Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen: Konzepte – Kundeninteraktionen – Geschäftsmodelle [1. Aufl.] 9783658301651, 9783658301668

Dieses Buch zeigt, was unter Auto­matisierung und Personalisierung von Dienstleistungen zu verstehen ist und welche Fra­

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German Pages IX, 522 [503] Year 2020

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Table of contents :
Front Matter ....Pages I-IX
Front Matter ....Pages 1-1
Automatisierung und Personalisierung als Zukunftsdisziplinen des Dienstleistungsmanagements (Manfred Bruhn, Karsten Hadwich)....Pages 3-44
Front Matter ....Pages 45-45
Automatisiert und trotzdem personalisiert – Die Dienstleistung der Zukunft (Rangina Ahmad, Simon Fischer, Christoph Lattemann, Susanne Robra-Bissantz)....Pages 47-72
Kundenintegration im Zeitalter der Digitalisierung – Eine Dienstleistungstypologie automatisierter Personalisierung zur Ableitung von Kundenrollen (Denise Joecks-Laß)....Pages 73-103
Dienstleistungsinnovationen im digitalen Zeitalter – Was sie bremst, was zu tun ist (Johannes Winter)....Pages 105-118
Privacy Concerns – Ursachen, Erscheinungsformen und Implikationen für das Kundenbeziehungsmanagement (Anja Geigenmüller, Antonia Hoebbel)....Pages 121-139
„Wo viel Licht ist, ist starker Schatten“ – Die zwei Seiten der Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen (Manfred Bruhn)....Pages 141-170
Front Matter ....Pages 171-171
Digitalisierung (und Automatisierung) personennaher Dienstleistungen – Eine bibliometrische Analyse (Ricardo Guerrero, Lisa Lohrenz, Christoph Lattemann, Susanne Robra-Bissantz)....Pages 173-197
Service Encounter 1.0 Theories revisited – Development of an Evaluation Scheme to assess their explanatory Relevance in the Service Encounter 2.0 Environment (Marah Blaurock)....Pages 199-225
How Technology is changing Employees’ Roles in the Service Encounter – A Skill-based Analysis (Eva-Helen Krehl)....Pages 227-248
Relevance of Authenticity in the World of Automated Service Encounters (Stephan Olk, Dieter K. Tscheulin)....Pages 251-264
Persönlichkeitsbasierte Personalisierung von Service-Apps (Stefanie Arz, Andreas Mann)....Pages 267-293
Automatisierung von Dienstleistungen zur digital unterstützten Versorgung multimorbider Patienten – Eine qualitative Analyse der Nutzerakzeptanz (Marija Radic, Dubravko Radic)....Pages 295-309
Front Matter ....Pages 311-311
IoT-Geschäftsmodelle für Dienstleistungen in KMU (Marlen Rimbeck, Hannes Reil, Jutta Stumpf-Wollersheim, Michael Leyer)....Pages 313-335
Digitale Geschäftsmodelle im Mittelstand – Status Quo, Chancen, Herausforderungen und Perspektiven (Christian Lerch, Cornelius Moll)....Pages 337-358
Personalisierte Preise für Dienstleistungen (Stefan Roth, Anna Priester, Christopher Pütz)....Pages 361-387
Vom Prozessmodell zum digital erlebbaren Prototypen – Pay-per-Use-Konzept für eine Verpackungsanlage (Christian van Husen, Abdul Rahman Abdel Razek)....Pages 389-412
Front Matter ....Pages 415-415
Smart Services in der Baubranche (Matthias Hille, Freimut Bodendorf)....Pages 417-438
Individualisierung des öffentlichen Verkehrs (Till Ackermann)....Pages 439-462
Last Mile Logistics Reloaded – Automation and Personalization in Electronic Commerce Fulfillment (Maria Madlberger)....Pages 465-488
Automatisierung und Personalisierung von persönlichen Dienstleistungen im Tourismus – Zum Kundenwert der persönlichen Dienstleistung (Pietro Beritelli, Thomas Bieger)....Pages 491-505
Back Matter ....Pages 507-522
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Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen: Konzepte – Kundeninteraktionen – Geschäftsmodelle [1. Aufl.]
 9783658301651, 9783658301668

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Forum Dienstleistungsmanagement

Manfred Bruhn Karsten Hadwich Hrsg.

Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen Konzepte – Kundeninteraktionen – Geschäftsmodelle Band 1

Forum Dienstleistungsmanagement Reihe herausgegeben von Manfred Bruhn, Basel, Schweiz Karsten Hadwich, Stuttgart, Deutschland

Das „Forum Dienstleistungsmanagement“ informiert umfassend über neue Erkenntnisse zu einem aus Sicht von Wissenschaft und Praxis besonders relevanten Schwerpunktthema des Dienstleistungsmanagements. Es bietet einen Einblick in die aktuelle wissenschaftliche Diskussion dieses Schwerpunktthemas, ergänzt durch Praxisbeispiele, in denen Dienstleistungsunternehmen ihre praktischen Erfahrungen mit innovativen Managementmethoden vorstellen.

Weitere Bände in der Reihe http://www.springer.com/series/16386

Manfred Bruhn · Karsten Hadwich (Hrsg.)

Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen Konzepte – Kundeninteraktionen – Geschäftsmodelle Band 1

Hrsg. Manfred Bruhn Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät Universität Basel Basel, Schweiz

Karsten Hadwich Lehrstuhl für Dienstleistungsmanagement Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Universität Hohenheim Stuttgart, Deutschland

ISSN 2662-3390  (electronic) ISSN 2662-3382 Forum Dienstleistungsmanagement ISBN 978-3-658-30166-8  (eBook) ISBN 978-3-658-30165-1 https://doi.org/10.1007/978-3-658-30166-8 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detail­ lierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer Gabler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Vorwort Die Digitalisierung verändert Märkte und Branchen mit einer extrem hohen Geschwindigkeit. Mithilfe neuer Technologien, wie z. B. Künstlicher Intelligenz, Machine-LearningAnsätzen und anderen Ansätzen der Informations- und Kommunikationstechnologie, wie z. B. Social Media, mobilen Applikationen u.a.m., ergibt sich ein breites Spektrum an neuen Formen der gemeinsamen Wertschöpfung von Mensch und Maschine. Diese reichen von ferngesteuerten bis hin zu autonomen Systemen. Die Automatisierung ermöglicht das Angebot und die Erstellung von personalisierten Dienstleistungen zum Preis von Massenprodukten. In der Dienstleistungspraxis ergeben sich durch die verfeinerten Prozesse der Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen und in der Weiterentwicklung der Künstlichen Intelligenz sowohl Chancen, wie z. B. die Entwicklung innovativer Dienstleistungen und Geschäftsmodelle, als auch Risiken, wie z. B. die Reduzierung persönlicher Kontakte zum Kunden. In der Dienstleistungsforschung entsteht ein spannendes Forschungsfeld. So sind z. B. geeignete Managementinstrumente zur Steuerung von automatisierten und personalisierten Dienstleistungen in Ecosystemen zu entwickeln und die kundenseitige Akzeptanz der automatisierten Personalisierung von Dienstleistungen zu analysieren. Vor diesem Hintergrund wird im vorliegenden Sammelband die „Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen“ in den Mittelpunkt der Diskussion gestellt. Damit widmet sich das diesjährige „Forum Dienstleistungsmanagement“ einer in Wissenschaft und Praxis aktuell sehr intensiv diskutierten Fragestellung. Die Relevanz und Aktualität des Themas haben sich auch in der starken Resonanz auf unser Call for Papers bemerkbar gemacht. Die Zahl der interessanten und hochwertigen Einreichungen sowie auch die Vielfalt der beteiligten Disziplinen ist so groß gewesen, dass wir uns entschieden haben, dem Thema zwei Bände zu widmen. In diesen zwei Bänden zeigen mehr als 80 profilierte Wissenschaftler und Vertreter der Praxis, was genau unter Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen zu verstehen ist und welche Fragestellungen und Konzepte zukünftig von Bedeutung sein werden. Im vorliegenden „Forum Dienstleistungsmanagement“ werden die Diskussionen zur Personalisierung und Automatisierung von Dienstleistungen sieben Themenbereichen zugeordnet, die sich in der Gesamtgliederung des „Forums Dienstleistungsmanagement“ wiederfinden: (1) Die Grundlagen und Rahmenbedingungen der automatisierten Personalisierung von Dienstleistungen befassen sich mit dem Begriff sowie technologischen und gesellschaftlichen Bestimmungsfaktoren. (2) Mit automatisierten personalisierten Kundeninteraktionen werden die Einsatzmöglichkeiten von Technologien im Service Encounter diskutiert.

VI

Vorwort

(3) Im Rahmen der digitalen Geschäftsmodelle werden insbesondere personalisierte Preisund Erlösmodelle betrachtet. (4) Mit Methoden und Instrumenten der Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen werden die Besonderheiten und Möglichkeiten von spezifischen Werkzeugen der Automatisierung und Personalisierung aufgezeigt. (5) Ein weiteres Themenfeld befasst sich mit den Potenzialen der Künstlichen Intelligenz bei der Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen. (6) Daraus ergeben sich spezifische Einsatzfelder der Blockchain und des Machine Learning im Dienstleistungskontext. (7) Darüber hinaus werden branchenspezifische Besonderheiten der Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen aufbereitet und Managementimplikationen abgeleitet. In Band 1 werden Konzepte der Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen, automatisierte personalisierte Kundeninteraktionen sowie digitale Geschäftsmodelle behandelt. Band 2 befasst sich mit den Methoden, Potenzialen und Einsatzfeldern der Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen. In beiden Bänden werden jeweils unterschiedliche branchenspezifische Perspektiven aufgezeigt. Insgesamt liegt damit eine sehr umfassende und facettenreiche Erörterung des Themas der Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen vor. Die Beiträge werden in beiden Bänden durch einen Literatur-Service ergänzt, der eine thematisch geordnete Zusammenstellung wichtiger Veröffentlichungen zum Themengebiet beinhaltet. Seit dem Jahr 2016 wird der vorliegende Sammelband durch die Veranstaltung „Forum Dienstleistungsmanagement“ an den Universitäten Basel und Hohenheim ergänzt. Hier greifen Wissenschaftler und Praktiker das aktuelle Thema in Vorträgen und Podiumsdiskussionen auf. Die Website zur Veranstaltung findet sich unter www.forum-dlm.ch. Unser herzlicher Dank für die Projektorganisation und Koordination dieser Ausgabe des Forums geht an Kerstin Sayer, M.Sc., und Denise Joecks-Laß, M.Sc., vom Lehrstuhl für Dienstleistungsmanagement der Universität Hohenheim und an die wissenschaftlichen Hilfskräfte des dortigen Lehrstuhls für die Unterstützung bei der Formatierung der Beiträge. Wir hoffen, dass das „Forum Dienstleistungsmanagement“ auch im Jahre 2020 wiederum sein Ziel erreicht, nicht nur eine aktuelle Forschungsdiskussion im Bereich Dienstleistungsmanagement zu fördern, sondern auch der Praxis dienlich ist und zugleich Wissenschaft und Dienstleistungsmanagern einen zusätzlichen Service-Nutzen liefert.

Basel und Hohenheim

MANFRED BRUHN KARSTEN HADWICH

Inhaltsverzeichnis

Vorwort .......................................................................................................................

V

Teil A: Wissenschaftliche Beiträge Manfred Bruhn und Karsten Hadwich Automatisierung und Personalisierung als Zukunftsdisziplinen des Dienstleistungsmanagements ......................................................................................

3

1. Grundlagen und Konzepte der automatisierten Personalisierung Rangina Ahmad, Simon Fischer, Christoph Lattemann und Susanne Robra-Bissantz Automatisiert und trotzdem personalisiert – Die Dienstleistung der Zukunft .............

47

Denise Joecks-Laß Kundenintegration im Zeitalter der Digitalisierung – Eine Dienstleistungstypologie automatisierter Personalisierung zur Ableitung von Kundenrollen ..............................................................................................................

73

Johannes Winter Dienstleistungsinnovationen im digitalen Zeitalter – Was sie bremst, was zu tun ist ............................................................................................................................... 105 Anja Geigenmüller und Antonia Hoebbel Privacy Concerns – Ursachen, Erscheinungsformen und Implikationen für das Kundenbeziehungsmanagement .................................................................................. 121 Manfred Bruhn „Wo viel Licht ist, ist starker Schatten“ – Die zwei Seiten der Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen ................................................................ 141

VIII

Inhaltsverzeichnis

2. Automatisierte personalisierte Kundeninteraktion Ricardo Guerrero, Lisa Lohrenz, Christoph Lattemann und Susanne Robra-Bissantz Digitalisierung (und Automatisierung) personennaher Dienstleistungen – Eine bibliometrische Analyse ..................................................................................... 173 Marah Blaurock Service Encounter 1.0 Theories revisited – Development of an Evaluation Scheme to assess their explanatory Relevance in the Service Encounter 2.0 Environment................................................................................................................ 199 Eva-Helen Krehl How Technology is changing Employees’ Roles in the Service Encounter – A Skill-based Analysis ................................................................................................ 227 Stephan Olk und Dieter K. Tscheulin Relevance of Authenticity in the World of Automated Service Encounters ............... 251 Stefanie Arz und Andreas Mann Persönlichkeitsbasierte Personalisierung von Service-Apps ....................................... 267 Marija Radic und Dubravko Radic Automatisierung von Dienstleistungen zur digital unterstützten Versorgung multimorbider Patienten – Eine qualitative Analyse der Nutzerakzeptanz ................. 295

3. Digitale Geschäftsmodelle Marlen Rimbeck, Hannes Reil, Jutta Stumpf-Wollersheim und Michael Leyer IoT-Geschäftsmodelle für Dienstleistungen in KMU ................................................. 313 Christian Lerch und Cornelius Moll Digitale Geschäftsmodelle im Mittelstand – Status Quo, Chancen, Herausforderungen und Perspektiven ......................................................................... 337 Stefan Roth, Anna Priester und Christopher Pütz Personalisierte Preise für Dienstleistungen ................................................................. 361 Christian van Husen und Abdul Rahman Abdel Razek Vom Prozessmodell zum digital erlebbaren Prototypen – Pay-per-Use-Konzept für eine Verpackungsanlage ........................................................................................ 389

Inhaltsverzeichnis

IX

4. Branchenspezifische Besonderheiten Matthias Hille und Freimut Bodendorf Smart Services in der Baubranche .............................................................................. 417 Till Ackermann Individualisierung des öffentlichen Verkehrs .........................................................

439

Maria Madlberger Last Mile Logistics Reloaded – Automation and Personalization in Electronic Commerce Fulfillment ................................................................................................ 465 Pietro Beritelli und Thomas Bieger Automatisierung und Personalisierung von persönlichen Dienstleistungen im Tourismus – Zum Kundenwert der persönlichen Dienstleistung ................................ 491

Teil B: Serviceteil Ausgewählte Literatur zum Themengebiet „Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen“ ..................................................................... 509 Stichwortverzeichnis ................................................................................................... 517

Teil A: Wissenschaftliche Beiträge

Manfred Bruhn und Karsten Hadwich

Automatisierung und Personalisierung als Zukunftsdisziplinen des Dienstleistungsmanagements

1. Entwicklungstendenzen des Dienstleistungsmanagements 2. Automatisierung von Dienstleistungen 2.1 Gründe der Automatisierung 2.2 Automatisierungspotenziale bei Dienstleistungen 2.3 Nutzen und Herausforderungen für Dienstleistungsanbieter 2.4 Nutzen und Herausforderungen für Dienstleistungsnachfrager 3. Personalisierung von Dienstleistungen 3.1 Bedeutung der Personalisierung für Dienstleistungen 3.2 Personalisierungspotenziale bei Dienstleistungen 3.3 Nutzen und Herausforderungen für Dienstleistungsanbieter 3.4 Nutzen und Herausforderungen für Dienstleistungsnachfrager 4. Automatisierte Personalisierung von Dienstleistungen als Zukunftsdisziplin des Dienstleistungmarketing 4.1 Bedeutung der automatisierten Personalisierung 4.2 Zentrale Einsatzgebiete für die automatisierte Personalisierung 4.3 Formen der automatisierten Personalisierung 4.4 Ausgewählte Technologien für die automatisierte Personalisierung 4.5 Nutzen und Herausforderungen automatisierter Personalisierung für den Dienstleistungsanbieter und -nachfrager 5. Zukunftsperspektiven der automatisierten Dienstleistungen Literaturverzeichnis

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Bruhn und K. Hadwich (Hrsg.), Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen Forum Dienstleistungsmanagement, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30166-8_1

___________________________ Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Manfred Bruhn ist Professor der Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Marketing und Unternehmensführung, an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Basel und Honorarprofessor an der Technischen Universität München. Prof. Dr. Karsten Hadwich ist Inhaber des Lehrstuhls für Dienstleistungsmanagement am Institut für Marketing & Management der Universität Hohenheim.

1.

Entwicklungstendenzen des Dienstleistungsmanagements

Der Bedeutungszuwachs des Dienstleistungsgeschäfts beruht auf den technologischen Entwicklungen der Digitalisierung der letzten 30 Jahre sowie der wachsenden Bedeutung von Individualität in der Gesellschaft (Brühl 2015). Bestimmende Aspekte der Digitalisierung sind die Entwicklungen in den Informations- und Kommunikationstechnologien sowie deren zunehmende Verbreitung (Bruhn et al. 2019). Dabei beinhaltet die Digitalisierung den vermehrten Einsatz von digitalen Technologien, um Personen, Prozesse, Systeme, Konzepte, Unternehmen sowie deren Produkte und Dienstleistungen miteinander zu verbinden (Coreynen et al. 2017). Für Dienstleistungsanbieter bieten die technologischen Fortschritte der Digitalisierung neue Möglichkeiten für die Entwicklung und Implementierung von Dienstleistungsinnovationen sowie der Steigerung der Effizienz und Effektivität ihrer Leistungs- und Interaktionsprozesse (Coreynen et al. 2017). Das Dienstleistungsmanagement hat – wie auch andere Unternehmensbereiche und Forschungsdisziplinen – daher Wege und Ansätze zu identifizieren, um den mit der Digitalisierung verbundenen Transformationsprozesse erfolgreich zu begegnen. Während die fortschreitende Globalisierung eine immer engere Verzahnung der Volkswirtschaften und Unternehmen zur Folge hatte, sind die Folgen der zunehmenden Digitalisierung und Vernetzung der persönlichen Lebensbereiche sowie die verschwimmenden Grenzen zwischen Privatem und Geschäftlichem erst jetzt erkennbar (Brühl 2015). Zentrale Herausforderungen für viele Unternehmen sind dabei z. B. der wachsende Wettbewerbsdruck, der auch immer häufiger von branchenfremden Unternehmen ausgelöst wird (z. B. in Form von Plattformbetreibern, die sich als Intermediäre zwischen Anbieter und Kunden drängen), die Verkürzung von Entwicklungszyklen von Produkten und Dienstleistungen, das mit den Erfolg von Social Media, Smartphone und dem Internet verbundene veränderte Kommunikationsverhalten vieler Kunden sowie der Wunsch der Kunden nach individuellen und passgenauen Lösungen zu einem angemessenen Preis (Bitner et al. 2000). Daher verfolgen Unternehmen vermehrt das Ziel, ihre Dienstleistungen zu personalisieren. Zeitgleich streben Unternehmen danach, ihre Dienstleistungsprozesse möglichst effizient zu gestalten, z. B. durch einen hohen Standardisierungsgrad, um die Kosten der Dienstleistungserstellung sowie die Komplexität des Managements der Dienstleistungsangebote möglichst gering zu halten. Daher sind Dienstleistungsanbieter ebenfalls bemüht, ihre Dienstleistungsangebote zu automatisieren. Folglich bewegen sich die Dienstleistungsanbieter zunehmend in einem Spannungsfeld zwischen Individualisierung und Automatisierung. Um das Spannungsfeld zwischen Automatisierung und Personalisierung abzuschwächen bzw. aufzulösen, stellen neue Technologien, wie z. B. Künstliche Intelligenz, MachineLearning-Ansätze und Informations- und Kommunikationstechnologien, wie z. B. Social

6

M. Bruhn und K. Hadwich

Media, mobile Applikationen und Big Data Analytics, einen vielversprechenden Ansatz dar. Informations- und Kommunikationstechnologien ermöglichen die immer bessere Produktion und Bereitstellung von individuellen Dienstleistungen (Huang/Rust 2017; Bruhn et al. 2019), da diese mittels automatisierter Informationssammlung und -auswertung den Zeitaufwand und die wirtschaftlichen Aufwendungen deutlich reduzieren. Vor allem die Nutzung von Echtzeitdaten erlauben eine flexible und effiziente Personalisierung der Dienstleistung und tragen zum einen der wachsenden Heterogenität der Märkte und zum anderen der zunehmenden Individualisierung der Gesellschaft Rechnung. Das Paradigma, dass Dienstleistungen nur ein geringes Automatisierungspotenzial aufweisen, löst sich mit der wachsenden Intelligenz der Informations- und Kommunikationstechnologien immer weiter auf. Die bisherigen wissenschaftlichen Beiträge zum Thema Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen können je nach spezifischem Thema sieben Forschungslinien zugeordnet werden, die auch der Gliederung der beiden Sammelbände entsprechen. Das Band 1 gliedert sich aus drei thematischen Forschungslinien: (1) Die Diskussion um die Grundlagen und Rahmenbedingungen der automatisierten Personalisierung von Dienstleistungen befasst sich mit dem Begriff sowie technologischen und gesellschaftlichen Bestimmungsfaktoren. (2) Die automatisierte Personalisierung im Service Encounter diskutiert die Einsatzmöglichkeiten von Technologien im Rahmen der Kunde-Mitarbeitenden-Interaktion. (3) Im Rahmen der digitalen Geschäftsmodelle werden vor allem personalisierte Preisund Erlösmodelle betrachtet. Drei weitere Forschungslinien werden in Band 2 abgebildet: (4) Die Methoden und Instrumente der Automatisierung und der Personalisierung von Dienstleistungen untersuchen die Besonderheiten und Möglichkeiten von spezifischen Werkzeugen zur automatisierten Personalisierung von Dienstleistungen. (5) Ein weiteres Themenfeld befasst sich mit den Potenzialen der Künstlichen Intelligenz bei der Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen. (6) Daraus ergeben sich spezifische Einsatzfelder der Blockchain und des Machine Learning im Dienstleistungskontext. In beiden Bänden werden zuletzt: (7) Branchenspezifische Besonderheiten von automatisierten und personalisierten Dienstleistungen abgeleitet. Folgend werden die Grundlagen zur Automatisierung von Dienstleistungen (Abschnitt 2) sowie der Personalisierung von Dienstleistungen (Abschnitt 3) erläutert. Die Bedeutung der automatisierten Personalisierung, ihrer zentralen Einsatzgebiete sowie die Formen und relevante Technologien werden in Abschnitt 4 diskutiert. Abschnitt 5 beinhaltet die Zukunftsperspektiven der automatisierten Dienstleistungen.

Automatisierung und Personalisierung als Zukunftsdisziplinen

2.

7

Automatisierung von Dienstleistungen

2.1 Gründe der Automatisierung Die Automatisierung stellt die Ausführung einer Tätigkeit mittels einer Technologie bzw. Maschine dar, die vorher von einem Mitarbeitenden ausgeführt wurde (Parasuraman/Riley 1997). Dabei kann der Grad der Automatisierung stark variieren. So können Technologien als Unterstützung für den Mitarbeitenden eingesetzt werden, indem sie häufig einfache und repetitive Aufgaben übernehmen. Des Weiteren sind intelligente Informationssysteme in der Lage, komplexe Entscheidungen zu treffen sowie die dazugehörigen Maßnahmen durchzuführen (Parasuraman/Riley 1997). Der anhaltende Trend zur Rationalisierung sowie die Zielsetzung von Produktivitätssteigerungen gelten dabei als Haupttreiber von Automatisierungsbestrebungen von Unternehmen (Engelhardt/Reckenfelderbäumer 2006). Seine Ursprünge hat die Automatisierung in der Automatisierung von Produktionsprozessen und -anlagen. Dabei ist die Automatisierung in drei Phasen einzuteilen (Langmann 2017): (1) Automatisierung durch Mechanisierung, (2) Automatisierung durch Elektrizität und Elektronik sowie (3) Automatisierung durch Informationstechnologien und Rechentechnik. Im Rahmen der Automatisierung im Dienstleistungskontext werden einzelne Aktivitäten oder alle Aktivitäten im Rahmen des Dienstleistungsprozesses durch automatisierte oder IT-geprägte Informationssysteme ersetzt (Jussen 2012). Auch wenn aufgrund der stärkeren Verknüpfung von physischen und digitalen Komponenten die Automatisierung von Dienstleistungen im letzten Jahrzehnt an Bedeutung gewonnen hat (Jussen 2012), stellt der Einsatz von Technologien im Dienstleistungskontext keinen neuen Trend dar. Vielmehr zeigt sich, dass bereits seit vielen Jahrzehnten die Unternehmen versuchen, mit Hilfe von Technologien Dienstleistungen zu automatisieren (Levit 1976) – so ersetzen z. B. Geldautomaten Bankmitarbeitende. Hierbei sind unterschiedliche Grade der Automatisierung zu unterscheiden: Entweder ist (1) keine Automatisierung vorhanden, (2) die Automatisierungstechnologie unterstützt die Aktivitäten im Rahmen der Dienstleistungen sowie (3) die Technologie übernimmt vollständig jene Aktivitäten, die vorher durch Mitarbeitenden oder Kunden im Rahmen der Dienstleistungserstellung übernommen wurden (Jussen 2012). Dienstleistungen werden automatisiert, wenn es sich um leicht standardisierbare und repetitive Aufgaben handelt, z. B. das Abheben von Geld an einem Bankautomaten. Hinter diesen Prozessen stehen klare Abfolgen und Handlungsstränge, die kaum Variation aufweisen und daher sehr gut von Maschinen umgesetzt werden können (Ding/Key 2016; Huang/Rust 2017). Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Automatisierung von Dienstleistungen noch nicht so weit vorangeschritten ist wie in der Produktion von Sachgütern. Die Bereitstellung und Erbringung von Dienstleistungen ist zum einen durch

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M. Bruhn und K. Hadwich

die Integration eines externen Faktors gekennzeichnet, über den im Rahmen eines automatisierten Dienstleistungsprozesses entweder im Vorfeld bereits sehr gute Kenntnisse über sein voraussichtliches Verhalten vorliegen oder die Automatisierungstechnologie ist in der Lage, situativ zu lernen und zu reagieren. Zum anderen führt der vorhandene immaterielle Anteil von Dienstleistungen ebenfalls zu Herausforderungen bei der Umsetzung von Automatisierungsbestrebungen im Rahmen von Dienstleistungen (Bruhn et al. 2019). Die Bedeutung der Automatisierung sowie die Darstellung des Forschungsstands zur Automatisierung von Dienstleistung wird in einem Beitrag im zweiten Teil von Band 1 diskutiert: Ricardo Guerrero, Lisa Lohrenz, Christoph Lattemann und Susanne Robra-Bissantz zeigen im Rahmen einer bibliometrischen Analyse ein Verständnis des Forschungsstandes über personennahe Dienstleistungen und Digitalisierung sowie Automatisierung zwischen 1971 und 2019. Der Beitrag fasst die Entwicklung der Digitalisierung und Automatisierung personennaher Dienstleistungen der letzten 50 Jahre zusammen und gibt einen Überblick über die einflussreichsten Forschungsrichtungen und Wissenschaftler, die für zukünftige Publikationen in diesem Forschungsgebiet richtungsweisend sein können.

2.2 Automatisierungspotenziale bei Dienstleistungen Das Automatisierungspotenzial von Dienstleistungen ist abhängig von dem Grad der Intensität der Automatisierung, d. h. wie stark eine Dienstleistung ohne das Eingreifen von Mitarbeitenden bereitgestellt und durchgeführt werden kann (Gua et al. 2012). Folglich beinhaltet die Diskussion um die Automatisierung von Dienstleistungen den Einsatz von Technologien zur Unterstützung oder Substitution der Mitarbeitenden in der Dienstleistungsbereitstellung und -ausführung. Das Angebot von Dienstleistungen ist durch drei Phasen gekennzeichnet (Bruhn et al. 2019): (1) dem Dienstleistungspotenzial, (2) dem Dienstleistungsprozess sowie (3) das Dienstleistungsergebnis. Das Dienstleistungspotenzial beinhaltet die intern vorgehaltenen Faktoren sowie deren Kombination, um die Dienstleistungen dem Kunden anbieten zu können – hierzu gehören z. B. im Hotel die Zimmer, das Restaurant als auch die Mitarbeitenden. Der Dienstleistungsprozess stellt die Bereitstellung der Dienstleistung dar und ist durch die Integration des externen Faktors in Form von Menschen, Objekten oder Informationen gekennzeichnet. Die nutzenstiftende Wirkung der Dienstleistung stellt das Dienstleistungsergebnis dar, dessen Grenzen zum Dienstleistungsprozess jedoch fließend sein können (Bruhn et al. 2019). Ausgewählte Beispiele an Technologien, die in den einzel-

Automatisierung und Personalisierung als Zukunftsdisziplinen

9

nen Phasen der Dienstleistungserstellung zur Verfügung stehen, sind in Abbildung 1 dargestellt. Dienstleistung Dienstleistungspotenzial

Automatisierungstechnologien (Beispiele)

„ Technologien zum Sammeln und Auswerten von Daten: Cookies, Beacons, Big Data Analytics, Data Mining, Künstliche Intelligenz

„ Technologien zur Speicherung von Daten: Cloud Computing, CRMSysteme

„ Technologien mit Substitutionseffekt: Self-Service Technologien, Service Roboter

Dienstleistungsprozess

„ Technologien mit Supportfunktion: Recommender Systeme, Big Data Analytics, Künstliche Intelligenz

„ Technologien im Rahmen der Kundenkommunikation: Social Agents und Bots

Dienstleistungsergebnis

Abbildung 1:

„ Konfiguratoren und Self-Design-Technologien Automatisierungstechnologien im Dienstleistungskontext

Jede dieser Phasen bietet unterschiedliche Ansatzpunkte für den Technologieeinsatz, der entweder das Ziel verfolgt, die Mitarbeitenden in den einzelnen Phasen zu unterstützen (Supportfunktion der Technologie) oder zu ersetzen (Substitutionsfunktion der Technologie) (z. B. Froehle/Roth 2004; Larivière et al. 2017; DeKeyser et al. 2019). Des Weiteren ermöglichen Automatisierungstechnologien ebenfalls die zunehmende Vernetzung verschiedener interner und externer Akteure (Vernetzungsfunktion) (Lariviére et al. 2017). Technologien und Automatisierungssysteme werden primär als Unterstützung der Mitarbeitenden im Dienstleistungsprozess eingesetzt (Larivière et al. 2017). Zentrale Einsatzgebiete sind dabei zum einen die direkte Kunde-Mitarbeitenden-Interaktion, die durch unterschiedliche Technologien unterstützt und moderiert wird, und zum anderen die Vorhaltung des Dienstleistungspotenzials. Der Technologieeinsatz in der Interaktion zwischen Mitarbeitenden und Kunden verfolgt das Ziel, die beteiligten Akteure in ihren Aufgaben zu unterstützen und dabei die Qualität der Interaktion zu erhöhen (DeKeyser et al. 2019). Folglich ergeben sich eine Vielzahl an Technologien und Automatisierungssysteme, die im Rahmen des Service Encounters von Bedeutung sind. Hierzu gehören z. B. die Bereitstellung von Apps zur Navigation in Einkaufszentren, Smart-Glasses oder auch Co-Design-Software wie sie z. B. von Ikea eingesetzt wird. Das Dienstleistungspotenzial stellt diejenigen Faktorkombinationen dar, die vom Dienstleistungsanbieter für die Produktion der Dienstleistungen vorzuhalten ist. Neben physischen Mitteln bzw. Hardwarekomponenten spielen dabei auch Informationen, ein gutes Wissensmanagement und das betriebliche Management eine wesentliche Rolle (Huang/ Rust 2017). Hier erlauben Datenbanken und Cloud-Speicher, Informationen strukturiert und zugriffsbereit zu lagern und zu analysieren. Des Weiteren setzen Unternehmen Tra-

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M. Bruhn und K. Hadwich

cking-Technologien zur Analyse des Kaufverhaltens ein, z. B. im E-Commerce, um wertvolle Informationen über den Kunden zu sammeln (Ketelaar/van Balen 2018). Die Substitutionsfunktion der Automatisierungstechnologie verfolgt das Ziel, Handlungen von Mitarbeitenden im Dienstleistungsprozess vollständig zu ersetzen (Marinova et al. 2017). Dies hat zur Folge, dass der Mitarbeitende z. B. in der Interaktion mit dem Kunden durch einen technologie-getriebenen Interakteur wie z. B. ein Social Bot oder einem Self-Check-in ersetzt wird. In diese Kategorie fallen jedoch auch Remote ServiceAngebote von Dienstleistungsanbietern, die den Kunden in der Interaktion ausschließen (DeKeyser et al. 2019). Die technologischen Weiterentwicklungen in den Bereichen Künstliche Intelligenz und Machine Learning erlauben zunehmend auch die Automatisierung von komplexen Dienstleistungen – vom Dienstleistungspotenzial über den Dienstleistungsprozess bis hin zum Dienstleistungsergebnis (DeKeyser et al. 2019). Technologien und autonome Systeme können auch eingesetzt werden, um die Beziehungen und Interaktionen zwischen unterschiedlichen, am Dienstleistungsprozess beteiligten Akteuren, miteinander zu verbinden und zu organisieren (Lariviére et al. 2017). Zentrale Technologien sind hierbei Plattformen und das Internet der Dinge (IoT), die als Intermediäre unterschiedliche Partner zusammenbringen (Porter/Heppelmann 2014). Die Automatisierung von Dienstleistungen stellt dennoch schlussendlich keine „Entweder-Oder“-Entscheidung dar, da Mitarbeitenden und Kunden sich vielfach in der direkten Interaktion mit den Technologien befinden (Engelhardt/Reckenfelderbäumer 2006). Vielmehr ist zu evaluieren, in welchen Bereichen und mit welchen Automatisierungsgrad die Dienstleistungserstellung entweder effizienter, kundenorientierter oder kostengünstiger angeboten werden kann. Vor diesem Hintergrund diskutieren insgesamt vier Beiträge im zweiten Teil von Band 1 die Automatisierungspotenziale von Dienstleistungen: Marah Blaurock bewertet in ihrem Beitrag die erklärende Relevanz von Theorien über Service Encounter 1.0 in der Gegenwart von Service Encounter 2.0. Zu diesem Zweck werden zunächst die Schwerpunktveränderungen von Service Encounter 1.0 zu 2.0 skizziert und die relevantesten Theorien zum Service Encounter 1.0 identifiziert. Es wird ein Bewertungsschema entwickelt, exemplarisch eingesetzt und anhand der Rollentheorie bewertet. Eva-Helen Krehl untersucht in ihrem Beitrag die Rollen und Fähigkeiten der Mitarbeitenden in technologiebasierten Diensten. Die Autorin klassifiziert die verschiedenen Rollen der Technologie in der Servicebegegnung anhand der Archetypen von Keyser et al. (2019) und stellt die von Bowen (2016) und Larivière et al. (2017) identifizierten veränderten Schlüsselrollen der Mitarbeitenden vor, um einen kompetenzbasierten Rahmen für Dienstleistungsmitarbeitenden zu erstellen. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Authentizität positiver emotionaler Darstellungen bei traditionellen Dienstbegegnungen (d. h. Mensch-zu-Mensch-Interaktionen) besonders wichtig ist. Durch die Digitalisierung werden traditionelle zwi-

Automatisierung und Personalisierung als Zukunftsdisziplinen

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schenmenschliche Interaktionen zugunsten von Mensch-Maschine Interaktionen ersetzt. Die vorliegende Studie von Stephan Olk und Dieter K. Tscheulin beantwortet die Frage nach der Relevanz der Authentizität von automatisierten Dienstbegegnungen. Anhand aktueller Forschungsergebnisse und der Ergebnisse einer Moderationsanalyse zeigen die Autoren, dass die Relevanz der Authentizität von der Generierung des Kunden abhängt. Marija Radic und Dubravko Radic beleuchten in ihrem Beitrag die Bedürfnisse aller Benutzergruppen hinsichtlich einer konkreten medizintechnischen IT-Plattform, die älteren multimorbiden Menschen ein unabhängiges Leben ermöglichen soll. Die Plattform verfolgt einen ganzheitlichen Versorgungsansatz, der unter anderem medizinische, soziale und pflegerische Dienstleistungen einer jeweiligen Region miteinander vernetzt und Teile der typischen Arzt-Patienten-Interaktionen automatisiert.

2.3 Nutzen und Herausforderungen für Dienstleistungsanbieter Aus Sicht des Dienstleistungsanbieters stehen dem Nutzen der Automatisierung von Dienstleistungen, z. B. in Form von Effizienzgewinnen, auch deutliche Herausforderungen, z. B. Verlust an Flexibilität, entgegen. Zentrale Motivation hinter den Automatisierungsbestrebungen sind daher Effizienzsteigerungen in der Produktion und Bereitstellung von Produkten und Dienstleistungen (Bitner et al. 2000; Engelhardt/Reckenfelderbäumer 2006; Marinova et al. 2017) sowie die damit verbundenen Kosteneinsparungspotenziale (Bruhn et al. 2019). Dabei liegt das Hauptaugenmerk bei der Entwicklung von Technologien zur Automatisierung von Funktionen und Aufgaben vor allem darin, Arbeit für den Mitarbeitenden zu erleichtern (David 2015). Des Weiteren eröffnet die Automatisierung eine zeit- und ortsunabhängige Bereitstellung der Dienstleistungen sowie ein höheres Standardisierungspotenzial (Bruhn et al. 2019). Durch den höheren Standardisierungsgrad wird ebenfalls eine konstantere Servicequalität erreicht, da individuelle Fehler reduziert werden (Bitner et al. 2000). Die Automatisierung von Dienstleistungen sind für Unternehmen jedoch ebenfalls mit Herausforderungen verbunden: Automatisierte Dienstleistungen beruhen oft auf standardisierten Arbeits- und Prozessschritten und führen demnach zu einem Verlust an Individualität und Flexibilität. Des Weiteren kann die persönliche Note der Dienstleistung verlorengehen (Engelhardt/Reckenfelderbäumer 2006), da die Kunden lediglich mit einer Maschine, die nach vorgeschriebenen Regeln arbeitet und reagiert, interagiert. Zusätzlich ist aus Anbietersicht zu beachten, dass Kundengruppen Berührungsängste im Umgang mit Technologien aufweisen (Engelhardt/Reckenfelderbäumer 2006; Aguirre et al. 2015; Ketelaar/van Balen 2018) und diese daher ablehnen. Auch auf Seiten der Mitarbeitenden können Akzeptanzprobleme entstehen, wenn diese Angst haben, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Zudem sind vielfach zum einen große Investitionen in die ITInfrastruktur zu tätigen und zum anderen sind geeignete Partner zu finden, die das

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Dienstleistungsunternehmen bei der Entwicklung und Bereitstellung von automatisierten Dienstleistungen unterstützen. Verbunden ist mit diesem Umstand eine wachsende Abhängigkeit sowie eine gestiegene Komplexität des Dienstleistungsmanagements (Georgiew et al. 2010).

2.4 Nutzen und Herausforderungen für Dienstleistungsnachfrager Für den Dienstleistungsnachfrager zeigt sich ebenfalls ein differenziertes Bild aus Nutzen und Herausforderungen bei der Inanspruchnahme von automatisierten Dienstleistungen. So entsteht für den Dienstleistungsnachfrager durch die Automatisierung ein Nutzen, weil er die Dienstleistungsangebote besser miteinander vergleichen kann. Aufgrund der mit der Automatisierung einhergehenden Standardisierung erfährt der Dienstleistungsnachfrager eine relativ verlässliche Dienstleistungsqualität (Brühl 2015). Ein weiterer zentraler Vorteil von automatisierten Dienstleistungen ist die ort- und zeitunabhängige Bereitstellung und Produktion der Dienstleistungen. Da die persönliche Interaktion im Rahmen von automatisierten Dienstleistungen im Regelfall auf ein Minimum reduziert wird und die Bereitstellung über 24h verfügbare Informationstechnologien erfolgt, ist der Nachfrager nicht mehr, z. B. auf Öffnungszeiten, angewiesen (Curran et al. 2003). Wissenschaftliche Studien, z. B. Hilton et al. (2013) und Pezoldt und Schliewe (2012), konnten nachweisen, dass Kunden, die Self-Service-Angebote nutzen zum einen diese als effizienter wahrgenommen haben und zum anderen eine höhere Kontrolle über die Qualität der Dienstleistungen empfunden haben. Zu den Herausforderungen zählt, dass die direkte persönliche Interaktion mit Unternehmensmitarbeitenden bei automatisierten Dienstleistungen in der Regel entfällt, sodass jene vom Kunden als unpersönlich und kalt wahrgenommen werden können (Riemer 2002). So ist die Anpassung der Dienstleistungen an den externen Faktor bei den meisten automatisierten Dienstleistungen nur eingeschränkt möglich bzw. erfordert den Einsatz von fortschrittlichen Technologien, die in der Lage sind, menschliches Verhalten sowie Emotionen zu antizipieren. Somit führen automatisierte Dienstleistungen aus Kundensicht meist zu einer Einschränkung der Flexibilität in der Kundeninteraktion. Weitere Herausforderungen, die für den Kunden mit automatisierten Dienstleistungen einhergehen, sind die Unsicherheit mit der Bedienbarkeit der eingesetzten Technologien sowie die Verwendung der zur Verfügung gestellten und gesammelten Daten und Informationen über den Kunden (Parasuraman/Colby 2015).

Automatisierung und Personalisierung als Zukunftsdisziplinen

3.

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Personalisierung von Dienstleistungen

3.1 Bedeutung der Personalisierung für Dienstleistungen Das Paradigma der Effizienzsteigerung und Kostensenkung der Industrialisierung von Dienstleistungen führten in der Vergangenheit bei vielen Unternehmen zu einem Bedeutungsverlust von individuell zugeschnittenen Leistungen (Ball et al. 2006). Einhergehend mit der wachsenden Bedeutung von Individualität in der Gesellschaft sowie den Grenzen des Massenmarketing geriet die Personalisierung von Produkten und Dienstleistungen jedoch seit den 1990er Jahren vermehrt in den Fokus der unternehmerischen Tätigkeiten zurück (Peppers et al. 1999; Ball et al. 2006). Erste umfangreiche Versuche von Unternehmen, personalisierte Leistungen für den Massenmarkt anzubieten, scheiterten jedoch vielfach, da es den Unternehmen nicht gelang, ausreichend Umsatz zu generieren, um die hohen Kosten der Personalisierung zu decken (Goy et al. 2007). Die Verbreitung des Internets sowie die Entwicklung von neuen Informations- und Kommunikationstechnologien, wie z. B. Big Data Analytics, erlauben Unternehmen eine deutlich kosteneffizientere Bereitstellung von personalisierten Produkten und Dienstleistungen, die mit den Preisen von Massenprodukten – im Sinne eines Mass-Customization-Ansatzes – mithalten können (Ball et al. 2006; Anshari et al. 2019). Die Personalisierung stellt die individuelle Anpassung einer Leistung, basierend auf den individuellen Bedürfnissen und Anforderungen des Rezipienten, dar (Tam/Ho 2006; Li 2016) und erfolgt im Dienstleistungskontext meist im Rahmen der Kunde-Mitarbeitenden-Interaktion. Anhand der konstitutiven Merkmalen von Dienstleistungen sind Dienstleistungen grundsätzlich durch eine personalisierte Komponente gekennzeichnet. Zentrale Merkmale von Dienstleistungen sind die Immaterialität der Leistungsbestandteile sowie eine enge Beziehung bzw. Zusammenarbeit zwischen Kunden und Mitarbeitenden (Intensität der Kunde-Mitarbeitenden-Beziehung) (Bruhn et al. 2019). Des Weiteren zeichnen sich Dienstleistungen häufig durch eine hohe Individualität des Leistungsangebots aus (Bruhn et al. 2015), da sich durch die notwendige Integration eines externen Faktors in Form z. B. einer Person, eines Objektes oder auch Informationen der Dienstleistungsprozess als auch das Dienstleistungsergebnis stark vom externen Faktor mitbestimmt wird (Bruhn et al. 2019). Die Mitarbeitenden passen somit die Dienstleistung auf die individuellen Gegebenheiten – bestimmt durch den externen Faktor – an. Dabei kann die Individualisierung der Dienstleistung in Form eines Kontinuums zwischen Standardisierung und vollständiger Kundenorientierung verstanden werden (Bruhn et al. 2015).

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3.2 Personalisierungspotenziale bei Dienstleistungen Ein wesentliches Merkmal von Dienstleistungen ist die Integration eines externen Faktors in Form von Menschen, Objekten oder auch Informationen. Häufig findet daher eine Personalisierung im Rahmen der Interaktion zwischen Mitarbeitenden und Kunden in der Dienstleistungsbereitstellung statt (Mitall/Lassar 1996; Gwinner et al. 2005). Hierbei kann der Mitarbeitende entweder den Interaktions- und Kommunikationsprozess, z. B. in Form von persönlicher Ansprache und Kommunikation (Bettencourt/Gwinner 1996), personalisieren, oder die vom Kunden eingebrachte Informationen nutzen, um die Dienstleistung für den Kunden zu personalisieren (Glass/Callahan 2015), indem die Dienstleistung an die situativen und persönlichen Rahmenbedingungen des Kunden anpasst (Shen/Ball 2009; Li 2016). Hierbei nutzt der Dienstleistungsmitarbeitende, ihm zur Verfügung gestellte Informationen sowie sein persönliches Wissen, um auf seinen Kunden individuell zu reagieren, z. B. indem der Mitarbeitende den Kunden persönlich mit den Namen anspricht oder Inhalte aus vorherigen Begegnungen wieder aufgreift (Bitner et al. 2000). Zusätzlich zu dem persönlichen Wissen und Erfahrungen des Mitarbeitenden mit dem Kunden, können das Abrufen von Kundeninformationen über Datenbanken während der Kundeninteraktion den Mitarbeitenden unterstützen, individuelle Beratung und Hilfe oder Angebote für den Kunden zu unterbereiten (Ansahri et al. 2019). Im Zuge der Digitalisierung stehen Unternehmen Informations- und Kommunikationstechnologien zur Verfügung, die sie sowohl bei der Sammlung und Auswertung von Kundeninformationen unterstützen als auch eine Bereitstellung von Echtzeitdaten ermöglichen, die die Unternehmen zur genaueren Personalisierung ihrer Dienstleistungen einsetzen können (Falter et al. 2018). Elektronische Dienstleistungen, die vornehmlich über das Internet vertrieben werden, generieren dabei einen wertvollen Datenschatz über den Kunden, der neben der Ableitung von Präferenzen auch durch z. B. aktuelles Kaufoder Klickverhalten entsteht. Es somit nicht verwunderlich, dass sich vor allem viele elektronische Dienstleistungen durch einen hohen Personalisierungsgrad auszeichnen (Goy et al. 2007). Der folgende Beitrag im zweiten Teil von Band 1 zeigt auf, wie persönlichkeitsbezogene Informationen genutzt werden können: Stefanie Arz und Andreas Mann beschreiben in ihrem Beitrag die Grundlagen und Gestaltungsmöglichkeiten einer Personalisierung auf der Grundlage von Persönlichkeitsmerkmalen der App-Nutzer. Ausgehend von den Ergebnissen einer empirischen Untersuchung bei 230 Probanden/-innen geben sie außerdem Hinweise für die praktische Umsetzung einer persönlichkeitsbasierten Personalisierung. Eine weite Verbreitung von Personalisierungsangeboten ist bei den so genannten Onlinebzw. Web-Dienstleistungen zu beobachten. Aufgrund der umfangreichen Kundendaten und -informationen, die die Kunden bei der Suche und Nutzung von Online-Diensten erzeugen, können z. B. das Design von Websites an die Bedürfnisse und Anforderungen der Kunden angepasst werden (Taylor/Davis/Jillapalli 2009). Zusätzlich können OnlineDienste genutzt werden, um ein Produkt selbst zu personalisieren, z. B. ermöglicht der

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Sportartikelhersteller Adidas den Kunden, ihren eigenen Schuh mittels eines OnlineKonfigurator zu designen (Adidas 2019). Personalisierung kommt auch dann immer zum Einsatz, wenn es darum geht, den Kunden in seinem Entscheidungsverhalten zu unterstützen und der Informationsüberlastung, dem so genannten Information Overload, zu begegnen. Der Information Overload beschreibt einen Zustand der Überforderung für den Kunden, wenn dieser aufgrund der großen Menge an Informationen nicht mehr in der Lage ist, diese angemessen zu verarbeiten (Lurie 2004). Die Personalisierung stellt hierbei ein Instrument für Unternehmen zur Reduzierung der Entscheidungs- und Suchkosten dar und wird häufig im ECommerce-Handel eingesetzt. So stellen Unternehmen den Kunden entweder nur diejenigen Informationen zu Verfügung, die für diese von Bedeutung sind, oder es werden den Kunden passende Produkte oder Dienstleistungen empfohlen (Shahabi/Chen 2003). Zentrale Herausforderung um sich im Wettbewerbsumfeld zu behaupten, ist aus Unternehmenssicht die Sicherstellung einer wahrnehmbaren Differenzierung im Wettbewerb (Bruhn et al. 2019). Personalisierung ist hier als Marketingstrategie zu verstehen, die mittels personalisierter Leistungen zum einen die Kundenzufriedenheit und somit langfristig die Kundenbindung steigert (z. B. Ball et al. 2006) und zum anderen die Wechselkosten des Kunden erhöht. Für den Kunden ist ein Anbieterwechsel bei der Inanspruchnahme von personalisierten Dienstleistungen mit hohen Kosten verbunden, da dieselbe Qualität der Dienstleistung nur durch die Bereitstellung relevanter Informationen sowie dem längerfristigen Lernen des neuen Anbieters über den Kunden erreicht werden kann (Riemer 2002).

3.3 Nutzen und Herausforderungen für Dienstleistungsanbieter Aus Sicht des Dienstleistungsanbieters stehen dem Nutzen der Personalisierung von Dienstleistungen, z. B. höhere Kundenzufriedenheit, auch deutlichen Herausforderungen, z. B. Datenschutzbedenken auf Seiten der Kunden, entgegen. Zum einen nutzen Dienstleistungsanbieter personalisierte Dienstleistungen, um die Angebotsvielfalt zu erhöhen, und zum anderen versuchen sie durch den mit der Personalisierung verbundenen Mehrwert („Added Value“) eine stärkere Differenzierung von Wettbewerbern in der Wahrnehmung der Kunden zu erreichen (Thirumalai/Sinha 2013). Personalisierte Dienstleistungen ermöglichen den Unternehmen, die Kundenzufriedenheit und -bindung zu steigern (Shen/Ball 2009). So haben z. B. die Autoren Ball, Coelho und Vilares (2006) einen positiven Zusammenhang zwischen personalisierten Dienstleistungen und Kundenzufriedenheit sowie -bindung nachgewiesen. Der dahinterliegende Wirkungsmechanismus nimmt an, dass eine personalisierte Dienstleistung die Bedürfnisse und Anforderungen des Kunden besser abbildet und damit die Zufriedenheit mit der angebotenen Dienstleistung erhöht. Zusätzlich ermöglichen personalisierte Dienst-

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leistungen die Durchsetzung von höheren Preisen sowie eine bessere Abschöpfung von Zahlungsbereitschaften (Arora et al. 2008). Trotz der mit der Personalisierung verbundenen Chancen und Nutzen sind viele Personalisierungsinitiativen von Unternehmen, z. B. Levi Strauss’s „Original Spin“ Jeans und Mattel’s „My Design Barbie“ (Franke et al. 2009) gescheitert (Ansari/Mela 2003). Dies zeigt, dass die Entwicklung und die Implementierung von personalisierten Dienstleistungen für Anbieter auch mit Herausforderungen verknüpft sind. Grundlage von personalisierten Dienstleistungen sind das Wissen und Know-how über den Kunden, um die Dienstleistung auf die Bedürfnisse und Anforderungen der Kunden anzupassen. Jedoch stehen den wachsenden Informationsbedürfnissen der Anbieter die kundenseitigen Datenschutzbedenken und deren mangelnde Bereitschaft, Informationen zu teilen, gegenüber (Murthi/Sakar 2003; Chellappa/Sin 2005). Die Bedenken der Kunden hinsichtlich des Datenschutzes sind vor allem in Zuge der in der jüngeren Vergangenheit aufgedeckten Verletzung des Datenschutzes, wie z. B. bei Facebook, stark in den Fokus der Kunden gerückt (Awad/Krishnan 2006; Norberg et al. 2007). Dabei bezieht sich der Datenschutz sowohl auf die Sicherung der Daten vor unerlaubten Zugriffen als auch auf die rechtswidrige Weitergabe und den Verkauf von Informationen an Dritte (Kappes 2007). Ebenfalls haben Unternehmen die Kunden zu überzeugen, beziehungsspezifische Investments für das personalisierte Angebot zu tätigen (Riemer/Totz 2003). Gewährleistet die personalisierte Dienstleistung einen ausreichenden wahrgenommen Zusatznutzen für den Kunden, rücken die Datenschutzbedenken in den Hintergrund und Kunden sind gewillt die notwendigen Informationen dem Unternehmen zur Verfügung zu stellen (Privacy Paradox) (Awad/Krishnan 2006; Norberg et al. 2007). Eine zentrale Herausforderung bei der Bereitstellung und Erbringung von personalisierten Dienstleistungen ist es, den richtigen Grad der Personalisierung für den passenden Kunden zu identifizieren und zu bestimmen. Nicht jeder Kunde ist an einer personalisierten Leistung interessiert und möchte daher auch keine hierfür notwendigen Informationen zur Verfügung stellen (Riemer 2002; Chen/Popovich 2003). Die Personalisierung von Dienstleistungen ist für Unternehmen mit spezifischen Investments, z. B. in Personal, verbunden. Die individuelle Anpassung der Dienstleistung an die individuellen Charakteristika, Erwartungen und Bedürfnisse der Kunden werden meist durch den Dienstleistungsmitarbeitenden in der jeweiligen 1:1-Situation übernommen (Surprenant/Solomon 1987; Bettencourt/Gwinner 1996). Dies setzt z. B. eine detaillierte Konsumentenforschung und -analyse zur anschließenden Kundensegmentierung voraus. Um diese Aufgaben adäquat zu erfüllen, sind Investitionen in gezieltes Personalmanagement und Training der Mitarbeiter von beachtlicher Bedeutung (Bettencourt/Gwinner 1996).

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3.4 Nutzen und Herausforderungen für Dienstleistungsnachfrager Wie für den Dienstleistungsanbieter zeigt sich auch für den Dienstleistungsnachfrager, dass personalisierte Dienstleistungen mit Chancen und Herausforderungen für diesen verbunden sind. Der Nutzen von personalisierten Dienstleistungen liegt aus Nachfragersicht in der Befriedigung von individuellen Bedürfnissen sowie den damit verbundenen Mehrwert. Zudem erlaubt eine personalisierte Dienstleistung dem Kunden, seine Transaktionen deutlich effizienter umzusetzen sowie seine Entscheidungskomplexität zu reduzieren. Personalisierte Dienstleistungen ermöglichen dem Kunden, sein Bedürfnis nach Individualität und Einzigartigkeit zu befriedigen sowie ein damit verbundenes Bild bzw. Image an die Außenwelt zu transportieren (Lynn/Harris 1997; Fan/Poole 2006). Ein wesentlicher Vorteil der Personalisierung von Dienstleistungen aus Nachfragersicht ist ebenfalls die Unterstützungsfunktion, die durch die Personalisierung erreicht wird. So reduziert eine personalisierte Dienstleitung die Informationsüberlastung und führt für den Kunden zu einem verkürzten und erleichterten Entscheidungsprozess und schlussendlich zu einer höheren Effektivität der Transaktion (Stüber 2011). Dabei kann in diesem Zusammenhang auch von einer Kostenreduktion in Form von geringeren Such-, Risiko- und Transaktionskosten gesprochen werden (Wind/Rangaswamy 2001; Thirumalai/Sinha 2013). Für den Nachfrager sind die zunehmenden personalisierten Angebote der Dienstleistungsanbieter auch mit spezifischen Herausforderungen verbunden. So führt eine stetige Zunahme von personalisierter Leistungen zu einer mangelnden Vergleichbarkeit der Dienstleistungsangebote. Durch die Personalisierung können die Leistungsbestandteile der Dienstleistungen nur schwer verglichen werden. Daher können auch weniger verlässliche Urteile über die Angemessenheit des Preises getroffen werden (Brühl 2015). Des Weiteren haben Dienstleistungsnachfrager dem Dienstleistungsanbieter einen hohen Grad an Vertrauen gegenüberzubringen (Ball et al. 2006; Norberg et al. 2007). Die Personalisierung von Dienstleistungen beruht auf den vom Kunden aktiv oder passiv zur Verfügung gestellten Informationen. Von entscheidender Bedeutung wird sein, ob Kunden dem Dienstleistungsanbieter gegenüber das Vertrauen haben, dass dieser sorgfältig und verantwortungsbewusst mit den Daten umgeht und diese nicht missbräuchlich verwendet, verkauft und mit anderen Parteien teilt.

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4.

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Automatisierte Personalisierung von Dienstleistungen als Zukunftsdisziplin des Dienstleistungmarketing

4.1 Bedeutung der automatisierten Personalisierung Die wachsenden Bemühungen von Dienstleistungsanbietern, ihre Dienstleistungen zunehmend zu automatisieren, um Kosten zu reduzieren sowie den Kunden ein orts- und zeitunabhängiges Angebot anzubieten, führt zu einem höheren Standardisierungsgrad der Dienstleistung, der das Risiko beinhaltet, dass die mit Dienstleistungen verbunden Differenzierungswirkungen verlorengehen (Reichwald et al. 2012). Ein probates Instrument, um eine ausreichende Differenzierung vom Wettbewerb sicherzustellen, ist eine möglichst individuelle Ansprache der Kunden sowie die Bereitstellung von Dienstleistungen, die möglichst genau den Bedürfnissen und Anforderungen der Kunden entsprechen, d.h. die Dienstleistungen zu personalisieren (Riemer 2002). Aus dem Business-toConsumer-Bereich sind bereits einige erfolgreiche Beispiele bekannt, bei denen mit Hilfe von Automatisierung bzw. dem Einsatz von neuen Technologien ein personalisiertes Produkt schnell und effizient hergestellt wird. So eröffnete der Sportartikelhersteller Adidas vor vier Jahren zwei so genannte Speed Factories, in denen die Kunden schneller und individueller mittels Produktkonfiguratoren und 3D-Druck-Verfahren sich ihre eigenen Schuhe designen und produzieren lassen können (Adidas 2019). Auch wenn Automatisierung und Personalisierung unterschiedliche Ziele verfolgen, zeigt sich jedoch, dass beide Bereiche miteinander verbunden werden können. Technologien ermöglichen eine schnelle und effiziente Bereitstellung einer personalisierten Leistung (Ansari/Mela 2003; Versanen 2007; Ball et al. 2009). Die Automatisierung der Dienstleistungsbereitstellung kann als Instrument zur effizienten Bereitstellung von personalisierten Dienstleistungen angesehen werden (Leimeister 2012). Dabei ist zu unterscheiden, ob sich die Automatisierung auf die Bereitstellung von Informationen und deren Auswertung oder auf die Durchführung der personalisierten Dienstleistungen bezieht. So können z. B. die für die Personalisierung der Dienstleistungen notwendigen Informationen und Daten des Kunden mit Hilfe moderner Informationstechnologien in kurzer Zeit und mit geringem Aufwand gesammelt und den Dienstleistungsmitarbeitenden für die Personalisierung der Dienstleistungen zur Verfügung gestellt werden (Anshari et al. 2019). Mit der zunehmenden Verbreitung von digitalen Geräten (vor allem mobilen Endgeräten wie z. B. Smartphones) und der hohen Internetdurchdringung stehen den Unternehmen inzwischen eine Vielzahl an unterschiedlichen Daten und Informationen über den Kunden zur Verfügung (Glass/Callahan 2015). Zeitgleich existieren ausreichend Rechnerkapazitäten, um Informationen und Daten effizient und schnell auszuwerten, um diese für die Personalisierung von Dienstleistungen zu nutzen (Mülling 2019). Diese Rahmenbedingungen stellen daher optimale Voraussetzungen dar, um die Automatisierung von personalisierten Dienstleistungen voranzutreiben. Dabei stellen die vielfältigen Informa-

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tionen eine zunehmende Kundenorientierung sicher, die zum einen den Aufbau von langfristigen Kundenbeziehungen ermöglichen und zum anderen die Wechselkosten der Kunden erhöhen. Neben der Sicherstellung der Kundenorientierung und Stärkung der Kundenbeziehung gehen mit automatisierten und personalisierten Dienstleistungen häufig Anpassungen des Geschäftsmodells, insbesondere des Preis- bzw. Erlösmodells einher. Der Einsatz von modernen Informations- und Kommunikationstechnologien generiert für den Kunden einen zusätzlichen Nutzen, der aus der intelligenten Vernetzung von Produkten, Dienstleistungen und Informationstechnologien entsteht (Porter/Heppelmann 2014). Dabei ermöglichen Automatisierungstechnologien Geschäftsmodelle neu zu denken. Ebenfalls erlaubt die Automatisierung dynamischere und kundenorientiertere Preis- und Erlösmodelle. So können Unternehmen sich entscheiden, ob sie nur bestimmte Leistungen bepreisen, wie z. B. bei den so genannten Freemiummodellen, bei denen eine kostenlose Basisleistung durch kostenpflichtige Zusatzleistungen ergänzt wird, oder ob sie eine Personalisierung des Preissystems vornehmen. Die Entwicklung und Implementierung von neuen Geschäftsmodellen sowie Preis- und Erlösmodellen im Rahmen der automatisierten Personalisierung werden in vier Beiträgen im dritten Teil von Band 1 diskutiert: Die Einführung des Internet der Dinge erweitert die Möglichkeiten der Dienstleistungserbringung und ist aber gerade für KMUs eine große Herausforderung. In diesen stehen oft wenige Ressourcen für eine systematische Veränderung des Geschäftsmodells, die mit grundlegenden Auswirkungen auf Organisationsstruktur und Mitarbeiter einhergeht. Marlen Rimbeck, Hannes Reil, Jutta Stumpf-Wollersheim und Michael Leyer geben in ihrem Beitrag eine Übersicht und Analyse dieser Herausforderungen und zeigen Handlungsempfehlungen auf, welche Aspekte am meisten Beachtung in KMU bei der Einführung des Internet der Dinge bedürfen. Christian Lerch und Cornelius Moll gehen der Frage nach, in welchem Maße bereits heute kleine und mittelständische Unternehmen digitale Geschäftsmodelle entwickeln und anbieten. Hierfür analysieren sie auf Basis einer quantitativen Betriebsbefragung, welche Entwicklungsaktivitäten derzeit existieren und welche digitalen Technologien bei Geschäftsmodellangeboten eingesetzt werden. Zuletzt werden auf Basis der Ergebnisse Erfolgsfaktoren und Handlungsempfehlungen zur Steigerung der Innovationsfähigkeit mit digitalen Geschäftsmodellen abgeleitet. Stefan Roth, Anna Priester und Christopher Pütz diskutieren Geschäfts- und Erlösmodelle im Rahmen der Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen. Die Autoren eruieren die Potenziale der Digitalisierung sowohl für personalisierte Dienstleistungen als auch für innovative Preissysteme. Des Weiteren werden Implikationen personalisierter Preise erörtert, die zum einen aus der Verwendung personenbezogener Daten und zum anderen aus der Wahrnehmung und Akzeptanz des Preissystems resultieren.

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M. Bruhn und K. Hadwich Christian van Husen und Abdul Rahman Abdel Razek stellen in ihrem Beitrag ein Konzept zum Service Prototyping mit vier Design-Dimensionen vor, um Dienstleistungen bereits im Entwicklungsprozess erlebbar zu machen. Sie widmen sich insbesondere der Prozessdimension, die im Prototyping eine besondere Herausforderung darstellt. Am Beispiel eines Produkt-Service-Systems im Pay-per-Use-Konzept untersuchen sie den Einsatz immersiver Technologien für das Service Prototyping. Prototypen mit Hilfe von Augmented, Mixed und Virtual Reality werden verglichen und für verschiedene Anwendungszwecke Empfehlungen gegeben.

4.2 Zentrale Einsatzgebiete für die automatisierte Personalisierung Automatisierte Personalisierung von Dienstleistungen eröffnet den Unternehmen im Sinne eines Mass-Customization-Ansatzes (Hart 1996; Piller 2004), der die Bereitstellung von personalisierten Dienstleistungen zum Stückpreis von Massenprodukten verfolgt, die Chance, ihren Kunden individuelle Dienstleistungen schnell und effizient anzubieten. Häufig wird die automatisierte Personalisierung von Dienstleistungen bereits im Online-Handel bzw. E-Commerce eingesetzt. Aufgrund der weiten Verbreitung des Internet sowie den umfangreichen Daten und Informationen, die den Händlern im Online-Geschäft zur Verfügung stehen, können die Unternehmen zielgenau auf den Kunden ausgerichtete Leistungen entwickeln und anbieten (Porter/Heppelmann 2014; Cohen 2018). Neben Recommender Systemen, also der automatischen Empfehlung von Produkten und Dienstleistungen (Shahabi/Chen 2003), werden auch häufig OnlineKonfiguratoren eingesetzt, um den Kunden die Personalisierung eines Produktes oder Dienstleistung zu ermöglichen (Franke/Schreier 2010). Des Weiteren werden Unternehmensprozesse mit Hilfe von Automatisierungstechnologien standardisiert und effizient gestaltet, um die kostendeckende Bereitstellung von Dienstleistungen zu ermöglichen (Schöler 2004). Dabei können die Technologien in unterschiedlichen Prozessen mit verschiedenen Aufgaben bzw. Funktionen betraut werden. So können im Rahmen der Entwicklung von Dienstleistungen Technologien den Entwicklungsprozess beschleunigen oder die Vertriebsprozesse verbessern. Vor dem Hintergrund behandeln insgesamt drei Beiträge im ersten Teil von Band 2 Automatisierungstechnologien als Instrument für die automatisierte Personalisierung: Um personennahen Dienstleistungen weiterzuentwickeln und in ihrem Umfeld soziale und technische Innovationen zu generieren, ist ein kundenwertorientierter Ansatz im Zusammenspiel mit dem Einsatz neuer Technologien von Bedeutung. Anhand einer aus der Theorie verschiedener Wissenschaften hergeleiteten Betrachtung identifizieren Susanne Robra-Bissantz, Christoph Lattemann, Ricardo Guerrero, Anna Maria Lux, Beke Redlich und Simon Fischer hierfür relevante Einflussfaktoren. Die ‚Service Canvas‘ stellt im Ergebnis einen anwendungsorientierten Bezugsrahmen dar, der sowohl die Potenziale der Digitalisierung berücksichtigt, als auch den Menschen als Teil der Innovation einbezieht.

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iKnow ist ein Modell zur formalen Repräsentation von Wissen mit dem Ziel der Interferenzbildung und Problemlösung. Anne Füßl, Volker Nissen, Franz Felix Füßl und Simon Dopf entwickeln in ihrem Beitrag iKnow als Werkzeug zur automatisierten Analyse von Geschäftsprozessmodellen im Rahmen von Beratungsprojekten weiter. Prozessmodelle werden auf Basis von Analysekriterien hinsichtlich vorhandener Schwachstellen untersucht, um anschließend geeignete Verbesserungsmaßnahmen automatisiert ermitteln zu können. Darüber hinaus werden kontextbezogene Prozessinformationen sowie Expertenwissen durch die maschinellen Lernansätze von iKnow so integriert, dass diese die automatisierte Geschäftsprozessanalyse stetig verbessern. Digitale Dienstleistungen und der Einsatz von Technologien ermöglichen dem Vertrieb seine Produktivität und Effizienz zu steigern. Es stellt sich jedoch Frage, welche Technologie bzw. welches digitales Instrument in welcher Situation einzusetzen ist. Semih Akkaya und Michael Hepp untersuchen die Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung im Vertriebskontext und erörtern, wie digitale Dienstleistungen existierende Vertriebsprozesse verbessern und die Produktivität steigern. Im dritten Teil von Band 2 stellen insgesamt drei Beiträge die Einsatzfelder der Blockchain und des Machine Learning dar: Fabian Schär und Philipp Hübner betrachten die Funktionsweise und die besonderen Charakteristika der Blockchain-Technologie und Smart Contracts. Sie analysieren deren Eigenschaften und untersuchen, wie sich diese auf die betriebswirtschaftliche Anwendbarkeit auswirken und zeigen Potenziale sowie Grenzen der Technologie im Kontext der Prozessautomatisierung auf. Nach einer theoretischen Analyse untersuchen sie die Charakteristika anhand beispielhafter Anwendungen der verschiedenen Wirtschaftssektoren. Sie kommen zum Schluss, dass die Breite der Anwendbarkeit überschätzt wird und in vielen Fällen enorme Abhängigkeiten bestehen. Kann die Blockchain hingegen in einem Bereich sinnvoll genutzt werden, dürften die Implikationen deutlich weitreichender ausfallen als dies zumeist dargestellt wird. Die Blockchain-Technologie gilt bei vielen Experten in Wissenschaft und Praxis als potenzieller Game Changer in Wirtschaft und Gesellschaft. Allerdings sind viele ihrer Anwendungsmöglichkeiten bisher kaum erkundet. Florian Oliver Knauer und Andreas Mann zeigen anhand einer Smartphone-Reparatur exemplarisch auf, wie sich eine klassische Customer Journey durch den Einsatz blockchain-basierter Anwendungen grundlegend wandelt und zur Reduktion von Kaufrisiken führen kann. Hieraus ergeben sich für Dienstleistungsanbieter erhebliche Implikationen für das Empfehlungs-/Reputations-, Integrations- und Customer Relationship Management. Uwe Messer und Stefan Faußer bieten einen systematischen Ansatz für die Einführung des maschinellen Lernens in Serviceprozessen und entwickeln einen maschinellen Lern- und Infusionsrahmen. Dieser Rahmen kann als Ausgangspunkt für For-

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M. Bruhn und K. Hadwich scher dienen und informiert Entscheidungsträger über die Einführung von Prinzipien des maschinellen Lernens in die Dienstleistungsaufgaben.

Automatisierte Personalisierung spielt auch eine bedeutende Rolle in Bereichen der so genannten „Smart-Branchen“, wie z. B. Smart Mobility, Smart Homes und Smart Citys. Aufbauend auf modernen Informations- und Kommunikationstechnologien erfolgt, z. B. im Kontext der Mobilität, eine weitgehende Vernetzung zwischen unterschiedlichen Mobilitätsanbietern, wie z. B. der Bahn und verschiedenen Car-Sharing-Betreibern (Wolter 2012). Die weitreichenden Verflechtungen der verschiedenen Akteure und Nutzer wird im Regelfall mit Hilfe einer Plattform organisiert, deren Daten und Informationen genutzt werden, um z. B. Fahrgäste des öffentlichen Personennahverkehrs die schnellste und bestmöglichste Kombination an Mobilitätslösungen aufgrund seiner Präferenzen und Zielvorgaben anzubieten (Baumann/Plüschner 2016). Ein Beitrag im ersten Teil von Band 1 analysiert die Nutzenpotenziale automatisierter Personalisierung anhand unterschiedlicher Anwendungsbereiche: Rangina Ahmad, Simon Fischer, Christoph Lattemann und Susanne Robra-Bissantz identifizieren die Nutzenpotenziale der automatisierten Personalisierung durch eine strukturierte Literaturanalyse in den Anwendungsbereichen Smart Home, Smart Mobility, Health Care sowie E-Learning und diskutieren die Implikationen einer wertgetriebenen Entwicklungsperspektive. Mit den steigenden Erwartungen von Nutzern wächst der Druck auf Anbieter mit den technologischen Möglichkeiten Schritt zu halten, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die automatisierte Personalisierung von Dienstleistungen ist auch im B2B-Geschäft von Relevanz. Ziel dabei ist, den Kunden für ihre Maschinen maßgeschneiderte Servicekonzepte anzubieten (Wind/Rangaswamy 2001) und so eine wahrnehmbare Differenzierung vom Wettbewerb zu erreichen. Hierbei setzten die Unternehmen vor allem auf das Internet of Things (IoT), das mittels Sensoren, Plattformen und Datenanalysen, die Maschinen und Akteure miteinander verbindet (Atzori/Iera/Morabito 2010; Xia et al. 2012). Mittels z. B. Predicitive Maintenance oder Remote Service können den Kunden auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Dienstleistungen angeboten werden. Neben der kommerziellen Nutzung gewinnt die automatisierte Personalisierung von Dienstleistungen in der Pflege und Medizin zunehmend an Bedeutung. So erhofft sich die Medizin mittels des Einsatzes von Datenanalysewerkzeugen sowie Künstlicher Intelligenz sowohl eine schnellere und bessere Diagnose als auch die Individualisierung der Behandlungen von Patienten (Hamet/Tremblay 2017; Bauer/Reiter 2018). Ein weiteres zentrales Einsatzfeld von Automatisierungstechnologien im medizinischen Kontext stellt die so genannte Telemedizin dar. Hierbei handelt es sich um eine Behandlung zwischen Arzt und Patient, die über eine Videokonferenztechnologie erfolgt (Brokmann et al. 2014). Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz ermöglicht zunehmend auch den Einsatz von humanoiden Robotern im Rahmen der Betreuung und Pflege von Patienten. Während die Akzeptanz von humanoiden Robotern in der Pflege in Deutschland eher gering ausfällt, wird der Einsatz von Robotern zur Unterstützung und Betreuung von Patienten

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in Japan bereits vielfach ausprobiert. So wird z. B. der Roboter Pepper in Altenheimen eingesetzt, um mit den Bewohner Gymnastikübungen durchzuführen und so das Pflegepersonal zu entlasten (Kyung-Hoon 2018).

4.3 Formen der automatisierten Personalisierung Bei der automatisierten Bereitstellung von personalisierten Dienstleistungen kann der Grad der Automatisierung variieren: Eine Dienstleistung oder einzelnen Komponenten der Dienstleistungen können entweder (1) teilautomatisiert oder (2) vollautomatisiert sein. Die teilautomatisierte Personalisierung von Dienstleistungen erfordert das Eingreifen und Handeln des Mitarbeitenden und/oder die aktive Integration des Kunden, um die Personalisierung durchzuführen (Lariviére et al. 2017; Marinova et al. 2017). Die Teilnahme des Kunden kann zum einen in Form von Bereitstellung relevanter Informationen für die Personalisierungsdurchführung, z. B. durch das Eingeben von persönlichen Daten, und zum anderen auch durch die Durchführung der eigentlichen Personalisierungsleistung, z. B. indem der Kunde aus vorgegebenen Modulen die für sich passende Dienstleistung zusammenstellt, erfolgen. Die Automatisierungstechnologien stellen hierbei vor allem ein Unterstützungsinstrument für das Unternehmen und dem Kunden dar (Parasuraman/Riley 1997). Bei einer vollautomatisierten personalisierten Dienstleistung übernimmt ein technisches System im Zusammenspiel mit Informationssystemen und anderen Maschinen die Informationssuche, -auswertung, trifft die Entscheidung über die zu wählenden Maßnahmen und führt diese am Ende auch aus. Die Vollautomatisierung von personalisierten Dienstleistungen bedeutet demnach, dass der gesamte Personalisierungsprozess von Technologien übernommen wird. In der Realität sind die vollautomatisierte personalisierter Dienstleistungen eher selten – vielmehr werden einzelne Aspekte des Dienstleistungsergebnisses und/oder einzelne Prozessschritte der Dienstleistung automatisiert. Der Fokus der eingesetzten Automatisierungstechnologien für die Bereitstellung von personalisierten Leistungen liegt vor allem in der Sammlung und Auswertung von Informationen und Daten über den Kunden, um darauf aufbauend zum einen möglichst aussagekräftige Kundenprofile zu erstellen und zum anderen passende Empfehlungen abzugeben. Eine wichtige Rolle nehmen dabei moderne Informationssysteme und -technologien ein, wie z. B. Big Data Analytics oder Künstliche Intelligenz (Shen/Ball 2009). Die automatisierte Personalisierung mit Hilfe von Informationstechnologien erfolgt durch den Einsatz von so genannten Personalisierungsapplikationen bzw. -systemen, die zum einen Informationen und Daten sammeln und auswerten und zum anderen nach bestimmten Vorgaben und Regeln die Individualisierung der Dienstleistung vornehmen (Fan/Poole 2006). Die Anforderungen und Gestaltungsmöglichkeiten der Personalisierungsapplikationen sind vor allem Bestandteil der Forschung in der Wirtschaftsin-

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formatik (Grabner-Kräuter/Lessiak 2001). Zentrale Überlegungen betreffen vor allem das Verhalten der Personalisierungsapplikationen. Diese kann entweder statisch handeln, d. h. es erfordert die aktive Integration des Kunden für die Durchführung der Personalisierungsleistung oder dynamisch erfolgen. In diesem Fall entscheidet das Personalisierungssystem aufgrund der zur Verfügung stehenden Informationslage selbstständig über die Personalisierungsmaßnahmen (Fan/Poole 2006). Die Ausprägungen von automatisierten Personalisierung bei Dienstleistungen werden in einem Beitrag im ersten Teil von Band 1 dargestellt: Der zunehmende Einsatz von Technologien in der Dienstleistungsertellung sowie der Dienstleistungsinteraktion verändert nicht nur die Rolle des Mitarbeitenden sondern nimmt ebenfalls Einfluss auf die Aufgaben und Anforderungen der Kunden. Denise Joecks-Laß identifiziert mit Hilfe einer Typologie vier ideale Typen an automatisierten personalisierten Dienstleistungen, anhand derer die unterschiedlichen Rollen, Aufgaben und Anforderungen des Kunden diskutiert werden.

4.4 Ausgewählte Technologien für die automatisierte Personalisierung Das Angebot von innovativen und personalisierten Dienstleistungen ist wesentlich von denjenigen Technologien abhängig, die in der Lage sind, Informationen, Kompetenzen und Wissen von unterschiedlichen Akteuren und aus unterschiedlichen Quellen miteinander zu verbinden und zu integrieren (Redlich et al. 2018). Wenn also von automatisierter Personalisierung gesprochen wird, stellt die Personalisierung eine Toolbox an unterschiedlichen Technologien und Applikationen dar, die genutzt wird, um das Dienstleistungserlebnis zu individualisieren. Daher ist es nicht verwunderlich, dass im Rahmen der automatisierten Personalisierung unterschiedliche Technologien von Datenbanken, Cookies, Recommender Systemen bis hin zu Machine-Learning-Techniken und Künstlicher Intelligenz zum Einsatz kommen (Kramer et al. 2000). Im Rahmen der automatisierten Personalisierung werden Technologien eingesetzt, um die Individualisierung der Dienstleistung und des Produktes zu unterstützen oder durchzuführen. Der Personalisierungsprozess lässt sich grob in folgende Schritte gliedern (Adomavicius/Tuzhilin 2005): (1) Sammlung von relevanten Informationen über den Kunden, um ein möglichst umfangreiches Kundenprofil als Basis für die Personalisierung zu erstellen, (2) Adaption des Dienstleistungsangebots auf die Kundenbedürfnisse und -anforderungen, (3) Bereitstellung der personalisierten Dienstleistung und (4) Erfolgsmessung der Personalisierungsmaßname. Jede dieser Phasen kann nun mittels Automatisierungstechnologien unterstützt werden. So können Data Mining und User Tracking-Technologien für das automatisierte Sam-

Automatisierung und Personalisierung als Zukunftsdisziplinen

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meln und Auswerten der Kundendaten eingesetzt werden (Schritt 1) oder Recommender Systeme für die automatisierte Bereitstellung der Dienstleistung angewandt werden (Schritt 2 und 3). In Abbildung 2 ist eine Übersicht möglicher Technologien im Rahmen des Personalisierungsprozesses von Dienstleistungen abgebildet. Ausgewählte Automatisierungstechnologien

Personalisierungsprozess

Schritt 1

Daten sammeln & auswerten und Kundenprofile erstellen

ƒ ƒ ƒ ƒ

Big Data Analytics, Data Mining Cookies & Beacons Clickstream-Analyse Künstliche Intelligenz

Schritt 2

Personalisierung der Dienstleistungen an die Kundenbedürfnisse und -anforderungen

ƒ ƒ ƒ ƒ

Künstliche Intelligenz Recommender Systeme Online-Konfiguratoren CRM-Systeme

Schritt 3

Bereitstellung der personalisierten Dienstleistung

ƒ ƒ ƒ

Künstliche Intelligenz Virtuelle soziale Agenten Service Roboter

Schritt 4

Erfolgskontrolle und Ableitung von Maßnahmen

ƒ ƒ ƒ

Big Data Analytics Künstliche Intelligenz Deep Learning und Machine Learning

Abbildung 2:

Automatisierungstechnologien im Personalisierungsprozess (Quelle: in Anlehnung an Adomavicius/Tuzhilin 2005, S. 85)

Zentrale Technologien für die automatisierte Personalisierung sind vor allem jene, die die Datensammlung und -aufbereitung automatisieren und den Mitarbeitenden in seinen Personalisierungsaktivitäten entweder unterstützen oder ersetzen. Daher werden im Folgenden die zentralen Technologien für die automatisierte Personalisierung ausführlicher dargestellt: „ „ „ „

CRM Systeme, Big Data bzw. Big Data Analytics, Recommender Systeme, Künstliche Intelligenz.

Customer-Relationship-Management-Systeme (CRM) Eines der am weitesten verbreiteten Instrumente für die Personalisierung von Produkten, Dienstleistungen und Kundeninteraktionen stellen Customer-Relationship-Management-Systeme (CRM) dar, die als Informationstechnologien den Mitarbeitenden im Rahmen der Dienstleistungserstellung und der Personalisierung durch die Bereitstellung relevanter Kundeninformationen unterstützen (Anshari et al. 2019). Ziel ist es, trotz ho-

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her Kundenzahlen und -interaktionen diesen eine individuelle Erfahrung sowie Dienstleistung anzubieten. Dabei unterstützt das CRM-System die Mitarbeitenden, indem es alle relevanten Informationen der Kunden aus verschiedenen Kundeninteraktionen und Quellen speichert und abrufbar macht. Die Implementierung von CRM-Systemen kann Unternehmen in die Lage versetzen, einen Überblick über alle im Rahmen der verschiedenen Kundenkontaktpunkte gesammelten Daten zu erhalten. So haben Mitarbeitende bestenfalls einen 360°-Blick auf den Kunden, der in einer individuelleren Interaktion und Anpassung der Dienstleistung mündet (Xu et al. 2002). Ein erfolgreiches Beispiel von personalisierten Leistungen mittels des Einsatz von CRMSystemen ist die britische Supermarktkette Tesco. Das CRM-System wurde eingesetzt, um eine personalisierte Kundenansprache auf Basis von Segmentierungskriterien und Kundenprofilen zu erstellen (Pan/Lee 2003). Das CRM-System unterstützt dabei das Unternehmen bei der Erstellung der Kundenprofile, die auf den durch die Kundenkarten erfassten Einkäufe basieren. Auf Grundlage der Kundenprofile werden dann personalisierte Angebote in Form z. B. von Coupons an den Kunden verschickt (Humby 2008). Big Data and Big Data Analytics Das im letzten Jahrzehnt zu beobachtende rasante Wachstum an zur Verfügung stehenden Datenmengen als auch die Variabilität der Daten macht es erforderlich, neue Instrumente der Datenanalyse und -auswertung zu entwickeln und anzuwenden (Waller/ Fawcett 2013). Diese Umstände haben die stetig wachsende Bedeutung von Big-DataAnalytics-Technologien zur Folge. Unter Big Data Analytics wird die Auswertung von strukturierten und unstrukturierten Datenmengen verstanden, die das Ziel verfolgen, komplexe Verhaltensmuster und Zusammenhänge in einem großen Datenset zu identifizieren und abzuleiten (Mohant et al. 2015). Die Personalisierung einer Dienstleistung hängt im Wesentlichen von der Quantität und Qualität an verfügbaren Informationen und Daten über den Kunden ab, so dass Big Data und Big Data Analytics als Basistechnologie für die automatisierte Personalisierung von Dienstleistungen betrachtet werden können. Es kann unterschieden werden, ob Big Data Analytics genutzt wird, um Entscheidung und Maßnahmen zur erklären, um Handlungen zu unterstützen oder Vorhersagen zu treffen (LaValle et al. 2011). Big Data Analytics kommt im Rahmen der automatisierten Personalisierung zum Einsatz, wenn eine Vielzahl an unterschiedlichen Daten und verschiedenen Datenquellen gesammelt und ausgewertet werden müssen. Haupteinsatzgebiet stellen dabei Daten dar, die mittels digitaler Technologien generiert werden, also z. B. durch die Nutzung von Onlineshops, Smartphones und anderen mobilen Endgeräten. Jedes Mal, wenn ein Nutzer eine E-Mail versendet, einen Post in den sozialen Netzwerken verfasst, kommentiert oder liked oder in einem Onlineshop einkauft, wird eine Vielzahl an unterschiedlichen Daten und Informationen generiert (Anshari et al. 2019), die für die Personalisierung von Dienstleistungen verwendet werden können.

Automatisierung und Personalisierung als Zukunftsdisziplinen

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E-Commerce Unternehmen haben stark von den Technologien im Zusammenhang mit Big Data Analytics profitiert. Dabei setzen die Unternehmen eine Vielzahl von unterschiedlichen Instrumenten wie z. B. Social Media Analytics, Text-Analyse-Instrumente, Data Mining und Data Clustering ein. E-Commerce-Unternehmen stellen vielfach auch Plattformbetreiber dar, wie z. B. Amazon oder eBay, die ihre Plattform nicht nur als Instrument nutzen, um Waren zu verkaufen oder Anbieter und Nachfrager schnell und einfach zusammenzubringen, sondern die Plattformbetreiber versuchen, basierend auf den IP-Adressen ihrer Nutzer, deren Verhalten zu beobachten, um so neue Geschäftsmöglichkeiten zu identifizieren (Mohanty et al. 2015). Big Data Analytics wird jedoch nicht nur im kommerziellen Bereich angewandt, sondern wird ebenfalls vermehrt z. B. im Gesundheitswesen oder in der Verwaltung zur Personalisierung ihrer Dienstleistungen eingesetzt. Die (Echtzeit-)Überwachung von persönlichen Gesundheitsdaten, z. B. über Fitnessarmbänder oder Smart Watches, ermöglichen den Ärzten bessere Diagnosen und auf den Patienten zugeschnittene Behandlungen durchzuführen. Des Weiteren erhoffen sich Ärzte eine bessere Diagnosequalität, wenn Befunde von verschiedenen Patienten ausgewertet werden (Rüping 2015). Recommender Systeme Im Zuge der automatisierten Personalisierung von Dienstleistungen spielen so genannte Recommender Systeme eine zentrale Rolle (Schafer et al. 1999). Dabei empfehlen die Recommender Systeme durch das Analysieren von großen und unüberschaubaren Mengen an Informationen diejenigen Produkte und Dienstleistungen an einen Kunden oder Anwender, die für diesen von Interesse sind (Ludmann 2017). Für Unternehmen stellen Recommender Systemen eine effiziente Möglichkeit dar, eine hohen Anzahl an unterschiedlichen Kunden individualisiert anzusprechen und den Kunden passende Angebote zu unterbreiten (Schafer et al. 1999). Für Kunden hingegen ermöglichen Recommender Systemen die Suchkosten und die Entscheidungskomplexität deutlich zu reduzieren, da der Algorithmus des Recommender-Systems den Suchprozess und die Kaufentscheidung deutlich vereinfacht (Schafer et al. 1999). Recommender Systeme beruhen auf der Analyse und Auswertung von unterschiedlichen Daten aus unterschiedlichen Quellen und stellen ein Anwendungsgebiet der Big Data Analytics dar. Im Allgemeinen sind zwei unterschiedliche Ansätze bei Recommender Systemen zu unterscheiden: Content-based Recommendation und Collaborative-based Recommendation. Erstere trifft die Empfehlung für die Dienstleistungen aufgrund des historischen Kaufverhaltens der betreffenden Person (Yu 1999; Groh et al. 2012), während die Empfehlungen mit Hilfe von Collaborative Filtering auf dem Verhalten von Nutzern und Kunden beruhen, die ähnliche Präferenzen aufweisen. Zusätzlich ist eine Kombination der beiden Ansätze in der Praxis weit verbreitet (Adomavicius/Tuzhilin 2005).

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Häufig eingesetzt werden Recommender Systeme im Online Handel bzw. E-Commerce. Dabei stehen unterschiedliche Informationen als Basis für die Empfehlung zur Verfügung wie z. B. die bisher getätigten Käufe, die soziodemographischen Daten des Kunden oder die meistverkauften Produkte eines Onlineshops (Schafer et al. 1999). Ziel der Recommender Systeme ist die Steigerung des Umsatzes, indem Besucher des Onlineshops zu Käufen animiert werden, Cross-Selling-Potenziale generiert werden und die Kundenbeziehung durch die personalisierten Interaktionen gefestigt wird (Schafer et al. 1999) Ein prominentes Beispiel ist der Online-Händler Amazon. Amazon verwendet zum einen so genannte On-site Empfehlungen, d. h. auf der Website werden Produktempfehlungen für den Nutzer angezeigt. Zum anderen bildet Amazon ebenfalls ab, welche Produkte der Kunde sich bereits angeschaut hat. Zudem werden dem Kunden Produkte angezeigt, die häufig in Kombination mit einem bestimmten Produkt gekauft wurden. Amazon verwendet daher einen hybriden Ansatz der verschiedenen Ansätze von Recommender Systemen (Rejoiner 2019) Künstliche Intelligenz Die Adaption des menschlichen Verhaltens sowie das selbstständige Lösen von komplexen Problemstellungen stellt ein wesentliches Merkmal der Künstlichen Intelligenz dar (Huang/Rust 2018; Kirste/Schürholz 2019). Grundlage für die selbstständige Problemlösung der Künstlichen Intelligenz ist die Datengewinnung, Datenauswertung und die Weiterverarbeitung der Informationen (Huang/Rust 2018). Künstliche Intelligenz bezeichnet die Fähigkeit einer Maschine, kognitive Aufgaben auszuführen wie z. B. die Fähigkeiten zur Argumentation, Problemlösung oder zum selbstständigen Lernen. (Kreutzer/Sirrenberg 2019). In der Entwicklungsgeschichte der Künstlichen Intelligenz ist zu beobachten, dass Aufgaben, die den Menschen generell schwerfallen, wie z. B. die Berechnung von komplexen Rechenaufgaben, der Künstlichen Intelligenz im Regelfall leichtfallen, während Aktivitäten, Handlungen und Entscheidung, die für den Menschen selbstverständlich sind, einer Künstlichen Intelligenz große Probleme bereitet, wie z. B. das Erkennen von Emotionen (Kreutzer/Sirrenberg 2019). Bei dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Rahmen der Dienstleistungserbringung ist zu beachten, dass – abhängig von der jeweiligen Dienstleistung – unterschiedliche Formen von Intelligenzen benötigt werden. Die Autoren Huang und Rust (2018) unterscheiden vier unterschiedliche Formen von Intelligenz, die im Rahmen der Dienstleistungsbereitstellung und -erbringung von Bedeutung sind: (1) (2) (3) (4)

Mechanische Intelligenz, Analytische Intelligenz, Intuitive Intelligenz und Empathische Intelligenz.

Mechanische Intelligenz bezieht sich auf die Fähigkeit, routinierte und repetitive Aufgaben auszuführen. Hierfür weist die Künstliche Intelligenz nur eingeschränkte Lernfähig-

Automatisierung und Personalisierung als Zukunftsdisziplinen

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keiten auf, da es das Hauptziel der Anwendung ist, die ausgeführte Dienstleistung standardisiert und konsistent über den Zeitablauf zu erbringen. Die Fähigkeit, Informationen zu nutzen, um Probleme zu lösen und von diesen zu lernen, beschreibt die analytische Intelligenz einer Künstliche Intelligenz. In diesem Bereich werden vor allem MachineLearning-Technologien sowie Big-Data-Analytics-Technologien eingesetzt. Intuitive Intelligenz beschreibt die Fähigkeit der Künstlichen Intelligenz, kreativ zu denken und sich selbstständig an neue Situation anzupassen. Abgrenzungsmerkmal der intuitiven von der analytischen Intelligenz ist, dass die Künstliche Intelligenz deutlicher menschlicher agiert und reagiert. Die Fähigkeit, menschliche Emotionen zu erkennen, zu verstehen und angemessen auf diese zu reagieren, bezeichnet die empathische Intelligenz (Huang/ Rust 2018). Wird Künstliche Intelligenz für die automatisierte Personalisierung von Dienstleistungen eingesetzt, dann verfolgt sie das Ziel, relevante Kundenbedürfnisse zu identifizieren und das Kundenverhalten zu antizipieren. Dabei ist die Künstliche Intelligenz in der Lage, aus Kundendaten zu lernen und neue – in einigen Fällen auch für das Unternehmen unbekannte – Zusammenhänge zu entdecken und so dem Kunden einen für ihn relevanten Mehrwert zu generieren (Huang/Rust 2018). So bietet das britische Bekleidungsunterhemen Threatd einen auf Künstlicher Intelligenz beruhenden Stylist-Service an. Jede Woche erhalten die Kunden personalisierte Style-Empfehlungen, die sie bewerten können. In Verbindung mit einem Style-Quiz lernt die Künstliche Intelligenz immer besser den bevorzugen Bekleidungsgeschmack jedes einzelnen Kunden. Das Unternehmen ist somit in der Lage, trotz einer hohen Anzahl an unterschiedlichen Kunden, diesen einen persönlichen Stylisten an die Seite zu stellen und sich so von relevanten Wettbewerbern zu differenzieren (Morgan 2019). Künstliche Intelligenz kann auch in der direkten Interaktion zwischen einem Unternehmen und den Kunden eingesetzt werden. So nutzt das Handelsunternehmen Macy die Künstliche Intelligenz „Watson“ von IBM, um das Einkaufserlebnis der Kunden zu verbessern. Mit Hilfe von dem Smartphone können Kunden mit einem digitalen Assistenten chatten, der den Kunden z. B. bei der Navigation im Geschäft unterstützt oder aufgrund von vorher gestellten Fragen personalisierte Kaufempfehlungen gibt. Ebenso ist der digitale Assistent bei Macy in der Lage, Frustrationen beim Kunden zu erkennen, um dann einen Macy-Mitarbeitenden dazu zurufen (Morgan 2019). Dieser Einsatz von so genannten Virtual Social Agents bzw. Chat Bots und Service Roboter stellt ein zentrales Anwendungsfeld der Künstlichen Intelligenz im Dienstleistungskontext dar (Wischmann/Rohde 2019). Virtuelle Soziale Agenten stellen computer-generierte Charaktere dar, die mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz in der Lage sind, mit Kunden auf einer menschlich-ähnlichen Weise zu interagieren (Cassel et al. 2000). Während bei einem Social Chat Bot lediglich eine Chatfunktion die Interaktion zwischen den Kunden und der Künstlichen Intelligenz darstellt, zeichnen sich Virtuelle Soziale Agenten durch eine soziale Präsenz, d. h. durch ein menschliches Äußeres sowie Verhalten aus (Verhagen et al. 2014). Ein weiteres neu-

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es Anwendungsfeld für automatisierte Personalisierung von Dienstleistungen mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz stellt der Einsatz von Service Robotern dar, die eine Dienstleistung teil- oder vollautomatisch verrichtet (Schraft/Schmierer 1998). Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz ermöglicht den Servicerobotern, im Gegensatz zu den Ursprüngen der Industrierobotik die Übernahmen von kognitiven und kreativen Aufgaben, so dass der Roboter in die Lage versetzt wird, Dienstleistungsmitarbeitenden effizient zu unterstützen oder zu ersetzen (Decker et al. 2017). So setzen die Hilton Hotels einen Concierge-Roboter namens Connie ein, um ihren Gästen den Aufenthalt so angenehm und personalisiert wie möglich zu gestalten. Der Roboter steht in der Lobby, grüßt die Gäste und beantwortet Fragen. Ausgestattet mit der Fähigkeit, maschinell die menschliche natürliche Sprache zu verarbeiten, ist Connie in der Lage, die Gäste des Hilton Hotels besser kennenzulernen und personalisierte Empfehlungen auszusprechen (Morgan 2019). Vor diesem Hintergrund betrachten im zweiten Teil von Band 2 insgesamt sieben Beiträge, die Rolle und Aufgaben der Künstlichen Intelligenz bei der automatisierten Personalisierung von Dienstleistungen: Anne-Sophie Tombeil, David Kremer, Jens Neuhüttler, Claudia Dukino und Walter Ganz beschäftigen sich am Beispiel Sachbearbeitung als interne Dienstleistung mit den Gestaltungsoptionen für Unternehmen im Zusammenhang mit dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) bei der Dienstleistungserbringung. Entlang der Gestaltungsfelder „Technologie“, „Tätigkeiten“ und „Prozesse“ stellen sie Einsatzgebiete und Potenziale des KI-Einsatzes vor und erläutern konkrete Maßnahmen und Kriterien der Entscheidungsunterstützung. Dabei verfolgen sie einen menschenzentrierten Ansatz des KI-Einsatzes, der sowohl die Arbeitsqualität als auch -effizienz fokussiert. Angela Roth und Sascha Julia Oks legen in ihrem Beitrag den Fokus insbesondere auf KI-initiierten und -basierten Innovationen im Bereich Dienstleistung. Inwieweit wirken sich die Potenziale der Künstlichen Intelligenz auf Dienstleistungsinnovationen aus, wo sind entsprechende Stellhebel und wo können Unternehmen ansetzen? Auf Basis bisheriger Erkenntnisse im Bereich Dienstleistung diskutieren sie mögliche Wirkungszusammenhänge. Dominik Schneider, Frank Wisselink, Nikolai Nölle und Christian Czarnecki stellen einen Rahmen vor, der einen ersten Überblick über den Einfluss von KI auf kommerzielle Interaktionen gibt. Dieser Rahmen fasst die Ergebnisse des Vergleichs zahlreicher Kundenreisen neuartiger KI-basierter Dienstleistungen mit entsprechenden Nicht-KI-Äquivalenten zusammen. Sven Tuzovic und Stefanie Paluch untersuchen die psychologischen Treiber der Verbraucher für die Akzeptanz von „Autonomous Vehicles“ im Rahmen eines größeren Forschungsprojekts zur Automatisierung. In dieser Studie analysieren sie, wie eine On-Road-Erfahrung mit einem teilautonomen Fahrzeug die Vertrauensüberzeugungen der Fahrer und die Akzeptanz autonomer Autos beeinflusst.

Automatisierung und Personalisierung als Zukunftsdisziplinen

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Über die Qualitätswahrnehmung solcher Smart Service Systeme ist bisher jedoch wenig bekannt, insbesondere fehlen Ansätze zur Bewertung der Konzepte im Entwicklungsprozess. Jens Neuhüttler, Rudolf Fischer, Walter Ganz und Dieter Spath stellen daher ein integriertes Rahmenkonzept für KI-basiere Smart Service Systeme vor, das eine Bewertung anhand von Qualitätskategorien und -kriterien ermöglicht. Mahei Manhai Li, Ester Bronner, Christoph Peters und Jan Marco Leimeister beleuchten Möglichkeiten, wie der zunehmenden Komplexität digitaler Dienstleistungen und den einhergehenden Herausforderungen für den IT-Support mithilfe von Künstlicher Intelligenz, begegnet werden kann, um personalisiert Nutzerprobleme durch das Automatisierungspotenzial von Chatbots lösen zu können. Timo Strohmann und Susanne Robra-Bissantz stellen in ihrem Beitrag das Konzept des virtuellen Begleiters vor und zeigen seine Vorteile für den Dienstleistungssektor auf. Der virtuelle Begleiter ist eine neue Form der künstlichen Intelligenz, die ein kollaboratives Szenario zwischen Mensch und Informationstechnologie ermöglicht und so personalisierte Dienstleistungen möglich macht. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die automatisierte Personalisierung von Dienstleistungen den Einsatz von fortschrittlichen Technologien wie Big Data Analytics oder Künstliche Intelligenz erfordert. Dabei ist zu beachten, dass die Grenzen zwischen den einzelnen Technologien fließend sind und in der Praxis häufig eine Kombination unterschiedlicher Technologien zum Einsatz kommt, um den Kunden automatisierte personalisierte Dienstleistungen anzubieten.

4.5 Nutzen und Herausforderungen automatisierter Personalisierung für den Dienstleistungsanbieter und -nachfrager Ziel der automatisierten Personalisierung von Dienstleistungen ist es, die Vorteile der Automatisierung mit den Vorteilen der Personalisierung zu verbinden und dabei gleichzeitig die Nachteile der Automatisierung und Personalisierung abzuschwächen bzw. bestenfalls aufzulösen. In Abbildung 3 sind die jeweiligen Vor- und Nachteile der Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen aus Anbieter- und Nachfragerperspektive aufgelistet.

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Nutzen Herausforderungen Nutzen

„ „ „ „

Qualität und Effizienz steigern Standardisierung Kosten senken Angebotsvielfalt

Personalisierung

„ Differenzierung und Angebotsvielfalt „ Kundenzufriedenheit steigern „ Höhere Preisdurchsetzung

„ Verlust an Individualität „ Verlust an Flexibilität „ Akzeptanz der Technologie

„ Bereitschaft des Kunden Informationen

„ Abhängigkeit von Partnern

„ Kundensegmentierung

„ Bessere Vergleichbarkeit „ Konstante Qualität „ Orts- und Zeitunabhängige

„ Passgenaues Angebot „ Reduzierung von Such-, Risiko- und

sicherstellen

Nutzung gewährleisten

Herausforderungen

Dienstleistungsnachfrager

Dienstleistungsanbieter

Automatisierung

„ Unpersönlich und geringes Anpassungspotenzial

„ Eingeschränkte Flexibilität „ Bedienbarkeit „ Fehlerbehebung durch den

zu teilen

„ Datenschutz bzw. verantwortungsbewusster Umgang mit Daten

Transaktionskosten

„ Unterstützung bei Entscheidungen „ Mangelnde Vergleichbarkeit „ Schutz der persönlichen Daten „ Bereitstellung von Informationen

Anbieter

Abbildung 3:

Nutzen und Herausforderungen von Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen

Eine detaillierte Analyse der Chancen und Herausforderungen wird in einem Beitrag im ersten Teil von Band 1 vorgenommen: Manfred Bruhn sieht die Automatisierung und Personalisierung als zentrale Entwicklungen des Dienstleistungsmanagements. Dabei sind sowohl „Lichträume“ (Vorteile) als auch „Schattenräume“ (Nachteile) in diesem fortschreitenden Prozess zu berücksichtigen. In dem Zusammenhang werden zahlreiche Forschungsfragen aufgeworfen und thematisiert. Durch den Einsatz von Technologien, wie z. B. Recommender Systemen, Künstlicher Intelligenz oder Service Robotern, kann es Dienstleistungsanbieter gelingen, die Vorteile der Automatisierung in Form von Effizienz- und Qualitätssteigerungen und geringen Kosten mit den Vorteilen der Personalisierung von persönlicher Ansprache und Reduzierung von Such-, Risiko- und Transaktionskosten miteinander zu verbinden. Für den Dienstleistungsnachfrager zeigt sich ebenfalls, dass die automatisierte Personalisierung von Dienstleistungen die Vorteile der Automatisierung und Personalisierung zusammenbringt und somit einen höheren Mehrwert für den Nachfrager darstellt. Es zeigt sich jedoch, dass bestimmte Herausforderungen sowohl Anbieter als auch Nachfrager in den Mittelpunkt rücken, wenn personalisierte Dienstleistungen automatisiert angeboten werden. Diese sind:

Automatisierung und Personalisierung als Zukunftsdisziplinen „ „ „

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Akzeptanz und Bedienbarkeit der Technologien auf Seiten der Mitarbeitenden und der Kunden, Sammlung, Auswertung und Speicherung von persönlichen Informationen sowie Sicherstellung des Datenschutzes durch den Dienstleistungsanbieter, Bereitstellung der Dienstleistungen durch den Dienstleistungsanbieter mit Unterstützung von Partnern.

Automatisierte Personalisierung von Dienstleistungen erfordert den Einsatz und die Anwendung von fortschrittlichen und komplexen Technologien, deren Umgang sowohl von den Mitarbeitenden als auch von den Kunden erst erlernt werden muss. Auf Seiten der Mitarbeitenden müssen Dienstleistungsanbieter von automatisierten und personalisierten Dienstleistungen verstehen, wie die Technologien ihre Arbeit erleichtern und unterstützen können. Ist der Mitarbeitenden zudem auch Anwender der Technologie, ist es wichtig, diesen im richtigen Umgang zu schulen, damit in der Kunde-Mitarbeitenden-Interaktion keine Probleme aufgrund der mangelnden Kenntnisse des Mitarbeitenden über die eingesetzte Technologie auftreten (Larivíere et al. 2017). Zudem sind vom Dienstleistungsanbieter auf Seiten der Mitarbeitenden auftretende Skepsis gegenüber der Technologie zu identifizieren sowie eventuelle Ängste, die mit einer möglichen Substitution der eigenen Arbeitskraft verbunden sind, ernst zu nehmen und abzubauen. Auch die Dienstleistungsnachfrager sind im Umgang und in der Interaktion mit der eingesetzten Technologie zu begleiten und zu schulen. Aus der Forschung zu den inzwischen verbreiteten Self-Service-Technologien (z. B. Curran/Meuter 2005; Meuter et al. 2005) ist bekannt, dass die Akzeptanz von Kunden der Technologien von der Nutzerfreundlichkeit sowie dem wahrgenommenen Mehrwert, wie z. B. schnellere Bereitstellung, Zeitersparnis, positiv beeinflusst wird, es jedoch häufig auf Seiten der Kunden eine hohe Hemmschwelle gibt, die vor der Erstnutzung zu überwinden ist. Der Bedarf an Informationen über den Kunden sowie dem Kontext, in dem dieser sich bewegt, ist bei der automatisierten Personalisierung von Dienstleistungen als hoch einzuschätzen. Damit steigt auch gleichzeitig das Datenvolumen, das Unternehmen sowohl sammeln und auswerten als auch speichern müssen. Zentraler Punkt hierbei ist es für Unternehmen sicherzustellen, dass Kunden aufgrund eines wahrgenommenen Mehrwerts und Zusatznutzens bereit sind, dem Unternehmen persönliche Informationen über Präferenzen, Bedürfnisse und Kaufverhalten zur Verfügung zu stellen (Murthi/Sakar 2003; Chellappa/Sin 2005). Des Weiteren sind Unternehmen dazu verpflichtet vertrauensvoll und sicher mit den ihnen zur Verfügung stehenden Daten umzugehen. Dies bedeutet, dass die Informationen sicher vor dem Zugriff unbefugter Dritter wie z. B. Konkurrenten oder Hackern gespeichert werden als auch, dass Daten und Informationen über den Kunden nicht ohne deren Einverständnis an Dritte weitergegeben oder verkauft werden (Riemer 2002). Anbieter und Nachfrager von automatisierten und personalisierten Dienstleistungen befinden sich demnach in einem permanenten Spannungsfeld zwischen dem Bedürfnis der Nachfrager, so wenige Informationen wie möglich an den Anbieter zu geben und dem Bedürfnis der Anbieter, so viele Informationen wie möglich zu erhalten.

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Mit den Ursachen und Konsequenzen von Datenschutzbedenken befasst sich ersten Teil von Band 1 ein Beitrag: Anja Geigenmüller und Antonia Hoebbel geben in ihrem Beitrag einen Überblick über den Stand der Forschung zum Thema Privacy Concerns. Im Mittelpunkt stehen neben einer begrifflichen Auseinandersetzung vor allem Ursachen von Privacy Concerns und Verhaltenskonsequenzen mit Blick auf die Freigabe von Daten, aber auch auf die Initiierung bzw. Fortführung der Beziehung des Nachfragers zu einem Anbieter. Der Beitrag diskutiert Ansätze von Unternehmen zur Reduzierung von Privacy Concerns und gibt am Ende einen Ausblick auf Herausforderungen an die Marketingforschung. Der Einsatz von fortschrittlichen Technologien im Rahmen der automatisierten Personalisierung von Dienstleistungen erfordert für viele Unternehmen die Kooperation mit anderen Unternehmen, die z. B. die Technologien zur Verfügung stellen oder das Auswerten der Informationen und Daten übernehmen. So entsteht bei der Bereitstellung und Produktion von automatisierten und personalisierten Dienstleistungen ein Netzwerk von Akteuren, die die Dienstleitungen gemeinsam produzieren und bereitstellen. Aus Nachfragersicht führt dies zum einen zu einer besseren Qualität der Dienstleistung, da Spezialisten an der Entwicklung und Bereitstellung der Dienstleistungen mitarbeiten, zum anderen können aus Nachfragersicht z. B. Ansprechpartner nicht klar definiert sein. Für den Anbieter bedeutet die Bereitstellung der Dienstleistung mit unterschiedlichen Partner eine Steigerung der Komplexität in der Prozessgestaltung. So ist sicherzustellen, dass alle Partner ein gemeinsames Ziel verfolgen und miteinander und nicht gegeneinander arbeiten. Zudem sind Prozesse für die Abstimmung als auch der Fehlerbehebung zu implementieren. Die Relevanz von Kooperationen und Partnerschaften werden in einem Beitrag im ersten Teil von Band 1 diskutiert: Johannes Winter zeigt, dass es bei der Entwicklung automatisierter und personalisierter Produkte und Dienstleistungen mehr denn je auf eine kollaborative Zusammenarbeit von Industrie und Forschung in digitalen Wertschöpfungsnetzwerken ankommt. Dabei legt der Autor einen besonderen Fokus auf das grenzüberschreitende Business Partnering. Die Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen unterscheidet sich nicht nur durch die vielfältigen Aufgabenstellungen, sondern auch in der branchenspezifischen Umsetzung von Automatisierungstechnologien in der Bereitstellung der Dienstleistungen. Vor diesem Hintergrund befassen sich vier Beiträge des Sammelbandes im vierten Teil von Band 1 mit branchenspezifischen Aspekten der Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen: Matthias Hille und Freimut Bodendorf zeigen am Beispiel der Baubranche auf, wie sich digitale Dienstleistungen modular entwickeln lassen. Durch einen Baukasten von Smart-Service-Komponenten wird die Entwicklungsarbeit für digitale Dienstleistungen sowie des dazugehörigen Dienstleistungsportfolios erleichtert. Die quan-

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titativen Ergebnisse – kombiniert mit dem Modulbaukasten – ermöglichen ein erhebliches Steigerungspotenzial von digitalen Dienstleistungen in der Bauindustrie. Till Ackermann diskutiert die mit der Digitalisierung, Klimaschutz und Nachhaltigkeit verbundenen Herausforderungen des Mobilitätsmarktes anhand des Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Der Öffentliche Personennahverkehr kann dabei Rückgrat und Problemlöser der Mobilität sein, wenn er die Chance der digitalen Transformation nutzt, um individueller, datenbasierte und automatisierter zu werden sowie als Integrator der Mobilität alle multimodalen Angebote aus einer Hand anbietet. Auftragserfüllung und die Logistik der letzten Meile sind zentrale Servicekomponenten im Electronic Commerce, die zukünftig weiter an Bedeutung gewinnen werden. Aktuelle Fortschritte bei der Digitalisierung von Logistikprozessen haben zu „Smart Logistics“-Technologien geführt, die die Automatisierung und Personalisierung der Last Mile-Belieferung stark vorantreiben können. Maria Madlberger zeigt auf, wie aktuelle Technologien, zum Beispiel digitale Objektbezeichner, das Internet der Dinge, Robotik, Drohnen oder autonome Fahrzeuge, die Automatisierung und Personalisierung der Last Mile-Belieferung steigern können. Pietro Beritelli und Thomas Bieger arbeiten konzeptionell die Potenziale und Herausforderungen für die Automatisierung und den Einsatz von Robotik am Beispiel des Tourismus auf. Sie diskutieren limitierende Faktoren wie die Kleinstrukturiertheit der Branche mit geringen Innovationsrenditen oder die dominierende Managementrationalität der Führungskräfte der Branche, die persönlichen Service immer noch als spezielles Qualitätsmerkmal erkennt. Weiterhin schlagen sie einen Orientierungsrahmen für die Entscheidung um Automatisierung in der Branche vor. Im vierten Teil von Band 2 behandeln insgesamt fünf Beiträge verschiedene branchenspezifische Aspekte der automatisierten Personalisierung von Dienstleistungen: Anhand von Experteninterviews sowie Markt- und Fallstudienanalysen untersuchen Christian Wissing und Jeannette Trenkmann digitale Plattformen des Gesundheitswesens. Ihr breites Spektrum automatisierter Dienstleistungen weist ein hohes ökonomisches Nutzenpotenzial auf, ist jedoch nicht unstrittig. Kritisiert werden z. B. das Monopolstreben und die potenzielle Diskriminierung durch Plattformalgorithmen. An dieser Diskussion ansetzend greift der Beitrag systematisch auf Merkmale und Kategorien digitaler Plattformen zurück, um deren Bedeutung und Effekte im Gesundheitswesen zu diskutieren. Rabea Schrage und Peter Kenning widmen sich am Beispiel des deutschen Lebensmittelhandels dem Service Value von personalisierten Location-based Services, die während des Einkaufs im Geschäft zum Einsatz kommen. Die Autoren untersuchen empirisch den Einfluss der verschiedenen Dimensionen des Service Value auf die Zufriedenheit mit personalisierten Location-based Services und analysieren, inwieweit die Zufriedenheit mit personalisierten Location-based Services ausgewählte

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M. Bruhn und K. Hadwich Zielgrößen zum einen auf den mobilen Dienst bezogen und zum anderen auf den Händler bezogen beeinflusst. Mit der Verwendung von Cyber-Physischen Systemen und den Kombinationen geeigneter Komponenten der digitalen Technologien sowie der Modularisierung von Prozess und Organisation entwickeln Armin Töpfer und Georg Brabänder mit Hilfe des Mass Customization-Ansatzes Wertschöpfungsketten, mit denen durch ihre Flexibilität eine intensive Integration des Patienten und eine hohe Anpassung an seine Präferenzen erreicht werden kann. Für den Anbieter in einem zunehmend wettbewerbsorientierten Gesundheitswesen lassen sich mit diesem Ansatz Differenzierungs- und Kostenvorteile realisieren. Robotik-Anwendungen gewinnen auch in der sozialen Dienstleistungsbranche an Bedeutung, wie Lisa Obst, Ronny Baierl, Franziska Bielefeld und Anne-Katrin Haubold am Beispiel der stationären Altenpflege darlegen. Der Dienstleistungserstellungsprozess verändert sich durch den Einsatz von Servicerobotik, indem statt bilateraler nun trilaterale Austauschbeziehungen im Vordergrund stehen. Basierend auf dem Modell von Kano et al. (1984) stellen sie mögliche Basis-, Leistungs- und Begeisterungsmerkmale der trilateralen Dienstleistungserstellung vor und diskutieren anschließend in Bezug auf die Gestaltung der Anwenderzufriedenheit. Aufgrund der stetig wachsenden Größe von Unterrichtsklassen und den begrenzt zur Verfügung stehenden Ressourcen kommt es immer häufiger zum Einsatz von Automatisierungstechnologien im Unterricht bei z. B. Peer Teaching Einheiten oder Online-Tutorials, mit dem Ziel zeitaufwendige Aufgaben durch einen schnellen Austausch sowie einer einfachen Kommunikation von Wissen zu ersetzen. Der Technologieeinsatz ermöglicht dabei nicht nur Bildungsprozesse zu automatisieren, sondern Lernende zu inspirieren und eine emotionale Verbindung zum Lernen und den Lerninhalten aufzubauen. In diesem Kontext zeigen Raafat George Saadé, Golnaz Rezai und Holger Roschk, dass die Lernziele eines automatisierten Lernkurses durch die Integration dreier System: dem menschlichen System, dem pädagogischen System und dem Wissenssystem (Knowledge System) erreicht werden können.

5.

Zukunftsperspektiven der automatisierten Dienstleistungen

Die Kombination von Big Data Analytics, Technologien der Künstlichen Intelligenz und den schnellen und umfangreichen Rechnerkapazitäten ermöglicht die schnelle und effiziente Bereitstellung von personalisierten Dienstleistungen (Cohen 2018). Sowohl die Dienstleistungsanbieter als auch die Dienstleistungsnachfrager können von dem wachsenden Einsatz neuer Technologie profitieren. Die bereits immer engere Verzahnung von

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Menschen und Technologien, die sich an der Bedeutung des Smartphones oder auch am vermehrten Einsatz von so genannten Wearables festmachen lässt, zeigt deutlich, dass der Technologieeinsatz auch in der Dienstleistungserstellung nicht nur ein Trend, sondern der neue Standard ist. Die Potenziale, die mit der wachsenden Automatisierung von Dienstleistungen einhergehen, bieten Unternehmen neue Anknüpfungspunkte zur Entwicklung neuer Dienstleistungen und Geschäftsmodelle. Die verfügbaren Daten und Informationen generieren für Unternehmen neue und wertvolles Wissen, das als Grundlage zur Verbesserung und Individualisierung des eigenen Dienstleistungsportfolios genutzt werden kann. Das sich durch die umfangreichen Daten und Informationen ganzheitlich ergebene Bild über die Kunden-, Wettbewerbs- und Marktbedingungen ermöglicht den Unternehmen zielgerichtet Maßnahmen für die Marktbearbeitung zu entwickeln und umzusetzen, um so die Qualität und Profitabilität ihrer Angebote zu steigern (Cohen 2018). Der Zugang zu Daten und deren Verwertung wird somit zunehmend für Unternehmen zum zentralen Wettbewerbsfaktor. Hierfür sind auf Seiten der Unternehmen, neue Fähigkeiten zu entwickeln. So sind Mitarbeitende zu schulen und neue Abteilungen und IT-Infrastrukturen zu schaffen. Mit dem wachsenden Grad an Vernetzung interagieren Unternehmen zunehmend in einem Ökosystem aus Kunden, Partnern und Wettbewerbern. Hier stellen sich für das Management zentrale Herausforderungen, dieses Ökosystem mit zu gestalten und zu steuern. Bei den großen Veränderungen innerhalb des Unternehmens darf jedoch der Kunde nicht aus dem Blickfeld geraten. Hier ist sicherzustellen, dass dieser bei fortschreitender digitaler Durchdringung angemessen begleitet wird. Zudem ist sicherzustellen, wie viel Automatisierung und Personalisierung vom Kunden akzeptiert wird. Für die Dienstleistungsforschung ergibt sich daher ein spannendes und dynamisches Forschungsfeld. So sind geeignete Managementinstrumente zur Steuerung von Ökosystemen und Partnern zu entwickelnt. Auch sind Maßnahmen zu identifizieren, die die Akzeptanz der automatisierten Personalisierung von Dienstleistungen sicherstellt bzw. den Kunden im Rahmen der Herausforderungen der digitalen Transformation angemessen begleitet. Ebenfalls ist vermehrt interdisziplinäre Forschung zu betreiben, da die Potenziale einer Technologie für die interne Prozessoptimierung als auch in der Kundenansprache nur identifiziert werden können, wenn ein Verständnis über die eingesetzte Technologie herrscht.

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1. Grundlagen und Konzepte der automatisierten Personalisierung

Rangina Ahmad, Simon Fischer, Christoph Lattemann und Susanne Robra-Bissantz

Automatisiert und trotzdem personalisiert – Die Dienstleistung der Zukunft

1. Einleitung und Motivation 2. Theoretische Grundlagen 2.1 Dienstleistungsinnovation 2.2 Technologische Entwicklungen 2.3 Personalisierung 3. Vorgehen 4. Ergebnisse 4.1 Smart Home 4.2 Smart Mobility 4.3 Health Care 4.4 E-Learning 5. Personalisierung von Dienstleistungen durch Automatisierung 6. Fazit Literaturverzeichnis

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Bruhn und K. Hadwich (Hrsg.), Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen Forum Dienstleistungsmanagement, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30166-8_2

___________________________ Rangina Ahmad ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin am Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik an der Technischen Universität Braunschweig. Simon Fischer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Lehrstuhl für Innovationsmanagement, Wirtschaftsinformatik und International Business an der Jacobs University Bremen. Prof. Dr. Christoph Lattemann ist Professor für Betriebswirtschaftslehre und Informationsmanagement an der Jacobs University Bremen und lehrt außerdem in Teilzeit als Professor für Entrepreneurship an der University of Agder in Norwegen. Prof. Dr. Susanne Robra-Bissantz leitet das Institut für Wirtschaftsinformatik der Technischen Universität Braunschweig und dort den Lehrstuhl Informationsmanagement.

1.

Einleitung und Motivation

Ein wesentliches Charakteristikum der Dienstleistung ist ihre Individualität, die sich ganz klassisch aus der direkten Interaktion zwischen einem Anbieter und seinem immer individuellen Kunden oder dem ebenso individuellen Objekt aus seinem Besitz ergibt (Robra-Bissantz 2018). Bereits in der traditionellen Konzeptionalisierung der Dienstleistung wird hervorgehoben, dass bei jeder Dienstleistungserstellung ein externer Produktionsfaktor, vom Kunden bereitgestellt, in die Produktion einfließt, der jegliche Dienstleistungsproduktion individuell macht (Grönroos 1982). Genau diese Individualität, zusammen mit der häufigen Leistungserbringung direkt am Menschen, war lange ein Hemmnis für Automatisierungsbestrebungen. Dienstleistungen blieben teuer – ihr Anteil an der Bruttowertschöpfung stieg nicht allein aufgrund der sektoralen Verschiebung, sondern auch aufgrund einer deutlich geringeren Automatisierungsrate (Collier 1983). Die Standardisierung von Dienstleistungen oder die Übergabe von Aufgaben an den Kunden waren daher lange Jahre die einzigen Möglichkeiten, Dienstleistungen effizienter zu erbringen. Heute aber, mit neuen digitalen Technologien, stellt sich die Situation völlig anders dar – es ist möglich, personalisierte Dienstleistungen automatisiert und damit zu geringeren Kosten zu produzieren. Von primärer Bedeutung für den Kunden – egal ob eine Dienstleistung oder ein Produkt erworben wird – ist der Value-in-Use (Robra-Bissantz 2018). Aus der Perspektive der Service Logic (Grönroos 2011) und Service-Dominant Logic (SDL) (Vargo et al. 2008) ist der zentrale Betrachtungsgegenstand eines Anbieters nämlich nicht sein traditionelles Produkt (Sach- oder Dienstleistung), sondern der Wert, der Value-in-Use, den dieses Produkt einem potenziellen Kunden schafft (Grönroos 2011). Zu beachten ist hierbei, dass sich der jeweilige Value-in-Use für die verschiedenen Akteure stark unterscheiden kann, sowohl was der Nutzer während der Dienstleistung als Wert empfindet, als auch der Nutzen, den er nach der Dienstleistungserbringung erhält. Hieraus ist zu schließen, dass Werte als hoch individuell betrachtet werden können (Vargo et al. 2008; Grönroos 2011; Robra-Bissantz 2018). Umso wichtiger ist daher eine nutzerorientierte und individuelle Gestaltung von Produkten und Dienstleistungen. Dienstleistungsangebote, die im Sinne einer Personalisierung auf die individuellen Bedürfnisse eines Nutzers zugeschnitten sind, stellen einen wesentlichen Bestandteil einer erfolgsversprechenden Wertgenerierung dar (Müller et al. 2002). Damit die Personalisierung von Dienstleistungen möglichst komfortabel für den Kunden durchgeführt werden kann (Montgomery/Smith 2009), erfolgt die Identifizierung und Erfüllung der Nutzerbedürfnisse automatisiert und ohne proaktivem Zutun des Nutzers (Arora et al. 2008). So werden etwa personenbezogene Daten aus dem Kontext oder der Interaktion mit dem Kunden mittels Technologie identifiziert. Hierbei kann nicht nur die Sammlung von Personalisierungsinformationen automatisiert erfolgen, sondern auch die Dienstleistungserbringung an sich kann auf-

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R. Ahmad, S. Fischer, Ch. Lattemann und S. Robra-Bissantz

grund der Kompetenzen-Einbringung des Technologie-gestützten Interaktionspartners automatisch und individuell erfolgen. Im Kontext der Dienstleistungserbringung stellt der Kunde einen aktiven Partner bei der Wertschöpfung dar (Vargo et al. 2008; Lusch/Nambisan 2015). In einem kollaborativen Kreationsprozess nutzt er die Kompetenzen des Anbieters zur Schaffung eines von ihm gewünschten Wertes (Lattemann/Robra-Bissantz 2006; Robra-Bissantz/Lattemann 2017). Die Gründe der Kunden, einen gewünschten Wert durch Personalisierung zu erhalten, können individuell unterschiedlich sein, wichtig ist jedoch, dass im Sinne eines kollaborativen Kreationsprozesses der Value-in-Use für den Kunden durch die Personalisierung so hoch sein muss, dass er im Gegenzug freiwillig Kompetenzen und, in diesem Kontext, teils sensible Daten austauscht (Barrett et al. 2015; Kim et al. 2019). Neben Effizienzsteigerungen bieten moderne Automatisierungstechnologien zahlreiche Potenziale für die Personalisierung und Individualisierung von Dienstleistungen. Aufgrund der direkten Interaktionen und den individuellen Anpassungen sind die Automatisierungspotenziale von Dienstleistungen typischerweise komplex und werden aktuell Schritt für Schritt durch moderne Technologien entdeckt und genutzt. Gerade bei personennahen Dienstleistungen, die von Apps, Chatbots oder Maschinen erbracht werden, stellt sich neben den Aspekten ihres Designs schnell auch die Frage der Akzeptanz bei den Nutzern. Entsprechend beschäftigt sich dieser Beitrag mit der explorativen Fragestellung: Welche aktuellen Entwicklungen und Trends sind für die Personalisierung von Dienstleistungen durch Automatisierung relevant? Adressiert wird diese Frage durch eine strukturierte Literaturanalyse (Webster/Watson 2002). Die Ergebnisse dieses Beitrags werden anschließend anhand der SDL-Perspektive diskutiert und Implikationen für die weitere Forschung von Dienstleistungen im Kontext der Automatisierung abgeleitet.

2.

Theoretische Grundlagen

2.1 Dienstleistungsinnovation Kunden erwarten zunehmend personalisierte Angebote. Statt eines Produktes, das bestimmte Funktionen mit gleichbleibender Qualität erfüllt, ermöglichen lernende Systeme ein über ihre Lebenszeit steigendes Niveau von personalisierten Leistungen. Seien es Vorschläge für passende Angebote, basierend auf bisherigen Käufen, oder das Bestellen von Gegenständen über einen Knopfdruck bzw. einen Sprachbefehl. Um solche Leistungen anbieten zu können, sind Anbieter auf die Bereitschaft von Nutzern angewiesen, ihre Daten zur Verfügung zu stellen. Ohne einen angemessenen Nutzen bzw. Gegenwert, fehlt dem Nutzer der Anreiz, persönliche Daten zu teilen (Kim et al. 2019). Wird jedoch ein angemessener Mehrwert durch die Bereitstellung personalisierter Leistungen gebo-

Automatisiert und trotzdem personalisiert – Die Dienstleistung der Zukunft

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ten, erlaubt dies Anbietern, sich voneinander abzugrenzen und strategische Vorteile zu entwickeln (Grönroos 2011; Skålén et al. 2014), die Nutzer durch laufende Verbesserungen an sich binden (Robra-Bissantz 2018). Dieser Wettbewerb führt zu einer schnellen Anpassung der Kundenerwartungen, die Unternehmen unter Druck setzt, stetig bessere Leistungen zu entwickeln und sich an aktuelle technologische Entwicklungen anzupassen (Lusch/Nambisan 2015; Buhalis et al. 2019). Verpassen Anbieter diesen durch die Digitalisierung getriebenen Wandel, laufen sie Gefahr, durch eine von hunderten neuen Lösungen, die jeden Tag auf den Markt kommen, verdrängt zu werden (Robra-Bissantz/ Lattemann 2017). Statt auf Produktentwicklung fokussieren sich Unternehmen daher zunehmend auf die Innovation der Leistungen und der Verbesserung des Wertes, der durch ihre Angebote für Kunden entsteht (Barrett et al. 2015). Aus dieser SDL-Perspektive erfolgt die Wertschaffung nicht durch den Erwerb eines Produktes, sondern erst durch die eigentliche Nutzung von Leistungen durch den Kunden (Vargo/Lusch 2008b). Dies impliziert, dass ein Nutzen nicht einfach generiert werden kann, sondern zunächst angeboten werden muss und erst durch die Wahrnehmung und Nutzung durch den Kunden realisiert wird – daher wird hier vom Value-in-Use gesprochen. Der Value-in-Use wird durch digitale Kundenerfahrungen beeinflusst, die in gemeinsamen physischen oder virtuellen Räumen bei der Interaktion von Akteuren entstehen. In diesem ko-kreativen Prozess der Wertgenerierung wird die Qualität der Leistung dabei immer abhängig vom Kontext von den oder dem Begünstigten beurteilt (Vargo/Lusch 2008a). In diesem Zusammenhang wird Dienstleistungsinnovation daher als die Erzeugung von Value Propositions durch den Einsatz von Ressourcen verstanden, die die Wertgenerierung der Kunden verbessern (Skålén et al. 2014). Dienstleistungsinnovationen werden maßgeblich durch technologische Entwicklungen getrieben (Barrett et al. 2015; Hekkala et al. 2017). Diese technologischen Entwicklungen erfordern, dass Unternehmen die Art und Weise, wie sie mit Kunden interagieren, überdenken, um den Erwartungen der Kunden zu entsprechen (RobraBissantz/Lattemann 2017). Helkkula et al. (2017) sehen Technologien und ihre Funktionalitäten jedoch nicht als zentralen Bestandteil, sondern lediglich als Mittel zur Bereitstellung der Dienstleistung an. Technologien bilden somit die Basis für Plattformen, die Interaktionen zwischen Unternehmen, zwischen Unternehmen und Kunden sowie unter Kunden erleichtern (Rihova et al. 2013) und so gesellschaftliche, aber auch unternehmerische Strukturen beeinflussen (Buhalis et al. 2019). Neben Funktionen, die die Kommunikation zwischen Akteuren ermöglichen oder erleichtern, bietet IT auch Potenziale, (Teil-)Prozesse der Dienstleistung zu automatisieren und zu personalisieren, was in den vergangenen Jahren weitreichende Folgen für die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und damit verbundenen Dienstleistungen hatte.

