 120, Z. 13–S. 125, Z. 3. Vgl. zur Synode von 745 grundsätzlich Hartmann: Synoden, S. 59 f. Ben. Lev., Buch 1, Kap. 1, ed. Schmitz, http://www.benedictus.mgh.de/edition/archiv/ bl_20080.226/libI.pdf (02.11.13), S. 1, Z. 5 – 12. Vgl. Zacharias I., JE 2275, ed. Tangl (MGH Epp. sel. 1), S. 125, Z. 14 – 24. Ben. Lev., Praefatio, ed. Schmitz, http://www.benedictus.mgh.de/edition/archiv/ bl_20080.226/praef.pdf (02.11.13), S. 4, Z. 3 – 8. Seckel: Pseudoisidor, S. 297, Z. 29. Ebd., S. 302, Z. 8 – 14. In diesem Sinne zuvor bereits Wasserschleben: Excurse, S. 297 f.

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Bonifatius als päpstlichem Vertreter im Frankenreich bei der Gesetzesfindung betont wird. In der Praefatio weist Benedictus Levita darauf hin, dass Bonifatius auch an dem Konzil von Estinnes beteiligt war 27. Der Brief des Papstes und die zwei Kapitularien zu den Synoden erwecken – unterstützt durch ihre Reihung – tatsächlich den Eindruck, dass der Papst die Beschlüsse der Versammlungen durch seinen Legaten beziehungsweise sein ausdrückliches Schreiben bestätigte 28. Obwohl der Papst kaum direkt in den Rechtsvorschriften der Benedikt‘schen Sammlung auftaucht, spielt er doch für die Rahmenhandlung des Kapitulars eine wichtige Rolle. Darin wird das königliche Recht unter den Vorbehalt apostolischer Autorität gestellt. Im ersten Buch der Sammlung hat der Fälscher in wenigen, dem authentischen Material hinzuge­dichteten Kapiteln eine erstaunliche Fiktion aufgebaut. Zunächst wird im Namen Karls des Großen festgestellt, dass es eine Rechtslücke bezüglich beschuldigter ­Priester gebe, denen ein Verbrechen nicht nachgewiesen werden kann. Um diese Lücke zu schließen, entsendet Karl in der Erzählung des falschen Benedikt eine Gesandtschaft zu Leo III., der angeblich eine Synode zu der aufgeworfenen Frage abhält, deren Beschlüsse nach einer ausführlichen Schilderung des aufwendigen Prozederes in Rom wiedergegeben werden 29. An einer späteren Stelle im Kapitular wird jedoch das zuvor beschlossene und bekräftigte 30 Vorgehen aufgrund des Bekanntwerdens einer Dekretale Gregors II. außer Kraft gesetzt 31. Das zuvor von der Synode beschlossene, vom König erlassene und wiederholte Gesetz verliert seine Rechtsgültigkeit aufgrund einer plötzlich aufgetauchten Dekretale, einer Äußerung des apostolischen Stuhls. Karl der Große ordnet sich in Benedikts Fiktion eindeutig dem apostolischen Stuhl unter, ebenso wie das Kapitular der Dekretale nachgeordnet wird. Dies mag auch eine Erklärung dafür sein, warum das Papsttum in so wenigen konkreten Rechtssätzen behandelt wird: Wie sollte es dem weltlichen Herrscher zustehen, päpstliche Rechte zu definieren, wenn er seine eigene (Kirchen-) Rechtsprechung dem apostolischen Stuhl unterordnet? In eine ähnliche Richtung weist auch das letzte Kapitel des dritten Buchs der Sammlung. Benedikt schlägt darin den Bogen zurück an den Anfang seiner Kompilation. Er hält fest, dass die Rechtsgültigkeit der vorangehenden drei Bücher von der 27 Ben. Lev., Praefatio, ed. Schmitz, http://www.benedictus.mgh.de/edition/archiv/ bl_20080.226/praef.pdf (02.11.13), S. 4, Z. 4 – 6. 28 Es stellt sich dennoch die Frage, warum genau diese Stücke und nicht z. B. auch die Konzils­ beschlüsse der Synode von Soisson (744) in die Sammlung aufgenommen wurden. Möglicher­ weise wollten die Fälscher durch die Bezugnahme auf Bonifatius auch die Fiktion um den Ursprung der Kapitulariensammlung stützen und über den Erzbischof eine weitere Verbindung der Kompilation zu Mainz konstruieren. 29 Ben. Lev., Buch 1, Kap. 35 – 36, ed. Schmitz (Verfertigung), S. 53 – 58. Vgl. dazu ebd., S. 37 f. 30 Ben. Lev., Buch 1, Kap. 370, Mansi 17b, Sp. 903. Vgl. dazu Schmitz: Verfertigung, S. 45. 31 Ben. Lev., Buch 3, Kap. 281, Mansi 17b, Sp. 1088. Vgl. Schmitz: Verfertigung, S. 45 – 48.

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Zu­stimmung der apostolischen Autorität abhängt 32. Die falschen Kapitularien sind also keineswegs als Text zu lesen, der dem Bischof von Rom nur eine untergeordnete Rolle im kirchlichen Rechtssystem zuweist, im Gegenteil. Es wird nicht nur immer wieder auf das alte, durch die Päpste verfügte Recht verwiesen, sondern Benedikt ­liefert dem Leser des Kapitulars gleich mehrere historische Beispiele aus der unmittel­ baren Vergangenheit, die beweisen sollen, dass die Karolinger sich der Autorität der Päpste in kirchlichen Rechtsfragen gehorsam unterzuordnen pflegten. Ebenso wie in den f­ alschen Dekretalen gehen auch bei Benedictus Levita gefälschtes Recht und gefälschte Geschichte Hand in Hand.

4.3  Vorlagen, Parallelen und Unterschiede zu den falschen Dekretalen und den Capitula Angilramni Die falschen Kapitularien erweisen sich wie die Capitula Angilramni im Hinblick auf die päpstlichen Befugnisse als nicht annähernd so repetitiv wie die falschen Dekretalen. Des Weiteren werden Aufgaben und Stellung des römischen Bischofs in den falschen Kapitularien weniger differenziert dargestellt. Wie gezeigt wurde, kann die Sammlung des fiktiven Mainzer Diakons in Bezug auf den apostolischen Stuhl nur formale, jedoch keine inhaltlichen Neuerungen gegenüber den Dekretalen bieten. Da die falschen Kapitularien in textlich enger Beziehung zu den Capitula Angilramni stehen, kann es nicht überraschen, dass beide auf den gleichen Quellen­fundus zurückgreifen, wenn die Befugnisse des römischen Bischofs dargestellt werden. Einige Akzentverschiebungen lassen sich jedoch feststellen. Die mit Abstand wichtigste Quelle für Benedictus Levita zur Erweiterung der päpstlichen Gewalt waren die Kanones des Konzils von Sardika (343), die sowohl in den Capitula Angilramni als auch den falschen Dekretalen mehrfach zum Einsatz kamen. Das Gleiche gilt auch für die Kanones des Konzils von Chalkedon (451). Im Gegensatz zu den Capitula Angilramni kennt Benedikt auch die Einlassungen Innozenz’ I. (401 – 417) zu den

32 Ben. Lev., Buch 3, Kap. 478, Mansi 17b, Sp. 1132: Maxime trium ultimorum capitula istorum librorum apostolica sunt cuncta auctoritate roborata, quia his cudendis maxime apostolica interfuit legatio. Nam eorum nomina, praeter trium, id est, Leonis, Sergii, et Georgii, hic non inseruimus, licet ea per singulos conventus inserta invenissemus, vitantes legentium atque scribentium fastidia. Si quis autem plenius ea nosse voluerit, istorum legat authentica, quibus illa inserta reperiet. Interdum haec dictando et amando atque operibus complendo non neglegat, quia, ut Dominus novit, pro amore et utilitate sanctae Dei Ecclesiae, ut horum in prooemio praelibatum est, sunt collecta isticque inserta. Ich danke Gerhard Schmitz für den entsprechenden Hinweis.

Vorlagen, Parallelen und Unterschiede

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causae maiores 33. Auch römisches Recht und Cassiodors Kirchengeschichte werden in den falschen Kapitularien herangezogen. Im Folgenden sollen die wichtigsten Unterschiede zwischen den Vorlagen und den falschen Kapitularien sowie den pseudoisidorischen Dekretalen herausgearbeitet werden. Um unnötige Wiederholungen zu vermeiden, wird dort, wo die Capitula Angilramni und Benedictus Levita den (fast) gleichen Wortlaut haben und aus der gleichen Quelle schöpfen 34, auf eine erneute Diskussion verzichtet.

4.3.1  Die Sardika-Rezeption in den falschen Kapitularien Sowohl die falschen Dekretalen als auch die Capitula Angilramni hatten die Aus­ führungen zum Appellationsrecht angeklagter Bischöfe an den apostolischen Stuhl aus einer Kombination des Wortlautes der Rubriken des siebten und dritten Kanons der Kanones des Konzils von Sardika entlehnt 35. Genau wie die falschen Dekretalen enthalten die falschen Kapitularien eine solche Passage drei Mal 36. Aus dem Recht Roms, die Revision des Verfahrens anzuordnen, wird ein Rechtssatz gefälscht, der besagt, dass die Hoheit über Verfahren und Urteil dem Papst zusteht. Darin erschöpft sich jedoch die sardische Rezeption bei Benedictus Levita keineswegs. Zweimal wird ebenso die Rubrik des siebten Kanons zitiert 37. Durch diese faktische Verkürzung des Rechtssatzes ergibt sich der gleiche Eindruck, der bereits bei dem identischen Vorgehen der Capitula Angilramni zu beobachten war: Anstatt das bischöfliche Appellationsrecht zu betonen, wie es dem siebten Kanon der sardischen Beschlüsse entsprechen 33 Aber Benedictus Levita verwendet anders als die Capitula Angilramni die – für die Dekretalen so wichtige – Bezeichnung des Papst als Haupt (caput) der Kirche nicht. 34 Dies betrifft vor allem die Rezeption der Kanones von Chalkedon und des römischen Rechts. Vgl. Ben. Lev., Buch 3, Kap. 29 und 439, bzw. CA, Kap. 23; Ben. Lev., Buch 3, Kap. 153 und 314, bzw. CA, Kap. 17; Ben. Lev., Buch 3, Kap. 321, bzw. CA, Kap. 26; Ben. Lev., Buch 3, Kap. 346, bzw. CA, Kap. 37(a); Ben. Lev., Add. 4, Kap. 24, bzw. CA, Kap. 2(a-c). Für einen Vergleich im Wortlaut siehe Tabelle 2 und 3, S. 267 – 274.Ob Benedikt an diesen Stellen aus Angilram schöpft oder umgekehrt, kann hier nicht diskutiert werden. 35 Sardika, Kap. 3 (Rubrik), ed. Turner (EOMIA 1, 2, 3), S. 447. Vgl. Ps.-Fabian, JK † 94, Kap. 29, ed. Hinschius (Decretales), S. 168; Ps.-Julius, JK † 196, Kap. 12, ed. ZechielEckes (Blick), S. 78, Z. 152 f.; Ps.-Sixtus III., JK † 397, ed. Hinschius (Decretales), S. 563; CA, Kap. 20, ed. Schon (MGH Studien und Texte 39), S. 127, Z. 1 f. Vgl. Seckel: Studien, NA 40, S. 89. 36 Ben. Lev., Buch 3, Kap. 315, und Add. 4, Kap. 27, in wörtlicher Übereinstimmung. Mit diesen fast übereinstimmend Add. 4, Kap. 17. 37 Sardika, Kap. 7 (Rubrik), ed. Turner (EOMIA 1, 2, 3), S. 447; Ben. Lev., Buch 3, Kap. 349, und Add. 4, Kap. 12.

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Der Papst in den Kapitularien des Benedictus Levita

würde, bleibt in den falschen Kapitularien lediglich die Feststellung zurück, dass eine Provinzialsynode unter dem Vorsitz päpstlicher Legaten wieder aufzurollen sei, sofern der römische Bischof dies beschließe. Diese inhaltliche Akzentverschiebung gegenüber der Vorlage verwundert in den Capitula Angilramni und den falschen Kapitularien des Benedictus Levita mehr als in den pseudoisidorischen Dekretalen, da der Papst aus jenen insgesamt deutlich weniger prominent hervortritt als aus diesen 38. Die Kapitularien weisen in der vierten Additio in zwei aufeinanderfolgenden ­Kapiteln eine weitere eindeutige Parallele zur Sardika-Rezeption der falschen Dekretalen auf. Auch in diesen Rechtssätzen geht es im Wesentlichen um das Appellations­ recht angeklagter Bischöfe. Kapitel 28 ist dabei im Wortlaut so gut wie überhaupt nicht an den siebten sardischen Kanon angebunden, weist allerdings am Anfang des Kapitels eine auffällige Parallele zu denjenigen Passagen der falschen Dekretalen auf, die ebenfalls auf dem sardischen Kanon basieren 39:40 Sardika, Kap. 7 (ed. Turner, EOMIA 1, 2, 3, S. 447 [Rubrik] und S. 460, Z. 2–S. 461, Z. 15)

Ps.-Julius I., JK † 196, Kap. 12 (ed. ZechielEckes [Blick], S. 76, Z. 124 f.)40

Ben. Lev., Add. 4, Kap. 28 (Mansi 17b, Sp. 1198 f.)

De prouinciali synodo retractanda per uicarios episcopi urbis Romae si ipse decreuerit. (Rubrik) Placuit autem ut si episcopus accusatus fuerit et iudicauerint congregati episcopi […] si qui rogat causam suam iterum audiri […].

Placuit, ut accusatus uel iudicatus a conprouintialibus in aliqua causa episcopus licenter appellet et adeat apostolicae sedis pontificem […].

Ut accusato vel iudicato in aliqua causa episcopo liceat iterare iudicium et, si necesse fuerit aut ipse voluerit, absque ulla detentione aut impeditione Romanum adire Pontificem.

Noch enger ist die Beziehung zwischen falschen Kapitularien und falschen Dekre­talen in Kapitel 29 der vierten Additio. Der Text entspricht wortwörtlich der speziellen 38 Vgl. CA, Kap. 39, ed. Schon (MGH Studien und Texte 39), S.140, Z. 3 f. Vgl. auch Ps.-­ Eleutherus, JK † 68, Kap. 2, ed. Hinschius (Decretales), S. 125; Ps.-Viktor I., JK † 74, Kap. 5, ebd., S.128, und v. a. Ps.-Julius, JK † 196, Kap. 12, ed. Zechiel-Eckes (Blick), S. 76 f., Z. 124 – 130, S. 78, Z. 152 f., und S. 81, Z. 194 f. Siehe S. 131 – 134 und 148 – 152. 39 Übereinstimmungen im Wortlaut zwischen Vorlage und Fälschungen: kursiv. Überein­ stimmungen im Wortlaut zwischen Benedictus Levita und falschen Dekretalen: unter­strichen. 40 Im Wortlaut identisch mit Ps.-Viktor, JK † 74, Kap. 5, ed. Hinschius (Decretales), S. 128.

Vorlagen, Parallelen und Unterschiede

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Kombination des siebten und vierten sardischen Kanons in Verbindung mit einem Zitat aus dem Matthäus-Evangelium, wie sie bereits in den falschen Dekretalen von Papst Viktor (189 – 199) und Julius I. (337 – 352) zu finden war 41. Die Kongruenz ­dieses ausführlichen Kapitels mit Teilen der Briefe der beiden Pseudo-Päpste zeigt, dass zumindest an dieser Stelle Benedictus Levita und Pseudoisidor die gleichen ­Interessen verfolgt haben dürften: Genau wie in den falschen Dekretalen weiten auch die falschen Kapitularien die Bestimmungen der Vorlage deutlich über den Schutz der Bischöfe hinaus aus, wenn dem Papst weitreichende jurisdiktionelle Kompe­ tenzen zugewiesen werden 42. Kapitel 412 im dritten Buch des Benedictus Levita beinhaltet eine auffällige Abweichung bei der Verwendung der Beschlüsse von Sardika. Zwar entspricht die inhaltliche Verkürzung der bisher dargestellten Fälschungstechnik, jedoch erfolgte in diesem Fall nur eine indirekte Rezeption des Materials des Konzils. Dieses K ­ apitel der falschen Kapitularien geht auf die Verwendung einer sardischen Rubrik in der Breviatio canonum des Fulgentius Ferrandus zurück 43. Wie von Seckel dargelegt wurde, ist es wahrscheinlich, dass die Fälscher diese Quelle ebenfalls indirekt über die Vorlage zu den Additionen der Collectio Corbeiensis verwendeten 44. Obgleich das rezipierte Gedankengut also auf die Synode von Sardika zurückzuführen ist, erfolgte ihre Rezeption in diesem Fall doppelt indirekt. Eine solch umständliche

41 Ps.-Viktor, JK † 74, Kap. 5, ebd., S. 128; Ps.-Julius, JK † 196, Kap. 12, ed. Zechiel-Eckes (Blick), S. 76, Z. 124-S. 77, Z. 131. 42 Siehe S. 131 – 134. Eine ähnlich deutliche Parallele zwischen falschen Dekretalen und Kapitularien stellt auch das direkt folgende Kapitel 30 dar, das aus diversen Passagen aus unterschiedlichen falschen Papstbriefen zusammengesetzt zu sein scheint. In jedem Fall steht es diesen im Wortlaut näher als den Vorlagen, siehe S. 166 – 168. 43 Ben. Lev., Buch 3, Kap. 412, schreibt die Möglichkeit angeklagter Bischöfe, an den Papst zu appellieren, fest und stimmt fast buchstäblich mit der Vorlage überein, vgl. Ferrandus, Brevatio Canonum, Kap. 59, ed. Munier (CCL 149), S. 292: Ut adiudicatus episcopus, ad apostolicam sedem, si uoluerit, appellet. Weder die pseudoisidorischen Dekretalen noch die Capitula Angilramni benutzen die Brevatio canonum des Fulgentius Ferrandus. Vgl. ­Fuhrmann: Einfluß, Bd. 1, S. 167. 44 Seckel: Studien, NA 41, S. 222 f. und 226 – 228. Die Collectio Corbiensis, die früheste Kanones­sammlung aus dem gallischen Raum, stammt aus dem 6. Jahrhundert aus Südfrankreich und wurde um das Jahr 700 der Bibliothek des Klosters Corbie zugefügt. Die Handschrift Paris, BnF, lat. 12097, weist diverse spätere Anmerkungen auf, die zum Teil auf tironischen Noten basieren, vgl. Ganz: Corbie, S. 40, 69, 72 f. und 127. Mordek: Kirchenrecht, S. 86, hatte herausgefunden, dass die Sammlung bei der Redaktion der Collectio Vetus Gallica herangezogen wurde. Es könnte sinnvoll sein, die Anmerkungen am Codex mit dem von Zechiel-Eckes gesicherten pseudoisidorischen Exzerpiersystem der pseudoisidorischen Werkstatt zu vergleichen.

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Der Papst in den Kapitularien des Benedictus Levita

Verwendung der sardischen Beschlüsse kennen weder die falschen Dekretalen noch die Capitula Angilramni. Bei der Verwendung der sardischen Kanones weisen die Kapitularien des ­Benedictus Levita darüber hinaus eine Besonderheit auf. Zwei Kapitel zitieren aus dem dritten Kapitel der Synodalakten in einer Form, die sich so weder in den falschen Dekre­talen noch in den Capitula Angilramni nachweisen lässt. Dabei hält sich der Fälscher sehr eng an den Wortlaut seiner Vorlage. Die Kapitel 401 des zweiten Buches und 103 des dritten Buches der Kapitularien halten fest, dass ein verurteilter Bischof, sofern er an den römischen Stuhl appelliert, nicht abgesetzt werden darf, bis das päpstliche Urteil in der entsprechenden Gerichtssache ergangen ist 45. Während die sardischen Kanones sich dabei auf eine Entscheidung des Papstes für oder gegen eine Wiederaufnahme des Verfahrens durch eine Synode bezogen, liegt es in der Logik der falschen Kapitularien, dass die jurisdiktionelle Kompetenz zum Urteil durch die Appellation an den römischen Bischof übergeht. Findet hier keine Fälschung im eigentlichen Sinne statt, so gibt Benedictus Levita dem zitierten Rechtssatz doch unterschwellig eine neue Bedeutung, indem er bewusst offenlässt, welche Form von Entscheidung von Rom zu erwarten ist.

4.3.2  Die Verwendung authentischer Dekretalen bei Benedictus Levita Echte Dekretalen spielten bei der Erstellung der falschen Kapitularien nicht annähernd die gleiche Rolle wie bei den falschen Dekretalen, um die rechtlichen Befugnisse des Papstes zu erweitern. Die Kapitularien verzichten in diesem Zusammenhang auf­f älligerweise gänzlich auf die Dekretalen Leos I. (440 – 461) und greifen offenbar 45 Dabei bleibt Ben. Lev., Buch 3, Kap. 103, deutlich näher an der Vorlage, vgl. ed. Schmitz, http://www.benedictus.mgh.de/edition/archiv/bl_20080.226/libIII.pdf (02.11.13), S. 25, Z. 12 – 17: Si quis episcopus depositus fuerit eorum episcoporum iudicio qui in vicinis locis commorantur, et proclamaverit agendum sibi negotium in urbe Roma, alter episcopus in eius cathedra, post appellationem eius qui videtur esse depositus, omnio non ordinetur, nisi causa fuerit iudicio Romani episcopi determinata. Vgl. dagegen Sardika, Kap. 3, ed. Turner (EOMIA 1, 2, 3), S. 457, Z. 34-S. 458, Z. 43: […] cum aliqui episcopus depositus fuerit eorum episcoporum iudicio qui in uicinis commorantur locis et proclamauerit agendum sibi esse negotium in urbe Roma, alter episcopus in eadem cathedra post appellationem eius qui uidetur esse depositus, omnio non ordinetur loco ipsius, nisi causa fuerit, iudicio Romani episcopi determinata. Weiter entfernt ist dagegen Ben. Lev., Buch 2, Kap. 401, ed. Schmitz, http://www.benedictus.mgh.de/edition/ archiv/bl_20080.226/libII.pdf (02.11.13), S. 70, Z. 1 – 4: Si quis episcopus depositus agendum sibi negotium in urbe Roma proclamaverit alter episcopus in eius cathedra, post appellationem eius qui videtur esse depositus, omnio non ordinetur, nisi causa fuerit iudicio Romani episcopi determinata. Vgl. auch Seckel: Studien, NA 35, S. 499 (Anm. 1) und S. 510.

Vorlagen, Parallelen und Unterschiede

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auch nur zweimal auf die Korrespondenz Innozenz’ I. (401 – 417) zurück. In beiden Fällen wird das gleiche Schreiben herangezogen, der Brief des Papstes an den Bischof Victricius von Rouen, welcher den Begriff der causae maiores ins Kirchenrecht eingeführt hatte, ein essenzieller Baustein für Pseudo­isidors falsche Dekretalen 46. Nun erklären auch die falschen Kapitularien, dass ebenjene wichtigen Angelegenheiten nach den Vorschriften der Synode und der Tradition vor den apostolischen Stuhl zu bringen seien 47. Der Wortlaut beider Kapitel ist beinahe identisch und auch einer Passage in den falschen Dekretalen bei Pseudo-Pelagius II. (579 – 590)48 sehr ähnlich. Ebenso sind alle drei Passagen eng an die gemeinsame Vorlage angelehnt 49: Innozenz I., JK 286, Kap. 3 (Migne PL 20, Sp. 472A-473A) Si majores causae in medium fuerint devolutae, ad sedem apostolicam, sicut synodus statuit, et beata consuetudo exigit, post judicium episcopale referantur.

Ben. Lev., Buch 2, Kap. 381 (Mansi 17b, Sp. 994 – 996)

Ben. Lev., Buch 3, Ps.-Pelagius II., Kap. 260 (Mansi JK † 1051 (ed. Hinschius 17b, Sp. 1080 f.) [Decretales], S. 724) Si causae maiores Maiores vero et Si autem causae difficiles quaesmaiores in medio in medio fuerint tiones, ut sancta fuerint devolutae, devolutae, ad Sedem apostolicam, synodus statuit, et ad sedem apostout sancta Synodus beata consuetudo licam, ut sancta exigit, ad sedem Synodus statuit et statuit et beata consuetudo exigit, apostolicam sembeata consuetudo exigit, per iudicum incunctanter refe- per referantur. episcopale referatur. ratur.

Benedictus Levita übernahm im zweiten Buch seiner Kapitularien noch den Hinweis darauf, dass die causae maiores erst nach bischöflichem Urteil an den Papst weiter­ zuleiten seien, im dritten Buch hingegen fehlt diese Einschränkung bereits. Auch Pseudo-Pelagius kennt diese Voraussetzung nicht, vergrößert dafür aber noch den Spielraum für die päpstlichen Zuständigkeiten durch die Ergänzung, dass nicht nur wichtige, sondern auch schwierige Fragen immer vor den römischen Bischof zu bringen seien. Die anderen Pseudo-Päpste waren, wie bereits gezeigt wurde, inhaltlich noch

46 Innozenz I., JK 286, Kap. 3, Migne PL 20, Sp. 427A-473A. In den falschen Dekretalen fand diese Passage zwölf Mal Verwendung. Siehe Tabelle 1, S. 245 – 266 und 121 – 124. 47 Ben. Lev., Buch 2, Kap. 381, Mansi 17b, Sp. 994 – 996, und Buch 3, Kap. 260, Mansi 17b, Sp. 1080 f. 48 Ps.-Pelagius, JK † 1051, ed. Hinschius (Decretales), S. 724. 49 Übereinstimmungen zwischen Vorlage und Fälschungen: kursiv.

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Der Papst in den Kapitularien des Benedictus Levita

weiter von der Vorlage abgerückt 50. Von den in der Vorlage enthaltenen Erklärungen zur Zuständigkeit der Diözese für Auseinandersetzungen zwischen Klerikern, die ausdrücklich auch die höheren Weihegrade, also die Bischöfe, mit einschließt, wissen die Fälschungen alle nichts. Auch wenn die Worte Innozenz’ I. bei Benedictus Levita nicht so radikal verändert und in einen neuen Kontext gerückt wurden wie in den falschen Dekretalen, so ist doch auffällig, dass beide Fälschungen die jurisdiktionelle Macht des Papstes erweitern und demgegenüber die der Vorlage entsprechenden Rechte der Diözese und der Bischöfe vernachlässigen.

4.3.3  Die Historia Tripartita und die falschen Kapitularien Die Kirchengeschichte des Cassiodor scheint für Benedictus Levita von untergeordneter Bedeutung gewesen zu sein. In den hier untersuchten Textpassagen kam sie nur in zwei Fällen als Vorlage zum Einsatz. Die falschen Kapitularien verwenden einen Auszug aus der Historia Tripartita als Baustein für ein Kapitel, um die Abhängigkeit der Synoden vom Papst festzustellen. Die für Pseudoisidor so zentrale und vielfach wiederholte Forderung, dass Konzile nur dann rechtmäßig seien, sofern sie durch Rom legitimiert würden, taucht in den falschen Kapitularien nur dieses eine Mal auf 51. Die große Bedeutung, die Pseudoisidor dieser Vorschrift in den Dekretalen zuwies, kommt ihr also in den Kapitularien nicht mehr zu. Zudem diente in den ­falschen Dekretalen neben der Cassiodor-Passage auch ein Auszug aus der Actio I der Akten des Konzils von Chalkedon als Vorlage für diese Forderung. Es scheint, als habe Benedictus Levita dieses Quellenmaterial kein einziges Mal verwendet und sich auf die einmalige Rezeption der Historia Tripartita beschränkt 52. Bei der Rezeption dieses Abschnitts in den falschen Dekretalen entspricht der Wortlaut des falschen Pelagius-Briefes am ehesten dem der falschen Kapitularien 53:

50 Siehe S. 121 – 124. 51 Ben. Lev., Buch 2, Kap. 381, Mansi 17b, Sp. 994 – 996. Der entsprechende Rechtssatz steht am Anfang dieses Kapitels, ist jedoch nur eine von diversen darin enthaltenen Vorschriften. Grundlage ist Cassiodor, Historia Tripartita, Buch 4, Kap. 9, Abs. 4, ed. Hanslik/Jakob (CSEL 71), S. 165, Z. 19 – 21. 52 Auffällig hierbei ist, dass in Ben. Lev., Buch 2, Kap. 381, Mansi 17b, Sp. 994 – 996, sowohl ein Zitat aus der Historia Tripartita als auch aus der Dekretale Innozenz’ I. enthalten ist. 53 Übereinstimmungen zwischen Vorlage und Fälschungen: kursiv.

Vorlagen, Parallelen und Unterschiede

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Ps.-Pelagius II., JK † 1051 (ed. Hinschius [Decretales], S. 721)

Cassiodor, Historia Tripartita, Buch 4, Kap. 9, Abs. 4 (ed. Hanslik/Jakob, [CSEL 71], S. 165, Z. 19 – 21)

Ben. Lev., Buch 2, Kap. 381 (Mansi 17b, Sp. 994 – 996)

Ps.-Julius I., JK † 195, Kap. 6 (ed. Hinschius [Decretales], S. 459 f.)

Ps.-Julius I., JK † 196, Kap. 11 (ed. ZechielEckes [Blick], S. 73, Z. 48 f.)

[…] cum utique regula ecclesiastica iubeat non oportere praeter sententiam Romani pontificis concilia celebrari.

Auctoritas ecclesiastica atque canonica docet non debere absque sententia Romani Pontificis Concilia celebrare.

Porro dudum a sanctis apostolis successoribusque eorum in praefatis antiquis decretum fuerat statuis, […], non oportere praeter sententiam Romani pontificis concilia celebrari […].

Multis denuo […] canoniapostolicis et bus quippe in canonicis atque Nicena synodo ecclesiasticis insiubentibus non truimur regulis debere praeter non debere abssententiam que sententia Romani pontiRomani ponficis ullo modo concilia celebrari tificis concilia celebrari […]. […].

Ähnlich wie bei der Innozenz-Rezeption lassen sich deutliche textliche Bezüge ­zwischen Benedictus Levita und der Dekretale Pseudo-Pelagius’ II. erkennen 54. ­Dennoch ist eindeutig, dass der inhaltliche Aspekt, die Abhängigkeit der Synoden vom Papst, in falschen Dekretalen beziehungsweise Kapitularien verschieden gewichtet wird. Dies ergibt sich bereits aus der unterschiedlichen Quantität, mit welcher der Rechtssatz in beiden Texten vertreten ist. Eine rechtliche Abhängigkeit der ­Synode vom ­apostolischen Stuhl zu konstruieren, war für die Fälscher der Kapitularien offenbar kein zentrales Anliegen. Dies ist der vielleicht entscheidende Unterschied zwischen Pseudo­ isidors falschen Dekretalen und den falschen Kapitularien des Benedictus Levita. Die zweite Cassiodor-Rezeption in den falschen Kapitularien offenbart ähnlich enge textliche Bezüge zu den pseudoisidorischen Dekretalen wie das bereits untersuchte Kapitel. In der vierten Additio ist in das längere Kapitel 30 die Aussage inseriert, dass wichtige, vor allem die Bischöfe betreffende Angelegenheiten kanonischem 54 Ben. Lev., Buch 2, Kap. 381, und Ps.-Pelagius II., JK † 1051, scheinen ein gutes Beispiel dafür zu sein, dass nicht nur zwischen Benedictus Levita und den Capitula Angilramni, sondern auch zwischen falschen Kapitularien und falschen Dekretalen eine deutliche textliche Beeinflussung festzustellen ist, deren Entstehungsreihenfolge meines Erachtens auch beim besten Willen nicht mehr zweifelsfrei zu rekonstruieren ist. Hier können allenfalls Wahrscheinlichkeiten anhand kleinster Textpartikel ausgemacht werden, die wohl kaum weitgehende Rückschlüsse auf die innere Chronologie der Fälschungen rechtfertigen. Vgl. ebenso das nachstehende zweite Beispiel aus der Historia Tripartita.

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Der Papst in den Kapitularien des Benedictus Levita

Recht zufolge nicht ohne den Papst entschieden werden können. Fast der gleiche Wortlaut findet sich auch in einem der falschen Briefe des Bischofs Athanasius an Felix  II. (483 – 492). Beide gehen auf die gleiche Vorlage aus Cassiodors Kirchen­ geschichte zurück: Cassiodor, Historia Tripartita, Buch 4, Kap. 19, Abs. 4 (ed. Hanslik/ Jakob [CSEL 71], S. 174, Z. 14 f.) […] canonibus quippe iubentibus extra Romanum nihil decerni pontificem […]

Ben. Lev., Add. 4, Kap. 30 (Migne PL 17b, Sp. 1199)

Ps.-Athanasius an Felix II., Kap. 1 (ed. Hinschius [Decretales], S. 479)

[…] Canonibus quippe iubentibus in talibus absque Romano nihil decerni Pontifice […].

[…] canonibus quippe iubentibus absque Romano nos de maioribus causis nihil debere decernere pontifice.

Das Vorgehen der Fälscher ist in den falschen Dekretalen das gleiche wie in den falschen Kapitularien. Die auf den konkreten Einzelfall bezogene Anordnung der Vorlage wird zu einem generalisierenden Rechtssatz mit schwerwiegenden Folgen umformuliert. Die Einbettung dieser Passage bei Benedictus Levita in weitere Zitate aus den falschen Dekretalen verstärkt den Eindruck, dass die falschen Kapitularien an dieser Stelle direkt aus den falschen Papstbriefen schöpfen 55.

4.3.4  Zwischenergebnis: Pseudoisidor, Angilram, Benedikt und der Papst Die Wechselbeziehungen zwischen den drei „Hauptfälschungen“ Pseudo­isidors, den falschen Dekretalen, den Capitula Angilramni und den falschen Kapitularien, sind bereits bei der vorliegenden eingeschränkten textlichen Analyse deutlich geworden. Es ist vielfach versucht worden, aus textlichen Parallelen zwischen Fälschungen 55 Siehe Tabelle 3, S. 269 – 274 für die genaue Zusammensetzung aus Ps.-Sixtus  II., JK † 133, Kap. 2, ed. Hinschius (Decretales), S. 190; Ps.-Athanasius an Felix II., Kap. 1, ebd., S. 479; Ps.-Felix II., JK † 230, Kap. 12/xx, ebd., S. 488. Bereits Seckel: Pseudoisidor, S. 304, Z. 46 – 55, hatte ein „Konzept“ der falschen Dekretalen als Quelle für das vierte Buch der Additiones der falschen Kapitularien gesehen. Leider umfassen seine Quellenstudien diese Ergänzungen nicht, und eine entsprechende Untersuchung wurde auch von keinem anderen Forscher unternommen, dabei könnten sie sich für die Beziehung zwischen falschen Dekretalen und Kapitularien als gewinnbringend erweisen.

Vorlagen, Parallelen und Unterschiede

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und Vorlagen auf die Entstehungsreihenfolge der Fälschungen zu schließen. Weitaus gewinnbringender erscheint jedoch, die inhaltlichen Akzentverschiebungen in den drei Fälschungsteilen zu untersuchen. Die bisherige Analyse hat gezeigt, dass der Papst in den pseudoisidorischen Dekretalen die mit Abstand weitreichendsten Kompe­tenzen zugesprochen bekommt. Die Passagen zur Erweiterung seiner Macht sind sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht in den falschen Papst­ briefen am stärksten. Die Capitula Angilramni weisen eine extrem konzentrierte Form der Beschlüsse der Dekretalen auch in Bezug auf den apostolischen Stuhl auf und legen den Fokus in den einzelnen Rechtssätzen vor allem auf das Appellationsrecht der Bischöfe und die damit verbundenen päpstlichen Rechte. Ganz ähnlich gehen auch die falschen Kapitularien des Benedictus Levita vor. Sie vernachlässigen die von Pseudoisidor pointierte Abhängigkeit der Synoden von der apostolischen Autorität und konzentrieren sich hauptsächlich auf Fragen der Appellation nach Rom in Fällen von innerkirchlichen Rechtsstreitigkeiten. Dabei weisen sie textlich enge Bezüge zu Capitula Angilramni und falschen Dekretalen gleichermaßen auf. Von diesen so gut wie unabhängig ist dagegen der nächste zu analysierende Teil des pseudoisidorischen Komplexes, die Excerptiones de gestis Chalcedonensis concilii. Doch in diesen kommt der römischen Autorität eine herausgehobene Bedeutung zu.

5.  Der Papst und die Excerptiones de gestis Chalcedonensis concilii Die in der pseudoisidorischen Werkstatt gefertigten Exzerpte aus den Akten des vierten ökumenischen Konzils von Chalkedon (451)1 unterscheiden sich deutlich von den bereits untersuchten Fälschungsteilen. Sie sind keine Neuschöpfung eines Rechtsdokuments wie die falschen Dekretalen und Kapitularien, sondern ein interpoliertes Florileg. Die echten Synodalprotokolle in der Version des Rusticus sind die direkte und einzige Vorlage für die Fälschung gewesen. Pseudoisidor beschränkte sich bei seiner Redaktion der Chalkedon-Akten aber nicht auf Kürzungen und Um­­ stellungen, er griff auch kreativ in den Text ein und veränderte dadurch den Inhalt der Synodalprotokolle erheblich 2. Vor der Analyse der Rolle des apostolischen Stuhls und der Abweichungen zwischen Fälschung, Vorlage und den weiteren pseudo­ isidorischen Falsifikaten müssen diese grundsätzlichen Veränderungen der Exzerpte zunächst skizziert werden.

5.1  Die Verfälschung der Chalkedon-Akten Die Excerptiones de gestis Chalcedonensis concilii basieren auf den Akten des v­ ierten ökumenischen Konzils von Chalkedon (451)3 in der Gestalt der Handschrift Paris, Bibliothèque nationale, lat. 11611. Die von Pitra eingeführte Bezeichnung des ­Textes als „Auszüge“ ist irreführend, da sie nahelegt, es handele sich lediglich um eine k­ ürzere Version der Akten, die diese in komprimierter Form wiedergibt. Dies ist nicht der Fall und kann nach der Natur des Textes auch nicht in der Absicht des Ver­fassers gelegen haben. Dieser Befund ergibt sich sehr schnell durch einen Vergleich der Rusticus-­Vorlage und Pseudo­isidors Version der Akten. Die massiven Auslassungen der ­Excerptiones gegenüber der Vorlage machen es unmöglich, die historischen Hinter­ gründe des Konzils nachzuvollziehen. Chronologie, Orte und handelnde Personen waren für den Exzerptor anscheinend zweitrangig 4. Die christologische Dimension

1 Chalkedon, ed. Schwartz, ACO 2, 1 (griechische Version) und 2, 3 (lateinische Version). 2 Die ersten Hinweise auf diese Interpolationen bei Schon: Exzerpte, S. 554 – 556. Eine Übersicht der aus der Vorlagenhandschrift Paris, BnF, lat. 11611, übernommenen Passagen bzw. Interpolationen findet sich in tabellarischer Form bei Zechiel-Eckes: Verecundus, S. 431 – 446. Die Natur dieser Interpolationen ist in ihrer inhaltlichen Tragweite sehr unterschiedlich, vgl. Wiegelmann: Excerptiones, S. 38 – 49. 3 Zu Vorgeschichte, Ablauf und inhaltlichen Schwerpunkten des Konzils vgl. Goemans: Chalkedon. 4 Wiegelmann: Excerptiones, S. 26 – 32.

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Der Papst und die Excerptiones de gestis Chalcedonensis concilii

des Konzils war für ihn ebenfalls unbedeutend, denn die theologische Debatte um das Wesen Jesu Christi findet in der pseudoisidorischen Version der Chalkedon-Akten nicht statt 5. Es wird weder auf die schwierige Diskussion um die verbindliche Fest­ legung einer Lehrmeinung in dieser Frage verwiesen noch das Ergebnis selbst rezipiert 6. Der Fälscher konzentrierte sich auf die kirchenrechtliche Dimension des Konzils und zog vor allem diejenigen Passagen der Synodalprotokolle heran, die Bezug nahmen auf Verfahrensfragen des vorangegangenen Konzils von Ephesus (449), die Unrechtmäßigkeit der dort getätigten Bischofsabsetzungen, die in Chalkedon stattfindende Absetzung des alexandrinischen Patriarchen Dioskur und den Prozess gegen diesen und den Archimandriten Eutyches 7. Der Bischofsprozess, Pseudo­isidors wichtigstes Thema, steht auch im Fokus des Chalkedon-Florilegs. Das Vorgehen bei der Abfassung der Exzerpte ähnelt den bereits bekannten ­Methoden: Neben der bewussten Auslassung von unliebsamen Detailfragen verlegte sich der Fälscher darauf, inhaltliche Akzentverschiebungen vorzunehmen. Dadurch wurden auf den Einzelfall bezogene Aussagen zu allgemein verbindlichen Rechtssätzen stilisiert. Jedoch gingen die Eingriffe in den Text noch wesentlich weiter. Pseudoisidor schreckte bei der Erstellung der Excerptiones nicht davor zurück, die Geschichte in seinem Sinne umzuschreiben.







5 Eine einzige Erwähnung der Schlüsselbegriffe dieses Disputs bietet Exzerpt 100 (95), ed. Pitra, S. 183: Salva igitur proprietate utriusque naturae, et in unam coeunte personam, (…). Der Satz wurde wahrscheinlich versehentlich abgeschrieben, denn er steht in keinem inhaltlichen Zusammenhang zu dem vorhergehenden oder folgenden und wurde auch in der Vorlagenhandschrift, Paris, BnF, lat. 11611, an entsprechender Stelle (fol. 102v) nicht markiert. Vgl. Zechiel-Eckes: Verecundus, S. 44 (Tabelle), und Wiegelmann: Excerptiones, S. 30 (Anm. 139). 6 Damit ignoriert Pseudoisidor vor allem die Actiones V und VI, welche laut Ortiz De Urbina: Glaubenssymbol, S. 389, „ohne Zweifel den Höhepunkt der großen Kirchen­ versammlung“ darstellten; vgl. auch Wiegelmann: Excerptiones, S. 29 f. 7 Zur Synode von Ephesus und den nachfolgenden Ereignissen bis zum Konzil von Chalkedon vgl. ausführlich die auf das Papsttum fokussierten Darstellungen bei Caspar: Geschichte, Bd. 1, S. 469 – 510; Wojtowytsch: Papsttum, S. 318 – 333; Camelot: Ephesus, S. 106 – 132. Da er nicht an den theologischen Details interessiert war, scheint sich Pseudoisidor auch nicht mit den streitenden Parteien in irgendeiner Weise identifiziert zu haben. So wurden auch Aussagen des Eutyches dann in die Sammlung aufgenommen, wenn sie inhaltlich passend waren. Dass die Lehre des monophysitischen Mönchs am Ende des Konzils verurteilt wurde, spielte dabei für den Exzerptor keine Rolle. Zum Beispiel griff Pseudoisidor die Ablehnung des Eutyches gegen ihm verdächtig erscheinende Richter (suspecti) selbstverständlich gerne auf: Exzerpte 11 (11) und 87 (84), ed. Pitra, S. 168 und 181. Dass mit diesen verdächtigen Richtern die Gesandten des Papstes gemeint waren, ignorierte der Fälscher dabei geflissentlich. Vgl. Wiegelmann: Excerptiones, S. 31 f.

Papst, Kaiser und Konzil

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5.2  Papst, Kaiser und Konzil – Die kirchliche Machtverteilung in den Excerptiones de gestis Chalcedonensis concilii Obwohl Pseudoisidor oftmals die historischen Details der Versammlung überging, ließ er es sich nicht nehmen, zu erwähnen, dass die päpstlichen Legaten den Vorsitz über die Kirchenversammlung führten 8. Der päpstliche Legat Paschasinus hatte in Chalkedon davon gesprochen, die vorangegangene „Räubersynode“ (latrocinium) von Ephesus sei unrechtmäßig gewesen, da sie ohne römische Zustimmung statt­gefunden hätte, „was niemals geschehen ist und auch nie geschehen durfte“9. Diese Behauptung des Gesandten griff Pseudoisidor nur zu gern in seiner Version der Synodal­protokolle auf, entsprach sie doch genau seiner Vorstellung der vollkommenen Abhängigkeit der Synoden vom apostolischen Stuhl. Festzuhalten ist jedoch, dass es sich dabei um eine gleich in mehrfacher Weise falsche Aussage handelte. Denn die Versammlung von Ephesus war mit päpstlicher Zustimmung abgehalten worden, päpstliche ­Legaten waren anwesend gewesen und hatten den dortigen Beschlüssen teilweise sogar zugestimmt 10. Die Bedeutung des Papstes für das Konzil wird in den Excerptiones stark überhöht, während die Rolle des Kaisers deutlich herabgesetzt wird. Es wird behauptet, Kaiser Marcian habe die Versammlung von Chalkedon nach Konsultation mit Leo dem Großen einberufen. Dies ist so nicht der Vorlage zu entnehmen und stellt die historischen Tatsachen auf den Kopf 11. Tatsächlich hatte Marcian das Konzil einberufen,

8 Pseudoisidor übernahm auch den Hinweis des Legaten Paschasinus aus Chalkedon, Actio III, ed. Schwartz (ACO 2, 3, 2), S. 18, Z. 12 f.: […] nostram paruitatem huic sancto concilio pro se praesidere praecepit […]. Wörtlich in Excerptiones, Nr. 25 (26), ed. Pitra, S. 170. Wojtowytsch: Papsttum, S. 332 f., betont, dass der Vorsitz seiner Legaten auf dem Konzil von Leo I. aufgrund der vorangegangenen Ereignisse gefordert wurde und kein prinzipieller Anspruch des Papstes war. Vgl. im Gegensatz dazu die Interpretation von Klinkenberg: Papsttum, S. 83 f. 9 Chalkedon, ed. Schwartz (ACO 2, 3, 1), S. 40, Z. 18: […] synodum ausus est facere sine auctoritate sedis apostolicae, quod numquam factum est nec fieri licuit. Vgl. Zechiel-Eckes: Verecundus, S. 421 f., zu den sich daraus ergebenden Folgen. Die in der historischen Forschung gebräuchliche Formulierung der „Räubersynode“ von Ephesus geht auf Leo I., Ep. 95, JK 475, ed. Schwartz (ACO 2, 4), S. 50 f., zurück. 10 Vgl. Camelot: Ephesus, S. 119 – 121. 11 Excerptiones, Nr. 1 (1), ed. Pitra, S. 166. Vgl. dagegen die Vorlage, Chalkedon, Actio I, ed. Schwartz (ACO 2, 3, 1), S. 27, die von einer Beteiligung Leos I. bei der Einberufung des Konzils schweigt. Dies stimmt auch mit dem Einladungsschreiben Marcians zum Konzil vom Mai 451 überein, in welchem das Selbstverständnis des Kaisers zum Ausdruck kommt, zur eigenmächtigen Einberufung des Konzils befugt zu sein, vgl. Ep. 13, ed. Schwartz (ACO

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Der Papst und die Excerptiones de gestis Chalcedonensis concilii

ohne eine Stellungnahme Roms abzuwarten, und widersetzte sich auch bewusst dem Wunsch Leos I., ein neues Konzil auf italienischem Boden abzuhalten. Der Papst war vom Kaiser vor vollendete Tatsachen gestellt worden. Er schickte seine Legaten zum Konzil, um seinen Einfluss zu wahren 12. Die Version in den Excerptiones erweckt jedoch den Anschein, als sei der durch die päpstlichen Legaten vertretene Anspruch, dass synodale Zusammenkünfte der Zustimmung Roms bedürften, durch das ­Handeln des Kaisers anerkannt worden. Die wichtige Rolle, die der Kaiser sowohl im Vorfeld als auch während der Verhandlungen in Chalkedon gespielt hatte, ignorieren die Excerptiones geflissentlich und betonen stattdessen auch gegen die tatsächlichen Ereignisse die Bedeutung des Papstes und seiner Legaten 13. So wurden Hinweise auf die Abhängigkeit der synodalen Beschlüsse von der kaiserlichen Zustimmung aus dem Text getilgt. Wo zum Beispiel das Konzil bei der Verurteilung des Dioskur ausdrücklich auf die kaiserliche Zustimmung Bezug nahm, ersetzte Pseudoisidor diese mit dem inhaltlich voll­kommen überflüssigen Hinweis auf die Autorität des Konzils 14. Selbstverständlich verschwieg Pseudoisidor in seiner Exzerptsammlung auch den Inhalt und die Umstände um die Entstehung des 28. Kanons des Konzils, in welchem Konstantinopel Rom rechtlich gleichgestellt werden sollte und gegen den die päpstlichen Legaten nichts auszu­ richten vermochten. Statt den Einfluss des Kaisers auf das Konzil gemäß seiner Vorlage festzu­halten, fügte der Fälscher ein ungewöhnlich langes, neues, von ihm selbst formuliertes 2, 1, 1), S. 27 f. Vgl. auch Wojtowytsch: Papsttum, S. 329 – 334; Camelot: Ephesus, S. 129 – 135. 12 Dies wird deutlich in der dem Konzil vorausgehenden Korrespondenz Leos I. mit Kaiser Marcian, v. a. Leo I., Ep. 89, JK 469, und ders., Ep. 90, JK 470, ed. Schwartz (ACO 2, 4), S. 47 f. Vgl. Goemans: Chalkedon, S. 251 – 259, zu den Meinungsverschiedenheiten ­zwischen Papst und Kaiser bezüglich der Einberufung des Konzils. 13 Die Bedeutung Marcians für das Konzil kam auch darin zum Ausdruck, dass der Beginn des Konzils zunächst wegen der Abwesenheit des Kaisers verschoben und schließlich der Ort der synodalen Zusammenkunft von Nikaia nach Chalkedon verlegt wurde, damit Marcian an der Versammlung teilnehmen konnte. Vgl. die entsprechenden Briefe des Kaisers an die Versammlung vom September 451, v. a. Ep. 32, ed. Schwartz (ACO 2, 3, 1), S. 20 f. (die griechische Version des Schreibens ist verloren), und Ep. 14 und 16, ed. Schwartz (ACO 2, 1, 1), S. 28 – 30. Vgl. dazu auch Goemans: Chalkedon, S. 260 – 262; Wiegelmann: Excerptiones, S. 36 f. 14 Chalkedon, Actio IIII, ed. Schwartz (ACO 2, 3, 2), S. 104, Z. 7 – 9: […] videtur nobis secundum hoc quod deo est placitum, iustum esse, si uisum fuerit sacratissimo et piissimo domino nostro, increpationi simili subiacere Dioscurum […]. Vgl. dagegen Excerptiones, Nr. 47 (46), ed. Pitra, S. 173: […] si visum fuerit sacratissimno concilio […]. Vgl. auch Wiegelmann: Excerptiones, S. 40. Der Einschub ergibt insofern keinen Sinn, da es sich um Beschlüsse handelt, die von der Synode ergangen sind.

