163 44 6MB
German Pages 134 [136] Year 1902
Aus
Petrarcas Sonettenschatz Freie
Nachdichtungen von
J. Kohler
Berlin 1902 Druck und Verlag von G e o r g
Reimer
DEN EDLEN FRAUEN GEWIDMET.
Einleitung. Als im Beginn des 14. Jahrhunderts D a n t e mit der ganzen Partei der Weissen aus Florenz vertrieben wurde, war unter den Mitverbannten ein P e t r a c c o , dem zu Arezzo am 20. Mai 1 3 0 4 der grosse Dichter geboren wurde, er, den wir alle als den Begründer der modernen Lyrik verehren. Seine Geschichte ist mannigfaltig und wechselreich. Zuerst zum Rechtsstudium gezwungen, widmete er sich nach dem Tode seines Vaters den humanen Wissenschaften und der klassischen Literatur und wurde einer der verdienstvollsten Gelehrten seiner Zeit. Von dieser Seite seiner Thätigkeit soll hier nicht gesprochen werden, sondern nur von seinen poetischen Werken und von den Beziehungen, welche ihn vor allem beeinflusst haben. Dies war zunächst die Freundschaft mit der grossen Familie der C o l o n n a , die seinerzeit von B o n i f a z V I I I . schwer verfolgt wurde und nach
—
VI
—
dessen Tode sich wieder mächtig erhob. G i a c o m o , Giovanni, Stefano, Agapet Colonna waren Freunde des Dichters und seine edelmütigen Gönner, die ihn mit den Grossen jener Zeit bekannt machten. Das bedeutsamste Ereignis aber erfolgte am 6. April 1327 1 ). Es war dies der Tag, wo er L a u r a zum ersten Male sah und ihn eine solche ideale Glut erfasste, dass die Seele des Dichters 21 Jahre lang von dem mächtigen Eindruck bewegt wurde. Sie war es, welche in ihn hauptsächlich den Trieb der Dichtung legte oder doch seinem dichterischen Leben Nahrung und Richtung gab. Im Jahre 1348 starb sie, wie es heisst, am nämlichen Tage, an dem er sie zuerst gesehen, am 6. April; der Seelenschmerz entlockte dem Dichter die reichsten und tiefsten poetischen Laute, ebenso wie früher das Glück, zeitweise in ihrer Nähe zu weilen. P e t r a r c a genoss den Vorzug, dass schon seine Zeit ihn als den grössten Dichter verehrte; denn im Jahre 1341 hat ihn die ewige Stadt als Dichterfürsten gekrönt, eine Ehre, die ihm auch von Paris angeboten war. •) Nicht Charfreitag, sondern
der Montag der Charwoche,
daher Sonett 2 dichterisch ungenau.
—
VII
—
Ständig dem Studium und der Dichtung hingegeben, verbrachte er nun sein Leben teils in Italien, teils in Südfrankreich, und namentlich wurde das liebliche Yaucluse, Val chiusa, das Thal der Sorga, nicht sehr weit von Avignon entfernt, sein Lieblingsaufenthalt, wo er inmitten einer harmonischen Natur immer wieder den Frieden seiner Seele fand und vor den Stürmen des Lebens Schutz suchte. Später finden wir ihn zeitweise bei den V i s c o n t i in Mailand und auf diplomatischen Reisen; denn er blieb der Politik nicht fern: auch mit dem Kaiser K a r l IV. wurde er bekannt, und besonders lebhaft war sein Bestreben, dass der päpstliche Stuhl wieder von dem lasterhaften Avignon nach Rom zurückverlegt werde. Am Abend seines Lebens zog er sich in das freundliche Arqua, am Abhang der euganeischen Berge zwischen Padua und Ferrara, unweit Este gelegen, zurück und starb hier als harmonisch durchgebildete Persönlichkeit, G o e t h e vergleichbar, im Jahre 1374. Die Person L a u r a s steht nicht fest; allerdings die Behauptung, dass wir in ihr nur eine Allegorie zu erblicken hätten, nicht eine wirkliche Frau, muss sofort zurückgewiesen werden. Nichts wäre widerwärtiger, als wenn wir die herrlichen Liebes-
—
VIII
—
gedichte, so individuell und mit solchen feinen Zügen aus dem Leben, so zart und doch so sinnlich, an einen frostigen Begriff heften mtissten. Die gewöhnliche Ansicht hält L a u r a de N o v e s , verheiratete de S a d e aus Avignon für das Ideal des Dichters, geboren 1 3 0 7 ; doch hat man in neuerer Zeit mit Recht dagegen wesentliche Bedenken geltend gemacht und namentlich hervorgehoben, dass weder dieses Alter noch andere Umstände mit den persönlichen Andeutungen stimmten, die sich bei dem Dichter finden; vgl. darüber M a s c e t t a , II canzoniere, I, pag. 43 ff.; doch dies mag auf sich beruhen. Die lyrische Poesie P e t r a r c a s geht von dem dolce stil nuovo aus, dessen grösster Vertreter D a n t e war; P e t r a r c a aber bildet D a n t e weiter durch eine grössere Mannigfaltigkeit, durch eine reifere Vertiefung und eine geradezu einzig dastehende formelle Vollendung. Mit D a n t e hat er die Wahrhaftigkeit und die Innigkeit des Gefühlsausdruckes gemein; er kann, wie dieser, von sich sagen, dass er, was ihn im Innern bewege, zur Darstellung bringe. Man hat ihm vorgeworfen, dass er mehr geistreiche Aperçus biete, als innere Empfindungen, mehr ein Spiel des Scharfsinnes, als
—
IX
—
•wahre und innige Herzensäusserungen. Dies ist nicht der Fall: seine Verse sind, wie die D a n t e s , mit dem Herzblut geschrieben. Die unendliche Zahl seiner Laura-Lieder zeigt ein himmelhohes Aufjauchzen wie ein todbetrübtes Klagen; in ihnen liegt ein Herz, das sich allmählich verblutet, eine Seele, die im Laufe der Jahre innig und treu bleibt und nicht aufhört, auf den Spuren ihres Ideals zu wandeln. Dass natürlich eine solche Fülle von Liebesliedern nicht möglich ist, ohne dass der fein beobachtende Geist mit zur Geltung kommt, ist begreiflich; aber es ist dies derselbe Geist, der sich zugleich in die Natur versenkt und in der Natur eine Fülle seelischer Beziehungen entdeckt: das Naturgefühl P e t r a r c a s ist für seine Zeit einzigartig und auch noch für uns ausserordentlich. Namentlich die Verse, welche er dem Thale Vaucluse widmet, gehören zu den Glanzpunkten der Naturpoesie. Er ist damit der echte Vorgänger J. J. R o u s s e a u s , wenn er auch nicht von Alpen und Wildbächen schwärmt, sondern von den Reizen des milden Thaies. Allerdings könnte dieses Naturgefühl nicht genügen, um in einer solchen Anzahl von Liebesgedichten stets Abwechselung und tieferen Geist zu zeigen; auch ein Anempfinden an das Menschenleben
—
X
—
ist nötig. Auch hier ist P e t r a r c a unerreicht: es giebt kaum eine Beziehung des menschlichen Daseins, mit der er nicht seine Seelenstimmung in Verbindung zu bringen wüsste: Leben und T o d , Krieg und Friede, wonniger Aufenthalt wie gefährliche Reise, kleine Unfälle, alles bietet ihm feine Kombinationen und belebende Momente. Manchmal wird der Seelenschmerz zum Humor, und eine Stimmung der überdrüssigen Komik erfasst ihn: er spielt mit seinem eigenen Schmerz, er ironisiert sein eigenes Innere in glühendem Leuchtfeuer. Kein Wunder, dass wir bei ihm Anklänge an seinen Zeitgenossen H a f i s , wie an G o e t h e , ja selbst an H e i n e treffen; aber auch S h a k e s p e a r e s c h e Gedanken hat er schon vorausgedacht, wie namentlich den grossartigen Monolog vom Sein oder Nichtsein 1 ). •) Ich gebe den Anfang dieses Sonetts (unseres Sonetts 28) hier im Original wieder, damit man die Ähnlichkeit mit S h a k e s p e a r e s 'To be or not to be' deutlich erkennen kann (Ausgabe C a r d u c c i - F e r r a r i , nr. 36): S' io credessi per morte essere scarco Del pensiero amoroso che m'atterra, Colle mie mani avrei già posto in terra Queste membra noiose e quello incarco:
—
XI
—
Dass unter Umständen die Ideenverbindungen P e t r a r c a s etwas gewaltsam erscheinen und uns nicht sofort einleuchten, darf nicht wundernehmen. Wer auf solche Weise jahrzehntelang eine bestimmte Empfindung zum Spiegel der Welt und die Welt zum Spiegel seiner Empfindung macht, wird natürlich mitunter auf Beziehungen stossen, die bei uns keinen sofortigen Reflex erregen und uns als bloss äusserlich und unwichtig erscheinen. Dies beruht eben darauf, dass die Seele des Dichters in einer ganz besonderen Weise gespannt und gereizt ist, für die wir wenig Empfänglichkeit besitzen. Ein Fehler ist es natürlich; denn der Dichter soll nicht nur empfinden, sondern auch die Empfindung in der Seele des Hörers aufleuchten lassen. Doch derartige Fehler sind bei ihm selten, und sie verschwinden neben der Überfülle des Guten und Mächtigen. Man hat dem Dichter weibliche Sentimentalität, unentschlossenes Traumleben und ein ständiges unentschiedenes Schmachten und Sehnen ohne Thatkraft und Männlichkeit vorgeworfen. Dieser Vorwurf kann Ma, perch' io temo che sarebbe un varco Di pianto in pianto e d'una in altra guerra, Di qua dal passo ancor che mi si serra Mezzo rimango, lassol e mezzo il varco.
—
XII
—
sich nun jedenfalls nicht auf sein Leben beziehen, denn er war einer der grössten und eifrigsten Gelehrten seiner Zeit, er war auch durchaus kein asketischer Heiliger. Was aber seine Dichtungen betrifft, so ist die Empfindung dessen, der sich einer ständigen unerwiderten Liebe hingiebt und einem unfassbaren Ideal zustrebt, der seine Geliebte vergöttert, sich von ihrem Grusse angehimmelt fühlt, nicht sentimental; wer das Gegenteil behauptet, begeht die unheilvolle Verwechselung zwischen Sentiment und Sentimentalität, gegen die ich bereits einmal Front gemacht habe, eine Verwechselung, die, wie nichts anderes, dem Fortschritte der Lyrik gefährlich ist. Das Sentiment bleibt solange gesund und fruchtbar, als es im Dichter die Kraft erweckt, hohe poetische Gedanken zu fassen, in die Natur einzudringen, das Menschenleben zu verklären und die Menschheit auf eine höhere Stufe der Empfindung zu heben. Die ewige Liebe ist hier ein Ferment, ein geistiges Bewegungsmittel; sie ist die Wärme, welche die dichterische Kraft zur Auslösung bringt. Nur dann artet das Sentiment in Sentimentalität, d. h. in Krankheit aus, wenn der Liebende in Thatenlosigkeit versinkt und in Nichtigkeit und Thorheit untergeht. Das Sentiment aber giebt uns die Möglichkeit, der
—
XIII
—
Weltseele näher zu kommen, dem Menschenleben neue Seiten abzugewinnen und unser Naturempfinden zum Höchsten zu steigern; es ist und bleibt das Erregungsmittel des wahren Dichters 1 ). Grosse Unruhe haben in kirchlichen Kreisen die berühmten Avignonsonette (Sonett 1 0 4 — 1 0 6 , vgl. auch 90) hervorgerufen2). Man hat dem Dichter Übertreibung, Parteilichkeit, ja unmittelbare Unwahrheit vorgeworfen. In der That muss man die Wirklichkeit und die poetische Zuthat wohl unterscheiden. Dass in Wirklichkeit ein lasterhaftes Treiben herrschte, ist nicht zu bezweifeln; die poetische Zuthat aber ist die prophetische Invektive, die düstere Färbung, das aus der tiefen Seele des Dichters hervorsprühende Leuchtfeuer: dieses ist übertreibend und muss übertreibend sein; denn jede solche Prophetie ist subjektiv und soll subjektiv sein; in dieser Beziehung ist P e t r a r c a dem Beispiel D a n t e s gefolgt, und seine Stimmung durfte um so erregter sein, je mehr er die Rückkehr der Päpste nach Rom erstrebte. 1) V g l . meinen Aufsatz über Sentiment und Sentimentalität, in Zeitschr. f. vgl. Literaturgeschichte, N . F. I X , S. 2 7 3 f. 2
) Vgl. über die verschiedenen Meinungen G r o n e ,
geschichte
II,
S.
