Bayerns Unternehmer in Gesellschaft und Staat, 1834-1914: Fallstudien zu Herkunft und Familie, politischer Partizipation und staatlichen Auszeichnungen 9783666357619, 3525357613, 9783525357613


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German Pages [356] Year 1992

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Bayerns Unternehmer in Gesellschaft und Staat, 1834-1914: Fallstudien zu Herkunft und Familie, politischer Partizipation und staatlichen Auszeichnungen
 9783666357619, 3525357613, 9783525357613

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Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 98

V&R

Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft

Herausgegeben von Helmut Berding, Jürgen Kocka Hans-Ulrich Wehler

Band 98 Dirk Schumann Bayerns Unternehmer in Gesellschaft und Staat, 1 8 3 4 - 1 9 1 4

Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen

Bayerns Unternehmer in Gesellschaft und Staat, 1834-1914 Fallstudien zu Herkunft und Familie, politischer Partizipation und staatlichen Auszeichnungen

von Dirk Schumann

Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einhcitsaufnahme Schumann, Dirk: Bayerns Unternehmer in Gesellschaft und Staat, 1834-1914: Fallstudien zu Herkunft und Familie, politischer Partizipation und staatlichen Auszeichnungen/ von Dirk Schumann. Göttingen : Vandenhoeck und Ruprecht, 1992 (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft; Bd. 98) ISBN 3-525-35761-3 NE: GT

© 1992, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen. - Printed in Germany. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Satz: Text & Form, Hannover. Druck und Bindung: Guide-Druck GmbH, Tübingen.

Inhalt

Verzeichnis der Tabellen im Text

8

Vorwort

11

I. Einleitung

13

1. Bürgertum und Unternehmer in der neueren Forschung a) Bürgerlichkeit und Bürgertum b) Zum Stand der historischen Unternehmerforschung

13 13 15

2. Der Ansatz dieser Arbeit a) Themen, Begriffe und Abgrenzungen b) Forschungsstand und Quellenlage

17 17 20

Π. Wirtschaft und Unternehmen Bayerns und der fünf Städte im 19. Jahrhundert

23

1. Wichtige Faktoren und Indikatoren der gesamtbayerischen Entwicklung a) Bevölkerungswachstum und Berufsstruktur b) Natürliche Ressourcen, Verkehr, Kapitalmarkt

23 23 25

2. Das Konzessionsrecht

27

3. Die Entwicklung zentraler Branchen der bayerischen Wirtschaft a) Bergbau und Hüttenwesen b) Textilindustrie c) Maschinen- und Apparatebau d) Chemische Industrie e) Nahrungs- und Genußmittelindustrie f) Industrie und Handel insgesamt

32 32 33 35 36 37 39

4. Die Entwicklung in den fünf Städten a) Bevölkerung und Beschäftigte b) Die Ausgangsbedingungen c) Die Großbetriebe

43 43 45 48 5

III. Die untersuchten Unternehmer: Auswahl, Zusammensetzung, Aufteilung

55

IV Die Unternehmer bis zur Reichsgründung

59

1. Die Herkunft a) Räumliche Herkunft b) Soziale Herkunft c) Ausbildung d) Soziale Herkunft und Startvoraussetzungen e) Unternehmer aus dem Adel f) Religion und Konfession g) Herkunftstypen

60 60 66 72 77 83 86 94

2. Heirat und Familie a) Das Konnubium b) Söhne und Schwiegersöhne c) Vermögen und Erbe

95 95 105 112

3. Öffentliche Amter und politisches Engagement a) Der rechtliche und institutionelle Rahmen bis 1848 b) Mandate und Positionen im Vormärz c) Unternehmer in der Revolution von 1848/49 d) Amter und Aktivitäten bis zur Reichsgründung

120 120 122 127 131

4. Staatliche Auszeichnungen a) Das Instrumentarium b) Bis 1848: Im Vordergrund die Standeserhöhungen c) 1848 bis 1868: Zunahme der Ordensverleihungen

134 134 135 138

V Die Unternehmer im Kaiserreich

142

1. Die Herkunft a) Räumliche Herkunft b) Soziale Herkunft c) Ausbildung d) Soziale Herkunft und Startvoraussetzungen e) Religion und Konfession f) Die Herkunft der angestellten Unternehmer g) Die Herkunft der Unternehmerelite h) Herkunftstypen

143 143 150 156 161 165 170 179 185

2. Heirat und Familie a) Das Konnubium b) Söhne und Schwiegersöhne

186 186 194

6

c) d) e) f)

Die angestellten Unternehmer Die Unternehmerelite Dynastien Vermögen und Erbe

3. Öffentliche Amter und politisches Engagement a) Grundbedingungen und Tendenzen der bayerischen Politik im Kaiserreich b) Unternehmer als Mandatsträger: Im Mittelpunkt die Gemeinde c) Unternehmer in Handelskammern und Verbänden d) Unternehmer im Reichsrat e) Unternehmer und Regierung: Gestörte Harmonie nach der Jahrhundertwende

202 204 213 218 230 230 234 240 245 247

4. Staatliche Auszeichnungen a) Die Auszeichnungspraxis bis 1880 b) Die halbe Zäsur von 1880: Der bayerische Kommerzienrat c) Von 1908 bis 1914: Differenzierung und Funktionalisierung des Auszeichnungssystems

250 251 256 265

VI. Ergebnis

273

Abkürzungsverzeichnis

277

Anmerkungen

279

Quellen und Literatur

325

1. Archivalien a) staatliche Archive b) andere Archive 2. Firmengeschichten und Firmenfestschriften a) Sammelwerke b) Einzeldarstellungen (nach Firmen) 3. Sonstige gedruckte Quellen 4. Literatur

325 325 328 329 329 329 332 333

Register

345

1. Personenregister 2. Geographisches Register 3. Sachregister

345 350 351

7

Verzeichnis der Tabellen im Text Tab. 1: Großbetriebe in den bayerischen Regierungsbezirken und wichtigen deutschen Staaten 1882-1907 a) Industrielle Großbetriebe 40 b) Großbetriebe des Handels, Bank-, Versicherungs- und Verkehrswesens 41 Tab. 2: Die Beschäftigten der fiinf Städte in den größeren Branchen 1882-1907 (in % aller Beschäftigten in Gewerbe und Handel) 45 Tab. 3 : Großbetriebe in den fünf Städten nach Branchen 1895 und 1907 49 Tab. 4: Größere Betriebe in den Städten 1847-1907 a) Industrie 50 b) Handel, Bank- und Versicherungswesen, Verkehr 51 Tab. 5: Größere Betriebe in Stadt und Regierungsbezirk 1847-1907 (Anteile der Stadt in %) 53 Tab. 6: Die Zusammensetzung der untersuchten Stichprobe a) nach Städten und Branchen 57 b) nach Altersgruppen 57 Tab. 7: Die räumliche Herkunft der Unternehmer bis zur Reichsgründung (in %) 60 Tab. 8: Die soziale Herkunft der Unternehmer bis zur Reichsgründung (in %) a) nach Großbranchen 67 b) nach Städten 68 Tab. 9: Die Ausbildung der Unternehmer bis zur Reichsgründung 73 Tab. 10: Ausbildung und soziale Herkunft der Unternehmer bis zur Reichsgriindung 78 Tab. 11: Religion und Konfession in den Städten bis zur Reichsgründung (in %) a) Unternehmer 89 b) Gesamtbevölkerung 89 Tab. 12: Das Konnubium der Unternehmer bis zur Reichsgründung (in %) a) nach Großbranchen 96 b) nach Städten 97 Tab. 13: Konnubium und soziale Herkunft der Unternehmer bis zur Reichsgründung 99 Tab. 14: Die sozialen Verflechtungen der Unternehmerkinder bis zur Reichsgründung (in %) a) Söhne und Schwiegersöhne 107 b) nach Großbranchen 108 c) nach Städten 109 Tab. 15: Die räumliche Herkunft der Unternehmer im Kaiserreich (in %) a) nach Altersgruppen 144 b) nach Städten 144

8

Tab. 16: Die soziale Herkunft der Unternehmer im Kaiserreich (in %) a) nach Altersgruppen b) nach Großbranchen c) nach Städten Tab. 17: Die Ausbildung der Unternehmer im Kaiserreich a) nach Altersgruppen (in %) b) nach Branchen ba) Industrielle bb) Handelsunternehmer Tab. 18: Ausbildung und soziale Herkunft der Unternehmer im Kaiserreich Tab. 19: Religion und Konfession der Unternehmer im Kaiserreich (in %) a) nach Altersgruppen b) nach Städten c) Religion und Konfession der Bevölkerung in den Städten 1875/1910 Tab. 20: Religion und Konfession nach Branchen im Kaiserreich (in %) a) Industrielle b) Handelsunternehmer Tab. 21: Die räumliche Herkunft der Unternehmerelite(n) im Kaiserreich (in %) Tab. 22: Die soziale Herkunft der Unternehmerelite(n) im Kaiserreich (in %).... Tab. 23: Religion und Konfession der Unternehmerelite(n) im Kaiserreich (in %) Tab. 24: Die Ausbildung der Unternehmerelite(n) im Kaiserreich (in %) Tab. 25: Das Konnubium der Unternehmer im Kaiserreich (in %) a) nach Altersgruppen b) nach Großbranchen c) nach Städten Tab. 26: Konnubium und soziale Herkunft im Kaiserreich Tab. 27: Die sozialen Verflechtungen der Unternehmerkinder im Kaiserreich (in %) a) nach Altersgruppen b) Söhne und Schwiegersöhne c) nach Großbranchen d) nach Städten Tab. 28: Das Konnubium der Unternehmerelite(n) im Kaiserreich (in %) Tab. 29: Die sozialen Verflechtungen der Kinder der Unternehmerelite(n) im Kaiserreich (in %) a) Vermögenselite b) Verdienstelite Tab. 30: Die sozialen Verflechtungen der Enkel und Schwiegerenkel der Eigentümer-Unternehmer im Kaiserreich (in %) Tab. 31: Die zehn reichsten Unternehmer der fünf Städte im Kaiserreich a) Beim Tod b) 1914

151 152 152 157 157 157 161 166 166 166 169 169 181 182 183 184 187 188 188 191

195 196 197 198 206

209 210 215 219 219

9

Vorwort Die vorliegende Studie wurde im Wintersemester 1989/90 von der LudwigMaximilians-Universität München als Dissertation angenommen und für den Druck leicht überarbeitet. Das Manuskript wurde im August 1991 abgeschlossen. Danken möchte ich meinem Doktorvater, Prof. Dr. Thomas Nipperdey, für die Bereitschaft, sich auf ein derart zahlendurchsetztes Thema einzulassen, und für den sanften, manchmal auch leicht ironischen Druck, mit dem er die Fertigstellung der Dissertation befördert hat. Ihre Publikation konnte er nicht mehr erleben. Danken möchte ich auch Prof. Dr. Gerhard A. Ritter für die Übernahme des Zweitgutachtens. Den Archivmitarbeitern der untersuchten Städte bin ich dankbar für ihre Hilfsbereitschaft und ihr Engagement, ohne das ich auf manche Quelle nicht gestoßen wäre. Den Herausgebern der »Kritischen Studien«, besonders Prof. Dr. Jürgen Kocka, danke ich für die Aufnahme meiner Arbeit in ihre Reihe. Für viele Gespräche und Kommentare zu Teilen des Manuskripts danke ich den Freunden Martin Baumeister, Andreas Daum, Stefan Fisch, Martina Kessel, Wilfried Rudioff, und vor allem Martin H. Geyer, der das gesamte Manuskript einer kritischen Würdigung unterzogen hat. Sie alle haben mir nicht nur geholfen, die wissenschaftlichen Klippen des Schreibprozesses zu umschiffen, sondern mir auch über dessen lebensweltliche Untiefen hinweggeholfen. Zur Finanzierung des Drucks hat die MAN mit einer Spende beigetragen. Darüber habe ich mich umso mehr gefreut, als zahlreiche andere Unternehmen nicht bereit waren, auch nur kleine Beträge dazu beizusteuern. Meinen Eltern danke ich für die Hilfe und Unterstützung in vielen Formen, mit der sie mein gesamtes Studium begleitet und zur Fertigstellung wie zur Drucklegung der Dissertation beigetragen haben. Ihnen sei dieses Buch gewidmet. Bielefeld, im Juli 1992

Dirk Schumann

11

I. Einleitung 1. Bürgertum und Unternehmer in der neueren Forschung a) Bürgerlichkeit und Bürgertum In jüngster Zeit hat sich die deutsche historische Forschung verstärkt dem Bürgertum zugewandt.1 Zwei miteinander verbundene Perspektiven bestimmen dieses neu erwachte und auf das 19. Jahrhundert konzentrierte Interesse. Zum einen wird danach gefragt, wie >bürgerlichFeudalisierung< des Großbürgertums gesehen. Nach der gescheiterten Revolution von 1848 habe es sich dem weiter dominierenden Adel in Verhalten und Lebensstil anzupassen versucht und sei teilweise durch Konnubium und Nobilitierungen mit ihm verschmolzen. Hier liege die gesellschaftliche Parallele zum politischen Bündnis zwischen Großindustrie und Großlandwirtschaft. Neuere Studien deuten dagegen an, daß die Annäherung des deutschen Großbürgertums an den Adel weniger weit ging als bisher angenommen und durchaus europäische Parallelen aufwies.2 Als Besonderheit des deutschen Bürgertums wird jetzt dessen »Staatszugewandtheit«3 oder gar »Staatslastigkeit«4 in den Vordergrund gerückt. Dies meint neben der starken Stellung der Beamten innerhalb des Bildungsbürgertums das Ausmaß staatlicher Eingriffe und die Vorbildwirkung bürokratischer Verfahrens· und Verhaltensweisen in vielen Lebensbereichen, aber auch die defensive politische Grundhaltung des deutschen Bürgertums. Offen bleibt in der Forschung, ob dieses Bürgertum angesichts seiner besonderen Fragmentierung überhaupt als Einheit angesehen werden kann. Die Schwierigkeiten beginnen schon bei einer Definition seiner Teile. Bildungs- und Wirtschaftsbürgertum lassen sich grob nach Berufsgruppen umschreiben, weniger klar dagegen das Kleinbürgertum. Verschwommen bleiben die Abgrenzungen des Klein- wie des Großbürgertums, verschwommen damit auch der zwischen beiden liegende und selten explizit angesprochene mittlere Teil des Bürgertums. Nicht ganz eindeutig ist schließlich die Zuordnung der Beamten. Zwar rechnet die neuere Forschung die Beamten im allgemeinen zum Bildungsbürgertum, es wird aber darauf verwiesen, daß der zeitgenössische Sprachgebrauch die den Beamten ja nicht zukommende »Selbständigkeit« zum entscheidenden Kriterium für die Zugehörigkeit zum Bürgertum machte.5 Die Tendenz in der Forschung geht dahin, einen epochenübergreifenden Bürgertumsbegriff aufzugeben, sich auf seine Teilgruppen - auf die unterschiedlichen »Bürgertümer«6 - zu konzentrieren und nach Art und Stärke der jeweiligen Verbindungen zwischen ihnen zu fragen. Als einheitsstiftend kann die Teilhabe an bürgerlicher »Kultur«7 im weiten Sinn gelten: die Annahme eines bestimmten Familienmodells, ein am Katalog bürgerlicher Tugenden orientiertes Verhalten, ein manifestes Interesse an höherer Bildung und die Partizipation am Kunst- und Kulturbetrieb, wie flach und veräußerlicht auch immer. Hier schließt sich der Kreis zwischen den beiden Leitperspektiven der Forschung. Die neueren Einzeluntersuchungen befassen sich erneut mit dem Liberalismus, verbinden Bürgertums- und Geschlechtergeschichte, konzentrieren 14

sich aber auf das Bildungsbiirgertum. Im Mittelpunkt steht neben der Geschichte des Begriffs die mit Hilfe des Professsionalisierungskonzepts analysierte Verbürgerlichung der freien und anderer akademischer Berufe.8 Deutlich geringer ist hingegen das Interesse für den anderen Teil des Bürgertums, das Wirtschaftsbürgertum. Mit dessen Kerngruppe, den Unternehmern, beschäftigt sich die vorliegende Arbeit.

b) Z u m Stand der historischen Unternehmerforschung Die ältere Forschung sah den Unternehmer zunächst und vor allem in seiner Rolle als Faktor und Motor wirtschaftlicher Entwicklungen. Hier setzten Charakterisierungen und Typenbildungen an. 9 Grundlegend für eine Perspektive, in der hingegen die Unternehmer- in die Bürgertumsforschung eingebettet ist, wurde Friedrich Zunkels Studie »Der Rheinisch-Westfälische Unternehmer 1834 -1879«. Zunkel beschreibt Herkunft, Aufstieg, Mentalität und Lebensstil der Unternehmer, ihr Verhältnis zu Adel, Bildungsbürgertum und Arbeiterschaft und ihre Haltung zu Staat und Politik. Er betont die Unterschiede zwischen Vormärz und Reichsgründungszeit und sieht in der Feudalisierung der Unternehmer die entscheidende Entwicklung der zweiten Jahrhunderthälfte. Zunkels Arbeit hat den Rahmen für eine sich als Bürgertumsforschung begreifende Unternehmerforschung abgesteckt, methodisch muß jedoch über sie hinausgegangen werden. Größe und Zusammensetzung des behandelten Personenkreises bleiben unklar, die Beweisführung ist eher impressionistisch, als Quellengrundlage dienen vor allem die Geschichten herausragender Familien. Ein neues Analyseniveau ist mit der Studie Hartmut Kaelbles über »Berliner Unternehmer während der frühen Industrialisierung« erreicht worden. Kaelble, der Zunkels weitgespannte Fragen mit Ansätzen der jüngeren angelsächsischen und deutschen Soziologie verbindet, arbeitet quantifizierend und erschließt eine Fülle archivalischer Quellen aus dem Bereich der staatlichen Verwaltung. Er betont die Exklusivität von Unternehmerherkunft und Konnubium, zeigt aber, daß der sozialen Distanz zur staatlichen Bürokratie bis in die 1840er Jahre durchaus keine politische Oppositionshaltung entsprach und sich das Verhältnis zum Staat nach 1848 zwar modifizierte, jedoch nicht grundsätzlich veränderte. Kaum thematisiert werden von Kaelble die Unternehmerfamilie und die über sie hergestellten sozialen Beziehungen. Die nach Kaelbles Studie entstandenen Arbeiten fallen zum Teil hinter das von ihm erreichte methodische Niveau zurück10 oder widmen sich spezielleren Themen. Wilhelm Stahl ist der Frage nachgegangen, ob es einen »Elite15

kreislauf in der Unternehmerschaft« im Sinn des von Pareto entwickelten Modells gegeben hat. Angesichts einer hohen Selbstrekrutierungsrate und einer geringen Abstiegsmobilität kommt er zu einer negativen Antwort. Stahl, der den gesamten deutschen Raum zwischen dem späten 18. und dem frühen 20. Jahrhundert behandelt und sich fast ausschließlich auf das Datenmaterial der Neuen Deutsche Biographie stützt, beschränkt sich auf die Auswertung von Statistiken und arbeitet mit sehr groben Periodisierungen. Hansjoachim Henning hat anhand von Herkunft und Konnubium die sozialen Verflechtungen der westfälischen Unternehmer im Kaiserreich untersucht, Hans-Jürgen Teuteberg kursorisch, wenn auch in größerer Perspektive, den sozialen Status und das betriebliche Verhalten der westfälischen Textilunternehmer in der Industrialisierung. Toni Pierenkemper hat unter wirtschaftshistorischen Gesichtspunkten nach dem Zusammenhang von sozialer Struktur und unternehmerischem Erfolg der westfälischen Schwerindustriellen zwischen 1852 und 1913 gefragt. Zuletzt hat sich Dolores L. Augustine-Perez mit den Multimillionären im Wilhelminischen Reich unter dem Aspekt ihrer Feudalisierung befaßt. Sie analysiert deren Konnubium, die Berufe der Söhne und der Schwiegersöhne und die Bedeutung der Unternehmerfamilie im ganzen und zeigt, daß die Verflechtungen mit dem Adel nur sehr schwach waren. Diese knappe Forschungsskizze hat sich auf solche Arbeiten beschränkt, die fur die Frage nach den sozialen Beziehungen zwischen Unternehmern und anderen Teilen des Bürgertums besonders wichtig sind. Insgesamt ist die Zeit der Frühindustrialisierung - die Zeit zwischen Zollvereins- und Reichsgründung - besser untersucht als die Zeit danach. Relativ gut erforscht ist die Herkunft der Unternehmer, weniger gut ihr Konnubium, kaum dagegen die Berufswahl der Söhne und das Konnubium der Töchter. Ihr Verhältnis zu Staat und Politik läßt sich bisher vor allem indirekt, anhand der Studien zur Partei- und Verbandsgeschichte beschreiben.11 Besonders gering sind die Kenntnisse über die Verleihung staatlicher Auszeichnungen. Eindeutiger regionaler Schwerpunkt der Unternehmerforschung ist schließlich Preußen.12 Angesichts der Bedeutung Preußens für die deutsche Geschichte und der zentralen Stellung des Rheinlands und Westfalens in der deutschen Wirtschaft des 19. und 20. Jahrhunderts kann dies nicht verwundern. Nicht zuletzt das neuerdings gestiegene Interesse an Politik und Verfassungsentwicklung in den außerpreußischen Mittel- und Kleinstaaten legt freilich eine auch sozialgeschichtliche Ergänzung der bisherigen Forschungsperspektive nahe - ohne daß damit alte Mythen der deutschen Historiographie durch neue ersetzt werden sollen.

16

2. Der Ansatz dieser Arbeit a) Themen, Begriffe u n d Abgrenzungen Die vorliegende Arbeit soll einen Beitrag zum Abbau der eben skizzierten Forschungsdefizite leisten. Untersucht werden die Unternehmer aus fünf bayerischen Städten im Zeitraum zwischen der Gründung des Zollvereins und dem Vorabend des Ersten Weltkriegs. Hauptthema der Arbeit sind ihre sozialen Verflechtungen, die anhand zentraler Kontaktbereiche analysiert werden. Zum einen geht es dabei um die Geschlossenheit der Unternehmer als sozialer Gruppe, zum anderen um Art und Ausmaß ihrer Beziehungen zu anderen Gruppen der Gesellschaft, vor allem zu anderen Teilen des Bürgertums. Eingehend untersucht wird deshalb zunächst die Herkunft der Unternehmer. Im Mittelpunkt steht hier die Frage nach ihrer sozialen Herkunft. Hinzu treten die Fragen nach der räumlichen Herkunft, nach der Ausbildung und dem Erwerb weiterer Qualifikationen und nach dem religiösen Bekenntnis. In einem zweiten Schritt wird die Perspektive auf die Unternehmerfamilie ausgeweitet und das Konnubium der Unternehmer, die Berufswahl ihrer Söhne und das Konnubium ihrer Töchter untersucht. Spezielles Interesse gilt dabei dem Familienvermögen: seiner Höhe, seiner Zusammensetzung und seiner Weitergabe an die Erben. Wichtige Einzelaspekte gerade in den bisher genannten Fragenkomplexen sind die Integration zugewanderter und andersgläubiger Unternehmer sowie Möglichkeiten und Dimensionen sozialen Aufstiegs. Das zweite, nachgeordnete Thema der Arbeit ist das Verhältnis der Unternehmer zum Staat. Es geht dabei nicht, das sei vorweg ausdrücklich betont, um eine umfassende Politikanalyse. Gefragt wird also nicht nach der gruppeninternen Meinungsbildung, nach der Artikulation von spezifischen Interessen und allgemeinpolitischen Vorstellungen oder nach den Formen und Wegen ihrer Durchsetzung und den erzielten Ergebnissen; dies müßte Thema einer eigenen Studie sein. Es geht allein um die zentralen Charakteristika des Verhältnisses von Unternehmern und Staat: zunächst um Art, Ebenen und Ausmaß ihres Engagements in öffentlichen Amtern sowie um ihre politische Grundhaltung und dann um die Verleihung staatlicher Auszeichnungen - ihre Maßstäbe, Verfahren und Resultate - als der umfassendsten Form der Bewertung von politischem Verhalten und gesellschaftlicher Bedeutung durch den Staat. Bindeglied zwischen beiden Themen ist die Frage, für welchen Zeitraum und in welchem Ausmaß in Bayern eine »Feudalisierung« bzw. »Aristokratisierung« der Unternehmer konstatiert werden kann. Idealtypisch soll darunter verstanden werden: die Erhebung in den erblichen Adelsstand zusammen mit dem Erwerb größeren Grundbesitzes und der Aufgabe der 17

Unternehmertätigkeit zugunsten einer Existenz als Bezieher von Grundund Kapitalrenten, in der Folgegeneration dann das Konnubium mit dem alten Adel. Für die Zeit des Vormärz soll dieser Vorgang als »Feudalisierung«, für die Zeit nach der Revolution von 1848 als »Aristokratisierung« bezeichnet werden. 1 - So versucht diese Arbeit insgesamt, die das 19. Jahrhundert bestimmende Doppelpoligkeit von »Bürgerwelt und starkem Staat«2 in einigen ihrer Aspekte zu reflektieren und zugleich deren verbindende Elemente herauszuarbeiten. Weitere der eben erwähnten Begriffe bedürfen einer Präzisierung. Das gilt zunächst und vor allem für den Begriff »Unternehmer«. Der Terminus muß so elastisch sein, daß er die Wandlungen der von ihm bezeichneten Figur im Untersuchungszeitraum abdeckt und Vergleiche mit den schon genannten Arbeiten ermöglicht. Er darf nicht quer zu den Quellen stehen - dort ist in aller Regel nur von Fabrikanten, Industriellen, Großhändlern, Bankiers etc. die Rede - und soll sinnvolle, aus pragmatischen Gründen gebotene Eingrenzungen des Untersuchungsgegenstandes erlauben. In der Forschung setzt die Definition des Begriffs »Unternehmer« am häufigsten bei der von ihm wahrgenommenen oder ihm zugeschriebenen Funktion an, ist also vorrangig an betriebs- und volkswirtschaftlichen Kriterien orientiert. Hauptelement dieser Funktion ist »das Treffen von wesentlichen (>strategischem) Entscheidungen über die Zielsetzung des Unternehmens, seine Position auf dem Markt und seine Beziehungen zur Umgebung überhaupt«. 3 Personen, die nur Kapital bereitstellen (»Kapitalisten«) und solche, die nur >taktische< Entscheidungen treffen (»Manager«), sind damit nicht als Unternehmer anzusehen. Ein solch funktionaler Unternehmerbegriff wird auch in den bereits erwähnten sozialgeschichtlichen Unternehmerstudien verwendet.4 Pierenkemper hat allerdings zu Recht daraufhingewiesen, daß es sich faktisch nicht um einen funktionalen, sondern um einen »positionalefn]« Begriff handelt, da auf eine Überprüfung der tatsächlichen Entscheidungsprozesse in den Unternehmen verzichtet wird. 5 Als operationalisierbar erscheint jedoch nur ein solcher positionaler Begriff, ohne daß damit die Differenzierung Unternehmer - Kapitalist - Manager aufgegeben werden muß. So läßt sich als »Unternehmer« eine Person definieren, welche »die mit der höchsten formalen Autorität ausgestattete Position in einem Wirtschaftsunternehmen innehat«. Das meint eine Einzelperson ebenso wie die gleichrangigen Mitglieder einer Firmenleitung, Eigentümer-Unternehmer ebenso wie angestellte Unternehmer. 6 Dieser Unternehmerbegriff läßt sich auf alle Wirtschaftsbereiche anwenden. In der vorliegenden Arbeit erfaßt sind neben den industriellen Unternehmern die Unternehmer im tertiären Sektor: die Leiter von Handels- und Speditionsgeschäften, Verkehrsbetrieben, Banken und Versicherungen, Buchund Zeitungsverlagen sowie großen Hotels. Landwirtschaftliche Unterneh18

mer und die Leiter staatlicher Betriebe werden dagegen wie in den meisten vergleichbaren Untersuchungen ausgeklammert. Zu klären ist weiter, ab welcher Größe hier von einem »Wirtschaftsunternehmen« gesprochen werden soll. Weder die Statistik noch der zeitgenössische Sprachgebrauch erlauben eine klare Abgrenzung zwischen den Industriellen und anderen Unternehmern einerseits und den Handwerkern, Kleinhändlern und übrigen Gewerbetreibenden andererseits. Insofern muß auch jede spätere Grenzziehung bis zu einem gewissen Grad dezisionistisch und problematisch bleiben, da sie der Selbst- und der Fremdeinschätzung des betreffenden »Unternehmers« nicht unbedingt gerecht zu werden vermag. Für die Zeit der Frühindustrialisierung bis zum Ende der 1860er Jahre wird hier als industrieller Unternehmer definiert, wer mehr als zehn Personen beschäftigte bzw. Maschinen verwendete (sofern die Arbeiterzahl nicht zu ermitteln war), für die Zeit danach, wer mehr als fünfzig Beschäftigte hatte, also einem »Großbetrieb« im Sinn der Statistik vorstand. Im tertiären Sektor müssen flexiblere Maßstäbe angelegt werden: Die Reichweite der Geschäftsbeziehungen und die Zusammensetzung des Kundenkreises dienen hier als primäre Definitionskriterien. Anzumerken ist schließlich, daß in diese Arbeit nur solche Unternehmer einbezogen sind, die ihre Position mindestens zehn Jahre innehatten und ihre Firma zumindest nicht in den Konkurs führten. Es geht im folgenden um die Unternehmer, nicht um das Wirtschaftsbürgertum. Die Unterscheidung mag pedantisch erscheinen, sie ist aber sinnvoll. Gegenüber dem Unternehmerbegriff läßt sich der Terminus »Wirtschaftsbürgertum«, wie schon die Alternativen »Besitzbürgertum« und »Bourgeoisie« andeuten, weniger scharf definieren - Wirtschaftsbürger sind vielleicht nicht alle Unternehmer, aber auch die reinen Kapitalbesitzer - , meint aber zugleich stärker eine soziale Klasse. Die Entscheidung für den Unternehmerbegriff ist zunächst pragmatisch motiviert: Reine Kapitalgeber lassen sich in den Quellen erheblich schlechter erfassen als Unternehmer. Sie soll aber auch signalisieren, daß diese Studie nicht als umfassende Analyse der Klassenkonstituierung des Wirtschaftsbürgertums angelegt ist7 - dazu müßte etwa die Politik viel eingehender untersucht werden - , sondern diesen Prozeß nur indirekt verfolgt und gerade seine Hindernisse und Grenzen nicht vernachlässigen will. Als Untersuchungsgebiet wurde Bayern gewählt, der nach Preußen größte und in Süddeutschland wichtigste deutsche Einzelstaat. Aus pragmatischen Gründen beschränkt sich die Arbeit auf die fünf Städte München, Nürnberg, Augsburg, Ludwigshafen und Regensburg. Die vier zuerst genannten waren die Zentren der bayerischen Wirtschaft im 19. Jahrhundert. Regensburg wurde als Beispiel für einen schwächer entwickelten Standort hinzugenommen. Die Städte unterschieden sich dabei nicht nur in ihrer 19

Branchen- und Betriebsstruktur (auf die noch genauer eingegangen wird),8 sondern auch in der Struktur der jeweiligen Stadtgesellschaft: Als Landeshauptstadt war München Sitz des königlichen Hofs, besonders vieler Militär· und Zivilbehörden und schließlich zweier Universitäten. In Nürnberg, Augsburg und Regensburg lagen ebenfalls größere Garnisonen; Augsburg und Regensburg waren ebenso wie München Sitz einer Bezirksregierung. Der bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts rein katholischen Landeshauptstadt München stand die bis dahin rein protestantische Reichsstadt Nürnberg gegenüber, der paritätischen Reichs- und katholischen Bischofsstadt Augsburg die protestantische Reichs- und katholische Bischofsstadt Regensburg. Ludwigshafen wurde um die Mitte des 19. Jahrhunderts erst gegründet und verfügte weder über größere militärische Einrichtungen noch über herausgehobene Verwaltungsstellen. Dies legt es nahe, die Untersuchung auf der lokalen ebenso wie auf der gesamtstaatlichen Ebene zu führen. Der lange Zeitraum soll es schließlich ermöglichen, die Veränderungen von Struktur und Verhalten der Unternehmer präziser zu erfassen als es eine nur auf die Frühindustrialisierung, das Kaiserreich oder die Zeit nach 1890 begrenzte Studie könnte.

b) Forschungsstand und Quellenlage Eine Gesamtdarstellung der bayerischen Unternehmer im 19. Jahrhundert fehlt bislang. Grundlegend sind weiterhin die Arbeiten Wolfgang Zorns, vor allem seine Studie zu den Unternehmern Schwabens in der Zeit zwischen dem Ende des Dreißigjährigen Kriegs und der Reichsgründung. Sie gleicht im Ansatz der Studie Zunkels, ist aber stärker wirtschaftsgeschichtlich orientiert. Zu den bayerischen Unternehmern in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts liegt ein knapper zusammenfassender Aufsatz Hans Jaegers vor.9 Mit dem bayerischen Wirtschaftsbürgertum der Zeit zwischen 1890 und 1914 hat sich jüngst Hans Hesselmann beschäftigt. Hesselmann konzentriert sich auf Augsburg und Ludwigshafen mit Mannheim, bezieht aber auch wichtige Unternehmer anderer bayerischer Städte mit ein. Ausgehend von der Feudalisierungsthese versucht er anhand einer Untersuchung der Heiratsverbindungen und Aufsichtsratskontakte, die Verschmelzung von Wirtschaftsbürgertum, hoher Bürokratie und Hofkreisen zu einer gesamtbayerischen Führungsschicht nachzuweisen. Außerdem geht er dem Einfluß des Wirtschaftsbürgertums auf die lokale Politik nach. Hesselmann präsentiert zwar eine Fülle vor allem genealogischen Materials, bleibt aber bei dessen aneinanderreihender Wiedergabe stehen und ignoriert wesentliche Ansätze der neueren Forschung. Die biographischen Darstellungen sind zum größten Teil bloße Abrisse 20

und zeichnen sich durch ihre verklärende Grundtendenz aus. In den wenigen umfangreicheren Arbeiten wird dem privaten Leben und den nichtwirtschaftlichen Aktivitäten der porträtierten Unternehmer nur geringer Raum gegeben.10 Kaum erforscht ist mit nur zwei neueren Studien die Geschichte unternehmerischer Interessenorganisation in Bayern. Eckardt behandelt den Bayerischen Industriellenverband sehr knapp und vorwiegend deskriptiv, Zinner verfolgt die Entwicklung der Nürnberger Handelskammer nur bis zum Ende der 1880er Jahre.11 Sehr disparat ist der Stand der Forschung zur Sozial- und Politikgeschichte der einzelnen Städte. Augsburg ist dank der Arbeiten Zorns, Fischers und jüngst Fassls am besten untersucht. 12 Zur Arbeiterbewegung in Ludwigshafen und Nürnberg liegen neuere Studien vor, ebenso zu Wahlen und Parteien in Ludwigshafen und Regensburg.13 Geradezu groteske Forschungsdefizite weist hingegen die Stadtgeschichte der Haupt- und Residenzstadt München auf.14 Hauptquelle für die statistischen Analysen dieser Arbeit ist neben den Firmenfestschriften15 umfangreiches Archivmaterial. Die restriktive Sozialgesetzgebung im rechtsrheinischen Bayern brachte es mit sich, daß dort schon früh polizeiliche Meldebogen, die sogenannten »Familienbogen«, angelegt wurden und bis zum Ende der 1860er Jahre bei Niederlassung und Bürgerrechtserwerb längere Akten anfielen. Neben den Daten zu Geburtsort und -datum geben beide Quellen in vielen Fällen Auskunft über die Berufe von Vater und Schwiegervater des Unternehmers, in unterschiedlicher Dichte auch über seine Qualifikation und berufliche Laufbahn. Die Niederlassungsakten enthalten darüber hinaus Angaben zum Vermögen des Unternehmers und, so vorhanden, seiner Braut. Die Familienbogen und vor allem die Niederlassungsakten sind nicht in allen Städten vollständig überliefert in Nürnberg fehlen die Familienbogen ganz, in Regensburg die Niederlassungsakten - , zusammen bilden sie aber eine hinreichend breite Grundlage für die quantifizierenden Teile dieser Arbeit und erlauben zudem eine Uberprüfung der aus den Festschriften gewonnenen Daten. Als weitere wichtige Quelle erwiesen sich die bei Gericht angefallenen Nachlaßakten. In der Kombination mit den Familienbogen liefern zum einen sie den wesentlichen Teil der Informationen über die Berufe von Söhnen und Schwiegersöhnen. Zum anderen geben sie Auskunft über das (den Behörden gegenüber deklarierte) Vermögen des Unternehmers und seiner Familie zum Zeitpunkt seines Todes. Zwar handelt es sich in manchen Fällen nur um Restakten, die allenfalls Hinweise auf das Gesamtvermögen des Verstorbenen liefern, häufig enthalten sie jedoch Testamente, Ehe- und Erbverträge, bisweilen auch Vermögensinventare. Ausgewertet wurden darüber hinaus die Nobilitierungs-, Titel- und Or21

densakten. Zwar sind sie im allgemeinen nicht sehr umfangreich und enthalten nur wenige Informationen über Biographie, Karriere und Geschäft des jeweiligen Unternehmers; zusammengenommen gewähren sie jedoch einen guten Einblick in Verfahren und Kriterien bei der Vergabe staatlicher Auszeichnungen an die Unternehmer. Am dichtesten ist deren Überlieferung für die Zeit des Kaiserreichs und für die Münchener Staatsministerien. Material vor allem der mittelfränkischen und pfalzischen Regierungspräsidien wurden ergänzend herangezogen. Wie diese knappe Ubersicht zeigt, stützt sich die vorliegende Arbeit vor allem auf Quellen, die verschiedenen Ebenen und Instanzen der staatlichen Verwaltung entstammen. Zahlreiche Anfragen bei heute noch bestehenden Unternehmen und Besuche in den professionell geführten Unternehmensarchiven förderten nur sehr wenig und dazu recht disparates Material zutage, das Einblicke in Lebensstil und Selbstverständnis der Unternehmer und ihrer Familien erlaubt hätte. Ein Grund dafür liegt in den Verlusten solcher Quellen durch den Zweiten Weltkrieg und im Gefolge von Firmenfusionen und Wechseln der Besitzer, manchmal wohl auch im Mißtrauen gegenüber den Anliegen sozialhistorischer Forschung überhaupt. Der andere Grund liegt in den Personen selbst: Die meisten der hier behandelten Unternehmer waren weder ihrer ökonomischen Bedeutung noch ihrer gesellschaftlichen Stellung nach dafür disponiert, in Tagebüchern oder autobiographischen Notizen Leben und Karriere zu reflektieren. So fehlen dem Bild, das die dürren Zahlen der Statistik zeichnen, manche erwünschte Konturen, doch sollte die Kombination der hier verwendeten Quellen es nicht zu blaß erscheinen lassen.

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Π. Wirtschaft und Unternehmen Bayerns und der fünf Städte im 19. Jahrhundert Bayern galt bis weit ins 20. Jahrhundert hinein als Agrarstaat. Insofern mag die Beschäftigung mit seinen Unternehmern auf den ersten Blick paradox erscheinen. Im folgenden werden daher die Topoi von der agrarischen Prägung und der wirtschaftlichen Rückständigkeit Bayerns einer knappen Prüfung unterzogen. Ihr Ziel ist es, die Entwicklung Bayerns während des 19. Jahrhunderts, vor allem die seiner Industrie, in den gesamtdeutschen Kontext einzuordnen und die jeweilige Position der fünf untersuchten Städte in diesem Prozeß zu bestimmen. Ein wichtiger Aspekt ist dabei das Verhalten des Staats, besonders im Hinblick auf die Modifikationen des ausgefeilten Konzessionsrechts. Im ganzen sollte deutlich werden, unter welchen Bedingungen die Unternehmer Bayerns und der fünf Städte tätig waren, in welchen Branchen jeweils die Schwerpunkte ihrer Aktivität lagen und welche Rolle sie gerade in den für die Industrialisierung zentralen Branchen spielten.1

1. Wichtige Faktoren und Indikatoren der gesamtbayerischen Entwicklung a) Bevölkerungswachstum und Berufsstruktur Bayerns Bevölkerung wuchs von 3,6 Mio. Einwohnern im Jahr 1816 über 4,2 Mio. (1834), 4,6 Mio. (1852) und 4,8 Mio. (1871) auf 6,9 Mio. im Jahr 1910. Bayern, hinter Preußen seiner Fläche nach der zweitgrößte Staat im Deutschen Reich, behauptete damit seine Stellung als bevölkerungsreichster Staat nach Preußen und vor allen preußischen Provinzen; erst nach 1900 wurde es vom Rheinland überholt.2 Weitere Daten belegen jedoch ein Zurückbleiben Bayerns. Zwischen 1816 und 1870 nahm seine Bevölkerung nur um 36,6% zu (gegenüber 64,8% im Deutschen Bund), zwischen 1871 und 1910 nur um 41,6% (gegenüber 58,1% im Deutschen Reich). 3 Auch in der Entwicklung seiner Bevölkerungsdichte fiel Bayern zurück. 1816 betrug sie noch 47 (Einwohner pro km 2 ) gegenüber 45 im Deutschen Bund, stieg dann bis 1841 auf 57 23

(Dt. Bund: 60), 1871 auf 64 (Dt. Reich: 76) und 1910 auf 91 (Dt. Reich: 120).4 Zur unterdurchschnittlichen Bevölkerungsdichte trat ein unterdurchschnittlicher Verstädterungsgrad. 1871 lebten in Bayern 76,4% der Bevölkerung auf dem Land (in Gemeinden mit weniger als 2.000 Einwohnern), 1910 waren es noch 55,3%, im Reichsdurchschnitt dagegen 63,9% bzw. 40,0%. In Mittel- und Großstädten (mit mehr als 20.000 Einwohnern) lebten 1871 nur 8,7% der bayerischen Bevölkerung (Dt. Reich: 12,5%), 1910 25,8% (Dt. Reich: 34,7%).5 Bayern wies damit einen deutlichen Rückstand nicht nur zu den Industrieregionen Preußens und zum Königreich Sachsen auf: Nach Bevölkerungswachstum, Bevölkerungsdichte und Verstädterungsgrad lag Bayern während des gesamten hier behandelten Zeitraums nicht unter den ersten zehn deutschen Staaten und preußischen Provinzen.6 Der Entwicklungsrückstand wird auch deutlich, wenn man anhand der zeitgenössischen Statistik7 die Verteilung der Bevölkerung auf die drei Wirtschaftssektoren betrachtet. Für den Gesamtstaat belegen die Zahlen von 1840 und 1852 ein großes und überdies wachsendes Gewicht des Agrarsektors: Zwei Drittel der Bevölkerung (65,7% bzw. 67,8%) waren in den Anfangsjahren der Industrialisierung noch in der Landwirtschaft gebunden. Ein Vergleich mit der Entwicklung im Deutschen Bund ist für diesen Zeitraum nur anhand der Zahlen über die Erwerbstätigen möglich. Auch sie zeigen für Bayern einen leichten Zuwachs im Agrarsektor, für den Deutschen Bund hingegen einen Rückgang und ein niedrigeres Niveau.8 Im Gegensatz zum Deutschen Reich insgesamt war Bayern auch 1882 noch ein Agrarland: Die Hälfte (50,9%) seiner Bevölkerung bezog ihren Lebensunterhalt aus der Landwirtschaft und erst ein gutes Viertel (28,3%) aus Gewerbe und Industrie. Bayern folgte dann zwar der allgemeinen Entwicklung, jedoch in langsamerem Tempo, so daß die Disparitäten zu den fortgeschrittenen Industriestaaten im Reich kaum geringer wurden.9 1907 lebte zwar deutlich weniger als die Hälfte (40,3%) der bayerischen Gesamtbevölkerung von landwirtschaftlicher Tätigkeit, von Tätigkeiten in Gewerbe und Industrie aber nur ein Drittel (33,3%) und damit, anders als im Deutschen Reich (42,8%), ein erheblich kleinerer Teil. Das bisher gezeichnete Bild bedarf jedoch einer regionalen Differenzierung. Bayern war alles andere als ein homogener Raum. Oberbayern mit der Hauptstadt München verfügte schon zu Beginn des Untersuchungszeitraums über die meisten Einwohner und konnte seine Bevölkerung von 1840 bis 1907 mehr als verdoppeln (1907: 1,43 Mio.).10 Die zunächst relativ geringen Unterschiede zwischen den anderen Regierungsbezirken vergrößerten sich im Lauf der Zeit, im Zusammenhang mit ihrer wirtschaftlichen Entwicklung. Am stärksten wuchs die Bevölkerung in Mittelfranken (um fast drei Viertel; 1907: 0,88 Mio.) und in der Pfalz (um über die Hälfte; 24

1907: 0,89 Mio.), den beiden am intensivsten von Gewerbe und Industrie geprägten Regierungsbezirken; die Pfalz hatte außerdem das liberale Heirats-, Niederlassungs- und Konzessionsrecht aus der Zeit ihrer Zugehörigkeit zu Frankreich behalten können und war nicht der bis zum Ende der 1860er Jahre geltenden restriktiven Sozialgesetzgebung des rechtsrheinischen Bayern unterworfen worden.11 Den geringsten Zuwachs verzeichneten dagegen die Oberpfalz (ein Viertel; 1907: 0,57 Mio.) und Unterfranken (ein Fünftel; 1907: 0,69 Mio.), den (nach Niederbayern) Regierungsbezirken mit dem größten Gewicht der Land- und Forstwirtschaft. Die schon 1840 deutlich erkennbaren Unterschiede zwischen den jeweiligen Wirtschaftsstrukturen im rechtsrheinischen Teil Bayerns blieben in der Zeit danach erhalten. Die linksrheinische Pfalz entwickelte sich jedoch an anfangs weiter fortgeschrittenen Gebieten vorbei zur fuhrenden Gewerbeund Industrieregion. Während Niederbayern und die Oberpfalz noch bis 1907 von der Landwirtschaft dominiert blieben, hatten Oberbayern, die Pfalz, Ober- und Mittelfranken diese Prägung bereits 1882 verloren. 1907 lebte aber nur in drei der acht Regierungsbezirke, in der Pfalz (47,2%), in Ober- und Mittelfranken (39,4% bzw. 41,8%) eine relative Mehrheit der Bevölkerung von Tätigkeiten in Gewerbe und Industrie. Allein die Pfalz übertraf den Reichs durchschnitt (42,8%). Diese Werte sagen noch nichts über das jeweilige Gewicht der Industrie gegenüber Handwerk und Kleingewerbe, sie zeigen jedoch, daß, von der Pfalz allerdings abgesehen, Regionen wie Mittelfranken und Schwaben, in denen sich bedeutende Industrieunternehmen ansiedelten, gegenüber dem Reichsdurchschnitt zurückblieben und auch die Werte des in sich heterogenen Preußens oder Württembergs kaum erreichten oder übertrafen. Dieser Befund deutet schon an, daß im 19. Jahrhundert Bayerns Regierungsbezirke nicht nur in sehr verschiedener Weise von der wirtschaftlichen Entwicklung erfaßt wurden, sondern daß diese Entwicklung auch die weiter fortgeschrittenen Gebiete nur begrenzt prägen konnte.12

b) Natürliche Ressourcen, Verkehr, Kapitalmarkt Die Struktur der bayerischen Wirtschaft und Industrie wurden von Spektrum, Umfang und Lage ihrer natürlichen Ressourcen wesentlich mitbestimmt. Für den Aufbau einer Schwerindustrie, die mit der preußischen hätte konkurrieren können, fehlte die Basis. Steinkohle gab es im rechtsrheinischen Teil fast nicht; nur der an das Saargebiet angrenzende Teil der Pfalz wies größere Vorkommen auf. Braunkohle konnte in bedeutenderen Mengen in der Oberpfalz abgebaut werden, Pechkohle - im Heizwert der Steinkohle nahestehend, aber nicht verkokbar - in Oberbayern. Uber Eisenerz verfugte 25

vor allem die Oberpfalz, zwar in guter Qualität, aber in vergleichweise zu geringen Mengen. Sehr günstige Voraussetzungen boten dagegen die Mineralien des ostbayerischen Grenzgebirges für die Industrie der Steine und Erden, in erster Linie für die Glas- und Porzellanherstellung. Bayern war außerdem besonders reich am Rohstoff und Energieträger Holz und verfügte über die Hälfte aller in Deutschland nutzbaren Wasserkräfte.13 Die relativ dünne Besiedelung und geringe Verstädterung des Landes, die periphere Lage seiner Bodenschätze und die große Entfernung zu den schwerindustriellen Zentren Deutschlands erforderten eine gute Verkehrserschließung. Deren wichtigstes Instrument war der Eisenbahnbau. 14 Hier schaltete sich der Staat rasch ein. Die ersten Linien - NürnbergFürth (1835) und München-Augsburg (1840) - gingen noch auf die Initiative einzelner Unternehmer zurück, doch bereits 1843 beschloß der Landtag, veranlaßt durch Gewinnerwartungen und den enormen Kapitalbedarf bei schwierigen Streckenführungen, den weiteren Ausbau des Eisenbahnnetzes (im rechtsrheinischen Bayern) vom Staat durchführen zu lassen. 1851 wurde München mit Berlin verbunden und dadurch mittelbar auch der Anschluß an die Nordseehäfen erreicht. Zu Beginn der 1860er Jahre waren die Hauptlinien des Bahnnetzes fertiggestellt, Bayern auch nach Süden mit Osterreich und nach Westen mit Württemberg und dem Rhein-Main-Raum (Frankfurt) verbunden. Die Pfalz war schon bis 1849 über die Linie Saargebiet-Kaiserslautern-Rheinschanze (Ludwigshafen) erschlossen worden, gebaut von einer Privatgesellschaft mit Hilfe einer staatlichen Zinsgarantie. Auch die Erschließung der Oberpfalz wurde einer (1856 gegründeten) privaten Aktiengesellschaft - der »Ostbahn« überlassen, nachdem die Erträge der staatlichen Bahnen hinter den Erwartungen zurückgeblieben waren.15 Im Kaiserreich engagierte sich der bayerische Staat, dem ja gemäß der Reichsverfassung die eigene Bahnverwaltung verblieb, wieder stärker. 1876 übernahm er die Ostbahn, 1909 schließlich das inzwischen auf fast 900 km angewachsene Netz der Vereinigten Pfälzischen Eisenbahnen - nach Zorn der »damals bedeutendste(n) Privatbahn Deutschlands« - , an deren Ausbau er sich seit 1869 beteiligt hatte.16 1912 waren nur noch kleinere lokale Verbindungslinien, insgesamt 277 km, in privater Hand. 17 Die Wirkungen des Eisenbahnbaus auf die einzelnen Branchen und Regionen sind noch nicht detailliert untersucht worden. Sicher gingen sie über die Verkehrserschließung weit hinaus: Die von ihm ausgelöste Nachfrage nach Schienen, Lokomotiven und Waggons machte den Eisenbahnbau auch in Bayern zu einem Leitsektor der Industrialisierung. Fremdling schreibt der Eisenbahnpolitik des bayerischen Staates allerdings einen zu zögerlichen und deshalb auch die industrielle Entwicklung im Vergleich zu anderen Staaten hemmenden Charakter zu.18 26

Zahlen über die Gesamtlänge aller privaten und staadichen Strecken in Bayern liegen erst für die Zeit seit 1880 vor. Danach erhöhte sie sich von 4.880 km auf 8.229 km im Jahre 1910.19 Dies waren 14,4%, dann 13,4% des Reichsnetzes. Bayerns Anteil ging also leicht zurück, entsprach aber insgesamt etwa seinem Anteil an der Fläche des Reichs.20 Die Beschaffung von Kapital für die Gründung industrieller Unternehmen stieß in Bayern auf ähnliche Schwierigkeiten wie in den anderen deutschen Staaten. Grundsätzlich fehlte es nicht an Kapital: Die Anteile der ersten, schon als Aktiengesellschaften gegründeten Textilgroßbetriebe in Augsburg und Oberfranken wurden rasch gezeichnet.21 Potente Anleger bevorzugten in den frühen Jahren der Industrialisierung jedoch Staatspapiere, weil sie eine im Vergleich sichere Rendite versprachen. Die 1835 gegründete Hypotheken- und Wechselbank konzentrierte ihre Geschäftstätigkeit zunächst auf die Landwirtschaft, und die in Nordbayern operierende königliche Bank besaß anfangs zu geringe Mittel, um die Lücke füllen zu können. Erst nach Einfuhrung der Gewerbefreiheit entstanden mit der Bayerischen Vereinsbank (1869) und der Bayerischen Handelsbank (1869) leistungsfähige Universalbanken. 1870 errichtete die Darmstädter Bank eine Kommandite in München. Die norddeutschen Großbanken, zunächst die Deutsche Bank, begannen seit dem Ende der 1880er Jahre mit der Etablierung eines Filialnetzes in Bayern.22

2. Das Konzessionsrecht In vielfältiger Weise beeinflußte der Staat die Entwicklung der bayerischen Wirtschaft: umfassend durch den Auf- und Ausbau des Verkehrsnetzes und den Betrieb der Eisenbahnen, punktuell durch den Betrieb weiterer, vor allem schwerindustrieller Unternehmen und durch die Gewährung von Finanzhilfen für einzelne Firmen, indirekt durch seine Steuer- und Zollpolitik, auch durch seine Bemühungen um die Verbesserung des Bildungswesens, zunächst aber durch seine prinzipiellen ordnungspolitischen Entscheidungen, mit denen die Zugangswege und Rahmenbedingungen für unternehmerische und selbständige gewerbliche Tätigkeit überhaupt festgelegt wurden. Dieser zentrale Aspekt der staadichen Wirtschafts- (und Sozialpolitik soll im folgenden genauer beleuchtet werden. 1 Bayern trat mit einem gespaltenen Gewerberecht in die Industrialisierung ein: Während in der linksrheinischen Pfalz die »französischen Errungenschaften« und damit auch die allgemeine Gewerbefreiheit weitergalten,2 blieb es im rechtsrheinischen Teil bis 1868 bei einem wiederholt modifizierten Konzessionssystem, dessen Leitprinzipien unter Montgelas entwickelt worden waren. 27

Montgelas versuchte in seinen Gewerbereformen, einen Mittelweg zwischen den Bedürfnissen der Konsumenten und dem Schutz der Produzenten zu beschreiten. Der Staat sollte als ausgleichende Instanz fungieren und deshalb nur er über die Zulassung zur Ausübung eines Gewerbes befinden. Die monopolartige Stellung der Zünfte wurde beseitigt, die Befugnis zur Konzessionserteilung zunächst den Mittel-, seit 1811 den unteren Behörden - in den Städten den Polizeidirektionen - zugewiesen und dort zunächst großzügig gehandhabt. Über die Konzession »wirklicher Fabriken, Manufakturen und Brauereien«3 entschied jedoch die Staatsregierung in München. Grundsätzlich sollte jede Konzession »personal« sein: allein an die Person des Gewerbetreibenden gebunden und entsprechend flexibel verleihbar. Es gab jedoch eine Reihe sogenannter »realer« Gewerbeberechtigungen: Sie wurden als Sache behandelt, als veräußerbares Privateigentum. Eine solche Handhabung lag einerseits zwar im Interesse der etablierten Gewerbetreibenden, die sich so gegenüber unliebsamer Konkurrenz abzuschütten versuchten, machte andererseits jedoch Gewerbekonzessionen zum mißbräuchlich verwendbaren Spekulationsobjekt. Montgelas reduzierte die Bedeutung der Realrechte, verzichtete aber auf ihre Abschaffung. Bis zur Einfuhrung der Gewerbefreiheit am Ende der 1860er Jahre wurde das Problem der Realrechte, das vor allem ein Entschädigungsproblem war, nicht befriedigend gelöst.4 Eine vierzig Jahre lang gültige gesetzliche Grundlage erhielt das bayerische Konzessionssystem 1825.5 Hauptvoraussetzung für die Erteilung einer - generell als »personal« angesehenen - Konzession war »die persönliche Fähigkeit des Bewerbers«, mit der »auch die Berücksichtigung des erforderlichen Nahrungsstandes« verbunden werden mußte (Art. 2). In der Behandlung der realen Gewerbe ging das Gesetz einen Mittelweg. Es verlangte für ihre Ausübung zwar eine Konzession, stellte sie aber den »Gewerbs=Vor= und Einrichtungen« gleich und gestattete die freie Verfügung über sie, »wie über jedes andere Privateigenthum« (Art. 4). Gewerbefreiheit wurde in einigen Randbereichen hergestellt. Eine Konzession war nicht erforderlich für die auf dem Land im Nebenerwerb betriebene Leinweberei und für die Anfertigung von Luxus- und Modeprodukten (Art. 8). Das Gesetz regelte darüber hinaus die Stellung der Zünfte neu. Sie sollten als »GewerbsVereine« weiter bestehen, aber nur noch Bildungs- und Unterstützungsfunktionen wahrnehmen (Art. 7). Schließlich traf das Gesetz Vorschriften über die Erteilung und den Schutz von Patenten, den »Gewerbs=Privilegien« (Art. 9). Da das Gesetz von 1825 offenließ, welche Kriterien zur Ermittlung von Fähigkeit und Nahrungsstand (des Bewerbers ? der anderen Gewerbetreibenden ?) anzulegen seien, blieb den Ausführungsbestimmungen überlassen, ob es in eine liberale oder restriktive Zulassungspolitik einmünden 28

würde. Die ersten Vollzugsvorschriften des Gesetzes6 interpretierten es in liberalem Sinn. Der Nachweis der persönlichen Fähigkeit war über eine Prüfung zu fuhren, vor der die Handwerkslehre und Wanderschaft als Geselle bzw. die »Servirzeit« bei Kaufleuten liegen sollten (§§ 2-6). Zur »Berücksichtigung des erforderlichen Nahrungsstandes« sollte nur untersucht werden, ob der betreffende Bewerber »bey gehöriger Thätigkeit« ausreichende Absatzchancen finden werde. Bei für einen überörtlichen Markt betriebenen Geschäften war ein solcher Nachweis jedoch nicht notwendig. Bei Gewerben, die ihre Produkte nur lokal absetzten, sollte zwar »Rücksicht auf die schon vorhandenen Gewerbsleute gleicher Art« genommen werden, übergeordneter Gesichtspunkt hatte jedoch die ausreichende Versorgung der örtlichen Konsumenten zu sein. Ein Widerspruchsrecht der betroffenen Gewerbetreibenden wurde ausgeschlossen (§ 10 Abs. 1-4). Eigens erwähnt wurde in den Ausfuhrungsbestimmungen die Konzession zum Betrieb einer Fabrik: Sie befreite von allen Tätigkeitsbeschränkungen und -abgrenzungen, denen die Handwerksgewerbe unterlagen (§ 16). Auch das Verfahren der Konzessionserteilung für Fabriken war besonders geregelt. Während sonst die von den Stadtbürgern - also vor allem von den eingesessenen Gewerbetreibenden - gewählten Magistrate in erster Instanz zuständig waren, oblag die Konzessionserteilung für »Fabriken, Manufakturen und denselben gleichgeachteten größeren Gewerbsunternehmungen« (auch für die als Steuerquelle wichtigen Bierbrauereien und - wohl aus politisch-polizeilichen Gründen - für die Buchhandlungen und Buchdruckereien) den Bezirksregierungen. Einmalige Berufung bei der nächsthöheren Instanz war möglich, also bei der Bezirksregierung bzw. dem Staatsministerium des Innern (§ 64). Ergänzt wurde die Instruktion schließlich durch eine Weisung an die Bezirksregierungen, im Zweifel für den Konzessionbewerber zu entscheiden.7 Auch wenn die Bestimmungen von den Behörden nicht immer gleich gehandhabt wurden, wurde die liberale Vergabepraxis fortgesetzt. So erhöhte sich in den folgenden Jahren die Zahl der Konzessionsinhaber.8 Die Gegenreaktion der altetablierten Gewerbetreibenden ließ nicht auf sich warten. Ihre Vertreter im Landtag argumentierten mit der Ubersetzung der Gewerbe und der Verarmung vieler Meister und forderten eine Revision der Bestimmungen von 1825. 9 Im Zuge der konservativen Wende, die aus den auch in Bayern spürbaren Erschütterungen der Pariser Julirevolution von 1830 resultierte, gab die Regierung nach. 1834 wurde die Instruktion von 1825 aufgehoben und durch eine Reihe von Einzelvorschriften ersetzt. Von entscheidender Bedeutung war die Neuinterpretation der »Berücksichtigung des erforderlichen Nahrungsstandes«. Nun mußte auch der Nahrungsstand der schon vorhandenen Meister neben dem des Bewerbers »gewissenhaft« geprüft werden. Durch 29

neue Konzessionen sollte »das achtbare Auskommen der vorhandenen Gewerbsinhaber nicht gefährdet und der dem örtlichen Bedarfe entsprechende Grad von Konkurrenz nicht überschritten« werden.10 Nicht von dieser Verschärfung betroffen war jedoch die Konzessionierung von Fabriken. Die wirtschaftliche und soziale Krise der 1840er Jahre schlug sich in Forderungen nach einer weiteren Verschärfung der Konzessionsbestimmungen nieder. Nach den Erfahrungen der Revolution von 1848/49 - die bayerischen Vertreter im Frankfurter »Handwerkerparlament« hatten zu den heftigsten Gegnern der Gewerbefreiheit gezählt - wurden die Vollzugsbestimmungen des Gesetzes von 1825 noch restriktiver gefaßt.11 Bei der Prüfung des Nahrungsstandes war nun festzustellen, ob das betreffende Gewerbe »lokaler oder kommerzieller Natur« sei, ob im ersten Fall durch eine neue Konzession »das Gleichgewicht zwischen örtlicher Gewerbserzeugung oder (!) örtlicher Absatzgelegenheit gestört« werde, und ob im zweiten ein ausreichender Absatz gewährleistet sei; in beiden Fällen war einer möglichen Gefährdung des »achtbaren Auskommens« der schon vorhandenen Gewerbetreibenden nachzugehen. »In Fällen, wo ein Absatz in eine angrenzende größere Gemeinde anzunehmen ist«, sollte Rücksicht auf die dort ansässigen Gewerbetreibenden genommen werden ( § 7 3 ) . Neben derart minutiöse Prüfungsverpflichtungen traten gravierende Eingriffsrechte der unteren Behörden, die bis zur Möglichkeit reichten, die Lehrlingszahl eines Meisters zu begrenzen (§ 4). Bei Konzessionen für Fabriken und Großhandelsunternehmen wurde hingegen von einer Einbeziehung der Interessen auswärtiger Gewerbetreibender ausdrücklich abgesehen. »Sorgfältig zu prüfen« war aber, ob »Kapitalbesitz und persönliche Eigenschaften« des Bewerbers ausreichend für den »gedeihlichen Betrieb und Erfolg« des Unternehmens sein würden (§ 76). Der Bewerber mußte nachweisen, daß er über die notwendigen Vorräte und Betriebseinrichtungen (oder die zu ihrem Erwerb notwendigen Mittel) verfügte und das erforderliche Betriebskapital besaß (§ 77). Erste Instanz für die Bewerber um Fabriks- und Großhandelskonzessionen blieben die Bezirksregierungen; Konzessionen für den Bau und Betrieb von Eisenbahnen und für Aktiengesellschaften bedurften der direkten königlichen Genehmigung (§ 208). 1 2 Die neuen Einschränkungen bei der Konzessionsvergabe waren insofern erfolgreich, als die Zahl der konzessionierten Gewerbetreibenden nach 1834 tatsächlich zurückging.13 Ihr eigentliches Ziel, der Verarmung großer Teile des Handwerks entgegenzuwirken, erreichten sie nicht. Eingebunden waren sie in eine restriktive Handhabung auch des Niederlassungs- und Verehelichungsrechts: Staatliche Maßnahmen sollten das Problem des Pauperismus lösen, erwiesen sich jedoch als machtlos gegenüber den großen demographischen und ökonomischen Entwicklungen.14 30

Seit Mitte der 1850er Jahre wuchs vor allem in der Bürokratie die Einsicht in die Erfolglosigkeit der bisherigen Politik. Eine 1862 erlassene Instruktion zum Gesetz von 1825 brachte noch nicht die volle Gewerbefreiheit, kehrte aber zur liberalen Auslegung des Gesetzes von 1825 zurück.15 Nach der Niederlage Bayerns im Krieg von 1866 und der Berufung einer liberalen Regierung war dann der Weg frei zur Einführung der vollen Gewerbefreiheit. Das Gesetz vom 30. Januar 1868, »das Gewerbswesen betreffend«, gab Handwerk und Handel frei (ausdrücklich ohne Unterschied des Geschlechts, Art. 1) und verlangte nur noch für Aktiengesellschaften, Eisenbahn- und Schiffahrtsunternehmen sowie Banken und Kreditkassen den Erwerb einer Konzession (Art. 2, Abs. 3; Art. 8, Ziff. 1,2). Die Gewerbevereine wurden aufgehoben, es konnten aber freiwillige Vereine gebildet werden (Art. 26, 25). Das Gesetz galt auch für die Pfalz.16 Gleichzeitig wurden Niederlassungs- und Verehelichungsrecht in liberalem Sinn geregelt.17 Nach 1871 galt dann in Bayern die liberale Reichsgewerbeordnung. Diese unvermeidbar grobe Skizze der bayerischen Gewerbekonzessionspolitik zwischen Montgelas-Zeit und Reichsgründung zeigt neben deren Richtungswechseln auch Kontinuitäten. Durchgängig lagen die entscheidenden Kompetenzen in den Händen staatlicher Instanzen, auch wenn den Gemeinden - und damit den etablierten Gewerbetreibenden - gewisse Rechte zugewiesen waren. Bemerkenswert für den Kontext dieser Arbeit ist, daß seit den Montgelasschen Reformen ein klarer Unterschied zwischen den Unternehmern mit ihren überlokal ausgerichteten Geschäftsbeziehungen einerseits und den Handwerkern und übrigen Gewerbetreibenden andererseits gemacht wurde. Zwar spiegelten sich die Wechsel zwischen einer liberalen und einer konservativen Konzessionspolitik auch in den für die Fabriken und großen Handelsfirmen geltenden Regelungen, doch blieb ihre privilegierte Position erhalten. König und Regierung sahen die mit der Industrialisierung entstehenden Großbetriebe primär als Hauptimpulse für die Entwicklung des Landes, wenn sie auch die Bildung eines Fabrikproletariats und die damit verbundenen Gefahren fürchteten und dem durch sozialpolitische Auflagen bei der Konzessionierung entgegenzuwirken versuchten.18

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3. Die Entwicklung zentraler Branchen der bayerischen Wirtschaft Die bisherigen Ausführungen haben Bayerns generelle Rückständigkeit skizziert, auf seine naturbedingten Probleme hingewiesen und gezeigt, daß der Staat keine auf Forcierung des wirtschaftlichen und sozialen Wandels angelegte Politik betrieb. Der Blick auf wichtige Branchen vor allem der Industrie wird dieses zu grobe Bild präzisieren, aber auch korrigieren.

a) Bergbau und Hüttenwesen Aufgrund von Umfang, Beschaffenheit und Lage ihrer Rohstoffe konnte die bayerische Schwerindustrie nur einen geringen Beitrag zur Industrialisierung des Landes leisten. In Bergbau und Eisenproduktion waren staatliche und private Unternehmen tätig. Staatliche Betriebe förderten Steinkohle in der Pfalz und Pechkohle in Oberbayern. Wichtigstes Privatunternehmen war die 1870 gegründete Oberbayerische A.G. für Kohlenbergbau. In privater Hand lag auch der erst nach 1900 in Gang kommende Abbau der Braunkohle bei Regens bürg.1 Die Probleme der eisenschaffenden Industrie verschärften sich, als Koks die Holzkohle als Produktiongrundlage ablöste. In Oberfranken wurden um 1860 Eisenerzabbau und Hüttenbetrieb eingestellt, in der Oberpfalz mußten eine Reihe von Hütten in reine Verarbeitungsbetriebe umgewandelt werden. In der linksrheinischen Pfalz verlor die zunächst führende Unternehmerfamilie Gienanth ihre Position an die Familie Kraemer, deren Werke besser an die Steinkohlelager angebunden waren.2 Der Eisenbahnbau mit seiner Nachfrage nach Schienen und der Anschluß an das Eisenbahnnetz Ende der 1850er Jahre gaben der oberpfálzischen Eisenproduktion zwar neue Impulse, sie führten jedoch nicht zur Bildung eines größeren Industriegebiets. Zwei vertikal konzentrierte Unternehmen entstanden, die eigene Erzgruben besaßen, Hochöfen betrieben und das dort gewonnene Eisen weiterverarbeiteten: die private Maximilianshütte, gegründet 1851 zunächst als Schienenfabrik und 1864 um einen Hochofen erweitert, und die staatliche Luitpoldhütte (1883). 3 Wie gering die Bedeutung der bayerischen Schwerindustrie in Deutschland war, belegen die folgenden Zahlen. Bayerns Steinkohleproduktion, die 1848 2,3% der Zollvereinsproduktion ausgemacht hatte, stieg von 217.0021 im Jahr 1858/59 auf 810.545 t im Jahr 1913; das waren nur noch 0,4% der Gesamtproduktion im Deutschen Reich. Bei der Braunkohle stieg im gleichen Zeitraum die Förderung von 47.693 t auf 1.895.715 t, was 32

einem Anteil von 2,2% entsprach (1848: 1,1%). Auch wenn sich die Arbeiterzahlen seit 1870 mehr als verdreifacht hatten, waren doch in den 25 Betrieben der Stein- und Braunkohleförderung 1913 weniger als 10.000 Arbeiter beschäftigt.4 Am deutlichsten sank der Anteil der EisenerzfÖrderung, von 7,1% 1848 auf 1,7% 1913.5 Auch der Anteil der Hüttenproduktion war gering. Hatten die bayerischen Werke 1888 mit 49.173 11,1% des im Reich hergestellten Roheisens erzeugt, waren dies mit 195.6061 im Jahre 1912 1,3%.6

b) Textilindustrie Das Textilgewerbe mit seinen verschiedenen Sparten war zu Beginn des Untersuchungszeitraums der seinem Umfang nach bedeutendste Gewerbezweig in Bayern: 1830 und 1840 wurde ihm knapp ein Drittel aller Handwerksbetriebe zugerechnet.7 Auch Bayern hatte mit dem Problem zu kämpfen, daß zunächst die Leinenherstellung dominierte. Infolge ihrer technischen und organisatorischen Rückständigkeit - Verlag und Manufaktur spielten kaum eine Rolle - , begann ihr Niedergang jedoch schon früher und vollzog sich langsamer als in anderen deutschen Staaten, so daß das Elend der schlesischen Weber in Bayern keine direkte Parallele fand.8 In der Baumwollverarbeitung gelang dagegen der rasche Ubergang zur industriellen Fertigung, zunächst in der Baumwollspinnerei. Die Zentren lagen in den neubayerischen Gebieten Oberfranken und Schwaben. Während jedoch in Oberfranken die verlegte Handweberei noch bis ins letzte Viertel des 19. Jahrhunderts dominierte,9 setzten die Unternehmer in Schwaben nach der Gründung des Zollvereins, dessen Tarife Schutz gegen die ausländische Konkurrenz boten, auf die Einrichtung von Fabriken. Zum größten Teil waren sie Neugründungen. Die Kontinuität zu den Manufakturen war gering: Vor dem Einsatz des mechanischen Webstuhls hatte die zentralisierte Weberei gegenüber dem Verlag kaum Vorteile, und die schon existierenden Maschinenspinnereien waren technisch zu rückständig. Nur ein Entwicklungssprung, wie ihn die Gründung der Mechanischen Baumwollspinnerei und -weberei in Augsburg 1837 bedeutete, konnte die Baumwollindustrie leistungs- und konkurrenzfähig machen.10 Eine Welle von Fabrikgründungen folgte in den 1850er und 1860er Jahren. Bedeutende Unternehmen entstanden - von Augsburg abgesehen - in Kaufbeuren, Kempten und Sonthofen, später dann in Hof, Bayreuth und weiteren Orten Oberfrankens, in der Pfalz und auch im oberbayerischen Kolbermoor.11 Wie sich Bayerns frühe Baumwollindustrie entwickelte und wo ihre regionalen Schwerpunkte lagen, geht aus den Gewerbezählungen des Zoll33

Vereins hervor. Zwischen 1847 und 1861 erhöhte sich die Zahl der bayerischen Maschinenspinnereien von 11 auf 3 3 ; davon entfielen auf Schwaben 4 bzw. 13, auf Oberfranken 2 bzw. 10. Noch deutlicher wird die herausragende Bedeutung der beiden Regionen beim Blick auf die Zahl der dort Beschäftigten: 1847wurdenvonden 1.141 Spinnereiarbeitern ganz Bayerns 916 in Schwaben und 54 in Oberfranken gezählt. 1861 entfielen von 7.194 Arbeitern 4.219 auf Schwaben und 2.455 auf die jetzt an zweiter Stelle stehende Pfalz.12 Auch bei der maschinell betriebenen Baumwollweberei führte Schwaben innerhalb Bayerns. 1847 befanden sich alle 954 mechanischen Webstühle Bayerns in den 21 schwäbischen Unternehmen; 1861 standen dort in nun 27 Fabriken mit 3.785 immer noch weit mehr als zwei Drittel aller mechanischen Webstühle Bayerns. Es folgte jetzt die Pfalz mit 1.036 Maschinenstühlen in 4 Fabriken vor Oberfranken mit 534 in 3 Fabriken.13 Gegenüber dem Leinen- und dem Baumwollgewerbe spielte die Wollverarbeitung (Streich- und Kammgarn) zu Beginn des Untersuchungszeitraums nur eine geringe Rolle. Die technisch rückständige und mit unzureichendem Kapital ausgestattete Streichgarnfabrikation (im rechtsrheinischen Bayern), vor allem die Tuchfabrikation, unterlag nach Gründung des Zollvereins der Konkurrenz aus den anderen Staaten, während eine von Nürnberg nach Augsburg verlegte Kammgarnspinnerei als Pionierbetrieb diesem Zweig des Wollgewerbes neue Impulse geben konnte.14 Ein altes Zentrum der Tuchherstellung lag in Lambrecht in der Pfalz, aber auch hier gelang die Industrialisierung erst nach der Reichsgründung. 1857 wurde die Kammgarnspinnerei Kaiserslautern gegründet, die am Vorabend des Ersten Weltkriegs 2.000 Beschäftigte aufwies. 15 1861 entfiel auf die 13 Tuchfabriken der Pfalz knapp ein Drittel aller bayerischen Arbeiter dieser Sparte; in der Kammgarnspinnerei dominierte hingegen Schwaben mit fast zwei Dritteln der Feinspindeln und der Beschäftigten.16 Bis zum Ende des Kaiserreichs blieb Schwaben in der Textilindustrie die dominierende Region Bayerns. 1882 lag hier mehr als die Hälfte aller Großbetriebe (50 von 98) und arbeiteten über die Hälfte aller in solchen Betrieben Beschäftigten (13.821 von 24.287). 1 7 1907 wies Schwaben immer noch knapp die Hälfte aller in Großbetrieben Beschäftigten auf (25.123 von 56.013), Oberfranken besaß aber jetzt mehr Großbetriebe als Schwaben (84 gegenüber 71) und hatte bei den Beschäftigtenzahlen aufgeholt; die Pfalz behauptete den dritten Platz.18 Im Zollverein stand Bayern 1861 nach der Zahl seiner Baumwollspinnereien an dritter Stelle hinter dem Königreich Sachsen und der preußischen Rheinprovinz, der Zahl seiner Arbeiter und der in den Fabriken eingesetzten Feinspindeln nach sogar an zweiter Stelle hinter Sachsen. Bayern stellte etwas mehr als ein Zehntel der Spinnereien des Zollvereins, 34

aber fast ein Fünftel der Arbeiter und lag seiner durchschnittlichen Betriebsgröße von 222,8 Beschäftigten nach sogar an erster Stelle.19 Der Zahl seiner Arbeiter in den mechanischen Webereien nach lag Bayern 1861 auf dem vierten, der durchschnittlichen Betriebsgröße nach (95,7) auf dem dritten Platz.20 Bei den Kammgarnspinnereien stand Bayern 1861 seiner Beschäftigtenzahl nach nur an fünfter, der Zahl seiner Feinspindeln nach aber an dritter und der durchschnittlichen Betriebsgröße (179,2) nach an erster Stelle.21 Bei der Tuchfabrikation lag es der Beschäftigtenzahl nach an vierter Stelle, der Betriebsgröße nach allerdings weit unter dem Durchschnitt.22 Im Kaiserreich fiel Bayern bis 1907 zurück. Nach der Zahl seiner Großbetriebe (218) nahm es jetzt nur noch den achten Rang ein, besaß aber noch 6 der 33 Riesenbetriebe. Mit einer durchschnittlichen Betriebsgröße von 256,9 Beschäftigten lagen die bayerischen Textilfabriken immer noch weit über dem Reichsdurchschnitt (174,l). 2 3 Während der frühen Industrialisierung gehörte Bayern damit in der fabrikmäßig betriebenen Baumwollspinnerei und -Weberei zu den am weitesten fortgeschrittenen deutschen Staaten24 und nahm auch in der Wollverarbeitung eine vordere Position ein; später war es für die deutsche Textilindustrie ein zumindest noch wichtiger Staat.

c) Maschinen- und Apparatebau Im Maschinenbau waren die Verbindungen zwischen vorindustrieller Zeit und Industrialisierung schwächer als im Textilgewerbe. Großbetriebe entwickelten sich erst, als durch den Eisenbahnbau und die Textilindustrie, dann auch von anderen Industriebranchen und von der Landwirtschaft in größerem Umfang Maschinen für Antriebs-, Produktions- und Transportzwecke benötigt wurden. Das einzige Unternehmen von Bedeutung schon vor 1834 war die Schnellpressenfabrik Koenig & Bauer in Oberzell bei Würzburg (seit 1817) ; später wichtige Betriebe in Zweibrücken, Nürnberg und München standen um 1834 erst in den Anfängen.25 Zwar versuchten sich verschiedene Handwerke im Bau von Maschinen, Schlosser und Schmiede, auch Zimmerleute, Tischler und andere, die Zahl der eigentlichen »Mechaniker« - in erster Linie Uhrmacher - war um 1830 mit etwa 1.600 (im rechtsrheinischen Bayern) aber noch sehr gering. Bis 1847 stieg sie als Folge der Gründung mehrerer Fabriken in München, Augsburg und Nürnberg kräftig an, auf über 2.300. 2 6 Zu weiteren Standorten wurden in den 1860er Jahren die pfälzischen Städte Kaiserslautern (mit der Nähmaschinenfabrik Pfaff) und Frankenthal.27 Auch im Maschinen- und Apparatebau waren die Entwicklungsunterschiede zwischen den bayerischen Regierungsbezirken groß. Angesichts der Unge35

nauigkeiten der Zollvereinsstatistik und ihrer gegenüber der Reichsstatistik anderen Kategorien lassen sich freilich nur grobe Vergleiche anstellen. Die Gewichte waren anders verteilt als in der Textilindustrie. Das nach der Betriebs- und Beschäftigtenzahl 1847 führende Oberbayern (8 Fabriken mit 483 Beschäftigten) wurde aus seiner Position schon 1861 durch Mittelfranken (4 Fabriken mit 1.635 Beschäftigten) verdrängt. Im Kaiserreich konnte Mittelfranken seine Spitzenstellung weiter ausbauen, vor allem dank des Aufschwungs der Elektroindustrie, an dem die Nürnberger Schuckert-Werke wesentlichen Anteil hatten: 1882 befanden sich hier 16 der 57 Großbetriebe des bayerischen Maschinenbaus und 3.054 seiner 10.850 Beschäftigten, 1907 waren es 72 von 219 Großbetrieben und 21.953 von 59.526 Beschäftigten. Schwaben verlor seinen 1861 erreichten zweiten Rang (7 Fabriken, 1.004 Beschäftigte) im Kaiserreich an die Pfalz (1907: 33 Großbetriebe mit 12.136 Beschäftigten) und lag 1907 mit deutlichem Abstand hinter Oberbayern an vierter Stelle. Das am stärksten agrarisch geprägte Niederbayern nahm über den gesamten Zeitraum hinweg nach der Beschäftigtenzahl und nach der Betriebsgröße den letzten Rang ein (1907: 11 Großbetriebe mit 1.118 Beschäftigten). Oberfranken, in der Textilindustrie fortgeschritten, verblieb in einer hinteren Position (1907: 8 Großbetriebe mit 1.732 Beschäftigten).28 Im Zollverein lag Bayern 1861 bei den Maschinenbauanstalten nach der Betriebszahl an sechster und nach der Beschäftigtenzahl an vierter, bei den Waggonfabriken an dritter bzw. zweiter Stelle; der Betriebsgröße nach stand es jeweils auf dem zweiten Platz. 29 1907 besaß Bayern nach dem Königreich Sachsen, der preußischen Provinz Rheinland und der Stadt Berlin die meisten Großbetriebe im Maschinen- und Apparatebau; deren Betriebsgröße lag mit 271,8 Beschäftigten deutlich über dem Reichsdurchschnitt (231,4). 3 0 Auch in dieser wichtigen Branche wird man Bayern daher weder in der Frühphase der Industrialisierung noch danach als rückständig einstufen können.31

d) Chemische Industrie Die chemische Industrie entwickelte sich zusammen mit der Elektroindustrie besonders seit den 1890er Jahren in Deutschland zur Leitbranche der Industrialisierung. Auch hier leistete die bayerische Wirtschaft wesentliche Beiträge. Bedeutende Unternehmen hatte Bayern schon vorher besessen. Neben Mineralfarbenfabriken in München und Nürnberg (und dessen Bleistiftfabriken) waren dies etwa die Fikentschersche Quecksilberfarbenfabrik im 36

oberfränkischen Marktredwitz und das Unternehmen des vielseitigen Wilhelm Sattler im unterfränkischen Schweinfurt (»Schweinfiirter Grün«). Seit den 1850er Jahren kam es zu einer Reihe weiterer Gründungen, neben Oberbayern vor allem in der Pfalz, zu deren alles überragendem Zentrum sich Ludwigshafen mit der BASF entwickelte.32 Nach der Betriebs- und Beschäftigtenzahl war Mittelfranken zunächst die führende bayerische Region (1861: 36 Fabriken mit 476 Beschäftigten), gefolgt von Unterfranken (1861: 23 Fabriken mit 265 Beschäftigten). Im Kaiserreich nahm die Pfalz nach Beschäftigtenzahl und Betriebsgröße eindeutig die erste Stelle ein: 1882 standen hier 10 Großbetriebe mit 3.151 Beschäftigten (von 6.363 in ganz Bayern), 1907 waren es 11 mit 7.785 Beschäftigten (von 17.721). Oberbayern (1907: 12 Großbetriebe mit 2.118 Beschäftigten) schob sich hinter Mittelfranken (1907: 23 Großbetriebe mit 5.631 Beschäftigten) auf den dritten Rang. Niederbayern, die Oberpfalz und Oberfranken blieben auf einer hinteren Position (1907: zusammen 4 Großbetriebe mit insgesamt 399 Beschäftigten).33 Im Zollverein stand Bayern 1861 der Zahl seiner »Chemikalischen= und Farbenfabriken« nach (83) an zweiter, der Beschäftigtenzahl nach (958) an dritter, der Betriebsgröße nach (11,5) allerdings erst an 15.Stelle.34 Im Deutschen Reich verfugte Bayern 1907 nach der preußischen Rheinprovinz über die meisten Großbetriebe der chemischen Industrie (61); mit 290,5 Beschäftigten lag die durchschnittliche Betriebsgröße deutlich über der im Reich (209,2).35 Auch für die Chemische Industrie wird man daher wohl kaum von einer Rückständigkeit Bayerns sprechen können.

e) Nahrungs- und Genußmittelindustrie Die Produktion von Nahrungs- und Genußmitteln war keine für die Industrialisierung zentrale Branche. Interesse verdient sie aber wegen ihrer Heterogenität: Sie schließt die schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Manufakturen vorgenommene Tabakverarbeitung ebenso ein wie die lange Zeit noch handwerkliche Lebkuchenfabrikation (wichtig in Nürnberg) und neben diesen städtischen Gewerben landwirtschaftsnahe wie die neu eingeführte, großbetriebliche Zuckerfabrikation und das erst langsam den kleinbetrieblichen Charakter verlierende Mühlengewerbe. Die traditionellen Versorgungshandwerke durchliefen in Bayern während der 1830er und 1840er Jahre eine Konzentrationsphase. Dies galt auch für die wichtige Bierbrauerei, deren Münchener Pionierunternehmen rasch die technischen Innovationen Englands übernahmen. Die bayerische Zuckerfa37

brikation entwickelte sich in den ersten Jahren des Zollvereins günstig: Es kam zu einer Welle von auch technisch gut ausgestatteten Gründungen, die vom Zollschutz und den Vorteilen des großen Marktes profitierten. Schon in den 1840er Jahren gerieten die Fabriken aber in Schwierigkeiten gegenüber der Konkurrenz im Zollverein; vor allem scheint die Ausweitung der Anbaukapazitäten nicht gelungen zu sein. Die in den ersten beiden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts prosperierenden Tabakmanufakturen (vor allem Mittelfrankens) wurden nach dem Beitritt Bayerns zum Zollverein starkem Wettbewerbsdruck ausgesetzt, dem eine Reihe von Betrieben unterlagen.36 Die Zentren der bayerischen Brauindustrie lagen, von München abgesehen, in Nürnberg (mit Fürth) und Augsburg, im oberfränkischen Kulmbach und in Würzburg. Zu wichtigen Standorten der Nahrungs- und Genußmittelindustrie entwickelten sich außerdem - neben Ludwigshafen (Großmühle) und Regensburg (Zuckerfabrikation, Tabakverarbeitung) - Frankenthal (Zuckerfabrikation, seit 1847), Speyer (Zigarrenherstellung, seit 1882) und Bamberg (Tabakverarbeitung).37 Für die Zeit des Zollvereins ergeben sich aus den Zahlen der zeitgenössischen Statistik etwas andere regionale Unterschiede als bei den zentralen Industriebranchen; angesichts der Verknüpfung der Zuckerfabrikation mit der Landwirtschaft ist das nicht überraschend. Das für den Zuckerrübenanbau prädestinierte Unterfranken nahm 1847 eine vordere Position ein und konnte sie bis 1861 (21 Fabrikbetriebe mit 790 Beschäftigten) festigen, während Niederbayern seinen vorderen Rang verlor und Mittelfranken seine führende Stellung (1847: 61 Fabrikbetriebe mit 774 Beschäftigten) an die Pfalz (1861: 60 Fabrikbetriebe mit 1.099 Beschäftigten) abgab. Im Kaiserreich baute die Pfalz ihre Spitzenposition noch aus: 1882 standen hier 13 der 39 bayerischen Großbetriebe mit 1.871 von 4.322 Beschäftigten, 1907 waren es 47 Großbetriebe (von 145) und 6.275 Beschäftigte (von 16.950). Oberbayern behauptete jetzt, dank seiner Großbrauereien, den zweiten Rang (1907: 31 Großbetriebe mit 4.615 Beschäftigten). Mittelfranken schob sich, knapp vor Unterfranken, an die dritte Position. Niederbayern und die Oberpfalz nahmen jetzt auch auf diesem Feld die hinteren Plätze ein (1907: zusammen 11 Großbetriebe mit insgesamt 1.307 Beschäftigten).38 Im Zollverein lag Bayern nach den Betriebs- und Beschäftigtenzahlen in der Tabak- und Zuckerfabrikation 1861 erst an elfter Stelle unter den Zollvereinsstaaten und preußischen Provinzen. Besonderes Gewicht kam aber Bayerns Bierproduktion zu. Der Zahl seiner Braustätten (5.385) und der dort Beschäftigten nach (14.984) lagBayem 1861 weitvor allen anderen Staaten und Provinzen im Zollverein; es verfugte über mehr als ein Viertel aller Brauereien und fast ein Drittel aller Brauer.39 Im Kaiserreich lag Bayern nach der Zahl seiner Großbetriebe in der Nahrungs- und Genußmittelindu38

strie 1907 nur an siebter Stelle; ihrer Betriebsgröße nach mit 116,9 Beschäftigten knapp unter dem Reichsdurchschnitt ( I I ? , ? ) . 4 0 In der Bierproduktion behielt Bayern jedoch weiterhin eine herausgehobene Position: 1913 erzeugten seine Brauereien mehr als ein Viertel des in Deutschland gebrauten und ein Zehntel des in der ganzen Welt konsumierten Bieres.41 Während Bayern damit in der Nahrungs- und Genußmittelherstellung insgesamt nicht zu den fuhrenden deutschen Staaten zählte, nahm es in der Bierproduktion eine Spitzenstellung ein.

f) Industrie und Handel insgesamt Nach dem Blick auf verschiedene besonders wichtige Industriebranchen soll abschließend versucht werden, die Entwicklung von Bayerns Industrie und Handel (einschließlich des Bank-, Versicherungs- und Verkehrsgewerbes) insgesamt (bezogen wiederum nur auf die Großbetriebe) regional differenziert zu beschreiben und in die deutsche Entwicklung einzuordnen. Da die Zollvereinsstatistiken nur für einzelne Branchen eine einigermaßen klare Unterscheidung zwischen Groß- und Kleinbetrieben zulassen und da für den tertiären Sektor keine Vergleichszahlen zu den anderen deutschen Staaten vorliegen, konzentrieren sich die folgenden Überlegungen auf die Zeit des Kaiserreichs. Aus Tabelle l a geht hervor, daß die bayerischen Regierungsbezirke sich auch in ihrer industriellen Gesamtentwicklung deutlich voneinander unterschieden. Zwischen 1882 und 1907 schwächten sich die Differenzen zwischen den fortgeschrittenen und zurückgebliebenen Regionen allerdings etwas ab, da neben Unterfranken vor allem Niederbayern (mit dem stärksten Beschäftigtenwachstum überhaupt) aufholte. Aber auch in dem von Maschinenbau, Elektroindustrie und Metallverarbeitung geprägten Mittelfranken wuchs die Zahl der Beschäftigten besonders stark, so daß es 1907 sowohl nach der Zahl seiner industriellen Großbetriebe als auch nach der Zahl der dort Beschäftigten die führende Region Bayerns war. Knapp dahinter lagen die Pfalz mit ihrer Branchenvielfalt und ihrer bedeutenden chemischen Industrie und Oberbayern mit dem dominierenden Standort München und seinen Maschinenbaubetrieben und Brauereien. Auf diese drei Regionen entfiel über die Hälfte aller industriellen Großbetriebe und aller dort Beschäftigten. Das 1882 nach der Beschäftigtenzahl noch führende Schwaben fiel zurück und hielt 1907 zusammen mit Oberfranken eine mittlere Position, wies aber immer noch die relativ größten Betriebe auf; beide Regionen blieben von der an Gewicht verlierenden Textilindustrie geprägt. Im Handel, Bank-, Versicherungs- und Verkehrswesen waren die Positionen etwas anders verteilt (Tabelle lb). Oberbayern mit dem Finanz- und 39

Tab. 1 :

Großbetriebe in den bayerischen Regierungsbezirken und wichtigen deutschen Staaten 1882-1907

a) Industrielle Großbetriebe Gebiet

Betr.