Papst, Kaiser und Konzil

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Versatzstück in die Konzils-Auszüge ein. Der Leser erfährt darin von der über­ragenden päpstlichen Macht über die Beschlüsse der Kirchenversammlung: „In allen Konzilssitzungen bestätigten die apostolischen Gesandten die gefassten Beschlüsse zuerst wegen der überragenden Autorität des heiligen Stuhles und sie unterschrieben sie, weil diese ja sonst keine Kraft hätten“15. Die Beschlüsse der Synode waren demzufolge nicht von der kaiserlichen, sondern der päpstlichen Zustimmung abhängig. Die Verfälschungen umfassten also sowohl Eingriffe, die den Kaiser und seinen Einfluss auf das Konzil aus den Akten entfernten, als auch solche, welche die päpstliche Rechtshoheit über die Versammlung vergrößerten. Ähnlich werden auch an anderer Stelle die päpstlichen Legaten hervorgehoben. Exzerpt 69 behauptet, dass diese in den Verhandlungen gewöhnlich als Erste gesprochen und auch die Beschlüsse der Synode bestätigt hätten. Pseudoisidor wich auch hier erneut von seiner Vorlage ab und fügte diese Passage selbstständig in den Text ein 16. Die zuletzt genannten Verfälschungen in den Exzerpten 56 und 69 sind nicht nur wegen ihrer eindeutigen pro-römischen und anti-kaiserlichen Tendenz hervorzu­ heben. Dem Bearbeiter der Vorlage waren diese Änderungen im Text so wichtig, dass sie bereits durch Randbemerkungen in der Ausgangshandschrift vorweggenommen wurden 17. Es ist dadurch eindeutig, dass bereits bei der Vorbereitung der Excerptiones die Zielrichtung für den Auszug aus den Chalkedon-Akten klar gewesen sein muss. Es ging dem Fälscher bei dieser Arbeit eindeutig darum, Belege für die überragende Autorität des Papstes über die kirchliche Rechtsprechung zu finden oder sie, falls nötig, an inhaltlich passender Stelle selbst herzustellen 18. Noch eine weitere Passage veränderte der Fälscher eindeutig zugunsten des ­Papstes und auf Kosten der kaiserlichen Macht. Die Vorlage war ein Schreiben der 15 Excerptiones, Nr. 56 (56), ed. Pitra, S. 174: In omnibus synodis apocrisiarii apostolici decretas sententias primo propter summam auctoritatem ejusdem sanctae sedis confirmabant et subscribebant, quia aliter nullum habebant robur. Immerhin der erste Teil dieser Aussage geht nicht gänzlich an den Realitäten des Konzils vorbei. Wojtowytsch: Papsttum, S. 338 f., betont, dass die päpstlichen Legaten oftmals tatsächlich als Erste ihre Stimme zu einzelnen Sachfragen abgegeben hätten. Daraus lässt sich allerdings weder eine Weisung an das Konzil noch die Abhängigkeit der rechtlichen Wirksamkeit der Konzilsbeschlüsse ableiten, wie sie Pseudoisidor in seinem Einschub suggeriert. 16 Excerptiones, Nr. 69 (69), ed. Pitra, S. 175: Paschasinus et Lucentius, […], tenentes locum sedis apostolicae (quia missi apostolici semper in synodis prius loqui et confirmare sententias soliti sunt) […]. In der Vorlage werden die Legaten des Papstes lediglich namentlich und in ihrer Funktion benannt, vgl. ed. Schwartz (ACO 2, 3, 3), S. 48, Z. 24 f. Vgl. auch ­Wiegelmann: Excerptiones, S. 41. 17 Paris, BnF, lat. 11611, fol. 154v und 176r. Vgl. Zechiel-Eckes: Verecundus, S. 425 f., 438 und 440 (Tabelle). 18 Zechiel-Eckes: Verecundus, S. 427, sah hier „die Hand Pseudo­isidors“ selbst am Werk.

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Der Papst und die Excerptiones de gestis Chalcedonensis concilii

in Chalkedon versammelten Bischöfe an Kaiser Marcian, in dem sie diesen baten, ihr Urteil über den Bischof Dioskur zu bestätigen 19. Das Konzil von Chalkedon machte darin also seine Bestimmung von der kaiserlichen Zustimmung abhängig. Dagegen konstruierte Pseudoisidor durch kleine Einschübe ein gänzlich anderes Machtgefüge. Die Verurteilung des Dioskur wird in den Excerptiones zunächst dadurch begründet, dass der Bischof bereits durch Leo den Großen verurteilt worden sei. Diese Begründung schob der Fälscher in den Text der Vorlage ein. Doch damit nicht genug. Die Bischöfe weisen den Kaiser anschließend im Befehlston an, den Verurteilten nicht mehr aufzunehmen 20. Der Herrscher wird zu einem Vollstrecker, einem Befehls­ empfänger der Synode degradiert, welche wiederum ihre Beschlüsse direkt von Rom diktiert bekommt. Pseudoisidor verfolgte mit diesen Veränderungen im Text nicht den Schutz der Bischöfe vor kaiserlicher Willkür. Es ist vielmehr das Ziel der Ver­ änderungen, dem apostolischen Stuhl die absolute Herrschaft über alle Angehörigen und Angelegenheiten der Kirche zu sichern. Die Machterweiterung des Papstes geht sowohl zulasten der Bischöfe und der Synode als auch, in größerem Maße, zulasten des Kaisers. Während Erstere wenigstens noch das päpstliche Urteil bestätigen (wenn auch nicht verändern) dürfen, wird dem weltlichen Herrscher jedes Mitspracherecht in Sach- und Verfahrensfragen abgesprochen. Die Rechte, die der Fälscher dabei dem Papst zuschrieb, waren genuin kaiserliche Herrschaftsrechte.

5.3  Die Chalkedon-Exzerpte und die weiteren pseudoisidorischen Fälschungen Wie bereits dargelegt wurde, geht die Chalkedon-Rezeption bei Pseudoisidor auf die Pariser Handschrift lat. 11611 der Bibliothèque nationale zurück. Die darin einge­ tragenen Randnotizen kennzeichnen sowohl die in den Excerptiones extrahierten Teile der Chalkedon-Akten als auch weitere in den pseudoisidorischen F ­ älschungen verwendete Bausteine aus den Synodalprotokollen 21. Der massive Eingriff in den Text der Chalkedon-Akten, wie er in den Excerptiones sichtbar wird, entspricht nicht ihrer Verwendung in den falschen Dekretalen und Kapitularien. Auch ging der Fälscher bei 19 Chalkedon, ed. Schwartz (ACO 2, 3, 2), S. 83, Z. 9–S. 84, Z. 31. 20 Excerptiones, Nr. 39 (39), ed. Pitra, S. 172: Nos igitur considerantes et universo orbi factae tempestatis causam inquirentes, hujus rei auctorem comperimus Dioscurum episcopum. Quapropter quia damnatur jam erat a sedis apostolicae episcopo Leone, cujus auctoritate fulti, et nos omnes consona voce damnavimus eum. Unde mandamus vobis ut eum non suscipiat ullus vestrum, quia sancta regula docet excommunicatos ab aliis alios non debere suscipere. 21 Vgl. Zechiel-Eckes: Arbeitshandschriften, S. 208; ders.: Verecundus, S. 417.

Die Chalkedon-Exzerpte und die weiteren pseudoisidorischen Fälschungen

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der Erstellung dieser Werke anders vor als bei den Chalkedon-Exzerpten. Die pseudo­ isidorische Mosaiktechnik, bei der Textpartikel verschiedener Vorlagen kombiniert und in einen neuen Zusammenhang gebracht werden, fand hier keine Anwendung. Stattdessen wurde eine einzige Vorlage durch weitreichende Aus­lassungen, selbst ­formulierte Zusätze und Umstellungen umgeschrieben. Die Enttarnung dieser Ver­ fälschung war bei detaillierter Einsicht in den Text wahrscheinlich, da die tatsächlichen Aktenstücke der Synode von Chalkedon im 9. Jahrhundert durchaus greifbar waren. Dies mag ein Grund dafür gewesen sein, dass die Excerptiones nicht selbstständig verbreitet wurden, sondern fast ausschließlich als Appendix der falschen Dekretalen bekannt sind, wo sie in der Menge der Materialien weniger auffielen. Wer die pseudo­ isidorische Sammlung gelesen hatte, konnte sich nicht mehr über den Inhalt der Excerptiones wundern, sondern fand dort lediglich das bestätigt, was die frühesten Päpste bereits proklamiert hatten. Insofern fügt sich die pseudoisidorische Version der Synodalprotokolle von Chalkedon nahtlos in die kunstvoll konstruierte histo­ rische Fiktion der falschen Papstbriefe ein. Die Überlieferung des Florilegs ist auch in anderer Hinsicht bedeutsam. Sowohl der Codex Vatikan, lat. 630, als auch der Codex New Haven, Beinecke Library, Ms. 442, enthält die gefälschten Synodalprotokolle von Chalkedon. Beide Handschriften ­gehören laut Fuhrmann zu einer Reihe als gleichwertig anzusehender „original v­ ersions“ der pseudoisidorischen Dekretalen aus dem dritten Viertel des 9. Jahrhunderts 22. Sie 22 Fuhrmann: Reflections, S. 4 f. (Zitat ebd., S. 5). Williams: Codices, S. 63 – 65, glaubt anhand des paläografischen Befunds und einer in der Handschrift enthaltenen Papstliste darauf schließen zu können, dass Codex Vatikan, lat. 630, in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts, jedoch bis spätestens 867 entstanden sei. Als Ursprungsort der Handschrift nimmt er Corbie an. Hinschius: Decretales, S. LXI, zählte den Codex zur Handschriftenklasse A/B. Der Codex New Haven, Beinecke Library, Ms. 442, gelangte erst 1970 aus Privatbesitz ans Licht der Öffentlichkeit und weist auffällige Bearbeitungen und Redaktionsspuren auf, die möglicherweise vom Fälscher selbst stammen. Er war weder Hinschius noch Seckel bekannt. Williams: Codices, S. 140, nimmt an, dass er nach 850 in der Kirchenprovinz Reims, möglicherweise in Corbie, entstanden ist. Bernhard Bischoff werden zwei verschiedene Möglichkeiten der Provenienz der Handschrift zugeschrieben. Laut Fuhrmann: Einfluß, Bd. 1, S. 170 f. (Anm. 63), war er der Ansicht, dass die Handschrift aus dem südlichen Frankreich stammt, und Fuhrmann selbst sieht ebd. die Handschrift als Beleg für eine frühe Verbreitung der Dekretalen im „aquitanischen Raum“ an. Demgegenüber gibt die Beinecke Library der Yale University in ihrer Beschreibung der Handschrift im Internet an, Bernhard Bischoff habe den Ursprung der Handschrift im Pariser Raum vermutet, vgl. http://brblnet.library.yale.edu/pre1600ms/docs/pre1600.ms442.htm (28.3.2012). Bischoff: Katalog, Bd. 2, S. 311, gibt hingegen als Ursprungsort lediglich „Westfrankenreich“ an und datiert die Handschrift ins 3. Viertel des 9. Jahrhunderts. Vgl. zur Handschrift auch ausführlich Schon: Redaktion, S. 500 – 511, sowie die kurzen Hinweise bei Fuhrmann: Einfluß, Bd. 3, S. 765, und ders.: Stand, S. 243 f.

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Der Papst und die Excerptiones de gestis Chalcedonensis concilii

sind gleichzeitig die frühesten bekannten Textzeugen für die Excerptiones. Der eindeutige überlieferungsgeschichtliche Bezug zwischen dem Chalkedon-Florileg und den falschen Papstbriefen legt nahe, dass beide Fälschungen nicht nur am gleichen Ort, sondern auch zu einer ähnlichen Zeit entstanden sind. Die Erstellung der Excerptiones dürfte im Gegensatz zu den bereits analy­sierten pseu­­doisidorischen Fälschungen nur kurze Zeit und wenige Redaktionsgänge ­verlangt haben. Es ist anzunehmen, dass die Bearbeitung der Vorlagenhandschrift Codex Paris, Bibliothèque nationale, lat. 11611, zu den frühesten Arbeitsschritten des F ­ älschungsunternehmens zählte. Ein Indiz dafür ist die Tatsache, dass mehrere falsche Päpste – genau wie die Capitula Angilramni und Benedictus Levita – eine um ein Wort b­ ereicherte Passage aus Actio 14 der Chalkedon-Protokolle zitieren, die eindeutig Exzerpt 76 und nicht der Vorlagenhandschrift selbst entnommen ist 23. Möglicherweise waren die verfälschten Chalkedon-Protokolle Teil einer großen Material­sammlung, die vor der Erstellung der falschen Dekretalen und Kapitularien stand und auf die von den Fälschern dieser Dokumente zurückgegriffen wurde 24. Die analysierten, massiv rechtsverändernden Eingriffe in den Text wurden nicht wörtlich in den pseudoisidorischen Fälschungen übernommen. Die den Excerptiones 23 Zechiel-Eckes: Verecundus, S. 427 (Anm. 50) und S. 441 (Tabelle); Schon: Exzerpte, S. 551 f. (mit besonderem Hinweis auf die entsprechende Passage in den CA). Vgl. C ­ halkedon, Actio 14, ed. Schwartz (ACO 2, 3, 3), S. 75, Z. 21 – 27, und Excerptiones, Nr. 76 (76), ed. Pitra, S. 177. Exzerpt 76 steht in wörtlicher Übereinstimmung mit Ps.-Alexander, JK † 24, Kap. 6, ed. Hinschius (Decretales), S. 97; Ps.-Telesphorus, JK † 34, Kap. 4, ebd., S. 112; Ps.-Fabian, JK † 93, Kap. 18, ebd., S. 164; Ps.-Stephan, JK † 130, Kap. 2, ebd., S. 182, und JK † 131, Kap. 13, ebd., S. 188; Ps.-Eusebius, JK † 163, Kap. 5, ebd., S. 232; Ps.-Julius, JK † 196, Kap. 12, ed. Zechiel-Eckes (Blick), S. 78, Z. 153 f.; Ps.-Pelagius  II., JK † 1051, ed. Hinschius (Decretales), S. 724 f.; Ben. Lev., Buch 3, Kap. 374, Mansi 17b, Sp. 1104; CA, Kap. 19bis, ed. Schon (MGH Studien und Texte 39), S. 165. 24 Seckel: Pseudoisidor, S. 274, Z. 36 – 45, stellte die Überlegung an, ob der Fälscher auf „vermittelnde fremde Vorarbeiten“ zurückgegriffen haben könnte. Auch hielt er es für m ­ öglich, dass Pseudoisidor neben der Hispana Gallica weitere Kirchenrechtssammlungen, wie die Dionysio-Hadriana oder die Quesnelliana, für seine Zwecke bearbeitet haben könnte, vgl. ders./Fuhrmann: Zeile, S. 29 f. Vgl. auch Fuhrmann: Einfluß, Bd. 1, S. 188 (mit Anm. 110 und 111). Zechiel-Eckes: Verecundus, S. 427, hielt eine Materialsammlung für eine „Selbstverständlichkeit“. Meines Erachtens ist es aufgrund des Umfangs der Fälschungen, ihrer teils widersprüchlichen Inhalte und voneinander abweichenden Konstruktionsweisen wahrscheinlich, dass eine entsprechende Sammlung an nützlichen Materialien hergestellt wurde. Die Fälschung der Dekretalen und Kapitularien könnte anschließend parallel, ggf. auch an verschiedenen Orten und unter unterschiedlicher Regie, unter Zuhilfenahme einer solchen Sammlung durchgeführt worden sein. Da es hierfür keinerlei Belege geben kann, bleibt diese Annahme natürlich reine Spekulation.

Die Chalkedon-Exzerpte und die weiteren pseudoisidorischen Fälschungen

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zugrunde liegenden Tendenzen, die Steigerung der päpstlichen Jurisdiktionsgewalt und die Tilgung kaiserlicher Eingriffe in kirchliche Verfahren und Versammlungen, entsprechen sehr genau der Darstellung in den falschen Dekretalen. Auch die in ihnen entworfene historische Fiktion spiegelt sich in den gefälschten Synodal­protokollen wider. Insbesondere die massive Abhängigkeit der Synoden von der päpst­lichen Autorität, wie sie die Pseudo-Päpste behaupten, stimmt mit der Grundhaltung der ­Excerptiones überein. Die Betonung des bischöflichen Appellationsrechts im Anklagefall sowie die damit verbundenen Kompetenzen für den apostolischen Stuhl spielen hingegen im Florileg eine deutlich untergeordnete Rolle. Darin unterscheidet der Text sich auffällig auch von den falschen Dekretalen, aber vor allem von den falschen Kapitularien des Benedictus Levita und den Capitula Angilramni, die darin ihren Schwerpunkt in Bezug auf den Papst setzen. Die hier untersuchten inhaltlichen Aspekte legen daher mindestens eine geistige Verwandtschaft der Excerptiones mit den falschen Dekretalen nahe. Es ist zu ver­muten, dass beide Fälschungen unter der gleichen kreativen Leitung sowie in deutlicher räumlicher und zeitlicher Nähe entstanden sind. Nimmt man als gegeben, dass das ­Chalkedon-Florileg zu den frühen Produkten der Fälscherwerkstatt gehört, so scheint es aufgrund der hier festgestellten Parallelen zu den falschen Dekretalen kaum möglich, dass zwischen der Entstehung beider Texte die Redaktion der Capitula Angilramni und vor allem der falschen Kapitularien des Benedictus Levita gelegen haben könnte. Der Blickwinkel, aus dem diese Texte das Papsttum betrachten, unterscheidet sich zu deutlich von dem der Excerptiones und der falschen Dekretalen. Zuletzt muss betont werden, dass die Radikalität, mit welcher in den E ­ xcerptiones kaiserliche Rechte durch päpstliche ersetzt werden, in keiner der anderen Fäl­schun­ gen Pseudo­isidors erreicht wird. Auch dies könnte für eine frühe Entstehung der ­Excerptiones sprechen: Sie wurden möglicherweise infolge der Konfrontation mit dem Herrscher verfasst und richten sich direkt und gänzlich undiplomatisch gegen diesen. Nachdem sich die Gemüter der oppositionellen Geistlichen etwas beruhigt hatten, erkannte man, dass durch eine sorgfältigere Konstruktion falscher Rechts­ dokumente das Ziel, den autoritären Einfluss der weltlichen Machthaber auf die Kirche zu begrenzen, eher zu befördern sei. Auffällig ist auch: Die Excerptiones nehmen die Bischöfe nicht grundsätzlich vor Anklage und Verfolgung in Schutz, wie die a­ nderen Fälschungen Pseudo­isidors  25. Es ist daher denkbar, dass sie vor der gerichtlichen 25 Das Chalkedon-Florileg übernimmt diverse Bischofsabsetzungen aus den Akten der Kirchenversammlung und duldet dabei ausdrücklich die Durchführung eines Absetzungsverfahrens nach dreimaliger nicht-befolgter Vorladung eines Bischofs, z. B. Excerptiones, Nr. 42 (42), ed. Pitra, S. 172, und Nr. 82 (80), ebd., S. 178, bestraft die Flucht angeklagter Bischöfe aus ihrer Diözese mit Absetzung, Nr. 79 – 83 (79 – 81), ebd., S. 178 f., und verbietet dem Bischof einen Wechsel seines Bistums, Nr. 111 (104), ebd., S. 183 – 185. All diese Vorschriften

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Der Papst und die Excerptiones de gestis Chalcedonensis concilii

Offensive Ludwigs des Frommen gegen seine geistlichen Kritiker in den mittleren 830er Jahren verfasst wurden. Eine ähnliche Entstehungszeit ist ebenso anzunehmen für die Gregor  IV. zugeschriebene Dekretale JE † 2579, deren Zugehörigkeit zum pseudoisidorischen Fälschungskomplex im Folgenden nachgewiesen wird.

stehen im Widerspruch zu den Regeln des Bischofsprozesses nach den falschen Dekretalen, vgl. Wiegelmann: Excerptiones, S. 11 – 14.

6.  Eine weitere pseudoisidorische Fälschung? Eine Dekretale Gregors IV. (JE † 2579) Der Pontifikat Gregors IV. (827 – 844) fiel in den zweiten Teil der Herrschaft L ­ udwigs des Frommen und damit in eine Zeit, in der das Frankenreich großen politischen Erschütterungen ausgesetzt war. In dieser Zeit des Umbruchs Orientierung zu bieten und zur Wahrung des Friedens beizutragen, war eine enorme Aufgabe. Die mediä­ vistische Forschung ist sich weitestgehend einig, dass Gregor in diesem Bereich versagt hat. Die politischen Ereignisse, die Bündnisse, die gegen den Kaiser geschmiedet wurden und wieder zerbrachen, und die Kämpfe der kaiserlichen Söhne nach ­Ludwigs Tod, all diese Realitäten gingen über den Bischof von Rom hinweg, und es ist nicht erkennbar, dass er die Ereignisse beeinflussen konnte. Seinen einzigen bemerkenswerten Auftritt in der Geschichte des Frankenreichs hat Gregor  IV. mit seiner Anwesenheit auf dem Rothfeld bei Colmar 833 hinterlassen 1. Es sind nur wenige Dekretalen Papst Gregors IV. überliefert 2. Ein Brief des P ­ apstes datiert auf den 8. Juli 833, als Ausstellungsort ist Colmar angegeben. Die Edition aus dem späten 19. Jahrhundert gibt den Brief als Fälschung aus (Epistola spuria), und dieser Einschätzung ist seitdem kaum und nur wenig überzeugend widersprochen worden 3. Benson wies dem Brief insofern eine herausgehobene Bedeutung zu, da er

1 Vgl. für eine Gesamtwürdigung von Gregors Pontifikat Scherer: Pontifikat. Siehe S. 40 – 59. 2 Die Regesta Pontificum Romanorum, ed. Jaffé, S. 323 – 327, listen insgesamt nur 17 Dekretalen auf, was im Vergleich zur Hinterlassenschaft anderer Päpste des 9. Jahrhunderts mit einem ähnlich langen Pontifikat wie dem Gregors IV., z. B. Leos III. (795 – 816) oder ­Nikolaus‘ I. (858 – 867), als wenig zu gelten hat. 3 Ps.-Gregor  IV., JE † 2579, ed. Hampe (MGH Epp. 5), S. 72 – 81. Die Edition macht im Sachapparat einen Teil sowohl der Vorlagen als auch der pseudoisidorischen Parallelstellen zugänglich. Ob der Text eine Fälschung darstellt, wurde Mitte des 19. Jahrhunderts diskutiert, mit der Edition 1899 scheint der Fall entschieden gewesen zu sein. Vgl. z. B. Weizsäcker: Frage, S. 65. Gegen die etablierte Einschätzung wandte sich im 20. Jahrhundert vor allem Walter Goffart, der die gängigen Argumente zu entkräften versuchte, ohne jedoch seinerseits einen Beweis für die Authentizität des Briefes anführen zu können, vgl. Goffart: Gregory IV, S. 22 – 38. Rezipiert wurde seine Ansicht von Benson: Plenitudo Potestatis, S. 200 f. Als Widerlegung der goffartschen Thesen gilt dagegen die kurze Besprechung von Lohrmann: Gregory IV, S. 403 f., so zumindest die Einschätzung von Fuhrmann: Einfluß, Bd. 1, S. 161 (Anm. 43), 192 (Anm. 123), sowie ebd., Bd. 2, S. 241 f. (Anm. 13). Ebenfalls auf Gregor IV. gefälscht ist die Dekretale JE † 2583, mit der Ebo von Reims vorgeblich vom Papst nach seiner Absetzung 835 wieder in sein Amt eingesetzt werden sollte. Es könnte neue Erkenntnisse bringen, die Verbindung dieses Schreibens mit dem vorliegenden Brief

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die auf Leo I. (440 – 461) zurückgehenden Formulierungen plenitudo potestatis und pars sollicitudinis erstmals im Mittelalter verwandte, wobei ihr inhaltlicher Gehalt in Gregors Schreiben gegenüber der spätantiken Vorlage deutlich veränderte wurde 4. Der Text wurde jedoch nur selten für sich betrachtet, sondern meist im Kontext mit Entstehungshypothesen bezüglich der pseudoisidorischen Fälschungen und weiteren frühmittelalterlichen Fälschungen aus Le Mans. Dadurch wurde er zumeist nur oberflächlich untersucht, sodass diverse Fehleinschätzungen den Blick auf die Entstehung und Herkunft des Schreibens verstellten – obwohl bereits im 19. Jahrhundert eine Zuordnung zu den pseudoisidorischen Fälschungen grundsätzlich erwogen worden war 5. Bevor diese Spur aufgegriffen wird, soll die Dekretale selbst analysiert werden. Denn es ist ihr Inhalt, der die Forschung schon früh dazu bewogen hat, einen Bezug zwischen dem Schreiben und den Fälschungen Pseudo­isidors herzustellen.

6.1  Ein Schutzbrief als Manifestation päpstlicher Macht? Der vorgebliche Brief Gregors IV. ist an alle katholischen Bischöfe insbesondere in Gallien, Europa und Germanien 6 gerichtet und lässt diese wissen, dass der Papst den Bischof Aldrich von Le Mans 7 (832 – 857) gegen ungerechte Prozesse verteidigen werde. Diese an sich schlichte Aussage wird sehr ausführlich begründet, und die vorgebrachten Argumente werden diverse Male wiederholt und stets nur leicht variiert.

und den pseudoisidorischen Fälschungen im Lichte der aktuellen Forschungsergebnisse zu untersuchen. Vgl. zu dieser Fälschung grundsätzlich Hampe: Streite. 4 Benson: Plenitudo Potestatis, S. 200 – 202. 5 Siehe S. 196 – 199. 6 Ps.-Gregor IV., JE † 2579, ed. Hampe (MGH Epp. 5), S. 73, Z. 16 – 18: DILECTISSIMIS FRATRIBUS UNIVERSOS EPISCOPIS PER GALLIAM, EUROPAM, GERMANIAM ET PER UNIVERSAS PROVINTIAS CONSTITUTIS GREGORIUS EPISCOPUS SERVUS SERVORUM DEI. 7 Zum Leben Aldrichs von Le Mans, möglicherweise der Sohn einer Cousine Ludwigs des Frommen, vgl. Gesta Aldrici, ed. Weidemann, Geschichte, Bd. 1, S. 117 – 179 (darin insbes. den Kommentar zu Kap. 2, S. 120 f.). Aldrich wirkte unter Bischof Drogo in Metz, war Beichtvater Ludwigs des Frommen, wurde 832 zum Bischof von Le Mans geweiht und gehörte 833 zu den wenigen treuen Anhängern des Kaisers und dessen jüngstem Sohn, Karl dem Kahlen. Nach dem Tod Ludwigs des Frommen 840 wurde Aldrich von Anhängern Lothars aus Le Mans vertrieben, wenig später jedoch durch Karl restituiert, vermutlich bereits 841. Vgl. Depreux: Prosopographie, S. 97 – 99; Krah: Entstehung, S. 62 f.; Weidemann: Bischofsherrschaft, S. 185 – 189; Le Maître: L’œuvre, S. 46 und insbes. Anhang II mit Chronologie, S. 63 f. Zu Aldrichs Treue gegenüber Ludwig vgl. auch Goffart: Gregory IV, S. 22 (insbes. Anm. 3).

Ein Schutzbrief als Manifestation päpstlicher Macht?

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Der Brief beginnt scheinbar konventionell, indem die Sorge Gregors um die Kirche, die ihm von seinem Amt vorgegeben werde, als auslösender Grund für das Schreiben betont wird 8. Das Objekt dieser päpstlichen Sorge wird denn auch sofort benannt: Aldrich, der Bischof von Le Mans. Diesem räumt der Papst das Appellationsrecht für den Fall einer Anklage ein und verbietet eine Verurteilung Aldrichs, bevor das römische Votum in der Sache ergangen sei. Des Weiteren wird für den Fall, dass Aldrich ein nicht näher definiertes schwerwiegendes Vergehen zur Last gelegt werde, ein römisches Vorrecht in der Entscheidung der Strafsache verkündet mit der Begründung, dass einzig die römische Kirche die dafür notwendige Macht ­(potestas) besitze 9. Diese wenigen Sätze machen den rechtlichen Inhalt des Schreibens im Sinne einer dispositio aus, markieren jedoch nur den Beginn einer ausführlichen Abhandlung über die päpstliche Jurisdiktionsgewalt. Denn die anschließende ausführliche Begründung der Anordnung Gregors hat nicht die Form einer Würdigung des betroffenen, vermeintlich verfolgten oder be­ schuldigten Bischofs Aldrich zur Folge. Im Gegenteil, seine Person spielt im weiteren Verlauf des Textes so gut wie keine Rolle mehr, sein Name fällt lediglich ein weiteres Mal 10. Auch indirekt wird auf ihn lediglich in drei weiteren Passagen des Briefes verwiesen, jedoch immer nur als Einschub und ohne weiter ausgeführten inhaltlichen Bezug 11. Darüber hinaus muss festgehalten werden, dass der acht Seiten umfassende Text mit keinem Wort eine konkrete Anklage oder auch nur einen vagen Vorwurf nennt, der gegen Aldrich vorgebracht worden sei. Es wird sogar eingeräumt, dass das, was der Brief verbietet, von den Adressaten möglicherweise nicht begangen wurde noch jemals begangen werden wird 12. Es handelt sich also um einen Schutzbrief ohne Anlass oder Würdigung der zu schützenden Person – ein bemerkenswerter Befund. Es drängt sich die Frage auf, ob der Schutz des Bischofs von Le Mans wirklich das Ziel des Schreibens darstellt oder ob Aldrich nicht vielmehr das zufällig ausgewählte Objekt eines ganz anderen Hauptthemas ist. Letzteres kann nur eine ausführliche Erläuterung der rechtlichen Befugnisse des apostolischen Stuhls sein, die nach den ersten zwei Absätzen den eigentlichen Inhalt des Briefes bildet. Mit dem mehrfachen Hinweis auf das kanonische Recht und die Anordnungen früherer Päpste wird behauptet, dass angeklagte Bischöfe jederzeit an den römischen 8 Ps.-Gregor IV., JE † 2579, ed. Hampe (MGH Epp. 5), S. 73, Z. 19 – 23. 9 Ebd., S. 73, Z. 24–S. 74, Z. 9. 10 Ebd., S. 77, Z. 18. 11 Ebd., S. 75, Z. 16, S. 78, Z. 13, und S. 79, Z. 8. An Aldrich als konkretes Objekt des päpst­ lichen Schutzes erinnert der Verfasser des Schreibens lediglich durch Hinweis auf den bereits erwähnten Bruder ( fratrem). 12 Ebd., S. 80, Z. 3 f.: Sed forte vos vestrique praecessores in odierno non reluctati sunt, et ne quando contigat, ut reluctentur, […].

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Bischof appellieren könnten und dass in einem solchen Fall die Beurteilung der Gerichtssache durch den Papst oder seine Legaten erfolgen müsse 13. In diesem Zu­ sammenhang verweist der Verfasser des Schreibens mit Papst Innozenz I. (401 – 417) und dem Konzil von Nicäa (325) ausdrücklich auf zwei herausragende Autoritäten der antiken Kirche 14. Der Grund für dieses angeblich althergebrachte Recht sei die herausgehobene Position des apostolischen Stuhls innerhalb der Kirche, abgeleitet von der Autorität des Petrus, dessen Sprachrohr der Papst sei und dessen Beschlüsse er somit verkünde 15. Auch fordert das Schreiben den Gehorsam der Bischöfe gegenüber den päpstlichen Anordnungen ein. Dies sei eine unverzichtbare Voraussetzung dafür, dass die Bischöfe an der gottgegebenen Autorität der römischen Kirche Anteil haben könnten. Demnach wären diese Grundsätze letztlich die Legitimation der bischöflichen Macht 16. Dieser unmissverständlichen Anweisung folgt ein argumentativ deutlich schwächerer Abschnitt, der die grundsätzliche, aus der Bibel abgeleitete Bedeutung des Gehorsams, der Einhaltung des Friedens und des Einsatzes für Bedrängte betont 17. Der gesamte Abschnitt ist inhaltlich wenig gehaltvoll. Es wird kein Bezug zu einem (vermeintlichen) Prozess gegen Aldrich oder zu seiner Person hergestellt. Die un­­ anfechtbare päpstliche Autorität hingegen wird ausdrücklich betont 18. Der anschließende Absatz des Schreibens benennt nun die Exkommunikation als Strafe für denjenigen, der sich den Anweisungen Gregors widersetzt, da dieser ­schließlich die apostolische Autorität innehabe. Erneut wird Aldrich das Recht eingeräumt, bei einer Anklage nach Rom zu appellieren, und es wird erklärt, er solle zunächst auch sein Amt als Bischof behalten, bis der Papst ein Urteil gefällt habe, dem von keiner anderen Instanz vorzugreifen sei. Das Appellationsrecht des Bischofs steht dabei weniger im Vordergrund als das Recht des römischen Bischofs, die Streitfrage höchstselbst zu entscheiden. Demjenigen, der sich dieses römische Vorrecht anmaßen sollte, werden strenge Strafen angedroht 19. Im folgenden Absatz wird dem identischen Inhalt noch einmal mit anderen Worten Ausdruck verliehen, sodass sich beim Leser des Briefes spätestens jetzt ein gewisser Ermüdungseffekt angesichts der ausführ­ lichen Wiederholungen des immer gleichen Themas einstellen mag 20. Geschickt eingeflochten folgt dann die Aufforderung an die Bischöfe, einen freundlichen Umgang 13 14 15 16 17 18 19 20

Ebd., S. 74, Z. 18 – 23. Ebd., S. 74, Z. 24–S. 75, Z. 2. Ebd., S. 75, Z. 11 – 14. Ebd., S. 75, Z. 19–S. 76, Z. 5. Ebd., S. 76, Z. 6–S. 77, Z. 9. Ebd., S. 77, Z. 3 – 9. Ebd., S. 77, Z. 10–S. 78, Z. 11. Ebd., S. 77, Z. 12 – 24.

Ein Schutzbrief als Manifestation päpstlicher Macht?

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miteinander zu pflegen, und die Warnung, sich von anderen, außerhalb der Kirche stehenden Personen nicht als Werkzeug missbrauchen zu lassen. Man kann die politische Implikation dieser Ermahnung leicht überlesen, jedoch ist ihre Tendenz eindeutig: Die Verfolger (insectatores) der Geistlichen sollen bekämpft werden, da sie den rechten Weg verlassen haben, um die Gunst der weltlichen Machthaber zu erringen 21. Letztere werden damit zur Ursache kirchlichen Unfriedens stilisiert. Auch wenn Fürsten und Könige nicht direkt angegriffen werden, kommt so doch eindeutig zum Ausdruck, dass sie in den Augen des Briefschreibers einen negativen Einfluss auf die Kirche ausüben, den es zu bekämpfen gilt. Die Lösung dieses Problems ist dem Leser des Briefes nun längst bekannt und wird im Folgenden zugespitzt. Es sollten nicht nur die Rechtsangelegenheiten der ­Priester, „sondern jede Sache der heiligen Religion vor den apostolischen Stuhl, gleichsam zum Haupt der Kirchen, gebracht werden […]“22. Mit dem erneuten ­Verweis auf die kanonische Tradition, die eben dies vorschreibe, wird also eine absolute, unein­geschränkte und unanfechtbare Zuständigkeit des Papstes in allen kirchlichen Angelegen­heiten verkündet. Aldrich kommt in diesem Teil des Briefes nicht einmal vor. Es geht ausschließlich um die päpstliche Allmacht in Kirchendingen, die angeblich der alt­ hergebrachten kirchlichen Tradition entspreche und sich aus der herausgehobenen Stellung des Papstes als Haupt der Kirche – in der Nachfolge des Petrus – herleite. Jeder, der diese Anordnungen nicht einhalte, sei ein Feind (hostis) des Papstes – so wird in Gregors Namen unmissverständlich drohend verkündet 23. Das ausführliche Ende des Schreibens verliert sich in wenig konkreten Aussagen zum priesterlichen Zusammenhalt und dem Aufruf des Papstes, Versuchern aller Art zu widerstehen und die christlichen Gebote einzuhalten. Zum vorgeblichen Rechtsinhalt der Dekretale, zur Sache Aldrichs, trägt dieser Abschnitt nichts mehr bei, so wie er generell inhaltlich keine neuen Aspekte aufweist 24. Der Brief endet nach den üblichen Konventionen mit abschließendem Segenswunsch und Datierung 25. Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass das Schreiben von stark redundantem Charakter ist. Dies wurde auch von Lohrmann betont, der darauf hinwies, dass ein tatsächlicher Schutzbrief deutlich kürzer ausgefallen wäre 26. Tatsächlich muss man noch weiter gehen und feststellen, wäre der Brief im Auftrage oder zumindest im Interesse Aldrichs von Le Mans gefälscht worden, dann hätte der Fälscher diesem mit dem 21 Ebd., S. 78, Z. 25–S. 79, Z. 12, vgl. darin für Letzteres insbes. S. 78, Z. 25 – 28. 22 Ebd., S. 79, Z. 14 f.: […] quod non solum pontificalis causatio, sed omnis sanctae religionis relatio ad sedem apostolicam, quasi ad caput ecclesiarum debet referri […]. 23 Ebd., S. 79, Z. 13–S. 80, Z. 2. 24 Ebd., S. 80, Z. 3–S. 81, Z. 10. 25 Ebd., S. 81, Z. 11 f. 26 Lohrmann: Gregory IV, S. 403.

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Endergebnis seiner Bemühungen keinen großen Dienst erwiesen. Denn am Ende der Dekretale angekommen, wird sich der Leser gezwungen sehen, an den Anfang des Briefes zurückzugehen, um sich zu vergewissern, für wen dieser Schutzbrief eigentlich ausgestellt wurde, so marginal ist die Bedeutung Aldrichs im Text. Der Fokus liegt nicht auf dem Bischof von Le Mans, sondern auf der vorgeblich alther­gebrachten päpstlichen Macht, alle Kirchenangelegenheiten zu entscheiden. Weltlicher Einfluss auf die Kirche ist demnach nicht rechtskonform und muss bekämpft werden. Dieser grundsätzliche Befund muss zunächst festgehalten werden. Im nächsten Schritt soll nun der Blick der Überlieferung der Dekretale zugewendet werden. Diese wurde von der Forschung lange Zeit vernachlässigt, doch liegt in ihr der vielleicht entscheidende Schlüssel für die historische Einordnung des Briefes.

6.2  Überlieferung, Edition und Forschungsstand Der angebliche Brief Gregors  IV., in den Regesta Pontificum Romanorum als JE † 2579 verzeichnet, wurde zwischen dem 16. und dem 19. Jahrhundert diverse Male nach verschiedenen Handschriften abgedruckt. Ende des 19. Jahrhunderts folgte die bislang einzige kritische Edition durch Karl Hampe. Er schied die Überlieferung des Textes in zwei Gruppen, wobei vier der fünf von Hampe erwähnten Hand­schriften der gleichen Überlieferungstradition angehören 27. Diese wird angeführt vom ä­ ltesten erhaltenen Codex Paris, Bibliothèque nationale, lat. 1557. Neben den von Hampe berück­sichtigten Handschriften der gleichen Klasse – Paris, Bibliothèque nationale, lat. 3859A, sowie den römischen Codices Vallicelliana, C15, und Vatikan, lat. 4898 – muss man auch den Hampe nicht bekannten Pseudoisidor-Codex Reims, Biblio­ thèque municipale, 672, dieser Tradition zuordnen 28. Daneben identifizierte Hampe eine zweite Handschriftenklasse, repräsentiert durch den Codex Paris, Bibliothèque nationale, Sammlung Baluze 4529. Ein überaus lohnendes Unterfangen ist die k­ ritische Untersuchung dieser Überlieferung, die bislang in den Forschungen zu JE † 2579 nicht ausreichend und unter falschen Annahmen durchgeführt wurde.

27 Zur Einteilung der Überlieferung in zwei Gruppen vgl. ed. Hampe (MGH Epp. 5), S. 72, Z. 19-S. 73, Z. 3. 28 Hinweis erstmals bei Jasper/Fuhrmann: Letters, S. 103 (Anm. 59). 29 Vgl. ed. Hampe (MGH Epp. 5), S. 72 f.

Überlieferung, Edition und Forschungsstand

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6.2.1  Die älteste Überlieferung Entscheidend für die Einordnung von JE † 2579 ist seine früheste Überlieferung in der Pariser Handschrift lat. 155730. Dieser ältesten Überlieferung der Dekretale wurde bislang nur wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Überdies kam es bei der Datierung des Codex und bei der Bestimmung der Provenienz zu Fehlbewertungen, was zu falschen Rückschlüssen bei der Zuordnung des Schreibens insgesamt geführt hat 31. Der Pariser Handschriftenkatalog gibt noch sehr grob das 10. Jahrhundert als Entstehungszeitraum an. Diese Einschätzung dominierte die gesamte Forschung zu JE † 2579. Die Handschrift ist jedoch deutlich f­ rüher entstanden. Wie von B ­ ernard Merlette vermutet und von John Contreni in der Folge in einer detaillierten ­Studie nachgewiesen, bildeten Codex Paris, lat. 1557, und die Pseudoisidorhandschrift Paris, lat. 9629, ursprünglich eine Einheit 32. Contreni identifizierte wenigstens drei verschiedene Hände, die für verschiedene Abschnitte – beziehungsweise in einem Fall Anmerkungen – in beiden Handschriften verantwortlich zeichnen. Damit ist mindestens die Entstehung im gleichen Skriptorium belegt 33. Nach Einbeziehung der von 30 Beschreibung bei Lauer: Catalogue, Bd. 2, S. 65 f. Die Handschrift enthält folgende Texte: 8. Konzil von Toledo (fol. 1 – 7rb), JE † 2579 (fol. 7rb-8), Excerptiones de gestis Chalcedonensis concilii (fol. 9 – 19ra), Cassiodor, Historia Tripartita, Buch 12, Kap. 8, 10 und 11 (fol. 19 – 20ra), Auszug aus einem Brief Pelagius’ II., JL 1049 (fol. 20 – 20va), Chronica regum Wisigothorum (fol. 20va-20vb), Auszüge aus verschiedenen Briefen Gregors I. (fol. 20vb-24vb), Konzil von Nicäa (fol. 24vb-27va), De matrimonii ratione (fol. 27vb-28ra), Isidor von Sevilla, Etymologiae, Buch 8, Kap. 5 – 7 (fol. 28rb-30rb), 11. Konzil von Toledo, Kap. 10 (fol 30vb-31rb), Brief des ­Patriarchen Nikephoros von Konstantinopel an Leo III. (fol. 31rb-35va), Brief Benedikts III. an die Bischöfe des Frankenreiches (35va-36ra), Formel eines Briefes über die Bischofswahl (36rb) und diverse Briefe Nikolaus’ I. (fol. 37va-78vb und 93vb-96vb) und Hadrians II. (79ra-93va). 31 Goffart: Gregory IV, S. 26, führt sie für seine Argumentation ins Feld, ordnet die Handschrift jedoch falsch ein. Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass diejenigen Wissenschaftler, die sich vor Goffart mit dem vermeintlichen Schreiben Gregors IV. beschäftigt haben, keine differenzierten Überlegungen zur Überlieferungsgeschichte und Provenienz angestellt haben. 32 Vgl. Merlette: Écoles, S. 32 (Anm. 61); Contreni: Cathedral School, S. 62 (Anm. 81); ders.: Codices, S. 1 – 14. Obwohl unklar ist, wie die zwei Teile der Handschrift voneinander getrennt wurden, ist ihre Ähnlichkeit bereits im 18. Jahrhundert erkannt worden, geriet in der Folge aber bedauerlicherweise wieder in Vergessenheit, vgl. ebd., S. 5 f. 33 Ebd., S. 7 – 11. Contreni spricht von mindestens drei Händen, die in beiden Handschriften, lat. 1557 und 9629, gewirkt haben, die Handwechsel erfolgen scheinbar parallel zu den Lagenwechseln, ebd., S. 7 – 10. Vgl. für die häufigen und vom Inhalt unabhängigen Handwechsel auch Perels: Briefe, S. 567. Die von Williams: Codices, S. 45, und Contreni: Codices, S. 6 f., beschriebenen „Fehler“ in der Lagenzählung der beiden Handschriften können restlos auch nicht durch die Folgerung erklärt werden, die Lagenzählung von lat. 1557 sei an diejenige von lat. 9629 angepasst worden, vgl. Schon: http://www.pseudoisidor.mgh.de/

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ihm beobachteten weiteren Ähnlichkeiten zwischen den Codices sowie der modernen Überlieferungsgeschichte steht fest, dass beide Handschriften ursprünglich zusammengehörten. Contreni grenzt dabei den Ent­stehungszeitraum der Handschriften auf die Zeit zwischen 872 und vielleicht schon 875, allerspätestens jedoch 882 ein. Damit setzt er lat. 1557 in jedem Fall zeitlich deutlich früher an, als bislang angenommen wurde 34. Auch in der Frage der Provenienz hat Contreni deutlich gegen die ältere ­Forschung Position bezogen. Ernst Perels hielt eine italienische Herkunft der Handschrift für wahrscheinlich. Diese Ansicht wurde – trotz der von Perels selbst eingeräumten Vorläufigkeit der Aussage – in der Folge lange Zeit in der Forschung als Tatsache postuliert 35. Contreni hingegen argumentiert schlüssig für die Erzdiözese Reims als

html/handschriftenbeschreibung_Paris_9.629.html (02.11.13). So endet Paris, lat. 9629, auf fol. 218v mit der Lage „XXX“ (korrigiert aus XXXI). Der Eintrag „XXXI“ in Paris, lat. 1557, erfolgt jedoch erst auf fol. 16v am Ende der zweiten Lage der Handschrift, statt am Ende der ersten Lage auf fol. 8v eingetragen worden zu sein. Die Aussage von Schon: Exzerpte, S. 549 (Anm. 18), es sei „mindestens zweifelhaft“, ob fol. 1 – 8 von Paris, lat. 1557, zum urspüng­lichen Umfang der Handschrift gehörten, dürfte sich auf diese Beobachtung stützen, überzeugt mich nach Ansicht der Handschrift jedoch nicht. Ein Fehler ist Contreni unterlaufen, ebd., S. 7 (Anm. 18): Lat. 1557 bietet auf fol. 9v-16v nicht Auszüge aus Cassiodors Historia Tripartita, sondern die Excerptiones de gestis Chalcedonensis concilii (bis fol. 18v). Jedoch wurden, genau wie Contreni behauptet, diese Seiten und die letzten Blätter von lat. 9629 von der gleichen oder zwei sehr ähnlich schreibenden Händen verfasst. Nach meinen eigenen Beobachtungen an der Handschrift in der Bibliothèque nationale de France im Herbst 2011 wurden fol. 1 – 8 von lat. 1557 von einer anderen Hand angefertigt. Möglicherweise ist die gleiche Hand auch für fol. 83ra-90vb in lat. 9629 verantwortlich. Da mir ein Abgleich mit lat. 9629 aufgrund des fragilen Zustandes der Handschrift nicht möglich war, kann diese Vermutung sich nur auf den unzureichenden Vergleich mit dem Mikrofilm gründen und ist daher lediglich als vorläufige Arbeitshypothese zu betrachten. 34 Ebd., S. 11 – 13. Möglicherweise sind lat. 9629 und der Anfang von lat. 1557 bis einschließlich fol. 36 sogar noch früher entstanden, da sich der terminus post quem aus dem Datum des chronologisch letzten Briefes in lat. 1557 von Papst Hadrian II. vom Sommer 872 herleitet und sich somit auf die Fertigstellung des gesamten umfangreichen Komplexes bezieht. Vgl. ebd., S. 11 (Anm. 30). 35 Perels: Briefe, Teil 1, S. 567, formulierte noch vorsichtig: „Ueber die Herkunft der Hs. ist nichts bekannt, der Schrift nach dürfte sie aus Italien stammen.“ Goffart: Gregory IV, S. 26, hingegen sah die Sache deutlich unkritischer und postulierte eindeutig: „The oldest manuscript containing the decretal (early tenth century) is an Italian collection of canonical texts and papal decretals […].“ Er stützte sich bei seiner Argumentation für die Echtheit des Briefes auch auf diese vermeintliche Provenienz, vgl. ebd., S. 29 f. Das Argument wurde von Lohrmann: Gregory IV, S. 403, zwar grundsätzlich entkräftet, die italienische Herkunft der Handschrift jedoch nicht infrage gestellt, siehe auch S. 199 – 202.

