Beamtentum: Schriften zum Beamtenrecht und zur Entwicklung des öffentlichen Dienstes 1968 - 1991. Hrsg. von Josef Isensee [1 ed.] 9783428484300, 9783428084302

Die Schriften, die der vorliegende Band umschließt, enthalten ein Kompendium des Beamtenrechts. In ihnen wird eine Vielz

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German Pages 722 Year 1995

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Beamtentum: Schriften zum Beamtenrecht und zur Entwicklung des öffentlichen Dienstes 1968 - 1991. Hrsg. von Josef Isensee [1 ed.]
 9783428484300, 9783428084302

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WALTER LEISNER · B E A M T E N T U M

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 684

Walter Leisner

BEAMTENTUM Schriften zum Beamtenrecht und zur Entwicklung des öffentlichen Dienstes 1968-1991

Herausgegeben von Josef Isensee

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Leisner, Walter: Beamtentum : Schriften zum Beamtenrecht und zur Entwicklung des öffentlichen Dienstes 1968-1991 / von Walter Leisner. Hrsg. von Josef Isensee. Berlin: Duncker und Humblot, 1995 (Schriften zum Öffentlichen Recht; Bd. 684) ISBN 3-428-08430-6 NE : Isensee, Josef [Hrsg.] ; GT

Alle Rechte vorbehalten © 1995 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: W. März, Tübingen Druck: Color-Druck Dorfi GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-08430-6

Vorwort des Herausgebers I. Die Tradition des Beamtentums bildet in Deutschland eine der ältesten und kräftigsten Wurzeln des Verfassungsstaates. In ihr verkörpert sich das Prinzip des Amtes, das staatliche Macht transformiert in rechtliche Pflichten zum Dienst für die Allgemeinheit. Das Amt schottet den Staatsdienst ab gegen politische Willkür der Herrschenden wie gegen privaten Eigennutz der Staatsdiener. Damit scheiden sich staatliches Ämterwesen und Markt, Staat und Gesellschaft. Es scheiden sich auch innerhalb der (Staats-)Organisation die Bereiche der politischen Führung und der fachlichen Ausführung; es entsteht eine Elementarform der Gewaltenteilung, ohne die parlamentarische Demokratie nicht möglich wäre. Mit der Entwicklung des Beamtentums wird die Staatstätigkeit regelhaft und berechenbar, damit auf das rechtsstaatliche Ideal ausgerichtet, daß Gesetze herrschen. Die Versachlichung und Rationalisierung der Staatsgewalt bereitet den Weg für den Leistungs- und Sozialstaat der Zukunft. Ehe deutsche Territorialstaaten sich Verfassungsgesetze geben, stellt das Beamtentum ihre Verfassung dar. Das Beamtentum wahrt erstaunliche Kontinuität über die Brüche der politischen Systeme hinweg und überlebt den Zusammenbruch der Verfassungen am Ende der beiden Weltkriege, auch wenn es Anfeindung und Schuldzuweisung auszuhalten, Identitätsnot und Anpassungsschwierigkeit zu bewältigen hat. Der Verfassunggeber von Weimar wie der von Bonn bestätigen das Berufsbeamtentum, knüpfen an seine Tradition an und bringen es in die neue Verfassungsordnung ein. Durch verfassungsgesetzliche Garantien schützen sie die Institution, in ihr eine Funktionsvoraussetzung der parlamentarischen Demokratie und des sozialen Rechtsstaates. Die Verfassung entwickelt das Leitbild des öffentlichen Dienstes aus den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums, Gesetzmäßigkeit und fachlicher Leistung; Weisungsgebundenheit und persönlicher Verantwortung; Eingliederung in die Verwaltungshierarchie und Unabhängigkeit vom politischen Vertrauen der Regierung; Gesetzesvorbehalt für das Dienstrecht und Ausschluß von Tarifautonomie und Streik; unbedingter Dienstbereitschaft auch im Arbeitskampf und Rechtsanspruch auf amtsgerechte Besoldung; Verbannung von Eigennutz und Eigenmacht aus der Amtsführung und Fürsorgepflicht des Dienstherrn; Dominanz der dienstlichen Verpflichtungen und Teilhabe an den allgemeinen staatsbürgerlichen Rechten.

Vorwort

Dank ihres Beamtentums ist den Deutschen, die die Erfahrung schlechter Regierungen haben machen müssen wie andere auch, eine Erfahrung südlicher und östlicher Länder erspart geblieben: schlechte Verwaltung. Am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts ist, trotz Evolutionen und Erosionen des hergebrachten Beamtentums, noch etwas Übriggeblieben von dem Sachverhalt, den zu Beginn des Jahrhunderts der Historiker Otto Hintze feststellte, daß nämlich Deutschland „das klassische Land des Beamtentums in Europa" sei.

IL Dennoch ist das Beamtentum in die Legitimationskrise geraten. Die öffentliche Meinung folgt dem Vorurteil, daß das Beamtentum sich überlebt habe, daß es diskreditiert sei, verkrustet, überteuert, ineffektiv. Das Anti-BeamtenRessentiment speist sich aus alten und neuen Quellen: romantischer Utopie von der Ablösbarkeit des bezahlten Staatsdieners durch den Ehrenbeamten, sozialistischer Abwehr des Obrigkeitsstaates, gewerkschaftlichem Machtstreben, gleichheitsstaatlichem Unverständnis fur einen beruflichen Sonderstatus, Nivellierungsdrang, emanzipatorischer Absage an Amtsethos und Dienst, Abkehr von Institutionen, Jobmentalität, betriebswirtschaftlicher Staatsblindheit. Am Beamten reagiert sich ab der allgemeine Verdruß am öffentlichen Dienst (in dem heute die Arbeitnehmer an Zahl überwiegen), aber auch Widerwille gegen den Staat überhaupt, der, Ironie des Zeitgeistes, heute wie vor zweihundert Jahren mit dem Beamten identifiziert wird. In der Tat läßt sich das Schicksal des Staatsdienstes nicht ablösen vom Schicksal des Staates, dem er dient. Das gebrochene Staatsbewußtsein der Deutschen wirkt sich aus auf die Akzeptanz des Beamtentums. Die Krise entlud sich in der Kulturrevolution nach 1968, die - auch - darauf ausging, das Beamtentum abzuschaffen und zu ersetzen durch Rätewesen und allgemeines Arbeitnehmertum, durch Einheitsbedienstete mit Tarifvertrag und Streikrecht. Damit zeichneten sich Anarchisierung und Syndikalisierung der Staatsorganisation ab. Am Horizont standen Rätedemokratie, Gewerkschaftsstaat, Neofeudalismus. Falls die Kulturrevolutionäre wußten, was sie taten, verdienen sie das Kompliment, daß sie ihren Angriff nicht auf ein beliebiges Objekt richteten, sondern auf das Funktionszentrum des Staates und die Basis seiner Stabilität. Der Angriff scheiterte. Die Radikalität provozierte die politische Opposition, aber auch den intellektuellen Widerstand, zumal den der juristischen Fachliteratur. Als es nicht mehr um politische Lautstärke ging, sondern um Argumente, nämlich in den Beratungen der Studienkommission zur Reform des öffentlichen Dienstes, siegte das Beamtenrecht über das Arbeitsrecht; die maior pars der Bewahrer erwies sich auch als die sanior pars.

Vorwort

VII

Doch Vorurteile sind zählebiger als Aufklärung. In den neunziger Jahren erhebt sich die Anti-Beamten-Fronde erneut, nun freilich ohne revolutionäre Attitüde, sondern eher im Nadelstreifen-Stil des Unternehmensberaters und Wirtschaftsprüfers, moderat und pragmatisch, nicht darauf aus, das staatliche System zu sprengen, sondern es schlanker, effektiver und billiger zu machen, sei es auch nur durch Scheinprivatisierung von Staats-Behörden zu StaatsUnternehmen, die, wenn sie auch nicht Rentabilität bringt, sich wenigstens der Bindung an das Beamtenrecht entledigt. Alternative zum Beamten ist nun nicht mehr der Staatsarbeiter, sondern der Staatsmanager. Doch im einen wie im anderen Falle wird der Staat zum Dienstleistungsunternehmen umgedeutet, das sich von privatwirtschaftlichen Unternehmen nicht wesentlich unterscheidet. Die Gleichstellungsideologie setzt sich über die Eigenart staatlicher Ziele und Mittel ebenso hinweg wie über die demokratische Legitimität des Staates und seine verfassungsrechtliche Qualität. Die Maxime rationaler Rechtspolitik, daß die Argumentationslast dem Veränderer zufallt, wird für das Beamtenrecht in ihr Gegenteil verkehrt. Wer sich im Bunde mit dem beamtenfeindlichen Zeitgeist weiß, bedarf keiner Gründe. Er kann auf Abschaffung oder Änderung drängen, ohne nach den Kosten und den Nebenfolgen fragen zu müssen. Selbst Tatsachenbehauptungen wie die, daß der Finanzaufwand für einen Beamten höher sei als für einen Angestellten gleicher Stellung, brauchen nicht durch Zahlen belegt zu werden. Heute liegt die Argumentationslast bei dem, der sich dem rechtspolitischen Zeitgeist entgegenstellt und sich für den Fortbestand wie die strukturgerechte Fortentwicklung des Beamtentums einsetzt. III. Walter Leisner wendet sich dem Beamtenrecht zu, als die Sache, die es regelt, in der Kulturrevolution auf Messers Schneide steht. Seither läßt ihn die Sache nicht mehr los. Die Legitimationskrise ist ihm intellektuelle Herausforderung. Wenn die politischen Mächte das Beamtentum von Grund auf in Frage stellen, so nimmt er die Frage auf und geht ihr mit den Mitteln seiner Wissenschaft auf den Grund. Er verschmäht die Apologetik des Bestehenden. Sie griffe zu kurz und hätte keine Wirkungschance; denn auch hier ist so manches, was besteht, wert, daß es zugrunde geht. Leisner geht es vielmehr darum, das hergebrachte Beamtentum neu zu begründen. Die alten Begründungen sind im kulturrevolutionären Ansturm zusammengebrochen. Der Rekurs auf Tradition hilft nicht mehr, weil die Tradition als diskreditiert gilt und der geschichtsblinde Zeitgeist nicht unterscheidet, ob und wieweit Pauschalvorwürfe berechtigt sind oder nicht. Die traditionellen Formeln von Treue und Fürsorge, von Hingabe und Dienst, die von der kon-

Vili

Vorwort

ventionellen, introvertierten Beamtenjurisprudenz gepflegt wurden, provozieren den emanzipatorischen Kritiker und dienen ihm als Bestätigung seines Vorurteils, daß vordemokratisches Gedankengut fortwalte, das „Faschismus möglich gemacht" habe. Hier wie überall wird eine auf das positive Recht konzentrierte Rechtswissenschaft überrumpelt. Sie erweist sich ratlos, wenn sie „hinterfragt" wird auf Sinn und Voraussetzungen ihrer Arbeit, auf die Legitimation der Legalordnung. Noch nicht einmal die institutionelle Garantie des Berufsbeamtentums, die das Grundgesetz in Art. 33 Abs. 4 und 5 aufrichtet, bietet sicheren Halt, weil die Widersacher des Beamtentums auf Biegen und Brechen zum Ziel kommen wollen, lieber freilich auf Biegen, also durch Uminterpretation, Reduktion und Abschwächung der Verfassungsgewährleistung oder dadurch, daß sie denunziert wird als Fremdkörper im Verfassungsgefuge. Nicht die einzelne Verfassungsvorschrift taugt als Grund der Legitimation, sondern die Grundordnung der Verfassung insgesamt. Leisner weist nach, daß das Berufsbeamtentum in seinen hergebrachten Strukturen den Strukturen der Verfassung kompatibel ist: der pluralistischen Demokratie, dem republikanischen Amt, der Gewaltenteilung im parlamentarischen System, der Rechtsstaatlichkeit und der Sozialstaatlichkeit. Mehr noch: das Beamtentum erweist sich als Voraussetzung dieser Grundstrukturen des Verfassungsstaates und als deren notwendiges Instrument. Das Beamtentum erlangt damit eine neue Legitimationsbasis. Es rechtfertigt sich nicht aus der Tradition, sondern aus der Funktion im Verfassungsstaat: „Legitimation aus der Aufgabenerfullung". Intellektuell ist Leisner die Neubegründung des Beamtentums gelungen. Es steht nunmehr auf festem Boden verfassungsrechtlicher Rationalität. Durch Argumente ist er bisher nicht erschüttert worden. Entschiede sich das Schicksal von Institutionen allein im rationalen Diskurs, so hätte sich die Legitimationskrise des Beamtentums längst erledigt. Doch politische Bewegungen sind weithin argumentationsresistent. Freilich nicht ganz und gar. Noch steht zu erwarten, daß dem Beamtentum wie so oft in seiner Geschichte die Krise zum Heil gereicht, es sich in ihr häutet und verjüngt, daß es gekräftigt aus ihr hervorgeht. IV. Für die Lehre vom Beamtenrecht ist diese Wirkung bereits eingetreten. Die in diesem Sammelwerk vereinten Schriften Walter Leisners sind Belege und Ursachen zugleich. Sie repräsentieren das heutige Niveau beamtenrechtlicher Dogmatik, und sie haben ihrerseits wesentlich dazu beigetragen, die Entwicklung voranzutreiben.

Vorwort

IX

Vor der Kulturrevolution fand das Beamtenrecht nur geringe Aufmerksamkeit in der Rechtswissenschaft. Zuweilen freilich gab es Autoren, die durch die Schicht des positiven Rechts hindurch stießen auf die prekäre Schicht der Legitimität; hervorzuheben sind Arnold Köttgen, Herbert Krüger, Ernst Forsthoff, Carl Hermann Ule. Doch es handelt sich um vereinzelte Arbeiten. Insgesamt erschien das Beamtenrecht dogmatisch nicht attraktiv. Es wirkte altfränkisch, gerade noch tauglich zum Lehrbeispiel fur die Figur des „besonderen Gewaltverhältnisses", als solches Objekt zur Demonstration neuerer verfassungsrechtlicher Theorien über Grundrechtsschranken und Gesetzesvorbehalt. Im übrigen aber überließ man es den Kommentatoren der Beamtenund Besoldungsgesetze, den Experten des Beihilfe- und des Umzugskostenrechts. In alter Manier kann Beamtenrecht heute nicht mehr betrieben werden. Wenn ein Sprengsatz im Fundament des Gebäudes liegt, macht es keinen Sinn, in den oberen Etagen die Möbel zu rücken und die Tapeten auszubessern. Akribische Ameisenjurisprudenz an der positiven Detailvorschrift, ohne Rekurs auf Sinn und System, mag in gesicherten Rechtsbereichen vertretbar sein, nicht jedoch im Beamtenrecht. Eben hier zeigt Leisner, wie beamtenrechtliche Dogmatik auf die Grundlagen des Berufsbeamtentums zurückgreifen und sich größerer rechtlicher Zusammenhänge vergewissern muß. Seine Abhandlungen enthalten nicht nur die Theorie einer Legitimation, sondern auch deren Anwendung auf die einzelnen Institutionen, die in der Konfrontation mit den politischen Alternativen begründet und in ihrem rechtlichen Gehalt bestimmt werden: der Funktionsvorbehalt wie die hergebrachten Grundsätze des Leistungsprinzips, das Laufbahnprinzip und das Versorgungssystem. Die abstrakten Prinzipien werden realitätsnah umgesetzt, so der Funktionsvorbehalt an dem Problem der Privatisierung und an der Frage, ob Lehrer Beamte sein müssen. Scheinbar marginale und technische Themen werden auch in ihrer verfassungsrechtlichen Dimension erschlossen. Ein Kabinettstück beamtenrechtlicher Dogmatik ist die Deutung der Amtsbezeichnungen als Gebot der Rechtsstaatlichkeit: der Name des einzelnen Beamten sei in der Ausübung des Amtes gleichgültig, weil der Amtsträger Normen vertrete und der Bürger es mit dem Staat zu tun habe. Die Amtsbezeichnungen seien nicht Privileg, sondern ständige Erinnerung an die Verpflichtung aus dem Amt — „das Namensrecht der rechtsstaatlichen Verwaltung". Dem Rechtsgelehrten kommt seine Erfahrung als Berater zugute. Im Austausch mit Vertretern der Exekutive wie der Verbandspolitik gewinnt er Anschauung der Realität und schärft seine Urteilskraft.

Vorwort

Aus praktischen Fragestellungen sind die Schriften „Mitbestimmung im öffentlichen Dienst" und „Vorgesetztenwahl?" hervorgegangen. Gerade diese kleinen Monographien haben ihrerseits die Dogmatik befruchtet, vor allem die Lehre der demokratischen Legitimation der Verwaltung. Die Lehre wird hier erstmals entfaltet. An den konkreten Problemen einer Binnendemokratisierung der Verwaltung und Behördenleitung entzündet sich allgemeine Demokratietheorie. Zugleich ergeben sich wichtige Erkenntnisse für das allgemeine Verwaltungsrecht und die Verwaltungslehre: zu Verantwortung des Bediensteten und Verwaltungsführung, zu Mitbestimmung und Behördenhierarchie, zu effektiver Amtsführung und rechtlicher Absicherung der dienstlichen Stellung. Die vorliegenden Schriften enthalten ein Kompendium des Beamtenrechts. In ihnen wird eine Vielzahl grundsätzlicher und konkreter Probleme erörtert, vom Leistungsprinzip bis zur Abordnung, von der Beamtenversorgung bis zur Zulage. Eine Lektüre unter diesem Aspekt wäre überaus ergiebig. Doch sie übersähe das Spezifische und Eigentliche. Die Abhandlungen erfassen das Beamtenrecht nicht als abgesondertes, autarkes Rechtsgebiet, sondern als integralen Bestandteil der Rechtsordnung. Sie zeigen es in seiner Wechselbeziehung mit der Verfassung. Das Beamtenrecht ist Gegenstand des Verfassungsrechts und eine Bedingung seiner Möglichkeit. In ihm hat sich der soziale Rechtsstaat zu bewähren, durch Gewährleistung der dienstlichen und bürgerlichen Rechte und durch angemessene berufliche wie soziale Absicherung. Doch der soziale Rechtsstaat ist auch angewiesen auf den Beamten als Legalitätsgaranten und Leistungsträger. So enthalten Leisners Schriften ein Beamtenrecht mit staatsrechtlichen Bezügen und zugleich ein konkretes Staatsrecht (zumal ein Staatsorganisationsrecht) aus der Perspektive des Beamtentums: die Dienstverfassung. Daneben ersteht aus beamtenrechtlichen Fragestellungen der Grundriß eines allgemeinen Verwaltungsrechts. Leisner beschränkt sich nicht auf die (im engen Sinne) Juristische" Behandlung des Stoffes und schreibt wichtige Kapitel für eine Staatslehre und eine Verwaltungslehre des öffentlichen Dienstes. Gegenstand der Schriften ist nicht nur die gegenwärtige Gestalt des Beamtentums und des Beamtenrechts, sondern auch seine künftige Entwicklung. Leisner begleitet ein Vierteljahrhundert die Reformbestrebungen, von den kulturrevolutionären Vorstößen der Ära um 1970 bis zu den verfassungspolitischen Initiativen nach 1990, aus Anlaß der deutschen Wiedervereinigung die institutionelle Garantie des Berufsbeamtentums zu streichen. Er setzt sich mit den großen Projekten auseinander wie der Einführung des Gesetz-TarifModells oder der Einbeziehung der Beamten in die Sozialversicherung. Aber er analysiert auch die kleinen Maßnahmen wie das Einfrieren von Zulagen oder die Belastung der Beamten mit einer Solidarabgabe zugunsten der Ar-

Vorwort

XI

beitslosen. In der kritischen Beschäftigung mit systemimmanenten, mit systemverändernden und systemüberwindenden Projekten wird das System rekonstruiert, Kontur und Substanz des Beamtentums sichtbar gemacht. Dabei zeigen sich nicht nur die rechtlichen Grenzen möglicher Reformen, sondern auch Gründe, Mißständen abzuhelfen und geltendes Recht zu verbessern. Die verfassungsstaatliche Legitimation gibt Impulse fur eine sachgerechte Reformpolitik, die bewahrt, indem sie verändert. Walter Leisner hat die Lehre des Beamtenrechts auf eine zuvor nicht erreichte Höhe gefuhrt. Dank seines Einsatzes hat sie sich zur vollwertigen Disziplin der Rechtswissenschaft erhoben. Sie braucht keinen Vergleich zu scheuen. Bonn, im Juli 1995

Josef Isensee

Inhalt I. Beruf — Amt — Mandat Öffentliches Amt und Berufsfreiheit (1968) Unvereinbarkeit von öffentlichem Dienst und Abgeordnetenstellung (1968) . .

3 40

II. Legitimation des Berufsbeamtentums Grundlagen des Berufsbeamtentums (1971)

109

Legitimation des Berufsbeamtentums aus der Aufgabenerfüllung (1988) . . . .

163

Beamtentum in Anarchiegefahr? (1981)

183

III. Funktionsvorbehalt Der Beamte als Leistungsträger (1975)

201

Entstaatlichung und Berufsbeamtentum (1979)

226

Müssen Lehrer Beamte sein? (1980)

240

IV. Beamtenstatus Das Leistungsprinzip (1971)

273

Amtsbezeichnungen als Gebot der Rechtsstaatlichkeit (1973)

293

Verfassungsfeinde im öffentlichen Dienst? (1979)

305

Arbeitskampf gegen den allmächtigen Steuerstaat (1975)

315

Versetzung und Abordnung im Beamtenrecht (1989)

331

Der Standort des höheren Dienstes im Beamtenverfassungsrecht (1980) . . . .

351

Sonderopfer — Solidaritätspflicht bei Arbeitslosigkeit und knappen Finanzen? (1985)

369

XIV

Inhalt

„Zulageneinfrierung" auf Dauer — ein Verfassungsrisiko (1984)

385

Sozialversicherungspflicht für Ruhestandsbeamte? (1981)

410

V. Mitbestimmung Mitbestimmung im öffentlichen Dienst (1970)

475

Mitbestimmung im öffentlichen Dienst — innere Kontrolle der Staatsgewalt (1971)

570

Vorgesetzten wähl? (1974)

580

VI. Reform Reform der Mitte (1973)

667

Die Verantwortung der Beamten in der demokratischen Ordnung — Zur Reform des öffentlichen Dienstrechts — (1974)

678

Verfassungsreform des öffentlichen Dienstrechts? (1991)

682

Sachregister

696

Teil I

Beruf — Amt — Mandat

Öffentliches Amt und Berufsfreiheit* I. Fragestellung Die verfassungsrechtliche Berufsfreiheit ist sehr weitgehend gewährleistet. Weite Garantien verlangen aber nach breiten Rückzugslinien aus der Freiheit. Wird dabei — nach anti-Weimarer Mode - der Ausweg des Gesetzesvorbehalts verengt1, so findet die Staatsraison durch die Hintertüre elastischer Verfassungsbegrifflichkeit Eingang. Gerade im Berufsrecht öffnet diese den ganzen Raum der Freiheit staatlichem Zugriff, wenn eine Tätigkeit begrifflich aus dem „Beruf ausgeklammert wird. Nicht nur in der Berufsbildlehre 2 wird dies versucht: Kann ein Beruf frei sein, wo ein „öffentliches Amt" 3 außerhalb des „öffentlichen Dienstes" geschaffen wird? Und wenn hier keine Grenzen aus der Freiheit gesetzt werden — was hindert die Staatsgewalt, morgen die Freiheit ganzer Berufsstände unter der goldenen Weihe veramteter Staatsnähe ersticken zu lassen? Was heute fur Notare und öffentlich bestellte Vermessungsingenieure4 verordnet wird — warum sollte es morgen nicht fur Elektrizitätswerke und Taxis, für Presse und Lebensmittelerzeugung gelten, wenn sie öffentliches Interesse zum öffentlichen Amt stempelt? Kann in veramteten Berufsständen parlamentarische Demokratie zum Ständestaat zurückfinden? Wer die Freiheit in der Ordnung des öffentlichen Amtes aufheben kann, muß um ihre kleinen Beschränkungen nicht mehr in Karlsruhe kämpfen. Was eine gemäßigte Staatsgewalt heute unterläßt — gestattet es nicht morgen ihrer radikaleren Nachfolgerin die Schaffung „öffentlicher Ämter"?

* Erstveröffentlichung in: Archiv des öffentlichen Rechts 93 (1968), S. 161-199. 1

Wie dies im Apothekenurteil des BVerfGE 7, 377 geschehen ist.

2

Vgl. dazu m. Nachw. Leisner, Werbefernsehen und öffentliches Recht, 1967, 139 f.

3 Unter „Amt" wird im folgenden stets die Amtswalterstellung verstanden, nicht das Amt i.S. der Amtsstelle oder der Kompetenz. 4

Das Recht dieses Berufsstandes ist aus verschiedenen Gründen besonders interessant und wird daher mehrfach heranzuziehen sein: Die öffentlich bestellten Vermessungsingenieure üben nach überwiegender Auffassung z.T. Hoheitstätigkeit aus (so im Bereich der sog. Fortfuhrungsmessungen), teilweise werden sie ähnlich den Architekten tätig (bei den sog. Ingenieurmessungen). Sie stehen in unmittelbarer Konkurrenz zur staatlichen Vermessungsverwaltung (die dasselbe leisten kann); ihre Berufsordnung ist nach Ländern verschieden geregelt; in Nordrhein-Westfalen als freier, staatlich gebundener Beruf; in Niedersachsen und Baden-Württemberg als „öffentliches Amt". In Bayern werden alle Vermessungsaufgaben ausschließlich von der staatlichen Verwaltung erfüllt. 2 Leisner, Beamtentum

4

Teil I: Beruf — Amt — Mandat

Im unklaren Begriff des „öffentlichen Amtes" liegt unbewältigte, weithin unerkannte publizistische Gegenwart. Gibt es ihn als einheitliche dogmatische Kategorie, welche Grenzen setzt die Verfassung seinen Formen, wie weit drängen diese die Freiheit zurück? Solche Fragen erwachsen gerade aus der neueren berufsrechtlichen Judikatur. Für alles, was „öffentlicher Dienst" ist, gelten Spezialnormen (Art. 33 GG). Wie immer sie zu Art. 12 GG stehen mögen — dort herrscht eine, irgendwie beschränkte, Sonderfreiheit. Vor 1958 wurde dies schon auf beamtennahe Berufszweige erstreckt; der begriffliche Einbruch in die Berufsfreiheit weitete sich rasch aus. Von der Garantie des Art. 12 GG wurden Berufe ausgenommen, die „Aufgaben wahrnehmen, welche der öffentlichen Hand vorbehalten sind"5. Diese wurden Tätigkeiten gleichgestellt, die „mit der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben" befaßt seien6. Ein Unterschied zwischen solchen und den (intensiv) „staatlich gebundenen Berufen" wurde gelegentlich schon nicht mehr gemacht7. Das Apothekenurteil8 hat zwar diese Entwicklung unterbrochen — selbst für den öffentlichen Dienst hat nach ihm die Berufsfreiheit Bedeutung. Dennoch stellen gerade die Kategorien dieses Grundsatzurteils das Problem „Berufsfreiheit und öffentliches Amt": Es soll nach dem Bundesverfassungsgericht Berufe geben, die „nach heutigen Vorstellungen der organisierten Gemeinschaft, in erster Linie dem Staat vorbehalten bleiben müssen". Unklar ist aber, ob dies nur der „öffentliche Dienst" sein soll9. Ist „öffentlicher Dienst" enger als „staatsvorbehaltener Beruf, so bleibt in dieser letzteren Kategorie Raum — fur eben die „öffentlichen Ämter". Für diese könnte dann die Berufsfreiheit vielleicht gar nur bedeuten, daß sie „vom einzelnen als Beruf frei gewählt werden können und daß keinem ihre Wahl aufgezwungen oder verboten werden darf 10 . Eindeutig ist jedenfalls vom Bundesverfassungsgericht noch nicht geklärt worden, ob es innerhalb der „breiten Skala von Möglichkeiten, die vom freien Beruf mit öffentlich-rechtlichen Auflagen bis zu Berufen reicht, die ... »öffentlichen

5

BVerwGE 2, 85 f.; 3, 21 (33); 5, 286 (288); 6, 72 (74).

6

BVerwGE 6, 13 (14).

7

Vgl. z.B. Reuß, NJW 1955, 1532 f.

8

BVerfGE 7, 377 (379 f.); vgl. dazu allg. m. Nachw. Leisner, JuS 1962, 463 f., insbes. 464 f. 9 Dagegen spricht der Wortlaut der Urteilsbegründung in BVerfGE 7, 398: Nachdem von den staatsvorbehaltenen Berufen die Rede war, wird der öffentliche Dienst gleichsam als eine neue Kategorie eingeführt („Doch gibt und ermöglicht für alle Berufe, die öffentlicher Dienst sind, Art. 33 GG weithin Sonderregelungen") — diese könnte die engere sein. 10 In ähnlicher Weise könnte das Kassenarzt-Urteil verstanden werden (BVerfGE 11, 30 [40]): Nach ihm sollen die für den öffentlichen Dienst entwickelten Grundsätze auch dort gelten, wo „die staatliche Organisationsgewalt bestimmend sein muß".

Öffentliches Amt und Berufsfreiheit

5

Dienst' im eigentlichen Sinn darstellen"11, eine feste, selbständige Kategorie von Berufen gibt, die zwar nicht „öffentlicher Dienst", wohl aber staatsvorbehalten und daher besonders weitgehend freiheitsbeschränkt sind. Ob diese Einschränkungsmöglichkeiten dann typisch dienstrechtlich oder von anderer Art wären, bleibt gleichfalls offen. Ein nichtdienstliches öffentliches Amt würde mit Sicherheit hier anzusiedeln sein. Das „öffentliche Amt" könnte aber nicht nur bei den staatsvorbehaltenen Berufen, sondern auch dort eingeordnet werden, wo „staatlich gebundene Berufe" besonders nah an den „öffentlichen Dienst" herangeführt werden12, denn: „werden staatliche Aufgaben Berufen außerhalb des öffentlichen Dienstes übertragen, so kommt es darauf an, wie nahe der Beruf an den öffentlichen Dienst herangeführt ist"13. Die „Heranführung" könnte durch eben jene berufsordnende Gesetzgebung erfolgen, welche das „öffentliche Amt" schafft. Bindungen sind hier kaum ersichtlich, denn „wie der Staat öffentliche Aufgaben erledigen lassen will, ist im allgemeinen Sache seines freien Ermessens, freilich bis zu einem gewissen Grad auch von Eigenart und Gewicht der einzelnen Aufgaben abhängig"14. Eine „breite Skala von Möglichkeiten" gestattet hier bruchlose Übergänge, vielfache Zwischenformen, in denen ein Berufstand aus der Freiheit in parastaatliche Bindungen geführt werden kann. Wann ist die erforderliche „Nähe" zum öffentlichen Dienst erreicht? Wieder einmal hat die Rechtsprechung mehr offengelassen als zementiert. Der Verzicht auf klare Kategorien, der in der heute allzu beliebten Skalavorstellung steckt, istfreiheitsgefahrdend: gerade deshalb werden dogmatische Überlegungen zum Begriff des öffentlichen Amtes notwendig. Die Rechtsprechung läßt vor allem zwei Richtungen erkennen, in denen die Konstitutivelemente des Begriffs gesucht werden können: in der Staatsnähe der Aufgabe oder in der Art der parastaatlichen Organisation — oder, wie zu fragen sein wird, in einer Verbindung von beiden. Hier ist wohl noch vieles offen: von einer festen berufsrechtlichen Bedeutung des „Status" des öffentlichen Amtsträgers geht das Bundesverfassungsgericht noch nicht aus15. Zwar ist das Vorliegen eines „öffentlichen Amtes" 11

BVerfGE 16, 371 (381).

12

BVerfGE 7, 377 (398): „Je näher ein Beruf durch öffentlich-rechtliche Bindungen und Auflagen an den »öffentlichen Dienst* herangeführt wird, um so stärker können Sonderregelungen in Anlehnung an Art. 33 GG die Wirkung des Grundrechts aus Art. 12 GG tatsächlich zurückdrängen"; vgl. auch BVerfGE 11, 30 (40): ein „subtil organisiertes öffentlich-rechtliches System" kann eine Gleichstellung mit dem „öffentlichen Dienst" bewirken.

2*

13

BVerfGE 16, 371 (381).

14

BVerfG (Fn. 13).

15

Mögen auch bedenkliche Ansätze feststellbar sein, BVerfGE 11, 192 (202 f.): Auf die

Teil I: Beruf — Amt — Mandat

6

an sich von Gewicht — diese Feststellung legt das Bundesverfassungsgericht im Notarurteil zugrunde16. Das Gericht tritt jedoch sogleich in eine Einzeluntersuchung der „Eigenart der Aufgaben" und der „positiven Ausgestaltung des Berufsrechts" ein, um die Staatsnähe zu bestimmen. Der (richtige) induktive Weg wird der Deduktion aus einem „Amtsbegriff' - noch — vorgezogen. Doch dieser wird schon gelegentlich dem „freien Beruf gegenübergestellt!17 Verlockend ist es ja auch, sich die mühsame Einzeluntersuchung einer Berufsgestaltung zu ersparen, und. die Gestaltung als öffentliches Amt zuerst als lückenfüllendes Prinzip, dann als breite Analogiebrücke, schließlich als zweifelausschließenden Obersatz anzuwenden. Es kann dann genügen, einige „typische amtsähnliche" Normierungen mitzuzitieren: Induktion schlägt in Deduktion um, die Freiheit wird durch eine allgemeine Kategorie zurückgedrängt18. Eine solche Kategorie des „öffentlichen Amtes" muß aber erst aufgefunden werden, damit wieder einmal „wechselndes Staatsrecht nach beständigem Verwaltungsrecht" sich richte. Zunächst ist zu untersuchen, ob es bereits gesicherte Begriffe eines nichtdienstlichen „öffentlichen Amtes" gibt (II); sodann ist zu prüfen, ob dienstrechtliche Vorstellungen übernommen oder ob die Amtsgestaltung aus „Heranfuhrung an den öffentlichen Dienst" näher präzisiert werden kann (III). Ferner wird der Begriffsbestimmung aus dem Wesen der erfüllten Aufgaben nachzugehen sein (IV). Sollten Bedenken gegen das „öffentliche Amt als Kategorie des Berufsrechts" bleiben, so müssen andere Möglichkeiten aufgezeigt werden, die Regelungsnotwendigkeiten im Berufsrecht verfassungsrechtlich zu deuten und zu beschränken (V).

Klage der Notare gegen die hessische Ortsgerichtsgesetzgebung, durch welche die („Konkurrenz-")Gebühren für gerichtliche Beurkundung gesenkt worden waren, erwiderte das Gericht, der Notar sei Träger eines öffentlichen Amts und könne daher nicht erwarten, daß ihm „Konkurrenten" ferngehalten würden. Das Gericht hat sich damit wohl nicht allgemein zu der die ungeklärte Drittwirkungsfrage betreffenden Lehre äußern wollen, daß Freiheitsrechte keinen Anspruch auf Freistellung von Konkurrenz verleihen (vgl. Bettermann, DVB1. 1963, S. 42); gerade aus dem Begriff des „öffentlichen Amtes" wird gefolgert, daß Grundrechte nicht eingreifen. Selbst Art. 3 Abs. 1 GG, das hochrangige Verfassungsprinzip, zugleich oberster Grundsatz der allgemeinen Rechtslehre, tritt zurück, wenn es sich „wie hier um die Regelung handelt, welche Organe zur Vornahme von Hoheitsakten zuständig sind". Hier taucht die größte Gefahr auf: Gleichsetzung von „öffentlichem Amt" und „Staatsorgan" — Art. 12 GG kann dann ebensowenig gelten wie Art. 14 GG. 16

BVerfGE 16, 371 (381).

17

Worauf Rupp, NJW 1965, S. 993 (996) mit Recht hinweist.

18 Im erwähnten Notarurteil werden eben doch nur einige Elemente der Berufsgestaltung untersucht.

Öffentliches Amt und Berufsfreiheit

7

II. Die Begriffe des „öffentlichen Amts" 1. Der verfassungsrechtliche Amtsbegriff

Am weitesten reicht wohl der verfassungsrechtliche Begriff eines öffentlichen Dienstes zurück, sieht man von den kirchlichen Ämtern ab. a) Verschiedenartige Amtsbegriffe liegen hier zugrunde: Der Fürst ist seit der aufgeklärten Monarchie Inhaber eines Amtes19, weil er Staatsorgan ohne dienstrechtliche Abhängigkeit werden sollte. Ähnliches gilt noch heute vom Staatsoberhaupt20. Der Minister wurde seit langem21 als Inhaber eines Amtes angesehen, und als solcher in den Ministergesetzen bezeichnet22. Dies sollte keine Deklassierung des Ministers bedeuten23; durch dieses „staatsrechtlich radizierte öffentliche Amt" 24 sollte vielmehr nur klargestellt werden, daß eine dienstrechtliche Abhängigkeit nicht bestehe25. Es mag zwar fraglich sein, ob nicht durch die „Regierungsunterworfenheit" der Minister doch eine Art von „Dienstverhältnis" entsteht26, oder wenigstens ein „dienstliches Treueverhältnis", das nur mit beamtenrechtlichen Kategorien erklärbar ist27. Bei dem Minister, der in seiner ganzen Tätigkeit eine zentrale Stellung in der Behördenorganisation einnimmt, besteht jedoch die durch den Amtsbegriff zu sichernde Besonderheit gegenüber dem öffentlichen Dienstrecht28 vor allem in der Prekarietät seiner Stellung: früher mußte diesen „Staatsdiener" jederzeit der Monarch entlassen, heute soll ihn die Volksvertretung stürzen können. „Amt" bezeichnet also im Verfassungsraum der Exekutive einen gewissen Gegensatz zu „öffentlichem Dienst". Merkmale dieser Phänomene (Überbehördlichkeit; Prekarietät) können jedoch einen außerdienstlichen Begriff des öffentlichen Amtes nicht konstituieren: dieses steht allenfalls neben dem öf19 Dazu Henke, Das Recht der politischen Parteien, 1964, S. 7; fur Otto Mayer lag entsprechend seiner These „Amt = Dienst" hier kein „Amt" vor, vgl. Köttgen, Smend-Festschrifi, 1962, S. 138. 20

Köttgen, Art. „Öffentlicher Dienst", Staatslexikon, V. Bd., 6. Aufl. 1960, Sp. 1192 f.

21

Vgl. Jellinek,, W., HdStR II, 1930, S. 27 m. Nachw. zur Weimarer Entwicklung.

22

Fischbach, BBG I, 3. Aufl. 1964, S. 102, Anm. 7.

23

Köttgen, Smend-Festschrift, 1962, S. 215 f.

24

Köttgen (Fn. 23), S. 219 f.

25

So BVerwG ZBR 1965, S. 316 (317).

26

Skeptisch Köttgen, Art. „Öffentlicher Dienst" (Fn. 20).

27

Heyland, Das Recht des Beamten, 1951, S. 28.

28

Zur Angleichung von Beamten- und Ministerstellung vgl. Köttgen, Art. „Öffentlicher Dienst" (Fn. 20).

Teil I: Beruf — Amt — Mandat

8

fentlichen Dienst; mag es auch „elastischer" gestaltet sein als dieser — politische Prekarietät ist ihm fremd und hat nichts mit berufsrechtlicher Einschränkungsmöglichkeit zu tun. b) Lange hat man gezögert, von einem Abgeordnetenamt zu sprechen29. Der Abgeordnete ist „frei" (Art. 38 GG)30, eine dienstrechtliche Unterordnung besteht nicht31, ja der Parlamentarier ist begrifflich der Gegentyp des Bediensteten32. Der Amtsbegriff wird dort heute insbesondere aus der speziellen Regelung von Erwerb und Verlust der Stellung abgeleitet. Daraus läßt sich aber nur - sehr allgemein - folgern, der Abgeordnete habe als Amtsinhaber „für das Gemeinwohl zu sorgen"33. Aus politischen wie verfassungsrechtlichen Gründen ist das Abgeordnetenamt daher eine unvergleichbare Sonderkonstruktion: Verfolgung öffentlicher Interessen unter minimaler Bindung an die Staatsgewalt, zeitlicher Begrenzung und organisationsrechtlicher Einzelausgestaltung nach beamtenrechtlichem Vorbild (Schutzrechte34, Diäten). Diese Gestaltung eines völlig freien Staatsdieners auf Zeit ist in ihrer historisch-politischen Kontingenz einzigartig. Gerade in ihrer Staatsferne ist sie für die Dogmatik berufsrechtlicher Eingriffe irrelevant. c) Auch das Parteiamt kann in der Demokratie nur als Bezeichnung einer völlig staatsunabhängigen Tätigkeit gelten, die zwar mit dem öffentlichen Interesse teleologisch verbunden ist, durch dieses jedoch nicht in rechtlich faßbarer Weise geprägt wird 35. Es ist eine — bedenkliche — Sonderterminologie, wie die Bezeichnung der Partei als „Verfassungsorgan" 36.

29

Nachweise bei Köttgen, Smend-Festschrift (Fn. 23), S. 206.

30

Dazu grundlegend Henke (Fn. 19) m. Nachw., sowie Köttgen, (Fn. 23), passim; Hennis , Smend-Festschrift, 1962, S. 51 (63 f.). 31

Smend-Festschrift

Jellinek (Fn. 21); Köttgen, Art. „Öffentlicher Dienst" (Fn. 20).

32

Köttgen, Smend-Festschrift (Fn. 23), S. 212 f.; Leisner, Unvereinbarkeit von öffentlichem Dienst und Abgeordnetenstellung, 1968, S. 26 ff., 42 f. 33 Henke (Fn. 19), S. 91; sehr fraglich ist schon, ob man mit ihm sagen kann, der Abgeordnete sei dem Bereich „gesellschaftlicher Freiheit und Beliebigkeit mit seinen sittlichen (oder privatrechtlichen) Bindungen entrückt und in den Bereich... öffentlicher Verantwortung eingetreten" — gerade in der Verbindung beider Sektoren liegt das Specificum des Parlamentariers. 34

Übrigens dürfte - über die nicht immunen Gemeindeverordneten - eine gewisse Beziehung zwischen dem strafrechtlichen Amtsbegriff und der Anerkennung eines „Abgeordneten-Amtes" zuzeiten bestanden haben, vgl. PiOVGE 50 (1903), 50. 35

Vgl. Gesetz über die polit. Parteien § 10 S. 2 (Enthebung von „Parteiämtem") —· das „Amt" ist übrigens kein zentraler Begriff des Gesetzes. Vgl. dazu auch Köttgen, Smend-Festschrift (Fn. 23), S. 148. 36

Vgl. Leibholz/Rinck,

GG, 1966, 275 f. m. Nachw.

Öffentliches Amt und Berufsfreiheit

9

d) Aus den Worten „öffentliches Amt in Art. 33 Abs. 2 und 3 GG ergibt sich kein berufsrechtlich brauchbarer Begriff des außerdienstlichen öffentlichen Amtes. Entweder ist dort nur der „öffentliche Dienst" gemeint37, oder es fallen sogar „staatlich gebundene Berufe" darunter 38. Nimmt man dies an, so normiert Art. 33 GG jedenfalls ein Minimum an Freiheit für diese Berufe, das mit Art. 12 GG vereinbar ist. Sollte darüber hinaus die Berufsfreiheit für alle irgendwie gebundenen Berufe durch die - minimale - Amtsfreiheit (Zugangsfreiheit) ersetzt worden sein, so wäre das hier erörterte Problem mit freiheitsvernichtender Gewaltsamkeit gelöst. So weitgehende Folgerungen wollte die bisherige Diskussion aus Art. 33 GG ersichtlich nicht ziehen. Richtig ist daher: Art. 33 Abs. 2 und 3 GG setzen den Begriff „öffentliches Amt" voraus, sagen jedoch nicht, wann der Staat ein solches schaffen darf. Allerdings spricht die Verfassungssystematik dafür, daß, wenn die Errichtung eines öffentlichen Amtes zulässig ist, die Freiheit der Inhaber und Anwärter sich auf den Raum von Art. 33 Abs. 2 und 3 GG beschränkt, und daß jede weitergehende Berufsfreiheit ausgeschlossen ist. Dies unterstreicht nur die Bedeutung der Fragestellung „öffentliches Amt als Verdrängung der Berufsfreiheit". Einen gesicherten verfassungsrechtlichen Begriff des „öffentlichen Amts" gibt es also nicht. Er kann nicht in Anlehnung an gewisse verfassungsrechtliche Amtskonstruktionen gefunden werden. Dort fallt nur ein Element der Prekarietät der Amtsstellung auf, das übrigens fur die Berufsfreiheit besonders bedenklich wäre. 2. Der strafrechtliche Amtsbegriff

Das Reichsstrafrecht hat wohl den ersten schärfer umrissenen deutschen „Amtsbegriff 4 gebracht, ihn aber auch als einen Sonderbegriff gekennzeichnet39. Im Anschluß an das Reichsgericht werden darunter Dienstverrichtungen verstanden, „die aus der Staatsgewalt abgeleitet sind und staatlichen Zwecken dienen, mithin das Wesen öffentlicher Amtstätigkeit haben, ohne daß es sich gerade um Obliegenheiten handeln müßte, die nur von einem öffentlichen Beamten mit rechtlicher Wirksamkeit vorgenommen werden können, oder um die Übertragung der Ausführung von Rechten, die ihrer Natur nach Staatshoheitsrechte sind"40. Unklar bleibt, ob hier nicht doch grundsätzlich von ei37 So etwa der BayVerfGHE 14, 77 (85 f.) unter Hinw. auf Nipperdey u.a. Literatur (früher nach Weimarer Vorbild weiter: E 4, 30 [38]). 38 Vgl. v. Mangoldt/Klein, Anm. Β 2.

BGG, S. 807 f. m. Nachw.; zweifelnd Hamann, GG, Art. 33,

39

§ 31 Abs. 2 StGB: öffentliche Ämter „i.S. dieses Strafgesetzes".

40

RGSt 62, 24 (26); ebenso die Lehre: Schönke/Schröder,

Strafgesetzbuch, 13. Aufl.

10

Teil I: Beruf — Amt — Mandat

nem Begriff „Amt durch Staatsorganisation" ausgegangen wird 41 — der dann eben auf einige nichtdienstliche Amtstätigkeiten ausdrücklich und gezielt erweitert wird (vgl. § 31 Abs. 2 StGB). Wann aber durch organisatorische Nähe zum Staatsdienst ein „Amt" entsteht, wird ebensowenig näher umschrieben wie die Voraussetzungen, unter denen dies zulässig sein soll. Die erfüllten Aufgaben spielen zwar eine Rolle — aber auch sie grenzen den Amtsbegriff nicht in berufsrechtlich faßbarer Weise ein: Schon die Erfüllung von Staatsaufgaben im weiten Verständnis konstituiert ein Amt im strafrechtlichen Sinn42. Der Staatsgewalt, dem Gesetzgeber jedenfalls, bleibt es also überlassen, die zu erfüllenden Aufgaben zu bestimmen und die organisatorische Annäherung an den Staat zu determinieren. Berufsfreiheitliche Grenzen der Zulässigkeit einer Vermutung können aus dem strafrechtlichen Amtsbegriff nicht abgeleitet werden: er kommt aus den vorgrundrechtlichen Vorstellungen des 19. Jahrhundert, will auf die Äußerung der Staatsgewalt verweisen, nicht diese beschränken. Schließlich soll im Strafrecht das „öffentliche Amt" in seiner Würde besonders gesichert werden. Eine solche Zielsetzung kann sich auch bei irgendwie staatlich gebundenen und beliehenen privaten Tätigkeiten rechtfertigen: der strafrechtliche Amtsbegriff darf ohne Gefahrdung der Freiheit weiter sein als der berufsrechtliche. Ist eine Berufttätigkeit „Amt" im Sinne des Strafrechts, so werden hier die betreffenden Berufstätigen geschützt, oder es werden ihnen nur Pflichten angesonnen, die sich im Rahmen berufsfreiheitsrechtlich zulässiger Ausübungsregelungen halten. Aus dem strafrechtlichen Amtsbegriff kann also eine berufsrechtliche Amtsvorstellung nicht entwickelt werden. Das Strafrecht zeigt auch nicht, ob hier Organisation oder Aufgaben im Vordergrund stehen sollten.

3. Der haftungsrechtliche Amtsbegriff

Der staatshafiungsrechtliche Amtsbegriff hebt eindeutig nicht auf die Organisation des Amtes oder die organisatorische Staatsnähe des Amtswalters ab, sondern auf die durch die Amtstätigkeit wahrgenommenen Aufgaben: er kann nur vorliegen, wenn „hoheitliche" Aufgaben erfüllt werden43. Allerdings 1967, §31/11; Kohlrausch/Lange, BBG, Komm., 2. Aufl. 1958, S. 86.

Strafgesetzbuch, 43. Aufl. 1961, §31/1; Bochalli,

41 Es soll sich hier um den ersten Begriff eines Amtes handeln, bei dem die organisatorische Verbindung zum öffentlichen Dienst nicht nötig war (Stier-Somlo, Hdwb. d. Rechtsw., Art. „Amt", S. 121) — immerhin wird von „Dienstverrichtungen" gesprochen. 42 Dies ergibt sich e contrario daraus, daß nicht Hoheitsaufgaben gefordert werden;· vgl. dazu Peters, Lehrbuch der Verwaltung, 1949, S. 249. 43

So der BGH in ständiger Rspr., vgl. etwa BGHZ 11, 192 (197); v. Mangoldt /Klein, BGG, Art. 34, Anm. III 2 m. Nachw.; Bochalli (Fn. 40).

Öffentliches Amt und Berufsfreiheit

11

ist nicht erforderlich, daß Hoheitsgewalt bei dem haftungsbegründenden Akt selbst eingesetzt wird 44. „Entscheidend ist allein, ob die ... zu erfüllenden Aufgaben auf hoheitsrechtlichem oder auf bürgerlichrechtlichem Gebiet liegen."45 Auch schlichte Hoheitstätigkeit löst Amtshaftung aus. Dieses Abgrenzungskriterium aus der Aufgabe 46 ist eindeutig. Es macht auch den beliehenen Unternehmer zum Amtswalter. Der haftungsrechtliche Amtsbegriff ist dennoch als solcher kein Ausgangspunkt fur eine Begrenzung der Berufsfreiheit durch Amtskonstruktion: im Haftungsrecht dient das „Amt" einerseits der Versicherung des hoheitlich Tätigen, zum anderen der Privilegierung der Hoheitsgewalt (§ 839 Abs. 1 S. 2, Abs. 2, 3 BGB). Es beschränkt also den Amtswalter nicht in seiner Berufsfreiheit, sondern begünstigt ihn gegenüber dem Geschädigten und (mittelbar) im Verhältnis zu dem Regreß suchenden Staat. Das haftungsrechtliche Amt ist Korrelat von Risiko und Würde der Hoheitsgewalt, wenn diese dem Amtswalter (in zulässiger Weise) verliehen worden ist. Ob dies aber erforderlich war, mit berufsfreiheitseinschränkender Folge geschehen durfte — darüber kann aus dem haftungsrechtlichen Amtsbegriff nichts abgeleitet werden, auch wenn dem Haftungsrecht entnommen werden könnte, daß nur dort ein Amt gegeben ist, wo Hoheitsgewalt verliehen wird — der haftungsrechtliche Amtsbegriff regelt eben nur eine Folge der Beleihung mit Hoheitsgewalt, nicht deren Voraussetzung. 4. Der NS-Amtsbegriff

Der einzige allgemeine berufsrechtliche Amtsbegriff, auf den zurückgegriffen werden könnte und der wohl unbewußt häufig eine Rolle spielt, ist — der NS-Amtsbegriff. Gerade weil dies kaum erkannt wird, muß es in all seiner Unvereinbarkeit mit der heutigen Staatsform herausgestellt werden. Da der Nationalsozialismus die Partei als lebendiges Bindeglied zwischen Volk und Staat sah47, die mit dem Staat unlöslich verbunden und doch in organisatorischer Hinsicht selbständig war 48, trat die Parteiverwaltung neben die Staatsverwaltung. Um den „außerstaatlichen Schwung der Bewegung" nicht abzuschwächen, durfte sie mit der Beamtenschaft nicht identifiziert werden. Nach Aufgabenstellung wie — weithin — nach Organisation entfaltete sich eine 44

Vgl. Peters (Fn. 42), S. 250.

45

RGZ 164, 273 (276).

46

Genauer: aus der Art ihrer Erfüllung; hier kommt es aber nur darauf an, daß das Organisationsverhältnis des Amtswalters zum Staat unbeachtlich ist. 47 Vgl. Höhndorf.\ f.) m. Nachweisen. 48

Beamter und öffentlicher Amtsträger, ZgesStW 97 (1937), S. 147 (156

Höhndorf (Fn. 47), S. 157.

Teil I: Beruf — Amt — Mandat

12

zweite Hierarchie organisch neben dem öffentlichen Dienst. Auch sie stand in dem besonderen Treue- und Pflichtenverhältnis zu einem Hoheitsträger, wie es im Beamtenrecht entwickelt worden war 49. Um das Phänomen dieser Gewaltendualität zu erfassen, bedurfte man vereinheitlichender Kategorien. Der bürgerliche Rechtsstaat half auch hier seinem Überwinder. Zunächst war die Rede von einem neuen „Ehrenbeamtentum soldatischer Prägung"50, doch bald51 bot sich die Ausweitung der „amtlichen Funktion" an: Der „öffentliche Amtsträger" wurde zum Oberbegriff über den Hoheitsträgern der Partei und denen des Staates52. „Für den deutschen Volksstaat ist der entscheidende Gesichtspunkt nicht die Beamteneigenschaft, sondern die Amtsträgerschaft" 53. Nun wurde der Amtsbegriff von der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben getrennt54. Er konnte dann alle Veranstaltungen erfassen, welche als „Erfüllung öffentlicher Aufgaben" erschienen. Und hier verschwammen alle Grenzen. Dieser im einzelnen wenig durchdachte Begriff wurde nun zur Revolutionskategorie des Berufsrechts. Die völlige Veramtung „gemeinschaftswichtiger" Berufe rechtfertigte er ebenso wie ihre einschneidende Bindung durch Gestaltungen des herkömmlichen Verwaltungsrechts oder durch das neue ständische Berufsrecht 55. Bei den Notaren erschien die Beamtenstellung entbehrlich, weil sie als Amtsträger qualifiziert werden konnten. Der Amtsbegriff bezeichnet den Einbruch in das Zentrum der Berufsfreiheit; eine verfassungsrechtliche Besonderheit des öffentlichen Dienstrechts wurde zum Instrument des Dirigismus. Gerade weil die strenge hierarchische Treuebindung der Amtsträger betont und das „Amt" dem „freien Beruf' gegenübergestellt wurde56 — eben darum wog die Verantwortung so schwer. Der NS-Staatsaufbau wäre sicher über den Amtsbegriff erfolgt: einerseits in einer „Halbpublifizierung" des Gewerberechts, zum anderen in durchgehender ständestaatlicher Gestaltung.

49

Höhndorf {Fn. 47), S. 163.

50

Koellreutter,

Grundriß der Allgemeinen Staatslehre, 1933, S. 270.

51

Vgl. die aufschlußreiche Diss, von Lösch, Der Begriff der „amtlichen Funktion" (Diss. Jena 1934, abgeschl. i. Dez. 1933), die den Übergang deutlich zeigt (S. 2: die Stellung der Parteiamtsträger sei noch nicht voll geklärt). 52

Höhndorf {Fn. 47), S. 165.

53

Koellreutter, Öffentl. Amt und Amtsträger im NS-Staat, ReichsvenvBl. 56 (1935), S. 785 (787); vgl. auch Dernedde, Ämterverbindungen, ZgesStW 98 (1938), S. 359 (361 f.). 54

So bereits Lösch (Fn. 51), S. 40 f.; Höhndorf (Fn. 47), S. 177.

55

Ein Beispiel für die Veramtung bietet das Schriftleitergesetz (vgl. dazu Leonhard/ Gast, Das Schriftleitergesetz, 1935), für die Bindung das Hebammengesetz (dazu BGH NJW 1959, S. 2305). Die Vermessungsingenieure wurden als Amtsträger aufgefaßt. 56

Höhndorf (Fn. 47), S. 179.

Öffentliches Amt und Berufsfreiheit

13

Dies widerspricht völlig den Prinzipien des rechtsstaatlich-demokratischen Staatsaufbaues. Klar stellt dieser die Staatsgewalt der (gebundenen) Freiheit des Bürgers gegenüber, die nicht in einem unklaren System gleitender Übergänge der Gefahr undefinierbarer Bindungen ausgesetzt sein darf. Selbst jene generell gesteigerte Treue zum Staat, welche danach durch Verleihung des Amtsstatus begründet oder doch unterstrichen werden sollte, darf nicht in eine angebliche besondere Verantwortung gegenüber der Allgemeinheit umgedeutet werden und ebensowenig vorhersehbare staatliche Bindungen rechtfertigen. Jede Verwendung eines außerdienstlichen Amtsbegriffes bringt diese Gefahr mit sich: durch unkritische, ja unbewußte Übernahme von Vorstellungen aus einer anderen Vergangenheit, in typischer Erweiterung des Beamtenrechts bis ins Gewerberecht, wird eine Kategorie geschaffen, welche die gesamte Berufsfreiheit zerstören kann. Diese Möglichkeit zeigte sich schon vor 193357; sie wurde nachher von der Führung aufgenommen — ein allzu bequemer Begriff soll noch heute Ähnliches leisten58. In der statusartigen, durchgehenden Pflichtigkeit des Amtes endet dann der Rechtsstaat, die grundsätzliche Einzelbindung. Leicht erscheint es, solchen Extremen zu entgehen; ständiger kritischer Besinnung bedarf es aber, sollen sie nicht über den so stark „politisch belasteten" Kategorien des öffentlichen Amtes auferstehen. Die Praxis des NS-Staates kann zur Gefahr von heute werden: der Amtsbegriff ist eine Schwäche des Rechtsstaates. Besteht hier Verwaltungsrecht weiter, perpetuiert es vergangenes Verfassungsrecht?

III. Bestimmung des außerdienstlichen öffentlichen Amtes aus der organisatorischen Nähe zum öffentlichen Dienst Ein gesicherter allgemeiner Begriff eines außerdienstlichen öffentlichen Amtes läßt sich nach den bisherigen Ergebnissen nicht in Anlehnung an bekannte Amtskonstruktionen gewinnen59. Es liegt daher nahe, diejenige Berufs57

Der Rechtsanwalt wurde zugleich als Amtsinhaber und als Gewerbetreibender gesehen, doch das Amt schlug durch: „Ja es kann dieser Gesichtspunkt soweit festgehalten werden, daß die Rechtsanwälte geradezu wie Staatsbeamte behandelt ... werden", Laband, Das Staatsr. d. Dt. Reiches, 5. Aufl. 1913, III, S. 453. 58

Vgl. etwa Baiser, Öffentl. Dienst privater Betriebe. Festschr. f. F. List, 1957, S. 172 (180), wo dasselbe mit der noch weitergehenden Formulierung „öffentlicher Dienst" gedeckt wird. 59

Entbehrlich ist eine nähere Betrachtung der sog. „Ehrenämter". Hier ist zu unterscheiden (vgl. Jellinek, W., HdStR II, S. 28 f.) zwischen solchen, die nur einzelne ehrenamtliche

Teil I: Beruf — Amt — Mandat

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Stellung als öffentliches Amt zu bezeichnen, welche in ihrer organisatorischen Gestaltung Nähe oder Analogie zum öffentlichen Dienst zeigt. Kann ein Amt allein schon durch eine solche „Heranführung an den öffentlichen Dienst"60 entstehen? Kommt es auf den organisatorischen „Grad der Staatsnähe" (nicht auf die erfüllten Aufgaben) an?61

1. Die These „Kein öffentliches Amt ohne öffentliche Dienstpflicht" — Kritik

a) Im Gegensatz zu früherer Auffassung, die jedes öffentliche Amt aus der Art der „zu besorgenden Geschäfte", aus den Aufgaben definieren wollte, lehrt Otto Mayer 62: „Das Amt ist ein Kreis von Geschäften des Staates, welche mit öffentlicher Dienstpflicht zu besorgen sind." Es heißt Amt, „weil es mit öffentlicher Dienstpflicht zu besorgen ist, und nur deshalb". Wo keine Dienstpflicht auferlegt werden kann, besteht kein Amt 63. Diese Auffassung wurde in der Weimarer Zeit zur h.L.64. Sie wird auch heute noch vertreten 65. Die Unterscheidung ist „um so schwieriger, als die Gesetze und das Schrifttum Dienst und Amt nicht immer zu unterscheiden pflegen und eine Dienststellung ,Amt\ eine amtliche Weisung innerdienstlich' nennen u.a.m."66. Der beamtenrechtliche Amtsbegriff steht oft unbewußt im Hintergrund, wenn vom öffentlichen Amt als „einem bestimmten Kreis Tätigkeiten betreffen (Schöffen) - ein solcher Begriff ist berufsrechtlich nicht verwendbar - und den eigentlichen „Ehrenbeamten" (dazu Stier-Somlo, Hdwb. d. Rechtsw., Amt u. Ämter, IV): hier liegt bereits öffentlicher Dienst vor. Bei gewissen als „Ämtern" bezeichneten Rechtsstellungen des Privatrechts (Konkursverwalter) ist eine Sondergestaltung anzunehmen, die sich aus der besonderen Beziehung zur Rechtspflege erklärt (dazu unten IV 3). Im übrigen stehen sie der Figur des beliehenen Unternehmers näher (vgl. Mennacher, Begriffsmerkmale und Rechtsstellung der mit öffentlicher Gewalt beliehenen Hoheitsträger des Privatrechts, Diss. München 1963, S. 75, der sie als „öffentliche" von „öffentlich-rechtlichen" Ämtern unterscheiden will). 60

BVerfGE 7, 377 (398).

61

Vgl. dazu auch BVerfGE 16, 371 (381).

62

Deutsches Verwaltungsrecht, 3. Aufl., II, 1924, S. 139, insbes. Anm. 10; krit. neuere Darstellungen m. Nachw. bei Köttgen, Smend-Festschrift (Fn. 23), S. 121. 63 Dazu unten IV; noch G. Jellinek sprach von einem durch die Aufgaben bestimmten „Amt im weiteren" und von einem durch Dienstpflicht charakteristischen öffentlichen „Amt im engeren Sinn" (System der subj. öff. Rechte, 2. Aufl. 1905, S. 179). 64 Vgl. u.a. Jellinek, W., Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 1931, S. 359; ders., HdStR II, S. 20 (28); Stier-Somlo, Hdwb. d. Rechtswiss., S. 179. 65

Vgl. z.B. Schütz, Der öffentliche Dienst, 1956, S. 121; ders., ZBR 1959, S. 66; dagegen zutr. Hagemann, Zum Begriff d. Amts im Beamtenrecht, ZBR 1960, S. 137 (140). Krit. auch Rasch, Die Behörde, Verw.Arch. 50 (1959), S. 1(10). 66

Wolff, ; H.J., Verwaltungsrecht II, 6. Aufl. 1967, S. 311.

Öffentliches Amt und Berufsfreiheit

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abgegrenzter Aufgaben" die Rede ist67, was dann auch dem besoldungsrechtlichen Amtsbegriff entspricht68. Die h.L. sieht auch heute noch das „Amt" als solches als „Teil der Gesamtinstitution Staat"69 — aber nur, weil der Amtsbegriff laufend im Recht der Behördenorganisation verwendet wird 70. Der Satz „kein Amt ohne Dienstpflicht" wird meist nur deshalb kritisiert, weil auch eine dienstvertragliche Veipflichtung des Amtsträgers genügen müsse71. Deshalb führt auch im vorliegenden Fall des Berufsrechts die Kategorie der „beamtenähnlichen öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisse" nicht weiter72: hier geht es nur um dienstrechtlich unterworfene Personen, mögen sie auch nicht im technischen, beamtenrechtlichen Sinn „Beamte" sein. Immerhin wird dort bereits behauptet, daß es neben dem Beamtenverhältnis „auch beamtenähnliche öffentlichrechtliche Dienst- und Treueverhältnisse gebe"73, die allerdings in vollem Umfang dienstrechtliche Unterwerfung bringen. b) Die Gewinnung eines Begriffs vom „öffentlichen Amt" durch dessen Gleichsetzung mit „öffentlichem Dienst" würde bei allen öffentlichen Ämtern die Berufsfreiheit völlig vernichten. Wenn es hier Rechtsbeziehungen zwischen Amt und Staat nicht geben kann, könnte von einer Freiheit der Amtsinhaber in ihrer Tätigkeit nicht mehr gesprochen werden. Die Aufsicht müßte der hierarchischen Weisung weichen. Hier taucht das Problem auf, wann der Staat behördenmäßig organisieren darf. Es kann nur aus dem Wesen der zu erfüllenden Aufgaben gelöst werden. Diese Frage ist hier nicht zu vertiefen, denn sie geht viel weiter als die hier zu untersuchende: wenn der Staat außerdienstliche öffentliche Ämter schafft, so wird gerade nicht eine Behörde, sondern eine unklare Zwischenform zwischen Staatsorganisation und freiem Beruf geschaffen. Eben deshalb tritt das Problem des Freiheitsrechts auf. Für außerdienstliche öffentliche Ämter kann also eine rein dienstrechtliche Definition des öffentlichen Amtes nicht herangezogen werden — ganz abgesehen davon, daß auch im Dienstrecht nicht immer klar ist, was unter „Amt"

67

Z.B. OVG Hamburg, ZBR 1957, 291.

68

Schütz (Fn. 65), S. 23.

69

Forsthoff,;

Verwaltungsrecht, AT, 9. Aufl. 1966, S. 415.

70

So etwa bei Forsthoff (fn. 69), S. 12, 409, 411 f. Bezeichnend ist, daß das „Lexikon des öffentlichen Dienstes" von Malz/Heilemann einen anderen Begriff von „Amt" gar nicht kennt. Differenzierend neuerdings Wolff (Fn. 66), S. 30. 71

Forsthoff

(Fn. 69), S. 414/5.

72

Dazu m. Nachw. Pieck,, DÖV 1966, S. 217 ff. und Wilhelm, Vgl. dazu noch Thieme, JZ 1965, S. 365. 73

Pieck (Fn. 72), S. 221.

DÖV 1966, S. 221 ff.

Teil I: Beruf — Amt — Mandat

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zu verstehen ist74. „Amt" wird heute auch nicht mehr durchgehend mit „Dienst" gleichgesetzt75. Immerhin hat die zeitweise Gleichsetzung von „Dienst" und „Amt" dazu gefuhrt, daß bei jedem öffentlichen Amt sogleich dienstrechtliche Vorstellungen mitschwingen, vor allem aber, daß durch die Anerkennung beamtenähnlicher öffentlicher Dienstverhältnisse das Dienstrecht vom Beamtenrecht gelöst wird. So aber entsteht ein Raum fur öffentliche Amtstätigkeit, die vielleicht morgen nicht mehr beamten-, sondern nur mehr „dienstähnlich" sein soll. Zwischen „Beamten" und „Freiberuflichen" werden neue Glieder eingefugt und eine Versuchung für die Staatsgewalt geschaffen - das sei hier nur am Rande erwähnt - , aus außerdienstlichen öffentlichen Ämtern dienstliche zu machen. 2. Das öffentliche Amt als „dienstähnliche" Stellung

„Öffentliches Amt" läßt sich nicht einfach als „öffentlicher Dienst" definieren. Dies entspräche auch nicht dem Sinn der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das von „Heranführung" an den öffentlichen Dienst spricht. Es ist vielmehr zu fragen: bei welcher Art, welchem Grad von „Berufsähnlichkeit" kann von einem „öffentlichen Amt" die Rede sein? Läßt eine solche Definition erkennen, unter welchen Voraussetzungen die Staatsgewalt durch Schaffung eines öffentlichen Amtes die Berufsfreiheit der Amtswalter zurückdrängen dürfte? „Dienstähnlichkeit" des öffentlichen Amtes würde voraussetzen, daß das Amt wenigstens in einigen wesentlichen Punkten mit der organisatorischen Gestaltung des öffentlichen Dienstes übereinstimmt. Ist dies dort eine sachgerechte Gestaltung, wo gerade die berufsrechtliche Problematik — noch — besteht, weil ein freier Beruf organisatorisch „an den Staat herangeführt wird"? Es läßt sich die These aufstellen, daß eine solche Annäherung hinsichtlich der zentralen Gestaltungsformen des öffentlichen Dienstes nicht möglich ist. Bei der Prüfung im einzelnen möge man sich an die eingangs erwähnten Beispiele, insbesondere an die öffentlich bestellten Vermessungsingenieure76 erinnern. Der Amtswalter versieht ein „Amt" im Sinne eines institutionalisierten Komplexes von Wahrnehmungszuständigkeiten77. Ein solcher muß vom 74 „Der Amtsbegriff stiftet im Beamtenrecht Verwirrung", Rasch, Amt-DienstpostenPlanstelle, ZBR 1959, S. 211 (215). 75

Vgl. dazu die Begriffsbestimmungen aus den „erfüllten Aufgaben" — unten IV.