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2.2 Technologische Entwicklungen Technologische Entwicklungen prägen, wie Dienstleistungen erbracht und Kunden angesprochen werden (Helkkula et al. 2018). Damit einher entstehen Möglichkeiten, die höheren Komfort oder Personalisierung bieten und Unternehmen gegenüber ihren Konkurrenten Wettbewerbsvorteile verschaffen (Robra-Bissantz 2018). Neben der Sondierung und Nutzung von neuen technologischen Optionen stehen Unternehmen auch vor der Herausforderung nicht nur fortschrittliche, sondern auch nutzerzentrierte Lösungen zu schaffen (Brown 2009; Vargo/Lusch 2017). Technologien bieten in diesem Kontext auch neue Möglichkeiten Informationen, Kompetenzen und Wissen von Akteuren einzubinden, um innovative, hoch personalisierte Dienstleistungen zu schaffen (Redlich et al. 2018; Robra-Bissantz 2018; Strohmann et al. 2018). Die Automatisierung stellt in diesem Zusammenhang einen wichtigen Aspekt in der Gestaltung personalisierter Dienste dar. Hierbei bedeutet Automatisierung, „einen Vorgang mit technischen Mitteln so einzurichten, dass der Mensch weder ständig noch in einem erzwungenen Rhythmus für den Ablauf des Vorgangs tätig zu werden braucht“ (Dolezalek 1966, S. 217). Auf Seiten des Anbieters kann eine Software oder ITKomponente der Interaktionspartner sein – ein digitaler Service, der seine Kompetenzen intelligent und proaktiv einbringt (Robra-Bissantz 2005). Die zugrunde liegenden, digitalen Technologien können den menschlichen Leistungserbringer somit bei Aufgaben ersetzen, in denen die Dienstleistung durch jegliche Art der Informationsverarbeitung – die Erfassung, Verarbeitung, Speicherung, Ausgabe bis hin zur Steuerung durch Information – erbracht wird. Die Kapazitäten des digitalen Agenten sind denen von menschlichen Agenten in vielen Punkten überlegen. Beispielsweise übersteigt die digitale Wissensbasis, die vom digitalen Akteur als Ressource in die gemeinsame Wertgenerierung integriert wird, das menschliche Gedächtnis deutlich und kann über viele Kunden und Dinge hinweg vernetzt werden. Die Automatisierung macht dabei eine effiziente und effektive individuelle Dienstleistung mithilfe E-Services möglich, die als eigenständig agierende Dienstleister aktiv werden: Vermittlungsplattformen, Konfigurationssysteme, Apps oder die gemeinsame Entwicklung von neuen Produkten oder Dienstleistungen tragen als eigenständiger E-Service dazu bei, dass Wert entstehen kann. Die Automatisierung einer Dienstleistung bedeutet jedoch nicht, dass hierdurch auch zwangsläufig immer eine positive Servicequalität gewährleistet wird. Aufgrund der direkten Interaktionen und den individuellen Anpassungen sind die Automatisierungspotenziale von Dienstleistungen typischerweise komplex und werden aktuell Schritt für Schritt durch moderne Technologien entdeckt und genutzt. Eine funktionierende Infrastruktur, in der physische Produkte und digitale Services zu hybriden Lösungen verschmelzen – im „Internet der Dinge“ (Internet of Things, IoT) – eröffnet für die Gestaltung personalisierter Dienstleistungen völlig neue Optionen (Fleisch et al. 2017) und liefert die Basis dafür, dass Dienstleitungen automatisch personalisiert erbracht werden können. Genauer betrachtet bedeutet dies, dass der Wert einer

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IoT-Lösung auf Anbieterseite aus der Kombination eines klassischen, in der Vergangenheit nicht mit dem Internet verknüpften Produktes besteht, das mit IT veredelt wird, während sich auf Nachfragerseite der Wert als Nutzen aus dem physischen Produkt und den damit verbundenen digitalen personalisierten Services entfaltet (Fleisch et al. 2017). Um das Potenzial des IoT richtig auszunutzen, sollte die Verknüpfung mit den Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) betrachtet werden. Unter KI versteht man Technologien, die menschliche Fähigkeiten im Analysieren, Entscheiden, Hören, Sehen und Handeln ergänzen und stärken (Gürtler 2019). Die technische Grundlage für solche kognitiven Systeme sind mit leistungsfähigen Supercomputern auf Basis neuronaler Netze und digitalen Sensoren (wie etwa RFID) für ein breites Spektrum an Anwendungen gegeben. Große Datenmengen aus unterschiedlichen Quellen müssen in kurzer Zeit analysiert werden, um im IoT komplexe Entscheidungen in Echtzeit treffen zu können (Gürtler 2019). Effektiv möglich ist dies nur mit den Methoden des Machine Learnings, einem Teilbereich der KI. Durch maschinelles Lernen lassen sich aus großen Datensätzen Muster erkennen und analysieren, wodurch IoT-Technologien und die damit verknüpften Prozesse besser zu verstehen sind. Die Dienstleistungen verbessern sich dabei exponentiell mit der Anzahl ihrer Nutzungen und Nutzer, sodass man allmählich z. B. immer bessere Empfehlungen für Produkte erhält, zu jeder Zeit bei Problemen Hilfe von Social Bots erhalten kann, oder Smart Services selbstständig Dienstleistungen erbringen, während der Bedarf gerade entsteht. Weitere Beispiele für intelligente Anwendungen sind selbstfahrende Autos, Emotionserkennung und das Verstehen natürlicher Sprache, Bilderkennung und autonom agierende Maschinen, wie intelligente Roboter. Die beschriebenen Technologien zeigen, dass sich im Rahmen der aktuellen technologischen Entwicklungen ein sich verdichtendes, digitales Abbild unserer Realität ergibt, das zunehmend präzise den Standort, Kontext und Gemütszustand von Personen bewerten und vorhersagen kann. Auf Basis dieser Einschätzungen können Netzwerke, die aus verschiedenen technologischen Systemen bestehen, schneller, präziser, komfortabler und insgesamt an Kundenbedürfnisse angepasstere Dienstleistungen anbieten, die unsere Lebenssituation verbessern sollen – die Leistungen werden so für uns wertvoller. Natürlich ergeben sich aber auch Herausforderungen bei der Entwicklung solcher Dienstleistungen, die gemeinsam mit den Entwicklungen und Potenzialen von Automatisierungstechnologien in den Kontexten Smart Home, Smart Mobility, Health Care und E-Learning im vierten Abschnitt dieses Beitrages dargestellt werden.

2.3 Personalisierung Der Kerngedanke der Personalisierung beruht auf einer nutzerzentrierten Marketingstrategie, die darauf abzielt, die richtigen Inhalte zur richtigen Zeit an die richtige Person zu liefern (Aguirre et al. 2015). Digitale Personalisierungsmechanismen stellen dabei nutzerspezifische Informationen automatisiert, auf Grundlage von individuellem Nutzerverhalten und ohne Zutun des Nutzers zusammen (z. B. über Webseiten-Cookies oder Tra-

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cking-Methoden) und stimmen die Inhalte auf diese Weise auf die Bedürfnisse des Nutzers ab (Reichwald/Schaller 2002). Die Identifizierung und Erfüllung der Nutzerbedürfnisse erfolgt also auf Anbieterseite, sodass ein Minimum an Aufwand für den Kunden entsteht (Montgomery/Smith 2009). Dieser zentrale Aspekt der Personalisierung bildet einen starken Kontrast zur Customization, bei der die Angabe von Nutzerpräferenzen proaktiv aus Kundensicht erforderlich ist (z. B. über Produktkonfiguratoren im OnlineShop) (Arora et al. 2008). So nimmt bei der Personalisierung auch die individuelle Wertschaffung für den Nutzer einen höheren Stellenwert ein, als bei der Customization (Arora et al. 2008). Nutzerbezogene Daten und die damit verbundene Personalisierung des Dienstleistungsangebots gelten daher als ausschlaggebend für die Stiftung eines Mehrwerts für den Nutzer. Die Veränderung der Beziehungen von Nutzern und Unternehmen führt, wie im vorherigen Abschnitt beschrieben, auch zu einer zunehmenden Einbeziehung des Kunden als Co-Creator in der Wertschaffung, der eigene Ressourcen und Kompetenzen einbringt (Vargo/Lusch 2008a). Die Generierung eines Wertes stellt sowohl für Anbieter als auch Nachfrager einen Nutzen dar: Die Bereitstellung von umfassenden Nutzerinformationen durch Personalisierungskonzepte erlaubt es dem Anbieter, seine Dienstleistungsangebote zielgerichtet auf die Bedürfnisse und Präferenzen des Nachfragers zuzuschneiden. Somit kann der entstandene Wert aus Anbietersicht bei einer starken Kundenbindung aufgrund positiver Nutzererfahrung liegen, während der entsprechende Value-in-Use für den Kunden bei einem für ihn maßgeschneiderten Leistungsangebot besteht, das er selbst, ohne Zuhilfenahme des Anbieters, nicht in Betracht gezogen hätte. Die Personalisierung von Dienstleistungsangeboten muss in einer Weise angegangen werden, um aus ökonomischer Sicht keine Einbußen zu verzeichnen. Der Aufwand zur Erstellung von individuellen Nutzerprofilen kann sich als unwirtschaftlich erweisen. Zudem können Kunden häufig den angebotenen Service und dessen Funktionalitäten nicht verstehen und sind durch Personalisierungsoptionen überfordert (Müller et al. 2002). Folglich besteht die Gefahr, dass weder für Anbieter noch Nachfrager ein Mehrwert geschaffen wird, sondern gar mögliche Wertschöpfung durch übermäßige Komplexität vernichtet wird (Müller et al. 2002). Sinnhaft eingesetzte Personalisierung kann jedoch zu einer Reduktion dieser Komplexität beitragen, wenn etwa nicht gewünschte Inhalte von vornherein unterdrückt und dem Nutzer nur die nach dessen persönlichem Interessenprofil bezogenen Inhalte präsentiert werden (Müller et al. 2002). Gestaltet sich der personalisierte Zugang zu Dienstleistungen für den Kunden als einfach und sicher, und wird ihm gleichzeitig die Wahl der Informations-, Kommunikations- und Transaktionsanwendungen überlassen, so liefern personalisierte Dienstleistungsangebote Effizienz, Bequemlichkeit, Flexibilität und Aktualität entsprechend der individuellen Anforderungen des Nutzers (Reichwald/ Schaller 2002). Im Folgenden werden technologische Entwicklungen in den in der Literatur meist genannten Kontexten der Dienstleistungserbringung (Smart Home, Smart Mobility, Health Care und E-Learning) beschrieben. Die Auswahl dieser Kontexte basiert auf einer strukturierten Literaturrecherche, die im folgenden Abschnitt dargestellt wird.

Automatisiert und trotzdem personalisiert – Die Dienstleistung der Zukunft

3.

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Vorgehen

Um aktuelle technologische Entwicklungen im Kontext der Dienstleistungserbringung zu beleuchten, wurde eine strukturierte Literaturanalyse durchgeführt. Literaturanalysen bieten sich für die Zusammenfassung etablierter Forschungsfelder, aber auch für die explorative Auseinandersetzung mit neuen Themen an (Bensman 2007). Methodisch angelehnt an Webster und Watson (2002) wurde im Sommer 2019 eine strukturierte Literaturrecherche auf der Datenbank „Scopus” durchgeführt. Durch die Betrachtung von einschlägiger Literatur der Forschungsfelder Dienstleistungsmanagement und Informationssysteme wurden die Suchbegriffe „Personalization”, „Individualization”, „Automation” und „Service“ als relevant und sinnvoll für die Literaturrecherche identifiziert. Zur weiteren Verbesserung der Relevanz der Ergebnisse wurden die Suchwörter in folgender Kombination genutzt: ALL (automation AND personalization OR individualization AND servic*) Während die Nutzung des Platzhalters * nach „Servic”, Begriffe wie „servicification” oder schlicht „services” als plural miteinschließt und die Ergebnisse so verbessert, weiteten Kombinationen mit „autom*”, „personal*” und „individual*” die Suche unnötig aus und führten zu einer sehr hohen Anzahl ungenauer Ergebnisse. Die Nutzung USamerikanischer oder britischer Schreibweise der Suchbegriffe hatte keine Auswirkung auf die Ergebnisse. Insgesamt wurden 2.355 Artikel gefunden. Da durch die Analyse aktuelle technologische Entwicklungen herausgearbeitet werden sollten, wurden Veröffentlichungen der Jahre 2015 bis einschließlich 2019 in englischer und deutscher Sprache weiter berücksichtigt (985). Nach der Analyse der Titel und Abstracts wurden 89 Artikel als relevant in eine engere Auswahl übernommen und vollständig gesichtet. Unter Berücksichtigung der Relevanz, Qualität und der Verfügbarkeit wurden 36 Artikel für die weitere Analyse ausgewählt. Sie wurden erneut gelesen und von jeweils zwei Autoren nacheinander kodiert. Die Kodierung erfolgte mit MAXQDA und wurde nach Abschluss aller Kodierungen durch eine Person vereinheitlicht und zusammengefasst, um übergeordnete Themen für die Beantwortung der Forschungsfrage Welche aktuellen Entwicklungen und Trends sind für die Personalisierung von Dienstleistungen durch Automatisierung relevant? abgeleitet. Nach der gemeinsamen Sichtung der 36 Artikel wurden vier hauptsächlich beschriebene Kontexte identifiziert, die für die weitere Gliederung und Auswertung unserer Analyse zum Thema Automatisierung personalisierter Dienstleistungen genutzt wurden: Smart Home (1), Smart Mobility (2), Health Care (3) und E-Learning (4). Sechs weitere Artikel beschäftigten sich mit der Digitalisierung personalisierter Dienstleistungen, deren Nutzungskontexte jeweils nur vereinzelt genannt und deswegen für die weitere Untersuchung ausgeschlossen wurden. Zu diesen Kontexten zählen z. B. Industrie 4.0 (Klingenberg et al. 2019), Smart Services und Touristik (Buhalis et al. 2019). Für die abschließende Analyse wurden unter Berücksichtigung der Anwendungskontexte 30 Artikel

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herangezogen (siehe Abbildungen 2, 3, 4 und 5). Der Suchprozess wird in Abbildung 1 dargestellt. Suchanfrage ALL (automation AND personalization OR individualization AND servic*)

Scopus Datenbank 2355 Journal- und Konferenzartikel

Engere Auswahl 985

Auswahlkriterien bei der Sichtung des Titels (1)Relevanz und Qualität (2)Dt. und engl. Sprache (3)Zeitraum 2015 bis 2019

Abbildung 1:

Auswahl nach Sichtung von Titel und Abstract 89

Auswahl nach Sichtung der gesamten Dokumente 30

Kontextbasierte Kategorienbildung (1)Smart Home (2)Smart Mobility (3)Health Care (4)E-Learning

Suchprozess der strukturierten Literaturanalyse

Im folgenden Abschnitt werden die Entwicklungen, Einschränkungen und Potenziale im Kontext der technologiegestützten Personalisierung von Dienstleistungen in den Anwendungsbereichen (1) Smart Home, (2) Smart Mobility, (3) Health Care und (4) ELearning dargestellt.

4.

Ergebnisse

4.1 Smart Home Aldrich (2003) definiert „Smart Home” als ein Gebäude, das mit Informationstechnologie ausgestattet ist, um die Bedürfnisse der Bewohner zu antizipieren und zu erfüllen, indem Komfort-, Sicherheit- und Unterhaltungsdienste im Haus angeboten werden, die mit dem Internet verbunden sind. Im Wesentlichen wird die Erfüllung der Bedürfnisse durch das Zusammenspiel von Hardware und Software, wie zum Beispiel bei Sensoren, mittlerweile aber auch gängigen Haushaltsgeräten, ermöglicht. Durch die zunehmende Vernetzung dieser intelligenten Objekte („Internet of Things“) entstehen sowohl neue Assistenzfunktionen als auch personalisierte Dienste, die dem Bewohner bereitgestellt werden können. Dabei stehen insbesondere die Aspekte Nachhaltigkeit, Wirtschaftlichkeit, Komfort und Energieeffizienz im Vordergrund der Entwicklung (Leitner et al. 2013). Die technologische Weiterentwicklung von Smart Home-Geräten wurde insbesondere durch die Verbreitung von Sprachsteuerung und der erhöhten Verknüpfbarkeit

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von Geräten getrieben, die konstant unterschiedliche Daten erfassen und austauschen (Marikyan et al. 2019). Während der technologische Fortschritt die Fähigkeiten von IoT-Geräten verbessert und erweitert, sind sich Henka et al. (2016), Clougherty et al. (2017), D’Alterio et al. (2017) und Elmalaki et al. (2018) darüber einig, dass sich die Gestaltung personalisierter Smart Home-Dienste als herausfordernd erweist, da der Anspruch personalisierte Dienste anbieten zu wollen, mit der Erfassung und Verarbeitung individueller Benutzerdatensätze einhergeht. Um diese Daten zu gewinnen, muss der Nutzen der Geräte im Gegenzug den spezifischen Anforderungen eines jeden einzelnen Nutzers gerecht werden, damit diese personenbezogene Daten preisgeben. Dazu wiederum ist eine effektive und konstante Erfassung von dynamischen Kontextinformationen (z. B. Biosignale, Standortdaten, Stimmung des Nutzers) sowie eine Anpassung an Nutzerpräferenzen und -bedürfnissen Voraussetzung (Elmalaki et al. 2018). Durch die Nutzung verschiedener Sensoren im Smart Home sind vernetzte Geräte dazu in der Lage, Änderungen im Verhaltens des Menschen und anderer Bedingungen im Smart Home zu erkennen (Marikyan et al. 2019). Das Kontextbewusstsein, das durch die Vernetzung von intelligenten Systemen im Smart Home entsteht, erlaubt proaktives, intelligentes Verhalten von Geräten abseits von manuell hinterlegten Präferenzen sowie eingespeicherten Einstellungen und bietet so hoch personalisierte, automatisierte Wertschaffung im Smart Home-Kontext (Elmalaki et al. 2018). Diese Kontextinformationen können genutzt werden, um Nutzer und Räume, die gerade genutzt werden, zu identifizieren. Diese Lokalisierung der Nutzer erfolgt auf Basis von Bluetooth Low Energy (BLE) und Beacons, die einfach in Smart Home Systeme integrierbar sind und genaue Standortbestimmung ermöglichen (Clougherty et al. 2017). Batra et al. (2019) haben auf diesen Technologien aufbauend ein intelligentes Stromreduzierungssystem geschaffen, das in Wohnungen, Büros, Straßen usw. genutzt werden kann. Durch die Verbindung mit weiteren Sensoren in intelligenten Geräten und die Auswertung derer Daten, kann eine KI trainiert werden, den Stromverbrauch zu optimieren, ohne dass Nutzer Komfort verlieren. Social Robots und andere Geräte sind außerdem in der Lage Kalenderinformationen auszulesen, um darauf basierend Erinnerungen oder personalisierte Vorschläge zu tätigen, die sich z. B. auf den Speiseplan beziehen können (Saunders et al. 2016). Auf Basis von Recommender Systemen, die durch Personality Mining und die Auswertung von natürlicher Sprache Präferenzen und das derzeitige emotionale Befinden gespeist werden, können Nutzer sich personalisierte, situationsabhängige Unterhaltungsdienste wie Musik und Video bereitstellen lassen (D’Alterio et al. 2017) und Social Robots situativ „empathisch” mit Nutzern interagieren (Saunders et al. 2016). Mit der zunehmenden Komplexität solcher personalisierbaren Dienstleistungen, kann die Bedienung und Navigation der Nutzeroberflächen von intelligenten Systemen einen Mehraufwand darstellen, der den Nutzen der Automatisierung und Personalisierbarkeit schmälert (Müller et al. 2018). Sollten dennoch Änderungen über Benutzeroberflächen

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vorgenommen werden, ermöglicht der Zugriff auf Kontextinformationen wie Lichtverhältnisse, Zeit oder den Geräuschpegel, die Anpassung der Bedienelemente bzw. Interaktionsmöglichkeiten durch Anpassung von Schriftgröße, Bildvergrößerungen, Lautstärke usw. (Henka et al. 2016). Eine weitere Möglichkeit, die Interaktion mit komplexen, personalisierten Dienstleistungen zu vereinfachen, stellt das Speichern von Präferenzen auf dem Gerät oder dem Smartphone dar, die mit Endgeräten kommunizieren und die weitere Interaktion mit diesen, um den gewünschten personalisierten Dienst abzurufen und auf ein Minimum zu reduzieren. Um die Nutzung von komplexeren intelligenten Geräten, die personalisierte Leistungen anbieten, zu vereinfachen, wurde von Müller et al. (2018) beispielsweise eine Single-Button-Lösung entwickelt, die über RFID die Präferenzen des aktuellen Nutzenden ausliest und die Interaktion mit dem Interface auf einen Knopfdruck reduziert. Automatisierte Geräte, die personalisierte Dienste anbieten, haben ein großes Potenzial, die Lebensqualität der Bewohner von Smart Homes zu verbessern und, insbesondere bei Personen mit gesundheitlichen Einschränkungen, ihre Unabhängigkeit zu steigern (Saunders et al. 2016). Während eine Vielzahl von Smart Home bezogenen Studien die technologischen Aspekte beschreibt, steigt die Anzahl nutzerzentrierter wissenschaftlicher Beiträge jedoch langsam an, sodass zusätzliche Schlüsse auf den Einfluss von Smart Home- Applikationen auf die Nutzerakzeptanz und Lebensqualität zunehmend an Relevanz gewinnen (Marikyan et al. 2019). In der Abbildung 2 sind die zentralen Entwicklungen und Potenziale im Smart Home-Kontext zusammenfassend mit Literaturverweisen aufgeführt. Kontext Smart Home Entwicklungen

Autoren

Personalisierung von Diensten basierend auf Persönlichkeit und emotionalen Zustand

Saunders et al. 2016; D’Alterio et al. 2017; Marikyan et al. 2019

Verbesserung von Kontext-basierten Diensten

Saunders et al. 2016; Clougherty et al. 2017; Elmalaki et al. 2018; Batra et al. 2019; Marikyan et al. 2019

Anpassung von Benutzeroberflächen zur besseren Bedienung von Smart-Home-Geräten

Henka et al. 2016; Müller et al. 2018; Marikyan et al. 2019

Abbildung 2:

Technologische Entwicklungen und Potenziale im Smart-Home-Kontext

4.2 Smart Mobility Smart Mobility umfasst die Entwicklung von (teil-)automatisierten Verkehrsmitteln ebenso wie für diese Automatisierung benötigte digitale Infrastruktur (z. B. Ampeln, Fahrbahn-Sensoren, Daten von Autos usw.). Voraussetzung für autonomes Fahren ist die Analyse von fahrerspezifischen Daten, wie etwa Position-, Geschwindigkeits-, Be-

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schleunigungs- und Bremsdaten. Hierbei handelt es sich um kontextbezogene, personalisierte Daten, die meist in Echtzeit innerhalb von Sekundenbruchteilen verarbeitet werden, um einen permanenten Informationsaustausch zu gewährleisten. Die Marktreife der Sensoren und die Computerleistung zur Verarbeitung dieser Daten im Fahrzeug erlauben erst seit kurzem eine Personalisierung von Fahrassistenzsystemen (Hasenjäger/Wersing 2017). Die (teilweise) Automatisierung von Verkehrsmitteln soll eine erhöhte Sicherheit, verbesserten Komfort und höhere Ersparnis beim Verbrauch bieten sowie der alternden Bevölkerung Mobilität auch unter erschwerten Fahrbedingungen (z. B. lange Fahrzeiten, Regen, schlechter Sicht) ermöglichen (Hasenjäger/Wersing 2017; Braun et al. 2019; Li et al. 2019). Umfragen zeigen, dass trotz zahlreicher Vorteile insbesondere in Bezug auf Fahrsicherheit der Einsatz von Assistenzsystemen durch Bedenken hinsichtlich Datenschutz und -sicherheit seitens der Nutzer gehemmt wird (Kim et al. 2019). Das größte Hindernis, dem Smart Mobility begegnet, sind jedoch eingeschränkte Akzeptanz und fehlendes Vertrauen in automatische Funktionen wie Spurhalte-, Abstands- und Notbremsassistenz (Hasenjäger/Wersing 2017). Das Missvertrauen gegenüber dieser Systeme rührt aus der Diskrepanz aus eigenen Präferenzen (beispielsweise Zeitpunkt und Härte des Bremsvorgangs) und dem automatisiertem Fahrverhalten, das aus mangelnder Personalisierung resultiert (Butakov/Ioannou 2015; Hasenjäger/Wersing 2017; Hartwich et al. 2018). Aktuell werden Fahrstilmodelle hauptsächlich auf Basis des Durchschnittsfahrers erstellt (Hasenjäger/Wersing 2017). Erweiterte Ansätze der automatisierten Personalisierung umfassen die Beobachtung des Fahrverhaltens in einem Lernmodus oder sukzessive während kurzer Phasen im manuellen Modus, während im Hintergrund das Fahrendenprofil abgeglichen und angepasst wird (Butakov/Ioannou 2015; Hasenjäger/Wersing 2017). Je höher die resultierende Nähe des personalisierten Fahrverhaltens bzw. der angepassten Assistenzfunktionen zum tatsächlichen Fahrverhalten des Nutzers, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Fahrer die Systeme ignorieren oder sogar deaktivieren (Hasenjäger/Wersing 2017). Das notwendige Vertrauen in die Assistenzsysteme wird jedoch nur durch die fortwährende Erfüllung von Erwartungen aufgebaut, was stark von dem Verständnis und den individuellen Präferenzen der Nutzenden abhängt (Hartwich et al. 2018; Li et al. 2019). Die Nutzung von Durchschnittsprofilen greift daher zu kurz und Möglichkeiten der automatisieren oder nutzerbestimmten Personalisierung sind dringend erforderlich, um die Akzeptanz und Nutzung der Assistenzsysteme zu erhöhen. Neben der Fahrassistenzsysteme bieten Technologien wie Spracherkennung, Head-upDisplays, Emotionenerkennung und Recommender Systeme umfangreiche Möglichkeiten, das Interface sowie das Infotainment-Angebot im Fahrzeug komfortabler und personalisierter zu gestalten. Braun et al. (2019) sowie Schmidt und Braunger (2018) haben sich im Rahmen eines Experiments, respektive einer Umfrage, mit den Personalisierungspotenzialen von Personal Assistants (PA) befasst. In beiden Studien bevorzugen Studienteilnehmende PA, die in der Lage sind auch proaktives, kontext-basiertes Verhal-

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ten zu zeigen, wie beispielsweise das Hinweisen auf einen kommenden Termin oder das Initiieren eines Gesprächs auf langen Fahrten, wenn die Straßensituation monoton ist. Auf Basis des emotionalen Gemütszustandes des Nutzers, der über Kameras im Auto oder Spracherkennung erkannt werden kann, ist es auch möglich, situativ und personalisiert Audioinhalte wiederzugeben, die durch eigene Präferenzen und Recommender Systeme ausgewählt werden (Hasenjäger/Wersing 2017). Die Personalisierung kann sogar die Anpassung der Persönlichkeit des PA umfassen, wodurch Akzeptanz, Zufriedenheit und Vertrauen in die Fähigkeiten des PA und damit assoziierter Fähigkeiten steigen (Braun et al. 2019). Die falsche Auswahl der PA-Persönlichkeit oder zu menschliches Verhalten führt jedoch zu einer Reduzierung der Akzeptanz, der Zufriedenheit und des Vertrauens im Vergleich zum Referenz-PA. Darüber hinaus sollte sich die Persönlichkeit des PA nicht negativ auf die prägnante Kommunikation von Informationen auswirken, die die Navigation und Fahrsicherheit betreffen oder zu längeren Antworten führt (Braun et al. 2019). Während sich viele Studien mit der Akzeptanz von Assistenzfunktionen (insbesondere seitens älterer Personen) im Kontext von Smart Mobility auseinandersetzen (Hartwich et al. 2018; Kim et al. 2019; Li et al. 2019), verbleibt die dedizierte Auseinandersetzung mit der Interaktion von Mensch und Fahrzeug eine Forschungslücke (Hasenjäger/Wersing 2017). Aktuell ist die Personalisierung bei Beginn der Fahrt durch die meisten Systeme bereits abgeschlossen, wodurch die Adressierung von individuellen Situationen und Kontexten stark eingeschränkt ist. Da die Kenntnisse der Nutzenden und deren Einschätzung des eigenen Fahrstils eingeschränkt sind, ist die kontinuierliche, erwartungsgerechte Anpassung des automatisierten Fahrstils an die Präferenzen, Fähigkeiten, Verhaltensweisen und den emotionalen Zustand der Fahrenden zu dessen Zufriedenheit eine große Herausforderung im Kontext der Entwicklung von Smart Mobility (Hasenjäger/Wersing 2017; Li et al. 2019). Die Abbildung 3 zeigt die zentralen technologischen Entwicklungen im Smart Mobility-Kontext mit entsprechenden Literaturhinweisen. Kontext Smart Mobility Entwicklungen

Autoren

Entwicklung von Fahrstilmodellen und Systemen zur personalisierten Anpassung des Fahrverhaltens an den Nutzerpräferenzen

Butakov/Ioannou 2015; Hartwich et al. 2018; Li et al. 2019; Hasenjäger/Wersing 2019

Entwicklung von adaptiven in-vehicle Personal Assistants, die situative, kontextabhängige und proaktive Vorschläge machen

Schmidt/Braunger 2018; Braun et al. 2019

Evaluation der Akzeptanz von (teil-) automatisierten Lösungen im Kontext von Smart Mobility

Butakov/Ioannou 2015; Hartwich et al. 2018; Hasenjäger/Wersing 2019; Kim et al. 2019; Li et al. 2019

Abbildung 3:

Technologische Entwicklungen im Smart Mobility-Kontext

Automatisiert und trotzdem personalisiert – Die Dienstleistung der Zukunft

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4.3 Health Care Der Trend der Personalisierung setzt sich auch in der Gesundheitsversorgung fort. Die Anwendungen reichen von der Patientenmodell-basierten Therapie in der OP über die elektronische Patientenakte und von der individualisierten, pharmakologischen Therapie über die Therapie mit individuellen Prothesen und Implantaten bis hin zur individuellen Betreuung von Patienten in ihrem häuslichen Umfeld mittels technischer Systeme und Dienste (Niederlag et al. 2010). Der Schwerpunkt von Forschung und Entwicklung im Health Care-Bereich liegt demnach verstärkt bei der Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung durch den Einsatz personalisierter Technologien. Mehr noch als das eigene Wohnheim oder Fahrzeug stellt vor allem die individuelle Gesundheit und die damit einhergehende Verwendung sensibler Patienten- und Krankheitsdaten für personalisierte Dienste eine Problemstellung dar. Um nun digitale Technologielösungen im Gesundheitswesen sinnbringend einzusetzen – die etwa zu effektiverer Diagnostik oder einer höheren Personalisierung therapeutischer Ansätze führen – bedarf es der unerlässlichen Erhebung und -verarbeitung riesiger patientenbezogener Datensätze (Meyer/Brauchbar 2018). Die Verwendung dieser Daten ist mit der Herausforderung eines angemessenen Datenschutzes und einer entsprechend technologischen Infrastruktur verbunden. Die Sichtung der im Kontext Health Care identifizierten Artikel zeigt, dass dem Ausbau einer möglichst reibungslos funktionierenden Gesundheitsinfrastruktur mittels IoTTechnologien und der Optimierung automatisierter dynamisch erfasster Datensätze eine wichtige Rolle beigemessen wird. So wird die Erfassung der in der primär Gesundheitsversorgung eingesetzten, stark nutzerspezifischen Human Activity Recognition (HAR)Werte vorrangig durch Machine Learning-Ansätze optimiert (Lee et al. 2015; Saeedi et al. 2018). Daten werden vorwiegend in Fernüberwachungs- und Diagnosesystemen eingespeist (Anzanpour et al. 2017; Brena/Garcia-Ceja 2017; Saeedi et al. 2018; Lentzas/Vrakas 2019), um dem Patienten einen auf seinen HAR-Daten basierenden personalisierten Service bereitzustellen. Aufgrund der komfortablen Art und Weise, Daten zeitnah zu erfassen und auszuwerten, haben sich in den vergangenen fünf Jahren Wearables durchgesetzt (Hu et al. 2015; Lee et al. 2015; Anzanpour et al. 2017; Brena/Garcia-Ceja 2017; Kadarina/Priambodo 2018). Die Akzeptanz gegenüber neuen Technologien, wie der Nutzung von Wearables, wird unter anderem durch die Benutzerfreundlichkeit (User-Experience – UX) bestimmt (Gambino et al. 2019). So geht der Trend bei der Entwicklung medizinischer Wearables dahin, dass diese unauffällig und bequem sind, genaue Informationen liefern, ohne dass der Nutzer etwas Besonderes tun muss und eine einfache Benutzeroberfläche anbietet, sodass Anwenderdaten automatisiert erfasst werden können (Gambino et al. 2019; Lentzas/Vrakas 2019). Der Value-inUse entsteht so nicht nur durch die primären Funktionen solcher Geräte, wie dem Anzeigen der Uhrzeit von einer Smartwatch, sondern auch durch die automatisierte Ermittlung, Auswertung und Erbringung weiterer vernetzter Dienste, die die gesundheitliche Behandlung verbessern (Anzanpour et al. 2017).

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Ein Großteil der identifizierten Artikel im Kontext Health Care nehmen sich der Problematik der älter werdenden Gesellschaft, der damit verbundenen Zunahme von Erkrankungen und ihrer angemessenen gesundheitlichen Versorgung an (e.g. Khosla et al. 2016; Kachouie et al. 2017). So bergen neben den zuvor erwähnten in-vehicle PA im Smart Mobility-Kontext analog auch Social Robots das Potenzial, das Wohlbefinden älterer Menschen zu verbessern (Kachouie et al. 2017). Um eine automatisierte Personalisierung durch Roboter gewährleisten zu können, ist die Verwendung von KI sowie natürliche Spracherkennung eine grundlegende Voraussetzung. Khosla et al. (2016) erweitern diesen Ansatz, indem sie automatisierte Emotionserkennung einsetzen. So kann der Social Robot mittels Sprach- und Emotionserkennung adaptiv auf die spezifischen Nutzerpräferenzen und -bedürfnisse eingehen. Somit stellt der Roboter einen aktiven Interaktionspartner dar, der proaktiv und personalisiert auf den Nutzer eingeht und so insbesondere im Rahmen von sensiblen Situationen einen verbesserten Nutzen stiften kann (Khosla et al. 2016; Gambino et al. 2019), der den Value-in-Use positiv beeinflussen kann. Die technologischen Entwicklungen und Potenziale im Health Care-Kontext zeigt die Abbildung 4 unter Verweis auf ausgewählte Literaturangaben. Kontext Health Care Entwicklungen

Autoren

Entwicklung von Fernüberwachungs- und Diagnosesystemen auf Grundlage patientenbezogener Daten zur personalisierten Anpassung der Gesundheitsversorgung

Hu et al. 2015; Anzanpour et al. 2017; Kadarina/Priambodo 2018

Optimierung von Human Activity Recognition (HAR)-Daten mittels Machine Learning

Brena/Garcia-Ceja 2017; Saeedi et al. 2018; Lentzas/Vrakas 2019

Evaluation der Akzeptanz sowie Entwicklung emotion-basierter Social Robots im Kontext von Health Care

Khosla et al. 2016; Kachouie et al. 2017; Gambino et al. 2019

Abbildung 4:

Technologische Entwicklungen und Potenziale im Health Care-Kontext

4.4 E-Learning Durch die Verbreitung des Zugangs zum Internet Ende der 1990er Jahre erfuhr ELearning einen starken Aufschwung (Niegemann et al. 2013). Das Konzept bezeichnet das selbstbestimmte Lernen mithilfe elektronischer Medien und zeichnet sich durch flexible Nutzung sowie zeitliche und örtliche Unabhängigkeit aus (Gloerfeld 2018). Auch der flexible Zugriff auf Inhalte und Materialien kommt den Lernenden zugute, sodass die Nutzung von E-Learning-Plattformen nicht nur an Schulen und Universitäten Anwendung findet, sondern vermehrt auch im Kontext von Aus- und Weiterbildungsangeboten. Dabei haben vor allem viele Entwicklungen, die in hohem Maße technikgetrieben sind, zu einem deutlichen Qualitätssprung vieler E-Learning-Systeme geführt. So wurden Vernetzungen von Lernprogrammen mit relevanten Inhalten des Internets ebenso prakti-

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kabel, wie häufige Aktualisierungen der Programme (Niegemann et al. 2013). Didaktische und fachliche Fragen bestimmen gemeinsam mit eingesetzten Technologien wie Cloud Computing die Gestaltung automatisierter Lehr- und Lernprozesse von E-Learning-Systemen (Lucke/Specht 2012). Der Anspruch von E-Learning-Systemen ist „personalisiertes Lernen“, d. h. Lehrinhalte orts- und zeitunabhängig mittels verschiedener, mobiler Endgeräte an die persönlichen Vorkenntnisse und Lernziele sowie Vorlieben und Bedürfnisse der Lernenden anzupassen. Um sich diesem Ziel zu nähern, haben Gunathilaka et al. (2017), Pant et al. (2018) sowie Zaporozhko und Parfenov (2018) sich im Rahmen ihrer Forschungen aus verschiedenen Perspektiven damit beschäftigt, virtuelle Lernumgebungen so zu optimieren, dass eine Identifikation des Lernverhaltens des Nutzers möglich ist. Die hierfür eingesetzten Technologien sind etwa Cluster- und Sentimentanalysen sowie Machine Learning-Algorithmen: Sobald der Nutzer die auf der Plattform bereitgestellten Texte, Videos, Audiodaten etc. zum Lernen benutzt, „lernt“ das System selbst im Hintergrund mittels der o.g. Technologien, passt sich entsprechend dem Lernenden und dessen Verhalten an, indem es den Lerntyp bzw. den erfolgreichsten Lernweg für den Nutzer identifiziert. Ein Nutzen, der sich hieraus für den Lernenden ergibt, ist zum einen der auf ihn und seinem Wissensstand maßgeschnittene Lerninhalt, sodass in der Regel keine Langeweile oder Frustration während des Lernens entsteht. Ein weiterer Nutzen besteht im Optimalfall bei der Steigerung des individuellen Lernerfolgs durch das personalisierte Angebot, das der Nutzer selbst ohne didaktische Bildung nicht vornehmen könnte und auf Massen ausgelegte Lehrinstitute sonst auch nicht anbieten könnten und verbessert potenziell den Value-in-Use für die Lernenden. Ein weiterer Ansatz, sich der Lösung von Personalisierungsmechanismen im ELearning-Kontext zu nähern, stellt der Einsatz von Social Robots dar. Das multimediale Lernen wurde um Möglichkeiten des synchronen computergestützten kooperativen Lernens erweitert (Niegemann et al. 2013). Angelehnt an dieser Grundidee besteht ein aktueller Trend in der Gestaltung von softwarebasierter und humanoider „Intelligent Tutoring Robots“ (Milne et al. 2018; Davison et al. 2019; Yang/Zhang 2019). Die klassische Herangehensweise, individuelle Fragen von einem Lehrer oder Tutor beantworten zu lassen, soll auf einen IT- gestützten Kooperationspartner übertragen werden. Dieser soll dem Lernenden bei aufkommenden Fragen begleitend zur Seite stehen, bei Lernaufgaben als Unterstützung dienen und mittels Interaktion durch Lerninhalte navigieren. Eine Personalisierung durch softwarebasierte virtuelle Tutoren erfolgt über Automationsmechanismen, die die Leistung des Nutzers auswerten und basierend auf die Bedürfnisse entsprechend zugeschnittene Lehrinhalte liefern (Milne et al. 2018). Die technische Umsetzung humanoider Intelligent Tutoring Robots gilt derzeit noch als komplex, Davison et al. (2019) sowie Yang and Zhang (2019) haben jedoch mit Design Guidelines und der prototypischen Umsetzung dieser Roboterverhaltensrichtlinien erste Beiträge in diesem Kontext geleistet. Hervorzuheben ist weiterhin die in den Design Guidelines ermittelte Anpassung an den Lernenden durch Emotionserkennung. Auch im Kontext von ELearning führt eine gute UX zu einer zufriedenstellenden Interaktion mit den text- und

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sprachbasierten Assistenten und folglich zu einer erhöhten Akzeptanz sowie effektivem Lernerfolg, der den wahrgenommenen Value-in-Use steigern kann. Die Motivation, Personalisierungstechnologien auch im Kontext von E-Learning einzusetzen, rührt von der Grundannahme her, dass jeder Mensch individuell lernt, auf unterschiedliches Vorwissen zu einem Thema zurückgreift und verschiedene Schwächen beim Lernen vorweist. Hieraus ergibt sich die Fragestellung, wie sich bei der Bandbreite an Lerntypen und -präferenzen E-Learning-Konzepte so gestalten, dass sie spezifisch auf die Lernenden zugeschnitten sind. Während sich z. B. im Health Care-Bereich aus ermittelten HAR-Daten der gesundheitliche Zustand eines Nutzers leicht ableiten lässt, geben personenbezogene Daten wie Biosignale keinen Aufschluss über das Lernverhalten des Benutzers. Die aktuelle Herausforderung in existierenden E-Learning-Lösungen ist demnach also weniger die automatisierte Bereitstellung von Inhalten, sondern vielmehr die individualisierte Anpassung des Lernangebots auf das Verhalten und Tempo des Lernenden (z. B. Pant et al. 2018). Die technologischen Entwicklungen und Potenziale im E-Learning-Kontext sind in Abbildung 5 aufgeführt, mit entsprechenden Literaturhinweisen. Kontext E-Learning Entwicklungen

Autoren

Optimierung von Lernumgebungen durch Machine Learning zur Bereitstellung personalisierter Lerninhalte basierend auf Nutzerverhalten

Gunathilaka et al. 2017; Pant et al. 2018; Zaporozhko/Parfenov 2018

Entwicklung von Design Guidelines humanoider Social Robots/Entwicklung eines softwarebasierten Social Robots für den Kontext E-Learning

Milne et al. 2018; Davison et al. 2019; Yang/Zhang 2019

Abbildung 5:

5.

Technologische Entwicklungen und Potenziale im E-Learning-Kontext

Personalisierung von Dienstleistungen durch Automatisierung

Dienstleistungsangebote werden zunehmend von automatisierten Dienstleistungen durchdrungen. Dadurch sinkt der Anteil an persönlicher Interaktion bei der Dienstleistungserbringung und die Qualität des geschaffenen Wertes ist zunehmend abhängig von der Nutzerfreundlichkeit der genutzten technologischen Geräte und Interfaces (Ng et al. 2012; Henka et al. 2016; Müller et al. 2018; Buhalis et al. 2019). Um wertschaffende, personalisierte Dienstleistungen anbieten zu können, müssen die digitalen Komponenten, basierend auf dem Kontext, der Situation und dem emotionalen Zustand des Nutzers, ihr Angebot anpassen (z. B. Kachouie et al. 2017; Braun et al. 2019; Yang/Zhang 2019).

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Die stetig steigenden Erwartungen von Nutzern an die Dienste, die ihnen das Smart Home, Smart Mobility, intelligente Health Care-Lösungen und E-Learning-Angebote bieten, setzen den Standard für die Wertangebote, die Nutzer als Gegenleistung für die Bereitstellung ihrer Daten erhalten wollen (z. B. Elmalaki et al. 2018; Kim et al. 2019). Diesen steigenden Erwartungen nicht nachzukommen, kann weitreichende negative Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit haben (Buhalis et al. 2019), da sie sich unmittelbar auf den wahrgenommenen Wert und die Akzeptanz von Nutzern auswirken (Hasenjäger/Wersing 2017; Marikyan et al. 2019). Obwohl Kunden im Kontext von automatisierten, digitalen Dienstleistungen bereits als Co-Creatoren Beachtung finden (Ng et al. 2012; Lehrer et al. 2018), wird der resultierende Value-in-Use für Kunden kaum explizit betrachtet. Der Value-in-Use wird durch digitale Kundenerfahrungen beeinflusst, die in gemeinsamen physischen oder virtuellen Räumen bei der Interaktion von Akteuren entstehen. Durch negative Erlebnisse, wie beispielsweise komplexen und langwierigen Konfigurationen, kann der wahrgenommenen Value-in-Use geschmälert werden. Entsprechende Ansätze zur Reduzierung der (wiederholten) Eingaben von Präferenzen bei intelligenten Endgeräten auf die einmalige Nutzung eines Knopfes (Müller et al. 2018) oder deren völlige Abschaffung durch Systeme, die eigenständig kontextbasierte Dienstleistungen erbringen (Elmalaki et al. 2018), bieten potenzielle Ansatzpunkte für die Dienstleistungsinnovation. Die Betrachtung der UX, der Wertschaffung für den Kunden und der Interaktion zwischen Mensch und intelligenten Endgeräten werden als vielversprechende Perspektiven angesehen, die in der Lage sind, durch eine nutzerzentrierte statt technologische Fokussierung bei der Entwicklung von intelligenten, digitalen Dienstleistungen grundlegende Probleme wie Datenschutzbedenken und man-gelnde Akzeptanz zu reduzieren (Hasenjäger/Wersing 2017; Elmalaki et al. 2018; Kim et al. 2019; Marikyan et al. 2019). Vor diesem Hintergrund bietet sich die Perspektive der SDL zur Betrachtung der Nutzerinteraktionen und dem geschaffenen Wert an. Insbesondere da der Wert von Interaktionen und Dienstleistungen immer individuell determiniert wird (Vargo/Lusch 2008a; Grönroos 2011), sollten automatisierte Dienstleistungen, die auf Basis persönlicher Daten Angebote generieren, individuelle, kontext- und situationsabhängige Mehrwerte für die Nutzenden generieren, da diese durch die zunehmend eingebrachten Daten und Ressourcen (z. B. Anschaffung, Einrichtung, Konfiguration, Betreibung, Anpassung, Vernetzung mit anderen Geräten) steigende Ansprüche an den realisierbaren Value-in-Use haben (Robra-Bissantz 2018). Durch die geografische Distanz zum Kunden sollten dem Kunden Möglichkeiten eingeräumt werden, selbstständig eigene Kompetenzen und Wissen über ihre Präferenzen, die Situation oder den Kontext in die Dienstleistungserbringung einzubringen (Vargo et al. 2008), sollte deren Personalisierung nicht den Vorstellungen oder Präferenzen entsprechen (Braun et al. 2019). Ist die automatisierte Personalisierung der Dienstleistung nämlich fehlerhaft, hat sie eine negative Wirkung auf die UX, die wahrgenommene Qualität der Leistung und auch das Vertrauen, das hier eine Schlüsselgröße für den Erfolg

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von automatisierten Dienstleistungen einnimmt (Hasenjäger/Wersing 2017; Schmidt/ Braunger 2018; Gambino et al. 2019). Um Dienste personalisieren zu können, ist ein umfangreiches Verständnis über die Zielgruppe notwendig. Smarte Technologien bieten insbesondere für ältere Personen gesteigerte Autarkie und bessere Lebensqualität. Während die alternde Gesellschaft daher häufig im Fokus von Studien in diesem Kontext steht (z. B. Li et al. 2011; Feingold-Polak et al. 2018; Hartwich et al. 2018), ist die eingehende Berücksichtigung von anderen Zielgruppen ebenso relevant, um wertstiftende Personalisierungsdimensionen zu identifizieren (Feingold-Polak et al. 2018; Hartwich et al. 2018; Marikyan et al. 2019). Die Analyse der vier am häufigsten vertretenen Kontexte im Rahmen der Literaturrecherche zeigt, dass die automatisierte Personalisierung sich weg von regelgesteuerten Diensten, die für einen Durchschnittsnutzer optimiert wurden, zu kontext-, situations-, und emotionsgestützten Angeboten entwickeln, die über zunehmend komfortable Eingabeoberflächen hoch personalisierte Leistungen anbieten. Im Rahmen dieser Entwicklungen ist die Bereitstellung von Dienstleistungen, die steigenden Erwartungen von Nutzern an proaktive und personalisierte Leistungen entsprechen, notwendig, um weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben (Robra-Bissantz/Lattemann 2017; Buhalis et al. 2019). Die Berücksichtigung des Value-in-Use aus der SDL-Perspektive hat im Rahmen dieser Entwicklungen das Potenzial im Kontext der Entwicklung von Informationssystemen, Innovationen voranzutreiben, die aus der inhärenten Fokussierung auf kontinuierliches Lernen und daraus entstehenden neuen Arten der Wertschaffung resultieren (Oborn et al. 2011). Liegt der Fokus auf den für Nutzende entstehenden Lebensverbesserungen, stehen nicht mehr Technologien im Mittelpunkt, die bestimmte Arten der Dienstleistungserbringung verbessern oder radikal verändern, sondern der gesamte Kontext, in dem die Wertschaffung mit den verschiedenen beteiligten Akteuren stattfindet und so den wahrgenommenen Nutzen maßgeblich prägt (Grönroos 2011; Oborn et al. 2011).

6.

Fazit

Der vorliegende Beitrag zeigt aktuelle technologische Entwicklungen zur automatisierten Personalisierung von Dienstleistungen und deren Implikationen aus einer SDLPerspektive auf. Vier Kontexte wurden im Rahmen einer Literaturrecherche identifiziert, in denen individuelle Herausforderungen existieren, die durch zunehmend vernetzte, kontextsensitive und proaktiv agierende Technologien adressiert werden. Die Herausforderungen, Entwicklungen und Potenziale für die Bereiche Smart Home, Smart Mobility, Health Care und E-Learning wurden beschrieben und diskutiert. Bisher gibt es nur wenige Studien, die technologische Entwicklungen und deren Value-in-Use für den Nutzer betrachten. Der Beitrag dieser Arbeit liegt zum einen in der Analyse und Beschreibung von aktuellen Technologien in den vier genannten Bereichen und zum anderen in der theoretischen Verknüpfung von Technologie-fokussierten Studien und der SDL-Per-

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spektive. Praxis und Forschung können nutzerorientierte Ansätze für die Gestaltung von technologiebasierten Angeboten nutzen, um eine Value-in-Use-Perspektive mit Fokus auf nachhaltig wertschaffende Dienstleistungen, Akzeptanz, Vertrauen und Zufriedenheit von Nutzern zu erweitern.

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Denise Joecks-Laß

Kundenintegration im Zeitalter der Digitalisierung – Eine Dienstleistungstypologie automatisierter Personalisierung zur Ableitung von Kundenrollen

1. Relevanz der automatisierten Personalisierung 2. Bedeutung von Kunden im Dienstleistungskontext 2.1 Kundenrollen und -aufgaben in der Dienstleistungserstellung 2.2 Einfluss von Technologien auf die Kundenrollen und -aufgaben 3. Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen 3.1 Personalisierung vs. Customization 3.2 Personalisierung von Dienstleistungen 3.3 Automatisierte Personalisierung von Dienstleistungen 4. Typologie automatisierte personalisierte Dienstleistungen 4.1 Merkmale und Elemente einer Typologie 4.2 Existierende Systematisierungen für automatisierte Dienstleistungen 4.3 Entwicklung der Typologie für automatisierte personalisierte Dienstleistungen 4.4 Kundenrolle bei automatisierten personalisierten Dienstleistungen 5. Fazit und Ausblick Literaturverzeichnis

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Bruhn und K. Hadwich (Hrsg.), Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen Forum Dienstleistungsmanagement, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30166-8_3

___________________________ Denise Joecks-Laß, M.Sc., ist wissenschaftliche Mitarbeitende am Lehrstuhl für Dienstleistungsmanagement und -märkte an der Universität Hohenheim.

1.

Relevanz der automatisierten Personalisierung

Die technologischen Entwicklungen der letzten drei Jahrzehnte haben die Dienstleistungsbranche grundlegend verändert. Dabei treiben die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien die fortschreitende Servicetransformation von Unternehmen voran und ermöglichen ihnen, intelligente und vernetzte Produkte und Dienstleistungen sowie Geschäftsmodelle zu entwickeln (Bitner et al. 2000; Schumann et al. 2012; Kohtamäki et al. 2019). Zudem erlaubt der technologische Fortschritt in z. B. der Robotertechnik und dem Ausbau der Speicherkapazitäten die Übernahme von komplexen und nicht standardisierten Abläufen und Prozessschritten (Decker et al. 2017). Die dahinterstehende Grundannahme ist, dass die Kombination aus Rechenleistung, Datenbanken sowie Netzwerktechnologien es Unternehmen ermöglicht, personalisierte Dienstleistungen und Kundenbeziehungen kosteneffizient und ökonomisch umzusetzen (Pine 1993; Abidi 2003). Folglich werden Automatisierungstechnologien nicht mehr nur bei der Produktion von standardisierten Produkten eingesetzt, sondern werden zunehmend bei der Personalisierung im Dienstleistungsprozess, in der Dienstleistungsinteraktion sowie im Wertgenerierungsprozess zwischen Kunde und Unternehmen (Value Creation) eingesetzt (Ostrom et al. 2015; Cenamor et al. 2017; Decker et al. 2017). Die bisherige Forschung zu autonomen Servicesystemen untersucht primär die Technologie selbst und vernachlässigt die Rollen und die Beziehungen von Menschen, Organisationen und deren Einfluss auf die für die Dienstleistungserstellung typische gemeinsame Wertgenerierung (Value Co-Creation) zwischen Unternehmen und Kunde (Breidbach et al. 2018; Lim/Maglio 2018). Forschungen konkret zum Thema Automatisierung und Technologieeinsatz im Rahmen der Dienstleistungsbereitstellung legen ihren Schwerpunkt vor allem auf die Veränderungen für den Dienstleistungsmitarbeitenden im Rahmen der Kunde-Mitarbeitenden-Interaktion (Service Encounter) (Roth/Froehle 2004; Larivière et al. 2017; Marinova et al. 2017; Keating et al. 2018; DeKeyser et al. 2019). Der Beitrag der Automatisierung zur Personalisierung von Dienstleistungen wird als eine wesentliche Chance für Unternehmen betrachtet, jedoch selten weiter spezifiziert und herausgearbeitet. Vor dem Hintergrund der zentralen Rolle des Kunden, die er im Rahmen der Wertund Nutzengenerierung bei der personalisierten Dienstleistungserstellung einnimmt (Vargo/Lusch 2004), ist eine spezifischere Betrachtung der Auswirkungen der Automatisierung von personalisierten Dienstleistungen auf den Kunden und seine Rolle notwendig (Chervonnaya 2003; Dreyer et al. 2019). Zumal eine erfolgreiche Kundenintegration und -partizipation bei Dienstleistungen stark von der spezifischen Definition der Kundenrolle abhängt (Bowers et al. 1990; Meuter et al. 2005).

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Daher ist das Ziel des vorliegenden Beitrags die Rolle des Kunden bei automatisierten personalisierten Dienstleistungen zu beleuchten und unterschiedliche Kundenrollen in diesem Zusammenhang zu identifizieren. Hierfür wird eine Typologie von automatisierten personalisierten Dienstleistungen entwickelt, anhand derer die unterschiedlichen Kundenrollen analysiert und definiert werden. Zu diesem Zweck werden in Abschnitt 2 des Beitrags die theoretischen Konzepte zur Kundenrolle im Dienstleistungskontext diskutiert, während die theoretischen Grundlagen zur Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen im Abschnitt 3 behandelt werden. Die Entwicklung der Typologie sowie die Ableitung der Kundenrollen bei der automatisierten Personalisierung von Dienstleistungen erfolgt in Abschnitt 4. Den Abschluss des Beitrages stellt das Fazit sowie die Ableitung von Forschungsfeldern dar.

2.

Bedeutung von Kunden im Dienstleistungskontext

2.1 Kundenrollen und -aufgaben in der Dienstleistungserstellung Ein konstitutives Merkmal von Dienstleistungen ist die Integration des externen Faktors, in Form von Personen, Informationen, Normen und Objekten (Bettencourt et al. 2002; Mustak et al. 2013; Bruhn et al. 2019). Bereits seit mehreren Jahrzehnten werden daher die Rollen, die Aufgaben und die Anforderungen der Kunden als externe Faktoren im Dienstleistungskontext untersucht (z. B. Lovelock/Young 1979; Bitner et al. 1997; Grönroos 2008; Mustak et al. 2013). Lovelock und Young (1979) stellten heraus, dass der Kunde nicht nur Konsument von Produkten und Dienstleistungen ist, sondern eine produktive Ressource und einen aktiven Teilnehmer des Produktions- und Erstellungsprozesses darstellt. Bis heute haben sich verschiedene Rollen und Aufgaben herausgebildet, die der Kunde im Rahmen der Dienstleistungserstellung übernimmt: So kann der Kunde eine produktive Ressource darstellen (Lovelock/Young 1979; Fitzsimmons 1985) oder als partieller Mitarbeitender angesehen werden (Johnson 1989). Ebenfalls ist der Kunde Co-Produzent und Co-Creator (Vargo/Lusch 2004; Breidenbach/Maglio 2016) und leistet einen aktiven Beitrag z. B. zur Qualität oder zur Zufriedenheit einer Dienstleistung (Bitner et al. 1997). Der Beitrag des Kunden im Rahmen der Dienstleistungserstellung beinhaltet sowohl die aktive Teilnahme des Kunden (Kundenpartizipation) als auch die Integration von Faktoren, die sich im Besitz des Kunden befinden (Kundenintegration) (Fließ/Kleinaltenkamp 2004; Moeller 2008; Bruhn et al. 2019). Der Grad der Integration bzw. Partizipation kann dabei variieren: So besteht die Möglichkeit, dass das Dienstleistungsunternehmen die Dienstleistung produziert und der Kunde weitestgehend passiver Rezipient der Dienstleistung ist (geringe Integration/Partizipation). Zudem können der Kunde und das Unterneh-

Kundenintegration im Zeitalter der Digitalisierung

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men Teil einer gemeinsamen Dienstleistungserstellung sein (mittlere Integration/Partizipation). Eine hohe Integration bzw. Partizipation wird erreicht, wenn der Kunde den Dienstleistungsprozess unabhängig vom Unternehmen ausführt (Bitner et al. 1997; Carlborg/Kindström 2014). Die Bedeutung des Kunden für die Dienstleistung wird ebenfalls in der Service-Dominant Logic deutlich. Diese postuliert, dass Güter und Dienstleistungen Instrumente zur Generierung von Nutzen und Werten für den Kunden darstellen. Die Wert- und Nutzengenerierung findet durch einen Ressourcenaustausch zwischen den beteiligten Akteuren statt (Vargo/Lusch 2004). Die Service-Dominant Logic basiert auf einer kundenzentrierten (Sheth et al. 2000) und marktorientierten (Day 1999) Ausrichtung des Marketing. Dies bedeutet, dass Unternehmen mit den Kunden kooperieren und von ihnen lernen, um so auf die individuellen Bedürfnisse der Kunden zu reagieren (Vargo/Lusch 2004). Folglich entsteht der Wert einer Leistung erst durch den gemeinsamen wertschaffenden Prozess (CoCreation) zwischen Unternehmen und Kunden (Vargo/Lusch 2004) und bezieht sich auf die gemeinsame Ideenfindung, Design und Entwicklung der Leistung (Vargo/Lusch 2008; Bolton/Saxena-Iyer 2009; Mustak et al. 2013). Dabei wird unterschieden, dass der Wert bzw. der Nutzen einer Leistung entweder als Value-in-Use während der Nutzung der Dienstleistung erstellt wird (Co-Creation) oder durch die aktive Partizipation des Kunden an der Dienstleistungserstellung entsteht (Co-Production) (Vargo/Lusch 2004). Seit der Einführung des Konzepts der Co-Creation wurden zahlreiche Formen in der Literatur diskutiert und entwickelt. Einen umfassenden Überblick über die gemeinsame Wertgenerierung zwischen Unternehmen und Kunde bieten Oertzen et al. (2018), die insgesamt sieben Formen der Co-Creation unterscheiden: (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7)

Co-Ideation: Co-Valuation: Co-Design: Co-Test: Co-Launch: Co-Production: Co-Consumption:

Kunden als Quelle für Innovationen, Bewertungsfunktion des Kunden, Kunde als Entwickler/Gestalter einer Leistung, Kunde als Tester im Rahmen von Open Innovation, Kunde als aktiver Begleiter der Markteinführung, Kundenintegration/-partizipation, Gemeinsamer Konsum einer Leistung in einer Community.

2.2 Einfluss von Technologien auf die Kundenrollen und -aufgaben Der persönliche Kontakt zwischen Anbieter und Nachfrager in der Dienstleistungserstellung wird aufgrund der hohen Verfügbarkeit von neuen Informations- und Kommunikationstechnologien stark verändert (z. B. Maglio/Spohrer 2008; Beverungen et al. 2019; DeKeyser et al. 2019) und transformiert nachhaltig das gesamte Value-Creation Netzwerk (Prahalad/Ramaswamy 2000; Vargo et al. 2008). Die zunehmenden Verbindungen zwischen Dienstleistungsanbieter, Dienstleistungsnachfrager und Technologien führen dazu,

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D. Joecks-Laß

dass intelligente Dienstleistungssysteme entstehen, in denen vernetze Produkte und Dienstleistungen die gemeinsame Wertgenerierung für individuelle Nutzenversprechen (Value Proposition) erlauben (Beverungen et al. 2019). Zudem hat der Einsatz von Technologien bei Dienstleistungen häufig zur Folge, dass der Kunde anstelle des Unternehmens bestimmt, wie und in welchem Umfang die Technologie eingesetzt und genutzt wird, um das Dienstleistungsergebnis zu erreichen (Breidbach et al. 2018). So erlauben Informations- und Kommunikationstechnologien die aktive Teilnahme und die Interaktion des Kunden im Entwicklungsprozess von Dienstleistungen (Bolton/Saxena-Iyer 2009; Kohler et al. 2011; Rabetino et al. 2017). Des Weiteren finden zunehmend Dienstleistungsprozesse beim Kunden direkt (wie z. B. Self-Service Optionen) statt (Meuter et al. 2003; Grönroos 2008; Davis et al. 2011; Neuhofer et al. 2014) oder erfolgen über digitale bzw. virtuelle Schnittstellen (Davis et al. 2011; Breidbach/Maglio 2016). Der Einsatz von Technologie im Rahmen der Dienstleistungserstellung verändert somit die Rolle des Kunden und erfordert von ihm neue Fähigkeiten. Im Rahmen der Service-Dominant Logic des Marketing stellen Technologien eine operande Ressource dar, also ein Faktor, der zur Erstellung einer Dienstleistung eingesetzt wird und mittels operanten Ressourcen (Fähigkeiten und Kompetenzen) entwickelt und hergestellt wird (Vargo/Lusch 2004; Lusch et al. 2007). Dabei werden alle an der Wertgenerierung beteiligten Akteure mit Hilfe von Technologien versuchen, den Prozess von unnötigen und unbeliebten Aufgaben zu befreien, die Prozesskette weiterzuentwickeln und/oder das Dienstleistungserlebnis zu verbessern (Lusch et al. 2007). Technologien sind nicht per Definition gut oder schlecht, vielmehr ist ihre Beurteilung abhängig von der kundenindividuellen Wahrnehmung. Der Einsatz von Technologien kann das Gefühl von Kontrolle, Freiheit und Kompetenz vermitteln oder zu einem Gefühl des Kontrollverlustes, der Einschränkungen und der Ignoranz führen (Mick/Fournier 1998). Konkret kann der Einsatz von Technologien von Kunden mit Angst verbunden sein (Mick/Fournier 1998) und Unsicherheiten bezüglich der Fehlerbehebung (Meuter et al. 2003; Curran/Meuter 2005; Collier et al. 2017) sowie der Datenspeicherung und -verwendung hervorrufen (Bolton/Saxena-Iyer 2009; Karwatzki et al. 2017). Kunden akzeptieren und nutzen Technologien nur dann, wenn der mit dem Technologieeinsatz verbundene Nutzen die Kosten für das Erlernen der Technologie übersteigt (Curran/Meuter 2005). Dies wird erreicht, wenn der Technologieeinsatz praktikabel und einfach ist (Meuter et al. 2000), zu Zeit- und Kostenersparnissen führt, eine höhere wahrgenommene Kontrolle verursacht und einen höheren Grad an Personalisierung ermöglicht (Curran/Meuter 2005; Wünderlich et al. 2013). Auch wenn der Kunde die Vorteile einer Technologie erkennt, kommt es dennoch vor, dass er diese aus persönlichen und situativen Gründen ablehnt (Meuter et al. 2003, 2005). So kann es sein, dass der Kunde an sich kein Interesse besitzt, eine Technologie zu nutzen (Curran/Meuter 2005).

Kundenintegration im Zeitalter der Digitalisierung

3.

79

Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen

3.1 Personalisierung vs. Customization Dienstleistungsunternehmen verfolgen mit Hilfe von personalisierten Leistungen das Ziel, sich von relevanten Wettbewerbern zu differenzieren (Bitner et al. 2000; Fan/Poole 2006; Miceli et al. 2007; Coelho/Henseler 2012). Wissenschaftliche Studien zum Einfluss der Personalisierung von Dienstleistungen auf das Kaufverhalten zeigen, dass diese die Kundenzufriedenheit, die Kundenbindung (z. B. Bettencourt/Gwinner 1996; Meuter et al. 2000; Coelho/Henseler 2012) sowie das Kundenvertrauen (z. B. Coulter/Coulter 2002; Komiak/Benbasat 2007) stärkt. Trotz der langen Historie an Forschungsarbeiten zum Thema Personalisierung in unterschiedlichen Fachdisziplinen, wie z. B. im Marketing oder im E-Commerce (Fan/Poole 2006), ist es bisher nicht gelungen, ein einheitliches Begriffsverständnis zu entwickeln (Banyte et al. 2016). Allgemein wird unter Personalisierung die Anpassung der Produkte, der Dienstleistungen oder der Informationen an die Präferenzen und die Bedürfnisse der Nachfrager verstanden (Sunikka/Bragge 2012; Li 2016). So stellt die Personalisierung das adaptive Verhalten der Mitarbeitenden in der Interaktion mit dem Kunden dar (z. B. Bettencourt/Gwinner 1996; Mittal/Lassar 1996; Gwinner et al. 2005) oder bezieht sich auf die Individualisierung des Leistungsergebnisses in Form von Produkten oder Dienstleistungen (z. B. Chellappa/Sin 2005; Adomavicius/Tuzhilin 2005; Montgomery/Smith 2009). Andere Autoren definieren Personalisierung als Prozess (z. B. Blom 2000; Vesanen 2007; Sundar/Marathe 2010) oder als Toolbox aus Technologien, die für die Personalisierung eingesetzt werden (z. B. Abidi 2003; Ramnarayan 2005). Die Idee von individualisierten Leistungen für den Kunden wird in der Forschung unter einer Vielzahl an Begriffen wie z. B. Customization, Mass Customization, Customerization und One-to-One-Marketing diskutiert. So wird die Personalisierung häufig als Überbegriff für verschiedene Formen der Individualisierung wie z. B. Customization oder Mass Customization genutzt (Fan/Poole 2006; Sunikka/Bragge 2012). Ein weiterer Ansatz, der z. B. von Arora et al. (2008) und Wind und Rangaswamy (2001) vertreten wird, grenzt Customization und Personalisierung wie folgt ab: So stellt Customization einen kundengetriebenen Personalisierungsprozess dar, in dem dieser aktiv die für die Individualisierung relevante Informationen einbringt, während bei der Personalisierung das Unternehmen aufgrund von gesammelten Informationen die Dienstleistung oder das Produkt individualisiert. Zentrales Abgrenzungsmerkmal ist somit der Kundeneingriff in den Wertschöpfungsaktivitäten des Anbieters im Rahmen des Personalisierungserstellungsprozesses (Wind/Rangaswamy 2001; Arora et al. 2009). Der Kunde ist bei der Personalisierung vor allem Rezipient der personalisierten Leistung, während er bei der Customization aktiver Co-Produzent ist (Wind/Rangaswamy 2001; Arora et al. 2008; Voss/Hsuan

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D. Joecks-Laß

2009). Somit lässt sich Customization vor allem als kundenspezifische Adaption bzw. Anpassung eines Produktes oder einer Dienstleistung durch den aktiven Eingriff des Kunden verstehen, während Personalisierung die unternehmensgetriebene Individualisierung eines Produktes oder Dienstleistung darstellt.

3.2 Personalisierung von Dienstleistungen Aufgrund der Integration des externen Faktors in Form von z. B. Informationen und Personen weisen Dienstleistungen per Definition eine individuelle Komponente auf (Bruhn et al. 2019). Anlehnend an die phasenorientierte Betrachtung der Dienstleistung (z. B. Fließ/Kleinaltenkamp 2004; Moeller 2008; Bruhn et al. 2019) ist zu unterscheiden, ob das Dienstleistungsergebnis, der Dienstleistungsprozess oder die Interaktion mit dem Kunden personalisiert wird (Surprenant/Solomon 1987; Shen/Ball 2009). Das Dienstleistungsergebnis stellt die Wirkung bzw. die Veredelung der internen und externen Faktoren – in Form von z. B. Ressourcen, Fähigkeiten und Informationen – dar (Bruhn et al. 2019; Fließ/Kleinaltenkamp 2004). Die Erstellung der Dienstleistung erfolgt im Rahmen eines Prozesses, dessen zentrales Merkmal die Integration des externen Faktors in Form von z. B. Personen oder Informationen ist (Fließ/Kleinaltenkamp 2004; Moeller 2008; Bruhn et al. 2019). Im Rahmen der Forschung wurden von Surprenant und Solomon (1987) sowie Shen und Ball (2009) eine Systematisierung der Personalisierungsoptionen im Dienstleistungskontext vorgenommen (siehe Abbildung 1). Personalisierungsobjekt

Dienstleistungsergebnis

Surprenant/Solomon 1987

Shen/Ball 2009

Personalisierung durch Optionen

Personalisierung des Transaktionsergebnisses

Angebot von unterschiedlichen Dienstleistungsoptionen aus denen der Kunden wählen kann Programmierte Personalisierung

Dienstleistungsprozess

Individualisierung der direkten Kundeninteraktion durch z. B. persönliche Ansprache; Small Talk Individualisierte Personalisierung Personalisierung durch eine auf den Kunden zugeschnittene Beratung

Abbildung 1:

Personalisierung eines Produktes oder einer Dienstleistung basierend auf den Spezifikationen des Kunden Personalisierung der Interaktion Individualisierung der direkten Kundeninteraktion durch z. B. persönliche Ansprache; Small Talk Kontinuierliche Personalisierung Stetige Personalisierung mittels fortlaufende Lernprozesse und Aufbau von Kundenwissen mit Hilfe von Technologien

Personalisierung von Dienstleistungen (Quelle: in Anlehnung an Suprenant/Solomon 1987, S. 88ff.; Shen/Ball 2009, S. 82)

Kundenintegration im Zeitalter der Digitalisierung

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Die Personalisierung des Dienstleistungsergebnisses ist die Entwicklung und das Angebot verschiedener Dienstleistungsoptionen in Form von z. B. Modulen aus denen der Kunde, unterstützt durch den Mitarbeitenden, das für sich passende Angebot zusammenstellt und auswählt (Suprenant/ Solomon 1987; Shen/Ball 2009). Hierfür werden entweder standardisierte Dienstleistungsmodule zu einzigartigen Kombinationen zusammengefasst oder einzelne Dienstleistungsmodule kundespezifisch adaptiert (Voss/Hsuan 2009). Bezieht sich die Personalisierung auf die Kundeninteraktion, kreieren die Mitarbeitenden für die Kunden ein individuelles Erlebnis durch den Einsatz von Small Talk oder persönlicher Ansprache. Ziel ist es, den Kunden das Gefühl von Einzigartigkeit und Besonderheit zu vermitteln, jedoch findet die Individualisierung nur oberflächig statt (Surprenant/Solomon 1987; Shen/ Ball 2009). Die Personalisierung wird in diesem Fall durch das adaptive Verhalten von Mitarbeitenden in einer Kundenkontaktsituation bestimmt (Mittal/Lassar 1996; Gwinner et al. 2005). Bei der individualisierten Personalisierung von Dienstleistungen stellt der Mitarbeitende einen Berater des Kunden dar, der diesen im Rahmen des Dienstleistungsprozesses unterstützt und bestmöglich berät (Surprenant/Solomon 1987). Wie bei der Personalisierung der Kundeninteraktion ist die individualisierte Personalisierung stark von dem Verhalten der Mitarbeitenden abhängig (Mittal/Lassar 1996; Gwinner et al. 2005; Shen/Ball 2009), das sich zum einen durch das interpersonale Adaptionsverhalten des Mitarbeitenden und der Adaption der Dienstleistung auszeichnet (Bettencourt/ Gwinner 1996). Die Weiterentwicklungen der Informations- und Kommunikationstechnologien ermöglichen es den Dienstleistungsanbietern die Personalisierung ihrer Dienstleistungen effizienter und dauerhaft umzusetzen (Bitner et al. 2000; Fan/Poole 2006; Coelho/Henseler 2012; Banyte et al. 2016). Indem Informationen oder auch Kundenfeedback automatisch gesammelt und ausgewertet werden, werden die Dienstleistungen kontinuierlich an die Bedürfnisse und Anforderungen der Kunden angepasst (Shen/Ball 2009).

3.3 Automatisierte Personalisierung von Dienstleistungen Aufgrund der spezifischen Merkmale von Dienstleistungen, wie z. B. der Immaterialität, der Nicht-Lagerfähigkeit und der Integration des externen Faktors (Moeller 2010; Bruhn et al. 2019) wurden Dienstleistungen traditionell als High-Touch, Low-Tech konzeptualisiert (Bitner et al. 2000). Die Entwicklung und die Einführung von modernen Informations- und Kommunikationstechnologien, wie z. B. Social Media, Big Data Analytics oder Mobile Applikationen, haben jedoch sowohl die Bereitstellung von Dienstleistungen (Dabholkar 1994; Bitner et al. 2000; Meuter et al. 2000; Bitner et al. 2010) als auch die Interaktion zwischen Mitarbeitenden und Kunden grundlegend verändert (Bitner et al. 2000; Colby/Parasuraman 2003). So müssen Produktion und Konsum der Dienstleistung nicht mehr zwingend gleichzeitig stattfinden (Moeller 2010), d. h., das für die Dienstleistungscharakterisierung wichtige Uno-Actu-Prinzip wird abgeschwächt. Zudem erlaubt der Ein-

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D. Joecks-Laß

satz von z. B. Empfehlungsdiensten (Recommender Systemen) aus Kundensicht die Reduktion von Entscheidungs-, Such- und Risikokosten (Portugal et al. 2018). Self-Service Technologien ermöglichen hingegen dem Anbieter Wertschöpfungsaktivitäten im Dienstleistungsprozess an den Nachfrager auszulagern (Meuter et al. 2000; Collier et al. 2017). Automatisierung bedeutet, dass technologische Systeme vollständig oder teilweise die Aufgaben oder Funktionen von Personen übernehmen (Parasuram/Riley 1997; Parasuraman 2000; Parasuraman et al. 2000). Dabei sind nach Sheridan und Verplank (1978) zehn Automatisierungsgrade zu unterscheiden, die sich auf einem Kontinuum von „der Mitarbeitende führt die Tätigkeit durch“ bis hin zu „die Technologie handelt vollkommend autonom“ befinden. Der Mitarbeitende wird entweder durch den Einsatz von Technologien unterstützt oder substituiert (Larivière et al. 2017; Marinova et al. 2017; DeKeyser et al. 2019). Zudem sind unterschiedliche Bereiche: (1) die Informationssammlung, (2) die Informationsanalyse, (3) die Entscheidungen und die Maßnahmenauswahl und (4) die Implementierung von Maßnahmen automatisierbar (Parasuraman 2000; Parasuraman et al. 2000). Der Erfolg von personalisierten Dienstleistungen hängt im Wesentlichen von den verfügbaren Kundeninformationen ab (Adomavicius/Tuzhilin 2005). Der Einsatz von Big Data Analytics erlaubt die Sammlung und Auswertung einer hohen Anzahl an unterschiedlichen Daten und Informationen und führt dazu, dass das Angebot von personalisierten Leistungen zu deutlich geringeren Kosten durchgeführt werden kann (Bitner et al. 2000; Rust/Huang 2004; Coelho/Henseler 2012; Banyte et al. 2016). Dabei ist zu unterscheiden, ob die für die Erstellung von personalisierten Dienstleistungen notwendigen Informationen vom Kunden direkt zur Verfügung gestellt werden (statische bzw. reaktive Personalisierung) oder diese das Ergebnis aus der Beobachtung von vergangenem und aktuellem Verhalten darstellen (dynamische bzw. proaktive Personalisierung) (Anand/Mobasher 2005; Fan/Poole 2006). Häufig werden sogenannte personalisierte Applikationen für die Personalisierung von Dienstleistungen eingesetzt, die die Interaktion und den Austausch zwischen verschiedenen Akteuren innerhalb und außerhalb einer Organisation fördern, indem ein einfacher Zugang zu individuellen Inhalten und Kundeninformationen geschaffen wird (Reis/Carvalho 2012). Somit stellt die Personalisierung im Kontext von Informations- und Kommunikationstechnologie eine Toolbox an Applikationen und Technologien dar (Anand/ Mobasher 2005). Im Sinne eines Mass-Customization-Ansatzes gelingt es Unternehmen mit Hilfe von personalisierten Applikationen, individualisierte Dienstleistungen zu moderaten Kosten vergleichbar zu den der Massenproduktion herzustellen (Pine et al. 1993; Franke/Schreier 2010). So werden eine Vielzahl an Informationen und Daten aus unterschiedlichen Quellen für eine gezielte Personalisierung der Dienstleistung herangezogen, wie z. B. aus dem Internet oder der Nutzung von mobilen Endgeräten (Adomavicius/Tuzhilin 2005; Bolton/Saxena-Iyer 2009; Banyte et al. 2016; Karwatzki et al. 2017). Ziel ist es, umfangreiche Kundenprofile aus den gesammelten und analysierten Informationen und Daten zu erstellen (Chellappa/Sin 2005; Cohen 2018), auf deren Grundlage die

Kundenintegration im Zeitalter der Digitalisierung

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Personalisierung der Dienstleistungen vorgenommen wird (Adomavicius/Tuzhilin 2005; Banyte et al. 2016). So erlauben neue Analysewerkzeuge wie z. B. Click-Stream Analysen oder der Einsatz von Cookies nicht nur das Verhalten und demographische Daten, sondern auch Kontextdaten und -informationen zu erfassen (Chellappa/Sin 2005; Fan/Poole 2006). Automatisierte personalisierte Dienstleistungen individualisieren somit das Dienstleistungsergebnis oder den Dienstleistungsprozess (Surprenant/Solomon 1987; Shen/Ball 2009) und stellen Dienstleistungssysteme dar, die durch die Vernetzung zwischen Personen und Dingen sowie der Sammlung und der Auswertung von Daten einen Wert oder einen Nutzen für den Kunden generieren, und dabei teilweise oder ganz ohne die menschliche Partizipation und/oder Intervention auskommen (Breidbach et al. 2018; Lim/Maglio 2018).

4.

Typologie automatisierte personalisierte Dienstleistungen

4.1 Merkmale und Elemente einer Typologie Typologien stellen ein wissenschaftliches Instrument zur Strukturierung, Gruppierung und Klassifizierung von Inhalten dar (Kluge 2002; Paswan et al. 2009). Die zu systematisierenden Objekte werden anhand eines oder mehreren Merkmalen zu möglichst ähnlichen Gruppen zusammengefasst (intern homogen), die gleichzeitig gut voneinander abgegrenzt werden können (extern heterogen) (Kluge 2000; Bruhn et al. 2019). Dabei ermöglichen Typologien die Definition und die Konzeption von Inhalten sowie die Identifikation von zugrundliegenden Dimensionen. Sie stellen somit vielfach zum einen den Ausgangspunkt für weitere Forschung dar, z. B. für qualitative und quantitative Untersuchungen, oder verbinden zum anderen bestehende Inhalte und Ergebnisse aus unterschiedlichen Forschungsgebieten (Collier et al. 2012). Das Ergebnis der Typologieentwicklung wird häufig in Form einer Matrix abgebildet, deren Ausgestaltung von der Anzahl der untersuchten Variablen bzw. Dimensionen abhängt, z. B. 2x2 oder 3x3 (Collier et al. 2012). Die drei zentralen Elemente einer Typologie sind zum einen das übergreifende Konzept, das den untersuchten Gegenstand der Gruppierung beinhaltet und zum anderen die Variablen bzw. die Dimensionen anhand derer die Gruppierung erfolgt. Diese spiegeln die Zeilen und die Spalten der Typologie wider. Die Zelltypen, die das Ergebnis der Strukturierung anhand der Variablen bzw. der Dimensionen darstellen, repräsentieren das dritte Element einer Typologie. Typologien sind von Klassifizierungen und Taxonomien abzugrenzen, auch wenn diese in der Literatur häufig als synonym betrachtet werden (Doty/Glick 1994). Die beiden letzte-

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ren Begriffe beinhalten einen Gruppierungsprozess, der auf spezifischen Entscheidungsregeln beruht und den Anspruch erhebt, vollständig zu sein. Vollständigkeit bezieht sich hierbei auf die Integration aller realen Objekte und deren exakte Zuteilung zu einer Klasse (Bailey 1994). Typologien hingegen verfolgen die Definition von sogenannten idealen Typen, die miteinander in Beziehung stehen (Doty/Glick 1994). Der ideale Typ stellt dabei ein Phänomen dar, das in der Realität auftreten kann, jedoch nicht muss (Doty/Glick 1994). Eine Typologie wird entweder basierend auf empirischen Studien (erklärende Typologie) oder auf Grundlagen von konzeptionellen Überlegungen (konzeptionelle Typologie) erstellt (Collier et al. 2012).

4.2 Existierende Systematisierungen für automatisierte Dienstleistungen In der Literatur existieren unterschiedliche Dienstleistungstypologien, die anhand verschiedener Kriterien wie z. B. der Kundeninteraktion oder dem Standardisierungsgrad, eine Klassifizierung von Dienstleistungen vornehmen (Glückler/Hammer 2011). Auch die Forschung zum Technologieeinsatz im Dienstleistungskontext nutzt Typologien, Systematisierungen und Archetypen, um ein besseres Verständnis der unterschiedlichen Ausprägungsformen und der Beziehung zwischen Technologien und Dienstleistungen zu erhalten. Eine der ersten Systematisierungen zum Thema Technologien und Dienstleistungen wurde von Dabholkar (1994) vorgenommen. Dabei handelt es sich um eine Beschreibung der unterschiedlichen Formen der Technologienutzung in der Dienstleistungsbereitstellung. Die Autorin unterscheidet u. a. zwischen kunden-basierten und anbieter-basierten Technologien. Weitere Klassifizierungen von technologie-getriebenen Dienstleistungen stammen z. B. von Meuter et al. (2000), Schumann et al. (2012) sowie Wünderlich et al. (2013). Der Schwerpunkt der Systematisierungen liegt dabei – abgesehen von Wünderlich et al. (2013), die Smart Services näher betrachten – auf Self-Service Technologien. So gliedern Meuter et al. (2000) Self-Service Technologien anhand ihrer technologischen Schnittstellen zum Kunden sowie dem Verwendungszweck der Technologie. Die Autoren Schumann et al. (2012) hingegen grenzen Self-Services von erbrachten Dienstleistungen (Delivered Services) ab. Die Forschung zum Thema Technologieeinsatz bei Dienstleistungen konzentriert sich stark auf die Kunden-Mitarbeitenden-Interaktion und die mit dem Technologieeinsatz verbundenen Chancen für eine verbesserte Interaktion zwischen den unterschiedlichen Akteuren während des sogenannten Service Encounter. Froehle und Roth (2004) differenzieren zwischen einer persönlichen Kunden-Mitarbeitenden-Interaktion, die entweder ohne Technologie durchgeführt oder durch Technologie assistiert bzw. gefördert wird, sowie einem Kundenkontakt, der zwischen dem Kunden und einer Technologie ohne die Intervention eines Mitarbeitenden stattfindet. Larivière et al. (2017) und Marinova et al. (2017)

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zeigen auf, dass Technologien grundsätzlich den Mitarbeitenden unterstützen (Augmented) oder ihn ersetzen (Substituted). Zusätzlich führen Larivière et al. (2017) aus, dass Technologien den Unternehmen ermöglichen, Netzwerke zu moderieren (Network Facilitator). Aufbauend auf diesen Arbeiten haben DeKeyser et al. (2019) umfangreiche Archetypen für den Technologieeinsatz in der Kundeninteraktion identifiziert. Generell unterscheiden die Autoren zwischen drei Funktionen von Technologien in der Kundeninteraktion: (1) kein Einsatz von Technologie, (2) Unterstützung des Mitarbeitenden durch Technologien sowie (3) Ersatz des Mitarbeitenden in der Kundeninteraktion. Im Gegensatz zu den bisher vorgestellten Archetypen entwickelten Verhagen et al. (2014) eine Systematisierung anhand der Dimensionen Technologieeinsatz (Technology Infusion) sowie menschlichem Kontakt (Human Touch) und teilen Dienstleistungen im Service Encounter in vier Kategorien ein: (1) technologie-basierter Service Encounter, (2) arbeitsintensiver Service Encounter, (3) web-basierter Service Encounter sowie (4) Social Online Service Encounter. Die Autoren Keating et al. (2018) gruppieren Dienstleistungen anhand derselben Dimensionen. Ähnlich wie Larivière et al. (2017) und Marinova et al. (2017) kommen sie zu dem Schluss, dass Technologien entweder als Unterstützer, als Ersatz zum Mitarbeitenden sowie als Plattform für den Austausch dienen oder die Dienstleistungsbereitstellung eigenständig übernehmen. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Technologieeinsatz im Dienstleistungskontext wird bereits seit den frühen 1990er Jahre des letzten Jahrhunderts vorangetrieben. Die bisherigen Systematisierungen und Gruppierungen verdeutlichen, dass zum einen Technologien und Automatisierung die Interaktionen zwischen Mitarbeitenden und Kunden nachhaltig verändern und zum anderen sich die Rolle des Mitarbeitenden durch den Einsatz von Technologien wandelt. Auffällig ist jedoch, dass die meisten Systematisierungen oder Gruppierungen die Perspektive des Kunden und seine Interaktion mit der Technologie kaum berücksichtigen. Eine Ausnahme stellt dabei z. B. der Beitrag von Larivière et al. (2017) dar. Die Autoren diskutieren die unterschiedlichen Kundenrollen im Rahmen des sogenannten Service Encounter 2.0, also dem technologie-getriebenen Kundenkontakt. Dabei wird zwischen vier Kundenrollen unterschieden: (1) Enabler, (2) Innovator, (3) Koordinator und (4) Differentiator. Der Enabler unterstützt den Mitarbeitenden und/oder die Technologie im Service Encounter, sodass der Kunde als partieller Mitarbeitenden im Dienstleistungsprozess angesehen werden kann. Wenn der Kunde aktiv an der Entwicklung und der Bereitstellung von neuen Dienstleistungen mitwirkt, nimmt er die Rolle des Innovators ein. Im Rahmen des Koordinators führt der Kunde die Integration unterschiedlicher Ressourcen von verschiedenen Akteuren durch, während er als Differentiator durch sein Verhalten direkt die Dienstleistungsqualität beeinflusst (Larivière et al. 2017).

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4.3 Entwicklung der Typologie für automatisierte personalisierte Dienstleistungen Bei automatisierten personalisierten Dienstleistungen handelt es sich um Dienstleistungssysteme, die durch den Einsatz von Technologien die Personalisierung der Dienstleistungsprozesse und/oder der Dienstleistungsergebnisse automatisiert bereitstellen und kreieren (vgl. Abschnitt 3.3). In der Folge wird ein Wandel in den Rollen der Mitarbeitenden und Kunden verursacht. Um die Kundenrolle bei automatisierten personalisierten Dienstleistungen zu definieren, ist es in einem ersten Schritt notwendig, die unterschiedlichen Formen an automatisierten personalisierten Dienstleistungen durch die Entwicklung einer Typologie zu identifizieren, um in einem zweiten Schritt, die Kundenrolle abzuleiten. Wie in Abschnitt 3.3 ausgeführt, kann sich die Automatisierung allgemein sowohl auf die Informationssammlung und -auswertung, das Entscheidungsverhalten sowie die Umsetzung von Maßnahmen beziehen (Parasuraman 2000; Parasuraman et al. 2000). Zeitgleich lässt sich sowohl das Dienstleistungsergebnis als auch der Dienstleistungsprozess personalisieren (Suprenant/Solomon 1987; Shen/Ball 2009). Entscheidend für die Abgrenzung der unterschiedlichen Typen an automatisierten personalisierten Dienstleistungen ist daher zum einen das Verhalten der Automatisierungstechnologien im Personalisierungsprozess hinsichtlich der Sammlung, Auswertung und Analyse der notwendigen Kundeninformationen, und zum anderen die Definition des Personalisierungsobjektes. Basierend auf den Ausführungen in Abschnitt 3 wurde eine 2x2-Typologie für automatisierte personalisierte Dienstleistungen entwickelt (siehe Abbildung 2). Personalisierungsobjekt

Autonom Automatisierungsverhalten Kooperativ

Abbildung 2:

Dienstleistungsergebnis

Dienstleistungsprozess

Personalisierte Recommender Services

Personalisierte Plattform Services

Kundenspezifische Design-Services

Kundenspezifische Self-Services

Typologie automatisierte personalisierte Dienstleistungen

Die 2x2-Typologie grenzt vier Idealtypen anhand der Merkmale Automatisierungsverhalten und Personalisierungsobjekt ab. Basierend auf den Ausführungen zur automatisierten Informationssammlung mit Hilfe von technischen Systemen (vgl. Abschnitt 3.3) wird beim Automatisierungsverhalten unterschieden, ob die eingesetzten Technologien die notwendigen Informationen zur Personalisierung autonom, d.h. in Form von automatisierter

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Datensammlung, -auswertung und -analyse erlangen, oder der Kunde dem Automatisierungssystem direkt relevante Informationen zur Personalisierung zur Verfügung stellt (kooperativ). Ein autonomes Automatisierungsverhalten bedeutet zudem, dass die Technologie ihre Aufgaben und Aktivitäten, die für die Individualisierung des Dienstleistungsprozesses oder -ergebnisses notwendig sind, eigenständig durchführt. Folglich wird, wie in Abschnitt 3.1 erläutert, zwischen der Personalisierung und der kundenspezifischen Adaption (Customization) im Rahmen der Typologie unterschieden. Technologien, die unabhängig vom Kunden ihre Aufgaben übernehmen, führen somit eine Individualisierung im Sinne einer Personalisierung durch, während der Individualisierungsprozess, der die aktive Integration bzw. Partizipation des Kunden erfordert, als kundenspezifische Adaption (Customization) in der Typologie bezeichnet wird. Folglich erfordert die Personalisierung vielfach ein Bündel an Technologien, die einzelne Prozessschritte der Dienstleistungserstellung automatisieren, während im Rahmen der kundenspezifischen Adaption vor allem Self-Service Technologien eine Rolle spielen, die entweder bezogen auf das Dienstleistungsergebnis die Entwicklung und das Design durch den Kunden (Self-Design Services) oder die Anpassung einzelner Wertschöpfungsschritte an die persönlichen Gegebenheiten (Self-Services) ermöglichen. Als Personalisierungsobjekte sind anlehnend an den Systematisierungen von Suprenant und Solomon (1987) sowie Shen und Ball (2009) der Dienstleistungsprozess und das Dienstleistungsergebnis zu unterscheiden. Die Personalisierung des Dienstleistungsprozesses sieht vor, dass der Erstellungsprozess sowie die Kontaktsituationen für jeden Kunden individuell ausgestaltet sind. Dabei ist es denkbar, dass das Ergebnis für verschiedene Kunden gleich bzw. ähnlich ausfällt. In diesem Fall entsteht die Individualisierung durch die Möglichkeit, Dienstleistungen flexibel, zeit- und ortsunabhängig sowie angepasst an die Gegebenheiten des Kunden durchzuführen. Die Individualisierung des Dienstleistungsergebnisses mit Hilfe von Automatisierungstechnologien zielt darauf ab, ein personalisiertes Ergebnis in Form einer Wirkung und einer Veredelung der externen Faktoren zu realisieren, d. h. das Ergebnis des Dienstleistungsprozesses ist für jeden Kunden unterschiedlich. Jedes personalisierte Dienstleistungsergebnis benötigt jedoch auch einen Erstellungsprozess. Der Unterschied ist jedoch, dass das personalisierte Ergebnis auf einen weitestgehend standardisierten Erstellungsprozess beruht, der durch den Einsatz von Technologien verbessert wird, während bei einem personalisierten Dienstleistungsprozess, der Prozess und seine Prozessschritte Gegenstand der Personalisierung sind (vgl. Abschnitt 3.2). Anhand der beiden Merkmalsausprägungen Automatisierungsverhalten und Personalisierungsobjekt sind vier Idealtypen für automatisierte personalisierte Dienstleistungen identifizierbar: (1) Kundenspezifische Design Services und (2) Personalisierte Recommender Services mit dem Ziel, das Dienstleistungsergebnis automatisiert zu personalisieren sowie

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(3) Kundenspezifische Self-Services und (4) Personalisierte Plattform Services für die automatisierte Bereitstellung von personalisierten Dienstleistungsprozessen. (1) Kundenspezifische Design Services Kooperative Automatisierungstechnologien wie z. B. Online Toolkits, Online Konfiguratoren oder Virtuelle Communities ermöglichen die Personalisierung des Dienstleistungsergebnisses, indem die Ideen und die Designfähigkeiten des Kunden in die Entwicklung der Dienstleistung integriert werden (Nambisan 2002; Verleye 2015). Im Rahmen von virtuellen Design-Instrumenten, sogenannten User Innovation Toolkits, kreieren Dienstleistungsanbieter eine Umgebung, die es den Kunden erlaubt, ihre Dienstleistungen zu designen bzw. zu entwickeln und so ihren persönlichen Bedürfnissen bzw. Anforderungen anzupassen (Thomke/von Hippel 2002; Franke/Schreier 2010). Es kommt somit zu einer engen Zusammenarbeit zwischen Dienstleistungsanbieter und -nachfrager (Yang/Yang 2016). Die Idee dahinter ist, relevante Design-Schritte an den Kunden auszulagern, um umfangreiche Trial-and-Error-Prozesse personalisierter Dienstleistungen zu vermeiden (von Hippel 2001). Eine hohe Anzahl der am Markt verfügbaren virtuellen Design-Instrumenten beruhen auf einem modularen Aufbau (Voss/Hsuan 2009). Dabei wählt der Kunde aus einem im Vorfeld definierten Set an Dienstleistungsmodulen, die für ihn passenden aus (Du et al. 2003). Der modulare Aufbau erlaubt den Dienstleistungsanbietern ein personalisiertes Dienstleistungsergebnis anzubieten und dabei die Komplexität der Entwicklung auf einem angemessenen Niveau zu halten (Bask et al. 2010; Cenamor et al. 2017). Der Einsatz von kundenspezifischen Design Services zur Adaption des Dienstleistungsergebnisses erfordert eine aktive Kundenintegration als auch -partizipation. Zum einen partizipiert der Kunde direkt im Dienstleistungsprozess, indem er die virtuellen Design-Technologien, wie z. B. ein Toolkit anwendet, und folglich sein Wissen, sein Know-How und seine Vorstellungen einbringt. Zum anderen ermöglicht die Erfassung und Auswertung des Technologienutzungsverhaltens des Kunden weitere Rückschlüsse auf seine Bedürfnisse (Piller 2004; Franke/Schreier 2010). Spezifisch stellt der Kunde einen Co-Designer des Dienstleistungsergebnisses dar. Des Weiteren kann er ebenfalls im Rahmen eines CoIdeation Prozesses als Quelle für Dienstleistungsinnovationen angesehen werden, indem seine Ideen und sein Feedback in die Entwicklung neuer Dienstleistungen integriert werden (Thomke/von Hippel 2002; Franke/Schreier 2010). Der Kunde ist demnach eine operante Ressource in der gemeinsamen Austauschbeziehung zwischen Unternehmen, Technologie und Kunde, während die Technologie selbst eine operande Ressource darstellt. Da der Kunde aktiv mit der eingesetzten Technologie interagiert, ist auf Kundenseite ein gewisser Grad an technologischem Verständnis notwendig. Unternehmen sollten sowohl auf eine intuitive Bedienbarkeit und leichte Handhabung achten, als auch Kunden im Umgang mit virtuellen Design-Technologien schulen.

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(2) Personalisierte Recommender Services Die autonome Personalisierung des Dienstleistungsergebnisses erfordert, dass die eingesetzten Automatisierungstechnologien die notwendigen Daten und Informationen selbstständig erfassen und analysieren. Personalisierte Recommender Services beinhalten ebenfalls die autonome Entscheidung, wie die Personalisierung durchgeführt wird, sowie die eigentliche Ausführung der Personalisierung. Diese Form der automatisierten personalisierten Dienstleistung erfordert somit ein Bündel aus unterschiedlichen Technologien, wie z. B. User-Tracking-Technologien und Big Data Analytics, um umfangreiche Kundenprofile zu erstellen, die die Grundlage für die Personalisierung des Dienstleistungsergebnisses darstellen (Anand/Mobasher 2005; Mobasher 2007; Anshari et al. 2019). Von zentraler Bedeutung sind vor allem Technologien aus dem Bereich Big Data Analytics in Verbindung mit sogenannten Empfehlungsdiensten (Recommender Systeme). Durch den Einsatz von Content-based Filtering oder Collaborative-based Filtering sind Recommender Systeme in der Lage, umfassende Kundenprofile zu erstellen, personalisierte Empfehlungen für eine Dienstleistung an den Kunden zu geben und so das Kaufrisiko des Kunden zu verringern (Burke 2002; Anand/Mobasher 2005; Ramnarayan 2005; Yang/Yang 2016). Die personalisierte Empfehlung beruht beim Content-based Filtering auf den Informationen, die aus dem vergangenen Verhalten des einzelnen Kunden zusammengefasst werden. Das Collaborative-based Filtering hingegen ergänzt die individuellen Informationen eines Kunden noch um diejenigen Informationen von Kunden, die ein ähnliches Profil aufweisen. Häufig werden auch hybride Formen angewandt (Burke 2002; Adomavicius/Tuzhilin 2005). Die automatisierte Personalisierung der Dienstleistung bei personalisierten Recommender Services beruht vor allem auf den Kundenprofilen, die mit Hilfe der automatisierten Informationssammlung und -auswertung erstellt werden. Der Kunde interagiert dabei lediglich mit der Technologie, die ihm die Empfehlung bzw. den Vorschlag für die Dienstleistung unterbreitet. Die Personalisierung beruht auf den gesammelten und analysierten Kundeninformationen, die folglich eine operande Ressource in der Austauschbeziehung zwischen dem Unternehmen – repräsentiert durch die Technologie – und dem Kunden darstellen. Die Integration des Kunden für die Personalisierung des Dienstleistungsergebnisses ist passiver Natur, da der Kunde als Analyseobjekt und Informationsquelle genutzt wird. Voraussetzung hierfür ist der vom Kunden gewährte Zugang zu seinen Daten und seinen Informationen, der gleichzeitig die digitale Souveränität des Kunden einschränkt. Unternehmen sind daher gefordert, die Kunden über die vom Unternehmen gesammelten Daten und deren Verwendung transparent zu informieren und mit den Kundendaten sicher und vertrauensvoll umzugehen. (3) Kundenspezifische Self-Services Die automatisierte kundenspezifische Adaption des Dienstleistungsprozesses erfolgt mit Hilfe von Self-Service Technologien, indem der Kunde relevante Informationen, Inhalte

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und Aktivitäten integriert, um die Anpassung des Dienstleistungsprozesses durchzuführen. Dabei nehmen die Self-Service Technologien eine Vielzahl an unterschiedlichen Formen an (z. B. Bankautomaten, Buchungsportale, Online Service Portale), die mit Hilfe von Computern, Telekommunikation oder Internettechnologien umgesetzt werden (Meuter et al. 2000; Lee/Allaway 2002). Self-Service Technologien erlauben den Kunden, den Mitarbeitenden des Dienstleistungsunternehmens partiell oder vollständig zu ersetzen (Meuter et al. 2000; Curran/Meuter 2005; Collier et al. 2017). Dabei übernimmt der Kunde mit Hilfe von modernen Informations- und Kommunikationstechnologien wesentliche Aufgaben des Wertschöpfungsprozesses (Meuter et al. 2000; Bitner et al. 2002; Pezoldt/ Schliewe 2016), in dem er seine Dienstleistungserbringung zeit-, orts- und mitarbeiterunabhängig an seine persönlichen Gegebenheiten und Bedürfnisse anpasst und somit personalisiert (Bitner et al. 2000; Collier et al. 2017). Zudem ist eine Personalisierung der eingesetzten Technologien, wie z. B. das Layout eines Online Service Portals, möglich, um z. B. die Bedienbarkeit und die Zufriedenheit des Kunden damit zu verbessern (Adomavicius et al. 2011). Die Technologie ist somit operante Ressource in der Austauschbeziehung zwischen Unternehmen und Kunden. Zur Kundenrolle bei der automatisierten Personalisierung von Dienstleistungsprozessen mit Hilfe von Self-Service Technologien ist festzuhalten, dass der Kunde ganze Wertschöpfungsschritte übernimmt und diese an seine individuellen Bedürfnisse anpasst. Der Kunde bringt somit nicht nur Informationen in den Dienstleistungsprozess ein, sondern ist vielmehr aktiver Teilnehmer am Erstellungsprozess. Er stellt somit ein Co-Produzent der Dienstleistung dar (Meuter et al. 2005). Die Rolle des Co-Produzenten mit Hilfe von SelfService Technologien erfordert vom Kunden Wissen darüber, welche Wertschöpfungsschritte in welchem Umfang übernommen werden müssen. Zudem benötigt der Kunde die notwendigen Fähigkeiten, die Technologie einzusetzen und anzuwenden, und Prozesswissen, wie er z. B. im Falle einer Störung vorgehen soll. Da der Kunde im Sinne einer Doit-Yourself-Idee, mit Hilfe von Self-Service Technologien vermehrt Dienstleistungsprozesse selbst erbringt, wird er auch zunehmend zum Wettbewerber (Co-Competitor) für das Dienstleistungsunternehmen (Bitner et al. 1997), sobald er die eigene Bereitstellung der Dienstleistung mit Hilfe von Self-Service Technologien der durch den Mitarbeitenden erbrachten Dienstleistung bevorzugt. Zentrale Herausforderung für den Kunden sind das Erlernen des Umgangs mit der Technologie sowie Bedenken bei Auftreten von Fehler im Rahmen des Anwendungsprozesses. Unternehmen sollten Kunden daher im Umgang mit den Technologien schulen und dezidierte Prozesse zur Fehlerbehebung initiieren. (4) Personalisierte Plattform Services Der Einsatz von autonomen Automatisierungstechnologien im Dienstleistungsprozess verfolgt das Ziel, den Erstellungsprozess der Dienstleistung zu personalisieren. Personalisierte Plattform Services stellen Dienstleistungssysteme dar, die auf intelligenten, vernetzten und datengetrieben technischen Systemen (z. B. Plattformen, Internet der Dinge) beruhen, deren Nutzen durch die Vernetzung der Technologien entsteht (Thomas et al.

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2014; Eloranta/Turunen 2016; Dreyer et al. 2019). So erlauben z. B. Smart Service-Technologien eine fortlaufende Anpassung der Dienstleistungserstellung (Dreyer et al. 2019). Dabei sind die Automatisierungstechnologien Teil eines Dienstleistungssystems, das aus einer Vielzahl von unterschiedlichen Informationsquellen, Technologien und Akteuren besteht (Maglio et al. 2009; Wünderlich et al. 2013; Beverungen et al. 2019) und das Ziel verfolgt, den Dienstleistungsprozess effizient zu personalisieren (Cenamor et al. 2017). Zentral für die Personalisierung sind Informationen über das Nutzungsverhalten, die durch einen plattformbasierten Ansatz umfangreicher und in deutlich besserer Qualität erfasst und identifiziert werden können (Beverungen et al. 2019). Als Koordinationsfunktion in Kombination mit intelligenten Produkten und intelligenten Dienstleistungen sind Plattformen in der Lage dem Kunden die richtigen Dienstleistungen zum richtigen Zeitpunkt anzubieten und die hierfür notwendigen Prozessschritte – häufig mit Hilfe von modularen Strukturen (Thomas et al. 2014; Cenamor et al. 2017) – an die Bedürfnisse des Kunde anzupassen (Bask et al. 2010; Cenamor et al. 2017) sowie die unterschiedliche Partner und Akteure zu integrieren (Thomas et al. 2014; Eloranta/Turunen 2016; Cenamor et al. 2017). Im Regelfall stellen Technologien operande Ressourcen dar, die durch die Marktteilnehmer in der Austauschbeziehung zur Nutzengenerierung eingesetzt werden (Vargo/Lusch 2004; 2008). Durch die wachsende Intelligenz von Maschinen bis hin zu einer emotionalen Intelligenz (Huang/Rust 2018) kann jedoch ebenfalls argumentiert werden, dass Technologien, im Sinne von eigenem Wissen und Fähigkeiten, unter bestimmten Umständen auch eine operante Ressource darstellen. Zentrales Merkmal von personalisierten Plattform Services ist die gemeinsame Wertgenerierung zwischen Dienstleistungsanbieter und -nachfrager (Thomas et al. 2014; Dreyer et la. 2019), die es erlaubt, die Dienstleistung kontinuierlich an die Bedürfnisse der Kunden anzupassen (Huang/Rust 2014; Dreyer et al. 2019). Der Co-Creation Prozess wird durch die weitreichende Vernetzung und Zusammenarbeit der unterschiedlichen an der Dienstleistungserstellung beteiligten Akteure und Objekte über intelligente Automatisierungssysteme ermöglicht (Lim/Maglio 2018; Dreyer et. la 2019). Aufgrund der umfangreichen Vernetzung unterschiedlicher Akteure und Objekte ist der Kunde gezwungen, den Zugang zu den für die stetige Personalisierung notwendigen Informationen an alle beteiligten Unternehmen und Institutionen zu gewähren. Dabei setzt er sich dem Risiko aus, dass der Dienstleistungsanbieter ggf. tiefgehende interne Kenntnisse gewinnt. Die Entwicklung und die Implementierung von personalisierten Plattform Services erfordert vom Kunden eine aktive Teilnahme, während im laufenden Betrieb, die Personalisierung voll automatisch mittels der unterschiedlichen Technologien abläuft. Analog zu den Personalisierten Recommender Services ist der Kunde eher Daten- und Informationslieferant im Rahmen der gemeinsamen Wertgenerierung und zeichnet sich eher durch einen passiven Integrations- und Partizipationsgrad aus. Da Dienstleistungen häufig als Systeme bestehend aus Produkten, Dienstleistungen sowie Technologien angeboten werden (Maglio/Spohrer 2008; Maglio et al. 2009; Lim/Maglio 2018), ist abzuleiten, dass im Rahmen eines Dienstleistungserstellungsprozesses sowie des Kundenlebenszyklus verschiedene automatisierte personalisierte Dienstleistungstypen

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zum Einsatz kommen. Je nach Prozessschritt der einzelnen Dienstleistungsstufen, werden sowohl autonome als auch kooperative Automatisierungsansätze zur Personalisierung von Dienstleistungen herangezogen. So ist es möglich, dass für eine erste Empfehlung eines personalisierten Angebotes im Rahmen der Neukundenakquise vor allem autonome Automatisierungstechnologien zum Einsatz kommen, da diese, wenn die Anfangsinvestitionen getätigt wurden, meist sehr kostengünstig sind. Entwickelt sich die Beziehung zwischen Unternehmen und Kunden weiter, wird der Kunden aktiv weitere Daten (wie es bei der kooperativen Automatisierung notwendig ist) einbringen, z. B. in dem er Feedback zu einem getätigten Kauf gibt. Diese Informationen werden dann für weitere Personalisierungsleistungen eingesetzt. Demnach werden Unternehmen vor allem ein Wechselspiel von autonomen und kooperativen Automatisierungstechnologien zur Personalisierung von Dienstleistungen einsetzen.

4.4 Kundenrolle bei automatisierten personalisierten Dienstleistungen Eine kundenspezifische Adaption von Dienstleistungen, die mit Hilfe von Technologien umgesetzt wird, erfordert vom Kunden die Integration nicht nur von Informationen, sondern auch die aktive Teilnahme an dem Erstellungsprozess der Dienstleistung. Der Kunde tritt z. B. als Co-Produzent oder Co-Designer auf und partizipiert aktiv an den Wertschöpfungsaktivitäten des Dienstleistungsanbieters. Die kundenseitige Prozessbeteiligung sowie die Rolle als Wertschöpfungspartner im Rahmen des Einsatzes von kooperativen Automatisierungstechnologien zur Personalisierung von Dienstleistungen hat zur Folge, dass die Wert- und Nutzengenerierung vermehrt in der so genannten Customer Sphere stattfindet, also im Verantwortungsbereich des Kunden mit nur geringen Interventionsmöglichkeiten für die Unternehmen (Grönroos/Voima 2013). Die Zufriedenheit mit der Dienstleistung hängt unter diesen Umständen sehr stark vom dem Kundenverhalten selbst ab. Der Value-Creation Prozess ist primär ein Mensch-Maschine-Integrationsprozess, in dem der Kunden gemeinsam mit der Technologie die Personalisierung der Dienstleistung vornimmt. Da der Kunde aktiver Anwender der eingesetzten Technologie ist, sind die notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse zur richtigen Anwendung der Technologie auf Kundenseite erforderlich. Zentrale Voraussetzung ist eine einfache Bedienbarkeit der Technologie sowie auf Kundenseite die Bereitschaft, die Technologie anzuwenden. Schulungen und Trainings im Umgang mit der Technologie sind hilfreiche Maßnahmen für den Kunden, um die bereitgestellten Technologien erfolgreich zu nutzen. Die Aufgaben und die Anforderungen der Kunden unterscheiden sich in Abhängigkeit vom Automatisierungsverhalten der eingesetzten Technologie. Festzuhalten ist, dass je intelligenter, vernetzter und autonomer die Technologien, die für die Personalisierung von Dienstleistung genutzt werden, sind, desto eher verschiebt sich die aktive Partizipation und Integration des Kunden hin zu einem daten-getriebenen Kundenintegrationsprozess. Im Gegensatz zum kooperativen Automatisierungsverhalten, nimmt der Kunde nicht aktiv

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an der Dienstleistungserstellung teil. Primär stellt der Kunden Informationen über z. B. seine Bedürfnisse, seine Wünsche oder sein Nutzungsverhalten bereit bzw. Technologien wie z. B. Tracking-Systeme oder Machine Learning-Technologien sammeln und analysieren die Informationen selbstständig. Dabei ist es möglich, dass dem Kunden nicht einmal bewusst ist, welche Informationen über ihn ausgewertet werden. In der Folge repräsentiert der Kunde aus Technologiesicht vor allem ein Analyseobjekt, über das möglichst viele und wertvolle Informationen gesammelt werden. Automatisierung als Substitutionsfunktion von Tätigkeiten und Aktivitäten, die vorher durch Personen umgesetzt wurden, führt somit auch zu einer Reduzierung der aktiven Kundenintegration bis hin zur Eliminierung des Kunden in den relevanten Dienstleistungsprozessschritten. Statt aktiver Co-Produzent ist der Kunde vielmehr passiver Co-Creator als Teil eines daten-getriebenen Value-Creation Prozesses. Abbildung 3 zeigt zusammenfassend die Ausgestaltung der Kundenrolle bei automatisierten Dienstleistungen. Autonomes Automatisierungsverhalten

Automatisierte Personalisierte Dienstleistung

Grad der Kundenintegration/ -partizipation

Kundenrolle

Value Co-Creation Prozess

Abbildung 3:

Kooperatives Automatisierungsverhalten

Dienstleistungsprozess

Dienstleistungsergebnis

Dienstleistungsprozess

Dienstleistungsergebnis

Personalisierte Smart Services

Personalisierte Recommender Services

Kundenspezifische Self-Services

Kundenspezifische Design-Services

Geringe Integration/ Partizipation

Geringe Integration/ Partizipation

Hohe Integration/ Partizipation in den gesamten bzw. Teile des Wertschöpfungsprozess

Hohe Integration/ Partizipation in den Entwicklungs-/ Designprozess

Passiv

Passiv

Aktiv

Aktiv

Rezipient und Analysesubjekt

Rezipient und Analysesubjekt

Co-Producer Co-Competitor

Co-Designer Co-Ideation

Datengetriebener Value Co-Creation Prozess

Mensch-Maschine-Integrationsprozess als Value Co-Creation Prozess

Kundenrollen bei automatisierten personalisierten Dienstleistungen

Aus Kundensicht vereinfacht der weitreichende Technologieeinsatz wie z. B. bei datengetriebener Personalisierung oder personalisierten Plattform Services den Dienstleistungsprozess, da die Aufgaben, die mit der Bereitstellung der relevanten Informationen sowie der Steuerung der Umsetzung einhergehen, entfallen. Voraussetzung hierfür ist jedoch ein reibungsloser Einsatz der Technologie. Zentrale Herausforderungen für den Kunden stellen dabei u. a. der Datenschutz, der verantwortungsvolle Umgang mit den Daten sowie die Tiefe der Integration des Anbieters in die eigenen Prozesse dar. Autonome Automatisierungstechnologien beruhen häufig auf der Vernetzung von unterschiedlichen Systemen und Akteuren. In dem so entstehenden Netzwerk als souveräner Akteur aufzutreten und

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handeln zu können, stellt für den Kunden eine Herausforderung dar und haben ggf. kundenseitige Bedenken gegenüber den Dienstleistungslösungen zur Folge. Hier ist es wichtig, dass Kunden aktiv an die Dienstleistungslösungen heranzuführen, Rollen zu definieren und die Kunden – falls nötig – zu schulen, um sicherzustellen, dass diese in der digitalen Umwelt souverän auftreten und handeln können (Digitale Souveränität des Kunden).

5.

Fazit und Ausblick

Durch die Entwicklung einer Typologie von automatisierten personalisierten Dienstleistungen wurden die unterschiedlichen Rollen des Kunden im vorliegenden Beitrag diskutiert und herausgearbeitet. Die Einordnung der verschiedenen Dienstleistungstypen anhand des Automatisierungsverhaltens (autonom vs. kooperativ) und der Personalisierungsobjekte (Dienstleistungsergebnis vs. Dienstleistungsprozess) wurden vier Idealtypen an automatisierten personalisierten Dienstleistungen abgeleitet: (1) Kundenspezifische Design Services, (2) Kundenspezifische Self-Services, (3) Personalisierte Recommender Services und (4) Personalisierte Plattform Services. Basierend auf den Idealtypen ist es gelungen, die unterschiedlichen Kundenrollen zu definieren. Es zeigt sich, dass der ValueCo-Creation Prozess zwischen Anbieter und Nachfrager sich entweder zu einem datengetriebenen Value-Prozess oder einem Co-Creation-Prozess zwischen Mensch und Maschine entwickelt. Abhängig von den eingesetzten Technologien und dem zugrundeliegende Automatisierungsverhalten verändert sich die Kundenrolle und die damit einhergehenden Aufgaben und Verantwortlichkeiten für den Kunden. Der Beitrag trägt auf unterschiedlicher Weise zur Forschung bei: Erstens kommt der Beitrag dem Ruf nach, eine nähere Betrachtung der Kundenrolle im Rahmen von automatisierten Dienstleistungen vorzunehmen (Chervonnaya 2003; Ostrom et al. 2015; Dreyer et al. 2019) und zeigt dabei, dass abhängig von dem jeweiligen Technologieverhalten, die Kundenrolle und die Anforderungen an den Kunden sich stark unterscheiden. Zweitens stellen die Ergebnisse einen Beitrag zu der fortlaufenden Diskussion über die gemeinsame Wertgenerierung (Co-Creation) zwischen Unternehmen und Kunden dar, die zunehmend mit Hilfe von Technologien umgesetzt werden (Vargo et al. 2008; Breidbach/Maglio 2016). Drittens erweitert die entwickelte Typologie das Verständnis der Aufgaben und der Funktionen, die Technologien im Rahmen der Dienstleistungserstellung übernehmen und ergänzt so die bestehenden Forschungen zu der Rolle der Technologie in der Beziehung bzw. Interaktion zwischen Unternehmen und Kunde (Froehle/Roth 2004; Larivière et al. 2017). Aus Unternehmenssicht sind abhängig von den eingesetzten Technologien zum einen aktive Maßnahmen zu ergreifen, die die Anwendung und dauerhafte Nutzung der Technologien ermöglichen und vereinfachen. So sind z. B. Schulungen, Tutorials und Erklärvideos

Kundenintegration im Zeitalter der Digitalisierung

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notwendig, um den Kunden eine reibungslose Integration und Partizipation in die Wertschöpfungsaktivitäten zu ermöglichen. Zum anderen sind bei stark autonom handelnden Technologien z. B. Bedenken der Kunden hinsichtlich des Datenschutzes und der Datenverarbeitung zu berücksichtigen. Eine zentrale Herausforderung ist dabei, den richtigen Technologieeinsatz für den jeweiligen Kunden zu identifizieren. Ausgehend von den jeweiligen Kundenpräferenzen zu Integration und Partizipation am Dienstleistungsprozesses erlauben die aus der Typologie abgeleiteten Kundenrollen eine erste Entscheidung darüber, welche Technologien für den jeweiligen Kunden als z. B. nützlich oder hilfreich wahrgenommen werden könnte. Weiterer Forschungsbedarf hinsichtlich der Kundenrolle bei automatisierten Dienstleistungen ergibt sich vor allem in der empirischen Auseinandersetzung mit der Kundenperspektive auf automatisierte personalisierte Dienstleistungen. Forschungen im Bereich der situativen und persönlichen Einflussfaktoren auf die Bereitschaft, neue Technologien anzuwenden sowie diese dauerhaft zu nutzen, stellt ein interessantes Forschungsgebiet dar. Hierzu zählt zum einen die Untersuchung, welche Voraussetzungen beim Kunden erfüllt sein müssen (Customer Readiness), die über die reine Bereitschaft der Technologienutzung (Technology Readiness) hinausgehen. Zum anderen sind diejenigen Technologiemerkmale zu identifizieren, die den Kunden zur Nutzung der Technologie motivieren. Vor allem im Hinblick auf den Einsatz immer intelligenterer sowie menschenähnlicher Technologieschnittstellen (z. B. Künstliche Intelligenz oder Dienstleistungsroboter) ist die Rolle des Kunden sowie seine Interaktion mit der Technologie zu untersuchen. Dabei ist ein Schwerpunkt auf die Ausgestaltungen und Mechanismen des Value Co-Creation Prozess zu legen, die im Kontext der Digitalisierung bisher kaum untersucht wurden (Beverungen et al. 2018; Breidbach et al. 2018). Einhergehend mit der wachsenden Komplexität der Technologien sowie der zunehmenden Vernetzung unterschiedlicher Akteure mit verschiedenen Technologien führen auf Seiten des Kunden zu Unsicherheiten und Zurückhaltung gegenüber Veränderungen. Der Kunde durchläuft – wie ein Unternehmen – einen digitalen Transformationsprozess. Die Konzeptualisierung und empirische Untersuchung von Kundentransformationsprozessen sowie Identifizierung von Maßnahmen, die den Prozess ermöglichen und unterstützen, stellt ein weiteres Forschungsfeld dar. Vor dem Hintergrund der weitreichenden Vernetzung unterschiedlicher Akteure sowie zwischen Mensch und Maschine spielt aus Kundensicht die Sicherstellung der eigenen Handlungsfähigkeit und Souveränität eine bedeutende Rolle. Eine zentrale Forschungsfrage ist, wie der Kunde in der Lage ist, digital souverän zu handeln, d.h. die Kompetenz, die Autonomie sowie die Kontrolle über die Aktivitäten und persönlichen Daten behält, auch wenn z. B. die Komplexität der Dienstleistungsbereitstellung steigt oder offene Entwicklungssysteme eingesetzt werden.

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Johannes Winter

Dienstleistungsinnovationen im digitalen Zeitalter – Was sie bremst, was zu tun ist

1. Einführung 1.1 Individualisierung zählt 1.2 Von produkt- zu serviceorientierter Wertschöpfung 1.3 Auf dem Weg zu digitalen Wertschöpfungsnetzwerken 1.4 Grenzüberschreitendes Business Partnering 2. Wo stehen wir bei der digitalen Transformation? 2.1 Mittelmaß, trotz früher Initiativen? 2.2 Innovationshürden vermeiden, Umsetzungsstärke erhöhen 3. Innovationsbarrieren im digitalen Zeitalter überwinden 3.1 Barrieren in der Politik 3.2 Barrieren in Wirtschaft und Wissenschaft 3.3 Überwindung von institutionellen Verkrustungen 3.4 Zwei Botschaften zum Schluss Literaturverzeichnis

___________________________ Dr. Johannes Winter ist Leiter Themenschwerpunkt Technologien und Leiter der Geschäftsstelle Plattform Lernende Systeme bei acatech.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Bruhn und K. Hadwich (Hrsg.), Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen Forum Dienstleistungsmanagement, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30166-8_4

1.

Einführung

Auf individuelle Kundenwünsche zugeschnittenen, digitalen Wertschöpfungsmodellen gehört die Zukunft. Die Grenzen verlaufen dabei nicht zwischen Volkswirtschaften, sondern gegenwärtig zwischen Weltmarktführern und den kleinen und mittelständischen Unternehmen. Noch vor wenigen Jahren galt Deutschlands starker industrieller Kern als Nachteil im internationalen Wettbewerb. Dieses Argument ist auch bei nachgebender Konjunktur und globalen Handelskonflikten nach wir vor zu hören. Doch im Zuge der letzten weltweiten Finanzkrise in den Jahren 2008/2009 stellte sich der industrielle Kern Europas größter Volkswirtschaft als wirtschaftlicher Stabilitätsanker heraus. Seine Stärke beruhte auf der Innovationskraft der großen, mittelständischen und kleinen Unternehmen im produzierenden Sektor – und auf dem stabilen wirtschaftlichen Wachstum in einigen Partnerländern der exportorientierten Wirtschaft, allen voran China. Ein geringeres Wirtschaftswachstum in China hingegen beeinflusst auch Deutschlands Exporte. Wie vor mehr als zehn Jahren gilt jedoch: Wir sollten uns nicht von der industriellen Produktion verabschieden, sondern sie weiterentwickeln und die Produktion im Land halten.

1.1 Individualisierung zählt Die Maxime lautet dabei: Alles was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert. Langfristig wird es nicht ausreichen, gute Produkte und Maschinen zu bauen. Wir müssen diese digital veredeln, vernetzen und darauf neue Wertschöpfungsmodelle aufbauen. Der Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen hin zu digitalen Produkt-ServicePaketen kommt dabei eine starke wertschöpferische Bedeutung zu. Die Auswirkungen einer vernetzten, intelligenten und serviceorientierten Wirtschaft sind mit den innovationspolitischen Leitkonzepten Industrie 4.0 und Smart Service-Welt hinlänglich beschrieben. Industrie 4.0 bedeutet im Kern die Vernetzung industrieller Prozesse in Echtzeit, die eine individualisierte Produktion zum Preis eines Massenprodukts ermöglicht (Kagermann/Winter 2017, S. 21ff.). Erfolgsversprechende Ansätze gibt es in ganz unterschiedlichen Branchen. Schon früh hat der Sportwarenhersteller Adidas an der individuellen Herstellung von Laufschuhen in Losgröße 1 gearbeitet. Die Vision: Kunden lassen ihre Füße im Geschäft vermessen. Auf Basis dieser Daten erstellt die so genannte Speedfactory dann vor Ort ein maßgeschneidertes Paar. Über Sensoren im Schuh werden dann Laufdaten aufgenommen, die die Produktion weiter verbessern. Einen vergleichbaren Ansatz in einem ganz anderen Geschäftsfeld verfolgt der niedersächsische Medizintechnikanbieter ottobock. Er bietet Amputierten eine intelligente, intuitiv steuerbare Prothesenhand, die mittels individueller Motoren in jedem der zehn Finger eine präzise Steuerung der Hand

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J. Winter

und ein natürliches Greifen zulässt. Komponenten für Prothesen, aber auch ganze Orthesen werden mit dem 3D-Druck-Verfahren personalisiert erstellt. Ohne Durchbrüche in der Mikroelektronik, in der additiven Fertigung, der Sensorik, der Robotik und bei Methoden der Künstlichen Intelligenz wäre ein derartiges Nutzererlebnis mit der Rückgewinnung von Kontrolle und Lebensqualität kaum möglich. Mit dem Begriff Smart Services ist eine Wirtschaft beschrieben, die sich an den individuellen Gewohnheiten und Vorlieben der Nutzerinnen und Nutzer orientiert (acatech 2017). Jüngere Generationen kaufen nicht mehr zwingend das eine oder andere Auto, sondern nutzen Car Sharing und ordern über Mobilitäts-Apps die besten Verkehrsmittel für den intermodalen Weg von A nach B. Auch im industriellen Bereich gehört solchen Leistungsbündeln die Zukunft: Warum nicht Maschinen bei Bedarf „as a service“ anbieten und nur die tatsächliche Nutzungszeit in Rechnung stellen?

1.2 Von produkt- zu serviceorientierter Wertschöpfung Der Trend zur digitalen Veredelung von Produkten mit datenbasierten Services bildet eine wichtige Grundlage der Plattformökonomie. Durch die Veränderung von einer produktzentrischen hin zu einer service-dominierten Wertschöpfung entwickeln sich Produkthersteller zunehmend auch zu Dienstleistern. Während Branchengrenzen verschwimmen, schreiten bislang branchenfremde Akteure wie Software- und Plattformunternehmen ohne tieferes Domänenwissen voran. Im Internet der Dinge werden Produkte zu vernetzten physischen Plattformen (Winter 2019). In Echtzeit sammeln digital anschlussfähige Produkte Daten, die sie auf software-definierten Plattformen analysieren und mittels KI zu Smart Data verarbeitet (Ramge/Mayer-Schönberger 2017; Wahlster 2017, S. 409). Die bereitgestellten digitalen Services werden über Serviceplattformen für die Nutzerinnen und Nutzer in ihrer Rolle als Konsument, Bürger oder Patient bereitgestellt. Herkömmlichen, produktzentrierten Anbietern gelingt es mit datengetriebenen Diensten nicht nur ihre Marktleistungen zu erweitern, sondern digitale Produkt-Service-Pakete zu kreieren (siehe Abbildung 1).

Dienstleistungsinnovationen im digitalen Zeitalter – Was sie bremst, was zu tun ist

Abbildung 1:

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Plattformen und Innovationsökosysteme (Quelle: in Anlehnung an Tiwana 2013, S. 225)

Damit sind sie in guter Gesellschaft, denn 50 Prozent der wertvollsten Unternehmen weltweit sind laut Fortune500 Unternehmen mit einem plattformbasierten Geschäftsmodellansatz (Fortune500 2019). Dies macht im Umkehrschluss die Dramatik offenkundig wie angebotsgetriebene Märkte von mehrseitigen Plattformmärkten unter Wettbewerbsdruck gesetzt werden.

1.3 Auf dem Weg zu digitalen Wertschöpfungsnetzwerken Bei der Entwicklung automatisierter und personalisierter Produkte und Dienstleistungen kommt es mehr denn je auch auf eine kollaborative Zusammenarbeit von Industrie und Forschung in digitalen Wertschöpfungsnetzwerken an. Deutschland ist gut in der Herstellung hochwertiger Produkte und Maschinen und auch in der Business-IT. Weniger gut ist der Innovationsstandort in der Unterhaltungselektronik und in den Produkten der IT- und Internetwirtschaft, die sich an Endkonsumenten richten. Industrie 4.0 und Smart Services eröffnen die Chance, auch in diesem Bereich stärker zu werden – sie ermöglichen jedoch auch den großen Internetunternehmen, in traditionelle Wirtschaftsbereiche vorzudringen.

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Um hier nicht durch Anbieter aus Asien und Amerika überrollt zu werden, müssen sich europäische Unternehmen konsequent für die Digitalisierung öffnen (Evangelista et al 2014, 801ff.; Lee 2018). Abschotten ist keine Alternative. Industrie 4.0 und Smart Services erfordern neue Kooperationen und die Zusammenarbeit in digitalen Ökosystemen – in Europa und auch global (Winter 2017, S. 71ff.). Vorwettbewerbliche Kooperation ist gefragt, die partnerschaftliche Entwicklung von Standards und ein gemeinsamer Pioniergeist. Im Ergebnis: Intelligente Fabriken, vernetzte Maschinen und individualisierte Produkte ermöglichen individuelle Produkt-Dienstleistungspakete. Basis dafür sind Betriebs- und Nutzerdaten, aus denen sich die Bedürfnisse der Kunden mittels spezialisierter Analyseverfahren individuell und in Echtzeit ableiten lassen. Mittelfristig verschwindet damit aber auch die Trennung von produzierendem Gewerbe, Dienstleistungsbranche sowie der ITund Internetbranche (Kagermann/Winter 2018). Produzierenden Unternehmen erwachsen damit ganz neue Konkurrenten. IT-Konzerne arbeiten an eigenen Fahrzeugen, InternetKonzerne kaufen Anbieter intelligenter Thermostate und Haustechnik und steigen in die Robotik ein. Im Umkehrschluss müssen deshalb auch etablierte Produzenten und Dienstleister in die Plattformökonomie aufbrechen. Das kann durch Zukäufe geschehen. Die Übernahme der Nokia-Tochter Here, die digitales Kartenmaterial anbietet, durch ein Konsortium deutscher Autobauer war ein richtungsweisendes Beispiel. Wichtig sind aber auch innovative Eigenentwicklungen. Unternehmen wie Volkswagen, Continental, Bosch oder Siemens haben dies längst erkannt und investieren massiv in die digitale Veredelung ihrer Produkte. Marktführer hingegen, die in ihren Nischen verharren, laufen Gefahr, von Intermediären in die zweite Reihe gedrängt zu werden.

1.4 Grenzüberschreitendes Business Partnering China kann dabei ein starker Innovationspartner Deutschlands bei der Entwicklung der Industrie 4.0 sein. Bei den Patentanmeldungen im Bereich der Industrie 4.0 ist China bereits weltweit Spitzenreiter. Auch bei IT- und Internetfirmen hat China mit Huawei, ZTE oder Alibaba globale Schwergewichte hervorgebracht. Doch auch China kann Industrie 4.0 nicht im Alleingang voranbringen. Denn klar ist: So wichtig die Kreativität einzelner Unternehmen und Gründer ist, wachsen kann Industrie 4.0 nur in offenen Märkte und digitalen Ökosystemen. Ohne offene globale Standards bleiben Industrie 4.0 und Internet Plus nationale Inselprojekte. Wie und in welchen Bereichen sich eine Zusammenarbeit anbietet, hat das Forschungsprojekt „Industrie 4.0 Global“ der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften gezeigt. Dazu befragten wir für eine Studie Expertinnen und Experten aus China, Deutschland, Großbritannien, Japan, Südkorea und den USA. Gleichzeitig besuchten chinesische Expertinnen und Experten Veranstaltungen in Berlin und München, um mehr über europäische Erfahrungen mit dem Einsatz von Industrie 4.0 zu erfahren. Dabei ist ein Trend

Dienstleistungsinnovationen im digitalen Zeitalter – Was sie bremst, was zu tun ist

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absehbar: Künftig werden nicht mehr einzelne Unternehmen mit ihren Produkten und proprietären Systemen im Wettbewerb stehen, sondern ganze Ökosysteme aus großen und kleineren Unternehmen. Bisher aber sind sich viele kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) dieser Herausforderung nicht bewusst. Die Grenzen der Industrie 4.0 verlaufen derzeit nicht zwischen Staaten und Kontinenten, sondern zwischen globalen Weltmarktführern und den KMU (acatech 2016). Zum Erfolg wird Industrie 4.0 aber nur dann, wenn kleine und mittelständische Unternehmen nicht zurückbleiben. Denn sie sind sowohl in Deutschland als auch in China das Rückgrat der Wirtschaft. Wichtig sind daher nun Ökosysteme, die sich entlang offener digitaler Plattformen bilden. Denn hier finden insbesondere KMU und innovative Startups gute Anknüpfungsmöglichkeiten. Die Studie „Deutschland in den Augen der Welt“ der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) bringt die Ausgangssituation für Europas größte Volkswirtschaft auf den Punkt: „Deutschland ist weitaus leistungsstärker in Hardware-Angelegenheiten als in Software. Sie können Maschinen herstellen und verkaufen, aber sie sind nicht die Besten in Software-Dingen, die schnelle Innovationszyklen erfordern – siehe Social Media. Das hat auch was mit dem deutschen Sinn für Perfektionismus zu tun.“ Anders ausgedrückt heißt das: Das, was Deutschland wirtschaftlich stark macht – etwa German Engineering oder technische Perfektion – ist auch der Grund dafür, warum technologieorientierte Volkswirtschaften in einigen Feldern zu langsam sind, gerade wenn es um die Weiterentwicklung von klassischen angebotsgetriebenen Produkten und Dienstleistungen hin zu neuen digitalen Produkt-Service-Leistungsbündeln geht. Umso wichtiger ist es daher, immer wieder einen Prozess der kreativen Zerstörung zu durchlaufen, selbst wenn das aktuelle Geschäft margenstark und erfolgreich ist.

2.

Wo stehen wir bei der digitalen Transformation?