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Ursprungsort der Handschriften und nimmt dabei insbesondere das Skriptorium der Kathedralschule von Laon in den Blick 36. Allein die Tatsache, dass die älteste Überlieferung von JE † 2579 in den 70er oder frühen 80er Jahren des 9. Jahrhunderts im Frankenreich entstand, wirft ein neues Licht auf das Schreiben selbst, da man bislang davon ausging, dass neben der ab­­ weichenden Überlieferung aus Le Mans keine fränkische Überlieferung existierte. Das Gegenteil ist der Fall. Darüber hinaus lassen sich durch den Inhalt der beiden Pariser Codices, lat. 9629 und lat. 1557, wichtige Erkenntnisse für die Bestimmung des Schreibens gewinnen. Der Parisinus lat. 9629 ist einer der frühesten und wichtigsten Überlieferungs­träger der falschen Dekretalen Pseudo­isidors 37. Er enthält die Langversion der gefälschten Papstbriefe mit allen drei Teilen. Innerhalb der Überlieferung besteht an dieser Stelle also ein innerer Zusammenhang zwischen pseudoisidorischen Dekretalen und dem gefälschten Brief Gregors  IV . Doch auch der Inhalt von lat. 1557 weist einen auf­ fälligen Bezug zu den Vorlagen und Produkten der pseudoisidorischen Werkstatt auf. Contreni sieht innerhalb der Handschrift einen Bruch, der darauf hinweist, dass sie in zwei Schritten gefertigt wurde 38. Der erste Teil der Handschrift besteht aus diversen Texten recht unterschiedlicher Natur. Der Dekretale JE † 2579 gehen die Kanones des 8. Konzils von Toledo (653) voraus. Diese sind sowohl Vorlage für die falschen Dekretalen als auch Bestandteil derselben 39. Der Dekretale folgen die Excerptiones de gestis Chalcedonensis concilii, deren Bezug zu Pseudoisidor bereits hinlänglich geklärt wurde. Der nachfolgende Auszug aus Cassiodors Historia Tripartita ist ebenso unzweifelhaft eine Vorlage Pseudo­isidors 40. Auf fol. 20r folgt ein Fragment einer ­falschen Dekretale Pelagius’ II. (579 – 590), die im dritten Teil der pseudoisidorischen Dekretalen enthalten ist 41. Auch die weiteren, zumeist fragmentarischen Texte haben einen Bezug zu Pseudoisidor, da sie entweder Vorlagen des Fälschers waren oder in

36 Contreni: Codices, S. 11 – 14. Contrenis Urteil bezüglich Datierung und Provenienz wurde in der Folge übernommen, z. B. bei Hartmann: Kirche, S. 33 und 35; Jasper/Fuhrmann: Letters, S. 113 (mit Anm. 110). 37 Bezüglich der Forschungskontroverse um Paris, lat. 9629, vgl. die Zusammenfassung von Contreni: Codices, S. 1 – 4. Vgl. dazu Williams: Codices, S. 45 f., und die Kritik bei Reynolds: Codices, S. 821. 38 Contreni: Codices, S. 4 f. 39 Vgl. Hinschius: Decretales, S. CXXIX. Das Konzil ist auch Bestandteil des zweiten Teils der Dekretalen, ebd., S. 383 – 397. 40 Cassiodor, Historia Tripartita, Buch 12, Kap. 8 – 11, ed. Hanslik/Jakob, S. 673 – 680. Vgl. Hinschius: Decretales, S. CXXIII. 41 Vgl. ebd., S. 726.

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die Sammlung der falschen Dekretalen selbst aufgenommen wurden 42. Ab fol. 37v folgt eine Sammlung der Briefe der Päpste Nikolaus I. (858 – 867) und Hadrian  II. (867 – 872). Dieser einheitlichere zweite Teil der Handschrift wurde möglicherweise in einem zweiten Schritt gefertigt 43. Inhaltlich besteht offensichtlich kein Bezug zu Pseudoisidor. Da diese Briefsammlung den Hauptbestandteil von lat. 1557 bildet und der Zusammenhang zu lat. 9629 lange Zeit unbekannt beziehungsweise vergessen war, wundert es nicht, dass die nur scheinbar willkürlich zusammengestellte Textsammlung am Beginn der Handschrift lat. 1557 von der Forschung bisher vernachlässigt wurde. Die mit Abstand älteste erhaltene Überlieferung von JE † 2579 wurde also in der Zeit zwischen 872 und 882 in der Erzdiözese Reims verfasst, sehr wahrscheinlich in Laon. Die Dekretale folgt in der ursprünglichen Form einer Handschrift der pseudo­ isidorischen Dekretalen in der Langversion A1. Sie ist dabei Teil einer Sammlung von Texten, die der Fälscherwerkstatt zum überwiegenden Teil als Vorlage dienten und von denen einer, das Chalkedon-Florileg, ein eigenes Produkt der Werkstatt ist. Von diesen Feststellungen ausgehend, lassen sich weitergehende Vermutungen über die Entstehung der Handschrift anstellen: Die Vorlage für die beiden Codices stammt möglicherweise aus Corbie selbst und wurde nach Laon ausgeliehen. Eine Herkunft der Ursprungshandschrift aus Corbie erscheint aufgrund der Kombination von Endprodukt und Vorlagen zumindest sehr wahrscheinlich. Es gibt keinen Grund, an d­ iesem eindeutigen überlieferungsgeschichtlichen Zusammenhang zwischen JE † 2579 und den pseudoisidorischen Dekretalen zu zweifeln.

6.2.2  Die folgende Überlieferung Fast die gesamte nachfolgende Überlieferung von JE † 2579 hängt vom Codex Parisinus lat. 1557 ab. Dies trifft auch auf den Hampe unbekannten Codex Reims, Bibliothèque 42 Zu den jeweiligen Texten vgl. Lauer: Catalogue, S. 65 f. Contreni hatte angenommen,­ dass der Inhalt von lat. 9629 und des ersten Teils von lat. 1557 bis fol. 36 fast genau dem entspricht, was die vollständigen Pseudoisidor-Handschriften der Klasse A1 überliefern. Tatsächlich sind vor allem die Excerptiones de gestis Chalcedonensis concilii und auch Auszüge aus der H ­ istoria Tripartita häufig im Anhang an die falschen Dekretalen in der Hand­schriftenklasse A1 überliefert, für die weiteren Texte und Fragmente und ins­besondere für den Brief ­Gregors  IV. gilt dies indessen nicht. Abzulehnen ist auch die Aussage von ­Contreni: Codices, S. 5 (Anm. 12), die Pseudoisidorhandschrift Rouen, Bibliothèque Municipale, E. 27, überliefere ebenfalls den Brief Gregors IV.: „The contents of the first 36 folios of MS 1557 […] match those of the Rouen manuscript.“ Eine Analyse der Handschrift aus Rouen konnte diesen Befund nicht bestätigen. 43 Paris, lat. 1557, fol. 37v–93v. Vgl. zu diesem Teil der Handschrift Contreni: Codices, S. 4 f. und 11 – 13.

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municipale, 672, zu. Er stammt aus den 50er Jahren des 12. Jahrhunderts und enthält verschiedene Texte, unter denen sich auch eine Überlieferung der pseudo­isidorischen Dekretalen befindet 44. Der Text der Gregor-Dekretale ist im letzten Drittel des Manus­kripts in eine Reihe von Papstbriefen eingeordnet, die nicht mehr den falschen Dekretalen angehören 45. Die im Reimser Codex überlieferte Version von JE † 2579 ist in ihrer Textgestalt deutlich der Tradition von Paris, Bibliothèque nationale, lat. 1557, zuzuordnen. Ein Vergleich des Texts der Reimser Handschrift mit dem Pariser Codex ergab eine Vielzahl an aussagekräftigen übereinstimmenden Varianten, jedoch auch einige wenige, zum Teil aber signifikante Abweichungen 46. Es ist deswegen unwahrscheinlich, dass die Texte direkt voneinander abhängen, eine gemeinsame Vorlage erscheint jedoch durchaus denkbar. Leider lässt die weitere mit Paris, lat. 1557, zusammenhängende Überlieferung nur wenige weitere Schlüsse über die Entstehung der Dekretale zu. Es existieren mit den Codices Rom, Vallicelliana, C15, Vatikan, lat. 4898, und Paris, Bibliothèque nationale, lat. 3859A, drei neuzeitliche Zeugen aus dem 16. und 17. Jahrhundert, die alle von einer gemeinsamen Vorlage abhängen 47. Nürnberger hat versucht, Inhalt und Alter dieses verlorenen römischen Codex S. Mariae super Minervam 44 Ps.-Gregor IV., JE † 2579, auf fol. 207vb-209vb. Die Entstehung kann auf die Jahre zwischen 1154 und 1159 eingegrenzt werden. Die im Codex enthaltene Pseudoisidor-Überlieferung wird der Klasse C zugeordnet. Der Codex weist dabei einige Besonderheiten auf und ist nicht vollkommen mit den anderen Handschriften der C-Klasse identisch, vgl. Williams: Codices, S. 52, und Kéry: Collections, S. 104. Vgl. auch Datierung und Beschreibung der letzten 24 Blätter der Handschrift bei Mordek: Bibliotheca, S. 625 – 628. 45 Auf die Gregor-Dekretale folgen diverse Schriftstücke aus der Korrespondenz Hadrians II. (867 – 872), vgl. ed. Dümmler (MGH Epp. 6), S. 693. Detlev Jasper vermutet eine ältere Vorlage für die Reimser Handschrift, die wohl in den 870er Jahren entstanden ist, vgl. J­ asper/ Fuhrmann: Letters, S. 126. 46 Nach eigener Zählung weisen Paris, lat. 1557, und Reims, 672, in mindestens 25 Fällen die gleichen Varianten auf. Dagegen weicht die Reimser Handschrift in elf weiteren Fällen auffällig vom Text des Parisinus ab. Siehe dazu Tabelle 5, S. 283 – 285. 47 Die Handschrift aus der römischen Vallicelliana-Bibliothek, C15, wird ins 16. Jahrhundert datiert, ebenso der Codex Vatikan, lat. 4898. Der Pariser Codex, BnF, lat. 3859A, stammt sogar aus dem 17. Jahrhundert, vgl. ed. Hampe (MGH Epp. 5), S. 72, Z. 20 – 30. Der Text der verlorenen Vorlage, des Codex S. Mariae super Minervam (Rom), wurde zwar durch neuzeitliche Drucke erhalten, vgl. ebd., S. 72, Z. 6 – 10, seine tatsächliche Textgestalt muss dennoch als unsicher gelten. Die neuzeitlichen Abschriften überliefern neben JE † 2579 Briefe des Bonifatius und wurden in diesem Zusammenhang alle der gleichen Über­lieferungstradition zugeordnet. Dazu und zur verlorenen Vorlage grundlegend die Arbeiten von Nürnberger: Handschriften, S. 355 – 379, und ders.: Überlieferung, S. III und XV. Vgl. auch zu Vallicelliana, C15, und Paris, lat. 3859A, detaillierte Überlegungen bei Perels: Briefe, S. 550 f. und 565 f.

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zu rekonstruieren. Die Handschrift scheint ähnlich wie der Parisinus lat. 1557 eine Sammel­handschrift ge­­wesen zu sein und enthielt nach der Rekonstruktion Nürnbergers neben der Dekretale G ­ regors IV. auch Teile der Korrespondenz des Bonifatius und Briefe der Päpste ­Pelagius II. (579 – 590), Gregor III. (731 – 741), Zacharias (741 – 752), Leo III. (795 – 816), Benedikt III. (855 – 858), Nikolaus I. (858 – 867), die Kanones des Konzils von Nicäa und eine Chronik der gotischen Könige 48. Außerdem enthält der Codex einen Auszug aus den Akten des Konzils von Chalkedon. Es handelt sich um die pseudo­isidorische Redaktion der Chalkedon-Akten, die Excerptiones de gestis Chalcedonensis concilii 49. Ein handschriftlicher Vermerk zu Beginn des Textes im Codex Rom, Vallicelliana, C15, gibt an, dass dieser auf die verlorene Vorlage des Codex S. Mariae super Minervam zurückgeht. Es gibt also auch in diesem Überlieferungsstrang von JE † 2579 einen Bezug zu Pseudoisidor, der darum umso auffälliger ist, weil die Chalkedon-Auszüge der Fälscher fast ausschließlich als Anhang an die falschen Dekretalen überliefert sind 50. Obwohl nicht mehr zu rekonstruieren ist, ob der verlorene Codex noch weiteres pseudoisidorisches Material enthielt, lässt sich feststellen: Mindestens ein Text in dem Codex geht auf die Fälscherwerkstatt in Corbie zurück 51. Es ist unklar, wann und wo das verlorene Manuskript ent­standen ist. Perels ging davon aus, dass der verlorene Codex S. Mariae super Minervam und Paris, lat. 1557, nicht direkt voneinander abgeschrieben wurden, jedoch auf eine gemeinsame Ausgangshandschrift zurückzuführen seien 52. Dies würde bedeuten, dass der terminus post quem für den verlorenen Codex dem des Parisinus anzunähern wäre, sodass der Codex S. Mariae super Minervam frühestens in den 870er Jahren ent­ standen sein kann 53. 48 Nürnberger: Handschriften, S. 259 – 361, 363 und 367 f. Diese Bestandsaufnahme basiert auf Notizen in Teilabschriften des Codex und Beobachtungen Dritter. Nürnberger betonte, dass es keineswegs ausgeschlossen sei, dass der Codex S. Mariae super Minervam noch weitere Texte beinhaltet habe. Teilweise sind die Texte in Paris, BnF, lat. 1557, und Vallicelliana, C15, identisch. Zum Beispiel findet sich die Chronik der gotischen Könige im Codex Paris, BnF, lat. 1557, fol. 20va-b, und Codex Rom, Valliceliana, C15, fol. 39v-40r. Vgl. zur engen Beziehung der Handschriften auch Perels: Briefe, S. 550 – 556. 49 Codex Rom, Vallicelliana, C15, fol. 18v-39v. 50 Siehe S. 64 – 66. 51 Es ist vorstellbar, dass eine Sammlung der falschen Dekretalen ebenfalls in der Handschrift enthalten war. Nürnberger: Handschriften, S. 359 f., hat auf Notizen der Correctores Romani hingewiesen, die darauf schließen lassen, dass in der Bibliotheca S. Mariae supra Minervam eine Pseudo­isidorsammlung vorhanden war. Ob diese auch Teil des verlorenen Manuskripts oder in einer zweiten (dazugehörigen?) Handschrift enthalten war, konnte Nürnberger nicht mehr rekonstruieren. 52 Perels: Briefe, S. 568 f. (mit Stemma auf S. 569). 53 Als durch Nürnberger: Handschriften, S. 365 f., gesichert kann festgehalten werden, dass sich die Handschrift in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts in Rom im Besitz des Kardinals

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Aufgrund der textlichen Ähnlichkeiten zwischen Paris, Bibliothèque nationale, lat. 1557, Reims, Bibliothèque municipale, 672, und den drei neuzeitlichen Zeugen Rom, Vallicelliana, C15, Vatikan, lat. 4898, und Paris, Bibliothèque nationale, lat. 3859A, ist zu folgern, dass alle drei Versionen der Dekretale auf den gleichen Ursprungstext zurückzuführen sind.

6.2.3  Die Überlieferung aus Le Mans und die Fälschungen aus Le Mans Ein zweiter Überlieferungsstrang ist durch die Abschrift einer verlorenen Handschrift aus dem 17. Jahrhundert durch André Duchesne in der Pariser Sammlung Baluze er­­ halten 54. Die Vorlage der Handschrift stammt möglicherweise aus dem 12. Jahr­hundert aus St. Calais in der Diözese Le Mans 55. Dieser Text wurde von Hampe nicht nur als deutlich von den anderen Handschriften zu unterscheidende Überlieferung, sondern auch als bessere Lesart eingestuft. Auch ist die Datierung der Dekretale lediglich durch dieses Manuskript überliefert 56. Turrecremata befand. Vgl. dazu auch Perels: Briefe, S. 550. Laut Tangl: MGH Epp. sel. 1, S. XXVI-XXX, kann der Codex aufgrund der spezifischen Rezension von Bonifatius-­ Briefen frühestens in den späten 1060er Jahren, eher später zusammengestellt worden sein. Diese Einschätzung Tangls stützt sich jedoch auf einen von ihm konstruierten Zusammenhang ­zwischen der Bonifatius-Korrespondenz der Überlieferungsklassen 4 (identisch mit der Pseudo­isidorüberlieferung der C-Klasse) und 6 (Vallicelliana, C15, Vatikan, lat. 4898, Paris, BnF, lat. 3859A). Da dieser Zusammenhang von Rau: Briefe, S. 16 f., und Jasper/ Fuhrmann: Letters, S. 97 f., aus guten Gründen zurückgewiesen wurde, ist diese Annahme zumindest fraglich. Eine detaillierte Untersuchung der Zusammenhänge zwischen der Überlieferung der Bonifatius-Korrespondenz und Pseudoisidor könnte möglicherweise an dieser Stelle noch weitere Erkenntnisse liefern, kann aber im Rahmen dieser Untersuchung nicht geleistet werden. 54 Paris, BnF, Baluze 45, fol. 110v-113v. Vgl. zur Zusammensetzung des Codex Auvray/Poupardi: Catalogue, S. 59 – 61. Vgl. zu Ursprung und Qualität der Abschrift Goffart: ­Forgeries, S. 43 f. (insbes. Anm. 43). Vgl. zur Handschrift und ihrem Verhältnis zur Parallel­ überlieferung auch Weidemann: Geschichte, Bd. 1, S. 5 – 20. 55 Weidemann, ebd., S. 11 – 20 (mit Stemma auf S. 20), grenzt die Entstehungszeit der Vorlage für Baluze 45 auf einen Zeitraum zwischen 1136 und 1255 ein. Bezüglich der Gregor-Dekretale verlässt sich Weidemann auf die Einschätzung Goffarts und übernimmt dadurch unnötigerweise auch dessen falsche Annahmen über die weitere Überlieferungstradition des Schreibens. Sie definiert die Dekretale als nachträglich eingefügtes Dokument und enthält sich einer dezidierten Einordnung des Textes und einer Erklärung, wie er Eingang in die Vorlage für Baluze 45 gefunden hat – entgegen ihres Vorsatzes, die Actus kritisch in ihre Bestandteile zu zerlegen. Vgl. ebd., S. IX, 15 und 28. 56 Ed. Hampe (MGH Epp. 5), S. 72, Z. 31. Siehe S. 199 – 202.

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Eine weitere pseudoisidorische Fälschung? Eine Dekretale Gregors IV.

Diese singuläre Überlieferungstradition wurde von den meisten Historikern – gemeinsam mit der Identifizierung Aldrichs von Le Mans als vermeintlichem Hauptnutznießer des Schreibens – als Beleg dafür angesehen, dass die Dekretale auch in Le Mans entstanden sei. Diese These ist jedoch niemals hinreichend quellen­kritisch belegt worden, sondern war immer nur eine Grundannahme, auf der sehr viel weiter­ gehende Theorien aufgebaut wurden. Sie stehen im Zusammenhang mit der sogenannten Le Mans-Hypothese, die im 19. Jahrhundert entwickelt wurde und den pseudo­isidorischen Fälschungen irrtümlicherweise den Entstehungsort Le Mans zuwies. Obgleich diese Theorie für die heutige Auseinandersetzung mit dem Werk Pseudo­isidors kein Gewicht mehr besitzt, ist eine Rekapitulation der damit zusammenhängenden Forschungsdiskussion für die Einordnung des falschen Briefs Gregors IV. unumgänglich, da der Text fast ausschließlich in diesem Zusammenhang untersucht worden ist 57. Die Gegner der Hypothese sind dabei unterschiedlich intensiv auf die Herkunft und Bedeutung der Dekretale eingegangen. Bernhard Simson entwarf in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine These zur Entstehung der pseudoisidorischen Dekretalen und identifizierte ihren Herkunftsort mit der Diözese Le Mans 58. Grundsätzlich basierte seine Theorie auf stilistischen und inhaltlichen Parallelen zwischen dem Dekretalenwerk und zwei ge- beziehungsweise verfälschten Schriften zur Geschichte des Bistums, den Actus pontificum Ceno­ mannis in urbe degentium und den Gesta domini Aldrici, Cenomannicae urbis episcopi, a discipulis suis 59. Diese beiden Texte wurden wahrscheinlich in der Mitte des 9. Jahrhunderts durch eine massive Bearbeitung authentischen Materials von einem oder m ­ ehreren unbekannten Klerikern in Le Mans erstellt mit dem Ziel, das Kloster St. Calais unter die Kontrolle des Bischofs von Le Mans zu bringen. Actus und Gesta waren also vor allem von regionaler Bedeutung. Es kann daher nicht überraschen, dass beide Texte in jeweils zwei Handschriften ausschließlich durch die Tradition

57 Die auffälligen Parallelen zwischen den falschen Dekretalen und dem Brief Gregors  IV. erwähnte erstmals Hinschius: Decretales, S. CXCIV-CXCV. 58 Er veröffentlichte zunächst 1886 zwei Beiträge zu diesem Thema, vgl. Simson: Pseudoisidor und die Geschichte, und ders.: Entstehung. 1914 folgte als Antwort auf die massive Kritik an seinen Thesen ders.: Pseudoisidor und die Le Mans-Hypothese. Unterstützung erhielt Simson durch Paul Fournier: La question; ders.: Études. 59 Im Folgenden Actus und Gesta. Beide Texte ediert bei Weidemann: Geschichte, Bd. 1, S. 31 – 179. Vgl. dazu Fried: Schatten, S. 131 f. Zu den Fälschungen aus Le Mans vgl. Goffart: Forgeries, darin insbes. die zusammenfassende Darstellung der Forschungsdiskussion mit Hinweisen auf die Verbindungen zur Pseudoisidor-Forschung S. 82 – 118. Vgl. auch die Er­ widerung auf Goffart von Van der Straeten: Hagiographie. Zuletzt inhaltlich zu Actus und Gesta Patzold: Episcopus, S. 242 – 245 und 412 – 418.

Überlieferung, Edition und Forschungsstand

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aus Le Mans überliefert sind 60. Die Actus beinhalten die Lebensbeschreibungen der Bischöfe der Diözese Le Mans vom späten ersten Jahrhundert an. Die Gesta sind eine separate Lebensbeschreibung des Bischofs Aldrich von Le Mans (832 – 857)61, die in einer verkürzten Form ebenfalls Eingang in die Actus fanden. Uneinigkeit herrscht in der Forschung darüber, ob die Actus von einem oder mehreren Autoren verfasst wurden 62. Wie bereits festgehalten, ist in der Handschrift Paris, Bibliothèque nationale, ­Collection Baluze 45, also der einzigen Überlieferung der Dekretale, die sich Le Mans zuweisen lässt, der falsche Brief Gregors IV. in die Actus, die Bistumsgeschichte von Le Mans, inseriert. Die parallele Überlieferung der Actus aus dem 12. Jahrhundert beinhaltet den Brief nicht. Weidemann hat in ihrer Edition der Actus dargelegt, dass die Dekretale nicht ursprünglicher Bestandteil der Actus war, sondern im 11. Jahrhundert mit weiteren Texten ergänzt wurde 63. Dieser Befund macht es angesichts der bereits im 9. Jahrhundert einsetzenden fränkischen Überlieferung der Dekretale sehr unwahrscheinlich, dass diese ursprünglich in der Diözese Le Mans entstand.

60 Die Actus sind überliefert in Le Mans, Bibliothèque Municipale, Ms. 224 (zwischen 1143 und 1165), und mit teils erheblichen inhaltlichen Abweichungen in Paris, BnF, Collection Baluze 45 (17. Jh.). Die Gesta finden sich in Le Mans, Bibliothèque municipale, Ms. 99 (­zwischen 997 und 1036), und mit geringen Abweichungen in Le Mans, Bibliothèque municipale, Ms. 224 (zwischen 1143 und 1165). Beschreibung, inhaltlicher Vergleich und Angaben zur Datierung der Handschriften bei Weidemann: Geschichte, Bd. 1, S. 4 – 28. 61 In ihrer ursprünglichen Version wohl bereits in den 830er Jahren verfasst, wurden die Gesta in den 850er Jahren, nach dem Tode Aldrichs, durch Interpolationen massiv verfälscht. Wann genau welche Abschnitte entstanden sind, ist umstritten. Vgl. die ausführ­liche Darstellung der älteren Forschungspositionen bei Goffart: Forgeries, S. 82 – 118, und seine eigene Interpretation ebd., S. 119 – 147. Leicht abweichend von der Ansicht Goffarts argumentiert Weidemann: Geschichte, Bd. 1, S. 22 – 26. Inhaltlich zur ursprünglichen Form der Gesta vgl. Patzold: Episcopus, S. 242 – 245. 62 Goffart: Forgeries, S. 119 – 147, nahm einen einzigen Verfasser an und datierte die Q ­ uellen grob auf die Jahre zwischen 857 und 863. Ihm folgte darin Weidemann: Geschichte, Bd. 1, S. 3, mit einer geringen Veränderung der Datierung auf den Zeitraum zwischen 855 und 862. Für eine mehrstufige Bearbeitung des Materials durch mindestens zwei ver­schiedene F ­ älscher, einen Beginn der Arbeiten unter dem Vorgänger Aldrichs in den frühen 830er Jahren und eine spätere Fortschreibung nach Aldrichs Tod argumentierten Van der Straeten: Hagiographie; Le Maître: L’œvre; Patzold: Episcopus, S. 413. 63 Weidemann: Geschichte, Bd. 1, S. 15. Leider erörtert Weidemann nicht näher, woher der Brief stammen könnte, und verweist lediglich auf die Arbeit von Goffart, erwähnt jedoch die von Le Mans unabhängige Überlieferungstradition.

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Eine weitere pseudoisidorische Fälschung? Eine Dekretale Gregors IV.

6.2.3.1  Die Le Mans-Hypothese

Die Le Mans-Hypothese löste seinerzeit eine emotional geführte Debatte aus und wurde schließlich von der Mehrzahl der Forscher, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, verworfen und kann heute als überholt gelten 64. Grundsätzlich ist festzustellen, dass die Verfechter der Le Mans-Hypothese zwar diverse Ideen bezüglich der Entstehungszusammenhänge zwischen JE † 2579 und den pseudoisidorischen ­Fälschungen entwickelten und diese in Le Mans verortet wissen wollten. Ihre Thesen konnten einer quellenkritischen Prüfung jedoch nicht standhalten. Leider wurde in der letztlichen Ablehnung der Le Mans-Hypothese vollkommen ohne Not auch die Frage, ob der falsche Schutzbrief Gregors IV. und die pseudoisidorischen F ­ älschungen auf den gleichen Urheber zurückgehen, verneint. Simson und Fournier verstanden ihn als Fälschung, und als sein Urheber galt ihnen automatisch ein Kleriker aus Le Mans, ohne dass sie die deutlich ältere Tradition des Parisinus lat. 1557 auch nur mit einer Erwähnung gewürdigt hätten. Simson setzte schlichtweg voraus, dass die gefälschte Gregor-Dekretale aus Le Mans stammte, ohne dies näher zu begründen. Er revidierte diese Ansicht auch nach mehrfacher Kritik nicht, sondern bezeichnete entsprechende Einwände als „haltlose Ausflüchte“65. Es gebe „keinen wirklichen Grund, den Ursprung dieses Aktenstücks in Le Mans in Frage zu stellen“66. Eine quellenkritische Begründung seiner Annahme bezüglich der Provenienz des Textes blieb er schuldig. Simson und Fournier sahen die inhaltlichen Parallelen und die gemeinsamen Vorlagen von JE † 2579 und den pseudoisidorischen Dekretalen als Beweis für einen identischen Urheber beider Werke an 67. Außerdem argumentierten sie, dass sowohl in den Actus aus Le Mans wie auch in den falschen Dekretalen der Chorepiskopat energisch bekämpft werde 68. 64 Dagegen wandten sich u. a. Wasserschleben: Vaterland, S. 246 – 248; Seckel: Pseudo­ isidor, S. 278; Lurz: Heimat, S. 73 f.; Lot: La question, S. 293 f.; ders.: Textes, S. 9 – 13. Alle genannten Historiker (und auch die Befürworter der Le Mans-Hypothese) waren sich darin einig, dass es sich bei JE † 2579 um eine Fälschung handelt, nur die Zuordnung des Textes fiel unterschiedlich aus. Auffällig ist dabei, dass der Brief selbst k­ einer ­kritischen Analyse unterzogen und nur benutzt wurde, um Herkunftsort und -zeit der f­ alschen Dekretalen einzugrenzen. 65 Simson: Pseudoisidor und die Le Mans-Hypothese, S. 48. 66 Ebd., S. 49. 67 Simson: Entstehung, S. 57, und Fournier: Études, S. 783, wobei Letzterer sich nicht festlegte, ob die Dekretale von einem Mitarbeiter Pseudo­isidors oder dem Fälscher selbst erstellt wurde. 68 Erstmals betont von Weizsäcker: Kampf, S. 12 – 19; aufgegriffen von Simson: Pseudoisidor und die Geschichte, S. 158 f.; ders.: Entstehung, S. 96 – 107. Havet: Œvres, S. 329 – 339, der die Le Mans-Hypothese anerkannte, argumentierte, die Fälschungen aus Le Mans seien

Überlieferung, Edition und Forschungsstand

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Einer der ersten und einflussreichsten Gegner der Le Mans-Hypothese war ­ asserschleben. Er verwarf die Argumentation Simsons in weiten Teilen. In dem W angeblichen Schreiben Gregors  IV. sah jedoch auch er „Spuren pseudoisidorischer Tendenzen“69. Er argumentierte, dass es mehrere Gründe gebe, die dafür sprächen, dass der Text nachträglich Eingang in diejenige Version der Actus gefunden habe, in der er aus Le Mans überliefert ist. Er müsse nicht ursprünglich Bestandteil desselben ge­­ wesen sein. Zudem verwies er oberflächlich auf die unsichere Überlieferungssituation des Textes 70, die bei Simson und Fournier nicht einmal Erwähnung gefunden hatte. Wasserschleben legte sich bezüglich der Herkunft und des Urhebers der Dekretale und in der Frage, ob dieser mit Pseudoisidor gleichzusetzen sei, allerdings nicht fest. Auch Paul Hinschius widmete sich im Rahmen seiner Edition der pseudoisidorischen Dekretalen JE † 257971. Er stellte den Text des Briefes Auszügen aus den Quellen gegenüber, die sowohl dem Fälscher der Gregor-Dekretale als auch dem Urheber der pseudoisidorischen Dekretalen als Vorlage gedient hatten. Hinschius war der Ansicht, dass der falsche Brief Gregors nach den pseudoisidorischen Dekretalen und eventuell in Anlehnung an diese, jedoch nicht von Pseudoisidor selbst verfasst worden sei 72. Auch Ferdinand Lot kritisierte nach anfänglicher Zustimmung die Thesen S­ imsons und Fourniers energisch, hielt sich aber bei seiner Argumentation nicht mit quellen­ kritischen Überlegungen zur Überlieferung des Textes auf. Das führte dazu, dass ein Großteil seiner Thesen einer soliden Grundlage entbehrt. Er setzte für JE † 2579 eine Entstehung nach dem Tode Gregors IV. (844) und vor dem Tode Aldrichs von Le Mans (857) an, was nach seiner Meinung eine mehr oder weniger parallele und

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den Chorbischöfen gegenüber wohlwollend eingestellt, es sei sogar wahrscheinlich ein ­solcher Chorbischof der Urheber der Actus. Seine These wurde abgelehnt von Fournier: ­Études, S. 303 – 305 und 780 f.; Simson: Pseudoisidor und die Le Mans-Hypothese, S. 3 – 22. Goffart: Forgeries, S. 201 – 206, interpretierte die Aussagen in den Fälschungen aus Le Mans ähnlich wie Havet als grundsätzliche Zustimmung zum Amt der Chorbischöfe und folgte für die falschen Dekretalen der Ansicht von Seckel: Pseudoisidor, S. 282, Z. 19 – 36, Pseudo­ isidor sei ein Feind der Chorbischöfe. Zechiel-Eckes: Exterminator, S. 188 – 190, wies hingegen darauf hin, dass die Chorbischöfe nur in zwei Briefen im dritten Teil der falschen Dekretalen ausdrücklich bekämpft werden, und vermutete, dass die Ablehnung des Chor­ episkopats kein ursprünglich wichtiges Ziel für Pseudoisidor gewesen war, sondern erst im Verlauf der Fälschungsarbeiten als Thema aufgegriffen wurde; vgl. dazu zustimmend ­Patzold: Episcopus, S. 223 (mit Anm. 263). Wasserschleben: Vaterland, S. 246. Diese Parallele genügte Wasserschleben jedoch nicht, um die Le Mans-Hypothese als beweiskräftig anzusehen. Ebd., S. 247. Wasserschleben betonte auch, dass der falsche Brief Gregors IV. in Form und Inhalt deutlich von den sonstigen Teilen der Actus abweicht. Hinschius: Decretales, S. CLXXXVII-CXCV. Ebd., S. CXCV.

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Eine weitere pseudoisidorische Fälschung? Eine Dekretale Gregors IV.

voneinander unabhängige Entstehung der Gregor-Dekretale in Le Mans und den pseudoisidorischen Falsifikaten an einem anderen Ort bedeutete 73. Davon abweichend argumentierte Lurz. Als weiterer Kritiker der Le Mans-­Hypo­ these sah er jedoch in der Existenz des gefälschten Briefes und in den Parallelen zu den pseudoisidorischen Dekretalen das einzige Element in Simsons Beweisführung, dem Gewicht beizumessen sei. Lurz nahm wie Hinschius eine zeitliche Vorrangstellung der falschen Dekretalen an und setzte für diese eine Entstehung zwischen 846 und 852 voraus. Er verwarf die Ansicht Simsons zum Ursprung des Textes in Le Mans, setzte sich aber auch nicht mit der Überlieferung auseinander. Für Lurz war das Schreiben eindeutig ein Produkt Pseudo­isidors 74, sein solide begründetes und abgewogenes Urteil scheint jedoch nicht rezipiert worden zu sein. Die langfristigste Wirkung entfaltete auch in diesem Zusammenhang die Ansicht Seckels. Dieser hielt sich nur am Rande mit der Le Mans-Hypothese auf und fasste einige entscheidende Gegenargumente in seinem Lexikonartikel zu Pseudoisidor zusammen 75. Seine Äußerungen zu JE † 2579 zeugen jedoch von einer nur oberfläch­ lichen Auseinandersetzung mit dem Schreiben selbst. Wie die meisten seiner Vorgänger ignorierte auch Seckel die gesamte von Paris, lat. 1557, abhängige Überlieferungs­ tradition und stützte seine Thesen ausschließlich auf Paris, Sammlung Baluze 45, obwohl er Hampes Edition bereits kennen musste. Er sah es durch Hinschius als er­­ wiesen an, dass „weder Pseudoisidor den Brief noch der Brief Pseudoisidor benutzt“ 76 hat. Dabei hatte Hinschius lediglich gezeigt, dass es keine wörtlichen Parallelen zwischen falschen Dekretalen und dem Gregor-Brief gibt. Tatsächlich zitiert sich Pseudoisidor aber nur selten selbst. Durch die vielen kleinen Abwandlungen im Wortlaut seiner Vorlagen und die wenigen wörtlichen Übernahmen innerhalb des 73 Davon abweichend Lot: La question, S. 290 – 299, insbes. S. 293 – 295. In diesem Aufsatz sah Lot JE † 2579 noch als erste Stufe pseudoisidorischen Schaffens an, vgl. ebd., S. 294. Diese Ansicht revidierte er dann in der oben dargestellten Weise über ein Vierteljahrhundert später in ders.: Textes (1941), insbes. S. 9 – 13. Zu diesem Zeitpunkt ging Lot davon aus, dass nur Aldrich der Urheber des Schreibens sein könne, vgl. ebd., S. 13. 74 Lurz: Heimat, S. 73: „Aber auch die Benützung der Quellen, die ganze Art und Weise, wie er zusammengeflickt ist, erinnert so sehr an Pseudo-Isidor, dass es mehr wie unwahrscheinlich ist, die Dekretale […] sei anderswo als in der pseudoisidorischen Werkstätte selbst ­fabriziert worden.“ Bezüglich der Einbettung des Textes in die Actus ging Lurz davon aus, dass der Text zu einem späteren Zeitpunkt nach Le Mans gelangt sei. Er betonte, es existierten keine Hinweise dafür, „dass die Dekretale wirklich geltend gemacht worden oder Aldrich nur zu Gesicht gekommen sei […]“. Er fuhr ebd., S. 74, fort: „Jedenfalls kam sie [die Dekretale] nach Le Mans, der Fortsetzer der Bistumsgeschichte fand dieselbe und reihte sie seinem Werke ein.“ 75 Seckel: Pseudoisidor, S. 277, Z. 36-S. 278, Z. 58. 76 Ebd., S. 278, Z. 36 f.

Überlieferung, Edition und Forschungsstand

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Fälschungskomplexes verhalf er diesem zu größerer Authentizität. Seckels Argument überzeugt in diesem Zusammenhang nicht. Gegen eine Autorschaft Pseudo­isidors an dem Schreiben führte er außerdem an, beide, falsche Dekretalen und der gefälschte Brief Gregors IV ., seien in Detailfragen nicht vollkommen deckungsgleich 77. ­Dieser Einwand ist nicht nachvollziehbar angesichts der – Seckel bekannten – viel­fältigen Widersprüche, die sich innerhalb des pseudoisidorischen Œuvres zeigen 78. Ging es ihm vor allem um die Ablehnung der Le Mans-Hypothese, so schoss er bei der Be­­urteilung der Dekretale unnötigerweise über das Ziel hinaus, als er sich ohne ­weitere Be­­gründung auf Le Mans als wahrscheinlichsten Entstehungsort für JE † 2579 festlegte 79. Es muss festgehalten werden, dass sich weder Verfechter noch Kritiker der Le Mans-Hypothese ausreichend mit der falschen Dekretale Gregors  IV. auseinandergesetzt haben. Bis auf Wasserschleben haben alle erwähnten Historiker eine Ein­ deutigkeit der Überlieferung postuliert, die es nie gegeben hat. Der Codex Paris, lat. 1557, war auch im 19. Jahrhundert hinreichend bekannt, insbesondere nach dem Erscheinen der Edition Hampes kann diesbezüglich keinerlei Unklarheit mehr vorhanden gewesen sein. Selbst ohne den Zusammenhang zwischen der Handschrift und Paris, Bibliothèque nationale, lat. 9629, zu kennen, hätte es zumindest einer Erwähnung, wenn schon nicht argumentativer Berücksichtigung dieser ältesten Überlieferungs­ tradition bedurft. Vollkommen unverständlich erscheint das Urteil Seckels, der die von W ­ asserschleben und Lurz eingeräumten Parallelen zwischen falschen Dekre­talen und JE † 2579 rundheraus leugnete. Seine diesbezügliche Festlegung scheint aber dazu geführt zu haben, dass in der Pseudoisidor-Forschung jegliches Interesse an dem vermeintlichen Brief Gregors IV. erlosch.

6.2.3.2  Fiktion oder Wahrheit?

Abgesehen von den letzten Ausläufern der Le Mans-Hypothese hat die Mediävistik des 20. Jahrhunderts JE † 2579 weitestgehend ignoriert. Ausführlich widmete sich dem Schreiben nur noch Goffart, der sich grundlegend mit den Fälschungen aus Le Mans beschäftigte und in diesem Zusammenhang die Analyse der Dekretale nicht vermeiden konnte. In seiner diesbezüglichen Einzelstudie stellte er die These auf, der 77 Ebd., S. 278, Z. 38 – 40. 78 Vgl. Seckels Zusammenfassung des Inhalts der pseudoisidorischen Dekretalen und ihrer ­Tendenzen ebd., S. 279 – 284. Von besonderem Interesse ist dabei S. 284, Z. 39 f., wo Seckel selbst feststellt, dass das pseudoisidorische Fälschungswerk „stark mit Widersprüchen durchsetzt“ gewesen sei. 79 Ebd., S. 278, Z. 46 – 53.

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Eine weitere pseudoisidorische Fälschung? Eine Dekretale Gregors IV.

Brief sei entgegen der gängigen Ansicht doch authentisch – stehe also weder mit den Fälschungen aus Le Mans noch mit dem pseudoisidorischen Fälschungskomplex in Zusammenhang 80. Diese Annahme wurde recht bald energisch zurückgewiesen und fand auch in der Folge keine Anhänger 81. In der jüngeren Forschung fand der Brief auch Erwähnung bei Ubl. Dieser erinnerte vor dem Hintergrund der neuen Erkenntnisse über die Entstehung der pseudoisidorischen Dekretalen an die Gregor-Dekretale und regte eine Neubeschäftigung mit dem Text an. Dabei zeigte er die grundsätzliche Möglichkeit auf, dass der Text doch authentisch sein könne. In eine ähnliche Richtung wies vor Kurzem auch Johannes Fried 82. Eines der schlagkräftigsten Argumente gegen die Echtheit der Dekretale war die Tatsache, dass man es für unmöglich hielt, dass eine pseudoisidorische Sammlung, die für den Brief als Textgrundlage diente, bereits 833 kursiert sein könnte. Ubl hat da­rauf verwiesen, dass davon auszugehen ist, dass bereits in den 830er Jahren die Arbeit am Fälschungswerk begann. Wie bereits diskutiert, könnten Vorarbeiten im Sinne einer ersten Materialsammlung durchaus vor der Eskalation des Konflikts zwischen Ludwig und seinen Söhnen 833 und dem Schauprozess von Diedenhofen 835 erfolgt sein. Radberts im Epitaphium Arsenii erwähnte Kompilation zur Untermauerung der päpstlichen Autorität mag genau dies gewesen sein und kann auch als Basis für den Brief JE † 2579 gedient haben 83. In ebendiese Richtung argumentierte zuletzt 80 Goffart: Gregory IV. Er wiederholte seine Ansicht in ders.: Forgeries, S. 68. Goffart warf die These auf, Radbert von Corbie könne den Brief für den Papst in dessen Auftrag abgefasst haben, als Gregor IV. im Lager Lothars bei Colmar weilte, was nach derzeitigem Forschungs­ stand doch einen Bezug der Dekretale zu Pseudoisidor bedeuten würde. Die meisten Argumente Goffarts sind dabei kaum mehr als Spekulation, seine quellenkritischen Anmerkungen basieren auf falschen Annahmen. Völlig unverständlich erscheint seine Bemerkung ebd., S. 31 (Anm. 44), dass die Dekretale kein pseudoisidorisches Gedankengut beinhalten würde, siehe S. 202 – 208. 81 Benson: Plenitudo Potestatis, S. 200 f. (mit Anm. 25), schloss sich Goffarts Thesen an. Dagegen in seiner Rezension der Studie Lohrmann: Gregory IV. Zwar ist Goffarts Argumentation durchaus fragil, jedoch konzentrieren sich die äußerst knappen Ent­gegnungen Lohrmanns nicht auf die entscheidenden Schwach­stellen. Goffart legte den Schwerpunkt seiner Beweisführung auf die Überlieferung. Dabei ging er aber von falschen Prämissen aus, hing er doch der Ansicht an, der Codex Paris, BnF, lat. 1557, sei eine italienische Handschrift des 10. Jahrhunderts. Auch der Reimser Codex, Bibliothèque municipale, 672, war ihm als Überlieferungsträger der Dekretale unbekannt, sodass Goffart: Gregory IV, S. 27, zu dem Schluss kam, der Brief „left no traces north of the Alpes expect in Le Mans itself “. Diese Aussage und die auf ihr gründende Argumen­tation Goffarts ist, wie gezeigt wurde, nach heutigem Forschungsstand nicht länger haltbar. 82 Ubl: Mehrwert, S. 203 f. Fried: Donation, S. 101 – 103, benennt Wala und Radbert als mögliche Urheber des Briefes, die dabei in Abstimmung mit Gregor IV. gehandelt hätten. 83 Siehe S. 83 – 94.

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auch Knibbs. Ausgehend von den Thesen zum Ursprung der pseudoisidorischen Fälschungen in Corbie, plädierte er dafür, den Text als authentisch und gleichzeitig als von Pseudoisidor verfasst anzusehen. Für Knibbs ist die Tatsache evident, dass JE † 2579 ein Produkt derjenigen Personen sein müsse, die auch die pseudo­isidorischen Fälschungen zu verantworten haben. Er nahm an, dass Wala und Paschasius ­Radbertus auf Grundlage der 833 bereits in zitierfähiger Form vorliegenden Hispana Gallica Augustodunensis die Dekretale tatsächlich als Schutzbrief für Aldrich mit Zu­­stimmung Gregors IV. verfassten 84. Bezüglich der Datierung der Dekretale müssen noch einige grundsätzliche Über­­legungen hinzugefügt werden. Fast alle genannten Historiker haben den Aus­ stellungszeitpunkt in irgendeiner Form innerhalb ihrer Argumentation als Ansatzpunkt gebraucht. Zuletzt baute Knibbs seine gesamte Argumentation darauf auf, ging vor allem auf die politische Situation im Sommer 833 ein und vernachlässigte da­­rüber quellenkritische Argumente 85. Diejenigen, die den Brief als Fälschung ansahen, argumentierten zumeist, das Datum sei später von einem unwissenden Kompilator in die in den Actus überlieferte Version eingefügt worden und nicht ursprünglich Teil der Fälschung gewesen 86. In dieser Frage sollte bedacht werden, dass nur die Über­ lieferung aus Le Mans das Datum beinhaltet, also eine neuzeitliche Abschrift eines verlorenen mittelalterlichen Codex 87. Es ist nicht mehr zu rekonstruieren, wie und wann diese Datumsangabe in die Überlieferung aus Le Mans eingegangen ist. Im zweiten Überlieferungsstrang, ausgehend von Paris, Bibliothèque nationale, lat. 1557, fehlt die Datierung gänzlich. Sie scheint daher nicht geeignet zu sein, einen Hinweis auf die Entstehung des Schreibens, seine mögliche Echtheit oder seine Verbindung zu Pseudoisidor zu liefern. Trotz der Gedankenspiele von Knibbs, Ubl und Fried gilt derzeit und bis auf ­Weiteres die Gregor-Dekretale als Fälschung. Dies hat neben den noch zu disku­ tierenden Parallelen zu den pseudoisidorischen Fälschungen vor allem einen Grund: Die Quellen kennen keinen konkreten Anlass für Gregor IV., Aldrich von Le Mans einen Schutzbrief auszustellen. Goffart hatte spekuliert, dass der Brief eine versöhnliche Geste gewesen sei. Papst Gregor habe sich durch die überraschende Absetzung Ludwigs überrumpelt und von der Partei Lothars ausgenutzt gefühlt und den w ­ enigen kaisertreuen Bischöfen, mit denen er kurz zuvor noch in argem Streit gelegen hatte und die ihm ihrerseits mit Absetzung gedroht hatten, die Hand zum Frieden ­reichen 84 Knibbs: Pseudo-Isidore, S. 29 – 34. 85 Ebd., S. 5 – 7 (mit Anm. 7), geht Knibbs nur knapp auf die Überlieferungssituation ein. 86 Z. B. Seckel: Pseudoisidor, S. 278, Z. 48 – 51. Vgl. dagegen Knibbs: Pseudo-Isidore, S. 34. 87 Während Goffart: Gregory IV, S. 27 (Anm. 24), diese Tatsache noch erwähnte, hielt Knibbs: Pseudo-Isidore, diese Information nicht mehr für erwähnenswert. Beide nehmen das Datum als authentisch an.

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Eine weitere pseudoisidorische Fälschung? Eine Dekretale Gregors IV.

wollen 88. Diese Deutung erscheint aus mehreren Gründen problematisch. Die Überlieferung selbst spricht dagegen, ebenso der redundante Charakter des Schreibens. Selbst wenn Gregor IV. dem aus seiner Sicht aufsässigen Bischof die Gnade des Schutzes mit einer gehörigen Portion Belehrung über die eigene päpstliche Autorität zukommen lassen wollte, wirkt das Schreiben doch nur wenig zweckmäßig. Abgesehen davon stellt sich die Frage, warum nur für Aldrich ein solches Schreiben ausgestellt worden sein soll und nicht für andere kaisertreue Bischöfe, wie zum Beispiel Drogo von Metz, Modoin von Autun oder Willerich von Bremen, die 833 ebenfalls treu zu Ludwig standen 89. Insbesondere Drogo, der Halbbruder des Kaisers, wäre ein sehr geeig­neter Kandidat gewesen, um die große Gnade der siegreichen Partei zu belegen. Walter Goffart und Eric Knibbs nehmen es als selbstverständlich, dass Aldrich aufgrund seiner Treue zu Ludwig eines Schutzes bedurfte. Dabei hüllt sich nicht nur der Brief selbst über die Umstände der möglichen Verfolgung in Schweigen, sondern es gibt auch keine ­anderen Quellen, die darauf hinweisen, dass Aldrich nach Lothars Sieg über Ludwig in politische Schwierigkeiten geraten wäre. Auch von einer Benutzung des Schreibens durch Aldrich oder einer Rezeption durch Dritte wissen wir nichts 90. Diese Tatsachen sprechen eher gegen als für die Authentizität des Schreibens.