76

Vgl. oben Anm. 3 a.

77

Während im übrigen in dieser Abhandlung ,Amt" stets die Amtswalterstellung des

Öffentliches Amt und Berufsfreiheit

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Amtsträger (Staatsgewalt) durch allgemeine Aufgabenzuordnung gebildet, durch die Ordnung der Gewinnung von Amtsinhabern und des von ihnen anzuwendenden Verfahrens errichtet, schließlich durch Berufung geeigneter Amtswalter und Bereitstellung der erforderlichen Hilfsmittel eingerichtet werden78. Dies alles paßt kaum auf den außerdienstlichen Amtsträger: Die Bildung ist kein selbständiges Element „organisatorischer Heranführung" an den Staat: ihr Schwergewicht liegt in der Stellung der Aufgaben 79; organisationsrechtlich. relevant ist nur deren Übertragung auf den Amtswalter, ein rein formaler Aspekt, der lediglich zulässig ist, soweit eben dem Amtswalter Aufgaben gestellt werden dürfen. „Gebildet" werden allerdings auch außerdienstliche Ämter. Schon bei der Errichtung zeigen sich jedoch Unterschiede zum öffentlichen Dienst: Wie im einzelnen der Wille des Amtswalters sich bilden, wie er nach außen in Erscheinung treten soll, bleibt etwa bei den Vermessungsingenieuren nahezu vollständig der Einzelinitiative der Berufstätigen überlassen. Wo eine Tätigkeit nicht irgendwie behördenmäßig organisiert ist, kann praktisch ihr Verfahren nur durch eingrenzende Gebote geordnet, nicht aber durch eine dienstähnliche Verfahrensordnung bestimmt werden80. Hier treten bereits wesentliche Unterschiede von „Aufsicht" und „dienstlicher Weisung" auf. Sinn der Verantwortung freier Berufstätigkeit wird es schließlich vor allem sein, die Einrichtung vollständig dem Amtswalter zu überlassen. Die Vermessungsingenieure besorgen die nötigen sächlichen und persönlichen Mittel selbständig, insbesondere unter eigener wirtschaftlicher Verantwortung, und setzen sie nach eigenem Gutdünken ein. Gebunden sind sie hier nur durch typische Berufsausübungsregelungen freier Berufe. Eine „Annäherung" an den öffentlichen Dienst könnte demnach nur in einer Verstärkung der Bindung der Amtswalter hinsichtlich des von ihnen zu beobachtenden Verfahrens und der von ihnen einzusetzenden Mittel liegen. Es ist aber sehr zweifelhaft, ob „mehr Bindung" einen freien Beruf zum „Amt" machen kann. „DienstÄ/w/icA" wird das Amt im Entscheidenden eben nicht: Eigenverantwortung und -initiative seines Inhabers bleiben erhalten. Grundsätzlich ist es verfahrensautonom, nicht verfahrensgebunden. Eine „Heranführung an den öffentlichen Dienst" liegt im Grunde nicht vor. Wesentlich für „öffentlichen Dienst" sind eine besondere, disziplinarrechtlich gesicherte Treuepflicht gegenüber dem Staat einerseits, besondere Fürsorge· und Schutzpflichten des Staates zum anderen. Bei außerdienstlichen einzelnen bezeichnet. Vgl. zu den verschiedenen Begriffen im einzelnen Wolff S. 25 f. 78

(Fn. 66),

Diese Terminologie wird allerdings im einzelnen nicht immer scharf durchgehalten, vgl. Wolff (Fn. 66), S. 52. 79

Vgl. unten IV.

80

Zu den Besonderheiten des Notarrechts vgl. unten IV 3.

Teil I: Beruf — Amt — Mandat

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Amtsträgern ist beides unangebracht, eine besondere Treuepflicht kann kaum realisiert werden: sie verlangt die Allseitigkeit und Unvorhersehbarkeit echt dienstlicher Bezüge81. Ihre wichtigsten Auswirkungen liegen im Arbeits- und Besoldungsrecht, Beziehungen, die es fur den außerdienstlichen Amtswalter nicht geben kann. Disziplinarrecht verwandelt sich bei ihm zu berufsständischer (Ehren-) Gerichtsbarkeit — wiederum fehlen die engen, allseitigen, unvorhersehbaren — eben die „Dienstbeziehungen", ohne die echtes Disziplinarrecht sinnlos bleibt. „Fürsorge und Schutz" beschränken sich dort auf praktisch Unwesentliches, wo es keinen Arbeitsplatz und keine Dienstpflichten gibt. In einem Staatswesen, das sich rasch der allgemeinen „Bürgerpension" nähert, vermag auch eine Altersversorgung nicht die entscheidende Heranführung an den öffentlichen Dienst zu bringen. Man kann also zwar die Beziehungen des öffentlichen Dienstrechts auf die Bindung freier Berufe anwenden: meist verdeckt dies aber nur echten Formenmißbrauch, eine eindeutige „organisatorische Zwischenform" zwischen gebundenem Beruf und Staatsdienst ist hier nicht aufzufinden. Vom Amtswalter wird verlangt, er dürfe „als solcher nie seine eigenen (persönlichen) Interessen wahrnehmen, sondern diejenigen Interessen, zu deren Verfolgung sein Amt geschaffen wurde"82. Wiederum kann dies nur fur den öffentlichen Dienst gelten. Wird einem außerdienstlich Berufstätigen eine solche Verpflichtung angesonnen, so bleibt von jener Selbstverantwortung und -initiative nichts mehr übrig, die doch gerade in den Dienst der Allgemeinheit gestellt werden soll. Wie sich noch zeigen wird, muß die „Amtsstellung" doch als eine Art von „Globalsituation" von durchgehendem Status angesehen werden, nicht nur als punktuelle Bindung. Wer aber in all seiner Tätigkeit „ausschließlich öffentliche Interessen" wahrzunehmen hat und daraufhin wirksam überwacht wird — ist bei ihm nicht mehr als „Nähe" zum öffentlichen Dienst gegeben? Gerade hier könnte allerdings eine für das außerdienstliche Amt typische Zwischenform darin gesehen werden, daß der Amtswalter stets öffentliche Belange vorrangig zu berücksichtigen habe. Dies ist aber wiederum eine Frage der Aufgaben, nicht der organisatorischen Heranführung an den öffentlichen Dienst. Typische dienstliche Organisationsarten zur Sicherung solcher Verpflichtungen gibt es außerhalb der bekannten Formen staatlicher Bindung und Überwachung von freien Berufen bisher nicht. Schließlich ist es lediglich eine Übernahme von Dienstrecht, wenn aus dem Amtsbegriff auf das „fachliche Weisungsrecht von Amtsvorgesetzten" 81

Die Verpflichtung etwa zur unbezahlten Leistung von Überstunden oder zur allseitigen Einsatzbereitschaft hat dort keinen Platz, wo noch so viel Eigenverantwortung besteht. 82

Wolff

{Fn. 66), S. 36.

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geschlossen wird 83: wenn etwa ein öffentlich bestellter Vermessungsingenieur hinsichtlich all seiner Amtstätigkeit Fachweisungen erhält, so ist er öffentlicher Bediensteter ohne Lohn. Gerade dort also, wo eine Dogmatik des „öffentlichen Amtes" an sich, ohne offenen Rückgriff auf Kategorien des „öffentlichen Dienstes", geboten wird 84, zeigt die Einzelbetrachtung, daß in den wesentlichen Punkten nur typische Begrifflichkeit des öffentlichen Dienstrechts übernommen wird. Eine deutlich abgrenzbare organisatorische Zwischenstufe zwischen „öffentlichem Dienst" und „gebundenem Beruf läßt sich nicht konstruieren; es droht vielmehr ständiger Formenmißbrauch, der übermäßige Bindung Privater verdecken soll. Man ist im Dienst oder man ist es nicht. „Dienstähnliche Amtswalterschaft" läuft darauf hinaus, daß jemand nach seinen Pflichten als Beamter, nach seinen Rechten als Privater behandelt wird. Das Beamtenrecht ist eine festgefugte, hochtechnisierte Ordnung. Einzelne Stücke kann man hier nicht ausbrechen, um aus ihnen selbständige Amtskonstruktionen zu errichten. Unklar bliebe stets, was hierfür genügen könnte. Dies aber muß rechtsstaatliche Bedenken gegen „dienstähnliche" öffentliche Ämter erwekken. Auch aus der „Dienstähnlichkeit" läßt sich daher eine berufsrechtlich brauchbare Kategorie des „öffentlichen Amtes" nicht entwickeln. 3. Kritik der „Zurückdrängung der Berufsfreiheit" durch „Heranführung an den öffentlichen Dienst"

Bei aller Hochachtung vor der konstruktiven Leistung des Apothekenurteils: der Satz ,je näher ein Beruf durch öffentlich-rechtliche Bindungen und Auflagen an den ,öffentlichen Dienst' herangeführt wird, um so stärker können Sonderregelungen in Anlehnung an Art. 33 GG die Wirkung des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG tatsächlich zurückdrängen"85 — er bedeutet in seinen Konsequenzen unabsehbare Gefahren für alle Grundrechte. Betrachtet man ihn isoliert, so gestattet er nicht weniger als die Vernichtung von Grundrechten durch die Veramtung von Berufsständen, wie dies früher geschehen ist86. Nach dieser Aussage des Bundesverfassungsgerichts genügt es, daß freie Berufe an den „öffentlichen Dienst" herangeführt werden, um die Freiheit 83

Wolff (Fn. 66), S. 38.

84

Am besten in der Darstellung von Wolff

85

BVerfGE 7, 377 (398).

86

Vgl. oben 114.

3 Leisner, Beamtentum

(Έτι. 66), S. 25 f.

Teil I: Beruf — Amt — Mandat

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aufzuheben. Damit würde die Grundrechtsverletzung — aus der Tatsache des Eingriffs gerechtfertigt, nicht dessen Berechtigung verlangt. Die ganze Rechtsstaatlichkeit würde auf den Kopf gestellt: nicht etwa aus der Aufgabe (des Staates) würde auf seine Befugnis (zur Freiheitsverdrängung) geschlossen — aus der Befugnis zur Freiheitsbeschränkung würde die Aufgabe (der Amtswalter als eine öffentliche) erschlossen! Die Staatsgewalt wäre im Gewerberecht zwar zur Beachtung der komplizierten Stufen der Einschränkbarkeit gezwungen, wie sie dasselbe Apothekenurteil aufstellt — aber nur bei den „kleinen" Grundrechtseingriffen des klassischen Gewerberechts. Die viel weitergehende Freiheitsverdrängung durch Veramtung stünde ihr frei. Nicht nur die Berufsfreiheit, alle anderen Grundrechte, auch die vorbehaltlos garantierten Freiheiten, dürften derart aufgehoben werden. Da die Staatsgewalt die Eingriffslegitimation in ihrer Organisationsgewalt fände, müßte das Ergebnis lauten: Die Grundrechte stehen unter dem Vorbehalt der staatlichen Organisationsgewalt. Im einzelnen jedenfalls stünden die Grundrechte zur Disposition der Exekutive, welche „organisatorisch an den öffentlichen Dienst heranfuhrt". Soweit Staatsorganisation nicht durch Gesetz erfolgen muß87, wären sogar Freiheitseingriffe ohne gesetzliche Grundlage möglich. Das kann nicht rechtens sein, das Bundesverfassungsgericht kann nichts von dem allen beabsichtigt haben. Nicht die Veramtung rechtfertigt die Freiheitsverdrängung — es muß Voraussetzungen geben, unter denen allein die organisatorische Bindung zulässig ist. Diese können, das zeigt sich jetzt klar, nur darin liegen, daß ein öffentlicher Amtswalter bestimmte Aufgaben zu erfüllen hat und daß dazu organisationsmäßige Heranführung an den öffentlichen Dienst erforderlich ist. Das Bundesverfassungsgericht 88 selbst hat dies wenn auch unklar — angedeutet: die Zurückdrängung der Freiheit erfolgt „in Anlehnung an Art. 33 GG". Die Verbeamtung hat aber klaren und bereits wohl erkannten Bezug auf die Aufgaben, welche die Staatsdiener zu erfüllen haben89. Auch die „Heranführung an den öffentlichen Dienst" darf also nur insoweit erfolgen, als besondere Aufgaben zu erfüllen sind. Insoweit ist die Frage nach der Zulässigkeit der Schaffung außerdienstlicher öffentlicher Ämter nur ein Fall der weiteren Problematik, welche Aufgaben der Staat „selbst erfüllen darf'. Eindeutig muß daher ein Ergebnis festgehalten werden: aus der organisatorischen Bindung eines Berufsstandes als solchen kann nie auf die Zulässigkeit der Freiheitsbeschränkung geschlossen werden. Organisatorische Annäherung an den öffentlichen Dienst rechtfertigt die Schaffung „öffentlicher Ämter" nicht, sie ist bei einer (möglichen) Definition dieses Begriffes über87

Vgl. Leisner, BayVBl. 1967, S. 329 f. m. Nachweisen.

88

BVerfG (Fn. 85).

89

Dies zeigt sich deutlich in Art. 33 Abs. 4 GG.

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haupt nicht primär zu berücksichtigen — nicht (nur) deshalb, weil die zentralen Kategorien des Dienstrechts nicht auf außerdienstliche Ämter anwendbar und eine Annäherung oder Zwischenformen hier nicht möglich sind, sondern weil die Organisation nur eine Folge, nicht aber die Begründung der Zulässigkeit darstellt90. Unrichtig ist es daher, Berufsordnungen auf die Intensität der Bindung zu untersuchen und daraus freiheitsbeschränkende Folgerungen abzuleiten. Nach der Zulässigkeit der Beschränkungen allein ist zu fragen. Ein Begriff des außerdienstlichen öffentlichen Amtes läßt sich aus organisationsrechtlichen Gesichtspunkten nicht rechtfertigen, diese dürfen nicht einmal als Erkenntnismöglichkeiten, als Indizien fur sein Vorliegen gewertet werden. Sowenig dies in der Theorie ein Problem zu sein scheint — fur die Praxis des Berufsrechts bedeutet es eine Abkehr von laufender Gewohnheit. Die beliebte Wendung ist unbehilflich, der Berufsgesetzgeber „habe ja auch" ein öffentliches Amt schaffen wollen, das zeige die Ausgestaltung des Berufs. Nur in einem Punkt könnte die Art der Organisation bedeutsam bleiben: wenn der Staatsgewalt ein Ermessen hinsichtlich der Aufgaben zuzuerkennen wäre, welche sie durch Bedienstete oder außerdienstliche Amtswalter erfüllen lassen will — nur dann könnte das Maß der Heranführung an den öffentlichen Dienst als Indiz für die Auslegung erscheinen, welche der Staat (zulässigerweise) dem Begriff der von ihm selbst zu erfüllenden Aufgabe gibt. Stets wäre aber sorgsam darauf zu achten, daß organisatorische Bindung nicht von einem Indiz des Aufgabenverständnisses zu einer selbständigen Rechtfertigung der Freiheitsbeschränkung wird. Wenn dies geschieht, ist kein Grundrecht mehr zu retten.

IV. Bestimmung des außerdienstlichen öffentlichen Amtes aus der Art der wahrgenommenen Aufgaben Das außerdienstliche öffentliche Amt kann nur nach der Art der durch den Amtswalter zu erfüllenden Aufgaben und nach der demnach notwendigen Art und Weise der Erfüllung definiert werden.

1. „Öffentliches Amt nach Aufgabenstellung" — Allgemeines

a) Daß es für das Vorliegen eines öffentlichen Amtes primär auf die Erfüllung bestimmter Aufgaben, nicht auf dienstliche Unterordnung ankommt, war 90

Dies ist auch das Ergebnis der Untersuchungen von Burger, Art. 33 GG und die sog. staatlich gebundenen Berufe, Diss. Marburg, 1967, S. 57 ff. Im selben Sinn vgl. Herzog, Evang. Staatslexikon 1966, Art. „Berufsfreiheit", Sp. 158. *

Teil I: Beruf — Amt — Mandat

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ersichtlich der Ausgangspunkt der gesamten Lehre zu diesem Begriff: Die „Aufgaben" bestanden vor der „Organisation": „Ämter" im Sinne von wahrzunehmenden Aufgaben waren vor dem Staat da und wurden erst in neuerer Zeit91 mit ihm in organisatorische Verbindung gebracht und sodann von ihm monopolisiert92. Schon das Reichsgericht konnte daher das Amt definieren als „einen durch das öffentliche Recht begrenzten Kreis von Geschäften" 93 — damit als eine „Aufgabenfulle". Die Lehre von Labanct 4 und G. Jellinek 95 gestaltete dies aus. Zwar konnten diese Erkenntnisse zeitweise durch die Mayer' sehe Lehre vom „Amt als Dienst" verdunkelt werderf 6, doch schon Max Weber war „ein leidenschaftlicher Anwalt der heute im Grundsätzlichen nicht mehr umstrittenen Erkenntnis, daß das öffentliche Amt nicht nur unter einer dienstrechtlichen Perspektive verstanden sein will" 97 . So versieht auch nach heutiger Auffassung der Amtswalter einen „verantwortlich wahrzunehmenden Pflichtenkreis eines Menschen"98, er nimmt eine „Kompetenzfulle" wahr 99; das Amt ist ein „Funktionskreis"100. Es kommt lediglich darauf an, daß eine „öffentlich-rechtliche Aufgabe" erfüllt wird 101 , nicht auf die Dauer, in der dies geschieht102 — dies würde bereits wieder ein organisatorisches Element zum Tragen bringen103. 91

Dazu Wolff

H.J., Organschaft u. Stellvertretung, II, 1934, S. 224 f., 280 f.

92

Dies ist der Sinn der bei Forsthoff (Fn. 69), S. 415 f. geschilderten Entwicklung: von der Eigensubjektivität des Staates (19. Jhd.) über die Organtheorie Gierkes bis zur absoluten Kompetenzlehre G. Jellineks. Forsthoff vollendet gewissermaßen diese Entwicklung dadurch, daß er im Begriff der Leistungsverwaltung weitere Aufgaben dem Staat institutionell zuordnet oder doch die Voraussetzung fur eine solche Aufgabenübernahme durch den Staat schafft. Allerdings verliert nun die „Aufgabe" - weil der Begriff derart ausgeweitet wird - ihre deflatorische Bedeutung. 93

RGZ 37, S. 241 (243 f. m. Nachw.).

94

„Ein Staatsamt ist ... ein Inbegriff von Geschäften", Das Staatsrecht des Dt. Reiches, 1, 5. Aufl. 1911, S. 365; Laband ist der originellste Dogmatiker des „öffentlichen Amtes", das er gerade aus der Figur des Rechtsanwalts entwickelt (Bd. III, S. 452 f.), dazu unten V. 95 Amt als „abgegrenzte staatliche Kompetenz", System der subjekt. öffentl. Rechte, S. 177. 96

Vgl. oben III 1.

97

Köttgen, Smend-Festschrift (Fn. 23), S. 138/9.

98

Wolff (Fn. 66), S. 25; daß Wolff S. 26 f. von einem „institutionalisierten Komplex von Wahrnehmungszuständigkeiten" spricht, bedeutet nicht, daß die Definition der Organisation folgt. Diese ist lediglich eine (zulässige) Form der Aufgabenerfullung, aus der heraus das Amt definiert wird. 99

Henrichs, Staatslexikon I, 6. Aufl. 1957, Art. „Amt", Sp. 305 f.

100

Peters (Fn. 42), S. 116.

101

Fischbach, Bundesbeamtengesetz, 3. Aufl. 1964, S. 9112.

102

Wolff

103

(Fn. 66), S. 28.

Wenn Forsthoff (Fn. 69), S. 414, meint, es komme auf die Art der erfüllten Aufgaben nicht an, so ist dies nur im Zusammenhang seiner Darlegungen richtig, die vom Amt i.S. der staatlichen Behördenorganisation ausgehen.

Öffentliches Amt und Berufsfreiheit

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b) Dies alles bedeutet, daß das „Amt", und damit die Stellung des Amtswalters, sich primär nach der Art des „Außenverhältnisses" (AmtswalterDritte), nicht aber nach dem „Grundverhältnis" (Amtswalter—Amtsträger, dessen Aufgaben wahrgenommen werden) zu richten hat104. In diesem Sinn wird heute bereits scharf unterschieden zwischen dem (Behörden- und Ämter-)Organisationsrecht i.e.S., welches die Einrichtung und vor allem die Zuweisung des Aufgabenkreises regelt, und dem Dienstrecht der dort Tätigen105. Prinzip ist: das Amt folgt der Aufgabe. Seine Zulässigkeit ergibt sich nicht aus dem Innenverhältnis, sondern aus der Erlaubtheit der Erfüllung bestimmter Aufgaben durch den Amtswalter im Amtsverhältnis zu Dritten. „Aufgabe" in diesem Sinn ist ebenso das, was geleistet werden soll (und darf), als auch die Art und Weise, wie dies zu geschehen hat106. c) Entscheidend ist nun, daß die Aufgabenlehre das öffentliche Amt dadurch näher zu bestimmen versucht, daß es „öffentliche" Aufgaben sein sollen, die hier allein erfüllt werden dürfen. Wie immer dieser Begriff im einzelnen zu umschreiben sein mag107 — wesentlich ist, daß es sich um Aufgaben des Gemeinwesens, nicht um die eines Privaten handelt. Der Amtswalter versieht die Geschäfte des Amtsträgers, der ihm deren Besorgung überläßt oder ihn damit beleiht108. Nur diejenige Aufgabe vermag also auch die Schaffung eines öffentlichen Amtes zu rechtfertigen, welche der Staat zu erfüllen berechtigt oder gar verpflichtet ist. Bei jedem außerdienstlichen öffentlichen Amt ist daher speziell zu untersuchen, ob die vom Amtswalter erfüllten Aufgaben zur Eigenzuständigkeit des Staates gehören. Diese für die Zulässigkeit von so bedeutsamen Gestaltungsformen zentrale Frage darf nicht dadurch umgangen werden, daß all das öffentliches Amt sein soll, was als Aufgabe vom Staat selbst oder einem Träger mittelbarer Staatsverwaltung vergeben wird 109 : der Staat darf nur eigene, nicht fremde (private) Aufgaben vergeben, will er ein öffentliches Amt schaffen. Wenn also zwar der Staat verleiht, die übertragenen Aufgaben aber keine „staatlichen" sind, so wird mit Recht das Vorliegen eines „öffentlichen Amtes" von

104

Dazu Wolff

105

Vgl. Forsthoff

(Fn. 66), S. 33. (Fn. 69), S. 399/400.

106

Daß beides gerade im Recht des öffentlichen Amtes eng verbunden ist, wird noch unten (V) nachzuweisen sein. 107

Dazu näher unten 2.

108

Klar Wolff

109

Dazu Maunz/Dürig,

(Fn. 66), S. 29 f. („Eigenzuständigkeit" eines Trägers der Hoheitsgewalt). GG, Art. 33 Rdnr. 12.

Teil I: Beruf — Amt — Mandat

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jeher abgelehnt (so beim Vormund und Konkursverwalter) 110. Hier wird nur durch Gesetz eine besondere, umfangmäßig bestimmte Vertretungsmacht privatrechtlicher Art verliehen. „Öffentliches Amt nach Aufgabe" — diese Lehre fuhrt die Untersuchung notwendig in eine der größten Schwierigkeiten des neueren öffentlichen Rechts: die Schaffung öffentlicher Ämter kann nicht umgrenzt und daher die Berufsfreiheit nicht gesichert werden, wenn der Begriff der Staatsaufgaben nicht näher bestimmt wird. Solange dies nicht gelingt, wird immer von neuem die Schaffung von organisationsrechtlichen Amtsbestimmungen versucht werden, ja werden müssen, unter deren Schutz die allmächtige Staatsraison schweigenden Einzug hält in den Raum der Freiheit. Und gerade hier steht das öffentliche Amt noch völlig am Anfang. Eine Dogmatik staatlicher Aufgaben, welche tief in die Staatszielbestimmungen hineinreichen und die Allgemeine Staatslehre fruchtbar machen müßte, kann hier auch im Ansatz nicht geboten werden. Ob sich aus den bisherigen Versuchen der Aufgabenlehre schon heute Lösungen wenigstens fur die Zulässigkeitsvoraussetzungen des außerdienstlichen öffentlichen Amtes ergeben können, soll im folgenden untersucht werden 2. „Wesentliche Staatsaufgaben" oder „öffentliche Aufgaben" außerdienstlicher öffentlicher Amtswalter

Als Aufgaben, welche einem öffentlichen Amtswalter aus der staatlichen Eigenzuständigkeit heraus überantwortet werden dürfen, kommen nach dem heutigen Stand der öffentlich-rechtlichen Dogmatik nur „wesentliche Staatsaufgaben" oder „öffentliche Aufgaben" allgemein in Betracht. a) An wesentliche Staatsaufgaben dürfte das Bundesverfassungsgericht dann gedacht haben, wenn es dem außerdienstlichen öffentlichen Amt einen Raum darin hat eröffnen wollen, daß es „dem Staat vorbehaltene Tätigkeiten" geben könne, die doch nicht „öffentlicher Dienst" seien111. „Wesentliche Staatsaufgaben" sind Aufgaben, die nur der Staat erfüllen kann112. Nach h.L. gehören dazu nur solche Aufgaben, bei deren Erfüllung der Einsatz von Ho1.0

So bereits Jellinek, W., HdStR II, S. 25/6 m. Nachw.; Köttgen, Smend-Festschrift (Fn. 23), S. 145 unter zutr. Hinw. auf das schon von Triepel angezogene Argument, daß hier keine staatlichen Aufgaben erfüllt würden; ebenso i. Erg. Henrichs (Fn. 99); Wolff (Fn. 66), S. 30, spricht mit Recht in der 2. Aufl. nicht mehr von „privatrechtlichen Ämtern" (so aber noch in der 1. Aufl., S. 23). 1.1 1.2

Dazu oben I.

Näheres dazu vgl. bei Leisner, Werbefernsehen und öffentliches Recht, 1967, S. 14 f. m. Nachw.

Öffentliches Amt und Berufsfreiheit

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heitsgewalt zwingend erforderlich ist. Zu diesem Hoheitsbereich gehört aber auch die sogenannte schlichte Hoheitsverwaltung. Ihr Begriff ist zwar nicht voll geklärt. Sicher sind dazu aber alle Tätigkeiten zu rechnen, welche wesentlich zur Vorbereitung der Hoheitstätigkeit oder zur Mitwirkung bei einer solchen erfolgen (Vorstufe oder vorläufiger Ersatz von Hoheitstätigkeit)113. Eine Ausweitung des Begriffs auf die sogenannte „leistende Verwaltung" ist nicht möglich. Dieser Aufgabenbegriff birgt zwar Probleme — die „Erforderlichkeit" des Einsatzes von Hoheitsgewalt läßt sich bisweilen gar nicht, häufig nur damit begründen, daß es „eben immer so gewesen sei". Manchmal vermag hier ein gewisses Effizienzkriterium vorläufig zu helfen: wo die Drohung mit Hoheitsgewalt wirksame Verwaltungsgewalt ermöglicht, muß ihr Einsatz gestattet sein, soll nicht die Exekutive als selbständige Staatsgewalt vernichtet und ein verfassungswidriges Staatsgewaltmonopol der Judikative erreicht werden. Diese vordergründige Argumentation verdeckt allerdings nur eine tiefe Aporie: es wird eben doch aus der Wirksamkeit der Hoheitsgewalt auf ihre Zulässigkeit geschlossen! Doch dem kann hier nicht nachgegangen werden. Die Definition aus den „wesentlichen Staatsaufgaben" erlaubt es — wenn auch in gewisser Anlehnung an die Tradition - den Bereich einigermaßen deutlich abzugrenzen, in dem außerdienstliche öffentliche Ämter geschaffen werden dürfen: Immer nur dann, wenn die betreffenden Aufgaben lediglich unter Einsatz von - oder durch Drohung mit — Hoheitsgewalt wirksam wahrgenommen werden können. Ein öffentliches Amt kann nach dieser Definition nicht dann angenommen werden, wenn Hoheitsgewalt verliehen wird, sondern wenn sie nach der Natur der Sache dem Amtswalter übertragen werden darf. Die Schaffung außerdienstlicher öffentlicher Ämter wird so als eine Form verwaltungsmäßiger Dezentralisierung verstanden: was an sich durch Kräfte des öffentlichen Dienstes, ja durch Beamte geleistet werden könnte (vgl. Art. 33 Abs. 4 GG), wird außerdienstlichen Amts waltern überlassen, die aber grundsätzlich dem Weisungsrecht des Amtsträgers unterliegen, der sie beliehen hat. Art 33 Abs. 4 GG würde dieser „Amtsdefinition" nicht entgegenstehen: „Hoheitsaufgaben sind in der Regel Beamten zu übertragen" — dieser Grundsatz schließt es eben nicht aus, daß ausnahmsweise nicht nur Angestellte, sondern auch außerdienstliche Amtswalter Hoheitsgewalt ausüben, Amtswalter sogar nur zur Verrichtung von Hoheitstätigkeit beliehen werden.

1,3 Nachw. bei Leisner, Öffentlichkeitsarbeit der Regierung im Rechtsstaat, 1966, S. 50, insbes. S. 54 f.

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Teil I: Beruf — Amt — Mandat

Wird dergestalt der Amtsbegriff auf die Erfüllung von Hoheitsaufgaben eingegrenzt, so bleibt die Schaffung außerdienstlicher Ämter deutliche Ausnahme114. Eine Gefahr für bisher „freie" Berufe, daß das Grundrecht des Art. 12 GG durch Veramtung zurückgedrängt werden könnte, besteht nicht mehr in größerem Umfang. (Verfassungs-)Gerichtlich kann überprüft werden, ob die Veramtung zulässig ist. Praktisch wird dies dazu fuhren, daß nur in enger Anlehnung an traditionelle Behörden- und Amtsaufgaben neue „Ämter" geschaffen werden. Die „konservative" Wirkung dieser Auffassung könnte gelegentlich die Elastizität des Staatshandelns verringern — sie würde jedenfalls die Berufsfreiheit vor dem Ständestaat schützen. b) Dies gilt allerdings nicht, wenn schon die Erfüllung öffentlicher Aufgaben zur Schaffung (außerdienstlicher) öffentlicher Ämter legitimiert. Der Begriff ist unklar 115. Letztlich kann er auf jede Aufgabe ausgeweitet werden, die irgendwie „im öffentlichen Interesse" erfüllt wird. Theoretisch mag dies gerichtlich nachprüfbar sein — in praxi wäre die Staatsgewalt aller. Bindung ledig. Vor der Erklärung, eine Tätigkeit liege im öffentlichen Interesse, müßte die Berufsfreiheit weichen; alle Grundrechte stünden letztlich unter dem „Vorbehalt des öffentlichen Interesses". Der Begriff „öffentliche Aufgabe" ist auch bereits so strapaziert worden 116, daß unter dem Vorwand ihrer Erfüllung „öffentliche Ämter" von geradezu nationalsozialistischer Prägung geschaffen werden dürften: wenn die „Presse eine öffentliche Aufgabe erfüllt" 117, könnte sogar der „Schriftleiter" wieder entstehen. Der Begriff „öffentliche Aufgabe" kann daher zur Legitimierung der Errichtung von Ämtern nicht herangezogen werden. c) Darüber mag noch Einigkeit zu erzielen sein. Eine nicht geringere Gefahr droht jedoch der Berufsfreiheit, wenn der Staat wesentlich die Aufgaben erfüllen darf die er sich selbst stellt. Die generelle Grundrechtswidrigkeit eines solchen Prinzips ist heute zwar anerkannt. „Verwaltungsmonopole" können auch nicht kurzerhand aus einem „vorrechtlichen Gesamtbild" gerechtfertigt, sie müssen an Artikel 12 GG gemessen werden118. Dennoch finden sich bedenkliche Abschwächungen dieser Grundsätze, welche die angeblich erforderliche staatliche Organisations- und Handlungsfreiheit sichern sollen. Der Gesetzgeber soll einen „Ermessens114

Was dann schon aus Art. 33 Abs. 4 GG folgen müßte.

1.5

Einzelheiten vgl. b. Leisner, Werbefernsehen (Fn. 112), S. 22 f. m. Nachw.

1.6

Vgl. Leisner, Werbefernsehen (Fn. 112), S. 24 f. m. Nachw. z.B. BVerfGE 12, 113(128).

117

118 Für viele: Nipperdey, S. 241.

Festschr. z. 150jähr. Bestehen d. C. Heymanns Verlages, 1965,

Öffentliches Amt und Berufsfreiheit

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Spielraum" zur Bestimmung der Aufgaben haben, deren Veramtung er wünscht. Dieser soll sich aus der Gesamtentscheidung des GG ergeben. Die Gleichgewichtslage zwischen privater Initiative und staatlicher Betätigung sei verfassungskräftig geschützt119. Doch sagen wir es offen: der „Ermessensraum" des Gesetzgebers läßt sich nicht eingrenzen, die Gesamtentscheidung des GG ergibt hier nichts rechtlich Faßbares. Einzelne Berufe 120 mögen gegen Veramtung gesichert sein; ob Taxifahrer und Versorgungsbetriebe veramtet und damit völlig und endgültig jeder Berufsfreiheit beraubt werden dürfen — diese und tausend ähnliche Einzelfragen lassen sich schlechthin aus der Verfassung nicht eindeutig entscheiden, wenn das Kriterium der nahen Beziehung zur Hoheitsgewalt aufgegeben wird. Wie aber soll es auf die Hoheitsgewalt in einem Staat der Leistungsverwaltung, der Daseinsvorsorge ankommen? Hier übernimmt doch der Staat tagtäglich Aufgaben in eigene Regie, von denen er konkludent behauptet, daß er sie besser erfüllen könne als Private. Dann aber handelt er eben doch aufgrund einer Kompetenz-Kompetenz: er trifft die Entscheidung über alle Gebiete seiner Tätigkeit121. Es gibt nun kein Halten mehr: auch das Übermaßverbot hilft nicht, weil es über die Zwecke nichts aussagt, sondern auf die Zweck-Mittel-Relation abstellt, auf die es hier nicht ankommt. Das Ergebnis der Existenz einer Leistungsverwaltung ist: der Staat setzt sich seine eigenen Zwecke, bestimmt seine eigenen Aufgaben. Gedeckt durch das Sozialstaatsprinzip kann er somit jede Berufsfreiheit ersatzlos vernichten 122. Die Begrenzung dieses Ermessens auf die „herkömmlichen staatlichen Aufgaben" ist unbehilflich: so allgemein läßt sie sich aus dem Grundgesetz nicht ableiten. Sicher sollte die Verfassung nicht jede bedeutsame Neugestaltung ausschließen. Hier muß diese Untersuchung abbrechen: sie nähert sich dem wahrhaft ungeheuren, ungelösten Problem der Staatsziele. Doch eines enthüllt sich schon dem Blick aus der Ferne: wir haben nur die Illusion, nicht aber die Sicherung grundrechtlicher Freiheit, solange die Zulässigkeitsgrenzen der Leistungsverwaltung im Sozialstaat nicht eindeutig, indiskutabel fixiert sind. Fast jede Tätigkeit kann heute der Staat als eigene Aufgabe übernehmen, ohne irgend jemanden zu enteignen. Eine entschlossene Parlamentsmehrheit darf so

1,9

Thieme, H., JZ 1960, S. 365 (366).

120

So etwa die Pressetätigen entsprechend der Garantie einer „freien Presse", Art. 5 Abs. 1 GG. 121

Vgl. Herzog (Fn. 90), Sp. 159.

122

Deutlich sieht das Problem Menger, VerwArch. 51 (1960), S. 373.

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viel veramten, daß - ohne Verletzung des Grundgesetzes - vom Gebäude der grundrechtlichen Freiheit kein Stein mehr auf dem anderen bleibt123. Das außerdienstliche öffentliche Amt kann sogar als ideale Zwischenstufe auf diesem Weg der Zerstörung der Berufsfreiheit erscheinen: Die Staatsgewalt nimmt eine private Tätigkeit als eigene soziale Leistungsaufgabe in Anspruch. Wie könnte sie schonender vorgehen, wodurch das Übermaßverbot besser beachten als durch Schaffung einer „Zwischenstufe" zwischen „freiem Beruf und „öffentlichem Dienst" — eben im außerdienstlichen öffentlichen Amt? Hier bleibt doch eine gewisse Unabhängigkeit des (privaten) Amtswalters erhalten. Wird man noch eines Tages dankbar sein müssen, daß sich in diesem „Begriff 4 des öffentlichen Amtes eine Staatsgewalt abschwächt, die omnipotent Verwaltungsmonopole schafft — oder kann das öffentliche Amt das trojanische Pferd vordringender Staatsraison werden? Wie auch immer — die Untersuchung fuhrt hier in eine totale theoretische Aporie: Wenn öffentliche Ämter nur (notwendige) Beleihung mit Staatsgewalt sind, so läßt sich zwar der Begriff klar und eindeutig aus der so umschriebenen Aufgabe definieren. Besitzt die Staatsgewalt aber die freie Kompetenz zur Bestimmung ihrer eigenen Aufgabe, so läßt sich eine berufsrechtlich brauchbare Definition des Amtsbegriffs schlechthin nicht geben. Es bleibt vielmehr bei der etatistischen organisationsrechtlichen Definition: Amtswalterschaft ist Erfüllung von Staatsaufgaben ohne Dienstpflicht. d) Es wäre verhängnisvoll, diese Gefahren zu verkennen, es ist praktisch unmöglich, in solcher Aporie zu verharren. Es muß heute so getan werden, als ließe sich — wenigstens im Einzelfall — stets rechtlich verbindlich sagen, welche Leistungsaufgaben der Staat übernehmen dürfe (nach technischer Erforderlichkeit, Wirtschaftlichkeit u.ä.m.). Dann können öffentliche Ämter nur zu ihrer Erfüllung geschaffen werden. Über die Art und Weise, über das Ausmaß der Ausgliederung aus dem öffentlichen Dienst aber läßt sich rechtlich nichts aussagen: Dem Gesetzgeber stehen alle Gestaltungsformen zur Verfügung, welche mit dem Übermaßverbot vereinbar sind. Ob Weisung, laufende Überwachung oder Kontrolle a posteriori — der Amtsbegriff ist davon unabhängig. Weil er sich nach den erfüllten Aufgaben richtet, bietet er der staatlichen Organisationsgewalt ein bruchloses Spektrum von Gestaltungsmöglichkeiten. Einzelne mag man als besonders typisch herausgreifen — morgen kann, ja muß der Gesetzgeber für eine andere Aufgabe eine neue, sachangepaßte Organisationsform finden. 123

Letztlich zeigt sich hier, daß die heutige Verfassungsdogmatik kaum einen Schritt über die Staatslehre des Spätliberalismus hinausgekommen ist. Vielleicht muß sie eines Tages sogar auf deren Formel zurückgreifen, daß der Staat nur leisten darf, was Private aus Wirtschaftlichkeitsgründen nicht vermögen.

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3. Anhang: „Das Notaramt" als ein besonderes, von einer spezifischen Aufgabe geprägtes „Amt"

Hier ist noch eine Frage offen: Das Notaramt ist eine besonders bedeutsame, eingehend geregelte außerdienstliche Amtskonstruktion. Läßt sich nicht aus seiner Organisationsform ein allgemeiner Begriff des öffentlichen Amtes gewinnen, der insbesondere auf die Unabhängigkeit in der Aufgabenerfullung - also doch auf ein organisationsrechtliches Element - abstellt? Oder ist auch hier die Organisation nur Folge der spezifischen Aufgabe? Nach dem Bundesverfassungsgericht 124 ist der Notar „dem öffentlichen Dienst sehr nahegerückt". Die Vermessungsingenieure sind125 als „Amtswalter" gerade in deutlicher Anlehnung an die Notare behandelt worden. Der Notar übt keinen freien Beruf aus126; er ist unabhängiger Träger eines öffentlichen Amtes127. Nach der Lehre soll Art. 12 GG anwendbar sein128. Nach dem Bundesverwaltungsgericht129 bedeutet das praktisch aber nur, daß früher installierte Notare nicht gegen etwaige Neuzugelassene geschützt werden dürfen. Dagegen wird die Bedürfnisprüfung zugelassen130, weil es ja „kein Recht auf das Amt" gebe131. Anders als bei Notariatsassessoren132 versehen Notare keinen „öffentlichen Dienst", es wird jedoch gelegentlich von einem „öffentlich-rechtlichen Treueverhältnis" 133 gesprochen, dessen Konsequenzen allerdings im einzelnen unklar bleiben. Das Bundesverfassungsgericht 134 hat bei seinen Notarentscheidungen der „positiven Ausgestaltung des Berufsrechts" zentrale Bedeutung beigemessen. Es hat u.a. das Nebentätigkeitsverbot, die Dienstaufsicht, das Disziplinarrecht des Notars untersucht und daraus gefolgert, daß hier durch Amtsgestaltung die Berufsfreiheit zurückgedrängt worden sei, ohne daß klar geworden wäre, ob dies denn habe geschehen dürfen. 124

E 16, 371.

125

Insbes. in der Berufsordnung für Niedersachsen, Ges. v. 28.12.1965, GVB1. 1965,

S. 269. 126

BVerwG DNotZ 1962, S. 149 (151).

127

§ 1 BNotO; dazu allg. m. Nachw. Römer, Notariatsverfassung und GG, 1963, insbes. S. 13 f.; Schippel, DNotZ 1965, S. 595 f. 128 Vgl. insbes. Rupp, NJW 1965, S. 993 (994); Habscheid, NJW 1964, S. 1567 (m. Nachw.). 129

BVerwG DNotZ 1962, S. 149 (154).

130

Vgl. u.a. BGH DNotZ 1962, S. 606; BGH DNotZ 1964, S. 248.

131

BVerwG (Fn. 129); BGH DNotZ 1963, S. 121.

132

Zu deren Stellung vgl. BGH DNotZ 1963, S. 242 (248).

133

Heyland (Fn. 27), S. 27.

134

In E 16, 371 (381), ähnlich bereits E 16, 6 (22/3).

30

Teil I: Beruf — Amt — Mandat

Dies aber kann auch und gerade beim Notar nur unter Berücksichtigung seiner Aufgaben geklärt werden. Auf diese kommt es nach der Lehre 135 und nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts an: „Schon allein der hoheitliche Charakter der Berufstätigkeit der Notare gibt dem Gesetzgeber weitgehende Freiheit bei der Regelung des Notariats."136 Auch das Bundesverfassungsgericht hat bei Betrachtung der Organisationsform wesentlich darauf abgehoben, daß hier Hoheitstätigkeit vorliegt. Es bewegt sich also schon in der Nähe der Frage nach der Aufgabe — diese hätte ja zu lauten: erfüllt der Notar Aufgaben, zu deren Bewältigung der Einsatz von Hoheitsgewalt und damit die Schaffung eines öffentlichen Amtes erforderlich ist? Das Bundesverfassungsgericht gibt denn auch - trotz des unklaren Ansatzes - die richtige Antwort: die Notarstellung ist ein öffentliches Amt, weil der Notar „nach der Art der von ihm zu erfüllenden Aufgaben der ,vorsorgenden Rechtspflege' dem Richter nahesteht". „Ein großer Teil seiner Geschäfte könnte auch von den Gerichten erledigt werden und wird tatsächlich von ihnen erledigt." 137 Bei diesem wichtigen außerdienstlichen Amt zeigt also nähere Betrachtung, daß es in vollem Umfang von der Aufgabe bestimmt und durch sie als Amt legitimiert wird. Die Organisation entspricht nur der Funktion. Von der konkreten Notaraufgabe her, und nur deswegen, rechtfertigt sich auch die Unabhängigkeit der Notare 138, die ja ausdrücklich verankert ist: weil der „staatliche Konkurrent", die Gerichtsbarkeit, sich traditioneller Unabhängigkeit erfreut, ist es sachgerecht, auch den Notar unabhängig zu stellen, sollen nicht willkürliche Organisationsunterschiede gemacht werden. Die Unabhängigkeit - damit das wichtigste Spezifikum dieser Amtskonstruktion ist also eindeutig aufgabenbezogen und durch die spezielle Notaraufgabe gerechtfertigt. Diese Besonderheit läßt sich auf andere „Amtsstellungen" nicht übertragen. Unrichtig wäre es daher, Unabhängigkeit in der Aufgabenerfullung als Charakteristikum eines außerdienstlichen Amtsbegriffs zu verstehen.

135 Vgl. u.a. Saage, DNotZ 1961, S. 116 (123), der von „funktionellem öffentlichem Dienst" spricht; vgl. auch Römer (Fn. 127), S. 56; BGHZ 37, 179 (183). 136

DNotZ 1962, S. 149 (155).

137

BVerfGE 16, 371 (381).

138 Die aber durchaus noch nicht voll gesichert ist, vgl. dazu die Darlegungen von Schippel, DNotZ 1965, S. 595 f., insbes. die vorsichtigen Abgrenzungsversuche S. 600 f.

Öffentliches Amt und Berufsfreiheit

31

V. Das außerdienstliche öffentliche Amt als aufgabenbezogene Beleihung und Bindung Privater 1. Aufgabenbezogenheit des öffentlichen Amtes und „Amt als Status"

Ein außerdienstliches öffentliches Amt darf nur geschaffen werden, soweit in ihm staatliche (hoheitliche oder sozial gestaltende139) Aufgaben erfüllt werden. Welche (einzelne) Bindungen der Berufsfreiheit des Amtswalters dadurch gerechtfertigt werden, muß für jeden Einzelfall untersucht werden. Hier müßte ein neuer, der besondere Teil des „Amtsrechts" beginnen. Er kann in diesem Zusammenhang nicht geboten werden. Es läßt sich jedoch der Grundsatz aufstellen: die (organisatorische) Bindung des Amtswalters an den Amtsträger hat in allem aufgabenbezogen zu sein. Gerade die jeweils gewählte Beschränkung der Freiheit muß nach der jeweiligen Aufgabe erforderlich sein. Dem Übermaßverbot entsteht hier ein besonders bedeutsames Anwendungsfeld. Die allgemein-dogmatische Untersuchung kann jedoch noch ein weiteres zu dieser aufgabenbezogenen Bindung des Amtes beitragen. Zwar läßt sich keine typische organisationsmäßige Form außerdienstlicher Ämter auffinden140. Schon heute entsprechen verschiedenartige Bindungen unterschiedlichen Aufgaben. Dennoch gibt es Gestaltungsformen im Verhältnis Amtswalter—Amtsträger, die immer wiederkehren und vielfach kombiniert werden: Amtsbezirk, Amtssitz, Amtssiegel, Amtseid, Nebentätigkeitsverbot, Dienstaufsicht, Genehmigungspflicht bei Abwesenheit, Disziplinarrecht. Daneben stehen Bindungen der Berufstätigkeit im Verhältnis Amtswalter-Dritte: vorläufige Gebührenfreiheit „armer" Antragsteller, Verbot der Gebührenvereinbarung, selbständiges Kostenbeitreibungsrecht, Unparteilichkeitsverpflichtung, Antragsannahmepflicht, öffentlich-rechtliches Haftungsrecht. Diese Einzelgestaltungen können variiert und kombiniert, gesteigert und verallgemeinert werden. Nicht die Einzelbindungen aber sind hier von Bedeutung: sie wiederholen meist nur - mit dem Zusatz „Amt" versehen - im Ergebnis Bindungsformen der Berufsfreiheit, die auch sonst dem Gewerberecht bekannt sind, oder entlehnen sie dem Recht des öffentlichen Dienstes. Da letzterer aber ein in sich geschlossenes System sui generis darstellt141, darf die systematische Bedeutung der Herkunft der einzelnen Bindungsformen nicht überschätzt werden142. Wichtig für eine Dogmatik des außerdienstlichen öffentli139

Vgl. oben III, 2 a und b.

140

Vgl. oben II; am meisten „typisch" - von vielen als „Vorbild künftiger Amtskonstruktionen" gewertet - ist doch wohl die Ausgestaltung der Notarstellung, vgl. oben III, 3. 141

Dazu oben III, 1.

142

Größte Vorsicht ist angebracht, wenn eine beamtenrechtliche Organisationsform im

32

Teil I: Beruf — Amt — Mandat

chen Amtes ist dagegen die Erkenntnis, daß „Amt" im allgemeinen nicht die Erfüllung von einzelnen Aufgaben und dementsprechend einzelne Bindungen der Berufsfreiheit bringen soll, sondern die Bewältigung eines Aufgabenkomplexes in einer durchgehenden, einer Globalbindung. Das außerdienstliche öffentliche Amt hat insoweit wirklich - in Anlehnung an den öffentlichen Dienst — stets einen gewissen „Status"-Charakter, den Einzelaufgabe und Einzelbindung nicht ausschöpfen, mögen sie auch Indiz für sein Vorliegen sein. Hier gerade liegt die große Gefahr einer unvorhersehbaren, unabsehbaren Zurückdrängung der Berufsfreiheit: das außerdienstliche Amt mag zur Erfüllung gewisser Aufgaben entstanden sein, durch diese rechtlich legitimiert werden; angesichts der Weite der Aufgabe entsteht aber der „Status", der aus sich immer weitere Bindungen hervortreibt. Diese haben die deutliche Tendenz zur allseitigen Erfassung von Person und Tätigkeit des Amtswalters. Der Weg zur Schaffung eines außerbehördlichen „besonderen Gewaltverhältnisses" ist in der Regel schon beschritten. Solange hier aufgabenangepaßt geregelt wird, ist nichts zu erinnern. Weil aber - wenigstens in der Praxis des sozialen Leistungsstaates - der Staat weithin Herr der Aufgabe ist, liegt fast in jeder Amtsschöpfung bereits heute ein typischer Versuch der Übermaßbindung der Freiheit von Amtswaltern. Anwesenheitskontrollen und Amtseide - ein besonders beliebter Ausdruck deutscher Veramtung — sind hier noch weniger bedeutsam als Gebührenregelungen, die dem Amtsträger praktisch weithin die Eigeninitiative nehmen und die Frage aufwerfen, weshalb denn der Staat nicht gleich eine Behörde schaffe. Die Gefahr für die Freiheit, die in der Rechtsfigur einer durchgehenden, globalen, einer Statusbindung liegt, kann sich nur vermindern, wenn immer wieder betont wird, daß Grundsatz die Einzelbindung nach Einzelaufgabe ist, und daß keinesfalls der Umfang der erfüllten Aufgaben zu einem organisatorischen Einbau in den Staatsmechanismus führen darf. Dies alles läßt sich verdeutlichen, wenn das „öffentliche Amt" als besondere Form einer anerkannten Rechtsgestaltung gesehen wird: der des „beliehenen Unternehmers". Hier werden auch allgemeine Grenzen der Bindung des Amtswalters klar.

außerdienstlichen Bereich angewandt wird. Dieses Problem verlangt noch differenzierende Einzeluntersuchung. Daher ist wohl von der Erkenntnis auszugehen, daß Art. 33 GG prinzipiell außerhalb des öffentlichen Dienstes nicht gilt; vgl. dazu Burger (Fn. 90), S. 135.

Öffentliches Amt und Berufsfreiheit

33

2. Öffentliches Amt und beliehener Unternehmer

Beliehene Unternehmer sind Private, welche „hoheitliche Funktionen" im eigenen Namen143, aber im Auftrag des Staates144 ausüben, ohne Teil der Staatsorganisation zu sein145. Außerdienstliche öffentliche Amtswalter gehören dann zu dieser Kategorie, wenn das öffentliche Amt durch die Erfüllung von Hoheitsaufgaben charakterisiert wird 146 : Gegenstand der Beleihung können „sowohl schlichthoheitliche (z.B. Notar) als auch obrigkeitliche (z.B. Bahnpolizei) Zuständigkeiten sein"147. Es wird also nicht nur Hoheitsgewalt, sondern es werden Kompetenzen zur Aufgabenerfülluug übertragen, zugleich allerdings die erforderliche Hoheitsgewalt. Beleihung durch Gesetz ist verfassungsrechtlich zulässig148. Eine enge Bindung an die verleihende Staatsgewalt149, welche „eigentlich zuständig" bleibt150, folgt daraus. Der Beliehene wird als ihr „Glied" bezeichnet151, ja als „Träger mittelbarer Staatsorganisation"152. Er nimmt nicht etwa „eigene Selbstverwaltungsangelegenheiten" wahr 153. Hier soll auch der entscheidende Unterschied zur Konzession liegen, die nicht die Verleihung von staatlichen, also für den Beliehenen fremden, Wahrnehmungszuständigkeiten betreffen soll, sondern deren Gegenstand „an sich, ja seiner Natur nach ursprünglich in der Freiheit des einzelnen liegt"154. Als Folge wird genannt, daß hier Berufsfreiheit nicht mehr beansprucht werden könne155, und daß die dem Status des beliehenen Unternehmers an143 Wolff (Fn. 66), S. 363; vgl. auch Terrahe, Die Beleihung als Rechtsinstitut der Staatsorganisation, Diss. Münster 1961, S. 112. 144

Dazu Siebert, Rechtsstellung und Haftung der Technischen Überwachungsvereine im Kraftfahrzeugprüfungswesen 1957, S. 26 m. Nachw. 145

Jellinek, W., HdStR II, S. 25.

146

Vgl. dazu oben III, 2 a.

147

Wolff (Fn. 66), S. 366; zur „schlichtverwaltenden" Tätigkeit in diesem Zusammenhang Huber, E.R., Wirtschaftsverwaltungsrecht I, 1953, S. 539; Terrahe (Fn. 143), S. 105; BGH NJW 1957, S. 1598; vgl. auch Siebert (Fn. 144). 148

BayVerfGH n.F. 13, 53 (57/8); vgl. auch BGHZ 3, S. 120; Wolff (Fn. 66), S. 364; a.A. Reuß, DVB1. 1953, S. 685, der nur gutachtliche Tätigkeit zulassen will (S. 687). 149 Dazu m. Nachw. Terrahe (Fn. 143), S. 58; List, Verwaltungsrecht technischer Betriebe, 1937, S. 68. 150

List (Fn. 149), S. 1.

151

Wolff

152

Huber, E.R., Wirtschaftsverwaltungsrecht II, 1954, S. 542.

153

Terrahe (Fn. 143), S. 74 f.

(Fn. 66), S. 365.

154

Klar List (Fn. 149), S. 70/1; Terrahe (Fn. 143), S. 150 f.; Huber (Fn. 152), S. 549; vgl. auch Wolff (Fn. 66), S. 365. 155

Anklingend bei Rupp, Privateigentum an Staatsfunktionen, 1963, S. 16, Anm. 27.

Teil I: Beruf — Amt — Mandat

34

gemessene Verwaltungsform die Auftragsverwaltung sei, weil hier delegierte Tätigkeit vorliege 156. Und nun beginnt die Gefahr: Von der Weisungsgewalt in Einzelpunkten zu einer generellen, den gesamten „Status" des Beliehenen erfassenden Befehlsgewalt, ja geradezu einer Art durchgehender, allseitiger hierarchischer Überordnung könnte dann nur ein Schritt sein. In jeder Beleihung könnte ein „öffentliches Amt in nuce" gesehen, aus jeder Beleihung ein Amt entwickelt werden, die Globalbindung des Amtes wäre nicht ein eng zu umgrenzender Sonderfall innerhalb des Berufsrechts. Gerade diese allgemeine Folgerung darf aber nach dem Sinn der Rechtsfigur „beliehener Unternehmer" nicht gezogen werden. Es muß vielmehr in doppelter Weise differenziert und eingegrenzt werden: durch eine grundsätzlich maximale Beschränkung der Bindung (a) und durch Erkenntnis des grundsätzlich punktuellen Charakters jeder Bindung bei Beleihung und Amtsschaffung (b). a) Beleihung erfolgt, um die Initiative interessierter Privatpersonen zu wecken, den Staat zu entlasten, „private Finanzmittel, Initiative, technische u.a. Sachkenntnisse sowie ... kaufmännische Organisations-, Finanzierungs-, Betriebsformen und Rechnungsweisen der öffentlichen Verwaltung nutzbar zu machen"157. Dies geschieht, wenn eine Verwaltungstätigkeit „eine größere Beweglichkeit und Anpassungsfähigkeit verlangt, die durch den bürokratischen Verwaltungsapparat nicht immer hinreichend gewährleistet wird" 158 . Gerade dann ist auch die Schaffung außerdienstlicher öffentlicher Ämter legitim. Diese Vorteile dürfen aber eben deshalb nicht wieder durch eine allseitige und völlige, durch eine behördenähnliche Unterordnung des Beliehenen, des Amtswalters aufgehoben werden. Deshalb ist es nicht nur ratsam, sondern erforderlich, stets die größtmögliche Selbständigkeit des Beliehenen zu erhalten, die sich bis zu „völliger Autonomie gegenüber der Staatsgewalt" steigern kann159. Mag nun der Beliehene „Organ" des Beleihenden sein oder nicht160 — er ist ihm nicht „ein-", sondern höchstens „angegliedert"161. Dies alles folgt nicht aus einem „in dubio pro libertate", sondern aus dem Staatsorganisationsprinzip der Beleihung selbst. Wird es nicht beachtet, so ist die Amtsschaffung selbst, die Beleihung, unzulässiger Formmißbrauch: der Staat 156

Huber (Fn. 152), S. 535.

157

Wolff

158

BGHZ 3, 120.

159

Zu letzterem Huber (Fn. 152), S. 536.

(Fn. 66), S. 364.

160

Für die Organstellung neuerdings Wolff S. 85/6. 161

Terrahe (Fn. 143), S. 87 f.

(Fn. 66), S. 365; a.A. Terrahe

(Fn. 143),

Öffentliches Amt und Berufsfreiheit

35

muß dann behördenmäßig organisieren. Zwei Dinge wären hier gleichermaßen bedenklich: einerseits die Schaffung von „Beamtenpflichten ohne Beamtenrechte" in der Person beliehener Amtswalter, die Art. 33 GG sicher nicht begünstigt; zum anderen aber auch die Verleihung beamtenähnlicher Stellung - verbunden mit allen Möglichkeiten privater Initiative und privaten Verdienens. Bei jeder Beleihung, bei jeder Amtsschaffung darf also die Bindung des Beliehenen auch nur so weit gehen, daß der Einsatz seiner eigenen Initiative, daß die „privaten Amtswaltungselemente" nicht aufgehoben werden, welche die Konstruktion gerade rechtfertigen. Wenn es zutrifft, daß durch die Beleihung der „Eigennutz privater Initiative" ausgenutzt werden soll 162 , so wird der Beliehene, insbesondere der außerdienstliche Amtswalter, in eigentümlicher Weise tätig: er erfüllt Staatsaufgaben im eigenen Interesse. Bei diesem „Privateigentum an Staatsfunktionen" (Rupp) überlagert sich öffentliches und privates Interesse in einer bisher noch längst nicht voll geklärten Weise. Ersteres muß jedenfalls irgendwie „primär" bleiben, wobei die Rahmenkategorie (öffentliches Interesse als Rahmen privaten Interesses) fruchtbar gemacht werden könnte. Für das außerdienstliche öffentliche Amt ergibt sich daraus eine wichtige Folgerung: die amtsschaffende Staatsgewalt hat sich in doppelter Hinsicht Zurückhaltung in der Bindung des Amtswalters aufzuerlegen: - Sie darf schon aus organisationsrechtlichen Gründen nicht allzu sehr, nicht behördenähnlich binden, weil sonst der Selbstverwaltungssinn der Amtsschaffung nicht gewahrt und gegen Staatsorganisationsrecht verstoßen würde (Achtung der Autonomie des Amtswalters). - Die Eigeninitiative des Amtswalters muß als „ein Restbestand von Berufsfreiheit im öffentlichen Amt" geachtet werden — und zwar, soweit dieser Restbestand reicht, nach echt grundrechtlichen Prinzipien (Achtung der Berufsfreiheit des Amtswalters). Es ist ein Widerspruch in sich, Eigeninitiative, berufsfreiheitliches Handeln nutzbar machen zu wollen — und zugleich die Freiheit im Amt aufzuheben. Durch Beleihung und Amtsschaffung sollen ja nicht nur private Rechnungsmethoden genutzt werden: Die Zimmer der Bürokratie werden der frischen Luft der Berufsfreiheit geöffnet. Dringt sie ein, so darf nicht hinter ihr das Fenster geschlossen werden, sonst bleibt nur Kälte zurück. Bei jeder Amtsschaffung muß daher zunächst bestimmt werden, ob und inwieweit echte Eigeninitiative nach Art der Aufgabenerfulluug zu gewähren ist: insoweit gilt Art. 12 GG, der diesen Raum wie jeden anderen Freiheits162

List (Fn. 149), S. 71.

4 Leisner, Beamtentum

Teil I: Beruf — Amt — Mandat

36

bereich schützt. Jenseits beginnt die „echte Amtswalterstellung". Dort ist in Anlehnung an Vorstellungen der Selbstverwaltung soviel Autonomie zu gewähren, wie dies nach der Natur der Aufgabe möglich ist. Praktisch kann dies etwa bedeuten: Büroorganisation, Mittelbeschaffung, public relations eines außerdienstlichen Amtswalters sollten möglichst der Eigenverantwortung (der Berufsfreiheit) des Amtswalters überlassen bleiben; seine Amtstätigkeit als solche sollte grundsätzlich nur in Form möglichst unbelastender Aufsicht kontrolliert, nicht durch laufende Weisungen gelenkt werden. b) Gerade weil sich nun „private" und „amtliche" Tätigkeitsformen bei der Beleihung vielfach berühren, ist eines wesentlich: der Umfang der Bindung muß dem der Beleihung entsprechen. Diese ist aber nach der h. Dogmatik notwendig eine möglichst punktuelle. Das folgt schon aus der Notwendigkeit gesetzlicher Übertragung, denn „es dürfen jeweils nur einzelne enumerierte, allenfalls spezielle, nicht aber Regel-Zuständigkeiten eingeräumt werden" 163. Der Unternehmer „ist nur für ein einziges, in der Verleihung genau bezeichnetes Unternehmen berufen und zuständig"164; „bestimmte Aufgaben" 165 werden verliehen. Dies nun scheint beim „öffentlichen Amt" gerade nicht möglich zu sein: es betrifft einen Aufgabenkomplex, der eine Status-Globalbindung zur Folge hat166 (Beurkundungen, Urkundenmessungen u.ä.m.). Doch gerade hier ist zu entgegnen: auch das außerdienstliche Amt ist nur als Form der Beleihung zu verstehen. Deshalb rechtfertigen auch bedeutsame Aufgaben nicht durchgehende, sondern nur weitreichende Bindung167. Ein öffentliches Amt mit allseitiger Statusbindung ist nur zulässig, wo die „verliehene" amtliche Aufgabenerfiillung entweder die einzige oder doch bei weitem die bedeutsamste Tätigkeit der Amtswalter ist, und wenn sie gerade durchgehende, disziplinarähnliche Bindung verlangt. Dies ist nur in seltenen Fällen wirklich anzunehmen, insbesondere dort, wo der Beliehene laufend dasselbe leistet wie herkömmlich staatliche Hoheitsverwaltung (i.w.S.; z.B. Notare). Die Schaffung neuer außerdienstlicher Ämter ist daher generell bedenklich m: Sie verdeckt meist nur eine Übermaßbindung, wo eine punktuelle Be163

Wolff

164

List (Fn. 149), S. 70; vgl. auch Reuß, BB 1949, S. 246.

(Fn. 66), S. 366.

165

BGH (Fn. 158), vgl. auch Siebert (Fn. 144), S. 30.

166

Vgl. oben V, 1.

167

So ist es etwa sehr fraglich, ob die (bedeutsame) Beurkundungsfunktion der öffentlich bestellten Vermessungsingenieure einen durchgehenden Amtsstatus rechtfertigt: die Feldmesser werden - großenteils zu weit über die Hälfte ihrer Tätigkeit - rein ingenieurtechnisch tätig. 168

Sie wäre es etwa im Fall der Einschaltung der Privatbanken in die Kredit- und Au-

Öffentliches Amt und Berufsfreiheit

37

leihung genügt. Punktuelle Beleihung aber sollte nie als „öffentliches Amt" bezeichnet werden: die Gefahr der Aufsaugung der privaten Freiheitssphäre durch das potentiell allseitige öffentliche Amt droht immer 169. Das außerdienstliche „öffentliche Amt" darf daher nicht nur aus grundrechtlicher Sicht, sondern auch aus verwaltungsrechtlichen Gründen keine selbständige dogmatische Kategorie sein: es würde die Dogmatik des „beliehenen Unternehmers" gefährden. Öffentliches Amt ist dagegen nichts anderes als eine (möglichst nur quantitative) Steigerung und Generalisierung der Bindungen und Befugnisse beliehener Unternehmer. Deren punktuelle Gestaltung macht es in der Regel entbehrlich. Die Gleichsetzung von „öffentlichem Amt" und „beliehenem Unternehmer" löst allerdings ein Problem nicht: „beliehene Unternehmerschaft" wird meist aus der Verleihung von Hoheitsbefugnissen definiert. Wenn nun aber in einem „öffentlichen Amt" nicht nur Hoheits-, sondern auch Leistungsaufgaben des Sozialstaats erfüllt werden dürfen 170, so würden insoweit die soeben in Anlehnung an den Begriff des beliehenen Unternehmers entwickelten Grundsätze nicht gelten. Demgegenüber ist festzustellen: wie immer der Begriff des „Beliehenen" entstanden sein mag — verliehen werden heute Zuständigkeiten, nicht (nur) Hoheitsgewalt. Wenn aber der Begriff der Staatsaufgaben auf leistende, hoheitslose Sozialgestaltung ausgedehnt wird, so kann ein „Unternehmer" auch damit „beliehen" werden. Die Bezeichnung „Unternehmer" paßt dann sogar besonders gut. 3. Öffentliches Amt und staatlich gebundener Beruf

Eine letzte Abklärung ergibt sich, wenn „öffentliches Amt" und „staatlich gebundener Beruf in Verbindung gebracht werden. „Staatlich gebundene Berufe" sollten ursprünglich „Halbbeamte" innehaben, die, ohne Beamte zu sein und ohne ein Amt zu haben, kraft eines besonderen Rechtsverhältnisses dem Staat für die Ausübung des Berufs verantwortlich seien171. In solchen ßenhandelsverwaltung, oder bei der Auferlegung von Berichts- und Statistikverpflichtungen, die mit hoheitlichen Befugnissen verbunden sind. 169 Sie hat allerdings nicht immer freiheitsvernichtend gewirkt: So wurde von Laband bereits in erstaunlicher Klarheit erkannt, daß der Rechtsanwalt „zwei Stellungen" einnehme: ein öffentliches Amt und ein freies Gewerbe, „die sonst ganz getrennt sind, ja unvereinbar scheinen" (Staatsrecht III, 5. Aufl. 1913, S. 452). Aber gerade er deutet bereits an, daß der Rechtsanwalt zum reinen Amtsträger werden könne (aaO., S. 453). Dazu auch Jellinek, G., System der Subjekt, öff. Rechte, S. 249 f.

*

170

Vgl. oben III, 2 b.

171

Triepel, Festschrift f. Binding, II, 1911, S. 1 ff. (passim).