Der erste Blick lässt vermuten, dass es trotz konjunktureller Schwankungen und schwelender Handelskonflikte gut läuft für Deutschlands Unternehmen. Bei Industrie 4.0 sind deutsche Ausrüster aus dem Anlagen- und Maschinenbau und der Sensorik Vorreiter, der Begriff hat sich international zu einer deutschen Marke etabliert. Aber: Deutschland ist laut verschiedener Innovationsindikatoren zwar gleichbleibend gut als allgemeiner Innovationsstandort, aber nur Mittelmaß beim Digitalisierungsindex. Beim Innovationsindex insgesamt lag Deutschland in den letzten Jahren zwischen Rang 4 und 5; davor liegen nur kleine Länder wie Singapur, Schweiz, Belgien (BDI 2018; siehe Abbildung 2). Aber: Deutschland hat keinen nennenswerten Vorsprung vor den USA, Großbritannien oder Südkorea. Ähnliche Rankings kommen zu vergleichbaren Ergebnissen, die über die Zeit auch recht stabil sind. Aber: Im Innovationsindikator 2017 gab es erstmals auch einen speziellen Digitalisierungsindex, dort fließen Indikatoren ein wie

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z. B. Breitbandversorgung, E-Government, digitale Geschäftsmodelle, Nutzungsgrad digitaler Technologien in der Gesellschaft usw. Die schlechte Nachricht ist: Hier liegt Deutschland nur auf Rang 17 (BDI 2017), deutlich hinter Ländern wie UK und USA; an der Spitze stehen Finnland, Schweden, Israel. Besonders schlecht schneidet Deutschland in den Bereichen Bildung und Infrastruktur/Staat ab. Aber auch bei Geschäftsmodellen und Forschung sowie Technologien liegt das Land hinter den USA. Die Tatsache, dass Deutschland zu den wenigen Ländern gehört, die beim Digitalisierungsindex deutlich schlechter abschneiden als beim allgemeinen Innovationsindex, sollte zu denken geben. Volkswirtschaft

Rang

Punkte*

Veränderung zu 2017

Singapur

01

73

+1

Schweiz

02

72

-1

Belgien

03

59

0

Deutschland

04

55

0

Schweden

05

54

00

USA

06

52

00

Großbritannien

07

52

00

Südkorea

10

51

00

Japan

20

39

00

China

25

14

00

(…)

Abbildung 2:

Gesamtergebnis des Innovationsindikators 2018 (Quelle: BDI 2018)

2.1 Mittelmaß, trotz früher Initiativen? Ein Rückblick lohnt hier: Der erste Nationale IT-Gipfel der Bundesregierung im Dezember des Jahres 2006 am Hasso-Plattner-Institut in Potsdam hat in der abschließenden „Potsdamer Erklärung“ drei Leuchtturmprojekte benannt: Internet der Dinge, Internet der Dienste, Internet der Energie. Es gab acht Arbeitsgruppen unter Beteiligung der Politik. Vor fast 15 Jahren wurden strategische Innovationsprojekte für den hiesigen Innovationsstandort auf den Weg gebracht, früher als andernorts in Europa und der Welt. Es wurden rechtzeitig die Weichen gestellt, aber in der Umsetzung ist Deutschland halbherzig geblieben. Die Beispiele sind weitgehend bekannt:

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113

„

Die elektronische Gesundheitskarte und elektronische Patientenakte: Sie ist noch nicht im gewünschten Umfang etabliert. Immerhin müssen die gesetzlichen Krankenkassen ihren Versicherten eine elektronische Patientenakte (ePA) als zentrales Element der vernetzten Gesundheitsversorgung ab Anfang des Jahres 2021 anbieten.

„

E-Government: Hier ist Deutschland im Mittelfeld, alle schauen nach Estland, auch wenn der Vergleich mit einem kleinen Land, das nach dem Fall des Eisernen Vorhangs bei Null beginnen musste bzw. konnte, durchaus hinkt. Dennoch sind die Fortschritte des baltischen Staats bemerkenswert. Der jüngste Digital Economy and Society Index (DESI) der Europäischen Kommission liest sich nicht sonderlich gut. Platz 12 ist für Europas größte Volkswirtschaft nicht gut genug. Immerhin regelt das im Jahre 2017 verabschiedete Onlinezugangsgesetz, dass bis zum Jahre 2022 alle Verwaltungsdienste für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen im Internet absolviert werden können.

„

Netzausbau: Auch hier ist die flächendeckende 4G-Dichte in Deutschland noch nicht annähernd bei 100 Prozent und mit 5G ist der nächste Mobilfunkstandard bereits in der Einführung. Problematisch ist nicht zuletzt die digitale Kluft zwischen Stadt und Land, wenngleich bereits zwei von drei ländlichen Regionen mit Breitbandzugang der nächsten Generation versorgt sind.

„

Und auch in der Wirtschaft ist nicht alles gut: Veraltete IT-Landschaften sind in einigen Branchen und Unternehmen anzutreffen. In der Finanzdienstleistung wurde beispielsweise zu lange in Mid-Tech investiert.

Bei diesen Beispielen könnte Deutschland alleine mehr tun, wir sind aber auch auf Europa angewiesen, weil der deutsche Binnenmarkt zu klein ist. Der große homogene Heimatmarkt war schon in den letzten 30 Jahren ein Wettbewerbsvorteil der amerikanischen Anbieter (Beispiel SAP). China spielt derzeit ebenfalls die Vorteile seines großen Binnenmarktes aus, da heimische Unternehmen in einem großen, homogenen Markt skalieren können und sich aufgrund der Marktrelevanz eine starke globale Wettbewerbsposition erarbeiten. Beide Regionen haben damit die Macht, auch bei der Digitalisierung Standards zu setzen. Zwar verfolgt die EU das Ziel eines einheitlichen digitalen Binnenmarktes, aber die reale Umsetzung lässt auch hier noch auf sich warten.

2.2 Innovationshürden vermeiden, Umsetzungsstärke erhöhen Diese Umsetzungsschwäche hat schon zu Ermüdungserscheinungen geführt: Dauerbrenner wie Wissenstransfer, Innovationsfinanzierung usw. werden nur mit Widerwillen aufgegriffen oder ohne sich mit den Vorarbeiten zu beschäftigen. Bei Themen wie Industrie 4.0 oder Künstliche Intelligenz konnte das zum Glück durchbrochen werden, da jetzt der Reifegrad für einen breiten industriellen Einsatz erreicht ist. Das betrifft Kosten, Qualität, aber auch Performance.

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Tatsächlich erleben wir aktuell die zweite Welle der Digitalisierung (Kagermann/Winter 2018). Industrie 3.0 steht für Standardisierung und Automatisierung. Industrie 4.0 hingegen für Hyperpersonalisierung und Autonome Systeme. Industrie 4.0 ist im Moment noch ein Erfolgsbeispiel für Deutschland. Es ist eine international anerkannte Marke, Deutschland ist als Ansprechpartner international gefragt, die Plattform Industrie 4.0 ist etabliert worden. Aber: Wir sind auch hier dabei, unseren Vorsprung zu gefährden. Und das liegt daran, dass wir zu langsam sind. acatech hat bereits im Jahre 2011 konkrete Vorschläge gemacht, wie mehr privates Wagniskapital mobilisiert werden kann, damit Start-ups nicht in der Wachstumsphase scheitern oder ins Ausland verkauft werden müssen. Die meisten Gründungen gibt es aktuell ja bei digitalen Geschäftsmodellen. Eine Teilumsetzung davon kam im Jahre 2016 beim Thema Verlustvortrag. Im Jahre 2019 haben Achleitner et al. (2019, 5ff.) die Mängel im deutschen Innovationssystems beim Thema Wachstumsfinanzierung noch einmal unterstrichen. Die B2C-Beispiele um Facebook, Amazon, Alibaba usw. zeigen, dass Schnelligkeit, Umsetzungsentschlossenheit und massive Investitionen Erfolgsfaktoren im digitalen Zeitalter sind (Yu 2018). Das sollten mahnende Erkenntnisse für den in Deutschland und Europa so starken B2B-Sektor sein.

3.

Innovationsbarrieren im digitalen Zeitalter überwinden

3.1 Barrieren in der Politik Die Vorbildfunktion des Staats hat eine nicht zu unterschätzende Wirkung für die Investitions- und Transformationsbereitschaft von Unternehmen, insbesondere im Mittelstand. Europa sollte die Anstrengungen bei Themen wie e-Government, Infrastrukturausbau und Bürokratieabbau verstärken. Gerade 5G als Voraussetzung für viele Produkt-Service-Innovationen kann ein EU-weites Investitionsprojekt sein, mit dem Europa eine positive, zukunftsgerichtete Handlungs- und Umsetzungsstärke unterstreicht. Gleiches gilt für das Bildungssystem. Der Digitalpakt Schule ist auf den Weg gebracht, doch es endet nicht mit der (Hardware-)Ausstattung an den Schulen. Wichtig ist ein neues Mindset an die Schulen zu bringen. Die Schlagworte heißen: mehr Experimente wagen, die Schule stärker nach außen öffnen, Agilität, Kreativität und Kollaboration fördern.

3.2 Barrieren in Wirtschaft und Wissenschaft Auch in Wirtschaft und Forschung braucht es eine Mobilisierung. Die unzähligen Initiativen auf Bundes- und Landesebene gehen bisweilen an den Bedürfnissen der KMU vorbei. Wichtig sind Kooperationen zwischen KMU und mit Großunternehmen. Wir müssen

Dienstleistungsinnovationen im digitalen Zeitalter – Was sie bremst, was zu tun ist

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KMU besser in Innovationsökosysteme einbinden. Ebenso bleibt die Vernetzung Wirtschaft-Wissenschaft bedeutend: An vielen Universitäten ist der Transfer als dritte Mission noch nicht verankert, hier nutzen Fachhochschulen besser das regionalökonomische Potenzial. Mit der Wirtschaft zu kooperieren, sollte dabei ein weiterer Anreiz sein, neben HIndex und Drittmittelquote. Ansonsten verliert die Praxiserfahrung als Berufungskriterium etwa in den Ingenieurswissenschaften weiter an Bedeutung und die Theoretisierung anwendungsnaher Disziplinen verstärkt sich. Interdisziplinarität und hybride Kompetenzen sind künftig mehr denn je gefragt. Und last but not least: Neue, digitale Geschäftsmodelle erfordern auch einen Kulturwandel in der Wirtschaft. Wir hängen in Deutschland immer noch zu sehr am Produkt, wir müssen aber mehr vom Nutzen und Nutzer her denken. Wir haben nicht ohne Grund Schwächen in den B2C-Märkten, weil wir uns zu sehr an der eigenen Firma und zu wenig an den Nutzererlebnissen unserer Kunden orientieren. Das führt zu einem zentralen Argument: Die meisten genannten Barrieren gehen darauf zurück, dass wir viel zu oft das tun, was wir schon immer getan haben, dass es uns nicht gelingt, institutionelle Verkrustungen zu überwinden. Viele Unternehmen – ob groß oder klein – verdienen mit ihren aktuellen Produkten und Geschäftsmodellen gutes Geld und sehen daher wenig Anlass, Neues zu wagen und Risiken einzugehen. Das ist auf den ersten Blick verständlich, aber darin liegt auch die große Gefahr, von der digitalen Transformation überrollt zu werden.

3.3 Überwindung von institutionellen Verkrustungen Deswegen ist es in einer fortschrittsorientierten Volkswirtschaft wichtig, sich selbst kritisch zu hinterfragen, denn der größte Feind der Transformation lauert oft im Innern eines Unternehmens, da etablierte Strukturen zu Konservatismus neigen. Eine entscheidende Voraussetzung zur Gestaltung der digitalen Transformation ist die Fähigkeit zur Ambidextrie. Also die Fähigkeit einer Organisation – vor allem eines Unternehmens – parallel in der alten und in der neuen (digitalen) Welt aktiv zu sein. In der alten Welt bestehen oft „festungsartige“ Organisationsbereiche, die vor allem Bestehendes verteidigen. In der neuen Welt entstehen netzwerkartige Organisationen, die experimentelles Arbeiten ermöglichen, neue Qualifikationsprofile nutzen und sich bei Teamzusammenstellungen nicht mehr an Zuständigkeiten, sondern an Aufgaben orientieren. Das Management muss die richtige Balance zwischen der alten und der neuen Welt finden, sodass beide harmonieren und sich gegenseitig befruchten können. Die größte Herausforderung besteht dabei in der Asymmetrie von Macht- bzw. Kräfteverhältnissen: Während die etablierten Bereiche im Unternehmen das Geld verdienen und auch noch eine Zeit lang ohne die neuen Einheiten auskommen könnten, gilt dies umgekehrt nicht. Die neuen Bereiche benötigen immer die Unterstützung der gesamten Organisation, um nicht abgestoßen zu werden.

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Deutschland ist nicht ohne Grund sehr gut bei inkrementellen Innovationen, nicht aber bei radikalen Innovationen. Wie ein möglicher Prozess von der optimierten Produktion zu datengetriebenen Geschäftsmodellinnovationen aussehen könnte, zeigt Abbildung 3. Optimieren & effizient liefern

Expandieren & Umsatz steigern

Innovieren & Ökosystem ausbauen

Geschäftsmodell

Produkte & SupportServices

Produkt- & AfterSales-Services

Product-as-aservice & Valueadded Services

Datengetriebenes digitales Geschäftsmodell

Geschäftstreiber

Produktverkauf

Prozessoptimierung

Dienstleistungswachstum

Expandierendes Ökosystem

IoT-Fähigkeiten

Eingebettete Systeme, Augmented Reality

Analytics, Machine Learning, Optimierung

ServiceManagement (Portfolio, Produktmanagement)

Ökosystem Geschäftsentwicklung

Integration & Technologie

Vertikale Integration (OTIT), MachineConnectivity

Horizontale Integration (von Planung zur Auslieferung)

Services-Plattform, SLAManagement, Leistungsabrechnung

Offene Datenplattform, Geschäftsnetzwerke

Standards

Konnektivität (z. B. OPC-UA)

Semantische Standards

Interoperabilität der Dienste

Branchenübergreifende Standards

Konnektieren & live agieren

Optimierte Produktion

Abbildung 3:

Smart Services

Innovationsgeschäft

Die digitale Transformation von Unternehmen: idealtypischer Prozess von der optimierten Produktion zu datengetriebenen Geschäftsmodellinnovationen (Quelle: in Anlehnung an Kagermann/Winter 2018, S. 230f.)

3.4 Zwei Botschaften zum Schluss Was können wir also tun? Zwei Dinge erscheinen als besonders wichtig: „

Erstens: Positive Beispiele überzeugen! Es gilt, die Leuchtturmprojekte für erfolgreiche Dienstleistungsinnovationen zu benennen und zu verbreiten. Manfred Bruhn und Karsten Hadwich haben mit ihren Arbeiten zum Service Business Development und zu Dienstleistungen 4.0 ausgezeichnete Grundlagen gelegt und klar beschrieben, wie Produkthersteller und Dienstleistungsunternehmen mit zunehmend digitalen Serviceleistungen eine zielorientierte Unternehmensentwicklung erreichen können (Bruhn/ Hadwich 2017, 2018). Dort, wo ein überzeugendes Narrativ entwickelt ist und der

Dienstleistungsinnovationen im digitalen Zeitalter – Was sie bremst, was zu tun ist

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Anwendungsnutzen für den Kunden sofort ersichtlich ist, dort können Serviceinnovationen und servicebasierten Geschäftsmodelle Innovationshürden überwinden und nachhaltigen Geschäftserfolg sichern. „

Zweitens: Wir dürfen uns nicht Wegducken bei kritischen Themen wie der Transformation der Arbeitswelt mit dem Verlust und Wandel von Arbeitsplätzen (Frey/Osborne 2013) und Ängste vor Kontrollverlust beim Einsatz von hochautomatisierten und autonomen Systemen haben (Fachforum Autonome Systeme 2017). Die digitale Transformation ist kein Selbstläufer. Es gibt nachvollziehbare Ängste und Widerstände in der Gesellschaft, die wir vielleicht als irrational empfinden, aber trotzdem ernst genommen werden müssen. Insbesondere die Unternehmen, die die digitale Transformation treiben, haben hier eine besondere Verantwortung. Diese sollten sie im Interesse des eigenen Fortbestands aber auch des Innovationsstandortes sehr ernst nehmen.

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Anja Geigenmüller und Antonia Hoebbel

Privacy Concerns – Ursachen, Erscheinungsformen und Implikationen für das Kundenbeziehungsmanagement

1. Einführung 2. Begriff und Entstehung von Privacy Concerns 2.1 Begriffsdefinitionen 2.2 Ursachen von Privacy Concerns 2.2.1 Merkmale der Datenerhebung 2.2.2 Merkmale von Kunden und Anbietern 2.2.3 Situative Faktoren 3. Wirkungen von Privacy Concerns 3.1 Nachfragerbezogene Strategien zur Bewältigung von Privacy Concerns 3.2 Transaktions- und beziehungsbezogene Wirkungen 3.3 Privacy Paradox und Privacy Calculus 4. Implikationen für das Kundenbeziehungsmanagement 5. Ausblick Literaturverzeichnis ___________________________ Univ.-Prof. Dr. habil. Anja Geigenmüller ist Leiterin des Fachgebiets Marketing an der Technischen Universität Ilmenau. Antonia Hoebbel, M.Sc., ist Projekt- und Kampagnenmanagerin bei der 2HM Business Services GmbH in Mainz.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Bruhn und K. Hadwich (Hrsg.), Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen Forum Dienstleistungsmanagement, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30166-8_5

1.

Einführung

Von jeher sind Kundendaten für Unternehmen ein wertvolles Gut. Kenntnisse über Wünsche und Bedürfnisse, über die Kaufhistorie, die individuelle Zahlungsbereitschaft oder Präferenzen bei der Kommunikation mit Anbietern erlauben individualisierte Leistungen, eine zielgenauere Ausrichtung von Marketinginstrumenten und damit eine effektivere und effizientere Gestaltung von Kundenbeziehungen. Dies gilt insbesondere für Dienstleistungsunternehmen, die angesichts einer wachsenden Wettbewerbsintensität ein eher proaktives Kundenbeziehungsmanagement verfolgen werden, um profitable Kundenbeziehungen zu initiieren und auszubauen (vgl. Bruhn et al. 2019, S. 1019f.). Durch technologische Weiterentwicklungen ist die Zahl und Vielfalt verfügbarer Daten ebenso gestiegen wie die Möglichkeiten, diese Daten auf einfache und vergleichsweise kostengünstige Weise zu sammeln, zu speichern und aufzubereiten (vgl. Kumar et al. 2013, S. 332). Neben personenbezogenen Daten wie beispielsweise Name, Adresse, Geschlecht und Geburtsdatum, verarbeiten Unternehmen elektronische Daten, die z. B. bei der Nutzung von Kreditkarten, Handys oder Kundenkarten entstehen. Internetnutzer erzeugen eine Reihe digitaler „Spuren“, die mittels Cookies oder auch Clickstream-Analysen ausgewertet werden können. Durch Interaktionen untereinander, z. B. in sozialen Medien, entstehen zunehmend kundenindividuelle Daten zu Interessen, Einstellungen und Vorlieben, die eine Profilerstellung und eine zielgenaue Ausrichtung u. a. von Marketingmaßnahmen erlauben (vgl. Wirtz/Lwin 2009, S. 190; Kumar et al. 2013, S. 332ff.; Bruhn et al. 2019, S. 1021f.). In dem Maße, in dem Daten für die Gestaltung von Kundenbeziehungen und die Verwirklichung von Wettbewerbsvorteilen immer wichtiger werden, wächst das Interesse von Unternehmen, über entsprechende Daten zu verfügen. Personalisierte Leistungen aufgrund persönlicher Daten bringen jedoch auch immer eine Einschränkung der Privatsphäre von Nachfragern mit sich (vgl. Reutterer/Schneider 2015, S. 436). Nachfrager reagieren auf diese Einschränkung sehr unterschiedlich: In manchen Fällen werden personalisierte Leistungen und Inhalte als nutzenstiftend angesehen und persönlicher Daten freiwillig offengelegt. In anderen Fällen aber reagieren Nachfrager ablehnend auf eine Offenlegung persönlicher Daten und deren Verwendung für eine Personalisierung von Marketingmaßnahmen (vgl. Tucker 2014; Bleier/Eisenbeiss 2015). Zur Erklärung dieser verschiedenen Verhaltensweisen wird unter anderem das Konstrukt Privacy Concerns herangezogen. Das Konstrukt kennzeichnet Bedenken von Nachfragern bezüglich der Verwendung ihrer persönlichen Daten durch das Anbieterunternehmen bzw. durch Dritte. Die Sorge um die eigene Datensicherheit tritt häufig dann besonders deutlich zu Tage, wenn Nutzer das Gefühl haben, die Erfassung und Verwendung ihrer Daten nicht oder nicht vollständig kontrollieren zu können. In der Folge zeigen Kunden verschiedene

124

A. Geigenmüller und A. Hoebbel

Reaktionen, angefangen von der bewussten Angabe falscher Daten bis hin zur Unterbrechung oder gar dem Abbruch ihrer Beziehung zu den betreffenden Anbietern (vgl. Frow et al. 2011, S. 82f.; Taylor et al. 2015, S. 100). Das Kundenbeziehungsmanagement steht damit vor einem Zielkonflikt: Einerseits tragen kundenzentrierte Marketingmaßnahmen zu Kundenzufriedenheit und Kundenbindung bei und sind daher für das Kundenbeziehungsmanagement zielführend. Andererseits aber gilt es die Privatsphäre des Kunden zu respektieren, um eine kundenseitige Reaktanz bzw. im Extremfall den Abbruch der Beziehung des Kunden zu einem Anbieter zu vermeiden. Vor diesem Hintergrund ist es Ziel des vorliegenden Beitrags, einen Überblick über den Stand der Forschung zum Thema Privacy Concerns zu geben. Im Mittelpunkt stehen neben einer begrifflichen Auseinandersetzung vor allem Ursachen von Privacy Concerns und Verhaltenskonsequenzen mit Blick auf die Freigabe von Daten, aber auch auf die Initiierung bzw. Fortführung der Beziehung des Nachfragers zu einem Anbieter. Der Beitrag diskutiert Ansätze von Unternehmen zur Reduzierung von Privacy Concerns und gibt am Ende einen Ausblick auf Herausforderungen an die Marketingforschung.

2.

Begriff und Entstehung von Privacy Concerns

2.1 Begriffsdefinitionen Privacy bzw. Privatheit bezog sich ursprünglich auf das „(…) right to be let alone (…)“, d. h. auf das Bedürfnis und Recht, die eigene Privatsphäre zu schützen und Eingriffe von außen, z. B. durch den Staat, abzuwehren (vgl. Warren/Brandeis 1890, S. 193ff.). Im engeren Sinne wird Privacy als Interesse von Individuen verstanden, den Zugriff auf persönliche Daten und Informationen durch Unternehmen bzw. Dritte sowie deren Verwendung zu kontrollieren (vgl. Phelps et al. 2000, S. 28f.; Chen/Rea 2004, S. 86; Belangér/Crossler 2011, S. 1018). Persönliche Daten beziehen sich auf jegliche Daten, über die eine Person direkt oder indirekt identifiziert werden kann. Dies schließt sowohl personenbezogene Daten als auch elektronische und digitale Daten ein (vgl. Taylor et al. 2015, S. 99). Privacy Concerns werden in der Literatur unterschiedlich charakterisiert: Sie bezeichnen wahlweise die Überzeugung, Einstellung oder auch Wahrnehmung von Nutzern bezüglich einer Kontrolle von Konsequenzen, die sich aus der Weitergabe persönlicher Daten an Dritte ergeben (vgl. Malhotra et al. 2004, S. 337; Belangér/Crossler 2011, S. 1020; Smith et al. 2011, S. 998). Im engeren Sinne beziehen sich Privacy Concerns auf die Art und Weise der Datenerhebung, die Datennutzung (z. B. für nicht erwünschte Marketingmaßnahmen), die Weitergabe an Dritte, die Möglichkeit eines Datendiebstahls oder auch externe Gefährdungen (z. B. Zerstörung der IT-Hardware durch Hochwasser, Hackerangriffe usw.) (vgl. Olivero/Lunt 2004, S. 244; van Slyke et al. 2006, S. 418). Bereits in den 1990er Jahren, mit Aufkommen des Direktmarketings, begann die Auseinandersetzung

Privacy Concerns – Ursachen, Erscheinungsformen und Implikationen

125

mit den Konstrukten Privacy und Privacy Concerns. Heute fokussiert die Forschung überwiegend auf Privacy Concerns im Kontext der Internetnutzung und des Online-Handels (vgl. Belangér/Crossler 2011, S. 1020). Betrachtet man Privacy Concerns als situative Wahrnehmung, lassen sich verschiedene Faktoren identifizieren, die die Entstehung und das Ausmaß von Privacy Concerns beeinflussen. Abbildung 1 systematisiert vier verschiedene Ursachen, die im Folgenden näher erläutert werden (vgl. Phelps et al. 2000, S. 30ff.; Graeff/Harmon 2004, S. 305; Poddar et al. 2009, S. 432ff.). Merkmale der Datenerhebung ƒ ƒ ƒ ƒ

Datentyp Verwendungszweck Kontrollmöglichkeiten Kompensation

Anbietermerkmale

Kundenmerkmale ƒ Bedeutung von Datensicherheit ƒ Erfahrungen ƒ Verletzlichkeit ƒ Selbstwirksamkeit

Privacy Concerns

ƒ Vertrauenswürdigkeit ƒ Reputation

Situative Faktoren ƒ Kaufsituation ƒ Beziehungsdauer

Abbildung 1:

Quellen situativ bedingter Privacy Concerns (Quelle: in Anlehnung an Phelps et al. 2000, S. 30ff.; Graeff/Harmon 2004, S. 305; Poddar et al. 2009, S. 432ff.).

2.2 Ursachen von Privacy Concerns 2.2.1 Merkmale der Datenerhebung Das Ausmaß von Privacy Concerns ist erstens vom Datentyp abhängig. Je spezifischer oder sensibler die Art von Kundendaten ist, die erhoben werden soll, wie z. B. Name,

126

A. Geigenmüller und A. Hoebbel

Adresse oder Einkommen, umso eher kann kundenseitig die Befürchtung auftreten, zum „gläsernen Konsumenten“ zu werden (vgl. Phelps et al. 2000, S. 33). Des Weiteren sind Privacy Concerns abhängig vom Verwendungszweck individueller Daten. Sofern eine Leistung erst durch die Angabe persönlicher Daten erstellt bzw. individualisiert werden kann (z. B. bei Finanzdienstleistungen oder auch medizinischen Dienstleistungen), sind Kunden eher bereit, persönliche Angaben zu machen. In diesen Fällen lässt sich oft ein geringeres Maß an Privacy Concerns ausmachen. Sind Kundendaten aber für die Erstellung einer Leistung nicht oder in nur eingeschränktem Maße relevant (z. B. Einkauf in einem Supermarkt), führt das häufiger zu kundenseitiger Skepsis und Bedenken bezüglich der eigenen Datensicherheit (vgl. Phelps et al. 2000, S. 40). Wenn die Notwendigkeit einer Erhebung sensibler Daten nicht nachvollziehbar begründet wird oder wenn der Nutzen aus der Freigabe solcher Daten für Kunden nicht ersichtlich ist, weckt dies Misstrauen gegenüber dem Unternehmen. Dies führt zu Vorbehalten, dass Kundendaten für unerwünschte Werbung verwandt oder sogar an Dritte weiterverkauft werden (vgl. Poddar et al. 2009, S. 434f.). Aus der Unsicherheit bezüglich der Datenverwendung resultiert das Bedürfnis der Kunden nach mehr Kontrolle. Folglich gilt ein wahrgenommener Kontrollverlust auf Seiten des Kunden als ein wesentlicher Auslöser von Privacy Concerns (vgl. Phelps et al. 2000, S. 39). Kunden möchten über die Erhebung und Verwendung ihrer Daten informiert werden und über deren Nutzung und Weitergabe entscheiden können (vgl. Graeff/Harmon 2002, S. 313). Je geringer das empfundene Ausmaß der Kontrolle über die Sammlung und Verwendung ihrer Daten ist, desto eher ergeben sich Bedenken der Kunden bezüglich der eigenen Datensicherheit (vgl. Milne/Boza 1999, S. 15). Schließlich ist die Entstehung von Privacy Concerns daran gebunden, inwiefern Kunden Vorteile für eine Preisgabe ihrer Daten erwarten bzw. angebotene Kompensationen (z. B. Newsletter, Gutscheine, Preisnachlässe usw.) als angemessen betrachten. Diese Bereitschaft bedeutet nicht, dass der Kunde nicht mehr um die Sicherheit seiner Daten besorgt ist. Tatsächlich befindet er sich in einem Dilemma. Um in den Genuss bestimmter Vorteile zu kommen, muss er die vom Unternehmen geforderten Daten freigeben. Anderenfalls bliebe ihm nur die Option, auf die gewünschte Transaktion zu verzichten (vgl. Poddar et al. 2009, S. 436f.). Mit anderen Worten: Je attraktiver die angebotene Kompensation empfunden wird, desto weniger haben Privacy Concerns Einfluss auf das Nachfragerverhalten.

2.2.2 Merkmale von Kunden und Anbietern Mit Blick auf Merkmale des Kunden finden Awad und Krishnan (2006, S. 25) einen Zusammenhang zwischen der individuell empfundenen Bedeutung von Datensicherheit und dem Ausmaß an Privacy Concerns: Je mehr Bedeutung Nachfrager der Sicherheit ihrer Daten beimessen, desto stärker ausgeprägt sind ihre Bedenken, dass Unternehmen ihre Daten missbräuchlich verwenden. Schließlich sind die individuellen Erfahrungen von Nachfragern mit der Datengewinnung durch Unternehmen, mit Risiken und eventuellen

Privacy Concerns – Ursachen, Erscheinungsformen und Implikationen

127

Schutzmechanismen ausschlaggebend für das Ausmaß, in dem Nachfrager Privacy Concerns entwickeln. Je erfahrener Nachfrager sind, desto weniger fürchten sie um die Einschränkung ihrer Privatsphäre durch Dritte (vgl. Culnan/Armstrong 1999, S. 108f.; Fletcher 2003, S. 254; Awad/Krishan 2006, S. 19). Weiterhin ist ein höheres Maß an Privacy Concerns umso wahrscheinlicher, je höher die subjektiv wahrgenommene Verletzlichkeit eines Nachfragers ist. Das Konzept der Verletzlichkeit von Konsumenten beschreibt einen Zustand, in dem sich Nachfrager als machtlos oder unterlegen empfinden und aus diesem Grund finanzielle, psychologische oder auch soziale Nachteile bei Interaktionen mit Anbietern befürchten (vgl. Baker et al. 2005). Mehrere Untersuchungen zeigen, dass Nachfrager, die sich selbst als eher verletzlich oder machtlos empfinden, auch die Offenlegung persönlicher Daten als risikobehafteter empfinden. Sie erwarten, dass Unternehmen ihre Marktmacht zum Nachteil des Individuums ausnutzen. Daher zeigen Nachfrager mit hoher subjektiver Verletzlichkeit auch größere Bedenken, dass Unternehmen Kundendaten unangemessen verwenden und daraus negative Konsequenzen für den betroffenen Nachfrager entstehen (vgl. Dinev/Hart 2004, S. 415; White 2004, S. 43; LaRose/Rifon 2007, S. 133). Spiegelbildlich dazu besteht eine negative Wirkungsbeziehung zwischen der wahrgenommenen Selbstwirksamkeit und Privacy Concerns. Selbstwirksamkeit kennzeichnet die Überzeugung eines Individuums, seine eigenen Kenntnisse und Fähigkeiten situationsbedingt wirksam einsetzen zu können, um beispielsweise Kontrolle über das eigene Verhalten bzw. über Situationen mit Auswirkungen auf die eigene Person auszuüben (vgl. Bandura 1991, S. 257; 1998, S. 624). Je eher Individuen von ihrer Möglichkeit zur Handlungskontrolle überzeugt sind, desto geringer schätzen sie Risiken als Folge einer Herausgabe persönlicher Daten ein. Folglich ist das Ausmaß an Privacy Concerns umso geringer, je höher die wahrgenommene Selbstwirksamkeit ist (vgl. LaRose/Rifon 2007, S. 131ff.; Youn 2009, S. 400ff.; Akhter 2014, S. 119 f.) Hinsichtlich relevanter Merkmale des Anbieters wird in der Literatur vor allem auf das Konstrukt des Vertrauens in den Anbieter bzw. dessen Vertrauenswürdigkeit hingewiesen. Im Kontext von Privacy und Privacy Concerns wird Vertrauenswürdigkeit eines Anbieters verstanden als dessen Verlässlichkeit und Integrität im Umgang mit den ihm anvertrauten Kundendaten (vgl. Bélanger et al. 2002, S. 251f.). Dies kann sich u. a. in expliziten Maßnahmen des Datenschutzes oder auch in der Transparenz über Art und Verwendung von erhobenen Kundendaten ausdrücken (vgl. Luo 2002, S. 113; Awad/Krishnan 2006, S. 14; Wirtz et al. 2007, S. 332f.). Wie Bélanger et al. (2002, S. 263) empirisch zeigen, ist die Zuschreibung von Vertrauenswürdigkeit unbedingte Voraussetzung für die Bereitschaft von Nachfragern, persönliche Daten preiszugeben. Folglich reduziert die Vertrauenswürdigkeit von Anbietern Privacy Concerns von Nachfragern (vgl. Culnan/Armstrong 1999). Die Vertrauenswürdigkeit eines Anbieterunternehmens wird wesentlich durch dessen Reputation beeinflusst. Reputation kennzeichnet die Wahrnehmung und Beurteilung eines Unternehmens, seiner aktuellen und auch zukünftigen Aktivitäten aufgrund direkter Erfahrungen von Marktteilnehmern bzw. aufgrund indirekter Erfahrungen, die durch Dritte

128

A. Geigenmüller und A. Hoebbel

bzw. über Medien innerhalb einer (Teil-)Öffentlichkeit vermittelt werden (vgl. Fombrun/ Shanley 1990, S. 234; Herbig/Milewicz 1993, S. 18; Doney/Cannon 1997, S. 37; Walsh/ Beatty 2007, S. 129). Je positiver Dritte ein Unternehmen in der Öffentlichkeit hinsichtlich dessen Art und Weise der Datenerhebung und -verwendung beurteilen, desto geringer sind Befürchtungen von Kunden, ihre Daten könnten entgegen ihrem Interesse verwendet werden (vgl. Andrade et al. 2002, S. 352).

2.2.3 Situative Faktoren Das Ausmaß von Privacy Concerns wird zudem von situativen Faktoren bestimmt. Zum einen spielen Merkmale der Kaufsituation eine Rolle. Kehr et al. (2015, S. 611ff.) verweisen auf umfangreiche Erkenntnisse in der Konsumentenverhaltensforschung zum Einfluss von Emotionen auf die Wahrnehmung von Vor- und Nachteilen einer Kaufentscheidung. Herrschen in einer Kaufsituation bezogen auf das Objekt positive Emotionen vor, neigen Konsumenten zu einer Überbetonung der Vorteile und einer Unterschätzung der Risiken einer Kaufentscheidung (vgl. Finucane/Holup, 2006, S. 146f.). Krafft et al. (2017, S. 46) zeigen in einer Untersuchung zum Permission Marketing, dass die Wahrscheinlichkeit einer Zustimmung zur Verwendung persönlicher Daten im Rahmen des Direktmarketing steigt, wenn die entsprechende Kontaktsituation als unterhaltsam oder vergnügend wahrgenommen wird. Offenbar können positive Emotionen die Wahrnehmung von Privacy Concerns und die damit verbundenen Handlungsabsichten abschwächen. Weiterhin ist die Beziehungsdauer zum jeweiligen Anbieter von Belang. Mit wachsender Dauer einer Kundenbeziehung entsteht eine größere Vertrautheit mit dem Anbieter. Vertrautheit steigert das Vertrauen des Kunden in ein Unternehmen. Damit verringern sich üblicherweise Bedenken hinsichtlich einer missbräuchlichen Verwendung von Kundendaten (vgl. Bélanger et al. 2002, S. 251f.; Luo 2002, S. 113; White 2004, S. 43; Dimitriadis/Kyrezis 2010). Zudem verfügen Stammkunden über mehr Erfahrungswissen in Bezug auf die Erhebung und Verwendung ihrer Daten seitens des Anbieters. Je mehr positive Erfahrungen die Kunden mit einem Unternehmen gesammelt haben und je intensiver die Beziehung ist, desto weniger Bedenken haben sie bei der Freigabe ihrer Daten (vgl. Sheehan/Hoy 2000, S. 64; Poddar et al. 2009, S. 433).

Privacy Concerns – Ursachen, Erscheinungsformen und Implikationen

3.

129

Wirkungen von Privacy Concerns

3.1 Nachfragerbezogene Strategien zur Bewältigung von Privacy Concerns Reaktionen des Nachfragers auf Privacy Concerns beschäftigen sich unter anderem mit Strategien, mit denen Nachfrager versuchen, Risiken eines Eingriffs in ihre Privatsphäre zu begrenzen bzw. ganz zu vermeiden (siehe Abbildung 2). Zu den Strategien einer Risikoreduzierung zählt die aktive Informationssuche von Nachfragern zum Beispiel nach Regelungen des Anbieters zum Datenschutz oder Möglichkeiten zur Kontrolle über persönlichen Daten. Nachfrager nehmen auch Kontakt mit dem Anbieter auf, um z. B. die Löschung von Daten, die Austragung aus Datenbanken oder die Unterlassung der Zusendung unerwünschter Werbung zu verlangen. Zudem beobachten mehrere Studien, dass Nachfrager bewusst falsche Kundenprofile generieren, indem sie z. B. Decknamen verwenden bzw. gegenüber dem Anbieterunternehmen falsche oder zumindest unvollständige persönliche Angaben machen, um Eingriffe in ihre Privatsphäre einzugrenzen (vgl. Wirtz et al. 2007, S. 330ff.; Youn 2009, S. 398ff.).

Individuelle Strategien zur Bewältigung von Privacy Concerns

Risikoreduzierung

Informationssuche Kontaktaufnahme Fälschung

Abbildung 2:

Risikovermeidung

Schutzmechanismen Verweigerung Vermeidung

Strategien zur Bewältigung von Privacy Concerns (Quelle: in Anlehnung an Culnan/Armstrong 1999, S. 106ff.; Wirtz et al. 2007, S. 330ff.; Youn 2009, S. 398ff.)

Demgegenüber zielen Strategien einer Risikovermeidung auf eine grundsätzliche Abwehr von Maßnahmen durch Anbieter, an persönliche Kundendaten zu gelangen. Beispielsweise nutzen Nachfrager Schutzmechanismen wie beispielsweise Sicherheitstechnologien zu Anonymisierung ihrer Online-Aktivitäten (z. B. indem die IP-Adresse verborgen bzw. Cookies blockiert werden). Des Weiteren verweigern Nachfrager die Herausgabe persönlicher Daten oder vermeiden bestimmte Anbieter ganz, weil sie wissen, dass eine Inan-

130

A. Geigenmüller und A. Hoebbel

spruchnahme ihrer Leistungen zwingend mit der Herausgabe persönlicher Daten verbunden ist (vgl. Wirtz et al. 2007, S. 332; Poddar et al. 2009, S. 422; Bélanger/Crossler 2011, S. 1022). Aus der Sicht von Anbieterunternehmen bedeuten diese kundenindividuellen Strategien, dass unter Umständen bestimmte (Online-)Aktivitäten nicht oder nur unvollständig bestimmten Kunden zugeordnet werden können. Potenziell unvollständige bzw. fehlerhafte Kundendaten erschweren eine zielgruppenspezifische Gestaltung von Leistungen oder Kommunikationsinhalten und damit die Initiierung und Entwicklung profitabler Kundenbeziehungen (vgl. Poddar et al. 2009, S. 428).

3.2 Transaktions- und beziehungsbezogene Wirkungen Ausgehend von den eben genannten Schutzmechanismen untersuchen verschiedene Arbeiten kaufverhaltensrelevante Wirkungen von Privacy Concerns. Sie betrachten dabei zum einen Verhaltensabsichten und Verhaltensweisen in einer spezifischen Kaufsituation. Sie sollen im Folgenden als transaktionsbezogene Wirkungen dargestellt werden. Zum anderen, und in einem weitaus geringeren Umfang, werden Wirkungen von Privacy Concerns auf die Beziehung zwischen Kunden und Anbietern untersucht. Sie werden nachstehend als beziehungsorientierte Wirkungen erläutert. Mit Blick auf eine einzelne Transaktion zeigen mehrere empirische Studien einen Zusammenhang zwischen Privacy Concerns und der Bereitschaft von Nutzern, persönliche Daten offen zu legen, und zwar sowohl aktiv (z. B. durch aktive Dateneingabe) als auch passiv (z. B. durch Datenerfassung mittels Cookies, Scannerkassen usw.). Je ausgeprägter Privacy Concerns sind, desto geringer ist die individuelle Bereitschaft, persönliche Daten zur Verfügung zu stellen (vgl. Belangér/Crossler 2011, S. 102; Smith 2011, S. 998). Vice versa ist ein geringes Ausmaß von Privacy Concerns verbunden mit einer höheren Bereitschaft, persönliche Daten zur Verfügung zu stellen bzw. Maßnahmen zum Schutz der Privatsphäre (z. B. durch falsche Kundenprofile) zu unterlassen (vgl. Malhotra et al. 2004, S. 347ff.; Belangér/Crossler 2011, S. 1020). Weitere Untersuchungen widmen sich der Frage, inwiefern Privacy Concerns die Nutzung bestimmter digitaler Leistungen oder Technologien, wie beispielsweise Instant Messaging Services, beeinflusst. Sie kommen zu einem vergleichbaren Ergebnis: Privacy Concerns senken die Bereitschaft zur Inanspruchnahme solcher Leistungen bzw. bestimmter Technologien, von denen eine unerwünschte Datenerfassung erwartet wird. In umgelehrter Perspektive führen geringere Privacy Concerns zu einer höheren Bereitschaft zur Inanspruchnahme solcher Leistungen (vgl. Dimitriadis/Kyrezis 2010, S. 801ff.; Belangér/Crossler 2011, S. 1020; Smith et al. 2011, S. 999f.). Schließlich widmen sich mehrere Untersuchungen dem Zusammenhang zwischen Privacy Concerns und der Kaufabsicht von Nachfragern. Einige dieser Studien kommen zu dem Ergebnis, dass Nutzer mit großen Bedenken bezüglich der Sicherheit ihrer persönlichen Daten weniger bereit sind, mit Anbietern Informationen auszutauschen bzw. (Online)-

Privacy Concerns – Ursachen, Erscheinungsformen und Implikationen

131

Transaktionen zu tätigen (vgl. Belangér/Crossler 2011, S. 1021; Akhter 2014, S. 20). Andere widersprechen jedoch: Ein direkter Zusammenhang zwischen Privacy Concerns und der Absicht zum Kauf bzw. zur Interaktion mit einem Anbieter sei nicht zu unterstellen. Vielmehr müssen mediierende Variablen, vor allem das Vertrauen zwischen Anbieter und Nachfrager, berücksichtigt werden. So argumentieren Belangér et al. (2002, S. 251), dass das Vertrauen in einen Anbieter das situativ empfundene Risiko einer unerwünschten Datennutzung überwiegen könne und Nachfrager, trotz existierender Privacy Concerns, eine Bereitschaft zum Kauf zeigen (vgl. auch Fletcher 2003, S. 267; Wirtz/Lwin 2009, S. 202f.; Smith et al. 2011, S. 1000; Kehr et al. 2012, S. 610f.). Auch in einer beziehungsorientierten Perspektive werden sowohl positive als auch negative Wirkungen von Privacy Concerns diskutiert. Wenn Nachfrager keine Bedenken bezüglich ihrer Datensicherheit hegen bzw. positive Erfahrungen mit einem Anbieter gemacht haben, ist zu erwarten, dass sie eine höhere Bereitschaft zeigen, persönliche Daten offenzulegen. Interessanterweise ist von einer solchen Bereitschaft auch dann auszugehen, wenn Privacy Concerns vorliegen. Je größer das Vertrauen eines Nachfragers in den Anbieter ist, desto stärker wirkt sich dieses Vertrauen im Vergleich zu Privacy Concerns auf die Bereitschaft zur Datenweitergabe aus. Falls eine Weitergabe persönlicher Daten zu relevanten Vorteilen für den Nachfrager führt (z. B. Kosten- oder Zeitersparnis, personalisierte Leistungen, kontrollierbare Datennutzung seitens des Anbieters), reduziert das ebenfalls individuelle Bedenken und erhöht langfristig das Vertrauen des Kunden in den Anbieter und die Bereitschaft, eine Kundenbeziehung aufzubauen bzw. fortzuführen (vgl. Frow et al. 2011, S. 79; Smith et al. 2011, S. 1000; Kim et al. 2012, S. 83f.). Negative Erfahrungen der Nachfrager, z. B. einer ungewollten Weitergabe persönlicher Daten an Dritte, können dagegen Privacy Concerns verstärken. Aus der Verletzung der Privatsphäre von Kunden können verschiedene negative Konsequenzen resultieren, unter anderem sinkendes Vertrauen in den Anbieter, Loyalitätsverlust und Imageschäden (vgl. Fletcher 2003, S. 259f.). Langfristig besteht die Gefahr, dass Kunden ihre Interaktionen mit einem Anbieter reduzieren, sich aus einer bestehenden Kundenbeziehung zurückziehen bzw. sie vollständig abbrechen. Negative Erfahrungen mit einem Anbieter können in negativer Mundpropaganda resultieren, die wiederum die Reputation und Vertrauenswürdigkeit eines Anbieters einschränken. Dies kann die Bindung bestehender Kunden bzw. eine Neukundenakquise für den Anbieter erschweren (vgl. Kim et al. 2012, S. 90; Akhter 2014, S. 119f.; Zhang et al. 2017, S. 957).

3.3 Privacy Paradox und Privacy Calculus Inwiefern die Wahrnehmung von Privacy Concerns tatsächlich in entsprechenden Verhaltensweisen resultieren, ist Gegenstand der Auseinandersetzung mit dem Phänomen des sogenannten Privacy Paradox. Unter anderem zeigen Norberg und Horne (2007, S. 832) sowie Norberg et al. (2007, S. 108), dass Nachfrager zwar einerseits Organisationen bezüglich eines möglichen Eingriffs in ihre Privatsphäre misstrauen, dass sie aber – entgegen

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A. Geigenmüller und A. Hoebbel

dieser grundsätzlichen Einstellung – in bestimmten Situationen doch mehr oder weniger bereitwillig persönliche Daten an einen Anbieter weitergeben. Für dieses zunächst widersprüchliche Verhalten gibt es zwei grundlegende Erklärungsansätze. Zum einen ist die Verhaltensrelevanz von Einstellungen von ihrer Stärke abhängig. Einstellungen prägen sich umso stärker aus, je mehr sie sich aus eigenen Erfahrungen (und beispielsweise nicht aus der Kommunikation Dritter) ergeben und je spezifischer sie sich auf eine bestimmte Situation oder ein bestimmtes Objekt beziehen (vgl. Norberg/Horne 2007, S. 832ff.). Folglich sind globale Einstellungen oder Einstellungen, die sich hauptsächlich durch die Kommunikation Dritter (z. B. Medienberichte über Datenmissbrauch) gebildet haben, weniger verhaltensrelevant, wenn sie situativ überlagert werden, z. B. durch Maßnahmen des Anbieters zur Aufklärung von Nachfragern bezüglich der Verwendung ihrer Daten oder durch zu erlangende Vorteile (z. B. Kosten- oder Zeitersparnisse, individualisierte Leistung, Vergnügen usw.). Unter diesen Umständen legen Personen trotz ihrer generellen Skepsis gegenüber der Datennutzung durch Dritte in bestimmten Situationen dennoch bereitwillig persönliche Daten offen (vgl. Norberg et al. 2007, S. 108; Norberg/Horne 2007, S. 832; Belangér/Crossler 2011, S. 1020f.; Kehr et al. 2012, S. 607ff.; Karwatzki et al. 2017, S. 371ff.). Zum anderen begründen verschiedene Autoren einen Auseinanderfall zwischen grundlegenden Einstellungen und dem konkreten Verhalten mit dem Phänomen des Privacy Calculus (vgl. Smith et al. 2011, S. 1001). Wenn Nachfrager zur Weitergabe ihrer persönlichen Daten aufgefordert werden, wägen sie die daraus entstehenden Vorteile und Nachteile gegeneinander ab. Überwiegen die Vorteile, geben sie persönliche Daten weiter. Überwiegen die Nachteile, sinkt die Bereitschaft zur Datenweitergabe. Vorteile einer Datenweitergabe können finanzielle Kompensationen, die Aussicht auf personalisierte Leistungen oder auch der Zugang zu einer präferierten sozialen Gruppe darstellen (vgl. White 2004, S. 44; Smith et al. 2011, S. 1001f.). Nachteile entstehen beispielsweise aus der ungewollten Weitergabe persönlicher Daten an Dritte oder die Gefahr eines Datendiebstahls sowie die damit verbundenen emotionalen, materiellen und physischen Konsequenzen für den Nachfrager sein (vgl. Malhotra et al. 2004, S. 340; Norberg et al. 2007, S. 108; Norberg/Horne 2007, S. 832).

4.

Implikationen für das Kundenbeziehungsmanagement

Das moderne Kundenbeziehungsmanagement befindet sich in einem Dilemma. Moderne Informations- und Kommunikationstechnologien ermöglichen Unternehmen, noch umfassendere Daten über Kunden, ihre Präferenzen für Produkte und Dienstleistungen sowie ihre sozialen Beziehungen zu generieren und damit noch effektivere Kundenbeziehungsmaßnahmen zu entwickeln (vgl. Greve 2011, S. 16f.). Doch eine zunehmende Digitalisierung und Automatisierung von CRM-Systemen birgt gleichzeitig die Gefahr, dass „[…]

Privacy Concerns – Ursachen, Erscheinungsformen und Implikationen

133

companies often forget that the C in CRM stands for customer” (Kale 2004, S. 44). Wichtigste Aufgabe für das Kundenbeziehungsmanagement ist es daher, den Zugang zu Kundendaten ebenso zu erhalten wie das Vertrauen des Kunden in die Integrität des Anbieters. Dazu werden in der Literatur verschiedene Ansatzpunkte und Maßnahmen diskutiert. Mit Blick auf Anbieterunternehmen empfehlen Krafft et al. (2017, S. 51) zu prüfen, welche Kundendaten in welchem Umfang tatsächlich erhoben werden müssen, um zielgerichtetes Kundenbeziehungsmanagement betreiben zu können. Empfinden Kunden eine Erfassung ihrer Daten als zu umfangreich oder unangemessen, würde das Privacy Concerns sowie daraus entstehende ablehnende Verhaltensweisen eher begünstigen und damit die Pflege und den Ausbau von Kundenbeziehungen behindern. Außerdem sollten Unternehmen bei der Bildung und Charakterisierung ihrer Zielgruppen auch die individuelle Sensibilität gegenüber einer Datenerhebung und -verwendung durch den Anbieter Rechnung tragen. Auf diese Weise können Maßnahmen zur Reduzierung von Privacy Concerns zielgerichtet auf relevante Segmente ausgerichtet werden (vgl. Kim et al. 2012, S. 90; Karwatzki et al. 2017, S. 391). Dies verlangt von Unternehmen ein gewisses Maß an Empathie und Akzeptanz gegenüber den Bedürfnissen von Nachfragern nach Privatsphäre und einer Kontrolle über Daten zu ihrer Person. Daher sollten Unternehmen die Besorgnis von Nachfragern oder auch konkrete Beschwerden bezüglich einer Datensammlung und -verwendung ernstnehmen, eine entsprechende Dialogbereitschaft zeigen und Kommunikationsformen (z. B. Blogs, Foren) definieren, in denen solche Besorgnisse sowie Maßnahmen des Anbieterunternehmens im Zusammenhang mit Kundendaten kommuniziert werden (vgl. Martin 2016, S. 563; Zhang et al. 2017, S. 976). Rust und Kollegen (2002, S. 460) schlagen eine organisatorische Verankerung mittels eines „Chief Privacy Officers“ (CPO) vor, um strategische Entscheidungen bezüglich der Sammlung, Verwendung und des Schutzes von Kundendaten zu fällen. Weiterhin empfehlen verschiedene Autoren die Definition klarer, transparenter und wirksamer Regeln zur Datensammlung und -verwendung sowie von einfachen, nachvollziehbaren Optionen für Nachfrager, die Erfassung und Verwendung ihrer Daten durch einen Anbieter zu steuern und zu kontrollieren. Anbieter sollen sicherstellen, dass ihre Kunden einer zur Erfassung individueller Daten nicht widersprechen müssen, sondern mittels eines Opt-in-Verfahrens aktiv steuern können. Zudem sollten Unternehmen offenlegen, welche Art der Daten sie erfassen und für welche spezifischen Zwecke und in welchem Umfang sie diese Daten verwenden wollen (vgl. Fletcher 2003, S. 268f.; Malhotra et al. 2004, S. 350; Krafft et al. 2017, S. 51). Um das Verständnis und letztlich das Vertrauen von Nachfragern zu gewinnen, sollten Unternehmen darüber hinaus verschiedene Kommunikationsformen einsetzen, um ihre Ziele und Maßnahmen einer Datenerhebung, -verwendung und Regeln des Datenschutzes verständlich zu erklären. Formaljuristische Erklärungen sollten zumindest eine Ergänzung finden durch Erklärungen in verständlicher Sprache sowie einer audiovisuellen Unterstützung, um das Verständnis und die Akzeptanz von Nutzern bezüglich einer Nutzung ihrer Daten durch ein Anbieterunternehmen zu fördern (vgl. Dimitriadis/Kyrezis 2010, S. 813; Zhang et al. 2017, S. 976; Fox/Royne 2018, S. 83). Die Art und Weise, in der Nachfrager über Art und Ausmaß der Nutzung ihrer Daten durch

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A. Geigenmüller und A. Hoebbel

einen Anbieter entscheiden (z. B. beim Login), sollte zudem einfach und mit begrenztem Aufwand realisierbar sein. Andernfalls ist zu befürchten, dass Nachfrager entsprechende Anbieter zukünftig meiden (vgl. Malhotra et al. 2004, S. 350; Dimitriadis/Kyrezis 2010, S. 813). In diesem Zusammenhang geht Martin (2016, S. 563f.) sogar davon aus, dass überzeugende, faire Regelungen einer Datennutzung durch Unternehmen sowie Steuerungs- und Kontrollmöglichkeiten für Nachfrager zu einem Wettbewerbsvorteil werden können, indem sie nachhaltig das Commitment gegenüber einem Anbieter stärken: „[…] strong privacy norms make strong communities“ (Martin 2016, S. 564). Auch wenn einige Studien eine positive Anreizwirkung z. B. von Gutscheinen, Rabatten oder Geschenken, auf die Bereitschaft von Nachfragern zur Bereitstellung ihrer Daten ermitteln, warnen unter anderem Krafft et al. (2017, S. 50) vor einer zu optimistischen Einschätzung: Auch wenn kurzfristig damit das Bedürfnis nach Schutz der eigenen Privatsphäre reduziert werden kann, kann es langfristig zu negativen Effekten kommen, weil Nachfrager beispielsweise langfristig nicht bereit sind, Leistungsvorteile mit ihren persönlichen Daten „zu zahlen“. Außerdem könnten Erwartung an eine entsprechende Kompensation durch das Anbieterunternehmen steigen, so dass sich für Unternehmen das KostenNutzen-Verhältnis einer Datenerhebung zunehmend ungünstig entwickelt. Stattdessen empfehlen verschiedene Untersuchungen, einen Gegenwert für die Herausgabe persönlicher Daten zu bieten, indem Leistungen tatsächlich personalisiert werden bzw. Unterhaltung und Vergnügen geboten wird, das Kunden gegen Herausgabe ihrer Daten eine positive Customer Experience ermöglicht (vgl. Karwatzki et al. 2017, S. 389f.; Krafft et al. 2017, S. 50). Privacy Concerns und entsprechende Bewältigungsstrategien eröffnen zudem Marktchancen für Unternehmen, die Dienstleistungen zum Schutz der Privatsphäre privater und auch organisationaler Kunden anbieten. Beispiele wie DuckDuckgo oder Diaspora* zeigen, dass sich Anbietern z. B. von Lösungen zur Anonymisierung von Nutzerprofilen oder zur Löschung von Spuren im Internet, Potenziale zur Gewinnung und Bindung von Kunden eröffnen (vgl. Rust et al. 2002, S. 462; Martin 2016, S. 563f.). Schließlich lassen sich aus dem aktuellen Stand der Forschung Implikationen für gesetzgebende Institutionen, Organisationen des Verbraucherschutzes und weiterer Interessenvertretungen ableiten. Die zunehmende Sensibilität von Nachfragern bezüglich der eigenen Privatsphäre vor allem in Online-Umgebungen lenkt die Aufmerksamkeit auf der einen Seite auf Maßnahmen eines „Empowerments“ von Nachfragern bezüglich der Steuerung und Kontrolle ihrer individuellen Privatsphäre. So fordern Fox und Royne (2018, S. 83) in diesem Kontext Maßnahmen für eine stärkere Information und Aufklärung von Nachfragern bezüglich der Ziele, des Nutzens und Verfahren einer Datenerhebung und ebenso zu Möglichkeiten, die Erhebung und Verwendung individueller Daten selbst zu steuern und zu kontrollieren. Nachfrager sollen in die Lage versetzt werden, als aufgeklärter, mündiger Konsument Regelungen zur Datennutzung und zum Datenschutz aufzunehmen, zu verstehen, anzuwenden sowie eigenständig Maßnahmen zur Begrenzung einer Datenerfassung, zum Datenschutz oder auch einer selektiven Offenlegung von Daten zu

Privacy Concerns – Ursachen, Erscheinungsformen und Implikationen

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ergreifen (vgl. Akhter 2014, S. 123; Karwatzki et al. 2017, S. 391f.; Fox/Royne 2018, S. 83). Auf der anderen Seite werden Konsequenzen für die Weiterentwicklung von Regelungen und Normen der Datensicherheit und des Datenschutzes diskutiert. Verschiedene Autoren unterstreichen die Verantwortung gesetzgebender Institutionen, Trends und Entwicklungen frühzeitig aufzunehmen und gesetzliche Grundlagen zu entwickeln, die sowohl Anbieterunternehmen als auch Nachfragern entsprechende sichere und verlässliche Interaktionen ermöglichen (vgl. Martin 2016, S. 564). Zusätzliche Ansatzpunkte können zudem Zertifikate, Siegel oder andere geeignete Kennzeichnungen sein, die Nachfragern eine ordnungsgemäße und verlässliche Nutzung ihrer Daten signalisieren (vgl. Miyazaki/ Krishnamurthy 2002, S 29ff.; LaRose/Rifon 2007, S. 145). Neben verschiedenen privaten Anbietern stellt beispielsweise auf europäischer Ebene das „European Privacy Seal“ (EuroPriSe) ein solches Siegel dar. „EuroPriSe“ wird für informationstechnische Produkte, IT-Serviceleistungen und Webseiten vergeben. Es signalisiert die Konformität dieser Leistungen zum europäischen Recht, insbesondere zur Datenschutzgrundverordnung der EU (DSGVO) sowie zu nationalen Rechtsnormen im Bereich Datenschutz und Datensicherheit (vgl. European Privacy Seal 2019).

5.

Ausblick

Der Aufbau und die Pflege von Kundenbeziehungen wird auch in einem „digitalen Zeitalter“ vorrangige Aufgabe des Marketing bleiben. Ebenso wird die Entfaltung wertvoller Beziehungen auch zukünftig maßgeblich durch das Vertrauen zwischen Marktteilnehmern bestimmt werden. Allerdings verändern neue technologische Möglichkeiten vermutlich die Art und Weise, wie sich Vertrauen bildet, wie Beziehung zwischen Anbietern und Nachfragern entstehen bzw. sich Interaktionen zwischen ihnen entwickeln. Die Marketingwissenschaft muss diesen Entwicklungen nachgehen und sie systematisch aufklären. Der vorliegende Beitrag hatte zum Ziel, einen Überblick über den Stand der Forschung zum Thema Privacy Concerns zu geben. Der Beitrag benennt begriffliche Grundlagen, diskutiert Ursachen von Privacy Concerns und identifiziert mögliche Verhaltenskonsequenzen mit Blick auf die Freigabe von Daten, aber auch auf die Initiierung bzw. Fortführung der Beziehung des Nachfragers zu einem Anbieter. Die Forschung zu diesem Thema gibt bereits erste Empfehlungen, wie Unternehmen Privacy Concerns beeinflussen und gegebenenfalls reduzieren können. Allerdings überwiegt in diesem Thema sehr häufig eine zeitpunktbezogene Betrachtung und eine isolierte Auseinandersetzung mit ausgewählten Wirkungsbeziehungen. Um auch zukünftig relevante Erkenntnisse für das Kundenbeziehungsmanagement und darüber hinaus für das Marketing insgesamt zu erzielen, sollte sich die Forschung verstärkt mit theoretischen Ansätzen auseinandersetzen, die systematisch Ursache-Wirkungs-Beziehungen auch im Zeitverlauf erklären können. Dazu

136

A. Geigenmüller und A. Hoebbel

werden sicherlich nicht nur neue Methoden Eingang in das Repertoire der Marketingforschung finden, wie z. B. Instrumente der Online-Marktforschung. Auch in einer Auseinandersetzung mit konzeptionellen bzw. theoretischen Rahmen, Untersuchungszielen und -resultaten anderer Disziplinen wie der Kognitionsforschung, der Soziologie oder auch der (Wirtschafts-)Informatik könnte die Marketingforschung zu diesem Thema eine wertvolle Bereicherung finden.

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Manfred Bruhn

„Wo viel Licht ist, ist starker Schatten“ – Die zwei Seiten der Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen

1. Automatisierung und Personalisierung als zentrale Entwicklungen des Dienstleistungsmanagements 2. Licht und Schatten der Automatisierung von Dienstleistungen 2.1 Begriff und Treiber der Automatisierung 2.2 Einsatz der Automatisierung 2.3 „Lichträume“ der Automatisierung 2.4 „Schattenräume“ der Automatisierung 2.5 Forschungsfragen der Automatisierung 3. Licht und Schatten der Personalisierung von Dienstleistungen 3.1 Begriff und Treiber der Personalisierung 3.2 Einsatz der Personalisierung 3.3 „Lichträume“ der Personalisierung 3.4 „Schattenräume“ der Personalisierung 3.5 Forschungsfragen der Personalisierung 4. Zusammenfassung und Ausblick Literaturverzeichnis

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Bruhn und K. Hadwich (Hrsg.), Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen Forum Dienstleistungsmanagement, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30166-8_6

___________________________ Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Manfred Bruhn ist Professor der Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Marketing und Unternehmensführung, an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Basel und Honorarprofessor an der Technischen Universität München.

1.

Automatisierung und Personalisierung als zentrale Entwicklungen des Dienstleistungsmanagements „Wo viel Licht ist, ist starker Schatten“

– diesen Satz lässt Johann Wolfgang von Goethe dem Götz von Berlichingen im Ersten Akt sagen. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, denn Gegensätze bedingen einander, aber bei „viel Licht“ wird häufig der „Schatten“ ausgeblendet und deshalb ist es notwendig, sich bei zentralen Entwicklungen und neuen Anwendungsbereichen im Dienstleistungs- und Servicebereich auch diesen Themen zu widmen. Viele Dienstleistungsbranchen haben sich im letzten Jahrzehnt teilweise grundlegend verändert. Dies gilt beispielsweise für die Bereiche Handel, Tourismus, Finanzdienstleistungen u. a. m. Hier haben sich tiefgreifende Veränderungen in den Märkten, dem Kundenverhalten und den Geschäftsmodellen ergeben. Dies ist zum einen auf die technologischen Entwicklungen zurückzuführen, denn die digitalen Technologien, leistungsstarke Softwarepakete und erste Gehversuche mit der Artificial Intelligence führen zu einer neuen Gestaltung von Dienstleistungen und zu einem veränderten Zugang dazu. Bei dieser so genannten Neugestaltung von Dienstleistungen ist allerdings zu beachten, dass die Automatisierung und vor allem die Programmierung von Ablaufschritten im Backoffice stattfindet und entlang der Dienstleistungskette bei diversen Supportprozessen wie etwa bei der Bestellung, Zahlungsabwicklung, After Sales-Angeboten, Interaktionsmöglichkeiten, digitalen Auftritten wie Webseiten u. a. m. Es verändern sich also vor allem die Dienstleistungsprozesse und die Eigenaktivitäten des Kunden nimmt zu, also ein typisches Phänomen der „Externalisierung von Dienstleistungen“. Ob und inwieweit sich die Dienstleistung selbst verändert, hängt in erster Linie von den alten und neuen Branchenlösungen ab. So ist beispielsweise beim Selbstscanning der Kunden im Handel, beim Selbst-Check-in und -Check-out im Hotel keine grundlegende Änderung der Dienstleistung zu sehen. Eine zentrale Frage bei der Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen wird also sein, mit welchen Auswirkungen der neuen Technologien für die Unternehmen und die Branchen zu rechnen ist: „

„

So werden sich beispielweise durch die Automatisierung die sich massenhaft wiederholenden Supportprozesse bei der Dienstleistungserstellung vereinfachen, ohne dass sich deshalb die Kerndienstleistung selbst grundlegend verändert hat. Bei funktionierenden automatisierten Prozessen sind diese kostengünstiger, verlässlicher und schneller als die früher von Menschen durchgeführten Prozesse. Eine Personalisierung wird ermöglicht durch die Fähigkeit der neuen Technologien, differenzierte Datensets zu den einzelnen Kunden aufzubauen. Aus Kundensicht ist

144

M. Bruhn dies verbunden mit einer personalisierten Ansprache, vielleicht auch mit einem personalisierten Erlebnis und/oder einer personalisierten Leistungserbringung. Dies ist eines der Anliegen des Relationship Marketing und die neuen Technologien und die Software ermöglichen es, allen Kunden das Gefühl zu geben, personalisiert angesprochen zu werden.

Fasst man insgesamt die Entwicklungen der Technologien und der Beziehungsorientierung im Marketing zusammen, dann hat in den letzten Jahren vor allem die Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungsprozessen an Bedeutung gewonnen. Die Anwendungsbereiche haben bei dem Aufbau, der Intensivierung und Durchführung von Geschäftsbeziehungen erheblich zugenommen und es ist durch die Entwicklung der digitalen Technologien und Künstlichen Intelligenz zu erwarten, dass dies auch weiterhin überproportional zunehmen wird. Dabei sind zum einen die wesentlichen Treiber der Verlagerung menschlicher Arbeitsprozesse in digital gestützte Prozesse Rationalisierungsbestrebungen. Zum anderen führt das Zusammenführen von Datenquellen in einen konsistenten Datenbestand pro Kunde und insbesondere die teilautomatisierte Analyse großer Datenbestände dazu, dass quasi-personalisierte Angebote digital verteilt werden können. Der Ausbau der Datenbasis über die Kunden, die Abbildung vieler produktions- und kundenorientierter Prozesse in Datenbanken und programmierbaren Abläufen haben die Automatisierung und die Personalisierung im Relationship Marketing ermöglicht, beschleunigt und professionalisiert. Wenn durch die Automatisierung und Personalisierung neue Märkte und Geschäftsmodelle entstehen, dann ist dies auf die Innovationsfähigkeit von Unternehmen und die Akzeptanz dieser Innovationen durch die Kunden zurückzuführen. Sie werden in der Anwendung der automatisierten und personalisierten Prozesse einen Nutzen sehen und deshalb stehen vielfach in der Diskussion auch die Vorteile dieser Entwicklung im Vordergrund. Die Nutzenkomponenten zeigen sich bei der Zeit, dem Geld, dem Zugang, der Verlässlichkeit u. a. m. Erst nach einiger Zeit zeigen sich in der öffentlichen Diskussion, in Fachkreisen und in der Praxis auch die Nachteile von bestimmten Entwicklungen. Wenn die neuen Prozesse unattraktiv geworden sind durch höhere Kosten, der Reduktion von persönlichen Kontaktmöglichkeiten (z. B. Reduktion von Bankfilialen) u. a., dann sind diese Entwicklungen in mittel- und langfristiger Sicht ebenso zu bewerten. Die bisherigen Digitalisierungswellen der letzten fünfzehn Jahre haben sich sehr schnell entwickelt, aber kaum zu einer tiefgreifenden Kritik geführt. Ziel des Beitrages ist es, die Diskussion über die Vorteile (Licht) und die Nachteile (Schatten) der Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen aufzuzeigen. Dabei wird auf verschiedene Einsatzbereiche der Automatisierung und Personalisierung Bezug genommen. Ebenso werden Anregungen für die weitere Forschung zu den Themengebieten aufgezeigt. Für eine differenzierte Argumentation werden die Automatisierung und Personalisierung getrennt behandelt, wenngleich sie teilweise in der Anwendung zusammengehören, denn beispielsweise ist eine Personalisierung bei Massendienstleistungen

Licht und Schatten der Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen 145 nur mit einer Automatisierung möglich. Trotz dieser Vernetzungspotenziale lassen sich die Auswirkungen für die Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen bei einer getrennten Behandlung differenzierter herausarbeiten.

2.

Licht und Schatten der Automatisierung von Dienstleistungen

2.1 Begriff und Treiber der Automatisierung Unter dem Stichwort „Marketing Automation“ wurden vor zwei Jahrzehnten erste Anfänge der Automatisierung entwickelt. Sie waren vorwiegend Database-gestützt und bezogen sich primär auf digital gut abbildbare, sich wiederholende Routineprozesse der Interaktion mit den Kunden, Kommunikation, Werbung, Logistik, Datenerfassung und Abrechnung. Im Rahmen eines Kampagnenmanagements wurden durch Kontaktprofile automatisierte Angebote an Interessenten und Kunden entwickelt (vgl. beispielhaft Plehwe 2002; Englbrecht et al. 2004). Auch heute noch ist dies ein großes Feld der (Teil-) Automatisierung und des Einsatzes von Artificial Intelligenz, Machine Learning, CRM usw. Marketing Automation wurde im Laufe der Zeit verfeinert durch die Möglichkeiten der kundenbezogenen Integration großer Datensätze (z. B. Datenbanken, Data Mining) und der IT-Unterstützung. Im Vordergrund stehen dabei wiederkehrende Marketingaufgaben mit dem Ziel, die Effizienz von Marketingprozessen und die Effektivität von Marketingentscheidungen zu steigern (Hannig 2017, S. 5). Die dem aktuellen und potenziellen Kunden angebotenen Dienstleistungen werden durch einen so genannten Serviceroboter entwickelt. Diese funktionieren über Software-Lösungen und Algorithmen, die auf Basis von Bewegungsdaten teil- oder vollautomatisierte Dienstleistungen erstellen (Schraft/ Volz 2013, S. 10). Auch sind in diesem Zusammenhang Automaten zu erwähnen, die Funktionen erfüllen, die bislang vom Personal erledigt wurden. Sie sind von den Kunden zu bedienen (per Hand oder per Computer), damit die Funktion der Dienstleistung gewährleistet werden kann. Diese Automatisierungen finden bei Banken und anderen Finanzdienstleistungen, im Handel und vielen anderen Dienstleistungsbereichen statt. Die Automatisierungen von Dienstleistungen werden zunehmend verfeinert. Als Treiber der Prozesse der Automatisierung ist vor allem der technologische Fortschritt in den Bereichen Robotik, Sensorik und Photonik zu nennen, also die Entwicklungen der digitalen Technologien und die Künstliche Intelligenz. Neue Technologien wie Sensoren, Drohnen usw. sowie Software-Lösungen, die aus den digitalen Daten neue Prozesse ermöglichen,

146

M. Bruhn

sind ebenfalls fördernde Faktoren. Auch ist auf die Möglichkeiten der Nutzung von Kostensenkungspotenzialen hinzuweisen. Nicht zuletzt wird die Akzeptanz der technologischen Entwicklung durch die Kunden ein zentraler Treiber für die Diffusion der automatisierten Systeme darstellen. Dabei lassen sich die Treiber der Automatisierung nicht auf die Technologie und Hardware reduzieren. Dies zeigt sich am Beispiel des Programmatic Advertising, bei dem eine automatisierte Aussteuerung von einzelnen Werbekontakten in Echtzeit erfolgt. Der Prozess von Angebot und Nachfrage wird automatisiert über eine Online-Plattform organisiert. An dem Beispiel des Programmatic Advertising wird deutlich, dass es die Hardware für die Datenbanken benötigt, aber die Automatisierung der Werbung erfolgt durch programmierte Entscheidungen und Algorithmen. Letztlich sind es die Programme bzw. die Softwarelösungen, die intelligent funktionierende Automaten erstellen können.

2.2 Einsatz der Automatisierung Der Einsatz der Automatisierung im Dienstleistungsbereich ist vielfältig und verschiedene Kategorisierungen sind möglich. Eine Kategorisierung nach Supportprozessen orientiert sich an klar definierten Ablaufprozessen, wie etwa: „ „ „ „ „

Automatisierung von Analyseprozessen, Automatisierung von Entscheidungsprozessen, Automatisierung von Verkaufsempfehlungen, Automatisierung von Datensammlungen, u. a. m.

Bei dem Versuch einer erweiterten Kategorisierung von Einsatzformen können zum einen vollautomatische versus teilautomatische Dienstleistungen zugrunde gelegt werden. Vollautomatisch kann sich auf einen operativen Bezug beziehen (z. B. Geldausgabe) oder auch auf Entscheidungen (z. B. Angabe eines verbindlichen Preises). Teilautomatisch bedeutet, dass vom Anbieter noch weitere Leistungen erforderlich sind (z. B. Lieferung an eine Paketstation), bevor der Kunde die Automaten bedienen kann. Zum anderen kann der Zugriff der Automation persönlich oder digital erfolgen. Persönlich ist die Form der Automatisierung, wenn ein händischer Einsatz erforderlich ist. Digital bedeutet den Einsatz von Computern. Bei einer Gegenüberstellung dieser beiden Dimensionen ergibt sich die in Abbildung 1 wiedergegebene Kategorisierung von Erscheinungsformen. Diese können sich auf die Potenziale, Prozesse und Ergebnisse von Dienstleistungen beziehen. Es ist an dieser Stelle zu erwähnen, dass die beiden Dimensionen mit den beiden Ausprägungen nicht immer überschneidungsfrei sind.

Licht und Schatten der Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen 147

Form der Automatisierung

Persönlich

Digital

Vollautomatische Dienstleistungen

Persönliche, Vollautomatisierte Dienstleistungen (z. B. Self-Service-Systeme)

Digitale, Vollautomatisierte Dienstleistungen (z. B. Chatbot-Agenten)

Teilautomatische Dienstleistungen

Persönliche, Teilautomatisierte Dienstleistungen (z. B. Poststationen)

Digitale, Teilautomatisierte Dienstleistungen (z. B. Sprachgesteuerte Bestellsysteme)

Umfang der Automatisierung

Abbildung 1:

Kategorisierung von Erscheinungsformen der Automatisierung von Dienstleistungen (mit Beispielen)

So werden etwa bei persönlichen, vollautomatisierten Dienstleistungen, beispielsweise bei der Abwicklung von Dienstleistungsprozessen, automatisierte Systeme eingesetzt. Dazu zählen so genannte Self-Service-Systeme, wie etwa das Self-Check-in, das ein vereinfachtes Einchecken beim Dienstleistungsanbieter ermöglicht. Dies ist vor allem an Flughäfen zu beobachten (z. B. bei Lufthansa, Swiss u. a.) als auch bei Hotelbetrieben (z. B. ibis Budget in verschiedenen Städten sowie auch in so genannten Bed & BreakfastHotels in zahlreichen Ländern). Self-Service-Terminals existieren auch im Fastfood-Bereich (z. B. McDonald´s). Bei den persönlichen, teilautomatisierten Dienstleistungen sind hier als Beispiel im Bereich der Logistik Poststationen und Postboxen zu erwähnen, die eine automatische Paketannahme ermöglichen. Die Paketempfänger können bzw. müssen persönlich Automaten nutzen, um ihre Pakete in Empfang zu nehmen. Weiterhin sind automatisierte Prozesse im Bereich Kundenkontakt und -service zu beobachten. Weit verbreitet sind etwa automatische Benachrichtigungen über Service-Termine, die beim Auto fällig sind, durch die klassischen Automobilunternehmen (z. B. Audi, BMW, Mercedes u. a.). Zukünftig ist in diesem Bereich zu erwarten, dass aus den klassischen Autos digitale Fahrgastzellen werden, mit WLAN, Telefon, Staumelder, Verschleiß- und Servicemelder, Parkplatzleitsystem, Erinnerung an Terminen u. a. m. Nicht zuletzt sind auch automatisierte Prozesse im Handel zu erwähnen. Dazu zählen beispielsweise die Pfandflaschenautomaten sowie die automatischen Kassensysteme, wenn nur wenige Artikel eingekauft werden. Zahlreiche Einzelhandelsunternehmen haben diese Systeme mit Erfolg eingeführt, um den Kassenprozess zu vereinfachen (z. B. Edeka, Nespresso u. a.). Bei den erwähnten Beispielen ist das Niveau der Automatisierung sehr gering und erinnert eher an die Mechanisierung von Prozessen.

148

M. Bruhn

Ein Beispiel für ein höheres Niveau der Automatisierung könnte die digitale Begleitung einer Flugreise durch eine Fluggesellschaft sein. Hier kann sich das Handy zu einem Informationszentrum entwickeln, indem Informationen über Verspätungsmeldungen, Bordkarten, Landinformationen, Mietwagenbuchungen, Hotelreservation u. a. m. abgerufen werden können. Bei den digitalen, vollautomatisierten Dienstleistungen wird das Automatisierungspotenzial für Dienstleistungen besonders gut sichtbar bei Unternehmen der Plattformökonomie. Diese ist durch einen besonders hohen Grad an Digitalisierung gekennzeichnet. Als Beispiele lassen sich Uber, Amazon, Booking.com, YouTube, Airbnb u. a. m. anführen. Auch die Sharing Economy kann hierzu gezählt werden. Dabei werden Anbieter und Nachfrager auf einer digitalen Plattform zusammengebracht, das Plattform-Unternehmen tritt primär als Intermediär auf. Durch die Netzwerk- und Skalierungseffekte entsteht eine hohe Produktivität. Die Plattformökonomie verändert die Spielregeln im Wettbewerb gravierend. Dies haben die disruptiven Veränderungen in den betroffenen Branchen gezeigt. Allerdings sind dadurch nicht nur die Absatzmärkte betroffen, sondern auch weitere Märkte, wie etwa die Kapital- und Arbeitsmärkte. Es bleibt abzuwarten, ob durch die steigende Marktmacht der Plattform-Unternehmen (gemessen an Faktoren wie Marktanteil, Marktkapitalisierung u. a.) regulatorische Maßnahmen nach sich ziehen. Darüber hinaus gibt es weitere Einsatzfelder. Hier sind etwa klassische Chatbots zu erwähnen, die durch ein Spracherkennungssystem mit einem realen Kunden in Interaktion treten (Bruhn et al. 2013). Darüber hinaus werden Chatbot-Agenten durch spezielle Software-Programme selbstständig tätig (Braun 2003). In Datenbanken sind Fragen gespeichert, die die entsprechenden Antworten vorbereiten. Für den Kunden ist ein unmittelbarer Zugriff zu den Chatbots möglich. Allerdings werden sie nur dann funktionieren, wenn der Kunde den Impuls gibt. Hinter diesen Systemen stehen Spracherkennungssysteme, die Sprache in Handlungen übersetzen und diese über nicht-, teil- oder hochautomatisierte Systeme umsetzt. Der Chatbot löst aufgrund eines Inputs vom Kunden Dienstleistungsprozesse aus, damit dann die Erstellung der Dienstleistung beginnen kann. Neue Möglichkeiten ergeben sich auch durch das „Internet der Dinge“ bzw. „Internet of Things“ (IoT), indem physische und virtuelle Gegenstände (z. B. Produkte) miteinander verbunden werden. Spezielle Informations- und Kommunikationstechniken (z. B. Scanner, Sensoren) sind in der Lage, die Verbindung herzustellen und Impulse für Handlungen einzuleiten (Nguyen/Simkin 2017; Balaji/Roy 2017; Ehret/Wirtz 2017). Als Beispiele für Einsatzbereiche seien genannt: Wartungs- und Reparaturdienste bei Maschinen, Paketverfolgung im Internet, Nachbestellung von Druckerpatronen, Diebstahlschutz bei Fahrzeugen, Mobiles EKG, Steuerung von Alarmanlagen, Kühlschränken, Türen, Lampen usw. in der Wohnung, Fitnessuhr, u. a. m. Hier haben sich zahlreiche Einsatzfelder herausgebildet, die mit dem Begriff „Smart“ verbunden werden, also beispielsweise Smart Shopping, Smart Mobility, Smart Energy, Smart Education, Smart Entertainment, Smart Health, Smart Home u. a. m. Insbesondere die Gestaltung personalisierter Dienstleistungen durch IoT zum Vorteil von Nachfrager und Anbieter wird sich durch die Künstliche Intelligenz noch weiter verbessern (Fleisch et al. 2017; Gürtler 2019).

Licht und Schatten der Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen 149 Von entscheidender Bedeutung sind hierbei die zugrunde liegenden Algorithmen, mit denen nach bestimmten Regeln die teilautonomen oder vollständig autonomen Prozesse auslöst werden können. Ohne diese von Menschen erstellen Algorithmen wären die meisten automatisierten Prozesse nicht möglich. Hierbei sind auch im Bereich der Kundenkommunikation die textbasierten Chatbots zu erwähnen, die für den Kundenkontakt eine immer wichtiger werdende Rolle spielen. Dabei geht es darum, Chatbots in die klassischen Messenger-Plattformen (z. B. WhatsApp, Facebook-Messenger) zu integrieren. Dies führt zu einem individualisierten und konversationsbasierten Service- und Einkaufserlebnis, dafür wird auch der Begriff Conversational Commerce verwendet (Hahn/Klug 2019). Es wird davon ausgegangen, dass die Kunde-Unternehmung-Interaktion zukünftig auch ohne Face-to-Face-Kontakt laufen wird. Dies alles begann klassischerweise mit dem Aufkommen der Selbstbedienungsmärkte und erhält durch die Marktmacht von Amazon, Netflix, Zalando u. a. eine neue Dimension. Diese Prognose einer nicht-persönlichen Interaktion wird dadurch gestützt, dass die Chatbot-Kommunikation sowohl sprachbasiert als auch textbasiert durchgeführt werden kann (Abdul-Kader/Woods 2015). Die ersten empirischen Studien weisen darauf hin, dass diese Chatbots auch für die Markenführung eine Rolle spielen. Wenn die Chatbots in der Lage sind, empathisch und kontextbezogen die Interaktion durchzuführen, dann haben sie auch das Potenzial, positive Effekte auf die Markenwahrnehmung auszuüben (Hahn/Klug 2019). Dabei werden diese Chatbots auch in mehrstufigen Marktsystemen eingesetzt. So wird bereits der Einsatz von so genannten Conversation Agents in der Versicherungswirtschaft geprüft (Maas et al. 2019). Dies führt zu einer Entlastung von Versicherungsagenten, weil die Kunden unabhängig vom Ort und von der Zeit in Interaktion treten können. Auch hier ist die Grundlage ein Natural Language Understanding, die auf Basis verschiedener Prinzipien (Bereinigung des Input, Vergleichende Textanalyse auf Wortebene, Syntaxanalyse, Semantische Analyse) eine funktionsfähige Kommunikation erlauben soll (Klüwer 2011). Diese Systeme befinden sich noch in der Erprobung. Insgesamt wird der Bereich der Conversational Artificial Intelligence zukünftig eine hohe Bedeutung zugesprochen. Es wird davon ausgegangen, dass die Kommunikation zwischen Kunden und Unternehmen dadurch eine effektive und effiziente Interaktion ermöglichen, vor allem für einfache und repetitive Aufgaben bzw. Anfragen (Kask et al. 2019). Die bereits erwähnte Natural Language Understanding (NLU) spielt dabei eine zentrale Rolle Es ist zu erwarten, dass die intelligenten Spracherkennungs- und Spracherweiterungssysteme über erweiterte inhaltliche Interpretationsfähigkeiten verfügen werden. Auch automatisierte Registrierungs- und Bezahlsysteme ohne Kasse zählen zu dem Kundenservice, um den Zahlungsvorgang zu vereinfachen. Hier haben sich in der letzten Zeit zahlreiche Bezahlsysteme sowohl im klassischen stationären Handel (z. B. Edeka, Migros) als auch bei den führenden Internet-Firmen herausgebildet, die im Zahlungsverkehr bereits eine gewisse Bedeutung aufweisen (z. B. PayPal, Apple Pay, Giropay, Amazon Payment, Google Wallet, Skrill u. a.).

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In diesem Zusammenhang kann auch auf das Beispiel von Amazon hingewiesen werden. Das Unternehmen hat zwei Läden in den USA, die einen hohen Automatisierungsgrad aufweisen, in denen Raumscanner erkennen, wenn der Kunde eine Dose aus dem Regal nimmt, dies sofort auf seinen Einkauf bucht und dann schließlich den gesamten Einkauf beim Verlassen einer Lichtschranke automatisch der Kreditkarte belastet. An diesem Beispiel zeigt sich der Entwicklungsprozess der Automatisierung im Handel: Von den Scannerkassen mit Bedienung durch die Kassierer über die Selbstscannerkassen durch den Kunden bis hin zum Raumscanner zur umfänglichen Datenerfassung. Weiterhin hat das stark wachsende Unternehmen Wirecard als Zahlungsdienstleistungsunternehmen durch eine digitale Plattform verschiedene Funktionalitäten (z. B. Mobile Zahlsysteme, Kreditkartenprüfung, Kreditgewährung, Bonitätsprüfung, Gutschriften, Rabatte, Risikomanagement) für Dienstleistungsunternehmen unterschiedlicher Branchen zusammengefasst. Diese Arten von Zahlungssystemen und Mobile Payment werden in der Zukunft zunehmen, hier sind evtl. auch neuere Systeme zu erwarten, wie sie beispielsweise von Facebook in die Diskussion gebracht wurden (Libra). Außerdem ist in diesem Zusammenhang die analytikbasierte Gestaltung von Angeboten und Preisen zu erwähnen. Hierbei werden Preise und Angebote von Wettbewerbern sowie Nutzerdaten in Echtzeit analysiert, um Angebote mit den entsprechenden Preisen fortlaufend anzupassen. Dieses ist im Internet im Onlinehandel, bei Flugbuchungen, Hotelreservationen u. a. m. eine übliche Praxis. Bei den hier aufgeführten Beispielen ist der Grad der Automatisierung sehr unterschiedlich. Zum einen handelt es sich um Automatisierungsprozesse, wie sie im Produktionsbereich seit Jahrzehnten eingesetzt werden, d. h. bei sich permanent wiederholenden Prozessen erfolgt der Ersatz menschlicher Arbeit durch Maschinen (z. B. Bankomat). Zum anderen ist der Grad der Automatisierung höher, wenn der Computer aufgrund von Algorithmen und bestimmten Vorgaben „autonom“ Angebote macht und Preise setzt und damit in das Geschehen der Marktbearbeitung unmittelbar eingreift. Dabei wird letztendlich auf Daten der Vergangenheit zurückgegriffen, um Prognosen über das individuelle Kaufverhalten zu erstellen. Eine volle Automatisierung hat beispielsweise nicht nur im Marketing und im Kontaktkontakt, sondern hat auch Eingang gefunden in der Personalrekrutierung. Hier werden von Großunternehmen digitale Werkzeuge für die Personalauswahl genutzt. Diese Form des Robot-Recruiting setzt automatisierte Filter von Bewerbungsunterlagen, Chatbots oder Sprachanalysewerkzeuge ein, um die Vielzahl an Bewerbungen in bestimmten Branchen (z. B. Internetfirmen, Markenartikelunternehmen, Autohersteller) zu bewältigen. Bei einer Personalleiterbefragung von Randstadt-Ifo im Jahre 2019 werden diese digitalen Werkzeuge bereits von 39 Prozent der befragten Unternehmen eingesetzt, die Tendenz ist steigend. Viele Aufgaben eines Personalreferenten könnten von Computern übernommen werden (ZEIT 2019, S. 26). Dies allerdings zurzeit primär bei der Datenaufbereitung und der Datenanalyse, indem bei Routinejobs ein Abgleich zwischen den Anforderungen und dem

Licht und Schatten der Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen 151 Bewerberprofil vorgenommen wird. Es ist zu erwarten, dass durch den Einsatz der Künstlichen Intelligenz der Auswahlprozess von Bewerbern noch weiter erledigt werden kann, so wie es bereits bei Goldman Sachs, JP Morgan, Ikea, Hilton und Vodafone erfolgt. Eine Software von HireVue bietet eine digitale Plattform für Vorstellungsgespräche an, bei der Kriterien wie Vokabular, Wortschatz, Augenbewegungen, Reaktionsgeschwindigkeit, Stresslevel, Mimik, Gestik und andere Formen der Körpersprache geprüft werden. Schließlich sind bei den digitalen, teilautomatisierten Dienstleistungen zahlreiche Erscheinungsformen zu beobachten. Hier sind beispielsweise sprachgesteuerte Bestellvorgänge zu erwähnen. Die Sprachassistenten ermöglichen Online-Vorgänge, die von verschiedenen Online-Plattformen zur Verfügung gestellt werden (z. B. Amazon, Google, Appel, Microsoft). Die Dienstleistung selbst wird dann von anderen Anbietern erbracht. Zu dieser Kategorie von Dienstleistungen lassen sich auch Geräte zur Erfassung von Patientendaten zählen (z. B. Smartphones, Digitaluhren, Mini-Computer). Sie werden zur Pulsmessung, Schrittzählung, Schlafüberwachung u. a. eingesetzt. Aufgrund der Daten ist es die Aufgabe der Ärzte, eine entsprechende Diagnose zu erstellen. Die neuen Generationen von Digitaluhren versuchen zurzeit die Messung von EKG und weiterer Herzparameter, Blutzuckergehalt u. a. Es bleibt abzuwarten, ob diese Geräte zuverlässig in der Lage sind, relevante Indikatoren zum Schutz von Patienten einzusetzen.

2.3

„Lichträume“ der Automatisierung

Die Automatisierung wird häufig mit der Digitalisierung, dem Technologieeinsatz und Steuerung durch anspruchsvolle Software in einem engen Zusammenhang gesehen. Insofern werden in der Literatur zahlreiche Vorteile der Digitalisierung hervorgehoben. Beispielsweise beziehen Reddy und Reinartz (2017, S. 12) diese Vorteile auf verschiedene Ebenen, wie auf die Ebene „ „ „ „

der Konsumenten (neue Angebote, mehr Transparenz, größere Auswahl, mehr Komfort, neuartige Erfahrungen, niedrige Preise), der Unternehmen (mehr Effizienz und Effektivität, neue Geschäftsmodelle), des Individuums (flexiblere Arbeitsverhältnisse und Beschäftigungsstrukturen, offenere Lebensstile, mehr Chancen durch Crowdbeteiligung, bessere Sharing-Optionen), der Gesellschaft (effektivere und effizientere öffentliche Verwaltungen, bessere öffentliche Leistungen).

Was die „Lichträume“ bzw. die speziellen Vorteile der Automatisierung anbelangt, so stehen hier übergeordnet die Steigerung der Effektivität (Wirkungseffekte) und Effizienz (Wirtschaftlichkeitseffekte) im Vordergrund. Die entsprechenden Effekte können an den drei zentralen Wettbewerbsdimensionen festgemacht werden, d. h. an der Realisierung von Kosten-, Qualitäts- und Zeitvorteilen sowie auch an Imagevorteilen.

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Betrachtet man die Kostenvorteile, so werden durch die Automatisierung insgesamt zahlreiche Dienstleistungskosten im Zusammenhang mit der Erbringung der Dienstleistung reduziert. Dies betrifft beispielsweise Kosteneinsparungen in den Bereichen Bestellung, Bereitstellung, Abwicklung, Bezahlung u. a. Im Vordergrund stehen hierbei die Reduzierung von Personalkosten und sonstigen Koordinationskosten. Das Dienstleistungspersonal wird von Routineaufgaben entlastet und auch die Personalbindungszeit nimmt ab (Schraft/Volz 2013, S. 11). Weitere Kostenvorteile entstehen in erster Linie, wenn eine Dienstleistung industriell orientierte Rationalisierungsmaßnahmen nutzen kann. Dazu zählen vor allem Skaleneffekte, die durch Massenproduktion, Standardisierung usw. auftreten. Durch eine Senkung der Dienstleistungskosten gehen mit der Automatisierung Produktivitätsfortschritte einher (Eikelpasch/Erber 2015). Die Kostenvorteile sind auch auf der Kundenseite zu erwähnen. Damit sind nicht nur Kosteneinsparungen durch günstige Preise, sondern auch – im Sinne der Transaktionskostentheorie – vor allem die Reduzierung der Anbahnungs-, Transaktions-, Suchkosten. Die Kosteneinsparungen auf der Anbieterseite müssen nicht zwingend zu Qualitätseinbußen führen. Es können sich durch die Automatisierung auch Qualitätsvorteile ergeben. Dies betrifft beispielsweise bei einer sichergestellten Funktionsfähigkeit der Automatisierung eine größere Zuverlässigkeit bei der Erbringung der Dienstleistung. Gleichermaßen kann auf eine Steigerung der Verfügbarkeit der Dienstleistung hingewiesen werden, denn im Internet steht die automatisierte Dienstleistung (vor allem die automatisierten Teilprozesse in den Bereichen Kommunikation, Vertrieb und After Sales) permanent zur Verfügung. So können Buchungen und Bestellungen nicht von Öffnungszeiten des Dienstleistungsanbieters abhängig gemacht werden. Im Zusammenhang mit Bestellungen kann ebenso auf die Wahrung der Diskretion hingewiesen werden, da ein persönlicher Kontakt mit dem Servicepersonal entfällt (Schraft/Volz 2013, S. 11). Nicht zuletzt ist auch eine Verbesserung der wahrgenommenen Servicequalität zu erwähnen, denn zahlreiche automatisierte Dienstleistungen werden beispielsweise in mehreren Sprachen angeboten (Ivanov/Webster 2017). Damit sind auch erhebliche Chancen für die Internationalisierung des Vertriebs verbunden. Eine Automatisierung ist mit erheblichen Zeitvorteilen verbunden, sowohl auf Seiten des Anbieters als auch auf Seiten des Nachfragers. Die automatisierten Dienstleistungen erfolgen in der Regel in Echtzeit, sodass die Schnelligkeit bei den Interaktionen hervorgehoben werden können. Der Dienstleistungsanbieter ist permanent erreichbar, braucht nicht Servicepersonal vorzuhalten, und der Dienstleistungsnachfrager kann jederzeit entscheiden, wann er in Kontakt mit dem Anbieter treten möchte. Bestellungen, Abwicklungen, Nutzung usw. von Dienstleistungen werden für den Kunden vereinfacht, weil er über den Zeitpunkt der Prozesse frei wählen kann. Entsprechend reduzieren sich die Transaktions-, Transfer- und Abwicklungszeiten vor und nach der Nutzung der Dienstleistung (Meffert et al. 2018, S. 281ff.).

Licht und Schatten der Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen 153 Diese Zeitvorteile sind durch empirische Studien vielfach belegt. So etwa durch eine Studie beim Selbstscanning im Handel, bei der vor allem die Zeitersparnis geschätzt wird, wie auch das Wegfallen des Ein- und Ausräumvorgangs an der Kasse. Auch für den Händler ergeben sich Vorteile durch die neuen und aufschlussreichen Kundendaten (GröppelKlein et al. 2019). Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass sich durch die Automatisierung für den Dienstleistungsanbieter auch Imagevorteile ergeben. Durch das Angebot von automatisierten Dienstleistungen zeigt sich der Anbieter im Vergleich mit den Konkurrenten als wettbewerbsfähig. Eine Verbesserung des Unternehmensimages in Richtung eines innovativen und zukunftsfähigen Unternehmens wird möglich (Ivanov/Webster 2017). Ebenso ist auf weitere imagebildende Effekte hinzuweisen, die sich durch eine zunehmende Vergleichbarkeit der Angebote (Leistungen, Preise) sowie durch digitale Einkaufserlebnisse (vor allem bei den Digital Natives) ergeben. Aus Unternehmenssicht ergeben sich zum einen Vorteile in den einzelnen genannten Bereichen, zum anderen ist darauf zu verweisen, dass durch den technologischen Wandel ein Wettbewerbsdruck zur Generierung von Dienstleistungsinnovationen besteht. Dies vor allem in jenen Bereichen, in denen durch die Automation stark personalisierte und individualisierte Leistungen erbracht werden können (Brown 2009; Rihova et al. 2013; Barrett et al. 2015; Vargo/Lusch 2017; Robra-Bissanz 2018).

2.4

„Schattenräume“ der Automatisierung

Der Automatisierung übergeordnet werden auch hier die Nachteile und Risiken der Digitalisierung häufig aufgeführt. Beispielsweise werden von Reddy und Reinartz (2017, S. 12) die Risiken, Kosten und Herausforderungen auf verschiedenen Ebenen herausgearbeitet, wie auf der Ebene „ „ „ „

der Konsumenten (zusätzlicher Lernbedarf, kognitive/materielle Investitionen, Überangebot an Informationen, gefährdete Privatsphäre, unsichere Ergebnisse), der Unternehmen (Substitution in Kernbereichen, neue Wettbewerber, schnellere Innovationszyklen, Investitionen in neue Technologien, Auswirkungen auf die Personalkosten), des Individuums (Automatisierung und Rechenleistung, Verdrängen menschlicher Arbeitskräfte, Verlagerung von Qualifikationen), der Gesellschaft (Privatsphäre und Datenschutz, oligopolistische und monopolistische Markttendenzen, Herausforderungen für Regulierung und Besteuerung).

Konzentriert man sich auf automatisierte Dienstleistungen sowie die automatisierten Teilprozesse in den einzelnen Einsatzfeldern, dann werden diese nur dann erfolgreich sein, wenn sie vom Kunden entsprechend akzeptiert und gegebenenfalls fortlaufend genutzt werden. Dies wird der Fall sein, wenn sich die im vorigen Abschnitt aufgezeigten Vorteile für den Kunden ergeben.

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Allerdings kann es vorkommen, dass im Laufe der Nutzung auch Nachteile wahrgenommen werden. Diese „Schattenräume“ werden im Folgenden ebenfalls aufgezeigt anhand von Kosten-, Qualitäts- und Zeitnachteilen sowie auch Imagenachteilen. Bei den Kostennachteilen ist zunächst auf die Investitionen zu verweisen, die notwendig sind, um die Automatisierung funktionsfähig zum Laufen zu bringen. Hier entstehen zahlreiche Einführungskosten der Automatisierung (z. B. Programmierung, Personal, Software-Kauf usw.). Darüber hinaus treten für Installation, Test, Instandhaltung, Schulung usw. weitere Kosten auf, die bei einer Amortisierung des Systems zu berücksichtigen sind (Ivanov/Webster 2017). Hinzuweisen ist auch auf die Auswirkungen auf die Personalkosten in verschiedenen Tätigkeitsbereichen. So ist auf dem Arbeitsmarkt zu erwarten, dass Gehälter für IT-Spezialisten steigen, während die Gehälter des Servicepersonals (z. B. Logistik, Handel) sinken und dadurch teilweise prekäre Arbeitsverhältnisse entstehen. Viele Dienstleistungen sind durch einen hohen Grad an Individualität, Interaktion, Integration und Immaterialität gekennzeichnet (Meffert et al. 2018; Bruhn et al. 2019). Dies verlangt vielfach einen erheblichen persönlichen Einsatz des Servicepersonals. Wenn diese bislang persönlich erbrachten Dienstleistungen automatisiert werden, ergeben sich aus Sicht der Kunden Qualitätsnachteile. Durch den Wegfall der persönlichen Beziehung zum Kontaktpersonal wird sich eine andere Qualitätswahrnehmung einstellen. Dies insbesondere in jenen Bereichen, in denen der Grad an Individualität, Interaktion, Integration und Immaterialität besonders hoch ist. Der Kunde verliert das Gefühl der persönlichen Betreuung und die bisherige Individualität sowie entfällt auch die Einmaligkeit der Leistung. Ebenso kann darauf hingewiesen werden, dass sich die Dienstleistung auf die sachliche Zweckerfüllung reduziert und damit die Befriedigung sozialer und psychologischer Bedürfnisse stark eingeschränkt ist (Schraft/Volz 2013, S. 11). Dies wird weniger bei standardisierten Dienstleistungen ein Problem darstellen als vielmehr bei individuellen Dienstleistungen, die einen hohen Grad an Interaktion und Integration benötigen. Nicht zuletzt ist auch auf ein fehlendes Vertrauen der Kunden in die Funktionalität der automatisierten Systeme (z. B. beim autonomen Fahren) hinzuweisen (Hartwich et al. 2018). Auch besteht bei bestimmten Dienstleistungen ein Zusammenhang zwischen der Automatisierung und Individualisierung. Wenn die Individualität der Dienstleistung besonders hoch ist und der Automatisierungsgrad eher niedrig (abgesehen von den Prozessen im Back Office), dann ermöglicht die Automatisierung durch die Analyse der Kundendaten überhaupt erst eine angemessene Individualisierung. Überspitzt ausgedrückt bedeutet dies, dass die Automatisierung eine Tendenz zur Demokratisierung der Individualisierung aufweist („Individualisierung für alle“). Durch die Automatisierung entstehen auch Zeitnachteile, insbesondere in der Einführungsphase des Systems. Hier sind beim Kunden Lernprozesse notwendig, bevor der Umgang mit den Automaten akzeptiert wird (Schraft/Volz 2013, S. 11). Durch die Bedienung des Systems findet eine Externalisierung von Leistungen an den Kunden statt und das kostet ihm zusätzliche Zeiten, um das System bedienen zu können.

Licht und Schatten der Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen 155 Auch hier ist der Vollständigkeit halber auf Imagenachteile zu verweisen. Es können sich Imageverschlechterungen ergeben, wenn durch die Automatisierung der persönliche Kontakt und damit emotionale Faktoren wie Sympathie, Leidenschaft, Kundennähe usw. verloren gehen. So ist beispielsweise durch das Online-Banking der persönliche Kontakt zur Filiale und dem Bankpersonal verloren gegangen und damit hat sich auch das Image der Banken verändert. Dies gilt auch für andere Branchen.

2.5 Forschungsfragen der Automatisierung Die Automatisierung befindet sich noch in einem relativ frühen Stadium ihrer Entwicklung und es sind weitere Anwendungsfelder zu erwarten. Insofern ist es von wesentlicher Bedeutung, dass automatisierte Dienstleistungen auch weiterhin Gegenstand von Forschungsarbeiten sein werden. Trotz der Heterogenität der automatisierten Dienstleistungen (vom Pfandflaschenautomat über Self-Check-Services bis hin zu Bezahlsystemen) werden im Folgenden beispielhaft einige Themenfelder und Forschungsfragen thematisiert. Der Begriff „automatisierte Dienstleistungen“ soll hier als Platzhalter für die verschiedenen Erscheinungsformen benutzt werden. Dabei ist zunächst auf Fragen der (Kauf-)Verhaltensforschung hinzuweisen. Hier interessiert vor allem das Bewegungsverhalten in den automatisierten Systemen (z. B. das Klickverhalten im Internet). Wie sieht also die „digitale Customer Journey“ bei der Nutzung der Automatisierung aus? Wie wird das Bewegungsverhalten beurteilt? Wann erfolgt aus welchen Gründen ein Abbruch im System? Welche Faktoren zeigen unterschiedliche Verhaltensweisen im Bewegungsverhalten? Wie verändert sich das Kaufverhalten durch die Automatisierung im Zeitablauf? Mit welchen Wirkungen ist bei einem Verlust der persönlichen Kundenbeziehung zu rechnen? u. a. m. Ebenso ist es eine interessante Forschungsfrage, wo, in welchen Phasen, aus welchen Motiven usw. sowohl des Kontaktanbahnungsprozesses als auch des Kontaktbeendigungsprozesses im Dienstleistungssektor die Automatisierung Einzug gehalten hat und mit welchen Wirkungen. Wie werden automatisierte Dienstleistungen (oder Teilbereiche) überhaupt wahrgenommen und als solche vom Kunden erkannt? Hat die Automatisierung wie die Scannerkasse im Handel und der Bankomat im Finanzbereich zu einer Entfremdung geführt? In engem Zusammenhang mit dem Kaufverhalten stehen Fragen der Akzeptanzforschung. Hier interessiert vor allem die Akzeptanz und Resistenz bei den Kunden und Mitarbeitenden, also im Kern geht es um die Adoption und Diffusion der Automatisierung in den jeweiligen Anwendungsfeldern. Was sind die zentralen Faktoren für die Akzeptanz der Nutzung automatisierter Dienstleistungen? Gibt es Unterschiede im Akzeptanzverhalten? Wie sieht der Adoptions- und Diffusionsprozess aus? Lassen sich Innovatoren, Frühadopter, frühe und späte Mehrheit und Nachzügler identifizieren? Welche Faktoren beeinflussen ein Weiterempfehlungsverhalten? Welche Resistenz besteht bei den Mitarbeitenden

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aus Angst vor Arbeitsplatzverlust? Wie äußert sich eine Resistenz bei den Kunden durch eine fehlende Interaktion und den Schwierigkeiten bei der Bedienung (Ivanov/Webster 2017)? u. a. m. Fragestellungen dieser Art haben sich immer schon in der Innovationsforschung gestellt, sie werden jetzt zunehmend auf automatisierte Dienstleistungen übertragen, denn hier geht es um die digitale Akzeptanz. Durch die automatisierten Systeme steht bei der Nutzung eine Vielzahl von Daten zur Verfügung. Deshalb sind auch Fragen der Marktforschung bei der Auswertung der Daten aufgeworfen. Hier stehen die Kontakt-, Nutzungs-, Bewegungs- und Kaufverhaltensdaten im Mittelpunkt des Interesses. Welche Schwierigkeiten lassen sich bei dem Kontakt und der Nutzung mit den automatisierten Systemen beobachten? Welche Erklärungen lassen sich aus den Nutzungs- und Kaufdaten ableiten? Können aus den Daten Hinweise auf Leistungsverbesserungen gezogen werden? Lassen sich Nutzertypen identifizieren? u. a. m. Automatisierte Dienstleistungen sind in der Einführungsphase vom Anbieter bekannt zu machen, insofern ergeben sich auch Fragen der Kommunikationsforschung. Dies betrifft vor allem die Botschaften und Kanäle der Kommunikation. Welche rationalen und emotionalen Inhalte sind am besten geeignet, Interesse bei den potenziellen Nutzern für das System zu gewinnen? Welche Formen der Information über die Funktionsfähigkeit des Systems sind notwendig, damit es störungsfrei laufen kann? Welche Kanäle der Kommunikation sind am besten geeignet, die automatisierten Dienstleistungen bekannt zu machen? Wie können die Innovatoren frühzeitig durch die Kommunikation erreicht werden? Mit welchen Maßnahmen kann das Weiterempfehlungsverhalten gefördert werden? Welche Inhalte und Maßnahmen der internen Kommunikation an die Mitarbeitenden sind notwendig, um Verständnis und Commitment zu erzielen? u. a. m. Im Zusammenhang mit der Kommunikation sind auch Fragen der Imageforschung verbunden. Dies betrifft zum einen die Marke und zum anderen die Reputation in der Öffentlichkeit. Wie ändern sich der Markenkern und die Markenwerte durch die Automatisierung im Zeitablauf? Welche Veränderungen sind in der Markenkommunikation notwendig, um das Markenbild nicht zu gefährden? Hat die Automatisierung Einfluss auf das Employer Branding? Gehen die Kunden davon aus, dass beim Anbieter durch die Automatisierung Arbeitskräfte entlassen werden und wirkt sich dies negativ auf das Bild in der Öffentlichkeit aus (Ivanov/Webster 2017)? Neben der Kommunikation spielt bei den Anwendungen der Automatisierung auch die Preispolitik eine Rolle. Daraus ergeben sich Fragen der Preisforschung für verschiedene Anwendungsbereiche. Dies gilt für die Preise und den damit verbundenen Kontrahierungsbedingungen gleichermaßen. Welche Preiserwartungen bestehen bei den Nutzern? Wie groß ist die Erwartung an eine geringere Zahlungsbereitschaft, wenn die Kunden einen Qualitätsverlust durch Automatisierung wahrnehmen (Ivanov/Webster 2017). Erwarten die Kunden Preisreduzierungen durch die Kostenvorteile, die beim Anbieter anfallen? Welche Art von Preisdifferenzierungen ist zu empfehlen? Wird es durch die Einführung von automatisierten Dienstleistungen zu einem Preiswettbewerb zwischen den Anbietern kommen? u. a. m.

Licht und Schatten der Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen 157 Nicht zuletzt ist auch zu erwähnen, dass sich durch die Automatisierung Fragen der Vertriebsforschung ergeben. In vielen Fällen handelt es sich bei den automatisierten Dienstleistungen um Vertriebskanäle, die neben den klassischen Absatzkanälen stehen. Welche Bedeutung haben die automatisierten Vertriebsschienen im Vergleich zu den klassischen Vertriebskanälen? Wie kann ein derartiges Multi-Channel-System vom Anbieter ge managt werden? Welche Konflikte ergeben sich zwischen den verschiedenen Vertriebsschienen? Wie kann die Kontrolle über das Vertriebssystem wahrgenommen werden? Welche Kennziffern sind geeignet, um Aussagen über die Effizienz der alternativen Vertriebsschienen zu treffen? u. a. m. Bislang wurden die verschiedenen Themenfelder relativ isoliert auf die Automatisierung von Dienstleistungen bezogen. Dabei erfolgte bewusst eine gedankliche Trennung von der Personalisierung, wenngleich in der Praxis beide Entwicklungen vielfach simultan eingesetzt werden. Die Trennung wird an dieser Stelle bewusst in Kauf genommen, um differenzierter auf die beiden Tendenzen eingehen zu können. Deshalb wird dies auch im Folgenden bei der Personalisierung von Dienstleistungen vorgenommen. Insgesamt ist bei den zukünftigen Forschungsfragen stärker zu berücksichtigen, um welche Erscheinungsform der Automatisierung und welche Art der Dienstleistung es sich handelt. Geht es dabei um Dienstleistungen, die durch technologische und automatisierte Teilprozesse ermöglicht werden und die für den Kunden meist unsichtbar im Hintergrund laufen? Das sind Dienstleistungen, die der Kunde nach einiger Zeit problemlos nutzen kann, obwohl er nicht versteht, wie die Prozesse funktionieren. Diese Dienstleistungen vereinfachen Routinen wie Bestellen, Buchen, Zahlen usw. Hierbei erzielt vor allem der Dienstleistungsanbieter seinen Nutzen durch Kostensenkungen und Effizienzvorteilen in der Datengewinnung und -auswertung. Diese Art von Automatisierung ersetzt persönliche Kontakte, aber solche, die an sich relativ entbehrlich sind. Sie sind nicht nur zeitaufwändig, sondern auch irrelevant für die Nutzenstiftung beim Kunden. Handelt es sich demgegenüber um einen höheren Grad der automatisierten Dienstleistungen, bei denen die Maschine „autonom“ entscheidet, welche Ausprägungen die Dienstleistung aufweist und unter welchen Bedingungen die Dienstleistung dem Kunden angeboten wird, dann ergeben sich andere Forschungsfragen. Dies betrifft in erster Linie die Frage der richtigen und vollständigen Erfassung von Kundendaten, die Frage der Datenauswertung im Hinblick auf zukünftiges Kaufverhalten, die Frage der Grenzen und Ablehnung der Systeme u. a. m. Hier befinden wir uns bei der Artificial Intelligence und dem Maschinellen Lernen in verschiedenen Erprobungsphasen. Es ist jedoch damit zu rechnen, dass insbesondere durch die fünf größten Internetanbieter (Apple, Amazon, Facebook, Google, Microsoft) dieser Prozess wesentlich und schnell beschleunigt werden wird.

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3.

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Licht und Schatten der Personalisierung von Dienstleistungen

3.1 Begriff und Treiber der Personalisierung Die Begriffe der Personalisierung und Individualisierung stehen in einem engen Zusammenhang. Sie werden vielfach zur Charakterisierung und Bildung von Dienstleistungstypologien herangezogen, neben weiteren Merkmalen wie Immaterialität, Kundenintegration und Kundeninteraktion (Meffert et al. 2018; Bruhn et al. 2019, S. 16ff.). Typische individualisierte Dienstleistungen sind medizinische Leistungen, Beratungsleistungen, Pflegeleistungen u. a., es stehen also spezielle Leistungen für die jeweilige Person im Vordergrund. Mit dem Begriff der Personalisierung wird also das Zuschneiden von Angeboten auf die Bedürfnisse der Zielgruppe verbunden, basierend auf einen spezifischen bzw. kontextabhängigen Bedarf (Wind/Rangaswamy 2001; Versanen/Raulas 2006; Kölmel et al. 2019, S. 244). Es werden Dienstleistungen an einen einzelnen Kunden durch das adaptive Verhalten von Servicemitarbeitenden angepasst (Suprenant/Solomon 1987; Bitner et al. 1990; Gewinner et al. 2005). Bei einer vor allem digital geprägten Personalisierung werden Kundendaten und das Medienverhalten systematisch gesammelt, beispielsweise durch Cookies oder anderen Werkzeugen (Miceli et al. 2007; Arora et al. 2008; Montgomery/Smith 2009). Dies dient der Erstellung von Kundenprofilen, um damit gezielt Personen anzusprechen und/oder in Kontakt zu treten. Mit dem Begriff der Individualisierung wird eine extreme Abnehmerorientierung zum Ausdruck gebracht. Dabei beziehen sich die Marketingbemühungen des Anbieters jeweils auf einen einzelnen, bekannten Nachfrager (Hildebrand 1997, S. 30). Die Dienstleistungsindividualisierung greift das Individualisierungsbedürfnis der Kunden am Markt auf und gilt als spezifische Ausrichtung des Dienstleistungspotenzials an den individuellen Bedürfnissen eines konkreten Kunden (Imgrund 2016, S. 9). In diesem Zusammenhang wird teilweise auch von der Mass Customization gesprochen. Sie strebt sowohl eine Kosten- bzw. Preisgünstigkeit als auch einen hohen Kundennutzen an (Pine 1999; Piller/Meier 2001; Piller 2006). Durch Mass Customization werden standardisierte und individualisierte (Teil-)Leistungen erbracht. Durch die verschiedenen Digitalisierungstechnologien wird sich dieser Prozess beschleunigen, insbesondere den Cyber-physischen Systemen (IoT) und dem Cloud Computing.

Licht und Schatten der Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen 159 Grundsätzlich können in diesem Zusammenhang zwei verschiedene Formen der Individualisierung unterschieden werden: „

„

Bei einer „vorgegebenen“ Individualisierung wird der Nachfrager aktiv, indem er sich aus einer vom Anbieter vorgesehenen Konfiguration die für seine Bedürfnisse geeignete Lösung entscheidet (Arora et al. 2008). Dies ist bei der Mass Customization meistens der Fall. Bei einer „echten“ Individualisierung findet eine Interaktion zwischen dem Anbieter und Nachfrager statt, indem gemeinsam eine individuelle Lösung für den Kunden gesucht wird (Mann 2004).

Als Treiber der Prozesse der Personalisierung gelten auch hier zum einen die heterogenen Kundenbedürfnisse, die eine Anpassung der Leistungen erfordern (Bruhn 2016; Imgrund 2016). Zum anderen ist der technische Fortschritt in Form des Einsatzes von digitalen Technologien und die verschiedenen Formen der Künstlichen Intelligenz zu erwähnen, die eine Personalisierung ermöglichen (Kölmel et al. 2019, S. 246ff.; Deloitte 2019). In diesem Zusammenhang ist auch die Entwicklung der Sozialen Medien zu erwähnen, bei denen eine Vielzahl von Daten über die Nutzer gesammelt und ausgewertet werden, um personenspezifische Aktivitäten zielgenau platzieren zu können. Es geht bei der Datenerfassung also sowohl um Datenspuren durch den elektronischen Einkauf, dem Kreditkarteneinsatz, beim Surfen auf der Webseite des Anbieters usw., als auch um Datenspuren bei den Sozialen Medien bei den Influencern, Blogs, Meinungsforen u. a. m.

3.2 Einsatz der Personalisierung Im Dienstleistungsbereich ist der Einsatz der Personalisierung vielfältig. Bei dem Versuch einer Kategorisierung kann zum einen die Unterscheidung von Offline- und OnlineDienstleistungen getroffen werden. Zum anderen ist eine Personalisierung persönlich (face-to-face) als auch digital möglich. Bei einer Gegenüberstellung dieser beiden Dimensionen ergeben sich die in Abbildung 2 dargestellten Erscheinungsformen der Personalisierung. Im Folgenden werden beispielhaft ausgewählte Dienstleistungsformen hervorgehoben.

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Form der Personalisierung

Persönlich

Digital

OfflineDienstleistungen

Persönliche Beratungsleistungen (z. B. Persönliche Anlageberatung)

Digitale Beratungssysteme (z. B. Digitale Ärzte)

OnlineDienstleistungen

Persönliche Empfehlungsleistungen (z. B. Curated Shopping)

Digitale Empfehlungssysteme (z. B. Online-Shops)

Umfang der Personalisierung

Abbildung 2:

Kategorisierung von Erscheinungsformen der Personalisierung von Dienstleistungen (mit Beispielen)

Bei den persönlichen Offline-Dienstleistungen sind hier in erster Linie persönliche Beratungsleistungen zu erwähnen, die in unterschiedlichen Branchen eingesetzt werden, um den individuellen Bedürfnissen gerecht zu werden. Dies gilt beispielsweise für Dienstleistungen, die von Banken, Reiseveranstaltern, Architekten, Inneneinrichter, Ärzte, Versicherungsvertretern, Sprachschulen u. a. m. angeboten werden. Hier wird die Dienstleistung face-to-face erbracht, der Service Encounter steht im Vordergrund (Surprenant/Solomon 1987; Mittal/Lassar 1996). Nimmt man die persönlichen Online-Dienstleistungen, dann findet hier eine Personalisierung auch bei produktnahen Dienstleistungen statt. Dies gilt zum einen für persönliche Empfehlungen beim Curated Shopping von Kleidung (z. B. Outfittery; Möhlenbruch et al. 2016), Schuhen (z. B. NikeID) Kosmetik (z. B. Wowstudios), Lebensmitteln (z. B. Mymuesli) u. a. m. Die digitalen Offline-Dienstleistungen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie individuelle Dienstleistungen über das Internet erbringen. Hier sind etwa Beratungssysteme wie digitale Ärzte, digitale Anlageberatung u. a. m. zu nennen. Zum anderen können hier auch automatisierte Systeme erwähnt werden, bei denen individuelle Konfigurationen stattfinden, wie sie bei Computern (z. B. Dell) und Autos (nahezu alle Autohersteller) teilweise zum Standard zählen. Bei den digitalen Online-Dienstleistungen sind vor allem digitale Empfehlungssysteme zu erwähnen, die aufgrund des Suchverhaltens bei digitalen Systemen individuelle Empfehlungen geben. Dies ist zunächst im E-Commerce zu beobachten, also in Online-Shops (z. B. Amazon, Zalando, HRS), die Kaufempfehlungen geben. Darüber hinaus haben sich zahlreiche Bewertungsportale herausgebildet, die branchenübergreifend tätig sind (z. B. Google My Business), oder sich auf spezielle Branchen konzentriert haben (z. B. Tripadvisor und Holiday Check für Reisen, Quandoo für Restaurants, Jameda für Ärzte, Autoaid für Autowerkstätten, Shopauskunft für Online-Shops, Kununu für Arbeitgeber u. a. m.).

Licht und Schatten der Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen 161 Weitere Einsatzfelder im Rahmen der digitalen Personalisierung sind in den Bereichen Werbung und Direct Marketing zu beobachten. Bei Vorliegen persönlicher Daten (z. B. im Rahmen von Datenbanksystemen oder durch eine Analyse des Bewegungsverhaltens im Internet) können individuelle Werbung und individuelle Mailings platziert werden. Im Rahmen des Internet hat sich hierbei im Rahmen der Marketing Automation ein intensives Online-Tracking herausgebildet. Der werbliche Einsatz ist vielfältig, hier sei ein Beispiel aus der politischen Werbung erwähnt. Eine Aufforderung zur Sachsenwahl 2019 konnten durch eine personalisierte Videobotschaften vom Ministerpräsidenten Michael Kretschmar generiert werden (www.sachsenwahl2019.de). Bei dieser Digitalstrategie wurden die jeweils 100 häufigsten Frauen- und Männernamen aus Sachsen ausgewählt; entsprechend wurden die Wahlwerbespots vom Ministerpräsidenten besprochen.

3.3 „Lichträume“ der Personalisierung Betrachtet man die „Lichträume“, also die Vorteile der Personalisierung, so kann die Meinung vertreten werden, dass eine Personalisierung eigentlich eine Selbstverständlichkeit für jene Dienstleistungen ist, die einen hohen Grad an Individualität aufweisen. Bei diesen individualisierten Dienstleistungen ist es faktisch und ex definitione nicht möglich, eine Personalisierung auszuschließen. Dieser Meinung kann ohne Einschränkung gefolgt werden. Allerdings ist es darüber hinaus erforderlich, sich auch mit jenen Dienstleistungen zu beschäftigen, die keinen sehr hohen Grad an Individualisierung verfügen, bei denen jedoch versucht wird, eine Personalisierung anzustreben, Insofern werden sich die folgenden Ausführungen vor allem auf diese Dienstleistungen beziehen. Sie dienen letztlich dem Ziel, durch eine Personalisierung Differenzierungsvorteile gegenüber den Wettbewerbern zu erzielen (Kölmel et al. 2019, S. 246ff.). Die einzelnen Vorteile der Personalisierung lassen sich in Bezug auf den Kunden und in Bezug auf das Unternehmen herausarbeiten. Die Kundenvorteile sind auf verschiedenen Ebenen zu adressieren. Generell ergibt sich aufgrund der Heterogenität der Kundenbedürfnisse durch die Personalisierung ein erhöhter Nutzen durch die Individualisierung der Dienstleistung. Dies gilt für den funktionalen, ökonomischen, hedonistischen, epistemischen und symbolischen Nutzen gleichermaßen (Schmitz/Imgrund 2013, S. 136). Bei einer Konkretisierung dieser Nutzenkategorien ist beispielsweise bei dem ökonomischen Nutzen auf die Senkung der Anschaffungskosten durch eine Reduzierung der Fehlkäufe hinzuweisen. Damit verbessert sich die Kundeneffizienz (Kölmel et al. 2019, S. 246ff.). Ebenso gilt für zahlreiche personalisierte Dienstleistungen eine höhere Zahlungsbereitschaft seitens der Kunden (Leisching/Messer 2014, S. 258) sowie eine Steigerung des Kundenengagements und der Kundenbindung (Kölmel et al. 2019, S. 246ff.).

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Neben den Kundenvorteilen ist auf die Unternehmensvorteile zu verweisen. Letztlich wird durch die Personalisierung von Dienstleistungen eine Steigerung der ökonomischen Zielkategorien wie Umsatz, Gewinn und Marktanteil angestrebt. Werden die vor-ökonomischen Zielkategorien betrachtet, dann geht es vor allem um tiefere Einsichten in das individuelle Verhalten der Kunden. Je mehr der Anbieter sich mit den Bedürfnissen und Erwartungen der aktuellen und potenziellen Kunden beschäftigt, desto besser wird es ihm gelingen, für diese Personen individualisierte Dienstleistungen anzubieten. Dies gilt sowohl Offline für die Fähigkeit des Kundenkontaktpersonals, diese Bedürfnisse zu eruieren, als auch Online für die Auswertung von Daten über das Bewegungsverhalten im Internet und deren Schlussfolgerungen für die Kundenbedürfnisse. Damit werden nähere Einsichten über die Customer Journey erwartet (Kölmel et al. 2019, S. 246ff.), die dazu dienen, das Abbruchverhalten im Internet zu reduzieren. Darüber hinaus wird durch eine Personalisierung von Dienstleistungen eine Verbesserung von weiteren vor-ökonomischen Zielkategorien, vor allem psychologische Zielgrößen, angestrebt. Dies gilt für die wahrgenommene Servicequalität (Salweski 2015, S. 353), die Kundenzufriedenheit (Burr/Stephan 2019), die Kundenbindung (Salweski 2015, S. 353) und generell den Vertrauensaufbau beim Kunden (Coehlo/Henseler 2012, S. 335; Schmitz/Imgrund 2013, S. 140ff.). Insgesamt ist damit zu rechnen, dass die Bestrebungen der großen Internet-Unternehmen weiter zunehmen werden, sehr umfangreiche Profile ihrer einzelnen Kunden zu erfassen. Dazu trägt insbesondere die konsequente Diversifizierung von Apple, Amazon, Facebook Google und Microsoft bei. Ihre Tätigkeiten in verschiedenen Geschäftsfeldern erlauben zukünftig einen umfassenderen Blick in die vielfältigen Entscheidungsprozesse von Kunden. Die anderen, so genannten individuellen Dienstleister, werden keinen so tiefen Einblick in ihre Kunden haben.

3.4 „Schattenräume“ der Personalisierung Personalisierte Dienstleistungen werden in vielen Dienstleistungsbereichen vom Kunden erwartet. Dies ergibt sich aus den individuellen Bedürfnissen. Wenn die Dienstleistungen per definitionem jedoch einen geringen Grad an Individualisierung aufweisen und die Anbieter versuchen, durch eine Personalisierung die Individualisierung zu verstärken, dann ergeben sich nicht nur Vorteile für die Kunden und die Unternehmen, sondern im Zeitablauf auch „Schattenräume“ bzw. Nachteile, sowohl für die Kunden als auch für die Unternehmen. Hier werden einige dieser Nachteile hervorgehoben. Bei den Kundennachteilen ist vor allem auf die Art der Verwendung der individuellen Daten zu verweisen. Generell besteht ein erhöhtes Risiko des Datenmissbrauches (Winkler 2006, S. 38ff.). Die gilt vor allem für den Eingriff in Persönlichkeitsrechte und die Preisgabe persönlicher Informationen (Norberg/Dholakia 2004, S. 134ff.; Bruhn et al. 2019, S. 1021). In diesem Zusammenhang wird bereits vom „Homo Digitales“ gesprochen (Backhaus/Paulsen 2018). Es ist davon auszugehen, dass diese Diskussion über die Verwendung von Daten weiter zunehmen wird. Die EU-Datenschutzverordnung (EU-DSGVO) gibt

Licht und Schatten der Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen 163 hier erste Hinweise über die Richtung. Durch die Aktivitäten von Hackern, dem Einsatz von Tracking-Systemen und den Verkauf von Kundeninformationen ist die Diskretion im Umgang der persönlichen Daten gefährdet. Diese Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes ist in zahlreichen personalisierten Systemen gegeben, insbesondere bei dem Einsatz von Assistenzsystemen (Kim et al. 2019). Besondere Bedeutung erhält der Datenschutz im Rahmen des Health Care bei den Patientendaten (Niederlag et al. 2010; Meyer/Brauchbar 2018). Die Unternehmensnachteile sind auch in Zusammenhang mit den Kundennachteilen zu sehen. Wenn Probleme des Datenmissbrauchs und der Weitergabe von persönlichen Informationen entstehen und dies öffentlich wird, dann entstehen erhebliche Imageprobleme für den Anbieter. So gibt es beispielsweise immer wieder Diskussionen über den Kauf bzw. Verkauf von Kundenbewertungen für diverse Bewertungsportale. So hat sich die Agentur „Fivestar Marketing“ als „Partner für qualitatives Review- und Ratingmanagement“ angeboten. Das Münchner Landgericht gab in diesem Zusammenhang im November 2019 einer Klage von Holidaycheck statt und hat gekaufte Fake-Bewertungen im Internet als rechtswidrig erklärt. Weitere öffentliche Diskussionen und Shitstorms über Probleme des Datenschutzes und der Verwendung von Kundendaten haben Facebook und andere Anbieter von Sozialen Diensten mehrfach erleben können. Regelmäßig werden Sicherheitsmängel bei den Internetanbietern bekannt, die zu negativen Reaktionen bei den Medien und Glaubwürdigkeitsverlusten bei den Kunden führen. Aber auch intern sind in den Unternehmen Herausforderungen zu bewältigen, die mit den Kosten (z. B. Erstellungskosten, Zeitkosten, kognitive Kosten; Schackmann 2003, S. 25) in Zusammenhang stehen, sowie auch mit der steigenden Komplexität bei der Bewältigung und Handhabung der personalisierten Systeme (Schackmann 2003, S. 25). Diese Kosten sind bei dem Aufbau und der Pflege der Systeme zu berücksichtigen.

3.5 Forschungsfragen der Personalisierung Die Personalisierung ist bereits seit langem Gegenstand von Forschungsaktivitäten. Dies erstaunt nicht, denn die Nutzung individueller Daten im Rahmen von Big Data, Consumer und Marketing Analytics u. Ä. bieten erhebliche Potenziale für die Durchführung von einschlägigen Studien. Die Auswertung von Daten steht dabei im Vordergrund. Deshalb werden im Folgenden weniger die forscherischen Aspekte der Auswertung von Kundendaten hervorgehoben, sondern vielmehr kritische Punkte, die im Zusammenhang mit der Personalisierung von Dienstleistungen stehen. Diese kritischen Punkte betreffen vor allem den Umgang mit den persönlichen Daten von Kunden. Damit sind verschiedene Fragestellungen für die Wissenschaft aufgeworfen, die die Perspektive des Kunden und des Anbieters betreffen.

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Bei einer Kundenperspektive sind Fragen der Preisgabe von Kundendaten angesprochen. Diese Daten werden mehr oder weniger freiwillig von den Kunden abgegeben. Unter welchen Bedingungen und gegebenfalls Gegenleistungen sind die Kunden bereit, persönliche Daten von sich preiszugeben bzw. nicht preiszugeben (Grönroos 2011; Skalen et al. 2014)? Unter welchen Bedingungen sind sie bereit, darüberhinausgehende Daten, insbesondere persönliche Informationen, von sich preiszugeben? Sieht sich der Kunde als CoCreator, wenn er Nutzerinformationen freiwillig zur Verfügung stellt, um einen besseren Value-in-Use zu erhalten (Vargo/Lusch 2008)? Welchen Erklärungs- und Gestaltungsbeitrag kann dabei die Service-Dominant Logic leisten (Vargo et al. 2008; Oborn et al. 2011)? Welche Kundenmerkmale zeigen Unterschiede bei der Preisgabe von Kundeninformationen? Welche Anbietermerkmale zeigen Unterschiede bei der Preisgabe von Kundeninformationen? Wie verändert sich die Preisgabe von Kundeninformationen im Zeitablauf? u. a. m. Bei einer Anbieterperspektive betrifft dies Fragen der Persönlichkeitsrechte von Kunden. Die Preisgabe persönlicher Informationen bedeutet letztlich einen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte und Privatsphäre des Einzelnen (Winkler 2006, S. 38ff.; Bruhn et al. 2019, S. 1021). Sind dem Anbieter die subjektiv wahrgenommenen Risiken beim Kunden bewusst? Wie kann den Kunden eine Chancen-Risiko-Abwägung kommuniziert werden? Wie sieht eine Risikoanalyse und ein Risikomanagement des Datenmissbrauchs beim Anbieter aus? Wie kann mit dem Risiko eines Datenmissbrauchs organisatorisch und personell umgegangen werden? u. a. m. Bei der Diskussion über die Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen ist weiterhin zu erwarten, dass Fragestellungen der Ethik beim Einsatz digitaler Technologien auch weiterhin zunehmen werden. Hier ist bereits auf die so genannten „EthikLeitlinien für eine vertrauenswürdige Künstliche Intelligenz“ hinzuweisen, die von der Europäischen Kommission vorgelegt wurden (Europäische Kommission 2018).

4.

Zusammenfassung und Ausblick

Die zwei Seiten der Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistung standen in diesem Beitrag nach Goethe unter dem Motto „Wo viel Licht ist, ist auch starker Schatten“. Bei diesem Satz des Götz von Berlichingen muss allerdings von ihm noch der Zusatz zu diesem Satz hinzugefügt werden, der lautet: Wo viel Licht ist, ist starker Schatten, … „… - doch war´s mir vollkommen“. Dies bedeutet zum einen, dass bei den vielen Vorteilen („Lichträume“) auch Nachteile („Schattenräume“) zu berücksichtigen sind. Zum anderen aber auch, dass die „Schattenräume“ Anlass geben sollten, darüber nachzudenken, Fehler zu vermeiden, um damit Verbesserungspotenziale zu nutzen. Dies gilt für sämtliche hier angesprochenen Bereiche.