6.3  JE † 2579 und Pseudoisidor 6.3.1  Vorlagen und Parallelen zu den falschen Dekretalen Die Ähnlichkeiten zwischen dem falschen Gregor-Brief und den falschen Dekretalen wurden in der Analyse des Briefes bereits offenbar. Doch nicht nur der inhaltliche Gehalt des Schreibens weist in die Richtung Pseudo­isidors. Die Komposition des Schreibens und die ihm zugrunde liegenden Vorlagen sind wichtige weitere Indizien, um seinen Ursprung zu bestimmen. Bereits eine oberflächliche Durchsicht der Edition offenbart, dass bei der Erstellung der Gregor-Dekretale in erster Linie Briefe Innozenz’ I. und Leos I. als Basis gedient haben. Diese waren auch eine wichtige Grundlage bei der Erstellung der falschen 88 Goffart: Gregory IV, S. 22, 30 f. und 35 f. Knibbs: Pseudo-Isidore, S. 20 – 24 und 33 f., folgt in weiten Teilen dieser Argumentation, verortet jedoch die Initiative zur Erstellung des Schreibens eher bei Wala und Radbert und stellt Gregor IV. als passiv und lediglich mit dem Vorgehen einverstanden dar. 89 Vgl. Goffart: Gregory IV, S. 22 (Anm. 3). 90 Zur mittelalterlichen Rezeption des Schreibens in der 74-Titel-Sammlung und weiteren kanonistischen Sammlungen vgl. Jasper/Fuhrmann: Letters, S. 103 (mit Anm. 60).

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Dekretalen, ebenso wie alle weiteren Quellen, die dem falschen Brief zugrunde liegen 91. Doch bei Pseudo­isidors umfangreichem Quellenfundus kann es nicht überraschen, dass das von ihm verwendete Material auch in anderen Texten der Zeit auftauchte, zumal keine der im Gregor-Brief verwendeten Quellen als besonders exotisch gelten kann. Entscheidender ist die Art der Verwendung der Quellen, die derjenigen in den falschen Dekretalen stark ähnelt. Der zentrale Rechtsinhalt des Schreibens ist der päpstliche Schutz für Aldrich von Le Mans vor einer Anklage beziehungsweise die jurisdiktionelle Zuständigkeit des Papstes in einem solchen Fall. Als Begründung verweist der Verfasser auf die herausgehobene Machtstellung des apostolischen Stuhls in der Kirche 92. Dieser Teil der Argumentation geht auf die Gedanken Leos des Großen (440 – 461) zurück und stammt aus dem gleichen Schreiben, aus welchem bereits die Einleitung der Dekretale entlehnt ist. In dem Brief schrieb Leo an Anastasius von Thessaloniki, dass die Apostel und folgerichtig auch die Bischöfe an Würde gleich, jedoch nicht zur ­gleichen Teilhabe an der Macht berechtigt seien 93. Der Streitpunkt zwischen Leo I. und dem Bischof von Thessaloniki lag jedoch in Fragen der religiösen Praxis. Der Fälscher des Gregor-Briefes überträgt den bei Leo formulierten Anspruch jedoch auf die Rechtsprechung, konkret auf den Fall des Aldrich von Le Mans. Genauso war auch Pseudoisidor vorgegangen. In mehreren Briefen ermahnen die Pseudo-Päpste den Episkopat mithilfe dieser Begründungen, ihren Entscheidungen in Rechtssachen, Bischofsprozesse betreffend, nicht vorzugreifen 94. Der jurisdiktionelle Kontext, in den die Worte Leos I. eingesetzt werden, ist also in dem Brief Gregors IV. und in den pseudoisidorischen Dekretalen derselbe. Es folgen eine Variation dieser Anordnung und der unvermeidliche Verweis auf die kirchenrechtliche Tradition. Niemand solle sich dem päpstlichen Befehl widersetzen, 91 Auszüge aus dem Konzil von Sardika (343), den afrikanischen Konzilien, dem Codex Theodosianus und den Briefen der Päpste Siricius I. (384 – 399), Coelestin I. (422 – 432), Felix III. (483 – 492), Anastasius II. (496 – 498). Vgl. die Quellenübersicht der falschen Dekretalen bei Hinschius: Decretales, S. CXVI-CXXVII. 92 Ps.-Gregor IV., JE † 2579, ed. Hampe (MGH Epp. 5), S. 73, Z. 19-S. 74, Z. 9. 93 Leo I., JK 411, Kap. 1, Migne PL 54, Sp. 671B: Sed etiam si quid grave intolerandumque committeret, nostra erat exspectanda censura, ut nihil prius ipse decerneres, quam quid nobis placeret agnosceres. Vices enim nostras ita tuae credidimus charitati, ut in partem sis vocatus sollicitudinis, non in plenitudinem potestatis. Vgl. zur Interpretation dieser Passage ­Benson: Plenitudo Potestatis, S. 196 – 200. Vgl. zu dieser Passage in JE † 2579 auch ausführlich Knibbs: Pseudo-Isidore, S. 25 f. 94 Bereits im kritischen Apparat bei ed. Hampe (MGH Epp. 5), S. 74, Anm. 2: Ps.-Sixtus II., JK † 134, Kap. 8, ed. Hinschius (Decretales), S. 193; Ps.-Julius, JK † 196, Kap. 19, ed. ZechielEckes (Blick), S. 87 f., Z. 338 – 345; Vigilius, JK 907, Kap. 7, ed. Hinschius (Decretales), S. 712. Hinzu kommt noch Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 1, ebd., S. 223. Siehe S. 124 – 128.

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Eine weitere pseudoisidorische Fälschung? Eine Dekretale Gregors IV.

da „die Autorität des heiligen Rechts“ sowie die „Verordnungen unserer [Gregors IV.] Vorgänger“ festgesetzt hätten, dass ein angeklagter Bischof an den Papst appellieren und zu ihm flüchten dürfe, damit dieser die Strafsache persönlich oder durch Vertreter im Rahmen einer Beratung mit den Bischöfen in der jeweiligen Provinz entscheiden könne 95. Wie von Hampe richtig erkannt wurde, leitet sich dieser Gedanke aus dem siebten Kanon der Synode von Sardika (343) ab 96. Der Editor hat jedoch übersehen, dass auch der Verfasser der pseudoisidorischen Dekretalen sich mehrfach auf die sardischen Beschlüsse stützte, um die apostolische Macht zu erhöhen. Und genau in diesem Sinne verfährt auch der Verfasser des Gregor-Briefes. In beiden Fälschungen kann man dieselbe Umdeutung des sardischen Kanons finden: Das weitere Verfahren wird nach einer Appellation des Angeklagten an den römischen Bischof von dessen Autorität abhängig gemacht. Ein Urteil ist direkt vom Papst oder von der Synode in Übereinstimmung mit den päpstlichen Legaten zu fällen 97. Auch die weitere Argumentation folgt einem pseudoisidorischen Muster. Gregor verweist bezüglich der zuvor beschriebenen Verfahrensweise auf eine Anordnung Innozenz’ I.: Wenn wichtige Angelegenheiten im Interesse des Gemeinwohls anfallen sollten, dann sollen sie vor den apostolischen Stuhl, wie es die Synode von Nicäa bestimmt hat und die selige Gewohnheit es verlangt, gebracht werden […]98.

Diese Passage ist in zweierlei Hinsicht bemerkenswert. Zum einen wird ein Abschnitt aus einer echten Innozenz-Dekretale verwendet, die folgenden Wortlaut hat:

95 Ps.-Gregor IV., JE † 2579, ed. Hampe (MGH Epp. 5), S. 74, Z. 19 – 23: […] cum et auctoritate canonum et praedecessorum nostrorum decretis sancitum sit, ut episcopus accusatus, si voluerit, appellet Romanum pontificem et ad eum, si libuerit, confugiat, ut ab eo eius audiatur causa aut ipse e latere suo legatos, qui eam audiant, mittat, qui uiste omnibus cum episcopis conprovincialibus eius auctoritate iudicent […]. 96 Konzil von Sardika, Kap. 7, ed. Turner (EOMIA 1, 2, 3), S. 447 (Rubrik) und S. 460 f. Vgl. dazu auch die Interpretation von Hess: Canons, S. 122 f. 97 Vgl. insbes. Ps.-Viktor I., JK † 74, Kap. 5, ed. Hinschius (Decretales), S. 128; Ps.-Julius, JK † 196, ed. Zechiel-Eckes (Blick), S. 76, Z. 124-S. 77, Z. 131. Siehe S. 131 – 134.Vgl. zu dieser Passage auch Knibbs: Pseudo-Isidore, S. 24 f. 98 Ps.-Gregor  IV., JE † 2579, ed. Hampe (MGH Epp. 5), S. 74, Z. 24-S. 75, Z. 2: Et sanctae recordationis Innocentius antecessor noster inter cetera sic ait: Si causae maiores in medio fuerint devolute, ad sedem apostolicam, ut Niçena sinodus definivit et beata consuetudo exigit referantur […].

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Wenn wichtige Angelegenheiten vor die Versammlung gebracht wurden, dann sollen sie – wie es die Synode beschloss und der heilige Brauch fordert – nach dem bischöflichen Urteil an den apostolischen Stuhl mitgeteilt werden 99.

Dieses Zitat war, wie bereits gezeigt wurde, auch ein wichtiger Baustein für die pseudo­ isidorischen Dekretalen, um die päpstliche Autorität zu stärken 100. Zum anderen zitiert der Briefschreiber hier die Worte Innozenz’ nach der pseudoisidorischen Version der Hispana 101. Auch die Art und der Kontext, in denen der unbekannte Briefschreiber Innozenz’ Worte zitiert, sind zu beachten. Innozenz spricht davon, dass die von den Provinzialbischöfen in den wichtigen Angelegenheiten getroffenen Entscheidungen nach Rom gemeldet werden sollen. Im Gregor-Brief hingegen wird durch den voran­ gegangenen Text das Zitat dergestalt gedeutet, dass der Papst diese causae maiores entscheiden soll, was ein maßgeblicher Unterschied zur Vorlage ist. Die gleichen weitreichenden Konsequenzen werden mit dem Innozenz-Zitat auch in den falschen Dekretalen verbunden 102. Darüber hinaus wird in das Zitat aus dem Innozenz-Brief der nicht unerhebliche Verweis auf das erste ökumenische Konzil von Nicäa (325) eingeschoben, was darum naheliegt, weil Innozenz selbst auf diese ­Synode verweist 103. Nun hatte bereits Innozenz den Inhalt der nicänischen Beschlüsse in seinem Brief sehr frei interpretiert, so weit wie der Verfasser von JE † 2579 war er jedoch nicht gegangen. Bei Pseudoisidor gibt es hingegen eine entsprechende Rezeption vermeintlich nicänischer Kanones, nämlich im dritten Brief des Pseudo-Julius 104. Eine doppelte, textliche und geistige, Verwandtschaft zwischen Pseudoisidor und dem Gregor-Brief tritt bereits an dieser kurzen Stelle eindeutig hervor. Die nächsten drei Absätze von JE † 2579 stützen sich maßgeblich auf den Brief Leos des Großen an den Bischof von Thessaloniki, der zu Beginn des Schreibens

99 Innozenz I., JK 286, Kap. 3, Migne PL 20, Sp. 473A: Si majores causae in medio fuerint devolutae, ad sedem apostolicam, sicut synodus statuit, et beata consuetudo exigit, post judicium episcopale referantur. 100 Zwölf Parallelstellen innerhalb der falschen Dekretalen, siehe S. 121 – 124 sowie Tabelle 1, S. 245 – 266. 101 Vgl. ed. Hampe (MGH Epp. 5), S. 74 f. (mit Anm. 1); Goffart: Gregory IV, S. 37. Knibbs: Pseudo-Isidore, S. 10, zieht daraus den Schluss, dass der Urheber der Dekretale eine fertige Version der Hispana Gallica Augustodunensis vorliegen hatte. Dies ist nicht zwangsläufig notwendig, die Hispana Gallica Augustodunensis kann ebenso später zusammengestellt worden und der Text dann in gleicher Weise dort eingeflossen sein. 102 Siehe S. 121 – 124. 103 Vgl. den Beginn des Kapitels bei Innozenz I., JK 286, Kap. 3, Migne PL 20, Sp. 472A: […], ut secundum synodum Nicaenam […]. 104 Vgl. Ps.-Julius, JK † 196, Kap. 12, ed. Zechiel-Eckes (Blick), S. 76, Z. 117 – 123.

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Eine weitere pseudoisidorische Fälschung? Eine Dekretale Gregors IV.

bereits als Vorlage herangezogen wurde 105. Dabei wird keineswegs einfach das Kapitel mit leichten Veränderungen abgeschrieben, sondern die Entlehnungen sind ganz unterschiedlicher Natur. Zunächst verweist Gregor IV. auf seine Verpflichtung, sich für die Bewahrung der Würde der Kirche und der priesterlichen Rechte einzusetzen 106. Die Vorlage dafür entstammt fast wortwörtlich dem elften Kapitel der Dekretale Leos des Großen. Darin heißt es, die Einheit der Kirche sei nicht durch Streitigkeiten in seiner Diözese zu gefährden. Denn auf dieses Ziel richten wir [Leo] all unsern Sinn und unsere Sorge, dass, was die Einheit der Eintracht und die Beobachtung der Disziplin angeht, durch keine Zwietracht beschädigt, durch keine Fahrlässigkeit vernachlässigt werde 107.

Diese Passage wird auch in einer Dekretale Pseudo-Julius annähernd wörtlich zitiert 108. Doch darin erschöpfen sich die Parallelen zwischen dem falschen Gregor-Brief und den pseudoisidorischen Dekretalen an dieser Stelle keineswegs. In JE † 2579 schließt sich an das direkte Leo-Zitat die Ermahnung Gregors an, sich seinen Anweisungen nicht zu widersetzen. Er verweist abermals auf die besondere Autorität Roms, die Untersuchung aller kirchlichen Streitfragen durchzuführen sowie diese ab­­schließend entscheiden zu können 109. Dieser Gedanke entstammt dem gleichen Kapitel aus dem Brief Leos I. an den Bischof von Thessaloniki wie der vorhergehende. Die ­Formulierung Leos, dass „die Sorge für die gesamte Kirche zu dem einen Stuhle Petri zusammenfließen […] sollte“110, wird dabei sowohl im falschen Gregor-Brief als auch bei Pseudo­ isidor aufgegriffen und gehört zu den zentralen Aussagen des Fälschers 111. 105 Leo I., JK 411, Kap. 11, Migne PL 54, Sp. 675A-677A. 106 Ps.-Gregor IV., JE † 2579, ed. Hampe (MGH Epp. 5), S. 75, Z. 8 – 10: Nos vero ad hunc finem omnem nostrum affectum curamque dirigimus, ut quod ad exaltationem sanctae Dei ecclesię et quod ad custodiam et profectum pertinet sacerdotum, nulla dissensione violentur, nulla desidia neglegantur. 107 Leo I., JK 411, Kap. 11, Migne PL 54, Sp. 675A: Ad hunc enim finem omnem affectum nostrum curamque dirigimus, ut quod ad unitatem concordiae, et quod ad custodiam pertinet disciplinae, nulla dissensione violetur, nulla desidia negligatur. 108 Ps.-Julius, JK † 195, Kap. 9, ed. Hinschius (Decretales), S. 461: […] quatenus ea, quae sunt ab apostolis eorumque successoribus statuta, nulla desidia neglegantur, nulla dissensione violentur, nulla concertatione turbentur. 109 Ps.-Gregor IV., JE † 2579, ed. Hampe (MGH Epp. 5), S. 75, Z. 11 – 14. 110 Leo I., JK 411, Kap. 11, Migne PL 54, Sp. 676B: […] per quos ad unam Petri sedem universalis Ecclesiae cura conflueret […]. 111 Vgl. Ps.-Gregor IV., JE † 2579, ed. Hampe (MGH Epp. 5), S. 75, Z. 11 f.: […] ad sedem apostolicam, quo omnia ecclesiastica negotia, […] confluere iussa sunt, […]. Vgl. Knibbs: Pseudo-Isidore, S. 25 f.; siehe S. 124 – 128.

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Im nächsten Absatz des Gregor-Briefes wird gleichermaßen auf den Inhalt und zum Teil auf die Formulierungen Leos zurückgegriffen. Der Gedanke des zu bewahrenden kirchlichen Friedens wird abermals betont. Gregor erinnert die Bischöfe daran, dass sie nur dann an der apostolischen Autorität Anteil haben könnten, wenn sie ihrem Haupt, der römischen Kirche, Gehorsam leisteten. Sie werden ermahnt, dass sie die gleiche Untertänigkeit, die sie von ihren Untergebenen forderten, auch selbst ihrem Vorgesetzten, in diesem Falle natürlich dem Papst, zu leisten hätten 112. Der erste Teil dieser Passage beinhaltet ein Zitat aus einem echten Brief von Papst Anastasius II. (496 – 498) an den Kaiser Anastasius, das nur wenig, aber entscheidend modifiziert wurde. Den Verweis auf die Gehorsamspflicht konnte der Fälscher seiner Vorlage entnehmen. Er fügte jedoch noch hinzu, dass sich diese Folgsamkeit auf diejenigen Regeln beziehe, die von der römischen und apostolischen Autorität festgesetzt ­wurden 113. Die Vorlage ist an dieser Stelle nicht nur inhaltlich verändert, sondern auch massiv aus dem Zusammenhang gerissen worden 114, ganz im Sinne Pseudo­isidors. Dieser hat die echte Anastasius-Dekretale in seine Sammlung aufgenommen und lässt drei ­seiner falschen Päpste auch daraus zitieren 115. Der zweite Teil des Absatzes, in dem die ­Forderung nach der Unterordnung des Episkopats gegenüber dem römischen Bischof zum Ausdruck kommt, geht erneut auf Leo I. zurück 116. Die Auseinander­setzung Leos mit der von jeher rebellischen Diözese von Thessaloniki nutzte der Verfasser von J­ E † 2579 auf die gleiche Weise wie Pseudoisidor: Aus einer konkreten Anweisung in einem Einzelfall, in dem der Papst vor allem auf die Begrenzung des selbstherrlichen

112 Ps.-Gregor IV., JE † 2579, ed. Hampe (MGH Epp. 5), S. 75, Z.19-S. 76, Z. 5: Preceptis ergo apostolicis non dura superbia resistatur, sed per obedientiam, quę a sancta Romana et apostolica auctoritate iussa sunt, salutifere impleantur, si eiusdem sanctae ecclesię, que est capud vestrum, communionem habere desideratis. Qui autem se sciunt quibusdam esse praepositos, non ferant moleste aliquem sibi esse praelatum, sed oboedientiam, quam exigunt, etiam ipsi dependant. 113 Vgl. dagegen Anastasius  II., Ep. 1, JK 744, Kap. 6 (7), ed. Thiel (Epistolae Romanorum Pontificum), S. 620: […] evangelicis apostolicisque praeceptis non dura superbia resistatur, sed per obedientiam, quae sunt salutifera, compleantur. 114 Das Schreiben des Papstes Anastasius II. an den gleichnamigen Kaiser im Osten fällt in die Zeit des Acacianischen Schismas (484 – 519). Es ist als diplomatische Annäherung Roms an den Osten zu verstehen, indem der Papst versucht, den Konsens mit dem Kaiser und der Ostkirche über das Chalcedonense wieder herzustellen. Vgl. dazu Schwartz: Publi­zistische Sammlungen, S. 226 f.; Grillmeier: Jesus, Bd. 2, 1, S. 346 – 349; Caspar: Geschichte, Bd. 2, S. 82 – 84. 115 Ed. Hinschius (Decretales), S. 654 – 657. Als Vorlage dienten Pseudoisidor vor allem JK 744, Kap. II (3), Kap. IV (5) und Kap. VII (8), vgl. ebd., S. CXVI. 116 Leo I., Ep. 14, JK 411, Kap. 11, Migne PL 54, Sp. 676B: Qui ergo scit sequibusdam esse praepositum, non moleste ferat aliquem sibi esse praelatum, sed obientiam quam exigit, etiam ipse dependat […].

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Eine weitere pseudoisidorische Fälschung? Eine Dekretale Gregors IV.

Herrschaftsstils des Anastasius in dessen Diözese abzielt, wird eine generalisierende Aussage zur päpstlichen Kirchenherrschaft entwickelt. In diesem Sinne ist das gesamte Schreiben komponiert. Es ist deutlich mehr als eine Aneinanderreihung von Zitaten oder eine der Tradition entsprechende Rezeption seiner Vorlagen. Hier wird aus altem Material ein gänzlich neuer Rechtsinhalt konstruiert, mit dem eindeutigen Ziel, die jurisdiktionellen Befugnisse des aposto­ lischen Stuhls massiv auszubauen. Dieses Ziel stimmt mit einem der zentralen ­Anliegen Pseudo­isidors ebenso überein wie die Vorgehensweise, mit der dieses Ziel erreicht werden soll. Im Schreiben finden sich auch die in diesem Zusammenhang zentralen pseudoisidorischen Begriffe, wenn auch zum Teil in abgeschwächter Form. Neben den wichtigen Angelegenheiten (causae maiores), welche in den Zuständigkeits­bereich des Papstes fallen, ist zum Beispiel zu lesen, dass sich dem apostolischen Stuhle das Haupt der ganzen Welt (omnis orbis caput) zuneige 117. Auch die von Pseudoisidor gepflegte Bezeichnung der Priester als Thronsitze Gottes (throni Dei) gehören zum Vokabular der Gregor-Dekretale 118. Inhalt und Komposition des vermeintlichen Briefes G ­ regors IV. machen einen engen Bezug mit den falschen Dekretalen Pseudo­isidors offensichtlich.

6.3.2  JE † 2579 und die weiteren pseudoisidorischen Fälschungen Während die Ähnlichkeiten zwischen der gefälschten Dekretale Gregors IV. und den falschen Dekretalen auffällig groß sind und deswegen bereits des Öfteren im Fokus der Forschung standen, sind die Parallelen zwischen JE † 2579 und den ­falschen Kapitularien des Angilram und des Benedictus Levita deutlich geringer. Diese ­Beobachtung ergibt sich zwangsläufig, da die beiden letztgenannten pseudoisidorischen F­ älschungen dem Papsttum insgesamt deutlich weniger Bedeutung zumessen als die falschen Papstbriefe. Übereinstimmungen ergeben sich in erster Linie in Bezug auf die verwendeten Vorlagen. Die dargestellten Ähnlichkeiten zwischen der Dekretale und den pseudo­isidorischen Papstbriefen bei der Benutzung des siebten sardischen Kanons haben für die Kapitularien des Benedictus Levita und die Capitula Angilramni ebenfalls Geltung 119. Jedoch sind die wörtlichen Übereinstimmungen nur gering. Bei einem Zitat aus der Korrespondenz Innozenz’ ergibt sich eine zweite, fast wörtliche 117 Ps.-Gregor  IV., JE † 2579, ed. Hampe (MGH Epp. 5), S. 78, Z. 4. Zur Steigerung dieses Anspruches in den falschen Dekretalen siehe S. 112 – 116. 118 Ps.-Gregor  IV., JE † 2579, ed. Hampe (MGH Epp. 5), S. 80, Z. 10. Als Vorlage diente an dieser Stelle wie auch bei den falschen Dekretalen das elfte Konzil von Toledo, Kap. 5, ed. Vives, S. 358 – 360. Die Vorlage fand in den falschen Dekretalen und bei Benedictus Levita Verwendung, vgl. Hinschius: Decretales, S. CXXIX. 119 Siehe S. 148 – 152 und 161 – 164.

JE † 2579 als pseudoisidorische Fälschung?

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­ arallele zwischen der Dekretale Pseudo-Gregors IV. und den falschen Kapitu­larien P des ­Benedictus Levita 120. Darin erschöpfen sich bereits die konkreten Parallelen ­zwischen der gefälschten Dekretale Gregors  IV. und den beiden falschen Kapitularien der Fälscherwerkstatt. Während sich Letztere sehr stark auf das Prozessrecht und den Schutz der Bischöfe vor richterlicher Verfolgung konzentrieren, schien dem Verfasser des Papstbriefes eher daran gelegen zu sein, die herausragende Autorität des Papstes über die gesamte Kirche, auch (aber nicht ausschließlich) in Fragen der Jurisdiktion, herauszustellen. In dieser Hinsicht ähnelt das Schreiben dem pseudo­ isidorischen Chalkedon-Florileg. Auch mit diesem zielten die Fälscher darauf ab, die Macht des Papstes über die Kirche zu stärken. Der Schutz der Bischöfe steht hingegen weniger stark im Vordergrund als in den Capitula Angilramni und der Kapitularien­ sammlung des fiktiven Diakons Benedikt. Auch wenn die Dekretale JE † 2579 und die Chalkedon-Exzerpte weder formal noch textlich Übereinstimmungen aufweisen, zeigen sie deutlichere gedankliche Übereinstimmungen als der Pseudo-Gregor Brief und die beiden falschen Kapitularien. Es liegt nahe zu folgern, dass beide Texte auch in zeitlicher Nähe verfasst wurden und möglicherweise auf den gleichen geistigen Urheber zurückgehen.

6.4  JE † 2579 als pseudoisidorische Fälschung Es haben sich im Laufe dieser Untersuchung zahlreiche Hinweise ergeben, die alle dafür sprechen, dass der Brief, der unter dem Namen Gregors IV. überliefert wird und sich für den Schutz Aldrichs von Le Mans einsetzt, eine Fälschung Pseudo­isidors ist. Es existiert ein eindeutiger überlieferungsgeschichtlicher Bezug zwischen dem Schreiben und den falschen Dekretalen. Die inhaltlichen Parallelen und auch die Konstruktionsweise des Briefes, also die Verarbeitung der Vorlagen sowie ihre spezifische Auswahl, legen nahe, dass der Brief zu den pseudoisidorischen Fälschungen zu zählen ist. Die ganze Tendenz des Schreibens passt vor allem zu derjenigen der falschen Dekretalen und der Excerptiones de gestis Chalcedonensis concilii, sodass nach den Ergebnissen dieser Untersuchung eine Erstellung des Briefes in der Frühphase des Fälschungsunternehmens naheliegt. Möglicherweise griff man dabei auf eben jene Materialsammlung zurück, die man Gregor IV. 833 laut Radberts Bericht im Epitaphium Arsenii in Colmar vorgelegt hatte. Das Schreiben besitzt weder die inhaltliche noch kompositionelle Komplexität der falschen Dekretalen, stimmt jedoch in seiner Grundaussage und Zusammenstellung der Zitate mit diesen weitgehend überein. Insbesondere die ausführlichen Anleihen bei Innozenz I. und Leo dem Großen w ­ eisen in der Form ihrer Verfälschung auffällige Ähnlichkeiten mit den Dekretalen auf. 120 Siehe S. 166 – 168.

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Eine weitere pseudoisidorische Fälschung? Eine Dekretale Gregors IV.

Viele der oftmals genannten Gegenargumente derjenigen, die glaubten, dass Pseudo­ isidor nicht der Urheber des Schreibens gewesen sein könne, lassen sich nach k­ ritischer Prüfung nicht länger aufrechterhalten. Die quellenkritischen Unter­suchungen zur Überlieferung haben einen Großteil der Argumente widerlegt, die sich hauptsächlich auf die (strittige) Datierung der Dekretale bezogen. Auch die Behauptung, Pseudo­ isidor habe nicht so dreist sein können, im Namen eines noch lebenden oder vielleicht gerade verstorbenen Papstes einen Brief zu fälschen, entbehrt jeder beweiskräftigen Grundlage. Schließlich hatte der Fälscher im Falle der Kapitularien des falschen Benedikts auch keine Skrupel, die Kompilation als Auftrag eines soeben verstorbenen Bischofs zu tarnen. Wilfried Hartmann hat gezeigt, dass im mittleren 9. Jahrhundert Papst Nikolaus I. durchaus damit rechnete, dass F ­ älschungen in s­ einem Namen aus121 gestellt wurden  . Und es sollte hierbei der Maßstab der Bewertung selbst in Zweifel gezogen werden. Ist es wirklich möglich, dass ein Mensch, der über hundert Briefe im Namen der frühen Päpste fälschte, der in die Akten des Konzils von Chalkedon in eklatant verfälschender Weise eingriff, der den Kanones des ersten ökumenischen Konzils von Nicäa zahlreiche falsche Kanones hinzufügte, davor zurückgeschreckt sein sollte, einen Text zu fälschen, der im Namen eines zeitgenössischen Papstes verfasst wurde? Tatsächlich ist auch zu bedenken, dass wir von keinerlei Rezeption des Schreibens wissen. Seine wenig umfangreiche Überlieferung legt nicht nahe, dass es von seinem Urheber aktiv verbreitet wurde. Aldrich selbst hat es, sollte es ihm jemals vorgelegen haben, soweit wir wissen, niemals zu seiner Verteidigung vorgebracht. In meinen Augen sind nach den zusammengetragenen Erkenntnissen nur zwei ­Szenarien denkbar, wie der Brief entstanden sein könnte 122: Als Fälschung des P ­ aschasius Radbertus könnte er als erster Ausdruck verfasst worden sein in dem Versuch, den Schutz des Episkopats vor Verfolgung des Kaisers zu gewährleisten und die Autorität Roms zu stärken. Von Gregor IV. erwartete man keinerlei Widerstand gegen ein solches in seinem Namen verfasstes Schreiben, schließlich wusste sich der 121 Hartmann: Fälschungsverdacht, insbes. S. 121. 122 Nicht ausführlich diskutiert wurde hier die in völligem Gegensatz zur Überlieferung und Komposition des Schreibens stehende Ansicht von Scherer: Pontifikat, S. 184 – 194, dass der Brief eine (nicht-pseudoisidorische) Fälschung aus Le Mans sei. Diese Auffassung erscheint umso erstaunlicher, da Scherer die Handschriftentraditionen von JE † 2579 und die textlichen Zusammenhänge mit Pseudoisidor, ebd., S. 186 – 189, im Wesentlichen kennt. Wie sie von ihrer Einschätzung, dass die „gemeinsame Überlieferung mit pseudoisidorischen Fälschungen, die Verbreitung des Briefes im Nordfrankenreich und vor allem die Benutzung der Hispana Gallica Augustodunensis […] einen Zusammenhang mit der pseudoisidorischen Werkstatt“ nahelegen (S. 194), zu der abschließenden Bewertung kommt, die Entstehung der Fälschung sei „in Le Mans beziehungsweise im Umfeld des Aldricus am wahrschein­ lichsten“ (S. 193), erschließt sich mir nicht. Die hier vorgenommene kritische Analyse des Textes konnte zeigen, dass der Brief nicht auf Aldrich zugeschnitten ist, wie Scherer meint.

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Diakon ­Radbert mit dem Papst in politischer Übereinstimmung. Die Auswahl des A ­ dressaten Aldrich, der erwiesenermaßen ein Anhänger Ludwigs des Frommen war, sollte ­möglicherweise dem Zweck dienen, den Inhalt des Schreibens auch dem kaiser­ treuen Episkopat nahezubringen, welcher mit dem Papst eine heftige Kontroverse geführt hatte. Aus welchen Gründen auch immer verwarfen die Fälscher ­diesen Ansatz und verlegten sich stattdessen darauf, zahlreiche Dekretalen im Namen viel älterer Päpste und damit von größerer Autorität zu schaffen. Dies war zwar für den Prozess der Fälschungen aufwendiger, weil ja nicht nur Texte, sondern auch ein historisch plausibles Konstrukt erfunden werden musste, jedoch hatte es den unbestreitbaren Vorteil, dass durch die größere zeitliche Distanz eine Enttarnung der Fälschung unwahrscheinlicher wurde und die Autorität der vermeintlichen Urheber, der frühen (­Märtyrer-) Päpste, größer war. Der falsche Brief Gregors IV. wäre demnach kaum mehr als eine Fingerübung Pseudo­isidors und ein Teil seiner gewaltigen Materialsammlung 123. Der Text geriet in der Folge in Vergessenheit und überdauerte die Zeit – ähnlich wie die Excerp­tiones de gestis Chalcedonensis concilii – als Anhängsel in den genannten Pseudoisidor-Codices und Papstbriefsammlungen des Hoch- und Spätmittelalters. Von dort ausgehend, fand die Dekretale im 11. Jahrhundert Eingang in die Actus aus Le Mans, als diese dort einer ersten Erweiterung unterzogen wurden. Es sei zugestanden, dass dies nur eine Hypothese sein kann, die zwar sehr wahrscheinlich, nicht aber die einzig denkbare Lösung für das Problem um die GregorDekre­tale ist. Es ist immerhin im Bereich des Möglichen, dass der Text tatsächlich auf Gregor IV. zurückgeht. Im Sinne Goffarts und Knibbs’ könnte man annehmen, dass der Brief als Manifestation von Gregors autoritären Ansprüchen tatsächlich bei seinem Besuch in Colmar mithilfe der von Wala und Radbert vorgelegten Materialsammlung und vielleicht auch unter der Redaktion der Männer aus Corbie entstand. Gesteht man Gregor IV. zu, die Absicht gehabt zu haben, als neutraler Vermittler zu wirken, so ist es zumindest denkbar, dass er auch im Augenblick größter politischer Anspannung grundsätzlich den Schutz Aldrichs gewährleistet wissen wollte. Es wäre angesichts seines Konfliktes mit dem kaisertreuen Episkopat ein kluger Schachzug des Pontifex gewesen, einen der Ihren in Schutz zu nehmen und diesen Schutz gleichzeitig mit der eigenen, alles überragenden Autorität zu begründen. Diese Interpretation kann aber nur durch die schlüssige Beantwortung einiger offener Fragen hinsichtlich des historischen Kontexts überzeugen: Sollte sich Aldrich nach Ludwigs Sturz wirklich um den Schutz des Papstes bemüht haben, dem er kurz zuvor noch jegliche Zuständig­keit für die fränkischen Belange abgesprochen hatte? Oder sollte man annehmen, dass 123 Goffart: Gregory IV, S. 38 (Anm. 75), deutete diese Möglichkeit beinahe an, indem er einräumte, dass, falls bewiesen werden könnte, dass die Ereignisse von 833 und die Gegner Ludwigs des Frommen die Entstehung der pseudoisidorischen Fälschungen verursacht ­hätten, der Brief eine Inspirationsquelle für die Fälscher gewesen sein könnte.

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Eine weitere pseudoisidorische Fälschung? Eine Dekretale Gregors IV.

sich Wala und Radbert beim Papst für Aldrich eingesetzt haben? Warum? Und vor allem: Warum nur für ihn? Und warum wurde der Brief auch dann nicht verwendet, als Aldrich in späterer Zeit in Bedrängnis geriet? Und, um zu etwas handfesteren quellenkritischen Überlegungen zurückzukommen, wie passt eine solche Erklärung zu der Überlieferung des Schreibens und der Geschichte der Fälschungen aus Le Mans? Warum wurde es erst 200 Jahre nach seinem Entstehen in die Actus inseriert und blieb in den Gesta gänzlich unerwähnt? Bis diese Fragen zufriedenstellend beantwortet werden können, ist davon auszugehen, dass es sich bei JE † 2579 um eine Fälschung handelt, die von einem der Urheber der pseudo­isidorischen Fälschungen ersonnen wurde, möglicherweise von Paschasius Radbertus selbst.

7.  Der Papst und Pseudoisidor 7.1  Der Papst als Mittel zum Zweck Die vorliegende Untersuchung hat Bedeutung und Funktion des Papsttums in den pseudoisidorischen Fälschungen analysiert, ausgehend von den falschen Dekretalen. Die Sammlung trug in erheblichem Maße dazu bei, den Jurisdiktionsprimat Roms herauszubilden, wie ihn das Reformpapsttum seit dem 11. Jahrhundert einforderte und durchsetzte. Wie gezeigt wurde, entspricht diese Nachwirkung der Fälschungen im Wesentlichen der Bedeutung, die dem römischen Bischof in den pseudoisidorischen Dekretalen zukommt. Es sind dabei vier zentrale Aspekte zu unterscheiden: 1) Die Synoden werden dem Papst in den falschen Dekretalen als rechtsetzende Instanz untergeordnet. Sie werden zwar nicht vollkommen entmachtet, aber grundsätzlich vom apostolischen Stuhl abhängig gemacht, der die Versammlungen ein­berufen muss, um ihnen kirchenrechtliche Legitimation zu verleihen, und den Vorsitz über die Versammlungen ausübt. In allen causae maiores sind sie in der Zuständigkeit dem römischen Bischof nachgeordnet. Außerdem kann jedes Synodalurteil vom Papst für nichtig erklärt werden. 2) Die Bischöfe werden dem Schutz des Pontifex unterstellt. Dies äußert sich in erster Linie darin, dass dem Episkopat ein uneingeschränktes Appellationsrecht zugesprochen wird. Alle Anklagen und Verfahren gegen Bischöfe werden als wichtige Angelegenheit gekennzeichnet und fallen dadurch automatisch in den päpstlichen Jurisdiktionsbereich. Der Papst kann jederzeit Bischöfe restituieren. Die Wortwahl deutet in diesen Passagen darauf hin, dass die Bischöfe durch den Papst in erster Linie Verteidigung, nicht Verurteilung erwartet. 3) Die Selbstdarstellung der Pseudo-Päpste ist darüber hinaus äußerst macht­ bewusst. Schon die frühesten römischen Bischöfe vertreten den Anspruch, in F ­ ragen der Lehre und der Jurisdiktion als Haupt der Kirche aufzutreten, und der Ton ihrer Schreiben ist stark autoritär geprägt. Der apostolische Stuhl wird auch dadurch erhöht, dass die römische Kirche mit der apostolischen Tradition gleichgesetzt wird. 4) Schließlich ist auch die historische Illusion zu berücksichtigen, die die ­falschen Dekretalen schaffen. Papstbriefe werden auf einmal zur neuen Hauptquelle des ­Kirchenrechts und verweisen die Kanones auf den zweiten Platz. Es wird die Vor­ stellung konstruiert, dass einige der wichtigsten Beschlüsse bekannter Synoden gar nicht ursprünglich von diesen verfasst wurden, sondern den frühen Päpsten zuzuschreiben sind. Das autoritative Gebaren späterer Päpste wird bereits für die sehr frühe Zeit der christlichen Kirche behauptet, ebenso wie ihre unumstrittene Herrschaft nicht nur über die Kirche des Westens, sondern auch des Ostens.

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Der Papst und Pseudoisidor

Obwohl Pseudoisidor faktisch die Rechte des weltlichen Herrschers beschneidet, fordert er keinerlei weltliche Macht für den Papst. Ziel der Sammlung ist es, die Kirche als Institution vor Eingriffen von außen abzuschirmen. Die kirchliche Autonomie stand für die Fälscher im Vordergrund. Der Abgleich der entsprechenden Inhalte der Fälschungen mit ihren jeweiligen Vorlagen hat deutlich gemacht, dass die Fälscher ihr Material bewusst aus dem ursprünglichen Kontext rissen, um neues Rechtsmaterial zu konstruieren. Sie verfälschten dabei nicht nur kirchliches Recht, sondern auch die Geschichte der frühen Kirche erheblich, indem sie diese in eine Abhängigkeit zu den römischen Bischöfen rückten, die den Quellen in dieser Form nicht zu entnehmen war. Wer glaubt, dass der Papst in den falschen Dekretalen nur benutzt wird, um die Bischöfe zu schützen, verkennt die enormen Anstrengungen, die von ihren Verfassern unternommen wurden, um den apostolischen Stuhl zum unangreifbaren Oberhaupt der Kirche in Lehre und Jurisdiktion aufzubauen. Erstmals wurde in dieser Arbeit die Frage nach der Bedeutung des apostolischen Stuhls auch für die weiteren Teile der pseudoisidorischen Falsifikate untersucht und mit den Ergebnissen aus der Analyse der falschen Dekretalen verglichen. In den Capitula Angilramni und der Sammlung des Benedictus Levita ist der inhaltliche Fokus sehr viel weniger auf die Päpste ausgerichtet als in der Dekretalensammlung. Die Prozessrechtsordnung der Capitula Angilramni greift die zwei wichtigsten inhalt­ lichen Aspekte der falschen Dekretalen bezüglich des apostolischen Stuhls auf. Beide, die Beziehung des römischen Bischofs zu den Synoden und das Appellationsrecht der Bischöfe, erscheinen aber weniger prominent als in den Dekretalen. Abgesehen von der knapp gehaltenen Rahmenhandlung der Fälschung fehlen weitere Bezüge zu Rom vollständig. In den falschen Kapitularien des Benedictus Levita stellt sich die zu unter­suchende Frage recht kompliziert dar. Einerseits spielt der apostolische Stuhl inhaltlich eine marginale Rolle, da sich nur sehr wenige Kapitel mit seinen Rechten befassen. Anderer­ seits wird in der historischen Fiktion der Fälschung nicht nur die Abhängigkeit der Synoden vom Papsttum behauptet, sondern auch die der von den karolingischen Herrschern erlassenen Gesetze. Bleiben die falschen Kapitularien in ihren eigent­ lichen Rechtsinhalten deutlich hinter den pseudoisidorischen Dekretalen zurück, so gehen sie in diesem Aspekt doch über sie hinaus, da sie in allen kirchenrechtlichen Angelegenheiten ausdrücklich die Autorität des Papstes über die des weltlichen Herrschers stellen – eine Aussage, die in der Dekretalensammlung lediglich impliziert zu sein schien 1.

1 Dieser Befund reiht sich ein in die bereits häufig gemachte Beobachtung, dass kaum nachzuvollziehen ist, was der eigentliche Zweck der falschen Kapitularien gewesen sein soll, vgl. zusammenfassend Schmitz: Verfertigung, S. 32. Schmitz folgert ebd., S. 35 f., in Bezug auf die scheinbar willkürlichen Zusammenstellung der Benedikt‘schen Sammlung, der größte

Der Papst als Mittel zum Zweck?

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Neben den genannten drei zentralen Sammlungen, die dem pseudoisidorischen Fälschungsunternehmen entsprungen sind, wurden im Rahmen der vorliegenden Untersuchung zwei weitere Produkte der Fälscherwerkstatt analysiert. In den Excerptiones de gestis Chalcedonensis concilii kann durch einen Abgleich der Fälschung mit der einzigen, direkten Vorlage genau nachvollzogen werden, wie die Fälscher in dem Bericht über Zustandekommen und Verlauf der Versammlung Bezüge auf den Kaiser entfernten und durch Hinweise auf den apostolischen Stuhl ersetzten. Dem römischen Bischof wird dabei – parallel zu den Bestimmungen in den falschen Dekretalen und Kapitularien – eine unanfechtbare richterliche Befugnis zugesprochen. Die verfälschten Auszüge aus den Chalkedon-Akten enthalten die zwei zentralen Ziele der falschen Dekretalen in konzentrierter Form: Der Papst wird zum unanfechtbaren Richter und zur höchsten Entscheidungsinstanz in der Kirche stilisiert, von dessen Autorität alle anderen kirchlichen Institutionen abhängen, während alle Rechte des weltlichen Herrschers, auf den innerkirchlichen Prozess einzuwirken, getilgt werden. Des Weiteren werden die Bischöfe durch eine Vielzahl von Bestimmungen so gut wie möglich vor ungerechtfertigter Verfolgung und Absetzung in Schutz genommen. Beide Ziele greifen ineinander, kommen aber unabhängig voneinander zum Ausdruck. Zuletzt wurde die Bedeutung des apostolischen Stuhls noch für die falsche Dekretale Gregors  IV., JE † 2579, erklärt. Eine Untersuchung des Schreibens in Hinblick auf zentrale überlieferungsgeschichtliche, stilistische und inhaltliche Aspekte hat zu dem Ergebnis geführt, dass die im 19. Jahrhundert geäußerte Vermutung, der Text gehe auf die pseudoisidorische Werkstatt zurück, zutreffend war. Der Brief bein­haltet einen ersten Versuch der Fälscher, die Macht des römischen Bischofs zu stärken. Das enthaltene Schutzversprechen Pseudo-Gregors für den Bischof Aldrich von Le Mans dient als Vehikel für eine ausführliche Darstellung päpstlicher Rechte. Diese mündet in der im Mittelalter erstmalig erfolgten und wegweisenden Argumentation, dass alle kirchliche Autorität den Nachfolgern Petri verliehen sei und dass die Bischöfe zwar zur Teilhabe, aber nicht zum Vollbesitz dieser Macht berufen seien. In dieser Fälschung ist – wie in den Chalkedon-Exzerpten – wichtiges pseudoisidorisches Gedankengut zum Primat enthalten. Die Herrschaft des Papstes über die Kirche schließt nämlich hier, in den falschen Dekretalen und den Chalkedon-Exzerpten, ausdrücklich die Herrschaft über die Bischöfe ein. Diese werden dem apostolischen Stuhl explizit nachgeordnet. Indirekte oder direkte Bezüge auf den weltlichen Herrscher fehlen bei Pseudo-Gregor, Erfolg des Fälschers liege darin, den eigentlichen Sinn seiner Arbeit so verschleiert zu haben, dass dieser nicht mehr zu erkennen sei. Ähnlich äußerte sich Gerhard Schmitz auch mir gegenüber (in einer E-Mail an mich vom 4. Juni 2012): „Welches Motiv Benedict bei der Kompilation seiner Sammlung eigentlich hatte, hat sich mir noch nicht erschlossen, jedenfalls kann ich keine schlüssige Erklärung liefern.“ Gleichermaßen erklärte er sich auch im Februar 2013 bei der Pseudoisidortagung in Köln.

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Der Papst und Pseudoisidor

sodass sich dieses Schreiben vor allem gegen jene Bischöfe zu richten scheint, die mit Anklagen ihrer politischen Gegner schnell bei der Hand waren. Sie werden von Pseudo-Gregor darauf hingewiesen, dass trotz der herausgehobenen Position der Bischöfe in der Kirche dem Papst das letzte Wort in Fragen der kirchlichen Jurisdiktion zustehe. In der Sache, wenn auch nicht im direkten Wortlaut, steht der falsche Gregor-Brief damit in enger Verwandtschaft zu den pseudoisidorischen Dekretalen. Es hat sich gezeigt, dass die These, der Papst werde von Pseudoisidor lediglich instrumentalisiert, um den Schutz des Episkopats zu gewährleisten, einer intensiven Analyse der Fälschungen nicht standhalten kann. Dieses Ergebnis ist sowohl bei der Erforschung der Entstehung der pseudoisidorischen Fälschungen als auch bei der Untersuchung der Geschichte der theologisch-politischen Grundlegung des päpstlichen Primats im karolingischen Frankenreich zu berücksichtigen.

7.2  Noch einmal: Die Entstehung der pseudoisidorischen Fälschungen Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung haben sich zahlreiche Hinweise ergeben, die ein besseres Verständnis der Beziehungen der einzelnen Fälschungen zueinander ermöglichen. Dadurch können einige, aber nicht alle offenen Fragen bezüglich der Entstehung der pseudoisidorischen Falsifikate einer Lösung näher gebracht werden. Durch die Limitierung des Vergleichs der einzelnen Fälschungsteile auf einen einzigen, jedoch zentralen inhaltlichen Aspekt stehen die Ergebnisse dieser Arbeit in Bezug auf Entstehung und die inneren Zusammenhänge der Fälschungen unter Vorbehalt 2. In den 830er Jahren war die politische Lage im Frankenreich in bedenkliche Unruhe geraten. Der fränkische Klerus hatte seinen Teil zu der Eskalation beige­tragen und war darüber hinaus gezwungen, sich im Konflikt zwischen Kaiser Ludwig und s­ einem ältesten Sohn Lothar zu positionieren. Die Stellung des Papstes, die im Franken­ reich bis zu diesem Zeitpunkt niemals grundsätzlich diskutiert worden war, wurde infolge der Reise Gregors  IV. ins Frankenreich im Frühsommer 833 infrage gestellt. ­Während die Deutung des päpstlichen Erscheinens unter den Zeitgenossen und in der Forschung umstritten ist, lässt sich festhalten, dass nur ein karolingischer Autor dem Papst bei der Entmachtung Ludwigs des Frommen im Nachhinein eine z­ entrale Rolle beimaß. Radberts von Corbie zwischen 836 und 856 verfasstes Epitaphium

2 An die vorliegende Arbeit anknüpfende Studien der Falsifikate wären deswegen sehr wünschens­wert. Insbesondere eine vergleichende Untersuchung der Darstellung episko­paler Autorität in den pseudoisidorischen Fälschungen verspricht hier interessante Erkenntnisse. Die Studie von Marchetto: Episcopato, liefert keine ausreichenden Ergebnisse.

