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German Pages 169 [170] Year 2010
ENZYKLOPÄDIE DEUTSCHER GESCHICHTE BAND 38
ENZYKLOPÄDIE DEUTSCHER GESCHICHTE BAND 38 HERAUSGEGEBEN VON LOTHAR GALL IN VERBINDUNG MIT PETER BLICKLE, ELISABETH FEHRENBACH, JOHANNES FRIED, KLAUS HILDEBRAND, KARL HEINRICH KAUFHOLD, HORST MÖLLER, OTTO GERHARD OEXLE, KLAUS TENFELDE
BAUERN ZWISCHEN BAUERNKRIEG UND
DREISSIGJÄHRIGEM KRIEG VON ANDRE HOLENSTEIN
R. OLDENBOURG VERLAG MÜNCHEN 1996
Die Deutsche Bibliothek
CIP-Einheitsaufnahme -
Enzyklopädie deutscher Geschichte / hrsg. von Lothar Gall in München : Oldenbourg. Verbindung mit Peter Blickle -
...
ISBN 3-486-53691-5 NE: Gall, Lothar [Hrsg.] Bd. 38. Holenstein, Andre: Bauern zwischen Dreissigjährigem Krieg. 1996
Bauernkrieg und
-
Hoienstein, Andre: Bauern zwischen Bauernkrieg und Dreissigjährigem Andre Holenstein. München : Oldenbourg, 1996 (Enzyklopädie deutscher Geschichte : Bd. 38) ISBN 3-486-55714-9 kart. ISBN 3-486-55715-7 Gewebe
Krieg / von
-
© 1996 R.
Oldenbourg Verlag.
München
Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und die Bearbeitung in elektronischen Systemen.
Umschlaggestaltung: Gesamtherstellung:
Dieter Vollendorf, München
R.
Oldenbourg Graphische Betriebe GmbH,
ISBN 3-486-55715-7 geb. ISBN 3-486-55714-9 brosch.
München
Vorwort Die
„Enzyklopädie deutscher Geschichte" soll für die Benutzer
Fach-
historiker, Studenten, Geschichtslehrer, Vertreter benachbarter Disziplinen und interessierte Laien ein Arbeitsinstrument sein, mit dessen -
Hilfe sie sich rasch und zuverlässig über den gegenwärtigen Stand unserer Kenntnisse und der Forschung in den verschiedenen Bereichen der deutschen Geschichte informieren können. Geschichte wird dabei in einem umfassenden Sinne verstanden: Der Geschichte in der Gesellschaft, der Wirtschaft, des Staates in seinen inneren und äußeren Verhältnissen wird ebenso ein großes Gewicht beigemessen wie der Geschichte der Religion und der Kirche, der Kultur, der Lebenswelten und der Mentalitäten. Dieses umfassende Verständnis von Geschichte muß immer wieder Prozesse und Tendenzen einbeziehen, die säkularer Natur sind, nationale und einzelstaatliche Grenzen übergreifen. Ihm entspricht eine eher pragmatische Bestimmung des Begriffs „deutsche Geschichte". Sie orientiert sich sehr bewußt an der jeweiligen zeitgenössischen Auffassung und Definition des Begriffs und sucht ihn von daher zugleich von programmatischen Rückprojektionen zu entlasten, die seine Verwendung in den letzten anderthalb Jahrhunderten immer wieder begleiteten. Was damit an Einschärfen und Problemen, vor allem hinsichtlich des diachronen Vergleichs, verbunden ist, steht in keinem Verhältnis zu den Schwierigkeiten, die sich bei dem Versuch einer zeitübergreifenden Festlegung ergäben, die stets nur mehr oder weniger willkürlicher Art sein könnte. Das heißt freilich nicht, daß der Begriff „deutsche Geschichte" unreflektiert gebraucht werden kann. Eine der Aufgaben der einzelnen Bände ist es vielmehr, den Bereich der Darstellung auch geographisch jeweils genau zu bestimmen. Das Gesamtwerk wird am Ende rund hundert Bände umfassen. Sie folgen alle einem gleichen Gliederungsschema und sind mit Blick auf die Konzeption der Reihe und die Bedürfnisse des Benutzers in ihrem Umfang jeweils streng begrenzt. Das zwingt vor allem im darstellenden Teil, der den heutigen Stand unserer Kenntnisse auf knappstem Raum zusammenfaßt ihm schließen sich die Darlegung und Erörterung der Forschungssituation und eine entsprechend gegliederte Auswahlbiblio-
-
VI
Vorwort
starker Konzentration und zur Beschränkung auf die Vorgänge und Entwicklungen. Besonderes Gewicht ist daneben, unter Betonung des systematischen Zusammenhangs, auf die Abstimmung der einzelnen Bände untereinander, in sachlicher Hinsicht, aber auch im Hinblick auf die übergreifenden Fragestellungen, gelegt worden. Aus dem Gesamtwerk lassen sich so auch immer einzelne, den jeweiligen Benutzer besonders interessierende Serien zusamenstellen. Ungeachtet dessen aber bildet jeder Band eine in sich abgeschlossene Einheit unter der persönlichen Verantwortung des Autors und in völliger Eigenständigkeit gegenüber den benachbarten und verwandten Bänden, auch was den Zeitpunkt des Erscheinens angeht.
graphie
an
zu
zentralen
-
Lothar Gall
Inhalt Vorwort des /.
Verfassers.
XI
Enzyklopädischer Überblick.
1
Bedingungen, Techniken und in der bäuerlichen Landwirtschaft
1. Arbeiten:
Nutzungsarten
.
2. Haushalten: die bäuerliche Haus- und Familienwirtschaft
2 5
.
3. Nachbarschaft und Gemeinde. 3.1. Gemeindetypen 3.2. Die Gemeindeverfassung. 3.3. Weistümer und Dorfordnungen: die Verschriftlichung des lokalen Rechts. 3.4. Die Kirchgemeinde 3.5. Das Dorf als Konfliktgemeinschaft. .
.
4. Bauern und Herren. 4.1. Allgemeine Merkmale 4.2. Typen der Agrarverfassung 4.2.1. Die Gutsherrschaft. 4.2.2. Typen der Grundherrschaft 4.3. Struktur und Gewicht der Feudalrente. 4.4. Territorialstaat und bäuerliche Gesellschaft. 4.5. Grenzen feudal-staatlicher Herrschaft und Widerstand der Bauern. .
.
.
5.
14 15 21 24 25 26
26 27 28 30 34 39 41
Agrarkonjunktur, Marktbeziehungen und soziale Differenzierung. Bauern im Dreißigjährigen Krieg.
49
Grundprobleme und Tendenzen der Forschung.
53
A. Grundlinien der
53
6. //.
13
B. 1.
agrargeschichtlichen Forschung Agrargeschichtliche Forschungsfelder. Bäuerliche Arbeit und Ökonomie.
.
44
55 55
VIII
Inhalt
1.1.
Agrarkonjunkturen und -krisen: Konzept W. Abels. Agrartechnik und Arbeitsgeräte der Bauern.
das 1.2. 1.3.
Klima und ländliche Gesellschaft.
2. Familie. Haus, Verwandtschaft: Lebenskreise, Beziehungsnetze und Strategien sozialen Handelns. 2.1. Typen, Zyklen, Funktionen, Lebensläufe, Praktiken: Phasen der ländlichen Haushalts- und
Familienforschung Der Haushalt als „working group".
.
2.2. 2.3. 2.4. 2.5. 2.6.
Das Modell der Ökotypen. Haus und Verwandtschaft. Haus und Herrschaft. Bäuerliche Hauswirtschaft und Markt
55 57 59 62
63 64 66 68 70 73
.
3. Die Landgemeinde zwischen politischer und sozioökonomischer Desintegration
Emanzipation .
Gutsherrschaft: Agrardualismus als Forschungskonzept 4.1. Der Begriff „Gutsherrschaft"
75
4. Grundherrschaft
-
.
.
4.2. 4.3. 4.4. 4.5.
Ursachen der Gutsherrschaft. Phasen und regionale Typen der Gutsherrschaft... Zur historischen Bewertung der Gutsherrschaft Der Agrardualismus als Faktor des Wandels in der Frühen Neuzeit ..
81 83 85 90 91
.
.
5. Feudal-staatliche Herrschaft und bäuerliche Politik. 1525: „Bauernkrieg", „Höhepunkt der frühbürgerlichen Revolution" oder „Revolution des gemeinen Mannes"?. 5.1.1. Fragen der Empirie. 5.1.2. Fragen der Interpretation. 5.2. Bäuerliche Partizipation zwischen Repräsentation und Widerstand. 5.2.1. „Landschaften" im Rahmen der ständischen Ver-
91
95
5.1.
fassung
.
5.2.2. Bäuerlicher Widerstand. 6. Zwischen bäuerlicher Reformation und Volksmagie: zur Bedeutung des Sakralen in der ländlichen Gesellschaft 6.1. Bauern und Reformation. 6.2. Konfessionalisierung und Volkskultur. 6.3. Ländliche Gesellschaft und Hexenverfolgung ....
95 95 99 101 101 103
113 113 116 120
_Inhalt_IX ///.
Quellen und Literatur A.
2. 3.
123
Quellen. 123
B. Literatur 1.
.
.
Allgemeine Darstellungen Synthesen, Modelle, Historiographie. Lokal-und Regionalstudien. .
4. Arbeit und
124 124
125 126
Ökonomie
(Agrarproduktion, -konjunktur, -technik, Klima). 128 5. Soziale Strukturen und Gemeindeleben („ganzes Haus", Familien- und Haushaltsformen, soziale Schichtung, historische Demographie). 131 6. Dorf- und
Landgemeinde.
134
7. Bauern und Herren. 135 7.1. Die Verfassung feudalherrlich-bäuerlicher Be-
ziehungen
7.2. 7.3. 7.4. 7.5.
.
Strukturen feudaler Abschöpfung; Agrarverfassung Gutsherrschaft und Agrardualismus. Formen bäuerlicher politischer Partizipation. Bauernkrieg 1525 und bäuerliche Unruhen.
8. Reformation,
Konfessionalisierung und Hexen-
verfolgungen in der ländlichen Gesellschaft Register
.
.
135 136 138 140 141 145 149
Themen und Autoren. 157
Meinen Eltern
Vorwort des Verfassers In der Konzeption verfolgt der vorliegende Band ähnlich der chronologisch anschließenden Darstellung Werner Troßbachs („Bauern 1648— 1806"; EDG. Bd. 19) das Ziel, „Grundlinien einer .Gesellschaftsgeschichte der Bauernschaft'" am Beginn der Frühen Neuzeit auszuziehen. Die Darstellung geht von den Formen des Wirtschaftens und so-
-
zialen Zusammenlebens
von Bauern aus, sie nimmt die Strukturen kommunaler Organisation auf dem Land in den Blick, schildert feudale und staatliche Herrschaft als zentrale Faktoren in der Ausgestaltung der ländlich-bäuerlichen Lebensverhältnisse, wobei diese nicht zuletzt auch als Ergebnis des politischen Handelns der Bauern selbst interpretiert werden. In beiden Teilen gilt die besondere Aufmerksamkeit auch der sozialen, wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Dynamik und ihren Ausprägungen in der bäuerlichen Lebenswelt des 16. Jahrhunderts. Vorab springen hier die spektakulären sozial-revolutionären Massenbewegungen des Bauernkriegs und der frühreformatorischen Bewegungen ins Auge, doch veränderte sich die ländliche Gesellschaft während des untersuchten Zeitraums nicht minder unter dem Einfluß langfristiger sozio-demographischer und wirtschaftlich-konjunkturel-
ler
Entwicklungen.
Die zeitliche Abgrenzung „zwischen dem Bauernkrieg und dem Dreißigjährigen Krieg" soll nicht mehr als eine angenäherte Eingrenzung eines Zeitraums durch zwei Ereigniskomplexe bedeuten, in wel-
che Bauern auf jeweils höchst unterschiedliche Weise einbezogen waren: im einen Fall als eigenständige Akteure einer politisch-religiösen Auseinandersetzung von weltgeschichtlicher Bedeutung, im anderen Fall weitgehend als Opfer eines politisch-militärischen Konflikts der europäischen Mächte, der der breiten Bevölkerung, insbesondere auch auf dem Land, alle Überlebenskraft abforderte. Der Bauernkrieg und der Dreißigjährige Krieg markieren insofern auch Extreme, zwischen
XII
denen sich das Leben
Vorwort des Verfassers
Bauern in der Frühen Neuzeit abspielte. Die sachlichen Gründen verschiedentlich in's Spätmittelalter zurück, so wie sie für mehrere Themen auch Angaben aus der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg berücksichtigen muß. Solches „Übermarchen" sei hier und da einer Darstellung konzediert, die es mit der Lebenswelt von Bauern zu tun hat. Diffuser fällt die räumliche Abgrenzung des Bandes aus, dessen territorialer Rahmen ungefähr durch die Grenzen der heutigen Staaten Deutschland, Österreich und Schweiz abgesteckt wird; berücksichtigt wurden auch das Elsaß und die Gebiete der deutschen Ostsiedlung. Allerdings vermag diese Überblicksdarstellung diesen Raum keineswegs gleichmäßig zu erfassen. Ohnehin sperrt sich der Gegenstand in vielerlei Hinsicht gegen Eingrenzungen aufgrund herrschaftlich-politischer Kriterien. Hinzu kommt, daß sich die außerordentliche regionale Vielfalt der Erscheinungsformen ländlicher Gesellschaft nicht annähernd breit und repräsentativ genug in der Forschungsliteratur widerspiegelt, so daß bei der Behandlung mancher Frage die eine oder andere regionale und lokale Fallstudie möglicherweise allzu prominent zur Sprache kommt. Es bleibt dem weiteren Gang der Forschung vorbehalten, das Bild zu ergänzen, zu kritisieren und zu vervollständigen. Ausdrücklich möchte ich die Leserinnen und Leser auf thematische Überschneidungen mit anderen Bänden der Reihe aufmerksam machen. Verschiedene Forschungsdiskussionen und -fragen erfahren dort eine Vertiefung, die im Rahmen des vorliegenden Bandes nicht geleistet werden konnte. Von den bereits erschienenen Darstellungen seien hier außer den aus agrargeschichtlicher Sicht besonders interessierenden Bänden von Rösener (EDG 13), Troßbach (EDG 19) und Achilles (EDG 10) auch jene von Blickle zu den Unruhen in der ständischen Gesellschaft (EDG 1), von Pfister zur Demographie (EDG 28), von v. Hippel zu den Unterschichten (EDG 34), von Endres zum Adel in der Frühen Neuzeit (EDG 18), von Mathis zur Wirtschaft im 16. Jahrhundert (EDG 11), von Reininghaus zum Gewerbe (EDG 3), von Schmidt zur Konfessionalisierung (EDG 12) und von Goertz zu den religiösen Bewegungen (EDG 20) erwähnt. Peter Blickle, Christian Pfister und Jon Mathieu haben wertvolle Verbesserungen und Ergänzungen zum Manuskript vorgeschlagen. Ohne Peter Blickles Nachsicht und Großzügigkeit gegenüber „seinem" früheren Assistenten läge der Band noch nicht vor. Die kritische Lektüre von Dr. A. Dieckmann hat dem Text gutgetan. Ihnen allen gilt mein Dank ebenso wie Regine Zürcher, Theres Meier-Salzmann und Peter Kissling vom Historischen Institut der Universität Bern für die
Darstellung greift aus
von
Vorwort des Verfassers
XIII
hilfreiche Unterstützung bei der Beschaffung der Literatur. Widmen möchte ich das Buch meinen Eltern, deren Herkunft aus der Bauernsame mein historisches Interesse mehr geprägt hat, als mir lange bewußt war.
Bern, 23. Mai 1995
I.
Enzyklopädischer Überblick
Die Lebenswelten und Lebensweise von Bauern im „langen" 16. Jahrhundert sind der lokal und regional äußerst vielfältige kulturelle Ausdruck einer unablässigen tätigen Auseinandersetzung der in ländlichen Siedlungen lebenden und vorwiegend mit agrarischer Produktion befaßten Menschen und Familien mit den wirtschaftlichen, sozialen, politisch-herrschaftlichen und religiösen Notwendigkeiten, Möglichkeiten Gliederung des und Anforderungen ihrer Lebenslage. Der Überblick geht von den uberblicks Grundverrichtungen bäuerlicher Arbeit und den alltäglichen sozialen Lebenskreisen der Landbevölkerung aus; anschließend werden die sozialökonomischen Kräfte und herrschaftlich-rechtlichen Instanzen in den Blick genommen, die von außen auf den Alltag der bäuerlichen Bevölkerung einwirkten. Mit ihrer Arbeit versorgten die Bauern ihre Familien, die Menschen in den Städten und die Feudalherren mit Nahrungsmitteln und Rohstoffen und ermöglichten damit die Reproduktion des wirtschaftlichen, sozialen und herrschaftlichen Systems (L). Materielle und organisatorische Grundlage dieser Arbeit war der Besitz eines Hofes, den der Bauer zusammen mit den Arbeitskräften seines Hauses weitgehend selbständig bewirtschaftete (2.). Vielerorts war die Hofstelle in die genossenschaftliche Organisation eines ländlichen Nutzungsverbandes häufig identisch mit einer Dorfgemeinde eingebunden; daraus erwuchsen den Bauern Pflichten und Ansprüche gegenüber Nachbarn und Dorfgenossen (3.). Gewöhnlich war der Hof nicht freies Eigentum des Bauern, er lieh ihn von einem Grundherrn, dem er, wie auch dem Leib-, Gerichts- und Landesherrn, einen erheblichen Teil seines Arbeitsertrags abführen mußte (4.). Im 16. Jahrhundert verstärkte die Agrarkonjunktur die Bedeutung des Marktes für die bäuerliche Wirtschaft und veränderte zusammen mit den steigenden Ansprüchen des territorialen „Steuerstaates" den bäuerlichen Handlungsspielraum (5.). Der Dreißigjährige Krieg zerstörte in den betroffenen Gebieten die Existenzgrundlage mancher bäuerlichen Familie, nicht aber die Grundstruktur der bäuerlichen Arbeits- und Lebensweise an sich (6.) -
-
2
I.
1. Arbeiten:
Enzyklopädischer Überblick
Bedingungen, Techniken und Nutzungs-
arten in der
bäuerlichen Landwirtschaft
Rahmenbedingun- „In agriculture man is up against Nature" [Slicher van Bath]. Der Einfluß des Klimas, die schwankenden Witterungsbedingungen, Bodenqualität und -relief setzten der Arbeit in der Landwirtschaft einen örtlich und saisonal höchst variablen, natürlichen Rahmen, dessen Grenzen durch das Zusammenwirken sozialer, rechtlich-politischer und wirtschaftlicher Faktoren (Bevölkerungsentwicklung, Rechts- und Besitzverhältnisse, Anbauverhältnisse und Nutzungsauflagen, Betriebsgröße, Arbeitskräftebesatz, Preise für Agrarprodukte und Produktionsmittel, Verkehrslage, Agrartechnologie) sowie durch die Fähigkeit der bäuerlichen Wirtschaft, auf natürliche und anthropogene Einflüsse zu Agrarzonen und reagieren, mitbestimmt wurden. Modellhaft lassen sich verschiedene Nutzungssysteme Systeme und Zonen der Agrarproduktion und Bodennutzung unterscheiden: das Kornland als Landschaft des Getreidebaus, die Feldgraswirtschaft, das Hirtenland als Raum vorherrschender Viehwirtschaft und das Weinland. Dabei muß man sich des heterogenen Charakters der in das Modell einfließenden Konzepte bewußt bleiben, welche auf einen Produktionszweig (Kornland, Weinland), ein Bodennutzungssystem (Feldgraswirtschaft) oder auf eine spezialisierte Tätigkeit (Hirtenland) Bezug nehmen. Diese Produktions- und Nutzungsformen kamen regional, lokal und auch auf dem jeweils einzelnen Hof in vielfältigen Mischformen vor; sie reagierten auf Wetter und Klima unterschiedlich sensibel, sie prägten die spezifischen Ernährungsgewohnheiten der Bevölkerung; ihre Wirtschaftsweise integrierte die Bauern unterschiedlich intensiv in Marktbeziehungen und beeinflußte die Muster der sozialen
gen landwirtschaftlicher Produktion
Schichtung.
Getreidebau und Viehwirtschaft
In Deutschland stieg im 16. Jahrhundert als Folge des Wachstums Bevölkerung die Bedeutung des Getreidebaus; die Viehwirtschaft prägte regional die Landwirtschaft (z.B. in den Nordseemarschen und
der im
Schweizer Raum), ging in Getreideanbaugebieten allaber zurück und verschärfte dort den Mangel an Dünger. Das Mattland reichte vielfach nicht für die Produktion von Winterfutter für einen größeren Viehbestand; aus Angst, durch Einschränkung der Getreideanbaufläche die ohnehin bescheidenen Ernten noch stärker zu beschneiden, aber auch angesichts steigender Getreidepreise mochten die Bauern die Grünfläche nicht ausdehnen. Der Weinbau expandierte im 16. Jahrhundert besonders in den klimabegünstigten Lagen am Oberrhein und in Württemberg, während er anderswo wegen der Umwand-
nordalpinen
gemein
Weinbau
1. Arbeiten in der bäuerlichen Landwirtschaft
3
lung von Rebland zu Ackerland stagnierte oder abnahm. In standortgünstigen Gebieten gingen Bauern, insbesondere auch Kleinstellenbesitzer, zum Anbau von Handelsgewächsen (Waid, Hanf) für das Textilhandwerk über, so etwa in Thüringen oder in der Breisgauer Rheinebene, oder sie betrieben in der Nähe städtischer Absatzmärkte eine intensive Gartenkultur, in größerem Umfang z.B. im Breisgau oder
Sonderkulturen
Rheinland. Am Beginn der Frühen Neuzeit wurde weiterhin die traditionelle Agrartechnologie angewendet. Kennzeichnend war die niedrige Produktivität. Die bäuerliche Familienwirtschaft war weniger auf die Erzeugung eines möglichst hohen als vielmehr eines möglichst sicheren Ertrags angelegt; risikominimierende Strategien sollten die ertragsschmälernden Auswirkungen der Witterung in Grenzen halten und das labile Gleichgewicht in der bäuerlichen Ertragslage bewahren. Die Subsistenz der Bauern war bei durchschnittlichen Getreideerträgen von Prekäre Subsistenz etwa viereinhalb geemteten Körnern von einem ausgesäten Kom in der Tat prekär. Modellrechnungen zeigen, daß der Durchschnittsertrag von 1:4 auf einem 8 ha großen Hof 6,4 Personen zu versorgen vermochte; sank der Ertrag auf 1:3, entfiel jeder Überschuß. Solche Durchschnittswerte verdecken allerdings die Tatsache, daß Handlungsstrategien der Bauern sich gerade nicht auf die regelmäßige Wiederkehr gleicher Erträge einstellen konnten, sondern erhebliche jährliche Schwankungen in Rechnung stellen mußten. Die Größe der Höfe war für die Ertragslage und Betriebsstruktur Faktor Hofgröße einer bäuerlichen Familienwirtschaft von zentraler Bedeutung. Sie entschied nicht nur über den Umfang der Ernte, den Bedarf an Arbeitskräften und die Anzahl benötigter Zugtiere, sie wurde besonders in Zeiten zunehmender Landknappheit auch ein Faktor der sozialen Differenzierung in den Dörfern. Mehrere Faktoren prägten die kleinräumig sehr differenzierten Besitzstrukturen: die Boden- und Klimaverhältnisse, Bevölkerungsdichte und demographische Entwicklung sowie die Siedlungsformen sind dabei ebenso wie die Agrarverfassung, das Erbrecht, die Intensität der Landwirtschaft und die Marktnähe zu berücksichtigen. Die räumliche Verteilung von Groß- und Kleinbesitz zeigt ein Großräumige Strukdeutliches Gefälle zwischen den im Nordosten Deutschlands konzen- tllren der HofgroBen trierten großbäuerlichen (bis 100 ha) und gutswirtschaftlichen Betrieben (über 100 ha) und den im Westen und Südwesten stark verbreiteten Kleinbetrieben (bis 5 ha). Mittel- und großbäuerlich geprägte Landschaften ohne stärkere Anteile gutswirtschaftlicher Betriebe häuften sich in Schleswig-Holstein, Niedersachsen, im Münsterland, am Niederrhein, in Bayern und Teilen Schwabens. Die starke Verbreitung der
4
Die Nutzung der Dorfflur
Systeme des Ackerbaus
Enzyklopädischer Überblick
und der kleinen Betriebe im Westen und Südwesten wird mit allgemein der relativ frühen Auflösung der mittelalterlichen Grundherrschaft und entsprechenden Hufenteilungen, der agrarischen Intensivierung durch Dreifelder- oder Dreizelgenbrachwirtschaft und der Einführung von Sonderkulturen sowie dem hohen Grad der Verstädterung in diesen Gebieten in Zusammenhang gebracht. Verfeinern läßt sich diese Grobstruktur mit regionalen und lokalen Angaben, aus denen erst die Verteilung der Ressourcen und die Differenzierung der Vermögen vor Ort hervorgehen. In oberbayerischen Landgerichten umfaßten im 17. Jahrhundert die Kleinstellen der Söldner zwischen 1,5 ha und 4 ha; im Landgericht Landsberg bewirtschafteten die Bauern mit den größten Betrieben meist mehr als 20 ha, in den Landgerichten Rosenheim und Wasserburg hatte die gleiche Gruppe nur die Hälfte dieser Fläche zur Verfügung. In der Mark Brandenburg nutzte die Masse der .spannfähigen Bauernstellen zwischen 20 ha und 40 ha. Im Rheinland besaßen die Höfe der sog. Halfen (Pächter) nicht selten mehr als 50 ha, die Höfe der wenigen Großbauern bewegten sich in der Größenordnung zwischen 9,5 ha und 16 ha, bei 60% der Höfe lag der Landbesitz hingegen unter 2,2 ha. In Liptingen, unweit des Bodensees, bewirtschafteten im Jahre 1605 die 10 kleinsten Stellen mit jeweils weniger als 1 ha Besitz 0,6% der Nutzfläche, die sechs größten Stellen mit jeweils mehr als 40 ha Besitz hatten dagegen gut 40% der Nutzfläche unter ihren Pflügen; 38 Höfe und damit die Mehrheit der insgesamt 67 Liptinger Hofstellen besaßen zwischen 1 ha und 20 ha und damit knapp 25% des Bodens. In Gebieten mit Dorfsiedlungen gliederte sich die agrarische Nutzfläche häufig in drei unterschiedlich intensiv genutzte und rechtlich organisierte Räume: in unmittelbarer Nähe der Hofstätten lagen die Gemüse- und Baumgärten, die zum exklusiven Nutzungsbereich der einzelnen Höfe gehörten und individuell bewirtschaftet wurden. In der Flur lagen in Gemengelage die Äcker und Wiesen, die dem Regime des genossenschaftlich-kollektiv geregelten Flurzwangs unterworfen waren; nach der Ernte dienten die Felder mit Ausnahme des im Herbst besäten Winterfeldes wie die Allmende der gemeinsamen Viehweide. Das Gemeinland für die Vieh- und Weidewirtschaft sowie der Gemeinwald für die Waldweide und die Holzversorgung vervollständigten als dritter, kollektiv genutzter Bereich das lokale Nutzungssystem. Die Bauern bewirtschafteten ihr Land nach regional verschiedenen Ackerbausystemen, wobei die sog. Dreifelder- oder Dreizelgenbrachwirtschaft relativ am weitesten verbreitet war; hier wurden im Verlauf einer dreijährigen Rotation die Felder einmal mit Winterge-
Realteilung
Lokal-regionale Differenzierungen der Hofgrößen
L
2. Haushalten
5
treide, dann mit Sommergetreide bepflanzt und standen schließlich als
Brachfläche bis zur Vorbereitung des Ackers für die nächste Saat für die Viehweide offen. In gewissen weide- und wiesenarmen Weinbaugebieten (nördlicher Breisgau, Niederelsaß, Pfalz, Rheinhessen, Rhein-Mosel-Gebiet) wurde auch Zweifelderwirtschaft, auf überdurchschnittlich fruchtbaren Böden Vier- oder Fünffelderwirtschaft betrieben (z. B. im Calenberger Land oder Hildesheimer Lößgebiet), wodurch die Brachfläche erheblich verkleinert wurde und die Produktion ausgedehnt werden konnte. Ähnliches zeigen Zeitpachtverträge aus dem Rheinland, wo im 15. und 16. Jahrhundert die Besömmerung der Brache und eine regelmäßigere Düngung des Bodens vordrangen, so daß hier Zeitpachthöfe schon im 15. Jahrhundert Durchschnittserträge für Roggen bzw. Weizen von 1:8,6 bzw. 1:6,5 erzielten. Auf der Zürcher und Luzerner Landschaft wurden parzellenweise Allmendland und offene Fluren „eingeschlagen" und der individuellen Nutzung zugeführt.
2. Haushalten: die bäuerliche Haus- und Familienwirtschaft
Hausgemeinschaft bildeten zentrale soziale Einheiten und Bezugsgrößen des bäuerlichen Wirtschaftens, die Sicherung ihres Bedarfs, nicht die Maximierung von Gewinn war das erste Ziel der Arbeit. Die Einkommen aus der Arbeit der Hausangehörigen wurden als unteilFamilie und
bares Gesamtarbeitseinkommen behandelt, ohne daß Anteile von Arbeit und Einkommen individuell ausgeschieden oder gewerbliche von landwirtschaftlichen Erträgen separiert wurden. Auf Häusern gründete die Organisation der Produktion, des Konsums und der generativen Re- Häuser als Basiseinheiten von produktion bäuerlicher Familienwirtschaften. Das Haus stand als sozia- Produktion, Konler, wirtschaftlicher und „moralisch"-emotiver Mittelpunkt der bäuerli- sum und generativer chen Existenz unter einem erhöhten Rechtsschutz, Störungen und Ver- Reproduktion letzungen des Hausfriedens durch Außenstehende wurden besonders sanktioniert. Der Charakter der Familie als Arbeitsverband war innerhalb der ländlichen Gesellschaft allerdings unterschiedlich stark ausgeprägt. Während er bei bäuerlichen Haushalten stärker akzentuiert war, wie die häufige Beschäftigung von Gesinde zeigt, traf die Bestimmung der Familie als Produktionseinheit auf unterbäuerliche Familien kaum so eindeutig zu, diese waren stärker von außerhäuslichen Erwerbsmöglichkeiten abhängig: je nach familialer Erwerbsstruktur konnte dort der Ar-
6
Strukturen bäuerlicher Hausgemeinschaften
I.
Enzyklopädischer Überblick
beitszusammenhang zwischen den einzelnen Familienmitgliedern gelockert oder ganz aufgelöst sein, so bei Wanderarbeit oder Arbeit im Transportwesen, es existierten aber auch Formen ausgesprochen starker familialer Kooperation, wie etwa in der textilen Hausindustrie. Die bäuerliche Hausgemeinschaft setzte sich allgemein aus der Kernfamilie (Besitzerehepaar und dessen Kinder) sowie den mitlesog. benden Verwandten, Knechten und Mägden zusammen. Hinzu traten unter gewissen wirtschaftlichen und demographischen Voraussetzun-
gen die unterbäuerlichen, landarmen oder landlosen Inwohner oder Häusler, die in einer kaum eindeutig faßbaren, vielfach nur behelfsmäßigen Beziehung zur Familienwirtschaft des bäuerlichen Wirts standen Beziehung der und deren Familien in der Regel eigene Haushalte bildeten. Sie bestritInwohner/Häusler ten ihren Lebensunterhalt durch die flexible Kombination agrarischer zum bäuerlichen Haushalt und außeragrarischer Tätigkeiten. Sozial und ökonomisch waren sie häufig an Bauern gebunden, indem sie auf deren Hofstätten oder in einem zum Hof gehörenden Häuschen zur Miete wohnten und in unterschiedlichem Ausmaß in den bäuerlichen Arbeitsablauf integriert waren; ihre Abhängigkeit von den Hofbauern war dabei um so loser, je differenzierter die sozialökonomische Struktur der lokalen Gesellschaft und je umfangreicher der nichtagrarische, handwerklich-landgewerbliche Sektor waren. Eng war die wirtschaftliche Verflechtung von Bauern und Tagelöhnern insbesondere in Getreideanbaugebieten mit stark hierarchisierten Sozial- und Besitzverhältnissen, wo Tagelöhner während der saisonalen Arbeitsspitzen Lohnarbeit auf den Höfen der Bauern verrichteten und die Bauern ihre Gespanne zur Bewirtschaftung der Landparzellen der Tagelöhner zur Verfügung stellten. Ausgeprägt entDas osnabrückische wickelte sich ein solcher Arbeitszusammenhang seit dem 17. JahrhunHeuerlingssystem dert im osnabrückischen Heuerlingssystem, welches „eine Symbiose der großen Haushalte der Vollbauern und der kleinen der Heuerleute [darstellte], bei der beide Seiten notwendig aufeinander angewiesen waren. Keineswegs ruhte die bäuerliche Großfamilie stabil in sich, sondern die Bauern rekrutierten ihr Gesinde unter den jungen Leuten, die aus landlosen Familien stammten; außerdem verließen sie sich bei den saisonalen Arbeitsspitzen auf die ,Hilfe' ihrer Heuerlinge und deren Größe und Zusammensetzung ländlicher Haushalte
Frauen" [Schlumbohm]. Die Größe und Zusammensetzung ländlicher Haushalte lassen sich für den deutschsprachigen Raum seit der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts dank kirchlicher und staatlicher Verzeichnisse rekonstruieren. Das Beispiel der Salzburger Pfarreien Dorfbeuren und Berndorf aus der Mitte des 17. Jahrhunderts zeigt den Einfluß der lokalen Siedlungs- und Wirtschaftsweise auf die Ausgestaltung der Strukturen
2. Haushalten
7
von Familie und Haus: In Berndorf, das stärker als Dorfbeuren agrarisch geprägt war und sich aus einem Pfarreidorf, mehreren Weilern und reicheren Einzelhöfen zusammensetzte, lebten im Schnitt 7,72 Einwohner in einem Haushalt; Dorfbeuren hingegen bestand aus drei Dorfsiedlungen, und dort wurde auch ländliches Gewerbe und Lohnarbeit betrieben hier umfaßte ein Haushalt 5,94 Einwohner. Die Differenz läßt sich besonders auf die Häufung großer Haushalte mit bedeutenderem Gesindeanteil in Berndorf zurückführen. Ähnlich verhielt es sich im osnabrückischen Kirchspiel Belm, wo 1651 die Haushaltung eines Großbauern im Schnitt etwa doppelt so viele Personen umfaßte wie jene eines Heuerlings (6,64:3,61); 60% der großbäuerlichen Haushaltungen ernährten dort fünf bis acht Personen, während dies noch 57% bzw. nurmehr 30% der Haushaltungen von Kleinbauern bzw. Landlosen konnten. Solche Werte erwecken allerdings den falschen Eindruck einer Statik der Haushaltsgrößen; lebenszyklische Veränderungen in der Kernfamilie und unterschiedliche Verfahren der Rekrutierung von Arbeitskräften hielten die Haushaltsstrukturen in Bewegung. Als flexibles Instrument zur Beschaffung zusätzlicher Arbeitskräfte für die bäuerli- Das Gesinde als Teil che Familienwirtschaft kam der Gesindearbeit eine zentrale Rolle zu, des bäuerlichen Haushaltes sie erlaubte kurzfristige Anpassungen an neue Familienkonstellationen. Die Beschäftigung von Knechten und Mägden war auf bäuerlichen Höfen insbesondere nach der Heirat des Besitzerehepaares und nach dem Auszug seiner Kinder eine häufige Erscheinung. Der Bedarf an familienfremden Arbeitskräften richtete sich zum einen nach der Größe, zum andern nach der Wirtschaftsweise des Hofes. 1664 lebte im Landgericht Wasserburg (Oberbayern) das Besitzerehepaar auf 53% aller Höfe allein mit seinen Kindern; von den großen Höfen aber beschäftigten 84% einen oder mehrere Knechte und Mägde, die größten (mit etwas mehr als 10 ha) im Schnitt zwei Dienstleute, die Halbhofbauern mit durchschnittlich 7,1 ha Land noch eine zusätzliche Ganzjahresarbeitskraft; Gesinde hatten gerade noch 39% der Viertelhofbauern und nurmehr 5% der Söldner. In den württembergischen Weindörfern Gebersheim und Wangen waren im Jahre 1544 87% bzw. 94% aller Haushalte ohne Gesinde. In Belm (Osnabrück) kamen 1651 auf einen großbäuerlichen Hof 1,2 Knechte und Mägde, auf einen kleinbäuerlichen 0,4 und auf einen landlosen 0,2; 71% des Gesindes war auf Vbllbauernhöfen beschäftigt, 13% bei Kleinbauern und noch 6% in den Haushalten von Landlosen. Knechte und Mägde waren grundsätzlich unverheiratet, sie versa- Der Status von Knechten und hen ihren Dienst nicht lebenslänglich, sondern bildeten eine relativ Mägden -
8
I.
Enzyklopädischer Überblick
kompakte Altersgruppe, die sich jedes Jahr neu bei ihrem Dienstherrn verdingte. Der Lohn wurde in Geld und Naturalien, häufig Kleidern,
entrichtet. Vielfach stammten Dienstboten aus klein- und unterbäuerlichen Familien, in Anerbengebieten, z. B. Niederösterreich, traten vielfach auch nichterbende Bauernkinder in den Gesindedienst. In Berndorf und Dorfbeuren (Salzburg) begannen Knechte und Mägde in der Mitte des 17. Jahrhunderts ihren Dienst in der Regel mit 12 Jahren, die Zwanzigjährigen stellten die größte Altersklasse zum Vergleich: im niedersächsischen Amt Blumenau lag das Durchschnittsalter der Knechte gegen Ende des Jahrhunderts bei 22,2 Jahren, jenes der Mägde bei 21,6 Jahren; relativ wenige Dienstleute waren älter als 24 Jahre, weil die meisten bis dahin geheiratet und einen eigenen Haushalt gegründet hatten. Die Organisation und Leitung der bäuerlichen Familienwirtschaft Geschlechtsspezifische Arbeitsteilung beim Besitzerehepaar, welches in Haus, Hof und Feld eine komlagen des Besitzerpaares bei der Hofarbeit plexe, geschlechtsspezifische Rollen- und Arbeitsteilung praktizierte. Je nach lokaler Wirtschaftsweise waren unterschiedliche Arbeitsbereiche exklusiv oder dominant Männern oder Frauen zugeteilt, in manchen Bereichen arbeiteten sie zusammen. In der mitteleuropäischen Landwirtschaft fällt die starke Integration der Frauen auch in außerAufgaben der häusliche Tätigkeiten auf. Die Bäuerinnen nahmen im Rahmen der FaBäuerinnen in der milienwirtschaft eine zentrale Stellung ein; als Arbeitskräfte waren sie Familienwirtschaft in der Produktion und Leitung des häuslichen Bereichs unentbehrlich, ihre Mitgift bestimmte entscheidend das Handlungspotential des Hofes und wurde in Anerbengebieten u. a. für die Abfindung der weichenden Geschwister des Hoferben verwendet; als Mütter besaßen sie eine Schlüsselstellung in der generativen Reproduktion der Familienwirtschaft, und schließlich durchlief potentiell jeder Familienzyklus eine Phase, in der die verwitwete Bäuerin allein das Haus führte was z.B. in Hohenlohe 1581 bei 5% der Haushalte der Fall war oder zumindest über die weitere Bestimmung und Vererbung von Hof und Besitz wachte. Im Prinzip waren Mann und Frau für die Führung eines bäuerlichen Haushalts unentbehrlich; eher selten waren Haushalte, die nur eine der beiden Positionen besetzt hielten, doch waren 1651 im osnabrückischen Belm immerhin 15% der Haushalte ohne Hausvater, 7% ohne Hausmutter. Ein erhöhter Zwang, verwaiste Stellen neu zu besetzen, zeigt sich im Anschluß an Sterblichkeitskrisen, wo Heiraten und Geburten jeweils kurzfristig stark anstiegen. Im hessischen Grandenborn wurden in den 10 Jahren nach 1598, als die Pest 89 Menschen dahinraffte (Normaljahr: 0-10 Tote), 18,8 Geburten/Jahr verzeichnet, 6,8 -
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2. Haushalten
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Geburten/Jahr mehr als in den zehn vorangegangenen Jahren; innerhalb von zehn Jahren waren die demographischen Folgen der Pest damit wieder wettgemacht. Die Errichtung eines Ausgedinges für die zu Lebzeiten von der Leitung des Hofes abtretenden Bauern (Austrägler, Auszügler) bedeutete eine erhebliche Erweiterung der Haushaltsstruktur zur sog. Stammfamilie; diese Möglichkeit war jedoch stark von sozialen und regionalen Voraussetzungen abhängig, stellte das Ausgedinge doch eine zusätzliche wirtschaftliche Belastung dar, die lange nicht alle Höfe verkrafteten: im oberbayerischen Landgericht Wasserburg lebten nach der Mitte des 17. Jahrhunderts auf 6% der Ganzhöfe, aber auf keiner einzigen Sölde Stammfamilien mit Großeltern, Eltern und Kindern; in der oberbayerischen Herrschaft Valley wohnten Austrägler immerhin auf 46% der Ganzhöfe und 14,2% der Sölden, allerdings war hier der Gesindeanteil auf den Höfen geringer. In den Siedlungen des Amtes Blumenau (Calenberg) lebten im Jahre 1689 in 4% bis 47% der Haushalte drei Generationen (Durchschnitt: 22,3%); solche Haushalte häuften sich dort, wo der verwitwete Teil des früheren Besitzerpaares nicht wieder heiratete und es dem Erben ermöglichte, den Hof früh zu übernehmen. Insbesondere kleinere Höfe mußten, um die wirtschaftliche Mehrbelastung durch eine Stammfamilie zu vermeiden, das Heiratsalter des Stellennachfolgers variabel halten; dies konnte zur Folge haben, daß die Anerben erst spät heirateten. Die Hofübergabe inter vivos und die Errichtung eines Altenteils waren eine Möglichkeit im „Prozeß der ,sozialen Reproduktion' der Besitz- und Subsistenzverhältnisse" der bäuerlichen Familienwirtschaft [Medick]. Sie lenken den Blick auf die Erbgewohnheiten, welche in der ländlichen Gesellschaft für den individuellen Zugang zu den Ressourcen einer bäuerlichen Familienwirtschaft und die Ausgestaltung der Haushalts- und Besitzstrukturen maßgeblich waren. Idealtypisch werden zwei Erbsysteme unterschieden, einerseits die ungeteilte, geschlossene Übergabe einer Stelle an einen einzigen Erben, den sog. Anerben, (Anerbenrecht), andererseits die Teilung des Besitzes unter mehrere Erben (Realteilung). Das Anerbenrecht wurde örtlich verschieden als Ältesten- oder Jüngstenrecht praktiziert. Waren im Osnabrückischen in der Regel der jüngste Sohn und, wo dieser fehlte, die jüngste Tochter Anerben, wurden in der Grafschaft Hohenlohe die Höfe als unteilbarer Besitz behandelt, ohne daß die Erbgewohnheiten den Erben im voraus fixierten; in jedem Erbfall bestimmte die Familie den Hoferben. Das Gesamtvermögen der Familie hingegen blieb teilbar, und die weichenden Erben wurden zu gleichen Teilen aus-
Ausgedinge und Stammfamilie
Erbgewohnheiten
Idealtypische Unterscheidung von Anerbenrecht und
Realteilung
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I.
Enzyklopädischer Überblick
bezahlt. Wo in den nellenburgischen Kameralämtern die Höfe geschlossen übergeben wurden, fand die Auszahlung der weichenden Erben mit unverzinsten „Erbzielen" über einen längeren Zeitraum statt.
Verbreitungsgebiete geschlossener Ubergabe
Verbreitungsgebiete der Realteilung
Der „Stellenmechanismus" in
Anerbengebieten
In Realteilungsgebieten mußte es nicht zwangsläufig zur fortschreitenden Aufsplitterung des Grundbesitzes kommen; im badischen Breisgau wurden beispielsweise die größeren Höfe geschlossen vererbt, während die Tagelöhner- und Söldnerstellen eher geteilt wurden. Fortgesetzte Realteilung und die zunehmende Zersplitterung der Parzellen wurden in Gebieten mit Intensivkulturen (Wein- und Hanfanbau) begünstigt sowie dort, wo der bäuerliche Grundbesitz keiner oder nur mehr einer schwachen grundherrlichen Bindung unterlag (z.B. Stapelholm, Zürcher Landschaft). Die folgende Aufzählung einiger Verbreitungsgebiete der beiden Erbrechtssysteme erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und spiegelt Verhältnisse des 16. Jahrhunderts wider; sie ist vor dem Hintergrund der in der jüngeren Forschung geäußerten und im folgenden noch zu erörternden Vorbehalte und Differenzierungen gegenüber der vereinfachenden Sichtweise der älteren Forschung zu lesen. Verdichtungszonen der geschlossenen Übergabe lassen sich im Norden, Nordosten und Südosten Mitteleuropas erkennen, während die Teilbarkeit eher im Westen und Südwesten verbreitet war. Anerbengebiete waren das Alte Land an der Elbmündung, Schleswig-Holstein mit Ausnahme der Marschgebiete und soweit die Bauern dort ein Erbrecht bewahrten, Kleve-Mark, die Meierrechtsgebiete in Niedersachsen, wobei hier die weichenden Erben keine Abfindung vom Meiergut erhielten, an dem der Bauer nur ein erbliches Nutzungs-, aber kein Eigentumsrecht besaß, des weiteren die Gegend um Magdeburg und Halberstadt, das Osnabrücker Stift, weite Teile Hessens, das südöstliche Thüringen, die Prignitz und Schlesien, der Schwarzwald und die Grafschaft Hohenlohe, Ober- und Ostschwaben, Bayern, Teile Tirols und seit dem 16. Jahrhundert zunehmend Ober- und Niederösterreich. Realteilungsgebiete hingegen waren ein Großteil des Rheinlands, das bergische Land, die Nordseemarschen, West- und Mittelthüringen, als nördlicher Ausläufer das Fürstentum Göttingen, Franken, die Oberrheinebene, Württemberg, der bayerische Ammergau, das westliche Tirol, der Vintschgau und der inneralpine Schweizer Raum. Der Generationenwechsel auf den Hofstellen war ein komplexer, von der lokalen und familialen Erb- und Heiratspraxis gesteuerter Vorgang. Der „Stellenmechanismus" basierte in Anerbengebieten, wo die Übergabe zeitlich meist mit der Heirat des Hoferben zusammenfiel, auf einer doppelten Voraussetzung: „Nur soviele aus der jungen Generation
2. Haushalten
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konnten jeweils durch Einheirat oder Übergabe in Stellen einrücken, wie aus der alten abtraten. Als familienwirtschaftliche Einheiten blieben aber umgekehrt die bäuerlichen Anwesen nur erhalten, wenn beim Ausscheiden der Elterngeneration eine ausreichend dichte Kindergeneration im heiratsfähigen Alter bereitstand, um sie zu ersetzen." [Schlögl]. Der jeweilige Anerbe war, wie bereits für Hohenlohe erwähnt, keineswegs immer vorbestimmt. Das Calenberger Meierrecht etwa berechtigte grundsätzlich Söhne und Töchter zur Hofübernahme; allerdings mußten die Frauen verheiratet sein, um bemeiert werden zu können. Eheverträge aus dem Calenberger Amt Blumenau nennen für die Periode von 1637 bis 1871 je nach Hofklasse bei 11,5% bis 22,3% der Übernahmen weibliche Anerben, dem standen im Durchschnitt aller Hofklassen in 60% bis knapp 64% der Fälle Hofübernahmen durch Männer gegenüber, so daß die weibliche Erbfolge eher den Charakter einer Notlösung trug, etwa wenn Brüder fehlten oder diese für die Nachfolge zu jung waren. In Bayern, wo das Landrecht Söhne und Töchter erbrechtlich gleich behandelte, fiel in der Praxis die Entscheidung zugunsten jenes Geschwisters mit der Aussicht auf die „beste Heirat". Solche Überlegungen gaben etwa auch in der österreichischen Grundherrschaft St. Lambrecht trotz Jüngstenrechts faktisch den Ausschlag bei der Auswahl des Hoferben. In jedem Fall entschied unter dem Anerbenrecht die Wahl des Erben über die Lebensperspektive der übrigen Bauernkinder: Wahrte der Anerbe mit der Übernahme des elterlichen Hofes dauerhaft seinen sozialen Status, so wurden die weichenden Erben „auf den Heiratsmarkt verwiesen und hatten dort nach einer Gelegenheit zur Einheirat in einen fremden Hof Ausschau zu halten" [Schlumbohm]; dabei schwankten die Aussichten auf eine „gute Partie" mit dem Umfang des in die Ehe einzubringenden Vermögens erheblich. Mit Blick auf die Verhältnisse in Oberösterreich an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert hat H. Rebel von einer eigentlichen Klassengrenze in den bäuerlichen Haushalten gesprochen, welche die behausten, verheirateten Hausvorstände und deren künftige Hoferben einerseits von den unbehausten Hausangehörigen ohne Aussicht auf ein Hoferbe bzw. auf die Heirat eines Erben andererseits trennte. Besitzübergaben waren komplizierte und konfliktträchtige Vorgänge, weil sie von gegenläufigen Bestrebungen und Interessenlagen in den Familien beeinflußt wurden; tendierten die rechtlich privilegierten Familienmitglieder und die abtretende Generation eher auf die Bewahrung und Akkumulierung bzw. den Erwerb des Familienvermögens, so drängten die Nachgeborenen eher auf dessen Aufteilung. Der Wunsch
Anerben und weichende El
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Enzyklopädischer Überblick
Gleichbehandlung aller Kinder hat auch in Anerbengebieten ausgleichende Verfahren in Form von Abfindungen der weichenden Erben mit freilich variablen Anteilen aus dem Vermögen hervorgebracht; umgekehrt führte die zunehmende obrigkeitliche Einschränkung der Teilbarkeit der Güter in Realteilungsgebieten während des 16. Jahrhunderts dort nicht notwendig zur Verdrängung des Teilungsprinzips, welches in Form einer Auszahlung der Miterben durch den Hoferben weiterhin praktiziert wurde. Somit verwischte die Erbpraxis vielfach die idealtypischen Unterscheidungsmerkmale zwischen Anerben- und Realteilungsgebieten. Sozialgeschichtliche Untersuchungen der Erbpraktiken haben die nach
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Staatliche Gesetz-
gebung zum- im 16. Jahrhundert in mehreren Territorien unternommenen KodifikaErbrecht tionen des Erbrechts auf ihre praktische Reichweite hin befragt. Solche landesherrlichen Bestrebungen um die Stabilisierung bzw. Durchsetzung der ungeteilten Übergabe sind z. B. aus dem Amt Gottorf (Schleswig-Holstein), aus Hessen oder aus der österreichischen Grundherrschaft St. Lambrecht bekannt, doch zielten sie offenbar primär auf die Erhaltung der größeren, grundherrlich gebundenen Höfe in Hessen die Hufen und weniger auf den kleinbäuerlichen Besitz, der seltener in grundherrlichen Einheiten gebunden war und leichter geteilt wurde. Territorien bildeten keine einheitlichen, geschlossenen Erbrechtslandinnerhalb eines Dorfes etwa konnten Lokale und soziale schaften; auf engstem Raum Varianz der Erb- unterschiedliche Erbgewohnheiten praktiziert werden, wie etwa in den gewohnheiten in unmittelbarer Nachbarschaft wo Kameralämtern, nellenburgischen Realteilung und geschlossene Übergabe mit Jüngstenrecht sowie Varianten beider Formen vorkamen. Zudem waren nicht alle Besitzstellen mit ihren Grundstücken gleichermaßen dem Erbgang und damit dem jeweiligen ErbrechtsreErbgang und gime unterworfen. Als Übergabemodus scheint der Erbgang unter VerVerkauf als wandten im zum Verkauf an Außenstehende mit der Größe Übergabemodi eines BesitzesVergleich an Bedeutung gewonnen zu haben: zwischen 1552 und 1600 wickelten sich im Hohenloher Amt Langenburg 75% der Übergaben von Höfen zwischen Verwandten ab (Vater-Sohn, SchwiegervaterSchwiegersohn, andere Verwandte), diese Güter zirkulierten größtenteils innerhalb eines engeren, in Heirats- und Verwandtschaftsbeziehungen stehenden Personenkreises; kleinerer Besitz sowie einzelne Felder, Weingärten, Wiesen und Häuser gelangten dagegen viel häufiger auf den Bodenmarkt: 45% der Kleinstellen und nur jedes fünfte Haus wechselten den Besitzer auf dem Erbweg, der Rest wurde verkauft. Die Besitzgeschichte von 29 Höfen aus dem badischen Freiamt deutet zudem an, daß die Bedeutung des Erbgangs als Übergabemodus -
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3. Nachbarschaft und Gemeinde
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auch zeitlichen und konjunkturellen Schwankungen unterliegen konnte: auf diesen Höfen fand noch in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts ein überaus reger Besitzerwechsel statt, so daß in der Regel der Erstbesitzer oder die nächste Generation den Hof schon wieder verkauften, im letzten Drittel des Jahrhunderts konsolidierten sich langsam die Besitzverhältnisse, bis es nach dem Dreißigjährigen Krieg zur Ausbildung eigentlicher Hofgeschlechter kam. Dieser Wandel in der Beziehung der bäuerlichen Familien zu ihren Hofstellen kurz vor 1500 ist für Paderborner Herrschaften die Übergabe der Höfe an Verwandte des Vorpächters stieg nach 1480 markant an ebenso dokumentiert wie für kirchliche Grundherrschaften auf der Zürcher Landschaft, wo das gestiegene bäuerliche Interesse an längerfristigen, intergenerationellen Leiheverhältnissen zu Auseinandersetzungen mit den Grundherren führte. -
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3. Nachbarschaft und Gemeinde Die Höfe und Kleinstellen der Voll- und Kleinbauern bildeten keine Nachbarschaft und waren sie je nach lo- Nutzungsgenossenkaien Siedlungs- und Wirtschaftsstrukturen mehr oder weniger eng in ein System der Kooperation und Koordination mit den benachbarten Wirtschaften eingebunden, welches vielfach über die korporative Organisation der Gemeinde vermittelt wurde. Am stärksten war diese Einbindung in Gebieten mit geschlossener Dorfsiedlung, wo der Ackerbau in Dreizelgenbrachwirtschaft betrieben wurde; dort war es wegen der Nachbarschaft der Hofstätten und der Gemengelage der Parzellen in der Flur erforderlich, das dörfliche Zusammenleben, die Anbauordnung und die Flurnutzung verbindlich zu regeln. Das Dorf bildete einen Typus ländlicher Siedlung, „in dem lokaler Siedlungsverband mit dem sozialen Verband (Nachbarschaft), dem wirtschaftlichen Verband (Flurgenossenschaft), dem politischen Verband (Gemeinde) und vielfach dem kultischen Verband (Pfarrei) zusammenfiel" [Wunder]. Der Regelungsbedarf der bäuerlichen Nutzungsgenossenschaft, die als Territorial verband im Verlauf des Spätmittelalters die partikularen grund- und leibherrlichen Bindungen der einzelnen Höfe zunehmend überlagerte, trieb die Entwicklung zur Dorfgemeinde entscheidend voran, die sich neben dem Haus als zweite maßgebliche Einheit der Organisation und Vergesellschaftung in der ländlichen Gesellschaft etablierte. Als politisch-rechtliche Institution vor Ort koexi-
autarken, selbstgenügsamen Einheiten, vielmehr
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stierte die Dorfgemeinde mit den lokalen grund-, gerichts- und ortsherrschaftlichen Instanzen, sie kooperierte und konkurrierte mitunter mit ihnen. Die Dorfgemeinde präsentierte sich nach innen und außen als verfaßte politische Körperschaft, sie nahm über eigene Organe und Ämter Selbstverwaltungskompetenzen und politische Funktionen in verschiedenen Bereichen wahr, sie erließ Normen und Satzungen und besaß gegenüber den Gemeindeangehörigen eine Sanktions- und Zwangsgewalt zur Wahrung und Durchsetzung ihrer Rechte und Ent-
scheidungen. Gemeindetypen Bei der Dorfgemeinde handelt es sich um den am weitesten verbreiteten Typus ländlicher Gemeinde. Bevor ihre Grundmerkmale eingehender dargestellt werden, bleibt festzuhalten, daß sich in Gebieten mit vorherrschender Einzelhof-, Weiler- oder Streusiedlung aufgrund der spezifischen Lebens- und Wirtschaftsweise andere korporativ-kommunale Organisationsformen entwickelt haben, die in der Regel durch eine im Vergleich mit der Dorfgemeinde geringere funktionale Verdichtung in einem Siedlungsverband und durch die Zuweisung der verschiedenen Regelungs- und Kompetenzbereiche an mehrere Ebenen der Gemeindeorganisation gekennzeichnet waren. Im ober3.1.