Teil I: Beruf — Amt — Mandat

38

Formulierungen lag von Anfang an Unklarheit: wird hier Verantwortung fur die Erfüllung privater oder staatlicher Aufgaben getragen? Beides ist behauptet worden 172; es wird insbesondere „öffentliches Amt" und „staatlich gebundener Beruf 4 identifiziert 173. Dies ist berechtigt, weil mit Entschiedenheit festzustellen ist: staatlich gebundene Berufe erfüllen im Bereich der Bindung keine privaten, sondern staatliche Aufgaben. Soweit diese Art staatlicher Bindung reicht, gibt es überhaupt keine Berufsfreiheit 174. Sie ist daher von einer anderen Art der „Bindung" zu. unterscheiden: der staatlichen Überwachung freier Berufe. Diese kontrolliert den privaten Freiheitsraum, den Art. 12 GG sichert, in einer mit den Stufenprinzipien des Apothekenurteils übereinstimmenden Weise175. Das gesamte öffentliche Berufsrecht steht und fallt mit dieser Unterscheidung: staatlich gebundener Beruf als freiheitslose Erfüllung von Staatsaufgaben-staatlich überwachter Beruf als freiheitskonforme Kontrolle privater Interessenwahrnehmung176. Wird diese Trennung nicht eingehalten, so wird das öffentliche Amt zum Hebel für folgenden freiheitsvernichtenden Vorgang: ein freier Beruf wird mit einigen Ausübungsbeschränkungen belegt; diese werden als „dem Staat gegenüber verantwortlich zu erfüllende Pflichten" gedeutet; daraus entstehen „amtliche Pflichten 44, aus ihnen wird (induktiv) das (globale) Amt — die Berufsfreiheit ist ausgelöscht177. Bei richtiger Erfassung aber erleichtert der „staatlich gebundene Beruf 4 das Verständnis des „öffentlichen Amtes44: In beiden Fällen werden staatliche Aufgaben erfüllt; das außerdienstliche Amt ist nichts anderes als ein intensiv und global staatlich gebundener Beruf. Hier entfallt sogar die beim „beliehenen Unternehmer 44178 auftretende Schwierigkeit: „staatlich gebunden44 kann auch und gerade eine Tätigkeit sein, die nichts mit der Ausübung von Hoheitsgewalt zu tun hat und staatliche Leistungsverwaltung zum Tragen bringt. Die bisherige Dogmatik der „staatlich gebundenen Berufe 44 erhärtet schließlich — das ist das wichtigste Ergebnis - für das außerdienstliche öffentliche Amt das bereits gefundene Resultat: die grundrechtsbestimmte Verfassungsordnung geht davon aus, daß Private punktuell staatliche Aufgaben 172 „Öffentliches Amt" und „amtsähnliche Aufgaben": Heyland (Fn. 27), S. 27; „freier Beruf: Köttgen, Art. „öffentlicher Dienst" (Fn. 20). 173 Vgl. etwa Rupp (Fn. 155), S. 16, Anm. 27; BGHZ 37, 179 (183/4); BVerwG DNotZ 1962, S. 149 (153/4). 174

BVerfGE 7, 377 (398); 11, 30 (40).

175

BVerfGE 7, 377 (397 f.).

176 Die Kategorie „gewerbepolizeilich überwachter Beruf fordert schon Badura, Verwaltungsmonopol, 1964, S. 257. 177

Nicht von ungefähr wurde der Begriff in etatistischer Zeit wieder fruchtbar gemacht, vgl. Koellreutter, RVerwBl. 56 (1935), S. 785 (787). 178

Oben V, 2 a.E.

Öffentliches Amt und Berufsfreiheit

39

erfüllen können — gerade deshalb gibt es ja „staatlich gebundene Berufe". Dieser Begriff ist der Beweis dafür, daß von konkreter Einzelbeleihung bis zu global-durchgehender Bindung nach Aufgabenerfüllung im Amt ein ununterbrochenes Spektrum von Gemengelagen privater und öffentlicher Aufgabenerfüllung reicht, aus dem sich keine typische Gestaltung heraushebt, weil alle Bindung einzelaufgabenbestimmt sein muß. Das außerdienstliche öffentliche Amt ist nichts als der weitestgehend etatisierte Bereich staatlich gebundener Berufe — in sich selbst vielfach differenziert und in jedem Fall maximal auf Autonomie und Berufsfreiheit zu interpretieren. Im Ergebnis läßt sich feststellen: Eine klar berufsrechtliche Kategorie (außerdienstliches) „öffentliches Amt", mit der weitgehende Verdrängung der Berufsfreiheit begrifflich verbunden wäre, läßt sich aus der bisherigen Dogmatik des deutschen öffentlichen Rechts nicht gewinnen. Ein derartiges Amt kann auch nicht in verfassungsrechtlich zulässiger Weise allein dadurch entstehen, daß die Staatsgewalt irgendwelche Berufe durch organisatorische Bindungen „an das öffentliche Dienstrecht heranführt", Voraussetzung ist vielmehr, daß staatliche Aufgaben erfüllt werden — ein Begriff, der im einzelnen noch völlig ungeklärt ist. Hier droht eine unabsehbare Gefahr für alle Grundrechte, die nur durch nähere Eingrenzung des Begriffes der Staatsaufgaben vermieden werden kann. Der öffentliche außerdienstliche Amtswalter ist hinsichtlich aller oder doch wesentlicher Tätigkeit „beliehener Unternehmer", er übt einen maximal „staatlich gebundenen Beruf 4 aus. Der bisherigen Dogmatik dieser Erscheinungsformen öffentlicher Verwaltung läßt sich aber entnehmen, daß nur in seltenen Ausnahmefällen eine Gestaltung gewählt werden darf, welche den besonderen Namen „öffentliches Amt" verdient: dann nämlich, wenn die Wahrnehmung der den Privaten übertragenen Staatsfunktionen deren gesamte Berufstätigkeit dergestalt durchgehend, allseitig, unabgrenzbar prägt, daß dem entsprechende Befugnisse und eine disziplinarähnliche Bindung an den verleihenden Amtsträger zwingend korrespondieren müssen. Wird hier das Prinzip der aufgabenangepaßten Bindung nicht ernstgenommen, so kann eines Tages ein autoritärer Gesetzgeber die Freiheit ganzer Berufszweige in der Globalbindung einer Veramtung vernichten, die zu Formen des Ständestaats führt. Den Grundsätzen des demokratischen Rechtsstaates würde — das kann hier nur in einem Ausblick angedeutet werden — lediglich die Verwendung des Amtsbegriffes im umgekehrten Sinn entsprechen: hier könnten Staatsfunktionen, die heute bürokratisch-behördenmäßig wahrgenommen werden, auf private Amtswalter „dezentralisiert" werden. Das Experiment des Einsatzes ihrer Privatinitiative wäre dann vielleicht nur Durchgangsstufe in einer Privatisierung von Staatsfunktionen. Doch damit ist heute kaum zu rechnen — bis auf weiteres wird sich das „Absterben des Staates" nicht in der Initiative Privater vollziehen, sondern im nivellierenden Autoritätsabbau innerhalb der Verwaltung, die in sich zur Massengesellschaft wird.

Unvereinbarkeit von öffentlichem Dienst und Abgeordnetenstellung* I. Die Fragestellung — Gesetzgebung und bisherige Verfassungsrechtsprechung Zu beurteilen ist die Frage, ob nach baden-württembergischem und deutschem Verfassungsrecht die in Baden-Württemberg fur die unmittelbaren Landesbediensteten höheren Ranges statuierte Unvereinbarkeit von öffentlichem Amt und Landtagsmandat in diesem Land auf alle anderen Staatsbediensteten erstreckt werden muß oder erstreckt werden sollte. Von besonderem rechtlichen und politischen Gewicht ist das Problem, ob leitende kommunale Wahlbeamte, vor allem Bürgermeister, zugleich Abgeordnete des Landtags sein können oder weiterhin sein sollten.

1. Geltende gesetzliche Regelungen der Materie

Das Grundgesetz gestattet in Art. 137 Abs. 1 dem Landesgesetzgeber u.a. die Beschränkung der „Wählbarkeit von Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes". Diese mögliche Begrenzung der Wählbarkeit (Eligibilität) ist jedoch, wie noch darzulegen sein wird, nicht identisch mit der Statuierung einer Unvereinbarkeit (Inkompatibilität) zwischen Abgeordnetenmandat und Beamtenstellung. Die Verfassung von Baden-Württemberg enthält keine ausdrückliche Regelung der Frage. Das Landesgesetz über die Rechtsstellung der in den Landtag gewählten Angehörigen des öffentlichen Dienstes (Rechtsstellungsgesetz) vom 25.7. 1955 (GBl. S. 112) sieht dagegen in § 1 vor, daß ein Landesbeamter, der zum Mitglied des Landtages gewählt ist, mit dem Tage der Annahme der Wahl in den einstweiligen Ruhestand tritt, wenn er bei einer obersten Landesbehörde im Range vom Amtmann an aufwärts, als Staatsanwalt oder bei einem Regierungspräsidium, einer Landesoberbehörde oder einer höheren Sonderbehörde im Range vom Amtmann an aufwärts planmäßig angestellt oder wenn er Richter ist. Aus dem Umkehrschluß folgt eindeutig, daß für die anderen Staatsbeamten, insbesondere fur Beamte der mittelbaren Staatsverwaltung, keine Inkompatibilität zwischen Amt und Mandat statuiert ist. Für Angestellte im öffentlichen Dienst gilt eine entsprechende Regelung (§ 6 * Erstveröffentlichung in: Schriften des Bundes der Steuerzahler 1968, Heft Nr. 33.

Unvereinbarkeit von öffentlichem Dienst und Abgeordnetenstellung

41

Rechtsstellungsgesetz), welche die dienstrechtlich zulässige Form der Inkompatibilität in ihrem Fall darstellt. Wiederum ist für alle anderen Angehörigen des öffentlichen Dienstes nichts Entsprechendes bestimmt worden. Für Arbeiter fehlt jede Regelung. Die Inkompatibilität von Amt und Mandat ist zur Zeit in den Ländern noch unterschiedlich geregelt1. Das Beamtenrechtsrahmengesetz vom 1.10. 1961 (BGBl. I S. 1835) § 33 gestattet für den Fall der Annahme der Wahl zum Mitglied der Volksvertretung oder der Vertretungskörperschaft des Dienstherren die Versetzung aller betreffenden Beamten, also auch der der mittelbaren Staatsverwaltung, in den einstweiligen Ruhestand. Von dieser Ermächtigung haben die Länder Niedersachsen2 und Bayern3 Gebrauch gemacht. Es fragt sich, ob dies auch in Baden-Württemberg nach Verfassungsrecht geschehen muß oder geschehen soll.

2. Die Stellungnahme des Bundesverfassungsgerichts

Das Bundesverfassungsgericht hat sich mehrfach im Anschluß an Art. 137 Abs. 1 GG mit der Frage der Inkompatibilität befaßt. Es hat zunächst allgemein ausgesprochen, diese Bestimmung wolle die organisatorische Gewaltenteilung gegen Gefahren sichern, die durch ein Zusammentreffen von Exekutivamt und Abgeordnetenmandat entstehen könnten4. Später hatte es darüber zu befinden, ob die Erstreckung der Inkompatibilität (hinsichtlich der Landtagsmandate) auf den niedersächsischen Gemeindedirektor verfassungsmäßig sei. Es hat dies bejaht und dabei folgende für die zu beurteilende Frage wichtige Grundsätze aufgestellt 5: - Der Grundsatz der Gewaltenteilung verlangt zwingend die Inkompatibilität zwischen Amt und Mitgliedschaft in der Vertretungskörperschaft desselben Gemeinwesens. — Wo eine Interessenkollision zwischen Amt und Mandat möglich ist, kann Unvereinbarkeit statuiert werden. Interessenkollision besteht (jedenfalls) dann, wenn der Beamtenabgeordnete an der Beschlußfassung über Gesetze 1

Überblick bei Nilges, H., Der Beamte als Abgeordneter, ZBR 1962, S. 104 (109 f.).

2

§§ 105/108 Nds. Beamtengesetz vom 14. Juli 1960 (GVB1. S. 145) i.d.F. vom 1. März 1963 (GVB1. S.95). 3 Bay. Gesetz über die Unvereinbarkeit von Amt und Mandat fur Angehörige des öffentlichen Dienstes (Rechtsstellungsgesetz) vom 23. Juni 1966 (GVB1. S. 195). 4

BVerfGE 12, 73 (77).

5

BVerfGE 18, 172 (183).

Teil I: Beruf — Amt — Mandat

42

mitwirken würde, die er nachher als Vollzugsorgan auf kommunaler Ebene auszuführen hätte. Dies ist „mindestens" bei den sog. Auftragsangelegenheiten der Fall. - Wenn eine derartige Interessenkollision nicht denkbar ist, darf eine Inkompatibilität nicht vorgesehen werden6. Damit steht nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts fest, daß die Mitgliedschaft von Beamten niederen Ranges im Landtag von BadenWürttemberg mit dem Bundesrecht unvereinbar ist. § 1 des Rechtsstellungsgesetzes ist insoweit verfassungswidrig 7. Nach diesen Prinzipien ergibt sich für das geltende Verfassungsrecht, daß der Gesetzgeber von Baden-Württemberg jedenfalls berechtigt wäre, die Inkompatibilität auf sämtliche Angehörige des öffentlichen Dienstes der mittelbaren Staatsverwaltung unterhalb der Bürgermeister/Beigeordnetenebene auszudehnen. Dasselbe muß aber auch für die hauptamtlichen kommunalen Wahlbeamten gelten: ihr Status ist dem des niedersächsischen Gemeindedirektors insoweit vergleichbar, als Interessenkollisionen ebenfalls möglich sind und die hauptamtlichen Bürgermeister und Beigeordneten in Baden-Württemberg wie jener „von einer politischen Instanz auf Zeit gewählt werden"8. Gerade im Fall des niedersächsischen Gemeindedirektors ist aber die Inkompatibilität als zulässig erklärt worden. Was die ehrenamtlichen Bürgermeister anlangt, so hat das Bundesverfassungsgericht die Zulässigkeit der Unvereinbarkeit nur mit der Begründung abgelehnt, bei Ehrenbeamten sei kein Beamtenstatus gegeben. Nur Beamte dürften aber nach Art. 137 Abs. 1 GG in ihrer Wählbarkeit beschränkt werden9. Die Möglichkeit des Interessenkonflikts ist jedoch als solche auch hier nicht in Zweifel gezogen worden. Es ist fraglich, ob die völlige Gleichsetzung von Ineligibilität und Inkompatibilität richtig, ob also Art. 137 GG überhaupt auf den Fall der Inkompatibilität anwendbar ist (dazu unten II). Wenn dies der Fall ist, dürfte für alle Ehrenbeamten der mittelbaren Staatsverwaltung in Baden-Württemberg die Inkompatibilität kraft Bundesrecht nicht eingeführt werden. Steht demnach die Berechtigung zur Einführung der Unvereinbarkeit jedenfalls für die hauptamtlich in der mittelbaren Staatsverwaltung Tätigen außer Zweifel, so läßt sich dem Urteil des BVerfG nicht mit derselben Eindeutigkeit entnehmen, ob der Gesetzgeber von Baden-Württemberg dazu auch 6

AaO. S. 184.

7

Zur näheren materiellrechtlichen Begründung dieser Feststellung vgl. unten III und IV.

8

Vgl. BVerfGE 18, 172 (175); vgl. § 50 GO.

9

AaO. S. 185.

Unvereinbarkeit von öffentlichem Dienst und Abgeordnetenstellung

43

(nach Bundesverfassungsrecht) verpflichtet ist. Nach dem Gericht „kann" die Inkompatibilität eingeführt werden10, was dem Wortlaut von Art. 137 Abs. 1 GG entspricht. Nach herkömmlicher Auslegungsmethode könnte dies als Einräumung eines gesetzgeberischen Ermessens erscheinen: die zur Zeit geltende Regelung von Baden-Württemberg wäre dann mit dem Grundgesetz vereinbar, der Gesetzgeber müßte insoweit die Kumulierung von Amt und Mandat nicht beseitigen. Immerhin sprechen aber auch beträchtliche Gründe dafür, daß das Gericht die Inkompatibilität bei mittelbaren Staatsbediensteten als allein dem Grundgesetz entsprechend ansieht. Es stellt zunächst fest, daß nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung niemand Amt und Mandat in demselben Gemeinwesen innehaben dürfe. Dies wird eindeutig als unabdingbarer Rechtsgrundsatz herausgestellt. Dabei sei es — so heißt es dann weiter — „gerechtfertigt", die Inkompatibilität etwa im Verhältnis Landesbeamter-Landtag einzuführen. Hier zeigt sich, daß das Gericht keine streng technische Terminologie verwendet: wenn man seiner Praemisse folgt, ist es nicht nur „gerechtfertigt", es ist dann „notwendig", „erforderlich", die Unvereinbarkeit einzuführen. Im folgenden Satz geht das Gericht zu dem Problem der Unvereinbarkeit auf verschiedenen Ebenen über (Gemeinde-Staat) und meint, „sie (die Wählbarkeit) kann (Hervorhebung vom Verfasser) aber auch beschränkt werden" für den Landtag. Die hier feststellbare Gleichsetzung mit dem ersten Fragenkomplex („aber auch") deutet darauf hin, daß das Gericht auch hier eine Rechtspflicht annehmen will. Die Verwendung der Ermessensformel („kann") steht nicht entgegen, weil, wie dargelegt, ein streng technischer Sprachgebrauch nicht festzustellen ist11. Ein wesentlicher Gesichtspunkt zugunsten der Erforderlichkeit (und nicht nur Möglichkeit) der Einführung der Inkompatibilität zwischen verschiedenen Ebenen bei möglicher Interessenkollision liegt schließlich darin, daß das Gericht eindeutig die „Kann-Formel" von Art. 137 Abs. 1 GG wenigstens für den Fall der gleichen Ebene zur „Muß-Formel" bei Interessenkollision verengt hat. Dann aber steht nichts entgegen, diese Grundsatzvorschrift wie folgt zu lesen: „Die Unvereinbarkeit kann stets, bei (drohender erheblicher) Interessenkollision muß sie eingeführt werden".

Es würde nach dieser Auslegung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts genügen, die Möglichkeit der Interessenkollision darzulegen, die aber auch für alle nichtehrenamtlichen öffentlichen Bediensteten der mittelbaren Staatsverwaltung schon daraus folgen würde, daß sie eben wesentlich Gesetze ausführen, die sie vorher mitbeschließen. 10 11

AaO. S. 183.

So heißt es im folgenden Satz wieder, diese (Inkompatibilität) „müsse" wenigstens für die Auftragsangelegenheiten gelten.

44

Teil I: Beruf — Amt — Mandat

Mit einer nicht geringen Wahrscheinlichkeit ist also schon nach den bisherigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts anzunehmen, daß der gegenwärtige Rechtszustand in Baden-Württemberg dem Grundgesetz (Gewaltenteilung in Verbindung mit Art. 137 Abs. 1 GG) nicht entspricht. Typisch für die Verfassungsrechtsprechung ist es jedoch, daß dies nicht mit voller Eindeutigkeit an dem interpretierten Urteil abzulesen ist; dieses zeigt eine deutliche Rechtsprechungstendenz, die das „kann" in ein „muß" zu verengen trachtet, bei der aber nicht eindeutig feststeht, ob das Gericht diese strenge letzte Folgerung heute schon ziehen würde. Aufgabe der folgenden Darlegungen ist es daher, die Gedankengänge des Bundesverfassungsgerichts in ihrer Konsequenz zu untersuchen und zu vertiefen und zu prüfen, was für oder gegen den Zwang zur Inkompatibilität auf gleicher und auf verschiedener Ebene spricht. Im Ergebnis wird sich dann zeigen, ob die eben als möglich, ja als wahrscheinlich herausgestellte Auslegung der Urteile des Bundesverfassungsgerichts dem geltenden öffentlichen Recht entspricht, oder ob sie als zu weitgehend abzulehnen ist. Zusätzlich sind noch Gesichtspunkte des baden-württembergischen Landesrechts zu würdigen. 3. Gang der Untersuchung

In diesem Sinne wird unter II. eine Vorklärung des Begriffs der Unvereinbarkeit geboten und sodann unter III. und IV. die Problematik der Inkompatibilität von Amt und Mandat auf gleicher Ebene dargestellt. Die Anwendbarkeit dieser Grundsätze auf die besonderen Verhältnisse der mittelbaren Staatsverwaltung ist sodann in V. zu untersuchen. Dort wird auch auf die speziellen Probleme der Ehren- und Wahlbeamten einzugehen sein. Unter VI. wird schließlich gefragt, was der Gleichheitssatz im Hinblick auf die Gleichstellung von höher- und niederrangigen sowie von mittelbaren und unmittelbaren Staatsbediensteten bedeutet. II. Inkompatibilität zwischen Beamtenstellung und Abgeordnetenmandat — Allgemeines Das Bundesverfassungsgericht hat die Unvereinbarkeit am Grundsatz der organisatorischen Gewaltenteilung gemessen. Von diesem Prinzip ist daher auszugehen, nachdem der Begriff der Inkompatibilität geklärt ist. a) Unterscheidung von Ineligibility

und Inkompatibilität

In Art. 137 Abs. 1 GG ist nur von der Beschränkung der Wählbarkeit die Rede. Diese (partielle) Ineligibilität ist von der Inkompatibilität zu unterschei-

Unvereinbarkeit von öffentlichem Dienst und Abgeordnetenstellung

45

den12, wenn dies auch nicht immer eindeutig geschieht. Die Wählbarkeit wird nur dort ausgeschlossen, wo der öffentliche Bedienstete überhaupt nicht als Kandidat aufgestellt werden kann13. Eine Wahl, die entgegen einer NichtWählbarkeit vorgenommen wird, ist nichtig14. Angesichts der besonderen Bedeutung der Wählbarkeit in der freiheitlichen Demokratie15 (passives Wahlrecht) hat der Gesetzgeber bei der Beschränkung der Eligibilität „nur einen engen Ermessensspielraum. Differenzierungen in diesem Bereich bedürfen stets eines besonderen rechtfertigenden Grundes"16. Demgegenüber können sich im Falle einer Inkompatibilität die öffentlichen Amtsträger „als Wahlbewerber aufstellen lassen und haben Anspruch auf den zur Vorbereitung ihrer Wahl erforderlichen Urlaub. Werden sie gewählt, so treten sie mit dem Tag der Annahme der Wahl in den Ruhestand mit dem bis zu diesem Tag erdienten Ruhegehalt. Nach Beendigung der Mitgliedschaft in der Volksvertretung müssen sie auf Antrag wieder in das Beamtenverhältnis berufen werden" — so umschreibt das Bundesverfassungsgericht eine typische Inkompatibilitätsregelung17. Nach ganz h.L. wird also die Wählbarkeit durch die Unvereinbarkeit nicht beseitigt: der Beamte ist Kandidat, er wird gewählt; entscheidet er sich fur das Amt, so verliert er das Mandat; zieht er das Mandat vor, so ruht das Amt 18.

b) Faktische Ineligibility

durch Inkompatibilität

Art. 137 Abs. 1 GG wäre nach dieser begrifflichen Unterscheidung auf die Unvereinbarkeit überhaupt unanwendbar. Der Gesetzgeber hätte unabhängig von den dort aufgestellten Grenzen die Pflicht, Unvereinbarkeit entsprechend dem Grundsatz der Gewaltenteilung vorzusehen. In Art. 137 Abs. 1 GG ist 12

Vgl. dazu Weber, W., Parlamentarische Unvereinbarkeiten (Inkompatibilitäten), AöR n.F. 19/20 (1930), S. 161 f. (166): Inkompatibilitäten im engeren und weiteren Sinn. 13 Weber (Fn. 12), S. 166; Seifert , K.H., Das Bundeswahlgesetz, 2. Aufl. Berlin/Frankfurt 1965, Anm. 7 (S. 107) vor § 12 BWG. 14

Jess, in Bonner Kommentar, Art. 137 II A 2; Maunz/Dürig, Rdnr. 15.

Grundgesetz, Art. 137

15 Dazu Braunias, K., Das parlamentarische Wahlrecht, 2. Bd. AT, Berlin /Leipzig 1932, S. 108. 16

BVerfGE 12, 73 (77).

17

BVerfGE 18, 172 (181).

18

Dazu u.a. Seifert (Fn. 13); Ueber, AöR 1930, S. 166; Jess (Fn. 14), Art. 137 II A 2; Maunz/Dürig (Fn. 14); Kratzer, J., Die Gewaltentrennung und Art. 30 der BayVerf., BayVBl. 1962, S. 374 (375); vgl. auch v. Mangoldt/Klein, Das Bonner GG, 2. Aufl. 1964, S. 992.

Teil I: Beruf — Amt — Mandat

46

jedoch nur von einer Möglichkeit der „Beschränkung der Wählbarkeit" die Rede. Es fragt sich daher, ob die Inkompatibilität nicht doch als eine Beschränkung der Wählbarkeit angesehen werden muß. Es ist sicher nicht begriffsnotwendig, Wählbarkeitsbeschränkung und Unvereinbarkeit gleichzusetzen. Als eine Gestaltung ersterer Art wäre es etwa anzusehen, wenn das passive Wahlrecht eines Beamten automatisch erlöschen würde, wenn er sein Amt nicht bis zu einem bestimmten Zeitpunkt vor der Wahl niederlegte19. Es zeigt aber gerade dieser Fall, der letztlich nur eine antizipierte Inkompatibilität statuieren würde, daß die Übergänge fließend sein können. Gelegentlich wird denn auch die Inkompatibilität als eine Durchbrechung des Prinzips der Wählbarkeit angesehen20. Die Unvereinbarkeit wirkt etwa dann auf die Wählbarkeit hinüber, wenn der Gesetzgeber die Besoldungsverhältnisse des gewählten Beamten derart verschlechtert, daß ihm die Annahme der Wahl nicht rechtlich, wohl aber faktisch unmöglich gemacht wird 21. Eine solche „Benachteiligung" liegt aber nicht schon darin, daß infolge einer Inkompatibilitätsregelung ein Beamter sein Amt vorübergehend nicht mehr ausüben kann. Nicht jede Bedingung, die fur den Beamten gilt, nicht aber für jeden anderen Staatsbürger, stellt bereits eine so weitgehende Erschwerung der Übernahme des Mandats dar, daß Inkompatibilität zur Ineligibilität würde22. In derselben Richtung bewegt sich die Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht: Es unterscheidet zunächst Beschränkung der Wählbarkeit und Unvereinbarkeit, prüft aber im einzelnen, ob die Gesamtregelung der Rechtsstellung des Beamten nach Annahme und nach Beendigung seines Parlamentsmandates seine Wählbarkeit in den Landtag nicht doch „faktisch" ausschließt23. Nach dem klaren Sinn der Entscheidung ist dies dann nicht der Fall, wenn die Stellung des Beamten bei Übernahme des Mandats nicht so ungünstig wird, daß er faktisch keine freie Wahlmöglichkeit zwischen Amt und Mandat mehr hat. Dies gibt denn auch ein praktisches Abgrenzungskriterium zwischen Beschränkung der Wählbarkeit und Inkompatibilität: Wo immer eine gesetzliche Regelung dem Beamten echte Wahlmöglichkeit eröffnet, insbesondere dort, wo sein Amt nur ruht, nicht verlorengeht — 19

Maunz/Dürig,

GG, Rdnr. 15 zu Art. 137; vgl. auch aaO. Art. 28 Rdnr. 41.

20

Vgl. etwa Seifert (Fn. 13), S. 40; Groß, R., RiA 12 (1965), S. 132; Schneider, ZBR 1958, S. 78 (80); Sturm, G., Die Inkompatibilität, München 1967, S. 130/1. 21

Ule, C.H., Öffentl. Dienst, in: Die Grundrechte IV/2, S. 537 (656/61).

22

Der Einwand von Sturm (Fn. 20), S. 131 Anm. 2 schlägt also nicht durch.

23

BVerfGE 18, 173 (182).

H.,

Unvereinbarkeit von öffentlichem Dienst und Abgeordnetenstellung

47

dort liegt keine Einschränkung der Wählbarkeit vor, Art. 137 Abs. 1 GG ist auf einen solchen Fall überhaupt nicht anwendbar24. Die Frage, ob Art. 137 Abs. 1 GG eine „Normierungspflicht" fur Inkompatibilität vorsehe25, ist deshalb im vorliegenden Fall nicht zu vertiefen: Art. 137 Abs. 1 zieht der Statuierung von Inkompatibilität nur dort Grenzen, wo sich diese als „faktische" Beschränkung der Wählbarkeit auswirkt, auf die Eligibilität hinüberwirkt, weil eine echte Wahlmöglichkeit fur den Beamten ausgeschlossen ist26. Daß Inkompatibilitäten (unter Ruhen des Beamtenstatus) mit der Verfassung vereinbar sind, ist denn auch heute allgemein anerkannt27. Selbst wenn jedoch dieser Auffassung nicht gefolgt werden könnte, so würde sich die Verpflichtung zur Einfuhrung durchgehender Inkompatibilität zwischen öffentlichem Dienst und Landtagsmandat daraus ergeben, daß insoweit „kann" in Art. 137 Abs. 1 GG als „muß" zu lesen ist. Die Kumulierung von Amt und Mandat verstößt gegen zahlreiche normative Grundentscheidungen des Bundes- und Landesverfassungsrechts, so daß sich ein etwaiger Ermessensspielraum fur den Landesgesetzgeber zur Verpflichtung der Einfuhrung durchgehender Inkompatibilität verengt. Dies ist im folgenden Kapitel III. nachzuweisen.

III. Unvereinbarkeit von Staatsamt und Abgeordnetenmandat 1. Inkompatibilität und Gewaltenteilung

Die Frage, ob die personelle Verbindung von Amt und Mandat mit Bundes· oder Landesverfassungsrecht vereinbar sei, wird in der Regel und mit Recht28 zunächst dahin gestellt, ob nicht die Gewaltenteilung eine durchgehende Inkompatibilitätsregelung erfordere.

24

Bedenklich und inkonsequent daher BVerfGE 18, 173 (185), wo von den Ehrenbeamten behauptet wird, für sie dürfe eine Inkompatibilität gar nicht festgelegt werden, weil sie nicht Beamte im Sinne von Art. 137 Abs. 1 GG seien. 25 Ablehnend z.B. Maunz/Dürig, S. 656.

GG, Art. 137 Rdnr. 1; a.A. offenbar Ule (Fn.21),

26

In diesem Sinne ist zu verstehen BVerfGE 18, 183/4; 12, S. 73 (80/1).

27

Vgl. BVerfGE 12, 73 (80/1).

28

Dazu m. Nachw. Sturm (Fn. 20), S. 150 f.

48

Teil I: Beruf — Amt — Mandat

a) Die Verletzung der Gewaltenteilung durch die Kumulierung von Amt und Mandat Im geltenden Bundesverfassungsrecht ist die Gewaltenteilung in besonders feierlicher Weise verankert worden (vgl. Art. 20, 79 Abs. 3 GG): Sie ist unabänderliche Grundlage des gesamten deutschen Staatsaufbaues; Art. 28 GG macht ihre Wahrung auch den Verfassungsgebern der deutschen Länder zur unbedingten Pflicht. Die Verfassung von Baden-Württemberg übernimmt in Art. 25 nahezu wörtlich die Formulierungen des Grundgesetzes. Gewaltenteilung kann als Trennung der Organe, der Funktionen, oder der diese ausübenden Personen verstanden werden29. Der historische Ausgangspunkt der Lehre von der Gewaltenteilung ist die Sorge, daß die Vereinigung mehrerer Funktionen in einer Hand die Freiheit bedrohe30. Zentrum, Kernbereich der Gewaltenteilung ist also die personelle Gewaltenteilung, ohne die das Prinzip zum Organisationsschema ohne politische Bedeutung verblassen würde. Im Bundesstaatsrecht ist daher folgerichtig die personelle Gewaltenteilung besonders stark ausgeprägt: Das Deutsche Richtergesetz trennt die Dritte Gewalt völlig von den beiden anderen, das Rechtsstellungsgesetz scheidet personell Legislative und Exekutive, Richter- und Beamtengesetze schließlich trennen grundsätzlich Verwaltung und Gerichtsbarkeit in personeller Hinsicht. Eine generelle Tendenz ist ersichtlich, die Gewalten grundsätzlich personell zu separieren31 und den Pouvoirs Aufgaben anderer Gewalten nur in dem Umfang zu übertragen, den ihre Unabhängigkeit erfordert 32. Schon auf den ersten Blick erscheint die Kumulierung von Staatsamt und Landtagsmandat nicht nur als eine schwerwiegende Verletzung der personellen Gewaltenteilung, sondern als deren totale Aufhebung: Personen, die hauptamtlich und angeblich unter Einsatz ihrer „vollen Arbeitskraft" in der Exekutive tätig sind, üben unter Einsatz derselben Arbeitskraft ebensovoll die legislative Gewalt aus. Besonders bedenklich wird dies dort, wo dieselben 29

Süsterhenn /Schäfer, Art. 77 Anm. 2.

Kommentar der Verfassung für Rheinland-Pfalz, Koblenz 1950,

30 Die Untersuchungen von Sturm (Fn. 20), S. 21 f. zeigen deutlich, daß die objektive (funktionelle) Gewaltenteilung in der englischen und französischen Verfassungsentwicklung, aus der die Gewaltenteilung herausgewachsen ist, keine zentrale Bedeutung hatte, sondern diese erst in der Staatsphilosophie des deutschen Konstitutionalismus erhalten hat, dessen Grundentscheidungen dem heutigen Staatsverständnis in vielem ferner stehen als die Staatstheorie der Aufklärung. 31 Vgl. Bundesbeamtengesetz i.d.F. vom 1.10.1961 (BGBl. III Nr. 2030-2), §§ 28, 57, 89 Abs. 3; Soldatengesetz v. 19.3.1956 (BGBl. I, S. 114), § 25. 32

Keine wirklichen Überschneidungen der Gewalten liegen etwa dort vor, wo Verwaltungsaufgaben von Gerichts- oder Parlamentspräsidenten wahrgenommen werden.

Unvereinbarkeit von öffentlichem Dienst und Abgeordnetenstellung

49

Personen auch in der Exekutive (etwa als Bürgermeister mittlerer oder größerer Städte) führende Positionen einnehmen: Als Abgeordnete stehen sie ohnehin „im Zentrum der ersten Gewalt" — sie kumulieren daher in ihrer Person Zentralbereiche der beiden wichtigsten Gewalten, auf deren grundsätzlicher Trennung der gesamte deutsche Konstitutionalismus seit über 100 Jahren aufbaut. Diese totale Aufhebung der personellen Gewaltenteilung beeinträchtigt auch die organisatorische, ja die funktionelle Gewaltenteilung: Wenn in den verschiedenen Gewalten dieselben Personen beherrschend tätig sind, so hat die Gewaltenteilung auch als Organisationsschema nur mehr sehr beschränkt Bedeutung, weil sie ja, auch dort, wie sich noch zeigen wird, ganz wesentlich auf gegenseitige Hemmung und Kontrolle aufbaut. Das Ausmaß der Verletzung des Gewaltenteilungsgrundsatzes hängt zwar im einzelnen vom Umfang der Kumulierung von Amt und Mandat bei den Volksvertretungen ab33, dem Grundsatz nach ist aber die Kumulierung an sich bereits die Aufhebung echter gewaltenteilender Ordnung. b) Die Bedenken gegen eine Ableitung durchgehender Inkompatibilität aus der Gewaltenteilung Die Amt-Mandat-Kumulierung steht in so offensichtlichem Widerspruch zur Gewaltenteilung, daß kaum verständlich ist, warum nicht von jeher strenge und durchgehende Inkompatibilität als die allein verfassungskonforme Gestaltung angenommen worden ist34. Diese Zurückhaltung hat jedoch mehrere Gründe. aa) Die „unvollständige" Gewaltenteilung Die funktionelle Gewaltenteilung ist, so heißt es, nicht „rein" durchgeführt. Organe, ja Personen, die im Räume einer Gewalt stehen, üben laufend Funktionen anderer Pouvoirs aus: Die Gerichtsbarkeit greift durch Verfassungskontrolle und Verwaltungsgerichtsbarkeit wenigstens negativ in den Bereich der ersten und zweiten Gewalt ein, die Legislative beeinflußt durch ihr Kontrollrecht den Raum der Exekutive, diese durch Richterernennung die Judikative, durch Initiativrecht und Ausfertigung der Gesetze das Gesetzgebungsrecht des Parlaments. Leichthin wird daraus gefolgert 35, das Prinzip erlaube viele Durchbrechungen, könne daher auch durchgehende Inkompatibilität nicht erzwingen. 33 Vgl. dazu Partsch, K.J., Verfassungsprinzipien und Verwaltungsinstitutionen, Tübingen 1958, S. 24 Anm. 36. 34

Zur Tradition in Deutschland vgl. im einzelnen unten V.

35

Vgl. f. viele Groß, R., RiA 12 (1965), S. 132.

50

Teil I: Beruf — Amt — Mandat

Nähere Betrachtung zeigt jedoch, daß zwischen der Kumulierung von Amt und Mandat und diesen Gestaltungen tiefgreifende Unterschiede bestehen. Viele der angeblichen „Gewaltenüberschneidungen" sind in Wahrheit nur „Gewaltenberührungen": Die zentrale Ausübung einer Gewalt beeinflußt einen anderen Pouvoir, dessen Funktionen jedoch als solche gar nicht wahrgenommen werden; die betreffende Funktion liegt immerhin näher bei der einen als bei der anderen Gewalt36. In anderen Fällen ist es wiederum nur eine Definitionsfrage, ob eine „Berührung" überhaupt vorliegt 37. Fast alle derartigen „Überschneidungen" sind in den Verfassungen ausdrücklich vorgesehen und so wesentlich und tief in der deutschen Verfassungstradition begründet, daß sie bei jeder Form der Gewaltenteilung notwendig „mitgedacht" sind. Vor allem aber: es sind stets nur Überschneidungen in Randzonen zweier Gewalten, während anerkannt ist38, daß jedenfalls die „Kernbereiche" der drei Gewalten den Trägern derselben ausschließlich zuzuordnen sind. Dem Parlament muß die Setzung der obersten allgemeinen Normen und die Verabschiedung des Haushalts, der Regierung der Vollzug ersterer, die Gestaltung des Staatslebens im Rahmen des Haushaltsplanes und die Auswärtige Gewalt, der Judikative die endgültige Streitentscheidung überlassen bleiben. Ganz anders bei der Häufung von Amt und Mandat: Hier wird ein und dieselbe Person im Kernbereich von zwei Gewalten tätig. Nicht Überschneidung, sondern Kumulierung der Gewalten liegt vor. Dies aber ist verfassungswidrig. Die angebliche häufige „Durchbrechung" der Gewaltenteilung rechtfertigt also in keiner Weise die Kumulierung von Amt und Mandat. Eine derart schwere Verletzung der Gewaltenteilung ist dem deutschen öffentlichen Recht sonst unbekannt39.

bb) Die „Tradition der Kompatibilität von Amt und Mandat" Der Ableitung der Inkompatibilität als mittelbarer und zwingender Folge der Gewaltenteilung kann auch nicht mit dem Hinweis auf eine angebliche „deutsche Tradition" der Kumulierung von Amt und Mandat begegnet werden, die von jeher als mit der Gewaltenteilung vereinbar angesehen worden wäre.

36

So etwa im Falle der Verwaltungs- und Verfassungsgerichtsbarkeit.

37

So könnte als Legislative eben nur die Beschlußfassung über Gesetze, nicht deren Vorbereitung angesehen werden, welche zum Wesen der „informierten Gewalt", der Regierung gehört. 38

Vgl. dazu Sturm (Fn. 20), S. 40.

39

Zu den Besonderheiten des Ministeramts vgl. unten 5.

Unvereinbarkeit von öffentlichem Dienst und Abgeordnetenstellung

51

Ein solches „Herkommen" der Häufung von Amt und Mandat ist in Deutschland weder dauernd gepflegt, noch kritiklos hingenommen worden40. Erst nach 1848 konnte sich die Zulässigkeit der Kumulierung in Abkehr von französischen Rechtsvorstellungen durchsetzen41. Schon in der preußischen Konfliktzeit wurde sie wieder und von keinem Geringeren als Bismarck in Frage gestellt42. Zwar hob die Reichsverfassung von 1871 in Art. 21 jede Erschwerung der Mandatsübernahme auf 43, und auch nach Art. 130 Abs. 2 WV war die Wahrnehmung eines politischen Mandats mit der Beamtentätigkeit schlechthin vereinbar 44. Doch schon in der Weimarer Zeit meldete sich wieder Kritik 45 : Carl Schmitt bedauert, daß der Sinn fur die — zulässige — Einfuhrung einer Inkompatibilität fur Beamte in Deutschland zu fehlen scheine46. Werner Weber sieht ihren Sinn nicht mehr so sehr darin, die Unabhängigkeit der Parlamentarier gegenüber staatlicher Machtanmaßung zu schützen, als vielmehr darin, die parteipolitische Durchdringung des Beamtenapparates zu vermeiden47. Nach 1945 versuchten die angelsächsischen Besatzungsmächte an eigene Rechtstradition anknüpfend, die Inkompatibilität in Deutschland durchzusetzen48, was Beifall und Kritik gefunden hat49. Das Bundesrecht hat diese Rechtsvorstellungen nach 1945 im wesentlichen übernommen. Von einem Herkommen könnte also nur fur einige Jahrzehnte der deutschen Verfassungsgeschichte gesprochen werden. Aber auch während dieser Zeit wurde die Kompatibilität nicht aus einem bestimmten einengenden Verständnis der Gewaltenteilung heraus zugelassen. Nicht dieses Prinzip - das man zum Teil überhaupt ablehnte - sondern Erwägungen der Zweckmäßigkeit und Opportunität standen im Vordergrund 50. Dies gilt noch für die Weimarer Zeit51. In der Zulassung der Kumulierung kann also - jedenfalls in der Kaiserzeit - nicht ein bestimmtes oder gar ein spezifisch deutsches Verständ40 Näher dazu Schumann, K., Die Entwicklung der Rechtsstellung des Beamten als Abgeordneten, ZBR 1962, S. 97 ff., sowie Sturm (Fn. 20), S. 119 ff. 41

Sturm (Fn. 20), S. 120.

42

Sturm (Fn. 20), S. 121.

43

Vgl. dazu Braunias (Fn. 15), S. 117/8.

44

Vgl. Jess (Fn. 14), Art. 137 II A 1.

45

Sturm (Fn. 20), S. 123.

46

Verfassungslehre, Berlin 1928, S. 255.

47

AöR 1930, S. 208/10.

48

Dazu näher Sturm (Fn. 20), S. 123/4.

49

Vgl. etwa NN, Beamte als Abgeordnete , AöR 75 (1949), S. 105 (106 f.); Loewenstein, K., Verfassungslehre, Tübingen 1959, S. 193/4. 50

Sturm (Fn. 20), S. 123.

51

Vgl. etwa die Ausführungen von Braunias (Fn. 15), S. 118.

5 Leisner, Beamtentum

52

Teil I: Beruf — Amt — Mandat

nis der Gewaltenteilung gefunden werden. Die Weimarer Verfasung hat nur übernommen. Die Kritik setzte sogleich ein, als erstmals die verfassungsrechtliche Bedeutung des Gewaltenteilungsprinzips bewußt wurde. Selbst wenn aber nach 1871 oder in der Weimarer Zeit die Gewaltenteilung in diesem Bereich als ein allgemeines, direktives Prinzip verstanden worden sein sollte, das eine Kompatibilität rechtlich nicht ausschloß, so war dies damals aus verfassungsrechtlichen Gründen noch verständlich, die heute nicht mehr gelten: Die Reichsverfassung von 1871 sah keine Ministerverantwortlichkeit vor. Damit entfiel für das damalige Recht das fur die Inkompatibilität wesentliche Argument, daß die kontrollierte Exekutive nicht im kontrollierenden Parlament vertreten sein dürfe. Das Traditionsargument übersieht also, daß jede Verfassungsordnung ihre eigene Vorstellung von der Gewaltenteilung in sich trägt, und daß es unzulässig ist, eine solche Grundentscheidung aus anderen verfassungsrechtlichen Konstellationen heraus zu interpretieren. Daß sich nach den Erfahrungen der jüngeren Vergangenheit heute eine viel strengere Auffassung von der Gewaltenteilung durchgesetzt hat, zeigt allenthalben die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Vor allem aber hat sich nach 1871 oder 1919 bei weitem nicht so klar wie heute die Erkenntnis Bahn brechen können, daß oberste Konstitutionsprinzipien der Verfassung unmittelbare normative Relevanz besitzen. Wer dagegen heute die Kumulierung für verfassungsrechtlich zulässig hält, leistet einer normativen Relativierung unserer fundamentalen Verfassungsentscheidungen Vorschub und hebt damit den vielleicht bedeutsamsten Fortschritt auf, den die deutsche Verfassungstheorie in den vergangenen zwanzig Jahren erzielen konnte. Die Selbstgewichtigkeit grundgesetzlicher Entscheidung droht sich in historisierenden Opportunismus zu verflüchtigen. cc) Die Gewaltenteilung als „konkretisierungsbedürftiges" Verfassungsprinzip Nähere Betrachtung entkräftet also alle Argumente, welche die Gewaltenteilung „nur als ein oberstes Prinzip" erscheinen lassen möchten, aus dem rechtlich die Inkompatibilität nicht zwingend abgeleitet werden könne. Dennoch muß mit einer Schwierigkeit gerechnet werden: Die normative Wirkkraft einer Verfassungsnorm nimmt um so mehr ab, als sich die Allgemeinheit ihres Inhalts, ja ihre normative Ranghöhe steigert. Die neue Entwicklung des Verständnisses der Art. 1, 2 Abs. 1, 3 und 20 GG belegt dies. Auch eine Berufung auf die Gewaltenteilung muß daher stets mit dem Einwand rechnen, es handle sich hier nur um ein Prinzip, allenfalls noch um eine direktive Norm, welche aber allein derart spezielle Folgerungen wie die durchgehende Inkompatibilität nicht zu tragen vermöge.

Unvereinbarkeit von öffentlichem Dienst und Abgeordnetenstellung

53

Sicher liegt darin eine bedenkliche Entwicklung, eine Entwertung des normativ Höherrangigen, ein Sieg postglossatorischer Behutsamkeit, ein Erschlaffen der Kraft konstruktiv-systematischer Rechtsfortbildung, dem man sich bei aller Freude an feinen, nuancierenden Distinktionen nicht allzu sehr hingeben sollte. Immerhin erwachsen solche Bedenken aber auch aus dem Streben nach technischer Klarheit und Eindeutigkeit. Sie zwingen daher bei der folgenden vertiefenden Untersuchung der Zulässigkeit der Kumulierung zu einer besonderen Methode: Der normative Gehalt der Gewaltenteilung muß näher verdeutlicht werden. Dabei wird sich zeigen, daß eine Verbindung von Amt und Mandat nicht so sehr eine allgemeinste Verfassungsgeometrie stört, als vielmehr mit einer ganzen Reihe von — meist traditionellen Grundentscheidungen des deutschen Verfassungsrechts in unauflöslichem Widerspruch steht. Alle diese Grundentscheidungen sollen von dem einen Prinzip der Gewaltenteilung gesichert werden, das nun aber fur die folgende Betrachtung hinter ihnen zurücktreten wird. Auf diese Weise kann auch das dogmatische Verständnis der Gewaltenteilung gefordert werden, das vielleicht weniger als bisher das Prinzip deduktiv wirksam machen, sondern es vielmehr induktiv inhaltlich bestimmen sollte. Ein Mißverständnis muß jedoch ausgeschlossen bleiben: Es handelt sich bei der Gewaltenteilung nicht etwa um einen „konkretisierungsbedürftigen" Grundsatz von der Art, daß er aus sich selbst heraus nicht normativ wirksam wäre, sondern (verfassungs-)gesetzlich näherer Ausformung bedürfte. Von Konkretisierung kann vielmehr nur in dem Sinn die Rede sein, daß die Inkompatibilität von Amt und Mandat aus den einzelnen Inhalten der Gewaltenteilungsnorm abgeleitet und mit Blick auf die konkreten verfassungsrechtlichen Erfordernisse begründet wird, denen diese dient52

2. Die Inkompatibilität als notwendige Folge der Verfassungsgrundentscheidung für die rechtsstaatliche Beschränkung und Kontrolle der Staatsgewalt und für deren überwachte Effizienz

a) Beschränkte Machtausübung und Inkompatibilität Der gesamte neuere Konstitutionalismus geht von dem Axiom aus, daß jeder Mensch, der Gewalt hat, geneigt ist, diese zu mißbrauchen. Gewaltenteilung versucht daher zuallererst quantitative Minderung der Machtfiille. Hier bot sich von jeher eine Gestaltung an, die demjenigen, welcher den Gesetzesbefehl erläßt, die Ausführung der Gesetze oder die gesetzesfteie Gestaltung verbot. Die gewaltige Machtsteigerung der Staatsgewalt im modernen Versorgungsstaat läßt dies als immer dringlicher erscheinen: Im liberalen 52

5*

Dies ist auch das Anliegen von Sturm (Fn. 20), S. 150 f.

54

Teil I: Beruf — Amt — Mandat

Ordnungsstaat war der Einfluß des Staates an sich weit geringer als im Verteilungsstaat des 20. Jahrhunderts. Mit jeder Machtsteigerung des Staates verstärkt sich daher die Notwendigkeit, die Gewalt zu verteilen. Dafür bietet sich noch immer, ja gerade heute, die scharfe und durchgehende personelle Trennung von Exekutive und Legislative an: Eben diesen beiden Gewalten wächst nahezu gleichgewichtig die neue Machtfülle zu — der Legislative vor allem in der Allgewalt der Wirtschafts- und Sozialgesetzgebung, der Exekutive in deren gestaltendem Vollzug. Fällt Gesetzesbefehl und Gesetzesausführung zusammen, so konzentriert sich geradezu absolutistische Machtfülle in einer Hand53. Weniger Macht dem einzelnen — dieser Grundforderung der Verfassung kann auch nicht darin genügt werden, daß der Beamtenparlamentarier in beiden Gewalten nur als ein unbeachtlicher Teil im großen Räderwerk erschiene: In Baden-Württemberg kann dieselbe Person führende Positionen da und dort erreichen, sie kann Fraktionsführer und Oberbürgermeister einer Großstadt sein. Selbst das Gegenbeispiel — etwa der Beamte des einfachen Dienstes, der lediglich Zustimmungsparlamentarier ist, vereinigt, jedenfalls aus der Sicht des Staatsbürgers, wenn nicht Macht, so doch Machtmöglichkeiten in seiner Hand, die in den kleineren Verhältnissen des Landes schwerer wiegen, als bei den abstrakteren Großentscheidungen im Bunde. Die Kumulierung von Amt und Mandat verstößt also gegen die Verfassungsgrundentscheidung der Verteilung der Machtfülle auf verschiedene Staatsorgane. Diese Entscheidung ergibt sich aus der Existenz und steigenden Spezialisierung der Staatsorgane. Sie wird hier ohne jeden zwingenden Grund an einem zentralen Punkt mißachtet. Die Grundentscheidung „weniger Macht dem einzelnen" soll vor allem den Gewaltunterworfenen sichern: Wenn Rechtsstaatlichkeit kontrollierbare Machtgestaltung verlangt, so muß zuerst geteilt werden, weil Vollgewalt in sich unkontrollierbar bleibt. Hier heißt es in einem neuen Sinn „divide et impera". b) Kontrollierte

Machtausübung und Inkompatibilität

Die Gewaltenteilung will jedoch nicht nur die Machtfülle des einzelnen quantitativ verringern, sie will ihn zugleich durch die Gewalt hemmen, welche anderen Menschen zu seiner Kontrolle verliehen ist. In der Verfassungsordnung des Bundes und Baden-Württembergs baut insoweit die Gewaltenteilung auf dem herkömmlichen System der parlamentarischen Verantwort53

Kratzer, J., BayVBl. 1964, S. 79 (80); Ule, C.H., in: Die Grundrechte I V / 2 , Berlin 1962, S. 656; vgl. auch Rinck, H.J., JöR 1961, S. 296/7.

Unvereinbarkeit von öffentlichem Dienst und Abgeordnetenstellung

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lichkeit der Exekutive gegenüber der Volksvertretung auf. Mit ihm - und damit einer zentralen Grundentscheidung der Landesverfassung - ist die Kumulierung von Amt und Mandat nicht vereinbar 54. Der Beamtenparlamentarier gefährdet unmittelbar die Gewaltenteilung dadurch, daß sich in ihm die „kontrollierte Gewalt" (Exekutive) - und das ist die gesamte Bürokratie in der parlamentarischen Demokratie ganz wesentlich - in die kontrollierende Gewalt (Parlament) verwandelt55. Das Verfassungssystem des Bundes wie das von Baden-Württemberg geht durchwegs von einer Gegenüberstellung von Regierung und Parlament und einer Kontrolle der ersteren durch das letztere aus — so bei der Regierungsverantwortlichkeit, beim Zitierrecht gegenüber den Ministern u.ä.m. Der im Parlament sitzende Beamte kontrolliert seinen eigenen Geschäftsbereich, kann seinen eigenen Minister zitieren. Es bedarf keiner weiteren Begründung dafür, daß insoweit der gesamte Kontrollmechanismus des parlamentarischen Systems ausfallt. Es wird auch die notwendige Hierarchie innerhalb der Bürokratie aufs schwerste gestört — welcher Minister wird einem Beamten Befehle geben wollen, der ihn demnächst vor das Parlament laden kann? Dies beeinträchtigt wiederum die Verantwortlichkeit des Ministers, wie umgekehrt die Möglichkeit für das Parlament, seinen eigenen Willen wirksam zur Geltung zu bringen. Das für die ganze Staatsform schlechthin konstitutive System der checks and balances gegenseitiger Kontrolle und Hemmung ist auch dann schon beeinträchtigt, wenn nur wenige Beamtenparlamentarier gewählt werden56: Abgesehen davon, daß gerade sie bei knappen Mehrheitsverhältnissen den Ausschlag geben können — in wesentlichen Fragen der Kontrolle der Exekutive werden sich andere Parlamentarier gerade an ihre wirkliche - oder vermeintliche - bessere Sachkunde wenden. Ihr Einfluß wird daher nicht unerheblich über ihren zahlenmäßigen Anteil an den Parlamentssitzen hinausgehen. Jeder von ihnen erlangt darüber hinaus noch eine außerparlamentarische politische Stellung, welche gerade bei einem Amtsträger bedenklich ist, der politischer Kontrolle im Parlament unterliegen sollte. Die Häufung von Amt und Mandat richtet sich also so wesentlich und zentral gegen eine normative Grundentscheidung der Verfassung, daß es nicht mehr allein eine Frage politischer Zweckmäßigkeit sein kann, ob sie aufgegeben wird. Hier ist der Bereich politischer Gestaltungsfreiheit verlassen, wenn anders dem organisatorischen Verfassungsrecht überhaupt noch normativer Charakter zukommen soll. Auch diese Entscheidung für „kontrollierte 54 Dazu u.a. Köhler, J., Die Inkompatibilität in Bayern, München 1963, S. 35 ff.; NN, AöR 75 (1949) S. 105 (108); Sturm (Fn. 20), S. 151 unter Hinw. auf Max Weber und Walter Burckhardt. 55

Vgl. Maunz/Dürig,

56

Zur Unmöglichkeit einer zahlenmäßigen Beschränkung vgl. Sturm (Fn. 20), S. 152.

GG, Art. 137 Rdnr. 2.

56

Teil I: Beruf — Amt — Mandat

Macht" erwächst unmittelbar aus der Rechtsstaatlichkeit, sie ist die zentrale organisatorische Freiheitssicherung für den Bürger in der freiheitlichen Demokratie, die nicht Zweckmäßigkeitserwägungen geopfert werden darf. c) Spezialisierte Machtausübung und Inkompatibilität Die Verfassungsentscheidungen für beschränkte und kontrollierte Machtausübung (d.h. für Organvielfalt und parlamentarisches System) reduzieren und hemmen Staatsgewalt. Dabei spielt die Natur der separierten Gewalt in sich noch keine entscheidende Rolle. Es läßt sich jedoch auch eine Verfassungsgrundentscheidung dahin feststellen, daß diesem Wesen der jeweils gebildeten und sodann getrennten Gewalten jedenfalls im Kern Rechnung getragen werden soll. Die Verfassung verlangt eine möglichst „spezialisierte Gewaltausübung" und gerade deshalb eine klare Trennung von gesetzgebender, gesetzesausführender und gesetzesfrei gestaltender Staatstätigkeit. aa) Inkompatibilität und Gesetzesbegriff Wenn dieselben Personen als Gesetzgeber und Gesetzesausführende tätig werden, so vollzieht sich nicht nur in ihrer Hand eine absolutistische Machtballung (vgl. oben a). Es ist bisher nicht hinreichend erkannt worden, daß eine durchgehende Kumulierung mit dem Gesetzesbegriff unvereinbar ist. Die Verfassung stuft durch den Einsatz des Gesetzesbegriffs die Ausübung der Staatsgewalt: Über der konkretisierenden Einzelentscheidung steht die mehr oder weniger — generelle Norm, welche gewissermaßen eine Rahmenvorentscheidung darstellt. Diese Unterscheidung zwischen Gesetz und ausführendem Einzelakt geht also davon aus, daß Gesetzgebung und subsumierende Einzelentscheidung nicht nur verschieden, sondern auch verschiedenartig zusammengesetzten Organen anvertraut sind. Dies alles ist nur gerechtfertigt, wenn in beiden Fällen völlig unterschiedliche Arbeitsweisen und Arten von Sachkunde eingesetzt werden. Dies erfordert wieder notwendig auch eine gewisse personelle Unterscheidung zwischen Gesetzgebern und Gesetzesausführenden, weil andernfalls jene eigentümliche Vermischung von Gesetzgebung und Verwaltung sich unerträglich verstärkt, welche heute durch die Gewaltenberührungen57 ohnehin droht: Die Gesetzgebung wird zu einem Mosaik von Einzeldezisionen, die Verwaltung schematisiert pseudogesetzgeberisch nach „grundsätzlichen Erwägungen". Dadurch wird aber der Gesetzesbegriff ausgehöhlt. Die vielberufene Sachkunde der Beamtenparlamentarier kann hier sogar von Übel sein: Sie ersetzt im Parlament die typisch 57 Insbesondere die Gesetzesinitiative der Regierung und die Verordnunggebung seitens der Exekutive.

Unvereinbarkeit von öffentlichem Dienst und Abgeordnetenstellung

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gesetzgeberische Entscheidungsform durch Bürokratieentscheidungen in Gesetzesform, welche dem Gesetzesbegriff seinen selbständigen Sinn nehmen. Gesetzgebung und Ausführung müssen deshalb in verschiedener Hand liegen, weil erstere ein Befehl an letztere ist und daher beide in unauflöslichem Gegensatz zueinander stehen. Wer sich als Beamtenabgeordneter ständig selbst Befehle gibt, dem gegenüber erfüllt das Gesetz nicht mehr seine eigentümliche, freiheitsschützende Funktion: Er wird sich stets in Gesetzesform selbst anweisen wollen, was er dem Bürger gegenüber dann freiheitsbedrohend zum Einsatz bringt. Solche Exekutive in Gesetzesform ist wiederum im Lande weit bedrohlicher als auf Bundesebene: In den kleineren, häufig bis in letzte Konsequenzen überschaubaren Verhältnissen droht die abstrakte Majestät des Gesetzes sich in der spezialisierenden Sachkunde parlamentarischer Bürokratie zu verlieren. bb) Grundlegende Verschiedenartigkeit von gesetzgeberischer und gesetzesausfuhrender Gesetzesbetrachtung Ein und dieselbe Person kann vor allem deshalb nicht laufend und durchgehend Gesetze mitbeschließen und anwenden, weil bei beiden Tätigkeiten das Gesetz nach verschiedenen Methoden ausgelegt wird. Der gesetzesanwendende Beamte der Exekutive steht dem Gesetz anders gegenüber als der Parlamentarier, der es schafft oder ändert. Der Beamte ist gebunden, das Gesetz ist ihm vorgegeben; für den Parlamentarier ist das Gesetz Schöpfung seines Willens. Dies zeigt sich deutlich in der Betrachtungsweise der Auslegung. Während der Beamte nach objektiven Gesichtspunkten zu interpretieren hat, muß gerade beim Parlamentarier das subjektive Element, der „Wille des Gesetzgebers" - der ja oft sein eigener Wille oder der seiner Gesinnungsgenossen ist - im Vordergrund stehen. Dabei ist es sehr fraglich, ob dem Beamtenparlamentarier eine streng rechtsstaatliche Gesetzesauslegung noch zuzumuten ist. Zu der Gefahr, daß er subjektive Momente bei der Auslegung mit berücksichtigt, kommt die weitere Sorge, daß der etwa im Parlament mit seiner Auffassung Unterlegene versucht, diese nunmehr im Wege der Gesetzesanwendung unter dem Deckmantel „objektiver Interpretation" doch noch durchzusetzen. All diese Vorgänge werden ganz wesentlich unkontrollierbar bleiben, weil sie sich vielleicht nicht einmal auf der vollen Bewußtseinshöhe des Beamtenparlamentariers vollziehen — um so bedenklicher können sie fur den Bürger im Einzelfall wie auch in einer größeren Gemeinschaft - etwa infolge von „Hausinterpretationen" durch den Oberbürgermeister einer großen Stadt - wirken. Wiederum verstößt daher die Kumulierung von Amt und Mandat nicht etwa gegen ein abstraktes Gewaltenteilungsschema, sondern gegen eine

Teil I: Beruf — Amt — Mandat

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höchst konkrete Grundentscheidung unseres öffentlichen Rechts: gegen die objektive rechtsstaatliche Gesetzesinterpretation. Wer erwartet, daß der Beamtenparlamentarier laufend seine Betrachtungsweise einem Gesetz gegenüber ändern kann, geht von einer Fiktion aus oder verlangt von ihm unerträgliche methodische Schizophrenie. d) Inkompatibilität als notwendige Folgerung aus der Grundentscheidung für die Demokratie Art. 25 der Verfassung von Baden-Württemberg geht wie Art. 20 GG davon aus, daß die höchste Gewalt dem vom Volke gewählten Parlament zusteht, und daß dessen Wille von der gesetzesunterworfenen Verwaltung zu vollziehen ist. Dieser Grundentscheidung fur die Demokratie widerspricht die Verbindung von Amt und Mandat, weil sie geeignet ist, die Durchsetzung des in der Volksvertretung gebildeten Willens des Volkssouveräns in der Verwaltung zu beeinträchtigen. Die Kumulierung führt notwendig in eine enge Verflechtung von Bürokratie und Parlament und damit zu einer eigenartigen Form von Politisierung, ja von Demokratisierung der Verwaltung58. In grundlegenden Ausführungen hat aber Hans Kelsen nachgewiesen59, daß die Entscheidung zur Demokratisierung nicht nur eine Demokratisierung der Verwaltung nicht verlangt60, sondern daß hier sogar die „Gefahr einer Aufhebung der Demokratie der Gesetzgebung" entsteht61, ja daß eine Demokratisierung der Vollziehung nur auf Kosten der inhaltlichen Intensität der Gesetzgebungsfunktion erfolgen kann62. Unsere Verfassung nimmt dies im Bereich der Selbstverwaltung in Kauf, weil immerhin angenommen werden kann, daß hier nur eine lokale Politisierung erfolgt. Eine der Parlamentspolitisierung gleichstufige und gleichartige Politisierung der Exekutive setzt jedoch dort ein, wo diese personell mit der Legislative verbunden wird. Anstatt daß sich die Demokratie in der Angliederung einer streng gesetzesunterworfenen, dem Parlament gegenüber andersartigen Bürokratie bewährt, droht der demokratische parlamentarische Wille in einer politischen Verwaltung, in Kryptoformen außerparlamentarischer Parlamentsopposition63 paralysiert zu werden. Wiederum steht der gesetzesausführende Beamtenparlamentarier dem Gesetz nicht in der Mentalität rechts58

Dazu näher unten 2.

59

Kelsen, H., Vom Wesen und Wert der Demokratie, 2. Aufl., Tübingen 1929, S. 70 f.

60

AaO. S. 71.

61

AaO. S. 72.

62

AaO. S. 73.

63

So etwa, wenn ein Bürgermeisterabgeordneter der unterlegenen Opposition ein Gesetz in der Verwaltung systematisch „abschwächt".

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staatlicher Gebundenheit, sondern in der hier unangebrachten Freiheit des Gesetzgebens gegenüber. e) Besondere Bedenken gegen die Kompatibilität im Falle der gestaltenden und leistenden Verwaltung Im modernen Staat ist der Gesetzesvollzug in steigendem Maß nicht mehr reine „mechanische" Subsumtion von Sachverhalten unter bereitstehende Normen. Der „Ausführung der Gesetze" kommt ein wachsendes Eigengewicht zu, das auf Regierungsebene zur Anerkennung einer besonderen gestaltenden Funktion, eines „Bereichs der Regierung" gefuhrt hat, in dem sich Gestaltung und Ausführung verbinden. Die Technisierung aller Bereiche verlangt die immer weitergehende Einräumung von Ermessens- und Beurteilungsspielräumen, in deren Ausfüllung die Exekutive die Rahmendezisionen des Gesetzgebers weiterdenkt, aber auch — verstärkt. Steht nun der Staatsbürger einem Beamtenparlamentarier gegenüber, so steigert sich diese ohnehin bedeutsame Macht noch durch dessen Einfluß auf die Gesetzgebung. Im großen Raum der weithin gesetzesfreien Leistungsverwaltung, wie sie gerade den Gemeinden obliegt, wirkt sich die Kumulierung noch ungünstiger, ja willkürlicher aus als bei der streng gesetzesgebundenen Verwaltung. Bei letzterer kann die Gerichtsbarkeit zum Teil noch jene freiheitsschützende Kontrolle übernehmen, welche gegenüber dem Beamtenparlamentarier praktisch ausfallt. Anders bei der Leistungsverwaltung: Schon eine Abschwächung parlamentarischer Kontrolle wirkt in diesem Bereich, wo sich ohnehin schon ein moderner Absolutismus zu entwickeln droht, im Sinne völliger Bindungslosigkeit der Verwaltung. Daß hier dieselben Personen Gesetze geben und ausführen, wirkt ferner bei der Leistungsverwaltung besonders verhängnisvoll. Ihr gegenüber hat der Gesetzgeber praktisch heute nur mehr das Recht der Mittelbewilligung. Der Beamtenparlamentarier kann also Einfluß auf die Gewährung der Mittel nehmen, die er sodann verteilt. Dies führt sogleich zur Gefahr gleichheitswidriger Bevorzugungen. Es fehlt auch das Korrektiv, das beim materiellen Gesetz immerhin noch Grenzen setzt: Dort kann auch die Entscheidung des gesetzesausführenden Beamtenparlamentariers noch von der Gerichtsbarkeit am Wortlaut des speziellen Gesetzes gemessen werden — bei der Mittelbewilligung der Leistungsverwaltung sind die parlamentarischen Zielbestimmungen meist zu vage. Gerade weil die Gefahren der Kumulierung mit der Gesetzesungebundenheit des Beamtenparlamentariers zunehmen, ist es unverständlich, warum dem Richter Inkompatibilität auferlegt werden sollte, nicht aber dem Verwal-

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tungsbeamten64. Beide sind gesetzesausfuhrend tätig; dem Richter steht aber in der Regel ein geringerer Ermessensspielraum zur Verfugung als dem Verwaltungsbeamten, jedenfalls aber kein solcher, der in gleicher Weise eine paranormative Weiterentwicklung gesetzgeberischer Gedanken darstellen könnte. Überdies ist nur die Verwaltungsgerichtsbarkeit in einer der Verwaltung vergleichbaren Weise mit der Anwendung häufig geänderter Gesetze befaßt, bei denen naturgemäß der Einfluß von Beamten- (oder Richter-)Parlamentariern größer ist als bei den großen, fur längere Zeit festliegenden Kodifikationen. Gilt also fur den Richter die Unvereinbarkeit wegen gesetzesausführender Funktion, so müßte dies a fortiori beim Verwaltungsbeamten der Fall sein. Wiederum zeigt sich, daß die Kumulierung von Amt und Mandat nicht einer unklar-prinzipiellen Gewaltenteilung widerspricht, sondern die Legalität, die Gesetzesunterworfenheit der Verwaltung, und damit ein unbestrittenes normatives Fundament unserer Rechtsordnung beeinträchtigt.

f) Interessenkonflikte

und Kompatibilität

Ein normatives Grundprinzip des gesamten Staatsaufbaues ist es, daß der Staatsdiener, soweit wie irgend möglich, von unaufhörlichen und persönlichen Interessenkonflikten freigestellt werden muß. Gerade solche Konflikte beschwört jedoch die Kompatibilität laufend in einem Maße herauf, dem auch ein charaktervoller Beamtenparlamentarier nur schwer gewachsen sein dürfte. Der beamtete Mandatsträger gerät zunächst in echte Konflikte, weil er laufend den Haushalt seiner Behörde mitverabschiedet65 und deren Organisation mitbestimmt. Als Beamter muß er sich seiner Behörde, seinem Dienstherrn besonders verbunden fühlen und fur dessen Belange in einer der besonderen Treuepflicht entsprechenden Weise eintreten. Als Abgeordneter darf er nur das Ganze im Auge haben. Die Mitbestimmung der Behördenorganisation durch den beamteten Mandatsträger restauriert überdies zum Teil die Organisationsgewalt der Regierung, die heute überwiegend bekämpft wird 66. Noch persönlicher wird der Interessengegensatz, ja er führt zu echten Gewissenskonflikten, wenn der Beamtenparlamentarier über seinen eigenen Sta-

64

Kratzer,

J., BayVBl. 1964, S. 79 (80).