Besch.

Gr.1

Oberbayem

1907 1895 1882

447 281 92

65.467 41.513 15.616

146,5 147,7 169,7

Niederbayern

1907 1895 1882

117 63 19

12.601 6.888 1.592

107,7 109,3 83,8

Oberpfalz

1907 1895 1882

144 80 41

23.126 12.514 5.803

160,6 156,4 141,5

Oberfranken

1907 1895 1882

286 171 55

46.826 26.468 9.124

163,7 154,8 165,9

Mittelfranken

1907 1895 1882

490 259 101

76.565 35.220 11.932

156,3 136,0 118,1

Unterfranken

1907 1895 1882

143 86 31

20.955 9.802 3.696

146,5 114,0 119,2

Schwaben

1907 1895 1882

241 166 85

49.146 34.584 18.232

203,9 208,3 215,5

Pfalz

1907 1895 1882

399 268 110

74.525 46.321 18.197

186,8 172,8 165,4

Bayern insges.

1907 1895 1882

2.267 1.374 534

369.211 213.310 84.192

162,9 155,2 157,7

Preußen

1907 1895

16.463 10.144

2.999.320 1.749.260

182,2 172,4

Sachsen

1907 1895

4.005 2.560

593.242 359.445

148,1 140,4

Württemb.

1907 1895

1.190 674

178.173 97.664

149,7 144,9

1907 1895 1882

29.033 17.941 9.481

4 937.927 2 907.329 1 554.131

170,1 162,0 163,9

Dt.Reich

40

b) Großbetriebe des Handels, Bank-, Versicherungs- und Verkehrswesens Gebiet

Betr.

Besch.

Gr.

Oberbayern

1907 1895 1882

111 45 16

14.362 5.002 1.307

129,4 111,2 81,7

Niederbayern

1907 1895 1882

3 1

242 70

80,7 70,0

-

-

Oberpfalz

1907 1895 1882

6 1

Oberfranken

1907 1895 1882

3 -

-

-

-

-

-

Mittelfranken

1907 1895 1882

41 7 6

3.724 669 497

90,8 95,6 82,8

Unterfranken

1907 1895 1882

14 5

1.006 305

71,9 61,0

Schwaben

1907 1895 1882

11 3 3

987 187 278

89,7 62,3 92,7

Pfalz

1907 1895 1882

10 1 2

731 76 155

73,1 76,0 77,5

Bayern insges.

1907 1895 1882

199 63 25

22.210 6.417 2.237

111,6 101,9 82,9

Preußen

1907 1895

1.697 518

218.788 62.036

128,9 119,8

Sachsen

1907 1895

212 83

27.744 10.232

130,9 123,3

Württemberg

1907 1895

64 21

7.907 2.162

123,5 103,0

1907 1895 1882

2.828 960 463

395.185 129.754 54.557

139,7 135,2 117,8

Dt.Reich

-

-

938 108

-

-

220

-

156,3 108,0 -

73,3

-

1 Betr. = Zahl der Betriebe; Besch. = Zahl der Beschäftigten; Gr. = durchschnittliche Größe (Zahl der Beschäftigten pro Betrieb).

Verkehrszentrum München dominierte von Anfang an und besaß über den gesamten Zeitraum hinweg weit mehr als die Hälfte aller bayerischen Großbetriebe und aller dort Beschäftigten. Mit deutlichem Abstand lag das besonders exportorientierte Mittelfranken auf dem zweiten Platz. Oberfranken und auch die Pfalz waren im Vergleich zu ihrem industriellen Entwicklungsstand zurückgeblieben, während Niederbayern einmal mehr einen hinteren Rang einnahm. Von der Position, die der gesamten bayerischen Industrie in Deutschland zukam, läßt sich aus Viebahns Auswertung der Zollvereinsstatistik von 1861 ein ungefähres Bild zeichnen. Viebahn schrieb Bayern einen »zahlreichen Gewerbestand« zu, unterschied aber zwischen der Pfalz, wo er die »Fabrikation« vorherrschen und die »Großindustrie« aufblühen sah, und dem rechtsrheinischen Bayern, wo er dem Handwerk noch eine Vorrangstellung einräumte.42 Seinen Angaben nach verfugte Bayern, verglichen mit den anderen Staaten und preußischen Provinzen, über die meisten »Fabrikbetriebe« (37.967) und lag nach den dort Beschäftigten (163.572) auf dem dritten Platz hinter dem Königreich Sachsen und der Rheinprovinz.43 Freilich bleiben diese Daten von begrenzter Aussagekraft, da sie noch zahlreiche kleinere und noch nicht mechanisierte Betriebe einschließen. Weitere Hinweise auf das damalige Entwicklungsniveau der bayerischen Industrie liefern Viebahns Angaben über die Verwendung von Dampfmaschinen im Zollverein. Ihrer Zahl nach (889) stand Bayern erst an siebter, ihrer PS-Leistung nach (77.889) jedoch hinter der Rheinprovinz an zweiter, der durchschnittlichen Leistung pro Maschine (87,6 PS) nach an dritter Stelle.44 Viebahn beschreibt noch den Stand der frühindustriellen, vom Eisenbahnboom und dem Aufschwung der Textilindustrie geprägten Wirtschaft. Bayern befand sich hier in einer vorderen Position. Wie Tabelle la erkennen läßt, nahm Bayern aber auch in der durch die Investitionsgüterbranchen des Maschinen- und Apparatebaus und der chemischen Industrie bestimmten Industrialisierungsphase einen vorderen Rang ein. 1907 lag es nach der Zahl seiner industriellen Großbetriebe auf dem dritten Platz hinter dem Königreich Sachsen und der Rheinprovinz, bei einer allerdings leicht unterdurchschnittlichen Betriebsgröße.45 Gegenüber 1882 war seine Industrie enorm gewachsen: gemessen an den Beschäftigten zwischen 1882 und 1895 um mehr als 150%, danach noch einmal um über 70%, wesentlich stärker als die deutsche Industrie im Durchschnitt, stärker auch als die Sachsens und Preußens zwischen 1895 und 1907 (Tabelle la). In Handel und Verkehr besaß Bayern 1907 nach Berlin, der RheinproQuellen zu Tab. 1 (S. 40/41): 1882: Β SB 50, Tab. I, S. llOff.; 1895,1907: BSB 82, Tab. I, S. 3 5 , 6 3 , 7 7 , 1 0 1 , 1 2 7 , 1 5 5 , 1 8 3 , 2 1 5 , 2 1 9 ; Stat.Jb.f.d. Kgr.Bayern, 11. Jg., Anhang, S. 12*f.; Stat.Jb.f.d. Deutsche Reich, 33. Jg., S. 52.

42

vinz, Hamburg und dem Königreich Sachsen die meisten Großbetriebe, bei einer jedoch klar unter dem Durchschnitt liegenden Betriebsgröße.46 Zwischen 1895 und 1907 wuchs aber die Zahl seiner Großbetriebe und der dort Beschäftigten stärker als im Deutschen Reich insgesamt und als in Sachsen, in ähnlichem Ausmaß wie in Preußen und Württemberg.47 War Bayern also, wie es die Daten zum Bevölkerungswachstum und zur Berufsstruktur andeuten, ein rückständiges, von der Industrialisierung nur schwach und verspätet erfaßtes Agrarland? Bezieht man sich auf alle Sektoren der bayerischen Wirtschaft und auf die Relation zwischen Großbetrieben und Gesamtbevölkerung, so kann dieser Einschätzung kaum widersprochen werden. Sie wird auch durch einen Vergleich der deutschen Pro- KopfEinkommen von 1913 bestätigt: Bayern stand mit 629 Mark erst an dreizehnter Stelle unter den deutschen Staaten und preußischen Provinzen.48 Ein derartiger Ansatz verdeckt jedoch die eminenten Struktur- und Wachstumsunterschiede zwischen den bayerischen Regionen und verstellt den Blick auf das Entwicklungsniveau und -tempo von Bayerns Industrie und Handel. Die wirtschaftlich fortgeschrittenen Regionen - Mittelfranken, die Pfalz und Oberbayern, zunächst auch Schwaben - nahmen an der allgemeinen Entwicklung in vorderer Position teil, in allen Phasen der Industrialisierung und in den jeweils zentralen Branchen, mit der wichtigen Ausnahme von Bergbau und Schwerindustrie. Die Entwicklungskerne entfalteten jedoch noch keine solche Breitenwirkung, daß sie den Grundcharakter Bayerns verändert hätten; ihr agrarisch geprägtes Umfeld blieb bis zum Vorabend des Ersten Weltkriegs noch sehr groß.49

4. Die Entwicklung in den fünf Städten a) Bevölkerung und Beschäftigte München, Nürnberg und Augsburg waren über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg die drei größten bayerischen Städte. Regensburg, 1840 noch hinter Würzburg die fünftgrößte Stadt, fiel auf den achten Platz zurück, während das 1840 wenig mehr als 1.500 Einwohner zählende Ludwigshafen sich auf den fünften Rang vorschob. Alle fünf (Ludwigshafen etwa ab 1900) waren innerhalb ihres Regierungsbezirks die größten Städte.1 Zwischen den Städten bestanden deutliche Entwicklungsunterschiede. Nicht überraschen kann das stürmische Bevölkerungswachstum der Neugründung Ludwigshafen - es betrug zwischen 1840 und 1910 5.413% - und das besonders vom Aufschwung der chemischen Industrie getragene starke Wachstum seiner Beschäftigten nach 1895: Bis 1907 nahm deren Zahl in Gewerbe und Industrie um 70,9%, im Handel um 87,7% zu. Die größte 43

Wachstumsdynamik unter den alten Städten wies Nürnberg auf (Bevölkerung: + 601,8%), das im Elektroboom nach 1895 sogar Ludwigshafen in der Zunahme der Beschäftigten überholte (Gewerbe und Industrie: + 109,5%, Handel: + 100,0%). Auch das Verwaltungszentrum München mit seiner vielfältigen Branchenstruktur verzeichnete insgesamt ein kräftiges Bevölkerungs- ( + 417,5%) und auch Beschäftigtenwachstum, erlebte hier nach 1895 jedoch einen deutlichen Einbruch (Gewerbe und Industrie: + 32,7%, Handel: + 56,0%). 2 Bemerkenswert ist das schwache Wachstum Augsburgs, dessen Bevölkerung insgesamt nur um 178,0% zunahm. Nur in den ersten zwei Jahrzehnten nach 1840 konnte die Stadt den anderen in etwa folgen - vor allem in den 1850er Jahren prosperierte seine Textilindustrie - , im Kaiserreich fiel sie dann vor allem nach 1895 klar zurück (Gewerbe und Industrie: + 23,4%, Handel: + 33,5%). 3 Das gleichbleibend moderate, insgesamt geringste Wachstum Regensburgs (Bevölkerung: + 139,8%) weist auf die im Vergleich geringere Bedeutung seiner Wirtschaft hin. Auffallend ist jedoch der Wachstumsschub 1895, der sich wohl primär auf den Ausbau des Regensburger Donauhafens zurückführen läßt (Gewerbe und Industrie: + 47,5%, Handel: + 87,8%). 4 Die hinter dem Wachstum der Bevölkerung und der Beschäftigten stehenden Wirtschaftsstrukturen zeigt Tabelle 2. Sie macht deutlich, wie groß das Gewicht der traditionellen Versorgungsgewerbe, der Schlosser und Schreiner, Schneider und Schuster, Bäcker und Metzger, der Bauhandwerker und der Händler und Gastwirte in allen Städten bis 1907 blieb (mit Ausnahmen in Ludwigshafen), auch wenn man berücksichtigt, daß in der vorliegenden Ubersicht die Großbetriebe, etwa die Brauereien, miteinbegriffen sind. Das Baugewerbe als ganzes (und mit ihm Teile des metall- und holzverarbeitenden Gewerbes) profitierte freilich besonders vom starken Bevölkerungswachstum nach 1882. Demgegenüber entfiel in München und besonders in Regensburg nur ein relativ geringer Teil der Beschäftigten auf die Kernbranchen der Industrie. Deren relatives Uberwiegen kennzeichnet hingegen die Wirtschaftsstrukturen Nürnbergs, Augsburgs und Ludwigshafens. Größte Branche war in Nürnberg zunächst die Metallverarbeitung,51907 dann der Maschinen- und Apparatebau, in Augsburg die Textilindustrie, in Ludwigshafen die Chemische Industrie, ohne jedoch mehr als ein Drittel der Beschäftigten auf sich zu konzentrieren. Im Vergleich der Werte von 1882 und 1907 zeigt sich, wie der Aufschwung der Investitionsgüter- und der Bedeutungsverlust der Konsumgüterindustrie die gesamte Beschäftigungsstruktur beeinflußte. Der Anteil des Maschinen- und Apparatebaus nahm - außer in Regensburg - erheblich zu, während die Anteile der traditionellen Versorgungshandwerke und der Textilbranche in Augsburg deutlich zurückgingen. 44

Tab. 2:

Branche2 Metallv. Masch. Chem. Textil Holz Nahr. Bekl.3 Bau Handel Verkehr Gastw.

Die Beschäftigten der fünf Städte in den größeren Branchen1 1882 - 1907 (in % aller Beschäftigten in Gewerbe und Handel) München 1882 1907 5,5 (4,4) (4,0) 7,4

Nürnberg 1882 1907 13,7 9,8

14,4 17,8

6,2 10,2 20,2 6,4

5,3 8,0 11,2 11,0

11,8 8,3 12,0 5,4

7,6 5,8 6,5 9,0

21,5

22,6

16,9

15,3

9,2

8,1

Augsburg 1882 1907 5,6 8,8

5,1 13,6

31,9

26,0

Regens bürg 1882 1907 5,2

(4,4)

14,1 23,6

-

7,2 5,9 12,4 6,3 (3,7) 11,5 11,6

21,2

5,4

-

5,8 (4,3) 14,2 13,9 19,4 10,2 (4,0) 13,7

12,7

Ludwigsh. 1882 1907

(2,1) 6,7

18,1 6,2 7,6

-

-

7,4

-

-

13,7

-

n,i

-

-

5,2

Errechnet nach: BSB 82, Tab. I, S. 5, 73, 7 9 , 1 3 3 , 1 8 3 . 1 Branchen, die mehr als 5 % der Erwerbstätigen umfaßten. Auf einen Vergleich mit den Gewerbezählungen des Zollvereins wurde angesichts ihrer abweichenden Branchenkategorien verzichtet. 2 Zu den genauen Branchenbezeichnungen s.u. Tabelle 3, Anm. 1. 3 1882: Bekleidungs- und Reinigungsgewerbe.

Relativ bedeutendste Branche war in München wie in Regensburg der Handel (zu dem die Statistik auch die Banken und Verlage rechnet). Die Kernbranchen der Industrie dominierten hingegen in den anderen Städten.

b) Die Ausgangsbedingungen Nach dem allgemeinen Überblick über Wachstum und Strukturen der Wirtschaft in den fünf Städten geht es nun allein um deren großbetrieblichen Teil, um die Unternehmen. Im folgenden Abschnitt wird danach gefragt, von welchen Standortbedingungen und Faktorenkonstellationen jeweils die Anstöße zur Entwicklung vor allem der industriellen Unternehmen ausgingen. Mit einem frühen Modernisierungsschub begann die Industrialisierung Augsburgs. Sie ging aus vom traditionsreichen Textilgewerbe, das Weberhandwerk, Kattundruckereien und Fernhandel eng miteinander verband. Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts war das Textilgewerbe jedoch technolo45

gisch in Rückstand geraten und deshalb nach Aufhebung der Kontinentalsperre von der englischen Konkurrenz hart getroffen worden. Zugleich hatte der Fernhandel Absatzmärkte verloren. Hinzu kam, daß Augsburg seine Position als Finanzmetropole Bayerns, in die es durch die Staatsgeschäfte seiner Bankhäuser zwischen 1810 und 1815 gelangt war, seit Mitte der 1820er Jahre an München abgeben mußte. Nachdem der Zollverein von 1834 die Marktbedingungen wesentlich verbessert hatte, konnte die Krise der Augsburger Wirtschaft leichter überwunden werden. Neben der Modernisierung eines Teils der Kattundruckereien bildete die von den fuhrenden Bankhäusern initiierte Gründung der Mechanischen Baumwollspinnerei und -Weberei im Jahr 1837 den entscheidenden Schritt: Technisch auf dem neuesten Stand, als Großbetrieb konzipiert (für über 750 Beschäftigte) und als Aktiengesellschaft organisiert, wurde sie zum Vorbild für weitere Gründungen in Augsburg (das bereits 1840 Eisenbahnanschluß erhielt) und anderen Städten Schwabens während der folgenden zwei Jahrzehnte. Wettbewerbsvorteile der neuen Unternehmen ergaben sich daraus, daß die zahlreichen Lechkanäle der Stadt als fast kostenloser Energielieferant zur Verfugung standen. Im Kaiserreich war dieses Energiereservoir jedoch ausgeschöpft. Neue Fabriken und technische Innovationen in der Baumwollspinnerei erforderten zunehmend die Verwendung von Dampfkraft und damit die Beschaffung von Kohle. Deren hohe Transportkosten bedeuteten erhebliche Wettbewerbsnachteile für die primär den nationalen Markt beliefernden Augsburger Unternehmen. Die Anfänge von Augsburgs zweiter wichtiger Industrie, dem Maschinenbau, waren mit den Anfängen der Textilindustrie eng verknüpft: Seine (1840 gegründete) Keimzelle der späteren MAN stellte zunächst Textilmaschinen und Wasserturbinen her, weitete ihr Produktionsprogramm aber bald aus; zu ihm gehörten vor allem Druckmaschinen, im Kaiserreich dann Kühlmaschinen und seit 1897 der im eigenen Werk entwickelte Dieselmotor.6 Nürnbergs Industrialisierung verlief in anderen Bahnen. Die Stadt und ihr Umland verfugten über ein hochqualifiziertes, vor allem metallverarbeitendes Handwerk, das über den Verlag an die Nürnberger Großkaufleute gebunden war und Erzeugnisse für den nationalen wie internationalen Markt lieferte. Da die »Nürnberger Waren« - etwa Blechspielzeug, Puppenhäuser, Waagen, Schreibgeräte, Spiegel oder Tabaksdosen - von englischer Konkurrenz kaum betroffen waren, fehlte hier der auf die Wirtschaft Augsburgs ausgeübte Anpassungsdruck. Es fehlten auch dessen finanzstarke Bankhäuser. Nürnbergs Großkaufleute erkannten jedoch früh die Bedeutung der Eisenbahn. Die 1835 eröffnete Linie nach Fürth war zwar nur eine Lokalbahn, zeigte aber die Rentabilität eines solchen Unternehmens. In der Folgezeit 46

entwickelte sich die Stadt rasch zu einem Knotenpunkt des bayerischen Eisenbahnnetzes. Eng damit verbunden war der Aufschwung des ersten großen Betriebs der Stadt: Die Maschinenfabrik Klett & Co. (gegründet 1841), die Nürnberger Keimzelle der MAN, konzentrierte sich neben dem Brückenbau auf die Fertigung von Waggons; erst in den 1890er Jahren begann sie, ihr Produktionsprogramm dem der Augsburger Schwestergesellschaft anzugleichen. Typisch für die übrige Industrie war die allmähliche Vergrößerung von Handwerksbetrieben zu Fabriken; das galt selbst für die Anfänge des Schuckertschen Unternehmens. Nürnbergs Position als Verkehrszentrum verschaffte auch dem Handel günstige Wettbewerbsbedingungen, nicht zuletzt dem Hopfenhandel, zu dessen Metropole die Stadt sich entwickelte.7 München fehlte, wie Altbayern überhaupt, die lange Tradition eines mit dem Fernhandel verknüpften Textil- oder metallverarbeitenden Handwerks. Die um 1800 in der Stadt ansässigen Handelshäuser waren denen Augsburgs und Nürnbergs nicht gleichrangig. Seine hauptstädtischen Funktionen ließen München allmählich jedoch zum Finanzzentrum Bayerns werden. Seit 1830 verfugte es über eine Börse, 1835 wurde es Sitz der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank, im Kaiserreich Hauptsitz der neuen Großbanken und Versicherungsgesellschaften. Auf die Landeshauptstadt ausgerichtet war die Streckenführung der staatlichen Eisenbahn. Dies bot den Lokomotivenfabriken von Maffei (gegründet 1837) und Krauss (gegründet 1866) günstige Entwicklungsbedingungen. Münchens Funktionen als Kunst- und Universitätsstadt (seit 1826) machten es zum Sitz bedeutender Verlagsunternehmen. Die Nachfrage der militärischen Dienststellen und staatlichen Behörden wie der naturwissenschaftlichen und technischen Lehr- und Forschungseinrichtungen nach Präzisionsinstrumenten förderten die weitere Entwicklung der optischen und feinmechanischen Industrie, deren Anfänge in die ersten beiden Jahrzehnte nach 1800 zurückreichten.8 Für die Wirtschaft Regensburgs begann das 19. Jahrhundert unter schlechten Vorzeichen. Zwar verfügte die Stadt über ein leistungsfähiges Handwerk und mehrere Fernhandelshäuser; eine Verbindung zwischen beiden, wie sie in Nürnberg bestand, fehlte jedoch. Die Regensburger Handwerker hatten sich auf die Versorgung der Gesandten des Immerwährenden Reichstags spezialisiert, so daß dessen Auflösung vielen von ihnen die Existenzgrundlage entzog. Regensburgs Fernhandel geriet nach einer kurzen Blüte gegen Endes des 18. Jahrhunderts durch den österreichischen Staatsbankrott von 1811 in ernste Schwierigkeiten. Günstige natürliche Bedingungen für die wirtschaftliche Entwicklung bot hingegen Regensburgs Lage an der Donau. Das kontinuierlich steigende Frachtaufkommen machte die Stadt nach 1900 zum größten Umschlagplatz 47

im rechtsrheinischen Teil Bayerns. Gefördert wurde dadurch vor allem der Handel; die dauerhafte Etablierung von Werftbetrieben gelang noch nicht. Erst um die Jahrhundertwende erhöhte sich die Zahl der SchifFahrtsgesellschaften. Einen späten Wachstumsschub löste der 1906 begonnene und 1910 abgeschlossene Bau eines modernen Hafens aus: Neben Unternehmen, die das aus Rumänien kommende Petroleum zu Treibstoffen für die neuen Diesel- und Ottomotoren verarbeiteten, siedelten sich bis zum Vorabend des Ersten Weltkriegs zahlreiche weitere SchifFahrtsgesellschaften und zwei Werften in Regensburg an. Eisenbahnanschluß erhielt die Stadt erst 1859, sie entwickelte sich dann aber zu einem Knotenpunkt wichtiger Linien. Es ist bezeichnend fur die Schwäche der ortsansässigen Unternehmer, daß fast alle großen Betriebe Regensburgs Zweigniederlassungen auswärtiger Unternehmen waren; gleiches gilt für die Schiffahrtsgesellschaften.9 Ludwigshafen verdankte seinen Aufschwung vor allem der verkehrsgünstigen Lage. Schon die »Rheinschanze«, der Kern der späteren Stadt und ursprünglich linksrheinischer Außenposten der Festung Mannheim, hatte im Schnittpunkt verschiedener Verkehrslinien gelegen. Speyerer Kaufleute >entdeckten< im 19. Jahrhundert ihren Wert als Handelsplatz und konnten den bayerischen Staat dazu bewegen, die militärische Funktion der Rheinschanze aufzugeben. 1843 erhielt der noch kleine Ort den Namen »Ludwigshafen«, 1853 den Status einer selbständigen Gemeinde. Schon 1849 war Ludwigshafen über eine Bahnlinie mit dem Saargebiet verbunden. Zum Vorteil seiner Lage an einer wichtigen Wasserstraße kam jetzt der weitere Vorteil, Steinkohle leicht beschaffen zu können. Als Neugründung besaß die Stadt viel freies Gelände für die Ansiedlung von Betrieben. Die relativ bevölkerungsreiche Pfalz stellte ein großes Arbeitskräftepotential zur Verfügung. Gerade für die erst in den Anfängen stehende Chemische Industrie boten sich damit sehr günstige Bedingungen. 1865 entschieden sich die Gründer der »Badischen Anilin- und Sodafabrik« nach Problemen mit der Mannheimer Stadtverwaltung, ihre Produktionsanlagen jenseits des Rheins, in Ludwigshafen, aufzubauen. Im Zentrum des Produktionsprogramms stand die Herstellung synthetischer Farben, die primär auf dem Steinkohlenteer basierte.10

c) Die Großbetriebe Mit den gerade skizzierten ortsspezifischen Bedingungen und Faktoren der Wirtschaftsentwicklung in den fünf Städten lassen sich zwar deren jeweilige Schwerpunkte erklären, nicht aber die Entstehung sämtlicher Großbetriebe. Deren Bildung vor allem in den Konsumgüterbranchen und im Baugewerbe 48

Ihb. 3:

Branche1

Großbetriebe in den fünf Städten nach Branchen 1895 und 1907 München 1895 1907

Bergb.,Hüt. 2 2 Stein.u.Erden 15 Metallverarb. 7 Masch., Apparate 22 Chemie 2 Leuchtstoffe 2 Textil 2 Papier 6 Leder 3 Holz,Schnitz. 11 Nahr., Genuß. 19 Bekleidung 10 Reinigung Baugewerbe 56 Polygr.Gew. 16 Künstl.Gew. 1 Handel, Banken 23 Versicherung 5 Verkehr 6 Gastgewerbe 7 Theater, Musik Großb. insg.3 216

1 8 18 40 3 8 6 9 7 24 27 19 11 62 30 6

Nürnberg 1895 1907 -

1 27 14 10 2 2 2 -

14 10 8 -

20 13 -

51 12 14 27 8

4

385

131

-

1 2 -

Augsburg 1895 1907

2 10 84 57 15 3 3 6 3 29 12 8 3 43 19 2

-

1 6

-

-

-

3

2

8

-

-

5 1

8 2

2 1

6 6

-

4 1 1

-

-

6

8 8 2 5 -

-

-

13 3

2 4 4 1 19 5

-

-

-

-

20 2 8 5 1 335

-

-

11 1 1 23 4

2 1

1

1

-

-

-

-

2 9

2 5

-

2 4 2

-

-

-

-

-

-

1

5 2

11 2

-

-

-

1

-

-

5 1 1

-

-

-

-

-

3

1

-

-

1

3

-

-

-

5 1

-

-

-

-

16

-

14 2

-

89

-

-

-

64

Ludwigsh. 1895 1907

-

8 2 1 23 3 -

Regensburg 1895 1907

36

5

41

64

Quelle: BSB 82, Tab.I, S. 5, 73, 79, 1 3 3 , 1 8 3 . 1 Genaue Bezeichnungen (nach der Gewerbezählung von 1907): Bergbau, Hüttenund Salinenwesen, Torfgräberei; Industrie der Steine und Erden; Metallverarbeitung; Industrie der Maschinen, Instrumente und Apparate; Chemische Industrie (mit Bleistiftind.); Industrie der forstwirtschaftlichen Nebenprodukte, Leuchtstoffe, Öle, Fette; Textilindustrie; Papierindustrie; Lederindustrie und Industrie lederartiger Stoffe; Industrie der Holz- und Schnitzstoffe; Industrie der Nahrungs- und Genußmittel; Bekleidungsgewerbe; Reinigungsgewerbe (1895 noch mit XIV. zusammengefaßt) ; Baugewerbe; Polygraphische Gewerbe; Künsderische Gewerbe; Handelsgewerbe (mit Banken und Verlagen) ; Versicherungsgewerbe; Verkehrsgewerbe; Gast- und Schankwirtschaft; Musik-, Theater-, und Schaustellungsgewerbe (erst 1907 gesondert gezählt). 2 Vermerkt wird in der Statistik der Verwaltungssitz. 3 Einschließlich mehrerer Gärtnerei-Großbetriebe: München 1 (1895), 2 (1907); Nürnberg: 1 (1895), 1 (1907); Ludwigshafen: 1 (1907).

49

Tab. 4:

Größere Betriebe in den Städten 1847 - 1907 1

a) Industrie Stadt

Betr.

1847 Besch.

Gr.2

Betr.

1861 Besch.

Gr.

München Nürnberg Augsburg Regensbürg Ludwigshafen

295 446 257 184

2265 2399 4939 943

7,7 5,4 19,2 5,1

410 234 217 152

3957 4442 7924 1290

9,7 19,0 36,5 8,5

-

Betr. München Nürnberg Augsburg Regensburg Ludwigshafen

174 123 63 15 40

-

1895 Besch. 26472 19627 16685 1625 9658

-

-

-

-

Gr.

Betr.

1907 Besch.

Gr.

152,1 159,6 264,8 108,3 241,5

279 299 83 30 56

42126 53485 23466 3204 17864

151,0 178,9 282,7 106,8 319,0

Quellen: 1 8 4 7 , 1 8 6 1 : BSB 10, Taf. XV,XVI, S. 62ff.; 1 8 9 5 , 1 9 0 7 : BSB 82, Tab. I, S. 5, 73, 7 9 , 1 3 3 , 183.

war auf prinzipiell die gleiche Ursache zurückzuführen: auf das enorme Wachstum des lokalen Markts im Zuge von Verstädterung und Bevölkerungszunahme. Besonders die Brauereien Münchens und Nürnbergs begannen allerdings schon früh mit der Produktion auch für weiter enfernte Märkte. Welche Struktur der großbetriebliche Teil der jeweiligen Wirtschaft im Kaiserreich aufwies, zeigt Tabelle 3.11 In den beschäftigungsstarken Branchen12 war, vom Handel teilweise abgesehen, im allgemeinen auch die Zahl der Großbetriebe relativ hoch. Ihre Zahl erhöhte sich zwischen 1895 und 1907 meistens sogar noch oder ging, wie in der Augsburger Textilindustrie, zumindest nicht zurück. Ein IConzentrationsprozeß vollzog sich hier also nicht, so daß nicht immer weniger Großbetriebe - und damit immer weniger Unternehmen13 - die jeweilige Wirtschaft bestimmten. Dabei darf nicht übersehen werden, daß es in vier der fünf Städte mehrere Riesenbetriebe/Unternehmen mit weit über dem Durchschnitt liegenden Beschäftigtenzahlen gab: die BASF (1909: 8.879 Beschäftigte) in Ludwigshafen, Schuckert in Nürnberg (1909: 7.592), die SWA in Augsburg (1910: 3.116), die MAN in beiden Städten (1909: 9.796), um nur die wichtigsten zu nennen.14 Ihr relatives Gewicht sollte freilich nicht überschätzt werden. 50

Tab. 4 b) : Handel, Bank- und Versicherungswesen, Verkehr

Stadt München Nürnberg Augsburg Regensbürg Ludwigshafen

München Nürnberg Augsburg Regensburg Ludwigshafen

Betr.

1847 Besch.

Gr.

Betr.

1861 Besch.

Gr.

63 167 56 37

126 598 86 77

2,0 3,4 1,5 2,1

145 153 99 24

253 492 206 78

1,7 3,2 2,1 3,3

Betr.

1895 Besch.

Gr.

Betr.

1907 Besch.

Gr.

41 7 1 1 1

4712 669 70 108 76

114,9 95,6 70,0 108,0 76,0

104 35 6 6 7

13873 3355 561 938 496

133,4 95,9 93,5 156,3 70,9

Quellen: 1847,1861: BSB 10, Taf. XVII, XVIII, S. 148ff.;1895,1907: BSB 82, S. 5,73, 79,133, 183. 1 Industrie: 1847 und 1861 ohne Handweber, aber einschließlich der Buchdrucker; bei den Beschäftigten 1861 ist das Direktionspersonal mitgerechnet. Handel und Verkehr: 1847 und 1861: nur Kaufleute ohne offenen Laden, Bankiers und Wechselhändler, Makler im Großhandel, Buchhändler. - 1895 und 1907: Betriebe mit 50 und mehr Beschäftigten. 2 Betr. = Zahl der Betriebe; Besch. = Zahl der Beschäftigten; Gr. = durchschnittliche Betriebsgröße (Zahl der Beschäftigten pro Betrieb).

Selbst in Ludwigshafen mit seinem im Vergleich schwächeren Konsumgütersektor entfielen 1907 auf die BASF zwar ungefähr zwei Fünftel aller in den Großbetrieben Beschäftigten, aber eben doch deutlich weniger als die Hälfte. Bei der MAN, bei Schuckert und der SWA war es jeweils etwas mehr als ein Zehntel.15 Beim Blick auf die einzelnen Städte wird deutlich, daß auch im von Handels- und Bankunternehmen geprägten München die Zahl der Großbetriebe/Unternehmen in vielen Branchen nahe oder sogar über der in den drei anderen Industriestädten lag. War München auch seiner Branchenstruktur nach, wie oben gezeigt, keine >eigentliche< Industriestadt, so war sie doch keineswegs nur »Residenz-, Kunst-und Fremdenverkehrsstadt«, als die sie vielen Zeitgenossen erschien oder heute noch erscheint.16 Nicht zu über51

sehen ist aber auch die Vielfalt der Unternehmen in den anderen Städten. Auch wenn sie auf bestimmte Branchen konzentriert waren - am stärksten in Augsburg, wo 1895 mehr als ein Drittel auf die Textilindustrie entfiel - blieb doch noch viel Raum für Unternehmen - und damit Unternehmer - in anderen Branchen.17 Die Tabelle 4 kann angesichts von Zählkategorien und Datenlücken der Zollvereinsstatistik nur ein umrißhafter Versuch sein, die relative Bedeutung der Städte im Vergleich miteinander zu beschreiben. Klar erkennbar ist immerhin die - gemessen an der Beschäftigtenzahl und Betriebsgröße fuhrende Rolle Augsburgs als Industriestadt in den Jahren 1847 und 1861 und sein späteres Zurückfallen hinter Nürnberg und München. Nürnberg rückte zwischen 1895 und 1907 nach Betriebs- und Beschäftigtenzahl vor München auf die Spitzenposition. Seine Großbetriebe/Unternehmen blieben jedoch wesentlich kleiner als die Augsburgs und vor allem Ludwigshafens. Im Bereich von Handel und Verkehr verlor das anfangs fuhrende Nürnberg schon zwischen 1847 und 1861 an Bedeutung, behielt aber seinen zweiten Rang hinter dem sich zwischen 1895 und 1907 kräftig entwickelnden München. Auch die anderen Städte verzeichneten hier nach 1895 ein starkes Wachstum. Regensburg nahm im Kaiserreich die dritte Position ein und verfugte sogar über die relativ größten Handels- und Verkehrsbetriebe. Nach dem Blick auf das Verhältnis der Städte untereinander soll Tabelle 5 schließlich einen Eindruck von dem Gewicht vermitteln, die ihnen im jeweiligen Regierungsbezirk zukam. Auch hier besitzen die Werte für 1847 und 1861 freilich nur begrenzte Aussagekraft. Insgesamt deuten die Zahlen an, daß Münchens Industrie- und Handelsunternehmen kontinuierlich an Bedeutung gewannen und Nürnbergs Industrie eine ähnliche Entwicklung durchlief, gesteigert zwischen 1895 und 1907, während sein Handel die dominierende Position von 1895 bis 1907 nicht halten konnte. Auf beide Städte entfielen 1907 etwa zwei Drittel der industriellen Großbetriebe/ Unternehmen ihres Regierungsbezirks und der dort Beschäftigten und fast alle Beschäftigten in den Großbetrieben von Handel und Verkehr.18 Augsburg konnte seine starke Position in der Industrie knapp behaupten und seine Position in Handel und Verkehr etwas ausbauen, so daß hier 1907 etwa die Hälfte aller Beschäftigten der Großbetriebe Schwabens tätig waren. Regensburg besaß - gegenüber den Standorten der Max- und Luitpoldhütte und der Glasindustrie - nur einen gleichbleibend geringen Teil der oberpfälzischen Industrie, verfügte 1895 und 1907 jedoch über alle Handels- und Verkehrsgroßbetriebe seines Regierungsbezirks. Die Werte für Ludwigshafen lassen erkennen, welche Bedeutung trotz der BASF anderen pfälzischen Industriestandorten wie Kaiserslautern oder Frankenthal zukam, wie stark jedoch Ludwigshafens Stellung in Handel und Verkehr war. 52

Tab. 5:

Größere Betriebe in Stadt und Regierungsbezirk 1847 -1907 (Anteile der Stadt in Ψο)1

a) Industrie 1861

1847 Stadt

Betr.

München Nürnberg Augsburg Regensb. Ludwigshafen

18,3 14,4 9,6 14,8 -

1895

1907

Besch.2

Betr.

Besch.

Betr.

Besch.

Betr.

Besch.

31,7 17,9 38,8 13,3

16,6 8,4 8,6 9,4

33,1 35,3 50,7 14,1

61,9 47,5 38,0 18,8 14,9

63,8 55,8 48,2 13,0 20,9

62,4 61,0 34,4 20,8 14,0

64,3 69,9 47,7 13,9 24,0

-

-

-

b) Handel, Bank- und Versicherungswesen, Verkehr

Stadt München Nürnberg Augsburg Regensburg Ludwigshafen

1861 Betr. Besch. 53,3 20,9 39,1 70,6 -

77,4 67,4 62,0 83,9 -

Betr. 91,1 100,0 33,3 100,0 100,0

1895 Besch. 94,2 100,0 37,4 100,0 100,0

1907 Betr. Besch. 93,7 85,4 54,5 100,0 70,0

96,6 90,1 56,8 100,0 67,9

Quellen: BSB 10, Taf. XV, Taf. XVH; BSB 82, Tab. I, S. 5 , 3 5 , 7 3 , 7 7 , 7 9 , 1 0 1 , 1 3 3 , 1 5 5 , 183,215. 1 1847 und 1861: ohne Handweber, Kalk- und Ziegelbrennereien, Walk-, Öl-, Lohn-, Säge- und Wassermühlen, aber einschließlich der Buchdrucker (Industrie); nur Kaufleute ohne offenen Laden, Bankiers und Wechselhändler, Makler im Großhandel, Buchhändler (Handel). Im Bereich von Handel und Verkehr wurden 1847 für die Regierungsbezirke keine Zahlen ausgewiesen. 2 Betr. = Zahl der Großbetriebe der Stadt im Verhältnis zur Zahl der Großbetriebe im Regierungsbezirk; Besch. = Zahl der dort Beschäftigten in der Stadt im Verhältnis zur Zahl der dort Beschäftigten im Regierungsbezirk.

Dieser Uberblick über die Wirtschaftsentwicklung und -struktur der fünf Städte hat zum einen große Differenzen zwischen ihnen erkennbar werden lassen. Entwicklungsniveau und -tempo wichen ebenso voneinander ab wie die Konditionen und Faktoren für Entstehung und Aufschwung der jeweils herausragenden Branchen und Unternehmen. Deutliche Unterschiede kennzeichneten auch die lokale und regionale Position der Unternehmen. 53

Auf der anderen Seite sind aber auch eine Reihe von Gemeinsamkeiten nicht zu übersehen. Der Eisenbahnbau und die verbesserten Verkehrsbedingungen überhaupt, vor allem aber der Urbanisierungsprozeß und das mit ihm verbundene Bevölkerungswachstum induzierten ähnliche Entwicklungen. Gemeinsam war den Städten - mit Ausnahme Regensburgs - auch, daß sie in den für die Industrialisierung zentralen Branchen über Unternehmen verfügten, die nicht nur innerhalb Bayerns eine Spitzenposition innehatten, sondern auch in Deutschland insgesamt eine herausragende Rolle spielten, von der Schwerindustrie freilich abgesehen.19 In dieser Hinsicht, wenn auch nicht im strengen Sinn der Statistik,20 sind die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit repräsentativ für ganz Bayern und bieten sich für den Vergleich mit anderen deutschen Staaten und Regionen an.

54

ΠΙ. Die untersuchten Unternehmer: Auswahl, Zusammensetzung, Aufteilung

Den folgenden Abschnitten dieser Arbeit liegen die Daten zu insgesamt 647 Unternehmern sowie ihren Ehefrauen und Kindern zugrunde. Zwar macht die zeitgenössische bayerische Statistik keine genauen Angaben über die Zahl der während des Untersuchungszeitraums in den fünf Städten aktiven Unternehmer und erlaubt auch fur die Jahre bis zur Reichsgründung nicht einmal eine ungefähre Schätzung, für die Zeit danach wird man aber auf der Basis der Reichsgewerbezählungen von 1895 und 1907 mit einer Zahl von etwa 1.000 bis 2.000 Unternehmern rechnen können - wobei freilich auch damit nur die Dimensionen umrissen werden können, um die es geht.1 Daher vertreten die 647 hier erfaßten Fälle nur eine, wenn auch beachtliche Minderheit der Unternehmer aus den fünf Städten, sie bilden im Sinn der Statistik eine Stichprobe. Deren Repräsentativität ist davon abhängig, inwieweit sie einer Zufallsstichprobe nahe kommt. Wenigstens grob abschätzen läßt sich dies zum einen anhand des Erhebungsverfahrens und zum anderen anhand der Verteilung der in ihr enthaltenen Fälle auf die Städte, Branchen und Altersgruppen. Am Beginn der Datenerhebung stand die Suche nach den überhaupt zu erfassenden Unternehmern. Sie war zunächst eine Suche nach Unternehmernamen und den für das weitere Vorgehen erforderlichen Grundinformationen. Ausgewertet wurden zu diesem Zweck neben den einschlägigen biographischen Nachschlagewerken die erhaltenen Firmenfestschriften und die diesen verwandten, als Sammelwerke erschienenen Selbstdarstellungen der Unternehmen einer Stadt oder Region, wie sie sich seit etwa dem Beginn dieses Jahrhunderts finden lassen. So unterschiedlich der Quellenwert derartiger Publikationen auch sein mag,2 sie liefern in der Regel Basisinformationen wie etwa Geburts- und Todesdatum und den Geburtsort vor allem zu den Unternehmensgründern und mindestens noch deren Nachfolgern. Außerdem lassen die in ihnen enthaltenen Angaben zur Firmenentwicklung ein Urteil darüber zu, ab welchem Zeitpunkt der Firmengeschichte man von einem »Unternehmen« im Sinn der in der Einleitung gegebenen Definition sprechen kann und ob demnach bereits der Firmengriinder oder erst seine Nachfolger als »Unternehmer« in diesem Sinn gelten können und somit in 55

die Stichprobe einzubeziehen waren. Zur Ermittlung der Namen von angestellten Unternehmern wurde ergänzend das »Handbuch der deutschen Aktiengesellschaften« (mit seinen Vorläufern) herangezogen. Die gerade genannten publizierten Quellen entstammen - das sei nochmals betont - nicht nur der Zeit nach 1945, sondern zum Teil noch den späten Jahren des Kaiserreichs, zum Teil auch der Zwischenkriegszeit. Dadurch ist gewährleistet, daß in die Stichprobe keineswegs nur die Eigentümer und Leiter solcher Firmen aufgenommen wurden, die über einen sehr langen Zeitraum existierten; eine Auslese nach dem Kriterium des besonders langfristigen Erfolgs stellt die Stichprobe also nicht dar.3 Gleichwohl ist zu vermuten, daß diejenigen Unternehmer unterrepräsentiert sind, die an der Spitze von recht kleinen, wenig bedeutenden und vielleicht nur eine Generation existierenden Unternehmen standen. Maßgebend fur die Aufnahme in die Stichprobe waren jedoch nicht - das sei erneut unterstrichen - relativ leicht handhabbare, aber zugleich stark exklusive Kriterien wie die des »Millionärs« oder des »Kommerzienrats«. Deshalb reicht die Stichprobe weit über jenen Kreis von Unternehmern hinaus, der sich nach Vermögen und sozialem Status ohne weiteres der - unscharfen - Kategorie des > Großbürgertums < zuordnen läßt, und erlaubt somit Aussagen gerade auch über das weniger bekannte >mittlere< Bürgertum. Von den biographischen Grundinformationen aus konnte dann gezielt nach den in Kapitel I beschriebenen archivalischen Quellen gesucht werden, auf denen die Arbeit hauptsächlich fußt. Wie ebenfalls schon angedeutet, sind diese Quellen nicht mehr für jede der fünf Städte in gleicher Dichte verfügbar, die - vor allem kriegsbedingten - Lücken verteilen sich jedoch so auf die einzelnen Bestände, daß bei deren Auswertung keine bestimmte Branche oder Periode systematisch ausgeschlossen worden ist. Das geschilderte Vorgehen insgesamt sollte gewährleisten, daß prinzipiell alle Unternehmer der in Frage kommenden Wirtschaftsbereiche erfaßt werden konnten. Wie sich die Stichprobe auf die Städte, Branchen und Altersgruppen verteilt, zeigt die Tabelle 6. Die Werte der Tabelle deuten daraufhin, daß die Stichprobe zumindest keine groben Verzerrungen enthält. Gut zwei Drittel der hier erfaßten bayerischen Unternehmer waren Industrielle, ein knappes Drittel Großhändler, Bankiers oder Verleger; Nürnberg wies mit einem knappen Drittel die meisten Unternehmer auf, dicht gefolgt von München und mit deutlichem Abstand von Augsburg, das etwa ein Viertel stellte, während Regensburg kaum ein Zehntel und die Neugründung Ludwigshafen eine noch geringere Zahl aufwiesen. Diese Relationen dürften, vergleicht man mit den oben gemachten Angaben zur Wirtschaftsentwicklung in den fünf Städten, den tatsächlichen Gegebenheiten ungefähr entsprechen.4 Die Tabelle läßt außerdem erkennen, daß sich die jeweiligen lokalen Wirtschaftsschwerpunkte, wie sie im vorhergehenden Kapitel beschrieben wurden, in 56

Tab. 6: Die Zusammensetzung der untersuchten Stichprobe a) nach Städten und Branchen Stadt Branche

M

Ν

A

R

L

Metallverarb. Masch.,App. Chemie Textil Nahr., Gen. Baugewerbe Sonstige

3 20 3 11 37 15 35

36 25 26 1 22 1 26

14 13 3 48 8 7 24

1 3 5

3 22

Indust.insg.

124

137

Handel Bankgew. Verlags gew. Sonstige

20 30 13 6

Handel insg.

69

Zusammen:

_

insges.

-

-

9 13

2 1 4

54 ( 8 , 3 % ) 64 ( 9 , 9 % ) 59 ( 9 , 1 % ) 60 ( 9 , 3 % ) 78 (12,1 %) 24 (3,7%) 102 (15,8 %)

117

31

32

441 (68,2 %)

49 11 7 2

12 19 4 4

11 6 8

2 1 1

94 (14,5 %) 67 (10,4 %) 32 ( 4 , 9 % ) 13 ( 2 , 0 % )

69

39

25

4

206 (31,8 %)

-

-

-

206 156 56 36 647(100,0%) 193 99,9 % 29,8% 31,89'/o 24,1% 8,6% 5,6«%

b) nach Altersgruppen Geburtsjahr

bis 1810

1811-1830

1831-1850

nach 1850

101

122

217

207

der Zusammensetzung der Stichprobe wiederfinden. Hinsichtlich der erfaßten Altersgruppen dominieren die nach 1830 geborenen, also etwa seit den Reichsgründungsjahren aktiven Unternehmer mit einem Anteil von zwei Dritteln; auch dies dürfte den realen Proportionen angemessen sein. Daß für die Geburtsjahrgänge der Zeit nach 1850 weniger Fälle in die Stichprobe aufgenommen wurden als für die der davorliegenden Altersgruppe, ist vor allem das Resultat datenschutzrechtlicher Bestimmungen, aufgrund deren sich Daten über die ab den 1870er Jahren geborenen Unternehmer nur noch lückenhaft erheben ließen. Für die zwei folgenden Hauptkapitel der Arbeit, die zunächst die Zeit bis zur Reichsgründung und dann die Zeit des Kaiserreichs bis 1914 behandeln, ist die Stichprobe unterteilt worden. 57

Zuerst geht es um diejenigen Unternehmer, die entweder den wirtschaftlichen Umbruch der 1830er Jahre noch in einer Unternehmerposition aktiv miterlebten (der älteste in die Stichprobe einbezogene Unternehmer war 1765 geboren) oder aber zur Zeit der Reichsgründung bereits fest etabliert waren; dafür schien es angemessen, das Geburtsjahr 1830 als Obergrenze anzusetzen. Im nächsten Kapitel der Arbeit werden demnach alle diejenigen Unternehmer der Stichprobe untersucht, die bis 1830 geboren waren. Insgesamt sind dies 223 Fälle. Anschließend stehen diejenigen Unternehmer im Mittelpunkt, die während des Kaiserreichs - noch oder schon - über längere Zeit in einer Unternehmerposition agierten. Dafür schien es angemessen, einerseits das Todesjahr 1891 als Untergrenze und andererseits, entsprechend der im Rahmen der Unternehmerdefinition postulierten Mindestdauer von zehn Jahren, das Jahr 1904 als Obergrenze für den Beginn unternehmerischer Tätigkeit anzusetzen (der jüngste Unternehmer der Stichprobe war 1882 geboren). Im letzten Großkapitel der Arbeit werden demnach alle diejenigen Unternehmer der Stichprobe untersucht, die erst 1891 und später verstarben. Insgesamt sind dies 495 Fälle. Da 71 dieser Unternehmer zwar bereits vor 1830 geboren wurden, aber erst nach 1890 verstarben, kommt es zu Überschneidungen mit dem vorher behandelten Personenkreis; die große Zahl der Fälle erlaubt hier nun aber eine Differenzierung nach Altersgruppen, so daß zwischen den vor und den nach 1830 geborenen Unternehmern in den Tabellen klar unterschieden werden kann. Insofern erscheint es methodisch zulässig, Überschneidungen zwischen den beiden untersuchten Personenkreisen in Kauf zu nehmen. Diese sind auch deshalb gerechtfertigt, weil die vergleichbaren Studien zu anderen Regionen immer nach Tätigkeitszeiträumen, nicht aber nach Geburtsjahrgängen differenzieren.

58

IV Die Unternehmer bis zur Reichsgründung Eine Reihe von Ereignissen machen die 1830er Jahre zu einer Zäsur in der bayerischen Wirtschaftsgeschichte: Auf die Bildung des Zollvereins 1834 folgten die Gründungen der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank und der Nürnberg-Fürther Eisenbahn 1835, der Mechanischen Baumwollspinnerei und -weberei und der MafFeischen Lokomotivenfabrik 1837. Zugleich begann mit der konservativen Wende im Gefolge der Julirevolution von 1830, die ihren Niederschlag auch in der restriktiveren Konzessionspraxis fand, eine neue Phase der bayerischen Innenpolitik. Zum nächsten entscheidenden Einschnitt in Bayerns politischer und wirtschaftlicher Entwicklung wurde die Gründung des Deutschen Reiches 1871, in deren Vorfeld es 1868 zur Einführung der Gewerbefreiheit gekommen war. Um 1870 entstanden auch die zentralen Unternehmen der späteren Leitbranchen: 1865 war die BASF in Ludwigshafen etabliert worden, 1873 eröffnete Sigmund Schuckert seine Werkstatt in Nürnberg. In diesem Kapitel der Arbeit geht es also um jene Unternehmer, die den Umbruch der 1830er Jahre noch aktiv miterlebten oder aber zur Zeit der Reichsgründung bereits fest etabliert waren. Geht es um die Gruppe insgesamt, werden sie im folgenden als »frühe« bayerische Unternehmer bezeichnet. Im Mittelpunkt steht die Zeit seit etwa 1834, wichtige Personen und Entwicklungen der Zeit vorher werden aber miteinbezogen. Ludwigshafens Unternehmer bleiben noch ausgeklammert, da weitaus die meisten von ihnen erst in den Reichsgründungsjahren ihre Tätigkeit begannen. Ausgangspunkt der meisten Überlegungen in den folgenden Abschnitten sind deskriptive Statistiken auf der Basis des im Einleitungskapitel erwähnten Materials. Die Schilderung einzelner Fälle wird die daraus gewonnen Erkenntnisse illustrieren und präzisieren; bei sehr detaillierten Fragen muß sie an die Stelle der Statistik treten.

59

1. Die Herkunft a) Räumliche Herkunft D i e Frage nach der räumlichen Herkunft: der Unternehmer, genauer: nach den Geburtsorten u n d -regionen, zielt z u m einen auf die deutschen u n d außerdeutschen Gebiete, aus denen sie sich hauptsächlich rekrutierten, in sozialhistorischer Perspektive aber vor allem auf das Verhältnis v o n Ortsgebürtigen u n d Zuwanderern. D a r a u s ergeben sich wichtige Anhaltspunkte für die B e d e u t u n g des alten Stadtbürgertums in der frühen Industrialisierung.

Tab. 7:

D i e räumliche H e r k u n f t der Unternehmer bis zur Reichsgründ u n g (in % )

Stadt Herkunftsgebiet1

München Nürnberg Augsburg Regensburg

Ort selbst

44,7

53,9

40,0

(53,8) (7)

Näh.Umgebung (20km) Weit.Umgebung (100km)

4,3 12,8

14,6 11,2

5,5 12,7

(25,0) (3)

Übriges Bayern Süddeutschland Mitteldeutschland Westdeutschland Norddeutschland Ostdeutschland

10,6 10,6 6,4 2,1 2,1 2,1

1,1 3,4 6,7

16,4 9,1 10,9 1,8

4,3

Ausland Zahl der Fälle = Keine Information =

47 1

-

48,3 8,9 12,8

-

-

1,1

-

-

7,9 6,9 7,4 1,0 3,0 1,0

2,1

3,6

-

3,0

-

5,6

89 5

55 2

(8,3) (1) (8,3) (1)

insges.

-

12 1

203 9

1 Süddeutschland: Baden, Württemberg; Mitteldeutschland: hessische Staaten, thüringische Staaten, Prov. Sachsen, Kgr. Sachsen; Westdeutschland: Prov. Rheinland, Prov. Westfalen; Norddeutschland: (Prov.) Hannover, (Prov.) Schleswig-Holstein, Braunschweig, Oldenburg; Ostdeutschland: Prov. Brandenburg (mit Berlin), mecklenburgische Staaten, Prov. Pommern, Prov. Schlesien, Prov. Westpreußen, Prov. Ostpreußen, Prov. Posen; Ausland: Gebiete außerhalb des Deutschen Reiches von 1871 und Elsaß-Lothringen. - Ausgangspunkt für die Verwendung der ersten beiden Kategorien (Nähere und Weitere Umgebung) war die Überlegung, daß eine Gliederung der direkt benachbarten Herkunftsgebiete nach staatlichen oder administrativen Gren60

Die Tabelle 7 macht deutlich, welch bedeutende Rolle die Zuwanderer unter den frühen bayerischen Unternehmern spielten. Uber die Hälfte der Unternehmer stammte nicht aus dem späteren Tätigkeitsort. Ein gutes Fünftel der auswärts geborenen Unternehmer war aus der Umgebung, fast ein Drittel jedoch über eine größere Distanz (mehr als 100 km) zugewandert. Bei den nicht ortsgebürtigen Untenehmern dominierten demnach die Fernwanderer. Die meisten von ihnen kamen entweder aus dem übrigen Bayern (fast niemand jedoch aus der Pfalz), den beiden anderen süddeutschen Staaten oder aus Hessen, Thüringen und Sachsen. Die noch weiter entfernten Regionen Nord-, Ost- und Westdeutschlands hatten als Herkunftsgebiete nur geringe Bedeutung. Aus Norditalien und der Schweiz stammten die meisten im Ausland geborenen Unternehmer. Der Vergleich zwischen den Städten zeigt einige Unterschiede. Groß war der Anteil der Zu- und auch der Fernwanderer in München, besonders groß im industriell zunächst führenden Augsburg. In Nürnberg hingegen überwogen die am Ort geborenen Unternehmer und bei den Zuwanderern die Nahwanderer; dies verweist schon auf das unternehmerische Potential im Handwerk der Stadt und seines Umlands. Die Werte zu Regensburg sind zu gering, um wirkliche Aussagekraft zu besitzen; der hier besonders geringe Anteil von Zuwanderern fügt sich jedoch ein in das Bild von seiner insgesamt schwachen Entwicklung. Genaue Vergleiche mit den frühindustriellen Unternehmern anderer deutscher Gebiete sind schwierig. Exakte Zahlen liegen für Berlin vor. Der Anteil der Zuwanderer lag hier über dem Durchschnitt der vier bayerischen Städte: Am Ort geboren waren nur 40% der Unternehmer, aus der Umgebung (dem Regierungsbezirk Potsdam) kamen weitere 13%.1 Nur Augsburg weist eine ähnlich hohe Quote von Zuwanderern aus weiter entfernten Gebieten auf. Forschungen zu anderen deutschen Regionen betonen allgemein die wichtige Rolle nicht am Ort geborener Unternehmer in der Zeit der Frühindustrialisierung.2 Insofern jedenfalls entsprachen die bayerischen Unternehmer insgesamt dem deutschen Muster.

(Fortsetzung Tab. 7) zen allein zu Verzerrungen fuhrt. Andernfalls würde etwa der von Ulm nach Augsburg zugewanderte Unternehmer als Fernwanderer gelten, weil er eine Staatsgrenze überschritten hat, während der Zuwanderer aus dem erheblich weiter entfernten Würzburg noch nicht in diese Kategorie fiele. Die 20 km-Zone umfaßt in etwa das zur jeweiligen Stadt gehörende bayerische »Bezirksamt« (das ungefähr dem »Landkreis« in heutiger Terminologie entspricht) und die daran angrenzenden Bezirksämter, die 100 km-Zone den jeweiligen bayerischen Regierungsbezirk bzw. weitere in diesem Radius gelegene Gebiete angrenzender Staaten. - Wie in neueren Untersuchungen üblich, wird hier und in den folgenden Tabellen ab einer Fallzahl von 20 in Prozentwerte umgerechnet. 61

Die weit überwiegende Mehrheit der Zuwanderer stammte aus mittleren und kleineren Städten und Märkten, nur wenige dagegen aus Landgemeinden; auch darin liegen Parallelen zu den frühen Unternehmern anderer deutscher Regionen.3 Eine Konzentration auf bestimmte Orte läßt sich dabei nicht festellen. Der Austausch zwischen den drei großen Städten war gering: Nur ein Münchener Unternehmer war in Nürnberg geboren, nur ein weiterer in Augsburg; nur ein Nürnberger Unternehmer stammte aus München. In Augsburg ließ sich nur ein gebürtiger Münchener nieder, jedoch immerhin fünf Nürnberger. Wer sich als potentieller oder schon aktiver Unternehmer zu einem Ortswechsel entschloß, ging also zumeist von der kleinen Stadt in die große. Das mittlere Zuwanderungsalter lag bei 28,0 Jahren, breit gestreut aber zwischen dem 1. und dem 65. Lebensjahr.4 Die Unternehmer ließen sich also in ganz unterschiedlichen Lebensphasen in ihrem zukünftigen Wirkungsort endgültig nieder: Sie kamen als Kinder mit ihren Eltern, zu einem frühen Zeitpunkt ihrer Ausbildung, nach deren Abschluß oder schon nach dem Beginn ihrer Karriere als Unternehmer. In den folgenden Beispielen werden die recht unterschiedlichen Faktoren, die hinter der Zuwanderung standen, noch schärfere Konturen erhalten. Es erscheint sinnvoll, bei der Frage nach den Ursachen und Motiven für die Zuwanderung, aber auch bei der Suche nach den > bodenständigem Unternehmern zwischen den Branchen zu differenzieren. Zu vermuten ist, daß die Leitbranchen der frühen Industrialisierung besonders viele Zuwanderer anzogen. Der Blick auf den Maschinenbau bestätigt diese Erwartung: 16 zugewanderten Unternehmern standen hier nur 6 am Ort geborene gegenüber. Ein Unternehmer, der sich noch vor dem Beginn der Industrialisierung an seinem späteren Tätigkeitsort niederließ, war der aus dem thüringischen Zella-St.Blasii stammende Johann Friedrich Klett. 5 1798 kam er nach Nürnberg, um dort in einer Manufakturwarenhandlung seine kaufmännische Ausbildung abzuschließen. Er wurde als Kaufmann ansässig und gründete nach mehreren anderen unternehmerischen Versuchen 1841/42 zusammen mit englischen Kompagnons eine Maschinenfabrik, die zunächst Aufträge für die 1835 eröffnete Nürnberg-Fürther Eisenbahn ausführte.6 Die zweite früh etablierte Maschinenfabrik der Stadt wurde von Johann Wilhelm Späth gegründet. Späth, 1786 in einem Dorf bei Ansbach geboren, kam als gelernter Müller 1820 nach Nürnberg und wurde als Mechaniker in der Lobenhoferschen Tuchfabrik angestellt, wo er sich eine eigene Werkstätte einrichten konnte; in den 1840er Jahren baute er sie allmählich zu einer Fabrik aus.7 Die eigentlichen Gründer des Augsburger Teils der späteren MAN waren der aus Eisleben stammende Carl Reichenbach und der im unterfränkischen Dorf Wiesenbronn geborene Carl Buz. Reichenbach, ein 62

Neffe des Würzburger Schnellpressenfabrikanten Koenig, wurde nach seiner Wanderschaft Mitte der 1820er Jahre Mechaniker und Oberaufseher in der Cottaschen Druckerei in Augsburg; Buz, zunächst Offizier, dann als Zivilingenieur tätig, kam durch seine Mitwirkung beim Bau der Eisenbahnlinie nach München in Verbindung mit Augsburg. 1844 übernahmen sie die vier Jahre zuvor von einem badischen Kaufmann gegründete Maschinenfabrik.8 Die Beispiele deuten daraufhin, daß in dieser ersten Fabrikantengeneration die Zuwanderung nicht dem Kalkül zur Gründung eines bestimmten Unternehmens entsprang. Ausgelöst wurde sie vom Ruf, den die Städte wegen einer bestimmten Branche genossen; rasch genutzt wurden dann aber die neuen ökonomischen Chancen. Ein klareres Wanderungsmuster zeigt die nächste Generation der Maschinenbauer. Johann Ludwig Werder, in Rußland geboren und in der Schweiz aufgewachsen, kam 1845 als Maschinenmeister im Dienst der bayerischen Staatseisenbahn an deren Nürnberger Waggonbauwerkstätte. 1848 gab er seinen Posten auf, um als Teilhaber und technischer Leiter zur Klettschen Fabrik zu wechseln. 9 1844 wurde der aus dem badischen Kleinlaufenburg stammende Leo Haas als Ingenieur bei Klett eingestellt; drei Jahre später schied er aus und gründete mit dem Schotten Earnshaw, einem der bisherigen Teilhaber ICletts, eine Maschinenfabrik.10 Der in Kaufbeuren geborene Johannes Haag hatte Augsburg zunächst durch den Besuch von dessen polytechnischer Schule kennengelernt, war im Anschluß an einen Auslandsaufenthalt 1843/44 Leiter der danach von Buz und Reichenbach übernommenen Fabrik und gründete dann in Kaufbeuren eine Maschinen- und Röhrenfabrik; 1853 verlegte er sie nach Augsburg.11 Jetzt wurden die Zuwanderer von schon existierenden Pionierbetrieben ihrer Branche angezogen. Sie erwarben gezielte Kenntnisse des Standorts, die sie dann zum Verbleiben, zur eigenen Gründung oder zur Verlegung ihres Unternehmens bewogen. Zwei bedeutende Maschinenfabrikanten waren am Ort geboren: Joseph Anton von Maffei, der, wie erwähnt, 1837 in München eine Lokomotivenfabrik gründete, und Theodor (Frhr. von) Cramer- Klett, der 1847 die Tochter Johann Friedrich Kletts heiratete - seitdem führte er den Doppelnamen und noch im gleichen Jahre nach dem Tod seines Schwiegervaters die Leitung des Unternehmens übernahm. Weder Maffei noch Cramer-Klett gehörten jedoch zu den alteingesessenen stadtbürgerlichen Familien: Maffeis Vater, ein Großkaufmann und Tabakfabrikant, war 1770 von Trient nach München zugewandert, Cramer-Kletts Vater, ein Tuchgroßhändler, stammte aus Hattingen/Ruhr.12 Ein differenziertes Herkunftsmuster zeichnet die Augsburger Textilindustriellen aus. Wegen der nicht eindeutig festgelegten Führungsstruktur der als Aktiengesellschaften organisierten großen Spinnereien und Weberei63

en ist es zudem nur schwierig zu beschreiben, was nicht nur in der Frage der räumlichen Herkunft den direkten Vergleich mit den Textilunternehmern anderer deutscher Regionen kaum zuläßt. Die Vertretung der Anteilseigner (»Ausschuß«) wählte aus ihrer Mitte eine mehrköpfige »Direktion«, unter der ein kaufmännischer Direktor (»Gérant«) und - mit geringerer Kompetenz - ein technischer Direktor tätig waren. Die unternehmerischen Entscheidungen wurden zunächst von der Direktion getroffen. Erst allmählich spielte sich zwischen Ausschuß einerseits und den Direktoren andererseits das moderne Verhältnis von Aufsichtsrat und Vorstand ein. Insofern läßt sich nicht eindeutig definieren, wer hier wann als Unternehmer gelten kann.13 Die etablierten Großhändler- und Bankierfamilien dominierten jedenfalls nicht nur unter den Aktionären, sie stellten auch eine Reihe von kaufmännischen Direktoren. Mehrere von ihnen waren Nachkommen des aus dem badischen Söllingen stammenden Großhändlers Samuel Frommel, der sich 1805 in Augsburg niedergelassen hatte.14 Als ausgesprochene Fachkräfte waren die technischen Direktoren hingegen vorwiegend Zuwanderer, die zum Teil über große Entfernungen nach Augsburg kamen.15 Einzelnen Zuwanderern gelang es aber auch nach 1830 noch, eigene Textilbetriebe in Augsburg zu etablieren. Die besseren Standortbedingungen waren das Motiv für den Nürnberger Kaufmann Johann Friedrich Merz, seine 1834 (zusammen mit Klett) gegründete Kammgarnspinnerei schon wenige Jahre später nach Augsburg zu verlegen.16 Clemens Martini aus Biberach a.d.Riß, Reisender eines Kaufbeurener Leinenwarenhauses, kaufte 1832 eine in Konkurs geratene Bleiche und baute sie schrittweise zu einer großen Baumwollbleicherei und -färberei aus.17 Der Elsässer Eusebius Schiffmacher kam 1848 nach Augsburg, um die Stelle eines Obermeisters in der Kammgarnspinnerei zu übernehmen. Sieben Jahre später gründete er eine zunächst noch kleine Garnzwirnerei.18 Insgesamt läßt sich sagen, daß in Augsburg, anders als in Berlin, die gewinnträchtigen Bereiche der Textilindustrie keineswegs den Zuwanderern überlassen wurden. Im Gegensatz zu Westfalen wurde Augsburgs textilindustrielle Entwicklung jedoch nicht allein von ortsansässigen Unternehmerfamilien getragen.19 Kein einheitliches Bild bieten jene Branchen, in denen bis zum Ende der 1860er Jahre erst die Grundlagen für eine durchgreifende Industrialisierung gelegt wurden. Auffallend ist, daß auch in solchen Gewerbezweigen, die auf einer langen handwerklichen Tradition aufbauten und in denen sich die Entwicklung zum mechanisierten Großbetrieb nur allmählich vollzog, die Unternehmer nicht generell aus dem lokalen Handwerk herauswuchsen. Dies gilt etwa für die wichtigsten Münchener Brauereien. Georg Brey, der die Löwenbrauerei 1818 erwarb, stammte aus einem Dorf in der Nähe des oberbayerischen Murnau und war als 15jähriger Brauerlehrling nach München gekommen.20 Joseph Pschorr, erster in einer langen Reihe 64

von Brauereibesitzern, war in Kleinhadern bei München geboren,21 Gabriel Sedlmayr d.Ä., der Stammvater der anderen großen Brauerdynastie, im oberbayerischen Maisach.22 Auch in Nürnberg wurde - abgesehen von der Patrizierfamilie Tucher - der Aufschwung des Braugewerbes von aus der Umgebung zugewanderten Unternehmern initiiert. Christian Lederer aus dem mittelfränkischen Thalmässing kam im Anschluß an seine Brauerlehre nach Nürnberg und machte sich dort 1814 selbständig, Johann Georg Reif aus dem mittelfränkischen Happburg war in Nürnberg zunächst im Speditionsgewerbe tätig und erwarb dort 1842 eine noch handwerklich betriebene Brauerei.23 >Bodenständige< Unternehmer hingegen finden sich, was nicht überrascht, in Branchen, die ganz oder weitgehend auf Nürnberg und seine Vororte konzentriert waren. Dazu gehörte die Bleistiftherstellung, deren herausragende Unternehmen in den Händen der Familien Faber, Froescheis, Meinetsberger, Staedtler waren.24 Vor allem zählten dazu viele Sparten der Metallverarbeitung. In einigen konkurrierte Nürnberg aber auch mit seinen Nachbargemeinden, etwa bei der Herstellung sogenannter »leonischer Waren« (Produkte aus Edelmetalldraht) ; zu den ortsgebürtigen Unternehmern stießen hier eine Reihe von Zuwanderern, die ihren Betrieb nach Nürnberg verlegten.25 Von Gewerbetraditionen und Standortbedingungen dieser Art unabhängig und flexibler bei einem Ortswechsel waren die Buch- und Zeitungsverleger. Gerade die Buchhändler und -Verleger suchten die Nähe zur Universität. Bis 1826 befand sich die einzige Universität Altbayerns in Landshut. Der in Würzburg geborene Georg Josef Manz ließ sich hier nach der Buchhandelslehre 1829 nieder; auch Friedrich Pustet, der 1820 zunächst in Passau, aus dessen Umgebung er stammte, als Buchhändler ansässig geworden war, versuchte, eine Druckereikonzession für Landshut zu erhalten. Nicht näher bekannte Auseinandersetzungen in seiner Familie veranlaßten Pustet dann 1826, Passau zu verlassen und nach Regensburg zu gehen, wo er seine Lehre absolviert hatte. Manz vergrößerte sein Geschäft 1834 durch den Zukauf einer Regens burger Buchhandlung, geriet in Schwierigkeiten mit dem Landshuter Magistrat, der ihm die gleichzeitige Führung beider Handlungen nicht gestatten wollte und gab daraufhin die Landshuter Buchhandlung auf.26 Für die beiden pronociert katholischen Verleger war die Bischofsstadt Regensburg gewiß kein schlechter Standort; die beiden Fälle zeigen aber auch, welche Rolle nicht kalkulierbare Umstände bei der Ortswahl spielen konnten. Besonders günstige Chancen bot demgegenüber die Landeshauptstadt München, die 1826 auch Universitätsstadt geworden war. Auch hier stößt man auf nicht wenige Zuwanderen Einer von ihnen war der Leipziger Rudolf Oldenbourg, der 1836 als Geschäftsführer in der Münchener Filiale 65

des Cottaschen Unternehmens angestellt wurde; 1854 machte er sich als Verleger selbständig. Eines seiner ersten größeren Projekte war 1859 die zusammen mit Heinrich von Sybel, damals Professor in München, begründete »Historische Zeitschrift«. 27 - Der aus Aschaffenburg stammende Caspar Braun, Mitverleger der »Fliegenden Blätter«, war durch den Besuch der Kunstakademie 1832 mit München in Berührung gekommen und hatte dort 1839 eine xylographische Anstalt gegründet; sein in Leipzig geborener Partner Friedrich Schneider wechselte 1843 von Regensburg, wo er als Geschäftsführer des Pustetschen Unternehmens fungiert hatte, nach München.28 Im noch eng miteinander verbundenen Großhandels- und Bankgewerbe waren zwar die meisten der hier erfaßten Unternehmer am Ort geboren, nicht wenige ihrer Väter waren jedoch zugewandert. Dies galt gerade für Augsburg. Die Gründer der einflußreichen und an den textilindustriellen Gründungen beteiligten Bankhäuser Schaezler und Schmid waren erst um 1800 nach Augsburg gekommen: Johann Lorenz (Frhr. von) Schaezler stammte aus Ansbach, Jacob Friedrich Schmid aus dem württembergischen Ebingen. Der mindestens im Vormärz reichste Augsburger Bankier, Johann Gottlob (Frhr. von) Süßkind war im württembergischen Nürtingen geboren. Daneben erhielten sich jedoch die Bankhäuser der alten Patrizierfamilien von Halder, von Hoeßlin und von Stetten.29 Aus Norditalien stammte eine Reihe einflußreicher Großkaufleute Münchens, neben Maffeis Vater etwa Andreas (von) Dall'Armi oder Ludwig Negrioli, beide in Trient geboren.30 Der kurzlebige Aufschwung des Regensburger Handels gegen Ende des 18. Jahrhunderts verdankte sich ebenfalls zuwandernden Kaufleuten.31 Eine besondere Gruppe von Zuwanderern waren schließlich die jüdischen Bankiers, die sich in den ehemaligen Reichsstädten erst nach 1800 allmählich niederlassen konnten.32 Aus dem Kreis der alteingesessenen Stadtbürger kamen demnach noch weniger Unternehmer, als es die Zahlen der Statistik zunächst vermuten ließen. Im Gegensatz etwa zu den meisten Maschinenbauern, die erst um 1830 an ihren künftigen Tätigkeitsort kamen, waren viele Unternehmer, vor allem im Handel und im Bankgewerbe, zu diesem Zeitpunkt zwar schon wohletabliert, aber keineswegs alteingesessen.

b) Soziale Herkunft In welchem Ausmaß die Unternehmer sich aus der eigenen sozialen Gruppe rekrutierten, wie offen sie für andere soziale Gruppen und Schichten waren, gerade auch für andere Teile des Bürgertums, zeigt die Analyse ihrer sozialen Herkunft. Als Kriterium dient, wie in den vergleichbaren Untersuchungen, 66

Tab. 8:

Die soziale Herkunft der Unternehmer bis zur Reichsgründung (in %)

a) nach Großbranchen Industrielle1

Handelsunternehmer2

insges.