Gemeindeformen außerhalb der Dorf-
gemeinde
deutsch-schweizerischen Raum reicht die Bandbreite dieser genossenschaftlich-kommunalen Organisationsformen von den Bauernschaften als lokalen Nutzungsverbänden in Weilersiedlungen bis zu den siedlungsübergreifenden, die Grundlage der Gerichtsverfassung bildenden Gerichtsgemeinden (Tirol, Vorarlberg, Graubünden) und Talgemeinden (inner- und westschweizerischer Alpenraum, Schwarzwald). In Norddeutschland waren mit den Kirchspielen Gemeindeformen gegeben, die nicht an Dorfsiedlungen gebunden waren; in Dithmarschen etwa nahmen sie Aufgaben in der Rechtssprechung, im Deichbau und in der inneren Verwaltung wahr; im Nordseeküstenraum bildeten sie die Basis bäuerlicher Repräsentation auf Landtagen. Agrarwirtschaftliche Fragen der lokalen Siedlungsverbände wurden in Norddeutschland häufig auf der unteren Ebene der aus Einzelhöfen und Siedlungsgruppen zusammengesetzten Bauernschaften behandelt; Dörfer waren noch am ausgeprägtesten in der fruchtbaren Lößbörde Niedersachsens sowie auf der schleswig-holsteinischen und niedersächsischen Geest die Kristallisationspunkte landwirtschaftsorientierter Gemeinden.
3. Nachbarschaft und Gemeinde
3.2. Die
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Gemeindeverfassung
Aufgaben und Wirkungsbereiche: Die wesentlichen Aufgaben der Gemeinde gründeten im Organisations- und Regelungsbedarf, der zum einen aus dem Zusammenleben der Nachbaren und der gemeinsamen Nutzung der Flur durch die bäuerlichen Familienwirtschaften, zum andern aus der autonomen oder von herrschaftlicher Seite übertragenen Wahrnehmung herrschaftlich-politischer Funktionen resultierte. Als Regelungsinstanz der lokalen Landwirtschaft trat die (Dorf-) Gemeinde am stärksten in Gebieten mit geschlossener Dorfsiedlung und Felderwirtschaft in Erscheinung, während diese Funktion in Gebieten mit Einzelhofsiedlung, wo keine Feldgemeinschaft der Anwesen existierte, zurücktrat. In den stärker auf Viehwirtschaft konzentrierten
Marschhufendörfern an der Nordseeküste und in der Elb- und Wesermarsch entfiel die genossenschaftliche Organisation des Ackerbaus, hier besorgten die lokalen Nutzergenossenschaften die Verteilung der Viehweideplätze und Wiesen, was in der Alpwirtschaft des Alpenraums vielfach Aufgabe von Korporationen und/oder Gemeindeverbänden war. Die Dorfgemeinde erfüllte wirtschaftliche Aufgaben dort, wo individuelle und kollektive Interessen sich kreuzten: Sie koordinierte die Arbeiten der Höfe in der Flur, indem sie verbindliche Termine für die wichtigsten Arbeitsgänge (Aussaat, Ernte) festlegte, die Benutzung und den Unterhalt von Weg und Steg, die Weiderechte (Trieb und Tratt), die Allmend- und Holznutzung sowie die Wasserversorgung regelte; sie war zuständig für den Feuerschutz und die Baupolizei sowie die Durchsetzung entsprechender Verordnungen; sie kontrollierte das Wirtschaftsgebaren der Haushalte und bestrafte schädigendes Verhalten (z.B. Grenzverletzungen); schließlich war die Dorfgemeinde auch selbst ein Wirtschaftsunternehmen, sie besaß Gemeindegüter, Allmenden, Wald, Häuser und gewerbliche Einrichtungen (Backhaus, Brunnen, Schmiede, Wirtshaus, Badstube, in Weinbaugebieten die Trotte), die sie in Eigenregie betrieb, verlieh oder verpachtete und deren Unterhalt sie, wie auch andere Gemeindeaufgaben (Brunnen-, Bach- und Grabenfege, Unterhalt von Weg und Steg u.a.), häufig im Gemeinwerk verrichtete. Die Gemeinde hat über ihre Zuständigkeiten in der örtlichen Wirtschaft hinaus vielfach Funktionen herrschaftlich-politischen Charakters ausgeübt. K. S. Bader hat festgestellt, daß es mit wenigen Ausnahmen kein Herrschaftsrecht gegeben habe, „an dem nicht ländliche Gemeinden in dieser oder jener Form, zum mindesten in der
Wirtschaftliche Aufgaben der
Dorfgemeinde
Herrschaftlich-poliAufgaben der Dorfgemeinde
tische
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Form der Rücksichtnahme oder Begrenzung, Teilhabe verlangt oder erlangt hätten". Dies gilt vorab für die lokale Rechts- und Friedewahrung: Auseinandersetzungen zwischen den Dorfbewohnern wurden durch ein abgestuftes Verfahren der Konfliktkanalisierung und -lösung eingegrenzt, das neben der sozialen Kontrolle und gütlichen Schlichtung durch die Nachbarn die Pflicht der Amtsträger und vielfach aller Dorfbewohner zum Friedegebot bei Beleidigungen und Tätlichkeiten und schließlich den formellen Rechtsspruch des Ortsgerichts kannte. Gemeinden waren in der Armenfürsorge tätig; sie waren vielfach Adressat und die maßgebliche lokale Vollzugsinstanz für zahlreiche staatliche und kirchliche Gesetze und Ordnungen. Sie waren in die Organisation der Landmiliz eingebunden, beteiligten sich an Aktionen gegen herumziehende Bettler und an der Abwehr von Raubtierplagen etc. Sie vertraten ihre Interessen auch gegen außen, gegenüber der Ortsherrschaft, der Stadt, dem Amt oder der Obrigkeit, etwa bei strittigen Forderungen von Abgaben und Leistungen durch die Herrschaft, bei der Organisation der Frondienste für Landes- und Gerichtsherren oder von Zehntlieferungen an den Zehntherrn, bei Steuereinschätzungen, -Umlagen und -eintreibungen. Als Rechtskörperschaften (universitas, communitas) waren die Rechts- und Besitzfähigkeit der Dorf- Gemeinden handlungsfähig, sie verfügten über eigenes Vermögen in gemeinde Form von Gemeindewald, Gemeindegütern, -gebäuden und -einrichtungen. Einnahmen flössen ihnen zudem aus dem Einzugsgeld der neuen Gemeindebürger, aus Bußen, Kreditgeschäften oder der Verpachtung von Gemeindeland und -einrichtungen zu. Wer gehört zur Gemeinde? Der Kreis der Gemeindeangehörigen mit voller Teilhabe an den kommunalen Rechten und Pflichten erschließt sich über die Basisfunktion der Gemeinde in der Regelung der Rechte und Pflich- lokalen Landwirtschaft. Wer im Dorf eine Hofstelle besaß, seine Parten der Gemeindezellen in der Gemarkung bewirtschaftete und die Allmende und übrigen angehörigen Einrichtungen der Gemeinde nutzte, war als haushäbiger „Nachbar" (Gemeinsmann) unmittelbar an den Entscheidungen der Gemeinde interessiert und von ihnen betroffen und galt als berechtigtes Mitglied der Gemeinde. Als solcher mußte er sich vielfältigen Anforderungen zum Nutzen der Gemeinde unterziehen, so etwa zum Gemeinwerk und zu den Gemeindearbeiten beitragen, Wachtdienste leisten, den Feuerlöscheimer anschaffen, zu den Löhnen für die Gemeindebediensteten und zur Armenfürsorge beisteuern, den Toten das Trauergeleit geben u. a. m.; die Nachbaren unterstützten einander bei Geburten und Todesfällen sowie in der Not (Feuersbrunst, Hochwasser, Einquartierung von Soldaten u.a.). Die dörfliche Gemeinschaft sanktionierte die Verweige-
3. Nachbarschaft und Gemeinde
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rung oder Mißachtung nachbarschaftlich-kommunaler Pflichten durch ihre Mitglieder. Über die Aufnahme in das Bürgerrecht entschied die Gemeinde unter Berücksichtigung der Vermögensverhältnisse und der ehrlichen Herkunft des Anwärters häufig autonom. Neu aufgenommene Gemeindebürger gaben durch das Reichen eines Bieres oder des Einzugsgelds ihren Einstand, im Würzburgischen schworen sie auch einen Bürgerund Nachbareid. Seit dem 15./16. Jahrhundert rückten häufig auch die vielfach nicht spannfähigen Kleinstellenbesitzer neben den Hofbauern in den Kreis der Gemeindeberechtigten auf (z.T. in Bayern, Ostschwaben, Württemberg, Franken, Thüringen, Niedersachsen). Das Gemeinderecht und das damit verbundene Allmendrecht wurden im Verlauf der Frühen Neuzeit dem sozio-demographischen Druck von Seiten der expandierenden unterbäuerlichen Schichten ausgesetzt; in Nordhessen verliefen die Auseinandersetzungen im 16. Jahrhundert zwischen vollberechtigten Hüfnern und teilberechtigten Köttern; in Niedersachsen waren die Köter zu diesem Zeitpunkt bereits mit Stimmrecht und besitzmäßigem Anteil an der Allmendnutzung in die Gemeinde integriert, hier drängten die Brinksitzer besonders seit dem 17. Jahrhundert in die Gemeinde. Ohne formelle Mitbestimmungs- und Nutzungsrechte in der Gemeinde blieben in der Regel die landarmen und landlosen Haushalte (Hintersassen, Beisassen, Häusler, Inleute, Beiwohner, Büdner), die als Dorfbewohner aber dennoch den Anordnungen der Gemeinde unterworfen waren und denen bisweilen Nutzungsrechte an der Allmende eingeräumt wurden, sowie die Juden und Angehörigen unehrlicher Berufe. Die Gemeindeversammlung: „Zentrales Organ bäuerlicher Selbstverwaltung in der Dorfgemeinde war die Gemeindeversammlung" [P. Blickle]. Versammlungen aller berechtigten Angehörigen standen auch bei den anderen Gemeindetypen im Mittelpunkt der lokalen Verfassung (Bauerstuhl, -bier, -Versammlung, -gericht in den Bauerschaften der Oldenburger Marschgebiete; Kirchspiele; Landsgemeinden in den Gerichts- und Talgemeinden des Inner- und Westschweizer Alpenraums). Zur Gemeindeversammlung traten sämtliche teilnahmepflichtigen Gemeindemitglieder in der Regel mehrmals im Jahr zusammen. Frauen waren in den Organen der Gemeinde nur selten, mitunter als Witwen, vertreten; die verheirateten Frauen wählten in eigener Versammlung die Dorfhebamme. Die kommunalen Institutionen und Ämter gehörten zum männlich dominierten Bereich der lokalen Öffentlichkeit, der in
Die Aufnahme in das Geme'nderec|
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seinem Wirkungsbereich allerdings im Kontext weiterer, auch den Frauen zugänglicher und von ihnen geprägter Kommunikationskreise im Dorf zu sehen ist. Zu den Geschäften der Gemeindeversammlung gehörten die AufAufgaben der Gemeindever- nahme neuer Gemeindegenossen, die Verlesung und Erneuerung der sammlung Dorfordnungen und -Satzungen, die Entscheidung über die Erhebung und Umlage von Geldern zur Finanzierung kommunaler Vorhaben, die Ernennung der Gemeindebediensteten und die Überprüfung des Gemeindehaushalts, die häufig, wie etwa auch die Versteigerung der Gemeindegründe, die Hirtendingung, der Grenzumgang und andere Anlässe im Gemeindeleben, mit einer Gemeindezeche beendet wurde; sie legte die Termine zu den Gemeindearbeiten fest und entschied in allen die agrarische Nutzung betreffenden Fragen, z.B. über die Anbauordnung in der Flur oder den Unterhalt von Deichen und Dämmen in den Marschen. Nach Thüringer Dorfordnungen wurden mit dem gemeinsamen Bierumtrunk am Schluß der Zusammenkünfte auch Nachbarn, die die Dorfsatzungen übertreten hatten, gebüßt und gleichzeitig wieder symbolisch in die Dorfgemeinschaft aufgenommen. Die Gemeindeversammlung agierte aber nicht frei von herrschaftlicher Einflußnahme. Vielfach mußte die Herrschaft über Ort, Zeit und Gegenstand der Versammlung unterrichtet werden. Für die Verkündigung und Erneuerung des Weistums bzw. der Dorfordnung, die Durchführung des Rügegerichts oder die Anerkennung neu aufgenommener oder revidierter Zinsbücher und Urbare der Grundherrschaft kam die Gemeinde in Anwesenheit des Herrn oder dessen Vertreters zusammen und nahm dabei Aufgaben einer Gerichtsversammlung wahr. Die Gemeindeämter: In der Gemeinde waren zum einen Amtsträger tätig, die primär kommunale Aufgaben wahrnahmen und in der Regel auch von der Gemeinde gewählt wurden, zum andern solche, deren Aufgabenbereiche auch Interessen und Rechte der Herrschaft berührten; so blieb die Wahl des leitenden Dorfbeamten vielfach zwischen Gemeinde und Herrschaft umstritten, zwischen freier Wahl durch die Gemeindeversammlung und der einseitigen Einsetzung durch den Herrn spielten sich vielfältige Verfahren der Mitwirkung beider Seiten ein. In den mittel- und ostdeutschen Siedlungsgebieten war das Amt des Dorfvorstehers vielfach als erbliches Lehen (Erb-, Lehnschulze) vergeben, doch tendierten die Gutsherren in der Frühen Neuzeit dazu, die Lehnschulzen durch herrschaftlich bestimmte Setzschulzen abzulösen. Der Ortsvorsteher (Schultheiß, Ammann, Vogt, Schulze, Grebe, Zender, Heimbürge, Bauermeister) führte den Vorsitz im Dorfgericht,
3. Nachbarschaft und Gemeinde
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berief die Versammlungen der Gemeinde ein, beaufsichtigte die übrigen Gemeindeämter, sorgte für die fristgerechte Lieferung der Abgaben an die Herrschaft und die Leistung der Frondienste und hatte die oberste Gebotsgewalt in der Gemeinde inne. Kennzeichnend war die „Janusköpfigkeit" seines Amtes (Bader), die Doppelstellung als Repräsentant der Dorfgemeinde und zugleich als Vertrauensmann der Herrschaft im Dorf; die Tatsache, daß er selber aus der Gemeinde stammte, erforderte von ihm immer wieder das schwierige Ausbalancieren gegenläufiger Interessen. Wo das Amt mit herrschaftlichen Vergünstigungen (Dienst- und Abgabenfreiheit), mit dem Besitz eines größeren Hofes (Schultheißen-, Schulzengut) sowie mit der delegierten Verfügungsgewalt über die dörflichen Ressourcen gekoppelt war, hob es seine Inhaber über die anderen Bauern im Ort hinaus. Mit dem Ausbau der landesherrlichen Verwaltungstätigkeit wurden die Schultheißen stärker als landesherrliche Agenten herangezogen, doch zeigte ihr Auftreten in bäuerlichen Widerstandsbewegungen immer wieder, daß dies ihre Stellung als Vertrauensleute der Gemeinde nicht zwingend beein-
trächtigte.
In der Gemeinde nahmen auch Amtsinhaber leitende Funktionen Amtsträger und Be-
wahr, die stärker auf genossenschaftlicher Grundlage standen (Bürger° oder Dorfsmeister, Heimbürge, Hunnen, Zender, Bauermeister, Altermänner), sie amtierten häufig als Kollegialorgane (Vierer u.ä., Geschworene, Schöffen, Rat) und waren auch gemeinsam mit dem Orts..
vorsteher tätig. Diese Ämter gingen zum Teil unter den Stellenbesitzern reihum (Reiheleute). Verschiedenartige Aufgaben wurden ihnen von der Gemeinde übertragen, insbesondere Aufsichts- und zunehmend auch Polizeifunktionen, so die Sicherung der Grundstücks- und Gemarkungsgrenzen, die Wahrung des Gemeindegutes oder die Überprüfung der Deichstrecken; sie führten die Gemeinderechnung, beaufsichtigten Wald und Allmende sowie die gemeindlichen Betriebe (Mühle, Wirtschaft, Schmiede, Badstube), wirkten bei der Erhebung der Abgaben mit oder hatten Rechtsverstöße anzuzeigen. Vielfach wirkten sie als Urteiler im Dorfgericht. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten und Bedürfnisse bestellten Gemeinden insbesondere im Zusammenhang mit speziellen Aufgaben in der Landwirtschaft besondere Funktionsträger: den Bannwart (Flurhai, -schütz) zur Überwachung von Flur und Allmende, den Forstwart zur Aufsicht über den gemeindeeigenen Forst, den Untergänger für die
Grenzbegehung und Anzeige von Grenzverletzungen, Heiligenpfleger für die Verwaltung des Kirchengutes, den Feuerschauer zur Überwachung feuerpolizeilicher Bestimmungen oder einen Dorfwächter. Für
dienstete meinde
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I.
Enzyklopädischer Überblick
ständige Aufgaben bezahlten die Gemeinden eigene Bedienstete: Hirten für die Betreuung des Viehs, Büttel für die Erledigung von Botengängen oder für Schuldeintreibungen und Haussuchungen, Wässerer für die Bewässerung der Wiesen, seit dem 16. und 17. Jahrhundert immer häufiger Küster, die gleichzeitig auch als Schulmeister amtieren
mochten. Satzungs- und Gemeindesatzung und -gerichtsbarkeit: Die Gemeinden praktiStrafgewalt der zierten im Rahmen ihrer Zuständigkeiten ein Satzungsrecht, sie erlieGemeinde ßen Gebote und Verbote (Bauerwillküren, -beliebungen) und büßten deren Übertretung. Die Strafen wurden durch das örtliche Gericht ausgefällt und reichten je nach Vergehen von der einfachen Buße über die Verhängung von Ehrenstrafen bis zum Entzug des Anteils an den gemeindeeigenen Nutzungen und zum Ausschluß aus der Gemeinde. Die kommunale Strafgewalt verpflichtete die Dorfbewohner auf die Wahrung des „gemeinen Nutzens" der lokalen Gemeinschaft. Die Rechts- und Friedewahrung machte den Kern mittelalterlicher Herrschaft aus; gleichzeitig basierte die mittelalterliche Gerichts„Dinggenossen- verfassung auf der Mitwirkung der Rechtsunterworfenen an der Urschaftliches (dinggenossenschaftliches Prinzip [Weitzel]). HerrPrinzip" teilsfindung schaft und bäuerliche (Hof)Genossenschaft bzw. Gemeinde wirkten in grundherrschaftlichen, dörflichen und zum Teil in überlokalen Gerichten (Zent) sowie bei der Bestellung der Schöffen (Schöffengerichte im rheinisch-fränkischen Raum) bzw. Richter und Urteiler (süd- und südwestdeutscher Raum) vielfach zusammen. Bäuerliche Schöffen und Urteiler verrichteten bis in das 16. Jahrhundert in den westelbischen Gebieten vielfach darüber hinaus die Aufgaben der örtlichen Gerichte. Im Rheinland waren etwa die landesherrlichen Niedergerichte (Dingstühle) mit Schöffen besetzt, die sich aus den dörflichen Großbesitzern und Großpächtern rekrutierten; neben ihrer Gerichtstätigkeit amtierten Schultheiß und Schöffen auch als Organe der kurkölnischen Lokalverwaltung. Im Elsaß besetzten die von der Gemeindeversammlung gewählten, durch einen engeren Kreis von Gemeindeleuten kooptierten oder vom herrschaftlichen Amtmann eingesetzten Schöffen das Dorfgericht, das unter dem Vorsitz des herrschaftlichen Schultheißen tagte. Im engeren Kompetenzbereich der Dorfgerichte lagen die eher Zuständigkeit von Dorfgerichten verwaltungsrechtlichen Aufgaben der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Grundstücksfertigung, Ausstellung von Kaufverträgen, Beurkundung von Geburten, Heiraten und Sterbefällen, Mitwirkung bei der Anlage und Revision von Urbaren und Zinsbüchern) sowie die niedere Gerichtsbarkeit, die im wesentlichen die Erledigung von Zivil-
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3. Nachbarschaft und Gemeinde
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und Strafsachen aus dem genossenschaftlichen Dorf- und Nutzungsverband sowie von Verstößen gegen die Dorfordnung umfaßte; die Dorfgerichte legten Streitigkeiten in Feld und Flur (Übermähen, Verstöße gegen Wasserrechte u.ä.) sowie Nachbarschaftskonflikte bei, sie ahndeten Verletzungen des Dorffriedens durch Beleidigungen und Schlägereien und klärten Schuld- und Eigentumsfragen. Die dörfliche Gesellschaft verfügte damit über ein formalisiertes Verfahren zur Lösung von Konflikten, welches angesichts der sozialen Nähe der Akteure und der materiellen Verschränkungen im Dorfleben eine wichtige Rolle bei der Konsolidierung und Stabilisierung der dörflichen Verhältnisse spielte. Dorfgerichte i.e.S. traten in gewissen Gebieten angesichts spezifi- Überlokale Gescher Siedlungs- und Herrschaftsstrukturen hinter überlokalen Ge- "chtsgemeinden richtsverbänden zurück: dazu zählten etwa die Tiroler Landgerichte, die mehrere Gemeinden umfaßten und als Gebietsverband vielfältige Verwaltungs- und Gerichtsfunktionen ausübten, oder die im pfälzischfränkischen Raum verbreiteten, überterritorialen Hochgerichtsverbände derZenten. Im Mosel-Eifel-Raum erhielt sich bis in das 16. Jahrhundert, in gewissen Vorarlberger Gemeinden, in den Talgemeinden des Inner- und Westschweizer Alpenraums und in den Gerichtsgemeinden Graubündens auch darüber hinaus, die Mitwirkung der Gemeinden an der Hochgerichtsbarkeit, sei es, daß sie im Rahmen eines größeren Gerichtsverbandes mit anderen Gemeinden an der Besetzung der Gerichte und deren Rechtsprechung teilhatten, ohne selbst Träger der Gerichtshoheit zu sein, sei es, daß sie selbst mit dem Blutbann beliehen waren. In aller Regel blieb die strafrechtliche Behandlung schwerer Delikte aber ein Reservat herrschaftlich-obrigkeitlicher Gerichte.
3.3. Weistümer und Dorfordnungen: die lokalen Rechts
Verschriftlichung des
Im Zusammenwirken von Gerichtsherrschaft und (Gerichts-)Gemeinde erfolgte in der Regel die Formulierung und Aufzeichnung der Weistümer und mancher Dorf- bzw. Gerichtsordnungen; sie gehören zu den zentralen Quellen für die Geschichte der Dorf- und Landgemeinden, der Agrarverfassung und der feudalherrlich-bäuerlichen Verhältnisse. Auszählungen von edierten Weistümern und Dorfordnungen weisen für Höhepunkt der Österreich, das Elsaß und das Gebiet der alten Bundesrepublik Aufzeichnung von Weistümern Deutschland übereinstimmend nach, daß die Verschriftlichung des 1450-1000 ländlichen Rechts im Spätmittelalter einsetzte und etwa zwischen 1450 und 1600 ihren Höhepunkt erreichte. r
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I.
Enzyklopädischer Überblick
Ursprünglich erfolgte die mündliche Weisung des lokalen Rechts weisung zur in Anwesenheit des Gerichtsherrn bzw. dessen Vertreters durch ein UrDorfordnung teil der bäuerlichen Schöffen und Urteiler in der lokalen Gerichtsversammlung; die Weisung blieb mitunter auch nach der Aufzeichnung des Weistums für die periodische Bekräftigung und Publikation des
Von der Rechts-
Rechts konstitutiv. Während die älteren Weistümer (Jahrbriefe, DingÖffnungen, Taidinge) in der Regel auf die personal konstituierten Hof- und Gerichtsverbände der Grundherrschaften bezogen waren und für diese u.a. die Gerichtsorganisation, Bußen und Frevel, die Abgrenzung herrschaftlicher und genossenschaftlicher Interessen und Rechte, die bäuerlichen Abgaben und Dienste, das Ämterwesen und die Organisation der jeweiligen Grundherrschaft regelten, erstreckten sich die vielfach jüngeren Dorf- und Gemeindeordnungen auf die gesamte Bevölkerung von Dörfern und Gemeinden. Statt der älteren Weisung lagen den Ordnungen Aussprachen und Vereinbarungen zwischen den Gemeinden und ihren Dorfherren, bisweilen auch einseitiger Erlaß von seiten der Herrschaft, zugrunde. Bei allen materiellen Überschneidungen zwischen Weistümern und Dorfordnungen widmeten sich diese insgesamt stärker Fragen der Gemeindeverfassung und -organisation, der Regelung der Landwirtschaft in der Dorfmarkung, der Sicherung des Dorffriedens, der Taxierung von Bußen für die Übertretung der Dorfsatzungen, der Feuer- und Baupolizei u.ä. In den Bestimmungen machte sich je nach lokalen Kräfteverhältnissen kommunaler oder herrschaftlicher Einfluß stärker bemerkbar. Die „gute Policey" Im Verlauf des 16. Jahrhunderts drangen unter dem Einfluß der in den Dorfzunehmend Bestimmungen sitten- und kirchenordnungen Konfessionalisierung wie sie Art, polizeilicher gleichzeitig in den territorialen Landes-, Polizei- und Kirchenordnungen auftauchten, in die Dorfordnungen ein: Fluchen und Gotteslästern, Spielen und Tanzen wurden unter Strafe gestellt, die Sonntagsheiligung und die Einhaltung eines standesgemäßen Aufwandes in der Kleidung vorgeschrieben. In Schüben wurden seit der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts in den fränkischen Territorien Dorfordnungen erlassen, deren Umfang und Regelungsdichte jedesmal markant anstiegen. Hier machte sich zunehmend der Territorialstaat bemerkbar, der als herrschaftliche Ordnungsgewalt die traditionellen Grund- und Ortsherrschaften zu überlagern und die Gemeinden als unterste Stufe in den staatlichen Verwaltungsaufbau einzugliedern begann; allerdings warnte schon K. S. Bader davor, die Geschichte der Gemeinde in der Neuzeit als „einen allgemeinen, ununterbrochenen und gleichmäßigen Prozeß der Abbröckelung gemeindlicher Befugnisse" zu bewerten. „Unter der Decke territorialstaatlicher und städti-
hofrodel,
3. Nachbarschaft und Gemeinde
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scher Regiersucht (...) lebt, mehr oder minder deutlich erkennbar, gemeindliches Leben in zahllosen Kleinformen weiter" [Bader]. Dies erscheint nicht zuletzt deshalb als plausibel, weil die Gemeinde konkurrenzlos die wichtigste Instanz lokaler (Selbst)verwaltung blieb und weil überhaupt keine Herrschaft auf die lokale Vertrautheit mit dem Erbrecht, den Verwandtschafts- und Besitzverhältnissen u.a.m. verzichten konnte. Für die Gemeinden machte sich der stärkere obrigkeitliche Zu- Obrigkeitliche aber doch in der Einschränkung der Wahlbefugnisse für kommu- Einschränkungen griff der Gemeinden nale Amtsträger, in der verschärften Kontrolle der Gemeindeversammlung, in einer stärkeren herrschaftlichen Konkurrenz bei der Nutzung und Verfügungsgewalt über Allmende und Gemeindewald bemerkbar, aber auch im Bestreben der Herrschaft, an den Gemeindebußen und an den Einzugsgeldern der Neubürger teilzuhaben oder die Gemeindezechen und -zehrungen als angeblichen Ausdruck von Verschwendungssucht einzuschränken, schließlich auch in der Zurückdrängung der alten Dorfgerichte bzw. ihrer stärkeren Einbindung in die patrimonialstaatliche, von gelehrten Richtern getragene Justizverwaltung. Der herrschaftlich geprägte Wandel im Rechts- und Gerichtsweäußerte sich auf unterschiedliche Weise: In der oberschwäbischen sen Klosterherrschaft Ochsenhausen beschwerten sich die bäuerlichen Gerichtssässen um 1500 darüber, daß der Abt sie bei der Rechtssprechung und Urteilsfindung wider Eid und Gewissen beschwere, indem er seine einseitig erlassenen Gesetze als verbindliche Vorgaben für die Urteilspraxis festschreibe und alleine die Höhe bestimmter Frevelbußen fixiere; in Ober- und Niederösterreich verfolgten die Gerichtsherren im 16. und im ersten Drittel des 17. Jahrhunderts eine Strategie der Kriminalisierung heimlicher außergerichtlicher Vergleiche durch Gemeindeorgane bei Streitigkeiten zwischen Dorfbewohnern, sie drängten auf die Konfliktlösung vor den Patrimonialgerichten; in Hessen amtierten die Dorfvorsteher seit dem 16. Jahrhundert nicht mehr als Gerichtsvorsitzende, sondern wirkten nur mehr als Repräsentanten der Gemeinde in den staatlichen Unter- und Rügegerichten mit; in Sachsen und in der Magdeburger Börde wurden die Patrimonialgerichte ausgebaut und die eigenrichterlichen Funktionen der Dorfgerichte zurückgedrängt. Dort allerdings, wo der Territorialstaat im Kampf um die Anteile an der bäuerlichen Arbeit in Konkurrenz zu den Gerichts- und Grundherren stand, konnten militärische und fiskalische Interessen des Staates auch eine landesherrliche „Bauernschutzpolitik" motivieren, die die Gemeinden in ihren Auseinandersetzungen mit den Grundherren durch schiedsrichterliche Intervention stützte.
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3.4. Die
L
Enzyklopädischer Überblick
Kirchgemeinde
Eine Schilderung der Gemeindeverfassung und des Gemeindelebens bliebe unvollständig ohne Hinweis auf die Bedeutung der Kirchenorganisation und des religiös-kirchlichen Lebens für die Festigung des GeDie kommunale meindebewußtseins. Die Kirchgemeinden waren mit bzw. neben den Verwaltung der kirchlichen Institutionen und den Patronatsherren entscheidend an der lokalen Kirche Verwaltung der lokalen Kirche beteiligt. Weil der Pfarrer vielfach noch einen Teil seines Einkommens aus der Bewirtschaftung der Pfarrhuben bezog, war die lokale Kirche ihrerseits eng in die lokale Gemeinde-
organisation eingebunden. Heiligenpfleger (Opfermänner, Kirchenpfleger, -geschworene, -pröpste) verwalteten das Vermögen und die Ein-
künfte der lokalen Kirche. Die Gemeinde war am Unterhalt der Kirchen- und Pfarrgebäude beteiligt, bezahlte den Lohn des Pfarrers, schaffte Kultgeräte und -Utensilien an und tätigte als Körperschaft auch Stiftungen mit dem Ziel, die seelsorgerische Betreuung der Gemeinde zu verbessern. Das Kirchenvermögen bildete zudem eine Basis des lokalen Kreditwesens. Aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts stammen die ersten Nachrichten über dörfliche Schulmeister, die dieses Amt häufig in Verbindung mit dem Küster- oder Gemeindeschreiberamt versahen und die zur Hauptsache aus dem Kirchenvermögen, den Einkünften aus Nebenämtern und dem Schulgeld der Eltern bezahlt wurden. Initiativen zur Die Kirche, d.h. die Spendung der Sakramente bzw. die Predigt Verbesserung der des Gottesworts, möglichst im Ort zu lokalisieren, war im SpätmittelalSeelsorge ter und im 16. Jahrhundert das Bestreben mancher Gemeinde, die ihre seelsorgerliche Versorgung verbessern wollte: Der regelmäßige Besuch der Messe sollte nicht durch weite Wegstrecken behindert werden, die Toten wollte man möglichst auf dem eigenen, nahen Friedhof begraben. Nicht allen Dörfern und ländlichen Siedlungen gelang dies in gleichem Ausmaß, vielfach scheiterte die Separierung zur eigenen Pfarrei an der Inkorporation der Pfarrei in ein Kloster, doch mit der Stiftung von Niederpfründen und Kaplaneien ließ sich die seelsorgerische Betreuung der Bevölkerung vielfach verbessern, auch ohne daß es zur Erhebung zur eigenständigen Pfarrei kam. Die Aufsicht der Kirchgemeinde über die Residenz des Pfarrers und dessen Amtsausübung als Seelsorger war institutionell dort am bePfarrerwahl durch sten abgesichert, wo die Gemeinde das Recht der Pfarrerwahl besaß. die Gemeinde Dies war in Friesland schon im Mittelalter weitgehend der Fall, dieses Recht gelangte im 15. Jahrhundert auch in Dithmarschen, häufiger in den Alpenländern und vereinzelt im schwäbisch-alemannischen Raum an die Gemeinde; gestützt durch die reformatorische Theologie avan-
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3. Nachbarschaft und Gemeinde
eierte die Forderung nach der Pfarrerwahl durch die Gemeinde zu einer zentralen Forderung der Aufständischen im Bauernkrieg 1525. Bei der Auswahl eines neuen Pfarrers standen aber auch jenen Gemeinden Mitwirkungsmöglichkeiten offen, die nicht im Besitz der Kollationsrechte waren. Die aktive Einflußnahme von Gemeinden auf die Neubesetzung ist für katholische wie für protestantische Gebiete für das spätere 16. und frühe 17. Jahrhundert festgestellt worden, sei es, daß sie sich mit eigenen Vorschlägen und Bitten an den Superintendenten bzw. Patronatsherrn wandten oder die Zulassung von Probepredigten erwirkten, sei es, daß sie wie etwa im Mittelfränkischen im 16. Jahrhundert noch üblich ihren Pfarrer wie andere Gemeindediener jährlich neu bestellten (sog. Dingung) bzw. ihm den Abschied erteilten. In reformierten und gewissen protestantischen Territorien erhielt die Pfarrei im Zuge der Einrichtung staatlich-kirchlicher Sittengerichte (Kirchenkonvente, Chorgerichte) eine zusätzliche Aufgabe bei der Umsetzung der staatlich-kirchlichen Verchristlichungs- und Versittlichungspolitik, damit gleichzeitig auch eine Möglichkeit, Nachbarschafts- und Ehestreitigkeiten vor diese Gerichte zu tragen. Auch wenn die Gemeinden in dieser Funktion keineswegs autonom handelten saß doch der Pfarrer als Vertreter der Obrigkeit auch im Gericht -, so war doch mit diesen Sittengerichten in den Gemeinden eine Instanz gegeben, die Normen und Werte der dörflichen Gemeinschaft so z. B. die Wahrung guter Nachbarschaft zu stützen vermochte, zumal diese Gerichte ihr Ziel weniger durch strafrechtliche Sanktionen als primär durch die Ermahnung zur Buße und moralischen Besserung der Sünder im Hinblick auf deren Wiedereingliederung in die Abendmahlsgemeinschaft zu erreichen suchten. -
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3.5. Das Dorf als
Konfliktgemeinschaft Dorf- und Sittengerichten
Die vor den zur Sprache gebrachten innerdörflichen und -häuslichen Konflikte und Streitigkeiten werfen Licht auf besonders empfindliche Normen und Werte im Zusammenleben der dörflichen Gemeinschaft. Nachbarn brachten besonders häufig Klagen wegen Beleidigungen, Diebstahl von Nahrungsmitteln und Verletzungen von Grenz- und Nutzungsrechten durch andere Dorfleute vor die Ortsgerichte; ihre Klagen zielten auf die Wahrung und Sicherung von Besitz, Eigentum und materiellen Interessen sowie die Aufrechterhaltung der sozialen Reputation der eigenen Person und Familie. Das dörfliche Repertoire der Schimpfnamen und ehrmindemden Injurien legt jene Eigenschaften und Verhaltensweisen offen, die das Ansehen von
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Enzyklopädischer Überblick
Frauen und Männern in der ländlichen Gesellschaft beeinträchtigen konnten. Die Gerichtsprotokolle zeigen mit der besonderen Häufigkeit Geschlechtsspezi- der Beschimpfung von Frauen als „Huren" die Konnotierung der weibfische Muster der lichen Ehre mit sexuellem Verhalten, während bei Männern die Beleidigung Schimpfworte „Lügner", „Meineidiger", „Dieb", „Schelm" überwogen, was die Männerehre eher mit Verhaltenserwartungen wie Verläßlichkeit und Ehrlichkeit verknüpfte. In der Dominanz der Archetypen der Unehre, des Diebstahls und der sexuellen Anarchie im dörrlichen Beleidigungsgebaren drückten sich für M. Toch normativ-moralische Grundorientierungen einer ländlichen Gesellschaft aus, für die Ehrlichkeit und Ehrbarkeit in den sozialen Beziehungen auf Spannungen und Auseinandersetzungen im Dorfleben reflektierten und den Sinn für den sozialen Nutzen wechselseitiger Rücksichtnahme stärkten; gleichzeitig baute diese Gesellschaft mit Blick auf Besitz, Erbe und die Abfolge der Generationen als materiellen Grundlagen der Familien auf die sexuelle Ordnung der Frauen. Die vor Dorfgerichten verhandelten Beschimpfungen und Tätlichkeiten der Dorfbewohner spiegeln die soziale Nähe in Haus, Nachbarschaft und Dorf wider; die Alltagsgeschäfte der Nachbarn und Nachbarinnen am Brunnen, in der Schmiede, im Wirtshaus, auf den Gassen und Feldern waren der sozialen Kontrolle unterworfen, auffälliges und abweichendes Verhalten wurde rasch Gegenstand des dörflichen Geredes und Geschwätzes. Die förmliche Klage vor Gericht zeigt zudem an, daß in manchen Situationen die informellen Mechanismen der Streitschlichtung unter Nachbarn und Dorfgenossen und auch die grundsätzlich stabilisierende Verpflichtung zur Wahrung des Dorffriedens nicht (mehr) funktionierten bzw. gewalttätige, eigenmächtige Formen der Interessenwahrung nicht (mehr) hingenommen wurden.
4. Bauern und Herren 4.1.
Allgemeine Merkmale
Für Bauern machte sich Herrschaft
vorrangig als ökonomisches und und Gewaltverhältnis bemerkbar; rechtlich-politisches Abhängigkeitstisch-ökonomische Herrschaft und ihre berechtigte Träger zur Abschöpfung eibefähigte Abhängigkeit nes erheblichen Teils jener Arbeitserträge, die die Bauern über das zur eigenen Reproduktion Notwendige hinaus erwirtschafteten. „Da die Existenz der Mehrarbeit konstitutiv für alle vorindustriellen Bauerngesellschaften ist. besteht eine der entscheidenden Aufgaben jedes Versuchs, die .feudale' Produktionsweise im vorindustriellen Europa zu
Herrschaft als
poli-
4. Bauern und Herren
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deren spezifische Formen der Mehrarbeit und ihrer bestimmen" [Kuchenbuch/Michael]. Als Arbeits-, ProAneignung dukten- und Geldrente lassen sich drei Formen bäuerlicher Mehrarbeit Feudalrente unterscheiden, deren Gesamtumfang und relatives Gewicht die Bedeutung und Qualität der Feudalbelastung der Bauern definierten. Allgemein gesprochen wurde diese Belastung von den Bauern als „Freiheitsminderung" erfahren, konkret von Leibeigenen als Beschränkung der Freizügigkeit, der Gattenwahl und der Vererbung des Vermögens, von Grundholden als Beschränkung der Verfügungsgewalt über die eigene Arbeitszeit und -erträge sowie des Besitz- und Erbrechts am Hof. Weil die Bauern faktisch selbständig produzierten und selber über die nötigen Produktionsmittel verfügten, mußten sich die Herren die bäuerliche Mehrarbeit mit rechtlich-militärischen Mitteln, mit der sog. außeröko- Außerökonomischer Zwang nomischen Gewalt, aneignen. Das feudalherrlich-bäuerliche Verhältnis legitimierte sich als traditionale Herrschaft (M. Weber); das periodische Ritual der Huldigung zeigt an, wie sehr Herrschaft praktisch immer auch der Legitimierung „von unten" bedurfte: Mit der Huldigung schworen die Bauern ihren Huldigung als von Grund-, Gerichts- und Landesherren Treue und Gehorsam, im Gegen- Legitimierung Herrschaft zug versprach der Herr ihnen Schutz und Schirm sowie die Wahrung des lokalen Rechts und Herkommens. Reziprozität als regulatives Prinzip von Herrschaftsbeziehungen und wirksamer Integrationsmechanismus fand im Schwurakt einen einprägsamen Ausdruck. Die ideologisch in die Formel von „Schutz und Schirm" gefaßten Leistungspflichten der Herren gegenüber ihren bäuerlichen Untertanen realisierten sich abgesehen von der häufig genug versagenden Gewährleistung militärischen und rechtlichen Beistandes auch in Hilfsmaßnahmen während Versorgungskrisen oder in der gnädigen Anhörung individueller und kollektiver Suppliken um Abgaben von Holz, Erlaß oder Minderung von Strafen, Nachlaß von Steuern und Abgaben u.a.m.
begreifen, darin, zu
Typen der Agrarverfassung Als Überblick über die Vielzahl lokaler und regionaler Formen herrschaftlicher Abschöpfung und bäuerlicher Belastung bleibt vorderhand F. Lütges Typologie der Agrarverfassung brauchbar, auch wenn daran erinnert werden muß, daß die Charakterisierung von Typen der AgrarVerfassung der Vielfalt regionaler Sonderformen und -entwicklungen nicht gerecht zu werden vermag; die Typologie zeigt ihre Grenzen auch darin, daß sie große Räume nicht zu integrieren vermag oder diese als
4.2.
Übergangsgebiete
bezeichnen muß. Darunter fallen immerhin Tirol,
Lütges Typologie der Agrarvertassul
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L
Enzyklopädischer Überblick
Franken, Hessen mit der typischen,
nur
Nutzungsrechte begründenden
Leiheform des Landsiedelrechts und Friesland. Die Typologie basiert primär auf den Kriterien des Besitzrechts der Bauern an ihren Höfen, ihres persönlichen Rechtsstandes sowie der jeweils vorherrschenden Struktur der Feudalrente und trifft für die Epoche der Frühen Neuzeit eine erste Unterscheidung zwischen den westelbischen Gebieten der Grundherrschaft einerseits und den Gebieten der Gutsherrschaft in Ostdeutschland andererseits, sodann unterscheidet sie mehrere Agrarverfassungstypen innerhalb des Verbreitungsgebiets der Grundherrschaft.
Spätmittelalterliche Voraussetzungen der Gutsherrschaft
Verschlechterungen der landrechtlichen
Stellung der Bauern im 16. Jahrhundert
4.2.1. Die Gutsherrschaft Die Grenze zwischen Gutsherrschaft und Grundherrschaft und damit zwischen zwei Räumen mit wesentlich unterschiedlicher Agrarverfassung fällt grob mit den Flußläufen von Elbe und Saale zusammen; wichtige Ausnahmen sind die schleswig-holsteinische Nordseeküste, wo die Gutsherrschaft nicht Fuß fassen konnte, und die gutsherrschaftlich geprägte, aber westlich der Elbe gelegene Altmark. Wichtige Voraussetzungen für die Entwicklung der Gutsherrschaft wurden bereits im Spätmittelalter geschaffen: die Verbindung von Grundherrschaft und Gerichtsbarkeit erwies sich für Adel und Kirche im Hinblick auf die künftige Entwicklung als besonders wertvolles Privileg, weil die Gerichtshoheit dazu berechtigte, Dienste von den Bauern zu fordern. Die Agrarkrise und die Kriege des 14./15. Jahrhunderts ließen zahlreiche Bauernstellen wüstfallen, die später angesichts der allgemein geringeren Bevölkerungsdichte in den ostelbischen Gebieten nur noch teilweise wieder an Bauern ausgegeben, in größerem Umfang aber von den Grundherren zum Hofland geschlagen wurden, und zwar vorerst noch ohne Ausdehnung der adligen Eigenwirtschaft. Im 16. und frühen 17. Jahrhundert erreichten die adeligen Grundherren, die in den Ständeversammlungen Schleswig-Holsteins, Mecklenburgs, der Mark Brandenburg, Schlesiens und Ostpreußens eine starke Position gegenüber den vielfach verschuldeten Landesherren und den Städten behaupteten, Veränderungen des Landrechts zuungunsten der Bauern. Die ursprünglich freien Bauern verloren vielfach ihre Freizügigkeit, der freie Abzug wurde mit der Einführung der Pflicht, einen Ersatzmann zu stellen, erschwert oder völlig unterbunden, und die Bauern wurden als Guts- bzw. Erbuntertanen seit dem frühen 17. Jahrhundert teilweise unter der Bezeichnung als „Leibeigene" an die Scholle gebunden. Das Besitz- und Erbrecht der Bauern wurde tendenziell ausgehöhlt, etwa durch die Einführung oder Bestätigung eines Auskaufsrechts zugunsten der Herrschaft, oder durch das Aufkommen -
-
4. Bauern und Herren
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des ungünstigeren Laßrechts verschlechtert, das den Bauern nur noch ein kündbares Nutzungs-, aber kein Eigentumsrecht mehr an ihren Höfen einräumte. Beides erleichterte es den Gutsherren im 16. Jahrhundert, Bauernstellen einzuziehen und ihre Eigenwirtschaften zu vergrößern; in der Uckermark etwa stieg der Anteil der Ritterhufen an der Bodennutzung von 13,3% (1500) auf 32,2% (1620), während jener der Dorfhufen von 57,6% auf 50%, jener der wüsten Feldmarken aber von 29,1% auf 17,8% sank. Unter dem Einfluß der Agrarkonjunktur und vorteilhafter Exportmöglichkeiten vorab für Getreide, in Schleswig-Holstein auch für Mastochsen, expandierte die adlige Eigenwirtschaft, was wiederum den Bedarf der Gutsherren an der billigen Arbeitskraft der Bauern steigerte. Qualitative Veränderungen in der Feudalbelastung der Bauernstellen waren die Folge. Die Gutsherren erhöhten die wöchentliche Dienstpflicht der Bauern drastisch und sicherten sich mit der in Landtagsabschieden und landesherrlichen Gesindeordnungen sanktionierten Einführung des sog. Gesindezwangsdienstes ein Vormietrecht oder gar eine unbefristete Dienstpflicht der Bauernkinder und damit Arbeitskräfte zu vorteilhaften Bedingungen. Die Arbeitsverfassung bildete den Mittelpunkt des Verhältnisses zwischen Gutsherren und Bauern: im sog. Teilbetriebssystem wurde die adlige Eigenwirtschaft unter Rückgriff auf die Dienste, das Vieh und die Ackergeräte der abhängigen Bauern bewirtschaftet; seltener wurde die Gutswirtschaft schon im 16. Jahrhundert im sog. Eigenbetrieb mit Einsatz von Lohnarbeitern, Gesinde und gutseigenem Inventar betrieben. Die Entwicklung zur Gutsherrschaft ging regional unterschiedlich rasch voran und erreichte ihre extreme Ausprägung keineswegs überall und vielfach erst mit und nach dem Dreißigjährigen Krieg. Während die Mark Brandenburg in den Anfängen der Entwicklung im 16. Jahrhundert zeitweilig voranging, waren Besitz und Rechtsstellung der Bauern in Mecklenburg um 1600 noch kaum angetastet; dort und in Pommern verschärfte sich die Entwicklung erst während der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. In dieser ersten Phase der Entwicklung (bis ca. 1618) erreichte der Umfang der gutsherrlichen Eigenwirtschaften regional unterschiedlich hohe Anteile an der Nutzungsfläche: in der Kurmark umfaßte das Bauernland 1618 noch knapp die Hälfte der Nutzfläche, in der Neumark noch etwas mehr als zwei Fünftel; in den ostpreußischen Ämtern Soldau und Osterode hingegen lag das Verhältnis von Bauernhufen und Vorwerkshufen in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts immer noch bei 12,7:1 bzw. 9,8:1, und in der Mittelmark befanden sich 1624 immer noch 77% des Bodens in bäuerlicher
Vergrößerungen der Eigenwirtschaften und Steigerung der Arbeitsrente
Teilbetrieb und Eigenbetrieb in der Gutswirtschaft
Regionale Unter-
schiede
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I.