S , 60. f. u. s. w.
171,
Pastor,
Geschichte
der
Papst-
Päpste
I,
—
XIV
—
Der Einfluss P e t r a r c a s auf die Lyrik des Abendlandes ist unabsehbar. Er hat das höfische Liebesgedicht der T r o u b a d o u r s in seiner gespreizten Empfindungsarmut zerstört; er hat dem individuellen Gefühl und der Anlehnung der Seele an die Natur den Sieg verschafft und damit alle späteren Lyriker des Abendlandes mittelbar oder unmittelbar bewegt; er hat den Konventionalismus der Provence zerstört und der Dichtung die Eigenseele des Dichters erobert 1 ), ähnlich wie es H a f i s im Morgenlande gethan; er hat die Lyrik aus den Fesseln der zufälligen Gestaltung einer bestimmten Zeit erhoben und zur Weltdichtung gemacht: durch ihn ist der dolce stil nuovo Errungenschaft der allgemeinen Kultur geworden. In der Kunst, einem bestimmten Lebensereignis eine typische Bedeutung abzugewinnen und es zu einem ewigen Sinn zu erheben, steht er G o e t h e am nächsten. - Im Nachfolgenden sollen nicht sämtliche Versweisen des Dichters vertreten sein, sondern nur Sonette, und auch von diesen nur ein Teil. Sie sollen einen Einblick gewähren in das poetische Ideenleben des J
) Über sein Verhältnis zu den T r o u b a d o u r s ist mehrfach, gehandelt worden, so von G i d e l , B a r t o l i u . a.
—
XV
—
Lyrikers, sie sollen in die Dichtung jener Zeit einführen. Wie bei D a n t e , gebe ich auch hier keine Übersetzung, sondern Nachdichtungen, hervorgerufen durch die Eindrücke, welche die Urdichtungen in mir erregt haben. Meine deutsche Version soll vor allem dichterisch wirken, sie soll darum poetisch und nur poetisch betrachtet und beurteilt werden. Eine jede Beurteilung, welche auf dem Standpunkte steht, als ob ich Übersetzungen bieten wolle, und welche mir etwaige Abänderungen gegenüber der Urdichtung zum Vorwurfe macht, lehne ich von selbst ab. Ich will deutsche Dichtung und nur solche, allerdings erregt und angeregt durch die tiefe und zarte Seele P e t r a r c a s , bieten, und ich hoffe hierdurch den, unserem deutschen Publikum fast ganz unbekannten, Dichter der heutigen Zeit näher zu bringen. Wer etwas anderes vermeint und mir mit tadelnden Worten über meine Freiheit dienen will, dem brauche ich nicht Rede zu stehen. Jeder hat das Recht, sich seine poetische Aufgabe zu setzen, wie er will, sofern er nur zu einem dichterischen Ergebnis gelangt, und nur das Urteil hierüber kann für mich bedeutsam sein. Der poetischen Sprache, wie sie G o e t h e entwickelt hat, ziemt eben nicht eine undichterische,
—
XVI
—
gezwungene, unfreie Übertragung, sondern eine freie, vom Geiste der Renaissance angeregte deutsche Nachdichtung. Über die in den Sonetten erwähnten Personen sei folgendes ausgeführt: G i a c o m o Colonna, Bischof von Lombez (in Südfrankreich am Fuss der Pyrenäen) war einst Mitschüler des Dichters in Bologna. Er war Bruder des Cardinais G i o v a n n i C o l o n n a (Sonett 90) und des A g a p e t C o l o n n a , Bischofs von Luni (Sonett 44) und Sohn des S t e f a n o C o l o n n a , an den vielleicht Sonett 9 gerichtet ist. Bekanntlich waren die Colonna während der Abwesenheit der Päpste in ständigem Kampf mit den O r s i n i um die Herrschaft (vgl. Sonett 81); J o h a n n XXII. erzielte im Jahre 1333 einen Waffenstillstand, der aber nicht lange anhielt. Von berühmten Personen wird noch weiter erwähnt der grosse Künstler S i m o n e M a r t i n i , auch genannt M e m m i , der bekannte Seneser Maler, geb. 1283, gest. 1344; er war Sohn des M a r t i n o und war verheiratet mit G i o v a n n a d i M e m m o . Im Jahr 1339 wurde er nach Avignon berufen, wo er eine Reihe von Fresken, namentlich in der „Papstveste" malte, die teilweise noch erhalten sind, allerdings nicht ohne manchen Verderb; hoffentlich wird der
—
XVII
—
grossartige Papstpalast, eines der gewaltigsten Bauwerke Frankreichs, demnächst als Baudenkmal behandelt und nicht mehr als Kaserne, sodass die Fresken S i m o n e s nicht mehr Gefahr laufen! Über den Maler vgl. auch V a s a r i und dazu die Noten des G a e t a n o M i l a n e s i I p. 546 und C a v a l c a s e l l e C r o w e , Storie delle pitture italiane III p. 37 f. Erwähnt wird ferner (Sonett 70) der grosse Jurist und Dichter C y n u s v o n P i s t o j a , der Lehrer P e t r a r c a s ( 1 2 7 0 — 1 3 3 6 ) , über welchen S a v i g n y , Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter V I S. 72f. 84, C a n t ù , Letteratura Italiana I p. 81 und P e r r e n s , Histoire de la littérature italienne p. 14. 67 zu vergleichen sind. Sodann kommt P a n d o l f o M a l a t e s t a von Rimini in Betracht (Sonett 82), ein Sprosse der bekannten, durch D a n t e unsterblich gemachten Familie, aus der eine Reihe kühner Heerund Söldnerführer hervorgegangen ist. Ausserdem werden erwähnt: der mit den C o l o n n a verschwägerte römische Senator O r s o Graf von Anguillara (Sonett 29, 76) und S e n u c c i o d e l B e n e , der Freund des Dichters (Sonett 88 und 89), ebenfalls ein Vertreter des dolce stil nuovo. Schliesslich sei noch eine Zusammenstellung der Sonette mit den Nummern des Canzoniere nach der
— Ausgabe
von
XVIII
Carducci
—
und F e r r a r i :
Rime
di
Francesco Petrarca (1899) gegeben: bei C a r d u c c i Lebensbekenntnis = 1 I — 9 10 — 19 20 — 22
=
23 — 28 29 — 40
=
2 10 12 21 24 — 26
= =
41 42 — 44
— .
45 — 47 4 8 - 49 5 0 — 52 53 — 58 59 — 82
=
31 — 36 3 8 - 49 5i 5 6 - 58 60 — 62
=
64-
=
67-
=
7 4 — 79 81 — 104
83-
:
94
95 98 103 99 1 0 4 — 109 1 1 0 — 114 96
=
—
= -
= — -
==
=
65 69
107 — 11S 120 122 — 124 1 3 0 — 134 136 — 141 143 — 147,
Eine weitere Sammlung aus dem Canzoniere hoffe ich bald folgen lassen zu können.
—
XIX
-
Will man mir vorhalten, dass ich, ein Jurist, mich auch mit Poesie befasse, so kann ich mich auf das Beispiel eines Grösseren berufen, der das Glück hatte, Lehrer des B a r t o l u s und P e t r a r c a s und Freund D a n t e s zu sein, auf C y n u s v o n Pistoja! B e r l i n , November 1902. J. Kohler.
Lebensbekenntnis. Die ihr vernahmt der flucht'gen Reime Klang, Die Seufzer meiner Jugend und die Fragen, Die ich gehegt in jenen bangen Tagen: Als wilder pochte meines Herzens Drang: Erkennt ihr in dem Wahn, der mich umschlang, In Schmerz und Weh der Liebe bittre Plagen, Ihr spendet wohl Verzeihung meinen Klagen, Ihr spendet Mitgefühl dem ernsten Sang. Dem Volksgerede ward ich oft zum Spiel: Man wies auf mich, darum in manchen Stunden Mich stilles Leid und bittre Qual befiel. So hab ich Scham und Reue tiefempfunden; Zu spät erkenn ich an des Lebens Saum: Was unsrer Zeit gefällt, ist kurzer Traum.
Petrarcas Sonette.
1
2
I Der Liebe Einzug. Gott Eros nahm von neuem seinen Bogen, Auf Rache sinnend, weil ich tausendfach Entgangen seinem Leid und Ungemach; So kam er kriegsbereit herangezogen. Und diesmal ward ich um mein Heil betrogen; Mich wehren wollt ich, hielt die Kräfte wach: Vergeblich doch war Schild und schirmend Dach, Schnell kam der Pfeil in meine Brust geflogen. Er traf mein Herz; mir fehlte Zeit und Kraft, Zu helfen und mein tiefes Weh zu heilen; O kam ein Dämon, der mir Rettung schafft I Gern möcht ich diesem Zauberbann enteilen, — Doch nimmer giebt es eine Wiederkehr; Zu spät — die Wunde brennt und heilt nicht mehr.
—
3
—
2
Der Liebe Einzug. Charfreitag war's, verhängt der Kirche Mauer, Und schweigend ruhte ringsum Feld und Flur; Ich ahnte nichts — da folgte meiner Spur Der holden Augen tiefgeheimer Schauer. Nicht war ich damals ängstlich auf der Lauer, Denn meinem Heiland wollt' ich dienen nur; So kam's, — ein Blick durch meine Seele fuhr: Es war der Anfang meiner Lebenstrauer. Ganz ungewappnet, nimmer vorbereitet Traf mich der Pfeil; nicht gross ist dessen Kunst, Der ihn zur ungeschützten Brust geleitet l Und Thränen brechen nun in heisset Brunst Aus meiner Seele leiderfüllten Pforten. War's wohl ein Ruhm, mich unbewehrt zu morden?