Noch einmal: Die Entstehung der pseudoisidorischen Fälschungen

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Arsenii betont die herausgehobene Stellung des apostolischen Stuhls und die durch Kirchenrecht belegte Unantastbarkeit des Amtsinhabers. Radbert unterstreicht durch den Gang seiner Erzählung diese übergeordnete Autorität des römischen Bischofs. Im Gegensatz dazu hatten Gregor selbst und sein Fürsprecher Agobard von Lyon 833 vor allem die rechten, gottgefälligen Absichten des Papstes in den Vordergrund gerückt. Diese unbestreitbare Tatsache in Verbindung mit den kodikologischen und paläografischen Hinweisen auf das Kloster Corbie als Ursprung der falschen Dekretalen, die Zechiel-Eckes zusammengetragen hat, unterstützen seine These, dass es Radbert war, der für die Konstruktion der pseudoisidorischen Dekretalen verantwortlich zeichnet. Radbert ist Pseudoisidor. Er gehört zu den wenigen Personen im 9. Jahrhundert, denen die Ausarbeitung der Dekretalensammlung intellektuell überhaupt zugetraut werden kann. Die Bedeutung, welche die falschen Dekretalen der apostolischen Autorität beimessen, entspricht der Darstellung des Papsttums im Epitaphium Arsenii. Es gibt zwischen 836 und 850, der Zeit, in der die pseudoisidorischen Fälschungen entstanden sein müssen, keinen weiteren karolingischen Autor, der eine solche Position vertritt. Hinter den sicheren Klostermauern von Corbie ersann Radbert wohl frühestens ab ca. 835/36 eine Kirchenrechtssammlung, die Ihresgleichen nicht kannte. Erste Ideen dafür sammelte der Diakon und spätere Abt anscheinend schon 833, als er einen Brief auf den Namen des amtierenden Papstes Gregor IV. fälschte. Als Grundlage ­seiner Arbeit hat ihm die in Corbie erstellte Hispana Gallica Augustodunensis gedient, deren Text ohne konkrete Fälschungsabsicht verbessert worden war und Radbert und seinen an dem Unterfangen beteiligten Mitbrüdern zur Verfügung stand. An der Pariser Handschrift Bibliothèque nationale, lat. 11611, kann im Fall der Chalkedon-Akten nachvollzogen werden, wie mit den Vorlagen verfahren wurde, welche Radbert und seine Helfer verwerteten. Nach den Markierungen in dieser Handschrift stellte jemand ein Exzerpt, die Excerptiones de gestis Chalcedonensis concilii, her, welches den Ausgangstext erheblich zugunsten des römischen Bischofs und gegen den K ­ aiser verfälschte. Möglicherweise erschienen die Veränderungen den Fälschern doch etwas zu radikal, jedenfalls flossen sie in dieser Form nicht in die pseudo­isidorische Sammlung ein, überdauerten die Zeit jedoch als Appendix in zahlreichen Handschriften der falschen Dekretalen. Radbert achtete in seinem sorgfältig komponierten Fälschungskonstrukt darauf, direkte Angriffe auf die weltliche Macht zu vermeiden. Stattdessen beinhaltet seine Sammlung eine Darstellung einer idealen Kirchenordnung, die hierarchisch durchgegliedert ist, mit dem apostolischen Stuhl als unanfechtbarem Oberhaupt, das über die ost- und weströmische Kirche herrscht und absolute jurisdiktionelle Gewalt über den Klerus ausübt. Es ist aufgrund der Fülle der Vorlagen anzunehmen, dass die Fälscher mithilfe der Bibliothek des ­Klosters Corbie eine Materialsammlung anlegten, mit deren Hilfe die einzelnen Briefe zusammengesetzt wurden. Auf diese Sammlung wurde auch bei der Konstruktion der Capitula Angilramni und der Kapitulariensammlung des Benedictus Levita

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Der Papst und Pseudoisidor

zurückgegriffen. Dabei ist offen, ob diese Arbeiten zeitgleich stattfanden und ob die Sammlung Benedikts ebenso wie die falschen Dekretalen und die Capitula Angilramni in Corbie gefertigt wurden. Wenn im Folgenden ein wenig über die konkrete Entstehung der Falsifikate spe­ kuliert wird, dann nur zu dem Zweck, die nach wie vor ungelösten Fragen der Pseudo­ isidor-Forschung zusammenzufassen, mögliche Erklärungen für diese zu ­liefern und Ansätze für weitergehende Forschungen aufzuzeigen. Es stellt sich in Bezug auf die falschen Dekretalen die Frage, wie es zu den ­bekannten inneren Ungereimtheiten der Fälschung gekommen ist. Es wurde mehrfach auf ­Radberts herausragenden Intellekt verwiesen. Warum hat er dann zugelassen, dass den falschen Dekretalen eine Praefatio vorangestellt wurde, deren Beschreibung von Umfang und Inhalt der Sammlung nur teilweise zum tatsächlichen Text passt und die darüber hinaus durch den einigermaßen unbedacht gewählten Zwitternamen Isidorus Mercator und die an den ältesten Kaisersohn Lothar angelehnte Invokation zwangsläufig Fragen aufwerfen musste? Ich kann hier keine definitiven Antworten auf diese Fragen geben. Möglicherweise wuchs Radbert, zweifellos kein unbedeutender Mann, aber in seinem Einfluss doch beschränkt, das eigene Projekt über den Kopf und wurde ihm von Menschen abgenommen, die nicht über seine geistigen Fähigkeiten, dafür aber über einige Macht verfügten. Zumindest scheint Paschasius Radbertus, so wie er dem Leser in seinem Spätwerk, dem Matthäus-Kommentar, entgegentritt, eher r­ esignierend auf seine vorangegangenen Lebensjahre zurück­ zublicken. Vielleicht schwingt darin auch Radberts Enttäuschung über den Ausgang seines Dekretalenprojektes mit. Ein weiterer wesentlicher Punkt, der an dieser Stelle nicht abschließend beantwortet werden kann, ist die Frage nach dem Zusammenhang zwischen falschen Dekretalen und falschen Kapitularien. Es wurde oft genug betont und hat sich auch im Zuge der vorliegenden Arbeit bestätigt, dass die Verwandtschaft zwischen Pseudo­isidor und Benedictus Levita in Bezug auf die Quellen eng, in Bezug auf Inhalt und Komposition eher entfernt ist. Es erscheint nicht zwingend und ist meines Er­­achtens eher unwahrscheinlich, dass hinter beiden Projekten, falschen Dekretalen und f­ alschen Kapi­tularien, dieselbe Person gestanden hat. Auch eine Abfassung der Kapitu­lariensammlungen am Standort Corbie ist möglich, aber keineswegs ausgemacht. Alternativen, wie ­parallele Arbeiten an den Kapitularien in einem anderen Kloster oder Bistumssitz unter Austausch der Materialien und Fälschungen mit der corbiensischen Werkstatt, sind denkbar. Es ist meiner Meinung nach wenig plausibel anzunehmen, dass sich Radbert nach dem Wiedererstarken Ludwigs des Frommen mit einer Gruppe von Verschwörern an einen Tisch gesetzt und gemeinsam mit diesen die Idee der Fälschungen in ihrem ganzen Ausmaß entwickelt hat. Vielmehr denke ich, dass bei Radbert die Keimzelle der Fälschungen zu finden ist und dass seine Arbeit und seine Ideen an einem bestimmten Punkt durch andere Personen weitergeführt und variiert

Noch einmal: Die Entstehung der pseudoisidorischen Fälschungen

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wurden – ob mit oder ohne Radberts Zustimmung und mit welcher Zielsetzung, lässt sich kaum sagen. Auch wenn abschließende Ergebnisse in der Frage der inneren Chronologie der Falsifikate hier nicht geboten werden können, so lässt sich doch eine gewisse Tendenz erkennen. Ich plädiere dafür, die Entstehung der pseudoisidorischen ­Fälschungen fortan in zwei Phasen zu begreifen. Die pseudoisidorische Hispana Gallica Augusto­ dunensis, die falsche Gregor-Dekretale JE † 2579 und die Excerptiones de gestis Chalce­ donensis concilii sind der ersten Phase des Fälschungsunternehmens zuzu­rechnen, an dessen Ende erste Redaktionen der falschen Dekretalen stehen. Diese Dokumente entstanden maßgeblich unter dem Einfluss des Mönchs Radbert im Kloster Corbie, im Wesentlichen in den 830er Jahren. Für die Hispana Gallica Augusto­dunensis kann dabei durchaus ein Entstehungsdatum zu Beginn dieser Dekade ange­nommen ­werden, ihr folgen ab Mitte 833 das Schreiben Pseudo-Gregors  IV. und wohl ­frühestens ab 835 die Chalkedon-Exzerpte und die ersten falschen Dekretalen. Alle drei zuletzt genannten Fälschungen zeichnen sich durch eine große inhaltliche und methodische Übereinstimmung aus und messen der apostolischen Autorität eine fast identische Bedeutung bei. In einer zweiten Phase schied Radbert – aus unbekannten Gründen – aus dem Fälschungsunternehmen aus, und zwar bevor die falschen Dekretalen ihre end­g ültigen Redaktionsformen erreicht hatten. Gleichzeitig wurden die Capitula Angilramni und die Kapitularien des falschen Benedikts irgendwann in den späten 830er oder ­früheren 840er Jahren auf den Weg gebracht. Dies kann in Corbie oder einem nahe gele­­genen anderen Skriptorium gewesen sein. Ein entscheidendes Bindeglied scheinen die Capitula Angilramni zu sein. Überlieferungsgeschichtlich stehen sie in engster Be­­ ziehung zu den falschen Dekretalen, in deren Anhang sie mehrheitlich enthalten sind. Inhaltlich jedoch sind sie enger mit den Kapitularien Benedictus Levitas verwandt. Es ist durchaus vorstellbar, dass die Capitula Angilramni, ein vergleichsweise kurzer Text, einen ähnlichen ersten Versuch darstellen wie die falsche Dekretale JE † 2579. Das Ergebnis wurde in erste Redaktionsformen der pseudoisidorischen Dekretalen eingefügt und der Text selbst diente als Vorlage für die falsche Kapitulariensammlung, in der einzelne Kapitel der Capitula Angilramni übernommen wurden. Die end­ gültige Fertigstellung der Kapitulariensammlung nach 847 ist angesichts der enormen Textmasse nachvollziehbar. Die inhaltlichen Ungereimtheiten bei B ­ enedictus Levita könnten sowohl einem Mangel an grundsätzlicher Planung als auch einer wechselnden redaktionellen Leitung geschuldet sein. Die frühen 840er Jahre wären demnach eine Zeit des Austauschs zwischen den Fälscherteams, sodass die viel beschriebenen Verflechtungen zwischen den Fälschungen entstanden, die heute nicht mehr vollständig philologisch aufgelöst werden können. Erste Versionen der falschen Dekretalen (ohne und mit den Capitula Angilramni) wurden in Umlauf gebracht, ebenso die Kapitulariensammlung des Benedictus Levita,

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Der Papst und Pseudoisidor

die Material der Capitula Angilramni und der pseudoisidorischen Sammlung be­­ inhaltete, diesen jedoch in Bezug auf eine zielgerichtete Komposition deutlich nachgeordnet war. Es ist möglich, dass nach der Verbreitung der Kapitularien noch weitere Versionen der Dekretalensammlung in Umlauf gebracht wurden. Es wurde hier eine mögliche Entstehungsgeschichte der pseudoisidorischen ­Falsifikate konstruiert, die angesichts der in dieser Arbeit zusammengetragenen Beobachtungen und Forschungsergebnisse plausibel scheint, aber weit davon entfernt ist, die einzig denkbare Lösung zu sein. In dieser Frage, so viel ist gewiss, sind auch in Zukunft weder einfache noch endgültige Antworten zu erwarten.

7.3  Eine pseudoisidorische Wende Die Primatslehre war im Frankenreich bis ins erste Viertel des 9. Jahrhunderts kein Thema, das Anlass für Diskussionen geboten hätte. Nach dem kurzen Aufflammen eines Diskurses um Rechte und Pflichten des apostolischen Stuhls und die Grenzen seines Einflusses im Sommer 833 interessierten sich in den folgenden Jahren zunächst nur der Mönch Radbert und die (weiteren) Verfasser der pseudoisidorischen F ­ älschungen für die Autorität Roms. Dabei scheint der spätere Abt von Corbie deutlich konkretere und weitreichendere Vorstellungen von der Macht des Papstes gehabt zu haben als diejenigen Personen, die für die falschen Kapitularien des Benedictus Levita und die Capitula Angilramni verantwortlich zeichneten. Letztere schlossen den römischen Bischof zwar als autoritätsstiftende Quelle in ihre Fälschungen ein und konstruierten eine grundsätzliche Abhängigkeit der Rechtssätze von dessen Zustimmung, hielten sich allerdings bei der Übertragung von konkreten Kompetenzen auf den aposto­ lischen Stuhl zurück. Walter Ullmann sprach in seiner kontrovers aufgenommenen Darstellung zum mittelalterlichen Papsttum für die Jahrzehnte um die Mitte des 9. Jahrhunderts vom „Zeitalter Pseudo-Isidors“3. Wenn auch Ullmanns Deutung der pseudoisidorischen Fälschungen in weiten Teilen verfehlt wirkt 4, so kann der von ihm geprägte Begriff doch in dem Sinne Anwendung finden, dass sich in den Jahren ab 840 die 3 Ullmann: Machtstellung, S. 246. Die massive Kritik v. a. der deutschen Mediävistik an den Thesen Ullmanns richtete sich im Wesentlichen gegen die von ihm behauptete „Hierokratie“ der Päpste und seine Darstellung des hochmittelalterlichen Papsttums, vgl. insbes. Kempf: Gewalt, während seine Ausführungen zu Pseudoisidor kaum rezipiert wurden. 4 Die Aussage von Ullmann: Machtstellung, S. 276, der „Hauptwert“ der Sammlungen Pseudo­isidors und Benedikts habe darin bestanden, dass diese „handliche Nachschlage­ bücher“ gewesen seien, wirkt mindestens kurios auf denjenigen, der sich intensiv mit diesen inhaltlich ungeordneten, widersprüchlichen und oftmals spröden Sammlungen befasst. So empfand es auch Fuhrmann: Einfluß, Bd. 2, S. 410 (mit Anm. 2).

Eine pseudoisidorische Wende?

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kirchenpolitischen Ideale der pseudoisidorischen Fälschungen – auch und ins­ besondere in Bezug auf das Papsttum – nicht mehr nur in diesen selbst nachweisen lassen, sondern auch an anderer Stelle zum Ausdruck gebracht wurden. Hingegen muss die Behauptung Ullmanns von einer Übereinstimmung des pseudoisidorischen Gedankenguts mit Selbstbild und Machtanspruch der Päpste des mittleren 9. Jahrhunderts skeptisch betrachtet werden 5. Selbst Nikolaus I. agierte schließlich nicht in der von Ullmann behaupteten „hierokratischen“ Weise, sondern schaltete sich erst dann in fränkische Kirchenangelegenheiten ein, wenn er dazu von den Betroffenen aufgefordert wurde 6. Nicht im Verhalten der Päpste, sondern in dem des fränkischen Klerus vollzog sich der entscheidende Wandel: Bezüge auf die Autorität Roms in den Äußerungen ­fränkischer Kleriker tauchten erstmals seit 833 844 ­wieder auf und nahmen ab den 850er Jahren stark zu. Und bereits vor der Krise der 830er Jahre kursierten Überlegungen über Bedeutung und Rechte des Episkopats, die den Vorstellungen Pseudoisidors nahe kamen 7. Erste Spuren der direkten Rezeption der Falsifikate, vor allem der falschen Dekretalen, lassen sich erst ab 852 für das Westfrankenreich und ab 864 für Rom finden 8, doch bereits zuvor ist ein gewisser Sinneswandel beim fränkischen Klerus zu beobachten. Der Episkopat beginnt, dem apostolischen Stuhl eine größere Bedeutung als zuvor beizumessen 9. 5 Vgl. ebd., S. 240. 6 Vgl. Goetz: Auctoritas, S. 35. 7 Es muss hier noch einmal betont werden, dass keine vergleichende Einzelstudie über den Episkopat bei Pseudoisidor vorliegt, sodass eine differenzierte Bewertung der in den Fälschungen vertretenen Positionen bezüglich der Bischöfe derzeit nicht vorgenommen werden kann. 8 Vgl. Fuhrmann: Einfluß, Bd. 1, S. 195 – 224, für die westfränkische Rezeption Pseudo­isidors zwischen 850 und 871 sowie ebd., Bd. 2, S. 237 – 288, für die Verwendung der F ­ älschungen in Rom bis zum Pontifikat Johannes’ VIII. (872 – 882). Die Fälschungen wurden in der Kirchen­ provinz Reims eines der wichtigsten Mittel im Kampf zwischen Erzbischof Hinkmar und seinem gleichnamigen Suffragan und Neffen Hinkmar von Laon und wurden wohl auch von den Klerikern der Diözese Laon gegen ihren Bischof, ebenjenen jüngeren Hinkmar, ins Feld geführt. Vgl. Fuhrmann: Einfluß, Bd. 1, S. 219 – 224, und ausführlich ebd., Bd. 3, S. 625 – 756, zum Einsatz pseudoisidorischen Materials im Streit zwischen Onkel und Neffe. Vgl. Scholz: Politik, S. 218 – 224, zur Rolle des Papstes in diesem Streit und ZechielEckes: Kleriker (insbes. S. 39 – 54), zur Bedeutung der Fälschungen im Konflikt zwischen Hinkmar von Laon und den Klerikern seiner Diözese. Die Interpretation der Streitschriften der beiden Hinkmare zeigt eine intensive Benutzung der falschen Dekretalen, vgl. ­Schieffer: Streitschriften, S. 2. Hinkmar von Laon trat offensiv für die Überlegenheit des apostolischen Primats gegenüber Metropolit und Synode ein, da er sich von Rom Verteidigung gegenüber der Verfolgung durch seinen Onkel erhoffte. 9 Ullmann: Machtstellung, S. 255 f., interpretierte bereits einen Beschluss der Synode von Yütz vom Oktober 844 in dem Sinne, dass anders als 829 die fränkischen Synodalen gegenüber

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Der Papst und Pseudoisidor

Die mangelnde Anerkennung der apostolischen Autorität diente dem Klerus auch als Anklagegrund. Im Sommer 850 verfassten 22 westfränkische Bischöfe in der ­Kirchenprovinz Tours ein Schreiben, in welchem sie den Bretonenfürsten Nominoë († 851) zahlreicher Verbrechen beschuldigen, unter anderem des Ungehorsams gegenüber den ausdrücklichen Anordnungen Leos IV. (847 – 855). Dem Papst sei der Primat in der ganzen Welt von Gott verliehen worden, und eine Missachtung seiner Autorität komme einer Verhöhnung der gesamten Christenheit gleich 10. Diese Begründung legt nahe, dass sich der römische Primat spätestens seit der Jahrhundertmitte einer neu gewonnenen Wertschätzung beim fränkischen Episkopat erfreute. Dies ist auch daran zu erkennen, dass es die fränkischen Kleriker und Herrscher selbst waren, welche die Päpste nun immer öfter um Hilfe baten und auch sach­liche Entscheidungen von Rom ersuchten. Hinkmar von Reims wandte sich an Papst Leo IV. und seinen Nachfolger Benedikt III. (855 – 858)11, um ein Synodalprotokoll von 853 bestätigen zu lassen, mit dem mehrere Kleriker ihrer Ämter enthoben ­wurden 12. ­Nikolaus I. wurde in den Ehestreit Lothars  II. hineingezogen, weil sowohl die verstoßene Theutberga als auch der König sich an den Papst wandte und eine Klärung

der Macht des Herrschers besonders die Autorität des Papstes bekräftigt hätten. Vgl. aber Synode von Yütz, Kap. 2, ed. Hartmann (MGH Conc. 3), S. 31, Z. 4 – 6: Quia bene nostis ab illo, qui solus merito et rex et sacerdos fieri potuit, ita ecclesiam dispositam esse, ut pontificali auctoritate et regali potestate gubernetur, […]. Eher ist wohl der Analyse von Anton: Konzept, S. 87 – 93, zuzustimmen, der diese Passage im gelasianischen Sinne interpretiert und damit eine Wiederholung bzw. Zuspitzung der Formulierungen der Synode von Paris von 829 sieht. Vgl. auch Hartmann: Synoden, S. 199 f., allgemein zur Synode von Yütz. Kapitel zwei der Synode wurde wörtlich übernommen auf der Synode von Meaux/Paris (845/46), vgl. Synode von Meaux/Paris, Kap. 8, ed. Hartmann (MGH Conc. 3), S. 88, Z. 18 – 26; Hartmann: Synoden, S. 208. 10 Vgl. Synode von Anjou (?), ed. Hartmann (MGH Conc. 3), S. 204, Z. 22 – 25: Satis haec ad tuam perditionem sufficiebant, sed ad cumulum malorum auxisti termeritatem et omnem laesisti christianitatem, dum vicarium beati Petri Leonem apostolicum, cui dedit deus primatum in omni orbe terrarum, sprevisti. Vgl. Ullmann: Machtstellung, S. 254 f.; Hartmann: Synoden, S. 218 – 220. Vgl. zum Pontifikat Leos  IV. ausführlich Herbers: Leo  IV., und zusammenfassend Scholz: Politik, S. 172 – 180. 11 Vgl. zuletzt ebd., S. 180 – 184. Eine Einzeldarstellung zum Pontifikat Benedikts III. fehlt. 12 Diese waren von Ebo von Reims in den Jahren 841 – 842 eingesetzt worden, vgl. ebd., S. 178 f.; Schieffer: Beziehungen, S. 158 f.; Hartmann: Autorität, S. 130; Betz: Hinkmar, S. 60 – 65. Die Haltung Hinkmars gegenüber dem römischen Primat ist stark schwankend und wechselt – ähnlich wie bei Agobard von Lyon – je nachdem, ob er sich durch den Papst eine Stärkung der eigenen Position erhofft oder nicht. Er ist keinesfalls ein grundsätzlicher Anhänger der römischen Autorität.

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der Angelegenheit erbat 13. Rothad von Soissons appellierte nach seiner Absetzung 862 an den Papst 14. Fränkische Klöster begannen um die Jahrhundertmitte, sich ihre Besitztümer durch Privilegien aus Rom bestätigen zu lassen. Bezeichnenderweise war es das Kloster Corbie, welches sich in dieser Frage als erste fränkische Abtei nach Rom wandte 15. Die Durchsetzungskraft päpstlicher Beschlüsse schwankte allerdings von Fall zu Fall. Horst Fuhrmann vertrat deswegen den Standpunkt, dass es sich beim Papst um eine „ferne Größe“ gehandelt habe, deren Entscheidungen bei Nicht-Gefallen gefahrlos ignoriert werden konnten 16. Tatsächlich zeigt aber insbesondere der Streit um die Scheidung König Lothars II., in dessen Verlauf Nikolaus I. die Metropoliten Thietgaud von Trier und Gunthar von Köln ohne öffentliches Verfahren absetzte, dass eine Missachtung der römischen Autorität im 9. Jahrhundert durchaus schwer­ wiegende Konsequenzen haben konnte 17. Die Weigerung des Papstes und der Mehrheit des fränkischen Klerus, Lothars Scheidung und die Verbindung mit seiner Konkubine Waldrada als Ehe anzuerkennen, führten in letzter Konsequenz sogar zur Auflösung des Mittelreiches. Auch wenn dieses Ergebnis nicht allein Nikolaus’ Eingreifen in den

13 Vgl. Scholz: Politik, S. 185 – 195, zur Rolle des Papstes in dem Konflikt. Vgl. zum Ehestreit Lothars  II. Böhringer: De devortio Lotharii (MGH Conc. 4 Suppl. 1), S. 4 – 2.; Ubl: Inzestverbot, S. 345 – 352; Heidecker: Divorce. 14 Vgl. Goetz: Auctoritas, S. 32 – 45, zu Nikolaus‘ Selbstverständnis in diesen Angelegenheiten. Goetz betont, dass der Papst nur dann aktiv geworden sei, wenn an ihn appelliert worden war. In diesem Falle habe er jedoch Gehorsam eingefordert (ebd., S. 35). 15 Vgl. Scholz: Politik, S. 183. 16 Fuhrmann: Widerstände, S. 732. 17 Vgl. Kottje: Recht, S. 102 f.; Scholz: Poltik, S. 189 – 194; Ubl: Inzestverbot, S. 350. ­Nikolaus gilt auch als erster Papst, der Pseudoisidor gekannt haben muss, auch wenn der Umfang dieser Kenntnisse umstritten ist, vgl. z. B. Haller: Nikolaus; Schrörs: Nikolaus; ders.: Exceptio spolii. Fuhrmann: Einfluß, Bd. 2, S. 272, zeigte sich nicht endgültig entschieden, war aber der Meinung, der Papst habe „den Rückgriff auf die Fälschung letztlich nicht nötig“ gehabt. Im Allgemeinen wird eine Vermittlung der Sammlung nach Rom durch Rothad von ­Soissons angenommen, was aber laut Fuhrmann: Einfluß, Bd. 2, S. 254 – 270, nicht bewiesen werden kann; vgl. auch ders.: Pseudoisidor in Rom, S. 16. Tatsächlich hat sich Fuhrmann einigermaßen geschickt vor einer detaillierten Untersuchung dieser Frage gedrückt. Interessant ist jedoch der Umschwung des Papstes in Bezug auf die Absetzung Rothads, der mit pseudo­ isidorischem Gedankengut zur rechtmäßigen Abhaltung von Synoden einhergeht. Vgl. dazu Fuhrmann: Einfluß, Bd. 2, S. 257 – 263, Scholz: Politik, S. 198, und allgemein zu dieser Angelegenheit Schrör: Metropolitangewalt, S. 60 – 68. Nach der vorliegenden Unter­ suchung steht jedoch fest, dass Nikolaus’ eigenes Selbstverständnis im Wesentlichen – und ­ uhrmann: Einfluß, Bd. 2, entgegen den Ansichten von Caspar: Primatus, S. 324, und F S. 272 – auch der pseudoisidorischen Interpretation der apostolischen Autorität entsprach.

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Der Papst und Pseudoisidor

Konflikt geschuldet war, so kann wohl kaum davon die Rede sein, dass der römische Bischof keinen Einfluss auf Verlauf und Ausgang dieses Streites gehabt hätte. Ein grundlegender „Wandel in der Beziehung zwischen dem Papsttum und den fränkischen Teilreichen“18 hatte also stattgefunden. Bis in die 830er Jahre war die apostolische Autorität zwar grundsätzlich anerkannt worden, war aber im Wesentlichen ohne Auswirkungen auf kirchenpolitische Debatten oder Auseinandersetzungen. Die Mitte des 9. Jahrhunderts erlebte eine bis dahin nie da gewesene ausdrückliche Akzeptanz und rhetorische Stärkung der römischen Autorität im Frankenreich, die einherging mit einschneidenden politischen Umwälzungen im Frankenreich in den 830er und 840er Jahren 19. Ihren vorläufigen Höhepunkt erreichte diese Entwicklung im Streit mit Byzanz um das filioque in den späten 860er Jahren. Nikolaus wandte sich an die Franken um Unterstützung in der Auseinandersetzung mit Photius, dem Patriarchen von Konstantinopel. Im Westfrankenreich kamen gleich mehrere Autoren dieser Aufforderung nach. In seinem Liber adversus Graecos wies Aeneas von Paris auf die unanfechtbare Autorität des apostolischen Stuhls hin und konzentrierte sich dabei weniger auf Fragen der christlichen Lehre als auf Aspekte der Herrschaft über die Kirche 20. Karl der Kahle ließ schließlich durch Ratramnus, den Abt von Corbie, eine Streitschrift anfertigen. Der Traktat Contra Graecorum opposita behandelt ausführlich den Vorrang des apostolischen Stuhls, den Ratramnus energisch gegen die „Verleumdung“ aus dem Osten verteidigt 21. Der Abt machte sich dabei das pseudo­ isidorische Geschichtsbild in Bezug auf die römische Autorität zu eigen: Tatsächlich haben alle Kirchen des Ostens gemeinsam mit denen des Westens stets den Bischof der Stadt Rom als Haupt der Bischöfe verehrt und sind dessen Spruch gefolgt und haben im Zweifelsfall sein Urteil unterstützt, was auch immer er entschieden hat, und haben seinen Dekreten gehorcht. Welche Konzilien durch seinen Spruch bekräftigt wurden, die blieben gültig; welche er aber verdammte, wurden für nichts geachtet und konnten keinerlei Autorität beanspruchen 22. 18 Scholz: Politik, S. 194. 19 Vgl. Kennedy: Permanence, S. 116. 20 Aeneas, Liber adversus Graecos, Migne PL 121. Vgl. dazu Kennedy: Permanence, S. 105 – 111. 21 Ratramnus, Contra Graecorum, Buch 1, Kap. 1, Migne PL 121, Sp. 225D: Opposita quibus Michael et Basilius, Graecorum imperatores, Romanam Ecclesiam infamare conantur, vel falsa, vel haeretica, vel superstitiosa, vel irreligiosa fore cognoscuntur. Vgl. Gemeinhardt: Filioque-Kontroverse, S. 210 – 233, zur Streitschrift des Ratramnus und seiner Argumentation. 22 Ratramnus, Contra Graecorum, Buch 4, Kap. 8, Migne PL 121, Sp. 337B: Et revera omnes Orientales Ecclesiae, simul et Occidentales, Romanae civitatis praesulem semper quasi Caput episcoporum venerati sunt, et ad ejus sententiam respexerunt, et de rebus dubiis quaecunque decrevit ejus judicium sustinuerunt, illiusque decreto paruerunt. Quaecunque concilia ejus sententia roborata sunt, rata manserunt, quae vero damnavit, pro nihilo reputata fuerunt, nec

Eine pseudoisidorische Wende?

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Auch die pseudoisidorische Version des Konzils von Chalkedon hat Ratramnus verinnerlicht, wenn er behauptet, dieses habe nach den Anweisungen Leos des Großen stattgefunden, was er als Beweis für den römischen Vorrang gegenüber allen a­ nderen Kirchen auslegt. Der byzantinische Patriarch sei demzufolge dem Papst unter­geordnet, und selbst wenn es anderslautende Dokumente gebe – was Ratramnus bestreitet –, so seien diese doch ohne Zustimmung des apostolischen Stuhls wertlos. Nur der ­römische Bischof besitze die Macht und Sorge (potestas atque sollicitudo) für die gesamte Kirche. Das werde durch zahlreiche Dokumente bestätigt, welche von den Päpsten an die ganze Kirche gerichtet worden seien 23. Der Traktat atmet hier nicht nur den Geist von Pseudoisidor, sondern er beruft sich auch auf die falschen Dekretalen. Ratramnus setzt der Ostkirche das Bild eines machtvollen römischen Bischofs entgegen, welcher selbstverständlich in Lehre und Jurisdiktion der ganzen Kirche in Ost und West vorsteht 24. In den vorangegangenen Auseinandersetzungen mit Byzanz um Bilderverehrung oder filioque waren solche Argumente von fränkischer Seite niemals vorgebracht worden.

auctoritatem ullam habere potuerunt. Übers. nach Gemeinhardt: Filioque-Kontroverse, S. 212. 23 Ratramnus, Contra Graecorum, Buch 4, Kap. 8, Migne PL 121, Sp. 334B: Unde autem auctoritatem Graecorum principis accipiunt, ut Constantinopolitanum episcopum omnibus Ecclesiis praeferant? Antiquitas eis nulla suffragatur, synodorum decreta nulla, imperatorum pragmatica nulla, qui licet etsi aliqua monstrarentur auctoritatis pondur obtinere nequirent sine Romani pontificis astipulatione: cujus tantae manet antiquitate tribuente potestatis jus, ut sine permissione illius auctoritate nec Constantinopolis, nec ulla civitas Orientalis vel Occidentalis obtinere privilegia valeat potestatis, nisi quae fuerant a Romani pontifice vel concessa vel roborata: ipsi vero maneat potestas atque sollicitudo omnium Ecclesiarum, concedendi, vel disponendi quaecunque ecclesiasticis utilitatibus secundum ecclesiasticas regulas probata fuerint deservire. Quod multis approbatur Scripturarum monumentis, per universas Ecclesias a Romano pontificis destinatis. 24 Im Einzelnen scheint der Einfluss Pseudo­isidors auf Ratramnus an dieser Stelle nicht untersucht worden zu sein, was auch mit der fehlenden Edition des Traktats zusammenhängen dürfte. Kennedy: Permanence, S. 107 f., betont, dass weder Ratramnus noch Aeneas sich in ihren Schriften der pseudoisidorischen Sammlung bedienten, allerdings wäre z. B. die Frage, ob Ratramnus hier eine Kenntnis der pseudoisidorischen Chalkedon-Exzerpte nachgewiesen werden könnte, was aber eine überlieferungskritische Aufarbeitung beider Quellen zur Voraussetzung hätte. Da Ratramnus in den 830er Jahren schon Mönch in Corbie und zudem ein Schüler Radberts war (auch wenn er seinen Lehrer in Bezug auf dessen Theologie ­heftig kritisierte), sollten auch weitere mögliche Verbindungen zum Fälschungswerk bei ihm geprüft werden. So machte Ubl: Inzestverbot, S. 350 (mit Anm. 300), wahrscheinlich, dass Ratramnus die pseudoisidorische Version der Hispana (Hispana Gallica Augustodunensis) in einem Gutachten im Zusammenhang mit dem Ehestreit Lothars II. verwendete.

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Der Papst und Pseudoisidor

Die Schrift des Ratramnus steht am Ende einer etwa dreißigjährigen Entwicklung, die mit dem Auftauchen Gregors IV. 833 im Frankenreich ihren Anfang nahm und in den pseudoisidorischen Fälschungen eine historische und rechtliche Grundlegung erfuhr. Der römische Primat wurde in ihnen aus seiner passiven Akzeptanz gelöst, und dem apostolischen Stuhl neue Autorität verliehen. Pseudo­isidors Geistes­ haltung wird ab den späten 840er Jahren und in den folgenden zwei Jahrzehnten im Frankenreich immer stärker sichtbar. Es kann nicht mehr ermittelt werden, ob es die Fälschungen selbst waren, die diese Veränderung auslösten. Am Ende dieser Analyse ist jedoch sicher, dass die Falsifikate der pseudoisidorischen Werkstatt, vor allem die falschen Dekretalen und die Chalkedon-Exzerpte, ein sichtbarer Ausdruck dafür sind, dass ihre Urheber, Radbert von Corbie und andere Mitglieder des fränkischen Klerus, den Papst nicht nur als Schutzinstanz für den Episkopat, sondern als das eigentliche Haupt der Kirche ansahen, welchem die Führung der Kirche in Fragen der Lehre und der Jurisdiktion zustand. Der Papst ist für Pseudoisidor sehr viel mehr als nur ein Mittel zum Zweck.

Anhang Abkürzungsverzeichnis AB ACO AHC AKKR BMCL BMCL N. S. CCL CC Cont. Med. CSEL DA EOMIA FmSt HJb HRG HZ JE JK JL Lex.MA LThK Mansi MGH Migne PL NA Nouv. RHDFE QFIAB RBPH RDC RHE SSAM ThPh TQ TRE ZKG ZRG ZRG Kan. ZKR

Analecta Bollandiana Acta Conciliorum Oecumenicorum Annuarium Historiae Conciliorum Archiv für katholisches Kirchenrecht Bulletin of Medieval Canon Law Bulletin of Medieval Canon Law, Nova Series Corpus Christianorum, Series Latina Corpus Christianorum, Continuatio Mediaevalis Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters Ecclesiae occidentalis monumenta iuris antiquissima Frühmittelalterliche Studien Historisches Jahrbuch Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte Historische Zeitschrift Jaffé/Ewald: Regesta Pontificum Romanorum Jaffé/Kaltenbrunner: Regesta Pontificum Romanorum Jaffé/Löwenfeld: Regesta Pontificum Romanorum Lexikon des Mittelalters Lexikon für Theologie und Kirche J. D. Mansi: Sacrorum Conciliorum nova et amplissima collectio Monumenta Germaniae Historica J.-P. Migne: Patrologiae latinae cursus completus Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde Nouvelle revue historique de droit français et étranger Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken Revue belge de philologie et d’histoire Revue de droit canonique Revue d’histoire ecclésiastique Settimane di studio del centro italiano di studi sull’alto medioevo Theologie und Philosophie Theologische Quartalsschrift Theologische Realenzyklopädie Zeitschrift für Kirchengeschichte Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Kanonistische Abteilung Zeitschrift für Kirchenrecht

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Anhang

Quellen- und Literaturverzeichnis Ungedruckte Quellen 1 New Haven, Yale University, Beinecke Library Paris, Bibliothèque nationale de France

Reims, Bibliothèque municipale Rom, Biblioteca Vallicelliana Rouen, Bibliothèque municipale Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana

442 lat. 1557 lat. 3859A lat. 9629 lat. 11611 Collection Baluze 45 672 C 15 E 27 lat. 630 lat. 4898

Internet-Quellen 2 Die Kapitularien des Benedictus Levita, ed. Gerhard Schmitz, http://www.benedictus.mgh.de (11.10.13). Projekt Pseudoisidor, ed. Karl-Georg Schon, http://www.pseudoisidor.mgh.de (11.10.13).

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1 Es werden ausschließlich diejenigen Handschriften aufgeführt, die im Original oder in Reproduktion für die vorliegende Untersuchung herangezogen wurden. 2 Die genauen URLs (mit Datum des letzten Zugriffs) finden sich in den jeweiligen An­­ merkungen zum Text.

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1

[…] primates tamen, ut praefixum est,et tunc et nunc habere iussae sunt, ad quos post sedem apostolicam summa negotia conveniant, ut ibidem, quibus necesse fuerit, releventur et iuste restituantur, et hi, qui iniuste opprimuntur, iuste reformentur atque fulciantur, episcoporumque causae et summorum negotiorum iudicia salva apostolicae sedis auctoritate iustissime terminentur.

JK † 3 2. Anaklet-­Brief Kap. 26, S. 80

Parallelen CA

Parallelen Ben. Lev.

1 Alle Seitenangaben beziehen sich auf die Edition der falschen Dekretalen von Hinschius, mit Ausnahme des dritten Ps.-Julius-Briefes, JK † 196, für welchen aus der Edition von Zechiel-Eckes zitiert wird. Ein entsprechender Hinweis findet sich an den jeweiligen Spalten.

Ps.-Anaklet, JK † 4, Kap. 34; Ps.-Alexander I., JK † 24, Kap. 4; Ps.-Sixtus I., JK † 32, Kap. 5; Ps.-Anicetus, JK † 57, Kap. 4; Ps.-­Zepherin, JK † 80, Kap. 6; Ps.-Stephan I., JK † 131, Kap. 9 – 10; Ps.-Gaius, JK † 157, Kap. 7; Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 2;Ps.-Julius I., JK † 195, Kap. 5; Vigilius, JK 907, Kap. 7; ­Ps.-­Pelagius II., JK † 1051

Si (…) referantur: vgl. inhaltl. ­Innozenz I., JK 286, Kap. 3, Migne PL 20, Sp. 427A–473A

Si autem difficiles causae aut maiora negotia orta fuerint, ad maiorem sedem referantur […].

JK † 2 1. Anaklet-Brief Kap. 17, S. 74

Parallelen Dekretalen Ps.-Julius I., JK † 195, Kap. 5; Ps.-Pelagius II., JK † 1051

Vorlagen

Synodorum vero congregandarum auctoritas apostolicae sedi privata commissa est potestate, nec ullam synodum ratam esse legimus, quae eius non fuerit auctoritate congregata vel fulta. Haec canonica testatur auctoritas, haec historia ecclesiastica roborat, haec sancti patres confirmant.

Text

Pseudoisidor, Praefatio Kap. 8, S. 18

Brief 

Tabelle 1: Die falschen Dekretalen

Tabellen

244 Anhang

Vorlagen Nicäa, Praefatio, ed. Turner (EOMIA 1,1,2), S. 156b, Z. 18-S. 158b, Z. 73, darin Tu (…) soluta et in caelo: Mt. 16, 18 – 19

et (…) apostolis: Leo I., JK 411, Kap. 11, Migne PL 54, Sp. 676A-B

Si (…) sedis: Innozenz I., JK 286, Kap. 3, Migne PL 20, Sp. 427A–473A apicem (…) referte: Innozenz I., JK 314, Praefatio 1, Migne PL 20, Sp. 603A

Text

Haec vero sacrosancta Romana et apostolica ecclesia non ab apostolis, sed ab ipso domino salvatore nostro primatum obtinuit, sicut ipse beato Petro apostolo dixit: Tu es Petrus, et super hanc petram aedificabo ecclesiam meam, et portae inferi non praevalebunt adversus eam, et tibi dabo claves regni caelorum. Et quaecumque ligaveris super terram, erunt ligata et in caelo, et quaecumque solveris super terram, erunt soluta et in caelo. […], et ambo sanctam Romanam ecclesiam consecrarunt, aliisque omnibus urbibus in universo mundo eam sua praesentia atque venerando triumpho praetulerunt. […] Prima ergo sedes est caelesti beneficio Romana ecclesia, quam, ut memoratum est, beatissimi Petrus et Paulus suo martyrio consecrarunt.

Nam et inter beatos apostolos quaedam fuit discretio. Et licet omnes essent apostoli, Petro tamen a domino est concessum, et ipsi inter se idipsum voluerunt, ut reliquis omnibus praeesset apostolis, et cephas, id est caput, et principium teneret apostolatus.

Si quae vero causae difficiliores inter vos ortae fuerint, ad huius sanctae sedis apicem eas quasi ad caput referte, ut apostolico terminentur iudicio, quia sic domino velle ab eoque ita constitutum esse antedictis testimoniis declaratur. Haec vero apostolica sedes cardo et caput, ut factum est a domino et non ab alio, est constituta, et sicut cardine ostium regitur, sic huius sanctae sedis auctoritate omnes ecclesiae domino disponente reguntur.

JK † 4 3. Anaklet-Brief Kap. 30, S. 83

JK † 4 3. Anaklet-Brief Kap. 33, S. 83

JK † 4 3. Anaklet-Brief Kap. 34, S. 84

1

Brief 

Si (…) sedis: Ps.-Anaklet, JK † 2, Kap. 17; Ps.-Alexander I., JK † 24, Kap. 4; Ps.-­Sixtus I., JK † 32, Kap. 5; Ps.-Anicetus, JK † 57, Kap. 4; Ps.-Zepherin, JK † 80, Kap. 6; Ps.-Stephan I., JK † 131, Kap. 9 – 10; Ps.-Gaius, JK † 157, Kap. 7; Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 2; Ps.-Julius I., JK † 195, Kap. 5; Vigilius, JK 907, Kap. 7; Ps.-Pelagius II., JK † 1051 apicem (…) referte: Ps.-Evaristus, JK † 20, Kap. 1; Ps.-Alexander I., JK † 24, Kap. 4; Ps.-Sixtus I., JK † 32, Kap. 5; Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 2; Ps.-Julius I., JK † 195, Kap. 6; Ps.-Damasus I., JK † 244; Ps.-Anastasius I., JK † 277; Ps.-Felix IV., JK † 878

Ps.-Clemens I., JK † 10, Kap. 29; Ps.-Anaklet, JK † 4, Kap. 33; Ps.-Melchiades, JK † 171, Kap. 3; Ps.-Julius I., JK † 195, Kap. 9; Vigilius, JK 907, Kap. 7

Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 1 – 2; Ps.-Julius I., JK † 195, Kap. 6 Tu (…) soluta et in caelo: Ps.-Pius I., JK † 43, Kap. 2; Ps.-Julius I., JK † 195, Kap. 6; Bf. Athanasius an Felix II., Kap. 4; ­Ps.-Pelagius II., JK † 1051

Parallelen Dekretalen Kap. 2c (inhaltl. und in Hinblick auf die Vorlage)

Parallelen CA Add. 4, Kap. 24c

Parallelen Ben. Lev.

Tabelle 1: Die falschen Dekretalen 245

Vorlagen Innozenz I., JK 293, ed. Munier (CCL 148), S. 197, Z. 89 – 97 quasi ad caput: Innozenz I., JK 314, ­Praefatio 1, Migne PL 20, Sp. 603A

Innozenz I., JK 321, Kap. 1, Migne PL 20, Sp. 582C-583D

sedis (…) caput: zusammengesetzt aus Innozenz I., JK 314, Praefatio 1, Migne PL 20, Sp. 603A; Innozenz I., JK 286, Kap. 3, Migne PL 20, Sp. 472A-473A Tu (…) meam: Mt. 16, 18

Text

[…] nostris instrui documentis, si quidem dilectio vestra normam secuta prudentium ad sedem apostolicam referre maluit quasi ad caput, quid deberet de rebus dubiis custodire potius quam usurpatione praesumere.

Si autem adversus eos aliquam querelam habueritis, his peractis inquirendum erit et auctoritate huius sanctae sedis terminandum

[…] ad huius sanctae et apostolicae sedis apicem, cui summarum dispensationes causarum et omnium negotia ecclesiarum ab ipso domino tradita sunt quasi ad caput ipsoque dicente principi apostolorum Petro: Tu es Petrus, et super hanc petram aedificabo ecclesiam meam, […].

[…] huius sanctae sedis, quam dominus caput totius ecclesiae constituit, […].

JK † 20 1. Evaristus-­Brief Kap. 1, S. 87

JK † 21 2. Evaristus-­Brief Kap. 7, S. 91

JK † 24 1. Alexander I.-­Brief Kap. 4, S. 95

JK † 24 1. Alexander I.-Brief Kap. 5, S. 97

1

Brief 

Ps.-Anaklet, JK † 2, Kap. 17; ders., JK † 4, Kap. 34; Ps.-Sixtus I., JK † 32, Kap. 5; Ps.-Anicetus, JK † 57, Kap. 4; ­Ps.-Zepherin, JK † 80, Kap. 6; Ps.-Stephan I., JK † 131, Kap. 9 – 10; Ps.-Gaius, JK † 157, Kap. 7; Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 2; Ps.-Julius I., JK † 195, Kap. 5; Vigilius, JK 907, Kap. 7; ­Ps.-Pelagius II., JK † 1051 quasi ad caput: Ps.-Anaklet, JK † 4, Kap. 34; Ps.-Evaristus, JK † 20, Kap. 1; ­Ps.-Alexander I., JK † 24, Kap. 4; Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 2; Ps.-Julius I., JK † 195, Kap. 6; ­Ps.-Damasus I., JK † 244; Ps.-Anastasius I., JK † 277; Ps.-Felix IV., JK † 878 Tu (…) meam: Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 1; Ps.-Bonifaz, JK † 883

Quasi ad caput: Ps.-Anaklet, JK † 4, Kap. 34; Ps.-Alexander I., JK † 24, Kap. 4; ­Ps.-Sixtus I., JK † 32, Kap. 5; Ps.-­Marcellus, JK † 160, Kap. 2; Ps.-Julius I., JK † 195, Kap. 6; ­Ps.-Damasus I., JK † 244; Ps.-Anastasius I., JK † 277; Ps.-Felix IV., JK † 878

Parallelen Dekretalen

Parallelen CA

Parallelen Ben. Lev.

246 Anhang

Vorlagen quasi ad caput: Innozenz I., JK 314, ­Praefatio 1, Migne PL 20, Sp. 603A

cuius (…) servaverunt: vgl. ­Innozenz I., JK 286, Kap. 3, Migne PL 20, Sp. 472B–473A; vgl. auch Chalkedon, Actio I, ed. Schwartz (ACO 2,3,1), S. 135, Z. 16 – 18; vgl. auch Excerptiones, Nr. 17, ed. Pitra, S. 169

Tu (…) solutum et in caelo: Mt. 16, 18 – 19

Text

Si q[uis vero vestrum pulsatus fuerit in aliqua adversitate, licenter hanc sanctam et apostolicam appellet sedem et ad eam] quasi ad capu[t suffugium habeat, ne innocens damnetur, aut ecclesia sua detrimentum patiatur. Si autem necesse ei venire] eamque appellare minime fuerit, et voc[atus tamen ab hac sancta sede fuerit, non renuat venire, sed confestim, u]t ei nuntiatum fuerit, venire festinet, et causas, pro quibus voc[atus est, prudenter disponat, atque, si necesse aliquid corrigere f ]uerit, cum his, quos hic primos invenerit, corrigat.

Ab hac enim sancta sede a sanctis apostolis tueri, defendi et liberari episcopi iussi sunt, ut, sicut eorum dispositione ordinante domino primitus sunt constituti, sic huius sanctae sedis, cuius dispositioni eorum causas et iudicia servaverunt, protectione futuris temporibus sint ab omnibus perversitatibus semper liberi.

Qui et hanc sanctam apostolicam sedem omnium ecclesiarum caput esse praecepit ipso dicente principi apostolorum Petro: Tu es Petrus et super hanc petram aedificabo ecclesiam meam, et portae inferi non praevalebunt adversus eam, et tibi dabo claves regni caelorum. Et quodcumque ligaveris super terram, erit ligatum et in caelo, et quodcumque solveris super terram, erit solutum et in caelo.

Si quis vero a suo proposito retrorsum exorbitaverit et iussa apostolicae sedis libenter transgressus] fuerit, infamis [efficitur.

JK † 32 2. Sixtus I.-Brief Kap. 5, S. 108

JK † 32 2. Sixtus I.-Brief Kap. 5, S. 108

JK † 43 1. Pius I.-Brief Kap. 2, S. 117

JK † 43 1. Pius I.-Brief Kap. 4, S. 117

1

Brief 

Tu (…) solutum et in caelo: Ps.-Anaklet, JK † 4, Kap. 30; Ps.-Julius I., JK † 195, Kap. 6; ­ Bf. Athanasius an Felix II., Kap. 4; ­Ps.-Pelagius II., JK † 1051

Ps.-Anaklet, JK † 2, Kap. 17; ders., JK † 4, Kap. 34; Ps.-Alexander I., JK † 24, Kap. 4; Ps.-Zepherin, JK † 80, Kap. 6; Ps.-Stephan I., JK † 131, Kap. 9 – 10; Ps.-Gaius, JK † 157, Kap. 7; Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 2; ­Ps.-Julius I., JK † 195, Kap. 5; Vigilius, JK 907, Kap. 7; Ps.-Pelagius II., JK † 1051 (­Ps.-Sixtus II., JK † 133, Kap. 2)

quasi ad caput: Ps.-Anaklet, JK † 4, Kap. 34; Ps.-Evaristus, JK † 20, Kap. 1; ­Ps.-Alexander I., JK † 24, Kap. 4; Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 2; Ps.-Julius I., JK † 195, Kap. 6; ­Ps.-Damasus I., JK † 244; Ps.-Anastasius I., JK † 277; Ps.-Felix IV., JK † 878

Parallelen Dekretalen

Parallelen CA

Parallelen Ben. Lev.