65

Die Bedeutung der Interessenkollision bei der Bestimmung des eigenen Haushalts räumt auch Hans Schneider, ZBR 1958, S. 78 (80) ein, der im übrigen fur die Kompatibilität eintritt. 66

Dazu m. Nachweis Leisner, W., BayVBl. 1967, S. 329 ff.

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tus sowie über sein Disziplinarrecht beschließt67. Nachdem er hier im Parlament als besonders sachkundig angesehen wird, geht sein Einfluß in Ausschüssen und Plenum in solchen Angelegenheiten erfahrungsgemäß weit über den anderer Volksvertreter hinaus. Zwar ist es ein Grundsatz des Gemeinderechts, daß Sonderinteressen, die von Beratung und Beschlußfassung ausschließen, nicht vorliegen, wenn ein Ratsmitglied lediglich als Angehöriger einer Berufs- oder Bevölkerungsgruppe beteiligt ist, deren gemeinsame Belange durch die Angelegenheit berührt werden. Dieses Prinzip muß im Gemeinderecht gelten, weil andernfalls bei kleineren Verhältnissen eine Beschlußfassung überhaupt unmöglich würde; es ist eine Rechtsaufsicht vorhanden und die Beschlüsse müssen sich jedenfalls im Rahmen gerade jener Gesetze halten — über die der Beamtenparlamentarier ebenfalls Herr ist. Es besteht also keine Analogiefähigkeit. Ebensowenig kann ein Vergleich zum Abgeordneten gezogen werden, der sich Diäten oder Altersversorgung selbst bewilligt: Diese Wahrnehmung eigener Angelegenheiten ist nach Intensität und Bedeutung für den Status des Abgeordneten unvergleichbar mit der Ausgestaltung eines hochspezialisierten besonderen Gewaltverhältnisses und läßt sich auch praktisch nicht vermeiden. Es muß hier nicht näher untersucht werden, in welche weiteren, schweren persönlichen Konflikte ein Beamter dadurch geraten muß, daß er ständig der Versuchung ausgesetzt wird, als Abgeordneter durch Wohlverhalten dienstliche Vorteile zu erreichen oder dienstliche Nachteile die Vorgesetzten vor den Schranken des Parlaments entgelten zu lassen. Die Demokratie will eine menschliche Staatsform sein — sie kann von ihren Dienern nichts Übermenschliches verlangen. g) Inkompatibilität notwendigen Effizienz

als Folge der der Staatsorganisation

Die bisher erörterten Gründe gegen die Zulässigkeit einer Verbindung von Staatsamt und Abgeordnetenmandat erhalten ihr eigentliches Gewicht als Freiheitssicherung des Gewaltunterworfenen durch Beschränkung und Kontrolle der Staatsmacht. Sie lassen sich jedoch auch aus der Sicht der Notwendigkeit effizienter Staatsorganisation herleiten: - In einem hochtechnisierten Staatswesen lassen sich nach den Grundsätzen der Arbeitsteilung beschränkte Kompetenzen wirkungsvoller wahrnehmen. - Durchgehende parlamentarische Überwachung gewährleistet besseres Funktionieren und erleichtert das Auffinden von organisatorischen Mängeln und menschlichem Versagen. 67

Strauß, W., DÖV 1949, S. 143; Ule (Fn. 53), S. 655.

62

Teil I: Beruf — Amt — Mandat

- Abstrakte, nicht allzu sehr vom Einzelentscheidungsdenken der Verwaltung geprägte Gesetzgebung ermöglicht gesteigerte Effizienz aus klarer, planender Typisierung. - Die Trennung der heterogenen Tätigkeiten des Verwaltens und der Gesetzgebung kann die Qualität der Leistung auf beiden Bereichen nur verbessern. - Die Vermeidung von Interessenkonflikten steigert die Wirksamkeit von Verwaltung und Gesetzgebung und deren Ansehen in der Öffentlichkeit. Die Wirksamkeit staatlicher Tätigkeit in allen Bereichen ist nicht eine Frage der politischen Zweckmäßigkeit, sondern ein Gebot des Rechts. Die Verbindung von Amt und Mandat ist geeignet, sie überall herabzusetzen. Jedes einzelne der angeführten Argumente findet also seine Stütze nicht nur in der individualrechtlich akzentuierten Rechtsstaatlichkeit, sondern auch im objektiven Recht der Staatsorganisation. Die gleichzeitige Ausübung von Staatsamt und Abgeordnetenmandat führt nicht nur zu einer erheblichen — und in dieser Form unerwünschten — Machtsteigerung, sie bewirkt auch eine „Verflüchtigung der obrigkeitlichen Gewalt" (Werner Weber) — „wenn die sich kontrollierenden Organe nicht personell voneinander unabhängig sind. Personelle Verzahnungen verführen also nicht nur zum Machtmißbrauch, sondern bedingen auch eine Lähmung der Macht"68. Der Dialog zwischen den sich gegenüberstehenden Trägern getrennter und verschiedenartiger Gewalten wird insoweit aufgehoben. Nicht eine die Gegensätze der Interessen überhöhende Integration, sondern ein unklarer Interessensynkretismus ist die Folge. In der Person des beamteten Mandatsträgers werden natürliche Gegensätze aufgehoben, zu deren Austragung die Verfassung ein ausgewogenes und kompliziertes System zur Verfügung stellt. Die Folge ist eine Interessenverschleierung, welche die Demokratie als Staatsform der Öffentlichkeit nicht dulden kann. Der Beamtenparlamentarier — insbesondere der Kommunalparlamentarier droht so zum Typ des „Notabel" zu werden, jenes Staatsrepräsentanten, der im Grunde — nichts mehr wirklich repräsentiert, weil er weder zeitlich noch interessenmäßig alles vertreten kann, was er repräsentieren sollte und was sich oft hart gegenübersteht. Zugleich gestützt auf die verschiedensten Gewalten ist ein solcher Notabeltyp zwar überall letztlich unangreifbar aber auch unverantwortlich. Kritik trifft ihn nicht, soweit er als „Mehr-StatusMann" sogleich in einen anderen Bereich ausweichen kann. Der Verpflichtung zum Handeln entgeht er unter Hinweis auf andere Aufgaben. So ist er überall und nirgends und repräsentiert am Ende nur mehr eine nebelhafte Staatsautorität, wenn er nicht eines Tages nur mehr — sich selbst vertritt, 68

Klein, H., ZBR 1964, S. 227.

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wie der Typ jenes monarchischen Notabel, der „der Staat ist" wie sein Souverän. Die freiheitliche Demokratie aber kommt aus den vielfachen Interessen und deren Widerstreit. Ihren Ausgleich finden diese nicht in der personellen Gewaltenkonfusion, im Multistatus eines überlasteten Beamtenparlamentariers, sondern in der kollegialen oder monokratischen Willensbildung effizienter, getrennter Staatsorgane. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß nicht nur das allgemeine Prinzip der rechtsstaatlich beschränkten und kontrollierten Macht, sondern auch zugleich die verschiedensten normativen Grundentscheidungen des deutschen öffentlichen Rechts (Organtrennung, Parlamentarisches System, Gesetzesbegriff, Interpretationsgrundsätze, Demokratie, Vermeidung von Interessenkonflikten) in zentraler Weise durch eine Kumulierung von Amt und Mandat mißachtet werden. Die Verletzung einer so großen Anzahl von Grundentscheidungen, die Verfehlung so vieler Leitvorstellungen der Verfassung wirkt gerade in ihrer Gesamtheit so schwer, daß die Verbindung von Amt und Mandat de iure condito als verfassungswidrig und nicht nur als de lege ferenda bedenklich anzusehen ist.

3. Die Inkompatibilität als notwendige Folge von Grundsätzen des deutschen Beamtenrechts

Die Notwendigkeit durchgehender Inkompatibilität ist bisher zu Unrecht meist ausschließlich auf Gesichtspunkte der Gewaltenteilung gestützt worden. Sie folgt ebenso zwingend aus den herkömmlichen Grundprinzipien des Statusrechts des Beamten wie des Parlamentariers, die hier in unzulässiger Weise verbunden werden.

a) Die Unmöglichkeit gleichzeitiger Ausübung von Amt und Mandat Mandat und Amt — beide füllen je einen ganzen Menschen aus. Die Arbeitsbelastung eines Parlamentariers schließt es heute völlig aus, daß er neben seiner Abgeordnetentätigkeit noch in der Verwaltung wirklich tätig sein kann69 — es sei denn, er leiste da und dort nicht genügend. Es wäre völlig abwegig, die Abgeordnetentätigkeit als eine „Nebentätigkeit" hinzustellen, welche den Beamten in der Erfüllung seiner Dienstobliegenheiten nur unwesentlich beeinträchtigte. Ob dies in früheren Zeiten anders gewesen ist, ob

69

Vgl. dazu m. Nachw. Sturm (Fn. 20), S. 156; sowie Köhler (Fn. 54), S. 50.

64

Teil I: Beruf — Amt — Mandat

damit ein gewichtiges Argument fur die Inkompatibilität erst neuerdings entstanden ist, kann hier dahinstehen. Mit aller Schärfe muß gesagt werden: Behält der Beamte mit Übernahme seines Mandats sein Amt bei, so wird dadurch das Beamtenrecht verletzt. Nach § 67 des Landesbeamtengesetzes von Baden-Württemberg vom 1.8. 1962 (GBl. S. 89) hat sich der Beamte mit voller Hingabe seinem Beruf zu widmen. Dies schließt aus, daß er außer einer genehmigten Nebentätigkeit70 noch eine andere laufende Tätigkeit entfalten darf, andernfalls wäre das gesamte Nebentätigkeitsrecht überflüssig. Da aber feststeht, daß der Beamtenparlamentarier einen großen Teil seiner Arbeitskraft und seiner Hingabe nicht dem Dienstherrn, sondern seinem Mandat widmet, liegt darin eine flagrante Rechtsverletzung. Diese verbindet sich noch mit einem Verstoß gegen den Gleichheitssatz, dem im öffentlichen Dienstrecht große Bedeutung zukommt: Während jedem anderen öffentlich Bediensteten sogar Nebentätigkeiten untersagt werden können, wird dem beamteten Mandatsträger gestattet, seinen Dienst nur teilweise und oft fur lange Zeit überhaupt nicht auszuüben. Daraus folgen Verletzungen des Beamtenrechts: Der Bedienstete muß auf Grund seiner dienstlichen Leistungen beurteilt und befördert werden. Davon kann hier nicht die Rede sein, weil solche Leistungen nicht oder nicht in einem Maße erbracht werden, die nach Leistungsprinzip einen Vergleich mit den Konkurrenten gestatten. Eine solche globale Dienstbefreiung, welche den Beamtenparlamentarier meist zum Gast in seiner Behörde macht, schließt es auch aus, daß er als Angehöriger des öffentlichen Dienstes (und nicht etwa als Abgeordneter) „Sachwalter und Diener des ganzen Volkes" sein kann, was Art. 77 Abs. 2 der Verfassung von Baden-Württemberg von ihm verlangt. Seine Privilegien werden auch nicht durch die Rechtsstellungsregelung des Landes gedeckt. Diese derogiert dem Grundprinzip des Landesbeamtengesetzes nicht. Sollte dies beabsichtigt sein, so könnte das Landesrecht nicht das entsprechende Bundesrecht (§ 36 BRRG) durchbrechen. Hier handelt es sich nicht um Überlegungen, welche „die Inkompatibilitätsnormen nicht primär motivieren und mit Sinn erfüllen" 71 — hier wird das Recht gebrochen, und zwar ein Grundsatz, der zu den herkömmlichen Prinzipien des deutschen Beamtentums zu rechnen ist. Organisationsrechtlich relevant ist überdies noch das zusätzliche Argument, daß praktisch auch noch ein Vertreter im Amt bezahlt werden muß (den die Beamtenparlamentarier nicht selbst besolden!). 70

Vgl. dazu die baden-württembergische Landesnebentätigkeitsverordnung v. 12.7.1966, GBl. 1966, S. 131, §§ 1,2,4. 71

Sturm (Fn. 20), S. 156.

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Die Demokratie ist eine respektlose Staatsform. Sie darf Vergünstigungen, die sie Monarchen und Adel versagt, nicht den Vertretern des Volkes gewähren. Diesen kommt ihr Ethos aus der Gleichheit vor dem Gesetz. Ihren Amtskollegen gegenüber dürfen sie nicht Privilegien verlangen. b) Disziplinarrechtliche

Begründung der Inkompatibilität

Der Beamte steht in einem besonders engen Treueverhältnis zu seinem Dienstherrn. Deshalb sind ihm in der Regel die hoheitlichen Aufgaben zu übertragen (vgl. Art. 77 Verfassung von Baden-Württemberg). Die Landesverfassung geht also, dem Bundesrecht (Art. 33 Abs. 4 GG) entsprechend, davon aus, daß der besonderen Gewalt, welche der Beamte dem Bürger gegenüber zum Einsatz bringt, spezielle rechtliche Bindungen des Beamten an seinen Dienstherrn entsprechen müssen. Am bedeutsamsten ist hier das Disziplinarrecht und das Strafrecht, welches vor allem in den §§ 331 bis 359 StGB besonders schwere Strafdrohungen bei Begehung von „Straftaten im Amt" aufstellt. Bei anderen Straftaten kann eine Strafschärfung in Betracht kommen, wenn sie im Amt begangen werden. Disziplinarrecht und Amtsstrafrecht schützen in erster Linie das hohe Rechtsgut des Bestehens einer effizienten und integren Staatsverwaltung. Sie gehören insoweit zum objektiven, zum Staatsorganisationsrecht. Weil jedoch nach Landesverfassung und Grundgesetz die besonderen Disziplinarbindungen des Beamten Korrelat, ja Grund dafür sind, daß ihm Hoheitsgewalt in der Regel übertragen wird, stellen Disziplinarrecht wie Amtsstrafrecht zugleich eine organisatorische Freiheitssicherung für die Gewaltunterworfenen dar. Beim Beamtenparlamentarier wird diese Sicherung jedoch erheblich abgeschwächt, zeitweise kann sie völlig ausfallen. Infolge seiner Immunität und Indemnität kann er ohne Zustimmung des Landtags nicht strafrechtlich verfolgt werden. Die schwerste disziplinarische Sanktion, die Entlassung aus dem Dienst- oder Arbeitsverhältnis, ist während der Innehabung des Mandats ausdrücklich ausgeschlossen (Art. 29 Abs. 2 Verfassung von Baden-Württemberg). Dem beamteten Amtsträger gegenüber wird also der Staat um die Möglichkeit disziplinarischen Einschreitens, der Bürger um die damit verbundene organisationsrechtliche Freiheitssicherung gebracht, die nur dann voll wirksam ist, wenn die unabhängige Judikative entscheidet, nicht, wenn alles von der politischen Immunitätsentscheidung des Parlaments abhängt, auf die der Verletzte in der Regel keinerlei Einfluß hat. Nachdem aber die besondere Disziplinarbindung zu den hergebrachten Grundsätzen des deutschen Berufsbeamtentums zu zählen ist (Art. 33 Abs. 5

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Teil I: Beruf — Amt — Mandat

GG) und in Art. 33 Abs. 4 GG ausdrücklich zur organisatorischen Freiheitssicherung erhoben wird, verstößt das Rechtsstellungsgesetz gegen das Beamtenrecht des Grundgesetzes. Die Immunität des Beamten hat eben völlig andere Folgen als die des Staatsbürgers, weil jenen die Ausübung der „an sich gefährlichen" Staatsgewalt übertragen ist72.

c) Der beamtete Mandatsträger und die Verpflichtung zu politisch neutraler Amtsführung Der Beamte ist zu unparteiischer Amtsführung verpflichtet. Er hat dabei auf das Wohl der Allgemeinheit Bedacht zu nehmen. Bei politischer Betätigung hat er diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus seiner Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf seine Amtspflichten ergibt. (§ 35 BRRG, § 66 Landesbeamtengesetz von BadenWürttemberg, Art. 77 Abs. 2 Verfassung von Baden-Württemberg). Die Frage, ob die Kompatibilität von Amt und Mandat mit diesen Normen vereinbar sei73, ist bisher vor allem unter dem Gesichtspunkt der „politischen Neutralisierung der Beamtenschaft" untersucht worden. Diese Fragestellung ist aber einerseits irreführend, weil heute nicht Neutralisierung, sondern politische Zurückhaltung verlangt wird; zum anderen fallt dabei der Blick zu ausschließlich auf die Einflußmöglichkeiten von Parteien und ähnlichen politischen Gruppierungen auf die Beamtenschaft. Es ist vielmehr ein beamtenrechtlicher und ein staatsorganisatorischer Problemkreis zu unterscheiden. aa) Der Beamte ist zu Unparteilichkeit und politischer Zurückhaltung verpflichtet, nicht zu politischer Neutralität74. Parteipolitische Meinungsfreiheit ist ihm also gewährt, außerdienstliche Betätigung ist gestattet. Es ist jedoch anerkannt75, daß der Beamte hier durch Dienstvorschriften gebunden wird, die im übrigen nicht dem Gleichheitssatz widersprechen. Darüber hinaus muß der Beamte alles vermeiden, was ihn in den Verdacht politischer Voreingenommenheit bringen könnte; es wird ihm daher etwa nahegelegt, sich in poli-

72 Der Ansatz zu einem parlamentarischen Disziplinarrecht, wie ihn Art. 42 der Verfassung von Baden-Württemberg bringt, kann dies nicht ausgleichen, weil hier Sanktionen nur bei Mandats-, nicht bei Amtsmißbrauch vorgesehen sind. 73 Das Landesrechtsstellungsgesetz könnte ja allenfalls das Landesbeamtengesetz, nicht aber die Landesverfassung oder das BRRG abändern. 74 75

Vgl. dazu Leusser/Gerner,

BayBeamtenges., München 1961, Art. 64, 1.

Vgl. Spanner, H., Die Berufsbeamten und die Staatskrisen, WdStL 13, 1955, S. 119, S. 149 m. Hinw. z. österr. Recht.

Unvereinbarkeit von öffentlichem Dienst und Abgeordnetenstellung

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tischen Versammlungen nicht als Redner zu betätigen76. Noch immer trifft also zu, daß das besondere Gewaltverhältnis dem Beamten verbietet, von seinem Recht der freien Meinungsäußerung einen gleich weitgehenden Gebrauch zu machen, wie es anderen Staatsbürgern gestattet ist77. Man vergleiche mit diesem klaren Leitbild vom politisch zurückhaltenden Beamten die Tätigkeit des Beamtenparlamentariers: Aktive parteipolitische Betätigung ist sein ganzes Handeln. Von ihm kann nicht die geringste politische Zurückhaltung verlangt werden, soll er dem Leitbild des Abgeordneten in einem Staat entsprechen, in dem politische Gruppierungen deshalb als „Organe" anerkannt werden, weil sie Abgeordnete in die Volksvertretung entsenden wollen und deshalb erst Parteien sind. Der Abgeordnete macht das Wesen der Partei aus, Abgeordnetenverhalten ist ex definitione Parteipolitik par excellence, hauptamtliche Politik. Einen Typ des politisch zurückhaltenden Parlamentariers kann es nicht geben. Die Wähler würden um ihre Vertretung betrogen, wollte man „ihrem Abgeordneten" nach Beamtenrecht Zurückhaltung auferlegen, während daneben etwa ein Verbandssekretär ungehindert agieren darf. Die Vorstellung vom zurückhaltenden Expertenparlamentarier gehört allenfalls in die Theorie des Ständestaates, nicht in die der egalitären Demokratie, wo so viele Abgeordnete einen Wahlkreis vertreten. Hier läßt sich auch kein Mittelweg finden: Der Beamtenparlamentarier kann dem Gebot der Zurückhaltung nicht im geringsten entsprechen, wenn anders er überhaupt ein Volksvertreter sein will. Von den feierlichen Geboten von Gesetz und Verfassung bleibt nichts übrig — und dies alles geschieht zur Privilegierung von Personen, welche die vornehmste Gewalt in diesem selben Staat verkörpern. Alle anderen Staatsbediensteten werden laufend und oft peinlich genau auf diese ihre Pflichten hingewiesen — der Beamtenparlamentarier steht hier über dem Gesetz, obwohl doch die Inkompatibilität eine klare und wohlerprobte Lösung anbietet. Hier liegen nicht „praktische Bedenken" vor — hier wird, so eindeutig wie selten, geltendes Recht gebrochen und der Gleichheitssatz verletzt. bb) Davon klar zu trennen ist die Einflußmöglichkeit, welche den politischen Parteien durch die Existenz einer Kategorie von Beamtenparlamentariern eröffnet wird. Sie ist im einzelnen unwägbar und gerade deshalb besonders gefahrlich 78. Im Schrifttum kommt diese Besorgnis immer wieder zum Ausdruck79. Das Problem der Ämterpatronage ist häufig erörtert worden, na76

Thiele,

W., Der Beamte und „die Mitwirkung im Politischen", DöD 1959, S. 145

(148). 77

PreußOVG JW 1927, S. 2867.

78

Dazu im einzelnen Sturm (Fn. 20), S. 61 f.

79

Vgl. etwa Spanner (Fn. 75), S. 125/6, 143/4; Kelsen, H., Vom Wert und Wesen der

6 Leisner, Beamtentum

68

Teil I: Beruf — Amt — Mandat

hezu jeder Staatsbürger, jeder öffentliche Bedienstete kennt derartige Fälle. Es muß daher hier die Gefahr für das Staatswesen, für das Ansehen der Beamtenschaft in der Öffentlichkeit und für die Integrität des öffentlichen Dienstes nicht näher belegt werden. Bedeutsam ist jedoch, daß die Patronage beim Beamtenparlamentarier nicht als ein Unterfall der üblichen Neutralitätsproblematik angesehen werden darf. Seine Verbindungen zur Partei sind unverhältnismäßig intensiver als die jedes anderen Beamten. Von der Partei hängt sogar der wichtigste Status des Beamtenabgeordneten, das Mandat, meist völlig ab. Seine Beziehungen zur Partei sind daher politisch wie rechtlich in einem Maße institutionalisiert, das mit jeder anderen politischen Betätigung des Beamten unvergleichbar ist. Wenn also heute die völlige politische Mündigkeit des Beamten unbestritten ist, ja selbst wenn man seine politische Aktivität fördern will 80 , so führt von dort noch kein Weg zu einer Kompatibilität von Amt und Mandat. Eine solche eröffnet den politischen Parteien eine derart intensive und institutionalisierte Einflußmöglichkeit auf die Exekutive, daß dadurch in verschiedenster Weise das Recht verletzt wird, insbesondere: — Das Demokratiegebot, das eine Parteipolitisierung des Gesetzesvollzugs ausschließt. — Die hierarchische Ordnung innerhalb der Exekutive, welche Voraussetzung für das Funktionieren der Ministerverantwortlichkeit ist. — Die Besetzungs- und Ernennungsfreiheit der Spitze der Exekutive, ohne die eine personalpolitische Verantwortlichkeit der Regierung vor dem Landtag keinen Sinn hat. — Das Recht des Staatsbürgers auf völlig unparteilichen Gesetzesvollzug. — Das Gleichheitsgebot innerhalb des öffentlichen Dienstes. — Das Leistungsprinzip im öffentlichen Dienst. Nicht zuletzt aber sei darauf hingewiesen, daß umgekehrt auch eine Gefahr für die Freiheit und Staatsunabhängigkeit der politischen Parteien dadurch entstehen kann, daß ein Staatsbeamter, der noch immer dem Weisungsrecht der Exekutive unterliegt, als Abgeordneter in seiner Partei eine derart führende und, was entscheidend ist, durch das öffentliche Recht institutionalisierte Position einnimmt. Dies widerspricht dem Grundgedanken von Art. 21 GG.

Demokratie, S. 35/6; Schneider, H., ZBR 1958, S. 78 (80); Seibert, S. 869 (870/1); Sturm (Fn. 20), S. 154. 80

W., DVB1. 1959,

Vgl. Spanner (Fn. 75), S. 143; Strauß, W., DöV 1949, S. 143 (144 f.); Ule, C.H., in: Die Grundrechte I V / 2 , S. 537 (655).

Unvereinbarkeit von öffentlichem Dienst und Abgeordnetenstellung

69

Zusammenfassend ist festzustellen, daß die Kumulierung von Amt und Mandat gegen Grundprinzipien des deutschen Beamtenrechts verstößt und daher verfassungswidrig ist. 4. Die Inkompatibilität als notwendige Folge von Grundsätzen des deutschen Parlamentsrechts

Die Verbindung von Amt und Mandat in einer Person ist auch unvereinbar mit Grundsätzen des Parlamentsrechts. a) Beeinträchtigung der Freiheit des Abgeordneten Grundgesetz und Landesverfassung garantieren dem Abgeordneten eine Freiheit, welche es ihm gestattet, das Ganze zu vertreten. Der Doppelstatus des Beamtenparlamentariers hebt diese weitgehend auf. Ins Parlament ist er nur auf einige Jahre gewählt, öffentlicher Bediensteter will er meist auf Lebenszeit bleiben. Es besteht daher die große Gefahr, daß er sich auch im Parlament vor allem als Beamter fühlen, Interessen der Exekutive vertreten und sich durch Wohlverhalten gegenüber der Regierung laufbahnmäßige Vorteile sichern will. Dies alles beeinträchtigt in einer institutionell verfestigten Form die Freiheit des Mandats. Der Doppelstatus des Beamtenparlamentariers ist insoweit auch nicht mit dem eines „privatrechtlich weisunggebenden" Abgeordneten, etwa des Angestellten einer Großfirma, vergleichbar: Dieser repräsentiert, folgt er solchen Einflüssen, lediglich in zulässiger Weise gesellschaftliche Kräfte im Parlament, der Beamte würde Kräfte des Staates zum Tragen bringen, die, wie bereits dargelegt, nur im Schwergewicht ihrer eigenen Gewalt wirken dürfen 81. b) Verletzung der Abgeordnetenpflichten

durch Dienstpflicht

Grundgesetz und Landesverfassung sehen den Abgeordneten nicht als einen Mann, der nach Feierabend einer Lieblingsbeschäftigung oder einer Nebentätigkeit nachgeht, sondern als einen Amtsträger, der durch eine Tätigkeit ausgefüllt wird, die ihn voll in Anspruch nimmt. Er erhält dafür ja auch Diäten, welche ihm schon als solche eine angemessene Lebensführung gestatten und über einen „Nebenverdienst" weit hinausgehen. Es muß daher auch von ihm verlangt werden, daß er dieses „Hauptamt", das ihm vielleicht sogar das Anrecht auf Altersversorgung gewähren wird, unter vollem Einsatz seiner Kraft ausübt. Durch die fortdauernde Dienst81

6*

Vgl. zu dieser Frage Loewenstein (Fn. 49), S. 193.

Teil I: Beruf — Amt — Mandat

70

pflicht wird er jedoch eindeutig daran gehindert, die Kumulierung verstößt also gegen Art. 29 Abs. 2 der Landesverfassung von Baden-Württemberg. In den letzten Jahren hat sich die Arbeitsbelastung der Parlamentarier erheblich erhöht. Zugleich werden Tendenzen sichtbar, ihren Status durch Diätenerhöhung und Altersversorgung zu verfestigen. Was früher noch als ehrenamtliche Nebentätigkeit denkbar sein mochte, ist heute klar Politik als Beruf. c) Inkompatibilität

und einzelne Institutionen des Parlamentsrechts

Das geltende Parlamentsrecht von Baden-Württemberg zeigt verschiedentlich, daß der Status des Beamten mit dem des Parlamentariers nicht vereinbar ist. Von der Immunität, welche bei einem aktiven Staatsdiener unvertretbar ist, war bereits die Rede82. Das Petitionsrecht der Staatsbürger zur Legislative ist ein wesentlicher Bestandteil der gewaltenteilenden Demokratie (vgl. Art. 17 GG; im einzelnen §§ 64-67 der Geschäftsordnung des Landtages von Baden-Württemberg vom 21.10.1965). Es richtet sich in den meisten Fällen gegen Akte der Verwaltung. Selbst wenn ein inkriminierter Beamtenparlamentarier nicht selbst an der Beratung und Beschlußfassung über eine Petition mitwirkt, so muß doch das Vertrauen der Staatsbürger in die Unparteilichkeit der Petitionskontrolle leiden, und für die anderen mitwirkenden Beamtenparlamentarier ein Interessenkonflikt entstehen, der bis ins Persönliche reicht. Ähnliches gilt für die Untersuchungsausschüsse des Landtags (vgl. Art. 35 der Verfassung von Baden-Württemberg, §§ 33-35 der Geschäftsordnung des Landtags). Selbst wenn hier ein Beamtenparlamentarier ausgeschlossen sein sollte, den seine Verwaltungstätigkeit in unmittelbare Berührung mit dem zu untersuchenden Sachverhalt gebracht hat, so treten doch allgemeine Interessenkonflikte auf, und in der Öffentlichkeit entsteht der Eindruck, daß die zu untersuchende Verwaltung selbst inquiriere. Alle diese Gestaltungen zeigen induktiv, daß der Status des Parlamentariers so konzipiert worden ist, daß er nicht mit einer Amtsträgerschaft verbunden werden darf.

82

Vgl. oben 3 b.

Unvereinbarkeit von öffentlichem Dienst und Abgeordnetenstellung

d) Parlamentarier

in öffentlichen

und parastaatlichen

71

Gremien

In steigendem Maße sind Vertreter von Regierung und Parlamenten in Gremien tätig, welche öffentliche oder parastaatliche Institutionen leiten, kontrollieren oder beraten (Verwaltungsräte, Kuratorien u.ä.m.). Diese Entwicklung ist an sich schon nicht unbedenklich, weil sie deutlich ständestaatliche Züge trägt. Durch die Statuskumulierung droht jedoch eine Verschiebung der meist fein ausgewogenen Gewichtsverhältnisse in den Gremien, wenn in sie eine Person einzieht, welche zugleich Parlamentarier und Beamter ist. Sie kann sich sowohl zugunsten des Parlaments (und damit der Parteipolitisierung) als auch zugunsten der Exekutive (und so als Verstärkung des Zugriffs der Staatsgewalt) auswirken. Daß beides gleichermaßen bedenklich ist, zeigt etwa die Regelung des Staatsvertrages über den Südwestfimk vom 27.8.1951 (GVB1. Baden, S. 40). Hier besteht der Rundfunkrat aus 49 stimmberechtigten Mitgliedern, die u.a. aus den Bereichen der Regierung, der Volksvertretung und der Selbstverwaltungskörperschaften kommen (vgl. §§ 10, 11). Im Fall einer Kumulierung verschieben sich Einfluß- und Mehrheitsverhältnisse, oder sie werden doch undurchsichtig, wenn Beamtenparlamentarier bestimmt werden. Dies liegt in der Praxis besonders nahe, weil eben der beamtete Mandatsträger, vor allem der Kommunalparlamentarier, bereits vieles von der Figur jenes „Notabel" hat, der sodann auch für ständestaatsähnlich besetzte Gremien als prädestiniertes Mitglied erscheint. Besonders bedenklich kann dies allgemein bei Kommunalparlamentariern werden: Als Vertreter der Kommunen gehören sie zahlreichen Gremien an, die, meist mit Absicht, von parlamentarischen oder gar politischen Einflüssen freigehalten werden sollen. In all diese hält die Parteipolitik mit dem Abgeordnetenbürgermeister vollinstitutionalisierten Einzug. Da sich die „Flucht in die Gremien" in den nächsten Jahren verstärken dürfte, erhält auch hier die Forderung nach Inkompatibilität geradezu staatsorganisatorische Bedeutung. Ergebnis: Nicht ein abstraktes und leicht zu durchbrechendes Schema der Gewaltenteilung, sondern zahlreiche und zentrale rechtliche Grundentscheidungen des Bundes- und Landesrechts erzwingen durchgehende Inkompatibilität von Amt und Landtagsmandat. Inkompatibilität entspricht aber auch allein der grundsätzlichen Typusverschiedenheit zwischen Beamten und Parlamentariern. Dieser ist nicht nur ein lohnender Gegenstand für politologische Untersuchungen — er besitzt rechtliche Relevanz. Eine Rechtsordnung, welche so im einzelnen den Status, die Pflichten von Parlamentariern und Beamten ausgestaltet, welche ihnen Vor-

72

Teil I: Beruf — Amt — Mandat

Schriften sogar über ihr außerdienstliches, außeramtliches Tun macht — sie geht auch von einem Persönlichkeitsleitbild des Parlamentariers und des Beamten aus. Einer demokratischen Verfassung, welche den Höchstwert des Persönlichen betont, steht auch nur dies wohl an. Und selbst wenn dies nicht beabsichtigt wäre — eine Rechtsordnung, die vom Volk ausgeht, dürfte nie eine so mächtige „außerrechtliche" Wirklichkeit ignorieren, wie sie sich in der Typusverschiedenheit von Beamten und Parlamentarier zeigt: Hier der gesetzestreue, ruhig abwägende, bis zur Vorsicht zurückhaltende Diener der Allgemeinheit — dort der dynamische, mutige, herausfordernde Politiker, dessen Blick nicht zurück auf das statische Gesetzesverständnis, sondern in die Zukunft der fortschrittlichen Rechtsschöpfung reicht. Menschlich, persönlich haben solche „Typen" wenig, fast nichts gemein, mögen sie sich auch in seltenen Fällen als zwei Seelen in einer Brust finden können. Auf ihrem Dialog, auf ihrem Gegensatz baut der gesamte demokratische Staat auf. Verbeamtung des Parlamentariers drängt die Gesetzgebung in kontemplative Stagnation, Parlamentarisierung der Exekutive nimmt der Bewegtheit täglichen Verwaltens den ruhenden Gegenpart diskussionsloser Gesetzestreue und bringt in sie die Unruhe einer Politik, die nur in der Konzeption, nie in der Anwendung groß sein kann.

5. Argumente für die Zulässigkeit einer Kumulierung — Kritik

Den schwerwiegenden, ja zwingenden Gründen für die alleinige Verfassungskonformität durchgehender Inkompatibilität steht kein bedeutsames Gegenargument gegenüber. a) Kompatibilität

von Ministeramt und Abgeordnetenmandat

Der wichtigste Fall von Amt/Mandatkumulierung, den das deutsche Staatsrecht kennt83 - Bundeskanzler, Bundesminister, parlamentarische Staatssekretäre können zugleich Abgeordnete des Bundestages sein - ist für den hier zu beurteilenden Sachverhalt nicht analogiefahig. Zwar gehört die Regierung zur Exekutive, als deren Spitze steht sie aber ganz wesentlich in einem eigentümlichen, durchgehenden „politischen Transmissionsverhältnis" zwischen Volksvertretung und gesetzesvollziehender Verwaltung. Die Existenz parlamentarischer, notwendig häufig nur beschränkt sachkundiger Minister über dem informierten und kompetenten Bau der Exekutive rechtfertigt sich überhaupt nur dadurch, daß der Minister die politischen Impulse aus dem Parlament in die „technische" Verwaltung zu transformieren hat — und um83

Vgl. dazu Sturm (Fn. 20), S. 38/9; NN, AöR 75 (1949), S. 366 (369/70).

Unvereinbarkeit von öffentlichem Dienst und Abgeordnetenstellung

73

gekehrt. Weil die Minister schließlich das laufende Vertrauen der Volksvertretung besitzen müssen, weil das gesamte parlamentarische Regierungssystem auf der elastischen Kooperation, nicht auf einem beziehungslosen Nebeneinander der Gewalten aufbaut — deshalb konnte diese Kumulierung in Kauf genommen werden. Ob ausdrücklich vorgesehen oder nicht — in jedem parlamentarischen System stellt sie eine Verfassungsgrundentscheidung dar. Als solche unterscheidet sie sich bereits von der pragmatisch-gestattenden Kumulierung Amt-Mandat bei den übrigen Angehörigen des öffentlichen Dienstes. Minister sind eben keine „Beamten". Mögen sie auch in einem besonderen Treueverhältnis zu ihrem Lande stehen, so verlangt dies keine politische Zurückhaltung84. Der Minister muß nicht diszipliniert, er kann jederzeit gestürzt werden. In seinem Gegensatz zum Parlament ist er durch das Verfassungsrecht statusmäßig so weitgehend institutionalisiert, der Gegensatz drückt sich derart ständig und in aller Öffentlichkeit im Dialog Parlament-Regierung aus, daß keine der Gefahren verschleierter Interessenkollisionen auftreten kann, welche beim Beamtenparlamentarier festzustellen sind. „Beamtenfraktionen" können sich ad hoc, bei gewissen Abstimmungen bilden; „Ministerfraktionen" sind weder zahlenmäßig möglich, noch wären sie praktisch von vergleichbarer Bedeutung. Gerade weil schließlich beim Minister Amt und Mandat in einer Hand liegen kann, darf nicht dasselbe bei jedem seiner Untergebenen der Fall sein können, soll nicht die beherrschende Stellung des Ministers in Gefahr geraten, die letztlich auf seiner Verbindung zum Parlament beruht, und zugleich die hierarchische Einheit der Ressorts in Gefahr geraten. Wenn ein parteipolitischer Impuls die Verwaltung erreichen soll, so kommt er von oben, vom Minister, nicht vom Verwaltungssekretär oder vom Bürgermeister der kreisangehörigen Gemeinde. Die Kompatibilität von Ministeramt und Abgeordnetenmandat spricht nicht gegen, sondern für die Inkompatibilität von Amt und Mandat. b) Der „notwendige Sachverstand" der Beamtenschaft Nur schwer verständlich ist es, daß immer wieder das Argument auftritt, die besondere Sachkunde von Beamten und Kommunalpolitikern dürfe dem Parlament nicht fehlen 85. Wer als Beamter ein Mandat übernimmt, war ja bislang im öffentlichen Dienst und wird in diesen nach Erlöschen des Man84 85

Vgl. Krüger, H., ZgesStW 106 (1950), S. 700 (712).

Vgl. dazu Nachw. b. Sturm (Fn. 20), S. 122 f. sowie Strauß, W., DöV 1949, S. 143 (144/6).

74

Teil I: Beruf — Amt — Mandat

dats wieder eintreten. Er besitzt also doch — auch wenn Inkompatibilität besteht - die „Sachkunde", diese geht keineswegs der Gesetzgebung verloren. Während seiner Abgeordnetenzeit kann sich der Beamtenparlamentarier unbestrittenerweise nur wenig um seine Dienstobliegenheiten kümmern. Es wäre abwegig, anzunehmen, seine Sachkunde würde verlorengehen, wenn er nicht gelegentlich dienstlich tätig würde. Ist er aber auf längere Zeit im Parlament aktiv, so verliert er ohnehin den wirklichen Kontakt mit seinem Dienst und dessen Problemen. Es ist dann sogar gefahrlich, ihn noch als wirklich sachkundig anzusehen: Selbst wenn er nicht zum „Amateurbeamten" herabsinkt — in seiner Sachkenntnis kann er sich nicht mehr mit dem Kollegen vergleichen, der eben seine ganze Kraft dem Dienst widmet und den er ja zu seiner Information jederzeit herbeirufen kann (vgl. §§36 f. der Geschäftsordnung des Landtags). Dem Parlament schadet weniger die Uninformiertheit der Parlamentarier als die Pseudosachkunde dienstentfremdeter Beamtenparlamentarier. Die Information des Parlaments darf nicht auf der Zufälligkeit der angeblichen Sachkunde von irgendwelchen öffentlichen Bediensteten aufbauen, sie ist durch die Informationstätigkeit der Regierung, Parteien und Verbände, einen guten Landtagsdienst und durch selbständiges Bemühen der Abgeordneten zu sichern. Bedenklich wäre es sogar, gerade bürokratischen Sachverstand zu verlangen. Der Gesetzgeber benötigt gesetzgeberischen Sachverstand, der mit dem des Verwaltungsbeamten nicht identisch ist. Durch die angebliche bürokratische Kompetenz im Parlament wird der notwendige Dialog zwischen wirklich informierter Regierung und dezidierender Volksvertretung durch die Zufälligkeit beamtenparlamentarischer Pseudoeinsichten gebrochen. Gänzlich versagt das Sachkunde-Argument übrigens in Baden-Württemberg, wo gerade die fuhrenden Beamten nicht Mandatsträger sein dürfen, bei denen doch erhöhter Sachverstand anzunehmen wäre. Und wenn dem allen nicht gefolgt würde — gegenüber fundamentalen Verfassungsgrundentscheidungen müßten solche Opportunitätserwägungen zurücktreten. c) Vertretung

der Beamtenschaft im Parlament

Abwegig ist das gelegentlich vorgebrachte Argument86, wenn alle gesellschaftlichen Kräfte im Parlament vertreten seien, so müsse dies auch fur die Bürokratie gelten. Es gibt keinen Grundsatz des deutschen Staatsrechts, nach dem das Parlament „direkt proportional" ein Spiegelbild von Schichtungen 86

Jess, BK, Art. 137, II A 8.

Unvereinbarkeit von öffentlichem Dienst und Abgeordnetenstellung

75

der Gesellschaft sein müßte87. Die Zusammensetzung des Parlaments ist Ergebnis eines demokratischen Wahlverfahrens, das inhaltlich unbestimmt und indeterminierbar ist. Jedes Glied einer pluralistischen Gesellschaft gehört zugleich verschiedenen Gruppierungen an. Voraussetzung für die Praktikabilität einer Spiegelbildtheorie wäre also eine korporativistische Neuordnung der Gesellschaft. Sollte man aber einer „Spiegelbildlehre" folgen, so würde dies wieder gegen die Kompatibilität sprechen, weil diese erfahrungsgemäß zu einer unvertretbaren „Überrepräsentation der Beamtenschaft" in den Parlamenten führt 88. Vor allem aber: Der gesamte traditionelle Parlamentarismus geht vom Gegensatz Öffentliche Gewalt (Staat)—Gesellschaft aus. Im Parlament repräsentiert sich das Außerstaatliche, nicht wieder — der Staat! Aus demselben Grund ist es nicht angängig, daß der Beamte im Parlament ein Gegengewicht gegen wirtschaftliche und soziale Interessengruppen — etwa im Sinne angeblicher „Staatserhaltung" und „Objektivität" — bildet. Derartige Argumente sind für den alten Obrigkeitsstaat typisch, unvereinbar jedoch mit der heutigen Vorstellung vom gewaltenteilenden Staat. Daß in der Inkompatibilität schließlich nicht eine Entmündigung der Beamtenschaft gesehen werden darf 89, ist bereits oben 3 c dargelegt worden. Ebensowenig sprechen Argumente der Tradition gegen sie (vgl. oben 1 bbb). Als Ergebnis der bisherigen Untersuchungen läßt sich daher feststellen: Die Inkompatibilität ist die einzige Gestaltungsform, durch welche ein Verstoß gegen zahlreiche normative Grundentscheidungen des Bundes- und Landesstaatsrechts und eine Verletzung tragender normativer Grundsätze des Beamten- und Parlamentsrechts vermieden werden kann. Selbst wenn also (vgl. oben II a.E.) die Inkompatibilität einer faktischen Inelegibilität gleichkommen sollte, und der Landesgesetzgeber durch Art. 137 GG nur ermächtigt („kann"), nicht aber verpflichtet worden sein sollte, sie vorzusehen, so würde sich doch ein solches gesetzgeberisches „Ermessen" notwendig zu einer Bindung, zu einer Verpflichtung zur Einführung durchgehender Inkompatibilität verengen. Dem deutschen öffentlichen Recht ist die Kategorie der Ermessensverengung, welche letztlich nur mehr eine Lösung gestattet, wohlbekannt. Der Ermessensraum einer Verwaltungsbehörde kann für gewisse Fallgestaltungen durch Normierungen des Gesetzes, welches das Ermessen gewährt, oder durch übergreifende Normierungen anderer Gesetze oder höherrangigen Rechts so verengt werden, daß nur mehr eine Lösung rechtlich zulässig ist. 87

Zutr. Sturm (Fn. 20), S. 155 Anm. 3.

88

Vgl. den Überblick b. Köhler, J., Die Inkompatibilität in Bayern, S. 15 (Länderdurchschnitt: ca. 32,5%!). 89

Jess (Fn. 86).

76

Teil I: Beruf — Amt — Mandat

Dies letztere wäre jedenfalls zugunsten der Inkompatibilitätslösung anzunehmen: Wenn eine Kumulierung von Amt und Mandat gegen so viele fundamentale Normen verstößt, ist auch „kann" als „muß" zu lesen. Allein verfassungskonform ist durchgehende Inkompatibilität.

IV. Die Unzulässigkeit der Kumulierung von Abgeordnetenmandat und Staatsamt im gehobenen, mittleren und einfachen Dienst Nach dem baden-württembergischen Rechtsstellungsgesetz (§ 1) besteht Inkompatibilität fur die Beamten im Range vom Amtmann an aufwärts, nicht aber für die anderen öffentlichen Bediensteten. Eine solche Unterscheidung ist jedoch bedenklich, auch fur diese Staatsbediensteten (im folgenden: einfache Staatsbedienstete) muß Inkompatibilität gelten. 1. Auch für die einfachen Staatsbediensteten gelten die Inkompatibilitätsgründe, welche (oben III 2 - 4 ) dargelegt wurden. a) Zwar mag „im Bereich der niederen Ränge des Staatsdienstes die Gefahr der Machtvergrößerung fur die Doppelfunktion oder der Beeinträchtigung der Neutralität des Verwaltungshandelns auch dann nicht gegeben sein, wenn aktive Beamte aus diesem Kreis gleichzeitig ein Mandat ausüben"90. Mit Recht fugt Sturm jedoch hinzu: „Letztlich ist aber eine ungehinderte Vereinbarkeit von Amt und Mandat selbst in diesem Rahmen nicht vertretbar. Denn auch die Angestellten und Beamten niederer Dienststufen beeinträchtigen das Funktionieren des verfassungsmäßigen Verhältnisses von Legislative und Exekutive, wenn sie zugleich aktiv in beiden Gewalten tätig sind. Gerade die Handhabung der Verwaltungskontrolle durch das Parlament verlöre dadurch an Wirksamkeit91." b) Bei den einfachen Staatsbediensteten verstärkt sich sogar noch das Gewicht einzelner Argumente: — Der Ausfall parlamentarischer Kontrolle wirkt bei ihnen noch schwerer, weil damit zugleich die Kontrolle durch die Vorgesetzten entschärft wird. — Gerade die einfachen Staatsbediensteten kommen aus der Gesetzesanwendung. Die Gefahr der Bürokratisierung der Gesetzgebung wird hier also besonders groß.

90

Sturm (Fn. 20), S. 161.

91

So auch i. Erg. Köhler, J., Die Inkompatibilität in Bayern, S. 49/50.

Unvereinbarkeit von öffentlichem Dienst und Abgeordnetenstellung

77

- In der verteilenden und gestaltenden Verwaltung werden die Entscheidungen häufig auf dieser Stufe getroffen, während die höheren Ränge die Rechtskontrolle durchführen. Eine Machtkumulierung Amt-Mandat wirkt sich also dem Leistungsempfanger gegenüber nicht nur voll aus, sondern beeinträchtigt zusätzlich noch die Sicherung durch die effiziente Rechtskontrolle des Vorgesetzten. - Interessenkonflikte treten um so mehr auf, je niederer der Bedienstete im Rang steht, je mehr er daher aufsteigen kann. Ein Sekretär kann versuchen, Ministerialrat zu werden, der Ministerialdirektor kann nicht mehr befördert werden. - Aus ähnlichen Gründen ist die Gefahr beim einfachen Bediensteten noch größer, daß er sich durch Wohlverhalten im Parlament „hochdienen" will. Nachhaltiger als beim hochrangigen Beamtenparlamentarier wird die Behördenhierarchie gestört, wenn der einfache Staatsbedienstete seine höchsten Vorgesetzten vor die Schranken des Parlaments zitieren, dort kritisieren und ihre Absichten durchkreuzen kann. Hier wird zugleich ein Grundsatz des Beamtenrechts gebrochen und die Voraussetzung für eine wirkungsvolle parlamentarische Kontrolle aufgehoben: daß der Minister die Verantwortung für eine Verwaltung tragen kann, auf die er wirklichen Einfluß hat. - Bei der Besetzung von Petitions- und Untersuchungsausschüssen kann es geschehen, daß der Untergebene die Handlungen des Vorgesetzten rechtlich beurteilt. 2. Die Unterscheidung zwischen einfachen und höherrangigen Staatsbediensteten steht im Gegensatz zu den wichtigsten neueren Entwicklungen im Verwaltungsbereich. - Es vollzieht sich eine laufende Angleichung von mittlerem, gehobenem, höherem Dienst. Der „Untergebene" soll durch den „Mitarbeiter" ersetzt werden. Diesen weithin schon institutionalisierten Vorgängen widerspricht ein Inkompatibilitätsschnitt auf der Stufe des Amtmanns. - Die eigentlichen Verwaltungsentscheidungen im Sinne der Ermessensbetätigung und der gesetzesfreien Verwaltung fallen in steigendem Maß auf der Stufe der Sachbearbeiter, also meist (noch) im Bereich des niederrangigen öffentlichen Dienstes, während den höheren Rängen Koordinierung und Rechtskontrolle obliegt. Gerade „unten" wirkt daher die Verbindung von Parlamentspolitik und Verwaltungspolitik in besonderem Maße freiheitsbedrohend. 3. Eine Parlamentsmitgliedschaft hoher Beamter könnte noch mit dem Argument verteidigt werden, diese seien in der Exekutive bereits laufend „als

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Teil I: Beruf — Amt — Mandat

Gesetzgeber" im Rahmen der Gesetzesinitiative und der Ausschußarbeit tätig gewesen und brächten daher einen typisch legislatorischen Sachverstand mit. Um eine gewisse geistige Waffengleichheit bei Ausschußberatungen herzustellen, sei es wünschenswert, daß leitende Beamte zugleich auch Parlamentarier sein könnten. Diese Argumentation, die allerdings im wesentlichen auf die Begründung aus dem Sachverstand zurückfuhrt, fallt bei einfachen Staatsbediensteten aus. Sie bringen als Amtsträger nur selten etwas von dem mit, was auf der Höhe der Gesetzgebung und der Verwaltungskontrolle an Sachkunde verlangt werden muß. Umgekehrt kann den Ministerialrat, der dem Abgeordneten-Verwaltungssekretär im Ausschuß gegenübersitzt, leicht ein unangebrachtes und unerfreuliches Überlegenheitsgefühl erfassen, das der gemeinsamen Arbeit nicht zuträglich ist. Gerade beim einfachen Bediensteten schadet es schließlich dem - angeblichen oder echten - Sachverstand nichts, wenn er für die Mandatsdauer von einer Tätigkeit freigestellt wird, die in ihrer Routine nur belastet, aber kaum neue Einsichten vermittelt. 4. Der leitende Beamte, insbesondere der hohe Ministerialbeamte, ist häufig auch beamtenrechtlich schon ein „politischer" Beamter, der jederzeit zur Disposition gestellt werden kann, wenn er mit den politischen Auffassungen des Ressortchefs nicht mehr übereinstimmt. Sein Status ist insoweit in gewissem Umfang dem eines Ministers angenähert. Bei ihm könnten also auch gewisse Gesichtspunkte für die Zulässigkeit einer Kumulierung von Amt und Mandat sprechen, welche sich beim parlamentarischen Minister finden. Gerade er aber wird in Baden-Württemberg der Inkompatibilität unterworfen, nicht aber der einfache Staatsbedienstete, dessen Status keinerlei analogiefahige Elemente zu dem des Ministers aufweist. Ergebnis: Aus all diesen Gründen ist die Verbindung von Amt und Mandat beim einfachen öffentlichen Bediensteten ebensowenig verfassungsmäßig wie im Falle der leitenden Beamten. Den wenigen Gründen gegen die Inkompatibilität, welche hier ausfallen, stehen zahlreiche andere gegenüber, die sie fast in noch stärkerem Maße begründen als bei Beamten höherer Ränge. Eine Differenzierung zwischen diesen beiden Beamtengruppen ist daher nicht gerechtfertigt. V. Die Unvereinbarkeit von mittelbarem Staatsamt und parlamentarischem Mandat Die Angehörigen des öffentlichen Dienstes der mittelbaren Staatsverwaltung sind zuallererst Beamte und Angehörige des öffentlichen Dienstes. Sie

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unterliegen grundsätzlich denselben Gesetzen und gleichen oder vergleichbaren Dienst- und Tarifordnungen (vgl. § 1 LBG). Es ist daher nunmehr zu prüfen, ob das für die Angehörigen des öffentlichen Dienstes allgemein gefundene Ergebnis der verfassungsmäßigen Notwendigkeit der Inkompatibilität auf sie angewendet werden muß oder kann, welche Besonderheiten des mittelbaren Staatsdienstes dem etwa entgegenstehen könnten. Im folgenden wird vor allem von den Gemeindebediensteten ausgegangen: sie stellen die praktisch und politisch bedeutsamste Kategorie von Beamtenparlamentariern, im Gemeinderecht finden sich die weitestgehenden autonomen Besonderheiten gegenüber der unmittelbaren Staatsverwaltung; was dort gilt, ist a fortiori auf die übrigen mittelbaren Staatsbediensteten anwendbar. Zunächst wird dabei von den Besonderheiten der Wahl- und Ehrenbeamten abgesehen (vgl. unten 2, 3).

1. Argumente gegen eine Gleichstellung von mittelbaren und unmittelbaren Staatsbeamten

a) Personelle Überlegungen; Interessenvertretung Soweit ersichtlich, werden zugunsten der Vereinbarkeit - vor allem in der politischen Diskussion — meist ähnliche Argumente vorgebracht, wie sie bereits oben (III) für die unmittelbare Staatsverwaltung geprüft und widerlegt worden sind. Dies gilt insbesondere für die These, aus der Kommunalpolitik kämen erfahrungsgemäß viele besonders kompetente und politisch erfahrene Abgeordnete, auf deren Mitwirkung in einem Parlament nicht verzichtet werden könne. Der Kommunaldienst sei als solcher angesichts der Struktur der Gemeinde, der dort zu bewältigenden Aufgaben und des Verhältnisses der Gemeinden gegenüber dem Parlament nicht mit der Staatsverwaltung vergleichbar. Es könnten sich dort also Persönlichkeiten völlig anders und in einer der parlamentarischen Tätigkeit weit mehr kommensurablen Art entwikkeln (etwa Bürgermeister im Umgang mit Gemeindevertretern). Es ist zwar zuzugeben, daß hinsichtlich der Bürgermeister damit der Einwand der Typusverschiedenheit Parlamentarier-Beamter an Bedeutung verlieren kann (vgl. dazu oben III 4 a.E.). Leicht läßt sich aber dagegen wieder sagen, der Bürgermeisterabgeordnete stelle den Typ des autoritären Politikers dar, der im Parlament gerade nicht vertreten sein solle. Außerdem bringe er den typischen „Geist der Exekutive" in die Volksvertretung. Die Art der Politisierung ist beim Bürgermeister eine andere als beim Landtagsabgeordneten, und sie dient ganz bestimmten, rein kommunalen Zwecken, so daß sich daraus nicht die Zulässigkeit der Kompatibilität ergeben muß. Im übrigen aber läuft diese Argumentation doch nur darauf hinaus, daß die Gemeinde als sol-

80

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che mit der übrigen Staatsverwaltung nicht vergleichbar sei, insbesondere nicht in ihrem Verhältnis zur Volksvertretung. Dasselbe gilt von dem Einwand, der Bürgermeisterabgeordnete könne, ja solle im Parlament Sitz und Stimme haben, weil er dort in wünschenswerter Weise die besonderen Interessen seiner Kommune zur Geltung bringe. Gerade dafür aber sei die Volksvertretung geschaffen, damit alle im Staat relevanten Kräfte zum Tragen kämen. Wie bereits oben (III 5 c) dargelegt, ist diese Auffassung als solche abwegig: nicht die im Gemeinwesen wirksamen (also auch die staatlichen, kommunalen), sondern nur die gesellschaftlichen Kräfte sollen möglichst im Parlament vertreten sein, wobei noch zu berücksichtigen ist, daß es in Deutschland keine ständestaatliche Ordnung gibt. Als Teil der öffentlichen Hand, des „Staates" im weiteren Sinn des Wortes, dürfen die Kommunen im Parlament ebensowenig repräsentiert sein wie der Staat selbst. Wiederum könnte also dem erwähnten Argument nur Gewicht zukommen, wenn nachzuweisen wäre, daß die Gemeinden so weitgehende eigene Interessen haben, daß eine solche Vertretung erforderlich erschiene. Dem steht jedoch der entscheidende Einwand gegenüber, daß die Gemeindegewalt Teil der Staatsgewalt ist, daß die Gemeinde nicht etwa eine eigentümliche „Zwischengewalt" zwischen Gesellschaft und Staat darstellt, wie weitgehend sie auch gegenüber Land und Bund neutralisiert sein mag. Von privater Macht trennt die Gemeindegewalt noch immer und grundsätzlich das Privileg der Hoheitsgewalt und eine Ausrichtung auf das öffentliche Wohl, wie sie bei privater Tätigkeit nicht verlangt werden kann. Die Gemeinde ist ferner durch die Erfüllung der Auftragsangelegenheiten im Hauptbereich ihrer Tätigkeit, der gerade für die Inkompatibilität wichtig ist, weitgehend an die unmittelbare Staatsorganisation angenähert (dazu näher unten b). Vor allem würde aber durch die Zulassung der Kompatibilität von Landtagsmandat und Kommunalamt gar keine echte Repräsentation der Gemeinden als solcher im Parlament ermöglicht werden. Diese „Vertretung" wäre zunächst ungleichmäßig, ja zufallig. Die doch mehr oder weniger zufallige Wahl einiger Bürgermeisterabgeordneter in den Landtag könnte der Notwendigkeit der Vertretung gemeindlicher Interessen nicht genügen, sie würde ein generell inadaequates Mittel der Repräsentation darstellen: Viele und große Kommunen und andere juristische Personen des öffentlichen Rechts würden ohne „Vertretung" bleiben, die dort wohnenden oder ihnen unterworfenen Staatsbürger würden um jenen gesteigerten politischen Einfluß gebracht werden, der anderen Gemeindebürgern über ihre Bürgermeisterabgeordnete im Landtag zukäme. Die „Vertretung" der einen Gemeinde würde sich häufig

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geradezu gleichheitswidrig gegen die Interessen anderer, nicht vertretener Kommunen wenden, stehen doch angrenzende, insbesondere größere Gemeinden häufig in einem natürlichen Antagonismus zueinander, der sogleich zu einseitiger Bevorzugung fuhren müßte. Eine solche „Vertretung" der Gemeinden vollzöge sich ferner im Widerspruch zum geltenden Staats- und Gemeinderecht. Die Interessen der Gemeinden als Teil der inneren Verwaltung werden dem Parlament gegenüber vom Innenminister vertreten. Diese Repräsentation und die Möglichkeit für den Minister, als Vertreter der Gemeindeaufsicht die parlamentarische Verantwortung zu übernehmen, wäre durch eine unmittelbare „Vertretung der Kommunen" aufgehoben oder doch erheblich gestört. Die von der Geschäftsordnung vorausgesetzte Geschlossenheit der Gemeinde würde dort beeinträchtigt, wo etwa ein Vertreter der innergemeindlichen Opposition in den Landtag gewählt würde, die hierarchische Verwaltungsordnung dort, wo ein Kommunalbeamter niederen Ranges die Gemeinde - vielleicht im Ergebnis gegen deren Oberbürgermeister - im Landtag vertreten wollte. Dem Kommunalparlamentarier würde eine „Vertretung" seiner Gemeinde auch praktisch durch unzählige Interessenkonflikte kaum mehr möglich sein. Er müßte zugleich Rücksicht nehmen auf: das Gesamtvolk, seinen Wahlkreis, seine Wähler, seine Landespartei und deren Landtagsfraktion, auf die Interessen aller Kommunen, seiner eigenen Gemeinde, seiner Wähler, seiner Stadtpartei, seiner Rathausfraktion usw.; es wäre daher nicht so sehr zu erwarten, daß er Kommunalinteressen im Landtag vertreten, als daß er vielmehr solche seinen Landtagsinteressen opfern würde. Damit aber würde in seiner Person die vom Gemeindeverfassungsrecht gewünschte Neutralisierung der Kommunen gegenüber dem Staate gerade aufgehoben, der Dialog zwischen Gemeinde und Parlament — über die Staatsregierung — fände nicht mehr statt, die Regierung wäre aus einem wesentlichen Teil des Kernbereichs der Exekutive ausgesperrt. Das Verfassungsrecht von Baden-Württemberg räumt den Selbstverwaltungskörperschaften den eigentümlichen Ansatz eines „Repräsentationsrechts" ein. Art. 71 Abs. 4 der Landesverfassung bestimmt: „Bevor durch Gesetz oder Verordnung allgemeine Fragen geregelt werden, welche die Gemeinden und Gemeindeverbände berühren, sind diese oder ihre Zusammenschlüsse rechtzeitig zu hören." Praktisch erfolgt die Anhörung seitens der Landesregierung im allgemeinen zum Referentenentwurf. Gelegentlich treten Meinungsverschiedenheiten darüber auf, ob die Anhörung nicht erst dann erfolgen sollte, wenn der Gesetzesentwurf bereits im Landtag eingebracht sei. Wie dem auch sei — der Landesverfassunggeber hat hier deutlich zum Ausdruck gebracht, wie er sich eine Interessenvertretung von Kommunen gegenüber dem Landtag vorstellt. Für eine darüber hinausgehende Repräsentation ist also in Baden-Württemberg kein Raum mehr.

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Teil I: Beruf — Amt — Mandat

Wenn übrigens die Vertretung der Kommunen als solcher im Parlament gewünscht wird, so ist das einzig zulässige Mittel die ständestaatliche Senatslösung, wie sie in Bayern eingeführt worden ist. Da sie in Baden-Württemberg nicht gilt, kann das Argument der wünschenswerten Gemeindeinteressenvertretung nicht durchschlagen, weil diese nur in ungleichmäßiger und unzulässiger Weise verwirklicht werden könnte. Übrig bleibt von dieser Argumentation also wiederum nur die These, die Gemeinden stünden auf einer anderen Ebene als der Staat. Wenn ihre Vertreter im Staatsparlament Sitz und Stimme hätten, so sei dies zwar nicht ständestaatlich notwendig, aber doch bei der Andersartigkeit von Staat und Gemeinden nicht schlechthin unzulässig.

b) Das Argument der „ verschiedenen Ebenen " Die bisherigen Erörterungen führen also auf das Argument hin, das seit langem in der Inkompatibilitätsdiskussion zugunsten der Vereinbarkeit von Gemeindeamt und Abgeordnetenmandat die größte Bedeutung hat: Das Gewaltenteilungsprinzip gelte nur soweit, wie eine Interessenkollision eintreten könne; es solle daher nicht ausgeschlossen werden, daß der Beamte einer Gebietskörperschaft im Parlament einer anderen sitze92. Gemeinde und Staat stellten verschiedene Ebenen dar, würden auf verschiedenen Stufen tätig. Zur näheren Begründung kann auf die für die Gemeindeverfassung zentrale Autonomie hingewiesen werden. Es wird geltend gemacht, die Gemeindefreiheit sei im Grunde keine Selbstverwaltung, da sie nicht durch Verwaltung (= Vollziehung fremder Entscheidungen) gekennzeichnet sei. Es handle sich vielmehr um eine Form der Selbstregierung. Durch diese auch gesetzgeberische Zuständigkeit würden die Gemeinden - außer in der hier unbeachtlichen Rechtsprechung — dem Staat völlig homogene Gebilde93; Dann aber stehe, so könnte gefolgert werden, nichts entgegen, daß ihre Bediensteten zugleich Abgeordnete seien, ebensowenig wie dagegen bei großen privaten Wirtschaftsverbänden Bedenken bestünden. Es könnte insbesondere behauptet werden, die Gewaltenteilung sei nicht in gleicher Weise verletzt wie bei der unmittelbaren Staatsverwaltung, weil die Gemeindebeamten von einem anderen Dienstherrn abhängen: die Gemeinden haben die Dienstherreneigenschaft gegenüber den Gemeindebediensteten94. Unter der „gemeindli92 93

So etwa Sturm (Fn. 20), S. 161 / 2 m. Nachw.

Edler von Hoffmann, DöV 1954, S. 326 (327). 94

H., Zwang zur Gewaltenteilung im Gemeindeverfassungsrecht,

Dazu Ipsen , H.P., Gemeindliche Personalhoheit unter Selbstverwaltungsgarantie, DöV 1955, S. 225 (228/9); Gönnenwein, O., Gemeinderecht, Tübingen 1963, S. 124/5.

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chen Personalhoheit", auf die es hier ankommt, ist jedenfalls die Anstellungshoheit zu verstehen, d.h. die Befugnis zur Auswahl, Ernennung und Entlassung der Gemeindebeamten. Diese muß in ihrem Kern stets gewahrt werden. Das deutsche Gemeindebeamtenrecht kennt, von Sonderfallen im Bereich der Auftragsverwaltung abgesehen, auch kein staatliches Weisungsrecht, also auch keine Gehorsamspflicht irgendeines Gemeindebeamten gegenüber der staatlichen Aufsichtsbehörde. Vielmehr beruht die gemeindliche Selbstverwaltung auf dem Prinzip staatlicher Nichtintervention, mit dem sich hierarchische Abhängigkeiten im Stil einer Dienstaufsicht nicht vereinbaren lassen95. Der Bürgermeisterabgeordnete ist also nicht mittelbarer parlamentarischer Kontrolleur seiner selbst oder seiner Dienstherren. Dennoch vermag diese Begründung nicht die Bedenken auszuräumen, die für die unmittelbare Staatsverwaltung bestehen. Mag auch dem Landesparlament der Zugriff auf den gemeindlichen Dienstherren weniger leicht möglich sein als auf den staatlichen — auf dem (recht kurzen) Umweg über den Druck auf die Aufsichtsbehörde besteht eine sichere Einflußmöglichkeit, die in der Praxis derjenigen gleichkommt, welche auf die Staatsbeamten ausgeübt wird: auch hier wird sich parlamentarischer Druck in der Regel rechtlich nicht auf personalpolitische Zweckmäßigkeitserwägungen richten. In einem wichtigen Punkt findet überdies die gemeindliche Personalhoheit in Baden-Württemberg ihre Grenzen: sie umfaßt nicht das Rechtssetzungsrecht in Personalangelegenheiten. Das staatliche Beamtenrecht gilt nach § 1 LBG auch für die Beamten der Gemeinden, der Landkreise und der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts. Unter Verdrängung der Gemeindeautonomie wird damit das staatliche Beamtenrecht der Gemeinde auferlegt. Die Materie ist zur Staatsangelegenheit erklärt, sie gehört damit zur Auftragsverwaltung 96. Es mag hier dahingestellt bleiben, ob diese baden-württembergische Gestaltung nicht der Selbstverwaltungsgarantie widerspricht 97. Sie zeigt jedenfalls fur dieses Land deutlich die Gleichschaltungstendenz Gemeindedienst— Staatsdienst. Damit verliert das Argument der „verschiedenen Ebenen" wesentlich an Gewicht: der kommunale Bedienstete als Abgeordneter wirkt eben doch, genauso wie ein Staatsbeamter, am Zustandekommen der Gesetze mit, die seinen Status bestimmen. Zusammenfassend läßt sich sagen: dem Argument der „verschiedenen Ebenen" kommt insoweit Bedeutung zu, als 95

Köttgen , Α., Wesen und Rechtsform der Gemeinden und Gemeindeverbände, Hdb. der Komm. Wissensch, u. Praxis, Bd. 1, 1956, S. 185. 96

Ipsen , H.P., DöV 1955, S. 225 (227).

97

Vgl. zu diesen Fragen Ipsen (Fn. 96), S. 228.