1*
—
4
—
3 Laura an kleiner Stätte geboren. Der Voll Und Der
Herr, der hoheitsvoll die Welt gestaltet, Kunst gebildet beide Hemisphären die Planeten, die sich ständig jähren, — Geist, der über allen Welten schaltet,
Stieg mild herab; er hat die Schrift entfaltet, Erfüllt des alten Bundes heiss' Begehren; Er wusste schlichte Menschen zu verklären Und schuf die Kirche, die auf Erden waltet. Nicht ward in R o m der Welten Herr geboren: In Juda's kleinem Flecken er erstand, Und Niedrigkeit hat er sich selbst erkoren. Ein kleiner Flecken auch im weiten Land Gebar die schönste Frau, ob deren Spur Im Jubel glänzt die sonnige Natur.
—
5
—
4 Lauras Hoheit lässt sich nicht in Liedern preisen. Lauretta, soll ich preisen Deinen Namen, Den, hochgeweiht, ins Herz mir eingeschrieben Ein Gott? den Namen, dessen Klang geblieben, Indessen Stunden gingen, Stunden kamen I Und taucht Dein Bild aus meines Herzens Rahmen Hervor, verdoppelt sich mein heißes Lieben; Doch all mein Streben hat die Furcht vertrieben: „Lass den Versuch", so klingt's wie End und Amen. „Lass den Versuch, die hohe Frau zu preisen! Ein andrer mag es wohl mit seinem Liede, Dem grössre Kräfte seine Bahnen weisen." Ob nicht Apoll auch ihm den Sang verbiete? Er mag wohl andrer Lieder sich befleissen: Vor i h r e r Hoheit wird das Wort zur Niete.
Die Dichtung vermag der Liebe Schmerz nicht zu heilen. Nach ihr treibt mich ein jugendtoll Bestreben; Doch schnell entflieht sie meinen schweren Schritten, Beschwingt, in flüchtig freien Elfentritten: Vergeblich meines Herzens Seufzer schweben! Und treffen wir im viel verschlungnen Leben Uns auf gebahnter Strasse, meinen Bitten Ist taub die Holde, und was ich gelitten, Gilt nichts, — sie weist zurück mein glühend Beben. Des Lebens Zügel fasst sie mir; verloren Sind jene Tage, die das Sein beglücken: Dem bittren Tode bin ich auserkoren. Den Lorbeer wohl vermag ich mir zu pflücken; Doch wisst: nicht heilen kann uns seine Frucht; Nur doppelt leidet, wer von ihr versucht.
7
—
6 In der Öde der Zeiten soll der Dichter nur um so mehr die Fahne der Idealität hochhalten. Genusssucht, Schlaf, der Tage trag Verbringen Hat alle Tugend aus der Welt getrieben; Die Tüchtigkeit gebricht, kein grosses Lieben Gilt mehr, nur niedrer Brauch in allen Dingen. Und karg gewährt der Himmel seine Schwingen: Nur selten wird ein großes Wort geschrieben; Ein seltner Gast, wer auf den Höh'n geblieben, Wo Himmelslieder göttlich uns umklingen! „Was soll der Lorbeer und was soll die Myrte? Was soll die Weisheit, die den Mann nicht nährt?" So höhnt die Welt voll frevelnder Begierde. Verfolgst du eine Bahn, die niemand fährt, Nur um so straffer sei dein hehres Streben! Sinds wen'ge nur, muss e i n e r vieles geben.
Rache der Vögel, die am Laurahügel gefangen und zum Geschenk gegeben wurden. Am Hügel, wo einst jene Frau geboren Und mit der Erdenhülle ward umfahn, Dort flogen wir in unsres Lebens Wahn, Bis er uns zum Geschenke hat erkoren! Doch wenn wir Vögel unser Heil verloren, Noch schlimmer ist sein Loos; denn niemals nahn Die Zauber, die er sucht auf dunkler Bahn, Und alle Lebensfreude flieht den Thoren. Wie froh, wie selig schweiften wir, nichts ahnend, In heitern Lüften, keines Leids bewusst; Doch aus dem Käfig rufen wir ihm mahnend: „Die eine süsse Rache ist uns Lust: Mit dreifach stärkrem Band bist Du gebunden; Dein Herz ist krank und tot durch Liebeswunden I"
8 Die Sonne weckt im Frühling die Erde zur Lust o könnt es der Geliebten Blick bei mir! Wenn das Gestirn, das leuchtend Tag und Stunde Verkündet, Strahlen aus dem Zauberhorne Ergiesst, dann sättigt sich am Himmelsborne Im Frühlingsblütenkranz der Erde Runde. Nicht nur ihr äussres Kleid giebt frohe Kunde, Der Bach, der See, die Blüte rings am Dorne; Nein, auch im dunklen Innern, fast im Zorne, Regt sich der Erde tief verborgne Wunde; Dass sie empfange ihrer Sonne Gabe, Befruchtet werde von des Himmels Zierde I So weckt ihr Auge mich aus tiefem Grabe; Es rührt in mir die wonnige Begierde Und der Gedanken sehnend wildes Heer; Doch aus dem Herzen keimt kein Frühling mehr.
—
IO —
9 Der Dichter weilt auf einem Landsitze der (einst von Bonifaz VIII. verfolgten) Colonna in der Nähe der Pyrenäen und sehnt sich nach (Stefano?) Colonna. Colonna, uns zu Stütz und Stab erkoren I Glorreich Geschlecht, das den Latinernamen Geziert und von des Papstes Fluch und Amen Nicht ward geschmälert, — Haus zum Heil geboren t Nicht sind Paläste hier mit Sims und Thoren, Doch sanfte Felder mit des Frühlings Samen; Der Buchen und der Fichten ernster Rahmen Umgibt die Auen still und traumverloren. Hier schweben aufwärts unsre Lebensgeister, Und still im Dämmerdunkel rührt die Brust Die Nachtigall, der Sänge höchster Meister. Da wall' ich in der Sehnsucht stiller Lust. O komm, Colonna, und geniess die Wonne, Die unser lacht am Ufer der Garonne.
II
IO In der Ruhe des Alters wird vielleicht Laura seine Liebe erkennen. Wenn noch das Herz in meinen düstern Lenzen Sich aufrecht hält, indess die Tage weichen, Und wenn ich schauen muss, wie leise bleichen Die Haare dein, die hell im Golde glänzen, Dein Aug ermattet und nicht mehr in Kränzen Du blühend strahlst, wenn bange dich umschleichen, Den Mund umspielend, unsres Alters Zeichen, Die Zauber löschend, die dein Sein umlenzen: Dann möcht ich dir eröffnen die Gefühle Und das Martyrium meines ganzen Lebens: Wie meine Stunden flohn im Leidgewühle. Und wünsche ich auch dieses noch vergebens, Ein Seufzer giebt vielleicht aus deinem Munde Von tief verborgner Liebe bange Kunde.
Lauras Segen. Wenn sie erstrahlt inmitten andrer Frauen, Ein jeder Stern ob dieser Sonne schwindet: Denn nirgends Laura ihresgleichen findet; Drum blick ich kühn empor mit stolzen Brauen, Die Stunde segnend voll erhab'nem Grauen, Da ich sie sah; und mein Gemüt empfindet Den Zauber, der mein Leben hell umwindet, Weil ich gewürdigt ward, sie einst zu schauen. Durch sie erwachte mir der Trieb zum grossen! Sie hob mich aus dem irdischen Getriebe Und weihte mich zu hehren Dichterlosen! Sie spendete die einzig wahre Liebe: Die Kraft, zum ewig Schönen aufzustreben; — So dürft auf Erden ich im Himmel leben 1
12
Trennung von Laura. Ihr müden Augen, die ein Zauber blendet, Schaut nochmals auf zu ihr, der hohen Fraul Und was ich sage, merkt es euch genau: Die Trennung naht, und das Geschick sich wendet. O dass in Thränen ihr die Tröstung fandet! Gedanken send' ich zwar zum Himmelstau, Zu meines Daseins lichtverklärter Au: Im Tode erst des Herzens Hoffnung endet; Doch euch verwehrt die Trennung, sie zu schauen: Nicht seid ihr mit der Fernsicht Kraft verbunden, — Die Ferne hüllt sich euch in Dämmergrauen. Noch einmal blickt empor zur hehren Frauen I Dann weint! denn wenn ihr Anblick euch entschwunden, Naht uns die Zeit der Schmerzen und der Wunden.
—
14 —
13 Entfernung von Laura. Ich wende mich zurück auf Schritt und Tritt; Das öde Leben, kann ichs noch ertragen? Noch atm' ich jene Luft in süssem Zagen, Wo sie einst voll erhabner Anmut schritt. Die heisse Thräne mir ins Auge glitt! Sie kündet meines Daseins trübe Plagen; Doch meine Brust verschliesse alle Klagen Ob des Geschicks, das jäh mein Sein durchschnitt! Das Leben kurz, die Einzige ist fern! Wie kann durchleben ich die bange Zeit, Getrennt von ihr, von meines Lebens Stern? Da rufts: „Das ist der Liebe wahrer Kern, Dass die Gedanken schweifen endlos weit, Entfernt von ihres Körpers schwerem Kleid."
—
15 —
14 Pilgerfahrt zu Laura. Zur Ferne pilgert er mit weissem Haar: Er lässt die Kinder, die sich seiner sehnen, Läßt auch den Ort, wo still verstrich sein Wähnen, Zu schaun den Christ am heil'gen Hochaltar. Und mühsam schleppt er sich, der Kräfte bar; Die matten Arme auf den Stab sich lehnen, Indessen endlos Berg und Thal sich dehnen; Denn auf ihm lastet manches schwere Jahr. Doch schliesslich ist auch er gelangt nach Rom; Von neuer Kraft erfüllt, dem Ew'gen nah, Betritt er schauernd Petri heil'gen Dom. Er jauchzt: im Schweisstuch der Veronika Sieht er den Herrn 1 — So such ich Deine Züge, Doch keiner Frauen Bild giebt mir Genüge.
—
16
—
15 Lauras Nähe — der Liebe Leid und Lust. Ein Thränenstrom umflort mein Angesicht, Und bange Seufzer tief verborgen stöhnen, Schau ich das Bild der mildverklärten Schönen, Die mich erhob vom ird'schen Schwergewicht. Ihr Lächeln zwar, das liebestraute, bricht Die herben Schmerzen, die mich wild verhöhnen, Und ihre Blicke schnell mein Leid versöhnen, — Doch nur, solang mir strahlt ihr heilig Licht. Denn kehrt sie ab die hochgeweihten Sterne, Die mir verhängnisvoll aus ihren Zügen Erglänzt, dann wird mein Herz zum eis'gen Kerne. Und wenn Gedanken Raum und Zeiten trügen Und zu ihr weithin schweifen in die Ferne, Kaum kann mein Geist zum Leibe mehr sich fügen.
i6 Liebesleid will Einsamkeit. Wenn sich mein Auge kehrt nach jener Seite, Wo mächtig leuchten meiner Herrin Blicke, Verzehrt die Flamme mich im Wehgeschicke, Als ob sie meiner Tage Tod bereite. Drum wend' ich mich und starre in die Weite, — Nicht dass ich mich an unsrer Welt erquicke: Geblendet bin ich; wo ich späh und blicke, Ist öde Nacht, und niemand, der mich leite. Dann ist, als ob in rascher Wechselfolge Der Sehnsucht lichte Bilder mir erscheinen, Indess den Blick umflort die düstre Wolke. So wandl' ich einsam mit dem Leid, dem meinen: Wollt ich den Schmerz enthüllen meinem Volke, Es weinte mit; doch ich will einsam weinen.
Petrarcas Sonette.