Enzyklopädischer Überblick
Hand, während auf das Gutsland
nur 18% entfielen. Trotz der Intensides zwischen 1570 und 1600 ging am Ende des vierung Bauernlegens 16. Jahrhunderts der Großteil der Gutsfläche auf den Einzug wüster Bauernhufen zurück, aktives Bauernlegen und -auskaufen spielten noch eine untergeordnete Rolle. Mancherorts war auch das Erbrecht der Bauern noch anerkannt. Eine Wendung hin zu einer substantiellen, dauerhaften Verschlechterung der Rechtsstellung, des Besitzrechts und der Frondienstbelastung der Bauern erfolgte insbesondere in Mecklenburg, Pommern, Teilen Brandenburgs und Schlesien unter dem Eindruck der Bevölkerungsverluste und Verwüstungen des DreißigjähriDienstbelastungen gen Krieges. Wenn auch die Dienstbelastung für die Bauern insbesonfurdie Bauern ^ere m ^CT zwejten Hälfte des 16. Jahrhunderts allgemein deutlich zunahm, so vorerst meist noch nicht in einem Umfang, der von den Bauern einschneidende Umstellungen der Arbeits- und Wirtschaftsorganisation ihrer Stellen erfordert hätte. Dies war erst bei einer Belastung von mehr als zwei bis drei Diensttagen in der Woche der Fall. Die bäuerliche Dienstbelastung bildet einen guten Indikator für die regionalen Unterschiede in der Ausprägung der Gutsherrschaft: In Brandenburg stieg während des 16. Jahrhunderts die wöchentliche Dienstbelastung der Bauern auf zwei bis drei Tage, im nordwestlichen Mecklenburg überwogen zu Beginn des 17. Jahrhunderts schon drei Diensttage in der Woche, und dies war weiter östlich im Lande Stargard schon vor der Jahrhundertwende üblich gewesen; hatten die Bauern in den herzoglichen Ämtern Ostpreußens in der Mitte des 16. Jahrhunderts noch einen Diensttag in der Woche geleistet, so stieg auch dort bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts die Scharwerkspflicht auf drei Tage; zu diesem Zeitpunkt hatte sich allerdings auf den Adelsgütern Schlesund in der bereits die tägliche Dienstpflicht Oberlausitz wig-Holsteins
durchgesetzt. 4.2.2. Typen der Grundherrschaft Während in den ostelbischen Gebieten die Agrarkonjunktur des 16. Jahrhunderts die Entwicklung zur Gutsherrschaft vorantrieb und die neuen Aneignungsstrukturen den gutsherrlichen Adel langfristig als Hauptnutznießer bestimmten, konsolidierten sich im Westen und Süden Deutschlands die Merkmale einer grundherrschaftlich geprägten Merkmale grund- Agrarverfassung. Bei aller regionalen und lokalen Vielfalt in den Beherrschaftlicher sitz-, Erbrechts- und Abgabeverhältnissen sowie hinsichtlich der perAgrarverfassungen sönlichen Rechtsstellung der Bauern prägen im Vergleich zur ostelbischen Gutsherrschaft folgende allgemeine Merkmale die Gebiete der Grundherrschaft: Die Bauern besaßen oder erwarben hier im Verlauf
4. Bauern und Herren
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des Spätmittelalters oder der Frühen Neuzeit in der Regel ein faktisches oder verbrieftes Erbrecht an ihren Gütern und bewahrten dieses in der Folge auch; dabei ist vielfach zu beobachten, daß unter dem wechselnden Einfluß der Bauern, der Grundherren und der Landesherren schlechtere Besitzrechte in Erblehen umgewandelt wurden (z.B. in Ober- und Ostschwaben, Tirol, Oberösterreich); noch im 16. Jahrhundert waren in gewissen Gegenden die Bauern in größerer Anzahl oder mehrheitlich frei von grundherrlichen Bindungen und besaßen ihre Höfe zu freiem Eigen (z.B. in den bremischen Marschen, im Alten Land, in den nordelbischen Marschgebieten, in Süderland, in Dörfern der Grundherrschaft von Mühlhausen i.Th., im Württembergischen, in Teilen Oberbayerns und der Schweiz). Unter der Grundherrschaft waren die Bauern sodann in der Regel persönlich frei; wo die Leibherrschaft noch verbreitet war (Westfalen, Südwestdeutschland, Bayern), hatte sie vielfach ihren früheren Charakter als Rechtstitel für die Beschränkung der Freizügigkeit und die Aneignung beträchtlicher Vermögensteile beim Tod des/der Leibeigenen eingebüßt; neben einer unbedeutenden jährlichen Abgabe (Zins, Huhn) forderten die Leibherren nach dem Tod von Leibeigenen das beste Stück Vieh oder das beste Gewand bzw. entsprechende Geldbeträge. Schließlich erfuhr im Verbreitungsgebiet der Grundherrschaft die feudale Rentenstruktur keine einseitige qualitative Verschiebung zugunsten einer einzigen Rentenform, vielmehr war eine Kombination von Geld- und Produktenrente mehrheitlich relativ bedeutender als die Arbeitsrente. Anders als in Ostdeutschland, wo die Gutsherren ihre Eigenwirtschaft ausdehnten und sich als Agrarunternehmer betätigten, beschränkten sich die Grundherren in den westelbischen Gebieten vielfach auf den Bezug ihrer Renten, wobei sie für den Hausbedarf auch weiterhin Eigenwirtschaft in einem gewissen Umfang betreiben mochten; die Agrarkonjunktur hat aber auch hier im 16. und frühen 17. Jahrhundert mancherorts z. B. in Thüringen und Sachsen das wirtschaftliche Engagement des grundherrlichen Adels verstärkt. Die herrschaftliche Grundstruktur der Agrarverfassung hat sich am weitesten im Bereich der sog. westdeutschen Grundherrschaft „Westdeutsche (Rheinland, südliches Westfalen) gelockert, deren Kennzeichen eine Grundherrscha große Mobilität des Grundbesitzes, die weitverbreitete Teilbarkeit der Güter sowie der freie Rechtsstand der Bauern waren. Die großen Höfe des Adels, der Kirche und der Stadtbürger (im 17./18. Jahrhundert ca. ein Drittel der Nutzfläche) waren größtenteils verpachtet; das übrige Land war als Eigen oder zu Erbzinsrecht in der Hand kleiner und mittlerer Bauern. Die im Gegensatz zu Niedersachsen (Meierrecht) oder -
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Enzyklopädischer Überblick
Hessen (Landsiedelrecht) erhalten gebliebenen Pachtverhältnisse sowie die starke Ausrichtung einer spezialisierten und überdurchschnittlich ertragreichen Agrarproduktion auf städtische Absatzmärkte lassen das Rheinland als Teil des agrarisch innovatorischen, frühkapitalistisch geprägten Nordwesteuropa erkennen. Im Verbreitungsgebiet der sog. südwestdeutschen Grundherr.Sudwestdeutsche Grundherrschaft" schaft überwog unter den Besitzrechten der Bauern das Erblehen mit fixierten Geld- und Naturalabgaben, das regional wie etwa in oberschwäbischen Klosterherrschaften als allgemeines Besitzrecht erst im Verlauf des 15. Jahrhunderts von den Bauern erkämpft worden ist. Bei den Besitzrechten auf Lebenszeit (Fall-, Schupflehen), die im 16. Jahrhundert vielfach entweder zur faktischen Erblichkeit tendierten oder zu Erblehen umgewandelt wurden (St. Blasien, Oberschwaben, Ostschwaben), blieb den Grundherren rechtlich die Möglichkeit, die Leihebedingungen beim Heimfall eines Gutes zu modifizieren und bei Handänderungen eine höhere Abgabe zu fordern. Bei den Feudallasten standen allgemein Geldabgaben (Zinsen) im Vordergrund. Frondienste spielten keine nennenswerte Rolle mehr, zumal die Landesherren hier und da ihre Domänen verpachteten und die früheren Ackerfronen durch Frongelder ersetzten (Baden, Württemberg, Hohenlohe, Hohenzollern). Die Verpflichtungen gegenüber den Leibherren umfaßten neben unbedeutenden regelmäßigen Zinsen primär Abgaben im Todesfall (Besthaupt, Gewandfall) sowie Beeinträchtigungen der persönlichen Handlungsfreiheit (Freizügigkeit, Heirat). Kennzeichnend ist für diesen Raum, insbesondere in den zahlreichen Klein- und Kleinstterritorien des Adels und der Klöster, das Zusammenfallen der Grund-, Gerichts- und Leibherrschaft in der Person des Landesherrn. In größeren Territorien so in Baden gab es mit Ausnahme des Landesherrn keine Verbindung von Grund- und Gerichtsherrschaft mehr, so daß das herrschaftliche Moment der Grundherrschaft weitgehend verblaßte. Die Verhältnisse in den Dörfern waren häufig durch eine starke Zersplitterung der grundherrlichen Ansprüche gekennzeichnet. Im Vergleich zur Grundherrschaft des südwestdeutschen Typs hat „Bayerische Lütge im Hinblick auf die sog. bayerische Grundherrschaft drei MerkGrundherrschaft" male betont: die weite Verbreitung formal schlechterer Besitzrechte (Leibrecht, Freistift) bei vielfach faktischer Erblichkeit; Ansätze zur Ausbildung der Gutsherrschaft in den sog. Hofmarken, d.h. territorial abgerundeten Bezirken mit herrschaftlicher Eigenwirtschaft, in denen der Hofmarksherr die Grund- und Gerichtsherrschaft in seiner Person vereinigte, wobei zu ergänzen ist, daß für die Hälfte der bayerischen Bauern der Landesherr Gerichtsherr war; schließlich eine Vergleichs-
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4. Bauern und Herren
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weise höhere Belastung der Bauern, wobei hier Frondienste (Scharwerk) und Besitzwechselabgaben (Laudemien) ins Gewicht fielen. In oberbayerischen Landgerichten schwankte das Laudemium je nach Besitzrecht zwischen 37 ft. bei großen Höfen zu Freistiftrecht und 60 bis 100 fl. bei Höfen zu Leibrecht. Verwandte Formen der Agrarverfassung besaßen teilweise auch die benachbarten Länder Salzburg und Österreich sowie die Steiermark, was Lütge bewog, die „bayerische Grundherrschaft" zum Typus der südostdeutschen Grundherrschaft zu erweitern. Eine wesentliche Gemeinsamkeit bildeten die Grundherrschaften mit größeren Eigenbetrieben und Besitz der Gerichtshoheit zumindest in Ober- und Niederösterreich, wo die Steigerung der bäuerlichen Arbeitsbelastung (Robot) nicht zufällig eine Rolle in den Bauernkriegen des späten 16. Jahrhunderts spielte. Zur stärkeren Akzentuierung der spezifischen Mittelstellung der österreichischen Agrarverhältnisse zwischen Rentengrundherrschaft und Gutsherrschaft hat A. Hoffmann den Begriff der „Wirtschaftsherrschaft" geprägt; demnach tendierten die österreichischen Grundherren durch den Ausbau der Eigenwirtschaft, stärkeren Zusammenschluß der Bauernwirtschaften, Zentralisierung der Abgaben, Steigerung der Frondienste und Förderung gewerblicher Produktion zur ökonomischen Nutzung ihrer Rechtstitel und zum gewinnorientierten Ausbau ihrer Herrschaften zu monopolähnlichen Binnenmärkten. Für Niederösterreich ist die Hochphase der „Wirtschaftsherrschaft" in die Zeit zwischen 1560 und 1620 datiert worden; sie hat sich hier aber nie flächendeckend etablieren können. Das Gebiet der sog. nordwestdeutschen Grundherrschaft fällt zusammen mit dem Raum vorherrschender Verbreitung des Meierrechts
„Südostdeutsche Grundherrschaft"
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(Braunschweig-Wolfenbüttel, Göttingen, Grubenhagen, Calenberg, Lüneburg, Hoya-Diepholz; auch im Bremischen, Hildesheim, Osnabrück, Paderborn), welches sich im Verlauf des 16. und 17. Jahrhunderts unter maßgeblichem Einfluß der Landesherrschaft vom ursprünglichen Pachtrecht zu einem erblichen Nutzungs-, nicht aber Eigentumsrecht fortentwickelt hat. Der Landesherr hat in Braunschweig-Wolfenbüttel und Calenberg die Abmeierung von Bauern und die Steigerung ihrer Lasten weitgehend verboten und mit diesem starken Eingriff in die Rechte der Grundherren sein fiskalisches Interesse an der Erhaltung existenzfähiger (groß)bäuerlicher Höfe geltend gemacht. Der Meier leistete seinem Grundherrn den sog. Meierzins, eine hohe Naturairente in Form einer Ertragsquote, im Süden Niedersachsens fielen zusätzlich wegen ansehnlicher Eigenwirtschaften der adeligen Gerichtsherren und der landesherrlichen Ämter die Dienste im Umfang von ein bis zwei
„Wirtschaftsherrschaft"
[Hoffmann]
„Nordwestdeutsche Grundherrschaft"
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I.
Enzyklopädischer Überblick
Tagen je Woche ins Gewicht. Wegen der
in der nordwestdeutschen Grundherrschaft zu beobachtenden Tendenz der Grundherren zur Konsolidierung und zum Ausbau der Eigenwirtschaften und der bäuerlichen Dienste werden die dortigen Verhältnisse mitunter in die Nähe der bayerischen Grundherrschaft oder gewisser Übergangsgebiete zur Gutsherrschaft gerückt. Wie das Meierrecht räumte auch das im Westfälischen (OsnaEigenbehörig- brück, Münster, Minden, Ravensberg, Lippe, Hoya-Diepholz) verbreikeils- und Meier- tete Besitzrecht der Eigenbehörigen kein echtes Eigentum, sondern nur dingsrecht ein erbliches, dingliches Nutzungsrecht an den Höfen ein; die Übernahme eines Gutes war dort an die Ergebung in den unfreien Rechtsstand der Eigenbehörigkeit gebunden, der im Todesfall zur Abgabe einer bestimmten Quote vom Nachlaß, ursprünglich der Hälfte der beweglichen Güter, später einer auszuhandelnden Geldzahlung verpflichtete. Die Ergebung in einen unfreien Rechtsstand als Bedingung für die Verleihung eines Hofes durch den Grundherrn begegnet auch im Hildesheimer Meierdingsrecht; dort verpflichtete die Ergebung in die sog. Halseigenschaft zur Zahlung einer Sterbfall- und Hochzeitsabgabe, doch waren die Meierdingsgüter deutlich geringer belastet als die Güter zu Meierrecht. „Mitteldeutsche Kerngebiete der sog. mitteldeutschen Grundherrschaft waren ThüGrundherrschaft" ringen und Kursachsen, weitere Verbreitungsgebiete die Gegend nördlich des Harzes und das anhaltinische Altsiedelland. Wegen der zahlreichen herrschaftlichen Eigenwirtschaften ist dieses Gebiet als „Bindeglied zwischen dem gutsherrlichen Osten und dem grundherrlichen Westen" bezeichnet worden [Lütge]; die Bauern konnten ihre persönliche Freiheit und ein sehr günstiges Besitzrecht in Form des schlichten Zinsgutes oder Erbzinsgutes bewahren, wozu in Kursachsen nicht zuletzt auch eine frühe Bauernschutzpolitik der Landesherren beigetragen hat.
4.3. Struktur und Gewicht der Feudalrente
Äußerst schwierig sind exaktere Aussagen über die Einkommen der
Bauern und eng damit verknüpft über das relative Gewicht und die der Feudalbelastung für die bäuerlichen FamilienwirtschafBedeutung Feudalbelastung ten. In der Forschung herrschen allgemeine Feststellungen und Tendenzbeobachtungen vor, weil mangels Aufzeichnungen der Bauern über die Ergebnisse ihrer Wirtschaftstätigkeit Berechnungen der Ein-
Bäuerliches Einkommen und
-
-
kommenshöhe von der schwierigen Bestimmung des Umfangs der landwirtschaftlichen Nutzfläche der Höfe, der Saatmengen, der Ertragsverhältnisse, der Erlöse aus der Viehwirtschaft und der eventuellen
4. Bauern und Herren
35
Nebeneinnahmen einerseits, von der Berechnung des Eigenverbrauchs und der Feudalrente andererseits abhängen, allesamt Faktoren und Größen, die wiederum erheblichen räumlichen und sozialen Schwankungen unterworfen waren. Fünf Herrschaftsbeziehungen begründeten im 16. Jahrhundert den Zugriff auf die Erträge bäuerlicher Arbeit: Zehntherrschaft (Großund Kleinzehnt), Grundherrschaft (Zins, Naturalien, Besitzwechselgebühren, evtl. Dienste), Gerichtsherrschaft (v. a. Dienste), Leibherrschaft (Zins, Abgaben im Todesfall) und Landesherrschaft (Dienste, Steuern). Aus der Sicht des einzelnen Bauern kollidierte jedes dieser Aneignungsverhältnisse mit den eigenen Bemühungen um die Subsistenzsicherung der Familie. Die „Belastung" durch herrschaftliche Forderungen beschränkte sich aber nicht allein auf die Abschöpfung materieller Güter oder Leistungen; von der Herrschaft als Leibeigener reklamiert zu werden, mochte von den Betroffenen nicht nur als ehrenrührig empfunden werden, mit dem Titel Leibeigenschaft behielten die Leibherren auch in der Frühen Neuzeit noch einen „Hebel feudaler Offensive" gegen bäuerliche Rechtsbestände in der Hand. F.-W. Henning hat für das 16. Jahrhundert einen großräumigen Vergleich über die Entwicklung der Dienste und Abgaben vorgelegt. Allgemein ist demnach von erheblichen Veränderungen der bäuerlichen Belastung aufgrund der Verbesserung der Agrareinkommen auszugehen. Diese Veränderungen gestalteten sich in guts- und grundherrschaftlichen Gebieten jedoch unterschiedlich. „Welcher sozialen Gruppe der größere Anteil an der Differentialrente zufiel, stand nicht von vornherein fest; entscheidendes Gewicht kam der Struktur der ländlichen Aneignungsverhältnisse und dem Wirtschaftsverhalten der Feudalklasse zu" [Kriedte]. In den Gebieten der Gutsherrschaft waren die Veränderungen für die Bauern der landesherrlichen Domänen und der Kirchengüter weniger einschneidend als für die Bauern adeliger Gutsherren: sie waren nur selten vom Bauernlegen betroffen, die Steigerung der gutsherrlichen Einnahmen erfolgte parallel zur Steigerung der Agrarpreise, die Vorwerke wurden im Gleichschritt mit der Neubesetzung der Bauernhöfe ausgedehnt, so daß sich die individuelle Fronbelastung nicht markant veränderte; allgemein veränderten sich die Naturalabgaben nicht, in Roggenäquivalenten gemessen ging die Geldrente trotz nominaler Steigerung um ca. 12% zurück; der Wert der Dienste und Abgaben belief sich auf ca. 20% des Rohertrags der Höfe und auf ca. 30% ihrer Wertschöpfung, so daß das Einkommen der Bauernfamilien mit ca. 15 bis 18 Doppelzentner Roggen/Jahr wesentlich davon bestimmt wurde, was nach Entrichtung der Abgaben und Steu-
Herrschaft und feudale Abschöpfung
Vergleich derEntwicklung der Dienst- und Ab-
gabenbelastung
Die Feudalbelastung unter der Gutsherrschaft
36
I.
Enzyklopädischer Überblick
noch übrigblieb. Für die Bauern in adeligen Gutsherrschaften brachte die Entwicklung im 16. Jahrhundert allgemein eine Verschlechterung der Lage, insbesondere weil die Dienstanforderungen in der zweiten Jahrhunderthälfte gestiegen waren. Für die westelbischen Gebiete sind Hennings Angaben nur für Die Feudalbelastung unter der das Zeitpachtgebiet im Rheinland sowie einzelne Gebiete der nordGrundherrschaft westdeutschen Grundherrschaft konkreter: Pächter waren im Vergleich zu den Bauern auf Meierrechtsgütern deutlich höher belastet; die natural zu entrichtenden Pachtleistungen lagen um 20% bis 80% höher als die von den bäuerlichen Verpächtern an die Grundherren zu entrichtenden Abgaben. Wo die grundherrlichen Abgaben noch allgemein in Naturalien entrichtet wurden, wie dies z.B. bei Meiergütern der Fall war, erübrigte sich die Anpassung der Lasten an die Markt- und Preissituation, im Gegensatz zu Gebieten mit einem größeren Gewicht der Geldrente in der Abgabenstruktur. Stieg der Geldwert der Getreideeinnahmen des Biberacher Heilig-Geist-Spitals, das den überwiegenden Teil der Abgaben in Naturalien bezog, im Jahresdurchschnitt von 6062 Pfund für das Jahrzehnt 1500-09 auf 28508 Pfund für das Jahrzehnt 1610-19, so erfuhren die Geldeinnahmen des Spitals trotz nominaler Verdreifachung zwischen 1500 und 1630 gemessen in Roggenäquivalenten einen deutlichen Rückgang. Hennings Fazit aus dem Vergleich der ost- und westdeutschen Verhältnisse des 16. Jahrhunderts vermag unter den Bauern weder Verlierer noch Gewinner zu erblicken: was die westdeutschen Bauern gegenüber den Bauern in Ostdeutschland dank einer geringeren Steigerung der Feudalbelastung je Flächeneinheit an Mehreinkommen gewannen, büßten sie wegen der kleineren Nutzfläche ihrer Höfe wieder ein. Dieser makroskopische Vergleich muß aber auf die regionalen Regionale und soziale Differen- und sozialen Verhältnisse hin differenziert werden. Er kann die Tatzierungen der Feudal belastung sache verdecken, daß nicht nur Grundherren, sondern auch Bauern, die regelmäßig einen Marktüberschuß produzieren konnten, von der Agrarkonjunktur profitierten und am Ende des Jahrhunderts einen geringeren Teil ihrer Produktion für die Feudalrente aufwandten als ihre Vorfahren noch einige Jahrzehnte früher. Für große Bauernwirtschaften aus dem Gebiet um Magdeburg und Halberstadt sind für die Zeit um 1600 jährliche Reinerträge zwischen 35-40 und 100-150 Talern errechnet worden. Für Oberbayern ist unmittelbar nach dem Dreißigjährigen Krieg eine im Vergleich mit anderen mittel- und westeuropäischen Gebieten relativ moderate Feudalquote von 21% bis 24% des Rohertrags bei größeren Betrieben und maximal 18% des Rohertrags ern
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4. Bauern und Herren
bei Kleinbauern errechnet worden; die bäuerlichen Lasten verteilten sich so, daß je nach Hofklasse der Grundherr mit Stift, Gült, Scharwerksgeldern und Laudemien mindestens ein Drittel bis zur Hälfte aller Abgaben einzog, der Anteil des Zehntherrn von knapp einem Viertel bis gut zwei Fünftel des Nominalwerts aller Lasten reichte, die Steuer schließlich mindestens ein Achtel, manchmal auch bereits ein Fünftel der Gesamtbelastung ausmachte. Auf der anderen Seite hat die Modellbilanz für einen 34 ha großen Hof aus der Grundherrschaft des Biberacher Spitals nur unwesentliche Verbesserungen des bäuerlichen Einkommens im 16. Jahrhundert ergeben: dort wirkten sich die steigenden Getreidepreise wegen der vorwiegend natural fixierten Abgaben (Getreidegült und -zehnt) sowie wegen der starken Steigerung der Laudemien die auch für das Memminger Spital nachgewiesen wurde nur wenig zugunsten der Bauern aus. An Thüringer Grundherrschaften ließ sich der enge Zusammenhang zwischen der Höhe der grundherrlichen Belastung und der Leistungsfähigkeit der Bauernwirtschaften bzw. der Bodenqualität nachweisen; besonders die Besitzer größerer Stellen auf relativ guten Böden eigneten sich einen Teil der Differentialrente an. Die Feudalherren waren angesichts der Tatsache, daß das Volumen der Feudalrente zwar stieg, gleichzeitig aber ihr Anteil am gesamten Agrarprodukt, die sog. Feudalquote, sank, allgemein bestrebt, durch Ausdehnung der bäuerlichen Leistungen im Rahmen der jeweiligen Agrarverfassung und des einzelnen Herrschaftsverhältnisses an der Agrarkonjunktur teilzuhaben und ihre Einnahmen zu steigern. Das Repertoire feudalherrlicher Maßnahmen reichte von der Einführung neuer Abgaben (z.B. Robotgeld in Oberösterreich) und Marktmonopolien (sog. Anfeilzwang in Österreich, Hohenzollern), der Einführung oder Steigerung von Zinsen und Besitzwechselabgaben, was teilweise besonders die Güter geringerer Besitzrechtsqualität traf (Hohenzollern, Hohenlohe, Oberschwaben, Oberbayem, Niedersachsen), über die gezielte Ansiedlung abgabepflichtiger Kleinstellenbesitzer (bayerische Hofmarken), den Übergang von Leihe- zu Pachtverhältnissen oder die Verschlechterung der Besitzrechte (Übergang von Freistift zu Leibrecht in bayerischen Hofmarken) bis zur Vergrößerung der Eigenwirtschaft durch Einzug wüster Bauernstellen und Bauemiegen in Ostdeutschland, zur Gewinnung von Neuland auf Initiative der Landesherren (Eindeichungen in Butjadingen, Stadland an der Nordseeküste) und zur Steigerung der bäuerlichen Dienste (Ostdeutschland, bayerische Hofmarken, Ober- und Niederösterreich). Die Grund- und Gerichtsherren erhielten im 16. Jahrhundert mit dem „Steuerstaat" einen ernsthaften Konkurrenten um die Abschöp-
-
Strategien der
Feudalherren zur Steigerung des Anteils an der Agrar-
konjunktur
Vordringen des „Steuerstaates"
38
I.
Enzyklopädischer Überblick
fung der bäuerlichen Mehrarbeit. Die meisten Bauern bekamen zu spüren, daß sie nicht allein
„Grundholden" oder „Hintersassen" eines
Grundherrn, sondern auch Untertanen einer Landesobrigkeit und des
Konkurrenz zwischen Landes- und Grundherren
Reiches waren, die beide ihre Steuern forderten. Hatte der Reichstag zwischen 1519 und 1555 Reichssteuern im Umfang von 73,5 Römermonaten bewilligt, waren es als Folge der Türkenkriege zwischen 1556 und 1606 409 Römermonate, und davon allein 226 zwischen 1594 und 1603. Hinzu kamen Steigerungen der Landessteuern: in Bayern bis 1670 im Vergleich zum Vorkriegszustand um das Anderthalbfache; im Alten Land waren die Bauern im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts nur einmal durch eine Hufenbesteuerung fiskalisch belastet worden, seit 1575 aber machten die Forderungen des Reichs regelmäßige Steuerzahlungen erforderlich. Der Verteilungskampf zwischen Staat und Grundherren mußte sich mit der Abschwächung der Agrarkonjunktur gegen Ende des 16. Jahrhunderts zwangsläufig verschärfen, längerfristig bauten aber die Steuern ihren Anteil an der Abschöpfung auf Kosten der grundherrlichen Einkünfte aus: gemessen an der Belastung des Jahres 1540 (= 100%) standen die Steuern von 50 Höfen unterschiedlicher Grundherren aus dem bayerischen Rentamt Burghausen im Jahre 1600 bei 280%, während die Abgaben an die Grundherren „nur" auf 173% des Ausgangswerts gestiegen waren. Dieser Befund läßt sich sozialgeschichtlich durch den Hinweis weiter differenzieren, daß in den oberbayerischen Landgerichten nach dem Dreißigjährigen Krieg die staatlichen Steuern und Scharwerksgelder viel ungleichmäßiger auf die verschiedenen Hofgrößen verteilt waren als die Abgaben an die Grundherren, deren Höhe sich etwa proportional zur Ackerfläche der Höfe verhielt: so bebauten die Kleinbauern des Landgerichts Schrobenhausen zwar nur 3,6% der Nutzfläche, trugen aber rund 20% zum Gesamtaufkommen an Steuern und Scharwerksgeldern des Landgerichts bei; in Relation zur bewirtschafteten Fläche trugen die Anwesen mit sechs bis 12 ha Ackerland den höchsten Anteil an Abgaben für den Staat. Das bayerische Landrecht schob 1616 mit der Kategorie der „Hausnotdurft" einen gewissen Riegel gegen den Ausbau der Scharwerke und der Eigenwirtschaft; nach dem Bauernkrieg wurde 1597 in Oberösterreich die Robotpflicht auf 14 Tage im Jahr fixiert, im gleichen Jahr wurden im Fürstentum Braunschweig die Dienste je nach Bauernklasse auf einen bis zwei Tage in der Woche beschränkt allesamt Maßnahmen des Staates gegen die Rentenoffensive der Grundherren, die mitunter als „Bauernschutz" der Landesherren gewürdigt wurden, -
4. Bauern und Herren
ihr spezifisches Gewicht allerdings erst lischen Interesses des Staates erhalten. 4.4. Territorialstaat und bäuerliche
vor
dem
39
Hintergrund des fiska-
Gesellschaft
Die sich im 16. Jahrhundert akzentuierende Konkurrenz zwischen Territorialstaat und Grundherren wird auch in den Bemühungen der Landesherren sichtbar, mit Rechtsaufzeichnungen und Gesetzen stärker in die Rechts- und Sozialordnung der ländlichen Gesellschaft einzugreifen und deren Entwicklung enger obrigkeitlicher Aufsicht zu unterwerfen. Solche Bemühungen zielten etwa auf die Uniformierung des Erbrechts, häufig im Sinne einer Forcierung des Teilungsverbots für bäuerliche Güter (Bayern, Hessen, Niedersachsen, Oberösterreich) oder wie in Württemberg einer Vereinheitlichung der Realteilungssitte und der Festschreibung der Pflicht zur Inventarisierung; die Position der bäuerlichen Besitzerpaare sollte gestärkt werden, z. B. durch die Aufwertung des elterlichen Konsenses bei der Heirat der Kinder. Hierher gehören auch die staatlichen Gesindeordnungen, die ein hinreichendes Angebot an Dienstboten für die Bauernwirtschaften gewährleisten sollten, oder die gegen die Grundherren gerichteten Verbote oder Einschränkungen von Zinssteigerungen (Hessen, Braun-
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schweig, Kursachsen). Die Verschiebungen
der Sozialstruktur und der Möglichkeiten des Auskommens in der ländlichen Gesellschaft riefen den Staat noch in anderen Bereichen auf den Plan. Die Integration der nachgeborenen Söhne und Töchter in das wirtschaftliche und soziale Leben sollte mit entsprechenden Verfügungen in den Dienstboten- und Tagewerkerordnungen ebenso gefördert werden wie durch die Anlage neuer Sölden. Als sich gegen Ende des 16. und zu Beginn des 17. Jahrhunderts die soziale Lage auf dem Land anspannte, stärkte die Obrigkeit mitunter ihre paternalistische Position gegenüber der ländlichen Bevölkerung, indem sie Darlehen gewährte oder auf rückständige Steuern und Abgaben verzichtete. Mit Forstordnungen griff die Obrigkeit im 16. Jahrhundert in einen weiteren Bereich der dörflich-bäuerlichen Wirtschaft ein. Die
Forstgesetzgebung gehörte zu den frühen Tätigkeitsfeldern staatlicher Verwaltung und war Ausdruck und Instrument der landesherrlichen Hoheitsgewalt. Der Zugriff der Obrigkeiten auf die Wälder zielte über ökonomische Erwägungen hinaus auf die Regulierung der traditionellen bäuerlichen Waldnutzung und auf die Durchdringung noch offener, obrigkeitlich nicht kontrollierter Räume: „Forstordnungen haben weni-
Staatliche Gesetz-
gebung: Erbrecht. Besitzverhältnisse. Ehe-, Gesinde- und
Forstordnungen
40
„Landschaften" als
Organe bäuerlicher Repräsentation
Bereiche „landschaftlicher" politischer Partizipation
[. Enzyklopädischer Überblick
ger mit Forst als mit Ordnung zu tun" [Allmann]. Die Ordnungen waren vordergründig motiviert durch die landesherrliche „Sorge für eine mit dem unentbehrlichen Brenn-, nachhaltige allgemeine Versorgung Werk- und Baustoff Holz" [Mantel] sowie für die Erhaltung des Waldes für die Schweinemast der Bauern und die Jagd der Herrschaften. Den Nutzungsvorschriften und -beschränkungen wurden auch private, gemeinschaftliche und kommunale Waldungen unterworfen, wogegen sich auf Seiten der Betroffenen auch Widerstand regte. Als Reflex auf die Territorialisierung und Intensivierung herrschaftlich-staatlicher Gewalt und vor dem Hintergrund der spätmittelalterlichen Einungsbewegung ist es in Gebieten mit starker kommunalgenossenschaftlicher Tradition seit dem 15. Jahrhundert zur Bildung sog. Landschaften gekommen. „Landschaft ist die genossenschaftlich organisierte, korporativ auftretende Untertanenschaft einer Herrschaft" [R Blickle]. Unter den spezifischen Bedingungen der jeweiligen Territorien entwickelten sich unterschiedliche Formen und Organe bäuerlich-kommunaler Repräsentation und Partizipation auf Landesebene; neben Adel, Klerus und Städten erschienen bäuerliche Abgeordnete der Kirchspiele (Marschländer im Bremer Erzstift) oder der Gerichte, Ämter und Vogteien (Baden, Vorderösterreich, Tirol, Schwäbisch-Österreich, Vorarlberg. Salzburg; mittelbar über Vertreter der Städte auch Württemberg) auf Landtagen und Ständeversammlungen. In den adelsund städtefreien Kleinterritorien Oberschwabens, einzelner bayerischer Klosterherrschaften und in den nordelbischen Küsten- und Inselgebieten traten „Landschaften" der bäuerlichen Untertanen als einzige Körperschaft der Herrschaft gegenüber und vertraten im Prozeß der staatlichen Entwicklung ihre Interessen und Rechte. Die „Landschaften" waren häufig an der Steuerbewilligung und -Verwaltung sowie an der Rechnungslegung beteiligt; besonders in den Kleinterritorien wirkten sie mit ihren Forderungen nach Einschränkung der Leibeigenschaftslasten, nach Verbesserung des Besitzrechts und Klärung der Nutzungsrechte maßgeblich an der Entwicklung der Agrarverfassung mit, sie hatten Anteil an der Aufzeichnung von Landrechten und neuen Landesordnungen, übernahmen Funktionen in der lokalen Selbstverwaltung und nutzten ihre Repräsentation, um gegen Neuerungen von Seiten der Herrschaft zu klagen. Wo die bäuerlichen Haus- und Grundbesitzer besonders eng in die Landesaufgebote integriert waren (Tirol, Vorarlberg), kamen die Bemühungen der Fürsten, die alte Landfolge und das Aufgebotswesen im 16. Jahrhundert in sog. Defensionswerken zu reorganisieren, nicht an der Mitwirkung der Landschaft vorbei. Die Ausschüsse der Städte und Dörfer waren in die Landesdefension integriert
41
4. Bauern und Herren
und sollten in erster Linie zur Verteidigung des Territoriums gegen fremde Kriegstruppen dienen. Die strukturelle Fortbildung und räumliche Erweiterung lokaler, Erfolge und Mißbäuerlich-kommunaler Verbände zur Eigenstaatlichkeit blieben hinge- erfolge bäuerlicher Eigenstaatlichkeit gen die Ausnahme und an besondere Voraussetzungen gebunden; die im Bauernkrieg 1525 von den Aufständischen formulierten Verfassungskonzepte vermitteln zumindest eine Idee von den Staatsvorstellungen bäuerlicher Untertanen. Die Bündnisse der Innerschweizer Talgemeinden mit den Stadtstaaten des Schweizer Mittellandes waren eine entscheidende Bedingung für die Konsolidierung des eidgenössischen Bundessystems; in Graubünden und im Wallis vollzog sich hauptsächlich im 16. Jahrhundert der Übergang vom bischöflichen Hochstift im Reichsverband zur eigenständigen Republik auf kommunal-föderativer Grundlage. In Dithmarschen fand das sog. „Regentenzeitalter" und damit auch die republikanische Verfassung mit ihrer Kollegialregierung von 48 bäuerlichen „Regenten" und ihrer von den Kirchspielen beschickten Landesversammlung mit der militärischen Niederlage der Bauern gegen den König von Dänemark und die Herzöge von Schleswig-Holstein im Jahre 1559 ein Ende; ähnlich hatten zu Beginn des Jahrhunderts die Grafen von Oldenburg bzw. das Erzstift Bremen das Butjadinger- und Stadland bzw. das Land Wursten ihrer Territorialgewalt unterworfen; die Landschaften bewahrten hier aber in der Folgezeit wichtige Funktionen in der Selbstverwaltung. -
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4.5. Grenzen feudal-staatlicher Herrschaft und Widerstand der Bauern In den asymmetrisch strukturierten, bisweilen auch von Gewalt- und Willkürakten geprägten Beziehungen zu den Feudalherren blieben die bäuerlichen Untertanen nicht wehrlos. Die Vorstellung von gerechter Herrschaft und ein ausgeprägtes Rechtsbewußtsein legitimierten in der Überzeugung der Bauern zu Protest und Widerstand gegen unbillige Einschränkungen, Belastungen und Neuerungen von Seiten der Herrschaften. Zu den spektakulärsten Formen bäuerlichen Widerstandes zählen die Revolten, in denen Bauern unter Einsatz organisierter bewaffneter Gewalt gegen die Grundherren, bisweilen auch gegen ihre Landesherren vorgingen; dabei ging es ihnen einmal darum, bessere Besitzrechte und geringere Abgaben und damit einen höheren Anteil am Ertrag ih,rer Arbeit zu erzielen, zum anderen sollten kommunale Rechte gestärkt und individuelle Handlungsspielräume durch den Abbau leibherrlicher Rechte erweitert werden. Für den Untersuchungszeitraum
Bäuerliche Revolten
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L
Enzyklopädischer Überblick
(ca. 1470 bis 1648) sind in einer vorläufigen Übersicht 63 Revolten
erfaßt worden, die sich überwiegend im Südwesten Deutschlands, in der Schweiz und Österreich ereignet haben. Der Widerstand der Bauern intensivierte sich in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts und ein weiteres Mal zwischen 1500 und dem Bauernkrieg von 1525, gleichzeitig kam es in gewissen Bewegungen auch zu einer Radikalisierung des Protests. In den mehrmaligen Verschwörungen des sog. Verschwörungen Bundschuhs am Oberrhein zwischen 1493 und 1517 wurden mit der des Bundschuh neuartigen Legitimation der „göttlichen Gerechtigkeit" die Freigabe am Oberrhein von Jagd und Fischfang, die Abschaffung des geistlichen Gerichts und Hofgerichts und aller partikularen Herrschaften und Obrigkeiten zugunsten von Kaiser und Papst gefordert. Diese Konspirationen wurden aber alle vorzeitig aufgedeckt. Im Bauernkrieg 1524-26 erhielt der bäuerliche Widerstand unter Bauernkrieg 1524-26 dem Einfluß der reformatorischen Bewegung „eine prinzipielle Stoßrichtung" [P. Blickle]. Die Aufständischen waren durch das befreiende Moment der reformatorischen Predigt angesprochen und forderten die Verkündigung des „reinen Evangeliums", das für sie sowohl „Wegleitung zum Seelenheil" als auch „Richtschnur für den innerweltlichen Bereich" war [P. Blickle], die Heilige Schrift verstanden sie als Offenbarung des göttlichen Rechts und gleichsam als Verfassungstext für die soziale und politische Ordnung. Die Bewegung nahm Ende 1524 ihren Ausgang am Hochrhein und in Oberschwaben, entfaltete rasch ihre Dynamik und fand ihre Organisationsform in den überterritorialen Haufen, die militärische, politische und rechtliche Funktionen verbanden. Anfang März 1525 lagen in Oberschwaben eine auf der Grundlage der lokalen Beschwerdeschriften erarbeitete, grundlegende Programmschrift in Gestalt der Die Programmatik Zwölf Artikel sowie ein Konzept für die militärisch-politische Organider Zwölf Artikel sation der Bewegung (Bundesordnung) vor. Die rasch in 25 Drucken aufgelegten und auch außerhalb Oberschwabens von den Aufständischen breit rezipierten Zwölf Artikel waren „Beschwerdeschrift, Reformprogramm und politisches Manifest zugleich" [P. Blickle]. Das Pfarrerwahlrecht der Gemeinde, die Abschaffung des Kleinzehnten und die Rückführung des Großzehnten auf seinen eigentlichen Verwendungszweck in der Seelsorge und Armenfürsorge sowie die Aufhebung der Leibeigenschaft waren prominente Forderungen der Artikel, deren revolutionärer Dreh- und Angelpunkt in der Letztbegründung durch das Evangelium lag. „Brüderliche Liebe" und „gemeiner christlicher Nutzen" sollten als Grundwerte der neuen gesellschaftlich-politischen Ordnung verwirklicht werden.
43
4. Bauern und Herren
Der Bauernkrieg griff im März und April nach Franken, Württemin den Schwarzwald, die Ost- und Nordschweiz, das Elsaß und die Pfalz aus und berührte dabei auch einzelne Städte, im Mai und Juni erreichte er Thüringen, Tirol, Salzburg, Inner- und Oberösterreich und damit seine größte Ausdehnung. Mit der Ausschaltung bzw. Neutralisierung des traditionellen VerfassungsHerrschaftssystems stellte sich den Aufständischen das Problem, dem alternativen politisch-gesellschaftlichen Programm organisatorische Formen zu verleihen: In den Kleinterritorien Schwabens, des Oberrheins und Frankens optierten sie für das kommunal-föderative Modell der „Christlichen Vereinigungen", in den größeren Territorien für eine auf den ländlichen und städtischen Gemeinden und dem Wahlprinzip fußende, radikale Reform der ständischen Repräsentativverfassung. Nicht einmal in Ansätzen ließen sich allerdings diese Verfassungsmodelle in der Praxis erproben, denn im Mai und Juni unterlagen die Haufen in den ersten Schlachten gegen die Heere der Reichsfürsten und des Schwäbischen Bundes. Der Bauernkrieg forderte zahlreiche Opfer und endete in Niederlage der teilweise drastischen Strafaktionen gegen die Aufständischen, wenig- Bauern und Folgen des Bauernkrieges stens in einigen Gebieten kam es aber auch zu politischen Teillösungen des Konflikts: In Verträgen mit den Bauern und Revisionen der Landesordnungen trugen die Herrschaften am Oberrhein, in Oberschwaben, in Tirol und Salzburg einzelnen Beschwerden (Leibeigenschaft, Dienste, Justizwesen) teilweise Rechnung. Auf dem Land büßte die Reformation mit der Niederlage der Bauern ihren Charakter als soziale Massenbewegung ein. Die Niederlage der Bauern 1525 hat aber feudal-staatliche Herrschaft keinesfalls weniger anfällig für den Protest und Widerstand der Untertanen gemacht. Der erste, im frühen 15. Jahrhundert einsetzende und im Bauernkrieg kulminierende Revoltenzyklus war zu wesentlichen Teilen durch den Kampf der Bauern mit ihren Grundherren um die Ausgestaltung der Agrarverfassung (Leibeigenschaft, Besitzrechte) sowie durch die Konflikte um die Auswirkungen der Territorialisierungs- und Intensivierungsbemühungen kleinerer Herrschaften geprägt gewesen. In den 1560er Jahren setzte ein neuer Zyklus von Revolten Der Revoltenzyklus ein, der sich auf die alten Kernräume bäuerlicher Unruhen den deut- seit 1560 schen Südwesten, die Schweiz und Oberösterreich konzentrierte. Steigerungen der Reichssteuern sowie Neuerungen bei den Frondiensten provozierten den Widerstand der ländlichen Bevölkerung, wenn auch damit keineswegs das gesamte Konfliktpotential in den feudalstaatlich-bäuerlichen Beziehungen erschöpfend erfaßt wird. Die Formen und Verfahren bäuerlichen Widerstandes unterliefen einen be-
berg,
-
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Enzyklopädischer Überblick
merkenswerten Wandel; gegenüber der Revolte gaben die Bauern immer häufiger dem Prozeßweg den Vorzug. Vor Landes- und Reichsgerichten klagten sie bzw. die Gemeinden ihre Grund- und Landesherren wegen unbilliger Neuerungen und Verletzung hergebrachter Rechte an, und das mündete in der Regel in langjährige Verfahren. Den Rechtsweg beschritten vielfach auch die gutsuntertänigen Bauern in den mittelund ostdeutschen Territorien, die seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts auch mit Fronstreiks oder Flucht ihren Widerstand gegen die steigenden Dienstforderungen der Gutsherren manifestierten.
5.
Säkulare Wechsellagen und Aufschwung der Landwirtschaft
Demographische Entwicklung
Agrarkonjunktur, Marktbeziehungen und soziale Differenzierung
Der soziale, demographische und wirtschaftliche Wandel in der ländlichen Gesellschaft Mitteleuropas im Verlauf des sog. „langen 16. Jahrhunderts" reiht sich ein in die für die Dynamik der feudalen Produktionsweise und vormoderner Agrargesellschaften kennzeichnende Abfolge säkularer Wechsellagen; auf die Stagnation des späten Mittelalters folgte ein Aufschwung, der sich in einem deutlichen Wachstum der Bevölkerung, in der Erschließung neuer Nutzflächen, im allgemeinen Anstieg der Preise (sog. „Preisrevolution"), vorab der Agrar- und Bodenpreise, in der damit korrespondierenden, sich verdichtenden Marktintegration mancher Teile der ländlichen Bevölkerung sowie in der steigenden Differenzierung derselben bemerkbar machte. Allerdings beschränkte sich der Wandel keineswegs auf den ländlichen Raum, vielmehr gingen zentrale Impulse für das wirtschaftliche Wachstum von den Städten, dem Handel und frühkapitalistisch geprägten Wirtschaftszweigen, z. B. dem Bergbau, aus, welche im Verlauf des Jahrhunderts in Europa zu einer großräumigen wirtschaftlichen Verflechtung führten. Treibende Kraft des säkularen Aufschwungs und der damit in der ländlichen Gesellschaft einhergehenden Veränderungen war der im späten 15. Jahrhundert noch langsame, in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts beschleunigte Anstieg der Bevölkerung mit seiner positiven Wechselwirkung auf das Wachstum der Wirtschaft. In Deutschland stieg die Zahl der Bevölkerung zwischen 1500 und 1618 schätzungsweise von 9 auf 17,1 Mio. Einwohner, für die Schweiz ist für das 16. Jahrhundert ein Bevölkerungsanstieg um 300'000 Menschen auf 900'000 Einwohner geschätzt worden, was in Teilen des Schweizer
5.
Agrarkonjunktur. Marktbeziehungen
45
Mittellandes einer Verdoppelung der Bevölkerungszahl gleichkam. Die Phase des stärksten Wachstums reichte bis in die 1560er Jahre, in geringeren jährlichen Wachstumsraten setzte sich der Anstieg der Bevölkerung aber, nunmehr immer häufiger durch Sterblichkeitskrisen unterbrochen, bis zum Beginn des Dreißigjährigen Krieges fort. Das 16. Jahrhundert wird mitunter als das „Zeitalter der Preisre- Anstieg der volution" bezeichnet [Henning]. Ein starker Anstieg der Preise ist in Agrarpreise der Tat charakteristisch, er fiel allerdings aufgrund des veränderten Nachfrageverhaltens bei den Preisen für Agrarprodukte, insbesondere für das unelastisch nachgefragte Getreide, relativ stärker aus als bei den Preisen für Gewerbeprodukte und bei den Löhnen. Die auf der Grundlage lokaler Preisreihen aggregierten Berechnungen Abels zeigen einen säkularen Anstieg der Getreidepreise in ganz Europa, der in Deutschland und Österreich mit 255% bzw. 272% während des ganzen Jahrhunderts gemessen an der Entwicklung in Frankreich oder England noch vergleichsweise moderat ausfiel. Hatte ein Bauer im ersten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts für 100 kg Roggen das Äquivalent von 20,6 g Silber erhalten, so erhielt sein Enkel oder Urenkel am Ende des Jahrhunderts dafür das Äquivalent von 52,6 g Silber. Die Bewegung der Agrarpreise sowie die regionale Forcierung von ländlichen Spezial- Chancen und Risikulturen verliehen den Marktbeziehungen in der ländlichen Gesell- ken steigender schaft neue Bedeutung; für die regelmäßigen Produzenten und Verkäu- Marktintegration fer marktfähiger Überschüsse bot der Markt attraktive Absatzmöglichkeiten, gleichzeitig schuf er neue Risiken, welche sich für verschuldete Bauern in der erhöhten Anfälligkeit für Marktkrisen spürbar machten; für die wachsende Zahl der landarmen und landlosen Haushalte, die kleinere oder größere Mengen ihres Getreidebedarfs über den Markt decken mußten, wirkten sich die Marktkräfte zunehmend als strukturelle Einengung des wirtschaftlichen Handlungsspielraums aus. Geht man davon aus, daß eine Hofstelle im Amt Langenburg (Hohenlohe) wenigstens 18 Morgen Land besitzen mußte, wollte sie neben ihrer eigenen Versorgung auch noch regelmäßig Marktüberschüsse produzieren, so erfüllten zu Beginn des 17. Jahrhunderts noch 22% der Stellen diese Bedingung, gut ein Fünftel der Haushalte war dazu nur noch un-
regelmäßig
in der Lage, während die übrigen 52% einzig als Käufer Getreide auf dem Markt in Erscheinung traten. Die unterschiedliche Position auf dem Markt war ein Indikator für die soziale Differenzierung, die sich als Folge der Wachstumsdynamik der ländlichen Gesellschaft einschrieb. Da der substantiellen Intensivierung der Agrarproduktion und der Vermehrung subsistenzsichernder Bauernstellen relativ enge Grenzen gesetzt waren, entvon
Soziale Differenzierungsprozesse in der ländlichen Gesellschaft
46
I.
Enzyklopädischer Überblick
wickelte sich die ländliche Gesellschaft je nach lokaler Agrarverfassung und außeragrarischen Erwerbsmöglichkeiten in unterschiedliche Richtungen. Das Aussehen der Dörfer blieb davon nicht unberührt. Wo die Bauern, Grundherren oder der Staat im 16. Jahrhundert das Interesse an der ungeteilten Übergabe der Höfe durchsetzen konnten, verlief die demographische Expansion sozial extrem asymmetrisch; da die Zahl der Höfe konstant blieb und die Besitzstände der Groß- und Mittelbauern nicht angetastet wurden, sank zwangsläufig die Absorptionsfähigkeit der Vollstellen, und die klein- und unterbäuerlichen Haushalte nahmen zu. In den Realteilungsgebieten führte der demographische Druck auf den Boden zu einer starken Zersplitterung des Grundbesitzes. Arbeitsintensive Kulturen (Wein- und Obstbau, Sonderkulturen) vermochten einen Teil der kleinbäuerlichen Haushalte zu beschäftigen (Thüringen, Württemberg, Zürcher Landschaft). Hier wuchs die Zahl der Besitzungen tendenziell mit den Einwohnern, „das Ausmaß der sozialen Ungleichheit war konstant" [Schlumbohm]. Durch die Zunahme der Bevölkerung wurden in erster Linie die ländlichen Unterschichten erweitert, doch verlief diese Entwicklung in den nordostdeutschen Territorien bis in das beginnende 17. Jahrhundert weniger ausgeprägt als vielfach im Süden und Westen des Reiches und in Schlesien. Man hat den durchschnittlichen Anteil jener Familien, die vor Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges von der Landwirtschaft allein kein Auskommen mehr fanden, auf ca. 20% geschätzt, wobei er in gewissen Gebieten bereits 50% und mehr betrug (Butjadingen, einzelne Harden im Amt Gottorf, Breisgauer Rheinebene, Württemberg, Land-
grafschaft Nellenburg, Ostschwaben, gewisse bayerische Landge-
richte); im Fritzlarer Raum erreichte der Anteil der unterbäuerlichen Schicht an den Gesamtstellen gar 71%, in Württemberg zählten in der
Mitte des 16. Jahrhunderts 65% bis 83% der ländlichen Bevölkerung Ortsarmut, auch in manchen Dörfern auf der Zürcher Landschaft stellte die unterbäuerliche Schicht die Mehrheit. Ihr Anteil schwankte aber häufig innerhalb einer Landschaft von Dorf zu Dorf erheblich. Die sozialen Unterschiede wurden im Dorfalltag vielfältig sichtbar: Die größeren Höfe der Bauern (Hufenbauer, Hufner, Ackerleute, Anspänner, Pferdner, Meier) lagen im Dorf, verfügten über eigene Gespanne, leisteten Spanndienste für die Herrschaft und beschäftigten vielfach familienfremde Dienstboten oder Tagelöhner; die Stellen der Kleinbauern (Seidner, Köhler, Kötner, Kossäten, Gärtner) hingegen lagen vielfach am Dorfrand oder standen auf einer von einem größeren Hof abgeteilten Parzelle, ihre Besitzer waren mangels eigener Gezur
Soziale Schichten: Bauern. Kleinbauern, Häusler
5.
Agrarkonjunktur, Marktbeziehungen
47
spanne auf die Pflughilfe von Hofbauern angewiesen und verrichteten ihre Dienste für die Herrschaft in Handarbeit. Im Verlauf des 16. Jahrhunderts zeichneten sich in einigen Gegenden die sozialen Konturen einer dritten Gruppe von Dorfbewohnern ab, deren Hauptmerkmale geringer oder überhaupt das Fehlen von Landbesitz sowie das Wohnen zur Miete bei Bauern, allenfalls der Besitz eines kleinen Wohnhauses, waren
(Brinksitzer, Häusler, Häusling, Einlieger, Beiwohner, Insten).