7 Leisner, Beamtentum

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- der Kommunalbedienstete im Parlament nicht unmittelbar seinen Dienstherren, sondern nur dessen Aufsichtsbehörde kontrolliert, - sich im Kommunalbereich ein Typ von leitenden Beamten entwickelt, der dem Typus des Abgeordneten eher kommensurabel ist als der Staatsbeamte (aber auch der subalterne Gemeindebeamte!), - der Gemeindebeamte im Parlament nicht den Haushalt seiner Verwaltung bestimmt98, - der kommunale Beamte in Selbstverwaltungsangelegenheiten nur der Rechtskontrolle der Aufsichtsbehörde unterliegt und als Abgeordneter Druck nur auf diese auszuüben vermag, so daß ein Eigenraum der gemeindlichen Exekutive gegenüber der parlamentarischen Kontrolle bleibt. Insoweit also erhält sich die Gewaltenteilung in ihrer vertikalen Form, selbst wenn sie durch den Einzug von Gemeindebeamten in das Parlament „horizontal" aufgehoben wird. Es fragt sich nunmehr, ob diese Unterschiede gegenüber dem Staatsdienst bedeutsam genug sind, um eine Sonderbehandlung der Gemeindebeamten im Hinblick auf die Inkompatibilität zu rechtfertigen. Im einzelnen wird zu prüfen sein, ob die oben (III, IV) dargelegten Gründe für die Notwendigkeit einer Unvereinbarkeit hier wirklich entfallen.

2. Die entscheidenden Gründe für die Erstreckung der Inkompatibilität auf die Angehörigen des mittelbaren Staatsdienstes aus dem Gesichtspunkt der Gewaltenteilung

Die Gemeindeautonomie bleibt zwar durch die Wahl von Gemeindebeamten im Landesparlament grundsätzlich erhalten — das Landesparlament hat nicht dieselben Einflußmöglichkeiten auf die Gemeindeinstanzen wie auf die Exekutive des Landes. Dennoch wird die Gewaltenteilung in horizontaler und vertikaler Hinsicht schwer beeinträchtigt.

a) Ausführung von Gesetzen, Bestimmung des eigenen Status Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 99 ist die Inkompatibilität einzuführen, wo andernfalls dieselben Personen beim Zustandekommen und bei der Ausführung von Gesetzen beteiligt wären. Gerade dies aber ist auch dann weitestgehend der Fall, wenn Gemeindebedienstete ins Parlament einziehen. 98

Auf dieses Argument legt besonderen Wert Schneider, H., ZBR 1958, S. 78 (80).

99

E 18, 172 (183).

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aa) Seit langem ist erkannt worden, daß der Kern, ja das Wesen der gemeindlichen Kompetenzen eben doch nicht in einer eigenartigen Selbstregierung, sondern in der Verwaltung, insbesondere im Gesetzesvollzug liegt100. Weit über die Hälfte der Tätigkeit der Selbstverwaltungsorgane besteht in der Ausführung von Gesetzen des Bundes und des Landes, in vielen Fällen überschreitet der entsprechende Arbeitsanfall nach vorsichtigen Schätzungen 80% der Verwaltungsarbeit. Ein nicht unerheblicher Teil entfallt dabei wieder auf den Vollzug von Landesgesetzen oder Landesverordnungen. Bei all dieser Tätigkeit ist jedoch die Stellung der Selbstverwaltungsbeamten genau dieselbe wie die der unmittelbaren Staatsbeamten. Die Beamten unterliegen der Rechts- und Fachaufsicht des betreffenden Ministers, sie sind - sachlich - in die staatliche Behördenhierarchie eingegliedert. Zutreffend hat daher das Bundesverfassungsgericht 101 ausgesprochen, selbst auf verschiedenen Ebenen müsse die Inkompatibilität wenigstens insoweit gewahrt werden, als Auftragsangelegenheiten in Frage stünden. Dies aber ist bei nahezu allen Selbstverwaltungskörperschaften der Fall. Praktisch unmöglich wäre es nun, zwischen Angehörigen von Behörden zu differenzieren, welche generell Auftragsverwaltung betreiben, und anderen, bei denen diese zurücktritt. Hängen die Beamten von einem bestimmten Dienstherren ab, so können sie jederzeit von diesem in eine Abteilung versetzt werden, wo Auftragsangelegenheiten anfallen. Innehabung oder Verbot des Landtagsmandats kann von derart zufalligen und unvorhersehbaren Gestaltungen nicht abhängig gemacht werden. Den allgemeinen Grundsätzen über die Inkompatibilität entspricht es übrigens, daß es genügt, wenn eine Möglichkeit des Zusammenfallens von Gesetzgebung und Gesetzesausführung besteht und wenn dies bei einem nicht gänzlich unbeachtlichen Anteil an der Gesamtarbeit des Amtsträgers der Fall ist. Manche Bedienstete des Bundes führen auch Landes-, nicht nur Bundesgesetze aus — dennoch können sie nicht zugleich Bundestagsabgeordnete sein. Es mag daher dahingestellt bleiben, ob bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die keinerlei Auftragsangelegenheiten wahrnehmen, eine andere Lösung vertretbar ist — für Gemeinde- und Landkreisbedienstete jedenfalls ist eine Sonderbehandlung nicht gerechtfertigt: aus der Sicht des Staatsbürgers ist es völlig gleichgültig, ob eine Machtballung bei einem kommunalen oder einem staatlichen Beamten eintritt. Aus seiner Sicht zunächst ist die Verletzung der Gewaltenteilung zu würdigen, weil sie ja primär der 100 Vgl. Scheuner, U., Gemeindeverfassung und kommunale Aufgabenstellung in der Gegenwart, AfK 1 (1962), S. 145 (167); Jansen, L.G., Die Gemeindeordnung des Landes NRW, DöV 1954, S. 328 (328/30); Köttgen , Α., Hdb. der Komm. Wissensch, u. Praxis, Bd. 1, S. 196; Partsch, H., Verfassungsprinzipien und Verwaltungsinstitutionen, S. 12. 101

*

Fn. 99.

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Sicherung seiner Freiheit dient, und hier macht es keinerlei Unterschiede, wer die Gewaltenkonfusion repräsentiert. bb) Die Gemeindebediensteten - vom Bürgermeister bis zum Arbeiter haben aber noch zahlreiche weitere Gesetze zu vollziehen, die zwar nicht im engeren Sinn zur Auftragsverwaltung gehören, die aber doch, direkt oder mittelbar, ihren eigenen Status bestimmen und welche sie als Landtagsabgeordnete mitbeschließen. Hierzu gehört in erster Linie die Gemeindeordnung selbst sowie alle weiteren Selbstverwaltungsgesetze, die dienstrechtlichen Vorschriften des Staates für die Gemeindebediensteten nach der Regelung von Baden-Württemberg sowie nicht zuletzt die finanzrechtlichen Entscheidungen des Gesetzgebers, welche für die Gemeinden relevant sind. Diese reichen vom Finanzausgleich bis zum Rahmen für die Erhebung von Gemeindeabgaben. Es bedarf keines näheren Nachweises, daß die gesamte Gemeindeaktivität, auch und gerade im Selbstverwaltungsbereich, in engster Weise abhängt von den Entscheidungen des Landesgesetzgebers, insbesondere von der finanzund dienstrechtlichen Gesetzgebung. Nur ein geringer Gradunterschied trennt also die Einflußmöglichkeiten des Staatsbeamten auf den Status seiner Behörde von denen des Gemeindebeamten als Mandatsträger auf das Leben seiner Kommune. Diese Differenz vermag um so weniger eine Sonderbehandlung zu rechtfertigen, als die tatsächliche Einflußnahme gegenüber der Verwaltung auch bei Staatsbeamten kaum je weiter in die Details gehen dürfte, als dies nach dem eben Dargelegten bei Gemeindebeamten möglich ist. cc) Es bleibt also nur der Raum der eigentlichen Selbstverwaltung, auf den der Gemeindebeamte als Abgeordneter keinen Einfluß zu nehmen vermag. Er allein würde an sich schon nicht genügen, um eine Sonderbehandlung hinsichtlich der Unvereinbarkeit zu rechtfertigen. Aber selbst hier findet sich eine — wenn auch begrenzte - Verwischung der Gewaltenteilung: das Parlament kann jederzeit auf die Regierung und damit auf die Rechtsaufsichtsbehörde der mittelbaren Staatsverwaltung einwirken. Gerade dies aber ist für den Staatsbürger entscheidend. Er hat in aller Regel kein Recht darauf, daß die Verwaltung im Rahmen der Zweckmäßigkeit die eine oder andere Entscheidung ihm gegenüber trifft. In diesem Bereich setzt die staatliche Fachaufsicht ein. Wohl aber wird er sich gegen Rechtsverletzungen wehren und sich an die Aufsichtsbehörde der Gemeinde wenden. Eben dort aber trifft er — vom Parlament her — den Einfluß des Bürgermeisterabgeordneten an. Bei näherer Betrachtung ist also aus der Sicht des Staatsbürgers nahezu dieselbe rechtsbedrohende Machtballung vorhanden, wenn ein Staats- und wenn ein Kommunalbeamter Abgeordneter ist: In allen Fällen von Rechtsverletzung

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tritt wieder Gewaltenkonfusion ein — obwohl doch die Gewaltenteilung gerade dort wirksame Kontrolle verlangt. Im Ergebnis läßt sich daher sagen, daß hinsichtlich der Verwaltungstätigkeit nahezu dieselbe Schwere der Verletzung der Gewaltenteilung und der durch diese ausgedrückten normativen Grundentscheidungen des Verfassungsrechts festzustellen ist, wenn mittelbare Staatsbedienstete im Landtag Sitz und Stimme haben, wie im Falle der Staatsbeamtenabgeordneten. Schon dieses Argument würde die Erstreckung der Inkompatibilität erzwingen — es lassen sich noch weitere anfuhren. b) Spezifisch gemeinderechtliche Argumente für die Erstreckung der Unvereinbarkeit aa) Die Gewaltenteilung hat ihren Schwerpunkt in der sog. horizontalen Trennung von Regierung und Parlament. Sie hat jedoch auch einen wichtigen vertikalen Aspekt: die Scheidung von Selbstverwaltung und unmittelbarer Staatsverwaltung. Auch dies dient der Sicherung der Freiheit der Bürger, der Vermeidung übermäßiger Machtballung. Gerade nach 1945 wurden derartige Vorstellungen des Local Government von den Westalliierten im besetzten Deutschland eingeführt, sie bestimmen heute noch die Verfassungsgrundstimmung. Die vertikale Gewaltenteilung verlangt nicht nur, daß die Selbstverwaltung nicht durch Zentralverwaltung ausgehöhlt werde. Sie will auch Interessenkollisionen zwischen dem örtlichen Gemeinwesen und der überörtlichen, staatlichen Gemeinschaft vermeiden. Gerade solche sind aber unausweichlich, wenn ein Bürgermeister im Parlament mitarbeitet, muß er doch zwei Reihen oft völlig widersprechender Interessen berücksichtigen. Im Parlament ist er nicht Vertreter seiner Stadt, sondern der Wähler seines Wahlkreises — rechtlich sogar nur des Gesamtvolkes. Eine derartige Schizophrenie ist wiederum unzumutbar, die Kumulierung von Amt und Mandat beeinträchtigt also die vertikale Gewaltenteilung. Schließlich besteht die Gefahr der politischen Gleichschaltung der Kommunen mit dem Land oder doch des übermäßigen Einbruchs landesparteipolitischer Erwägungen in den Raum der Gemeinden. Dort geschieht derartiges zwar heute mehr und mehr, es sollte aber doch grundsätzlich daran festgehalten werden, daß Gemeinden dazu geschaffen sind, daß sie ein eigenes parteipolitisches Leben wenn nicht haben, so doch entfalten können, oder daß sie wenigstens eigenständige parteipolitische Akzentuierungen entwickeln. Dies wird gerade durch die Figur des Bürgermeisterabgeordneten erschwert. Daß umgekehrt Lokalpolitik die Landespolitik wesentlich über diese Gestaltung nuancieren könnte, ist nach den bisherigen Erfahrungen kaum zu erwarten.

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bb) In Baden-Württemberg102 gilt die sog. Bürgermeisterverfassung. Ihr wesentliches Charakteristikum ist die Personalunion zwischen dem Leiter der gesamten Stadtverwaltung und dem Vorsitzenden der Gemeindevertretung. Ganz abgesehen davon, daß hier der Bürgermeister, obwohl Beamter, geborener Vorsitzender der Gemeindevertretung ist, bilden vor allem die „laufenden Angelegenheiten" eine Zuständigkeit dieses starken monokratischen Gemeindevorstandes, welche die Gemeindevertretung weder an sich ziehen noch praktisch wesentlich beschränken oder auch nur definieren kann103. Im Rahmen der Bürgermeisterverfassung ist die Gewaltenteilung auf gemeindlicher Ebene nicht streng durchgeführt, eben weil der Chef der Exekutive zugleich Vorsitzender der Gemeindevertretung ist und einen verhältnismäßig großen „Bereich der Regierung" beherrscht, wie er im staatlichen Raum der Exekutive nicht bekannt ist. Nach h.L. muß jedoch auf Gemeindeebene die Gewaltenteilung deshalb nicht voll durchgeführt sein, weil die Gemeinde als solche wesentlich einer Gewalt, nämlich der Verwaltung, der Exekutive zuzuordnen ist104. Die Gemeinden unterliegen nicht — wie die Länder — der strengen Verpflichtung der Einführung der Gewaltenteilung (Art. 28 GG)105. Die Verwaltung der Gemeinde ist eben etwas Einheitliches, in dem man nicht die Funktionen der einzelnen Organe nach dem Schema der Gewaltenteilung oder der im Staat geltenden Unterscheidung von Regierung und Parlament aufteilen kann106. Dieselbe h.L. zieht aber aus dieser in Baden-Württemberg besonders ausgeprägten Rechtslage sogleich die hier entscheidende Folgerung107: Dieses Zurücktreten der Gewaltenteilung ist aus der Sicht des Bürgers nur hinzunehmen, weil und insoweit Organisation und Rechtsschutz des Staates, insbesondere die Staatsaufsicht, eingreifen. Hier nun gewinnt die personelle Vermischung von Gemeindegewalt und parlamentarischer Gewalt besondere negative Bedeutung: — Die gesamte Gemeindeautonomie ist für den Bürger nur erträglich, wenn seine Rechte auch von der Aufsichtsbehörde geschützt werden. Mit besonderer Strenge - unvergleichlich viel schärfer als gegenüber der unmittelba102 Zur Inkompatibilitätsforderung gegenüber dem Bürgermeister in Baden-Württemberg allg., insbes. aber zum folgenden vgl. Klein, H., ZBR 1964, S. 225 ff. 103

Köttgen , Α., Hdb. d. Kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 1, 1956, S. 204.

104

Scheuner, U., AfK 1962, S. 145 (167/8); Becker, E., Entwicklung der deutschen Gemeinden und Gemeindeverbände im Hinblick auf die Gegenwart, Hdb. d. Komm. Wiss. u. Praxis, Bd. 1, 1956, S. 113 (156); Köttgen, ebda. S. 196 (200); Partsch, K.J., Verfassungsprinzipien und Verwaltungsinstitutionen, S. 12 (vgl. auch Anm. 12). 105

Vgl. Partsch, K.J., aaO.; a.A. Edler von Hoffmann , Η., DöV 1954, S. 326 (327).

106

Scheuner (Fn. 100), S. 167.

107

Jansen (Fn. 100); Scheuner (Fn. 106).

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ren Staatsverwaltung - ist daher darauf zu achten, daß die Gemeindeinstanzen auf diese Aufsichtsbehörde auch nicht den geringsten Einfluß bekommen. Sitzen die Kommunalvertreter im Parlament, so ist dies schon im einzelnen Fall kaum mehr gewährleistet: durch Ausübung des Kontrollrechts gegenüber der Regierung kann die Aufsichtsbehörde unschwer unter Druck gesetzt werden. Darüber hinaus bildet sich leicht eine „Bürgermeisterfraktion" quer durch die politischen Gruppierungen des Landtags. Im Sinn einer Interessengemeinschaft kann und wird diese im Parlament gegen die Aufsichtsbehörde Front machen, sobald „typische" Gemeindeinteressen im Spiel sind. Je überschaubarer die Verhältnisse im Lande sind, um so gefährlicher muß sich diese Kommunalisierung des Landtags auswirken. - Weil die Gewaltenteilung ein oberster Verfassungsgrundsatz fur alle Staatlichkeit in Deutschland ist (vgl. Art. 20, 28 GG), muß sie letztlich überall wirksam werden, wo staatliche Gewalt ausgeübt wird. Tritt sie nun schon auf der Gemeindestufe zurück, so muß sie vom Staat her auf die Gemeinde wirken, damit nirgends ein „gewaltenteilungsfreier Raum" entstehe. Die Vereinbarkeit von Mandat und Gemeindeamt kompromittiert diese Lösung. - Es liegt in der Zielsetzung der deutschen Staatlichkeit, die Gemeindeautonomie auch in Zukunft zu erhalten, ja auszubauen. Dies setzt eine besonders vorsichtige Handhabung der Staatsaufsicht voraus. Damit wird in steigendem Maße echte Verantwortung auf die Gemeindeebene verlagert. In steigendem Maße muß deshalb auch die (mögliche) Gewaltenvermischung zwischen Kommunalgewalt und Staatsgewalt eliminiert werden. Grundsatz muß sein: je geringer die Möglichkeiten der Staatsaufsicht — desto unabhängiger die verbleibende Staatsaufsicht von kommunaler Beeinflussung. Die Erstreckung der Inkompatibilität erweist sich also im Gemeinde-, ja im gesamten Selbstverwaltungsrecht, vor allem in der Bürgermeisterverfassung von Baden-Württemberg, als eine unbedingte Notwendigkeit aus dem Wesen der Selbstverwaltung heraus, vielleicht noch schärfer als im Verhältnis von staatlicher Legislative zu staatlicher Exekutive. Bei den Landkreisen steigert sich die Bedeutung dieser Argumente noch weiter: weil in der Figur des Landrats schon innerhalb der Exekutive eine Verwischung der vertikalen Gewaltenteilung eintritt - er ist Staatsbeamter und zugleich zentrales Kreisorgan - darf dies nicht noch dadurch verstärkt werden, daß Kreisbeamte im Landtag Sitz und Stimme haben. Was schließlich für die Gemeinde zutrifft, gilt mutatis mutandis für alle juristischen Personen des öffentlichen Rechts: entweder ihre Ausgliederung aus der unmittelbaren Staatsverwaltung ist aus organisatorischen Zweckmäßigkeitsgründen erfolgt — dann ist eine Differenzierung zwischen ihren Bediensteten und de-

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nen des Staates willkürlich (dazu unten VI); oder es handelt sich um echte, aus der Natur der Sache heraus nötige Autonomie: dann gelten die Gründe, die eben für die Gemeinden dargelegt wurden, auch hier: die Sicherung der vertikalen und der horizontalen Gewaltenteilung verlangt in besonderer Weise die Erstreckung der Inkompatibilität auf die mittelbaren Staatsbediensteten. c) Geltung der für die unmittelbaren Staatsbediensteten angeführten Inkompatibilitätsgründe für die Angehörigen der mittelbaren Staatsverwaltung Die meisten der oben (III, IV) angeführten Gründe für die alleinige Verfassungskonformität der Inkompatibilitätsregelung gelten auch für die Angehörigen der mittelbaren Staatsverwaltung: — Daß auch hier die kontrollierende Gewalt weithin mit der kontrollierten zusammenfallen müßte, daß in weitestem Umfang eine Mitarbeit an Gesetzen zustandekäme, die den „eigenen Status bestimmen", und daß dieselben Personen als Gesetzgeber und Gesetzausführende tätig würden, wurde bereits dargelegt (vgl. oben a). — Beim Kommunalbediensteten tritt in besonderer Weise die Gefahr auf, daß sich durch Kumulierung von Leistungsverwaltung und Recht der Mittelbewilligung eine Machtkonzentration vollzieht (vgl. oben III 2 e). - Gerade der Bürgermeisterabgeordnete ist in den verschiedensten Gremien als Kommunalrepräsentant vertreten, in denen kein Abgeordneter Sitz und Stimme haben sollte — oder er verändert dort die Stimmengewichtsverhältnisse. - Das Petitionsrecht der Staatsbürger würde in gleicher Weise verkürzt, die Besetzung von Untersuchungsausschüssen könnte zu Interessenkonflikten führen. - Die Gemeindebeamten können ebensowenig wie die unmittelbaren Staatsbediensteten eine volle Arbeitskraft zweimal einsetzen (zur Besonderheit bei Ehrenbeamten vgl. unten 4). Gerade bei Bürgermeistern mittlerer und großer Städte ist die Arbeitsüberlastung an sich schon so groß, daß eines der beiden wichtigen Ämter schwer leiden muß. Daß aber „zu Hause der Stellvertreter regiert", ist nicht Sinn der baden-württembergischen Bürgermeisterverfassung. — Die politischen Gewissenskonflikte werden zwar bei Bürgermeisterabgeordneten weniger deutlich auftreten: Sie gehören in der Regel auch im Landtag der Fraktion an, deren tragende Partei sie in der Stadt vertreten. Der allenfalls politisch anders ausgerichteten Regierung stehen sie nicht in

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hierarchischer Abhängigkeit, sondern nur als der Rechtsaufsicht gegenüber, die sie auch als Vertreter der Opposition achten müssen. Für alle anderen Gemeindebediensteten dagegen gilt dasselbe wie für die Staatsbediensteten. - Eine gewisse Besonderheit trifft auch für die „Typenverschiedenheit" zwischen Beamten und Abgeordneten zu. Hier könnte zugunsten der Vereinbarkeit von Bürgermeisteramt und Abgeordnetenmandat immerhin angeführt werden, der Bürgermeistertyp stehe dem des Parlamentariers näher, was die Erfahrung beweise. Der ständige Umgang mit den Stadtparlamenten sei eine ausgezeichnete vorparlamentarische Ausbildung. Dieses Argument hat eine gewisse Berechtigung, mag auch zu überlegen sein, ob der Typ des Bürgermeisters wirklich dem des Abgeordneten und nicht dem des Ministers näher steht, ob Stadtverwaltungen nicht bessere Schulen für Regierungschefs als für Parlamentarier sind. - Die Immunität ist ebenso ungeeignet für den Kommunal- wie für den Staatsbeamten. Aus all den genannten Gründen ist die Erstreckung der Inkompatibilität auf die mittelbaren Staatsbeamten ein ebenso unabdingbares Gebot wie im Falle der unmittelbaren Staatsbediensteten. Der geltende Rechtszustand in Baden-Württemberg ist insoweit mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung und damit mit dem Grundgesetz und mit der Landesverfassung nicht vereinbar.

3. Die besondere Problematik der kommunalen Wahlbeamten

Es fragt sich nun, ob nicht im Falle der kommunalen Wahlbeamten, insbesondere der berufsmäßigen Bürgermeister und Beigeordneten (im folgenden kurz: Bürgermeister), etwas anderes gelten muß. a) Argumente für die Vereinbarkeit von Mandat und Bürgermeisteramt — Kritik m aa) Es ist schon darauf hingewiesen worden (vgl. oben 2 a.E.), daß Bürgermeister und Abgeordnete nicht in gleicher Weise einen Typusgegensatz bilden, wie Beamter und Abgeordneter, und daß die Gefahr politischer Gewissenskonflikte bei dem lediglich der Rechtsaufsicht unterworfenen Bürgermeister nicht der vergleichbar ist, welche beim Beamten auftritt, der inner108

Vgl. dazu m. Nachweis Sturm (Fn. 20), S. 163 f.

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halb der Behördenhierarchie dem gehorchen muß, den er als Abgeordneter kritisiert. Ganz allgemein steht aber der Bürgermeister als Abgeordneter nicht der Regierung als seinem Dienstherrn gegenüber. Das Dienstvorgesetztenverhältnis zwischen der Vertretungskörperschaft und ihm ist überhaupt mit dem Subordinationsverhältnis im übrigen öffentlichen Dienstrecht nicht gleichzusetzen109. Das Fehlen der eigentümlichen Gehorsamspflicht hat sogar den Vergleich mit dem Minister in einem parlamentarischen System nahegelegt, weil die Bürgermeister einen politischen Auftrag in einem frei gestaltbaren Raum wahrnähmen110. Minister wie leitende Kommunalbeamte seien berufen, an der Spitze von weisungsgebundenen Angehörigen des öffentlichen Dienstes eigene Initiative zu entfalten, die Vertretungskörperschaften eigenverantwortlich zu beraten, ja sogar hemmende und berichtigende Funktionen diesen Körperschaften gegenüber auszuüben111. Für die zu beurteilende Frage könnte sich daraus ergeben, die Bürgermeister seien ebensowenig wie die Minister an eine strenge Gewaltenteilung gebunden, sie könnten wie diese Mitglieder der Landesparlamente sein. Diese Folgerung ist jedoch unhaltbar. Selbst wenn auf Gemeindeebene eine Analogie zu den Ministern des Landes denkbar wäre, so könnte sich daraus nur ergeben, daß die Bürgermeister zugleich Sitz und Stimme in den Vertretungsorganen der Gemeinden haben dürften. Infolge der weitgehenden Gewaltenkonfusion bei der Bürgermeisterverfassung ist dies ohnehin zum Teil verwirklicht. Die Analogie versagt aber, wo sie in den ganz anderen Beziehungen der vertikalen Gewaltenteilung - also im Verhältnis GemeindeLand — angewendet werden soll. Daß hier, gerade umgekehrt, besonders streng darauf zu achten ist, daß Gemeindegewalt nicht im Landesparlament auftritt, ist oben (2 b bb) nachgewiesen worden. Zwar haben die Bürgermeister nicht die von ihnen als Abgeordnete kontrollierte Exekutive als Dienstvorgesetzten. Dies aber kann nicht entscheidend sein: Dieses Argument steht auch bei den unmittelbaren Staatsbeamten nicht in erster Linie. Überdies könnten die Bürgermeister dennoch durch Druck auf die Aufsichtsbehörde in vielen Fällen ähnlichen Einfluß auf ihren Dienstherren ausüben wie die unmittelbaren Staatsbeamten. Schließlich würden sie in Baden-Württemberg in vollem Umfang wie diese an den Gesetzen mitarbeiten, die ihren Status bestimmen. Ein wesentlicher Unterschied kann hier nicht gefunden werden. 109

Görg, H., Hdb. d. Komm. Wissensch, u. Praxis, Bd. 2, S. 84.

110

Gönnenwein, O., Gemeinderecht, S. 131/3.

1,1

Görg (Fn. 109), S. 85.

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Es bleiben also geringere Typusverschiedenheit und geringere politische Gefahr von Interessenkollisionen (vgl. oben a.A.) — Argumente, die allein die Inkompatibilität nicht begründen könnten und umgekehrt eine Sonderbehandlung fur Wahlbeamte nicht rechtfertigen. bb) Als besonderes Argument gegen die Erstreckung der Inkompatibilität auf kommunale Wahlbeamte könnte noch folgendes angeführt werden: Wie oben nachgewiesen (vgl. II 1 a und b), darf eine Inkompatibilitätsregelung sich zwar als Beschränkung der Eligibilität auswirken. In diesem Fall unterliegt sie den Grenzen von Art. 137 Abs. 1 GG. Steigert sich diese ihre Wirkung der (faktischen) Beschränkung der Wählbarkeit jedoch dahin, daß dem Betroffenen überhaupt kein Wahlrecht mehr bleibt, ob er auf Amt oder Mandat verzichten will, weil das Amt jedenfalls verlorengeht, dieses aber für den Betroffenen so wichtig ist, daß seine Aufgabe für ihn unzumutbar ist — in diesem Fall würde aus der Unvereinbarkeit ein faktischer Ausschluß der Wählbarkeit. Dies aber wäre mit dem Grundgesetz nicht zu vereinbaren. Die hauptamtlichen Bürgermeister und die Beigeordneten werden nun in Baden-Württemberg auf acht bzw. zwölf Jahre gewählt (§§ 42 und 50 GO). Im Falle der Unvereinbarkeit würde daher der Bürgermeister, der zum Abgeordneten gewählt worden ist, u.U. gezwungen werden, mehrere Jahre sicherer Kommunalstellung mit einem Abgeordnetenmandat zu vertauschen, das nur für vier Jahre gilt und dessen Erneuerung faktisch noch weniger sicher ist als die Verlängerung des kommunalen Amtes. Überdies kann der Landtag vorzeitig aufgelöst werden (Art. 43 der Landesverfassung). Es kann daher der Fall eintreten, daß ein Bürgermeister auf mehrere Jahre Kommunalamt verzichtet — und nach wenigen Monaten das Mandat verliert. Läßt sich deshalb generell sagen, daß die Unvereinbarkeit dem Kommunalpolitiker die Wahl zwischen Amt und Mandat faktisch unmöglich mache, und sich deshalb die Inkompatibilität zu einem nach Art. 137 Abs. 1 GG unzulässigen völligen Ausschluß der Wählbarkeit steigere? Diese Konsequenz ist abzulehnen; ihr kann auch durch entsprechende gesetzliche Gestaltung begegnet werden112. Ein Abgeordnetenmandat ist keine Versicherung. Wer es anstrebt, begibt sich voll und ganz in den Bereich jener Politik, die ihn zu den Sternen tragen kann, die ihm aber auch schwere, insbesondere finanzielle Verluste auferlegen mag. Dies ist das Risiko, die Gegenleistung, welche der Abgeordnete eben auf sich nehmen muß, um in den Genuß all der Chancen — politischer und finanzieller Art! — zu gelangen, die ein geschickt verwaltetes Abgeordne1,2 Vgl. allerdings zu deren Schwierigkeiten Panz, W., BayVBl. 1963, S. 333, 373 (373/ 4); Sturm (Fn. 20), S. 165.

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tenmandat ihm eröffnet. Wer alle möglichen sicheren Ämter festhalten und zugleich aus sicherem Port die Möglichkeiten der Hohen See ausnützen will, der verfehlt den Typ des Abgeordneten, er besitzt nicht jenen Wagemut, der den Mann auszeichnet, welcher das große Spiel der Politik beginnt. Beamtete Abgeordnete werden zu Notabein, sie werden auch in der Sache nichts wagen, wenn sie persönlich im Sekuritätsdenken befangen sind. Die Impulse, welche allein die Existenz eines Parlaments rechtfertigen, kommen nicht aus Versammlungen von Vertretern, die jahrzehntelang gesicherte Ämter verwalten. Umgekehrt zeigt gerade die Dauer des Bürgermeisteramts, daß sein Träger eben doch — Beamter und nicht der Typ des politischen Abgeordneten ist. Schließlich besteht eine wirkliche „Rangerhöhungsmöglichkeit" jedenfalls für den Bürgermeister, der aus einer mittleren oder kleineren Stadt ins Landesparlament einzieht. Im Ergebnis bleibt also - für den Mutigen - eine echte Wahlmöglichkeit zwischen Amt und Mandat, die Erstreckung der Unvereinbarkeit auf die Bürgermeister verletzt Art. 137 Abs. 1 GG nicht. Aufgabe des Gesetzgebers würde es überdies sein, übermäßige Nachteile für den Bürgermeister auszuschließen. So könnte etwa vorgesehen werden, wenn ihm nach Ablauf der Mandatszeit noch mehr als ein oder zwei Jahre Bürgermeisteramt bleiben sollten, só könne er wieder in dieses einrücken, für die vier dazwischen liegenden Jahre könnte ein neuer Bürgermeister gewählt werden. Das Risiko des vorübergehend Ausscheidenden würde dann auf den ohnehin wenig wahrscheinlichen Fall der zwischenzeitlichen Landtagsauflösung beschränkt werden. Durch Ruhegehaltsregelungen könnte es noch weiter reduziert werden. Auch der drohende Verlust des Amts kann also nicht als ein Grund angesehen werden, kommunale Wahlbeamte anders zu behandeln als sonstige Bedienstete der mittelbaren Staatsverwaltung.

b) Die Erstreckung der Inkompatibilität verfassungsmäßige Notwendigkeit

als

In der unter a) gegebenen Widerlegung der Argumente für eine Sonderbehandlung der Bürgermeister liegen bereits entscheidende Gründe für ihre Gleichstellung mit den übrigen mittelbaren Staatsbediensteten. Darüber hinaus kann noch auf folgendes hingewiesen werden. Das entscheidende Argument für die Unvereinbarkeit war 113, daß nicht dieselben Personen beim Zustandekommen und bei der Ausführung von Gesetzen beteiligt 1,3

Vgl. die Entscheidung des BVerfGE 18, 173.

Unvereinbarkeit von öffentlichem Dienst und Abgeordnetenstellung

95

sein sollten. Dies ist aber bei den Bürgermeistern gleichfalls gegeben: auch sie führen in der Exekutive das aus, was sie in der Legislative zum Gesetz gemacht haben (Kratzer). Mit Recht ist daher im Schrifttum ihre Gleichstellung mit den anderen Kommunalbeamten verlangt worden114. Mehr noch: Als wirklicher Chef der Gemeindeverwaltung besitzt der Bürgermeister eine besondere Machtfülle, die - vergleichsweise - über die vieler unmittelbarer Staatsbeamten hinausgeht. Es wäre daher unerfreulich, wenn gerade er vom Prinzip der Gewaltentrennung nicht erfaßt würde. Die „laufenden Angelegenheiten der Gemeindeverwaltung", welche er allein, ohne Intervention der Gemeindevertretung, zu erledigen hat, sind in der Regel Fragen der Auftragsverwaltung. Gerade dort aber muß das Prinzip der Gewaltenteilung durch Unvereinbarkeit verwirklicht werden. Das „Organ der Auftragsverwaltung par excellence" kann hier nicht ausgenommen werden. Schließlich ist der Bürgermeister der Vorgesetzte der Beigeordneten und der Gemeindebediensteten. Es wäre abwegig, ihn von einer Regelung auszunehmen, der jene unterliegen, wenn die Analogie zum Ministeramt, wie nachgewiesen, nicht eingreift. Hinter den - meist politischen - Argumenten zugunsten einer Sonderstellung des Bürgermeisterabgeordneten steht häufig, wenn auch unausgesprochen, die Erwägung, es handle sich um einen Politiker. Ein solcher aber könne doch „auch" im Parlament sitzen. Hier liegt eine fehlerhafte Auffassung der Gewaltenteilung zugrunde. Dieses Prinzip will nicht nur „Politik" von „Verwaltungstechnik" trennen, es soll auch und gerade dadurch bewirkt werden, daß „Politik von Politik" dort geschieden werde, wo ihre Ballung für den Bürger gefahrlich wird. Dies aber ist beim Bürgermeister in besonderem Maße der Fall. Eine Sonderbehandlung der kommunalen Wahlbeamten ist daher nicht gerechtfertigt. 4. Die besondere Problematik der Ehrenbeamten

Sollen, müssen bei einer Erstreckung der Inkompatibilität die Ehrenbeamten, insbesondere also die Bürgermeister kleinerer Gemeinden (vgl. § 42 GO), von der Inkompatibilität ausgenommen werden? a) Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Die Ehrenbeamten sind nicht Beamte im beamtenrechtlichen Sinn. Die Ermächtigungen des Art. 137 Abs. 1 GG und des Beamtenrechtsrahmengesetzes (§ 33) erstrecken sich nicht auf sie, wie das Bundesverfassungsgericht 1,4 Kratzer, J., Die Gewaltentrennung in Bayern, BayVBl. 1962, S. 293 (300); Verband der Bayerischen Verwaltungsjuristen, BayVBl. 1960 S. 78 (78/9); Ule (Fn. 80), S. 656.

Teil I: Beruf — Amt — Mandat

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festgestellt hat115. Das Rechtsstellungsgesetz des Bundes hat Personen, die ein Ehrenamt bekleiden oder keine feste Besoldung beziehen, in seinen Geltungsbereich nicht einbezogen (§ 7 Abs. 1). Folgt daraus die rechtliche Unzulässigkeit der Erstreckung der Inkompatibilität auf die Ehrenbeamten? Wie bereits oben angedeutet (vgl. II 1 a und b) hat das Bundesverfassungsgericht 116 ausschließlich deshalb einen Sonderstatus der Ehrenbeamten bejaht, weil diese unbestrittenerweise keine Beamten im beamtenrechtlichen Sinne sind. Die Ermächtigung zur Beschränkung der Wählbarkeit fehle daher für sie (Art. 137 Abs. 1 GG); deshalb sei auch jede Inkompatibilität unzulässig. Dieser Schluß ist nur dann richtig, wenn in jeder Inkompatibilität zugleich eine Beschränkung der Wählbarkeit zu sehen ist. Dies aber ist abzulehnen, wie bereits (oben II 1 a und b) nachgewiesen. Es gibt sehr wohl Beschränkungen der Wählbarkeit, die nicht Inkompatibilitäten sind, so etwa die zeitweise Unwählbarkeit oder auch Formen der antizipierten Inkompatibilität. Umgekehrt ist solange noch Inkompatibilität, nicht Ineligibilität gegeben, wie ein echtes Wahlrecht zwischen Amt und Mandat besteht. Erst wenn dieses aufgehoben ist, wirkt sich die Unvereinbarkeit als Beschränkung der Wählbarkeit aus, erst dann ist Art. 137 Abs. 1 GG überhaupt anwendbar. Unterstellt man daher, der Ehrenbeamte habe ein solches Wahlrecht (vgl. dazu unten b), so ist Art. 137 Abs. 1 GG nicht anwendbar, es kann die Unvereinbarkeit - unmittelbar aus dem Grundsatz der Gewaltentrennung — auf ihn erstreckt werden, obwohl er kein Beamter ist. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist also fehlerhaft und in sich inkonsequent"7. Sie schließt sich aber an den bisherigen Rechtszustand an und es ist nicht sicher, ob das Gericht in der Zukunft seine Meinung ändern wird, um zu der feinen aber sauberen Unterscheidung zwischen Inkompatibilität und Ineligibilität zurückzukehren. b) Gründe für und gegen die Erstreckung Unvereinbarkeit auf Ehrenbeamte

der

Es soll kurz geprüft werden, ob — von diesen formalen Bedenken abgesehen — die Stellung der Ehrenbeamten derartige Besonderheiten aufweist, daß eine Ausnahme für sie gerechtfertigt wäre.

1.5

BVerfGE 18, 173 (184/5).

1.6

AaO.

1.7

Vgl. Sturm (Fn. 20), S. 165.

Unvereinbarkeit von öffentlichem Dienst und Abgeordnetenstellung

97

aa) Es ist dargelegt worden, Ehrenbeamte stünden nicht in der gleichen dienstrechtlichen Bindung wie ein Berufsbeamter; deshalb könne die Ausübung eines politischen Mandats mit dem Amt vereinbar sein118. Es trifft zu, daß die Stellung der Ehrenbeamten in manchem Abweichungen von den Regeln des Beamtenrechts zeigt. So sind unanwendbar die Vorschriften über Versetzung und Abordnung, Nebentätigkeit, Residenzpflicht, Besoldung und Altersgrenze. Weitere Unterschiede liegen in dem engen Zusammenhang zwischen Ehrenamt und Rechtsstellung des Ehrenbeamten, die, anders als beim hauptberuflichen Beamten, mit dem Wegfall des Amtes ihre Grundlage verliert. Besonders bedeutsam ist eben beim Ehrenbeamten, daß er nur im Rahmen der ihm übertragenen Funktionen zu der Körperschaft, die ihn berufen hat, in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis steht119. Für die hier bedeutsame Frage ergibt sich daraus als Besonderheit: — der Ehrenbeamte gerät bei Übernahme eines Mandates nicht in die Konflikte, welche sonst durch die Notwendigkeit doppelten Einsatzes der Arbeitskraft entstehen — noch weniger als der hauptamtliche Bürgermeister besteht bei ihm die Möglichkeit, als Parlamentarier auf seinen Dienstherren einzuwirken, weil diesem sein Gesamtstatus nur in Randzonen unterworfen ist — er kommt kaum in die Gefahr, an Gesetzen mitzuarbeiten, die seinen persönlichen Status wesentlich bestimmen: dessen Zentrum liegt außerhalb des Ehrenamtes — mit ihm zieht nicht ein typischer „Amtsträger" ins Parlament ein, sondern eine Persönlichkeit, welche auf Zeit bereits — weithin uneigennützig — nebenher öffentliche Aufgaben übernommen hat, also dem Typ des Parlamentariers insoweit nahesteht. bb) Diesen Argumenten kommt kein geringes Gewicht zu, immerhin spricht noch immer einiges für die Einbeziehung des Ehrenbeamten in die Inkompatibilität: — Wie alle anderen Beamten ist auch er den Beamtenpflichten zu einem achtungswürdigen Verhalten sowie zur Mäßigung und Zurückhaltung in der politischen Tätigkeit unterworfen 120. Es trifft ihn die Treuepflicht des Beamten121. Deshalb treten bei ihm, wenn auch in begrenztem Umfang, ähnliche Konflikte auf, wie bei den anderen Amtsträgern.

1.8

Ule (Fn. 80), S. 659.

1.9

Görg(Fn. 109), S. 96/7.

120

Görg (Fn. 109), S. 97.

121

Gönnenwein, O., Gemeinderecht, S. 140/2.

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Teil I: Beruf — Amt — Mandat

- Anders als bei der Stellung des hauptamtlichen Bürgermeisters kann ihm ohne jedes Bedenken die Wahl zwischen Amt und Mandat zugemutet werden. Der Verlust des Ehrenamts wird für einen solchen Kandidaten derart am Rande liegen, daß er gegenüber der Möglichkeit, ein Mandat zu erlangen - wird dies überhaupt angestrebt —, völlig zurücktritt. - Das entscheidende Argument für die Unvereinbarkeit war das Zusammenfallen von Gesetzerlaß und Ausführung von Gesetzen. Es gilt auch dem ehrenamtlichen Bürgermeister gegenüber. Immerhin ist aber zu berücksichtigen, daß im Fall der kreisangehörigen Gemeinden das Schwergewicht der Auftragsverwaltung, auf die es hier besonders ankommt, eindeutig beim Landratsamt liegt. Damit werden die Verwaltungsaufgaben des ehrenamtlichen Bürgermeisters weithin auf die Selbstverwaltung beschränkt. Die Einflußmöglichkeit aus dem Parlament heraus trifft also nur die Aufsichtsbehörde. - Gerade der mögliche Druck auf die Aufsichtsbehörde ist allerdings bei kleinen Gemeinden von Bedeutung: erfahrungsgemäß ist dort das Eingreifen der Aufsichtsbehörde häufig erforderlich. Daß sie - als Staatsinstanz der Kontrolle des ins Parlament gewählten ehrenamtlichen Bürgermeisters unterliegt, ist ein unbefriedigender Zustand. Es gibt also zahlreiche Argumente für, aber auch gewichtige gegen die Erstreckung der Unvereinbarkeit auf gemeindliche Ehrenbeamte. M.E. sind erstere immer noch so bedeutsam, daß eine Ausnahme zu ihren Gunsten als verfassungsrechtlich bedenklich erscheinen muß. Es ist aber zuzugeben, daß hier die Grenze des verfassungsrechtlich Diskutablen erreicht ist, um so mehr, als auch die neuere Gesetzgebung des Bundes die Ehrenbeamten von der Unvereinbarkeit ausnimmt. Berücksichtigt man schließlich die — wenn auch fehlerhafte - Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, so erscheint es kaum als ratsam, die Ehrenbeamten in eine neue Inkompatibilitätsregelung einzubeziehen. Als Ergebnis des Teiles V. ist daher festzuhalten: Die Erstreckung der Unvereinbarkeit auf Bedienstete der mittelbaren Staatsverwaltung ist, mit Ausnahme der Ehrenbeamten, zwingend geboten. VI. Gleichheitssatz und Erstreckung der Inkompatibilität 1. Fragestellung

Der Gleichheitssatz ist in der bisherigen Inkompatibilitätsdiskussion nur in dem Sinn eingeführt worden, daß es das Bundesverfassungsgericht 122 hat dahingestellt sein lassen, ob Art. 137 Abs. 1 GG von Art. 3 Abs. 1 GG in der 122

E 18, 172 (182); vgl. auch Sturm (Fn. 20), S. 158, 165.

Unvereinbarkeit von öffentlichem Dienst und Abgeordnetenstellung

99

Weise überlagert werde, daß die dort grundsätzlich zugelassene Beschränkung der Wählbarkeit im einzelnen Fall noch besonderer rechtfertigender Gründe bedürfe 123. Wie dem auch sei — solche Gründe sind in Teil III., IV. und V. dargelegt worden. Der Allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) hat aber für die hier zu beurteilende Frage noch eine andere Bedeutung: nach der seit langem124 einigermaßen fixierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, verbietet er jede willkürliche Ungleichbehandlung, d.h. eine Differenzierung, für die sich ein hinreichender sachlicher Grund nicht finden läßt125. Es ist nun zweifelhaft, ob in der Nichterstreckung der Unvereinbarkeit auf die Bediensteten der niederen Ränge und der mittelbaren Staatsverwaltung nicht eine völlig ungerechtfertigte und damit eine willkürliche Differenzierung zu sehen ist. Es fragt sich doch ernsthaft, ob sich ein vernünftiger Grund dafür anführen läßt, daß der Oberinspektor Parlamentarier sein darf, nicht aber der Amtmann126, daß ein Stadtamtmann wiederum dem Landtag angehören darf, und daß zwischen Landesoberbehörden und anderen Landesbehörden nochmals differenziert wird. Es ist allgemein bekannt, daß der Gleichheitssatz durch übermäßige Inanspruchnahme, vor allem durch den Versuch, aus ihm ein übergesetzliches Gerechtigkeitsregulativ für alle Fälle zu gewinnen, in letzter Zeit erheblich abgewertet worden ist. Insbesondere war es eine Folge dieser Entwicklung, daß er sich in der Verfassungsrechtsprechung nahezu zu einem reinen Willkürverbot verflüchtigt hat, wobei fast alles, was nicht völlig unvernünftig oder unlogisch war, als sachlicher Grund anerkannt wurde. Deshalb ist bei einer Argumentation aus Art. 3 Abs. 1 GG besondere Zurückhaltung geboten, mag es auch zu weit gehen, nun im Wege einer Überreaktion diesen zentralen Satz des deutschen Verfassungsrechts völlig zu entwerten. Ein vorsichtiger Mittelweg führt im vorliegenden Fall zu einer Verengung der Fragestellung: Unanwendbar ist der Gleichheitssatz auf die Situation der Ehrenbeamten, weil hier gewichtige Gründe eine Ausnahme vom Grundsatz der Inkompatibilität nahelegen (vgl. oben V a.E.). Bei der Sonderregelung zuungunsten höherer Ränge läßt sich immerhin das Argument anführen, diese Staatsbediensteten stünden dem Zentrum einer Gewalt (der Exekutive) näher als die niederrangigen Staatsdiener, mögen dem auch wieder andere Gründe entgegengesetzt werden können. Es mag also insoweit dahingestellt bleiben, ob der Gleichheitssatz verletzt ist. 123

So allerdings recht eindeutig BVerfGE 12, 73 (77).

124

Vgl. E 1, 14 (52).

125

Vgl. BVerfGE 1, 117(141).

126

Im Fall einer Beförderung tritt dann Inkompatibilität ein — „Beförderung als Strafe"!

8 Leisner, Beamtentum

100

Teil I: Beruf — Amt — Mandat

Ebenso sollte davon abgesehen werden, die Erstreckung der Unvereinbarkeit auf die kommunalen Wahlbeamten über Art. 3 Abs. 1 GG erzwingen zu wollen: einige (wenn auch wenige) Gründe könnten auch hier für eine Ausnahmeregelung gefunden werden. Seine volle Bedeutung findet der Gleichheitssatz aber, vergleicht man die Situation der übrigen kommunalen Berufsbeamten sowie der hauptamtlichen Bediensteten der anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts mit der der unmittelbaren Staatsbediensteten. Nur in dieser Richtung soll im folgenden die Geltung des Gleichheitssatzes untersucht werden.

2. Die Geltung des Gleichheitssatzes im Bereich des Staatsorganisationsrechts

a) These und Gegenthese zur Geltung des Gleichheitssatzes im Organisationsrecht Bevor geprüft wird, ob bei mittelbaren und unmittelbaren Staatsbeamten eine vergleichbare Situation gegeben ist, und ob sich nicht gute Gründe für eine Differenzierung dennoch finden lassen, ist ein grundsätzliches Bedenken auszuräumen: Die Erstreckung der Inkompatibilität ist vor allem ein Akt des Staatsorganisationsrechts: hier wird nicht primär der Status des Individuums ausgestaltet, sondern es wird, wie im ganzen Bereich der Anwendung des Gewaltenteilungsgrundsatzes, zunächst nur ein Nebeneinander von Staatsämtern geregelt. Mag dies auch Auswirkungen auf die Rechtsstellung der Amtsträger oder der Gewaltunterworfenen haben — der primäre Bezug auf das Organisationsrechtliche steht außer Zweifel. Es war nun lange Zeit herrschende Auffassung, daß der Gleichheitssatz im Raum der Staatsorganisation überhaupt nicht gelte. Man schloß dies aus der Grundrechtsqualität des Gleichheitssatzes — der Staat könne nicht gleichzeitig Adressat und Berechtigter eines Grundrechts sein127. In der „obersten Herrscherorganisation des Volkes" (Thoma) müsse sich die souveräne Freiheit der Organisation wiederfinden. In neuerer Zeit sind verschiedene Bedenken gegen diese Auffassung aufgetaucht. Es wurde erkannt, daß die Organisationsakte häufig - und auch im vorliegenden Fall - den Status der Organisationsträger berühren und nach außen auf den Freiheitsraum der Gewaltunterworfenen wirken. Es zeigte sich ferner, daß es — vor allem in den Finanzausgleichsbeziehungen - zahlreiche Fälle gibt, in denen Hoheitsträger sich als „stärkere" und „schwächere" ge127

Grdlg. Forsthoff, S. 107/8.

E., Die öffentliche Körperschaft im Bundesstaat, Tübingen 1931,

Unvereinbarkeit von öffentlichem Dienst und Abgeordnetenstellung

101

genüberstehen und daß hier die Anwendung des Gleichheitssatzes schon aus Analogiegründen zu den Gewaltunterworfenen nötig war. Es ist heute h.L., daß die Auswirkungen des Gleichheitssatzes als einer verfassungsrechtlichen Grundnorm des Wertsystems des Grundgesetzes zu beachten sind128. Wiederum handelt es sich um nichts anderes als um das Willkürverbot und das Gebot sachlicher Differenzierungen. „Es bedarf keiner weiteren Begründung, daß dieses allgemeine Rechtsprinzip auch im Verhältnis der Hoheitsträger untereinander Beachtung erheischt"129. Diese These ist zutreffend. Es ist aber zu untersuchen, welche hier relevanten Folgerungen sich im Organisationsrecht aus der Anwendung des Gleichheitssatzes ergeben können. b) Geltung des Gleichheitssatzes in den bundesstaatlichen Beziehungen aa) Es fragt sich zunächst, ob der Gleichheitssatz im Verhältnis der Länder untereinander und in den Beziehungen zwischen diesen und dem Bund in der Richtung gilt, daß er eine möglichst weitgehende Angleichung der organisatorischen Lösung gebietet. Wäre dies der Fall, so könnte auf eine Verpflichtung des Landes Baden-Württemberg geschlossen werden, entsprechend dem Rechtsstellungsgesetz des Bundes oder der neueren Gesetzgebungstendenz in anderen Ländern (Niedersachsen, Bayern) durch Gesetz eine Erstreckung der Inkompatibilität vorzunehmen. Das Bundesverfassungsgericht hat die Geltung des Gleichheitssatzes im Verhältnis der Länder untereinander gelegentlich implizit bejaht130, dann wieder offengelassen 131. Im Schrifttum wird überwiegend angenommen, im Bundesstaat bilde die Gleichheit der Glieder eine Schranke der zentralen Gesetzgebung, die willkürliche Sonderregelungen verbiete132. Bei der Gestaltung des Einflusses der Gliedstaaten auf den Bundesstaat bestehe die Tendenz zu völliger Gleichbehandlung der Glieder 133. Im Verhältnis von Bund und Ländern wirke schlechthin der Gleichheitsgrundsatz134. 128

Vgl. dazu Fuß, E.-W., Grundrechtsgeltung für Hoheitsträger, DVB1. 1958, S. 739

(743). 129

Fuß, aaO.

130

Vgl. BVerfGE 1, 14 (52/3).

131

BVerfGE 1, 117 (142).

132

Leibholz, G., Die Gleichheit vor dem Gesetz, 2. A. 1959, S. 148/5.

133

Leibholz, aaO., S. 139, 145.

134

Ipsen , H.P., Gleichheit, in: Die Grundrechte II, 1954, S. 111 (176). Bedenken finden sich bei Peters, H., in Festschrift für Bühler, 1954, S. 185 (201 / 2 m. Anm. 39). *

102

Teil I: Beruf — Amt — Mandat

Die Geltung des Gleichheitssatzes setzt aber immer voraus, daß mehrere Länder dem Bund oder daß sich mehrere Länder vor dem Bund gegenüberstehen. Er wirkt weder im Verhältnis der Länder untereinander, noch in einer isolierten Beziehung zwischen dem Bund und einem Land. bb) Der Landesgesetzgeber ist aus diesen Gründen nur verpflichtet, in seinem Herrschaftsbereich den Gleichheitssatz zu wahren. Soweit er ein sonst einwandfreies Gesetz erlassen hat, hängt die Zulässigkeit seiner Regelung nicht davon ab, daß andere Landesgesetzgeber eine gleichartige Regelung nicht getroffen haben135. Es besteht daher fur das Land Baden-Württemberg keine Verpflichtung, eine Inkompatibilität einzuführen, weil andere Bundesländer dies - zulässigerweise - getan haben. Dies gilt selbst dann, wenn man den Status der Gewaltunterworfenen in den Vordergrund rückt: Art. 3 GG gebietet nicht, daß - auf den der Landesgesetzgebung vorbehaltenen Gebieten - die Angehörigen eines Landes in allen Punkten den Angehörigen eines anderen Landes gleich behandelt werden müssen136. Aus demselben Grund ist auch die Regelung des Bundes kein zwingendes Vorbild für das Land BadenWürttemberg: Der Gleichheitssatz bindet den Gesetzgeber für den ihm zukommenden Rechtssetzungsbereich, gebietet ihm aber nicht, seine eigenen Regelungen der eines anderen Gesetzgebers anzupassen. Es verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz, wenn von einer anderen, zur selbständigen Rechtssetzung befugten Stelle (hier: Bund) für ihren Zuständigkeitsbereich eine andere Regel getroffen worden ist137.

c) Geltung des Gleichheitssatzes im Beamtenrecht Für den Sachverhalt bedeutsam sind hier zwei Fragenkomplexe: - Kann der Gesetzgeber unter dem Gleichheitssatz verschiedene Kategorien von öffentlichen Bediensteten schaffen? Welche Grenzen sind ihm hier gezogen? (aa) - Inwieweit erzwingt der Gleichheitssatz eine Gleichbehandlung dieser verschiedenen Kategorien? (bb) aa) Der Grundsatz der Gleichheit (im Gegensatz zu dem der „Gleichförmigkeit") verbietet nicht die Schaffung von verschiedenen Beamtenkategorien, sondern lediglich die Bevorzugung oder Benachteiligung einer Beamten-

135

BVerfGE 10, 354 (371).

136

BVerfGE 1, 242 (243/4).

137

BayVerfGHE 9, 141 Ls. 1.

Unvereinbarkeit von öffentlichem Dienst und Abgeordnetenstellung

103

kategorie, die nicht durch einen sachlich-rechtlichen Grund in den besonderen Verhältnissen dieser Beamtenkategorie gerechtfertigt ist138. Die Schaffung der Kategorien selbst steht also unter dem Willkürverbot. Die Gleichheit ist aber nicht verletzt, wenn verhältnismäßig kleine Kategorien gebildet werden, wenn eine Regelung nur für eine zahlenmäßig übersehbare und verhältnismäßig kleine Gruppe Bedeutung haben kann. Die Größe der Gruppe kann für die Zulässigkeit der Regelung keine Rolle spielen, solange die Gruppe sachgerecht abgegrenzt und in sich gleichartigen Regeln unterworfen ist 139 . Im vorliegenden Fall könnten also Sonderregelungen für mittelbare Staatsbeamte aufrechterhalten werden, bei Erstreckung der Unvereinbarkeit auf diese könnten neue Ausnahmen für Bürgermeister oder Ehrenbeamte geschaffen werden, ohne daß der Gleichheitssatz verletzt wäre — solange die Sachgerechtigkeit gewahrt wird. bb) Verschiedene Gruppen des öffentlichen Dienstes dürfen nicht willkürlich gleich oder gleiche Gruppen willkürlich verschieden behandelt werden140. Die Rechtsprechung hat diesen allgemeinen Satz in verschiedenen Richtungen näher konkretisiert, von denen die folgenden in diesem Zusammenhang von Bedeutung sind: Eine Differenzierung zwischen Beamten einer-, Angestellten und Arbeitern andererseits verletzt den Gleichheitssatz dann nicht, wenn die Sonderregelung für die Beamten auf Besonderheiten von deren Status, insbes. auf ihrer besonderen Treuepflicht gegenüber dem Dienstherren beruht141. Wenn daher eine Inkompalitibilitätsregelung eingeführt wird, so muß der Gesetzgeber den statusmäßigen Verschiedenheiten von Beamten, Angestellten und Arbeitern angemessen Rechnung tragen. Diese gehen jedoch nicht soweit, daß er gehalten wäre, etwa nur für eine Gruppe (die Beamten) Unvereinbarkeit vorzusehen. Es fragt sich sogar, ob eine solche Unterscheidung zwischen Beamten einer-, Angestellten und Arbeitern andererseits noch unter Berufimg auf die besonders engen Bindungen zwischen dem Beamten und dem von ihm als Parlamentarier kontrollierten Dienstherrn gerechtfertigt werden könnte. Obwohl heute auch in dieser Hinsicht der Status von Beamten und Angestellten weitgehend angeglichen ist, läßt sich dies wohl (noch) bejahen.

138

Hess. VGH, VerwRspr. 4, 160 (Nr. 38).

139

BVerfGE 8, 332 (361).

140

BVerfGE 18, 172 (184); vgl. auch BGHZ 12, 161 (172/180).

141

Vgl. dazu BGHZ 10, 125 (129) sowie BVerwGE 1, 57 (59).

104

Teil I: Beruf — Amt — Mandat

Eine gewisse Sonderbehandlung fur hauptamtliche kommunale Wahlbeamte wird von der Rechtsprechung unter Berufung auf die Entwicklung des Gemeindeverfassungsrechts und seine Einwirkung auf das Dienstrecht des Bürgermeisters fur zulässig erachtet142. Diese Kategorie wurde daher bereits aus der Gleichheitsbetrachtung ausgeklammert (vgl. VI. a.A.). Der Gesetzgeber ist durch den Gleichheitssatz nicht gehindert, verschiedenes Recht gegenüber den Gemeinden und Gemeindeverbänden einer- und den übrigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts andererseits zu schaffen: der Selbstverwaltung letzterer kommt nicht dasselbe verfassungsrechtliche Gewicht zu wie der kommunalen143. Bei einer Erstreckung der Inkompatibilität auf die mittelbaren Staatsbediensteten könnten also nichtkommunale Bedienstete weitergehend von Mandaten ausgeschlossen werden als gemeindliche, soweit ihre Verwaltung in stärkerem Maße in die Staatsorganisation eingebaut ist oder sie in erweitertem Umfang Auftragsangelegenheiten des Staates erledigen. Eine formale Berufung auf die Selbstverwaltung der Kommunen könnte aber in keinem Fall genügen — der besondere Bezug auf die Unvereinbarkeitsregelung - und damit auf das engere oder weitere Verhältnis zum Staat, auf die Bedeutung der Gewaltenteilung für den betreffenden Bereich — müßte stets hergestellt werden. Zusammenfassend läßt sich sagen: der Gleichheitssatz gilt auch im öffentlichen Dienstrecht. Mit ihm sind gewisse Differenzierungen bei der Erstrekkung der Unvereinbarkeit auf mittelbare Staatsbedienstete — noch - vereinbar. Es ist jedoch nirgends ersichtlich, daß eine generelle Differenzierung zwischen mittelbaren und unmittelbaren Staatsbediensteten im Hinblick auf die Unvereinbarkeit dem Gleichheitssatz entspräche.

3. Verletzung des Gleichheitssatzes durch die Differenzierung zwischen mittelbaren und unmittelbaren Staatsbediensteten im Hinblick auf die Einführung der Inkompatibilität

Die Stellung von gemeindlichen Beamten, Angestellten und Arbeitern unterhalb der Bürgermeisterstufe ist in jeder Hinsicht der des unmittelbaren Staatsdienstes vergleichbar. Gerade für das Land Baden-Württemberg ergibt sich dies eindeutig aus § 1 LBG, nach dem die staatlichen Rechtsvorschriften auf gemeindliche Beamte Anwendung finden.

142 BVerwGE 7, 155 (170/1); die ratio dieser Entscheidung - die besonders enge Bindung des Bürgermeisters an den Dienstherrn - würde allerdings hier eher fur die Inkompatibilität sprechen. Vgl. auch BVerfGE 8, 332 (360/1). 143

So BayVerfGHE 13, 153 (162), z.T. unter Berufung auf Bundesrecht.

Unvereinbarkeit von öffentlichem Dienst und Abgeordnetenstellung

105

Nur in einem Punkt ist die Stellung des Gemeindebediensteten als Abgeordneter eine andere als die des unmittelbaren Staatsbediensteten: er kontrolliert als Abgeordneter nicht unmittelbar seinen Dienstherrn, sondern nur dessen Aufsichtsbehörde. Dies allein kann jedoch nicht genügen, um eine Differenzierung hinsichtlich der Inkompatibilität zu rechtfertigen: Wie bereits mehrfach nachgewiesen, wirkt sich dieser „mittelbare" Druck häufig ebenso schwer aus wie der unmittelbare, der vom Staatsbeamten als Abgeordneten ausgehen kann. Der wesentliche Gesichtspunkt für die Inkompatibilität ist nicht die Vermeidung einer dienstrechtlichen Interessenkollision, sondern vielmehr die Verhinderung der Machtballung Legislative-Exekutive in einer Person. Diese aber droht beim Gemeindebeamten in derselben Weise wie beim unmittelbaren Staatsbediensteten. Aus der Sicht des Bürgers ist die Frage zu stellen — hier aber kann ein sachlicher Differenzierungsgrund nicht gefunden werden. Die beim Gemeindebediensteten geringere Gefahr dienstrechtlicher Interessenkollision wird aus der Sicht der Gewaltenteilung und der Gewaltunterworfenen reichlich aufgewogen durch ein spezielles Bedenken gegen die Vereinbarkeit von Kommunalamt und Abgeordnetenmandat: die besondere Gefahrdung der vertikalen und nicht nur der horizontalen Gewaltenteilung (vgl. dazu näher oben V 2 b). Wenn schon bei den Bediensteten der unmittelbaren Staatsverwaltung zwischen ranghöheren und rangniedrigeren Beamten mit der Begründung differenziert wird, erstere stünden infolge ihrer leitenden Funktion im Zentrum der Exekutive, wenn bei ihnen Mandatsträgerschaft die Gewaltenteilung verletzt, so gilt dies auch für die leitenden Beamten der Exekutive in den Gemeinden: Die Machtfülle eines Bürgermeisterabgeordneten ist meist erheblich größer als die eines höheren Beamten, der etwa zum Abgeordneten gewählt wird. Gleichheitswidrig ist also jedenfalls die Kompatibilität bei den leitenden Kommunalbediensteten. Betrachtet man die Gesamtheit der Bedenken gegen eine Vereinbarkeit von Amt und Mandat in den beiden Fällen (unmittelbare-mittelbare Staatsverwaltung), so wiegen sie gleich schwer. Dann aber kann eine Differenzierung nicht sachgerecht sein, selbst wenn sich einzelne, isolierte Verschiedenheiten finden lassen. Es ist nicht Sinn des Gleichheitssatzes, Differenzierungen zuzulassen, wenn sich nur irgendwo irgendein Grund für die Regelung finden läßt, der als solcher nicht ganz unvernünftig ist. Im Sinne einer weiteren Globalschau muß vielmehr auch bei der Gleichheitsprüfung die Gesamtheit des Gewichts der Gründe gegeneinander abgewogen werden. Auch hier müssen grundsätzliche, primäre Argumente gegenüber sekundären durch-

106

Teil I: Beruf — Amt — Mandat

schlagen, wenn anders nicht auf dem Umweg über den Gleichheitssatz jede Argumentabwägung ausgeschlossen werden soll. Im vorliegenden Falle spricht das stärkste, von der ranghöchsten Norm (Gewaltenteilungsprinzip) ausgehende Argument und es sprechen nahezu alle anderen Gründe dafür, daß mittelbare und unmittelbare Staatsbedienstete gleichzubehandeln sind, denn niemand soll in Deutschland zugleich Gesetzgeber und Organ der Exekutive sein144.

Die Untersuchung gelangt daher zu dem Ergebnis, daß der gegenwärtige Gesetzgebungszustand im Lande Baden-Württemberg weder mit der Verfas sung des Landes noch mit dem Grundgesetz im Einklang steht: die Inkompatibilität von öffentlicher Dienststellung und Landtagsmandat muß auf die Be diensteten der mittelbaren Staatsverwaltung, mit Ausnahme der Ehrenbeam ten, erstreckt werden.

144 Es bedarf keiner näheren Begründung, daß die durch Erstreckung der Unvereinbarkeit bewirkte Statusänderung nicht soweit gehen würde, daß hierdurch die Fürsorgepflicht des Dienstherrn (vgl. dazu BayVerfGHE 9, 141, Ls 2) verletzt würde.

Teil II

Legitimation des Berufsbeamtentums

Grundlagen des Berufsbeamtentums* I. Vorbemerkung — Fragestellung Zum ersten Mal in seiner Geschichte bedarf heute das Berufsbeamtentum der Begründung, der grundsätzlichen Rechtfertigung. 1. Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges war das Beamtentum eine historisch legitimierte Erscheinung, selbstverständlich wie die Staatlichkeit, die es verkörperte. Der Sturz der Monarchie war fur die Beamtenschaft eine Gewissenskrise, keine Existenzbedrohung für das Beamtentum. Wie überall, so mußte auch in Deutschland die Republik anerkennen, daß die Beamten seit langem mehr dem Staat als der Person des Fürsten dienten, und in der neuen Parteidemokratie erwuchs ihnen neue Bedeutung: neutrale Schiedsrichterrolle über der „Zwietracht der Parteien", Bewahrung der Stabilität des Neuen in Kontinuität zum Alten. Und als nach 1945 angelsächsischer Einfluß den Beamten zum Arbeitnehmer machen wollte, da war es wiederum gerade der schwere Neubeginn der Staatlichkeit, dej das Beamtentum schützte: Die wenigen Reste des Alten konnten nicht auch noch geopfert werden, der harte Aufbau forderte alle bewährten Kräfte. So haben die Staatskrisen die Krise des Beamtentums nicht heraufbeschworen, sondern überdeckt. Erst heute beginnt systematisch an allen Punkten das Fragen, der Angriff mit Argumenten, die oft aus weiter Vergangenheit kommen: Kann es den Beamten, den Fürstendiener, in der Ordnung der volkssouveränen Demokratie geben? Werden nicht alle seine staatstragenden Funktionen von einem öffentlichen Dienst der Arbeitnehmer ebenso gut wahrgenommen? Kann es in einer kommerzialisierten Leistungsgesellschaft anderes geben als Arbeit und Lohn, was sollen hier Status und Amt? Was soll ein Beamtenstand in der klassenlosen Einheitsgesellschaft? Und wenn diese Gesellschaft pluralistisch bleibt — wo ist das Gemeinwohl, dem der Beamte verpflichtet sein will, was kann er anderes sein, als eine Arbeitnehmergruppe unter vielen? 2. All diese Fragen treffen - ein Blick auf das Schrifttum zeigt es - die Dogmatik des deutschen Staats- und Beamtenrechts weithin unvorbereitet — aus mehreren Gründen: * Erstveröffentlichung in: Godesberger Taschenbücher, Wissenschaftliche Reihe, Band 7, 1971.