9,7 26,2 3,9 29,1 8,7

57,1 1,6 9,5 11,1 3,2

27,7 16,9 6,0 22,3 6,6

Beruf des Vaters Handelsunternehmer Industrieller Kaufmann Handwerksmeister Sonst.Gewerbetreibender3 Gutsbesitzer Bauer

1,0 6,8

__

Höherer Beamter 4 Pfarrer Freier Beruf5 Sonst.Beamter

5,8 1,9 2,9

4,8 4,8 4,8

Geselle, Arbeiter Sonst.Beruf* Zahl der Fälle = Keine Information =

1,6

0,6 4,8 5,4

-

1,8 3,0 1,8

2,9

-

1,8

1,0

1,6

1,2

-

103 30

63 16

166 46

1 Alle Fabrikanten, Inhaber großer Buchdruckereien, Bauunternehmer ( = Gewerbegruppen ΙΠ-ΧνίΠ der Reichsstatistik). 2 Großhändler, bedeutende Einzelhändler, Bankiers, Versicherungsunternehmer, Buchund Zeitungsverleger, Leiter größerer Speditions- und Verkehrsbetriebe ( = Gewerbegruppen ΧΙΧ-ΧΧΠΙ der Reichsstatistik). Der Schwerpunkt der Unternehmertätigkeit war fur die Zuordnung maßgebend: Die Augsburger Großhändler und Bankiers wurden demnach, auch wenn sie an der Führung der großen Textilfabriken beteiligt waren, den Handelsunternehmern zugerechnet. 3 Vor allem Wirte. 4 Alle akademisch gebildeten Beamten, unabhängig von ihrem Rang; Beamte in leitenden Funktionen ohne klassisches Universitätsstudium, z.B. Forstmeister, Bergmeister; Gymnasiallehrer. 5 Freie Berufe, die tendenziell eine akademische Bildung voraussetzten: v.a. Rechtsanwälte, Arzte, Apotheker. 6 1 »Bürgermeister«, 1 Organist.

67

b) nach Städten München Nürnberg

Augsburg Regensburg insges.

Beruf des Vaters Handelsunternehmer Industrieller Kaufmann Handwerksmeister Sonst. Gewerbetreibender

27,9 18,6 4,7 25,6 2,3

24,4 20,5 7,7 20,5 10,3

33,3 7,7 5,1 20,5 5,1

(2) (1)

Gutsbesitzer Bauer

2,3 2,3

_

_

_

7,7

2,6

-

Höherer Beamter Pfarrer Freier Beruf Sonst.Beamter

4,7 2,3 2,3 2,3

3,8 1,3 1,3 1,3

10,3

Geselle, Arbeiter

2,3

-

Sonst. Beruf

2,3

1,3

Zahl der Fälle = Keine Information =

43 5

78 16

(2)

_

27,7 16,9 6,0 22,3 6,6 0,6 4,8

-

5,4 1,8 3,0 1,8

5,1

-

1,8

-

-

1,2

-

7,7 2,6

39 18

(1)

6 7

166 46

der Beruf des Unternehmervaters.33 Die zu erwartenden Herkunftsunterschiede zwischen den Bankiers und Großkaufleuten auf der einen und den Fabrikanten auf der anderen Seite legen es nahe, in der Statistik beide Gruppen getrennt zu behandeln. Für die frühen bayerischen Unternehmer insgesamt zeigt die Tabelle 8 ein Herkunftsprofil mit klarem Schwerpunkt: Über drei Viertel waren Söhne von Selbständigen in Handel und Gewerbe, eine relative Mehrheit von über zwei Fünfteln Söhne von Unternehmern. Andere soziale Gruppen spielten demgegenüber nur eine geringe Rolle. Dies gilt gerade für die in Bayern ja besonders stark vertretenen Bauern, deren Anteil unter den Vätern bei nur etwa einem Zwanzigstel lag. Die Hälfte der Bauernsöhne findet sich überdies unter den Brauereibesitzern und Hopfenhändlern, in Branchen also, die in enger Verbindung zu ihrer Herkunft standen. Etwas größer war mit etwa einem Zehntel der Anteil der Väter aus dem traditionellen Bildungsbürgertum und dem übrigen Staatsdienst. Dessen oberste Ränge - Minister, Regierungspräsidenten, Generäle, Universitätsprofessoren - fehlen jedoch. Den höchsten gesellschaftlichen 68

Rang wird man wohl dem Vater des Münchener Verlegers und Buchhändlers Christian Kaiser, einem Oberkonsistorialrat, zumessen dürfen.34 Offiziere sind unter den Vätern überhaupt nicht vertreten, Gymnasiallehrer nur in einem Fall, dem des Augsburger Spinnereidirektors (und späteren CVDIVorsitzenden) Theodor (von) Hassler.35 Der badische Amtmann und der nassauische Landrat, der Münchener Stadtgerichtsdirektor und der Nürnberger Forstverweser - solche Beamte mit lokal und regional herausgehobenen Funktionen stellten zusammen mit einigen Ärzten und Advokaten die meisten Väter aus dem traditionellen Bildungsbürgertum.36 Anders als bei den nobilitierten oder schon dem Adel entstammenden Spitzen von Bürokratie und Militär scheint es bei diesem Teil des Bürgertums geringere Barrieren gegenüber unternehmerischer Tätigkeit des Sohnes gegeben zu haben, ohne daß jedoch aus solchen Familien viele Unternehmer hevorgegangen wären. Industrielle und Handelsunternehmer differierten, wie Tabelle 8a deutlich zeigt, klar in ihrer sozialen Herkunft. Bei den Handelsunternehmern überwog zum einen die Selbstrekrutierung, zum anderen kam immerhin etwa ein Siebtel aus dem traditionellen Bildungsbürgertum. Die Industriellen stammten dagegen höchstens zu zwei Fünfteln aus Unternehmerfamilien, kaum weniger aus Familien von Handwerksmeistern und anderen selbständigen Gewerbetreibenden, während der Anteil der Söhne aus bildungsbürgerlichen Familien nicht über ein Zehntel hinausging. Höher war dagegen hier der Anteil der Bauern und der Arbeiter. Die neuere Forschung ist für den Zeitraum der frühen Industrialisierung zu sehr ähnlichen Ergebnissen gekommen. Durchgängig wird betont, daß weitaus die meisten Väter entweder selbst schon Unternehmer waren oder aber Kaufleute, Handwerksmeister und andere Gewerbetreibende. Für die zwischen 1800 und 1870 tätigen Unternehmer hat Kaelble anhand der NDB ermittelt, daß die Unternehmer 54% der Väter stellten, selbständige Handwerker und Kleinhändler weitere 24%.37 Von den Berliner Unternehmern der frühen Industrialisierung hatten 78% einen Unternehmer zum Vater, weitere 10% andere Gewerbetreibende; bei den Berliner Industriellen waren es sogar 80% bzw. 12%.38 Für diese sehr hohe Selbstrekrutierungsrate waren offenbar spezifische Bedingungen verantwortlich: der bei über 50% liegende Anteil jüdischer Unternehmer, bei deren Vätern die alten Berufsbeschränkungen sich noch auswirkten, und auch die von der kaufmännischen Korporation Handwerkern und Kleinhändlern gegenüber aufgerichteten Hindernisse bei der Kreditbeschaffung.39 Bei den frühen thüringischen Unternehmern waren 57,1% der Väter Handwerker und 30,9% »Kaufleute, Händler, Gastwirte u. Fuhrleute« - hier sind wohl Unternehmer mit eingeschlossen.40 Von 82 zwischen 1800 und 1870 in eine Unternehmerposition eintretenden westfälischen Textilunternehmern hatten 27 einen Verleger 69

oder Fabrikanten, 38 einen Kaufmann und 9 einen Handwerker zum Vater.41 Der Anteil der Offiziere, Pfarrer, Beamten und anderen Akademiker unter den Vätern liegt in diesen Untersuchungen zwischen etwa 5% und 15%, der Anteil der Landwirte und Gutsbesitzer geht nicht über 4% hinaus.42 Berücksichtigt man die Unterschiede, die zwischen diesen Studien hinsichtlich der von ihnen behandelten Räume, der jeweiligen Quellengrundlage und auch der Fallzahl bestehen und einen exakten Vergleich nicht erlauben, so läßt sich wohl konstatieren, daß die frühen bayerischen Unternehmer im ganzen den gleichen Elternhäusern entstammten wie ihre sonstigen deutschen Zeitgenossen. Daß Bayerns Landwirtschaft kein wichtiges Rekrutierungsfeld für seine Unternehmer war, unterstreicht einmal mehr die relative Isolierung seiner wirtschaftlichen und industriellen Metropolen. Vergleicht man die Städte miteinander (Tabelle 8b), so weisen sie zwar keine deckungsgleichen Herkunftsprofile auf, sie unterscheiden sich aber nicht grundlegend voneinander. In den drei großen Städten (die Zahlen für Regensburg erlauben keine Interpretation) bildeten Unternehmersöhne eine relative Mehrheit, die größte Gruppe nach ihnen die Söhne von Handwerkern und anderen Gewerbetreibenden. Der Anteil des traditionellen Bildungsbürgertums war mit fast zwei Fünfteln in Augsburg am höchsten, am geringsten dagegen in Nürnberg, wo jedoch besonders viele Unternehmer aus Bauernfamilien stammten. Angesichts der recht unterschiedlichen Wirtschafts- und Industriestrukturen in den drei Städten mögen die Parallelen zunächst vielleicht überraschen. Nicht vergessen werden darf freilich, daß die Augsburger Unternehmerfamilien aufgrund der Führungsstruktur in den großen Textilbetrieben über größeren Einfluß verfügten, als es die Zahlen ausdrücken - einige Söhne von Großkaufleuten und Bankiers führten das Geschäft des Vaters weiter und fungierten daneben zunächst als die eigentlichen Leiter von Textilfabriken. Mit der Frage nach der sozialen Herkunft verknüpft, wenn auch nicht deckungsgleich mit ihr, ist die Frage nach dem Verhältnis von Gründern und >Nachfolgern< : der Erben und anderen später in ein Unternehmen eintretenden (Mit-)Eigentümer.43 Es kann kaum überraschen, daß unter den Industriellen der Anteil der Gründer44 bei drei Vierteln (77,5%) lag, während er bei den Handelsunternehmern nur ein gutes Drittel (35,9%) betrug: Die wichtigen Bank- und Handelshäuser der Städte bestanden zu Beginn der 1830er Jahre bereits oder wurden, wie die Hypotheken- und Wechselbank in München, von schon etablierten Bankiers errichtet. Größere Nischen waren hier jedoch der zusammen mit dem Braugewerbe aufblühende Hopfenhandel und das Buchund Zeitungsverlagswesen. Allerdings: jeder Versuch einer exakten Bestimmung des Anteils der Gründer unter den frühindustriellen Unternehmern ist schwierig, da er unmittelbar von der Unternehmerdefinition abhängt. Je 70

großzügiger die Definition ist, desto mehr Gründer, gerade solche aus nur allmählich industrialisierenden Branchen, werden sich finden lassen. Unter den Fabrikgründern dominierten die Handwerkersöhne mit fast der Hälfte aller bekannten Gründer, während bei den Gründern von Bankund Handelsfirmen Unternehmersöhne den größten Anteil, jedoch nicht die Mehrheit stellten. Zwischen beiden Gruppen bestanden also deutliche Unterschiede. Bemerkenswert ist jedoch, daß der Anteil der Gründer bei den Industriellen zwar leicht zurückging, die Gründer hier jedoch auch bei den zwischen 1816 und 1830 geborenen Unternehmern noch die Mehrheit bildeten und bei den Handelsunternehmern ihr Anteil leicht wuchs. Dies deutet daraufhin, daß die Chancen zur Etablierung eines eigenen Unternehmens zumindest nicht deutlich geringer wurden und nicht immer weniger Unternehmerfamilien die Wirtschaft der einzelnen Städte dominierten.45 Die Frage nach der sozialen Herkunft der Unternehmer impliziert die Frage nach dem Ausmaß sozialen Aufstiegs. Die gesamte Dimension eines solchen Aufstiegs erschließt sich allerdings erst aus der Kombination mit weiteren Indikatoren wie der Vermögensentwicklung, dem Konnubium oder im Lauf der Unternehmertätigkeit erreichten Amtern und Ehrungen. Während sie vor allem den intragenerationellen Aufstieg im Zug der Unternehmerkarriere erkennen lassen, gibt der Vergleich der Berufe von Vater und Sohn Hinweise auf den intergenerationellen Aufstieg. Relativ einfach sind Aussagen über die Unternehmer zu treffen, deren Väter eindeutig der Unterschicht, den Handwerksgesellen und Arbeitern, zuzurechnen sind. Tabelle 8 zeigt, daß es unter den frühen bayerischen Unternehmern nur ganz wenige Aufsteiger aus dieser Schicht gab. In zwei der drei Fälle handelt es sich überdies um Direktoren von Augsburger Textilbetrieben - der eine war Sohn eines Tagelöhners, der andere Sohn eines Maurergesellen -, 46 die weder ein bestimmtes Startkapital noch eine Gewerbekonzession benötigten, um in ihre Position zu gelangen. Damit bestätigt sich der Befund der neueren Forschung, daß aus der Unterschicht nur sehr wenige Unternehmer stammten. In seiner Untersuchung auf der Basis der NDB stellt Kaelble keinen solchen Fall fest, auch nicht für Berlin. Auch Teuteberg findet unter den frühen westfälischen Textilindustriellen keinen Aufsteiger aus der Unterschicht, Huschke identifiziert nur 2 von 42 Vätern der Thüringer Unternehmer als »Handarbeiter, Tagelöhner und Industriearbeiter«.47 Sozialen Aufstieg wird man jenen Unternehmern zuschreiben können, deren Väter Handwerker, andere Gewerbetreibende und Bauern waren, demnach bei immerhin etwa einem Drittel der frühen bayerischen Unternehmer. Die Differenz zwischen den Berufsbezeichnungen von Vater und Sohn ist dabei jedoch noch nicht sehr aussagekräftig, da sie etwa keine Hinweise auf Betriebsgröße und Kapitalausstattung der Fabrik des Sohnes 71

im Vergleich zur Werkstatt des Vaters liefert. Schärfere Konturen wird das Bild dieser Unternehmer zunächst beim Blick auf die Ausbildung und weitere Startvoraussetzungen gewinnen.48

c) Ausbildung Für die übergeordnete Frage nach den Beziehungen zwischen den Unternehmern und anderen Gruppen des Bürgertums müßte unter dem Aspekt ihrer Bildungsvoraussetzungen zunächst und vor allem der Schulbildung nachgegangen werden. Das vorliegende Quellenmaterial liefert dazu jedoch kaum exakte Informationen. Von Interesse ist aber auch die weitere Ausbildung. An ihr läßt sich erkennen, wo und wann sich die Wege zwischen den Unternehmern und dem traditionellen Bildungsbürgertum spätestens trennten. Außerdem liefert sie weitere Hinweise auf die Differenzen zwischen einzelnen Unternehmergruppen. Methodisch liegt es nahe, nicht bei den Städten, sondern zunächst bei den einzelnen Branchen anzusetzen. Über die Hälfte der frühen bayerischen Unternehmer verfugte über eine kaufmännische Ausbildung, etwa ein Drittel hatte eine Handwerkslehre durchlaufen und knapp ein Zehntel ein Studium absolviert (Tabelle 9). Dieser Befund kann freilich kaum überraschen, da er auf Handelsunternehmer und Industrielle zusammen bezogen ist. Für Berlin hat Kaelble vergleichbare Werte ermittelt: 50% der Unternehmer waren hier ihrer Ausbildung nach Kaufleute, 32% Handwerker, 12% hatten eine Hoch- bzw. Fachschule besucht.49 Unter den frühen bayerischen Industriellen überwogen hingegen die als Handwerker ausgebildeten, dicht gefolgt von den Kaufleuten. Bei den Berliner Industriellen lagen die Anteile beider Gruppen in ähnlicher Höhe, jedoch standen hier die Kaufleute an erster Stelle. Im Rheinland und in Westfalen waren dagegen die technisch ausgebildeten Industriellen gegenüber den kaufmännisch ausgebildeten knapp in der Mehrheit.50 Die Differenz zwischen kaufmännischer und handwerklicher Ausbildung sollte freilich auch nicht überbetont werden. Nicht wenige Erben unter den hier erfaßten Industriellen erwarben sich ihr berufliches Rüstzeug ganz oder zum Teil im Betrieb des Vaters; meist durchliefen sie eine Handwerkslehre, neben der sie sich aber auch je nach dem Umfang des Geschäfts gewisse kaufmännische Kenntnisse angeeignet haben dürften.51 Festzuhalten bleibt insgesamt, daß gegenüber der Kaufmanns- und der Handwerkslehre das Studium auf einem Polytechnikum oder einer Universität für die frühen bayerischen Unternehmer noch eine relativ geringe Rolle spielte. Damit fehlte der weit überwiegenden Mehrheit von ihnen während der Ausbildungsphase der direkte Kontakt mit dem traditionellen Bildungsbürgertum. 72

Tab. 9:

Die Ausbildung der Unternehmer bis zur Reichsgründung Handel

Industrie Branche 1 Art der Ausbildung

5

6

7

9

13

zus.

H

Kaufmännische Lehre 2 Handwerkslehre Studium am Polytechn. Universitätsstudium

7 7

5 10 3 1

6 5

2 13 1

36,4 49,5

34

-

10 5 2 1

Offiziersausbildung Apothekerlehre Künstlerische Ausb.

-

1

-

-

-

-

-

-

1

-

-

-

-

-

-

11 7

19 5

16 9

Zahl der Fälle = Keine Information =

-

1

15 4

20 2

-

-

(%)

7,1 3,0 1,0 1,0 2,0 993

34 4

Β

V zus. insges.

(%)

13

6 4

85,5 6,5

-

-

-

-

-

-

-

1

3

6,5

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

1

1,6

34 5

14 10

10 -

62 17 s

(%)

55,3 32,9 4,3 4,3

} 3,1

161 51

1 5 = Metallverarbeitung; 6 = Maschinenbau; 7 = Textilindustrie; 9 = Chemische Industrie (einschließlich der - hier dominierenden - Bleistiftherstellung); 13 = Nahrungs- und Genußmittelherstellung; H = Großhandel; Β = Bankwesen; V = Verlagswesen. 2 Einschließlich Bank- und Buchhandelslehre. 3 Einschließlich 18 »Sonstiger«. 4 Einschließlich 7 »Sonstiger«. 5 Einschließlich 2 »Sonstiger«.

Über Fachbildung und Ausgangsberuf in den einzelnen Branchen haben die Untersuchungen von Beau und Wutzmer genaue Daten fur die frühen preußischen und speziell die rheinisch-westfälischen Industriellen geliefert. Beide betonen vor allem den Unterschied zwischen der Textilindustrie und dem Maschinenbau: Im wichtigsten Zweig der Textilindustrie, der Baumwollverarbeitung, herrschte die kapitalintensive Massenproduktion vor und prädestinierte daher den mit dem notwendigen Kapital und den erforderlichen Marktkenntnissen versehenen Kaufmann und Verleger für unternehmerische Tätigkeit. Hingegen überwog in den Anfängen des Maschinenbaus die unspezialisierte Einzelanfertigung auf Bestellung, was vor allem dem qualifizierten Handwerker und Techniker den Zugang zu einer Unternehmerposition ermöglichte.52 Die Werte der Tabelle 9 bestätigen die These für den Maschinenbau, aber auch für die Textilindustrie, wenn man berücksichtigt, daß eine Reihe von Bankiers und Großhändlern Augsburgs den Textilindustriellen im weiteren Sinn zugerechnet werden müssen. Zu den Maschinenfabrikanten gehörten 73

freilich auch die Kaufleute Klett, Cramer-Klett und Maffei. In Randbereichen der Textilindustrie gab es wiederum Handwerker, die zu Fabrikanten aufstiegen. Ein Beispiel ist Josef Arnold, der Sohn eines Augsburger Färbermeisters; er erlernte das Handwerk seines Vaters, kam auf der anschließenden Wanderschaft bis nach Paris und gründete dann 1851 in Augsburg seine eigene Werkstatt, in der er bald eine Dampfmaschine einsetzte.53 Nicht verwundern kann die große Zahl von gelernten Handwerkern, die Tabelle 9 fiir die Metallverarbeitung, die Bleistiftherstellung und das Nahrungs- und Genußmittelgewerbe ausweist. Typisch, wenngleich nicht in jedem Detail, waren Karrierewege wie die im folgenden geschilderten. Der in Nürnberg als Sohn eines Wirts geborene Georg Schoenner durchlief eine Lehre als Reißzeugmacher (Zirkelschmied), begann 1839 seine Wanderschaft, während der er in München und Wien arbeitete, leistete Militärdienst und ließ sich 1851 als Meister in seiner Geburtsstadt nieder. Der Nürnberger Magistrat hatte die Konzessionserteilung zunächst abgelehnt, da Schoenner ein Vermögen von nur 600 fl. nachweisen konnte; die Bezirksregierung, bei der Schoenner Widerspruch einlegte, sprach sich jedoch dafür aus. Seine Werkstatt war zunächst sehr klein; erste Ersparnisse und das allmählich liberalisierte Gewerberecht gaben ihm die Möglichkeit, sie besser auszustatten und ihr neue Arbeitsbereiche anzugliedern. Zunächst schaffte er Drehbänke an, 1866 richtete er eine Schleiferei und Polieranstalt ein und fügte nach 1868 eine Formerei und Gießerei hinzu. Als Schoenner 1877 den Betrieb seinem Sohn übergab, beschäftigte er aber nicht mehr als 20 Arbeiter; bis 1895 wuchs deren Zahl dann auf 300. 5 4 - Der Nürnberger Bleistiftfabrikant Georg Andreas Froescheis ging bei seinem Vater, dem Firmengründer, in die Lehre und übernahm 1848 dessen Betrieb, für den bereits 30 Arbeiter tätig waren, 15 davon in Heimarbeit. 1860 verlegte er ihn, um Wasserkraft einsetzen zu können, bald danach stellte er eine Dampfmaschine auf. 1871 übergab er die Leitung an seinen Sohn, der 1878 einen Kaufmann als Teilhaber aufnahm; Ende der 1880er Jahre wurden 400 Arbeiter beschäftigt.55 - Heinrich Haeberlein, ebenfalls Sohn eines Nürnberger Wirts, erlernte das Lebküchnerhandwerk und ging 1836 auf Wanderschaft, die ihn unter anderem nach Würzburg, Frankfurt/Oder, Breslau und Berlin führte. Nach der Heirat mit der Tochter eines Lebküchnermeisters konnte er dessen Geschäft 1846 übernehmen, in dem seit 1842 eine Dampfmaschine verwendet wurde. Eine Fabrikkonzession erwarb Haeberlein erst 1862. Unter seinem Schwiegersohn und Nachfolger waren gegen Ende der 1890er Jahre durchschnittlich 150 Arbeiter und 18 Angestellte im Unternehmen beschäftigt.56 Hauptkennzeichen dieser und vieler anderer Unternehmerkarrieren in den für die Industrialisierung nachrangigen Branchen war das langsame Wachstum der Betriebe. Aus Tabelle 9 geht hervor, daß es in diesen Branchen 74

aber auch eine Reihe von Unternehmern gab, die über eine kaufmännische Ausbildung verfugten. Zu ihnen gehört der später auch als Bankgründer aktive und politisch tätige Bleistiftfabrikant Lothar (Frhr. von) Faber, einer der bedeutendsten frühen Unternehmer Bayerns. Sein Vater, der Sohn des Gründers, ließ ihn die Lateinschule besuchen und anschließend eine Lehre im Nürnberger Bankhaus Cnopf absolvieren. Vor Beginn seiner Unternehmertätigkeit erwarb sich Faber weitere Kenntnisse in Paris und London. Als er 1839 die Leitung der Firma antrat, beschäftigte sie mit 20 Arbeitern nicht mehr als ihre Nürnberger Konkurrenten; sie wuchs rasch auf 500 an. Faber erfand den Markenbleistift, bediente sich der neuesten Herstellungstechniken und bemühte sich vor allem um die Erschließung auch des Auslandsmarkts. Bereits 1849 gründete er eine Zweigniederlassung in New York, weitere dann in Paris, London und Wien, daneben in Hamburg und Berlin; in Rußland erwarb er ein Graphitbergwerk.57 Fabers schließlich von der Erhebung in den Freiherrnstand gekrönte58 Karriere ist nicht repräsentativ. Abgesehen von seiner besonderen Kreativität und Dynamik blieb er, auch als Firmenerbe, schon mit seinem weitgefächerten Ausbildungsprogramm die Ausnahme unter den Nürnberger Bleistiftfabrikanten und den Unternehmern in anderen langsam aus handwerklichen Strukturen herauswachsenden Branchen. Dort scheint zumindest bei Erben der ersten Generation wie Froescheis immer noch eine Handwerkslehre Grundlage der Berufsqualifikation gewesen zu sein. Fabers Karriere deutet jedoch an, daß eine kaufmännische Bildung mit ihrer Betonung von Marktübersicht und kalkulatorischen Fähigkeiten gerade in den noch vom Handwerk geprägten Branchen große Wettbewerbsvorteile verschaffen konnte. Im Mangel an solcher Bildung wird man - neben der Kapitalschwäche des reinen Familienbetriebs - wohl einen wesentlichen Grund für das langsame Wachstum solcher aus handwerklichen Wurzeln stammender Unternehmen sehen müssen. Dies gilt nicht nur für die gerade genannten Branchen, in denen gelernte Kaufleute, von Erben einer späteren Generation abgesehen, kaum unter den Gründern zu finden waren,59 sondern gerade auch für den Maschinenbau. Das von den Kaufleuten Klett und dann Cramer-Klett geleitete Unternehmen entwickelte sich rascher als das des Handwerkers Späth und seines primär handwerklich gebildeten Schwiegersohnes Falk. Dem deutlich höheren Startkapital im ersten Fall entsprach zudem die Scheu vor der Aufnahme von Fremdkapital bei Späth und Falk.60 Uber einen Teil der Unternehmerausbildung, auf den schon mehrfach hingewiesen wurde, liefert Tabelle 9 keine Informationen: den Aufenthalt im Ausland. Von 52 der 212 Unternehmer ist bekannt, daß sie längere Zeit im Ausland, genauer: in Ländern außerhalb des Deutschen Bundes zubrachten. Allerdings fand bei 38 von ihnen dieser Aufenthalt in Zusammenhang mit einer kaufmännischen Ausbildung statt; in zwei Fällen war er Teil eines 75

künstlerischen Bildungsgangs. Unternehmer mit handwerklich-technischer Bildung scheinen demnach wesentlich seltener mit dem Ausland in Kontakt gekommen zu sein. Gemeinsam war beiden Großgruppen, daß der Auslandsaufenthalt in weitaus den meisten Fällen zu einem relativ frühen Zeitpunkt der Unternehmerlaufbahn stattfand, in der Regel im Anschluß an die erste Ausbildungsphase, die Handwerks- oder Kaufmannslehre. Zwei Aufenthaltsarten standen im Vordergrund: der mehrmonatige oder mehrjährige mit einer Anstellung verbundene Aufenthalt und die zum Erwerb spezifischer Kenntnisse unternommene Reise. Geschäftsreisen des schon etablierten Unternehmers und allgemeine Bildungsreisen lassen sich dagegen kaum nachweisen.61 Daß ein Unternehmer im Ausland studierte, ist nur für den bereits erwähnten Augsburger Maschinenfabrikanten Johannes Haag bekannt; er besuchte das Polytechnikum in Zürich.62 Der größte Teil der bekannten Auslandsaufenthalte fällt in die erste Kategorie. Angehende Kaufleute »konditionierten« vor allem in Frankreich, in der Schweiz, in England und auch in Italien, während Handwerker und Techniker in erster Linie Frankreich und England aufsuchten.63 Besonders großes Interesse an den technischen Innovationen anderer Länder zeigten die Augsburger Textilindustriellen. Julius Forster, Sohn des Kattundruckereibesitzers Karl Ludwig (von) Forster, studierte nach der wohl kaufmännischen Lehre bei seinem Vater von 1826 bis 1831 in München, Berlin und Wien »die einschlägigen Wissenschaften« und erwarb sich dann auf verschiedenen Reisen in die Schweiz, nach Frankreich und England praktische Kenntnisse, bevor er die Leitung des Labors im Betrieb des Vaters übernahm und 1836 sein Teilhaber wurde. - Gustav Frommel, Gérant der SWA, war nach seiner Kaufmannslehre bei André Koechlin & Cie. in Mülhausen tätig, bevor er 1840 seinen Augsburger Posten antrat; sein Bruder Hugo, Mitgründer und Gérant der Stadtbachspinnerei, der als Commis schon mehrere Jahre in Venedig und Triest zugebracht hatte, reiste vor der Übernahme seines ersten Augsburger Direktorenpostens 1847 ins Elsaß und nach England. - Ahnliche Informationsreisen unternahmen die Spinnereidirektoren Riedinger (1851 zur Londoner Weltaussstellung, nach Oldham und Manchester) und Hassler (1861 nach Oldham und Manchester), bevor sie ihre Posten antraten; in beiden Fällen wurde die Reise vom Unternehmen bezahlt.64 Die Beispiele unterstreichen einmal mehr das hohe Entwicklungsniveau der frühen Augsburger Textilindustrie. Unter den frühen Maschinenbauern lassen sich solche gezielten Studienaufenthalte kaum nachweisen. Vor allem die Kaufleute unter ihnen verschafften sich das Know-How des fortgeschrittenen Auslands indirekt, durch die Verpflichtung ausländischer Fachleute, die in der Aufbauphase des Unternehmens als technischer Leiter fungierten. Neben Klett engagierte auch Maffei zwei Ingenieure aus England.65 76

Unter den Branchen, die erst allmählich von der Industrialisierung erfaßt wurden, wies das Braugewerbe die meisten Auslandskontakte auf. Auch hier waren es nicht die Gründer, sondern deren Söhne, die sich auf diese Weise zusätzliche Kenntnisse erwarben. Münchener und Nürnberger Unternehmenserben reisten im Anschluß an ihre Lehre nach England; das war nicht mehr Teil einer obligatorischen Wanderschaft, sondern gezielte Studienreise. Georg Lederer aus Nürnberg besuchte 1833/34 nach seiner Lehre im väterlichen Betrieb englische Brauereien, zusammen mit dem gleichalterigen Gabriel Sedlmayr und den Österreichern Dreher und Meindl. 1853 hielt sich Georg Pschorr d.J. mehrere Monate in Großbritannien auf, unter anderem in London, Manchester, Glasgow und Dublin. Auch Ludwig Brey, der Sohn des Löwenbräu-Gründers, war vor der Betriebsübernahme im Ausland.66

d) Soziale Herkunft und Startvoraussetzungen Die bisher skizzierten Unternehmerkarrieren deuten darauf hin, daß ein Zusammenhang nicht nur zwischen Ausbildung und Branche bestand, sondern auch zwischen Ausbildung und sozialer Herkunft. Dies wird im folgenden noch einmal systematisch geprüft und mit einem Blick auf das Startvermögen verbunden. Außerdem soll versucht werden, den Zeitraum zwischen dem Abschluß der Ausbildung und dem Beginn der Unternehmertätigkeit etwas genauer zu beschreiben, von den Erben und reinen Handwerkern freilich abgesehen. Beides liefert weitere Hinweise auf die inneren Differenzierungen der Gruppe und erlaubt überdies, Ausmaß und Kanäle sozialen Aufstiegs exakter zu bestimmen. Tabelle 10 belegt, daß in zwei Fällen soziale Herkunft und Ausbildung eng miteinander verknüpft waren: Fast alle Söhne von Handelsunternehmern und nicht näher klassifizierbaren »Kaufleuten« erhielten wiederum eine kaufmännische Ausbildung, während immerhin fast zwei Drittel aller Söhne von Handwerkern und anderen Gewerbetreibenden wiederum ein Handwerk erlernten. Auf dieser Basis können zwei reale Herkunftstypen definiert werden: Der aus einem kaufmännischen Elternhaus stammende und wieder kaufmännisch ausgebildete »Kaufmann-Unternehmer« und der aus handwerklich-kleingewerblichem Milieu stammende »Handwerker-Unternehmer«. Beiden Typen läßt sich immerhin mehr als die Hälfte aller bekannten Fälle und ein gutes Drittel aller hier erfaßten frühen Unternehmer zuordnen. Die Heterogenität der Ausbildung von Industriellensöhnen macht erneut deutlich, daß in den sich langsam entwickelnden Branchen die Erben der ersten Generation handwerklichen Traditionen noch stark verhaftet blieben. Darüber hinaus zeigen die Werte, daß der Sohn aus einem traditionell bildungs77

Tab. 10: Ausbildung und soziale Herkunft der Unternehmer bis zur Reichsgriindung Beruf des Vaters1

Α

Β

C

D

E

F

42 2

10 7

10 30

3 4

12

1 1

Ausbildung Kaufmann. Lehre Handwerkslehre Studium am Polytechnikum Universitätsstudium Apothekerlehre Offiziersausbildung Kiinsderische Ausbildung

1

2

1

2

1

4

1 1

1

2

Zahl der Fälle = 138 Keine Information = 74 1 A = Handelsunternehmer, Kaufleute; Β = Industrielle; C = Handwerker, Gewerbetreibende; D = Landwirte, 1 Gutsbes.; E = Beamte, Pfarrer, Freie Berufe, 1 Bürgermeister, 1 Organist; F = Arbeiter.

bürgerlichen Elternhaus den Weg in eine Unternehmerposition vorrangig über eine Kaufmannslehre oder über ein Studium suchte. Zum Handwerk als wesentlichem Teil des alten Stadtbürgertums bestanden hingegen keine Beziehungen mehr. Den Unterschieden in sozialer Herkunft und Ausbildung entsprachen Unterschiede im Vermögen, über das die Unternehmer beim Schritt in die Selbständigkeit verfugten.67 Das Spektrum reicht von 310 fl. bis 73.100 fl., bei einem mittleren Wert von 9.100 fl.; die Unterschiede waren also beträchtlich. Groß war die Differenz zwischen Handelsunternehmern (12.163 fl.) und Industriellen (6.000 fl.) und auch zwischen Gründern (6.432 fl.) und Nachfolgern (10.013 fl.), am größten aber zwischen den als Kaufleuten und den als Handwerkern ausgebildeten Unternehmern (11.500 fl. gegenüber 3.850 fl.). Setzt man bei der sozialen Herkunft an, ergibt sich ein ähnlich deutlicher Abstand: Während die Söhne von Handelsunternehmern, Industriellen, höheren Staatsdienern und Freiberuflern mehr als 10.000 fl. zur Verfügung hatten, wenn sie sich selbständig machten, konnten die Söhne von Handwerkern und anderen Gewerbetreibenden auf nur etwa 3.000 fl. zurückgreifen. Auch unter dem Aspekt des Startkapitals lassen sich Kaufmann-Unternehmer und Handwerker-Unternehmer demnach als Herkunftstypen definieren. Freilich waren auch 3.000 fl. keine geringe Summe. Nach den Berechnun78

gen von Schwarz lag der Preis selbst für die teueren realen Gewerbegerechtigkeiten um 1860 (nach markanten Preissteigerungen) im bayerischen Durchschnitt zumeist unter 3.000 fl.68Dies deutet daraufhin, daß die Mehrzahl der hier erfaßten Handwerker-Unternehmer wohl über ein im Vergleich zu den Handwerkern insgesamt recht hohes Ausgangsvermögen verfugte. Die Tabelle 10 läßt noch nicht erkennen, welchen Beruf solche Unternehmer zunächst ausübten, die nach dem Abschluß ihrer Ausbildung nicht sofort ihr Unternehmen etablierten, als Teilhaber oder Schwiegersohn die Leitung einer Firma (mit)übernahmen oder als Handwerksmeister eine kleine Werkstatt eröffneten. In einem fachfremden Berufsfeld waren insgesamt nur sehr wenige tätig. Die verschlungensten Karrieren finden sich dabei unter den Verlegern. Freilich können sie nicht mit den gleichen Maßstäben gemessen werden wie die übrigen Unternehmer: Zwar verkauften auch sie ein >Produkt< und wollten Gewinne erzielen, dienten aber zugleich der Vermittlung von Bildung und Kultur und wirkten häufig direkt in den politischen Raum hinein, füllten also zwei Rollen aus. Ein Augsburger Fall ist Dr. Max Huttier, Zeitungsverleger und führender Zentrumspolitiker der Stadt. Huttier war in München als Sohn eines praktischen Arztes geboren und im Augsburger Benediktinerstift St. Stephan erzogen worden. Er trat in den Orden ein und studierte in Freiburg, wo er 1850 zum Dr.phil. promoviert wurde. 1855 erhielt er die Erlaubnis, das Kloster zu verlassen, um die Redaktion der Augsburger Postzeitung zu übernehmen. 1857 erwarb er die »Neue Augsburger Zeitung«, 1860 eine Buchdruckerei, der er eine Verlagsbuchhandlung angliederte.69 - Der liberale Verleger und Politiker Julius Knorr enstammte einer der führenden Münchener Unternehmerfamilien; sein Vater Ludwig war Großhändler und Brauereibesitzer. Knorr, der die Firma des Vaters weiterführen sollte, begann ein Jurastudium, ließ sich dann aber als Spirituosenfabrikant in München nieder. Schon 1848 politisch engagiert wurde er 1860 Mitglied des Nationalvereins, gründete die bayerische Fortschrittspartei mit und erwarb 1862 die »Neuesten Nachrichten aus dem Gebiete der Politik«, die er zusammen mit dem Chefredakteur August Vecchioni zur führenden bayerischen Tageszeitung machte.70 Sehr spät entschloß sich Friedrich Bruckmann für eine Tätigkeit als Verleger. Der Sohn eines reichen Deutzer Kaufmanns absolvierte nach weiten Bildungsreisen eine Lehre in der Porzellanmanufaktur von Sèvres und errichtete danach eine Porzellanfabrik. 1858 gründete er den »Verlag für Kunst und Wissenschaft« in Frankfurt a.M., in dem er mit großem Erfolg Kaulbachs »Goethe-Galerie« herausgab. 1861 machte er Stuttgart zum Sitz des Verlags, 1863 dann München.71 Ebenso selten wie solche Wechsel des Berufs und der Branche blieb die Verbindung eines anderen Berufs mit der Unternehmertätigkeit. Beamter, Erfinder und Unternehmer war Carl August (von) Steinheil. Als Sohn eines 79

hohen bayerischen Beamten kam Steinheil nach München, wo er sein Abitur machte. Er studierte zunächst Jura in Erlangen, dann Mathematik und Naturwissenschaften in Göttingen und Königsberg (unter anderem bei Gauß und Bessel), wo er 1825 promoviert wurde. Steinheil führte danach zunächst die Existenz eines Privatgelehrten, knüpfte aber schon bald Beziehungen zu den beiden optischen und feinmechanischen Instituten von Utzschneider und Ertel, die von ihm entworfene Instrumente bauten; wichtig waren vor allem seine Entwicklungen und Erfindungen auf dem Gebiet der Photographie. 1835 wurde Steinheil ordentlicher Professor für Mathematik und Physik an der Münchener Universität und 2. Konservator der mathematisch- physikalischen Staatssammlungen. 1847 bewarb er sich erfolgreich um eine Fabrikkonzession, doch war sein Betrieb zunächst eher eine Mischung aus Forschungswerkstätte und Fabrik; 1855 gilt als offizielles Gründungsjahr.72 Steinheil war ein Ausnahmefall nicht nur, weil sein Erfolg primär auf eigenen Erfindungen beruhte. Er war es auch als fast einziger Beamter unter den frühen bayerischen Unternehmern. Deren Anteil an den Manufakturgründern war hingegen nicht unbedeutend gewesen.73 Ausbildung und Vorberuf verbanden sich sehr eng bei den >TechnikernEstablishment, das in München von katholischen, in Nürnberg, Augsburg und Regensburg hingegen von protestantischen Unternehmern beherrscht wurde. Bis zur Reichsgründung änderte sich dies nicht grundlegend. Vor diesem Hintergrund legt der Vergleich gerade zwischen den Werten zu München und denen zu Nürnberg die Vermutung nahe, daß protestantische Zuwanderer erfolgreicher mit solchen Strukturen umgehen konnten als katholische. Die jüdischen Unternehmer finden sich, wie zu erwarten, vor allem unter den Bankiers und Großhändlern.119 Während einige von ihnen, vor allem die in München und Augsburg ansässige Hofbankierfamilie Seligmann (dann: Eichthal) über die Konversion zum Christentum die volle gesellschaftliche Integration erreichten, blieben andere, etwa die ähnlich vermögenden Hirschs (ebenfalls Hofbankiers in München) und Obermayers (Augsburg) ihrem Glauben verhaftet.120 Dies verhinderte nicht die Wahl in lokale Ehrenämter und auch nicht die Nobilitierung, ließ jedoch ein Konnubium mit christlichen Familien nicht zu. Welche Rolle die Religion im Selbstverständnis der frühen bayerischen Unternehmer spielte, läßt sich anhand verschiedener Selbstzeugnisse wenigstens andeuten. Sie prägte die Generation der vor 1800 geborenen Unternehmer meist noch viel stärker als die späteren, aber doch in sehr verschiedener Weise. Für die ältere Generation der protestantischen Unternehmer sind die verschiedenen Ausprägungen ihrer Religiosität gut dokumentiert. Der Pietismus mit seiner Betonung des individuellen Gefühlserlebnisses und der Arbeit in der Welt, dessen Bedeutung für die Unternehmer Westfalens und Württembergs bekannt ist, entfaltete starke Wirkungen auch in Augsburg und Nürnberg.121 Von einer Reihe Augsburger Unternehmer sind Außerun91

gen überliefert, die einen engen Zusammenhang zwischen Glaubensstärke und ökonomischem Erfolg herstellen. So bekannte der Bankier Johann Lorenz (Frhr. von) Schaezler (*1762) sein »[fjestes unerschütterliches Vertrauen, Gott werde mich bey meinem Eifer und dem redlichen Vorsatz, alle meine Pflichten streng und gewissenhaft zu erfüllen, nicht zu Schanden werden lassen«.122 »Welch unaussprechlich großer Seegen Gottes«, notierte der Bankier Süßkind (*1767), als er seine Gewinne für 1808/09 berechnete.123 In die gleiche Richtung weisen die Testamente der Unternehmer jener älteren Generation. Häufig begannen sie mit einer religiösen Wendung: »Im Namen Gottes« leitete der Maschinenfabrikant Klett (*1778) sein 1845 verfaßtes Testament ein; »Im Namen der Heiligen Dreifaltigkeit« stellte der Nürnberger Bankier Cnopf (*1747) an den Anfang.124 Der Münchener Großkaufmann Sabbadini schrieb 1837: »Ich empfehle meine Seele der unendlichen Barmherzigkeit Gottes«.125 Schon hier finden sich aber auch nicht wenige nüchtern abgefaßte Testamente ohne religiöse Eingangsformel oder andere Glaubensbekundungen, in deren Anfangspassage dann nur noch die Freiwilligkeit und Verstandesklarheit des Testierenden herausgestellt werden sollen: »Ich habe mich entschlossen mein Testament zu errichten und verordne demnach wohlüberlegt und aus freiem und ernstlichen Willen wie folgt«, formulierte der Nürnberger Lebkuchenfabrikant Metzger (* 1787) im Jahr 1849.126 Gerade in Nürnberg, dessen Lutheraner anders als etwa in Augsburg nicht durch den Druck einer katholischen Bevölkerungsmehrheit zur Einheit gezwungen waren, traten die Spannungen zwischen den verschiedenen Strömungen im Protestantismus heftig zutage. Seit den 1780er Jahren hatte die rationalistische Tendenz, ausgehend vom in Altdorf lehrenden Theologen Johann Christian Döderlein, hier großen Einfluß gewinnen können. Zu ihren Anhängern zählte unter anderen Georg Zacharias Plainer (*1776), einer der fuhrenden Großhändler Nürnbergs und Mitinitiator der ersten Eisenbahn.127 Das Wort »Gott« kam in seinem Testament nicht mehr vor, er sprach aber doch noch vom »Segen« der »Vorsehung«.128 Die dann weit über die Stadt hinaus wirkende Gegenbewegung formierte sich um den Großkaufmann Kießling, der 1781 die pietistische »Christentumsgesellschaft« gründete.129 Führender Kopf des neo-orthodoxen Protestantismus, der nach 1850 der evangelischen Kirche in Bayern analog zu anderen deutschen Regionen eine streng lutherische Ausrichtung geben konnte, war der Neuendettelsauer Pfarrer (und vorherige Nürnberger Pfarrverweser) Wilhelm Löhe. Eng mit Löhe befreundet war wiederum der Großkaufmann Johann Merkel ( * 1785 ), Marktvorsteher, 2.Bürgermeister und Ständekammerabgeordneter für seine Stadt. Aus dem erhaltenen Briefwechsel zwischen ihnen geht hervor, wie intensiv sich Merkel mit Glaubensfragen auseinandersetzte und welch gro92

ßes Interesse er für Löhes Reformbestrebungen aufbrachte.130 Ein Anhänger Löhes aus der jüngeren Generation war der Ultramarinfabrikant Johannes Zeltner (* 1805), auch er einer der führenden Nürnberger Unternehmer, der nach Aussage seines Biographen aus einem tiefreligiösen Elternhaus stammte; seine Hochzeitsreise ging nach Wittenberg.1311876 erinnerte er in einem handschriftlichen Testamentszusatz seine Erben daran, »daß denen die Gott wahrhaft lieben, durch alles ! im Thun und Lassen ! alles ! zum wahren Besten dienen muß !« und mahnte sie, nicht »träge« in der Erfüllung ihrer »Pflicht« zu sein.132 Unter seinen Altersgenossen war Zeltner aber wohl ebenso die Ausnahme wie der zum Katholizismus konvertierte Bankier Karl Frhr. von Eichthal (*1813), der sein Testament »in Erwägung der Hinfälligkeit des Menschen, und ergeben in den Willen Gottes« errichtete.133 Die Haltung der jüngeren Unternehmergeneration repräsentieren eher Männer wie Platners Neffe Cramer-Klett (*1817) und der gleichaltrige Lothar (Frhr. von) Faber. Cramer-Klett, im Geist eines aufgeklärten Protestantismus erzogen und beeindruckt von der liberalen Ideenwelt der Schweiz, die er während seiner Tätigkeit für ein Genfer Bankhaus Anfang der 1840er Jahre kennengelernt hatte, war schon in jungen Jahren dem Philosophen Ludwig Feuerbach freundschaftlich verbunden. Neben Feuerbach zählten Darwin und Schopenhauer auch in den späteren Jahren zu seinen Lieblingsautoren.134 Faber hatte Benjamin Franklins Autobiographie »immer und immer wieder« gelesen und nahm sie häufig auf Reisen mit. »Wahrheit, Sittlichkeit, Fleiß« gab er er als Lebensdevise an und setzte sich schon früh das Ziel, Millionär zu werden. »Gottes Segen«, in dem seine Mutter die Quelle geschäftlicher Erfolge erkennen wollte, vermochte er nur noch darin zu sehen, daß ihm Gott einen »gesunden Geist und Körper« gegeben habe.135 Die genannten Unternehmer waren keine Randfiguren, sondern zentrale Gestalten in der Wirtschaft ihrer Städte; insofern ist die Aussagekraft der wenigen Fälle doch recht groß. Bemerkenswert ist, daß sich gerade die älteren Unternehmer und darunter besonders die Nürnberger nicht durch eine einheitliche Glaubensauffassung auszeichneten. Vor allem die Testamente lassen überdies darauf schließen, daß auch von einem einheitlichen Wandel der religiösen Uberzeugung kaum die Rede sein kann. Das dichotomische Modell von der konfliktreichen Ablösung einer tiefreligiösen durch eine religiös indifferente oder gar glaubensfeindliche Generation nach 1850, mit dem Zunkel die rheinisch-westfälischen Unternehmer beschreibt, läßt sich auf die frühen bayerischen Unternehmer in dieser Schärfe wohl nicht anwenden.136

93

g) Herkunftstypen Am Ende dieses Abschnitts soll die Frage stehen, ob sich nun, nach der Analyse wesentlicher Aspekte ihrer Herkunft, die frühen Unternehmer der vier Städte einigen klar umrissenen (Real-)Typen zuordnen lassen. Die Unterschiede zwischen den Städten waren gewiß nicht so ausgeprägt, daß man etwa vom typischen Münchener oder Nürnberger Unternehmer der frühen Industrialisierung sprechen könnte. Auch wiesen Ortsgebürtige und Zuwanderer, Protestanten und Katholiken nicht solch voneinander abweichende Merkmale auf, daß man hier ansetzen könnte. Allerdings waren die ihrem Glauben weiterhin verhafteten jüdischen Unternehmer noch eine deutlich abgegrenzte Gruppe: meist gerade erst zugewandert und durch noch nachwirkende Berufsbarrieren wie ihre Väter auf kaufmännische Bildung und eine Tätigkeit im Handel und Bankgeschäft verwiesen. Deutliche Unterschiede bestanden zwischen den Handelsunternehmern und den Industriellen ihrer sozialen Herkunft und ihrer Bildung nach. Doch beide waren in sich recht heterogene Gruppen. Sie lassen sich durchaus nicht als ganze einerseits einer eingesessenen stadtbürgerlichen Oberschicht und andererseits einer neu sich bildenden, zugewanderten Bourgeoisie zuordnen. Es muß überdies als fraglich erscheinen, ob sich nach den Verwerfungen der napoleonischen Zeit für die Jahre um 1830 überhaupt noch eine alteingesessene stadtbürgerliche Oberschicht identifizieren läßt. Die maßgebenden Großkaufleute der Städte waren zum Teil nur eine Generation länger ansässig als neu zuwandernde Fabrik- und Unternehmensgründer; Patriziat und Stadtadel hatten sich teils zurückgezogen, teils sich aufgelöst oder tiefgreifend gewandelt. Distanz zur entstehenden Industrie bestimmte ihre Haltung nicht durchgängig, auch wenn der Aufbau der Augsburger Großbetriebe durch die führenden Finanziers der Stadt der Sonderfall war. Man bleibt daher auf die aus der Analyse von sozialer Herkunft und Ausbildung gewonnenen Typen verwiesen. Zwar läßt sich, wie gezeigt, nicht vom Typ des »Technikers« sprechen; dazu war die soziale Herkunft der auf der Basis einer höheren technischen Qualifikation startenden Unternehmer zu heterogen. Gleiches gilt fur die »Erben« mit ihren sehr unterschiedlichen Ausbildungsgängen wie Geschäftsgrößen. Einigermaßen scharf umrissen ist hingegen der Realtypus des »Kaufmann-Unternehmers«, der aus einer Handelsunternehmer- oder Kaufmannsfamilie stammte und selbst wieder eine kaufmännische Ausbildung erhalten hatte; allerdings war für viele Erben und Nachfolger unter den Industriellen und für viele Söhne aus bildungsbürgerlichen Elternhäusern die kaufmännische Ausbildung eben auch der Weg in eine Unternehmerlaufbahn. Relativ klar läßt sich dann aber vor allem der »Handwerker-Unternehmer«: der Fabrikgründer aus handwerklich-kleingewerblichem Elternhaus mit rein handwerklicher Ausbildung und 94

einem relativ schmalen Startkapital von den übrigen Unternehmern abgrenzen, auch wenn hier den ortsgebürtigen etwa ebenso viele zugewanderte Unternehmer gegenüberstehen.

2. Heirat u n d Familie a) Das Konnubium In den folgenden drei Abschnitten richtet sich der Blick über die einzelnen Unternehmer hinaus auf ihre Familien. Im Mittelpunkt stehen zunächst die Ehefrauen. In ihrer sozialen Herkunft manifestieren sich die gesellschaftlichen Kontakte, die zu einem frühen Zeitpunkt der Unternehmerkarriere geknüpft wurden. Verflechtungen, Abgrenzungen und Offenheit der Gruppe, ihre inneren Differenzen und die Reichweite sozialen Aufstiegs erhalten damit weitere Konturen. Wie die Tabelle 12 zeigt,1 war das Herkunftspektrum der Schwiegerväter der frühindustriellen Unternehmer dem ihrer Väter sehr ähnlich. Unternehmer stellten die größte Gruppe, Handwerker und Gewerbetreibende dicht dahinter die zweitgrößte. Zusammen machten die Selbständigen in Handel und Gewerbe gut zwei Drittel der Schwiegerväter aus. Das war allerdings ein Anteil, der deutlich unter dem bei den Unternehmervätern lag, wo er noch mehr als drei Viertel betragen hatte. Erkennbar zahlreicher waren dagegen die Schwiegerväter, die der höheren Beamtenschaft und dem übrigen traditionellen Bildungsbürgertum zuzurechnen sind: Ihr Anteil lag bei über einem Fünftel. Unter den Schwiegervätern findet sich darüber hinaus mit den drei Offizieren eine staatsnahe soziale Gruppe, die unter den Unternehmervätern nicht vertreten war. Dagegen stammte, anders als die Unternehmer selbst, keine ihrer Frauen mehr aus einem bäuerlichen Elternhaus. Insgesamt überwogen die Parallelen zur sozialen Herkunft der Unternehmer, doch ist eine gewisse Öffnung hin zum traditionellen Bildungsbürgertum und zu staatsnahen Berufsgruppen unverkennbar. Verglichen mit der sozialen Herkunft der frühindustriellen Unternehmer ist die ihrer Ehefrauen erheblich weniger genau untersucht worden. 43 von 51 Schwiegervätern der bis 1870 tätig werdenden Textilindustriellen Westfalens waren selbst Unternehmer, nur 2 waren Handwerker, die übrigen 6 Beamte und »Akademiker«.2 Andere nicht quantifizierende Studien trennen nicht scharf zwischen den Unternehmern selbst und ihren Kindern. Zunkel hat für das Rheinland und Westfalen insgesamt auf die engen Heirats verbindungen zwischen den fuhrenden Unternehmerfamilien des Raumes hingewiesen und die Distanz zur Beamtenschaft, besonders aber zum Adel und 95

Tab. 12: Das Konnubium der Unternehmer bis zur Reichsgründung (in o/o)1 a) nach Großbranchen Industrielle

Handelsunternehmer

insges.

5,3 14,5 1,3 9.2 32,9 5.3

27,8 5,6 1,9 20,4 5,6 1,9

14,6 10,8 1,5 13,8 21,5 3.8

1,9

0,8

9.3 5.6 3.7 5.6 7.4

9.2 2.3 3,1 6.9 3,8

3.7

3,8 0,8

Beruf des Schwiegervaters Handelsunternehmer Industrieller Unternehmer allg. Kaufinatin Handwerksmeister Sonst. Gewerbetreibender Gutsbesitzer Höherer Beamter Offizier Pfarrer Freier Beruf Beamter allgemein

2,6 7,9 1.3

Sonst. Beamter Angestellter

3,9 1,3

Geselle, Arbeiter

5,3

Zahl der Fälle = Keine Information = 1 2

9.2

76 53

3,1 54

22

130 75 2

Die Angaben beziehen sich auf die erste Ehe. 7 Unternehmer blieben ledig.

zum Offizierskorps betont; für die in der Kirche verwurzelten protestantischen Unternehmer besaß daneben das Konnubium mit Pfarrersfamilien einen hohen Stellenwert.3 Ein ähnliches Bild ist für das Saargebiet gezeichnet worden.4 Auch bei den mittleren Berliner Industriellen und auch in Sachsen dominierten die Heiratsverbindungen mit anderen Unternehmerfamilien.5 Nachdem die Kriterien für die Abgrenzung der Unternehmer gegenüber Handwerkern und sonstigen Gewerbetreibenden in den anderen Studien nicht deutlich definiert sind, wird man konstatieren können, daß demnach auch das Konnubium der frühen bayerischen Unternehmer insge96

b) nach Städten München Nürnberg

Augsburg

Regensburg insges.

Beruf des Schwiegervaters 12,9 3,2

12,5 10,9

22,2 22,2

(1)

_

3,1 20,3 21,9

_

_

3,2 29,0

11,1 14,8

(1) (1)

Sonst. Gewerbetreibender

3,2

6,3

-

-

3,8

Gutsbesitzer

-

1,6

-

-

0,8

Handelsunternehmer Industrieller Unternehmer allg. Kaufmann Handwerksmeister

Höherer Beamter Offizier Pfarrer Freier Beruf Beamter allgemein

12,9 6,5

Sonstiger Beamter Angestellter Geselle, Arbeiter Zahl der Fälle = Keine Information =

6,3 -

11,1 3,7

4,7 7,8 1,6

-

6,5

1,6

-

-

3,7 3,7

6,5

1,6

3,7

-

9,7 6,5

31 17

64 29

-

3,7

27 24

-

(1) -

(1) (1) (1)

14,6 10,8 1,5 13,8 21,5

9,2 2,3 3,1 6,9 3,8

-

3,8 0,8

-

3,1

(1)

8 5

130 75

samt dem Konnubium der Unternehmer in anderen deutschen Regionen entsprach. Kocka hat diese Tendenz zur Verflechtung mit anderen Unternehmerfamilien und die daraus resultierenden, räumlich immer weiter gespannten Heiratsnetze mit ihrer ökonomischen und sozialen Funktionalität erklärt: Zunächst - vor der Entstehung leistungsfähiger Großbanken und dem Aufkommen der Aktiengesellschaft - standen dabei die direkten Zwecke der Kapitalakkumulation und der Bildung von quasi konzernähnlichen Großfamilienunternehmen im Vordergrund. An ihre Stelle traten jedoch allmählich die indirekten Funktionen solcher Verbindungen: Information und Kommunikation, die ein günstiges Umfeld fur die eigene Geschäftstätigkeit schufen, die Formulierung gemeinsamer Interessen erleichterten und damit entscheidend zur Klassenbildung beitrugen. 6 Den erreichten oder behaupteten sozialen Status durch eine Heiratsverbindung mit dem traditionellen 97

Bildungsbürgertum, mit Beamten- und Offiziersfamilien oder gar dem Adel zu manifestieren, so wird man hinzufügen können, war für die frühen Unternehmer selbst - jedoch nicht unbedingt bei der Wahl des Berufs für ihre Söhne und des Heiratspartners für ihre Töchter - zweitrangig. Die Festellung, daß Unternehmer und andere Selbständige in Handel und Gewerbe unter den Schwiegervätern dominierten, bedarf jedoch weiterer Differenzierung. Wie die Tabelle 12 erkennen läßt, bestanden große Unterschiede sowohl zwischen den Städten wie auch zwischen Handelsunternehmern und Industriellen. Während in Nürnberg und Augsburg mehr als die Hälfte aller Schwiegerväter auf Unternehmer und Kaufleute entfielen, war es in München nur noch etwa ein Fünftel. Hingegen ging hier, in der Hauptund Residenzstadt mit ihrer Häufung militärischer und ziviler Staatsbehörden, über ein Drittel der Unternehmer mit der Tochter eines Beamten, Offiziers oder anderen Akademikers die Ehe ein. In Augsburg, Sitz einer Bezirksregierung, lag der Anteil der Beamten unter den Schwiegervätern unverkennbar höher als in Nürnberg. Die Zusammensetzung der jeweiligen Stadtgesellschaft übte anscheinend einen gewissen Einfluß auf das Konnubium der Unternehmer aus. Die Großbranchen differierten vor allem beim Anteil der Handwerker und anderen Gewerbetreibenden. Während weniger als ein Zehntel der Handelsunternehmer in solche Familien einheiratete, war es bei den Industriellen weit über ein Drittel. Beide Gruppen unterschieden sich auch in den Heiratsverbindungen, die sie mit anderen Unternehmerfamilien knüpften: Fast die Hälfte der Handelsunternehmer ging die Ehe wieder mit der Tochter eines Handelsunternehmers oder Kaufmanns ein, hingegen nur ein Siebtel der Industriellen. Nahezu ein Drittel der Handelsunternehmer heiratete überdies in eine Beamten, Offiziers- und andere Akademikerfamilie ein, während es bei den Industriellen mit etwa einem Fünftel deutlich weniger waren. Die Unterschiede des jeweiligen Tätigkeitsfeldes schlugen sich demnach ebenfalls im Konnubium nieder. Einschränkend muß freilich auf die zum Teil sehr hohe Zahl unbekannter Fälle verwiesen werden. Weitere Aufschlüsse über die Differenzen beim Konnubium und ihre Gründe lassen sich gewinnen, wenn man Konnubium und soziale Herkunft in Verbindung miteinander betrachtet. Die Werte von Tabelle 13 deuten einen engen Zusammenhang von Herkunfts- und Heiratsmilieu an, wenngleich beide nicht als so klar miteinander verknüpft erscheinen wie Herkunft und Ausbildung.7 Die Mehrheit der Söhne von Handelsunternehmern und Kaufleuten war mit Töchtern aus den gleichen Elternhäusern verheiratet; die Zahl der Ehen von Unternehmern aus anderen Herkunftsgruppen mit Töchtern aus solchen Familien war nur etwa halb so groß. Entsprechendes gilt für die Söhne von Handwerkern und anderen Gewerbetreibenden: Auch die meisten von ihnen blieben bei 98

Tab. 13: Konnubium und soziale Herkunft der Unternehmer bis zur Reichsgründung Beruf des Vaters1

A

Β

c

D

E

Beruf des Schwiegervaters Handelsunternehmer Industrieller Unternehmer allgemein Kaufmann Handwerksmeister Sonst. Gewerbetreibender

12 5 1 9 2

-

4 1 3 4

1 4

-

1

3 1

-

-

-

3

2 1

-

-

1

-

-

3 14 5

Gutsbesitzer

-

-

-

-

Höherer Beamter Offizier Pfarrer Freier Beruf Beamter allg. Sonst. Beamter

4 2 3 3 2 1

3

2

_

-

-

-

-

-

Geselle, Arbeiter

-

1 1 1

1 1

-

2 1 -

-

1

-

-

-

-

1

3

1

1

-

-

Zahl der Fälle = 116 Keine Information = 89 1 A = Handelsunternehmer, Kaufleute; Β = Industrielle; C = Handwerksmeister, Gewerbetreibende; D = Gutsbesitzer, Landwirte; E = Beamte, Freie Berufe, 1 Bürgermeister; F = Arbeiter.

der Heirat innerhalb ihres Herkunftsmilieus, und auch hier gingen weitaus weniger Unternehmer anderer Herkunft mit der Tochter eines Handwerkers oder anderen Gewerbetreibenden die Ehe ein. Breit war hingegen das Spektrum bei den Söhnen aus Beamten- und Akademikerfamilien. Sie knüpften etwa im gleichen Ausmaß Verbindungen zu Unternehmerfamilien (jedoch kaum zu Handwerkerfamilien) wie sie in Familien ihres Herkunftsmilieus einheirateten. Nur etwas weniger als die Hälfte der Ehen mit Beamten-, Offiziers- und Akademikertöchtern entfielen auf die Söhne von Handelsunternehmern: Wie die Analyse ihrer Herkunft gezeigt hat, kamen sie eher aus schon etablierten Familien, verfugten über ein weitaus größeres Startkapital als die dem handwerklich-kleingewerblichen Milieu entstammenden Unternehmer und besaßen damit wesentlich bessere Voraussetzun99

gen zur Einheirat in eine Beamten-, Offiziers- und Akademikerfamilie. Der Kaufmann-Unternehmer und der Handwerker-Unternehmer unterschieden sich also deutlich auch in ihrem Konnubium. An einer Reihe von Fällen sollen die beschriebenen Zusammenhänge illustriert und präzisiert werden. Besonders eng war die Verbindung von Heirats- und Herkunftsmilieu bei den Brauern. Der Bauernsohn und Löwenbräugründer Georg Brey heiratete die Tochter eines Brauers, ebenso sein Sohn und Nachfolger Ludwig. Gleiches galt für den Brauerssohn Gabriel Sedlmayr, den Metzgerssohn Christian Lederer in Nürnberg und seinen Erben Georg, dessen Frau die Tochter des Brauereibesitzers Henninger aus dem benachbarten Erlangen wurde. Georg Lederer erhielt zu seiner Heirat die nicht geringe Summe von 15.000 fl. vom Vater, seine Verlobte brachte ein mütterliches Erbe von 12.000 fl. in die Ehe ein.8 - Der Nürnberger Bleistiftfabrikant Christoph Friedrich Staedder wurde 1836 Teilhaber im noch kleinen Betrieb des Vaters und heiratete eine aus der Stadt stammende Büttnermeisterstochter. Beide brachten jeweils 500 fl. in die Ehe ein.9 Die Ehefrau seines Vetters und Branchenkollegen Johann Georg war die Tochter eines »Etui- und Schatullenfabrikanten«; Ausstattung und Heiratsgut beliefen sich bei ihm auf 700 fl., bei seiner Braut auf 1.065 fl.10 In der Parität des Vermögens von Braut und Bräutigam spiegelt sich die Herkunft aus dem gleichen Milieu. Vermögensverhältnisse wie im Fall Staedtlers machten die Eheverbindung mit der Familie eines Großkaufmanns oder eines höheren Beamten wenig wahrscheinlich. Im Fall Lederers war die finanzielle Basis deutlich breiter, aber, wie einige Beispiele noch zeigen werden, doch schwächer als in den großen Kaufmannsfamilien; zudem verfugte Lederer nur über eine handwerkliche Bildung. In einigen Fällen gelangten Handwerker-Unternehmer über eine entsprechende Heirat in eine Unternehmerposition. So ging der Nürnberger Wirtssohn und als Lebküchner ausgebildete Heinrich Haeberlein mit der Tochter eines Lebküchnermeisters die Ehe ein und übernahm später dessen Geschäft. Den 3.000 fl. seiner Braut konnte er nur wenig mehr als 1.000 fl. entgegensetzen.11 Unter dem bis 1868 geltenden Konzessionssystem war dies der einfachere Weg, zur selbständigen Ausübung eines realen Gewerbes zu gelangen; der Kauf der entsprechenden Gewerbegerechtigkeit wäre teuerer gewesen.12 Doch brauchte der potentielle Schwiegersohn eine gewisse finanzielle Basis für den Einstieg in das Unternehmen. - Der Goldspinnerssohn Ernst Schmidmer - »in einfachen Verhältnissen aufgewachsen und ohne besondere Schulbildung« - brachte ein Vermögen von über 7.000 fl. mit, als er nach der kaufmännischen Ausbildung und mehreren Jahren als Commis und Geschäftsführer verschiedener Firmen 1826 die Tochter des Drahtzugbesitzers Lorsch zur Frau nahm und Teilhaber seines Schwiegervaters wurde.13 - Für den vom Elternhaus mit wenig Mitteln versehenen 100

Unternehmer führte die Karriere entweder über den langsamen Ausbau eines kleinen Betriebs wie bei vielen Nürnberger Metallindustriellen, über eine längere Zeit unselbständiger Tätigkeit, während der Startkapital angespart werden konnte, oder endete in der Position des angestellten Unternehmers, für die der Besitz von Kapital nicht erforderlich war. Das Konnubium besiegelte höchstens die ersten Stufen eines sozialen Aufstiegs, ermöglichen konnte es ihn nicht. Auch der steile Aufstieg schlug sich durchaus nicht in einer entsprechend prestigesträchtigen Eheverbindung nieder: Ludwig August Riedinger heiratete eine »Chirurgentochter« aus Heidenheim; Georg (von) Rrauss die Tochter eines Seifensieders aus Wassertrüdingen.14 Auch die aus dem Handwerk stammenden frühen Maschinenbauer blieben bei der Heirat meist innerhalb des handwerklich-kleingewerblichen Milieus. Der gelernte Mechaniker Carl August Reichenbach ging mit der Tochter eines »Expeditors« der Cottaschen Druckerei die Ehe ein, der Müllerssohn Späth mit einer Weißgerberstochter, der Hufschmiedssohn Rathgeber mit der Tochter eines Bäckers.15 Man wird die Partnerwahl der Handwerker-Unternehmer, der Erben noch sehr kleiner Betriebe und gerade der Aufsteiger unter den aus handwerklichem Milieu stammenden Unternehmern kaum damit erklären können, daß sie bei dem Versuch, Zutritt zur > besseren Gesellschaft zu finden, gescheitert wären. Wesentlicher Faktor war vielmehr das Heiratsalter: Die hier erfaßten frühen Unternehmer gingen in einem mittleren Alter von 29 Jahren ihre erste Ehe ein.16 Dies war zugleich das mittlere Alter, in dem sie sich selbständig machten oder Teilhaber etwa in der Firma des Vaters wurden:17 Zum Zeitpunkt ihrer Heirat standen sie also noch am Anfang ihrer Karriere. Deren erfolgreicher Verlauf war - gerade bei Aufsteigern, die wie Riedinger und Krauss erst in fortgeschrittenen Jahren ihr eigenes Unternehmen gründeten - noch keineswegs absehbar. Ihre Herkunft - das Elternhaus, der Heimatort, die Ausbildung - setzte deshalb Rahmen und Richtung bei der Suche nach einer Braut.18 Riedingers Frau etwa stammte aus dem Ort, in dem er zum Zeitpunkt der Eheschließung (1833) als Modellschreiner tätig war. Uber bessere Voraussetzungen, sich beim Konnubium von der eigenen sozialen Gruppe zu lösen und mit der Tochter eines Offiziers, Beamten und anderen Akademikers die Ehe einzugehen, verfügten die Söhne von Großkaufleuten und Bankiers und bereits etablierten Industriellen. Der Sohn des oben erwähnten Ernst Schmidmer heiratete die Tochter eines Regierungsrates aus Coburg, Lothar (Frhr. von) Faber die Tochter eines Ansbacher Appellationsgerichtsrats.19 - Schwiegervater des Münchener Großkaufmanns und Firmenerben Angelo Knorr wurde der Direktor des Münchener Oberappellationsgerichts. Nach dem 1855 abgeschlossenen Ehevertrag zwischen 101

Knorr und seiner Braut Elise von Molitor brachte diese ein Heiratsgut von 20.000 fl. in die Ehe ein, dazu eine Ausstattung im Wert von 3.000 fl. Knorr, bereits seit drei Jahren Alleineigentümer der Großhandlung seines Vaters, bestimmte als »Widerlage« des Heiratsguts die Summe von 40.000 fl.: Damit war das Vermögen definiert, über das sie als Witwe würde verfügen können.20 - Der Sägmüllerssohn Andreas Reh, bei seiner Hochzeit 1856 Buchhalter, später I. Direktor der Augsburger Weberei am Fichtelbach, heiratete die Tochter eines Landrichters. Er selbst verfugte neben einem jährlichen Gehalt von 700 fl. über ein Vermögen von 6.000 fl., während seine Braut nur 1.000 fl. in die Ehe einbrachte.21 In all diesen Fällen, wenn auch auf ganz verschiedenen Ebenen, mochte das größere Vermögen des Bräutigams sein geringeres gesellschaftliches Ansehen kompensieren. Von keinem noch nicht etablierten Unternehmer ist jedenfalls bekannt, daß er in eine reiche Nicht-Unternehmerfamilie eingeheiratet hätte. Der vermögende Großhandlungserbe konnte Kontakt zu den höchsten Rängen der Beamtenschaft finden, während fur den aus bescheideneren Verhältnissen stammenden Unternehmer wahrscheinlich der noch wenig professionalisierte »Chirurg« oder ein Beamter wie der Landrichter die erreichbare gesellschaftliche Ebene markierten.22 Die Parallelen zwischen sozialer Herkunft und Konnubium lassen vermuten, daß die etablierten Unternehmerfamilien schon durch Heiraten der Unternehmer selbst eng untereinander verflochten waren. Wie intensiv diese Verbindungen waren, über wie viele Generationen sie reichten, welche Verwandtschaftsgrade in sie einbezogen waren und welche Regionen sie erfaßten, das freilich könnten nur eingehende genealogische Studien zu jeder dieser Familien klären. Insofern müssen die hier und im folgenden Abschnitt angestellten Überlegungen zu den Heiratskreisen bruchstückhaft bleiben. Immerhin deutet Tabelle 13 auf recht enge Verflechtungen zwischen den Familien der Handelsunternehmer hin, in die aber auch Industrielle aus Kaufmannsfamilien einbezogen waren. Dies gilt besonders für Augsburg. Einige Beispiele, die sich leicht vermehren lassen, mögen hier genügen. Der Kattunfabrikant Karl Ludwig (von) Forster heiratete die Tochter seines Onkels und Associés, Friederike Henriette Hartmann; ihre Schwester (?) Magdalena war die Frau des Großhändlers Samuel Frommel. Forsters Söhne und Nachfolger Julius und Moritz waren mit Töchtern des Kaufmanns und Fabrikanten Ludwig Sander verheiratet. Ehemann einer Tochter Forsters wiederum war der Bankier Jacob Friedrich Schmid d. J.23 - Unternehmer, die Sohn eines adeligen Patriziers oder eines in den erblichen Adelsstand erhobenen Unternehmers waren, knüpften allerdings kaum Heiratsverbindungen mit bürgerlichen Familien: Sie waren eher mit anderen nobilitierten Familien und Familien der stadtadeligen Unternehmerschicht verflochten, aber auch schon mit Familien des niederen 102

bayerischen Adels. Benedikt Ferdinand Frhr. von Schaezler, dessen Vater der erbliche Adel verliehen worden war, heiratete die Tochter des ebenfalls nobilitierten Kattunfabrikanten von Froelich, sein Bruder Karl Ludwig die Tochter des Obristleutnants von Löweneck, wozu sie ein Heiratsgut von jeweils 50.000 fl. erhielten; beide führten das Bankhaus des Vaters fort. 24 Einzelnen Unternehmern bürgerlicher Herkunft gelang jedoch die Einheirat in eine patrizische Unternehmerfamilie. Theodor (von) Hassler, später Direktor der Augsburger Stadtbachspinnerei und Vorsitzender des CVDI, ging 1858 mit der Bankierstochter Mathilde von Hoeßlin die Ehe ein. Hassler war damals noch als Ingenieur bei Riedinger angestellt, war aber als Sohn eines promovierten Ulmer Gymnasialprofessors und als Absolvent des Karlsruher Polytechnikums eben doch kein Aufsteiger aus einer deutlich niedrigeren sozialen Schicht.25 Auch in Nürnberg lassen sich enge Verflechtungen der fuhrenden Kaufmanns- und Bankiersfamilien nachweisen. Einzelne Industrielle waren aber auch hier in diese Heiratskreise einbezogen. Der zugewanderte Kaufmannssohn Johann Friedrich Klett ehelichte eine Cousine des Großkaufmanns Georg Zacharias Platner; Plainer selbst war wiederum mit einer Tante Theodor (Frhr. von) Cramer-Kletts verheiratet.26 Der Ultramarinfabrikant Johannes Zeltner, zugewanderter Sohn eines Landwirts und Hopfenhändlers, nahm eine Tochter des Großkaufmanns Amberger zur Frau, deren Onkel der Hopfenhändler, Π. Bürgermeister und Eisenbahnpionier Johannes Scharrer war.27 Bei den - wenigen - Nürnberger Unternehmern, die Söhne von Patriziern oder geadelten Unternehmern waren, ist zumindest kein durchgängiges Bestreben spürbar, sich nur noch adlige Ehepartner zu suchen. Die Söhne und Enkel des 1816 nobilitierten Großhändlers Benedict (von) Schwarz heirateten sowohl in alte Patrizier- als auch in bürgerliche Kaufmannsfamilien der Stadt ein; unter ihren Schwiegervätern war außerdem ein juristisch gebildeter Bürgermeister Nürnbergs. 28 Ehefrau des Patriziers und Großhändlers Friedrich C.A. von Grundherr wurde eine Enkelin von Schwarz, die neben einer Aussteuer von 3.000 fl. ebenso wie ihr Mann 20.000 fl. in die Ehe einbrachte.29 Auch in München waren die Familien der Großhändler und Bankiers miteinander verflochten. Joseph Anton von Maffei, dessen nobilitierter Vater in die Familie des Tabakfabrikanten und Ratsherren Mayr eingeheiratet hatte, nahm eine bürgerliche Münchener Kaufmannstochter zur Frau. 30 Verbindungen zum bayerischen Hochadel knüpften von den Unternehmern selbst nur die Hofbankiers aus der Familie Eichthal. Aaron Elias Seligmann, 1811 zum katholischen Glauben konvertiert, war 1814 für sich und seine Nachkommen als Freiherr von Eichthal vom bayerischen König in den erblichen Adelsstand erhoben worden. Die Söhne Arnold, Bankier in Augsburg, und Simon, Hofbankier in München und Mitbegründer der Bayeri103

sehen Hypotheken- und Wechselbank, gingen noch mit Töchtern anderer jüdischer Bankiers die Ehe ein.31 Simons Sohn Julius, Lederfabrikant und Mühlenbesitzer in München, heiratete 1847 eine Tochter des Grafen und Ministers von Armansperg. Sein Bruder Karl, Nachfolger seines Vaters als Chef des Bankhauses, nahm 1843 eine Tochter des bayerischen Obersten Johann Baptist Graf Khuen von Belasi zur Frau.32 In einem Ehevertrag zwischen beiden wurde vereinbart, daß die Braut 20.000 fl., der Bräutigam hingegen 150.000 fl. in die Ehe einbringen sollte; statt einer »Widerlage« wurde eine Witwenrente von 2.000 fl. festgelegt und Eichthal außerdem zur Zahlung eines jährlichen »Nadelgeldes« von 600 fl. verpflichtet. Rente und Nadelgeld wurden in einem Zusatzvertrag auf 6.000 fl. bzw. 1.800 fl. erhöht, wofür die Ehefrau im Gegenzug ausdrücklich anerkannte, daß sie kein Recht auf sämtlichen Zugewinn während der Ehe besaß. Das Konnubium zwischen altem Hoch- und jungem Geldadel konnte demnach erst über die gemeinsamen Kinder dem alten Adel deutliche finanzielle Vorteile bringen. Ob eine solche Regelung für derartige Eheverbindungen repräsentativ war, muß offenbleiben.33 Die wenigen Informationen zum Konnubium der Regensburger Unternehmer lassen nicht auf enge Verbindungen zwischen ihnen schließen. Möglicherweise hängt dies mit der gegenüber den anderen Städten viel größeren Fluktuation zusammen, der das Regensburger Patriziat und die Kaufmannschaft der Stadt in der Umbruchszeit um 1800 ausgesetzt waren.34 Die zuwandernden Verleger Pustet und Manz heirateten Beamtentöchter. Der aus Würzburg stammende Manz war als Sohn eines Weinhändlers nicht unvermögend; er wäre durchaus eine passende Partie für die Regensburger Kaufmannsfamilien gewesen.35 Pustet und Manz waren jedoch Katholiken, Protestanten hingegen die übrigen Großkaufleute und Fabrikanten der Stadt, von den wenigen Juden abgesehen. Der Konfessionsunterschied erwies sich aber nicht nur bei den Heiraten der Regensburger Unternehmer als wichtige Barriere. In allen vier Städten lassen sich für die Zeit bis zur Reichsgründung 12 Mischehen (von 82, in denen die Konfession beider Ehegatten bekannt ist) nachweisen; 8 Protestanten hatten katholische, 4 Katholiken protestantische Ehefrauen. Von zwei Ausnahmen abgesehen gehörten aber weder sie noch ihre Frauen zu den etablierten Großhändler- und Bankierfamilien.36 Bei den >großen Familien wurde offenbar in allen Städten auf die Konfessionsgleichheit der Ehepartner Wert gelegt. Dies ergab sich nicht nur aus dem hohen Rang, den die Religion zumindest in der älteren Unternehmergeneration noch besaß; es wirkte loyalitätssichernd und vertrauensbildend und war insofern auch ökonomisch funktional.37 Die Schranke der Konfession/Religion trug auch mit dazu bei, daß die Unternehmer sich nur selten Ehepartner aus einer der anderen drei Städte 104

suchten. Von den 140 Ehefrauen, deren räumliche Herkunft bekannt ist, stammten nur 8 aus einer der übrigen Städte; bei ihnen handelte es sich nicht um Gattinnen von Unternehmern aus den >großen FamilienFeudalisierung< einer besonders vermögenden Spitzengruppe unter den frühen bayerischen Unternehmern sprechen kann. Der funktionale Zug dieser Standeserhöhungen ist freilich nicht zu übersehen. Das Selbstverständnis der neuen Adligen und Freiherrn entzieht sich zudem einfacher Kategorisierung: Der Grund- und Gerichtsherr Schaezler ließ sich 1823 auf dem kurz zuvor erworbenen Schloßgut von seinen Bauern huldigen, lehnte jedoch im gesellschaftlichen und geschäftlichen Verkehr die ihm zustehende Anrede »Baron« durchaus ab und blieb - wie seine Söhne Benedikt Ferdinand und Karl - weiter als Bankier tätig.19 Auch hier trifft die Hypothese von der >Feudalisierung< demnach nur partiell zu.20 Im Vergleich zu den Erhebungen in den erblichen Adelsstand blieb die Zahl der Ordensverleihungen an Unternehmer bis 1848 spärlich. Den Kronenorden erhielten nur die bereits nobilitierten Bankiers und Mitbegründer der Hypotheken- und Wechselbank Simon Frhr. von Eichthal in München (1832) und Carl Frhr. von Lotzbeck in Augsburg (1835).21 Träger des Michaelsordens wurden die Augsburger Bankiers und Industriellen Karl Forster (1839), Eduard von Froelich (1845), Benedikt Ferdinand Frhr. von Schaezler (1845) und Ludwig Sander (1848), daneben die Brüder Bestelmeyer aus Nürnberg (1838 und 1844) sowie Joseph Anton von Maffei (1842), Traugott Ertel (1839) und Carl August Steinheil (1841) in München. Von den beiden zuletzt genannten abgesehen waren die Ausgezeichneten bedeutende Unternehmer aus den etablierten Familien und zum Teil bei Maffei, Schaezler, Georg Bestelmeyer - infolge ihrer öffentlichen Amter besonders prominent und insofern um den Staat verdient. In Steinheil wurde der Erfinder und Professor geehrt, noch nicht der Unternehmer, der er erst in den 1850er Jahren wurde. Ertel dagegen stammte aus der Unterschicht, gehörte auch über seine Heirat nicht zu den führenden Kreisen der Münchener Stadtgesellschaft: und bekleidete kein öffentliches Amt. Bei ihm konnte nur die Qualität der Erzeugnisse des von ihm allein geleiteten optischen Instituts Grund der Auszeichnung sein.