In den Steuerlisten der Obrigkeit spiegelten sich diese Verhältnisse in der bisweilen extrem ungleichen Verteilung der Vermögen innerhalb einzelner Orte und Regionen wider: in der Landgrafschaft Nellenburg besaßen im Jahre 1615 60% der Haushalte ein Vermögen von höchstens 100 fl. oder waren überhaupt ohne Vermögen, etwas mehr als ein Viertel der Haushalte verfügte über ein mittleres Vermögen zwischen 100 fl. und 500 fl. und nur gut ein Zehntel der Haushalte verzeichnete Vermögen über 500 fl., darunter einige Wirte und Großbauern mit Spitzenvermögen bis zu 12000 fl.; in den nellenburgischen Dörfern mit Realteilung besaß die Hälfte der Hausvorstände gemeinsam nur knapp 6% des Gesamtvermögens, wo Anerbenrecht vorherrschte, sank dieser Anteil gar auf 1,5%. Die Entwicklung im Verlauf des 16. Jahrhunderts veranschaulicht das Beispiel von 12 Hohenloher Dörfern und Weilern, wo der Anteil der reichsten Haushalte (20%) an den Vermögen von 44% im Jahre 1528 auf 62% im Jahre 1581 stieg, während im gleichen Zeitraum der Anteil der ärmeren und ärmsten Haushalte (60%) am Gesamtvermögen von 33% auf 16% sank. Für die Angehörigen landarmer und landloser Haushalte erhielten unter diesen Bedingungen Erwerbsmöglichkeiten als Tagelöhner bei den Bauern oder im handwerklich-gewerblichen Bereich eine existentielle Bedeutung. Mit der Zunahme der Arbeitsteilung und, insbesondere in Gebieten mit intensiveren bäuerlichen Marktbeziehungen, dem Fortschreiten der Auslagerung gewerblicher Produktion aus der Hauswirtschaft stieg die Aufnahmefähigkeit des traditionellen Landhandwerks, das für das Dorf und die Nachbarorte Nahrungsmittel, Arbeitsund Hausgeräte sowie Bekleidungsgegenstände produzierte (Schmied,
Wagner, Küfer, Müller, Bäcker, Metzger, Wirte, Weber, Schneider. Schuster). Diese Tendenz verstärkte sich mit der Ausdehnung der handwerklichen Warenproduktion auf dem Land (z. B. durch die Intensivierung des Gewerbes in den bayerischen Hofmarken) oder eines für überregionale Märkte produzierenden Landgewerbes, das neue, vom Grundbesitz weitgehend unabhängige Beschäftigungsmöglichkeiten für größere Gruppen der ländlichen Gesellschaft bereitstellte; vorab war dies im Textilgewerbe (Osnabrück, Hessen, Ostschwaben, Zürcher
48
L
Enzyklopädischer Überblick
Landschaft, Oberösterreich) sowie in der Metallgewinnung und -Verarbeitung der Fall (Sauerland, Gebirgszonen Thüringens, Sachsens, Schlesiens, Oberpfalz, Oberösterreich). Als Ventile für den Bevölke-
wirkten sich auch die Abwanderung in die Städte und der Solddienst aus. In einer ersten Phase hatte das demographische Wachstum das Extensive Steigerung der Agrar- agrarische Wirtschaftswachstum stimuliert, ersichtlich in den Investiproduktion tionen zur Ausdehnung der Nutzflächen durch Rodungen und Urbarisierung von Mooren, durch die Erschließung neuer Kulturflächen in den Marschen (48000 ha im 16. und frühen 17. Jahrhundert an der deutschen Nordseeküste) und die erneute Nutzung der spätmittelalterlichen Wüstungen; die Besömmerung der Brache (Rheinland, Mainfranken) und die Einzäunung von Allmendland und dessen Umwandlung in Ackerland (Mecklenburg, Zürcher und Luzerner Landschaft) zeigten, wenn auch als regional begrenzte Erscheinungen, eine Auflösung der Dreifelderwirtschaft an. Günstige Absatzmöglichkeiten förderten einerseits die Diversifizierung der Agrarproduktion, die sich insbesondere in der regional spezialisierten Produktion gewerblicher Rohstoffe für das Textilge werbe (Textilroh- und Farbstoffe) manifestierte, andererseits verschärften die im Vergleich zu den Fleischpreisen höheren Marktpreise für Getreide das chronische Mißverhältnis zwischen Ackerland und Weide- und Wiesland auf den Höfen der Getreideanbaugebiete, indem der Getreidebau zu Lasten der Wiesenflächen ausgedehnt wurde. Die positive Einflußbeziehung zwischen Bevölkerungs- und WirtGrenzen des Wachstums schaftswachstum verkehrte sich in ihr Gegenteil, als die Produktivität der Landwirtschaft nicht mehr mit der Entwicklung der Bevölkerung Schritt zu halten vermochte. Die Grenzen des Wachstums wurden in der Agrargesellschaft des 16. Jahrhunderts, der nachhaltiges demographisches und wirtschaftliches Wachstum nicht inhärent war, an mehreren Entwicklungen erkennbar. Die Agrarproduktion hatte sich, abgesehen von regionalen Intensivzonen, wie etwa dem Rheinland, dem Einzugsbereich größerer Städte oder den auf Koppelwirtschaft umgestellten Gutswirtschaften in Schleswig-Holstein, nur durch die (begrenzte) Ausdehnung der Nutzfläche steigern lassen, was zwangsläufig zur Bearbeitung ertragsarmer marginaler Böden führte. Im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts gingen die jährlichen Wachstumsraten der Bevölkerung zurück, die Erträge im Getreideanbau sanken auch unter dem Einfluß verschlechterter Klimabedingungen seit ca. 1565/70, wobei dieser Rückgang in Mittelfranken bis ca. 1595, andernorts über die Jahrhundertwende hinaus andauerte. Mißernten (Mittelfranken: 1571, 1574,
rungsdruck
6. Bauern im
Dreißigjährigen Krieg
49
1586, 1610; Hohenlohe: 1570-76, 1611/12, 1621/22; Schwaben, Bay1570/71) und extreme Teuerungsschübe bei den Getreidepreisen häuften sich, auch auf dem Land kam es in solchen Jahren als Folge der
ern:
Zunahme ländlicher Unterschichten und der unzureichenden Ernährung zu Massensterben. Um die Jahrhundertwende erfolgte der Umschlag des säkularen Aufschwungs der Getreidepreise, die in den beiden ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts deutlich zurückgingen. Die rückläufigen Einnahmen brachten jene Bauern in Schwierigkeiten, die unter dem Eindruck der hohen Preise auf Kredit Land gekauft hatten, und dies in einer Hochphase auch der Bodenpreise. Emporschnellender Kreditbedarf bzw. Verschuldung der Bauern (Westküste Schleswig-Holsteins, Oberbayern, Oberösterreich) und ein deutlicher Anstieg der Verkäufe von Bauerngütern in Relation zu den Übergaben im Erbgang (Oberbayern) waren Ausdruck der gestörten Ertragslage der Bauernwirtschaften.
6. Bauern im
Dreißigjährigen Krieg
„In den ersten beiden Jahrzehnten des [ 17.] Jahrhunderts hatte sich (...) eine Katharsis der von Bevölkerungsdruck und Nahrungsmangel eingeschnürten Agrargesellschaft vorbereitet. (...) Der Krieg löste dann die größte Hypothek aus dem 16. Jahrhundert ab, indem Hunger, Seuchen und Soldatenmord die Menschenzahl auf ein den Nahrungsressourcen angemesseneres Maß zurückführten'" [Schlögl]. Der Dreißigjährige Krieg führte in der ländlichen Gesellschaft zu einem demo-ökonomi- Krieg und demoschen Strukturwandel; der drastische Rückgang 66 der Bevölkerung b und »konomischer, Strukturwandel die häufige Unterbrechung der Generationenfolge auf den Höfen entschärften auf dem Land die Krisenlage aus der Vorkriegszeit; das Nachrücken von Söldner- und Tagelöhnerfamilien auf Bauernstellen führte zu einer Neuverteilung des Besitzes. Mit Blick auf die Verhältnisse in Oberbayern ist festgehalten worden: „Nach dem Dreißigjährigen Krieg wirtschafteten weniger Familien auf größeren und im Durchschnitt ertragreicheren Flächen, damit aber auch effektiver" [Schlögl]. Eine breite Aufstiegsbewegung jener Angehörigen unterbäuerlicher Schichten, die den Krieg überlebt hatten, dürfte der Krieg allerdings dennoch nicht ausgelöst haben; so ging in Württemberg „die Landwirtschaft nicht nur mit hohen Schulden, Zinsen- und Steuerverpflichtungen aus dem Krieg" hervor, der starke Bevölkerungsrückgang führte auch zu
50
„ungünstigen
L
Enzyklopädischer Überblick
Austauschrelationen für landwirtschaftliche Produkte"
[von Hippel]. Insbesondere Hunger und Seuchen forderten zahlreiche Opfer in der ländlichen Bevölkerung, die durch exorbitante Steigerungen der Kriegssteuem und Kontributionen in zuvor unbekannte Höhe in ihrer Leistungskraft erheblich geschwächt worden war. Aus der Sicht der Bauern war in diesem Krieg, der sich selbst ernährte, die Unterscheidung von Freund und Feind rasch hinfällig geworden. Die VerheerunRegionale Unter- gen trafen die Landschaften allerdings, wie G. Franz rekonstruiert hat, schiede bei den Be- lokal und regional sehr unterschiedlich: Gewisse Gebiete (Schweiz, völkerungsverlusten österreichische Erblande, Tirol, Salzburg, Rheinland, große Gebiete Westfalens, Niedersachsen, Schleswig-Holstein) erlebten keine oder relativ geringe Bevölkerungsverluste und profitierten teilweise sogar von den hohen Getreidepreisen in den Mangelgebieten; katastrophale Zerstörungen mit Bevölkerungsverlusten zwischen 60% und 70% erfuhren Teile Mecklenburgs, Pommerns, Henneberg, Coburg, Hessen, die Pfalz und Württemberg. Lokal konzentrierten sich die Kriegsschäden auf Orte entlang den Durchgangsstraßen, Einquartierungen bedeuteten zudem eine spürbarere und nachhaltigere Belastung als Durch-
züge von Truppen.
Die ländliche Bevölkerung bewies im Krieg ihre hohe Belastbarkeit und Überlebensfähigkeit. Dörfer organisierten den Widerstand gevölkerung gen Requirierungen und Plünderungen der Soldateska, was mitunter zu größeren Revolten führte (Oberösterreich 1626, Schwarzburg 1627, Bayern 1633/34), die sich wegen des Versagens des obrigkeitlichen Schutzes auch gegen die eigene Landesherrschaft wenden konnten. Ein Netz von Informanten sollte rechtzeitig vor Truppenbewegungen warnen und das Einfliehen in die Städte, befestigte Plätze oder den Rückzug in die Wälder ermöglichen; von dort aus versuchten die Bauern, ihre Güter weiter zu bewirtschaften. Dramatisch wurde die Situation, wenn Kriegshandlungen die Bauern über längere Zeit an der Bestellung Die Überlebens- ihrer Felder hinderten oder das Saatgut requiriert wurde. Die Überlefähigkeit bäuer- benskraft erwies sich in der raschen Regenerationsfähigkeit der bäuerlicher Familienwirtschaften lichen Wirtschaft allgemein und der bäuerlichen Familienwirtschaften im einzelnen: Die bäuerliche Wirtschaft konnte ihre Produktion während des Krieges vielfach bis auf gewisse Ausnahmen aufrechterhalten, weil von einem Truppendurchzug jeweils nicht alle Anwesen einer Gegend betroffen waren, die wenigsten Höfe von allen Durchmärschen tangiert wurden, der Verlust an Wirtschaftsgebäuden durch Brände sehr gering blieb und Hab und Gut oft in Sicherheit gebracht werden konnten. Dank der „außerordentlichen Fähigkeit bäuerlicher Wirtschaft zur
Schutzmaßnahmen der ländlichen Be-
6. Bauern im
Dreißigjährigen Krieg
51
Selbstausbeutung durch Konsumverzicht und Mehrarbeit" [Schlögl] wurden Nahrungsmittel trotz drückender, zusätzlicher Abschöpfung durch die Kriegsökonomie weiter produziert, der geringe Einsatz nichtmenschlicher Energie und der niedrige Stand der Technik in der bäuerlichen Produktion verliehen der bäuerlichen Wirtschaft eine hohe Elastizität. „Ein Zeitraum von 10 bis 15 Jahren war ausreichend, um den Viehbestand zu ergänzen, und der Getreidebau erholte sich vermutlich in kürzerer Zeit wieder" [Schlögl].
IL
Grundprobleme und Tendenzen der Forschung agrargeschichtlichen Forschung
A. Grundlinien der
Der forschungsgeschichtliche Blick auf die Entwicklung der deutschen Agrargeschichte des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit im Verlauf des 20. Jahrhunderts läßt eine Abfolge von Veränderungen und Erweiterungen der Konzeptionen erkennen. Agrarverfassungsgeschichte war das eigentliche Anliegen des Forschungsansatzes G. F. Knapps am Ende des 19. und im beginnenden 20. Jahrhundert; der Ansatz fand in den Arbeiten G. von belows eine Fortsetzung und bei F. Lütge eine Synthese sowie einen gewissen Abschluß [191: Lütge, Mitteldeutsche Grundherrschaft; 190: Ders., Bayerische Grundherrschaft]. Lokale und regionale Differenzierungen des über die Rechtsquellen gewonnenen Bildes erlaubten seit den 1920er Jahren quantifizierende wirtschaftshistorische Untersuchungen; Pioniercharakter erhielt W. Abels historisch-agrarwirtschaftliche Studie von 1935 [64: Agrarkrisen], deren Validität in weiteren, an betriebswirtschaftlichen Problemen bäuerlicher Wirtschaft interessierten Untersuchungen unter Beweis gestellt wurde [65: Achilles, Vermögensverhältnisse; 91: Saalfeld, Bauernwirtschaft; 182: Henning, Dienste]. Auch in diese Zeit reicht mit G. Franz' Bauernkriegsstudie [255: Bauernkrieg] ein Ansatz zurück, der die Bauern als eigenen Stand und politische Subjekte in der Ständegesellschaft und -Verfassung verortete. Im Handbuch zur „Deutschen Agrargeschichte" wurde als Geschichte der Agrarverfassung [26: Lütge, Agrarverfassung], als Geschichte der Landwirtschaft [16: Abel, Landwirtschaft] und als Geschichte des Bauernstandes [20: Franz, Bauernstand] eine für den Forschungsstand in Deutschland repräsentative Synthese vorgelegt, doch kritisierten bereits damals Vertreter der neueren Sozialgeschichte wesentliche Partien des Bildes als dringend revisions- und ergänzungsbedürftig [40: Rosenberg, Agrargeschichte]. Seitdem ha-
Agrargeschichte als Geschichte der
Agrarverfassung [Lütge], der Landwirtschaft [Abel] und des Bauernstandes [Franz]
54
II.
Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
Erweiterungen der ben nicht zuletzt unter dem Einfluß französischer und anglo-amerikaKonzeptionen der nischer Studien drei Forschungsansätze die Kenntnisse und das konAgrargeschichte zeptuelle Problembewußtsein der deutschen Agrargeschichte erheblich erweitert: 1. Bäuerlicher Widerstand gegen feudal-staatliche Herrschaft ist zum einen als eine der ständischen Gesellschaft inhärente Grundtatsache in das historische Bewußtsein gehoben und in seiner quantitativen und qualitativen Bedeutung konturiert, zum andern für die Erschließung bäuerlicher Organisations-, Handlungs- und Mentalitätsstrukturen fruchtbar gemacht worden [230: P. Blickle, Landschaften; 279: Schulze, Bedeutung; 236: Bierbrauer u.a., Aufruhr; 13: Schulze, Widerstand; 291: Trossbach, Bewegung]. 2. Die Sozialgeschichte und historische Demographie haben die sozio-demographischen Strukturmerkmale der bäuerlich-ländlichen Gesellschaft sowie die Funktionen von Haus und Familie als primären Lebenskreisen thematisiert [121: Mitterauer, Familienforschung; 122: Ders, Familie und Arbeitsteilung; 112: Imhof, Welten; 53: Rebel, Peasant Classes]; dabei wurden auch Anregungen aus der westeuropäischen und amerikanischen Sozial- und Kulturanthropologie aufgenommen [42: Wunder, 'Agrargesellschaft,; 163: Dies., Dorf]. Studien im Kontext des Konzepts der „Protoindustrialisierung" widmeten ländlichen Unterschichten besondere Beachtung [37: Kriedte/Medick/Schlumbohm, Industrialisierung]. 3. Eine dritte Gruppe von Untersuchungen integriert den konfliktzentrierten Ansatz und die Frage nach der lokalen sozialen Organisation, erweitert diese aber in sozialkultureller Perspektive auf eine Analyse der Erfahrungsräume und Handlungsstrategien lokaler ländlicher Gesellschaften, was häufig mit einer regionalbzw. mikrohistorischen Arbeitsweise verbunden ist [45: Beck, Unterrinning; 54: Robisheaux, Order; 58: Schlögl, Bauern; 57: Sabean.
Neckarhausen; 60: Schnyder-Burghartz, Bretzwil].
Agrargeschichte in der ehemaligen ddr
Die Entwicklung der deutschen Agrargeschichte zwischen ca. 1950 und ca. 1990 war auch dadurch geprägt, daß die Agrargeschichte in der ehemaligen DDR auf der theoretischen Grundlage des historischen Materialismus ein eigenständiges Forschungsprofil entwickelt hat [Heitz, in: ZfG Sonderband 8 (1960) 116-41; Ders. u.a., ZfG Sonderband 18 (1970) 121^6; Ders. u.a., in: ZfG Sonderband (1980) 619-59]. Früher als in der Bundesrepublik Deutschland wandte sich die DDR-Forschung dem bäuerlichen Protest zu und fügte ihn in das „Klassenkampf-Konzept ein [261: Heitz, Bauernbewegungen; 262: Ders., Klassenkämpfe; 276: Schultz, Klassenkämpfe; 297: Vogler, Konzept; 258: Harnisch, Klassenkämpfe]. Besondere Bedeutung erhielten Untersuchungen zur sozial-ökonomischen Lage der ländlichen
B.
55
Agrargeschichtliche Forschungsfelder
Gesellschaft, deren interpretatorischer Fluchtpunkt in der formations-
Einordnung der Forschungsergebnisse in den Prozeß des Feudalismus zum Kapitalismus lag [49: Harnisch, Übergangs Bauern; 80: Held, Stadt-Land-Beziehungen]. Schließlich hat sich die DDR-Agrargeschichte intensiv mit der Entstehung und Entwicklung der Gutsherrschaft beschäftigt; landesgeschichtliches Interesse verband sich hier mit der Frage nach der historischen Bedeutung der Gutsherrschaft für die Übergangsperiode und die gesellschaftlich-politische Entwicklung Deutschlands im 19. und 20. Jahrhundert [210: Harnisch, theoretischen
vom
Gutsherrschaft; 212: Ders., Gutsherrschaft; 206: Enders, Gutsherrschaft]. Seit Mitte der siebziger Jahre intensivierte sich der Meinungsaustausch zwischen den Agrarhistorikern der BRD und der DDR, greifbar insbesondere in der Diskussion gemeinsamer Fragestellungen (Bauernkrieg, bäuerlicher Widerstand, Geschichte der Landgemeinde) [wie 193: P. Blickle, Revolte; wie 32: Ders., Landgemeinde; wie 243: Schulze, Aufstände, Revolten, Prozesse]; auch wenn die Ergebnisse der empirischen Forschung zum Teil konvergierten, waren der Verständigung in prinzipielleren Fragen der Interpretation bis zuletzt unüberbrückbare theoretische Grenzen gesetzt. Das Forschungsinteresse an der Geschichte der ländlichen Gesell- Regionale Schwerschaft in der Frühen Neuzeit kam den verschiedenen Regionen in un- Pu"kte der Agrargeschichte gleichem Maße und mit wechselnden Präferenzen zugute: Während Nord- und Ostdeutschland sowie der oberdeutsch-bayerisch-österreichische Raum eine stärkere Forschungskontinuität aufzuweisen haben, ging das Interesse für Westdeutschland und das Rheinland in den letzten Jahrzehnten im Vergleich zur ersten Hälfte des Jahrhunderts merklich zurück. a
B.
Agrargeschichtliche Forschungsfelder 1. Bäuerliche Arbeit und
Ökonomie
Agrarkonjunkturen und -krisen: das Konzept W. Abels „Die Wirtschaftsgeschichte des Landbaues und die eng mit ihr verknüpfte Geschichte der Ernährungswirtschaft, die über die Formen und /./.
Qualitäten des menschlichen Zusammenlebens hinaus in den Bereich der
56
II
Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
Quantitäten durchstößt, [blieb] weithin
im Dunkeln" [64: Agrarkrisen, Abel 1935 und bezeichnete damit selber das Neue seines bemerkte 22], Ansatzes im Vergleich zur älteren Tradition der knapp-Schule; die Agrargeschichte als Rekonstruktion der langfristigen Preisentwicklung für Agrar- und GeGeschichte der und für die Löhne sowie die Relationierung dieser PreisPreise und Löhne werbeprodukte reihen ebnete den Zugang zu einer quantitativ abgestützten, mit der Bevölkerungsentwicklung vermittelten Wirtschaftsgeschichte der Landwirtschaft; die Identifizierung von Agrarkonjunkturen und -krisen lieferte Anhaltspunkte für die Abschätzung der mit den wirtschaftlichen Wechsellagen variierenden Ernährungskosten, der Marktchancen für Agrarprodukte sowie für ökonomische Erklärungen des Wandels in der feudalen Agrarverfassung und im Wirtschaftsverhalten des Feudaladels. Im mikroökonomischen Bereich legten Abel und Henning mit Untersuchungen zum 18. Jahrhundert die Grundlagen für präzisere Bäuerliches Ein- Berechnungen des Einkommens bäuerlicher Familienwirtschaften [16: kommen als 261 ff.; 182: Henning, Dienste, 146ff.]. Hen„Residualgröße" Abel, Landwirtschaft, nings Bestimmung des bäuerlichen Einkommens als „Residualgröße" hob dabei auf die Tatsache ab, daß die bäuerlichen Erträge primär für die Bestreitung des Sachaufwands und der Feudalrente verwendet werden mußten [182: Dienste, 161 ff.; 183: Dienste, 44ff.]. Die Theorie bäuerlicher Familienwirtschaft [75: Cajanov, Familienwirtschaft] trug diesem Sachverhalt mit dem Hinweis auf die Tendenz zur Selbstausbeutung der bäuerlichen Familie Rechnung: demnach reagierte der Haushalt mit einer Steigerung seines Arbeitsaufwands, wenn die Subsistenz der Familie gefährdet war, er nahm auch Einbußen an Produktivität in Kauf, um ein subsistenzsicherndes Gesamtarbeitseinkommen zu erzielen [120: Medick, Proto-industrielle Familienwirtschaft,
97-101]. „Der Aufschwung der Landwirtschaft" im 16. Jahrhundert basierte Abel zufolge auf der Bevölkerungszunahme, dem Landesausbau und dem säkularen Anstieg der Preise für Agrarprodukte [64: Agrarkrisen, 104-38; 16: Ders., Landwirtschaft, 157-207]. Abel behandelte nur beiläufig die Frage, wie sich die steigenden Agrareinkommen auf die verschiedenen sozialen Gruppen in der ländlichen Gesellschaft verteilten; entscheidende Voraussetzungen für die Teilhabe an der Konjunktur waren für ihn die Hofgröße, der Umfang des Marktprodukts, die Nähe zu den Märkten sowie das Besitzrecht. Wohlstand der Bauern vermochte er in Teilen Schleswig-Holsteins, im deutschen Südwesten und in der Schweiz auszumachen, „selbst im Osten Deutschlands fehlten wohlhabende Bauern nicht völlig" [16: Landwirtschaft, 198 ff.; 64:
Agrarkrisen, 23ff., 136].
B.
Agrargeschichtliche Forschungsfelder_57
Modellanalysen und empirische Untersuchungen sind zu differenzierteren Aussagen über die soziale Reichweite, die regionalen Voraussetzungen sowie die relevanten Faktoren für eine Abschätzung der Folgen des „Aufschwungs der Landwirtschaft" in der ländlichen Gesellschaft gekommen. Nur große Bauern mit einer bestimmten Hofgröße, Ertragslage und Feudalbelastung konnten regelmäßig einen Teil der Produktion vermarkten und waren grundsätzlich nicht auf außerbetrieblichen Zuerwerb angewiesen; für sie bestand „ein positiver Zusammenhang zwischen steigenden Agrarpreisen und bäuerlichen Einkommen" [76: Freiburg, Agrarkonjunktur. 291; so schon 40: Rosenberg, Agrargeschichte, 146]. Für kleine Bauern und Angehörige unterbäuerlicher Schichten hingegen bedeuteten „steigende Agrarpreise (...) eine Verschlechterung der Einkommenssituation" [76: Freiburg, Agrarkonjunktur, 292]. Der Rückschluß von den säkularen Preis- und Lohnreihen auf die Agrarkonjunktur vernachlässigt den für die meisten Agrarproduzenten wichtigen Aspekt der Einkommensmischung, er gilt allenfalls für die hauptsächlich von Agrareinkommen lebenden Großbauern, erfaßt aber, bedenkt man die Veränderungen der ländlichen Sozialstruktur im 16. Jahrhundert, keinesfalls den gesamten Agrarsektor [76: Freiburg, Agrarkonjunktur, 317-26; 66: Asmuss, Einkommen, 68-72; 53: Rebel, Peasant Classes, 53-119]; Agrarkonjunktur und Marktbeziehungen akzentuierten vielmehr die sozio-ökonomischen Gegensätze in der ländlichen Bevölkerung [54: Robisheaux, Order, 153 ff.]. Abels Modell hebt zudem auf die Entwicklung der Getreidepreise ab und verliert an Erklärungswert für Regionen mit spezialisierter Viehzucht in Schleswig-Holstein stiegen die Preise für Mast-
soziale Reichweite der Agrarkonjunk-
ochsen in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts deutlich höher als die Getreidepreise [64: Agrarkrisen, 128f.; 17: Achilles, Landwirtschaft, 79 f.] und trägt der Bedeutung der Viehhaltung für kleinere Betriebe -
wenig Rechnung [85: Lienen, Aspekte, 308]. -
zu
1.2.
Agrartechnik und Arbeitsgeräte der Bauern Hatte die Agrarkonjunktur eine ihrer Voraussetzungen in der Fortentwicklung der Agrartechnik? Die landwirtschaftlichen Arbeitsgeräte
sind als Ausdruck der ländlichen Arbeits- und Sachkultur bis heute im Innovationszentren wesentlichen von Volkskundlern untersucht worden [95: Wiegelmann, und Reliktzonen Innovationszentren; 96: Ders., Novationsphasen; 69: Bentzien, Bau- der ländlichen Agrartechnik: die ernarbeit]. Die volkskundliche Geräteforschung hat dabei u.a. ver- These Wiegelsucht, im Rahmen einer historisch ausgerichteten Kulturraumforschung manns. Phasen und räumliche Verteilung agrartechnischer Innovationen zu be..
58
...und die Kritik
™^°,n, Sn"f" d5r DDR-Volkskunde .
IL
Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
stimmen [67: Assion, Gerätekultur]. Wiegelmanns These lautet dabei: „Seit dem 16. Jahrhundert führte man in Norddeutschland wichtige Neuerungen durch, im Süden, vor allem in Franken, Bayern und Österreich blieb man dagegen beim alten" [95: Innovationszentren, 125]. Die These stützt sich auf Beobachtungen zu den schneidenden Erntegeräten, zur Spanntierhaltung und zur bäuerlichen Arbeitsteilung als wesentlichen Aspekten bäuerlicher Arbeit. Als Innovationszentren der ländlichen Sach- und Arbeitskultur im nördlichen Europa identifiziert er den flämisch-niederländischen Raum sowie Mecklenburg und Ostholstein, wo die Gutswirtschaft die Rationalisierung der Arbeit vorantrieb [95: Wiegelmann, Innovationszentren, 128-31]. Diese These ist besonders von DDR-Volkskundlern kritisiert worden, weil sie wesentlieh auf der Rückschreibung volkskundlicher Erhebungen des ausgehenden 19. Jahrhunderts aufbaue, keine Feinperiodisierung des Zeitraums vom 16. bis 19. Jahrhundert vornehme und gewissen agrartechnischen Innovationen zu wenig Rechnung trage, die in den ostdeutschen Gebieten nicht aufgenommen worden seien. Für U. Bentzien lähmten die ostelbischen Gutswirtschaften vielmehr den agrartechnischen und landwirtschaftlichen Fortschritt langfristig [69: Bauernarbeit, 126-29; 67: Assion, Gerätekultur, 255-58]. Die agrartechnischen Innovationszentren waren um 1500 Ost-England, Nord-Frankreich, Flandern, die Niederlande und das Rheinland [90: Reinicke, Innovationen, 324-34], während Deutschland insgesamt keine führende Rolle einnahm [69: Bentzien, Bauernarbeit, 125-29]. Mit Wiegelmanns Frage nach agrarischen Innovationszentren und Reliktzonen verbindet sich das Problem einer objektzentrierten, von der subjektiven Erfahrung und vom sozialökonomischen Kontext losgelösten Betrachtung von Geräten und Techniken, deren Entwicklungsstand, räumliche Verbreitung und praktische Anwendung in der Arbeit von Bauern für das 16. Jahrhundert aus den Quellen nur schwer hinreichend genau zu fixieren sind [69: Bentzien, Bauernarbeit, 124f., 129ff.; 67: Assion, Gerätekultur, 259f.]. Ihr unterliegt zudem eine Betrachtungsweise, die ländlichen Fortschritt und Rückständigkeit am Stand der Arbeitstechnik festmacht, eine Sichtweise, die auch Bentziens Hypothese zugrundelag, als er „eine gewisse räumliche Kongruenz zwischen den Zentren des landwirtschaftlichen Fortschritts um 1500 und den Zentren des Bauernkrieges von 1525/26" feststellte [69: Bauernarbeit, 128 f.]. In der Geschichte der Landwirtschaft des 16. Jahrhunderts hat die Debatte der Volkskundler wenig Beachtung gefunden. Es wird vielmehr betont, daß es in Deutschland im 16. Jahrhundert nicht zu flächenwirksamen Steigerungen der Produktivität als Folge einer verbes°
B.
Agrargeschichtliche Forschungsfelder
59
Agrartechnik gekommen ist [16: Abel, Landwirtschaft, 197; 22: Henning, Wirtschafts- und Sozialgeschichte, 677]. Für diese Zeit bleiserten
ben die bäuerlichen Arbeitsgeräte stärker Sachquellen zur bäuerlichen Arbeits- und Sachkultur als Belege für eine vordatierte Agrarmodernisierung; doch ist dabei auch dem literatur- und bildkritischen Hinweis Rechnung zu tragen, daß Darstellungen von Bauern und bäuerlichen Tätigkeiten auf Flugblattillustrationen tropischen Charakter besitzen, d.h. sowohl Abbild der Wirklichkeit als auch Träger übergeordneter, dem bäuerlichen Leben mitunter fremder Bedeutungen sein können
[322: Haftlmeier-Seiffert, Bauerndarstellungen, 109ff., 211, 217f.; Ansehen].
348: Wunder, Bauer; 303: Achilles, 1.3. Klima und ländliche
Gesellschaft
Nach frühen Ansätzen in der Annales-Schule, die in der Rekonstruktion der Klimageschichte einen Zugang zur temporalen Struktur der „longue duree" erblickte [E. Le Roy Ladurie, Histoire du climat. Paris 1967], hat die gesellschaftliche Problematisierung der globalen Klimaveränderungen Ressourcen für die empirische Erhebung des historischen Klimageschehens und die Verfeinerung der Forschungsmethodik mobilisiert. Die historische Klimaforschung hat sich bislang aber noch wenig mit den sozialen, wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Folgeerscheinungen von Klimaveränderungen beschäftigt [328: Lehmann, Auswirkungen, 33 f.]. Methodisch innovativ für die Untersuchung von Klimaeinflüssen Klimageschichte der Frühen Neuzeit er- ^ vorstatistischen auf die Agrarund Bevölkerungsgeschichte ° D ° Zeitalter: der Ansatz scheint Pfisters Studie zur Schweizer Klimageschichte [88: Klima], phsters die auch für das vorstatistische Zeitalter Klimawerte und -Veränderungen sowie die klimatischen Muster von agrarischen Optimal- bzw. Katastrophenjahren zu bestimmen vermochte; Klima und Witterung lassen sich damit als kurz- und längerfristig wirksame Faktoren in die historische Analyse integrieren. Pfisters „ökologische" Betrachtungsweise zielt auf die Wirkung meteorologischer Ereignisse auf die verschiedenen agrarischen Nutzungs- und Bevölkerungssysteme und die Untersuchung ihrer spezifischen Tragfähigkeit und Belastbarkeit [88: Klima. Bd. 2, 15-20]. Seitdem der Einfluß des Klimas auf die Agrarproduktion empirisch exakter erfaßt werden kann, hat die klimahistorische Forschung stärkeres Gewicht bei der Erörterung der sozio-demographischen Entwicklungen des 16. Jahrhunderts erhalten [83: Ingram/Farmer/ Wigley. Past climates]. Dies trifft sowohl für die Erklärung der demo-
60
II.
Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
graphischen Expansion in der ersten Hälfte des Jahrhunderts als auch für die Erhellung der Subsistenzkrisen und des verlangsamten Bevölkerungswachstums im letzten Drittel des Jahrhunderts zu, als die Bevölkerung an die Grenzen der Tragfähigkeit heranwuchs [88: Pfister, Klima. Bd. 2,81-97, 126-35]. Die klimahistorische Rekonstruktion für das 16. Jahrhundert erden Nahrungsspielfc jbt daß zwischen 1530 und 1564 eine Warmphase * 6 r 16. Jahrhundert räum der Bevölkerung erweiterte und den relativ raschen Bevölkerungsanstieg begünstigte. „Nach 1560 veränderten sich die Klimaverhältnisse in einer für die menschliche Existenz ungünstigen Weise. Die Temperatur sank in allen Jahreszeiten, und die Niederschlagstätigkeit konzentrierte sich stärker auf die Sommer" [88: Pfister, Klima. Bd. 2, 82]. Subsistenzkrisen waren dabei die Folge mehrerer Klimafaktoren: „un automne humide, un hiver precoce, un printemps froid et neigeux, un ete humide, en particulier en juillet; les deux derniers elements ont l'impact le plus important" [89: Pfister, Fluctuations, 47]. Die Schweiz erlebte 1569-74, 1586-89, 1593-1597 und 1627-29 klimatische Katastrophenjahre und Subsistenzkrisen [88: Pfister, Klima. Bd. 2, 62]. In Europa korrelierten nach Pfister die Entwicklung der Getreidepreise und der Verlauf des Klimas zwischen 1550 und 1670 [89: Fluctuations, 40-44; für Thüringen 86: Militzer, Bedingungen, 11929; für Franken 68: Bauernfeind, Preisentwicklung, 251 f.; für Württemberg 78: Glaser, Temperaturverhältnisse; für den Vogelsbergraum 81: Hildebrandt/Gudd, Mißernten]. Das Klima spielt zusammen mit der Ausdehnung der landwirtschaftlichen Nutzfläche und dem Niveau der Technologie die Rolle eines Primärfaktors für den Umfang des Nahrungsmittelangebots in Subsistenzwirtschaften. „(...) bei der Stagnation und dem tiefen Niveau der Produktivität sowie den stark eingeengten Möglichkeiten des Landesausbaus war die Tragfähigkeit [das Verhältnis von Nahrungsangebot und -nachfrage bezogen auf die Bevölkerung und Ernährungsweise eines Raumes, AH] unmittelbar klimaabhängig" [88: Pfister, Klima. Bd. 2, 127]. Zu berücksichtigen bleibt allerdings, daß die Erträge auch der vormodernen Landwirtschaft „eine komplexe Funktion von natürlichen (Klima, Boden, Relief) und anthropogenen Faktoren (insbesondere Konjunktur und Technologie)" darstellten [77: Glaser/Schenk/Hahn,
Grundzüge der Kiimaentwickiung im
Einflußgrößen, 44]. In Gebieten, die bereits stark in Handels- und Marktbeziehungen integriert waren, wie etwa die von dE Vries untersuchte Provinz Holland, waren die Versorgungs- und Transportmöglichkeiten bereits im 17. Jahrhundert so ausgebaut, daß Mißernten wesentlich geringer auf
B.
Agrargeschichtliche Forschungsfelder
61
die
Ernährungslage der Bevölkerung durchschlugen. Weite Teile des mitteleuropäischen Raums verfügten allerdings nicht über diese Ausgleichsmöglichkeiten. De Vries' Argument ist symptomatisch für eine Forschungsrichtung, die statt der Erhebung klimahistorischer Daten i.e.S. stärker gesellschaftliche Strategien der Adaptation an veränderte Klimabedingungen in den Mittelpunkt rückt [93: Impact]. Das Klima ist als Faktor der historischen Analyse auch in sozialund kulturgeschichtlichen Zusammenhängen stärker beachtet worden. Klimahistoriker haben auf sozialpsychologische Auswirkungen der umfassenden Klimaverschlechterung in Form von Nutzungsbeschränkungen am Allgemeingut, von Bettlerjagden und Hexenverfolgungen hingewiesen [88: Pfister, Klima. Bd. 2, 95]. Die jüngere Hexenforschung berücksichtigt die Klimaverschlechterung für die Ursachenund Phasenanalyse der Hexenverfolgungen im späteren 16. und frühen 17. Jahrhundert und stellt insbesondere einen Zusammenhang zwischen ungünstigen Witterungsbedingungen und dem gegenüber den
Hexen erhobenen Vorwurf des Wetter- und Schadenszaubers her [304: Behringer, Hexenverfolgung, 107-12]. Die Agrar- und Teuerungskrisen fielen zeitlich mit den Höhepunkten der Verfolgung zwischen 1560 und 1630 und ihren Kulminationspunkten 1570-90 und 1615-30 zusammen [325: Kriedte, Hexen, 67f.; 304: Behringer, Hexenverfolgung, 420-27; 334: Rummel, Hexenprozesse, 17; 305a: Behringer, Origins]. „Nie war es dringlicher als in dieser Phase des Umbruchs, für das ganze Elend eine Erklärung zu finden. Nie konnte der Glaube an die vom Teufel abhängigen und Schaden stiftenden Hexen mehr Evidenz gewinnen als in eben jenen kritischen Jahrzehnten zu Beginn der ^leinen Eiszeit'" [328: Lehmann, Auswirkungen, 45]. Die Beobachtung aber, daß Agrarkrisenjahre wie z.B. in Österreich nicht zwingend zu Hexenverfolgungen führen mußten, macht auf Sackgassen der Argumentation aufmerksam, in die deterministische Konzepte des Klimafaktors führen [329: Lehmann, Witches, 113 f.]; Unwetter und Mißernten allein vermögen die Ursachen der Verfolgungen und Prozesse nicht zu erklären; diese sind vielmehr in den gesellschaftlichen Verhältnissen der Verfolgungsgebiete ausfindig zu machen [304: Behringer, Hexenverfolgung, 107-12; 334: Rummel, Hexenprozesse, 317].
Beschränkte Aus-
gleichsmöglichkeiten in
Subsistenz-
krisen
Klimaverschlechterung und Hexen-
verfolgungen
62
II.
Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
2. Familie, Haus, Verwandtschaft: Lebenskreise, Beziehungsnetze und Strategien sozialen Handelns Mit den
Familien- und Haushaltsforschung als
sozialgeschicht-
liche Erweiterung der Agrargeschichte
Anfängen der historischen Familienforschung im deutschsprachigen Raum in den frühen siebziger Jahren [111: Hausen, Familie, 67 ff] ging eine Erweiterung der traditionellen Agrargeschichte zu einer Sozialgeschichte der ländlichen Gesellschaft einher; das sozialökonomische und herrschaftliche Gefüge der ländlichen Gesellschaft ließ sich weder mit der Schilderung feudalherrlich-bäuerlicher Verhältnisse noch mit der Quantifizierung der Agrarpreise, Löhne und Erträge hinlänglich erfassen; die Familien- und Haushaltsforschung nahm die Arbeits-, Sozialisations- und Organisationsleistungen der ländlichen Haushalte in den Blick. Neben den Anregungen aus der französischen und anglo-amerikanischen Forschung konnte dieser Forschungszweig im deutschsprachigen Raum auch an das ideen- und verfassungsgeschichtlich geprägte, letztlich auf W. H. Riehl zurückgehende BRUNNERsche Konzept vom „ganzen Haus" als sozialer Basiskategorie der alteuropäischen Gesellschaft [103: Brunner, Das „ganze Haus"] zurückgreifen. Die Quellenlage begünstigt Forschun-
ländlichen Familien- und Haushaltsstrukturen, die in den Anstark auf österreichische Verhältnisse konzentriert waren, insfängen besondere für die Zeit nach der Mitte des 17. Jahrhunderts [123: Mitterauer, Familienstruktur; 127: Ders., Ökotypen; 99: Berkner, Stern Family]. In der frühen Diskussion lag der Akzent auf der Frage nach dem Wandel der Haushaltsfunktionen und -strukturen im Prozeß des Übergangs „von der traditionellen Agrargesellschaft zum industriellen Kapitalismus", greifbar besonders in der Debatte über den Typ der „proto-industrielle(n) Familienwirtschaft" [119: Medick, Familienwirtschaft; 120: Ders., Proto-industrielle Familienwirtschaft]; hier wurden Anregungen aus der ethnologischen und anthropologischen Debatte um das „peasant economy"-Modell rezipiert und auf diesem Weg auch das CAJANOv'sche Modell der vorkapitalistischen bäuerlichen Familienwirtschaft wieder erschlossen [119: Medick, Familienwirtschaft, 262ff; 120: Ders., Proto-industrielle Familienwirtschaft, 97-101]. Dabei zeigten sich auch Grenzen der Übertragbarkeit des Modells auf die Verhältnisse in Mitteleuropa während der Frühen Neuzeit: Das Modell überzeichne die Einheitlichkeit der bäuerlichen Familie [129: Mitterauer, Ländliche Familienformen, 133] und unterschätze deren interne sozialökonomische Differenzierung [53: Rebel, Peasant Classes, 118 f.], zudem blende es den Markt als „gesellgen
zu
B.
Variable, die bäuerliches Wirtschaften beeinflußte", [58: Schlögl, Bauern, 293].
schaftliche
2. /.
63
Agrargeschichtliche Forschungsfelder
aus
Typen, Zyklen, Funktionen, Lebensläufe, Praktiken: Phasen der ländlichen Haushalts- und Familienforschung
Die historische Familienforschung durchlief seit den sechziger Jahren mehrere Phasen [107: Freitag, Haushalt, 5-23; 57: Sabean, Neckarhausen, 88-101, 115 f.]: Die frühen Arbeiten der Gruppe um P. Laslett entlarvten die These vom Wandel von der traditionalen Großfamilie der vorindustriellen Gesellschaft zur Kleinfamilie der industriellen Gesellschaft als modernisierungsgeschichtlichen Mythos und wiesen die Klein- und Kernfamilie auch für die vorindustrielle Epoche als vorherrschenden Familientypus nach. Das Zusammenwohnen verwandter, in genealogischen Beziehungen stehender Personen war für Lasletts Haushaltsbegriff konstitutiv; die unterschiedlichen personellen Konstellationen systematisierte er zu statischen Typen kern-, rest- oder nichtfamilialer sowie erweiterter und mehrfamilialer Haushalte. Dieses Konzept erfuhr eine gewisse Dynamisierung dadurch, daß schichtspezifische Entwicklungszyklen und die entsprechenden Veränderungen in der Zusammensetzung der Haushalte in den Blick genommen wurden. L. K. Berkners Studie über die Strukturen ländlicher Haushalte in Niederösterreich im 18. Jahrhundert zeigte, wie sich auf Bauernhöfen die Kernfamilie durch die Einrichtung des Ausgedinges für die Eltern des Hoferben zur Stammfamilie erweiterte, während der Zyklus der Häusler- und Tagelöhnerhaushalte selten den Rahmen der Kernfamilie überschritt und diese Haushalte sich allenfalls sporadisch um einzelne Verwandte erweiterten [99: Stern Family]. Die Rekonstruktion typischer, d.h. regelmäßiger Konstellationen und Zyklen erwies sich als allzu eindimensionale Forschungsstrategie; sie verstellte den Blick auf die von den individuellen Lebensläufen ausgehende Dynamik in den familiären Lebenszyklen [53: Rebel, Peasant Classes, 49f.]. Das Individuum und sein Lebenslauf rückten in dieser Sicht in den Mittelpunkt: „Discussions of a ,dominant' family structure or type become obsolete if our focus of inquiry shifts to the nature and the determinants of the several positions individuals may occupy simultaneously in relation to the several other individuals, families, and households that make up the housecommunity" [53: Rebel, Peasant Classes, 50]. Einem am individuellen Lebenslauf ausgerichteten Forschungskonzept wurde mit Blick auf die grundlegende Funktion des Hauses als der „umfassendste(n) der traditionalen Sozialformen" [107: Freitag, Haushalt, 20] aber entge-
Kernfamilie und
Haushaltstypologie: die Arbeiten Lasletts
Haushaltszyklen:
der Ansatz Ber kners
Lebensläufe
statt
Haushaltszyklen:
der ..Life Course
Approach"
64
II.
Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
gengehalten, daß Menschen früher zwar durchaus „eigene Ziele und Wünsche" verfolgten, „doch nicht individualistisch, sondern integriert in die sie mediatisierenden Kleingruppen und Verbände", d.h. die Familie, die Gemeinde, die Zunft oder den Stand [107: Freitag, Haushalt, 19-23, Zit. 22].
Die frühen strukturanalytisch und typologisch orientierten Arbeiwurden im weiteren Verlauf der Debatte nicht zuletzt deshalb kritisiert, weil sie die Regelhaftigkeit von Entwicklungsmustem betonten. Familienrekonstitutionen zeigten auf, daß gerade Verwerfungen und Brüche die Entwicklung von Haushalten prägten: „Nur dann, wenn weder Kinderlosigkeit noch vorzeitige Todesfälle zu beklagen waren, konnte es zu der so selbstverständlich erwarteten Regelmäßigkeit kommen" [107: Freitag, Haushalt, 6-13, Zit. 11]. Anders ausgedrückt: der Haushaltsprozeß entwickelte sich im Kräftefeld der von innen von der Familie, der Familienwirtschaft und den Verwandten und von auPraxeologische ßen (Staat, Kirche) an den Haushalt gestellten Ansprüche und ergab Ansätze sjcn aus ^eT praktischen Vermittlung dieser Ansprüche durch die involvierten Hausangehörigen [107: Freitag, Haushalt, 26f.]. Gefragt wird hier nach den „Strategien und Anpassungsleistungen, mit denen Familien der verschiedenen sozioökonomischen Milieus auf kurzfristige und langfristige Veränderungen ihrer Lebenswelt geantwortet und gewünschte Veränderungen selbst gezielt herbeigeführt haben" [111: Hausen, Familie, 82]; vormodeme Haushaltsprozesse erscheinen als eine Art von kontrollierter Unordnung'"; angesichts der demographischen Zufälle von Geburt und Tod und der komplexen Verschränkung ihrer Aufgabenfelder verfolgten die Haushalte im Rahmen ihrer sozialökonomischen Möglichkeiten Strategien, die es ihnen „erlaubten, den letztlich nicht zu beherrschenden eigenen Lebensbedingungen ein Minimum an Kontrolle und Kontinuität entgegenzusetzen" [107: Freitag, Haushalt, 35 f.]. ten
-
-
„,
2.2. Der Haushalt als
„working group" Statt der strukturalistisch-typologischen Betrachtung von Haushaltskonfigurationen hat die deutschsprachige Familien- und Haushaltsforschung mit den Arbeiten Mitterauers ihren Gegenstand stärker in seinen Zusammenhängen betrachtet. Die ökologischen und ökonomischen Bedingungen einer lokalen Gesellschaft und dabei besonders die Arbeitsorganisation wurden in ihrer Bedeutung für die Ausprägung von Familienstrukturen herausgestellt [123: Familienstruktur; 124: Faktoren; 126: Ders./Ehmer, Einführung]. Mitterauers Beob-
B.
Agrargeschichtliche Forschungsfelder
65
achtung, daß die Seelenbeschreibungen des 17. Jahrhunderts nicht die genealogisch konstituierte Familie, sondern den Verband der in Haushaltsgemeinschaft lebenden Personen unter Einschluß der nichtver-
wandten Dienstleute als soziale Basiseinheit erfaßten [123: Familien- Das bäuerliche Haus struktur, 156-63; 124: Faktoren, 214-23], verwies auf die Funktion als Arbeitsgemeinschaft: des Hauses als Produktionsgemeinschaft und damit auf die Rolle des die Bedeutung des Gesindes: „In der Gesindehaltung kommt ja jene Familienfunktion Gesindes zum Ausdruck, die historische von modernen Familienformen am stärksten unterscheidet, nämlich die Produktionsfunktion" [124: Mitterauer, Faktoren, 231]. Die Vielfältigkeit der Haushaltsformen wurde auf wechselnde lokale Wirtschafts-, Siedlungs- und Sozialstrukturen und deren variierende Anforderungen an die einzelnen Haushalte zurückgeführt. Berkner schilderte die Gesindehaltung als „phasenspezifische Erscheinung im Entwicklungszyklus der bäuerlichen Hausgemeinschaft"; demnach waren Knechte und Mägde in der bäuerlichen Familienwirtschaft nötig, wenn die Kinder des Besitzerpaares noch nicht oder bereits nicht mehr für die Hofarbeit herangezogen werden konnten [99: Stern Family, 410ff.]. Neben dem Entwicklungszyklus der bäuerlichen Kernfamilie waren noch weitere Faktoren für die Gesindehaltung der Bauern maßgeblich, insbesondere die Besitzgröße, die lokale Erbpraxis sowie die vorherrschende Wirtschaftsweise: Größere Bauernstellen erforderten vielfach die dauernde Beschäftigung von Gesinde, während sich die kleineren auch in Phasen verstärkten Bedarfs Knechte und Mägde kaum leisten konnten. Die Nachfrage nach famili- Wirtschaftsweise enfremden Arbeitskräften konnte sich zudem in den Ökotypen der und Gesindearbeit Viehzucht-, Getreide- und Weinbaugebiete sehr unterschiedlich gestalten: Erforderten Viehzucht und Milchwirtschaft stärker eine kontinuierliche Präsenz von Dienstleuten, so war der Bedarf an zusätzlichen Arbeitskräften bei Weinbauern bis auf die Erntezeit, für welche die Weinbauern sich mit der Einstellung von Tagelöhnern behalfen, gering; eine mittlere Stellung nahmen Gebiete mit vorwiegendem Getreidebau ein
[124: Mitterauer, Faktoren, 233f.]. Die funktionale Bedeutung der Familie in der Agrarproduktion
hervorzuheben, trifft besonders auf die Familien
von
Hofbauern
zu.
Weniger ausgeprägt ist der Charakter der Familie als Produktionseinheit in der agropastoralen inneralpinen Landwirtschaft mit ihren hohen Anforderungen an die Mobilität der Familienmitglieder [27: Mathieu, Agrargeschichte, 289-96] sowie in den unterbäuerlichen Schichten, die „in stärkerem Maße von überregionalen Märkten und Zusammenhängen abhängig und in besonderem Maße von ihrem spezifischen Verhält-
Auflösung des Hauses als Arbeits-
gemeinschaft
66 nis
IL Grundprobleme und Tendenzen der Forschung zur
bäuerlichen Familienwirtschaft
auer/Ehmer, Einführung, 10]: Inleute
geprägt"
waren
[126: Mitter-
häufig in die Arbeitsorganisation eines bäuerlichen Haushaltes integriert, ihre Familien bildeten aber eigene Haushalte, deren wirtschaftliche Eigenständigkeit waren zwar
wieder stärker unterstrichen wird [138: Trossbach, Das „ganze Haus", 291 f.]. Die enge Verzahnung von Arbeit, Konsum und generativer Reproduktion in den bäuerlichen Haushalten dient auch als Erklärung für die markanten jahreszeitlichen Schwankungen bei den Geburten in der bäuerlichen Gesellschaft; demnach sind nicht so sehr kirchliche VerGeburten und bote oder die saisonalen Schwankungen der Heiraten, sondern die mit Arbeitsbelastung dem Jahreszyklus schwankende Arbeitsbelastung der Frauen für die der Frauen Häufungen von Geburten im Winter und das deutliche Geburtentief im Sommer verantwortlich [46: Becker, St. Lambrecht, 147-51; 132: Pfister, Demographie, 33, 90].
neuerdings
2.3. Das Modell der Ökotypen Nicht die Erscheinungsformen der Familie für sich, sondern „das Verhältnis verschiedener Erscheinungsformen der Familie zu anderen gesellschaftlichen Strukturen und Prozessen" [126: Mitterauer/Ehmer, Einführung, 7] stehen im Mittelpunkt des Forschungskonzepts des „Ökotypus", welches Mitterauer aus der skandinavischen Kulturanthropologie entliehen hat, um den Differenzierungsbedarf „gegenüber der allzu vereinfachenden Klischeevorstellung von der bäuerlichen Familienwirtschaft'" zu unterstreichen [129: Ländliche FamilienforÖkotypen: zum men, 133; 127: Ökotypen]. „Das Konzept der Ökotypen geht davon Zusammenhang aus, daß die lokale Dominanz bestimmter Wirtschaftsformen von der von Wirtschaftsweise, Arbeitsorga- Nutzung spezifischer natürlicher Ressourcen abhängig ist" [129: Mitnisation und terauer, Ländliche Familienformen, 134ff.]. Es läßt sich zur ErhelFamilienstruktur verschiedener ländlicher Gesellschafts- und HaushaltsAspekte lung strukturen und deren Grundlegung in der Arbeitsorganisation nutzbar machen. Gebiete mit dominanter Viehzucht präsentierten sich eher als „Gesindegesellschaften", Weinbaugebiete als „Tagelöhnergesellschaften", während Getreidebaugebiete Gesindedienst und zeitweilige Rekrutierung von Tagelöhnern kombinierten [129: Mitterauer, Ländliche Familienformen, 137 f.; differenzierend 27: Mathieu, Agrargeschichte, 272-283]. Ökotypen beeinflussen auch die unterschiedlich starke Ausbildung ländlicher Unterschichten: in „Gesindegesellschaften" gab es weniger Kleinhäuslerhaushalte als in „Tagelöhnergesellschaften" [129: Mitterauer, Ländliche Familienformen, 139f.].