110

Teil II: Legitimation des Berufsbeamtentums

- Eine staatsrechtliche Begründung des Berufsbeamtentums ist nie versucht worden. Das Beamtenrecht erging sich in rechtstechnischer Fortentwicklung von axiomatischen Prinzipien. - Die Grundlagen des Beamtentums waren letztlich stets Gegenstand der Rechtswissenschaft, vielleicht noch einer Staatswissenschaft im Sinne von Max Weber. Eine eigentliche Beamtensoziologie hat sich nicht entwickelt. - Das Berufsbeamtentum ist immer vorwiegend als Status gesehen und gerechtfertigt worden, nicht aus seinen Funktionen heraus. Die Wurzeln solcher Betrachtungsweise liegen, auch bei Otto Hintze und Max Weber, in deutsch-rechtlichen historischen Reminiszenzen an die Romantik. So erschien denn die Aufgabe des Beamten sogleich als ein sakralisiertes „Amt", das einer Leistungsgesellschaft suspekt sein muß. — Von dort war es dann nur ein Schritt zum „Stand" der Beamten. In aller Polemik ertönen so auch immer wieder Parolen des Klassenkampfes — wider ein Beamtentum, das manchem als Hort deutscher Bourgeoisie erscheint. Sie können nicht verstummen, solange die Beamtenschaft als „Stand" pseudohistorisierend mit fernen Bildern von Fürstendienern verbunden wird. - Soweit überhaupt eine Begründung des Beamtentums versucht wurde, erfolgte sie meist aus der Idee eines „Staates" heraus, als dessen Repräsentanten die Beamten erschienen. Solche Kategorien sind heute in Frage gestellt. Sie verschieben das Problem in zweifelhafte theoretische Höhen und verlassen den Boden der heute üblichen gesellschaftlichen Diskussion. Wieder erscheinen die Beamten als außergesellschaftliche Kaste. - Die Rechtfertigung des Beamtentums wurde allzu leichtfertig mit der eines organisierten öffentlichen Dienstes vermengt, ohne daß gefragt worden wäre, ob denn nicht auch Angestellte all das leisten können, was den Beamtenstatus rechtfertigen soll. Legitimiert wurde der öffentliche Dienst, nicht der Beamtenstatus. - Rechtfertigungsversuche kommen fast ausschließlich aus einer Stimmung von Staatskrise und verfassungsrechtlichem Neubeginn. Aus heutiger Sicht wirken sie daher oft konservativ, ja reaktionär. Art. 33 Abs. 5 GG hat diesen Eindruck noch verstärkt — das Beamtentum erscheint dann allzu rasch als eine Institution, welche durch das einzige legitimiert werden soll, was heute nicht anerkannt wird: Tradition. 3. Nach all dem ist Vorsicht selbst gegenüber jenen Begründungsversuchen am Platz, welche das Schrifttum nicht ohne Eintönigkeit zeigt. Als eine Sondergestaltung des öffentlichen Rechts verlangt das Berufsbeamtentum daher heute nach einer systematischen Begründung aus den Grundprinzipien der grundgesetzlichen Ordnung und den Grundsachverhalten und -entwicklungen unserer heutigen gesellschaftlichen Wirklichkeit. Eine solche Begründung muß

Grundlagen des Berufsbeamtentums

111

- stets von der heutigen Aufgabe, nicht von der historischen Gestalt des Beamtentums her erfolgen; - die Notwendigkeit gerade des Beamtenstatus erweisen und daher seine Besonderheit klar erfassen (im folgenden II): - auf den unveränderlichen Prinzipien der Staatsorganisation der Bundesrepublik Deutschland aufbauen, wie sie sich aus Art. 20 GG ergeben (dazu unten III f.). „Es ist etwas Irrationales am Beamtentum, so irreduktibel auf privates Erwerbsstreben wie der Staat"1 — dies kann heute nicht genügen. Für die Existenz eines Berufsbeamtentums wie fur jede andere Institution werden rationale Begründungen verlangt. Allerdings sind rationale Gründe nicht nur Bedürfnisse einer oft allzu unsicheren Zukunft, sie kommen auch aus dem, was sich bisher bewährt hat. II. Der Begriff des Berufsbeamtentums 1. Berufsbeamtentum und öffentlicher Dienst

a) Das Grundgesetz (Art. 33 Abs. 4, 5) will das Berufsbeamtentum im Interesse der Allgemeinheit erhalten2. Innerhalb des öffentlichen Dienstes muß es daher ein besonderes „öffentlich-rechtliches Dienst- und Treueverhältnis" geben (Art. 33 Abs. 4 GG). Die Grundsätze dieses Berufsbeamtentums müssen bei der Regelung des öffentlichen Dienstes berücksichtigt werden (Art. 33 Abs. 5 GG). Weder verlangt also die Verfassung, daß ein einheitliches öffentliches Dienstrecht geschaffen werde, noch verbietet sie dies. Dem Bundesgesetzgeber bleibt hier ein weiter Ermessensspielraum3, mag das Grundgesetz auch dem Gesetzgeber allgemein die Aufgabe einer Neugestaltung stellen4. Wenn aber ein einheitliches Dienstrecht geschaffen wird, so kann dies ohne Verfassungsänderung nur auf der Grundlage des Berufsbeamtentums geschehen. Verfassungswidrig wäre eine Neugestaltung des öffentlichen Dienstes allein auf der Grundlage des Arbeitsrechts. b) Was hier begründet werden muß, ist nicht die Notwendigkeit eines öffentlichen Dienstes allgemein, sondern die eines speziellen öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnisses, eben des Berufsbeamtentums. Begründungen, vor allem aus der Zeit des Kaiserreichs und der Weimarer Verfassung, welche einen geordneten, laufbahnmäßig gegliederten öffentli1

Hintze, O., Der Beamtenstand 1911, S. 15.

2

BVerfGE 11, 215; vgl. auch 8, 343; 9, 286.

3

BVerfGE 8, 16; 9, 286; 11,215.

4

BVerfGE 15, 196.

112

Teil II: Legitimation des Berufsbeamtentums

chen Dienst rechtfertigen und ihn etwa einer Praxis vorübergehender Beauftragung oder des Beutesystems gegenüberstellen, können als Grundlage des Berufsbeamtentums nicht genügen. Geordnete Funktionswahrnehmung ist grundsätzlich auch durch Einsatz von Arbeitnehmern, insbesondere von Angestellten möglich. Die Notwendigkeit gerade eines Berufsbeamtentums kann nur der Nachweis begründen, daß dessen Gestaltungen allein oder besser geeignet sind zur Erfüllung (gewisser) staatlicher Aufgaben. 2. Die Wesensmerkmale des Berufsbeamtentums

a) Der Beamtenstatus5 weist gegenüber dem Arbeitsverhältnis heute noch immer eine große Zahl von mehr oder weniger bedeutsamen Unterschieden hinsichtlich der Rechte und Pflichten gegenüber dem Dienstherrn auf. Seit Jahrzehnten ist jedoch eine Entwicklung im Gange, welche das Recht des Angestellten dem des Beamten in verschiedenen Bereichen angleicht. Sie wird sich, das läßt sich schon heute mit Sicherheit sagen, in den kommenden Jahren noch verstärken. Auch vor dem herkömmlichen „Kernbestand von Strukturprinzipien des Berufsbeamtentums" 6, dessen „hergebrachten Grundsätzen", macht diese Angleichung nicht halt: „Treue und Gehorsam" gegenüber dem Dienstherrn kann auch vom Arbeitnehmer verlangt werden, „unparteiische Amtsführung" schuldet auch er; „fachliche Vorbildung" ist allenthalben eine Selbstverständlichkeit, „hauptberufliche Tätigkeit" die Regel; „lebenslänglich" ist jedenfalls der unkündbare Arbeitnehmer angestellt, dessen öffentlicher Arbeitgeber ja konkursunfahig ist, Rechtsanspruch auf Lohn hat auch er, die Altersversorgung für ihn und seine Angehörigen wird nach Sicherheit und Höhe immer mehr der des Beamten angeglichen — um nur diejenigen Grundsätze des Berufsbeamtentums zu nennen, welche das Bundesverfassungsgericht 7 als „hergebracht" i.S. von Art. 33 Abs. 5 GG ansieht. Wenn es jedoch keine Grundsätze spezifisch beamtenrechtlicher Dienstrechtsgestaltung mehr gibt, wenn sie praktisch politisch wertlos sind oder in absehbarer Zeit sein werden, so kann eine verfassungsrechtliche Begründung des Berufsbeamtentums nicht mehr gelingen. Es bleibt dann nur die Feststellung, daß der gesamte öffentliche Dienst, ja vielleicht alle arbeitsrechtlichen Beziehungen in der Bundesrepublik Deutschland nach den früher dem Berufsbeamtentum eigenen Grundsätzen geregelt worden sind. Die Verfassung wäre dadurch nicht verletzt, der Auftrag des Art. 33 GG erfüllt — wenn auch in einer Weise, welche der Verfassunggeber weder gewünscht noch vorhergesehen hat. Mag man es nun „Status" nennen oder nicht, vgl. dazu Wiese, W., DVB1. 1970, 644 (649). 6

BVerfGE 15, 195.

7

BVerfGE 9, 268 (286).

Grundlagen des Berufsbeamtentums

113

b) Eine volle Angleichung von Beamten- und Arbeitnehmerstatus wird heute häufig aus politischen Gründen kurzerhand behauptet — und mit einigen Angleichungsfakten belegt, von denen auf eine angeblich unausweichlich bevorstehende totale Vereinheitlichung des Arbeitnehmerstatus im öffentlichen Dienst geschlossen wird. Eine derart undifferenzierte Betrachtungsweise wird dem Problem nicht gerecht. Wenn geprüft wird, ob es heute noch Besonderheiten eines Beamtenstatus gibt, die auch praktisch-politisch ins Gewicht fallen, so kann es im Rahmen dieser grundsätzlichen Ausführungen nicht um Einzelheiten, aber auch nicht um Formen rechtstechnischer Gestaltung gehen, die ja ausgewechselt werden können. Es scheiden daher als Wesensmerkmale in dem hier zu erörternden Sinn aus: - rechtliche Formalien, insbesondere die öffentlich-rechtlichen Formen der Begründung und Beendigung des Dienstverhältnisses; - rechtliche Konsequenzen aus der öffentlich-rechtlichen Begründung des Dienstverhältnisses (Rechtsweg, Haftung, Regreß, weite Bereiche des formalen Disziplinarrechts); - Rechte, die bisher praktisch völlig bedeutungslos geblieben sind und von denen kaum erwartet werden kann, daß sie alsbald begründende Bedeutung erlangen werden, insbesondere das Recht, auf „angemessenen Unterhalt" zu klagen8. c) Statusbegründend kann heute für ein Beamtentum nur mehr sein, daß es einerseits Verpflichtungen trägt, welche über die der Arbeitnehmer nicht unerheblich hinausgehen, andererseits der Beamte dem Dienstherrn gegenüber weitergehende Rechte besitzt als jene. Diese Unterschiede dürfen nicht punktuell bleiben, sie müssen das Gesamtverhältnis entscheidend prägen. Herkömmlicherweise wird hier einerseits auf die Treuepflicht des Beamten verwiesen, die sowohl generell zu einer „Steigerung der allgemeinen Staatsbürgerpflichten" führen (Verfassungstreue) als auch besondere Verpflichtungen hervorbringen könne (Überstundenarbeit), zum anderen auf die Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Beide Begriffe sind heute als solche kaum geeignet, Wesensmerkmale eines Berufsbeamtentums politisch überzeugend zu bezeichnen, mögen sie auch im Rahmen einer Reform mit neuem Inhalt erfüllt werden können: Sie sind wohl doch zu allgemein, sind nicht selten übermäßig beansprucht worden, und schließlich entwickeln sich ähnliche Vorstellungen, wenn auch oft in Anlehnung an das Beamtenrecht, auch im Arbeitsrecht.

BVerfGE 1 ,

.

114

Teil II: Legitimation des Berufsbeamtentums

Es müssen daher nicht so sehr weite Formeln gefunden, als vielmehr die zentralen speziellen Rechte und Pflichten des Beamten deutlich herausgehoben werden. d) Statusbegründend ist heute für das Berufsbeamtentum: — einerseits die lebenslängliche Anstellung sowie volle Versorgung für den Beamten und seine nächsten Angehörigen, — zum anderen, daß es der Beamte dem Dienstherrn überläßt, sein Gehalt und seine Arbeitsbedingungen festzusetzen und daß er auf Durchsetzung seiner Interessen im Arbeitskampf verzichtet. Diese Grundsätze bezeichnen nur die Bereiche, in denen ein wesentlicher Unterschied zwischen dem Beamtenrecht und dem Recht der Angestellten besteht, in denen also eine „Angleichung" nicht möglich ist, ohne daß einer der beiden Status aufgegeben würde: — Das Lebenszeitprinzip ist im Beamtenrecht nicht nur eine Regel, der zahlreiche Ausnahmen gegenüberstünden. Es macht das Wesen des Beamtentums schlechthin aus und wird nur in fest bestimmten Ausnahmefallen verlassen, die im allgemeinen auf Probe und Bewährung abgestellt sind. Einen derartigen Lebenszeitgrundsatz kann das private Arbeitsvertragsrecht nie erreichen, will es nicht — eben alle Angestellten zu Beamten machen. Wesentliche Unterschiede werden auch in der Zukunft noch liegen: • in längeren Wartezeiten bis zur Unkündbarkeit; • in der Möglichkeit, in außerordentlichen Fällen (Konkurs u.ä.) das Angestelltenverhältnis dennoch irgendwie zu beendigen; • darin, daß der Gesetzgeber die Sicherheit der Anstellung bei Angestellten durch einfaches Gesetz beeinträchtigen kann, während dies bei Beamten einer Verfassungsänderung bedürfte. Mag dies heute als theoretisch erscheinen — in wirtschaftlichen Krisenzeiten kann es unerwartete Bedeutung erlangen. — Die Beamtenversorgung ist nach Sicherheit, Umfang wie Höhe heute noch immer das Vorbild des gesamten Sozialbereiches. In ihrer verfassungsrechtlichen Sicherung kann sie rechtlich, in ihrer Höhe wird sie wirtschaftlich in absehbarer Zeit nicht von anderen Sicherungsformen erreicht werden. Und selbst wenn letzteres geschähe, so würde der höhere rechtliche Sicherungsgrad allein schon entscheidend bleiben. — Der Verzicht auf Tarifautonomie und Arbeitskampf ist ein entscheidender Unterschied zum privaten Anstellungsverhältnis. Er ergibt sich aus der Verfassung 9 und kann durch keine Angleichungsbewegung Angestell9

BVerfGE 8, 17.

Grundlagen des Berufsbeamtentums

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ter—Beamter je schrittweise beseitigt werden. Dem Dienstherrn bleibt dabei nicht nur die Bestimmung des Gehalts, sondern auch die Festsetzung aller anderen Arbeitsbedingungen, mag hier auch durch Ausweitung des Mitbestimmungsrechts des Personalrats eine gewisse Angleichung erfolgen. Die Grundsätze der Anstellung und Versorgung auf Lebenszeit und der Verzicht auf vertragliche Mitgestaltung des Dienstverhältnisses sind nicht das einzige, was heute den Beamtenstatus vom Recht des Angestellten trennt, sie bezeichnen jedoch den Kern einerseits der verstärkten Rechte, andererseits der erhöhten Pflichten. Nicht nur heute, sondern noch fur lange Zeit, wird das auf solchen Grundlagen ruhende „intensivierte Rechte-/ Pflichtenverhältnis" des Beamtentums auf unterschiedliche Bereiche von Rechten und Pflichten ausstrahlen, die Lage des Beamten auch in Einzelheiten anders gestalten als die der Angestellten, von der Nebentätigkeit bis zum Rechtsschutz, von der Verfassungstreue bis zur Teilzeitbeschäftigung. Doch selbst wenn in all diesen Bereichen kein Unterschied zwischen Beamten und Arbeitnehmern mehr feststellbar wäre — solange Lebenszeitprinzip und Tarifvertragsverzicht bleiben, hat der Beamte einen eigenständigen Status, der auf der Verfassung beruht. Denn wenn sich ein Beschäftigungsverhältnis nach Dauer, Sicherung, Gestaltungsweise so stark von allen anderen unterscheidet, wenn es in einer höheren Normschicht gegründet ist, so muß man es einen Status nennen. Es fragt sich nun, ob dieser Status mit den organisatorischen Grundentscheidungen der Verfassung vereinbar ist, ob er „näher bei ihr steht" als andere dienstrechtliche Gestaltungen, oder ob er gar, wenigstens für gewisse Bereiche, von ihr gefordert wird. Eine andere Form der Begründung kann es in einem Verfassungsstaat nicht geben.

III. Demokratiegebot und Berufsbeamtentum Das Demokratiegebot wird heute von vielen als die wichtigste Grundentscheidung des Grundgesetzes angesehen, in seinem Namen die Aufhebung des Berufsbeamtentums gefordert, das einerseits die „Macht der Herrschenden über das Volk" durch ein blindes unterwürfiges Herrschaftsinstrument verstärke, andererseits in einem wichtigen Bereich der Gesellschaft, eben im öffentlichen Dienst, das demokratische Prinzip aufhebe. Bei näherer Betrachtung erweisen sich diese Argumente als unzutreffend. Im Gegenteil: Demokratie fordert Beamtentum. Für dieses heutige Demokratieverständnis sind drei Punkte von zentraler Bedeutung: Verbindung der Staatsgewalt zum Volk (1.), Mehrheitsprinzip (2.), Pluralismus (3.).

9 Leisner, Beamtentum

116

Teil II: Legitimation des Berufsbeamtentums

1. Volksherrschaft und Beamtentum

Alle Gewalt geht vom Volk aus — doch ausgeübt wird sie tatsächlich von einer Beamtenkaste, auf welche das Volk keinen Einfluß hat. Diese Kritik ist unberechtigt. Das Demokratiegebot fordert keinen unmittelbaren Einfluß des Volkes auf die Beamtenschaft (a), Volksherrschaft i.S. des Grundgesetzes verlangt sogar umgekehrt ein unabhängiges Berufsbeamtentum (b), innerhalb dessen nicht „wieder Demokratie herrschen muß" (c). a) Unbestritten ist, daß das Grundgesetz nicht die Wahl all derer durch das Volk verlangt, welche für dieses Staatsgewalt ausüben. Es dürfte dann auch nur volksgewählte Richter geben. Beamte werden zwar in der Regel nicht gewählt, sondern ernannt. Doch um die Erweiterung der Kategorie der Wahlbeamten geht es heute nicht — es ist unbestritten, daß ein Wahlbeamtentum das bisherige Berufsbeamtentum als solches in der Bundesrepublik Deutschland nicht ersetzen könnte. Ein einheitlicher Arbeitnehmerstatus im öffentlichen Dienst aber würde den unmittelbaren Volkseinfluß auf diesen nicht stärken, sondern sogar abbauen10: Die demokratisch gewählten Volksvertreter könnten Rechte und Pflichten der Beamten nicht mehr allein bestimmen. b) Wenn es schon nicht möglich ist, allenthalben ein Wahlbeamtentum einzuführen, so ist die Herrschaft des Volkes dann am besten gesichert, wenn der öffentliche Dienst ein zuverlässiges Instrument des Volkswillens ist, das nicht eigenen Willen dem des Souveräns entgegensetzt. - Die optimale Lösung ist hier das Berufsbeamtentum. Es verzichtet ja mit Tarifautonomie und Arbeitskampf auf eigenen Gestaltungswillen und liefert sich den Gewählten des Volkes aus. Und nur zugunsten des Volkssouveräns kann man auf solche Rechte verzichten. Geschähe dies nicht, so wäre die hohe Sicherung im Lebenszeitprinzip in der Tat bedenklich: Das Volk könnte sich von den Vollziehern seines Willens nicht trennen und müßte sich dennoch laufend mit ihnen arrangieren. So und nur so würde dann Demokratie durch Bürokratie ersetzt. Wer das Recht zu Kampf und Streik gewährt, läßt den demokratischen Willen des Volkssouveräns am partikulären Willen einiger Bediensteten scheitern. Wem der Geist einer auf Lebenszeit gesicherten Beamtenschaft suspekt ist, der darf ihr nicht die einzige Waffe geben, die sie dann wirklich zur Kaste macht — den Streik. - Umgekehrt aber ist ohne lebenszeitliche unbedingte Sicherung ein Verzicht auf kollektivvertragliche Rechte nicht zu erwarten. Und gerade das Lebenszeitprinzip bietet die beste Gewähr für die Durchsetzung des demokra10

Vgl. dazu noch näher unten VII, zur Gewaltenteilung.

Grundlagen des Berufsbeamtentums

117

tisch gebildeten Willens: die unbedingte und kontinuierliche Vollstreckung des Volkswillens. Als ein solches Instrument hat sich das Berufsbeamtentum schon zu Zeiten der Fürsten bewährt. Das Volk, welches von diesen die Souveränität übernommen hat, braucht um so mehr den sicheren, unbedingten Vollstrecker seines Willens, als es selbst nicht in der faßbaren Eindeutigkeit, in der greifbaren Kontinuität des Monarchen erscheint. Diese Sicherheit der Vollziehung des Willens des „unsichtbaren Souveräns" bietet voll nur der Beamte auf Lebenszeit: Aus der Sicherheit seiner Stellung heraus vollstreckt er unbedingt; sein gesicherter Beruf erst bringt in solchen Vollzug die Kontinuität11 dauernder Herrschaft. Im Berufsbeamnicht Volksunordnung. Das Betentum wird Demokratie Volksherrschaft amtentum ist formierte Erscheinung der Demokratie. c) In seiner inneren Struktur ist das Berufsbeamtentum nicht demokratisiert, es darf es nicht sein. Was hier „demokratisiert" wird, geht der großen Demokratie verloren, welche allein der Garant des Demokratischen in der Gesellschaft sein kann. Es ist schon zweifelhaft, ob das Demokratiegebot der Verfassung verlangt, daß alle menschlichen Gemeinschaften innerhalb des Staates in Analogie zu diesem aus Wahl und Mehrheit leben sollen12. Doch auch wenn dies bejaht wird — für einen Bereich kann es nicht gelten: für die Vollziehung des Volkswillens. Wer hier Autonomie schafft, zerstört die Demokratie. Wenn das Volk schon darin politisch geschwächt erscheint, daß es nicht selbst, sondern nur über seine Vertreter herrschen kann, so muß dieser Herrschaftswille wenigstens auf dem Weg zur Verwirklichung möglichst rein erhalten bleiben, es darf sich ihm nicht der eigene Wille der Beamtenschaft als eines „peuple en miniature" entgegensetzen. Was an Gründen der Machtmäßigung hier geschehen soll, bestimmt eindeutig und abschließend die Verfassung in der Form der Gewaltenteilung13. Wer darüber hinaus dem Willen des Volkes den Herrschaftswillen einer „kleinen bürokratischen Demokratie" entgegensetzt, bricht die Volkssouveränität. 11 Stets ist Kontinuität eine wichtige Rechtfertigung des Berufsbeamtentums gewesen, vgl. etwa Ule, C.H., Öffentlicher Dienst, Grundrechte I V / 7 , 576; Wiese, W., DVB1. 1970. 644 (649); BVerfGE 7, 162; Köttgen , Α., Recht — Staat — Wirtschaft IV, 227 (229); Ever s, H.U., Beamter und Politik. Festschrift f. Herrfahrdt, 1961, 19 (26); Finger, H.J., ZBR 1964, 65 (66); Juncker, W., ZBR 1967, 65. Doch es geht in ihr nicht nur um die Bewahrung des Staates über wechselndem Mehrheitswillen; die Demokratie muß erst überhaupt den „kontinuierlich Herrschenden" finden. Dies gibt ihr das Berufsbeamtentum in der äußeren Form der Vollziehung des Volkswillens. Es ersetzt das, was dem souveränen Volk an formierter Erscheinung fehlt. 12

Dazu näher Leisner, W., Mitbestimmung im öffentlichen Dienst, 1970, S. 29 m. Nachw. = in diesem Band, S. 475 (497). 13

*

Vgl. unten III.

Teil II: Legitimation des Berufsbeamtentums

118

Mehr als jeder andere Souverän braucht der Volkssouverän den uneigennützigen Dienst14, der gerade nicht im demokratischen Zusammenschluß seine Rechte verfolgt. Niemand leistet hier besseres als der auf Lebenszeit gesicherte Beamte, dessen Sicherung eben primär nicht seinen Interessen, sondern denen der Volksherrschaft dient.

2. Der Beamte als Vollstrecker des Mehrheitswillens

Demokratie ist nicht nur ein Gleichgewicht von Kräften im Pluralismus15, sie ist auch eine Ordnung, die auf Mehrheitsentscheid gegründet ist. In beidem ist das Berufsbeamtentum ihre beste Stütze. a) Pseudodemokratische Kritik verwirft heute ein Berufsbeamtentum, weil dessen zentrale Legitimation, die Verpflichtung auf ein übergreifendes Gemeinwohl16, nur mehr Fiktion sei. Dem Gemeinwohl zu dienen sei Aufgabe aller gesellschaftlichen Gruppen17; die Beamten seien nur eine von diesen18. Überdies sei die „Gesellschaft" mit ihrem Wertpluralismus in das Gemeinwohl eingedrungen; dieses könne daher heute nicht mehr als Einheit erfaßt und folglich könnten die Beamten darauf nicht ebenso wie früher verpflichtet werden19. Da auch die früher einheitliche Staatsidee durch solchen Pluralismus aufgelöst sei, könne der Beamte auch nicht mehr als Repräsentant des Staates erscheinen und als Hüter der Staatlichkeit legitimiert werden20. Derartige Kritik mißversteht die bisherigen Staats- und gemeinwohlbezogenen Begründungen des Berufsbeamtentums und verkennt das Wesen der Demokratie, welche eine Herrschaft der jeweiligen Mehrheit ist.

14 Dazu u.a. Grewe, W., Verh. d. 39. DJT 1951, D 3 (10); Krüger, H., Allgem. Staatslehre, 1964, 766; BVerwGE 24, 235 (242); BVerfGE 8, 332 (343); 9, 268 (286). 15

Dazu unten 3.

16

Dies war in der Tat von jeher die grundlegende Rechtfertigung eines Beamtentums, vgl. fur viele Mayer, F., Das Beamtenverhältnis (unter Hinweis auf Hegel), DBB-Schriftenreihe Heft 42, S. 115; Ule, C.H., Grundrechte I V / 2 , 648; Peters, H., Dt. Landesref. ζ. IV. Intern. Kongreß f. Rechtsvergleichung, 1955, 309; Krüger (Fn. 14), 846; Weber, W., Gegenwart und Zukunft d. höh. Beamtentums, 1962, S. 10; Noll v. d. Nahmer, R., BayBZ 1951, 161 (162). 17

Steltmann, H.-R., Das außerdienstliche Verhalten der Beamten, Diss. Münster 1970,

97 f. 18 Sontheimer, K , Staatsidee und staatliche Wirklichkeit heute. DBB-Schriftenreihe Heft 33, 57 f. 19

Kluth, H., Amtsgedanke und Pflichtethos in der Industriegesellschaft, Hamburg JB fur Wirtschafts- und Gesellschaftspol. (Hrsg. Ortlieb / Molitor) 1965, S. 11 f. 20

Dazu Huber, E.R., Dt. Verf. Geschichte III, 969.

Grundlagen des Berufsbeamtentums

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b) Die Bedeutung der „Staatsidee" fur das Berufsbeamtentum ist stets anerkannt worden21, sie soll keineswegs geleugnet werden: Ohne einen einheitlichen Staatsbegriff gibt es kein Berufsbeamtentum, das diesem Staat dienen könnte22. Diese Erkenntnis muß jedoch keineswegs zu einer Romantisierung der Beziehungen zwischen Staat und Beamten fuhren, wie sie früher Mode gewesen sein mag23. Aus dem Begriff einer „Staatsrepräsentanz" als solchem, der ohnehin zwielichtig ist24, können keine eindeutigen Folgerungen gezogen werden25, wenn nicht näher bestimmt wird, was diese Staatlichkeit konstituieren soll. Die Angriffe auf den Beamten als Staatsrepräsentanten sollen die Beamtenschaft denn auch lediglich in die Rolle der Vertreter einer irrationalgewaltsamen, sakral oder feudalistisch begründeten Staatlichkeit drängen. Davon kann heute keine Rede sein. Die Beamten vertreten den Bürgern gegenüber vielmehr eine Staatlichkeit, die in demokratischer Weise das darstellt, was jeder Staat sein muß: eine Entscheidungsordnung, und zwar hier aus dem Willen der Mehrheit. Unrichtig ist es, von einer Auflösung der Staatlichkeit zu sprechen, solange diese Norm besteht. Ihr Vollzieher ist der Beamte, dies allein genügt, um seinen Status zu legitimieren. Es mag hier offen bleiben, ob je Staatlichkeit so viel mehr war als ein Mechanismus der Entscheidung, ob je eine Staatsdienerschaft auf so viele „einheitliche Werte" verpflichtet wurde. Hier ist viel romantisiert und historisch simplifiziert worden. Die Wertlegitimationen der Staatlichkeit waren wohl stets im Wandel; gerade über ihnen hat das Beamtentum die Kontinuität der staatlichen Entscheidungsordnung stets bewahrt — vom konservativen zum liberalen, von dort zum sozialen Rechtsstaat. c) Dieser Mehrheitsstaat ist also eine Staatsidee wie sie das Berufsbeamtentum als Grundlage braucht. Mehr noch: Er schafft die Gemeinwohlvorstellung, auf die der Beamte verpflichtet ist. Gemeinwohl ist, was die Mehrheit als solches erkennt. In diesem Sinn kann es keinen Gegensatz geben, zwischen Beamten und Parteien, zwischen Bürokratie und Politik. Der Beamte 21

Steltmann (Fn. 17), 89; Kaiser, J.H.. Die Stellung des Berufsbeamtentums und seiner Vertretungen im sozialen Rechtsstaat, DBB-Schriftenreihe, H. 31, 29. 22

Spanner, H., Die Berufsbeamten und die Staatskrisen, VVdStRL 13 (1955), 119 (143).

23

Vgl. etwa Heyland, C., Das Berufsbeamtentum im neuen demokratischen deutschen Staat, 1949, 32, wo von einem „metaphysischen Band" zwischen dem Staat und seinen Dienern die Rede ist. 24 Vgl. dazu krit. u.a. Gehlen , Α., in: Staat, Beamter, Gesellschaft, DBB-Schriftenreihe, H. 24, 65 (69); Salzwedel, J., DBB-Schriftenreihe, H. 35, 39 (42); Mayer (Fn. 16), 122. 25 Es sei denn etwa die inhaltsschwache Aussage, der Beamte repräsentiere den Staat gegenüber dem Bürger, Bergsträsser , Α., DBB-Schriftenreihe, H. 24, 90.

120

Teil II: Legitimation des Berufsbeamtentums

vollzieht diesen Willen der Mehrheit und nur ihn. Und das Gemeinwohl ist nicht gespalten und aufgelöst in Pluralismus, es bewährt sich über allem Pluralismus 26 in der jeweiligen Entscheidung der Mehrheit. Diese steht fur das Gemeinwohl aber nur dann, wenn sie im Beamten den unbedingten Vollstrekker findet. Ein Zirkel ist es also, das Beamtentum wegen der angeblichen Auflösung der Gemeinwohlvorstellung beseitigen zu wollen, wo sich doch das Gemeinwohl gerade in dem Vollzug der Mehrheitsentscheidung durch den Beamten zeigt. d) Der Beamte, der auf Lebenszeit gesichert ist und auf die Durchsetzung eigener Interessen verzichtet, ist der beste Hüter des Mehrheitswillens und damit wieder der Demokratie: — Der Minderheit gegenüber, die in der Demokratie morgen die Mehrheit sein kann, wird nur ein unbedingt gesicherter Vollziehender den Willen der Mehrheit vollstrecken. Wichtig ist eine Beamtenschaft, die weder mit der Mehrheit noch mit der Minderheit handeln kann. Das Gesetz der wechselnden Mehrheit fordert das beständige Beamtentum. Daß der Beamte jedem Herrn dient, ist seine Größe. Daß er auch dem gedient hat, der nicht demokratisch legitimiert war, ist eine Schuld, die er gemeinsam mit all denen trägt, die sie ihm vorhalten. — Ein Staat der Mehrheitsentscheidung ist nicht eine Ordnung des Arrangements. Arrangement gibt es in der Bildung, nicht in der Vollstreckung des Mehrheitswillens. Wer den Befehl so hochhält, daß eine Stimme Mehrheit zu ihm fuhrt, der braucht unbedingten Vollzug. Wenn dem Mehrheitswillen etwas Prekäres anhaftet, so ist er ohne strengen Vollzug nicht zu halten; und dies werden diejenigen schlechter leisten, die etwas durchsetzen und etwas verlieren können. — Mehrheitsentscheidung ohne Minderheitenschutz wird Tyrannei. Nur der auf Lebenszeit bestellte Beamte ist zwar Vollzieher des Mehrheitswillens, aber nicht nur Diener der Mehrheit von heute, sondern auch der Mehrheit von morgen. Nur er wird daher letztlich die Minderheit schützen, der er heute schon virtuell verpflichtet ist. — Mehrheitswechsel bringt politische Erschütterung. Allein der Beamte, der Diener aller Mehrheiten, kann hier eine Ordnung sichern, die sich nicht in einer Entscheidung erschöpft, sondern deren Veränderung und Ablösung durch gegenläufige Dezisionen gewährleisten will. Dies ist jene Kontinuität, die allein das Lebenszeitprinzip bringt 27. Nur ein Bediensteter, dessen ganzes Leben unter einer sicheren Ordnung steht, kann solche Kontinuität 26

Vgl. dazu unten 3.

27

Vgl. Nachw. oben Fn. 11.

Grundlagen des Berufsbeamtentums

121

im Staat bewahren. Unrichtig ist es, den Beamten im Namen des Staates gegen die Parteien stellen zu wollen — der Beamte ist Hüter ihres Kräftespiels. Er ist nicht Zünglein an der Waage, sondern deren Halt. — Demokratische Mehrheitsordnung vollzieht sich auf der Grundlage, im Rahmen der Verfassung. Diese ist es daher auch, in der das Beamtentum begründet ist. Seine Grundlagen sind dem Spiel wechselnder Mehrheit entzogen, denn es ist ein Hüter der Verfassung 28, die gerade die Demokratie gegen tyrannische Mehrheiten sichert. In seiner unbedingten Gewährleistung muß es die Mehrheit von heute ebenso überdauern, wie die Verfassung stärker ist als das Gesetz; die Gerechtigkeit der Verfassung steht allein einem verfassungsbegründeten Beamtentum höher als die der Gesetze. Als lebendige Verkörperung der grundgesetzlichen Ordnung ist das Beamtentum ebensowenig undemokratisch wie die Idee einer Verfassung, welche die Herrschaft der Mehrheiten ordnet und die höchste, die verfassunggebende Mehrheit gegen die einfache Majorität sichert. e) Die oft berufene Funktion der Stabilisierung im Staat der wechselnden Mehrheiten29 kommt also den Beamten nicht in dem Sinn zu, daß sie „konservative" Obrigkeitsstaatlichkeit gegen lebendige demokratische Kräfte des „Fortschritts" zu verteidigen hätten — ihre Stabilität allein ermöglicht vielmehr diese Bewegung, nämlich allen wirklichen und vermeintlichen Fortschritt. Und neutral 30 ist die Beamtenschaft nicht in dem Sinn, daß sie sich gegen die demokratische Mehrheit stellt im Namen einer Staatsräson, die sie sejbst interpretiert und verwaltet. „Pouvoir neutre"31 ist sie nur darin, daß sie die Verfassung verteidigt, daß ihr die Demokratie höher steht als die kontingente 28 Häufig ist deshalb das Beamtentum auch in Zusammenhang mit dem Staatsoberhaupt als dem „neutralen Hüter der Verfassung" gebracht worden, nicht, weil dieser etwa der Nachfolger des Monarchen wäre, siehe u.a. Schmitt, C., Der Hüter der Verfassung, 1931, 149; Heyland (Fn. 23), 46; Krüger (Fn. 14), 938 unter Hinweis mi Schmoller. 29

Köttgen , Α., Das dt. Berufsbeamtentum und die parlam. Demokratie, 1928, 48, 58, 86; Fischbach, O., DÖV 1952, 644;. Weber, W., ZBR 1954, 1 (3); Spanner, H., VVdStRL 1955, 119 (143); Schmitt, C., Verfassungslehre, 1954 (Neudr.), 172, 272; ders., Der Hüter der Verfassung, 101 / 2, 149; Morstein-Marx, F., DVB1. 1955, 6 (9); Forsthoff, E., VerwR I, § 4; Weber, W., Gegenwart und Zukunft d. höh. Beamtentums, 10. 30 Vgl. etwa Juncker (Fn. 11); Koellreutter, O., DÖV 1951, 467 (469); ders., BayBZ 1951, 1, (3); Spanner (Fn. 29); Thieme, W., Verwaltungslehre, 1967, S. 175; ders., ZBR 1960, 169 (173); Wolff, H.J., VerwR II, 3. Aufl. 1970, 404; Kern, E.A., Handwörterbuch d. Soz. Wiss. I (1956), 695 (699); Köttgen , Α., Hdb. d. Dt. Staatsrechts, II, 1932, 1 (10); vgl. auch Entstehungsgeschichte des GG, JöR 1, 315. 31 Siehe dazu die Nachw. in Fn. 28, sowie noch Koellreutter, O., Beamten-Jb 16 (1929), 561; Zippellus, R., Allgem. Staatslehre, 1969, 203; Gehlen, Α., DBB-Schriftenreihe Heft 24, 85 (69); krit. dazu Kölble, J., DÖV 1969, 25 (31); Forsthoff (Fn. 29).

122

Teil II: Legitimation des Berufsbeamtentums

Mehrheit von heute. „Unpolitisch" ist sie, soweit eben der Vollziehende nicht zu entscheiden, sondern fremden Willen zu vollstrecken hat. Eine „Politik der Neutralität" dagegen steht der Beamtenschaft nicht zu; nichts ist in ihrem Status, was mit Notwendigkeit dahin führte.

3. Pluralistische Demokratie und Berufsbeamtentum

Daß die Demokratie der Bundesrepublik Deutschland rechtlich und tatsächlich eine pluralistische" ist, bedarf hier keines Nachweises. Verfassungsrechtlich ist dies schon durch die politische Willensbildung in Meinungsvielfalt (Art. 21 GG) sowie durch den grundrechtlich legitimierten Minderheitenschutz begründet. Daß gerade solcher Pluralismus, der nur in der Mehrheitsentscheidung zur Ordnung werden kann, das Berufsbeamtentum braucht, wurde bereits dargelegt32. Und gerade der Pluralismus als solcher schafft dem Berufsbeamtentum wesentliche Legitimation: a) Wenn schon ein Staat potentiell wechselnder Mehrheiten, etwa in einem Zweiparteiensystem, einer wenn nicht politisch neutralen, so doch eigenständigen Vollzugskraft bedarf, so gilt dies erst recht in einem Staat der Gruppen. Deren kompliziertes und in seinen Einzelheiten kaum vorhersehbares Zusammen- oder Gegeneinanderspiel ist überhaupt nur möglich, wenn es eine Kraft gibt, die sich im Prozeß der gesellschaftlichen und politischen Willensbildung mit keiner anderen Gruppe identifiziert, jedoch bereit ist, die jeweils herrschenden oder vorherrschenden Tendenzen auszudrücken oder doch gewähren zu lassen. Keine Form des Staatsdienstes ist dazu besser geeignet als das Berufsbeamtentum, das ja auch früher schon in der niedergehenden ständischen Ordnung des Ancien Régime die Ordnung der Gemeinschaft über der Eigensucht der Gruppen bewahrt hat, wenn auch damals noch in starker Abhängigkeit vom Monarchen. Der Beamte ist der beste Garant einer pluralistischen Ordnung33, denn er ist

32 33

Vgl. oben 2.

Dies betonen m. R. Kölble, J., DÖV 1969, 25 (31); Naumann, R., VVdStRL 13 (1955), 88/9; Weber, W., ZBR 1954, 1 (3); dersGegenwart und Zukunft des höheren Beamtentums, 9/10; vgl. auch Sontheimer (Fn. 18), 49, der auf Weber, M., hinweist, auf den diese Gedanken wohl zurückgehen.

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— durch seine Sicherung auf Lebenszeit weit unabhängiger gegenüber den Pressionen gesellschaftlicher Gruppierungen34, nicht nur der politischen Parteien; — durch den Verzicht auf kampfweise Durchsetzung seiner wirtschaftlichen Interessen nach seiner Mentalität in einer gewissen Distanz zur Repräsentation der organisierten Interessen; — durch einen von ihm nicht mitbestimmten Status auch kollektiv ein aliud gegenüber den gesellschaftlichen Gruppen, welche geradezu durch die gemeinsame Verfolgung ihrer Interessen konstituiert werden. Nur der Beamte ist nicht Akteur auf der gesellschaftlichen Bühne. Er allein ist daher auch derjenige, der eine solche Bühne offen, vorurteilslos, interessenfrei aufbauen und sichern kann. Von jeher war der Beamte, der fest gesichert ein unentziehbares Amt verwaltete, nicht eine Institution monolithisch-diktatorischer, sondern pluralistischer Staatlichkeit. Je mehr es in unserer Gesellschaft an Pluralismus gibt, desto wesensnotwendiger ist ihr das Berufsbeamtentum. b) Nach dem Willen der Verfassunggeber und nach der gesetzlichen Ausgestaltung seines Status soll das Beamtentum ersichtlich keine Gruppe bilden, welche in einem Verbändestaat als solche gesellschaftlich-politische Macht ausübt. Dies ist in einem gruppenpluralistischen Staat keineswegs unzulässig. Keine Verfassungsentscheidung verlangt, daß alle Glieder der Gesellschaft gruppenmäßig organisiert sein müßten, keine Staatsorganisationsnorm sieht vor, daß Staatsgewalt nur von Gruppen ausgeübt werden könne. Selbst wenn es entsprechende ökonomische oder soziologische Postulate gewisser Richtungen gäbe — ein allgemein-gesellschaftlicher Konsens ist nicht festzustellen, rechtlich hat sich dies nicht verfestigt; dies wäre auch nur im Wege einer verfassungsrechtlichen Umwälzung möglich. Dem Beamtentum kann also nicht vorgeworfen werden, da es nicht als Gruppe organisiert sei, wirke es in einer pluralistischen Gesellschaft als Fremdkörper. Dies ergibt sich schon daraus, daß in aller Regel der gegenteilige Vorwurf erhoben wird: Das Berufsbeamtentum müsse aufgehoben werden, weil es als Relikt des Ständestaates mit der Demokratie unvereinbar sei.

34 Vgl. f. viele dazu Weber (Fn. 33); Fischbach, O.G., Verh. d. 39. DJT 1952, D 33, D 41 f. D 73; Grewe, W., ebda. D 3 (D 10); Schmidt-Brücken, G., DÖV 1949, 441; Wacke, G., AöR 76 (1950/51), 385/6; Sontheimer (Fn. 18), 59.

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Teil II: Legitimation des Berufsbeamtentums

4. Das Berufsbeamtentum als antiständische Institution

a) Das angeblich antidemokratische Wesen des Berufsbeamtentums als eines ständestaatlichen Relikts wird meist35 wie folgt begründet: Wesentlich sei für das Beamtentum der Begriff des Amtes, dessen Pflichten — im Gegensatz zum „Beruf 4 - umfassend seien und vom Beamten „volle Hingabe" verlangten. Die gemeinsame Besonderheit der Verwaltung mache die Beamten nicht nur zur Gruppe, sondern zum Stand. In der Gemeinschaft zeichneten sie sich durch ein besonderes Wertbewußtsein aus, ihre Standesqualität bewiesen sie in weitestgehender Selbstrekrutierung. Zugleich allerdings wird dann festgestellt, die Voraussetzungen einer solchen Amts-Standesordnung bestünden heute schon weitgehend nicht mehr: Das gemeinsame Wertbewußtsein dem Staat gegenüber, die Vorstellung von einer personalen Staatsrepräsentanz, eine kleinräumige, mithin überschaubare Ämterordnung, geringe Unterschiede der Ämtergruppen, die Selbstrekrutierung. Daraus folgert die Kritik 36 dann kurzerhand, daß das Beamtentum nicht nur eine undemokratische, weil wesentlich ständische Institution sei, sondern daß es überdies noch anachronistische, längst überholte gesellschaftliche Entwicklungen versteinere. Auf eine kurze Formel gebracht: Das Berufsbeamtentum sei nichts als das Fortleben ständisch-feudaler Traditionen im Herzen der Demokratie. b) Hier sind diese Argumente nicht unter rein soziologischen, sondern unter verfassungsrechtlichen, aber auch unter verfassungsgeschichtlichen und rechtssoziologischen Gesichtspunkten zu untersuchen. Sie erweisen sich dabei als in sich widersprüchlich sowie als methodisch und sachlich unhaltbar. aa) Ein innerer Widerspruch liegt zunächst schon darin, daß einerseits das Beamtentum als eine ständische Ämterordnung verurteilt, zum anderen aber behauptet wird, die Voraussetzungen für eben diesen Amtsbegriff entfielen heute immer mehr. Wenn dem so ist, das Beamtentum aber immer noch besteht, so müßte doch geprüft werden, ob denn die Beamtenschaft so vollständig durch diesen „Amtsbegriff' konstituiert wird. Und wenn er es ist, der das Verdammungsurteil der Ständestaatlichkeit trägt — wird denn dann nicht das Beamtentum gerade dadurch hoffähig, was ist dann an ihm so gefahrlich für die Demokratie? Die Kritik ist den Nachweis schuldig geblieben, daß mit dem von ihr behaupteten Wandel des Amtsbegriffes nicht auch ein demokra35

Vgl. f. viele Kluth (Fn. 19).

36

So immer wieder Kluncker, H., fur den DGB.

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tisches Beamtentum sich entwickeln kann. Ihre beiden Hauptargumente — Gefährlichkeit der „Ämterordnung" — Zerfall der „Ämter" — widersprechen sich. bb) Die Kritik geht von axiomatischen Vorstellungen aus, welche auf einer weithin willkürlichen Verabsolutierung bestimmter geschichtlicher Situationen beruhen. Alle oben erwähnten angeblichen „Voraussetzungen" „der Ämterordnung und damit des Beamtentums" sind in sich zweifelhaft, jedenfalls unzulässig verallgemeinert: - Gemeinsames Wertbewußtsein gegenüber dem Staat — das sind Simplifizierungen, die der vom „gläubigen Mittelalter" ähnlich sind. Dem läßt sich die etwa ebenso plausible These entgegensetzen, daß das Berufsbeamtentum stets ein Instrumentarium unideologischer, technischer Verwaltungsherrschaft in einer Gesellschaft des (beginnenden) Pluralismus gewesen sei. - Ebenso simplifizierend ist der Hinweis auf die „personale Staatsrepräsentanz", ohne die es ein Beamtentum nicht geben könne. Dem steht entgegen das geschichtliche Phänomen des republikanischen, demokratischen Magistratus37. - Eine ständische Ämterordnung mag klein und überschaubar sein müssen und keine erheblichen Unterschiede zwischen den Ämtergruppen aufweisen dürfen. Doch dies ist eine Frage des Ständischen, nicht des Amtes. Ämter gibt es gerade dort, wo die Verhältnisse unübersehbar sind und deshalb feste Kompetenzen geschaffen werden. cc) Die gesamte Kritik gegen das Berufsbeamtentum geht - meist unbewußt - auf die klassischen Analysen zurück, die Max Weber dem Beamtentum gewidmet hat38. Das Hohelied, das einer der größten Vertreter der deutschen Geisteswissenschaft dem Beamtentum gesungen hat, liefert heute die Waffen zu seiner Vernichtung. Max Weber wollte der jungen Republik sagen, daß sie das Beamtentum erhalten müsse als einen „Stand", der gerade im neuentdeckten Spiel der politischen Kräfte allein die nötige Stabilität geben könne. Und um dies zu begründen, vertiefte Max Weber jenen Amtsbegriff, den er vor allem aus dem sakralen kirchlichen sowie aus dem reformatorischen Bibelverständnis heraus zu entwickeln versuchte. Damit sollte das Beamtentum nicht etwa als ein 37 38

Dazu näher unten IV.

Vgl. u.a. Wirtschaft und Gesellschaft. 4. Α., Nachdr. 1956, 563, 839 u. öfter; Politik als Beruf, in: Gesammelte polit. Schriften, 2. Α., Nachdr. 1958, 494 (insbes. 504 f.); Deutschlands künftige Staatsform., ebda. 437 f.

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Teil II: Legitimation des Berufsbeamtentums

verknöcherter, rein historisch begründeter Stand, sondern als eine Gruppe ausgewiesen werden, in der moralische Traditionen bester europäischer Geistigkeit lebendig seien. Es ist keine schwerere Fehlinterpretation Weberscher Gedanken vorstellbar als der Versuch, daraus einen mittelalterlich-ständischen Charakter des Beamtentums abzuleiten. Max Webers Analysen müssen übrigens auch sonst in ihrem historischwissenschaftlichen Kontext gesehen werden, der gewisse Übersteigerungen verständlich macht, wie sie damals zur Begründung seiner Thesen erforderlich sein mochten: - Die starke Betonung der Besonderheit des „Amtes" gegenüber dem „Dienst" kommt aus jener religionsgeschichtlichen Begründung, welche Max Weber häufig versucht hat39. Ob sie gerade beim Beamtentum so weitgehend zutreffen, ob damit der Amtsbegriff wirklich religiös und moralisch fundiert, mit dieser Bedeutung im Zentrum aller Beamtlichkeit steht, bedarf denn doch noch umfangreicher historischer Untersuchungen. - Max Weber ist stark beeinflußt durch die großen deutschrechtsgeschichtlichen Werke der Wilhelminischen Zeit, insbesondere durch Otto von Gierke. In ihnen aber schwingt viel Spätromantik mit, insbesondere ist ihre Amtsvorstellung nahezu ausschließlich von aristokratisch-feudalistischen und lehnsrechtlichen Kategorien geprägt. Die Amtskategorien etwa der französischen Revolution, des Liberalismus, der Demokratie treten demgegenüber zurück. Dies führt zu einer gewissen Einseitigkeit. - Die Betonung des „Ständischen" und „Klassenhaften" ist in einer Zeit verständlich, in der tatsächlich noch von der Beamtenschaft, wenn auch nicht ohne Romantisierung, als von einem „Stand" gesprochen wurde40, vor allem aber in einer Nachkriegsperiode, in der die ganze Vergangenheit verloren schien und nun doch noch etwas von ihr gerettet werden sollte. Die heutige Kritik, die doch stets rationalistisch und fortschrittlich denkt, übernimmt hier nur allzu gern historisierende Betrachtungen, die vor einem halben Jahrhundert in ganz anderer Konstellation angestellt worden sind, sie fragt gar nicht lange, ob sich denn seither nicht eine „neue" Legitimation des Beamtentums entwickelt habe. Sie geht daher von überholten Konzepten aus und erliegt dabei - erstaunlicherweise! - sogar spätromantischen Vorstellungen.

39

Vgl. vor allem die ökonomischen Motivationen des Protestantismus, insbes. des Calvinismus. 40 Vgl. etwa Hintze, O., Der Beamtenstand, 1911, 5 (allerdings sehr zurückhaltend); Bluntschli, K.J., Lehre vom modernen Staat, III, Neudr. 1965, 491; vgl. noch Peters, H., Die Verwaltung als eigenständige Staatsgewalt, 1965, 30.

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Wer das Berufsbeamtentum als eine ständische, antidemokratische Institution erweisen will, darf nicht irgendwelche Amtsträger aus früherer Zeit attackieren, sonst gelingt ihm nur der Beweis, daß die Fürstenherrschaft nicht demokratisch gedacht habe ... Es ist vielmehr das geltende Beamtenrecht darauf zu untersuchen, ob es einer beamtlichen Ständestaatlichkeit Vorschub leistet, die mit der Verfassung nicht vereinbar wäre. c) Die Staatsform des Grundgesetzes mit ihrer Demokratizität und Gewaltenteilung duldet weder ständestaatliche Bildungen im Zentrum der Staatlichkeit, noch eine Beamtenschaft, die sich als ein Pouvoir intermédiaire 41 zwischen Staat, Parlament und Bürger schöbe. Doch gerade dies ist heute nicht der Fall: Grundkonzept des geltenden Beamtenrechts in seiner Ordnung von Status und Laufbahnen ist es vielmehr, jede Art von Ständestaatlichkeit im öffentlichen Dienst auszumerzen. Würde jedoch - entsprechend mancher Kritik — der Beamtenstatus geopfert, so müßte gerade dies neue, antidemokratische Ständestaatlichkeit schaffen: aa) Das deutsche, früher das preußische Beamtenrecht war als solches nie ein Standesrecht, die Beamtenschaft im ganzen nie ein Stand. Dies beweist bereits ein Sachverhalt, der heute von kritischen Stimmen häufig dem deutschen Beamtenrecht angelastet wird: die Existenz von verschiedenen Laufbahnen. Sie gehörten früher eindeutig verschiedenen sozialen Schichten an — soweit es solche heute noch gibt, ist dies noch immer der Fall - und doch waren und sind sie alle Beamte. Diese Gemeinsamkeit verbindet den Boten mit dem Ministerialdirektor. Standesunterschiede können dadurch allenfalls abgebaut, nie verstärkt werden. Ein öffentlicher Dienst, der nicht Standesprivileg ist, muß aber allen Schichten jeder Vorbildung offenstehen. Dies war von jeher im deutschen Beamtenrecht der Fall. Gerade diejenigen aber, welche heute die Überführung des einfachen, vielleicht des mittleren Dienstes in den Arbeitnehmerstatus wünschen, würden das dann verbleibende Beamtentum zu einer Schicht abkapseln, in der leicht ständisches Denken sich entwickeln könnte42. Vor allem müßte nun die Beamtenschaft, sollte sie ein antidemokratischer „Stand" sein, auch nur eines der Merkmale aufweisen, welche den öffentlichrechtlichen Standesbegriff konstituieren. Dies ist jedoch nicht der Fall:

41 Zur Beamtenschaft als Pouvoir intermédiaire vgl. Thieme, W., Der öffentliche Dienst in der Verfassungsordnung des GG, 1961, 22; Kölble, J., DÖV, 1969, 25 (31). 42

Solche Bedenken stehen auch den Ausführungen Kölble, J., DÖV 1970, 456 f., entgegen.

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Teil II: Legitimation des Berufsbeamtentums

bb) Stände sind Bevölkerungsgruppen, zu denen der Zugang beschränkt ist oder die sich von anderen Gruppen abschließen. Ihre Ordnung ist nicht öffentlich oder doch weithin der Kontrolle und dem Einfluß Außenstehender oder der Gesamtgemeinschaft entzogen. Das Gegenteil galt von jeher von der Beamtenschaft. Sie ist die einzige Gruppe in der Gemeinschaft, zu der der Zugang sogar von Verfassungs wegen (Art. 33 Abs. 2 GG) allen Deutschen offensteht. In steigendem Maße sieht das Beamtenrecht die obligatorische Stellenausschreibung vor, Berufschancen und Entlohnung sind hier offener gelegt als irgendwo sonst, damit jeder seine Chance auch berechnen könne; die Personalwirtschaft wird mit Sicherheit noch transparenter werden, jedenfalls stets durchsichtiger sein als die privater Einrichtungen. Vor allem aber sind die Zugangsbedingungen in aller Regel durch oder auf Grund von Prüfungen bestimmt, die schon heute einen hohen Öffentlichkeitsgrad haben, der sich gleichfalls noch verstärken wird. Dies ist nicht die Rekrutierungsform einer Kaste, eines „Standes" — in welchem Sinn immer dieses Wort gebraucht wird — es ist ihr genaues Gegenteil: Die Rekrutierungsformen der Beamtenschaft, gerade mit ihrem festen Laufbahnprinzip, waren und sind das antiständische Vorbild par excellence. Wo immer der Zugang zu einer Berufsgruppe „demokratisiert", „objektiviert", „rationalisiert" wird, da kann dies praktisch nur in Anlehnung an beamtenrechtliche Gestaltungen erfolgen. Daß die „Ämterordnung", welche angeblich die Beamtenschaft konstituieren soll, in sich selbst, über den Zwang zu Sachlichkeit und Spezialisierung, den Zug zur notwendigen Nivellierung in der Rekrutierung und damit zur Auflösung jeder ständischen Struktur trägt, ist seit Max Weber allgemein anerkannt und wird auch von der Kritik nicht bestritten43. Wenn da und dort die Objektivität der Rekrutierungsformen zu wünschen übrig läßt, so kann dies durch Reformen unschwer gebessert werden. Wird das Beamtentum abgeschafft, aus dem die Idee des „gleichen Zugangs" kommt, so wird das zu einem Vordringen der Ständestaatlichkeit führen. Erstaunlich bleibt, daß gerade der einzigen Gruppe der Gesellschaft, die sich nicht ständisch rekrutieren darf, der Vorwurf der Ständestaatlichkeit gemacht wird — und häufig kommt diese Kritik zudem noch aus Bereichen der Privatwirtschaft und Publizistik, bei denen der Zugang auch nicht entfernt vergleichbar objektiviert ist — und wo doch, wenn schon dies unklare Wort gebraucht werden soll, große Macht ausgeübt wird. cc) Stände setzen organisierte Durchsetzung eigener Interessen voraus — in der Beamtenschaft gibt es sie weniger als irgendwo sonst. Nicht durch die 43

Vgl. Kluth (Fn. 19).

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Innehabung eines „Amtes" wird heute der Beamtenstatus konstituiert, wenn dies früher je der Fall gewesen sein sollte, sondern durch eine besondere Sicherung, die mit besonderem Verzicht erkauft ist44: Der Beamte kann gerade zu dem Mittel nicht greifen, das für jeden öffentlich-rechtlich relevanten Stand schlechthin wesensnotwendig ist: zu Tarifverhandlung und Arbeitskampf als der heute praktisch einzigen Form der Durchsetzung eigener Interessen. Als organisierte Einheit tritt die Beamtenschaft daher weniger als die meisten anderen Gruppen der Gesellschaft in Erscheinung; ein Zusammengehörigkeitsgefühl, das Standes-, ja Klassenbewußtsein schafft, entsteht im gemeinsamen Kampf um eigene Interessen — als einzige kennen ihn die Beamten nicht. Wenn ihnen alles fehlt, was „moderne Stände schafft" — wie könnten da gerade sie Prototyp der Ständestaatlichkeit sein? In einen tiefen Widerspruch fallt hier die Kritik: Der Beamtenschaft wird vorgeworfen, daß ihr kämpferisches Klassenbewußtsein fehle, ja daß sie die Einheit sprenge, die aus solchem Bewußtsein komme — und doch soll gerade sie eine undemokratische Standesgruppe sein, weil sie nicht kämpft, keine Interessen durchsetzt. Und um sie als Stand zu zerschlagen, soll ihr das einzige aufgezwungen werden, was sie zum Stand machen würde — Tarifautonomie und Arbeitskampfrecht. dd) Stände haben Privilegien und verteidigen diese. Selbst wenn die Beamtenschaft Privilegien besäße — sie könnte sie selbst, wie eben dargetan, nicht wirksam schützen, Rechte, denen solcher Schutz fehlt, haben an sich schon mit ständischen Privilegien nichts gemein. Doch auch sonst lassen sich echte Vorrechte nicht finden, welche die Gleichheit unerträglich berührten: Der Beamtenstatus ist ein ausgewogenes System von Rechten und Pflichten, keine Summe von Vorrechten. Nur eines könnte als Privileg erscheinen — die Anstellung auf Lebenszeit. Doch einerseits steht dies als solches gar nicht im Mittelpunkt der Kritik, weil es ja, als Ideal der Arbeitsplatzsicherung, nicht abgeschafft, sondern ausgedehnt werden soll. Und niemand hat bisher behauptet, gerade die unkündbaren Arbeitnehmer formierten einen „Stand". Zum anderen ist das Lebenszeitprinzip notwendige Folge und Gegenleistung für den Verzicht auf das Recht, ja das Grundrecht auf Tarifautonomie und Arbeitskampf. Ohne Lebenszeitanstellung wäre der Beamte unterprivilegiert. Die hohe Sicherung, die er so genießt, schafft keinen Stand, sie stellt nur die Gleichheit der Berufschancen in der Gesellschaft her.

44

Siehe oben II.

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Teil II: Legitimation des Berufsbeamtentums

ee) Stände entwickeln einen besonderen moralischen Kodex, spezielle Ver haltens- und Ehrvorstellungen, die nicht nur die Berufstätigkeit ihrer Mitglieder, sondern ihr gesamtes Leben prägen. Ansätze dazu mag es in der Beamtenschaft gegeben haben, deren Mitglieder ja auch ihr „außerdienstliches Verhalten" auf ihre Beamtenpflichten auszurichten hatten. Auch dieser „Ehrbegriff ist früher häufig gepriesen, besser: beschworen worden45, weit mehr als etwas, das erhalten werden sollte, als daß man ihn je hätte näher bestimmen können. Er gehört zu den Spätromantisierungen des Fürstendienertums. Von einem ausgebildeten, detaillierten Ehrkodex kann schon seit Jahrzehnten nicht mehr die Rede sein, selbst der Disziplinarrechtsprechung kann er nicht entnommen werden. In oft erstaunlicher Wandlungsfähigkeit hat diese vielmehr gerade neuerdings gezeigt, daß es den angeblichen Standeskodex schon seit langem nicht mehr gibt, wenn ein solcher je in der allgemein mehr nach Ständen gegliederten Gesellschaft früherer Zeiten gegolten haben sollte. Die Funktionsbezogenheit auch außerdienstlicher Verhaltenspflichten, die übrigens beim Beamtentum stets angelegt war, hat sich vielmehr laufend verstärkt. Seit mindestens einem halben Jahrhundert fehlt den „Ehrvorstellungen" der Beamten, wenn es sie überhaupt noch gibt, jene Exklusivität, die den „Stand" schafft. Die künftige Entwicklung wird wohl diese Funktionalisierung der Beamtenpflichten noch verstärken und das außerdienstliche Verhalten von speziellen Beamtenpflichten völlig freistellen. Dies kann geschehen, ohne daß das Wesen des Beamtentums Schaden leidet — es beruht nicht auf einer romantischen ständisch totalen Hingabe an ein Amt, sondern auf einem rational kalkuliçrten Austausch zwischen Sicherung und Verzicht. Es bedarf also gar keiner weiteren Darlegungen über den nicht-ständischen Charakter eines „Beamtenethos", das sich etwa auch dadurch von echtem Standes-Ethos unterscheiden würde, daß seine Beachtung nicht innerständisch, von ständischen Instanzen erzwungen wird. Überhaupt ist es gesellschaftspolitisch bedauerlich, wenn das als „Standesmoral" gebrandmarkt wird, was doch nur die höchsten Werte jedes Dienstes in einer entwickelten Ordnung bezeichnen soll — Treue, Zuverlässigkeit, Unbestechlichkeit. Wer darin bereits antidemokratische Ständestaatlichkeit sieht, der spricht der Demokratie die Qualität einer Staatsform ab. Sicher sollte nicht dauernd, wehmütig oder beschwörend, das Beamtenethos wortreich gepriesen werden, doch kein billig Denkender wird leugnen, daß die strenge 45 Weber, Max, Politik als Beruf, (Fn. 38); ders., Deutschlands künftige Staatsform, (Fn. 38); Bluntschli, (Fn. 40); Bank, B., ZBR 1958, 153 (155); Fischbach, O.G., DVB1. 1951, 99 (100); Koellreutter, O., DÖV 1951, 467 (469); Morstein-Marx, F., VerwArch. 54 (1963), 323 (insbes. 327, 338); Peters, H., Dt. Landesreferate zum IV. Int. Kongr. f. Rechtsvergl. 1955, 309.

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Ordnung der Beamtenschaft in Deutschland jedenfalls fur das Berufs- und Arbeitsethos als solches stets vorbildlich gewesen ist. Auch hier darf sich das Beamtentum nicht als Stand, wohl aber als Vorbild fühlen. ff) Zu einem Stand gehört schließlich - wenigstens in einem gewissen Umfang — Exklusivität in numerischer Beschränkung. Die Beamtenschaft wächst in die Millionen. Mit ihren Angehörigen, welche konsequent ständisches Denken dem Stand zurechnen muß, bilden sie einen großen Teil der Massengesellschaft. Ein solcher heterogener „Massenstand" aber hat mit den Ständen nichts gemein, welche die Demokratie bedrohen könnten. In seiner großen Zahl unterliegt er allen Einflüssen aus der „großen Gesellschaft", unübersehbar ist er mit ihr schon dadurch verzahnt, daß Familienangehörige als Arbeitnehmer tätig sind. Man mag so die Beamten eine „Gruppe" nennen, ein Stand sind sie nicht. Daß sich in ihnen Ansätze von Schicht- und Gruppendenken oder -verhalten finden, läßt sich nie völlig beseitigen, solange eine Vielzahl von Bediensteten gleiche Arbeit unter vergleichbaren Bedingungen verrichtet. In der pluralistischen Demokratie sind solche Ansätze auch kein Schaden: Ein gewisses Gruppenbewußtsein schafft erst das Organ für das Verständnis anderer Gruppierungen und erleichtert dem Bürger den Vorausblick auf wahrscheinlich zu erwartendes Verhalten der Beamten. Eine gewisse Berechenbarkeit gruppenspezifischen Verhaltens aber verstärkt die Berechenbarkeit aller staatlichen Machtausübung, wie sie der Rechtsstaat fordert. Zusammenfassend läßt sich sagen: Der demokratiegefahrdende Beamtenstand ist ein Popanz. Er soll die Beamten auf eine Tradition verpflichten, welche die ihre nie war. Alle Grundprinzipien des Beamtenrechts zeigen vielmehr heute das, was sich auch historisch belegen läßt: Das Beamtentum ist nicht eine Form des Ständestaates, sondern eine Form seiner Überwindung. Der Beamtenstatus ist als solcher die antiständische Organisationsform par excellence. Die Beamtenschaft hat den ständischen Staat in die Gleichheitsordnung der Industriegesellschaft geführt. Wer ihr antiständisches Modell zerstört und durch berufsständisches Arbeitskampfdenken ersetzen will, schafft eine neue Ständestaatlichkeit. Sie allein kann der Demokratie gefahrlich werden, nicht eine Beamtenschaft, die heute nicht nur der beste Hüter der Verfassung, sondern zugleich der beste Schutz und die beste Repräsentanz der Demokratie ist.

10 Leisner, Beamtentum

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Teil II: Legitimation des Berufsbeamtentums

IV. Der Berufsbeamte als Verkörperung der Republik 1. Die Kritik: Der Beamte als Fürstendiener — Gegenthese

Politisch wird heute gegen das Berufsbeamtentum vor allem mit der Behauptung Stimmung gemacht, die Beamten seien und blieben die geborenen Fürstendiener; das Treueverhältnis, in dem sie stünden, setze eine personale Bindung zum Monarchen voraus, der den Staat verkörpere; in der Demokratie erhalte sich mit dem Beamtenstatus ein Stück spätabsolutistischer Feudalherrschaft. Wenn dies zuträfe, so wäre das Beamtentum in der Tat mit der Grundentscheidung des Grundgesetzes für die Republik (Art. 20 Abs. 1 GG) nicht vereinbar. Selbst wenn sich dies erst herausstellen sollte, nachdem die deutsche Beamtenschaft bereits nahezu ein halbes Jahrhundert der Republik gedient hat, so müßte doch das Beamtentum - nach so gefahrlichem Zeitverlust um so rascher — unverzüglich beseitigt werden. Bei näherer Betrachtung erweist sich jedoch diese Kritik als das historisch unzutreffende Ergebnis einer völlig undifferenzierten Betrachtungsweise (2.) und eines mangelhaften Verständnisses der heutigen Rechte und Pflichten der Beamten sowie des modernen Amtsbegriffs. Hier wird der Auffassung vom Beamten als Fürstendiener die These entgegengesetzt: Das moderne Berufsbeamtentum ist nicht nur keine monarchische Institution, es ist vielmehr eine wesentlich republikanische Einrichtung, nur mit seiner Hilfe hat sich in Deutschland nicht-monarchische Staatlichkeit entwickeln können, mit seiner Kraft hält sich die Republik. Mit der Grundentscheidung des Grundgesetzes fur die Republik ist zugleich eine Entscheidung für das Berufsbeamtentum gefallen. Vor Eintritt in die Begründung dieser Auffassung sei nur noch am Rande bemerkt, daß die Gegenposition vom Beamten als Fürstendiener ebenso wie die Kritik der angeblich mangelnden Demokratizität46 von einer völlig kontingenten und heute längst überholten staatspolitischen Problematik ausgeht — vom Übergang vom Kaiserreich in die Weimarer Republik, der, wie jede Staatskrise, das Beamtentum getroffen hat. Schwer verständlich ist es jedoch, daß so deutlich zeitbedingte Argumente nach so langer Zeit in einer völlig veränderten Situation eingesetzt werden.

46

Dazu näher oben insbes. III 4.