2
—
i8
—
17 Der Liebende flattert ins Licht und geht daran zu Grunde. Der Wesen giebt es, die mit scharfen Blicken Zur Sonne schauen, ohne je zu leiden; Doch andre tauchen sich zu allen Zeiten In dunklen Dämmer, um sich zu erquicken. Noch andre giebts, die gierig um sich blicken, Zu kosten lichter Flammen Süssigkeiten, Bis sich die Feuerfluten um sie breiten Und ihnen Jammer und Verderben schicken. Der letztern Art bin ich: der holden Augen Erglühend Meer, nicht kann ich es ertragen, Und doch will nimmer mir das Dunkel taugen. Ich weiss: das Leben kostet mich mein Wagen; Und doch muss ich sie schauen sonder Ende, Bis thrän'erfüllt ich meine Blicke wende.
—
ip
—
i8 Vergeblich ist der Versuch, die Geliebte würdig zu besingen. Dass ich dich Errötend künd Da ich zuerst Ward sie; auf
niemals würdig hab besungen, ich's, eingedenk der Stunde, dich sah: zum steten Bunde ewig hast du mich bezwungen.
Zu preisen dich, wie hab ich heiss gerungen I Doch übermächtig ist der Schönheit Kunde; Mein Geist versagt, die Kraft im Herzensgrunde Versiegt, — der Vers, die Reime sind verklungen. Schon oft wollt ich die Stimme kühn erheben; Doch stumm blieb meines Herzens banger Ton: Wie könnt er auch zu Deiner Höhe schweben? Und wenn ich Verse schrieb, o grauser Hohnl Den Geist, die Hand, die Feder fühlt ich beben; — Beim ersten Anlauf flugs erlahmt ich schon. 2*
—
20
—
19 Der Liebe Leid ist auch der Liebe Schuld. O holde Feindin! Schon an tausend Mal Hab deiner Gnade ich mein Herz ergeben, Um friedlich nun in deiner Huld zu leben I Nie sandtest du den stolzen Blick zu Thal. Und doch, wenn manche andre Fraun zumal Nach mir sich sehnen in des Herzens Beben, Gar eitel ist's: nichts kann ich je erstreben, Als deine Reize, die ohn' End und Zahl. So kommts: bei dir nicht find ich Heil und Gnade, Und doch verschmäh ich aller andern Huld; Was bleibt? ein Irrgang nur auf dunklem Pfade. Wir beide tragen an der schweren Schuld. Doch meine Schuld wird deine nie erreichen: Denn meine Lieb ist endlos, ohnegleichen.
20 Die Liebe ist dem strebenden Geist gefährlich. Wär mir des Lorbeers Gunst, der Jovis' Blitze Kühn widersteht, nicht bisher fremd geblieben, Gern hätt ich einen Vers dem Freund geschrieben, Ob unsre Zeit auch fern dem edlen Witze. Doch jetzt verdorr ich in Äthiopiens Hitze; Die Wüste hat mir Mut und Kraft vertrieben: Mich brennt ein unaussprechlich heisses Lieben Und drängt mich fort von meinem Dichtersitze. Darob erröt' ich: Weisheit, Wissen, Kunst Verliess ich ob der e i n e n Qual, der schweren, Weil mir die Frau versagt der Liebe Gunst So ist vertrocknet nun der Quell der Ehren; Nur noch im Auge mir die Thräne liegt, — Der Born der Dichtung doch: er ist versiegt.
—
22
—
21 Mahnung an einen Dichter, der nach Irrungen zu seiner Kunst zurückgekehrt ist, ihr treu zu bleiben. Die Kunst, sie weinte, und ich weint mit ihr, Als wir den Freund, an dem ich stets gehangen, Geschaut, wie er mit müd vergrämten Wangen So lange mied der Dichtung hehre Zier. Doch plötzlich wich der Bann; nun jauchzen wir; Die Hände heb ich freudig: all mein Bangen Entschwand, und all mein Flehen, mein Verlangen, Zum freuderfüllten Danke ward es mir. Doch wenn du wieder kehrst zum Dichterleben, Und kommt dir Wall und Graben in die Quere, Nicht lasse ab von deinem heil'gen Streben! Denn schwierig ist der Weg zur Dichterehre, Und steinig, alpenhoch ist er und steil: Im Ringen nur gelangt der Mensch zum Heil.
—
23
—
22
Dasselbe. Wie beben freuderauschend die Gedanken! Nicht froher ist der Schiffer, der im Brande Der Wogen kämpfte, und zum festen Strande Nun eilt, um knieend unsrem Herrn zu danken! Nicht froher ist, wer aus des Kerkers Schranken Befreit ist und befreit vom Henkersbande, Als ich es bin, weil sich zum Heile wandte Der Dichter, den man sah im Irrtum wanken! Und alle, die der Dichtung Geister preisen, Frohlocken: der das heiligste Empfinden Bekämpft, singt nun entzückt die schönsten Weisen 1 Glaub, grössre Freude wird der Himmel finden, Kehrt der Verlorne heim aus Sünd und Fehlen, Als über neunundneunzig heile Seelen.
—
24
—
23
Frage, in welchem der (Dante'schen) Kreise der Seligkeit eine dahingegangene Seele leben mag. Die holde Seele, die vor ihrer Zeit Hinweggerufen ward zum höhern Leben, Wird dort in sel'gen Sphären freudig schweben, Im hellsten Land der hehren Ewigkeit; Vielleicht im Kreis wo tausend Sonnen weit Erglänzen und in goldnen Fluten beben; Dann scharen sich entzückt in hehrem Streben Die würd'gen Geister rings im lichten Kleid. Doch sie wird alle Geister überstrahlen: Was dort, und was in tiefern Regionen Verweilt, muss ihr den Zoll der Ehrfurcht zahlen. Kommt sie wohl in der heil'gen Kämpfer Zonen? Nein, nur im Kreis des Friedens wohnt ihr Lieben; Doch dieser überragt die andern sieben.
24 Des Lebens Ende beut Verklärung aller Liebessehnsucht. Je mehr uns naht des Todes ernste Schlinge, Die voller Grauen löst des Lebens Leid, Je mehr entflieht die Erdenherrlichkeit, Und alles dünkt uns öde und geringe. Drum lassen wir der Liebe bunte Schwingel Gar bald zerrinnt des Körpers schweres Kleid, Wie Schnee zerschmilzt, wenn hold zur Frühlingszeit Die Sonne unsere Erde heiss umschlinge. Dann naht der Friede! Hass und Lust und Neid Zerfliessen; alle Furcht und alles Bangen, Und Schmerz und Lächeln sinkt zur Ewigkeit. Was uns bedrückt, das Sehnen und Verlangen Verklärt sich; Ruhe legt sich um den Scheitel, Und jede Seufzerqual erscheint uns eitel.
—
26
—
25
Als Laura schwer erkrankt, erscheint ihr Geist dem Dichter im Morgentraum und tröstet ihn. Noch Zwielicht ists; hell schimmernd gleich Karfunkel Erglänzt das Morgenrot; des Frühsterns Glut Erstrahlt, indess hinab zur milden Flut Die Bärin senkt des Siebensterns Gefunkel. Das alte Mütterchen eilt nach der Kunkel, Barfuss und ungeschürzt; mit mattem Mut Schürt sie die Kohlen; alle Welt noch ruht, Nur Liebesseufzer flehn im nächt'gen Dunkel. Nicht hoffte ich auf meiner Herrin Leben; —• Auf einmal, — meine Augen sind geschlossen, — Steht sie vor mir; mich rührt ein kaltes Beben: Wie bleich 1 war sie schon bei des Tods Genossen? „Verzweifle nicht", so spricht sie glanzumflossen, „Denn Laura lebt, — und noch wird Laura leben."
—
27
—
26 Bitte an Apoll um Sonnenschein, damit des Dichters Laurabaum (Lorbeerbaum) nicht Schaden leide. Apoll, ich rufe dichl Ist noch entzündet Die Liebe dein zum hohen Lorbeerbaume, In den einst Daphne ward im jähen Traume Verwandelt, höre, was mein Flehen kündet: Auch ich bin lorbeersehnend dir verbündet; Ich pflanzte einst an meines Gartens Saume Den Laurabaum im selgen Freudenschaume Als Pfand der Liebe, mächtig, festgegründet! Befrei uns von der Stürme eis'gern Wehen, Und hüte meiner Liebe süsses Erbel Lass uns dein holdes Sonnenantlitz sehen I Dass uns der Lorbeer nicht vom Frost ersterbe, Dass er noch weiter mög uns Minne spenden Mit seinen duftig kühlen Schattenhänden.
—
28
—
27
Die einsame Natur spiegelt dem Dichter seine leiderfüllte Seele wieder. Allein und einsam wandl' ich auf der Flur Mit leisen Schritten, langsam und gemessen; Denn nie kann ich mein stilles Leid vergessen, Und gram ist mir der Menschen öde Spur. Ich scheue sie und mag sie fliehen nur; So wich der Frohsinn, der mich einst besessen, Und wer mein Auge sieht, der wird ermessen Des tiefen Leids verborgene Natur. Doch wenn mir Menschen fern, ich weiss, dass Berge Und Thäler, Fluss und Flur und Waldung kennen, Was ich der Menschheit voller Scheu verberge. Selbst hier auf stillen Pfaden mir entbrennen Die Gluten, die Gott Eros hat entzündet, Und ringsum wird mir Lieb und Leid verkündet.
—
29
—
28 Sein oder Nichtsein? Sein oder Nichtsein? — war' der Tod das Ende Der Liebesnot, die meinen Sinn vernichtet, Den Mordstahl hätt' ich gegen mich gerichtet, Damit ich herber Schmerzen Lösung fände. Doch stets erstarr ich vor der schweren Wende; Was kommt? Ein Dunkel, das kein Hoffen lichtet? Ein Nachtgespenst? ein Streit, der nie geschlichtet? So steh ich an des Abgrunds steil Gelände. Doch Zeit wär's wohl, dass sonder Gnad und Weile Der Schütz, der tausende in Nacht getaucht, Mich träfe mit dem sichern Todespfeile. Was bist du taub, Gott Eros? warum braucht Der Tod zu warten? Mir zum grausen Hohn, — Ach, seine bleiche Marke trag ich schon.
—
30
—
29 Der Schleier hüllt ihm das Auge der Geliebten. Mein Orso I Flüsse nicht und Seen und Meere, In denen jeder Erdenstrom verrauscht, Nicht Hügel, Bäume, Äste hochgebauscht, Nicht Nebelgraun, das unsern Blick beschwere, Kränkt mich, wie jener Schleier, der mir wehre Die Seligkeit, der ich entzückt gelauscht; So ist das holde Bildnis wie vertauscht, Und ihres lichten Auges ich entbehre. Und neigt sie ihre Blicke voll Reserve, Seis Schüchternheit, seis Stolz der eisig kalte, So brennt mein wildes Leid in neuer Schärfe. Will ich dann blicken durch des Schleiers Spalte, So ist die weisse Hand ihr Wehr und Schild; Und stets bleibt mir versagt ihr hehres Bild.