B.
Agrargeschichtliche Forschungsfelder
67
Der für das Ökotypus-Modell konstitutive Zusammenhang zwischen lokaler Wirtschaftsweise, familienwirtschaftlicher Arbeitsorganisation und Familienstruktur bietet auch einen Zugang zur Frage nach den Geschlechterrollen in der ländlichen Gesellschaft, insoweit Häusliche Arbeitsund jedenfalls als diese Rollen im System der ländlichen Familienwirt- organisation Geschlechterrollen schaft über die Arbeit und die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung konstituiert waren. „Geschlechterrollen und geschlechtsspezifische Arbeitsteilung lassen sich in traditionellen Agrargesellschaften nicht voneinander getrennt betrachten. Jene von Frauen und Männern erwarteten Eigenschaften bzw. Verhaltensweisen (...) waren damals ganz eng mit spezifischen Arbeitsverrichtungen verbunden" [128: Mitterauer, Arbeitsteilung, 58]. Wie sehr die dominante Wirtschaftsweise die Abgrenzung bzw. Verflechtung der weiblichen und männlichen Arbeitsbereiche beeinflußte, wurde deutlich, wenn zusammen mit Vorgängen wirtschaftlicher Diversifizierung und Intensivierung oder mit dem Übergang von der Hausproduktion zur Marktproduktion (Entwicklung der ländlichen Hausindustrie; Spezialisierung der Milch- und Viehwirtschaft) Angleichungen oder Kompetenzverlagerungen zwischen den Arbeitsrollen von Männern und Frauen stattfanden [94: Wiegelmann, Arbeitsteilung, 650f., 666f.; 128: Mitterauer, Arbeitsteilung, 107-26]. Unterschiedliche geschlechtsspezifische Arbeitsteilung machte sich wiederum als unterschiedlich starke Ausprägung des Rollenergänzungszwangs bemerkbar [129: Mitterauer, Ländliche Familienformen, 142; 27: Mathieu, Agrargeschichte, 28388]. Allerdings waren Frauen und Männern in der Überschreitung traditioneller Rollengrenzen ungleich hohe Hürden gestellt, die teilweise biologisch-physischer Natur waren, vielfach aber auch mit kulturell vermittelten „Vorstellungen von angemessenem Verhalten, Diskriminierungen minderbewerteter Verrichtungen, Tabuisierungen von Arbeitsbereichen und -räumen" zu tun hatten [128: Mitterauer, Arbeitsteilung, 126-30]. Allgemein verrichteten Männer die höher bewerteten, Frauen eher die niedriger eingestuften Tätigkeiten; dadurch wurde es allgemein erschwert, daß Männer Frauenarbeiten übernah-
[128: Mitterauer, Arbeitsteilung, 139]. C. Ulbrich hat dazu geraten, die Vorstellung „einer grundlegenden schichtübergreifenden Komplementarität der Arbeit von Mann men
und Frau" im Hinblick auf Unterschiede zwischen den Geschlechtern und innerhalb der Geschlechter zu differenzieren. „Um den Faktor Arbeit in seiner Bedeutung für das Leben von Männern und Frauen zu erfassen, reicht es sicher nicht aus, den Blick auf Haushalte als Ganzes und auf die Position des oder der einzelnen innerhalb der
68 Außerhäusliche Arbeitszusammen-
scrXchterrollen
IL Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
Haushalte zu richten" [139: Geschlechterrollen, 360f.]; „was auf den Hausverband bezogen als geschlechtsspezifische Teilung und Trennung der Zuständigkeiten erscheint, [kann] außerhalb des ,Hauses' wiederum kollektiv in den ,gender peer groups' riickgebunden" sein [138: Trossbach, Das „ganze Haus", 308]. Mitterauer hat selber vor der Überfrachtung des Ökotypus-Konzepts für die Interpretation der Geschlechterrollen und der jeweiligen kulturellen Konzepte von Weiblichkeit und Männlichkeit gewarnt, welche außerhalb der Arbeit in zahlreichen weiteren Bereichen des gesellschaftlichen Lebens konstituiert und reproduziert wurden, so etwa „im Kult, im Brauchtum, in der Gestaltung der Feiertage, in den Formen der Geselligkeit in Familie, Nachbarschaft und Gemeinde" [128: Arbeitsteilung, 59f., 143^8]. Mitterauer hat noch weitere Grenzen des Ökotypus-Konzepts benannt: die dominante Form der Wirtschaftsweise erklärt z.B. regionale Unterschiede der Erbrechtspraxis ebensowenig wie die räumliche Verteilung des Ausgedinges [129: Ländliche Familienformen, 144f; 184: von Hippel, Bauernbefreiung, 61-68]. Die Zuordnung zu einzelnen Ökotypen fällt zudem besonders für kleinräumig strukturierte Gebiete schwer [133: Pfister, Haushalt, 21]. Ob des von der Haushaltsforschung betonten Zusammenhangs zwischen Ökotypus einerseits und der Ausprägung der Arbeitsorganisation im Hausverband andererseits darf auch nicht vergessen werden, daß die landwirtschaftliche Arbeitsverfassung sich keineswegs allein auf die organisatorische Plattform der Einzelhaushalte abstützte. Hier ist an die komplexe Einbindung der Hofstellen in die genossenschaftliche Flumutzung, an die Teilnahme der Häuser am Gemeinwerk zum Unterhalt kommunaler Einrichtungen [87: Niederer, Gemeinwerk] oder an Formen gemeinschaftlicher Männer- und Frauenarbeit im Dorf zu erinnern [138: Trossbach, Das „ganze -
Grenzen des Kon-
zepts
„Okotypus
-
Haus", 306ff.]. 2.4. Haus und
Bedeutung von
Verwandtschafts-
beziehungen
Verwandtschaft Die Akzentuierung der Produktionsfunktion bäuerlicher Haushalte favorisiert den Blick auf die Innenbeziehungen im Haus und läßt andere, zentrale Aufgaben des Hauses in den Hintergrund treten. Die generative und soziale Reproduktion der Familie Heirat, Kindererziehung, der Erbgang weisen auf die Bedeutung des sozialen und genealogischen Beziehungsgefüges der Verwandtschaft („kin-group") hin, die mit den Strukturen des Arbeitszusammenhanges nur partiell deckungsgleich war [126: Mitterauer/Ehmer, Einführung, 12 f.]. -
-
B.
Agrargeschichtliche Forschungsfelder
69
Verwandtschaft war nicht der objektive, genealogische Zusammenhang, den genealogische Schemata suggerieren; tatsächlich war immer nur ein selektiver Ausschnitt aller Verwandtschaftsbeziehungen aktiviert. Diese bildeten ein Reservoir an sozialen und personellen Ressourcen (Versorgung weichender Erben, Gesindedienst von Verwandten, Nothilfe u.ä.), kanalisierten die Weitergabe von Besitz und Vermögen an die nächste Generation und spielten eine wichtige Rolle bei der Besetzung der Dorfämter [52: Maisch, Unterhalt, 423 f.; 138: Trossbach, Das „ganze Haus", 309f.]. Gegenüber der rigiden Unterscheidung der Erbrechtssysteme und -räume in der älteren Agrarverfassungsgeschichte geht der soziaigeschichtliche und anthropologische Ansatz von der vielfach beobachteten Differenz zwischen kodifiziertem Erbrecht und der Erbpraxis aus und schlägt vor, die bäuerlichen Erbpraktiken als Ergebnisse flexibler, situativ an die Besitz- und Familienverhältnisse angepaßter Entscheidungen zu betrachten, die sich zwar im Rahmen eines im 16. Jahrhunderts vielfach noch mündlich tradierten Regelsystems abspielten, aber nicht strikt von Gesetzesnormen gelenkt wurden [54: Robisheaux, Order, 127]. Anerbenrecht und Realteilung wurden neuerdings „eher als extreme Pole eines Kontinuums" mit mannigfachen Mischformen in der Praxis bezeichnet [59: Schlumbohm, Lebensläufe, 379^*11, Zit. 382]. Besonders deutlich wird dies für Gebiete des Anerbenrechts, wo das Gewohnheitsrecht einerseits die ungeteilte Übergabe des Hofes vorsah, andererseits alle Kinder einen gleichwertigen Anspruch auf die Versorgung aus dem Familienerbe erhoben. Im Hohenlohischen lassen sich unterschiedliche Lösungen dieser doppelten Verpflichtung feststellen: in einigen Dörfern wurde auch das Land als teilbarer Vermögensbestandteil behandelt, anderswo galten die Höfe als unteilbar, während das Familienvermögen geteilt wurde. „The customs therefore favored not strict impartibility, a rarity in any case, but tended toward preferential partibility, that broad gray area where the two were mixed up" [54: Robisheaux, Order, 127f.]. Die Übergabe der Vermögen erfolgte selten als einmaliger Akt, die Auflösung und Neuverteilung des akkumulierten Besitzes gestaltete sich vielmehr als zeitlich gestreckter Vorgang, wobei Aussteuer und Mitgift für die heiratenden Kinder schon zu Lebzeiten des Stelleninhabers die Aufteilung des Vermögens in Gang setzten [134: Sabean, Verwandtschaft, 242^15; 54: Robisheaux Order, 145 f.].
Verwandtschaft und Erb?an?
70
ii.
Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
2.5. Haus und Herrschaft Nutzen und Nachteil funktionalistischer Ansätze der
Haushaltsforschung
Die moralischen Elemente des
alteuropäischen „ganzen Hauses"
Das „ganze Haus" als Ordnungsmodell: Hausväterliteratur und staatlichkirchliche Gesetz-
gebung
W. Trossbach hat die Arbeiten Mitterauers „als die Verwissenschaftlichung der Beschäftigung mit dem .ganzen Haus'" und als Versuch, O. Brunners Modell sozialhistorisch einzulösen, gewürdigt; dabei seien „die enormen Variationsbreiten der (Zusammen-)Lebensformen unter einem Dach transparent" gemacht und das „ganze Haus" seines monolithischen Charakters entkleidet worden [138: Das „ganze Haus", 282]. Mitterauers funktionalistisch angelegtes Haus- und Familienkonzept besitzt aber auch seine Schwächen; zwar ermöglicht die Konzeptualisierung des Hauses als Arbeits- und Konsumgemeinschaft „die Versachlichung der empathischen Theorie RiEHL-BRUNNERschen Typs", sie blendet aber die „moralischen" Elemente des alteuropäischen Hausbegriffs aus, die in der Ökonomik und Hausväterliteratur des 16. und 17. Jahrhunderts mit ihrer Moral und Ökonomie verbindenden Vorstellung des „ganzen Hauses" noch im Mittelpunkt gestanden hatten [138: Trossbach, Das „ganze Haus", 284ff.]. Gerade in der Bündelung moralischer, politischer und ökonomischer Kompetenzen in der Person des Hausvaters erwies sich der umfassende integrative Charakter des Hauses als traditionaler Lebens- und Sozialisationseinheit: „Er [der Haushaltsvorstand, AH] war Lehrherr, Chef, Erzieher und Ernährer in einer Person und fungierte als moralisch-religiöse Kontrollinstanz" [ 107: Freitag, Haushalt, 20]. In der Reformation wurde „das ,Haus' als Fokus politischer, rechtlicher, ökonomischer und religiöser Stränge konstruiert" [138: Trossbach, Das „ganze Haus", 290], im Rahmen obrigkeitlich-kirchlicher Ordnungskonzepte wurde es zentrale Instanz für die Regulierung und Bewahrung der familialen und gesellschaftlichen Ordnung. Nicht zufällig fällt wohl die Blütezeit der sog. Ökonomiken und der Hausväterliteratur zeitlich mit der Konjunktur des ge-
sellschaftlich-politischen Ordnungsmodells „Haus"
zusammen
[53:
Rebel, Peasant Classes, XVI; 138: Trossbach, Das „ganze Haus", 313f.; 117: Lemmer, Haushalt; 135: Schlegel-Matthies, Ökonomik]; damit sind auch Ansatzpunkte für eine Historisierung des von Brunner gleichsam als überhistorische Figuration abendländischer Kultur angelegten Konzepts des „ganzen Hauses" gegeben [138: Trossbach, Das „ganze Haus", 289ff.; 103: Brunner, Das „ganze Haus"]. Seit dem 16. Jahrhundert wurde das Haus „Ziel staatlicher Projektionen von effektiver Wirtschaft" und Objekt politischer und ökonomischer Privilegierung durch den Staat, nicht zuletzt vor dem Hintergrund einer „partielle(n) Interessenidentität von Staat und Hausvater" hinsichtlich der Erhaltung der wirtschaftlichen und steuerlichen Leistungs-
b.
fähigkeit
71
Agrargeschichtliche Forschungsfelder
der bäuerlichen Wirtschaft
[138: Trossbach, Das „ganze
Haus", 297ff.]. Die staatliche Gesetzgebung nahm sich im 16. Jahrhundert mit Maßnahmen im Bereich des Erb-, Besitz- und Eherechts, aber auch mit zahlreichen Ordnungen zum Gesindewesen des bäuerlichen Hauses an [113: Könnecke, Gesinde; 110: Hartinger, Dienstbotenleben]. Die Hausväter bzw. Besitzerpaare wurden einerseits in ihrer Eigenschaft als Träger der hausherrlichen Gewalt über die Kinder und Dienstleute gestützt, andererseits wurde das Haus als unterste Verwaltungsebene des Staates und Schaltstelle für die Implementierung „guter Policey" in der Gesellschaft in Pflicht genommen. Allerdings sind die Umsetzung staatlicher Gesetze bzw. deren Aneignung durch die Landbewohner noch wenig untersucht worden [176: Diestelkamp, Gesetz; 299: We-
Disziplinierung]. In Hohenlohe konvergierten in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts mit der Einführung des elterlichen Heiratskonsenses durch die neuen Eheordnungen die Interessen des Landesherrn, der protestantiber,
schen Kirche und der besitzenden Hofbauern; mit dem Sexual- und Heiratsverhalten der Jungen kontrollierte das Besitzerpaar auch besser den Zugang zum Landbesitz und Vermögen der Familie: „Patriarchy, Protestantism, and the control of wealth and property were all inseparable from one another (...)" [54: Robisheaux, Order, 95-120, Zit. 106]. Das wachsende Interesse der Obrigkeit an den fiskalischen Ressourcen der ländlichen Gesellschaft machte sich auch im Kleinterritorium von Hohenlohe in der katastermäßigen Erfassung und im Ausbau der institutionell-juridischen Kontrolle über den bäuerlichen Grundbesitz bemerkbar [54: Robisheaux, Order, 121-26; für Paderborn ähnlich: 85: Lienen, Aspekte, 298f.]. Rebel hat für Oberösterreich geradezu von der „Bürokratisierung" der Rechtsverhältnisse in der ländlichen Gesellschaft gesprochen und dies an der Registrierung der Besitztransaktionen, der Regulierung des Besitz-, Ehe- und Familienrechts und der Aufzeichnung der Taidinge festgemacht [53: Peasant Classes, 142-67]. In Bayern ging die Kategorie der Hausnotdurft in das Landrecht ein und wurde als Richtwert für die herrschaftliche Inanspruchnahme bäuerlicher Dienste vor landesherrlichen Gerichten einklagbar [244: R. Blickle, Hausnotdurft; 246: Dies., Nahrung]. Die obrigkeitliche „Politisierung" und „Ökonomisierung" des bäuerlichen Hauses und die Stärkung der Hausspitze ging so die These Trossbachs auf Kosten der „moralischen" Funktionen des Hauses, die der hausherrlichen Gewalt Unterworfenen verloren eher an Schutz [138: Das „ganze Haus", 300]. Die sozialhistorische Unter-
-
ii.
72
Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
mauerung dieser These muß sich vorläufig für das 16. Jahrhundert neben Robisheaux' Hinweisen auf die Allianz der Interessen von Obrigkeit und Hausvätern bei der Durchsetzung einer stärkeren Kontrolle des jugendlichen Sexual- und Heiratsverhaltens (s.o.) auf H. Rebels Interpretation der ländlichen Sozialstruktur Oberösterreichs an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert stützen [57: Sabean, Neckarhausen,
93-96].
Rebel hat der Sozial- und Familiengeschichte vorgeworfen, ihKonzept des bäuerlichen Haushaltes unkritisch das obrigkeitliche des „ganzen Hauses" zugrundegelegt zu haben [53: Peasant Modell Rebels These: Klassenkonflikt Classes, 14f.]; für ihn waren die bäuerlichen Familien hingegen von eistatt „ganzes Haus" ner ausgeprägten Konflikt- und Klassensituation geprägt. „The Austrian peasant family was not a harmonious, conflict-free institution. (...) the house, where families lived in intimacy, was also the main battleground of social and economic conflict" [53: Rebel. Peasant Classes, 199f.]. Die Untersuchung von Haushaltsinventaren zeigt eine sozial stark differenzierte ländliche Gesellschaft mit intensiven Marktbeziehungen, deren Chancen sehr ungleich auf die sozialen Schichten insgesamt und auf die Individuen in den bäuerlichen Haushalten verteilt waren. Mitten durch die Haushalte verlief eine Klassenlinie, welche die Hausvorstände und -erben als „chief disciplinarians" [53: Rebel, Peasant Classes, 167] scharf von den übrigen Hausbewohnern trennte; dieser Gegensatz schied die ausbeuterischen Hausväter und -mütter von den ausgebeuteten Enterbten, die wenigen, denen die Rolle als Hausvorstand die Verfolgung ihrer individuellen Interessen und die Sicherung ihres Status erlaubte, von den vielen übrigen, deren Lebenschancen durch die Hofstellenbesitzer fremdbestimmt wurden [53: Rebel, Kritik an Peasant Classes, 168-98]. So überzeugend Rebels Analyse der soziaRebb s These len Schichtung und der fortgeschrittenen Marktbeziehungen in Oberösterreich ist, so sehr preßt dessen These von der innerhäuslichen Konfliktlinie die Aussagekraft seiner Quellen, welche die sozialökonomische Position der Individuen im Hausverband in einer Momentaufnahme abbilden, die sozialkulturellen und -psychologischen Aspekte der Interaktion zwischen den Angehörigen der bäuerlichen Haushalte aber außer acht lassen; bei Rebel treten die Bedeutung verwandtschaftlicher Beziehungen sowie die Einbindung der Häuser in die Institutionen der dörflichen Sozialkontrolle ganz zurück [53: Peasant Classes, 197f; kritisch 30: Trossbach, Bauern, 94f.; 138: Ders., Das „ganze Haus", 304ff, 310]. Das Zusammenwirken unterschiedlicher Haushaltstypen, wie es Schlumbohm für die „Symbiose der großen Haushalte der Vollbauern und der kleinen der Heuerleute" im Osnabrückirem
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Agrargeschichlliche Forschungsfelder
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sehen seit der Mitte des 17. Jahrhunderts geschildert hat [59: Lebensläufe, 291 f., 539ff.], kommt mit den Inventaren ebensowenig in den Blick, wie die Beziehungen der einzelnen Haushaltsangehörigen zu Verwandten und Nachbarn [57: Sabean, Neckarhausen, 98]. 2.6. Bäuerliche
Hauswirtschaft und Markt
„Die Ökonomik als Lehre
vom Oikos umfaßt (...) die Gesamtheit der menschlichen Beziehungen und Tätigkeiten im Hause, das Verhältnis von Mann und Frau, Eltern und Kindern, Hausherrn und Gesinde (...) und die Erfüllung der in Haus- und Landwirtschaft gestellten Aufga- ,.Ökonomik" und ben. Damit ist auch bereits die Einstellung zum Handel gegeben. Er ist „Chrematistik" in der alteuropäischen notwendig und erlaubt, soweit er der Ergänzung der Autarkie des Hau- Ökonomik ses dient, er ist verwerflich, sobald er zum Selbstzweck wird, das heißt auf Gelderwerb an sich zielt. Der Ökonomik tritt die Chrematistik gegenüber" [103: Brunner, Das „ganze Haus", 105]. Brunners Interpretation der alteuropäischen Ökonomik stellte die bäuerliche Hauswirtschaft grundsätzlich als selbstgenügsame Produktions- und Konsumtionseinheit vor; die von Cajanov inspirierte Theorie der „bäuerlichen Familienwirtschaft" hat diesen Gedanken durch die Betonung der Gebrauchswertorientierung der bäuerlichen Wirtschaft akzentuiert [57: Sabean, Neckarhausen, 94-97]. Nicht zufällig sind es Untersuchungen zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der ländlichen Gesellschaft im Jahrhundert der Agrarkonjunktur, die den von Brunner herausgestellten Gegensatz von Ökonomik und Chrematistik aufweichen und die ambivalenten Auswirkungen des Zugangs zum bzw. der Abhängigkeit vom Markt und das Ausgreifen der Ware-Geld-Beziehungen in der ländlichen Gesellschaft registrieren [71: Boelcke, Wohlstand; 72: Ders., Kreditwesen; 53: Rebel, Peasant Classes; 54: Robisheaux, Order]. Auch die Texte der Ökonomik haben den Gegensatz nicht durchweg scharf betont; zwar ist bei J. Coler die Sorge um die Sicherung der Nahrung des Hauses unverkennbar, doch schiebt sich „neben das Leitbild des frommen, gottesfürchtigen Hausvaters (...) das Bild des Hauswirts, der es versteht, über seine ,ehrliche Nahrung' hinausgehend durch Kauf und Verkauf Geld zu erwerben und reich zu werden" [103: Brunner, Das „ganze Haus", 124f.; 135: Schlegel-Matthies, Ökonomik, Zit. 118]. Die steigende Steuerbelastung, die Geldabgaben an die Herr- Die neue Bedeutung schaft, der Bedarf an gewerblichen Gütern, der Anreiz der günstigen von Marktbeziehungen Agrarkonjunktur sowie nicht zuletzt der Kreditbedarf für den Kauf von Grund und Boden oder die Ausstattung der heiratsfähigen Kinder ver-
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II.
Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
wiesen auch die Bauern im Verlauf des 16. Jahrhunderts immer häufiger auf ländliche und städtische Märkte. „By the end of the sixteenth century lords and peasants in Hohenlohe no longer looked upon market activities as peripheral or supplementary to the local economy" [54: Robisheaux, Order, 147]. In Oberbayem war die bäuerliche Wirtschaft im 17. Jahrhundert „weder vollkommen autonom, ohne Austausch auf den eigenen Bedarf orientiert, noch (...) kommerzialisierte Erwerbswirtschaft im modernen Sinn. Sie war beides: eine marktintegrierte Subsistenzwirtschaft" [58: Schlögl, Bauern, 366], die die Markteinflüsse über die Entwicklung der Löhne für Dienstleute und Tagelöhner und die Bewegungen der Bodenpreise zu spüren bekam [58: Schlögl,
Bauern, 292-95]. Für die Beschäftigungsgruppen der Bauern, Kleinbauern, Landhandwerker und Tagelöhner war die jeweilige Stellung zum Markt mit unterschiedlichen Chancen und Risiken verbunden; in den sich häufenden Ernte- und Teuerungskrisen im letzten Drittel des Jahrhunderts akzentuierten sich die sozialen Gegensätze, und der Landesherr wurde, z.B. in Hohenlohe, von den von der Marktlage benachteiligten Untertanen zu einer Politik der „moralischen Ökonomie" (Marktordnungen,
Preisvorschriften, Exportverbote, Darlehen, Steuemachlässe) gedrängt [54: Robisheaux, Order, 147-74].
Das Vordringen der Ware-Geld-Beziehungen in der ländlichen Ländliches reditsystem Gesellschaft zeigen auch die Kreditbeziehungen an, deren Umfang und für das steigende Bedeutung späte 16. und frühe 17. Jahrhundert insbesondere für Württemberg, Hohenlohe, Oberösterreich und Bayern belegt sind [71: Boelcke, Wohlstand; 82: von Hippel, Bevölkerung, 431-34; 53: Rebel, Peasant Classes; 97: Wunder, Peasant Credit; 54: Robisheaux, Order, 155 f., 172 f.; 58: Schlögl, Bauern, 319-42]. Im Gegensatz zur älteren Forschung wird hier die Verschuldung ländlicher Haushalte stärker als „essential and unavoidable ingredient of economic and social success" [53: Rebel, Peasant Classes, 61] gedeutet, als Ausdruck einer je nach Vermögens- und Beschäftigungssituation zwar unterschiedlich gelagerten, aber nicht a priori schädlichen und nachteiligen Risikolage und Krisenanfälligkeit der verschuldeten Betriebe [53: Rebel, Peasant Classes, 66ff, 77-119, 207-19; 58: Schlögl, Bauern, 319-51]. Für Oberösterreich konnte Rebel feststellen: „it is too simplistic to equate poverty and low occupational status with indebtedness on the one hand and property ownership and relative wealth with creditor status on the other. Everybody both loaned and borrowed but did so under different circumstances", wobei die soziale Spannweite zwischen den Wirten, Fuhrleuten, Müllem und Altenteilern, die Schlüsselpositio-
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Agrargeschichtliche Forschungsfelder
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im ländlichen Kreditsystem besetzten, und dem Gesinde, dessen den Hausvorständen zurückbehaltene Löhne in den Inventaren als „Darlehen" figurierten, enorm war [53: Peasant Classes, 208-16]. Neben den erwähnten Berufsgruppen spielten Kellereien, Spitäler, die Kirchen und Vormundschaftskassen eine wichtige Rolle in den lokalen Kreditbeziehungen [82: von Hippel, Bevölkerung, 434; 58: Schlögl, Bauern, 333f.]. Das gut untersuchte Beispiel Württemberg zeigt, daß man sich unter dem Einfluß steigender Agrar- und Bodenpreise eher für Haus- und Grunderwerb verschuldete als für die Aufnahme von konsumtiven Notkrediten bei Mißernten und Teuerungen, „ein Indiz für das Bemühen der Schuldner, der Umverteilung des Sozialprodukts zugunsten der Grundrentenempfänger und zuungunsten der lohnabhängigen Arbeitskraft wenigstens für sich selbst so weit als möglich zu entrinnen" [82: von Hippel, Bevölkerung, 432f.]. nen
von
Landgemeinde zwischen politischer Emanzipation und sozioökonomischer Desintegration
3. Die
Die jüngere Forschung bewertet Rolle und Stellenwert der dörflichländlichen Gemeinde im 16. Jahrhundert unterschiedlich. Die rechts-, verfassungs- und landesgeschichtliche Forschung, die in K. S. Baders Dorf-Monographie ihren Klassiker besitzt [142: Dorf; 164: Wunder, Gemeinde, 141-52], widmet sich der Untersuchung der Gemeindeverfassung, der kommunalen Kompetenzen, Institutionen und Ämter. Die Gemeinde wird dabei als „wichtigste Organisationsform auf dem Lande" [160: Schmitt, Gemeinde, 294] geschildert, die sich mit der lokalen Selbstverwaltung befaßt, für Friedenswahrung und Rechtsprechung sorgt, Gebot und Verbot für den lokalen Regelungsbereich handhabt [145: P. Blickle, Funktion der Gemeinde] und die bäuerlich-kommunalen Anliegen und Interessen gegenüber der Herrschaft vertritt. Die Verfassungsgeschichte betont den Charakter der Gemeinde als rechts- und handlungsfähigen, politischen Verbandes und als Institution zur Repräsentation des kollektiven Willens der lokalen Gesellschaft [144: Bierbrauer, Freiheit und Gemeinde, 65-82]. P. Blickle und einige seiner Mitarbeiter haben in Fortschreibung der verfassungs- und landesgeschichtlichen Gemeindestudien das politische Handeln der Bauern im oberdeutsch-schweizerischen Raum auf mehreren Handlungsebenen untersucht und dabei den Einfluß des kommunalen Prinzips geltend gemacht [31: Untertanen; 143: Bierbrauer,
Verfassungs- und
institutionen-
geschichtliche Ansätze
Politikfähigkeit von
Bauern
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IL
Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
Gemeinde, 36-55; 144: Ders., Freiheit und Gemeinde]. Das Interesse richtete sich dabei auf bäuerlichen Protest und Widerstand in den Auseinandersetzungen um Verbesserungen in der Agrarverfassung [238: P. Buckle, Erhebungen; 236: Bierbrauer u.a., Aufruhr], auf die Bemühungen bäuerlicher Gemeinden und „Landschaften" um ständische Partizipation und Repräsentation auf Landesebene [230: P. Blickle, Landschaften], auf Prozesse republikanischer Staatsbildung auf kommunal-bündischer Grundlage [230a: P Blickle, Parlamentarismus] sowie auf den Bauernkrieg 1525 und die Aneignung reformatorischen Gedankenguts durch diese revolutionäre Bewegung [241: P. Blickle, Revolution; Ders., Gemeindereformation; 313: Conrad, Reformation; 308: P. Blickle, Bauern und Reformation; 306: Bierbrauer, Unterdrückte Reformation; 319: Fuhrmann, Kirche und Dorf]. Blickles historiographisches Anliegen liegt im „Versuch einer Das Konzept ..Kommunahsmus der deutschen Geschichte ,von unten'" [31: Untertanen, [P. Blickle Periodisierungd Zit. 112-36, 112]: die Epoche von 1300 bis 1800 ist für ihn sozial, wirtschaftlich und politisch charakterisiert „durch eine relativ-funktionale Freiheit, eigenverantwortete Arbeit (in Form des bäuerlichen oder handwerklich-gewerblichen Familienbetriebs) und die politische Berechtigung des Hausvaters. Der institutionelle Rahmen, der dies ermöglicht und sichert, ist die Gemeinde"; mit „Kommunalismus" wird die Epoche auf den Begriff gebracht [31: Untertanen, 113; 32: Kommunalismus]. Der Begriff deckt aber nicht beliebige Gemeindeformen ab, sondern erfaßt „.politisch verfaßte' Gemeinden, die über eine Grundausstattung an Satzungs-, Gerichts- und Strafkompetenz verfügen", institutionell greifbar in Gemeindeversammlung, kollegial organisierter Verwaltungsbehörde und Gericht, normativ orientiert an den Wertvorstellungen des Friedens, des gemeinen Nutzens, der Hausnotdurft und der Forderung nach Freiheit und Eigentum bzw. Beseitigung der Feudalrente und Unfreiheit; diese Gemeindeverfassung ist dem Modell zufolge Stadt und Land gemeinsam und erstreckt sich vom Thüringer Wald bis an den Genfer See, vom Elsaß bis nach Oberösterreich [32: P. Blickle Kommunalismus, 5, 10f, 14-21]. Das Kommunalismuskonzept begreift die gesellschaftlich-politische Entwicklung zwischen 1300 und 1550 als dynamischen, von der Land- und Stadtgemeinde getragenen politischen Emanzipationsprozeß zur Beseitigung des Feudalismus; Bauern und Bürger verlängerten ihre kommunale Erfahrung in ein „kommunal-bündisches Modell" staatlicher Verfassung für das Reich. Die .„politisch verfaßte'" Gemeinde trägt „das Modell der republikanischen Staatsform in nuce in sich" [31: P. Blickle, Untertanen, 139; 230a: Ders., Parlamentarismus]. Dieses Verfassungsmodell auf
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Agrargeschichtliche Forschungsfelder
der Grundlage kommunaler Föderationen [31: P. Blickle, Untertanen, 114] mußte zwangsläufig mit den Feudalgewalten kollidieren; die Gemeinden intensivierten im 15. und frühen 16. Jahrhundert ihren Widerstand, scheiterten zuletzt aber mit der Niederlage im Bauernkrieg von 1525; „aus der Perspektive der Untertanen gesehen" folgte auf die „aufsteigende Phase der politischen Emanzipation zwischen 1300 und 1550 (...) eine zweite der politischen Entmündigung von 1550 bis 1800. Dabei läßt sich die zweite Phase als Reaktion auf die erste Phase verstehen" [31: P. Blickle, Untertanen, 139]. Das Modell faßt das Verhältnis zwischen (Land/Stadt)Gemeinde bzw. Kommunalismus und Herrschaft bzw. Feudalismus prinzipiell als antagonistisches: Bürger und Bauern sind keine Herrenstände, und die politischen Rechte der Gemeinden lassen sich „nicht allein als herrschaftlich delegierte Rechte" erfassen, sondern erwachsen aus dem autonomen Handeln der Gemeinden [32: P. Blickle, Kommunalismus, 11 ff.]. Demgegenüber sieht H. Wunder in der Gemeinde „keine selbst- Kritik am Konzept bestimmte Form bäuerlichen Zusammenlebens", vielmehr ist sie „ganz „Kommunalismus" entscheidend von ihrem Gegenpol, von der Herrschaft und deren Interähnlich essen geprägt worden" [164: Gemeinde, 79]; Wunder betont wie H. H. Hofmann für Franken [168: Bauer und Herrschaft, 13-17] das Zusammenwirken und die Spannung im Verhältnis zwischen Herrschaft und Gemeinde. Die Gemeindeforschung in der ehemaligen DDR akzentuierte wenn auch nicht unwidersprochen [146: Enders, Landgemeinde] den Herrschaftsbezug der Gemeinde und deren Funktionalisierung im Dienst der Durchsetzung feudal-staatlicher Gewalt [158: Richter, Landgemeinde; 149: Harnisch, Landgemeinde]; „Kommunalismus" läßt sich im marxistischen Verständnis nicht auf einer Begriffsebene mit „Feudalismus" einer spezifischen Produktionsweise und Gesellschaftsformation ansiedeln [162: Vogler, Dorfgemeinde, 62ff.]. Auch W. Kaschuba vermag in Kommunalismus und Feudalismus „weder kongruente Kategorien noch (...) antagonistische gesellschaftliche Formationsprinzipien" zu erblicken; er möchte „Kommunalismus" aus der rechtsgeschichtlichen Verengung lösen und „als ein Kooperations- und Diskurssystem" deuten, das auf die selbstverständ-
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lichen, „verbindende(n) Alltagserfahrungen und Alltagsdeutungen" der Dorfbewohner im Gemeindeleben abhebt, als ein „,lebensweltliches'
Erfahrungs- und Bewegungsprinzip", das sich in seinen verschriftlichen „Rechtsformen letztlich mehr widerspiegelt als konstituiert" [151: Kommunalismus, 65-69, 91]. Parallel zur Entwicklung von Blickles Kommunalismuskonzept Landgemeinde und und teilweise unter dessen Einfluß ist die Forschung zur Landgemeinde Gutsherrschaft
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Weichenstellungen
für die Gemeinde-
entwicklung: terri-
torialstaatliche Konsolidierung und ....
II.
Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
auch für norddeutsche und ostelbische Gebiete intensiviert worden, die herkömmlich als Gebiete mit überwiegend schwach entwickelten Gemeindestrukturen galten [148: Harnisch, Gemeindeeigentum; 158: Richter, Landgemeinde; 153: Lange, Landgemeinde; 149: Harnisch, Landgemeinde; 150: Ders., Landgemeinde; 146: Enders, Landgemeinde; 104: Dies., Individuum]. Für J. Peters erschließt sich mit der Gutsherrschaftsgemeinde ein früher weniger beachtetes Feld sozialer Praxis, sie rückt in der jüngeren Gutsherrschaftsforschung zu einer „Meßlatte für Eigenbestimmung" auf [39: Gutsherrschaftsgeschichte, 15]. Dabei werden Interpretationen revidiert, die unter dem Vorzeichen eines strikten Dualismus zwischen den Gebieten der Grundherrschaft und jenen der Gutsherrschaft die Durchsetzung der Gutsherrschaft gleichzeitig als Untergang eigenständiger Gemeindestrukturen deuteten [31: P. Blickle, Untertanen, 43 ff.; 18: van Dülmen, Kultur. Bd. 2, 47, 51]. Vielmehr scheinen die Gemeinden gerade in der Auseinandersetzung mit den Anforderungen der Gutsherrschaft im 16. und frühen 17. Jahrhundert ihre Aktionsfähigkeit unter Beweis gestellt zu haben. Nicht nur in der Gutsherrschaftsforschung der ehemaligen DDR wird die Landgemeinde neben dem bäuerlichen Besitzrecht als entscheidendes Kriterium für die Prädisposition und die Erfolgschancen bäuerlichen Widerstands gegen die Gutsherrschaft bewertet [258: Harnisch, Klassenkämpfe, 146, 157f.; 259: Ders., Landgemeinde, 84ff.; 260: Ders., Bauernbewegungen, 143 ff; 278: Schultz, Volksmassen, 424; 221: North, Gutswirtschaft, 233, 240; 216: Lorenzen-Schmidt, Gutsherrschaft]. Die Elbgrenze erscheint jedenfalls ungeeignet, „Formen gemeindlicher Organisation und ihrer Wirksamkeit gegeneinander abzugrenzen" [164: Wunder, Gemeinde, 112]. „Bäuerliche Gemeinden blieben in Ostelbien auch deshalb erhalten, weil selbständig wirtschaftende Bauern zum System der Gutswirtschaft gehörten, solange diese als .Teilbetrieb' organisiert war" [164: Wunder, Gemeinde, 109]. Ob das 16. Jahrhundert als Beginn einer „Phase der politischen Entmündigung" der Untertanen, sprich der Gemeinden [31: P. Blickle, Untertanen, 139], oder als Übergang von der „Herrschaft mit Bauern" zur „Herrschaft über Bauern" [164: Wunder, Gemeinde, 80] interpretiert wird, einig ist sich die Gemeindeforschung darüber, daß in dieser Zeit die Weichen für die Entwicklung der Gemeinden und deren politische und sozialökonomische Bedeutung in der Frühen Neuzeit gestellt worden sind. Dabei werden besonders zwei Prozesse hervorgehoben, welche die Gemeinden seit dem späteren 16. Jahrhundert gleichzeitig von außen und von innen einem erhöhten Druck aussetzten und deren Kohäsions- und Integrationskraft belasteten. Zum einen handelt es sich
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Agrargeschichtliche Forschungsfelder
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den Prozeß territorialstaatlicher Konsolidierung, den V. Press in bewußter Gegensetzung zu Blickles „Kommunalismus" als „Territorialismus" apostrophiert hat, um damit den fürstlichen Landesstaat als maßgeblichen Träger der staatlichen Entwicklung in Deutschland hervorzuheben [154: Territorialismus; 155: Stadt- und Dorfgemeinde, 441-54]. G. Vogler hat abwägend auf die Ambivalenz des politischstrukturellen Verhältnisses zwischen Territorialstaat und Gemeinden hingewiesen: zwar tendierte der Territorialstaat zur Einschränkung, bisweilen Aushöhlung oder gar Beseitigung der gemeindlichen Freiräume, gleichzeitig dauerten gerade unter diesen Bedingungen gemeindliche Strukturen und Aktivitäten fort, weil der Staat für die Umsetzung seiner Politik auf die Gemeinden angewiesen war; es lag nahe, „diese Strukturen im Interesse dieses Staates zu nutzen, so daß einerseits ein gewisser Schutz für Gemeinden, andererseits ihre Integration in den absolutistischen Territorialstaat die Folge waren" [162: Dorfgemeinde, 54-58, Zit. 37; 149: Harnisch, Landgemeinde; 155: Press, Stadt- und Dorfgemeinde, 448-54; 160: Schmitt, Gemeinde, 294ff.]. Die staatliche Überformung der bäuerlichen Gemeinde machte sich in der „Vereinheitlichung der lokalen Organisation, Verallgemeinerung von ,Mittelorganisationen' (Ämter, Kreise) und [im] Ausbau zentraler Behörden und Instanzen" bemerkbar, zudem im schleichenden Verlust lokaler Rechtskompetenzen zugunsten der zunehmend professionalisierten und hierarchisierten Gerichtsorganisation des Staates [164: Wunder, Gemeinde, 82-92, Zit. 112]. Allerdings handelte es sich keineswegs um einen gleichförmigen und linearen Prozeß, im 16. Jahrhundert scheinen die Gemeinden je nach Territorium unterschiedlich stark davon betroffen gewesen zu sein [160: Schmitt, Gemeinde, 294ff.; 147: Endres, Dorfordnungen]. Allerdings wird erst ein systematischer Vergleich der Regionen unter mehreren Gesichtspunkten (Marktbezug, Staatsbezug und Patrimonialisierung der Bauern und Gemeinden) eine hinreichend differenzierte Antwort auf die Frage nach Stärke und Schwäche der bäuerlichen Gemeinde liefern können [164: um
Wunder, Gemeinde, 112].
Eine zweite Herausforderung für die frühneuzeitliche Gemeinde .sozioökonomibildete der mit der sozialen Differenzierung und der stärkeren Markt- sche Differenzierung der ländlichen verflechtung einhergehende Wandel in der ländlichen Gesellschaft aus. Gesellschaft Die Integration der auseinanderstrebenden Interessenlagen der Dorfbewohner durch die Gemeinde wurde zusehends schwieriger [164: Wunder, Gemeinde, 82-92; 162: Vogler, Dorfgemeinde, 58-61]. Hatte Franz die unterbäuerlichen Schichten konzeptuell aus seiner „Geschichte des Bauernstandes" ausgeblendet, weil sie nur bedingt zu den ..
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II.
Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
Bauern und zur Dorfgemeinde zählten dies obwohl sie zunehmend das Bild des Dorfes bestimmten [20: Bauernstand, 214] -, so haben sozialhistorische und -anthropologische Forschungen mit Blick auf das gesamte Dorf die Reichweite des an den bäuerlichen Hausvätern orientierten, institutionellen Gemeindekonzepts kritisch hinterfragt. Die Akzentuierung des institutionellen Charakters der Landgemeinde leiste einer Vorstellung von „Gemeinde" und „Bauern" als kollektiven Einheiten Vorschub und vernachlässige den Differenzierungsgrad und die Zerrissenheit und „Pathologien" innerhalb der Gemeinden [55: Sabean, Landbesitz, 100-13; 53: Rebel, Peasant Classes, 121 f.; 54: Robisheaux, Order, 173 f.; 222: Rebel, Frondienst, 256f.]. Rebel stellte fest, daß die Kohäsionskraft von Haus und Gemeinde unter dem Druck der sozialökonomischen Verhältnisse nachließ; er trat daher dafür ein, bei der Analyse der inneren Dynamik der ländlichen Gesellschaft statt von der bäuerlichen Klasse, der Gemeinde oder dem „ganzen Haus" von den Individuen und Gruppen mit ihren Rollen und Lebensläufen auszugehen [53: Peasant Classes, 13 ff., 120 ff.]. Allerdings bleibt angesichts der Ergebnisse einer sozialhistorisch-anthropologisch inspirierten Haushalts- und Dorfforschung fraglich, ob Rebels „individualistische Sichtweise das Lebensgefühl der Frühen Neuzeit" trifft [138: Trossbach, Das „ganze Haus", 304f.]. Nicht zuletzt alltags- und mikrohistorische Studien erinnern daran, bei der Erforschung der ländlichen Gesellschaft und ihrer Innen- und Außenbeziehungen die Komplexität der vielfältig miteinander verwobenen Interaktions- und Handlungsebenen nicht außer acht zu lassen [57: Sabean, Neckarhausen; 60: Schnyder-Burghartz, Bretzwil; 59: Schlumbohm, Lebensläufe]. Eine wichtige Voraussetzung dazu liefert die Untersuchung der Soziale Schichtung im Dorf als kom- lokalen Besitz- und Vermögensverhältnisse; vielfach ist versucht worplexes Phänomen mit der den, Auswertung von Steuerlisten die Schichtung der Landin bevölkerung Steuer- und Vermögensklassen zu rekonstruieren [101: Blaschke, Bevölkerungsgeschichte, 179-95; 108: Fried, Dachau; 102: Boelcke, Sozialstruktur; 136: Schwarze, Soziale Struktur; 118: Lösche, Vermögensverhältnisse; 109: Grees, Unterschichten; 100: Berkner, Inheritance, 79ff.; 80: Held, Stadt-Land-Beziehungen]. Die Offenlegung der „objektiven" Vermögensverhältnisse und der Nachweis eines oft beträchtlichen Gefälles zwischen den vergleichsweise wenigen Reichen und den vielen Ärmeren und Armen gingen dabei oft von der Forschungshypothese aus, die Schichtung sei das entscheidende Regulativ der sozialen, wirtschaftlichen und politischen Beziehungen im Dorf. Sozial- und kulturanthropologisch informierte Untersuchungen haben demgegenüber die Statik und Eindimensionalität der an den -
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Agrargeschichlliche Forschungsfelder
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Verrnögensverhältnissen orientierten Schichtungsmodelle kritisiert und stärker die Bedeutung sozialer Strategien und Interaktionen von Individuen und Haushalten in der alltäglichen Produktion und Reproduktion der sozialen Ordnung im Dorf in den Vordergrund gerückt, so z. B. die Heiratsverbindungen, das Geselligkeitsgebaren, die Patenwahl oder die soziale Reichweite der Gütertransaktionen [62: Theibault, Villages, 165-210; 57: Sabean, Neckarhausen]. Die soziale Gliederung umschließt als komplexes, multifaktorielles Phänomen die Dimension der Alters- und Geschlechtergruppen ebenso wie jene der klientelistischen Beziehungen [163: Wunder, Dorf, 80; 126: Mitterauer/Ehmer, Einführung, 16-20].
Damit aber geraten soziale Praktiken der Dorfbewohnerinnen und -bewohner in den Blick, die die Ordnungseinheiten von Haus und Gemeinde vielfach durchbrechen. Gerade geschlechtergeschichtliche Ansätze fragen verstärkt nach den individuellen „Handlungsräume(n) und Erfahrungswelten von Frauen und Männern" jenseits und außerhalb vorgegebener sozialer Einheiten, statt nach den vermeintlichen „Orten", innerhalb deren sich die jeweiligen Geschlechterrollen konstituierten [139: Ulbrich, Geschlechterrollen, 359f., 364]. Zwischen den Formationen „Gemeinde" und „Haushalt" kommen in der Forschung „Formen des Sich-Gesellens" im Dorf wieder stärker zur Geltung, die um die Alters- und Geschlechtergruppen der Knabenschaften, um die Spinnstuben oder Heimgarten entstanden, sich aus der gemeinsamen Arbeit der Dorfleute ergaben oder markante Ereignisse des Dorflebens begleiteten (Gemeindebier, Leichenschmaus u.a.) [43: Wunder, Ver-
gleichende Analyse, 46f.]. 4. Grundherrschaft Gutsherrschaft: Agrardualismus als Forschungskonzept -
Die begriffliche Unterscheidung von westelbischer Grundherrschaft einerseits und ostelbischer Gutsherrschaft andererseits und die Herausarbeitung eines für die historische Entwicklung Deutschlands und Europas in der Neuzeit bedeutsamen (Agrar)Dualismus geht auf den Grundlegung des Agrarhistoriker und Staatswissenschaftler G. F. Knapp zurück. Knapp agrardualistischen Modells bei Knapp faßte den zentralen Unterschied zwischen Gutsherrschaft und Grundherrschaft in der Tatsache, daß die adeligen Güter neben den Bauernwirtschaften auch eine durch den Grundherrn selber bewirtschaftete Gutswirtschaft umfaßten, deren Betrieb das Verhältnis zwischen Guts-
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II.
Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
herren und Bauern im Sinne eines „besonderen Arbeitsverhältnisses"
prägte. Knapps Modell ist zwar wegen der Dürftigkeit seiner quantitatiAbstützung und der Überbewertung der rechtlichen Aspekte der Agrarverfassung, die die Einheitlichkeit der ostelbischen Verhältnisse überzeichnete, kritisiert worden; auch wurde eine überzeugende Erklärung der Ursachen der Gutsherrschaft vermißt sowie das Fehlen von kategorialer Stringenz in der Entgegensetzung von Grundherrschaft und Gutsherrschaft moniert, lag doch auch der Gutsherrschaft letztlich eine Grundherrschaft zugrunde [215: Kaak, Gutsherrschaft, 431-34]; problematisch erschien schließlich auch Knapps Schilderung der westelbischen Verhältnisse auf der Grundlage der südwestdeutschen Grundherrschaft [215: Kaak, Gutsherrschaft, 64-89; 43: Wunder, Vergleichende Analyse, 24 f.]. Dem Erfolg des Dualismus-Modells in der deutschen und europäischen Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Neuzeit tat dies jedoch keinen Abbruch. H. Kaaks Überblick zur Historiographie der Gutsherrschaft zufolge haben drei Konzepte seit 1945 die Forschung geprägt [215: Gutsherrschaft, 327^3]: in der westdeutschen Diskussion dominiert die sog. „sozioökonomische Theorie" [16: Abel, Landwirtschaft, 165-68, 210-17; 64: Ders., Agrarkrisen, 112-21; 21: Henning, Landwirtschaft, 165-72, 202-05], die die Ausbildung der Gutsherrschaft aus dem Ineinandergreifen wirtschaftlicher, besitzmäßiger und rechtlicher Entwicklungen erklärt. Eine verfassungsgeschichtliche Position bezog Lütge mit seiner sog. „Territorialtheorie", der zufolge nicht die Ausbildung von Gutswirtschaften, sondern von territorial geschlossenen, mit hoheitlichen Funktionen ausgestatteten Gutsbezirken für die Entstehung der Gutsherrschaft entscheidend war; erst die Gewalt über diese Bezirke machte die Intensivierung der Eigenwirtschaft durch den Adel möglich; für Lütge blieb der Unterschied zwischen Gutsherrschaft und Grundherrschaft aber im Territorialprinzip, in der Bildung eines Staates im Staat, begründet [ 191: Mitteldeutsche Grundherrschaft, 291-95; 26: Agrarverfassung, 118]. Die Geschichtswissenschaft der DDR schließlich hat im Rahmen einer der „sozioökonomischen Theorie" sehr nahe kommenden Analyse der Ursachen die Gutsherrschaft in die Theorie von der „Zweiten Leibeigenschaft" und „Refeudalisierung" integriert und damit den ausgeprägten Ausbeutungscharakter dieses Herrschaftsverhältnisses sowie die relative Rückständigkeit der gutsherrschaftlich geprägten Räume in der Phase des Übergangs vom Feudalismus zum Kapitalismus unterstrichen [181: Heitz, „Zweite Leibeigenschaft"; 210: Harnisch, Gutsherrschaft; 212: Ders., Gutsherrschaft]. ven
Konzepte der Erforschung der
Gutsherrschaft seit 1945
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Agrargeschichtliche Forschungsfelder
Kaak bilanziert den Ertrag der Forschung und stellt fest, daß die Allgemeiner ForAuffassungen in mehreren Punkten übereinstimmen: Die Gutsherr- schungsertrag. schaft entstand seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert; wesentliche Voraussetzungen waren der Erwerb landesherrlichen Grundbesitzes und der Gerichtsbarkeit durch die Grundherren im 13. und 14. Jahrhundert; wüstes Bauernland wurde im 15. Jahrhundert in größerem Umfang zum Hofland der Grundherren geschlagen und später nicht mehr an Bauernfamilien ausgegeben; die Grundherren erwirkten im 16. Jahrhundert dank ihrer politischen Machtposition gegenüber den Landesherren eine Verschlechterung der bäuerlichen Rechtsstellung; das Verbreitungsgebiet der Gutsherrschaft lag östlich der Elbe, wo sie sich regional unterschiedlich stark ausprägte; die Entwicklung war wesentlich wirtschaftlich begründet: mit der Agrarkonjunktur verbesserten sich die Marktchancen für Getreideexporte, und mit den Diensten der Bauern konnten die Eigenwirtschaften der Gutsherren am kostengünstigsten bewirtschaftet werden; es fehlten gesellschaftliche und politische Gegengewichte zum Adel, insbesondere ein starkes Stadtbürgertum und kontroverse [215: Gutsherrschaft, 2 ff.]. Hingegen sind die Ursachen und Entwickin der Forlungsetappen der Gutsherrschaft als offene Punkte der Diskussion be- Punkte schung worden zeichnet [212: Harnisch, Gutsherrschaft, 190ff.; 215: Kaak, Gutsherrschaft, 2], Dies gilt auch für den Begriff „Gutsherrschaft" selbst, dessen Unbestimmtheit es der empirischen Forschung bisweilen schwer macht, die Durchsetzung von gutsherrschaftlichen Verhältnissen genauer zu datieren sowie regionale Varianten der Gutsherrschaft zu bestimmen [49: Harnisch, Bauern, 199-202; 212: Ders., Gutsherr..