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2. Die These vom „Beamten als Fürstendiener", Kritik

Die Auffassung, daß das moderne Berufsbeamtentum eine Fortsetzung der Fürstendienerschaft in republikanischem Gewände sei, widerspricht der historischen Entwicklung des deutschen Beamtentums (a), verkennt das Wesen der deutschen konstitutionellen Monarchie (b) und übersieht, daß sich gerade in Republiken eine Beamtenvorstellung entwickelt hat, welche der heutigen am nächsten kommt (c). a) aa) Die Geschichte des preußisch-deutschen Beamtentums47 zeigt in der hier gebotenen Vereinfachung mehrere Stufen der Entwicklung des Beamtentums in der die „Beamten" ein Teil der Ge- die mittelalterlich-lehnsrechtliche, folgschaft oder des Hausgesindes der Fürsten und Herren waren, welche für sie patriarchalisch sorgten und sie in weitgehender Abhängigkeit hielten - die ständische, welche sich aus der feudalistischen durch Vergabe von Lehen an die Beamten entwickelte und im weiteren Verlauf zu einer sachverständlichen Verselbständigung der Ämter und damit auch zu einer gewissen Unabhängigkeit der Beamten von den Fürsten führte - das statusmäßig unabhängige, funktionsmäßig aber streng gebundene Berufsbeamtentum, das sich in Preußen erst nach den Coccejischen Reformen zur Regierungszeit Friedrich des Großen entwickeln konnte und im 19. Jahrhundert seine endgültige Form fand. Diese Stufen bezeichnen nicht eine gradlinige, kontinuierliche Entwicklung, sie überlagern sich vielfach, immer wieder sind Sprünge nach vorn wie ein Rückfall in frühere Stufen festzustellen. bb) Eindeutig ist jedoch, daß das heutige Berufsbeamtentum weder mit dem patriarchalisch geordneten Fürstendienst, noch mit der auf Ämterkäuflichkeit und -erblichkeit beruhenden ständischen Beamtenkaste etwas gemein hat. Es beruht vielmehr auf einer neueren Dienstvorstellung, welche sich in Frankreich allenfalls ins späte 17., in Deutschland ins späte 18. Jahrhundert zurückverfolgen läßt. Daß hier in Begriffen wie „Treue" und „Hingabe" einige Zeit noch ferne patriarchalische Reminiszenzen mitschwingen mochten, ändert nichts daran, daß im ganzen keine Brücke führt vom heutigen Berufsbeamtentum zum Gefolgschaftsdienst früherer Zeiten. Das moderne Beamtentum kommt in Deutschland nicht aus der Zeit des Absolutismus, sondern aus der aufgeklärten Monarchie. 47

Wie sie in bis heute nicht übertroffener Weise von Otto Hintze, Der Beamtenstand, 1911, knapp dargestellt worden ist. io*

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Und es ist — dies ist nun entscheidend — kein Phänomen der Monarchie, sondern der Aufklärung, keine Institution der Anhänglichkeit an den Monarchen und der Abhängigkeit von ihm, sondern eine rechtliche und faktische Form der Verselbständigung der Staatsgewalt vom unbedingten monarchischen Willen. Die Beamtenschaft war übrigens von jeher, seit sie als solche organisiert auftrat, d.h. von ihrer ständischen Entwicklungsstufe an, eine Form der Verselbständigung gewisser Schichten gegenüber der Fürstengewalt — sei es, daß sich die zu Dienern der Monarchen berufenen Bürger sehr rasch hinter Pfründen und vererblichen Ämtern gegen den souveränen Herrscherwillen zu sichern suchten, sei es, daß der stets gegen die Fürsten stehende Adel nach der Brechung seiner Burgen in der Okkupation der Ämter neue Bastionen gegen die Regierenden aufbauen wollte. In besonderer Weise setzt sich aber diese Evolution der Abkehr vom Fürstendienst in dem moderneren, statusmäßig gesicherten und streng funktionsbezogenen Berufsbeamtentum des 18. und 19. Jahrhunderts fort. Die persönlichen Garantien, die es den Bediensteten bot, schafften doch keinen neuen Fürstendienst, sie waren Rechte gegen den Monarchen, gegen die Obrigkeit, die nun nicht mehr frei entlassen, wohlerworbene Rechte nicht mehr entziehen konnte. Dieses Beamtentum, das sich in der Tat im heutigen fortsetzt, war vielleicht die erste größere Ordnung des öffentlichen Rechts, in der einer ganzen gesellschaftlichen Gruppe ein grundrechtsähnlicher Status relativer Freiheit gewährt wurde. So ist denn die Gesamtentwicklung des Beamtentums schon seit Jahrhunderten zugleich ein antifeudalistisch-antimonarchischer Vorgang der Verselbständigung der Staatsgewalt gegen den Monarchen und eine Befestigung monarchischer Macht. Denn diese gibt es eben nun nicht mehr als persönliche Herrschaft, sondern als versachlichte Staatsautorität. b) Der Fürst, dem ein solcher erneuerter, entfeudalisierter und funktionalisierter Beamtenstand diente, war auch nicht mehr ein blutgieriger Tyrann der Renaissance oder der sonnengleich glänzende Selbstherrscher des Hochabsolutismus. Und das Wort vom Beamtentum als Institution des Spätabsolutismus fuhrt irre, denn es erscheint dann ein solcher Beamtenstand geradezu als Verkörperung oder doch als Helfer einer in sich zerfallenden, korrupten, oder gar übersteigerten „späten", d.h. anachronistischen Fürstenmacht. In Wahrheit schließt das moderne preußisch-deutsche Beamtentum an eine Monarchievorstellung an, die alsbald im Konstitutionalismus zum vollen Begriff der Staatlichkeit geführt und damit den nahezu bruchlosen Übergang in die Republik ermöglicht hat.

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Der Fürst, welcher sich ein Berufsbeamtentum schuf, dieses mit hohen Sicherungen umgab, aber dadurch an sich band, war gerade nicht mehr der Selbstherrscher, die Inkarnation aller Staatlichkeit, sondern der Erste Diener seines Staates. Als solcher, nicht als Besitzer des Staates, hatte er andere Diener, die Beamten. Er war ihnen zugleich Vorgesetzter und Vorbild — eben als Diener des Staates. Im Konstitutionalismus wandelte sich seine Stellung zu der eines Organs desselben Staates, dem auch die Beamten verpflichtet waren. Und am Ende des Kaiserreiches blieb von der unmittelbaren Bindung des Beamten an den Monarchen staatsrechtlich nur ein Eid, auf dem aber der Status nicht mehr beruhte, in Wahrheit also nichts als eine romantische Reminiszenz, die gelegentlich moralisch beflügeln mochte, den Beamten selbst damals aber wohl weniger bedeutete als denjenigen fortschrittlichen Kräften, die heute, monarchistischer als die Monarchen, solche Bindungen pseudoromantisch übersteigern. Nicht den Fürstendienst verewigt also das Berufsbeamtentum in republikanischem Gewände, sondern die Idee des organisierten, gesicherten Dienstes an der Gesamtheit, unter dem Namen des Dienstes am anonymen Staat. Mit dem Monarchen verband die Beamten des Konstitutionalismus wesentlich nur mehr eines: daß auch er der erste, vornehmste Diener dieser anonymen, abstrakten Rechtsperson „Staat" war, dem also zu dienen eine Ehre war. In der beamtlichen Ordnung wird letztlich die Monarchie zum Akzidens, zum Annex der Staatlichkeit schlechthin. Wer das Berufsbeamtentum als Versteinerung des Spätabsolutismus begreift, ignoriert die wichtigste Entwicklung der deutschen Verfassungsgeschichte. c) Deshalb ist das Berufsbeamtentum heutiger Prägung historisch auch eine ganz wesentlich republikanische Erscheinung. Wenn dies in der deutschen Entwicklung weniger deutlich ist, so nur deshalb, weil hier die Staatsform der Republik keine Vergangenheit hat. Gleichgültig ist ja die Ursprungsfrage - mag immerhin allenthalben die Monarchie das Beamtentum geschaffen haben, in ihm hat sie bereits erste republikanische Züge angenommen; die res publica, der Staat, steht über Monarchen wie Beamten. Und entscheidend ist, in welcher Staatsform sich das Beamtentum am vollsten entfaltet hat — das aber war die Republik. Die beiden größten republikanischen Erscheinungen der Geschichte — die römische Republik des Altertums und die französische Republik der Neuzeit, haben das ideelle und institutionelle Vorbild für das heutige Berufsbeamtentum geliefert, nicht Feudalismus und Monarchie.

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Teil II: Legitimation des Berufsbeamtentums

Ohne die Vorstellung vom unbestechlichen republikanischen Magistrat der Republik, von der idealen Censorengestalt eines Cato bis zu den harten Technokraten, die im Namen der Republik Königreiche verwalteten — ohne ein solches geistiges Vorbild hätte es im Mittelalter und neuerer Zeit keine festgefügte Administration, kein Amtsideal gegeben. Im Namen dieses Vorbildes des republikanischen Reiches hat der Erste Consul Napoleon die französische Verwaltung auf das Beamtentum gegründet, dessen Idee die Revolutionäre von 1789 im Dienst an Nation und Volk neu entdeckt hatten. Wenn die große Revolution den Übergang der Souveränität vom Monarchen auf ein Volk gebracht hat, das unmittelbar nicht herrschen konnte, oder gar auf eine überpersönliche Nation, die nur Organe kannte, nicht verkörpert werden durfte — stets war es der Walter der republikanischen Ämter, der Beamte, auf den tatsächlich die eigentliche, wenn auch nun vielfach gebrochene und kontrollierte Macht überging. So sind denn Parlament und Bürokratie, zu gleichen Rechten fast, Nachfolger des Monarchen geworden, denn ohne eine organisierte, gesicherte Beamtenschaft hätte die Republik immer wieder in selbstherrscherliche Phasen zurückfallen müssen. Dieses französische Beamtentum, in dem der republikanische Gedanke des Dienstes am unpersönlichen Gemeinwesen nie mehr verlorengehen sollte, hat im ganzen 19. Jahrhundert die Entwicklung des preußisch-deutschen Beamtentums geistig-grundsätzlich wie praktisch-institutionell laufend befruchtet — so wie einst die französischen Revolutionäre im Philosophen von Sanssouci, unter dessen Herrschaft Preußens Beamtentum sich formiert hatte, nicht eine spätabsolutistische Figur, sondern ein republikanisches Vorbild gesehen hatten. So ist denn das deutsche, das kontinental-europäische Berufsbeamtentum, anders als die Diener der englischen Krone, eine Schöpfung aus dem Geist republikanischer Staatlichkeit, nicht persönlicher Dienst unter persönlicher Herrschaft. Die Romantik, welche solche persönlich-feudale Bande wieder zu knüpfen suchte, hat bereits ein formiertes, dem anonymen Staat verpflichtetes Berufsbeamtentum vorgefunden, sie hat es nicht zu verändern vermocht. Nur in der heutigen Kritik an den Beamten lebt sie noch fort. Doch dies ändert nichts an einem historischen Faktum: In keiner Staatsform ist das Beamtentum fester begründet als in der Republik.

3. Ämterordnung und Beamtenstatus als Institutionen des republikanischen Staatsrechts

a) Wenn es schon der Begriff des „Amtes" sein soll, das durch die volle „Hingabe", mit der es der Beamte wahrnimmt, seinen Status konstituiert, so liegen gerade darin zentrale republikanische Organisationsvorstellungen.

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Nicht wer das Amt überträgt, ist entscheidend, wenn diesem in einer festen Ordnung selbständig Selbstgewichtigkeit zukommt. Wesentlich ist sein Inhalt, der eine möglichst organisch feste, abgegrenzte Einheit von Aufgaben und Pflichten umfassen soll. Eine derart selbständige Aufgabe steht nicht zur Disposition eines Potentaten, sie ist Ausfluß, ja Bestandteil einer abstrakten Gesamtorganisation, die als solche ebenso anonym ist wie das Amt — eben der Republik. Sie hat Amtsträger, der Monarch hat Diener. Darüber hinaus ist das „Amt" stets Ausdruck einer komplizierten Ordnung mit vielfachen Aufgaben, die nicht durch einzelne Befehle und Befehlsempfanger getragen werden kann, sondern eben im Ämtersystem überschaubar, für längere Zeit oder ein für allemal dargestellt werden soll. Eine solche Ordnung mag der Monarch gelegentlich benötigen, die Republik „ist" diese Ordnung, greifbar ist an ihr nichts anderes als ein System von Ämtern. Eine voll ausgebaute Ämterordnung in einer Monarchie ist stets das Zeichen dafür, daß dieser die echte Kraft der persönlichen Alleinherrschaft fehlt, welche die Verfestigung zementierter Ämter nicht mehr zu durchdringen vermag. So ist das Amt die „république en miniature", der kleine Kreis von Rechten und Pflichten, den der Beamte ebenso verwaltet, wie die höchsten Organe der Republik den Gesamtstaat. In der Monarchie ist das „Amt" Organisationsmöglichkeit, in der Republik Organisationsnotwendigkeit. Begrifflich-dogmatisch ist das „Amt" nicht ein Fremdkörper in der Republik, sondern in der Monarchie. Die Hingabe an das Amt als Aufgabe, nicht an den Vorgesetzten als Gefolgschaftsführer, ist republikanisches Ethos. Wer auch darin Knechtschaft sieht, entzieht der Republik die moralischen Grundlagen. Und wer die Beamtenschaft aus dem Amtsbegriff konstituiert, der bescheinigt ihr den Charakter einer zentralen Institution der Republik. b) Der Beamtenstatus, gegründet auf lebenslange unbedingte Sicherung und Verzicht auf kampfweise Durchsetzung eigener Rechte, gehört zum organisationsrechtlichen Kern der republikanischen Ordnung: — Gerade die Republik, welche auf das kontinuierlich stabilisierende Element der Monarchie verzichtet, bedarf des ruhenden Pols einer Beamtenschaft auf Lebenszeit — nicht um den Monarchen zu verewigen, sondern damit er nicht, in der Suche nach Ordnung, durch den Tyrannen ersetzt werde. - Ein Monarch, dem der Staat zu privatem Eigen gehört, der mag private Diener haben und mit ihnen nach privatem Recht handeln. Die Republik, der Inbegriff einer Zentralorganisation öffentlichen Rechts, muß denen den öffentlich-rechtlichen Status bieten, in denen vor allem sie sich nach außen zeigt — den Beamten.

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— Gegen Fürsten haben Stände immer gekämpft. Gegen die Republik, gegen die Sache des Volkes, gibt es nicht Kampf und Streit derer, die nicht Private, sondern Teil republikanischer Staatsgewalt sind — der Beamten. - Eine Staatsdienerschaft, welche den Schutz der greifbaren Macht der Monarchie genießt, mag auf rechtliche Sicherungen verzichten können, weil sie auf die Loyalität eines lebendigen Dienstherrn von hoher Kontinuität vertrauen kann. Die Republik, die jeder okkupieren kann, muß ihren Dienern mehr Sicherheit bieten. So steht denn das moderne Berufsbeamtentum weit näher bei der Republik als bei der Monarchie. Crown Servants kann sich der Monarch in beliebigem Status schaffen. Die Republik braucht den Beamten mit seinem besonderen Status, in dem sich etwas von der unsichtbaren Ordnung ihrer anonymen Staatlichkeit greifbar ausdrückt. Gerade weil die Republik auf die äußeren Zeichen monarchischer Würde verzichtet, muß sie diese durch die innere Würde besonders fester Verbindung mit jener Pflichtigkeit gegenüber der Gemeinschaft ersetzten, auf der allein die Republik ruht. Solches vermögen nur die Beamten. Sie sind nicht die unzähligen kleinen Könige der Republik, sondern die sicheren, weil gesicherten Sachwalter einer Gemeinschaft, deren Existenz erst in ihrem Dienst sichtbar wird. Im Berufsbeamtentum ersetzt die Republik den Reiz des Herrschens durch die Sicherung des Dienens. V. Das Berufsbeamtentum als Voraussetzung der Gewaltenteilung im parlamentarischen System Das Berufsbeamtentum ist diejenige Organisationsform des öffentlichen Dienstes, welche am besten eine einigermaßen gleichgewichtige Gewaltenteilung zwischen Exekutive und Legislative gewährleistet (1); ein durchgehender Arbeitnehmerstatus der öffentlichen Bediensteten dagegen würde die von der Verfassung (Art. 1 Abs. 3, 20, 28 GG) gewünschte Balance in unabsehbarer Weise beeinträchtigen (2). 1. Das Berufsbeamtentum als Stütze der Exekutive im System parlamentarischer Gewaltenteilung

a) Die Gewaltenteilung ist ein tragendes Organisationsprinzip des Grundgesetzes48. Zwischen Legislative und Exekutive soll ein Gleichgewicht der Macht erhalten werden, das gegenseitige Kontrolle und Mäßigung der Staatsmacht als solcher gewährleistet49. Zwar sind die Befugnisse von Legislative 48

BVerfGE 3, 247.

49

BVerfGE 7, 188.

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und Exekutive mannigfach verzahnt50, dennoch muß stets der Kernbereich der Exekutive erhalten bleiben: Die Regierung muß in der Lage sein, selbständig und in eigener Verantwortung gegenüber Volk und Parlament ihre „Regierungs"-Funktionen zu erfüllen 51. Während das Parlament seine Gewalt ohne Unterbau, ja ohne größere Hilfsdienste ausüben kann, ist die Regierung auf den öffentlichen Dienst angewiesen. Ihre Aufgabe liegt nicht nur in Anordnungen, sondern in deren Vollziehung. Der öffentliche Dienst ist daher - sieht man vom Sonderfall der Judikative ab — ein Teil der Exekutive. Er entspricht dann der Forderung der grundgesetzlichen Gewaltenteilung, wenn er die Exekutive als eine Gewalt konstituiert, welche als solche den anderen Gewalten gegenüberstehen kann. Die größte Gefahr, welche naturgemäß einen so ausgedehnten, so vielfach in sich unterteilten Pouvoir bedroht, ist die der Uneinheitlichkeit, Unübersichtlichkeit, Zersplitterung. Ein öffentlicher Dienst ist dann am besten verfassungskonform, wenn er eine einheitliche Exekutive schafft, einen Bereich, den die Regierung am besten lenken, den sie am leichtesten überwachen, für den sie am vollständigsten die Verantwortung übernehmen kann. All dies leistet keine Anstellungsform im öffentlichen Dienst besser als das Berufsbeamtentum: In der Einheitlichkeit seines Status konstituiert es am besten die Exekutive als Pouvoir; seine Grundlagen (Lebenszeitprinzip und Verzicht auf kampfweise Interessendurchsetzung) erleichtern wesentlich die Überwachung durch eine parlamentarisch verantwortliche Regierung. b) Daß es gerade das Berufsbeamtentum ist, das in der deutschen Verfassungstradition stets die Exekutive konstituiert hat, ohne das es eine eigenständige vollziehende Gewalt nicht oder nur sehr unvollständig hätte geben können, ist seit langem anerkannt52. Nicht nur, daß es in seiner Kontinuität und „stabilisierenden Funktion" einem „Durchgriff der Parteien und des Parlaments auf Einzelfunktionen der Exekutive Grenzen setzt53 und diese dadurch „nach außen abschirmt", sie damit jedoch erst zur echten „Gewalt" macht; die Einheitlichkeit des Status und die weitgehende Gleichmäßigkeit und Geschlossenheit des Laufbahn- und Besoldungssystems machen das Berufsbe50

BVerfGE 8, 322.

51

BVerfGE 9, 281.

52 Siehe etwa Fischbach, O.G., Verh. d. 39. DJT 1951, D 33 (D 42/3); ders., DÖV 1951, 453 (454); Kern, E., AöR 77 (1951/2), 107 (110); Suermann, ZBR 1965, 1 (2); Weber, W., ZBR 1954, 1 (3); Heyland (Fn. 23), 38; Weber, W., Gegenwart und Zukunft des höheren Beamtentums, 10; Thieme, W., Der Aufgabenbereich der Angestellten i.ö.D., 26; Mayer (Fn. 16), 125. 53

So vor allem das Schrifttum der Weimarer Zeit, z.B. Thoma, R., Hdb. d. Dt. Staatsrechts, 1930, Bd. I, 198.

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amtentum über alle Differenzierungen hinweg zu einer personalen Einheit, ohne welche es keinen politischen Pouvoir geben kann. Ansätze zu einem gleichartigen Gruppenverhalten wirken aus dieser Sicht der Gewaltenteilung positiv, soweit sie nicht in Bürokratismus und ständische Vorstellungen ausarten. Die Eigenständigkeit der Zweiten Gewalt bewährt sich ja nicht nur darin, daß sie andere Kompetenzen wahrnimmt als das Parlament, sondern vor allem dadurch, daß dies aus einem völlig unterschiedlichen Status ihrer Vertreter, damit aber in einer ganz anderen „Grundstimmung" geschieht. Das streng dienstlich Gebundene, Uneigennützige, Zurückhaltende, aber doch Systematische der Beamtenarbeit bildet eine gute Antithese zur Freiheit und interessengeladenen Dynamik der parlamentarischen Aktion, die im Dialog des parlamentarischen Systems zur Synthese führen soll. So schafft erst das Beamtentum eine gewisse qualitative Teilung wesensmäßig verschiedener Gewalten. Selbst die von der Verfassung gewünschte Verteilung der Exekutive auf Bund, Länder, Kommunen, autonome Körperschaften, Anstalten, Stiftungen des öffentlichen Rechts wäre kaum erträglich, wenn solche Autonomien nicht im einheitlichen „Personalsubstrat" der Beamtenschaft in einem Kern wenigstens zu organisatorischer Gemeinsamkeit und gleichen Formen der Tätigkeit fänden. Die vielfachen Delegations- und Auftragsformen der föderalisierten und kommunalisierten Exekutive verlangen, daß sich überall wieder dieselben beamtlichen Organisations- und Handlungsformen finden, welche einheitlichen Vollzug gewährleisten. Und diese Formen wurden und werden geprägt durch die Berufsbeamtenschaft, selbst wenn ihr im einzelnen zahlreiche Angestellte angegliedert werden. Vielköpfig kann die Exekutive nur sein, wenn in ihrem Arm die Einheit bleibt. Die machtmäßige Teilung der Befehlsgewalt führt zur Unordnung, wenn die personale Einheit des Vollzugs gebrochen wird. c) Nur der Status eines Berufsbeamtentums gestattet der Exekutivspitze einen vollen Einsatz und eine Überwachung des öffentlichen Dienstes, ohne die es kein parlamentarisches System geben kann: — Die Beamten verzichten auf Durchsetzung ihrer Interessen im Arbeitskampf. Wenn Bedienstete durch Streik den Mechanismus der Staatlichkeit lahmlegen, so machen sie parlamentarische Kontrolle über eine Regierung unmöglich, die nicht mehr Herr in ihrem Bereich ist. Schon die Vorauswirkungen solcher Möglichkeit, die Tarifautonomie als solche, macht die parlamentarische Überwachung und damit die vom Grundgesetz gewollte Gewaltenteilung illusorisch. Auf die Staatsbürger am Schreibtisch und ihre Massenorganisationen hat die Volksvertretung keinen bestimmenden Einfluß.

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- Die Beamten verzichten auf eine direktive Mitbestimmung, welche die Letztentscheidung aus den Händen der Exekutivspitze nehmen und damit das parlamentarische System aufheben würde. Einen solchen Verzicht verlangt die Verfassung im Namen der Gewaltenteilung vor allem hinsichtlich der Personalhoheit, welche ein „wesentlicher Teil der Regierungsgewalt" ist54. — Das Lebenszeitprinzip bringt eine Sicherheit und Ruhe in den öffentlichen Dienst, der diesen erst zu einem zuverlässigen Instrument der Exekutive macht. Bei einem Abbau der Sicherungen würde einerseits die Zuverlässigkeit des wichtigsten Instruments der Staatlichkeit leiden, zum anderen würde es unter dem Druck von Parteien und Interessen der Kontrolle der Exekutivspitze entgleiten. Die Exekutivspitze trifft politische Entscheidungen. Die Effizienz ihrer Leistungen läßt sich nicht in der Konkurrenz der Märkte messen, sondern nur politisch überwachen. Gerade weil es aber nach dem Grundgesetz vielfach solche Kontrollmechanismen gibt, darf die zu kontrollierende Macht nicht in sich schon geteilt, aufgelöst, verunsichert sein. Die Strenge der Kontrolle muß der Schlagkraft des Instruments entsprechen, das sie überwacht. Nur das Berufsbeamtentum bietet diesen festen Stand. Es ist der archimedische Punkt im System der Gewaltenteilung.

2. Durchgehender Arbeitnehmerstatus im öffentlichen Dienst als Störung der Gewaltenbalance

Die grundlegende Bedeutung des Beamtenstatus für den gewaltenteilenden Parlamentarismus erhellt noch besser, wenn man die Argumente fur die Einfuhrung eines durchgehenden Arbeitnehmerstatus kritisch überprüft. a) Gegen die Gewaltenteilungskonformität des Beamtenstatus könnte eingewendet werden, die organisierte Beamtenschaft stelle bereits in sich einen bürokratischen Pouvoir dar, der die von der Verfassung gewünschte Gewaltenteilung überdecke und damit sinnlos mache. Daß das Beamtentum ein selbständiges Element der Gewaltenteilung sei, klingt in der Tat gelegentlich dort an, wo seine stabilisierende Kraft besonders hervorgehoben werden soll55. Würde diese derart überbetont, so ließe sich allerdings eine so verselbständigte bürokratische Gewalt nicht mehr ein-

54 55

BVerfGE 9, 268.

Siehe etwa Peters, H., Die Verwaltung als eigenständige Staatsgewalt, 1965, 14; Finger, H.J., ZBR 1964, 65 (66).

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fügen. Eine solche Gewaltenteilung innerhalb der Gewalten wäre mit der „großen" Gewaltenteilung nicht mehr vereinbar. Doch all dies spricht gerade nicht für den Arbeitnehmer-, sondern für den Beamtenstatus. Durch Einführung von Tarifautonomie und Streikrecht würde doch den Beamten gerade jene Macht gegeben, welche sie zum eigenständigen Pouvoir erhöbe. Der Abbau der hierarchischen Ordnung, die in gewissem Umfang mit dem Berufsbeamtentum verbunden ist, müßte die Selbständigkeit der Bürokratie unangemessen und vor allem unkontrollierbar verstärken. Dies würde nicht mehr die Stellung der Waagschalen verändern, sondern die Waage entfernen. Gerade hier zeigt sich der unauflösliche innere Widerspruch der beiden Hauptargumente gegen das Berufsbeamtentum. Man kann diesem nicht zu gleicher Zeit vorwerfen, es sei blinder Befehlsempfänger und standesbewußte abgeschlossene Kaste. In Wahrheit hält der Beamtenstatus zwischen beiden Extremen die gute Mitte — der Arbeitnehmerstatus, der Befehlsunterworfenheit abbauen will, könnte nur bürokratische Gruppenmacht auf Kosten der Gewaltenteilung verstärken. b) Vielfach wird heute die Übermacht der Exekutive beklagt, der durch Technologie und Planung immer neue Aufgaben zuwachsen, während die Legislative selbst die Gesetzgebung kaum mehr zu leisten vermag. Der Ersatz des Berufsbeamtentums durch den Arbeitnehmerstatus im öffentlichen Dienst könnte, so mag behauptet werden, die Exekutive schwächen, indem sich in ihrem Kern eine Gewaltenteilung Dienstherr-Dienstnehmer vollzieht. Zwischen einer so reduzierten Exekutive und der Volksvertretung würde dann vielleicht die tatsächlich-politische Gleichgewichtigkeit wiederhergestellt werden. Auch diese Hoffnung trügt. Ganz abgesehen davon, daß eine derartige Ablösung der vom Grundgesetz vorausgesetzten Gewaltenteilungsmechanik durch eine im Grunde völlig neue Konstruktion in ihren Auswirkungen kaum voraussehbar wäre — auch eine solche Schwächung der Exekutive durch Tarifautonomie und Lohnkämpfe im öffentlichen Dienst würde sich nicht zugunsten des Parlaments auswirken: - Auch die Volksvertretung wäre ja geschwächt — sie verlöre völlig das Recht der politischen Gesetzgebungsentscheidung über Status und Besoldung des Bediensteten. - Die Exekutivspitze würde vielleicht an sich schwächer, in ihrem gewaltenteilenden Verhältnis aber zur Legislative - und darum geht es hier allein — würde sie gestärkt. Mit ihren Anordnungs- und Einflußrechten auf den öffentlichen Dienst würde der Regierung nämlich auch die Last der parla-

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mentarischen Verantwortung weitgehend genommen. Insoweit könnte sie ihren Machtverlust auf das Parlament „überwälzen", dieses wäre der große Verlierer, ein neues Gleichgewicht wäre nicht zu erwarten. - Das vom Grundgesetz gewollte politische Spannungsverhältnis Parlament-Regierung würde durch ein eigenartiges Dreiecksverhältnis Volksvertretung-Exekutivspitze-Bedienstete (Gewerkschaften) ersetzt. Mit dem bisherigen System wäre dies gar nicht mehr vergleichbar. Es spricht vieles .dafür, daß gerade die machtpolitisch gefahrliche Exekutivspitze in einer solchen Lage durch geschickte Schaukelpolitik ihren Handlungsspielraum erheblich und gewaltenteilungswidrig vergrößern könnte — auf Kosten der Gewaltunterworfenen. c) In der organisierten Interessendurchsetzung, welche heute das Wesen des Arbeitnehmerstatus ausmacht, liegen wesentliche Elemente jener politischen Interessenvertretungen, die nach der Tradition des gewaltenteilenden Parlamentarismus nicht der Exekutive, sondern der Volksvertretung vorbehalten bleiben müssen. In solchem Interessenkampf lassen sich ja die Arbeitnehmervertretungen parlamentsähnlich von ihren Mitgliedern legitimieren. Durch solche „Demokratie in der Demokratie" wird der gewaltenteilende Parlamentarismus an der Wurzel getroffen: - Das Parlament verliert zugunsten rätestaatlicher Gestaltungen das Monopol der politischen Interessenvertretung, des politischen Interessenausgleichs. - Die Volksvertretung ist nicht mehr der einzige unmittelbar demokratisch legitimierte Pouvoir — auch die Exekutive läßt sich von ihren Bediensteten, von der „sachnächsten Bevölkerungsgruppe" demokratisch legitimieren. So verblaßt die Einmaligkeit der parlamentarischen Aufgabe und Legitimation, die allein ein politisches Gewaltengleichgewicht bewahren kann. Eine Volksvertretung, welche einer solchen Exekutive gegenübersteht, die in ihrer Bedienstetendemokratie alle Merkmale demokratischer Staatlichkeit schon in sich trägt — sie hat in der Gewaltenteilung des Grundgesetzes keine Chance mehr. Die Teilung der Gewalten, wie sie der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland zugrunde liegt, ist ein kompliziertes System, das sich in langer Evolution herausgebildet hat. Es hat sich historisch mit dem Berufsbeamtentum entwickelt und beruht weitgehend auf ihm. Wer es erhalten und damit die Freiheit schützen will, muß das Berufsbeamtentum bewahren.

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VI. Das Berufsbeamtentum als Hort der Rechtsstaatlichkeit 1. Der Begriff der Rechtsstaatlichkeit — Allgemeines

Das Rechtsstaatsprinzip ist eine Leitidee des Grundgesetzes56, ein Verfassungsgrundsatz, der konkretisierungsbedürftig sein mag, dessen fundamentale Elemente im ganzen jedoch stets gewahrt werden müssen. Rechtsstaatlichkeit verlangt Vorhersehbarkeit staatlicher Entscheidungen, Rechtssicherheit und materielle Gerechtigkeit. Seit langem wird mit Recht betont, daß eine solche Rechtsstaatlichkeit57 am besten in den Händen des Berufsbeamtentums ruht 58. Aus der Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes ergibt sich, daß die Institution des Berufsbeamtentums ursprünglich „zur Wahrung der Legalität der Verwaltung durch unabhängige Berufsbeamte" erwähnt werden sollte59. In diesem Zusammenhang wird in Schrifttum und Rechtsprechung meist sehr allgemein auf die stabilisierende, kontinuierliche, neutrale Verwaltung hingewiesen, in der das Beamtentum eine gleichmäßig rechtsstaatliche Verfassung sichere, einen Befehlsstaat vermeide60 und damit machtmäßigend wirke61. Diese an sich zutreffenden allgemeinen Gedanken dürfen jedoch nicht den Eindruck erwecken, als wolle hier eine Beamtenkaste, von der Basis der Demokratie getrennt, irgendwelche normativen Vorstellungen, die sie selbst verwalte, gegen den Willen der politischen Instanzen der Demokratie durchsetzen. Mögen solche Gegensätze „Beamte gegen Parteipolitik" nach dem Ende des Kaiserreichs auf die Rechtsstaatlichkeit gegründet worden sein — heute haben sie keine Bedeutung mehr. Es gibt nur eine Rechtsstaatlichkeit — den geordneten Vollzug des demokratisch gebildeten Willens, soweit er zur Norm geworden ist. Eine andere Demokratizität erkennt allerdings die Verfassung nicht an. Und es ist gerade der Status der Berufsbeamten, der geordnete Rechtsstaatlichkeit gewährleistet.

56

BVerfGE 2, 403.

57

BVerfGE 7, 92; 11, 72.

58

Für die Weimarer Zeit etwa Thoma (Fn. 53), 11; vgl. ferner Giese, F., ZBR 1962, 270 (272); Naumann, R , VVdStRL 13 (1955), 88/9; Wolff, H.J., Verwaltungsrecht II, 1970, 405; Weber, W., Das Berufsbeamtentum im demokratischen Rechtsstaat, 1952, 9. 59

BVerfGE 3, 58 (137).

60

Kern, E., DÖV 1951, 432 (433).

61

Noll v. d. Nahmer, R , BayBZ 1951, 178/9.

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2. Lebenszeitprinzip und Rechtsstaatlichkeit

Durch die unbedingte Sicherung und Versorgung werden alle oben erwähnten Elemente der Rechtsstaatlichkeit entscheidend gefördert: a) Vorhersehbarkeit staatlicher Machtäußerung setzt voraus, daß es eine feste, als solche bekannte Organisation gibt, welche den demokratischen Willen vollzieht. Lebenszeitsicherung und feste Laufbahnen wirken einer übermäßigen" Fluktuation im öffentlichen Dienst entgegen, welche die Gleichmäßigkeit des Vollzugs bedrohen würde. Der ganze Beamtenstatus ist auf Vorhersehbarkeit der Laufbahn angelegt. Ein Bediensteter, der in ihm steht, wird in aller Regel auch gleichmäßig und damit vorhersehbar arbeiten. Dem Berufsbeamtentum ist dies noch nie bestritten, eher zum Vorwurf gemacht worden. Die Auswirkungen des Status auf die Tätigkeit bedürfen, insoweit wenigstens, keines soziologischen Nachweises. Nur der Berufsbeamte, der sich gegen Pressionen der Politik wie der sozialen Gewalten sicher weiß, kann in seiner kontinuierlichen Arbeit voraussehbar staatliche Macht ausüben. Seine Lebenszeitstellung schafft schon als solche beim gewaltunterworfenen Bürger Vertrauen in Gleichmäßigkeit und damit Vorhersehbarkeit staatlichen Handelns. Wenn dieser Aspekt der Rechtsstaatlichkeit ein Vertrauensverhältnis Bürger-Staat begründen will — wer könnte dies auf Seiten des Staates besser vertreten als der Beamte, der für sein Leben betraut worden ist? Soweit schließlich das Lebenszeitprinzip und die darauf gründende Stellenordnung der Beamtenschaft Bezug zu einer Ämterordnung, mit festen Kreisen von Aufgaben und Verantwortung hat, ist auch dies wieder eine unabdingbare Voraussetzung der rechtsstaatlichen Berechenbarkeit der Staatstätigkeit: Dem Bürger wird nur in einer solchen festen Ämterordnung, die auf effizienzhaschende Elastizität verzichtet, die Sicherheit geboten, mit der er sich auf staatliche Eingriffe und Leistungen im Rechtsstaat voll einstellen kann. Ein Staat, der seinen Dienern die Vorhersehbarkeit der Lebensstellung vorenthält, wird seinen Bürgern auf die Dauer keine Berechenbarkeit gewähren.

b) Rechtssicherheit und materielle Gerechtigkeit erstrebt der Rechtsstaa für den Bürger aber vor allem mit dem, was ja letztlich auch Voraussetzung jeder Vorhersehbarkeit ist: durch die Legalität, nach der jeder staatliche Eingriff in Freiheit und Eigentum auf dem Gesetz beruhen, jede staatliche Leistung sich im Rahmen der Gesetze und insbesondere des Gleichheitssatzes halten muß. Der beste Hüter solcher Legalität ist wieder der Lebenszeitbeamte. Nicht nur, weil sein eigener Status, anders als der des Arbeitnehmers, unmittelbar

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und in vollem Umfang auf das Gesetz gegründet ist. Die hohe Sicherheit, welche die Lebensstellung verleiht, erlaubt es letztlich allein dem Berufsbeamten, den Gesetz gewordenen Volkswillen allen partikulären Interessen gegenüber durchzusetzen. In diesem Sinn vertritt der Beamte jene Rechtsidee gegenüber dem Bürger, die über allen partikulären Interessen steht62. Der Rechtsstaat braucht Diener, deren Status etwas von dem des unabhängigen Richters hat. Daß dieser das Recht nur verwirklichen kann, wenn er, auf Lebenszeit bestellt, dem Zugriff der Staatsgewalt im Kern seiner sozialen Existenz nicht unterliegt, ist seit Jahrhunderten anerkannt. Zwar ist nun der Verwaltungsbeamte, der Lehrer, der Bedienstete der Versorgungsbetriebe dem Gesetz nicht unmittelbar, sondern nur über die Anordnung seines Dienstvorgesetzten unterworfen, der ihm Gesetz und Recht verbindlich interpretiert. Doch in der Praxis verschwimmen weithin diese Unterschiede — der Verwaltungsbeamte ist es, der zuallererst dem Bürger das Recht spricht, ohne konkreten Dienstbefehl, in eigener Verantwortung. Daß auch er daher Gesetz und Recht verpflichtet sei, ist die Idee des Rechtsstaates, denn wer hier allein auf die Justiz vertrauen wollte, würde sie überfordern. Ein Bediensteter aber, der in einer Verwaltung steht, deren Verfahren immer mehr gerichtsförmig wird, die oft stärkerem Druck unterliegt als die Gerichte — der muß wenigstens an der zentralen Sicherung der Judikative teilhaben: der Lebenszeitstellung — wenn ihn der Rechtsstaat nicht noch weitergehend richterähnlich schützt63. Gerade weil der Rechtsstaat kein Richterstaat sein soll, müssen die fur den Bürger bedeutsamsten Staatsfunktionen von Bediensteten wahrgenommen werden, von denen nur in einer Lebenszeitstellung erwartet werden darf, daß sie allein nach Recht und Gesetz, nicht nach der Opportunität wechselnder Interessen handeln.

3. Rechtsstaatlichkeit und Verzicht auf kampfweise Interessendurchsetzung

Auch das zweite Grundprinzip der Rechtsstaatlichkeit, der Verzicht auf Tarifautonomie und Arbeitskampf, stärkt die Rechtsstaatlichkeit, ebenso in der Vorhersehbarkeit staatlichen Handelns (a) wie in der Wahrung der normgebundenen Legalität (b).

62 Gerber, H., DVB1. 1951, 489 (490); Koellreutter, Staatslehre, 1933, 268.

O., Grundriß der Allgemeinen

63 So etwa in der Haftung der Steuerbeamten, die auf den Tatbestand der Rechtsbeugung beschränkt ist.

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a) Rechtsstaatlich vorhersehbar ist eine Staatstätigkeit nur insoweit, als ihre wichtigsten Erscheinungsformen auf Grund eines Dienststatus wahrgenommen werden, der privatem Belieben, partikulärer Interessenwahrnehmung entzogen ist und seinerseits durch Gesetz voraussehbar und unbedingt geregelt ist. Tarifautonomie und Streikrecht der Beamten sind grundsätzlich mit solcher Vorhersehbarkeit unvereinbar: Sie geben ja gerade einer vielleicht nur kleinen Gruppe das Recht, den Vollzug des demokratischen Gesamtwillens zu unterbrechen, den Staat bis an die Grenzen des Chaos zu lähmen und damit die Rechtsordnung selbst in einer für den Bürger völlig unvorhersehbaren Weise auf Zeit außer Kraft zu setzen. Ein „Vertrauensverhältnis" des Bürgers zu einem Staat, der ihn plötzlich ohne polizeilichen Schutz, ohne Bauerlaubnis und gewerbliche Genehmigung lassen kann, verdient diesen Namen nicht. In einer Verwaltungsorganisation, die von solchen Kämpfen erschüttert wird, geht überhaupt der Sinn für jene Kontinuität der Aufgabenerfüllung verloren, auf die sich der Bürger soll verlassen können. Rechtsstaatliche Berechenbarkeit verbietet nicht nur, daß der Staat den Bürger „überfallt" — er darf ihm auch nicht unversehens „im Stich lassen". Und dies ist ja gerade das Wesen des Rechtsstaats: Privates Belieben ist unnormierbar, unvorhersehbar. Doch was dem Staat und seinen Dienern morgen belieben wird, das kündigt das Gesetz allein an, nicht der Streikbeschluß einer Gewerkschaft. In einem öffentlichen Dienst, der für seine eigenen Interessen den Kampf mit den Vertretern der Gemeinschaft wagt, steckt tiefer Eigennutz. Seine Interessen entstehen jeden Tag neu, auch wo sie nicht zum Arbeitskampf führen, beeinflussen sie den Dienst, ist erst einmal private Interessenverfolgung zum Prinzip erhoben. Der Bürger aber, der Gewaltunterworfene, kann diese Interessen nicht kennen; die Reaktionen eines interessierten öffentlichen Dienstes vermag er bald weniger und weniger vorherzusehen. Er steht hier einer riesigen, mit Eigeninteressen geladenen Maschinerie gegenüber; dienen kann sie ihm nur, wenn er weiß, daß sie nur einem Interesse dient — dem Gesetz, das er kennen und damit vorausberechnen kann. b) Dienst an der Legalität, Verwaltung nach normiertem Recht ist am besten vom Beamten zu erwarten, dessen Status auf eben diesem Gesetz unmittelbar beruht, der deshalb an der Wahrung der Legalität ein privates Interesse hat. Ein Bediensteter, der selbst aus eigenen, privaten Interessen die Rechtsordnung im Arbeitskampf suspendieren darf — wie soll er diese Normen denen gegenüber durchsetzen, die sie doch auch nur — aus ähnlichen Interessen heraus brechen wollen? Wer seine Interessen höher stellt als den VoU11 Leisner, Beamtentum

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zug der Rechtsordnung, wer diese im ganzen suspendiert — wie könnte er auf die Dauer überzeugt den bekämpfen, der sie, aus eben solchem privaten Profitstreben heraus, weit bescheidener nur fur seine Person nicht gelten lassen will? Wer schadet der Legalität mehr — deijenige, welcher die Normen bricht, oder der, der sie nicht anwendet? Zum Wesen des Rechts gehört es, daß seine Durchsetzung gegenüber privatem Belieben inkommensurabel ist. Tarifautonomie und Arbeitskampf stellen es unter den Vorbehalt eben dieses Beliebens. Recht ist Befehl, nicht Arrangement. Eine Staatsgewalt, die sich laufend mit ihren nächsten Dienern arrangieren muß — wie sollte sie anderen wirklich befehlen können? Wenn im Herzen der Staatlichkeit die Legalität des Beamtenstatus dem Arrangement sozialer Gewalten weicht, so ist auch solche Staatlichkeit nicht mehr als eine Figur im Spiel gesellschaftlicher Arrangements — gerade dies aber ist nicht der allgegenwärtige Planungs-, Leistungs-, Fürsorgestaat, nach dem jeder ruft. Die Norm ist und bleibt ein Befehl — auch, gerade im demokratischen Staat. Ein öffentlicher Dienst, der heute mit dem Dienstgeber um Besoldung und Arbeitsbedingungen handelt, wird bald auch über den Normvollzug im privaten Interesse handeln und feilschen. Dies aber ist das Ende der Normen, der Legalität überhaupt. „Herrschen" kann im Namen der Normen im demokratischen Staat nur der, der sich selbst unterwirft — der Beamte. Daß ein öffentlicher Dienst —richterähnlich — dort von Beamten getragen werden muß, wo er Hoheitsgewalt einsetzt, Eingriffsverwaltung fuhrt, wird heute weithin anerkannt64. Wer Normen anwendet, muß der Norm unbedingt verpflichtet sein. Doch wie steht es um die Verwaltung, welche „Leistungen erbringt wie ein Privater" — läßt sich dort ein Beamtentum noch rechtfertigen? Die Untersuchung gelangt damit zu der letzten Grundentscheidung des Grundgesetzes, auf der das Berufsbeamtentum beruht, zur Sozialstaatlichkeit, in deren Rahmen ja auch der Obrigkeitsstaat zum Leistungsstaat werden soll.

64

Vgl. etwa auch Kölble, J., DÖV 1970, 447 (453 f.).

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VII. Die Berufsbeamten als Träger der Sozialstaatlichkeit 1. Die sozialstaatliche Fragestellung in der Beamtenreform a) Im Namen des Sozialstaatsprinzips wird heute alles gefordert — von der Enteignung des städtischen Grundeigentums bis zur Errichtung neuer Hochschulen. Kaum verwunderlich ist es daher, daß der Verfassungsgrundsatz (Art. 20 Abs. 1 GG) auch in der beamtenpolitischen Reformdiskussion immer wieder auftaucht. Staatspraxis, Rechtsprechung und Schrifttum ist es bisher nicht gelungen, dem Grundsatz der Sozialstaatlichkeit einen systematischen, normativ faßbaren Inhalt zu geben. Insbesondere das Bundesverfassungsgericht ist über allerallgemeinste und zudem noch sehr vorsichtige Hinweise nicht hinausgekommen65. Am nächsten kommt der heutigen Rechtslage noch immer die Aussage, daß die Ausgestaltung des Sozialstaatsprinzips im wesentlichen dem Gesetzgeber obliege66. Eine so eindeutige Begründung des Berufsbeamtentums, wie aus den anderen Grundprinzipien des Grundgesetzes, ist also aus der Sozialstaatlichkeit nicht zu gewinnen. b) Die Sozialstaatlichkeit ist jedoch für das Berufsbeamtentum heute unter verschiedenen Gesichtspunkten von Bedeutung, die vorwiegend Entwicklungen bezeichnen, welche nach Ansicht gewisser Reformrichtungen das Berufsbeamtentum entbehrlich machen sollen. Die Sozialstaatlichkeit betrifft so vor allem - die Wohlfahrtsstaatlichkeit im engeren, klassischen Sinn der Existenzsicherung durch Staatsverwaltung, von der Sozialhilfe bis zur Sozialversicherung; - die Entwicklung der Leistungsverwaltung, bis zu der (angeblichen) Wandlung des Obrigkeitsstaats zum Leistungsstaat; - Entwicklungen im Bildungsbereich und auf dem wissenschaftlich-technologischen Sektor, welche eine viel weitergehende und vielleicht neuartige Aufgaben-Übernahme durch den Staat zur Folge haben. Diese Aspekte sind im folgenden (2 a—c) gesondert zu untersuchen. Es wird dabei für alle diese Bereiche die These vertreten, daß eine Sozialstaatlichkeit, wie immer sie sich ausprägen mag, ein Berufsbeamtentum nicht entbehrlich macht, sondern umgekehrt gerade erfordert, daß dieses schließlich in einem Sozialstaat ein unverzichtbares Sozialmodell darstellt (3). 65

Vgl. etwa BVerfGE 4, 18; 7, 400; 8, 16; 8, 329; 12, 263; 14, 275.

66

BVerfGE 1, 105.

11*

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Teil II: Legitimation des Berufsbeamtentums

c) Daß gerade ein Sozialstaat auf ein Berufsbeamtentum nicht verzichten kann, ist allgemein schon häufig bemerkt worden67. Werner Thieme fuhrt aus: „Der umfassende Einfluß auf die gesellschaftlich-ökonomischen Verhältnisse, der für den Sozialstaat kennzeichnend ist, ruft ja gerade die Interessenten auf den Plan". Der Interessentenkompromiß könne dem Gemeinwohl entsprechen, dies müsse aber nicht der Fall sein. „Hier nun hat das Beamtentum seine ausgleichende Funktion zu entfalten. Die Ideen der Gerechtigkeit und der Sachrichtigkeit sind ihm ebenso anvertraut wie den Richtern, wenn es sie auch in anderer Weise, nämlich exekutiv, ausübt"68. Es gilt nun, solche allgemeinen Aussagen im einzelnen zu begründen. 2. Das Berufsbeamtentum als Grundlage der modernen Leistungsstaatlichkeit

a) Die Sozialleistungsverwaltung ist heute in sich keine organisatorische Einheit. Sie reicht von ihrem klassischen Ausgangspunkt, der (früheren) Fürsorge über Gesundheitsdienste und Studienbeihilfen, bis zur Sozialversicherung. Der gemeinsame Grundgedanke all solcher Sozialleistungen liegt jedoch in der Notwendigkeit einer wirtschaftlichen und geistigen Minimalsicherung der menschlichen Existenz, über die ja auch das Recht auf Fürsorge unmittelbar aus Menschenwürde und Sozialstaatlichkeit abgeleitet worden sind. Mit sozialer Entwicklung in der Gemeinschaft wandelt sich selbstverständlich auch die Vorstellung vom „Minimum", es bleibt jedoch ein Grundsätzliches: Solche Leistungen sind vom Staat ebenso unbedingt zu gewähren oder zu sichern, wie ohne sie ein menschenwürdiges Leben nicht möglich ist. Solche Verwaltungen bedürfen einer auf Lebenszeit gesicherten Berufsbeamtenschaft, die auf Durchsetzung eigener Interessen im Arbeitskampf verzichtet: - Sozialleistungsverwaltung ist vielfach mit Hoheitsverwaltung verbunden. Obwohl sie sich von der früheren Vorstellung einer „Armenfürsorge als Polizeiaufgabe" entfernt hat, bleiben hier der Verwaltung, eben im Interesse unbedingter Existenzsicherung, vielfache Zwangs- und Monopolbefügnisse. Die Sozialleistungen haben also immer noch wesentlichen Bezug auf die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, die Bewahrung der Volksgesundheit und andere Ziele der herkömmlichen Eingriffsverwaltung. Es gelten daher für sie insoweit alle die Argumente zu67 Vgl. f.v. Giese, F., ZBR 1962, 270 (272); Weber, W., Gegenwart und Zukunft d. höheren Beamtentums, 9; neuerdings v. Münch, I., ZBR 1970, 371 f. unter Hinweis auf das Streikverbot. 68

ZBR 1960, 169 (173).

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gunsten des Berufsbeamtentums, welche bisher, weithin unwidersprochen, für dessen Aufrechterhaltung etwa im Bereich der Polizei- und Ordnungsverwaltung sprechen. Insbesondere ist hier nach strenger Legalität zu verwalten, nach einer Rechtsstaatlichkeit, deren bester Hüter eben — der Berufsbeamte ist69. Gerade wenn dieser Sozialleistungsbereich immer mehr verrechtlicht, wenn in ihm in steigendem Maße Ansprüche gewährt und damit die Abkehr von der Almosenverwaltung vollzogen wird, so verlieren derartige Verwaltungszweige immer mehr an sozialstaatlicher Eigenart, sie nähern sich jener allgemeinen Verwaltung, für welche das Berufsbeamtentum seine besondere Eignung seit langem bewiesen hat. — Das Wesen solcher Sozialleistungsverwaltung, die zentrale Rechtfertigung ihrer Übernahme durch den Staat ist die Unbedingtheit, mit der solche Aufgaben zu erfüllen sind70. Gerade sie aber kann nur ein Berufsbeamtentum gewährleisten, das in der Anstellung auf Lebenszeit die Kontinuität der Leistung verbürgt, und im Verzicht auf Arbeitskampf jederzeit unbedingte Aufgabenwahrnehmung sichert. Es wäre ein Widerspruch in sich, wollte der Staat im Namen der Unabdingbarkeit eine Aufgabenerfüllung an sich ziehen, um dann ihre Wahrnehmung den privaten Interessen der Bediensteten zu opfern. Mit Streik kann auch die Privatwirtschaft dienen. Und eigenartig wäre eine Staatlichkeit, welche im Namen der Unbedingtheit der Sozialsicherung deren Verwaltern Sicherheit entzöge. — Von jeher verlangt Sozialleistung ein besonderes Maß an Uneigennützigkeit, durch deren Fehlen die Erfüllung einer altruistischen Gemeinschaftsverpflichtung, selbst im tagtäglichen Verwaltungsvollzug, beeinträchtigt würde. Wenn irgendwo die im Status des Beamten liegende, vom Status erzwungene Uneigennützigkeit am Platze ist, so gerade in der sozialen Leistungs Verwaltung71. — Der Sozialleistungsstaat ist weithin heute ein Staat sozialer Umverteilung. Nirgends ist daher der Druck der sozialen Gewalten auf den Staat stärker als hier, wo die Wirkungen sich sogleich in klingender Münze zeigen. Wenn irgendwo also jene Neutralität unabdingbar ist, welche dem Beamten die Anstellung auf Lebenszeit sichert — so in einer Sozialverwaltung, wo nur strenge Rechtsstaatlichkeit verhindern kann, daß der soziale Wille der demokratischen Mehrheit zu einer neuen sozialen Willkür führt.

69

Dazu oben VI.

70

v. Münch (Fn. 67).

71

Thiele, W., DVB1. 1966, 913 (916); Grewe, W., Verh. d. 39. DJT 1952, D 3 (D 10); Krüger (Fn. 14), 766; BVerwGE 24, 235 (242); BVerfGE 8, 332 (343); 9, 268( 286).

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So ist denn das Berufsbeamtentum heute vielleicht wichtiger noch in der Administration der Sozialleistungen als in einem Hoheitsbereich, der hier seine praktisch wichtigste Fortsetzung und Ergänzung findet. b) aa) Neben den sozialen Leistungen ist es vor allem die Entwicklung der wirtschaftlichen Daseinsvorsorge, welche heute ein Berufsbeamtentum entbehrlich machen soll. In den Dienstleistungsbetrieben des öffentlichen Verkehrs sowie der Wasser» und Energieversorgung sind schon seit langem, vor allem im kommunalen Bereich, Angestellte zahlreicher als Beamte tätig, und so wird denn auch neuerdings wieder die Forderung nach einer generellen Herausnahme der Versorgungsbediensteten aus dem Beamtenstatus erhoben — übrigens vor allem von Autoren, welche nur so, im Wege eines Gesundschrumpfungsprozesses, das Beamtentum retten zu können glauben72. Argumente fur diese Auffassung sind vor allem: - Das Berufsbeamtentum werde insbesondere durch seine Unabhängigkeit gerechtfertigt. Diese aber sei bei der Erbringung wirtschaftlicher Leistungen nicht oder nicht in vergleichbarem Maße wie bei der Hoheitstätigkeit erforderlich. - Hier seien im ganzen Verhalten und Aufgaben der öffentlichen Hand mit denen Privater vergleichbar. Es sei daher schwer einzusehen, weshalb öffentliche Bedienstete einen anderen Status haben sollten als private Arbeitnehmer. Durch die Elastizität privater Organisationsformen könne die öffentliche Daseinsvorsorge nur gewinnen. In diesem Zusammenhang sind organisationswissenschaftliche Argumente der Effizienz nicht zu überprüfen. Wohl aber ist zu untersuchen, ob nicht die Sozialstaatsentscheidung der Verfassung den Beamtenstatus auch in diesen Bereichen grundsätzlich rechtfertigt, ja fordert. bb) Die wirtschaftliche Daseinsvorsorge der öffentlichen Hand erfordert den Einsatz von Berufsbeamten vor allem aus folgenden Gründen: - Für diese Daseinsvorsorgeformen gilt im wesentlichen all das, was auch bei der Sozialleistungsverwaltung den Einsatz von Berufsbeamten rechtfertigt 73. Insbesondere ist auch hier Ziel, ja Rechtfertigung solcher öffentlicher Veranstaltungen, daß sie unbedingt funktionieren. Wenn die Befriedi72 73

Vgl. vor allem Kölble, J., DÖV 1970, 447 (455); Ule, C.H., DVB1. 1970, 638 (643).

Vgl. oben a. Mit Recht stellt daher Thieme der Eingriffsverwaltung eine „Entscheidungsgewalf4 gleich, die auf den Bürger und sein Schicksal erhebliche Rückwirkungen haben kann (ZBR 1966, 33 [35]).

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gung vitaler Bedürfnisse, wie etwa die Lieferung von Energie und Wasser, eben um der Bedeutung von deren Kontinuität und Sicherheit von der öffentlichen Hand übernommen worden ist, so muß diese auch das typisch private Risiko, insbesondere den Arbeitskampf ausschalten. — Die öffentliche Daseinsvorsorge mag in vielen, vor allem in ihrer „technischen" Ausgestaltung, privaten Unternehmen vergleichbar sein. Von diesen trennt sie aber von Verfassungs wegen, rechtsgrundsätzlich die primäre Gemeinwohlverpflichtung, welche derartige (quasi)monopolistische Veranstaltungen überhaupt erst rechtfertigt. Mit anderen Worten: Wenn nicht die Notwendigkeit einer Daseinsvorsorge, insbesondere einer Monopolisierung, im öffentlichen Interesse begründet wäre, so dürfte der Staat weder ein (Finanz-)Monopol betreiben, noch auch nur als übermächtiger Konkurrent auf privaten Märkten auftreten 74. Die private Berufs- und Gewerbefreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) würde dies verbieten. Man kann aber nicht auf der einen Seite die Besonderheit öffentlicher Zielsetzung zu deren Rechtfertigung verwenden, um Private zu verdrängen — um dann wieder nach Belieben die Privatunternehmensähnlichkeit hervorzuheben. Wenn schon alles hier „privat so viel besser funktioniert" — dann muß privatisiert werden. Muß aber der Staat eingreifen, so muß sich dies doch auch in den Organisationsformen irgendwie zeigen. Und weil die Hauptrechtfertigung eben auch hier Kontinuität, Sicherheit, Unbedingtheit der Leistungen ist, dürfen deren beste Garanten nicht eliminiert werden — die Berufsbeamten 75. - Die Daseinsvorsorge ist heute noch weniger streng gesetzesdeterminiert als die klassische Hoheitsverwaltung. Daraus folgt aber nicht, daß der Berufsbeamte, der richterähnliche Wahrer der Legalität, hier keinen Platz hätte — im Gegenteil! Im Rechtsstaat steht grundsätzlich auch die wirtschaftliche Leistung der Verwaltung unter dem Gesetz; die Daseinsvorsorge ist kein legalitätsfreier Raum. Wenn es aber bisher noch nicht gelungen ist, und vielleicht in absehbarer Zeit nicht gelingen wird, der Daseinsvorsorge adäquate normative Legalitätsformen zu entwickeln, so gibt es doch nur eine effektive Legalitätsbindung: den streng legalitätsgebundenen Pflichtenstatus derjenigen, die Daseinsvorsorge verwalten. Die Legalität des Beamtenstatus ist ein Gegengewicht gegen die Ermessens- und Beurteilungs74

Eine schlichte „Unternehmerfunktion", wie sie dem Staat der von Kölble (Fn. 72) zit. Friedmann zuschreiben möchte, darf in der BRD die öffentliche Hand nach der Verfassung nicht ausüben. Überhaupt ist nicht ersichtlich, warum das ersichtlich aus der amerikanischen Politologie stammende Schema der Staatsfunktionen von Friedmann einer Reform des öffentlichen Dienstes zugrunde gelegt werden sollte. Zum Teil sind solche Funktionen verfassungswidrig, zum Teil sind sie unpräzis („Schiedsrichterfunktion") oder beruhen auf zweifelhaften Unterscheidungen („Schutz" — „wirtschaftliche Kontrolle"). 75

So deutlich Schmidt-Brücken,

G., DÖV 1949, 441.

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freiheit der sozialstaatlichen Daseinsvorsorge. Das Grundgesetz will nicht den normfreien Sozialstaat, sondern den sozialen Rechtsstaat. Diese Verbindung aber kann nur gelingen, wenn die Organisationslegalität des beamteten öffentlichen Dienstes in der Daseinsvorsorge den Mangel an Handlungslegalität ersetzt. — Das Phänomen der Daseinsvorsorge ist schließlich nicht neu, Beamte haben sich in ihr seit Jahrzehnten bewährt. Es ist nicht eindeutig ersichtlich, daß sich gerade diese Aktivitäten in letzter Zeit wesentlich ausgedehnt hätten oder ausdehnen würden. Ihren Höhepunkt haben sie vielmehr mit dem totalen Staat sowie der Kriegs- und Nachkriegszwangswirtschaft überschritten. Neueste Entwicklungen, etwa im Umweltschutz, sprechen sogar für eine Renaissance des Kontroll- und Hoheitsstaates im Bereich der Daseinsvorsorge. Es entspricht einer gewissen heute üblichen, nahezu romantischen, Überbetonung der industriell-technischen Produktion und Leistungsmöglichkeit, daß nun auch im Zug einer Art von industrieller Revolution in der Verwaltung möglichst viele bewährte Institutionen angeblichen Fortschrittsentwicklungen geopfert werden sollen. Was jedenfalls die wirtschaftliche Daseinsvorsorge anlangt, so ist eine Notwendigkeit für solche organisatorische Revolutionen im Personalbereich nicht ersichtlich. Im Bereich der wirtschaftlichen Daseinsvorsorge verlangt also eine Staatlichkeit, die beides sein will - Rechts- und Sozialstaat - , gebieterisch nach dem Beamtenstatus. Das Berufsbeamtentum darf hier nicht abgebaut, sein Status muß schrittweise auf diejenigen Angestellten ausgedehnt werden, die zentrale daseinsvorsorgerische Funktionen wahrnehmen. — Unparteilichkeit, Unabhängigkeit, eine gewisse Neutralität ist schon aus all diesen Gründen in der Daseinsvorsorge keineswegs weniger bedeutsam als in der Hoheitsverwaltung. Gerade hier, wo es um große wirtschaftliche Interessen geht, ist der Platz des gesicherten Uneigennützigen, der dem Geist des Arrangements nicht verpflichtet ist. Verbands- und Interessendruck ist doch nicht nur dort zu befürchten, organisatorisch zu bekämpfen, wo gewisse Mittel (Hoheitsgewalt) eingesetzt werden, sondern wo große Interessen auf dem Spiel stehen — wo könnten sie größer sein als in der Daseinsvorsorge? — Das Grundgesetz wollte den Beamten die Ausübung der Hoheitsgewalt „in der Regel" vorbehalten. Grund dafür war letztlich stets nur eines: Eine solche Machtfülle, wie sie die obrigkeitliche Gewalt verleiht, sollte in besonders sicherer, zuverlässiger Hand liegen. Eine andere spezifische Verbindung zwischen den Formen der Hoheitsgewalt und dem Beamtenstatus gibt es nicht. Doch gerade diese schwerwiegende Bedeutung staatlichen Handelns kommt doch heute eben dann in gleicher Weise auch der Daseinsvorsorge zu, wenn man die Wandlung „vom Hoheitsstaat zum Leistungsstaat" proklamiert.

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Wer vom Leistungsstaat redet, darf nicht die Abschaffung des Berufsbeamtentums, er muß dessen Erweiterung verlangen. c) Der Staat der Industriegesellschaft, der Technologie übernimmt immer neue Aufgaben der Förderung und Planung — von Wirtschaft bis zu Wissenschaft und Bildung. Doch daraus darf weder im ganzen eine beamtenfeindliche Grundstimmung entstehen, noch gilt auch nur für einen dieser Räume etwas anderes als das, was oben für Sozialleistungen und Daseinsvorsorge ausgeführt worden ist. aa) Daß gerade der moderne Industriestaat in seiner technologischen Komplikation ein Berufsbeamtentum erfordert, ist von jeher betont worden76. Dies läßt sich in doppelter Hinsicht rechtfertigen: - Wenn die steigende technologische Komplikation immer höhere Anforderungen an die Verwaltung stellt, so können die Erschütterungen, die davon notwendig ausgehen, nur durch eine besonders gesicherte, stabile öffentliche Dienstnehmerschaft ausgeglichen werden, die darauf verzichtet, das System durch gewaltsame Durchsetzung eigener Interessen noch weiter zu belasten. Nichts spricht mehr für den Berufsbeamten. Und wenn im Gefolge solcher technologischer Komplikationen immer zahlreichere, immer weniger übersichtlich neuartige Intereçsenkonflikte, Pressionsmöglichkeiten auf die Staatsgewalt auftreten — wer könnte ihnen besser begegnen als der unabhängige Beamte, der seinerseits solche Interessen nicht verfolgt, der nicht in den Kategorien des Jobs, sondern des Amtes denkt? — Der Beamtenstatus dient in besonderem Maße der organisierten, rechtsstaatlichen Auslese der fachlich Qualifizierten für den öffentlichen Dienst. Auf diese herkömmliche — und doch gute - Rechtfertigung des Berufsbeamtentums77 ist hier bisher nicht entscheidend abgehoben worden, weil sie, in einer gewissen Überbetonung, dem Wesen eines demokratischen Beamtentums nicht gerecht würde: So wichtig „Sachlichkeit" und „fachliche Vorbildung" auch sein mögen — der Sachverstand darf sich nicht zu einer „selbständigen Gewalt" steigern wollen, das Berufsbeamtentum darf sich 76

Für die Weimarer Zeit vgl. Preuß, H., Denkschrift z. Entwurf des Allgemeinen Teils der Reichsverfassung, in: Staat, Recht und Freiheit, 1964, 382; Koellreutter, O., Beamtenjahrbuch 15 (1928), 339 (340, 345); Köttgen , Α., Das deutsche Berufsbeamtentum und die parlamentarische Demokratie, 1928, 41; neuerdings u.a. Thiele, W., DVB1. 1966, 913 (916) Weber, W., ZBR 1954, 1 (3); Finer , Η., Der moderne Staat, Theorie und Praxis, III, 1958, 208; Morstein-Marx, F., DVB1. 1955, 6 (7); Thieme, W., Der öffentliche Dienst in der Verfassungsordnung des GG, 1961, 20; Steltmann, H.-R., Das außerdienstliche Verhalten der Beamten, 181; Hemsath, H., DBB-Schriftenreihe, H. 24, 25 (27). 77 Forsthoff,; E., VerwR. I., 34, 37/8; Hesse, K., Grundzüge des Verfr., 201; Heyland (Fn. 23), 45; Kluth (Fn. 19); BVerwGE 2, 329 (334); BVerfGE 7, 155 (162); 9, 268 (286).

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nicht als verselbständigter technologischer Pouvoir gegen den „demokratischen Volkswillen" stellen. Mit solchen Argumenten, die letztlich nicht mehr sind als Behauptungen, ja Schlagworte, lassen sich freilich nur allzu leicht alle die Qualitäten eines öffentlichen Dienstes verächtlich oder suspekt machen, die allein eine entwickelte Staatlichkeit ermöglichen. Wer aber schon die „technologische Entwicklung" im Munde fuhrt, der muß sich entgegenhalten lassen, daß es bisher keine Organisation gegeben hat, in der mehr Wert auf fachliche, objektive Auslese gelegt worden wäre als das Berufsbeamtentum. Die Stetigkeit seines Status, die Formierung seiner Laufbahnen mögen ihre Nachteile haben — wer die voraussehbare Rekrutierung und Bewertung nach Fachwissen fordert, der mag sie reformieren, er darf sie nicht abschaffen. bb) „Neue technologische Entwicklungen" — dies ist ein leichtes Wort, um allgemein und unklar die Notwendigkeiten fundamentalen Neubeginns im öffentlichen Dienst zu begründen. Bei näherer Betrachtung zeigt sich, daß es keine „ganz neuen Aufgaben" sind, die nun der Staat übernehmen soll, und daß für sie mehr oder weniger all das gilt, was schon früher in Hoheitsverwaltung, Sozialleistungsverwaltung oder Daseinsvorsorge das Berufsbeamtentum zur besten Stütze der Verwaltung gemacht hat: In allen neuen Bereichen der „Technologie" ist vor allem Kontinuität, interessenunabhängige Sachlichkeit erforderlich; gerade hier darf Wartung und Versorgung unter keinen Umständen unterbrochen werden. Mit steigender Technologisierung verstärken sich alle Gründe, die gegen einen Arbeitskampf im öffentlichen Dienst und für eine beamtliche Stabilisierung im öffentlichen Dienst sprechen. Eine wohlverstandene Entwicklung arbeitet nicht gegen, sondern für das Berufsbeamtentum. Eine geplante Entwicklung: Kaum etwas wird häufiger im Namen von Sozialstaatlichkeit, in der „technologischen Welt" gefordert als eine Planung, in deren Sicherheit, Unbedingtheit, Kontinuität das Risiko des Fortschritts in menschlicher Berechnung aufgefangen wird. Wer aber könnte besser planen als der Beamte, dessen Leben unbedingt gesichert ist, der auf die Plötzlichkeit eigener Interessendurchsetzung verzichtet, sich der Gesamtplanung der demokratischen Staatsgewalt überläßt? Sein Leben, sein Beruf ist das Kontinuierlichste, Sicherste, was die Staatlichkeit kennt. Die planende Gemeinschaft braucht den geplanten Dienst — das Beamtentum. cc) Dies mag noch mit wenigen Worten für einen Bereich erläutert werden, der einerseits im Mittelpunkt der „neuen Entwicklung" steht, für den zum anderen die Abschaffung des Beamtenstatus erwogen wird — der Bildungs- und Unterrichtssektor 78. 78

Vgl. dazu Kölble (Fn. 72).