Licht und Schatten der Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen 165 Betrachtet man zunächst die Automatisierung von Dienstleistungen, dann ist dies in vielen Bereichen mit einem Verlust der persönlichen Beziehung zum Dienstleistungskunden verbunden. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie die Unternehmen zukünftig eine Beziehungspflege betreiben können. Dies wird bei standardisierten Dienstleistungen kein Problem darstellen, denn hierbei geht es den Kunden um Schnelligkeit, Einfachheit und Kostengünstigkeit. Hierbei werden die Kunden einen hohen Automatisierungsgrad akzeptieren. Jedoch ist insgesamt damit zu rechnen, dass sich bei den automatisierten Dienstleistungen neue Qualitätsdimensionen bei der Beurteilung der Dienstleistung ergeben. Dies betrifft nicht nur die Leistungsqualität, sondern auch die Beziehungsqualität. Dienstleistungsunternehmen stehen deshalb vor der Aufgabe, die Grenzen der Automatisierung von Dienstleistungen zu beachten, insbesondere bei Dienstleistungen mit einem hohen Grad an Individualität und Interaktion. Letztlich hängt dies mit der Kundenakzeptanz zusammen, d. h. bei der Automatisierung von Dienstleistungen geht es nicht nur um die Neugestaltung und Optimierung von Geschäftsmodellen (Business Development), sondern auch um die Frage der Akzeptanz und Entwicklung des Kunden – im Sinne eines „Customer Development“. Es ist zu prüfen, unter welchen Bedingungen die Kunden ihre Bereitschaft zeigen, die Vorteile der Automatisierung zu sehen und die Nachteile in Kauf nehmen. Diese Überlegungen gelten in ähnlicher Form auch für die Personalisierung von Dienstleistungen. Das Hauptproblem besteht hierbei im Datenhintergrund, d. h. in der Sammlung und Verwendung der individuellen Daten. Zum einen ermöglichen die Kundendaten eine Personalisierung, zum anderen stellen sie für die Unternehmen einen Wert dar, der weiter genutzt werden kann. Hierbei sind primär Fragestellungen des Verkaufs von Kundendaten zu Werbezwecken aufgeworfen. Es ist zu erwarten, dass bei zunehmenden Missbrauch von Daten die Sensibilität der Kunden zur Freigabe der Daten zunehmen wird. Auch wird der Gesetzgeber – wenn auch mit erheblichen Zeitverzögerungen – aktiv werden, insbesondere im Umgang mit sensiblen Daten, die Persönlichkeitsrechte tangieren, wie etwa Patientendaten. Hier sind Unternehmen gefordert, Regeln und Richtlinien im Umgang mit Kundendaten zu definieren und zu kommunizieren. Bei der Automatisierung, der Personalisierung und der „Automatisierten Personalisierung“ von Dienstleistungen handelt es sich für das Dienstleistungsmanagement um eine „Zukunftsdisziplin“. Im Vordergrund steht dabei nicht nur eine Optimierung der Prozessorganisation bei der Erstellung der Dienstleistung, sondern um die Antizipation von Veränderungsprozessen in den Märkten, bei den Kunden und den Unternehmen – im Sinne des Market-, Customer- und Business Development.

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2. Automatisierte personalisierte Kundeninteraktion

Ricardo Guerrero, Lisa Lohrenz, Christoph Lattemann und Susanne Robra-Bissantz

Digitalisierung (und Automatisierung) personennaher Dienstleistungen – Eine bibliometrische Analyse

1. Einleitung und Motivation 2. Theoretische Grundlagen 2.1 Personennahe Dienstleistungen 2.2 Digitalisierung personennaher Dienstleistungen 3. Bibliometrische Analyse 3.1 Methodisches Vorgehen 3.2 Suchstrategie 3.3 Artikelauswahl aus der Recherche 4. Ergebnisse der Literaturanalyse 4.1 Allgemeine Information 4.2 Forschungsdynamik 4.3 Fachspezifische Analyse 4.4 Produktivste Quellen 4.5 Meistzitierte und einflussreichste Autoren 4.6 Co-Occurence Network 4.7 Forschungstrends 5. Diskussion 6. Zusammenfassung

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Bruhn und K. Hadwich (Hrsg.), Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen Forum Dienstleistungsmanagement, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30166-8_7

Literaturverzeichnis ___________________________ Ricardo Guerrero ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Innovationsmanagement- und Informationssysteme an der Jacobs University Bremen. Lisa Lohrenz ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik, insbesondere Informationsmanagement an der Technischen Universität Braunschweig. Prof. Dr. Christoph Lattemann ist Professor of Business Administration and Information Management an der Jacobs University Bremen und lehrt außerdem in Teilzeit als Professor of Entrepreneurship an der University of Agder in Norwegen. Prof. Dr. Susanne Robra-Bissantz leitet das Institut für Wirtschaftsinformatik der Technischen Universität Braunschweig und dort den Lehrstuhl Informationsmanagement.

1.

Einleitung und Motivation

Wie Unternehmen Dienstleistungen betrachten, hat sich in den letzten Jahrzehnten radikal verändert. Dienstleistungen umfassen nicht mehr nur die reine persönliche Kunden-Mitarbeiter-Interaktion (Chase 1978), sondern auch den Austausch innerhalb eines Netzwerkes aus Anbieter, Partner, Kunde und Investor. Im Mittelpunkt steht dabei die kollaborative Zusammenarbeit, die Co-Creation, die Wertschöpfung und die Steigerung der Dienstleistungserfahrung (Chesbrough 2003; Vargo/Lusch 2004; Nambisan/Sawhney 2007; Vargo/Lusch 2008). In diesem Kontext steigt in der Dienstleistungsentwicklung kontinuierlich die Nachfrage nach innovativen Möglichkeiten. Dabei wird im personennahen Kontext auf die digitale Herausforderung mit Ansätzen wie der Digitalisierung und Automatisierung in verschiedenen Ausprägungen reagiert (Janowski 2015). Personennahe Dienstleistungen gewinnen immer mehr an Bedeutung (Lattemann et al. 2019). Im Fokus der Forschung stand viele Jahre der Einfluss von persönlichen Interaktionen auf die Dienstleistungserfahrungen (Service Experiences) und die Kundenzufriedenheit bzw. Kundenloyalität (Prahalad 2000; Thuy/Hau 2010; Johnson et al. 2011) mit dem Ziel, stabile Kundenbeziehungen zu erreichen. Mit der Entwicklung und Verbreitung von Dienstleistungen, die sich auf die Informationstechnologie (IT) Entwicklung und Nutzung beziehen, konnte eine erweiterte Sichtweise entstehen. Die daraus resultierenden neuen Service Experiences für Kunden, können unter anderem zu neuen Geschäftsmodellen führen (Lattemann/Robra-Bissantz 2006; Larsson 2015; Lattemann et al. 2019). Das Forschungsthema der Digitalisierung und Automatisierung personennaher Dienstleistungen hat Wurzeln in verschiedensten Wissensgebieten, wie z. B. in der Dienstleistungsforschung (z. B. Service-Dominante Logik (S-D Logik)), in der Volkswirtschaftslehre (sektorale Betrachtung), der Soziologie (veränderte Lebensmuster, soziale Gerechtigkeit), in der Psychologie sowie im Marketing (veränderte Konsum- und Interaktionsstile), in der Wirtschaftsinformatik (veränderte Arbeitsprozesse und kollaborative Ansätze) und in der Existenzgründungsforschung (neue Geschäftsmodelle und Co-Creation Ansätze). In den Ingenieurwissenschaften und der Wirtschaftsinformatik wird vor allem die Digitalisierung und Automatisierung beforscht. Häufig forschen diese unterschiedlichen Wissenschaftsgebiete parallel zueinander, ohne einen aktiven Austausch der Erkenntnisse zu generieren. Dies führt dazu, dass wichtige Erkenntnisse kaum interdisziplinär verbreitet werden. Als Lösung hierfür empfiehlt sich die Aufarbeitung in einer schematischen Übersicht über die verschiedenen Forschungsstränge, deren Beziehungen zueinander und deren Bedeutung für die weitere Forschung (Chesbrough/Spohrer 2006; Ostrom et al. 2015). Dabei kann die bibliometrische oder auch szientometrische Analyse darin unterstützen, derzeitige Trends in einer bestimmten Forschungsdomäne in der Literatur herauszufinden. Daraus können dann wiederum Richtlinien und Empfehlungen für zukünftige Forschungsarbeiten

176

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abgeleitet werden (Buter/Van Raan 2013). Im Zusammenhang mit Dienstleistungsinnovationen wurde die bibliometrische Analyse bereits genutzt (z. B. Sakata et al. 2013; Knop et al. 2017), jedoch wurde sie im Kontext von Digitalisierung und Automatisierung von personennahen Dienstleistungen bisher nicht angewandt. Die im folgenden durchgeführte bibliometrische Analyse zielt auf ein Verständnis des Forschungsstands über personennahe Dienstleistungen und Digitalisierung sowie Automatisierung zwischen 1971 und 2019 ab. Die durchgeführte Analyse stützt sich auf die weitverbreitete Open-Source Statistiksoftware „R Studio“ in der Ausführung Bibliometrix (Aria/Cuccurullo 2017). Die genutzte Datenbank ist „Scopus“. Die untersuchten Artikel wurden nach einem hohen Impact-Faktor (A+, A, B und C) und aus den Fachzeitschriften, Konferenzberichten und Buchkapiteln in den oben genannten Wissenschaftsdisziplinen ausgesucht. Auf dieser Grundlage wurden Analysen und grafische Darstellungen erstellt, die Stichwörter, Autoren und das Zitiernetzwerk berücksichtigen. Co-Occurrence Network, Co-Citation Network, Word Dynamics und Thematic Map sind einige der Methoden, die eine umfassende grafische Darstellung der relevanten Literatur ermöglichen. Dieser Beitrag fasst die Entwicklung der Digitalisierung und Automatisierung personennaher Dienstleistungen der letzten 50 Jahre zusammen und geben einen Überblick über die einflussreichsten Forschungsrichtungen und Wissenschaftler, die für zukünftige Publikationen in diesem Forschungsgebiet richtungsweisend sein können.

2.

Theoretische Grundlagen

2.1 Personennahe Dienstleistungen Anfang der 2000er Jahre hat der Bereich der personennahen Dienstleistungen große Beachtung in der Literatur des Dienstleistungsmanagements, der internationalen Betriebswirtschaftslehre, der Volkswirtschaftslehre und der Managementdisziplinen aufgrund seiner Auswirkungen auf die Gesellschaft, insbesondere im Hinblick auf den direkten Einfluss auf die Schaffung von Arbeitsplätzen sowie soziale und wirtschaftliche Entwicklung gefunden (Wang et al. 2002; Sharma et al. 2007). In den letzten Jahren hat jedoch aufgrund der rasanten technologischen Veränderungen in der IT, der Bereich der personennahen Dienstleistungen zudem zu einem Bedeutungszuwachs in der Literatur, hier insbesondere der Informationssysteme, geführt (Menschner/Leimeister 2011; Kleinschmidt et al. 2016; Lindh/Nordman 2018; Lattemann et al. 2019). Jedoch existiert heutzutage in der Fachliteratur noch keine einheitliche Bezeichnung für „personennahe“ Dienstleistungen (Mattila et al. 2003). Im Englischen werden hier unter anderem Begriffe, wie „High-Contact Services“, „Pure Services“, „Personal-Related Services“, und „Personal Services“ verwendet (Parasuraman et al. 1985; Solomon/Solomon 1991; Wang/Frank 2002). Personennahe Dienstleistungen sind Dienstleistungen, die ein

Digitalisierung (und Automatisierung) personennaher Dienstleistungen

177

hohes Maß an Interaktion zwischen Kunden und Dienstleistungserbringer aufweisen (Kellogg/Chase 1995). Merkmale für diese Art der Dienstleistung ist Intimität, der Austausch von aussagekräftigen Informationen und lange Interaktionszeiträume (Parasuraman et al. 1985). Diese Ansicht wird auch von anderen Autoren geteilt, darunter King et al. (1997), die den Umfang der personennahen Dienste auf Gefühle und emotionale Zustände sowie auf individuelle Attribute wie Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft und Fähigkeit erweitern. Obwohl der Begriff der personennahen Dienstleistungen hauptsächlich im Zeitalter der Sachgüterproduktion geprägt wurde und die traditionellen dienstleistungsbezogenen Quellen die Wichtigkeit für wirtschaftliche Effizienz und gesteigerte Lebensqualität erkennen (Czepiel 1990; Solomon/Solomon 1991; Gilbert et al. 2004), wurde bisher wenig über dieses zentrale Thema im Informations- und digitalen Zeitalter geschrieben (Larsson 2015). Dennoch können nach Analyse der vorhandenen Literatur über personennahe Dienstleistungen zwei unterschiedliche theoretische Ansätze identifiziert werden: zum einen die Güter-Dominante Logik (G-D Logik) und zum anderen die Service-Dominante Logik (S-D Logik). Die Erstere ist auch als Produktions-, Industrie- oder Güterlogik bekannt und geht davon aus, dass der Mensch für ein nachhaltiges Wohlbefinden und seine Werterfüllung die Entwicklung und Bereitstellung von Sachgütern benötigt. Demzufolge werden Sachgüter in großem Ausmaß produziert, um eine rasche Verbreitung und somit angenommene Problemlösung auf Seiten des Kunden zu erzielen. Die G-D Logik beschreibt dabei den Dienstleister als erfahren, wissend, innovativ, kreativ und den Schöpfer von Wert. Der Kunde ist als unerfahren, unwissend und passiv charakterisiert, der den geschaffenen Wert verbraucht oder zerstört. In der G-D Logik werden Anbieter und Kunde streng voneinander getrennt betrachtet (Smith 1776; Feinberg 1957; Jallat 2004). Beatty et al. (1985), Parasuraman et al. (1985), Solomon und Solomon (1991) sowie Wang und Frank (2002) sind einige der Autoren, die sich mit der Erklärung der Dynamiken der personennahen Dienstleistungen innerhalb der G-D Logik beschäftigten. Hierfür führten sie Fallstudien in der Lebensmittelindustrie (Restaurants), in der Hotellerie, im Bankenwesen, im Einzelhandel, in Reiseagenturen und bei Fluggesellschaften durch, die bestätigten, dass in allen Bereichen den Produktivitätsmesswerten wie der Kundenzufriedenheit oder Kundenbindung am meisten Bedeutung beigemessen, und dass der Wert nur im Hinblick auf eine größtmögliche monetäre Gewinnsteigerung wahrgenommen wurde. Dementsprechend wurde der Wert durch den Preis des Produkts, als Ausdruck des Tauschwerts (Value-in-Exchange) definiert (Varul 2010). Trotz der Bedeutung dieser Studien wurde diese limitierende Sichtweise auf personennahe Dienstleistungen in den letzten Jahren kritisiert, da sie die Rolle des Gutes oder Dienstleisters stärker betonte und die Rolle des Kunden und seiner Werte außer Acht ließ. Haupttreiber des bereits genannten theoretischen Alternativansatzes sind Forschungsgruppen um Vargo und Lusch oder Grönroos, die sich der Kritik mit der Entwicklung der S-D Logik annahmen (Vargo/Lusch 2004; Vargo/Lusch 2008; Grönroos 2011). Hierbei liegt

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der Fokus auf der Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure (d. h. Dienstleister, Verbraucher oder Kunde) und Teilhabern mit dem Ziel, kollektives Wissen anzuwenden, um Vorteile für den Einzelnen und die Gemeinschaft zu erreichen (Co-Creation). In der S-D Logik, die auch als neue Logik des Marketing bezeichnet wird, bezeichnet der Nutzungswert (Value-in-Use) das Leistungsversprechen, das von dem Unternehmen angeboten und von jedem einzelnen Kunden individuell interpretiert wird (Robra-Bissantz 2018). Die S-D Logik baut auf den Unterschieden zwischen Produktion und Dienstleistung auf, da die Dienstleistung die beteiligten Güter nur als Hilfsmittel wahrnimmt und immer auch Kompetenzen als Dienstleistung für die Produktion eingesetzt werden müssen. Somit begreift die S-D Logik alles als Dienstleistung und verspricht zusätzlich ein einzigartiges Analysemodell, das eine umfassende Betrachtung der Digitalisierung und insbesondere Automatisierung zulässt und gleichzeitig Sach-/immaterielle Güter und nicht-/technologische Aspekte mit einbezieht (Vargo/Lusch 2004; Vargo/Lusch 2008).

2.2 Digitalisierung personennaher Dienstleistungen Zu Beginn des 21. Jahrhunderts wird in der Forschung zur Digitalisierung von personennahen Dienstleistungen vorwiegend der Begriff Automatisierung verwendet, der die Optimierung von Maschinen und Prozessen thematisiert. Im Industriezeitalter war eine detaillierte Arbeitsteilung (und Spezialisierung) Voraussetzung für die Automatisierung, die entsprechend der G-D Logik durch die Separation und Kontrolle der Akteure versuchte einen größtmöglichen physischen Output zu erzielen und wirtschaftliche Arbeitsabläufe zu verbessern (Vargo 2009; Fernández-Macías 2018). Als Beispiel hierfür kann der Einsatz von Spezialmaschinen zur Ernte von Mais oder die Herstellung von Verpackungen genannt werden. Erst mit dem Einzug der digitalen Technologien in den 1990er Jahren entwickelte sich das Feld der Digitalisierung, das im deutschen Sprachgebrauch sowohl die englischen Begriffe Digitization als auch Digitalization enthält (Brennen/Kreiss 2016). Somit bedeutet Digitalisierung nicht nur die Umwandlung von analogen in digitale Daten, sondern vielmehr auch den Einsatz der digitalen Daten, um eine Verbesserung für Prozesse und Anwender zu erzielen. Durch die Digitalisierung wurden Dienstleistungen und Geschäftsmodelle möglich, die vorher nicht möglich waren, wie sie z. B. bei AirBnB oder Uber (Czarnecki 2018) zu finden sind. Der S-D Logik folgend gelang es, in diesen Konzepten den Menschen in den Fokus der Betrachtung zu rücken und die Beziehung zwischen Anbietern und Kunden grundsätzlich neu aufzusetzen (Hagberg et al. 2016), denn der Kunde wird hier selbst Anbieter einer Leistung. Durch neue Technologien konnte in den vergangenen Jahren ein Strukturwandel vollzogen werden, bei dem Neuerungen wie z. B. Künstliche Intelligenz (KI) in der Dienstleistung immer bedeutender werden. Beispiele für die Verwendung von KI im Bereich der digitalen personennahen Dienstleistungen sind Geschäftskonzepte, wie sie Spotify oder Facebook anbieten. Durch die Analyse von Nutzerdaten (vor allem Daten über Präferenzen

Digitalisierung (und Automatisierung) personennaher Dienstleistungen

179

von Nutzern) mit Hilfe von Algorithmen, können Dienstleistungen wie Playlists, Werbeschaltungen oder Unterstützungen bei Kaufentscheidungen immer passgenauer und individualisierter zur Verfügung gestellt werden (Wittpahl 2019). Dies führt dazu, dass neuartige Servicepotenziale genutzt werden können, beispielsweise bei E-Services, die als digitale Dienstleistungen Potenziale der Servitization und Digitalisierung nutzen und diese dann Einfluss auf die Gestaltung der personennahen Dienstleistungen nehmen (Heiskala et al. 2011). Dabei können E-Services in drei Sphären der Wertgenerierung unterteilt werden. In der Anbieter-Sphäre wird für den Kunden ein Werteangebot vorbereitet (Value Proposition). Nimmt der Kunde ein Angebot an, kann er gemeinsam mit dem Anbieter in dem Interaktionsraum (Joint Sphere) einen Wert kreieren (Co-Creation). In seiner eigenen, der Kunden-Sphäre, entfaltet sich potenziell der Value-in-Use der Dienstleistung. Die Wertgenerierung muss bei digitalen Dienstleistungen dabei nicht, wie typischerweise in einer traditionellen Dienstleistung, im gleichen Raum stattfinden, sondern kann sich dezentral über digitale Medien vollziehen (Robra-Bissantz 2018). Digitale Dienstleistungen zeichnen sich weiterhin z. B. durch eine stärkere Integration des Kunden und deren Kontext in den Dienstleistungsprozess aus. Zudem eröffnet die Digitalisierung den Unternehmen zusätzliche Kommunikationsschnittstellen zur Interaktion mit dem Kunden (Beverungen et al. 2018) und verbessert nachweislich die Beziehungen durch die Ermöglichung einer neuen Form der Co-Creation (Roberts/Mackay 1998; Lindh et al. 2018). Digitale Technologie fungiert hier, in den Bezeichnungen der S-D Logik, sowohl als operande als auch als operante Ressource und häufig vereinigt sie beide Eigenschaften (Lusch/Nambisan 2015). D. h., sie stellt (operand, wie z. B. auch ein Produkt) kostengünstig vorab in eine tangible Form gegossene Kompetenzen eines Anbieters zur Verfügung – sehr häufig ist dies Wissen, dass beispielsweise vom Kunden auf einer Website zu seiner Beratung abgerufen werden kann. Technologie kann, insbesondere mit den heutigen Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz, des Machine Learning oder von Big Data, auch als operante Ressource, wie ein Mensch, ihre Fähigkeiten aktiv in Interaktionen mit Kunden einbringen und dann beispielsweise als Chatbot eine digitale Beratung automatisiert und personalisiert übernehmen. Damit kommt digitaler Technologie eine besondere Rolle zu, denn sie kann kostengünstig als operande Ressource vorproduziert und dem Kunden zur Verfügung gestellt werden – leistet dann aber, entsprechend ausgestaltet, wie eine operante Ressource eine sehr ähnliche Dienstleistung wie der nur wesentlich aufwändiger einsetzbare Mensch. Somit können Dienstleistungen geschaffen werden, die vorher nicht möglich waren. Im Folgenden werden daher die Einflüsse der Digitalisierung auf die personennahen Dienstleistungen und auf die verschiedenen Forschungsströme näher betrachtet und analysiert.

180

3.

R. Guerrero, L. Lohrenz, Ch. Lattemann und S. Robra-Bissantz

Bibliometrische Analyse

3.1 Methodisches Vorgehen Die bibliometrische oder auch szientometrische Analyse ist ein methodischer Ansatz, der zur Untersuchung eines Literaturbestands innerhalb und zwischen verschiedenen Forschungsbereichen angewandt wird (Norton 2000; Holden et al. 2010). Hier werden bibliometrische Ansätze wie Citation-Analysis, Co-Citation Coupling und Bibliographic Coupling verwendet, um die in einem bestimmten Bereich oder Forschungsbereichen enthaltene Literatur auf einer Metaebene zu analysieren. Hierfür werden hauptsächlich Forschungsartikel, die in den Web of Science oder Scopus-Datenbanken veröffentlicht wurden, verwendet (Aria/Cuccurullo 2017). Daher ist der erste Schritt bei der Durchführung bibliometrischer Analysen die Auswahl der geeigneten Datenbank für das Forschungsinteresse. In der vorliegenden Arbeit dient die Literaturdatenbank Scopus als Recherchebasis für die Durchführung der Literaturanalyse, da sie eine große Anzahl an Artikeltypen (z. B. Bücher, Buchbeiträge, Konferenzbeiträge, Journal-Artikel) für Forschungsliteratur enthält und verschiedenste Metadaten vorhalten, wie Autorennamen, Adressen der Institutionen der Autoren, sowie bibliografische Adressen jeder Publikation. Scopus beinhaltet 70 Mio. Literaturnachweise und Abstracts von mehr als 5.000 internationalen Verlagen (Stand: Juni 2019) sowie Verlinkungen zu Volltext-Artikeln und anderen bibliografischen Quellen (Elsevier Bibliometrische Literaturanalyse 2019). Durchführung der bibliometrischen Literatursuche und Definition der Datenbasis sowie der Selektions- und Ausschlusskriterien

Definition des Studienziels und der Forschungshypothese

1. Forschungsfrage

2. Studiendesign

3. Bibliometrische Datenquelle

Definition des Umfangs der bibliometrischen Analyse und deren Methoden

Abbildung 1:

Auswertung der zitierten Artikeln und produktivsten Institutionen bzw. Autoren. Außerdem aktuelle Trends und Strukturen der Forschungsstränge

4. Methodologie und Software

5. Analyse der Ergebnisse

Definition des bibliometrischen Ansatzes und der Software sowie deren Tools

6. Interpretation der Ergebnisse

Beantwortung der Forschungsfrage inklusive neuer Erkenntnisse und weiterführenden Forschungen

Ablauf einer bibliometrischen Analyse (Quelle: in Anlehnung an Munim 2018)

Die bibliometrische Analyse mithilfe des Open-Source-Pakets Bibliometrix und dem erweiterndem Webinterface Biblioshiny verläuft in sechs Stufen (siehe Abbildung 1). Zunächst wird die Forschungsfrage und das Studiendesign definiert, darauf aufbauend erfolgt eine Datensammlung. Die Daten werden daraufhin analysiert und visualisiert, sodass eine

Digitalisierung (und Automatisierung) personennaher Dienstleistungen

181

umfangreiche Interpretation erfolgen kann. Die dritte, vierte und fünfte Phase werden durch die Software R unterstützt. Das Ziel einer bibliometrischen Analyse ist es, den aktuellen Stand der Forschung der unterschiedlichen Wissensgebiete zu identifizieren, aktuelle Themen (engl. Research Front) hervorzuheben, sowie die Struktur der internationalen Forschungsgemeinschaft in Form eines Netzwerks zu visualisieren (Borgman/Furner 2002; Araújo 2006). In diesem Artikel werden anhand vordefinierter Selektionskriterien und themenbezogenen Suchanfragen bezüglich Digitalisierung- (und Automatisierung) personennaher Dienstleistungen relevante Beiträge aus den Datenbanken gefiltert. Nachfolgend werden die Suchanfragen aus der Datenbank und deren Ergebnisse in einer Excel-Tabelle in Bezug auf Nachvollziehbarkeit und Transparenz der Suchergebnisse protokolliert. Die separaten Suchanfragen werden in einer BIB-Datei extrahiert und zu einer eigenen Datenbank zusammengefügt. Die neu erstellte Datenbank muss einem Preprocessing zur Verbesserung der Datenqualität unterzogen werden, was die Bereinigung von Duplikaten oder falsch geschriebenen Elementen beinhaltet. Durch das Literaturverwaltungsprogramm „JabRef“, können die extrahierten Ergebnisse eingesehen und Duplikate bereinigt werden, bevor mit der Auswertung der Daten begonnen wird. Mit Hilfe des Webinterface „Biblioshiny“ wird letztendlich die Datenanalyse, die deskriptive Analyseverfahren wie Co-Word Analysis, Co-Autor Analysis oder Citation Analysis und die Extraktion visueller Netzwerke erlaubt, durchgeführt (Aria/Cuccurullo 2017).

3.2 Suchstrategie Die Forschungsschwerpunkte der Literatursuche wurden wie in der Einleitung bereits beschrieben auf folgende Bereiche festgelegt: Dienstleistungsforschung, Existenzgründungsforschung, Volkswirtschaftslehre, Ingenieurwissenschaften, Soziologie, Psychologie, Marketing und Wirtschaftsinformatik. Die Wissensgebiete dienten nicht als Selektionskriterien innerhalb der Datenbanken, sondern als Ausgangspunkte bzw. Kategorien für parallele Literaturrecherchen. Hierbei wurde die Suche vollumfänglich begonnen, um eine größtmögliche Abdeckung der in der Datenbank vorhandenen Literatur zu erhalten. Eine Eingrenzung der Suchergebnisse erfolgte in den genannten Forschungsgebieten durch die Selektierung unterschiedlicher Schlüsselwörter in der Datenbank. Bei der Suche nach Digitalisierung und Automatisierung personennaher Dienstleistungen spielen vor allem die Suchbegriffe bzw. Keywords sowie deren Verknüpfung durch unterschiedliche Operatoren eine wichtige Rolle. Um eine einzelne Suche durchzuführen, wurden die Suchbegriffe in die Suchfunktion von Scopus eingegeben und durch unterschiedliche Befehle in Form einer Suchformel eingegrenzt, erweitert oder verfeinert. Für eine standardisierte und transparente Ergebnissuche wurde mit einer Grundformel gearbeitet, die im Titel, Abstract und den Schlüsselwörtern (TITLE-ABS-KEY) nach den

182

R. Guerrero, L. Lohrenz, Ch. Lattemann und S. Robra-Bissantz

Begriffen zu den Oberbegriffen personennaher Dienstleistungen (z. B. person*, human*…) und Digitalisierung bzw. Automatisierung suchte. Die Grundformel wurde im nächsten Schritt im Bereich des jeweiligen Wissensgebietes durch zusätzliche Keywords und Operatoren erweitert. Keywords:

person*, person-*, human*, service*, client*, identity*, user*, customer*, consumer*, eservice*, e-service*, digital service*, smart service*, intelligent service*, automat*, mechani*, co-creat*, servicedominant-logic, sdl, s-d-l, service-dominant logic, value-in-use, value in use, value* creation, shared service, collaborat* service*, product-service-system*, pps, p-s system, work 4*, service 4*, industry 4*, internet of things, iot, servitication Nr.

Datenbasis

Suchanfrage

1

Scopus

TITLE-ABSKEY(“person*” W/1 “service*” OR “person-*” W/1 “service” OR “human*” W/1 “service*” W/1 “service*” OR “client*” W/1 “service*” OR “identity*” W/1 “service*” OR “individual*” W/1 “service*” OR “user*” W/1 “service*” OR “customer*” W/1 “service*” OR “consumer*” W/1 “service*” OR “automat*” W/1 “service*” OR “mechani*” W/1 “service*”)

Abbildung 2:

Ergebnisse

52.382

Ausschlusskriterien

Gefilterte Ergebnisse

AND ( EXCLUDE ( SUBJAREA, “MEDI” ) OR EXCLUDE ( SUBJAREA, “NURS” ) OR EXCLUDE ( SUBJAREA, “MATH” ) OR EXCL” ) OR EXCLUDE ( SUBJAREA, “BIOC” ) OR EXCLUDE ( SUBJAREA, “AGRI” ) OR EXCLUDE ( SUBJAREA, “EART” ) OR EXCLUDE ( SUBJAREA, “DENT” ) OR EXCLUDE ( SUBJAREA, “IMMU” ) OR EXCLUDE ( SUBJAREA, “VETE” ) ) AND ( LIMIT-TO ( LANGUAGE , “English” ) )

Extrahierte Ergebnisse

Speicher-format

Dateiname

12.587

Basissuche Digitalisierung- und Automatisierung personennaher Dienstleistungen

3.3 Artikelauswahl aus der Recherche Nach der Durchführung der vollumfänglichen Suche konnten 52.382 Artikel identifiziert werden. Bezogen auf die konkreten Suchkriterien wurde daraufhin bei der Ergebnisanzeige bei Scopus die Wissensgebiete: „Medicine; Earth and Planetary Sciences; Arts and Humanities; Mathematics; Biochemistry, Genetics and Molecular Biology; Nursing; Agricultural and Biological Sciences; Pharmacology, Toxicology and Pharmaceutics; Veterinary; Health Professions; Dentistry“ herausgefiltert, da diese nicht den Kontext des Themas widerspiegelten. Nachdem die beschriebenen Ausschlusskriterien angewandt wurden, reduzierte sich das Ergebnis auf 12.587 Artikel. Bei der Filterung der Suchergebnisse, die sich auf die Dokumentensprache Englisch und Deutsch konzentrierte, wurde auf eine Sortierung des Herkunftslandes sowie eine Begrenzung des Publikationsjahres verzichtet. Die ausgewählten Artikel stammen aus den in Abbildung 3 dargestellten Bereichen und wurden in Zeitschriften mit hohen Einflussfaktoren veröffentlicht. In diesem Zusammenhang wurden nur Zeitschriften, Proceedings und Buchkapiteln mit Impact-Faktoren größer und gleich 0,8 (A+, A, B und C) ausgewählt, da sie die am häufigsten zitierten sind und eine größere wissenschaftliche Bedeutung haben. Dieses reduzierte die Anzahl der Artikel weiterhin um 2.194 Ergebnisse.

Digitalisierung (und Automatisierung) personennaher Dienstleistungen

3.956 Ergebnisse zu Dienstleistungsforschung

290 Ergebnisse zu Existenzgründungsforschung

837 Ergebnisse zu Wirtschaftsinformatik

4.248 Ergebnisse zu Volkswirtschaftslehre

1.687 Ergebnisse zu Marketing

1.188 Ergebnisse zu Ingenieurswissens chaften

187 Ergebnisse zu Psychologie

194 Ergebnisse zu Soziologie

Abbildung 3:

12.587 Ergebnisse aus Scopus

2.194 gefilterte Ergebnisse

10.393 Ergebnisse Entfernt

183

683 extrahierte Ergebnisse

1.490 Ergebnisse qualitative entfernt

515 Ergebnisse in R-Studio und Biblioshiny analysiert

166 Duplikate entfernt

Ablauf der Artikelauswahl

Die 2.194 Auszüge (Abstracts) der erhaltenen Resultate wurden daraufhin systematisch nach inhaltlicher Relevanz bezüglich des Themas „Digitalisierung- (und Automatisierung) von personennahen Dienstleistungen“ überprüft. Artikel, bei denen Menschen nicht in den Mittelpunkt der Dienstleistung rückten wurden nicht berücksichtigt. Als Ausschlussbeispiel kann die Entwicklung von Bluthochdruckgeräten genannt werden, die bei den Suchergebnissen nicht berücksichtigt wurde. Bei der Entwicklung steht nicht der Mensch im Vordergrund, sondern die Maschine. Wohingegen ein Artikel über den Dienst einer App, die den Bluthochdruck misst, die Anwendung bzw. das Zusammenspiel mit dem Nutzer priorisiert und in die Ergebnisse mit einbezogen wurde. Ergebnisse, die aufgrund unzureichender Trennschärfe nicht eindeutig zugeordnet werden konnten, wurden der Vollständigkeit halber mit einbezogen. Anschließend wurden die 683 gefundenen relevanten Quellen mit dem Tool „JabRef“ auf Duplikate überprüft. Dies lieferte als Endergebnis 515 Artikel, die mit Hilfe des Paketes „Bibliometrix“ in R-Studio analysiert wurden.

4.

Ergebnisse der Literaturanalyse

4.1 Allgemeine Information Die schlussendlich 515 ausgewählten und analysierten Artikel stammen aus 404 unterschiedlichen Quellen, wurden im Zeitraum von 1971 bis 2019 veröffentlicht und weisen über 1.000 unterschiedliche Autoren auf. Die drei verschiedenen Dokumententypen setzen sich aus 209 Zeitschriftenartikel, 252 Konferenzbeiträgen und 54 Buchkapiteln zusammen. Die 1.330 Autoren der analysierten Artikel haben zu etwa 5 Prozent allein und zu etwa 95 Prozent mindestens zu zweit die Artikel veröffentlicht.

184

R. Guerrero, L. Lohrenz, Ch. Lattemann und S. Robra-Bissantz

Für die Analyse wurden verschiedene Leistungsindikatoren verwendet. Zum einen ist dies der (TP) „Total Publications“, der die Summe der veröffentlichten Artikel der entsprechenden Quelle zeigt, und zum anderen der (TC) „Total Citations“, der die Summe der Zitate der Quelle darstellt.

4.2 Forschungsdynamik Die Anzahl der Publikationen im Bereich Digitalisierung und Automatisierung von personennahen Dienstleistungen gewinnen seit ihrer Etablierung schnell an Bedeutung. Die Abbildung 4 zeigt die Anzahl der Veröffentlichungen pro Jahr von 1971 bis 2019. Basierend auf den Ergebnissen wurden die ersten drei Artikel über personennahe Dienstleistungen im Jahre 1971 veröffentlicht. Im Zeitverlauf nahm die Anzahl stark zu, wobei insgesamt 34 Artikel im Zeitraum von 1971 bis 2002 geschrieben wurden. Das Thema der Digitalisierung- und Automatisierung personennaher Dienstleistungen ist seit 2003 immer populärer geworden und verzeichnet in 2013 den deutlichsten Anstieg in Relation zum Vorjahr. 2013 bis 2019 wurden durchschnittlich 51 Ergebnisse pro Jahr gefunden. Das Maximum an Publikationen bildet das letzte vollendete Jahr 2018 mit 61 Ergebnissen in Scopus. Für das Jahr 2019 ist mit bisherigen 41 Publikationen eine erneute Steigerung zum Vorjahr zu erwarten. Die wachsenden Publikationszahlen finden sich ebenfalls in der Growth Rate von ca. 12 Prozent wieder und deuten auf einen bereits bestehenden und sich fortsetzenden Aufwärtstrend bei der jährlichen Publikationsrate hin.

Abbildung 4:

Wissenschaftliche Publikationen pro Jahr

Digitalisierung (und Automatisierung) personennaher Dienstleistungen

185

In Abbildung 5 ist in Form einer Wortdynamik-Analyse die Veränderung der zehn am häufigsten verwendeten Schlüsselwörtern im Verlauf der Jahre dargestellt. Die Peaks stellen dabei eine Zunahme der Worthäufigkeit dar. Ebenso wird das Erscheinungsjahr auf der xAchse grafisch dargestellt, und das jährliche Auftreten der häufigsten genannten Schlüsselwörter wird auf der y-Achse grafisch dargestellt. Auffällig ist, dass Begriffe wie „Internet of Things“, „Value Co-Creation“ und „Big Data“ seit dem Jahre 2013 häufiger auftreten. Im Gegensatz dazu nehmen Begriffe wie „Service-Dominant Logic“ und „EService“ eher ab. Da „Personalization“ und „Co-Creation“ jedoch zunehmen, lässt sich dies durch einen Trend hin zur Spezialisierung auf den Themengebieten begründen. Generell werden Begriffe genannt, die entweder Einflüsse aus der Digitalisierung oder der (personennahe) Dienstleistungen haben.

Abbildung 5:

Wortdynamiken (Anzahl der Keywords pro Jahr)

4.3 Fachspezifische Analyse In dem dargestellten Kreisdiagramm (siehe Abbildung 6) ist die Anzahl der veröffentlichten Artikel zu den entsprechenden Forschungsbereichen dargestellt. Die Artikel können dabei mehreren Forschungsbereichen zugeordnet sein. Es ist klar zu erkennen, dass die gesuchten Keywords am häufigsten in der Dienstleistungsforschung (44 Prozent) verwendet werden. Zudem werden sie zu 29 Prozent in der

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Marketingforschung und zu 16 Prozent in der Wirtschaftsinformatik verwendet. Unterrepräsentiert sind im Vergleich die Bereiche der Ingenieurwissenschaften (4 Prozent), Soziologie (3 Prozent), Volkswirtschaftslehre (2 Prozent) und Psychologie (2 Prozent). Interessanterweise konnten keine relevanten Quellen im Bereich der Existenzgründungsforschung (0 Prozent) identifiziert werden. Volkswirtschaftslehre Ingenieruswissenschaften 2% 4%

Marketing 29%

Dienstleistungsforschung 44%

Psychologie 2% Soziologie 3% Wirtschaftsinformatik 16%

Abbildung 6:

Existenzgründungs forschung 0%

Anzahl der Publikationen pro Fachbereich

4.4 Produktivste Quellen In diesem Abschnitt werden die zehn Zeitschriften, Konferenzen, Buch(reihen), usw. dargestellt, die am häufigsten zum Thema Digitalisierung- (und Automatisierung) personennaher Dienstleistungen veröffentlicht haben. Die Ergebnisse sind in Abbildung 7 zusammengefasst. Diese Abbildung besteht aus den Gesamt-Veröffentlichungen (Total Publications/TP) und Gesamt-Zitaten (Total Citations/TC). Wie in Abschnitt 4.1 beschrieben, stellt die Kennzahl (TP), die Summe der Publikationen aus der jeweiligen Quelle dar und (TC), die Summe der Zitate innerhalb der ausgewählten Datenstichprobe. Die ACM International Conference liefert mit dem Programm International Conference Proceedings Series die meisten relevanten Ergebnisse bei der Scopus Suche mit insgesamt 12 Artikeln. Weiterhin beinhaltet die Springer Buchreihe Advances in Intelligent Systems and Computing eine Anzahl von acht relevanten Publikationen. Das ACM International

Digitalisierung (und Automatisierung) personennaher Dienstleistungen

187

Conference Proceedings hat jedoch nur eine Anzahl von 13 Zitaten. In diesem Zusammenhang wurden in Bezug auf die ausgewählte Datenstichprobe (515 Artikel) nur 13 Mal die aus dieser Quelle stammenden Artikel zitiert. Zwar wurden im Journal of Services Marketing ebenfalls acht Artikel zum genannten Themengebiet veröffentlicht, jedoch hat es mit 178 Zitaten die höchste Anzahl von Zitaten aufzuweisen. Das bedeutet, dass innerhalb der ausgewählten Datenstichprobe, die Artikel aus dieser Quelle insgesamt 178 Mal zitiert wurden. Des Weiteren ergibt die Analyse, nach Anwendung der bibliometrischen Technik Bradford’s Law auf Abbildung 7, dass ca. 79 Prozent der 404 identifizierten Quellen lediglich einen Artikel zum Thema Digitalisierung und Automatisierung von personennahen Dienstleistungen veröffentlicht haben. Obgleich die Anzahl der bisherigen Artikel in den einzelnen Quellen nicht sonderlich umfangreich ist, zeigt die Analyse ein breites Spektrum innerhalb der Quellen. Zudem ist zu erkennen, dass die Themen in den letzten 50 Jahren an Bedeutung gewonnen haben und somit eine weitere Steigerung erwartet werden kann. Scopus Zeitschriften/Konferenzberichte/Buchkapitel

Total Papers (TP)

Total Citations (TC)

ACM International Conference Proceedings Series

12

13

Advances in Intelligent Systems and Computing

8

7

Journal of Services Marketing

8

178

CEUR Workshops Proceedings

6

1

Procedia CIRP

6

27

Studies in Computational Intelligence

6

3

Electronic Commerce Research and Applications

5

95

Service Industries Journal

5

14

Abbildung 7:

Einflussreiche Veröffentlichungsmedien im Kontext Digitalisierung und Automatisierung von personennahen Dienstleistungen

4.5 Meistzitierte und einflussreichste Autoren Zur Erstellung der Liste der meistzitierten und einflussreichsten Autoren wurde die CoCitation-Network-Analysis angewendet und in Abbildung 8 visualisiert. Die Co-CitationNetwork-Analysis ist eine der effektivsten Techniken, um die am häufigsten zitierten Quellen/Autoren eines bestimmten Fachgebiets zu ermitteln (Darvish/Tonta 2016). Es zeigt die Beziehungen zwischen zitierten Referenzen (Knoten).

188

R. Guerrero, L. Lohrenz, Ch. Lattemann und S. Robra-Bissantz

In der Abbildung 8 finden sich eine Reihe von führenden Autoren im Bereich der Dienstleistungen/Marketing. Obwohl nicht alle dieser Autoren direkt im Bereich der Digitalisierung/Automatisierung von personennahen Dienstleistungen veröffentlicht haben, prägen sie dennoch den Trend im Bereich Dienstleistungen und insbesondere auch in den personennahen Dienstleistungen. Somit bauen die im Zeitverlauf späteren Publikationen auch auf den Ideen und Konzepten dieser Autoren auf. Anhand der Abbildung lässt sich erkennen, dass der einflussreichste Autor Stephen Vargo (USA), gefolgt von Yonggui Wang (China) ist. Weitere wichtige Autoren, die in der Abbildung dargestellt werden, sind unter anderem: Christian Grönroos (Finnland), Hong-Mei Chen (Taiwan), Robert Lusch (USA), Coimbatore Krishnarao Prahalad (Indien/USA), Ananthanarayananan Parasuraman (USA), Morris Holbrook (USA), Valerie Zeithaml (USA), Roland Rust (USA), Adrian Payne (Australien) und Xiang Zhang (China). Sie alle weisen eine hohe Anzahl von Zitaten auf.

Abbildung 8:

Co-Citation Network

Digitalisierung (und Automatisierung) personennaher Dienstleistungen

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4.6 Co-Occurence Network Das Co-Occurence Network beschreibt den Zusammenhang zwischen den verwendeten Keywörtern in den Veröffentlichungen. Für diese Analyse wurden die 22 meistgenutzten Keywörter der Autoren mit dem Walktrap Algorithmus mit einer minimalen Anzahl von zwei Kanten ausgewertet. Die Größe der Keywörter spiegelt die Häufigkeit der Nennungen in der analysierten Literatur wider und die Farben beschreiben eine Zusammengehörigkeit der Schlüsselwörter, ohne dass diese explizit in denselben Quellen genannt werden (Pesta et al. 2018). Anhand der Abbildung 9 ist erkennbar, dass „Personalization“ mit Begriffen wie „E-Service“, „Customer Satisfaction“ und „Customer Loyality“ ein Cluster bildet und diese somit zusammen verwendet wurden. Weiterhin bilden Begriffe wie „Value Co-Creation“ und „Service-Dominant Logic“ ein Cluster, treten in der Literatur also häufig gemeinsam auf. Die Schlüsselwörter „Internet of Things“ und „Big Data“ sind zusammengehörig, jedoch fällt auf, dass sie nicht im Kontext der Begriffe die für Dienstleistung stehen, verwendet werden. Weiterhin ist auffällig, dass die Begriffe „Social Media“ und „Personal Data“ völlig alleine stehen. Sie scheinen somit vollkommen separiert von den anderen Schlüsselwörtern in der Literatur aufzutauchen.

Abbildung 9:

Co-Occurence Network

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4.7 Forschungstrends In der Thematic Map, die in Abbildung 10 dargestellt ist, werden Keywords mit Hilfe von Clusteralgorithmen zusammengefasst, um die Thematiken und Klassifikationen der unterschiedlichen Forschungsfelder zu betonen. Dabei werden sie in Quadranten eingeordnet, die auf der Abszissenachse die Dichte und auf der Ordinatenachse die Zentralität darstellen. Im Quadrant 1, mit hoher Dichte und hoher Zentralität, stehen Cluster, die bereits vielfach diskutiert und für den Forschungsbereich relevant sind. Während in dem Quadranten mit niedriger Dichte und niedriger Zentralität Cluster stehen, die für das Forschungsthema irrelevant und in der Literatur wenig diskutiert wurden (vgl. Callon et al. 1991; Cobo et al. 2011) In dieser Auswertung besteht ein Cluster aus mindestens vier Publikationen. Das bedeutet, mindestens vier Artikel müssen zu dem entsprechenden Cluster in der Analyse vorhanden sein. Mit dem Algorithmus werden ähnliche Begriffe zusammengefasst, sodass mehrere Keywörter in einem Cluster vorhanden sein können. Es wurden die Suchbegriffe analysiert, die die Autoren selbst in ihren Artikeln angegeben haben. In der vorliegenden Auswertung zur Digitalisierung personennaher Dienstleistungen ist erkennbar, dass das Cluster „Personalization“ in der Literatur bisher schon häufig betrachtet wurde, jedoch durch die starke Zentralität dennoch weiterer Forschungsbedarf besteht. Auch bei dem Cluster „Service Industries“ und „Services“ ist noch erhöhter Forschungsbedarf vorhanden. Die Cluster „Internet of Things“ und „Digital Services“ sind aufgrund ihrer Lage im Quadranten 3 (geringe Dichte, geringe Zentralität) für die Forschung im Bereich der Digitalisierung von personennaher Dienstleitung eher nachrangig zu betrachten.

Digitalisierung (und Automatisierung) personennaher Dienstleistungen

191

I

III

II

Dichte

IV

Zentralität

Abbildung 10: Thematic Map

5.

Diskussion

Mit den Keywords im Bereich der Digitalisierung/Automatisierung von personennahen Dienstleistungen wurden insgesamt 515 relevante Artikel aus der Scopus Datenbank bibliometrisch ausgewertet. Die Analysen, insbesondere die Co-Occurrence Network-Analyse, zeigen deutlich, dass in den Publikationen zum Thema Digitalisierung/Automatisierung von personennahen Dienstleistungen entweder technologische Aspekte (Digitalisierung/Automatisierung) oder personenzentrierte Aspekte (personennah) der Dienstleistung im Vordergrund stehen. In den einzelnen Literaturquellen werden Schlagworte aus dem technologischen Bereich, wie „Internet of Things“ und „Machine Learning“, ohne Verbindung zu Schlagworten aus dem Bereich personenzentrierter Aspekte, wie „Value Co-Creation“ und „Personalization“ genannt. Eine interdisziplinäre Forschung scheint jedoch sinnvoll und notwendig. Hier zeigt sich eine Forschungslücke auf, die in der Zukunft geschlossen werden muss. Eine zukünftige Forschung könnte ihren Fokus darauflegen, wie der Mensch durch die

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Unterstützung von geeigneten Technologien sinnvoll im Kontext von Dienstleistungen in den Mittelpunkt gestellt werden kann. Diesen Forschungsauftrag unterstreichen auch die Erkenntnisse aus der S-D Logik, die die Wertschöpfung durch den Menschen als Co-Creator in den Vordergrund rückt. Da die Literatur zu dem Thema im Vergleich zur G-D Logik noch recht jung ist, besteht auch in Verbindung zur S-D Logik, als theoretisches Fundament herangezogen, erhöhter Forschungsbedarf. Die Analysen zeigen, dass Personalisierung eine große Rolle im Kontext der personennahen Dienstleistungen spielt, da der Suchbegriff „Personalization“ in fast allen generierten Ergebnissen als zentral in der Forschungsliteratur hervorgehoben wird. Auch ist zu erkennen, dass die Strömungen der Literatur aus unterschiedlichen Bereichen kommen, jedoch ungleichmäßig verteilt sind (siehe Abbildung 6). Die prominentesten Wissenschaftsbereiche, aus denen die Digitalisierung/Automatisierung personennaher Dienstleistungen beforscht werden, sind die Dienstleistungs- und Marketingforschung. Zudem zeigt sich ein Forschungstrend, insbesondere auch durch die zunehmende Wichtigkeit der Digitalisierung, im Bereich der Wirtschaftsinformatik. Hier können vor allem die technologischen Fortschritte genutzt werden, um neue Service Experiences zu gestalten. Eine Verankerung der Thematik in der Volkswirtschaftslehre und Existenzgründungsforschung, scheint sich trotz der Relevanz für beide Bereiche, z. B. Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und auf volkswirtschaftliche Verteilung sowie auf die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle, noch nicht ergeben zu haben. Weiterhin fokussieren die am stärksten vertretenen Veröffentlichungsmedien (siehe Abbildung 7) jeweils unterschiedliche Forschungsschwerpunkte und spezialisieren sich dabei hauptsächlich eher auf die Bereiche Technologie oder Dienstleistung. Die Co-Citation-Network-Analyse zeigt jedoch eine recht intensive Vernetzung unter den Autoren, sodass die Annahme, es würde kein Austausch zwischen den Forschungsbereichen geben, nicht unterstützt werden kann.

6.

Zusammenfassung

Dieser Beitrag hatte zum Ziel, eine aktuelle Übersicht zum Forschungsstand im Themengebiet Digitalisierung/Automatisierung personennaher Dienstleistung zu geben. Hierfür wurde eine bibliometrische Analyse mit dem Analysetool Bibliometrix durchgeführt. Das Forschungsthema hat seine Wurzeln in verschiedenen Wissensgebieten, unter anderem in der Dienstleistungsforschung, Volkswirtschaftslehre, Marketing, Psychologie, sowie der Wirtschaftsinformatik. Da diese verschiedenen Wissenschaftsbereiche jedoch parallel forschen, ohne einen aktiven Wissensaustausch zu generieren, bestand der Bedarf einer schematischen Übersicht über die verschiedenen Forschungsstränge, ihre Beziehungen zueinander und ihre Bedeutung für die weitere Forschung. Eingangs wurden diesbezüglich 52.382 wissenschaftliche Artikel zum genannten Thema in der Forschungsdatenbank Scopus identifiziert und durch die dargestellten Eingrenzungen auf 515 relevante Artikel reduziert.

Digitalisierung (und Automatisierung) personennaher Dienstleistungen

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Für die Ergebnisaufbereitung wurden Methoden wie Co-Ocurrence Network, Co-Citation Analysis, Word Dynamics und Thematic Map genutzt, die eine umfassende Visualisierung ermöglichten. Ferner wurden in der bibliometrischen Analyse verschiedene Leistungskennzahlen extrahiert, wie z. B. „Total Publications“ (TP) und „Total Citations“ (TC). Die Ergebnisse fassen die Entwicklung der Digitalisierung und Automatisierung personennaher Dienstleistungen der letzten 50 Jahre zusammen und geben einen Überblick über die einflussreichsten Forschungsrichtungen und Wissenschaftler, die für zukünftige Publikationen in diesem Forschungsgebiet richtungsweisend sein können. Dabei zeigt sich ein starker Trend zur vermehrten Forschung auf diesem Themengebiet in den vergangenen fünf Jahren, denn über die Hälfte der publizierten Artikel wurde in diesem Zeitraum verfasst. Weiterhin ist die Forschung im Bereich der Digitalisierung/Automatisierung personennaher Dienstleistungen sehr Disziplinen-spezifisch und eine interdisziplinäre Forschung zwischen „Digitalisierung/Automatisierung“ und „personennahen“ Wissenschaftsgebieten fehlt. Da hier eine Forschungslücke zu erkennen ist, sollten zukünftige Forschungsvorhaben daran ansetzen Services mit der Fokussierung auf den Menschen mit Hinblick auf die Entwicklung von sinnvollen digitalen Technologien zu untersuchen. Erkennbar ist auch eine starke Vernetzung unter den Autoren, sodass ein zunehmender Austausch zwischen den Wissenschaftsgebieten wahrscheinlicher wird. Es ist somit anzunehmen, dass das Thema Digitalisierung (und Automatisierung) von personennahen Dienstleistungen an Bedeutung gewinnt und für zukünftige Forschungsvorhaben spannend bleibt. Trotz der wertvollen Erkenntnisse aus der durchgeführten bibliometrischen Analyse in diesem Forschungsbeitrag, existieren auch Schwächen. Scopus bildet nur einen Teil der wissenschaftlichen Publikationen ab. Um ein noch größeres Forschungsspektrum abbilden zu können und gegebenenfalls weiterreichende Ergebnisse zu erzielen, sollte die Literatursuche daher auf weitere Datenbanken (z. B. Web of Sciences) ausgeweitet werden.

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Marah Blaurock

Service Encounter 1.0 Theories revisited – Development of an Evaluation Scheme to assess their explanatory Relevance in the Service Encounter 2.0 Environment

1. Introduction 2. Background 2.1 Theoretical Boundary Conditions 2.2 Evolution from Service Encounter 1.0 to 2.0 3. Theory Evaluation 3.1 Identification of Relevant Service Encounter 1.0 Theories 3.2 Theory Evaluation Scheme 3.2.1 Contextual Factors bounding Service Encounter 1.0 Theories 3.2.2 Individual Factors bounding Service Encounter 1.0 Theories 3.3 Exemplary Evaluation with Role Theory 4. Discussion and Future Research Directions 5. Conclusion References

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Bruhn und K. Hadwich (Hrsg.), Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen Forum Dienstleistungsmanagement, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30166-8_8

___________________________ Marah Blaurock, M.A., is a Research Assistant at the Department of Corporate Management of Prof. Dr. Marion Büttgen, Institute of Marketing and Management, University of Hohenheim.

1.

Introduction

Theories rely on premises, which are statements that are assumed to be true and that one purports to draw conclusions from (Audi 1999). These premises are bounded by the theorist’s values and perceptions of space and time at the time of their development (Bacharach 1989). Thus, theories must be continually revisited and their assumptions must be evaluated for their explanatory relevance in changed environments. Service interactions are undergoing a paradigm change as artificial intelligence (AI) and service robots are increasingly being adopted in customer-firm interactions (Teixeira et al. 2017; van Doorn et al. 2017). For instance, many companies already use chatbots or digital agents for customer service (e.g. Jamie, ANZ bank’s digital customer support agent), customers search for information and order through digital assistants such as Apple’s Siri or Amazon’s Alexa, and the Henn-na Hotel in Japan is solely staffed by humanoid service robots. These technological advancements change the nature of the service encounter and the contexts in which services are delivered (Ostrom et al. 2015). For example, they lead to several new actor combinations in service encounters, such as employee-to-technology-to-customer (mediation), customer-to-technology (employee substitution), or even technology-to-technology (customer and employee substitution) (Wünderlich 2013; De Keyser 2019). In recent publications, service scholars systematically outline research directions for academics operating in this new environment (e.g. Matzner et al. 2018; Wirtz et al. 2018; De Keyser et al. 2019), stressing the need for a revision (van Doorn et al. 2017; Novak/ Hoffman 2019) or even for the development (Kunz et al. 2019) of service encounter theories. While scholars have begun to investigate new encounter types in experimental settings (e.g. Stock/Merkle 2018) that focus on the question of what is and where is it happening in these interactions. Nevertheless, the questions of how, when, and why and therefore, the explanation and prediction of certain phenomena in service encounters through theory have been neglected. For instance, while Solomon et al. (1985) relied on role theory, this foundation likely no longer sufficiently serves as a theoretical basis for service encounters 2.0 anymore, since fundamental premises have changed. For example, for emotional contagion, it is crucial that the service employee has the ability to show emotions in a way that can be detected by their counterpart. In interactions with service robots, this premise is not a given. This paper responds to this call and begins to fill this gap by developing an evaluation scheme to evaluate relevant service encounter 1.0 theories on their fit within the service encounter 2.0 environment. This study’s first objective is to analyze the focal changes from service encounter 1.0 to service encounter 2.0. The second aim is to identify the most relevant service encounter 1.0 theories. The third objective is to analyze the fit of the most relevant service encounter 1.0 theory in the service encounter 2.0 environment,

202

M. Blaurock

specifically for an interaction between a human customer and a humanoid socially interactive service robot. To this end, an evaluation scheme is developed. The fourth objective is to derive opportunities for future research from the insights of this analysis. Thus, this study contributes to the literature by giving scholars an overview over the most relevant service encounter theories and the key developments leading to the service encounter 2.0. It also develops an evaluation scheme for service encounter 1.0 theories, identifying key parameters which challenge their underlying theoretical assumptions. The identified focal factors enable researchers to develop new and to adapt existing models on service interactions, thereby contributing to theory development. The remainder of this paper is organized as follows. In section 2, I provide background information on theoretical boundary conditions and the evolution from service encounter 1.0 to 2.0. In section 2, I identify and present the most relevant service encounter 1.0 theories in service research. In section 3, I develop the evaluation scheme and carry out an exemplary evaluation of the identified most relevant service encounter theory. Finally, I discuss the findings and derive opportunities for future research.

2.

Background

2.1 Theoretical Boundary Conditions Theories seek to reduce complexity as well as to predict and explain natural events. Theoretical statements help to organize and to clearly communicate natural phenomena (Hall/Lindzey 1975 cited by Bacharach 1989). However, a theory is a statement of relations among concepts within a set of boundary assumptions and constraints. These assumptions encompass the „implicit values of the theorist and the often “explicit restrictions regarding space and time” (Bacharach 1989, p. 498). Further, Jaccard and Jacoby (2010) claim that a theory is a social construction. Hence, the theorist’s social schemas and beliefs about human behaviors in a service interaction at the time of the theory development bound a theory’s scope to the theorist’s previous experiences. Moreover, the constructs embedded in theory are the boundary-spanners between the theory and their representation in empirical research (Bacharach 1989). Thus, the underlying premises and constructs must be measurable in the real world for a theory to be utilizable by researchers. A theory is deemed useful if it can explain and predict natural phenomena (Bacharach 1989). It can then be utilized by researchers in empirical studies to explain and predict effects between variables and/or their outcomes. Therefore, service encounter theories must address what will happen (predict), but importantly also why, when, and how (explain). As a consequence, the utility of a theory is directly related to its spatial and temporal restrictions.

Service Encounter 1.0 Theories revisited

203

Concerning space, if theories can only be utilized in specific environments (e.g. in certain service encounter types), they succumb spatial boundaries. For instance, a theory may only hold in a retail store in which face-to-face encounters take place. Further, if a theory is only applicable in a specific historical time period, it is bounded to the dominant environmental conditions of that time. For instance, as will be outlined in the next section, technology has made a major impact on service delivery. The service encounters that are now possible were unimaginable by most theorists in the past. Thus, theories’ temporal boundary conditions must be evaluated; these restrict service encounter theories’ utility, falsifiability, and – ultimately – empirical generalizability (Bacharach 1989; Weber 2012). However, with the notion of boundary conditions, a paradox emerges concerning the evaluation of theories by their utility, generalizability, and falsifiability. On the one hand, theories cannot be overly bounded to a certain spatial or temporal condition (e.g. one firm), since they then are not generalizable enough to build a body of research on. On the other hand, overly broad theories that claim to explain almost anything in fact no longer explain anything anymore and cannot be falsified. To be falsifiable, scholars must seek to construct theories that are coherent enough to be refuted yet broad enough to predict and explain specific phenomena (Bacharach 1989). A solution to this is to evaluate the premises of standing theories to make scholars aware of their boundary conditions. These theories can then be adapted and utilized again for the prediction and explanation of phenomena that until then were bounded by their underlying theoretical assumptions.

2.2 Evolution from Service Encounter 1.0 to 2.0 In general, service encounters entail any customer-firm interactions that relate to a core service offering. They describe moments of truth that significantly shape a customer’s impression of a service firm (Voorhees et al. 2017). Service interactions encompass precore encounters (e.g. calling a restaurant to reserve a table) and post-core encounters (e.g. e-mailing the restaurant about a forgotten jacket) as well as encounters that form part of the core service delivery (e.g. being seated and served at a restaurant). Thus, the core service is defined as the timeframe during which the primary service is delivered. The primary service relates to the customer’s initial motivation to use the services offered by the service firm (Voorhees et al. 2017). Owing to the introduction of technologies into service encounters, service delivery is changing fundamentally (Bitner 2001). The service encounter 1.0 is defined as „the dyadic (role-driven) interaction of a customer and a service provider” (Surprenant/Solomon 1987, p. 84), and thus as the moment of interaction between a customer and a service firm. These interactions may take place face-to-face in physical service settings, over the phone, or online via the Internet through live chat (Bitner et al. 2000). At its core, the service encounter 1.0 is enabled by two human actors: A service employee and a customer. This dyadic nature of the service

204

M. Blaurock

encounter 1.0 is further underpinned by Czepiel (1990), who insists that research must achieve a bidirectional understanding of human service encounters. While technology may play a mediating role (e.g. phone inquiries), the customer’s counterpart in service encounters 1.0 is always a human service provider. The service encounter 2.0 has been defined as „any customer-company interaction that results from a service system that is comprised of interrelated technologies (either company or customer owned), human actors (employee and customers), physical/digital environments and company/customer processes” (Larivière et al. 2017, p. 239). It entails interactions that are not necessarily between two humans and is enabled by complex service systems. For instance, Larivière et al.’s (2017) definition encompasses interactions between a customer and a service firm via an autonomous technological device owned by a customer. Thus, it describes a quantum leap from the previous, restricted definition of the service encounter 1.0 and enables several new technology-infused service encounters (De Keyser et al. 2019) in various environments with different service interfaces (Wirtz et al. 2018). Traditionally, service researchers focused on studying service encounters between human customers and frontline employees – service interactions 1.0. However, at the start of the 21st century, several scholars began to stress the importance of technology infusion in frontline service interactions (Bitner 2001). Thereby, frontline service technology is defined as „any combination of hardware, software, information and/or networks that supports the co-creation of value between a service provider and customer at the organizational frontline” (De Keyser et al. 2019, p. 158). Accordingly, service scholars began to study phenomena in this new environment. For instance, service researchers have studied the impacts of technologies such as self-service terminals (Blut et al. 2016; Meuter et al. 2000), smart interactive services (Wünderlich et al. 2013), and – recently – chatbots (Araujo 2018; Riikkinen et al. 2018) as well as service robots (Čaić et al. 2018; Stock/Merkle 2018) on various customer and firm outcomes. Although the definition of a service encounter 2.0 includes interactions enabled by complex service systems and is not restricted to one-on-one service frontline interactions, these studies show that, even in the service encounter 2.0 environment, a customer’s perspective of the core service delivery at a distinct point of contact is of high interest. Technology may augment or substitute service employees in delivering service to a customer. Owing to these technological possibilities, the spectrum from face-to-face interactions toward customer-to-robot interactions is one of the most radical changes in service delivery. Thus, this interaction type is of high relevance and is a prime example for the need of re-evaluating standing service encounter theories and their underlying premises. Following, I will describe the technological advancements that have enabled the evolution of service encounter 1.0 to 2.0. To organize the following explanations, I refer to Figure 1. Service interactions have evolved from face-to-face interactions between two humans toward technology-mediated interactions. The technologies used in these interactions are not yet smart or autonomous; they merely mediate or augment the interaction between a

Service Encounter 1.0 Theories revisited

205

service provider and a customer (Bitner et al. 2000; Schumann et al. 2012). For instance, this stage entails augmented service interactions enabled by augmented reality devices (Hilken et al. 2017). A service provider can use technology to improve customers’ service experiences. For instance, Porsche offers customers the additional service to see the mechanical details of an engine when buying a new Porsche through augmented reality glasses. At its core, this is still an interaction between two human actors and it is therefore a service encounter 1.0. Nonetheless, this stage marks the change toward service encounters 2.0 as the importance of the physical presence of both parties during the interaction diminishes (Bolton et al. 2018) and the service interface changes (Wirtz et al. 2018). For instance, a customer orders food by calling a restaurant’s staff, collects it later, and Apple support offers customers live chat with the service staff via the Internet. Further, remote and interactive smart services occur on the verge of physical and digital realms as a customer directly interacts with a product; however, the service provider is digitally connected to a customer. For example, the gallbladder of a patient in France was successfully removed via the use of surgical robots by doctors who operated the robots from the U.S. (Minkel 2001). Moreover, through advanced software and hardware, customers and employees can interact in completely virtual worlds (De Keyser et al. 2019). Thereby, having an interaction online, embodied in personalized avatars in an artificial, virtual world. Thus, the service interface is gradually becoming more technology-dominant (Larivière et al. 2017). The second evolutionary stage is enabled by technologies such as AI, machine learning, as a subset of AI, as well as robotics and ubiquitous computing (Marinova et al. 2017; Huang/Rust 2018; Wirtz et al. 2018). Service delivery increasingly occurs in a digital setting, and the service interface is becoming technology-dominant. Thus, the level of frontline technology infusion is rising. In both physical and digital environments, some forms of technology-substituted interactions have long been established. For instance, software developments have led to widespread availability of self-service terminals in various service offering such as ATMs or self-service checkin desks at airports (Schumann et al. 2012). The Internet, personal computers, and smartphones enable online banking and online shopping. However, more sophisticated, human-like forms of automated service interactions are now also possible. With the development of sophisticated AI that is able to learn autonomously from previous interactions and that mimics human communication styles, technology is increasingly becoming a more autonomous counterpart to customers (Marinova et al. 2017). Thereby, AI refers to a set of computer science techniques that enable systems to perform tasks that normally require human intelligence, such as visual perception, speech recognition, decision-making, and language translation (Berlucchi et al. 2016). By implementing AI software in service robots defined as system-based autonomous and adaptable interfaces that interact, communicate, and deliver service to a firm’s customers (Wirtz et al. 2018) service encounters can occur without human touch in physical and digital environments. With the continual improvement of AI software, service robots may soon be able to take over most tasks previously carried out by humans and

206

M. Blaurock

that require intuitive and empathic intelligence (Huang/Rust 2018). For instance, in the physical environment, voice-operated digital assistants such as Alexa can help us to organize our daily lives. Socially interactive humanoid service robots such as iRobi can be placed in various service settings, for instance, as a teaching assistant at school (Fridin et al. 2011) as well as in elderly care (Čaić et al. 2018). In the digital environment, new interaction possibilities are emerging owing to advancements such as robo-advisors; their financial advice is purely based on algorithms without human intervention. Another example is smart chatbots that answer customer questions automatically and autonomously and learn from their encounters. These new interactions enabled by this technology surpass the service encounter 1.0 definition as one human actor is replaced by technology. Digital/Virtual environment High level of technology autonomy/intelligence

Physical environment Zero or low level of technology autonomy/intelligence

• • • •

Face to Face Human to human

Mass communication Personal devices Internet Augmented/virtual reality

Customer orders food via interaction with the waiter at a restaurant

Mediation Human to human technology mediated

Customer orders food via telephone or online via live chat in correspondence with waiter and picks up food

• • • •

Artificial intelligence Machine learning Robotics Ubiquitous computing

Substitution Human to technology

Customer orders food via interacting with a socially interactive humanoid waiter robot

Service Encounter 1.0

Service Encounter 2.0

Figure 1:

3.

Outline of the evolution from service encounter 1.0 to 2.0 (Source: adapted from de Keyser et al. 2019, p. 159f.)

Theory Evaluation

In the following sections, I will first identify the most relevant service encounter 1.0 theories. Then, adapting Bacharach’s (1989) approach, introduced in Section 2.1, I develop an evaluation scheme. Finally, I deploy the evaluation scheme by performing an exemplary evaluation of the most relevant service encounter 1.0 theory.

3.1 Identification of Relevant Service Encounter 1.0 Theories To identify relevant service encounter 1.0 theories, I built on Furrer et al.’s (2020) work. They analyzed the content of more than 3,000 articles published in 10 major academic journals for service research in the past 27 years and found 385 articles that focused on

Service Encounter 1.0 Theories revisited

207

studying service encounters. By granting me access to their database, I was able to use their literature review as a foundation for my analysis. Since researchers have recently called for the revision of theories and the development of new theories (e.g. Kunz et al. 2019), it may be assumed that new research still relies on service encounter 1.0 theories. Nonetheless, I excluded all articles published after 2012 since, from this year on, service research was on the verge of conducting studies in the service encounter 2.0 environment (e.g. Schumann et al. 2012), so as to identify the most relevant service encounter 1.0 theories. I systematically analyzed the remaining 198 articles for their theoretical bases and counted the number of articles that used the same theoretical foundation. Of the articles, 61 were exploratory or did not explicitly state an underlying theory. Another 62 identified theories were coded as other theories, since they were not applied in more than one article. Nevertheless, some of the one-time mentioned theories could be clustered under a joint theme. The remaining 75 studies did apply a clear theoretical basis. Role theory and attribution theory could be identified as very relevant theories in service research, followed by social exchange theory, appraisal theory, the theory of reasoned action, and the expectation/disconfirmation paradigm. The result of this review is presented in Figure 2. Main theories

Count

Seminal reference

Role theory

19

Broderick (1999), Solomon et al. (1985)

Attribution theory

14

Kelley (1967)

Social exchange theory

7

Homans (1958); Emerson (1976)

Appraisal theory

6

Roseman and Smith (2001)

Theory of reasoned action/ theory of planned behavior

6

Ajzen and Fisbhbein (1973); Ajzen (1991)

The expectation/disconfirmation paradigm

6

Parasuraman, Zeithaml, and Berry (1985)

Affective response theory

4

Mattila and Enz (2002)

Justice theory

3

Park, Lehto, and Park (2008)

Emotional contagion

2

Hatfield et al. (1994)

Emotional labor

2

Hochschild (1983)

Service-dominant logic

2

Vargo and Lusch (2008)

Arousal theory

2

Steenkamp and Baumgartner (1992)

Flow theory

2

Csikszentmihalyi (2000); Koufaris (2002)

Figure 2:

Overview over relevant service encounter 1.0 theories

208

M. Blaurock

Other theories

Count

Example theory and reference

(Behavioral) economic theory related

13

Equity theory (de Ruyter/Wetzels 2000); Prospect theory (Kahneman/Tversky 2012)

Emotion theory related

8

Socioemotional selectivity theory (Carstensen et al. 1999); Interpersonal theory of emotions (Parkinson 2006)

Cognition theory related

6

Cognitive dissonance theory (HarmonJones/Harmon-Jones 2007)

Relationship marketing theory related

5

Relationship marketing theory (Berry 1995)

Culture theory related

3

Theory of national culture (Hofstede 1983)

Resource theory related

2

Resource dependency theory (Pfeffer/Salancik, 2003)

Other theories

25

Queuing theory (Gross 2008); Practice theory (Cetina et al. 2005)

Theory not stated/exploratory

61

Figure 2:

Overview over relevant service encounter 1.0 theories (continued)

3.2 Theory Evaluation Scheme As outlined above, the explanatory relevance of theories is bounded by spatial and temporal boundary conditions (Bacharach 1989). Further, theories should be constructed in a way that they can answer questions of why, when, and how concerning the processes and outcomes of service encounters 2.0. Only then may they predict and explain phenomena in the service encounter 2.0 environment. In this section, I develop the evaluation scheme, which consists contextual and individual bounding factors of service encounter theories in the service encounter 2.0 environment.

3.2.1 Contextual Factors bounding Service Encounter 1.0 Theories The contextual factors of service encounters 2.0 that have changed dramatically since the development of service encounter 1.0 theories are the servicescape and the service interface (e.g. Wirtz et al. 2018). The servicescape changes premises concerning how and when service encounters take place, while the service interface affects how service is delivered. First, the servicescape is defined as „[...] the manmade, physical surrounding as opposed to the natural or social environment [...]” (Bitner 1992, p. 58). In the early 1990s, the typical service environment was a physical space in which service was delivered to customers. As outlined above, technological advancements have created multiple spatial

Service Encounter 1.0 Theories revisited

209

possibilities to deliver service to customers (Bolton et al. 2018). For instance, the digital assistant Alexa is mostly placed in private homes. Customers can utilize their smartphones almost anywhere to shop online, talk, or chat to (human and artificial) customer advisors. Further, supported by virtual reality or augmented reality technologies, service firms can not only create new online channels but can augment existing or virtually create artificial, personalized service environments. Also, via the Internet, customers have access to these new servicescapes 24/7. These various new options when designing a servicescape are relevant for spatial and temporal assumptions that underlie service encounter theories. The previous premises of service encounter 1.0 theories that service encounters usually happen in a physical environment during office hours no longer hold. This affects their explanatory relevance concerning behavior determination, since the service environment has a specific effect on how customers behave in service interactions. In a private space, socially desirable behaviors play a less important role than in retail stores where other customers are present (Grove/Fisk 1997). Thus, new servicescapes that enable service interactions in various places (physical and virtual) and at various times constitute contextual factors that bound service encounter 1.0 theories. Second, with new possibilities of technology infused service interactions, customers can choose between human and artificial service interfaces. An artificial interface can take various forms (De Keyser et al. 2019), for instance, it can be a virtual agent (e.g. Jamie, ANZ’s digital service advisor), a voice-regulated black box, however representing a female service assistant (e.g. Amazon’s Alexa), or a photo attached to an online chat box that simulates a chat (e.g. Bank of America’s chatbot Erica). Wirtz et al.’s (2018) definition of service robots includes digital agents and embodied robots. These robots can vary in their appearance, for instance in terms of their anthropomorphism, gender, and responsiveness. Thus, the service encounter 2.0 may be realized via different interface mediums, in various forms of service robot design equipped with different levels of automated social presence and agency. Thus, service encounter 1.0 theories are bounded by the temporal assumption of theorists at the time of their development in that service may be delivered directly or indirectly via a human interface. Conclusively, they are also bounded by assumptions about a service provider’s cognitive and behavioral capabilities as well as by customers’ responses to their behaviors. The new interface mediums as well as a robot’s design change how human’s respond to their service delivery counterpart. Although the effect that humans respond socially to robots has been well established in lab settings (Nass/Brave 2005; Katz/Halpern 2014), this is only true for very specific social robot types. Humans tend to use the same shortcuts for social responses when interacting with robots that trigger social cues, for instance through a human voice (Nass/Brave 2005). These responses are nonconscious and automatic. Thus, humans rely on social norms and politeness in interactions with socially interactive service robots. However, in service encounter 2.0 environments, there are several new opportunities for service interfaces.

210

M. Blaurock

Further, people make assumptions about a robot from its physical design (Nomura et al. 2006). For instance, human characteristics are attributed to very anthropomorphiclooking robots (Epley et al. 2007) and seem to evoke more trust in humans (Waytz et al. 2014) than nonhuman-looking robots. Moreover, service robots’ appearance affects how people interact with them. For example, it is increasingly noticed that customers talk to smart digital assistants such as Amazon’s Alexa differently than to a human assistant. They rather give short commands and tell directly what they want (West et al. 2019). Thus, it can be assumed that service robots evoke a new form of interaction and communication in which humans adapt to a robot’s communicative skills and develop new interaction norms. Further, research suggests that interactions with robots trigger parts of the brain that activate theory of mind assumptions, even though this effect is stronger in human interactions (Rilling et al. 2004). That is, in an interaction, humans assume that their robotic counterpart has a mental state, a theory about the world that influences its behavior. With increased accuracy of automated social presence (van Doorn et al. 2017), this effect should increase. Automated social presence is defined as the degree to which a human feels in the company of another social entity when interacting with a technological device (van Doorn et al. 2017). Thus, via new forms of communication and interaction with service robots in service encounter 2.0 environments, the two counterparts’ behaviors cannot be described by social norms that used to be consulted for interactions between two human counterparts in service encounter 1.0 environments. Agency is defined as an entity’s ability to reflect on and act reflexively toward a social environment (Archer 2000). By reflecting on past experiences, entities with agency adapt to their social surroundings and affect their sociocultural context through their presence and behaviors. At the same time, the sociocultural context sustains them (Jenkins 2008 cited by Neff/Nagy 2016). In these terms, it can be argued that very sophisticated, autonomous, and self-learning service robots have agency. However, machines reflect on their own experiences via previously defined reflection mechanisms that are not their own but are programmed by their human developers. Thus, they do not really subjectively reflect on and adapt to situations. Nonetheless, Novak and Hoffman (2019) argue that smart and connected technological interfaces may be able to autonomously and independently (without authority) interact with customers, thus taking on an actor role in service encounters enabled by machine agency. The question whether service robots have agency and are thus able to co-create value in service encounters in the same ways as persons has rarely been empirically studied in service literature. Although there has been first research into value co-creation and co-destruction in elderly care networks (Čaić et al. 2018), it cannot be concluded that humans and robots’ value creation processes are the same. It is unclear how customers perceive service robots’ behaviors which are guided by sophisticated, very realistic, self-learning AI. Some behaviors of service robots may even be perceived as creepy (Wang et al. 2015) and may lead to value co-destruction compared to when a person acts out these behaviors. Thus, machine agency cannot be equated with human agency. It can therefore not be assumed that explanations and predictions of processes and outcomes of service interactions via service encounter 1.0 theories by assumptions about actors with agency who for instance adapt

Service Encounter 1.0 Theories revisited

211

to their physical surroundings can still explain and predict the same phenomena in the service encounter 2.0 environments. The assumption about a human interface in a physical service environment in service encounter 1.0 theories cannot be transferred one-to-one to interactions with other entities such as service robots in the service encounter 2.0 environment. The physical appearance as well as the behavioral and social cues given by interfaces in various service encounter 2.0 environments may not trigger the same schemas and mental models as humans in customers. The effects of these changes on service encounters can only be accurately predicted and explained by theories that fit our digital age.

3.2.2 Individual Factors bounding Service Encounter 1.0 Theories Bacharach (1989) stresses that theorists need to state their theory’s boundaries concerning which states a theory covers and does not cover. A clear narrative that describes the subspace of the conceivable spatial and temporal states a theory covers are often missing, because it is hard to account for all possibilities. For instance, individual reactions to service delivery in the service encounter 2.0 environment (e.g. nonhuman counterparts) differ to those imaginable by most theorists before the 1990s. Thus, the how and why service interactions take place have changed. Further, for the adoption of and interaction with new technologies in service encounters, customers’ willingness to co-process is crucial (Heidenreich/Handrich 2015). I argue that, in technology-infused service interactions, this willingness to co-process depends on customers’ skills to use and attitudes toward new technologies that enable service encounters 2.0. Thus, they must be accounted for as boundary conditions of service encounter 1.0 theories. Concerning skills, some people are afraid to interact with new technology, since they fear that they will make mistakes and do not believe they have the skills set (e.g. communication skills, understanding of algorithms and mechanical reasoning) to use the technology right (Parasuraman/Colby 2015). Thus, for service encounters 2.0, the customer requires different interaction skills than in service encounters 1.0, where more natural human interaction dominates an encounter. Concerning attitudes, people (including theorists) know about properties of things (e.g. service robots) in the world through their perceptions of them. These perceptions may be more or less true. The way in which we perceive a property at a point in time (our representation of it) is called an attribute, and it influences our attitude toward the object (Bunge 1977, 1979 cited by Weber 2012). These perceptions are shaped by the individuals’ values toward and experiences with the object. Humans have protected values such as the values of privacy, honesty, authenticity, and mutual respect (Baron/Spranca 1997). These values may be broken by interactions with other entities and may therefore shape attitudes toward and motivations to engage in technology-infused service encounters (Turkle 2007). For instance, relationships to entities enabled by automated social presence are distinct phenomena from customer-provider relationships or relationships with

212

M. Blaurock

nonhuman artifacts (van Doorn et al. 2017). They may break the value of authenticity and privacy when people believe they are being deceived and fear that the collected data by the robot is not safe. Further, ethical aspects must be discussed in terms of data use, privacy, and level of autonomous decision-making of machines, which affect customers’ attitudes toward new service encounter 2.0 interactions (Wirtz et al. 2018). Through media coverage, a dystopian picture has been created of AI, which negatively influence people’s perceptions of service interactions with service robots (Sparrow/Sparrow 2006). People spread fear about machines becoming intelligent, taking over jobs and intruding on their privacy. Some claim that, owing to the automation of daily interactions, service interactions are being dehumanized (Ostrom et al. 2015) and are afraid to lose control over the machines and the long-term effects of more and more robots in our lives. The increased automation further leads to fears of job losses. Here, people may consider not just their own jobs, but also of beloved service providers and impacts on the job market in general. This in turn might lead to less trust and openness and thus negative attitudes toward (smart) technology devices. Moreover, Dietvorst et al. (2015) show that humans experience algorithm anxiety when machines make decisions for them and trust a person more, even when they have experienced that person making a mistake. Customer resistance to smart technologies is also partly explained via psychological barriers and general skepticism toward smart technologies. This means that some customers are generally skeptical toward (smart) technology and may simply refuse to interact with a smart object in service delivery (Mani/Chouk 2018). The skills and attitudes and their effects on human behaviors not yet fully known even in human-to-human interactions must be accounted for when exploring interactions in the service encounter 2.0 environments, since they describe theoretical boundary conditions of service encounter 1.0 theories. The contextual and individual bounding factors identified in this and the previous section (see Figure 3) may not all affect all underlying assumptions of service encounter 1.0 theories. Rather, each theory’s theoretical assumptions must be critically identified and evaluated with respect to these bounding factors. Such an evaluation will now exemplary be performed with role theory in the following section.

Service Encounter 1.0 Theories revisited

Contextual Factors Servicescape Anywhere (online), home, private space Service Interface Interaction medium, service robot design, automated social presence, agency

213

Individual Factors

Temporal and Spatial Assumptions Underlying SE 1.0 Theories

Skills & Attitudes Values, ethical concerns, algorithm anxiety, psychological barriers

Utility of Theory in SE 2.0 Environment

Figure 3:

Outline of the evaluation scheme for service encounter 1.0 theories

3.3 Exemplary Evaluation with Role Theory Role theory was identified as the most relevant theory in past service research. Deploying the developed evaluation scheme, I will evaluate the underlying assumptions of the theory for their contextual and individual bounding factors, relying on a specific example of a service encounter 2.0 between a socially interactive humanoid service robot and a human customer. Role theory makes a fundamental contribution to understanding the interpersonal dimensions of service encounters and is generally defined as a scientific approach to „study behaviors that are characteristics of persons within contexts and with processes that produce, explain or are affected by these behaviors” (Broderick 1999, p. 119). This theoretical approach emphasizes that persons are social actors who learn behaviors appropriate to the positions they occupy in society (Solomon et al. 1985). Thus, individuals gather a fairly standardized behaviors set over time. The appropriateness of enacting these behaviors in a role is learned from previous experiences with regards to social consensus, education, and/or professional training. Role theory relies on four key elements: role script, internal roles set, role performance, and role congruence (Broderick 1999; Solomon et al. 1985). Relying on Broderick (1999) and Solomon et al. (1985), I will now describe these elements in some detail. Role scripts are behaviors that are expected, enacted, or developed in service delivery and may be described as a coherent sequence of causal events. The demands on the role play are defined by the environment and are context-specific. For instance, the role of a customer in a fine dining restaurant differs to that in a fast food restaurant. Further, a role player’s behavior according to the script is interdependent with the counterpart’s behavior. To appropriately react to one’s counterpart, it is crucial that people have the ability to empathize with their counterpart and take their perspective. Additionally, by analyzing the counterpart’s behaviors and common service settings, implied behavioral expec-

214

M. Blaurock

tations are derived. The derived expectations change among encounters and are moderated by a person’s characteristics, cultural background, and perceptions as well as situational factors such as time, place, and service environment. It is crucial that both counterparts in service interactions read from a common role script. The internal roles set is a behaviors set established through working relationships and an understanding of individual role commitments in service provisions. Role performance entails the cumulative behaviors and actions performed by those involved in a service interaction to fulfill their roles in the encounter. It is the de facto enactment of the behaviors believed to be appropriate read from the role script. Role congruence is achieved when there is a clear understanding of role expectations and if the expectations are fulfilled in the service interaction. This congruence is mutually achieved between the counterparts and depends on well-defined and appropriate roles. In a service setting, role congruence is a twodimensional issue of intra-role and inter-role congruence. Intra-role congruence is the extent to which a person’s conception of their role is congruent with the counterpart’s conception of that role. If missing, people are unsure of what behaviors others expect from them in their role. It thus describes the extent of the inner role clarity of a person. Inter-role congruence describes the extent of agreement between both counterparts in a service interaction concerning the appropriate role behaviors to be expressed. A lack of clarity affects the efficiency of an encounter. To become clear about their own role expectations, a counterpart must understand the other’s role. Here, the first impression is pervasive. Customers look for hints and tangible signs of the counterpart’s capability to deliver service to their expectations and assign them their role accordingly. Thus, the first interaction marks a critical assimilation phase and sets the basis for future encounters, which strongly effects the nature and tone of the interaction. From the elements constituting role theory, several underlying theoretical assumptions can be derived that bound the theory’s explanatory power to explain service delivery processes and outcomes in service encounters 2.0. To evaluate these assumptions, I draw on the example of a service encounter 2.0 between a human customer provider and an embodied socially interactive humanoid service robot. This robot type is defined as an autonomous entity that can deliver service to their counterpart in a human-like way (Breazeal 2004). Further, humanoid robots are designed with the aim to realize their hardware with human physical structure and properties (Yamane/Murai 2016). First, the theory assumes that a service interface is an actor who plays out their role in joint play with the customer. In terms of the joint play, it is crucial that the counterparts are in a common physical environment. With this robot type, service interactions most likely take place in a service firm’s store. Thus, in terms of the servicescape, there are now bounding conditions in this service encounter 2.0 type. However, concerning the interface, a socially interactive robot must be equipped with sophisticated software that allows the interaction to flow and the robot to autonomously decide on which behavior to play out. Thus, the robot needs to have an internal roles set and the physical capabilities to play out the role in a way that allows role congruence to arise between the two actors.

Service Encounter 1.0 Theories revisited

215

In order for role congruence to emerge, the theory secondly assumes that the two actors understand their role expectations, give social cues, and can empathize with their counterpart, that is, they appropriately act out their roles in relation to the context and their counterpart. It may be argued that robots are able to act out role scripts, as they may be defined as learned, formalizable sequences of causal chains of behaviors that are easy to learn via machine learning (Schank 1980) and very evolved robot types may be able to mimic human behaviors astonishingly well (Haselton 2018). Further, with increased automated social presence and machine agency ascription, socially interactive humanoid service robots may be recognized as social counterparts. Nonetheless, social cues as in human interactions may be read differently by customers when acted out by a robot. For instance, a robot’s attempt at small talk may not be experienced as an authentic and pleasant interaction. Also, persons do not ascribe the same level of warmth to a robot as to a human, partly owing to a robot’s physical incapability to be able to enact a level of warmth, e.g. with an authentic smile (Čaić et al. 2018). Moreover, machine agency is not equally to human agency. Thus, one may conclude that robots cannot be seen as individual actors who have an individual view and impact on their social surroundings equal to a human actor with agency. Therefore, the robot interface, with its technological capabilities, is a contextual bounding factor for service encounter 1.0 theories. The assumption of role theory about a natural social interaction between two actors in a service setting in which both parties communicate fluently must also be evaluated for individual boundary conditions. In some service encounters 2.0, customers need new interactions skills, for instance, when they must give precise commands to a technological device or must properly use a technological device to start an interaction. Concerning socially interactive service robots, this is not strong a boundary to the theory, since a customer may talk to a robot in a similar way as to a human counterpart and thus requires no additional skills. However, in order for role congruence to emerge, customers’ will have to learn to take the perspective of as well as to read behavioral (social) cues enacted by a nonhuman entity and understand their technology-enabled way of reasoning. Further, role theory assumes that actors react to their equal counterpart and read social cues in a human, social way. Thus, they literally interact in a service encounter to cocreate value by enacting their roles and communicating openly. In a service encounter 2.0 with a humanoid service robot, the assumption of open communication and two actors with agency who read the other’s social cues and act accordingly is bounded by individual attitudes toward nonhuman entities. Humans have different attitudes toward robots than toward other humans. As outlined above, these are shaped by ethical concerns and individual properties such as personal values, algorithm anxiety, and psychological barriers (e.g. privacy concerns and general skepticism to interact with nonhuman entities) (Baron/Spranca 1997; Dietvorst et al. 2015; Mani/Chouk 2018). This affects their trust and openness in an interaction (Dietvorst et al. 2015), which in turn affects their behavior toward their counterpart. Thus, they will share less information as well as fewer social cues and may not know how to act out their role toward a robot. Moreover, the

216

M. Blaurock

attitude toward the counterpart strongly affects the nature and tone of the interaction. As one player identifies a role, the other’s role is simultaneously defined, and behavior that is perceived to be appropriate is enacted. In an interaction with a humanoid robot, it cannot be assumed that the interaction follows common social norms. This challenges the assumption of the possibility of role congruence emerging through reading from a common role script and the customer’s perception of the robot as equal to a human actor with agency. One may well assume that human customers do not act in the same way with a robot as with another person. Either new forms of interaction with robots emerge, or the theoretical assumptions about role congruence must be altered. An overview over the evaluation is outlined in Figure 4. Contextual boundary factors

Theoretical assumption Direct interaction between social actors

„ „ „

Actors have an internal role set/agency Actors are able to enact their roles in joint play Actors understand their role expectations

Role congruence emergence through taking the other actor’s perspective (emphasizing) – appropriate role play in relation to context

„ „

„

Actors can show social cues Actors react to their counterpart & read social cues in a human, social way Actors read from a common role script

Individual boundary factors

Service Interface (SI):

„

„ „

Not all SI have an internal role set programmed or are able to learn & adapt Machine ≠ human agency Missing physical capabilities to act out their role

Service Interface (SI):

Customer skills:

„

„

„

Missing physical capabilities to show social cues SI cannot emphasize, not enough autonomy to react individually on customers’ individual behaviors

„

Customer attitudes towards nonhuman actors:

„

„

Figure 4:

Taking a non-human perspective; understand robotic reasoning Reading social cues of nonhuman SI

Impact on customers’ openness & trust; give less information & social cues; unwillingness to co-process Lead to different perception of role; no common role script; different/new (social) norms

Overview over role theory evaluation for SE 2.0 with a socially interactive, humanoid service robot

Service Encounter 1.0 Theories revisited

4.

217

Discussion and Future Research Directions

In this conceptual paper, an evaluation scheme for service encounter 1.0 theories was developed to evaluate their fit as a theoretical foundation for service interactions in the service encounter 2.0 environment. To identify relevant service encounter 1.0 theories to be evaluated, I undertook an extensive literature review, identifying role theory as the most relevant service encounter 1.0 theory. In the development of the evaluation scheme the servicescape as well as the service interface were identified as contextual boundary conditions for the underlying assumptions of service encounter 1.0 theories. Likewise, individual factors such as necessary skills to interact with and attitudes toward new technologies that enable various interactions in service encounter 2.0 environment, were identified. Thus, they impact past theoretical assumptions underlying service encounter theories. This analysis contributes to literature in several ways. First, it provides an overview over the technological advancements and changed factors during the evolution from service encounter 1.0 to service encounter 2.0 (Figure 1), connecting several separate insights from previous research (Solomon et al. 1985; Wünderlich et al. 2013; Marinova et al. 2017; Wirtz et al. 2018; De Keyser et al. 2019) in a comprehensive model. Second, to my best knowledge, this is the first study to focus on identifying theoretical bases of service encounter studies through a systematic literature review. This thorough review gives scholars an overview over 20 years of theoretical foundations used in service research (Figure 2). Third, this research contributes to literature by developing an evaluation scheme (Figure 3) for these theories, in that identifying crucial boundary conditions in the service encounter 2.0 environment. The identified focal factors (i.e. the influences of the servicescape, the service interface, customer skills, and attitudes on theoretical assumptions) allow researchers to develop new and to adapt existing theories about service interactions. Forth, this conceptual work provides an evaluation of role theory (Figure 4) for an interaction with a humanoid socially interactive service robot revealing that it is bounded by theoretical assumptions about capabilities of the service interface to act out their role and show appropriate behavioral cues. Further, it is bounded by customers’ attitudes towards robots and the interpretaion of nonhuman social behavior which in turn affects their willingness to co-process. In its evaluated form role theory may be applied as a theoretical foundation for service interactions in the service encounter 2.0 environment. Hence, the study marks a start of filling the identified gap of theory adaptation and development in a changed service environment (Kunz et al. 2019; Novak/Hoffman 2019). Although this work offers several new insights, some limitations of this research have to be considered which constitute starting points for future research. First, the literature review only considered articles in the top 10 service research journals in a limited timeframe. It can be argued that including more studies from other journals over a longer period of time may provide more concise insights into the theoretical foundations of past service encounter studies. Although I derived the identified contextual and individual

218

M. Blaurock

boundary conditions in the evaluation scheme from a thorough literature review, more boundary conditions may be relevant. For instance, with the continuous advancement of frontline service technology, new interaction forms will not be covered and lead to additional theoretical boundary conditions. Further, with technological advancements, some of the here identified boundary conditions might be overthrown. For example, if designers are able to create robots that are indistinguishable from humans, the interface may no longer be a relevant boundary condition. Thus, this analysis itself is bounded by the author’s temporal and spatial boundary conditions. Moreover, while I relied on seminal articles of the identified theories and their underlying assumptions, researchers have further developed these theories over time. For instance, social exchange theory has been applied in many disciplines, which have adapted the theory to their needs (Emerson 1976). All these aspects should be considered when conducting further evaluations on theories and a thorough analysis of their definition and use in the literature provided. The analyses undertaken in this research present opportunities for future research. Following, I provide a compilation of research questions I derived from this research. „ „ „ „

„ „

„

How far do theories need to be further adapted or newly evaluated to serve as a theoretical basis for all technology-infused frontline interactions, including interactions between autonomous smart technology devices (De Keyser et al. 2019)? Which other assumptions about service interactions and human behaviors form boundary conditions for the underlying assumptions of existing service encounter theories? Which new assumptions about service interactions and human behaviors arise in the service encounter 2.0 environment? What are the theoretical differences in explaining the differences between artificially intelligent social machines and humans? How can customer reactions such as surprise, delight, and behavioral responses (e.g. word of mouth) in a service interaction in the future be predicted and explained when triggered by an artificial intelligent, social, likeable machine compared to a human? How do technologies attached to (e.g. smartwatches) or (in the future) implemented in the customer’s body (e.g. smart contact lenses, brain chips) affect contextual or individual boundary conditions? Which attributes do customers assign to different service robot types with various intelligence levels (Huang/Rust 2018) and how do they differ from human service delivery (Wirtz et al. 2018)? What can theoretically be assumed about their influences on the service delivery process and outcomes? Do interactions with AI technologies represent a completely new form of interaction that cannot be explained by sociological or psychological theories but mark a new field of study? For instance, AI can be perceived as a human counterpart and as a technological device at the same time (Mick/Fournier 1998).

Service Encounter 1.0 Theories revisited

5.

219

Conclusion

„Together with globalization, the influence of technology on service is the most profound trend affecting services marketing today” (Bitner 2001, p. 375). Mary Jo Bitner made this statement at the beginning of the 21st century. Almost two decades later and at the verge of the fifth industrial revolution (Schwab 2016), technology is not just a variable to account for in specific cases. It is the new norm. The daily lives of customers and employees are infused with technologies. These technologies are developing at a breakneck pace and are becoming smarter and more sophisticated by the minute. Thus, the environment we live in is continuously changing, forcing us to continually learn and adapt. Transformation has become a constant in service environments. Yet, service research still relies on theories build in the last century. It is not clear whether the theoretical bases researchers typically relied on in the past still have enough explanatory power for the mechanism that underlie these new service encounters. Hence, this research helps to evolve service research into a new age. All identified factors should be considered and frequently reconsidered when evaluating and developing theories suited to the digital age as well as when conducting research in this new environment. Researchers will thus make more sustainable predictions as well as explanations of phenomena in the digital age paradoxically by constantly re-evaluating and adapting their underlying assumptions.

Acknowledgements I thank Prof. Dr. Olivier Furrer and colleagues for allowing me to use their dataset as a basis for further analysis in this research. Additionally, I thank Prof. Dr. Cécile Delcourt, Prof. Dr. Marion Büttgen, and Dr. Stephanie Haager for their constructive comments on previous versions of this manuscript.

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Eva-Helen Krehl

How Technology is changing Employees’ Roles in the Service Encounter – A Skill-based Analysis

1. Introduction 2. Use of Technology in Service Encounters 2.1 Definition of Frontline Service Technologies 2.2 Classification of Frontline Service Technologies 3. Transformed Employee Roles in Technology-Based Service Encounters 4. Employee Skills in Technology-Based Service Encounters 4.1 Development of a Skill-Based Framework 4.2 Archetype- and Role-Specific Frontline Service Employee Skills 5. Discussion References ___________________________ Eva-Helen Krehl, M.Sc., is a Project Manager at a major German bank focusing on digital transformation and a doctoral candidate at the Department for Corporate Management at the University of Hohenheim.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Bruhn und K. Hadwich (Hrsg.), Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen Forum Dienstleistungsmanagement, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30166-8_9

1.

Introduction

The use of new technologies, such as robotic process automation, artificial intelligence (AI), or virtual reality, is increasingly reshaping the service industry by changing the service production and delivery process, representing a substantial source of innovation but, at the same time, threatening human jobs (Breidbach/Maglio 2016; Breidbach et al. 2018; Huang/Rust 2018). Many parts of service interactions have already been automated through the usage of new technologies, thus turning customer service into self-service (Fluss 2017; Huang/Rust 2018). For example, service robots with a physical representation such as Pepper, which is used in retail stores to take and fulfill orders, or virtual representation, such as Alexa, which can be used for voice-based banking (Keating et al. 2018; Wirtz et al. 2018). It is difficult to predict the impact of these new technologies (Breidbach et al. 2018; Keyser et al. 2019). However, the employee’s role is changing in an evolving service context, where technology is increasingly substituting for service employees in practice (Bowen 2016). It is important to note that employees still play an essential role in service interactions. Organizations gain the highest performance improvements when humans and machines work together, compared to technology-free or full technology service encounters (Wilson/Daugherty 2018). Employees remain important actors in service interactions, since humans can empower virtual robots in multiple ways, for example, by teaching them what they need to do, or explaining the outcomes to other human actors to enhance transparency (Wilson/Daugherty 2018). However, to date, there is little research on what specific skills are needed for service employees to execute their role in the technology-based service encounter (Larivière et al. 2017). Nevertheless, employees should know which human skills are required in combination with new technologies to achieve high service outcomes (Wilson/Daugherty 2018). Therefore, an essential question arises: Which specific skills do service employees need in the technology-based service encounter? The answer to this question is also crucial from an organizational point of view to be able to hire and train employees accordingly (Larivière et al. 2017). Thus, following the call for further research on what specific skills underlie the service employee role in the service encounter (Larivière et al. 2017), the core purpose of this paper is to examine employee roles and concordant skills in technology-based service encounters. As a first step, this paper aims to show how technology is impacting service employees and, hence, begins by classifying the different roles of technology in the service encounter based on the archetypes of Keyser et al. (2019). Further, the second purpose of this paper is to present the key roles of employees in the technology-based service encounter identified by Bowen (2016) and Larivière et al. (2017). After determining the key roles of technology and service employees, the paper addresses its third and core purpose which

230

E.-H. Krehl

is to compile a skill-based framework for service employees and deduce role-specific skills by combining the aforementioned approaches (see Figure 1). Chapter 2.2: Classification of Frontline Service Technologies into Eight Archetypes (Keyser et al. 2019) Chapter 3: Transformed Employee Roles in Technology-based Service Encounters (Bowen 2016; Larivière et al. 2017)

Chapter 4.2: Archetype- and Rolespecific Frontline Service Employee Skills

Chapter 4.1: Development of a Skill-based Framework (Hennig-Thurau 2004; Peterson et al. 2001)

Figure 1:

Overview of core chapter structure of this paper

The contribution of this paper is threefold. First, it provides an overview of a classification of frontline service technologies in eight different archetypes (Keyser et al. 2019). Second, it contributes by providing insights into the current academic discussion about how technology is changing employees’ roles in service interactions (Bowen 2016; Larivière et al. 2017). Third, this paper makes an important contribution by synthesizing the archetypes and employee roles and, consequently, developing a frontline service employee (FLSE) skill-based framework (Peterson et al. 2001; Hennig‐Thurau 2004). Finally, this paper discusses potential managerial implications and future research directions and thereby contributes to the current service literature.

2.

Use of Technology in Service Encounters

2.1 Definition of Frontline Service Technologies In the recent past, the service encounter was described as “personal interactions between customers and employees” (Bitner et al. 1990), a “game between persons” (Bowen 2016) or a “high-touch, low-tech” encounter (Giebelhausen et al. 2014). Today, however, the service encounter is changing rapidly due to the frontline service technology (FST) infusion, which is now omnipresent (Keyser et al. 2019). According to van Doorn et al. (2017), “technology infusion” is defined as “the incorporation by service organizations of technological elements into the customer’s frontline experience” (p. 43). Thereby, organizations aim to reduce costs and manage service employees and, at the same time, offer better and more personalized services (Rust/Huang 2014). Examples of FSTs range from ATMs to humanoid advanced robots or Internet of Things (IoT) applications (Mende et al. 2019).

How Technology is Changing Employees’ Roles in the Service Encounter

231

2.2 Classification of Frontline Service Technologies This chapter provides a classification scheme of the different FST infusion archetypes based on previous research by Keyser et al. (2019), enriched by the insights of Froehle and Roth (2004), Larivière et al. (2017), and Marinova et al. (2017). Keyser et al. (2019) use a conceptual approach to update and extend existing classifications of FST. The set of different FST archetypes helps us to understand how technology is changing the service encounter. Keyser et al. (2019) claim that, in practice, customer journeys typically consist of a combination of several archetypes. The classification scheme roughly categorizes technology-based services into four criteria: technology-free, technology-augmented, technology-substituted, and full technology service encounters (Keyser et al. 2019). The technology-augmented service encounters comprise technology-assisted, technology-facilitated and technology-mediated service encounters (see Figure 2). Technology

FLSE

Technology

Customer

A) Technology-free FLSE and customer encounter

FLSE

B) Technology-assisted FLSE (and customer) encounter

Technology

FLSE

Technology

Customer

C) Technology-assisted customer (and FLSE) encounter

FLSE

Technology

Customer

E) Technology-mediated FLSE and customer encounter

FLSE

Technology

Customer

G) Technology-substituted customer encounter

Figure 2:

Customer

F) Technology-substituted FLSE encounter

Technology

FLSE

Customer

D) Technology-facilitated FLSE and customer encounter

Technology

FLSE

Customer

FLSE

Customer

H) Full technology encounter

Overview of Frontline Service Technology archetypes (Source: Froehle/Roth 2004, p. 3; Keyser et al. 2019, p. 159)

232

E.-H. Krehl

(A) Technology-free FLSE and Customer Service Encounter The technology-free service encounter, in which technology does not take part, is not further considered in this analysis, since this paper concentrates on technology-infused service encounters (Keyser et al. 2019). (B) Technology-assisted FLSE (and Customer) Encounter Froehle and Roth (2004) describe this archetype as “technology-assisted customer contact,” which underlines the fact that technology is used as assistance to improve the customer contact. In general, technology supports human thinking and behavior in the service encounter (Larivière et al. 2017; Marinova et al. 2017; Keating et al. 2018). A closer look at the employee role and tasks in this archetype reveals that FLSEs use technology to provide a better service encounter outcome and thereby differentiate their services from similar standardized service offerings (Larivière et al. 2017). Due to the direct interaction between customers and FLSEs, employees gain the chance to develop a deep understanding of their customers and improve the customer relationship by delivering great service (Huang/Rust 2017; Wirtz et al. 2018). One common example is airline or hotel check-ins when FLSEs get assistance from a service terminal to check in their customers. In this situation, customers do not have access to the technology (Froehle/Roth 2004). Another emerging example is augmented reality (AR) catering menus, where service employees are able to present the food directly on the table in front of their customers (Keating et al. 2018). As a third example, smart glasses are smart technologies that augment service employees’ capacity (Huang/Rust 2017). Using smart glasses, FLSEs can receive real-time customer-specific information to support individual cross selling offerings (Huang/Rust 2017; Larivière et al. 2017). To conclude, it may be stated that, in the technology-assisted FLSE (and customer) encounter archetype, service employees can make use of the high human touch to differentiate themselves from competitors, which is needed since differentiation is important in more standardized services (e.g., airline check-in) with a low amount of tech. Moreover, the customer interaction with and direct physical presence of the FLSEs are valuable means to understanding the customers and being able to generate innovative ideas for an even better customer experience (Keyser et al. 2019). (C) Technology-assisted Customer (and FLSE) Encounter In turn, the technology-assisted customer (and FLSE) encounter archetype represents service encounters in which the customer – and not the FLSE – is augmented by technology (Keyser et al. 2019). Since more and more customers are non-stop online with one or more mobile devices and other wearables, this archetype becomes increasingly relevant (Keyser et al. 2019). Research about in-store mobile phone use shows the customers’ distraction through the parallel use of mobile devices (e.g., comparing prices) and the decreasing im-

How Technology is Changing Employees’ Roles in the Service Encounter

233

pact on point-of-purchase sales (Grewal et al. 2018). Losing sales to the internet can negatively impact FLSEs who may feel threatened in their role as sales persons (Rapp et al. 2015). Applications are emerging on the market, such as Google Lens, which supports customers in obtaining real-time relevant product information by scanning (Keyser et al. 2019). This could help FLSEs to spend the majority of their time on providing complex information to customers and referring to the app for other less important details. Employee tasks in this archetype are mainly the customer interaction, whereby a company could make a difference, such as providing an innovative application for their customers to support the sales experience. Human interaction remains important in this archetype, since, to this point, “human capital remains a non-substitutable source of innovation and creativity” (Bowen 2016). (D) Technology-facilitated FLSE and Customer Encounter Froehle and Roth (2004) call this archetype “technology-facilitated customer contact.” Here FLSEs, as well as the customers, do have access to the technology. The interaction can be described as technology that creates a connection between an FLSE and a customer (Larivière et al. 2017). FLSEs enable their customers to commonly use the technology in the service encounter. Due to the use of technology, service employees are able to handle complex service situations that could never be managed manually (Bitner et al. 2000). One example is online counselling or education that is done mostly online (Keating et al. 2018). Another example is IKEA’s kitchen co-design approach, which is applied in direct physical presence of the customer and FLSE (Keyser et al. 2019). An emerging example is the Microsoft HoloLenses, which allows users to see different Lowe’s kitchen layouts in real-time while receiving assistance from an FLSE (Keyser et al. 2019). (E) Technology-mediated FLSE and Customer Encounter The technology-mediated encounter archetype (Froehle/Roth 2004) is characterized by connecting geographically separated actors (Keyser et al. 2019). Technology enables the interaction between customers and FLSEs who are physically co-located (Froehle/Roth 2004). Through the use of technology, the perceived distance is reduced and other benefits, such as time efficiency, convenience, or cost reduction, gain in value (Keyser et al. 2019). Employees’ tasks in this archetype focus on technological skills, which make them feel confident when using the technology. Typical examples of this archetype are service encounters via phone, e-mail, or live chat (Keyser et al. 2019). A more recent use is the case of transatlantic surgery, for example, when US surgeons control a surgical robot working in a European hospital (Schumann et al. 2012).

234

E.-H. Krehl

(F) Technology-substituted FLSE Encounter This archetype involves service encounters where technology substitutes for customers, for example, through IoT applications. Technologies either make decisions autonomously on behalf of their customers (e.g., “sense” customers’ locations) or use pre-defined customer preferences (e.g., characteristics or behaviors which trigger actions) (Verhoef et al. 2017; Keyser et al. 2019). In this case, FLSEs communicate with technologies instead of customers (Keyser et al. 2019), and thereby high technical skills are required. The interaction happens mainly remotely, meaning the service provider is able to access the service object while being co-located (Schumann et al. 2012). Examples can be found in the fields of IT, such as remote control of IT systems, or in engineering, such as remote repair or maintenance (Keyser et al. 2019). Another example is Google Duplex, the technology makes calls on behalf of their users to schedule appointments (Keyser et al. 2019). The advantage of this archetype is to provide the highest convenience to their customers by undertaking actions on their behalf and not being restricted to a location (Berry et al. 2002; Schumann et al. 2012; Keyser et al. 2019). (G) Technology-substituted Customer Encounter In the archetype of the technology-substituted customer encounter, employees are completely replaced by technology. There is no interaction between the FLSE and the customer needed (Bitner et al. 2000; Keating et al. 2018). The use of technologies in this archetype is typically represented in the example of self-service technologies, such as ATMs, online banking, online retailing, or automated car washes (Froehle/Roth 2004; Scherer et al. 2015; Keyser et al. 2019). The substituted tasks are highly commoditized, very simple to perform, and repetitive (Huang/Rust 2017). Driverless cars are another upcoming example where highly commoditized transactional services involve no humans (Huang/Rust 2017). The value of this archetype can be summarized as its higher flexibility (Meuter et al. 2000) and convenience for the customer (Berry et al. 2002; Ding et al. 2007), as well as increased customer satisfaction resulting from a high participation level (Dong et al. 2015). (H) Full Technology Encounter Finally, the full technology encounter entails situations where no active involvement of either FLSEs or customers is needed (Keyser et al. 2019). According to van Doorn et al. (2017), machine-to-machine (M2M) transactions will gain importance due to current IoT developments. M2M is described as fully automated service encounters with minimal human intervention (van Doorn et al. 2017). One example of this emerging archetype is toll programs, where transponders inside cars interact with sensors in toll lanes when driving through the toll station. The system works by using a connected prepaid toll account and no action – from an FLSE or customer – during the journey is required (Keyser et al. 2019). This archetype provides a high service convenience and fast service delivery for customers, as well as cost savings for the service provider (Berry et al. 2002).

How Technology is Changing Employees’ Roles in the Service Encounter

235

Taken together, FST plays two key roles in the service encounter: one is technology as human augmentation (archetypes B – F), and the other is technology as human substitution (archetypes G and H). Archetype F is a borderline case, since FLSEs are augmented and customers are substituted by technology. However, this paper concentrates on the role of FTEs, therefore archetype F is included in the further analysis of human-augmented service encounters. The focus of the next chapter is on the transformed employee roles in the service encounter, where FLSEs are not substituted.

3.

Transformed Employee Roles in Technology-Based Service Encounters

The role of service employees has changed dramatically over the last decades (Bowen 2016). In earlier works, the dyadic interactions between service employees and customers were the focus (Solomon et al. 1985). Currently, the context in which service encounters take place has evolved from dyadic interactions to technology-enabled complex service networks (Tax et al. 2013). Further, the analysis of service outcomes has shifted from service quality and service satisfaction to overall customer experience (Maklan/Klaus 2011; Bowen 2016; Verhoef et al. 2017). However, little research has examined which roles service employees fill in a more complex and technology-enabled service context. Some notable exceptions include Bowen (2016) and Larivière et al.’s (2017) studies, presenting four transformed employee roles: the innovator, differentiator, enabler, and coordinator. Bowen (2016) introduces these roles in the light of an evolving service context, whereas Larivière et al. (2017) draw on these elaborations and also indicate that the traditional service employee role, delivering the service, persists in various services today. Nevertheless, it is relevant to understand how employee roles are already changing to prepare for the future of the human workforce (Larivière et al. 2017). It is also important to mention that service employees could perform one or more of the four roles at the same time, meaning that these roles do not exclude each other (Bowen 2016; Larivière et al. 2017). The Role of Innovator One transformed role of service employees is the role as innovator (Larivière et al. 2017). The innovator role is an important one since “human capital remains a non-substitutional source of innovation and creativity” (Bowen 2016). This might seem to be no new finding, but especially in combination with technology, service employees can create innovative ideas, which are scalable and customized (Brynjolfsson/McAfee 2012). Ordanini and Parasuraman (2011) find that collaborating with contact employees in the service innovation process enhances both innovation volume and innovation radicalness.

236

E.-H. Krehl

Innovation volume was operationalized as the number of service innovations implemented for one year, and innovation radicalness was defined as the extent to which a firm’s new service is radically distinguished from current offerings (Ordanini/Parasuraman 2011). They explain that the strong effect is based on the frequent and close interactions with the customers and, therefore, being able to identify room for improvement (Ordanini/Parasuraman 2011). Lages and Piercy (2012) investigate, in their study about service innovation, the drivers of employee generation of ideas for service improvement (GISI). Their research shows that employee reading of customer needs is the major driver of the GISI (Lages/Piercy 2012). These results lead to the managerial implication of carefully selecting and recruiting service employees, especially paying attention to their ability to read customer needs (Lages /Piercy 2012). The Role of Differentiator In the role as differentiators, the service employees are making the difference for customers, and not the technology which can − in most cases − be replicated easily (Wirtz/Jerger 2016; Larivière et al. 2017). Often, small details make a big difference, especially when competitors only differentiate by price (Bolton et al. 2014). But, only by adding the right degree of human touch to the service encounter will service employees be able to differentiate from competitors (Bowen 2016). Service employees must be behaviorally equipped to handle a wide variety of difficult situations; therefore, the most relevant skills are mainly interpersonal skills and social skills (Wirtz/Jerger 2016). The fit between an organization’s brand and employees is described as employee brand identification, and it impacts the service quality (Hurrell/Scholarios 2014). Research by Hurrell and Scholarios (2014) shows evidence that “the people make the brand” in services. Their findings support the proposition “that employee brand identification will be strong in organizations that report few social skill gaps” and vice versa (Hurrell/Scholarios 2014). The authors define the various needed social skills, such as service orientation or social perception skills (Peterson et al. 2001). Thus, employees’ brand identity and social skills could be some of the small details which make the difference for customers in the service encounter. The Role of Enabler Another service employee role in the transformed service context is the enabler role (Bowen 2016). Due to technology infusion in the service encounter, FLSEs augmented or substituted by technology. However, using new technologies could lead to a negative or frustrating customer experience, for example, when problems occur due to difficulties in the process. By performing the enabler role, employees have the chance to reverse this negative experience into a positive and satisfying experience (Larivière et al. 2017) by empowering their customers to successfully use new technology. FLSEs enable customers, as well as technology, to perform in the service encounter and thereby support an

How Technology is Changing Employees’ Roles in the Service Encounter

237

improved service outcome (Bowen 2016). The focus lies on how the employee can add to the technology-customer exchange, and not on how technology can add to the employee –customer exchange (Bowen 2016). Research by Parasuraman (2000) concerning the “technology readiness” of service employees and customers shows that employees must assist customers with a low technology readiness index to enable them using technology-based systems (Bowen 2016). Wünderlich et al. (2013) reveal how service employees can contribute to the customers’ acceptance of technology-based, smart interactive services, for example, by increasing social presence. The Role of Coordinator The final transformed service employee role proposed by Bowen (2016) and Larivière et al. (2017) is the coordinator role. Traditionally the “service encounter” is a dyadic concept including the service provider and the customer (Tax et al. 2013). But, in times of technology infusion, from a customer’s perspective, not only one service provider takes part in the customer’s journey. Leading and subordinate service providers act together in a service delivery network (Tax et al. 2013). In this service delivery network, customers act as “resource integrators” to pursue a specific objective (Lusch/Vargo 2006). In the context of complex service systems and networks, such as those based on technical platforms, the service employee role of the coordinator becomes increasingly relevant (Ostrom et al. 2015). The several interactions among multiple parties require active coordination by service employees (Larivière et al. 2017). Besides handling coordinative tasks, service employees act as a harmonizing party among the network partners to manage the interdependencies (Tax et al. 2013). A good customer experience gains value through consistency and connectivity of touchpoints, which assure seamless transitions (Homburg et al. 2017). According to Bowen (2016), additional research is required to specify the skills that employees (and customers) need to perform the coordinator role. Indeed, resource management is an important skill to integrate and manage resources from one’s own organization and other network partners (Bowen 2016). For example, in engineering service ecosystems in the automotive industry, interdependencies among several actors, such as the provider of engineering services, the vehicle manufacturer, the test bench specialist and different suppliers, need to be coordinated (Becker 2019).

To sum up, these four roles clearly emphasize the contribution of service employees in technology-based service encounters and answer the question how technology changes FLSEs’ roles (Larivière et al. 2017). FLSEs assume these roles in “varying degrees depending on the context” (Bowen 2016, p. 8).

238

4.

E.-H. Krehl

Employee Skills in Technology-Based Service Encounters

4.1 Development of a Skill-Based Framework After having delineated the roles technology can have in the service encounter and how employee roles are transformed due to technological impact, this chapter will now focus on the essential component of employee skills. The following section concentrates on the specific skills employees will need in the context of new technologies in the service encounter. Skills can be defined as a person’s level of competency to perform a task and can be improved by training or gaining experience in specific tasks (Peterson et al. 2001). To provide a more detailed overview about the specific skills across all employee roles and human-augmented archetypes, a skill-based framework was developed based on existing construct definitions. The skills taxonomy by Peterson et al. (2001) and the skill dimensions of the customer orientation of service employees (COSE) (Hennig‐Thurau 2004) were used as a basis for the conceptualization of the FLSE skill-based framework. The skills taxonomy by Peterson et al. (2001) concentrates on environmental change, since it was originally developed to answer the question of what skills should be developed in the workforce due to technological changes. The taxonomy is separated into two dimensions: basic skills (content and process skills) and cross-functional skills (problem-solving, social, technical, systems, and resource management skills) (Peterson et al. 2001). Additionally, the four-dimensional conceptualization of the COSE skills was especially created for service employees, since customer orientation was identified as the major element of a service (Hennig‐Thurau 2004). The four COSE dimensions are social skills, technical skills, motivation, and authority (Hennig‐Thurau 2004). By synthesizing both elaborations, service employee skills with a focus on customer orientation in a changing context are covered. As a result of merging the skills taxonomy (Peterson et al. 2001) and the COSE dimensions (Hennig-Thurau 2004), a skill-based framework was developed, concentrating on FLSE skills in the technology-infused service encounter. The FLSE skill framework consists of six dimensions: social skills, technical skills, problem-solving skills, resource management skills, decision-making authority, and motivation. Each of the six dimensions can be broken down to several subdimensions (see Figure 3).

How Technology is Changing Employees’ Roles in the Service Encounter

239

Skill-based Framework for Frontline Service Employees BASIC SKILLS Social Skills (Peterson et al. 2001; Hennig-Thurau 2004):

„ „ „

Having extensive social skills/high social perceptiveness Being able to consider customers’ perspectives Knowing how to treat a customer well/high service orientation

Technical Skills (Hennig-Thurau 2004):

„ „ „

Having a high level of knowledge Being experts in their job Being highly competent CROSS-FUNCTIONAL SKILLS

Problem-solving Skills (Peterson et al. 2001):

„ „ „

Being able to identify problems Being able to generate innovative ideas Showing a high solution orientation

Resource Management Skills (Peterson et al. 2001):

„ „ „

Having a high level of time management skills Knowing how to manage material resources Knowing how to manage personnel resources ESSENTIALS TO TRANSFER FLSE SKILLS INTO BEHAVIORS

Decision-making Authority (Hennig-Thurau 2004):

„ „ „

Being able to decide autonomously in customer matters Having appropriate room to maneuver in solving customer problems Not needing to ask a supervisor for permission

Motivation (Hennig-Thurau 2004):

„ „ „

Showing strong commitment to do the job Doing the best to fulfill their customer needs Being always highly motivated at all times

Figure 3:

FLSE Skill Framework (Source: adapted from Hennig-Thurau 2004, p. 477; Peterson et al. 2001, p. 465)

240

E.-H. Krehl

The six dimensions are divided into three types: basic skills, cross-functional skills and essentials to transfer FLSE skills into behaviors (Hennig-Thurau 2004). In this paper, I propose social and technical skills as basic skills in the technology-based service encounter. Social skills mainly cover interpersonal skills and the ability to interact and understand customers. Technical skills involve a high tech-affinity and expert knowledge about new technologies. Additionally, I propose cross-functional skills, which summarize problem-solving and resource management skills. Problem-solving skills involve problem identification and solutions, as well as innovation and creativity. Resource management skills comprise management of time, people, and material resources. Both skill types are considered as crossfunctional, since problem-solving, as well as resource management, involves comprehensive thinking and interaction. Finally, I propose to cover essentials to transfer FLSE skills into behaviors, such as decision-making authority and motivational skills. Autonomously making decisions and there by being able to immediately take action, such as solving customer problems, describes the first dimension. Being intrinsically highly motivated and being able to motivate others are the skills in the final dimension of the skill framework. Being motivated can be defined as being “moved to do something,” for example, when FLSEs are responsible to introduce new technologies or other service innovations to their customers and thereby need to be intrinsically motivated as well as being able to motivate their customers (Cadwallader et al. 2010). In summary, it can be said that all six dimensions are relevant for FLSEs to perform their roles in the technology-based service encounter. While some skills might be more rolespecific than others, a comprehensive analysis will be conducted in the next chapter.

4.2 Archetype- and Role-Specific Frontline Service Employee Skills This chapter provides a synthesis of the following: (1) human-augmented service encounter archetypes, (2) FLSE transformed roles, and (3) FLSE skills. Through allocation of archetypes, roles, and skills, an overview was developed, creating a number of propositions and supporting the literature, along with practical applications. Services can be provided by humans and/or machines (Huang/Rust 2018). The skill-based framework focusses solely on augmented services (archetypes B-F), where employees still play an active role in the service encounter. Employee roles and tasks differ depending on the FST archetypes. In order to detect the role-specific FLSE skills in technology-based service encounters, each of the four identified transformed employee roles is further examined. Thus, it is important to understand that the employee roles are not mutually exclusive, meaning an employee might perform more than one role if required by the context (Larivière et al. 2017). Further investigation into the five human-augmented technology

How Technology is Changing Employees’ Roles in the Service Encounter

241

archetypes outlines which transformed employee roles and corresponding skills might be more likely performed in which technological archetype. These roles will be called “focus roles” in the following. Also, focus roles are not mutually exclusive, meaning several roles can be performed in one archetype. According to the basic skills, it can be recognized that social skills are more important in archetypes B-D, where a direct interaction between the FLSE and the customer exists. Technical skills are highly relevant in archetypes where a direct interaction (or one augmented by technology) between FLSE and technology exists, as in archetypes B, D, E, and F. Archetype B: Technology-assisted FLSE (and Customer) Encounter (e.g., airline check-in) The example of technology-assisted airline check-in shows that the technology – assisting the FLSE – is not the main factor which brings differentiation in this archetype (Bowen 2016). However, the FLSE her/himself more likely performs the differentiator role by developing a customer experience with authentic human touches (Bolton et al. 2014). Customers in the technology-infused service encounter often seem to be very internet-savvy; however, many cases (e.g., failure handling) show that many of them prefer the human touch in the (after-)sales interaction (Keyser et al. 2015; Larivière et al. 2017). Besides a focus on social skills, flexibility is also a relevant differentiator skill, which is required to meet individual customer needs (Bolton et al. 2014). Archetype C: Technology-assisted Customer (and FLSE) Encounter (e.g., in-store mobile phone use) When customers are always online, using their mobile devices in-store to get assistance while comparing prices and offerings, it seems that the importance of FLSEs decreases (Rapp et al. 2015; Keyser et al. 2019). But, FLSEs can use the direct customer contact and transfer the information they receive firsthand about their customers into innovative ideas, such as while they observe customer behaviors and reactions (Larivière et al. 2017). In this archetype, FLSEs might increasingly perform the innovator role by generating innovative technology-based ideas during the customer interaction to create new solutions improving the service outcome (Brynjolfsson/McAfee 2012). Service innovation primarily evolves in the service encounter interaction between FLSEs and customers, for example, by developing ad hoc solutions for customers in the case of unplanned problems (Siahtiri 2018). Another example is the development of new applications where customers can scan the products and get real-time information, thereby allowing the FLSEs to strengthen their roles in focusing on the more complex questions (Keyser et al. 2019). Specific FLSE skills could be described as distinct problem-solving skills combined with the ability to read customer needs (Bowen 2016).

242

E.-H. Krehl

Archetype D: Technology-facilitated FLSE and Customer Encounter (e.g., IKEA’s kitchen co-design approach) The example of the IKEA kitchens’ co-design approach shows that employees might perform the role of the enabler in this archetype (Keyser et al. 2019). In the service encounter, both parties – FLSEs and customers – use the technology together, thereby the employee supports and enables the customers by using the technology (Bowen 2016). Enabler skills are mainly technical skills, since FLSEs need to feel confident in using the new technology to be able to enable their customers (Bowen 2016). These distinct technical skills are complemented by interpersonal skills, which we put on a level with social skills (Bowen 2016). As an example, FLSEs in the “back office” enable technology and thereby function as “frontline” employees in technology-infused service encounters (Bowen 2016). Archetype E: Technology-mediated FLSE and Customer Encounter (e.g., transatlantic surgery with surgical robots) As represented in the transatlantic surgery example, FLSEs play a coordinating role in this archetype (Keyser et al. 2019). In the role as coordinator, FLSEs manage several involved interdependencies, such as customers (patient) and technology (surgical robot), as well as themselves (Bowen 2016). To gain efficiency, mainly resource management skills are required to harmonize interdependencies among network partners (Tax et al. 2013). Archetype F: Technology-substituted FLSE Encounter (e.g., remote control of IT systems) Similar to archetype D, where the FLSE acts as an enabler for the customers, the FLSE acts as an enabler for the technology. As the example of remote control of IT systems shows, there is no longer any interaction between the FLSE and customer (Keyser et al. 2019). This means that the FLSE mainly interacts with the technology, and high technical skills are therefore required (Keyser et al. 2019). The following table (Figure 4) provides an overview of the five human-augmented archetypes, including the discussed examples. According to Keating et al. (2018), the archetypes are classified depending on their respective touch and tech degrees. The focus FLSE roles and principal FLSE skills are listed in the columns on the right-hand side. These roles and skills are highlighted as focus roles and principal skills since the assumption is that these are mainly performed and required, but still complemented by additional roles and skills depending on the context.

How Technology is Changing Employees’ Roles in the Service Encounter

Archetype + Example

243

Touch/ Tech Degree

Focus FLSE Role

Principal Skill(s)

B) Airline check-in

High touch/ Low tech

Differentiator

Social Skills

C) In-store apps

High touch/ Low tech

Innovator

Problem-solving Skills

D) IKEA kitchen co-design

High touch/ High tech

Enabler (FLSE enables customer)

Social Skills + Technical Skills

E) Surgical robot

Low touch/ High tech

Coordinator

Resource Management Skills

F) Remote control of IT systems

Low touch/ High tech

Enabler (FLSE enables technology)

Technical Skills

Figure 4:

Human-augmented service encounter archetypes, examples, and corresponding focus service employee roles and skills (Source: adapted from Keating et al. 2018, p. 768; Keyser et al. 2019, p. 159ff.; Larivière et al. 2017, p. 241; Bowen 2016, p. 9ff.)

There are skill types which are assumed to be of higher importance for specific FLSE roles, such as social skills for the differentiator, problem-solving skills for the innovator, social and technical skills for the enabler, or resource management skills for the coordinator. In general, it can be stated that FLSEs need to have a deep understanding of their customers and (technical) service processes to deliver an appropriate service outcome (Wirtz et al. 2018). Therefore, each of the six identified skill types will be required depending on the situation. However, research in this area shows that the top priority of FLSE skills will be the “softer” intuitive and empathic social skills, since AI is taking over more and more of the analytical tasks (Huang/Rust 2018). Research on the future of technology-based service encounters with a timeline up to 2050 predicts a change from service encounters dominated by robots and virtual assistants to technology-assisted service encounters, where technology is supporting the interpersonal and or virtual interaction between FLSEs and customers (Keating et al. 2018). This scenario again highlights the need for the social skills of service employees, whereas analytical skills could be covered by technology (Huang/Rust 2018). To achieve the desired service outcomes, training for FLSEs is needed. For example, FLSEs need to learn routines in the service processes, memorize important information, and feel confident using technology in the service encounter (Wirtz et al. 2018).

244

5.

E.-H. Krehl

Discussion

Technologies are rapidly changing the service encounter of organizations and, at the same time, service employee’ roles. The primary purpose of this paper was to answer how these new technologies are changing frontline service employee roles. This paper has contributed to our understanding of how technology is changing employees’ roles in the service encounter by first presenting a classification scheme of eight different service encounter archetypes, thus showing how the focus lies more precisely on human-augmented service encounters. Additionally, the paper highlights four transformed frontline service employee roles, as well as the corresponding skill types. In particular, a skill-based framework for frontline service employees was developed. Considering the different service encounter archetypes, it is important to understand that the technical infusion of the service encounter does not always mean substitution of service employees. Instead, new technologies augment service employee roles and require new skills depending on the context. Emerging archetypes can range from human-augmented, via human-substituted to full technology service encounters. Employee roles differ depending on the technological impact in the service encounter. Transformed roles as innovator, differentiator, coordinator, or enabler require specific employee skills. The main skill types are social, technical, problem-solving, and resource management skills, as well as high motivation and autonomous decision authority. The insights presented in this paper also provide some contributions for practitioners. For example, organizations that consider the implementation of a new technology and the usage of the classification scheme to weigh the pros and cons of the different technological archetypes in terms of augmentation or substitution of employees can thus be better informed. Thus, they could include existing employee skills in their considerations based on the developed skill-based framework. Also, an organization’s management team could think about the presented transformed employee tasks and skills and plan how to hire and train service employees for the required roles. In practice, it seems that organizations have yet to solve how to hire and train service employees for these roles (Bowen 2016). Finally, it could be important for managers to carefully determine the need for training and support on an individual level, since implementing a specific archetype or transitioning from one archetype to another has different impacts on various employees (Keyser et al. 2019). In terms of training or employee development, an interesting approach, which could be considered, is the “T-Shaped” approach (Bowen 2016). FLSEs with T-shaped skills profit from specific skills in which they are experts in “specific” skills (vertical axis), such as coding skills, and, at the same time, several “broad” skills across different contexts and functions (horizontal axis), such as problem-solving skills (Barile et al. 2015). The crossfunctional skills are required to innovate in a fast-changing environment (Barile et al. 2015). Moreover, T-shaped employees bring the flexibility to switch between the principal vertical skills and overarching horizontal skills as required from their environment (Demirkan/Sphorer 2015). In the light of digital transformation, the T-shaped approach helps FLSEs to stay flexible and adapt situationally.

How Technology is Changing Employees’ Roles in the Service Encounter

245

Notwithstanding the above contributions, the paper has some limitations, which lead to future research ideas. First, it is especially important to empirically explore the transformed service employee roles. Therefore, it can be suggested, as one way to extend the work, to conduct an exploratory study, for example, by collecting qualitative interview data as a first step (Breidbach/Maglio 2016). Moreover, other researchers are encouraged to conduct further research on the impact of new technologies in the service encounter, especially to gain further insights into employee roles in the technology-based service encounter. Therefore, various questions need to be explored in further research, for example: How can companies support their FLSEs to gain a high service outcome in a changing environment (besides training)? and How can a high fit between FLSEs skills and service employee role be assured? In sum, this paper has illuminated in particular, the employee-specific opportunities of technology-infused service encounters and thereby aims to contribute to further research in this area.

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Stephan Olk and Dieter K. Tscheulin

Relevance of Authenticity in the World of Automated Service Encounters

1. Introduction 2. Service Encounter at the Point of Sale 2.1 Relevance of Authenticity in traditional Service Encounters (Human-Human Interactions) 2.2 Automation of Service Encounters 2.3 Relevance of Authenticity in automated Service Encounters (Human-Machine Interactions) 3. Methodology 4. Results 4.1 Reliability and Validity 4.2 Moderated Moderation Analysis 5. Discussion References ___________________________ Stephan Olk, M.Sc., is a Research Assistant at the Marketing and Health Care Management Department of the University of Freiburg. Prof. Dr. Dieter K. Tscheulin is a Professor and the Head of the Marketing and Health Care Management Department at the University of Freiburg.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Bruhn und K. Hadwich (Hrsg.), Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen Forum Dienstleistungsmanagement, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30166-8_10

1.

Introduction

Due to constantly advancing IT development, service encounters at the point of sale have undergone rapid changes. Intensified by both competitive price-orientated online offers and increasing salaries, the digitalization of service encounters promises to be a suitable response to the competitive pressures in the market. Furthermore, digitalization seems to fulfill today’s customer requirements and expectations for more efficient and digital services. A recent survey of 3,000 customers from the US, Australia, and Germany in 2019 shows that 79 percent of all respondents believe that digital offerings are necessary for retail survival (Riverbed 2019). The previous unique selling proposition of retail (i.e., interpersonal relationships) is being replaced in favor of human-machine interactions. Examples of this are self-check-out systems and digital help desks for supermarkets and automated check-ins for hotels or flights. Thereby, the so-called self-service technologies engage the customer as a co-producer in the service encounter. In transforming the service encounter, business managers face challenges that are paramount to the success of the business. First, they must achieve technical feasibility and customers’ acceptance of the automated technologies. However, to meet businesses’ medium- to long-term objectives, they must ensure high customer satisfaction through high service quality. In this light, customers’ perceived authenticity of service encounters could be a success driver because in a world with increasing uncertainty, genuineness and credibility are strongly demanded characteristics of today’s offers (Bruhn et al. 2012; Fritz et al. 2017). The present study follows the question regarding the relevance of authenticity in automated service encounters and the fundamental correlations that business managers should consider when transforming traditional service encounters into automated ones. To answer these questions, we next discuss the role of service encounters at point of sale as a central part of customers’ journey and the relevance of authenticity in the interpersonal interactions. We then outline the transformation of traditional service encounters into automated ones considering the current research regarding customers’ acceptance of modern technologies. Finally, we transfer the relevance of authenticity of traditional service encounters into automated service encounters and deduce our research hypothesis. To verify our hypothesis, we conducted a survey study. We present our procedure in section three and the empirical results in section four. Our findings highlight the effect of authenticity on service quality depending on the generation of subjects. We conclude with a concise summary of the key insights, implications for business managers, study limitations and future research avenues.