...
schaft, 191]. 4.1. Der Begriff
„
Gutsherrschaft"
Bereits Lütge wies in seiner Kritik an dem auf die Gutswirtschaft abhebenden Gutsherrschaftsbegriff darauf hin, daß auch Ostelbien bis 1800 nie „durchgängig mit vollausgebildeten großen Gutswirtschaften Die Durchlässigbesetzt" war [nach 215: Kaak, Gutsherrschaft, 311]; umgekehrt haben keit der Elbe/Saal. Linie: Zwischensich auch in Grundherrschaftsgebieten Gutswirtschaften etabliert (süd- formen und Überliches Niedersachsen, Braunschweig, Sachsen), ohne daß sich dort die gangsgebiete Gutsherrschaft durchsetzte. Auf „umfangreiche Inseln grundherrschaftlicher Struktur" im gutsherrschaftlichen Osten und auf die „nicht zu unterschätzende Zahl feudalherrlicher Betriebe" westlich der Elbe wiesen auch Agrarhistoriker der DDR hin [210: Harnisch, Grundherrschaft, 132; 181: Heitz, „Zweite Leibeigenschaft", 26]. Als Zwischenform zwischen Grundherrschaft und Gutsherrschaft ist die sog. „Wirt°
84
Arbeitsrente als
„begriffsbestim-
mendes Element": der Ansatz der
DDR-Forschung
Der „Schwellenwert" zur voll ausgebildeten Guts-
herrschaft
Probleme des Ansatzes der
„Feudalrente"
II.
Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
schaftsherrschaft" in den österreichischen Erbländern und den bayerischen Hofmarken bezeichnet worden [189: Knittler, Ost und West; 196: Schremmer, Agrarverfassung]. Welche Merkmale definieren nun aber gutsherrschaftliche Verhältnisse? Die DDR-Forschung suchte, ausgehend von der Organisationsform der feudalherrlichen Eigenwirtschaft als sog. Teilbetrieb, den Begriff „Gutsherrschaft" über eine Analyse der Feudalrentenstruktur zu präzisieren. Die Arbeitsrente wird demzufolge „das eigentliche begriffsbestimmende Element der Gutsherrschaft" [213: Harnisch, Bauernwirtschaft, 55]; sie avanciert zum zentralen Kriterium, welches einerseits für einzelne Güterkomplexe und größere Gebiete die „Anfänge einer Herausbildung gutsherrschaftlicher Strukturen überhaupt erkennen" und andererseits Grund- und Gutsherrschaftsgebiete räumlich voneinander abgrenzen läßt [210: Harnisch, Gutsherrschaft, 131-38; 212: Ders., Gutsherrschaft, 213-20; 221: North, Gutswirtschaft, 225; 189: Knittler, Ost und West]. Als „Schwellenwert" zur voll ausgebildeten Gutsherrschaft erachtet Harnisch eine Arbeitsbelastung von mehr als zwei bis drei Spanndiensttagen je Woche und Bauernstelle; unter diesen Bedingungen war ein Bauer „zur Unterhaltung eines zweiten Gespanns und eines Knechts nur zu dem Zweck [gezwungen], die Herrendienste ableisten zu können", damit aber stieg der betriebseigene Bedarf des Bauern, der eine erhebliche Beeinträchtigung seiner Marktquote hinnehmen mußte [212: Harnisch, Gutsherrschaft, 216; 258: Ders., Klassenkämpfe, 154ff.]. Dieser Ansatz unterstreicht die Aktualität des KNAPPschen Gutsherrschaftsbegriffs in der aktuellen Forschung [210: Harnisch, Gutsherrschaft, 119; 213: Ders., Bauernwirtschaft, 53 f.; 221: North, Guts Wirtschaft, 224 f.]. Das Hauptproblem des agrardualistischen Konzepts, theoretisch und empirisch einsichtig Regionen der Grund- und der Gutsherrschaft voneinander abzugrenzen, stellt sich auch dem auf die Feudalrentenstruktur abhebenden Ansatz; dies zeigt sich, sobald Verhältnisse in den Blick genommen werden, wo die Gutsherrschaft (noch) nicht voll ausgebildet und der Schwellenwert in der Dienstbelastung nicht überschritten war. Auch in westelbischen Gebieten forderten adelige Gutsherren für ihre Eigenwirtschaften von ihren Bauern wöchentliche Dienste in der Höhe von ein bis zwei Tagen. Das Modell des Agrardualismus stößt bei der Zuordnung solcher Gebiete konzeptuell an Grenzen, behelfsmäßig ist hier jeweils von „Übergangsgebieten" die Rede. Auch die marxistische Forschung sah sich gezwungen, neben der Struktur der Feudalrente weitere konstitutive Unterscheidungsmerkmale zu benennen, und hat dabei hauptsächlich die Rechtsstellung der Bauern und die
B.
85
Agrargeschichtliche Forschungsfelder
Rechtsqualität des Bauernlandes in den Vordergrund gerückt [211: Harnisch, Rechtsqualität; 212: Ders., Gutsherrschaft, 218]. Der Forschungsstand der achtziger Jahre bestätigt der Synthese Raaks zufolge das Modell des Agrardualismus: „Als führende Konzepte der ostelbischen Agrarentwicklung werden auf westdeutscher Seite die agrardualistische sozioökonomische Gutsherrschaftstheorie und auf Seiten der DDR die agrardualistische Theorie der zweiten Leibeigenschaft bestätigt. (...) Es haben sich (...) Grundauffassungen durchgesetzt, die auf der Ebene der konkreten historischen Vorgänge nahe beieinanderliegen und (...) bei unterschiedlichen Differenzierungen doch an die Grundzüge der Knappschen Konzeption anschließen. Es wird die Grunderkenntnis vertieft, daß die Gutsherrschaft eine große Bandbreite wirtschaftlicher Spielarten aufweist, sich jedoch trotzdem als Ganze gegenüber den zinsherrschaftlichen Verhältnissen im westelbischen Bereich abgrenzen läßt" [215: Gutsherrschaft, 369]. Der in den letzten Jahren in der Sozialgeschichte zu beobachtende Perspektivenwechsel, manifest als Abkehr von sozialökonomischer
„Gutsherrschaftals
Adaptation
logische Ansätze
Modell : Strukturforschung und Zuwendung zu Problemen der lebensweltlichen *ozlales histonsch-anthropostruktureller führte auch in der
der Gutsherrschaft zu
Anforderungen,
Erforschung
Ansätzen. Die ältere Kritik „an der geographischen Begrenztheit des Dualismuskonzepts" aufnehmend und diese in historisch-anthropologischer Perspektive zuspitzend, hat Peters nach den „kulturellen Vermittlungsfelder(n)" gefragt, „die sich zwischen Feudalrente, Marktökonomie, Betriebssystem, Produktivkraft, Preiskurve (...) einerseits und historischer Lebenspraxis andererseits auftun"; dabei wird für einen Zugang plädiert, der „Grund- und Gutsherrschaft nicht a priori als gegensätzliche, sondern als idealtypische Hilfskonstrukte und Arbeitsbegriffe" versteht [39: Gutsherrschaftsgeschichte, 4, 7]. Als Ertrag dieses Zugangs konnten konzeptuell im Modell des Agrardualismus verankerte Interpretationen kritisch hinterfragt werden, die hinsichtlich der Handlungsmöglichkeiten der Bauern in ostelbischen Gutskomplexen recht pessimistisch sind [39: Peters, Gutsherrschaftsgeschichte, 5; 104: Enders, Individuum, 155 f.]. neuen
4.2. Ursachen der
Gutsherrschaft Seit der Grundlegung des agrardualistischen
Modells bei Knapp
zwar
[215: Kaak, Gutsherrschaft, 215-29; 212: Harnisch, Gutsherrschaft, 195-205], bleibt die Frage nach den Ursachen für die viel diskutiert
Ausweitung der feudalherrlichen Eigenwirtschaften und dem Übergang zur Gutsherrschaft bis heute nicht hinreichend geklärt. „Hinsichtlich
86
Überholte Elemente der Diskussion über die Ursachen
Politische Vormacht des Adelsstandes
Wirtschaftliche Faktoren als Kern der Diskussion Uber die Ursachen
Asymmetrie der Arbeitsteilung
Ökonomische Strategien des Feudaladels
Impulse des Marktes
Q.
Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
der Wertung der auslösenden Faktoren und Ursachen für diesen ganzen Entwicklungsprozeß blieb es bei einer großen Vielfalt, um nicht zu sagen Konfusion der Meinungen" [212: Harnisch, Gutsherrschaft, 197]. Schon länger aus der Diskussion über die Ursachen ausgeschieden sind die Hinweise auf den Wandel in der feudalen Kriegs verfassung, der aus dem adeligen „Kriegsmann" einen „Landwirt" gemacht habe, sowie auf die „schmiegsame Natur der slawischen Stämme" und deren angeblich ausgeprägte Willfährigkeit gegenüber den Gutsherren [215: Kaak, Gutsherrschaft, 70ff.]. G. von Below hat als weiteres Argument den Status der landesherrlichen Gewalt vorgebracht: die Landesherren hätten in den Territorien des Ostens ihre Position gegenüber den Grundherren und deren ständisch-korporativer Stellung in den Landtagen nicht behaupten können [nach 215: Kaak, Gutsherrschaft, 216f.]. Frühzeitig sind auch wirtschaftliche Faktoren in die Ursachendebatte aufgenommen worden, sie haben sich in den letzten Jahrzehnten immer stärker als harter Kern der Analyse etabliert. Dabei wiesen Abels Arbeiten zu den säkularen Wechsellagen in der Landwirtschaft der Forschung „einen neuen Weg, sich der Ursachenproblematik anzunähern" [215: Kaak, Gutsherrschaft, 243]. Das Modell der Agrarkrisen und -konjunkturen konnte für die Erklärung von Veränderungen im feudalherrlichen Wirtschaftsverhalten nutzbar gemacht werden. Das analog zum Modell der „Thünenschen Ringe" angelegte Konzept einer hierarchisch auf die Bedürfnisse Nordwesteuropas ausgerichteten, ökonomischen Arbeitsteilung mit der Ausbildung mehrerer Zonen der Agrarproduktion in Europa situierte die sozialökonomische Entwicklung in Ost und West in einem interdependenten Wirkungszusammenhang [64: Abel, Agrarkrisen, 111 ff.]. Heute dominiert die Auffassung, die Entscheidung der ostelbischen Feudalherren zum Ausbau der Eigenwirtschaft und deren Ausrichtung auf die Marktproduktion stelle eine erfolgreiche Strategie dar, dem inflationären Verfall der Einkommen entgegenzutreten [210: Harnisch, Gutsherrschaft, 120-24, 142; 23: Kriedte, Spätfeudalismus, 32f., 39ff.; 212: Harnisch, Gutsherrschaft, 224; 215: Kaak, Gutsherrschaft, 295 f.]. „Die Rentabilität der gutsherrlichen Teilbetriebswirtschaft war unter den Bedingungen der wachsenden Marktnachfrage die wichtigste Ursache für die Vergrößerung der Gutswirtschaften, die dazu parallel verlaufende forcierte Steigerung der Arbeitsrente und damit die Herausbildung der Gutsherrschaft" [212: Harnisch, Gutsherrschaft, 223]. Diese Option lag für die ostelbischen Grundherren um so näher, als sie ihre Güter durch den Einzug wüsten Bauernlandes bereits im Spätmittelalter vor Einsetzen der Agrarkonjunktur vergrößert hatten
B.
Agrargeschichtliche Forschungsfelder
87
und ihre Stellung als Grund- und Gerichtsherren es ermöglichte, die Dienste der Bauern zu steigern [224: Rusinski, Bauernlegen; 206: Enders, Gutsherrschaft, 162ff.]. Allerdings bleibt dieses Ursachenraster für gewisse Gebiete der Gutsherrschaft vorläufig noch Forschungshypothese, „deren Tragfähigkeit sich noch in der ,Feldforschung' (...) erweisen muß" [221: North, Gutswirtschaft, 235]. Die These, die Gutsherrschaft sei das Ergebnis von Marktkräften und ungleichen Austauschbeziehungen in der europäischen Wirtschaft, bedarf auf empirischer Ebene weiterer Untersuchungen. So ist nur wenig über den Umfang der Getreideexporte der Feudalherren aus dem Einzugsgebiet der Elbe bekannt [210: Harnisch, Gutsherrschaft, 121; 212: Harnisch, Gutsherrschaft, 224], ebensowenig darüber, zu welchen Teilen das von den Gutsherren exportierte Getreide aus eigenwirtschaftlicher Produktion bzw. aus der Produktenrente der Bauern stammte [210: Harnisch, Gutsherrschaft, 126f.]; auch über das Volumen der Marktproduktion der Bauern weiß man wenig [212: Harnisch, Gutsherrschaft, 226f.]. Stärker als früher wird zudem gegenüber dem Femabsatz die Bedeutung der lokalen Märkte betont [212: Harnisch, Gutsherrschaft, 225 f.; 215: Kaak, Gutsherrschaft, 295 f.]. Die Bedeutung des Marktfaktors ist schließlich auch aufgrund seiner sehr unterschiedlichen regionalen Wirkung zu differenzieren: zum einen prägte sich die Gutsherrschaft keineswegs in ganz Ostelbien gleichmäßig extrem aus, zum andern vermochten anderswo, z.B. in Nordwestdeutschland, auch günstige Transportverbindungen zu großen Verbrauchszentren keine gutsherrschaftlichen Strukturen zu etablieren; „ein aufnahmefähiger Markt [mußte] nicht zwangsläufig zur Gutsherrschaft führen" [212: Harnisch, Gutsherrschaft, 225]. Die Feudalherren reagierten denn auch ganz unterschiedlich auf die Agrarkonjunktur des 16. Jahrhunderts, entweder über die Erhöhung der Geld- und Naturairente der abhängigen Bauern, wie meistens in den westelbischen Grundherrschaftsgebieten, über die Forcierung der Anteilswirtschaft und Pacht in Frankreich und Italien oder über den Ausbau der Eigenwirtschaft auf der Grundlage von Zwangsarbeit der Bauern [227: Topolski, Manorial-serf economy; 228: Ders., Modellanalyse, 221 ff; 229: Ders., Continuity, 394-400; 198: Simsch, Adel als Unternehmer]. Wo die Naturairente einen hohen Anteil der Feudalrente ausmachte, wie etwa in gewissen Adelsherrschaften des deutschen Südwestens oder im Gebiet der „nordwestdeutschen Grundherrschaft", waren die Einkommen der Feudalherren ohnehin von der Agrarkonjunktur be-
günstigt [175:
von Boetticher, „Nordwestdeutsche Grundherrschaft", 225ff; 173: Andermann, Grundherrschaften].
Offene Fragen des ökonomischen Ansatzes
88
II.
Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
Die sog. „Kolonialthese", derzufolge „die langanhaltende wirtschaftliche Regression in Osteuropa durch die asymmetrischen Aus„Kolonialthese" [Sundhausen] tauschbeziehungen innerhalb der kapitalistischen Weltwirtschaft verurGrundsätzliche Kritik an der
sacht" wurde und die überregionale Arbeitsteilung allen involvierten Ländern „eine bestimmte Rolle und ökonomische Funktion" zuordnete [225: Sundhausen, „Kolonialthese", 548], ist auch auf einer grundsätzlicheren Ebene in Frage gestellt worden [225: Sundhausen, „Kolonialthese", 551 f., 554f.]: Die Forschung habe den Faktor der ostelbischen Binnenmärkte vernachlässigt, die Gutsherrschaft habe sich auch in Ländern ohne für den Getreideexport verkehrsgünstige Lage (Ungarn, Rußland) etabliert, und schließlich setzten in Osteuropa die Bemühungen der Herren, die Freizügigkeit der Bauern einzuschränken [226: Sundhausen, Wandel, 35^16], vor dem Beginn der Agrarkonjunktur ein. Die Ursachen für die ungleiche sozialökonomische Entwicklung West- und Osteuropas lagen diesem Ansatz zufolge nicht in der „kolonialen" Einbettung Osteuropas in die von Westeuropa dominierte Weltwirtschaft, sondern vielmehr darin, daß sich in der Sozial- und Wirtschaftsstruktur der Länder Osteuropas bereits eine relative Rückständigkeit etabliert hatte. Sie dauerte seit dem 16. Jahrhundert fort und verhinderte, daß auf der Grundlage der Gewinne aus dem Westhandel Kapital akkumuliert werden konnte: „Die Asymmetrie im frühneuzeitlichen Außenhandel war eine Folge der strukturellen Diskrepanzen zwischen beiden Teilen Europas, und die einsetzende ,Peripherisierung' erfolgte nicht von außen, sondern von innen" [225: Sundhausen, „Kolonialthese", 563]. Zwar herrschte in Osteuropa aufgrund der geringen Bevölkerungsdichte eine im Vergleich mit Westeuropa für die Bauern grundsätzlich günstige Land-Arbeit-Relation; dieser ökonomische Faktor eines allgemeinen Mangels an Arbeitskräften kam im Konflikt mit den Interessen der Feudalherren an „billigen" Arbeitskräften aber nicht zum Tragen, weil maßgebliche Gegengewichte zu dem außerökonomischen Zwang des Adels fehlten, insbesondere ein sozial, wirtschaftlich und politisch bedeutsames Städtewesen [226: Sundhausen,
Agrarverfassung als Faktor der Ursachendiskussion
Wandel, 16-56].
Die Beobachtung regionaler gradueller Unterschiede im Ausbau der Gutsherrschaft und die Feststellung unterschiedlicher Handlungsstrategien von Grundherren bzw. Gutsherren unter dem Einfluß der Marktsituation für Agrarprodukte im 16. Jahrhundert haben in der Diskussion über die Ursachen der Gutsherrschaft außerökonomische Faktoren, insbesondere die Ausprägung der jeweiligen Agrarverfassung, wieder stärker in den Vordergrund treten lassen. Aus dem Vergleich mehrerer Gutsherrschaftsgebiete geht die Bedeutung hervor, welche
B.
Agrargeschichtliche Forschungsfelder
89
der Rechtsqualität des Bauernlandes sowie der Landgemeinde im Hinblick auf die Bereitschaft der Bauern zum Widerstand gegen die Gutsherrschaft zukommt; entscheidend war demnach, ob die Bauern ein Eigentumsrecht an ihren Gütern besaßen oder ob sie als Lassiten und Pachtbauern mit schlechten Besitzrechten dem Willen der Gutsherren stärker ausgeliefert waren [210: Harnisch, Gutsherrschaft, 143 ff.; 258: Ders., Klassenkämpfe, 168 ff.; 259: Ders., Landgemeinde; 211: Ders., Rechtsqualität, 324-27; 260: Ders., Bauernbewegungen; 212: Ders Gutsherrschaft, 231 f.; 209: Hagen, Working for the Junker, 157; 206: Enders, Gutsherrschaft, 162ff.]. Auch die Verfeinerung des Rasters der ökonomischen Faktoren um verfassungsgeschichtliche Elemente führt nicht zu eindeutigen Ergebnissen: So hat zwar der Hinweis auf die Bedeutung des politischen Kräfteverhältnisses zwischen dem Landesherrn und den Landständen mit Blick auf die sog. „Bauernschutzpolitik" der Landesherren in Niedersachsen und Sachsen durchaus etwas für sich, Harnisch machte aber umgekehrt darauf aufmerksam, daß in keinem geistlichen Territorium die starke Stellung des Stiftsadels eine Entwicklung zur Gutsherrschaft begünstigt habe [212: Gutsherrschaft, 233f.; 175: von Boetticher, „Nordwestdeutsche Grundherrschaft'", ,
212ff.]. Neben strukturalistisch-makroökonomischen Ansätzen sind in Gutsherrschaftals der Diskussion über die Ursachen in jüngerer Zeit vermehrt auch Zu- ••bargain,ng": del Ansatz Hagens gänge zur Geschichte der Gutsherrschaft zu beobachten, die den Aufbau gutsherrschaftlicher Verhältnisse „at the grass-roots level", d.h. in der konkreten Umsetzung im jeweiligen Gutskomplex, zu erklären versuchen. „To explain how in practice such rents [Arbeitsrente, AH] were fastened upon and accepted by the peasantry is to supply the crucial term in the analysis of the rise of the manorial-serf economy" [208: Hagen, How mighty the Junkers, 93 f.]. Hagen hat am Beispiel der Prignitzer Herrschaft Stavenow die These formuliert, die Gutsherren hätten eine Steigerung der Dienstbelastung und damit die qualitative Veränderung der Feudalrentenstruktur bei ihren mit Erbrecht an den Gütern ausgestatteten Bauern nur um den Preis der Stagnation oder gar Senkung der Geld- und Produktenrente durchzusetzen vermocht; trotz Verschärfung der bäuerlichen Dienste hätten die Junker ihr eigentliches Ziel, die Güter im Teilbetriebssystem unter Vermeidung hoher Betriebs- und Lohnkosten bewirtschaften zu lassen, verfehlt [208: 81 ff., 94]. „There is solid evidence that faced with acquiescing in weekly labour services, peasants successfully bargained away part of their previous obligations" [208: Hägen, 105]. Hagen begreift die Durchsetzung gutsherrschaftlicher Verhältnisse als sozialen Prozeß, in dessen
90
IL
Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
Verlauf Junker und Bauerngemeinden um die Verteilung der ökonomischen Lasten feilschten und dessen Ausgang den Bauern tragbar erschien, weil ihre Subsistenz und Marktquote nicht beeinträchtigt wurden [208: 110-16; kritisch 222: Rebel, Frondienst]. 4.3. Phasen und regionale
Die Phasenmodelle Harnischs und Meltons
Typen der Gutsherrschaft
Die Erforschung der Gutsherrschaft in der ehemaligen DDR hat sich darum bemüht, Periodisierungsschemata und eine regionale Typisierung vorzulegen, um damit das Phänomen Gutsherrschaft seines allzu monolithischen Charakters zu entkleiden [214: Harnisch, Periodisierung]; vielfach zeigte sich aber, daß gerade für die Erhellung der Anfänge der Gutsherrschaft am Ende des 15. und noch im 16. Jahrhundert die Quellenlage ungünstig ist [214: Harnisch, Periodisierung, 254]. Der hier behandelte Zeitraum ist durch zwei Entwicklungsphasen gekennzeichnet: In einer „Vorphase" (Ende 15. Jahrhundert bis ca. 1540/80) kam es zur Ausweitung der feudalherrlichen Eigenwirtschaften, ohne daß damit die Gutsherrschaft bereits überall durchgesetzt wurde; zwischen ca. 1540/80 und dem Dreißigjährigen Krieg wurden die Eigenwirtschaften energisch erweitert, parallel dazu wurden die Dienstpflichten der Bauern erheblich gesteigert, so daß zu Beginn des 17. Jahrhunderts gewisse Regionen in Mecklenburg, Pommern, in der Uckermark und der Neumark das Stadium der voll entwickelten Gutsherrschaft erreicht hatten [214: Harnisch, Periodisierung, 253-60]. Das Phasenmodell Meltons ist in der Sequenzierung vergleichbar, es unterstreicht aber, daß die Gutsherrschaft in den deutschen ostelbischen Gebieten wesentlich später als in Polen durchgesetzt wurde; in einer ersten Entwicklungsstufe (spätes 15. Jh. bis ca. 1550) stellt Melton eine noch bescheidene Expansion des Gutslandes, ein geringes Niveau der Frondienste (sechs bis neun Tage im Jahr), erste Beschränkungen der Freizügigkeit und früheste Formen des Gesindezwangsdienstes fest, in die zweite Phase zwischen ca. 1550 und ca. 1625 fällt der starke Ausbau der Gutsherrschaft mit der von bäuerlichen Klagen begleiteten Steigerung der Arbeitsrente auf teilweise drei Tage in der Woche [218: Gutsherrschaft, 321 ff.]. Weniger brauchbar für eine gesonderte Betrachtung des „langen 16. Jahrhunderts" bleibt Harnischs Versuch einer regionalen Typisierung; er trägt mehreren Kriterien Rechnung (Dienstpflichten, Hofgrößen, Charakter der Leibeigenschaft, Rechtsqualität des Bauernlandes, Feudalrentenstruktur), ist aber im Hinblick auf die Gesamtentwicklung in der Frühen Neuzeit entworfen worden
B.
Agrargeschichtliehe Forschungsf'elder
und verdeckt damit die regional unterschiedlichen der Entwicklung [214: Periodisierung, 272ff.].
91
Geschwindigkeiten
4.4. Zur historischen
Bewertung der Gutsherrschaft Hagens Untersuchung über die lokalen Bedingungen der Durchsetzung gutsherrschaftlicher Strukturen stellt keck die Frage „How Mighty the Junkers?" und damit gleichzeitig ältere Bewertungen der Gutsherrschaft in Frage, wie sie am prägnantesten H. Rosenberg mit Blick auf
die historische Rolle des ostelbischen Junkertums in der deutschen Geschichte formuliert hat: Für Rosenberg gipfelte die ostelbische Junkerherrschaft in der Konvergenz „von politischer Vormacht-, gesellschaftlicher Vorrang- und ökonomischer Hegemoniestellung im territorialen Gesamtleben. (...) Den Preis für diesen ungewöhnlichen historischen Karriereerfolg zahlte das Gros der Bevölkerung mit der rechtlichen und sozialen Degradierung, politischen Entmannung, moralischen Rückgratverkrümmung und Vernichtung der Selbstbestimmungschancen der Gutsuntertanen (...)" [223: Junkerherrschaft, 81 f.]. Hagen leugnet keineswegs die Gewinne der Junker aus der Gutswirtschaft, bestreitet aber, daß sie nur um den Preis des Ruins der Bauernschaft erwirtschaftet wurden; „the historian need not exonerate the Junker. (...) But to exaggerate the Junkers', dominance is to diminish without warrant the peasantry's powers of resistance" [208: How mighty the Junkers, 108, 115]. Auf welch sensiblem Terrain sich solche Interpretationen bewegen, zeigt die heftige Kritik des Sozialhistorikers Rebel an Hagens angeblich „modernistische(n) Fiktion über eine Bauernschaft mit einem ausgeglichenen und rationell ausgehandelten Verhältnis zum Adel"
[222: Frondienst, 255-67]. 4.5. Der Agrardualismus als Faktor des Wandels in der Frühen Neuzeit Der Agrardualismus hat sich als historische Größe tief in die Wirtschaftsund Sozialgeschichtsschreibung eingeschrieben und spielt in verschiedenen Theorien des sozialökonomischen Wandels in der Neuzeit eine zentrale Rolle. Der polnische Wirtschaftshistoriker Topolski hat in der Diskussion über „die Entstehung des Kapitalismus in Westeuropa und [die] Entwicklung der sogenannten Leibeigenschaft und der Gutswirtschaft (Fronwirtschaft) in Osteuropa" [228: Modellanalyse, 213] drei konkurrierende Ansätze auseinandergehalten. Das „kommerzielle" Modell [Wallerstein, Malowist] und das „demographische" Modell [Postan, Le Roy Ladurie] fußten beide auf der Vorstellung, daß sich die
92
Kapitalismus durch Handel: Wallersteins europäische Weltwirtschaft
II.
Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
Agrarstrukturen durch „automatische" Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen fortentwickelten: Dem „kommerziellen" Modell zufolge entwickelten sie sich unter dem Einfluß der ungleichen Gewinne und Folgen von Handelsbeziehungen, dem „demographischen" Modell zufolge als Funktion des Verhältnisses von Bevölkerungsgröße und Nahrungsspielraum; gegenüber solchen Erklärungen betone der marxistische Ansatz [Bois, Brenner] die Prädominanz sozial-politischer Kräfte, insbesondere der Klassenstrukturen [228: Topolski, Modellanalyse, 213f.; 33: Brenner, Agrarian Class Structure, 10-29]. Wallersteins Interesse gilt der Entstehung des sog. modernen Weltsystems, das zwischen 1450 und 1640 noch ein europäisches Weltsystem bzw. eine europäische Weltwirtschaft war. Vom Mittelpunkt Europa aus integrierte dieses System seine Teile primär über Handelsbeziehungen, was wiederum eine großräumige Arbeitsteilung induzierte, die den miteinander verflochtenen Räumen zentrale, semiperiphere oder periphere Positionen in der Weltwirtschaft zuwies; diese Positionen präjudiziellen die langfristigen Entwicklungsaussichten dieser Räume [41: Weltsystem, 519]. Im 16. Jahrhundert wuchs den Gebieten Osteuropas die Funktion des Getreidelieferanten für das nordwesteuropäische Zentrum der Weltwirtschaft zu. Damit gingen auch Veränderungen in der Organisation der landwirtschaftlichen Arbeit einher, die den Dualismus noch verstärkten: in der nordwesteuropäischen Landwirtschaft breiteten sich vertragliche Lohnarbeit und Pachtverhältnisse aus, während östlich der Elbe die „erzwungene verkaufsorientierte landwirtschaftliche Arbeit" im Rahmen der Gutsherrschaft dominant wurde [41: Wallerstein, Weltsystem, 121, 137ff.]. Für Wallerstein liegt hier das Ergebnis einer gegensätzlichen Reaktion West- bzw. Osteuropas auf die Agrarkrise und die wirtschaftliche Rezession des 14./15. Jahrhunderts vor: Während der Feudalismus im Westen in eine Krise geriet, kam es im Osten zur Reaktion der Grundherren, und zwar, „weil die beiden Gebiete (...) komplementäre Teile eines komplexeren einzigen Systems wurden, der europäischen Weltwirtschaft, in der Osteuropa die Rolle des Rohstoffproduzenten für den sich industrialisierenden Westen spielte" und seine Wirtschaft koloniale Züge erhielt [41: Weltsystem, 125ff.]. Die osteuropäischen Getreidelieferungen ermöglichten erst die Spezialisierung und Monetarisierung der nordwesteuropäischen Agrarproduktion, wo „Lohnarbeit und Geldpacht (...) zu Mitteln der Arbeitsorganisation [wurden]"
[41: Wallerstein, Weltsystem, 141].
Demgegenüber legt das „demographische Modell" bei der Erörteder Wechsellagen in der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen rung
B.
Agrargeschichtliche Forschungsfelder
93
Landwirtschaft den Akzent auf den Druck, den eine wachsende Bevölkerung auf die knappen Ressourcen ausübt. Lenkt dieses Modell somit den Blick „auf die Beziehung zwischen dem Landwirt und seiner Umwelt", so geht es marxistischen Ansätzen um „die Beziehungen zwischen dem Landwirt und dem ausbeutenden Grundeigentümer" [36: Hilton, Einführung, 32]. Die unterschiedlichen theoretischen Positionen sind letztmals im Rahmen jener Kontroverse bezogen worden, welche R. Kapitalismus und Brenner mit seiner kritischen Wendung gegen die ökonomisch-demo- Klassenstrukturen: die brenner-Degraphischen Modelle ausgelöst hat. Brenner ging von der Beobachtung batte aus, daß dieselben demographischen und kommerziellen Prozesse zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen in den Ländern Europas geführt hätten: In England entwickelte sich eine kapitalistisch geprägte Landwirtschaft, in Frankreich stagnierte die Landwirtschaft, und in Osteuropa waren die ländlichen Verhältnisse von der Refeudalisierung gekennzeichnet. Diese Unterschiede lassen sich Brenner zufolge nur erklären, wenn der soziale Faktor der Klassenstruktur, d.h. die Rechtsstellung der Bauern und die Eigentums- und Besitzverhältnisse, sowie die Wirkung des bäuerlichen Klassenkampfes berücksichtigt werden [33: Agrarian Class Structure, 10-30]: „The breakthrough from traditional economy' to relatively self-sustaining economic development was predicated upon the emergence of a specific set of class or social-property relations in the countryside that is, capitalist class relations. This outcome depended, in turn, upon the previous success of a two-sided process of class development and class conflict: on the one hand, the destruction of serfdom; on the other, the short-circuiting of the emerging predominance of small peasant property" [33: Brenner, Agrarian Class Structure, 30]. Für die osteuropäische Entwicklung zur Gutsherrschaft bzw. Wirtschaft machte Brenner die Schwäche der Gemeindestrukturen und des Widerstands bei den Bauern, das Ausbleiben agrarischer Innovationen als Folge billiger Fronarbeit, das Fehlen eines Binnenmarktes infolge einer hohen feudalen Abschöpfung und geringen Kaufkraft sowie das Ausbleiben einer städtischen Industrie infolge des Fehlens von Freizügigkeit bei der -
-
ländlichen Bevölkerung verantwortlich. Brenners Beitrag hat zwar „auf die wichtige Frage aufmerksam gemacht, welche Klassen-, Besitz- oder gemeindlichen Strukturen den Ausbau der Gutswirtschaft durch den Grundherrn erleichterten und welche der Expansion des Vorwerks entgegenstanden" [221: North, Gutswirtschaft, 226; ähnlich 284: Schulze, Deutsche Bauernrevolten, 287 f.], doch stießen die Isolierung der Faktoren Klassenstruktur und Klassenkampf, die erheblichen empirischen Lücken und Verzerrungen sowie die weitgehende Generalisierung polnischer Forschungsergeb-
Kritik der SyntheBrenners und WALLERS!] INS sen
94_II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung nisse auf Kritik [37: Kriedte/Medick/Schlumbohm, Industrialisierung, 27; 228: Topolski, Modellanalyse 216-29; 229: Ders., Continuity, 392ff.; B. Scribner, Understanding Early Modern Europe, in: HJ 30 (1987) 746f.]. Für Deutschland ist insbesondere betont worden, ,
daß entgegen Brenners Auffassung die ostdeutsche Landgemeinde im Spätmittelalter nicht weniger autonom war als jene im Westen und daß die Gutsherrschaft in den deutschen ostelbischen Territorien sich erst um 1600, d.h. etwa 100 Jahre später als in Polen, durchgesetzt hat [302: Wunder, Peasant Organization, 91-97; 218: Melton, Gutsherrschaft, 317 ff.]. Den Vorwurf der unzutreffenden Generalisierung der polnischen Verhältnisse zum Modellfall für die Gutsherrschaft schlechthin haben Kenner der deutschen Entwicklung auch Wallerstein gegenüber erhoben; sie machten zudem auf die ungenügende Differenzierung innerhalb der Zonen des Weltsystems aufmerksam [218: Melton, Gutsherrschaft, 317 ff.; 219: North, Adlige Gutswirtschaft, 1 f.] und wiesen an Untersuchungen zur Arbeitsorganisation ostpreußischer Domänenvorwerke die Unhaltbarkeit einer scharfen Unterscheidung zwischen westeuropäischer Lohnarbeit und osteuropäischer Fronarbeit nach [220: North, Lohnarbeit, 12ff; 208: Hagen, How mighty the Junkers, Ulf; 209: Hagen, Working for the Junker, 145f.]. In der DDR-Forschung stieß insbesondere Wallersteins Einordnung der Gutsherrschaft als kapitalistisches Phänomen auf Ablehnung; bei aller Marktorientierung war der Gutsherr kein Kapitalist, weil ihm das Kapital in Form der Produktionsmittel fehlte welche auch in den ostelbischen Territorien überwiegend in den Händen der Bauern verblieben -, und weil er keine freien Lohnarbeitskräfte einsetzte [214: Harnisch, Periodisierung, 267 ff.]. Die Aufdeckung empirischer und theoretischer Defizite in den Synthesen Wallersteins und Brenners veranschaulicht die Schwierigkeiten einer adäquaten Konzeptualisierung des langfristigen Wandels in der Neuzeit: „As it appears (...) this [die brenner-Debatte, AH] was ultimately a rather sterile debate. What emerges positively is that the explanation of early modem socio-economic development requires models which take account of the interplay of a wide range of factors, demographic, economic, political, mental, and which can deal more effectively with regional diversity, the multiplicity and often hybrid nature of forms of agrarian production, whether peasant or seigneurial, and the contradictory and often anomalous forms of capitalist development. Above all, there is need to abandon the idea of inevitability, the assumption that capitalism always appeared as a form of economic rationalism, and that industrialization and modernization provide some -
B.
Agrargeschichtliche Forschungsfelder
kind of ideal path forward." [B. Scribner, dern Europe, in: HJ 30 (1987) 747].
Understanding Early
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5. Feudal-staatliche Herrschaft und bäuerliche Politik 5.1. 1525: „Bauernkrieg", „Höhepunkt der frühbürgerlichen Revolution" oder „Revolution des gemeinen Mannes"?
5.1.1. Fragen der Empirie Ursachen: Nach den Ursachen des „Bauernkrieges" wird auf zwei miteinander verschränkten Ebenen gefragt: Man sucht, in der Vorphase von 1525 jene Veränderungen der sozialökonomischen und politischen Objektive StmktuStrukturen zu benennen, welche in den Aufstandsgebieten zur krisen- [e" und subjeklive Motivationen in der haften Zuspitzung der Beziehungen zwischen Feudalherren und Bauern Diskussion über die und schließlich zum Ausbruch der Massenbewegung führten. Der Ursachen Raum des Bauernkrieges scheint demnach um 1500 gekennzeichnet durch eine kleinräumige Herrschaftsstruktur, einen hohen Urbanisierungsgrad, einen Anstieg der Bevölkerung mit entsprechender sozialer Differenzierung der ländlichen Gesellschaft, zudem durch Änderungen der Agrarstruktur und die Kommerzialisierung gewisser Zweige der Agrarproduktion, durch eine steigende Belastung der Bauern mit Steuern und Abgaben und die regionale Intensivierung der Leibeigenschaft, schließlich durch die verstärkte Unterordnung der Landgemeinden unter den Territorialstaat; in den zwei Generationen vor dem Bauernkrieg häuften sich Mißernten im Elsaß, in Franken und am Oberrhein [253: Endres, Ursachen; 288: Scott/Scribner, Peasants' War, 7 ff.; 241: P. Blickle, Revolution, 23-149]. Besonders Franz und Blickle haben mit der Analyse der bäuerlichen Beschwerdeschriften neben den objektiven Bedingungen auch die „Intentionen der handelnden Subjekte" [237: Bierbrauer, Methodenfragen, 35 f.] und damit die ideelle Motivation der Aufständischen unterstrichen; hervorzuheben sind hier der im Spätmittelalter verbreitete Antiklerikalismus sowie die Aneignung reformatorischer Ideen durch die ländliche Gesellschaft. Die Analyse der Ursachen geht von einer Dialektik zwischen kurzfristigen Erscheinungen und langfristigen strukturellen Voraussetzungen aus [288: Scott/Scribner, Peasants' War, 7 ff.]. In der westlichen Forschung blieb lange Zeit Franz' Interpretation des Bauernkrieges als eines politischen Kampfes der bäuerlichen
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Vergleichende
Methode: kein Bauernkrieg in Bayern und im Norden?
warum
Bauernkrieg und Reformation „religiöser Aufstand und soziale Revolution" [Goertz] -
Krisenkonzepte in der Bauernkriegsforschung
II.
Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
Gemeinden gegen den erstarkenden Territorialstaat maßgeblich; wirtschaftliche Motive blieben bei Franz im Hintergrund, während die Reformation der Bewegung das mobilisierende Schlagwort des „göttlichen Rechts" vermittelte [255: Bauernkrieg, 86-91, 285-94]. Zunächst waren es im Kontext der Theorie der „frühbürgerlichen Revolution" marxistische Historiker [290: Steinmetz, Thesen, 45 f.; 295: Vogler, Marx, 189-93], seit den siebziger Jahren verstärkt auch Nichtmarxisten, welche sozialökonomische Faktoren in die Debatte einführten [55: Sabean, Landbesitz; 193: Ders., Agrarverfassung, 137-40; 263: Irsigler, Ursachen]. Die Argumentation mit lang- und kurzfristigen Veränderungen der Wirtschaftsstruktur und -konjunktur stößt aber auf die Schwierigkeit, daß in den Gebieten des Bauernkriegs unterschiedliche sozialökonomische und herrschaftliche Voraussetzungen herrschten und damit die Anpassungen an makroökonomische Prozesse entsprechend regional variierten [285: Scott, Peasants' War, 696-704; 288: Scott/Scribner, Peasants' War, 13 f.]. Im Hinblick auf eine präzisere Erfassung der regional unterschiedlichen Ursachenlage wurde angeregt, Bauernkriegsregionen mit Gebieten zu vergleichen, die 1525 nicht von der Bewegung erfaßt wurden, so etwa Bayern, Nord- und Nordostdeutschland [Midelfort, The Revolution of 1525? Recent Studies of the Peasants' War, in: CEH 11 (1978) 205f.; 285: Scott, Peasants' War, 971]. Daß der Bauernkrieg nicht auf diese Gebiete übergriff, wird insbesondere mit der fortgeschritteneren Konsolidierung des Landesfürstentums in den Großterritorien, mit der sichereren Rechtslage der Bauern bzw. stärkeren Kontrolle des Adels durch die Landesherrschaft [255: Franz, Bauernkrieg, 290f.], für den Norden zudem mit den agrarunternehmerischen Aktivitäten von Adel und Bauern, der geringen Städtedichte und der späteren Rezeption der Reformation erklärt [268: Postel, Adel und Bauern, 131; 267: Ders., Niedersachsen, 89, 102]. Die Intensivierung der sozialgeschichtlichen Reformationsforschung hat seit den achtziger Jahren auch die Verbindungen zwischen Bauernkrieg und Reformation, den Zusammenhang zwischen „religiösem Aufstand und sozialer Revolution" [320: Goertz, Pfaffenhaß, Zit. 180; 249: Buszello, Legitimation, 291-95; 241: P. Blickle, Revolution, 315-18] wieder deutlicher hervortreten lassen, als dies noch in den siebziger Jahre der Fall gewesen war [241: P. Blickle, Revolution (1. Aufl.); 315: van Dülmen, Reformation, 40]. In der neueren westdeutschen Forschung ist der Ursachenkomthesenhaft als „Krise des Feudalismus" auf den Begriff gebracht plex worden: die Legitimation der traditionellen Feudalgewalten Adel, Klöster und Geistlichkeit sei grundsätzlich in Frage gestellt und das Ver-
B.
Agrargeschichtliche Forschungsfelder
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hältnis zwischen Feudalherren und Bauern äußerst angespannt gewesen [253: Endres, Ursachen, 245-49; 241: P. Blickle, Revolution, 289ff.] eine These, die nicht unwidersprochen geblieben ist [Midelfort, in: CEH 11 (1978) 196f.; 289: Scribner, Revolutionary Crisis, 27]. Das Krisenkonzept der Bauernkriegsforschung in der DDR ist dagegen im Kontext der marxistischen Formationstheorie zu lesen: Die gesamtgesellschaftliche Krise entlädt sich im Ereigniskomplex von Reformation und Bauernkrieg, der hier als „frühbürgerliche Revolution" am Beginn des Übergangs vom Feudalismus zum Kapitalismus interpretiert wird [25: Laube, in: Deutsche Geschichte, 91-94; Vogler, in: 25: Deutsche Geschichte, 184-88; 24: Laube u.a., Frühbürgerliche Revolution]. Dynamik der Bewegung: Die Ereignisgeschichte des Bauernkrieges folgt noch in jüngsten Darstellungen im wesentlichen der Beschreibung durch Franz [255: Bauernkrieg; 250: Buszello u.a., Bauernkrieg, 62-214; 241: P. Blickle, Revolution, 1-22]. Neue Einsichten in Soziale Dynamik die soziale Dynamik des Bauernkrieges als revolutionärer Massenbe- einer revolutionären Massenbewewegung [265: Maurer, Massenerhebung] sind durch Untersuchungen gung | Maurer] über die Organisationsformen der bäuerlichen Haufen und Schwureinungen [169: Holenstein, Huldigung, 365-69, 402-06] sowie über die Medien und Aneignungsmodalitäten der reformatorischen Propaganda in Stadt und Land vermittelt worden [324: Köhler, Bauer; 339: Scribner, Oral Culture; 288: Scott/Scribner, Peasants' War, 15 ff.]. Ziele und Programme: Wo die Forschung den revolutionären Gehalt der Ereignisse von 1525 unterstreicht, tut sie dies primär mit Verweis auf die von den Aufständischen entwickelten programmatischen Zielvorstellungen, die in ihren radikalsten Forderungen fundamentale Veränderungen der sozialen und politischen Verfassung im Auge hatten [249: Buszello, Legitimation; 241: P. Blickle, Revolution, 151-244]. Allerdings wurde auch darauf hingewiesen, daß der Bauernkrieg möglicherweise daran gescheitert ist, daß die radikalsten Ausprägungen seiner Organisationsformen, seiner Adels- und Kirchenkritik sowie seiner Programmatik nicht gleichzeitig und in derselben Region zum Tragen gekommen sind [289: Scribner, Revolutionary Crisis, 40]; zudem bleibt strittig bzw. ungewiß, ob die Mehrheit der Aufständischen die -
Programme auf Dauer auch
unter dem Druck
von
Verhandlungen auf-
rechterhalten hätten [249: Buszello, Legitimation, 302]. Folgen und Wirkungen: In der Beurteilung der Wirkungen und Revision der franz.schen These Folgen des Bauernkrieges für die Lage des Bauemstandes ist die Bau- vom Ausscheiden deutlich über Franz und dessen These dauervom ernkriegsforschung der Bauern aus dem haften Ausscheiden des Bauern aus dem politischen Leben [255: Bau- politischen Leben ernkrieg, 294-300] hinausgekommen. Stärkte der Ausgang des Bau-
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II.
Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
ernkriegs das Landesfürstentum, so hat er doch keineswegs die langfristige politische Entrechtung der Bauern zur Folge gehabt [257: Gabel/ Schulze, Folgen; 241: P. Blickle, Revolution, 245-78]. Buckle hat die Verträge zwischen Bauern und Landesherren genannt, die im Anschluß an den Bauernkrieg in einigen Herrschaften zustandekamen und gewisse Forderungen der Aufständischen erledigten [241: Revolution, 254-71]. Schulze machte darauf aufmerksam, daß nach der Niederschlagung des Bauernkrieges parallel zur einsetzenden Kriminalisierung des Widerstandes der Untertanen im Reich und in den Territorien vorbeugende Maßnahmen getroffen wurden, die tendenziell auf die „Verrechtlichung sozialer Konflikte" und die Verhinderung gewaltsamen Widerstands zielten, indem Auseinandersetzungen zwischen Herren und Untertanen auf den Prozeßweg verwiesen wurden [279: Bedeutung]. Schließlich spricht auch die deutliche Zunahme der Revoltentätigkeit in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts gegen die FRANZsche These. Aus sozial- und wirtschaftsgeschichtlicher Sicht ist zudem davor gewarnt worden, die Ereignisse von 1525 in ihrem Zäsurcharakter überzubewerten; die Problemlage in der ländlichen Gesellschaft und die feudalherrlich-bäuerlichen Beziehungen seien im weiteren Verlauf des 16. Jahrhunderts durch die zunehmende soziale Polarisierung und die Folgen der Agrarkonjunktur nachhaltiger beeinflußt worden als durch den Bauernkrieg [54: Robisheaux, Order, 10]. Kontroverser werden die Auswirkungen des Bauernkrieges für des Folgen Bauernkriegs den weiteren Fortgang der Reformation beurteilt. Für Franz wandten für den weiteren Verlauf der Refor- sich die Bauern nach 1525 von der Reformation ab, fortan war das mation Landesfürstentum in Religions- und Konfessionssachen die entscheidende Kraft [255: Bauernkrieg, 298 f.]. Ähnlich, wenn auch unter wesentlich stärkerer Betonung der Bauern als eigenständiger Akteure im Geschehen der Frühreformation, urteilen auch die Untersuchungen von F. Conrad und P. Blickle. Hinsichtlich der Möglichkeiten einer religiös-gesellschaftlichen Umgestaltung und der Erwartungen an die neue Lehre seien die Bauern desillusioniert worden, die reformatorische Initiative sei vom gemeinen Mann in Stadt und Land auf die Fürsten übergegangen [313: Conrad, Reformation, 175; 307: P. Blickle,
Gemeindereformation, 205-15; 241: Ders., Revolution, 274-78]; auch für H.-J. Goertz bedeutet das Jahr 1525 eine folgenschwere Weichenstellung hinsichtlich der künftigen Ausgestaltung des Verhältnisses von geistiger und politischer Freiheit in Deutschland, doch vermöge der Ausgang des Bauernkrieges nicht „über den gesamten historischen Ertrag der Reformationszeit" zu entscheiden [320: Pfaffenhaß, 182 f.].
B.
Agrargeschichtliche Forschungsfelder
99
5.1.2. Fragen der Interpretation Schon die Zeitgenossen des 16. Jahrhunderts haben die Ereignisse von 1525 als zusammenhängenden Vorgang erfahren. Die meisten Historiker sind ihnen darin gefolgt und haben im Bauernkrieg mehr gesehen als „eine zufällige Koinzidenz territorialer und überterritorialer Aufstände" [237: Bierbrauer, Methodenfragen, 27], eine Sichtweise, die angesichts der unter den Aufständischen geknüpften Verbindungen und der expansiven Dynamik des Geschehens naheliegt [288: Scott/Scribner, Peasant War, 19]. Bis in die siebziger Jahre war die historische Interpretation des Bauernkrieges vor dem zeitpolitischen Hintergrund des „Kalten Krieges" geprägt von der Konkurrenz zwischen der Auffassung von G. Franz und der letztlich auf F. Engels zurückgehenden, von der DDR-Geschichtswissenschaft über den sowjetischen Historiker M. M. Smirin aufgegriffenen These vom Bauernkrieg als dem „Höhepunkt der frühbürgerlichen Revolution" [301: Wohlfeil, Positionen; 300: Ders., Einleitung; 241: P. Blickle, Revolution, 280-88]. Für Franz kulminiert im Bauernkrieg als der „politische(n) Revolution des deutschen Bauemstandes" [20: Bauemstand, 142 f.] die bereits im Spätmittelalter in der Zunahme bäuerlicher Revolten faßbare politische Auseinandersetzung zwischen den auf Erhaltung ihrer Selbstverwaltung beharrenden ländlichen Gemeinden und dem erstarkenden, auf die Integration und Nivellierung partikularer Rechtskreise abzielenden Territorialstaat; symptomatisch für den Abwehrkampf der Bauern im Spätmittelalter war die Losung des „Alten Rechts"; zunächst isoliert in den Konspirationen des Bundschuh, dann im Bauernkrieg unter dem Einfluß der reformatorischen Predigt des Evangeliums wurde aber die revolutionäre Legitimationsfigur des „göttlichen Rechts" formuliert, die radikal neue, auf dem Gemeindeprinzip basierende Entwürfe für die soziale und politische Verfassung im Reich hervorbrachte; zwangsläufig ebnete in dieser Betrachtung der Ausgang des Konflikts dem absolutistischen Landesfürstentum den Weg, der Bauerwurde zum Untertan [255: Franz, Bauernkrieg, 1 ff, 41 ff, 80-91,
Der innere Zusammenhang der Ereignisse von 1525
„Bauernkrieg"
[Franz] vs. „Höhepunkt der frühbürgerlichen Revolution" [Smirin, DDRForschung]
Bauernkrieg als „politische Revolution des deutschen Bauernstands"
[Franz]
294-300]. Waren bei Franz die Bauern die eigentlichen Protagonisten des „Bauernkriegs", so erweiterte die Darstellung Smirins und der DDRHistoriographie [24: Laube u.a., Frühbürgerliche Revolution] den In- Grundzüge der „frühbürgerterpretationsrahmen erheblich: Der Bauernkrieg von 1525 erscheint hier These liche Revolution" als „Höhepunkt" einer „frühbürgerlichen Revolution", deren treibende Kräfte neben den Bauern die „plebejische Opposition" und die Mittelund Kleinbürger der Städte [346: Smirin, Volksreformation, 319; 251: Czok, Volksbewegungen; 296: Vogler, Bauernkrieg, 91-95] sowie die
100
11
Grundprobleme
und Tendcn/cn tier
Forschung
gegen die feudale Papstkirche gerichtete reformatorische Bewegung wadiese lieferte der Revolution die einigende ideologische Grundlage; die revolutionäre Umgestaltung des Feudalismus scheiterte am „unausgereiften" sozialökonomischen Entwicklungsstand Deutschlands, wo der Übergang vom Feudalismus zum Kapitalismus erst einsetzte, und an der Tatsache, daß das Bürgertum seine Rolle als objektive Führungskraft der Revolution nicht konsequent wahrnahm; Stärkung des Landesfürstentums und Refeudalisierung waren die Folge des Scheiterns; was in Deutschland als (gescheiterte) „frühbürgerliche Revolution" begann, setzte sich in den Niederlanden, England und schließlich in Frankreich im „europäischen bürgerlichen Revolutionszyklus" der Neuzeit fort [24: Laube u.a., Frühbürgerliche Revolution, 300ff.]. Von nichtmarxistischer Seite war die historische Auseinandersetzung mit dem Konzept der „frühbürgerlichen Revolution" geprägt einerseits durch die kritische Einlassung auf einzelne Elemente des Konzepts, deren heuristische Brauchbarkeit unterstrichen, deren mangelnde empirische Absicherung aber gleichzeitig moniert wurde, sowie andererseits durch die Betonung einer wissenschaftstheoretisch prinzipiell begrenzten, gegenseitigen Verständigung [300: Wohlfeil, Einleitung, 16-25; 237: Bierbrauer, Methodenfragen, 32 ff.; 241: P. Blickle, Revolution, 279-87]. Franz' These vom Bauernkrieg als einer „politische(n) Revolution des deutschen Bauernstandes" [20: Bauernstand, 142 f.] eignete ein beharrender Grundzug, erblickte Franz doch in den Zwölf Artikeln keineswegs ein radikales Programm, sondern „ernsthaft begründete Reformvorschläge, die durchführbar waren" und letztlich auf „die Wahrung der dörflichen Selbstverwaltung" zielten [255: Bauernkrieg, 125]. Im Vergleich dazu erscheint das in seiner Verbreitung und Generalisierbarkeit nicht durchwegs unbestrittene [315: van Dülmen, Reformation, 54ff.; 54: Robisheaux, Order, 41 f.] Revolutionsparadigma präzisiert und zugleich erheblich zugespitzt in P. Blickles These von der „Revolution von 1525" als einer „Revolution des gemeinen Mannes" [241: Revolution, 151-244, 289-97]. In der „Krise des Feudalismus" geht es Blickle zufolge den aufständischen Bauern, Bergknappen und Stadtbürgern, kurz: dem nicht-herrschaftsfähigen gemeinen Mann auf dem Land und in der Stadt um die revolutionäre Umgestaltung der herrschenden politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse auf der Grundlage des Evangeliums, des konkretisierten „göttlichen Rechts"; „soziales Ziel der Revolution ist (...) der Abbau ständespezifischer Zuordnungen von Rechten und Pflichten, positiv formuliert mit den Schlagworten von 1525 der ,gemeine Nutzen' und die .christliche, brüderliche Liebe'. Daraus erwächst als politisches Ziel ren;
Die These
von
der
„Revolution des
gemeinen Mannes" [P. Blickle].