30 Der Dichter scheut die Stätte, wo Laura weilt, doch Liebe zum Freund lässt ihn die Scheu überwinden. So sehr furcht ich der schönen Augen Pein, Die meiner Liebe, meiner Schmerzen Quelle, Daß ich, wies Kind die Rute, jene Stelle Vermeide, wo sie weilt, die Holde meinl Den Alpenpfad, den düstren Nebelschein, Ich such ihn eher, als das Aug', das helle, Das mich bethört und meines Blutes Welle Vereist und mich verkehrt zu kaltem Stein. Dass ich den treuen Freund bisher gemieden, Mag wohl entschuldigen Gefahr und Not Des Orts, wo mir so schwere Qual beschieden. Doch dass ich jetzo kam trotz Leid und Tod Und, spät zwar, mich zu deiner Stadt gewandt, Ist meiner Freundschaft treues Unterpfand.
Der Dichter, im Begriff ein Werk zu vollenden, bittet den Freund um ein dabei zu benutzendes Buch. Wenn Lieb und Tod nicht hindern mein Vollbringen, Wenn ich von jäher Seufzerqual mich raffe Zum Wirken und mein Werk zu Ende schaffe, Worin sich regen meine Geistesschwingen; Wenn meinem Streben blüht ein neu Gelingen, Ersteht ein Werk, der Wahrheit starke Waffe; Es fliegt dahin! die Sehne schwirrt, die straffe: Bis Rom (ich hoffe sicher) wird es dringen. Mein Stil ist neu, doch neigt er sich zum alten; Drum wünscht ich gerne jenes schlichte Buch, Zu helfen mir im sinnigen Gestalten. Ich bitte, Freund, darum, dass mein Versuch Gelinge. Willst Du liebend mir es senden, So freut es doppelt mich aus Freundes Händen.
—
33
—
32
Die ganze Natur empfindet schmerzlich Lauras Entfernung. (Doppelsonett zu 33.)
Wenn unser Ruhm und Preis, wenn Laura ferne, So klagt es in der Erde müden Gauen; Rings zucken Blitze, und im Wolkengrauen Verschwinden schnell die liebetrauten Sterne. Ein Grausen, wie aus tiefer Welten Kerne, Erbebt: es stürmt, es hagelt, Wolken thauen; Verhüllt nur ist der Sonne Bild zu schauen: Sie sucht ihr Lieb, — es weilt in weiter Ferne. Gestrenge Meister unsre Welt regieren: Ein bittrer Fluch hält Erd und See gebannt, Die Schiffe Mast und Steuer jäh verlieren. Zerfetzt die Segel, alles umgewandt I Die Frau, mit der sich Himmelsräume zieren, Ist fort, und schmerzlich fühlt es Meer und Land. Petrarcas Sonette.
3
—
34
—
33 Die Rückkehr Lauras wird den Frühling bringen. (Gegensonett zu 32.)
Doch wenn uns wieder blinkt der holden Frauen Verklärtes Lächeln, wieder ihre Sterne Erglänzen: schmücken sich die Himmel gerne, Und ringsum jauchzen die verklärten Auen. Die Rose spriesst, die Lüfte weh'n, die lauen, Es starrt der Blitz in dunkelster Cisterne; Als ob Vulkan die wilde Kunst verlerne, So strahlt's vom Himmel her, dem selig blauen. Und auf des lichten Ozeans Revieren Sieht man die Schiffe nach dem grünen Strand Die schwersten Pfade sonder Müh passieren. So flieht der Alb, den die Natur empfand, Und eine neue Aera wir datieren: Wir jauchzen, und wir weinen unverwandt.
—
35
—
34 Lauras Rückkehr nach neun Tagen bringt den Frühling nicht; warum? Neunmal der Sonnengott in heissem Sehnen Hernieder blickte von der hohen Warte, Nach ihr zu spähen auf der Länderkarte; Neunmal vergoss er seine bittren Thränen. Er fand sie nicht; darum ein wildes Wähnen Ergriff ihn; jähe Wut ihn blindlings narrte: Die Stürme sandte uns sein Sinn, der harte, Und Wolkenschlünde sah man dunkel gähnen. So sehr war er von wildem W e h befangen, Dass Lauras Rückkehr selbst ihm blieb verborgen. Sie kam — doch kam sie mit verhärmten Wangen: W e l c h Weh hat dich getrübt und welche Sorgen, Geliebte mein? Welch Leid kam dir entgegen? S o blieb der Sturm, und ständig strömt der Regen.
3*
-
36
-
35 Andere haben mit dem Feinde Mitleid, Laura nicht mit dem Dichter. Wie weinte Cäsar, der in Griechenland Manch Dasein tilgte, als des Feindes Haupt Er sah, der seines Lebens ward beraubt Vom schnöden Wicht am fernen Nilesstrand; Wie weinte, der einst Goliath überwand: Er sah den Sohn von Blut benetzt, verstaubt! Und König Saul, an den er einst geglaubt, Fiel bald am Berg des Fluchs durch eigne Hand! Nur dich kann nimmer Liebesklage rühren; Vergebens müht sich ab der Liebesgott, In deinem Herzen heisse Glut zu schüren. Nicht Thränen hast du, nein, nur bittren Spott Für mich, wenn hundertfach ich liebend sterbe Und jäh im Glänze deines Blicks verderbe.
36 Das einzig schöne Bild Lauras verdrängt den Dichter aus ihrem Herzen. Der Spiegel ist mein mächtigster Rivale: Er giebt ein Bild, so wonnevoll verklärt, Ein Antlitz, himmelstrahlenglanzgenährt: Dein Zauber prangt in seiner lichten Schale I So ward verjagt mein Bild mit einem Male! O schwer Exill Doch wenn mich Weh durchgärt, Ich sage mir: wie wär mein Bildnis wert, Zu thronen, wo du weilst in lichtem Strahle? Doch wenn ein Plätzchen ich bei dir einst teilte, Nicht solltest du in solchem Übermut Verdrängen ihn, der dir im Herzen weilte. Zur Blume ward Narciß, weil Liebesglut Zum eignen Bild ihn jäh ergriff; doch keine Der Blumen wäre wert für dich, die Eine.
-
38
~
37
Das einzig schöne Bild Lauras verdrängt den Dichter aus ihrem Herzen. Was meine Liebste schmückt, das Goldgeschmeide, Die Perlen und die Blumen, weiss und rot, Vergiftet sind siel Elend, Gram und Tod Mir bringen sie, sodass ich jammernd leide! Die Tage schwinden mir, die Welt ich meide, Und Thränen künden des Geschicks Gebot, Dass grosser Schmerz uns schnelles Ende droht; Die Schattenwelt wird unser still Geleite. Gefährlicher noch sind die schlimmen Spiegel: Der Herrin Adel scheucht jed' ander Bild Und sperrt den Liebesgott vor Thor und Riegel. Verrucht seid ihr, aus höllischem Gefildl Das ew'ge Feuer heizte euren Tiegel Am dunklen Strom, dem nur der Tod entquillt!
—
39
—
38 Liebe ist Tod und Leben. Schon hatt' ich, sie zu meiden, mich entschlossen, Und matt nur floss des Lebens frischer Quell; Da richtete mein Herz sich auf zur Stell': Zum Tode strebt, was je dem Nichts entsprossen. Ein jegliches Geschöpf eilt unverdrossen Dem Ausgang zu; wohlaufI der Weg winkt hell! Er lädt mich einl „Zu ihr", so ruft es grell, „Das ist mein Ende, nacht- und leidumgossen!" Ich ging, ich kam, ich sah die Edle wieder: Ein Blick, und neu erwachten meine Geister, Und neue Kraft durchbebte meine Glieder. So leb' ich noch; ein Blick, ein glanzumkreister Bringt statt des Todes eine Welt des Lichts; Fehlt er, erst dann versink ich in das Nichts.
—
40
—
39 Liebe wandelt sich in Widerwillen um. Frage:
'
Wenn neue Gluten stets die alten nähren, Wenn Wasser niemals trocknet Strom und Fluss, Wenn ein Gefühl in brünstigem Erguss Das andre hebt zum stürmischen Begehren, Wenn Sehnsucht nur die Sehnsucht kann gebären, — Wie kommt's, dass Liebesqualen sich zum Schluss Zum Widerwillen wenden, zum Verdruss? Wie soll ich diesen Umschwung mir erklären? Antwort:
Bedenke doch: des Wasserfalls Getöse Betäubt das Ohr, der Sonnenstrahl uns blendet: So stumpfen sich der Sehnsucht wilde Stösse. Und wie das Pferd, gespornt, sich bäumt und wendet, So wird der Sehnsucht Wahnsinn sich verkühlen: Die Leidenschaft wird in sich selber wühlen.
—
41
—
40 Bestürzung hindert den Dichter, sich der Geliebten zu eröffnen. Verruchte Zunge, undankbares Dingl Vor Lüge hab ich dich getreu gewahrt, Und dich zu ehren hab ich nie gespart; Doch diese Güte dankst du mir gering. Denn will ich, dass die Sprache Grüsse bring' Der Herrin mein, dann stockst du, schnöder Art, Und was dein thöricht Stammeln offenbart, Ist nichts als sinnlos träumendes Gekling. Ihr Thränen auch, die nachts benetzt die Wange, Wenn mich der holde Schlummer jählings flieht, Ihr weicht, wenn ich vor meiner Herrin bange. Ihr Seufzer, deren Hauch die Brust durchzieht, Verfliegt vor ihr; nicht kennt sie meine Not: Mein Antlitz nur verrät der Seele Tod.
—
42
—
41
Die Liebe verwandelt und bringt das Opfer zui Erstarrung. Kaum hatt ich sie gesehn, in wildem Schaume Umwogt' es mich, als wollt es niemals enden; Die Sinne fühlt ich sich verkehrn und wenden, Gleich wie einst Daphne ward zum Lorbeerbaume. „Mit Laura eins bis an des Lebens Saume", So riefs, „mag sie dir schweres Leid auch sendenI" Fast mußt ich meines Lebens Licht verpfänden, Fast ward zum Stein verwandelt ich im Traume! — War ichs l Dem Marmor war ich gleich, dem bleichen, Vielleicht auch Jaspis oder Diamant, Geschätzt vom Müßiggänger und vom Reichen! Dahin wär all der Schmerz, der mich umwand! Dem Atlas glich ich, der an steiler Küste Marokkos schließt die sandumhüllte Wüste.
—
43
—
42 Des Dichters Sehnsucht kommt nie zur Lösung. Indes das Sehnen meine Brust zerfleischt, Die Stunde bang zerrinnt in öde Leere, Fliesst hin die heil'ge Zeit, die sorgenschwere, Die alle Thatkraft, allen Schwung erheischt. Wie dieser Schmerz die wunde Brust zerfleischt! Was ist es doch, was mir das Heil verwehre? Ists wohl ein Unhold, der die Saat verheere, Ein Untier, das in meine Hürde kreischt? Welch Unheil zwischen Lipp' und Becher schlich? Wer weiss? Doch sicherlich: mich mehr zu kränken, Kam mir ein Strahl der Hoffnung und verblich. An jenen Spruch muss ich verzweifelnd denken Und an die Weisheit, die im Spruche ruht, Der lautet: „Ende gut, heisst: alles gut!"