254

2.

S. Olk and D.K. Tscheulin

Service Encounter at the Point of Sale

Shostack (1985) defined the service encounter as “a period of time during which a consumer directly interacts with a service” and describes a key encounter that determines the further course of the purchase or service process. This is because the interrelationships between the participants are not only the basis of customers’ assessments of customer orientation but are also the basis of the valuation of perceived quality (Parasuraman et al. 1985; Bitner 1990; Gwinner et al. 1998). This is also confirmed by a survey of 20,000 customers across five industries and three continents (including USA, Germany, and Japan) in 2009 in which up to 40 percent of the participants say that they change or build their buying decisions based on product packaging, product placement, and point-of-sale interactions (Court et al. 2009). From a management perspective, the regulation and the processing of employees’ emotions are particularly important because the transfer of employees’ positive emotions to the customer can increase perceived service quality and customers’ loyalty. The emotional labor theory addresses the manifestation and effects of emotions in a professional context, e. g., within a service encounter. Many companies already consider the propositions of this theory and specify the desired behavior to their employees with socalled display rules. Within the context of these display rules, it is typically required from employees that they display positive emotions, whilst expressions of negative emotions, such as fear, but also neutral behavior, should be avoided (Rafaeli/Sutton 1987). Smiling, which is one of the simplest and clearest modes of human behavior, is, in this respect, a decisive transmission mechanism of positive emotions and is therefore purposefully used by employees in retail situations on a regular basis (Hennig-Thurau et al. 2006). For specific purposes, employees can use specific techniques to control their display of spontaneous emotions. Deep acting describes a strategy that helps individuals to experience the emotions to be evoked by putting themselves into a situation that factually elicits the desired emotion. Surface acting, on the other hand, represents a technique were the desired emotion is displayed but not felt (Grandey 2000; Hochschild 2003). Rafaeli and Sutton (1987) describe surface acting and deep acting as “faking in bad faith” and “faking in good faith” (Rafaeli/Sutton 1987). A primary difference between these methods is, consequently, the authenticity of the displayed emotions (Brotheridge/Grandey 2002; Hochschild 2003). Because the authenticity of the displayed emotion can affect customers’ reactions in different ways, we take a closer look at the role of authenticity in traditional service encounters in the next section.

Relevance of Authenticity in the World of Automated Service Encounters

255

2.1 Relevance of Authenticity in traditional Service Encounters (Human-Human Interactions) Previous research shows that customers actively search for authentic offers and experiences. This high demand is largely attributable to the reduction of old traditions and the search for individual self-fulfillment (Arnould/Price 2000) as well as the demise of national identities and the increased uncertainty that is caused by global crises, such as financial crises or political instability (Bruhn et al. 2012). Therefore, the management literature investigates the formation and the effects of authenticity over a multitude of applications. This includes employees’ emotional authenticity, which we presented in the previous section, or brand authenticity, firm authenticity or leadership authenticity. All investigations have in common that authentic offers or experiences are described as genuine, real or true. Furthermore, researchers agree that perceived authenticity is based on social and personal relationships. However, in consumer research, there is not a general and common systematization and definition of authenticity (Beverland/Farrelly 2009). Morhart et al. (2015) present an abstract derivation of brand authenticity that can be transferred to the authenticity of a service encounter. Based on previous research, the authors deduce different evaluation dimensions. The first dimension is the objectivist perspective, where authenticity is judged based on objective criteria. This perspective also includes the indexical authenticity that was defined by Grayson and Martinec (2004). Thereby, perceived authenticity can be traced back to the originality of an object or to the intrinsic behavior of an individual. The second dimension is the constructivist perspective in which authenticity depends on subjective expectations and perceptions. In this case, authenticity depends not necessarily on the originality of an offer but on the faithful reproduction or imitation of the original. This authenticity is also called iconic authenticity. The third dimension considers more about the evaluator of the object. In the existentialist perspective, authenticity largely depends on whether the consumption of a product or the use of a service matches or promotes the true personality of the customer. In the context of traditional service encounters at the point of sale, researchers have traced perceived authenticity back to the behavior of the service employee. Thereby, customers consider a service authentic if the employee, e. g., does not show forced kindness but is friendly on their own (either because of the situation or because of using deep acting). This point of view corresponds to the perspective of indexical authenticity. Up to now, several studies show the positive effects of authentic positive emotional displays on customers’ satisfaction (Hennig-Thurau et al. 2006; Wang/Groth 2014; Houston et al. 2018). However, some investigations show that the positive effect of authenticity is not omnipresent and depends on certain prerequisites. The authenticity of friendly emotions has therefore no effects when customers are dissatisfied with the basic service. Only when the basic task performance of the service is satisfactory can authenticity increase customer satisfaction (Grandey et al. 2005). Furthermore, research shows that the authenticity of friendly emotions has a stronger effect when customers are accustomed to being treated

256

S. Olk and D.K. Tscheulin

kindly. For customers who expect an unfriendly employee, an authentically friendly appearance provides only a minor additional positive benefit (Houston et al. 2018). It can therefore be stated that the authenticity in traditional service encounters only plays a central role when customers are satisfied with the basic task performance and have higher requirements for employees.

2.2 Automation of Service Encounters Automation describes the automated execution of processes. A characteristic of the automation of the service encounter is the involvement of the customer, as is clear from the examples of the self-service technologies that were mentioned above. Already more than 100 years ago, providers began to actively involve their customers in service processes. Clarence Saunders, founder of the food retailer Piggly Wiggly, presented the world's first supermarket where customers had to independently search for their goods. Until then, employees had to collect the groceries based on customers’ shopping lists (Salomann et al. 2007). In the meantime, digitization has intensified the involvement of the customer and thus encouraged the automation of service encounters. Even the most traditional humanhuman interactions are supported by digital technologies (such as a computer at a retail information desk that is only served by the employee). The following figure shows the possible constellations of technology use in traditional and automated service encounters at the point of sale. 1a Technology-free Traditional Service Encounter (Human-Human Interaction)

Automated Service Encounter (Human-Machine Interaction)

Figure 1:

Customer

Employee

1b Technology-assisted

1c Technology-faciliated

Technology

Technology

Customer

Employee

Customer

1d Technology-mediated

1e Technology-generated

Technology

Technology

Customer

Employee

Employee

Customer

Digitization and Automation of Service Encounters (Source: Adapted from Froehle/Roth 2004, p. 3)

The initial form of service encounters takes place without the use of modern technology. The focus here is on traditional human-human interactions (Figure 1a). The technology-

Relevance of Authenticity in the World of Automated Service Encounters

257

supported service encounter continues the contact between the employee and the customer, but the employee can use technology to optimize the benefits of the service encounter (Figure 1b). This form of service encounter can be extended by customers' access to the technology. In this form, customers, employees, and the technology are in an interactive relationship (Figure 1c). In fully digitized service encounters, technology serves as a mediator between customers and employees (Figure 1d). In fully automated service encounters, the client interacts only with the technology without an employee actively participating in the service encounter (Figure 1e). Thereby, customers’ acceptance of new technologies crucially depends on the perceived benefits and the expected simplicity of the process. Research shows that these factors are influenced by a variety of circumstances and properties. E. g., older customers are more afraid of new technologies and place more emphasis on human interactions, whereas younger customers are actively seeking innovations (Lee et al. 2010). The acceptance of new technologies depends also on previous experiences with new technologies and on habits with respect to the new technologies (Blut et al. 2016).

2.3 Relevance of Authenticity in automated Service Encounters (Human-Machine Interactions) Before examining the importance of authenticity in automated service encounters, we examine the emergence of authenticity in human-machine interactions. The authenticity of service encounters does not necessarily require human interactions. In the world of automated service encounters, the substitution of human-human interactions with human-machine interactions also changes the evaluation of the perceived authenticity of the interactions. We assume that customers' subjective expectations and perceptions of new technologies will take center stage and serve as a basis for perceived authenticity (constructivist perspective). We also propose that the existential perspective is becoming more important since innovative consumers can better identify themselves with the transformed service encounters and, thus, strengthen their outward self-image. In summary, authenticity in automated service encounters increasingly depends on the attitudes and expectations of customers. However, we initially want to clarify the relevance of authenticity in the context of automated service encounters and whether differences in authenticity can be identified in comparison to traditional service encounters. We pursue this objective by comparing the effects of authenticity on service quality in different service encounters. Thereby, we draw on the findings of the research on traditional service encounters. The findings show that authenticity, in particular, plays a role when customers are satisfied with basic task performance and when they have high standard expectations based on experiences with employees. Translating this to the context of automated service encounters means that (1) customers must be sufficiently satisfied with the use of the self-service technology and (2) they must have sufficiently experience with new technologies. Based on the results from

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S. Olk and D.K. Tscheulin

acceptance research regarding self-service technologies, customers’ age is a crucial factor of these prerequisites. We assume that younger customers are more likely to accept and be more satisfied with the provision of automated service encounters due to their increased demand for innovation and less desire for human interaction. Customers belonging to Generation Z (usually defined as birth years from 1997) that are also referred to as digital natives belong to the customer group that has high acceptance of automated service encounters and also high requirements for them. Consequently, we hypothesize that for this generation, the authenticity of service encounters plays a decisive role. Already, in the previous generations (Generations Y and X) that grew up mainly with traditional service encounters and human interactions, we assume that, for these generations, the relevance of authenticity is clearly declining. Consequently, we hypothesize the following. Hypothesis:

Customers’ age moderates the interaction effect of the type of service encounter and authenticity on service quality. Thus, when age decreases, the relevance of authenticity in an automated service encounter increases compared to a traditional service encounter. Conversely, when age increases, the relevance of authenticity in a traditional service encounter increases compared to an automated service encounter.

The following figure shows the hypothesized functional relationships between authenticity, type of service encounter, customer’s age and service quality.

Type of Service Encounter

Customer‘s Age

Authenticity Figure 2:

Conceptual Design

Service Quality

Relevance of Authenticity in the World of Automated Service Encounters

3.

259

Methodology

To verify our hypothesis, we chose a quantitative approach. Therefore, we surveyed 255 subjects that were recruited via the social network Facebook. Participants should remember either their last traditional service encounter (i.e., human-human interaction) or their last automated service encounter (i.e., human-machine interaction). The assignment was randomized. Subsequently, participants had to answer questions regarding their perceived authenticity and service quality. To measure perceived authenticity, we used two items based on Featherman et al. (2006) (“This service encounter felt authentic” and “This service encounter felt genuine”, which were measured on a scale from 1 = strongly disagree to 7 = strongly agree). To measure service quality, we used two items based on Brady and Cronin (2001) (“I am satisfied with this service experience” and “I really liked this service experience”, which were measured on a scale from 1 = strongly disagree to 7 = strongly agree). After deleting surveys with incomplete data, the final sample includes 251 subjects, and 35 percent of the participants are female. The mean age of the respondents is 24.8 years (SD = 4.1), and the ages ranged from 18 years to 42 years.

4.

Results

4.1 Reliability and Validity To ensure that each of the subjects remembered the corresponding form of the service encounter and that the answers refer to these, respondents were required to briefly describe their respective service encounter. We could assign all service encounters in the final dataset to the respective type (i.e., traditional or automated service encounter). Furthermore, we conducted confirmatory factor analysis to assess our measurement model (Figure 3). The results revealed a good model fit (CMIN/DF= 2.13, p = .06; CFI = .99; SRMR = .03; RMSEA = .07; PCLOSE = .25). The composite reliability measures are greater than .85, and the average variances extracted are greater than .75 and larger than the squared correlation between each pair of constructs (Fornell/Larcker 1981). The calculated Cronbach’s alphas are greater than .8 and support the results’ internal reliability. In summary, the results underpin reliability as well as convergent and discriminant validity of our measurement model.

260

S. Olk and D.K. Tscheulin

Variable

M

SD

α

CR

AVE

1

1.

Age

5.288

1.407

-

-

-

-

2.

Authenticity

4.218

1.069

.898

.905

.827

-.017

.909

3.

Service Quality

4.752

1.213

.848

.862

.759

.01

.523***

2

3

.871

Notes: N = 251. The values on the diagonal represent the square root of the average variance extracted. *** p < .01.

Figure 3:

Reliability and Validity Analysis

4.2 Moderated Moderation Analysis To test our hypothesis, we conducted a moderated moderation analysis using PROCESS (Model 3, Hayes 2018). As predicted, the results show a significant interaction between authenticity, type of service encounter, and customers’ age (β = -.08, SE = .03, p < .05). All regression weights are shown in Figure 4. Variable

Service Quality

Main Effects Authenticity Type of Service Encounter Customer‘s Age

-.187 -8.265* -.2

Interaction Authenticity x Service Encounter Authenticity x Age

1.692** .036

Service Encounter x Age

.424**

Authenticity x Service Encounter x Age

-.082**

2

.253

R

Notes: N = 251. * p < .1. ** p < .05.

Figure 4:

Results of the Moderated Moderation Analysis

We graphically depict the interaction in Figure 5. As the figure shows, the authenticity of the traditional service encounter has a positive effect on service quality for all age groups. The positive effect increases as the customer’s age increases (β-SD = .55, SE = .14, p < .01; βM = .69, SE = .1, p < .01; β+SD = .84, SE = .16, p < .01). According to our hypothesis, the effect of authenticity of the automated service encounter behaves contrarily. While there

Relevance of Authenticity in the World of Automated Service Encounters

261

is no significant effect for the oldest group (β+SD = .17, SE = .1, p > .05), the positive effect increases as the customer’s age decreases (βM = .36, SE = .08, p < .01; β-SD = .55, SE = .12, p < .01). In summary, the results show that the positive effect of the authenticity of the traditional service encounter increases when the customer’s age increases, and the positive effect of the authenticity of the automated service encounter increases when the customer’s age decreases.

Age

Service Quality

Human-Human Interaction Human-Machine Interaction

Authenticity

Figure 5:

5.

Moderated Moderating Effects

Discussion

The digital transformation is also encouraging the transformation of traditional service encounters into automated service encounters at the point of sale. To allow management to fully capitalize on the benefits of the new human-machine interactions, they must not only be aware of the technical feasibility but also of the psychological objectives. Until now, authentic employee behavior has been a key factor in designing service interactions. This study explores the question of the relevance of authenticity of automated service encounters. In line with the considerations of Grandey et al. (2005) und Houston et al. (2018), who tie the positive effects of the authenticity of traditional service encounters to certain prerequisites, our results show that the relevance of the authenticity of automated service encounters depends on the customer’s generation. The comparison between traditional and

262

S. Olk and D.K. Tscheulin

automated service encounters reveals that the importance of the authenticity of automated service encounters in generations that are not digital natives (Generation Z) is lower or absent. This can be traced back to the lower affinity to innovations and a stronger desire for human interactions. We assume that authenticity only gains importance in the encounters when customers are sufficiently satisfied with the use of the self-service technology and have sufficient experience with new technologies. Thus, for customers who belong to the group of digital natives, the authenticity of automated service encounters has the same relevance as the authenticity of traditional ones. In the short term, during the transformation of service encounters, business managers should pay special attention to authentic offerings, especially in the case of service encounters, which interacts with the customer group of digital natives. In the medium to long term, however, it should be assumed that the prerequisites for the effects of authenticity will be met. Consequently, every service encounter should offer an authentic experience. Moreover, we assume that the constructivist and existential perspectives will become more important as evaluation dimensions for the perceived authenticity of automated service encounters. Therefore, when designing automated service encounters, business managers should seek to maximize both functional congruence and self-congruence. The generalization of the study’s results has to take into account individual limitations, so the presented analyzes are based on a convenience sample. Furthermore, the sample contains predominantly young subjects, which we recruited exclusively via the social network Facebook. To increase the informative value, a representative sample should be formed in the future. In addition, future research could take into account more relevant variables such as the desire for human interaction, affinity for innovation, or the innovativeness of the provider to validate the interdependencies between the evaluation dimensions, authenticity, and service quality. The present study does not consider the interactions between other customers and employees. However, previous research has shown that in an automated context, the observed interactions between customers and providers can affect customers’ evaluations (Dietrich et al. 2015). Therefore, future research should consider the observed behaviors of other customers and the provider. Finally, examining the different personality traits of customers (e. g., Big Five) might give a more nuanced picture of the relevance and impact of authenticity of automated service encounters.

Relevance of Authenticity in the World of Automated Service Encounters

263

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Relevance of Authenticity in the World of Automated Service Encounters

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Stefanie Arz und Andreas Mann

Persönlichkeitsbasierte Personalisierung von Service-Apps

1. Apps als Instrument des mobilen Dienstleistungsmarketing 2. Konzept der persönlichkeitsbasierten Personalisierung 2.1 Personalisierung versus Customizing 2.2 „Big Five“ der Persönlichkeit 2.3 Selbstkongruenz-Theorie als Erklärungsgrundlage für die Wirkung persönlichkeitsbasierter Personalisierung 2.4 Biologische Persönlichkeitstheorien als Erklärungsgrundlage für persönlichkeitsabhängige Präferenzen 3. Empirische Befunde zum Einfluss von Persönlichkeitsmerkmalen auf präferierte App-Designs 3.1 Datenerhebung und -struktur 3.2 Untersuchungsmethodik und -ergebnisse 4. Implikationen für die App-Gestaltung 5. Fazit Literaturverzeichnis ___________________________ Stefanie Arz, M.A., ist als Product Owner für digitale Anwendungen bei der R+V Allgemeine Versicherung AG in Wiesbaden tätig. Univ.-Prof. Dr. Andreas Mann leitet das Fachgebiet Marketing am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften an der Universität Kassel.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Bruhn und K. Hadwich (Hrsg.), Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen Forum Dienstleistungsmanagement, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30166-8_11

1.

Apps als Instrument des mobilen Dienstleistungsmarketing

Mobile Kommunikation gehört zum Alltag vieler Menschen, um sich beispielsweise mit Verwandten, Freunden und Bekannten auszutauschen, sich über Produkte und Dienstleistungen zu informieren, Bewertungen und Kommentare über Marken, Produkte und Dienstleistungen abzugeben, Inhalte in sozialen Gruppen zu teilen oder Kaufabschlüsse von unterwegs zu tätigen (unter anderem Taylor/Levin 2014, S. 759f.). Vor allem bei jüngeren Personen hat die mobile Kommunikation eine sehr große Bedeutung (z. B. Feierabend et al. 2018, S. 589). Sie können sich ein Leben ohne mobile Kommunikation nicht mehr vorstellen und würden auf vieles, außer auf ihr Smartphone, verzichten (Heinemann 2018, S. 4). In diesem Zusammenhang erwarten sie auch von Anbietern, dass sie Informations-, Kommunikations-, Interaktions-, Entertainment-, Service- und Shopping-Angebote bereitstellen, die zu jeder Zeit und an jedem Ort genutzt werden können. Um diese Anforderungen zu erfüllen, sind Anbieter aufgefordert, ihre Websites an die mobilen Nutzungserwartungen anzupassen und/oder entsprechende Apps anzubieten, die als kleine Anwendungs-Software auf die mobilen Endgeräte (z. B. Smartphone oder Tablet) installiert werden. Die Nutzung von Apps auf mobilen Endgeräten ist recht beliebt, weil sie bei entsprechender Gestaltung eine höhere Nutzerfreundlichkeit bieten als mobile Websites, die ebenfalls eine Technik zum Angebot von mobil nutzbaren Informationen darstellen (Heinemann 2018, S. 23). Auch für Anbieter von Dienstleistungen bieten Apps einige Vorteile gegenüber klassischen nicht-mobilen Kommunikationsmaßnahmen. So können Apps eine Kerndienstleistung (z. B. Preis- und Leistungsbewertungs-Apps) mit einem eigenen Geschäftsmodell darstellen, die als eigenständige Absatzleistungen angeboten werden. Darüber hinaus ermöglichen Apps das Angebot von Zusatzleistungen, die eine bestehende Kern-Dienstleistung durch erweiternde Nutzenkomponenten augmentieren (z. B. App eines Logistikdienstleisters zum Tracking von Gütern). Diese so genannten Service-Apps ermöglichen es einem Dienstleistungshersteller an verschiedenen Stellen der Customer Journey, den (potenziellen) Kunden kauf- und nutzungsrelevante Interaktions- und Kommunikationsmöglichkeiten anzubieten und somit auf die Customer Experience einen Einfluss zu nehmen. Außerdem lassen sich auf der Grundlage von Apps z. B. Location-based Services und Augmented Reality-Anwendungen realisieren, die eine Sammlung von Daten bei der App-Nutzung ermöglichen (Schmitz et al. 2016, S. 231f.). Je nachdem, welche Berechtigungen ein Nutzer erteilt, können Apps hierbei auf Daten wie Standort, Kalender und Kontakte, Körpersensoren oder auch Inhalte von Chatnachrichten zugreifen. Diese Daten bieten wertvolle Informationen über die Nutzer und können verwendet werden, um AppInhalte an die Bedürfnisse eines Nutzers anzupassen, z. B. durch die Übermittlung von ortsbezogenen Zusatzinformationen in Echtzeit (unter anderem geozentrierte Vergabe von

270

S. Arz und A. Mann

Coupons). Derartige Location-based Services sind vor allem für stationäre Dienstleister relevant. Ebenso lassen sich aus den Nutzer- und Nutzungsinformationen auch Hinweise zur Optimierung der Kerndienstleistungen sowie zur Gestaltung von individualisierten Leistungsangeboten und Preisen ableiten. In beiden Fällen können die Apps zu einer Reduzierung von Transaktionskosten auf Anbieter- und Nachfragerseite bei Dienstleistungsprozessen beitragen. Allerdings ergeben sich beim Einsatz von Apps einige Herausforderungen. Zum einen lassen sich auf den kleinen Bildschirmen von Smartphones und handlichen Tablets meist nur wenige Informationen anzeigen, sodass der Auswahl besonders relevanter Inhalte eine große Bedeutung zukommt (Chung et al. 2016, S. 66). Zum anderen fehlt bei der Informationsübermittlung und Interaktion via Apps oft der persönliche Touch, der für die Kundenbindung einen großen Stellenwert hat (Bruhn/Hadwich 2017, S. 5f.). Eine Möglichkeit, diesen Herausforderungen zu begegnen und gleichzeitig die beschriebenen Vorteile von Apps im Rahmen der Dienstleistungserstellung und -vermarktung zu nutzen, ist eine persönlichkeitsbasierte Personalisierung. Hierbei werden mit Hilfe von Algorithmen spezifische Persönlichkeitsprofile der Nutzer anhand von App-Nutzungsdaten erstellt, um auf dieser Basis die Inhalte einer App, deren Darstellung und/oder deren Funktionalität an die Bedürfnisse und Präferenzen eines Nutzers anzupassen (Fan/Poole 2006, S.185; Kosinski et al. 2014, S. 359f.). Auf diese Weise können besonders relevante Inhalte ausgewählt und optimal aufbereitet sowie durch den expliziten Bezug auf die Persönlichkeit eines Nutzers ein stärkerer persönlicher Touch hergestellt werden. Die Anwendung einer persönlichkeitsbasierten Personalisierung setzt jedoch voraus, dass sich die Präferenzen verschiedener Persönlichkeitstypen bezüglich der Gestaltung von Dienstleistungs-Apps tatsächlich unterscheiden. Nur wenn Nutzer mit bestimmten Persönlichkeitseigenschaften gewisse Inhalte oder Darstellungsvarianten präferieren, können diese Informationen genutzt werden, um eine App den Vorlieben dieser Nutzer entsprechend zu gestalten, d. h. zu personalisieren. Hier setzt der vorliegende Beitrag an. Eine wesentliche Zielsetzung ist die Überprüfung der grundlegenden Annahme, dass die Persönlichkeit eines Nutzers seine App-Präferenzen beeinflusst. Sofern diese Annahme bestätigt werden kann, sind Erkenntnisse für die Umsetzung persönlichkeitsbasierter Personalisierung notwendig. Zum einen müssen Anbieter von Dienstleistungen wissen, welche Elemente einer App (z. B. Texte, Bilder, Farben, Formen oder Features) sich am besten für eine persönlichkeitsbasierte Personalisierung eignen. Dementsprechend sollen im vorliegenden Beitrag App-Elemente identifiziert werden, deren Präferenz am stärksten von der Persönlichkeit beeinflusst wird. Zum anderen werden Anbieter aus Komplexitäts- und Wirtschaftlichkeitsgründen nicht alle Persönlichkeitseigenschaften gleichermaßen ansprechen können. Sie müssen daher entscheiden, auf welche Eigenschaften sie sich (zunächst) konzentrieren. Hierzu sollen im vorliegenden Beitrag diejenigen Persönlichkeitseigenschaften herausgestellt werden, die den größten Einfluss auf Präferenzen für ein bestimmtes Design von Dienstleistungs- bzw. ServiceApps haben.

Persönlichkeitsbasierte Personalisierung von Service-Apps

271

Zur Beantwortung dieser Fragestellungen wurde eine empirische Studie auf Basis einer Adaptive Choice-based Conjoint (ACBC)-Analyse mit 230 Probanden durchgeführt. Aus den Ergebnissen dieser Untersuchung werden Implikationen für die App-Gestaltung abgeleitet. Zunächst werden jedoch wesentliche konzeptionelle Grundlagen der persönlichkeitsbasierten Personalisierung erläutert.

2.

Konzept der persönlichkeitsbasierten Personalisierung

2.1 Personalisierung versus Customizing Personalisierung ist im Dienstleistungsmarketing vor allem im Service Encounter ein bereits seit einigen Jahren vielfach diskutiertes Konzept, das sich primär auf die Interaktion und den Umgang des Dienstleistungspersonals mit Kunden bezieht (unter anderem Surprenant/Solomon 1987, S. 86ff.; Mittal/Lassar 1996, S. 96f.). Hierbei steht vor allem die empathische Ausrichtung des Personals auf die Kunden im Rahmen von Interaktions- und Integrationsprozessen sowie die kundenspezifische Gestaltung des Dienstleistungsergebnisses im Vordergrund der Betrachtung. Durch die zunehmende Digitalisierung von Wertschöpfungsprozessen der Dienstleistungserstellung und -vermarktung werden Face-toFace-Kontakte immer häufiger durch technische Interaktionen ersetzt, sodass sich die Personalisierung gegenwärtig verstärkt auf die Gestaltung von digitalen Interfaces bezieht. Unter Personalisierung soll im Folgenden die vom Anbieter ausgehende Ausrichtung von Dienstleistungsangeboten und anderer Marketingmaßnahmen auf spezifische Anforderungen einzelner Kunden/-gruppen verstanden werden (Wind/Rangaswamy 2001, S. 15; Versanen/Raulas 2006, S. 6ff.). Diese push-orientierte Form der Kundenfokussierung basiert in der Regel auf systematisch und fortlaufend gesammelten Kundendaten, wie z. B. soziodemografische und psychografische Daten, der Kundenhistorie sowie dem Mediennutzungsverhalten, das mittels verschiedener Tools (z. B. Cookies) „getrackt“ wird (Miceli et al. 2007, S. 7; Treiblmeier/Pullach 2007, S. 2f.; Arora et al. 2008, S. 307; Montgomery/ Smith 2009, S. 133). Dem gegenüber steht mit dem Customizing eine pull-orientierte Vorgehensweise, bei der die (potenziellen) Kunden selbst ihre favorisierte Ausgestaltung von (Dienst-)Leistungen und anderen Marketingmaßnahmen festlegen (Arora et al. 2008, S. 308f.; Kwon/Kim 2012, S. 103). Hierzu werden in der Regel Konfiguratoren eingesetzt, bei denen die (potenziellen) Kunden aus einem Leistungs- und Maßnahmenmenü auswählen können, das vom Anbieter vorgegeben wird. Eine „echte“ Individualisierung erfolgt hingegen auf der Grundlage einer aktiven Interaktion zwischen dem Anbieter und den (potenziellen) Kunden, in der die beiden Tauschpartner im Rahmen eines Dialogs gemeinsam eine spezifische Lösung suchen (Mann 2004, S. 99).

272

S. Arz und A. Mann

Die für die Personalisierung notwendigen Kundendaten sind derzeit noch weitgehend deskriptiver Natur. Sie helfen zwar bei der Beschreibung des Verhaltens und liefern eine Grundlage für die Verhaltensprognose, beinhalten aber zumeist keine Informationen über die Hintergründe des Verhaltens. In den letzten Jahren wurden daher zunehmend Algorithmen entwickelt, die basierend auf Daten wie Klicks, Käufen und Likes (z. B. Kosinski et al. 2014) oder auf der Grundlage nutzergenerierter Inhalte (z. B. Schwartz et al. 2013) die Extraktion von Nutzerinformationen wie deren Lebensstil, politische Orientierung oder die Persönlichkeit ermöglichen (Settanni et al. 2018). Diese Informationen helfen dabei, Nutzer und ihre Bedürfnisse besser zu verstehen. Die Verwendung entsprechender Daten im Rahmen der App-Gestaltung kann den Nutzern das Gefühl vermitteln, eine App sei „wie für sie gemacht“. Die Verwendung entsprechender Informationen zur Personalisierung von Apps wird in diesem Beitrag als persönlichkeitsbasierte Personalisierung bezeichnet.

2.2 „Big Five“ der Persönlichkeit Unter Persönlichkeit wird üblicherweise die Gesamtheit von relativ stabilen Eigenschaften einer Person verstanden, die dauerhafte, situationsunabhängige Erlebens- und Verhaltensweisen begründen (Kasserjian 1971, S. 409; Rauthmann 2017, S. 220; Neyer/Asendorpf 2018, S. 2). Hierbei ist unter anderem zwischen der Ist-Persönlichkeit und der Sollbzw. Ideal-Persönlichkeit zu unterscheiden. Bei der Ist-Persönlichkeit handelt es sich um die tatsächlich wahrgenommenen Eigenschaften einer Person, während die Ideal-Persönlichkeit die gewünschten bzw. angestrebten Eigenschaften umfasst und beschreibt, wie eine Person gerne wäre (Sigry 1982, S. 287). Darüber hinaus gibt es auch eine soziale Persönlichkeit, die sich auf die von Dritten wahrgenommenen Eigenschaften einer Person bezieht. Hierbei spielt die soziale Ideal-Persönlichkeit eine wichtige Rolle, die als Persönlichkeitsleitbild eine Ausrichtung von Personen an den Vorstellungen einer Referenzgruppe hinsichtlich der Persönlichkeitseigenschaften bewirkt (Bauer et al. 2006, S. 840). In der Literatur haben sich verschiedene Konzepte zur Beschreibung und Erklärung von Merkmalen, Einflussgrößen und (Verhaltens-)Wirkungen der Persönlichkeit von Menschen etabliert. Zu den häufig genutzten Ansätzen gehören die so genannten Trait-Theorien, die eng mit der oben beschriebenen Persönlichkeitsdefinition verbunden sind und auf deren Basis zahlreiche Modelle entwickelt wurden (Rauthmann 2017, S. 231). Das bekannteste Modell der Beschreibung von Persönlichkeitsmerkmalen ist die „Big Five“Konzeption. Es handelt sich hierbei um die Hauptfaktoren bzw. Dimensionen der Persönlichkeit, die auch als OCEAN-Modell bezeichnet werden, weil die Kürzel der jeweiligen Faktoren (Openness to experiences, Conscientiousness, Extraversion, Agreeableness und Neuroticism) dieses Akronym ergeben. Die Faktoren basieren auf einer Vielzahl von Einzelmerkmalen, die lexikalisch hergeleitet wurden, indem möglichst alle Persönlichkeitseigenschaften, die im Wörterbuch einer Sprache zu finden sind, systematisch gesammelt und in einem mehrstufigen Vorgehen auf eine Anzahl relevanter Eigenschaften reduziert wurden. Im Anschluss erfolgte dann auf der Grundlage der sedimentierten Eigenschaften

Persönlichkeitsbasierte Personalisierung von Service-Apps

273

eine Selbst- oder Fremdbeurteilung von Personen, deren Daten im Rahmen einer Faktorenanalyse zu einer Verdichtung der einzelnen Eigenschaften zu den „Big Five“ geführt haben (Rauthmann 2017, S. 108). Openness to experiences (Offenheit) bezieht sich auf die intellektuelle Neugier sowie das Interesse für Kunst und auf die Kreativität. Conscientiousness (Gewissenhaftigkeit) umfasst die Ordentlichkeit, Beharrlichkeit und Zuverlässigkeit einer Person. Extraversion erstreckt sich auf die Geselligkeit, Ungehemmtheit und das Aktivitätsniveau eines Individuums. Agreeableness (Verträglichkeit) drückt sich in der Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft und Empathie im Umgang mit anderen Personen aus. Neuroticism (Neurotizismus) umfasst Nervosität, Ängstlichkeit und Gefühlsschwankungen einer Person (Neyer/Arsendorpf 2018, S. 108f.). Eine wesentliche Stärke des „Big Five“-Modells liegt vor allem in der Ermittlung und Beschreibung, jedoch nicht in der Erklärung der Persönlichkeit (Herzberg/Roth 2014, S.52). Die hierfür notwendige theoretische Untermauerung fehlt, was von vielen Autoren an den „Big Five“ kritisiert wird (z. B. Eysenck 1992; Block 2010). Die „Big Five“ können daher zwar als Grundlage für die Bildung von Nutzergruppen verwendet, allerdings nicht für die Erklärung der Wirkung persönlichkeitsbasierter Personalisierung herangezogen werden. Im Folgenden wird daher auf Basis anderer Theorien begründet, warum Personen mit einer unterschiedlichen Ausprägung der „Big Five“ verschiedene Präferenzen in Bezug auf die Gestaltung von Apps haben und wie eine Anpassung von Apps an diese persönlichkeitsabhängigen Präferenzen von ihnen wahrgenommen und verarbeitet wird.

2.3 Selbstkongruenz-Theorie als Erklärungsgrundlage für die Wirkung persönlichkeitsbasierter Personalisierung Als Erklärung für eine positive Wirkung von persönlichkeitsbasierter Personalisierung kann die Selbstkongruenz-Theorie nach Sirgy (1982, 1986) herangezogen werden. Er versteht unter Selbstkongruenz die Übereinstimmung zwischen dem eigenen Selbstkonzept (d. h. der Eigenwahrnehmung der Persönlichkeit) und der wahrgenommenen Eigenschaften von anderen Personen, Ereignissen und Objekten (z. B. Produkten, Marken oder Medien/Apps) (Bauer et al. 2006, S. 841). Eine Begründung für die Suche nach Selbstähnlichkeit liefert die Kongruenzthese, nach der Menschen jene Interaktionspartner und Objekte präferieren, die ihnen bzw. ihrem Ideal ähnlich sind. Vor allem das Bedürfnis nach Selbstkonsistenz motiviert Individuen zur Kongruenz (Sirgy 1985, S. 199). Hierbei handelt es sich um das Bestreben von Personen, möglichst widerspruchsfrei zu agieren und auf diese Weise die eigene Persönlichkeit sowie die individuellen Ansichten und Lebensweisen zu bestärken. Darüber hinaus sind Personen bemüht, eine Kongruenz zwischen der Ist-Persönlichkeit und der Ideal-Persönlichkeit zu erreichen, indem Individuen bei wahrgenommenen Abweichungen möglichst rasch eine Annäherung des Ist-Konzepts an das Ideal-Konzept anstreben (Sirgy 1985, S. 197; Bauer et al. 2006, S. 841).

274

S. Arz und A. Mann

Zahlreiche Studien weisen einen positiven Effekt von Selbstkongruenz auf das Kaufverhalten nach (unter anderem Aguirre-Rodriguez et al. 2012; Hosany/Martin 2012). So z. B. auf die Bewertung von Dienstleistungen (Ekinci/Riley 2003), auf die Einstellung gegenüber einer Marke (Aaker 1999), auf die Markenloyalität (Kressmann et al. 2006), auf die wahrgenommene Qualität (Kwak/Kang 2009) sowie auf die Kundenzufriedenheit (Bauer et al. 2006) oder auf die Kaufabsicht (Hong/Zinkhan, 1995). Eine persönlichkeitsbasierte Personalisierung fördert die Übereinstimmung zwischen den Persönlichkeitseigenschaften des Nutzers und den Eigenschaften der App und zahlt damit auf das grundsätzliche Bedürfnis nach Selbstkongruenz ein. Dementsprechend ist zu vermuten, dass Apps, die den Persönlichkeitsstrukturen der (potenziellen) Nutzer entsprechen, von diesen präferiert werden. Daher wird folgende grundlegende Hypothese zur empirischen Überprüfung formuliert: H1: Je stärker eine App an den Persönlichkeitsausprägungen der (potenziellen) Nutzer ausgerichtet ist, desto stärker wird sie von diesen präferiert.

2.4 Biologische Persönlichkeitstheorien als Erklärungsgrundlage für persönlichkeitsabhängige Präferenzen Biologische Persönlichkeitstheorien sind darauf ausgerichtet, individuelle Unterschiede des Erlebens und Verhaltens, die letztlich auch in unterschiedlichen Präferenzen resultieren, zu erklären. Sie gehen davon aus, dass Persönlichkeitsunterschiede von biologischen Merkmalen (z. B. Gene, Biochemie, Anatomie) einer Person bestimmt werden. Gestützt wird diese Annahme durch Erblichkeitsstudien, die darauf hinweisen, dass etwa die Hälfte der Varianz der „Big Five“ auf genetische Faktoren zurückgeführt werden kann (z. B. Bouchard/Loehlin 2001, S. 252f.). Als Pionier der biologischen Persönlichkeitsforschung gilt Hans Jürgen Eysenck, der sich insbesondere mit den biologischen Ursachen von Extraversion beschäftigte. In seiner Aktivierungstheorie der Persönlichkeit (Eysenck 1967) postuliert er, dass die Dimension von der Erregungssensitivität bestimmter Hirnregionen abhängt. Eysenck argumentiert, dass introvertierte Personen über eine niedrigere Erregungsschwelle verfügen und entsprechend empfindlicher auf äußere Reize reagieren als extravertierte Personen. Während introvertierte Personen daher starke Umweltreize (zum Beispiel große Menschenmengen) meiden, suchen extravertierte Personen aktiv nach entsprechenden Stimulationen (Eyseneck 1967, S. 99ff.). Bezogen auf die App-Gestaltung lässt sich daraus schließen, dass extravertierte Personen reizintensive Gestaltungselemente wie kräftige Farben, auffällige Darstellungen oder aktivierende Texte präferieren sollten, wohingegen introvertierte Personen eher Apps mit wenig stimulierenden Reizen bevorzugen. Aufbauend auf Eysencks Annahmen formulierte Gray (1970, 1981) die Verstärkungs-Sensitivitäts-Theorie. Analog zu Eysenck geht Gray davon aus, dass Persönlichkeitsunterschiede auf individuellen Unterschieden in Hirnsystemen basieren, die sich jedoch durch

Persönlichkeitsbasierte Personalisierung von Service-Apps

275

eine unterschiedliche Sensitivität für Umweltreize auf Belohnung und Bestrafung auszeichnen. Dabei nimmt die Theorie zwei abgrenzbare Hirnsysteme für die Verarbeitung von Belohnungs- und Bestrafungsreizen an: das Behavioral Approach System (Verhaltensannäherungssystem, BAS) und das Behavioral Inhibition System (Verhaltenshemmungssystem, BIS). Das BAS reagiert auf Reize für Belohnung und Nichtbestrafung, also auf Reize, die positive Konsequenzen ankündigen. Das BIS dagegen reagiert auf Reize für Bestrafung und Nichtbelohnung bzw. auf Reize, die negative Konsequenzen andeuten. Gray (1981) geht zudem davon aus, dass die Sensitivität des BAS und des BIS die Grundlage für interindividuelle Persönlichkeitsunterschiede bildet. Während Extraversion mit einer verstärkten BAS-Sensitivität einhergeht, resultiert Neurotizismus aus einer intensiven BIS-Sensitivität. Für die Gestaltung von Apps lässt sich entsprechend folgern, dass extravertierte Personen insbesondere solche App-Elemente präferieren, die Belohnungsreize und positive Emotionen auslösen (z. B. Beschreibungen von Vorteilen der App-Nutzung). Bei neurotischen Personen sollte die App dagegen so gestaltet werden, dass Bedrohung und negative Emotionen möglichst vermieden werden (z. B. Beschreibungen zur Widerlegung vermeintlicher Nachteile der App-Nutzung). Während die Aktivierungstheorie und die Verstärkungs-Sensitivitäts-Theorie sich auf die Erklärung von Extraversion (und Neurotizismus) beschränken, ermöglicht die Life History Theorie (Theorie der Lebensgeschichte) eine ganzheitlichere Betrachtung der „Big Five“. Gemäß dieser Theorie müssen Individuen eine Vielzahl an Herausforderungen meistern, um einen hohen biologischen Reproduktionserfolg zu erreichen. Hierzu gehören beispielsweise die Partnersuche und Fortpflanzung, aber auch der Erhalt der eigenen Gesundheit und die Unterstützung von Verwandten. Individuen müssen ihre knappen Ressourcen wie Zeit, Energie und Nahrung auf diese Herausforderungen aufteilen. Dabei gibt es aufgrund der Heterogenität der ökologischen und sozialen Umwelt sowie der Vielfältigkeit der Herausforderungen nicht die eine optimale Ressourcenallokation, die über verschiedene Zeitpunkte und Orte hinweg zu einem optimalen Reproduktionserfolg führt. Vielmehr müssen Individuen entscheiden, in welche Herausforderungen sie eher investieren und wie sie diese angehen. Dadurch kommt es zu unterschiedlichen Life History-Strategien (Kaplan/Gangestad 2005, S. 68f.; Buss 2009, S. 360). Laut Buss können Persönlichkeitseigenschaften als psychologische Mechanismen interpretiert werden, die den Einsatz der Life History-Strategien steuern (Buss 1991, S. 478). Der Mechanismus „Verträglichkeit“ führt beispielsweise dazu, dass Personen ihre Ressourcen in Herausforderungen wie den Aufbau von harmonischen Gruppenbeziehungen und der Suche nach Verbündeten investieren. Dabei verfolgen sie eine Strategie des konstanten Kooperationsverhaltens. Sie werden als Freunde und Koalitionspartner geschätzt (Caprara et al. 1996; Suls et al. 1998). Eine App, die den Bedürfnissen von verträglichen Personen besonders entspricht, sollte im Einklang mit dieser Life History-Strategie stehen, indem sie beispielsweise Inhalte und Funktionen liefert, die eine gewisse Kooperationsbereitschaft voraussetzen (z. B. Communities) oder indem sie harmonische Darstellungs-

276

S. Arz und A. Mann

elemente verwendet. Durch die restlichen „Big Five“ werden dagegen andere Life History-Strategien aktiviert, aus denen sich wiederum Ableitungen für mögliche Präferenzen bezüglich der Gestaltung von Apps treffen lassen. Diese sind in Abbildung 1 dargestellt. „Big Five“

Herausforderung (exemplarisch)

Strategie

Mögliche App-Gestaltung

Extraversion

Partnersuche; Statusaufbau

Geselligkeitsund Dominanzverhalten

Inhalte und Funktionen, die Geselligkeit betonen; auffällige Darstellungen

Verträglichkeit

Aufbau harmonischer Beziehungen; Suche nach Verbündeten

Kooperationsverhalten

Inhalte und Funktionen, die Kooperationsbereitschaft voraussetzen; harmonische Darstellungen

Gewissenhaftigkeit

Sauberkeit; Aufbau verbindlicher Beziehungen

Ordnungs- und Regelbewusstsein

Etablierte Inhalte und Funktionen; Geordnete Darstellungen

Neurotizismus

Bedrohungen erkennen

Schnelles und sensibles Reaktionsverhalten

Wenig stimulierende Inhalte, Darstellungen und Funktionen

Offenheit

Neues erschließen

Explorationsverhalten

Neuartige, außergewöhnliche Inhalte, Darstellungen und Funktionen

Abbildung 1:

„Big Five“ und Life History-Strategien (Quelle: Nettle 2006, S. 625ff.; Buss 2009, S. 364; Rauthmann 2017, S. 401)

Aus den Ausführungen zu biologischen Persönlichkeitstheorien lässt sich die folgende Hypothese zur persönlichkeitsbasierten Personalisierung ableiten: H2: Nutzer mit unterschiedlichen Persönlichkeitseigenschaften nehmen App-Elemente auf verschiedene Arten und Weisen wahr und bevorzugen entsprechend je nach Persönlichkeit andere Ausprägungen eines Elements.

Persönlichkeitsbasierte Personalisierung von Service-Apps

3.

277

Empirische Befunde zum Einfluss von Persönlichkeitsmerkmalen auf präferierte App-Designs

3.1 Datenerhebung und -struktur Zur Prüfung der beiden obenstehenden Hypothesen wurde eine Adaptive Choice-based Conjoint (ACBC)-Analyse mittels Sawtooth-Software am Beispiel einer Supermarkt-Service-App durchgeführt. Hierfür wurden verschiedene Design-Attrappen einer Supermarkt-Service-App erstellt, die sich in Bezug auf fünf Attribute (Text, Farbe, Form, Bilder und Funktion) mit jeweils drei oder fünf Ausprägungen unterschieden. Die Definition der Attribute und Ausprägungen orientiert sich an den oben beschriebenen Erkenntnissen der biologischen Persönlichkeitstheorien sowie an bestehenden Studien zu Korrelationen zwischen den „Big Five“ und Präferenzen für bestimmte Objekte, so z. B. in Bezug auf Farben (z. B. Eysenck 1941; Karsvall 2002), Bilder/Motive (unter anderem Furnham/Walker 2001; Segalin et al. 2017) und Sprache (unter anderem Mairesse/Walker 2010). Abbildung 2 gibt einen Überblick über die getesteten Attribute und Ausprägungen. Für jede Ausprägung ist zudem dargestellt, für welche Dimension, basierend auf bisherigen theoretischen und empirischen Erkenntnissen, eine besondere Präferenz angenommen werden kann (fett markiert). Attribute

1. Text (Anpassung im Einstiegsteaser)

Abbildung 2:

Ausprägungen

Beschreibung

Angesprochene „Big Five“

Party

Umgangssprache, persönliche Ansprache, positive Emotionswörter, Ausrufezeichen, soziale Bezüge (Freunde), Partys

EXT↑, (NEU↓)

Familie

Umgangssprache, persönliche Ansprache, positive Emotionswörter, Ausrufezeichen, soziale Bezüge (Familie), Harmonie

VER↑, (GEW↓, OFF↓)

Effizienz

Formale und prägnante Sprache, keine persönliche Ansprache, positive Emotionswörter, Pünktlichkeit & Effizienz

GEW↑

Knapp

Knappe und nüchterne Sprache ohne Emotionswörter, keine persönliche Ansprache, keine Betonung bestimmter Themen

NEU↑, (EXT↓, VER↓)

Neuheiten

Nüchterne Sprache ohne Emotionswörter, keine persönliche Ansprache, Neuheiten, Innovationen und außergewöhnliche Produkte

OFF↑

Untersuchte Attribute und Ausprägungen in der Studie

278

Attribute

2. Bild (Anpassung im Einstiegsteaser)

3. Farbe (Anpassung von Navigation & Icons)

4. Form (Anpassung Produktkategorien)

5. Funktion (Anpassung kleiner Teaser)

S. Arz und A. Mann

Ausprägungen

Beschreibung

Angesprochene „Big Five“

Menschen

Fröhliche und aktive Menschen, positive Bildsprache, kräftige Farben, farbenfrohe Darstellung

EXT↑, VER↑, (NEU↓, OFF↓)

Details

Menschen nicht im Fokus, formale und geordnete Darstellung, viele Details

GEW↑, (VER↓)

Künstlerisch

Ungewöhnliche und abstrakte Darstellungen, künstlerische Bilder, dunkle Farben

OFF↑, NEU↑, (EXT↓, GEW↓)

Rot

Kräftige Farben (insb. Rottöne) mit hoher Sättigung, farbenfrohe Darstellungen

EXT↑, VER↑, (NEU↓, OFF ↓)

Blau

Dezente Blau- und Grautöne, wenige Farben

NEU↑, (EXT ↓, VER↓, GEW↓)

Gelb

Warme Gelb- und Orangetöne, wenige Farben

GEW↑, OFF↑

Eckig

Unkonventionelle & komplexe Formen (z. B. viel- und scharfkantige Polygone)

EXT↑, OFF↑, (GEW↓, VER↓)

Liste

Klassische & konventionelle Formen, geordnete Darstellung (z. B. Listen und Tabellen)

GEW↑, NEU↑, (EXT↓, OFF↓)

Rund

Runde und harmonische Formen

VER↑, (NEU↓)

Bonus

Gamification-Features (z. B. Punkte, Bestenlisten, Badges)

EXT↑, (GEW↓, NEU↓ OFF↓)

Community

Community-Features (z. B. Bewertungen, Forum)

VER↑, NEU↑

Themenwelt

Passive Features (z. B. themenbasierte Navigation)

GEW↑, OFF↑, (EXT↓, VER↓)

* EXT = Extraversion, VER = Verträglichkeit, GEW = Gewissenhaftigkeit, NEU = Neurotizismus, OFF = Offenheit, jeweils mit: ↑ (↓) = hohe (geringe) Ausprägung der Dimension

Abbildung 2:

Untersuchte Attribute und Ausprägungen in der Studie (Fortsetzung)

Die ACBC-Analyse bestand aus drei Teilen. Zunächst wurden die Befragten gebeten, in der „Build Your Own (BYO)“-Phase für jedes Attribut ihre präferierte Ausprägung zu wählen. Die daraus konfigurierten „Wunsch-Apps“ wurden in den kommenden Phasen verwendet, um möglichst relevante App-Attrappen auszuwählen. Danach folgte das Choice Tournament, das einer klassischen Choice-Based Conjoint Analyse ähnelt. Hierbei sollten die Probanden jeweils aus drei Attrappen ihre präferierte App auswählen. Insgesamt wurden zehn dieser Auswahlentscheidungen abgefragt (siehe Beispiel in Abbildung 3). Am Ende der ACBC-Analyse wurden in der Untersuchung noch einige Prüffälle („Hol-

Persönlichkeitsbasierte Personalisierung von Service-Apps

279

dout“-Aufgaben) integriert. Hierbei handelt es sich um zusätzliche Auswahlentscheidungen, die jedoch nicht zur Ergebnisschätzung genutzt werden, sondern nur um die interne Prognose-validität der Conjoint Analyse zu überprüfen. Die Holdout-Aufgaben wurden im Fragebogen als „Best-Worst“-Auswahlentscheidungen angelegt, d. h. die Befragten wählten aus drei Attrappen nicht nur ihre präferierte, sondern auch die aus ihrer Sicht schlechteste Alternative aus. Der Vorteil hierbei ist zum einen, dass durch die Rangordnung ein ordinales Skalenniveau erzeugt wird und sich dadurch weitere Analysemöglichkeiten ergeben können (Green et al. 1993, S. 375ff.; Pelz 2012, S. 37). Zum anderen wird die Befragung durch die leicht abgeänderte Frageform abwechslungsreicher und kann somit eine Ermüdung der Befragten durch viele monotone Auswahlentscheidungen verhindern.

Abbildung 3:

Beispielhafte Auswahlentscheidung der ACBC-Analyse mit SawtoothSoftware

Neben der ACBC-Analyse wurde die Persönlichkeitsstruktur der Probanden mittels einer entsprechenden Item-Batterie, die sich auf die „Big-Five“-Dimensionen bezog, ermittelt. In der Literatur finden sich zahlreiche Messinventare und Skalen zur Ermittlung der Persönlichkeitsstruktur. Am häufigsten eingesetzt werden dabei die Messinstrumente von Costa/McCrae (1992), also das NEO-PI-R mit 240 Items sowie dessen Kurzvariante NEO-

280

S. Arz und A. Mann

FFI. Das NEO-PI-R hat in der deutschen Fassung laut Ostendorf und Angleitner (2004, S. 92) eine durchschnittliche Bearbeitungszeit von 34 Minuten und kann daher kaum außerhalb der klinischen Forschung angewendet werden. Das NEO-FFI ist zwar deutlich kürzer, mit immer noch etwa zehn Minuten Bearbeitungszeit (McCrae/Costa 2004, S. 588) lässt es sich jedoch auch nur schwer mit anderen zeitaufwändigen Befragungstechniken wie einer ACBC-Analyse kombinieren. Es liegen noch weitere Messinventare mit geringerem Umfang von 44 Items (John/Srivastava 1999, S. 132), 40 Items (Saucier 1994, S. 516) bis zu zehn Items (Rammstedt 2007) oder fünf Items des Five-Item-Personality-Inventory (FIPI) vor (Gosling et al. 2003, S. 509). Bei dem FIPI handelt es sich um eine Single-ItemMessung der fünf Dimensionen, die − gemessen an anderen Skalen − eine relativ gute Validität aufweist. Allerdings decken Single-Items bei der Messung von abstrakten und komplexen Konstrukten wie den „Big Five“ lediglich einen Teil der inhaltlichen Fülle der einzelnen Dimensionen ab und weisen somit nur eine geringe Aussagekraft bei der Ableitung von Handlungsimplikationen auf (unter anderem Churchill 1979, S. 66; Bergkvist/Rossiter 2007, S. 176; Fuchs/Diamantopoulos 2009, S. 203). In unserer Studie haben wir daher eine Multi-Item-Messung in Anlehnung an das Messinventar von Gerlitz und Schupp (2005, S. 20) vorgenommen, das die Anzahl der Items pro Persönlichkeitsfaktor auf drei begrenzt, sodass insgesamt 15 Items berücksichtigt wurden. Hierdurch sollte eine (zeitliche und kognitive) Überforderung der Probanden vermieden werden, zumal diese noch weitere Fragen im Rahmen der ACBC-Analyse beantworten mussten. Zudem konnten die 15 Items, trotz der Skalenkompaktheit, eine zufriedenstellende Validität und Reliabilität bei der Messung der „Big Five“ in anderen Studien nachweisen (unter anderem Donella/Lucas 2008, S. 560; Lucas/Donnellan 2011, S. 850; Obschonka et al. 2014, S. 3). Insgesamt haben 230 Probanden eines Convenience Sample an der Befragung teilgenommen. Die Datenerhebung erfolgte zwischen dem 01.07.2018 und dem 15.09.2018. Unter den Probanden sind überdurchschnittlich viele Frauen (69,1 Prozent) sowie junge (Mittelwert: 31 Jahre) und gut gebildete Personen (69 Prozent haben studiert). Zudem liegt bei den Probanden eine hohe Smartphone- und App-Affinität vor. Die Smartphone-Nutzung beträgt mehrere Stunden täglich. Ein Großteil der Probanden hat mehr als zehn Apps installiert, fast 80 Prozent haben bereits Einkäufe über eine App getätigt. Wenngleich die personenbezogenen Strukturmerkmale des Sample nur eine geringe Übereinstimmung mit der Verteilung dieser Merkmale in der deutschen Bevölkerung aufweisen, entsprechen die Altersverteilung, der Bildungsgrad sowie die Smartphone- und App-Nutzung der Stichprobe jedoch der typischen Nutzerschaft von Lebensmittel-Onlineshops und -Apps in hohem Maße (siehe z. B. BVDW 2018). Es kann daher von einer besonderen Eignung der Stichprobe für die vorliegende Fragstellung ausgegangen werden.

3.2 Untersuchungsmethodik und -ergebnisse Zur Überprüfung der Güte der „Big Five“-Messung wurde zunächst eine explorative Faktorenanalyse der 15 Items durchgeführt (Hauptkomponentenanalyse mit Varimax-Rotation). Die Faktorstruktur ist in Abbildung 4 wiedergegeben. Dabei zeigt sich, dass die

Persönlichkeitsbasierte Personalisierung von Service-Apps

281

Fünf-Faktorenstruktur bei Verwendung des Kaiser-Guttman-Kriteriums (Eigenwert ≥ 1) gut repliziert wird. Die drei Items laden jeweils hoch auf den ihnen zugeordneten Faktor (durchschnittliche Faktorladung = |0,77|) und gering auf die anderen Faktoren (durchschnittliche Ladung = |0,11|). Faktor 1 EXT

Faktor 2 VER

Faktor 3 GEW

Faktor 4 NEU

Faktor 5 OFF

0,834

0,167

0,168

0,030

0,203

-0,842

0,080

0,075

0,248

0,120

0,828

0,104

0,031

-0,036

0,269

VER1

0,086

-0,757

0,021

0,063

0,271

VER2

0,237

0,584

0,061

-0,106

0,138

VER3

0,043

0,744

0,272

0,132

0,202

GEW1

-0,020

0,218

0,786

0,049

0,193

GEW2(-)

-0,048

-0,027

-0,671

0,164

0,258

GEW3

0,076

0,035

0,862

-0,116

0,108

NEU1

-0,083

0,020

0,031

0,818

0,173

NEU2

-0,129

0,068

-0,209

0,820

0,084

NEU3

0,011

0,159

0,067

-0,773

0,229

OFF1

0,169

-0,150

0,200

0,004

0,774

OFF2

0,068

0,029

-0,056

0,041

0,639

OFF3

0,068

0,167

-0,020

-0,008

0,814

EXT1 (-)

EXT2 EXT3

(-)

(-)

Abbildung 4:

Rotierte Komponentenmatrix der „Big Five“-Skala

Bei der Überprüfung der internen Konsistenz lassen sich beim Cronbach‘s Alpha-Koeffizienten Werte zwischen 0,51 und 0,81 feststellen (siehe Abbildung 5). Üblicherweise werden Mindestwerte von 0,7 für eine ausreichende Skalenkonsistenz gefordert. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass dieser Koeffizient von der Anzahl der Items pro Skala abhängig ist und bei Skalen mit wenigen Items von geringen Werten auszugehen ist. Das gilt insbesondere für den Fall, wenn diese Items ein recht komplexes Konstrukt wie eine Persönlichkeitsdimension erfassen sollen. Als Alternative zu Cronbach‘s Alpha kann auch Dillon-Goldstein’s Rho als Maß für die interne Konsistenz einer Skala herangezogen werden. Das Kriterium ist unabhängig von der Itemanzahl und berechnet sich auf Basis von Ladungen und Varianzen anstelle von Korrelationen. Als intern konsistent gelten Skalen mit Rho-Werten > 0,6 (Bagozzi /Yi, 1988, S. 80; Chin 1998, S. 320). Diese Anforderung wird in der Untersuchung von allen „Big Five“ erfüllt. Vor dem Hintergrund der niedrigen Itemanzahl und einer hohen Konstruktkomplexität, erscheint Dillon-Goldstein’s Rho als

282

S. Arz und A. Mann

das sinnvollere Reliabilitätsmaß, sodass trotz vergleichsweise niedriger Cronbach‘s Alpha-Werte insgesamt eine zufriedenstellende interne Konsistenz attestiert werden kann. EXT

VER

GEW

NEU

OFF

Cronbach‘s Alpha

0,810

0,505

0,666

0,752

0,676

Dillon-Goldstein’s Rho

0,875

0,700

0,810

0,836

0,787

Abbildung 5:

Reliabilitätskennwerte der „Big Five“-Skala

Die Ergebnisse der deskriptiven Analyse der „Big Five“-Dimensionen in Abbildung 6 zeigen tendenziell hohe Ausprägungen bei den Items der Faktoren Extraversion, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit und Offenheit sowie moderate Ausprägungen bei Neurotizismus. Die Werte ähneln den Ergebnissen anderer Studien. So sind elf der erhobenen 15 Items weitgehend deckungsgleich mit den Ergebnissen beim sozio-ökonomischen Panel (SOEP) von 2005 (Schupp/Gerlitz 2014), einer großen Erhebung mit 21.105 Probanden, die häufig für internationale Vergleiche herangezogen wird (z. B. Lucas/Donnellan 2011; Obschonka et al. 2014). Man kann daher von einer objektiven Messung ausgehen. Mittelwert

Standardabweichung

5,48

1,34

EXT2 : zurückhaltend ist.

3,50

1,57

EXT3: aus sich herausgehen kann, gesellig ist.

5,16

1,39

VER1(-): manchmal etwas grob zu anderen ist.

3,26

1,63

VER2: verzeihen kann

5,43

1,27

VER3: rücksichtsvoll und freundlich mit anderen umgeht.

5,96

1,07

GEW1: gründlich arbeitet.

5,89

1,12

GEW2 : eher faul ist.

3,17

1,59

GEW3: Aufgaben wirksam und effizient erledigt.

5,75

1,04

NEU1: sich oft Sorgen macht.

4,64

1,61

NEU2: leicht nervös wird.

3,75

1,62

NEU3 : entspannt ist, mit Stress gut umgehen kann.

4,52

1,50

OFF1: originell ist, neue Ideen einbringt.

4,83

1,26

OFF2: künstlerische Erfahrungen schätzt.

4,52

1,65

OFF3: eine lebhafte Fantasie, Vorstellungen hat.

5,23

1,39

Ich bin jemand, der… EXT1: kommunikativ, gesprächig ist. (-)

(-)

(-)

Skala: 1 (= stimme voll und ganz zu) bis 7 (= stimme überhaupt nicht zu)

Abbildung 6:

Deskriptive Analyse der „Big Five“-Items

Persönlichkeitsbasierte Personalisierung von Service-Apps

283

Das zentrale Ergebnis der ACBC-Analyse sind die Teilnutzenwerte für jede Ausprägung. Der Teilnutzenwert kann dabei definiert werden als der Beitrag dieser Ausprägung zum Gesamtnutzen eines Bewertungsobjektes (hier: Supermarkt-Service-App-Attrappe) (Kaltenborn et al. 2013, S. 3). Zur Berechnung der Teilnutzenwerte wurde der Hierarchical Bayes (HB)-Ansatz (mit Kovariaten) gewählt, wobei die Persönlichkeitsmerkmale als Kovariate einbezogen wurden. Bei diesem Verfahren erfolgt die Ermittlung der Teilnutzenwerte auf zwei Ebenen. Zum einen auf einer übergeordneten Ebene, die sich auf die aggregierten Teilnutzenwerte aller Probanden bezieht und zum anderen auf einer untergeordneten Ebene, die sich auf die individuellen Teilnutzenwerte der einzelnen Probanden erstreckt. Bei der Ermittlung der individuellen Teilnutzenwerte wird auf die übergeordnete Ebene zurückgegriffen, um die individuellen Ergebnisse anzureichern (Orme/Howell 2009, S. 1; Backhaus et al. 2015, S. 219). Hierdurch lassen sich die Anzahl der Auswahlentscheidungen und somit die Komplexität und Dauer von Conjoint-Befragungen reduzieren (Lenk et al. 1996, S. 178f.). Zudem ist eine Integration von Kovariaten möglich, was für unsere Untersuchung ein wesentlicher Vorteil ist, da die Persönlichkeitsmerkmale als exogene Variablen der Präferenzbeeinflussung berücksichtigt werden können. Hinzu kommt, dass der Hierarchical Bayes-Ansatz eine höhere Validität bei der Schätzung der Teilnutzenwerte aufweist als viele andere Schätzmethoden, wie z. B. Ordinary Least Squares (OLS) und Latent Segment Models (Moore 2004, S. 310). Um zu überprüfen, wie gut sich die geschätzten Teilnutzenwerte dem Dateninput, also den während der ACBC-Analyse ermittelten Präferenzurteilen anpassen, wurde ein PseudoDeterminationskoeffizient berechnet. Es handelt sich hierbei um eine Möglichkeit zur Ermittlung der Anpassungsgüte von logistischen Regressionen, bei denen die abhängige Variable (hier: die Auswahlentscheidung) nicht metrisch ist. Als Gütemaß wurde McFaddens R² gewählt, das mit einem Messwert von 0,504 auf eine sehr gute Anpassung hinweist (Backhaus et al. 2018, S. 298f.). Darüber hinaus wurde die Holdout-Validität der Messung ermittelt. Hierbei wird überprüft, inwieweit die Bewertung der Prüffälle sich mit den auf Basis der Teilnutzenwerten prognostizierten Urteilen deckt (Selka/Baier 2014, S. 55). Je größer der Anteil der Probanden ist, die sich für die prognostizierte Alternative entscheiden (so genannte Hit-Rate), desto größer ist die Prognosevalidität. In unserem Fall liegt die Hit-Rate bei 67 Prozent und damit deutlich über der Gleichverteilung von 33,3 Prozent bei drei Auswahlalternativen. Da die Prüffälle als Best-Worst-Selektion konzipiert waren, konnten zudem Rangkorrelationen zwischen dem prognostizierten und dem tatsächlich gewählten Rang berechnet werden. Diese lassen ebenfalls auf eine gute Prognosevalidität schließen (Kendalls Tau = 0,461; Spearmans Rho = 0,503). Im Rahmen der Prüffälle wurde zudem eine Test-Retest-Messung integriert, d. h. die Befragten mussten dieselbe Auswahlentscheidung an zwei unterschiedlichen Stellen treffen. 77 Prozent der Probanden haben sich hierbei für dieselbe Alternative entschieden, was ebenfalls weit über der Gleichverteilung von 33,3 Prozent liegt. Auch die Rangkorrelationen (Kendalls Tau = 0,676 und Spearmans Rho = 0,719) sprechen für eine hohe Test-Retest-Reliabilität. Die Werte liegen sogar über der durchschnittlichen Ausprägung entsprechender Rangkorrelationen in Conjoint-Analysen (Heidbrink 2016, S. 90).

284

S. Arz und A. Mann

Regressionskoeffizienten Konstante Text

Party Familie

Farbe

Form

Bilder

Funktion

EXT

VER

GEW

NEU

OFF

0,216**

-0,050

-0,036

-0,074

-0,134*

0,167*

0,057

-0,101

0,234**

-0,003

0,101*

0,067

Effizienz

0,221**

-0,067

0,014

-0,028

0,087

-0,072

Knapp

-0,304**

0,133*

-0,121

0,149*

-0,043

-0,102

Neuheiten

-0,190**

0,084

-0,091

-0,044

-0,011

-0,059

Rot

0,936**

0,038

-0,060

-0,032

0,066

0,022

Blau

-0,532**

-0,195**

0,037

0,071

-0,208**

-0,131

Gelb

-0,404**

0,157*

0,023

-0,039

0,143*

0,109

Eckig

-0,694**

-0,082

-0,131

0,037

-0,007

0,130

Liste

0,693**

-0,164

0,340**

0,001

0,063

0,035

Rund

0,000

0,246**

-0,210*

-0,038

-0,056

-0,166*

Menschen

0,039

-0,116

0,355**

0,072

-0,126

-0,221*

Details

-0,681**

0,050

-0,118

-0,080

0,078

0,145

Künstlerisch

0,642**

0,067

-0,236**

0,007

0,048

0,076

Bonus

0,249**

-0,041

-0,050

-0,080

-0,049

0,031

Community

-0,634**

-0,036

0,041

0,030

0,011

0,184**

Themenwelt

0,385**

0,077

0,009

0,050

0,038

-0,215**

* p < 0,1 | ** p < 0,05

Abbildung 7:

Einfluss der „Big Five“ auf die Teilnutzenwerte

In Abbildung 7 sind die Ergebnisse der HB-Schätzung mit den „Big Five“ als Kovariaten wiedergegeben. Für jedes Attribut (z. B. „Text“) und seine Ausprägungen (z. B. „Party“) kann auf Basis der durch die ACBC-Analyse ermittelten Teilnutzenwerte ein (lineares) Regressionsmodell aufgestellt werden. Die Regressionskoeffizienten spiegeln dabei das Gewicht der jeweiligen Dimension bei der Präferenzbildung für die entsprechende Ausprägung wider. Die signifikanten Regressionskoeffizienten sind fett markiert und je nach Signifikanzniveau mit einem Sternchen (Irrtumswahrscheinlichkeit ≤ 10 Prozent) oder mit zwei Sternchen (Irrtumswahrscheinlichkeit ≤ 5 Prozent) gekennzeichnet. Die Konstante entspricht dem Teilnutzenwert einer Ausprägung, wenn die integrierten Kovariaten (also die „Big Five“) gleich Null sind. Da der HB-Algorithmus mit nullzentrierten Kovariaten rechnet, gibt die Konstante den Teilnutzenwert eines Befragten an, der bei allen „Big Five“ einen Wert gleich dem Mittelwert aufweist. Für jede Ausprägung ist das Attribut mit der höchsten Konstante, also der höchsten Präferenz über alle Befragte hinweg, ebenfalls fett markiert. Beim Attribut „Text“ ist dies beispielsweise die Ausprägung „Effizienz“, beim Attribut „Farbe“ die Ausprägung „Rot“.

Persönlichkeitsbasierte Personalisierung von Service-Apps

285

Die optimale, persönlichkeitsunabhängige Supermarkt-Service-App würde also Texte verwenden, die auf die Effizienz der App hinweisen, in roter Farbe gehalten sein, die Waren in Form von Listen aufführen, künstlerische Bilder verwenden und Themenwelten als besondere Funktionalität betonen. Allerdings zeigen die Ergebnisse auch einen Einfluss der Persönlichkeitsausprägung auf diese Präferenzen. So lassen sich einige signifikante Einflüsse von Persönlichkeitsmerkmalen auf die Teilnutzenwerte der verschiedenen Gestaltungselemente der Supermarkt-Service-App feststellen: Beispielsweise besteht ein negativer Zusammenhang zwischen Extraversion und dem Teilnutzenwert für „Blau“ – je introvertierter Personen also sind, desto eher präferieren sie Blau. Dies gilt ebenso für neurotische Personen. Personen, die ein hohes Maß an Verträglichkeit aufweisen, präferieren Texte mit Bezug zum Rahmenthema Familie und Bilder, auf denen Menschen zu sehen sind, während künstlerische Darstellungen eher abgelehnt werden. Personen, die offen für Erfahrungen sind, bevorzugen Texte mit Partys als Rahmenthema sowie Communities. Die in Hypothese H1 postulierte Annahme, dass die „Big Five“ Präferenzen bezüglich der Gestaltung von Apps beeinflussen, kann auf Basis der Ergebnisse also weitgehend bestätigt werden. Gleiches gilt für Hypothese H 2, die davon ausgeht, dass unterschiedliche Persönlichkeitsstrukturen zu unterschiedlichen Gestaltungspräferenzen führen. Ein wesentliches Ziel des vorliegenden Beitrags besteht darin, jene Gestaltungsattribute zu identifizieren, deren Präferenz am stärksten von den „Big Five“ abhängt und somit für eine Personalisierung besonders geeignet sind. Wie die Ergebnisse zeigen, wird das Attribut Text am stärksten durch die „Big Five“ beeinflusst. Als einziges Attribut weist es signifikante Zusammenhänge mit allen „Big Five“ auf. Auch für die Attribute Farbe, Form und Bild lassen sich einige signifikante Korrelationen feststellen, wobei beim Attribut Bild der höchste Korrelationskoeffizient und damit die stärkste Abhängigkeit von den „Big Five“ beobachtet werden kann. Das Attribut Feature weist schließlich nur mit Offenheit einen signifikanten Zusammenhang auf und ist daher für eine Personalisierung weniger gut geeignet. Ein weiteres Ziel des Beitrags ist es zu bestimmen, welche Dimension der „Big Five“ den größten Einfluss auf die Präferenzen hat und sich daher am besten als Grundlage für eine persönlichkeitsbasierte Personalisierung eignet. Hier kann Verträglichkeit eindeutig als Dimension mit dem größten Einfluss auf die untersuchten App-Präferenzen identifiziert werden. Für Verträglichkeit können die meisten signifikanten Zusammenhänge festgestellt werden. Die Koeffizienten sind zudem am höchsten. Weiterhin stehen alle Ergebnisse in Einklang mit den theoretischen und empirischen Erkenntnissen anderer Forschungsarbeiten. Während die meisten Befragten effizienzbezogene, prägnante Texte, die beispielsweise eine schnelle Lieferung und eine hohe Produktqualität betonen, sowie künstlerische Bilder bevorzugen, können soziale und emotionale Elemente in Texten und Bildern die Präferenz bei verträglichen Befragten erhöhen. Eine mögliche Begründung für diesen Unterschied könnte darin liegen, dass der persönliche Kontakt zu Mitarbeitenden

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für verträgliche Personen besonders wichtig ist. Die Integration von sozialen und emotionalen Elementen unterstützt die Sozialfunktion einer App als Surrogat für diesen fehlenden persönlichen Kontakt. Verträglichkeit hat damit für den Kontext Supermarkt-ServiceApp und die untersuchten Attribute das größte Potenzial für eine erfolgreiche persönlichkeitsbasierte Personalisierung.

4.

Implikationen für die App-Gestaltung

Entsprechend den vorstehenden Ergebnissen sind grundsätzlich die Gestaltungselemente Text, Farbe, Form und Bild für eine persönlichkeitsbasierte Personalisierung von Apps geeignet. Insbesondere bei Texten lässt sich eine Personalisierung zudem technisch vergleichsweise einfach umsetzen, da viele Content Management Systeme das Hinterlegen verschiedener Texte erlauben. Auch Bilder lassen sich in Content Management Systemen häufig ohne viel Aufwand anpassen, allerdings entstehen hierbei zusätzliche Kosten für die Produktion der Bilder. Texte und Bilder werden in Online-Shops und Apps zudem ohnehin häufig verändert, sodass eine Anpassung im Rahmen persönlichkeitsbasierter Personalisierung für Nutzer wenig auffällig wäre und keine Irritationen hervorrufen sollte. Texte und Bilder sind damit Bestandteile von (Supermarkt-Service-)Apps, die sich zum einen aufgrund ihrer Präferenzabhängigkeit von den „Big Five“ und zum anderen wegen der relativ einfachen (technischen) Umsetzung sehr gut für eine persönlichkeitsbasierte Personalisierung eignen. Eine Personalisierung der Farbe und Form kann dagegen problematisch sein. So ist die Farbe ein typisches Element der Markenidentität. Ein standardisierter Einsatz markierungsrelevanter Farben ist daher erforderlich, um einen konsistenten Markenauftritt zu gewährleisten. Die Verwendung unterschiedlicher Farben in einer App kann daher zu einer Reduzierung der Wiedererkennung von Marken und zu einer Irritation bei den Kunden führen. Bei der Form kommt hinzu, dass die technische Umsetzung weitaus aufwändiger ist als bei der Änderung von Texten oder Bildern, da unterschiedliche Darstellungsvarianten konzipiert und angeboten werden müssen, die es regelmäßig zu pflegen gilt. Da einige der identifizierten Zusammenhänge zwischen den „Big Five“ und Präferenzen bezüglich Farbe und Form zudem nur marginal signifikant (p < 0,1) sind, kann die persönlichkeitsbasierte Personalisierung dieser Elemente aufgrund der genannten Gefahren nur eingeschränkt empfohlen werden. Eine wesentliche Voraussetzung für die persönlichkeitsbasierte Personalisierung von Apps ist die Bestimmung der Persönlichkeit der App-Nutzer. Die einfachste Möglichkeit ist hier die direkte Abfrage beim Nutzer (z. B. anhand bestehender „Big Five“- Skalen), beispielsweise im Rahmen des Registrierungsprozesses (Braunhofer et al. 2015). Allerdings besteht dabei die Gefahr, dass Nutzer nicht bereit sind, entsprechende Informationen preiszugeben und den kompletten Registrierungsprozess abbrechen. Daher bieten sich automatisierte Verfahren der Persönlichkeitsermittlung an. In den letzten Jahren wurden

Persönlichkeitsbasierte Personalisierung von Service-Apps

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zahlreiche Algorithmen entwickelt, die eine Persönlichkeitsermittlung auf Basis von Daten erlauben, die App-Betreibern häufig zur Verfügung stehen, so z. B. Smartphone(z. B. Adali/Golbeck 2014) oder Facebook-Nutzungsdaten (z. B. Kosinski et al. 2014), die über einen Social-Login abgerufen werden können. Es gibt mittlerweile zahlreiche spezialisierte Anbieter von (daten-)technischen Lösungen für die automatisierte Persönlichkeitsermittlung, sodass ein App-Betreiber keine eigenen Algorithmen entwickeln muss. Bei der Umsetzung persönlichkeitsbasierter Personalisierung gilt es zudem rechtliche und ethische Aspekte zu beachten. Insbesondere seit Einführung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) im Mai 2018 müssen Unternehmen offenlegen, welche Daten sie zu welchem Zweck sammeln und Nutzern zudem die Möglichkeit geben, dieser Datensammlung zu widersprechen (BfDI 2018). Zusätzlich zur rechtlichen Absicherung sollten Anbieter von Service-Apps bei jeder persönlichkeitsbasierten Personalisierungsmaßnahme abwägen, ob diese auch ethisch vertretbar ist. So lassen sich Schwächen von Nutzern erkennen und gezielt ausnutzen. Beispielsweise könnte App-Nutzern, deren Ausprägungen der „Big Five“ mit einem erhöhten Suchtpotenzial korrelieren, vermehrt Werbung für Online-Casinos vorgeschlagen werden (Matz/Netzer 2017, S. 10), was sicherlich ethisch sehr zweifelhaft ist. App-Betreiber sollten persönlichkeitsbasierte Personalisierung daher vielmehr mit dem Ziel einsetzen, ihre App für jeden Nutzer möglichst ansprechend zu gestalten und als ethische Selbstbeschränkung eher grobe Persönlichkeitssegmente verwenden, die Aussagen über Persönlichkeitstendenzen zulassen. Dies führt außerdem dazu, den Aufwand bei der Umsetzung entsprechender Maßnahmen zu reduzieren, da nur wenige Varianten z. B. von Texten und Bildern erstellt werden müssen.

5.

Fazit

Wie die Ergebnisse unserer Untersuchung zeigen, hat die Persönlichkeitsdimension Verträglichkeit das größte Potenzial für eine erfolgreiche persönlichkeitsbasierte Personalisierung von Service-/Supermarkt-Apps. Dies ist insofern interessant, weil sich viele andere Studien auf den Einfluss von Extraversion auf das Kauf- und Nutzungsverhalten von Personen fokussieren (z. B. Nass/Lee 2001; Wheeler et al. 2005; Matz et al. 2017). Die Ergebnisse der ACBC-Analyse deuten jedoch darauf hin, dass die starke Hinwendung zur Extraversion künftig überdacht werden sollte, da andere Dimensionen je nach Kontext sogar größere Wirkungspotenziale erwarten lassen. Hierfür spricht auch die Studie von Braunhofer et al. (2015), wonach sich Neurotizismus am besten als Grundlage für personalisierte Recommender Systeme in der Tourismusbranche eignet. Der kontext-abhängige Einfluss der „Big Five“ sollte in künftigen Studien entsprechend stärker berücksichtigt werden. Ein Grund für die große Relevanz der Verträglichkeit im Kontext dieses Beitrags liegt vermutlich darin, dass stationäre Niederlassungen von Dienstleistern und Händlern häufig

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auch die Funktion eines sozialen Treffpunktes erfüllen und der persönliche Kontakt zu Mitarbeitenden für viele Konsumenten wichtig ist (Bitkom e.V. 2017). Für Personen mit einer starken Ausprägung der Dimension Verträglichkeit ist diese Sozialfunktion besonders bedeutsam und kann durch eine persönlichkeitsbasierte Personalisierung auch bei Apps zumindest zu einem gewissen Grad hergestellt werden. Die vorliegenden Ergebnisse liefern bereits erste Hinweise darauf, dass Präferenzen für einzelne Gestaltungselemente von Apps von der Persönlichkeit eines Nutzers abhängen und eine persönlichkeitsbasierte Personalisierung dieser Elemente folglich zu einer gesteigerten Präferenz für die App als Ganzes führen könnte. Diese erhöhte Präferenz könnte dann wiederum die Absicht steigern, die App zu nutzen und hierüber einzukaufen. Diese Annahme gilt es jedoch in Folgestudien genauer zu überprüfen. Da Persönlichkeitsinformationen von den Informationsträgern als sehr sensibel eingestuft werden, sollten in Folgestudien nicht nur positive Effekte, sondern ebenso mögliche negative Effekte und Grenzen der persönlichkeitsbasierten Personalisierung untersucht werden. Hierbei sollte auch analysiert werden, unter welchen Umständen positive und negative Effekte auftreten und ob für verschiedene Dienst- und Serviceleistungen spezielle Anforderungen bei der persönlichkeitsbasierten Personalisierung bestehen.

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Marija Radic und Dubravko Radic

Automatisierung von Dienstleistungen zur digital unterstützten Versorgung multimorbider Patienten – Eine qualitative Analyse der Nutzerakzeptanz

1. Einleitung 2. Stand der Forschung 2.1 Patienten und pflegende Angehörige 2.2 Medizinisches Personal 3. Methodik 4. Auswertung der Experteninterviews und Fokusgruppen 4.1 Patienten und pflegende Angehörige 4.2 Medizinisches Personal 4.3 Weitere Anbieter von therapeutischen, pflegerischen oder sozialen Dienstleistungen 5. Zusammenfassung und Fazit Literaturverzeichnis

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Bruhn und K. Hadwich (Hrsg.), Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen Forum Dienstleistungsmanagement, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30166-8_12

___________________________ Dr. Marija Radic leitet die Gruppe Preis- und Dienstleistungsmanagement sowie die Abteilung Unternehmensentwicklung im internationalen Wettbewerb am Fraunhofer IMW in Leipzig. Prof. Dr. Dubravko Radic ist Inhaber der Professur für Dienstleistungsmanagement an der Universität Leipzig und arbeitet in der Gruppe Preis- und Dienstleistungsmanagement am Fraunhofer-Zentrum für Internationales Management und Wissensökonomie IMW.

1.

Einleitung

Ebenso wie viele andere Industrienationen steht Deutschland durch eine zunehmend älter werdende Gesellschaft vor massiven Herausforderungen. Mit einer steigenden Anzahl von älteren und hochbetagten Menschen ist auch eine Zunahme der Menschen mit körperlichen sowie kognitiven Einschränkungen absehbar. Dadurch wird es zu einer kontinuierlich wachsenden Anzahl von Menschen mit mehreren chronischen Erkrankungen kommen. In der Folge führt dies zu erweiterten Anforderungen und wachsenden Ausgaben in den Gesundheits-, Pflege- und Sozialsystemen. Um diesen Problemen entgegen zu treten, ist es notwendig, innovative flexible Konzepte für die medizinische Versorgung zu entwickeln (Fendrich et al. 2010). Der Einsatz von sicheren „eHealth“-Anwendungen, wie die Telemedizin, kann hierzu einen Beitrag leisten. „Telemedizin ist ein Sammelbegriff für verschiedenartige ärztliche Versorgungskonzepte, die als Gemeinsamkeit den prinzipiellen Ansatz aufweisen, dass medizinische Leistungen der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung in den Bereichen Diagnostik, Therapie und Rehabilitation sowie bei der ärztlichen Entscheidungsberatung über räumliche Entfernungen (oder zeitlichen Versatz) hinweg erbracht werden. Hierbei werden Informations- und Kommunikationstechnologien eingesetzt.“ (Paré et al. 2007). Während die potenziellen Vorteile telemedizinischer Anwendungen zur Lösung aktueller sowie zukünftiger Herausforderungen hinreichend verbreitet sind, geht deren Etablierung am Markt nur schleppend voran (Gersch/Rüsike 2011). Es stellt sich die Frage, welche Hemmnisse für die schwache Verbreitung maßgeblich sind bzw. welche Treiber dafür sorgen könnten, die Diffusion zu beschleunigen. In der Literatur existieren – insbesondere für Deutschland – nur wenige Studien. Das Ziel der vorliegenden Studie ist es daher, einen Beitrag zur Literatur zu leisten und die Anforderungen verschiedener Anwendergruppen an telemedizinische Lösungen näher zu beleuchten. In Abschnitt 2 werden aktuelle Nutzerakzeptanzstudien im Bereich Telemedizin vorgestellt. Abschnitt 3 und 4 beschreiben die gewählte Methodik sowie die Ergebnisse der vorliegenden Studie. Abschnitt 5 schließt mit einer Zusammenfassung und einem Fazit.

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2.

M. Radic und D. Radic

Stand der Forschung

2.1 Patienten und pflegende Angehörige Zahlreiche Studien haben sich bereits mit der Sicht von Patienten auf Telemedizin beschäftigt. Oft kommen derartige Studien zu dem Schluss, dass Patienten Telemedizin befürworten und mit der Technologie, insbesondere für Telemonitoring, zufrieden sind (Paré et al. 2007; Bulik 2008; Ricci et al. 2010). Unter Telemonitoring wird im Allgemeinen die Überwachung von Patienten durch Ärzte oder Pflegepersonal über eine räumliche Distanz hinweg verstanden (DG Telemedizin o.J.). Einige Patienten haben jedoch Bedenken, dass die Nutzung von Telemedizin die Beziehung zu ihrem Arzt negativ beeinflusst. Im Vergleich zu klassischen Arztbesuchen waren Patienten bei der Nutzung einer virtuellen Sprechstunde in einer US-Studie weniger zufrieden mit dem Arztkontakt, da sie das Gefühl hatten, keine Beziehung zu ihrem Arzt herstellen zu können (Bulik 2008). Daher sollte der erste Kontakt zwischen Patient und Arzt – wenn möglich – stets persönlich sein (Hiratsuka et al. 2013). Das im Zuge der Einführung des E-Health-Gesetzes umstrittene Fernbehandlungsverbot (§ 7 Abs. 4 MBO-Ä) gewährleistet derzeit, dass Patienten in Deutschland nicht ausschließlich über Print- und Kommunikationsmedien behandelt werden dürfen. Auch bei telemedizinischen Verfahren ist zu gewährleisten, dass eine Ärztin oder ein Arzt die Patientin oder den Patienten unmittelbar behandelt (Zentrum für eHealth und Medizintelematik 2016). Patienten schätzen an Telemedizin, dass die Technologie ihnen mehr Selbstbestimmtheit verleiht. Sie können durch die Technologie auf Gesundheitsinformationen zugreifen und ihr Verhalten entsprechend anpassen (Paré et al. 2007; Hage et al. 2013). Dazu kommt ein gesteigertes Sicherheitsgefühl (Ricci et al. 2010). Dies gilt insbesondere für ältere Patienten, denen die Technologie ein längeres, selbstbestimmtes Leben im eigenen Wohnraum ermöglicht (Steele et al 2009; Weiß et al. 2013). Neben der wahrgenommenen Nützlichkeit („Perceived Usefulness“), die in empirischen Studien eine tragende Rolle bei der Akzeptanz von Technologien spielt, ist auch die wahrgenommene Handhabbarkeit („Perceived Ease of Use“) ein weiterer zentraler Erfolgsfaktor von Technologieakzeptanzmodellen (Davis et al. 1989). Dies spiegelt sich auch im Kontext der Nutzerakzeptanz von Telemedizin-Systemen für ältere Patienten wider. Chuna und Patterson (2012) weisen darauf hin, dass derartige Systeme oftmals nicht die Bedürfnisse einer älteren Nutzergruppe angemessen berücksichtigen. Telemedizin-Systeme müssen für den Patienten, insbesondere für ältere Nutzer, vor allem einfach zu benutzen sein (Hage et al. 2013; Arnhold et al. 2014; Elsbernd et al. 2014; Steinke et al. 2014). Die Eingabewerte sollten von dem System darüber hinaus auf Plausibilität geprüft werden, um keine Probleme durch fehlerhafte Werte zu erzeugen (Arnhold et al. 2014). Schließlich spielen auch externe Variablen eine Rolle bei der Akzeptanz von Telemedizin. In einer US-Studie wurde festgestellt, dass Patienten, die prinzipiell mit der medizinischen Versorgung zufrieden sind oder die gerne medizinische Informationen einholen, auch eine höhere Wahrscheinlichkeit aufweisen, Telemedizin zu akzeptieren (Wilson/Lankton

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2004). Patienten, die in geografisch abgelegenen Gegenden leben, sind ebenfalls eher dazu bereit, Telemedizin zu akzeptieren (Hage et al. 2013). Datenschutz und -sicherheit werden insbesondere in deutschen Arbeiten oft als wichtige Aspekte für Patienten genannt (Jung/Berthon 2009; Wilkowska/Ziefle 2012; Weiß et al. 2013). Jedoch existieren internationale Studien aus Australien oder den USA, die die Wichtigkeit dieser Aspekte relativieren (Steele et al. 2009; Young et al. 2014). Vor dem Hintergrund möglicher Finanzierungsquellen für Telemedizinlösungen sind auch die (Selbst-)Zahlungsbereitschaften ein außerordentlich wichtiger Aspekt. Die Zahlungsbereitschaft für Assistenzsysteme ist bei älteren Patienten selbst eher niedrig (Fachinger et al. 2012). Ein anderes Bild zeichnet sich für die Gruppe der pflegenden Angehörigen ab. Eine US-Studie hat für 80 Prozent der pflegenden Angehörigen eine durchschnittliche Zahlungsbereitschaft von 50 USD pro Monat für Monitoring-Technologien ermittelt. Insbesondere junge, technikaffine Angehörige mit hohen Einkommen haben eine höhere Zahlungsbereitschaft (Schulz et al. 2016). Eine Studie in Großbritannien ermittelte für Angehörige von Demenz-Patienten eine Zahlungsbereitschaft von 240 bis 300 GBP pro Jahr bzw. von 20 bis 25 GBP pro Monat für Monitoring-Technologie (Stephen et al. 2014).

2.2 Medizinisches Personal Auch bei Ärzten beeinflussen die wahrgenommene Nützlichkeit sowie die wahrgenommene Handhabbarkeit die Akzeptanz von Technologien. Zahlreiche Ärzte hatten bisher jedoch vergleichsweise wenig Berührungspunkte mit Telemedizin, was ihre Meinung laut existierenden Studien eher negativ beeinflusst. Ärzte, die sich bereits stärker mit dem Thema Telemedizin beschäftigt haben, sind auch eher zur Nutzung dieser bereit (Dünnebeil et al. 2012; Ayatollahi/Sarabi 2015). Eine Studie von Dockweiler aus dem Jahre 2015 zeigt, dass in der Gruppe der angehenden Mediziner überwiegend eine positive Einstellung gegenüber der Telemedizin vorherrscht. Auch Ärzte, denen Dokumentation und Standardisierung wichtig sind, sowie IT-affine Ärzte sind eher zur Nutzung bereit. Dies zeigen die in Deutschland durchgeführten Studien von Dünnebeil et al. (2012) sowie Dockweiler und Hornberg (2014). Der Einfluss von Telemedizin auf den Arbeitsablauf und die Kultur am Arbeitsplatz ist für Leistungserbringer von besonderer Bedeutung (Schmidt/Grimm 2009; Moeckli et al. 2014). In Studien aus den USA sorgen Ärzte sich, dass Telemedizin, beispielsweise aufgrund zusätzlicher Interventionen bei der Nutzung von Telemonitoring-Systemen, die Arbeitsbelastung weiter erhöhen könnte (Shaw et al. 2013; Davis et al. 2014). Darüber hinaus zeigen sie Bedenken, dass der Einsatz der Technologie die Qualität der Versorgung negativ beeinflussen könnte (Hiratsuka et al. 2013; Moeckli et al. 2014). Analog zur Gruppe der Patienten, sorgen auch Versorger sich aufgrund der räumlichen Distanz und dem damit geringeren persönlichen Kontakt um die Arzt-Patienten-Beziehung beim Einsatz von Telemedizin (Schmidt/Koch 2003; Schmidt/Grimm 2009; Kluska 2012). Die Versorgung

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könnte sich dadurch „weniger menschlich“ anfühlen (Weiß et al. 2013, S. 144). Bei Telemonitoring wird der Zugang zu (Echtzeit-)Vitaldaten positiv aufgenommen, da dies schnellere Interventionen ermöglicht, was die wahrgenommene Nützlichkeit erhöht (Grant et al. 2013). Wichtig ist die Integration der Datensätze in bestehende Systeme: Ärzte würden Telemedizin nicht nutzen, wenn sie dafür eine weitere Datenquelle aufrufen müssten (Davis et al. 2014; Rho et al. 2014). Auch Unklarheiten bezüglich der Haftung hemmen die Diffusion von Telemedizin. Darüber hinaus besteht die Sorge, dass es durch Telemonitoring zu einer Überversorgung kommt, da möglicherweise unkritische Überschreitungen von Schwellenwerten überinterpretiert werden könnten (Ure et al. 2012; Davis et al. 2014). Ein weiterer wichtiger Aspekt für die Akzeptanz von Telemedizin bei Ärzten ist die Frage der Finanzierung. In einer deutschen Studie gaben nur 14 Prozent der Ärzte an, ausreichend über die wirtschaftlichen Aspekte von Telemonitoring informiert zu sein (Leppert et al. 2015). Darüber hinaus leiten sich Diffusionshemmnisse für E-Health-Anwendungen aus der Volatilität des politisch-rechtlichen Umfeldes ab: Versorger sind hinsichtlich der Kontinuität der grundlegenden Prinzipien aktueller Gesetze und Regelungen verunsichert (Gersch/Rüsike 2011).

3.

Methodik

Wie die Ausführungen im vorhergehenden Abschnitt zeigen, gibt es insbesondere für Deutschland bislang vergleichsweise wenige Studien, die sich mit der Nutzerakzeptanz telemedizinischer Angebote auseinandersetzen. Darüber hinaus fokussieren die Studien in der Regel auf einzelne Aspekte oder Anwendergruppen. Telemedizinische Angebote werden aber nur dann erfolgreich im Markt diffundieren, wenn die Bedürfnisse aller beteiligten Anwendergruppen systematisch erfasst und in der Produktentwicklung berücksichtigt werden: Der Patienten und pflegenden Angehörigen als Endnutzer der Angebote zum einen. Zum anderen aber auch der Versorger und Dienstleister, die eine zentrale Rolle im Versorgungsprozess einnehmen und somit Schlüsselpartner aus Sicht der Anbieter von Telemedizinanwendungen sind. Das zentrale Ziel der vorliegenden Studie ist es daher, am Beispiel der ATMoSPHÄRE-Plattform eine umfassende qualitative Nutzeranalyse durchzuführen, die die Bedürfnisse aller am Prozess beteiligten Anwendergruppen beleuchtet (Weitere Informationen zu ATMoSPHÄRE unter folgendem Link: https://atmosphaere .org/FrontEnd Stand: 2.8.2017). Das BMBF-geförderte Gemeinschaftsprojekt ATMoSPHÄRE entwickelt, erprobt und evaluiert in Sachsen die Integration einer medizintechnischen IT-Plattform mit einem umfassenden Versorgungsmanagementansatz, um vor allem chronisch erkrankten und multimorbiden älteren Patienten und Patientinnen ein unabhängiges Leben zu ermöglichen. Abbildung 1 visualisiert die Funktionsweise der Plattform.

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Abbildung 1:

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Schema der ATMOSPHÄRE Plattform

Methodisch wird ein qualitativer Ansatz aufgrund des explorativen Charakters der Studie gewählt Nach einer Literaturanalyse wurden zwischen August 2016 und April 2017 qualitative Fokusgruppen bzw. semi-strukturierte Experteninterviews mit Vertretern von drei verschiedenen Anwendergruppen durchgeführt: „ „ „

Patienten und pflegenden Angehörigen, Medizinischem Personal, Weiteren Anbietern von sozialen, therapeutischen und pflegerischen Dienstleistungen.

Im Rahmen von zwei Fokusgruppen wurden insgesamt 18 Patienten und pflegende Angehörige befragt. In zwei weiteren Fokusgruppen mit medizinischen Versorgern (Hausärzte, Care Coordination Manager, medizinische Fachangestellte aus den jeweiligen Hausarztpraxen) wurden die Anforderungen dieser wichtigen Anwendergruppe mit insgesamt 14 Personen diskutiert. Bei der dritten Gruppe der Dienstleister wurden sowohl private kleinere Anbieter als auch Wohlfahrtsverbände aus den Bereichen stationäre und ambulante Pflege sowie Therapie befragt. Die Interviewpartner waren Geschäftsführer, Pflegedienstleitungen oder Referenten für den Bereich Altenhilfe in ihrer Organisation. Insgesamt konnten auch hier Gespräche mit 18 Personen geführt werden. Die Einzel- und Fokusgruppeninterviews wurden nach wissenschaftlichen Maßstäben aufgezeichnet, transkribiert und ausgewertet (Mayring 2016). Im folgenden Abschnitt werden die Ergebnisse je Anwendergruppe dargestellt.

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4.

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Auswertung der Experteninterviews und Fokusgruppen

4.1 Patienten und pflegende Angehörige Mit Blick auf den wahrgenommenen Nutzen von ATMoSPHÄRE sehen sowohl Patienten als auch pflegende Angehörige die Tatsache, dass der Arzt stets über den aktuellen Krankheitszustand informiert ist und das damit einhergehende gesteigerte Sicherheitsgefühl als zentralen Vorteil des Telemonitoring-Systems ATMoSPHÄRE. Dies bestätigt die oben dargelegten Ergebnisse anderer internationaler Studien. Der Einschluss von weiteren Dienstleistern, die auf der Plattform therapeutische, pflegerische oder soziale Dienstleistungen anbieten, wird befürwortet und steigert den Nutzen von ATMoSPHÄRE aus Sicht von Patienten im Hinblick auf ein möglichst langes und selbstbestimmtes Leben in den eigenen vier Wänden. In der Diskussion stellt sich heraus, dass bereits heute mehrere Patienten Dienstleistungen in Anspruch nehmen und diese selbst bezahlen. Wichtig ist hierbei jedoch der Vertrauensaspekt. Patienten ist es sehr wichtig, dass sie Kontrolle darüber haben, welcher Dienstleister in ihre Häuslichkeit kommt. Eine Qualitätssicherung der auf der Plattform vorhandenen Anbieter wird ausdrücklich begrüßt. Wie in zahlreichen Studien spielt auch in dieser Studie die Handhabbarkeit der Plattform eine sehr große Rolle. Dies ist wenig überraschend, betrachtet man das Durchschnittsalter der befragten Patientenkohorte, das über 80 Jahre beträgt. Die Mehrheit der Patienten verfügt über keine Vorerfahrungen mit Smartphones oder Tablets. Während die Patienten mit der Messung der Vitalparameter und Beantwortung der Fragebögen im ATMoSPHÄRESystem gut zurechtkommen, gibt es zahlreiche Fragen rund um Themen wie das Laden der Geräte, die Akkulaufzeit und Akkustandsanzeige, das Scrollen auf dem Tablet und den Verbindungsaufbau des Tablets. Werden diese Themen nicht adressiert, können sie zu Verunsicherung bei den Patienten führen. Einige Patienten haben auch Angst, das Tablet falsch zu bedienen. Teilweise führt dieser Umstand auch zu Verzerrungen bei Messungen, weil Patienten aufgeregt sind. Im Allgemeinen sind Patienten jedoch nach einer Eingewöhnungsphase von etwa einer Woche und unter Anleitung mit der Handhabung der Technik zufrieden. Für Anbieter von Telemedizinsystemen, die mit älteren Patienten zusammenarbeiten, bedeutet dies, dass eine Erstschulung durch den installierenden Techniker nicht ausreicht. Für die Akzeptanz des Telemedizinsystems ist es sehr wichtig, dass vor allem in den ersten Wochen wiederholte Schulungen stattfinden und konstante Ansprechpartner für die Klärung dieser Fragen persönlich oder telefonisch zur Verfügung stehen. Im Gegensatz zu den in Abschnitt 2 genannten deutschen Studien, haben in den durchgeführten Fokusgruppen weder Patienten noch pflegende Angehörige Bedenken mit Blick auf das Thema Datenschutz geäußert. Dies könnte auf die ausführlichen Erläuterungen

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unter anderem zum Datenschutzkonzept im Rahmen des Studieneinschlusses zurückzuführen sein. Von einer (Zu-)Zahlungsbereitschaft von Patienten bzw. pflegenden Angehörigen für ein derartiges System kann prinzipiell ausgegangen werden, wobei die Größenordnung der Zahlungsbereitschaft Gegenstand weiterer Studien sein wird.

4.2 Medizinisches Personal Auch die medizinischen Versorger sehen mit Blick auf die wahrgenommene Nützlichkeit des Systems die erlebbare Sicherheit für den Patienten als einen zentralen Vorteil von ATMoSPHÄRE. Der Patient fühlt sich besser betreut durch das telemedizinische Monitoring, den Arzt und den Care Coordination Manager. Er ist aufgeklärt und selbstbestimmt und kann sich aktiv einbringen sowie die Messwerte in die Praxis mitbringen. Durch die kontinuierliche Erfassung der Vitalparameter werden Verzerrungen der Messwerte z. B. durch Aufregung bei Bluthochdruck verringert und der Arzt kann die Wirksamkeit der Medikation besser überwachen. Der Mehrwert der ATMoSPHÄRE-Plattform für die medizinischen Versorger selbst liegt insbesondere in der potenziellen Zeitersparnis: Durch Anbindung an die Praxisverwaltungssysteme kann Doppeldokumentation vermieden werden, die Patienten sind besser vorbereitet und bringen ihre Messwerte mit, der Hausarzt kann die Verlaufsdaten direkt auf der Plattform einsehen, die Daten werden strukturiert eingepflegt, das Care Coordination Center kann als zwischengeschaltete Einheit z.B. Patientenanliegen klären. Insbesondere die Anbindung an Praxisverwaltungssysteme muss bei einem Telemedizin-System aus Sicht von Hausärzten unbedingt gegeben sein. Ärzte sind in der Regel nicht dazu bereit, noch eine weitere Informationsquelle zu nutzen bzw. zu pflegen. Wichtig im Kontext der wahrgenommenen Handhabbarkeit ist auch die sorgsame Definition der Daten. Es muss unbedingt gewährleistet sein, dass in einem derartigen System die Übersichtlichkeit gewahrt wird. Die Finanzierung von ATMoSPHÄRE ist eine weitere Schlüsselfrage. Für die Akzeptanz von Telemedizinlösungen durch Ärzte und somit ihre Diffusion ist aus Sicht der beteiligten Hausärzte ein direkter finanzieller Anreiz notwendig. Idealerweise finden Telemedizinlösungen Eingang in die Regelversorgung. Alternativ sind aus Sicht der Ärzte bei sektorenübergreifenden Versorgungsmodellen auch selektivvertragliche Modelle ein häufig gewähltes Instrument im Kontext der Erprobung telemedizinischer Anwendungen. In den Diskussionen wurde auch die Schlüsselrolle von Ärzten und medizinischen Fachkräften mit Blick auf die Patientenakzeptanz thematisiert: Patienten haben großes Vertrauen in das Personal in den Praxen. Wichtig für die Diffusion ist daher, dass das Personal in den Hausarztpraxen mit dem telemedizinischen System gut vertraut, geschult und von den Mehrwerten überzeugt ist. Im Vergleich zur existierenden Literatur fällt auf, dass die in dieser Studie befragten Leistungserbringer nicht hinsichtlich einer möglichen Verschlechterung der Beziehung zum

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Patienten besorgt waren. Die Studie bestätigt jedoch die in der Literatur postulierte Wichtigkeit des Arbeitsablaufs und der Integration des Telemedizinsystems in die existierende Software bzw. IT-Struktur, da eine mögliche Zeitersparnis, die einen zentralen Nutzen für die Ärzte darstellt, nur erreicht werden kann, wenn diese gegeben ist.

4.3 Weitere Anbieter von therapeutischen, pflegerischen oder sozialen Dienstleistungen Die befragten Pflegedienstleister sprechen der Plattform eine Reihe von Mehrwerten zu. Diese reichen von einer regelmäßigen Begleitung der Patienten über eine verbesserte Abstimmung unter den Akteuren, die Koordination verfügbarer Angebote und Pflegeplätze bis hin zur Dokumentation medizinischer Parameter. Die elektronische Fallakte (EFA) der Plattform ist nach Einschätzung der Befragten mit der derzeitigen Struktur kombinierbar und im Hinblick auf Personalmangel und Versorgungsqualität sinnvoll. EFA ist eine Kommunikationsplattform für Ärzte: Von ihrer Struktur her ist sie darauf ausgelegt, Ärzte über Sektor- und Einrichtungsgrenzen hinweg zu vernetzen und ihnen den datenschutzgerechten Austausch von medizinischen Informationen zu gemeinsam behandelten Patienten zu ermöglichen. Eine Fallakte steht hierbei für einen medizinischen Fall eines Patienten (Verein FallAkte e.V. o. J.). Neben den Vorteilen für den Patienten bietet die Plattform auch große Potenziale für Effizienzsteigerungen auf Seiten der Pflegeanbieter. Dieser Effekt fällt durch Schnittstellen in die Pflegedokumentationssysteme aus Sicht der Anbieter noch deutlich höher aus. Das Care Coordination Center könnte Pflegedienste darüber hinaus bei der Kommunikation mit dem Hausarzt und den Angehörigen entlasten. In der Diskussion mit den Pflegeanbietern dominieren aufgrund des Personalmangels in der Branche die Argumente rund um mögliche Effizienzsteigerungen. Ein Angebot innovativer Lösungen wie z. B. ATMoSPHÄRE wird auch als Instrument zur Steigerung der Arbeitgeberattraktivität gesehen. Mit Blick auf die wahrgenommene Handhabbarkeit konstatieren die Anbieter, dass zukünftige Generationen pflegebedürftiger Menschen gegenüber telemedizinischen Lösungen offener sein werden. Für die aktuelle Generation ist es daher umso wichtiger, dass die Handhabung der Plattform für die Patienten möglichst einfach gestaltet wird. Als größte Herausforderung sehen die Befragten einen externen Faktor; nämlich alle Partner des (Gesundheits-)Ökosystems an einen Tisch zu bekommen und die Akzeptanz füreinander herzustellen. Mit Blick auf die Zahlungsbereitschaft für die Leistungen des ATMoSPHÄRE-Wertschöpfungsnetzwerks favorisieren die Dienstleister ein transaktionsbasiertes Provisionsmodell (gekoppelt an die vermittelte Dienstleistung) zu Gunsten des Plattform- bzw. Systembetreibers. Einige Teilnehmer der Studie sehen die Finanzierung der Plattform als Aufgabe der Kassen an.

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Da der Markt für Therapiedienstleistungen anderen Rahmenbedingungen unterliegt, zeichnet sich hier ein differenziertes Bild. Die finanziellen Spielräume von Therapiepraxen werden als eher gering eingestuft. Daher bietet die Listung auf der ATMoSPHÄREPlattform die Chance für Therapiepraxen, neue Kunden zu gewinnen und ein neues auf ältere Menschen ausgerichtetes Geschäftsfeld aufzubauen. Aus Sicht der therapeutischen Dienstleister könnte das ganzheitliche Gesamtkonzept die Professionalität des Versorgungsprozesses insgesamt steigern. Die Befragten sehen einen Mehrwert in der Listung von Dienstleistern auf der Plattform, weil ihrer Erfahrung nach Patienten häufig gerne Dienstleistungen in Anspruch nehmen würden, aber Schwierigkeiten bei der Umsetzung haben. Hierbei könnte das Care Coordination Center behilflich sein. Auch in dieser Zielgruppe wurde mit Blick auf die Handhabbarkeit betont, dass die Plattform intuitiv und in einfacher Sprache gestaltet werden sollte. Mit Blick auf die Differenzierung der Therapeuten ist die Ausweisung von Spezialisierungen der Praxen ein wichtiges Thema. Trotz enger finanzieller Spielräume haben die Therapeuten aufgrund der ausgeführten Wachstumspotenziale eine Zahlungsbereitschaft für ATMoSPHÄRE. Auch die Therapeuten bevorzugen eine transaktionsbasierte Provisionsgebühr im Vergleich zu einer fixen monatlichen Gebühr.

5.

Zusammenfassung und Fazit

Die qualitative Nutzeranalyse hat gezeigt, dass Telemedizinlösungen einen für alle beteiligten Anwendergruppen nutzenstiftenden Ansatz bei der Versorgung multimorbider Patienten darstellen können. Patienten und pflegende Angehörige sehen einen potenziellen Nutzen im Sicherheitsaspekt und sind selbstbestimmter und aufgeklärter. Patienten und Leistungserbringer sind besser informiert. Die Leistungserbringer und Dienstleister sehen darin Chancen für einen effizienteren, unter allen Akteuren abgestimmten und professionelleren Versorgungsprozess. Für Therapeuten kann eine Lösung wie ATMoSPHÄRE ein neues Wachstumsfeld eröffnen. Und für die vom Fachkräftemangel limitierten Pflegeanbieter kann das Angebot telemedizinischer Leistungen einen Wettbewerbsvorteil bezüglich der Rekrutierung von Fachkräften darstellen. Wie die Ergebnisse der Fokusgruppen gezeigt haben, ist die wahrgenommene Handhabbarkeit der Telemedizinlösung ein elementarer Faktor. Für ältere Nutzer muss das System intuitiv zu bedienen und einfach in der Sprache sein. Aus Sicht der Leistungserbringer und Dienstleister sind Effizienzgewinne ein wichtiger Treiber für die Akzeptanz solcher innovativen Lösungen. Hierfür ist eine Einbettung in existierende IT- und Versorgungsstrukturen ideal. Regelmäßige Schulungen sind empfehlenswert für alle Anwendergruppen. Es zeigt sich, dass die meisten Akteure derzeit tendenziell eine verhaltene Zahlungsbereitschaft für Telemedizin aufweisen, wodurch eine signifikante (Ko-)Finanzierung durch die Krankenkassen als möglicher „Katalysator“ für die Diffusion von Telemedizin in Deutschland als notwendig erachtet wird. Hier besteht jedoch weiterer Forschungsbedarf.

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Schließlich zeigt die Studie, dass es für die Diffusion von eHealth-Anwendungen essentiell ist, dass auf Seiten der beteiligten Akteure Unsicherheit bezüglich der politisch-rechtlichen Rahmenbedingungen sowie der Interoperabilität der Systeme abgebaut wird (Gersch/Rüsike 2011). Dabei kann das Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen (eHealth-Gesetz) einen ersten Schritt in die richtige Richtung darstellen.

Förderhinweis Die Entwicklung des dargestellten Telemedizin-Systems wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen des Förderprogramms „Medizintechnische Lösungen bei Multimorbidität“ unter Förderkennzeichen 13GW0075E gefördert.

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3. Digitale Geschäftsmodelle

Marlen Rimbeck, Hannes Reil, Jutta Stumpf-Wollersheim und Michael Leyer

IoT-Geschäftsmodelle für Dienstleistungen in KMU

1. Einleitung 2. Begriffsabgrenzungen und Definitionen 2.1 Internet der Dinge 2.2 Geschäftsmodelle 3. IoT-Geschäftsmodelle im Dienstleistungsbereich 3.1 Übersicht zu IoT-Geschäftsmodellen im Dienstleistungsbereich 3.2 Entwicklung von IoT-Geschäftsmodellen im Dienstleistungsbereich 3.2.1 Business Model Canvas 3.2.2 Dreidimensionales Artefakt 3.2.3 Vier strategische IoT-Rollen 4. Erwartete Auswirkungen von IoT-Geschäftsmodellen 4.1 Erwartete Auswirkungen auf organisationaler Ebene 4.2 Erwartete Auswirkungen auf individueller Ebene 4.3 Zusammenfassung der erwarteten Auswirkungen 5. Fazit und Ausblick Literaturverzeichnis

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Bruhn und K. Hadwich (Hrsg.), Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen Forum Dienstleistungsmanagement, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30166-8_13

___________________________ Marlen Rimbeck ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Internationales Management und Unternehmensstrategie, Technische Universität Bergakademie Freiberg. Hannes Reil ist wissensschaftlicher Mitarbeiter an der Professur BWL der Dienstleistungen, Universität Rostock. Prof. Dr. Jutta Stumpf-Wollersheim ist Professorin für Internationales Management und Unternehmensstrategie an der Technischen Universität Bergakademie Freiberg. Prof. Dr. Michael Leyer ist Professor für Service Operations an der Universität Rostock sowie Adjunct Professor an der Queensland University of Technology in Brisbane, Australien.

1.

Einleitung

Klein- und mittelständische Unternehmen (KMU) im Dienstleistungsbereich stehen zunehmend vor der Herausforderung, das Internet der Dinge (engl. Internet of Things; IoT) erfolgreich zu implementieren. Durch die mit dem IoT einhergehende intelligente Vernetzung von Gegenständen (Xia et al. 2012) erhalten KMU die Möglichkeit, Kostensenkungspotenziale zu realisieren sowie die Kundenzufriedenheit und die Individualisierung von digitalen Services zu optimieren (Bruhn/Hadwich 2017). Für KMU entstehen durch das IoT zudem große Chancen, da eine vergleichsweise wenig ressourcenintensive Informationsvernetzung erforderlich ist. Das IoT beschreibt dabei die Integration jeglicher physischer Produkte in ein globales Netzwerk und repräsentiert die künftige Generation des Internet (Fleisch et al. 2015). Es ermöglicht unter anderem die Bereitstellung von Dienstleistungen (De et al. 2011), die bestehende Leistungsversprechen erweitern und gänzlich neue Dienstleistungsangebote schaffen (Wortmann et al. 2017). Vernetzte Dienstleistungen können dabei zunehmend aus einer Hand angeboten werden (Ostrom et al. 2015). Zudem sind Kunden in der Lage, gewisse Aufgaben im Dienstleistungsprozess selbst zu übernehmen (Brous et al. 2019). Die Anwendungsbereiche gestalten sich dementsprechend vielseitig, sodass das IoT die Position von (klein- und mittelständischen) Unternehmen im Wettbewerb erheblich stärken kann (Matyssek 2017). Indem Unternehmen das IoT zunehmend nutzen, erhalten sie die Möglichkeit, bestehende Geschäftsmodelle inkrementell oder sogar radikal zu verändern (Bucherer/Uckelmann 2011). Die Forschungsliteratur zu IoT fokussiert sich bisher primär auf die technischen Aspekte; also darauf, was für die Implementierung des IoT aus technischer Sicht notwendig ist (del Giudice 2016). Weitgehend unbeachtet bleibt bisher hingegen die Frage, welche Auswirkungen von der Implementierung des IoT in KMU auf organisationaler und individueller Ebene zu erwarten sind und wie KMU das IoT erfolgreich implementieren können. Auf organisationaler Ebene ist bei der Implementierung des IoT zu beachten, dass der Fokus der Digitalisierungsbestrebungen nicht länger auf der Optimierung der Ausführung einzelner Tätigkeiten liegt. Vielmehr sollen Funktionen vernetzt werden, wodurch eine integrierte Betrachtung von durchgehenden Wertschöpfungsprozessen zunehmend an Bedeutung gewinnt (Caputo et al. 2016). Die Einbettung vernetzter Wertschöpfungsprozesse in die Aufbauorganisation findet derzeit wenig Beachtung (Ferretti/Schiavone 2016), sodass es bisher unklar ist, wie in diesem Kontext die Rahmenbedingungen für die Aufbauund Ablauforganisation gestaltet werden sollten (Leyer et al. 2017). Auf individueller Ebene ist bei der Implementierung von IoT zu beachten, dass mit zunehmender Informationsvernetzung Mensch-Maschine-Interaktionen gefördert werden,

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wodurch die von den Mitarbeitenden auszuführenden Tätigkeiten großen Veränderungen unterliegen (Bitner et al. 2010). Beispielsweise verringert sich durch automatische Auftragserteilungen die Notwendigkeit standardisierter Arbeitsaufgaben, während komplexe Tätigkeiten an Relevanz gewinnen. Durch eine höhere Anpassung an Kundenbedürfnisse werden von Mitarbeitenden außerdem spezifische, mitunter neue Kompetenzen gefordert (Shin 2014). Das Adressieren dieser Forschungslücken ist insbesondere für KMU wichtig und relevant, weil sie in der Regel nur unzureichend in Forschung und Entwicklung investieren können und die notwendige Fachexpertise zur Bewältigung komplexer IoT-Lösungen fehlt, sodass vorrangig wenig revolutionäre Technologien genutzt werden (Moeuf et al. 2018). Vor diesem Hintergrund ist es Ziel dieses Beitrags, erwartete Auswirkungen des IoT auf organisationaler und individueller Ebene abzuleiten und somit erste Ansatzpunkte zur erfolgreichen Implementierung des IoT in KMU liefern zu können. Dafür werden im Folgenden Begriffsabgrenzungen zum IoT und zu Geschäftsmodellen erörtert sowie eine Übersicht zu neuartigen IoT-Geschäftsmodellen im Dienstleistungsbereich gegeben. Danach erfolgt die Analyse zweier Geschäftsmodell-Ansätze sowie eines rollenbasierten Ansatzes für die Entwicklung von IoT-Geschäftsmodellen im Dienstleistungsbereich. Der rollenbasierte Ansatz sieht eine Einteilung von Unternehmen in IoT-bezogene Aufgabenbereiche vor. Ausgehend von den verschiedenen Aufgabenbereichen bzw. den Rollen, die Unternehmen demnach einnehmen können, werden letztlich Auswirkungen des IoT auf organisationaler und individueller Ebene herausgearbeitet, bevor der Beitrag mit einem Fazit und Ausblick endet.

2.

Begriffsabgrenzungen und Definitionen

Um ein grundlegendes Verständnis für die Thematik zu schaffen und darzulegen, welche Begriffsverständnisse im Folgenden zugrunde liegen, werden in diesem Abschnitt Begriffsabgrenzungen und Definitionen zum IoT und zu Geschäftsmodellen diskutiert.

2.1 Internet der Dinge Hinsichtlich des IoT-Verständnisses sind in der Literatur drei verschiedene Sichtweisen vertreten (Atzori et al. 2018), die auf die unterschiedlichen Herangehensweisen von Geschäftsallianzen, Stakeholdern und Forschern zurückzuführen sind. Die Sichtweisen finden Anwendung in unterschiedlichen Bereichen und lassen sich hinsichtlich ihrer Gewichtung bezüglich der allgegenwärtigen Intelligenz, Vernetzung und Assistenz differenzieren (Schlick et al. 2014):

IoT-Geschäftsmodelle für Dienstleistungen in KMU

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(1) Ding-orientierte Sichtweise: Der Fokus liegt hierbei auf der eindeutigen Identifizierung und Organisation der verknüpften Objekte, beispielsweise mittels RFID. (2) Internet-orientierte Sichtweise: Im Mittelpunkt steht hierbei die Art und Weise der Interaktion zwischen verknüpften Objekten. (3) Semantisch-orientierte Sichtweise: Hierbei liegt der Schwerpunkt auf dem Datenmanagement, das eine effiziente und sichere Nutzung großer Datenmengen umfasst. Ausgehend von dem Mangel an einer einheitlichen Definition des IoT haben Atzori et al. (2017) Gemeinsamkeiten aus verschiedenen Begriffsbestimmungen zusammengetragen und daraus die folgende Definition abgeleitet: “A conceptual framework that leverages on the availability of heterogeneous devices and interconnection solutions, as well as augmented physical objects providing a shared information base on global scale, to support the design of applications involving at the same virtual level both people and representations of objects” (Atzori et al. 2017, S. 19). Dieses Begriffsverständnis wird im Folgenden zugrunde gelegt. Demnach wird das IoT als ein globales Netzwerk intelligenter, über das Internet miteinander verknüpfter, Objekte verstanden. Es bietet die Möglichkeit, Anwendungen und Dienstleistungen auf neue Weise miteinander zu verbinden, um den Einsatz moderner Technologie zu unterstützen (Miorandi et al. 2012).

2.2 Geschäftsmodelle Grundlegend betrachtet handelt es sich bei einem Geschäftsmodell um die modellhafte, komplexitätsreduzierende Darstellung des eigenen Geschäfts (Stähler 2014). Ein bekanntes Konzept für die Definition von Geschäftsmodellen stammt von Osterwalder/Pigneur (2010). Sie beschreiben Geschäftsmodelle durch neun Grundbausteine. Stähler (2014) erweitert diese Perspektive um die Sinnfragen für Menschen, die durch das Geschäftsmodell adressiert werden. Dabei werden auch weiche Faktoren hinreichend betrachtet; denn die Integration von Emotionen und Gefühlen dient einer Marktdifferenzierung des Unternehmens, der Verbesserung von Kundenbeziehungen sowie der Bewältigung strategischer Fragestellungen (Stähler 2014). Zudem hat Schallmo (2014) eine umfangreiche Definition entwickelt, die verschiedene Dimensionen eines Geschäftsmodells berücksichtigt. Dargestellt wird dabei die Kundendimension, die Nutzendimension, die Wertschöpfungsdimension sowie die Partner- und Finanzdimension. Die folgende Abbildung 1 gibt einen Überblick zu ausgewählten Begriffsbestimmungen.

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Autor(en)

Definition Geschäftsmodell

Al-Debei et al. 2008, S. 7

The business model is an abstract representation of an organization, be it conceptual, textual, and/or graphical, of all core interrelated architectural, co-operational, and financial arrangements designed and developed by an organization, as well as all core products and/or services the organization offers based on these arrangements that are needed to achieve its strategic goals and objectives.

Bieger/Reinhold 2011, S. 32

Ein Geschäftsmodell beschreibt die Grundlogik, wie eine Organisation Werte schafft.

Hawkins 2002, S. 299

A business model is a description of the commercial relationship between a business enterprise and the products and/or services it provides in the market.

Johnson et al. 2008, S. 60

A business model, from our point of view, consists of four interlocking elements that, taken together, create and deliver value.

Osterwalder/Pigneur 2010, S. 14

A business model describes the rationale of how an organization creates, delivers, and captures value.

Schallmo 2014, S. 6

Ein Geschäftsmodell beinhaltet [...] Dimensionen und Elemente [...]. Die Zielsetzung ist, die Geschäftsmodell-Elemente so miteinander zu kombinieren, dass sich die Geschäftsmodell-Elemente gegenseitig verstärken. Somit ist es möglich, Wachstum zu erzielen und gegenüber Wettbewerbern schwer imitierbar zu sein.

Stähler 2014, S. 113

Ein Geschäftsmodell ist i) ein Bauplan eines Geschäfts, wie das Unternehmen Wert für Kunden und für sich und seine Eigentümer selbst schafft und ii) muss im Geschäftsmodell auch beschrieben werden, warum Kunden überhaupt mit dem Unternehmen ins Geschäft kommen sollen.

Teece 2010, S. 173

A business model articulates the logic and provides data and other evidence that demonstrates how a business creates and delivers value to customers. It also outlines the architecture of revenues, costs, and profits associated with the business enterprise delivering that value.

Abbildung 1:

Überblick zu Definitionen von Geschäftsmodellen

IoT-Geschäftsmodelle für Dienstleistungen in KMU

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Insbesondere die Definition nach Stähler (2014) erscheint für die weitere Betrachtung von IoT-Geschäftsmodellen im Dienstleistungsbereich als geeignet und wird den weiteren Ausführungen zugrunde gelegt; denn diese berücksichtigt neben der Wertschaffung, der Geschäftsstruktur und dem Ertragsmodell auch den Unternehmensgeist. Dieses Element umfasst die Frage, „warum Mitarbeiter von dem Unternehmen, bei dem sie arbeiten, begeistert sein sollten“ (Stähler 2014, S. 113). Im Zusammenhang mit dem IoT, das tiefgreifende Veränderungen auch auf individueller Ebene hervorruft, ist diese Betrachtungsweise als wesentlich anzusehen.

3.

IoT-Geschäftsmodelle im Dienstleistungsbereich

In diesem Abschnitt wird zunächst einführend eine Übersicht zu IoT-Geschäftsmodellen im Dienstleistungsbereich gegeben. Dabei werden vier durch das IoT-realisierte Kategorien von technologischen Diensten, die neuartige Dienstleistungen ermöglichen, sowie zwei eigenständige IoT-Geschäftsmodelle vorgestellt. Danach erfolgt die Analyse von zwei Geschäftsmodell-Ansätzen und einem rollenbasierten Ansatz mit Einteilung nach Aufgabenbereichen für die Entwicklung von IoT-Geschäftsmodellen. Ziel ist es, eine geeignete Einteilung für KMU vorzunehmen, die das IoT nutzen, um mögliche Auswirkungen, die sich aus der Implementierung des IoT ergeben, ableiten zu können.

3.1 Übersicht zu IoT-Geschäftsmodellen im Dienstleistungsbereich Das IoT ermöglicht Dienstleistungen und kann Unternehmen somit zu erheblichen Wettbewerbsvorteilen verhelfen (z. B. Kostensenkungspotenziale, Steigerung der Kundenzufriedenheit und -bindung, Individualisierung von digitalen Services, vgl. Bruhn/Hadwich 2017). Gigli/Koo (2011) kategorisieren unter Bezugnahme auf Xiaojiang et al. (2010) die Dienstleistungen, die durch das IoT ermöglicht werden und schlagen im Ergebnis vier Kategorien vor: (1) Bei der ersten Kategorie handelt es sich um identitätsbezogene Dienste, die die Übertragung und Auslesung von Informationen ermöglichen. Diese Kategorie gilt als ein grundlegender, aber für die Bereitstellung des IoT immens wichtiger Dienst. In diesem Zusammenhang ist RFID die wohl bekannteste Technologie (Gigli/Koo 2011), die wiederum ein großes Spektrum an möglichen Dienstleistungen umfasst. (2) In der zweiten Kategorie wickeln Informations-Aggregationsdienste den Prozess der Datenerfassung, -verarbeitung und -übertragung ab. Diese Dienste eignen sich für das Erfassen und Überwachen von Systemen (Gigli/Koo 2011). Technologien innerhalb dieser Kategorie unterstützen maßgeblich verschiedene Lebensbereiche (Osterhage

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2018). Für den Endverbraucher werden beispielsweise intelligente Steuerungsmöglichkeiten von Swimming Pools sowie diverse Sicherheitssysteme angeboten. Als Anwendungsmöglichkeiten in der medizinischen Versorgung können Atemanalysegeräte, intelligente Krankenbetten und Herzschlag-Monitore genannt werden. In der Industrie gelten neue Lösungen für Transportsysteme, Antriebstechnik und Stromversorgung als gewinnbringende Dienstleistungsanwendungen im IoT-Kontext (Osterhage 2018). (3) Gemäß der dritten Kategorie werden unter der Verwendung von kollaborativ-orientierten Diensten aggregierte Daten gesammelt, die als Entscheidungshilfe für Handlungen dienen. Bisher gibt es wenige Dienstleistungen und Anwendungen, die in Zusammenhang mit kollaborativ-orientierten Diensten stehen; jedoch gilt das IPv6, eine Form des Internetprotokolls, als ein technologisches Anwendungsbeispiel. Das IPv6 ermöglicht die digitale Verknüpfung einer hohen Zahl von adressierbaren Geräten (Gigli/Koo 2011) und die Bildung von Multi Shop-Netzwerken (Kim et al. 2017). (4) Die vierte Kategorie umfasst die allgegenwärtigen Dienste. Sie werden derzeit noch nicht realisiert, gelten jedoch als Inbegriff des IoT; denn “a ubiquitous service would not only be a collaborative aware service, but it would be a collaborative aware service for everyone, everything, at all times” (Gigli/Koo 2011, S.28). Allgegenwärtige Dienste ermöglichen eine uneingeschränkte Kontrolle über jegliche Objekte, die in das Internet eingebunden sind. Unter Verwendung dieser Dienste entstehen im IoT innovative Geschäftsmodelle. Fleisch et al. (2017) identifizierten in diesem Zusammenhang zwei eigenständige Geschäftsmodellmuster im IoT. Als erstes neuartiges Geschäftsmodell benannten sie Digitally Charged Products. Diesem Geschäftsmodell liegt die Idee zugrunde, physische Produkte mit sensorbasierten Dienstleistungsbündeln auszustatten. Im Fokus stehen hierbei die resultierenden Dienstleistungen bzw. die datengenerierenden Produkte. Digitally Charged Products dienen dabei als Sammelbegriff für verschiedene Kombinationen von Geschäftsmodellen, die durch die Anpassung einzelner Komponenten entstanden sind (Bilgeri et al. 2015). Als zweites Geschäftsmodellmuster im IoT dient der Begriff Sensor-as-a-Service (SenaaS). Bei SenaaS werden Sensordaten eines Gewerks aufbereitet und anderen Gewerken bereitgestellt (Fleisch et al. 2017). Im Gegensatz zu dem zuerst benannten Geschäftsmodell stehen als Dienstleistung die Bewirtschaftung der Daten selbst sowie die Bereitstellung eines Sensormanagements im Vordergrund (Zaslavsky et al. 2013). Durch das Teilen und Handeln von Messdaten entstehen neue Möglichkeiten der Dienstleistung (Bilgeri et al. 2015). SenaaS stellt dafür funktionale Merkmale des Sensors bereit, wobei dem Nutzer technische Detailinformationen vorenthalten werden. Dies dient dazu, dass die Funktionen und Fähigkeiten des Sensors optimal erstellt, verwaltet und bereitgestellt werden können (Alam et al. 2010).

IoT-Geschäftsmodelle für Dienstleistungen in KMU

321

3.2 Entwicklung von IoT-Geschäftsmodellen im Dienstleistungsbereich 3.2.1 Business Model Canvas Ein weit verbreiteter Ansatz zur Entwicklung von Geschäftsmodellen ist das Business Model Canvas nach Osterwalder und Pigneur (2010). Die Autoren beschreiben ein Geschäftsmodell mit neun Bausteinen, die die Hauptbereiche eines Unternehmens umfassen (Osterwalder/Pigneur 2010). Das Business Model Canvas dient dabei als Werkzeug für das Analysieren, Diskutieren, Designen und Entwickeln innovativer Geschäftsmodelle, indem alle neun Bausteine auf einen Blick erfasst werden können. The Business Model Canvas Key Partners

Key Activities

Key Resources

Cost Structure

Abbildung 2:

Designed for:

Designed by:

Value Propostion

Customer Relationships

Date:

Version: Customer Segments

Channels

Revenue Streams

Business Model Canvas (Quelle: Osterwalder/Pigneur 2010, S. 44)

Lukas (2018) beschreibt für das Erstellen eines Geschäftsmodells mit dem Business Model Canvas den folgenden Ablauf: Als Ausgangspunkt analysiert das Unternehmen bestehende „Customer Segments“ und identifiziert strategisch wichtige Zielgruppen. Danach wird der Baustein „Value Proposition“ betrachtet, indem die Merkmale des Wertversprechens, wie Design oder Qualität, in Bezug auf das zu adressierende Kundensegment näher definiert werden. Um die Art und den Umfang der Beziehung zu den Kundensegmenten sowie die Kanäle zur Ansprache der Kunden zu bestimmen, werden die Bausteine „Customer Relationship“ und „Channels“ untersucht. Anschließend erfolgt die Betrachtung des „Revenue Stream“, um kreative Strategien für eine optimale Finanzstruktur abzuleiten. Folglich gilt es, für die Bausteine „Key Resources“ und „Key Activities“ zu analysieren,

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welche materiellen und immateriellen Ressourcen und speziellen Aktivitäten benötigt werden, um das Wertversprechen zu realisieren. Danach prüft das Unternehmen, in welche Bereiche der Leistungserbringung Partner einbezogen werden können. Bei den „Key Partners“ kann es sich beispielsweise, bezogen auf die vorliegende Thematik, um IT-Dienstleister oder innovative Start-Ups handeln. Abschließend sind in dem Baustein „Cost Structure“ angefallene Kosten sowie kritische Kostenfaktoren zu untersuchen, um die Kostenstruktur zu optimieren und Wettbewerbsvorteile zu generieren. Der beschriebene Ansatz erweist sich in der Unternehmenspraxis als hilfreich, um Zusammenhänge im Geschäftsmodell systematisch zu analysieren und neuartige Veränderungen zu erfassen (Lukas 2018); jedoch liegt der Fokus des Konzepts auf der Beschreibung der Architektur des Geschäftsmodells, wobei die einzelnen Komponenten überwiegend losgelöst voneinander betrachtet werden (Westerlund et al. 2014).