c) 1848 bis 1868: Zunahme der Ordensverleihungen Der in der Revolution durch die Abdankung seines Vaters an die Regierung gekommene König Maximilian II. setzte in der Ordenspolitik neue Akzente. Noch im Sommer 1848 gab er Erhebungen der Kreisregierungen mit dem Ziel in Auftrag, ihn über »die Namen jener Männer aus den verschiedenen 138

Classen der Gesellschaft« in Kenntnis zu setzen, »welche sich irgendwo verdient gemacht haben, und die Liebe und das Vertrauen ihrer Mitbürger besitzen, um selbe bey Gelegenheit auszeichnen zu können«. Ende 1851 wünschte er Vorschläge für Auszeichnungen, die »ersprießliches Wirken im Stillen« belohnen sollten.22 1853 folgte die Stiftung des Maximilians-Ordens für Wissenschaft und Kunst,23 1855 die bereits erwähnte Erweiterung des Verdienstordens vom Hl. Michael. Resultat dieser Bemühungen war zunächst ein deutlicher Anstieg der Zahl der Ordensverleihungen, der seinen Höhepunkt 1852 erreichte; danach gingen die Zahlen wieder zurück. Auch die Unternehmer partizipierten an der Ausweitung der Ordensverleihungen, ohne als Gruppe dabei in den Vordergrund zu treten. Mit fünf neuen Trägern des Michaelsordens war auch bei ihnen 1852 der Höhepunkt erreicht; im Jahr davor waren es zwei, im Jahr danach nur einer.24 Nach langer Pause erhielten jetzt Unternehmer wieder den Kronenorden verliehen. Diese Art der Auszeichnung blieb jedoch weiterhin eine Seltenheit. Den Anfang machte Josef Anton von Maffei 1851, Theodor Cramer-Klett folgte 1854, neun Jahre später Lothar Faber, 1867 dann Wilhelm Neuffer aus Regens bürg. Sie wurden alle Ritter des Ordens und damit - außer dem infolge der Standeserhöhung seines Vaters bereits adligen Maffei - nobilitiert. Cramer-Klett und Maffei erhielten 1866 das Komtur-Kreuz des Michaelsordens. Während bei Maffei und vor allem bei Neuffer ihre öffentlichen Amter mit ein Grund für die hohe Auszeichnung gewesen sein dürften, gaben bei Cramer-Klett und Faber eindeutig ihre wirtschaftlichen Leistungen den Ausschlag. Im gleichen Jahr, 1817, geboren, waren beide zudem noch relativ jung, als sie den Kronenorden erhielten. Cramer- Klett galt 1854 nicht mehr als politisch belastet. Der Regierungspräsident sprach in seinem Gutachten dessen Verhalten während der Revolutionsjahre zwar an, verwies jedoch darauf, daß Cramer-Klett schon damals »großen und guten Einfluß« auf seine Arbeiter genommen habe; jetzt sei er »zu den conservativsten Bürgern« Nürnbergs zu zählen. »In seinem großen Etablissement als Autokrat befehlend« habe er »einsehen gelernt, daß auch bey dem Staat das monarchische Prinzip als Bedingung einiger, energischer und ersprießlicher Regierung erscheint«.25 Maffei (1863), Cramer-Klett (1866) und Faber (1866) waren außerdem die einzigen Unternehmer, die bis zum Ende der 1860er Jahre vom König in den Reichsrat berufen wurden, in die erste Kammer des bayerischen Parlaments. (Neuffer folgte 1873.) Vor ihrer Berufüng stand die Nobilitierung, ohne daß dies jedoch notwendige Voraussetzung gewesen wäre: Karl Forster lehnte 1848 ein Angebot des Königs, Reichsrat zu werden, ab, ebenso Johannes Zeltner 1866.26 Recht exklusiv blieb bis 1855 trotz seiner Ausweitung der Kreis der neuen Träger des Michaelsordens. Fast alle lassen sich dem Typ des Kaufmann139

Unternehmers zurechnen. Die Zunahme der Verleihungen nach 1848 und die parallel laufenden Bemühungen der Regierung, unter den politisch exponierten Bürgern die gouvernementalen wie antigouvernementalen auszumachen, lassen vermuten, daß der im Vergleich zum Kronenorden offener konzipierte Michaelsorden nun als politisches Instrument eingesetzt wurde. Die Vermutung bestätigt sich aber nur zum Teil. Nur einige der in den >weißen Listen< aufgeführten Unternehmer erhielten den Orden: Merz und Riezler in München, Zeltner, Crämer und Wiß in Nürnberg, August Frommel und Paul von Stetten in Augsburg, Schwerdtner in Regensburg. Andere Ordensträger waren dort wiederum nicht aufgetaucht, aber auch nicht auf einer der > schwarzen Listen< : Ainmiller in München, Platner und Merck in Nürnberg, Gwinner in Augsburg, Fikentscher und Rehbach in Regensburg. Die Bekleidung eines öffentlichen Amtes, vor allem als Gemeindebevollmächtigter, Magistratsrat und Handelskammermitglied spielte hier in einigen Fällen wohl eine Rolle bei der Ordensvergabe, sicher nicht in allen. Als politisch anstößig durfte ein Ordenskandidat freilich nicht gelten. Auch in den später nicht berücksichtigten Vorschlägen wiesen die Regierungspräsidenten auf die politische Integrität der genannten Unternehmer hin.27 1855 wurde die Ritterklasse des Michaelsordens um eine Stufe nach unten erweitert; die bisherigen Ritter gehörten jetzt zur ersten, oberen Klasse. In der neuen zweiten Klasse war der Anteil der Unternehmer im Vergleich zu anderen Berufsgruppen in den folgenden Jahren wesentlich höher als in der ersten, in der weiterhin Beamte und Offiziere klar dominierten. Im Vergleich zur ersten Klasse blieb jedoch die Zahl der Ordensträger in der zweiten gering. Zu den ersten zählte 1856 Ludwig August Riedinger, 1859 folgte der Großhändler, Magistratsrat und Handelskammerpräsident Hertel, 1860 der Brauereibesitzer und langjährige Landtagsabgeordnete Gabriel Sedlmayr und der Maschinenbauer und Magistratsrat Carl Buz, 1867 kamen der Verleger und Gemeindebevollmächtigte Manz und der Augsburger Buntpapierfabrikant Peter Kathan hinzu.28 Die Namen zeigen, daß nun auch die handwerklich-technisch ausgebildeten Unternehmer bei den höheren Ordensauszeichnungen berücksichtigt wurden. In der ersten Ordensklasse war die Zahl der Verleihungen wieder kaum höher als vor 1848. Für Faber (1855) und Neuffer (1858) war der Michaelsorden die Vorstufe für den Zivilverdienstorden. Mit Karl Frhr. von Eichthal, den Nürnberger Handelskammermitgliedern Wilhelm Puscher und Benedikt Zahn (der 1852 noch zu den politisch Verdächtigen gezählt hatte) und Georg Neuffer in Regensburg erhielten ihn wieder vorwiegend als Großhändler und Bankiers tätige Kaufmann-Unternehmer,29 mit Anton Riemerschmid, Leo Hänle und Friedrich Kester aber auch reine Fabrikanten. Gabriel Sedlmayr gelang 1867 der Sprung in die erste Ordensklasse. Mit dem Augsburger Bankier und Landwehr- Distrikt-Inspektor Carl Obermay140

er erhielt 1864 ein nicht konvertierter jüdischer Unternehmer den Michaelsorden. Auch in diesen Fällen dürften wirtschaftliche Bedeutung und öffentliches Amt in unterschiedlicher Gewichtung Kriterien für die Ordensvergabe gewesen sein. Insgesamt gesehen war der mit einer partiellen Feudalisierung einhergehende Nobilitierungsschub der Jahre um 1820 nicht mehr als der Nachklang einer ausgehenden Epoche. Die Auszeichnungen der Zeit nach 1848 hatten ihren Ursprung in staatlichen Instanzen, waren Resultat eines bürokratischen Verfahrens, an dessen Ende freilich nach wie vor der König selbst stand. Der Kreis der ausgezeichneten Unternehmer wurde nur geringfügig erweitert, wenn auch schließlich mit steigender Tendenz. Ein >Ordensregen< ging über die bayerischen Unternehmer noch nicht hernieder, im Einklang mit der generell restriktiven Ordenspolitik der 1850er und 1860er Jahre.30 Auch der erneute Thronwechsel von Maximilian II. zu Ludwig II. brachte zunächst keine Änderung der Vergabepraxis. Im Vordergrund standen die aus kaufmännischem Milieu stammenden und ein öffentliches Amt bekleidenden Unternehmer. Nur für ganz wenige von ihnen aber öffneten sich die höheren Ränge der Ordens- und Auszeichnungshierarchie, deren Spitzen weiterhin den traditionellen Eliten vorbehalten blieben.31 Wenn König Maximilian Π. dem Bürgertum vermehrt gesellschaftliches Prestige verschaffte, zielte er auf dessen traditionell gebildeten und beamteten Teil. Mit der Berufung Maffeis, später dann Cramer-Kletts und Fabers in den Reichsrat war aber ein deutlicher Schritt zur Aufwertung auch der Unternehmer getan.

141

V Die Unternehmer im Kaiserreich Die Weichenstellungen der Jahre zwischen 1866/68 und 1871 gaben Bayerns wirtschaftlicher, politischer und sozialer Entwicklung einen neuen Rahmen und neue Orientierungen. Durch die Einfuhrung der Gewerbefreiheit und die Etablierung großer Universalbanken mit ihrem allmählich über das Land gezogenen Filialnetz verbesserten sich die Bedingungen für die Gründung von Unternehmen und ihren Ausbau. Wichtige politische Entscheidungen fielen jetzt mehr und mehr auf der Ebene des Reichs und in seiner Hauptstadt Berlin. Werte und Leitbilder der Gesellschaft Preußens gewannen über dessen Grenzen hinaus an Einfluß, nicht zuletzt wegen der tragenden Rolle des Militärs bei der Reichsgründung. Die Struktur der bayerischen Wirtschaft wandelte sich und wurde differenzierter; mit ihr veränderten sich auch die Unternehmer als Gruppe. Nach Krise und Stagnation in den 1870er und 1880er Jahren beschleunigte sich der Wandel im Aufschwung seit Mitte der 1890er Jahre. Riesenunternehmen wie die BASF oder Schuckert mit mehreren tausend Beschäftigten und vielen Zweigbetrieben standen solchen mit kaum hundert Arbeitern und Angestellten gegenüber; eine ähnliche Kluft öffnete sich in Handel und Bankwesen. Während die Zahl der Unternehmen wuchs, traten unternehmerische Tätigkeitsfelder und -horizonte weit auseinander. Dies bedeutet auch, daß die Spitzenschicht der Unternehmer nun nicht mehr so leicht zu bestimmen ist wie in der Zeit vor der Reichsgründung, als sie mit den etablierten Großkaufmannsfamilien und den aus ihnen hervorgegangenen Unternehmern nahezu identisch war. In diesen Differenzierungsprozeß mischten sich überdies zwei neue Elemente: Mit dem Vordringen der Aktiengesellschaften besonders bei den großen und größten Unternehmen und der Erweiterung ihrer Leitungsgremien wuchs die Zahl der angestellten Unternehmer beträchtlich. Daneben hatten sich nicht wenige Unternehmen seit vielen Jahrzehnten im Besitz einer Familie entwickelt, so daß ihre Inhaber und Leiter bereits in der dritten oder vierten Generation dem Unternehmen vorstanden, eine Dynastie bildeten. Wie die skizzierten Wandlungen sich in Merkmalen und Verhalten der im Kaiserreich aktiven Unternehmer niederschlugen, wird sich im folgenden erweisen. Die angestellten Unternehmer und die Unternehmerelite werden dabei gesondert untersucht. 142

1. Die Herkunft a) Räumliche Herkunft Eine überraschend deutliche Kontinuität der regionalen Rekrutierung zeigen die Werte von Tabelle 15 (S. 142) im Vergleich mit den Befunden für die Zeit vor 1871 1 . Auch im Kaiserreich stammte die Mehrheit der Unternehmer nicht aus dem Ort ihrer Tätigkeit. Der Anteil der Zuwanderer war sogar leicht höher als in der Zeit vorher. Fast ein Fünftel, mehr als früher, war nun in der weiteren, nur ein Zwanzigstel in der näheren Umgebung geboren. Zusammen machten diese Nahwanderer und die Ortsgebürtigen gut zwei Drittel aller Unternehmer aus, ebenso wie vor 1871. Auch die Anteile der übrigen Herkunftsgebiete entsprachen weitgehend denen der Zeit vor der Reichsgründung. Der restliche Teil Bayerns lag mit fast einem Zehntel an der Spitze, gefolgt von Mitteldeutschland (Hessen, Thüringen, Sachsen) und Süddeutschland (Baden, Württemberg) mit zusammen einem Sechstel. Alle übrigen Herkunftsgebiete spielten daneben auch jetzt eine geringe Rolle; aus ihnen kam insgesamt weniger als ein Vierzehntel der Unternehmer. Regionale Mobilität, die aber klare Grenzen aufwies, kennzeichnete damit die bayerischen Unternehmer auch nach 1871. Vergleiche mit den Unternehmern anderer Gebiete lassen sich angesichts des Mangels empirischer Arbeiten und der unterschiedlichen Regionalkategorien schwer ziehen. Pierenkemper hat auf der Basis von 202 Fällen festgestellt, daß von den westfälischen Schwerindustriellen der Zeit zwischen 1850 und 1914 nur wenig mehr als ein Viertel (27%) am Ort und in der engsten Umgebung geboren war, ein Drittel im übrigen Teil der beiden westlichen Provinzen Preußens, ein weiteres Drittel (32%) in weiter entfernten Gegenden Deutschlands und sogar 7% im Ausland. Teuteberg hat dagegen für den gesamten Zeitraum 1800 bis 1914 ermittelt, daß von 212 westfälischen Textiündustriellen fast neun Zehntel aus ihrem Tätigkeitsort oder seiner unmittelbaren Umgebung stammten. 2 Die bayerischen Unternehmer des Kaiserreichs befinden sich demnach insgesamt in einer mittleren Position zwischen den hochmobilen Schwerindustriellen (von denen zwei Drittel angestellte Unternehmer waren) und den bodenständigen Textilindustriellen Westfalens. Dieses Herkunftsmuster war, wie der Vergleich zwischen den Altersgruppen zeigt (Tabelle 15a), insgesamt keinen wesentlichen zeitlichen Schwankungen oder Veränderungen unterworfen. Der Anteil der am Ort geborenen Unternehmer wuchs über die Jahre auf etwas mehr als die Hälfte, während die Anteile der übrigen Herkunftsgebiete und ihre Relationen zueinander ungefähr gleich blieben. Darin spiegelt sich das zunehmende Gewicht der Unternehmenserben, aber auch die fortbestehende Attraktivität der fünf 143

Tab. 15:

Die räumliche Herkunft der Unternehmer im Kaiserreich (in %)

a) nach Altersgruppen Geburtsjahr bis 1830 Herkunftsgebiet

1831 - 1 8 5 0

nach 1850

insges.

Ort selbst

47,1

43,0

50,3

46,6

Näh.Umgeb. (20 km) Weit.Umgeb. (100 km)

10,3 11,8

4,3 24,2

4,2 16,2

5,2 19,1

Übriges Bayern Süddeutschland Mitteldeutschland Westdeutschland Norddeutschland Ostdeutschland

11,8 2,9 7,4 1,5 5,9

7,2 7,2 7,2 1,4

9,9 6,8 6,8 2,1 0,5 1,6

9,0 6,4 7,1 1,7 1,1 1,7

-

2,4

-

Ausland

1,5

Zahl der Fälle = Keine Information =

2,9

68 3

1,5

207 10

2,1

191 16

466 29

b) nach Städten Herkunftsgebiet

München Nürnberg Augsburg

Reg. bürg

L.hafei

Ort selbst

43,3

56,0

47,7

43,2

18,5

Näh.Umgeb. (20 km) Weit.Umgeb.(100 km)

3,3 14,0

6,0 21,6

3,6 20,7

4,5 13,6

18,5 37,0

Übriges Bayern Süddeutschland Mitteldeutschland Westdeutschland Ostdeutschland Norddeutschland

14,7 8,7 8,0 2,7 2,0 0,7

3,0 2,2 6,0 0,7 2,2 2,2

9,0 9,0 3,6 0,9 0,9

13,6 6,8 11,4 4,5

Ausland Zahl der Fälle = Keine Information =

2,7 150 8

-

134 9

-

-

-

4,5

2,3

111 3

44 2

-

3,7 14,8 -

3,7 3,7 -

27 1 7

1 Daß die Zahl der hier erfaßten Ludwigshafener Unternehmer geringer ist als die des im Vergleich schwächer entwickelten Regensburg, mag zunächst verwundern. Die Erklärung liegt in der Quellenlage: Aufgrund der liberalen Gesetzgebung der Pfalz wurden hier keine Familienbogen und keine Niederlassungsakten angelegt, weshalb zu

144

Städte für Zuwanderer, von denen noch fast die Hälfte (48,4%) als Gründer kamen. Beträchtlich waren die Unterschiede zwischen den Städten (Tabelle 15b). Auch im Kaiserreich erwiesen sich Nürnbergs Unternehmer als die bei weitem bodenständigsten: Mehr als die Hälfte von ihnen war am Ort geboren, ein weiteres Viertel stammte aus der näheren und weiteren Umgebung. Dagegen waren über vier Fünftel der Ludwigshafener Unternehmer zugewandert, was freilich nicht überrascht, da die Stadt erst um die Jahrhundertmitte gegründet wurde. Bemerkenswert ist der weite Einzugsbereich Münchens: Hier war der Anteil der aus entfernten Gebieten zugewanderten Unternehmer mit fast zwei Fünfteln am höchsten. Bemerkenswert ist auch, daß im vergleichsweise schwach entwickelten Regensburg deutlich mehr als ein Drittel der Unternehmer aus weiter entfernten Gebieten stammte. Gemeinsam war allen Städten die große Bedeutung der weiteren Umgebung und die geringe Rolle West-, Nord- und Ostdeutschlands als Rekrutierungsfeld ihrer Unternehmer. Schon diese auf größere Räume bezogene Sicht zeigt, daß die Kontakte zu den ökonomisch fortgeschrittenen Regionen in Preußen - anders als zu Sachsen - auch nach der Reichsgründung marginal blieben. Dies belegt ebenfalls der Blick auf die Herkunftsorte der zugewanderten Unternehmer. In allen Städten zusammen finden sich nur zwei in Berlin und nur drei in Köln geborene Unternehmer, niemand aus dem Ruhr-, Saargebiet oder Oberschlesien, niemand auch aus Hamburg oder Bremen. Uberhaupt stammten nur ein kleiner Teil - weniger als ein Zehntel - der zugewanderten Unternehmer aus Großstädten, ein knappes Fünftel aus Mittelstädten.3 Die meisten kamen auch im Kaiserreich aus kleineren Städten und Märkten, einige auch aus Landgemeinden. Relativ schwach ausgeprägt, aber doch stärker als vor 1871 waren die Beziehungen zwischen den fünf Städten. Das galt vor allem für München: fünf in Augsburg und sechs in Nürnberg geborene Unternehmer wanderten in die Landeshauptstadt zu. In Nürnberg finden sich zwei aus München und ein aus Regensburg stammender Unternehmer, in Augsburg vier in Nürnberg geborene, in Regensburg ein gebürtiger Augsburger. In Ludwigshafen fehlten, wie die Tabelle 15b schon andeutet, Kontakte zum rechtsrheinischen Bayern überhaupt, nicht nur zu München, Nürnberg, Augsburg und Regensburg. Vier Unternehmer stammten hier aus dem am anderen Rheinufer gelegenen Mannheim (wo nicht wenige Ludwigshafener Unternehmer wohnten), zwei aus Frankfurt, jeweils einer aus Kaiserslautern, Darmstadt und Berlin. Umgekehrt zog kein in der

einer Reihe dem Namen nach bekannter Unternehmer keine Daten ermittelt werden konnten.

145

Pfalz geborener Unternehmer in eine der anderen vier Städte. Unter dem Aspekt der räumlichen Herkunft der Unternehmer waren Ludwigshafen und die Pfalz in das rechtsrheinische Bayern nicht integriert. Das mitdere Alter zum Zeitpunkt der Zuwanderung entsprach mit 28 Jahren nahezu dem der Zeit vor 1871 und wies auch eine ähnliche Schwankungsbreite auf: Der jüngste Unternehmer kam mit 8, der älteste mit 51 Jahren an den Ort seiner Tätigkeit.4 Dies deutet darauf hin, daß weiterhin sehr verschiedene Faktoren die Anziehungskraft der jeweiligen Stadt ausmachten und den Kontakt zu ihr herstellten. Besonders vielfältig waren diese Einflüsse in München, wie die folgenden Beispiele belegen. Aus dem Dorf Rohrbach in der Nähe Heidelbergs stammte der Ofenfabrikant Friedrich Wamsler, der auf seiner Wanderschaft als Schlossergeselle auch nach München gekommen war. Nach der Meisterprüfung und mehrjähriger Zusammenarbeit mit einem anderen Schlossermeister in Karlsruhe zog er 1875 nach München und eröffnete dort zunächst eine kleine Werkstätte, 1877 bereits eine Fabrik.5 - Emil Wilhelm aus dem oberfränkischen Lichtenfels arbeitete nach der Kaufmannslehre zuerst in München als Kommis, dann in Augsburg und Heilbronn als Reisender und konnte 1870 in München die Handelsfirma Franz Kathreiner zu günstigen Bedingungen erwerben. Mit »Kathreiners ICneipp-MalzkafFee« gelang es Wilhelm und seinem Kompagnon Adolph Brougier in den 1890er Jahren, ein sehr erfolgreiches Produkt auf den Markt zu bringen.6 - Zum Architekturstudium an der Technischen Hochschule kam der in Braunschweig geborene Bauunternehmerssohn Paul Liebergesell nach München. Nach dessen Abschluß gründete er 1897 - am Beginn einer neuen Boomphase für die Münchener Baubranche7 - sein eigenes Geschäft.8 - Fritz Arnold errichtete 1895 in Pasing eine Niederlassung des vom Vater in Augsburg gegründeten Färberei- und Reinigungsbetriebs. Bereits vier Jahre später gab er das Augsburger Stammhaus auf und verlegte das gesamte Unternehmen nach München, wo er 1900 bereits 250 Arbeiter und Angestellte beschäftigte. Der Thüringer Josef Rodenstock gründete 1877 seine optische Anstalt in Würzburg, richtete fünf Jahre später zunächst eine Verkaufsstelle für dessen Produkte in München ein und nahm 1884 auch deren Fabrikation in der Landeshauptstadt auf; der Würzburger Betrieb ging in andere Hände über. - Oscar Beck, der 1884 in der vierten Generation Leiter des Nördlinger Verlages wurde, bestimmte München fünf Jahre später zu dessen Sitz.9 Die Fälle zeigen, wie der Kontakt zum künftigen Tätigkeitsort in einer fortgeschrittenen Phase der eigenen Ausbildung hergestellt wurde, wobei die (1868 gegründete) Technische Hochschule der Stadt München eine besondere Anziehungskraft gesichert haben dürfte. Der Entschluß zur Ubersiedlung mochte von solchen Kontakten beeinflußt sein, bestimmt wurde er von den besseren Produktions-, Kredit- und Absatzbedingungen, die die 146

große Stadt im Vergleich zum mittel- oder kleinstädtischen Herkunftsort jetzt eindeutig bot. Wie die Beispiele weiter deutlich machen, gab es unter den Zuwanderern auch Unternehmer, die ihren bereits länger bestehenden Betrieb nach München verlagerten; solche Fälle lassen sich auch in Nürnberg und Regensburg finden. Eine wichtige Gruppe von Zuwanderern bildeten daneben die angestellten Unternehmer.10 Uberdurchschnittlich hoch war weiterhin der Anteil der Zuwanderer jüdischen Glaubens; erst jetzt, nach den Reformen der 1860er Jahre und der Abschaffung der diskriminierenden Judenmatrikel, besaßen sie in Bayern die volle Freizügigkeit. Auch im Kaiserreich erwiesen sich die stark wachsenden Branchen als besonders attraktiv für Zuwanderer. Dies galt im Zeichen der beschleunigten Verstädterung gerade für das Baugewerbe: Von 21 hier erfaßten Unternehmern dieser Branche waren nur 7 am Ort geboren. Die meisten Gründer der großen, zum Teil weit über die Stadt und Bayern hinaus tätigen Münchener Bauunternehmen waren wie Liebergesell zugewandert: Jakob Heilmann aus Geiselbach im Spessart war zum Besuch der Baugewerksschule nach München gekommen, sein Teilhaber und Schwiegersohn Max Littmann stammte aus Chemnitz, Leonhard Moll aus dem mittelfränkischen Dorf Külsheim, die Brüder Franz Heinrich und Roman Woerner aus AschafFenburg.11 Freilich gab es im Baugewerbe, das erst allmählich den kapitalintensiven Einsatz von Maschinen verlangte, auch Unternehmen, die sich aus lokalen Handwerksbetrieben entwickelten. Ein Augsburger Beispiel ist Joseph Deurer, der Sohn eines Zimmermeisters aus dem Vorort Pfersee. Nach 1870 entstanden dort zahlreiche Bauten für die expandierende Industrie der Stadt, an denen das noch kleine Geschäft beteiligt wurde und wuchs. Deurer übernahm 1881 dessen Leitung, begann 1897 mit der Errichtung von Wohnhäusern in Pfersee und gliederte 1902 dem Unternehmen ein Sägewerk an.12 Hoch war auch im Kaiserreich der Anteil der Zuwanderer im Maschinenund Apparatebau, zu dem mit der Elektroindustrie eine besonders wachstumsträchtige Branche gehörte. 34 von 45 Unternehmern waren hier nicht am Ort geboren. Dazu zählten einerseits viele angestellte Unternehmer, die von der weit überregionalen Bedeutung der beiden Vorläuferfirmen der MAN oder der Schuckert-Werke angezogen wurden. Andererseits gelang es aber auch einer Reihe von Zuwanderern, durch Spezialisierung erfolgsträchtige Nischen für die Gründung eines Unternehmens zu finden. Ein Nürnberger Fall ist der gelernte Buchdrucker Karl Kempe aus Frankfurt/Oder, der 1888 in Nürnberg die Fertigung von Druckereimaschinen aufnahm, zunächst in einem kleinen Geschäft, das um die Jahrhundertwende schon mehr als 100 Personen beschäftigte. - Der in Sigmaringen geborene Kaufmann Gaudenz Bayer gründete 1889 zusammen mit seinem Bruder in Augsburg ein 147

Großhandelsgeschäft für Molkereibedarf, ging dann zur Herstellung von Molkerei- und Käsereimaschinen über und errichtete 1900 dafür eine Fabrik, in der 1923 etwa 200 Beschäftigte tätig waren. - Zur ersten Nachfolgegeneration der Gründer gehörte Adolf Scholz aus Straubing, der nach kaufmännischer und technischer Ausbildung in die Vilshofener Maschinenfabrik Schlageter eintrat und die Tochter des Gründers heiratete. 1908 verlegte er die Firma nach Regensburg und nahm den Bau von GerbereiMaschinen in das Fertigungsprogramm auf; Abnehmer war die Lederindustrie in »fast allen« europäischen Ländern und »fast allen anderen Kulturstaaten«.13 Die Beispiele ließen sich vermehren. Nicht übersehen werden soll daneben aber auch das Potential, das im Handwerk Nürnbergs steckte. Friedrich Heller, Sohn eines Drechslermeisters, gründete nach einer Ausbildung als Feinmechaniker 1859 in seiner Geburtsstadt eine mechanische Werkstätte, deren Belegschaft bis 1895 auf 120 Beschäftigte anwuchs; 1860 führte er die elektrische Klingel, 1877 das Telefon in Nürnberg ein. - Sigmund Schukkert, Sohn eines Nürnberger Büttnermeisters, begann nach der Mechanikerlehre (bei Heller), Wanderschaft und USA-Aufenthalt 1873 in Nürnberg die Fertigung von Dynamomaschinen, zunächst allein; die von ihm entwickelte Flachringmaschine und dann vor allem der Scheinwerferbau brachten dem Unternehmen einen enormen Aufschwung.14 Auch auf dem Gebiet der reinen Metallverarbeitung gelang es einer Reihe von ortsansässigen Handwerkern weiterhin, ihre Werkstatt zu einer kleinen Fabrik auszubauen. Eines von vielen Nürnberger Beispielen ist Johann Leonhard Hess, der den Flaschnereibetrieb seines Vaters, in dem Blechspielwaren hergestellt wurden, 1867 übernahm, Maschinen einführte, Zugang auch zum internationalen Markt fand, aber erst 1891 eine Fabrik gründete. - Ein wichtiger Zuwanderer war hingegen der jüdische Kaufmann Ignaz Bing, Sohn eines Färbermeisters. Ende der 1860er Jahre verlegte er seine Textilwarengroßhandlung von Günzenhausen nach Nürnberg, wo er mit der Beschäftigung von Heimarbeitern zur Herstellung von Petroleumlampen begann. Die Nachfrage nach den als Massenartikel konzipierten Lampen wuchs rasch, Bing baute eine Fabrik in Nürnberg, eine weitere zur Produktion von Emaillespielwaren in Sachsen, fand Zugang zum internationalen Markt und beschäftigte um 1895 über 1000 Arbeiter und Angestellte.15 Weitgehend abgesteckt war das Terrain in der jetzt stagnierenden Textilindustrie, der von zunehmender Konzentration gekenzeichneten Bierbrauerei und den schmalen Bereichen der Bleistift- und Lebkuchenfabrikation. Chancen zur Firmengründung boten sich Zuwanderern hier kaum noch. Der Weg in die Position eines Eigentümer-Unternehmers konnte hier in der Regel nur noch über die Teilhaberschaft und die Heirat mit einer Erbin führen; gleichzeitig allerdings eröffnete die größer werdende Zahl der 148

Aktiengesellschaften besonders unter den Brauereien neue Möglichkeiten, in die Position eines angestellten Unternehmers zu gelangen. Ein günstigeres Tätigkeitsfeld bot sich Zuwanderern im Bekleidungsgewerbe, in das erst jetzt industrielle Produktionsformen Eingang fanden. Ludwig Bäsch aus Wollstein in Posen kam 1873 als Kommis nach München und gründete im gleichen Jahr eine Firma für Damenkonfektion, die stetig wuchs; am Vorabend des Ersten Weltkriegs arbeiteten mehr als hundert Beschäftigte im Unternehmen direkt, über 65 Zwischenmeister noch einmal 400 bis 500 Arbeiterinnen. - In Augsburg begann der aus der Nähe von Nördlingen stammende Kaspar Lembert nach einer Lehre als Maschinenspinner 1857 mit der Herstellung von Filzstoff, zunächst mit zwei Hutmachergesellen. Zollbedingte Absatzprobleme ließen ihn 1880 die Produktion auf Hüte umstellen; um 1890 waren über hundert Arbeiter in seiner Fabrik tätig. 16 Gegenläufige Entwicklungen kennzeichneten das Bank- und Versicherungsgewerbe, in dem 28 von 44 Unternehmern außerhalb ihres späteren Tätigkeitsortes geboren waren. Auf der einen Seite expandierten die großen als Aktiengesellschaften organisierten Geldinstitute, übernahmen Privatbanken und entfalteten ihr Filialnetz; dies schuf eine Reihe von Manager- und Leitungspositionen für angestellte Unternehmer. Auf der anderen Seite blieb jedoch weiterhin Raum fur die Gründung erfolgreicher Privatbanken, nicht nur in München, das inzwischen zum Hauptfinanzplatz Bayerns aufgerückt war. Besonders erfolgreich waren hier Wilhelm (von) Finck aus dem hessischen Vilbel, seit 1872 Teilhaber und bald die dominierende Figur des Bankhauses Merck, Finck & Co., und Heinrich Aufhäuser, der in der Nähe von Donauwörth geboren war und nach der Lehre im Bankhaus Oberndoerffer 1870 sein eigenes Geschäft gründete. Beispiele finden sich auch in den anderen Städten: August Gerstle aus der jüdischen Gemeinde von Ichenhausen etablierte 1883 in Augsburg ein Bankhaus und betätigte sich mit Erfolg in der Industriefinanzierung. - Der aus Bayreuth stammende Nikolaus Haendel kam 1881 als Kommis nach Regensburg, wo er zwei Jahre später als Bankier firmierte und besonders eng mit dem Verleger Habbel zusammenarbeitete. 17 Insgesamt blieben die vier alten Städte offen für Zuwanderer, gerade auch, wie die geschilderten Fälle angedeutet haben, für Zuwanderer, die als Gründer kamen. Trotz der vielen bereits bestehenden Unternehmen bildete sich kein gleichsam neues Stadtbürgertum aus Erben, die das Geschäft des Vaters weiterführten, und aus ortsansässigen Handwerkern, denen jetzt der Schritt zum Fabrikanten gelang. Dies war die eine Kontinuität zur Zeit vor 1871. Voneinander (und von Ludwigshafen) blieben die vier Städte aber relativ isoliert; darin lag die andere Kontinuität zur Zeit vor der Reichsgründung. 149

b) Soziale Herkunft Vielfältige Kontinuitäten zeichneten auch die sozialen Herkunft der Unternehmer im Kaiserreich aus (Tabelle 16).18 Weiterhin hatten über zwei Fünftel von ihnen Väter, die eindeutig als Unternehmer identifizierbar sind; rechnet man nur die Hälfte der »Kaufleute« und Privatiers hinzu, dann lag die Selbstrekrutierungsquote bei mehr als 50%. Stärkste, wenn auch erkennbar kleiner gewordene Gruppe nach den Unternehmern waren mit gut einem Fünftel weiterhin die Handwerker und sonstigen Gewerbetreibenden. Der Anteil der Selbständigen in Handel und Gewerbe zusammen lag mit drei Vierteln nur knapp unter dem der Zeit vor 1871. Deutlich verschoben hatten sich aber die Gewichte der verschiedenen Gruppen zueinander. Das Verhältnis von Handelsunternehmern und Industriellen unter den Vätern kehrte sich im Kaiserreich um: Jetzt kamen relativ die meisten Unternehmer aus einer Fabrikantenfamilie. Der Vergleich der Altersgruppen (Tabelle 16a) zeigt die dahinter stehende Entwicklungstendenz: Während der Anteil der Bankiers, Großkaufleute und Verleger sank, stieg der Anteil der Industriellen unter den Vätern. Ebenso deutlich ist der Rückgang bei den Handwerkern und Gewerbetreibenden. Etwas höher war jetzt der Anteil der Gutsbesitzer (unter denen sich kein Adliger befand), geringer der Anteil der Landwirte, von denen sich drei eindeutig als Kleinbauern identifizieren lassen.19 Bemerkenswert stabil blieb demgegenüber der Beitrag der Elternhäuser anderer sozialer Gruppen. Auch im Kaiserreich stammte kaum mehr als ein Zehntel der Unternehmer aus Beamten-, Offiziers- und Akademikerfamilien. Die Zahlen zu den letzten beiden Altersklassen (Tabelle 16a) deuten sogar auf eine sich abschwächende Unternehmerrekrutierung aus diesen Gruppen hin. Auch im Kaiserreich findet sich kein Minister oder General unter den Vätern der Unternehmer. Typisch sind dagegen die folgenden Fälle: Die Brüder Dr. August (von) und Dr. Carl Clemm, Mitgründer der BASF, waren Söhne eines Gießener Universitäts-Kanzleirats, der Nürnberger Großhändler Julius Marlier war Sohn eines Coburgischen Oberpostkommissärs.20 Auffällig ist, daß ein Drittel der Söhne höherer Staatsdiener die Position eines Bankdirektors besetzten. Ihre Väter nahmen überdies die relativ höchsten Beamtenränge ein, etwa Wilhelm (von) Gareis, Geheimer Rat und Senatspräsident in München, dessen Sohn Heinrich seit den 1880er Jahren als Vorstandsmitglied und seit 1910 als Direktor der Süddeutschen Bodencreditbank fungierte.21 Verschwindend gering blieb der Anteil der Arbeiter unter den Vätern der Unternehmer, nicht nennenswert auch der Anteil der übrigen Beamten, Lehrer und Angestellten, auch wenn sich hier eine Zunahme für die letzte Altersgruppe abzeichnet. 150

Insgesamt läßt sich nicht konstatieren, daß mit dem Bedeutungs- und Prestigegewinn, den die Wirtschaft und besonders die Industrie während des Kaiserreichs erfuhren, mehr bayerische Unternehmer als zuvor aus Familien von Beamten, Offizieren und Akademikern stammten. Gerade das traditionelle Bildungsbürgertum blieb auf Distanz. Das Gesamtbild, das die Tabelle 16 zeichnet, deutet auch nicht daraufhin, daß eine Unternehmerkarriere im Kaiserreich häufiger sozialen Aufstieg bedeutete als in der Zeit vorher. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, blieb dem Sohn eines Gesellen oder Arbeiters eine solche Laufbahn auch weiterhin verschlossen. Die Werte zu den Handwerkern und Bauern lassen allerdings ebensowenig darauf schließen, daß sich die Aufstiegsmöglichkeiten drastisch verringerten. Im Zusammenhang mit der Unternehmerelite wird darauf noch genauer eingegangen.

Tab. 16: Die soziale Herkunft der Unternehmer im Kaiserreich (in %) a) nach Altersgruppen Geburtsjahr Beruf des Vaters Handelsunternehmer Industrieller Kaufmann Privatier Handwerker/Gewerbe tr.

bis 1830

19,3 22,8 10,5

1831-1850

nach 1850

insges.

26,3

17,5 25,6 8,8 3,1 23,8

12,9 32,2 12,9 2,9 18,7

15,7 28,1 10,8 2,6 21,9

Gutsbesitzer Bauer

1,8 5,3

1,3 3,1

1,2 4,7

1,3 4,1

Höherer Beamter Gymnasiallehrer Offizier Pfarrer Freier Beruf

1,8 1,8 3,5 3,5

4,4 0,6 0,6 2,5 3,1

3,5 1,2 1,2 0,6 2,3

3,6 1,0 0,8 1,8 2,8

Sonst.Beamter/Lehrer Angestellter

1,8

1,3

-

-

3,5 1,8

2,3 0,8

Geselle, Arbeiter

1,8

1,3

0,6

1,0

3,1

-

1,3

-

-

Sonst.BeruP Zahl der Fälle = Keine Information =

57 14

160 57

171 36

388 107

151

b) nach Großbranchen Industrielle

Handelsunternehmer

insges.

Beruf des Vaters Handelsunternehmer Industrieller Kaufmann Privatier Handwerker/Gewerbe tr.

4,4 39,6 7,8 2,2 24,1

41,5 1,7 17,8 3,4 16,9

15,7 28,1 10,8 2,6 21,9

Gutsbesitzer Bauer

1,9 5,6

_ 0,8

1,3 4,9

Höherer Beamter Gymnasiallehrer Offizier Pfarrer Freier Beruf

2,2 0,7 0,7 1,5 2,2

6,8 1,7 0,8 2,5 4,2

3,6 1,0 0,8 1,8 2,8

Sonst.Beamter/Lehrer Angestellter

3,0 1,1

0,8 -

2,3 0,8

Arbeiter

1,5

-

1,0

Sonst.Beruf

1,5

-

1,3

Zahl der Fälle = Keine Information =

270 77

388 107

118 30

c) nach Städten Stadt Beruf des Vaters Handelsunternehmer Industrieller Kaufmann Privatier Handwerker/Gewer betr.

München

Nürnberg

14,0 31,8 11,2 4,7 14,0

13,4 34,8 11,6 0,9 21,4

15,6 21,9 11,5 2,1 31,3

30,4 8,7 13,0 4,3 28,3

2,1 6,3

2,2

_

2,2

1,0

-

Gutsbesitzer Bauer

1,9 5,6

_

Höherer Beamter Gymnasiallehrer

5,6

2,7 2,7

152

-

1,8

Augsburg

Reg.bürg

-

L.hafen

7,4 40,7 -

11,1 -

7,4 14,8 -

(Forísetzung Tab. 16) Stadt Beruf des Vaters Offizier Pfarrer Freier Beruf

München

Nürnberg

-

0,9 3,6

3,7

1,8

Sonst.Beamter/Lehrer Angestellter

2,8

0,9

-

Geselle, Arbeiter Sonst.Beruf Zahl der Fälle = Keine Information = 1

1,9

Augsburg

Reg.burg

L.hafen

-

-

-

1,0 3,1

2,2

3,7 7,4

1,0 1,0

4,3 4,3

7,4

-

1,9

0,9

1,0

-

-

0,9

2,7

1,0

-

-

107 51

112 31

96 18

-

46 -

-

27 7

2 »Bürger«, 1 Bürgermeister, 1 Privatgelehrter, 1 Schriftsteller.

Vergleiche mit Deutschland insgesamt und einzelnen deutschen Regionen lassen sich für die Zeit des Kaiserreichs aufgrund der geringen Zahl entsprechender Arbeiten nur in beschränktem Umfang ziehen. Kaelble hat fur den gesamten deutschen Raum fast identische Werte ermittelt; Offiziere sind in seinem Sample jedoch nicht vertreten, auch noch weniger Arbeiter als im Fall der bayerischen Unternehmer. Am stärksten weichen seine Ergebnisse bei den Beamten, Lehrern und Geistlichen ab, für die er einen Anteil von insgesamt 16% errechnet.22 Henning hat für die mittleren und kleineren Unternehmer Westfalens ebenfalls eine Selbstrekrutierungsrate von etwa 50% errechnet. Zweitgrößte Gruppe waren auch dort die selbständigen Handwerker mit einem Viertel; es folgten die nicht-akademisch gebildeten Beamten mit 15%. 23 Nur bedingt vergleichbar sind die Studien Teutebergs zu den westfälischen Textilunternehmern und Pierenkempers zu den westfälischen Schwerindustriellen. Bei Teuteberg liegt die Selbstrekrutierungsrate extrem hoch: Fast neun Zehntel der Textilunternehmer, die zwischen 1871 und 1913 ihre Tätigkeit begannen, entstammten wiederum Unternehmerfamilien; die nächstgrößere Gruppe waren die Handwerker mit 5,4%. Etwas mehr als die Hälfte (53,0%) der westfälischen Schwerindustriellen hatten wiederum einen Unternehmer als Vater; der Anteil der Handwerker (3,4%) war weitaus niedriger, der der Gutsbesitzer (6,9%), nicht beamteten Akademiker (6,9%) und vor allem der der Beamten (18,9%) erheblich höher als bei den bayerischen Unternehmern.24 Das Uberwiegen der angestellten Un153

ternehmer und die staatsnahe Tradition des Ruhrbergbaus dürften diese zuletzt genannten Diskrepanzen erklären. Die Werte deuten insgesamt nicht darauf hin, daß die soziale Herkunft der bayerischen Unternehmer im Kaiserreich ein besonderes Muster aufweist. Der Vergleich der Großbranchen (Tabelle 16b) ergibt einen etwa gleich hohen Anteil der Unternehmer insgesamt bei den Vätern von Handelsunternehmern und Industriellen. Anders als in der Zeit vor der Reichsgründung unterschieden sie sich in dieser Beziehung nicht mehr voneinander; bei beiden lag die Selbstrekrutierungsrate nun ähnlich hoch. Der Austausch zwischen ihnen war jedoch gering: die Söhne von Handelsunternehmern und die Söhne von Industriellen blieben zum weit überwiegenden Teil innerhalb ihrer Großbranche. Auch weiterhin war die Herkunft der Handelsunternehmer sozial exklusiver. Deutlich mehr Unternehmer kamen hier aus Elternhäusern, in denen der Vater einem traditionell bildungsbürgerlichen oder staatsnahen Beruf nachging, deutlich weniger waren Söhne von Bauern, unteren Beamten und Lehrern, niemand hatte einen Angestellten oder Arbeiter zum Vater. Klar geringer war hier auch der Anteil der Handwerker und übrigen Gewerbetreibenden unter den Vätern. Daß er überhaupt bei fast einem Fünftel lag, ist beachtlich und zeigt, daß nicht nur die Industrie Aufstiegschancen bot. Ein Münchener Beispiel ist Johann Georg Böhmler aus dem württembergischen Ort Ohmden, in dem sein Vater als Schäfer lebte, aber auch das Amt eines Gemeinderats versah. Böhmler erhielt anscheinend eine kaufmännische Ausbildung und eröffnete 1875 nach der Hochzeit mit der Tochter eines Federbetten- und Möbelhändlers in München ein kleines Möbelgeschäft. Dessen stetige Expansion erforderte mehrfache Umzüge; in den 1890er Jahren betrieb Böhmler nun auch Großhandel und richtete eine eigene Möbelfabrik ein.25 - Ein Augsburger Fall ist der Bankier Max Henning, der in Erlangen als Sohn eines Instrumentenmachers geboren wurde. 1891 gründete er mit einem Kompagnon ein Bankgeschäft in Ingolstadt, dem bereits drei Jahre später eine Filiale in Augsburg angegliedert wurde. 1901 trennte sich Henning von seinem Partner, übernahm die Augsburger Filiale in eigener Regie und richtete noch im gleichen Jahr eine Zweigniederlassung in Eichstätt ein. Henning wurde später Vorstandsmitglied der Augsburger Börse und erhielt den Kommerzienratstitel.26 Dies sind zwei weniger bekannte und unspektakuläre Fälle. Beispiele für steilere Karrieren werden im Zusammenhang mit der Unternehmerelite noch genannt. Im Großhandel, Bankgewerbe und im Verlagsgeschäft boten sich den Söhnen von Handwerkern und anderen Gewerbetreibenden jedenfalls ebenso Möglichkeiten zu einer erfolgreichen Karriere wie in der Industrie, auch wenn sie ein Unternehmen gründeten. Vergleicht man die fünf Städte miteinander (Tabelle 16c), so überwiegen 154

bei den drei großen trotz einiger Unterschiede die Gemeinsamkeiten. In München, Nürnberg und Augsburg hatte sich bei den Unternehmervätern das Verhältnis zwischen Handelsunternehmern und Industriellen umgekehrt; hier und auch in den anderen beiden Städten bildeten Unternehmer die relative Mehrheit bei den Vätern. Auffallend ist der jetzt und gegenüber den anderen Städten hohe Anteil der Handwerker, Gewerbetreibenden und Landwirte in Augsburg: Darunter fallen viele der angestellten Unternehmer, aber auch eine Reihe von Gründern unter den Privatbankiers, den Industriellen im Maschinenbau und der Metallverarbeitung und im Baugewerbe. Bemerkenswert ist auch, daß in Augsburg und ebenso in Regensburg, wo eine Bezirksregierung ihren Sitz hatte, höhere Beamte unter den Unternehmervätern fehlten oder nur schwach vertreten waren. In München mit besonders vielen Verwaltungsstellen war deren Anteil allerdings deutlich größer. Am größten war er in Ludwigshafen, wobei allerdings der Prozentwert aufgrund der geringen Fallzahl nur begrenzte Aussagekraft besitzt. Regensburg zeichnet sich als einzige der fünf Städte durch ein Uberwiegen der Handelsunternehmer gegenüber den Industriellen bei den Unternehmervätern aus. Darin spiegelt sich die relativ geringe Bedeutung seiner Industrie und die relativ große Bedeutung vor allem seiner Verlage - in erster Linie des Pustetschen Unternehmens und der an Söhnen reichen Familie seiner Inhaber. Die bisher vorgestellten Unternehmerkarrieren haben erkennen lassen, daß sich auch im Kaiserreich nicht wenige Chancen zur Firmengründung boten. Zwar sank der Anteil der Unternehmensgründer27 stetig - von 57,6% in der Altersgruppe der bis 1830 geborenen auf 43,4% in der Gruppe der nach 1850 geborenen Unternehmer - , während der der Nachfolger schließlich auf weit mehr als die Hälfte aller (Eigentümer-) Unternehmer stieg. Das Verhältnis beider Gruppen kehrte sich um, insgesamt aber stellten die Unternehmensgründer doch fast die Hälfte aller Eigentümer- Unternehmer (48,4%). Nur knapp ein Drittel von ihnen kam aus einer Unternehmerfamilie, fast die Hälfte dagegen waren Söhne von Handwerkern, Gewerbetreibenden und Landwirten, etwas weniger als ein Zehntel Akademikersöhne;28 nahezu drei Viertel von ihnen waren zugewandert.29 Besondere Chancen eröffneten sich den Gründern, wie bereits angedeutet, in der Baubranche, in den verschiedenen Sparten des Maschinenbaus und der Metallverarbeitung sowie im Hopfenhandel Nürnbergs. Anders als in der chemischen und vor allem der Elektroindustrie war in jenen Bereichen das Feld nicht von wenigen Großunternehmen besetzt. Allerdings boten sich selbst neben der übermächtigen BASF Nischen für spezialisierte Firmen mittleren Zuschnitts. Dr. Carl Grünzweig, Apothekerssöhn aus dem schwäbischen Schorndorf studierte nach einer Lehre bei seinem Vater in München (Liebig), promovierte in Tübingen und nahm 155

dann eine Stellung als Betriebschemiker in der Ultramarinfabrik Marienberg/Odenwald an, wo er sich im Selbststudium weiterbildete und experimentierte. 1878 gründete er mit dem Kaufmann Paul W Hartmann in Ludwigshafen-Oggersheim eine Fabrik für Isolierstoffe, zwei Jahre später gelang ihm mit der Erfindung des Korksteins eine bahnbrechende Innovation. 1903 waren im Ludwigshafener Stammwerk 20 Angestellte und 216 Arbeiter beschäftigt, Zweigniederlassungen standen in Berlin, Düsseldorf, Hamburg und München, Produktionsstätten zur Verwertung der ausländischen Patente in Österreich-Ungarn, Frankreich und den USA. 30 Mit der Kategorie des väterlichen Berufs nicht erfassen läßt sich der Anteil der Unternehmer aus dem Adel. Er blieb auch im Kaiserreich sehr gering. Fast alle geburtsadligen Unternehmer kamen aus den schon bekannten, zumeist in der ersten Hälfte des Jahrhunderts nobilitierten Familien.31 Hugo von Maffei, der Neffe und Erbe des Firmengründers, und der Münchener Tabakgroßhändler und Multimillionär Heinrich von Dall'Armi, Arztsohn und Enkel des Großkaufmanns, waren wohl die bedeutendsten unter ihnen.32 Einige Familien - darunter die Schaezlers und Süßkinds - schieden ganz aus dem Kreis der Unternehmer aus. c) Ausbildung Im Vergleich zur Zeit davor verfügten die Unternehmer im Kaiserreich insgesamt über eine deutlich bessere Ausbildung (Tabelle 17). Eine Handwerkslehre hatte jetzt nur noch ein gutes Viertel aller Unternehmer durchlaufen; vorher war es ein Drittel gewesen. Der Anteil der Absolventen einer höheren technischen Bildungsanstalt und einer Universität war demgegenüber nun doppelt so hoch; nimmt man beide Gruppen zusammen, so lag er bei einem Fünftel.33 Das war freilich immer noch die Minderheit. Auch jetzt durchliefen noch drei Viertel der Unternehmer eine nicht-akademische Ausbildung, die meisten nach wie vor eine kaufmännische Lehre, Buchhandels· oder Banklehre, vor der häufig der Besuch einer Realschule oder des Gymnasiums stand.34 Freilich verloren die traditionellen Bildungswege gegenüber der Hochschulbildung stetig an Bedeutung. Dennoch trennte sich auch für den größten Teil der im Kaiserreich tätigen Unternehmer spätestens nach der höheren Schule ihr weiterer Bildungsweg von dem der künftigen Juristen, Theologen und Mediziner. Zwar lassen sich jetzt mehr Unternehmer dem >Bildungsbürgertum< zurechnen, einem neuen, breiter gefächerten Bildungsbürgertum, zu dem nun auch Architekten und Ingenieure mit Hochschulabschluß und promovierte Chemiker gehörten;35 auch wuchs die Zahl der Juristen unter den Unternehmern, vor allem in den Vorständen der großen Banken und Versicherungen. Die weit überwiegende Mehrheit der 156

Tab. 17:

Die Ausbildung der Unternehmer im Kaiserreich

a) nach Altersgruppen (in %) Geburtsjahr bis 1830 Art der Ausbildung Kaufmann. Lehre Handwerkslehre Ingenieurausbildung Universitätsstudium Sonstige

55,4 35,7 3,6 5,4

Zahl der Fälle = Keine Information =

56 15

1831-1850

nach 1850

50,4 29,3 6,8 12,8 0,8

-

insges.

48,9 21,5 16,3 12,6 0,7

133 84

50,6 27,2 10,2 11,4 0,6 324 171

135 72

b) nach Branchen ba) Industrielle Branche1 Art der Ausbildung

5

6

7

9

13

16 Sonst.

9 16 3 2 -

8 18 9 2 -

12 2

13 5 3 1

12 13 1 1

1 9 10

Zahl der Fälle = 30 Keine Information = 1 4

37 9

32 13

22 19

27 35

20 3

Kaufmann. Lehre Handwerkslehre Ingenieurausbildung Universitätsstudium Sonstige

-

18 -

-

insges.

26 20 4 1 1

81 83 30 25 1

52 34

220 127

(36,8%) (37,7%) (13,6%) (11,4%) ( 0,5%)

bb) Handelsunternehmer Branche Art der Ausbildung

Η

Β

Kaufmann. Lehre Handwerkslehre Ingenieurausbildung Universitätsstudium Sonstige

56

16

Zahl der Fälle = Keine Information =

59 11

-

2 1 -

-

V Sonst.

8 5

-

-

8

2 1

-

24 21

16 6

3 -

1 1 -

5 6

insges.

83 5 3 12 1

(79,8%) ( 4,8%) ( 1,4%) (11,5%) ( 0,5%)

104 44

1 5 = Metallverarbeitung; 6 = Maschinenbau; 7 = Chemische Industrie; 9 = Textilindustrie; 13 = Nahrungs- und Genußmittelherstellung; 16 = Baugewerbe; Η = Handel; Β = Bankgewerbe; V = Verlagsgewerbe.

157

Unternehmer war ihrer formalen Bildung nach jedoch weiterhin dem traditionellen Bildungsbürgertum gegenüber nicht gleichrangig. Die Erhöhung des Qualifikationsniveaus erfaßte die einzelnen Branchen in sehr unterschiedlicher Weise, so daß die Differenzen zwischen den verschiedenen Unternehmergruppen wuchsen (Tabelle 17b). Fast drei Viertel der Unternehmer mit Universitätsabschluß waren entweder in der chemischen Industrie oder im Bank- und Versicherungsgewerbe tätig; über die Hälfte der Absolventen eines Polytechnikums oder einer Technischen Hochschule standen an der Spitze von Unternehmen des Maschinenbaus oder des Baugewerbes. Dies waren in erster Linie angestellte Unternehmer und Unternehmensgründer, weniger Unternehmenserben. Für die Industriellen insgesamt spielte eine kaufmännische Ausbildlang etwa dieselbe Rolle wie in der Zeit vor der Reichsgründung. Bei den Handelsunternehmern ging ihre Bedeutung zugunsten des Universitätsstudiums zurück. Dabei handelte es sich um ein Jurastudium, nicht um das Studium an einer Handelshochschule: Auch die jüngsten der hier erfaßten Unternehmer hatten um die Jahrhundertwende ihre Ausbildung bereits weitgehend abgeschlossen, als mit der Etablierung dieser neuen Hochschulart begonnen wurde.36 Die Handwerkslehre behielt großes Gewicht in jenen Branchen, in denen sie auch bisher wichtig gewesen war: in der metallverarbeitenden Industrie, im Maschinenbau und in der Nahrungs- und Genußmittelherstellung. Teutebergs Werte für die westfälischen Textilunternehmer gleichen den hier für die bayerischen ermittelten. 36 von 76 Textilunternehmern, die im Kaiserreich ihre Tätigkeit begannen, hatten eine kaufmännische Lehre absolviert, nur 3 ein Universitätsstudium; 14 hatten eine höhere technische Ausbildung erhalten.37 Ein Vergleich mit Pierenkempers Daten zu den westfälischen Schwerindustriellen ist wenig aussagekräftig, da hier besonders branchenspezifische Qualifikationsanforderungen und Ausbildungstraditionen bestanden; außerdem war keiner der hier erfaßten bayerischen Unternehmer im Bergbau oder der Eisenverhüttung tätig. Der Akademisierungsgrad war bei den westfälischen Schwerindustriellen im Vergleich jedenfalls sehr hoch: Etwa drei Viertel von ihnen hatten ein Studium absolviert, die meisten ein technisches.38 Die in Tabelle 17 verwendeten Kategorien können den Bildungsweg der Unternehmer nach dem Schulbesuch nur grob wiedergeben. Gerade die Söhne von Industriellen dürften sowohl technisch-praktische wie kaufmännische Kenntnisse erworben haben, spätestens in der Phase vor der Übernahme des väterlichen Betriebs, auch wenn ihre formale Fachbildung allein in einer kaufmännischen oder einer Handwerkslehre bestand. Hinzu kam auch jetzt in vielen Fällen ein längerer Aufenthalt im (außerdeutschen) Ausland, zum Teil in mehreren Staaten. Für 88 der im Kaiserreich tätigen 158

Unternehmer läßt sich ein solcher Aufenthalt sicher nachweisen, 68 davon waren nach 1830 geboren. Vermutlich lag die Zahl der Unternehmer mit Auslandserfahrungen aber noch darüber. Mindestens ein gutes Viertel aller kaufmännisch ausgebildeten Unternehmer hatte einige Zeit außerhalb Deutschlands verbracht, knapp ein Viertel der Unternehmer mit höherer technischer Bildung, ein gutes Fünftel der Handwerker und nur knapp ein Fünftel der Unternehmer mit Universitätsexamen. Damit war auch im Kaiserreich eine kaufmännische Ausbildung anscheinend der wichtigste Weg zum Erwerb von Kenntnissen im Ausland. Unter den Branchen ragten die chemische und die Textilindustrie heraus: Hier verfugte zumindest ein Viertel der Unternehmer über Auslandserfahrungen; im Verlagsgewerbe war es sogar ein Drittel. An der Spitze der aufgesuchten Ländern stand nun England (17 Fälle), gefolgt von Frankreich (15 Fälle) und der Schweiz (10 Fälle); hinzu kamen Belgien, die Niederlande, Österreich-Ungarn, Italien und auch Rußland. Wahrgenommen wurden nun auch die technologischen Fortschritte in den USA und die Chancen des amerikanischen Marktes: Zehn Unternehmer hatten die Vereinigten Staaten kennengelernt. Der Erweiterung des Länderspektrums entsprach eine Auffächerung der Auslandkontakte in den einzelnen Branchen und Ausbildungswegen; eindeutige Zuordnungen lassen sich fur die großen Gruppen der primär kaufmännisch oder primär handwerklich ausgebildeten Unternehmer nicht treffen. Bei den Handelsunternehmern sind für Gründer wie für Nachfolger Auslandsaufenthalte bekannt. Bei den Industriellen scheinen auch jetzt - von den angestellten Unternehmern abgesehen - vorwiegend Unternehmenserben ihre fachlichen Qualifikationen im Ausland erweitert zu haben, daneben aber auch Söhne von Handwerkern, die den noch kleinen Betrieb des Vaters zu einer Fabrik ausbauten. Unternehmenserbe war der Nürnberger Lebkuchenfabrikant Heinrich Metzger, der nach Handelsschule und einjährigem Militärdienst eine kaufmännische Lehre absolvierte und im Anschluß daran als Kommis in Frankreich und England angestellt war. 1880 trat er in die väterliche Firma ein, deren Leitung er zusammen mit seinen beiden Brüdern 1884 übernahm; um 1900 zählte sie 180 Beschäftigte.39 - Zu den Handwerkersöhnen gehörte der Münchener Faßhersteller Josef Dorn, der nach einer Schäfflerlehre im väterlichen Geschäft seine Gesellenzeit bei anderen Schäfflereien sowie in »ausländischen Großbrauereien« zubrachte und 1872 den Betrieb des Vaters übernahm; 1888 ging er zur industriellen Fertigung über und besaß damit die erste mit Maschinen produzierende Faßfabrik in Bayern.40 - Beispiel für einen Nachfolger, der nicht Erbe war, ist August Diez, der 1876 alleiniger Leiter, 1890 Inhaber des Ertelschen Instituts in München wurde und dort mit der Serienproduktion begann. Nach der Optikerlehre bei Ertel hatte er in Winterthur, Bern, bei der Société Genevoise und in 159

Paris gearbeitet, von wo er bei Ausbruch des deutsch-französischen Kriegs nach München zurückkehrte.41 - Bereits hingewiesen wurde auf den Amerikaaufenthalt des Büttnermeisterssohns Sigmund Schuckert, der nach Mechanikerlehre und Wanderschaft in Deutschland (auf der er unter anderem bei Siemens & Halske arbeitete) drei Jahre »erster Gehilfe« in der Nürnberger Telegraphenbauanstalt von Albert Krage war. Während dieser Zeit lernte er im Selbststudium Englisch und bereitete seine Überfahrt in die USA vor. Schuckert wollte auswandern, keineswegs nur eine Studienreise unternehmen; der Plan dazu war vermutlich während seiner Wanderschaft bei einem Aufenthalt in Hamburg entstanden. Im Frühjahr 1869 brach er auf und blieb insgesamt vier Jahre in den USA, wo er in verschiedenen Industriebetrieben arbeitete, unter anderem bei Edison. Familiäre Gründe - die Krankheit der Mutter und die Sorge um seinen alten Vater - bewogen ihn zur Rückkehr nach Nürnberg, wo er sich 1873 selbständig machte.42 Schuckerts Karrierewegwar gerade unter dem Aspekt der Kenntniserweiterung im Ausland untypisch. Daß ein aus handwerklichem oder bäuerlichem Milieu stammender und nicht in der Branche seines Vaters tätiger Unternehmensgründer überhaupt ins Ausland ging, dürfte sehr selten gewesen sein. Von der Absicht auszuwandern ist in keinem anderen Fall etwas bekannt. Im allgemeinen fielen die nachgewiesenen Auslandsaufenthalte auch im Kaiserreich in die Zeit unmittelbar nach der ersten Fachbildungsphase: Der Kommis, der Geselle oder der noch nicht zum Teilhaber aufgerückte Unternehmenserbe hielt sich im Ausland auf, nicht der schon etablierte, für seine Firma voll verantwortliche Unternehmer. In den meisten Fällen war der Aufenthalt mit einer Anstellung verbunden oder Teil des Studiums, seltener fand er im Zuge einer Studien- oder Geschäftsreise im Auftrag des Vaters statt, wobei sich beides freilich nicht ausschloß. Die Unternehmer, die eine technische Hochschule oder Universität besuchten und über Auslandserfahrungen verfügten, verbrachten entweder einen Teil ihres Studiums im Ausland - Chemiker etwa in Gent, wo August Kekulé lehrte, Ingenieure in Zürich - oder hielten sich bald danach im Ausland auf. Die Quellen lassen kein Urteil darüber zu, welche Wirkungen, vom Erwerb technischer und marktbezogener Kenntnisse abgesehen, solche längeren Auslandsaufenthalte auf die Mentalität der Unternehmer ausübten. Man wird aber doch sagen können, daß nicht wenige von ihnen eine Weltkenntnis, vielleicht auch eine Weitläufigkeit auszeichnete, die den sehr vielen Juristen, Medizinern und Theologen, den traditionellen Bildungsbürgern, wohl fehlte.

160

d) Soziale Herkunft und Startvoraussetzungen Verknüpft man Ausbildung und soziale Herkunft miteinander (Tabelle 18), so wird deutlich, daß sich die Unternehmer im Kaiserreich generell denselben Herkunftstypen zuordnen lassen wie in der Zeit vor 1871. Vier Fünftel der Söhne von Bankiers und Kaufleuten durchliefen wiederum eine kaufmännische Ausbildung, über die Hälfte der Söhne von Handwerkern und Gewerbetreibenden absolvierten wiederum eine Handwerkslehre. Zusammen machten Kaufmann-Unternehmer und Handwerker-Unternehmer fast zwei Fünftel aller Unternehmer aus. Die Mehrheit der Söhne der Gutsbesitzer und der Bauern erhielt eine handwerkliche Ausbildung, während die Söhne von Beamten und Akademikern die relative Mehrheit der Universitätsabsolventen stellten und nur sehr wenige von ihnen eine Handwerkslehre durchliefen. Unter den Söhnen von Angestellten und Arbeitern war kein Absolvent einer höheren Bildungsinstitution. Am breitesten war das Ausbildungsspektrum bei den Industriellensöhnen, von denen aber relativ die meisten weiterhin als Kaufleute ausgebildet wurden. Die Ingenieure unter den Unternehmern lassen sich am wenigsten klar bestimmten Herkunftsschichten zuordnen. Hingegen zeigt die relative Dominanz der Akademiker und Beamten unter den Vätern der Universitätsabsolventen, daß unter dem Aspekt der sozialen Herkunft die Verflechtungen zwischen Unternehmern und übrigem Bürgertum noch geringer waren als es der Anteil der Unternehmer mit universitärer Ausbildung zunächst vermuten läßt. So könnte als dritter realer Herkunftstypus für das Kaiserreich der des »Akademiker-Unternehmers« eingeführt werden. Freilich erfassen diese drei

Tab. 18:

Ausbildung und soziale Herkunft der Unternehmer im Kaiserreich

Beruf des Vaters1 Art der Ausbildung

Α

Β

C

D

E

F

Kaufmann. Lehre Handwerkslehre Ingenieurausbildung Universitätsstudium Sonstige

58 5 3 5

26 14 8 11 1

22 36 6 2

4 9 1 1

16 3 7 15

2 2

-

-

Zahl der Fälle = Keine Information =

257 238

-

-

-

-

1 A = Handelsunternehmer, Kaufleute; Β = Industrielle; C = Handwerker, Gewerbetreibende, Privatiers; D = Gutsbesitzer, Bauern; E = Staatsnahe und Freie Berufe, 1 Privatgelehrter, 1 Schriftsteller; F = Angestellte, Arbeiter.

161

Realtypen, anders als für die Zeit vor 1871, noch nicht die Hälfte der Unternehmer. Zwischen dem Ende der Ausbildungsphase und dem Einrücken in eine leitende Position lag für die meisten Unternehmer - abgesehen von den angestellten Unternehmern - eine relativ kurze Zeitspanne. Die Eigentümer kamen in einem mittleren Alter von 28 Jahren an die Spitze ihres Betriebs,43 die Gründer unter ihnen machten sich mit 27 Jahren selbständig.44 Für fast alle Unternehmer bedeutete die Zeit nach der Ausbildung eine direkte Vorbereitung für die spätere Tätigkeit. Prominente und nahezu einzige Ausnahme war Friedrich Engelhorn, die dominierende Figur im Kreis der BASF-Gründer. Der Sohn eines Mannheimer Bierbrauers ging vom dortigen Lyceum ohne Abschluß ab, durchlief dann eine Lehre als Goldschmied und ließ sich 1846 als Meister in seiner Heimatstadt nieder. Der Kontakt mit einem belgischen Ingenieur regte ihn an, sich mit der Herstellung von Leuchtgas zu befassen; nach bescheidenen Anfängen gründete er 1850 mit zwei Karlsruher Fachleuten die »Badische Gesellschaft fur Gasbeleuchtung« und konnte ihr eine monopolartige Stellung in Mannheim verschaffen. Das Abfallprodukt der Gasfabrikation war Teer. Als in den 1850er Jahren in England und Frankreich grundlegende Verfahren zur Erzeugung von Farben aus Steinkohlenteer entwickelt wurden, erkannte Engelhorn rasch die sich hier bietenden geschäftlichen Möglichkeiten, fand chemische Fachleute - zunächst Dr. Carl Clemm - und Finanziers und gründete 1861 mit ihnen eine Fabrik zur Herstellung von Teerfarben und ihrem Vorprodukt Anilin in Mannheim. Engelhorns Bemühungen, die notwendigen anorganischen Hilfsstoffe selbst zu erzeugen und damit von der chemischen Großindustrie Mannheims unabhängig zu werden, und seine Kontakte zum Bankhaus Ladenburg führten 1865 zur Gründung der Aktiengesellschaft BASF, in der Engelhorn die Oberleitung hatte; als der Mannheimer Stadtrat unter dem Druck der Konkurrenz den erforderlichen Grundstückszukauf verhinderte, siedelte man nach Ludwigshafen über.45 Engelhorns Phantasie, Gewandtheit und zupackende Art hoben ihn aus der Masse der Unternehmer weit heraus. Als gründender Nicht-Fachmann konnte er wohl nur in einer frühen Entwicklungsphase seiner Branche Erfolg haben. Die promovierten Chemiker unter den Gründern in der neuen Leitbranche taten den Schritt in die Selbständigkeit entweder bald nach dem Abschluß des Studiums oder sammelten weitere Erfahrungen in der Praxis. Die Position des Universitätsassistenten, der zunächst eine wissenschaftliche Laufbahn anstrebt, diente in der Großchemie trotz deren Verzahnung von Forschung und Produktion vorwiegend angestellten Unternehmern als Karrieresprungbrett. Carl Clemm trat nach der Promotion bei Justus von Liebig in Gießen in die Fabrik seines Onkels Clemm-Lennig in Mannheim ein, 162

August Clemm, ebenfalls ein Liebig-Schiiler, in das 1861 von seinem Bruder, Engelhorn und dem Kaufmann Dyckerhoff gegründete Mannheimer Unternehmen.46 - Dr. Albert Knoll, Sohn eines Braunschweiger Schneidermeisters, studierte an der Technischen Hochschule seiner Heimatstadt und an der Universität in Göttingen Chemie, wo er promovierte. Nach einem Semester als Vorlesungsassistent in Braunschweig ging Knoll in die Industrie, zunächst zu einer Magdeburger Steingutfabrik, dann - im Anschluß an sein Militärjahr - an das Versuchslabor der Dresdener Arzneimittelfirma Gehe & Co.; 1885 gab er seine Position auf, um weitere Erfahrungen in England zu sammeln. In seiner dortigen Stellung bei einem auf die OpiumVerarbeitung spezialisierten Unternehmen gelang ihm die Entwicklung eines rationellen Verfahrens zur Umwandlung von Morphin in das Hustenund Schmerzmittel Codein.47 Diese Innovation war die Basis fur Knolls Entschluß zur Gründung eines eigenen Unternehmens, das er 1886 in Ludwigshafen zusammen mit seinem Bruder und seinem Schwager Max Daege, einem vorher hier angestellten Kaufmann, etablierte.48 Neben den hochqualifizierten Fachmann trat auch in den neuen Leitindustrien der Kaufinann als Finanzier und als Verkaufsexperte. Paul W Hartmann, der Sohn eines württembergischen Finanzrats, hatte nach der Oberrealschule zwar einige Semester Chemie studiert, dann aber eine Banklehre absolviert und war anschließend in dieselbe Fabrik wie Carl Grünzweig eingetreten. 1878 gründeten sie zusammen eine Fabrik für Isolierstoffe.49 Schuckerts Teilhaber und unmittelbarer Nachfolger Alexander (von) Wacker hatte sich nach der kaufmännischen Ausbildung 1871 zunächst in Kassel selbständig gemacht, vertrieb dann seit 1875 vor allem landwirtschaftliche Maschinen in Leipzig, seit 1877 auch Produkte Schuckerts; 1884 übernahm er die kaufmännische Leitung der Nürnberger Fabrik, wurde im Jahr darauf sein Teilhaber und veranlaßte nach Schuckerts krankheitsbedingtem Ausscheiden 1892 die Umwandlung der Personal- in eine Aktiengesellschaft, an deren Spitze er bis 1902 als Generaldirektor stand.50 Die handwerklich ausgebildeten Gründer industrieller Unternehmen in den weniger spektakulären Bereichen starteten, sofern sie nicht die väterliche Werkstatt ausbauten, meist nach einer Vorbereitungszeit in einem anderen Betrieb der gleichen Branche; Beispiele dafür sind die Tätigkeit des Filzhutfabrikanten Lembert als Maschinenspinner oder des Druckmaschinenherstellers Kempe als Faktor.51 Nur sehr selten hatten solche Unternehmer vorher eine Position außerhalb der produzierenden Wirtschaft eingenommen. Eine der wenigen Ausnahmen ist Max Josef Obermaier, der zunächst als Bezirksgeometer im Staatsdienst tätig war. Die Erfindung des Profilographen52 brachte ihn mit Schuckert in Kontakt, der sein Gerät verwertete und ihn zur Einrichtung einer kleinen Fabrik für Kabel und Kabelisolatoren in Nürnberg bewog; sein Amt gab er auf.53 163

Kaufleute wurden dadurch zu Fabrikgriindern, daß sie, wie der Molkereimaschinenhersteller Gaudenz Bayer oder der Malzkaffeefabrikant Emil Wilhelm,54 ihrem Handelsgeschäft entsprechende Produktionsstätten angliederten, einen kleinen Betrieb aufkauften und ausbauten oder als Teilhaber/ Sohn/Schwiegersohn einen noch handwerklich strukturierten Betrieb modernisierten und vergrößerten. Ein Beispiel fur den zuletzt genannten Weg ist der aus Kempten stammende Seifenfabrikant Johannes Schregle, der 1862 als Kommis nach München kam, 1872 die Tochter des Seifensieders Linsenmayer ehelichte und 1879 das Geschäft von seinem Schwiegervater übernahm. Schregle erwarb im folgenden Jahr ein neues Anwesen, richtete eine »Dampfanlage« ein, stellte Vertreter ein und konnte den Kundenkreis der Firma über München und dessen unmittelbare Umgebung hinaus erweitern.55 Auch die zu Industriellen werdenden Kaufleute, die keine Gründer waren, gelangten häufig im Zusammenhang mit einer Heirat in eine Unternehmerposition; spätestens dann wurden sie Teilhaber. Für die meisten Großhändler, Privatbankiers und Verleger war die Zeitspanne zwischen dem Abschluß der Ausbildung und dem Beginn der Selbständigkeit ebenfalls relativ kurz. Kompliziertes technisches Fachwissen mußte hier nicht erworben werden, das Betriebskapital für ein Handelsgeschäft war im Vergleich gering. Selten blieb hier die Kombination einer technischen mit einer kaufmännischen Ausbildlang: August Röchling aus der Saarbrücker Unternehmerfamilie, der mit seinem Bruder Ernst die Hauptniederlassung der Speditionsfirma und Großhandlung für Eisen und Kohlen in Ludwigshafen leitete, hatte nach dem Gymnasium die technische Hochschule in Karlsruhe besucht, sich im Anschluß an sein Militärjahr zwei Jahre in England und Frankreich aufgehalten und eine kaufmännische Lehre durchlaufen.56 Insgesamt scheint die schon bei den frühen Unternehmern enge Verknüpfung von Ausbildung, Ausgangsberuf und spätere Unternehmertätigkeit bei den nach 1830 geborenen noch enger geworden zu sein. Dies gilt vor allem für die Eigentümer-Unternehmer; auf die Ausnahmen bei den angestellten Unternehmern wird noch eingegangen. Karrieren wie die eines Riedinger oder Krauss, die von der Handwerkslehre über die Position eines leitenden Technikers in mittlerem Alter dann zu Gründung und Besitz eines großen eigenen Unternehmens führten, lassen sich für die nach 1830 geborenen Unternehmer nicht mehr konstatieren.