Tabelle 1: Die falschen Dekretalen 247

Vorlagen cui (…) sunt: vgl. Innozenz I., JK 286, Kap. 3, Migne PL 20, Sp. 472A-473A similiter (…) audiatur: vgl. Chalkedon, Kap. 9, ed. Schwartz (ACO 2,2,1), S. 56, Z. 17 – 20 apud (…) sedem: vgl. Chalkedon, Kap. 17, ed. Schwartz (ACO 2,2,1), S. 58, Z. 18 – 20

De (…) est: vgl. inhaltl. Sardika, Kap. 7, ed. Turner (EOMIA 1,2,3), S. 460f. und 498 nec (…) negotia: vgl. Sardika, Kap. 3, ed. Turner (EOMIA 1,2,3), S. 457f. und 497

placuit (…) procuret: vgl. Sardika, Kap. 7 (Rubrik), ed. Turner (EOMIA 1,2,3), S. 497a, Z. 2 – 14 et dum (…) est: vgl. Sardika, Kap. 4, ed. Turner (EOMIA 1,2,3), S. 457f. und 497 Quaecumque (…) soluta et in caelis: Mt. 16, 19

Text

Si vero incorrigibilis eisque inoboediens apparuerit, ad hanc apostolicam sedem, cui omnia episcoporum iudicia terminare praecepta sunt, […]. Similiter si aliquis episcoporum proprium metropolitanum suspectum habuerit, apud primatem dioceseos aut apud hanc apostolicam sedem audiatur.

De accusationibus ergo clericorum, super quibus consulti sumus, quia omnes eorum accusationes difficile est ad sedem apostolicam deferre, finitiva episcoporum tantum iudicia huc deferantur et huius sanctae sedis auctoritate finiantur, sicut ab apostolis eorumque successoribus multorum consensu episcoporum iam definitum est. Nec in eorum ecclesiis alii aut praeponantur aut ordinetur, antequam hic eorum iuste terminentur negotia, […].

Placuit, ut accusatus vel iudicatus a comprovincialibus in aliqua causa episcopus licenter appellet et adeat apostolicae sedis pontificem, qui aut per se aut per vicarios suos eius retractari negotium procuret, et dum iterato iudicio pontifex [causam suam agit, nullus alius in eius loco ponatur aut ordinetur episcopus, quoniam, quamquam] comprovincialibus episcopis accusa[ti causam pontificis scrutari liceat, non tamen definiri inconsulto Romano pontifice] permissum est, cum beato Petro apostolo non ab alio [quam ab ipso dictum sit domino: Quaecumque ligaveris super terram,] erunt ligata et in caelis, et queacumque solveris super terram, [erunt soluta et in caelis.

JK † 57 Anicetus-Brief Kap. 4, S. 121

JK † 68 Eleutherus-Brief Kap. 2 S. 125

JK † 74 1. Viktor I.-Brief Kap. 5, S. 128

1

Brief 

Ps.-Julius I., JK † 196, Kap. 12 (wörtl.) placuit (…) procuret: Ps.-Eleutherus, JK † 68, Kap. 2; Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 2 et (…) est: Ps.-Eleutherus, JK † 68, Kap. 2; Ps.-Sixtus II., JK † 133, Kap. 2 Quaecumque (…) soluta et in caelis: ­Ps.-Zepherin, JK † 80, Kap. 6; Ps.-Sixtus II., JK † 133, Kap. 2; Ps.-Julius I., JK † 196, Kap. 12; Ps.-Felix II., JK † 230, Kap. 14

De (…) est: Ps.-Viktor I., JK † 74, Kap. 5; Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 2; Ps.-Julius I., JK † 196, Kap. 12 nec (…) negotia: Ps.-Viktor I., JK † 74, Kap. 5; Ps.-Sixtus II., JK † 133, Kap. 2; Ps.-Julius I., JK † 196, Kap. 12

cui (…) sunt: Ps.-Anaklet, JK † 2, Kap. 17; ders., JK † 4, Kap. 34; Ps.-Alexander I., JK † 24, Kap. 4; Ps.-Sixtus I., JK † 32, Kap. 5; Ps.-Zepherin, JK † 80, Kap. 6; Ps.-Stephan I., JK † 131, Kap. 9 – 10; Ps.-Gaius, JK † 157, Kap. 7; Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 2; Ps.-Julius I., JK † 195, Kap. 5; Vigilius, JK 907, Kap. 7; Ps.-Pelagius II., JK † 1051 similiter (…) audiatur: Bf. Athanasius an Felix II., Kap. 4; Ps.-Felix II., JK † 230, Kap. 12/ xx (Ps.-Viktor I., JK † 74, Kap. 6; Ps.-Sixtus II., JK † 133, Kap. 3; Ps.-Julius I., JK † 196, Kap. 12)

Parallelen Dekretalen

Placuit (…) ­procuret: Kap. 39

Vgl. Kap. 39

­Similiter (…) ­audiatur: Kap. 17; Kap. 26 (inhaltl.)

Parallelen CA

Buch 3, Kap. 349; Add. 4, Kap. 12

Buch 3, Kap. 349; Add. 4, Kap. 12 (Add. 4, Kap. 28)

Buch 3, Kap. 314

Parallelen Ben. Lev.

248 Anhang

Vorlagen Chalkedon, Kap. 12, ed. Schwartz (ACO 2,2,2), S. 90, Z. 31–S. 91, Z. 1

Vgl. Codex Theodosianus, IX, 40, Kap. 1, Interpr., ed. Mommsen/Meyer, S. 501, Z. 3 – 5 Iudica (…) terminandae: vgl. Innozenz I., JK 286, Kap. 3, Migne PL 20, Sp. 472A–473A Quaecumque (…) reliqua: Mt. 16, 19

Tantam (…) fiduciam: vgl. Leo I., JK 437, ed. Schwartz (ACO 2, 4), S. 26, Z. 9f. ut (…) effectu: vgl. Leo I., JK 414, ­Praefatio, Migne PL 54, Sp. 695C

Text

Si quis putaverit se a proprio metropolitano gravari, apud patri[archam vel primat]em dioceseo aut penes universalis apostolicae ecclesiae iudicetur sedem.

[…] non ante sententiam proferant primitivant, quam apostolica fulti auctoritate […].

Finis vero eius cause ad sedem apostolicam deferatur, ut ibidem terminetur. Nec antea finiatur, sicut ab apostolis vel successoribus eorum olim statutum est, quam eius auctoritate fulciatur. Ad eam quoque ab omnibus, maxime tamen ab oppressis, appellandum est et concurrendum quasi ad matrem, ut eius uberibus nutriantur, auctoritate defendantur et a suis oppressionibus releventur quia non potest nec debet mater oblivisci filium suum. Iudicia enim] episcoporum maioresque eccl[esiae causae a sede apostolica et non ab alia, sicut apostoli et sancti successores eorum cum alii]s episcopis statuerunt, sunt terminan[dae, quia, licet in alio transferatur episcopos, beato tamen apostolo Petro dictum est:] Quaecumque ligaveris super terram, erunt ligata et [in caelis, et quaecumque solveris super terram, eru]nt solata et in caelis, et reliqua. Privilegia, quae soli huic sanctae sedi concessa sunt et [in constitutis apostolorum eoru]mque successorum aliis quamplurimis cum eis concinnantibus habentur inserta.

Tantam a domino huius sanctae sedis et apostolicae ecclesiae fundatore et beato Petro principe apostolorum accepimus fiduciam, ut pro universali Christi sanguine redempta ecclesia impigro laboremus effectu et omnibus domino famulantibus succurramus et cunctis pie viventibus apostolica auctoritate opem feramus.

JK † 74 1. Viktor I.-Brief Kap. 6, S. 128

JK † 80 1. Zepherin-Brief Kap. 2, S. 131

JK † 80 1. Zepherin-Brief Kap. 6, S. 132

JK † 81 2. Zepherin-Brief Kap. 10, S. 133

1

Brief 

Tantam (…) fiduciam: Ps.-Dionysius I., JK † 139, Kap. 2; Ps.-Liberius, JK † 222, Kap. 1; Ps.-Bonifaz II., JK † 883 ut (…) effectu: Ps.-Sot., JK † 61, Kap. 3; ­Ps.-Fab., JK † 92, Kap. 1; Ps.-Julius I., JK † 196, Kap. 11

Iudica (…) terminandae: Ps.-Anaklet, JK † 2, Kap. 17;ders., JK † 4, Kap. 34; ­Ps.-Alexander I., JK † 24, Kap. 4; Ps.-Sixtus I., JK † 32, Kap. 5; Ps.-Anicetus, JK † 57, Kap. 4; Ps.-Stephan I., JK † 131, Kap. 9 – 10; Ps.-Gaius, JK † 157, Kap. 7; Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 2; Ps.-Julius I., JK † 195, Kap. 5; Vigilius, JK 907, Kap. 7; Ps.-Pelagius II., JK † 1051 Quaecumque (…) reliqua: Ps.-Viktor I., JK † 74, Kap. 5; Ps.-Sixtus II., JK † 133, Kap. 2; Ps.-Julius I., JK † 196, Kap. 12; Ps.-Felix II., JK † 230, Kap. 14

Ps.-Julius I, JK † 196, Kap. 12

Ps.-Sixtus II., JK † 133, Kap. 3; Ps.-Julius I., JK † 196, Kap. 12 (vgl. inhaltl. Ps.-Anicetus, JK † 57, Kap. 4; Bf. Athanasius an Felix II., Kap. 4; Ps.-Felix II., JK † 230, Kap. 12/xx)

Parallelen Dekretalen Kap. 17; Kap. 26 (inhaltl.)

Parallelen CA Buch 3, Kap 314 und Kap. 321

Parallelen Ben. Lev.

Tabelle 1: Die falschen Dekretalen 249

Nulli (…) deviare: vgl. Leo I., JK 414, Kap. 1, Migne PL 54, Sp. 696B-C Et (…) patris: vgl. Ioh. 6, 38 – 39 matris (…) ecclesia: vgl. Leo I., JK 414, Kap. 1, Migne PL 54, Sp. 696B-C

Nulli vero dubium est, quod apostolica ecclesia mater sit omnium ecclesiarum, a cuius vos regulis nullatenus convenit deviare. Et sicut filius venit facere voluntatem patris, sic et vos voluntatem vestrae impleatis matris, quae est ecclesia, cuius caput, ut praedictum est, Romana exsistit ecclesia. Quicquid ergo sine discretione iustitiae contra huius disciplinam actum fuerit, ratum habere ratio nulla permittit.)

Fabianus episcopus urbis Romae omnibus orientalibus episcopis et cunctis fidelibus in domino salutem. Exigit dilectio vestra sedis apostolicae consulta, quae vobis denegare non debemus nec possumus. Hoc autem et praedecessoribus nostris multarum regionum episcopis egisse liquet, et nos, qui in eadem sede domino largiente collocati sumus, agere debere fraterna caritas et oboedientiae debitum compellit.

Quod si incorrigibilis, quod absit, apparuerit, tunc erit accusandus ad primates suos aut ad sedem apostolicam.

Placuit etiam, ut, si episcopus accusatus appellaverit apostolicam sedem, id statuendum, quod eiusdem sedis pontifex censuerit. Haec tamen omnino in sacerdotum causa forma servetur, ne quemquam sententia non a suo iudice dicta constringat.

Nullus enim sacerdotum causam suam alieno committat iudicio, nisi ad sedem apostolicam fuerit appellatum, […].

JK † 85 1. Calixt-Brief Kap. 2 S. 136

JK † 93 2. Fabian-Brief Kap. 8, S. 160

JK † 93 2. Fabian-Brief Kap. 23, S. 166

JK † 94 3. Fabian-Brief Kap. 29, S. 168

JK † 115 2. Cornel.-Brief Kap. 5 S. 174

Placuit (…) accusatus: Sardika, Kap. 7, ed. Turner (EOMIA 1,2,3), S. 460 appellaverit (…) censuerit: Sardika, Kap. 3 (Rubrik), ed. Turner (EOMIA 1,2,3), S. 447 causa (…) constringat: Codex ­Theodosianus, IV, 16, Kap. 2, ed. ­Mommsen/Meyer, S. 197

Vorlagen

Text

1

Brief 

Ps.-Anaklet, JK † 4, Kap. 35

Ps.-Sixtus III., JK † 397 (wörtl.) placuit (…) censuerit: Ps.-Julius I., JK † 196, Kap.12 causa (…) constringat: Ps.-Zepherin, JK † 80, Kap. 5 (anderer Zusammenhang); Ps.-Euseb., JK † 165, Kap. 17 (nicht auf Papst bezogen); Ps.-Julius I., JK † 196, Kap. 18 (bezieht sich auf Interpretatio)

Parallelen Dekretalen

Placuit (…) censuerit: Kap. 20

Parallelen CA

Placuit (…) ­censuerit: Buch 3, Kap. 315; Add. 4, Kap. 17 und 27

Parallelen Ben. Lev.

250 Anhang

Vorlagen Vgl. Innozenz I., JK 286, Kap. 3, Migne PL 20, Sp. 472A-473A

ultra (…) appellatum: vgl. inhaltl. ­Innozenz I., JK 286, Kap. 3, Migne PL 20, Sp. 472A-473A); darin ultra (…) progrediatur: Codex Theodosianus, IX, 1, Kap. 10, ed. ­Mommsen/Meyer, S. 433, Z. 1f.

Text

[…] et maiores cause post apostolicam sedem sunt referendae.

Ultra provinciae vero terminos accusandi licentia non progrediatur, sed omnis accusatio intra provinciam audiatur, et a comprovincialibus terminetur, nisi ad sedem apostolicam fuerit tantum appellatum.

JK † 131 2. Stephan-Brief Kap. 9 S. 185

JK † 131 2. Stephan-Brief Kap. 10, S. 185f.

1

Brief 

Ultra (…) appellatum: Ps.-Anaklet, JK † 2, Kap. 17; ders., JK † 4, Kap. 34; ­Ps.-Alexander I., JK † 24, Kap. 4; ­Ps.-Sixtus I., JK † 32, Kap. 5; Ps.-Anicetus, JK † 57, Kap. 4; Ps.-Zepherin, JK † 80, Kap. 6; Ps.-Stephan I., JK † 131, Kap. 9 – 10; Ps.-Gaius, JK † 157, Kap. 7; Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 2; Ps.-Julius I., JK † 195, Kap. 5; Vigilius, JK 907, Kap. 7; Ps.-Pelagius II., JK † 1051

Ps.-Anaklet, JK † 2, Kap. 17; ders., JK † 4, Kap. 34; Ps.-Alexander I., JK † 24, Kap. 4; Ps.-Sixtus I., JK † 32, Kap. 5; Ps.-Anicetus, JK † 57, Kap. 4; Ps.-Zepherin, JK † 80, Kap. 6; Ps.-Gaius, JK † 157, Kap. 7; Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 2; Ps.-Julius I., JK † 195, Kap. 5; ­Vigilius, JK 907, Kap. 7; Ps.-Pelagius II., JK † 1051

Parallelen Dekretalen

Parallelen CA

Parallelen Ben. Lev.

Tabelle 1: Die falschen Dekretalen 251

Vorlagen ut (…) causis: vgl. Chalkedon, Actio I, ed. Schwartz (ACO 2,3,1), S. 135, Z. 16 – 18; bzw. Excerptiones, Nr. 17, ed. Pitra, S. 169 Cuius (…) auctoritas reservavit: vgl. Innozenz, JK 286, Kap. 3, Migne PL 20, Sp. 472B–473A nullus (…) est: vgl. inhaltl. Sardika, Kap. 4, ed. Turner (EOMIA 1,2,3), S. 457f. und 497 quaecumque (…) caelis: Mt. 16, 19

Vgl. Chalkedon, Kap. 12, ed. Schwartz (ACO 2,2,2), S. 90, Z. 31–S. 91, Z. 1

Text

[…] ut omnes episcopi, qui in quibusdam gravioribus pulsantur vel criminantur causis, quotiens necesse fuerit, libere apostolicam appellent sedem atque ad eam quasi ad matrem confugiant, ut ab ea, sicut semper fuit, pie fulciantur, defendantur et liberentur. Cuius dispositioni omnes maiores ecclesiasticas causas et episcoporum iudicia antiqua apostolorum eorumque successorum atque canonum auctoritas reservavit, quoniam culpantur episcopi, qui aliter erga fratres egerint, quam eiusdem sedis papae fieri placuerit. Unde placuit ut accusatus vel iudicatus a conprovintialibus in aliqua causa episcopus licenter appellet et adeat apostolicae sedis pontificem, qui aut per se aut per vicarios suos eius tractari negotium procuret, et dum iterato iuditio pontifex causam suam agit, nullus alius in eius loco ponatur aut ordinetur episcopus, quoniam, quamquam comprovincialibus episcopis accusati causam pontificis scrutari liceat, non tamen definiri inconsulto Romano pontifice permissum est, cum beato Petro apostolo non ab alio quam ab ipso dictum sit domino: Quaecumque ligaveris super terram, erunt ligata et in caelis.

Et si quis putaverit se a proprio metropolitano gravari, apud primatem dioceseos aut penes universalis apostolicae ecclesiae papam iudicetur.

JK † 133 1. Sixtus II.-Brief Kap. 2, S. 190

JK † 133 1. Sixtus II.-Brief Kap. 3, S. 190

1

Brief 

Ps.-Viktor I., JK † 74, Kap. 6; Ps.-Julius I., JK † 196, Kap. 12 (vgl. inhaltl. Ps.-Ann., JK † 57, Kap. 4; Ps.-Felix II., JK † 230, Kap.12/ xx)

ut (…) auctoritas reservavit: vgl. Ps.-Sixtus I., JK † 32, Kap. 5 Unde (…) Romano pontifice: Ps.-Eleutherus, JK † 68, Kap. 2; Ps.-Viktor I., JK † 74, Kap. 5; Ps.-Julius I., JK † 196, Kap. 12 quaecumque (…) caelis: Ps.-Viktor I., JK † 74, Kap. 5; Ps.-Zepherin, JK † 80, Kap. 6; Ps.-Julius I., JK † 196, Kap. 12; Ps.-Felix II., JK † 230, Kap. 14

Parallelen Dekretalen

Kap. 17; Kap. 26 (inhaltl.)

unde (…) agit: Kap. 39 (inhaltl.)

Parallelen CA

Buch 3, Kap. 314 und 321

Ut […] placuerit: Add. 4, Kap. 30 (wörtl.); Add. 4, Kap. 28 und 29 (beide inhaltl.) unde (…) agit: Buch 3, Kap. 349; Add 4, Kap. 12

Parallelen Ben. Lev.

252 Anhang

Vorlagen decuerat (…) cognoveritis: vgl. Leo I., JK 411, Kap. 1, Migne PL 54, Sp. 669A-B und 671A-B ita (…) recederitis: Leo I., JK 411, Kap. 2, Migne PL 54, Sp. 672A

olim (…) auctoritatem: vgl. Leo I., JK 437, ed. Schwartz (ACO 2,4), Nr. 25, S. 26, Z. 8 – 10

vgl. inhaltl. Innozenz I., JK 286, Kap. 3, Migne PL 20, Sp. 473A

Vgl. inhaltl. Innozenz I., JK 286, Kap. 3, Migne PL 20, Sp. 472A-473A

Text

Decuerat namque iuxta praefatas regulas, ut, si aliquid egissent contra suum ordinem mandare nobis et exspectare, quid ad vestra consulta rescriberemus, in tantum, ut, si etiam quicquam grave intolerandumque committerent, nostra praestolaretur censura, ut nihil prius aut aliud decerneretis, quam quod nobis placere cognoveritis ita, ut regulis praestitutis nulla aut neglegentia aut praesumptione recederetis. […] quoniam convenit nos paternarum sanctionum diligentes esse custodes. […] qui nos in sua nolunt recipere querela vel accusatione, cum nos super illos sciamus a domino constitutos, non illos super nos.

Olim et ab initio tantam percepimus a beato Petro apostolorum principe fiduciam, ut habeamus auctoritatem universali ecclesiae auxiliante domino subvenire et, quicquid nocivum est, auctoritate apostolica corrigere et emendare.

Licet namque de his plura et pernecessaria, quae in decretis sedis apostolicae et ab apostolis eorumque successoribus nostris videlicet praedecessoribus statuta inveniuntur, dicere et conscribere potuissemus, […].

Semper enim dubia et maiora negotia terminum ab hac sancta sede a tempore apostolorum, qui eam suis documentis instruxerunt, accipere consueverunt, […].

Et quaecumque difficiles quaestiones per singulas provincias exortae fuerint, semper ad sedem apostolicam referantur.

JK † 134 2. Sixtus II.-Brief Kap. 8, S. 193

JK † 139 2. Dionysius-Brief Kap. 2, S. 195

JK † 143 2. Felix I. –Brief Kap. 16, S. 204

JK † 144 3. Felix I.-Brief Kap. 17, S. 204

JK † 157 Gaius-Brief Kap. 7, S. 218

1

Brief 

Ps.-Anaklet, JK † 2, Kap. 17; ders., JK † 4, Kap. 34; Ps.-Alexander I., JK † 24, Kap. 4; Ps.-Sixtus I., JK † 32, Kap. 5; ­Ps.-Anicetus, JK † 57, Kap. 4; Ps.-Zepherin, JK † 80, Kap. 6; ­Ps.-Stephan I., JK † 131, Kap. 9 – 10; Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 2; Ps.-Julius I., JK † 195, Kap. 5; Vigilius, JK 907, Kap. 7; ­Ps.-Pelagius II., JK † 1051

Ps.-Zepherin, JK † 81, Kap. 10; Ps.-Liberius, JK † 222; Ps.-Bonifaz II., JK † 883 (wörtl.)

decuerat (…) cognoveritis: Kap. 8, ­Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 1; Ps.-Julius I., JK † 196, Kap. 19; Ps.-Damasus I., JK † 242, Kap. 18; Vigilius, JK 907, Kap. 7 ita (…) recederetis: Ps.-Julius I., JK † 196, Kap. 19

Parallelen Dekretalen

Parallelen CA

Parallelen Ben. Lev.

Tabelle 1: Die falschen Dekretalen 253

Vorlagen Rogamus (…) est: Nicäa, Praefatio, ed. Turner (EOMIA 1,1,2), S. 156b, Z. 18-S. 158b, Z. 73 tu (…) meam: Mt. 16, 18 nec (…) disponantur: vgl. inhaltl. Leo I., JK 411, Kap. 1, Migne PL 54, Sp. 669A-B und 671A-B a (…) principia: vgl. Innozenz I., JK 311, ed. Cabié, S. 20, Z. 23

si (…) sedi: vgl. Nicäa, Praefatio, ed. Turner (EOMIA 1,1,2), S. 156b, Z. 18-S. 158b, Z. 73 ad (…) caput: Innozenz I., JK 314, ­Praefatio 1, Migne PL 20, Sp. 603A

Text

Rogamus ergo vos, fratres, ut non aliud doceatis neque sentiatis quam, quod a beato Petro apostolo et a reliquis apostolis et patribus accepistis. Ab illo enim primo instructi estis, ideo non oportet vos proprium derelinquere patrem et alteros sequi. Ipse enim caput est totius ecclesiae, cui ait dominus: Tu es Petrus, et super hanc petram aedificabo ecclesiam meam, et reliqua. Eius enim sedes primitus apud vos fuit, quae postea iubente domino Romam translata est, cui admi niculante gratia divina hodierna praesidemus die. Nec ab eius dispositione vos deviare oportet, ad quam cuncta maiora ecclesiastica negotia divina disponente gratia iussa sunt referenda, ut ab ea regulariter disponantur, a qua sumpsere principia […].

Si vestra vero Antiochena, quae olim prima erat, Romanae cessit sedi, nulla est, quae eius non sit subiecta dicioni, ad quam omnes quasi ad caput iuxta apostolorum eorumque successorum sanctiones episcopi, qui voluerint, vel quibus necesse fuerit, suffugere eamque appellare debent, ut inde accipiant tuitionem et liberationem, unde acceperunt informationem atque consecrationem.

JK † 160 1. Marcellus-Brief Kap. 1, S. 223

JK † 160 1. Marcellus-Brief Kap. 2, S. 224

1

Brief 

Si (…) sedi: Ps.-Anaklet, JK † 4, Kap. 30; Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 1; Ps.-Julius I., JK † 195, Kap. 6 ad (…) caput: Ps.-Anaklet, JK † 4, Kap. 34; Ps.-Evaristus, JK † 20, Kap. 1; Ps.-Alexander I., JK † 24, Kap. 4; Ps.-Sixtus I., JK † 32, Kap. 5; Ps.-Julius I., JK † 195, Kap. 6; ­Ps.-Damasus I., JK † 244; Ps.-Anastasius I., JK † 277; ­Ps.-Felix IV., JK † 878

Rogamus (…) est: Ps.-Anaklet, JK † 4, Kap. 30; Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 2; Ps.-Julius I., JK † 195, Kap. 6 tu (…) meam: Ps.-Alexander I., JK † 24, Kap. 4; Ps.-Bonifaz, JK † 883 nec (…) disponantur: Ps.-Sixtus II., JK † 134, Kap. 8; Ps.-Julius I., JK † 196, Kap. 19; ­Ps.-Damasus I., JK † 242, Kap. 18; Vigilius, JK 907, Kap. 7 a (…) principia: Vigilius, JK 907, Kap. 7

Parallelen Dekretalen

Kap. 2c

Kap. 2c

Parallelen CA

Add. 4, Kap. 24

Add. 4, Kap. 24

Parallelen Ben. Lev.

254 Anhang

Vorlagen nulla (…) auctoritatem: Chalkedon, Actio I, ed. Schwartz (ACO 2,3,1), S. 40, Z. 18 – 19 (und Apparat 16 – 19); vgl. auch inhaltl. Cassiodor, Historia Tripartita, Buch 4, Kap. 9, Abschnitt 4, ed. Hanslik/Jakob (CSEL 71), S. 165, Z. 19 – 21 episcoporum (…) finienda: vgl. inhalt. Innozenz I., JK 286, Kap. 3, Migne PL 20, Sp. 472A-473A

synodos (…) facere: Chalkedon, ­Actio I, ed. Schwartz (ACO 2,3,1), S. 40, Z. 18f. (und Apparat 16 – 19); Vgl. auch inhaltl. Cassiodor, Historia ­Tripartita, Buch 4, Kap. 9, Abschnitt 4, ed. ­Hanslik/Jakob (CSEL 71), S. 165, Z. 19 – 21 nolite (…) condemnare: vgl. Luc. 6, 37 (stark verkürzt)

sed (…) capite: vgl. Leo I., JK 411, Kap. 11, Migne PL 54, Sp. 676A-B

Text

[…] nulla fieret synodus praeter eiusdem sedis auctoritatem […], episcoporum iudicia et summarum causarum negotia sive cuncta dubia apostolicae sedis auctoritate sunt agenda et finienda […].

Synodos ergo absque huius sanctae sedis auctoritate episcoporum, quamquam quosdam episcopos possitis congregare, non potestis regulariter facere, neque ullum episcopum, qui hanc appellaverit apostolicam sedem damnare, antequam hinc sententia finitiva procedat.

Episcopos nolite iudicare, nolite condemnare absque sedis huius auctoritate. Quod si feceritis, irrita erunt vestra iudicia et vos condemnabimini. Hoc enim privilegium huic sanctae sedi a temporibus apostolorum statutum est servare, quod illaesum manet usque in hodiernum diem.

[…] sed semper maiores causae, sicut sunt episcoporum et potiorum curae negotiorum ad unam beati principis apostolorum Petri sedem confluerent, ut inde suscipiant finem iudiciorum, unde acceperunt initium institutionum, ne quandoque a suo discreparent capite.

JK † 160 1. Marcellus-Brief Kap. 2, S. 224

JK † 161 2. Marcellus-Brief Kap. 10, S. 228

JK † 171 Melchiades-Brief Kap. 2, S. 243

JK † 171 Melchiades-Brief Kap. 3, S. 243

1

Brief 

Ps.-Clemens I., JK † 10, Kap. 29; P ­ s.-Anaklet, JK † 4, Kap. 33; Ps.-Julius I., JK † 195, Kap. 9; Vigilius, JK 907, Kap. 7 (Ps.-Pius I., JK † 43, Kap. 1; Ps.-Calixt, JK † 85, Kap. 1; ­Ps.-Sixtus II., JK † 134, Kap. 4; Ps.-Julius I., JK † 195, Kap. 9; ders., JK † 196, Kap. 17; ­Ps.-Felix IV., JK † 878)

synodos (…) facere: Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 2; Ps.-Julius I., JK † 196, Kap. 11 und 13; Ps.-Damasus I., JK † 242, Kap. 9 (Ps.-Julius I., JK † 195, Kap. 6; ders., JK † 196, Kap. 11; Ps.-Pelagius II., JK † 1051)

nulla (…) auctoritatem: Ps.-Marcellus, JK † 161, Kap. 10; Ps.-Julius I., JK † 196, Kap. 11 und 13; Ps.-Damasus I., JK † 242, Kap. 9 (Ps.-Julius I., JK † 195, Kap. 6; ders., JK † 196, Kap. 11; Ps.-Pelagius II., JK † 1051) episcoporum (…) finienda: Ps.-Anaklet, JK † 2, Kap. 17; ders., JK † 4, Kap. 34; ­Ps.-Alexander I., JK † 24, Kap. 4; Ps.-Sixtus I., JK † 32, Kap. 5; Ps.-Anicetus, JK † 57, Kap. 4; Ps.-Zepherin, JK † 80, Kap. 6; Ps.-Stephan I., JK † 131, Kap. 9 – 10; Ps.-Gaius, JK † 157, Kap. 7; Ps.-Julius I., JK † 195, Kap. 5; Vigilius, JK 907, Kap. 7; Ps.-Pelagius II., JK † 1051

Parallelen Dekretalen

Kap. 2a (inhaltl.)

Kap. 2a

Parallelen CA

Buch 2, Kap. 381d; Add. 4, Kap. 24

Buch 2, Kap. 381; Add. 4, Kap. 24

Parallelen Ben. Lev.

Tabelle 1: Die falschen Dekretalen 255

1

quia semper (…) sunt: vgl. inhalt. ­Innozenz I., JK 286, Kap. 3, Migne PL 20, Sp. 472A-473A

Vgl. Nicäa, Praefatio, ed. Turner (EOMIA 1,1,2), S. 156b, Z. 18-S. 158b, Z. 73, darin Tu (…) terra: vgl. Mt. 16, 18 – 19

[…] ut a vestrae sanctae sedis ecclesiae auctoritate,quae est caput et mater omnium ecclesiarum […]

Haec sancta et apostolica mater omnium ecclesiarum Christi ecclesia, quae per dei omnipotentis gratiam a tramite apostolicae traditionis […].

Quas providentes sancti patres insidias et inlicitas altercationes unanimiter in praedicta Nicena statuerunt synodo, ut nullus episcopus nisi in legitima synodo et suo tempore apostolica auctoritat convocata super quibusdam criminationibus pulsatus audiatur id est iudicetur vel dampnetur. Sin aliter praesumptum a quibusdam fuerit, in vanum deducatur quid egerint, nec inter ecclesiastica ullo modo reputabuntur. Ipsi vero primae sedis ecclesiae convocandarum generalium synodorum iura et iudicia episcoporum singulari privilegio evangelicis et apostolicis atque canonicis concessa sunt institutis, quia semper maiores causae ad sedem apostolicam multis auctoritatibus referre praeceptae sunt, nec ullo modo potest maior a minore iudicari.

Ipsa namque omnibus maior et praelata est ecclesiis, quae non solummodo canonum et sanctorum patrum decretis, sed domini salvatoris nostri voce singularem obtinuit principatum: Tu es, inquiens, Petrus, et super hanc petram aedificabo ecclesiam meam, et reliqua. Et quodcumque ligaveris et solveris, erunt ligata et soluta in caelo et in terra, et cetera.

1. Athanasius-Brief (an Marcus) S. 452

JK † 181 Marcus-Brief Kap. 2, S. 454

JK † 195 2. Julius I.-Brief Kap. 5 S. 459

JK † 195 2. Julius I.-Brief Kap. 6, S. 459

Vorlagen

Si vero se viderit quisquam vestrum praegravari, hanc sedem appellet, huc recurrat, ut semper instituta fuit consuetudo […].

Text

JK † 171 Melchiades-Brief Kap. 4, S. 243

Brief 

Ps.-Anaklet, JK † 4, Kap. 30; Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 1 – 2 Tu (…) terra: Ps.-Anaklet, JK † 4, Kap. 30; Ps.-Pius I., JK † 43, Kap. 2; Bf. Athanasius an Felix II., Kap. 4; Ps.-Pelagius II., JK † 1051

Ipsi (…) institutis: Pseudoisidor, Praefatio, Kap. 8; Ps.-Pelagius II., JK † 1051 quia semper (…) sunt: Ps.-Anaklet, JK † 2, Kap. 17; ders., JK † 4, Kap. 34; ­Ps.-Alexander I., JK † 24, Kap. 4; ­Ps.-Sixtus I., JK † 32, Kap. 5; Ps.-Anicetus, JK † 57, Kap. 4; Ps.-Zepherin, JK † 80, Kap. 6; Ps.-Stephan I., JK † 131, Kap. 9 – 10; Ps.-Gaius, JK † 157, Kap. 7; Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 2; ­Vigilius, JK 907, Kap. 7; Ps.-Pelagius II., JK † 1051 nec (…) iudicari: Ps.-Clemens, JK † 10, Kap. 33 und 42; Ps.-Sixtus II., JK † 134, Kap. 8; ­Ps.-Julius I., JK † 196, Kap. 19

Parallelen Dekretalen

Vgl. Kap. 2c

Quas (…) reputabuntur: Kap. 2a-b

Parallelen CA

Add. 4, Kap. 24c

Buch 2, Kap. 381d; Add. 4, Kap. 24

Parallelen Ben. Lev.

256 Anhang

Vorlagen non oportere (…) celebrari: ­Cassiodor, Historia Tripartita, Buch 4, Kap. 9, Abschnitt 4, ed. Hanslik/Jakob (CSEL 71), S. 165, Z. 19 – 21; vgl. auch inhaltl. Chalkedon, Actio I, ed. Schwartz (ACO 2,3,1), S. 40, Z. 18f. (und Apparat 16 – 19) Prima (…) causae: Innozenz I., JK 314, Praefatio 1, Migne PL 20, Sp. 603A

Leo I., JK 414, Migne PL 54, Sp. 696B

Cassiodor, Historia Tripartita, Buch 4, Kap. 9, Abschnitt 4, ed. Hanslik/ Jakob (CSEL 71), S. 165, Z. 19 – 21; vgl. auch inhaltl. Chalkedon, Actio I, ed. Schwartz (ACO 2,3,1), S. 40, Z. 18f. (und Apparat 16 – 19)

Text

Porro dudum a sanctis apostolis successoribusque eorum in praefatis antiquis decretum fuerat statutis, quae hactenus sancta et universalis apostolica tenet ecclesia, non oportere praeter sententiam Romani pontificis concilia celebrari nec episcopum damnari, quoniam sanctam Romanam ecclesiam primatum omnium ecclesiarum esse voluerunt: et sicut beatus Petrus apostolus primus fuit omnium apostolorum, ita et haec ecclesia suo nomine consecrata domino institute prima et caput sit ceterarum, et ad eam quasi ad matrem atque apicem omnes maiores ecclesiae causae […], liceat inconsulto Romano pontifice aut maiores ecclesiae causas deturbare aut episcopos damnare, sed communi sanctae Romanae sedis episcopi consilio et concordi actione, […].

Sed si quis ab hodierna die et deinceps episcopum praeter huius sanctae sedis sententiam damnare aut propria pellere sede praesumpserit, sciat se irrecuperabiliter esse damnatum et proprio carere perpetim honore eosque, qui absque huius sedis sententia sunt eiecti vel damnati, huius sanctae sedis auctoritate scitote pristinam recipere communionem et in propriis restitui sedibus, […].

Quam culpam nullo modo potuissetis incidere, si unde consecrationem honoris accipitis, inde legem totius observantiae sumeritis et beati apostoli Petri sedes, quae vobis sacerdotalis mater et dignitatis, esset ecclesiasticae magistrationis.

[…] canonibus quippe in Nicena synodo iubentibus non debere praeter sententiam Romani pontificis ullo modo concilia celebrari […].

JK † 195 2. Julius I.-Brief Kap. 6, S. 459f.

JK † 195 2. Julius I.-Brief Kap. 6, S. 460

JK † 195 2. Julius I.-Brief Kap. 8, S. 460

JK † 196 3. Julius I.-Brief Kap. 11, ed. Zechiel-Eckes, Blick, S. 73, Z. 48f.

1

Brief 

Ps.-Julius I., JK † 195, Kap. 6; ders., JK † 196, Kap. 13; Ps.-Pelagius II., JK † 1051 (­Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 2; ders., JK † 161, Kap. 10; Ps.-Julius I., JK † 196, Kap. 11; Ps.-Damasus I., JK † 242, Kap. 9)

eosque (…) sedibus: Ps.-Zepherin, JK † 81, Kap. 12; Ps.-Damasus I., JK † 242, Kap. 12

non oportere (…) celebrari: Ps.-Julius I., JK † 196, Kap. 11 und 13; Ps.-Pelagius II., JK † 1051 (Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 2; ders., JK † 161, Kap. 10; Ps.-Julius I., JK † 196, Kap. 11; Ps.-Damasus I., JK † 242, Kap. 9) Prima (…) causae: Ps.-Anaklet, JK † 4, Kap. 34; Ps.-Evaristus, JK † 20, Kap. 1; ­Ps.-Alexander I., JK † 24, Kap. 4, ­Ps.-Sixtus I., JK † 32, Kap. 5; Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 2; Ps.-Damasus I., JK † 244; ­Ps.-Anastasius I., JK † 277; Ps.-Felix IV., JK † 878

Parallelen Dekretalen

Parallelen CA

Parallelen Ben. Lev.

Tabelle 1: Die falschen Dekretalen 257

Vorlagen Chalkedon, Actio I, ed. Schwartz (ACO 2,3,1), S. 40, Z. 18f. (und Apparat 16 – 19); vgl. auch inhaltl. Cassiodor, Historia Tripartita, Buch 4, Kap. 9, Abschnitt 4, ed. Hanslik/Jakob (CSEL 71), S. 165, Z. 19 – 21 Placuit (…) causam suam: vgl. Sardika, Kap. 7, ed. Turner (EOMIA 1,2,3), S. 447 (Rubrik) und S. 460f. nullus (…) permissum est: vgl. Sardika, Kap. 4, ed. Turner (EOMIA 1,2,3), S. 447 (Rubrik) und S. 457f. Quamque (…) soluta et in caelis: Mt. 16, 19

Placuit (…) accusatus: Sardika, Kap. 7, ed. Turner (EOMIA 1,2,3), S. 460 appellauerit (…) censuerit: Sardika, Kap. 3 (Rubrik), ed. Turner (EOMIA 1,2,3), S. 447 Vgl. Chalkedon, Kap. 12, ed. Schwartz (ACO 2,2,2), S. 90, Z. 31-S. 91, Z. 1

Text

[..] ut absque eius sanctae sedis auctoritate nullus deberet aut concilia celebrare […].

Placuit, ut accusatus uel iudicatus a conprouintialibus in aliqua causa episcopus licenter appellet et adeat apostolicae sedis pontificem, qui aut per se aut per uicarios suos eius retractari negotium procuret. Et dum iterato iudicio pontifex causam suam agit, nullus alius in eius loco ponatur aut ordinetur episcopus, quoniam, quamquam conprouincialibus episcopis accusati causam pontificis scrutari liceat, non tamen definiri inconsilto Romano pontifice permissum est, cum beato Petro apostolo non ab alio quam ab ipso dictum sit domino: Quaecumque ligaueris super terram, erunt ligata et in caelis, et quaecumque solueris super terram, erunt soluta et in caelis.

Placuit, si accusatus uel damnatus episcopus appellauerit Romanum pontificem, id statuendum, quod ipse iuste censuerit;

Reliquae uero non primates, sed metropoles uocentur eorumque episcopi non primatum, sed aut metropolita­ norum aut archiepiscoporum nomine fruantur.

JK † 196 3. Julius I.-Brief Kap. 11, ed. Zechiel-Eckes, Blick, S. 75, Z. 96f.

JK † 196 3. Julius I.-Brief Kap. 12, ed. Zechiel-Eckes, Blick, S. 76 – 77, Z. 124 – 130

JK † 196 3. Julius I.-Brief Kap. 12, ed. Zechiel-Eckes, Blick, S. 78, Z. 152 – 153

JK † 196 3. Julius I.-Brief Kap. 12, ed. Zechiel-Eckes, Blick, S. 79, Z. 165 – 167

1

Brief 

Ps.-Viktor I., JK † 74, Kap. 6; Ps.-Sixtus II., JK † 133, Kap. 3 (vgl. inhaltl. Ps.-Anicetus, JK † 57, Kap. 4; Ps.-Felix II., JK † 230, Kap. 12/xx)

Ps.-Fab., JK † 94, Kap. 29; Ps.-Sixtus III., JK † 397

Ps.-Viktor, JK † 74, Kap. 5 (wörtl.) Placuit (…) causam suam: Ps.-Eleutherus, JK † 68, Kap. 2; Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 2 nullus (…) permissum est: Ps.-Eleutherus, JK † 68, Kap. 2; Ps.-Sixtus II., JK † 133, Kap. 2 Quamque (…) soluta et in caelis: Ps.-Viktor I., JK † 74, Kap. 6; Ps.-Zepherin, JK † 80, Kap. 6; Ps.-Sixtus II., JK † 133, Kap. 2; Ps.-Felix II., JK † 230, Kap. 4

Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 2; ders., JK † 161, Kap. 10; Ps.-Julius I., JK † 196, Kap. 13; ­Ps.-Damasus I., JK † 242, Kap. 9 (Ps.-Julius I., JK † 195, Kap. 6; ders., JK † 196, Kap. 11; Ps.-Pelagius II., JK † 1051)

Parallelen Dekretalen

Kap. 17; Kap. 26 (inhaltl.)

Kap. 20 (fast wörtl.)

Kap. 2a (inhaltl.)

Parallelen CA

Buch 3, Kap. 314 und 321

Buch 3, Kap. 315; Add. 4, Kap. 17

Add. 4, Kap. 29 (wörtl.); Add. 4, Kap. 28

Buch 2, Kap. 381 (inhaltl.); Add. 4, Kap 24 (inhaltl.)

Parallelen Ben. Lev.

258 Anhang

Vorlagen Sardika, Kap. 7 (Rubrik), ed. Turner (EOMIA 1,2,3), S. 447

Codex Theodosianus, IX, 40, Kap. 1, interpr., ed. Mommsen/Meyer, S. 501, Z. 3 – 5

Nec (…) concilia: vgl. Chalkedon, Actio I, ed. Schwartz (ACO 2,3,1), S. 40, Z. 18 – 19 (und Apparat 16 – 19); ­Cassiodor, Historia Tripartita, Buch 4, Kap. 9, Abschnitt 4, ed. Hanslik/ Jakob (CSEL 71), S. 165, Z. 19 – 21 magis (…) cognouoissetis: vgl. Leo I., JK 411, Kap. 1, Migne PL 54, Sp. 669A-B und 671A-B ita (…) recederitis: Leo, JK 411, Kap. 2, Migne PL 54, Sp. 672A

Text

Ut prouincialis synodus retractetur per uicarios urbis Romae episcopi, si ipse decreuerit.

Primates accusatum discutientes epissopum non ante sententiam proferant damnationis quam apostolica freti auctoritate aut reum se ipse confiteatur aut per innocentes et canonice examinatos regulariter testes conuincatur.

[…] quoniam nec ab ortodoxis episcopis hoc concilium actum est nec Romanae ecclesiae legatio interfuit canonibus praecipientibus sine eius auctoritate concilia fieri non debere, nec ullum ratum est aut erit umquam concilium, quod eius non fuerit fultum auctoritate.

Quibus cognitis magis uos dominari uelle manifestum est quam consulere fratribus aut sustenare eos, quia honor inflat ad superbium, et quod prouisum est ad concordiam, tendit ad noxam. Decuerat namque praefatas regulas, si aliquid egissent contra suum ordinem, mandare nobis et expectare, quid ad uestra consulta rescriberemus, in tantum ut si etiam quicquam graue intolerandumque committerent, nostra praestolaretur censura et nihil prius aut aliud decerneretis, quam quod nobis placere cognouoissetis, ita ut a regulis praestitutis nulla aut neglegentia aut praesumptione recederetis.

[…] ea, quae a sancta sede vestra apostolorum eorumque successorum praedicatione percepimus, atque quae in Nicena synodo roborata cognovimus, praedicare […].

JK † 196 3. Julius I.-Brief Kap. 12, ed. Zechiel-Eckes, Blick, S. 81, Z. 194 – 195

JK † 196 3. Julius I.-Brief Kap. 12, ed. Zechiel-Eckes, Blick, S. 82, Z. 217 – 219

JK † 196 3. Julius I.-Brief Kap. 13, ed. Zechiel-Eckes, Blick, S. 83, Z. 239 – 243

JK † 196 3. Julius I.-Brief Kap. 19, ed. Zechiel-Eckes, Blick, S. 87 – 88, Z. 338 – 344

2. Athanasius-Brief (an Liberius) Kap. 1, S. 475

1

Brief 

magis (…) cognouoissetis: Ps.-Sixtus II., JK † 134, Kap. 8; Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 1; Ps.-Damasus I., JK † 242, Kap. 18; Vigilius, JK 907, Kap. 7 ita (…) recederitis: Ps.-Sixtus II., JK † 134, Kap. 8

nec (…) concilia: Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 2; ders., JK † 161, Kap. 10; Ps.-Julius I., JK † 196, Kap. 11; Ps.-Damasus I., JK † 242, Kap. 9 (Ps.-Julius I., JK † 195, Kap. 6; ders., JK † 196, Kap. 11; Ps.-Pelagius II., JK † 1051)

Ps.-Zepherin, JK † 80, Kap. 2

Ps.-Eleutherus, JK † 68, Kap. 2; Ps.-Viktor I., JK † 74, Kap. 5; Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 2

Parallelen Dekretalen Kap. 39 (wörtl.)

Parallelen CA Buch 3, Kap. 349 (fast wörtl.); Add. 4, Kap. 12 (wörtl.)

Parallelen Ben. Lev.

Tabelle 1: Die falschen Dekretalen 259

Vorlagen Leo I., JK 437, ed. Schwartz (ACO 2,4), S. 26, Z. 9f.

canonibus (…) pontifice: Cassiodor, ­Historia Tripartita, Buch 4, Kap. 19, Abschnitt 4, ed. Hanslik/Jakob (CSEL 71), S. 174, Z. 14f.

Vgl. Chalkedon, Kap. 9, ed. Schwartz (ACO 2,2,1), S. 56, Z. 17 – 20

Tu (…) promulgavit: vgl. Mt. 16, 18 – 19

Text

Olim et ab initio tantam percepimus a beato Petro apostolorum principe fiduciam,ut habeamus auctoritatem pro universali ecclesia ad rectam defendendam fidem, […].

Ad eam quoque quasi ad matrem recurrimus, ut eius uberibus nutriamur, quoniam non potest mater oblivisci infantem suum, […] canonibus quippe iubentibus absque Romano nos de maioribus causis nihil debere decernere pontifice. […] sed ob id vos praedecessoresque vestros apostolicos videlicet praesules in summitatis arce constituit omniumque ecclesiarum eis curam habere praecepit, […].

[…] si quisquam episcoporum aut metropolitanum aut comprovinciales vel iudices suspectos habuerint, vestram sanctam Romanam interpellet sedem, […].

Tu es enim, sicut divinum veraciter testatur eloquium, Petrus, et super fundamentum tuum ecclesiae columnae, id est episcopis qui ecclesiam sustinere et propriis humeris portare debent, tibi sunt confirmatae tibique claves regni caelorum commisit atque ligare et solvere potestative, quae in terra et quae in caelis sunt, promulgavit. Tu profanarum hereseum et impetitorum atque omnium infestantium depositor, ut princeps et doctor caputque omnium orthodoxae doctrinae et immaculatae fidei exsistis. Nam fuit semper vestrae sanctae et apostolicae sedi licentia iniuste damnatos vel excommunicatos potestative sua auctoritate restituere et sua eis omnia reddere […].

JK † 222 1. Liberius-Brief S. 476

3. Athanasius-Brief (an Felix II.) Kap. 1, S. 479

3. Athanasius-Brief (an Felix II.) Kap. 4, S. 480

3. Athanasius-Brief (an Felix II.) Kap. 4, S. 480

1

Brief 

Ps.-Damasus I., JK † 242, Kap. 8 Tu (…) promulgavit: Ps.-Anaklet, JK † 4, Kap. 30; Ps.-Pius I., JK † 43, Kap. 2; ­Ps.-Julius I., JK † 195, Kap. 6; Ps.-Pelagius II., JK † 1051

Ps.-Anicetus, JK † 57, Kap. 4; Ps.-Felix II., JK † 230, Kap. 12/xx (Ps.-Viktor I., JK † 74, Kap. 6; Ps.-Sixtus II., JK † 133, Kap. 3; ­Ps.-Julius I., JK † 196, Kap. 12)

Ps.-Zepherin, JK † 81, Kap. 10; Ps.-Dionysius, JK † 139, Kap. 2; Ps.-Bonifaz II., JK † 883

Parallelen Dekretalen

Similiter (…) ­audiatur: Kap. 17; Kap. 26 (inhaltl.)