..
-
-
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B.
Agrargeschichtliche Forschungsfelder
101
der Revolution der korporativ-bündisch verfaßte Staat im Bereich der Kleinstaaten oder der landschaftlich verfaßte Staat im Bereich der Großstaaten ständestaatlicher Struktur" [241: Revolution, 289]. Mit dem Scheitern der Revolution wurde die alte Sozial- und Herrschaftsordnung wieder stabilisiert, die Gemeindereformation [307: P. Blickle, Gemeindereformation] ging in die Fürstenreformation über, doch kam es regional in unterschiedlichem Ausmaß zu gewissen Reformen [241: P. Blickle, Revolution, 292f.]. In ihrer Akzentuierung war und ist Blickles Interpretation nicht generell konsensfähig. Während von Seiten der Historiker aus der DDR die prinzipiellen Differenzen in der jeweiligen Verwendung des Feudalismus- und Revolutionsbegriffs herausgestrichen wurden [Vogler, in: 25: Laube u. a., Deutsche Geschichte, 187 f.], hat die westdeutsche und angloamerikanische Forschung insbesondere Vorbehalte gegenüber Blickles Annahme einer über das Evangelium vermittelten Interessenkonvergenz zwischen Bauern und Bürgern formuliert und die Kurzlebigkeit und den Ausnahmecharakter der Bündnisse von Stadt und Land unterstrichen [Midelfort, in: CEH 11 (1978), 202f; 285: Scott, Peasants' War, 955-66; 287: Ders., Freiburg, 229ff; 288: Scott/Scribner, Peasants' War, 11 ff., 42 f.]. Die These von der Revolution des „gemeinen Mannes" diente und dient aber, gerade in der Verbindung mit Blickles Interpretation der Frühreformation als „Gemeindereformation", sowohl der Bauernkriegs- wie der Reformationsforschung als maßgeblicher kritischer Referenzpunkt.
5.2. Bäuerliche Partizipation zwischen Widerstand
und ihre Kritiker .
.
.
Repräsentation und
5.2.1. „Landschaften" im Rahmen der ständischen Verfassung Bauern auch nach der Niederschlagung des Bauernkriegs als politisch relevante Akteure im Rahmen feudal-staatlicher Herrschaftsverhältnisse zu betrachten, wurde zum zentralen Ausgangspunkt einer mit Beginn der siebziger Jahre einsetzenden, auf das Politische erweiterten
Gesellschaftsgeschichte des Landes. Wichtige Impulse gingen vom Bauernkriegsjubiläum 1975, von der .ständegeschichtlich orientierten Poiitikgeschicht''che Ansätze. Untersuchung Blickles über die „Landschaften" [230: Landschaften] die staatliche Funksowie von den seitdem in größerer Zahl unternommenen Forschungen tj0n des gemeinen °
bäuerlichen Revolten und Protesthandlungen aus [279: 13: Ders., Widerstand; 236: Bierbrauer u.a., 240: P. Blickle, Unruhen; 291: Trossbach, Bewegung]. zu
Bedeutung;
Schulze, Aufruhr;
Mannes
102
II.
Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
Die Feststellung, die „Geschichte bäuerlicher Politikfähigkeit in Deutschland [sei] untrennbar mit dem Namen Peter Blickle verbunden" [30: Trossbach, Bauern, 79], faßt Ansatz und Ergebnisse eines Forschungsprogramms zusammen, welches darauf abzielt, Bauern und Untertanen als politische Subjekte der deutschen Geschichte im historischen Bewußtsein zu verankern. „Politisches" Handeln von Bauern manifestiert sich für Blickle im Bezug auf den Staat: ländliche Gemeinden nahmen staatliche Aufgaben wahr [145: Funktion der Gemeinde]; Bauern strebten durch Landschaftsbildung oder ständische Repräsentation auf Landtagen Teilhabe an politischen Entscheidungsabläufen im Land an [230: Landschaften]. Kommunale Rückbindung und das Ziel der politischen Partizipation prägten bäuerliches Handeln auch im Widerstand gegen Herrschaft [238: P. Blickle, Erhebungen; 239: Ders., St. Gallen], nicht zuletzt manifest im politischen Programm der Aufständischen in der „Revolution des gemeinen Mannes" 1525 [241: P. Blickle, Revolution, 155-244]. Politisches Handeln von Bauern oszilliert in dieser Konzeption zwischen Systemstabilisierung durch aktive Teilhabe und Integration der Untertanen in die herrschaftlichen Strukturen und Systemsprengung durch die Potenzierung „kommunalistisch" geprägter Erfahrungen zu einer prinzipiellen politischen
Verfassungsalternative.
Während Blickle in den „Landschaften" die institutionelle Verfeausmachte, die bisweistjgUng ° r ° ° bäuerlicher Partizipationsbestrebungen prasentation: Widerstandes dem des erst len auf durchgesetzt bzw. reaktiviert Weg die „Landschaften" werden mußten, hob V. Press die stärkere Abhängigkeit der Bildung von Landschaften vom Willen der Herrschaft hervor, welche durch Einholung des Konsenses „von unten" ihre Stellung stabilisieren wollte [235: Press, Herrschaft, 208ff.]. Steuerforderungen und Schuldendienst sowie die Einbindung von Untertanen und Ständen in das Landesdefensionswesen und in gewisse Bereiche der Gesetzgebung konnten auch von obrigkeitlicher Seite her die Bildung von Landschaften motivieren [235: Press, Herrschaft, 201-10; 234: Oestreich, Vorgeschichte, 71]. Press kritisierte die Orientierung von Blickles Konzept am Parlamentarismus- und Dualismusmodell der Ständeforschung so-
Formen ständischer bäuerhcher Re-
weitgehende Parallelisierung der „Landschaften" mit der ausgebildeten Ständeverfassung [235: Herrschaft, 170-80, 214]: Im Gewie die
dieser fehlte in den Territorien mit Landschaftsbildung der landsässige Adel; die „Landschaften" hatten keine Anbindung an den Hof des Landesherrn, was eine merkliche Schwächung ihres Einflusses auf die territoriale Politik bedeutete, wie die Beschränkung der landschaftlichen Mitwirkung auf einzelne Politikbereiche zeigte; die
gensatz
zu
B.
Agrargeschichtliche Forschungsfelder
103
„Landschaften" erscheinen demzufolge als eigener, jüngerer Typ der Ständebildung [235: Press, Herrschaft, 180-83]. Als gesellschaftsge-
schichtliche Erweiterung herkömmlicher ständegeschichtlicher Fragestellungen und Interpretationsschemata hin auf die Formen der politischen Zusammenarbeit zwischen Herrschaft und Bauern hat Oestreich Blickles Hinweis auf die „Landschaften" bewertet [234: Vorgeschichte, 70, 79 f.]; er betonte wie Press die Unterschiede zwischen den „Landschaften" der Kleinterritorien und entwickelteren Formen der ständischen bzw. landständischen Verfassung in Groß- und Mittelterritorien, wobei für ihn insbesondere die Größe des Raumes für den unterschiedlichen Grad der Institutionalisierung des Ständewesens entscheidend war [234: Vorgeschichte, 75-79]. 5.2.2. Bäuerlicher Widerstand Die intensivere Erforschung bäuerlicher Revolten setzte in der Geschichtswissenschaft der Bundesrepublik zu einem Zeitpunkt ein, als in der damaligen DDR und in den Ländern Ostmitteleuropas bäuerlicher Widerstand auf der Grundlage der marxistischen Kategorie des Klassenkampfes und unter der leitenden Frage nach der „Rolle der Volksmassen in der Geschichte" als Forschungsgegenstand etabliert und in der französischen Forschung die Bauernaufstände schon länger innerhalb der Absolutismusdiskussion thematisiert wurden [13: Schulze, Widerstand, 26 ff; 284: Ders., Deutsche Bauemrevolten, 278-84; 297: Vogler, Konzept; 292: Trossbach, Kleinterritorien, 1]. In Westdeutschland waren die spektakuläreren Bauernaufstände der Landesgeschichte zwar bekannt gewesen, doch vermochte erst die systematischere Untersuchung bäuerlicher Protesthandlungen zu einer erheblichen Erweiterung der Kenntnisse über das Ausmaß, die Gegenstände, die Verlaufs- und Handlungsformen der Widerstandsbewegungen von Bauern zu gelangen sowie die Frage nach dem Stellenwert des Widerstandsfaktors auf anderen Forschungsfeldem zu vertiefen. Die Abgrenzung des Begriffs Widerstand: In der aktuellen Protestforschung werden sehr verschiedenartige Handlungen der Verweigerung bzw. Ablehnung von Untertanen gegen deren Herrschaft oder Obrigkeit als Widerstand bezeichnet; wer den kollektiven Charakter als definitorisches Kennzeichen von Widerstand bewertet, schließt individuelle Formen der Verweigerung, wie etwa die Flucht eines einzelnen Bauern, aus der Betrachtung aus [13: Schulze, Widerstand, 87f.; 240: P. Blickle, Unruhen, 5]. Ähnliche Abgrenzungsfragen stellen sich der marxistischen Forschung im Hinblick auf den Anwendungsbereich des Klassenkampfbegriffs [297: Vogler, Konzept, 26ff., 31 ff.]. In der
104
II.
Grundproblenie und Tendenzen der Forschung
DDR-Forschung hat der von Porsnev geprägte Begriff der „niederen Formen des Klassenkampfes" „moralisierende(n) und deklassierende^) Wertungen" transportiert und den Aufstandswiderstand als eigentliche Form des „bäuerlichen Klassenkampfs" herausgehoben [266: Peters, Eigensinn, 85f.]. Die marxistische Forschung suchte mit diesem differenzierten Klassenkampfbegriff dem Umstand Rechnung zu
tragen, daß die Bauern nach 1525 die „Feudalkräfte" nicht mehr offen herausfordern konnten und ihren Kampf in Prozessen, Streiks, Sabotage- und Fluchtaktionen weiterführten [258: Harnisch, Klassenkämpfe, 160 ff.]. Die Kritik, Widerstandshandeln auf das herausragende Phänomen
organisierten Auseinandersetzungen (offene Revolten bzw. Prozesse) beschränkt und das Massenphänomen der unspektakulären, in der bäuerlichen Arbeitswelt aber vielfach möglichen „Alltags-Abwehr" (Unterleistung, Fronlässigkeit u. a.) ausgeblendet zu haben, ist auch gegenüber den Untersuchungen Buckles und Schutzes erhoben worden [44: Zimmermann, Dorf und Land, 94-98; 266: Peters, Eigensinn, 93]. Räumliche und zeitliche Verteilung des Widerstands: Zu eigentlichen Bauernrevolten kam es zwischen dem Bauernkrieg 1525 und dem Hauptverbreitungs- Dreißigjährigen Krieg hauptsächlich in Gebieten, die bereits die Erfahder
gebiete bauerlichen
Widerstands
Dauer]jCrien Widerstands °gemacht hatten und auch vom Bauernkrieg 1525 erfaßt worden waren; Oberdeutschland (Ober- und Hochrhein, Schwarzwald, Oberschwaben, Vorderösterreich) und städtische Territorien aus der Eidgenossenschaft waren zwischen ca. 1570 und dem Dreißigjährigen Krieg mit Konflikten auf der Ebene von Gemeinden, Ämtern oder kleineren Herrschaften konfrontiert, während es in den habsburgischen Erblanden zu großflächigeren, militärisch ausgetragenen Bauernkriegen kam [276: Schultz, Klassenkämpfe, 264-75; 13: Schulze, Widerstand, 49-55,59f.; 282: Ders., Untertanenrevolten; 294: Ulbrich, Agrarverfassung; 292: Trossbach, Kleinterritorien; 271: Robisheaux, Peasant Unrest, 175 f.; 179: Grüll, Bauer; 53: Rebel, Peasant Classes; 254: Feigl, Bauernaufstand; 264: Maeder, Bauernunruhen; 144: Bierbrauer, Freiheit und Gemeinde, 230-363]. Das Vorhandensein einer lokalen Widerstandstradition blieb nicht ohne Einfluß auf die bäuerliche Prädisposition zu weiteren Protesthandlungen; die Erfahrung des Widerstands hat bei Bauern und Herren Lernprozesse induziert [13: Schulze, Widerstand, 120f.; 243: R. Blickle, Altbayern, 174; 245: Dies., Ammergau, 140f.; 286: Scott, Peasant Remn„ °
volts, 464f.]. Es ist ein torien und der
gewisser Zusammenhang zwischen der Größe der TerriHäufigkeit von Revolten wahrscheinlich gemacht wor-
B.
Agrargeschichtliche Forschungsfelder
105
den: Kleinere Territorien, wo der Landesherr vielfach auch größter Tendenziell stärGrundherr und der administrativ-gerichtliche Ausbau des Staates noch kere Konfliktanfälligkeit kleiner Terriweniger fortgeschritten waren und wo ein ungünstiges Verhältnis zwi- torien schen der Bevölkerungszahl und dem finanziellen Aufwand des Staates herrschte, waren anfälliger für Revolten als Mittel- und Großterritorien; um zwingende Ursachen für bäuerlichen Protest handelte es sich dabei allerdings nicht [13: Schulze, Widerstand, 59ff.]. Regional-lokale Zersplitterung, Isoliertheit und Spontaneität kennzeichneten H. Schultz zufolge den bäuerlichen Widerstand nach 1525; sie führte dies auf die regional unterschiedliche Stärke des feudalen Drucks, die jeweiligen Kräfteverhältnisse innerhalb der herrschenden Feudalklasse, die Qualität der Stadt-Land-Beziehungen, die Stärke der jeweiligen bäuerlichen Genossenschaften und deren Widerstandstradition zurück [276: Klassenkämpfe, 262f., 275]. In West- und Norddeutschland eskalierte bäuerlicher Widerstand nach dem gegenwärtigen Formen bäuerlichen Kenntnisstand im 16. und frühen 17. Jahrhundert nicht zur offenen Re- Widerstands in West-, Nord- und volte, sondern artikulierte sich in Form von Prozessen, Dienstverweige- Ostdeutschland rungen, passivem Widerstand und Fluchtbewegungen [197: Schwarz, Hanerau; 256: Gabel, Konflikte; 221: North, Gutswirtschaft, 240; 216: Lorenzen-Schmidt, Gutsherrschaft]. In Ostdeutschland verdichteten sich die Unruhen zwischen 1560 und 1620 in den Lausitzen und in Schlesien, wo sie mehrmals in Revolten mündeten [205: Boelcke, Bauer und Gutsherr; 298: Weber, Bauernkrieg 1994, 29-57], während die Bauern in der Mark Brandenburg, in der Uckermark und in weiteren ostelbischen Gebieten in der Auseinandersetzung mit ihren Gutsherren mehr oder weniger intensiv von ihren Beschwerde- und Klagemöglichkeiten vor den Gerichten des Landesherrn Gebrauch machten [276: Schultz, Klassenkämpfe; 277: Dies., Bäuerlicher Klassenkampf; 278: Dies., Volksmassen; 259: Harnisch, Landgemeinde; 258: Ders., Klassenkämpfe; 260: Ders., Bauernbewegungen; 47: Enders, Uckermark, 193 f., 199]; schon länger finden die Prozesse sächsischer Bauern gegen die Versuche der Rittergutsherren zur Erweiterung der Eigenwirtschaften besondere Beachtung [270: Reissner, Bauer und Advokat; 274: Schattkowsky, Konfliktaustrag; 195: Schmale, Burgund und Kursachsen]. Untersuchungen Bäuerlicher Widervon R. Blickle und S. Kellner zu den herrschaftlich-bäuerlichen Be- stand in Bayern ziehungen in bayerischen Hofmarken konnten Widerstand von Bauern auch für das vermeintlich konfliktfreie Altbayern nachweisen; dort richtete er sich besonders gegen die unmittelbare lokale Herrschaft und mündete in Beschwerden und Klagen vor landesherrlichen Instanzen [242: R. Blickle, Rottenbuch; 243: Dies., Altbayern; 244: Dies., Hausnotdurft; 245: Dies., Ammergau; 51: Kellner, Jettenbach].
106
Die bäuerliche Familienwirtschaft als Basis des Widerstands
ii.
Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
Ursachen des Widerstands: Als strukturelle Voraussetzung für die Möglichkeit bäuerlichen Widerstandes in der feudal-ständischen Gesellschaft erachtet Schulze „die Existenz des bäuerlichen Familienbetriebes als Normalform des Wirtschaftens"; sie lieferte die materiellen Ressourcen für Widerstandshandeln und motivierte bei den Bauern gleichzeitig die Abwehr von herrschaftlichen Beeinträchtigungen der autonomen Produktion. „Insofern liegt in der individualisierten Form des agrarischen Produzierens und in ihrer Absicherung durch Erbrecht und Nutzeigentum ein die Feudalgesellschaft (...) schwächendes Moment" [13: Widerstand, 70 ff.] ein Gedanke, den R. Blickle mit der Überlegung variiert hat, in jedem Bauemhof kreuzten sich, personifiziert im bäuerlichen Untereigentümer und grundherrlichen Obereigentümer, die zwei eigentumsstiftenden Prinzipien Arbeit und Herrschaft: „Aus diesem Aufeinandertreffen zweier Eigentumssubjekte in einem Objekt, dem Bauernhof, erwuchs das Ringen zwischen Herren und Bauern um das ,Mehr' an Eigentum an diesem Objekt" [243: Altbayern, 176 f.]. Mit dem allgemeinen Verweis auf den antagonistischen Charakter des feudalen Produktionsverhältnisses [297: Vogler, Konzept, 28f.] bzw. auf die grundsätzliche Asymmetrie aller Beziehungen zwischen Feudalherren und Bauern sowie auf die allgemein bedrückte Lage des Bauemstandes läßt sich Widerstand von Bauern nicht befriedigend erklären [13: Schulze, Widerstand, 71 ff.; 280: Ders., Herrschaft und Widerstand, 186f.]. Die von Grund- und Leibherrschaft geprägte Agrarverfassung sowie die Nahtstellen zwischen ländlicher Gemeinde und aufstrebendem Territorialstaat bildeten bis in das frühe 16. Jahrhundert häufig auch darüber hinaus die zentralen Konfliktfelder in den ländlichen Unruhen des oberdeutsch-schweizerischen Raums [255: Franz, Bauernkrieg, 19, 24f., 30; 184: von Hippel, Bauernbefreiung, 143-72; 238: P. Blickle, Erhebungen; 236: Bierbrauer, Bäuerliche Revolten; 293: Ulbrich, Triberg; 294: Dies., Agrarverfassung; 240: P. Blickle, Unruhen, 12-25]; Agrarkonflikte i.e.S. um strittige Abgaben, Dienste und Nutzungsrechte waren auch für Bayern prägend [243: R. blickle, Altbayem, 171 f.; 245: Dies., Ammergau, 151 ff.]. In den städtischen Untertanengebieten der Eidgenossenschaft, wo die Agrarverfassung im Spätmittelalter viel von ihrem feudalen Charakter verlor, reagierten die auf die Wahrung ihrer korporativen Freiheiten bedachten Gemeinden mit Unruhen auf die Intensivierungs- und Vereinheitlichungsbestrebungen der Obrigkeiten [264: Maeder, Bauernunruhen; 231: Holenstein, Konsens und Widerstand; 144: Bierbrauer, Freiheit und Gemeinde, 288-363]. -
Konfliktfelder feudal/staatlich-bäuerlicher Verhältnisse:
Agrarverfassung,
Ausbau des Territorialstaates, Steuern und Dienste
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Agrurgeschichtliche Forschungsfelder
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In der Frühen Neuzeit komplizierte das Hinzutreten des SteuerKonfliktlage in der ländlichen Gesellschaft; das Interesse des Staates an einem leistungs- und steuerfähigen Bauernstand kollidierte mit den Rentenforderungen der Grundherren, gleichzeitig belasteten höhere Steuern die Bauern und beschnitten deren Einkommen und Marktchancen [13: Schulze, Widerstand, 48, 65 f.; 282: Ders., Untertanenrevolten; 284: Ders., Deutsche Bauernrevolten, 284ff.]. Stärker als in den Unruhen des Spätmittelalters rückten in den Bewegungen des späteren 16. und frühen 17. Jahrhunderts übergreifende sozialökonomische Faktoren in den Vordergrund, wenn auch Ursachen und Auslöser nach wie vor eng von lokal-regionalen Verhältnissen geprägt blieben. Im zunehmend angespannten Verteilungskampf, den sich Staat und Grundherren unter dem Eindruck von Preisinflation, höheren staatlichen Ausgaben und vielfach fixierten Feudalrenten um die Anteile an der Mehrarbeit der Bauern lieferten, verteidigten auch die Bauern ihre Interessen: In Südwestdeutschland standen Steuern und Frondienste im Mittelpunkt der Konflikte [294: Ulbrich, Agrarverfassung, 150; 272: Barnett-Robisheaux, Peasant Revolts, 392; 286: Scott, Peasant Revolts, 457; 292: Trossbach, Kleinterritorien, 8], in Bayern u.a. die herrschaftlichen Scharwerksforderungen [51: Kellner, Jettenbach, 122, 130; 243: R. Blickle, Altbayern, 171 f.; 247: Dies., Scharwerk], im oberösterreichischen Bauernkrieg 1595-97 Robot und Robotgeld, was mit den Bestrebungen der Grundherren in Verbindung stand, ihre Herrschaften im Sinne einer „Wirtschaftsherrschaft" auszubauen [185: Hoffmann, Unternehmen]; in Oberösterreich mündete der Konflikt als Folge der Rekatholisierung durch die Habsburger und der bayerischen Besetzung in den Bauernkrieg von 1626 [178: Grüll, Robot, 97-121; 189: Knittler, Ost und West, 203-07]. Die Landesherren traten bei Auseinandersetzungen zwischen Grundherren und Bauern zunehmend in die Rolle von Mediatoren, vielfach in der Eigenschaft als Lehensherren der lokalen Herren; die Bauern nutzten mit dem Appell an den Oberherrn ihrer unmittelbaren Herrschaft Spielräume innerhalb der feudal-ständischen Verfassung des Reichs und der Territorien [275: Schmidt, Agrarkonflikte]. Die DDR-Forschung interpretierte die sozialökonomische und politische Entwicklung nach der Niederschlagung der „frühbürgerlichen Revolution" allgemein als Prozeß der „Refeudalisierung" und Durchsetzung der „zweiten Leibeigenschaft" bzw. „Zurückdrängung frühkapitalistischer Elemente in Stadt und Land"; bäuerlicher Widerstand erhielt von daher seine eindeutige Bewertung als Kampf gegen das (ökonomische) Wiedererstarken der Feudalherren, während sozialstaates die
„Steuerstaal", Grundherrschaft. Bauern: neue Kräftekonstellationen
Widerstand als Kampf gegen „Refeudalisierung" und
„zweite Leibeigenschaft": die Inter-
pretation der DDRForschung
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II.
Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
rechtliche Aspekte der feudalen Bedrückung oder der ideologische Kampf in den Hintergrund traten [276: Schultz, Klassenkämpfe, 260, 262, 275; 277: Dies., Bäuerlicher Klassenkampf, 391]. In den ostelbischen Gebieten äußerte sich der Widerstand gegen die „Refeudalisierung" angesichts der Ausbreitung der Gutsherrschaft hauptsächlich als Kampf gegen die Steigerung der Arbeitsrente [276: Schultz, Klassenkämpfe, 264-67; 258: Harnisch, Klassenkämpfe, 147; 260: Ders., Bauernbewegungen, 137, 140; 298: Weber, Bauernkrieg 1994, 54f.]. Kritisch ist an die Adresse der Widerstandsforschung die Frage Grenzen des Wider- gestellt worden: „Why did similar agrarian conditions lead to angry Standsparadigmas confrontation and revolt in some parts of Europe and milder social protest, avoidance of direct conflict, even acceptance of social injustice in others?" [271: Robisheaux, Peasant Unrest, 174f.]. Die Frage berührt heuristische Grenzen des Widerstandsparadigmas und zwingt dazu, unterhalb der Revoltenebene die weniger spektakulären Formen der bäuerlichen Auseinandersetzung mit bzw. Adaptation von herrschaftlichen Forderungen zu beachten; sie lenkt den Blick auf die eminente Bedeutung der Mentalität für die Erhellung von Handlungs- und Verhaltensweisen der Bauern und für die Bestimmung jener „Reizschwelle", deren Überschreiten durch die Herrschaft offenen Widerstand provozierte [13: Schulze, Widerstand, 43 f., 124ff.; 280: Ders., Herrschaft und Widerstand, 187; 266: Peters, Eigensinn, 88]. Bauern wehrten sich, „wenn sie das (durch sie durchaus akzeptierte) soziale Normgefüge infolge feudalherrlicher Über-Forderungen verletzt sahen, sich eines Unrechts bewußt wurden und den Spielraum der bäuerlichen Wirtschaft als eingeengt und gefährdet empfanden" [266: Peters, Eigensinn, 92]. Die Forderung nach Wahrung bzw. Restitution des „alten Rechts" und Herkommens gründete bei den Bauern in der Vorstellung, Herrschaft sei an sittliche und rechtliche Normen gebunden [280: Schulze, Herrschaft und Widerstand, 190f; 283: Ders., Wirkungen, 279]. Der Gedanke einer Wechselseitigkeit von Rechten und Pflichten zwischen Herren und Bauern erhielt im periodisch erneuerten Eidesritual der Huldigung eine sakral geprägte, sinnenfällige Darstellung [169: Holenstein, Huldigung, 321-84]. Gerechte Herrschaft manifestierte sich in einer „sowohl rechtlich als auch wirtschaftlich bestimmte[n]" Praxis, des „bauern aigen sach und nahrung" als „geschützten Kernbereich bäuerlicher Existenz" unversehrt zu belassen [280: Schulze, Herrschaft und Widerstand, 193 f.]; in Krisenzeiten umfaßte dies etwa auch die gnädige Behandlung bäuerlicher Suppliken um Steuer-, Abgabenoder Dienstnachlaß durch den Herrn [252: Elbs, Owingen, 52-57; 54:
Robisheaux, Order, 180ff.].
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Agrargeschichtliche Forschungsfelder
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Konfliktzentrierte Ansätze laufen Gefahr, die aktive konsentierende Rolle von Untertanen bei der sozialen Reproduktion von Herrschaftsverhältnissen herunterzuspielen [169: Holenstein, Huldigung, 217-384]. Peters hat die „scheinbaren Eindeutigkeiten von gegensätzlichen Interessenlagen" hinterfragt; die Widerstandsforschung sei sowohl in der marxistischen Tradition der ehemaligen sozialistischen Länder als auch in der westeuropäischen Sozialgeschichte einem Ansatz verpflichtet gewesen, der „die Spannungen in der Agrargesellschaft auf den Gegensatz zwischen harten adligen bzw. konservativen Junkern einerseits und unfreien gedemütigten Untertanen andererseits reduzierte (...), im bipolaren Verständnis konnte es nur ein wichtiges Gegensatzverhältnis geben." Demgegenüber lasse das Studium von Niedergerichtsakten „den Gegensatz Adel-Bauern zurücktreten gegenüber ebenso beständigen wie ambivalenten Konfliktlagen anderer Art im Dorf". Das Dorf trete unter diesem Blickwinkel als „Konfliktgemeinschaft" in Erscheinung, d.h. als soziales System mit hochentwikkelter Fähigkeit zur Selbstregulierung innerdörflicher Konfliktlagen
[39: Gutsherrschaftsgeschichte, 16ff.].
Es geht aber nicht nur darum, neben der Konfliktkonstellation Herren-Bauern weitere, nicht minder prägende Spannungsfelder in der ländlichen Gesellschaft auszumachen. Ausgehend vom Konzept „Herrschaft als soziale Praxis" (Lüdtke) müßte die Reproduktion der Beziehungen zwischen Bauern und Herren verstärkt als „ständige(r) Prozeß von Kommunikation und Interaktion" [43: Wunder, Vergleichende Analyse, 38] untersucht werden. Formen des Widerstands: Im Anschluß an die Revolten des frühen 16. Jahrhunderts und insbesondere nach dem Bauernkrieg reagierten die herrschaftlichen Gewalten im Reich und in den Territorien mit Maßnahmen zur Kriminalisierung weiteren Aufruhrs und Widerstands Kriminalisierung von Widerstand und von Seiten ihrer Untertanen. Parallel dazu wurden die Möglichkeiten „Verrechtlichung ausgebaut, Konflikte prozessual auszutragen. Schulze hat darin eine sozialer Konflikte": Tendenz zur „Verrechtlichung sozialer Konflikte" [279: Bedeutung] ge- die These Schulzes sehen. Damit wurde die Entscheidungsinstanz für Konfliktlösungen zunehmend aus dem Bereich der einzelnen Grundherrschaft auf die Ebene des Staates verlagert [279: Schulze, Bedeutung; 13: Schulze, Widerstand, 88f.; 281: Ders., „Rechte der Menschheit", 48-52; 291: Trossbach, Bewegung, 155-202; 292: Ders., Kleinterritorien]. Untertanen beschwerten sich beim Kaiser oder bei den Lehensherren ihrer unmittelbaren Herren, sie supplizierten beim Landesherrn [13: Schulze, Widerstand, 95 f.; 243: R. Blickle, Altbayern, 172ff.; 157: Reyer, Dorfgemeinde, 139ff., 147f.] oder klagten vor Reichs- und Territorialge-
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II.
Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
richten ihre Herrschaften ein; die Zahl der Untertanenprozesse gegen die Herrschaft nahm im Verlauf des 16. Jahrhunderts deutlich zu [276: Schultz, Klassenkämpfe, 264ff.; 13: Schulze, Widerstand, 76ff.; 260: Harnisch, Bauernbewegungen, 138; 51: Kellner, Jettenbach, 122, 130; 274: Schattkowsky, Konfliktaustrag, 300f.]. Die komplexe Verfassungsstruktur des Alten Reiches mit ihren vielfältigen Konkurrenzverhältnissen zwischen kleinen und großen Reichsständen, geistlichen und weltlichen Herren und den verschiedenen Konfessionen eröffnete dem Protest von Untertanen Handlungsspielräume auf verschiedenen Ebenen des politischen Systems [13: Schulze, Widerstand, 66; 294: Ulbrich, Agrarverfassung, 150f.; 51: Kellner, Jettenbach, 130f.; 271: Robisheaux, Peasant Unrest, 176f.; 245: R. Blickle Ammergau, 140^4]. Damit aber erhielt der Widerstand vielfach eine neue Gestalt: Statt Gewalt, Radikalität und Masse kennzeichneten Langfristigkeit, Beharrlichkeit und regionale Begrenzung die Protestbewegungen im Reich [245: R. Blickle, Ammergau, 138ff.; 292: Trossbach, Kleinterritorien, 2-7]. Wo es noch zu militärischen Konfrontationen zwischen Untertanen und Herren kam wie etwa in den Bauernkriegen Oberund Niederösterreichs 1594-97, in Oberösterreich 1626 und in den 1630er Jahren oder in Bayern 1633/34 -, waren in der Regel außergewöhnliche Umstände dafür verantwortlich (Gegenreformation, Besetzung durch fremde Truppen, Belastung durch Türkenkriege und Dreißigjährigen Krieg) [13: Schulze, Widerstand, 112ff.; 240: P. Blickle, Unruhen, 39ff., 88 f.]. Die (Dorf-, Land)Gemeinde gilt in der Forschung als zentrale OrDie Landgemeinde äls organisatorische oanisati0nseinheit und des bäuerlichen Widerstandes; sie Trägerin b Plattform des b besaß die und finanziellen Ressourcen für die mitunter Widerstands personellen mit der Herrschaft [13: Schulze, langwierigen Auseinandersetzungen 115 240: P. Widerstand, ff; Blickle, Unruhen, 20]. In Gebieten mit entwickelter Gemeindeautonomie (Südwestdeutschland, Franken, Alpenraum, Ostfriesland, Dithmarschen) häuften sich Revolten [238: P. Blickle, Erhebungen; 286: Scott, Peasant Revolts, 462f.], obwohl auch in Territorien mit allgemein schwächerer Gemeindestruktur, wie etwa Bayern oder die Mark Brandenburg, die bäuerliche Gemeinde als Trägerin des Agrarkonflikts eine nicht minder zentrale Rolle spielte [243: R. Blickle, Altbayern, 172; 260: Harnisch, Bauernbewegungen, 139]. Aus sozialgeschichtlicher Perspektive ist mit Blick auf die Differenzierungsprozesse in den Dörfern die Frage gestellt worden, welche (partikularen) Interessen im Dorf sich der kommunalen Plattform noch bedienen konnten [44: Zimmermann, Dorf und Land, 94-98]. Nicht jede herrschaftliche Neuerung oder Maßnahme berührte die verschie-
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Agrargeschichtliche Forschungsfelder
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denen Gruppen im Dorf gleichermaßen; in Hohenlohe waren im späten 16. Jahrhundert die Bauern die maßgeblichen Träger des Widerstands gegen neue Dienstforderungen, während die Kleinbauern und Häusler die Konfrontation mit dem Landesherrn vermieden [272: Barnett-Robisheaux, Peasant Revolts, 395-99; 54: Ders., Order, 186-90; 53: Rebel, Peasant Classes, 9f., 260ff., 270ff.; 292: Trossbach, Kleinterritorien, 8f.]. Gemeinsamer Protest von Bauern und klein- bzw. unterbäuerlichen Gruppen blieb aber angesichts des gemeinsamen Gegensatzes zur Herrschaft trotz innerdörfiicher Interessendivergenzen nach wie vor möglich [286: Scott, Peasant Revolts, 462 f.]. Ziele und Folgen des Widerstandes: Gemessen am revolutionären Gehalt gewisser Forderungen aus dem Bauernkrieg blieben die Klagen und Beschwerden der Bauern in den meisten Unruhen des späten 16. Pragmatische Ziele und frühen 17. Jahrhunderts auf einer pragmatischen Ebene, sie zielten auf die Reduktion oder Zurücknahme herrschaftlicher Belastungen und Maßnahmen. Der „bäuerliche Klassenkampf verfolgte in der Frühen Neuzeit, den DDR-Agrarhistorikern zufolge, keine revolutionäre Veränderung der Produktionsverhältnisse mehr, er zielte allein noch auf die Sicherung der Position der Bauern als „einfache Warenproduzenten", d.h. als Produzenten eines marktfähigen Überschusses [262: Heitz, Klassenkämpfe, 771; 260: Harnisch, Bauernbewegungen, 141 f.]. Marxisten haben die beschränkte Reichweite dieses Widerstandes als Ausdruck eines unreifen Klassenbewußtseins der Bauern gedeutet, bürgerliche Historiker haben auf deren konservative, visionslose Grundhaltung geschlossen; in beiden Fällen gehen die zugrundeliegenden Bewertungskriterien an den Handlungsmotivationen und Bewußtseinslagen der Bauern selber vorbei [272: Barnett-Robisheaux, Peasant Revolts, 399ff.]. Für eine Analyse der weiterreichenden Ziele des Widerstandes und der allenfalls zugrundeliegenden konkreten Utopien erscheint die Untersuchung der von den Bauern selber in ihren Beschwerden verwendeten Legitimationsformeln allemal hilfreicher. Schulze und Bierbrauer haben dies am Begriff der „Freiheit" gezeigt, dem in der Vorstellung von Bauern neben einer traditionalen, an den alten Rechten und Freiheiten der Korporationen orientierten Bedeutung Traditionale Freiauch Elemente einer radikal-egalitären Utopie eigneten, so die „Vor- heiten und die „Vorstellung einer neuen stellung einer neuen Freiheit jenseits der ständischen Schranken", [13: Freiheit" Schulze, Widerstand, 121 ff; 144: Bierbrauer, Freiheit und Gemeinde, 19-65, Zit. 61]. Nicht leicht fällt die Beantwortung der Frage nach den Folgen und Wirkungen bäuerlichen Widerstandes; am ehesten lassen sich noch unmittelbare Erfolge und Mißerfolge anhand von Urteilssprüchen und
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Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
Kurz- und lang- Schiedsverträgen, sofern es solche überhaupt gab, feststellen [238: P. fristige Folgen des Blickle, Erhebungen, 129 ff.; 294: Ulbrich, Agrarverfassung, 160f.; 284: Schulze, Deutsche Bauernrevolten 301 f.]; hingegen weist die Frage nach den langfristigen Wirkungen des Widerstandes über direkte Aussagen der Quellen meist hinaus [283: Schulze, Wirkungen, 264ff.]. Sie stellt sich aber um so drängender, als die Widerstandsforschung selbst mit der These, Unruhen seien „der ständischen Gesellschaft wesenhaft" gewesen [240: P. Blickle, Unruhen, 5], die Frage nach der Prägung dieser Gesellschaft durch das Phänomen der Unruhen zur Sprache gebracht hat. Die orthodoxe marxistische Einschätzung vermochte dem Widerstand der Bauern im Hinblick auf den Prozeß des Übergangs vom Feudalismus zum Kapitalismus letztlich keine entscheidende Bedeutung beizumessen; in der Übergangsphase nahm objektiv das Bürgertum die Führungsposition unter den progressiveren Kräften ein; solange es aber die Rolle „als Hegemon des antifeudalen Kampfes" nicht ausfüllte, was der marxistischen Einschätzung zufolge in Deutschland in der Frühen
Neuzeit weitgehend der Fall war, blieb auch die Reichweite des bäuerlichen Klassenkampfs begrenzt. In den ostelbischen Gebieten habe er nirgends der Refeudal isierung entscheidend entgegenwirken und den Übergang zur Gutsherrschaft nicht aufhalten können; günstiger fällt das marxistische Urteil über den bäuerlichen Widerstand für die westelbischen Gebiete aus, wo das Bürgertum stärker war, der Adel keine vergleichbare Vormachtstellung besaß und die Bauern das Spannungsverhältnis zwischen Adel und Fürsten ausnutzen konnten [276: Schultz, Klassenkämpfe, 261 f., 267 ff.]. In Brenners Theorie des sozioökonomischen Wandels im frühneuzeitlichen Europa avancierte der bäuerliche Widerstand zu einem Schlüsselfaktor für die Entwicklung der in West- und Osteuropa unterschiedlichen Klassenverhältnisse [33: Agrarian Class Structure, 30-63, 40-44; 284: Schulze, Deutsche Bauernrevolten, 287 f.; kritisch 302: Wunder, Peasant Organization]. Schulze hat auf einer mittleren Ebene der historischen Interpretation auf die Ambivalenz von fortschreitender Kontrolle und Kriminalisierung von Widerstand durch die Obrigkeit einerseits und steigender Sensibilisierung der Herrschaften und Intellektuellen für den Zusammenhang von „Unterdrückung und Mißwirtschaft und Widerstand" andererseits hingewiesen [283: Wirkungen, 268ff., 274ff.]. Bäuerlicher Widerstand wurde demnach ein „regulativer Faktor adliger und staatlicher Herrschaft" und „Impuls zur Rationalisierung von Herrschaft"
[283: Schulze, Wirkungen, 284f.].
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6. Zwischen „bäuerlicher Reformation" und Volksmagie: zur Bedeutung des Sakralen in der ländlichen Gesellschaft Die
sozialgeschichtliche Erweiterung der Reformationsforschung, Untersuchungen zu den Auswirkungen der Kirchenspaltung und Konfessionalisierung im Alltag der breiten Bevölkerung sowie die Renaissance der Hexenforschung unter sozial- und kulturgeschichtlichem Vorzeichen haben in letzter Zeit die Kenntnisse über die religiöse und kulturelle Praxis sowie die mentalen Vorstellungen der ländlichen Ge-
sellschaft des 16. und frühen 17. Jahrhunderts erheblich vertieft. Die Geschichte des Bauernkriegs und der Reformation hat auch die ereignis-, sozial- und theologiegeschichtlichen Verbindungslinien zwischen den verschiedenen Gruppen der ländlichen Gesellschaft und dem Täufertum nach 1525 schärfer herausgearbeitet [321: Goertz, Religiöse Bewegungen, 79-87; 306: Bierbrauer, Unterdrückte Reformation,
168-76]. 6.1. Bauern und Reformation
Längere Zeit konzentrierte sich die seit den sechziger Jahren in der Reformationsforschung intensiv geführte Debatte um die gesellschaftlichen Voraussetzungen und Wirkungsbedingungen der reformatori- Erweiterung der schen Predigt auf die Stadt und den (niederen) Adel. Die Ausweitung Sozialgeschichte der Reformation des Interesses auf die ländliche Gesellschaft ging wesentlich von der auf die ländliche neueren Bauernkriegsforschung aus. Zentrale Forderungen der Bauern Gesellschaft (und Bürger) und die Legitimationsfigur des „göttlichen Rechts" erhielten 1525 entscheidende Impulse von der anti-klerikalen, sozialdynamischen Theologie und Ethik der Frühreformation; der Bauernkrieg wird mittlerweile als eigenständiger Bestandteil des „gesellschaftlichen Ereignisses" Reformation betrachtet, er gehört „zum Urgestein Der Bauernkrieg als reformatorischer Bewegungen" [320: Goertz, Pfaffenhaß, 180]. Al- „Urgestein reformatorischer Bewegunlerdings reicht die Bedeutung des Bauernkriegs über die eines breiten- gen" [Goertz] wirksamen Trägers reformatorischer Theologie hinaus; in den Fordekaum jedoch, wie H.-J. Köhler zeigen rungen des Aufstandes konnte, in den nur selten vom gemeinen Mann verfaßten, propagandistischen Flugschriften der frühen Reformationszeit, die den Bauern bisweilen als Typus des frommen, praktischen, dem Klerus überlegenen Theologen zeichneten [324: Bauer; 340: Scribner, Images, -
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Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
30ff.] profilierte sich ein spezifisch bäuerlich-ländliches Verständnis des Reformatorischen. Erstmals hat F. Conrad mit ihrer Studie zur ländlichen Rezeption Bäuerliches Verständnis der reformatorischer Theologie im Elsaß auf die Besonderheiten dieses Reformation Verständnisses der Reformation aufmerksam gemacht. Die elsässischen Bauernhaufen setzten sich nach eigener Einschätzung für die Verkündigung und Verwirklichung des Gottesworts ein, wenn sie „die freie Wahl eines die Schrift predigenden Pfarrers durch die Gemeinde forderten oder Disputationen über die richtige Lehre planten"; in den Zwölf Artikeln und anderen Forderungen im Bauernkrieg erblickten sie die Auslegung des Gebots der christlichen Nächstenliebe [313: Reformation, 133 f.]. Mit der räumlichen Ausweitung der Fragestellung „Bauern und Reformation" auf Oberdeutschland, die Schweiz und Tirol wurden Conrads Ergebnisse im wesentlichen bestätigt. Im Zentrum der Vorstellungen der Bauern von Reformation standen die Pfarrerwahl durch die Gemeinde, die kommunale Entscheidung über die Lehre, die Residenzpflicht des Pfarrers, die gebührenfreie Spendung der Sakramente und Verrichtung liturgischer Handlungen, die Verwaltung des Zehnten durch die Gemeinde und dessen Verwendung für kommunale Zwecke sowie die Kritik am Ausgreifen des geistlichen Gerichts in den Das Konzept „Ge- weltlichen Bereich. Als „Gemeindereformation" hat P. Blickle die meindereformader ländlichen und städtischen Reformationsbeweguntion" [P. Buckle] Verwurzelung in einem gemeinsamen kommunalen Erfahrungshintergrund auf gen den Begriff gebracht und damit die Übereinstimmungen zwischen bürgerlich-städtischer und bäuerlich-ländlicher (Früh)Reformation unterstreichen wollen. Das Verständnis des „gemeinen Mannes" von Reformation und Evangelium zielte demnach zentral auf eine biblisch-ethische Neuorientierung von Gesellschaft und Politik im Diesseits auf der Grundlage der Werte des „gemeinen Nutzens" und der „brüderlichen Liebe" sowie auf institutionelle Vorkehrungen zur Sicherung des Seelenheils im Jenseits [307: Gemeindereformation, 110-22; 310: Reformation im Reich, 81-127, 139-46]. „Gemeindereformation heißt theologisch-ethisch, das Evangelium in reiner Form verkündet haben zu wollen, und danach das Leben auszurichten; organisatorisch, Kirche auf die Gemeinde zu gründen; politisch, die Legitimität von Obrigkeit an Evangelium und Gemeinde zu binden" [307: P. Blickle, Gemeinde-
reformation, 112]. Dem Konzept „Gemeindereformation" geht es dämm, eine durch die kommunal verfaßte Lebenswelt geprägte, originäre Aufnahme der reformatorischen Theologie und Ethik durch den .gemeinen Mann' nachzuweisen; die Forschung dürfe die Bauern nicht als solche „vom
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Verstehen des reformatorischen Geschehens" und vom „verstehende(n) Aneignen der Gnade" ausschließen und sie auf eine primär magisch gebundene Religiosität fixieren [241: P. Blickle. Revolution, 316 f.; 311:
Ders, Eidgenossenschaften, 170]. Darin ähnelt dieser Ansatz dem von M. M. Smirin in die deutsche Forschung eingebrachten, marxistischen Konzept der „Volksreformation" [346: Volksreformation]; beide Konzepte nehmen Bauern und Bürger, den „gemeinen Mann" bzw. „das Volk", als Subjekte des welthistorischen Ereignisses „Reformation" ernst, sie betrachten die reformatorischen Ideen von Bauern und Bürgern als eigenständige Ausprägungen der Frühreformation und betonen den ursächlichen Zusammenhang mit dem Bauernkrieg; im Unterschied zu Smirins Konzept der „Volksreformation", welches durch die Anbindung an die Theologie und die revolutionäre Tat Thomas Müntzers weitgehend auf Thüringen beschränkt bleibt, beansprucht das Konzept „Gemeindereformation" überregionale Geltung; es gründet zudem nicht in den Reformationsvorstellungen eines führenden Theologen und Intellektuellen, sondern auf jenen von Bürgern und Bauern, wie sie in deren Beschwerdeschriften zu fassen sind [308: P. Blickle, Bauern und Reformation, 11-14]. Im Rahmen dieses Bandes erscheinen besonders vier Punkte der Kritik am Konzept „Gemeindereformation" erwähnenswert: die Frühreformation sei nicht von einer einzigen, zielgerichteten revolutionären Bewegung, sondern von einer „Dynamik revolutionären Bewegungsreichtums" geprägt gewesen [320: Goertz, Pfaffenhaß, 183; 338: Scott, Communal Reformation, 189 ff.]; das Konzept überzeichne die Gemeinsamkeiten zwischen Stadt und Land in der Aneignung der Reformation; es bleibe regional auf Oberdeutschland begrenzt und übergehe die städtisch-gemeindliche Reformationsbewegung in Norddeutschland nach 1525; schließlich werde wegen der Akzentuierung der Reformation als sozialer Bewegung von Gemeinden die religiöse Praxis und Frömmigkeit der Menschen in den Hintergrund gedrängt [320: Goertz, Pfaffenhaß, 242 ff; Th. A. Brady Jr., Peoples' Religions in Reformation Europe, in: HJ 34,1 (1991) 179f; T. Scott, The Common People in the German Reformation, in:HJ 34,1 (1991) 185f.;338: Ders., Communal Reformation, 175; 241: P. Blickle, Revolution, 315-20; 311: Ders., Eidgenossenschaften, 168-73]. Zudem lieferten die Innerschweiz und Teile Graubündens, wo die Reformation keine breite Anhängerschaft fand, Belege dafür, daß Kommunalismus die Bauern nicht zwingend für die Reformation prädisponiere [Scott, Common People, in: HJ 34,1 (1991) 188; 338: Ders., Communal Reformation, 175 ff.].
Gemeinsamkeiten und Differenzen hinsichtlieh des Konzepts „Volksreformation"
Die Kritik
[Smirin]
am
Konzept „Gemein-
dereformation"
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Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
Während für H.-J. Goertz der Antiklerikalismus das Verbindungselement zwischen der Frömmigkeit des .gemeinen Mannes' im Spätmittelalter und dessen reformatorischem Engagement bildet [320: Pfaffenhaß, 244 f.], rekurriert „Gemeindereformation" im weiteren Kontinuitätslinien Kontext des BLiCKLEschen „Kommunalismus"-Konzepts stärker auf zwischen spätmit- die Initiativen und Aktivitäten der spätmittelalterlichen Gemeinden im telalterlichem in den Jahrzehnten vor der Reformation .Kommunalismus" kirchlich-religiösen Bereich; und „GemeindeGemeinden in Zahl kirchliche Stiftungen, insbesontätigten steigender reformation" dere von Niederpfründen, oder betrieben die Separation zur eigenen Pfarrei, um die sakramentale Versorgung zu verbessern [313: Conrad, Reformation, 21-33; 307: P. Blickle, Gemeindereformation, 179-83; 309: Ders., Kommunalisierung, 18-27; 317: Fuhrmann, Kirche im Dorf, 148-77; 333: von Rütte, Frömmigkeit, 35-40; 306: Bierbrauer, Unterdrückte Reformation, 17^5; 319: Fuhrmann, Kirche und Dorf]. War die kommunale Stiftungstätigkeit im Spätmittelalter auf den Kern der vorreformatorisehen sakramentalen Frömmigkeit gerichtet, so verwiesen die Forderungen der Bauern nach „Gemeindereformation" im Bauernkrieg auf das theologische Zentrum der reformatorischen Lehre [318: Fuhrmann, Pfründstiftung, 112]. Das Konzept der „Gemeindereformation" geht von der Kontinuider tät ekklesiologischen Vorstellungen des „gemeinen Mannes" aus, es läßt aber die Frage offen, ob und wie sich beim „gemeinen Mann" der Übergang von der sakramentalen, wesentlich auf sakrale Hilfe im Diesseits orientierten spätmittelalterlichen Frömmigkeit zur reformatorischen Rechtfertigungslehre vollzogen hat. Auch blendet es tendenziell die Kontinuitätslinien des magisch-apotropäischen Volksglaubens aus [Scott, Common People, in: HJ 34,1 (1991) 187 f.]. Demgegenüber hat Conrad eine Verbindung evangelisch-biblischer Prinzipien mit dem überkommenen katholischen Werkglauben als wesentliches Ergebnis der bäuerlichen Auseinandersetzung mit der reformatorischen Predigt angesehen und die Orientierung des Reformationsverständnisses der Bauern am praktischen Vollzug biblischer Normen im Alltag betont
[313: Reformation, 92-107]. 6.2.