164

e) Religion und Konfession Auch im Kaiserreich waren, wie die Tabelle 19a erweist, die Protestanten unter den Unternehmern in der Mehrheit, allerdings nicht mehr so klar wie in den Jahrzehnten davor. Zudem gewannen Katholiken und Juden stetig an Gewicht. Trotz des Aufholens der anderen Konfessionen stellten die Protestanten aber in allen Städten, auch in Nürnberg und Ludwigshafen (dessen Werte freilich nur bedingt interpretierbar sind), deutlich mehr Unternehmer als es ihrem Anteil an der jeweiligen Stadtbevölkerung entsprach (Tabelle 19b,c), in Augsburg und Regensburg etwa doppelt so viel, etwas weniger in München. Dennoch entsprach der katholischen Bevölkerungsmehrheit in München und Regensburg auch eine Mehrheit der katholischen Unternehmer. Nur in Augsburg hielt sich die protestantische Dominanz. Insgesamt zeigt der Vergleich der beiden großen Konfessionen, daß nur aus einer protestantischen Bevölkerungsminderheit überdurchschnittlich viele Unternehmer kamen, während die katholische Minderheit sogar weniger Unternehmer hervorbrachte, als es ihrem Anteil an der Bevölkerung entsprochen hätte. Offensichtlich blieb die größere Affinität der Protestanten gegenüber unternehmerischer Tätigkeit auch in einer Zeit erhalten, in der sich die religiösen Bindungen im allgemeinen lockerten. Das Übergewicht der Protestanten läßt sich nicht mit dem Hinweis auf ihre soziale Herkunft erklären. Hier gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen den Unternehmern aus den beiden großen Konfessionen: Jeweils die Hälfte von ihnen stammte bereits aus einer Unternehmer- oder Kaufmannsfamilie, ein gutes Fünftel aus einer Familie von Handwerkern und Gewerbetreibenden, ein Achtel der katholischen und ein Zehntel der protestantischen Unternehmer aus einem bildungsbürgerlichen Elternhaus. Während allerdings nur 2,5% der protestantischen Unternehmer einen Landwirt zum Vater hatten, waren es bei den katholischen fast 7%.57 Auch in ihren beruflichen Qualifikationen unterschieden sich protestantische und katholische Unternehmer nur partiell voneinander. Eine höhere technische Ausbildung hatte jeweils etwa ein Zehntel von ihnen absolviert, gleiches galt für ein Universitätsstudium. Während jedoch mehr als die Hälfte aller protestantischen Unternehmer eine kaufmännische Lehre durchlaufen hatte und nur ein gutes Viertel eine Handwerkslehre, waren nur zwei Fünftel der katholischen Unternehmer gelernte Kaufleute, über ein Drittel hingegen Handwerker.58 Die Unterrepräsentanz der Katholiken war auch kein Resultat familiärer Kontinuität früher etablierter protestantischer Unternehmer und des hohen Anteils von Erben unter den Unternehmern des Kaiserreichs: Betrachtet man nur die Unternehmensgründer, so ergeben sich im Vergleich zur Gesamtheit der Unternehmer jeweils leicht niedrigere Anteile für Protestanten (48,1%) und Katholiken (35,8%) gegenüber einem nicht überra165

Tab. 19:

Religion und Konfession der Unternehmer im Kaiserreich (in %)

a) nach Altersgruppen Geburtsjahr Rel./Konf.

bis 1830

Katholisch1 Protestantisch Israelitisch2

27,3 69,7 3,0

Zahl der Fälle = Keine Information =

66 5

1831-1850

nach 1850

38,1 49,5 12,4

insges.

41,2 46,0 12,7

37,9 51,0 11,2

202 15

189 18

457 38

Nürnberg

Augsburg

Reg. bürg

b) nach Städten Stadt Rel./Konf.

München

63,9 24,1 12,0

Katholisch Protestant. Israelit. Zahl d. Fälle = Keine Inform.

158 -

34,2 57,7 8,1

4,2 81,7 14,2 120 23

111 3

L.hafen

50,0 39,1 10,9

27,2 68,2 4,5

46

22 12

-

c) Religion und Konfession der Bevölkerung in den Städten 1875/1910 Stadt Rel./Konf. Katholisch Protestant. Israelii. Sonstige

München 1875 1910 87,2 10,9 1,7 0,2

Nürnberg 1875 1910

82,4 3 19,2 14,5 77,7 1,9 2,7 0,2 0,4

Augsburg 1875 1910

31,3 4 67,2 65,4 31,1 2,3 1,6 0,9 0,1

76,3 22,4 1,0 0,3

Reg.burg 1875 1910 79,8 18,4 1,8 0,0

86,2 12,7 0,9 0,2

L.hafen 1910 48,2 s 49,1 0,9 1,8

Quellen: BSB 36, S. ΙΠ, ΧΠΙ, XLX, XXVII; 84, S. 2 8 3 , 2 9 3 , 2 9 9 , 3 0 7 ; V B Ludwigshafen 1910, S. 26. 1 Darunter: 5 Altkatholiken, 1 konfessionslos gewordener Katholik. 2 Darunter waren drei Unternehmer, die ihren Glauben später aufgaben: einer wurde Katholik, einer Protestant, einer konfessionslos. 48 jüdische Unternehmer blieben ihrem Glauben hingegen verhaftet; die Zahl der Konversionen scheint demnach jetzt relativ gering gewesen zu sein. 3 Einschließlich 0,3 % Altkatholiken ( = 2062 Einwohner). 4 Einschließlich 0,3 % Altkatholiken ( = 900 Einwohner). 5 Einschließlich 0,2 % Altkatholiken ( = 142 Einwohner).

166

sehenden höheren fur die jüdischen Unternehmer (16,0%).59 Protestantische und katholische Unternehmer kamen also insgesamt aus ähnlichen Familien, hatten sich in gleichem Maß höhere berufliche Qualifikationen erworben und zeigten als Gründer dieselbe Risikobereitschaft. Beachtliche Unterschiede bestanden jedoch bei der räumlichen Herkunft: Von den zugewanderten Katholiken stammte über die Hälfte aus der (näheren und weiteren) Umgebung, von den zugewanderten Protestanten jedoch kaum ein Drittel; am Ort war jeweils etwa die Hälfte der Protestanten und Katholiken geboren.60 Gewiß wird man aus dieser Beobachtung nur vorsichtige Schlüsse ziehen können. Die hohe Fernwandererquote unter den Protestanten ist aber zumindest ein deutliches Indiz dafür, daß sie ihren künftigen Tätigkeitsort bewußt und in Kenntnis seiner ökonomischen Chancen ansteuerten und nicht, wie die meisten Katholiken, dem allgemeinen Wanderungsstrom der Zeit folgten, der sich aus dem ländlichen Umfeld der Städte speiste und auch deshalb den katholischen Bevölkerungsteil dort so stark wachsen ließ.61 Bei den Industriellen waren die Protestanten in der Mehrheit, bei den Handelsunternehmern stellten sie die stärkste Gruppe (Tabelle 20). Wie vor 1871 unterschied sich das Verhältnis der Konfessionen aber auch im Kaiserreich erheblich von Branche zu Branche. Besonders deutlich war das Ubergewicht der Protestanten unter den Metallindustriellen - dazu zählten vor allem Nürnberger Handwerker-Unternehmer oder Unternehmer aus den Dynastien Beckh, Schmidmer und Seitz. Am größten war es in der Chemischen Industrie: Neben den Bleistiftfabrikanten waren fast alle zum Kreis der BASF-Gründer gehörenden Unternehmer Protestanten. Erhalten blieb die protestantische Dominanz auch in der Textilindustrie. Hingegen hatten die Katholiken im Maschinenbau aufgeholt: Zu ihnen gehörten viele Gründer und Inhaber der kleineren, spezialisierten Fabriken, etwa Bayer in Augsburg oder Scholz in Regensburg, aber auch der MAN-Direktor Anton (von) Rieppel. Auffällig ist die klare katholische Mehrheit bei den Bauunternehmern. Die Gründer der großen Münchener Baugeschäfte zählten dazu etwa die schon genannten Heilmann und Woerner - , außerdem die meisten Inhaber der kleineren, langsam aus dem Handwerk herauswachsenden Baufirmen in den anderen Städten. Jüdische Unternehmer waren, wie Tabelle 20 zeigt, besonders stark im Handel und im Bankgewerbe vertreten, daneben auch in der Textilindustrie (und in der Konfektionsherstellung), ohne jedoch in diesen Großbereichen die Mehrheit zu bilden; das galt auch für die einzelnen Städte. In anderen Branchen faßten sie erst allmählich Fuß. Damit unterschieden sich die jüdischen Unternehmer Bayerns im ganzen nicht von denen anderer deutscher Regionen.62 Die Arbeit Stahls erlaubt speziell für das Bankgewerbe einen genaueren Vergleich: Danach stellten die Juden in Bayern hier mit 167

knapp einem Viertel weniger Unternehmer als in Deutschland insgesamt, wo ihr Anteil bei einem Drittel lag.63 Am höchsten, wenngleich in Relation zu den anderen Konfessionen immer noch gering, war der Anteil jüdischer Unternehmer während des Kaiserreichs in Nürnberg, dessen Magistrat vor 1868/71 die restriktivste Niederlassungspolitik betrieben hatte.64 Die meisten von ihnen waren als Hopfengroßhändler tätig: Verwandtschaftliche Bindungen zu den Landgemeinden Mittelfrankens, aus denen viele von ihnen stammten, verschafften ihnen dabei sicher Wettbewerbsvorteile gegenüber der christlichen Konkurrenz. Zwar fiel die Zuwanderung der jeweiligen Geschäftsgründer noch in die Zeit der Matrikelgesetzgebung, doch erlaubte deren Aufhebung es jetzt allen Söhnen, in der Stadt zu bleiben, dort eine Familie zu gründen und sich als Unternehmer zu etablieren. So war Stephan Hopf von Uhlfeld nach Nürnberg gekommen, hatte dort 1860 das Bürgerrecht erworben und eine Großhandlung gegründet, die Hopfen bis nach Schweden, Norwegen, Rußland und Japan verkaufte. Seine Söhne Hans und Eduard traten nach der kaufmännischen Ausbildung und einer Weltreise in das väterliche Geschäft ein und führten es weiter.65 Berthold Bing, ein Verwandter des schon erwähnten Metallindustriellen Ignaz Bing,66 wurde nach der Kaufmannslehre und Aufenthalten in Straßburg und Paris 1877 Teilhaber seines Bruders und Firmengründers Bernhard. Bing nahm neben seiner Tätigkeit als Hopfenhändler zahlreiche öffentliche Ämter wahr und hatte maßgeblichen Anteil am Erfolg Rudolf Diesels: er vermittelte den Kontakt zum amerikanischen Großbrauer Adolphus Busch, der Diesel eine Million Mark zufließen ließ.67 Lehmann Bernheimer, Kaufmannssohn aus dem württembergischen Buttenhausen, besuchte die Realschule in Stuttgart und begleitete seinen Vater bei dessen Fahrten zu in- und ausländischen Messen, wobei er auch München aufsuchte. 1860/61 unternahm er eine Reise zu seinem in New York lebenden Bruder. Nach vier Jahren als Prokurist eines Ulmer Modewarengeschäftes kam er 1864 nach München, wo er eine Tuchhandlung erwarb und nach einigen Schwierigkeiten mit dem Magistrat68 eine Detailhandelskonzession erhielt. Das stetig expandierende Spezialgeschäft für Teppiche, Einrichtungsartikel und Antiquitäten wurde weit über die Grenzen Münchens hinaus bekannt, was sich nicht zuletzt an den Orden ablesen läßt, die Bernheimer von außerbayerischen Fürsten erhielt.69 Neben Handel- und Bankwesen etablierten sich jüdische Unternehmer vor allem in der Textil- und der Bekleidungsindustrie. Albert Raff aus Ichenhausen bei Göppingen wurde nach einer Ausbildung als Kaufmann, Weber und Färber Teilhaber in der Weberei und Textilgroßhandlung seines Vaters, übersiedelte mit ihr 1861 nach Göppingen und verlegte die Großhandlung 1873 nach München. Sein Sohn David und der Schwiegersohn Isaak Lehmann führten die expandierende Großhandlung in München wei168

Tab. 20: Religion und Konfession nach Branchen im Kaiserreich (in %) a) Industrielle Branche1 Rel./Konf.

5

6

7

9

Katholisch Protestant. Israelit.

22,0 75,6 2,4

50,0 47,2 2,8

15,8 81,6 2,6

Zahl d. Fälle = Keine Inform. =

41 3

36 10

38 7

13

16

26,8 53,7 19,5

50,0 46,6 3,4

60,9 26,0 13,0

47,4 42,3 10,3

41

58 4

23

78 8





Sonst. insges.

39,4 53,0 7,6 315 32

b) Handelsunternehmer Branche Rel./Konf.

H

Β

V

Katholisch Protestant. Israelit.

28,8 45,5 25,8

36,4 40,9 22,7

52,3 47,7

Zahl d. Fälle = Keine Inform. =

66 4

44 1

21 1

Sonst. insges.

(3) (8)

-

11 -

34,5 46,8 19,0 142 6

1 5 = Metallverarbeitung; 6 = Maschinenbau; 7 = Chemische Industrie; 9 = Textilindustrie; 13 = Nahrungs- und Genußmittelindustrie; 16 = Baugewerbe; H — Handel; Β = Banken; V = Verlagswesen.

ter, seit 1892 in einem neuen Geschäftsgebäude, und betrieben ab 1897 eine mechanische Buntweberei in Augsburg.70 - Der Kaufmannssohn Salomon (Sally) Hesselberger gründete 1894 mit einem Kompagnon eine Großhandlung fur Seidenwaren in München, gliederte ihr bald einen Fabrikationsbetrieb an und errichtete Filialen in Barmen und Elberfeld; um 1913 hatte das Unternehmen knapp 1.000 Beschäftigte.71 Als Kaufmann begann auch Leopold Regensteiner, der 1873 als »Handlungs-Volontär« nach München kam und zehn Jahre später mit seinem Bruder Jakob eine Schuhfabrik gründete, die um 1913 150 Arbeiter beschäftigte.72 Auch die jüdischen Industriellen anderer Branchen, etwa der Metallwarenfabrikant Ignaz Bing oder der Möbelfabrikant Moritz Ballin,73 starteten nach einer kaufmännischen Ausbildung bzw. einer Tätigkeit als Groß- oder Detailhändler ihre Unternehmerkarriere. In seiner Generation eine Ausnahme war dagegen Heinrich Caro (*1834), die überragende Forscherpersönlichkeit in 169

der ersten Führungsriege der BASF, der in Berlin Chemie studiert hatte.74 Häufiger erwarben erst die jüngeren, im Kaiserreich geborenen und aufgewachsenen jüdischen Unternehmer eine höhere technische Bildung - wie der Augsburger Tiefbauunternehmer Louis Bernheimer (*1875) - oder absolvierten -wie der Regensburger Bankier Dr.jur. Hugo Thalmessinger (*1875) - ein Universitätsstudium.75 Insgesamt läßt sich sagen, daß, vom Hopfenhandel Nürnbergs abgesehen, jüdische Unternehmer in keiner der fünf Städte und in keiner Branche eine dominierende Position gewannen. Dies gilt gerade für das Bankgewerbe: Die großen Aktienbanken standen unter christlicher Führung, die mit Abstand bedeutendste Privatbank wurde von dem Protestanten Finck geleitet. Kein jüdischer Unternehmer erreichte in den neuen Leitbranchen eine Stellung, wie sie in Preußen und im Reich die beiden Rathenaus innehatten; auch fehlten in Bayern Verleger wie Mosse und Ullstein. Zur Umgebung des Prinzregenten Luitpold gehörte kein jüdischer Unternehmer.

f) Die Herkunft der angestellten Unternehmer Die größten und bedeutendsten Unternehmen Bayerns wurden spätestens seit den 1890er Jahren von angestellten Unternehmern geleitet: die MAN, die EAG (Schuckert), die BASF und die beiden Großbanken (Hypo- und Vereinsbank). Der Kreis der angestellten Unternehmer reichte über diese schmale Elite jedoch weit hinaus. Zu ihm gehörten auch die Leiter von Firmen, welche zwar schon als Kapitalgesellschaft organisiert waren, aber kaum hundert Beschäftigte oder nur wenig mehr aufwiesen. Neben Unternehmen wie den noch nicht kommunalen Gasanstalten waren dies nicht wenige Brauereien und einige der Augsburger Textilbetriebe. Der Direktor einer Aktiengesellschaft mußte also nicht unbedingt zum Kreis der Spitzenunternehmer zählen.76 Untersucht werden im folgenden nur die >geborenen< Direktoren und Vorstandsmitglieder, nicht solche Unternehmer, die als Eigentümer begannen und in einem späteren Stadium ihrer Laufbahn freiwillig oder unter Druck ihren Betrieb aus einer Personal- in eine Kapitalgesellschaft umwandelten und dann noch längere Zeit an deren Spitze standen. Es geht also um Unternehmer, deren Karriere nicht auf ererbtem oder früh akkumuliertem Kapital, sondern auf einer höheren wissenschaftlichen, technischen oder kaufmännischen Qualifikation basierte, mit der sich besondere organisatorische und - im weiteren Sinn - politische Fähigkeiten verbanden. Ein Viertel (21) der hier erfaßten angestellten Unternehmer und damit der größte Teil von ihnen leitete eine Bank, jeweils ein weiteres Fünftel eine 170

Brauerei (17) oder eine Chemiefabrik (16), je 9 ein Unternehmen des Maschinen- und Apparatebaus oder eine Spinnerei/Weberei; die übrigen 14 verteilen sich auf sechs andere Branchen. Es fällt auf, daß im Vergleich zu den Eigentümer-Unternehmern ein erheblich geringerer Teil (28,8% gegenüber 50,5%) der angestellten Unternehmer am späteren Tätigkeitsort geboren war.77 Die räumliche Mobilität der angestellten Unternehmer war also relativ hoch. Zwar bildeten die Zuwanderer aus der weiteren Umgebung die größte Gruppe (29,3%), doch lagen die Anteile der Zuwanderer aus weiter entfernten Regionen deutlich über den für die Eigentümer-Unternehmer festgestellten. Von diesen Regionen kam auch bei den angestellten Unternehmern dem übrigen Bayern, Südund Mitteldeutschland die größte Bedeutung zu, während die der anderen Gebiete auch hier marginal blieb. Bemerkenswert ist, daß die meisten Fernwanderer unter den angestellten Unternehmern aus Mitteldeutschland (14,6%) stammten: primär aus Sachsen und Thüringen, weniger aus Hessen. Fast ein Achtel der Zuwanderer war in einer Großstadt geboren, über ein Viertel in einer Mittelstadt, etwas mehr also als die Unternehmer des Kaiserreichs im Durchschnitt. Das mittlere Zuwanderungsalter lag bei 31 Jahren, bei einer im Vergleich geringeren Schwankungsbreite: der jüngste Unternehmensleiter war 21, der älteste 46 Jahre alt, als er sich in einer der fünf Städte niederließ.78 Diese Befunde deuten daraufhin, daß die Entscheidung zur Zuwanderung vom (künftigen) Unternehmer sehr bewußt getroffen wurde und sie eher schon der künftigen Tätigkeit als weiterer Ausbildung galt. Auch ihrer sozialen Herkunft nach unterschieden sich die angestellten Unternehmer deutlich von den übrigen.79 Nur etwa ein Viertel ihrer Väter (20,0%) 80 waren selbst schon Unternehmer (davon 3 Bank-, Versicherungsbzw. Fabrikdirektoren), während über ein Fünftel (21,7%) aus Elternhäusern des traditionellen Bildungsbürgertums stammte; bei den Eigentümer-Unternehmern hingegen beliefen sich die entsprechenden Anteile auf 48,2% und nur 6,9%. Der Anteil der selbständigen Handwerker und Gewerbetreibenden entsprach mit einem weiteren Viertel (23,3%) etwa dem dieser Gruppen an den Eigentümer-Unternehmern, lag sogar etwas darüber; klar höher war der Anteil der Bauern (8,3% gegenüber 3,4%) und sonstigen Beamten (6,7% gegenüber 1,5%). Wenn auch über die soziale Herkunft relativ vieler angestellter Unternehmer keine Informationen vorliegen, wird man doch festeilen können, daß sie sich im ganzen nicht aus niedrigeren sozialen Schichten rekrutierten als die Eigentümer-Unternehmer. Angesichts der sehr unterschiedlichen Größe und Bedeutung der von ihnen geleiteten Unternehmen kann aber nur eine Prüfung der einzelnen Branchen und Fälle erweisen, ob die Tendenz zur 171

Trennung von Kapitalbesitz und Geschäftsleitung mehr Möglichkeiten für sozialen Aufstieg schuf. Eher läßt sich konstatieren, daß gerade über die Position des angestellten Direktors Söhne aus dem traditionellen Bildungsbürgertum Zugang zu unternehmerischer Tätigkeit fanden. Die größere Wertschätzung höherer Bildung in solchen Familien mußte nun nicht mehr dazu fuhren, daß der Sohn den Beruf des Vaters gleichsam erbte und wieder Regierungsrat, Advokat oder Pfarrer wurde; zugleich bedeuteten die für eine Reihe der neuen Positionen erhobenen Qualifikationsansprüche deren Aufwertung gegenüber den klassischen Akademikerberufen. Auch Stahl stellt in seiner Studie fest, daß der Anteil der höheren Beamten wie der der übrigen Bildungsbürger unter den Vätern der angestellten Unternehmer besonders hoch war; mit über einem Viertel lag er noch deutlich über dem hier für die bayerischen Unternehmer errechneten. Die Anteile von Unternehmern wie von Handwerkern und Gewerbetreibenden in seiner Untersuchung entsprechen ungefähr den hier ermittelten, liegen jedoch unter seinen für die Eigentümer-Unternehmer angegebenen Werten.81 In ihrer Glaubens- und Konfessionszugehörigkeit hoben sich die angestellten von den anderen Unternehmern vor allem in einer Hinsicht ab: Der Anteil der Juden lag bei nur 2,6% und betrug damit nur ein Fünftel ihres Anteils an den Eigentümer-Unternehmern (13,0%). Differenzen in Ausbildung und Qualifikation können dies, wie sich noch zeigen wird, nur zum geringeren Teil erklären. Der Grund für die jüdische Unterrepräsentanz ist vermutlich eher im Karriereweg der angestellten Unternehmer zu suchen: Ihr über mehrere Stufen führender Aufstieg in eine leitende Position hing wesentlich von den Entscheidungen anderer ab, zuletzt von denen der Anteilseigner. Ressentiments und Vorurteile, die spätestens nach 1861 eine Etablierung als selbständiger Kaufmann oder Fabrikant kaum mehr behindern konnten, dürften sich hier viel massiver ausgewirkt haben.82 Der Anteil der Katholiken war leicht geringer (35,9% gegenüber 38,2%), der Anteil der Protestanten um über zehn Prozentpunkte höher (61,5% gegenüber 48,8%).83 Stahl hat ein noch größeres Ungleichgewicht zwischen Protestanten und Katholiken festgestellt. Nach seinen Berechnungen gehörten sieben Zehntel (70,6%) der angestellten Unternehmer protestantischen Glaubensgemeinschaften an und nur etwas mehr als ein Fünftel (21,8%) katholischen; der jüdische Anteil lag bei 6,8%.84 Das Qualifikationsniveau der angestellten Unternehmer lag, wie zu erwarten, weit über dem der Eigentümer-Unternehmer:85 Fast die Hälfte von ihnen (44,0%) hatte eine höhere technische Lehranstalt oder eine Universität besucht, während es bei den Eigentümer-Unternehmern noch weniger als ein Fünftel (17,6%) war. Allerdings vermittelte auch den meisten Unternehmensdirektoren (46,0%) eine kaufmännische Lehre die für die 172

spätere Position erforderlichen Kenntnisse. Ausschließlich gelernte Handwerker waren hingegen nur wenige der angestellten Unternehmer (10,0%). Nach Stahls Ergebnissen hatten fast zwei Drittel der angestellten Unternehmer in Deutschland an einer Universität oder Technischen Hochschule studiert, ein weiteres Fünftel an anderen technischen Lehranstalten; nur ein Zehntel verfugte über eine kaufmännische Ausbildung und allein 3% hatten eine Handwerkslehre durchlaufen.86 Die Differenz dürfte sich nicht mit bayerischer Zurückgebliebenheit, sondern mit den Auswahlkriterien der NDB erklären lassen: Der Direktor einer mittleren Brauerei oder Spinnerei wird kaum aufgenommen worden sein, hingegen viele der schwerindustriellen Unternehmensleiter, für die auch Pierenkemper einen besonders hohen Akademisierungsgrad nachweist.87 Die These, daß nun Schulbildung statt des Besitzes von Kapital den Aufstieg in eine Unternehmerposition kanalisierte,88 kann daher für Bayern nicht pauschal akzeptiert werden und bedarf einer branchenbezogenen Differenzierung. Eine kaufmännische Lehre scheint zumindest das Abitur nicht zwingend vorausgesetzt zu haben; überdies waren für die älteren der hier erfaßten Unternehmensleiter auch die Voraussetzungen für die Aufnahme an einem Polytechnikum noch nicht starr festgelegt. Dies erhielt der Laufbahn des angestellten Unternehmers noch eine gewisse soziale Offenheit. Die Zugangsbedingungen dürften sich wohl erst im Zuge der Akademisierung der kaufmännischen Bildung und der Gleichstellung der Technischen Hochschulen mit den Universitäten um die Jahrhundertwende durchgreifend geändert haben. Mindestens 12 angestellte Unternehmer komplettierten ihre Ausbildung durch einen Auslandsaufenthalt. Damit liegt freilich der Anteil der Direktoren und Vorstände mit solchen Erfahrungen etwas unter dem bei allen Unternehmern. In einigen Fällen weisen die Quellen zwar auch hier Informationslücken auf, doch bleibt festzuhalten, daß das insgesamt höhere Qualifikationsniveau der angestellten Unternehmer in den hier erfaßten bayerischen Städten nicht generell mit einem überdurchschnittlichen Grad an Auslandserfahrungen einherging. Allerdings muß dieser Befund nach Branchen differenziert werden. Von Branche zu Branche unterschiedlich war auch die berufliche Laufbahn des angestellten Unternehmers vor dem Eintritt in eine leitende Stellung. Das mittlere Startalter lag bei 37 Jahren, also neun Jahre über dem der Eigentümer-Unternehmer.89 Ein Zehntel (7 Fälle) hatte die Führungsposition bereits bis zum Alter von 30 Jahren bezogen; der jüngste angestellte Unternehmer begann seine Karriere mit 24, der älteste mit 54 Jahren. Stahl hat auf der Basis der NDB sehr ähnliche Werte errechnet.90 In der Chemischen Industrie war die Produktion eng mit wissenschaftlicher Forschung verzahnt. Akademisch gebildete Chemiker stellten daher einen großen Teil der Mitglieder im Vorstand der BASF. Nach der Gründergenera173

tion um Engelhorn war Heinrich (von) Brunck bis zur Jahrhundertwende die das Unternehmen prägende Gestalt.91 Brunck, der aus einer pfälzischen Bauernfamilie mit elf Geschwistern stammte, studierte Chemie in Zürich, Tübingen und bei Kekulé in Gent, promovierte 1867 und ging dann für zwei Jahre zur Chemischen Fabrik E.de Haën nach Hannover. 1869 trat er in die BASF ein, wurde 1875 Leiter der Alizarin- Abteilung, 1879 Prokurist, 1883 leitender technischer Direktor und damit Vorstandsmitglied. 1907 übernahm er den Vorsitz des Aufsichtsrats. Unter Bruncks Führung wurde unter anderem die Indigo-Synthese entwickelt und mit dem Aufbau der betrieblichen Sozialeinrichtungen begonnen. Der Zusammenschluß von BASF, Bayer und AGFA zu einer Interessengemeinschaft im Jahr 1904 ging wesentlich auf seine Iniative zurück. - Bruncks Freund Karl Glaser, Arztsohn aus Kirchheimbolanden (Pfalz), Schloß sein Chemiestudium mit der Promotion in Tübingen ab und wurde dann Assistent Kekulés, zunächst in Gent, später in Bonn, wo er sich 1868 habilitierte. Engelhorn konnte ihn dazu bewegen, auf eine Fortsetzung seiner wissenschaftlichen Laufbahn zu verzichten und zusammen mit Brunck in die BASF einzutreten. 1877/78 war Glaser im Auftrag der Firma in Rußland, wo er einen Filialbetrieb zur Farbenproduktion einrichtete. Ein Jahr später wurde er Leiter der Fabrikationsabteilung, 1883 Vorstandsmitglied, was er bis zu seinem Übertritt in den Aufsichtsrat 1895 blieb; von 1912 bis 1920 führte er dessen Vorsitz. - Der in Kaiserslautern geborene Carl Müller, Sohn eines Eisenbahnbeamten, studierte nach dem Besuch des Gymnasiums in Mannheim sowie des Realgymnasiums in Speyer und der Ableistung seines Militärjahrs an der technischen Hochschule in München bei Erlenmeyer und promovierte 1880 in Freiburg. Er legte das bayerische Staatsexamen für die beschreibenden Naturwissenschaften, Chemie und Mineralogie ab und wurde 1881 Unterrichtsassistent am Labor der Münchener Hochschule. Im Jahr darauf trat er in die BASF ein und erhielt 1897 Prokura; 1904 wurde er stellvertretender Direktor, 1906 Mitglied des Vorstandes, dessen Vorsitz er von 1912 bis 1917 innehatte. 1920 folgte er Glaser im Vorsitz des Aufsichtsrates.92 - Ein mit der Promotion abgeschlossenes Chemiestudium, im Anschluß daran eine relativ kurze Phase praktischer Tätigkeit in einem anderen Unternehmen oder Forschungstätigkeit an der Universität, die weitere Laufbahn dann in der BASF - diesem Karriereweg folgten auch viele andere leitende Angestellte des Unternehmens. 93 Ein auf dem Weltmarkt operierendes Unternehmen mit mehreren tausend Beschäftigten und Zweigbetrieben, wie es die BASF war, bedurfte in seiner Führung aber auch kaufmännischen Sachverstandes.94 So setzte sich der Vorstand der BASF aus wissenschaftlich geschulten und kaufmännisch also während der hier erfaßten Zeit noch vorwiegend in der Praxis vorgebildeten Direktoren zusammen. August Hanser, in Cannstatt gebore174

ner Sohn des späteren kaufmännischen Direktors des Vereins chemischer Fabriken in Mannheim, absolvierte nach der Realschule in Friedrichshafen von 1866 bis 1870 eine Banklehre in Mannheim und war anschließend bis zum Ausbruch des deutsch-französischen Kriegs in Paris angestellt. Nach dem einjährigen Militärdienst war er in Brünn, Antwerpen und Ludwigshafen tätig und kam 1874 zur BASF, wo er 1877 Prokura erhielt und 1883 zum Direktor ernannt wurde. - Robert Hüttenmüller, Sohn eines Frankfurter Papierfabrikanten, durchlief nach dem Besuch der dortigen Oberrealschule eine kaufmännische Lehre, hielt sich danach drei Jahre in England sowie ein Jahr in Winterthur auf und wurde 1882 im Verkaufsgeschäft der BASF angestellt. Nach der Prokura-Erteilung 1885 rückte er 1895 zum stellvertretenden Direktor auf und kam 1903 in den Vorstand.95 In der Elektroindustrie und im Maschinenbau verfugten die angestellten Unternehmer ebenfalls über eine höhere Qualifikation, doch scheint hier der Weg in eine leitende Position noch nicht so stark formalisiert gewesen zu sein wie in der Chemischen Industrie. Oskar (von) Petri, in Elberfeld geboren und aus einer bildungsbürgerlichen Familie stammend - sein Vater war Gymnasiallehrer, sein Großvater Braunschweigischer Hofrat, der Urgroßvater reformierter Prediger - kam auf verschlungenen Wegen 1908 an die Spitze der aus dem Schuckertschen Unternehmen hervorgegangenen »Elektrizitäts-A.G.«. Petri besuchte das humanistische Gymnasium und die Oberrealschule in Elberfeld und studierte dann acht Semester an den technischen Hochschulen in Karlsruhe und Berlin. Als geprüfter »Regierungsbauführer« und »Regierungsbaumeister« war er bis 1889 zunächst in der preußischen Eisenbahnverwaltung angestellt und wurde dann für zwei Jahre als technischer Attaché an die deutsche Botschaft in Washington versetzt. Nach seiner Rückkehr an die Eisenbahndirektion Hannover ließen ihn die »schlechten Beförderungsverhältnisse im preußischen Staatsdienst« die Leitung der neuen »Continentalen Gesellschaft für elektrische Unternehmungen« in Nürnberg, einer Schuckertschen Tochterfirma, annehmen; 1902 wurde er Mitglied im Vorstand der Elektrizitäts-A.G., 1903 im Vorstand der neugegründeten Siemens-Schuckert-Werke. 1908 wechselte er dort in den Aufsichtsrat und wurde gleichzeitig Generaldirektor der Elektrizitäts-A.G. wie der »Continentalen Gesellschaft«.96 In der Leitung der Maschinenfabrik Augsburg A.G. folgte Heinrich (von) Buz seinem Vater Carl;97 dies ist einer der wenigen Fälle, in denen ein Unternehmensdirektor (der hier allerdings auch Miteigentümer war) seinen Sohn als Nachfolger heranziehen und durchsetzen konnte. Heinrich besuchte die Augsburger Kreisgewerbeschule und studierte dann vom Wintersemester 1851/52 bis zum Sommersemester 1853 am Karlsruher Polytechnikum bei Redtenbacher. Danach sammelte er praktische Erfahrungen in Maschinenfabriken im Elsaß, in Paris und London, von wo er 1857 nach Augsburg 175

zurückkehrte, um als »technischer Korrespondent und Konstrukteur« in das Unternehmen des Vaters einzutreten. Dessen Nachfolger wurde er bereits 1864. Unter Buz' Leitung spielte die Augsburger Fabrik eine Pionierrolle bei der Herstellung von Druck- und Kältemaschinen und im Dampfmaschinenbau; in den 1890er Jahren konnte hier Rudolf Diesel seinen Motor entwickeln. Nach der Fusion zwischen der Maschinenfabrik Augsburg und der Maschirienbaugesellschaft Nürnberg zur MAN 1898 blieb Buz gleichberechtigter Generaldirektor des Augsburger Betriebs.98 - Buz' Nürnberger Kollege Anton (von) Rieppel, alleiniger Generaldirektor der MAN nach 1913, stammte aus dem oberpfálzischen Ort Hopfau, wo sein Vater ein Hammerwerk betrieb, das noch in Rieppels Jugend aufgegeben werden mußte. Rieppel Schloß die Gewerbeschule in Wunsiedel mit besten Noten ab und begann 1869 ein bautechnisches Studium an der Polytechnischen Schule in München, neben dem er gutbezahlte Arbeiten für die Akademie der Wissenschaften und den Rektor der Schule, Max von Bauernfeind, ausführte. 1874 verließ er die Hochschule zunächst ohne Abschlußprüfung, um eine Stelle bei der »Süddeutschen Brückenbau A.G.« anzunehmen, absolvierte das Examen aber im folgenden Jahr und fungierte seit 1876 als Leiter der Gustavsburger Werkstätte der Brückenbau A.G., die er durchgreifend modernisierte. 1888 holte man ihn als technischen Berater an die Cramer-Klettsche Maschinenfabrik nach Nürnberg, wo er ebenfalls für eine Modernisierung des Betriebs sorgte - z.B. durch die Einführung elektrischen Lichts - und im Jahr darauf in den Vorstand berufen wurde. 1892 wurde er alleiniger Vorstand, 1913 alleiniger Generaldirektor der M A N . " In den Augsburger Textilbetrieben waren die Führungsstrukturen wenig komplex. Einige Fabriken wurden von nur einem Vorstand geleitet, andere von einem kaufmännischen Direktor (»Gérant«), dem ein technischer Direktor eher nach- als beigeordnet war. Die biographischen Informationen sind hier sehr lückenhaft, doch es scheint, daß die Gesamtleitung einer Spinnerei oder Weberei eher einem Kaufmann als einem Ingenieur übertragen wurde. Insofern bildete der schon erwähnte Theodor (von) Hassler, in Karlsruhe ausgebildeter Direktor der Stadtbachspinnerei von 1868 bis 1889, eher die Ausnahme als die Regel.100 - Hasslers zweiter Nachfolger Carl Clauß war in Mannheim als Sohn eines Nürnberger Kaufmanns geboren. Nach dem Besuch des Nürnberger Realgymnasiums absolvierte er eine kaufmännische Lehre in Chemnitz, anschließend leistete er ein Jahr Militärdienst und konditionierte dann in Liverpool. Von 1882 an war er an leitender Stelle in zwei sächsischen Baumwollspinnereien tätig, bevor er Ende 1899 die Direktion der Stadtbachspinnerei (1907: 1.100 Beschäftigte) übernahm. 101 - Zuerst »Cassier«, dann Direktor der aus einer Riedingerschen Gründung entstandenen Augsburger Buntweberei A.G. (1892: 1.157 Beschäftigte) war zwischen 1880 und 1891 Carl Eberhardt aus 176

Heidenheim, der Sohn eines Zinngießermeisters. - Hugo Brandenberger, dessen Vater als technischer Direktor die Stadtbachspinnerei mitgeleitet hatte, trat nach der Konditionszeit in Liverpool 1887 an die Spitze der Wertachspinnerei (1892: 245 Beschäftigte). - Zu den drei Vorständen der Kammgarnspinnerei (1892: 1.184 Beschäftigte) gehörte nach 1886 der als Kaufmann ausgebildete Fritz Prinz, dessen Vater in Augsburg eine später zur Fabrik ausgebaute Färberei besaß.102 - Die Beispiele deuten auf eine gewisse soziale Offenheit der Laufbahn des kaufmännischen Direktors hin, die wohl auch aus der noch fehlenden Akademisierung der kaufmännischen Ausbildung resultierte. Ahnlich scheint die Situation im Braugewerbe gewesen zu sein. Einer der Nachfolger Ludwigs Breys in der Leitung der Löwenbrauerei, die 1872 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde, war von 1885 bis zu seinem Tod 1898 der Wirtssohn Anton Hertrich; 1882 kam er nach München, um in die Brauerei einzutreten. - Der aus Gotha stammende Kaufmannssohn Friedrich (von) Mildner fungierte nach 1878 als Buchhalter, stellvertretender Direktor und dann als I. Direktor des Unternehmens, das 1910 mit 930 Beschäftigten zu den größten Brauereien Deutschlands zählte.103 - Als uneheliches Kind in München geboren war Anton Raith, in den 1890er Jahren Direktor der Aktienbrauerei zum bayerischen Löwen (vorm.Mathäser) und vorher Buchhalter.104 - Aus einer bildungsbürgerlichen Familie stammte dagegen Carl Georg Bauer; sein Großvater Dr. Jakob Bauer war I. Bürgermeister Münchens, sein Vater königlicher Rentbeamter. Als Braumeister trat Bauer 1892 in die Brauhaus A.G. Nürnberg ein, fungierte bis 1903 als technischer Leiter, war dann zweiter, seit 1911 erster Direktor des Unternehmens, das sich unter seiner Leitung zur viertgrößten Brauerei Bayerns entwickelte.105 - Die gleiche Qualifikation besaß Fritz Schricker, der in Regensburg als Sohn eines Charcutiers geboren war. Als Braumeister arbeitete er 1887 im Kanton Zürich, 1892 in Lausanne, war 1895 in Worms tätig und kehrte 1902 in seine Heimatstadt zurück, um die Leitung des Regensburger Brauhauses zu übernehmen.106 - Die vorgestellten Fälle lassen vermuten, daß im Braugewerbe auf einer technischen Hochschule oder einer Universität erworbene Qualifikationen für den Werdegang der im Kaiserreich aktiven Unternehmer noch keine wesentliche Rolle spielten, sondern eine praxisbezogene kaufmännische und handwerkliche Fachbildung zur Unternehmensführung ausreichte; das gilt im übrigen auch für Brauereierben, die ihren Betrieb in eine Kapitalgesellschaft umwandelten. Dies trug dazu bei, auch hier den Zugang zu leitenden Positionen sozial relativ offen zu halten. Ein anderes Herkunftsprofil weisen die Direktoren der kapitalgesellschaftlich organisierten Banken und Versicherungen auf. Theodor (von) Pühn, Sohn eines (akademisch gebildeten) Arztes aus Kulmbach, trat nach 177

einer Kaufmannslehre 1857 in den Dienst der königlichen Bank Nürnberg und leitete mit besonderem Erfolg nach 1868 deren Ludwigshafener Filiale. 1872 wechselte er in die Direktion der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank und gründete als deren Tochteranstalt die Bayerische Notenbank.107 - Langjähriges Direktionsmitglied der Hypotheken- und Wechselbank war Albrecht Otto, der Sohn eines leuchtenbergischen Administrationsrats; schon 1866 stand er als Buchhalter im Dienst der Bank und war dort anschließend »Banksekretär« und »Bankoberbeamter«, bevor er in den Vorstand kam.108 - Von 1898 bis 1917 fungierte der Landshuter Bankierssohn Joseph Böhm als Direktor der Bayerischen Vereinsbank; 1886 war er als Kommis nach München gekommen.109 - Dr.jur. Wilhelm Freiherr von Pechmann, der Sohn eines Oberlandesgerichtsrats, war zunächst Rechtskonsulent, seit 1895 dann Vorstandsmitglied der 1869 gegründeten Bayerischen Handelsbank mit Sitz in München. In deren Vorstand gelangte 1904 Eduard Jodlbauer, zunächst »Beamter«, dann Prokurist des Instituts; sein Vater stand wie der Pechmanns als Regierungsdirektor im bayerischen Staatsdienst.110 - Von Juristen dominiert wurde der Vorstand der 1871 in München gegründeten Süddeutschen Bodencreditbank, der um 1900 drittgrößten deutschen Hypothekenbank. Dr.jur. Friedrich (von) Schauß war nach dem Studium Staatsanwaltssubstitut, dann Rechtsanwalt in München und von 1871 bis zu seinem Tod 1893 Leiter der Bank. Als Vorstandsmitglieder fungierten daneben über mehr als dreißig Jahre Dr.jur. Casimir Keller, Sohn eines leuchtenbergischen Kabinettsrats, und der Offizierssohn Wilhelm Schoch, zunächst Rechtskonsulent der Bank.111 - Zentrale Figur der pfälzischen Finanzwelt war der Direktor der Volksbank Ludwigshafen (seit 1886: Pfälzische Bank) Carl Eswein . Der Sohn eines Gerichtsvollziehers aus dem Ort Lauterecken bei Kusel war seit 1870 als »Controllern·« bei der Volksbank tätig, wurde 1872 Direktor, 1898 Generaldirektor der 1882 in eine Aktiengesellschaft umgewandelten Bank. Bei seinem Austritt aus der Direktion 1911 nahm er Mandate in 24 Aufsichtsräten wahr.112 Unterschiedlich waren die Laufbahnen der beiden Versicherungsdirektoren Carl (von) Thieme und Carl (von) Rasp. Thieme stammte aus Erfurt, sein Vater gehörte dem Vorstand der »Thuringia« an. Dort trat Thieme direkt nach dem Abitur ein und wurde bereits 1871 Generalagent für Bayern. 1880 gründete er die Münchener RückVersicherungsgesellschaft (deren Generaldirektor er bis 1921 blieb), 1889 zusammen mit dem Bankier Wilhelm (von) Finck die »Allianz«, als deren Münchener Direktor er bis 1904 fungierte. Rasp war Sohn eines Münchener Hafnermeisters und Divisionkommandanten der Landwehr. Er studierte Jura, nahm am Krieg von 1870/71 teil und begann seine Karriere als Magistratssekretär in München. 1878 wurde er zum rechtskundigen Magistratsrat gewählt, wechselte dann ins Innenministerium, wo er zum Regierungsrat und Leiter des statistischen Büros 178

avancierte. 1896 übernahm er die Leitung der Versicherungsanstalten bei der Hypotheken- und Wechselbank, die 1905 als »Bayerische Versicherungsbank« ausgegliedert wurden; Rasp blieb deren Generaldirektor bis 1923. 1910 beschäftigte die auch im Ausland vertretene Anstalt über 500 Angestellte, 300 davon in München.113 Soziale Exklusivität und Nähe zur juristisch gebildeten Beamtenschaft charakterisierte, so legen es die geschilderten Fälle nahe, die Herkunft der Bank- und Versicherungsleiter. Bildungsgang und Karriereweg führte sie anscheinend nicht selten mit den künftigen höheren Beamten zusammen, besonders dann, wenn die Führungsposition - wie im Hypothekengeschäft - eine juristische Qualifikation kaum entbehrlich machte. Doch blieben auch hier Möglichkeiten sozialen Aufstiegs. Unter den Bank- und Versicherungsdirektoren, deren Glaubenszugehörigkeit bekannt ist, findet sich kein jüdischer Unternehmer.

g) Die Herkunft der Unternehmerelite Im Kaiserreich wuchsen die Größen- und Bedeutungsunterschiede zwischen den Unternehmen innnerhalb von Industrie und Handel. Damit formierte sich eine - funktional verstandene - Elite aus den Unternehmern, die als Industrielle, Bankiers, Großkaufleute und Verleger über herausragenden ökonomischen Einfluß verfügten. Die Vermutung liegt nahe, daß sich diese Elite auch in ihren sozialen Merkmalen, in ihrer Herkunft und ihren sozialen Verflechtungen, von den übrigen Unternehmern abhob. Im folgenden soll dies zunächst für die Herkunft der Elite geprüft werden. Schwierigkeiten bereitet ihre exakte methodische Abgrenzung. Die an der Beschäftigtenzahl gemessene Betriebsgröße scheidet als universelles Kriterium aus, da sie nur auf die Industriellen sinnvoll anwendbar ist. Zwei Wege bieten sich hingegen an. Zum einen läßt sich vermuten, daß die längere erfolgreiche Tätigkeit an der Spitze eines wichtigen Unternehmens einen entsprechenden Vermögenszuwachs nach sich zog oder zumindest die Erhaltung eines größeren ererbten Vermögens garantierte. So können die Millionäre als weitere und die Multimillionäre114 als engere »Vermögenselite« der Unternehmer verstanden werden. Zum anderen läßt sich annehmen, daß der Staat die in der Wirtschaft des Landes bedeutendsten Unternehmer bei der Vergabe hoher Auszeichnungen entsprechend berücksichtigte. So können die ICommerzienräte als weitere und die nobilitierten Unternehmer als engere »Verdienstelite« begriffen werden, ohne daß die unterschiedliche Akzentuierung dieser Auszeichnungsarten geleugnet werden soll.115 Wie sich die großen Vermögen zusammensetzten und in welchen Branchen sie 179

erworben wurden, welche Kriterien und Verfahren zu Kommerzienratstitel und Adelsrang führten, wird Gegenstand späterer Kapitel dieser Arbeit sein. Obwohl die beiden Definitionsversuche an prinzipiell verschiedenen Punkten ansetzen, bedeutet dies nicht, daß es um jeweils ganz andere Personengruppen geht. Drei Viertel der Millionäre besaßen auch den Kommerzienratstitel, ebenso drei Viertel der Multimillionäre; 21 der 27 nobilitierten Unternehmer verfügten mit Sicherheit über ein Vermögen von zwei oder mehr Millionen Mark, zwei weitere lagen nur knapp darunter. Beide Eliten deckten sich also zum großen Teil, teilten aber auch ihre Merkmale mit jeweils anderen Gruppen aus den oberen Rängen der Gesellschaft - den übrigen Millionären etwa aus dem Kreis der Großgrund- und reinen Kapitalbesitzer auf der einen und den übrigen Titularräten und Nobilitierten, etwa den Spitzenbeamten, auf der anderen Seite. Die Kriterien »Vermögen« und »Verdienst« haben jedenfalls den Vorteil, auf Unternehmer aller Wirtschaftsbereiche in gleicher Weise anwendbar zu sein. Ihrer räumlichen Herkunft nach unterschied sich die Elite nicht grundlegend von den Unternehmern insgesamt. Auch hier stammte der größte Teil aus dem Ort der späteren Tätigkeit, bildeten nähere und weitere Umgebung das zweitwichtigste Herkunftsgebiet und entsprach die Rangfolge der übrigen Gebiete in etwa dem bereits bekannten Muster (Tabelle 21). 116 Die Unternehmerelite war also weder eine bodenständige Elite - und damit auch keine Schicht von Erben allein - noch eine ortsfremde Elite. Unter den Nobilitierten war der Anteil der Zuwanderer mit über zwei Dritteln allerdings sehr hoch, während er bei den anderen Gruppen unter dem Durchschnitt lag, vor allem bei den Multimillionären. Auffällig ist auch, daß relativ viele Multimillionäre und Nobilitierte aus den mitteldeutschen Regionen stammten. In beiden Teilgruppen der Vermögenselite und bei der weiteren Verdienstelite lag der Anteil der Handelsunternehmer und Industriellen unter den Unternehmervätern deutlich höher als bei den Unternehmern insgesamt (Tabelle 22). 117 Am stärksten ausgeprägt war die Selbstrekrutierung bei den Multimillionären: Fast zwei Drittel von ihnen hatten wiederum einen Unternehmer zum Vater - darunter wesentlich mehr einen Industriellen als einen Handelsunternehmer - , nur ein Zehntel einen Handwerker oder Gewerbetreibenden. Unterdurchschnittlich war hier der Anteil der Höheren Beamten und freiberuflich Tätigen, über dem Durchschnitt dagegen der Anteil der Angestellten, übrigen Beamten und Lehrer sowie der Arbeiter. Unternehmersöhne verfügten demnach, was kaum verwundern kann, über die größten Chancen, ein Spitzenvermögen zu erwerben oder zu erhalten. Ein breitgefächertes Herkunftsspektrum weist die engere Verdienstelite der nobilierten Unternehmer auf; freilich verlangt auch hier die geringe Zahl 180

Tab. 21:

D i e räumliche Herkunft der Unternehmerelite(n) im Kaiserreich (in % )

Elitegruppe1 Herkunftsregion

Mio.

MuMio.

Ort selbst

49,6

53,1

46,9

30,8

Nähere Umgebung (20 km) Weit. Umgebung (100 km)

3,5 17,7

2,5 17,3

3,8 23,2

26,9

(7)

Übriges Bayern Süddeutschland Mitteldeutschland Westdeutschland Ostdeutschland Norddeutschland

9,9 4,3 7,8

8,6 4,9 11,1 1,2 1,2

8,1 4,3 6,6 2,8

11,5 7,7 15,4 3,8

(3) (2) (4) (1)

Ausland

2,1

Zahl der Fälle = Keine Information =

2,1 1,4 1,4

141 9

KommR.

-

1,4 0,9

-

1,9

81 4

211 9

Nobil. (8) 2

-

-

3,8

(1)

-

26 1

1 Mio. = Millionäre; MuMio. = Multimillionäre; KommR = Kommerzienräte; Nobil. = nobilitierte Unternehmer. Zur Ermittlung der Millionäre und der Multimillionäre (mindestens zwei Millionen Mark Vermögen) wurden zunächst die Angaben von Martin verwendet. Da Martins Buch, das 1914 erschien, nur damals noch lebende Unternehmer auffuhrt, wurden von den davor verstorbenen Unternehmern diejenigen hinzugenommen, die aufgrund der Nachlaßakten als Millionäre bzw. Multimillionäre identifiziert werden konnten (23 Fälle). Wie exakt Martins Informationen waren, läßt sich kaum feststellen; in den wenigen Fällen, für die ein ungefährer Vergleich zwischen seinen Angaben und denen der Nachlaßakten vorgenommen werden kann, finden sich zwischen beiden keine fundamentalen Diskrepanzen. - Zu den nobilitierten Unternehmern wurden hier auch jene gerechnet, die als Geburtsadlige den Kronenorden erhielten (3 Fälle). 2 Die Prozentangaben können hier nur der Erleichterung des Vergleichs dienen; aufgrund der geringen Zahl der Fälle sind diese zusätzlich in Klammern vermerkt.

der Fälle eine vorsichtige Bewertung. Immerhin stammte weit über ein Viertel der in den Adelstand erhobenen U n t e r n e h m e r aus einer Akademikeroder Offiziersfamilie und nur knapp ein Viertel aus einer Unternehmerfamilie. Die Spitzengruppen der Vermögens- und der Verdienstelite unterschieden sich ihrer sozialen Herkunft nach jedenfalls klar voneinander. Bei der weiteren Vermögens- und Verdienstelite, den Millionären und den Kommerzienräten, glichen sich die Herkunftsprofile weitgehend. Deutlich geringer w a r gegenüber den U n t e r n e h m e r n insgesamt der Anteil der selb181

Tab. 22:

Die soziale Herkunft der Unternehmerelite (n) im Kaiserreich (in %)

Elitegruppe Beruf des Vaters Handelsunternehmer Industrieller Kaufmann Privatier Handwerker/Gewerbe tr.

Mio.

22,0 30,1 10,6 4,1 11,4

MuMio.

KommR.

Nobil.

26,0 36,4 6,5 2,6 10,4

19,8 29,1 8,7 2,9 15,1

19,1 11,5 7,7

1,7 2,9

_ 3,8

(1)

7,7 7,7 3,8 3,8 7,7

(2) (2) (1) (1) (2)

-

19,2

Gutsbesitzer Bauer

0,8 1,6

_

Höherer Beamter Gymnasiallehrer Offizier Pfarrer Freier Beruf

4,9 1,6 0,8 1,6 3,3

2,6 1,3 1,3 2,6 2,6

4,7 2,3

Sonst.Beamter/Lehrer Angestellter

2,4 0,8

2,6 1,3

2,3 0,6

Geselle, Arbeiter

0,8

1,3

1,2

-

Sonst.Beruf

3,2

1,3

2,9

3,8

Zahl der Fälle = Keine Information =

123 27

1,3

77 8

-

1,7 4,1

172 48

(5) (3) (2) (5)

_ 3,8

(1)

(1)

26 1

ständigen Handwerker und Gewerbetreibenden unter den Vätern, etwas höher der Anteil der traditionell gebildeten Akademiker. Die Spitzengruppe der westfälischen Unternehmer im Kaiserreich (die ICommerzienräte und die kommerzienratsfähigen Unternehmer) rekrutierte sich, wie Henning gezeigt hat, aus den Beamten und Akademikern sowie aus den Landwirten zu etwa gleichen Teilen wie die bayerischen Kommerzienräte. Jedoch waren nach Hennings Kriterien drei Viertel der Väter dieser Unternehmer selbst schon Unternehmer, noch keine drei Prozent hingegen Handwerker.118 Henning rechnet jedoch alle selbständigen Gewerbetreibenden zu den Unternehmern und läßt offen, wo die Grenze zwischen »Großindustrie« und »Gewerbe« zu ziehen ist. Unternehmer und Selbständige in der Wirtschaft machen jedoch auch bei den bayerischen Kommer182

Tab. 23:

Religion u n d Konfession der Unternehmerelite(n) im Kaiserreich (in °/ϋ)

Elitegruppe Religion/Konfession

Mio.

Katholisch Protestantisch Israelitisch

39,4 47,2 13,4

Zahl der Fälle = Keine Information =

142

8

MuMio. KommR.

43,8 45,0 11,3 80 5

37,7 50,7 11,6 207 13

Nobil.

29,2 62,5 8,3

(7) (15) (2)

24 3

zienräten etwa drei Viertel der Väter aus. Insofern m u ß offenbleiben, ob die bayerische Unternehmerelite des Kaiserreichs in gleichem M a ß oder etwas weniger nach unten abgeschüttet war. Kein einheitliches Bild bietet auch die Religions- und Konfessionszugehörigkeit der Unternehmerelite(n) (Tabelle 23). 1 1 9 Dabei wichen die Anteile der einzelnen Konfessionen aber im Ganzen nicht wesentlich von ihren Anteilen an den Unternehmern insgesamt ab. Die Katholiken waren etwas über-, die Protestanten etwas unterrepräsentiert; bei den Nobilitierten, der Spitzengruppe der Elite, stellten die Protestanten allerdings fast zwei Drittel. Wie die Tabelle 2 4 zeigt, läßt sich weder der Vermögens- noch der Verdienstelite der Unternehmer ein wesentlich höheres Ausbildungsniveau zuschreiben als den Unternehmern insgesamt. 120 Der Anteil der Spitzenunternehmer, die ein Polytechnikum oder eine technische Hochschule besucht hatten, lag zwar klar über dem Durchschnitt, der der Absolventen einer Universität jedoch klar darunter. Allerdings hatte von den Angehörigen der Elite nur noch weniger als ein Fünftel eine Handwerkslehre durchlaufen. Der dominierende Ausbildungsgang war auch für die Unternehmerelite die kaufmännische Lehre. Es fällt freilich auf, daß unter den nobilitierten Unternehmern der Anteil der Akademiker u n d der Ingenieure deutlich über dem Durchschnitt lag. 121 U b e r die Definition einer Unternehmerelite lassen sich auch die Dimensionen sozialen Aufstiegs im Kaiserreich genauer fassen. Die Daten zur sozialen Herkunft: und zur Ausbildung der Elite machen deutlich, daß Herkunfts- und Bildungsschranken den Zutritt zu ihr zwar begrenzten, daß der Sohn eines Handwerkers, Gewerbetreibenden, Bauern oder unteren Beamten bzw. auch der gelernte Handwerker durchaus Chancen zum Aufstieg selbst in die jeweilige Spitzengruppe der Verdienst- und der Vermögenselite besaß. Dies galt, wie die folgenden Beispiel belegen, für die Eigentümerwie für die angestellten Unternehmer. 183

Tab. 24:

Die Ausbildung der Unternehmerelite(n) im Kaiserreich (in %)

Elitegruppe Art der Ausbildung

Mio.

Kaufmännische Lehre Handwerkslehre Ingenieurausbildung Universitätsstudium

62,6 16,2 14,1

Zahl der Fälle = Keine Information =

99 51

7,1

MuMio.

KommR.

57,1 17,9 16,1 8,9

63,3 18,0 12,2 6,5

56 29

139 81

Nobil.

50,0 8,3 20,8 20,8

(12) (2) (5) (5)

24 3

Hermann Aust, um 1913 geschäftsführender Gesellschafter von Kathreiners Malzkaffeefabriken in München, war Sohn eines Porzellanschleifers und hatte offenbar eine kaufmännische Ausbildung durchlaufen. Nach mehreren Auslandsjahren betrieb er von 1881 bis 1892 eine Handelsfirma in Hamburg und kam dann nach München. 1901 wurde er zum Kommerzienrat ernannt. Martin schätzte sein Vermögen 1914 auf 2 Millionen Mark.122 Färbermeister war der Vater Christian Heimerans, der sich 1860 nach einer kaufmännischen Lehre in Nürnberg niederließ, dort eine Eisen- und Metallwarenhandlung unterhielt und außerdem Mitbesitzer einer Buntweberei in seiner Geburtsstadt Helmbrechts (Oberfranken) war. Im Niederlassungs- und Verehelichungsgesuch gab er ein relativ bescheidenes Vermögen von 5.513 fl. an, das er zum größten Teil ererbt hatte; seine Braut verfügte über eine Mitgift von 6.650 fl.. Bei seinem Tod hinterließ Heimeran, Kommerzienrat seit 1898, dann ein Vermögen von fast 3,3 Millionen Mark.123 - Maximilian Schwarz war in Augs bürg als Sohn eines Schreinermeister und späteren Privatiers geboren und ebenfalls kaufmännisch ausgebildet. 1879 wurde er Teilhaber des Bankgeschäfts Bonnet, aus dem er sich 1908 zurückzog; als Mitglied in 18 Aufsichtsräten vor allem von Augsburger Textil- und anderen Industriebetrieben war er einer der einflußreichsten Unternehmer der Stadt. 1888 bereits wurde er Kommerzienrat. Martin schätzte 1914 sein Vermögen auf 4 Millionen Mark.124 - Der schon erwähnte Bauernsohn und Münchener Bauunternehmer Jakob Heilmann (Kommerzienrat 1902) hatte es vor dem Ersten Weltkrieg zu einem Vermögen von 10 Millionen Mark gebracht, sein Branchenkollege Franz Heinrich Woerner, Sohn eines Gewerbeschullehrers, auf ein Vermögen von 3 Millionen Mark (Kommerzienrat 1898).125 Nur gelernter Handwerker war Karl Anton Pocher aus Freiberg in Sachsen, der als Buchbindergeselle 1848 nach Nürnberg kam, in der Engelhardtschen Anstalt die Lithographie kennenlernte und 1851 seine eigene 184

Kunstanstalt mit zunächst 10 -12 Beschäftigten gründete. Zur Geschäftseröffnung erhielt er von seinen Eltern 1.800 fl., seine Braut brachte «dieselbe Summe ein; als Pocher starb, vermachte er seinen Erben ein Vermögen von 2,5 Millionen Mark.126 Besonders erfolgreiche jüdische Unternehmer waren die Brüder Ludwig und Wilhelm (von) Gerngros. Die Söhne eines Färbers aus Baiersdorf bei Nürnberg wurden als Kaufleute ausgebildet; Ludwig gründete 1864 mit einem Partner die Hopfenhandlung Gerngros & Fraunfeld in Nürnberg und nahm dort einige Jahre später seinen Bruder als Teilhaber auf. Beide erhielten den Kommerzienratstitel (Ludwig auch den des Geheimen Kommerzienrats) und wurden vor allem wegen ihrer bedeutenden Stiftungen für die Stadt in den persönlichen Adel erhoben. Nach den Angaben Martin besaßen die Brüder 1914 ein Vermögen von jeweils 6 Millionen Mark.127 - Dem Färbersohn, gelernten Kaufmann und Metallindustriellen Ignaz Bing, 1891 Kommerzienrat, 1910 Geheimer Kommerzienrat, schrieb Martin ein Vermögen von 4 Millionen Mark zu.128 Zu den mehrfachen Millionären unter den angestellten Unternehmern, die zugleich nobilitiert wurden, zählte neben dem Kaufmannssohn und Löwenbräuvorstand Friedrich (von) Mildner (2 Millionen Mark) auch der MAN-Generaldirektor Anton (von) Rieppel (5 Millionen Mark), dessen Vater als gescheiterter Hammerwerksbesitzer seinem Sohn kein Vermögen hatte mitgeben können. Carl Eswein, der unbemittelte Sohn eines Gerichtsvollziehers, hatte es als Bankdirektor laut Martin 1914 zu einem Vermögen von 3 Millionen Mark gebracht.129 Sicher wird man das Ausmaß solcher Aufstiege nicht überschätzen dürfen. Die Angehörigen der Elite waren zu einem sehr großen Teil eben doch Söhne von Unternehmern; an der Spitze der Vermögenspyramide standen 1914 mit Hugo von Maffei (45 Millionen Mark) und Gabriel (von) Sedlmayr (25 Millionen Mark)130 Erben aus etablierten Dynastien, keine Gründer aus einfachen Verhältnissen. Die Chancen, in die Spitzengruppe der Unternehmer vorzustoßen, wurden im Kaiserreich wohl kaum größer als in der Zeit vorher, sie wurden aber auch nicht entscheidend geringer.

h) Herkunftstypen Mit der Erweiterung des Qualifikationsspektrums lockerte sich für die Unternehmer im Kaiserreich der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Ausbildung. Zugleich rekrutierten sich die Unternehmer weiterhin aus sehr verschiedenen sozialen Schichten und Gruppen. Dies galt trotz aller Nuancen auch für die angestellten Unternehmer und selbst für die Unternehmerelite. Mit den Realtypen des Kaufmann-, Handwerker- und 185

Akademiker-Unternehmers wird deshalb nur eine Minderheit der bayerischen Unternehmer des Kaiserreichs umschrieben. Noch weniger als in der Zeit davor wird man vom Typus des Münchener oder Nürnberger, protestantischen oder katholischen Unternehmers sprechen können. Eine relativ geschlossene Gruppe formierten freilich lange Zeit die jüdischen Unternehmer: Sie stammten zum großen Teil aus Händlerfamilien, wurden zumeist als Kaufleute ausgebildet und waren zum größten Teil im Bank- und Handelsgewerbe tätig. Uberhaupt blieb, wenn man sich nur auf die Ausbildung und den Ausgangsberuf bezieht, der Kaufmann auch im Kaiserreich der häufigste Herkunftstyp. Die noch fehlende Akademisierung seines Qualifikationserwerbs sicherte dem Weg an die Spitze eines Unternehmens weiterhin eine unübersehbare soziale Offenheit. Sie fehlte jedoch auch in den neuen Leitindustrien nicht, in denen Techniker mit Hochschulausbildung und wissenschaftlich vorgebildete Chemiker die meisten Führungspositionen besetzten. Zorn hat vor allem die chemischen Industriellen seinem Typ des »Forschers« zugeordnet, was ihren Bildungsgang zutreffend beschreibt; ihrer beruflichen Herkunft nach waren sie jedoch nur im Ausnahmefall Wissenschaftler mit einer längeren Universitätskarriere.131 Mit dem nach Zorn »sekundären Unternehmertyp« des »Juristen-Unternehmers«132 läßt sich in Bayern ein großer Teil der Bankdirektoren charakterisieren, nicht nur im Hinblick auf die Ausbildung und frühe Laufbahn, sondern auch unter dem Aspekt der sozialen Herkunft. Zur Umschreibung der sozialen Verflechtungen dürfte der Begriff des »Akademiker-Unternehmers« doch wohl besser tauglich sein, da er die Universitätsabsolventen anderer Branchen, aber gleicher sozialer Herkunft miteinbezieht.

2. Heirat und Familie a) Das Konnubium Das im Verhältnis zu den traditionellen Führungsschichten - Bürokratie, Militär und grundbesitzender Adel - wachsende ökonomische Gewicht und soziale Ansehen der Unternehmer im Kaiserreich schlug sich, wie die Tabelle 25 ausweist, nicht in einer wachsenden Zahl von Heiratsverbindungen mit ihnen nieder. Global betrachtet dominierte weiterhin das Konnubium mit Familien, deren Existenzbasis ebenfalls eine selbständige Tätigkeit in der Wirtschaft war: Über zwei Drittel der Unternehmer nahmen wiederum die Tochter eines Unternehmers, Handwerkers oder anderen Selbständigen in der Wirtschaft zur Frau.1 Die Bindungen zu den übrigen gesellschaftlichen 186

Gruppen waren insgesamt sogar geringer ausgeprägt als in der Zeit vor 1871 und sie schwächten sich im Verlauf des Kaiserreichs noch weiter ab. Dies galt sowohl für das traditionelle Bildungsbürgertum als auch für die Berufsgruppen, in denen der alte Adel stark vertreten war. Nur sehr wenige Schwiegerväter lebten von den Einkünften eines Guts; nur ein Fünftel (gegenüber vorher einem Viertel) von ihnen ging einer Tätigkeit im Staatsdienst oder einem anderem Akademikerberuf nach.

Tab. 25:

Das Konnubium der Unternehmer im Kaiserreich (in %) 1

a) nach Altersgruppen Geburtsjahr Beruf des Schwiegervaters Handelsunternehmer Industrieller Unternehmer allg. Kaufmann Privatier Handwerker/Gewerbe tr. Gutsbesitzer Bauer Höherer Beamter Universitätsprofessor Gymnasiallehrer Offizier Pfarrer Freier Beruf Beamter allg.

bis 1830

14,9 4,3 2,1 14,9 -

29,8 2,1 -

10,6 -

4,3 -

4,3 6,4 2,1

1831-1850

14,4 12,1

nach 1850

14,4 5,3 23,5

10,8 23,1 0,8 19,8 3,3 16,3

2,3 4,5

2,5

-

6,1 2,3

-

13,0 15,3 0,7 16,7 3,7 21,7 1,3 3,0

2,3 0,8 4,5 1,5

3,3 2,5

6,7 1,0 1,0 1,0 1,0 4,3 2,0

-

5,8

insges.

-

0,8 -

Sonst. Beamter/Lehrer Angestellter

2,1 -

3,0 2,3

4,1 1,7

3,3 1,7

Aibeiter

2,1

0,8

1,6

1,3

Sonst. Beruf 2

-

-

3,3

1,3

Zahl der Fälle = Keine Information = 1 2 3

47 24

132 81

121 78

300 1833

Die Angaben beziehen sich auf den Schwiegervater der ersten Ehefrau. 1 »Verwalter«, 1 »Hausbesitzer«, 1 »Stadtpfleger«, 1 Schriftsteller. 12 Unternehmer blieben nachweislich ledig.

187

b) nach Großbranchen Industrielle Beruf des Schwiegervaters Handelsunternehmer Industrieller Unternehmer allg. Kaufmann Privatier Handwerker/Gewerbetr.

Handelsunternehmer

insges.

7,8 18,6 1,0 14,2 3,9 24,5

23,8 8,3

Gutsbesitzer Bauer

1,0 4,4

2,1 -

1,3 3,0

Höherer Beamter Universitätsprofessor Gymnasiallehrer Offizier Pfarrer Freier Beruf Beamter allg.

7,4 1,0 1,0 0,5 0,5 3,9 2,0

5,2 1,0 1,0 2,1 2,1 5,2 2,1

6,7 1,0 1,0 1,0 1,0 4,3 2,0

Sonst. Beamter/Lehrer Angestellter

3,4 2,0

3,1 1,0

3,3 1,7

Arbeiter

2,0

-

1,3

Sonst. Beruf

1,0

2,1

1,3

Zahl der Fälle = Keine Information =

13,0 15,3 0,7 16,7 3,7 21,7

-

21,9 3,1 15,6

204 137

96 46

300 183

c) nach Städten Stadt Beruf d. Schw.vaters Handelsunternehmer Industrieller Unternehmer allg. Kaufmann Privatier Handwerker/Gewerbetr. Gutsbesitzer Bauer

188

München

11,8 11,8 1,0 12,7 5,9 18,6 2,0 2,9

Nürnberg Augsburg

15,1 18,2 1,5 19,7 1,5 24,2 1,5 -

7,4 18,5 -

19,8 2,5 24,7 1,2 4,9

Reg. bürg

23,1 10,3 -

17,9 2,6 18,0

L.hafen

(2) (3) -

(1) (1) (2)

-

-

5,1

-

(Fortsetzung Tab. 25) Stadt

München

Nürnberg

Augsburg

Reg.burg

L.hafen

Beruf d. Schw.vaters Höherer Beamter Universitätsprofessor Gymnasiallehrer Offizier Pfarrer Freier Beruf Beamter allg.

12,7 1,0 1,0 2,0 1,0 4,9 2,0

4,5

3,7

2,6

-

1,2

-

-

-

2,6

-

1,2

1,5

-

6,1 -

3,7 3,7

(1) (1) -

Sonst. Beamter/Lehrer Angestellter

3,9 1,0

-

1,2 3,7

5,1 2,6

Arbeiter

2,0

1,5

1,2

-

-

Sonst. Beruf

2,0

1,5

1,2

-

-

Zahl der Fälle = Keine Information =

102 48

3,0

-

2,6 2,6 2,6

_

66 77

81 31

39 5

(1) -

12 22

Vergrößert hatte sich jedoch die Spannweite innerhalb dieser Großgruppe. Für die Mehrheit der höheren Staatsdiener unter den Schwiegervätern blieben Ränge wie die eines Oberbaurats, Stadtrichters oder Forstmeisters charakteristisch, jedoch hatten einige wenige von ihnen Spitzenpositionen in Bayerns Bürokratie und Militär inne: Schwiegervater des Münchener Privatbankiers Wilhelm (von) Finck war der Justizminister Fäustle (1871-1887), Generalmajore waren die Schwiegerväter des Augsburger Bankiers Paul (von) Schmid und des Münchener Bankdirektors Karl Adam Matterstock. Der Münchener Verleger Oscar Beck heiratete die Tochter eines Oberkonsistorialrats.2 Was sich gegenüber der Zeit vor 1871 in erster Linie veränderte, war das Verhältnis der Unternehmer zu den Handwerkern und sonstigen Gewerbetreibenden unter den Schwiegervätern. Während der Anteil der Unternehmer von einem Fünftel auf drei Zehntel wuchs, ging der Anteil der Handwerker und Gewerbetreibenden in demselben Ausmaß zurück. Freilich bleibt diese Beobachtung mit einiger Unsicherheit behaftet, da die Berufsbezeichnungen im Fall der Schwiegerväter weniger gut überprüfbar sind, so daß die Grenze zwischen Handwerker und Unternehmer nicht exakt zu ziehen ist, und da der hohe Anteil der »Kaufleute« die genaue Relation zwischen beiden Gruppen verschwimmen läßt. Verglichen mit ihrer sozialen 189

Herkunft 3 reichten die konnubialen Verflechtungen der Unternehmer etwas weiter in Beamten- und Akademikerfamilien hinein, es überwogen aber die Parallelen zwischen eigener sozialer Herkunft und der sozialen Herkunft der Ehefrau. Festzuhalten bleibt insgesamt, daß sich am Konnubium der Unternehmer im Kaiserreich keineswegs eine verstärkte Hinwendung zum grundbesitzenden Adel oder zu Bürokratie und Militär ablesen läßt, sondern eine Intensivierung der Bindungen untereinander.4 Diese Ergebnisse decken sich prinzipiell mit den Beobachtungen Hennings und Pierenkempers zu Westfalen. Unternehmertöchter waren auch für die Mehrheit der mittleren und kleineren Unternehmer Westfalens die bevorzugten Heiratspartner. An zweiter Stelle standen lange Zeit die Töchter von Handwerkern, seit der zweiten Hälfte der 1890er Jahre dann jedoch die nicht akademisch gebildeten Beamten mit einem Anteil von etwa einem Fünftel. - Über die Hälfte der westfälischen Schwerindustriellen hatten wiederum einen Unternehmer als Schwiegervater, ein Viertel einen Beamten und weniger als ein Zehntel einen freiberuflich tätigen Akademiker.5 Klare Unterschiede zeigt auch für das Kaiserreich der Vergleich der Großbranchen (Tabelle 25b). Während fast die Hälfte aller Bankiers, Großhändler und Verleger wieder in eine Handelsunternehmer- oder Kaufmannsfamilie einheiratete, war es bei den Industriellen nur ein Fünftel; fast jeder zweite Industrielle nahm aber die Tochter eines anderen Fabrikanten, Handwerkers, sonstigen Gewerbetreibenden oder Privatiers zur Frau. Enger waren jedoch mittlerweile die Kontakte der Industriellen zu den Familien höherer Beamter und anderer Akademiker: Deren Anteil an den Schwiegervätern lag bei den Handelsunternehmern zwar immer noch höher, der Abstand zu den Industriellen war jedoch geringer geworden.6 Vergleicht mah die fünf Städte miteinander (Tabelle 25c), so fällt die besondere Position der Haupt- und Residenzstadt München auf. Zwar stellten auch hier Unternehmer und Handwerker die absolute Mehrheit der Schwiegerväter, ihr Anteil war jedoch deutlich geringer als in den anderen Städten.7 Dafür fiel in München der Anteil der höheren Beamten, Offiziere und anderen Akademiker mit über einem Fünftel der Schwiegerväter etwa doppelt so hoch aus. Dies läßt sich wohl zum großen Teil auf die Konzentration hoher Staatsbehörden in der Stadt zurückführen.8 Das Uberwiegen der Handelsunternehmer unter den Schwiegervätern der Regensburger Unternehmer verweist erneut auf die gegenüber Handel und Verlagswesen mindere Bedeutung seiner Industrie. Die Parallelen zwischen der sozialen Herkunft des Unternehmers und der seiner Ehefrau werden noch deutlicher, wenn man beide aufeinander bezieht (Tabelle 26). Der Sohn eines Handwerkers, Gewerbetreibenden oder Landwirts heiratete in der Hälfte aller Fälle wiederum in die Familie eines Handwerkers oder Gewerbetreibenden ein. Mindestens ein Viertel der 190

Industriellensöhne heiratete die Tochter eines Industriellen. Der Anteil der Töchter von Handwerkern und Gewerbetreibenden trat hier jedoch hinter dem der Beamten, Offiziere und übrigen Akademiker zurück. Auch bei den Söhnen von Handelsunternehmern und »Kaufleuten« dominierte das Konnubium innerhalb der eigenen Gruppe. Anders als vor 1871 heirateten sie aber nicht mehr in wesentlich höherem Maß als die Industriellensöhne die Tochter eines höheren Staatsdieners oder anderen Akademikers. Offensichtlich hatten die Industriellen mindestens der zweiten Generation an Ansehen aufgeholt und galten als akzeptable Partie. Die Beamten- und Akademikersöhne unter den Unternehmern gingen mehrheitlich mit einer Unternehmertochter die Ehe ein und blieben ihrer eigenen Herkunft weniger verhaftet als die anderen Gruppen.9

Tab. 26: Konnubium und soziale Herkunft im Kaiserreich Beruf d. Unternehmervaters1 Beruf d. Schwiegervaters Handelsunternehmer Industrieller Unternehmer allg. Kaufmann Privatier Handwerker/Gewerbetr. Gutsbesitzer Bauer

Β

C

D

E

13 10

4 7

1 1

7 6

20 1 8

6 17 1 12 5 10

1

_

-

-

Höherer Staatsdienst insges. Freier Beruf Beamter allg. Sonst. Beamter/Angest. Arbeiter Sonst.Beruf Zahl der Fälle = Keine Information =

A

-

-

-

-

5 2 31

3

7 1 3

-

7

_

2 2

4

10 5 1

11 2 1

4 2 2

4

4

-

-

2

2

: -

3 2

-

-

2

-

3

2

-

-

_

261 222

1 A = Handelsunternehmer, Kaufleute; Β = Industrielle; C = Handwerker, Gewerbetreibende, Arbeiter; D = Gutsbesitzer, Landwirte; E = Staatsdienst, Freie Berufe.