—
44
—
43 Eher wird die Welt sich verkehren, als dass der Dichter in seiner Liebe Frieden fände. Wie öd erscheinen mir des Daseins Bande! Die Hoffnung schillernd auf und abwärts schwebt, Das Glück verschwand, das meine Brust durchbebt, Als wärs ein Tiger, der ins Dickicht rannte. Vereisen wird die See, die wild entbrannte; Schwarz wird der Schnee; auf Bergesgipfeln lebt Das Fischlein, und die Sonne glutumwebt Geht östlich unter an des Euphrat Strande Viel eher ach, als dass mir Fried' erkoren Von meiner Liebe und der holden Frau, Die sich zu herbem Leide mir verschworen. Vielleicht, dass auf des Lebens öder Au Mir schliesslich winkt ein letzter, matter Strahl; Doch nicht empfind ichs mehr nach solcher Qual.
—
45
—
44 Der Dichter sendet an Apapet (?) Colonna ein Kissen, ein Buch und einen Becher. Ich sende liebend dir die drei Geschenke: Das Kissen, um zu sänftigen die Wangen, Dass Ruhe werde deinem Glutverlangen, Wenn bleichend dich die Liebesgöttin kränke; Das Buch, das ich dem edlen Forscher schenke, Mög zeigen, wo die Himmelsgüter hangen, Dass sich im Winter, wie im Frühlingsprangen, Der eine Spruch ins hohe Herz dir senke, Wie kurz das Leben, und wie fern das Ziel. Als drittes send den Becher ich der Labe, Als deiner Erdensorgen hold Asyl; Schmeckt bitter, süss wirkt Äsculapens Gabe! Ein letztes noch: gedenke bis zum Grabe Des Freunds, auch wenn er schweift auf Charons Kiel.
-
46
-
45
Fluch auf Lauras Lorbeerbaum, weil der Dichter keine Erhörung findet. O Lauras Lorbeerbaum! Dich liebt ich lange, Dich edlen: in den schattenfrohen Zweigen Erblühte auf mein Geist; in holdem Reigen Ward mir die Wonne und das Leid, das bange. Erhörung wähnt ich meinem Liebesdrange; Doch Sprödigkeit nur kam und schroffes Schweigen: Von jetzt ab mussten meine Lieder zeigen, Dass trüb mein Herz, dass thränenfeucht die Wange. Es mag gar mancher meiner Muse grollen: „So endet sie nach himmlischem Entzücken?" Drum hört die Worte, die mir jüngst erschollen: „Verflucht der Baum! kein Dichter soll mehr pflücken Von seinem Laub! zersplittert jäh vom Blitze Verdorre er auf kahlem Erdensitze."
-
47 — 46
Entzücken des Dichters nach Lauras Grusse. Gesegnet sei das Jahr, da es geschah, Der Monat, Tag, der Augenblick, die Stunde, Die Stätte und das Land in weiter Runde, Wo ich zum erstenmal der Holden nah! Gesegnet sei das wonnetrunkne Ja, Das mich durchklang, gesegnet auch die Wunde, Die mich durchdrang, und alle Leideskunde, — Seit ich die Liebste grüssend wieder sah! Gesegnet meine Seufzer, meine Thränen, Gesegnet all mein schmerzlich heisses Lieben, Als ich den Namen rief in eitlem Wähnen! Gesegnet alles, was ich je geschrieben Zum Lobe ihr; gesegnet all mein Sehnen, Das treu bei ihr, bei ihr nur ist geblieben I
-
48
-
47
Am Charfreitag, im elften Jahr seiner Liebe, bittet der Dichter den Heiland um Erlösung. O Himmelsvater!
Nach so manchem Tage,
Den ich verlor, nach Nächten wahndurchwacht, Durchzogen von Begierden, die entfacht, Vom Zauber, den ich leidvoll in mir trage, — Gewähre mir die Gnade, dass mir tage Ein neues Leben nach so tiefer Nacht I Dass mir zum Edlen werde Kraft und Macht, Dass ich zuletzt den Feind zu Boden schlage! O wende, Herr, im elften Jahr das Joch, Das mich so hart gefasst!
Es sei verrucht!
J e mehr man liebt, j e mehr bedrängt es noch. Erbarme dich!
Unwürd'gen Leidens Wucht
Mich drückt; lass heute Heil zu mir gelangen, Am Tage, wo am Kreuze du gehangen.
—
49
—
48
Laura wohnt in des Dichters Seele so unerschütterlich, dass sie ihr eigenes Erdreich nicht hassen darf. Vermöchtest du's, mir zürnend durch Missachtung, Durch Augenniederschlag, durch schroffes Neigen Der Stirne, schnelle Flucht und starres Schweigen, Das mir nicht Antwort beut und wenig Achtung, Durch Mittel, die entstammt des Herzens Nachtung, Zu töten das Gefühl, das mir zu eigen, Das ständig keimt und sprosst in neuen Zweigen, — E s wär ein Thun der richtigen Betrachtung. Im dürren Erdreich hat nicht Halt der Blüte Geweihter Stengel, himmelslichtgeboren, Denn er verdorrt im flattrigen Gemüte. Doch da mein Herz auf ewig dir erkoren, Als Erdreich deine Wurzel fest zu fassen: Nicht darfst du nun dein eigen Erdreich hassen.
Petrarcas Sonette.
4
—
5°
-
49 Freudvoll und leidvoll . . . . Weh mir! Es war des Lebens schlimmste Stunde, Als mich die Liebe traf mit ihrem Pfeile; Das Gift drang langsam ein, und mittlerweile Ward tief und tiefer meine Lebenswunde. Nicht glaubte ich, dass auf dem Erdenrunde Ein Wurfgeschoss sich in mein Innres keile; Es ward — zu sehr vertraut' ich meinem Heile: An Überschätzung ging mein Herz zu Grunde. Mich jetzt zu wehren, was soll das Beginnen? Das eine nur ist nun mein Ziel des Strebens, Ein wenig Gegenliebe zu gewinnen. Nicht Lindrung such ich mehr — es war' vergebens; Nur dass sie nimmt, am Ende meines Lebens, Ein kleines Teil an meinem heissen Minnen.
—
5i
—
5° Liebesunfall. Am linken Ufer der Tyrrhen'schen See, Wo wild die Flut erseufzt, vom Wind gebrochen, Kehr ich zu Schiff zurück nach manchen Wochen Und schau den Lorbeerbaum in wildem Weh. O Lauras Baum! Zu dir ich eilig gehl Ich denke ihrer, und die Pulse kochen; So kommts, dass ich in meines Herzens Pochen Das Bächlein, grasbedeckt, nicht vor mir seh. Ich stürz hinein, wie tot; zwar ohne Zeugen, Der Edle doch schämt sich in eigner Welt; Ich fühl durchnetzt, wie Schreck und Scham mich beugen. 0 dass dem Schicksal es dereinst gefällt, Dass auch die Wange nass im Lebensspiel Der linde Zephir trockne des April I
4*
—
52
—
5i Aus Rom: Kampf zwischen Liebe und Pflicht. Indess ich flehnd in heil'ger Stadt verweile, Keimt mir die Reue ob verlorner Tage, Und eine Stimme hör ich, die mir sage: „Hör auf, Verirrter, komm zum ew'gen Heilei" Doch wie ich dieses denke, in der Eile Quillt rasch ein andres in den Sinn: „O Plage 1 Nur schnell zurück zu ihrl dein Schicksal wage, Der Liebe Höchstes werde dir zu Teile!" So sprichts, und mich erfasst ein eis'ger Schauer, So wie den Mann, der eine Nachricht hört, Die plötzlich ihn versenkt in schwere Trauer. Drauf hebt die erste Stimme ungestört Sich wieder.
Also hör ich oft sie streiten,
Und niemals weiss ich, welche siegt von beiden.
52
Stets bringt das Schicksal ein Liebeszeichen. Ich weiss wohl: ferne bleibt dem Weisheitsrate, O Liebe, jeder, den du legst in Schlingen; Denn deine Kräfte tief ins Innre dringen, Und keiner siegt, dem deine Hoheit nahte. Erst neulich steuert ich auf feuchtem Pfade: Das Schiff schoss wacker auf der Woge Schwingen, Um seinen Kurs trotz Wetters zu erringen; Bei Elba wars, am Tuskischen Gestade. Da floh ich dich und deine heissen Gluten, Und deinen Waffen schien ich stolz entronnen: Ich schweift als freier Mann auf salz'gen Fluten. Auf einmal blinkst du mir mit allen Sonnen: Von Laura spricht man, und dein Zauber lacht; Jetzt weiss ich: keiner trotzt je deiner Macht.
—
54
—
53
Wahre Liebe ermüdet nie. Fast müd bin ich zu denken, wie nicht müde Mein Denken wird, das niemals von dir weiche, Und wie ich noch verbleib im Erdenreiche, Erdrückt von heisser Sehnsucht im Gemüte; Und wie mir nie versagt der Worte Blüte, Dein Antlitz und dein Haar, das wonnereiche, Zu preisen und dein Aug', dem keines gleiche, Das mich berückt, das strahlenglanzdurchglühte; Und wie nicht müde werden meine Schritte, Zu folgen dir und deinem holden Bilde; Und Tag und Nacht ruf ich die Seufzerbitte. Zu deinem Ruhme schreib ich Reim auf Reime; Das Schönste such ich auf dem Kunstgefilde, — Das Allerschönste doch erstirbt im Keime.
—
55 —
54 Warum der Dichter in Gesängen der Liebe nicht ermüdet. Die schönen Augen, die des Herzens Wunde Mir schlugen, könnten sie allein mir heilen; Denn nirgends sonst der Heilung Kräfte weilen, Nicht auf den Höhn, und nicht am Meeressunde. So nahmt ihr Augen mir jed' andre Kunde: Zu euch, zu euch nur die Gedanken eilen; Drum sind der Dichtung hochgeweihte Zeilen Mit eurem holden Zauber stets im Bunde. Als ihr mich saht, drang jäh mit scharfen Pfeilen Gott Eros bis zu meines Herzens Grunde, Und Seufzer nur entströmten meinem Munde. Auf ewig neue Gluten mich ereilen, Auf ewig neue Feuer mich durchwüten; Drum können meine Verse nie ermüden!
-
56
-
55 Die Liebe schlägt und hält in Banden. Die Liebe führte mich mit Schmeicheltönen Zurück in dunklen Kerkers schwere Bande; Drauf nahm die Meisterin, die vielgewandte, Den Schlüssel, mich zu schliessen, mich zu höhnen. Nicht sah ichs erst; doch bald fühlt ich mit Stöhnen, Wie ich gefesselt; kaum war ich imstande, Mich zu befrein von Sklaverei und Schande, Mich mit dem Leben wieder zu versöhnen. Noch trag ich jetzt die schwerverwunschne Kette, Und noch ist klar auf meiner Stirn geschrieben, Wie mich umstrickt des Unheils enge Klette. Und wer mich sieht in meinem heissen Lieben, Ganz abgehärmt nach so viel Herzensnot, Der sagt: „Der Arme ist nicht weit vom Todl"
-
57
-
56 Auf das Bild Lauras, das Meister S i m o n e (genannt S i m o n e Memmi) gemalt.
Martino
Fern ist, dass j e der Meister Polyklet, Dass einer, der im Lauf der tausend Jahre Gemalt, auch nur ein Teil uns offenbare Der Schönheit, die um ihre Lippen weht. Simone Memmi doch hat sichs erfleht: Denn ihm gelangs, im Paradies die wahre, Die Urgestalt, die himmlische, die klare, Verklärt zu schaun im brünstigen Gebet. So malte er ihr Bild im Himmelslicht I Drum dringt ihr Blick durch jenen Erdenschleier, Der unser Dasein unheilvoll umflicht. E r malte sie in hochverklärter Feier, Abseits von „kalt und heiss", in Regionen, W o fern von Trübung die G e s t a l t e n wohnen.