Konfessionalisierung und Volkskultur Blickles Begriff der „Gemeindereformation" zielt darauf ab, die institutionelle Verwurzelung sowie die tragende soziale und politische Kraft der in der „Revolution des gemeinen Mannes" 1525 kulminierenden sozialen Dynamik der Frühreformation zu benennen; mit der Niederschlagung des Bauernkrieges machte die „Gemeindereformation" der
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„Fürstenreformation" Platz, die Reformation wandelte sich
von einer mit und herrschaftskritischer ProMassenbewegung gesellschaftseiner Gemeinderezu grammatik obrigkeitlichen Veranstaltung [307: formation, 205-15]. Die anschließende institutionelle und organisatorische Durchsetzung der Reformation durch den Territorialstaat ließ mehrere konfessionelle Kulturen entstehen. In der Vervielfältigung konfessioneller Kirchen- und Sittenordnungen machten sich die erzieherischen und disziplinierenden Absichten von Staat und Kirche bezüglich der Lebenswelt und Kultur breiter Bevölkerungsschichten bemerkbar. G. Oestreich hat diese Politik im Begriff der „Sozialdisziplinierung" zu fassen gesucht, der mittlerweile in der Forschung eine wichtige Rolle als Leitkategorie für die Interpretation des Wandels in der frühneuzeitlichen Volkskultur und -frömmigkeit spielt [335: Schmidt, Konfessionalisierung, 86-106]. Allerdings ist die „Akkulturationsthese" [331: Muchembled, Kultur des Volkes] mit ihrer Vorstellung eines von Seiten der Eliten erfolgreich gegen die traditionale Volkskultur geführten Verdrängungskampfes einer differenzierteren Betrachtungsweise gewichen, die zum einen die Beharrungskraft und adaptiven Kapazitäten der Volkskultur hervorhebt, zum andern gerade für das 16. Jahrhundert noch die vielfältigen Interferenzen zwischen der Gelehrten- und der Volkskultur betont [28: Schulze, Deutsche Geschichte, 264; 323: Kaschuba, Volkskultur, 15-71, 257-98]. Diese differenzierende Sichtweise erscheint plausibel, zumal in den Darstellungen, die die erfolgreiche Verchristlichung und Versittlichung bzw. Unterdrückung der Volkskultur durch kirchliche und staatliche Instanzen betonen, der Mittelpunkt der Volkskultur häufig isoliert in dörflichen Fest- und Fastnachtsbräuchen und in den Lustbarkeiten des Tanzens, Spielens, Trinkens und der Sexualität verortet wird; damit aber tritt die Verankerung der Volkskultur agrarischer Gesellschaften in der materiellen Basis in den Hintergrund [323: Kaschuba, Volkskultur, 45 ff, 287ff.]. „Volkskultur als Produzentenkultur" zu begreifen, schreibt gerade der Volkskultur von Bauern als unmittelbaren Produzenten ein gewisses Potential an Eigen- und Widerständigkeit zu, welches auch im sozialen und politischen Protest faßbar wird [323: Kaschuba, Volkskultur, 45 ff., 279ff, 287ff.]. Eigenständigkeit und selektive Aneignung sind auch im Hinblick auf den Umgang der ländlichen Bevölkerung mit den obrigkeitlich-kirchlichen Geboten und Anweisungen im 16. Jahrhundert zu veranschlagen [335: Schmidt, Konfessionalisierung, 100-03]; exemplarisch zeigt dies die Annahme von Teilen der protestantischen Ehegesetzgebung im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts durch die Hohenloher Bauern bzw. analoger Beschlüsse des Tri-
„Sozialdisziplinierung" [Oestreich] und „Akkulturation" [Muchembled]: unilaterale
Konzeptualisiemn-
gen des Verhältnisses von Volk und Eliten
Volkskultur-Elitenkultur: Beharrung, Interferenzen, selektive Adaptation
Konfessionalisierung und Volkskultur: die Beispiele Hohenlohe und
Speyer
118
IL
Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
dentinums durch die ländliche Bevölkerung des Bistums Speyer [54: Robisheaux, Order, 105-16; 316: Forster, Counter-Reformation, 6]. Die Rezeption der tridentinischen Kirchenreformen durch die Landbevölkerung des Speyerer Bistums trägt nicht die Züge eines erfolgreich von oben forcierten Akkulturationsvorgangs; hier begrüßte die Landbevölkerung zwar die Einschärfung der Residenzpflicht der Pfarrer, wies aber die Reduktion der Kirchenfeste, die Reorganisation der Pfarrgemeinde oder gewisse gegenreformatorische Neuerungen in der Frömmigkeitspraxis (Beichte, Kommunion u.a.) zurück; das Verhältnis zwischen dem obrigkeitlichen Konzept der tridentinischen Reformkirche und der von der Landbevölkerung getragenen Vorstellung einer unter kommunaler Aufsicht stehenden, auf die sakramentalen Bedürfnisse der lokalen Gemeinschaft orientierten Pfarrkirche war sowohl von Kompromissen und Kooperation als auch von Konflikt und Widerstand Volks- und
Elitenreligion
Wurzeln des ländlichen Volksglaubens in der bäuerlichen Lebenswelt
geprägt [316: Forster, Counter-Reformation, 5-9, 20-41]. Ähnlich hat R. W. Scribner das Verhältnis von Eliten- und Volks-
religion bzw. offizieller und nicht-offizieller Religion nicht als polaren Gegensatz, sondern als beständigen dialektischen Austausch beschrieben [341: Ritual, 44; 344: Popular Belief, 238-42]. Auch Schreiner warnt davor, „das In-, Mit- und Gegeneinander verschiedener Frömmigkeitsformen in das Prokrustesbett idealtypischer Begrifflichkeit", sprich: in den Gegensatz von Elite- und Volksfrömmigkeit zu pressen; er sieht Voiksfrömmigkeit nicht als „unverwechselbare religiöse Denkund Verhaltensform", sondern favorisiert die Vorstellung standesspezifischer Aneignungen „gemeinchristliche(r) Frömmigkeitsformen" [337: Laienfrömmigkeit, 57f.]. Die Unwägbarkeiten und Zumutungen der bäuerlichen Lebenswelt Abhängigkeit von der natürlichen Umwelt, die Bedrohungen durch Krieg und Seuchen, die Erfahrung herrschaftlicher Willkür und -
prägten eine Mentalität, die das „Bemühen um Stabilität" [112: Imhof, Welten, 136] und „Wiederholbarkeit gesicherter Lebensund Reproduktionsbedingungen" [266: Peters, Eigensinn, 101] hoch
Gewalt
-
bewertete. Hierin wurzelten die handlungsorientierten, instrumenteilen Elemente des ländlichen Volksglaubens [348: Wunder, Bauer, 40-51] und damit einer Praxis, die mit der Konzeptualisierung von Frömmigkeit und Religion als sozial-revolutionäre Ideologie des .gemeinen Mannes' oder als kommunale Strategie zur Reform der lokalen Seelsorge nicht richtig in den Blick kommt. Näher an der Praxis von Frömmigkeit und Religiosität bewegen sich Ansätze, die den Volksglauben als komplexen Ausdruck einer Vorstellung von kosmischer Ordnung ansehen, in der es keine Trennung zwischen einer sakralen und einer
B.
119
Agrargeschichtliche Forschungsfelder
profan-weltlichen Sphäre gibt und die in der Wahrung der sozialen und biologischen Reproduktion in Haus, Dorf, Tier- und Pflanzenwelt das Sakrale
aus
dem Profanen heraus als wirksam erfährt
[314:
van
Dül-
Volksfrömmigkeit, 18-22; 342: Scribner, Cosmic Order, 2-8; 344: Ders., Popular Belief, 232-35]. Allerdings wird zu Recht davor gewarnt, die Religion des Volkes allein funktionalistisch als Veranstaltung zur „zweckmäßigen Bewältigung des Alltags" zu betrachten und ihre soteriologische und pastorale Dimension zu vernachlässigen [345: Scribner, Volksglaube, 121 f.]. Das pragmatische Verständnis der Baumen,
ern von
der Wirksamkeit sakraler Macht beruhte auf der Idee einer ver-
traglichen Beziehung zwischen den Menschen und dem Sakralen und damit auf der Vorstellung, der Mensch könne die Erteilung des göttlichen Segens und Schutzes aktiv beeinflussen; vor diesem Hintergrund erhalten Magie und der Gebrauch von Sakramenten und Sakramenta-
lien als Interaktionsformen zwischen materieller und sakraler Welt ihre Bedeutung [342: Scribner, Cosmic Order, 13; 341: Ders., Ritual, 40f.]. van Dülmen hat für die Zeit zwischen dem 15. und 17. Jahrhundert mehrere Merkmale eines relativ konstanten Grundmusters der Volksreligion benannt: Volksreligion war eine Religion des Wortes und nicht der Schrift, sie „war stark magisch-abergläubisch, aber nicht durchgängig animistisch geprägt", es fehlte eine klare Grenze zwischen Magie und Kirchenglauben; Volksreligion war zudem keineswegs kirchenfeindlich, weil insbesondere kein Gegensatz zwischen magischem Brauchtum und kirchlich-christlicher Lehre bestand; gegenüber einer allzu abstrakten Glaubenslehre, rigiden Moralvorstellungen und spirituellen Frömmigkeitsformen dominierte im Volk ein in die Lebenswelt eingebundener religiöser Eklektizismus [314: Volksfrömmigkeit, 1929; 18: Kultur. Bd. 3, 55-137]. Diese von der Reformation selbst unmittelbar noch wenig berührten Bestände eines Volksglaubens wurden im Verlauf des 16. Jahrhunderts vielfach durch die Tätigkeit von Kirchen- und Sittengerichten erfaßt, welche in allen Konfessionen zur systematischeren Bekämpfung volksmagischer, abergläubischer und ketzerischer Vorstellungen und Praktiken eingerichtet wurden [332: Münch, Kirchenzucht; 327: Labouvie, Völksmagie, 21 Iff; 335: Schmidt, Konfessionalisierung, 83-86, 94-98; 336: Ders.. Dorf und Religion] und deren moralisierende Zielrichtung bei der Bevölkerung der protestantisch-reformierten Kirchentümer paradoxerweise einer neuen Art von Werkgerechtigkeit als konformem Verhalten Vorschub leistete [343: Scribner, Religion of the Common people, 237-41], während in katholischen Regionen magische Formen der Volksfrömmigkeit nicht zuletzt deshalb weniger berührt fortlebten, weil dort die
120
II.
Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
Kirche selbst ein
eigenes Repertoire von Magie anbot [327: Labouvie,
Volksmagie, 232f.]. 6.3. Ländliche
Gesellschaft und Hexenverfolgung Sozialhistorische und kulturanthropologische Forschungsansätze haben in den letzten Jahren Untersuchungen zu den Hexenverfolgungen des späten 16. und frühen 17. Jahrhunderts erheblich vorangebracht und dabei nicht nur neue Einsichten in die Verankerung von genuin volksmagischen Hexenvorstellungen in der ländlichen Bevölkerung
und deren Zusammenwirken mit dem akademisch ausgeformten, gelehrten Hexenbild geliefert, sondern auch die soziale Dynamik erhellt, die während der Hochphase des Hexenwahns zwischen 1560 und 1630 in den Dörfern auf die Städte kann in diesem Zusammenhang nicht eingegangen werden die Verfolgungen und Prozesse in Gang setzte und antrieb [305: Behringer, Hexenforschung; 305a: Behrin-
-
ger.
Magie und Zauberglauben der Landbevölkerung
Origins]. Die Volksmagie
und die ihr funktional entsprechenden kirchliPranken waren als Techniken der Existenzsicherung und des Uberlebens in der bäuerlichen Lebenswelt verankert; sie sollten das Gefährliche neutralisieren, das Ungewöhnliche hemmen und erklären, das Bedrohliche vernichten [46: Becker, St. Lambrecht, 76f; 327: Labouvie, Volksmagie, 81 ff, 141 ff, 203 ff, 323 ff.]. Magische Praktiken ließen sich für gute Zwecke (Heilzauber, Hilfszauber, Abwehrzauber) wie auch zum Schaden Einzelner oder ganzer Gemeinschaften (Schadenszauber) einsetzen; die Volkskultur kannte auch magische Mittel gegen Schadenszauber, so daß keineswegs bei jedem Verdacht vor Gericht geklagt wurde [304: Behringer, Hexenverfolgung, 89-96; 326: Labouvie, Hexenglaube, 58f; 327: Dies., Volksmagie, 53f., 94f.]. In dieser Tradition der Volksmagie und des Zauberglaubens wurzelte auch der ländliche Hexenglaube; der Verdacht von Hexerei konnte bei außergewöhnlichen, unerklärlichen Beeinträchtigungen der Produktion und Reproduktion im Dorf auf jene Personen fallen, denen man im Dorf „sowohl Motive zur Schädigung anderer als auch entsprechende (magische) Hexenkräfte zutraute" [326: cnen ..
Labouvie, Hexenglaube, 2X9-49, 261-65].
Hexenprozesse im Saarland zeigen erneut das komplexe Zusammenspiel von Volks- und kirchlicher Elitenkultur; obwohl die Landbevölkerung dort bis ins 18. Jahrhundert die Versuche der Kirchen zur Disziplinierung und Kriminalisierung ihrer Kultur ablehnte, überDie
nahm sie in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts das kirchliche Kri-
B.
121
Agrargeschichtliche Forschungsfelder
und nutzte es zur Ausgrenzung kollektiv unerwünschter Personen aus dem ländlichen Magiebereich [327: Labouvie,
minalisierungsmuster
Volksmagie, 321]. Neueste regionale Fallstudien haben die Ursachen für die Dynamik der Hexenverfolgungen und -prozesse in der sozialökonomischen, kulturellen und politischen Problemlage der Dörfer in den Jahrzehnten um 1600 sowie in den sozialen Beziehungen der verschiedenen Dorfgruppen lokalisiert [326: Labouvie, Hexenglaube; 327: Dies., Volksmagie; 334: Rummel, Hexenprozesse; 305a: Behringer, Origins]. Der Glaube an den Schaden aus der Hexerei wurzelte H. Lehmann zufolge
Gemeinden und
Hexenverfo|gungen
im Dorf des späten 16. Jahrhunderts, wo sich der elementare Zusammenhang zwischen Mißernten, Knappheit der Lebensmittel, Hunger, Krankheiten und Tod mehr als sonstwo zeigte: „Das Dorf war (...) zuerst und vor allem der Ort, wo dieses ganze Elend erklärt werden mußte" [328: Auswirkungen, 42f.; 325: Kriedte, Hexen, 70f.]. Nach heutigen Kenntnissen spielte die Bevölkerung in den Gebieten entlang der Mosel, im Hunsrück, in der Eifel, im Westerwald, in Teilen Hessens sowie im Saarraum eine entscheidende Rolle für die Ingangsetzung und Durchführung von Hexenverfolgungen und -prozessen [334: Rummel, Hexenprozesse, 15f., 24-38; 326: Labouvie, Hexenglaube, 82-95], doch liegen Nachrichten über entsprechende Initiativen von Gemeinden auch aus dem Hochstift Speyer [13: Schulze, Widerstand, 126; 316: Forster, Counter-Reformation, 109], aus Oberbayern und dem Allgäu [304: Behringer, Hexenverfolgung, 193 f.] und aus der Uckermark und Prignitz vor [47: Enders, Uckermark, 269-92; 146: Dies.,
Landgemeinde, 219ff.]. Der Verfolgungswille von unten mußte mit einer Verfolgungsbereitschaft auf Seiten der Obrigkeit und lokalen Amtleute zusammentreffen [325: Kriedte, Hexen, 47 ff; 334: Rummel, Hexenprozesse, 320f.]; diese war offensichtlich um so größer, je kleiner das Territorium und je schwächer ausgebildet die landesherrliche Zentralgewalt war [334: Rummel, Hexenprozesse, 15 f.]. Für die Verfolgungen in Kurtrier und Sponheim machte Rummel in der Tradition der Pionierstudie A. Macfarlanes zu den englischen Hexenverfolgungen soziale Konflikte zwischen den Familien der dörflichen Führungsschicht einerseits und
Das
Opferprofil
ihnen nahestehenden, aber sozial, wirtschaftlich oder politisch benach- landllcher HexenVerfolgungen teiligten Familien andererseits als Grundkonstellation der Prozesse fest; dabei wurde die Oberschicht wegen ihres Wohlstandes, ihrer politischen Position und ihrer sozialen Aggressivität das Opfer der Hexereiverdächtigungen [334: Hexenprozesse, 294-310, 317 ff.]. Ein weniger eindeutiges soziales Profil der Opfer zeigen die Verfolgungen im r
122
II.
Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
Saarraum; sie richteten sich weder gegen bestimmte soziale Gruppen
noch gegen Menschen in bestimmten gesellschaftlichen Verhältnissen (z.B. Alleinstehende) noch gegen Berufsgruppen mit einer gewissen Affinität zu magischen Kenntnissen; die meisten Angeklagten standen verwandtschaftlich oder sozial solchen Personen nahe, die ebenfalls unter Hexereiverdacht standen oder deswegen bereits hingerichtet worden waren, sie waren Frauen, zwischen 50 und 70 Jahre alt und repräsentierten etwa proportional die soziale Schichtung im Dorf, d.h. sie entstammten zum großen Teil der dörflichen Unterschicht; die Opfer hatten als „Nonkonformisten", als Störer des nachbarschaftlichen Friedens, als Angeber, notorische Verleumder und Denunzianten die Aufmerksamkeit der Gemeinde auf sich gelenkt [326: Labouvie, Hexen-
glaube, 182-90].
III.
Quellen und Literatur
Teil A versteht sich als erster Hinweis auf Quelleneditionen zu unterschiedlichen Sachbereichen der Agrargeschichte bzw. Geschichte der ländlichen Gesellschaft in der beginnenden Neuzeit. Dort und in der Literatur finden sich Angaben zu weiteren Editionen; vgl. besonders den Überblick über Editionen ländlicher Rechtsquellen bei [170] Werkmüller, Weistümer, 11 ff. Über Neuerscheinungen orientieren die Rezensionsteile der VSWG, ZAA sowie die periodischen Sammelberichte in den BlldtLG; einschlägig sind auch die epochenspezifischen und landesgeschichtlichen Zeitschriften. Diese Fachorgane sind auch für die neu erscheinende Aufsatzliteratur heranzuziehen; für die internationale Literatur vgl. auch The Agricultural History Review, Rural History. Economy, Society, Culture sowie neuerdings Histoire & Societes rurales. Die verwendeten Abkürzungen richten sich nach den Siglen der Historischen Zeitschrift.
A.
Quellen
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124
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III.
Quellen und Literatur
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gart 1976.
B. Literatur
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III.
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345.
346. 347. 348.
Register Autorenregister Abel.W. 45, 53, 55 ff., 59, 82, 86 Achilles, W. 53,57,59 Allmann, J. 39 f. Andermann, K. 87 Asmuss, B. 57 Assion, P. 58 Bader, K.S. 15f., 19, 22f., 75 Barnett-Robisheaux, Th. 107,111 Bauernfeind, W. 60 Beck, R. 54 Becker, P. 66, 120 Behringer, W. 61, 120 f. Below, G. v. 53, 86 Bentzien, U. 57 f. Berkner, L.K. 62f., 65, 80 Bierbrauer, P. 54, 75 f., 95, 99 f., 101, 104, 106, 111, 113, 116 Blaschke, K. 80 Blickle, P. 17,40,42, 54 f., 75-79, 95-104, 106, 110, 112, 114-117 Blickle, R. 71, 104-107, 109f. Boelcke, W.A. 73 f., 80, 105 Boetticher, M. v. 87, 89 Bois, G. 92 Brady, Th.A. Jr. 115 Brenner, R. 92-95, 112 Brunner, O. 62,70,73 Buszello, H. 96 f.
Cajanov, A.V. 56,62,73 Coler, J. 73 Conrad, F. 76,98, 114. 116 Czok, K. 99 Diestelkamp, B. 71 Dülmen, R. v. 78, 96, 100, 119 Elbs, E. 108 Enders, L. 55, 77f., 85, 87, 89, 105, 121
Endres, R. 79,95,97 Engels, F. 99 Feigl, H. 104 Forster, M. 118, 121 Franz, G. 50, 53, 79f., 95-100, 106 Freiburg, H. 57 Freitag, W. 63f., 70 Fried, P. 80 Fuhrmann, R. 76, 116
Gabel, H. 105 Gabel, HV Schulze, W. 98 Glaser, R. 60 Glaser, R./ Schenk, W./ Hahn,H.-U. 60 Goertz, H.-J. 96,98, 113, 115 f. Grees, H. 80 Grüll, G. 104, 107
Haftlmeier-seiffert, R. 59 Hagen, W.W. 89ff., 94 Harnisch, H. 54f., 77 ff., 82-87, 89ff.,94, 104f., 108, HOL Hartinger, W. 71 Hausen, K. 62, 64 Held, W. 55,80 Heitz, G. 54, 82 f., 111 Henning, F.-W. 35 f., 45, 53, 56, 59, 82
Hildebrandt, H./ Gudd, M. 60 Hilton, R. 93 Hippel, W. v. 49f., 68, 74f., 106 Hoffmann, A. 33, 107 Hofmann, H.H. 77 Holenstein, A. 97, 106, 108 f. Imhof, A.E. 54, 118 Ingram, M.JV Farmer, GV Wigley, T.M.L. 59
Irsigler, F. 96
150
Register
Raak, H. 82 f., 85 ff. Kaschuba, W. 77, 117 Kellner, S. 105,107,110 Knapp, G.F. 53, 56, 81 f., 84 f. Knittler, H. 84, 107 Köhler, H.-J. 97, 113 Könnecke, O. 71 Kriedte, P. 35, 61,86, 121 Kriedte, P./ Medick. H./ schlumbohm, J. 54, 93 Kuchenbuch, LV Michael, B. 26 f. Labouvie, E. 119-122 Lange, U. 78 Laslett, P. 63 Laube, A. 97, 99 ff.
Lehmann, H. 59,61,121 Lemmer, M. 70 Le roy ladurie, E. 59, 91 Lienen, B.H. 57,71 Lösche, D. 80 Lorenzen-schmidt, K.-J. 78,105 Lüdtke, A. 109 Lütge, F. 27, 34. 53, 82 f. Macfarlane, A. 121 Maeder, K. 104, 106 Maisch, A. 69 Malowist, M. 91 Mantel, K. 40 Mathieu, J. 65 ff. Maurer, H.-M. 97 Medick, H. 9,56,62 Melton, E. 90,94 Midelfort, E.H.C. 96f 101 Militzer, S. 60 Mitterauer, M. 54, 62, 64-68, 70 Mitterauer. M./ Ehmer, J. 64ff., 68, .
81
Muchembled, R. 117 Münch, P. 119 Niederer, A. 68 North, M. 78, 84, 87, 93 f., 105 Oestreich, G. 102 f., 117 Peters, J. 78, 85, 104, 108f.. 118 Pfister, Ch. 59 ff., 66 Pfister, U. 68 Porsnev, B.F. 104 Postan, M.M. 91 Postel, R. 96
Press. V. 79, 102 f.
Rebel, H. 11, 54. 57, 62, 70-75, 80, 90f„ 104, 111 Reinicke, Ch. 58 Reissner, M. 105 Reyer, H. 109 Richter, J. 77 f. Riehl. W.H. 62,70 Robisheaux, Th. 54, 57, 69, 71 -74. 80,98, 100, 104, 108, HOL, 118 Rosenberg, H. 53,57,91 Rütte, H. v. 116 Rummel, W. 61, 121 Rusinski, W. 87
Saalfeld, D. 53 Sabean, D.W. 54,63,69, 72 f.,80 f., 96
schattkowsky, M. 105,110 Schlegel-matthies, K. 70, 73 Schlögl, R. 11, 49 ff., 54, 63, 74 f. Schlumbohm, J. 6, 11, 46, 69, 72L, 80
Schmale, W. 105 Schmidt, G. 107 Schmidt, H.R. 117,119 Schmitt, S. 75,79 Schnyder-burghartz, A. 54, 80 Schreiner, K. 118 Schremmer, E. 84 Schultz, H. 54, 78. 104L, 108, 110, 112
Schulze, W. 54 f., 93, 98, 101, 103112, 117, 121 Schwarz, H.W. 105 Schwarze, E. 80 Scott, T. 96, 101, 104, 107, HOL, 115L
Scott, T./Scribner, B. 95 ff., 99, 101
Scribner, B. 94f.,97, 113L, 118f. Simsch, A. 87 Slicher van bath, B.H. 2 Smirin, M.M. 99, 115 Steinmetz, M. 96 Sundhausen, H. 88 f.
Theibault, J.C. 81 Toch, M. 26 Topolski, J. 87, 91 f., 94 Trossbach, W. 54, 66, 68-72, 80, 101-104, 107, 109, 111
151
Register Ulbrich.C 67f.,81, 104, 106f., 110,
Vogler, G. 54, 77, 79, 96 f., 99, 101, 103, 106 Vries, J. de 60f.
Weber, Max 27 Weitzel, J. 20 Wiegelmann, G. 57 f., 67 Wohlfeil, R. 99f. Wunder, H. 13, 54, 59, 74 f., 77 ff., 81 f., 94, 109, 112, 118
Wallerstein, 1. 91-95 Weber, Matthias 71,105,108
Zimmermann, C. 104,110
112
Geographisches Register Allgäu 121 Alpenraum
110 Altes Land. Landschaft im Erzstift Bremen 10,31,38 Altmark, Landschaft in Brandenburg 28 Ammergau 10 Anhalt 34
Baden, Markgrafschaften 10, 12, 32, 40
3 f., 7, 9ff., 17, 31 -34, 37-40.46 f., 49 f., 55, 58, 71, 74,84,96, 105, 107, 110 Belm, Osnabrück. Kirchspiel 7f. Bergisches Land 10 Berndorf, Salzburg. Pfarrei 6ff. Biberach, Reichsstadt 36f. Blumenau, Amt im Fürstentum Calenberg 8 f., 11 Brandenburg, Kurfürstentum 4,28 ff.,
Bayern, Herzogtum
105,110
Braunschweig-Wolfenbüttel, Herzog-
33, 38 f., 83 Breisgau 3,5, 10,46 Bremen, Erzstift 10, 31, 33, 38, 40f. tum
Burghausen, bayer. Rentamt 38 Butjadingen, Oldenburg. Landschaft 37,41,46
Calenberg, Fürstentum 5, 8 f., 11, 33 Coburg, Fürstentum 50 Dänemark 41 Dithmarschen 14, 24, 41, 110 Dorfbeuren, Salzburg. Pfarrei 6ff.
Eifel 121 Elbe 28,78,83,92 Elbmarsch 15 Elsaß 5,20f.,43, 76, 95, 114 England 45,58,93, 100
Flandern 58 Franken 10, 17,20ff., 25,28,43,48f,
58,60, 77, 95,
110
Frankreich 45, 58, 87, 93, 100
Freiamt, Markgrafschaft Baden(-Dur-
lach) 12 Friesland 24,28 Fritzlar, Umland 46
Gebersheim, württ. Dorf 7 Genfer See 76
Göttingen, Fürstentum 10, 33 Gottorf, Amt in Schleswig-Holstein 12, 46 Grandenborn, Dorf in Hessen 8f. Graubünden 14,21,41, 115
Grubenhagen, Fürstentum
33
Halberstadt, Umland 10,36 Harzvorland, nördl. 34
Henneberg, Grafschaft 50 Hessen 8f., 10,12,17,23,27,31, 39,47, 50, 121 Hildesheim, Hochstift 5, 33 Hochrhein 42, 104 Hohenlohe, Grafschaft 8-12, 32, 37, 45,47,49,69,71,74, 111, 117 Hohenzollern, Grafschaft 32, 37 Holland 60 Hoya-Diepholz, Grafschaften 33 f.
152
Register
Hunsrück 121 Innerösterreich 43 Innerschweiz 14,17,21,41,115 Italien 87
Kleve-Mark, Herzogtum 10
Landsberg, oberbayer. Landgericht 4 Langenburg, hohenloh. Amt 12, 45 Lausitz 105 Lippe, Grafschaft 34 Liptingen, Dorf in der Landgrafschaft Nellenburg 4 Lüneburg, Fürstentum 33 Luzern, Landschaft 5,48
Magdeburg, Umland 10, 23, 36 Mainfranken 48
Mecklenburg, Herzogtum 28 ff., 48, 50, 58, 90
Memmingen, Reichsstadt 37 Minden, Hochstift 34 Mitteldeutschland 18, 34,44
Mittelfranken 48 f. Mittelmark, Landschaft in Brandenburg 29 f. Mittelthüringen 10 Mosel-Eifel-Raum 21. 121 Mühlhausen i. Th., Umland 31 Münsterland 3, 34
Nellenburg, Landgrafschaft 4, 10, 12, 46 f.
Neumark, Landschaft in Brandenburg 29,90 Niederelsaß 5 Niederlande 58, 60, 100 Niederösterreich 8, 10, 23, 33, 37,63,
HO Niederrhein 3 Niedersachsen 3, 5, 8-11, 14, 17, 31,
33f., 37, 39, 50, 83,89 Norddeutschland 10, 14, 55, 58, 78, 96, 105, 115 Nordfrankreich 58 Nordostdeutschland 3. 10,46,81-95, 96 Nordschweiz 43 Nordseemarschen 2, 10, 14f., 28, 31, 37, 40 f., 46, 48 Nordwestdeutschland 33 f., 87 Nordwesteuropa 86, 92
Oberbayern 4,7,9f., 31,33,36ff., 49,
74, 121 Oberdeutschland 14, 24, 55, 75, 104, 106, 114f. Oberlausitz 30, 105 Oberösterreich 10L, 23, 31,33, 37 ff., 43, 48ff., 71 f., 74ff„ 107, 110
Oberpfalz
48
2, 10,42L, 95, 104 Oberschwaben 10, 23, 31 f., 36 f., 40, 42 f., 104 Ochsenhausen, oberschwäb. Reichsabtei 23 Oberrhein
Österreich 21,33, 37,42f., 45,50,55, 58, 61 f., 72, 84, 104
Oldenburg. Grafschaft 17,41
Osnabrück, Hochstift 6-10, 33 f., 47, 72 f.
Ostdeutschland 18, 28 ff., 31, 35 ff., 44, 55 f., 58, 78,81-95, 105, 112 Ostengland 58 Osterode, ostpreuß. Amt 29 Osteuropa 88,91-95, 112 Ostfriesland 110 Ostholstein 58 Ostpreußen 28 ff., 94 Ostschwaben 10, 17, 31 f., 46 f. Ostschweiz 43
Paderborn, Hochstift 13,33,71 Pfalz 5,21,43,50
Polen 94 Pommern 29 f., 50, 90 Prignitz, Landschaft in Brandenburg 121
To,
34 Rheinhessen 5 Rheinland 3f f., 10, 20, 31 f., 48, 50, 55, 58 Rhein-Mosel-Gebiet 5
Ravensberg, Grafschaft
Rosenheim, oberbayer. Landgericht 4 Rußland 88
Saale 28 Saarraum 120 ff. Sachsen 23, 31,34,39,48, 83,89, 105 Salzburg, Erzstift 6f f., 33, 40, 43, 50 Sankt Blasien, Reichsabtei 32 Sankt Lambrecht, öster. Klosterherrschaft 11 f. Sauerland 48 Schlesien 10, 28. 30, 46, 48, 105
153
Register Schleswig-Holstein, Herzogtümer 3, 10, 12, 14, 28ff.,41,48ff.,56ff. Schrobenhausen, oberbayer. Land-
gericht 38 Schwaben 3,43,49
Schwäbisch-Österreich 40
Schwarzburg, Grafschaft
50 Schwarzwald 10,14,43,104 Schweiz 2, 5, 10, 13f, 17, 21, 31,4148, 50, 56, 59f„ 75, 104, 106, 114 Soldau, ostpreuß. Amt 29 Speyer, Hochstift 118, 121 Sponheim, Grafschaft 121 Stadland, Oldenburg. Landschaft 37, 41 Stavenow, Herrschaft in Brandenburg 89 Stapelholm, Landschaft in Schleswig 10 Stargard, mecklenb. Herrschaft 30 Steiermark 33 Süddeutschland 20, 30, 46, 58 Süderland 31 Südostdeutschland 10, 33 Südwestdeutschland 3 f., 10, 20, 31 f., 42 f., 56, 87, 107, 110
Thüringen 3, 10, 18, 31, 34, 37,43, 46, 48,60, 76, 115 14, 21, 27, 31,40,43, 50,
Tirol 10, 114
Uckermark, Landschaft in Branden-
burg 29,90, 105, Ungarn 88
121
Valley, oberbayer. Herrschaft Vintschgau 10 Vogelsberg 60 Vorarlberg 14,21,40
9
Vorderösterreich 40, 104 Wallis 41
Wangen, württ. Dorf 7 Wasserburg, oberbayer. Landgericht
4, 7,9 Wesermarsch 15 Westdeutschland 3 f., 10, 28, 30, 36, 46, 55, 105, 112 Westerwald 121
Westeuropa 88,91-95,
112
Westfalen 31,34,50 Westschweiz 14, 17, 21 Westthüringen 10
Württemberg, Herzogtum 2,7,10, 17, 31 f., 39 f., 43,46, 49 f., 60, 74 f.
Wursten, Landschaft im Erzstift Bremen
41
Zürich, Landschaft 5, 10, 13, 46 ff.
Trier, Kurfürstentum 121
Sachregister Abgaben, bäuerl.; s.a. Besitzwechselabgaben, Feudalrente, Steuern, Zehnt 19, 22, 26 f., 30-39,41, 73,
87, 89, 95, 106, 108, 111 Agrarerträge 3, 5, 48, 60, 62 Agrarkonjunktur 1, 29ff., 36ff, 44f, 48f., 55 ff, 60, 73, 83, 86ff, 98 Agrarkrise 28, 55 f., 61, 86, 92
Agrarpreise 2, 35, 37,44f., 48 ff.,
56f, 60,62,75, 107 Agrartechnik 2 f., 51, 57-60 Agrarverfassung; s. a. Grundherrschaft.
Gutsherrschaft, Pacht 3,21, 27-10, 43,46, 53, 56, 76,81-95, 106
Agrarzonen 2. 4f. Allmende 4f, 15ff., 19,23,48 Alpwirtschaft 15 Altenteil 9,63,68,74 „Altes Recht"; 108, 111
s. a.
Herkommen 99,
Anerbengebiete, -recht 8-12,39,46f, 69 Antiklerikalismus 95,113,116 Arbeitsrente; s. Fron
154
Register
Ausgedinge; s. Altenteil „Bauernkrieg"von 1525 25,41 ff.,53, 55, 76f., 95-101, 104, 109, 111, 113-116
Bauernlegen 29f., 35, 37 Bauernschaften 14, 17
„Bauernschutz" 23, 34, 38 f., 89 Besitzrechte und -Verhältnisse, bäuerl.; s. a. Erbrecht 2 f., 6, 23, 27-34, 37, 39 ff., 43,56,69,71,78,80, 85,89 f., 93
Besitzwechselabgaben 32 f., 35, 37 Bevölkerung; s. a. Geburt, Heirat 2 f.,
8 f., 17, 28,44ff.,48ff.,54,56, 59 ff., 64,66, 88, 91 ff., 95, 105 Bilder von Bauern 59, 113 Bodenmarkt, -preise 12 f., 44,49, 74 f. Brache 5,48 Bürgertum 31, 76 f., 83, 88, 99 ff., 112, 114f.
Demographie, histor.; s. Bevölkerung Dienste; s. Fron Dienstboten, -leute; s. Gesinde Dorf 1,4, 13-23, 25 f., 46 f., 68, 77, 79ff.. 109ff„ 119-122 Dorffrieden 16, 20 ff., 26, 75 f., 122 Dorf-, Ortsgericht; s. a. Gerichtsgemeinde 16, 20 f., 23, 25 f., 75 Dreifelder-, Dreizelgenbrachwirt-
schaft; s. Felderwirtschaft
Dreißigjähriger Krieg 1,13, 29 f., 38, 49ff.,90, 104, 110
Ehe; s.a. Heirat 71,73, I17f. Ehre 20, 25 f.
Eigenbehörigkeitsrecht 34 Eigenbetrieb 29 Eigenwirtschaft, herrschaftl. 28-35,
37f., 81-87,90, 93, 105 Einkommen, bäuerl. 3,5,34-37,56f., 107 Erbrecht und s. a.
-gewohnheiten, bäuerl.; Anerbengebiete, -recht, Besitz-
rechte und -Verhältnisse, Realtei-
lungsgebiete 3f., 8-13, 23, 26f., 28-34, 39,46,65,68f., 71 f., 93, 106 Ernährung 2, 55 f., 60 Familienwirtschaft, bäuerl.; s.a. „Haus" 3, 5-9, 15, 34 f., 50 f., 54, 56, 62-66, 73, 76, 106
Felderwirtschaft
4f., 13, 15, 48 13 ff., 18, 21, 22,
Feldgemeinschaft 4, 68
Feldgraswirtschaft
2
26f., 55, 76f., 82, 92f„ 96f., lOOf., 106ff., Ulf. Feudalrente; s.a. Abgaben, bäuerl.; Besitzwechselabgaben; Fron; Steuern 26-39, 41,43, 50, 56, 76, 84, 87, 89f., 107 Feudalismus
Fischfang 42 Flucht 44, 103 ff. Forstordnungen 39 f. Fron 16, 19,22,28-38,43 f., 46 f., 71, 81-84, 86f„ 89f„ 93f„ 104-108,
111 Fünffelderwirtschaft 5
Gartenkultur 3f. Geburt 8 f., 16,20,64,66 Geldrente; s. Abgaben, bäuerl. Gemeinde 1, 13-26,40-43, 55, 64,
68, 75-81, 89f., 93-96, 99f., 102, 106, 110f., 114ff., 118, 121 f. Gemeindeämter 14, 16-20, 23 ff., 69, 75
Gemeindebürgerrecht 16 ff., 23 Gemeinde-, Dorfordnungen, -Satzungen; s. a. Weistum 71, 75 f.
14-18,20-23,
Gemeindeversammlung 17-20,23,76 Gerichtsgemeinde; s. a. Dorf-, Ortsge-
richt 14, 17-21,40, 75 f. Gerichtsherrschaft 1, 14, 16, 20-23, 27 f., 32 f.,79, 83 Geschlechterverhältnisse 8f., 17f., 26, 58, 67 f., 73,81 Gesinde 3, 5-9, 29, 39, 46, 65 f., 69, 71, 73 ff.. 84 Gesindezwangsdienst 29, 90 Getreidebau 2-6, 15,45, 48, 51, 57, 65 f., 83, 87,92 „Göttliches Recht" 42, 96, 99f., 113 Großbauern 3f.,6f.,9, 12f., 16f., 33, 36ff„ 45 ff., 56f., 63, 65, 71 f., 74, 79 f., 84, 111 Grundherrschaft 1,4, 10-14, 18,22 f., 27 f., 30-39,41,43 f., 46, 78, 81-85, 87, 105 ff., 109 Gutsherrschaft, -Wirtschaft; s. a. Bauernlegen, Eigenbetrieb, Gesindezwangsdienst, Teilbetrieb 3 f.,
155
Register 28ff., 32-36,44,48, 55, 58, 78, 8195. 105, 108, 112 Handel 29, 44, 60 f., 73, 86 ff., 91 f., 95 Hanftau; s.a. Sonderkulturen 3,10 Häusler; s.a. Schichten, unterbäuerl. 6, 17,63, III „Haus"; s.a. Haus- und Haushaltsstrukturen. Familienwirtschaft, bäuerl. I, 5-9, 13, 16, 26,54,56,62-75, 80.
Knechte; s. Gesinde „Kommunalismus" 76f., 102, 115f. Konfessionalisierung 22,113,116120
Koppelwirtschaft Kredit
48
16, 24,45,49, 73ff.
Landesausbau 4f, 37, 48, 56, 60 Landesdefension 40 f., 102
Landesherrschaft, -fürstentum; s. Terri-
119 Haus- und Haushaltsstrukturen 6-9, II, 54, 62-68, 72 f. Hausväterliteratur 70, 73 Hauswirtschaft 6, 67, 73 Hebamme 17 Heirat; s.a. Ehe 7-12,20,27,32,34, 39,66-69, 71 ff., 81 Herkommen; s. a. „Altes Recht" 27, 44, 108
torialstaat Landes-und Polizeiordnungen 16, 22f.,40, 43, 102, 117 Landhandwerk 6f., 45, 47f., 74 Landschaften 40f., 43, 76, 101 ff. Landsiedelrecht 28, 32 Laßrecht 29,89
Herrschaft; s. a. Abgaben, bäuerl., Agrarverfassung, Gerichts-, Grund-, Guts-, Leibherrschaft. Territorialstaat 1, 14ff., 18f., 20-23,26 f., 41, 75.77, 102, 106, 108 f., 112, 114 Heuerleute; s.a. Schichten, unterbäuerl. 6f., 72f. Hexen 61, 113, 120ff. Hofbauern; s. Großbauern Hofgröße 2ff., 7, 12, 36, 38,45, 56f., 65,90 Huldigung 27, 108 Hungerkrisen 27, 48 ff., 60 f., 74 f.,
106 Löhne 8, 16, 24, 45, 56 f., 62, 74 f., 89 Lohnarbeit 6ff., 29,47,65 f., 74 f., 92, 94
121
Innovationen, agrar.;
Laudemien; s. Besitzwechselabgaben Leibeigenschaft 1,13, 27f., 31 f., 34f., 40-43, 76, 82, 88, 90, 93, 95.
Mägde; s. Gesinde
Markt, -beziehungen 1 f f., 36,44f., 47 f., 56 f., 60-63,65,67, 72-75, 79, 83 f., 86 ff., 90-94, 107, 111
Meierdingsrecht 34 Meierrecht 10 f., 31, 33 f., 36 Mitgift 8,69 „Moralische Ökonomie"
74
Müntzer, Thomas 115 s.a.
Landesaus-
bau 57 ff., 93
Inleute, -wohner; s.a. Schichten, bäuerl. 6, 17,47,66
unter-
Jagd 40,42 Juden 17
Kapitalismus 32,44, 55, 62, 82, 88, 91-94, 97, 100, 107, 112 6-9, 11 f., 29, 39, 64f., 68f.,
Kinder 7 Iff.
Kirchgemeinde,-spiel 14,17,19,
24f.,40ff.,75, 116, 118 Kleinbauern 3 f., 7f., 12f., 17, 31, 37 f., 45 ff., 49, 57, 74, 93, III Klima 2 f., 48 f., 59 ff. Knabenschaften 81
Nachbarn, Nachbarschaft 1, 13, 1518, 21, 25 f., 68, 73
Naturairente;
s. Abgaben, bäuerl. Nutzungssysteme 2, 4L, 59, 66ff.
Obstbau 46
Ökonomik 70,73
„Ökotypen"
65-68
s.a. Pächter 5, 16, 31 ff., 36f., 87, 89, 92 Pächter; s. a. Pacht 4, 20, 36 Pfarrei; s.a. Kirchgemeinde 13, 24f., 116, 118 Pfarrer 24 f.,42, 114, 118 Polizei, „Policey"; s.a. Landes- und
Pacht;
Polizeiordnungen 15,19,22,71, 74
156
Register
Produktenrente; s. Abgaben, bäuerl. „Protoindustrialisierung" 54, 62
Subsistenz 3, 56, 60L, 74f. Suppliken 27, 108 f.
Realteilungsgebiete, -recht 4, 9-12,
Täufertum 113
39, 46 f., 69
Reformation 24 f., 42 f., 70, 76, 95101, 113-117
Repräsentation 14, 39ff., 43, 75f., 101 ff.
Robot;
s.
Fron
Rügegericht 18, 23 Scharwerk; s. Fron Schichten, unterbäuerl.; s.a. Heuerleute, Inleute 2f f., 6, 8, 17, 45 ff., 49, 54, 57, 63, 65 f., 72, 79 f., 111, 122 Schule 20,24 Schwäbischer Bund 43 Sexualität 26, 71 f., 117
46,49, 63, 65 f., 74
Talgemeinden 14,17,21
Teilbetrieb 29, 78, 84, 86, 89 Territorialstaat 1, 12, 16, 19, 22 f., 25, 27, 32-35, 37-41, 43 f., 46, 50, 64, 70ff., 74, 77, 79, 83, 86, 89, 95 f., 98 ff., 102-107, 109 f., 117, 121 Textilgewerbe 3, 6, 47 f. Verwandtschaft 6,12f., 23,63 f., 68f., 72 f. Viehwirtschaft 2,4 f., 15, 34, 57,65 ff. Vierfelderwirtschaft 5
Volksfrömmigkeit, -glaube, -magie
Siedlungsformen 3f., 6f., 13ff., 21, 65 Sittenzucht 22, 25, 117, 119 Söldner; s.a. Kleinbauern 4,
39, 46,49
7ff., 10,
Sonderkulturen 3f., 10, 45 f., 48 Sozialstruktur, ländliche; s.a. Großbauern, Hofgröße, Kleinbauern, Schichten, unterbäuerl. 2-8, 11,17, 39, 44-47, 54-57, 65 f., 72ff., 79ff., 95, 98, 110f., 122
„Sozialdisziplinierung"
Tagelöhner; s. a. Lohnarbeit 6, 10, 39,
117
Spinnstuben 81 Stadt-Land-Beziehungen 1, 3 f., 32,
43 f., 47 f., 74,76,88,93,95 f., 99 ff., 105, 114f. Steuern 1, 16, 23, 27, 33, 35-10, 43,
47, 50, 70f., 73L, 80, 95, 102, 107f.
Stiftungen, kirchl. 24,116,118
115-121 Volkskultur 116-120 Volkskunde 57 ff.
Waidbau 3 Wald 4, 15f., 19, 23, 39f. Weinbau 2 f., 5, 10, 12,46, 65 f. Weistum 18, 21 f.
Widerstand, bäuerl.;
s.a. „Bauern19, 33, 38,40-44, 50, 54f., 76ff., 89L, 93,95-112, 117 Wirt, Wirtschaft 15, 19, 26, 47, 74 Witwe(r) 8f., 17 Wüstungen 28 ff., 37, 48, 83, 86
krieg" von
1525
Zehnt 16,35,37,42,114 Zweifelderwirtschaft 5 Zwölf Artikel; s.a. „Bauernkrieg" 1525 42, 100, 114
von
Enzyklopädie deutscher Geschichte Themen und Autoren Mittelalter Demographie des Mittelalters / Neithard Bulst Agrarwirtschaft, Agrarverfassung und ländliche Gesellschaft im Mittelalter /
Gesellschaft
Werner Rösener
Adel, Rittertum und Ministerialität im Mittelalter / N.N. Die Stadt im Mittelalter / N.N. Armut im Mittelalter / Otto Gerhard Oexle Geschichte des Judentums im Mittelalter / Michael Toch
Wirtschaftlicher Wandel und Ludolf Kuchenbuch
Wirtschaftspolititk im Mittelalter /
Wirtschaft
Die geistige Kultur bis zur Gründung der Universitäten in Deutschland / Johannes Fried Die geistige Kultur im späteren Mittelalter / N.N. Die ritterlich-höfische Kultur des Mittelalters / Werner Paravicini Die materielle Kultur des Mittelalters / Hartmut Boockmann
Kultur, Alltag,
Die mittelalterliche Kirche / Michael Borgolte Religiöse Bewegungen im Mittelalter / Matthias Werner Formen der Frömmigkeit im Mittelalter / Arnold Angenendt
Religion und
Die Germanen / Walter Pohl Die Slawen in der deutschen Geschichte des Mittelalters / Winfried Schich Das römische Erbe und das Merowingerreich / Reinhold Kaiser Das Karolingerreich / N.N. Die Entstehung des deutschen Reiches / Joachim Ehlers Königtum und Königsherrschaft im 10. und 11. Jahrhundert / Egon Boshof Der Investiturstreit / Wilfried Hartmann König und Fürsten, Kaiser und Papst nach dem Wormser Konkordat / Bernhard Schimmelpfennig Deutschland und seine Nachbarn 1200-1500 / Dieter Berg Die kirchliche Krise des Spätmittelalters / Heribert Müller König, Reich und Reichsreform im Spätmittelalter / Karl-Friedrich Krieger Landesherrschaft, Territorien und Frühformen des modernen Staates / Ernst Schubert
Politik, Staat,
Mentalitäten
Kirche
Verfassung
Frühe Neuzeit Bevölkerungsgeschichte und historische Demographie 1500-1800/
Christian Pfister Bauern zwischen Bauernkrieg und Dreißigjährigem Andre Holenstein Bauern 1648-1806 / Werner Troßbach Adel in der Frühen Neuzeit / Rudolf Endres
Krieg /
Gesellschaft
158
Themen und Autoren
Der Fürstenhof in der Frühen Neuzeit / Rainer A. Müller Die Stadt in der Frühen Neuzeit / Heinz Schilling Armut, Unterschichten, Randgruppen in der Frühen Neuzeit /
Wolfgang von Hippel
Unruhen in der ständischen Gesellschaft 1300-1800 / Peter Blickle Geschichte des Judentums vom 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts / N.N. Wirtschaft
Kultur, Alltag,
Mentalitäten
Die deutsche Wirtschaft im 16. Jahrhundert / Franz Mathis Die Entwicklung der Wirtschaft im Zeitalter des Merkantilismus 1620-1800 / Rainer Gömmel Landwirtschaft in der Frühen Neuzeit / Walter Achilles Gewerbe in der Frühen Neuzeit / Wilfried Reininghaus Handel und Verkehr, Banken und Versicherungen in der Frühen Neuzeit / N.N. Medien in der Frühen Neuzeit / Erdmann Weyrauch Bildung und Wissenschaft im 15. und 16. Jahrhundert/ Notker Hammerstein Bildung und Wissenschaft in der Frühen Neuzeit 1650-1800/ Anton Schindling Die Aufklärung / Winfried Müller Lebenswelt und Kultur des Bürgertums in der Frühen Neuzeit / Bernd Roeck Lebenswelt und Kultur der unterbürgerlichen Schichten in der Frühen Neuzeit/N. N.
Religion und Die Reformation. Voraussetzungen und Durchsetzung / Bob Scribner Kirche
Konfessionalisierung im
16. Jahrhundert / Heinrich Richard Schmidt
Kirche, Staat und Gesellschaft im 17. und 18. Jahrhundert / Michael Maurer
Religiöse Bewegungen in der Frühen Neuzeit / Hans-Jürgen Goertz Politik, Staat,
Das Reich in der Frühen Neuzeit / Helmut Neuhaus
Verfassung Landesherrschaft, Territorien und Staat in der Frühen Neuzeit / Winfried Schulze Die Entwicklung der landständischen Verfassung / Kersten Krüger Vom aufgeklärten Reformstaat zum bürokratischen Staatsabsolutismus / Walter Demel
Staatensystem, Das Reich im Kampf um die Hegemonie in Europa 1521-1648 / internationale
Alfred Kohler
Beziehungen Altes Reich und europäische Staatenwelt 1648-1806 / Heinz Duchhardt
19. und 20. Jahrhundert Gesellschaft
Demographie des 19. und 20. Jahrhunderts / Josef Ehmer Geschichte des deutschen Adels im 19. und 20. Jahrhundert / Heinz Reif Geschichte der Familie im 19. und 20. Jahrhundert / Andreas Gestrich Urbanisierung im 19. und 20. Jahrhundert / Klaus Tenfelde Soziale Schichtung, soziale Mobilität und sozialer Protest im 19. und 20. Jahrhundert / N.N. Von der ständischen zur bürgerlichen Gesellschaft / Lothar Gall Das Bürgertum im 19. und 20. Jahrhundert / Dieter Hein Die Angestellten im 19. und 20. Jahrhundert /Günter Schulz
Themen und Autoren
159
Die Arbeiterschaft im 19. und 20. Jahrhundert / Gerhard Schildt Die Juden in Deutschland 1780-1918 / Shulamit Volkov Die Juden in Deutschland 1914-1945 / Moshe Zimmermann
Vorgeschichte, Verlauf und Charakter der deutschen industriellen
Wirtschaft
Kultur, Bildung und Wissenschaft im 19. Jahrhundert / Rüdiger vom Bruch Kultur, Bildung und Wissenschaft im 20. Jahrhundert / N.N.
Kultur, Alltag,
Formen der Frömmigkeit in einer säkularisierten Gesellschaft / Werner K. Blessing Kirche, Politik und Gesellschaft im 19. und 20. Jahrhundert /
Religion und
Revolution / Hans-Werner Hahn Die Entwicklung der Wirtschaft im 20. Jahrhundert / Wilfried Feldenkirchen Agrarwirtschaft und ländliche Gesellschaft im 19. Jahrhundert / Hartmut Harnisch Gewerbe und Industrie im 19. und 20. Jahrhundert / Toni Pierenkemper Handel und Verkehr im 19. Jahrhundert / Karl Heinrich Kaufhold Handel und Verkehr im 20. Jahrhundert / N.N. Banken und Versicherungen im 19. und 20. Jahrhundert / Eckhard Wandel Staat und Wirtschaft im 19. Jahrhundert (bis 1914) / Rudolf Boch Staat und Wirtschaft im 20. Jahrhundert / Gerold Ambrosius Mentalitäten
Lebenswelt und Kultur des Bürgertums im 19. und 20. Jahrhundert / Dieter Langewiesche Lebenswelt und Kultur der unterbürgerlichen Schichten im 19. und 20. Jahrhundert / Wolfgang Kaschuba
Kirche
Gerhard Besier Der Deutsche Bund und das politische System der Restauration 1815-1866 / Wolfram Siemann Verfassungsstaat und Nationsbildung 1815-1871 / Elisabeth Fehrenbach Die innere Entwicklung des Kaiserreichs / Hans-Peter Ulimann Die innere Entwicklung der Weimarer Republik / Andreas Wirsching Nationalsozialistische Herrschaft / Ulrich von Hehl Die Bundesrepublik. Verfassung, Parlament und Parteien / Adolf M. Birke Die Innenpolitik der Deutschen Demokratischen Republik /
Politik, Staat,
Die deutsche Frage und das europäische Staatensystem 1815-1871 / Anselm Doering-Manteuffel Deutsche Außenpolitik 1871-1918 / Klaus Hildebrand Die Außenpolitik der Weimarer Republik / Gottfried Niedhart Die Außenpolitik des Dritten Reiches / Marie-Luise Recker Die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland / Christian Hacke Die Außenpolitik der Deutschen Demokratischen Republik /
Staatensystem.
Günther
Verfassung
Heydemann
N.N.
(Stand: Januar 1996)
internationale
Beziehungen