3.2.2 Dreidimensionales Artefakt Das dreidimensionale Artefakt nach Turber et al. (2014; siehe Abbildung 3) betont eine netzwerkorientierte Perspektive, die für die erfolgreiche Weiterentwicklung von IoT-Geschäftsmodellen eine zunehmend große Rolle spielt. Die drei Dimensionen nach Turber et al. (2014) werden im Folgenden näher betrachtet. Warum

Monetäre Vorteile Nicht-monetäre Vorteile

Produkt Netzwerk Service

Inhalt

Wo Teilnehmer 1 Teilnehmer 2 Teilnehmer 3

Wer

Abbildung 3:

Artefakt für die Entwicklung von IoT-Geschäftsmodellen (Quelle: Turber et al. 2014, S. 25)

IoT-Geschäftsmodelle für Dienstleistungen in KMU

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Die erste Dimension „Wer“ beschreibt die Zusammenarbeit des Unternehmens mit jeglichen Teilnehmern eines unternehmerischen Ökosystems im Kontext digitalisierter Produkte im IoT. Darunter zählen Kunden, Partner und sämtliche weitere Interessensvertreter, wobei eine detaillierte Aufschlüsselung aller Teilnehmer notwendig ist, um die Servicedominante Systemlogik widerzuspiegeln. Die zweite Dimension „Wo“ umfasst die Quellen der Wertschöpfung, die durch digitalisierte Produkte und Dienstleistungen begründet sind. Turber et al. (2014) bildeten diese Dimension durch eine vierschichtige Modularchitektur ab, die eine individuelle Strukturierung sowie die Darstellung von Aspekten der Koopetition ermöglichen. Koopetition bedeutet, dass zwei Teilnehmer eines unternehmerischen Ökosystems auf einer Ebene als Konkurrenten und auf einer anderen Ebene als Partner abgebildet werden können. Die dritte Dimension „Warum“ erfasst sämtliche monetäre und nicht-monetäre Vorteile, die für die Teilnehmer eines unternehmerischen Ökosystems durch die gemeinsame Zusammenarbeit entstehen. Turber et al. (2014) erachten diese Dimension als äußert wichtig, da die Stabilität und Wirksamkeit eines Ökosystems durch die Zufriedenheit der Teilnehmer begründet wird. In ihrem Konzept berücksichtigen sie die Marktprinzipien des IoT sowie die verschiedenen Quellen der Wertschöpfung im IoT. Damit unterscheidet sich das Artefakt maßgeblich vom Business Model Canvas; jedoch liegt der Fokus vor allem auf einer effektiven visuellen Darstellung von IoT-getriebenen Geschäftsmodellen (Turber et al. 2014).

3.2.3 Vier strategische IoT-Rollen Um die Weiterentwicklung von Geschäftsmodellen und entsprechende Anpassungen auf organisationaler und individueller Ebene zu ermöglichen, erscheint eine Einteilung der Unternehmen, die IoT implementieren und nutzen, geeignet. Aufgrund der Vielzahl an Charakteristika, die den beiden zuvor vorgestellten Ansätzen zugrunde liegen, fällt eine eindeutige Einteilung jedoch schwer. Daher erscheint es zunächst sinnvoll, Unternehmen in spezifische, IoT-bezogene Aufgabenbereiche einzuordnen und entsprechende Entwicklungspotenziale bestehender Geschäftsmodelle abzuleiten. Burkitt (2014) beschreibt in diesem Zusammenhang vier strategische IoT-Rollen, die eine Fokussierung im Wettbewerb erlauben und letztlich Optimierungen auf organisationaler und individueller Ebene ermöglichen. Die vier Rollen sind in Abbildung 4 dargestellt und werden im Folgenden einer näheren Betrachtung unterzogen.

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Marktausrichtung

Engager

Enabler

Interne Ausrichtung

Abbildung 4:

Enhancer

Embedder

Rollenverteilung im IoT (Quelle: Burkitt 2014, S. 77)

Die erste Rolle umfasst die so genannten Enabler, die meist aus der Technologiebranche stammen. Indem sie mittels Hard- und Software die Infrastruktur für den Einsatz von IoT zur Verfügung stellen, schaffen sie für ihre Endkunden die Grundlage für die weiterführende Nutzung des IoT. Dabei handelt es sich sowohl um Netzwerk- und Cloud-Technologien und -services als auch um die Geräte, Verbindungsgeräte und Angebote zur Datenspeicherung. Die Zielgruppe sind dabei primär andere Unternehmen. Enabler stehen vor der Entscheidung, ob sie sich auf bestimmte Kunden-Unternehmen einer Branche spezifizieren oder auf eine breite Auswahl an IoT-Technologien und die damit verbundenen Dienstleistungen setzen (Burkitt 2014). Die so genannten Engager bilden die zweite Rolle. Bei ihnen handelt es sich häufig um Unternehmen aus Handel und Industrie ohne einen technologischen Hintergrund. Engager entwickeln eigene IoT-bezogene Produkte und Dienstleistungen, die sie den Endverbrauchern zur Verfügung stellen. Die von den Enablern angebotenen Produkte und Dienstleistungen werden dadurch dem breiten Markt in aufbereiteter Form zugänglich gemacht. Während dem Endkunden dabei eine vernetzte Welt angeboten wird, sammeln und analysieren die Engager die Daten ihrer Kunden. Dabei entsteht zwischen der Gruppe der Engager ein Wettbewerb um den Erwerb von IoT-bezogenen Kernkompetenzen, die optimale Analyse der erhaltenen Daten sowie den Aufbau nachhaltiger Kundenbeziehungen; denn diese ermöglichen es den Unternehmen, die „richtigen“ Daten zu sammeln, Produkte und Dienstleistungen an den Bedürfnissen der Kunden auszurichten und somit ein Gefühl der Wertschätzung zu vermitteln (Burkitt 2014). Die dritte Rolle, die Burkitt (2014) beschreibt, sind die so genannten Enhancer. Indem sie die von den Engagern angebotenen Produkte in ihre eigene Angebotsstruktur einbetten, fungieren die Enhancer als Verstärker. Ein entsprechendes Beispiel liefert die Krankenversicherungsbranche. So sammelt die AOK PLUS (Zeidler 2019) Daten über gesundheitsbezogenes Verhalten ihrer Versicherten, um das bestehende Bonusprogramm digital zu erweitern. Hierzu werden in einer App zurückgelegte Schritte und Trainingseinheiten

IoT-Geschäftsmodelle für Dienstleistungen in KMU

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erfasst, um die Nutzer zu mehr körperlichen Aktivitäten zu motivieren. Dabei arbeitet die AOK PLUS mit bestehenden Diensten, wie Fitbit, Apple Health, Samsung Health und Google Fit zusammen. Im Zuge weiterentwickelter Service-Angebote entstehen neue Geschäftsmodelle im IoT. Vermutlich sind Enhancer jedoch derzeit in geringer Zahl am Markt vertreten, da in Unternehmen eine eher langsame, sukzessive Einführung des IoT stattfindet (Burkitt 2014). Die vierte Rolle, die Burkitt (2014) allerdings nicht konkret als solche bezeichnet, bilden die Embedder. Unternehmen in dieser Rolle stellen die Technologien keiner externen Kundengruppe zur Verfügung. Vielmehr wird das IoT für die Optimierung interner Services und Prozesse genutzt, um mögliche Kosten und Umwelteinflüsse zu reduzieren (Curran, 2014). Die Rolle des Embedders wird vermutlich auch von den anderen drei Rollen eingenommen, weshalb Burkitt (2014) sie nicht explizit als Rolle benannt hat. Dennoch kann es in der Praxis auch Unternehmen geben, die IoT nur für interne Zwecke nutzen, womit es mit Embeddern, Enhancern, Engagern und Enablern konzeptionell vier verschiedene Rollen im Zusammenhang mit IoT gibt. Vergleicht man die vier Rollen mit den genannten Ansätzen für die Geschäftsmodellentwicklung, so lassen sich einige Zusammenhänge erkennen. Bezüglich einiger Charakteristika aus dem Business Model Canvas (Osterwalder/Pigneur 2010) und dem Artefakt von Turber et al. (2014) ergeben sich je nach Rolle des Unternehmens verschiedene Ausprägungen hinsichtlich der Unternehmensgestaltung im IoT-Umfeld. Der Ansatz nach Turber et al. (2014) verdeutlichen im Zusammenhang mit dem IoT die Bedeutung des Netzwerkgedankens; denn es wird für Unternehmen zunehmend wichtiger, branchenübergreifendes Wissen auszutauschen. Die Notwendigkeit des Wissensaustauschs zeigt sich durchaus in den verschiedenen Rollen. So müssen beispielsweise die Enhancer eine starke Vernetzung mit Partnerunternehmen aufbauen, um auf deren Produkte und Dienste zugreifen und diese weiterentwickeln zu können. Verfolgt man dabei den Ansatz des Business Model Canvas, so ist davon auszugehen, dass gerade die Schlüsselpartner bei den Enhancern eine besondere Rolle spielen. Bei der Gruppe der Embedder spielt hingegen die gesamte Kundenstruktur eine eher untergeordnete Rolle, da diese Unternehmen sich darauf konzentrieren, ihre internen Prozesse und Services zu optimieren. Es zeigt sich jedoch auch, dass IoT-Anwenderunternehmen unabhängig von ihrer Rolle Gemeinsamkeiten aufweisen. So sind insbesondere die Kenntnisse und Fähigkeiten der Mitarbeitenden und deren Weiterentwicklung Schlüsselressourcen, die in allen vier Rollen vertreten sind.

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4.

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Erwartete Auswirkungen von IoT-Geschäftsmodellen

Wie bereits beschrieben, wirkt sich das IoT auf bestehende Geschäftsmodelle aus, wobei die Auswirkungen je nachdem, welche der vier strategischen IoT-Rollen (siehe Abschnitt 3.2.3) ein Unternehmen vertritt, unterschiedlich ausfallen können. Im Folgenden werden die Auswirkungen, die auf organisationaler und individueller Ebene zu erwarten sind, näher beschrieben.

4.1 Erwartete Auswirkungen auf organisationaler Ebene Auf organisationaler Ebene sind hinsichtlich der Aufbauorganisation (d. h. hinsichtlich der Organisationsstruktur) verschiedene Veränderungen zu erwarten. Zum einen ist mit einer Auswirkung bezüglich der horizontalen Konfiguration, welche Aufgabengliederungen und Stellenbildungen umfasst, zu rechnen (Bokranz et al. 2013); denn durch die im IoT entstehenden neuartigen Fragestellungen ist eine zunehmende Flexibilisierung der Aufbauorganisation zu verzeichnen, wodurch die so genannte Projektorganisation an Bedeutung gewinnt (Hungenberg/Wulf 2015). Hierbei handelt es sich um „die temporäre Organisation für die Erledigung einer zeitlich begrenzten aber herausgehobenen Aufgabenstellung im Unternehmen“ (Binner 2018). In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass eine zunehmend prozessorientierte Projektorganisation angestrebt wird, um ein hohes Maß an Partizipation und Eigenverantwortung zu fördern (Binner 2018). Da eine solche Projektorganisation eine interdisziplinäre Zusammenstellung eines Projektteams erfordert, sind entsprechende Auswirkungen auf die Stellenbildungen zu erwarten (Bach et al. 2017). Zum anderen ist im Rahmen einer steigenden Virtualisierung der Unternehmen, einer verstärkten Konzentration auf Kernkompetenzen sowie eines stetigen Wachstums informationstechnischer Integrationsinstrumente mit einem zunehmenden Stellenwert der Koordination und Integration zu rechnen (Reiss 2004). Darüber hinaus sind auf organisationaler Ebene erhebliche Veränderungen bezüglich der Ablauforganisation (d. h. bezüglich der Gestaltung der Arbeitsprozesse) festzustellen; denn das IoT sowie die Nutzung verschiedener IuK-Technologien üben großen Einfluss auf die räumlichen und zeitlichen Arbeitsabläufe aus (van de Pol 2007). So können beispielsweise durch die Bildung von virtuellen Teams räumliche Distanzen zwischen einzelnen Unternehmensstandorten überbrückt werden (Boos/Kolbe 2019). Zudem ermöglicht das IoT das Abrufen aktueller Daten, häufige Soll-Ist-Abgleiche sowie kurze Feedbackschleifen, wodurch neue Dienstleistungen erstellt und der zeitliche Arbeitsablauf optimiert werden kann (Müller-Stewens/Fleisch 2008). Zudem ist innerhalb der Ablauforganisation mit einer Veränderung der Arbeitsinhalte zu rechnen. Während Routinetätigkeit zunehmender Substitution unterliegen, gewinnen komplexe analytische Arbeitsaufgaben an Bedeutung (Aepli et al. 2017).

IoT-Geschäftsmodelle für Dienstleistungen in KMU

327

In Bezug auf die vier strategischen IoT-Rollen nach Burkitt (2014) lassen sich unterschiedlich starke Auswirkungen auf organisationaler Ebene vermuten. Da die Gruppe der Enabler von Beginn an in einem technologischen Umfeld agiert, ist anzunehmen, dass die Aufbau- und Ablauforganisation bereits an die vorherrschenden Bedingungen angepasst sind. Die Engager weisen hingegen keinen technologischen Ursprung auf, weswegen eine verstärkte Ausrichtung vorhandener Organisationsstrukturen und Arbeitsprozesse an die Gegebenheiten des IoT notwendig erscheint. Da die Enhancer vorhandene Produkte und Dienste des IoT lediglich in die eigene Angebotsstruktur einbetten, sind auch bei dieser Gruppe keine erheblichen Auswirkungen auf organisationaler Ebene zu erwarten. Unternehmen in der Rolle des Embedders nutzen das IoT, im Gegensatz zu den anderen Rollen, lediglich für die Optimierung interner Services und Prozesse. Dies schließt Auswirkungen auf die Aufbau- und Ablauforganisation ein. Der Grad der Veränderung ist hierbei jedoch von den individuellen Bestrebungen des Unternehmens abhängig.

4.2 Erwartete Auswirkungen auf individueller Ebene Insbesondere in KMU tragen die Mitarbeitenden und deren Arbeitsvermögen maßgeblich zum Erfolg des Unternehmens bei (Ludwig et al. 2016). Auf individueller Ebene spielen für die Arbeitsleistung der Mitarbeitenden speziell die Leistungsfähigkeit und die Leistungsbereitschaft eine tragende Rolle. Die Leistungsfähigkeit wird durch die Qualifikationen und die Persönlichkeit einer Person geprägt (Hungenberg/Wulf 2015), wobei im Rahmen des IoT und der Veränderung der Aufbau- und Ablauforganisation insbesondere die Qualifikationen erheblichen Auswirkungen unterliegen. Dazu gehören beispielsweise Integrationskompetenzen, ein ausgeprägtes Vorstellungsvermögen über Arbeitszusammenhänge sowie eine schnelle Auffassungsgabe für fachfremde Prozesse (Ludwig et al. 2016). Zudem gewinnen IT-Affinität, Kreativität und Innovationsfähigkeit an Bedeutung. Aepli et al. (2017) beschreiben in diesem Zusammenhang drei Bereiche, in denen erhebliche Auswirkungen des IoT zu verzeichnen und neue Kompetenzen erforderlich sind. Dabei handelt es sich um Dokumentation und Administration, digitale Technologien in den Produktionsprozessen sowie die Kommunikation mit Kunden und Kollegen. Dies hat wiederum weitreichende Auswirkungen auf inner- und überbetriebliche Qualifizierungs- und Lernmöglichkeiten (Hungenberg/Wulf 2015). Zudem wird durch das IoT die Leistungsbereitschaft der Mitarbeitenden beeinflusst, die maßgeblich von der Motivation abhängt (Hungenberg/Wulf 2015). Es kann festgestellt werden, dass Arbeit „durch ihre Wissensintensität [...] heute sehr viel stärker intrinsisch motiviert“ (Badura 2017, S. 5) ist, als dies in Zeiten der Industrialisierung üblich war. Dies lässt sich in der sinnstiftenden Wirkung von Arbeit begründen (Badura 2017). Im Rahmen der Einführung des IoT durchlaufen Mitarbeitende jedoch tiefgreifende Veränderungsprozesse, was oftmals mit Verunsicherungen, Stress und Widerständen einhergeht (Schridde

328

M. Rimbeck, H. Reil, J. Stumpf-Wollersheim und M. Leyer

2019). Es ist anzunehmen, dass komplexer werdende Aufgabeninhalte ein kurz- bis mittelfristiges Gefühl der Überforderung hervorrufen. In diesem Zusammenhang gewinnen Maßnahmen zur Kulturentwicklung an Bedeutung (Badura 2017; Schridde 2019). Bezüglich der vier strategischen IoT-Rollen nach Burkitt (2014) können auch auf individueller Ebene unterschiedlich starke Auswirkungen angenommen werden. Die Gruppe der Enabler beschäftigt mit hoher Wahrscheinlichkeit Mitarbeitende, die eine ausgeprägte ITAffinität und gesteigerte intrinsische Motivation besitzen. Die zunehmende Implementierung des IoT wird sich innerhalb dieser Gruppe vermutlich vorrangig auf die Leistungsfähigkeit hinsichtlich benötigter Soft-Skills auswirken, wie Kommunikations- und Teamfähigkeit. Bei der Gruppe der Engager ist hingegen mit erheblichen Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft zu rechnen. Aufgrund der vorrangigen Tätigkeit in Handel und Industrie werden viele der genannten neuartigen Kompetenzen und Qualifikationen gefordert. Damit einhergehend sind aufkommende Unsicherheiten und Widerstände innerhalb der Belegschaft anzunehmen, die im Zusammenhang mit der Leistungsbereitschaft einen kulturellen Wandel verlangen. Aufgrund der Nutzung bestehender IoTDienste werden bei den Enhancern in geringerem Maße neue Qualifikationen gefordert. Auch in Bezug auf Leistungsbereitschaft sind die Auswirkungen hier als unbeträchtlich einzuschätzen. Für die Gruppe der Embedder sind die Auswirkungen auf individueller Ebene schwer kalkulierbar. Die Leistungsfähigkeit und insbesondere die Leistungsbereitschaft hängen von einem möglichen vorangegangenen Kulturwandel ab; denn eine geeignete Kultur erzeugt Veränderungsbereitschaft sowie das Gefühl der Sinnstiftung und Zugehörigkeit (Badura 2017), die für die Einführung des IoT und die Veränderung bestehender Geschäftsmodelle notwendig erscheint.

4.3 Zusammenfassung der erwarteten Auswirkungen Zusammenfassend ergibt sich der folgende Überblick (siehe Abbildung 5). Es wird dargestellt, inwieweit Auswirkungen durch das IoT auf der organisationalen und individuellen Ebene, abhängig von der jeweiligen strategischen IoT-Rolle, zu erwarten sind. Bei der Gruppe der Enabler ist mit niedrigen Auswirkungen auf organisationaler Ebene zu rechnen. Auf individueller Ebene wird sich das IoT vermutlich im mittleren Maße auf die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft auswirken, da Kompetenzen im Bereich der Soft Skills aufgebaut werden müssen. Die Gruppe der Engager ist hingegen wahrscheinlich mit hohen Auswirkungen auf organisationaler und individueller Ebene konfrontiert. Die Enhancer müssen aufgrund der Nutzung vorhandener IoT-Technologien lediglich mit Auswirkungen mittleren bzw. niedrigen Grades auf organisationaler und individueller Ebene rechnen. Die Wirkungen bei der Gruppe der Embedder sind von unternehmensinternen Bestrebungen und kulturellen Bedingungen abhängig, weswegen hier eine eindeutige Erwartungshaltung nicht möglich ist.

IoT-Geschäftsmodelle für Dienstleistungen in KMU

Erwartete Auswirkungen organisationale Ebene

Rolle

(1)

Enabler

329

Erwartete Auswirkungen individuelle Ebene

Aufbauorganisation

Ablauforganisation

Leistungsfähigkeit

Leistungsbereitschaft

Niedrig

Niedrig

Mittel

Mittel

(2)

Engager

Hoch

Hoch

Hoch

Hoch

(3)

Enhancer

Mittel

Mittel

Niedrig

Niedrig

(4)

Embedder

Abbildung 5:

5.

Niedrig - Hoch: abhängig von unternehmensinternen Bestrebungen

Niedrig - Hoch: abhängig von vorherrschender Unternehmenskultur

Erwartete Auswirkungen des IoT auf organisationaler und individueller Ebene

Fazit und Ausblick

Um ein Verständnis zu erlangen, inwieweit das IoT die Geschäftsstruktur und damit einhergehend auch die organisationale und individuelle Ebene im Unternehmen verändern kann, wurden in diesem Beitrag verschiedene Ansätze vorgestellt. Dabei bildete das klassische Business Model Canvas eine Grundlage, um die Weiterentwicklung von Geschäftsmodellen voranzutreiben. Als weiterer Ansatz wurde das netzwerkorientierte Artefakt nach Turber et al. (2014) gewählt, die Unternehmen aus einer ökosystemzentrierten Sichtweise im Kontext des IoT betrachten. Dabei stellte sich heraus, dass diese Ansätze es nur bedingt ermöglichen, eine klare und vergleichbare Position der Unternehmen herauszustellen. Aus diesem Grund wurde die konzeptionelle Rolleneinteilung von IoT-Unternehmen nach Burkitt (2014) eingeführt. Die Unterteilung in die vier strategischen IoT-Rollen Enabler, Engager, Enhancer und Embedder lässt eine klare Vergleichbarkeit von Unternehmen im Wettbewerb zu und bietet zudem die Möglichkeit, mögliche Auswirkungen des IoT auf organisationaler und individueller Ebene zu ermitteln. So sind je nach Rolle unterschiedlich starke Auswirkungen sowohl auf individueller Ebene als auch auf organisationaler Ebene anzunehmen. Hinsichtlich der organisationalen Struktur ergeben sich durch die Einführung von IoT Auswirkungen auf den Aufbau der Organisation sowie auf den Ablauf von Arbeitsprozessen. Das IoT ermöglicht eine neue Form der Zusammenarbeit, weshalb bestehende Hierarchien im Unternehmen neu strukturiert werden müssen. Auch die Prozesse müssen an die Vernetzung mit einer Vielzahl von Objekten angepasst werden. Bei den Mitarbeitenden im Unternehmen spielen insbesondere die Leistungsbereitschaft und -fähigkeit eine entscheidende Rolle. Hier ist es wichtig, dass die Unternehmen je nach strategischer IoT-Rolle die notwendigen Entwicklungsmaßnahmen treffen, um auf eventuelle Veränderungen gefasst zu sein. Je nach strategischer IoT-Rolle sind die Auswirkungen dabei unterschiedlich stark ausgeprägt.

330

M. Rimbeck, H. Reil, J. Stumpf-Wollersheim und M. Leyer

Inwieweit das eingeführte Rollenkonzept auf praktische Unternehmensbeispiele anwendbar ist, sollte künftige Forschung untersuchen. Zudem gilt es zu erörtern, ob hybride Mischformen oder weitere Rollen, die bisher nicht berücksichtigt wurden, in der Unternehmenspraxis auftreten. Hierzu eignen sich zum einen qualitative Verfahren, wie Experteninterviews, Fokusgruppen oder fallspezifische Analysen; zum anderen sind auch quantitative Erhebungsmethoden, wie breit angelegte Befragungen, möglich. Des Weiteren ist es von Interesse zu ermitteln, ob die verschiedenen Rollen unterschiedlichen Geschäftsmodellen mit gewissen Ausprägungen von bestimmten Charakteristiken (des Canvas oder Turber-Modells) aufweisen. Die Rolleneinteilung bildet zunächst eine gute Grundlage, um ein Verständnis für die Auswirkungen des IoT auf die Organisation und deren Produkte und Dienste zu bekommen.

Förderhinweis Das Forschungsprojekt, in dem der vorliegende Beitrag entstanden ist, wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem Europäischen Sozialfonds (ESF) im Programm „Zukunft der Arbeit“ (02L18B030ff) gefördert und vom Projektträger Karlsruhe (PTKA) betreut. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autorinnen und Autoren.

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Christian Lerch und Cornelius Moll

Digitale Geschäftsmodelle im Mittelstand – Status Quo, Chancen, Herausforderungen und Perspektiven 1. Einleitung – Digitale Geschäftsmodelle als Wettbewerbsfaktor 2. Status Quo digitaler Geschäftsmodelle im Mittelstand 2.1 Untersuchung und Datenbasis 2.2 Einführung neuer Geschäftsmodelle 2.3 Einschätzung des Digitalisierungstrends 2.4 Digitale Technologien bei bestehenden Geschäftsmodellen 2.5 Entwicklung und Umsetzung digitaler Geschäftsmodelle 3. Chancen, Herausforderungen und Handlungsempfehlungen digitaler Geschäftsmodelle im Mittelstand 3.1 Chancen und Hemmnisse bei der Einführung von digitalen Geschäftsmodellen 3.2 Handlungsempfehlungen zur Steigerung der Innovationsfähigkeit mit digitalen Geschäftsmodellen 4. Fazit und Ausblick Literaturverzeichnis ___________________________ Dr. Christian Lerch leitet das Geschäftsfeld Industrieller Wandel und neue Geschäftsmodelle am Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI in Karlsruhe. Cornelius Moll ist Senior Researcher im Competence Center Energietechnologien und Energiesysteme am selbigen Institut.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Bruhn und K. Hadwich (Hrsg.), Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen Forum Dienstleistungsmanagement, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30166-8_14

1.

Einleitung – Digitale Geschäftsmodelle als Wettbewerbsfaktor

Seit einigen Jahren ist festzustellen, dass sich innovative Betriebe mehr und mehr vom klassischen Produktverkauf trennen und sich zum Lösungsanbieter entwickeln (vgl. Wise/Baumgartner 1999; Mathieu 2001; Oliva/Kallenberg 2003; Tukker 2006; Baines et al. 2009; Lay 2014). Neue Geschäftsmodelle, insbesondere auch auf Basis digitaler Technologien, spielen in diesem Zusammenhang eine immer stärkere Rolle (Lerch/Gotsch 2015). Denn weltweit erfolgreiche Unternehmen aus den Konsumgütermärkten, wie beispielsweise AirBnB oder Uber, zeigen, dass neue digitale Geschäftsmodelle hohes disruptives Potenzial besitzen und ganze Branchen oder Wirtschaftszweige revolutionieren können (Osterwalder/Pigneur 2010; EFI 2016; Scholl et al. 2017). Insofern stellt sich zwangsläufig die Frage, welche Chancen und Potenziale sich aus digitalen Geschäftsmodellen auch für die etablierte Industrie und den daran angeschlossenen B2B-Servicebereich ergeben. Generell wird hierbei auch vom „Zeitalter der Geschäftsmodellinnovationen“ gesprochen und die These aufgestellt, dass der Wettbewerb der Zukunft nicht zwischen Produkten oder Prozessen, sondern zwischen Geschäftsmodellen stattfinden wird (vgl. Gassmann et al. 2013). Die Digitalisierung scheint in diesem Zusammenhang eine entscheidende Rolle zu spielen, da IT-Systeme als Träger oder sogar als Auslöser solcher neuen Geschäftsmodelle dienen können (Lerch/Gotsch 2015; Lerch et al. 2016). Geschäftsmodellinnovationen sind folglich auch immer unter dem Blickwinkel der Digitalisierung zu betrachten. Aus der Literatur geht bislang hervor, dass für die Entwicklung völlig neuer Geschäftsmodelle die dominierende Branchenlogik aufzubrechen ist und Ideen außerhalb der gängigen Denkschemata zu erarbeiten sind (Gassmann et al. 2013). Dies scheint gerade in traditionellen Branchen für Herausforderungen zu sorgen, da der Erfolg im Wettbewerb auf altbewährten Strukturen und etablierten Prozessen ruht. Insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), mit knappen Ressourcen und einer eher geringen Investitionsbereitschaft, sind solche disruptiven Durchbrüche jenseits des Tagesgeschäfts kaum möglich. Allerdings konnte mittlerweile auch gezeigt werden, dass 42 Prozent der deutschen Industriebetriebe bereits neben ihrem Produktverkauf neue, komplementäre Geschäftsmodelle anbieten und dabei ein starker Zusammenhang zum Einsatz digitaler Systeme und Infrastruktur festzustellen ist (Clausen et al. 2016). Erste Schritte scheinen in der Industrie also durchaus unternommen. Da das Angebot digitaler Geschäftsmodelle aber nicht nur den Wandel weg vom Produktund hin zum Lösungsgeschäft, sondern gleichzeitig digitale Kompetenzen bedingt, sehen sich insbesondere KMU vor große Herausforderungen gestellt. Denn häufig besitzen ge-

340

Ch. Lerch und C. Moll

rade die Unternehmen des Mittelstands kein strategisches Innovationsmanagement, können nicht auf den gleichen Ressourcenzugang wie Großunternehmen zurückgreifen und durch hohen Wettbewerbsdruck fehlt es häufig am zeitlichen Freiraum. Kleine und mittlere Unternehmen spielen für die Bundesrepublik Deutschland jedoch eine herausragende Rolle, sowohl im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit einzelner Branchen als auch im gesamtwirtschaftlichen Kontext. Im Bundesdurchschnitt zählt mit rund zwei Mio. die überwiegende Mehrheit (99,3 Prozent) der Unternehmen zu den Mikro-, kleinen und mittleren Unternehmen (Statistisches Bundesamt 2011). Von daher stellt es ein explizites Interesse für die deutsche Wirtschaft dar, KMU auf den digitalen Wandel und das Lösungsgeschäft vorzubereiten. Dass sich für KMU Herausforderungen einer neuen Dimension ergeben, liegt insbesondere daran, dass zwei verschiedene Transformationspfade zugleich zu meistern sind: Zum einen der Wandel zum Anbieter neuer Geschäftsmodelle, zum anderen der Einsatz bzw. die Integration digitaler Technologien und Infrastruktur in Produkte und Dienstleistungen (vgl. Lerch/Gotsch 2014) – zwei Trends, die beide jenseits des klassischen Kerngeschäfts und der Kernkompetenzen zuzuordnen sind. Diese zweifache Transformation scheint für Betriebe jedoch insofern als notwendig, da der digitale Wandel insgesamt zu einer Entgrenzung der herkömmlichen Innovations- und Wertschöpfungssysteme zu führen scheint. Um im Wettbewerb der Zukunft konkurrenzfähig zu bleiben, müssen sich KMU folglich mehr und mehr mit dem anstehenden Wandel beschäftigen. Der vorliegende Beitrag hat daher das Ziel, KMU Perspektiven in Bezug auf digitale Geschäftsmodelle aufzuzeigen. Hierfür wird zunächst der Status Quo der KMU bei der Digitalisierung und neuen Geschäftsmodellen auf Grundlage einer quantitativen Betriebsbefragung aufgezeigt. Weiterhin werden auf dieser Datengrundlage durch KMU wahrgenommene Chancen und Herausforderungen beleuchtet, bevor darauf aufbauend Handlungsempfehlungen für KMU im Umgang mit digitalen Geschäftsmodellen ausgesprochen werden. Der Beitrag schließt mit einer Diskussion sowie einem Ausblick.

2.

Status Quo digitaler Geschäftsmodelle im Mittelstand

2.1 Untersuchung und Datenbasis Um tiefere Einblicke in den Status Quo, Chancen und Risiken von KMU in Bezug auf die Transformation und Innovation in Richtung Digitalisierung und neue Geschäftsmodelle zu erlangen, wurde eine quantitative-breitenempirische Erhebung durchgeführt. Dabei wurden kleine und mittlere Industriebetriebe sowie industrienahe Dienstleister bis 1.000 Mitarbeitende in der Metropolregion Stuttgart durch die lokalen IHKs (IHK-Bezirke Stuttgart, Heilbronn-Franken, Ostwürttemberg und Neckar-Alb) in Zusammenarbeit mit

Digitale Geschäftsmodelle im Mittelstand

341

dem Fraunhofer ISI befragt. Industrienahe Dienstleister wie IT-Unternehmen und Ingenieurbüros wurden deshalb miteingeschlossen, weil sie in die industrielle Wertschöpfungskette eingebunden sind und eine wichtige Rolle beim digitalen Wandel spielen. Das Erhebungsdesign wurde vom Fraunhofer ISI in Abstimmung mit IHK-Vertretern ausgearbeitet. Der Fragebogen wurde digital an 7.000 ausgewählte IHK-Mitgliedsunternehmen versendet. Zusätzlich wurden Papierfragebögen bei Veranstaltungen verteilt und über den IHKNewsletter zur Teilnahme aufgerufen. Die Erhebung war Ende des Jahres 2016 im Feld und nach Datenprüfung und -kontrolle konnten 203 Rückläufer für Analysen verwertet werden.

8% bis 19 Beschäftigte 28%

49%

20-49 Beschäftigte 50-249 Beschäftigte > 250 Beschäftigte

15%

Abbildung 1:

Größenverteilung der befragten KMU aus der Metropolregion Stuttgart

11%

Systemzulieferer für Betriebe 6%

32%

Teilezulieferer für Betriebe Endprodukthersteller für Unternehmen Endprodukthersteller für Konsumenten

23% 3% 9%

Abbildung 2:

Lohnfertiger (Drehen, Schweißen, Schleifen, Lackieren) Dienstleister, Händler für Unternehmen

Verteilung der befragten KMU über die Wertschöpfungskette

Fast die Hälfte der befragten Betriebe haben weniger als 20 Beschäftigte, 15 Prozent zwischen 20 und 49 Beschäftigte, 28 Prozent zwischen 50 und 249 Beschäftigte und 8 Prozent 250 und mehr Beschäftigte (siehe Abbildung 1), womit die Stichprobe eine adäquate Zusammensetzung besitzt. Die Stichprobe umfasst zu zwei Dritteln Industriebetriebe (68 Prozent) und zu einem Drittel industrienahe Dienstleistungsbetriebe (32 Prozent). Etwa ein Viertel der befragten Betriebe sind Endprodukthersteller für Unternehmen. Je etwa ein

342

Ch. Lerch und C. Moll

Zehntel entfällt auf Systemzulieferer für Betriebe und Endprodukthersteller für Konsumenten. Teilezulieferer für Betriebe sind 6 Prozent der befragten Betriebe und 3 Prozent sind Lohnfertiger (siehe Abbildung 2). Eine detaillierte Beschreibung der Befragung Digitale Geschäftsmodelle ISI 2016 ist auch in Lerch et al. 2017 zu finden.

2.2 Einführung neuer Geschäftsmodelle Im weiteren Gang der Untersuchung wird unter einem neu eingeführten Geschäftsmodell ein zum Hauptgeschäftsmodell komplementäres, zusätzliches Geschäftsmodell verstanden. Es erfolgt also keine Ablösung des etablierten Hauptgeschäftsmodells, sondern eine Erweiterung durch zusätzliche komplementäre Angebote. Ein „digitales Geschäftsmodell“ wird daher definiert als Geschäftsmodell, das digitale Techniken, das Internet und/oder digital erhobene Daten nutzt, um ein neues Angebot zu schaffen und/oder bestehende Angebote zu verbessern, mit dem Ziel zusätzlichen Ertrag für das Unternehmen zu erwirtschaften.

Vor weniger als 3 Jahren

34%

Zwischen 3 und 10 Jahren

28%

Vor über 10 Jahren

13%

Noch nie

25% 0%

Abbildung 3:

Anteil an befragten KMU

40%

Zeitpunkt der letztmaligen Einführung eines neuen, komplementären Geschäftsmodells

Zunächst wird untersucht, wann und aus welchen Gründen KMU zuletzt neue Geschäftsmodelle eingeführt haben. Dies hat den Zweck, einschätzen zu können, welchen Stellenwert Geschäftsmodellinnovationen für die Betriebe generell besitzen. Dabei zeigt sich, dass ein Drittel der befragten Betriebe vor weniger als 3 Jahren ein neues Geschäftsmodell eingeführt hat, wohingegen es für 28 Prozent der Betriebe zwischen 3 und 10 Jahren zurückliegt (siehe Abbildung 3). 13 Prozent der Betriebe haben vor über 10 Jahren ein neues Geschäftsmodell eingeführt und lediglich 25 Prozent der Befragten haben noch nie ein komplementäres Geschäftsmodell eingeführt. Es zeigt sich also grob eine Drittelung der Betriebe, in Betriebe die in den letzten Jahren aktiv waren, Betriebe bei denen die Einführung schon einige Jahre zurückliegt sowie Betriebe die noch nie oder schon seit langem nicht mehr aktiv waren. Die Einführung neuer, komplementärer Geschäftsmodelle stellt somit für dreiviertel der Betriebe kein generelles Neuland dar, was durchaus auf eine nicht zu vernachlässigende Innovationsfähigkeit bei Geschäftsmodellen im Mittelstand hindeutet.

Digitale Geschäftsmodelle im Mittelstand

343

Überdurchschnittlich häufig haben Dienstleister und Händler in den letzten drei Jahren ein neues Geschäftsmodell eingeführt. Der B2B-Servicebereich scheint somit dynamischer und innovativer bei der Einführung komplementärer Geschäftsmodelle zu sein, als es produzierende Betriebe sind, was vermutlich auf den bedeutsamen und florierenden Bereich des Online-Handels zurückzuführen ist.

20% 34%

Eigeninitiative als „First Mover” Reaktion auf Innovatoren in der Branche Wettbewerbsdruck

18%

Wunsch des Hauptkunden 28%

Abbildung 4:

Gründe für die Einführung eines neuen, komplementären Geschäftsmodells

Mehr als ein Drittel der Betriebe haben ein neues Geschäftsmodell aus Eigeninitiative eingeführt, um einen „First Mover“-Vorteil zu erlangen (siehe Abbildung 4). Knapp ein Drittel der Befragten gaben eine Reaktion auf Innovatoren in der Branche als Grund für die Einführung an. Jeweils etwa ein Fünftel der Befragten reagierten auf Wettbewerbsdruck oder auf Wünsche des Hauptkunden. Als wichtigste Gründe können also Eigeninitiative sowie Reaktion auf Innovatoren festgehalten werden. Gerade letzteres zeigt, dass offenbar in weiten Teilen der Unternehmenslandschaft eine Markt- bzw. Wettbewerbsbeobachtung stattfindet. Allerdings wird auch deutlich, dass 38 Prozent der befragten Betriebe erst reagieren, sobald Druck über Wettbewerber oder über Kunden aufgebaut wird. Zusammengefasst haben mehr als 60 Prozent der befragten Betriebe in den letzten 10 Jahren ein neues Geschäftsmodell eingeführt und für ebenfalls mehr als 60 Prozent der befragten Betriebe waren Eigeninitiative oder Orientierung an den Innovatoren Einführungsgründe. Eine offene Grundhaltung gegenüber neuen Geschäftsmodellen kann also grundsätzlich bei den meisten Betrieben festgehalten werden, ebenso wie Eigeninitiative sowie Marktbeobachtung in Bezug auf Geschäftsmodelle.

2.3 Einschätzung des Digitalisierungstrends In einem weiteren Schritt wird untersucht, wie die Betriebe den Digitalisierungstrend einschätzen, ob sie diesem positiv oder negativ gegenüberstehen und inwieweit sie sich Wettbewerbsvorteile oder -nachteile durch diesen Trend erwarten.

344

Ch. Lerch und C. Moll

0% 6%

8%

Sehr positiv Positiv

Neutral

38% 47%

Negativ

Sehr negativ

Abbildung 5:

Bewertung der Auswirkungen des Digitalisierungstrends auf die Wettbewerbsfähigkeit in den kommenden fünf Jahren

In den kommenden 5 Jahren erwarten mehr als die Hälfte der befragten Betriebe positive oder sehr positive Auswirkungen des Digitalisierungstrends auf die eigene Wettbewerbsfähigkeit (siehe Abbildung 5). Negative oder sehr negative Effekte erwartet lediglich 6 Prozent der Befragten, wohingegen 38 Prozent die Auswirkungen als neutral bewerten. Dies zeigt, dass die Betriebe die Digitalisierung überwiegend als Chance begreifen, jedoch auch viele sich möglicherweise noch nicht eingehend damit beschäftigt haben und deshalb eine neutrale Einschätzung gegeben haben. Ebenso sehen 58 Prozent der befragten Betriebe ihr wichtigstes Geschäftsmodell nicht durch digitalisierte Lösungen anderer Anbieter bedroht (siehe Abbildung 6). Demgegenüber sehen sich jedoch 7 Prozent der Befragten bereits aktuell und 21 Prozent möglicherweise zukünftig bedroht. 14 Prozent der Befragten gaben an, dies nicht einschätzen zu können. Mit Blick auf den hohen Anteil an Betrieben der dem Digitalisierungstrend neutral gegenübersteht zum einen, und dem hohen Anteil der über eine mögliche Bedrohung durch digitale Lösung heute oder zukünftig keine Einschätzung geben kann zum anderen, lässt sich durchaus der Schluss ziehen, dass ein relevanter Anteil der Mittelständler sich noch wenig mit der Thematik beschäftigt hat und mögliche Risiken nicht erkennt. Betrachtet man die Einschätzung der Betriebe, ob ihr wichtigstes Geschäftsmodell durch digitalisierte Lösungen anderer Anbieter bedroht ist nach Betriebsgröße, so zeigt sich, dass kleine und sehr kleine Betriebe (mit weniger als 50 Beschäftigten) seltener von einer Bedrohung ausgehen, als KMU mit 50 Beschäftigten und mehr (49 Prozent gegenüber 62 Prozent). Auch ist der Anteil der KMU, die die Situation nicht einschätzen können ist bei kleinen KMU geringer (8 Prozent gegenüber 25 Prozent). Insbesondere kleine Betriebe sehen sich also entweder gut gerüstet oder verkennen möglicherweise das Risiko.

Digitale Geschäftsmodelle im Mittelstand

345

21% Nein

Kann ich nicht einschätzen 7%

Ja, aktuell 58%

Ja, möglicherweise zukünftig

14%

Abbildung 6:

Einschätzung zur Frage, ob das wichtigste Geschäftsmodell der Betriebe durch digitalisierte Lösungen anderer Anbieter bedroht ist

Als Fazit kann festgehalten werden, dass die meisten der befragten Betriebe positive Auswirkung des Digitalisierungstrends auf die eigene Wettbewerbsfähigkeit erwarten, wobei gleichzeitig fast 30 Prozent der befragten Betriebe ihr wichtigstes Geschäftsmodell aktuell oder zukünftig durch digitalisierte Lösungen anderer Anbieter bedroht sehen. Der Digitalisierungstrends wird folglich als Chance und Risiko zugleich gesehen, wobei unklar bleibt, wie hoch tatsächlich der Anteil an Betrieben ist, der die Entwicklung noch nicht richtig einschätzen kann und möglicherweise aufkommende Risiken übersieht.

2.4 Digitale Technologien bei bestehenden Geschäftsmodellen Ebenso konnte analysiert werden, inwieweit KMU verschiedene digitale Technologien und Anwendungen bereits heute in ihren bestehenden Geschäftsmodellen einsetzen. 86 Prozent der befragten Betriebe nutzen das Internet zur Anbahnung, Erbringung und Abwicklung von Geschäftsmodellangeboten. Am zweithäufigsten werden mobile Endgeräte für Beschäftigte zur Leistungserbringung eingesetzt (64 Prozent). Webbasierte Plattformen zur Betreuung von Kunden oder Abwicklung von Geschäftsmodellangeboten (48 Prozent) sowie Condition Monitoring oder Remote Service (40 Prozent) spielen ebenfalls noch eine bedeutende Rolle. Fortschrittlichere digitalen Technologien wie datenbasierte Dienstleistungen auf Basis von (Big) Data-Analysen (13 Prozent) und Virtual oder Augmented Reality-Anwendungen für Kunden oder Beschäftigte (10 Prozent) werden nur von wenigen der befragten Betriebe umgesetzt. Insgesamt gibt es also recht unterschiedliche Nutzerquoten zwischen den einzelnen digitalen Technologien. Es fällt weiterhin auf, dass ein Zusammenhang zwischen Stellung des Betriebs in der Wertschöpfungskette und eingesetzter Technologien besteht. Alle Endprodukthersteller für Konsumenten setzen das Internet ein, wohingegen Endprodukthersteller für Betriebe insbesondere mobile Endgeräte für Mitarbeitende einsetzen. Maschinen und Produkte mit

346

Ch. Lerch und C. Moll

Fähigkeit zum gegenseitigen automatisierten Informationsaustausch sowie Condition Monitoring/Remote Services sind wiederum am weitesten unter den Systemzulieferern für Betriebe verbreitet. Virtual oder Augmented Reality, webbasierte Plattformen zur Betreuung von Kunden sowie Cloud-Dienste für Software-Downloads, Datenauswertung oder Datenspeicherung werden primär von Dienstleistern und Händlern für Betriebe eingesetzt. Kundenseitige Apps sind unter Dienstleistern und Händlern für Konsumenten am weitesten verbreitet. Demgegenüber setzen Teilezulieferer und Lohnfertiger nur in sehr geringem Umfang digitale Technologien ein. Die unterschiedliche Verbreitung der Technologien deutet darauf hin, dass diese einen unterschiedlichen Stellenwert einnehmen. Internet, mobile Endgeräte und webbasierte Plattformen können als Grundlagentechnologien betrachtet werden. Condition Monitoring/Remote Services, Maschinen mit Internet-/Netzwerkverbindung sowie Maschinen mit der Fähigkeit zum gegenseitigen Informationsaustausch stellen Bestandteile von Cyber-physischen-Systemen (CPS) dar. Weiterhin sind Cloud-Dienste, Apps sowie (Big) Data-Analysen datengetriebene Anwendungen mit sehr hohen und komplexen Anforderungen. Zusammengefasst nutzen die meisten der befragten Betriebe einfache digitale Technologien wie Internet und mobile Endgeräte zur Abwicklung von Geschäftsmodellangeboten. Innovative Technologien wie (Big) Data und Virtual oder Augmented Reality werden hingegen (noch) kaum eingesetzt. Weiterhin besteht ein Zusammenhang zwischen eingesetzter Technologie und Stellung in der Wertschöpfungskette, was darauf hindeutet, dass die verschiedenen digitalen Technologien auch verschiedene Anwendungsfelder adressieren.

Digitale Geschäftsmodelle im Mittelstand

347

Einsatz des Internets zur Anbahnung, Erbringung und Abwicklung von Geschäftsmodellangeboten

86%

Mobile Endgeräte für Mitarbeiter bei der Leistungserbringung

64%

Webbasierte Plattformen zur Betreuung von Kunden/Abwicklung von Geschäftsmodellangeboten

48%

Condition Monitoring/Remote Services (Digitale Überwachung des Betriebszustands, Fernzugriffe)

40%

Cloud-Dienste für Software-Downloads, Datenauswertung, Datenspeicherung

37%

Maschinen, Produkte, Güter mit Internet-/ Netzwerkverbindung zum Auslesen von Echtzeitdaten/zur drahtlosen Kommunikation

33%

Maschinen, Produkte, Güter mit Fähigkeit zum gegenseitigen automatisierten Informationsaustausch

23%

Apps zur kundenseitigen Nutzung Ihrer Geschäftsmodellangebote

20%

Datenbasierte Dienstleistungen, auf Basis von (Big) Data Analysen

13%

Virtual-/Augmented-Reality-Anwendungen für Kunden oder Mitarbeiter im Rahmen Ihrer Geschäftsmodellangebote

12%

Sonstige digitale Techniken und Anwendungen

10%

0%

Abbildung 7:

Anteil an befragten KMU

100%

Eingesetzte digitale Technologien und Anwendungen zur Erbringung von Geschäftsmodellen (Mehrfachantworten)

2.5 Entwicklung und Umsetzung digitaler Geschäftsmodelle Außerdem wird untersucht, wie weit die befragten Betriebe in der Entwicklung und Umsetzung digitaler Geschäftsmodelle sind und durch wen die Umsetzung digitaler Geschäftsmodelle innerhalb des Betriebs angestoßen sowie implementiert wird.

348

Ch. Lerch und C. Moll

Der Umsetzungsstand bei der Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle ist bislang sehr unterschiedlich (siehe Abbildung 8). 42 Prozent der befragten Betriebe beobachten die Entwicklung und warten ab oder befassen sich nur intern mit der Thematik. Externe Forschungsprojekte oder externe Experten spielen mit 3 Prozent bzw. 5 Prozent nur eine sehr geringe Rolle. Demgegenüber sind 37 Prozent der befragten Betriebe im Austausch mit Kunden, Lieferanten und Partnern und immerhin 13 Prozent haben bereits digitale Lösungen für Geschäftsmodelle implementiert. Der Austausch mit Partnern entlang der Wertschöpfungskette ist offenbar der bevorzugte Weg hin zur Einführung neuer digitaler Geschäftsmodelle, wohingegen die Chancen von Forschungsprojekten und externen Experten kaum genutzt werden. Die Impulse kommen also bestenfalls aus angestammten Wertschöpfungsnetzwerken und nicht von außerhalb.

Wir beobachten die Entwicklung und warten ab

21%

Wir befassen uns nur intern mit der Thematik

21%

Wir lassen uns durch externe Experten beraten

5%

Wir beteiligen uns an externen Forschungsprojekten

3%

Wir befinden uns im Austausch mit Kunden/Lieferanten/Partn.

37%

Wir haben bereits digitale Lösungen für Geschäftsmodellang.

13% 0%

Abbildung 8:

Anteil an befragten KMU

40%

Einführungsstand neuer, digitaler Geschäftsmodelle

Der Einführungsstand unterscheidet sich sehr stark gemäß der Stellung in der Wertschöpfungskette. Systemzulieferer, Endprodukthersteller sowie Dienstleister für Betriebe befinden sich häufig im Austausch mit Kunden, Lieferanten und anderen Partnern. Die Entwicklung beobachten meist Lohnfertiger sowie Teilezulieferer. Endprodukthersteller für Kunden beschäftigen sich überwiegend intern mit digitalen Geschäftsmodellen. Die meisten der KMU, die die Entwicklung beobachten und abwarten, schätzen ihr Risiko, dass das eigene Geschäftsmodell durch die digitalen Lösungen anderer Anbieter bedroht ist, gering ein. Entsprechend stehen sie dem Digitalisierungstrend oft neutral gegenüber. Dies birgt jedoch das Risiko, aufgrund einer Fehleinschätzung möglicherweise den Anschluss zu verpassen und zu spät auf Entwicklungen reagieren zu können. KMU, die bereits digitale Lösungen für Geschäftsmodelle implementiert haben, besetzen meistens eine Nischenposition und haben besonderes häufig in den letzten 10 Jahren ein neues komplementäres Geschäftsmodell eingeführt. Als Gründe führen diese Betriebe meist Eigeninitiative als „First Mover“ und Reaktion auf Innovatoren der Branche an.

Digitale Geschäftsmodelle im Mittelstand

349

Überdurchschnittlich viele gehen darüber hinaus davon aus, dass sich der Digitalisierungstrend positiv auf die eigene Wettbewerbsfähigkeit auswirken wird. 82%

Geschäftsführung

16% 12%

Vertrieb / Marketing

60%

Forschung & Entwicklung

3%

EDV, IT

2%

37%

55%

Kundendienst

1%

Fertigung

0%

19%

18%

0%

Abbildung 9:

federführend

unterstützend

Anteil an befragten KMU

100%

Federführung für die Konzeption eines neuen, digitalen Geschäftsmodells und unterstützende Geschäftsbereiche (Mehrfachnennungen bei Unterstützung möglich)

In Summe haben mehr als ein Zehntel der befragten Betriebe digitale Lösungen für Geschäftsmodelle eingeführt, was entweder auf Eigeninitiative oder Reaktion auf Innovatoren zurückzuführen ist. Diese Betriebe gehen davon aus, dass sich der Digitalisierungstrend positiv auf die eigene Wettbewerbsfähigkeit auswirken wird. Etwa 20 Prozent der befragten Betriebe beobachten die Entwicklung oder befassen sich nur intern damit und stehen dem Digitalisierungstrend überwiegend neutral gegenüber. Die Initiative zur Umsetzung digitaler Geschäftsmodelle geht fast immer von der Geschäftsführung aus (82 Prozent), teilweise spielen Vertrieb und Marketing noch eine gewisse Rolle (12 Prozent) bei der federführenden Entwicklung (siehe Abbildung 9). Forschung und Entwicklung, EDV, IT, Kundendienst oder Fertigung übernehmen nur in 3 Prozent und weniger der Fälle die Federführung. Unterstützend bei der Umsetzung digitaler Geschäftsmodelle sind vor allem Vertrieb und Marketing (60 Prozent), EDV und IT (55 Prozent) sowie Forschung und Entwicklung (37 Prozent). Allerdings sind auch Kundendienst und Fertigung bei knapp 20 Prozent der befragten Betriebe unterstützend aktiv. Bei den befragten Kleinst- und Kleinbetrieben liegt die Federführung überdurchschnittlich häufig bei der Geschäftsführung. Weitere Geschäftsbereiche werden insgesamt in 80 Prozent der Fälle unterstützend hinzugezogen. 50 Prozent der befragten Unternehmen geben an, genau einen weiteren Bereich unterstützend hinzu zu ziehen und 22 Prozent zwei oder mehr Geschäftsbereiche. In 18 Prozent der

350

Ch. Lerch und C. Moll

Fälle werden drei Geschäftsbereiche miteinbezogen und bei 10 Prozent der befragten Betriebe sind vier oder mehr Bereiche unterstützend bei der Konzeption des neuen digitalen Geschäftsmodells aktiv. Wenig überraschend ist in den meisten Fällen die Geschäftsführung federführend bei der Implementierung neuer digitaler Geschäftsmodelle, wobei auch teilweise die Federführung bei Vertrieb und Marketing liegt. In den meisten Fällen werden Geschäftsbereiche unterstützend hinzugezogen, wobei meist ein oder zwei weitere Bereiche involviert werden. Dies sind meistens Vertrieb und Marketing, EDV und IT oder Forschung und Entwicklung. Folglich zeigt sich, dass digitale Geschäftsmodelle auch in der Praxis als systemische Innovationen angesehen werden und in den meisten Fällen mehrere Geschäftsbereiche durchdringen.

3.

Chancen, Herausforderungen und Handlungsempfehlungen digitaler Geschäftsmodelle im Mittelstand

3.1 Chancen und Hemmnisse bei der Einführung von digitalen Geschäftsmodellen Hinsichtlich der Einführung neuer digitaler Geschäftsmodelle steht insbesondere der Mittelstand vor etlichen Herausforderungen, denen jedoch auch zahlreiche Chancen gegenüberstehen. Aufgrund der begrenzten Ressourcen, die KMU zur Verfügung stehen, ist es insbesondere für den Mittelstand von Interesse, wie mit Herausforderungen umgegangen werden kann und sich Chancen nutzen lassen. Die größten Chancen werden insbesondere im Umgang mit bestehenden Kunden oder neuen Kundengruppen gesehen. Als Chance mit hohem Potenzial wird am häufigsten die Anpassung an Kundenanforderungen (41 Prozent) gesehen, gefolgt von der Neukundenakquise in bestehenden Marktsegmenten (38 Prozent). Dies zeigt, dass die meisten KMU sich beim Angebot digitaler Geschäftsmodelle immer noch am stärksten auf die herkömmlichen Kundengruppen und Marktsegmente konzentrieren. An dritter Stelle folgt dann jedoch die Erschließung neuer Marktsegmente, die von 35 Prozent der befragten Betriebe als Chance mit hohem Potenzial gesehen wird. Die Angebotserweiterung für bestehende Kunden fokussiert sich wiederum auf etablierte Märkte und Stammkundschaft. Dieser Aspekt wird immer noch von 31 Prozent der befragten Mittelständler genannt. Die sonstigen genannten Punkte stellen zwar immer noch bedeutsame Chancen dar, werden jedoch von den meisten Betrieben mit mittlerem Potenzial angesehen. Hierzu gehört

Digitale Geschäftsmodelle im Mittelstand

351

die Differenzierung gegenüber Wettbewerbern (30 Prozent), Kosten- und Zeiteinsparungen (24 Prozent), Qualitätssteigerungen (24 Prozent) sowie die Erhöhung der Ressourceneffizienz (15 Prozent). hohe

Anpassung an Kundenanforderungen

mittlere

41%

Neukundenakquise in bestehenden Marktsegmenten

43%

38%

Erschließung neuer Marktsegmente

31%

Differenzierung gegenüber Wettbewerbern

30%

16%

37%

35%

Angebotserweiterung für bestehende Kunden

geringe

26%

34%

31%

43%

26%

41%

29%

Kosten- und Zeiteinsparungen

24%

42%

35%

Qualitätssteigerung

24%

44%

33%

Ressourceneffizienz, ökologische Nachhaltigkeit

15%

39%

0%

46% 100%

Abbildung 10: Erwartete Chancen hinsichtlich der Einführung digitaler Geschäftsmodelle Mit Blick auf die Hemmnisse, die bei der Einführung von digitalen Geschäftsmodellen gesehen werden, deuten sich insbesondere drei Aspekte als die größten Herausforderungen an. Hierzu gehört die Umsetzung und Implementierung selbst, da Zeit und personelle Mittel häufig fehlen, die Finanzierung von mit Geschäftsmodellangeboten einhergehenden Investitionen, sowie die IT- und Datensicherheit, die durch den Einsatz digitaler Technologien notwendig werden. Alle drei Punkte werden jeweils von über 40 Prozent der befragten Betriebe als Hemmnis angesehen. Dies deutet bereits die für KMU bestehende Problematik von nicht ausreichenden Ressourcen an, die bei solch einer systemisch-komplexen Innovation, wie die der digitalen Geschäftsmodelle, einhergeht. Von daher scheint eine strategische Verankerung dieses Themas auf der Ebene der Geschäftsführung als unablässig. Interessanterweise ist der Mangel an Ideen für neue Geschäftsmodelle ein eher seltenes Hemmnis, das die Einführung digitaler Geschäftsmodelle erschwert. Dies wird von lediglich etwa jedem vierten der befragten Betriebe als großes Hemmnis genannt. Die große Mehrheit sieht den Mangel an Ideen nicht als größere Problematik an. Ebenso zeigt sich, dass die Mehrzahl der befragten KMU, weder die Bereitschaft der Mitarbeitenden, noch

352

Ch. Lerch und C. Moll

die Bereitschaft des Managements als größeres Hemmnis für die Einführung digitaler Geschäftsmodelle sehen. große

mittlere

kleine

Umsetzung/Einführung (Zeit und Mittel)

46%

44%

10%

Finanzierung von dadurch notwendigen Investitionen

46%

44%

10%

IT-Sicherheit: Daten, Zuverlässigkeit

40%

40%

20%

Rechtliche Absicherung/Haftung

30%

Fehlende/mangelnde Kompetenzen/Qualifikationen

29%

43%

28%

Vorhandensein von Ideen für neue Geschäftsmodelle

27%

46%

26%

Investitionsrisiko

23%

Fehlende Anknüpfungspunkte bei Kunden/Lieferanten

20%

Fehlende/mangelnde technologischer Voraussetzungen

18%

Bereitschaft/Akzeptanz der sonstigen Mitarbeiter/innen

15%

Aufbau von Kooperationen

15%

Konkurrenz zu bestehenden Kunden aufbauen

Bereitschaft des Managements

45%

10%

9%

25%

52%

25%

51%

29%

47%

34%

47%

38%

57%

28%

39%

33%

51%

57%

0%

100% Anteil an befragten KMU

Abbildung 11: Erwartete Hemmnisse bei der Einführung digitaler Geschäftsmodelle Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Chancen der Digitalisierung hauptsächlich im Bereich des Kundengeschäfts gesehen werden. Die häufigsten Nennungen waren hier die Anpassung an Kundenanforderungen, Angebotserweiterungen für bestehende Kunden, Neukundenakquise in bestehenden Märkten und die Erschließung völlig neuer Marktsegmente. Allerdings fokussieren sich hier immer noch die meisten KMU auf bestehende Kunden und Marktsegmente. Die Chance sich durch das Angebot digitaler Geschäftsmodelle auch völlig neue Märkte zu erobern, ist dabei eher sekundär, wodurch deutlich wird, dass der Mittelstand sich stark an seinen etablierten Strukturen orientiert. Im Gegensatz dazu werden bei den Hemmnissen die mangelnde Zeit, sowie die personellen und finanziellen Mittel bei der Umsetzung von digitalen Geschäftsmodellangeboten

Digitale Geschäftsmodelle im Mittelstand

353

gesehen. Ebenso bestehen Unsicherheiten bei der IT- und Datensicherheit, die durch das zusätzliche Thema der Digitalisierung zum Tragen kommen. Ein Mangel an Ideen oder die Bereitschaft der Belegschaft oder des Managements sind hingegen deutlich seltener genannte Hemmnisse. Insofern lässt sich der Schluss ziehen, dass zwar die grundsätzliche Bereitschaft für digitale Geschäftsmodellangebote im Mittelstand gegeben ist, diese aber tendenziell durch mangelnde Zeit, personelle und finanzielle Ressourcen sowie Unsicherheit bei IT und Daten, gehemmt wird.

3.2 Handlungsempfehlungen zur Steigerung der Innovationsfähigkeit mit digitalen Geschäftsmodellen Mit Blick auf die vorangegangenen Ergebnisse lassen sich hinsichtlich einer Stärkung der Innovationsfähigkeit für digitale Geschäftsmodellangebote verschiedene Handlungsempfehlungen für KMU ableiten. Diese lassen sich zu sechs Bausteinen zusammenfassen (siehe Abbildung 12): „

Aufbau eines „Business Model Innovation Management“: Da sich in KMU meist niemand für die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle zuständig fühlt, fällt dies meist zwangsläufig in den Zuständigkeitsbereich der Geschäftsführung. Zwar sind neue Geschäftsmodelle auch von hoher Bedeutung für die Unternehmensstrategie, dennoch muss die Geschäftsführung das Thema Geschäftsmodellinnovation oftmals mit geringen zeitlichen Ressourcen neben dem Tagesgeschäft angehen. Durch die zusätzlich digitale Komplexität ist die Entwicklung und Umsetzung neuer Geschäftsmodelle kaum mehr neben dem Alltag zu meistern. Um dieser Komplexität gerecht zu werden, sollte das Thema Geschäftsmodellinnovation auch organisatorisch im Unternehmen verankert werden. Mit Hilfe eines so genannten „Business Model Innovation Management“ lässt sich ein Personenkreis mit Verantwortlichkeiten schaffen, der die systematische Entwicklung neuer Geschäftsmodelle von der Marktanalyse bis zur Marktimplementierung federführend betreut. Durch ein institutionalisiertes Management werden Geschäftsmodellinnovationen systematisch vorangetrieben und sehr viel häufiger zum Erfolg gebracht.

„

Entwicklung einer passfähigen Geschäftsmodellstrategie: Ein Unternehmen muss nicht zwangsläufig auf genau einem (Haupt-)Geschäftsmodell basieren. Ein neues Geschäftsmodell sollte nicht als Zerstörer des etablierten Geschäftsmodells gesehen werden, sondern bereits frühzeitig neben dem Hauptgeschäftsmodell als komplementäres Angebot aufgebaut werden. Dies birgt mehrere Vorteile gleichzeitig: (1) Ein erfolgreiches Hauptgeschäftsmodell erleichtert durch Querfinanzierung den Einstieg in ein neues komplementäres Geschäftsmodell erheblich. Denn der Aufbau neuer Geschäftsbereiche ist zeit- und kostenintensiv, was häufig bei einem degenerierenden Hauptgeschäftsmodell ein Killerkriterium darstellt. (2) Das Risiko möglicher Fehlentwicklungen neuer komplementärer Geschäftsmodelle wird durch ein erfolgreiches

354

Ch. Lerch und C. Moll Hauptgeschäftsmodell erträglich und stellt im Falle eines Ausstiegs aus dem neuen Geschäftsbereich keine existenzielle Bedrohung dar. (3) Durch den Aufbau eines Sets an neuen komplementären Geschäftsmodellen lässt sich eine langfristige übergeordnete Geschäftsmodellstrategie entwickeln, die sich flexibel dem Markt anpassen kann. Sollte das Hauptgeschäftsmodell zu einem zukünftigen Zeitpunkt nicht mehr tragen, erfolgt kein harter Bruch im Unternehmen, sondern es kann frühzeitig gegengesteuert werden.

Business Model Innovation Management Systemischer Entwicklungsansatz und Kooperation

Passfähige Geschäftsmodellstrategie Digitale Geschäftsmodelle

Diversifizierte Geschäftsmodellstruktur und neue Märkte

Marktanalyse und Follower-Strategie Einsatz digitaler Techniken

Abbildung 12: Portfolio an Handlungsmaßnahmen für mittelständische Betriebe für das Angebot digitaler Geschäftsmodelle „

Aufbau einer diversifizierten Geschäftsmodellstruktur auch in neuen Märkten: Der Trend geht zwar zögerlich, aber dennoch auch in etablierten Branchen zu einem diversifizierten Geschäftsmodellangebot. Dass sich die Einführung neuer komplementärer Geschäftsmodelle lohnt, zeigt sich darin, dass die große Mehrheit dieser KMU mit einem leichten bis starken Umsatzwachstum an dieser Front rechnet. Bei mehr als einem Drittel der befragten KMU sind deren komplementäre Geschäftsmodelle in der Lage, einen Umsatzanteil von über 25 Prozent am Gesamtumsatz zu erzielen. Damit reduziert sich zum einen die Abhängigkeit vom Hauptgeschäft und dient zum anderen zur Stabilisierung bzw. Steigerung des Umsatzes. Allerdings müssen neue Geschäftsmodelle nicht immer für bestehende Märkte konzipiert werden. Teilweise existieren auch vergleichsweise einfache Möglichkeiten der Geschäftsmodellinnovation, indem

Digitale Geschäftsmodelle im Mittelstand

355

z. B. das etablierte Geschäftsmodell in angepasster Form auf neuen Märkten angeboten wird. 13 Prozent der befragten KMU sind mit ihrem wichtigsten Geschäftsmodell in neuen Märkten aktiv. Die große Mehrheit dieser Betriebe ist dabei mit ihrem etablierten Geschäftsmodell auf dem neuen Markt auch erfolgreich. „

Einsatz digitaler Technologien bei Geschäftsmodellangeboten: Viele Betriebe nutzen das Internet und mobile Endgeräte als Einstiegstechnologie, um Erfahrungen mit digitalen Geschäftsmodellen zu sammeln. Bereits diese beiden Grundlagentechnologien können sich bei neuen digitalen Geschäftsmodellen als sehr wirkungsvoll erweisen. 86 Prozent der befragten KMU nutzen bereits das Internet sowie 64 Prozent mobile Endgeräte, um ihre Geschäftsmodellangebote zu erbringen. Digitale Geschäftsmodelle mit höherer Komplexität sind über Grundlagentechnologien jedoch nicht mehr zu meistern. Außerdem existieren hier häufig starke Abhängigkeiten zwischen der Technologie und dem Anwendungsfeld, die Anpassungen erfordern, die ohne Spezialisten nicht zu bewerkstelligen sind. Hier wird es unumgänglich sein, verstärkt auf Kooperation bzw. den Aufbau eigener Kompetenzen oder Einkauf externer Spezialisten zu setzen.

„

Strategische Marktanalyse und die Follower-Strategie: Ein guter Einstieg in die Welt der Geschäftsmodellinnovationen bietet die regelmäßige Analyse herkömmlicher Märkte. Zum einen lässt sich so beobachten, ob Kundenwünsche sich ändern oder ob von der Konkurrenz neue Geschäftsmodelle angeboten werden. Auf diese Weise entstehen etwa zwei Drittel aller neuen Geschäftsmodelle bei den befragten KMU. Die Strategie des Followers wird von der Mehrzahl der KMU erfolgreich angewendet. Das Beobachten des eigenen Markts reicht bei digitalen Geschäftsmodellen disruptiver Natur allerdings häufig nicht aus. Hier empfiehlt es sich auch ein systematisches „Screening“ neuer Märkte vorzunehmen und die Digitalwirtschaft sowie Start-ups und Spin-offs zu beobachten. Gerade aus diesen Wirtschaftsbereichen ist mit digitalen Geschäftsmodellen disruptiver Natur zu rechnen.

„

Systemischer Entwicklungsansatz und Kooperation: Eine Erfolgsstrategie bei der Entwicklung und Umsetzung von Geschäftsmodellinnovationen ist die Integration mehrerer Unternehmensbereiche. Geschäftsmodellinnovationen gelten als systemische Innovationen und sind daher aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Die Integration mehrerer Unternehmensbereiche ist daher eine in der Praxis häufig angewandte Strategie. Für (digitale) Geschäftsmodelle ist die besondere Bedeutung des Marketings (Analyse von Markt-, Kundenbedarfen), der IT (Einbindung digitaler Technologieen) und der F&E (Integration in bestehendes Technologieportfolio) zu betonen. Zudem ist der Austausch mit Kunden bzw. Lieferanten der mit Abstand wichtigste Kanal für KMU, um beim Thema Geschäftsmodellinnovation voranzukommen. Ebenfalls stellt der Einbezug externer Forschungseinrichtungen und Berater einen Erfolgsfaktor dar. Durch den Einkauf externer Expertise lassen sich die im Expertenbereich bekannten Probleme bereits frühzeitig beheben.

356

4.

Ch. Lerch und C. Moll

Fazit und Ausblick

Zusammenfassend lässt sich auf Basis der Ergebnisse der durchgeführten Betriebsbefragung feststellen, dass digitale Geschäftsmodelle durchaus als Thema im Mittelstand angekommen sind. Auch haben bereits etliche KMU damit begonnen, komplementäre Geschäftsmodelle aufzubauen und mit digitalen Lösungen zu versehen. Allerdings bestehen auch noch weitreichende Unsicherheiten, die dazu führen, dass eine Vielzahl der Mittelständler immer noch sehr zögerlich mit der Einführung von digitalen Geschäftsmodellen umgeht. Fast zwei Drittel der Befragten haben in den letzten zehn Jahren ein neues, komplementäres Geschäftsmodell eingeführt. Nur ein Viertel der Befragten noch nie. Mehr als ein Drittel der befragten Betriebe gab die Erlangung von First Mover-Vorteilen als Gründe für die Einführung an und knapp 30 Prozent reagierten dabei auf Innovatoren der Branche. Dies zeigt, dass grundsätzlich Bereitschaft und Motivation zur Einführung neuer, komplementärer Geschäftsmodelle vorhanden sind. Dem Digitalisierungstrend steht mehr als die Hälfte der Betriebe positiv gegenüber und erwartet positive Effekte auf die eigene Wettbewerbsfähigkeit. Demgegenüber sieht sich jedoch auch fast ein Drittel der befragten Betriebe aktuell oder zukünftig durch digitale Geschäftsmodelle anderer Anbieter bedroht. Die Digitalisierung wird folglich als Chance und zugleich als Risiko betrachtet. Die bei der Erbringung aktueller Geschäftsmodelle am häufigsten eingesetzten digitalen Technologien sind Internet und mobile Endgeräte. Diese sind eher als Grundlagentechnologien zu verstehen. Fortschrittlichere Technologien wie Virtual und Augmented Reality oder (Big) Data-Analysen spielen bisher nur eine sehr geringe Rolle. Es ist jedoch anzumerken, dass die eingesetzte Technologie stark abhängig von der Stellung in der Wertschöpfungskette ist und die meisten Betriebe einen mittleren Digitalisierungsgrad aufweisen. Nur etwas mehr als ein Zehntel der befragten Unternehmen hat bisher digitale Geschäftsmodelle eingeführt. Die meisten befinden sich momentan im Austausch mit Partnern entlang der Wertschöpfungskette. Je ein Fünftel befasst sich intern mit der Thematik oder beobachtet die Entwicklung und wartet ab. Forschungsprojekte oder externe Experten werden nur selten genutzt. Der Umsetzungsstand ist also relativ gering und die Impulse kommen kaum von extern, sondern aus etablierten Wertschöpfungsnetzwerken. Die Federführung bei der Konzeption neuer digitaler Geschäftsmodelle geht in den meisten Fällen von der Geschäftsführung, seltener auch von Marketing und Vertrieb aus. Fast immer werden Geschäftsbereiche unterstützend hinzugezogen, wobei Marketing und Vertrieb, EDV und IT sowie Forschung und Entwicklung die wichtigste Rolle spielen. Chancen der Digitalisierung werden hauptsächlich in Bezug auf das Kundengeschäft gesehen. Am häufigsten genannt wurden hier die Anpassung an Kundenanforderungen, Angebotserweiterungen für bestehende Kunden und Neukundenakquise. Die beiden wichtigsten Herausforderungen, die von den Befragungsteilnehmern bei der Einführung digitaler Geschäftsmodelle gesehen werden, sind erstens die mangelnde Zeit und Mittel

Digitale Geschäftsmodelle im Mittelstand

357

bei der Umsetzung und Einführung und zweitens die Finanzierung von dadurch notwendigen Investitionen. Auch spielt die IT- und Datensicherheit als Hemmnis für KMU eine bedeutsame Rolle. Auf Basis dieser Erkenntnisse wurde ein Portfolio an Handlungsempfehlungen entworfen das aus sechs Bausteinen besteht: „

„ „ „ „ „

Aufbau eines „Business Model Innovation Management“ zur organisatorischen Verankerung des Innovationsbereichs innerhalb des Unternehmens mit verantwortlichem, interdisziplinärem Personenkreis und systematischer Geschäftsmodellentwicklung. Entwicklung einer passfähigen Geschäftsmodellstrategie, die auch jenseits des Hauptgeschäftsmodells zusätzliche komplementäre Geschäftsmodelle berücksichtigt, um eine höhere Kundenindividualisierung zu erreichen. Aufbau einer diversifizierten Geschäftsmodellstruktur auch in neuen Märkten mit dem Ziel Umsätze mittel- bis langfristig zu stabilisieren und parallel zum Hauptgeschäftsmodelle in neuen Marktsegmenten aktiv zu sein. Einsatz digitaler Technologien bei Geschäftsmodellangeboten um nicht nur zeit- und ressourcenschonend Geschäftsprozesse abzuwickeln, sondern auch um die Generierung und Nutzung von Daten zu ermöglichen. Strategische Marktanalyse und die Follower-Strategie mit der Option als Erstanbieter am Markt zu agieren, oder zunächst abzuwarten und die Rolle des Followers einzunehmen. Systemischer Entwicklungsansatz und Kooperation mit der Aufgabe verschiedenste Unternehmensbereiche in den Innovationsprozess von digitalen Geschäftsmodellen einzubinden sowie Lead-User Konzepte zu nutzen und Kunden oder externe Partner in den Entwicklungsprozess mit einzubeziehen.

Digitale Geschäftsmodelle werden aber auch in Zukunft den Mittelstand vor große Herausforderungen stellen. Zum einen ist hier die aufkommende Datenökonomie zu nennen. Betriebe werden in Zukunft immer stärker darauf angewiesen sein, Wettbewerbsvorteile aus Informationen zu ziehen, die aus erhobenen Daten stammen (vgl. beispielsweise Rifkin 2014). Daher werden auch in Zukunft datenbasierte Geschäftsmodelle und auch die Plattformökonomie eine immer entscheidendere Rolle auch für den etablierten Mittelstand spielen. Zum anderen wird auch die durch die Digitalisierung ausgelöste künstliche Intelligenz eine bedeutsamere Rolle im Bereich des Service- und Geschäftsmodellangebots von Unternehmen einnehmen (vgl. beispielsweise Knapp/Wagner 2018). Mit Hilfe selbstlernender Algorithmen ergeben sich völlig neue, möglicherweise noch ungeahnte Potenziale für das Geschäftsmodellangebot von Unternehmen. Die Thematik der Geschäftsmodelle dürfte sich also mit dem digitalen Wandel nicht nur fortsetzen, sondern zu einem entscheidenden Wertschöpfungsfaktor der Zukunft entwickeln.

358

Ch. Lerch und C. Moll

Danksagung Die Arbeiten wurden im Rahmen der von der IHK Region Stuttgart beauftragten Studie „Digitale Geschäftsmodelle: Sind kleine und mittlere Unternehmen der Metropolregion Stuttgart bereit für den Wandel?“ durchgeführt. Dieser Artikel stellt eine Zusammenfassung einiger ausgewählter Ergebnisse der Studie dar.

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Digitale Geschäftsmodelle im Mittelstand

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Stefan Roth, Anna Priester und Christopher Pütz

Personalisierte Preise für Dienstleistungen

1. Einleitung 2. Geschäfts- und Erlösmodelle 3. Potenziale der Digitalisierung 3.1 Potenziale für personalisierte Dienstleistungen 3.2 Potenziale für innovative Preissysteme 4. Implikationen für personalisierte Preise 4.1 Verwendung personenbezogener Daten 4.2 Akzeptanz personalisierter Preise 4.3 Auswirkungen personalisierter Preise 5. Fazit Literaturverzeichnis

___________________________ Prof. Dr. Stefan Roth ist Inhaber des Lehrstuhls für Marketing an der Technischen Universität Kaiserslautern. Anna Priester, M.Sc., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Christopher Pütz, M.Sc., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an diesem Lehrstuhl.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Bruhn und K. Hadwich (Hrsg.), Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen Forum Dienstleistungsmanagement, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30166-8_15

1.

Einleitung

Die fortschreitende Digitalisierung ermöglicht es vielen Anbietern, ihre Leistungsversprechen zu personalisieren und die Nutzung der angebotenen Produkte und Dienstleistungen durch die Kunden personalisiert zu erfassen. Damit wirkt sich die Personalisierung von Dienstleistungen in zwei Richtungen aus. Auf der einen Seite ermöglicht es die Personalisierung dem Anbieter, sich von den Wettbewerbern zu differenzieren und ein einzigartiges Leistungsversprechen anzubieten. Dieses Leistungsversprechen sollte aus Perspektive des Kunden als überlegen betrachtet werden, so dass Anbieter und Kunde auf Basis ihrer gemeinsamen Ressourcenintegration einen hohen Wert kreieren. Beispielsweise sind aktuelle Smartphones verschiedener Hersteller aus Perspektive der Konsumenten technisch kaum noch zu differenzieren, jedoch unterscheiden sich die integrierten Serviceleistungen wie Assistenzsysteme in ihrer Ausgestaltung. Auf der anderen Seite eröffnet die personalisierte Erfassung der individuellen Nutzungsprozesse der Kunden auch innovative Möglichkeiten, den gemeinsam geschaffenen Wert nicht auf Basis einer Transaktion, sondern auf Basis der Nutzung zwischen Anbieter und Kunde aufzuteilen. Beispielsweise bieten Versicherungsunternehmen ihren Kunden mittlerweile die Möglichkeit, bestimmte Teile ihres Hausrats nur für die Zeiten deren tatsächlicher Nutzung zu versichern. Gerade vor dem Hintergrund der Digitalisierung stellt sich in diesem Kontext somit die Frage, welche Auswirkungen die Personalisierung auf die Art und Weise entfaltet, in der die Anbieter mit ihren Kunden Wert kreieren und diesen gemeinsam kreierten Wert zwischen sich aufteilen. Damit rückt die Entwicklung und Implementierung innovativer Geschäftsmodelle in den Mittelpunkt der Betrachtung. Die Digitalisierung ermöglicht es, intelligente Produkte und darauf basierende intelligente Dienstleistungen zu entwickeln und damit neue Leistungsversprechen anzubieten (Porter/Heppelmann 2014, S. 4). In Haushalten können beispielsweise mit Sensoren, Prozessoren und Vernetzungskomponenten ausgestattete Heiz- oder Lichtanlagen von Anbietern aus der Ferne gewartet werden. Anbieter von Mietwagen können ihren Kunden zusätzliche Funktionen wie die Nutzung des Wetterdienstes, Verkehrsvorhersagen oder sogar zusätzliche Motorleistung über das Funknetz in Echtzeit freischalten. Als Konsequenz werden die Nutzungsprozesse individueller und die Dienstleistungen personalisierter. Als wesentlicher Bestandteil eines Geschäftsmodells ist dabei das Erlösmodell zu sehen. Das Erlösmodell beschreibt, aus welchen Quellen und auf welche Weise der Anbieter Erlöse generieren möchte. Sofern man auf die Kunden als Erlösquellen fokussiert und dritte Quellen (z. B. Werbung auf der eigenen Website) vernachlässigt, führt dieser Aspekt unmittelbar zum eingesetzten Preissystem. Mit einem Preissystem wird festgelegt, auf Basis welcher Bemessungsgrundlage und unter Anwendung welcher Berechnungsvorschrift das Entgelt für eine bestimmte Leistung berechnet wird.

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St. Roth, A. Priester und Ch. Pütz

Personalisierte Dienstleistungen und die personalisierte Erfassung der Nutzungsprozesse liefern hierzu zahlreiche innovative Ansatzpunkte. Die Anbieter können nahezu jede beliebige, in der Nutzung anfallende Größe oder Leistung als Berechnungsgrundlage heranziehen, da diese in Echtzeit gemessen, übertragen und ausgewertet werden können. Verwendet der Anbieter nicht nur eine, sondern mehrere solcher Größen, so kann von einem Bezugsgrößensystem gesprochen werden. Daraus resultiert zum einen, dass die Ermittlung des Preises zunehmend komplexer und für den Kunden nicht immer nachvollziehbar wird und zum anderen, dass sich der zu zahlende Preis von Kunde zu Kunde teilweise erheblich unterscheiden kann. Für die Implementierung derartiger Preissysteme ist somit auch die Frage nach der konsumentenseitigen Wahrnehmung und Akzeptanz von wesentlicher Bedeutung für den Anbieter. Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich deshalb mit den Potenzialen, die die Digitalisierung für die Personalisierung von Dienstleistungen bietet, und mit den Möglichkeiten, bei der Gestaltung von Geschäftsmodellen Preissysteme zu entwickeln, die zu einer Personalisierung von Preisen für Dienstleistungen führen. Dazu werden zunächst einige Grundlagen zu Geschäfts- und Erlösmodellen vorgestellt, bevor im Anschluss daran die Potenziale der Digitalisierung für Dienstleistungen und für Preissysteme dargelegt werden. Anschließend werden die Implikationen für personalisierte Preise im Dienstleistungsbereich aufgezeigt. Dazu wird zunächst auf die für personalisierte Preise notwendige Erfassung und Verwendung personenbezogener Daten eingegangen. Anschließend wird der Einfluss der Transparenz und der Komplexität auf die konsumentenseitige Akzeptanz von Preissystemen betrachtet, bevor die Auswirkungen personalisierter Preise auf den Konsumenten untersucht werden. Der Beitrag schließt mit einem Fazit und einem Ausblick.

2.

Geschäfts- und Erlösmodelle

Grundsätzlich handelt es sich bei einem Geschäftsmodell um eine vereinfachte und aggregierte Darstellung aller relevanten Ressourcen, die in ein Unternehmen fließen, sowie eine zusammenfassende Abbildung, wie diese Ressourcen im betrieblichen Leistungserstellungsprozess in marktfähige Informationen, Produkte und Dienstleistungen transformiert werden (Roth et al. 2018, S. 117). Die Konzeptualisierung von Geschäftsmodellen bedingt aber eine weitergehende Festlegung, welche Gestalt Geschäftsmodelle grundsätzlich aufweisen können und welche Komponenten sie grundsätzlich umfassen sollten. Dabei kann sich ein Geschäftsmodell auf eine Aussage (Stewart/Zhao 2000), eine Beschreibung (Applegate 2000), eine Darstellung (Morris et al. 2005), eine strukturelle Vorlage (Amit/Zott 2001), eine Methode (Afuah/Tucci 2001), eine Architektur (Dubosson-Torbay et al. 2002) oder ein konzeptionelles Modell (Osterwalder/Pigneur 2010) beziehen. Amit/Zott (2001) betonen, dass das Geschäftsmodell beschreibt, wie Unternehmen Wert kreieren (Modell der Wertkreation) und damit Erlöse generieren (Modell der Wertrealisation). Darüber hinaus kann die Art und Weise der Wertschöpfung (Modelle der Wertschöpfungsarchitektur) als Komponente des Geschäftsmodells verstanden werden (Spieth/Schneider 2016).

Personalisierte Preise für Dienstleistungen

Schlüsselpartner Wer sind unsere Schlüsselpartner?

Schlüsselaktivitäten Welche Schlüsselaktivitäten erfordern die Wertversprechen?

Schlüsselressourcen

Welche Schlüsselressourcen erfordern die Wertversprechen?

Kostenstruktur

Welches sind die wichtigsten mit unserem Geschäftsmodell verbundenen Kosten?

Abbildung 1:

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Wertversprechen Welchen Wert versprechen wir dem Kunden?

Kundenbeziehungen Welche Art von Kundenbeziehung erwarten die Kundensegmente?

Kundensegmente Für welche Segmente schaffen wir Wert?

Kanäle Über welche Kanäle wollen die Kunden erreicht werden?

Einnahmequellen

Wofür sind die Kunden gewillt zu bezahlen?

Business Model Canvas (Quelle: In Anlehnung an Osterwalder/Pigneur 2010, S. 18f.)

Das konzeptionelle Modell von Osterwalder und Pigneur (2010) fasst diese Modellkomponenten in übersichtlicher und strukturierter Weise zusammen. In der so genannten Business Model Canvas, die in Abbildung 1 dargestellt ist, werden vier Bereiche der Wertschöpfung unterschieden, die in neun Komponenten differenziert werden. Der erste und zentrale Bereich umfasst die Komponente des Wertversprechens. Damit wird klar herausgestellt, dass nicht das Angebot einzelner Produkte und Dienstleistungen im Mittelpunkt steht, sondern der Anbieter dem Kunden ein Wertversprechen liefert, das dieser im Verlauf der Ressourcenintegration noch realisieren muss. Damit wird die Bedeutung von Nutzungsprozessen unterstrichen, in deren Verlauf überhaupt erst Wert für den Kunden generiert werden kann (Pfisterer/Roth 2015, 2018). Diese Perspektive wird von der Erkenntnis aus der Diskussion um die so genannte ServiceDominant Logic (Vargo/Lusch 2004) getrieben, dass Gütern schlicht kein Wert per se inhärent sein kann, der im Zeitpunkt der Transaktion als Tauschwert bestätigt wird (Valuein-Exchange), sondern dass Ressourcen überhaupt erst im Zeitablauf ihrer Nutzung Wert als Gebrauchswert entfalten (Value-in-Use). Dieser noch im Gange befindliche Perspektivenwechsel von der Goods-Dominant Logic zur Service-Dominant Logic hat auch erhebliche Konsequenzen für die Gestaltung von Erlösmodellen. Denn falls der Wert in individuellen und personalisierten Nutzungsprozessen kreiert wird, dann sollte er auch auf der Basis von Preissystemen aufteilbar sein, die zu individuellen und personalisierten Preisen für die Kunden führen.

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St. Roth, A. Priester und Ch. Pütz

Bevor die Überlegungen zu den Preissystemen fortgeführt werden, sollen aber noch kurz die verbleibenden Komponenten dieser Geschäftsmodellkonzeption thematisiert werden. Die Komponenten Schlüsselpartner, Schlüsselaktivitäten und Schlüsselressourcen erfassen die auf das Unternehmen gerichtete, interne Perspektive dieser Geschäftsmodellkonzeption. Die auf den Markt gerichtete, externe Perspektive dieser Geschäftsmodellkonzeption fokussiert dagegen auf die Kundensegmente, die Kundenbeziehungen und die Kanäle. Schließlich bilden die Kostenstruktur und die Einnahmequellen den finanziellen Bereich in dieser Konzeptualisierung eines Geschäftsmodells ab. Der Beitrag der Business Model Canvas liegt aber nicht nur darin, die Komponenten eines Geschäftsmodells zu strukturieren und als praxistaugliches Analyse- und Planungsinstrument für die Gestaltung und Implementierung von Geschäftsmodellen zu dienen. Der Beitrag liegt vielmehr in der strukturierten Aufbereitung und integrierten Darstellung der vielen Einzelaspekte, mit der auch die allfälligen Interdependenzen zwischen den einzelnen Komponenten aufgezeigt werden. Damit wird deutlich, dass die genannten Komponenten nicht unverbunden nebeneinanderstehen und insbesondere Geschäftsmodell und Erlösmodell untrennbar miteinander verknüpft sind. Jede Änderung, die an einer der Komponenten vorgenommen wird, entfaltet praktisch zwangsläufig Auswirkungen auf zumindest einige der anderen Komponenten. Dieser Aspekt ist im Kontext der Digitalisierung und der Personalisierung von Dienstleistungen von besonderer Relevanz. Diese Bedeutung soll an dem bereits eingeführten Beispiel innovativer Versicherungen verdeutlicht werden. Anbieter wie hepster ermöglichen es den Kunden, bestimmte Gegenstände für einen bestimmten Zeitraum individuell gegen Beschädigung oder Diebstahl zu versichern. Möchte man sich etwa am Wochenende auf eine Mountainbike-Tour begeben, so hat man die Möglichkeit, über das Smartphone für die vorgesehene Nutzungsdauer und den benötigten Deckungsgrad eine Versicherung abzuschließen. Darüber hinaus können noch weitere Gegenstände wie Kameras, Schuhe oder sonstige Ausrüstung für die geplante Tour versichert werden. Die Digitalisierung ermöglicht es in diesem Beispiel, schnell und unkompliziert eine individualisierte Leistung für den persönlichen Nutzungsprozess zu erwerben, wofür das eingesetzte Preissystem einen ebenso individualisierten und personalisierten Preis berechnet. Dieses Beispiel zeigt, dass Wertversprechen, Kundensegmente und Erlösmodell nicht unabhängig voneinander betrachtet werden können. Das innovative Wertversprechen besteht hier darin, keine Police für einen bestimmten Zeitraum, z. B. ein Jahr, abschließen zu müssen, sondern die Versicherungsleistung nur zu erwerben, wenn sie „wirklich“ gebraucht wird. Dadurch ist aber auch ein innovatives Preissystem bedingt, denn der Preis muss personalisiert und auf die konkrete Nachfrage des individuellen Kunden abgestimmt sein. Darüber hinaus ist diese Art der Versicherung wohl nur für bestimmte Kundensegmente attraktiv, die kein „Rundum-sorglos-Paket“ suchen, sondern bereit sind, die gewünschte Versicherungsleistung lediglich bei Bedarf in ihren Nutzungsprozess zu integrieren. In den folgenden Abschnitten soll deshalb untersucht werden, welche Potenziale die Digitalisierung für die Personalisierung von Preisen für Dienstleistungen bietet und wie auf dieser Basis innovative Preissysteme gestaltet werden können.

Personalisierte Preise für Dienstleistungen

3.

367

Potenziale der Digitalisierung

Im Zuge der Digitalisierung finden intelligente bzw. smarte Technologien und Objekte zunehmend Verbreitung. Dabei handelt es sich um Technologien und Objekte, die zusätzlich zu ihrer materiellen Komponente mit einer intelligenten Komponente wie beispielsweise Sensoren, Prozessoren oder Datenspeichern und einer Vernetzungskomponente wie beispielsweise Netzwerkanschlüssen oder Antennen (WLAN, Bluetooth, Funknetz, GPS) ergänzt werden (Porter/Heppelmann 2015, S. 4). Damit ausgestattet sind Objekte vermehrt dazu in der Lage, den eigenen Betriebszustand, ihre Nutzung und ihre Umwelt fortlaufend zu erfassen und die gemessenen Daten an andere Subjekte und Objekte zu kommunizieren (Ventä 2007, S. 13). Dabei sind den gemessenen Größen kaum Grenzen gesetzt. Ein mit den entsprechenden Sensoren ausgestatteter Blumentopf kann beispielsweise den aktuellen Nährstoffgehalt der darin enthaltenen Erde sowie den aktuellen Wasserstand kontinuierlich erfassen und den Besitzer rechtzeitig informieren, sobald die Werte außerhalb eines Normbereichs liegen. Dabei spielt es keine Rolle, ob sich der Besitzer in räumlicher Nähe des Blumentopfs oder weit entfernt davon befindet. Sofern es notwendig ist, kann der Besitzer auch aus der Ferne Steuerbefehle an das Produkt übermitteln und beispielsweise den Wasserstand nachfüllen. Ist der Blumentopf darüber hinaus mit den notwendigen Prozessoren und der erforderlichen Software ausgestattet, so ist dieser auch in der Lage, selbstständig auf sich verändernde Zustände zu reagieren und entsprechende Anpassungen und Optimierungen vorzunehmen. Für Anbieter ergibt sich daraus eine Vielzahl von Möglichkeiten und Potenzialen für die Gestaltung ihrer Geschäfts- und Erlösmodelle.

3.1 Potenziale für personalisierte Dienstleistungen Während, aus traditioneller Perspektive, mit dem Verkauf eines Produkts dieses aus dem Wirkungs- und Wahrnehmungsbereich des Anbieters zum Kunden wechselt, ist dies bei intelligenten Produkten nicht zwingend der Fall. Stattdessen können diese für den Anbieter als Ausgangspunkt für neuartige Informationsquellen und personalisierte Dienstleistungen dienen (Porter/Heppelmann 2015, S. 5). Daten und Informationen, die zuvor noch fest an das jeweilige Produkt gebunden waren, können nun nahezu in Echtzeit digitalisiert und übertragen werden (Normann 2001, S. 31; Vargo et. al 2017, S. 260). Im Interesse des Anbieters sind hierbei vor allem Kundennutzungsprozesse, welche von zentraler Bedeutung für die Generierung des Kundenwertes sind (Pfisterer/Roth 2015, S. 417). Mit Hilfe intelligenter Produkte kann dieses Interesse adressiert werden, da intelligente Produkte jegliche während der Nutzung anfallende Größen messen und an den Anbieter übermitteln können. Neben der eigentlichen Nutzung können darüber hinaus auch der Kontext und das Umfeld der Nutzung sowie das spezifische Nutzungsverhalten des Kunden erfasst werden (Grubic/Peppard 2016, S. 156).

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Je höher die Anzahl der gemessenen und verarbeiteten Größen, desto präziser und transparenter können der Nutzungsprozess und der Nutzungskontext des Konsumenten abgebildet werden (Parry et al. 2016, S. 237). Ein Beispiel hierfür sind moderne Fahrzeuge, die umfangreich mit Sensoren, Software und Übertragungstechnik ausgestattet sind. So wird beispielsweise gemessen, wie lang, wie schnell und wie weit das Fahrzeug gefahren wird. Doch nicht nur reine Nutzungsgrößen, sondern auch Kontextgrößen werden festgehalten. So wird auch die Tageszeit, das Wetter, die Anzahl der Mitfahrer oder die befahrene Route erfasst. Darüber hinaus kann auch das konkrete Fahrverhalten des Fahrers (z. B. Beschleunigungs-, Abbrems- und Lenkverhalten) gemessen werden. Kann der Anbieter auf diese Daten und Informationen zurückgreifen, kann er diese in der Produktentwicklung nutzen oder darauf aufbauend völlig neue Wertvorschläge kreieren (Ives/Vitale 1988, S. 9). Da intelligente Produkte sowohl dem Kunden als auch dem Anbieter die Möglichkeit bieten, mit dem Produkt zu kommunizieren und es in andere Prozesse einzubinden, kann der Anbieter diese Schnittstelle nutzen, um neue Dienstleistungen anzubieten. Diese intelligenten Dienstleistungen werden als Smart Services (Wünderlich et al. 2015, S. 443), Remote Services (Wünderlich 2009, S. 19), Remote Diagnostics Systems (Jonsson et al. 2009, S. 234), Remote Monitoring Technology (Oliva/Kallenberg 2003, S. 168; Grubic 2014, S. 101) oder Teleservices (Borgmeier 2002, S. 1) bezeichnet. Anbietern wird es durch die Digitalisierung ermöglicht, den Kunden in seinen Nutzungsprozessen zu unterstützen und diese zu verändern, was schließlich auch zu einer Veränderung der Beziehung zwischen Anbieter und Kunde führt (Coreynen et al. 2017, S. 44). Durch die Erfassung und Messung von Betriebs- und Zustandsgrößen während der Nutzung kann nicht nur der Kunde sein Produkt kontinuierlich überwachen, sondern auch der Anbieter. Dies ermöglicht es dem Anbieter, Störungen rechtzeitig zu erkennen und selbstständig notwendige Korrekturen und Reparaturen vorzunehmen, um somit die Unsicherheit des Kunden in Bezug auf mögliche Ausfälle der Produktverfügbarkeit zu reduzieren (Grubic 2014, S. 112). Je nach Art der Störung kann der Anbieter diese auch aus der Distanz beheben, ohne einen Mitarbeiter des Kundendienstes zu entsenden. Dazu kann er entweder über die Überwachungs- und Steuersoftware direkt Maßnahmen ergreifen oder den Kunden entsprechend anleiten, die notwendigen Schritte durchzuführen. Liegt beim Kunden beispielsweise eine Störung der Heizung vor, kann der Techniker zunächst über die Software prüfen, welcher Fehler vorliegt und versuchen, diesen aus der Distanz zu beheben. Ist es darüber hinaus erforderlich, z. B. ein Ventil zu öffnen und wieder zu schließen, kann er dem Kunden klare Anweisungen geben und diese Schritte dabei weiterhin in seiner Software überwachen. Neben der Überwachung der Produkte und dem Beheben von Störungen können die gemessenen Betriebs- und Zustandsgrößen auch dazu genutzt werden, sich anbahnende Störungen rechtzeitig zu erkennen und diesen vorzubeugen (Moore/Starr 2006, S. 596). Dazu können Anbieter die anfallenden Messdaten zusammenführen und mittels Diagnosesoftware analysieren, die alle Größen mit Soll- und Erfahrungswerten vergleicht und beim Überschreiten von Grenzwerten warnt. Ein frühzeitiges Gegensteuern kann das Risiko des Ausfalls verringern und somit verhindern, dass der Kunde das Produkt nicht nutzen kann (Grubic/Peppard 2016, S. 155).

Personalisierte Preise für Dienstleistungen

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Die aus der Überwachung des Produkts gewonnenen Daten können auch zur Optimierung der eigentlichen Nutzung herangezogen werden (Laine et al. 2010, S. 988), so dass die Kosten des Besitzes reduziert werden können (Holmström et al. 2010, S. 679). Im Beispiel der Heizung können die Zielsetzungen einer Optimierung beispielsweise eine Verlängerung der Lebensdauer oder eine Minimierung des Energieverbrauchs sein. Bei Fahrzeugen können dem Kunden Vorschläge zur Optimierung der Fahrweise gemacht werden, die den Verschleiß des Autos und den Kraftstoffverbrauch reduzieren. Fortgeschrittene Software kann Prozesse automatisieren. Verlässt der Kunde sein Heim, so kann die Steuerungssoftware automatisch die Temperatur der Heizung herunter- und bei bevorstehender Heimkehr wieder hochregeln. Darüber hinaus können dem Kunden eine Vielzahl von zusätzlichen Funktionen zeitlich begrenzt oder auch dauerhaft freigeschaltet werden. Fahrzeuge können auch nachträglich z. B. mit Funktionen wie einem Reifendruckkontroll- oder einem Navigationssystem ausgestattet werden. Dazu muss der Anbieter nur mittels Funkübertragung einen Freischaltbefehl an das Fahrzeug senden, da viele Fahrzeuge mittlerweile ohnehin mit der entsprechenden Hardware ausgestattet sind. Kunden sind somit in der Lage, sich ein personalisiertes Dienstleistungspaket zusammenzustellen. Je mehr Daten dem Anbieter über den Kundennutzungsprozess zufließen, desto besser kann er sein Angebot auf die individuellen Wünsche des Kunden anpassen und zunehmend personalisierte Dienstleistungen in seine Wertvorschläge integrieren (Holmström et al. 2010, S. 677).

3.2 Potenziale für innovative Preissysteme „Ein Preissystem beinhaltet eine geordnete Menge von Preiselementen, die sich auf die Leistungskomponenten eines Anbieters beziehen und den monetären Gegenwert, den der Anbieter für seine Leistungen ansetzt, definieren“ (Pechtl 2014, S. 71). Im Detail kann ein Preissystem anhand von vier Komponenten charakterisiert werden (Diller 2008, S. 219): Preisformen, Preisfindung, Preiskomponenten und Preisdifferenzierung. Die Preisformen beziehen sich auf die Zahlungsmodalitäten und die Bezugsbasis, die zur Berechnung des Preises herangezogen wird. Die Preisfindung erfasst, wie die Preise festgelegt werden. Die Preiskomponenten definieren, wie das zu zahlende Entgelt auf Basis der unterschiedlichen Preiselemente berechnet wird. Zuletzt werden mit der Preisdifferenzierung unterschiedliche Preise für gleiche Leistungen für unterschiedliche Kunden oder Kundengruppen bestimmt (Diller 2008, S. 227). Unter der Berücksichtigung der angeführten Definitionen definiert Stoppel (2016, S. 52): „Ein Preissystem besteht aus zwei wesentlichen Komponenten: Der Bezugsgröße, die als Leistungskomponente die Einheit zur Berechnung eines Preises bestimmt und dem Berechnungsmechanismus, der die Beziehung zwischen der Bezugsgröße und dem monetären Gegenwert für einen bestimmten Kunden funktional abbildet.“ Dabei finden Leistungskomponenten bzw. die Bezugsbasis in Form der konkreten Bezugsgröße Berücksichtigung bei der Preisfindung. Mit Hilfe von Bezugsgröße und Berechnungsmechanismus wird das Entgelt ermittelt, also der Betrag, den der Kunde für den Erwerb oder die Nutzung einer Leistung zahlen muss.

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Bei Preissystemen, die den Tauschwert einer Leistung zum Zeitpunkt der Transaktion fokussieren, erwirbt der Kunde mit der Entrichtung des Entgelts sämtliche Verfügungsrechte an einem Produkt. Die Nutzung des Produkts findet außerhalb der Wahrnehmung des Anbieters statt. Bei dieser Perspektive wird angenommen, dass der Wert einer Leistung durch den Anbieter geschaffen und durch den Kunden zum Zeitpunkt der Transaktion bestätigt wird. Dabei muss der Kunde vor der Transaktion den Wert, den er mit der Leistung generieren wird, antizipieren, was sich häufig als schwierig gestaltet. Im Gegensatz dazu wird bei Preissystemen, die den Gebrauchswert fokussieren, davon ausgegangen, dass der eigentliche Wert einer Leistung sich für den Kunden erst in der Nutzung entfaltet und dieser sowohl von der Nutzungsintensität als auch dem Nutzungskontext abhängig ist (Weiber/ Hörstrup 2009; Pfisterer et al. 2016; Pfisterer 2017). Ein Preissystem, das den Gebrauchswert berücksichtigt, setzt jedoch voraus, dass der individuelle Nutzungsprozess einer Leistung erfasst wird. Dazu müssen Bezugsgrößen festgelegt werden, die den kreierten Wert näherungsweise abbilden. In der Diskussion personalisierter Dienstleistungen wurde bereits gezeigt, wie intelligente Produkte Anbietern helfen können, kundenseitige Nutzungsprozesse zu erfassen. Die Digitalisierung bietet daher in diesem Kontext die Möglichkeit, auf verschiedenste Bezugsgrößen bzw. Bezugsgrößensysteme als Basis zur Berechnung des Entgelts zurückzugreifen und in diesem Kontext nahezu beliebig komplexe Berechnungsmechanismen zu nutzen. Betrachtet man beispielsweise das Mieten eines Fahrzeugs, so wird in Preissystemen, die den Tauschwert fokussieren, vorab ein Entgelt definiert, das der Nutzer für einen zuvor festgelegten Zeitraum und gegebenenfalls für eine zuvor festgelegte Kilometerzahl zu zahlen hat. Der Kunde muss dabei vorab abschätzen, in welchem Zeitraum er das Fahrzeug nutzen will und wie viele Kilometer er damit voraussichtlich fahren wird. Der Kunde riskiert somit, seine Nutzung zu unter- oder zu überschätzen. Dagegen können Preissysteme, die den Gebrauchswert fokussieren, zur Ermittlung des Entgelts Bezugsgrößen wählen, die an die eigentliche Nutzung des Fahrzeugs gekoppelt sind. Ist das Auto mit Sensoren und Software ausgestattet, so können beispielsweise die tatsächliche Nutzungsdauer und die tatsächlich gefahrenen Kilometer als Bezugsgrößen herangezogen werden. Der Kunde kann sich somit sein Leistungspaket individuell zusammenstellen (Granados et al. 2012, S. 382) und ist letztendlich verpflichtet, nur dann zu zahlen, wenn er die Leistung in Anspruch nimmt, und auch nur die Leistungen zu zahlen, die er auch tatsächlich nutzt. Für den Kunden ergibt sich daraus der Vorteil, das eigene Nutzungsverhalten nicht vorab abschätzen zu müssen. Typischerweise müssen sich Kunden bei Dienstleistungen, die ein Nutzungspotenzial darstellen, vorab für einen Tarif aus einer Auswahl von Tarifangeboten selbstständig entscheiden. Solche Dienstleistungen sind beispielsweise Mitgliedschaften in einem Fitnessstudio sowie Telefon- und Datentarife. Lambrecht und Skiera (2006), Robbert und Roth (2011) sowie Robbert (2013) haben gezeigt, dass Kunden ihr zukünftiges Nutzungsverhalten häufig falsch abschätzen und dazu neigen, einen Tarif zu wählen, der eine hohe Nutzungsintensität vorsieht, obwohl sie das erworbene Nutzungspotenzial später gar nicht in Anspruch nehmen.

Personalisierte Preise für Dienstleistungen

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Bei der Gestaltung der Preissysteme und der Wahl der zugrunde liegenden Bezugsgrößen sind dem Anbieter technisch wenige Grenzen gesetzt. Im angeführten Beispiel der Fahrzeugmiete lässt sich das Preissystem um beliebig viele Bezugsgrößen erweitern. So können neben der genutzten Zeit und der gefahrenen Kilometer beispielsweise auch kontextuelle Faktoren wie die Tageszeit oder die Verkehrsdichte genutzt werden. Auch einzelne zusätzliche Leistungen können im Preissystem berücksichtigt werden. So könnte die Zielführung mit Hilfe des Navigationssystems, ein Abruf der Wettervorhersage oder die Nutzung eines Fahrassistenten in die Berechnung des Entgelts einfließen. Zudem können auch individuelle Faktoren wie das Fahrverhalten des Kunden berücksichtigt werden. Je nachdem, wie viele Bezugsgrößen in die Berechnung einfließen, kann auch von einem Bezugsgrößensystem gesprochen werden. Aber nicht nur das eigentliche Angebot, sondern auch der Preis bzw. das Entgelt werden zunehmend individualisierter und unterscheiden sich von Kunde zu Kunde. So kann ein Kunde für einen Mietwagen für die Fahrt von München nach Berlin einen anderen Preis zahlen als ein anderer Kunde für die gleiche Strecke, da sich beispielsweise die Fahrweise der beiden Fahrer unterscheidet. Individualisierte Preise resultieren demnach aus individualisierten Leistungspaketen. Bei einer großen Anzahl an einfließenden Bezugsgrößen ist die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Leistungspakete identisch sind und somit auch der gleiche Preis resultiert, verschwindend gering. Die Preise können eben zunehmend individualisiert und personalisiert werden.

4.

Implikationen für personalisierte Preise

4.1 Verwendung personenbezogener Daten Personalisierte Dienstleistungen orientieren sich im Vergleich zu standardisierten Dienstleistungen stärker an der individuellen Nutzung und können daher bei Konsumenten zu einer höheren Zufriedenheit mit der Leistung führen. Andererseits impliziert diese neuartige Form der Dienstleistung, dass Anbietern viele teils sensible Daten über ihre Nutzer vorliegen. So weiß ein Anbieter beispielweise, wie, wo oder wann ein Nutzer ein bestimmtes Produkt oder eine Dienstleistung in Anspruch genommen hat. Dieser Umstand führt dazu, dass bei vielen Kunden Bedenken um die sachgerechte Verwendung und einen adäquaten Schutz der eigenen Daten entstehen. Infolge dieser Bedenken können Konsumenten dazu neigen, die Preisgabe ihrer Daten zu verweigern und von der Nutzung personalisierter Services abzusehen. Einer Pew Research Center-Studie zufolge lehnen 45 Prozent der Befragten eine Autoversicherung ab, welche ihre Fahrgeschwindigkeit und GPS-Daten an den Anbieter übermittelt, obwohl ihnen im Gegenzug Vergünstigungen bei einer sicheren Fahrweise entstehen würden (Rainie/Duggan 2016, S. 4). Angesichts dieser Tatsache ist es von besonderer Relevanz, die Bedenken der potenziellen Kunden im Hinblick auf den Schutz der eigenen Daten besser zu verstehen und darauf reagieren zu können.

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Es zeichnet sich ein deutlicher Trend ab, dass Anbieter zunehmend bemüht sind, große Datenmengen über ihre Kunden zu sammeln, zu aggregieren und schnellstmöglich zu analysieren, um sie strategisch zu nutzen (Bélanger/Crossler 2011, S. 1018). So machen z. B. Smartphones, als Hardwarekomponente, nur noch 50 Prozent des Umsatzes von Apple aus. Andere Services wie Musik- und Film-Streamingdienste oder Smartwatches, die kontinuierlich Daten über das Nutzungsverhalten der Kunden und personenbezogene Daten wie Puls oder Schlafdauer übermitteln, machen hingegen einen zunehmenden Anteil des Kerngeschäftes aus (Matthes 2019). Auch andere Tech-Giganten wie Google, Facebook und Amazon verlagern ihren Fokus immer weiter auf das „Geschäft mit den Daten“. Angesichts dieser Entwicklungen fühlt sich der Kunde hingegen zunehmend gläsern und machtlos. Vermehrte Berichte über unsachgemäße Verwendung personenbezogener Daten verstärken dieses Gefühl. Es wurden z. B. die privaten Gespräche, die Amazon-Kunden in Anwesenheit ihres Alexa-Sprachassistenten führten, von Amazon-Mitarbeitern mitgehört und zur Verbesserung interner Services ausgewertet (Day et al. 2019). Ebenso wurde bekannt, dass personenbezogene Daten von Millionen von Facebook-Profilen ohne Zustimmung der Nutzer in eine Datenanalyse für politische Werbezwecke geflossen sind (Cadwalladr/Graham-Harrison 2018). Besonders beunruhigend ist für Kunden dabei, dass solche Prozesse meistens ohne ihr Wissen ablaufen (Bélanger/Hiller 2006, S. 54; Acquisti et al. 2015, S. 509) und sie sich daher nicht ausreichend bewusst sind, ob, von wem, welche und wie viele Daten gesammelt werden. Auch ist es für Konsumenten von Bedeutung, dass die personenbezogenen Daten nicht zu opportunistischen oder sekundären Zwecken genutzt oder weiteren Parteien zugänglich gemacht werden (Smith et al. 1996, S. 171; Karwatzki et al. 2017, S. 372). So ist es z. B. mehr als zwei Dritteln aller Konsumenten sehr wichtig zu wissen, aus welchen Gründen ein Anbieter ihre Daten erfasst und ob diese Informationen unter Umständen mit Dritten geteilt werden (Ackerman et al. 1999, S. 4). Auswirkung der Verwendung personenbezogener Daten Die Auswirkungen der kundenseitigen Bedenken sind für Anbieter in aller Regel negativ. Zahlreiche wissenschaftliche Studien haben die Konsequenzen der Datenschutzbedenken untersucht und dabei einheitlich festgestellt, dass sie zu einer geringeren Akzeptanz personenbezogener Leistungen führen. Hauptsächlich wird in der wissenschaftlichen Literatur belegt, dass Konsumenten eine geringere Bereitschaft aufweisen, dem Anbieter persönliche Daten offenzulegen und zur Verfügung zu stellen (Martin/Murphy 2017, S. 145). Darüber hinaus weisen Konsumenten, die Bedenken um den Schutz der eigenen Daten haben, eine geringere Kaufabsicht (Phelps et al. 2000, S. 34), Nutzungsintention der angebotenen Leistung (Miyazaki 2008, S. 29) oder erhöhtes Bestreben auf, zu einem Anbieter zu wechseln, der auf die Sammlung von personenbezogenen Daten verzichtet (Martin et al. 2017, S. 51). Auch kann das Misstrauen der Konsumenten sie dazu verleiten, falsche Informationen anzugeben oder gezielt gesonderte Profile mit falschen Angaben zu erstellen (Wirtz et al. 2007, S. 333). Die Wahrscheinlichkeit, dass Konsumenten eigene Informationen verfälschen, ist insbesondere bei Leistungen hoch, bei denen eine Preisgabe von personenbezogenen Daten praktisch zwangsläufig erforderlich ist und nicht freiwillig erfolgt (Norberg/Horne 2014, S. 426).

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Auch ist festzustellen, dass Konsumenten mit Datenschutzbedenken dazu tendieren, Maßnahmen zum Schutz ihrer Privatsphäre zu ergreifen. Solche Maßnahmen können sich beispielsweise durch den Einsatz anonymer Browser oder das Löschen von Cookies äußern (Wirtz et al. 2007, S. 334). In der Konsequenz kann ein Anbieter nicht nur ökonomischen Schaden dadurch nehmen, dass der Konsument von der Preisgabe eigener Daten oder von der Nutzung personenbezogener Leistungen absieht. Die Bedenken der Kunden können ebenso rufschädigend für den Anbieter sein. Son und Kim (2008, S. 519) sowie Schwaig et al. (2013, S. 8) zeigen beispielsweise, dass Konsumenten dazu neigen können, sich bei dem betreffenden Anbieter selbst oder regulierenden Behörden zu beschweren. Darüber hinaus können Datenschutzbedenken Kunden dazu bewegen, negative Mundpropaganda gegenüber Bekannten zu initiieren (Martin et al. 2017, S. 49). Einfluss wahrgenommener Vorteile Die Wirkung der konsumentenseitigen Datenschutzbedenken ist allerdings nicht absolut. Am Beispiel von Amazons Alexa ist zu erkennen, dass Kunden trotz des großen Risikos und der Unsicherheit über die Verwendung der persönlichen Daten bereit sind, das Gerät im eigenen Haushalt zu nutzen, weil es ihnen eine Erleichterung des Alltags ermöglicht. Dementsprechend beziehen Konsumenten bei ihrer Entscheidung sowohl die positiven als auch die negativen Konsequenzen der Offenlegung der eigenen Daten in Betracht. Positive Konsequenzen sind beispielsweise personalisierte Services, verbesserte Angebote und andere Vorteile, welche stärker im Einklang mit persönlichen Präferenzen und Nutzungsabsichten der Kunden stehen und daher einen höheren Wert bereithalten. Dagegen werten Kunden Risiken wie das einer unsachgemäßen Datenverwendung, des Datenbetrugs oder des Verlusts der eigenen Privatsphäre als negative Konsequenzen. Die Konsumenten führen somit eine „Kosten-Nutzen-Analyse“ durch, indem sie die zu erwartenden Vor- und Nachteile der Preisgabe der eigenen Daten gegeneinander abwägen. Dieser Trade-off wird in der Literatur auch als „Privacy Calculus“ diskutiert (Dinev/Hart 2006; Xu et al. 2011). Nach dieser Perspektive sind Konsumenten bereit, ihre personenbezogenen Daten zur Verfügung zu stellen, wenn der Nettonutzen ihres Kalküls positiv ausfällt (Culnan/Bies 2003, S. 327). Das ist der Fall, wenn die ökonomischen oder die persönlich wahrgenommenen Vorteile die negativen Konsequenzen aus der Offenlegung der persönlichen Daten für die Kunden überwiegen (Milne/Gordon 1993, S. 207). Culnan und Armstrong (1999, S. 106) legen Anbietern vor diesem Hintergrund nahe, die Erfassung personenbezogener Daten als „sozialen Vertrag“ anzusehen und ihren Konsumenten für die Offenlegung ihrer Daten im Gegenzug gewisse Vorteile einzuräumen. Die Vorteile können dabei sowohl monetärer Natur (z. B. Vergünstigungen oder Prämien) als auch nicht-monetärer Natur sein (z. B. Nutzen durch Personalisierung oder intangible Vorteile) (Culnan/Bies 2003, S. 326; Chellappa/Sin 2005, S. 186; Malgieri/Custers 2017, S. 301). Eine Reihe empirischer Studien konnte die positive Wirkung der zu erwartenden Vorteile auf die Bereitschaft der Kunden zur Preisgabe der eigenen Daten belegen (Sheehan/Hoy 2000; Gabisch/Milne 2014, S. 21).

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Einfluss von Kontrolle und Transparenz Eine ebenso positive Wirkung können Anbieter erzielen, indem sie ihren Kunden mehr Kontrolle über die Erfassung und Verwendung der eigenen Daten gewähren. Die wahrgenommene Kontrolle der Konsumenten bezieht sich dabei nicht nur darauf, ob sie die Möglichkeit haben, aktiven Einfluss auf die eigenen Daten zu nehmen, sondern auch darauf, dass sie sich der Datenerfassung und -verwendung stärker bewusst sind (Beke et al. 2018, S. 5). So ist es demnach ebenfalls relevant, wie transparent die Erfassung und Verarbeitung personenbezogener Daten eines Anbieters gestaltet sind. Auch Laufer und Wolfe (1977, S. 37) betonen bereits, dass die Kontrolle und der Umstand, ob ein Individuum die Wahl hat zu entscheiden, Daten über sich preiszugeben oder nicht, eine große Relevanz für die wahrgenommene Datensicherheit entfaltet. Malhotra et al. (2004, S. 350) belegen empirisch, dass die Datenschutzbedenken der Konsumenten maßgeblich davon abhängen, wie hoch ihr Bewusstsein und ihre wahrgenommene Kontrolle über die Datenaktivitäten der Anbieter sind. Ebenso bestätigen Phelps et al. (2000) sowie Krafft et al. (2017), dass eine höhere wahrgenommene Kontrolle über die eigenen Daten dazu führt, dass Kunden eher bereit sind, personenbezogene Daten mit Anbietern zu teilen und Anbietern eher erlauben, ihnen personalisierte Leistungen anzubieten. Auch von regulatorischer Seite wird die Rolle der Transparenz und Kontrolle der eigenen Daten bestätigt. Im Rahmen der europäischen Datenschutz-Grundverordnung werden beispielsweise die Notwendigkeit einer transparenten Information und Kommunikation sowie die Informationspflicht von Anbietern über personenbezogene Daten hervorgehoben (European Commission 2016). Ebenso räumt die Verordnung Konsumenten das Recht ein, personenbezogene Daten zu berichtigen, zu löschen oder deren Verarbeitung einzuschränken. Anbieter sollten ihren Kunden also transparenter ausweisen, welche Daten über sie vorliegen, und ihnen das Recht geben, diese zu korrigieren oder gegebenenfalls zurückziehen zu können. Auch kann es sinnvoll sein, Datenschutzerklärungen auszuweisen, welche Konsumenten detaillierte Informationen über die Erfassung und beabsichtigte Verwendung der Daten geben. Eine weitere Möglichkeit, eine transparentere Gestaltung datenbasierter Prozesse zu etablieren, ist im Einsatz Blockchain- oder Cloud-basierter Services zu sehen (Wieringa et al. 2019). Einfluss des Vertrauens Neben transparenteren Prozessen und einer höheren Kontrolle über die eigenen Daten ist auch das Vertrauen in den Anbieter ein wesentlicher Faktor für die Bereitschaft der Konsumenten, eigene Daten preiszugeben. Die genaue Rolle des Vertrauens und vertrauensbildender Maßnahmen im Wirkgeflecht um die Preisgabe der Daten ist allerdings noch nicht geklärt (Smith et al. 2011, S. 999). Bisherige Arbeiten belegen zwar durchweg eine positive Wirkung, sie untersuchen allerdings eine große Vielfalt verschiedener Wirkbeziehungen zwischen dem Faktor Vertrauen und weiteren Konstrukten, die für das Thema Datenschutz von Bedeutung sind. Culnan und Armstrong (1999) zeigen beispielsweise, dass Vertrauen einen positiven Einfluss auf das gesamte Privacy-Kalkül hat. Andere Autoren stellen hingegen heraus, dass Vertrauen nur auf eine Seite des Kalküls einwirkt.

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Nach Chellappa und Sin (2005) besitzen vertrauensbildende Maßnahmen eine abschwächende Wirkung auf die Datenschutzbedenken von Konsumenten. Darüber hinaus finden die Autoren, dass vertrauensbildende Maßnahmen ebenso einen direkten positiven Effekt auf die Wahrscheinlichkeit haben, dass Kunden personalisierte Services nutzen. Kehr et al. (2015) argumentieren dagegen, dass Vertrauen einen positiven Einfluss auf die wahrgenommenen Vorteile der Preisgabe der eigenen Daten ausübt. Vertrauen wird als genereller Dispositionsfaktor angesehen, dessen Wirkung auf die Absicht zur Datenpreisgabe vollständig durch die wahrgenommenen Vorteile einer Datenpreisgabe und den wahrgenommenen Datenschutz mediiert wird. Häufig wird Vertrauen auch als mediierender Faktor in empirischen Studien untersucht. Bansal et al. (2010) sowie Malhotra et al. (2004) zeigen beispielsweise, dass Vertrauen die Wirkbeziehung von Datenschutzbedenken auf die Bereitschaft zur Preisgabe der Daten mediiert. Auch Dinev und Hart (2006) stützen die mediierende Wirkung des Vertrauens. In ihrer Studie zeigen die Autoren, dass Datenschutzbedenken und Vertrauen der Konsumenten beide als unabhängige Mediatoren in der Wirkbeziehung wahrgenommener Internetrisiken auf die Bereitschaft zur Datenpreisgabe auftreten. Martin et al. (2017) stellen fest, dass Vertrauen als Mediatorvariable in der Wirkung der empfundenen Datenverwundbarkeit auf die Verfälschung von Daten, die negative Mundpropaganda und das Wechselverhalten der Konsumenten fungiert. Letztlich führen die zuvor angesprochenen transparenteren Prozesse und eine höhere Kontrolle über die eigenen Daten dazu, dass Konsumenten ein höheres Vertrauen in die Absichten und Aktivitäten der Anbieter entwickeln (Culnan/Armstrong 1999, S. 112; Wu et al. 2012b, S. 895) und somit eher dazu bereit sind, ihre persönlichen Daten dem Anbieter preiszugeben. Um den Aufbau von Vertrauen zwischen ihnen und ihren Kunden zu fördern, stehen Anbietern verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. Langfristige, enge Beziehungen zwischen Anbieter und Kunde können als Ausgangsbasis für ein größeres Vertrauen und eine höhere (Wieder-)Nutzungsabsicht dienen. Zudem kann der Aufbau von Bekanntheit oder eines positiven Images förderlich für das Entstehen von Vertrauen sein. Hingegen kann es gerade für neue Anbieter, wie beispielsweise Anbieter personalisierter Versicherungen, die noch keine große Bekanntheit unter den Konsumenten erlangt haben, empfehlenswert sein, auf vertrauenswürdige Signale zu setzen. So können Anbieter beispielsweise durch Datenschutz- oder Datensicherheitssiegel vertrauenswürdiger Drittparteien wie Zertifizierungen durch TRUSTe den Konsumenten signalisieren, dass sie sich zu verantwortungsbewussten Datenerfassungs- und Verarbeitungspraktiken verpflichten, was das Vertrauen der Konsumenten erhöhen kann (Bélanger et al. 2002). Im Fall sehr sensibler Daten können Anbieter zudem den Einsatz von Datenintermediären erwägen, welche dadurch Vertrauen schaffen, dass sie als dritte Partei die Daten der Konsumenten auswerten und anonymisiert an den Anbieter übermitteln (Wieringa et al. 2019), wodurch die Anbieter nicht selbst in den Besitz personenbezogener Daten gelangen.

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4.2 Akzeptanz personalisierter Preise Bei der Akzeptanz personalisierter Preise durch die Kunden stellt sich die Frage, ob es notwendig ist, dass Konsumenten bei einem Preissystem, das auf ein ganzes Bezugsgrößensystem zurückgreift, alle einzelnen Komponenten kennen und ob sie bei jeder Nutzung einer Leistung diese aktiv buchen müssen. Im Beispiel der Automiete zeigen sich einige Möglichkeiten: Der Kunde könnte zum einen jede einzelne Leistung individuell buchen und in dem Moment zahlen, in dem er sie nutzt (z. B. eine Zielführung mit Hilfe des Navigationssystems). Zum anderen könnte er auch nur darüber informiert sein, dass der Mietpreis durch ein Bezugsgrößensystem an der eigentlichen Nutzung festgemacht wird und er erhält somit nur am Ende der Dienstleistung eine abschließende Rechnung, von der er weiß, dass der ausgewiesene Endpreis sein Nutzungsverhalten widerspiegelt. Einfluss der Komplexität Preissysteme, die auf eine steigende Anzahl an Bezugsgrößen aufbauen, werden als Konsequenz auch zunehmend komplexer (Homburg et al. 2014, S. 1115) und nicht immer ist es dem Kunden möglich, den Berechnungsmechanismus nachzuvollziehen. Eine zentrale Frage bei der Gestaltung von personalisierten Preissystemen ist daher, wie Konsumenten die Komplexität dieser Preissysteme wahrnehmen und welche Konsequenzen sich daraus ergeben. In einer Studie zu partitionierten Preisen haben Bambauer und Gierl (2008, S. 267) gezeigt, dass eine hohe Preiskomplexität einen negativen Einfluss auf die Bewertung des Angebots hat. Auch Kuester et al. (2012, S. 259) finden einen negativen Einfluss der Preiskomplexität auf die Einstellung gegenüber einem Angebot, sie zeigen aber auch, dass der negative Einfluss der Preiskomplexität bei Konsumenten mit einem hohen Kognitionsbedürfnis weniger stark ausgeprägt ist und sich teilweise sogar ins Gegenteil kehrt. Ergänzend argumentiert Odlyzko (2001, S. 514), dass Konsumenten kein Interesse daran haben, sich über zu viele einzelne Preiselemente Gedanken machen zu müssen und daher einfache Preissysteme gegenüber komplexen Preissystemen bevorzugen. Diesen Effekt können auch Homburg et al. (2014) empirisch bestätigen. Sie untersuchen die Auswirkungen komplexer Preissysteme auf die Kaufabsicht der Konsumenten und zeigen in einer ersten Studie, dass die Kaufabsicht negativ durch komplexe Preissysteme beeinflusst wird (Homburg et al. 2014, S. 1118). Dabei wird der Wirkungszusammenhang von der wahrgenommenen Transparenz des Preissystems mediiert. Zusätzlich hat die reduzierte wahrgenommene Transparenz einen negativen Einfluss auf die Preisfairness, welche ebenfalls die Kaufabsicht beeinflusst. In einer zweiten Studie zeigen die Autoren, dass Konsumenten dazu neigen, ein Angebot mit einem einfachen Preissystem zu bevorzugen, selbst wenn dieses Angebot in Summe teurer ist als ein vergleichbares Angebot mit einem komplexen Preissystem (Homburg et al. 2014, S. 1120). Auf den ersten Blick scheint dies nicht trivial, da es der Ausweis von Einzelpreisen Konsumenten grundsätzlich ermöglichen sollte nachzuvollziehen, aus welchen Einzelpreisen sich letztlich der Gesamtpreis zusammensetzt. Umgekehrt werden gebündelte Preise aber auch häufig dazu genutzt, die Preistransparenz zu reduzieren (Carrol et al. 2007, S. 9).

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Einfluss der Transparenz Tanford et al. (2012) untersuchen empirisch, unter welchen Voraussetzungen Konsumenten Einzelpreise als transparenter wahrnehmen. Die Autoren zeigen, dass das Ausweisen von Einzelpreisen die Kaufentscheidung positiv beeinflusst, wenn dadurch entweder die Unsicherheit reduziert wird, die Entscheidung vereinfacht wird oder Vorteile und/oder Ersparnisse hervorgehoben werden (Tanford et al. 2012, S. 76). Ein in Einzelpreise zerlegtes Preissystem ohne Zusatzinformationen über die potenziellen Ersparnisse führt dazu, dass Konsumenten ein nichttransparentes Preisbündel bevorzugen. Darüber hinaus kann eine solche Preisgestaltung dazu führen, dass Konsumenten den Eindruck gewinnen, dass der Anbieter etwas zu verbergen hat und das Vertrauen in den Anbieter somit reduziert wird (Tanford et al. 2012, S. 77). Zu ähnlichen Ergebnissen kommen Robbert und Roth (2018). Sie zeigen, dass bei einem aus mehreren Einzelpreisen bestehenden Preissystem Konsumenten davon ausgehen, dass dieses vor allem dem Vorteil des Anbieters dient (Robbert/ Roth 2018, S. 36). Signalisiert der Anbieter hingegen die Transparenz des Preissystems, indem er die Möglichkeit betont, dass Konsumenten ihr Leistungspaket individualisieren können, so können die negativen Auswirkungen erkennbar reduziert werden (Robbert/Roth 2018, S. 38). Die Forschungsbeiträge zeigen, dass nicht nur die Gestaltung des Preissystems an sich, sondern auch die Preiskommunikation von wesentlicher Relevanz ist. Wenn Anbieter vermeiden wollen, dass Konsumenten personalisierte Preissysteme negativ wahrnehmen, müssen sie den Konsumenten die mit der Komplexität verbundenen Unsicherheiten nehmen und die Möglichkeiten und Vorteile der Individualisierung und Personalisierung für den Kunden hervorheben.

4.3 Auswirkungen personalisierter Preise Die Auswirkungen personalisierter Preise wurden bisher insbesondere im Kontext des Onlinehandels untersucht. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Digitalisierung und damit einhergehende Informationstechnologien in diesem Bereich große Potenziale zur Personalisierung von Preisen eröffnet haben. Beispielsweise ist es einem Anbieter durch Kombinieren verschiedener Kundencharakteristika möglich, dessen Preisbereitschaft zu schätzen und basierend darauf individuelle Preise zu bestimmen. Andererseits können Anbieter objektive Kundencharakteristika heranziehen wie die Kaufhäufigkeit eines Kunden und dadurch z. B. unterschiedliche Preise für Neu- und Bestandskunden festlegen. Personalisierte Preise im Onlinehandel sind demnach eine Möglichkeit, bei der Anbieter aufgrund kundenindividueller Charakteristika und Präferenzen für einzelne Kunden unterschiedliche Preise für die gleiche Leistung oder das gleiche Produkt festlegen. Im Gegensatz dazu kommen personalisierte Preise für Dienstleistungen aufgrund individualisierter Leistungspakete zustande, da von Kunde zu Kunde unterschiedliche Nutzungsdaten durch das differenzierte Bezugsgrößensystem in die Preisbestimmung der Dienstleistung einfließen.

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Wahrnehmung personalisierter Preise Als bekanntestes Praxisbeispiel gilt der Onlinehändler Amazon, der in der Vergangenheit bereits mit personalisierten Preisen experimentierte. Der Anbieter hatte Kunden in Abhängigkeit ihrer vergangenen Kaufhäufigkeit verschiedene Preise für gleiche DVDs und CDs abverlangt, was Konsumenten sehr negativ aufnahmen und für Amazon in einer ernstzunehmenden Kundenbeziehungskrise mündete. Außerdem stellen zahlreiche Studien heraus, dass Konsumenten Instrumente der Preisdifferenzierung, die auf Eigenschaften oder Präferenzen von Konsumenten beruhen, als negativ empfinden. Grewal et al. (2004) sowie Haws und Bearden (2006) belegen beispielsweise, dass Konsumenten Preisunterschiede aufgrund persönlicher Charakteristika als deutlich weniger fair wahrnehmen als Preisunterschiede, die durch unterschiedliche Kaufzeitpunkte bedingt sind. Ebenso empfinden Konsumenten Preisunterschiede, die auf unterschiedlichen Kaufmengen der Konsumenten oder der Wahl unterschiedlicher Anbieter oder Kaufkanäle basieren, als deutlich positiver als Preisunterschiede auf Basis persönlicher Charakteristika der Kunden (Lii/Sy 2009; Garbarino/Maxwell 2010). Infolge der geringen wahrgenommenen Fairness können Konsumenten eine geringere Kaufabsicht bei einem Anbieter aufweisen, der personalisierte Preise einsetzt. Zudem kann die Wahrnehmung personalisierter Preise dazu führen, dass Konsumenten sich über die Preissetzung beschweren oder die Beziehung mit dem Anbieter sogar ganz beenden und zu einem alternativen Anbieter wechseln (Grewal et al. 2004; Lii/Sy 2009). Theoretische Erklärungsansätze Zur Wahrnehmung und Beurteilung personalisierter Preise bestehen zahlreiche theoretische Erklärungsansätze. Den wichtigsten Erklärungsbeitrag liefert dabei die Equity-Theorie (Adams 1965), die auf das Konzept der distributiven Gerechtigkeit (Homans 1961) zurückgeht. Um die Fairness zu beurteilen, vergleichen Individuen dieser Theorie zufolge das Verhältnis ihrer Aufwendungen und Erträge in der eigenen Austauschbeziehung mit dem Verhältnis der Aufwendungen und Erträge einer anderen Referenzpartei. Dabei empfinden Konsumenten den eigenen Ertrag als fair, wenn aus dem Vergleich resultiert, dass zwischen dem eigenen Verhältnis und dem der anderen Partei wertmäßig Gleichheit besteht. Im Fall personalisierter Preise zahlen Konsumenten verschiedene Preise für das gleiche Produkt. Somit erwachsen unterschiedlichen Konsumenten verschiedene Erträge aus der gleichen Transaktion, ohne dass ihre Aufwendungen voneinander abweichen. Angesichts der Equity-Theorie müssten die resultierenden Preise bei gleicher Aufwendung allerdings gleich sein, weshalb personalisierte Preise zu einer negativen Fairnesswahrnehmung führen. Die positivere Beurteilung anderer Preisdifferenzierungsinstrumente kann dagegen damit begründet werden, dass Konsumenten die vorliegenden Preisunterschiede zwar wahrnehmen, diese allerdings auf unterschiedliche Aufwendungen der Konsumenten zurückführen können. So werden Preisunterschiede zwischen Kunden, die unterschiedliche Mengen eines Produktes gekauft haben, beispielweise eher akzeptiert, weil sich die verschiedenen Transaktionen der Konsumenten durch abweichende Aufwendungen unterscheiden.