-
58
-
57
Auf das Bild Lauras, das Meister S i m o n e Mariino (genannt Simone Memmi) gemalt. Als Meister Memmi mit des Pinsels Strichen Zu Liebe mir das ew'ge Bild gestaltet, O hätt er doch zum Leben es entfaltet, Gebannt die Geister, die davon sich schlichen! Wie viele Seufzer wären da gewichen! O Friede, der in diesem Bilde waltet! O Himmelsglück, das nimmermehr erkaltet! — Doch du bleibst stumm, dein Leben ist verblichen. O sprächst du mir! Sieh, meine Worte fragen 1 Doch meine Frage wird zu Spott und Hohn; O sprächst du aus, was deine Züge sagen! Wie glücklich warst du einst, Pygmalion! Zum Leben ward dein Bild und zur Natur; — Ich wäre selig, spräch es einmal nur!
S8
Liebe bis zum Tod. Dreizehn der Jahre schwanden; ob entspricht Dem Anfang dieses Jahres Mitt' und Ende? Ich weiss j a nimmer, wo ich Kühlung fände V o r Sehnsucht, die mein Wesen wild umflicht! Kaum atmen lässt mich noch das Schwergewicht Des Jochs, das mich belastet; ach empfände Ich doch wie ehdem; j e d e Jahreswende Wird schwerer durch den ewigen Verzicht. Kaum bin die Hälfte ich von meinem Sein; Die T a g e schleichen hin; um meinen Kummer Weiss niemand, als nur ich und sie allein. S o sieche ich dahin zum ewgen Schlummer! W i e lange wird das Leben in mir weilen? Bald naht der T o d , und unsre Stunden eilen.
—
6o
—
59 Im Jenseits erst wird der Heiland ihm Frieden gewähren. Ermüdet seufz ich unter meiner Last Der Schuld und meines unheilvollen Lebens. Wie kam es denn? Inmitten meines Strebens Hat wohl der Menschheit Feind mein Herz erfasstl Wohl bot der Herr mir Frieden, Heil und Rast, Der grosse Freund; ich suche ihn voll Bebens: Er schwand dahin; ich schaue aus vergebens: Er stieg empor zu Himmels Licht und Glast. Noch hör ich, was er sprach mit mildem Blicke: »Kommt her, ihr Armen, rnüd und schuldbeladen, In meine Arme, dass ich euch erquicke!« O Schicksal, Liebe, Welt der heiigen Gnaden I Gebt Flügel mir, dass ich, der Taube gleich, Entschwebe zu des Heilands sel'gem Reich I
—
6 i
—
60 Der Dichter bäumt sich auf gegen die ständige Herzensqual. Mein Lieben, Herrin, werd ich nimmer lassen; Gemächlicher doch meine Pulse pochen: Nicht soll die Glut mehr wild verzehrend kochen, Und müde bin ichs nun, mich selbst zu hassen. Nicht will dereinst mir eine Grabschrift passen, Dass Liebeskummer mir das Herz gebrochen; Viel eher soll nach vielen, vielen Wochen Ein unbeschrieben Grab den Leichnam fassen. Drum, willst du lieben, ohne mich zu quälen, So schenk ich ferner Liebe, Freundschaft, Huld; O glaub, ein treues Herz ist auch zu zählen 1 Doch fährst du fort in deiner alten Schuld, Ich folge nicht; und nicht will ichs verhehlen: Ich habe Kraft und hasse die Geduld 1
—
62
—
6i Der Dichter glaubt sich zur mannhaften Resignation durchgerungen zu haben. Bis einst mein Haar, das mählich nun ergraut, An beiden Schläfen völlig weiss und bleich, Verweil ich in der Liebe Zauberreich; Doch oftmals hab ich kühn emporgeschaut! Nicht furcht ich die Geschosse giftbetaut, Nicht furcht ich mehr der Liebe wilden Streich, Nicht dringt er mehr ins innerste Bereich: Erlahmt schon ist der Pfeil, der Fittig staut. Zwar manchmal suchen meine Liebesthränen Sich bis zu meinem Auge vorzuschleichen; Doch stets besieg ich nun ihr wildes Sehnen. Zwar kann der Liebesfunke mich erreichen, Doch zünden nicht; mein Schlaf bleibt ungestört, Wenn auch ein grauses Traumbild ihn bethört.
-
63
-
62 Streit zwischen dem Dichter und seinen Augen, wer der schuldige Teil sei. Der
Dichter:
Ihr habt das Herz bethört, drum, vor Gericht, Ihr Augen, schuld- und thränenvoll, erscheint! Die
Augen:
Was solls? Wir haben sehnsuchtsvoll geweint; Doch andrer Schuld ists, unsre ist es nicht. Der
Dichter:
Die Liebe traf mein banges Angesicht: Ihr habt dem Frevler Einlass nicht verneint. Die Augen: Wir thatens, weil das Herz es so vermeint, Denn dieses hoffte Wonne, Heil und Lichtl Der
Dichter:
Nicht dochl Ihr folgtet eigenem Entzücken, Als ihr gefühlt des Herzens bebend Pochen; Drum büsst ihr euer frevelndes Beglücken. Die
Augen:
Der eine büsst, der andre hats verbrochen; Wie wenig giebt es doch gerechte Richter: Mit solchen Sprüchen wird die Welt nicht lichter.
-
6
4
-
63 Begegnung mit Laura am Ort und zur Stunde, wo er sie das erste Mal sah. Wie lieb ich doch die Stätte lichtumwoben, Wo ich die Holde sah zum ersten Mal! Wie oft ich mich nach jener Stelle stahl Bei meines Liebeskummers wildem Toben. Die Stunde lieb ich, wo vom Himmel oben Ein Lichtstrahl drang zu mir ins Erdenthal: Als ich sie sah, da wich mir Leid und Qual, Ihr Bild hat mich zum Ewigen erhoben. Dass alle drei, dass Laura, Ort und Stunde Sich nochmals könnten meinem Blick vereinen, Um zu erneuern meine Lebenswunde, Wer hätte das gedacht! Nun muss ich weinen, Zum Tod entflammt von wilder Leidenschaft; Doch, die den Tod giebt, giebt uns neue Kraft.
-
65
-
64 „Wer glücklich ist, der stirbt im Jugendprangen." Ich hass das Fenster, wo mir zum Verderben Der Gott gesandt so viele Liebespfeile; Hätt' er mich hingerafft zu meinem Heile! Wie göttlich ist's, im Wonnetraum zu sterben! Noch bin ich im Gefängniss, in dem herben, Und keine Rettung wird mir je zu Teile; Die Liebe bleibt: wo meine Seele weile, Nicht kann der Schmerzen Lösung sie erwerben. O dass mein armes Herz es nun erfahre: Die süssen Tage, die dereinst vergangen, Sie kehren nicht zurück im Kreis der Jahre 1 W e r glücklich ist, der stirbt im Jugendprangen; Drum wünsch ich oft: „Mein Herz, o geh zur Ruh! Du hast gelebt, und überreif bist du."
Petrarcas Sonette.
5
—
66
—
65 Der Liebe Tod, der Liebe Kraft.
Ein guter Schütze kennt der Pfeile Flug, Wenn sie entflohn der Sehne, — ob gelungen Ihr Schuss, ob sie, von blinder Macht bezwungen, Schräg abgeirrt, erlahmt in mattem Zug. So hat die Herrin Wie mir der Pfeil Und Seufzer hörte In meines Lebens
einst geschaut mit Fug, ins wunde Herz gedrungen, sie, der Brust entsprungen unheilvollem Trug.
Da sprach sie wohl: „Weh diesem Unheilsmann! Wohin führt ihn die Macht der Leidenschaft? Er weilt wohl sicherlich in Todes Bann!" 0 wäre dies! Das Leid jedoch giebt Kraft: Es hält zurück das Leben, uns zu quälen; Denn Schmerzen stets die Lebensgeister stählen.
-
6
-
7
66 Entrinnt der Liebe, eh' es zu spät ist! Wie lange ward getäuscht mein banges Hoffen, Wie kurz das Menschenleben! Hätt' ich doch E s früher mir bedachtI
Dem schweren Joch
W a r ich enteilt, als noch der Rückweg offen! O hört zur rechten Zeit doch auf, zu hoffen! Zwar flieh ich jetzt, ich fliehe heute noch, Doch tiefgebeugt: der Wurm ins Herz mir kroch; Mein Antlitz zeigt, welch Unheil mich betroffen. Drum rat ich dringend euch: seid auf der Hut, Eh euch das Schicksal naht, voll Schrecken hausend; Sonst ist vergebens euer Opfermut. Zwar leb ich noch, doch einer unter Tausend, Und auch die Feindin mein hat, wild umbrausend, Geknickt die schmerzdurchbebte Liebesglut.
5*
—
68
—
67 Der Befreite seufzt nach der Gefangenschaft zurück. Ich floh den Kerker, wo mich, ach, so lange, So lange Jahre Eros hielt verschlossen; Wie in der Freiheit meine Zeit verflossen, Es zu erzählen, Frauen, wird mir bange. Zuerst glaubt ich, abseits vom Liebesdrange Sei nicht zu leben; zwar auf freien Rossen, Doch herzenseinsam war ich und verdrossen, Und der Verführer kam, die alte Schlange. Sie flüsterte: „Wie süss doch war dein Joch, Wie hold die Ketten, die dich ihr vereint! Wie besser wärs, du trügst die Fessel noch!" Ich Armer! Allzulang hab ich geweint! Wer in Gefangenschaft der Welt erstorben, Der ist der Welt auf immerdar verdorben.
-
69
-
68 Lauras Schönheit beim Einzug der Liebe. Wie wehten ihre Locken wonniglich Im goldnen Schein! Wie sehnsuchtsvoll entbrannte Ihr Auge, das mir tausend Pfeile sandte Und nun im Lauf der Jahre sanft verblich 1 Als sie das Auge, dem kein andres glich, Voll Mitgefühl, voll Sehnsucht zu mir wandte, Welch' Wunder, dass mein Herz, das hochgespannte, Erlag, in das sich längst ein Dämon schlich? Ihr Gang war engelgleich; die Stimme klang, Wie Wonnelied unsterblicher Naturen, Und was sie sprach, es wurde zum Gesang. Sie schwebte elfengleich auf Frühlingsfluren; Da wars geschehn, und ewig brennt die Wunde, Wenn auch ein Hauch den Zauber trübt zur Stunde.
69 An einen Freund, dessen Geliebte gestorben. Die Herrin, deine heissgeliebte, schied Von dieser Welt in ihres Lebens Blüte; Zum Himmel stieg die Frau der Herzensgüte, Weil sie die Niedrigkeit des Daseins mied. Nun folge ihr auf himmlisches Gebiet Mit reinem Herzen, lauterem Gemütel Dem Erdentrug, worin der Sturmwind wüte, Entrinne, wie dir einst die Holde rietl Drum lass das Weltenweh, steig auf mit Würde, Damit du reifst zu reiner Himmelslust: Der Reinheit ziemt nicht unsre Menschenbürde. Dann bist du nicht gehemmt durch Erdendust; Kein Unhold dir die dunkeln Pfade wehrt, Von denen nie ein Wandrer wiederkehrt.