Parallelen CA

Buch 3, Kap. 314 und 321

Canonibus […] ­pontifice: Add. 4, Kap. 30 (fast wörtl.)

Parallelen Ben. Lev.

260 Anhang

Vorlagen Quotiens (…) sedem: vgl. Chalkedon, Kap. 9, ed. Schwartz (ACO 2,2,1), S. 56, Z. 17 – 20

Vgl. Innozenz I., JK 314, Praefatio 1, Migne PL 20, Sp. 603A

quoniam (…) caelorum: vgl. Mt. 16, 19

Text

Quoties episcopi se a suis comprovincialibus vel a metropolitano putaverint praegravari aut eos suspectos habuerint, mox Romanam appellent sedem, ad quam eos absque ulla detentione aut suarum rerum ablatione libere ire liceat et dum praedictam Romanam matrem appellaverint ecclesiam […] antequam horum causa Romani pontificis auctoritate finiatur. Quod si aliter a quoquam praesumptum fuerit, nihil erit, sed viribus carebit.

[…] quasi ad totius orbis caput, […].

[…] manifestum est nullum damnari aut suis exspoliare rebus debere episcopum, qui hanc sanctam sedem interpellaverit, aut sibi defensatricem asciverit, donec iudicium de eo nostrae apostolicae auctoritatis, […] quoniam solus atque prae omnibus praefatus princeps apostolorum creditus est atque percipere meruit a rege regum Christo deo claves regni caelorum.

[…] sed definire eorum atque ecclesiarum summas querelas causarum vel damnare episcopos absque huius sanctae sedis auctoritate minime licet, quam omnes appellare, si necesse fuerit, et eius fulciri auxilio oportet.

JK † 230 1. Felix II.-Brief Kap. 12/xx, S. 488

JK † 230 1. Felix II.-Brief Kap. 13, S. 489

JK † 230 1. Felix II.-Brief Kap. 14 S. 489

JK † 242 4. Damasus I. -Brief Kap. 8 – 9, S. 502f.

1

Brief 

Ab donec: Ps.-Damasus I., JK † 242, Kap. 21 quoniam (…) caelorum: Ps.-Viktor I., JK † 74, Kap. 5; Ps.-Zepherin, JK † 80, Kap. 6; ­Ps.-Sixtus II., JK † 133, Kap. 2; Ps.-Julius I., JK † 196, Kap. 12

Quasi ad caput: Ps.-Anaklet, JK † 4, Kap. 34; Ps.-Evaristus, JK † 20, Kap. 2; Ps.-Alexander I., JK † 24, Kap. 4; Ps.-Sixtus I., JK † 32, Kap. 5; Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 2; Ps.-Julius I., JK † 195, Kap. 6; Ps.-Damasus I., JK † 244; Ps.-Anastasius I., JK † 277; Ps.-Felix IV., JK † 878

Quotiens (…) sedem: Ps.-Anicetus, JK † 57, Kap. 4; Bf. Athanasius an Felix II., Kap. 4 (Ps.-Viktor I., JK † 74, Kap. 6; Ps.-Sixtus II., JK † 133, Kap. 3; Ps.-Julius I., JK † 196, Kap. 12)

Parallelen Dekretalen Kap. 17; Kap. 26 (inhaltl.)

Parallelen CA Buch 3, Kap. 314 und 321 Praesumptum […] carebit: Add. 4, Kap. 30

Parallelen Ben. Lev.

Tabelle 1: Die falschen Dekretalen 261

Ab donec: Felix II., JK † 230, Kap. 14

quasi ad caput: Ps.-Anaklet, JK † 4, Kap. 34; Ps.-Evaristus, JK † 20, Kap. 1; Ps.-Alexander I., JK † 24, Kap. 4; Ps.-Sixtus I., JK † 32, Kap. 5; Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 2; Ps.-Julius I., JK † 195, Kap. 6; Ps.-Anastasius I., JK † 277; Ps.-Felix IV., JK † 878

Nam (…) examen: vgl. inhaltl. Leo I., JK 411, Kap. 1, Migne PL 54, Sp. 669A-B und 671A-B

quasi ad caput: Innozenz I., JK 314, ­Praefatio 1, Migne PL 20, Sp. 603A

quasi ad caput: Innozenz I., JK 314, ­Praefatio 1, Migne PL 20, Sp. 603A

Nam si quid fortasse in eis aut contra eos emerserat, nostrum fuerat exspectandum examen, ut nostra, ut semper huic sedi fuit concessum privilegium, aut condemnarentur auctoritate aut fulcirentur auxilio.

[…] non debere episcopum damnare, licet eius perscrutetur opinio,donec iudicium de eo nostrae apostolicae auctoritatis, […].

[…] mirari tamen non possumus vestram sollertiam circa instituta maiorum, ut cuncta, quae possunt aliquam recipere dubitationem, id nos quasi ad caput, ut semper fuit consuetudo, deferre non desinatis, ut inde capiatis responsa, unde ecclesia accepit institutionem et normam recte vivendi.

[…] ut ex auctoritate sedis apostolicae vestris deberemus consultis respondere, et quamvis non prolixe, sed succincte hoc agere propter quasdam alias occupationes festinaremus, denuo tamen, si necesse fuerit, ob has vel alias necessitates quasi ad caput mittere caritative non dubitetis, quia vestras preces et nunc et tunc acceptabiles habemus.

JK † 242 4. Damasus I. -Brief Kap. 18, S. 505

JK † 242 4. Damasus I. -Brief Kap. 21, S. 507

JK † 244 6. Damasus I. -Brief, S. 510

JK † 277 1. Anastasius I.-Brief S. 525

quasi ad caput: Ps.-Anaklet, JK † 4, Kap. 34; Ps.-Evaristus, JK † 20, Kap. 1; Ps.-Alexander I., JK † 24, Kap. 4; Ps.-Sixtus I., JK † 32, Kap. 5; Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 2; Ps.-Julius I., JK † 195, Kap. 6; Ps.-Damasus I., JK † 244; Ps.-Felix IV., JK † 878

Nam (…) examen: Ps.-Sixtus II., JK † 134, Kap. 8; Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 1; ­Ps.-Julius I., JK † 196, Kap. 19; Vigilius, JK 907, Kap. 7

Nam (…) catholicum: Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 2; ders., JK † 161, Kap. 10; Ps.-Julius, JK † 195, Kap. 6; ders., JK † 196, Kap. 11 und 13; Ps.-Felix II., Kap 12/xx; Ps.-Pelagius II., JK † 1051 Nec (…) potest: Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 2; ders., JK † 161, Kap. 10; Ps.-Julius, JK † 195, Kap. 5

Synodum (…) catholicum: vgl. ­Chalkedon, Actio I, ed. Schwartz (ACO 2,3,1), S.40, Z. 18f. (und Apparat 16 – 19); vgl. auch inhaltl. Cassiodor, Historia ­Tripartita, Buch 4, Kap. 9, Abschnitt 4, ed. Hanslik/Jakob (CSEL 71), S. 165, Z. 19 – 21

Nam, ut nostis, synodum sine eius auctoritate fieri non est catholicum, nec episcopus in legitima synodod et suo tempore apostolica vocatione congregata definite damnari potest, neque ulla umquam concilia rata leguntur, que non sunt fulta apostolica auctoritate.

JK † 242 4. Damasus I. -Brief Kap. 9 S. 503

Parallelen Dekretalen

Vorlagen

Text

1

Brief  Kap. 2(a)

Parallelen CA

Buch 2, Kap. 381; Add. 4, Kap. 24

Parallelen Ben. Lev.

262 Anhang

Vorlagen Placuit (…) accusatus: Sardika, Kap. 7, ed. Turner (EOMIA 1,2,3), S. 460 appellaverit (…) censuerit: Sardika, Kap. 3 (Rubrik), ed. Turner (EOMIA 1,2,3), S. 447 causa (…) constringat: Codex ­Theodosianus, IV, 16, ed. Mommsen/ Meyer, Kap. 2, S. 197 quasi ad caput: Innozenz I., JK 314, ­Praefatio 1, Migne PL 20, Sp. 603A

olim (…) auctoritatem: Leo I., JK 437, ed. Schwartz (ACO 2,4), Nr. 25, S. 26, Z. 8 – 10

Tu (…) meam: Mt. 16, 18

Text

Placuit etiam, ut, si episcopus accusatus appellaverit apostolicam sedem, id statuendum, quod eiusdem sedis pontifex censuerit. Haec tamen omnio in sacerdotum causa forma servetur, ne quemquam sententia non a suo iudice dicta constringat.

[…] ad sedem apostolicam misistis super quibusdam consultis quasi ad caput, […], unde omnis ecclesiae totius religionis sumpsit exordium, […].

Olim et ab initio tantam percepimus a beato Petro apostolorum principe fiduciam, ut habeamus auctoritatem universali ecclesiae auxiliante domino subvenire et, quicquid nocivum est, auctoritate apostolica corrigere et emendare.

Tu es Petrus, et super hanc petram aedificaco ecclesiam meam. […] quam sedes apostolica praedicat, esse merear, in qua est integra et verae christianae religionis et perfecta soliditas, promittens sequestratos a communione ecclesiae catholicae, id est non consentientes sedis apostolicae, eorum nomina inter sacra non recitanda esse ministeria. Quod si in aliqua professione mea deviare temptavero, his quos damnavi complicem mea sententia esse profiteor, hanc autem professionem meam ego manu mea subscripsi, et Bonefacio sancto et venerabili papae urbis Romanae direxi, damnans et antecessores et successores meos, et omnes, quales sanctae Romanae et apostolicae ecclesiae privilegia cassare nituntur.

JK † 397 Sixtus III.-Brief S. 563

JK † 878 Felix IV.-Brief (an alle Bischöfe) S. 696

JK † 883 Bonifaz II. an Bischof Eulalius S. 703

JK † 883 Bonifaz II. an Bischof Eulalius S. 704

1

Brief 

Tu (…) meam: Ps.-Alexander I., JK † 24, Kap. 4; Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 1

Olim (…) auctoritatem: Ps.-Zepherin, JK † 81, Kap. 10; Ps.-Liberius, JK † 222 olim (…) emendare: Ps.-Dionysius, JK † 139, Kap. 2 (wörtl.)

quasi ad caput: Ps.-Anaklet, JK † 4, Kap. 34; Ps.-Evaristus, JK † 20, Kap. 1; Ps.-Alexander I., JK † 24, Kap. 4; Ps.-Sixtus I., JK † 32, Kap. 5; Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 2; Ps.-Julius I., JK † 195, Kap. 6; Ps.-Damasus I., JK † 244; Ps.-Anastasius I., JK † 277

Ps.-Fabian, JK † 94, Kap. 29 (wörtl.) Placuit (…) censuerit: Ps.-Julius I., JK † 196, Kap. 12 causa (…) constringat: Ps.-Zepherin, JK † 80, Kap. 5 (anderer Zusammenhang); ­Ps.-Eusebius, JK † 165, Kap. 17 (nicht auf Papst bezogen); Ps.-Julius I., JK † 196, Kap. 18 (bezieht sich auf Interpretatio)

Parallelen Dekretalen

Parallelen Ben. Lev. Buch 3, Kap. 315; Add. 4, Kap. 17

Parallelen CA Placuit (…) censuerit: Kap. 20

Tabelle 1: Die falschen Dekretalen 263

Vorlagen ecclesia (…) sumpsisse: vgl. Innozenz I., JK 311, ed. Cabié, S. 20, Z. 23 quoniam (…) praemineret: Leo I., JK 411, Kap. 11, Migne PL 54, Sp. 676A-B

Vgl. inhaltl. Leo I., JK 411, Kap. 1, Migne PL 54, Sp. 669A-B und 671A-B Unde (…) liquet: vgl. inhaltl. ­Innozenz I., JK 286, Kap. 3, Migne PL 20, Sp. 427A-473A

Tu (…) meam: Mt. 16, 18 cum (…) fulta: vgl. inhaltl. ­Cassiodor, Historia Tripartita, Buch 4, Kap. 9, Abschnitt 4, ed. Hanslik/Jakob (CSEL 71), S. 165, Z. 19 – 21; vgl. auch inhaltl. Chalkedon, Actio I, ed. Schwartz (ACO 2,3,1), S. 40, Z. 18f. (und Apparat 16 – 19) Quaecumque (…) soluta et in caelo: Mt. 16, 19

Text

[…] sedes sacerdotalis mater sit dignitatis atque ecclesiasticae magistra rationis. […] ecclesia Romana fundamentum et sors sit ecclesiarum, a qua omnes ecclesias principium sumpsisse nemo recte credentium ignorat, quoniam, licet omnium apostolorum par esset electio, beato tamen Petro concessum est, ut ceteris praemineret, unde et Cephas vocatur,quia caput et primus est omnium apostolorum.

[…] unde omnium appellantium apostolicam sedem episcoporum iudicia et cunctarum maiorum negotia causarum eidem sanctae sedi reservata esse liquet, praesertim cum in his omnibus eius semper sit exspectandum consultum, cuius tramiti, si quis obviare temptaverit sacerdotum, causas se non sine honoris sui periculo apud eandem sanctam sedem noverit redditurum.

Tu es Petrus, et super hanc petram aedificabo ecclesiam meam, […], cum generalium synodorum convocandi auctoritas apostolicae beati Petri sedi singulari privilegio sit tradita et nulla umquam synodus rata legatur, quae apostolica auctoritate non fuerit fulta. […] Quaecumque ligaveris super terram, erunt ligata et in caelo, et quaecumque solveris super terram, erunt soluta et in caelo.

JK 907 Vigilius an Bischof Euterus Kap. 7, S. 712

JK † 907 Vigilius an Bischof Eut. Kap. 7, S. 712

JK † 1051 Pelagius II. S. 721

1

Brief 

cum (…) fulta: Ps.-Julius I., JK † 195, Kap. 6; ders., JK † 196, Kap. 11 und 13 (­Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 2; ders., JK † 161, Kap. 10; Ps.-Julius I., JK † 196, Kap. 11; Ps.-Damasus I., JK † 242, Kap. 9) Tu (…) meam und Quaecumque (…) soluta et in caelo: Ps.-Anaklet, JK † 4, Kap. 30; ­Ps.-Pius I., JK † 43, Kap. 2; Ps.-Julius I., JK † 195, Kap. 6; Bf. Athanasius an Felix II., Kap. 4

Ps.-Sixtus II., JK † 134, Kap. 8; ­Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 1; Ps.-Julius I., JK † 196, Kap. 19; Ps.-Damasus I., JK † 242, Kap. 18 Unde (…) liquet: Ps.-Anaklet, JK † 2, Kap. 17; ders., JK † 4, Kap. 34; Ps.-Alexander I., JK † 24, Kap. 4; Ps.-Sixtus I., JK † 32, Kap. 5; Ps.-Anicetus, JK † 57, Kap. 4; ­Ps.-Zepherin, JK † 80, Kap. 6; Ps.-Stephan I., JK † 131, Kap. 9 – 10; Ps.-Gaius, JK † 157, Kap. 7; Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 2; Ps.-Julius I., JK † 195, Kap. 5; Ps.-Pelagius II., JK † 1051

ecclesia (…) sumpsisse: Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 1 quoniam (…) praemineret: Ps.- Clemens I., JK † 10, Kap. 29; Ps.-Anaklet, JK † 4, Kap. 33; Ps.-Melchiades, JK † 171, Kap. 3; Ps.-Julius I., JK † 195, Kap. 9

Parallelen Dekretalen

Kap. 2 (inhaltl.)

Parallelen CA

Buch 2, Kap. 381; Add. 4, Kap. 24

Parallelen Ben. Lev.

264 Anhang

Multis (…) celebrari: vgl. Cassiodor, Historia Tripartita, Buch 4, Kap. 9, Abschnitt 4, ed. Hanslik/Jakob (CSEL 71), S. 165, Z. 19 – 21; vgl. auch inhaltl. Chalkedon, Actio I, ed. Schwartz (ACO 2,3,1), S. 40, Z. 18f. (und Apparat 16 – 19)

Multis denuo apostolicis et canonicis atque ecclesiasticis instruimur regulis non debere absque sententia Romani pontificis concilia celebrari, quapropter, ut iam dictum est, recte non concilium, sed vestrum conventiculum vel conciliabulum cassatur, et quicquid in eo actum est irritum habetur et vacuum.Vos quoque deinceps videte, ut nullius hortatu talia praesumatis, si apostolicae sedis communione carere non vultis. […], nolite attendere nec vocatione eius ad synodum absque auctoritate sedis apostolicae umquam venire, si apostolicae sedis et ceterorum episcoporum communione vultis frui.

[…] Romana quae instituente domino caput est omnium ecclesiarum […].

Maiores vero et difficiles quaestiones, ut sancta synodus statuit, et beata consuetudo exigit, ad sedem apostolicam semper referantur.

JK † 1051 Pelagius II. S. 721

JK † 1051 Pelagius II. S. 722

JK † 1051 Pelagius II. S. 724 Vgl. inhaltl. Innozenz I., JK 286, Kap. 3, Migne PL 20, Sp. 427A-473A

Vorlagen

Text

1

Brief 

Ps.-Anaklet, JK † 2, Kap. 17; ders., JK † 4, Kap. 34; Ps.-Alexander I., JK † 24, Kap. 4; Ps.-Sixtus I., JK † 32, Kap. 5; Ps.-Anicetus, JK † 57, Kap. 4; Ps.-Zepherin, JK † 80, Kap. 6; Ps.-Stephan I., JK † 131, Kap. 9 – 10; Ps.-Gaius, JK † 157, Kap. 7; Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 2; Ps.-Julius I., JK † 195, Kap. 5; Vigilius, JK 907, Kap. 7

Multis (…) celebrari: Ps.-Julius I., JK † 195, Kap. 6; ders., JK † 196, Kap. 11 und 13 (Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 2; ders., JK † 161, Kap. 10; Ps.-Julius I., JK † 196, Kap. 11; Ps.-Damasus I., JK † 242, Kap. 9)

Parallelen Dekretalen

Parallelen CA

Buch 2, Kap. 381; Buch 3, Kap. 260

Parallelen Ben. Lev.

Tabelle 1: Die falschen Dekretalen 265

Vorlage(n) unbekannt, vgl. jedoch Röm. Synode (501), ed. Mommsen (MGH Auct. Ant. 12), S. 427, Z. 2 – 4

Nicäa, Praefatio, ed. Turner (EOMIA 1,1,2), S. 156B, Z. 18 – 25

Chalkedon, Kap. 17, ed. Schwartz (ACO 2,2,2), S. 58 (150), Z. 18f.; vgl. auch Chalkedon, Kap. 9, ed. Schwartz (ACO 2,2,2), S. 56 (148), Z. 18 – 20.

Placuit […] accusatus: Sardika, Kap. 7 (Rubrik), ed. Turner (EOMIA 1,2,3), S. 460 appellaverit […] censuerit: Sardika, Kap. 3 (Rubrik), ed. Turner (EOMIA 1,2,3), S. 447 Vgl. Konzil v. Afrika, Kap. 6, ed. Munier (CCL 149), S. 237; vgl. auch ebd. S. 185, Z. 93 – 96

Nullus episcopus nisi canonice vocatus et in legitima synodo suo tempore apostolica auctoritate convocata, cui iussione domini et meritis beati Petri apostoli singularis congregandorum conciliorum auctoritas et sanctorum canonum ac venerandorum patrum decretis multipliciter privata tradita est potestas, super quibuslibet criminibus pulsatus audiatur vel impetatur.

[…] quoniam eadem sedes testante veritatis voce primum primatum obtinuit, nec prima diceretur, si aliam super se haberet, quae etiam caput est omnium ecclesiarum, a qua omes sumpsere originem. Primatum enim non synodalibus aut aliquibus commentis meruit institutis, sed domino largiente, qui ait: Tu es Petrus et super hanc petram aedificabo ecclesiam meam, et reliqua talia et his simila, […].

[…] Nam si ipse metropolitanum aut iudices suspectos habuerit aut infestos senserit, apud primatem dioceseos aut apud Romanae sedis pontificem iudicetur.

Placuit, ut, si episcopus accusatus appellaverit Romanum pontificem, id statuendum, quod ipse censuerit.

[…] et ille, qui primam sedem retinet, tantummodo primae sedis appelletur episcopus salva semper in omnibus auctoritate beati Petri apostoli.

Kap. 2(a), S. 96, Z. 1-S. 97, Z. 2

Kap. 2(c), S. 97, Z. 4-S. 98, Z. 5

Kap. 17, S. 124, Z. 5 – 7

Kap. 20, S. 127, Z. 1 – 2

Kap. 23, S. 129, Z. 7 – 9

2 Alle Kapitalangaben beziehen sich auf die Edition von Schon (MGH Studien und Texte 39).

Vorlagen

Text

2

Kapitel

Tabelle 2: Die Capitula Angilramni

Ps.-Fabian JK † 94, Kap. 29; ­Ps.-Julius, JK † 196 (fast wörtl.), Kap. 12; Ps.-Sixtus III., JK † 397

Ps.-Anicetus, JK † 57, Kap. 4; Bf. Athanasius an Felix II., Kap. 4; Ps.-Felix II., JK † 230, Kap.12/xx; vgl. inhaltl. Ps.-Viktor I., JK † 74, Kap. 6; Ps.-Sixtus II., JK † 133, Kap. 3; Ps.-Julius I., JK † 196, Kap. 12

Keine lt. Schon, vgl. jedoch ­Ps.-Marcell., JK † 160, Kap. 1; ebd., Kap. 2, Ps.-Julius, JK † 195, Kap. 6; vgl. inhaltl. und im Hinblick auf die Vorlage Ps.-Anaklet, JK † 4, Kap. 30

Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 2; JK † 161, Kap. 10; Ps.-Julius, JK † 195, Kap. 5; vgl. inhaltl. Ps.-Julius, JK † 196, Kap. 11; Ps.-Damasus, JK † 243, Kap. 9; vgl. Ps.-Pelagius, JK † 1051

Parallelen Dekretalen

Buch 3, Kap. 29; Buch 3, Kap. 439

Buch 3, Kap. 315 (wörtl.); Add. 4, Kap. 17 und 27 (beide fast wörtl.)

Buch 3, Kap. 314 (wörtl.); Buch 3, Kap. 153

Add. 4, Kap. 24 (wörtl.)

Add. 4, Kap. 24 (fast wörtl.); Buch 2, Kap. 381 (inhaltl.)

Parallelen Ben. Lev.

266 Anhang

Vorlagen Chalkedon, Kap. 9, ed. Schwartz (ACO 2,2,2), S. 56 (148), Z. 18 – 20

Brev. Pauli sent. 3,6,8, ed. Haenel (Lex Romana Visigothorum), S. 382 Sardika, Kap. 7 (Rubrik), ed. Turner (EOMIA 1,2,3), S. 447

Text

Quod, si adversus eiusdem provinciae metropolitanum episcopus vel clericus habuerit querelam, petat primatem diocesos et apud ipsum iudicetur aut apud sedem apostolicam.

Constitutiones contra canones et decreta praesulum Romanorum vel bonos mores nullius sunt momenti.

Ut provincialis synodus retractetur per vicarios urbis Romae episcopi, si ipse decreverit.

Kap. 26, S. 131, Z. 9 – 11

Kap. 37(a), S. 138, Z. 1 – S. 139, Z. 1

Kap. 39, S. 140, Z. 3 – 4

2

Kapitel

Ps.-Julius, JK † 196, Kap. 12 (wörtl.); vgl. inhaltl. und im Hinblick auf die Vorlage Ps.-Eleutherus, JK † 68, Kap. 2; Ps.-Viktor I., JK † 74, Kap. 5; vgl. inhaltl. Ps.- Sixtus II., JK † 133, Kap. 2; dagegen ohne inhaltlichen Bezug Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 2

Keine lt. Schon; vgl. aber ­Ps.-Anicetus, JK † 57, Kap. 4; Bf. Athanasius an Felix II., Kap. 4; Ps.-Felix II., JK † 230, Kap. 12/xx; vgl. inhaltl. Ps.-Viktor I., JK † 74, Kap. 6; Ps.-Sixtus II., JK † 133, Kap. 3; Ps.-Julius I., JK † 196, Kap. 12

Parallelen Dekretalen

Buch 3, Kap. 349 (fast wörtl.); Add. 4, Buch 12 (wörtl.)

Buch 3, Kap. 346 (fast wörtl.)

Buch 3, Kap. 321 (fast wörtl.)

Parallelen Ben. Lev.

Tabelle 2: Die Capitula Angilramni 267

Vorlagen Auctoritas […]celebrare: ­Cassiodor, Historia ­Tripartita, Buch 4, Kap. 9, Abschnitt 4, ed. Hanslik/ Jakob (CSEL 71), S. 165, Z. 19 – 21 Si […] referatur: vgl. inhaltl. Innozenz I., JK 286, Kap. 3, Migne PL 20, Sp. 427A-473A

Sardika Kap. 3, ed. Turner (EOMIA 1,2,3), S. 457, Z. 34-S. 458, Z. 43; vgl. Seckel: Studien, NA 35 (1910), S. 499 (Anm. 1) und S. 510

Text

Auctoritas ecclesiastica atque canonica docet non debere absque sententia Romani Pontificis Concilia celebrare. […] Si autem maiores causae in medio fuerint devolutae, ad sedem apostolicam, ut sancta Synodus statuit et beata consuetudo exigit, per iudicium episcopale referatur.

Si quis episcopus depositus agendum sibi negotium in urbe Roma proclamaverit, […] post appellationem eius, qui videtur esse depositus, […], nisi causa fuerit iudicio Romani episcopi determinata.

Kapitel

Buch 2, Kap. 381, ed. Mansi 17b, Sp. 994 – 996

Buch 2, Kap. 401, ed. Schmitz

Buch 3, Kap. 103 (fast wörtl.)

Add. 4, Kap. 24 Si […] referatur: Buch 3, Kap. 260 (fast wörtl.)

Parallelen Ben. Lev.

Tabelle 3: Die Kapitularien des Benedictus Levita

Add. 4, Kap. 24 (wörtl.)

Kap. 2(a) (inhaltl.)

Parallelen CA

Auctoritas […] celebrare: vgl. ­ s.-Julius I., JK † 196, Kap. 6, 11 und 13; P Ps.-Pelagius II., JK † 1051; vgl. inhaltl. Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 2; ders., JK † 161, Kap. 10; Ps.-Julius I., JK † 196, Kap. 11; Ps.-Damasus I., JK † 242, Kap. 9 Si […] referatur: Ps.-Pelagius II., JK † 1051 (fast wörtl.); vgl. auch Ps.-Anaklet, JK † 2, Kap. 17; ders., JK † 4, Kap. 34; Ps.-Alexander I., JK † 24, Kap. 4; Ps.-Sixtus I., JK † 32, Kap. 5; Ps.-Anicetus, JK † 57, Kap. 4; Ps.-Zepherin, JK † 80, Kap. 6; ­Ps.-Stephan I., JK † 131, Kap. 9 – 10; Ps.-Gaius, JK † 157, Kap. 7; ­Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 2; ­Ps.-Julius I., JK † 195, Kap. 5; Vigilius, JK 907, Kap. 7

Parallelen Dekretalen

268 Anhang

Vorlagen Konzil v. Afrika, Kap. 6, ed. Munier (CCL 149), S. 185, Z. 94f. (fast wörtl.) Sardika Kap. 3, ed. T ­ urner (EOMIA 1,2,3), S. 457, Z. 34-S. 458, Z. 43; vgl. Seckel: Studien, NA 35 (1910), S. 499 (Anm. 1) und S. 510; vgl. auch ders.: ­Studien, NA 39 (1914), S. 348 Et […] accusare: Brev. Codex Theodosianus 16,1,2, Ep. Aegid., ed. Haenel (Lex Romana Visigothorum), S. 246 Sed […] apostolicam: ­Chalkedon, Kap. 17, ed. Schwartz (ACO 2,2,2), S. 158; vgl. Seckel: Studien, NA 39 (1914), S. 382 Keine Vorlage; eventuell angelehnt an römisches Recht, vgl. Seckel: Studien, NA 39 (1914), S. 391f.

Text

Ut primae sedis Episcopus non appelletur princeps Sacerdotum, aut summus Sacerdos, aut aliquid huiuscemodi, sed tantum primae sedis Episcopus.

Si quis episcopus depositus fuerit eorum episcoporum iudicio […], post appellationem eius qui videtur esse depositus, […], nisi causa fuerit iudicio Romani episcopi determinata.

Et ut Episcopum apud Iudices publicos nemo audeat accusare, sed aut apud Primates diocesearum aut apud Sedem apostolicam; […].

Placuit ut quandocunque Episcopus accusatur, […], sanctae et universalis Romanae Ecclesiae appellet Pontificem, […], terminetur.

Kapitel

Buch 3, Kap. 29, ed. Schmitz

Buch 3, Kap. 103, ed. Schmitz

Buch 3, Kap. 153, ed. Mansi 17b, Sp. 1057f.

Buch 3, Kap. 173, ed. Mansi 17b, Sp. 1071

Buch 3, Kap. 314

Buch 2, Kap. 401 (fast wörtl.)

Buch 3, Kap. 439

Parallelen Ben. Lev.

Kap. 17

Buch 3, Kap. 315 (wörtl.), Add. 4, Kap. 17 und 27 (beide fast wörtl.)

Kap. 23

Parallelen CA

Ps.-Anicetus, JK † 57, Kap. 4; Bf. Athanasius an Felix II., Kap. 4; ­Ps.-Fel. II., JK † 230, Kap.12/xx; vgl. inhaltl. Ps.-Viktor I., JK † 74, Kap. 6; Ps.-Sixtus II., JK † 133, Kap. 3; Ps.-Julius I., JK † 196, Kap. 12

Parallelen Dekretalen

Tabelle 3: Die Kapitularien des Benedictus Levita 269

Vorlagen Si […] referatur: vgl. inhaltl. Innozenz I., JK 286, Kap. 3, Migne PL 20, Sp. 427A-473A

Chalkedon, Kap. 17, ed. Schwartz (ACO 2,2,2), S. 58 (150), Z. 18f.; vgl. auch Chalkedon, Kap. 9, ed. Schwartz (ACO 2,2,2), S. 56 (148), Z. 18 – 20 Placuit (…) accusatus: ­Sardika, Kap. 7, ed. Turner (EOMIA 1,2,3), S. 460, Z. 2f. appellaverit (…) censuerit: Sardika, Kap. 3 (Rubrik), ed. Turner (EOMIA 1,2,3), S. 447 Chalkedon, Kap. 9, ed. Schwartz (ACO 2,2,2), S. 56 (148), Z. 18 – 20

Brev. Pauli sent. 3,6,8, ed. Haenel (Lex Romana ­Visigothorum), S. 382

Text

[…], placuit nobis ex hoc apostolicam Sedem consulere, iubente canonica auctaritate atque dicente: Si maiores causae in medio fuerint devolutae, ad Sedem apostolicam, ut sancta Synodus statuit et beata consuetudo exigit, incunctanter referatur. […] ut quicquid super his definiendum esset, apostolica auctoritate a nostris Episcopis regulariter sopiretur.

Nam si ipse Metropolitanum aut Iudices suspectos habuerit, aut infestos senserit, apud Primatem dioceseos aut apud Romanae Sedis Pontificem iudicetur.

Placuit, ut, si episcopus accusatus appellaverit Romanum pontificem, id statuendum, quod ipse censuerit.

Quod si adversus eiusdem provinciae Metropolitanum Episcopus vel Clericus habuerit querelam, petat Primatem dioceseos; at apud ipsum iudicetur, aut apud Sedem apostolicam.

Constitutiones contra Canones et decreta Praesulum Romanorum seu re­liquorum Pontificum, vel bonos mores, nullius sunt momenti.

Kapitel

Buch 3, Kap. 260, ed. Mansi 17b, Sp. 1080f.

Buch 3, Kap. 314, ed. Mansi 17b, Sp. 1094

Buch 3, Kap. 315, ed. Schmitz

Buch 3, Kap. 321, ed. Mansi 17b, Sp. 1095f.

Buch 3, Kap. 346, ed. Mansi 17b, Sp. 1099f.

Add. 4, Kap. 17 (fast wörtl.) und 27 (wörtl.)

Si […] referatur: Buch 2, Kap. 381 (fast wörtl.)

Parallelen Ben. Lev.

Kap. 37(a) (fast wörtl.)

Kap. 26 (fast wörtl.)

Kap. 20 (wörtl.)

Kap. 17 (wörtl.)

Parallelen CA

Vgl. Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 1; ebd., Kap. 2; Ps.-Julius, JK † 195, Kap. 6; vgl. inhaltl. und im Hinblick auf die Vorlage Ps.-Anaklet, JK † 4, Kap. 30

Ps.-Fabian JK † 94, Kap. 29; P ­ s.-Julius, JK † 196 Kap. 12 (fast wörtl.),; ­Ps.-Sixtus III., JK † 397

Ps.-Anicetus, JK † 57, Kap. 4; Bf. Athanasius an Felix II., Kap. 4; Ps.-Felix II., JK † 230, Kap.12/xx; vgl. inhaltl. Ps.-Viktor I., JK † 74, Kap. 6; Ps.-Sixtus II., JK † 133, Kap. 3; Ps.-Julius I., JK † 196, Kap. 12

Si […] referatur: Ps.-Pelagius, JK † 1051; vgl. auch Ps.-Anaklet, JK † 2, Kap. 17; ders., JK † 4, Kap. 34; P ­ s.-Alexander I., JK † 24, Kap. 4; Ps.-Sixtus I., JK † 32, Kap. 5; ­Ps.-Anicetus, JK † 57, Kap. 4; Ps.-Zepherin, JK † 80, Kap. 6; ­Ps.-Stephan I., JK † 131, Kap. 9 – 10; Ps.-Gaius, JK † 157, Kap. 7; ­Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 2; ­Ps.-Julius I., JK † 195, Kap. 5; Vigilius, JK 907, Kap. 7

Parallelen Dekretalen

270 Anhang

Vorlagen Sardika, Kap. 7, ed. Turner (Rubrik) (EOMIA 1,2,3), S. 447

Ferrandus, Breviatio cano­ num, Kap. 59, ed. Munier (CCL 149), S. 292; wohl indirekt über Collectio ­Corbeiensis, vgl. Seckel: Studien, NA 41 (1919), S. 222f. Vgl. Konzil v. Afrika, Kap. 6, ed. Munier (CCL 149), S. 185, Z. 94f.

Text

Ut comprovincialis synodus retractetur per vicarios urbis Romae Episcopi, si ipse decreverit.

Ut iudicatus episcopus ad apostolicam sedem, si voluerit, appellet.

Nulli alii Metropolitani appellentur Primates, nisi illi qui primas sedes tenent, et quos sancti Patres synodali et apostolica auctoritate Primates esse decreverunt.

Maxime trium ultimorum capitula istorum librorum apostolica sunt cuncta auctoritate roborata, quia his cudendis maxime apostolica interfuit legatio. Nam eorum nomina, praeter trium, id est, Leonis, Sergii, et Georgii, hic non inseruimus, licet ea per singulos conventus inserta invenissemus, vitantes legentium atque scribentium fastidia. Si quis autem plenius ea nosse voluerit, istorum legat authentica, quibus illa inserta reperiet. Interdum haec dictando et amando atque operibus complendo non neglegat, quia, ut Dominus novit, pro amore et utilitate sanctae Dei Ecclesiae, ut horum in prooemio praelibatum est, sunt collecta isticque inserta.

Kapitel

Buch 3, Kap. 349, ed. Mansi 17b, Sp. 1100

Buch 3, Kap. 412, ed. Schmitz

Buch 3, Kap. 439, ed. Mansi 17b, Sp. 1122f.

Buch 3, Kap. 478, ed. Mansi 17b, Sp. 1132

Buch 3, Kap. 29

Add. 4, Kap. 12 (fast wörtl.)

Parallelen Ben. Lev.

Kap. 23

Kap. 39 (fast wörtl.)

Parallelen CA Ps.-Julius, JK † 196, Kap. 12 (fast wörtl.); vgl. inhaltl. und im Hinblick auf die Vorlage Ps.-Eleutherus, JK † 68, Kap. 2; Ps.-Vikt. I., JK † 74, Kap. 5; vgl. inhaltl. Ps.- Sixtus II., JK † 133, Kap. 2; dagegen ohne inhaltlichen Bezug Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 2

Parallelen Dekretalen

Tabelle 3: Die Kapitularien des Benedictus Levita 271

Vorlagen Sardika, Kap. 7, ed. Turner (Rubrik) (EOMIA 1,2,3), S. 447

Placuit (…) accusatus: ­Sardika, Kap. 7, ed. Turner (EOMIA 1,2,3), S. 460, Z. 2f. appellaverit (…) censuerit: Sardika, Kap. 3 (Rubrik), ed. Turner (EOMIA 1,2,3), S. 447 et […] potestas: Vorlage(n) unbekannt; vgl. jedoch Röm. Synode (501), ed. M ­ ommsen (MGH Auct. Ant. 12), S. 427, Z. 2 – 4 quoniam […] meam: ­Nicäa Praefatio, ed. Turner (EOMIA 1,1,2), S. 156B, Z. 18 – 25 Placuit […] accusatus: ­Sardika, Kap. 7, ed. Turner (EOMIA 1,2,3), S. 460, Z. 2f. appellaverit […] censuerit: Sardika, Kap. 3 (Rubrik), ed. Turner (EOMIA 1,2,3), S. 447

Text

Ut provincialis synodus retractetur per vicarios urbis Romae episcopis, si ipse decreverit.

Placuit, ut, si episcopus accusatus appellaverit Romanum pontificem, id statuendum, quod ipse censuerat.

[…] et in legitima synodo suo tempore apostolica auctoritate convocata, cui iussione Domini et meritis beati Petri Apostoli singularis congregandorum Conciliorum auctoritas et sanctorum Canonum ac venerandorum patrum decretis multipliciter privata tradita est potestas, […]: quoniam eadem Sedes, testante Veritatis voce, primum primatum obtinuit. Nec prima dicretur si aliam super se haberet; quae etiam caput est omnium Ecclesiarum, a qua omnes sumpsere originem: primatum enim non synodalibus aut aliquibus commentis meruit institutis, sed Domino largiente, qui ait: Tu es Petrus, et super hanc petran aedificabo Ecclesiam et […] potestas: meam.

Placuit, ut si episcopus accusatus appellaverit Romanum pontificem, id statuendum quod ipse censuerat.

Kapitel

Add. 4, Kap. 12, ed. Schmitz

Add. 4, Kap. 17, ed. Schmitz

Add. 4, Kap. 24, ed. Mansi 17b, Sp. 1197f.

Add. 4, Kap. 27, ed. Schmitz

Buch 3, Kap. 315 (fast wörtl.); Add. 4, Kap. 17 (wörtl.)

Vgl. inhaltl. Buch 2, Kap. 381d

Buch 3, Kap. 315 (fast wörtl.); Add. 4, Kap. 27 (wörtl.)

Buch 3, Kap. 349 (fast wörtl.)

Parallelen Ben. Lev.

Kap. 20 (fast wörtl.)

et […] potestas: Kap. 2(a) (fast wörtl.) quoniam […] meam: 2(c) (wörtl.)

Kap. 20 (fast wörtl.)

Kap. 39 (wörtl.)

Parallelen CA

Ps.-Fabian JK † 94, Kap. 29; P ­ s.-Julius, JK † 196 (fast wörtl.), Kap. 12; ­Ps.-Sixtus III., JK † 397

Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 2; JK † 161, Kap. 10; Ps.-Julius, JK † 195, Kap. 5; vgl. inhaltl. Ps.-Julius, JK † 196, Kap. 11; Ps.-Damasus, JK † 243, Kap. 9; vgl. Ps.-Pelagius, JK † 1051 quoniam […] meam: Vgl. Ps.-Marcell., JK † 160, Kap. 1 – 2; Ps.-Julius, JK † 195, Kap. 6; vgl. inhaltl. und im Hinblick auf die Vorlage Ps.-Anaklet, JK † 4, Kap. 30

Ps.-Fabian JK † 94, Kap. 29; P ­ s.-Julius, JK † 196, Kap. 12 (fast wörtl.); ­Ps.-Sixtus III., JK † 397

Ps.-Julius, JK † 196, Kap. 12 (wörtl.); vgl. inhaltl. und im Hinblick auf die Vorlage Ps.-Eleutherus, JK † 68, Kap. 2; Ps.-Viktor I., JK † 74, Kap. 5; vgl. inhaltl. Ps.- Sixtus II., JK † 133, Kap. 2; dagegen ohne inhaltlichen Bezug Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 2

Parallelen Dekretalen

272 Anhang

Vorlagen Sardika, Kap. 7, ed. ­Turner (EOMIA 1,2,3), S. 447 (­Rubrik) und S. 460, Z. 2-S. 461, Z. 15 Placuit (…) causam suam: vgl. Sardika, Kap. 7, ed. Turner (EOMIA 1,2,3), S. 447 (­Rubrik) und S. 460, Z. 2-S. 461, Z. 15 nullus (…) permissum est: vgl. Sardika, Kap. 4, ed. Turner (EOMIA 1), S. 447 (Rubrik) und S. 457f. Quamque (…) soluta et in coelis: Mt. 16, 19

Ut […] placuerit: vgl. ­Chalkedon, Actio I, ed. Schwartz (ACO 2,3,1), S. 135, Z. 16 – 18; vgl. auch Excerptiones, Nr. 17, ed. Pitra, S. 169 Canonibus […] ­Pontifice: Cassiodor, Historia ­Tripartita, Buch 4, Kap. 19, Abschnitt 4, ed. Hanslik/ Jakob (CSEL 71), S. 174, Z. 14f.

Text

Ut accusato vel iudicato in aliqua causa episcopo liceat iterare iudicium et, si necesse fuerit aut ipse voluerit, absque ulla detentione aut impeditione Romanum adire Pontificem.

Placuit ut accusatus vel iudicatus a comprovincialibus in aliqua causa Episcopus licenter appellet et adeat apostolicae sedis Pontificem; qui aut per se aut per Vicarios suos eius retractari negotium procuret. Et dum iterato iudicio Pontifex causam suam agit, nullus alius in eius loco ponatur aut ordinetur Episcopus; quoniam quamquam comprovincialibus Episcopis accusati causam Pontificis scrutari liceat, […] non tamen definire inconsulto Romano Pontifice permissum est, cum beato Petro Apostolo non ab alio quam ab ipso Domino dictum est: Quaecunque ligaveris super terram, erunt ligata et in coelis; et quaecunque solveris super terram, erunt soluta et in coelis.

Ut omnes Episcopi […], quotiens necesse fuerit, libere apostolicam appellent sedem, atque ad eam quasi ad matrem confugiant, ut ab ea, sicut semper fuit, pie fulciantur, defendantur, et liberentur, cuius dispositioni omnes maiores ecclesiaticas causas et Episcoporum iudicia antiqua Apostolorum eorumque successorum atque canonum auctoritas reservavit. Quoniam culpantur Episcopi qui aliter erga fratres egerint quam eiusdem sedis Papae fieri placuerit; Canonibus quippe iubentibus in talibus absque Romano nihil decerni Pontifice, nec ad synodum Episcopum convocari debere, et quicquid ex his eo inconsulto praesumptum fuerit, viribus carere.

Kapitel

Add. 4, Kap. 28, ed. Schmitz

Add. 4, Kap. 29, ed. Mansi 17b, Sp. 1199

Add. 4, Kap. 30, ed. Mansi 17b, Sp. 1199

Add. 4, Kap. 28 (inhaltl.) und 29 (inhaltl.)

Add. 4, Kap. 28; Add. 4, Kap. 30 (inhaltl.)

Add. 4, Kap. 29; Add. 4, Kap. 30 (inhaltl.)

Parallelen Ben. Lev.

Parallelen CA

Ut […] placuit: Ps.-Sixtus II., JK † 133, Kap. 2 (wörtl.); Ps.-Sixtus I., JK † 32, Kap. 5 Canonibus […] Pontifice: Bf. Athanasius an Felix II., Kap. 1 (fast wörtl.) Praesumptum […] carere: Ps.-Felix II., JK † 230, Kap. 12/xx

Ps.-Viktor, JK † 74, Kap. 5; Ps.-Julius JK † 196, Kap. 12 (beide wörtl.) Placuit (…) causam suam: vgl. Ps.-Eleutherus, JK † 68, Kap. 2; Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 2 nullus (…) permissum est: ­Ps.-Eleutherus, JK † 68, Kap. 2; ­Ps.-Sixtus II., JK † 133, Kap. 2 Quamque (…) soluta et in ­caelis: Ps.-Viktor I., JK † 74, Kap. 6; Ps.-Zepherin, JK † 80, Kap. 6; ­Ps.-Sixtus II., JK † 133, Kap. 2; ­Ps.-Felix II., JK † 230, Kap. 4

Ut (…) iterare: Ps.-Viktor, JK † 74, Kap. 5; ­Ps.-Julius, JK † 196, Kap. 12 (vgl. auch ­Ps.-Eleutherus, JK † 68, Kap. 2; Ps.-Marcellus, JK † 160, Kap. 2)

Parallelen Dekretalen

Tabelle 3: Die Kapitularien des Benedictus Levita 273

Brief

4

Jacobus, Bischof von Jerusalem

Alle Geistlichen

Julius und Julianus

Jacobus, Bischof von Jerusalem

Alle Bischöfe

Bischöfe Italiens

Alle Bischöfe und Priester

Bischöfe Afrikas

Bischöfe Ägyptens

Alle Bischöfe

2. Clemens-Brief, JK † 11

3. Clemens-Brief, JK † 12

4. Clemens-Brief, JK † 13

5. Clemens-Brief, JK † 14

1. Anaklet-Brief, JK † 2

2. Anaklet-Brief, JK † 3

3. Anaklet-Brief, JK † 4

1. Evaristus-Brief, JK † 20

2. Evaristus-Brief, JK † 21

1. Alexander-Brief, JK † 24

Alexander episcopus omnibus orthodoxis per diversas provincias Christo domino famulantibus.

Evaristus urbis Romae episcopus omnibus per Aegyptum domino conglutinatis fratribus in domino salutem.

Dilectissimis fratribus universis Africae regionis episcopis Evaristus.

Anacletus servus Christi Iesu, in apostolica sede a domino constitutus et a sancto Petro apostolorum principe presbyter ordinatus omnibus episcopis et reliquis Christi sacerdotibus salutem.

Anacletus episcopus universis episcopis in Italia constitutis.

Anacletus servus Christi Iesu in sede apostolica domino serviens episcopis omnibus et ceteris cunctis fidelibus, qui coaequalem vobiscum sortiti sunt fidem, gratia vobis et pax atque consolatio multiplicetur a domino in saecula.

Dilectissimis fratribus et condiscipulis Hierosolimis cum carissimo fratre Iacobo coepiscopo habitantibus Clemens episcopus.

Clemens Romanae urbis episcopus carissimis fratribus Iulio et Iuliano ac reliquis consodalibusi nostris gentibusque, quae circa vos sunt.

Clemens urbis Romae episcopus omnibus coepiscopis, presbyteris, diaconibus ac reliquis clericis, et cunctis principibus, maioribus minoribusve omnibusque generaliter fidelibus benedictio claritas et gloria in gratia dei, quae data est nobis in Christo Iesu domino nostro.

Clemens Romanae ecclesiae praesul Iacobo carissimo Hierosolimorum episcopo.

Clemens Iacobo domino et episcopo episcoporum, regenti Hebraeorum sanctam ecclesiam Hierosolimis, sed et omnes ecclesias, quae ubique dei providentia fundatae sunt, cum presbyteris et diaconibus et ceteris omnibus fratribus, pax tibi sit semper.

Reverentissimo fratri et coepiscopo Aurelio Damasus.

Beatissimo papae Damaso Aurelius Carthaginensis episcopus.

Protokoll

3 Ed. Hinschius (Decretales), S. 17 – 247. 4 Vgl. Schieffer: Adressaten, S. 47 zu Aurelius als Teil der pseudoisidorischen Fiktion. 5 Ebd., S. 45 mit dem Hinweis, dass dieser dem Fälscher möglicherweise aus den pseudoklementinischen Rekognitionen bekannt war. Er ist außerdem in dem zwischen 823 und 830 entstandenen zweiten Teil der Weltchronik Frechulfs von Lisieux bezeugt, vgl. Patzold: Episcopus, S. 173f.

Jacobus, Bischof von Jerusalem

1. Clemens-Brief, JK † 10

Erzbischof Aurelius von Kathargo

Papst Damasus

Adressat(en)

5

Damasus

Erzbischof Aurelius von Kathargo

1. Teil eins der falschen Dekretalen 3

Tabelle 4: Die Adressaten der falschen Dekretalen

274 Anhang

Geistliche

Alle Kirchen

Die Geistlichen Italiens

Alle Kirchen Galliens

Alle Geistlichen in Campanien

Die Bischöfe Italiens

Alle Kirchen Galliens

Theophil, Bischof von Alexandrien

Die Bischöfe Afrikas

Bischöfe Siziliens

Die Geistlichen Ägyptens

Bischof Benedikt

1. Pius-Brief, JK † 43

2. Pius-Brief, JK † 44

Anicetus-Brief, JK † 57

1. Sother-Brief, JK † 60

2. Sother-Brief, JK † 61

Eleutherus-Brief, JK † 68

1. Viktor-Brief, JK † 74

2. Viktor-Brief, JK † 75

1. Zepherin-Brief, JK † 80

2. Zepherin-Brief, JK † 81

1. Calixt-Brief, JK † 85

Calistus archiepiscopus ecclesiae catholicae urbis Romae Benedicto fratri et coepiscopo salutem in domino.