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Ein weiterer Erklärungsansatz für die Beurteilung personalisierter Preise ist durch die Dual Entitlement-Theorie (Kahnemann et al. 1986) gegeben. Diese unterstellt, dass Konsumenten eine genaue Vorstellung einer gerechten Verteilung zwischen ihnen und einem Anbieter haben. Entsprechend gehen sie davon aus, dass ihnen in einer Transaktion ein fairer Preis zusteht, während der Anbieter ein Recht auf einen angemessenen Gewinn hat. Diese Beurteilung ist stark von der Anschauung geprägt, dass sich der durch einen Anbieter vorgegebene Preis an den internen Kosten des Anbieters orientieren sollte. Vor diesem Hintergrund nehmen Konsumenten Preissteigerungen durch den Anbieter billigend in Kauf, wenn sich der Preisanstieg durch gestiegene Kosten rechtfertigen lässt. Preiserhöhungen durch den Anbieter, um beispielsweise auf Schwankungen der Nachfrage zu reagieren, werden von Konsumenten hingegen nicht geduldet und als opportunistisches Verhalten bewertet. Da personalisierte Preise nicht durch Veränderungen der Kostenstruktur des Anbieters zu begründen sind, sondern vielmehr versuchen, die Präferenzen und Zahlungsbereitschaften der Konsumenten gezielter abzuschöpfen, rufen sie vor dem Hintergrund der Dual Entitlement-Theorie negative Fairnessbewertungen hervor. Als dritte wichtige Erklärung zur Beurteilung personalisierter Preise gelten konsumentenseitige Attributionen. Die auf Heider (1958) zurückgehende Attributionstheorie legt nahe, dass Individuen versuchen, eigene Erklärungsansätze für das Verhalten anderer zu finden, wenn ihnen nur lückenhafte Informationen vorliegen. So können interne Attributionen resultieren, wenn Individuen sich selbst in der Verantwortung für ein bestimmtes Ereignis sehen. Dahingegen stellen Individuen externe Attributionen her, wenn sie den Eintritt eines zu beurteilenden Sachverhaltes auf äußere Effekte zurückführen Diese Attributionen können somit einen entscheidenden Einfluss auf die konsumentenseitige Wahrnehmung von Preisen haben (Vaidyanathan/Aggarwal 2003). Einflussfaktoren Auch wenn Konsumenten personalisierte Preise negativ beurteilen, haben Anbieter indessen verschiedene Einflussmöglichkeiten, um die kundenseitige Wahrnehmung zu verbessern. So können Anbieter, welche personalisierte Preise einsetzen, ihren Kunden beispielsweise den Vergleich eigener Preise mit den Preisen anderer Kunden erschweren, der nach der Equity-Theorie maßgeblich für die wahrgenommene Preisfairness ist. Weisstein et al. (2013) untersuchen den Einfluss verschiedener Preisframing-Taktiken auf die Fairnesswahrnehmung preisbenachteiligter Konsumenten. Je stärker die Empfindung der Konsumenten ist, dass sich ihre Transaktion von der einer Vergleichspartei unterscheidet, desto höher sind die wahrgenommene Preisfairness und die Kaufabsicht der Kunden. Darüber hinaus kann es für die Wahrnehmung förderlich sein, wenn Anbieter ihren Kunden einen Grund für den vorliegenden Preisunterschied zu anderen Kunden geben. Werden dagegen zu wenige Informationen gegeben, kann es vorkommen, dass Kunden Anbietern ein negatives Motiv für den vorliegenden Preisunterschied unterstellen (Campbell 1999, S. 148). Vor diesem Hintergrund hat sich gezeigt, dass zusätzliche Informationen hilfreich sind, um das Gefühl negativer Beweggründe des Anbieters zu unterbinden.

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Darke und Dahl (2003) zeigen in diesem Kontext, dass benachteiligte Konsumenten Preisunterschiede zwischen ihnen und anderen Konsumenten als fairer wahrnehmen, wenn der Anbieter die Information bereitstellt, dass der preisbevorteilte Kunde ein loyaler Bestandskunde ist. Studien von Haws und Bearden (2006) sowie Richards et al. (2016) liefern zudem Erkenntnisse, dass Kunden Preisunterschiede zwischen ihnen und anderen Kunden positiver beurteilen, wenn sie aktiv in den Prozess der Preisfindung eingebunden wurden. Die Fairnesswahrnehmung von Preisen hängt darüber hinaus von sozialen Normen ab. Unterliegt eine Preissetzung den sozialen Normvorstellungen einer Gesellschaft, so empfinden Konsumenten Preisunterschiede, die aus dieser Preissetzung hervorgehen, als weniger negativ. Garbarino und Maxwell (2010) zeigen, dass Preisunterschiede zwischen Konsumenten für das gleiche Produkt gegen die gesellschaftliche Normvorstellung verstoßen und deshalb zu einer negativen Fairnesswahrnehmung führen. Auch Wu et al. (2012a) können bestätigen, dass normkonforme Arten der Preisdifferenzierungsarten eine bessere Fairnesswahrnehmung und positivere Emotionen hervorrufen als Preisdifferenzierungsarten, die gegen soziale Normen verstoßen. Allerdings sind soziale Normen evolutorischer Natur, d. h., sie entwickeln und verändern sich im Zeitablauf (Opp 1982). Dickson und Kalapurakal (1994, S. 443) stellen beispielsweise fest, dass Preissetzungsarten, welche schon länger am Markt etabliert sind und mit denen Konsumenten vertrauter sind, fairer wahrgenommen werden als Preissetzungsarten, die ihnen weniger geläufig sind. Auch Kimes (2002) kann im Kontext des Revenue Managements zeigen, dass die Vertrautheit mit einem Preissystem eine große Rolle für die Fairnessbeurteilung spielt. Anhand zweier identischer Studien konnte der Autor feststellen, dass sich die wahrgenommene Fairness des Revenue Managements im Laufe der dazwischen liegenden Zeitspanne verbessert hat. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die negative Wahrnehmung personalisierter Preise im Onlinekontext in weiten Teilen darauf beruht, dass Kunden für das gleiche Produkt oder die gleiche Dienstleistung unterschiedliche Preise aufgrund nicht immer nachvollziehbarer und opportunistisch wirkender Motive des Anbieters zahlen. Ist dahingegen ein Preissystem im Dienstleistungsbereich so gestaltet, dass eine ausreichend große Anzahl von Bezugsgrößen zur Berechnung des Entgelts herangezogen wird, so unterscheidet sich zwangsläufig nahezu jede Transaktion von der nächsten, da Transaktionen nur in unwahrscheinlichen Fällen die gleiche Kombination an Bezugsgrößenausprägungen vorweisen. Selbst wenn zwei Kunden das gleiche Fahrzeug im gleichen Zeitraum mieten, kann sich ihr Nutzungsverhalten beispielsweise dennoch hinsichtlich der genutzten zusätzlichen Dienstleistungen wie Zielführungen, der Verwendung des Tempomats oder des Zurückgreifens auf Verkehrs- und Wettervorhersagen unterscheiden. Anbieter sollten daher die Heterogenität der Nutzung bzw. der Leistung hervorheben. Das können die Anbieter beispielsweise dadurch erreichen, dass sie klar ausweisen, auf welche Einzelkomponenten bzw. Bezugsgrößen sich das zu entrichtende Entgelt bezieht, wodurch die Unterschiede der Leistungen in Abhängigkeit der individuellen Nutzung der Kunden stärker verdeutlicht werden. So wären unterschiedliche Preise angesichts der individualisierten Leistungen auch vor dem Hintergrund der vorgestellten theoretischen Erklärungsansätze besser zu rechtfertigen.

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Fazit

In diesem Beitrag wurden die Potenziale für sowie die Implikationen von personalisierten Preisen für Dienstleistungen untersucht. Dazu wurde im ersten Schritt ein Überblick über Geschäfts- und Erlösmodelle gegeben. Dabei wurde gezeigt, dass sich unabhängig von der konkreten Konzeptualisierung Geschäfts- und Erlösmodelle fast zwangsläufig gegenseitig beeinflussen. Während das Geschäftsmodell beschreibt, wie durch Ressourcenintegration Wert generiert wird, beschäftigt sich das Erlösmodell damit, wie der Wert zwischen den beteiligten Akteuren aufgeteilt wird. Die Veränderung einer oder mehrerer Komponenten des Geschäfts- und Erlösmodells bedingt nun aber in der Regel auch eine Anpassung weiterer Komponenten. Die Analyse dieses Beitrags konzentrierte sich deshalb auf zwei wesentliche Aspekte. Auf der einen Seite galt es zu untersuchen, welches Potenzial die Digitalisierung für die Personalisierung von Dienstleistungen (Modell der Wertkreation) sowie die sich damit bietenden Möglichkeiten aufweist, eine Personalisierung der Preise (Modell der Wertrealisation) vorzunehmen. Auf der anderen Seite sollten die Implikationen derart personalisierter Preise diskutiert werden. Bei den Potenzialen ist es von großer Bedeutung, dass es die Digitalisierung zunehmend erlaubt, innovative Wertversprechen zu unterbreiten, die nicht mehr auf einer Transaktion, sondern auf der Nutzung von Produkten und Dienstleistungen basieren. Der Anbieter stellt zu diesem Zweck bestimmte Ressourcen zur Verfügung, die der Kunde in seinen eigenen Nutzungsprozess einbringt, um damit Wert zu genieren. Die Digitalisierung ermöglicht es nun, diesen Nutzungsprozess immer genauer abzubilden. Dazu können ganze Bezugsgrößensysteme genutzt werden, um die verschiedenen Aktivitäten des Nutzungsprozesses zu erfassen. Dadurch werden auch Potenziale für innovative Preissysteme geschaffen, die zu personalisierten Preisen für Dienstleistungen führen. Diese basieren auf den individuellen Nutzungsprozessen der Konsumenten, deren Heterogenität dazu führt, dass verschiedene Kunden auch unterschiedliche Preise zahlen. Das Ausschöpfen dieser Potenziale bedingt aber auch eine Reihe von Implikationen. Diese beziehen sich zunächst auf die Verwendung personenbezogener Daten, um die Nutzungsprozesse abzubilden und darauf aufbauend die Preise zu personalisieren. Viele Konsumenten sind aber (noch) nicht bereit, einer Verwendung persönlicher Daten zu diesem Zweck zuzustimmen. Damit stellt sich auch die Frage nach der Akzeptanz von Preissystemen, die zu personalisierten Preisen führen. Die bisher vorliegenden Beiträge zeigen aber, dass die negativen Auswirkungen personalisierter Preise für Dienstleistungen zumindest gemildert werden können, wenn der Anbieter Transparenz und Kontrolle für den Kunden herstellt. Dennoch bieten sich in diesem Kontext noch vielfältige Fragestellungen für die zukünftige Forschung. Dazu zählen insbesondere die Nutzung ganzer Bezugsgrößensysteme, die damit verbundene Steigerung der Komplexität von Preissystemen und die noch fehlende Akzeptanz personalisierter Preise für Dienstleistungen sowie die Analyse der Möglichkeiten, dieses Hindernis bei der Preisbestimmung zu überwinden.

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Christian van Husen und Abdul Rahman Abdel Razek

Vom Prozessmodell zum digital erlebbaren Prototypen – Pay-per-Use-Konzept für eine Verpackungsanlage

1. Anwendung von Service Prototyping 1.1 Bedeutung von Service Prototyping 1.2 Einsatzmöglichkeiten von Service Prototyping 2. Prozessmodelle im Service Design 2.1 Prozessmodelle von Dienstleistungen 2.2 Konzept und Dimensionen im Service Prototyping 2.3 Serviceprozesse erleben 3. Anwendungsbeispiel Pay-per-Use-Konzept 3.1 Pay-per-Use-Konzept für eine Verpackungsanlage 3.2 Erlebbarkeit mit immersiven Prototypen 3.3 Vergleich immersiver Prototyping-Techniken 4. Fazit und Ausblick Literaturverzeichnis ___________________________ Prof. Dr. Christian van Husen ist Studiendekan für Industrial Solutions Management an der Fakultät Wirtschaftsingenieurwesen der Hochschule Furtwangen und Leiter des Steinbeis Transferzentrums service engineering + design. Abdul Rahman Abdel Razek, M.Sc. B.Eng., ist akademischer Mitarbeiter im Bereich Service Management und Innovation an der Hochschule Furtwangen.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Bruhn und K. Hadwich (Hrsg.), Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen Forum Dienstleistungsmanagement, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30166-8_16

1.

Anwendung von Service Prototyping

1.1 Bedeutung von Service Prototyping Strategien von Industrieunternehmen bekommen vermehrt einen lösungs- und kundenorientierten Fokus. Die neuen Leistungen sind gekennzeichnet durch Trends zu mehr Vernetzung, neuen Geschäftsmodellen und Digitalisierung im Rahmen von Industrie 4.0 sowie zur Globalisierung. Über Smart Services eröffnet die Digitalisierung interessante Potenziale in Bezug auf die Automatisierung wie auch die Personalisierung von Dienstleistungen. Smart Services gehören zu den am meisten diskutierten Themen in produzierenden Unternehmen (Optehostert/Jussen 2016, 2017). Im Bereich der Smart Services wird davon ausgegangen, dass völlig neue Geschäftsmodelle und Innovationsmuster entstehen, Plattformen bisherige Wertschöpfungsstrukturen und -prozesse in Frage stellen und sich zudem der Kontakt zu Kunden deutlich verändern wird (Spath et al. 2014; Husen 2015). Sie bieten eine vielversprechende Möglichkeit, das bestehende Dienstleistungsportfolio mit Hilfe digitaler Technologien zu erweitern und somit neue Geschäftsfelder zu erschließen. Beispiele hierfür sind etwa die automatisierte Datensammlung und -analyse, das Kundenprofiling und -tracking sowie die Fernüberwachung und -diagnose von Maschinen. Zahlreiche Beispiele aus der Industrie belegen einen Trend zu einer immer stärker servicebasierten Wertschöpfung (Servitization). Es ist zu erwarten, dass dieser im Zuge der Digitalisierung noch verstärkt wird. Innovative Dienstleistungen und Lösungen müssen von den produzierenden Unternehmen neu und systematisch entwickelt werden. Diese Aufgabe wird, bedingt durch Vernetzung, Digitalisierung und neue Wertschöpfungsansätze, wesentlich komplexer. Dabei stellt es eine besondere Herausforderung dar, diese immateriellen Leistungen im Entwicklungsprozess zwischen allen Beteiligten zu kommunizieren, zu bewerten, zu testen und fundierte Entscheidungen über Alternativen oder die Markteinführung zu treffen (Husen 2018). Je erlebbarer die Ideen schon in einem frühen Stadium werden, umso leichter fallen Kreativität und Kommunikation. In Zeiten, in denen Geschwindigkeit bei der Entwicklung zählt, erscheint ein agiles Vorgehen bei der Entwicklung wünschenswert. In der Entwicklung von Sachgütern und Software werden Aufgaben wie das Experimentieren, das Testen mit Kunden und auch die Unterstützung von Entscheidungen heute selbstverständlich durch Prototypen unterstützt. Ein neues Produkt völlig ohne Prototypen zu entwickeln und zu launchen stellt eher die Ausnahme als die Regel dar. Im Service ist ein solches Vorgehen dagegen weithin unbekannt, weil ein Prototyp für etwas Immaterielles schwer vorstellbar ist (Husen 2018).

392

Ch. van Husen und A. R. Abdel Razek

Die klassische Herangehensweise in Entwicklungsprojekten bedeutet, zunächst die Anforderungen der Kunden und sonstigen Beteiligten zu ermitteln und auf dieser Basis ein Konzept zu erstellen. Für funktionale Anforderungen mag das gut funktionieren. Zunehmend wird aber auch Wert gelegt auf eine gute Customer Experience. Über die rein funktionalen Aspekte einer Leistung hinaus gehören dazu auch emotionale Aspekte oder der Aufwand auf Seiten des Kunden. Mögen z. B. Remote-Service-Szenarien funktional noch so überzeugend sein, ist es dennoch möglich, dass Kunden aufgrund eines gewissen Unsicherheitsgefühls Zweifel haben. Ebenso mag ein Angebot einer Plattform zur Datenverwaltung viele praktische Aspekte für den Kunden beinhalten – wenn er den Aufwand der Nutzung und Pflege neben allen anderen Systemen und Plattformen, die er bereits im Einsatz hat, als zu hoch einschätzt, wird er kaum zu überzeugen sein. Gerade hinsichtlich Emotion und Aufwand wird eine klassische Ermittlung von Anforderungen an die Grenzen des Machbaren stoßen, weil Kunden sich diese Aspekte nicht ausreichend vorstellen können (Husen 2018; Abdel Razek et al. 2020b). Unter Service Prototyping wird die Erstellung einer erleb- und erfahrbaren Vorabversion einer zukünftigen Dienstleistung verstanden, wodurch die Visualisierung und Bewertung der künftigen Dienstleistung, sowie eine einheitliche Kommunikation zwischen den Stakeholdern ermöglicht werden kann. Ziel ist es, vorab Dienstleistungen darzustellen und damit kommunizierbar, erlebbar und bewertbar zu machen, um eine hohe Dienstleistungsqualität zu sichern und Risiken zu reduzieren. Prototypen können gemeinsam von verschiedenen Rollen und Perspektiven, z. B. von Nutzern, Dienstleistungsentwicklern, Stakeholdern und Experten, betrachtet werden (Abdel Razek et al. 2017). Durch frühzeitiges Testen und Iteration soll zum einen erreicht werden, dass Servicekonzepte eine höhere Qualität und Kundenorientierung erlangen, zum anderen soll die Erfolgswahrscheinlichkeit und Effizienz der Entwicklung erhöht werden, indem das nachträgliche Ausbessern von Fehlern und Unzulänglichkeiten in späten Entwicklungsphasen reduziert oder ganz vermieden wird. Prototypen werden eingesetzt, um Entwicklungsprojekte zu bewerten und Entscheidungen über deren Fortsetzung oder die Markteinführung zu treffen, frühzeitig Nutzer einzubinden oder die Lösungsfindung zu unterstützen. Prototypen bieten Vorteile in der Kommunikation, können Kosten und Risiken senken und Probleme zu einem frühen Zeitpunkt identifizieren (Blomkvist 2012).

1.2 Einsatzmöglichkeiten von Service Prototyping Entwickler neuer Lösungen und Dienstleistungen müssen zahlreiche Partner, Akteure, Kunden und Entscheidungsträger in den Entwicklungsprozess einbinden. Sie müssen mit allen Beteiligten vielfältige Anforderungen ermitteln, Machbarkeit und Akzeptanz prüfen und Schnittstellen im Prozess testen. Eine kundenorientierte Entwicklung erfordert dabei die verständliche Kommunikation der Serviceidee, der konzeptionellen Ansätze und Detaillösungen, um von den Beteiligten und Kunden ein qualifiziertes Feedback zu erhalten, das wiederum auf systematische Weise in den Entwicklungsprozess einfließen muss (Husen et al. 2019).

Vom Prozessmodell zum digital erlebbaren Prototypen

393

Entwickler, Manager und Kunden können Service Prototypen nutzen, um sich das fertige System vorzustellen und zu beurteilen. Sie können von den ersten Ideen bis zur endgültigen Festlegung von Designdetails genutzt werden (Beaudouin-Lafon/Mackay 2008), indem sie Ideenfindung, Ideenbewertung, Konzeptentwicklung und -test, Service Design und Test, Prozessdesign und -test, Systemdesign und -test, Mitarbeitertraining und Pilotversuche unterstützen. Zu Beginn der Entwicklung sind eher grobe Prototypen mit einfacher Repräsentation und wenig Interaktivität im Einsatz. Später ist mehr Interaktivität möglich, die sogar den Prototypen beeinflussen kann (Blomkvist 2012). Grundsätzlich unterstützt Service Prototyping drei unterschiedliche Zwecke, die während der Entwicklung von Bedeutung sind: das Explorieren, Evaluieren und Kommunizieren (Blomkvist 2014). Auch eine qualitative Expertenbefragung bestätigt, dass Prototypen für diese Zwecke genutzt werden. Das Experimentieren und Erkunden neuer Ideen und Lösungen, die Kommunikation zur Vermittlung von Kompetenzen und Wissen, das Kreieren einer geeigneten Dokumentation sowie das gezielte Einholen von Feedback zur Entscheidungsfindung sind in der Praxis von Bedeutung (Sämann et al. 2016). Zum Zweck der Exploration unterstützen Prototypen die Ideenfindung und -ausarbeitung. Anhand eines Prototypen kann die Idee einer komplexen Leistung deutlich besser vermittelt werden als dies z. B. verbal der Fall ist. Die beteiligten Personen erhalten somit eine bessere Vorstellung der zu entwickelnden Dienstleistung. Mittels Prototyping kann die erste Hürde in der Entwicklung überwunden werden. Ohne den Anspruch, eine vollständige oder perfekt funktionierende Leistung zu präsentieren, können einfach die vorhandenen Ideen visualisiert und vorgestellt werden, beispielsweise mit Hilfe von Lego Serious Play. Wenn ein erster Prototyp dargestellt wurde, fällt es den Beteiligten meist leichter, ergänzende Ideen zu finden und den Prototypen auszubauen, zu korrigieren oder zu optimieren. Wenn verschiedene Alternativen denkbar sind, unterstützt Prototyping auch das Experimentieren mit unterschiedlichen Ansätzen und Varianten. Optionen können prototypisch dargestellt und durchgespielt werden. Innerhalb des Entwicklungsprozesses stellen sich diverse Aufgaben der Evaluation. Sowohl einzelne Aspekte einer Leistung als auch der Service insgesamt sind zu bewerten oder verschiedene Varianten gegeneinander abzuwägen. Bei dieser Bewertung können Fragen der Machbarkeit, der Akzeptanz oder Präferenzen des Managements oder der Zielgruppe von Bedeutung sein. Für die Durchführung der Bewertung kommen verschiedene Gruppen in Frage. Kunden können schon frühzeitig in Tests eingebunden werden und ihr Feedback für eine möglichst kundenorientierte Gestaltung der Leistung sowie zur Beurteilung der Marktchancen genutzt werden. Mitarbeiter oder Geschäftspartner können integriert werden, um deren Bedürfnisse zu berücksichtigen und einen bestmöglichen Ablauf zu erzielen. Schließlich nimmt das Management Bewertungen vor, auf der Entscheidungen basieren. Mit Hilfe eines Prototypen können diese Bewertungen nicht nur implizit, sondern konkret am Prototypen vorgenommen werden und stellen somit eine solide Basis für Meilensteine im Entwicklungsprozess oder auch die finale Entscheidung zur Markteinführung dar.

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Ch. van Husen und A. R. Abdel Razek

Schon innerhalb der Entwicklungsphase stellen sich vielfältige Kommunikationsaufgaben für eine neue Dienstleistung. Die Idee oder zu testende Alternativen müssen den Mitarbeitern, dem Management, den Kunden oder Geschäftspartnern verständlich gemacht werden. Während der Implementierung müssen alle betroffenen Mitarbeiter, d. h. in der Serviceerbringung, im Marketing und Vertrieb sowie weiteren Bereichen, mit der neuen Dienstleistung vertraut gemacht werden und gegebenenfalls Abläufe trainieren. Bei und nach Markteinführung muss die Leistung den Kunden auf geeignete Weise kommuniziert werden. Für all diese Aufgaben können Prototypen eingesetzt werden. Sie unterstützen das Vorstellungsvermögen und helfen Missverständnisse zu vermeiden.

2.

Prozessmodelle im Service Design

2.1 Prozessmodelle von Dienstleistungen Jede Dienstleistung stellt einen Prozess dar. Insofern besteht eine der wesentlichen Entwicklungsaufgaben darin, diesen Prozess präzise, ziel- und kundenorientiert zu definieren. Bereits frühe Ansätze des Service Engineering enthalten den Prozess als eine Entwicklungsdimension (DIN 1998). Die Prozessmodellierung wird dabei als Entwicklungsaufgabe verstanden, im Rahmen derer alle Aktivitäten in einer logischen Abfolge angeordnet und Schnittstellen definiert werden müssen. Damit ist die grundsätzliche Aufgabe hinsichtlich der Prozessgestaltung umrissen, für die tatsächliche Beschreibung wird in der Regel auf existierende Prozessmodellierungssprachen verwiesen. Je nach Anwendungsfeld in den Unternehmen kommen Modellierungssprachen wie Flussdiagramme, BPMN, UML oder ePK zum Einsatz. Diese Sprachen verfügen über unterschiedliche Stärken und Schwächen. Meist hängt die Auswahl davon ab, was im Unternehmen ohnehin bereits eingesetzt wird, weil es zur Prozessbeschreibung für die Zertifizierung oder Softwareentwicklung dient oder weil Schnittstellen zu bestimmten ERPSystemen benötigt werden. Alle diese Modellierungssprachen werden hauptsächlich von Spezialisten genutzt und sind häufig für die Information von Mitarbeitern in der operativen Erbringung oder Kunden wenig geeignet. Eines der wichtigsten Ziele dieser formalen Sprachen ist die Eindeutigkeit der Beschreibung, die beispielsweise mit einer verbalen Beschreibung ohne definierte Konventionen nicht erreicht wird. Speziell zur Darstellung von Dienstleistungen wurde in den 1980er Jahren von Shostack (1984) die Methode des Service Blueprinting entwickelt. Dabei wird besonders die Kundenperspektive berücksichtigt: Aktivitäten des Kunden werden explizit dargestellt und an der „Line of Interaction“ separiert. Alle Aktionen, die im Wahrnehmungsbereich des Kunden liegen und somit einer besonderen Aufmerksamkeit bedürfen, sind eindeutig erkennbar, indem sie mit der „Line of Visibility“ vom Rest des Prozesses geteilt werden. Diese

Vom Prozessmodell zum digital erlebbaren Prototypen

395

Methode fand in der Wissenschaft durchaus Beachtung, konnte sich in der breiten Anwendung bei Unternehmen allerdings kaum durchsetzen. Für Zwecke der Dienstleistungsmodellierung, in der Prozesse gleichermaßen wie Akteure – auf Seiten des Anbieters wie auch bei Kunden – eine wichtige Rolle spielen, ermöglicht die Subjekt-orientierte Prozessmodellierung eine geeignete Darstellung. Auf Basis dieses Paradigmas ist es möglich, Abläufe aus der Perspektive einzelner Akteure zu verfolgen und so auch, ähnlich wie im Service Blueprinting, explizit eine Kundenperspektive einzunehmen. Die Subjekt-orientierte Modellierung erfordert, dass grundsätzlich für jede Aktivität definiert ist, von welchem Subjekt sie ausgeführt wird. Interaktionen erfordern zwei Subjekte, die beteiligt sind. Die Subjekt-orientierte Modellierung erfolgt in der Modellierungssprache PASS (Parallel Activity Specification Schema) (Fleischmann 1994). Im Rahmen der Modellierung werden Subjekt-Interaktionsdiagramme (SID) und SubjektVerhaltens-Diagramme (SVD) bzw. -Behaviour-Diagramme (SBD) unterschieden. Die Beschreibung der Dienstleistung ist mit dieser Methode präziser und detaillierter möglich als mit dem Service Blueprinting. Von der formalen Genauigkeit wie auch von der Ausführbarkeit als Simulation ist eine Modellierung mit PASS dem Service Blueprinting überlegen (Elstermann 2020). Es hat sich gezeigt, dass für die Zwecke der Serviceprozessmodellierung von den Modellierungsansätzen die Subjekt-orientierte Darstellung die bestgeeignete ist. Gleichwohl ist auch diese Darstellung eine zweidimensionale, statische Repräsentation, die gewissermaßen abstrakt bleibt. Zwar können einzelne Rollen und servicespezifische Aspekte besser abgebildet werden, aber der Forderung einer Erlebbarkeit des Service in einem Prototypen kann damit noch nicht vollständig entsprochen werden. Es bleibt somit eine Herausforderung, den Prozess in eine dynamische Darstellung zu überführen, die beispielsweise per Video oder virtueller Darstellung erlebbar wird. So stellt auch Blomkvist (2011) fest, dass Prototyping für Dienstleistungen im Vergleich zu anderen Disziplinen einen anderen Ansatz benötigt. Die Schwierigkeit liegt in der Dynamik von Serviceprozessen und in der Interdependenz verschiedener Ebenen: Artefakte, Interaktion der Nutzer mit den Artefakten, sozialer und relationaler Kontext der Akteure sowie Einbindung in die Serviceumgebungen (Blomkvist 2012). In Serviceprototypen muss die entwickelte Leistung in ihrem jeweiligen Stadium aus der Perspektive der verschiedenen Akteure erlebbar werden. Das macht den wesentlichen Unterschied zu abstrakten Beschreibungen wie Prozessmodellen aus.

2.2 Konzept und Dimensionen im Service Prototyping Mit der prototypischen Entwicklung wird ein agiler Ansatz verfolgt, der es erlaubt, Ideen möglichst schnell in grobe Prototypen umzusetzen und dann schrittweise zu verfeinern. Auf diese Art und Weise werden in einem Wechselspiel Komponenten des Service beschrieben und erlebbar gemacht und so mit zunehmender Genauigkeit definiert. Das kann

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Ch. van Husen und A. R. Abdel Razek

das Vorgehen intuitiver und anschaulicher machen, wenn man mit Vorgehen und Methoden des Service Engineering nicht so vertraut ist (Husen 2018). Als Ergebnis des Forschungsprojekts „dimenSion“ (gefördert vom BMBF, FKZ 02K14A160) existiert ein Ansatz, Services und ihre Bestandteile im Entwicklungsprozess systematisch erlebbar zu machen. Dabei sind zwei Komponenten von Bedeutung: Zum einen muss die immaterielle und abstrakte Leistung mit geeigneten Mitteln dargestellt werden, zum anderen muss diese Darstellung mit definierten Rollen und Schritten im Entwicklungsprozess zu einer iterativ verbesserten Entwicklung führen. In einer iterativen, agilen Entwicklung wird der Service von der ersten Idee an in einem Prototypen dargestellt. Involvierte Personen können den Service oder ausgewählte Bestandteile dadurch erleben und ihr Feedback geben. Dieses fließt in einer Schleife in die nächste Iteration des Prototypen ein, der somit kontinuierlich verfeinert, detailliert und optimiert wird, bis schließlich das finale Servicekonzept erreicht ist. Im Gegensatz zur konventionellen Entwicklung soll im Service Prototyping die Dienstleistung frühzeitig erlebbar gemacht und inkrementell weiterentwickelt werden. Dabei muss ein Servicesystem, bestehend aus Prozess und Ressourcen (Patricio et al. 2011) entwickelt und gestaltet werden. Das bedeutet, dass sowohl Prozess als auch beteiligte Ressourcen erlebt werden müssen. Die Dimensionen eines Serviceprototyps ergeben sich demnach aus dem Prozess sowie den Ressourcen, die in Akteure, Artefakte wie z. B. Werkzeuge oder auch eine spezielle App sowie die Umgebung unterschieden werden können, in die der Service eingebettet ist (Abdel Razek et al. 2018a). Die Herausforderung im Service Prototyping besteht in der Kombination der vier Gestaltungsdimensionen. Für ein realitätsnahes Serviceerlebnis muss der Prozess mit den beteiligten Akteuren und gegebenenfalls Artefakten in der Serviceumgebung wahrgenommen werden. Artefakte und Umgebung sind aufgrund ihrer Beschaffenheit durch eine begrenzte Anzahl an Freiheitsgraden determiniert. Davon unterscheidet sich deutlich die letzte Dimension bei den Ressourcen, nämlich die Akteure (Husen et al. 2019). Artefakte Artefakte sind alle immateriellen bzw. physischen Objekte, Werkzeuge oder Software, die bei der Bereitstellung und Darstellung von Dienstleistungen hilfreich sind; z. B. eine Benutzeroberfläche, eine Homepage oder App. Im Vordergrund steht dabei, wie sich diese Artefakte auf den Service und die Erfahrungen seiner Stakeholder auswirken und welchen Beitrag sie zum Serviceprozess leisten werden. Artefakte können in zwei Unterkategorien charakterisiert werden: analog und digital. Analoge Artefakte enthalten wiederum zwei Konstrukte: physische und informative. Physische Artefakte umfassen alle Objekte wie Werkzeuge und Maschinen. Informative Artefakte umfassen jedes physische Informationsmedium wie Bilder oder Texte. Die zweite Kategorie sind digitale Artefakte. Diese ist ebenfalls in zwei Konstrukte unterteilt: Geräte und Inhalte. Zu den Geräten zählen interaktive Geräte wie Computer, Tablets, Mobiltelefone, oder Repräsentationsgeräte wie HMDs, Power-Walls, Projektoren und Bildschirme. Die zweite Kategorie ist der Inhalt,

Vom Prozessmodell zum digital erlebbaren Prototypen

397

der die informativen digitalen Objekte wie Videos, Audio, Websites usw. darstellt (Abdel Razek et al. 2020 a). Umgebung Die Umgebung ist das Umfeld, in dem der Service stattfindet; ob in einer Industrie-, Verwaltungs- oder Managementumgebung sowie beim Serviceanbieter, Kunden oder bei einem Dritten. Die Umgebung ist immobil und statisch und wird von fünf beeinflussenden Faktoren beschrieben. Der erste Faktor ist das Umgebungssetting, das als kontaktorientiertes Umfeld für Kunden betrachtet werden kann, bei dem Bequemlichkeit und Komfort entscheidende Merkmale für Stakeholder sind; sowohl online als auch offline. Ein weiterer Faktor ist der Kommunikationstyp zwischen den Servicestakeholdern, der synchron oder asynchron sein kann. Die Räumlichkeit, in der der Service stattfindet, wird ebenfalls als Faktor betrachtet. Sie kann in drei Alternativen unterteilt werden: Onsite (beim Kunden), Offsite (beim Anbieter) und an einem dritten Ort (Abdel Razek et al. 2020a). Akteure Der Begriff bedeutet in diesem Fall eine Person, die am Dienstleistungsprozess beteiligt ist und handelt. In der Serviceliteratur besteht Konsens darüber, wie wichtig die Rolle der Servicestakeholder bei der Serviceentwicklung ist, da diese Experten auf dem Gebiet der Serviceerfahrung sind, um aktiv an den Design-Entscheidungen mitzuwirken (Sanders 2008). In jüngster Forschung wurde eine Definition von Akteuren gefunden, die sich auf Entitäten, Kunden, Organisationen und andere Elemente wie Technologie bezieht, die am Wertschöpfungsprozess beteiligt sind und zwischen denen Interaktionen auftreten können (Patricio et al. 2018). Auf Basis der Literaturanalyse wird von den Autoren folgende Definition des Elements Akteur vorgeschlagen: Akteure sind alle Rollen, die an Serviceprozessen beteiligt sind, einschließlich aller beteiligten Funktionen von internen Stakeholdern (wie Mitarbeitende) und externen Stakeholdern (wie Kunden) oder Geschäftspartnern (wie Berater) (Abdel Razek et al. 2020a). Prozesse Im Rahmen des Forschungsprojekts wird die Designdimension Prozess als Gesamtheit aller Aktivitäten einschließlich der Interaktionen definiert. Die Interaktion zwischen den Stakeholdern wird an dem Begriff „Kontaktintensität“ gemessen: Je höher der Kontakt, desto mehr Interaktionen zwischen den Stakeholdern, die in „Co-Creation“ kundenorientierten Service-Pull-Modellen vertreten sind. Je geringer der Kontakt ist, desto geringer ist die Interaktion zwischen den Stakeholdern, z. B. in „No-Interaction-Services“, „Remote Services“ und „Self Services“. Prozesse können in zwei Kategorien eingeteilt werden: mit materieller und immaterieller Wirkung. Es existieren drei Unterkategorien von materieller

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Ch. van Husen und A. R. Abdel Razek

Wirkung: Die erste bezieht sich auf die Akteure, die von den Interaktionen der Personen abhängt (z. B. Beratung); die zweite bezieht sich auf die Interaktion mit Artefakten (z. B. Transport, Reparatur und Wartung); die dritte ist abhängig von der Serviceumgebung selbst (d. h. Self Service, Remote Service). Die immateriellen Dienstleistungsprozesse sind ebenfalls in drei Kategorien unterteilt; die erste ist kognitiv und basiert auf den mentalen Reizen (Bildung, Unterhaltung), die zweite auf emotionalen Reizen (Werbung, Marketing) und die dritte beruht auf informativer Basis (Abdel Razek et al. 2020a). Die Artefakte oder Umgebung entsprechen als physische Objekte der gewohnten Denkweise. Dementsprechend werden hier auch klassische Prototyping-Methoden eingesetzt wie Mock-ups aus Pappe, Papier oder anderen Materialien, Bilder, Skizzen oder digitale Darstellungen in der virtuellen Realität. Zusätzliche Komplexität entsteht durch die Interaktion mit Artefakten, z. B. das Bedienen eines Automaten oder einer App. Geeignete Methoden zur Darstellung sind hier die Simulation mit Click-Dummies oder der Methode Wizard-of-Oz. Die besondere Herausforderung im Prototyping von Dienstleistungen liegt vor allem in den Dimensionen der Akteure und des Prozesses. Anders als statische Objekte oder durch Softwarefunktionen determinierte Abläufe sind diese dynamisch und die Akteure – vor allem die Kunden – nicht im Voraus bestimmbar. Akteure können durch Rollenspiele oder digital durch Avatare dargestellt werden. Der Prozesscharakter einer Dienstleistung lässt sich nur durch die Darstellung der Abfolge von Aktivitäten erlebbar machen. Als Methode dafür sind Bild- oder Filmsequenzen geeignet. Wenn man nicht nur ausgewählte Elemente darstellen, sondern einen Service insgesamt erlebbar machen möchte, müssen die verschiedenen Dimensionen in einem Prototyp miteinander verbunden werden. Hier kommen die Vorteile der virtuellen Realität zum Tragen. Beliebige Elemente können miteinander kombiniert werden und können beispielsweise in Verbindung mit einer immersiven Darstellung als Erlebnis durchgespielt werden. Im Idealfall kann die gesamte Customer Journey einer Dienstleistung dargestellt werden (Husen 2018). Wie in Abbildung 1 dargestellt, existieren vier zentrale Entwicklungsaufgaben: (1) (2) (3) (4)

Ideenfindung (Ideation), Anforderungsdefinition (Requirement Definition), Design, Implementierung (Implementation).

Im Gegensatz zum klassischen Phasenmodell des Service Engineering (Meiren/Barth 2002) soll hier nicht mehr von Phasen, sondern von Entwicklungsaufgaben (Key Development Aspects) gesprochen werden, weil durch den prototypischen Ansatz bewusst erreicht werden soll, dass der Entwicklungsprozess flexibel und iterativ wird. Die Iterationen werden mit der dargestellten Spirale symbolisiert, die Flexibilität durch die unscharf dargestellten Grenzen der Entwicklungsaufgaben. Durch eine agile Vorgehensweise kann das Prototyping jederzeit und so oft wie nötig durchgeführt werden, bis das endgültige Servicekonzept erreicht ist (Husen et al. 2019). Innerhalb dieses Prozesses stehen zahlreiche Methoden bereit, um in den verschiedenen Entwicklungsaufgaben jeweils eine optimale

Vom Prozessmodell zum digital erlebbaren Prototypen

399

Unterstützung zu bieten. Je nachdem, in welcher Phase der Entwicklung sich der Anwender befindet und abhängig vom vertretbaren Aufwand, werden passende Methoden empfohlen.

Abbildung 1:

Entwicklungsaufgaben im Entwicklungsprozess

2.3 Serviceprozesse erleben Der entscheidende Effekt und Nutzen von Service Prototyping entsteht durch das Erleben bzw. die „Experience“ der Dienstleistung. Hierin liegt der wesentliche Unterschied zu klassischen Vorgehensweisen in der Entwicklung, bei der Anforderungen definiert werden und der Service dann mit geeigneten Darstellungsformen modelliert und textlich oder grafisch beschrieben wird. Die Herausforderung bei der Erlebbarkeit liegt vor allem darin, die Beteiligten den Prozess durchlaufen zu lassen, da eine Dienstleistung nicht statisch und zweidimensional abgebildet werden kann. Ziel des Service Prototyping ist, die künftige Service Experience möglichst vollständig in der Service Prototyping Experience abzubilden. Da Produkt-Service-Systeme (PSS) sowohl Sach- als auch Dienstleistungskomponenten beinhalten, muss auch das Konstrukt der Customer Experience (CX) kompositorisch betrachtet werden. Abbildung 2 zeigt, dass sich die CX zusammensetzt aus der Service Experience (SX) und der User Experience (UX), die sich auf Erfahrungen mit dem Sachprodukt bezieht. In der Abbildung ist zusätzlich angedeutet, dass die Service Prototyping Experience (SPX) einen Teil der SX ausmacht. Anzustreben ist, dass die SPX die künftige SX so vollständig wie möglich abdeckt, allerdings muss unterstellt werden, dass nicht alle Details der Dienstleistung im Prototypen wirklichkeitsgetreu abgebildet werden, sodass gewisse Defizite verbleiben.

400

Ch. van Husen und A. R. Abdel Razek

Customer eXperience

User Product eXperience

Service eXperience Service Prototyping eXperience

Instanziierung

Abbildung 2:

Konstrukt der Customer Experience bei Produkt-Service-Systemen

Die einzelnen Faktoren der Experience wurden von Abdel Razek et al. (2018a) eingehend untersucht. Customer Experience (CX) beschreibt die komplette Kundenerfahrung und schließt die User Experience mit dem Sachprodukt sowie die Service Experience ein. Die CX entsteht durch eine Reihe von Interaktionen zwischen einem Kunden und einem Produkt, einem Unternehmen oder einem Teil seiner Organisation, die eine Reaktion hervorrufen (Shaw/Ivens 2002; LaSalle/Britton 2003). Diese Erfahrung ist persönlich und impliziert die Beteiligung des Kunden auf verschiedenen Ebenen (rational, emotional, sensorisch, physisch und spirituell). Seine Bewertung hängt vom Vergleich zwischen den Erwartungen des Kunden und den Reizen ab, die sich aus der Interaktion mit dem Unternehmen und seinem Angebot in den verschiedenen Kontaktmomenten oder Berührungspunkten ergeben (Abdel Razek et al. 2018a; Abdel Razek et al. 2020b). User Experience (UX) ist die Wahrnehmung und Reaktion einer Person, die sich aus der Verwendung oder erwarteten Verwendung eines Produkts, Systems oder einer Dienstleistung ergibt (ISO FDIS 9241-210 2009). Die ISO-Beschreibung stellt UX als eine Kombination der Emotionen, Überzeugungen, Vorlieben, Wahrnehmungen, physischen und psychischen Reaktionen, Verhaltensweisen und Leistungen aller Benutzer dar, die vor, während und nach der Nutzung der Leistung auftreten. UX stellt die umfassende Experience mit einem Sachgut einschließlich seiner Nutzung, der Bedienung und seiner Dokumentation dar. Service Experience (SX) ist subjektiv und individuell abhängig von Interpretationen (Jaakkola et al. 2015). Sie kann in Form einer Empfindung oder von Information auftreten (Tseng et al. 1999), die wahrnehmende, emotionale und interaktive Reaktionen erzeugt, die zu einer Erinnerung führen (Edvardsson et al. 2005) und alle möglichen Begegnungen mit verschiedenen Akteuren in unterschiedlichen Situationen umfassen (Patricio et al.

Vom Prozessmodell zum digital erlebbaren Prototypen

401

2011). SX kann durch Variation des Vergnügungseffekts (Bel 2005), die Servicequalität (Flanagan et al. 2005), die Servicevalidität und -zuverlässigkeit (Galetzka et al. 2006), den Wert und die Qualität der Kundenbeziehung (Aurier/Siadou-Martin 2007) beeinflusst werden (Abdel Razek et al. 2018a). Service Prototyping Experience (SPX) ist eine Dienstleistungserfahrung anhand eines Prototyps. Es ist die Erfahrung, die Beteiligte mit einem Prototyp machen und soll die Erfahrung mit der künftigen Dienstleistung vorwegnehmen. Der Grad, in dem die SPX der SX nahekommt, hängt davon ab, ob im Prototypen ein Ausschnitt oder die Gesamtleistung dargestellt wird und mit welcher Detailtiefe und Realitätsnähe die Darstellung erfolgt. Im Rahmen der prototypischen Serviceentwicklung soll eine Erlebbarkeit bei den beteiligten Personen geschaffen werden. Aufbauend auf der so erzeugten Experience sollen die Prototypen iterativ weiterentwickelt werden. Abbildung 3 zeigt den Prozess, der diesen Ansatz umsetzt. Die an der Entwicklung beteiligten Personen haben eine bestimmte Idee oder einen Lösungsansatz für das Service Design. Je nachdem, was zu welchem Zweck dargestellt werden soll, wird aus einer Vielzahl verfügbarer Methoden die geeignete Prototypingtechnik ausgewählt und der Inhalt im Prototypen dargestellt. Wiederum abhängig vom Zweck wird ein ausgewählter Personenkreis mit dem Service Prototypen konfrontiert und dadurch ein Erlebnis erzeugt. Dieses Erlebnis führt zu Reaktionen, die entweder explizit als Feedback abgefragt werden können oder durch Beobachtung erfasst werden können – z. B. Stimmungen oder auch der fehlerfreie und reibungslose Ablauf des Serviceprozesses. Diese Reaktionen fließen in die folgende Iteration des Prototypen ein, sodass dieser kontinuierlich verbessert und verfeinert wird bis zum finalen Service Design. Optimierung / Detaillierung Iterationen, 1 Æ n

Idee / Design

Abbildung 3:

Repräsentation im Prototyp

Erlebnis

Zyklus der prototypischen Serviceentwicklung

Reaktion / Feedback

402

3.

Ch. van Husen und A. R. Abdel Razek

Anwendungsbeispiel Pay-per-Use-Konzept

3.1 Pay-per-Use-Konzept für eine Verpackungsanlage Im Zuge der Digitalisierung und durch den Trend zu Servitization entstehen im Umfeld von Industrie 4.0 bzw. Smart Factories komplexe, neue Produkt-Service-Systeme als Leistungsangebote. Dabei werden reale und digitale Welt der Cyber Physical Systems (CPS) miteinander vernetzt. Je komplexer die Angebote sind, umso schwieriger und aufwändiger sind eine prototypische Darstellung sowie das Simulieren und Testen. Anbieter müssen in der Lage sein zu verstehen, wie Maschinen, digitale Komponenten und Menschen bei solch verbundenen Leistungen zusammenwirken, wie aus den gesammelten Daten gelernt werden kann und wie solche neuen Prozesse vorausgeplant werden können. Smart Factory beschreibt eine autonome Produktionsumgebung, die Entscheidungen eigenständig trifft und sich selbst organisiert. Nicht nur Maschinen und Anlagen, sondern auch alle anderen Objekte, die zur Produktion gehören, müssen miteinander kommunizieren. Diese Verknüpfungen führen zu Lösungen, die Produktionsprozesse entlang der gesamten Wertschöpfungskette optimieren und verkürzen sollen. Das Angebot von digitalisierten PSS-Lösungen bringt es mit sich, dass Abläufe zum einen automatisiert werden können und sowohl manuelle als auch steuernde Tätigkeiten durch PSS-Angebot ersetzt werden. Zum anderen ermöglicht die Digitalisierung auch eine effiziente Individualisierung von Leistungen – das bedeutet, dass die jeweiligen PSS-Angebote nicht standardisiert sind, sondern an die individuellen Bedürfnisse der Industriekunden angepasst werden können. Individualisierung kann ein Alleinstellungsmerkmal für den Service darstellen und somit eine wichtige Rolle für die Akzeptanz des Kunden spielen. Sie kann in vielen Bereichen von Servicefunktionen erfolgen, indem mehr, weniger oder sogar andere Technologien innerhalb des Servicesystems verwendet werden. Automatisierung ist eine der wichtigsten Facetten der Industrie 4.0, bei der Produktivität, Effizienz und Effektivität gesteigert und gleichzeitig Kosten und Ausfallzeiten reduziert werden können. Die Automatisierung ist einer der Hauptgründe für Smart Services, da es sich um eine enorme Datenmenge handelt, die es Unternehmen ermöglicht, auf Basis dieser Daten neuartige Services anzubieten und dadurch zusätzliche Einnahmen zu erzielen. Die technischen Möglichkeiten und die Verknüpfung von Sach- und Dienstleistungen führen häufig zu neuen Geschäftsmodellen. So finden Pay-per-Use-Modelle in der Industrie zunehmend Verbreitung. Je nach Komplexität und Umfang der Leistungen sowie abhängig vom Preismodell kann es allerdings herausfordernd sein, die Funktion und den Nutzen dieses Angebots zu erläutern. In einem Anwendungsbeispiel soll deshalb die prototypische Entwicklung eines PSS untersucht und dargestellt werden, die ein Pay-per-Use-Modell für eine Verpackungsanlage

Vom Prozessmodell zum digital erlebbaren Prototypen

403

beinhaltet. Ein solches Modell kann beispielsweise die Planung, Installation und regelmäßige Überwachung, Wartung und Reparatur der Anlage wie auch den automatischen Betrieb zur Verpackung von Produkten umfassen. Mit Hilfe von Service Prototyping wurde diese Idee mit zwei alternativen PrototypingTechniken dargestellt und umgesetzt. Dabei sollten gezielt immersive Methoden eingesetzt und der Effekt untersucht werden. Das Modell wurde mit einer dreidimensionalen Entwicklungsumgebung erstellt. Für die Realisierung der Mensch-Maschine-Interaktionen wurden den erstellten 3D-Objekten physikalische Eigenschaften und Skripte zugeschrieben. Um ein verwendbares Programm zu entwickeln, wurde aus dem 3D-Projekt eine Applikation erstellt, die die Ausführung auf unterschiedlichen Geräten unterstützt. Die beiden verwendeten Service Prototyping-Formen waren Mixed Reality (MR) Service Prototyping und Virtual Reality (VR) Service Prototyping (Abdel Razek et al. 2018b). Die visuelle Simulation oder Erweiterung dient als Erklärung des Konzepts, das Benutzerinteraktionen mit der erweiterten holografischen Information ermöglicht, die für das Verständnis des Konzepts eine wichtige Rolle spielt. Diese komplexen Serviceprozesse lassen sich mit dreidimensionalen Bildern mittels VR- oder MR-Technologie optisch ansprechender gestalten als mit herkömmlichen Methoden. Der Benutzer kann die virtuelle dreidimensionale Visualisierung von allen Seiten im realen Raum betrachten, während er die MR-Brille (Hololens I) verwendet. In der virtuellen Realität (mit Verwendung der HTC Vive Pro) taucht der Benutzer dagegen in eine rein virtuelle Welt ein. In diesem Abschnitt beschreiben wir die Serviceprototypen dieser beiden Anwendungsfälle und erläutern ihre Vor- und Nachteile sowie Einschränkungen. Was Mixed Reality (MR) von Virtual Reality (VR) unterscheidet, ist die Fähigkeit, die reale Welt zu sehen, während die virtuellen Elemente der realen Umgebung überlagert sind. Der Unterschied zwischen MR und Augmented Reality (AR) besteht in der Fähigkeit, mit diesen überlagerten Informationen zu interagieren und sie mit Handgesten zu manipulieren, anstatt Tasten auf einem Computer, Tablet oder Mobilgerät zu drücken. Die Mixed Reality-Applikation überträgt eine virtuell erstellte, dreidimensionale Verpackungsstraße in den realen Raum. Zu sehen ist die Verpackungsanlage, z. B. in der Umgebung des Kunden. Der Kunde kann die Anlage in seinem individuellen Umfeld begutachten und sich mit dem Funktionsaufbau und den einzelnen Abläufen vertraut machen. Der Benutzer kann durch Fingergestik die Buttons „Service“ und „Wrap“ an der Anlage betätigen. Die Bewegung wird von der HoloLens erfasst und startet die damit verknüpfte Aktion. Durch das Betätigen der Taste „Wrap“ startet der Benutzer einen Verpackungsprozess. Eine leere Kartonage läuft in die Verpackungsstraße. Sobald die Kartonage auf dem Förderband die erste Lichtschranke erreicht, wird ein Signal zum Industrieroboter gesendet. Dieser greift sich das Produkt und legt sie in die Verpackung. Ein zweiter Industrieroboter ist für das Schließen der Verpackung zuständig. Das fertig verpackte Paket wird in einen Container befördert. Der Betrachter bekommt so ein ungefähres Zeitgefühl für die Dauer einer Verpackung. Die Anzahl der verpackten

404

Ch. van Husen und A. R. Abdel Razek

Pakete wird auf einem Display dargestellt. Um das Preismodell des Pay-per-Use-Konzepts zu verdeutlichen, wurde eine Anzeige implementiert, auf der die Kosten pro verpackte Einheit zu sehen sind (siehe Abbildung 4).

Abbildung 4:

Förderband und Roboter in realer Umgebung mit Anzeige der Pay-per-Use-Kosten

Durch die Betätigung des Buttons „Service“ kann der Benutzer einen weiteren Prozess starten. Es erscheint ein Servicetechniker, der die Anlage wartet. Auf diese Weise wird dargestellt, dass die Leistung nicht ausschließlich in der Bereitstellung der Verpackungsanlage besteht, sondern beispielsweise auch dieses Serviceelement enthalten ist. Alternativ wurde ein VR-Prototyp erstellt, der in einer vollständig digitalen Umgebung erlebt werden kann. Dies hat zum einen den Vorteil, dass ein Prototyping möglich ist, auch wenn die reale Umgebung noch gar nicht existiert – zum anderen kann der Prototyp auch digital versendet und an jedem beliebigen Ort präsentiert werden. Für den VR-Prototypen wurde eine vollständig virtuelle Fabrikhalle modelliert. Zur Immersionssteigerung wurden Beleuchtungselemente hinzugefügt, die die Produktionshalle ausleuchten. Es wurden weitere Objekte als digitale Assets ergänzt und die Produktionshalle weiter ausgebaut. Durch die Ergänzungen wie z. B. Gabelstapler, Belüftungsanlagen, Rohrverbindungen und Lampen wurde die Realitätsnähe gesteigert und damit ein möglichst guter Immersionsgrad erreicht. Die Animationen der Roboter sowie der symbolische Reparaturservice konnten aus dem MR-Prototypen übernommen werden. Um die Animationen nutzbar zu machen wurde ein Skript geschrieben, mit dem sich die Animationen per HTC VIVE-Controller aktivieren lassen. Durch Betätigen des Triggers wird ein Paket erzeugt und auf dem Förderband platziert (siehe Abbildung 5). Durch Drücken der seitlichen Controllertasten kann außerdem

Vom Prozessmodell zum digital erlebbaren Prototypen

405

die Instandhaltungsanimation gestartet werden. Dabei führt ein animierter Servicetechniker eine Reparaturbewegung über einen definierten Zeitraum aus. Um eine Bewegung im Raum zu ermöglichen, wurde eine Teleportfunktion in die virtuelle Produktionshalle implementiert. Der Nutzer kann sich innerhalb der Halle sowie auf der Rampe frei teleportieren. Als weitere Alternative wurde die Idee eines AR-Prototypen entwickelt. Ähnlich wie mit dem MR-Prototypen kann der Service innerhalb der realen Umgebung erlebt werden. Mit dem AR-Prototypen ist dies sogar mit einfachen Endgeräten wie Tablets oder Smartphones möglich, über die beinahe jeder Betrieb verfügt. Dadurch wird die Nutzung des Prototypen weiter vereinfacht und ist nicht an teures Equipment gebunden. Allerdings sinkt durch die Darstellung auf einem relativ kleinen Display der Immersionsgrad. Der Betrachter wird nicht so intensiv in die erweiterte Realität eingebunden und die Bedienung der Buttons auf dem Touchdisplay ist ebenfalls weniger realitätsgetreu.

Abbildung 5:

VR-Prototyp in der virtuellen Fabrikhalle

3.2 Erlebbarkeit mit immersiven Prototypen Die Hürde für Kunden und Stakeholder besteht darin, zu verstehen, welche Inhalte und welchen Mehrwert eine Leistung bietet und worum es in dem Prozess geht. Service Prototyping ermöglicht es, dies bereits vor dem Bestehen des Service zu explorieren, zu kommunizieren und zu bewerten. Durch die Erstellung eines Prototyps für einen solchen vernetzten, digitalisierten und technologiebasierten Service wird es für die Beteiligten viel einfacher, das Was, Wie und Warum zu verstehen. Sie bietet aber auch Einblicke, die bei der Optimierung des zukünftigen Service hilfreich sein können. Immersion bedeutet tiefe mentale und soziale Beteiligung. Das Immersionskonzept kann je nach Zweck und Eigenschaften physische, mentale oder soziale Formen annehmen (Pallot et al. 2013). Der Grad der Immersion beruht nach Slater und Wilbur (1997, zit. nach Dörner et al. 2013) auf vier technischen Eigenschaften von Ausgabegeräten:

406 „ „ „ „

Ch. van Husen und A. R. Abdel Razek Die Sinneseindrücke des Menschen sollen möglichst ausschließlich durch den Computer generiert werden, d. h. der Nutzer soll weitestgehend von der realen Umgebung isoliert werden. Möglichst viele Sinne sollen angesprochen werden. Die Ausgabegeräte sollen den Nutzer vollständig umgeben, anstatt nur ein enges Sichtfeld zu bieten. Die Ausgabegeräte sollen eine „lebendige“ Darstellung bieten, z. B. durch hohe Auflösung und Qualität der Farbdarstellung.

Immersive Technologien (VR, AR, MR) werden in der Industrie häufig eingesetzt, insbesondere für das Produkt- und System-Prototyping, um die immersiven Erfahrungen von Stakeholdern zu verbessern (Buchenau/Fulton Suri 2000). Immersive Technologien können verwendet werden, um die Sinne zu manipulieren und dadurch virtuelle Erlebnisse zu ermöglichen. Mit dem vollständigen Eintauchen werden die immersive Realität als real wahrgenommen und gleichzeitig natürliche, intuitive Interaktionen ermöglicht (Dupont et al. 2016), indem man sich umherbewegt oder ein Gerät mit Sensoren verwendet, die Interaktionsinformationen sammeln und das Eintauchen entsprechend ändern (Barnes 2017). Durch den Einsatz von Geräten wie Head-Mounted Displays (HMD), Power-Walls und Cave Automatic Virtual Environment können Stakeholder visuell und akustisch in die virtuelle Welt eintauchen. Durch die Ergänzung von taktilen Geräten wie sich bewegenden Komponenten, omnidirektionalen oder monodirektionalen Laufbändern sowie Controllern oder Joysticks werden reale Bewegungen in virtuelle umgewandelt. Daher ist es wichtig, den richtigen Grad des Eintauchens zu kennen, um die bestmögliche Nutzererfahrung zu erzielen. Der Grad des Eintauchens hängt von der Anzahl der manipulierten Sinne ab, bei denen sich das Gefühl der Beteiligten hinsichtlich Zeit, Aufwand und Technologie auflöst (Dupont et al. 2016). Augmented Reality ist eine 3D-Technologie, die zusätzliche Informationen durch Überlagerung von computergenerierten Informationen wie Text, Bildern, Videos oder Grafiken zu dem Bild einer realen Umgebung ergänzt. Bei diesem Prozess werden die virtuellen Objekte mit den erfassten realen Umgebungsdaten kombiniert (Martins et al. 2015). Ähnlich wie bei AR werden bei MR digitale Objekte der realen Welt hinzugefügt. Der Unterschied ist, dass die erzeugten digitalen Informationen mit der realen Welt verschmelzen und der Nutzer diese nicht nur sehen, sondern auch mit ihnen interagieren kann. Dienstleistungsprozesse lassen sich mit Hilfe der Mixed Reality (MR)-Technik durch dreidimensionale Bilder optisch ansprechender darstellen als mit konventionellen Methoden (Papier, PowerPoint, Video usw.). Der Benutzer kann die virtuellen, dreidimensionalen Bilder von allen Seiten im realen Raum betrachten. Anders als bei der Virtual Reality (VR)-Technik bleibt der Benutzer dabei im realen Raum und muss nicht in eine rein virtuelle Welt übergehen, das reduziert die Hemmschwelle. Die Nutzung eines MR-Prototypen sorgt für ein visuelles- und emotionales Erlebnis. Der Einsatz eines MR-Prototypen in Kombination mit der HoloLens-Datenbrille ermöglicht neue Formen des Erlebens und der Interaktion. Ziel der Untersuchung ist es, zu analysieren, ob durch den Einsatz neuer

Vom Prozessmodell zum digital erlebbaren Prototypen

407

Technologien wie VR, AR, und MR komplexe Servicestrukturen für die Stakeholder besser und verständlicher dargestellt werden können.

3.3 Vergleich immersiver Prototyping-Techniken Mit allen drei Prototypen (MR, VR und AR) kann der Anwender die virtuelle dreidimensionale Anlage von allen Perspektiven im realen oder virtuellen Raum betrachten. Dies verschafft dem Betrachter ein visuelles und emotionales Erlebnis. Auf diese Weise kann man im Prototypen der Immaterialität von Dienstleistungen entgegenwirken und diese für Stakeholder greifbar machen. Für unterschiedliche Servicekomplexität und verschiedene Anwendungszwecke werden unterschiedliche Prototyping-Arten empfohlen. Konventionelle Serviceprototypen eignen sich möglicherweise besser für das Prototyping weniger komplexer Serviceprozesse, bei denen keine Interaktionsfunktionalität erforderlich ist oder für das Rapid Prototyping. Immersive Serviceprototypen bieten eine höhere UX aufgrund der Fähigkeit, einen höheren Grad an Wiedergabetreue, Auflösung und Interaktion zu erzielen (Abdel Razek et al. 2019a, 2019b). Daher scheinen immersive Serviceprototypen für das Prototyping komplexer Serviceprozesse besser geeignet zu sein. Immersive Serviceprototypen eignen sich eher für die Darstellung mehrdimensionaler Serviceprozesse (Akteure, Artefakte, Umgebungen, Prozesse), die im Bereich industrieller Dienstleistungen häufig von Bedeutung sind. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass immersive Serviceprototypen die Fähigkeit verbessern, eine neue Leistung zu erkunden, zu erleben und zu bewerten, noch bevor sie tatsächlich existiert (Abdel Razek et al. 2019b). Die erstellten Serviceprototypen wurden in Experimenten mit verschiedenen Zielgruppen untersucht und ausgewertet. Abbildung 6 fasst die Rückmeldungen aller Workshops, Fokusgruppeninterviews und Einzelinterviews der Teilnehmer zu den verschiedenen in diesen Aktivitäten verwendeten Service Prototyping-Arten zusammen. In der Tabelle werden die Attribute der verschiedenen Prototyping-Arten im Vergleich bewertet. Diese Attribute wurden von Abdel Razek et al. (2018b) definiert und erörtert. Diese Tabelle wurde basierend auf dem dargestellten, digital geprägten Use Case erstellt und beschränkt sich auf die immersiven Service Prototyping-Arten. Unter anderem zeigt der Vergleich, dass die Nutzererfahrung durch ein höheres Maß an Eintauchen und Interaktion verbessert wird, ebenso die Feedback-Qualität. Immersive Technologien erfordern technologische Investitionen und umfassendes Know-how für komplexe Anwendungen. Je komplexer das Eintauchen ist, desto höher ist der Aufwand und die Anfangsinvestition.

408

Ch. van Husen und A. R. Abdel Razek

Attribute

VRSP

ARSP

MRSP

Abstraktionsebene

H

VH

VH

Detaillierungsgrad

VH

H

H

Aufwand

VH

H

VH

Interaktivität

VH

H

VH

Nutzererfahrung

VH

VH

VH

Kommunikation

VH

VH

VH

Feedback

H

VH

VH

Visualisierung

VH

VH

VH

Simulation

VH

H

H

H

M

VH

Verwendung

Abbildung 6:

Vergleich der immersiven Service Prototyping-Arten (Quelle: Abdel Razek et al. 2018b, S. 8)

Je nach Zweck des Prototyping im Entwicklungsprozess sind unterschiedliche Technologien geeignet (Abdel Razek et al. 2018a; 2018b). Deshalb wurde ein Leitfaden erstellt, der Serviceentwicklern bei der Auswahl der für ihren Prototyp am besten geeigneten Technologie hilft. Anhand der Ergebnisse (Abdel Razek et al. 2019a; 2019b) werden immersive Technologien für bestimmte Service Prototyping Zwecke und Aktivitäten in Abbildung 7 empfohlen. Service-PrototypingZweck

Service-PrototypingAktivität

TechnologieEmpfehlung

Explorieren

Entdecken

Augmented Reality

Bewerten

Testen Demonstrieren

Mixed Reality

Kommunizieren

Training Informieren Integrieren Planen

Virtual Reality

Abbildung 7:

Empfehlung immersiver Technologien für Service-Prototyping-Zwecke

Vom Prozessmodell zum digital erlebbaren Prototypen

4.

409

Fazit und Ausblick

In dem vorliegenden Beitrag wurde das Konzept des Service Prototyping angewendet auf innovative und komplexe PSS mit einem neuen Pay-per-Use-Geschäftsmodell. Zu diesem Zweck wurden Prototypen mit verschiedenen Techniken erstellt. Service Prototypen auf Basis von AR, MR oder VR sind je nach Einsatzzweck unterschiedlich geeignet bzw. vorteilhaft. Der Aufwand für die Erstellung der Prototypen ist nicht zu vernachlässigen, aber verglichen mit dem Entwicklungs- und Prototyping-Aufwand von Sachgütern durchaus zu vertreten – insbesondere im Verhältnis zum Nutzen. Denn die immersiven Prototypen haben tatsächlich zur Erlebbarkeit auch einer solch abstrakten Leistung beigetragen. Immersive Technologien eignen sich besonders im Zusammenhang mit der Personalisierung, da jeder Benutzer das Eintauchen auf unterschiedliche Weise wahrnimmt. Virtual Reality ermöglicht, dass jeder einzelne Benutzer seine eigene virtuelle Umgebung mit seinen Vorlieben schon in der Entwicklung testweise personalisieren und sogar virtuelle Informationen hinzufügen oder entfernen kann, um den individuellen Bedürfnissen und Wünschen zu entsprechen. Dagegen bietet Mixed Reality eine orts- und positionsbasierte Personalisierung, da jeder Benutzer sein Hologramm an seinen bevorzugten Ort und in seine bevorzugte Position in der realen Umgebung, in der er sich befindet, projizieren kann. Immersive Technologien sind im Kontext der Automatisierung ebenfalls gut geeignet, weil sie digitale Informationen, z. B. zu cyber-physischen Systemen, gut abbilden können und sogar Simulationen ermöglichen. Digitale Daten, die bereits vorhanden sind, können mit begrenztem Aufwand zu Prototypen verarbeitet werden. Die immersive Visualisierung in der virtuellen Realität kann verwendet werden, um auch abstrakte Informationen in Automatisierungsprozessen wie beispielsweise die Interaktion von Systemen zu veranschaulichen. Mixed Reality kann das Verständnis der Stakeholder für Automatisierung verbessern, indem die Maschineninteraktionen in holografischer Form visualisiert werden, die über reale Maschinen oder eine Fabrikhalle überlagert werden können. Es ist zu erwarten, dass neue und schwer erklärbare Leistungen zunehmen werden, sodass der Bedarf an derartigen Entwicklungsaufgaben steigt. Ebenso ist zu erwarten, dass das Equipment zur immersiven Darstellung preisgünstiger und weiter verbreitet sein wird; auch die Erstellung immersiver Prototypen wird vermutlich einfacher und günstiger werden. Insofern ist davon auszugehen, dass immersives Service Prototyping für die Zukunft noch einiges an Potenzial birgt.

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Ch. van Husen und A. R. Abdel Razek

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4. Branchenspezifische Besonderheiten

Matthias Hille und Freimut Bodendorf

Smart Services in der Baubranche

1. Herausforderungen der digitalen Transformation für Zulieferer in der Baubranche 2. Theoretische Grundlagen und Kategorisierungsmodelle für Dienstleistungen und Produkte 2.1 Produktinformationen und produktbezogene Datensätze 2.2 Service Management und Smart Services 2.3 Kategorisierung von Dienstleistungen im Hoch- und Tiefbau 2.4 Kategorisierung von Produkten im Hoch- und Tiefbau 3. Quantitative Untersuchung der Verbreitung von digitalen Dienstleistungen in der Bauindustrie im deutschsprachigen Raum 3.1 Vorgehensweise zur Sammlung von Dienstleistungen in der Baubranche 3.2 Wesentliche quantitative Erkenntnisse zu digitalen Dienstleistungen in der deutschsprachigen Baubranche 3.3 Verbreitung von digitalen Dienstleistungen in der deutschsprachigen Baubranche 4. Integriertes Framework zur Modularisierung von digitalen Dienstleistungen als Lösungsansatz zur vereinfachten Dienstleistungserstellung 4.1 Bestehende Ansätze zur modularen Erfassung und Beschreibung von Dienstleistungen 4.2 Entwicklung eines integrierten Frameworks zur Modularisierung von digitalen Dienstleistungen in der Baubranche 5. Diskussion und Zusammenfassung Literaturverzeichnis

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___________________________ Prof. Dr. Freimut Bodendorf ist Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsinformatik, insbesondere im Dienstleistungsbereich, und Direktor des Instituts für Wirtschaftsinformatik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Matthias Hille, M.Sc., ist wissenschaftlicher Mitarbeitender am Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik, insbesondere im Dienstleistungsbereich, der Friedrich-Alexander Universität ErlangenNürnberg und externer Berater bei der REHAU Gruppe.

1.

Herausforderungen der digitalen Transformation für Zulieferer in der Baubranche

Während der globale Markt für digitale Dienstleistungen im Internet im Jahre 2017 einen Umsatz von 133,89 Mrd. USD erzielte, ist der digitale Anteil am Gesamtumsatz im Bauwesen bislang sehr klein (Schreiber 2017; Ahn et al. 2012). Weniger als ein Prozent des Nettoumsatzes werden in IT-Tools und andere digitale Lösungen investiert, obwohl Bauprojekte eine durchschnittliche Kostenüberschreitung in Höhe von 30 Prozent aufweisen (Hernández 2013; Kim 2004). Ein weiteres Problem ist, dass die Produktivität in der Bauwirtschaft seit Jahrzehnten weltweit leicht abnimmt und stagniert. In vielen Märkten, insbesondere den deutschsprachigen Märkten, stehen bei gesteigerter Nachfrage weniger Mitarbeitende zur Verfügung (McKinsey 2017). Gleichzeitig ist die Digitalisierung ein wichtiger Treiber für alle Branchen, z. B. der Immobilien- und Finanzbranche (Degryse 2016; Cuesta et al. 2015). Während die Finanzindustrie stark zentralisiert ist, besteht die Baubranche aus vielen lokalen Akteuren und einem hohen Maß an dezentralen Strukturen. Insbesondere durch die hohe Dezentralität bei gleichzeitig sehr heterogenen Unternehmen bestehen gute Voraussetzungen für die Nutzung von digitalen Dienstleistungen. Gleichzeitig sind jedoch auch große Herausforderungen auf Anbieterseite vorhanden, um Dienstleistungen zu entwickeln und anzubieten (Oesterreich/Teuteberg 2016). Für global tätige Anbieter ist es relevant, die zukünftige Strategie mit einem digitalen Portfolio rund um Dienstleistungen zu erweitern, da sich Wertschöpfungsketten schnell ändern. Da die meisten Lieferanten über mehrstufige Vertriebsstrukturen verfügen, ist es schwierig Kenntnisse über Produktnutzung, Standort, Umgebungsinformationen, usw. zu erhalten. Diese Kontextinformationen sind neben dem Wissen über Vorgehensweisen und Anforderungen für die Dienstleistungsentwicklung gerade für Lieferanten und Zulieferfirmen innerhalb der Bauwirtschaft wichtig, um das eigene Portfolio zu erweitern oder neue Standbeine mit einem digitalen Geschäftsbereich aufzubauen. In dieser Ausarbeitung werden Produktinformationskategorien im Hoch- und Tiefbau mit einer modularen Dienstleistungsbeschreibung verbunden. Die notwendigen technischen und organisatorischen Voraussetzungen für die Dienstleistungsentwicklung werden mit Wissen über vorhandene Hardware-Produkte kombiniert. Somit wird der Serviceentwicklungsprozess für Zulieferunternehmen vereinfacht und transparenter als bisher. Methodisches Vorgehen und Forschungsfragen Die vorliegende Arbeit stellt Probleme und branchenspezifische Eigenschaften dar und analysiert quantitative Ergebnisse zu digitalen Dienstleistungen der Bauindustrie im deutschsprachigen Raum. Schlussendlich wird ein Framework zur modularisierten Dienstleistungserstellung für mittelständische Unternehmen vorgestellt.

420

M. Hille und F. Bodendorf

Die Modularisierung von Service-Geschäftsmodellen ist notwendig, um technische und organisatorische Anforderungen in einfach zu handhabenden Modulen zu definieren. Um die beschriebenen Kernziele zu erreichen, werden die folgenden Forschungsfragen (F1-F3) in mehreren Teilschritten in den Abschnitten 2-4 bearbeitet. F1: Wie können Produkte in der Bauzulieferindustrie kategorisiert werden? F2: Wie verbreitet sind digitale Dienstleistungen in der deutschsprachigen Baubranche? F3: Wie lässt sich der Serviceentwicklungsprozess für Zulieferunternehmen der Baubranche durch einen modularen Ansatz vereinfachen?

2.

Theoretische Grundlagen und Kategorisierungsmodelle für Dienstleistungen und Produkte

Diese Arbeit bezieht sich auf die Bauindustrie, insbesondere den Hoch- und Tiefbau im privaten Haus- und Wohnungsbau. In Abschnitt 2 werden die relevanten Konzepte der Produktkategorisierung, produktbezogenen Datensätzen und Smart Services beschrieben. In Abschnitt 2.1 und Abschnitt 2.2 wird anhand einer systematischen Literaturanalyse der aktuelle Forschungsstand sowie theoretische Grundlagen gelegt. Abschnitt 2.3 und 2.4 folgen schließlich mit einer Untersuchung von Produktkategorien und Dienstleistungskategorien anhand vorhandener Literatur sowie einer Marktanalyse.

2.1 Produktinformationen und produktbezogene Datensätze Produkte können im Allgemeinen durch ihre Greifbarkeit unterschieden werden, entweder sind sie materiell oder immateriell (Goldkuhl/Röstlinger 2000). Materielle Produkte können in Konsumgüter (B2C) und Industriegüter (B2B) unterteilt werden, während immaterielle Dienstleistungen in Konsum- und Investitionsdienstleistungen unterteilt werden (Backhaus/Hahn 1998; Friese 2013; Grande 2014). Für produzierende Unternehmen, Einzelhändler und Kunden (sowohl für Unternehmenskunden als auch private Endkunden) sind Produktinformationen relevant (Osl/Otto 2007). Eine der häufigsten Methoden zur effizienten Verwaltung von Produktdaten ist der Einsatz von Product Information Management (PIM)-Systemen. PIM-Systeme ermöglichen die zentrale Speicherung und Pflege von Texten, Bildern und anderen Informationen, die für die produktbezogene Kommunikation innerhalb des Unternehmens sowie mit Kunden, Lieferanten und Behörden wichtig sind. Während PIM den Fokus auf die Anforderungen aus Marketing- und Vertriebsabteilungen legt, erfüllen Produktdatenmanagementsysteme (PDM) die Anforderungen von Entwicklungsabteilungen und Werken (Osl/Otto 2007; Seiler et al. 2003). Beide Systeme werden zur Effizienzsteigerung und Kostensenkung in

Smart Services in der Baubranche

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Unternehmen eingesetzt (Osl/Otto 2007). Neben PIM-Systemen nutzen viele Unternehmen Product Lifecycle Management (PLM)-Systeme, um den gesamten Lebenszyklus eines Produkts von der ersten Idee über die Vermarktung bis zum End-of-Live eines Produktes zu verwalten (Stark 2015). Unternehmen konzentrieren sich oft auf bestehende und direkt produktbezogene Informationen und Datensätze wie Abmessungen, Konfigurationsmöglichkeiten, Material, Farbe, Form und andere Merkmale. Umgebungsinformationen wie Nutzung der Produkte, Abhängigkeiten zu anderen Produkten, Standort und Probleme werden oft nicht strukturiert genutzt oder nicht erfasst. Für die Geschäftsentwicklung und Produktverbesserungen sind die technischen Details sowohl für die Produktinformationen als auch für das betriebliche Umfeld relevant. Die Umgebung eines Produkts ist sowohl für die Anforderungen als auch für die Verwendung eines Produkts von wesentlicher Bedeutung. Alle Informationen, von der Umgebung bis hin zu den Nutzungsinformationen, sind für Unternehmen als Datengrundlage zur weiteren Strategieentwicklung, Planung und Adaption relevant (Grande 2014). Produktbezogene Informationen können auf unterschiedliche Weise erfasst werden, z. B. können Nutzer und Wartungspersonal diese Daten erfassen und melden. Während diese Informationen für materielle Produkte verständlich und transparent sind, stellt sich der Kontext der immateriellen Dienstleistungen im Dienstleistungsbereich „aufgrund der Intangibilität […] für den Kunden nicht transparent dar, sondern muss zunächst entsprechend vermittelt werden“ (Boss 2011).

2.2 Service Management und Smart Services „[…] Industrieunternehmen auf der ganzen Welt haben wachsende Anstrengungen bei der Entwicklung von Dienstleistungen unternommen, um langfristiges Wachstum zu sichern und wettbewerbsfähig zu bleiben […]“ (Jacob/Ulaga 2008). Dieses Zitat von Jacob und Ulaga (2008) beschreibt, wie sich die weltweite Industrie von reinen Produktportfolios zu kombinierten Portfolios aus Produkten und Dienstleistungen entwickelt. Im Allgemeinen gibt es zwei Arten von Dienstleistungen. Erstens, die Dienstleistungen, die Add-ons zu oder basierend auf bestehenden Produkten sind, und völlig neue Geschäftsmöglichkeiten, die durch Dienstleistungen getrieben werden, die nicht oder nicht direkt mit bestehenden materiellen Produkten verbunden sind. In der analysierten Literatur dominieren zwei verschiedene Definitionen von Dienstleistungen: Die Goods-Dominant Logic (GD-Logic) und die Service-Dominant Logic (SD-Logic) (Jacob/Ulaga 2008; Lindner/Stadtelmann 2015). Die GD-Logic basiert auf greifbaren Produkten und Dienstleistungen, die dazu dienen, den Wert physischer Güter zu steigern oder sich von Mitbewerbern zu differenzieren. Die GD-Logic unterscheidet zwischen physischen Waren und Dienstleistungen auf der Grundlage von vier Merkmalen: Intangibilität, Heterogenität, Untrennbarkeit und Nichtlagerbarkeit (IHIP-Eigenschaften). Die Erstellung der Dienstleistung wird durch einen externen Faktor (den Kunden) beeinflusst, der einen unterschiedlichen Einfluss auf den Prozess der Leistungserstellung hat. GD-Logic geht immer davon aus, dass ein externer

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M. Hille und F. Bodendorf

Faktor eingreift und sich nur in Tiefe und Intensität der Intervention unterscheidet (Lindner/Stadtelmann 2015). In GD-Logic ist der Kunde neben natürlichen Rohstoffen, Geld oder Maschinen eine weitere Ressource (Lindner/Stadtelmann 2015; Constantin/ Lusch 1994). In dieser Logik hat der Kunde oder Benutzer nur eine passive Rolle und ist kein aktiver Teilnehmer bei der Leistungserstellung. In der Literatur wird kritisiert, dass die IHIP-Merkmale nicht zwischen Waren und Dienstleistungen unterscheiden können (Edvardsson et al. 2005a; Edvardsson 2005b; Moeller 2010). Nach Lindner und Stadtelmann (2015) und Lusch et al. (2006) ist in der Branche ein Umdenken im Marketing erkennbar, da die Ware selbst nicht mehr das Alleinstellungsmerkmal (USP) ist, sondern die damit verbundene, kaufentscheidende Dienstleistung für den Kunden einen wichtigen Unterschied machen kann (Lindner/Stadtelmann 2015; Lusch et al. 2006). Im Gegensatz zur GD-Logic stellt die SD-Logic die Dienstleistung in den Mittelpunkt des Konzepts und stellt somit eine Logik dar, die speziell für Dienstleistungen geeignet ist.

2.3 Kategorisierung von Dienstleistungen im Hoch- und Tiefbau Dienstleistungen werden nach verschiedenen Modellen kategorisiert, während das Modell und die Perspektive einen hohen Einfluss auf potenzielle Strategien haben. Daher wurden verschiedene Modelle im Rahmen einer strukturierten Literaturrecherche überprüft. Die inhaltlich und strukturell am besten auf das bearbeitete Thema passenden Modelle wurden von Lee und Park (2009), Lovelock (1983) und Shafti et. al. (2007) entwickelt. Die Forschung von Lee und Park (2009) basiert auf einer umfangreichen Befragung, die auf einem Webportal durchgeführt wurde. In der Umfrage wurde untersucht, wie unterschiedliche Online-Dienste von den Zielgruppen wahrgenommen werden. Nach der Analyse erstellten die Autoren ein Modell mit sechs Gruppen und elf Variablen (Lee/Park 2009). Die verwendeten Merkmale sind vergleichbar mit denen von Shafti et al. (2007). Diese Studie untersuchte zwölf Dienstleistungssektoren im Vereinigten Königreich und kategorisierte sie nach neun verschiedenen Dimensionen (Shafti et al. 2007). Bereits im Jahre 1983 fasst Lovelock die Kategorisierung von Dienstleistungen in fünf Dimensionen zusammen (Lovelock 1983). Basierend auf den genannten elf Variablen (Lee/Park 2009) wurden drei übergeordnete Dimensionen zugeordnet: Traditionelle Dienstleistungen, Online-basierte Dienstleistungen und eine Mischform. Hieraus leitet sich die folgende Liste von Kategorien für thematisch bündelbaren Dienstleistungen ab: „ „ „ „ „ „

Massendienstleistungen, Professionelle Dienstleistungen, Intellektuelle Dienstleistungen, Kreditdienstleistungen, Unterstützende Dienstleistungen, Gebäudedienstleistungen.

Smart Services in der Baubranche

423

2.4 Kategorisierung von Produkten im Hoch- und Tiefbau Neben der Klassifizierung von Dienstleistungen ist auch eine Klassifizierung der Produkte sinnvoll. Stemmann (2007) definiert Produktklassifizierung als die Struktur der Reihenfolge von Produkten und Dienstleistungen. Die Produkte werden nach bestimmten Merkmalen klassifiziert und in Gruppen eingeteilt. Die Klassifizierung wird durch zuvor definierte Attribute bestimmt, die über mehrere Hierarchieebenen vererbt werden können (Grabowski 1998). Problematisch ist, dass die meisten Klassifizierungen intern in Unternehmen oder Organisationen verwendet werden und viele Unternehmen nicht die üblichen Branchenklassifikationen und Standards verwenden. Es mangelt an branchenweiten Standards, und die Folgen sind ein Meer von Insellösungen, die für die externe Kommunikation übersetzt oder standardisiert werden müssen. Es wurden branchenweite Standards eingeführt, die jedoch nicht auf einer gemeinsamen Daten- und Softwarebasis verwendet werden. Dadurch treten Probleme wie Dateninkonsistenzen, Datenaustauschprobleme und Schnittstellenprobleme auf. (Stemmann 2007; Sosnicki 2008) Die Bauindustrie kann in verschiedene Produktbereiche unterteilt werden, die mehrere Unterkategorien haben. Alle Kategorien von Produkten haben unterschiedliche Datensätze und Abhängigkeiten, wie z. B. technische Daten, Produktdaten und Materialarten. Die Identifizierung relevanter Produktkategorien innerhalb der Bauwirtschaft erfolgte durch Branchen-, Internet- und Wettbewerbsanalysen auf Basis von Industriehändlern und produzierenden/herstellenden Unternehmen im Baubereich. Dazu wurden über 30 Händlerkataloge und Händler-Websites analysiert. Im Mittelpunkt stand der deutschsprachige Markt, daraus leitet sich die Klassifizierung in Abbildung 1 ab. Kategorie

Beispielprodukt

Hochbau

Beton, Ziegel, Steine

Tiefbau

Trink- und Abwasserleitungen

Dämmung

Mineralwolle

Bedachung

Holz, Bitumen, Dachziegel

Außenhülle

Fenster, Fassade

Straßenbau

Abwasserschächte, Rohre, Leitungen

Trockenbau

Gipskartonplatten

Werkzeuge/Baumaschinen

Elektrische Bohrmaschinen

Abbildung 1:

Kategorisierung von Bauprodukten

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Für Produkte gibt es mehrere Modelle zur Nutzung von Informationen. Die meisten sind auf PLM oder PIM ausgerichtet. Laut Lee und Suh (2008) existieren im PLM vier Schichten des Produktwissens als Abstraktionsschichten für beschreibbares Wissen (Lee/Suh 2008; Witherell et al. 2013): „ „ „ „

Produktkontextmodell (PCM), Produktspezifisches Modell (PSM), Produktplanungsmodell (PPM), Produktherstellungsmodell (PMM).

In dieser Ausarbeitung stehen die ersten beiden Schichten (PCM und PSM) im Fokus, PPM und PMM stehen nicht im direkten Fokus, da diese für die Produktentwicklung und -herstellung relevant sind, jedoch nicht für externe Kommunikation und Klassifizierung. Bei den in der Forschung befindlichen Informationen handelt es sich um Produktinformationen und produktbezogene Informationen, die auch als Produktkontextinformationen bezeichnet werden. Produktkontextinformationen beschreiben Informationen, die nicht das Produkt selbst beschreiben, aber dennoch für Entwicklung, Wartung, Dienstleistungserbringung, Gebrauch oder Demontage relevant sind. Als Informationsquellen für Produkt- und Kontextinformationen wurden mehrere potenzielle Quellen für Hoch- und Tiefbauprodukte durch Literaturrecherche nach Fettke (2006) identifiziert, sowie durch Desk Research mit strukturierter Analyse von Informationen aus Whitepapers und branchenrelevanten Normen angereichert (Fettke 2006). Die Ergebnisse werden in vier Hauptkategorien eingeteilt: Regulatorische Informationen, Umwelteinflüsse, Materialeinsatz, Technische Spezifikation.

3.

Quantitative Untersuchung der Verbreitung von digitalen Dienstleistungen in der Bauindustrie im deutschsprachigen Raum

Neben der Literaturanalyse in Abschnitt 2 ist zur weiteren Betrachtung von Dienstleistungen insbesondere das Marktverständnis über den Status Quo relevant. In diesem Abschnitt wird das Marktverständnis durch quantitative Analysen im deutschsprachigen Markt der Bauwirtschaft – insbesondere dem Hoch- und Tiefbau für den Haus- und Wohnungsbau – erarbeitet und analysiert. Hierzu werden die folgenden zwei Hypothesen (H1, H2) definiert und anschließend getestet: H1: Umsatzstärkere Unternehmen bieten mehr digitale Dienstleistungen an als umsatzschwächere Unternehmen. H2: Die häufigste Art der angebotenen Dienstleistungen sind Konfiguratoren und Planungssoftware für ein vorhandenes Hardware-Produktportfolio.

Smart Services in der Baubranche

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Dazu wurden zunächst Zuliefererunternehmen in der Baubranche bestimmt, um in einem zweiten Schritt eine Liste der digitalen Dienstleistungen und der dazugehörigen anbietenden Zuliefererunternehmen der Bauindustrie zu erstellen. Hierfür wurde eine Sekundärforschung anhand der Unternehmenswebsites und anhand einer Internetrecherche durchgeführt. Das Ergebnis ist eine Liste von 187 digitalen Dienstleistungen, die von den gefundenen Zuliefererunternehmen im deutschsprachigen Haus- und Wohnungsbau angeboten werden. Die vorgenommenen Auswertungen über die digitalen Dienstleistungen bestätigen die Hypothese, dass bei steigendem Umsatz der Unternehmen auch die Anzahl an angebotenen, digitalen Dienstleistungen zunimmt.

3.1 Vorgehensweise zur Sammlung von Dienstleistungen in der Baubranche Für die Sammlung und Analyse von Dienstleistungen in der Baubranche wird eine Methodenkombination nach der mixed methods Methode von Johnson und Onwuegbuzie (2004) verwendet. Hiermit wird ausgehend von Firmenverzeichnissen und -listen in der Bauindustrie eine Liste von Dienstleistungen aufgestellt und schließlich die generierte Menge an Dienstleistungen und dazugehörigen Unternehmen ausgewertet. Identifizierung Im ersten Schritt erstellten die Autoren eine Liste der derzeit im Markt der Bauindustrie vorhandenen Dienstleistungen mittels Sekundärforschung (Glass 1976). Verfügbare Quellen, namentlich der Deutsche Aktienindex (DAX), Mid-Cap-Deutscher Aktienindex (MDAX) und Small-Cap-Deutscher Aktienindex (SDAX), veröffentlichte Fallstudien sowie einschlägige Branchenverzeichnisse wurden zur Sammlung und weiteren Untersuchung von Zulieferern in der Baubranche verwendet. Darüber hinaus haben Experteninterviews mit Topmanagern eines global tätigen Herstellers von Halbzeugen im Baubereich stattgefunden, worüber direkte und indirekte Mitbewerber des entsprechenden Unternehmens aufgelistet wurden. Kodierung Alle identifizierten Unternehmen wurden durch eine Marktanalyse weiter analysiert. Metadaten (z. B. Name, Gesellschaftsform, Muttergesellschaft, usw.) sowie relevante Parameter (z. B. Voraussetzungen wie Umsatz, Standorte, Mitarbeiterzahl) wurden dokumentiert. Diese Faktoren resultieren aus einer Literaturrecherche zu fragmentierten Erfolgsfaktoren von Dienstleistungen in wissenschaftlichen Datenbanken. Zu jedem gelisteten Unternehmen wurden im Anschluss die jeweilige Unternehmenswebsite sowie verfügbare regionale und überregionale Berichterstattung zu digitalen Dienstleistungen analysiert und

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M. Hille und F. Bodendorf

ausgewertet. Jede gefundene Dienstleistung, die einem oder mehreren Unternehmen zuordenbar war, wurde in die Liste aufgenommen und alle verfügbaren Datenpunkte aufgeführt. Analyse Im Anschluss wurden die gelisteten Dienstleistungen und Firmen quantitativ analysiert. Die hierbei generierten Ergebnisse werden in Abschnitt 3.2 dargestellt und zusammengefasst. Aufbauend sind weitere Analysen auf Basis der erhobenen Daten sowie die Erstellung von Korrelationen möglich.

3.2 Wesentliche quantitative Erkenntnisse zu digitalen Dienstleistungen in der deutschsprachigen Baubranche Die in 3.1 beschriebenen Quellen wurden verwendet um Listen von Firmen als Bauzulieferer zu identifizieren. Schließlich wurden alle separat erstellten Listen zusammengeführt und dabei Dopplungen und nicht mehr existente Firmen entfernt. Insgesamt fließen 26 Unternehmen (36 Prozent) aus den Aktienindizes in die Analyse ein, 26 Unternehmen (36 Prozent) aus der Expertenbefragung eines global tätigen Bauzulieferunternehmen ein und 19 Unternehmen (28 Prozent) aus Branchenverzeichnissen. Insgesamt sind somit 69 Unternehmen des deutschsprachigen Raums (DACH-Region) teil der Analyse.

Abbildung 2:

Umsätze der Unternehmen mit kumuliertem Anteil am Gesamtumsatz

In Abbildung 2 ist die Umsatzverteilung der analysierten Firmen zu sehen. Es ist ersichtlich, dass die Linie des kumulierten Anteils am Gesamtumsatz näher bei der kompletten Ungleichverteilung als bei der kompletten Gleichverteilung verläuft. So haben die größten

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427

fünf Unternehmen einen kumulierten Anteil am Gesamtumsatz in Höhe von 49 Prozent. Bei kompletter Gleichverteilung hingegen läge dieser Anteil bei sieben Prozent. Hieran ist die ungleiche Verteilung des untersuchten Datensatzes hinsichtlich des Umsatzes zu erkennen. Insgesamt erwirtschaften die sechs umsatzstärksten Firmen mehr als die Hälfte des Gesamtumsatzes. Die 35 umsatzschwächsten Unternehmen verfügen über lediglich einen kumulierten Anteil in Höhe von drei Prozent. Der Hauptsitz der untersuchten Gesellschaften wird in Abbildung 3 dargestellt. Aufgrund von Überlagerungen sind nicht alle 69 Standorte sichtbar. Insgesamt befinden sich 58 Firmensitze innerhalb der alten Bundesländer (84 Prozent). Acht Firmen haben ihren Hauptsitz in Österreich oder in der Schweiz (12 Prozent), sodass bei den beiden verbleibenden Unternehmen der Sitz in den angrenzenden Nachbarstaaten liegt also Niederlande und Italien (drei Prozent). Lediglich ein Prozent aller Unternehmen sind in den neuen Bundesländern Deutschlands angesiedelt.

Abbildung 3:

Rechtlicher Hauptsitz der untersuchten Unternehmen

Ausgehend von den 69 analysierten Unternehmen konnten insgesamt 187 eindeutige, digitale Dienstleistungen bestimmt werden. Als digitale Dienstleistungen wurden dabei Dienstleistungen gewertet, die entweder vollständig digitalisiert und automatisiert (üblicherweise Software) erbracht werden oder Dienstleistungen die teil-digitalisiert (beispielsweise Marktplätze, Vermittlungen) sind und einen manuellen Arbeitsanteil in der Phase der Leistungserbringung erhalten.

428

M. Hille und F. Bodendorf

3.3 Verbreitung von digitalen Dienstleistungen in der deutschsprachigen Baubranche Abbildung 4 zeigt die Anzahl an digitalen Dienstleistungen in Abhängigkeit von der Dienstleistungskategorie und in Abhängigkeit der Quelle, aus der das Unternehmen stammt. Zur Diskussion stehen die in 3.1 genannten Hypothesen 1 und 2. In H1 ist beschrieben, dass umsatzstärkere Unternehmen dazu tendieren mehr digitale Dienstleistungen als umsatzschwächere Dienstleistungen zu entwickeln. H1: Umsatzstärkere Unternehmen bieten mehr digitale Dienstleistungen an als umsatzschwächere Unternehmen Quelle der Firmen

Aktienindizes

Expertenbefragung

Branchenmagazine

Summe

Konfigurator-/Auslegungs-/ Managementsoftware

27

15

5

47

Kundenportal/Marktplätze

23

16

1

40

Beratung

22

4

1

27

Sonstiges

21

0

2

23

BIM-Datenbank

7

12

2

21

Mobile Anwendung

5

9

2

16

Schulung

4

4

3

11

Produkterweiterung

0

2

0

2

109

62

16

187

Art der Dienstleistung

Summe

Abbildung 4:

Anzahl der digitalen Dienstleistungen je Quelle und je Dienstleistungsart

Unternehmen aus den deutschen Aktienindizes (DAX, MDAX und SDAX) sind natürlicherweise die größeren Unternehmen aus der Gesamtliste und kommen auf einen durchschnittlichen Umsatz von 13 Mrd. EUR. Die Unternehmen aus Branchenverzeichnissen und Wettbewerber aus der Managementbefragung sind im Schnitt mit zwei bis drei Mrd. EUR Jahresumsatz bedeutend kleiner. Schwierig ist an dieser Stelle jedoch die Abgrenzung von Umsätzen, die rein mit Umsätzen aus der untersuchten Branche zu verknüpfen sind und nicht in einem Mischkonzern auch mit anderen Sparten erwirtschaftet werden. H1 wird bestätigt, da größere Unternehmen mehr digitale Dienstleistungen anbieten. Die Anzahl aller digitalen Dienstleistungen, die von Firmen aus den genannten Aktienindizes angeboten werden, liegt bei insgesamt 109 (Durchschnitt je Unternehmen: 4,4) Stück. Un-

Smart Services in der Baubranche

429

ternehmen aus der Expertenbefragung bieten insgesamt 62 (Durchschnitt: 2,5) und Unternehmen aus den Branchenverzeichnissen bieten lediglich 16 (Durchschnitt: 0,8) digitale Dienstleistungen an. Hypothese 2 beschreibt inwiefern es eine Häufung bei einzelnen Arten von angebotenen Dienstleistungen gibt und sich diese Häufung auch statistisch belegen lässt. Dass es eine quantitative Häufung bei Konfiguratoren und Planungssoftware für bestehende Hardware Lösungen gibt, wurde in Abschnitt 3.1 beschrieben und mit Zahlen untermauert. H2: Die häufigste Art der angebotenen Dienstleistungen sind Konfiguratoren und Planungssoftware für ein vorhandenes Hardware-Produktportfolio. Bei der Betrachtung der Dienstleistungsarten ist auffällig, dass der Großteil der digitalen Dienstleistungen im Bereich Software liegt. So entfallen auf die drei Softwarekategorien insgesamt 109 Dienstleistungen (58 Prozent). Die Dienstleistungskategorie mit der geringsten Anzahl an digitalen Dienstleistungen sind Produkterweiterungen mit lediglich zwei angebotenen Dienstleistungen (ein Prozent). Anhand der diskutierten Zahlen ist aus quantitativer Sicht deutlich zu erkennen, dass börsennotierte und in Aktienindizes gelistete Unternehmen bisher deutlich häufiger und ebenso je Unternehmen durchschnittlich mehr digitale Dienstleistungen anbieten oder zumindest bewerben als die verglichenen kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMUs). Hier besteht in der Baubranche insbesondere bei Zulieferunternehmen und Bauträgern folglich Ausbaufähigkeit. Ein häufiger Grund ist die teils geringe Erfahrung bei der Entwicklung und dem Vertrieb von digitalen Dienstleistungen innerhalb von KMUs. Häufig sind Zulieferunternehmen reine Produzenten von Hardwareprodukten, die keine separaten Geschäftsbereiche für digitale Entwicklungen mit Markterfahrung und erfolgreichen Angeboten etablieren konnten. Insgesamt ist sowohl bei KMUs als auch bei in Aktienindizes gelisteten Unternehmen ersichtlich, dass eine sehr kleine Anzahl an digitalen Produkten oder Dienstleistungen je Unternehmen angeboten wird. Problematisch ist für die anbietenden Unternehmen insbesondere der große Unterschied zu bisherigen Geschäftsgebieten und die einhergehende Komplexität von digitalen Dienstleistungen über die gesamte Lebensdauer, die sich erheblich von der Entwicklung und Produktion von Hardware-Produkten unterscheidet. Um die Komplexität zu senken und Firmen einen einfacheren Zugang zur Konzeption und Umsetzung von digitalen Dienstleistungen zu ermöglichen, sind unterschiedliche Maßnahmen für die speziellen Eigenschaften der Bauindustrie möglich. Neben der Erstellung der Dienstleistung liegt nach Erkenntnissen aus den in Abschnitt 3.1 erläuterten Experteninterviews eine nicht unerhebliche Hürde in der Konzeption einer Dienstleistung. Häufig ist zu Beginn unklar, welcher Ansatz für eine Dienstleistung welche Anforderungen besitzt und aus welchen einzelnen Modulen die Dienstleistung besteht. Im folgenden Abschnitt 4 wird ein Ansatz eines integrierten Frameworks zur Modularisierung von digitalen Dienstleistungen vorgestellt, dass es in einem weiteren Schritt ermöglicht Dienstleistun-

430

M. Hille und F. Bodendorf

gen in einzelne Module (Komponenten) zu zerlegen und somit die Konzeption von Dienstleistungen transparenter macht. Dies kann später insbesondere KMUs bei der Entwicklung neuer Dienstleistungen unterstützen und somit für ein größeres Angebot von digitalen Dienstleistungen aus KMUs heraus sorgen.

4.

Integriertes Framework zur Modularisierung von digitalen Dienstleistungen als Lösungsansatz zur vereinfachten Dienstleistungserstellung

Heutige Zulieferunternehmen der Baubranche sind produzierende Unternehmen von Halb- oder Ganzzeug, die meist wenig Berührungspunkte mit der Konzeption, Entwicklung und Betrieb von Dienstleistungen haben. Teilweise gibt es bereits analoge Dienstleistungen, wie Unterstützung bei der Auslegung von Produkten oder Planung eines Produkteinsatzes. Darunter fallen manuelle Tätigkeiten, die im Vertriebsumfeld im Rahmen von Kunden- und Projektakquise angeboten werden. Bei digitalen Dienstleistungen bedarf es während der Ideen-, Auswahl- und Konzeptphase anderer Herangehensweisen, Strukturen und Denkmuster. Zur Vereinfachung der Konzeptionsphase von digitalen Dienstleistungen in der Bauindustrie ist einer von mehreren Ansätzen, der Ansatz der Modularisierung von Dienstleistungen. Durch den Wandel von reinen produktabhängigen Industrien zu Industrien, die neben Hardwareprodukten verstärkt auch auf Dienstleistungen setzen, haben Methoden zur Modularisierung an Bedeutung gewonnen. Durch die Kombination von Einzelmodulen zu einer Gesamtdienstleistung ist es möglich, sowohl einzelne Module mehrfach wiederzuverwenden, den Prozess von einer Idee hin zu einer Dienstleistung deutlich transparenter zu gestalten, als auch kundenindividuelle Anforderungen zu gewährleisten (Böhmann et al. 2008; Dörbecker/Böhmann 2014). Durch die Modularisierung von Dienstleistungen werden komplexe Dienstleistungen in einzelne Bestandteile zerlegt, die in unterschiedlicher Kombination wiederverwendbar sind. So benötigen beispielsweise ein Online-Projektmanagement-Tool und ein Live-Tracking-System für die Materiallogistik sowohl Serverkapazität als auch Web-Technologien als Module. Das Projektmanagement-Tool würde umfangreiche Funktionen und Groupware-Features erfordern, während das Live-Tracking-System diese nicht benötigt. Zur Modularisierung von Dienstleistungen und IT Systemen (Software) gibt es unterschiedliche Ansätze: „ „ „ „

Design Structure Matrix (DSM), Domain Mapping Matrix (DMM), Multiple Domain Matrix (MDM), Service Modularity Functions (SMF),

Smart Services in der Baubranche „

431

Modular Service Architecture (MSA).

In Abschnitt 4.1 werden die fünf aufgeführten Modelle (DSM, DMM, MDM, SMF und MSA) vorgestellt und evaluiert, anschließend wird basierend auf der Evaluation in Abschnitt 4.2 ein integriertes Referenzmodell entwickelt und bewertet. Mit diesem Modell lassen sich Dienstleistungen in der Bauindustrie im Detail beschreiben und modular darstellen. Somit ist es unter Verwendung dieses Modells im Anschluss für Unternehmen einfacher Dienstleistungen zu entwerfen und dabei notwendige Module, sowie Abhängigkeiten zwischen den Modulen, transparent darzustellen und zu visualisieren.

4.1 Bestehende Ansätze zur modularen Erfassung und Beschreibung von Dienstleistungen Design Structure Matrix (DSM) Dienstleistungen können mit einer DSM modular dargestellt werden, DSMs stellen insbesondere komplexe Prozesse mit dazugehörigen Abhängigkeiten strukturiert dar. Design Structure Matrix, oder auch Dependency Structure Matrix genannt, wurden ursprünglich von Don Steward zwischen 1967 und 1981 entwickelt, um komplexe Systeme anhand ihrer Abhängigkeiten zwischen einzelnen Komponenten zu beschreiben (Danilovic/Sandkull 2005; Danilovic/Browning 2007). Moderne Varianten einer DSM wurden als statische oder dynamische Ausprägungen weiterentwickelt bei denen zeitbezogene und nicht zeitbezogene Abhängigkeiten dargestellt werden. Die Matrizen werden bei komplexeren Systemen teils sehr groß und unübersichtlich. (Danilovic/Sandkull 2005; Danilovic/Browning 2007) Domain Mapping Matrix (DMM) DMM hat, im Vergleich zur DSM, einen verstärkten Fokus auf thematisch kategorisierte Modularisierungen und bündelt Domänen (Themenkategorien), die inhaltlich verwandt sind. Somit wird einer der Nachteile von einer vergleichsweise unübersichtlichen DSM behoben. Dadurch können Abhängigkeiten und Informationsflüsse besser dargestellt werden. Probleme in der Strukturierung, Abhängigkeiten im Entwurf, Verarbeitung einer Dienstleistung sowie einzelner Module sind besser nachvollziehbar. Problematisch ist, dass ein Mapping für einzelne, unabhängige Domänen gut möglich ist, aber kein ganzheitlicher Ansatz verfolgt wird. Eine DMM stellt domänenübergreifend Abhängigkeiten und Interaktionen zwischen einzelnen Modulen dar und verschafft somit verglichen mit einer DSM eine erhöhte Transparenz. Eine DMM bildet eine größere Anzahl an Domänen mit unterschiedlich großer Anzahl an Elementen ab. Während eine DSM i.d.R. auf maximal zwei Domänen mit jeweils identischer Anzahl an Elementen begrenzt ist (Danilovic/Browning 2007).

432

M. Hille und F. Bodendorf

Multiple Domain Matrix (MDM) Mittels MDM werden mehrere DSMs und DMMs in einer Matrix dargestellt. Somit ermöglicht die MDM die Betrachtung von mehr als zwei Domänen und erweitert die Ansätze DSM und DMM um die domänenübergreifende Betrachtung, die beide Ansätze nicht enthalten. Durch die Betrachtung mehrerer Domänen in einer Darstellung, die ursprünglich für einzelne Domänen ausgelegt war, steigt jedoch auch die Komplexität der visuellen Darstellung. (Dörbecker/Böhmann 2014) Service Modularity Functions (SMF) Im Gegensatz zu den vorherigen Ansätzen sind SMF ein Ansatz zur mathematischen Beschreibung des Grades der Modularität. Dieser wird abgeleitet von einzelnen Servicebestandteilen und dem Grad der Wiederverwendbarkeit einzelner Module über verschiedene Dienstleistungen hinweg. Zur Berechnung der Grade werden Formeln verwendet, um basierend auf einer Systemperspektive, die Gesamtlösung in einzelne Module zu zerlegen. Es werden vier Stufen (Stufe 0: Industrie; Stufe 1: Unternehmen und Supply Chain; Stufe 2: Dienstleistungspaket; Stufe 3: Dienstleistungskomponente) verwendet um Dienstleistungsportfolios ganzheitlich und in Modulen als einzelne Dienstleistungskomponenten zu betrachten. Dieser Ansatz wird insbesondere in Unternehmen häufiger verwendet, da er mit klaren Kennzahlen und Organisationsstrukturen vergleichbar ist und mit quantitativen Faktoren eine objektive Bewertung ermöglicht (Aksin/Masini 2008; Voss/Hsuan 2009). Modular Service Architecture (MSA) Während die meisten anderen beschriebenen Ansätze vor allem auf interne Abhängigkeiten und Faktoren fokussiert sind, hat die MSA externe Faktoren und variierende Kundenanforderungen im Fokus. Bei der MSA wird der Dienstleistungserstellungsprozess für neue Dienstleistungen durch die Kombination einzelner, bereits vorhandener Module vereinfacht. Es werden Anforderungen, Spezifizierungen, Preise, Abrechnung, Kundenerfahrung, Schnittstellen und Dienstleister definiert. Anschließend wird ein fünfteiliger Ansatz zur Gruppierung dieser Spezifikation in einzelne Module vorgenommen. Mit diesem Ansatz können Schlüsselrollen, Abhängigkeiten und externe Anforderungen definiert werden und somit in abgegrenzte Module übertragen werden (Bohmann et al. 2003).

4.2 Entwicklung eines integrierten Frameworks zur Modularisierung von digitalen Dienstleistungen in der Baubranche Ausgehend von der Bewertung der verschiedenen Methoden in Abschnitt 4.1 wird eine Kombination mehrerer Ansätze als am besten geeignet bewertet, um digitale Dienstleistungen in der Baubranche zu modularisieren. Das vorgeschlagene Referenzmodell setzt sich daher aus SMF, MSA und DSM zusammen. Diese Ansätze liefern für sich genommen

Smart Services in der Baubranche

433

jeweils die inhaltlich und strukturell besten Ergebnisse. In einem kombinierten Verfahren werden alle Teilschritte, von einem Portfolio hin zu einzelnen Modulen verschiedener Dienstleistungen, abgedeckt. SMF erscheinen am besten geeignet, um ein Portfolio an Dienstleistungen auf verschiedenen Ebenen zu strukturieren. Die Aufteilung des jeweiligen Portfolios an Dienstleistungen in verschiedene Ebenen bietet einen gut strukturierten Überblick über alle Dienste und deren Elemente. Auch wenn sich das Konzept von Voss und Hsuan (2009) ursprünglich auf Nicht-IT-Dienstleistungen bezieht, lässt es sich auf die untersuchten digitalen Dienstleistungen anwenden. Stufe 0 des entwickelten Modells deckt die Basis des Leistungsportfolios einer Organisation oder Teilbranche ab. Dieses Leistungsportfolio besteht aus verschiedenen IT-Dienstleistungen in der Bauindustrie, die gleichzeitig angeboten werden können. Die jeweiligen Dienstleistungen werden in Stufe 1 dargestellt. Stufe 1 wird in diesem Beitrag angepasst, da der Forschungsschwerpunkt nicht auf Dienstleistungen innerhalb eines bestimmten Unternehmens, sondern auf Dienstleistungen innerhalb der Bauwirtschaft als solche liegt. Die ersten beiden Stufen sind in Abbildung 5 dargestellt.

Dienstleistungsportfolio

Stufe 0 (Portfolio)

Stufe 1 (Dienstleistungen)

Abbildung 5:

Service A

Service B

Service C

Service D

Stufe 0 und 1 des Referenzmodells zur Beschreibung von Dienstleistungen in der Baubranche

Darüber hinaus beschreibt Stufe 2 die so genannten Pakete (Bundles), die mehrere Einzelkomponenten innerhalb einer Dienstleistung zu thematischen Kategorien zusammenfassen. Alle Pakete könnten weiter zerlegt werden, indem die jeweiligen Module der einzelnen Pakete untersucht werden. In diesem Beitrag wird beispielhaft die technische Komponente weiter detailliert. Dies geschieht durch die Einführung von Stufe 3 (Module), diese stellt die kleinste Stufe der Dienstleistungsarchitektur dar und beschreibt, welche ITKomponenten benötigt werden, um die Dienstleistung technisch zu ermöglichen. Stufe 3 wird als Grundlage für die MSA verwendet.

434

M. Hille und F. Bodendorf

Stufe 1

Service A

(Dienstleistungen) Technische Komponenten

Stufe 2 (Pakete) Stufe 3 (Module)

Abbildung 6:

Modul 1

Modul 2

Modul 3

Marketing

Personalressourcen

Vertrieb

Modul 4

Stufen 1 bis 3 des Referenzmodells zur Beschreibung von Dienstleistungen in der Baubranche

Durch die Anwendung der verschiedenen Ebenen wird eine Zerlegung der Dienstleistungen erreicht, die als Grundlage für den weiteren Prozess der Moduldefinition dient. Hierfür wird ein Teil des 5-stufigen Ansatzes, der von Bohmann et al. (2003) entwickelten MSA für IT-Services beschrieben ist. Unter den in Abschnitt 4.1 analysierten Methoden ist MSA die einzige Methode, die externe Faktoren berücksichtigt. Diese stellen für die Erbringung von Dienstleistungen eine wichtige Rolle dar und sollten berücksichtigt werden. In Abbildung 7 wird Stufe 3 (Module) um externe Faktoren erweitert und somit weiter detailliert. Es wird damit begonnen die externen Faktoren zu identifizieren, die potenziell die in der Stufenzerlegung (siehe Abbildung 5 und 6) festgelegten Dienstleistungsmodule beeinflussen. Externer Faktor Servicemodul

Externer Faktor A

Externer Faktor B

Externer Faktor C

Externer Faktor D

Servicemodul 1 Servicemodul 2 Servicemodul 3 Servicemodul 4

Abbildung 7:

Integration von externen Faktoren in die Modularisierung einzelner Dienstleistungen eines Gesamtportfolios

Innerhalb der herkömmlichen DSM-Methoden werden Algorithmen verwendet, um die Stärken der Interdependenzen zu analysieren. In diesem Referenzmodell wird abweichend davon die Methodik der vorgeschlagenen Interdependenzen von Danilovic und Browning

Smart Services in der Baubranche

435

(2007) verwendet, die ein dreistufiges System vorsieht: „1 – niedrig, 2 – mittel, 3 – hoch“ (Danilovic/Browning 2007). Die Matrix (siehe Abbildung 7) der identifizierten Abhängigkeiten dient als Grundlage für den letzten Schritt, der die Erstellung von Modulen beinhaltet. In diesem letzten Schritt werden Dienste nach ihren Abhängigkeiten gebündelt und in Modulen zusammengefasst. Das erstellte Referenzmodell berücksichtigt alle wichtigen Schritte eines Modularisierungsprozesses und hilft bei der Bewältigung der Komplexität der Servicemodularisierung. Sie umfasst verschiedene Methoden, um alle relevanten Aspekte abzudecken. Die erstellten Module sowie die identifizierten Einflüsse externer Faktoren sollen Unternehmen helfen, Dienstleistungen marktgerecht unter Berücksichtigung interner Abhängigkeiten zu gestalten.

5.

Diskussion und Zusammenfassung

Die dargestellten Forschungsergebnisse beleuchten die Bauindustrie sowie Dienstleistungen in der Bauindustrie aus unterschiedlichen Blickwinkeln. In den Abschnitten 1 und 2 werden insbesondere theoretische Hintergründe erläutert. In Abschnitt 3 wird eine quantitative Untersuchung des deutschsprachigen Marktes hinsichtlich des Einsatzes von Dienstleistungen analysiert und somit der Status Quo hergeleitet. In Abschnitt 4 wird schließlich ein Framework zur Modularisierung von Dienstleistungen präsentiert. Insgesamt geht klar hervor, dass in der Bauindustrie aktuell – mit anderen Industrien verglichen – wenig Dienstleistungen, insbesondere digitale Dienstleistungen, angeboten und verwendet werden. Es wurden die folgenden drei Forschungsfragen (F1-F3) behandelt und führen gemeinsam von einer Problembeschreibung zu einem Lösungsansatz zur Entwicklung von digitalen Dienstleistungen. F1: Wie können Produkte in der Bauzulieferindustrie kategorisiert werden? F2: Wie verbreitet sind digitale Dienstleistungen in der deutschsprachigen Baubranche? F3: Wie lässt sich der Serviceentwicklungsprozess für Zulieferunternehmen der Baubranche durch einen modularen Ansatz vereinfachen? Insgesamt zeigt sich, dass die Bauindustrie beim Angebot und dem Einsatz von digitalen Dienstleistungen Nachholbedarf aufweist. Forschungsfrage 1 wird in Abschnitt 2.4 mit insgesamt acht Produktkategorien für Produkte im Hoch- und Tiefbau beantwortet. In Abschnitt 3, insbesondere Abschnitt 3.3, wird der Status Quo der digitalen und teil-digitalen Dienstleistungen im deutschsprachigen Markt analysiert und somit Forschungsfrage 2 behandelt. Es zeigt sich, dass die meisten Dienstleistungen von sehr großen Unternehmen angeboten werden und insgesamt überwiegend viele digitale Dienstleistungen im Bereich

436

M. Hille und F. Bodendorf

Produktkonfiguratoren, Auslegungssoftware und Planungssoftware anzusiedeln sind. Gleichzeitig gibt es bislang lediglich einen geringen Anteil an Dienstleistungen, die eigenständige Geschäftsmodelle darstellen, ohne auf vorhandene Hardwareprodukte zurückzugreifen. Um es Unternehmen und vor allem KMUs zu erleichtern digitale Dienstleistungen zu entwickeln wird in Abschnitt 4 Forschungsfrage 3 behandelt und ein integriertes Framework zur Modularisierung von digitalen Dienstleistungen in der Bauindustrie entwickelt. Dieses führt von Dienstleistungsportfolios bis hin zu einzelnen Dienstleistungsmodulen und bezieht sowohl interne als auch externe Faktoren sowie Abhängigkeiten mit ein. Darauf aufbauend wird es einfacher Dienstleistungen zu entwickeln und in der Konzeptionsphase Abhängigkeiten und Anforderungen zu definieren.

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Till Ackermann

Individualisierung des öffentlichen Verkehrs

1. Öffentlicher Verkehr als Problemlöser 1.1 Öffentlicher Personenverkehr als Dienstleistung 1.2 Anforderungen an den öffentlichen Verkehr 1.2.1 Nachhaltigkeit und Klimaschutz 1.2.2 Weiterer gesellschaftlicher Nutzen und Daseinsvorsorge 1.3 Aktuelle Entwicklungen im öffentlichen Verkehr 1.3.1 Digitale Transformation 1.3.2 Multimodale Angebote 2. Automatisierung und Personalisierung des ÖPNV 2.1 Vom Massenverkehr zu MaaS – Individualisierung der Dienstleistung 2.2 Integrieren statt integriert werden – Multimodale Plattformen des ÖPNV 2.3 Automatisierte Fahrpreisfindung und elektronische Tarife 2.4 On-Demand, ubiquitär und 24/7 statt „Werktags außer Samstags“ 2.5 ÖPNV als „Data-driven-Business“ 2.6 Customer Journey und Reiseerlebnis 2.7 Autonome ÖV-Shuttles statt autonomer Autos Literaturverzeichnis ___________________________ Dr. Till Ackermann ist Fachbereichsleiter für Volkswirtschaft und Business Development beim Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), Berlin.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Bruhn und K. Hadwich (Hrsg.), Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen Forum Dienstleistungsmanagement, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30166-8_18

1.

Öffentlicher Verkehr als Problemlöser

1.1 Öffentlicher Personenverkehr als Dienstleistung Der öffentliche Personenverkehr und insbesondere der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) ist ein „Diener zweier Herren“. Er erbringt gemeinwirtschaftliche Leistungen im Auftrag der Kommune bzw. des „Aufgabenträgers“, die weit über das Bereitstellen und Fahren von Bussen und Bahnen hinausgehen: Daseinsvorsorge, Erreichbarkeit, soziale Teilhabe, Entlastung der Straßen vom motorisierten Individualverkehr (mIV), Entlastung der Bürger und der Umwelt von Lärm, Schadstoffen und Flächenverbrauch sowie wichtige Beiträge zum Klimaschutz. Und er erbringt Verkehrsdienstleistungen für die Fahrgäste: Die Reise des Kunden von der individuellen Quelle bis zum individuellen Ziel, zu der vom Kunden gewünschten Zeit und nach seinen Nutzenvorstellungen. Verkehrsdienstleistungen beinhalten in ausgeprägter Weise die Besonderheiten des Dienstleistungsmarketing: (1) Integration eines externen Faktors „ „ „ „

Kunde reist selbst, Standardisierung versus Individualisierung. Dienstleistung wird durch Personal im Kundenkontakt erbracht. Die Dienstleistung ist ein Prozess. Kunde ist der Erstellung anwesend, die kundenseitigen Schnittstellen gehen über den reinen Transport hinaus und müssen integriert werden. Der Kunde muss vor und während des Prozesses durchgängig informiert werden, Schaffung von einfacher Zugänglichkeit und Reisebetreuung über klassische, digitale und spezifische Kanäle.

(2) Immaterialität „ „ „ „

Die Gleichzeitigkeit von Erstellung und Konsum bzw. Nichtlagerfähigkeit führt dazu, dass Leistungsfähigkeiten, die zeitlich beschränkt sind und nicht nachgefragt werden, verfallen würden oder vertaner Aufwand sind. Notwendigkeit der Kenntnis der zeitlichen und räumlichen Nachfrage. Spitzenlastfähigkeit und flexible Anpassung der Kapazitäten, Allgemeiner Tarif und Preisdifferenzierung. Verkauf eines Leistungsversprechens (Informationsunsicherheit für den Kunden, Vertrieb von Leistungsanrechten, Kontrolle der Inanspruchnahme).

442

T. Ackermann

(3) Bereitstellung von Leistungsfähigkeiten (Potenziale) „ „ „ „

Diese Potenziale sind das Wissen und die Fähigkeiten des Personals und die materiellen und räumlichen Ausstattungselemente, die zur Erstellung der Dienstleistung notwendig sind (Physical Facilities). Der Kern des Produktes des Verkehrsunternehmens ist das Verkehrsangebot und seine Qualität im Sinne des Kunden sowie die zugrunde liegenden Netze. Logistik der Bereitstellung der Angebote. Kommunikation: Dokumentation der Kompetenz, Materialisierung, Schaffung von Vertrauen, Markenbildung.

Das Marketing für den ÖPNV umfasst dementsprechend die drei Zielrichtungen: (1) B2A: Business to Administration „ „ „

Marketing in Richtung Verwaltung (zuständige Behörde, Aufgabenträger) Marketing in Richtung Eigentümer (z. B. Kommune, Kommunalpolitik) Lobbyismus und Branchenmarketing (z. B. EU, Bundes- und Landespolitik)

(2) B2B: Business to Business „ „

Kooperationsmarketing (z. B. im Rahmen von Verkehrsverbünden und Reiseketten) Ko-opetition mit multimodalen Ergänzungsangeboten

(3) B2C: Business to Customer „

Endkundenmarketing am Fahrgastmarkt

Im B2A-Marketing liegt der Schwerpunkt auf dem kollektiven Nutzen, im B2C-Marketing auf dem individuellen Nutzen. Allerdings sind beispielsweise die Umweltvorteile des ÖPNV auch für bestimmte Zielgruppen ein wichtiger Zusatznutzen. Die klassischen „4P“ des klassischen Marketing sind nicht ausreichend, um das VerkehrsDienstleistungsmarketing zu beschreiben. Im ÖPNV werden sie transformiert in: „ „ „ „

Verkehrsangebot (Product), Tarif (Price), Vertrieb (Place) und Kommunikation (Promotion).

Sie werden ergänzt um die Faktoren Personal (People), Leistungspotenziale (Physical Facilities) und Dienstleistungsprozess (Process). Als Branche mit hoher Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit und aus der direkten Abhängigkeit von Rahmenbedingungen und Finanzierungen haben der Lobbyismus (Power) und die Öffentlichkeitsarbeit (Publicity) als Unternehmen und als Branche ihren eigenen Stellenwert (siehe Abbildung 1).

Individualisierung des öffentlichen Verkehrs

443

Aufgabenträger, Bund, Länder, Kommunen, Politik, Öffentlichkeit

Besteller- Eigentümer- BranchenMarketing Marketing Marketing Product: Produktqualität und Netze

Publicity: Öffentlichkeitsarbeit

Kooperations -Marketing Price: Tarifpolitik, Tarifkenntnisse

Promotion: Kommunikation

Abbildung 1:

Power: Lobbying

PersonalMarketing FahrgastMarketing Physical Facilities: Leistungspotentiale

People: Personal

Place: Vertrieb, (((eTicket Process: Dienstleistungsprozess

Die „9P“ des operativen Marketing (Quelle: Ackermann 2016, S. 183)

1.2 Anforderungen an den öffentlichen Verkehr 1.2.1 Nachhaltigkeit und Klimaschutz Mit der Verabschiedung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung durch die Vereinten Nationen im September 2015 sowie der darauf aufbauenden Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie hat sich das Blickfeld für das Thema Nachhaltigkeit über die klassischen Dimensionen Ökonomie, Ökologie und Soziales deutlich erweitert. Gleichzeitig wurden in Form von 17 Nachhaltigkeitszielen, den Sustainable Development Goals (SDGs), konkrete Handlungsfelder definiert. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) zeigt an zahlreichen Beispielen auf (VDV 2019), wie sich die Mitgliedsunternehmen im VDV in vielen unterschiedlichen Bereichen engagieren, um die Ziele für eine nachhaltige Entwicklung zu erreichen. Die Unternehmen sehen sich auch in der gesellschaftlichen sowie in der unternehmerischen Verantwortung, die Umwelt zu schonen, faire und attraktive Arbeitsbedingungen für die Mitarbeitenden anzubieten und zukunftsfähig zu wirtschaften. Von den 17 Zielen wurden neun identifiziert, die für die ÖPNV-Branche von besonderer Relevanz sind und für deren Erreichung wichtige Beiträge im Sinne der Agenda 2030 geleistet werden. Diese Beispiele des Engagements der Unternehmen umfassen Themen wie: Gesundheitsmanagement, Balance von Beruf und Arbeit, lebenslanges Lernen, Ausbildung von Geflüchteten, gezielte Frauenförderung, nachhaltige Beschaffung, Lebenszyklusverlängerung von Straßenbahnen, Busse in Leichtbauweise und viele mehr.

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Besonders im Vergleich mit dem mobilen Individualverkehr (mIV) werden durch die Verkehrsdienstleistungen im ÖPNV zentrale Aspekte erreicht, wie: „ „ „ „ „ „ „

Höhere Sicherheit und Unfallvermeidung, Geringerer Flächenverbrauch, Geringere Lärmbelastung, Effizientere Energienutzung, Relativ geringer lokaler Schadstoffausstoß, Hoher Anteil an bereits elektrifizierten Verkehrsmitteln und Hoher Anteil an erneuerbaren Energien im Einsatz.

Aktuell hat der ÖPNV einen Klimaschutzvorteil von mindestens Faktor 2 gegenüber dem mIV (siehe Abbildung 2). Deshalb ist neben dem Vermeiden von Verkehr das Verlagern auf den ÖPNV ein wesentlicher Baustein einer nachhaltigen Verkehrswende zum Erreichen der Klimaziele.

Abbildung 2:

Energie- und Klimaschutzvorteil des ÖPNV (Quelle: VDV 2018)

In den Szenarien „Deutschland mobil 2030“ hat der VDV in einem Verkehrswende-Szenario einen Zuwachs der Verkehrsleistung im ÖPNV von 30 Prozent gegenüber dem Bundesverkehrswegeplan ermittelt (siehe Abbildung 3). Dadurch würden weitere 15 Mio. Tonnen Treibhausgase jährlich eingespart werden. Dieser Zielbeitrag ist erreichbar, wenn die Rahmenbedingungen der Finanzierung und des Baus von Infrastruktur, der Ordnungs- und Verkehrspolitik stimmen und neben Angebotsausweitungen (Pull) auch so genannte Push-Maßnahmen wie erhöhte Nutzerkosten im mIV umgesetzt werden. Die Verkehrsunternehmen selbst müssen mit Kompetenz, Qualität und Innovationen die Chancen der Digitalisierung nutzen.

Individualisierung des öffentlichen Verkehrs

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Inhalt & Handlungserfordernisse •

Die etablierten Akteure sind der Mobilitätsdienstleister und Aggregator, die Aufgabenträger unterstützen proaktiv.



Das Angebot wird durch Digitalisierung deutlich verbessert.



Der ÖPV bietet autonome Angebote an und nutzt wirtschaftliche und betrieblich Potentiale. Bisherige Akteure realisieren eine integrierte Mobilitätsplattform und positionieren sich als Konsolidierer.







Datenkompetenz wird bei etablierten Akteuren deutlich ausgebaut. Betrieb (inkl. Fahrzeuge) und Infrastruktur sind ausreichen finanziert. Der Sanierungsstau wird abgebaut.

Rahmenbedingungen •

Umfassende flankierende Maßnahmen im ÖPV und MIVRestriktionen



Langfristige und planbare Finanzierungsmargen für den Infrastrukturausbau inkl. Umfassender Förderprogramme für Innovationen

• •

Rechtssicherheit für die Umsetzung von Innovationen Erheblich steigende reale MIV-Nutzerkosten (rd. 50 % zu BVWP)

Abbildung 3:

Folgen •

Innovative Angebotsergänzung durch etablierte Player



Umfassende Befriedigung erhöhter Kundenanforderungen



Attraktivitätssteigerung des ÖPV, sinkende MIV-Affinität, steigende ÖPV-Affinität



Deutliche Qualitätssteigerung und Nachfragesteigerung



Sicherung des Kundenzugangs durch etablierte Akteure



Erfüllung der Anforderungen an Lebensqualität



Erreichung der Klimaschutz- und Luftreinhalte ziele durch maßgeblichen Beitrag des ÖPV



ÖPV nimmt zentrale Rolle ein

Auswirkung auf Modal Split 2030

+ 30 % Veränderung Anteil ÖPV am Modal Split ggü. BVWP

Deutschland mobil 2030 – Beschreibung des Verkehrswende-Szenarios, (Quelle: in Anlehnung an pwc/Intraplan i.A. 2018; VDV 2018)

Um die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommen zu erreichen, muss der Verkehr in Deutschland bis 2050 klimaneutral sein. Dies erfordert eine vollständige und effiziente Nutzung von erneuerbaren Energien. Das Begrenzen des Klimawandels und die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung funktionieren nur mittels eines Ausstiegs aus der Nutzung fossiler Energie. Die Energiewende gelingt nur mit der Verkehrswende. Der Elektrifizierung der Mobilität (Pkw, eScooter/Roller, E-Bike, O-Bus, Straßenbahn, Eisenbahn) auf der Basis zusätzlicher, erneuerbarer Energien kommt dabei eine entscheidende Rolle zu. Dies ist aus wirtschaftlichen wie ökologischen Gründen ein zentrales Zukunftsprojekt. Ein Paradigmenwechsel in der Verkehrspolitik ist notwendig. Er wird gebraucht, um eine zukunftsfähige Mobilität zu gestalten und den kommenden Herausforderungen zu begegnen, die sich für die Sicherung der Funktionsfähigkeit des Verkehrssystems im Zuge des demografischen Wandels, beim Klima- und Umweltschutz sowie für eine effiziente Mittelverwendung ergeben. In Zukunft müssen neue, an den Nachhaltigkeitszielen ausgerichtete verkehrspolitische Handlungsstrategien entwickelt und umgesetzt werden. Dies umfasst auch den Schutz der Gesundheit durch Lärmschutz sowie die Erhöhung von Lebensqualität und Sicherheit. Zur Verkehrswende gehören die Handlungsstränge Verkehr vermeiden, verlagern und verbessern.

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Verkehr vermeiden heißt: Sicherung der Mobilität mit weniger umweltbelastendem Verkehr. Dies zielt darauf, den Trend zu weiteren Wegen und autoaffinen Siedlungs- und Raumstrukturen umzukehren, verkehrssparsame Arbeits- und Versorgungsstrukturen aufzubauen sowie Verkehrs- und Wirtschaftswachstum voneinander zu entkoppeln. Grundsätzliche Überlegungen zur Reduzierung der Mobilitätszwänge durch veränderte Siedlungs- und Arbeitsplatzstrukturen sowie durch verändertes Freizeitverhalten sollten vertieft werden. Dies bedeutet ein Fördern von Nahmobilität und eine Verbesserung von Fuß- und Radinfrastruktur. Eine Verlagerung des Personenverkehrs auf die Verkehrsmittel eines integrierten Umweltverbunds und des Güterverkehrs auf die Schiene wird angestrebt. Multimodale Verknüpfungen, übergreifende Angebote und eine durchgängige Reisebetreuung in Information, Buchung, Bezahlung und Begleitung müssen umgesetzt werden. Durch Standardisierung und Kundenorientierung wird der Zugang zum öffentlichen Verkehrsmittel leichter. Eine allgemeine Mobilitätskarte als Kundenbindungsinstrument wäre hilfreich. Eine konsequente Verbesserung, d. h. eine Ressourcenminderung und Effizienzsteigerung des Verkehrs und der einzelnen Verkehrsmittel, ist zwingend notwendig. Dies umfasst insbesondere eine Erhöhung der Energieeffizienz und einen Einsatz erneuerbarer Energien.

1.2.2 Weiterer gesellschaftlicher Nutzen und Daseinsvorsorge Mit dem Verfahren zum „Kommunalen Nutzen des ÖPNV“ wurden die oben dargestellten monetarisierbaren Nutzen bewertet. An verschiedenen Beispielen konnte gezeigt werden, dass einer Ausgabe für den ÖPNV von einem EUR ein Nutzen von fünf EUR entsteht. Dies beinhaltet auch Ansätze für die Wirtschaftskraft der durch den ÖPNV gut erschlossenen Gebiete, insbesondere durch die bessere Erreichbarkeit vergrößerten Arbeits- oder Absatzmärkte. Auch der ÖPNV selbst führt durch seine Beschäftigungs- und Investitionswirkung zu einer hohen Zahl von – meist lokalen – Arbeitsplätzen und wichtigen regionalen Wertschöpfungsbeiträgen. Durch die höhere Leistungsfähigkeit und Flächeneffizienz insbesondere von Schienenbahnen oder Busbahn-Systemen können Städte in der notwendigen Siedlungsdichte wachsen. Ein wesentlicher Grund für die öffentliche Unterstützung des ÖPNV sind aber seine Leistungen für die Daseinsvorsorge. Dies umfasst die Sicherstellung einer „ausreichenden Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen“. Der öffentliche Eingriff ist also zur Abwehr eines Marktversagens gerechtfertigt, wenn sonst keine oder zu wenig bezahlbare Verkehrsdienstleistungen angeboten werden.