191

Parallelen weist auch die regionale Herkunft der Unternehmer und ihrer Ehefrauen auf. Mehr als die Hälfte aller am Ort geborenen Unternehmer heiratete eine ebenfalls dort geborene Frau. Die relative Mehrheit der Zuwanderer aus der näheren und weiteren Umgebung ging mit einer am Ort geborenen Frau die Ehe ein, während von den Fernwanderern fast die Hälfte eine ebenfalls aus weiter entfernten Regionen stammende Frau hatte.10 Die Intensität der Bindung an die Herkunft und die eigene soziale Gruppe auch noch im Kaiserreich mag zunächst überraschen. Eine wesentliche Funktion des Konnubiums war in der frühen Industrialisierung die Beschaffung von Kapital gewesen; jetzt standen dafür leistungsfähige Kreditinstitute zur Verfügung. 11 Aufschlußreich ist wiederum der Blick auf das Heiratsalter: Das mitdere Heiratsalter lag für die Unternehmer des Kaiserreichs bei 28 Jahren, entsprach also dem mittleren Zuwanderungs- und Startalter.12 Gründer, die aus dem handwerklich-kleingewerblichen Milieu stammten, 13 besaßen zu diesem Zeitpunkt ihrer Karriere höchstens einen Betrieb bescheidenen Zuschnitts. Der Gang zu einer Bank mochte hier noch nicht erfolgversprechend erscheinen und die von der Braut eingebrachte Mitgift überhaupt erst die Geschäftsgründung ermöglichen oder wesentliche Starthilfe sein. Der Wunsch nach einer Verbreiterung der Kapitalbasis, ohne dafür größere Schulden zu machen oder einen familienfremden Teilhaber aufzunehmen, spielte wohl auch bei den Erben kleinerer und mittlerer Unternehmen14 eine zentrale Rolle. Schließlich folgte die Heirat offenbar direkt der Ausbildungs- und Trainingsphase, so daß den sozialen Kontakten während dieser Zeit vermutlich großes Gewicht zukam. Da die meisten Unternehmer in der Praxis ausgebildet wurden und nicht an einer Universität studierten, dürften die Kontakte zu Beamten- und Akademikerfamilien in dieser Lebensphase begrenzt geblieben sein. An einigen für die Mehrheit der Unternehmer charakteristischen Fällen läßt sich dies illustrieren. Ein am Ort geborener Gründer war der Augsburger Zahnradfabrikant Johann Julius Renk. Der Sohn eines Büttnermeisters, zehntes Kind aus dessen zweiter Ehe, durchlief eine Schlosserlehre und eröffnete 1873 in seiner Heimatstadt eine kleine Werkstatt. 1878 heiratete er die ebenfalls aus Augsburg stammende Tochter eines Privatiers und vormaligen Wagnermeisters; sie brachte ein Heiratsgut von 20.000 Mark in die Ehe ein. Von der dadurch erheblich verbesserten Kapitalbasis aus konnte Renk den nächsten Schritt tun: Im gleichen Jahr meldete er die »Maschinenund Räderfabrik Joh.Renk« an und erwarb zudem das Augsburger Bürgerrecht.15 - Zugewanderter Gründer war der Münchener Ofenfabrikant Friedrich Wamsler, der aus dem Dorf Rohrbach in der Nähe von Heidelberg stammte. Nach der dreijährigen Schlosserlehre ging er 1870 als Geselle auf Wanderschaft, während der er sich längere Zeit in Wien und Steyr aufhielt, 192

aber auch nach München kam. Dort ließ er sich nach der Meisterprüfung 1875 in einer kleinen Werkstatt nieder; zwei Jahre später eröffnete er seine Fabrik, die er 1880 ins Firmenregister eintragen ließ. Im gleichen Jahr heiratete Wamsler die aus seinem Geburtsort Rohrbach stammende Tochter eines Landwirts. Der 28jährige holte seine Braut offenbar in dem Moment nach, als er seine geschäftliche Position als hinreichend konsolidiert ansah.16 Ein Erbe der ersten Generation war der Münchener Bauunternehmer Josef Rank. Nach dem Besuch der Real- und dann der Baugewerksschule und der Bau- und Zimmererlehre bei seinem Vater arbeitete Rank von 1888 bis 1893 in auswärtigen Architekturbüros, unter anderem auch am Bodensee. Dort muß er seine spätere Frau kennengelernt haben, die im badischen Heiligenberg geborene Tochter eines fürstenbergischen Rentmeisters, also eines höheren standesherrlichen Beamten. Die Hochzeit fand 1895 statt; Rank war damals als freier Architekt in München tätig, zwei Jahre später übernahm er das Baugeschäft des Vaters.17 - Hanns Sebald trat nach dem Tod des Vaters 1881 als Alleininhaber an die Spitze der Nürnberger Druckerei und Verlagsbuchhandlung, die sein Großvater > erheiratet und sein Vater zur Weltfirma ausgebaut hatte; ihre lutherischen Bibeln wurden bis nach Amerika und Afrika verkauft. 1878 war Sebald mit einer Tochter des Nürnberger Großkaufmanns Birkner (die ein Erbe von 158.000 M mitbrachte) die Ehe eingegangen und von seinem Vater zum Teilhaber gemacht worden.18 Die Fälle der beiden Gründer Renk und Wamsler zeigen, wie die soziale Bindung an das Herkunftsmilieu und die zunächst ökonomische Emanzipation von ihm sich miteinander verflochten. Der Zeitpunkt der Eheschließung war kalkuliert: Dahinter stand jedoch nicht der Versuch >hochzuheiratenstandesgemäße< Offiziersfrau galten.77 Stahl hat in seiner Studie für 24 Unternehmen eigene Erhebungen zum Schicksal der vier Folgegenerationen der Gründer angestellt. Bei der Generation der Enkel kommt er zu etwas abweichenden Ergebnissen. Der Anteil der Unternehmer und anderen Selbständigen in der Wirtschaft liegt hier (jeweils für Enkel und Schwiegerenkel zusammen) nur knapp über der Hälfte, der Anteil der Gutsbesitzer bei fast einem Zehntel, der Anteil aller Beamten, Offiziere, Lehrer und Pfarrer bei knapp einem Fünftel und der der freiberuflich Tätigen (einschließlich der Künstler) bei einem Zwölftel.78 Die Anteile der beiden zuletzt genannten Großgruppen (wie auch der Angestellten) entsprechen etwa den für Bayern ermittelten, während dort deutlich mehr Enkel und Schwiegerenkel in der Wirtschaft selbständig tätig blieben (sechs Zehntel) und sich erheblich weniger auf ein Gut zurückzogen. Unsicher ist, inwieweit beide Ergebnisse miteinander verglichen werden können: Stahls Kategorien beziehen sich wohl auf den Endberuf von Enkeln und Schwiegerenkeln, und der von ihm behandelte Zeitraum reicht vermutlich bis weit in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein. Ihr Vergleich deutet aber zumindest darauf hin, daß die im Kaiserreich aufgewachsenen Enkel und Schwiegerenkel bayerischer Unternehmer wirtschaftlicher und unternehmerischer Tätigkeit relativ stark verhaftet blieben. Stahl konstatiert darüber hinaus, daß von den 24 von ihm untersuchten Unternehmen 80% spätestens nach der dritten Generation nicht mehr von der Gründerfamilie gefuhrt wurden.79 In anderen Studien ist von einer »Suprematie der zweiten Generation« oder einem »Gesetz der dritten Generation« gesprochen worden.80 Die bloß statistische Beschreibung eines Familienschicksals über mehrere Generationen und einen Zeitraum von weit über hundert Jahren verdeckt jedoch mehr als sie klärt, wenn es um das Ausscheiden einer Unternehmerfamilie aus ihrem Unternehmen und dessen Gründe geht. Die biologistischen Kategorien der Degeneration und des Verfalls abstrahieren dagegen vom Einfluß historischer Katastrophen und Zäsuren, von branchenspezifischen Bedingungen und auch von demographischen Kontingenzen. Freilich mußte sich die tendenzielle Qualifikationsverbesserung in der Generationenfolge nicht in eine Stabilisierung oder Erhöhung des Unternehmenserfolges umsetzen. Am wenigsten äußeren und am stärksten persönlichen Faktoren zuzuschreiben ist die Aufgabe des Unternehmens bei solchen Unternehmerfamilien, deren Gründer bereits die Erhebung in den erblichen Adelsstand gelungen war. Die Erben Süßkinds und Dall'Armis, die Enkel Schaezlers waren nicht mehr als Unternehmer tätig, sondern lebten als Gutsbesitzer, Privatiers, gingen in den Staatsdienst oder in Freie Berufe.81 Im Vormärz 216

und in den Jahren der frühen Industrialisierung mochten die Risiken unternehmerischer Tätigkeit im Vergleich mit den Vorzügen adligen Landlebens und dem Prestige in staatsnahen Berufen hoch erscheinen und den Entschluß zur Aufgabe des Unternehmens nahelegen. Demgegenüber war die Entwicklung der nichtadligen Unternehmerdynastien bis zum Ersten Weltkrieg im allgemeinen durch stetigen Aufbau charakterisiert. Dies gilt fur die Münchener und Nürnberger Brauerdynastien ebenso wie für die Haindls, Martinis oder Schmids in Augsburg, für Nürnberger Metall-, Ludwigshafener Chemieindustrielle wie die GiuHnis und Verlegerdynastien wie die Oldenbourgs oder Pustets.82 Wenn manche Familienunternehmen in Krieg, Inflation und Weltwirtschaftskrise ihr Ende fanden, wird man dies sicher nur zum Teil Unfähigkeit oder Desinteresse der leitenden Familienangehörigen zuschreiben können. In den trotz Gründerkrach und folgender Stagnation vergleichsweise ruhigen Zeiten vor 1914 war die Neigung zum selbstgewählten Ausstieg anscheinend gering. Ambivalent einzuschätzen ist die Umwandlung eines Familienunternehmens in eine Aktiengesellschaft. Dies kann, wie im Fall der Löwenbrauerei unter Ludwig Brey, Ergebnis einer zu expansiven Geschäftspolitik und des Drucks der Kreditgeber gewesen sein und zum Ausscheiden der Familie aus dem Unternehmen geführt haben. Es kann aber auch Resultat langfristiger Planung zur Erleichterung zunächst der Erbverteilung, in weiterer Perspektive dann auch der Betriebsfinanzierung gewesen sein wie bei Gabriel (von) Sedlmayr, der 1909 seine Leistbrauerei zunächst in eine Familien-A.G. umwandelte und deren Aufsichtsratsvorsitzender wurde.83 Wahrscheinlich dürfte die Bindung an das Unternehmen nach einem solchen Schritt abgenommen haben, auch wenn die Aktienmehrheit in den Händen von Familienmitgliedern blieb. Sehr häufig scheint dieser Weg nicht gegangen worden zu sein: Von 36 der hier erfaßten Unternehmer des Kaiserreichs (die 34 Unternehmen repräsentieren) ist bekannt, daß sie ihre Firma schon vor 1914 in eine A.G. umwandelten oder einbrachten; 23 davon standen danach noch als Direktoren an deren Spitze, 13 beschränkten sich auf den Vorsitz oder eine Mitgliedschaft im Aufsichtsrat. Nicht unterschätzt werden soll auch die Rolle biographischer Zufälle. Gerade bei kleineren, von nur einer Person geleiteten Unternehmen konnte das Fehlen von Kindern und von zur Übernahme fähigen und willigen Verwandten für einen raschen Bruch der familiären Kontinuität sorgen. Beispielhaft ist der Fall der Augsburger Zahnräder- und Maschinenfabrik Renk. Der Schlossermeister Johann Renk machte sich 1873 mit einer kleinen Werkstatt selbständig,84 baute den Betrieb kontinuierlich aus und beschäftigte 20 Jahre später in neuen Fabrikationsräumen bereits 100 Arbeiter. Bei seinem plötzlichen Tod im November 1896 hinterließ er zwar sechs Kinder aus zwei Ehen; der älteste Sohn Hans war aber erst 13 Jahre, die 217

älteste Tochter Emilie erst 16 Jahre alt (beide stammten aus der ersten Ehe), Renks Witwe Louise, eine Krämerstochter aus Zweibrücken, wollte ausgezahlt werden. Ein Interregnum unter einem Geschäftsführer war bei einem Betrieb dieser Größenordnung wohl nicht mehr so leicht zu organisieren und hätte überdies vor allem den Nachkommen aus erster Ehe genutzt. So lag ein Verkauf des Unternehmens bzw. dessen Umwandlung in eine Aktiengesellschaft nahe, was 1897 erfolgte. Renks drei Söhne scheinen nicht mehr unternehmerisch tätig gewesen zu sein; zwei der Töchter heirateten einen Apotheker, die dritte einen Kommunalbeamten.85

f) Vermögen und Erbe Beim Konnubium der Unternehmertöchter und bei der Berufswahl der Unternehmersöhne kam dem Familienvermögen eine Schlüsselfunktion zu. Seine Höhe und Zusammensetzung, die Modalitäten seiner Weitergabe an die Erben und die damit in Verbindung stehende Regelung der Nachfolge im Unternehmen bestimmten das weitere Schicksal der Kinder des Unternehmers wie auch seiner Witwe entscheidend mit. Dabei bewegte sich die Gestaltung der Nachlaßverteilung in einem Rahmen, den ihr die Vorgaben des Privatrechts setzten. Nimmt man alle während des Kaiserreichs verstorbenen Unternehmer zusammen, so ergibt sich ein durchschnittlicher Gesamtnachlaßwert von 1,3 Millionen Mark und ein mittlerer Wert von 540.400 Mark.86 Der große Unterschied zwischen beiden Werten deutet die innere Differenzierung der Gruppe an: Etwa ein Neuntel der Unternehmer (12) hinterließ der Familie weniger als 100.000 Mark, über ein Drittel (42) zwischen 100.000 und 500.000 Mark, über ein Fünftel (25) zwischen 500.000 und 1 Million Mark und ein gutes weiteres Drittel (34) mehr als 1 Million Mark. Dabei lagen Handelsunternehmer klar an der Spitze. Knapp die Hälfte von ihnen (18 von 37) waren beim Tod Millionäre, während von den Industriellen nur etwa ein Fünftel (16 von 76) in diese Kategorie fiel und über die Hälfte von ihnen (41) beim Tod ein Gesamtvermögen von weniger als 500.000 Mark aufwies. Betrachtet man anhand einer anderen Quelle nur diejenigen Unternehmer, die 1914 über ein Vermögen von mehr als 1 Million Mark verfügten, so ergeben sich etwas andere Relationen: Während von den Handelsunternehmern die Hälfte (26 von 53) zwischen 1 und 2 Millionen Mark besaß und nur ein Neuntel mehr als 5 Millionen, gehörten von den Industriellen nur etwa vier Neuntel (31 von 74) zur Gruppe der >einfachen< Millionäre, hingegen über ein Sechstel (13 von 74) zur Gruppe der über 218

fünffachen Millionäre. 87 Die Spitzenposition der Industriellen innerhalb der engeren Vermögenselite geht auch aus Tabelle 31 hervor.

Tab. 31:

Die zehn reichsten Unternehmer der fünf Städte im Kaiserreich

a) Beim Tod Name

Art d.Untern.

Todesjahr

M.Kustermann

Eisenhandel, Gießerei, Eisenkons truktion Brauerei Bank Brauerei Einrichtungshaus (Handel) Brauerei Brauerei Lokomotivenbau Hopfenhandel Maschinenbau, Weberei, Gaswerke

1901

9,1

1891 1906 1900 1918

8,8 8,0 8,0 7,4

1894 1917 1906 1907 1879

7,0

G.Sedlmayr E.Kohn J.Wagner L.Bernheimer G.Pschorr K.Thomass G.(v.)Krauss J.Hopf L.A. Riedinger

Nachlaß (M

5,8 4,6 4,5 4,2

Quelle: Nachlaßakten. b) 1 9 1 4 Name

Art d.Untern.

Vermögen (Mio. M)

H.v.Maffei (Th.v.Cr.-Klett G.(v.)Sedlmayr A.Sedlmayr K.Sedlmayr W.(v.)Finck (O.v.Faber-Cast. A.(v.) Wacker

Maschinenbau Maschinenbau Brauerei Brauerei Brauerei Bank Bleistifte Elektr.Ind.

45,0 30,0) 25,0 20,0 20,0 16,0 13,0) 11,5

K.Braun E.Faber J.Heilmann F.X.Schmederer P.(v.)Schmid

Verlag Bleistifte Hochbau Brauerei Bank

10,0 10,0 10,0 10,0 10,0

Quelle: Martin, S . 14-24. 219

Der Maschinen- und Apparatebau und dann vor allem die Bierbrauerei waren danach die ertragreichsten Branchen, bezogen freilich auf Unternehmer, die, wie in den vorliegenden Fällen, ihre Firma allein oder mit nur wenigen Teilhabern besaßen bzw. als Leiter zugleich Großaktionäre waren. Im Privatbankgeschäft konnten zwar immer noch bedeutende Vermögen erworben und erhalten werden, wie die Fälle des (freilich beim Start in seine Karriere schon wohlhabenden) Gründers Wilhelm (Frhr. von) Finckund des Erben Paul (von) Schmid zeigen, doch die Spitzenstellung, die ein Schaezler oder Süßkind im Vormärz eingenommen hatte, war verlorengegangen. Die reichsten der > geborenem angestellten Unternehmer folgen in Martins Untersuchung erst mit deutlichem Abstand: Oskar (von) Petri von der EAG (Schuckert) und Anton (von) Rieppel von der MAN kamen demnach auf ein Vermögen von 5 Millionen Mark. Beide Teile der Tabelle 31 deuten überdies darauf hin, daß spätestens nach der Jahrhundertwende München die Stadt mit den finanzkräftigsten Unternehmern geworden war. Nürnberger Unternehmer waren Hopf, Kohn, Faber und zunächst auch Wacker, Augsburger Unternehmer Paul (von) Schmid und Ludwig August Riedinger - alle anderen oben aufgeführten Multimillionäre besaßen Unternehmen in der Haupt- und Residenzstadt.88 Von den hier erfaßten Unternehmern mit mehr als 2 Millionen Mark Vermögen 1913 schließlich war über die Hälfte (38 von 70) in München tätig; an zweiter Stelle stand Nürnberg (15), an dritter Augsburg (12), dann folgten Regensburg (3) und Ludwigshafen (2). Vergleicht man die Angaben Martins und die aus den Nachlaßakten gewonnenen Vermögenswerte miteinander, so zeichnet sich bei allen Unterschieden zwischen beiden Quellen und den jeweils erfaßten Personenkreisen89 doch ab, daß die Entwicklung der Spitzenvermögen erst in der Hochkonjunktur seit Mitte der 1890er Jahre kulminierte (und wohl erst jetzt die in der Industrie erworbenen Vermögen diejenigen in Handel, Bankund Verlagswesen überholten). Direkt fassen läßt sich dies etwa an den Brauerdynastien Sedlmayr und Pschorr: Söhne und Nachfolger des 1891 verstorbenen Gabriel Sedlmayr waren die von Martin genannten Karl und Anton Sedlmayr; Söhne und Nachfolger des 1894 verstorbenen Georg Pschorr d.J. waren August, Georg Theodor und Joseph Pschorr, denen Martin 1913 ein Vermögen von jeweils 6 Millionen Mark zuschrieb. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß die Angaben der Tabelle 31 den nominalen Vermögensstand beschreiben. Adäquat einschätzen läßt sich erst vor diesem Hintergrund der außergewöhnliche ökonomische Erfolg Ludwig August Riedingers, der ja von einer sehr schmalen finanziellen Basis aus seine Unternehmerkarriere gestartet hatte.90 Die obersten Ränge in der Vermögensskala Bayerns insgesamt teilten sich die Unternehmer 1914 mit der Hocharistokratie. Für die eine Hälfte der 220

zehn reichsten bayerischen Millionäre war in der Industrie angelegtes Kapital die Basis ihres Vermögens, für die andere Hälfte war es Großgrundbesitz. Reichster Bayer war 1914 nach König Ludwig HI. (300 Mio. M) Fürst Albert von Thum und Taxis (270 Mio. M). Den dritten Platz nahm Hugo von Maffei ein, allerdings mit deutlichem Abstand, Anton und Karl Sedlmayr bildeten den Schluß dieser Spitzengruppe.91 Uber die Zusammensetzung der Unternehmervermögen liegen nur wenige detaillierte Angaben vor. Die bekannten Testamente deuten auf eine Streuung des Vermögens hin, bei der aber das im Geschäft gebundene Kapital - Fabrikgebäude, Maschinen, Waren, Forderungen - den Schwerpunkt bildete. Auch die als Privatiers verstorbenen Unternehmer scheinen den größeren Teil ihres Vermögens noch als Einlage oder Hypothek im Geschäft des Sohnes/Nachfolgers bzw. als Aktienpaket in der aus ihrer Firma entstandenen Kapitalgesellschaft gehalten zu haben.92 Dieses Verteilungsmuster blieb während des untersuchten Zeitraums offenbar relativ stabil. Ein frühes Nürnberger Beispiel ist Jacob Ludwig Werder, Sohn des Kompagnons von Cramer-Klett, der 1873 eine Fabrik für Scharniere, Schlösserund Beschläge gründete. Bei seinem Tod hinterließ er ein Gesamtvermögen von 730.000 Mark. Fabrikgebäude, Maschinen und Waren wurden von der Witwe auf über 300.000 Mark veranschlagt, ihr Wohnhaus auf 150.000 Mark, Wertpapiere und Hypotheken auf etwa 160.000 Mark, Mobiliar auf 15.000 Mark.93 - Der zwanzig Jahre später (als Witwer) verstorbene Augsburger Verleger und Buchdruckereibesitzer Adolf Haas vermachte seinen Kindern 527.000 Mark. Etwa 300.000 Mark entfielen auf seinen Anteil an der GmbH Haas & Grabherr, 50.000 Mark auf sein Landhaus, 165.000 Mark auf Wertpapiere, Hypotheken, Bankguthaben und eine Lebensversicherung, schließlich 12.000 Mark auf das Wohnungsmobiliar.94 Eine Lebensversicherung, wie sie Haas abgeschlossen hatte, fand sich in den Nachlässen häufiger. In 15 Fällen läßt sich dieses relativ moderne Instrument der Vermögensanlage und Daseinsvorsorge nachweisen. Allerdings spielten deren Summen, die zumeist bei 30.000 bis 50.000 Mark lagen, im Gesamtvermögen nur eine untergeordnete Rolle. Unterschiedliche Funktionen erfüllte der Besitz von Immobilien. In der Mehrzahl der Fälle beschränkte er sich auf Häuser und Grundstücke, die Fabrikations- und Wohnzwecken dienten. Daß ein Unternehmer Bauplätze erwarb, um im Zuge der Stadterweiterungen Gewinne machen zu können, daß er sich also neben seiner eigentlichen Unternehmertätigkeit an der Terrainspekulation beteiligte, scheint (von den Bauunternehmern freilich abgesehen) selten gewesen und auf München beschränkt geblieben zu sein. Der Ofenfabrikant Friedrich Wamsler, dessen Nachlaß zur Hälfte (300.000 Mark) aus 5 Häusern und 30 Bauplätzen in Schwabing, Neuhausen und Bogenhausen bestand, ist ein - allerdings extremes - Beispiel.95 221

Sehr gering war auch die Zahl derjenigen Unternehmer, die während des Kaiserreichs einen Teil ihres Vermögens in größerem Grundbesitz auf dem Land anlegten. Dies belegen nicht nur die Testamente. Von den hier erfaßten Unternehmern der fünf Städte verfugten zu Ende der 1880er Jahre nur der (ehemalige) Löwenbräu-Inhaber Ludwig Brey, Theodor (Frhr. von) Cramer-Klett, Karl Frhr. von Eichthal, Joseph (Frhr.) von Hirsch (bzw. ihre Erben), Lothar (Frhr. von) Faber, Hugo von Maffei und der Regensburger Großhändler Wilhelm (von) Neuffer über ein größeres Landgut.96 Bis 1907 waren der BASF-Mitbegründer Carl Clemm (bzw. seine Erben), Wilhelm (von) Finck, die Münchener Eisenhändlerfamilie Kustermann, der Münchener Spiritusfabrikant Moritz Macholl und Georg Theodor Pschorr hinzugekommen.97 Die Namensliste verweist auf die enge Verbindung von (ererbtem wie verliehenem) Adel und Gutsbesitz. Cramer-Klett erwarb sein Herrschaftsgut Hohenaschau 1875, ein Jahr vor der Erhebung in den Freiherrnstand. Faber begann in den 1860er Jahren mit dem Ankauf größerer Güter in der Umgebung von Stein; 1881 wurde er Freiherr. Finck erwarb zwischen 1893 und 1906 seine östlich von München gelegenen Güter; 1911 erhielt er den erblichen Adel. Alle drei bildeten aus ihren Besitzungen ein Fideikommiß.98 Weder sie selbst noch ihre Nachkommen - vom Sohn Cramer-Kletts abgesehen - ließen jedoch daraufhin die Leitung ihres Unternehmens in fremde Hände übergehen, um ein Leben als Landadliger zu führen. Faber krönte seine Erwerbungen noch mit der Anlage von zwei Schlössern im Stil italienischer und französischer Renaissance. 1895 hielt sich Prinz Ludwig von Bayern dort eine Woche als sein Gast auf.99 Finck, der sich selbst um die Bewirtschaftung seines Besitzes kümmerte, begnügte sich mit dem Bau eines Jagdhauses. Er sah das Landgut als eine weitere unternehmerische Herausforderung, betrieb zahlreiche Versuchsanlagen und setzte die neuesten Maschinen ein.100 Für ihn, den dreißig Jahre jüngeren, war der Großgrundbesitz nur Tätigkeitsfeld und Risikoabsicherung, diente nicht mehr Zwecken aristokratischer Repräsentation. Auch für die meisten anderen der eben genannten Großgrundbesitzer und ihre Familien bedeutete der Gutserwerb keine Zäsur in ihrer unternehmerischen Tätigkeit, jedenfalls bis zum Ersten Weltkrieg. Nur Karl Frhr. von Eichthals gleichnamiger Sohn, Adliger von Geburt wie schon sein Vater, ließ sich auf dem Schloßgut Offenberg nieder.101 Über nicht so ausgedehnten Immobilienbesitz auf dem Land verfügten, wie im Fall des schon erwähnten Adolf Haas, eine Reihe weiterer Unternehmer. Die Villa am Tegernsee, das kleine Gut im Mittelfränkischen markierten freilich noch weniger als bei den in den Erbadel erhobenen Unternehmern einen Transfer des Vermögens und einen Rückzug vom bisher betriebenen Geschäft. Aus dem Besitz flössen zusätzliche Einnahmen und er 222

diente der Erholung.102 Eine Anpassung an den Landadel, die Vorbereitung oder Untermauerung der Nobilitierung signalisierte sein Erwerb nicht. Konfligierende Interessen vermischten sich bei der Weitergabe des Vermögens innerhalb der Familie. Je besser die Versorgung der Witwe, je großzügiger die Erbteile der nicht im Unternehmen bleibenden Kinder bemessen waren, desto hemmender konnte sich das auf die Entwicklung des Geschäfts auswirken. Je mehr auf eine solide Fundierung des Unternehmens geachtet wurde, desto mehr war die ihrem bisherigen Lebensstil angemessene Versorgung der Witwe und eines Teils der Kinder gefährdet. Probleme barg auch die Ausgestaltung der Unterhalts- und Nutzungsansprüche der Witwe im Verhältnis zu der der Kinder. Wie diese Konflikte austariert wurden, läßt sich für das Kaiserreich anhand einer verglichen mit der Zeit vor 1871 breiten Quellenbasis (von Ludwigshafen allerdings abgesehen) untersuchen.103 Bemerkenswert ist zunächst, daß in mehr als neun Zehntel aller hier erfaßten Nachlaßverfahren der Erbverteilung eine oder mehrere schriftliche Verfugungen des Erblassers zugrunde lagen, die überdies in der Regel notariell beglaubigt waren. In mehr als einem Viertel der Fälle hatte der Unternehmer mit seiner Frau einen Ehe- bzw. einen Ehe- und Erbvertrag abgeschlossen (auch wenn beide nur geringen Besitz in die Ehe einbrachten), meist aber korrigierte und präzisierte ein (nicht selten gemeinschaftliches) Testament dort getroffene Regelungen oder bildete allein die Basis der Nachlaßverteilung. Mochte sich für die Ehe und Familie selbst mehr und mehr das Leitbild der Liebesgemeinschaft durchgesetzt haben: Wenn es um die Handhabung des Vermögens nach dem Tod eines der Ehepartner ging, trat der Aspekt der Funktionsgemeinschaft wieder in den Vordergrund. Der Konsensfähigkeit der Hinterbliebenen bei der Lösung möglicher InteressenkonfÜkte wurde offenbar nicht hinreichend vertraut; dies belegt auch die häufig verwendete Drohung, einen das Testament anfechtenden Erben auf den Pflichtteil zu beschränken. Eine (im gesetzlichen Rahmen) autonome Fixierung der Nachlaßverteilung war nur möglich auf der Basis eines ehelichen Güterrechts, das, wie in den Rechtskreisen des rechtsrheinischen Bayern und später im BGB, rein subsidiären Charakter hatte.104 Eheleute konnten durch Vertrag einen anderen als den gesetzlich vorgesehenen Güterstand vereinbaren oder dessen Vorgaben modifizieren, mit entsprechenden Konsequenzen für die Nachlaßverteilung. Analoge Gestaltungsmöglichkeiten gab es für den Erbfall: Der Wille des Erblassers rangierte vor der gesetzlichen Erbfolge, unbeschadet freilich aller Pflichtteilsansprüche. Dabei waren die rechtlichen Vorgaben bis zum Inkrafttreten des BGB 1900 in den einzelnen bayerischen Landesteilen und damit auch in den hier untersuchten Städten sehr unterschiedlich. Sie richteten sich nach dem vor dem Entstehen des neuen Königreichs Bayern 223

lokal und regional jeweils gültigen Recht, da während des 19. Jahrhunderts mehrere Versuche zu dessen Vereinheitlichung fehlschlugen. Eine detaillierte Darstellung dieser Rechtsvielfalt ist hier nicht angebracht, aber die sehr divergierenden lokalen Güter- und Erbrechte müssen wenigstens in ihren Grundzügen umrissen werden. In München war der gesetzliche Güterstand die »Errungenschaftsgemeinschaft« (»partikuläre Gütergemeinschaft«): Was Braut und Bräutigam an Vermögen in die Ehe einbrachten, blieb als »Sondergut« Eigentum jedes einzelnen; die Vermögenszuwächse während der Ehe wurden jedoch als »Errungenschaft« gemeinsames Eigentum. Dem Ehemann stand die Verwaltung des gesamten Vermögens seiner Frau zu.105 Auch in Regensburg war die Errungenschaftsgemeinschaft der gesetzliche Güterstand, ebenso in Nürnberg (»verdingte Ehe«), wenn eine zweite Ehe geschlossen wurde und Kinder aus der ersten noch lebten.106 Ahnlich definiert war auch der gesetzliche Güterstand in der Pfalz, die »Mobiliargemeinschaft«, in der neben der Errungenschaft auch alles mobile Vermögen gemeinsames Eigentum der Eheleute wurde.107 - Dagegen war der gesetzliche Güterstand der ersten Ehe in Nürnberg die allgemeine Gütergemeinschaft (»versammte Ehe«), Sämtliches Vermögen der Ehepartner wurde gemeinsames Eigentum, was dem Ehemann eine sehr weitreichende Dispositionsfreiheit sicherte.108 - In Augsburg wiederum galt der Güterstand des »Dotalrechts«, das Gütertrennung vorsah. Was die Ehefrau als Vermögen in die Ehe eingebracht hatte, blieb als »Paraphernalgut« ihrer alleinigen Verfügung überlassen, sofern sie dem Ehemann nicht bestimmmte Dispositionsrechte zugestand. Sie hatte nur die Verpflichtung, eine »dos« (Mitgift) der Verfügung des Mannes zu überlassen; dieser mußte eine der Mitgift: äquivalente »Widerlage« bereitstellen.109 Die Skizze zeigt, wie verschieden in den lokalen Rechten die Positionen von Ehemann und Ehefrau definiert waren. In Nürnberg konnte der Ehemann fast uneingeschränkt auf das Vermögen seiner Frau zugreifen, in München und Regensburg es begrenzt für seine Zwecke einsetzen, in Augsburg blieb es seinem Zugriff" entzogen. Die Befugnisse des Mannes während der Ehe und die finanzielle und rechtliche Lage der Witwe standen, so läßt sich aus dem Gesagten schließen, dann in umgekehrtem Verhältnis zueinander, wenn der Unternehmer erfolgreich gewesen war. Bei allgemeiner Gütergemeinschaft fiel der Witwe nach dem Tod ihres Mannes die Hälfte des Gesamtvermögens als Eigentum zu, während nur die andere Hälfte dessen Nachlaß bildete (von dem ihr ein Kindsteil zustand) ; in der Regel setzte sie die Gütergemeinschaft mit den Kindern fort und behielt sogar die Verwaltung und Nutznießung von deren Erbteilen.110 Bei der Errungenschaftsgemeinschaft erhielt die Witwe ihr Sondergut zurück und die Hälfte der Errungenschaft: als Eigentum, in Regens bürg dazu vom Nachlaß des Mannes ein Kindsteil als Erbe, in 224

Nürnberg zumindest dessen Verwaltung und Nutznießung.111 Das Augsburger Dotalrecht gewährte der Witwe jedoch keinen Erbanspruch; sie bekam nach dem Tod des Mannes nur ihr Paraphernalgut und die Mitgift/Widerlage zurück.112 Das BGB beendete die regionale Vielfalt des Privatrechts und setzte als gesetzlichen Güterstand den der Verwaltung und Nutznießung (»Verwaltungsgemeinschaft«) fest. Danach blieb das von den Eheleuten eingebrachte Vermögen zwar getrennt, dem Ehemann war aber die Verwaltung und die Nutznießung des Vermögens seiner Frau übertragen. Den Nachlaß des Mannes bildete sein Vermögen und der gesamte Zuwachs des beiderseitigen Vermögens. Anders als in der Zeit vorher besaß die Witwe nun prinzipiell einen eigenen Erbanspruch und zwar auf mindestens ein Viertel dieses Nachlasses.113 Für Eheleute, die vor 1900 geheiratet hatten (und das betraf alle hier behandelten Unternehmer), wurden Übergangsbestimmungen festgelegt: Dotalrecht und Errungenschaftsgemeinschaft wurden in die Verwaltungsgemeinschaft des BGB überführt, sofern kein Ehevertrag existierte; die allgemeine Gütergemeinschaft blieb unverändert bestehen.114 Vor Einführung des BGB prägten also lokal sehr unterschiedliche, jedoch modifizierbare Vorgaben das Güter- und Erbrecht in den bayerischen Städten. Die Grundprobleme der Unternehmerehe waren aber prinzipiell überall gleich: Einerseits waren Einkommen und Vermögen der Eheleute größeren Risiken ausgesetzt als etwa in einem Beamtenhaushalt - dies legte besondere Sicherungen für einen Teil des Vermögens nahe, vor allem im Hinblick auf die Versorgung der Witwe. Andererseits erforderte die Tätigkeit des (Eigentümer·) Unternehmers eine weitreichende Dispositionsbefugnis. Bei der Nachlaßverteilung mußten die Bedürfnisse des Geschäftsbetriebs und die Versorgungsansprüche der Angehörigen miteinander in Einklang gebracht werden. Man könnte erwarten, daß diese Anforderungen zu überlokal einheitlichen güter- und erbrechtlichen Regelungen führten, zumal es in allen Ehen, zumindest in deren späteren Jahren, um keineswegs marginale Kapitalien ging, und auch deshalb schriftliche Fixierungen als geboten erscheinen konnten. Die vorliegenden Ehe-, Erbverträge und Testamente zeigen jedoch das Gegenteil: Uber zwei Drittel bestätigten im Prinzip das lokal geltende eheliche Güterrecht. In etwa der Hälfte der übrigen Fälle wurde abweichend vom Stadtrecht allgemeine Gütergemeinschaft vereinbart, in der anderen mehrheitlich zweiten oder weiteren Ehen - völlige Gütertrennung, primär wohl, um Auseinandersetzungen mit den Kindern aus erster Ehe zu vermeiden.115 Dies galt für Ortsgebürtige und Zuwanderer, für Christen und Juden, für kleinere Unternehmer und solche der Elite und für die verschiedenen Branchen gleichermaßen. Diese Befunde sprechen nicht dafür, daß sich unter den Unternehmern 225

der fünf Städte eine einheitliche Auffassung des Verhältnisses von Ehe- und Familienbedürfnissen einerseits sowie geschäftlichen Erfordernissen und Risiken andererseits herausbildete. Zwar waren in allen Lokalrechten die Rollen von Frau und Mann eindeutig bestimmt; zwischen dem Schutz des Vermögens der Frau und den Dispositionsbefugnissen des Mannes waren die Gewichte jedoch sehr verschieden verteilt. Wenn die Unternehmer und ihre Frauen sich meist in die jeweilige Tradition einfügten, so spricht dies wohl auch fur den Einfluß der Eltern auf die Eheschließung. Die güterrechtlichen Regelungen lassen zudem darauf schließen, daß der risikoreiche Geschäfte wagende Spekulant weder Verhaltensmodell der Unternehmer selbst noch Angstvorstellung von Braut und Brauteltern war. Ein Hauptproblem, das in den Verfügungen über den Nachlaß geregelt werden mußte, war die Versorgung der Witwe. Die vorliegenden Testamente und Verträge zwischen den Eheleuten lassen erkennen, daß in den meisten Fällen der gesetzliche Rahmen ausgeschöpft wurde und in nicht wenigen die Witwe besser gestellt war, während sie nur selten durch Erbverzicht oder Beschränkung auf den Pflichtteil in eine schlechtere Position gebracht wurde.116 Generell war der für die Witwe reservierte Nachlaßteil in gleicher Weise definiert wie der für andere Erben: allgemein als Erbteil. Hinzu kamen häufiger Mobiliar, Kleidung, Schmuck und Wohnrecht. Nur in wenigen Fällen war eine (zusätzliche) Jahresrente in bestimmter Höhe festgelegt, die sich auf Summen zwischen 860 und 10.000 Mark belief. Die Witwe wurde in der Regel also nicht von anderen Erben und deren Zahlungswilligkeit abhängig gemacht, sondern ihnen gleichgestellt. Beispielhaft fur die der Witwe meist eingeräumten Verfügungsrechte und zugleich für einen Weg, ihre bei Gütertrennung zunächst ungünstige finanzielle Situation zu verbessern, ist das Testament des Augsburger Privatbankiers August Gerstie (+ 1899) von 1896. Seine Frau, die Tochter eines Kaufmanns, sollte nach seinem Tod das von ihr eingebrachte Heiratsgut mit der Aussteuer im Wert von zusammen 70.000 Mark zurückbekommen, dazu eine zu ihren Gunsten abgeschlossene Lebensversicherung in Höhe von 60.000 Mark erhalten. Das restliche Vermögen bildete Gersties Nachlaß, von dem der Witwe nach Augsburger Recht kein Anteil zustand, da aus ihrer Ehe vier Kinder hervorgegangen waren. Gerstle setzte nun die (noch minderjährigen) Kinder auf den Pflichtteil, sprach den Rest des Nachlasses (abzüglich eines Legats in Höhe von 50.000 Mark fur die Stadt Augsburg zu Zwecken der Armenunterstützung) seiner Witwe zu und gewährte ihr die Nutznießung des auf die Kinder entfallenden Erbteils. Gersties Nachlaß betrug insgesamt 1,25 Millionen Mark: Zusätzlich zu den 130.000 Mark aus der zurückgegebenen Mitgift und der Lebensversicherung erhielt die Witwe also noch einmal 600.000 Mark und den Zinsgenuß von weiteren 600.000 Mark. 117 In einigen anderen Fällen wurde die Ehefrau zur Universalerbin 226

bestimmt, nach deren Tod erst die Kinder Erbansprüche geltend machen konnten.118 Nur selten war jedoch ihr Eintritt als Gesellschafterin in die Firma des Mannes vorgesehen.119 Zweites Kernproblem der Nachlaßverteilung war die Behandlung von Söhnen und Töchtern und die damit verbundene Regelung der Übernahme des Unternehmens. Generell läßt sich konstatieren, daß Söhne und Töchter zu gleichen Teilen als Erben eingesetzt, also gleich behandelt wurden. Nur in etwa einem Zehntel der bekannten Fälle erhielten die Söhne ausdrücklich einen größeren Teil des Erbes als die Töchter. Ganz selten stuften die Testamente eines oder mehrere Kinder den anderen gegenüber durch eine Beschränkung auf den Pflichtteil herab. Schwere Erbkonflikte scheinen die Familien nicht durchzogen zu haben oder, vielleicht auch unter dem Eindruck der oben erwähnten Pflichtteilklausel, jedenfalls rechtzeitig beigelegt worden zu sein. Dafür spricht auch der Umstand, daß in nur sehr wenigen Nachlaßakten Auseinandersetzungen ihren Niederschlag gefunden haben. Die grundsätzliche Gleichbehandlung von Söhnen und Töchtern hieß jedoch nicht, daß sie auch in gleicher Weise als Nachfolger im Unternehmen vorgesehen waren. In über einem Drittel der Fälle werden Sohn oder Söhne explizit als künftige Geschäftsinhaber bezeichnet und sie dann entweder, wie angedeutet, mit einem größeren Erbteil oder aber mit unternehmensbezogenen Vermögensteilen ausgestattet. Daß ein Unternehmer zugunsten der Söhne schon zu Lebzeiten auf seinen Besitz verzichtete, scheint die seltene Ausnahme gewesen zu sein. Auch diejenigen, die als Privatiers verstarben, blieben, wie etwa Gabriel Sedlmayr, Haupteigentümer des Geschäfts.120 Im großen und ganzen dominierte das Bestreben, die Harmonie in der Familie zu erhalten, gegenüber dem Bemühen, den Nachfolgern im Geschäft den finanziell bestmöglichen Start zu sichern. Eine Reihe von Unternehmern versuchte aber zusätzlich, durch genaue Regelung der Auszahlungsmodalitäten zu verhindern, daß das Geschäft nach ihrem Tod in seinem Bestand bedroht wurde. Zwischen 5 und 15 Jahren sollten die der Witwe, den Töchtern oder anderen Verwandten zugewiesenen Erbteile im Geschäft stehen bleiben; für diesen Zeitraum war eine Verzinsung zu ihren Gunsten von 3% bis 5% vorgesehen. Außerdem gab es Höchstgrenzen für die jährlichen Zahlungen. Damit verschoben sich die Probleme freilich nur. Hatte das Geschäft während der festgelegten Frist Rückschläge zu verzeichnen, waren die Nachfolger dennoch an den einmal bestimmten Nachlaßwert gebunden, der schließlich nicht mehr dem tatsächlichen Wert des Unternehmens entsprechen mußte. Beharrten die anderen Erben dann auf einer Auszahlung, mußte das zu ernsten Schwierigkeiten führen.121 Eine andere Möglichkeit - neben der Umwandlung in eine Familien-A.G. oder GmbH - wäre der Verkauf des Unternehmens gewesen, der jedoch nur in einem bekannten Fall den Erben ausdrücklich erlaubt wird.122

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In nicht wenigen Testamenten wird dagegen ausdrücklich der Wunsch artikuliert, das Unternehmen solle im Besitz der Familie verbleiben.123 Ein prägnantes Beispiel fur das Bemühen um einen Ausgleich zwischen Familien- und Geschäftsinteressen sind die minutiösen Regelungen im Testament des (verwitweten) Münchener Eisengroßhändlers und -industriellen Max Kustermann (+ 1901). Er hinterließ, wie oben schon erwähnt, seinen zwei Söhnen, zwei Töchtern und einer Enkelin (aus der Ehe der dritten, bereits verstorbenen Tochter) die beträchtliche Summe von über 9 Millionen Mark. Kustermann setzte im kurz vor seinem Tod abgefaßten Testament seine beiden Söhne, die bereits Teilhaber waren, zu alleinigen Erben ein. »Wenn ich nun auch alle meine Kinder und Kindeskinder in gleicher Liebe umfasse«, schrieb er als Begründung, »so ist doch bei ihrer verschiedenen Lebensstellung und bei der Natur meiner Verlassenschaft eine gleichmäßige Beteiligung meiner Deszendenz an meinem Nachlasse um so weniger auszuführen, als ich mich in erster Linie verpflichtet fühle, dafür Sorge zu tragen, dass mein Geschäft, dessen Begründung und Aufbau die Arbeit meines ganzen Lebens und die alleinige Grundlage für den Wohlstand meines Hauses darstellt, auch nach meinem Ableben in der Hand meiner Söhne und dermaligen Teilhaber in gleicher Prosperität und Liquidität wie bisher fortbestehen könne.«

Mit den unterschiedlichen »Lebensstellungen« bezog sich Kustermann wohl auf die Berufe seiner Schwiegersöhne, zweier Arzte und eines Hauptmanns, fur die kein Platz in der Unternehmensleitung vorgesehen war. Die »Natur« seiner Verlassenschaft war recht komplex: Die Firma F.S. Kustermann teilte sich auf in eine Eisen- und Kohlenhandlung, eine Gießerei und ein Eisenkonstruktionswerk; zum Nachlaß gehörten weiterhin Kustermanns Münchener Wohnung, ein Grundstück mit Villa in Tutzing und die in anderem Zusammenhang bereits genannten Güter in Oberbayern. Der Immobilienbesitz soweit er nicht in Zusammenhang mit dem Unternehmen stand - sollte den beiden Universalerben nicht zufallen, sondern für mindestens 30 Jahre gemeinschaftliches Familieneigentum bleiben. Franz und Hugo Kustermann wurden verpflichtet, an die anderen Erben jeweils ein Achtel des Nachlasses (also weniger als das gesetzliche Maximum von hier je einem Fünftel) auszuzahlen. Dafür sah das Testament eine Frist von 20 Jahren vor: Bei einem jährlichen Zinssatz von 4% sollte die Tilgung mit 2,5% in den ersten vier Jahren beginnen und schließlich einen Satz von 7,5% erreichen.124 Aus Kustermanns Worten spricht eine Haltung zum eigenen Unternehmen, die schon in Testamenten des vorher behandelten Zeitraums anklang.125 Sie findet sich schließlich noch bei Lehmann Bernheimer (+1918), der seine Kinder wenige Monate vor seinem Tod in einem Abschiedsbrief beschwor, die von ihm gegründete Firma der Familie zu erhalten, »denn sie ist mehr werth wie Geld es sein kann«.126 Mochte die Auffassung vom 228

Unternehmen als einem >Werkihre< Stadt verpflichtet zu sein, ohne daraus unmittelbaren Gewinn für sich selbst oder die Unternehmen ziehen zu wollen.

3. Öffentliche Amter und politisches Engagement a) Grundbedingungen und Tendenzen der bayerischen Politik im Kaiserreich Mit der Reichsgründung, dem Wandel Deutschlands vom Agrar- zum Industriestaat, der Massenpolitisierung und dem Ausbau des modernen Interventionsstaats begannen neue Faktoren und Kräfte die Politik auch in Bayern zu prägen. Direkt berührt waren die Unternehmerinteressen vom stetigen Bedeutungszuwachs der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Mit dem Reich war ein neues Kompetenzzentrum entstanden, dem die Zuständigkeit in den für die Unternehmer so wichtigen Fragen der Zoll-, Handels-, zum Teil der Steuer- und dann besonders der Sozialpolitik zufiel; so mußten dessen legislative wie exekutive Institutionen zum Adressaten politischer Forderungen auch seitens der bayerischen Unternehmer werden. - Bayern selbst verblieben freilich, gerade im Zusammenhang mit seinen in der Reichsverfassung verankerten Reservatrechten, bedeutende Steuer- und wirtschaftspolitische Kompetenzen, etwa die Verwaltung seiner Eisenbahnen. Auch auf Landesebene mußten sich also die Unternehmer weiterhin um Einfluß auf Parlament und Regierung bemühen. Auf Reichs- und Landesebene entstand mit den branchenspezifischen wie branchenübergreifenden Interessenverbänden überdies eine neue Form der Artikulation unternehmerischer Wünsche und Forderungen. - Bei den Entscheidungen der Unternehmer etwa über die Erweiterung und Verlagerung von Betrieben bildeten die Planungen und Eingriffsrechte der kommunalen Bürokratien gerade im Zuge des sich beschleunigenden Städtewachstums einen bedeutsamen Faktor; als sehr finanzkräftige (und damit von den Gemeindeumlagen besonders betroffene)1 Gemeindemitglieder wurden gerade die Unternehmer von der Ausweitung kommunaler Aufgaben und Leistungen tangiert. Zur Wahrung ihrer Interessen blieb es also wichtig, sich um einen Sitz in den 230

Gemeindegremien zu bemühen oder in anderer Weise dort Einfluß auszuüben. Die Chancen zur Durchsetzung politischer Forderungen wurden von der Kräftekonstellation im politischen System mitbestimmt.2 Seit den Zollparlamentswahlen von 1868 befand sich in Bayern der politische Liberalismus, dem die meisten Unternehmer verbunden waren, in der Defensive. Kulturkampf und Reichsgründung mobilisierten erstmals weite Teile der Bevölkerung für den politischen Katholizismus; seit den Wahlen von 1869 stellte die Patrioten/Zentrumspartei3 die Mehrheit der Abgeordneten im bayerischen Landtag. Nach dem Fall des Sozialistengesetzes entstand seit den 1890er Jahren durch den Aufschwung der politischen Arbeiterbewegung ein neuer und in Wahlen ständig stärker werdender Gegner. 1905 konnten Zentrum und Sozialdemokratie, die 1899 erstmals ein Wahlbündnis eingegangen waren, sogar eine Zweidrittelmehrheit in der Abgeordnetenkammer erringen. Dennoch gelang es den Liberalen in Bayern länger als auf Reichsebene, maßgebenden Einfluß auf die Politik zu behalten. Die Zerreißprobe eines Verfassungskonflikts mit ihren Fernwirkungen wie in Preußen war ihnen erspart geblieben, der Gegensatz zwischen Anhängern einer großdeutschen und den Verfechtern einer kleindeutschen Lösung der nationalen Frage durch die Reichsgründung obsolet geworden. So blieben die Differenzen zwischen National- und Linksliberalen auf Landesebene weniger scharf: Bis zum Ende des Untersuchungszeitraums hielten die Vertreter der verschiedenen liberalen Strömungen in der Abgeordnetenkammer an ihrer Fraktionsgemeinschaft fest. Entscheidend war aber die Haltung der bayerischen Kabinette. Sie gingen bis zum Vorabend des Ersten Weltkriegs nicht aus der Landtagsmehrheit hervor, und auch die Berufung der Regierung des Zentrumspolitikers Hertling 1912 bedeutete eine Parlamentarisierung nur in eigeschränktem Sinn. Zugleich war die Stellung der Minister im politischen System Bayerns besonders stark: Die Krankheit Ludwigs Π., das Alter und Selbstverständnis seines Nachfolgers, des Prinzregenten Luitpold (1886-1912), enthoben den Monarchen an der Spitze des Systems weitgehend seiner Funktion, verschafften einzelnen Hofstellen überragenden Einfluß und ließen der hohen Bürokratie, aus der die Minister hervorgingen, großen Spielraum. Ihre nationalliberal-reichsfreundliche Einstellung prägte die Politik während des Kulturkampfs und auch nach seinem Abklingen unter dem Ministerpräsidenten Crailsheim (1890-1903). Erst sein Nachfolger Podewils (19031912) verfolgte einen auf Ausgleich zwischen Liberalen, Zentrum und Sozialdemokratie bedachten Kurs. Zugleich wandelte sich die bayerische Parteienlandschaft. Bei den Liberalen setzten sich die auf ein Bündnis mit der reformistischen Sozialdemokratie 231

hinwirkenden Jungliberalen durch, was einen Teil der bisherigen Nationalliberalen zur Formierung einer neuen konservativen Partei veranlaßte. Im Zentrum dagegen gelang es dem rechten Flügel, die Führung der Partei zu übernehmen. Die Jahre 1910 bis 1912 markierten mit der Gründung der Fortschrittlichen Volkspartei und der Bayerischen Reichspartei, dem Bündnis zwischen Liberalen und Sozialdemokraten bei den Landtagswahlen 1912 und der folgenden Berufung des konservativen Zentrumsführers Hertling zum Ministerpräsidenten eine Zäsur in der politischen Entwicklung Bayerns nach 1871. Welche Einflußmöglichkeiten die Unternehmer auf den verschiedenen Ebenen der Politik besaßen, hing schließlich auch vom jeweiligen Wahlrecht ab. Bis zum Vorabend des Ersten Weltkriegs bestanden hier auch in Bayern signifikante Unterschiede. Das allgemeine, gleiche und geheime Männerstimmrecht, wie es Bismarck für den Reichstag durchgesetzt hatte, wurde nicht für den bayerischen Landtag übernommen. Weiterhin blieben prinzipiell die Bestimmungen von 1848 in Kraft, die eine indirekte Abgeordnetenwahl mit offener (seit 1881 geheimer) Stimmabgabe vorsahen und das Wahlrecht an die Entrichtung einer direkten Steuer banden, seit 1881 außerdem an den Nichtbezug von Armenunterstützung. Erst 1906 gelang es Zentrum und Sozialdemokratie, eine grundlegende Reform des Wahlrechts durchzusetzen: Der indirekte Wahlmodus wurde abgeschafft, das absolute durch das relative Mehrheitswahlrecht ersetzt und eine Neueinteilung der Wahlkreise aufgrund der Volkszählung von 1900 vorgeschrieben, die der Regierung die bisher häufig geübte »Wahlkreisgeometrie« zugunsten gouvernementaler Parteien nicht mehr erlaubte.4 Für die Stellung der Gemeinden im bayerischen Staat und für das kommunale Wahlrecht brachte die im Rahmen der Reformgesetzgebung von 1868/ 69 verabschiedete Gemeindeordnung (für das rechtsrheinische Bayern und für die Pfalz) zusammen mit den neuen Bestimmungen über das Heimatrecht entscheidende Änderungen. Die unmittelbare Staatsaufsicht über die Gemeinden fiel weg, so daß jetzt eine echte Selbstverwaltung möglich wurde, und der Aufgabenkreis der Gemeindebevollmächtigten wurde erweitert. Voraussetzung für das aktive wie passive Wahlrecht war jetzt allein das (nicht vererbbare) Bürgerrecht. Es konnte (in den rechtsrheinischen Gemeinden) jedem volljährigen und männlichen bayerischen Staatsangehörigen verliehen werden, der in der betreffenden Gemeinde wohnte und dort mit einer direkten Steuer veranlagt war; ausgeschlossen waren jedoch alle Dienstboten und im Haushalt des Arbeitgebers lebenden »Gewerbsgehilfen«.5 Entscheidend war nun, daß es den Gemeinden erlaubt wurde, die Verleihung des Bürgerrechts von der Zahlung einer Gebühr abhängig zu machen; sie konnte in den Gemeinden mit mehr als 20.000 Einwohnern bis zu 100 fl. ( = 171 Mark) betragen. In allen vier hier behandelten rechtsrheinischen 232

Städten ging man bis an diese Grenze.6 Nur scheinbar niedriger war diese Barriere in der Pfalz: Hier entfiel eine gesonderte Bürgerrechtsgebühr; das Gemeindewahlrecht war (neben den anderen oben genannten Voraussetzungen) nur an das prinzipiell leichter erwerbbare Heimatrecht (das sonst im wesentlichen einen Anspruch auf Armenunterstützung gewährte) gebunden. Zuwanderer mußten allerdings (wie auch im rechtsrheinischen Bayern) eine Heimatgebühr entrichten, die ebenfalls bis zu dem - von Ludwigshafen auch ausgeschöpften7 - Maximalbetrag von 100 fl. gehen konnte. »Dienstboten, Gewerbsgehilfen, Fabrikarbeiter oder Lohnarbeiter« hatten erst dann einen Anspruch auf kostenlose Verleihung des Heimat- (und Bürgerrechts), wenn sie 10 Jahre lang in derselben Gemeinde gewohnt und dort ohne Unterbrechung gearbeitet hatten.8 Die Reformgesetzgebung von 1868/69 beseitigte zwar die enge Bindung des Bürgerrechts an Hausbesitz und Gewerbekonzession und unterminierte damit langfristig die Position der bisher die Verwaltungsgremien beherrschenden Honoratiorenzirkel. Zugleich gab sie ihnen aber mit der Heimatund Bürgerrechtsgebühr ein generell auch genutztes Instrument in die Hand, die Teilhabe an der Gemeindeverwaltung nur den finanzstarken Einwohnern zu gestatten und damit noch geraume Zeit die eigene Dominanz zu behaupten. Dem größten Teil der rasch anwachsenden Arbeiterbevölkerung blieb eine Partizipation an der kommunalen Selbstverwaltung daher lange verwehrt.9 So war der Anteil der Bürgerrechtsinhaber an der Bevölkerung der fünf Städte noch um die Jahrhundertwende gering (trotz inzwischen gesenkter Gebühren) : 1905 lag er in München bei 5,79%, in Nürnberg bei 5,55%, in Augsburg bei 4,99%, in Regensburg bei 5,97% und auch in Ludwigshafen nur bei 6,8%. 1 0 Neben den Wahlrechtsqualifikationen kam auch die Ausgestaltung des Wahlverfahrens den bisher dominierenden Honoratiorenkreisen entgegen. Alle drei Jahre mußte ein Drittel der Gemeindebevollmächtigten neu bestimmt werden, in der Pfalz alle fünf Jahre der gesamte Gemeinderat.11 Uber die Kandidaten wurde in geheimer Wahl entschieden; jeder Wähler konnte die entsprechenden Namen auf den Wahlzettel schreiben oder sich eines vorgedruckten Wahlzettels >seiner< Partei oder Gruppierung bedienen. Die Reihenfolge nach Stimmenzahl gab dann den Ausschlag für den Eintritt ins Gemeindekollegium.12 Die Vorteile des Verfahrens für die Mehrheitspartei sind leicht zu erkennen.13 Zentrum und Sozialdemokratie zielten daher in ihrer Kritik am kommunalen Wahlrecht nicht nur auf die hohen Heimatund Bürgerrechtsgebühren, sondern forderten auch eine Änderung des Wahlmodus. Der politische Umschwung auf Landesebene brachte ihnen mit dem Gemeindewahlgesetz von 1908 einen weitgehenden Erfolg: In Zukunft galt in Gemeinden mit mehr als 4.000 Einwohnern das Verhältniswahlrecht.14 233

b) Unternehmer als Mandatsträger: Im Mittelpunkt die Gemeinde Aufgrund der sehr unterschiedlichen Partizipationschancen auf Reichs- und Landesebene einerseits und auf der kommunalen Ebene andererseits ist zu erwarten, daß die bayerischen Unternehmer vor allem in den Gemeindekollegien und Magistraten der Städte vertreten waren. Tatsächlich nahm etwa ein Viertel (121) der im Kaiserreich aktiven Unternehmer, die in dieser Arbeit erfaßt sind, als Gemeindebevollmächtigter oder Magistratsrat (bzw. Gemeinderat in der Pfalz) Funktionen in der kommunalen Selbstverwaltung wahr. Dieser Anteil deckt sich mit den Werten, die Pierenkemper und Teuteberg für die westfälischen Schwer- bzw. Textilindustriellen ermittelt haben; in Preußen räumte das kommunale Wahlrecht den Unternehmern eine ähnliche starke Stellung wie in Bayern ein. Auch bei den westfälischen Unternehmern lag der Schwerpunkt ihrer allgemeinpolitischen Aktivität in der Gemeinde.15 Demgegenüber war die Zahl der Mandatsträger in der Abgeordnetenkammer des bayerischen Landtags (18) und im Reichstag (3) sehr gering.16 Auch in den Reichsrat, die erste Kammer des bayerischen Parlaments, wurden insgesamt nur wenige Unternehmer vom König/Prinzregenten berufen.17 Bei den westfälischen Unternehmern lag der Anteil der Abgeordneten in den überregionalen Parlamenten dagegen deutlich höher.18 Ein wesentlicher Grund dafür dürfte wohl das plutokratische Dreiklassenwahlrecht Preußens gewesen sein. Die große Diskrepanz zwischen dem Grad der Repräsentation in den Gemeindegremien einerseits und Landtag wie Reichstag andererseits erklärt sich, von den unterschiedlichen Wahlrechten abgesehen, natürlich auch aus der wesentlich größeren Zahl der auf kommunaler Ebene wahrnehmbaren Mandate. Aber sie zeigt doch auch, daß die Unternehmer es weiterhin für wichtig und lohnend erachteten, an der Gemeindeverwaltung mitzuwirken. Eine genauere Analyse der an der Gemeindeverwaltung beteiligten Unternehmer zeigt charakteristische Abweichungen vom Profil aller im Kaiserreich tätigen Unternehmer. Weit mehr als die Hälfte von ihnen (56,0%) war am Ort geboren,19 während der Anteil der ortsgebürtigen Unternehmer insgesamt deutlich unter dieser Marke lag (46,6%). Auch der Anteil der Zuwanderer aus der Umgebung war im Vergleich höher, klar niedriger hingegen der Anteil der Fernwanderer. Mit fast zwei Dritteln (63,2%) waren die Protestanten klar überrepräsentiert, während Katholiken (29,9%) und Juden (6,8%) deutlich weniger Unternehmer in der Kommunalverwaltung stellten als es ihren Anteilen an der gesamten Unternehmerschaft entsprochen hätte.20 Besonders gering war der Anteil der angestellten Unternehmer: Er lag unter den hier erfaßten Magistratsräten und Gemeindebevollmächtigten bei nur 6,6% (gegenüber 17,4%). Bemerkenswert ist schließlich 234

die Beteiligung der Unternehmerelite an der Kommunalverwaltung: Für alle vier Teilgruppen ergeben sich im Vergleich zu ihrem Anteil an der gesamten Unternehmerschaft klar höhere Werte.21 Hinsichtlich ihrer sozialen Herkunft zeigen sich keine nennenswerten Differenzen zwischen den kommunalpolitisch engagierten und allen anderen Unternehmern. Unter den Magistratsräten und Gemeindebevollmächtigten bzw. den Gemeinderäten dominierten also die aus ihrem Tätigkeitsort stammenden Eigentümer-Unternehmer protestantischer Konfession. Nicht selten kamen sie überdies aus eingesessenen Familien, die früher schon an der Stadtverwaltung beteiligt gewesen waren; so bildeten sich »kommunalpolitische Dynastien«.22 Dies erklärt zum Teil auch die Repräsentanz der Elite in den Gemeindegremien. Der hohe Anteil der Protestanten weist auf deren besondere Affinität zum Liberalismus hin, dem freilich auch katholische Unternehmer anhingen. Daß eine Reihe von jüdischen Unternehmern zu Gemeindebevollmächtigten und auch zu Magistratsräten gewählt wurden, dokumentiert ihre Integration in die lokale Führungsschicht, soweit es um die Vertretung gemeinsamer Interessen der besitzenden Bürger ging. Anders als beim die engste Privatsphäre berührenden Konnubium fiel der Glaubensunterschied hier nicht ins Gewicht.23 Hinter der relativ schwachen Beteiligung der angestellten Unternehmer an den Verwaltungsgremien wird man wohl verschiedene Faktoren vermuten müssen: eine im Vergleich geringere Abkömmlichkeit, eine stärkere Bindung an das Unternehmen als an die Gemeinde, ein höheres Prestige der >Eigentümer< bei den anderen Stadtbürgern.24 Dennoch wäre der Eindruck einer zumindest bis zur Jahrhundertwende unangefochtenen Honoratiorenherrschaft in den fünf Städten falsch. Zum einen gaben die Modalitäten des Geschäftsgangs und ihr Expertenwissen den berufsmäßigen Bürgermeistern, Magistrats- und Gemeinderäten einen wachsenden Einfluß gegenüber ihren ehrenamtlichen »bürgerlichen« Kollegen.25 Zum anderen hatte sich die liberale Mehrheit in allen Städten auch auf kommunalpolitischer Ebene bereits vor der Wahlrechtsreform von 1908 mit verschiedenen Gegnern auseinanderzusetzen. In Nürnberg und Augsburg konnten die Liberalen Sozialdemokratie und Zentrum bis 1908 aus dem Gemeindekollegium fernhalten. In Augsburg kam es in der wirtschaftlichen Krisenphase der 1870er und 1880er Jahre zum offenen Konflikt innerhalb des liberalen Lagers: Dem unternehmerfreundlichen Mehrheitsflügel stand ein von den sozialprotektionistischen Forderungen der Handwerker geprägter Minderheitsflügel gegenüber, der zeitweise die enge Kooperation mit der Patrioten/Zentrumspartei suchte, jedoch 1878 und 1884 Niederlagen einstecken mußte.26 - Besonders scharf waren die Gegensätze zwischen politischem Liberalismus und politischem Katholizismus in Regensburg. Wäh235

rend der Hochzeit des Kulturkampfs in den 1870er Jahren gelang der Patrioten/Zentrumspartei der Einzug in das Gemeindekollegium, zuletzt 1878, danach jedoch erst wieder 1908, obwohl Heinrich Held, der Schwiegersohn des Verlegers Joseph Habbel und spätere bayerische Ministerpräsident, hier erstmals 1899 einen polemischen, um Zusammenarbeit alle antiliberalen Kräfte bemühten Gemeindewahlkampf gefuhrt hatte. Ein Sozialdemokrat zog erstmals 1911 in das Regensburger Rathaus ein.27 - Auch im Münchener Gemeindekollegium konnte die Patrioten/Zentrumspartei schon in den 1870er Jahren Sitze erobern, 1878 und 1881 sogar die Mehrheit; zwischen 1891 und 1911 hatten dann wieder die Liberalen die Mehrheit inne, sahen sich jedoch bereits 1894 mit einem sozialdemokratischen Gemeindebevollmächtigten konfrontiert.28 - In Ludwigshafen wurden die parteipolitischen Gegensätze zunächst dadurch verdeckt und gedämpft, daß in allen Wahlvorschlägen die wichtigen Interessengruppen - Großfirmen, Mittelstand, Arbeiter - repräsentiert waren, freilich in unterschiedlicher Gewichtung. So erschienen auch Sozialdemokraten auf bürgerlichen Kandidatenlisten; bereits 1889 stellten sie einen Gemeinderat.29 Der Durchbruch gelang ihnen zehn Jahre später in einem Wahlbündnis mit dem Zentrum, 1909 fiel ihnen dann bereits die Hälfte der Sitze im Gemeinderat zu.30 - In München gerieten die Liberalen 1911 in die Minderheit, in Nürnberg und Regensburg 1914, während sie in Augsburg ihre Mehrheit behaupteten. Die geschilderte Entwicklung der politischen Kräfteverhältnisse auf Gemeindeebene läßt vermuten, daß der Anteil der Unternehmer an den Gemeindebevollmächtigten und Magistrats- bzw. Gemeinderäten spätestens seit den 1890er Jahren rückläufig war. Genau analysiert worden ist er für Nürnberg: Nach der Neuwahl des gesamten Gemeindekollegs 1869 nahmen 21 »Kaufleute«, »Fabrikanten« und »Bankiers« genau die Hälfte der Sitze ein. Bis 1899 blieb in den alle drei Jahre fälligen Ersatzwahlen das Verhältnis zu den Angehörigen anderer Berufsgruppen etwa gleich, danach sank ihr Anteil; 1911, nach den letzten Wahlen vor Kriegsausbruch, stellten sie aber doch noch 6 von 20 neu bestimmten Gemeindebevollmächtigten.31 Für Augsburg ist ebenfalls ein kontinuierlicher Rückgang des Unternehmeranteils seit 1890 konstatiert worden.32 In Ludwigshafen markierte der Wahlerfolg der Sozialdemokraten 1899 auch eine Zäsur für die Beteiligung der Unternehmer an der Stadtverwaltung: sie wurden entweder nicht wiedergewählt oder verzichteten darauf, ihr Mandat anzutreten. Drei Jahre vorher hatte der Chemieindustrielle Karl Grünzweig, der letzte ehrenamtliche Bürgermeister der Stadt, dieses von ihm seit 1891 ausgeübte Amt niedergelegt.33 Trotz dieser Entwicklung bleibt es bemerkenswert, daß die Teilhabe der Unternehmer, auch der Elite, an der kommunalen Selbstverwaltung sich nicht auf die im Vergleich >ruhige< Zeit bis zu den 1890er Jahren beschränk236

te, sondern zum Teil noch weit über die Jahrhundertwende und den politischen Umbruch 1908 hinaus andauerte. Einige (leicht vermehrbare) Beispiele sollen dies verdeutlichen: In München etwa saß der Brauereibesitzer, zwanzigfache Millionär (1914) und Kommerzienrat Karl Sedlmayr 1888 bis 1896 im Gemeindekollegium, der sechsfache Millionär und Kommerzienrat August Pschorr aus der konkurrierenden Brauerfamilie von 1894 bis 1911. 34 - Als bürgerlicher Magistratsrat amtierte in Nürnberg zwischen 1900 und 1915 der Kunstanstaltsbesitzer, vierfache Millionär und Kommerzienrat Eugen Mayer, als zweiter Vorstand des Gemeindekollegiums noch 1910 der Großhändler, Millionär und Kommerzienrat Friedrich Karl Zahn.35 - Augsburger Magistratsrat war von 1889 bis nach 1914 der Bankier, vierfache Millionär und Kommerzienrat Max Schwarz, als Gemeindebevollmächtigter fungierte seit 1902 mit dem Millionär und Kommerzienrat August Rommel einmal mehr ein Mitglied der schon häufiger erwähnten Dynastie von Textilindustriellen.36 - Heinrich (von) Brunck, Vorstand der BASF und (Geheimer) Kommerzienrat, war Gemeinderat in Ludwigshafen von 1885 bis 1899; 1899 wiedergewählt, nahm er sein Mandat nicht mehr an. 3 7 -Dem Regens burger Kollegium der Gemeindebevollmächtigten stand noch 1910 der Großhändler, Gutsbesitzer, dreifache Millionär und Kommerzienrat Wilhelm (von) Neuffer vor, als Schriftführer fungierte der Millionär, Buchhändler und Kommerzienrat Friedrich Pustet ΠΙ. 38 Insgesamt bleibt festzuhalten, daß die Unternehmer in allen Städten aufgrund des geltenden Wahlrechts in den kommunalen Gremien stark überrepräsentiert waren und trotz ihres rückläufigen Anteils bis zum Vorabend des Ersten Weltkriegs hier Einfluß ausüben konnten, nicht zuletzt die Vertreter ihre Elite. Ob der tatsächliche Einfluß in den städtischen Verwaltungsgremien dem Anschein entsprach, muß nicht zuletzt angesichts des wachsenden Gewichts der kommunalen Bürokratie fraglich bleiben.39 Andererseits war der Einfluß der Unternehmer in ihrer Stadt natürlich nicht allein von ihrer Präsenz in Gemeindekolleg und Magistrat abhängig, sondern auch Resultat von Faktoren wie der Größe und Steuerkraft ihres Betriebs und der informellen Kontakte zur politischen Spitze der Stadt. Wieviel reale Macht die Unternehmer in ihrer Stadt besaßen, ließe sich daher nur in detaillierten Untersuchungen klären, die wähl- und parteiengeschichtliche Fragestellungen mit den Ansätzen der Urbanisierungsforschung verbinden. Einen parteipolitisch geschlossenen Block bildeten die Unternehmer zwar nicht, die weit überwiegende Mehrheit der politisch aktiven Unternehmer läßt sich aber mit einiger Sicherheit dem liberalen Lager zurechnen, wenn auch detaillierte Angaben über Parteizugehörigkeit oder Parteisympathien der Unternehmer insgesamt nur für einen kleinen Teil von ihnen vorliegen. Besonders deutlich zeigt sich dies für die Unternehmer, die in den bayeri237

sehen Landtag gewählt wurden: Mindestens 11 (von 17) gehörten zu einer der liberalen Strömungen. Dieser Befund deckt sich mit den Ergebnissen von Jaegers Untersuchung der Unternehmer in Reichstag und Länderparlamenten nach 1890: Danach stellten die Liberalen (mit 116 von 223 Mandaten) die Mehrheit aller zwischen 1890 und 1918 im bayerischen Landtag vertretenen Unternehmer; stärkste Gruppe waren die Nationalliberalen.40 Von den 18 hier erfaßten Landtagsabgeordneten lassen sich 16 der Unternehmerelite zurechnen. Fast allen wurde der Kommerzienratstitel verliehen, vier erhielten den persönlichen Adel, drei waren mit Sicherheit Multimillionäre, mindestens drei weitere verfugten mit großer Wahrscheinlichkeit über ein ähnlich hohes Vermögen. Auch wenn ihr öffentliches Wirken zur Titelverleihung und vor allem zur Nobilitierung beitragen mochte: Die Mandatsträger leiteten Firmen von iiberdurschnittlicher ökonomischer Bedeutung. Bezeichnend ist allerdings, daß sie - mit einer Ausnahme - Eigentümer-Unternehmer waren und von den größten bayerischen Unternehmen nur eines, die BASF, repräsentieren. August (von) Clemm saß von 1883 bis 1899 als nationalliberaler Abgeordneter in der zweiten Kammer des Landtags, die letzten beiden Jahre als deren Präsident; danach wurde er vom Prinzregenten in den Reichsrat berufen. Clemm, Mitbegründer der BASF, gehörte deren Vorstand bis 1882 an, fungierte dann als Aufsichtsratsmitglied von 1885 bis 1897 und als dessen Vorsitzender von 1897 bis 1903. August Clemms Bruder und Geschäftspartner Carl, der 1883 aus der Leitung der BASF ausschied und danach 15 Jahre Direktor der von ihm mitgegründeten Zellstoffabrik in Waldhof bei Mannheim war, vertrat ebenfalls die Nationalliberalen von 1887 bis 1893 im bayerischen Landtag, zugleich bis 1898 im Reichstag.41 Friedrich (von) Schauß, der einzige >geborene< angestellte Unternehmer unter den 18 Abgeordneten, repräsentierte als Direktor der Süddeutschen Bodencreditbank eine der fünf größten bayerischen Banken. Schauß, der von 1870 bis 1892 Landtags- und von 1871 bis 1881 Reichstagsabgeordneter war und zum rechten Flügel der Nationalliberalen zählte, gehörte zur engeren Führung der Partei in Bayern; 1889 bis 1892 amtierte er als Vorsitzender der liberalen Fraktion in der Abgeordnetenkammer.42 Die Hypo- und die Vereinsbank, die MAN, die EAG (Schuckert) und die großen Augsburger Textilbetriebe waren jedoch durch keinen ihrer Inhaber/Leiter im Landtag oder im Reichstag vertreten.43 Auch in den Parteiorganisationen selbst besetzten Unternehmer nur selten herausgehobene Positionen. Der Mineralwasserfabrikant Friedrich Seyboth aus München, langjähriger Gemeindebevollmächtigter, Magistratsrat und 1893 -1899 Landtagsabgeordneter für die Liberalen, löste 1893 den Freiherrn von Stauffenberg als Vorsitzenden der Freisinnigen Partei in Bayern ab und vertrat einen Kurs, der die Differenzen zu den Nationalliberalen gerade in der Sozialpolitik schärfer betonte.44 Wilhelm Frhr. von Pechmann, Direk238

tor der großen Bayerischen Handelsbank in München, führte 1910/11, nachdem Freisinnige und Demokraten in Bayern sich zur Fortschrittlichen Volkspartei vereinigt hatten, die Gegenreaktion des rechten Flügels der Nationalliberalen und wurde Vorsitzender der neuen, an die Freikonservativen im Reich angeschlossenen Bayerischen Reichspartei.45 Unterstützung fand Pechmann beim Vorsitzenden der Nationalliberalen in Bayern, dem Nürnberger Eisenwerksdirektor Wilhelm Tafel, der 1911 aus seiner Partei austrat und sich den Konservativen anschloß. Zusätzliche Brisanz gewann dieser Schritt deshalb, weil Tafel dem Gesamtvorstand des Bayerischen Industriellenverbandes angehörte.46 - Von diesen allerdings bedeutsamen Einzelfallen abgesehen war der Einfluß der Unternehmer innerhalb einer Partei wohl am größten in der Pfalz, für die Nationalliberalen bekanntlich eine der Hauptbastionen im Reich. Fünf ihrer Landtags- und Reichstagsabgeordneten entstammten hier allein der Großgrundbesitzer- und Unternehmerfamilie Buhl; weitere nationalliberale Mandatsträger kamen aus den mit den Buhls verflochtenen Unternehmerfamilien Bürklin, Deinhard und Jordan.47 Eine lokale Parallele stellte die Organisation des Zentrums in Regensburg dar. Schon die Verleger Georg Josef Manz und Friedrich Pustet I hatten sich hier politisch engagiert.48 Friedrich Pustet II war in den 1860er Jahren Gemeindebevollmächtigter und Magistratsrat und iungierte von 1871 bis 1895 als erster Vorstand des Katholischen Kasinos; 1893 unterlag er als Kandidat für den Landtag dem liberalen Bürgermeister der Stadt. Sein Bruder Karl stand 1870/72 an der Spitze des Kasinos und war beim 1904 in Regens bürg stattfindenden Katholikentag Leiter des Lokalkomittees. Friedrich Pustet ΙΠ engagierte sich unter anderem als Mitgründer und Vorsitzender des Katholischen Männervereins St.Emmeram von 1905 bis 1918 und war seit 1908 Mitglied im Ausschuß des Landesverbandes der Katholischen bürgerlichen Vereine Bayerns.49 Nachfolger Friedrich Pustets II als Kasinovorstand wurde der Spiritusfabrikant Karl Mayer, der von 1905 bis 1918 auch als Abgeordneter im Landtag saß.50 Als 1908 die Zentrumspartei erstmals Gemeindebevollmächtigte stellen konnte, zogen neben Friedrich Pustet III und Karl Mayer der geschäftlich mit Pustet eng verbundene Verleger Josef Habbel sowie Habbels Schwiegersohn und Teilhaber Heinrich Held in das Gemeindekollegium ein.51 Regensburg war um 1900 nicht nur die politische Basis der Exponenten des linken Zentrumsflügels Held und Heim (der nach der Wahl von 1908 Magistratsrat wurde) und damit einer der Hauptstützpunkte des Zentrums in Bayern überhaupt. Infolge des noch relativ schwachen wirtschaftlichen Entwicklungsstandes der Stadt gehörte vor allem das Pustetsche Unternehmen (Verlag, Druckerei, Papierfabrik) mit über 300 Beschäftigten zu den größten Regensburgs; in den anderen Städten hätte es hingegen nicht zu den Spitzenunternehmen ge239

zählt. Auch dank dieser Konstellation spielten die auf Zentrumsseite engagierten Unternehmer Regensburgs dort eine herausragende Rolle, vergleicht man sie mit den in Parteien aktiven Unternehmern anderer Städte.

c) Unternehmer in Handelskammern und Verbänden Pierenkemper und Teuteberg haben für Westfalens Unternehmer festgestellt, daß gegenüber dem Engagement in allgemeinpolitischen Ämtern der Einsatz für spezifische Wirtschaftsinteressen überwog. Schwerpunkt war dabei die Mitgliedschaft in den Handelskammern.52 Leider gestatten die verwendeten Quellen keine quantifizierenden Aussagen zur Tätigkeit der hier erfaßten Unternehmer in den branchenbezogenen, regionalen und nationalen Interessenverbänden oder für die Umsetzung der staatlichen Sozialpolitik wichtigen Gremien wie den Berufsgenossenschaften. Ihr Engagement in den Kammern kann hingegen gut überblickt werden. Im Rahmen der Reformgesetzgebung am Ende der 1860er Jahre wurden auch die bayerischen Handelskammern 1868 grundlegend umgestaltet. Jeder Regierungsbezirk erhielt nun eine Kammer mit gesetzlicher Bestandsgarantie und klar festgelegten Aufgaben der Interessenvertretung, Beratung und Verwaltung. Sie zerfiel in eine Handelsabteilung für Großkaufleute und Fabrikanten und eine Gewerbeabteilung für alle übrigen Gewerbetreibenden. Erst 1889 wurden eindeutige Kriterien für das jeweilige Stimmrecht festgelegt: Die Eintragung der Firma ins Handelsregister berechtigte zur Wahl in der Handelsabteilung, für die Gewerbekammer galt ein nach Gemeindegrößenklassen abgestufter Zensus. Die Kammermitglieder wurden auf sechs Jahre gewählt; wahlberechtigt waren bis 1908 jedoch nur die am Sitz der Kammer lebenden Geschäftsinhaber und -leiter. Nürnbergs Handelsvorstand konnte seine Sonderstellung lange bewahren. Er trat an die Stelle der Handelskammer für Mittelfranken, sein Wahlverfahren wurde jedoch dem der anderen Kammern angeglichen. Die neubestimmten Mitglieder durften hier zunächst allerdings noch lebenslänglich amtieren, erst 1889 wurde ihre Amtsdauer auf sechs Jahre beschränkt.53 Zu einer Institution, die allein die schon in sich differenzierten Interessen der Unternehmer vertrat, wurden die Handelskammern nicht: Eigene Handwerkskammern wurden zwar bereits 1900 geschaffen, die Gewerbekammern aber erst 1908 abgetrennt; zugleich verfügte die Regierung - auf der Linie der Podewils'schen Ausgleichspolitik - die Bildung von Ausschüssen der Kleingewerbetreibenden und der Angestellten bei jeder Kammer.54 Dieses heterogene Mitgliederspektrum scheint eine im Vergleich zu den großen Industrieverbänden größere Aufgeschlossenheit in sozialpolitischen 240

Fragen bewirkt zu haben.55 Im politischen System wuchs das Gewicht der Kammern im Lauf der Zeit. So stellten die Handelskammern im 1881 geschaffenen Landeseisenbahnrat die Mehrheit der Mitglieder.56 Seit 1908 konnten sich die bayerischen Handelskammern in einem Handelskammertag zusammenschließen.57 Die 89 während des Kaiserreichs in den Handelskammern aktiven Unternehmer der fünf Städte, die hier erfaßt sind, weisen ein von dem der kommunalpolitisch tätigen Unternehmer in einigen Punkten abweichendes Profil auf. Ihrer regionalen Herkunft nach lagen sie zwischen den kommunalpolitisch aktiven und allen Unternehmern: Nur etwas mehr als die Hälfte von ihnen war am Ort geboren (51,2%).58 Auch in ihrer sozialen Herkunft unterschieden sie sich von den anderen: Unter ihren Vätern waren die Handelsunternehmer und Kaufleute mit einem Anteil von zusammen fast zwei Fünftel (37,6%) im Vergleich zur Gesamtgruppe (und damit auch zu den kommunalpolitisch engagierten Unternehmern) deutlich überrepräsentiert, die Industriellen mit gut einem Fünftel (22,2%) und die Handwerker und sonstigen Gewerbetreibenden mit nur einem Zehntel (11,1%) deutlich unterrepräsentiert.59 Das Verhältnis zwischen den Konfessionen entsprach weitgehend dem bei den kommunalpolitisch aktiven Unternehmern: Die Protestanten waren auch hier deutlich überrepräsentiert (61,5%), Katholiken und Juden unterrepräsentiert (30,8% bzw. 7,7%).60 Auffällig hoch war dagegen im Vergleich zu den in den Gemeindegremien tätigen Unternehmern mit über einem Fünftel (21,3%) der Anteil der angestellten Unternehmer. Noch weitaus stärker vertreten als bei den kommunalpolitisch aktiven Unternehmern war die Unternehmerelite: Über die Hälfte der hier erfaßten Kammermitglieder (53,9%) verfugte über ein einfaches, mehr als ein Viertel (29,2%) über ein vielfaches Millionenvermögen, mehr als zwei Drittel (68,5%) trugen den Kommerzienratstitel und über ein Zehntel (11,2%) einen Adelstitel.61 In den Handelskammern engagierten sich also, so läßt sich zusammenfassend sagen, vor allem die erfolgreichen Unternehmer und sehr stark die Unternehmer aus Kaufmannsfamilien; Selbständigkeit und lokale Verwurzelung hingegen spielten für ihre Betätigung - und die Wahl durch die anderen Unternehmer - eine weit geringere Rolle als bei der kommunalpolitischen Aktivität von Unternehmern. Beide Personenkreise überschnitten sich jedoch auch: 42 Unternehmer, knapp die Hälfte der Kammermitglieder bzw. ein gutes Drittel der Gemeindebevollmächtigten/Magistratsräte war auch im jeweils anderen Gremium präsent, verfügte also über eine lokal einflußreiche Position. Ein Blick auf die Leiter der jeweiligen Spitzenunternehmen und die Kammerpräsidenten stützt diese Befunde. Der MAN-Generaldirektor Anton (von) Rieppel, sein Augsburger Vorstandskollege Richard Buz, die BASF-Direktoren Heinrich (von) Brunck und Robert Hüttenmüller waren 241

ebenso Kammermitglieder wie der Schuckert-Teilhaber und spätere Generaldirektor Alexander (von) Wacker und Fidelis Nerz, Vorstandsmitglied der EAG (Schuckert); in der Augsburger Kammer saßen die Spinnerei-Direktoren Theodor (von) Hassler, Ferdinand Gross und Carl Clauß, in der Münchener Kammer die Großbrauer Gabriel Sedlmayr und Joseph Pschorr, in der Regensburger Ernst (von) Fromm, der Generaldirektor der Maxhütte, um nur einige zu nennen.62 Eine Reihe von ihnen übernahmen außerdem Spitzenfunktionen in Interessenverbänden, verfügten demnach über gute Kontakte zur Unternehmer > basis besseren Gesellschaft^ betrachtet wurde. Der große Wert des Titels manifestiert sich nicht zuletzt im von Fasig gewählten Vorgehen: der zwar nicht ausdrücklich ausgeschlossenen, aber als durchaus unüblich empfundenen Selbstbewerbung. In weniger plumper Form bedienten sich andere Unternehmer derselben Strategie: Sie suchten die Vermittlung einer angesehenen Institution oder einflußreichen Persönlichkeit, nicht selten über eine Spende (wobei die Initiative wohl auch vom Spendenempfänger ausgehen konnte). Gut dokumentiert ist die Reaktion der Bürokratie im Fall des Münchener Getreidegroßhändlers Theodor Stützel. Mitte Dezember 1896 wandte sich das Generalkonservatorium der wissenschaftlichen Staatssammlungen an das Innenministerium mit dem Wunsch, für Stützel möge zu Neujahr der Kommerzienratstitel erwirkt werden: Er habe den paläontologischen Sammlungen schon mehrfach größere Summen zukommen lassen und jetzt weitere 12.000 Mark in Aussicht gestellt. Auch das Kultusministerium als vorgesetzte Behörde schaltete sich ein und bekundete sein »dringendes Interesse« an Stützeis Angebot. Innenminister Feilitzsch reagierte jedoch ablehnend: Stützel sei mit 43 Jahren noch zu jung für den Titel. Im Januar des folgenden Jahres intervenierte Max von Pettenkofer, Präsident der Akademie der Wissenschaften, beim Innenministerium zugunsten Stützeis. Trotz seiner (inzwischen erfolgten) Spende sei ihm der Titel zu Jahresbeginn nicht verliehen worden (überhaupt habe man bisher Spenden und Stiftungen bei den Neujahrsauszeichnungen zu wenig gewürdigt), das Stiftungsfest der Akademie biete dazu aber bald eine neue Gelegenheit. 262