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Gegen die Verbeamtung der Lehrpersonen wird hier insbesondere vorgebracht: Unterricht sei keine „typisch staatliche Veranstaltung", er werde auch von privaten Institutionen erteilt, wo Angestellte tätig seien. Das Unterrichtsverhältnis habe nichts „Hoheitsrechtliches", bestehende autoritäre Strukturen müßten durch antiautoritäre Erziehung abgelöst werden, hierfür sei der Beamtenstatus weder erforderlich, noch geeignet. Bildung sei überhaupt eine Leistung eigener Art, mit „Verwaltung" habe sie nichts gemein, deshalb sei dort der Beamtenstatus unangebracht. All diese Argumente liegen neben der Sache, gerade im Bildungssektor spricht alles entscheidend für das Berufsbeamtentum: — Die Privatschule ist heute kein gleichberechtigter Partner der staatlichen Schulgewalt mehr, keine wesentliche Ergänzung zu ihr, kein organisatorisches Gegenmodell: allenfalls ist sie punktuelles Komplement, sie ist so weitgehend von der öffentlichen Schulgewalt überwacht, auf diese öffentliche Schule ausgerichtet, daß aus der Privatschulorganisation heute nicht mehr gegen die Organisationsformen der öffentlichen Schule argumentiert werden kann. In allem und jedem muß sich die Privatschule der öffentlichen Unterrichtsanstalt angleichen — und gerade im Status der Lehrpersonen sollte das Gegenteil gelten? Und wer den Staat hier in die Bildungsentwicklung ruft, muß doch überzeugt sein, daß sich der Überhang und damit die Beispielhaftigkeit öffentlicher Schulorganisation in der Zukunft noch verstärken werden. — Der Status des Beamten ist als solcher nicht „autoritärer" als der des Angestellten. „Antiautoritären Unterricht" kann er geben wie jener — besser vielleicht, denn seine unbedingte Sicherung im Status stellt ihn freier gegenüber seiner vorgesetzten „Schulautorität". — Wenn Bildung eine „Leistung eigener Art" ist, so muß sie der Staat doch nur deshalb erbringen oder garantieren, weil sie von eminenter Wichtigkeit für die Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit ist. Eben diese vitale Notwendigkeit hat dann aber der Unterricht mit Sozialleistung und Daseinsvorsorge gemein, mit denen er ja oft genug identifiziert wird. Wie aber nur das Berufsbeamtentum deren ununterbrochene, sichere Leistung verbürgt, so gilt dies auch von Bildung und Unterricht 79. Letztlich kann heute nur anachronistischer Materialismus glauben, ein Lehrerstreik sei weniger verheerend für die Gemeinschaft als ein Eisenbahnerausstand. — Gerade im Unterrichtswesen nehmen, mit seiner steigenden sozialen Bedeutung, Pressionsversuche und Pressionsmöglichkeiten rasch zu. Nur der 79

Vgl. oben a, b.

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unbedingt gesicherte Lehrer kann sich gegen den Interessendruck von Eltern und Schülern, von Verbänden, Parteien und Kirchen auf die Dauer halten. In seiner unnachprüfbaren Beurteilungsgewalt liegt etwas Richterliches. Der Sicherung der Judikative muß daher nicht nur der Schutz der Wissenschaft, sondern auch des Unterrichts soweit irgend möglich entsprechen. Das Beispiel von Bildung und Unterricht erweist es wieder: Gerade wer eine soziale Funktion der Staatlichkeit höher bewerten will, als sie bisher stand, der muß dort das Berufsbeamtentum erhalten, ja einfuhren. Im ganzen zeigt sich also: In allen Bereichen, in denen die öffentliche Hand die Sozialstaatlichkeit zu realisieren hat, ist das Berufsbeamtentum dazu ihr bestes Instrument.

3. Das Berufsbeamtentum als sozialstaatliches Modell

Der Beamtenstatus entspricht als solcher den Anforderungen der Sozialstaatlichkeit (a). Er ist jedoch darüber hinaus ein sozialstaatliches Modell (b). a) Das Bundesverfassungsgericht hat ausgesprochen80: Für den Bereich des Beamten- und Beamtenbesoldungsrechts stellt die Garantie der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums eine spezielle Konkretisierung der Sozialstaatsklausel dar; diese Grundsätze des Berufsbeamtentums sichern, daß die Besoldung und Versorgung der Beamten den Mindestanforderungen genügen, die sich aus dem Sozialstaatsprinzip der Verfassung ergeben. Zwar hat bisher die Judikative, vor allem die Verfassungsrechtsprechung, daraus nicht die Folgerung einer wirksamen richterlichen Überprüfung der jeweiligen Besoldungssituation benachteiligter Beamtenkategorien gezogen; sie hat vielmehr den Begriff des „Besoldungsminimums" übervorsichtig und nicht der dynamischen sozialen Entwicklung entsprechend interpretiert. Dennoch steht mit der erwähnten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von Verfassungs wegen fest, daß weder das Lebenszeitprinzip, noch, vor allem, der Verzicht auf Tarifautonomie und Arbeitskampf als solche schon gegen die Sozialstaatlichkeit verstoßen. Das Grundgesetz sieht eben Tarifvertrag, Streik und Aussperrung als mögliche Mittel sozialer Gestaltung der Arbeits· und Wirtschaftsbedingungen an, vielleicht sogar als regelmäßige, nicht aber als die sozialstaatlich allein zulässigen. Ebenso legitim ist es vielmehr, im Rahmen des Beamtenstatus auf Tarifautonomie und Arbeitskampf zu verzichten — und sich der Letztentscheidung der Volksvertretung anzuvertrauen.

80

BVerfGE 17, 355.

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Wer so handelt, ist kein sozialstaatlicher Deserteur, kein ängstlicher Bürger zweiter Klasse, die Sozialstaatlichkeit wird durch ihn nicht in Patriarchalismus gebrochen. Ausdrücklich geht das Grundgesetz in Art. 9 Abs. 3 und Art. 33 Abs. 4 und 5 von der Zweispurigkeit der sozialen Gestaltungsformen aus. Im Sozialstaat ist der Beamtenstatus legitim, der auf allen anderen Grundentscheidungen des Grundgesetzes gegründet ist. b) Doch der Beamtenstatus bietet mehr als eine sozialstaatliche Minimalsicherung, er ist ein sozialstaatliches Modell. Sinn des Sozialstaates kann es heute nicht mehr allein sein, ein Minimum statisch zu gewährleisten. Soziale Forderungen entwickeln sich dynamisch, mit Blick auf konkrete oder vorgestellte Sozialmodelle. Wie immer früher das „Soziale" interpretiert worden sein mag — heute steht das Denken und Handeln nach sozialen Gesamtmodellen unter dem besonderen Schutz des Sozialstaates: Hier allein ist Bewegung, Anpassung, soziale Gerechtigkeit nicht von vorgestern, sondern von morgen. Und ein solches Modell ist der Beamtenstatus — eindeutig und bestimmt wie vielleicht kein anderes, hinreichend entwicklungsfähig zur Aufnahme sozialer Dynamik. - Das wichtigste Mittel sozialer Gestaltung ist die Sicherung des Status, des Arbeitsplatzes, der Lebensstellung dessen, der in abhängiger Arbeit steht. In diesem Sinn ist das Beamtentum seit Jahrhunderten die erste, die beste soziale Ordnung in Deutschland. In seinem Lebenszeitprinzip, in der Unbedingtheit der Anstellung wie der Besoldung und Versorgung ist es noch heute ein Vorbild fur den gesamten Tarifbereich, der sich nur langsam über Kündigungsschutz und Sozialversicherung dem nähern kann, was der Beamte längst erreicht hat. Für unzählige Arbeitnehmer ist der Beamtenstatus noch immer das erstrebte Ziel sozialer Sicherung. Ein Sozialstaat kann allenfalls den Beamtenstatus noch weiteren Gruppen verleihen — wollte er ihn abschaffen, so verschwände aus unserem Sozialleben das größte Beispiel sozialer Sicherung, das wir kennen. Dem Beamten kommt im entscheidenden Bereich der beruflichen Sicherheit die sozial führende Rolle zu. Wer sie aufhebt, bricht soziale Dynamik. Ein Staat, der seinen Bürgern mehr soziale Sicherheit verspricht, darf nicht damit beginnen, daß er sie denen nimmt, welche sie erreicht haben. — Der Beamtenstatus bringt eine feste berufliche Ordnung. Das „Risiko dieses Berufes ist maximal kalkulabel" — in all seinen Rechten und Pflichten. Das Beamtentum ist eine friedliche soziale Ordnung, in der Konflikte geordnet ausgetragen werden. Dies ist ja letztlich auch das Ziel des Sozial-

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staats, dem der Arbeitskampf nicht ein Ideal an sich, sondern ein Mittel sozialer Gestaltung ist. Wenn es einer Reform des Beamtenrechts gelingt, in partnerschaftlicher Dienstrechtsgestaltung neue Formen zu entwickeln, welche in der traditionellen Ordnung sozialpolitische Impulse zum Tragen bringen, so wird die soziale Konfliktforschung an einem solchen Modell nicht vorübergehen können. Und leichter ist es erfahrungsgemäß, eine bestehende Ordnung dynamisch aufzulockern, als aus „reiner Dynamik" erst eine Ordnung zu schaffen. Die Zerstörung des Beamtentums würde nichts anderes bedeuten, als die Aufhebung eines „fortgeschrittenen Modells im Namen des Fortschritts". — Sozialer Fortschritt ist stets zu allererst soziale Chancengleichheit, sozialer Aufstieg. Keine Ordnung hat bisher solchen Aufstieg in solchem Umfang, so systematisch, so transparent ermöglicht wie das Berufsbeamtentum mit seinen Prüfungsvoraussetzungen und Laufbahnen. Der Sozialstaat ist keine Ordnung rücksichtsloser, manchesterhafter Leistungsstärke, kein Rahmen für Star- oder Lotteriekarrieren, die neue, unsoziale Unterschiede schaffen. In aller Langsamkeit, Bedächtigkeit beamtlichen Fortschritts und Aufstiegs liegt ein — oft sogar allzu starkes — Streben nach sozialer Gleichmäßigkeit — und zugleich die breit eröffnete Möglichkeit für viele, auf dieser Freitreppe höherzusteigen. Wer diese Treppe sperrt, mag leicht die „große Masse" draußen vor der Tür lassen und wenigen Karrieristen die Hintertreppe nach oben öffnen. Sozialstaatlichkeit verlangt also nicht die Abschaffung des Berufsbeamtentums, das den am besten gesicherten Sozialstatus darstellt. Es mag ihr allenfalls entsprechen, andere Kategorien solcher Sicherung anzunähern. Das Berufsbeamtentum, den Prototyp sozialer Sicherung, muß gerade der Sozialstaat achten. Sozialstaatlichkeit verlangt weder, daß alle Bedienstetengruppen in ihrem Status nivelliert werden, noch, daß allen dieselben gewerkschaftlichen Kampfmaßnahmen zur Verfügung stehen. Wohl aber setzt die Sozialstaatlichkeit uneigennützigen Dienst an der Gemeinschaft und ihren sozial schwächeren Gliedern voraus. Dies aber kann letztlich nur vom Berufsbeamten erwartet werden, der selbst erhöht gesichert ist und verstärkter Bindung unterliegt. Die verteilende Gerechtigkeit des Sozialstaats fordert nicht den klassenkämpferischen öffentlichen Bediensteten, sondern die ausgleichende Haltung des Beamten.

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VIII. Schlußbemerkung Das Beamtentum wird heute vielfach ebenso leichthin und pauschal kritisiert, wie es lange Zeit formelhaft gelobt und panegyrisch gepriesen worden ist. Mit den alten Worten allein - mit Treue und Sachlichkeit, Uneigennützigkeit und Neutralität - ist ihm in einer Diskussion rationaler Argumente nicht zu helfen. Doch daß hinter all diesen nur allzuoft gedankenlos weiter geredeten, weiter geschriebenen Formeln noch heute, gerade heute eine rational faßbare, überzeugende Begründung des Berufsbeamtentums steht — das hat diese Untersuchung zu erweisen versucht. Ein Beamtentum, das durch alle Grundentscheidungen der Verfassung gefordert wird, das ein wirksames Instrument der Ordnung und ein menschliches Modell des Zusammenlebens darstellt, kann vor rationaler Kritik bestehen. Doch wie in solcher Kritik nicht selten emotionale Noten von Revolution und Klassenkampf, von Fortschritt und Weltverbesserung mitschwingen, so wird sich auch ein Beamtentum nur behaupten können, wenn es zugleich zu Geist und Gefühl, zu Ratio und Emotio der Beamten und der Bürger spricht. Und hier ist nun der Ort, von der Verantwortung für das Ganze zu sprechen, vom Dienst an der Gemeinschaft, der eigene Interessen geopfert werden, von der besonderen Bereitschaft, diese freiheitliche und soziale Demokratie gegen jeden Feind zu verteidigen. Der besondere Status schafft einen besonderen Geist, den Geist des Einsatzes der ganzen Persönlichkeit. Er wird nicht von Gesetzen befohlen und vielleicht sollte man über ihn nicht sprechen. Doch Jahrhunderte haben immer wieder gezeigt, daß es ihn gibt. Vom Beamten hat die Gemeinschaft nicht großes Heldentum zu erwarten, sondern einfachen Dienst, nicht brennende Sozialrevolution, sondern nüchterne Verwaltung. Doch ohne seine einfache, sichere Hilfe kann auch der große, neue politische Gedanke nur zerstören. Sicher mäßigt dieser Status, dieser Dienst, mäßigen Lebenszeitprinzip und Verzicht auf kampfweise Durchsetzung eigener Rechte den Beamten in allem. Doch nirgends kommt der moderne Staat seiner Idee näher: Macht und Gewalt stehen ihm nicht zu eigenem Recht zu. Sie sind ihm von freien Bürgern übertragen, die ihn durch ihre Beauftragten ständig kontrollieren, aller Staatsgewalt mit Recht voll Mißtrauen begegnen. Staatsmacht ist und bleibt freiheitsgefahrdend — gerade deshalb sollte sie nur Mitbürgern anvertraut werden, die in besonderen Bindungen stehen. Der Beamtenstatus gewährleistet besser als jeder andere, daß die Ausübung freiheitsgefahrdender Macht nicht mit eigensüchtigen Interessen verbunden wird. Dies verlangt das Grundgesetz: Wer bewaffnete Macht in besondere Disziplin nimmt, der darf die

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dienstrechtliche Ordnung nicht schwächen. Wer heute mit Recht Abbau der Macht verlangt, muß wünschen, daß Macht nur in Händen kontrollierter Bürger liege — beim Berufsbeamten, der Personifizierung gemäßigter Staatsgewalt. Alle Opposition und Kritik steht heute auf gegen Macht und Herrschaft, für Schwache und Unterdrückte. Doch wenn sich schon die Gemeinschaft im letzten nur in solchen „metaphysischen" Entscheidungen weiterentwickelt, in jenem alten „Geben ist seliger denn Nehmen" — in unserer Gemeinschaft kann dies kaum jemand besser sagen als der Beamte, der diesen Namen verdient, etwas sehr Modernes: Dienen ist seliger denn Herrschen.

Legitimation des Berufsbeamtentums aus der Aufgabenerfüllung* Ergebnisse einer Untersuchung zur Legitimation des Berufsbeamtentums aus deren Aufgaben

1. Legitimation des Beamtenstatus aus der Aufgabe ist eine hergebrachte Begründung des Berufsbeamtentums in Deutschland. Der „Beamte als Repräsentant", als „Organ des Staates" sollte in einem global aufgabenangepaßten Status tätig werden; auch im Konstitutionalismus gab es keine aufgabenunabhängige Beamtenlegitimation. Mit der Entpersonalisierung des beamtenrechtlichen Treueverhältnisses der Weimarer Zeit hat sich dies noch verstärkt — in der Entwicklung vom Primat der besonderen Bindung zum Primat der Aufgabenerfullung. In der Bestimmung des Status aus der Aufgabe wurde das Berufsbeamtentum zum dienstrechtlich-organisatorischen Ausdruck rechtsstaatlich-liberaler Mäßigung der Staatsmacht. Der Nationalsozialismus wollte zum reinen Personalismus zurücklenken, der aufgabenbezogenen Mäßigung der Staatsgewalt entgegenwirken. Dies muß eine Warnung vor einer übersteigerten Personalisierung des beamtenrechtlichen Treueverhältnisses bedeuten, das auch nicht, in solcher Weise, auf „das Volk" bezogen werden darf. Die Staatsmacht-Mäßigung, welche das Beamtentum, aus seinem aufgabenangepaßten Status heraus, selbst unter dem Nationalsozialismus und seiner Entfesselung der Staatsaufgaben noch gebracht hat, darf nicht unterschätzt werden.

Im Grundgesetz sollte, wie die Entstehungsgeschichte zeigt, der Status d Beamten eindeutig aus den Aufgaben heraus legitimiert werden, welche ihrer seits aus den hier eingesetzten Befugnissen bestimmt werden. Das Grundgesetz steht damit voll in der Tradition der funktionalen Legitimation des Beamtenstatus.

2. In der Literatur besteht voller Konsens über die Notwendigkeit einer Legitimation des Beamtenstatus aus der Aufgabe. Allerdings wird dies meist nur mit allgemeinen Wendungen gefordert, nicht systematisch-statusrechtlich vertieft. Ähnlich ist das Bild der Beamtenkritik — sie schließt fast durchgehend an einzelne statusprägende Beamtenrechtsgestaltungen an, deren Auf* Erstveröffentlichung in: Verlagsanstalt des Deutschen Beamtenbundes, 1988. 12 Leisner, Beamtentum

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gabenadäquanz in Zweifel gezogen wird. Selbst beim Vorwurf der mangelnden Effizienz wird ein vertiefender kritischer Bezug zum Beamtenstatus nicht hergestellt. In der Diskussion um die „Dienstrechtsreform " wurde ein grundsätzlich funktionaler Ausgangspunkt gewählt. Doch er kann die vorliegende Untersuchung nicht orientieren: Damals wurde funktionale Gestaltung nicht nur für das Beamten-, sondern für das gesamte Dienstrecht angestrebt; Ausgangspunkt war einseitig die Zielvorstellung der zu erfüllenden Aufgabe, nicht der Istzustand der darauf bezogenen typischen Statusgestaltungen, von dem aber im folgenden ausgegangen wird; schließlich standen allzusehr die jeweiligen Einzelaufgaben im Vordergrund, nicht allgemeine Aufgabenprofile im öffentlichen Dienst — daran ist denn auch die Reform gescheitert. Die Vertreter der Bediensteten halten eine Legitimation des Berufsbeamtentums aus der Aufgabenerfüllung wohl grundsätzlich für selbstverständlich. Diese Problematik konnte jedoch, weil allzu „theoretisch", hier nicht vertieft werden. Es bestand auch wenig Neigung zu einer systematischen Status-Zusammenschau bei der Legitimation des Beamtentums, daraus könnte auf eine Neigung der Bediensteten geschlossen werden, dem Status als systematischgeschlossener Konstruktion nur begrenzte Bedeutung zuzuerkennen, seine Auflösung in Einzelgestaltungen für möglich zu halten. Für die Beamten Vertreter sind die Statusrechte der Beamten Ausgangspunkt aller Überlegungen, nicht die optimale Aufgabenerfüllung, letztere eben nur in Verbindung mit legitimen Bediensteteninteressen. Einem „Statusdiktat" wird man sich nicht beugen, auch wenn es sich funktional legitimieren läßt. Wer daher die Legitimation des Berufsbeamtentums einseitig allein auf die Aufgabenerfüllung ausrichtet, muß mit der Kritik rechnen, er besorge nur Geschäfte der Dienstherrn. Es muß daher aus der Sicht der Praxis - oder der „Basis" — gelten: Status nach Aufgabe im Licht der Bediensteteninteressen. 3. Das Grundgesetz (Art. 33) legitimiert das Berufsbeamtentum durch den Einsatz hoheitlicher Befugnisse in der Erfüllung von Hoheitsaufgaben. Begründung aus der „einseitigen obrigkeitlichen Gewalt", welche die „klassische" Hoheitsverwaltung prägt, wird herkömmlich vor allem aus deren besonders belastenden Wirkungen für den Bürger hergeleitet, welche eine speziell-enge Bindung an den Staat und eine geradezurichterähnliche Unabhängigkeit des Beamten verlangten.

Diese

Diese Begründung des Beamtenstatus wird heute jedoch weit überwiegend abgelehnt, dies hat zu einer schweren Legitimationskrise des Berufsbeamtentums, ja zu verbreiteten Zweifeln an der Möglichkeit einer Aufgabenlegitimation überhaupt geführt. Zwar ist die Eingriffsverwaltung keineswegs bedeu-

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tungslos, doch da Beamte nicht nur dort tätig sind, bedarf ihr Status weiterreichender Begründung. Die Abgrenzung der „Hoheits-" von anderer Verwaltungstätigkeit ist seit langem zweifelhaft, jedenfalls fehlt ihr die für eine wahre Legitimation erforderliche Evidenz. Vor allem aber steht solcher Aufgabenlegitimation entgegen, daß heute auf breiter Front Arbeitnehmer im Gemenge mit Beamten auch zur Erfüllung von Hoheitsaufgaben eingesetzt werden. Da dies aus ganz unterschiedlichen, meist Zweckmäßigkeitsgründen geschieht, kaum je aber mit Blick auf die Besonderheiten von Hoheitsaufgaben, wirkt diese Praxis, angesichts des klaren Verfassungsgebots, geradezu delegitimierend für den Beamtenstatus. Die Aufgabenlegitimation erscheint als Vorwand für freies Belieben der Dienstherrn. Da der Beamtenstatus häufig „höheren Funktionen" vorbehalten bleibt, was mit der Hoheitsaufgabenlegitimation nicht notwendig zusammenfallt, wird der Beamtenstatus zusätzlich mit Hierarchiekritik belastet. Die Relativierung des Funktionsvorbehalts dadurch, daß nur „in der Regel" Beamte für Hoheitsaufgaben einzusetzen sind, verstärkt diesen Legitimationsverlust noch weiter: Ein so hart strukturierter, streng formal ausgestalteter Status wie der des Berufsbeamten kann nicht aus einer kaum bestimmbaren „Regel-Aufgabe" legitimiert werden.

Die Legitimationsproblematik ist verhängnisvoll verschoben worden: Nicht mehr um Legitimation des Berufsbeamtentums geht es, sondern um die Legi timation des Einsatzes von Arbeitnehmern anstelle von Beamten. Die Reaktion der Bediensteten ist denn auch, den Hoheitsaufgaben gegenüber, nahezu durchgehend negativ: Der Begriff ist kaum verständlich zu machen, die „Hoheitsaufgabensuche" verunsichert eher. Die Praxis der Dienstherrn im Einsatz von Arbeitnehmern im Hoheitsbereich erscheint als grundsatzlos und daher legitimationsschwach, weitestgehend bestimmt durch politische Zweckmäßigkeit oder einzelne organisationsrechtliche Ziele (Streikfreiheit). Verbeamtungen erfolgen offenbar weitgehend aus ähnlichen Gründen, nicht als Versuche der Legitimationsverstärkung des Berufsbeamtentums. Die Motivation der Bediensteten für den Beamtenstatus läuft denn auch an solchen Aufgabenüberlegungen vorbei und richtet sich unmittelbar auf einzelne Statusvorteile (Bezahlung). Die Verunsicherung der Lehre und Praxis hat voll auf die Mentalität der Bediensteten durchgeschlagen und bei den Beamten zu einer schwerwiegenden, grundsätzlichen Statusverunsicherung geführt, zu einer grundsätzlichen Skepsis gegenüber jeder Legitimation aus der Aufgabe. 4. Der Funktionsvorbehalt zu Gunsten des Beamteneinsatzes in Art. 33 GG ist von der ganz herrschenden Lehre auf alle zentralen Entscheidungen

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der gesamten Daseinsvorsorge, damit also der Leistungsverwaltung, erweiter worden, gleich ob dort obrigkeitliche Gewalt eingesetzt wird oder nicht. Dies wird mit dem Schutzbedürfnis des Bürgers begründet, mit der Freiheit der staatlichen Organisationsgewalt in der Wahl der Rechtsformen - die nicht zu einer „Flucht ins Privatrecht" fuhren darf —, sowie mit der Notwendigkeit eines dynamischen Verfassungsverständnisses nach heutigen Organisationsgilt der Funktionsvornotwendigkeiten. Nur für die „reine Fiskaltätigkeit behalt nicht — sie wird ohnehin, nicht zuletzt angesichts der Privatisierungsentwicklungen, zur Marginalie. Wenn somit „alle wesentlichen Verwaltungsaufgaben in Beamtenhand liegen müssen", so kann sich zwar die „Legitimation des Beamtenstatus aus der Aufgabe" insoweit abschwächen, als hier allzuviel für die Beamten reklamiert zu werden scheint, was den „Abstand zur Realität der Zweigleisigkeit" nur noch erweitern könnte. Andererseits führt eine solche Erweiterung der „Beamtenaufgaben" zu der Erkenntnis, daß es offenbar entscheidend auf die Art, auf die Qualität gerade der beamtlichen Aufgabenerfüllung ankommt. So verstehen auch die Beamtenvertreter heute den Funktionsvorbehalt als Garantie der Leistungsfähigkeit der Verwaltung durch Erfüllung der wichtigen Staatsaufgaben seitens besonders gebundenen und qualifizierten Personals; und letzteres rechtfertigt auch den besonderen, direkten Beamteneinsatz bei höheren Dienstposten. Legitimation des Beamtenstatus also nicht so sehr aus der „Aufgabe", sondern vielmehr aus der Art ihrer Erfüllung — das ist das Thema. 5. Die traditionelle Statuskritik, „ider Beamte könne nicht wirtschaftlich denken", ist in keiner Weise berechtigt. Vorwürfe der Ineffizienz, Forderungen nach einer managementorientierten Verwaltung richten sich nicht gegen die Bediensteten, sondern gegen die Staatsorganisation. Auch insoweit sind sie im wesentlichen unberechtigt: Politische Vorgaben, die Rechtsstaatlichkeit und die Normenflut, vor allem aber die Starrheit des Haushaltsrechts und die schwierigen Erfolgskontrollen verhindern durchgehenden Vergleich mit der Privatwirtschaft.

Die Bediensteten sehen sich dadurch beeinträchtigt, doch sie werden heute in solcher Weise auf Wirtschaftlichkeit hingewiesen, ja geschult, daß ihr ökonomisches Bewußtsein einen optimalen Stand erreicht haben dürfte. Unter schiede zwischen Beamten und Angestellten lassen sich hier nicht feststellen, sondern allenfalls solche nach den Funktionsebenen. Die Wirtschaftlichkeitsproblematik trägt zur Legitimation des Berufsbeamtentums aus der Aufgabenstellung allenfalls die Mahnung bei, in „typischer Beamtenpräzision" durchgeführte Kontrollen im Namen der Ökonomie-Wirtschaftlichkeit abzubauen.

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6. Die Akzeptanz der „neuen Techniken " durch das Personal, seine jeweilige Einsatzmöglichkeit, szW bisher als statusbedingtes Problem kaum erkannt worden; dienstrechtlich erhebt sich ein solches erst in letzter Zeit, im Zusammenhang vor allem mit Mitbestimmungsrechten bei der Einfuhrung neuer Techniken. Stellungnahmen der Bediensteten zeigen hier zwar manche Gemeinsamkeiten zwischen den Gruppen (erhöhte Akzeptanz bei Jüngeren), im ganzen aber doch größere Aufgeschlossenheit bei den Beamten. Deren höherer Ausbildungsstand und bessere Schulungschancen sind von wesentlichem Einfluß auf die Einsatzwilligkeit dieser Bediensteten; vor allem treten bei den Beamten nicht in vergleichbarem Maß die Berufsängste vieler Angestellter auf. Diese sehen sich einem erheblichen Leistungsdruck ausgesetzt und daher oft ihr konkretes Fortkommen, aber auch allgemein ihre bisherigen tarifrechtlichen Leistungsmerkmale in Gefahr. „Neue Technik" bietet also hier eine deutlich aufgabenbezogene, zukunftsgewendete Legitimationsgrundlage gerade für den Beamtenstatus.

Insgesamt wird mithin die von der Verfassung (Art. 33 GG) gewünschte Legitimation des Beamtenstatus aus der Aufgabenstellung auch heute noch durchaus angenommen, wenn auch nur in der globalen Form von „wesentlichen Staatsentscheidungen in Beamtenhancf'. Dem stehen Bedenken aus „beamtlicher Unwirtschafitlichkeit" nicht entgegen; der Beamtenstatus wirkt sich überdies eher „technikgeneigt" aus. 7. Entgegen der wohl noch immer herrschenden Auffassung im Schrifttum werden „ungeschriebene Beamtenpflichten" in der Praxis von den Bedienstetenvertretern wohl kaum anerkannt. Hier wirkt sich die Personalratsarbeit aus, die aus möglichst fest definierten Positionen heraus geleistet werden soll, zum anderen die „Verrechtlichung des Status", eine deutliche Folge der Rechtsstaatlichkeit. Es muß klar erkannt werden, daß dies eine Legitimationsabschwächung erheblichen Ausmaßes gerade bei einem Berufsbeamtentum zur Folge haben kann, das sich, als traditionsgeprägte, „allgemeine" Institution, eben aus der Virtualität seiner Verpflichtungen heraus in besonderer Weise legitimieren läßt. 8. Als eine zentrale Legitimationsgrundlage gerade des Berufsbeamtentums wird traditionell, und auch unverändert noch heute, im Schrifttum die „Unparteilichkeit der Amtsführung" angeführt, welche gerade der Beamtenstatus mit seinen Sicherungen diesen Bediensteten ermögliche: Die Beamtenschaft wird vom Bundesverfassungsgericht geradezu dadurch legitimiert, daß sie ein „neutrales" (Gegen-)Gewicht zu der parteienstaatlichen Demokratie darstelle.

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Diese Unparteilichkeit wird, vor allem von der Praxis, nicht so sehr als Sicherung gegen Verbandspressionen gewertet, als vielmehr im Sinne einer Problematik der gewerkschaftlichen, vor allem aber parteipolitischen Einflußnahmeversuche auf die Bürokratie, wobei beides aus der Sicht der Bediensteten deutlich und immer mehr zusammenfallt. Die Parteizugehörigkeit der Beamten, gerade in höheren Rängen, ist wohl sehr weit verbreitet und breitet sich immer weiter aus. Gegen sie läßt sich weder rechtlich noch praktisch Wesentliches unternehmen. Sie fuhrt notwendig zu Formen einer ständig steigenden Ämterpatronage, vor welcher Schrifttum wie Praxis offensichtlich resignieren. „Unparteilichkeit" der Beamtenschaft bricht damit aber als Legitimationsgrundlage zusammen. Die Figur des politischen Beamten", eine besonders ausgeprägte Form der Ämterpatronage, wird heute überwiegend hingenommen, ja aus der Gesetzlichkeit der Parteiendemokratie heraus legitimiert, mag sich damit auch etwas wie eine „vertikale Teilung der Beamtenschaft" anbahnen, für deren höhere Ränge die Unparteilichkeit eben keinen mit nachgeordneten Beamtenkategorien vergleichbaren Sinn mehr hat. Daß damit dieses Prinzip gerade dort seine Legitimationskraft verliert, wo es eine solche entfalten sollte, in den höheren Rängen der Hierarchie, wird ersichtlich resignierend hingenommen. Loyalität gegenüber der jeweils herrschenden politischen Richtung ist, schon angesichts der verbreiteten Politisierung der Beamtenschaft, eine dienstrechtliche Selbstverständlichkeit, die gerade den Beamtenstatus kaum zu legitimieren vermag, weil die Verpflichtung in gleicher Weise auch für Tarifpersonal gilt. Die Loyalität wirkt übrigens auch im umgekehrten Sinne — in der Beeinflussung politischer Regierungsspitzen durch eine Beamtenschaft, welche früher herrschende politische Richtungen immer weiter vertritt und damit in eigentümlicher Weise kontinuitätsbewahrend tätig wird; doch auch dies ist mehr eine Frage der Funktionsebene als des Status. Dieser hat hier, im Bereich der Unparteilichkeit, eine seiner wichtigsten, traditionellen Legitimationen nahezu vollständig verloren. 9. „ Volle Hingabe " an den Beruf im Dienst galt von jeher als eine zentrale, als eine der wichtigsten Legitimationen des Berufsbeamtentums, die gerade in der täglichen Aufgabenerfüllung sichtbar wird. Hier hat ein entscheidender Legitimationsverlust stattgefunden: Unterschiede zwischen Beamten und Tarifpersonal werden kaum mehr gesehen, der Begriff „Hingabe" selbst erscheint als antiquiert, ja diskreditiert. Nur gelegentlich läßt sich noch erhöhte Einsatzbereitschaft der Beamten feststellen. Diese sind offenbar weithin durch die Dienstrechtspolitik der letzten Jahre in einem Maße in ihren (insbesondere Beforderungs-)Erwartungen enttäuscht worden, daß ihnen die Motivation zu solcher „Hingabe" zunehmend fehlt.

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Der Legitimationsverlust zeigt sich auch in einzelnen Ausprägungen der „Hingabeverpflichtung": Die Übernahmebereitschaft von Mehrarbeit ist, von Ausnahmen abgesehen, bei Angestellten und Beamten offenbar insgesamt vergleichbar; die Mehrarbeitsvergütung für Beamte hat hier einen Einbruch gebracht. Beim Krankheitsverhalten lassen sich Unterschiede schwer belegen. auch für Beamtenstellen bedeutet einen weiteren Die Teilzeitbeschäftigung tiefen Einbruch in die Legitimation des Beamtenstatus, der hier, aus praktisch-aktuellen Anlässen, der Arbeitsmarktpolitik geopfert worden ist. „Volle Hingabe" kann von einem Teilzeitbeschäftigten nicht gefordert werden. Dieser Legitimationsverlust hat sich in der Praxis mit einer gewissen Selbstverständlichkeit vollzogen — ein Zeichen dafür, daß „volle Hingabe" schon längst keine Statusbegründung des Berufsbeamtentums mehr darstellt. 10. Die Beobachtung eines besonderen außerdienstlichen Verhaltens von jeher als eine spezielle Beamtenpflicht bezeichnet worden; gerade deshalb kann von einem Status gesprochen werden, der eben das ganze Beamtenleben berufsübergreifend prägt. Diese Verpflichtungen haben sich aber überall, vom wirtschaftlichen Verhalten (private Schulden) bis in den familiären Bereich, in letzter Zeit wesentlich abgeschwächt. Nicht nur allgemeingesellschaftliche Überwirkungen sind hier festzustellen, der Status selbst hat sich, aus einer früheren ständischen Geschlossenheit heraus, wesentlich gewandelt. Das beamtenrechtliche und -soziologische Schrifttum sieht hier einen wesentlichen Bedeutungsverlust des Beamtenstatus.

ist

Demgegenüber stellen die Bedienstetenvertreter doch immerhin einzelne nicht unwesentliche Besonderheiten bei den Beamten fest. Vom Dienstherrn wie in der Allgemeinheit werde von ihnen im außerdienstlichen Verhalten eben oft mehr und anderes erwartet als vom Tarifpersonal — und auch geboten. Daß dies funktionsspezifisch geschieht, unterstreicht nur die Aufgabenlegitimation in diesem Punkt. Es ist nicht auszuschließen, daß sich, gerade angesichts der Annäherung der Beschäftigungsverhältnisse im übrigen, hier doch eine gewisse aufgabenbezogene Statuslegitimation erhält oder gar neu entwickelt, die ja auch früher schon nicht selten aus außerdienstlichen Bereichen erwachsen ist.

Die Bedeutung der Existenz eines besonderen (formellen) Disziplinarrechts für Beamte wird zwar im einzelnen unterschiedlich bewertet. Sie dürfte aber doch das außerdienstliche und dienstliche Verhalten in Richtung auf ein besonderes Pflichtbewußtsein noch immer prägen und über wenige entschiedene Fälle hinaus eine - nicht unwesentliche - Fernwirkung entfalten. 11. Nach Lehre und Rechtsprechung des Beamten-(Verfassungs-)Rechts stellt die Verpflichtung zur Verfassungstreue eine besondere und eine auch aufgabenbezogene Beamtenpflicht dar. Sie entspricht für das Berufsbeamten-

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tum einer jahrhundertealten, speziell diese Institution legitimierenden Tradition, welche in ihrer wesentlichen Staatskontinuitätsbewahrung sogar noch regime-, ja verfassungsübergreifend wirkt. Die Verfassungstreue ist denn auch eine Grundlage gerade des Status der Beamten: Sie erfaßt die ganze Persönlichkeit, ihr dienstliches und außerdienstliches Verhalten; gerade darin wird der „Status" rechtlich faßbar. Verfassungstreue ist auch eine deutlich aufgabenbezogene Beamtenpflicht, die Rechtsprechung betont, daß es eben in der konkreten Erfüllung der Dienstaufgaben nicht zu Gefahren aus Verfassungsfeindlichkeit kommen dürfe. Für Beamte gilt nach herrschender Lehre eine einheitliche Treueverpflichtung, unabhängig von der konkret ausgeübten Funktion. Diese wird allerdings weithin, wenig überzeugend, aus der Notwendigkeit der organisationsrechtlichen Gestaltungsfreiheit der Dienstherrn begründet, welche einen Beamten „überall müßten einsetzen können"; dies gilt aber auch für das Tarifpersonal und stünde speziellen, funktionskonformen Treueüberprüfungen bei Beamten nicht entgegen. Einheitliche Beamten-Verfassungstreue läßt sich vielmehr nur aus der These „Alle zentralen Aufgaben in Beamtenhand" legitimieren.

Ein bedenklicher Einbruch in die Legitimationskraft der Verfassungstreue ist es, daß nicht deutlich wird, worin sich diese Verpflichtung der Beamten von der des Tarifpersonals unterscheidet. Von den Arbeitnehmern wird grundsätzlich nur eine funktionsabhängige Verfassungstreue verlangt, die sich allerdings, bei Ausübung von Beamtenfunktionen, bis zu beamtlicher Verpflichtung steigern kann. Damit werden Unterschiede zwischen den Beschäftigungsgruppen eher verwischt, die Lehre zeigt sich verunsichert, aus ihr droht hier deutlich ein Legitimationsverlust für das Berufsbeamtentum. Die Reaktionen der Bedienstetenvertreter scheinen demgegenüber aber der Verfassungstreue gerade der Beamten eine höhere Legitimationsbedeutung zuzuerkennen. Zwar werden auch hier eindeutig in konkreter Aufgabenerfüllung faßbare Unterschiede zwischen Beamten und Tarifpersonal nicht recht klar; doch besteht offenbar Beamten gegenüber doch eine deutlich gesteigerte Erwartungshaltung, die im Einzelfall zu unterschiedlichen Pflichten durchaus führen kann. Dem Eid wird - anders als in der Lehre - gesteigerte Verpflichtungskraft zuerkannt. Allerdings wird auch, vor allem aus der Sicht des Tarifpersonals, betont, Unterschiede seien hier schwer faßbar und auch nicht immer zu legitimieren.

Insgesamt ist die Legitimationslage hinsichtlich einer speziellen Verfassungstreue-Verpflichtung für das Berufsbeamtentum in der Praxis günstige als in der teilweise unklaren und verunsicherten Lehre. Offenbar zeigt sich hier eben, daß die Grenzen möglicher Verrechtlichung der Beamtenlegitima-

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tion ersichtlich erreicht sind, daß auch allgemeine Erwartungshaltungen mi Blick auf die Aufgabenerfüllung etwas bedeuten — eine Mahnung über die Verfassungstreue hinaus. 12. Die „hergebrachten Grundsätze" des Berufsbeamtentums gelten nach herrschender Lehre ausschließlich für das Beamtenrecht; die Angleichung der Beschäftigungsverhältnisse im öffentlichen Dienst kann unter Berufung auf sie nicht verlangt werden. Sie bedeuten aber nicht nur Schranken des Beamtengesetzesrechts, sie orientieren und legitimieren dieses nach dem Willen der liegen, Verfassung. In ihnen soll sogar eine besondere Legitimationskraft denn sie prägen das gesamte Beamtenbild des Grundgesetzes und damit vor allem, nicht zuletzt in ihrer Virtualität, diesen Gesamtstatus. Der Aufgabenbezug ist hier, angesichts der Allgemeinheit der Prinzipien, zwar nicht überall deutlich, tritt aber auch nicht völlig zurück.

Die Bediensteten stehen jedoch diesen hergebrachten Grundsätzen offenbar sehr zurückhaltend gegenüber. Die Beamtenvertreter scheinen hier eher eine Traditionsbelastung ihres Status als dessen Legitimation zu sehen. Die Angestellten lehnen an diesem Punkt die Grundsatzlegitimation des Beamtenstatus als nicht zeitgemäß, weil allzu rechtebeschränkend, weithin ab.

In diesem deutlichen Einbruch in eine traditionelle Begründung des Berufsbeamtentums zeigt sich letztlich wohl vor allem der schwerwiegende gesamtgesellschaftliche Traditionsverlust der letzten Jahrzehnte in Deutschlan und auch die Wirkkraft allgemeiner Verfassungsformeln darf eben nicht überschätzt werden. Dies spricht erst recht für eine pragmatisch-aufgabenbezogene Untersuchung der Beamtenlegitimation aus der Aufgabe. 13. Der Lebenszeitgrundsatz bedarf, als „zugleich" besonderes Recht der Beamten, seinerseits besonderer Legitimation, kann eine solche dann aber auch dem Status des Berufsbeamtentums verleihen. Er ermöglicht die Gewinnung besonders qualifizierten Personals und dessen langfristig planbaren, funktionskonform vorbereiteten Einsatz.

Weniger eindeutig sind die positiven Auswirkungen auf die Unabhängigkeit der Beamten: Diese werden dadurch gegen jene, vor allem politischen, Pressionen kaum gesichert, welche aber vor allem ihre Unabhängigkeit bedrohen, andererseits sind sie, in dieser ihrer Lebenszeitstellung, solchen Einflußnahmen eher noch weitergehend ausgesetzt als das Tarifpersonal. Die Leistungsfeindlichkeit des Lebenszeitprinzips wird häufig kritisiert. Dabei muß aber berücksichtigt werden, daß einem Leistungsabfall vor allem, und auch im Rahmen des Lebenszeitprinzips, durch Gestaltungen des Laufbahnrechts entgegengewirkt werden kann und nur selten Leistung im öffentlichen Dienst geradezu über den Verlust der Stellung entscheidet.

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Übertragung von Spitzenfunktionen auf Zeit bedeutet mehr als eine Gesta tung des Laufbahnrechts, sie brächte einen Einbruch in die Lebenszeitsicherung: Diese würde sich dann nicht mehr auf das „erreichte Amtsniveau" erstrecken, würde vielmehr durch die Rotation entscheidend relativiert. „Lebenszeitprinzip" bedeutet nicht nur „auf irgendeinem Amtsniveau Beamter zu sein". Solche Praktiken entlegitimieren das Berufsbeamtentum über eine Aushöhlung des Lebenszeitprinzips; da sie einen entscheidenden Autoritätsverlust zur Folge haben, beeinträchtigen sie auch die Unabhängigkeit der Vorgesetzten gegenüber den Mitarbeitern.

Die Praxis mißt dem Lebenszeitprinzip offenbar keine entscheidende legit mierende Bedeutung für das Berufsbeamtentum bei. Die bedeutsame Motivationskraft wird allerdings betont, eine gewisse Sicherungswirkung in der Aufgabenerfüllung dürfte anzunehmen sein. Andererseits wird, vor allem von Angestelltenvertretern, eine Beeinträchtigung des Leistungswillens der Beamten doch angenommen: Die weniger gesicherten Angestellten stünden, zum Teil auch noch nach Eintritt der Unkündbarkeit, eben unter erheblich stärkerem Leistungsdruck. Dies müßte, soll hier eine Legitimationsbelastung für das Berufsbeamtentum vermieden werden, wohl doch zu der Folgerung führen, solchen Unterschieden durch laufbahnrechtliche Gestaltungen im Beamtenbereich entgegenzuwirken. Und von einer zentral legitimierenden Bedeutung des Lebenszeitprinzips für das Berufsbeamtentum kann, jedenfalls aus der Sicht der Aufgabenerfüllung, heute nicht (mehr) die Rede sein. 14. Das Alimentationsprinzip, nach dem der Dienstherr den Beamten amtsangemessenen Unterhalt schuldet, gehört zu den tragenden Grundsätzen des Berufsbeamtentums und stellt sogar eine traditionell entscheidende Legitimation dieser Institution dar. Hier wird „Gegenleistung" für die Leistung des Beamten nur in einem allgemeinen, sehr globalen Sinn geboten, anders als im Angestelltenverhältnis. Diese Alimentation hat nur einen sehr allgemeinen, letztlich fernen Bezug zur Aufgabenerfüllung durch den Beamten, welcher durch den Aufgabenbezug der Beamtenämter und dadurch hergestellt wird, daß Alimentation weithin eben doch „Bezahlung nach Qualifikation zur Funktionserfüllung" bedeutet. Unverkennbar sind jedoch hier gewisse standesbezogene, auf vordemokratische Entwicklungen zurückreichende Legitimationen des Berufsbeamtentums, trotz den — aber meist verbalbegrifflichen - Versuchen, hier doch noch eine funktionale Rechtfertigung über die erwähnte Gegenleistungslehre herzustellen. Die nachdrückliche und grundsätzliche Kritik setzt bei den hier schwer verständlich zu machenden Unterschieden zwischen Beamten- und Angestelltenstellung an, wendet sich oft heftig gegen die überholte Alimentationstheo-

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rie , in Erkenntnis von deren „ständischen" Begründungsgehalten, und betont die „Leistungsfeindlichkeit " des Grundsatzes. Hier wird zwar nicht selten aus der Vieldeutigkeit des Leistungsbegriffes argumentiert („keine gute Leistung—weil keine Gegenleistung"), doch erscheint geringere Leistungsbereitschaft bei unterhaltsmäßiger Absicherung gerade dann als plausibel, wenn diese dem Beamten nicht allzuviel bringt. Die Bediensteten zeigen sich hier erheblich verunsichert: Beamte vermeiden die Diskussion um das Alimentationsprinzip, Vertreter der Angestellten bezeichnen es als überholt oder als „reine Theorie".

Die Kritik am Alimentationsprinzip muß von Seiten der Beamten sehr ernst genommen werden. Mit ihr gerät eine der bisher tragenden Säulen der Legitimation des Berufsbeamtentums ins Wanken, und dem kann nur schwer in allgemein-überzeugender und damit neue Legitimation schaffender Kraft entgegengetreten werden. Der mangelnde Aufgabenbezug scheint ebenso evident wie ständische Relikte, beides stößt in einer egalitären „technischen", vom Funktionalimus geprägten Zeit auf wenig Verständnis. Deshalb sollte die hier zugrunde liegende Problematik mehr im Rahmen des Lebenszeitgrundsatzes und des Laufbahnprinzips behandelt werden. Nirgends deutlicher als beim Alimentationsprinzip zeigt sich die Legitimationsgefährdung des Berufsbeam tentums, die Notwendigkeit, dieses aus der Aufgabenerfüllung möglichst ko kret zu begründen. 15. Das Laufbahnprinzip ist ein tragendes Struktur- und Legitimationsprinzip des Berufsbeamtentums, an dem als solchen kaum Kritik geübt wird. Es bedeutet eine Ordnung der Berufswege, in einem hierarchischen und zugleich für die Besoldung maßgebenden Aufbau von Ämtern. Dieser Weg muß, grundsätzlich ohne Sprünge, in geordneter Weise durchschritten werden, wobei Einstieg und Fortschritt in streng formalisierter Art, insbesondere durch Prüfung und Zeitabläufe, im einzelnen geregelt sind. Das Laufbahnsystem des Beamtenrechts ist nicht im einzelnen aufgabenangepaßt, mögen auch Sonderlaufbahnen spezifischen Aufgabenstrukturen teilweise Rechnung tragen. Eine Übersteigerung von nach Aufgaben spezialisierenden Gestaltungen muß auch vermieden werden, soll die aufgabenübergreifende Einheit des Beamtenstatus nicht gefährdet erscheinen, damit aber die ordnende Legitimationskraft des Prinzips selbst. Funktionalisierungsbemühungen im Laufbahnrecht sind vor allem im Zusammenhang mit dem Versuch einer 9yDienstrechtsreform" unternommen worden: Damals sollte, aufgrund einheitlicher und durchgehender Dienstpostenbeschreibung und -bewertung, ein funktionsangepaßtes Personalsteuerungs-, vor allem aber ein funktionales Bezahlungssystem für alle öffentlichen Bediensteten eingeführt werden. Nicht zuletzt an der praktischen

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Unmöglichkeit solcher Gestaltungen ist die Reform gescheitert; sie hätte damit auch das Berufsbeamtentum ausgehöhlt, seinen einheitlichen Status vielfältiger, letztlich unübersehbarer Funktionskonformität geopfert. Hier müssen denn auch noch immer laufende Versuche einer „Funktionalisierung des Laufbahnrechts über Funktionsgruppen" ihre unüberschreitbare Schranke finden.

Das Angestelltenverhältnis mit seinem „Berufsweg nach Tätigkeitsmerkmalen" kann kein Vorbild für eine weitergehende Funktionalisierung des Laufbahnrechts der Beamten sein: Auch die Tätigkeitsmerkmale weisen praktisch weitgehend einen Bezug zu den konkreten Aufgaben auf. Besonderheit und Legitimationskraft des Beamten-Laufbahnrechts liegen vor allem im fest formalisiert geregelten Einzelfortschritt innerhalb der Laufbahn — dieser müßte bei einem „Fortschritt nach Tätigkeitsmerkmalen " aufgegeben werde Das Laußahngruppenprinzip mit seinen vertikalen Abgrenzungen und Stauwirkungen, ist zwar eine traditionelle Konkretisierung des Laufbahnprinzips, es ist jedoch Stein des Anstoßes für viele leistungs- und daher aufstiegswillige Beamte vor allem des mittleren und des gehobenen Dienstes. Die Bedeutung dieser Kritik muß sehr ernst genommen werden: Von der Elite der Beamtenschaft ausgehend, nicht selten aus einem verletzten Gerechtigkeitsempfinden erwachsen, droht sie nicht nur die Legitimationswirkung des Laufbahngruppenprinzips, sondern auch noch die - unentbehrliche — des Laufbahnprinzips, ja die des Berufsbeamtentums überhaupt aus dem Zentrum dieser Institution heraus zu zerstören. Ansatz zu einem sachlichen Dialog, der Ungerechtigkeiten nicht legitimieren darf, kann nur die Überlegung sein, daß Stufungen, durchaus auch mit einer gewissen Stauwirkung, gerade heute erforderlich sind, schon infolge der erhöhten Bedeutung der Ausbildung der Bediensteten, die ja als solche durchaus konsensgetragen ist. Sie aber verlangt eben auch Formalisierungen ihrer Wirkung auf dem Berufsweg, bis hin zu Prüfungen. Die Aufstiegsmöglichkeiten sind zu verbessern, nicht nur einfach zu erleichtern,, insbesondere durch sachgerechte, aufgabenangepaßte Gestaltung des Ausbildungs- und Prüfungswesens. Anreize zu optimaler Aufgabenerfüllung sind ein beamtliches Laufbahnproblem; denn dieser Status legitimiert sich, anders als die „freie Wirtschaft", gerade nicht durch ein systematisiertes Anreizsystem. Dies wäre auch nicht vereinbar mit der im öffentlichen Dienst notwendigen gleichmäßig-unbedingten Aufgabenerfüllung, die nicht so sehr auf über Prämien erreichbare „Produktionsstützen" angelegt ist. Es muß dabei bleiben: Die Legitimationskraft von (Einzel-)Anreizen tritt hinter die des Laufbahnsystems als solchen zurück.

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Der Laufbahngedanke ist nicht nur das systematische Zentrum des Berufs beamtentums, sondern auch ein entscheidendes Legitimationszentrum desse ben. So sehen es insgesamt auch die Bediensteten, trotz aller Kritik, insbesondere an den Aufstiegsmöglichkeiten. Die deutlich feststellbare Annäherung von Beamten- und Tarifrecht, durch die Entwicklung laufbahnanaloger Gestaltungen in manchen Verwaltungen, zwingt zu sorgfaltiger, beamtenspezifischer Fortentwicklung des Laufbahnrechts. 16. Das Beurteilungswesen ist eine typisch beamtenspezifische Gestaltungsform, als wesentlicher Bestandteil des Laufbahnwesens mit dessen Legitimationswirkungen eng verbunden. Seit langem ist es in der beamtenrechtlichen Diskussion vielfacher Kritik ausgesetzt, vor allem in der Gleichmäßigkeit seiner Ergebnisse. Seine grundsätzliche Notwendigkeit steht jedoch nicht im Zweifel. Hier wirkt auch ersichtlich eine gewisse Legitimationskraft aus der Aufgabenerfullung, welche ja in der Beurteilung laufbahnentscheidend werden soll. Der Streit um „Befähigungs-" oder „Leistungsbeurteilung" darf aber nicht überschätzt werden; selbst letztere ist, wenn auch in vorsichtiger Beschränkung auf Faßbares, durchaus zukunfitsbezogen. Die Bediensteten sehen in der Beurteilung eine beamtentypische Einrichtung, die sich aber als solche immer mehr verliert, da zunehmend auch Angestellte nach Beamtenmaßstäben beurteilt werden. Dies könnte als Hebel für eine Angleichung der Ausbildung und Laufbahnen wirken. Vielfache Kritik wird, zum Teil grundsätzlich, am Beurteilungswesen geübt, insbesondere sei dies in Massenverwaltungen überhaupt schwer praktikabel und begünstige überdies Bedienstete auf höherem Verwaltungsniveau. Die Vorgesetzten würden durch die Offenlegung der Beurteilungen in eine „Linie des geringsten Widerstandes" gedrängt.

Im ganzen kann das Beurteilungswesen als solches mit einer gewissen Akzeptanz rechnen, schon aus einer Gleichheit heraus, welche hier Vorgesetztenwillkür verhindert. Die Überzeugungskraft einer Legitimation fehlt aber der Einrichtung schon an sich — sie ist mehr ein „notwendiges Übel" des Laufbahnrechts, und dies letztere könnte in seiner Beamtenlegitimation durch die Angleichung von Angestellten und Beamtenbeurteilung gefährdet werden Die Entwicklung überzeugender „beamtentypischer" Beurteilungsformen ist nicht leicht.

17. „Ausbildung", verstanden im globalen Sinn der Vor-, Aus- und Fortbildung, war von jeher Legitimationsgrundlage des Berufsbeamtentums; hier entwickelt sich heute etwas wie ein neues Begründungszentrum für diese Institution. Spezielle Ausbildung ist weit mehr als ein Anlaß oder eine Begründung für die laufbahnrechtlichen Unterscheidungen im Beamtenrecht, ihr Gewicht unterscheidet dieses grundlegend vom Angestelltenverhältnis. Dies ent-

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spricht der Tradition des Berufsbeamtentums, das darin, seit der Weimarer Zeit, besondere neue Legitimation, als eine „sachkundige Bürokratie", nach dem Verlust des monarchischen Haltes, gefunden hat; und heute wird das so vermittelte Sachwissen von der Rechtsprechung der höchsten Gerichte zur Grundlage des Berufsbeamtentums erklärt. Die Ausbildung ist zwar eine allgemein aufgabenbezogene Legitimation, aber doch in einer Generalität, welche nicht aus der konkreten Aufgabenerfullung, sondern aus einem Selbstwert des generalisierend vermittelten Sachwissens, typisch beamtenmäßig, erwächst. Dies ist von hohem legitimierenden Konsens in einer Gesellschaft getragen, in welcher sich geradezu, in der Hochschätzung des „Primats der Ausbildungetwas wie eine „generelle Verbeamtlichung" vollzieht.

Konsens über die Legitimationskraft der Ausbildung herrscht auch durchgehend bei allen Bediensteten. Nahezu alle wichtigen Statusbesonderheiten des Beamtenrechts werden mit dem systematischen Ausbildungsvorsprung der Beamten in Zusammenhang gebracht — von der speziellen Verfassungstreue bis zu einer gewissen Unabhängigkeit. Die Angestellten beklagen diesen Vorsprung, der sich allerdings durch die Entwicklung des „Fachangestellten" abzuschwächen beginnt.

Forderung nach besserer Ausbildung ist oft nur Vorläufer und Instrument der Durchsetzung einer Verbesserung des wirtschaftlichen Gruppenstandard Wer besser ausgebildet ist, muß, eines Tages, auch besser bezahlt werden. Grundsätzlich ist dies legitim; doch müssen die Beamten und ihre Verbände hier Zurückhaltung wahren, damit nicht eine der wahrhaft modernen Legitimationsgrundlagen des Berufsbeamtentums Schaden nehme. 18. Mitbestimmung wirkt im allgemeinen Arbeitsrecht insoweit deutlich legitimierend, als hier freiheitsgefahrdende Abhängigkeitsverhältnisse der Freiheit geöffnet werden, welche Mitverantwortung übernimmt. Diese Legitimation können auch, ja in besonderem Maße, die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes in Anspruch nehmen, deren Koalitionsfreiheit sich hier sogar gegen das öffentliche Interesse durchzusetzen hat. Mitbestimmung gibt es auch im Beamtenstatus, wo sie sogar zu den hergebrachten Grundsätzen zählt. Meistens wird sie dort jedoch eher als Legitimationsdefizit kritisch betrachtet, denn als Legitimationsproblem gesehen, bleibt sie doch deutlich hinter den entsprechenden Rechten der Arbeitnehmer zurück. Es fragt sich daher, ob sich eine Begründung des Berufsbeamtentums aus einem besonderen Mitbestimmungs-Verhalten der Beamtenvertreter den Personalräten ergeben könnte. Übereinstimmend betonen die Bedienstetenvertreter, daß Beamte hier größeres Verständnis für die Belange der Dienststelle erkennen lassen, daß sie kooperationsbereiter sind. Hier herrsche das kollegiale Gespräch vor, nicht

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die Konfrontationsmentalität, und insgesamt wird dies gerade auf den Beamtenstatus zurückgeführt. Allerdings spielen auch Vorbildung und die Funktionshöhe eine Rolle, aus der die Personalratsvertreter kommen, nicht zuletzt die Gewerkschaftszugehörigkeit. Dennoch zeigt sich ein deutlich statusspezifisches Beamtenverhalten darin, daß die Pflicht zur vertrauensvollen Zusa menarbeit für Beamte eine besondere Bedeutung erlangt, und dies wirkt sich naturgemäß bis in Einzelheiten der dienstlichen Aufgabenerledigung hinein positiv aus. Darin entfaltet der Berufsbeamtenstatus eine legitimierende Kraft zu Gunsten der Mitbestimmung überhaupt im öffentlichen Dienst, sie wird versachlicht, die öffentlichen Interessen werden darin ausreichend berücksichtigt. Diese Legitimationskraft wirkt bis in gesamtgesellschaftliche Bezüge hinein, „typisches Beamtenverhalten" kann auch dort in Mitbestimmung vorbildlich werden. Ein „alter Status" wirkt offenbar durchaus — „in Zukunft legitimierend".

19. Nach ganz herrschender Lehre und Rechtsprechung dürfen Beamte nicht streiken. Die erstaunliche Geschlossenheit dieser Auffassung, gegenübe starkem gewerkschaftlichem und politischem Druck, zeigt bereits eine legitimierende Kraft dieses Prinzips.

Das Streikverbot ist eindeutig status- und aufgabenlegitimiert'. Es kommt aus der übergreifenden Treuepflicht der Gesamtpersönlichkeit des Beamten, es legitimiert sich aus der Notwendigkeit unbedingter und kontinuierlicher, vom Willen privater Dritter (Gewerkschaften) unabhängiger Aufgabenerfullung. Die Unbedingtheit der Funktionswahrnehmung prägt, über den Streikfall hinaus, die gesamte Diensttätigkeit. Dienst nach Vorschrift ist vor allem deshalb unzulässig, weil auch, gerade dadurch, die Unbedingtheit der Aufgabenerfullung Schaden leiden müßte, nicht (nur) weil der Dienstherr dem besonders schwer begegnen könnte.

Ein Streikverbot für Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst läßt sich allgemein nicht begründen — hier müßten die Unterschiede zwischen den beiden Beschäftigungskategorien verwischt, die Legitimation des Berufsbeamtentums entscheidend abgeschwächt werden. Beim Streikeinsatz der Beamten zeigt sich, ob das Streikverbot ernst genommen wird. Er ist ohne Einschränkung zulässig, auf seine Auswirkungen auf die Arbeitskampfparität kommt es nicht an, der Beamte steht außerhalb der Solidarität der Beschäftigten, sein Einsatz bricht nicht den Streik mit hoheitlichen Mitteln. Der Streik kann auch nicht aus einem allgemeineren Begriff der „Krisensituation" herausgenommen werden, in welcher der Beamte gerade, in voller Treue, zur unbedingten Aufgabenerfullung zur Verfugung

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stehen muß. Entsprechende arbeitsrechtliche Grundsätze, in Verbindung mit Art. 9 Abs. 3 GG, werden durch Art. 33 Abs. 5 GG ausgeschlossen; sie würden ja auch von der besonderen Treuebindung der Beamten nur mehr eine bedeutungslose Hülse bestehen lassen.

Streikende Arbeitnehmer erstreben auch bessere Arbeits- und Wirtschafts bedingungen für Beamte — die systematische Übernahme der Ergebnisse von Tarifverträgen schafft schwere Legitimationsprobleme für die Beamtenverbände. Sie stellt, als Dauerpraxis, eine Verletzung der Verpflichtung zu eigenständiger Beamtenpolitik dar, die sich aus Art. 33 Abs. 5 GG ergibt, einer Entsprechung zum Recht der gesetzlichen Regelung der Beamtenbezüge. „Besoldung nach Tarifvertrag" ist verfassungswidrig und wirkt schwerwiegend entlegitimierend auf das Berufsbeamtentum. Die Bediensteten stehen insgesamt weitestgehend hinter dem Grundsatz des Streikverbots, mit allen seinen Auswirkungen, insbesondere auf die Streikarbeitsverpflichtung der Beamten. Die Bedeutung der Tarifverträge für die Beamtenschaft ist bekannt, doch wird auch auf die eigenständige, typisch beamtliche Strukturpolitik hingewiesen. Die Wirksamkeit eines Streiks im öffentlichen Dienst wird eher skeptisch beurteilt. Insgesamt scheint die aufgabenbezogene Legitimationskraft des beamtlichen Streikverbots ungebrochen, sie verstärkt sich eher noch weiter. 20. Beamtenethos — Beamtentugenden — ,JBeamtenschwächen" — hier stellen sich zentrale Legitimationsfragen des Berufsbeamtentums. Dieser Status sollte auch faßbar werden in gewissen einheitlichen Grundhaltungen, aus denen sich darauf bezogene Einzelhaltungen ergeben; gerade in der Aufgabenerfüllung würde darin der zentrale Persönlichkeitsbezug faßbar, in welchen das gesteigerte Treueverhältnis den Beamten stellt, in einer nicht nur als Steigerung der Rechte verstandenen „Humanisierung der Arbeitswelt". Im öffentlichen Dienst geht es nicht nur um maximale, sondern um optimale Aufgabenerfüllung, anders als in der produzierenden Wirtschaft. Dann aber kommt es auf jene spezifische Art der Aufgabenerfüllung an, welche aus „Haltungen" erwächst. Vorsicht ist allerdings, in der Behandlung von Beamtenethos und Beamtentugenden, gegenüber den oft pathetischen „schönen Worten" früheren Beamtenlobes geboten, die auf dem Niveau der „Beamtenschelte" liegen. Die Betrachtung muß hier einen Mittelweg finden zwischen undifferenzierter ralisierung und allzu prosaischer Funktionalität. Beamtenethos — diese noch immer gängige und in solcher Allgemeinheit wohl einmalige Wortverbindung zeigt die Legitimationskraft des Moralischen

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für diese Verfassungsinstitution. Das Beamtenethos wird seit langem und auch heute aus Tradition begründet, die sich hier aber durchaus als lebendiges Herkommen zeigt, anknüpfend vor allem an preußische Pflichtauffassung und kantische Morallehre; darin erweist sich, daß die Grundlagen des Berufsbeamtentums eben nicht im Spätabsolutismus liegen, daß dieser vielmehr in solchen auch heute noch lebendigen Vorstellungen gerade im Beamtentum überwunden wurde. Verbreitete Kritik an der Weiterwirkung, bis hin zur Leugnung der Existenz eines Beamtenethos, stützt sich, mehr als auf Entwicklungen innerhalb des öffentlichen Dienstes, vor allem auf das Überwirken gesellschaftlicher Entwicklungen auf den öffentlichen Dienst: Hier nehme Jobdenken zu, „Staatsgesinnung" gerate, in verbreiteter Frontstellung gegen den früheren Staatsbegriff, in die Krise. Allerdings wird dies überwiegend nicht begrüßt, sondern bedauert. Diese insgesamt allzu pauschale Kritik kann nicht voll überzeugen. In ihren radikalen Tönen beruht sie auf der These von einer „Einheit von Staat und Gesellschaft", in welcher das Berufsbeamtentum voll den „gesellschaftlichen Einflüssen" zu öffnen sei, auch in seiner ethischen Grundhaltung. Diese Auffassung ist bereits überzeugend widerlegt worden und heute insgesamt überholt: Eine gewisse Gegenüberstellung von „Staat und Gesellschaft" — wie immer auch letztere definiert sein mag — ist in einer Staatsordnung der Freiheit geboten, hier vertreten die Beamten, in einer besonderen Grundhaltung, die Staatlichkeit, verbinden diese gerade mit der „Gesellschaft". Die Bediensteten anerkennen ganz allgemein die Bedeutung genereller „Haltungen" für die Aufgabenerfüllung, ohne daß dies allerdings im einzelnen leicht zu belegen wäre. Eine besondere ,£)ienstgesinnung" wird ganz allgemein festgestellt und als erforderlich bezeichnet; in sie wachse man allerdings langsam hinein. Wesentliche Unterschiede zwischen Beamten und Angestellten werden jedoch nicht gesehen. Das „Jobdenken " nehme zwar auch im öffentlichen Dienst zu, doch sei dafür vor allem die Praxis jener Dienstherrn verantwortlich, welche Einsatzbereitschaft, wie sie aus spezieller Haltung erwachse, durch mechanische Verpflichtung zum Ableisten von Dienststunden zurückdränge. 21. Einzelne Beamtentugenden" — das ist in einer Gleichheitsgesellschaft eine schon fast provokatorische Fragestellung, sie ist jedoch unter Legitimationsgesichtspunkten notwendig. In der beamtenpolitischen Diskussion wird nur selten und beispielhaft auf solche spezielle Haltungen hingewiesen. Die Bediensteten nehmen zwar die Fragestellung an, vermögen jedoch nur wenige typisch beamtliche „Tugenden" zu nennen — am ehesten noch eine gewisse Gerechtigkeitsprägung in 13 Leisner, Beamtentum

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der Aufgabenerfullung. Weithin werden Beamten-, ja sogar „öffentliche Dienst-Tugenden" in Abrede gestellt, dies gilt vor allem für eine besondere Pünktlichkeit. 22. Als „typische Beamtenschwächen" stellt gängige Beamtenkritik vor allem die „