Carissimis fratribus per Aegyptum domino militantibus Zepherin Romanae urbis archiepiscopus.

Zepherin Romanae urbis archiepiscopus omnibus per Siciliam constitutis episcopis in domino salutem.

Victor Romanae ecclesiae urbis archiepiscopus universis episcopis per Africam constitutis in domino salutem.

Victor Romanae ac universalis ecclesiae archiepiscopus Theophilo episcopo et cunctis fratribus Alexandriai domino famulantibus salutem in domino.

Eleutherus episcopus universis ecclesiis per Galliae provincias domino militantibus in domino salutem.

Dilectissimis fratribus per Italiae provincias sanctis constitutis episcopis Sother papa.

Sother apostolicae sedis archiepiscopus Campanis omnibus salutem in domino.

Anicetus universis ecclesiis per Galliae provincias constitutis in domino salutem.

Pius Romanae urbis archiepiscopus Italicis fratribus salutem in domino.

Omnibus ecclesiis in eadem, qua sumus, fide et doctrina manentibus Pius apostolicae sedis archiepiscopus.

Viginus papa Atheniensibus salutem.

Sixtus universalis apostolicae ecclesiae episcopus omnibus episcopis salutem in domino.

Omnibus in deo patre et domino nostro Iesu Christo dilectis fratribus in caritate domini nostri Iesu Christi Sixtus Romanae urbis archiepiscopus salutem.

Alexander episcopus omnibus divino sacerdotio fungentibus pax et misericordia multiplicetur et sapientia atque bona voluntas in omnibus augeatur et fructificetur in domino.

6 Vgl. Vita Hyginus, Liber Pontificalis, ed. Mommsen (MGH Gest. Pont.), S. 13, Z. 1; Schieffer: Adressaten, S. 44. 7 Vgl. Vita Soter, Liber Pontificalis, ed. Mommsen (MGH Gest. Pont.), S. 16, Z. 1. 8 Besagter Bischof starb im Jahr 412. Er wird fälschlicherweise im Liber Pontificalis im Zusammenhang mit dem Osterfeststreit aufgeführt, was wohl auch zu seiner Nennung bei Pseudoisidor geführt hat, vgl. Liber Pontificalis, ed. Mommsen (MGH Gest. Pont.), S. 19; Schieffer: Adressaten, S. 47

Athener

2. Viginius-Brief, JK † 36

8

Bischöfe

Telesphorus-Brief, JK † 34

7

Viginus in Christi nomine almae urbis Romae episcopus cunctis in apostolica fide et doctrina degentibus salutem.

Alle Bischöfe

2. Sixtus I.-Brief, JK † 32

6

Alle

1. Sixtus I.-Brief, JK † 31

1. Viginius-Brief, JK † 35

Carissimis fratribus et dilectissimis episcopis Telesphorus Romanae urbis archiepiscopus salutem in domino.

Alle Priester

3. Alexander-Brief JK † 26

Dilectissimis fratribus omnibus episcopis per diversas constitutis regiones Alexander episcopus.

Alle Bischöfe

2. Alexander-Brief JK † 25

Protokoll

Adressat(en)

Brief

Tabelle 4: Die Adressaten der falschen Dekretalen 275

Die Bischöfe Galliens

Alle Christen

2. Calixt-Brief, JK † 86

Urban-Brief, JK † 87

Alle Geistlichen der christlichen Kirche

Orientalische Bischöfe

Bischof Hilarius

Alle Geistlichen

Orientalischer Bischof Rufus

Alle Bischöfe Galliens und Spaniens

Bischof Hilarius

Alle Bischöfe

Bischof Grato

Bischöfe der spanischen Provinzen

1. Fabian-Brief, JK † 92

2. Fabian-Brief, JK † 93

3. Fabian-Brief, JK † 94

1. Cornelius-Brief, JK † 114

2. Cornelius-Brief, JK † 115

Lucius-Brief, JK † 123

1. Stephan-Brief, JK † 130

2. Stephan-Brief, JK † 131

1. Sixtus II.-Brief, JK † 133

2. Sixtus II.-Brief, JK † 132

Bischof Paternus

1. Felix-Brief, JK † 142

13

Wohl ein Verwaltungsbeamter und damit ein Laie, vgl. ebd., S. 49. Dagegen Codex Vatikan, lat. 630: Rusticus. Ein weiterer Laie, vgl. Schieffer: Adressaten, S. 49. Vgl. ebd., S. 49f. Vgl. ebd., S. 51.

Bischof Severus

2. Dionysius-Brief, JK † 139

9 10 11 12 13

Urban

1. -Brief, JK † 138 12

Geistliche in Betica

Anterus-Brief, JK † 90

11

Alle Bischöfe

2. Pontianus-Brief, JK † 89

10

Felix scribo

1. Pontianus-Brief, JK † 88

9

Adressat(en)

Brief

Carissimo atque dilectissimo Paterno coepiscopo Felix episcopus in domino salutem.

Dionysius episcopus Severo episcopo salutem.

Dionysius episcopus Urbano praefecto salutem.

Dilectissimis fratribus per Hispaniarum provincias constitutis Sixtus episcopus in domino salutem.

Sixtus episcopus Grato coepiscopo salutem.

Stephanus sanctae apostolicae et universalis Romanae ecclesiae episcopus omnibus per diversas provincias constitutis episcopis in domino salutem.

Dilectissimo fratri atque familiari amico Hilario Stephanus episcopus intimae caritatis salutem.

Dilectissimis fratribus omnibus episcopis partibus occidentalibus tam Gallis quam et Hispanis consistentibus Lucius episcopus in domino salutem.

Cornelius episcopus Rufo coepiscopo in domino salutem.

Carissimis atque dilectissimis sanctae dei ecclesiae filiis et omnibus domino recta fide famulantibus Cornelius episcopus.

Dilectissimo fratri Hilario episcopo Fabianus.

Fabianus episcopus urbis Romae omnibus orientalibus episcopis et cunctis fidelibus in domino salutem.

Dilectissimis ubique catholicae ecclesiae comministris Fabianus salutem in domino.

Carissimis atque dilectissimis fratribus per Beticae atque Toletanae provincias episcopis constitutis Anterus episcopus in domino salutem.

Pontianus sanctae et universalis ecclesiae episcopus omnibus recte dominum colentibus et divinum cultum amantibus salutem.

Pontianus episcopus Felici Scriboni salutem.

Urbanus episcopus omnibus christianis in sanctificationem spiritus, in oboedientiam et aspersionem sanguinis Christi salutem.

Dilectissimis fratribus per Galliam constitutis universis episcopis Calistus.

Protokoll

276 Anhang

Bischöfe der gallischen Provinzen

Bischof Benigno

Bischof Johannes und die Geistlichen 14 von Betica

Bischöfe Siziliens

Bischof Felix

Bischof Salomon

Alle orientalischen Bischöfe

Bischöfe Antiochiens

15

Maxentius

Alle Bischöfe der gallischen Provinzen

Geistlichen Alexandriens und Ägyptens

Bischöfe Tusziens und der Campagna

Marinus, Benedictus, Leontinus und 16 weitere spanische Bischöfe

2. Felix-Brief, JK † 143

3. Felix-Brief, JK † 144

1. Euticianus-Brief, JK † 145

2. Euticianus-Brief, JK † 146

Gaius-Brief, JK † 157

1. Marcellinus-Brief, JK † 158

2. Marcellinus-Brief, JK † 159

1. Marcellus-Brief, JK † 160

2. Marcellus-Brief, JK † 161

1. Eusebius-Brief, JK † 163

2. Eusebius-Brief, JK † 164

3. Eusebius-Brief, JK † 165

Melchiades-Brief, JK † 171

Dilectissimis fratribus Marino, Benedicto, Leontio et ceteris Hispaniarum ac illis in partibus constitutis episcopis Melchiades.

Dilectissimis fratribus universis episcopis per Campaniam et Tusciam constitutis Eusebius.

Eusebius Romanae et apostolicae ecclesiae episcopus dilectissimis et in Christi caritate unanimis caritatis glutino connexis fratribus per Alexandriam et Aegyptum domino militantibus et rectam fidem tenentibus in domino salutem.

Carissimis fratribus et deo dilectis episcopis omnibus per Gallicanas provincias constitutis Eusebius.

Marcellus episcopus sanctae catholicae et apostolicae ecclesiae urbis Romae Maxentio.

Dilectissimis fratribus universis episcopis per Antiocenam constitutis Marcellus.

Dilectissimis fratribus universis episcopis per orientales provincias constitutis Marcellinus episcopus.

Marcellinus episcopus sanctae ecclesiae catholicae urbis Romae Salomoni coepiscopo salutem.

Dilectissimo fratri Felici episcopo Gaius.

Dilectissimis fratribus universis episcopis per Siciliam constitutis Euticianus.

Carissimis fratribus Iohanni et omnibus per Beticam provinciam constitutis episcopis Euticianus episcopus in domino salutem.

Dilectissimo fratri Benigno episcopo Felix coepiscopus in domino salutem.

Felix episcopus universis episcopis per Galliae provincias constitutis in domino salutem.

Protokoll

14 Vgl. ebd., S. 48. 15 Bezieht sich wohl auf den Usurpator und Kaiser Maxentius, vgl. ebd., S. 49. Dies ist das einzige Schreiben der falschen Dekretalen, welches sich ausdrücklich an einen weltlichen Machthaber richtet. 16 Vgl. ebd., S. 47f.

Adressat(en)

Brief

Tabelle 4: Die Adressaten der falschen Dekretalen 277

Venerabilibus fratribus universis orientalibus episcopis Iulius. Domino beatissimo et honorabili patri Iulio apostolicae sedis venerabili episcopo Eusebius, Teognius, Theodorus et Berintus una cum reliquis fratribus et coepiscopis nostris in Antiochia congregatis.

Bischof Athanasius von Alexandrien

Römische Synode

18

Orientalische Bischöfe

Papst Julius

Eusebius, Teognius, Theodorus, Berinthus und die weiteren orientalischen Bischöfe

Papst Liberius

Bischof Athanasius von Alexandrien

Marcus-Brief, JK † 181

1. Julius-Brief, JK † 194

2. Julius-Brief, JK † 195

Eusebius-Brief (Eusebius, Teognius, 19 Theodorus, Berinthus und die weiteren orientalischen Bischöfe)

3. Julius-Brief, JK † 196

2. Athanasius-Brief

1. Liberius-Brief, JK † 222

17 Ed. Hinschius (Decretales), S. 445 – 754. Die Aufstellung beschränkt sich auf die von Pseudoisidor gefälschten Dekretalen im dritten Teil der Sammlung. Es befinden sich darin weitere apokryphe Stücke, die nicht auf Pseudoisidor zurückgehen. Vgl. Seckel: Pseudoisidor, S. 271, Z. 23-S. 272, Z. 30 für eine detaillierte Darstellung der verschiedenen echten und falschen Stücke des dritten Teils der pseudoisidorischen Dekretalen. 18 Mehr eine Art Protokoll der von Pseudoisidor erfundenen römischen Synode von 337 und keine Dekretale im eigentlichen Sinne. 19 Pseudoisidor entnahm diese Empfänger bei Cassiodor, Historia Tripartita, Buch 4, Kap. 5, Abs. 4, ed. Hanslik/Jakob (CSEL 71), S. 162, Z. 16 – 19: Huius cooperatores erant Eusebius et Theognius et Theodorus Perinthius, qui eloquentior videbatur et scripsit explanationes evangeliorum, quem plurimi Heracliotem vocant. Durch einen Verständnisfehler ersonn er aus dem älteren Namen der Stadt Heraclea, Perintus, einen vierten Bischof namens Berintus, vgl. Schieffer: Adressaten, S. 45f.

Dilectissimo filio Athanasio et omnibus in unum congregatis et de trinitatis fide recte sentientibus Aegyptiorum episcopis Liberius papa.

Domino beatissimo et honorabili sancto patri Liberio papae Athanasius et universi Aegyptiorum episcopi in unum synodice apud Alexandriam congregati.

Iulius sanctae Romanae et apostolicae ecclesiae episcopus Eusebio, Teognio, Theodoro, Berintho et ceteris orientalibus episcopis.

In nomine domini dei et salvatoris nostri Iesu Christi, imperantibus quoque Constantio et Constante augustis anno IIII sub die VIII Kalendarum Octobrium, indictione VI praesidente sancto ac beatissimo Iulio papa sedis apostolicae urbis Romae praepositis sacrosanctis et venerabilibus evangeliis in ecclesia domini dei et salvatoris nostri Iesu Christi, quae vocatur Constantiniana, residentibus etiam viris venerabilibus pariterque cum eo audientibus Benedicto Aquiliense episcopo, Rufo sanctissimo Cartaniano episcopo, Agapito Ravennatis ecclesiae episcopo, Iulio Mediolanensis ecclesiae episcopo, Luciano Maurianense episcopo et reliquis cum eis CXVI episcopis, Iulius praedictus sanctissimus episcopus urbis Romae dixit: […].

Dominis venerabilibus fratribus Athanasio et universis Aegyptiorum episcopis Marcus sanctae Romanae apostolicaeque sedis et universalis ecclesiae episcopus.

Domino sancto et apostolici culminis venerando Marco sanctae Romanae et apostolicae sedis atque universalis ecclesiae papae Athanasius et universi Aegyptiorum episcopi.

Papst Marcus

1. Athanasius-Brief

Protokoll

Adressat(en)

Brief

2. Teil drei der falschen Dekretalen 17

278 Anhang

Papst Felix II.

Bischof Athanasius von Alexandrien

Alle Bischöfe und Priester

Alle Bischöfe

3. Athanasius-Brief (mit der Synode von Alexandrien)

1. Felix II.-Brief, JK † 230

2. Felix II.-Brief, JK † 231

2. Liberius-Brief, JK † 224

Bischof Prosper von Numidien, die Bischöfe Leo, Reparatus, Alexander, 22 Benedictus und Rufus , sowie alle orthodoxen Bischöfe

Die Bischöfe Italiens

Die Bischöfe in Germanien und Burgund

6. Damasus-Brief, JK † 244

8. Damasus-Brief, JK † 245

1. Anastasius-Brief, JK † 277

Dilectissimo fratri Neriano Anastasius.

Anastasius episcopus cunctis Germanicis et Burgundiae regionis episcopis in domino salutem.

Universis episcopis per Italiae provincias constitutis Damasus episcopus in domino salutem.

Dominis venerabilibus fratribus Prospero Numidiae primae sedis episcopo, Leoni, Reparato, Alexandro, Benedicto, Rufo et omnibus ceteris ubique in recta sancta et apostolica fide consistentibus orthodoxis episcopis Damasus.

Damasus servus servorum dei atque per gratiam eius episcopus sanctae catholicae atque apostolicae ecclesiae urbis Romae Stephano archiepiscopo concilii Mauritaniae et universis episcopis Africanae provinciae.

Domino beatissimo et apostolico culmine sublimato sancto patri patrum Damaso papae et summo omnium praesulum pontifici Stephanus archiepiscopus concilii Mauritaniae et universi episcopi de tribus conciliis Africanae provinciae.

Damasus episcopus fratri et compresbytero Hieronymo in Christo salutem.

Dominis sanctissimis et deo amantissimis universis episcopis Liberius episcopus in domino salutem.

Felix sanctae universalis ecclesiae papa atque per gratiam dei catholicae et apostolicae ecclesiae urbis Romae episcopus una cum sancto concilio nostro reverentissimorum sacerdotum huc nobiscum convenientium in confirmatione piissimorum catholicae ecclesiae dogmatum et relevatione oppressorum fratrum coepiscoporum videlicet nostrorum, qui rectam Niceni concilii tenent fidem et fratres non infestantur, universis spiritalibus fratribus nostris et reliquis in sacerdotali collegio domino consecratis, atque omni plenitudini ecclesiae catholicae.

Reverentissimis atque dilectissimis fratribus Athanasio et universis Aegyptiorum, Thebaidorum, Libiorum episcopis in sancta Alexandrina synodo congregatis Felix almae Romanae urbis et universalis ecclesiae episcopus et sancta synodus, quae in urbem Romam convenit, in domino salutem.

Domino ter beatissimo et honorabili sancto patri Felici sanctae sedis apostolicae urbis Romae papae Athanasius et universi Aegyptiorum, Thebaidorum et Libiorum episcopi in sancta Alexandrina synodo gratia dei congregati.

Protokoll

20 Antwortschreiben vor-pseudoisidorische Fälschung, vgl. Seckel: Pseudoisidor, S. 271, Z. 35. 21 Schieffer: Adressaten, S. 47 hält die Erfindung dieses Bischofs für eine für den Fälscher untypisch leichtsinnige Fiktion, angelehnt an ein Schreiben dreier afrikansicher Metropoliten an Papst Theodor I. (642 – 649) von 646. 22 Zu diesen vgl. ebd., S. 48. 23 Ebd., S. 49 vermutet Rudolf Schieffer in diesem einen Reichsbeamten, also einen Laien, trotz der Anrede als dilectissimo fratri, vgl. ed. Hinschius (Decretales), S. 526.

23

Erzbischof Stephan von Mauretanien und drei afrikanische Konzile

4. Damasus-Brief, JK † 243

Nerianus

Papst Damasus

Erzbischof Stephan von Maureta21 nien und drei afrikanische Konzile

2. Anastasius-Brief, JK † 278

Hieronymus

2. Damasus-Brief, JK † 240

20

Adressat(en)

Brief

Tabelle 4: Die Adressaten der falschen Dekretalen 279

Orientalische Bischöfe

Bischof Laurentius I. von Mailand

Sixtus III.-Brief, JK † 397

Symmachus, JK † 760

Dilectissimo fratri Eutero Vigilius. Pelagius episcopus Vigilio coepiscopo salutem.

Bischof Antemius von Konstantinopel

Bischof Amator

30

Papst Silverius

Bischof Euterus

Bischof Vigilius

Die Bischöfe Germaniens und Galliens

Felix IV.-Brief, JK † 879

Bonifaz II.-Brief, JK † 883

Johannes II.-Brief, JK † 889

Agapit I.-Brief, JK † 895

Bischof Amator

Silverius-Brief, JK † 901

Vigilius-Brief, JK 907 (nur 7. Kapitel falsch)

Pelagius I.-Brief, JK † 973

Johannes III.-Brief, JK † 1042

Erzbischof Benignus

Pelagius II.-Brief, JK † 1049

Dilectissimo fratri Benigno archiepiscopo Pelagius episcopus.

Reverentissimus fratri David episcopo Benedictus salutem in domino.

Iohannes epicopus universis episcopis per Germaniae et Galliae provincias constitutis in domino salutem.

Beatissimo Silverio Amator episcopus.

Agapitus episcopus Anthemio episcopo salutem.

Reverentissimo fratri Valerio episcopo Iohannes.

Bonifacius episcopus Eulalio coepiscopo salutem.

26

(Cuius supra Sabine nobilissimae scriptae exortatoria.)

Dilectissimis fratribus omnibus episcopis per diversas provincias constitutis Felix episcopus in domino salutem.

24 Vgl. Schieffer: Adressaten, S. 51. 25 Das einzige Schreiben an eine Frau bei Pseudoisidor, angelehnt an Innozenz I., Ep. 15, JK 302, Migne PL 20, Sp. 518B-519A. Vgl. dazu Caspar: Geschichte Bd. 1, S. 327; Schieffer: Adressaten, S. 49. 26 Rubrik, vgl. ed. Hinschius (Decretales), S. 701. 27 Lt. Kaltenbrunner: Regesta, S. 112, Bischof von Alexandrien. Vgl. dagegen Schieffer: Adressaten, S. 50. 28 Vgl. ebd., S. 51. 29 Eigentlich Profuturus von Braga, vgl. ebd., S. 45. 30 Vgl. ebd., S. 51. 31 Vgl. ebd., S. 50.

Bischof David

Benedikt I.-Brief, JK † 1045

31

Dilectissimo atque amantissimo Amatori episcopo Silverius.

Sabina

Bischof Valerius

29

25

Bischof Eulalius

28

Alle Bischöfe

Felix IV.-Brief, JK † 878

27

Die Bischöfe Italiens

Johannes I.-Brief, JK † 873

Iohannes episcopus omibus provinciae Italie constitutis episcopis in domino salutem.

Erzbischof Zacharias

Iohannes urbis Romae episcopus Zachariae archiepiscopo salutem.

Dilectissimo atque carissimo fratri Laurentio Mediolanensis ecclesiae archiepiscopo Symmachus episcopo in domino salutem.

Sixtus episcopus omnibus orientalibus episcopis in domino salutem.

Protokoll

Johannes I.-Brief, JK † 872

24

Adressat(en)

Brief

280 Anhang

Bischof Johannes IV. von Konstantinopel und das Konzil von Konstantinopel

Gregor I.

Bischof Felix von Messina

Pelagius II.-Brief, JK † 1051

Bischof Felix von Messina

Gregor I., JE † 1334

32 Vgl. ebd., S. 46f.

Alle Bischöfe (und besonders die Bischöfe Campagniens und Italiens)

Pelagius II.-Brief, JK † 1050

32

Adressat(en)

Brief

Reverentissimo patri Felici episcopo Gregorius servus servorum dei.

Domino beatissimo et honorabili sancto patri Gregorio pape Felix vestrae salutis amator.

Dilectissimis fratribus, universis episcopis, qui illicita vocatione Iohannis Constantinopolitani episcopi ad synodum Constantinopolim convenerunt, Pelagius.

Dilectissimis atque karissimis fratribus universis episcopis et cunctis specialiter per Campaniae et Italiae provincias domino militantibus Pelagius salutem.

Protokoll

Tabelle 4: Die Adressaten der falschen Dekretalen 281

Fol. 7va: […] quam ab eiusdem […] Fol. 7va: Ne quisq. fribola […] Fol. 7va: […] decretis sanctitum est […]

Fol. 7vb: […] negationem beatum petrum praeceptorem […] Fol. 7vb: […] nostro moderamine finire […]. Fol. 8ra: […] et praesumptio iuditiorum […] Fol. 8ra: […] reminiscens domino praecepti salvatoris […]

Fol. 8ra: Nullum enim intemeratum relinquit inimicus […] Fol. 8ra: […] sententiam ne nobis […] Fol. 8rb: […] possumus abscidamus.

Fol. 206vb: […] in quibus decreto vestram […] Fol. 206vb: […] privilegio nostri nominis auctoritas, et liceat […] Fol. 207ra: […] quam ab eius […] Fol. 207 : Ne quisquam frivola […] Fol. 207 : […] decretis sanctitum est […] Fol. 207ra: […] in suis auctoritatibus […] Fol. 207ra: […] apostolus ait […] Fol. 207rb: […] negationem beatum petrum praeceptorem […] Fol. 207 : […] nostro moderamini finiri. Fol. 207 : […] et praesumptio iudeorum […] Fol. 207 : […] reminiscens domino praecepti salvatoris […] Fol. 207rb: […] per nostri facilitatem tribunalis excelso iudici derogare […] Fol. 207rb: Nullum enim intemeratum relinquit inimicus […] Fol. 207 : […] sententiam ne nobis […] Fol. 207 : […] possumus abscidamus.

S. 73, Z. 24: […] in quibus decreto nostro vestram […]

S. 74, Z. 1: […] privilegium nostrique nominis auctoritas, liceat […]

S. 74, Z. 7: […] quam ab eiusdem […]

S. 74, Z. 18: Nec quisquam fribola […]

S. 74, Z. 20: […]decretis sancitum sit […]

S. 75, Z. 2: […] in suis auctoribus […]

S. 75, Z. 19: […] apostolus inquid […]

S. 76, Z. 11: […] negationem beatum praeceptorem […]

S. 76, Z. 16: : […] nostroque moderamine finire.

S. 76, Z. 18: […] et praesumptio iuditiorum […]

S. 76, Z. 21: […] reminiscens praecepti domini salvatoris […]

S. 77, Z. 1: […] per nostram facilitatem tribunalis excelsi iudico derogare […]

S. 77, Z. 3: Nullum enim intemptatum reliquit inimicus […]

S. 77, Z. 21: […] sententiam nec nobis […]

S. 78, Z. 7: […] possumus abscindamus.

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17

33 Abweichungen vom Haupttext der Edition sind durch Unterstreichungen gekennzeichnet.

rb

rb

rb

rb

rb

ra

ra

Fol. 206vb: […] omnibus nostra poscentes […]

S. 73, Z. 21: […] omnibus nostra poscentibus […]

2

Fol. 8ra: […] per nostri facilitatem tribunalis excelso iudici derogare […]

Fol. 7vb: […] apostolus inquid […]

Fol. 7vb: […] in suis auctoritatibus […]

Fol. 7va: […] privilegium nostri nominis auctoritas, et liceat […]

Fol. 7va: […] in quibus decreto nostro vestram […]

Fol. 7rb: […] omnibus nostra poscentes […]

Fol. 7rb: Dilectissimis Fratribus Universis Coepiscopis Per Galliam, Europiam, Germaniam […] Gregorius Episcopus Servus Servorum Dei.

fol. 206vb: Dilectissimus fratribus universalis coepiscopis per galliam europam […]Gregorius servus servorum dei.

S. 73, Z. 16 (Rubrik): Dilectissimis Fratribus Universis Coepiscopis Per Galliam, Europiam, Germaniam […] Gregorius Episcopus Servus Servorum Dei.

1

Paris, BnF, lat. 1557

Reims, Bib. mun., 672

JE † 2579 (MGH Epp. 5)

Variante

Tabelle 5: JE † 2579 – Übersicht der Varianten von Reims, Bibliothèque municipale, 672 (fol. 206vb – 207vb) und Paris, Bibliothèque nationale de France, lat. 1557 (fol.7rb – 8vb)33

282 Anhang

Fol. 8rb: […] qui monitis oboedire apostolicis necesse est ust severitatis regula Fol. 8rb: […] aut faciat aut fieri sinat […] Fol. 8ra: Cavete fratres neglegere praefata, cavete temerare prohibita ne praedictis involuamur inreciaculis.

Fol. 8ra: […] spernere ne eius […] Fol. 8rb: […] vobiscum pariter in perpetuum connexa laetetur in Domino.

Fol. 8va: […] habendus est tamen pro reverentia […] Fol. 8va: […] cuius auctoritatis sanctionem […]

Fol. 8va: […] pro(iecit) a templo […] Fol. 8 : […] quod alibi inquit […]

Fol. 207 : […]et qui monitis obedire apostolicis necesse est ut severitas regula […] Fol. 207va: […] aut faciat aut facienti conseniat […] Fol. 207 : Cavete negligere ut temerare prohibita, ne praedictis involuamur inreciaculis. Fol. 207va: […] nolite extolli […] Fol. 207va: […] spernere ne eius […] Fol. 207 : […] vobiscum conexa pariter in domino letetur. Fol. 207va: […] disciplina comprimere debetis et erudire, qui statuta maiora non tenentes […] Fol. 207va: […] nec manifesto nec occultis […] Fol. 207va: […] ut caritatem non admittatis et sustentatores fratrem existatis […] Fol. 207va: […] habendus tamen pro reverentia […] Fol. 207 : […] cuius auctoris sanctionem […] Fol. 207va: […] ecclesiam societate divelli. Fol. 207va: […] perire hic contristent […] Fol. 207va: […] scandalizanti de pusillis […] Fol. 207 : […] proiecit a templo […] Fol. 207 : […] quod alibi ait […] Fol. 207vb: […] quia in speculo […] Fol. 207vb: […]est praedicare religiosos […] quia mensa sunt nostra […]

S. 78, Z. 8 – 9: […] et qui monitis noluerit oboedire apostolicis, necesse est, ut severitatis regula […]

S. 78, Z. 9: […] aut faciat aut fieri sinat […]

S. 78, Z. 12 – 13: Cavete, fratres, neglegere praefata, cavete temptare prohibita, ne praedictis involvamini retiaculis.

S. 78, Z. 18: […] nolite extollere […]

S. 78, Z. 19: […] spernere nec eius […]

S. 78, Z. 23: […] vobiscum pariter in perpetuum connexa laetetur in Domino.

S. 78, Z. 25 – 26: […] disciplina comprimere et erudire debetis, qui statuta maiorum non tenentes […]

S. 78, Z. 29: […] nec manifesto nec silentio […]

S. 79, Z. 4: […] ut caritatem non amittentes, adiutores et sustentatores fratrum existatis […]

S. 79, Z. 11: […] habendus est tamen pro reverentia […]

S. 79, Z. 16 – 17: […] cuius auctoritatis sanctionem […]

S. 80, Z. 1: […] ecclesiam, soliditate divelli.

S. 80, Z. 6: […] perire, hi contristent […]

S. 80, Z. 8: […] scandalizanti unum de pusillis […]

S. 80, Z. 12: […] proiecit e templo […]

S. 80, Z. 13 – 14: […] quod alibi inquit […]

S. 80, Z. 18: […] quia in specula […]

S. 81, Z. 1: […] est, praedicta religiosos […] quia membra sunt nostra […]

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34 Ende der Zeile (entspricht etwa 3 – 5 Buchstaben) nicht lesbar, Lücke durch Angaben in Klammern sinnhaft ergänzt. 35 Beginn der Zeile (entspricht etwa 5 – 6 Buchstaben) nicht lesbar, Lücke durch Angaben in Klammern sinnhaft ergänzt.

vb

va

va

va

va

35

Fol. 8vb: […] est, praedicta religiosos […] quia membra sunt nostra […]

Fol. 8vb: […] quia in speculo […]

vb

Fol. 8va: […] scandalizanti de pusillis […]

Fol. 8va: […] perire hic contristent […]

Fol. 8va: […] ecclesiam, soliditate divelli.

Fol. 8va: […]ut caritatem non amittentes et sustentatores fratrem existatis […]

Fol. 8rb: […] nec manifesto nec occultis […]

Fol. 8rb: […] disciplina comprimere et erudire debetis, qui statua 34 maiora (non te)nentes […]

Fol. 8ra: […] nolite extollere […]

Paris, BnF, lat. 1557

va

Reims, Bib. mun., 672

JE † 2579 (MGH Epp. 5)

Variante

Tabelle 5: Übersicht der Varianten 283

284

Anhang

Register der Orts- und Personennamen Das Register erfasst alle mittelalterlichen Orte und Namen, die im Text vorkommen. Nicht aufgenommen wurden die Lemmata «Benedictus Levita», «Pseudoisidor», sowie die Orte «Chalkedon», «Nicäa», «Paris» und «Rom». Einträge für die Konzile von Nicäa (325), Sardika (343), Chalkedon (451) und Paris (829) wurden ergänzt. Die Aufbewahrungsorte der benutzten Handschriften wurden nicht aufgenommen. Die Einträge zu den römischen Bischöfen beziehen sich ausschließlich auf historische Personen und nicht auf die falschen Päpste der pseudoisidorischen Dekretalen. Lediglich zu Gregor IV. wurden alle Nennungen aufgenommen.

A Aachen  44, 79, 85, 131 Adalhard, Abt v. Corbie  84, 85, 92 Adalhelm, Bf. v. Châlons  52 Aeneas von Paris  224, 225 Agobard, Bf. v. Lyon  49 – 51, 55 – 57, 59, 92, 217, 222 Aldrich, Bf. v. Le Mans  50, 182 – 186, 194, 195, 197, 198, 201 – 203, 209 – 212, 215 Aldrich, Bf. v. Sens  52 Alkuin  36, 37 Amatheus, Bf.  52 Amator, Bf.  108, 111 Anastasius II., Bf. v. Rom  203, 207 Anastasius, K.  28, 207 Angilram, Bf. v. Metz  68, 147, 161, 168, 208 Ansegis v. Fontenelle  72 Astronomus  46 – 48, 54, 56, 57 B Barnard, Bf. von Vienne  49 Bartholomäus, Bf. v. Narbonne  49 Benedikt III., Bf. v. Rom  187, 192, 222 Bernard, Bf. v. Straßburg  50 Bernoin, Bf. v. Chatres  52 Bonifatius  32, 33, 35, 157 – 159, 191 – 193 C Chalkedon, Konzil (451)  28, 60, 75, 97, 106, 131, 134 – 138, 148, 150, 151, 160, 166, 171 – 174, 176, 210 Chlodwig I., Kg.  30 Claudius, Bf. v. Turin  51, 52

Colmar  42, 46, 82, 181, 200, 209, 211 Corbie  15, 30, 66, 67, 76, 80, 81, 83 – 88, 89, 91, 93, 163, 177, 190, 192, 200, 201, 211, 216, – 220, 223 – 226 Corvey  85 Cyprian, Bf. v. Karthago  21, 22 D Damasus I., Bf. v. Rom  24, 61 – 63, 109, 117, 138 Drogo, Bf. von Metz  50, 182, 202 E Ebo, Bf. v. Reims  44, 49, 50, 52, 59, 82, 94, 181, 222 Einhard  39, 50 Elias, Bf. v. Troyes  49, 52 Ephesus  28, 97, 106, 137, 138, 172, 173 Eugen II., Bf. v. Rom  41, 45 Eusebius, Bf. v. Nikomedia  108, 111 F Franco, Bf. v. Le Mans  52 Frechulf, Bf. v. Lisieux  52 Fulchar, Bf.  52 Fulda  44 G Gelasius I., Bf. v. Rom  26, 28, 29, 53, 102, 120, 121 Godefried, Bf. v. Senlis  52 Gregor I., Bf. v. Rom  109, 120 Gregor II., Bf. v. Rom  63, 159 Gregor III., Bf. v. Rom  192

Register der Orts- und Personennamen

Gregor IV., Bf. v. Rom  17, 41, 46 – 50, 54 – 61, 86, 87, 180 – 190, 192, 194 – 197, 199, – 204, 206 – 211, 215 – 217 Gunthar, Bf. v. Köln  223 H Hadrian I., Bf. v. Rom  34, 35, 37, 38, 40, 68, 104, 105, 147 Halitgar, Bf. v. Cambrai  52 Herbert, Bf. v. Bayeux  52 Heribald, Bf. v. Auxerre  49, 52 Hieronymus  89, 90 Hildegar, Bf. v. Köln  33 Hildemann, Bf. v. Beauvais  49, 52 Hilduin, Abt. v. St.-Denis  49, 50, 53 Hilti, Bf. v. Verdun  50 Hinkmar, Bf. v. Laon  70, 221 Hinkmar, Bf. v. Reims  36, 40, 70, 94, 221, 222 Hrabanus Maurus, Abt. v. Fulda  44 Hucbert, Bf. v. Meaux  52 I Inchad, Bf. v. Paris  52 Innozenz I., Bf. v. Rom  23, 25, 26, 29, 30, 104, 106, 121 – 124, 138, 160, 165, 166, 184, 202, 204, 205, 208, 209 J Jesse, Bf. v. Amiens  49, 52, 82 Johannes IV., Bf. v. Konstantinopel  111 Jonas, Bf. v. Orléans  50 – 53, 55 Joseph, Bf. v. Evreux  49 Julius I., Bf. v. Rom  22, 139, 140 K Karl der Große, K.  29, 33 – 40, 43, 45, 57, 109, 147, 159 Karl der Kahle, Kg., K.  48, 52, 54, 56, 58, 88, 94, 113, 182, 224 Konstantin I., K.  22, 113 Konstantinopel  97, 106, 111, 135, 136, 146, 150, 151, 174

285

L Landram, Bf. v. Tours  52 Leo I., Bf. v. Rom  21, 26 – 30, 106, 111, 112, 119 – 121, 124 – 129, 164, 173, 174, 176, 182, 202, 203, 205 – 207, 209, 225 Leo III., Bf. v. Rom  36 – 39, 41, 88, 104, 105, 159, 181, 187 Leo IV., Bf. v. Rom  105, 222 Lothar II., Kg.  222, 223, 225 Lothar I., Kg., K.  42 – 44, 46 – 49, 54, 56, 58, 59, 85, 86, 88, 92, 182, 200 – 202, 216, 218 Ludwig der Fromme, K.  15, 18, 40 – 42, 44 – 49, 52, 54, 59, 74, 82 – 85, 92, 105, 114, 121, 180 – 182, 211, 216, 218 Lupus, Bf. v. Ferrières  94 Lyon  30, 53 M Marcian, K.  28, 173, 174, 176 Meaux  52, 222 Modoin, Bf. v. Autun  50, 51, 202 N Nicäa, Konzil (325)  22, 25, 62, 97, 98, 106, 111, 128, 130, 131, 134, 148, 184, 187, 192, 204, 205, 210 Nikolaus I., Bf. v. Rom  40, 48, 58, 59, 105, 181, 187, 190, 192, 210, 221 – 224 Nithard  47, 54, 56, 57 O Odo, Abt. v. Corbie  88 Otgar, Bf. v. Mainz  50, 72, 73, 78 P Paris, Konzil (829)  29, 52, 53, 85, 93 Paschalis I., Bf. v. Rom  41, 44, 51, 56 Photius, Patriarch v. Konstantinopel  224 Pippin der Mittlere  31 Pippin I. (der Jüngere), Kg.  32, 33, 39, 40, 147, 158

286

Anhang

R Radbert, Abt v. Corbie  15, 19, 52, 53, 56, 58 – 60, 67, 83 – 93, 114, 200 – 202, 209 – 212, 216 – 220, 225, 226 Ragnoard, Bf. v. Rouen  52 Rangarius, Bf. v. Noyon  52 Ratramnus, Abt. v. Corbie  224 – 226 Reims  48, 50, 66, 80, 177, 188, 190, 221 Rothad, Bf. v. Soissons  52, 64, 223 Rusticus  76, 137, 138, 140, 171

Theoginus, Bf. v. Nicäa  111 Theutberga, Kg.in  222 Thietgaud, Bf. v. Trier  223 Toulouse  53 Troyes  58, 59

S Sardika, Konzil (343)  22, 23, 131 – 134, 139, 148 – 150, 160 – 163, 203, 204 Siricius I., Bf. v. Rom  23 – 25, 203 Soissons  81, 84, 88 Stephan II., Bf. v. Rom  33, 34, 105 Stephan IV., Bf. v. Rom  41, 43, 50 Stephanus, Bf. v. Mauretanien  108, 111 St. Riquier  88 Sylvester I., Bf. v. Rom  22, 61, 62

W Wala, Abt v. Corbie  49, 52, 53, 58, 84 – 89, 92, 114, 200 – 202, 211, 212 Waldrada  223 Wenilo, Bf. v. Sens  94 Wiladus, Bf. v. Coutances  52 Willerich, Bf. v. Bremen  50, 202 Willibrord  32 Worms  52, 53 Wulfhad, Bf. v. Bourges  94

T Thegan  47 Theodesclus, Bf.  52 Theodor, Bf. v. Heraclea  111 Theodosius II., K.  28, 126, 141 Theodrada, Äbtissin v. Notre-Dame de Soissons  84 Theodulf, Bf. v. Orléans  36, 51

Y Yütz  221, 222

V Valentin, Bf. v. Rom  41 Verdun  46 Verendarius, Bf. v. Chur  50

Z Zacharias, Bf. v. Rom  32, 33, 35, 147, 157, 158, 192 Zosimus I., Bf. v. Rom  26, 29

Falsche Papstbriefe

287

Falsche Papstbriefe A Pseudo-Agapit –– JK † 895  280 Pseudo-Alexander –– JK † 25  275 –– JK † 26  275 Pseudo-Anaklet –– JK † 2  107, 110, 123, 244 – 249, 251, 253, 255, 256, 264, 265, 268, 270, 274 –– JK † 3  97, 100, 110, 244, 274 –– JK † 4  103, 107, 110, 119, 121, 125, 129, 244 – 251, 253, 254 – 257, 260 – 266, 268, 270, 272, 274 Pseudo-Anastasius –– JK † 277  111, 121, 245 – 247, 254, 257, 261 – 263, 279 –– JK † 278  110, 279 Pseudo-Anicetus –– JK † 57  97, 100, 110, 124, 135, 244 – 246, 248, 249, 251 – 253, 255, 256, 258, 260, 261, 264 – 270, 275 Pseudo-Anterus –– JK † 90  110, 276

Pseudo-Cornelius –– JK † 114  110, 276 –– JK † 115  250, 276 D Pseudo-Damasus –– JK † 240  279 –– JK † 243  65, 109, 111, 266, 272, 279 –– JK † 244  111, 112, 121, 245 – 247, 254, 257, 261 – 263, 279 –– JK † 245  111, 279 Pseudo-Dionysius –– JK † 138  110, 276 –– JK † 139  103, 127, 249, 253, 260, 263, 276

B Pseudo-Benedikt I. –– JK † 1045  280 Pseudo-Bonifaz II. –– JK † 883  103, 119, 127, 246, 249, 253, 254, 260, 263, 280

E Pseudo-Eleutherus –– JK † 68  96, 100, 110, 133, 162, 248, 252, 258, 259, 267, 271 – 273, 275 Pseudo-Eusebius –– JK † 163  110, 178, 277 –– JK † 164  107, 110, 111, 277 –– JK † 165  110, 250, 263, 277 Pseudo-Euticianus –– JK † 145  110, 120, 277 –– JK † 146  110, 277 Pseudo-Evaristus –– JK † 20  110, 121, 122, 245, 246, 247, 254, 257, 261 – 263, 274 –– JK † 21  100, 110, 246, 274

C Pseudo-Calixt –– JK † 85  97, 120, 250, 255, 275 –– JK † 86  110, 276 Pseudo-Clemens –– JK † 10  245, 255, 256, 264, 274 –– JK † 11  107, 274 –– JK † 12  110, 274 –– JK † 13  274 –– JK † 14  274

F Pseudo-Fabian –– JK † 92  110, 249, 276 –– JK † 93  110, 178, 250, 276 –– JK † 94  99, 132, 142, 149, 161, 250, 258, 263, 266, 270, 272, 276 Pseudo-Felix I. –– JK † 142  110, 276 –– JK † 143  103, 110, 253, 277 –– JK † 144  123, 253, 277

288

Anhang

Pseudo-Felix II. –– JK † 230  98 – 101, 104, 114, 119, 137, 168, 248, 249, 252, 258, 260, 261, 262, 266, 267, 269, 270, 273, 279 –– JK † 231  109, 111, 279 Pseudo-Felix IV. –– JK † 878  111, 121, 245, 246, 247, 254, 255, 257, 261 – 263, 280 –– JK † 879  110, 280 G Pseudo-Gaius –– JK † 157  123, 244, 245 – 249, 251, 253, 255, 256, 264, 265, 268, 270, 277 Pseudo-Gregor I. –– JE † 1334  109, 281 Pseudo-Gregor IV. –– JE † 2579  61, 180 – 183, 186, 187, 189, 190 – 192, 196 – 210, 212, 215, 219, 282 –– JE † 2583  181 J Pseudo-Johannes I. –– JK † 872  280 –– JK † 873  111, 280 Pseudo-Johannes II. –– JK † 889  280 Pseudo-Johannes III. –– JK † 1042  111, 280 Pseudo-Julius I. –– JK † 194  109, 111, 278 –– JK † 195  96, 100 – 102, 104, 106, 111, 112, 119 – 123, 130, 140, 167, 206, 244 – 249, 251, 253 – 266, 268, 270, 272, 278 –– JK † 196  66, 70, 123, 126, 132 – 134, 138, 140, 142, 149, 161 – 163, 167, 178, 203 – 205, 244, 248 – 250, 252 – 273, 278 L Pseudo-Liberius –– JK † 222  103, 109, 127, 249, 253, 260, 263, 278 –– JK † 224  111, 279

Pseudo-Lucius –– JK † 123  110, 276 M Pseudo-Marcellinus –– JK † 158  107, 277 –– JK † 159  97, 110, 114, 277 Pseudo-Marcellus –– JK † 160  96, 102, 111, 119, 121, 122, 124, 126, 129, 132, 138, 203, 244 – 249, 251, 253, 254 – 259, 261 – 268, 270, 271, 272, 273, 277 –– JK † 161  96, 99, 107, 110, 114, 138, 255, 257, 258, 259, 262, 264 – 266, 268, 272, 277 Pseudo-Marcus –– JK † 181  104, 256, 278 Pseudo-Melchiades –– JK † 171  98, 99, 103, 110, 125, 245, 255, 256, 264, 277 P Pseudo-Pelagius I. –– JK † 973  280 Pseudo-Pelagius II. –– JK † 1049  280 –– JK † 1050  111, 281 –– JK † 1051  96, 111, 119, 123, 140, 165, 167, 178, 244 – 249, 251, 253, 255 – 260, 262, 264 – 266, 268, 270, 272, 281 Pseudo-Pius –– JK † 43  107, 110, 119, 245, 247, 255, 256, 260, 264, 275 –– JK † 44  110, 275 Pseudo-Pontianus –– JK † 88  110, 276 –– JK † 89  107, 110, 276 S Pseudo-Silverius –– JK † 901  280 Pseudo-Sixtus I. –– JK † 31  110, 275 –– JK † 32  98, 107, 110, 121, 123, 244 – 249, 251 – 257, 261 – 265, 268, 270, 273, 275

Falsche Papstbriefe

Pseudo-Sixtus II. –– JK † 132  110, 276 –– JK † 133  98, 100, 101, 103, 104, 119, 123, 133, 136, 168, 247 – 249, 252, 258, 260, 261, 266, 267, 269, 270 – 273, 276 Pseudo-Sixtus III. –– JK † 397  99, 111, 132, 143, 149, 161, 250, 258, 263, 266, 270, 272, 280 Pseudo-Sother –– JK † 60  110, 275 –– JK † 61  107, 110, 249, 275 Pseudo-Stephan –– JK † 130  110, 120, 178, 276 –– JK † 131  99, 107, 123, 178, 244 – 249, 251, 253, 255, 256, 264, 265, 268, 270, 276 Pseudo-Symmachus –– JK † 760  280 T Pseudo-Telesphorus –– JK † 34  110, 178, 275

289

U Pseudo-Urban –– JK † 87  110, 276 V Pseudo-Viginus –– JK † 35  110, 275 –– JK † 36  107, 110, 275 Pseudo-Viktor –– JK † 74  98 – 100, 107, 119, 133, 136, 162, 163, 204, 248, 249, 252, 258 – 261, 266, 267, 269 – 273, 275 –– JK † 75  110, 275 Z Pseudo-Zepherin –– JK † 80  99, 104, 110, 119, 124, 142, 244 – 253, 255, 256, 258, 259, 261, 263 – 265, 268, 270, 273, 275 –– JK † 81  110, 127, 249, 253, 257, 260, 263, 275

290

Anhang

Echte Papstbriefe A Anastasius II. –– JK 744  207 B Bonifaz I. –– JK 364  26 G Gelasius I. –– JK 622  29 –– JK 632  28 –– JK 664  29 Gregor IV. –– JE 2408  105 –– JE 2440  105 –– JE 2476  105 –– JE 2479  105 –– JE 2578  54, 55 H Hadrian I. –– JE 2483  37 I Innozenz I. –– JK 286  25, 30, 123, 165, 205, 244 – 249, 251 – 253, 255, 256, 264, 265, 268, 270 –– JK 293  122, 246 –– JK 311  25, 30, 121, 254, 264 –– JK 314  25, 121, 123, 245 – 247, 254, 257, 261 – 263

L Leo I. –– JK 402  112 –– JK 411  27, 28, 30, 125, 126, 203, 206, 207, 245, 253 – 255, 259, 262, 264 –– JK 414  112, 249, 250, 257 –– JK 437  126, 249, 253, 260, 263 –– JK 469  174 –– JK 470  174 –– JK 475  173 –– JK 495  28 P Paschalis I. –– JE 2553  44 S Siricius I. –– JK 255  23 V Vigilius –– JK 907  99, 100, 104, 106, 121, 123, 126, 203, 244 – 249, 251, 253 – 256, 259, 262, 264, 265, 268, 270, 280 Z Zacharias I. –– JE 2274  158 –– JE 2275  157, 158 –– JE 2277  147 –– JE 2286  32 –– JE 2287  32 Zosimus I. –– JK 342  26

HARALD MÜLLER, BRIGITTE HOTZ (HG.)

GEGENPÄPSTE EIN UNERWÜNSCHTES MITTELALTERLICHES PHÄNOMEN (PAPSTTUM IM MITTELALTERLICHEN EUROPA, BAND 1)

„Gegenpäpste“ durchziehen die Kirchengeschichte von der Spätantike bis zum Ende des Mittelalters. Dabei ist der mehrdeutige Begriff zugleich zeitgenössisches Stigma und Urteil „ex post“. Er schließt die so Bezeichneten aus der historischen Reihe der Nachfolger Petri aus und raubt ihnen plakativ jede Legitimation. Der Band unternimmt erstmals den Versuch, die teils hartnäckig geführten Konkurrenzkämpfe um das römische Bischofsamt systematisch zu beleuchten: Kommunikations-, Handlungs- und Legitimationsstrategien der Protagonisten sowie die Wahrnehmungsmuster der Zeitgenossen stehen im Mittelpunkt. In dieser Perspektive bilden die „Gegenpäpste“ gleichsam Prüfsteine, an denen Reichweite und Fragilität des universalen Autoritätsanspruchs des mittelalterlichen Papsttums sichtbar werden. 2012. 468 S. 4 FARB. ABB. GB. 155 X 230 MM | ISBN 978-3-412-20953-7

böhlau verlag, ursulaplatz 1, d-50668 köln, t: + 49 221 913 90-0 [email protected], www.boehlau-verlag.com | wien köln weimar

FORSCHUNGEN ZUR K AISER- UND PAPSTGESCHICHTE DES MITTELALTERS BEIHEF TE ZU J. F. BÖHMER, REGESTA IMPERII EINE AUSWAHL

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