Pettenkofer versicherte sich der Hilfe des Münchener Oberbürgermeisters Borscht, der Stützel als tüchtigen Geschäftsmann und guten Patrioten, als gemeinnützig und wohltätig schilderte und seine Verdienste im Kampf gegen die Sozialdemokratie (»durch Abhaltung von Vorträgen in Arbeiterkreisen«) besonders hervorhob. - Feilitzsch blieb bei seiner Haltung. Einen neuen Vorstoß unternahm Ende Februar das Kultusministerium. Stützel habe, teilte man dem Innenministerium mit, eine weitere Spende in Aussicht gestellt, falls er Kommerzienrat werde; ihm den Titel zu versagen, würde »verstimmend wirken«. Feilitzsch verschloß sich dem Wunsch seines Kollegen auch jetzt, ließ das Altersargument jedoch fallen. Den Kommerzienratstitel als Belohnung für großzügige Spenden zu vergeben, erschien ihm ebenso unpassend wie der nun vorgeschlagene Verleihungszeitpunkt. Immerhin erklärte er sich bereit, eventuell bei der nächsten »ordentlichen« Gelegenheit einen entsprechenden Antrag zu stellen. Wenige Tage später entschied sich der Ministerrat jedoch für eine baldige Titelverleihung. Der Antrag an den Prinzregenten wurde allerdings so terminiert, daß die Verleihung nach dem königlichen Geburtsfest, aber vor dem Stiftungsfest der Akademie der Wissenschaften erfolgte.49 Die indirekte Selbstbewerbung, verbunden mit dem Engagement hochkarätiger und hartnäckiger Vermittler, konnte also durchaus erfolgreich sein. Dabei wurde der normale Instanzenweg freilich nicht ganz verlassen: Das zuständige Ministerium ließ sich in der Regel von seinen Unterbehörden über den Kandidaten berichten und versuchte so, die Kontinuität der Vergabekriterien zu sichern. Bei Stützel konnte es zumindest nicht verhindern, daß ein Randaspekt den Ausschlag bei der Gewährung des Titels gab. Für die Öffentlichkeit wurde dies durch die Wahl des Zeitpunkts seiner Verleihung so gut wie möglich kaschiert. Festzuhalten bleibt allerdings, daß derartige offene oder verdeckte Selbstbewerbungen und Vermittiungsbemühungen zwar schon wenige Jahre nach Einführung des Titels einsetzten, aber doch bis über die Jahrhundertwende hinaus recht selten blieben. In zwei der fünf Städte flöß damit aber ein neues Element in die Vorschlagspraxis der Bürgermeister ein. Die Anträge des Nürnberger Oberbürgermeisters Georg (von) Schuh (1892-1914) und des Münchener Oberbürgermeisters Wilhelm (von) Borscht (1893-1919) enthielten seit Mitte der 1890er Jahre bzw. seit der Jahrhundertwende wesentlich häufiger Hinweise auf die »offene Hand« des Kandidaten als die Anträge in der Zeit davor.50 Schuh ging einige Male noch einen Schritt weiter: Nachdem er die Neujahrsvorschläge dem Dienstweg entsprechend beim Regierungspräsidenten eingereicht hatte, wandte er sich in einem weiteren Schreiben direkt an den Minister in München und versuchte, dessen besondere Aufmerksamkeit auf die Nürnberger Kandidaten zu lenken. Worum es Schuh dabei ging, ist in seiner Intervention anläßlich der Auszeichnungen zum Neujahrstag 263

1904 am prägnantesten ausgedrückt. Oskar Petri, Direktor der EAG (Schukkert) seit 1902, sei »eine neue Kraft auf dem Gebiete der Wohltätigkeit und Gemeinnützigkeit, die den hiesigen Verhältnissen zu erhalten sehr wichtig ist«, hieß es darin. Uber den beantragten Kommerzienratstitel werde man ihn sicher »an Nürnberg und damit an Bayern fesseln« können.51 Schuh und Borscht sahen im Titel ein Instrument, mit dem man der Stadt neue Einnahmequellen erschließen konnte; sie versuchten ihn zu funktionalisieren. Wie das Beispiel Petri (er wurde Kommerzienrat, jedoch erst zu Neujahr 1905) aber auch zeigt, wurde die Spendenbereitschaft allein weder für Bürgermeister noch Minister zum entscheidenden Faktor bei der Titelverleihung. Der Vorgeschlagene - im Fall Petris unbestritten - mußte nach wie vor ein Unternehmen von einiger Bedeutung leiten und weitere Kriterien, etwa das des angemessenen Alters, erfüllen. Schuhs nachdrücklicher Einsatz wurde manchmal verspätet, manchmal auch gar nicht vom Erfolg gekrönt. Der Bereitschaft eines Kandidaten, finanzielle Leistungen für öffentliche Zwecke zu erbringen, wuchs jedoch in München und Nürnberg größeres Gewicht zu; sie entwickelte sich zu einem weiteren Beleg für »gemeinnütziges Wirken« neben dem zunächst entscheidenden Engagement in kommunalen Ehrenämtern.52 Von welcher Seite jeweils der Anstoß kam, ist nicht entscheidend, da beide profitierten: Das Stadtoberhaupt konnte den neuen Brunnen, das neue Denkmal schneller seinen Bürgern präsentieren, und der Unternehmer erlangte eine günstigere Ausgangsposition beim Griff nach dem begehrten Titel. Mit der wachsenden Zahl von Trägern des Titels und angesichts der Maßstäbe für seine Vergabe vereinte der Kreis der Kommerzienräte Unternehmer sehr verschiedener wirtschaftlicher Potenz. Die Behörden würdigten solche Differenzen, indem sie an die Spitzenunternehmer weitere Auszeichnungen verliehen, für die zunächst allerdings nur die Verdienstorden (und prinzipiell die gleichen Kriterien wie in der Zeit vor 1880) zur Verfugung standen. Heinrich Brunck, I. Direktor der BASF, war 1888 Kommerzienrat geworden. Zu Neujahr 1897 und 1901 erhielt er den Michaelsorden in der IV und III. Klasse. Beide Anträge hoben die große Bedeutung des von ihm geleiteten Unternehmens hervor, beschrieben dessen Aufstieg, Forschungsleistungen und Wohlfahrtseinrichtungen. Besonders vermerkt wurde aber auch, daß Brunck eigene finanzielle Mittel diesen Einrichtungen und der Stadt Ludwigshafen für wohltätige Zwecke habe zukommen lassen. Er stehe »bei Jedermann in hohem Ansehen wegen seiner edlen menschlichen Eigenschaften«, an seiner »loyalen und königstreuen Gesinnung« gebe es keinen Zweifel und seine Vermögensverhältnisse seien »die glänzendsten«.53 Auch der Antrag auf Verleihung des Kronenordens an Brunck (zu Neujahr 1906), der nächsthöheren und mit der Nobilitierung 264

verbundenen Ordensstufe, stellte die Bedeutung der BASF und ihre Wohlfahrtseinrichtungen in den Mittelpunkt. »Daß Dr. Brunck in der Geschäftsund Finanzwelt eine tonangebende Rolle spielt, ist bei der Bedeutung des von ihm geleiteten Etablissements erklärlich; es sind auch seine Verdienste um die chemische Industrie bereits im Ausland anerkannt worden«, hieß es weiter. Verwiesen wurde außerdem auf Bruncks Tätigkeit im Stadtrat (die allerdings schon 1899 ein plötzliches Ende gefunden hatte)54, in der Handelskammer und in der protestantischen Kirchenverwaltung; außerdem habe er an der Gründung des Deutschen Museums in München mitgewirkt.55

c) Von 1908 bis 1914: Differenzierung und Funktionalisierung des Auszeichnungssystems In den letzten Jahren vor dem Ersten Weltkrieg erfuhr das bayerische Auszeichnungssystem einige Veränderungen. Das System wurde erweitert, die Verleihungszahlen erreichten ein vorher nicht gekanntes Niveau und der partielle Wandel der Verleihungsmaßstäbe setzte sich in schnellerem Tempo fort. Am Neujahrstag 1908 waren unter den Trägern von Ehrentiteln erstmals fünf »Geheime Kommerzienräte«. Die Ministerialakten lassen nicht erkennen, welche Überlegungen hinter der Einführung des neuen Titels gerade zu diesem Zeitpunkt standen und wer dabei die treibende Kraft war (wohl kaum der mittlerweile über 86jährige Prinzregent Luitpold). Überliefert sind hingegen Richtlinien für seine Vergabe. Die Auszeichnung solle, so Ministerpräsident Podewils in einem Schreiben an die Regierungspräsidenten, »nach der Allerhöchsten Willensmeinung in der Regel nur an die hervorragendsten bayerischen geschäftsleitenden Großindustriellen und Großkaufleute verliehen werden, welche bereits seit längerer Zeit mit dem Titel eines Kommerzienrats begnadigt waren, gemeinnützig wirken und namentlich auch auf das Wohl ihrer Arbeiter bedacht sind«. 56

Genauere Festlegungen wurden aber auch hier nicht getroffen. Wie die besonders herausragende Stellung in der Wirtschaft, das gemeinnützige Wirken und die Sorge für die Arbeiter zu definieren seien, blieb wiederum der Bürokratie überlassen. Zusätzliche Stufen wurden im Februar 1910 dem Michaelsorden angefügt. In der IV Klasse konnte er jetzt »mit« und »ohne Krone« verliehen werden. Wichtiger war die zweite Ergänzung: Auf die beiden untersten Klassen folgte nun ein »Ehrenkreuz« und erst danach das Ritterkreuz des Kronenordens.57 Damit mußte vor der Erhebung in den persönlichen Adelsstand eine weitere Hürde genommen werden. 265

Die Zahl der mit dem Kommerzienratstitel ausgezeichneten Unternehmer lag zu Neujahr 1908 erstmals bei 30 und blieb bis 1914 auf dieser Höhe. Der neue Titel des Geheimen Kommerzienrats wurde dagegen sparsam vergeben, an nicht mehr als vier Unternehmer pro Jahr. Jedes bisher gekannte Maß übertrafen jedoch die Titelverleihungen aus Anlaß des 90. Geburtstags von Prinzregent Luitpold: 60 Unternehmer wurden Kommerzienrat, 7 Geheimer Kommerzienrat.58 Mit dem neuen Titel verfuhren die Behörden ähnlich wie mit dem damals neuen - Kommerzienratstitel in den 1880er und 1890er Jahren. Zunächst erhielten ihn Leiter und Inhaber der größten bayerischen Unternehmen, darunter Brauser (Hypo-Bank), Brunck (BASF), Buz (MANAugsburg), Fromm (Maxhütte), Mildner (Löwenbräu), Petri (EAG), Sedlmayr (Franziskaner-Leistbräu). Nicht immer war jedoch die ökonomische Bedeutung von Unternehmen und Unternehmer zentraler Faktor bei der Titelvergabe. So gehörte zu den ersten Augsburger Unternehmern, für die der Regierungspräsident den entsprechenden Antrag stellte, der Privatbankier, vielfache Aufsichtsrat und Handelskammerpräsident Paul von Schmid. Die Begründung hob Schmids Mitarbeit in einer Reihe von Gremien und Aufsichtsräten hervor und lobte seinen Einsatz für Arbeitszeitreduktionen in der Textilindustrie wie seine »ersprießliche Tätigkeit« in der Gemeindeverwaltung. Weiter hieß es, daß Schmid in »geordneten Verhältnissen« lebe und in Augsburg mit »die angesehendste und einflußreichste Persönlichkeit« sei.59 Als Inhaber eines der bedeutendsten bayerischen Privatbankhäuser, dessen Vermögen von Martin 1914 auf 10 Mio. Mark geschätzt wurde, erhielt Schmid den Titel (nach einjähriger Wartezeit zu Neujahr 1910) gewiß nicht zu Unrecht; dem Kriterium des »gemeinnützen Wirkens« kam aber eben doch ein hoher Stellenwert dabei zu. Schmid verfugte im übrigen wie auch Brunck und Buz bereits über den Kronenorden und damit den persönlichen Adel, die anderen genannten Unternehmer erhielten ihn erst nach dem neuen Titel. Bei der Beurteilung des gemeinnützigen Wirkens eines Kandidaten konnte aber auch, anders im Fall Schmid, der Akzent auf die »offene Hand« gelegt werden. So wurde Johannes Grasser, dem gerade 51jährigen Besitzer einer Nürnberger Bleistiftfabrik, nach Stiftungen für seine Arbeiter, für ein Schillerdenkmal und ein Künstlerheim im Wert von zusammen mehreren hunderttausend Mark 1913 der Titel verliehen. Grasser war erst seit 1907 Kommerzienrat.60 - Ludwig (von) Gerngros hatte sich bereits 1899 aus der Leitung seines Nürnberger Hopfengeschäfts zurückgezogen und sich danach ganz seinen mäzenatischen Aktivitäten gewidmet; über eine Million Mark ließ er unter anderem dem Germanischen Museum und der Stadt Nürnberg zufließen. Dafür wurde er nicht nur Ehrenbürger (1901) und Träger des Kronenordens (1902), sondern erhielt schon 1908 den neuen 266

Titel, obwohl er nicht mehr unternehmerisch tätig war.61 Streng angewandt wurden die für den Geheimen Kommerzienrat formulierten Maßstäbe demnach nicht immer. Treibende Kraft hinter einer solchen Lockerung waren die Nutznießer der Spenden und Stiftungen, vor allem wiederum die Oberbürgermeister von München und Nürnberg. Kontakte und Konflikte in der administrativen Praxis zeigt der Fall des Münchener Tabakgroßhändlers Heinrich von Dall'Armi, der sich in ähnlichen finanziellen Dimensionen wie Gerngros für seine Stadt engagierte. Im März 1913 sollte das Münchener Bürgerheim eingeweiht werden, für dessen Bau Dall'Armi insgesamt über 2 Mio. Mark aufgewendet hatte; 1910 hatte er für eine erste Teilstiftung bereits den Kronenorden erhalten. Anfang Februar 1913 lenkte Oberbürgermeister Borscht die Aufmerksamkeit des Regierungspräsidenten auf das bevorstehende Ereignis und regte eine Auszeichnung Dall'Armis mit dem Titel des Geheimen Kommerzienrats an, die zur Einweihung des Heims erfolgen sollte. Der Regierungspräsident leitete den Vorschlag zustimmend weiter (»hervorragender Patriotismus, Gemeinsinn und Wohlthätigkeit«), das Innenministerium Schloß sich an. Borscht hatte inzwischen sowohl gegenüber dem Regierungspräsidenten als auch gegenüber dem Innenministerium seinem Wunsch durch briefliche Interventionen Nachdruck verliehen, nicht ohne darauf hinzuweisen, daß auch der Prinzregent (seit 1912 Luitpolds Sohn Ludwig) sich für die geplante Auszeichnung - »lebhaft« - interessiere. Das zuständige Ministerium des Königlichen Hauses und des Äußeren sprach sich jedoch in einer Note an das Innenministerium gegen den Antrag aus: Der Titel des Geheimen Kommerzienrats werde nur an die »hervorragendsten Großindustriellen und Großkaufleute Bayerns« und »alljährlich nur in wenigen Fällen« verliehen, nach »sorgfältigem Vergleich« der Vorschläge aus ganz Bayern. Aus Anlaß eines »speziellen Aktes« dürfe dies »prinzipiell« nicht erfolgen; Dall'Armi sei außerdem erst vor wenigen Jahren mit dem Kronenorden ausgezeichnet worden. Ohnehin nähmen »in den letzten Jahren« die Fälle zu, in denen »Verdienste, die nicht direkt dem Staate, sondern einem städtischen Gemeinwesen gegenüber erworben sind, zu Vorschlägen für staatliche Auszeichnungen« führten. Schließlich habe sich auch der Vorsitzende der Münchener Handelskammer gegen die Titelverleihung ausgesprochen, da Dall'Armi als Großimporteur österreichischer Tabakwaren ein empfindlicher Konkurrent der einheimischen Tabakindustrie sei. Der Innenminister rückte daraufhin von seiner bisherigen Haltung ab und schlug dem Kabinettschef des Prinzregenten vor, Dall'Armi für seine Stiftung mit dem Michaelsorden II. Klasse zu belohnen. Das rief Oberbürgermeister Borscht erneut auf den Plan. Er wies den Innenminister auf vier Fälle 267

hin, in denen ganz offensichtlich größere Stiftungen der Grund für die Verleihung des Titels gewesen waren. Weiter meinte Borscht, die vorgeschlagene Auszeichnung würde »von der Gesamtheit der hiesigen Bürgerschaft auf das wärmste begrüsst« werden. Dall'Armi besitze eines der bedeutendsten Großhandelsgeschäfte in ganz Bayern, habe dessen Aufschwung herbeigeführt und verschaffe dem bayerischen Staat große Zolleinnahmen; die Bedenken wegen seiner wirtschaftlichen Stellung seien demnach nicht gerechtfertigt. Borscht sprach sich schließlich gegen die nun geplante Ordensauszeichnung aus: Deren im Vergleich zu dem Titel »höhere[r] Wert« werde »in weiten Kreisen nicht verstanden«. Die Intervention führte nicht zum Erfolg, Dall'Armi erhielt den Michaelsorden Π. Klasse. Drei Jahre später waren die bisher gehegten Bedenken jedoch überwunden: Nach einer weiteren Stiftung in Millionenhöhe wurde er zu Neujahr 1916 Geheimer Kommerzienrat.62 Der Fall Dall'Armi ist in mehrfacher Hinsicht exemplarisch. Die Initiative kam vom Stadtoberhaupt, die nächsten Instanzen folgten, das zuständige Ministerium hingegen verhielt sich ablehnend, bestärkt von der Handelskammer, und setzte sich fürs erste durch, auch gegenüber den Absichten des Monarchen und seiner Umgebung. Doch verfolgte das Ministerium seinen restriktiven Kurs, wie sich wenige Jahre danach zeigte, nicht konsequent. Die Probleme um den Kommerzienrat wurden auf die nächste Ebene transponiert: Der neue Titel war begehrter als ein entsprechend hoher Orden, wurde deshalb auch mit eigentlich nicht vorgesehenen Mitteln angestrebt, was wiederum geschickte Kommunalpolitiker und andere Spendenempfänger zu nutzen verstanden. Die bürokratische Spitze des Verfahrens versuchte gegenzusteuern und an den ursprünglichen Maßstäben festzuhalten, mit unterschiedlichem Nachdruck und Erfolg. Als einer der führenden Unternehmer konnte der Handelskammerpräsident (im konkreten Fall Joseph Pschorr) kein Interesse an einer Aufweichung der Maßstäbe haben. Nur eine Nebenrolle spielten schließlich der Prinzregent und seine Umgebung im gesamten Verfahren. Während der »Geheime Kommerzienrat« trotzdem eine im ganzen doch aussagekräftige Auszeichnung blieb, setzte sich der Kriterien- und Verfahrenswandel beim »Kommerzienrat« ungebremst fort. Zu Neujahr 1911 wurde der Inhaber einer kleineren Münchener Konfektionsfabrik mit dem Titel ausgezeichnet. Die Anregung dazu war 1909 vom Vorstand des Vereins zur Heilung armer und krüppelhafter Kinder gekommen, der auf die Bereitschaft des Fabrikanten zu einer Spende über 20.000 Mark hinwies; sie sei jedoch an den Erhalt des Kommerzienratstitel geknüpft. Als sich der Aspirant 1910 zu einer weiteren Spende in gleicher Höhe bereiterklärte, hatte er Erfolg.63 - Der Münchener Filialdirektor einer New Yorker Lebensversicherungsgesellschaft beschäftigte von 1908 268

bis 1910 ohne Erfolg drei Ministerien mit Spenden über 20.000 Mark und seinem Titelwunsch. Der vierte Versuch wurde über den Verein zur Gründung eines Sanatoriums für Lungenkranke und den Verein Zoologischer Garten in München eingefädelt: Beiden flössen Spenden von zusammen 25.000 Mark zu. Regierungspräsident und Handelskammer erhoben keine Einwände, der Titel wurde zu Neujahr 1913 verliehen.64 - Ein auch in kommunalen Ämtern tätiger Nürnberger Nadelfabrikant scheiterte mit seiner ersten Spende (15.000 Mark) an das bayerische Armeemuseum; nachdem er dem Ethnographischen Museum in München 30.000 Mark hatte zukommen lassen, wurde er 1909 Kommerzienrat.65 - Innenminister von Brettreich drängte im Juli 1910 das Ministerium des Königlichen Hauses zur Verleihung des Titels an einen Münchener Kohlengroßhändler, der insgesamt 50.000 Mark für die Instandsetzung der Feste in Neuburg a.D. gestiftet hatte. Einmal sei der Aspirant schon zurückgestellt worden, eine weitere Zurückstellung werde den Fortgang der Bauarbeiten gefährden. Podewils stimmte zu, die Verleihung erfolgte im August des gleichen Jahres.66 Erfolglos blieben 1912 hingegen die Bemühungen eines Nürnberger Blattgoldfabrikanten, der der Zentralanstalt für Erziehung und Bildung krüppelhafter Kinder in München 20.000 Mark hatte zukommen lassen. Die Inspektion der Anstalt empfahl ihn daraufhin beim vorgesetzten Kultusministerium für den Kommerzienratstitel. Gutachten der Nürnberger Handelskammer und des Regierungspräsidiums ergaben, daß das Geschäft des Kandidaten eine recht bescheidene Größe aufwies und außerdem gesellschaftliche Vorbehalte wegen des »flotten Lebens« seiner Frau und eines Mitgiftprozesses mit den Schwiegereltern bestanden. Ein Jahr später hatte sich die Reputation des Kandidaten durch einen Scheidungsprozeß seines Bruders weiter verschlechtert, außerdem war sein Vater aus der Firma ausgetreten und ihre Bedeutung dadurch weiter verringert. Weitere Interventionen des Ministerialdirektors im Kultusministerium beim Regierungspräsidenten halfen nichts. Der Kandidat versuchte schließlich, seine Spende zurückzuerhalten.67 Die geschilderten Fälle, so charakteristisch sie sind, sollen nicht den Eindruck erwecken, als hätten in den letzten Jahren vor dem Ersten Weltkrieg nur noch eifrige Spender den Titel erhalten. Es gab weiterhin >echte< Kommerzienräte, an die der Titel nach den ursprünglichen Kriterien ökonomische Bedeutung, Verhältnis zu den Arbeitern, ehrenamtliches Wirken - vergeben wurde.68 Doch die an finanzielle Leistungen geknüpften Titelanträge und -Verleihungen nahmen merklich zu, vor allem, aber nicht allein in den Städten Nürnberg und München. Dies lag wohl nicht zuletzt an den Oberbürgermeistern der beiden Städte, die den Boden für eine solche Praxis bereitet hatten und bei ihrer Linie blieben.69 Die Titelaspiranten 269

waren jedoch nicht auf die Stadtoberhäupter angewiesen; sie ergriffen nicht selten selbst die Initiative und suchten geschickt und hartnäckig nach Mitteln und Wegen außerhalb des normalen bürokratischen Verfahrens. So wurde die Titelverleihung ihres ursprünglichen Charakters mehr und mehr entkleidet; der monarchische Gnadenakt wandelte sich zu einem Akt der vermittelten und verdeckten Selbstbedienung. Freilich galt auch dies nur partiell. Die Mechanik des Vergabeverfahrens wurde durch die Spende zwar geölt, ihr Gang aber nicht grundlegend verändert. Gutachten und Erkundigungen bei den zuständigen Behörden und Stellen am Ort gehörten weiterhin dazu und ließen manchen Vorstoß scheitern. Die Gewichte verschoben sich jedoch: Wenn das Geschäft des Spenders nicht zu unbedeutend war und wegen seines gesellschaftlichen Ansehens keine gravierenden Bedenken bestanden, konnte er mit seinem Wunsch zum Zuge kommen.70 Die Bürokratie reagierte unterschiedlich auf das neue Verhalten der Titelaspiranten. Wie die skizzierten Fälle deutlich machen, gingen nach den Oberbürgermeistern selbst einzelne Ministerien dazu über, den Kommerzienratstitel als Einnahmequelle zu funktionalisieren. Das in letzter Instanz für die Anträge an den Monarchen zuständige Ministerium des Königlichen Hauses versuchte gegenzusteuern, ebenso die jetzt eingeschalteten und sozusagen als Organ der Selbstkontrolle agierenden Handelskammern,71 jedoch nicht immer konsequent. In diesem Zusammenhang sind auch Überlegungen aus dem Jahr 1912 zu sehen, einen neuen, dem Kommerzienrat untergeordneten Titel zu schaffen. Joseph Pschorr, der Münchener Handelskammerpräsident, meinte in einem Gutachten, »daß die Einführung irgend eines anderen Titels, vielleicht Kommissionsrat, manche Lücke ausfüllen könnte, für Bewerber die für den Kommerzienrat nicht vorgeschlagen werden können, für die aber ein anderer Titel erstrebenswert sein könnte.«72 Graf Herding, seit Jahresbeginn Ministerpräsident und zuständiger Ressortminister, griff die Anregung auf und teilte im Oktober den Regierungspräsidenten mit, daß die Einfuhrung des Kommissionratstitels erwogen werde »und zwar für solche Persönlichkeiten, welche sich ebenfalls auf geschäftlichem Gebiete oder durch gemeinnützige Handlungen hervorgetan haben«, ohne ICommerzienräte werden zu können. »Es würde dies, soferne der neue Titel sich einbürgert, die Möglichkeit gewähren, mit dem Kommerzienratstitel sparsamer umzugehen und so dessen Wert zu erhöhen.«73 Es blieb jedoch bei der Überlegung. Im übrigen bedeutete der Regierungswechsel 1912 und auch der Wechsel des Monarchen im gleichen Jahr keine Zäsur in der Auszeichnungspraxis. Keine Veränderungen wies nach 1908 die Verleihung des Kronenordens und damit des persönlichen Adels auf; sie blieb selten und grundsätzlich abhängig von der Verleihung der vorausgehenden Ordensgrade.74 Das neue 270

Ehrenkreuz des Michaelsordens konnte die Nobilitierung verzögern, aber das Instrument Wurde nicht immer genutzt. Wilhelm Gerngros, Bruder und Geschäftspartner des mehrfach genannten Nürnberger Hopfenhändlers, der sich ebenfalls zur Jahrhundertwende aus der Firma zurückgezogen hatte, um sich ganz seinen mäzenatischen Aktivitäten zu widmen, erhielt 1913 das Ritterkreuz des Kronenordens und übersprang damit die drei Jahre zuvor eingeführte Ordensstufe. Im Antrag des MICA wurde dies mit der »außergewöhnlichen« Stellung der Brüder Gerngros in Nürnberg gerechtfertigt: Sie brächten nicht nur große eigene Mittel für gemeinnützige Zwecke auf, sondern entfalteten auch eine »eifrige und erfolgreiche Werbetätigkeit in weiteren Kreisen«.75 Neben solchen, vor allem durch das mäzenatische Engagement des Vorgeschlagenen (treibende Kraft war auch hier wieder Oberbürgermeister Schuh) motivierten Nobilitierungen gab es freilich weiterhin Nobilitierungen aufgrund der wirtschaftlichen Stellung des Ausgezeichneten, etwa die des Generaldirektors der Münchener RückVersicherungsgesellschaft und Allianz-Mitgründers Karl Thieme 1914.76 - Nur ein einziger Unternehmer aus den fünf Städten hingegen wurde nach 1908 (und überhaupt nach 1876/ 81) in den erblichen Adelsstand erhoben (1911) : der Münchener Privatbankier und Reichsrat Wilhelm (von) Finck, seit 1905 Träger des Kronenordens und damit für seine Person bereits nobilitiert.77 Was die Unternehmer anstrebten und wofür sie ihre finanziellen Mittel einsetzten, so läßt sich zusammenfassend sagen, waren die beiden Ratstitel. Als Vorbild diente der hohe Beamte, nicht der Erbadlige. Das trifft ebenso auf den Kronenorden zu, denn seine Träger waren vor allem die Spitzenbeamten, denen er, waren sie einmal Regierungsdirektor oder Ministerialrat sehr häufig zufiel.78 Die drei Verleihungen des Erbadels - an Cramer-Klett, Faber und Finck - können deshalb keineswegs als exemplarisch angesehen werden. Schon im statistischen Sinn waren sie nicht repräsentativ, sondern eben nur drei für sich stehende Einzelfälle. Sie waren es aber auch nicht im Sinn eines von vielen Unternehmern angestrebten, aber vor allem aus finanziellen Gründen nicht erreichten Karrierehöhepunkts. Zweifellos gehörten die genannten drei Unternehmer zu den reichsten überhaupt. Wie die Ausführungen zum Vermögen der Unternehmer gezeigt haben,79 gab es aber auch eine Reihe anderer Unternehmer, die über ein Vermögen von mehreren Millionen Mark verfügten und damit die Voraussetzungen für den Erwerb größeren Grundbesitzes und einen adligen Lebensstil mitbrachten. Dem >aristokratischen< wurde das >bürokratische Modell< aber doch vorgezogen: In Bayern lag die politische Macht wesentlich in den Händen der Bürokratie, einer Bürokratie zumal, die weitaus weniger als in Preußen vom Adel bestimmt war. Der Kommerzienratstitel - anders als ein Orden ständig präsent, in der Anrede, auf der Visitenkarte und im Briefkopf 271

suggerierte die gesellschaftliche Gleichrangigkeit mit den akademisch gebildeten Beamten als dem Kern dieser Bürokratie. Während er die Unternehmer als soziale Gruppe insgesamt aufwertete und damit auch den bayerischen Unternehmern das Odium der Zurückgebliebenheit gegenüber Konkurrenten und Partnern aus anderen Staaten des Deutschen Reiches nahm, verschaffte er einem Teil von ihnen, den Trägern des Titels, Vorteile im geschäftlichen Verkehr wie im gesellschaftlichen Umgang. So verfugte die Bürokratie als Herr des Verleihungsverfahrens mit dem Kommerzienratstitel über ein stärkeres Instrument zur Verhaltenssteuerung als es die Verdienstorden sein konnten. Jedoch zeigt die Entwicklung, die das Verfahren seit 1880 durchlief, daß die Bürokratie durchaus nicht immer als monolithischer Block agierte. Dadurch eröffneten sich den Titelaspiranten Möglichkeiten der Einflußnahme; sie waren immer weniger bloßes Verfahrensobjekt. Insofern waren am Prozeß der >sozialen Bürokratisierung< Titelverleiher wie Titelbewerber, Staat wie Unternehmer aktiv beteiligt. Wenn die Spitze der Bürokratie den Titelwünschen der Unternehmer immer mehr nachgab, unter nur hinhaltendem Widerstand gegen die Aufweichung der Verleihungskriterien, dann handelte sie vor allem im eigenen Interesse. Sie versuchte, die Loyalität der Unternehmer zu erhalten und zu festigen, mit für sie selbst ungefährlichen, da ihre Machtposition nicht berührenden Mitteln. Wohl nicht zufällig stieg die Zahl der Titelverleihungen unter den Ministerpräsidenten Podewils und Herding stark und kontinuierlich an. Die Vermutung erscheint plausibel, daß, während beide eine Politik betrieben, die den Unternehmerinteressen zumindest punktuell zuwiderlief, sie deren loyalitätsschädigende Wirkungen aufzufangen versuchten. Die Titel- und Ordenspolitik ließe sich so als Kompensation für die Sozialpolitik verstehen.

272

VI. Ergebnis Nicht das Verharren Bayerns in agrarischer Rückständigkeit, sondern der Wandel Deutschlands zum Industriestaat verlieh dem Profil der bayerischen Unternehmer im 19. Jahrhundert seine charakteristischen Züge: Die Ähnlichkeiten mit den anderen deutschen Unternehmern dominierten, mochten die konkreten sozialen Bindungen untereinander auch schwach sein. Dies ist das allgemeine Ergebnis der vorliegenden Studie. Schon der Vergleich zwischen den Regierungsbezirken hat den globalen Befund bayerischer Rückständigkeit korrigiert und gezeigt, daß einige Regionen im gesamtdeutschen Vergleich durchaus als fortgeschritten gelten konnten. Bayern verfugte überdies in allen Phasen der Industrialisierung über Unternehmen, die auch auf nationaler Ebene eine Führungsrolle spielten: die Baumwollspinnereien und - Webereien in Augsburg, die MAN in Augsburg und Nürnberg, die BASF in Ludwigshafen und die SchuckertWerke in Nürnberg. Bayern war also nicht deshalb zurückgeblieben, weil es keine oder nur unbedeutende Industrie besessen hätte - gleiches gilt für den Handel, das Bank- und Versicherungsgewerbe - , sondern weil ein sehr großer Teil seiner Bevölkerung der Landwirtschaft verhaftet blieb. Vom Nachzügler Regensburg abgesehen fungierten die untersuchten Städte als Zentren der bayerischen Industrialisierung; ihre Unternehmer trieben daher mit der lokalen zugleich die gesamtbayerische Entwicklung entscheidend voran. Trotz aller Unterschiede zwischen den fünf Städten in der Wirtschafts- und Gesellschaftsstruktur und dem Verlauf ihres Wandels im Vergleich der Unternehmer überwogen die Parallelen. Dieses gemeinsame Sozialprofil der bayerischen Unternehmer, das sich überdies durch langfristige Kontinuität auszeichnete, deckte sich in den wesentlichen Punkten mit dem der Unternehmer anderer deutscher Regionen: Charakteristisch auch für Bayern waren, um nur die wichtigsten zu nennen, die große Bedeutung von Zuwanderern, die herausragende Rolle der Protestanten, die marginale Zahl von Aufsteigern aus der Unterschicht, vor allem die Dominanz der Selbständigen in Handel und Gewerbe unter den Vätern und Schwiegervätern, und schließlich die nur schwache >Feudalisierungsozialen Bürokratisierung< gegenüberstand. Die Detailanalyse des Sozialprofils und seiner Entwicklung hat sowohl den Abbau wie das Fortdauern von Differenzen und Distanzen nachgewie273

sen. Auf der einen Seite wurde das Sozialprofil in zentralen Merkmalen homogener, schliffen sich frühere Gegensätze im Kaiserreich ab. Das betraf vor allem die soziale Herkunft und das Konnubium: Während innerhalb der Selbständigen in Handel und Gewerbe als der größten Gruppe unter den Vätern und Schwiegervätern der Anteil der Handwerker und anderen Gewerbetreibenden, des > alten Mittelstandes Handwerker- Unternehmen und der >Kaufmann-UnternehmerFeudalisierung< der bayerischen Unternehmer kam es also vor 1848 nicht und noch weniger zu einer >Aristokratisierung< in den Jahrzehnten bis zur Reichsgründung und während des Kaiserreichs. In der kleinen Zahl von Unternehmerfamilien, für die sich Elemente einer >Feudalisierung< oder >Aristokratisierung< finden lassen, blieb diese begrenzt und generationell verzögert. Deutlich war und blieb der Abstand zum traditionellen Bildungsbürgertum. Dies zeigte sich vor allem an dessen konstant geringem Anteil an den Unternehmervätern und an dem mit den übrigen Unternehmern nur schwach verbundenen Herkunftstyp des > Akademiker-Unternehmers < im Kaiserreich. Während sich beim eigenen Konnubium allerdings die Bindung der Unternehmer an ihr Herkunftsmilieu schon ein wenig lockerte, wurden die Kontakte zum übrigen Bürgertum dann in erster Linie über die Töchter geknüpft und nahmen bei ihnen besonders zu. Dies galt besonders für die 274

Töchter der Unternehmerelite, die mehrheitlich und zu etwa gleichen Teilen mit Akademikern und Offizieren verheiratet waren. Gerade in der Unternehmerelite stießen solche Verbindungen zum übrigen Bürgertum jedoch an eine deutliche Grenze: Ihre Söhne blieben, in noch höherem Maß als die aller Unternehmer, unternehmerischer Tätigkeit verhaftet. Gleiches traf überdies auf die Erben der schon seit mehreren Generationen im Familienbesitz befindlichen Unternehmen zu. Typisch für sie war eben nicht der Rückzug vom Unternehmen und das Überwechseln in eine Rentiersexistenz, in einen künsderischen oder einen anderen bildungsbürgerlichen Beruf, sondern die Weiterführung des Familienunternehmens; der >BuddenbrookEffekt< trat nur selten ein. Erhalten blieb außerdem die Distanz zwischen den fünf Städten. Zu Kontakten durch Zuwanderung kam es nur in wenigen Fällen. Das Heiratsfeld der am Ort geborenen Unternehmer und ihrer mit einem Unternehmer verheirateten Töchter wie das Tätigkeitsfeld der ihnen nachfolgenden Söhne blieb primär die eigene Stadt. Für Eheverträge und Erbregelungen figurierten die jeweiligen Bestimmungen des alten Stadtrechts als Modell. An manifeste Grenzen stießen schließlich die Kontakte zwischen den an ihrem Glauben festhaltenden jüdischen und den übrigen Unternehmern, auch nach dem Abbau der landesrechtlichen Diskriminierung in den 1860er Jahren. Die anderen Stadtbürger ließen sie zwar in kommunale Amter einziehen, und die staatlichen Behörden setzten sie bei der Titel- und Ordensvergabe nicht zurück. Den jüdischen Unternehmerfamilien fehlten jedoch die Verflechtungen mit Beamten- und Offiziersfamilien. Ihre Heiratsbeziehungen reichten geographisch zwar weiter, blieben aber doch auf andere Familien jüdischen Glaubens beschränkt. Ungeachtet der engen Bindung an die eigene soziale Gruppe und der generellen Distanz zum traditionellen Bildungsbürgertum - in der Nähe zum Staat lag eine weitere große Kontinuität, die die bayerischen Unternehmer über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg auszeichnete. Nicht schroffe Konfrontation, sondern gemessene Kooperation prägte das gegenseitige Verhältnis bereits im Vormärz. Staatliche Instanzen verliehen die Gewerbekonzessionen und wachten über den Zugang zu öffentlichen Amtern, versetzten dabei die Unternehmer jedoch in eine privilegierte Position. Schon vor der gescheiterten Revolution von 1848 kam es überdies zu nicht wenigen Ehen von Unternehmertöchtern mit bayerischen Beamten und Offizieren. Wenn beim Konnubium und bei der Berufswahl der Söhne Kontakte zum übrigen Bürgertum geknüpft wurden, so dominierten damals wie später die Beziehungen zu dessen staatsnahem Teil. In der Revolution verhielten sich die Unternehmer entsprechend der auch danach vorherrschenden gemäßigt liberalen Grundhaltung vorsichtig und im Prinzip regierungskonform. Getrübt wurde das Verhältnis zum Staat 275

nach der Jahrhundertwende zwar durch die Podewilssche Ausgleichs- und Sozialpolitik, die Bürokratie versuchte jedoch, deren loyalitätsschädigende Wirkungen durch eine massive Steigerung der Titel- und Ordensverleihungen zu kompensieren. Entscheidend dabei war, daß sich im Kaiserreich mit dem »Kommerzienrat« ein Titel zur Leitauszeichnung entwickelte, für den die hohe Bürokratie Modell gestanden hatte; auch die Verleihung des Personaladels an die Spitze der Unternehmerelite folgte deren Vorbild. Die Tendenz zur >sozialen Bürokratisierung< fand hier ihren stärksten Ausdruck. Was läßt sich aus den Resultaten dieser Arbeit im Hinblick auf die Konturen und konstituierenden Merkmale des deutschen Bürgertums im 19. Jahrhundert folgern? Auf der einen Seite ist zu konstatieren, daß die bayerischen Unternehmer als soziale Gruppe an Bürgerlichkeit gewannen: Während sie sich gegen den an den Rand des Bürgertums rückenden > alten Mittelstand< immer deutlicher abgrenzten und zur Unterschicht ohnehin kaum Kontakte bestanden, verharrten sie zugleich in Distanz zum Adel. Auch die generelle Erhöhung des Bildungsniveaus läßt sich als Zuwachs an Bürgerlichkeit interpretieren. Auf der anderen Seite blieben die Beziehungen zum traditionellen Bildungsbürgertum im Kernbereich sozialer Kontakte, der Familie, eben doch klar begrenzt, wobei die Offiziere als wichtigste nicht-wirtschaftsbezogene Kontaktgruppe zumindest in Bayern dem Bürgertum weder eindeutig zu- noch eindeutig abgerechnet werden können. Darüber hinaus lassen auch die fortbestehenden Divergenzen unter den Unternehmern selbst, nicht zuletzt die ausgeprägte Ortsbindung, Zweifel an der Vorstellung von einem einheitlichen Bürgertum angebracht sein. Mag das Ergebnis der vorliegenden Studie in diesem Punkt auch ambivalent sein, insgesamt kann sie hoffentlich dazu beitragen, einige Konturen des Profils der Unternehmer und Bürger im Deutschland des 19. Jahrhunderts schärfer als bisher hervortreten zu lassen.

276

Abkürzungsverzeichnis

ADB A.G. AG

Allgemeine Deutsche Biographie Aktiengesellschaft Amtsgericht

BA BASF BBB Bdl BGB BIV BM BSB

Bürgerakt Badische Anilin- und Sodafabrik Bosls Bayerische Biographie Bund der Industriellen Bürgerliches Gesetzbuch Bayerischer Industriellen-Verband Bürgermeister Beiträge zur Statistik des Königreiches Bayern

CVDI

Centraiverband Deutscher Industrieller

DGB

Deutsches Geschlechterbuch

EAG EWK

Elektrizitäts-A.G., vorm. Schuckert Einwohnerkartei

FB Frhr. FS

Familienbogen Freiherr Festschrift

GHBA GG

Genealogisches Handbuch des in Bayern immatrikulierten Adels Geschichte und Gesellschaft

HB HBKR HSH HStAM HBSüAG HZ

Hansa-Bund Handbuch der deutschen Kommerzienräte Hof- und Staatshandbuch des Königreiches Bayern Bayerisches Hauptstaatsarchiv München Handbuch der Süddeutschen Aktiengesellschaften Historische Zeitschrift

Jb.

Jahrbuch

K.d.I. Kgr. KR

Kammer des Inneren Königreich Kommerzienrat

LAS

Landesarchiv Speyer

2 77

M MKA MAN MInn MVGN

278

MWi

Mark Ministcr(ium) des königlichen Hauses und des Äußeren Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg Ministcr(ium) des Inneren Mitteilungen des Vereins fur die Geschichte der Stadt Nürnberg Ministerium fiir Wirtschaft

NA NDB NL NR

Nachlaßakt Neue Deutsche Biographie Niederlassungsakt Nachlaßregister

OB

Oberbürgermeister

PMB

Polizeimeldebogen

Reg. RP

Regierung Regierungspräsident, Regierungspräsidium

StAAm StAM StAN StANeu SAA SAM SAMa SAN SAR Stat.Jb. SWA

Staatsarchiv Amberg Staatsarchiv München Staatsarchiv Nürnberg Staatsarchiv Neuburg Stadtarchiv Augsburg Stadtarchiv München Stadtarchiv Mannheim Stadtarchiv Nürnberg Stadtarchiv Regensburg Statistisches Jahrbuch Mechanische Baumwollspinnerei- und Weberei A.G. Augsburg

VB VBM VHOR VSWG

Verwaltungsbericht Verband Bayerischer Metallindustrieller Verhandlungen des Historischen Vereins fiir die Oberpfalz und Regensburg Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte

WA

Werksarchiv

ZBLG ZUG

Zeitschrift fiir Bayerische Landesgeschichte Zeitschrift für Unternehmensgeschichte

Anmerkungen

I. Einleitung 1. Bürgertum und Unternehmer in der neueren Forschung 1 Überblick über die bisherige Forschung (mit zahlreichen Literaturhinweisen) : Haltern. Zu den neueren Ansätzen s. die Beiträge in: Kocka, Bürger; ders., Bürgertum; Gall, Bürger; ders., Bürgertum. Vgl. J. Kocka (Hg.), Arbeiter und Bürger im 19. Jahrhundert. Varianten ihres Verhältnisses im europäischen Vergleich, München 1986 (= Schriften des Historischen Kollegs, Kolloquien 7). Bücher und Aufsätze, auf die nur ergänzend hingewiesen wird, sind nicht ins Literaturverzeichnis dieser Arbeit aufgenommen, und werden deshalb in den Anmerkungen mit den vollständigen bibliographischen Angaben zitiert. 2 Eine Zusammenfassung der Definitionen von Feudalisierung bei: Kaelble, Bürgertum, S. 117f. Zusammenfassend zur Feudalisierungsthese und der Kritik an ihr: Kaelble, Wie feudal; Nipperdey, Arbeitswelt, S. 395. 3 Conze, Führungsschichten, S. 193. 4 Kocka, Bürgertum, S. 70. 5 Stark betont wird dies von Henning, Westdeutsches Bürgertum, S. 15ff. 6 So Lepsius in: Kocka, Bürger, S. 87. 7 Dazu vor allem die Beiträge von Bausinger und Nipperdey in: Kocka, Bürger, S. 121ff.; jetzt auch Nipperdey, Arbeitswelt, S. 393f. 8 Engelhardt; Conze u. Kocka, Bildungsbürgertum; Siegrist, Bürgerliche Berufe. 9 Zusammenfassung der gesamten deutschen Unternehmerforschung, primär aus wirtschaftshistorischer Perspektive: Kocka, Unternehmer, dort zahlreiche Hinweise auf die Literatur. - Marksteine der älteren Forschung sind, von Webers Protestantismus-Aufsatz abgesehen, die (alle bei Kocka nachgewiesenen) Arbeiten Sombarts und Schumpeters, später dann Redlichs, der US-amerikanische Ansätze aufnimmt. Überblick über die älteren Typenbildungen: Zorn, Typen; vgl. Pierenkemper, S.

12«.

10 Das gilt vor allem für die im Rahmen eines Konzepts zur Erforschung deutscher Führungsschichten entstandenen Arbeiten: vgl. die Beiträge in Heibig und Hofmann, Bankherren. 11 Vor allem anhand der im Literaturverzeichnis genannten Studien Böhmes, Kaelbles, Mielkes, Stegmanns und Ulimanns. Unbefriedigend die Arbeit Jaegers über »Unternehmer in der deutschen Politik 1890 bis 1918«. 12 Dies zeigt noch einmal Hans-Ulrich Wehlers Darstellung der Unternehmer im jüngst erschienenen zweiten Band seiner umfassend angelegten »Deutschen Gesellschaftsgeschichte«: Neben Sachsen wird nur Augsburg als außerpreußisches Gebiet häufiger erwähnt (Wehler, S. 185ff.).

279

Anmerkungen zu S.

17-21

2. Der Ansatz dieser Arbeit 1 Die epochenspezifische Verwendung beider Termini ist deshalb sinnvoll, weil mit der Revolution eine Reihe von Privilegien des Erbadels, etwa die Patrimonialgerichtsbarkeit, gefallen waren und die Erhebung in den erblichen Adelsstand danach insofern eine geringere Bedeutung besaß. - Kaelble (Wie feudal, bes. S. 163ff.; vgl seinen Beitrag in Kocka, Bürgertum, S. 107ff., bes. S. 117ff.) zieht neuerdings generell den zweiten Begriff vor, da der Terminus »Feudalisierung« seiner Ansicht nach zu sehr mit vorindustricllen Konnotationen behaftet ist. 2 So der Untertitel von: Nipperdey, Deutsche Geschichte. 3 So Kocka, Unternehmer, S. 14, im Anschluß an Redlich und Chandler. 4 Vgl. Zankel, S. 10; Kaelble, Berliner Unternehmer, S. 15. 5 Pierenkemper, S. 13f. Eine solche Überprüfung dürfte bei historischen Arbeiten aufgrund fehlender Quellen meist nicht mehr zu leisten sein, von heute noch existierenden Unternehmen mit eigenem Archiv abgesehen. 6 Das Zitat bei Biermann, S. 10. Pierenkemper, S. 22ff., verwendet diese an Max Webers Bürokratiekonzept angelehnte Definition. Trotz Pierenkempers anders gelagertem Forschungsinteresse erscheint seine Definition auch hier brauchbar und zugleich präziser als die von Zunkel und Kaelble verwendeten Begriffsbestimmungen, ohne diesen zu widersprechen. 7 Entsprechend konzipiert sind: Wehler, S. 185ff. und Ζwahr. Wehler, der die Bourgeoisie an Max Weber orientiert als »marktbedingte Besitzklasse« versteht (während Weber selbst die Unternehmer zunächst als »Erwerbsklasse« definiert), verfolgt ihre Konstituierung auf einer ökonomischen, sozialen, politischen und kulturell-ideologischen Ebene, ähnlich Zwahr, der aber im Gegensatz zu Wehler mit einem marxistischen KlassenbegrifF arbeitet und die beiden letztgenannten Ebenen zu einer zusammenfäßt. Vgl. W. Küttler u. G. Sedier , Forschungsprobleme der Geschichte des deutschen Bürgertums und der deutschen Bourgeoisie, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Jg. 28,1980, S. 203-222. Ihr Aufsatz deutet daraufhin, daß die Bürgertumsforschung der ehemaligen DDR, nicht zuletzt dank der Arbeiten Ztoahrs, etwas von ihrer Rigidität zu verlieren begann. Die Autoren verlangen eine stärkere Berücksichtigung aller Aspekte der Klassenbildung, nicht nur des politischen, und der Differenzen innerhalb der Bourgeoisie, sie behandeln »Bürgertum« und »Bourgeoisie« jedoch als nahezu identische Begriffe und vermeiden eine Auseinandersetzung mit dem Problem des Bildungsbürgertums. 8 S.u. Kap. II, 4. 9 Jaeger, Führungsschichten. 10 Am wichtigsten: Biensfeldt; Hoffmann. Unveröffentlicht sind die Arbeiten Brühls (über Rieppel) und Laànas (über Schuckert). 11 Eine Reihe von Hinweisen zu den verbandspolitischen Aktivitäten bayerischer Unternehmer enthalten freilich die Arbeiten Böhmes, Kaelbles, Stegmanns, Mielkes und Ulimanns. Zu den sozialen Konflikten und zur Position der bayerischen Regierung nach 1890: Schnorbus. 12 Zorn, Bayerisch-Schwaben; Fischer, Augsburg; Fassl, Konfession. 13 Breunig·, Eckert; Weidner; Chrobak. 14 Völlig fehlen etwa neuere Studien zur politischen Geschichte der Stadt zwischen Märzrevolution und Erstem Weltkrieg. 15 Sehr nützlich die in der »Zeitschrift fur Unternehmensgeschichte« fortlaufend erscheinende Bibliographie von Festschriften (und anderen Publikationen zur Unternehmensgeschichte).

280

Anmerkungen zu S. 23 - 25

Π. Wirtschaft und Unternehmen Bayerns und der fünf Städte im 19. Jahrhundert 1. Wichtige Faktoren und Indikatoren der gesamtbayerischen Entwicklung 1 Ersatz für die noch fehlende Wirtschaftsgeschichte Bayerns im 19. Jahrhunden kann und soll dieses Kapitel freilich nicht sein. Als erster Überblick brauchbar: Zorn, Kleine Wirtschaftsgeschichte; ders., Bayerns Gewerbe (mit zahlreichen Literaturhinweisen). Die eingehende Analyse Schremmers (auch hier zahlreiche Literaturhinweise) endet mit den 1830er Jahren, die Studie Wiests mit den 1850er Jahren. Die jüngst vorgelegte Dissertation Spilkers (mit ausführlichem Tabellenanhang) untersucht zwar den Zeitraum zwischen 1815 und 1961, legt den Akzent aber auf die großen Entwicklungslinien, verwendet als Quelle nur die Gewerbestatistiken (seit 1847) und versucht keine Differenzierung zwischen Industrie und übrigem Gewerbe. 2 Zahlen 1816-1870: Fischer, Sozialgeschichtliches Arbeitsbuch, S. 42 (Deutscher Bund jeweils ohne die österreichischen Gebiete, auch im folgenden); 1871-1910: Hohorst, S. 43.; Spilker, S. 329ff. 3 Zahlen 1816-1870: Fischer, Sozialgeschichtliches Arbeitsbuch, S. 42; 1871-1910: Hohorst, S. 51. 4 Zahlen für 1816 und 1841: Fischer, Sozialgeschichtliches Arbeitsbuch, S. 41; für 1871 und 1910: Hohorst, S. 50. 5 Hohorst, S. 42f. 6 Errechnet nach den Zahlen von Fischer und Hohorst; Berlin und die Hansestädte bleiben dabei unberücksichtigt. 7 Falls nicht anders vermerkt, sind die folgenden Zahlen entnommen aus: Rehlingen-Haltenberg, Tab. 2, Tab. 22 (für 1840 und 1852) sowie Stat.Jb.f.d.Kgr.Bayern, 11. Jg., Anhang S. 3*(für 1882, 1895 und 1907). 8 Die Zahlen bei Fischer, Sozialgeschichtliches Arbeitsbuch, S. 52. Danach ging der Anteil der landwirtschaftlich Erwerbstätigen im Deutschen Bund von 56,8% (1846) auf 55,2% (1852) zurück. In Bayern lag er 1840 bei 56,2%, 1852 bei 56,7% (Wiest, S. 85). Für die Zeit vor 1840 erlauben die Quellen keine genauen Angaben über den primär von Tätigkeiten in Gewerbe und Handel lebenden Teil der bayerischen Bevölkerung. Schremmer, S. 345ff. weist in diesem Zusammenhang auf die »Territorialisierung« des Gewerbes seit dem 17. Jahrhundert hin: auf seine Ausbreitung über das flache Land durch die Ansiedlung von Handwerkern auf sogenannten »Söldenstellen«, die eine landwirtschaftliche Existenzgrundlage boten. Trotz der hohen Gewerbedichte um die Wende zum 19. Jahrhundert habe es Bayern jedoch an »Gewerbeintensität« gefehlt: seine Gewerbeprodukte hätten die für den Erfolg auf Exportmärkten notwendige Qualität nicht besessen. 9 In Preußen insgesamt wurden schon 1882 nur noch 43,6% der Gesamtbevölkerung der Landwirtschaft zugerechnet, 1907 nicht mehr als 28,6%, während auf den Bereich von Gewerbe und Industrie zunächst 34,4%, dann 42,7% entfielen. In Sachsen lebten 1882 nur mehr 20,0% der Bevölkerung von Tätigkeiten in der Landwirtschaft und bereits 56,2% von Tätigkeiten in Gewerbe und Industrie. Auch Württemberg hatte einen leichten Vorsprung vor Bayern. (Alle Zahlen in: Stat.Jb.f.d.Kgr.Bayern, Jg. 11, S. 3*). 10 Die hier und im folgenden genannten Zahlen sind den in Anm.7 angeführten Quellen entnommen. 11 Zwischen 1818 und 1867 stieg in der Pfalz die Bevölkerung um 40,3%, in Bayern rechts des Rheins nur um 28,7%. (Berechnet nach den Zahlen bei Höfle, S. 535). 12 Vgl. Spilker, S. 14ff., wo die regionale Struktur der bayerischen Wirtschaft zusammenfassend als »heterogenes Gebilde aus wenigen extremen Ballungsgebieten und sich deutlich davon abhebenden, weiten, gewerblich deutlich schwächer entwickelten Gebieten« (S. 50) charakterisiert wird.

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Anmerkungen zu S. 26 - 30 13 Knapper Überblick über die natürlichen Ressourcen der bayerischen Wirtschaft: Spilker, S. 267ff.· Wiest, S. 6ff. Ausfuhrlicher: Fehn, S. 657ff.; speziell zu den Grundlagen des Bergbaus: Fichtl, S. 25ff. 14 Von wesentlich geringerer Bedeutung waren der Straßen- und Kanalbau. Bereits 1824 war das bayerische Landstraßennetz fertiggcstellt. Der zehn Jahre später errichtete Ludwigskanal verband mit Main und Donau die beiden Hauptwasserwege, war aber für zu geringe Transportkapazitäten ausgelegt und konnte mit der Eisenbahn nicht konkurrieren (Wiest, S. 34; Spilker, S. 299ff.). 15 Ζ orti, Bayerns Gewerbe, S. 797f.; zu den Wirkungen allgemein: Spilker, S. 285ff. 16 Zorn, Bayerns Gewerbe, S. 810f.; Mang, S. 282ff. 17 Bayerns Entwicklung, S. 46. 18 Fremdling, S. 215ff. 19 Bayerns Entwicklung, S. 42. 20 Eigene Berechnung nach den Zahlen in: Bayerns Entwicklung, S. 42 und Mitchell, S. 514. 21 Spilker, S. 326; Zorn, Bayerisch-Schwaben, S. 144ff. 22 Zum Problem des Kapitalmangels in Bayern: Spilker, S. 323ff.; zur Entwicklung des Bankwesens: Zorn, Bayerns Gewerbe, S. 792f., S. 806f., S. 818f.; vgl. Schnorbus, S. 31ff.

2. Das Konzessionsrecht 1 Eine umfassende Analyse der bayerischen Wirtschaftspolitik und ihrer Auswirkungen im 19. Jahrhundert fehlt bislang. Knappe Ubersicht für die Frühzeit: Zorn, Bayerns Gewerbe, S. 782ff. Spilker, S. 308ff. sieht sie als insgesamt eher hemmend an. 2 Dazu: Höfle. Gewerbefreiheit bestand seit 1791, aufgrund des französischen Gesetzes vom 17. März 1791. Freilich war auch sie nicht absolut. Ein Befähigungsnachweis war erforderlich etwa fur das Baugewerbe, einer Konzession bedurften unter anderem Apotheken und Buchhandlungen, deren Inhaber »den Nachweis ihrer Ergebenheit an Vaterland und Souverän« (ebd., S. 461) erbringen mußten. Wichtig für Unternehmer war die Konzessionspflicht für Bergwerke und fur »feuergefährliche Betriebe«, etwa Eisengießereien (ebd., S. 460). Hinter den Beschränkungen der Gewerbefreiheit standen verschiedene Motive: verbraucherorientierte, solche der öffentlichen Sicherheit, politischpolizeiliche und fiskalische. Den Wandel sozialer Strukturen in kontrollierten Bahnen zu halten, war jedoch nicht ihr Ziel. - Bayern aus dem rechtsrheinischen Landesteil durften sich erst seit einer Zollvereinsverordnung von 1835 frei in der Pfalz niederlassen, wie Zuwanderer aus anderen Zollvereinsstaaten auch. 3 Regierungsblatt 1811, S. 1502 (zitiert nach Anegg, S. 141). 4 Grundlegend zur Gewerbepolitik der Montgelas-Zeit: Anegg; Popp, S. 46ff. Vgl. Derne/, Staatsabsolutismus, S. 414ff.; Birnbaum, S. 41fF. 5 Gesetz v. 11. September 1825, die Grundbestimmungen für das Gewerbswesen betreffend, in: Weber, Bd. 2, S. 244ff. 6 Die Bestimmmungen sind wiedergegeben im Anhang von: Popp, S. 147ff. 7 Popp, S. 88. Vgl. zur gesamten Instruktion Wiest, S. 61f. 8 Wiest, S. 62; speziell zu München: Birnbaum, S. 81ff. 9 Popp, S. 89ff. 10 Ebd., S. 101. 11 Dies geschah in der Form einer Zusammenfassung der seit 1834 zu einem nur noch schwer überblickbaren Ganzen angeschwollenen und jetzt weiter modifizierten Verordnungsflut, so daß eine klare Differenzierung zwischen dem Stand von 1853 und dem der Jahre davor kaum möglich ist; die folgenden Ausführungen beschreiben deshalb mindestens die Tendenz der Rechtsentwicklung schon seit 1834. Dazu: Popp, S. 103-109. Die Vollzugsvorschriften sind gesammelt in: Die gesetzlichen

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Anmerkungen zu S. 30 - 34 Grundbestimmungen über das Gewerbswesen in Bayern und die Vollzugsvorschriften vom 17. Dez. 1853, Nördlingen 1854. 12 Zu den Bestimmungen von 1853 insgesamt: Popp, S. 109ff. 13 Wiest, S. 70S., S. 235ff.; Birnbaum, S. 124ÍF. 14 Eingehend zu diesem hier nicht zu behandelnden Themenkreis: Shorter. Die relevanten Gesetze (Gesetz über die Ansässigmachung und Verehelichung; Gesetz über die Heimat, beide vom 11. Sept. 1825) in: Weber, Bd. 2, S. 236ff. Eine Gewerbekonzession begründete die Ansässigmachung, die wiederum das Recht auf Vcrehelichung nach sich zog. Mit der Ansässigmachung wurde das Heimatrecht erworben, das vor allem das Recht auf Armenunterstützung durch die Gemeinde nach sich zog. Hier lag die über das Konkurrenzproblem hinausgehende politische Brisanz der gesetzlichen und administrativen Ausgestaltung des Konzessionsrechts. 15 Dazu im einzelnen: Popp, S. 120ff. Der vollständige Text: Die gesetzlichen Grundbestimmungen über das Gewerbswesen in Bayern nebst der Vollzugsverordnung vom 21. April 1862, Nördlingen 1862. Zur Lage des bayerischen Handwerks um 1860: Schwarz, Nahrungsstand. 16 Der vollständige Text in: Weber, Bd. 7, S. 178ff. 17 Zum Gesamtkomplex: Hesse; vgl. Popp, S. 134ff. 18 Detailliert zur Industriepolitik der Regierung: Shorter, S. 658ff. Zu ihrer prinzipiell positiven Einstellung gegenüber der Unternehmensform der Aktiengesellschaft: Obenaus.

3. Die Entwicklung zentraler Branchen der bayerischen Wirtschaft 1 Fichtl, S. 25ff. 2 Zorn, Industrialisierung Oberfrankens, S. 302f.; Fehn, S. 668f.; Gruber, S. 48ff.; Mang, S. 204ff., S. 22lf.; Zorn, Bayerns Gewerbe, S. 804. 3 Fichtl, S. 3Iff.; Zorn, Bayerns Gewerbe, S. 803f., S. 813. 4 Bayerns Entwicklung, S. 35. 5 Viebahn, Bd. 2, S. 362ff.; Bayerns Entwicklung, S. 35; Stat.Jb.f.d.Deutsche Reich, 36. Jg., S. 111. 6 Zahlen für 1888: Stat.Jb.f.d.Deutsche Reich, 11. Jg., S. 24; Stat.Jb.f.d.Kgr.Bayern, 4. Jg., S. 84; fur 1912: Stat.Jb.f.d.DeutscheReich, 36. Jg., S. 115; Stat.Jb.f.d.Kgr.Bayern, 12. Jg., S. 141. -Nur kurz hingewiesen werden soll auf den Industriezweig der Steine und Erden, dessen bedeutendste Unternehmen in Nähe der Rohstoffvorkommen lagen. Der Zahl ihrer Großbetriebe nach stand diese Branche 1907 an zweiter, den dort Beschäftigten nach an dritter Stelle in Bayern (BSB 82, Tab. I, S. 219); vgl. Klebe, S. 25ff.; Kuhlo, S. 89ff. 7 Wiest, S. 85. 8 Wiest, S. 89ff. 9 Zorn, Oberfranken, S. 296ÍF. Eine Reihe von Gründen war für dieses Überleben des Verlags verantwortlich, darunter die große Flexibilität der Unternehmer, die relative Krisenresistenz des im Vergleich zur Fabrik nur wenig Anlagekapital erfordernden Verlags, das durch den Landbesitz der Weber ermöglichte niedrige Lohnniveau, auch die zunächst geringe Konkurrenz durch andere industrielle Produktionsstätten. 10 Zur Entwicklung des Baumwollgewerbes bis zum Ende der 1840er Jahre: Wiest, S. 104ff. 11 Klebe, S. 16ff. 12 BSB 10, Taf. XV, S. 64. Zu den »Fabriken« wurden damals nicht nur Betriebe, die Maschinen einsetzten, gezählt, sondern auch noch Manufakturen und dezentrale Verlagsunternehmen; entscheidend war die Produktion für den Großhandel. Dies läßt einen direkten Vergleich mit späteren Zählungen nicht zu.

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Anmerkungen zu S. 34 - 38 13 BSB 10, Taf. XV, S. 69. 14 Wiest, S. 132ff. 15 Mang, S. 237ff.; Zorn, Bayerns Gewerbe, S. 812; zur Entwicklung in der Pfalz bis zur Zollvereinsgründung: Gruber, S. 58ff. 16 BSB 10, Taf. XV, S. 63, S. 68. 17 BSB 50, S. 114f. Unter »Großbetrieb« werden hier und im folgenden entsprechend der auf S. 19 gegebenen Definition Betriebe mit 50 und mehr Beschäftigten verstanden. 18 BSB 82, S. 76f., S. 126f., S. 214f. 19 Viebahn, Bd. 3, S. 877 und eigene Berechnungen der Betriebsgröße nach dessen Zahlen (so auch im folgenden). 20 Viebahn, Bd. 3, S. 932. 21 Viebahn, Bd. 3, S. 887. Vgl. Blumberg, S. S7ff. 22 Viebahn, Bd. 3, S. 922. 23 Stat.Jb.f.d-Deutsche Reich, 33. Jg., S. 52; Stat.Jb.f.d.Kgr. Bayern, 11. Jg., S. 118.; Statistik des Deutschen Reiches, N.F. Bd. 215, Tab. 1, S. llf. Zur Gesamtentwicklung der bayerischen Textilindustrie vgl. Kuhlo, S. 4Iff. 24 Vgl. Blumberg, S. 53ff. Danach war die deutsche Baumwollspinnerei zwischen 1840 und 1875 in Süddeutschland und gerade in Bayern konzentriert. In der maschinellen Baumwollweberei dagegen verloren die süddeutschen Standorte bis 1875 an Bedeutung. 25 Wiest, S. 224; Zorn, Bayerns Gewerbe, S. 791. Es handelte sich um die Dinglersche Maschinenfabrik in Zwcibrücken (Pfalz), die am Vorabend des Ersten Weltkriegs über 2.000 Beschäftigte aufwies (Mang, S. 235) und die Unternehmen von Späth in Nürnberg und - im Bereich der auch zu diesem Sektor zählenden optischen und feinmechanischen Industrie - von Utzschneidcr/Fraunhofer in München. 26 Schröter u. Becker, S. 48f.; Wiest, S. 223ff. 27 Mang, S. 233f. Allgemein zur Entwicklung des Maschinenbaus (und der Metallverarbeitung) in Bayern: Klebe, S. 19ff.; Kuhlo, S. 21ff. 28 Alle Angaben nach: 1847 und 1861: BSB 10, Taf. XV, S. 79f. (nur Maschinenbauanstalten und Waggonfabriken); 1882: BSB 50, Tab. I, S. 113; 1907: BSB 82, Tab. I, S. 35,63,77,101,127, 155,183,215,219). 29 Viebahn, Bd. 3, S. 1077. Viebahn nennt auch die Zahl und Leistung der in den Maschinenfabriken verwendeten Dampfmaschinen. Danach lag Bayern mit 0,9 Dampfmaschinen pro Fabrik an 8. Stelle, mit 12,1 PS pro Fabrik an 5., nach der durchschnittlichen Leistung pro Dampfmaschine (15,4 PS) sogar an 1. Stelle unter den deutschen Staaten und preußischen Provinzen. 30 Stat.Jb.f.d.Deutsche Reich, 33. Jg., S. 52; Stat.Jb.f.d.Kgr. Bayern, 11. Jg., S. 118; Statistik des Deutschen Reiches, N.F. Bd. 215, Tab. 1, S. 9. 31 Vgl. Schröter u. Becker, S. 215ff. Becker verweist auf den durch die Absatz-, nicht Arbeitskräfteorientierung der frühen Maschinenbauindustrie bedingten Standortnachteil der süddeutschen Gebiete, nennt aber schon für 1870 Nürnberg und Augsburg als zwei von fünf Zentren des deutschen Waggonbaus. 32 Klebe, S. 33fF.; Kuhlo, S. 135ff.; zu den frühen Farbenfabriken: Wiest, S. 229ff. 33 Alle Angaben nach: 1847 und 1861: BSB 10, Taf. XV, S. 85 (Chemikalien-, Farben- und Zündwarenfabriken); 1882: BSB 50, Tab. I, S. 115; 1907: BSB 82, Tab. I, S. 35, 63, 77,101,127, 155,183,215,219. 34 Viebahn, Bd. 3, S. 849. 35 Stat.Jb.f.d.Kgr.Bayern, 11. Jg.,S. 118; Statjb.f.d. Deutsche Reich, 33. Jg., S. 53; Statistik des Deutschen Reiches, N.F. Bd. 215, Tab. 1, S. 9f. 36 Wiest, S. 149ff. 37 Klebe, S. 35ff.; Mang, S. 242fF.; Kuhlo, S. 51ff. 38 Alle Angaben nach: 1847 und 1861: BSB 10, Tab. XV, S. 97; 1882: BSB 50, Tab. I, S. 117;

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Anmerkungen zu S.

38-44

1907: BSB 82, Tab. I, S. 35,63,77,101,127,155,183,215,219. Für 1847 und 1861 wurden nur solche Betriebe gezählt, die schon überwiegend höhere Beschäftigtenzahlen aufwiesen: »Tabaks- und Zigarrenfabriken« sowie »Rübenzuckerfabriken und Zucker-Raffinerien«; Brauereien fehlen hier also noch. 39 Viebahn, Bd. 3, S. 798. 40 StatJb.f.d.Kgr.Bayern, 11. Jg., S. 118; Statjb.f.d. Deutsche Reich, 33. Jg., S. 53; Statistik des Deutschen Reiches, Ν .F., Bd. 215, Tabelle 1, S. 14. 41 Zorn, Bayerns Gewerbe, S. 813. 42 Viebahn, Bd. 3, S. 1128f. 43 Viebahn, Bd. 3, S. 1131. 44 Viebahn, Bd. 3, S. 1138. Wie Untersuchungen zu Altbayern und Franken nachgewiesen haben, übten die Manufakturen keinen wesendichen Einfluß auf die frühe bayerische Industrialisierung aus: Von 98 bis 1830 gegründeten Manufakturen Frankens waren schon 68 bis 1865 eingegangen (Reuter, S. 13ff.), nur einem Sechstel der um 1830 noch bestehenden Manufakturen Altbayerns gelang die Umwandlung in eine Fabrik (Slawinger; S. 68). Vgl. Schremmer, S. 472ff; Wiest, S. 74«., S. 340. 45 Statistik des Deutschen Reiches, N.F., Bd. 215, Tabelle 1, S. 3f. 46 Statistik des Deutschen Reiches, N.F., Bd. 215, Tabelle 1, S. 4. 47 Betriebs- und Beschäftigtenzahlen sind hier gewiß ein weniger genauer Indikator fur den wirtschaftlichen Entwicklungsstand als im Fall der Industrie. Zwei Einzelbefunde deuten daraufhin, daß bayerische Unternehmen auch im deutschen Bank- und Versicherungsgewerbe keine Nebenrolle spielten: Nach Zorn (Bayerns Gewerbe, S. 819) war die Bayerische Hypotheken- und Wechselbank am Vorabend des Ersten Weltkriegs die gemessen am Pfandbriefumlauf größte deutsche Hypothekenbank, die Münchener RückVersicherungsgesellschaft das größte Rückversicherungsunternehmen der Welt. Zum Aktienkapital der bayerischen Großbanken vgl. Schnorbus, S. 32f. 48 Hohorst, S. 104. Spilker, passim, zusammenfassend S. 14ff., kommt in seiner Analyse von Bayerns gewerblicher Entwicklung zu dem Schluß, daß die bayerische Wirtschaft, anders als die deutsche, bis zum Ersten Weltkrieg noch primär konsumgüterorientiert war, und spricht deshalb von einer »verzogenen« (S. 16) Industrialisierung Bayerns. 49 Um die Wechselwirkungen zwischen den fortgeschrittenen Gebieten und ihrem Hinterland zu untersuchen, müßte manfreilichvon einem differenzierten Begriff der »Region« ausgehen, wie er von der neueren Regionalforschung verwendet wird (Vgl. etwa S. Pollard (Hg.), Region und Industrialisierung. Studien zur Rolle der Region in der Wirtschaftsgeschichte der letzten zwei Jahrhunderte, Göttingen 1980). Es müßten dann etwa die oberfränkischen Textilstandorte als eng mit den sächsischen Textilgebieten verbunden behandelt oder die verschiedenen Teile der Pfalz unterschiedlichen Industrieregionen zugeordnet werden (dem Saargebiet bzw. dem Rhein-MainRaum, diesem auch Teile Unterfrankens).

4. Die Entwicklung in den fünf Städten 1 Stat.Jb.f.d.Kgr.Bayern, 3. Jg., S. 14; Bayerns Entwicklung, S. 2. Die absoluten Zahlen (jeweils für 1840 und 1910): München 115.255 und 596.467 Einwohner, Nürnberg 47.470 und 333.142 Ew., Augsburg 36.869 und 102.487 Ew., Regensburg 21.942 und 52.624 Ew. und Ludwigshafen 1.511 und 83.301 Ew. 2 Diese Aussage muß allerdings insofern relativiert werden, als der starke Beschäftigtenzuwachs zum großen Teil auf die Eingemeindungen der Jahre 1890 und 1892 zurückgehen dürfte, die München einen Bevölkerungszuwachs von fast 20.000 Einwohnern brachte (dazu: Fisch, S. 4). In der Gewerbestatistik ist dies nicht gesondert ausgewiesen. 3 Damit lag Augsburg sogar noch unter den im Land insgesamt erreichten Werten: Bayerns

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Anmerkungen zu S. 44-

54

Gewerbe und Industrie wuchsen - gemessen an den Beschäftigtenzahlen - zwischen 1895 und 1907 um 29,6%, Handel und Verkehr um 53,1% (errechnet nach BSB 82, Tab. I, S. 219). 4 Die Prozentwerte zum Bevölkerungswachstum sind errechnet nach den Angaben in Anmerkung 3, die Werte zum Beschäftigtenwachstum nach BSB 82, Tab. I, S. 5, 73, 79, 133, 183. Ludwigshafen war 1882 noch Teil des Bezirksamts Speyer, deshalb fehlen Angaben für dieses Jahr. Die Angaben zu 1895 und 1907 beziehen sich hier wie im folgenden auf das Bezirksamt Ludwigshafen; unmittelbare Städte gab es nur im rechtsrheinischen Bayern, nicht aber in der Pfalz. 5 Sie war hier spätestens 1907 weitaus stärker großbetrieblich strukturiert als in den anderen Städten und kann insofern zu den Industriebranchen gerechnet werden. 6 Zu den Anfängen der Augsburger Industrialisierung: Fassl, Konfession, S. 213ff.; Zorn, Bayerisch-Schwaben, S. 119ff.; auch zur Entwicklung im Kaiserreich: Fischer, Augsburg, S. 19fF. Speziell zur MAN: Rupieper, bes. S. 19ff. 7 Zur frühen Nürnberger Industrialisierung: Schröder; Wiessner; vgl. Zorn, Nürnberger Handelsgeschichte, S. 857ff. Vgl. Gömmel, mit genauen Angaben zum Konjunkturverlauf und zur Periodisierung der Nürnberger Industrialisierung; er sieht sie als von Anfang an eng mit der deutschen Entwicklung verbunden. 8 Zu Münchens wirtschaftlicher Entwicklung liegen außer einzelnen Detailstudien keine neueren Untersuchungen vor. Als Überblick brauchbar: Fritz; Kahn; knapper historischer Teil auch in: Schaffer; zur Entwicklung im Kaiserreich s. den Beitrag von Haertle in Prinz u. Krauss. 9 Guter Überblick über Regensburgs wirtschaftliche Entwicklung im 19. Jahrhundert: Chrobak, Teil I, S. 184ff.; Zimmermann, Wirtschaftliche Entwicklung. Vgl. E. Mages, Eisenbahnbau, Siedlung, Wirtschaft und Gesellschaft in der südlichen Oberpfalz (1850 - 1920), Kallmünz 1984, S. 120ff. 10 Zur Ortsgeschichte Ludwigshafens: Marx; zur wirtschaftlichen Entwicklung: Kube; speziell zur BASF: Schuster, BASF. 11 Für 1847 und 1861 ist eine solch detaillierte Auflistung nicht sinnvoll, da die Branchenkategorien zum Teil ganz andere sind und die eigentlichen Fabriken noch nicht klar von Handwerksbetrieben abgegrenzt werden. Die Zählung von 1882 konnte nicht verwendet werden, da in ihr die Großbetriebe nicht gesondert aufgeführt sind. 12 Vgl. Tabelle 2, S. 45. 13 Die Begriffe »Großbetrieb« und »Unternehmen« können in den hier behandelten Städten weitgehend synonym verwendet werden. Daß zu einem Unternehmen mehrere Großbetriebe gehörten - wie bei der MAN - , war die absolute Ausnahme. 14 Die Zahlen nach: BSB 82, S. 379*ff. 15 Eine exakte Vergleichsrechnung ist nicht möglich, da die Statistik die Beschäftigtenzahlen der Riesenbetriebe nicht einzeln und für die lokale Ebene nicht gesondert ausweist. Die im Text angegebenen Zahlen wurden auf die Zahlen fur die Städte von 1907 bezogen, so daß der Anteil der einzelnen Betriebe eher noch zu hoch ausfällt. - In Bayern insgesamt standen 1907 39 Riesenbetriebe mit 74.666 Beschäftigten; das waren 1,6% aller Großbetriebe und 19,0% aller dort Beschäftigten (berechnet nach BSB 82, S. 219, S. 379*). 16 So eine Kapitelüberschrift bei Fritz, S. 1, der dieses schiefe Image schon 1913 kritisiert. 17 Dieser Befund ändert sich auch dann nicht entscheidend, wenn man nach der Verteilung der Beschäftigten fragt. Am stärksten war deren Konzentration in Augsburg, wo 190745,3% allerinden Großbetrieben Beschäftigten auf die Textilindustrie entfielen; in Ludwigshafen lag der entsprechende Wert fur die Chemische Industrie bei 40,2%, in Nürnberg für den Maschinen- und Apparatebau bei 33,9%. In München und in Regensburg stand noch 1907 die Baubranche mit 19,1% bzw. 26,6% an der Spitze (errechnet nach BSB 82, Tab. I, S. 5, 73, 79, 133, 183). 18 Nach der Zahl der Betriebe (104 von 199) und der Beschäftigten (13.873 von 22.210) war 1907 in München sogar mehr als die Hälfte aller bayerischen Großbetriebe in Handel und Verkehr konzentriert (Zahlen fur Bayern: BSB 82, Tab. I, S. 219). 19 Einige Städte, die hier nicht behandelt werden, aber für bestimmte Branchen große Bedeu-

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Anmerkungen zu S. 54 - 63 tung besaßen, seien kurz genannt: Aschaffenburg (Unterfranken) mit seiner Konfektionsindustrie, Pirmasens (Pfalz) ab Zentrum der deutschen Schuhindustrie und Schweinfurt (Unterfranken) als Sitz wichtiger Kugellager- und Fahrradnabenwerke. 20 Nimmt man die fünf Städte zusammen, so lagen 1907 dort aber immerhin 33% aller Großbetriebe der bayerischen Industrie (mit 38% aller dort Beschäftigten) und 79% aller Großbetriebe in Handel und Verkehr (mit 87% der Beschäftigten). (Errechnet nach BSB 82, Tab. I).