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Die „ausreichende Verkehrsbedienung“ unterliegt natürlich der politisch-gesellschaftlichen Ausgestaltung, über welches Ausmaß die Grundversorgung der Bevölkerung, die Gleichheit der Lebensverhältnisse, die Erreichbarkeit von zentralen Orten, die Mobilität von Pendlern, Schülern, Senioren und Familien, die soziale Teilhabe und die Barrierefreiheit verfügen. Ist die bisherige Daseinsvorsorge eine Grundversorgung für Menschen, die kein Auto zur Verfügung haben oder selbst fahren können, stellt sich zukünftig die Frage, ob die Daseinsvorsorge nicht überall das Leben ohne eigenes Auto ermöglichen sollte.

1.3 Aktuelle Entwicklungen im öffentlichen Verkehr 1.3.1 Digitale Transformation Der Trend zur Digitalisierung ist allgegenwärtig und hat sich durch die weite Verbreitung von Smartphones und dem mobilen Internetzugang nochmals spürbar beschleunigt. Viele Menschen sind „always on“ und wollen überall – auch im öffentlichen Verkehr (ÖV) im Fahrzeug und an Haltestellen – online Zugriff auf ihre Freundschaftsnetzwerke, Lieblingsmusik oder Informationen haben. Die Verfügbarkeit des Internet auf mobilen Endgeräten war eine Voraussetzung für die verstärkte Verbreitung von neuen „Mobility on demand“Angeboten wie flexiblem Carsharing, stationslosem Bike- und Rollersharing und dynamischem Ridesharing bzw. -pooling. Andere Verkehrsmittel sind nur einen „Klick“ entfernt, daher ist die Forderung nach Multi- bzw. Intermodalität verständlich. Diese Vernetzung als ÖPNV zu leisten, d. h. die Durchgängigkeit des Gesamtangebots des öffentlichen Verkehrs für den Kunden und darüber hinaus die Vernetzung mit allen öffentlich zugänglichen Mobilitätsformen, ist die große Chance der Digitalisierung. Die Digitalisierung erhöht aber auch die Kundenanforderungen an bisherige Verkehrsmittel. Das Internet ist kundenseitig eine Kommunikation in Echtzeit, deshalb werden OnlineAuskünfte in Echtzeit bzw. Prognose-Qualität erwartet. Dies erfordert das Wissen um den Status und Standort der Fahrzeuge und der Infrastruktur. Diese Informationen müssen wiederum automatisiert und personalisiert dem Kunden überbracht werden. Durch die Digitalisierung entsteht eine Trennung der Verkehrsleistung von der Vertriebsleistung. Online kann jeder Tarif- bzw. Produktverantwortliche seine Tickets überall bzw. durch jeden verkaufen lassen, genauso wie jeder Verkäufer oder Kundenvertragspartner seine Tickets online praktisch überall hin verkauft. Im Gegensatz zu einem älteren Tastenautomaten oder Busdrucker mit eingeschränkter Speicherkapazität gibt es im OnlineShop auch keine akzeptierbaren technischen Grenzen des Angebots und damit des durchgängigen Verkaufs. Die Digitalisierung fügt aber auch bisher oft getrennte Bereiche wieder zusammen: Sie verbindet Fahrplanauskunft und Vertrieb. Bei auskunftsbasiertem Verkauf wird aber die Informationsperformance umsatzentscheidend.

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Ein wesentlicher Aspekt der Digitalisierung ist auch die enorme Erhöhung der Geschwindigkeit der Änderungen der technologischen Rahmenbedingungen sowie der daraus erwachsenden Kundenanforderungen und Änderungen von Geschäftsmodellen. Bestehende Produkte und Services werden durch neue Entwicklungen und Start-ups herausgefordert. Bei der Produktentwicklung gilt es mehr Agilität zu zeigen, was höhere Geschwindigkeit, Konzentration auf wesentliche Kundenfunktionen und stetige Weiterentwicklung oder auch Aufgabe von Ideen bedeuten kann. Die Verkehrsunternehmen versuchen diesen Trend durch Zusammenarbeit mit Start-up-Unternehmen oder eigene – aus der Unternehmenshierarchie gelöste – Entwicklerteams aufzunehmen. Die Deutsche Bahn, die Wiener Linien, die BVG und der Rhein-Main-Verkehrsverbund haben ihre ersten „Labs“ gegründet. Die Nutzung der großen Datenmengen für eine verbesserte Kenntnis des Marktes, der Kundenbedürfnisse und für die Gestaltung der Kundenbeziehung und des Kundenerlebnisses erfordert eine zielgerichtete Organisation und Know-how für die Auswertung. Hier müssen die Abteilungen in den Unternehmen, die für Qualität der Leistung, für die Erfassung der Daten, für die Ermittlung der Kundenbedürfnisse und für die Verarbeitung der Informationen zuständig sind, zusammenarbeiten. Es stehen neue Möglichkeiten zur Verfügung, die teilweise bereits getestet werden: „Beacons“ (digitale Kundenansprache und -erfassung, wenn der Kunde in der Nähe ist), Location-based Services (z. B. Hinweise auf Geschäfte in der Nähe) und „Augmented Reality“ (Einblendung zusätzlicher Informationen in Handy-Kamera-Anzeigen). Diese Zugänge zum Kunden, entweder als App-Nutzer oder als Fahrgast, sind Bereiche, die die ÖV-Branche bisher noch kaum für sich selbst und schon gar nicht für Dritte vermarktet hat. Die Digitalisierung erbringt neue Spieler und Marktkonstellationen. Sie führt zu neuen – teilweise disruptiven – Geschäftsmodellen. Wenn die Branche nicht selbst reagiert tun dies mächtige, monopolartige Internetgiganten (Google, Apple, Facebook) oder schnelle Startups. Die Digitalisierung öffnet Chancen für Zusatzgeschäfte durch die Nutzung von Kundendaten und die Nutzung der Anwesenheit der Fahrgäste im Verkehrsmittel. Die Möglichkeit, die Reisezeit der Kunden für Services, Infotainment und Werbung zu nutzen, sollten die Verkehrsunternehmen nicht leichtfertig anderen Anbietern überlassen. Die Digitalisierung verändert viele Bereiche des Marketing und bietet große strategische Chancen, z. B. in der Rolle des ÖV als Integrator der Multimodalität. Sie beinhaltet aber auch große Risiken, dass andere Marktteilnehmer versuchen, in die Beziehung zwischen Kunde und Verkehrsunternehmen hineinzukommen. Das mobile Internet in Verbindung mit den Smartphones und dem partizipativen Web 2.0 stellt eine grundlegende technologische Entwicklung dar. Künftig „fahren“ die Menschen nicht mehr mit dem Auto, dem Bus oder der Bahn, sondern mit ihrem Smartphone. Die leicht verfügbaren Apps zur Echtzeit-Fahrplanauskunft bzw. zukünftig zur multimodalen Mobilitätsauskunft ermöglichen eine spontanere, bessere und individuellere Kundeninformation. Darüber hinaus sind neue Mobilitätsangebote, wie stationsungebundene Fahrrad-

Individualisierung des öffentlichen Verkehrs

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oder Autoleihsysteme erst zusammen mit einem Smartphone zur Anzeige der aktuellen Standorte sinnvoll und einfach nutzbar. Die „Digital Natives“ scheinen bereit zu sein, für den Zugewinn an Komfort auch ihre Profile und Datenspuren zu hinterlassen. Dies führt zu einer weiteren Veränderung: Den ständig steigenden Datenmengen („Big Data“), die auch bei Verkehrsunternehmen erfasst werden können. Insbesondere, wenn Verkehrsunternehmen elektronische Tickets mit Anwesenheitserfassung oder Smartphone-Apps mit Unterwegs-Navigation anbieten, erhalten sie Nutzungsdaten, die – durch Data-Mining ausgewertet – eine wertvolle Information zur Optimierung des Angebots darstellen können. War bisher das – kaum erreichbare – Ziel des Marketing, dem Kunden sofort ein individuelles Angebot zu bieten, besteht durch eine fortbestehende, durch Datenaustausch automatisiert lernende personalisierte Kundenbeziehung die Möglichkeit eines sich fortentwickelnden, adaptiven Angebots speziell für einen individuellen Kunden. Im Zuge der Digitalisierung des ÖPV mit Big Data, digitalen Nutzer- und Nutzungsprofilen, Echtzeitinfos, Indoor-Navigation, Location-based-Services, eTicketing und Kontakten über Soziale Netzwerke sind viele neue CRM-Anwendungen denkbar, die eine neue Servicequalität und intensive Kundenbeziehung bedeuten könnten. Durch die Automatisierung und Personalisierung werden alle Kernbereiche im ÖPNVMarketing fortentwickelt (siehe Abbildung 4). Automatisierung

Personalisierung

Tarif

Elektronischer Tarif, digitale Tarifmodule

Bestpreis-Abrechnung

Vertrieb

Anwesenheitserfassung Check-in-Be-out (CIBO)

Plattformen, Smartphone-Ticket

Kommunikation

Echtzeit-Prognose, Chatbot, KI-gestützte Call-Center

Augmented Reality, Reisebegleitung, Kalendersynchronisation

Verkehrsangebot

Autonome U-Bahn, Autonome Shuttles, Predictive Maintenance, fahrplanlos und flexibel

On-Demand, Integrierte Multimodaliltät und Mikromobiltät

Abbildung 4:

Beispielhafte Elemente der Automatisierung und Personalisierung des Marketing für den öffentlichen Verkehr

1.3.2 Multimodale Angebote Ausgehend von den technologischen Entwicklungen (wie Geo-Ortung und Smartphones), den energie- und klimapolitischen Notwendigkeiten, den umweltpolitischen Restriktionen des Autoverkehrs in Innenstädten (Umweltzonen, Fahrverbote), den gesellschaftlichen Änderungen wie dem Aufkommen der Sharing-Economy haben sich in den vergangenen

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Jahren zahlreiche neue Angebote auf dem Mobilitätsmarkt platziert oder entscheidend weiterentwickelt. Die neuen Mobilitätsangebote ermöglichen – perspektivisch, wenn sie umfassend angeboten werden – ein Abdecken fast aller Mobilitätsbedürfnisse, ohne über ein eigenes Auto verfügen zu müssen. Durch dieses „Teilen“ und „Nutzen statt Besitzen“ fallen die Vorhaltekosten der Automobilität nur an, wenn auch ein Fahrzeug benutzt wird. Sie werden dadurch variabel und eher transparent. Insgesamt verfügen diese Angebote über das Potenzial, Nutzungsroutinen und gewohnheitsmäßiges Verkehrsmittelwahlverhalten aufzubrechen. Anstatt eines gewohnheitsmäßigen, habitualisierten Verhaltens tritt eine pragmatische, situationsgerechte Verkehrsmittelwahl. Sie können dabei helfen, die Anzahl der eigenen Pkw vor der Türe zu senken. Hinzu kommen neue Mitspieler auf dem Markt, wie z. B. die Automobilfirmen, die ihre Wertschöpfung erweitern möchten, Internetfirmen im Zuge der Informationsvernetzung oder Start-ups mit neuen Apps. Der weltweite Mobilitätsmarkt ist für global agierende Spieler sehr attraktiv, wie man an den enormen Summen von Risikokapital sehen kann, die in Plattformen und Sharingangebote investiert werden. Multimodalität beinhaltet zwei Betrachtungsebenen, die sich zum einen auf die Angebotsseite von Mobilitätsdienstleistungen und zum anderen auf die Nachfrage, das Verkehrsverhalten, beziehen. Multimodales Verhalten ist dabei die Nutzung von verschiedenen Verkehrsmitteln (Modi) bei der Durchführung von Wegen einer Person innerhalb eines bestimmten Betrachtungszeitraums. Wenn die Verkehrsmittel innerhalb eines Weges gewechselt werden, spricht man von Intermodalität. Um die neuen Verkehrsmodi, die es als individuelle Verkehrsmittel in der Regel ja bereits gegeben hat, getrennt ansprechen zu können und ihre öffentliche Zugänglichkeit zu betonen, kann man sie als „geteilte Verkehrsmittel“ (Shared Modes) bezeichnen. Die Zugänglichkeit ist digital durch die Buchbarkeit über Plattformen und Apps sichergestellt. Räumlich kann es sich um „stationäre“ Systeme mit festen Stationen oder „Mobilitätshubs“, um „Freefloating“ Systeme, mit räumlichen begrenzten Einsatzgebiet oder um kombinierte Systeme handeln. Oft ist auch die Möglichkeit der „Einwegfahrt“ gegeben. Dadurch ergeben sich auch neue Möglichkeiten für Wegeketten, weil z. B. nicht bereits morgens gewohnheitsmäßig das Auto genommen werden muss, weil nach der Arbeit noch ein Einkauf erledigt werden soll. Die multimodalen Angebote sind daher eine gute Ergänzung zum ÖPNV und könnten die vermeintliche Abhängigkeit vom eigenen Auto verringern, wenn nicht sogar tatsächlich auflösen. Mobilitätsdienstleistungen umfassen neben der Bereitstellung einer Fahr- oder Transportmöglichkeit (mit oder ohne Fahrer) auch den Bereich der Information, Buchung bzw. Ticketerwerb sowie Bezahlung bzw. Abrechnung. Ein spezieller Trend ist, dass sich diese Bereiche auch von den einzelnen Anbietern der Dienstleistung lösen und auf multimodalen Mobilitätsplattformen angeboten werden. Einige Unternehmen sehen sich auch bewusst als „Asset Light“ und konzentrieren sich auf die Entwicklung der Software für die

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Verkaufsportale und Apps sowie Algorithmen zur Datenauswertung und Nachfragebündelung, so betreibt „Flixbus“ sein Geschäft ausschließlich mit Fahrzeugen von Kooperationspartnern. Das Rideselling-/Ridehailing-Modell UberPop basiert auf der Vermittlung von Privatfahrern in Privat-Pkw. Diese Form von „Selbstständigkeit“ führt zu verschiedenen Folgen, wie einem erhöhten Verkehrsaufkommen durch Leer- und Repositionierungsfahrten, Nachfragerückgängen bei Taxi und ÖPNV sowie steigenden Preisen bei steigender Nachfrage. Das in Deutschland am Markt befindliche Modell Uber X nutzt Mietwagen. Bei der algorithmischen Zusammenführung der Nachfrage spricht man von Ridepooling. Entscheidend für die Umweltentlastung von Mitfahrsystemen ist der „Pooling-Faktor“ und die Verbindung mit dem ÖPNV zu einem Gesamtangebot. Dies wird als ÖV-integriertes Ridepooling bezeichnet. Weitere Mitfahrsysteme sind die digitale Fortentwicklung der klassischen „Mitfahrzentrale“ oder Fahrgemeinschaft. Dort, wo diese Systeme öffentlich i.d.R. über internetbasierte Plattformen zugänglich sind, maximal gegen Kostenbeteiligung funktionieren und der Fahrer die Fahrt, auf der er jemanden mitnimmt sowieso gemacht hätte, spricht man von Ridesharing. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen hat im Juni 2019 ein VDV New Mobility Forum gegründet, um damit eine Austauschplattform zwischen Verkehrsunternehmen und Anbietern neuer und ergänzender Mobilitätsalternativen zu schaffen.

2.

Automatisierung und Personalisierung des ÖPNV

2.1 Vom Massenverkehr zu MaaS – Individualisierung der Dienstleistung Der ÖPNV bietet traditionell hochleistungsfähigen, effizienten Massenverkehr. Große Fahrzeuggefäße, die Bindung an den Fahrplan und den einheitlich festgelegten Tarif sowie der anonyme Zugang fördern einen standardisierten, wenig individuellen Eindruck der Dienstleistung. Insbesondere auf der subjektiven Ebene bietet der eigene Pkw im Wettbewerb zum ÖPNV Vorteile: Eine geschützte Umgebung selbst im Stau, einen persönlichen Raum, emotionale Bindung, Status, subjektive Handlungsmöglichkeiten, Flexibilität und gefühlte Unabhängigkeit. Die Prozesskette einer Reise bzw. Fahrt im ÖPNV: Weg zur Haltestelle, Informieren, Ticket wählen, Bezahlen, Reisen, gegebenenfalls Umsteigen, Weg von der Haltestelle zum

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Ziel beinhaltete bisher hohe Anteile, bei denen der Kunde ohne individuelle Unterstützung durch das Unternehmen selbst zurechtkommen musste. Doch bietet die Digitalisierung hier nun auch dem öffentlichen Verkehr die Chance zur Individualisierung der Dienstleistung. Ein Kunde kann nun: „ „ „ „ „

„ „ „ „

An seinem Standort (bei Opt-in zur Standorterfassung) zu seiner gewünschten Abfahrts- oder Ankunftszeit einschließlich der aktuellen/prognostizierten Betriebslage eine optimale Verbindung entsprechend seiner persönlichen Präferenzen (wie z. B. Verkehrsmittel des ÖPV, ergänzende Verkehrsmittel, zeit- oder preisoptimiert einschließlich vorhandener Kundenkarten und Tickets, Umsteigevorgänge, Gehgeschwindigkeit…) bei angelegtem Kundenprofil zu seinem gegebenenfalls bereits als Favoriten gespeicherten Ziel erhalten und das passende Set an Buchungen und Tickets auswählen mit seiner hinterlegten Bezahlvariante bezahlen und direkt auf sein Smartphone erhalten.

„ „ „

Er wird rechtzeitig aus dem Kalender erinnert, um loszugehen, und erhält gegebenenfalls Push-Nachrichten, falls Störungen vorliegen, bei regelmäßigen Fahrten könnten auch echtzeit- oder wetterabhängig optimierte Vorschläge gemacht werden.

„

Dann wird er zum Sharing-Verkehrsmittel oder zum Parkplatz oder direkt zur Haltestelle und gegebenenfalls im Bahnhof indoor navigiert, erhält (Opt-in vorausgesetzt) personalisierte Informationen und findet sein Fahrzeug und gegebenenfalls seinen reservierten Sitzplatz oder einen Platz neben einem Bekannten (Social Seating).

„ „ „ „

Er muss nach dem möglichen Check-in nicht mehr kontrolliert werden, könnte aber gegebenenfalls ein vorher gebuchtes Getränk erhalten.

„ „ „ „

Rechtzeitig vor dem Um- oder Ausstieg wird er informiert (Begleit-Service), genauso wie im Falle von Verzögerungen direkt Alternativen angeboten werden. Die Buchungen würden automatisch angepasst werden, oder er könnte über integrierte Call-Center- bzw. Chatfunktionen zusätzliche Assistenz abrufen.

„

Er wird auf dem kürzesten – gegebenenfalls barrierefreien – Weg zum Last-MileVerkehrsmittel bzw. zum Ziel navigiert und kann Informationen über die Umgebung und die vorhandenen Services abrufen,

„

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seine Eindrücke, Beobachtungen und Erlebnisse kann er über soziale Netzwerke oder Snap&Send-Funktionen teilen und dem Unternehmen mitteilen.

Diese digital unterstützte Kundenreise ergibt ein höchst individualisiertes Erlebnis. Die Basis ist das Einverständnis der Kunden zur Nutzung der durch das Smartphone und die individuellen Eingaben übermittelten Daten. Die Entwicklungen sehen die Mobilitäts-Apps als persönliche Zeitmanager, die automatisiert Termine verwalten und mit den optimalen – den persönlichen Präferenzen und der aktuellen Lage entsprechenden – Mobilitätsvorschlägen kombinieren. Dies führt zu einer Neuinterpretation der Verkehrsdienstleistung unter dem Schlagwort „Mobility-as-a-Service (MaaS)“. Der Begriff ist zunächst geprägt durch privatwirtschaftliche App-Anbieter, die dem Kunden ein Gesamtangebot verschiedener Mobilitätsmöglichkeiten aus einer Hand mit verschiedenen Vertragsmodellen bieten möchten. Durch den eigenen Marktauftritt und eine Integration von Optionen wie Mietwagen und Taxi können vielleicht eher ÖPNV-ferne Kundengruppen an Alternativen herangeführt werden. Für die Gruppe der heutigen Stamm- und Gelegenheitskunden sollte der ÖPNV seine eigenen Plattformen aufbauen und sich als MaaS-Anbieter positionieren.

2.2 Integrieren statt integriert werden – Multimodale Plattformen des ÖPNV In jüngster Zeit drängen Automobilfirmen, Internetgiganten, Reisevermittler und Startups mit verschiedenen Geschäftsideen auf den Markt der Mobilitätsplattformen und Apps. Die EU fordert zunehmend einen integrierten Vertrieb. Diverse Zukunftsbeschreibungen beinhalten die Vision der multimodalen, situationsangepassten, schrankenlosen Mobilität, die über ein Kundendevice abgerufen (reserviert, gebucht, umgebucht, geöffnet, entsperrt, benutzt, bewertet, bezahlt und zurückgegeben) werden kann. Die ÖPNV-Branche braucht deshalb Antworten auf das Aufkommen dynamischer und potenter Mitbewerber und politischer Gefahren. Hierauf hat der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen mit einer Vernetzungsinitiative reagiert, um als Branche die Marktmacht zu bündeln und statt interner Konflikte um Vertriebsanteile ihre Rolle als umfassender Mobilitätsdienstleister zu sichern und auszubauen (siehe Abbildung 5). Die Verkehrsunternehmen müssen selbst die Rolle der Plattformbetreiber besetzen, um die Kundenschnittstelle für sich zu erhalten, die durch Intermediäre gefährdet ist. Das heißt, sie müssen neben ihrer Rolle als Rückgrat der öffentlichen Mobilität weitere Mobilitätsangebote integrieren. Tun sie das nicht, besteht die Gefahr, dass sie selbst integriert werden und wesentliche Teile ihrer Unternehmenseigenschaft verlieren, da sie dann auf die Betriebsfunktion reduziert werden.

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Abbildung 5:

Digitale Transformation im ÖPV durch die Plattformökonomie (Quelle: in Anlehnung an VDV 2018)

Der ÖPNV muss sich als Primärsystem der Mobilität positionieren und auf seinen Plattformen die anderen Angebote ergänzend aufnehmen. Wesentliche Aspekte der Integration sind dabei: „ „ „ „ „

Ein ÖPNV-dominierter Markenauftritt, der Kundenvertrag mit dem ÖPNV-Unternehmen, Zugangsmedien auf Basis der ÖPNV-Standards, die Informationsplattform auf Basis der ÖPNV-Systeme, Tarifliche Integration auf Basis von Vorteilen für ÖPNV-Zeitkartenkunden.

Eine gemeinsame Plattform mit einer White-Label-App bündelt die Ressourcen und ermöglicht auch kleineren Unternehmen eine digitale Sichtbarkeit mit ihrer eigenen Marke. Die Marken der kommunal verankerten Verkehrsunternehmen verfügen in der Regel über eine hohe Bekanntheit und einen großen Kundenstamm. Durch ihre Nähe zur öffentlichen Hand genießen sie Vertrauen, z. B. in den Bereichen Datenschutz und Zahlungsabwicklung. Die wesentlichen Anforderungen an eine übergreifende Mobilitätsplattform kommen dabei von den Kunden, die: „ „ „ „

prinzipiell alle öffentlich zugänglichen Angebote über Mobilitätsalternativen erhalten möchten, um nach eigenen Vorlieben die situationsgerechteste auswählen zu können, „Single-Sign-on“ wollen, statt eine Vielzahl von lokalen Portalen, Passwörtern und Bezahlverfahren, bei ihrer Lieblingsplattform Kunde bleiben wollen – egal wo sie gerade sind, in Echtzeit auf ihrer multimodalen Reise begleitet und gegebenenfalls auf notwendige Umplanungen hingewiesen werden wollen.

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Im Rahmen einer solchen Vernetzungsstrategie der ÖPV-Branche bestünde die Chance, dass eine Mobilitätsplattform aufgebaut wird, mit „ „ „ „

allen ÖPNV-Produkten, allen Fernverkehrsprodukten, allen ergänzenden Mobilitätsdienstleistungen, allen ergänzenden Kundenservices.

Diese Produkte werden dann über diverse Apps „ „ „ „

beauskunftet (Sollzeit, Echtzeit, Alternativen), gebucht (reserviert, umgebucht, storniert), genutzt (geöffnet, gefahren, kontrolliert, navigiert), bezahlt (CRM, Kontenverwaltung).

Die Deutsche Bahn (Mobimeo) und einige Regionen (z. B. Berlin mit Jelbi, Hamburg mit switchh, Stuttgart mit polygo) haben bereits Entwicklungen gestartet, mit dem Ziel multimodale Plattformen anzubieten. Andere Regionen können eine solche Entwicklung technisch und finanziell nicht allein leisten. Hier kann eine gemeinsame Entwicklung Ressourcen sparen und alle mitnehmen. Im Juli 2019 sind die Beschlüsse gefasst worden, dass die „Mobility inside“-Plattform umgesetzt wird und die entsprechenden Gesellschaften gegründet werden (siehe Abbildung 6). Die Mobilitätsplattform wird durch die Verkehrsunternehmen und Verbünde gemeinschaftlich errichtet werden, um die Vertriebszuständigkeit langfristig zu sichern. Die Verkehrsunternehmen und Verbünde werden in ihren Apps multimodal „Mobility inside“. Durch die Zusammenarbeit und Miteigentümerschaft der Verkehrsunternehmen und Verbünde wird die Kundenvertragspartner-Eigenschaft für die Verkehrsunternehmen gesichert. Die Branche wird mit anderen Mobilitätsanbietern gemeinschaftlich eine Kooperationsstrategie verhandeln.

Abbildung 6:

Markenzeichen von „Mobility inside“ (Quelle: VDV 2018)

Durch solch eine aktive, vernetzte Lösung werden die Potenziale, die in der Digitalisierung für den ÖPV liegen, gehoben und die ÖV-Branche füllt die Rolle des Rückgrates der

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multimodalen Mobilität aus. Zudem würde neben den starken lokalen Marken eine übergreifende Branchenmarke entstehen können und ein gemeinsames Potenzial an CRM und Servicemöglichkeiten schaffen. Eine gemeinsame Plattform mit durchgängigen Reisen erfordert auch ein Verständnis für einen „gemeinsamen Kunden“.

2.3 Automatisierte Fahrpreisfindung und elektronische Tarife Regelmäßige ÖPNV-Nutzer verfügen in einem hohen Maße über Zeitkarten und eine ausgeprägte Nutzungsroutine, viele andere Kundengruppen empfinden den Zugang zum ÖPNV eher schwierig, weil sie sich nicht mit den spezifischen Themen wie Fahrplan, Tarif und Ticketautomat auseinandersetzen wollen. Mit dem eTicket Deutschland besteht seit 2005 ein Standard, der die Einführung des digitalen Tickets mit einheitlichen Kundenschnittstellen verbindet. Dieser wurde um Smartphone- und Online-Tickets ergänzt. Die komfortabelste Ausbaustufe stellt die „automatisierte Fahrpreisfindung“ dar. Weltweit ist diese in Form von chipkartenbasierten „Check-in/Check-out-Systemen“ umgesetzt. Die auf proprietärer Technologie basierenden Be-in-Be-out-Systeme zur Anwesenheitserfassung haben sich nicht durchgesetzt. In Verbindung mit dem Smartphone werden nun Systeme mit Check-in – Be-out getestet. Bei einem hohen Anspruch an die Erfassungsgenauigkeit sind aber auch dafür verschiedene Erfassungstechnologien notwendig. Insbesondere mit der automatisierten Fahrpreisfindung bietet es sich an, die durch die Erfassungstechnologie und -daten gewonnenen Gestaltungsmöglichkeiten im Bereich des Tarifs zu nutzen. Die Vorteile des „elektronischen Tarifs – eTarif“ und des personalisierten Vertriebs sind: „ „ „ „ „ „ „

Steigerung der Ergiebigkeit durch Abschöpfung vorhandener Zahlungsbereitschaften und feineres Reagieren auf den Markt, Verbesserung der Leistungsgerechtigkeit durch feiner differenzierte Tarife und den Wegfall von starren Tarifzonengrenzen und hohen Einstiegspreisen, Ausnutzung der erhöhten Praktikabilität durch automatische Preisberechnung und bargeldloses Bezahlen, Steuerung der Nachfrage, Bindung von Kunden sowie zusätzliche Marketingmöglichkeiten aufgrund der bekannten Kauf- und Fahrthistorie, Ermöglichung von Bestpreisabrechnungen, preisgestützte Gewinnung von Kunden.

Die Tarifprodukte werden zum Verkauf und zur Kontrolle in so genannte Tarifmodulen (PKM) digital aufbereitet. Diese Produkt- und Kontrollinformationen können dann allen Partnern, die die Tickets vertreiben oder diese anerkennen, zur Verfügung gestellt werden.

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Die digitale Erfassung aller Tarifprodukte ist eine notwendige Maßnahme zur Flächendeckung von „Mobility inside“.

2.4 On-Demand, ubiquitär und 24/7 statt „Werktags außer Samstags“ Der ÖPNV als effizientes Massenverkehrsmittel besitzt seine Vorteile in stark strömenden Relationen und tut sich schwer in Zeiten und Räumen schwacher oder disperser Nachfrage. Deshalb hat sich das Angebot des ÖPNV auch schon seit langem ausdifferenziert und bietet auch flexible Angebotsformen, wie z. B. ein Anruf-Sammel-Taxi, das nach festem Fahrplan, aber nur nach Fahrtwunsch fährt. Insbesondere im ländlichen Raum liegt das Schwergewicht des ÖPNV auf der Schülerbeförderung. Dies hat zur Folge, dass außerhalb der Schulzeiten das ÖPNV-Angebot teilweise eingeschränkt ist und für Fahrten zum Arzt, zum Einkaufen oder zu einer Freizeitaktivität kein attraktives Angebot zur Verfügung steht. Statt diesem Rückzug aus der Fläche sollte im Zuge der Verkehrswende ein attraktives Grundangebot im Takt mit On-Demand-Verkehren ergänzt werden. Die neuen Ridepooling Angebote werden derzeit in verschiedenen Einsatzräumen getestet: „ „ „ „ „ „

Stuttgart, SSB-Flex: Anbindung von unterversorgten Stadtquartieren, Premium-Service und Nachtverkehre, Berlin, Berlkönig: Verdichtung des ÖV-Angebotes und Nachtverkehre, Hamburg, ioki: First-/Last-Mile Zubringersystem, Wittlich und Pforzheim, ioki, Wittlich: On-Demand-Stadtbussystem, Duisburg, Mybus: Stadtweiter Premium-Service und Nachtverkehr, Landkreis Freyung: Freyfahrt: ÖV-Anbindung im ländlichen Raum.

Die vollständige Einbindung als ÖV-integriertes Ridepooling unter die Marke des örtlichen Verkehrsunternehmens und Verbundes, in die Buchungs- und Vertriebsplattform sowie in das Tarif-, Vertriebs- und Kontrollsystem des öffentlichen Verkehrs ist dabei wesentlich, um ein sowohl betriebswirtschaftlich als auch gemeinwirtschaftlich optimales Ergebnis zu erreichen. Ein unabgestimmtes Nebeneinander von Ridepooling-Angeboten zum ÖPNV würde zu „Rosinenpicken“ und Ineffizienzen führen. Für den Kunden ist dies ÖPNV-on-Demand: Ein personalisierter Abruf von Transportdienstleistungen, im besten Falle jederzeit (24/7) und ubiquitär. Man spricht dabei auch von individuellem öffentlichen Verkehr. Je nach Ausdehnung und Komfortlevel wird dafür aber auch der Preis ausfallen. Dort, wo On-Demand-Verkehre Linienverkehre ersetzen, wird der Preis beim heutigen ÖV-Tarif liegen müssen; dort, wo zusätzliche Komfortaspekte angeboten werden, wie z. B. die Haus-zu-Haus-Bedienung, werden Komfortzuschläge zum ÖV-Tarif aufgerufen. Bei Taxi-ähnlichen Services liegen die Preise der Shuttle-Anbieter heute bei etwa 80 Prozent des Taxitarifs.

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2.5 ÖPNV als „Data-driven-Business“ Den Wert der Daten zu erkennen und strategisch zu nutzen beschreibt eine aktuelle Transformationsaufgabe der ÖPNV-Unternehmen in allen Funktionen und auch kulturell. Kundendaten, Betriebsdaten und die Kenntnisse über den Markt verfügen über strategischen und kommerziellen Wert (siehe Abbildung 7). Mit diesen „Assets“ können Erträge erwirtschaftet oder Kosten gespart werden. Sie können aber auch z. B. durch Cyberangriffe oder Open-Data-Gesetzgebungen einem Risiko ausgesetzt sein. Deshalb sollten die Verkehrsunternehmen und Aufgabenträger sich dieser Werte bewusst werden und eine klare Strategie entwickeln, um eine daten-geführtes Unternehmen zu werden. Mit der Aufbereitung von Smartphone-Daten (GPS, Mobilfunk, W-Lan, Auskunftsabfragen usw.) sind heute viel mehr und viel schneller Nachfragedaten über den Mobilitätsmarkt verfügbar als vor der digitalen Revolution. Durch Sensoren in Fahrzeugen oder Anlagen in Verbindung mit entsprechenden Auswertungen sind vorausschauende Wartungen möglich, die zum einen starre teure Wartungsintervalle und zum anderen Störungen vermeiden helfen. Ähnlich wie bei den Ridepooling- oder Mikromobilitätsanbietern, wo die Qualität des Algorithmus zur Vorhersage der Nachfrage und die Ausbalancierung des Angebots über den kommerziellen Erfolg mitentscheidet, können auch ÖPNV-Unternehmen die in der dynamischen Verbindung von Angebot und Nachfrage liegenden Potenziale nutzen.

Abbildung 7:

Wert der Daten für ÖPV-Unternehmen (Quelle: VDV 2018, zitieren nach UITP 2018, S. 2)

Die Branche des öffentlichen Verkehrs hat gegenüber den neuen Mitbewerbern auf dem Mobilitätsmarkt bereits heute eine große Anzahl an Kunden und Downloads von Apps.

Individualisierung des öffentlichen Verkehrs

459

Oftmals sind die Unternehmen eine starke, langjährig lokal verankerte Marke, die auch über einen Vorsprung an Vertrauen und Reputation verfügen. Durch die Nähe zur Öffentlichen Hand sind sie auch im Punkt Datenschutz vertrauenswürdig. Hierin liegt aber auch eine Verpflichtung zu hoher Sicherheit und Transparenz. In diesem Rahmen sollten die Verkehrsunternehmen darüber nachdenken, ihre bestehende App-Basis auch als Kommunikationskanal und zur Generierung von Mehrwehrten zu nutzen. Dies können kommunale Dienstleistungen, lokale Informationen oder kommerzielle Angebote sein: „ „ „

Direktmarketing für die eigene Leistung oder nahestehender Dritter (z. B. Kommune) auf die mobilen Endgeräte der Nutzer (Vermarktung der Leistung), Verbesserung des eigenen Angebotes (Planungsdaten, Feedback, Individualisierung) durch den mobilen Kundenkontakt, Vermarktung der Kundenkontakte/Werbeplätze, die entstehen, weil Konsumenten das eigene mobile Angebot nutzen (mobile Advertising für Dritte).

Gemeinschaftlich verfügt die ÖV-Branche über eine für das Direktmarketing sehr relevante Kundenbasis. Einzelne Unternehmen wie z. B. die Stadtwerke Osnabrück mit der App „my_lola“ gehen hier bereits beispielhaft voran. Durch die automatisierte Auswertung von Daten kann der ÖPV ein besser auf den individuellen Kunden zugeschnittenes personalisiertes Angebot bieten.

2.6 Customer Journey und Reiseerlebnis Der Vertrieb über digitale Kanäle führt in weit mehr Fällen als heute zu einer Registrierung der Kunden (Kundenstammdaten) und einer automatisierten Erfassbarkeit der individuellen Kaufhistorie bzw. der Kundenkontakte an den verschiedenen „Touchpoints“ (Customer Journey). Bei weitergehenden Systemen der Erfassung ergeben sich auch Nutzungsdaten, die – nach einer Zustimmung durch die Kunden – eine völlig neue Qualität der personalisierten Kundenbetreuung ermöglichen. Die Vernetzung im Fahrzeug und an der Haltestelle bietet neue Servicemöglichkeiten, wie z. B. das Anzeigen des reservierten Sitzplatzes, Haltewunsch per Smartphone, Wiederholung/Übersetzung der Ansage oder einen echtzeitorientierten Aussteige-Alarm. Die digitale Verbindung zwischen dem Fahrzeug und dem Kunden ergibt neue Möglichkeiten der Datenerfassung. Dies ist ein Teil der Entwicklung, die das „Internet der Dinge“ für den ÖV bedeutet. Die für den Kunden personalisierten in der App angezeigten Alternativen und Angebote müssen für den Kunden relevant sein. Relevanz wird erzeugt durch verschiedene Aspekte wie Einfachheit (leichte Eingabe von wichtigen Präferenzen), Individualisierung (Suchund Buchungshistorie, Verknüpfung von Nutzerdaten wie Adressbuch, Algorithmen, die

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aus bisherigem Nutzerverhaltens in Bezug auf Ausgangs- und Zielpunkt, Reisezeit usw. die erwartete Nutzerpräferenz errechnen) und Adaptivität (Lokalisierung, Relevanz verändert sich in Abhängigkeit von Nah- und Fernmobilität). Die Mobilitäts-Apps können ihre Relevanz erhöhen, wenn sie ihr Design automatisiert an die Reise- und Lokalitätssituation anpassen. Die Kunden können aber auch selbst ihre App personalisieren, z. B. durch hinterlegte Favoriten, eigene Fotos von Zielen oder Push-Nachrichten-Anforderungen für hinterlegte, regelmäßig genutzte Verbindungen. Das Smartphone des Kunden sendet diverse Sensordaten, die – sein Einverständnis und eine App vorausgesetzt – die gemachten Wege und genutzten Verkehrsmittel relativ gut zuordnen lassen. Beacons senden Informationsimpulse über Bluetooth Low Energy (BLE) aus, die von aktiven Smartphones und Apps interpretiert werden können und zusammen mit weiteren Daten Services liefern können und die Anwesenheit des Smartphones an das Hintergrundsystem übermitteln. Die Vernetzung des Fahrgasts mit dem Verkehrsunternehmen per mobiler App und W-LAN oder Beacons führt zu Nutzungsmöglichkeiten wie z. B.: „ „ „ „ „ „ „

Ticketing-Systeme auf Basis von Check-In/Check-Out oder Be-In/Be-Out, Fahrgast-Information und Orientierung (gegebenenfalls individualisiert und barrierefrei), Indoor-Lokalisierung, Mikronavigation, Umsteigewegeleitung, Marktplatz für digitale Werbung, Koordination von Service-Personal, Analyse der Bewegungsdaten der Fahrgäste, Walk-by-Alerts und Promotionen durch Werbemedien oder Shops.

Diese Ortungsgenauigkeit erlaubt auch die Mikronavigation innerhalb der Haltestellen bzw. Bahnhofsgebäude auf Basis der individuellen Reiseverbindungen und Einstellungen (z. B. barrierefrei). Wenn z. B. ein intermodaler Reiseplan vorsieht, mit der U-Bahn bis zum Hauptbahnhof zu fahren und dann zum Busbahnhof zu wechseln, mit einer bestimmten Linie zu einem Haltepunkt zu fahren, an dem Carsharing-Fahrzeuge geparkt sind, kann der Reisende an jedem einzelnen Umsteigevorgang von seinem Smartphone geführt werden – gegebenenfalls sogar mit „überlagerter Wirklichkeit“ (Augmented Reality). Dies erhöht die Einfachheit und Attraktivität der Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel. Durch die Reisebegleitung und die routenabhängigen oder automatisierten Tarifangebote und die Nutzerführung entfällt auch viel notwendiges „Extra-Wissen“, was die empfundenen Zugangshemmnisse spürbar absenkt.

Individualisierung des öffentlichen Verkehrs

461

2.7 Autonome ÖV-Shuttles statt autonomer Autos Die Technologie des autonomen Fahrens verfügt über ein hohes Disruptionspotenzial für den gesamten Mobilitätsmarkt. Sie verändern die heutigen Nutzungsmuster, Besitz- und Geschäftsmodelle grundlegend, weil es die traditionellen Grenzen zwischen den Verkehrssystemen verwischt, denn das selbstfahrende Fahrzeug kann im Prinzip alles sein: Ein privates Auto, ein Taxi, ein Bus, ein Carsharing-Fahrzeug oder ein Sammeltaxi. Das autonome Fahrzeug könnte ein Teil des öffentlichen Verkehrssystems werden – es könnte aber auch in weiten Teilen die Existenz des heutigen öffentlichen Nah- und Fernverkehrs in Frage stellen, denn das autonome Fahrzeug macht das Autofahren wesentlich attraktiver. Man kann während der Fahrt telefonieren, schlafen, online surfen. Am Zielort steigt man vor der Tür aus, danach sucht sich das Fahrzeug selbstständig einen Parkplatz – oder es steht anderen Personen zur Verfügung. Und auch ohne Führerschein kann man es benutzen – es könnte sogar die Kinder automatisch zu ihren Aktivitäten bringen. Der heutige USP (Unique Selling Proposition/Alleinstellungsmerkmal) des ÖV (gefahren werden, keine Parkplatzsorgen) geht verloren. Als Teil des ÖV kann das autonome Fahrzeug als Teil einer Flotte von „autonomen ÖVShuttles“ eine historische Chance sein: Eine ideale Ergänzung zu einem HochleistungsÖPNV als Rückgrat. Ein Mini-Bus, mit dem auch schwach ausgelastete Buslinien fahrerlos im dichten Takt bedient werden können. So könnten vollautonome Fahrzeugflotten zum einen den ÖPNV stärken und zum anderen eine Alternative zum Besitz eines privaten PKW sein. Auf diese Weise eröffnen sich Chancen für nachhaltige Verkehrskonzepte, die umfassende Mobilität mit viel weniger (effizient genutzten) Autos, weniger Autoverkehr und mehr ÖPNV realisieren. Simulationen zeigen: im ÖV-integrierten Ridepooling könnten autonome Fahrzeuge sogar die motorisierte Mobilität mit weniger als zehn Prozent der bisherigen Autos sicherstellen. Bis vollautonome Fahrzeuge zur Verfügung stehen, wird noch Zeit vergehen. Den nächsten Schritt werden hochautomatisierte Fahrzeuge sein, die z. B. den Fahrer auf Autobahnen oder beim Einparken von der Überwachung des Verkehrs entlasten. Für den ÖPNV werden fahrerlose Shuttles in einfachen, gebietsbeschränkten Anwendungen möglich werden. Hochautomatisiertet und vollautonom fahrende Fahrzeuge werden voraussichtlich über Flottenbetreiber und den Betrieb auf einem abgegrenzten Netz in den Markt vordringen. Öffentliche Verkehrsdienste, der Betrieb auf abgegrenzten Netzen und das Management von Flotten sind klassische Aufgabenbereiche von Verkehrsunternehmen. Damit ist eine individuelle und öffentliche Mobilität aus einem Guss angesprochen. In der Vision einer integrierten Mobilität der Zukunft ist die Verkehrslandschaft von Grund auf verändert. Die Menschen nutzen je nach Ziel und Anlass verschiedene Verkehrsmittel, meist öffentlich verfügbar statt individuell besessen. Die Flächen in der Stadt werden allen Anforderungen gerecht aufgeteilt: Mehr Platz für Fußgänger, Rad- und Rollerfahrer, für

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T. Ackermann

den Aufenthalt auf lebendigen Plätzen und mehr „Grün“. Aber auch mehr Raum für Busse und Bahnen. Der heute noch dominante Individualverkehr tritt zugunsten einer geteilten, elektrischen und autonomen Ökonomie zurück. Durch eine noch konsequentere Vernetzung von Verkehrssystemen und Verkehrsmitteln entstehen städtische und ländliche Gebiete, in denen sich Leben, Wohnen, Arbeit und Freizeit besser als heute miteinander verbinden lassen. Stadt und Land werden immer besser verbunden. Dabei soll jeder immer und überall und zu jeder Zeit an das gewünschte Ziel kommen. Die Mobilität der Zukunft bietet also individuelle und öffentliche Mobilität aus einem Guss – sicher, verlässlich und nachhaltig. Nur der ÖPNV kann die dafür notwendigen Basissysteme stellen, mit denen die Hauptnetze der öffentlichen Mobilität versorgt werden können. Dabei bilden Schienenverkehrssysteme heute wie morgen das Rückgrat des Hochleistungsnahverkehrs. Diese Hauptachsen müssen weiterhin konsequent ausgebaut und durch Digitalisierung in ihrer Kapazität erhöht werden. Ride-Pooling-Systeme und neue On-Demand-Angebote werden die Nebennetze optimal versorgen. Diese Angebote in unterschiedlichen Komfortklassen machen das Privatauto zunehmend und den Parkplatz vor der Haustür überflüssig. In den Wohngebieten und an Aufkommensschwerpunkten wie Universitäten und öffentlichen Einrichtungen entstehen Mobilitätsstationen mit einem Angebot an verschiedenen aktiven und autonomen Fahrzeugen. Wichtig ist, dass diese Angebote als Ergänzung des ÖPNV organisiert und von ihm „orchestriert“ werden. So entsteht ein Mobilitätssystem, das auf drei stabilen Säulen fußt: Lebenswertes Leben in der Stadt, Anbindung und Teilhabe der ländlichen Räume sowie multimodale Vernetzung verschiedener Verkehrssysteme. Das schafft nur der ÖPNV, denn die Planung sowie Realisierung verlässlicher umwelt- und bedarfsgerechter Mobilitätsangebote waren und sind eine Kernkompetenz der Verbünde und Verkehrsunternehmen. In der digitalen Welt von morgen werden diese Angebote noch konsequenter aus einer Hand von den öffentlichen Verkehrsunternehmen und -verbünden angeboten. Dieses Szenario bedarf eines mutigen Vorgehens. Es könnte die Antwort der ÖPNV-Branche auf die Herausforderungen der Digitalisierung und der Sharing Economy sein unter Wahrung der Vorteile des ÖPNV im Hinblick auf Nachhaltigkeit, Klimaschutz, Decarbonisierung, Verkehrssicherheit und Lebensqualität. Eine öffentlich zugängliche, geteilte, effiziente Mobilität ist auch eine Mobilität, die automatisiert und personalisiert ist: eine individuelle öffentliche Mobilität.

Individualisierung des öffentlichen Verkehrs

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Literaturverzeichnis Ackermann, T. (2016): Marketing im ÖPNV, Hamburg. pwc/Intraplan i.A. VDV (2018): Bericht – Erarbeitung von Verkehrs- und Mobilitätsszenarien im Kontext des Projektes „Deutschland mobil 2030“, Berlin. VDV (2018): Statistik 2017, Köln. VDV (2019): Wir bewegen viel, Köln.

Maria Madlberger

Last Mile Logistics Reloaded – Automation and Personalization in Electronic Commerce Fulfillment

1. Introduction 2. Fulfillment and last mile logistics in e-commerce 2.1 Last mile logistics as a key service in e-commerce 2.2 Fulfillment concepts in e-commerce 3. Digitization in e-commerce fulfillment 3.1 Smart logistics 3.2 Components of smart logistics 3.2.1 Collection of real-time information 3.2.2 Transfer of real-time information 3.2.3 Autonomous physical movement 3.3 Automation potentials of smart logistics technologies 4. Personalization potentials of smart logistics in last mile logistics 5. Conclusion References ___________________________ Dr. Maria Madlberger is a Full Professor at Webster Vienna Private University.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Bruhn und K. Hadwich (Hrsg.), Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen Forum Dienstleistungsmanagement, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30166-8_19

1.

Introduction

Electronic commerce (e-commerce) and more generally the digitization of business has exerted numerous impacts on services. One of them is fulfillment, that is, delivery solutions of physical goods that are ordered online. The business volume of e-commerce has been significantly increasing and reached a level of 10.2 percent of total retail sales in 2017 (eMarketer 2019). As a result, fulfillment solutions for e-commerce are gaining importance as they are opening up a growing market segment in the service industry and already start to impact the real estate market (Cassidy 2017), turning fulfillment into a significant cost factor. At the same time, fulfillment is a critical issue and success factor in e-commerce that can impose considerable costs and challenges on e-commerce firms in manifold industries (Wolfinbarger/Gilly 2003; Parasuraman et al. 2005). Within the context of fulfillment in e-commerce, digitization impacts service provision in two ways: First, e-commerce has triggered the emergence of last mile logistics as a key service process in fulfillment that gains importance (Vakulenko et al. 2018). The need for this service results from the decoupling of physical deliveries from electronic orders. Whereas in bricks and mortar stores consumers themselves take responsibility of home delivery, they are in need of fulfillment solutions when physical products are ordered online. Although fulfillment has been a key task in e-commerce from its very beginning, it is still considered a challenging and often expensive process that has yet to be optimized by many e-commerce firms (Wollenburg et al. 2018). The second impact of digitization is its offering of an increasing array of hardware and software technologies which have the potential to modify the way logistics processes can be carried out. For decades, information systems have allowed for improved inventory management and enhanced interorganizational information sharing and coordination. Like in other service domains, digitization triggers automation of logistics processes to a large extent (Roodbergen/Vis 2009; Azadeh et al. 2019). In terms of automation, information systems-based technologies like the Internet of Things (IoT), telematics, or autonomous vehicles can drastically reduce the need for manual goods handling and thus speed up processes while reducing errors simultaneously (Kückelhaus 2015). Besides automation, the increase of information transparency also allows for a larger flexibility of fulfillment processes. From a service viewpoint, this enables a higher degree of personalization which itself is closely connected with the creation of customer value (Murthi/Sarkar 2003). Personalization is the use of information to provide customized solutions to individual customers (Peppers/Rogers 1997). Consumers are increasingly expecting and demanding a superior level of fulfillment service, such as short delivery time, transparent delivery tracking, or delivery flexibility. At the same time, the increasing number of distribution and communication channels, culminating in an omni-channel business, enhances the variety

468

M. Madlberger

of alternative fulfillment solutions. For example, bricks and mortar stores or dedicated pickup points can serve as an alternative to home delivery solutions (Hübner et al. 2016). The goal of this chapter is a systematic discussion of the state-of-the-art of fulfillment in e-commerce in respect of automation and personalization in the logistics service context. It elaborates the above-mentioned impacts of digitization on fulfillment and provides an overview of key automation and personalization potentials in contemporary smart logistics solutions. First, the chapter discusses the role and characteristics of fulfillment and last mile logistics as an essential service in e-commerce and presents up-to-date practically relevant fulfillment approaches for the last mile from a research and practitioner perspective. Second, the chapter takes an interdisciplinary approach by reviewing the impact of digitization in the form of automation and personalization of the fulfillment service. In this context, technology-driven automation potentials in various stages of the fulfillment process are discussed by reviewing scholarly insights and companies’ practices. Further, the need for and potentials of fulfillment personalization are discussed whereby customer requirements and the enabling role of information technologies will be included. The chapter updates the debate on fulfillment on the last mile in e-commerce by relating it to the contemporary and near-future technological progress. It informs scholars and practitioners likewise. Scholars will consider the chapter a review and state-of-research analysis on last mile logistics and enabling technologies as a persistently crucial issue in e-commerce. Practitioners will be provided with up-to-date implications and innovation potentials of various information technologies to improve their e-commerce fulfillment service.

2.

Fulfillment and last mile logistics in e-commerce

2.1 Last mile logistics as a key service in e-commerce E-commerce, i.e., the exchange of goods and services via computer networks, especially the Internet, has become an integral part of the retailing landscape. In many markets a demand shift from single products to full solutions with a bundle of products and services can be observed. In this respect, physical distribution is an inseparable service component in e-commerce (Agatz et al. 2008). Additionally, within the business-to-consumer (B2C) segment, the replacement or complementation of bricks and mortar stores with online stores has largely modified the way key services are being carried out when physical goods are being ordered. In particular, due to the physical distance between the consumer and the retailer during an online purchase transaction, an additional type of service becomes essential, i.e., order fulfillment. When physical goods are involved, fulfillment is inevitably concerned with last mile logistics which is “the last stretch of a business-to-consumer

Last Mile Logistics Reloaded

469

[…] delivery service” that “takes place from the order penetration point to the final consignee’s preferred destination point” (Lim et al. 2018, p. 310). This step consists of planning and controlling the processes of transportation and delivery before the customer receives the ordered goods, hence it is concerned with the fine distribution of goods. This imposes significant challenges on any service provider that is charged with the fulfillment task, irrespectively whether it is the retailer itself, a thirdparty logistics (3PL) service provider or a courier, express, and parcel (CEP) deliverer. Last mile logistics is characterized by a large number of locally dispersed and constantly changing points of delivery (Esper et al. 2003) with small and varying delivery quantities at each delivery point. Order times cannot be standardized; hence delivery times can be planned only on an ad-hoc and short-term basis. Further, in case of home delivery, the physical presence of the recipients is not guaranteed (Hübner et al. 2016). Figure 1 graphically illustrates this high complexity of last mile logistics in B2C e-commerce.

Th

Fr Mo

Th

Th Mo

Fr Tu

Th

We

Fr

Tu

Tu

Fr

Mo Mo

We

Fr

Fr Mo

Fr Tu

Th Tu

Figure 1:

Mo We

Complexity of last mile logistics in B2C e-commerce

Besides the complexity of the delivery process, last mile logistics plays a key role from a service quality viewpoint (Wolfinbarger/Gilly 2003; Parasuraman et al. 2005). The service quality view origins from the expectancy-disconfirmation theory which posits that satisfaction occurs if previous expectations are met or exceeded by actual perceptions (Parasuraman et al. 1985). In the context of fulfillment, only parts of the conducted service are visible for the customers, so that they cannot perceive any back-end fulfillment activities which are behind a “line of visibility” but still influence the service experience (Xing et al. 2010).

470

M. Madlberger

Last mile logistics processes establish relevant customer experiences which are often the only situation in which the customer gets in direct contact with the deliverer of the ordered products. Especially for 3PL or CEP service providers, this experience largely dominates the customer’s perception of their company. Consumers directly perceive the quality of the fulfillment service which ultimately impacts customer satisfaction and repurchase intention (Rao et al. 2011; Cho 2015). The driving force is logistics service quality that is made up by factors such as timeliness, order accuracy, information quality, order discrepancy handling, or personnel contact quality (Mentzer et al. 1999). Service quality does not only affect customer satisfaction, but can also influence customers’ choice of purchase channels (Xing et al. 2010; Gawor/Hoberg 2019) so that fulfillment configurations can be used to steer customers into preferred channels (Wollenburg et al. 2018). However, not only cognitive perceptions of last mile logistics impact the perceived service quality and customer experience, but also affective ones. Value is not inherent in the service offering itself, but in the individual service perception and consumption of the customer (Prahalad/Ramaswamy 2004). Such experiences include affective feelings like enjoyment which ultimately can influence customers’ willingness to take over parts of the last mile logistics process and therefore engage in service co-creation (Wang et al. 2019). Lastly, not only regular product delivery, but also product returns are a key service component in fulfillment. It can reach a significant level in various product categories (e.g., apparel). Returning products can double the last mile and hence adversely affect the economic viability of online retailing (Agatz et al. 2008). Therefore a high customer service orientation is increasing in relevance, but establishes a goal conflict with cost minimization (Yalabik et al. 2005).

2.2 Fulfillment concepts in e-commerce Whereas the last mile delivery in bricks and mortar stores is usually handled by the customers themselves, fulfillment in online retailing can be carried out in different ways with varying degrees of customer involvement. Key parameters are the involved mode of picking (e.g., distribution center or bricks and mortar store), transportation (e.g., delivery by retailer), and reception (e.g., home delivery or pickup by the customer). In principle, three basic types of last mile logistics can be operated: (1) In a push model, the products are delivered to the customer’s point of delivery by the retailer or a logistics service provider; (2) In a pull model, the product is picked up by the customer from the source of the product; (3) In a hybrid model, the product is delivered to an intermediate place from which the consumer picks it up (Lim et al. 2018). Figure 2 below summarizes the most important design parameters for the configuration of last mile logistics systems. Retailers that operate bricks and mortar as well as online stores (multi-channel or omni-channel retailers) can use their physical stores as an additional infrastructure for last mile logistics.

Last Mile Logistics Reloaded

471

Back-end fulfillment

Picking

Location

In-store

Separated fulfillment centers

Central warehouse

Automation

Manual

Semi-automated

Fully automated

Integration

Separated

Integrated

Capacity optimized and integrated

Last mile logistics Home delivery

Click and Collect

Delivery mode Attended Delivery time

Velocity

Returns

Figure 2:

Same day

Time slot

Delivery area

Unattended

In-store

Attached

Two or more days

Next day

Specific

Solitary

Undefined

Local

Regional

National

International

No return but money back

Check and return at reception

CEP return

Accept and refund in retail outlets

Design parameters of last mile logistics (Source: Hübner et al. 2016, p. 234)

Within the back-end fulfillment options, the various picking methods mainly influence the efficiency, duration, and costs of this process as well as their digitization and automation potentials, but have little direct impact on the customer perception. Their appropriateness is further influenced by contingent factors retailers are faced with (see below). Home delivery solutions (i.e., push models) can be offered in an attended or unattended way. Attended home delivery creates a personal encounter with the customer and therefore has the potential to raise a positive and memorable customer experience. On the other hand, the requirement of the customer’s presence limits his/her flexibility and creates complexity by calling for delivery time windows and adherence to them which causes a tradeoff with route optimization, vehicle utilization, and cost minimization. In case the customer is not present for receiving the delivery, usually a costly additional delivery attempt or delivery to a different point is necessary. Unattended home delivery can resolve these issues, but depends on the availability of appropriate delivery boxes where the delivered products can safely be deposited until they are picked up by the customer (Hübner et al. 2016). Click and Collect systems (i.e., hybrid models) are feasible for retailers that run bricks and mortar stores or collaborate with other institutions that dispose of physical outlets. These models overcome the attendance problem, but require customers to travel to the delivery points for picking up the ordered goods. If realized within a retailer’s bricks and mortar

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store, the retailer has an opportunity to benefit from cross selling potentials if customers combine the retrieval of online ordered goods with a shopping trip in the store. Appropriate last mile logistics configuration systems are highly contingent upon different impact factors that have been identified in academic literature. These factors are summarized in Figure 3. They range from customer characteristics to attributes of the order fulfillment process and product features and impact not only costs and efficiency of last mile logistics systems, but also customer expectations on their service level. Impact of contingency factors

Appropriate configuration if factor is high

Appropriate configuration if factor is low

Customer geographical density

Fulfillment by seller’s own fleet

Fulfillment by 3PL or CEP service provider

Demand volume

Local sourcing of products, close proximity to customers

Central storage to aggregate demand

Product margin

Central product sourcing point

Local product sourcing point when demand volume is high

Customer physical convenience

Direct-to-home delivery

Pickup models

Customer time convenience

Short delivery time windows

Longer delivery time windows

Order response time

Localizing operations

Involving more intermediaries in fulfillment

Order visibility

Few nodes in last mile logistics

Many nodes in last mile logistics

Figure 3:

Contingency factors of last mile logistics configurations (Source: Lim et al. 2018, p. 320ff.)

Last Mile Logistics Reloaded

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Impact of contingency factors

Appropriate configuration if factor is high

Appropriate configuration if factor is low

Product availability and product variety

At manufacturer’s warehouse

At retailer’s warehouse

Product customizability

Controlled by manufacturer

Controlled by distributor/retailer

Product freshness

Short distance and few intermediate stops

Long distance and/or many intermediate stops

Product returnability

Product source point at retailer and/or consumer pickup

Product source point at distributor/manufacturer and/or home delivery

Service capacity

Self-delivery

Delivery by 3PL or CEP service providers

Figure 4:

Contingency factors of last mile logistics configurations (continued) (Source: Lim et al. 2018, p. 320ff.)

The existence of the respective contingency factors influences the appropriateness of different last mile logistics configurations. However, digitization of logistics and technologies that are based on it enhance the spectrum of possibilities to offer an optimized fulfillment service through automation which is discussed in the following.

3.

Digitization in e-commerce fulfillment

3.1 Smart logistics Logistics and supply chain management have experienced a significant transformation through digitization and automation. Their main impacts are operational efficiency gains and reduction of errors as well as strategically relevant competitive advantages through personalization, flexibility increase of supply chains, improved resource efficiency, and new types of services (Roodbergen/Vis 2009; Ahmad et al. 2016). Like physical distribution processes in general, e-commerce fulfillment is particularly impacted by technological developments that are connecting objects (e.g., goods or machines), people, processes, and supply chain partners. This way, processes can be operated in an autonomous and decentralized way along the supply chain (Roodbergen/Vis 2009). Within the domain of operations and production, the term “Industry 4.0” emerged in the German literature to emphasize the transformation potential of connected elements on operations (Bauernhansl et al. 2014). Since logistics is an integral element in this context,

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several authors refer to the term “Smart Logistics” (Hausladen 2016) or, to stress the importance of logistics in Industry 4.0, “Logistics 4.0” (Delfmann et al. 2018). The technological backbone of automation in logistics are cyber-physical systems that embed software and mechanical as well as electronic components which communicate with each other. This way, any objects that are equipped with these systems can communicate, learn from each other, make autonomous decisions, or react to environmental conditions by means of sensors and actuators. Smart logistics is based on the combined application of various information technology-based systems that can be grouped into three types: (1) Technologies that enable the collection of real-time information (Liu et al. 2019). Devices that automatically collect or enable automated collection of information in on-going processes include sensor technologies and digital identifiers. (2) Technologies that enable the real-time transfer of information. Such devices facilitate the connection of objects with other objects and information systems and therefore make real-time information available to other elements in the logistics process. This type of technologies includes Internet of Things and telematics. (3) Technologies that allow for an autonomous physical movement by combining information collection and/or transfer with actuators. Such devices particularly enhance automation processes in logistics by taking over physical manipulations such as inbound and outbound storage, picking, packaging, or transportation. Current technologies in this category include robotics, drones, and autonomous vehicles. Figure 5 illustrates how these three types of technologies can interact in a smart logistics process. Warehouse management system

Autonomous vehicle in motion

Robotics in motion

Sensor records GPS position

IoT Position and ID data transfer via telematics

Digital ID

Sensor records temperature

Figure 5:

Data transmission via 5G Internet

Digital ID

Interplay between technologies that collect and transfer real-time information and autonomous physical movement

The way these technologies support smart logistics and hence facilitate automation of fulfillment is discussed in detail in the following sections.

Last Mile Logistics Reloaded

475

3.2 Components of smart logistics 3.2.1 Collection of real-time information Sensor technologies encompass devices that detect changes or events in the environment. They can measure multiple environmental conditions such as temperature, humidity, or distance to other objects. This information can later be transferred to other objects or central computer systems. Like other devices for collection of real-time information in smart logistics, sensor technologies are used in combination with other components in order to control and/or automate processes. For example, they are an essential element of the below-mentioned Internet of Things. Within the context of logistics, sensor technologies are a crucial enabler of smart logistics as they can record environmental conditions in realtime which are constantly changing and need to be regularly monitored to control logistics processes. Key application areas of sensors in logistics are the surveillance and regular recording of logistically relevant status information, such as temperature or condition of shipped goods. Specifically in the case of perishable goods, sensors can be used for a constant monitoring of quality-relevant conditions that impact product freshness (Gaukler et al. 2019). In last mile logistics, sensor technologies can help provide a larger transparency for tracking of deliveries. Sensors also help identify and track the location and movement of objects such as delivery vehicles or products by collecting GPS data (Hopkins/Hawking 2018). This way, sensors can provide tracking information that increases the transparency of last mile logistics processes. Digital identifiers are systems by which objects can be identified. Examples are barcodes and radio frequency identification (RFID) tags, but also near-field communication (NFC) and QR codes (Kückelhaus 2016). Digital identifiers are features that enable the exchange of information between objects in decentralized systems and thus serve as a key prerequisite of smart logistics. In doing so, digital identifiers are not directly triggering automation, but they are necessary enablers of automation in all relevant fulfillment processes. Process control and coordination along the supply chain can only be achieved if all goods are constantly identified so that their real-time status can be registered and recorded. Digital identifiers are also necessary to conduct automated tracking. All logistics processes can be automated in various ways if the flow of all involved goods is identified. Likewise, automation of many objects involved in smart logistics, such as forklifts, is only feasible if these objects are uniquely and digitally identified as well. As a result, also last mile logistics can be automated to various extents based on the automation of the respective other steps in the fulfillment process.

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3.2.2 Transfer of real-time information Internet of Things (IoT) is based on the equipment of objects with embedded computer systems that communicate with other IoT objects via the Internet on the basis of fifth generation (5G) networks (Javaid et al. 2018). Besides identification of objects, communication of relevant information about them (such as the exact location, delivery status, environmental conditions etc.) is another prerequisite of automation. IoT contributes to smart logistics by applying IoT devices to transportation units (such as palettes or cartons) and transportation devices (such as forklifts or conveyor belts) so that they communicate either with software systems (such as ERP or warehouse management systems) or with each other (see Figure 6). Sensors recognize the respective surroundings, e.g., temperatures or approaching objects) and trigger reactions or information transfer. As a result, an object’s processor can report a certain status or its actuator can conduct an autonomous movement (e.g., avoid an obstacle). IoT can allow for a process control on a decentralized basis where coordination of logistics movements takes place among the involved objects. As a result, decisions about movement, information transfer, or planning tasks can be carried out with reduced or no human intervention. Since IoT collects and transfers a large amount of data, big data analytics can become necessary to enable automated decision-making based on real-time data (Hopkins/ Hawking 2018). The seamless integration into the information flow along the supply chain also allows IoT to control flows of goods between companies or carry out short-term changes of delivery processes which enhances delivery flexibility (Liu et al. 2019). Within the logistics processes of picking, packing, and transportation, IoT enables ample automation potentials, depending on the involved automation technologies (see below). Further, IoT can help automate inventory management by providing real-time information about movements of goods so that no manual data entry is required. Consequently, IoT allows the automation of last mile logistics to a large extent. For example, in a current implementation, IoT-equipped delivery boxes can automatically alert the customer about the completion of a delivery. Another application area is IoT-enabled automatic replenishment and anticipatory shipping systems. A widely-known example in this context is the smart fridge that automatically places an order when the quantity of specific products drop below the reorder level (Macaulay/Kückelhaus 2015). The same applies to tracing and product returns.

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Transportation units

Materials handling technologies

Internet of Things

Software systems

Figure 6:

Mode of operation of Internet of Things (Source: adapted from Kuzmany/Luft/Chisu 2010, p. 55)

Telematics is the integration of telecommunication and informatics to enable remote wirefree transfer of data. An important application area of telematics in logistics is vehicle telematics, i.e., the transfer of information from a delivery van or truck to a distribution center. Usually, positioning data of the delivery vehicle is transferred, but also other data such as order or delivery information, barcode scans, or delivery confirmations can be transmitted (Baumgartner et al. 2008). In doing so, telematics supports an increase of the information flow in the supply chain which enhances coordination between the various elements in the logistics process. This way, telematics can facilitate real-time process control and increase flexibility of deliveries. In last mile logistics, it can support route planning and optimization, hence minimizing delivery costs and information provision. It also enables tracking of delivery vehicles (Hopkins/Hawking 2018).

478

M. Madlberger

3.2.3 Autonomous physical movement Robotics is the computer-controlled automated interaction between machines and their environment based on sensors, actuators, and information systems. Other than conventional warehouse automation systems that partly date back several decades (e.g., cranes, conveyor belts, or carousels), recently developed robotics systems include freely moving shuttles and other vehicles. Hence, such devices are also referred to as “autonomous vehicle-based storage and retrieval” (AVS/R) systems (Azadeh et al. 2019). In logistics, robotics can particularly automate movement of goods in a wide range of logistics processes (Roodbergen/Vis 2009): In transportation, robotics can automate inbound and outbound logistics such as loading and unloading trucks. In warehousing, inward and outward storage processes can be automated which can further support chaotic inventory systems. Picking can be automated by goods-to-person picking processes that are carried out by robotics. Robotics can also automate packaging. Literature distinguishes various types of robotics systems in logistics, such as cranes and automated forklifts, carousels, vertical lift modules, automated dispensing systems, and aisle- and grid-based shuttle systems (Azadeh et al. 2019). In addition, robotics can cooperate with human workers by assisting them in various activities. This is specifically feasible in last mile logistics. In this area, robotics can significantly increase picking efficiency by providing robotic mobile fulfillment systems that are bringing the ordered items to the picking employee (parts-to-picker). For this purpose, movable pods are applied that navigate autonomously (Lamballais et al. 2017) or follow walking pickers. Another robotics application offers the assistance of drivers by pre-sorting parcels according to the delivery route and the respective location of the delivery vehicle (Kückelhaus 2016). This way, delivery speed can be increased. For example, if some delivery attempts fail due to absence of the recipient and items therefore cannot be handed over, these leftovers can be rearranged in the delivery van to ease the following deliveries. For home delivery, prototypes of lockable delivery robots are being tested that can autonomously move on sidewalks and transport up to 20 pounds of cargo (Hawkins 2019). Drones (also referred to as unmanned aerial vehicles or UAV) are remote controlled or computer-controlled unmanned flying objects. They support process control by surveilling the logistics infrastructure. In the logistics process, they can be used for internal transportation. A main application area of drones is last mile logistics where they can deliver ordered products autonomously and with a high degree of time flexibility. From an operational perspective, the use of drones can increase the quality of the delivery service (Carlsson/Song 2018). On the other hand, it can also result in economic challenges as deliveries origin from distribution centers which are usually built close to densely populated areas. Such areas, however, are usually dominated by multiple-story buildings that are not suitable for drone delivery due to lacking space for landing and parcel dropping (Murray/Chu 2015). A combined truck-drone delivery can alleviate these limitations, therefore at present, research particularly investigates fulfillment processes that combine

Last Mile Logistics Reloaded

479

the use of drones with trucks by exploiting their complementary features. Whereas trucks are capable of transporting a multitude of heavy-weight items in a long delivery range, drones offer a higher delivery speed and are not bound to the ground and the local traffic (Ha et al. 2018). Further, drones can only deliver one parcel at once. Trucks allow drones to get closer to consumers’ delivery points than distribution centers which increases the flight range of drones. At the same time, trucks fulfill a dual role by serving as mobile depots for the drones and as additional transportation vehicles for heavier items or delivery points that are not suitable for drone delivery (Murray/Chu 2015). There are several possible configurations for drone delivery that are all based on different extensions of the traveling salesman problem. A parallel drone scheduling employs a fleet of several drones within the flight range of a distribution center whereas a mobile drone station in combination with a truck allows to operate drones in a wider range (Kim/Moon 2019). Another configuration, the flying sidekick traveling salesman problem, includes drones that use a truck as a basis, deliver autonomously to customers nearby the current location of the truck and return to the truck which has dropped a delivery at the next point in the meanwhile (Murray/Chu 2015). Autonomous vehicles (also referred to as self-driving vehicles) denote a collective term for different kinds of vehicles that can move autonomously. Hence, they are a specific type of robotics. Sensors and image capture systems allow for the autonomous movement. In logistics, autonomous vehicles are currently widely used within distribution centers, such as shuttles, forklifts or containers (Roodbergen/Vis 2009). On public roads, the necessary technological maturity and legal environment are not yet available at present. A possible intermediate state that can be realized before autonomous vehicles become a regular part of the traffic are dedicated autonomous vehicle zones (Scherr et al. 2019). Autonomous vehicles can particularly automate transportation processes within and between distribution centers. There are several application areas in logistics that can apply autonomous vehicles either already at present or in the future (Kückelhaus 2015): (1) autonomous transport and assisted picking in warehouses where they can complement robotics. Besides moving goods, they can perform adjacent processes such as loading or unloading. (2) Autonomous outdoor logistics can be supported in autonomous vehicle zones where autonomous vehicles can move items in an efficient way. (3) Assisted highway trucking and convoying in linehaul transportation is considered a safety-increasing way of applying self-driving trucks on public roads. (4) In last-mile logistics, automated vehicles can be efficiently used in high-congested roads where traffic speed is low.

3.3 Automation potentials of smart logistics technologies Figure 7 summarizes the logistics processes that are particularly supported by the abovementioned technologies in fulfillment (Kückelhaus 2016).

Inventory management

Transportation

Tracking

X

X

X

X

X

X

X

Digital Identifiers

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

Coordination along the supply chain

Sensor technologies

Technology

Process control

Packing

M. Madlberger

Picking

480

Collection of real-time information

Transfer of real-time information IoT

X

X

Telematics

X

X

Autonomous physical movement Robotics

X

Drones

X

Autonomous vehicles

X

Figure 7:

4.

X

X

X

X X

X

X

X

Automation potentials of smart logistics technologies

Personalization potentials of smart logistics in last mile logistics

In this section, the potentials of smart logistics systems for personalization of last mile logistics services are analyzed. For this purpose, the last mile logistics service is considered from a process perspective, i.e., decomposed into several components of the fulfillment service. E-commerce literature distinguishes different elements of fulfillment that can show various degrees of personalization (Madlberger 2004; Madlberger/Sester 2005; Parasuraman et al. 2005; Agatz et al. 2008; Xing et al. 2010; Hübner et al. 2016; Gawor/Hoberg 2019).

Last Mile Logistics Reloaded

481

These can be grouped into three categories and are shown in Figure 8. First, the fulfillment processes are related to the physical delivery and the respective conditions under which it takes place. As e-commerce companies usually charge delivery fees as a compensation for delivery costs, this element is included in this process. The second group relates to information provision which is not a necessary process for delivery of goods, but enhances the transparency about the delivery status and establishes a value-added service for the customer. Finally, product return is a process within the fulfillment service that can occur under various circumstances, e.g., due to warranty issues or the customer’s preference to undo or modify the purchase. Service component

Personalization

Examples

Fulfillment processes Packaging

Choice between different packaging options

Minimizing number of packages, splitting deliveries into several packages, gift wrapping etc.

Delivery mode

Choice between different modes of delivery

Home delivery, click and collect, delivery to car trunk etc.

Delivery location

Choice between different delivery locations

Home, workplace, retail outlet, pickup point etc.

Delivery time

Choice between different delivery times

Standard delivery time, same-day delivery, express delivery, season-dependent delivery

Delivery time window

Choice of clock time and duration of delivery windows

Morning, afternoon, evening etc. Standard delivery window, short delivery window

Accessibility of pickup points (if applicable)

Availability of pickup points

Store opening hours, 24/7 access etc.

Delivery location flexibility

Possibility of changing the delivery location after order placement

Home delivery, click and collect, other delivery location etc.

Delivery time flexibility

Possibility of changing the delivery time after order placement

Postponement of delivery date or time

Delivery costs

Adaptation of charged delivery costs to order parameters

Minimum order quantity, minimum order amount, subscription models (e.g., Amazon Prime) etc.

Figure 8:

Personalization of service elements of last mile logistics in e-commerce

482

M. Madlberger

Service component

Personalization

Examples

Information provision Delivery status information (content)

Choice of detailed delivery status information

Tracking option, visibility of different stages in the fulfillment process (e.g., loading, outbound logistics)

Delivery status information (device)

Choice of electronic device to which delivery status information is provided

Computer, smart phone, voice assistant etc.

Product return Logistical product return options

Choice of different modes of returning the physical product

Resending, bringing to store, having picked up etc.

Product return handling

Choice of different ways to handle product returns

Money-back, exchange for a different good, recommendation of replacement goods

Figure 9:

Personalization of service elements of last mile logistics in e-commerce (continued)

The degree to which last mile logistics can be personalized is largely dependent on the transparency of the information flow and the agility of the involved delivery infrastructure. As the above-mentioned service elements show, personalization potentials are particularly driven by either (1) allowing for a higher number of alternatives or (2) the possibility to alter the fulfillment process while it is in progress, i.e., enhancing delivery flexibility. Whereas the number of alternatives further increases last mile logistics complexity, flexibility specifically demands for a transfer of real-time information and the immediate reaction of the delivery infrastructure to it. Since such last-minute changes can be very costly if human actors are involved, the economics of such a degree of flexibility is largely dependent on the availability of autonomous devices that evoke lower additional costs than a traditional infrastructure (e.g., costs of overtime work or increased energy usage). The smart logistics technologies that have been discussed in the previous section can offer the necessary extent of real-time information exchange and autonomous agility in different ways. Hereby the various types of technology show largely different impacts on the personalization potentials of last mile logistics. Due to the interdependencies of these technologies, it is useful to distinguish between a direct impact on personalization potentials and an indirect one. A direct impact exists if the respective technology can enhance personalization potentials on its own, i.e., without the combination with other technologies. The indirect impact acknowledges that the respective technology serves as an enabler, but does not influence the personalization potential without being combined with another technology.

Last Mile Logistics Reloaded

483

Within fulfillment processes, except for delivery costs, it is evident that technologies for autonomous movement can raise personalization potentials directly in each service element. Their cost efficiency can make an e-commerce company’s offering of a larger number of choices more cost-efficient and therefore economical. This applies to packaging personalization, the number of offered delivery modes, and accessibility of delivery locations in case of pick-up points. The latter are not limited to opening hours if they are fully automated. Furthermore, technologies that carry out autonomous movement can speed up processes which can reduce the delivery time. As a result, the customer can be offered a larger number of acceptable delivery times. Since autonomous movement technologies are also interconnected, they can further benefit from a constant exchange of real-time information so that their agility increases. In this context, also technologies for collection and transfer of real-time information directly influence the personalization potentials of last mile logistics, even if no autonomous movement technologies are applied. The enhanced information flow allows for a more accurate transportation route planning and consequently for an offering of shorter delivery time windows. Likewise, the enhanced information transparency within the last mile logistics infrastructure allows for a real-time and autonomous optimization of on-going delivery trips in case the customer makes last-minute changes of the delivery location and/or delivery time. Such a scenario can happen for example, if an employed customer realizes that s/he has to leave the workplace later than planned so that s/he would miss a planned home delivery of goods. With a higher flexibility of last mile logistics, an e-commerce company can offer its customers a longer time period during which they can make changes to the delivery time and/or location after the order placement. Personalization potentials of delivery costs are not directly influenced by smart logistics technologies, but indirectly. The contribution of the technologies to fulfillment cost decrease provides an e-commerce company with a larger contribution margin which allows for additional delivery cost models that would otherwise not be economical. The process of information provision is fully dependent on the underlying information flow, but it is not influenced by physical movement of goods. Therefore, whereas autonomous movement technologies are unrelated to personalization potentials in this respect, real-time information collection and transfer technologies are directly impacting them. This applies to the content of information provided (e.g., number of pieces of shared status information) as well as the choice of customer devices where the information is sent to (e.g., computer, mobile phone via Internet or SMS). In contrast, product return is another logistics process which leads to similar technology impacts on personalization potential. Autonomous movement technologies can increase the speed and reliability of returns as well as reduce costs. In doing so, they can make a larger variety of return options as well as product return handling more economical. Technologies for collection and transfer of real-time information serve again as enablers in this respect. Figure 10 summarizes the logistics processes that can particularly be supported by the different smart logistics technologies.

484

M. Madlberger

Technology/ Service component

Collection of real-time information

Transfer of real-time information

Autonomous movement

Fulfillment processes Packaging

X

Delivery mode

(x)

(x)

X

Delivery location

(x)

X

X

Delivery time

(x)

X

X

Delivery time window

(x)

X

X

Accessibility of pickup points*

(x)

(x)

X

Delivery location flexibility

X

X

X

Delivery time flexibility

X

X

X

Delivery costs

(x)

(x)

(x)

Information provision Delivery status information (content)

X

X

Delivery status information (device)

X

X Product return

Logistical product return options

(x)

(x)

X

Product return handling

(x)

(x)

X

Legend: (x) … indirect facilitator (enabler), X … direct facilitator, * … if applicable

Figure 10:

Personalization potentials of smart logistics technologies in last mile logistics

Last Mile Logistics Reloaded

5.

485

Conclusion

The issue of last mile logistics has been a major challenge in e-commerce since this sector has emerged a few decades ago. The high and varying number of delivery locations and quantities together with increasing customer expectations of a seamless omni-channel environment are expected to further increase complexity of physical distribution on the last mile. After several years of more incremental than transformational innovations in last mile logistics, the availability of smart logistics systems now opens up new avenues of enhancing the customer service in this area. Current and near-future developments in logistics digitization and automation give reason to expect further dynamics in innovative last mile logistics concepts. This chapter has systematically discussed relevant smart logistics technologies which are either in use already now or on the cusp of becoming integral parts of last mile logistics in the near future. Advances made by Internet giants such as Amazon with the Amazon Prime Air Drone or startup companies such as Starship Technologies with autonomously moving delivery robots show how an increased logistics automation can further enhance the service level of e-commerce fulfillment. Simultaneously, academic literature is elaborating a multitude of approaches and algorithms to control, coordinate, and optimize smart logistics infrastructures. However, all logistics automation efforts that started with early automated storage and retrieval systems in the 1950s and are currently focusing on autonomous vehicles would not be feasible without key complementary technologies that ensure the collection of real-time information as well as its transfer between objects amongst each other and/or information systems. Last mile logistics is an impressive example of how benefits obtained by digitization can be realized. Besides the contribution to a reduction of logistics costs, automation of logistics can also enhance personalization of fulfillment services and therefore enhance the customer service level and satisfaction. Highly personalized last mile logistics fully corresponds with a seamless omni-channel customer experience where boundaries between different distribution channels disappear. The chapter has provided an overview of the contribution of different smart logistics technologies to the potentials to personalize last mile logistics. Although automation and personalization potentials in last mile logistics were in the focus of this chapter, digitization of logistics can also offer answers to further key challenges. Increased personalization can offer a higher degree of differentiation from competition for e-commerce and/or omni-channel retailers. An increase of logistics innovation may also benefit other sectors than e-commerce, for example healthcare or disaster management. Last but not least, smart logistics technologies can contribute to lower energy use and this way allow for more climate-friendly and sustainable fulfillment solutions in e-commerce.

486

M. Madlberger

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Pietro Beritelli und Thomas Bieger

Automatisierung und Personalisierung von persönlichen Dienstleistungen im Tourismus – Zum Kundenwert der persönlichen Dienstleistung

1. Tourismus – eine durch die Reisenden „getriebene“ Industrie 2. Technologieanwendungen im Tourismus – Frühe Adoption und flächendeckende Diffusion 3. Visionen über Automatisierung vs. Realität im Tourismus 4. Orientierungsrahmen für Entscheidungen über Automatisierung im Tourismus 4.1 Automatisierungsbühnen 4.2 Automatisierung als Kundenvorteil 4.3 Bedeutung des Kontextes 5. Ausblick in eine zunehmend digitale Gesellschaft und Arbeitswelt Literaturverzeichnis ___________________________ Prof. Dr. Pietro Beritelli ist Titularprofessor für Betriebswirtschaftslehre mit besonderer Berücksichtigung des Tourismus an der Universität St. Gallen und Vizedirektor des Instituts für Systemisches Management und Public Governance, Research-Center-Tourismus und Transport. Prof. Dr. Thomas Bieger ist Ordinarius für Betriebswirtschaftslehre mit besonderer Berücksichtigung des Tourismus an der Universität St. Gallen und Direktor des Institutes für Systemisches Management und Public Governance. Seit 2011 ist er Rektor der HSG.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Bruhn und K. Hadwich (Hrsg.), Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen Forum Dienstleistungsmanagement, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30166-8_20

1.

Tourismus – eine durch die Reisenden „getriebene“ Industrie

Tourismus ist charakterisiert durch persönliche Dienstleistungen, die direkt am Menschen und meist von Menschen erbracht werden. Diese „Embodied Services“ (Bhagwati 1984) zeichnen sich durch verschiedene Besonderheiten in Produktion und Konsum aus, die im klassischen Dienstleistungsmanagement diskutiert werden (Bruhn/Meffert 2013). Dazu gehören das Zusammenfallen von Konsum und Produktion (auch Uno-actu-Prinzip genannt) sowie daraus abgeleitet die Herausforderung des Kapazitätsmanagements durch den Anbieter und der Bewältigung von Qualitätsschwankungen durch den externen Faktor (Bieger 2007). Vor allem aber ist die Steigerung der Arbeitsproduktivität häufig eingeschränkt. Typische persönliche Dienstleistungsbranchen wie die Gastronomie, Körperpflege wie Coiffeur, Pflege oder eben auch persönliche Erlebnisleistungen wie Bergführung und andere touristische Teilbranchen zeichnen sich deshalb durch im Branchenvergleich niedrige Arbeitsproduktivität und entsprechend tiefen Löhnen aus (seco 2017; STV 2019). Automatisierung und Robotik könnten viele Teilaufgaben von dienstleistenden Personen entflechten respektive neu einbetten und würden damit theoretisch Multiplikationseffekte und Skalenerträge ermöglichen. Ein Beispiel wären Roboter, die das Gepäck der Gäste auf die Zimmer bringen oder automatisches Check-in über mobile Endgeräte bis zu Tourismusauskünften über komplexe Suchalgorithmen, sprich Artificial Intelligence (z. B. Ivanov/Webster 2017). Tourismus kann definiert werden als „Gesamtheit der Beziehungen und Erscheinungen, die sich aus dem Reisen und dem Aufenthalt von Personen ergeben, für die der Aufenthaltsort weder hauptsächlicher und dauernder Wohn- noch Arbeitsort ist“ (Kaspar 1991, S. 16). Touristische Erlebnisse und Leistungen werden damit durch den Nachfrager, die Kundinnen und Kunden, definiert. Aufgrund der besonderen Situation der Produktion und des Konsums der Leistung, nämlich außerhalb des normalen Wohn- und Arbeitsumfeldes, ergeben sich besondere Anforderungen aufgrund des damit verbundenen kundenseitigen Risikos, des Informationsbedarfes und der oft hohen Emotionalität (Bieger 2007). Mit Bezug auf diese Eigenschaften wird deshalb auch von Praktikern immer wieder auf die große Bedeutung persönlicher Interaktion verwiesen. Im Vergleich zu anderen Branchen, und ähnlich wie andere Branchen mit denselben Eigenschaften wie die Pflege, fällt bei der Frage nach Automatisierung persönlicher Dienstleistungen die Reiseindustrie deshalb aus dem Rahmen. So ist die Aussage, dass im Tourismus Automatisierungspotenziale begrenzt sind, Teil der Grundüberzeugungen der spezifischen Betriebswirtschaftslehre der Branche (Kaspar 1991). Die Steigerung der Arbeitsproduktivität beispielsweise in der Hotellerie wurde schon früh thematisiert (Witt/ Witt 1989). Studien zeigen aber, dass diese nur erreicht werden kann, wenn unter anderem betriebliche Routinen und langjährig erfahrenes Personal mitwirken (Marchante/Ortega

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Th. Bieger und P. Beritelli

2012). Da eine Reise zudem aus mehreren zusammenhängenden Dienstleistungen kombiniert wird, sind weitere Unternehmen in der touristischen Wertschöpfungskette einbezogen, für die eine unternehmensübergreifende Koordination nötig wird. Auch hat Kreativität eine große Bedeutung bei einzelnen Dienstleistungselementen. In Restaurants muss immer noch ein Koch kreativ ans Werk, und die Bedienung durch den Kellner mit der persönlichen Beratung ist nur schwer wegzudenken. Tour Guides führen Touristengruppen durch eine Stadt und erzählen auf ihre ganz persönliche Art deren Geschichte. Zunehmender Kostendruck durch den sich verstärkenden internationalen Wettbewerb sowie der Lohndruck gerade in wirtschaftlich hoch entwickelten Destinationen schaffen auf der einen Seite einen verstärkten Zwang zu Produktivitätssteigerung und Automatisierung. Auf der anderen Seite erhöhen die neuen Möglichkeiten von Künstlicher Intelligenz (KI) und Robotik die Potenziale für Automatisierung. Zugleich dürfte die zunehmende Kommodifizierung und die Masseneffekte (vgl. Kagermeier/Erdmenger 2019) die Bereitschaft für die Akzeptanz neuerer Ansätze der Dienstleistungserbringung beim Kunden erhöhen. Dieser zunehmende Wandel müsste eigentlich Anlass dazu geben, dass auch im Tourismus mehr Aufgaben entweder durch Maschinen übernommen werden oder zumindest an den Kunden delegiert werden. Dieser Beitrag diskutiert die Automatisierung touristischer Dienstleistungen auf einer konzeptionellen Ebene und liefert dabei (1) Ansätze für Automatisierungspotenziale (2) Eine Diskussion der Herausforderung der Gestaltung der persönlichen Interaktion in der Reisebranche (3) Ein Orientierungsrahmen für die Einordnung der Potenziale der Automatisierung. Die obigen Themen wurden bisher grundsätzlich aus betrieblicher und somit aus Angebotsseite betrachtet. Traditionell gesehen, wird betriebliche Produktivität durch Skalenerträge und Verbundvorteile in Kombination mit technologischer Innovation erreicht. Die betriebliche Arbeitsteiligkeit und die Substitution der Arbeit durch maschinelle Fertigung und Verrichtung, die zuerst in Handwerk und Industrie und schließlich in andere Dienstleistungsbranchen (z. B. Finanzsektor) Einzug gehalten hat, muss auch im Hinblick auf die Umsetzung in touristischen KMUs – und dazu gehören auch größere Hotels oder Freizeit- und lokale/regionale Transportunternehmen – geprüft und genutzt werden. Ein wichtiges Thema dabei ist die Frage des Nutzens der persönlichen Interaktion respektive der Herausforderungen der Substitution derselben durch Automatisierung. Eine nachfrageseitige Betrachtung hilft, die tatsächlichen Potenziale der Automatisierung im Tourismus zu erkunden. Analysiert man die Dienstleistungskette beispielsweise einer Reisegruppe, stellt man fest, dass Touristen in Eigenleistung oder durch ihre Präsenz und ihr Handeln als Leistungserbringer für Mittouristen maßgebend am Produktionsprozess beteiligt und in der Mitgestaltung ihrer Reiseerlebnisse involviert sind (zu einer ausführlichen Erklärung siehe auch Bieger/Beritelli 2019). Reisende sind nicht nur Co-Produzenten (Smith 1994; Kaspar 1995; Maggi 2014; Beritelli/Bieger 2015). Sie er-

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fordern allein durch deren Präsenz eine permanente Aktivierung betrieblicher und überbetrieblicher Schnittstellen. Diese Schnittstellen betreffen oft unterschiedliche Formen und Arten von Informationen, Interaktionen und Transaktionen. Während Informationen und Transaktionen beispielsweise durch mobile Endgeräte zunehmend automatisiert und teilweise an den Kunden delegiert werden können (vgl. Bieger/Beritelli 2018), ist das Potenzial automatisierter Interaktion noch am Anfang.

2.

Technologieanwendungen im Tourismus – Frühe Adoption und flächendeckende Diffusion

Grundsätzlich ist der Tourismus eine Lead-Industrie für die Anwendung von Technologien und insbesondere der Informations- und Kommunikationstechnologie (Bieger/ Beritelli 2018). Schon früh, seit den 1970er Jahren wurden globale Distributionssysteme und Computer Reservationssysteme eingeführt. Das World Wide Web hat seit Anfang der 2000er Jahre dazu geführt, dass die Vernetzung von Informations-, Buchungs- und Abrechnungssysteme zuerst stationär, vor und am Ende einer Reise, und anschließend ubiquitär, also auch während der Reise, eine Vielfalt an Anwendungen und Geschäftsmodellen ermöglicht hat (Bieger/Beritelli 2019). In der durch die Nachfrage getriebene und durch den persönlichen Dienstleistungscharakter geprägte, fragmentierte Reisebranche hat im Vergleich zu anderen Branchen eine breite Diffusion technologischer Lösungen, insbesondere in der ICT, früh stattgefunden. Die frühe, breite Anwendung der ICT und des Internet wurde für den Tourismus nicht nur vorausgesagt (Werthner/Klein 1999), sondern hat mittlerweile zu signifikanten Umwälzungen in der Branchenstruktur geführt (z. B. Berne et al. 2012). Zurückblickend darf man heute davon ausgehen, dass gerade die Reisenden selbst, durch die tägliche Anwendung verschiedener stationärer und mobiler Endgeräte und Applikationen dazu beigetragen haben, dass der Tourismus heute regelrecht ein experimentelles Spielfeld für die Adoption von neuen ICT-Technologien geworden ist. Neue Geschäftsmodelle auf der Basis der Plattformökonomie wie AirBnB und Uber sind Beispiele. Während aber die Informations- und Kommunikationstechnologie im Tourismus weitgehend etabliert ist, scheint die Automatisierung von persönlichen Dienstleistungen noch in den Kinderschuhen zu stecken. Automatisches Check-in ist immer noch selten, und auch das automatische Check-out findet in Lobbys statt, wo oft noch eine Mitarbeitende an der Rezeption steht und anderen Aufgaben nachgeht. Noch seltener ist der Einsatz von Robotern. Erste Beispiele hierfür zeigen sich für den Zimmerservice in asiatischen Städten.

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Für die Analyse der Potenziale der Automatisierung von Dienstleistungen eignen sich Service Blueprints (Shostack 1982). Ausgangspunkt ist die Analyse der Dienstleistungskette auf der Ebene der einzelnen Elemente, sowie der einzelnen Ebenen, insbesondere die logistische, die Interaktions- und Informationsebene. Die Grundstruktur zu den Ebenen ist in Abbildung 1 im Abschnitt 4.1. illustriert. Das grundlegende ökonomische Prinzip muss dabei die Optimierung des Verhältnisses geschaffener Kundenwerte zu Kosten sein. Mit der Entwicklung der Robotik in Kombination mit Künstlicher Intelligenz wird qualifizierte Roboterarbeit tendenziell günstiger im Vergleich zu menschlicher Arbeit. Diese Tendenz wird verschärft auch wegen zunehmender Sozial- und Sicherheitskosten für menschliche Arbeit in vielen Ländern. Gleichzeitig wird der Kundenwert von automatisierter Leistung höher, wenn beispielsweise mit Hilfe komplexer Algorithmen individualisierte Auskünfte erteilt werden können oder mehr handwerkliche Verrichtungen durch Roboter übernommen werden kann. Ansatzpunkte für die verstärkte Automatisierung bestehen damit „

„

„

„

Auf der logistischen Ebene praktisch überall, wobei Standardisierung und räumliche infrastrukturelle Gegebenheiten (z. B. Rollbahnen für Roboter) notwendig bis hilfreich sind. Dies betrifft die Steuerung von Fahrdiensten (z. B. Autonomous Driving bei Kleinbussen), Gepäckhandling (durch Roboter), Zubringerleistungen in Restaurants (Rüsten, Abwaschen, einfacher Service/Abräumen) oder Erlebnisdiensten (Bereitstellen von Ausrüstungen wie Schlitten). So finden sich heute schon Anlieferungsroboter für Zimmerservices oder Roboter für die Beladung von Schlitten auf Spezialtransportmittel; für Arbeiten also, die früher durch wenig qualifizierte, körperlich beanspruchende menschliche Arbeit erbracht werden musste. In der eigentlichen Servicekette, dort, wo Roboter verbunden mit IT-Systemen vor allem dank mobiler Endgeräte Dienstleistungen übernehmen können. Dies betrifft vor allem standardisierte Elemente mit wenig emotionalem Gehalt. Beispielsweise Check-in, Gästezimmer zeigen und Funktionalitäten erklären, touristische Auskünfte und Beratung, Ticketing. Auf der Interaktionsebene, durch innovative Gestaltung der Schnittstelle MenschMaschine durch neue Bildschirme, anthropomorphe Roboter bis hin zur Beratung auf Distanz über einen Bildschirm wobei der beratende Mensch auf Distanz einen Dienstleistungsroboter bedient. Auf der Informationsebene, durch die Bereitstellung von Kundeninformationen für die dienstleistenden Menschen oder die Roboter. Beispiele sind Daten zum Check-in aus Stammkundendateien.

Diese konzeptionellen Stoßrichtungen entsprechen natürlich einer rein betriebswirtschaftlichen Sicht. Datenschutzgesetze, Akzeptanz von automatisierten Leistungen und Datentransfer, aber auch die volkswirtschaftliche Funktion des Tourismus in wirtschaftlich schwächeren Gebieten, in denen auch wenig qualifizierte menschliche Arbeit ein wichtiger Beitrag zur Schaffung von Arbeitsplätzen bietet, sind entscheidende Kriterien von Automatisierungskonzepten im Tourismus.

Automatisierung und Personalisierung von persönlichen Dienstleistungen

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Umgekehrt geht es darum, den Mehrwert menschlicher Arbeit/Dienstleistung zu stärken. Dies bedeutet, den Mehrwert der Interaktionsqualität in Bezug auf Empathie, die entstehende Informationsqualität und die emotionale Qualität des Erlebnisses hervorzuheben (vgl. Engeler 2012). Dies erfordert Ausbildung der Dienstleistenden in Bezug auf Interaktionsqualität sowie deren optimale Unterstützung im „Moment-of-Truth“ gerade auch durch von KI unterstützten Daten und Entlastung von physischen Verrichtungen durch Robotik.

3.

Visionen über Automatisierung vs. Realität im Tourismus

Hotels mit weitgehender Automatisierung persönlicher Dienstleistungen, wie Alibabas Flyzoo Hotel in Hangzhou, China (Brennan 2019), wo die meisten Funktionen für den Aufenthalt im Hause durch digitale Schnittstellen bedient werden können oder das Henn na Hotel in Huis Ten Bosch, Japan (http://www.h-n-h.jp/en/), in welchem vor allem anthropomorphe Roboter im Einsatz sind, werden noch als Einzelfälle und Stand-alone-Konzepte betrachtet. Auch der Einsatz des Serviceroboters Pepper, der von den Firmen Aldebaran Robotics SAS und SoftBank Mobile Corporation entwickelt wurde, hat experimentellen Charakter. Während wohl die Einstellungs- und Handlungsakzeptanz (Quiring 2006; Ullrich et al 2015) für diese Technologie vorhanden scheint, ist eine effektive Nutzung im Tourismus, im Vergleich zur schon bald 50-jährigen Anwendung von Industrierobotern, ausgeblieben. Zum einen kann dieser Rückstand angebotsseitig erklärt werden. Die Adoption und Diffusion technologischer Innovationen im Tourismus, der in vielen Ländern geprägt ist durch traditionelle Branchenstrukturen mit spezifischen Ausbildungsgängen und vor allem traditionellen Tourismusländern mit einer KMU-Struktur ist unter anderem auf folgende Hemmfaktoren zurückzuführen (vgl. Bieger et al 2012): „ „

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Geringe Innovationsrendite: der Aufwand wird im Verhältnis zu den ökonomischen Vorteilen als zu hoch geschätzt. Fragmentierte Wertschöpfungskette: hohe Transaktionskosten und geringe Vertrauensbasis in einer unübersichtlichen Anzahl von Kooperationspartnern und Wettbewerbern erhöhen die Unsicherheit darüber, an welchen Stellen und mit welchen Ertragsmechanismen die Renditen abgeschöpft werden können. Betriebsübergreifende Automatisierung auf der Basis gemeinsamer Datensysteme ist problematisch. Standortgebundenheit und öffentliche Güter: viele Unternehmen sind an den lokalen oder regionalen Kontext gebunden und dieser umfasst auch den öffentlichen Raum. Dies führt zu einer Externalisierung von Renditen bei betriebsinternen Innovationskosten.

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Th. Bieger und P. Beritelli KMU-Struktur der Branche: verbunden mit dem Lifestyle touristischer Unternehmer; Unternehmer und Manager im Tourismus streben teils aufgrund der lokalen Strukturen, teils wegen bewusster, persönlicher Entscheide kein unternehmerisches Wachstum an. Diffusions- und Imitationsprozesse: da die Unternehmen nur als Anwender und nicht als Entwickler agieren sowie, weil Prozessinnovationen bei Dienstleistungen kaum patentierbar sind, können First Mover Advantages (Vorreitervorteile) nur kurzfristig genutzt werden.

Interessant ist, dass auch große Hotelkonzerne, bei denen viele der oben erwähnten Nachteile nicht gegeben sind, bei denen beispielsweise eine Rendite für Innovation aussichtsreich ist und unternehmensinterne Diffusionsprozesse möglich sind, dennoch bezüglich Automatisierung zurückhaltend sind. Auch bei Low Cost-Hotels ist der Einsatz von Robotern oder das automatische Check-in über Smartphone bis auf wenige moderne Konzepthotels noch nicht weit verbreitet. Gründe dafür könnten hier verschiedene Arten von Regulierungen sein, z. B. Anforderung eines persönlichen Service bei Sternekategorisierungen, Ausländergesetzte mit Passkontrolle beim Check-in. Die Zurückhaltung bei der Automatisierung im Tourismus kann aber zum anderen auch nachfrageseitig begründet sein. Speziell beim Einsatz von Robotern für persönliche Dienstleistungen gibt es zunehmend Erkenntnisse aus der Forschung. Frontline Service Robots – Maschinen, die an der Interaktionsschnittstelle mit Kunden agieren – sollten sich z. B. an die Idealvorstellung der Dienstleistung, an die Erwartungen an den Roboter sowie an die Erwartungen an die Selbstbedienungstechnologie ausrichten (Stock/Merkle 2017). Beim Einsatz von Dienstleistungsrobotern im Tourismus gibt es zahlreiche Studien, die die Einstellung und Akzeptanz, die Reaktion der Probanden sowie die Qualität der erbrachten Services untersucht haben. Dabei werden grob gesehen drei Dimensionen berücksichtigt: „ „ „

Funktionale, also aufgabenbezogene (z. B. Ivanov et al. 2018; Tussyadiah/Park 2018; Ivanov/Webster 2019; Lu et al. 2019), Sozio-emotionale bezüglich Kundeneinstellung und -reaktion (z. B. Pan et al. 2015; Rodriguez-Lizundia et al. 2015) und Relationale bezüglich Verhältnis respektive Interaktion (z. B. Tung/Au 2018).

Zusammenfassend aus den bisherigen Studien kann festgehalten werden, dass zum einen ein höherer Anthropomorphismus und eine hohe Interaktionsfähigkeit der Maschine die Akzeptanz bei den Testpersonen steigern. Insbesondere die Qualität der Interaktion erleichtert die Co-Kreation zwischen Angebot und Nachfrage, die im Tourismus die maßgebenden authentischen und einmaligen Ereignisse generiert. Zum anderen hat sich eine hohe Akzeptanz der Befragten gegenüber der Technologie auf die Testsituationen positiv ausgewirkt. Schließlich wurde der Kontext, in welchem die Automatisierung stattfindet, als relevant erwähnt, wenn dieser auch nicht in allen Studien zuverlässig rekonstruiert respektive operationalisiert wurde. Schlussendlich geht es immer um die Frage, wieviel der Qualität der persönlichen Interaktion durch Technologie substituiert werden kann.

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4.

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Orientierungsrahmen für Entscheidungen über Automatisierung im Tourismus

Entscheidungen über Automatisierung persönlicher Dienstleistungen im Tourismus sind immer fallbezogen und können selten standardisiert werden. Dennoch lassen sich mindestens zwei relevante Fragestellungen berücksichtigen, die quasi einen Orientierungsrahmen bilden. Zum einen gilt es drei Automatisierungsbühnen zu unterscheiden. Dabei sind aufgrund der oben dargestellten nachfrageseitigen Effekte die Wirkungen der Automatisierung insbesondere auf den vorderen zwei Bühnen, nämlich entlang der Wahrnehmungslinie und der Sichtbarkeitslinie kritisch hinsichtlich ihrer Wirkung auf die wahrgenommenen Kundenvorteile zu beachten. Hier sind nämlich nicht nur funktionale Aspekte, sondern an der Schnittstelle mit dem Kunden sozio-emotionale und relationale Dimensionen relevant. Zum anderen geht es um den Kontext, in dem die Dienstleistung stattfindet.

4.1 Automatisierungsbühnen Eine Reise ist eine spezifische, für den Touristen meist individualisierte Aneinanderkettung von Leistungen bzw. Ereignissen, die unterschiedliche Formen des Austausches (inklusive Transaktionen) mit zahlreichen Dienstleistern verursachen. Schematisch lässt sich eine Reise als Dienstleistungskette darstellen (Bieger/Schallhart 1997). Abbildung 1 lehnt sich an der Konzeption einer Dienstleistungskette im Tourismus aus Kundensicht und ergänzt diese mit drei Bühnen, die sich entlang von drei Linien gestalten lassen. Was hinter der Logistik- oder Sichtbarkeitslinie geschieht, sieht der Reisende nicht. Hier stellen einzelne Unternehmen oder auch Verbunde ihre Leistungen bereit. Ressourcen und Kapazitäten werden geplant. Finanzielle, personal- und materialbezogene Entscheidungen werden vorbereitet und getroffen. Automatisierung auf dieser Bühne 3, die vereinfachend Back Stage genannt wird, findet heute schon statt. Sie bezieht sich auf IT-gestützte Management- und Supportprozesse, wie sie in Unternehmen aller Branchen zu finden sind (z. B. über ERP-Systeme). Der Unterschied im Tourismus spielt sich hingegen auf den Bühnen 2 und 3 ab. Hier greift Automatisierung direkt in den „Produktionsprozess“ des Reisenden ein und verändert den Wert des Erlebnisses. Entlang der Sichtbarkeitslinie nehmen Touristen beispielsweise einen unbemannten Rezeptionsdesk oder einen Serviceroboter in einem Restaurant bewusst oder unbewusst wahr und – auch wenn sie nicht direkt in Kontakt kommen oder damit interagieren – registrieren ein anderes Umfeld, einen anderen Kontext. Die zweite Bühne, der Front Stage bettet somit durch ein neues Umfeld die Dienstleistung neu ein.

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Bühne 3: Back Stage

Abrechnung/ Nachinfo

Abreise

Check-out

Sichtbarkeitslinie Verpflegung

Bühne 2: Front Stage

Unterkunft

Wahrnehmungslinie

Aktivitäten

Bühne 1: Kundenerlebnisse

Check-in

Anreise

Reservation

Information

Intangible DL

Inszenierung

Kunden

Logistiklinie

Information/Support Reisebüro

Abbildung 1:

Transportunternehmung

z. B. Tour, Konzert Hotel/Beherbergung

Dienstleistungskette aus Kundensicht (Quelle: in Anlehnung an Bieger 2007, S. 51; Bitner et al. 2008, S. 73)

Schließlich kommt es bei Bühne 1, dort wo der Tourist seine eigenen Erlebnisse generiert, zum so genannten Moment-of-Truth der automatisierten Dienstleistung. Hier muss Automatisierung zwingend besser oder zumindest gleichwertig wie die persönliche Dienstleistung funktionieren respektive einen Mehrwert bieten. Während nämlich auf dem Front Stage theoretisch ein Roboter als Attrappe stehen könnte und ein Hotelgast in der Lobby keinen offensichtlichen Bedarf nach einer automatisierten Leistung hat, weil er schon durch das Personal unterstützt wird, ist er auf der Bühne 3 weitgehend auf sich selbst mit der Maschine gestellt. Ausnahmen wie das automatische Check-in bei Flughäfen, bei denen immer noch Personal zu Hilfe eilt, gibt es noch. Dennoch sollten diese Lösungen erstens als Übergangslösung betrachtet werden, und zweitens nur dort zum Einsatz kommen, wo beispielsweise die Wartezeit an einem Automaten kürzer ist als an der Warteschlange am bemannten Schalter. Ein gutes aktuelles Gegenbeispiel sind Self-Check-out-Stationen bei Supermärkten. Hier passiert es noch oft, dass man weniger lang an der bedienten Kasse anstehen muss, als an den Self-Check-out-Stationen. Die Geschwindigkeit der Transaktion ist in diesem Fall ein relevanter Kundenvorteil, der dazu führt die Automatisierung kritisch zu überprüfen. Dies führt uns zur nächsten Fragestellung über die Kundenvorteile durch Automatisierung.

Automatisierung und Personalisierung von persönlichen Dienstleistungen

501

4.2 Automatisierung als Kundenvorteil Ein praktischer Rahmen für die Überprüfung des Mehrwerts persönlicher Interaktion liefert das Zehn-Felder-Schema über Kundenvorteile (siehe Abbildung 2). Die Konsequenzen für die Automatisierung in der Spalte rechts sind allgemein gehalten. Entscheidend für die Beurteilung über die Automatisierung ist dabei zum einen die Frage, welche von diesen zehn Vorteilen relevant sind und zum anderen der Kontext, in welchem die Automatisierung stattfinden soll. Dabei ist es vorstellbar, dass neben der Maschine auch weiterhin Mitarbeitende präsent sind oder die Maschine den Menschen übermittelt (Bildschirm auf dem Mitarbeitende in entfernten Call Center gezeigt werden). Der Kontext bestimmt schließlich die Erfahrung der Kunden und damit die Akzeptanz neuer Technologien. Kundenvorteil

Hintergrund

Konsequenzen für die Automatisierung

Emotionsvorteil

Das Unternehmen wirkt sympathisch und kompetent.

Die Interaktion mit dem Kunden muss den „Human Touch“ bewahren (z. B. freundliche Stimme, anthropomorpher Roboter) und alle relevanten Fälle und Situationen umfassen. Das Interaktionserlebnis bleibt dem Kunden positiv in Erinnerung.

Beziehungsvorteil

Der Kunde weiß mit wem/was zu interagieren und kann deren/dessen Fähigkeiten einschätzen.

Die Maschine/das System muss gut erkennbar und derart eingerichtet und angeschrieben sein, dass der Kunde sich dahin begibt.

Erklärungsvorteil

Der Kunde kann die Leistung beurteilen.

Der Kunde muss über die Leistung eine Rückmeldung geben können. Je spezifischer, desto besser.

Individualisierungsvorteil

Die Leistung passt auf den Bedarf des Kunden.

Die Maschine/das System muss über den Kunden zusätzliche Informationen kennen und diese während der Dienstleistungserbringung abrufen können.

Entlastungs- und Sicherheitsvorteil

Der Kunde delegiert Aufgaben an das Unternehmen und fühlt sich dabei sicher.

Was die Maschine/das System ausführt ist transparent und durch den Kunden nachvollziehbar. Der Kunde kann während der einzelnen Schritte Ergänzungen und Korrekturen eingeben.

Qualitätsvorteil

Die Leistungsqualität ist für den Kunden optimiert.

Im Vergleich zu einer persönlichen Dienstleistung stuft der Kunde den Prozess mindestens als gleichwertig ein.

Abbildung 2:

Kundenvorteile und Konsequenzen für die Automatisierung persönlicher Dienstleistungen (Quelle: in Anlehnung an Belz/Bieger 2006, S. 90ff.)

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Kundenvorteil

Hintergrund

Konsequenzen für die Automatisierung

Innovationsvorteil

Die Innovation unterstützt den Kunden in seinen Bedürfnissen.

Die Maschine/das System führt mehr Aufgaben als üblicherweise ein Mensch aus. Die Maschine/das System vereint mehr Aufgaben in sich als ein Mensch.

Geschwindigkeitsund Flexibilitätsvorteil

Der Kunde bleibt flexibel und spart Zeit.

Die Maschine/das System ist schneller als ein Mensch und erlaubt dem Kunden, gleichzeitig andere Dinge zu tun.

Wirtschaftlichkeitsvorteil

Der Kunde spart Geld oder erwirtschaftet höhere Erträge.

Die Maschine/das System schlägt Sparvarianten vor.

Koordinationsvorteil

Interne und externe Schnittstellen werden für den Kunden optimal bewältig.

Der Kunde wird auf weitere kontextuelle Informationen und Dienstleistungen verwiesen. Die Maschine/das System verfügt über ein breites Repertoire an Varianten (z. B. bei Regen: wo ist ein Schirm zu finden und welche Indoor-Freizeitaktivität aktuell verfügbar ist).

Abbildung 2:

Kundenvorteile und Konsequenzen für die Automatisierung persönlicher Dienstleistungen (Fortsetzung) (Quelle: in Anlehnung an Belz/Bieger 2006, S. 90ff.)

4.3 Bedeutung des Kontextes Dienstleistungskontexte sind geprägt durch die Art der Dienstleistung, das Dienstleistungsobjekt/den Kunden, den Anbieter sowie das Umfeld/die externen Netzwerke. Entscheidungen zur Automatisierung sollten immer auch im Lichte dieser Kontextdimensionen gefällt werden: „

„ „

„

Aktivitäten ohne große Leistungsvariabilität und mit hoher Souveränität der Kunden – insbesondere, wo kein großer Informationsbedarf und Risiko bestehen – können eher standardisiert werden. Aktuell beispielsweise Check-in, Ticketing, immer mehr aber auch Self Tutoring und Schulung beispielsweise von Freizeit- und Sportaktivitäten. Kunden mit großer Erfahrung bezüglich der Dienstleistung und hoher Technologieakzeptanz wie beispielsweise Geschäftsleute nutzen eher Self-Check-in. Bei Anbietern mit einer Reputation für effiziente, einfache Dienstleistungen, die günstig erbracht werden (Low Cost-Konzepte) kann sich Automatisierung eher durchsetzen als bei Luxusanbietern mit verpflichtendem Individualisierungsversprechen. Leistungen, die eingebettet sind in eine Wertschöpfungskette mit bereits vielen akzeptierten automatisierten Leistungselementen, wie heute immer mehr im Flugverkehr (vgl. automatisches Boarding über Gesichts-Scanning), lassen sich ebenfalls einfacher automatisieren.

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Der in diesem Abschnitt vorgestellte Orientierungsrahmen mit den drei Bühnen und zehn zu prüfenden Kundenvorteilen kann zur Identifizierung von Potenzialen, aber auch Grenzen der Automatisierung persönlicher Dienstleistungen im Tourismus dienen. Gerade in der komplexen Beziehungsinteraktion aber auch in der Fülle an notwendigen Informationen kommen viele Systeme nicht annähernd an die notwendige Empathie und Zuvorkommenheit, Spontaneität, persönliche Erfahrung eines guten Servicemitarbeitendens. Am schwierigsten ist die Automatisierung dort wo viele dieser Eigenschaften in Kombination und in einem dynamischen, sich verändernden Kontext erfordert sind. Geradezu sprichwörtlich ist beispielsweise der Charme eines italienischen Kellners, der nicht nur unterhaltend die Gäste um nacherzählbare Erlebnisse bereichert, sondern eine derartige Kompetenz ausstrahlt, dass man die Menükarte gleich links liegen lässt und das bestellt, was er spontan empfiehlt. Im Gegensatz dazu scheinen Initiativen, Restaurants ausschließlich mit Servicerobotern zu führen, wie kürzlich in China ein gescheiterter Versuch gezeigt hat (Jen 2018), noch eher in weiter Ferne. Trotz der zunehmenden Digitalisierung und Technologieaffinität, ist der „Human Touch“ im Tourismus noch ein realer Wert.

5.

Ausblick in eine zunehmend digitale Gesellschaft und Arbeitswelt

Die Prognosen über die Digitalisierung und deren Folgen auf die Gesellschaft und die Arbeitswelt überschlagen sich laufend (z. B. Agrawal et al. 2015; Dregger et al. 2016; Rajnai/Kocsis 2017). Tatsächlich können viele Dienstleistungstätigkeiten in Zukunft automatisiert werden. Zahlreiche Aufgaben bei Finanzdienstleistern, in der Rechtsberatung oder im Treuhandwesen werden in Zukunft nicht mehr durch Menschen erbracht werden. Wo aber noch eine authentische und bereichernde menschliche Begegnung notwendig ist und wo der Kunde komplexe Probleme lösen muss, für welche sehr spezifische Informationen und auch langjährige Erfahrung gefragt sind, kommen Automatisierungspotenziale an Grenzen. Es ist davon auszugehen, dass gerade in der Tourismusindustrie der persönliche Kontakt und Austausch mit einem echten Menschen nicht nur dem Kunden hilft beispielsweise Zeit zu sparen, Probleme zu lösen, Informationen zu suchen und zu erhalten, sondern auch wertvolle, mitunter auch wertschaffende Erlebnisse und damit Kundennutzen beschert. Die Suche nach verschiedenen Formen der Authentizität im Tourismus (z. B. Wang 1999) wird trotz des Fortschreitens der ICT und automatisierender Technologien ein Leitthema für die Reisebranche bleiben. Tourismus ist in diesem Sinne ein soziales Phänomen auf dessen Basis Unternehmen unterschiedlicher Art einen ökonomischen Nutzen ableiten. In die Diskussion über den sinnvollen Grad der Automatisierung müssen aber auch gesellschaftliche Funktionen des Tourismus einfließen. Dazu gehört die bereits oben erwähnte Beschäftigungsfunktion. In vielen Tourismusländern mit noch nicht weit entwickelter

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Wirtschaft schafft der Tourismus willkommene und vielfach dringend benötigte, weniger qualifizierte Arbeitsplätze. Tourismus hat auch eine wichtige Austauschfunktion. So schafft er Verständnis für verschiedene Kulturen. Auch diese Funktion bedingt den persönlichen Kontakt zwischen Menschen, der oft spontan, quasi als Nebenprodukt einer physischen Dienstleistung entstehen kann.

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Th. Bieger und P. Beritelli

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Teil B: Serviceteil

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Bruhn und K. Hadwich (Hrsg.), Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen Forum Dienstleistungsmanagement, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30166-8

Ausgewählte Literatur zum Themengebiet „Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen“ Besonders einschlägige und einflussreiche Veröffentlichungen aus dem Bereich „Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen“ wurden an dieser Stelle ausgewählt, die ihrerseits Hinweise auf weiterführende Quellen geben. Eine vollständige Bibliographie kann hier nicht erfolgen. Die Zuordnung zu den einzelnen Themenbereichen ist nicht immer überschneidungsfrei.

1.

Grundlagen und Konzepte der automatisierten Personalisierung

Adomavicius, G./Mobasher, B./Ricci, F./Tuzhilin, A. (2011): Context-aware recommender systems, in: AI Magazine, Vol. 32, No. 3, S. 67-90. Awad, N.F./Krishnan, M.S. (2006): The personalization privacy paradox – An empirical evaluation of information transparency and the willingness to be profiled online for personalization, in: MIS Quarterly, Vol. 30, No. 1, S. 13-28. Bélanger, F./Crossler, R.E. (2011): Privacy in the digital age – A review of information privacy research in information systems, in: MIS Quarterly, Vol. 35, No. 4, S. 10171041. Bélanger, F./Hiller, J.S./Smith, W.J. (2002): Trustworthiness in electronic commerce – the role of privacy, security, and site attributes, in: Journal of Strategic Information Systems, Vol. 11, S. 245-270. Beverungen, D./Müller, O./Matzner, M./Mendling, J./Vom Brocke, J. (2019): Conceptualizing smart service systems, in: Electronic Markets, Vol. 29, No. 1, S. 7-18. Bitner, M.J./Brown, S.W./Meuter, M. (2000): Technology infusion in service encounters, in: Journal of the Academy of Marketing Sciences, Vol. 28, No. 1, S. 138-149. Brynjolfsson, E./McAfee, A. (2011): Race against the machine – How the digital revolution is accelerating innovation, driving productivity, and irreversibly transforming employment and the economy, Lexington, Massachusetts. Buhalis, D./Harwood, T./Bogicevic, V./Viglia, G./Beldona, S./Hofacker, C. (2019): Technological disruptions in services – Lessons from tourism and hospitality, in: Journal of Service Management, Vol. 30, No. 4, S. 484-506. Burke, R. (2002): Hybrid recommender systems – Survey and experiments, in: User Modeling and User-accepted Interaction, Vol. 12, S. 331-370.

510 Ausgewählte Literatur zum Themengebiet „Automatisierung und Personalisierung“ Chellappa, R.K./Sin, R.G. (2005): Personalization versus privacy – An empirical examination of the online consumer’s dilemma, in: Information Technology and Man-agement, Vol. 6, S. 181-202. Curran, J.M./Meuter, M.L. (2005): Self-service technology adoption – Comparing three technologies, in: Journal of Services Marketing, Vol. 19, No. 2, S. 103-113. DeKeyser, A./Köcher, S./Alkire, L./Verbeeck, C./Kandampully, J. (2019): Frontline service technology infusion – Conceptual archetypes and future research directions, in: Journal of Service Management, Vol. 30, No. 1, S. 156-183. Frey, C.B./Osborne, M.A. (2013): The future of employment – How susceptible are jobs to computerisation?, in: Technological Forecasting and Social Change, Vo. 144, S. 254-280. Karwatzki, S./Dytynko, O./Trenz, M./Veit, D. (2019): Beyond the personalization – Privacy paradox, privacy valuation, transparency features, and service personalization, in: Journal of Management Information Systems, Vol. 34, No. 2, S. 369-400. Kim, D./Park, K./Park, Y./Ahn, J.-H. (2019): Willingness to provide personal information – Perspective of privacy calculus in IoT services, in: Computers in Human Behavior, Vol. 92, No. 1, S. 273-281. Kohtamäki, M./Parida, V./Oghazi, P./Gebauer, H./Baines, T. (2019): Digital servitization business models in ecosystems – A theory of the firm, in: Journal of Business Research, Vol. 104, S- 380-392. Komiak, S.Y.X./Benbasat, I. (2007): The effects of personalization and familiarity on trust and adoption of recommendation agents, in: MIS Quarterly, Vol. 30, No. 4, S. 941960. Lentzas, A./Vrakas, D. (2019): Non-intrusive human activity recognition and abnormal behavior detection on elderly people – A review, in: Artificial Intelligence Review, Vol. 53, No. 3, S. 1975-2021. Meuter, M.L./Ostrom, A.L./Roundtree, R.I./Bitner, M.J. (2000): Self-service technologies – Understanding customer satisfaction with technology-based service encounters, in: Journal of Marketing, Vol. 64, No. 3, S. 50-64. Mick, D.G./Fournier, S. (1998): Paradoxes of technology – Consumer cognizance, emotions and coping strategies, in: Journal of Consumer Research, Vol. 25, p. 123-143. Mittal, B./Lassar, W.D. (1996): The role of personalization in service encounters, in: Journal of Retailing, Vol. 72, No. 1, S. 95-109. Parasuraman, R./Riley, V. (1997): Humans and automation – Use, misuse, disuse, abuse, in: Human Factors, Vol. 39, No. 2, S. 230-253. Parasuraman, R./Sheridan, T.B./Wickens, C.D. (2000): A model for types and levels of human interactions with automation, in: IEE Transactions on Systems, Man, and Cybermetrics, Vol. 30, No. 3, S. 286-297.

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2.

Automatisierte personalisierte Kundeninteraktion

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512 Ausgewählte Literatur zum Themengebiet „Automatisierung und Personalisierung“ Hennig-Thurau, T. (2004): Customer orientation of service employees, in: International Journal of Service Industry Management, Vol. 15, No. 5, S. 460-478. Koufaris, M. (2002): Applying the technology acceptance model and flow theory to online consumer behavior, in: Information Systems Research, Vol. 13, No. 2, S. 205-223. Mende, M./Scott, M.L./van Doorn, J./Grewal, D./Shanks, I. (2019): Service robots rising – How humanoid robots influence service experiences and elicit compensatory consumer responses, in: Journal of Marketing Research, Vol. 56, No. 4, S. 535-556. Meuter, M.L./Ostrom, A.L./Roundtree, R.I./Bitner, M.J. (2000): Self-service technologies – Understanding customer satisfaction with technology-based service encounters, in: Journal of Marketing, Vol. 64, No. 1, S. 50-64. Mittal, B./Lassar, W.M. (1996): The role of personalization in service encounters, in: Journal of Retailing, Vol. 72, No. 1, S. 95-109. Nass, C./Brave, S. (2005): Wired for speech – How voice activates and advances the human computer relationship, Cambridge. Novak, T.P./Hoffman, D.L. (2019): Relationship journeys in the Internet of Things – A new framework for understanding interactions between consumers and smart objects, in: Journal of the Academy of Marketing Science, Vol. 47, No. 2, S. 216-237. Parasuraman, A. (2000): Technology Readiness Index (TRI) – A multiple-item scale to measure readiness to embrace new technologies, in: Journal of Service Research, Vol. 2, No. 4, S. 307-320. Paré, G./Jaana, M./Sicotte, C. (2007): Systematic review of home telemonitoring for diseases – The evidence base, in: Journal of the American Medical Informatics Association, Vol. 14, No. 30, S. 269-277. Solomon, M.R./Surprenant, C./Czepiel, J.A./Gutman, E.G. (1985): A role theory perspective on dyadic interactions – The service encounter, in: Journal of Marketing, Vol. 49, No. 1, S. 99-111. van Doorn, J./Mende, M./Noble, S.M./Hulland, J./Ostrom, A.L./Grewal, D./Petersen, J.A. (2017): Domo arigato Mr. Roboto – Emergence of automated social presence in organizational frontlines and customers’ service experiences, in: Journal of Service Research, Vol. 20, No. 1, S. 43-58. Wind, J./Rangaswamy, A. (2001): Customization – The next revolution in mass customization, in: Journal of Interactive Marketing, Vol. 15, No. 1, S. 13-32.

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3.

Digitale Geschäftsmodelle

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Ausgewählte Literatur zum Themengebiet „Automatisierung und Personalisierung“ 515

4.

Branchenspezifische Besonderheiten

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Stichwortverzeichnis

A

C

Akzeptanz personalisierter Preise 376f.

Co-Occurrence Network 176ff.

Altenpflege 295ff.

Customer(s’)

App-Marketing 267ff.

-

Artificial Intelligence 143ff.

Age 258ff. Development 165

Authenticity 251ff.

D

Automated Service Encounter 199ff.

Daseinsvorsorge 442ff.

Automation 465ff.

Daten-

-

of Service Encounters 256

Automatisierung 47ff., 75ff., 173ff., 491ff. -

Vorteile 151ff. Nachteile 153ff. Forschungsfragen 155ff.

Autonome -

ÖV-Shuttles 461 Systeme 114, 117

B Bauindustrie 419ff. Bewältigungsstrategien 134 Bibliometrische Analyse 173ff. Big Five 272f.

-

schutz 127ff. weitergabe 131f.

Dienstleistungen 419ff. Dienstleistungs-

entwicklung 389ff. innovation(en) 50ff., 105ff. kette 494ff. portfolio 436 prozesse 141ff. typologie 73ff.

Digital(e) -

Construction 417ff. Geschäftsmodelle 337ff. Ökosysteme 110

Digitalisierung, Digitalization 173ff., 339ff., 467ff.

Business Development 165

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518

Stichwortverzeichnis

E

I

E-Commerce 467ff.

Individuelle Ebene 329

E-Health 298ff.

Industrie 4.0 107ff.

E-Learning 53ff.

Innovationshürden 113, 117

Employee

Innovative Preissysteme 369ff., 381

-

Internet der Dinge/Internet of Things 315ff.

Roles 227ff. Skills 230ff.

Ethik bei Technologien 164f. EU-Datenschutzverordnung 163 Evaluation Scheme 199ff.

K KMU 313ff., 339ff. Kunden-

Explanatory Relevance 199ff.

-

Externalisierung von Dienstleistungen 143, 154 Extraversion 272ff. F Frontline Service -

Employee (FLSE) 230ff. Technologies 230ff.

beziehung 121ff. daten 153ff. integration 73ff. partizipation 76 rollen 76ff. vorteil 499ff.

Künstliche Intelligenz 108, 113, 144ff. L Last Mile Logistics 465ff.

Fulfillment Concepts 470 M G

Marketing Automation 145ff.

Gemeinwirtschaftliche Leistungen 441, 457 Geschäfts-

modell(e) 313ff., 337ff. modellinnovation 339ff. und Erlösmodelle 364ff.

Gewissenhaftigkeit 273ff.

Multimodalität 448ff. Multimorbide Patienten 295ff. N Nachhaltigkeit 443ff. Netzwerkorientierte Perspektive 322 Neurotizismus 273ff.

H

Nutzerakzeptanz 295ff.

Handlungsempfehlungen 353, 357 Health Care 53ff. Human-Machine Interactions 257ff.

O Offenheit 273ff.

Stichwortverzeichnis

519

Order Fulfillment 468ff.

R

On-Demand 457ff.

Reisen 493ff.

Organisationale Ebene 315ff.

Relationship Marketing 144 Roboter 493ff.

P Personalisierte Preise 361ff.

S

Personalisierung, Personalization 53ff., 73ff., 267ff., 465ff., 491ff.

Selbstkongruenz 273ff.

-

Self Service(-)

Vorteile 161f. Nachteile 162f. Forschungsfragen 163f.

Personennahe Dienstleistungen 173ff.

-

Service(-) -

Persönliche Dienstleistungen 493, 498 Persönlichkeit 272f. Persönlichkeits-

rechte von Kunden 164f. struktur 274ff. Theorie 274ff.

Plattformen 449ff. Plattformökonomie 108, 110, 148 Privacy -

Calculus 131 Concerns 121ff. Paradox 131

-

Produkt-ServicePakete 107ff. System 399ff.

Produzierende Unternehmen 420, 430 Programmatic Advertising 146 Prozessmodell 389ff.

App 267ff. Creation 417ff. Design 393ff. Dimensionen 395ff. Dominante Logic/Logik 175ff. Encounter 2.0 204ff. Encounter Theories 202ff. Engineering 394ff. Experience 399f. Innovation 389ff., 417ff. Prototyping 391ff. Quality 251ff. Roboter/Robots 145, 201ff.

Smart

Privatsphäre 123ff.

-

Systeme 147 Technologies 251ff.

Home 53ff. Logistics 473ff. Mobility 53ff. Services 108ff., 391, 402, 417ff.

Strategische Rollen 323ff. T Technology-based Service Encounter 229ff. Telemedizin 297ff.

520 Theory Evaluation 206ff. Tourismus 491ff. Traditional Service Encounters 253ff. V Value Co-Creation 94, 185ff. Value-in-Use 49ff. Verkehrswende 444ff. Verträglichkeit 273ff. Vertrauen 127ff. W Wertschöpfungsnetzwerke 109

Stichwortverzeichnis

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Forum Dienstleistungsmanagement Manfred Bruhn / Karsten Hadwich (Hrsg.) Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen Band 1: Konzepte – Kundeninteraktionen – Geschäftsmodelle. 2020, X, 520 S., Geb. ISBN 978-3-658-30165-1 Band 2: Methoden – Potenziale – Einsatzfelder. 2020, X, 513 S., Geb. ISBN 978-3-658-30167-5

Manfred Bruhn / Karsten Hadwich (Hrsg.) Kooperative Dienstleistungen Spannungsfelder zwischen Service Cooperation und Service Coopetition 2019, X, 626 S., Geb. ISBN 978-3-658-26388-1

Manfred Bruhn / Karsten Hadwich (Hrsg.) Service Business Development Band 1: Strategien – Innovationen – Geschäftsmodelle. 2018. IX, 656 S., Geb. ISBN 978-3-658-22425-7 Band 2: Methoden – Erlösmodelle – Marketinginstrumente. 2018. IX, 609 S., Geb. ISBN 978-3-658-22423-3

Manfred Bruhn / Karsten Hadwich (Hrsg.) Dienstleistungen 4.0 Band 1: Konzepte – Methoden – Instrumente. 2017. IX, 555 S., Geb. ISBN 978-3-658-17549-8 Band 2: Geschäftsmodelle – Wertschöpfung – Transformation. 2017. IX, 563 S., Geb. ISBN 978-3-658-17551-1

Manfred Bruhn / Karsten Hadwich (Hrsg.) Servicetransformation 2016. X, 830 S., Geb. ISBN 978-3-658-11096-3

Manfred Bruhn / Karsten Hadwich (Hrsg.) Interaktive Wertschöpfung durch Dienstleistungen 2015. X, 745 S., Geb. ISBN 978-3-658-08517-9

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Forum Dienstleistungsmanagement Manfred Bruhn / Karsten Hadwich (Hrsg.)

Service Value als Werttreiber

2014. X, 510 S.,. Geb. ISBN 978-3-658-02139-9

Manfred Bruhn / Karsten Hadwich (Hrsg.)

Dienstleistungsmanagement und Social Media

2013. X, 627 S., Geb. ISBN 978-3-658-01247-2

Manfred Bruhn / Karsten Hadwich (Hrsg.)

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Customer Experience

Dienstleistungsproduktivität

2012. X, 512 S., Geb ISBN 978-3-8349-4000-1

Band 1: Management, Prozessgestaltung, Kundenperspektive. 2011. X, 507 S. Geb. ISBN 978-3-8349-2805-4 Band 2: Innovationsentw., Internationalität, Mitarbeiterperspektive. 2011. X, 484 S Geb. ISBN 978-3-8349-2801-6

Manfred Bruhn /

Manfred Bruhn /

Bernd Stauss (Hrsg.) Serviceorientierung im Unternehmen

Bernd Stauss (Hrsg.) Kundenintegration

2010. XII, 551 S., Geb. ISBN 978-3-8349-1773-7

2009. XII, 569 S., Geb. ISBN 978-3-8349-1027-1

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