ΙΠ. Die untersuchten Unternehmer: Auswahl, Zusammensetzung, Aufteilung 1 Nach der Zahlung von 1895 wiesen die fünf Städte zusammen 466 Großbetriebe in Industrie und Handel auf, nach der Zählung von 1907 waren es 905 (s.o. S. 50f.). Setzt man nun eine Zahl von 2-3 Unternehmern - Eigentümern bzw. Leitern - pro Betrieb an, so erhält man eine Unternehmerzahl, die zwischen 932 (466 χ 2) und 2.715 (905 χ 3) liegt. 2 Vgl. F. Redlich, Anfänge und Entwicklung der Firmengeschichte und Unternehmerbiographie ( = Tradition, Bh. 1), Baden-Baden 1959, bes. S. 29f. 3 Auch die neben den erwähnten Quellen benutzten Gesamtdarstellungen der Entwicklung von Wirtschaft und Industrie in den einzelnen Städten, etwa die von Grassmann zu Augsburg oder von ¡egei zu Nürnberg, behandeln außer den großen und bekannten Unternehmen auch die kleineren und weniger langlebigen. 4 Vgl.o. S. 50f.

IV Die Unternehmer bis zur Reichsgründung 1 Kaelble, Berliner Unternehmer, S. 20. 2 Borst, Staat und Unternehmer, S. 118ff.; ders., Führungsschichten, S. 237ÍF.; Engelsing, S. 64ff., S. 70fF., S. 95; Herrmann, Führungsschichten, S. 293f.; Kellenbenz, S. 183ff.; Pönicke, S. 170ff., S. 182ff. - Die große Bodenständigkeit märkischer und thüringischer Unternehmer heben dagegen hervor: Beutin, S. 64ff.; Huschke, S. 59. Zusammenfassend: Wehler, S. 189ff. 3 Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen: Kaelble, Berliner Unternehmer, S. 21; Engelsing, S. 48. 4 Berechenbar fur 70 Fälle; das durchschnitdiche Zuwanderungsalter lag bei 30,1 Jahren. 5 Zu den Lebensdaten der im Text genannten Unternehmer s. die Angaben im Personenregister. 6 SAN, Bürg. Akt 108; NDB 12, S. 53 (E.Born). 7 SAN, NL 4155; ; Beck, Bayerns Großindustrie, S. 18ff.; ¡egei, S. 163f. 8 Zu Reichenbach: SAA, FB Carl August Reichenbach (*18.VI.1801); zu ihm und Buz: FS MAN (Büchner), S. 25fF. Reichenbachs familiäre und berufliche Affinität zum Druckgewerbe trug mit dazu bei, daß die Augsburger Fabrik bald den Bau von Druckmaschinen in ihr Produktionsprogramm aufnahm. 9 ADB 41, S. 766f. (B.Poten); Rupieper, S. 41. 10 SAN, NL 15 708; Beck, Fabrikindustrie, S. 409ÍF.; ¡egei, S. 178. 11 SAA, FB Johannes Haag (*23.VI.1819); Grassmann, S. 111; Werner, S. 146. Haag führte in Kaufbeuren die Heißwasserheizung ein. 12 Zu Maffei: SAM, PMB Joseph Anton von Maffei (*4.IX. 1790); NDB 15, S. 645ff. (W.Fink); FS Krauss-Maffei, S. llff.; Zwehl. - Zu Cramer-Klett: SAN, NL 9980; NDB 3, S. 394 (R.Hoffmann); Biensfeldt.

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Anmerkungen zu S. 64 - 69 13 Fassl, Konfession, S. 249 (speziell zur SWA); vgl. Zorn, Bayerisch-Schwaben, S. 227f. 14 SAA, FB Samuel Frommel (*1775); Zorn, Bayerisch-Schwaben, S. 134. 15 Einige Beispiele: Johann Boley (*17.1.1821 in Wimpfen/Hessen), technischer Direktor der »Mechanischen« nach 1852 (SAA FB); Wilhelm Brandenberger ('14.V.1819 in Toes/Kanton Zürich, Schweiz), technischer Direktor der Baumwollspinnerei am Stadtbach um 1860, seit 1853 in Augsburg (SAA FB); Friedrich Jordan (*13.VII.1825 bei Worms ?), seit 1859 technischer Direktor der BaumwoUfeinspinnerei (SAA FB). Vgl. Grassmann, S. 15ff., S. 41ff. 16 FS Kammgarnspinnerei, S. 52f. 17 SAA, PI M 163; FS Martini; Grassmann, S. 20f. 18 SAA, FB Eusebius Schiffinacher (*10.ΧΠ.1818); P I S 374; FS Gögginger Nähfkden. 19 Teutéberg, S. 24f.; Kaelble, Berliner Unternehmer, S. 22f. 20 SAM, PMB Georg Brey (»19.XII.1784); FS Löwenbräu. 21 FS Pschorrbräu, Stammtafel nach S. 65. 22 Sedlmayr, Bd. 1, S. 2; Laufer, S. 284. 23 Zu Lederer: SAN, NL 766; FS Ledcrer-Bräu. Zu Reif: SAN, NL 9819; Jegel, S. 286ff. 24 Bischoff; Beck, Fabrikindustrie, S. 543ff.; Jegel, S. 237ff. 25 Beck, Bayerns Großindustrie, S. 506ff.; Jegel, S. 227ff. 26 Zu Manz: SAR, FB Georg Josef Manz (*1.II.1808); Meiner, S. 18ff. Zu Pustet: SAR, FB Friedrich Pustet (*25.II.1798); Denk, S. 12ff., S. 32ff. 27 FS Oldenbourg, S. 13ff. 28 Zu Braun: SAM, BA 1843/79, NDB 2, S. 555f. (h.Rümann); Zu Schneider: SAM, BA 1848/ 546; ADB 32, S. 123f. (H.Holland). 29 Zu Schaezler; SAA, FB Johann Lorenz von Schaezler (*15.9.1762); Müller, Schaczler; Zorn, Schaezler. Zu Schmid: Fassl, Schmid; Schmid, Schmid. Zu Süßkind: SAA, FB Johann Gottlieb von Süßkind ( * l l . V i n . l 7 6 7 ) ; GHBA 2, S. 250. Vgl. Fassl, Konfession, S. 213ff.; Zorn, BayerischSchwaben, S. 67f., S. 119flF. 30 Zu Dall'Armi: SAM, PMB Andreas Michael von Dall'Anni (*11.XI.1765); NDB 3, S. 491 (M. Schattenhqfer)·, Zu Negrioli: SAM, PMB Ludwig Negrioli (*1789); FS Hypo-Bank, S. 19, S. 139. Vgl. Edlin-Thieme. 31 Schönfeld. Für Bremen hat Engelsing, S. 40ff., für die Zeit um 1800 eine Verdrängung der alten Kaufmannsfamilien auch durch eine große Zahl zugewanderter festgestellt. 32 S.u. Kap. IV, 1, f. 33 Die Probleme dieses Kriteriums sollen nicht geleugnet werden. So geben die Quellen etwa keine Auskunft darüber, ob und wie lange der angegebene Beruf vom Vater tatsächlich ausgeübt wurde. Manche Berufsbezeichnungen bleiben unklar, vor allem die des Kaufmanns: Hinter ihr kann sich ein Großhändler ebenso verbergen wie ein kaufmännisch gebildeter Fabrikant, aber auch der Inhaber eines kleinen Detailgeschäfts, eines »offenen Ladens«. Die Bezeichnung »Schreinermeister« etwa sagt noch nichts über Gesellenzahl und Vermögenshöhe, die Bezeichnung »Landwirt« noch nichts über Hofgröße und Viehbestand. Aufgrund dieser Einordnungsprobleme wird hier auch darauf verzichtet, die Berufsgruppen in ein Schichtenmodell einzufügen, wie das etwa Kaelble, Soziale Mobilität, S. 104 versucht. 34 SAM, PMB Christian Kaiser (»24.V.1814); FS Kaiser. 35 Der Vater des schon erwähnten Maschinenbauers Carl Buz war zwar als Offizier ausgebildet, war aber dann als Administrationsrat und Ministerialreferent in Unterfranken tätig. Zu Hassler: SAA, FB Theodor (von) Hassler (*3.VII.1828); Ρ 2 8700; Hassler. 36 Der Begriff »traditionelles Bildungsbürgertum« wird im Anschluß an Engelhardt, S. 27 verwendet. Gemeint sind Theologen, Juristen und Mediziner, unabhängig davon, ob sie in einem Beamtenverhältnis standen, außerdem Gymnasial- und Hochschullehrer sowie die übrigen höheren Beamten und freiberuflich Tätigen (s.o. S. 15). Als »neues Bildungsbürgertum« wären demgegenüber vor allem die Ingenieure, Chemiker und Architekten zu verstehen, zu denen, besonders im Kaiser-

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Anmerkungen zu S. 69 - 71 reich, auch nicht wenige Unternehmer gehörten. Insofern sind »Bildungsbürgertum« und »Unternehmer« keine sich ausschließenden Begriffe. 37 Kaelble, Soziale Mobilität, S. 104. 38 Kaelble, Berliner Unternehmer, S. 31 u. S. 33. Zu den sonstigen Gewerbetreibenden zählt Kaelble allerdings auch die Gutsbesitzer/-pächter (2 von 12 bzw. 2 von 10). 39 Kaelble, Berliner Unternehmer, S. 77f. 40 Huschke, Unternehmer, S. 54. Huschke beschreibt allerdings nur 42 Fälle. 41 Teuteberg, S. 26. Wieviele dieser »Kaufleute« als Handelsunternehmer und wieviele als kleine Händler anzusehen sind, konnte offenbar nicht ermittelt werden. 42 Vgl. die zusammenfassenden Bemerkungen in: Kocka, Unternehmer, S. 33f.; Wehler, S. 185ff., der den Akzent wohl zu stark auf die »Dominanz der Selbstrekrutierung aus besitzbürgerlichen, insbesondere aus Unternehmerfamilien« (Ebd., S. 188) legt. Ein direkter Vergleich mit den Ergebnissen von Stahl, S. 87ff. ist nicht möglich, da Stahl zwar zwischen Eigentümer- und angestellten Unternehmern, Gründern, Teilhabern und Erben differenziert, aber nur sehr grob zwischen den im 18. und den im 19. Jahrhundert geborenen Unternehmern unterscheidet. Auch er konstatiert insgesamt ein Überwiegen der Selbständigen in Gewerbe und Handel unter den Vätern, einen relativ hohen Anteil der Beamten und findet nur wenig Aufsteiger aus der Unterschicht. Vgl. Schüren, S. 224 u. S. 280ff. bzw. S. 231 u. S. 290ff., der in seiner Untersuchung der sozialen Mobilität während des 19. Jahrhunderts zu dem Ergebnis kommt, daß Bauernsöhne häufiger in die Unterschicht ab- und seltener ins städtische Bürgertum aufstiegen als die Söhne von Handwerkern und Wirten. 43 Zu kurz greift die Entgegensetzung von Gründern und Erben: Der Ingenieur, der in die dritte Generation der Eigentümerfamilie einheiratete und die Leitung mit übernahm, oder der Kaufmann, der Teilhaber wurde, hatten beide nicht die Schwierigkeiten der Gründer zu meistern, ohne sich in der relativ sicheren Position der Erben zu befinden. Sie benötigten zum Eintritt in eine Unternehmerposition auch selbst erwirtschaftetes Kapital, das freilich nicht so hoch wie bei den Gründern sein mußte. Diese - relativ kleine - Personengruppe wird zu den Erben hinzugerechnet und beide zusammen als »Nachfolger« bezeichnet. Vgl. Kaelble, Berliner Unternehmer, S. 54ff.; Kocka, Unternehmer, S. 53, wo diese Differenzierung nicht vorgenommen wird. Leider reichen die zu den bayerischen Unternehmern vorliegenden Vermögensangaben nicht aus, um zu klären, in welchem Verhältnis das von solchen Schwiegersöhnen und Teilhabern eingebrachte Kapital zum gesamten Betriebs- und Familienvermögen stand. 44 Gemeint sind Unternehmer, die den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit in einer von ihnen gegründeten Firma hatten, also nicht Unternehmer, die an der Spitze eines ererbten oder erworbenen Betriebs standen und sich daneben an weiteren Gründungen beteiligten. Zu den Gründern werden aber auch solche Unternehmer gezählt, die das Geschäft eines Handwerkers oder kleinen Gewerbetreibenden übernahmen, aber erst zu einem Unternehmen im Sinn der oben gegebenen Definition ausbauten, als Söhne, Schwiegersöhne oder auch als Aufkäufer. - Berücksichtigt sind dabei nur Eigentümer-Unternehmer. Angestellte Unternehmer, die zur Gründung eines Unternehmens engagiert werden, finden sich nicht; andererseits lassen sich einige der hier erfaßten angestellten Unternehmer auch nicht eindeutig einer den Gründern nachfolgenden Generation von Unternehmensleitern zuordnen. Insgesamt handelt es sich bei den Industriellen um 83, bei den Handelsunternehmern um 28 Gründer. 45 Vgl. Kaelble, Berliner Unternehmer, S. 56, der hingegen eine klare Zunahme der Erben konstatiert. 46 SAA, FB Georg Mathias Biermann (»29.XI.1817); FB Friedrich Jordan (*13.VII.1825). Biermann war Gérant, Jordan technischer Direktor der Baumwollfeinspinnerei. 47 Huschke, S. 54. Mit all diesen Befanden deckt sich auch die generelle Feststellung von Schüren, passim, bes. S. 90ff., daß das Einsetzen der Industrialisierung zwar einen deutlichen Anstieg der sozialen Mobilität mit sich brachte, jedoch nicht die Chancen zum Aufstieg aus der Unterschicht erhöhte; die Mobilität blieb wesentlich klassenintern.

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Anmerkungen zu S. 72 - 76 48 Steile Aufstiege waren einigen zugewanderten Handwerkersöhnen im Augsburger Bankgeschäft während der napoleonischcn Zeit gelungen: Jacob Friedrich Schmid war Sohn eines Kattundruckers, Johann Gottlieb (Frhr. von) Süßkind, einer der reichsten bayerischen Unternehmer im Vormärz überhaupt, Sohn eines Konditors und Ratsherrn (s.o. S. 66). 49 Kaelble, Berliner Unternehmer, S. 39. Vgl. Stahl, S. 228ff., dessen Ergebnisse aufgrund der zahlreichen Differenzierungen nicht einfach mit den hier vorgelegten vergleichbar sind. Grundlegende Unterschiede sind nicht erkennbar. 50 Kaelble, Berliner Unternehmer, S. 42; Beau, S. 67. Ob »technisch« hier den Besuch eines Polytechnikums oder einer Universität impliziert, ist unklar. Zusammenfassend zur Qualifikation der industriellen Unternehmer: Kocka, Unternehmer, S. 42ff. 51 Dazu etwa: Geiger mit einer Reihe von Beispielen; vgl. Beau, S. 24. 52 Wutzmer, v.a. S. 156ff., Beau, S. 14ff.; Kocka, Unternehmer, S. 43ff. Bestätigend: Teuteberg, S. 28, wonach drei Viertel der frühen Textilfabrikanten kaufmännisch ausgebildet waren; Kaelble, Berliner Unternehmer, S. 42ff. 53 SAA, FB Josef Arnold (*2.IV.1818); FS Arnold; ähnlich die Karriere Schiffmachers (s.o. S. 64). Vgl. Teuteberg, S. 28f.; Kaelble, Berliner Unternehmer, S. 43. 54 SAN, NL 11 046; Beck, Fabrikindustrie, S. 477f.; ¡egei, S. 188. 55 SAN, NL 11 546; Beck, Fabrikindustrie, S. 548ff.; ¡egei, S. 254. 56 SAN, NL 10 803; Beck, Fabrikindustrie, S. 568; Gerlach, Buch der alten Finnen Nürnbergs, S. 34. 57 NDB 4, S. 722f. (B.Hoffmann)·, Bitterauf, Faber; Satz; Hirschmann, Stein, S. 129ff. 58 S.u. S. 255f. 59 Sie scheinen jedoch bei der Umwandlung von Manufakturen in Fabriken eine nicht unwichtige Rolle gespielt zu haben, etwa im Fall des Regensburger Großhändlers Rehbach, der 1816 eine staatliche Bleistiftmanufaktur aufkaufte und sie zum zeitweise größten Unternehmen ihrer Branche hinter dem Fabers machte (SAR, FB Johann Jakob Rehbach, *1.1.1771; Industrie der Oberpfalz, S. 116f.). Vgl. Barthelmeß zur Familie Schmidmer und ihrer Bedeutung für die Drahtfobrikation in Nürnberg. 60 Dazu detailliert: Eibert; generell: Kocka, Unternehmer, S. 49f. Ahnlich verlief in München die Entwicklung der vom Kaufmann Maffei gegründeten Lokomotivenfabrik und die Entwicklung der vom Hufschmied Rathgeber gegründeten Waggonfabrik; erst unter dessen Sohn wuchs sie zu einem Großbetrieb, der um 1890 700 Arbeiter beschäftigte. Zu Rathgeber: SAM, PMB Josef Rathgeber (*26.II.1810); BA 1839/493; Kahn, S. 133ff. 61 Das mag ein Quellenproblem sein: Bei einer Reihe kleinerer und mittlerer Industrieller, vor allem Gründern sind die biographischen Informationen für die Zeit bis zum Beginn der Unternehmertätigkeit über die Niederlassungsakten wesentlich ausführlicher als für spätere Lebensphasen. Insofern lassen sich die hier ermittelten Angaben zum Auslandsaufenthalt nicht direkt mit denen von Beau vergleichen, der für die rheinisch-westfälischen Fabrikanten eine deudich höhere Zahl errechnet: Von 400 Unternehmern waren demnach 121 im Ausland. (Beau, S. 68.) 62 Werner, S. 146. 63 Vgl. Schumacher, der zwischen Aufenthalt und Reise nicht klar unterscheidet, insgesamt aber zu ähnlichen Ergebnissen kommt. Danach stellten auch in im Rheinland und in Westfalen Kaufleute und Fabrikanten den größten Anteil unter den Unternehmern mit Auslandserfahrungen; Handwerker kamen auch hier auf ihrer Wanderschaft nur selten ins Ausland. 64 Zu Forster: SAA, Ρ 1 F 419; zu G.Frommel: SAA, Ρ 1 F 615; zu H.Frommel: SAA, Ρ 1 F 616; zu Riedinger: Zorn, Riedinger, S. 383; zu Hassler: Hassler, S. 356. 65 Zu Klett s.o. S. 62; Zu Maffei: FS Krauss-Maffei, S. 13. Bei der Errichtung der ersten Augsburger Maschinenfabrik wirkte ein elsässischer Techniker mit (Zorn, Bayerisch-Schwaben, S. 147f.).

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Anmerkungen zu S. 77 - 82 66 Zu Lederer: FS Ledercr-Bräu. Zu Scdlmayr: Sedlmayr, S. 234ff., S. 313ff.; Uufer, S. 290f. Zu Pschorr: Tagebuch und Briefe. Zu Brey: SAM, BA 1844/75; FS Löwenbräu. 67 Die im folgenden angegebenen Werte beziehen sich auf 119 Eigentümer-Unternehmer, die bis 1868 in einer der vier Städte ansässig wurden. Sie wurden anhand der Daten berechnet, die in den beim Niederlassungsverfahren angefallenen Akten enthalten sind. Es geht also nur in einem Teil der Fälle um das Vermögen am Beginn der eigentlichen Unternehmerkarriere: Bei Unternehmern, die als Handwerksmeister zunächst eine kleine Werkstatt eröffneten und sie dann ausbauten, ist der Vermögensstand zu diesem frühen Zeitpunkt erfaßt. Aufschlußreich wäre in solchen Fällen ein Blick auf die weitere Vermögensentwicklung bis zum Moment der Fabrikgründung; leider liefern die Quellen dazu jedoch kaum Informationen. Sofern Niederlassung und Eheschließung zusammenfielen - was häufig der Fall war - wurde vom Gesamtvermögen der Eheleute ausgegangen. - Zu den 119 hier erfaßten Eigentümer-Unternehmern zählen 34 erst nach 1830 geborene. Da zu den meisten erst im Kaiserreich fest etablierten Unternehmern keine Informationen zum Startvermögen existieren das Niederlassungsverfahren mußte ja seit 1868 nicht mehr durchlaufen werden - erschien es sinnvoll, diese 34 Unternehmer hier schon einzubeziehen. Uber 195 weitere, die ebenfalls bis 1868 ansässig wurden, liegen jedoch keine Informationen zum Ausgangsvermögen vor. Insofern besitzen die errechneten Werte nur begrenzte Aussagekraft. 68 Schwarz, Nahrungsstand, S. 168. Zwischen den einzelnen Regierungsbezirken und zwischen München und dem Rest des Landes bestanden dabei große Unterschiede (Ebd., S. 94). 69 SAA, Ρ 2 10 155; FS Neue Augsburger Zeitung. 70 SAM, BA 1848/457; NDB 12, S. 217 (F.Menges). 71 SAM, BA 1863/151; NDB 2, S. 648 (H.Merck). - Unmittelbar auf die spätere Tätigkeit bezogen war die in drei Fällen nachgewiesene künstlerische Ausbildung. Es handelt sich dabei um den Münchcner Max Ainmiller (1807-1870), Besitzer einer in Europa führenden Glasmalereianstalt, der seine Lehrzeit in der Nymphenburger Porzellanmanufaktur absolviert hatte, um den schon erwähnten Münchener Graphiker und Verleger Caspar Braun und den Nürnberger Kunstanstaltsbesitzer Karl Mayer. Braun und Mayer hatten sich unter anderem einige Zeit in Paris aufgehalten. Zu Ainmiller: NDB 1, S. 118f (H.Merten). Zu Mayer: SAN, NL 3468; Beck, Fabrikindustrie, S. 561. Auch der gelernte Apotheker Johann Gottfried Dingler, der in Augsburg eine Fabrik chemischer Hilfsstoffe für die Kattundruckerei gründete, wechselte damit nicht völlig sein Tätigkeitsfeld (NDB 3, S. 730; Fassl, Dingler, S. 171). - Als Buchhändler und Verleger begonnen hatte hingegen Theodor (Frhr. von) Cramer-Klett, gab sein Geschäft jedoch schon nach drei Jahren auf, um die Leitung der Klettschen Maschinenfabrik zu übernehmen. 72 Roth, Grundlagen, S. 28ff.; Alckens, S. 77ff. 73 Zu den 100 bekannten Manufakturgründern Altbayerns zählten immerhin 13 Beamte; in Franken waren es allerdings nur 2 von 98 (Slawinger, S. 22; Reuter, S. 74). Zu dem Beamten und Pionierunternehmer Utzschncider, dessen Unternehmertätigkeit 1832 endete: Roth, Grundlagen, S. 15ff. 74 SAA, FB Ludwig August Riedinger (»18.XI.1809); Ρ 1 R 548; Fass/, Riedinger; Zorn, Riedinger; zu seinem Vermögen und Testament s.u. S. 313f. 75 SAM, PMB Georg (von) Krauss (»25.XII.1826); FS Krauss; FS Krauss-Maffei, S. 29ff.; NDB 12, S. 714 Q.Pfeiffer). Zu Krauss' Vermögen s.u. S. 219. 76 Weitere Beispiele für den Maschinenbau bei: Rupieper, S. 36ff.; ein weiterer Augsburger Fall ist Wilhelm Brandenberger, technischer Direktor der Stadtbachspinnerei um 1860; im Familienbogen wird er als »Mechaniker« und »Maschinist« bezeichnet, war also kaum ein am Polytechnikum ausgebildeter Ingenieur (SAA, FB Wilhelm Brandenberger, »14.V.1819; Ρ 2 2131). Vgl. Kocka, Unternehmer, S. 50ff. 77 Zorn, Typen, das Zitat S. 64. 78 Für das Rheinland und Westfalen hat Beau, S. 70 ähnliche Relationen errechnet: 253 von 300 zwischen 1790 und 1870 tätigen industriellen Unternehmern stammten ihrer beruflich-sozialen

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Anmerkungen zu S. 82 - 84 Herkunft nach aus Gewerbe und Handel, die weit überwiegende Mehrheit also; die übrigen verteilten sich ungefähr gleichmäßig auf die Landwirtschaft, das »Beamtentum« und die Freien Berufe und die evangelische Geistlichkeit. Vgl. Philipps, S. 3ff.; Engehing, S. 48, S. 83ff.; Zunkel, S. 13ff., S. 24-29; Borst, Führungsschichten, S. 232f., S. 256ÍF.; Herrmann, Führungsschichten, S. 291ff.; Pönicke, S. 177ff.; Zwahr, S. 30ff.; Wehler, S. 185ff. 79 Kocka, Unternehmer, S. 52. 80 Vgl. Späth, S. 572ff., bes. S. 574. Danach kamen die zwischen 1815 und 1873 geborenen deutschen Ingenieure aus ganz verschiedenenen Elternhäusern: »einem gesellschaftlich repräsentativen Querschnitt« der Bevölkerung (S. 573). 81 Als typischer »Forscher« im Sinne Zorns läßt sich Carl August von Steinheil verstehen. Zorn faßt unter diesen Typ vor allem die chemischen Industriellen der Zeit des Kaiserreichs; dies trifft sicher zu. Auf die frühen chemischen Industriellen Bayerns läßt er sich nur bedingt anwenden: Die größte Bedeutung hatte Johannes Zeltner, der nach Nürnberg zugewanderte Sohn eines Landwirts und Hopfenhändlers. Selber als Kaufmann ausgebildet gründete er in Partnerschaft mit dem Chemiker Leykauf eine Ultramarinfabrik. (SAN, NL 5966; Beckh, Zeltner). Reine Handwerker scheinen demgegenüber die Farbenfabrikanten Michael Huber I (1788-1852) und Π (1829-1908,) aus München-Haidhausen gewesen zu sein (FS Huber). 82 Jaeger, Führungsschichten, S. 213ff. Als Beispiele für Unternehmer aus dem »beamteten höheren Bürgertum« nennt Jaeger Schaezler und Buz in Augsburg. Dies ist zwar in Bezug auf deren soziale Herkunft zutreffend - Johann Lorenz (von) Schaezler war Sohn eines Ansbacher Hofchirurgen, Carl Buz Sohn eines zunächst als Offizier ausgebildeten Administrationsrats und Ministerialreferenten - , aber nicht oder nur zum Teil für die berufliche. Schaezler absolvierte eine Kaufmannslehre und begann seine Unternehmerkarriere 1784 mit dem Erwerb einer Aachener Stickereifabrik, Buz nahm mit 35 Jahren seinen Abschied als Offizier und war dann zunächst als Zivilingenieur tätig (s.o. S. 63). 83 Vgl. Zorn, Bayerisch-Schwaben, S. 208ff., wo er Beispiele für seine Unternehmertypen aus dem schwäbischen Raum für die Zeit zwischen 1648 und 1870 nennt. Zorns These, daß »zahlenmäßig ... die Handwerker im schwäbischen Unternehmertum überraschend wenig ins Gewicht [fallen]« (S. 210), trifft fur Augsburg im hier untersuchten Zeitraum nur zu, wenn man sich auf die Eigentümer-Unternehmer in der Textilindustrie, im Maschinenbau und im Großhandel und Bankgeschäft konzentriert und die angestellten Unternehmer ausblendet. 84 Sombart, S. 19. 85 Sachtier, S. 7, S. 24. 86 Zum Begriff: Rüschemeyer; zur Entwicklung des Ingenieurberufs: Späth, vgl. seinen Beitrag in Siegrist. 87 Zorn, Sozialentwicklung, S. 852f.; detailliert: Demel, Wirtschaftliche Lage, bes. S. 255ff.; vgl. ders., Adelsstruktur und Adelspolitik in der ersten Phase des Königreichs Bayern, in: E. Weis (Hg.), Reformen im rheinbündischen Deutschland, München 1984, S. 213-228, bes. S. 217ff. 88 Möckl, Moderner Staat, S. 105f.; das Adelsedikt und die es ergänzende Verfassungsbeilage von 1818 in: Weber, Bd. 1, S. 199ff., S. 626ff. Der bayerische Adel hatte fünf Stufen: Fürsten, Grafen, Freiherrn, Ritter, und einfache Adlige mit dem Prädikat »von«. 89 S.o. S. 67, Tabelle 8. 90 Zorn, Unternehmer und Aristokratie, S. 242. 91 Chrobak, Teil I, S. 201f. - Auch an der Gründung von Manufakturen hatten sich Adlige kaum beteiligt: In Altbayern waren nur 7 von 100 Gründern Adlige, in Franken nur 4 von 98 (Slawinger, S. 22; Reuter, S. 74). 92 Herrmann, Thum und Taxis Post, S. 343, vgl. S. 116. 93 Zorn, Bayerisch-Schwaben, S. 208. 94 Zorn, Oberfranken, S. 299, S. 306. Vgl. allgemein H. Winkel, Höhe und Verwendung der im Rahmen der Grundlastenablösung bei Standes- und Grundherren angefallenen Ablösungskapitalien,

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Anmerkungen zu S. 84 - 90 in: W. Fischer (Hg.), Beiträge zu Wirtschaftswachstum und Wirtschaftsstruktur im 16. und 19. Jahrhundert, Berlin 1971, S. 83- 99. 95 Zu den Definitionsproblemen im einzelnen: Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte, Bd. 3, s.v. »Patrizier«, S. 1551- 1558 (H.Lieberich). 96 Hofmann, Nobiles; Hirschmann, Patriziat. 97 Hirschmann, Patriziat, S. 49ff., S. 171ÍF. 98 Zorn, Nürnberger Handelsgeschichte, S. 860ff. 99 Hirschmann, Patriziat, S. 74ff.; Zinner, S. 243f. 100 Riedenauer, S. 48ff., S. 83ff. 101 Zorn, Bayerisch-Schwaben, S. 234ff.; Fassl, Konfession, S. 30ff. 102 Fümrohr, bes. S. 216ff. 103 Riedenauer, S. 47, vgl. S. 83. Riedenauer weist darauf hin, daß gerade dort, wo sich das Patriziat besonders abkapselte, die davon ausgeschlossenen > Aufsteigen unter den zugewanderten Kaufleuten oder Juristen die Nobilitierung als Kompensation anstrebten, was dann wieder die patrizischen Geschlechter zu entsprechenden Gegenreaktionen veranlaßte. Im übrigen zog weder die Zugehörigkeit zum Patriziat den Adel nach sich, noch verlieh die Nobilitierung ein Anrecht zur Aufnahme in das Patriziat. 104 Schattenhofer, bes. S. 891ff. 105 Möckl, Moderner Staat, S. 117f.; die gesetzlichen Bestimmungen bei Weber, Bd. 1, S. 282ÍF., S. 600ff. 106 Zorn, Sozialentwicklung, S. 868; das Edikt bei Weber, Bd. 1, S. 417ff.; vgl. Schwarz, Juden in Bayern, S. 72ff. 107 SAM, BA 1850/192; PMB Jacob Loew Feuchtwanger (*26.V.1821). 108 SAA, P I K 793. 109 Möckl, Moderner Staat, S. 115f. 110 Dazu die Beiträge in: Pfeiffer, Nürnberg, S. 146ff. (Pfeiffer); S. 279ÍF., bes. S. 283 (Leder). Die reformierte Gemeinde blieb das gesamte 19. Jahrhundert hindurch recht klein und umfaßte um 1900 nur etwa 400 Menschen (Loewenich in Pfeiffer, Nürnberg, S. 420). 111 Zorn, Augsburg, S. 169ff., S. 180ÍF. und die Beiträge in: Gottlieb, S. 468ff. (Fassl), S. 514ff. (François). 112 Huber, bes. S. 103f.; Albrecht, Regensburg, S. 73f. Die Konfessionsverhältnisse vor dem Übergang an Bayern sind hier freilich sehr vereinfacht dargestellt. Nur ein Teil des Stadtgebiets gehörte zur Freien Reichsstadt: Daneben war Regensburg auch noch Sitz eines Bischofs und reichsunmittelbarer Klöster. Der auf dem anderen Donauufer liegende und später eingemeindete Ort Stadtamhof gehörte zu Bayern. 113 Albrecht, Regensburg, S. 89ff. Albrecht macht nicht deutlich, ob diese Entwicklung auf eine restriktive Handhabung der gesetzlichen Bestimmungen oder auf die vergleichsweise geringe Zahl von Zuwanderern zurückzufuhren ist. 114 Dazu die Beiträge in: Lamm, S. 19ff., bes. S. 21f. (Baerwald), S. 31ff. (Cahnmann). 115 Fassl, Konfession, S. 181; Zorn, Bayerisch-Schwaben, S. 275f. 116 Müller, Juden in Nürnberg, S. 154ff.; Din, S. 83f. 117 Zusammenfassend: Kocka, Unternehmer, S. 34ÍF.; Wehler, S. 194ff.; Nipperdey, Deutsche Geschichte, S. 206f. Detaillierte Zahlen bei Stahl, S. 206ff., der ebenfalls eine Überrepräsentanz von Protestanten und Juden feststellt. - Zur gut untersuchten konfessionellen Mischsituation im Rheinland und in Westfalen: Zunkel, S. 29fF., S. 69ff., S. 85, wonach die dortigen Unternehmer »überwiegend« Protestanten waren; ähnlich Croon, S. 315ff.; dagegen: Teuteberg, S. 27, wonach die jeweilige regionale Mehrheitskonfession auch die meisten Unternehmer stellte und die Protestanten keineswegs überrepräsentiert waren. - Die jeweilige Minderheitssituation von Calvinisten und Lutheranern in Bremen und Hamburg und die aus der politischen Diskriminierung resultierende Hinwendung der Minderheit zu wirtschaftlicher Betätigung beschreibt Engelsing, S. 51f. - Zu den

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Anmerkungen zu S. 90 - 93 Gründen fur die Überrepräsentanz der Juden zusammenfassend Mosse, Jews, S. 13ff., bes. S. 27ff. Zur faktisch weiterbestehenden Blockierung ihres Zugangs zum höheren Staatsdienst vgl. Schärl, S. 81. Danach waren von 472 bayerischen Spitzenbeamten der Zeit zwischen 1806 und 1918 73,5% Katholiken und 26,5% Protestanten; einer anderen Religion angehörende waren somit nicht darunter. Vgl. Henning, Beamtenschaft, S. 87. 118 Alle Konfessionsangaben stammen aus den Familienbogen. 119 Vgl. Toury, S. 69S., S. 362, S. 367. 120 Zur Familie Seligmann-Eichthal: Schnee; Jungmann-Stadler. Zur Familie Hirsch: Prys. Zur Familie Obermayer: Zorn, Bayerisch-Schwaben, bes. S. 121ff., S. 249ff.; Fassl, Konfession, S. 214ff. Vgl. L. Hämmert, Die finanziellen Beziehungen jüdischer Bankiers und Heereslieferanten zum bayerischen Staat in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, staatswirt. Diss. München 1927, bes. S. 13ff., S. lòffi, S. 27ff. 121 Köllmann, S. llOf.; Borst, Führungsschichten, S. 232ff. - Allgemein zum Einfluß des Pietismus in Augsburg und Nürnberg: Baier in Gottlieb, Augsburg, S. 519ff., bes. S. 523f.; Fassl, Konfession, S. 114f.; Leder in Pfeiffer, Nürnberg, S. 324f. Zu Pietisten unter den Augsburger Unternehmern des 18. Jahrhunderts: Zorn, Bayerisch-Schwaben, S. 301. 122 Johann Lorenz Freiherr von Schaezler: Meine Lebens-Beschreibung, in: Zorn, BayerischSchwaben, S. 310-342, das Zitat S. 329. 123 Zorn, Bayerisch-Schwaben, S. 307, dort weitere Beispiele. 124 StAN, AG Nürnberg NA 1847/274; NA 1821/6. 125 StAM, AG München I A NR 1872 Not.XIII, 116 (Testament von 1837, im Nachlaßakt des Angelo Knorr). 126 StAN, NA 1861/439. Weitere Beispiele: StAM, AG München I A NR 1870/1405 (Joseph Anton von Maffei, *1790); StAN, AG Nürnberg NA 1849/509 (Christian Lederer, *1772); NA 1852/476 (Georg Bestelmeyer, *1785); NA 1867/461 (Johann David Wiß, »1780). 127 Killinger, S. 18. 128 StAN, AG Nürnberg NA 1862/115. 129 Hirschmann, Evangelische Kirche, S. 888. 130 Mummenhoff, Merkel. Der Briefwechsel ist wiedergegeben in: G. Kühr, Briefwechsel des Bürgermeisters Johann Merkel in Nürnberg mit Wilhelm Löhe 1835-1837, in: Zeitschrift fur bayerische Kirchengeschichte, Jg.41, 1972, S. 68.121. - Der aus Nürnberg stammende Textilindustrielle Karl Ludwig (von) Forster (*1788) war Mitglied einer orthodoxen protestantischen Kirchengemeinde Augsburgs (Fassl, Forster, S. 183). 131 Beckh, Zeltner, das Zitat S. 618. 132 StAN, AG Nürnberg NA 1882/429 (Hervorhebungen im Original). - Näheres zu den Auseinandersetzungen zwischen Rationalismus und Neo-Orthodoxie im Nürnberger Protestantismus und dem Engagement von Unternehmern in beiden Lagern: G. Pfeiffer, Friedrich Wilhelm Ghillany. Ein Typus aus dem deutschen Bürgertum von 1848, in: MVGN, Jg.41, 1950, S. 155-255, bes. S. 169, S. 171, S. 185, S. 192f., S. 196f. 133 StAM, AG München I A NR 1880/1364. 134 Killinger, S. 37; Biensfeldt, S. 4ff., S. 22f., S. 220. Während seines Aufenthalts in der Schweiz lernte er auch David Friedrich Strauss kennen. 135 Hirschmann, Stein, S. 142. Ahnlich die Lebenseinstellung Riedingers. Vgl. seine knappen autobiographischen Aufzeichnungen: »Versuch, die Verhältnisse, wie selbe für L.A.Riedinger sich entwickelt haben, richtig darzustellen«, in: Fassl, Riedinger, S. 167ff. 136 Zunkel, S. 99f.

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Anmerkungen zu S.

95-101

2. Heirat und Familie 1 Vgl. Tabelle 8, S. 67f. 2 Teuteberg, S. 32f. - Anhand einer Zufallsstichprobe, die sich auf zwischen 1830 und 1850 in Deutschland tauge Unternehmer bezieht, kommt Henning, Sozialgeschichtliche Entwicklungen, S. 119f. zu ähnlichen Ergebnissen: Danach heirateten 56,7% der Unternehmer in Familien des »vorindustriellen Besitzbürgertums« ein, 27,1% in Familien »industrieller Unternehmer«, 10,7% in Familien akademisch gebildeter Beamter und »etwa 6%« in Familien »selbständig tätiger Akademiker«. Die Fallzahl nennt Henning jedoch nicht, auch bleibt unklar, was unter dem »vorindustriellen Besitzbürgertum« zu verstehen ist. Ahnlich unscharf sind seine Befunde zur sozialen Herkunft der Unternehmer (Ebd., S. 116). 3 Zunkel, S. 19ff., S. 86ff.; vgl. Croon, S. 327f. 4 Herrmann, Führungsschichten, S. 295, der aber die Verbindung zu den höheren Beamten stärker gewichtet. 5 Kaeible, Berliner Unternehmer, S. 183f.; Zwahr, S. 36ff. - Zusammenfassend: Wehler, S. 191ff. - Der Befund fur Bayern bestätigt die generelle Feststellung von Schüren, S. 99 u. S. 123, daß ein enger Zusammenhang zwischen beruflicher und konnubialer Mobilität bestand und daß bis zur Reichsgründung die konnubiale Mobilität im ganzen etwas größer war. Zu dem gleichen Ergebnis kommt auch Kocka, Soziale Plazierung, S. 333ff. 6 Kocka, Familie, bes. S. 113ff. 7 Vgl.o. S. 78. 8 SAM, PMB Georg Brey (»19.12.1784); PMB Ludwig Brey (»24.XI.1822); BA 1844/75; PMB Gabriel Sedlmayr (»26.11.1811); BA 1840/752; SAN, NL 766; NL 9361; FS Lederer-Bräu. 9 SAN, NL 7740. 10 SAN, NL 12 274; Geiger. 11 SAN, NL 10 803; Gerlach, Buch der alten Firmen Nürnbergs, S. 34. 12 Vgl. Schwarz, Nahrungsstand, S. 168, der den Wert einer Zuckerbäckergerechtigkeit für die 1860er Jahre im bayerischen Durchschnitt auf 1.730 fl. veranschlagt. 13 SAN, NL 4429; Barthelmefî, S. 268. 14 SAA, FB Ludwig August Riedinger (»18.XI.1809); StANeu, NA Augsburg /StadtG /162 / 1879; SAM, PMB Georg (von) Krauss (»25.XII.1826); BA 1875/517. 15 SAA, FB Carl A. Reichenbach (»18.VI.1801); SAN, NL4155; SAM, PMB Joseph Rathgeber (»26.Π. 1810). 16 Berechenbar für 121 Fälle. Angegeben ist wieder der Median- Wert; das durchschnitdiche Heiratsalter lag bei 29,5 Jahren. Zwischen Gründern und Nachfolgern bestehen nur marginale Unterschiede. Die Söhne von Handelsunternehmern und Kaufleuten heirateten im Mittel mit 27 Jahren (27 Fälle), die Söhne von Handwerkern und anderen Gewerbetreibenden erst mit 29 Jahren (19 Fälle); große Karrieresprünge vollzogen sich in diesen zwei Jahren aber wohl kaum. Die AltersdifFerenz bestätigt den generellen Befund von Kocka, Soziale Plazierung, S. 337ff., wonach Aufsteiger später heirateten als Schichtpersistente. Vgl. Nell, S. 75, die (anhand relativ weniger Fälle) zu ähnlichen, allerdings leicht höheren Werten kommt: Danach betrug das durchschnitdiche Heiratsalter von »Großkaufleuten und -Unternehmern« für die Heiratsjahre 1825 bis 1874 31,5 Jahre, von Selbständigen in »Handwerk und Kleingewerbe« 30,2 Jahre und von »mittleren und kleineren Unternehmern und Kaufleuten« 29,7 Jahre. 17 Berechenbar für 168 Fälle. Der Durchschnittswert liegt hier mit 30,2 Jahren etwas höher. 18 In der Literatur wird diese ja relativ simple Tatsache zu wenig beachtet; vgl. etwa Wehler, S. 192f.; auch Kaeible, Berliner Unternehmer, S. 183f., der einen deudichen Unterschied zwischen dem Heiratsverhalten der »mittelständischen« Unternehmer und der Führungsschicht unter den Unternehmern analog zu dem hier vorgestellten Ergebnis konstatiert. Generell müßte zwischen >Aufsteigern< und ihren Söhnen deutlicher differenziert werden. - In den 20 zweiten Ehen, für die der

295

Anmerkungen zu S. 101 -106 Beruf des Schwiegervaters bekannt ist, läßt sich nicht erkennen, daß generell >hochgeheiratet< wurde: mit 7 Schwiegervätern stellten Handwerker hier die größte Gruppe; 4 Schwiegerväter waren Kaufleute (darunter 2 Großhändler), S Beamte (darunter 2 Akademiker), 2 Freiberufler, 1 Offizier, 1 Druckereiexpeditor. Cramer-Kletts zweite Frau etwa war die Tochter eines Apothekers aus Worms, eine Schwester der Frau seines Teilhabers Kempf. 19 Zu Christian Schmidmer: SAN, NL 15 44; Zu Faber: N D B 4, S. 722f. (B. Hoffmann). 20 SAM, BA 1849/382; FS Kehrer & Weber; StAM, AG München I A N R 1872 Not.XIII, 116 (darin der Ehevertrag vom 27.IX.1855). - Näheres zum ehelichen Güterrecht u. S. 223ff. 21 SAA, FB Andreas Reh (»6.X.1826); Ρ 2 13 854. 22 Weitere Beispiele dafür sind der Färberssohn und Spirituosenfabrikant Anton Riemerschmid in München und der Druckereigründer Karl Anton Pocher in Nürnberg; beide heirateten Landarzttöchter (SAM, PMB Anton Riemerschmid, *13.V.1802; SAN, N L 13 871). Revierförster war der Schwiegervater des Papierfabrikgründers Georg Haindl in Augsburg, der selbst Sohn eines wohl eher unteren Zollbeamten war (Müller, Haindl, S. 371f.; Haindl, S. 186f.). 23 SAA, FB Karl Ludwig (von) Forster (»10.11.1788); FASSL, Forster, S. 178; SAA, F B Samuel Frommel ( * 1 7 7 5 ) ; F B Julius Forster (*1.X.1809); FB Moritz Forster (*31.X.1810); FB Jacob Friedrich Schmid (»30.V.1807). 24 SAA, Ρ 1 S 181 und Ρ 1 S 184; GHBA 9, S. 237f.; zum Heiratsgut Zorn, Bayerisch-Schwaben, S. 267, dort weitere Beispiele. 25 Hassler, S. 357. - In der Generation vorher war dem Vater Schmids 1806, nach der Gründung seines Bankhauses, die Einheirat in die Patrizierfamilie von Rad ebenso gelungen wie dem Bankier und Aufsteiger Johann Gottlieb (Frhr. von) Süßkind (nach zwei geschiedenen Ehen). (Schmid, Schmid, S. 364f; GHBA 2, S. 250.) Der Hofchirurgensohn und als Kaufmann ausgebildete Johann Lorenz (Frhr. von) Schaezler aus Ansbach war 1793 Schwiegersohn des Patriziers und Bankiers von Liebert geworden. (Zorn, Schaezler, S. 371f.; Müller, Schaezler, S. 107). 26 NDB 12, S. 53 (E.Bora); N D B 3, S. 394 (B.Hoffmann). 27 Beckh, Zeltner, S. 218f. Zu weiteren Verflechtungen der genannten Familien vgl. die Stammtafeln in: Hirschmann, Konnubium, S. 344, S. 347. 28 Pilz. 29 Pilz, S. 260f.; SAN, NL 11 357. 30 NDB 15, S. 646 (W.Fink). 31 GHBA 4, S. 115ÍF.; NDB 4, S. 386f. QM.Lutz, W.Zorn). 32 SAM, BA 1838/147. 33 StAM, AG München I A N R 1880/1364 (darin der Ehevertrag vom 22.XII.1847). 34 S.o.S. 85f. 35 SAR, FB Georg Josef Manz (»1.II.1808); Meiner, S. 13ff.; SAR, FB Friedrich Pustet I (*25.II.1798). 36 Der Protestant Gustav Frommel, Gérant der SWA, heiratete 1851 eine katholische Augsburgerin (SAA, FB Gustav Frommel, *21.1.1808); der Protestant Karl Ludwig (von) Forster (nach dem Tod seiner ersten Frau) 1826 die katholische Louise Freiin von Eichthal, eine Tochter Arnolds Frhr. von Eichthal. Im zweiten Fall spielte die hohe Mitgift von 40.000 fl. vermutlich eine zentrale Rolle: Forster hatte gerade damit begonnen, seine Kattundruckerei - dessen Alleininhaber er 1828 wurde - zu erweitern und durchgreifend zu modernisieren (SAA, FB Karl Ludwig von Forster, *10.II.1788; Fassl, Forster, S. 178, S. 183). 37 Vgl. Wehler, S. 195; Zorn, Bayerisch-Schwaben, S. 265f., der die große Distanz zwischen den katholischen und protestantischen Unternehmerfamilien Augsburgs in der Zeit des Alten Reichs beschreibt und auf die Schwierigkeiten der Katholiken bei der Suche nach adäquaten Ehepartnern hinweist; während die protestantischen Familien in Kontakt mit zahlreichen Reichsstädten standen, waren die katholischen vielfach auf Italien verwiesen. 38 Hier liegt allerdings ein methodisches Problem: Die verwendeten Quellen geben Auskunft vor

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Anmerkungen zu S. 106

-112

allem über die frühe und mitdere Lebensphase der Söhne und Schwiegersöhne. Wieviele »Kaufleute« und »Angestellte« noch in eine Unternehmerposition einrückten, bleibt daher ebenso ungewiß wie die genaue Zahl der Söhne und Schwiegersöhne, die später aus einer Unternehmerposition ausschieden. - Vgl. Schüren, S. 236ff., der daraufhinweist, daß das Risiko des Abstiegs in die Unterschicht für die Kinder von mittleren Unternehmern deutlich geringer war als das von Handwerksmeistern und anderen Angehörigen des >alten Mittelstandes) 211, 311 Prinz, Fritz (1840-1914) 177, 307 Pschorr, Familie 2 0 7 Í , 214, 220, 247 Pschorr, August (1862-?) 207, 220, 237, 311 Pschorr, Georg d. Ä. (1798- 1867) 115 Pschorr, Georg d. J. (1830-1894) 77,115f., 219, 291 Pschorr, Georg Theodor (1865- >) 220,222,244, 311 Pschorr, Joseph (1770-1841) 64, 116f., 298

348

Pschorr, Joseph (1867-?) 207,220,242,246,268, 270,311 Piihn, Theodor (von) (1829-1900) 177, 307 Puscher, Wilhelm (von) (1818-1900) 132,140, 255, 298, 301, 303 Pustet, Familie 217 Pustet, Friedrich I (1798- 1882) 65, 91, 104, 126f., 133, 239, 253, 288, 296 Pustet, Friedrich Π (1831- 1902) 131, 239, 259 Pustet, Friedrich ΠΙ (1867- 1947) 237, 239 Pustet, Karl (1839-1910) 239

Raff, Albert (1829-1890) 168, 305 Raff, David (1862-?) 168,305 Raith, Anton (1860-1915) 177, 307 Rank, Joseph (1868-1956) 193, 309 Rasp, Carl (von) (1848-1923) 178f., 245, 307 Rathgeber, Joseph (1810-1865) 101, 128f., 290, 295 Redtenbacher, Ferdinand 175 Regensteiner, Leopold (1856-?) 169, 306 Reh, Andreas (1826-1906) 102, 296, 318 Rehbach, Johann Christoph (1805-1884) 126, 129, 131f., 140, 297 Rehbach, Johann Jakob (1771- 1849) 110, 122, 125, 290 Reichenbach, CarlAugust (1801-1883) 62f., 101, 132, 287, 295, 301 Reifjean (1843-1915) 244 Reif, Johann Georg (1810-1870) 65, 113, 288, 298 Reiss, Familie 2 0 8 , 2 1 2 Renk, Familie 218 Renk, Johann Julius (1848-1896) 192f., 217f., 309, 312 Riedinger, August (1845-1919) 203, 313 Riedinger, Ludwig August (1807-1879) 76, 808 2 , 9 0 , 1 0 1 , 1 2 8 f . , 140, 164, 207, 219f., 252, 254, 256, 290f., 294f., 300, 313, 315, 321 Riemerschmid, Anton (1802-1878) 123,125,132, 140, 2 9 6 , 2 9 9 Rieppel, Anton (von) (1852-1926) 167, 176, 185, 219, 241, 243f., 246, 248f., 280, 307, 315, 318f. Riezler, Franz Xaver (1788- 1854) 122, 124f., 128, 131, 140 Rodenstock, Joseph (1846-1932) 146, 303 Röchling, August (1856-?) 164,305 Sander, Ludwig (1790-1877) 102, 126, 138 Sander, Theodor (1816-1876) 131, 253 Schaezler, Familie 156, 216 Schaezler, Benedikt Ferdinand Frhr. v. (17951856) 1 0 3 , 1 1 2 , 1 1 9 , 1 2 2 , 1 2 4 , 1 2 6 , 1 2 8 , 1 3 1 , 138, 297 Schaezler, Johann Lorenz (Frhr. v.) (1762-1826)

66, 92, 112, 114, 123f., 136-138, 220, 288, 292, 294, 296f. Schaezler, Karl Ludwig Frhr. v. (1800-1861) 103, 112,126,128,138 Scharrer, Johannes (1785-1844) 103,123, 299 Schauß, Dr. Friedrich (von) (1832-1893) 178, 238,249, 307 Schiffinacher, Eusebius (1818- Ï) 64, 288, 290 Schlör, Gustav (von) 133 Schmid, Familie 110,207,217 Schmid, Jacob Friedrich d.Ä. (1777-1824) 66, 288,290, 296 Schmid, Jacob Friedrich d.J. (1807-1853) 102, 109,128, 296f. Schmid, Paul (von) (1842-1928) 110,189,219f., 242, 247, 266, 308, 323 Schmidmer, Familie 167, 290 Schmidmer, Ernst (1792-1868) lOOf., 128,131 Schneider, Friedrich (1815- 1864) 66, 288 Schoch, Wilhelm (1866-?) 178, 203, 307 Schoenner, Georg sen. (1821-1899) 74 Scholz, Adolf (1860-1931) 148,167, 303 Schregle, Johannes (1841-1908) 164, 305 Schricker, Fritz (1863-1944) 177, 203, 307, 311 Schuckert, Sigmund (1846-1895) 59, 148, 160, 163, 205, 259, 280, 303 Schuh, Georg (von) 263f., 323 Schwarz, Benedict (von) (1771-1832) 103,119, 136f. Schwarz, Maximilian (1848-1917) 184,214,237, 308 Schwerdtner, Anton (1794-1868) 122,129, 140 Sebald, Hanns (1852-1906) 193 Sedlmayr, Familie 207, 211, 220, 316 Sedlmayr, Anton (1849-1920) 219-221 Sedlmayr, Gabriel d.Ä. (1777-1839) 65, 100 Sedlmayr, Gabriel d.J. (1811- 1891) 77, 126, 128f., 131- 133, 140, 219f., 227, 291, 295, 301, 312f. Sedlmayr, Gabriel (von) (1850- 1931) 185, 217, 219, 242, 244, 248, 266, 308 Sedlmayr, Joseph (1808-1886) 131,133,207,308 Sedlmayr, Karl (1847-1915) 219-221, 237 Seligmann, Familie (s. a. Eichthal) 91, 294 Seligmann, Aaron Elias (1747-1824) 102,136f., 302 Sombart, Werner 82 Späth j o h a n n Wilhelm (1786-1854) 62,75,101, 284 Staedtler, Familie 65

Staedtler, Johann Georg d.J. (1832-1876) 100 Staedtler, Christoph Friedrich (1809-1880) 100 Steinheil, Carl August (von) (1801-1870) 79f., 90,128,138,292 Stetten, Familie 85, 111, 207, 211f. Stetten, Carl von (1822-1896) 111,128,211,252, 311 Stetten, Paul von (1790-1872) 111, 128f., 140, 297 Strauß, David Friedrich 294 Süßkind, Familie 156,216 Süßkind, Johann Gottlieb (Frhr. v.) (1767-1849) 66,92,111,113f., 123,136f., 220,288,290, 296, 298, 302 Sybel, Heinrich (von) 66 Thalmessinger, Dr. Hugo (1875-1915) 170,306, 309 Thieme, Carl (von) (1844-1924) 178, 271 Thum und Taxis, Fürst von 84, 221, 298, 310 Tucher, Familie 85 Tümmel, Wilhelm (1808-1886) Vecchioni, August 79 Wacker, Alexander (von) (1846-1922) 163,205, 219,242,305,311 Wamsler, Friedrich (1852-1913) 146,192f., 221, 303, 309 Weber, Max 90, 279f. Werder, Johann Ludwig (1808- 1885) 63, 132, 301 Werder, Jacob Ludwig (1844- 1887) 221 Wilhelm, Emil (1844-?) 146, 164, 259, 303 Wiß, Familie 111 Wiß, Johann Christoph David (1780-1867) 117, 128,140, 294 Woerner, Roman (1857-Ï) 147, 167, 303 Woerner, Franz Heinrich (1859- >) 147,167,184, 206, 303,311 Wohnlich, Familie 112,297 Wohnlich, Daniel Conrad (von) (1753-1839) 136f., 302 Zahn, Johann Benedikt (1794- 1878) 122, 130, 140 Zahn, Friedrich Karl (1861- 1920) 237 Zeltner, Johannes (1805-1882) 93,103,123,126f., 129, 139f., 291, 296, 300, 313, 315, 317

349

2. Geographisches Register (Die fünf untersuchten Städte: Augsburg, München, Nürnberg, Regensburg, Ludwigshafen sind nicht aufgenommen)

Amberg 2 5 3 , 3 1 7 Amerika (s. USA) Ansbach 62, 66, 292, 296 Aschaffenburg 1 4 7 , 2 0 6 , 2 8 7 Baden 60, 63f., 69, 143, 193, 203, 212, 298 Bamberg 3 8 , 2 1 3 Barmen 169 Bayreuth 3 3 , 1 4 9 Belgien 1 5 9 , 3 2 1 Berün 2 6 , 3 6 , 4 2 , 6 0 f . , 6 4 , 6 9 , 7 2 , 7 4 - 7 6 , 9 6 , 1 4 2 , 145, 170, 175, 200, 207, 281, 297, 301 Bonn 174 Braunschweig 60, 126, 146, 1 6 3 , 1 7 5 Bremen 1 4 5 , 2 8 8 , 2 9 3 Breslau 74 Chemnitz 147, 176 Coburg 101, 150, 321 Darmstadt 145 Donauwörth 149 Dresden 105, 163 Dublin 77 Düsseldorf 105 Elberfeld 169, 175 Elsaß(-Lothringen) 60, 64, 76, 175, 290, 322 England 37,46,61,76f., 123,130,159,162-164, 175, 2 1 1 Í , 308 Erfurt 178

Hamburg 43, 75, 105, 110, 145,156, 160,184, 293 Hannover 60, 174f., Hannoversch-Münden 132 Heidelberg 146, 192, 207 Heidenheim 80, 1 0 1 , 1 7 7 Heilbronn 80, 146 Hessen 60f., 143, 149, 171, 204, 288 Hof 33, 81 Ichenhausen 149, 168 Ingolstadt 154 Italien 61, 66, 76, 159, 296, 305 Kaiserslautern 26, 34f., 5 2 , 1 4 5 , 174 Karlsruhe 103, 146, 162, 164, 175f., Kassel 163 Kaufbeuren 33, 63f., 203, 287 Kempten 33, 81, 164 Kolbermoor 33, 229 Köln 145 Königsberg 80 Kulmbach 38, 177 Landshut 65, 110, 178 Leipzig 65f., 110, 163, 2 0 5 Í , Leverkusen 203 Lindau 8 1 , 1 1 9 , 3 0 4 Linz 81 Liverpool 176f., London 75, 77, 175

Erlangen 80, 100, 133, 154, 200 Frankenthal 3 5 , 3 8 , 5 2 Frankfurt a.M. 26, 30, 79, 105, 145, 175, 200, 211, 307 Frankfurt/Oder 74, 147 Frankreich 25, 76, 87, 125, 130, 156, 159,162, 164 Freiberg 184 Freiburg i. Br. 79, 174, 203 Fürth 26, 38, 46, 59, 62, 243, 299 Genf 93 Gent 160, 174 Gießen 150, 162 Glasgow 77 Gotha 177 Göppingen 1 6 8 , 2 0 0 Göttingen 80, 163

350

Magdeburg 163 Manchester 76f., Mannheim 20, 48, 145, 162, 175f., 207f., 212, 238,312 Meiningen 204 Mittelfranken 22, 24f., 36- 43, 65, 85, 125,147, 168, 222 Mülhausen (Elsaß) 76 Nassau 69 New York 75, 168, 268 Niederbayern 25, 36-42 Niederlande 87, 159 Nördlingen 110, 146, 149 Oberbayern 24f., 32f., 36-41,43,64f., 125,228f., 322

Oberfranken 25,27,32-34,36-42, 111, 146,184, 283,285 Oberpfalz 25f., 32, 37f., 40f., 5 2 , 1 2 5 , 1 7 6 , 253, 322, 324 Österreich 26, 47, 77, 156, 159, 267, 281, 301, 308, 313 Paris 29, 74f., 1 3 0 , 1 6 0 , 1 6 8 , 1 7 5 , 2 0 0 , 2 9 1 Fassau 65 Pfalz 22, 24-27, 31-43, 48, 61, 125, 146, 174, 212, 232- 234, 239, 246, 282, 284-287, 302, 316 Posen 60, 149 Preußen 1 6 , 1 9 , 2 3 - 2 5 , 4 0 - 4 3 , 7 3 , 1 2 1 , 1 3 0 , 1 4 2 145, 170,175, 234, 257, 271, 281, 284, 309, 322 Rheinprovinz 16,23,34,36f.,42,60,72f.,93,95, 290f., 293 Ruhrgebiet 145 Rußland 63, 75, 159, 168, 174, 313 Saarbrücken 164 Saargebiet 25, 48, 96, 145, 285 Sachsen 24f., 34, 36, 40-43, 60f., 96, 130, 143, 1 4 5 , 1 4 8 , 1 7 1 , 1 7 6 , 204, 2 7 9 , 2 8 1 , 2 8 5 Schlesien 33, 60, 145 Schwaben 20,25,33f., 3 6 , 3 9 - 4 1 , 4 3 , 4 6 , 5 2 , 1 2 5 , 155, 252, 292, 298 Schweinfurt 3 7 , 2 8 7 Schweiz 61, 63, 76, 93, 288, 294, 313 Sigmaringen 147 Sonthofen 33

Speyer 38, 48, 174, 253 Stein 8 7 , 3 1 3 Straßburg 168 Straubing 148 Stuttgart 79, 168, 306f. Thüringen 60-62, 69, 71,143, 146,171, 287 Trient 6 3 , 6 6 Triest 76 Tübingen 155, 174 Uhlfeld 168 Ulm 61, 103,168 Unterfranken 25, 37-41, 6 2 , 1 2 6 , 285, 287f. USA 1 4 8 , 1 5 6 , 1 6 0 , 2 1 1 Venedig 76 Vilshofen 148 Westfalen 1 6 , 6 0 , 6 4 , 6 9 , 71- 7 3 , 9 1 , 9 3 , 9 5 , 1 4 3 , 153,158,182,190,205,234,240,251,290f., 293, 320 Wien 74-76, 192, 307-309 Worms 177, 288, 296 Wunsiedel 176 Württemberg 25f., 40f., 4 3 , 6 0 , 6 6 , 9 1 , 1 1 1 , 1 3 0 , 143, 154, 163, 168, 200, 281, 305 Würzburg 35, 38, 43, 61, 63, 65, 74, 146, 204 Zürich 76, 81, 160, 174,177, 288 Zweibrücken 35, 218, 284

3. Sachregister Adel (s.a. Nobilitierung) 13- 16, 82-86, 95, 98, llOf., 150,156,179-185, 201, 205-213,222, 241, 271, 274, 276, 292 - erblicher 18, 69, 84, 86, 102f., 112f., 118f., 134-138, 156, 186f., 199, 211, 216, 245f., 255, 271, 274, 280, 298, 304, - hoher 103f., 220, 311 - persönlicher 135, 185, 238, 250, 255, 265f., 270, 276, 324 Aktiengesellschaften 27,30f., 4 6 , 6 3 , 8 5 , 9 7 , 1 4 2 , 1 4 9 , 1 7 0 , 1 7 7 , 2 0 7 , 2 1 3 , 2 1 7 f . , 221,227,283, 306 Angestellte 96f., 107-109, 187-189, 191, 195198, 205f., 209f., 214-216, 244, 297 - als Herkunftsgruppe 150- 1 5 4 , 1 6 1 , 1 8 0 , 1 8 2 Angestellte Unternehmer 1 8 , 5 6 , 6 4 , 7 1 , 7 6 , 8 0 f . ,

9 0 , 1 0 1 - 1 0 3 , 1 2 8 , 1 4 2 , 1 4 7 , 1 4 9 f . , 153- 155, 158f., 163f., 170-179, 185, 202-204, 220, 234f., 238,241-243,260,289,292,306,310f., 316 Ansässigmachung (s. Niederlassung) Arbeiter (s.a. Unterschicht) 15,96f.,99,127-129, 187-189, 191, 204, 206, 233, 236, 252, 260, 266 - als Herkunftsgruppe 6 7 - 6 9 , 7 1 , 7 8 , 8 1 , 8 3 , 9 9 , 150-154, 161, 180, 182, 184, 191 Arbeiterbewegung 21, 231, 252 - Gewerkschaften 244, 248f., 318 - Sozialdemokratie 231-233, 235f., 244f., 247, 249f., 259f., 263, 316 Architekten 156, 193, 203, 211, 213 Aristokratisierung (s. Feudalisierung)

351

Aufsichtsräte 85, 174, 184, 200, 207, 214, 217, 238,242, 245-249,266 Augsburger Postzeitung 79 Auslandsaufenthalte 63, 74-77, 148, 158-160, 164,168,173177,184,192,200,211f., 252, 290, 308 Badische Anilin- und Sodafabrik (BASF) 37,48, 50-52,59,142,150,155,162,167,170,174f., 211, 222, 237f., 241, 244, 247f., 250, 264266, 273, 306, 317 Bankgewerbe 18, 31, 39, 41, 45-47, 49, 51, 53, 56f.,94,97,142,149,156-158,167-170,177, 186, 245-247,250,273,282,285, - Bayerische Hypotheken- und Wechselbank 27, 47,59,70,104,119,122,138,170,178f., 238, 245, 247f., 266, 285 - Bayerische Handelsbank 27, 178, 203, 239 - Bayerische Vereinsbank 27, 170, 178, 238, 248, 319 - Privatbanken 64, 66, 70f., 82, 90f., 103f., 112f., 136, 138, 149, 154, 167, 214, 219f., 252, 290, 292, 298 - Süddeutsche Bodencreditbank 150,178,203, 238 Bauern 13,95,104,107-109,138,187-189,191, 193,195- 199, 202, 204,206,209f., 215 - als Herkunftsgruppe 67- 71, 78, 99f., 103, 106,150-152,154f., 161,165,171,174,182184,191, 211, 289, 292, 309 Baugewerbe 44f., 48f., 57,147,155,157f., 167, 169, 184, 193, 219, 246, 286 Bayerische Reichspartei 232, 239 Bayerischer Industriellenverband (BIV) 21, 239, 243-245, 249 Beamte, höhere 14,85,95-112,135,140,179f., 186-193, 195-202, 204-206, 208-210, 212, 214-216, 257, 261, 272, 275, 291, 294-297, 308, 320 - als Herkunftsgmppe 67- 70,78-80,82,84,99, 103,150-153,155,161,171f., 178,180,182, 289, 292 Bekleidungsindustrie 49,149, 168 Betriebliche Sozialpolitik (s. »Wohlfahrtseinrichtungen«) Beschäftigtenzahlen - einzelner Branchen 19, 33- 45, 50-53, - einzelner Unternehmen 46, 74f., 146, 148f., 156, 169, 176f., 179, 217, 253, 261f., 290 Bezirksregierungen, Regierungspräsidenten 20, 22,29f., 87,98,106,121,124-128,137f., 140, 251-255, 258, 263, 265, 267, 269f. Bildungsbürgertum (s.a. Beamte, Freie Berufe) 13-15,68,70-72,77f.,94f.,98,105,141,151, 154,156,158,160,165,171f., 175,177,187, 194, 200f., 274-276, 279, 288f. Bleistiftherstellung 65, 74f., 82, 148, 219

352

Braugewerbe 28f., 37-39,44,50,64f., 68,70,77, 100, 115- 117, 130, 148f., 170f., 177, 207, 217, 219f., 237,244, 246,285 Buch- und Zeitungsverlagsgewerbe 18, 45, 47, 56f., 65f., 70,79,91,104,127,133,154,159, 169, 190, 193, 217, 239, 252f., 261 Bund der Industriellen (Bdl) 243f. Bürgerrecht (s. Gemeindeverwaltung) Centraiverband Deutscher Industrieller (CVDI) 103, 242-244 Chemische Industrie 36f., 39,42-45,48f., 57,82, 155,157-159,162f., 167,169,171,173-175, 186, 217, 246, 265, 285, 292 Deutscher Nationalverein 79 Deutscher Reformverein 132f. Ehe- und Erbrecht (s.a. Mitgift, Testamente, Witwen) lOlf., 104, 113,118, 223-226, 275 Eisenbahn 26f., 30-32, 35,42,46-48, 54,63,85, 124, 175, 230 - Nürnberg-Fürther 26, 46, 59, 62, 92, 103, 299f. Elektrizitätsaktiengesellschaft (EAG), vorm. Schuckert 36, 47, 50f., 142, 147, 163, 170, 175, 220, 238, 242, 244, 264, 266, 273 Elektroindustrie 36, 39, 147,155, 175, 246 Erfindungen 28, 79, 148, 163, 305 Feudalisierung 14-18, 20, 112, 138, 141, 212, 223, 250, 271, 273f., 279 Fideikommiß 119, 222, 245, 255, 298f., 313, 321f., 324 Fortschrittspartei 79, 133 Fortschrittliche Volkspartei (s.a. Liberale) 232, 239, 245 Freie Berufe 15,96,99,107-109,187-191,194198, 201- 204, 206, 209f., 212, 215f., 296 - als Herkunftsgruppe 67- 69,78f., 99,151-153, 161, 174, 177,180, 182, 191, 292 Gemeindeverwaltung 260f., 264, 266 - Bürgermeister 92,103,122f., 125,177,235f., 239, 263f., 267-270, 317 - Bürgerrecht, Wahlrecht (s.a. Niederlassung) 21, 88, 120, 131,168, 192, 232f., 261, 305 - Gemeindebevollmächtigte 120-123, 129-132, 140,232- 239,241, 252f., 259,299, 301, 316 - Gemeinderäte (Pfalz) 233- 238, 265, 316 - Magistrat(sräte) 29, 65, 120-123, 128, 130132, 140, 168, 178, 200, 234-239, 241, 252, 255,258, 299,301 »Gesetz der dritten Generation« 216, 275 »Gelbe« Gewerkschaften 244,248 Gewerbekonzessionen 23, 25, 27-31, 59,65, 71, 74,80,87,121,123,168,233,275,282f., 305

Grundbesitz 17, 83, 85, 88, 112, 114f., 117, 119f., 136- 138, 221f., 228, 271, 274 Gründer 55,62-66, 70, 74f., 77-81,91,94,100, 119, 131, 145-147, 149, 154-156, 158160, 162, 165, 167f., 178, 185, 192f., 213f., 216, 221, 289, 291f., 295, 304f., 309 Gutsbesitz (s. Grundbesitz) Gutsbesitzer 96f., 99, 106- 109, 111, 113, 119, 134, 136, 180, 187-191, 195-199, 201, 204206, 208-211, 214-216, 237, 245f., 274, 289 - als Herkunftsgruppe 67f., 70,78,84,150-152, 161, 182, 190 Handeiskammern 21, 85,121,125f., 128f., 131, 140, 240- 247,250,254f., 265-270, 300, 324 Handelsvorstand (Nürnberg) 126, 240 Handwerk 29,30f., 33,35,42,44-47,61,64,79, 83, 88, 147f., 235 Handwerkslehre (s. Lehre) Handwerksmeister 95-99, 107- 109, 186-192, 195-199,202,204,206,209f., 215,274,296f. - als Herkunftsgruppe 67-72,78f., 81f., 91,101, 106,148-155,161,165,171f., 180,182-185, 191, 214, 241, 289-291, 295, 309 Hansa-Bund (HB) 243-245, 250 Heiratsalter 101, 192, 205, 295, 309, 311 Heiratsgut (s. Mitgift) Hof, königlicher 20, 246f., 249 Ingenieure 63, 76, 80-83,103,156f., 160f., 176, 183, 203f., 292 Juden (s.a. Konversion zum Christentum) 66,69, 87-89,91, 94,104,126f., 137,141,147-149, 165-170, 172, 179, 183, 185f., 194, 212f., 225,229,235,241,259-261,275,293f., 297, 305, 312, 323f. Kapitalgesellschaften (s. Aktiengesellschaften) Katholiken 20, 65, 87-94, 103f., 127, 133,137, 165-167,169,172,183,186,193f., 207,213, 234f., 241, 259,294, 296, 305, 311 Kinderzahl 110, 201, 214, 310-312 Kommerzienräte 56, 135, 154, 179-185, 204213, 237f., 241, 250, 256-266,268-272, 276, 307,311 - Geheime Kommerzienräte 185,211,257,265268, 307 Konversionzum Christentum 91,166,194,212f., 306 Konzessionen (s. Gewerbekonzessionen) Kreisregierungen (s. Bezirksregierungen) Künsder 107-109, 195-199, 203, 208-211, 213216, 275, 291, 312 Landrat 121, 125, 131, 255 Landtag (s.a. Reichsrat) 26,29,92,121,123-125,

127, 131f., 140, 231, 234, 238f., 245, 249, 254, 307, 317 - Wahlrecht 87,121, 132, 134, 232, 300, 315 Landwehr 121,126,128f., 140,251 Landwirte (s. Bauern) Legate 118,226,229 Lehre - handwerkliche (s.a. Wanderschaft) 29,65,7278, 80, 83, 94, 100, 148, 156-163, 165, 173, 183f., 193, 200, 254, 308 - kaufinännische 29, 62, 65, 72-78, 94, 100, 136,146, 154,156-159,161,163-166,168f., 172f., 175-178, 183-186, 200, 213, 253, 290 Liberalismus 14,123,125,127,130,132f., 194, 231, 235-239, 250, 275, 301, 307, 316 - Nationalliberale 231f., 238f., 242, 249, 262 - Linksüberale 127, 129, 231f., 244f., 247 Manufakturen 28,33,37f., 80,87,136,283,285, 290-292 Maschinenbau 35f., 39,42,44-46,49,57,62,66, 73, 75, 80f., 101, 147, 155, 157f., 167, 169, 171,175,214,219f., 242,246,248,284,286, 292 Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg (MAN) 46f., 50f., 62f., 147,167,170,175f., 185,220,238, 241,243,248-250, 255,266,273,286, 306f., 313,318 Max(imilians)hütte 32, 52, 119, 203, 242, 244, 266 Mäzenatentum (s. a. Stiftungen) 229f., 266, 271 Mechanische Baumwollspinnerei und - Weberei AG Augsburg (SWA) 33,46,50f., 59,76,80,112, 124, 128, 203, 273 Metallverarbeitung 39,44f., 49, 57,65, 74,148, 155, 157f., 167,169, 217, 243, 284 Militärdienst 174f., 260 Millionäre 56, 81, 137, 156, 179-185, 204-213, 218-220, 229, 237f., 241f., 253, 260, 298, 307,311 Mischehen 104, 193, 207f. Mitgift (s. a. Ehe-und Erbrecht) lOOf., 103,108f., 112, 117-119, 184, 192, 200, 224, 226, 310 Münchener Neueste Nachrichten 79 Niederlassung (s.a. Gemeindeverwaltung) 21,25, 30f., 86- 88, 120f, 168, 184, 283, 305 Nobiürierung (s.a. Adel) 14,17,22,69,75,85f., 91, U l f . , 119,134-139,141,179f., 185,205, 216, 222f., 238, 255, 264f., 271, 293, 302, 321, 324 Offiziere 85, 95-101, 105-112, 140, 187-191, 194-206, 208-212, 214-216, 228, 275f., 296, 309f. - als Herkunftsgruppe 68-70,73,78,80,84,99, 150-153, 178, 181f., 288, 292

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Orden 22, 134-136, 138-141, 168, 229f., 250258, 261, 264- 268, 270-272, 276, 302, 320 - Michaelsorden 135, 138- 141, 251, 261, 264f. - Zivilverdienstorden der bayerischen Krone (Kronenorden) 134, 138-140, 255, 264-267, 270f. Ostbahn 26 Patriotenpartei (s. Zentrumspartei) Patriziat 65f., 84-86, 88, 9 4 , 1 0 2 - 1 0 4 , 1 2 0 , 1 2 2 , 293, 296 Pfarrer 96f., 99, 112, 187- 189, 195-198, 206, 209f., 215f. - als Herkunftsgruppe 67- 70, 78, 82, 99, 151153, 182, 292 Pietismus 91 f. Polytechnikum (s. Technische Hochschulen) Privatiers 18, 106-109, 116,150-152, 161,182, 187f., 190- 192, 195-199, 205f., 208-210, 213-216, 227, 274f. Protestanten 20, 85, 87-94,104, 127, 133,165167,169,172,183,186,193,207,213,234f., 241, 265, 273, 293f., 296, 311 Reformierte (s. Protestanten) Regierung, bayerische (s.a. Bezirksregierungen) 22, 29, 231, 240, 247-249 - Kultusministerium 262f., 269 - Ministerpräsident 247, 249, 265, 270, 272 - Ministerium des Inneren 29, 127, 249, 251, 254, 2 5 8 , 2 6 1 - 2 6 3 , 2 6 7 , 269f. - Ministerium des Königlichen Hauses und des Äußeren 256, 267, 269-271, 319 Reichsrat, -rate 133f., 139, 141, 234, 238, 245249, 255, 271, 302f. Reichstag 232, 234, 238f., 244f., Rentiers (s. Privatiers) Reserveoffizier (s. Militärdienst) Revolution 1848/49 14, 18, 30, 121, 127-134, 139f., 250, 252, 274f., 280, 301 Rückständigkeit Bayerns 23-26,32f., 36f., 39,43, 273, 281, 285 Schuckert (Unternehmen) (s. EAG) Schulbildung 72, 75, 156, 159, 164, 168, 173175, 193, 304 Selbstrekrutierungsgrad der Unternehmer 16,69, 150, 153f., 180, 274, 289 »Soziale Bürokratisierung« 271-273, 276 Sozialer Aufstieg 17, 71, 81- 83, 95, 101, 103, 106, 1 3 6 , 1 5 1 , 1 7 2 , 179,185, 205, 211,214, 273, 289f. Sozialer Status 97, 111, 201, 205, 214, 262 Sozialpolitik 2 7 , 2 3 0 , 238, 240,243f., 249,272, 276,319 Spenden (s. Stiftungen)

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Stadtbürgertum 13, 29, 60, 63, 66, 78, 84, 94, 123, 125, 149, 235, 275 Ständekammer (s. Landtag) Startkapital 71, 74f., 77-79, 95, 99-101, 112f., 164, 184f., 192, 291 Steuern 27, 29, 230, 232, 248, 261, 314f. Stiftungen 185,229f., 262- 264,266-271, 314f., 323 Studium (s. Technische Hochschulen, Universitäten) Techniker (s. Ingenieure) Technische Hochschulen 72f., 76, 78, 80f., 103, 146,156-161,163,165,172-177,183f., 186, 200, 290, 304f. Testamente 21, 92, 112, 114, 117, 119, 200, 222f., 225-229, 313 Textilindustrie 27, 33-36, 3 9 , 4 2 , 49, 57, 69-71, 73,80f.,95,143,148,153,157-159,167-170, 242,246, 2 8 4 , 2 9 0 - in Augsburg 44-46, 50,52,63f., 66,70f., 73f., 76, 80f., 90,171,176f., 207, 214, 237f., 242, 252, 259, 266, 286, 292 Titel (s. Kommerzienräte) Übergabe des Unternehmens 115f., 218, 227f., 314 Universitäten 20, 47, 65, 67, 72f., 78-80, 155163, 165, 172, 174, 177f., 183f., 186, 192, 200, 211f., 290, 304 Universitätsprofessoren 107-109,138,187-189, 195-198, 2 0 0 , 2 0 3 , 2 0 6 , 209f., 215 - als Herkunftsgruppe 68, 80, 308 UnternehmerbegrifF 18, 55, 58, 70 Unternehmerdynastien 65, 142, 167, 185, 194, 201, 211, 213218, 235, 242, 275 Unternehmertypen 15, 77f., 81f., 94f., 100,106, 110, 129f., 139f., 161, 185f., 256, 274, 279, 292 Unterschicht 13,71,82f., 138,273,276,289,297 Verband Bayerischer Metallindustrieller 248 Verein Süddeutscher Baumwollindustrieller 242 Verlage (s.a. Buch- und Zeitungsverlage) 3 3 , 4 6 , 69, 283 Versicherungsgewerbe 1 8 , 3 9 , 4 1 , 4 7 , 4 9 , 5 1 , 5 3 , 149, 156- 158, 177f., 273, 285 -

Münchener RückVersicherungsgesellschaft 1 7 8 ,

271, 285 Vermögen (s.a. Startkapital) 21, 71, 102, 112115, 118, 124, 136f., 179-181, 184f., 200, 207, 216, 218-224, 226, 260, 266, 271, 274, 289, 298, 312, 322 - Zusammensetzung 114f., 221 f., 226-228 Wanderschaft 29,63, 7 4 , 7 7 , 1 4 6 , 1 4 8 , 1 6 0 , 1 9 2 , 290

Witwen 102, 104,117-119, 218, 223f., 226f. »Wohlfahrtseinrichtungen« der Unternehmen 80, 128,252-255,259,264f., 300 Zentrumspartei 79, 133, 194, 231-233, 235f., 239f., 247, 249,252f., 256,259, 316 Zollverein 17, 32-39, 42, 46, 52, 59, 123, 133, 136, 231, 242, 282

Zuwanderer 17, 60-66, 79-81, 89-91, 94f., 104, 122f., 126, 131f., 136, 143-149, 167, 171, 180,192,205f., 225,234,242,273,275,288, 293 - Fernwanderer 61, 64, 145, 167, 171, 192, 234

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