7° Auf den Tod des Dichters Cynus von Pistoja. O weint ihr Frauen, weine, Gott der Liebel O weint, ihr Liebenden aus allen Landen: Der unsrer Dichtung Zauber hat verstanden, Er ist entflohn dem irdischen Getriebe! Er ist entflohn dem Erdenlastgeschiebe! Die Thränen fliessen aus des Herzens Banden, Und Seufzer brechen vor, die brustgebannten; Beängstigt starrt der Sinn im Leidgetriebe. So traure du, o holde Poesie! Ihr Reime trauert! Euer holder Meister, Mein Cynus starb und seine Harmonie 1 So trauert nun, Pistojas schlimme Geister, Die ihr verbannt ihn, die ihr ihn verloren! Wohl unserm Himmel, dem er nun erkoren!
—
72
—
7i „An Thränen will der Liebesgott sich weiden." Schon mehrfach sprach die Liebe: „Schreibe nieder Entzückten Sinns die goldenen Sonette, Und zeige, wie die Opfer um die Wette Ich bleiche und vom Tod erwecke wieder! ,,So schriebst du einst, als ich noch dein Gebieter: Da glänzte deiner Dichtung lichte Kette; Erst als dein Leben floss in andrem Bette, Verstummten deine holden Liebeslieder. „Doch deinem Geiste blieb ich stets verbunden; Zu neuem Pfeile wird der Augen Macht, Von deren Strahl du niemals kannst gesunden. „Dann wirst du bange weinen, Tag und Nacht: An Thränen will der Liebesgott sich weiden, Und Liebessehnsucht wird zu Liebesleiden."
72
Die Liebe vertauscht die Seelen, und da aus jedem Körper die eigne Seele entweicht, so erblasst er. Wenn uns zum Herzen dringt der Herrin Bild, Verdrängt es aus der Brust das eigne Ich; Dann ists, als ob das Leben schnell verblich: Das Antlitz starrt und alles Blut entquillt. Ein neues Wunder folgt: schnell dringt und wild Ins andre Wesen das verjagte Ich, Und da auch hier die Seele schon entwich, Beherrscht es nun den Leib und sein Gefildl So tauschen sich die Seelen: nirgends bleibt Die Kraft, die uns erweckt des Lebens Quell, Weil hier und dort die Liebe sie vertreibt. Dies Wunder ward mir offenbar zur Stell: Ich sah zwei Liebende zugleich erbleichen Und kannte nun der Liebe schmerzlich Zeichen.
—
74
—
73 Sie kennt meine Treue und belohnt sie nicht. O könnt ich doch in Versen die Gefühle Erfassen, die mir in der Brust verschlossen I Hätt ich in Worte all mein Weh ergossen, Wie mancher dächte mein im Leidgewühlel Doch ihre Augen, deren Herzenskühle Den Strahl ins tiefste Dunkel mir geschossen, Schaun alles, was dort meiner Brust entsprossen; Und so verschweig ich gerne, was ich fühle. Denn wenn ihr Blick mein tiefstes Sein durchleuchtet, So glühts in mir gleich gluterfüllten Scheiben, Gleich Regenbogenwolken, strahldurchfeuchtet. Vom Lohn der Treue die Apostel schreiben, Wie Magdalena ward der Sünden rein; Wie wenig ich belohnt, — du weissts alleinl
—
75
—
74 Der Anfang der Liebe ist freiwillig, nicht ihr Fortgang. Ich bin des Harrens müd, bin überwunden Vom langen Kampf der Seufzer und der Qualen; Und die Gefühle hass ich, die sich stahlen Ins Herz mir in der Hoffnung frohen Stunden. Und doch! Die Sehnsucht, die ich einst empfunden, Sie bleibt 1 Noch immer die Gedanken malen Im Geist ihr Bild und seine milden Strahlen Und giessen Balsam in des Lebens Wunden. Einst wars ein Irrweg, als ich sie erschaute Und mich verwickelte in Sklavenbande: Stets irrt, wer seinem ersten Eindruck traute. Das war mein Irrtum, der mir Unheil sandte; Doch wenn ich jetzo liebe bis zum Schluss, So lieb ich eben, — weil ich lieben muss.
-
76
-
75 Ewige Liebe.
O holde Freiheit, die dereinst gewesen! Wie schön warst du! Wie wonnig war die Stunde, Als ich sie sah; doch nun? — des Herzens Wunde Brennt ewig, nie werd ich davon genesen. Seit jener Zeit sucht ich in ihr zu lesen, In ihrem Blick zu haschen meine Kunde; Die Einsicht wich, und auf dem Weltenrunde War mir entschwunden jeglich Erdenwesen. Und sehnend kehrt' ich stets zu ihr zurück; Ich hauchte ihren Namen in die Winde; Nach ihr nur lauschte ich, mein Tod und Glück 1 So bleibt die Liebe stets mein Angebinde; Sie fasste mich in allen Lebenskeimen: Drum sing' ich Laura stets in meinen Reimen.
-
77
—
;6 An Orso, der, zu Hause zurückgehalten, nicht in den Krieg ziehen konnte. Mein Orso! Ist dir auch das Glück versagt, Zum Kampf zu ziehen auf den stolzen Rossen: Dein Herz ist dort, dein Mut ist voll erschlossen; Wer kann den zügeln, der das Schicksal wagt? Was soll dein trauernd Wort? Ein jeder sagt: Zum höchsten ist dein stolzes Herz entschlossen; Und ständig neue Ruhmestriebe sprossen Dem Ritter tadelsfrei und unverzagt. Dein Herz wird mutig auf das Schlachtfeld eilen In Jugendlust, vom Lebenstrieb gestählt, Und mächtig wird es unter Kämpfern weilen. Man ruft: „O Wehgeschick, sein H e r r uns fehlt, Den schlimm Verhängniss an sein Haus gebunden, Und der nun seufzt in bangen Leidesstunden!"
-
78
-
77 Irdische und himmlische Liebe. „Da beide wir so grausam oft erprobt, W i e falsch die Hoffnung ist auf Erdendinge, S o heb dich aufwärts aus des Lebens Schlinge! Dem Himmel sei dein treues Herz gelobtl Was ist das Leben, das die Menge lobt? E s gleicht der Wiese, wo im trauten Ringe Der Blumen und im Kreis der Schmetterlinge Die Nattern hausen, zischend, giftumtobt. Die Hand, die hier zur Blume greift, zum Köder, Vergiftet kehrt sie heim.
Willst du die Ruh
S o lass den Schwärm, den Fried- und Freudentöter; Dem Weisen kehre nur dein Anlitz zu." S o ich; da sprichts: „Den andern predigst du; Doch gilt es, selbst zu handeln, zauderst d u ! "
—
79
-
78 Der Geliebten Haus und sein Reiz. Du Fenster, wo so manchmal mein Magnet, Wenn gnädig er gesinnt, mir bot die Wonnen, Bestrahlt vom Licht der trauten Mittagssonnen! — Du zweites Fenster, das der Nord umwehtl Du Bank, wo meine Hehre, liebumfleht, Oft sinnend lauscht, von mildem Licht umsponnen 1 Ihr holden Stätten, die zum Liebesbronnen Geweiht ihr Zauber inniglich und stetl Wo noch ihr Schatten lauscht, ihr leiser Schritt Geweilt, wo bei des Frühlings mildem Walten Die Liebe mich erfasst mit Sturmgewalten 1 Du Bild, das sanft in meinen Busen glitt Und unaufhörlich meinen Sinn berückt, Dir wein ich bittre Thränen, hochbeglückt 1
—
8o —
79 In der Liebespein zerrinnen die Tage bis zum Tode. Weh mirl bald wird die Macht, die nichts verschont, Die unglückselige auch mich erfassen! In Bälde müssen wir die Welt verlassen, Die alle Mühsal nur mit Leid belohnt. Wo bleibt dem Sehnen, das im Herzen wohnt, Der Preis? O Tag, den alle Wesen hassen, Wie kommst Du jählings, dass ich muss erblassen! Schon droht mir meines Daseins Horizont. Und doch — es lässt mich nicht der Gott, der starke, Und ständig fliessen meine Liebesthränen; Ein Zauber dringt mir bis zum tiefsten Marke. Nicht Täuschung ists, es ist ein magisch Sehnen! Schon vierzehn Jahre kämpft ich. Werd ich siegen? Vielleicht; doch sicher ist, — die Tage fliegen.
—
8i
—
80
Es lacht der Schmerz, es weint die Freude. Als Cäsar einst Pompejus Haupt erblickte, Das vom verruchten König ihm gesandt, Hat diesen Helden Jubel übermannt, Doch so, dass weinend er die Freud erstickte. Und als das Vaterland, das schwergeknickte, Nicht Hilfe und nicht Rettung mehr gekannt, Geschahs, dass Hannibal nicht Thränen fand, Dass krampfhaft er im Lachen grausig nickte. Was Wunder, dass ein jedes Herz verberge, Was dort im tiefsten Innern sonnt und nachtet: Die Freude weint, und grausig lacht der Scherge! Drum wenn ich oftmals lache, so betrachtet Dies nur als Zeichen, dass ich stöhn in Klagen, Und dass mein Innres bebend will verzagen.
Petrarcas
Sonette.
G
—
82
—
8i Der Dichter mahnt Stefano Colonna, beim Streit mit den Orsini (der Bärin) rechtzeitig die Initiative zu ergreifen. Als Hannibal einst siegte, könnt er nimmer Ausnutzen seine kriegerischen Thaten; Das Schicksal kam, und Unheilstage nahten, Und seine Stellung wurde täglich schlimmer. Beherzige dies wohl, mein Herrl Der Schimmer Des Glücks ist kurz; in eure reichen Saaten Dringt bald die Bärin, die auf herben Pfaden Die Klauen wetzt mit heulendem Gewimmer. Von herber Nahrung satt bricht sie hervor; Drum warte nimmer ab, und steig emporl Besiege sie alsbald, bevors zu spätl O folge dem, was treue Freundschaft rät: Erfass das Glück, und auf geraden Wegen Geh tausendjähr'gem Ruhme kühn entgegen.
-
83
-
82 Zum Ruhme des Pandolfo Malatesta in Rimini. Was wir erhofft von dir in frühen Tagen, Als dich zuerst der Liebeskampf berührt, Das hat zu hohen Zielen nun geführt: In Schlachten hast du mächtig dich geschlagen. Dies fühlt der Dichter, und er muss es wagen, Zu singen, was der Tapferkeit gebührt; Denn vor dem Preis, den Dichterwort erkürt, Muss Erz und Stein in Niedrigkeit verzagen. Ward Cäsar, Scipio, Marcellus traun Unsterblich durch den Stein, durch ehern Bild? Sie sinds, ob auch kein Denkmal ist zu schaun. Denn Erz und Stein sind, wie das Erdgefild, Vergänglich; doch der Dichtung heil'ge Worte Geleiten zu der Ewigkeiten Pforte.
6*
-
8
4
-
83 Das Bild der Geliebten ist in der ganzen Natur zu schauen. Ich sehe keine Ruhe, keine Pausen: Noch immer schüttelt mich der wilde Krieg; Ihr Bild, das tief in meine Seele stieg, Verfolgt mich in des K a m p f e s wildem Grausen. Dämonen mir im innern Herzen hausen; Wie kann ich tragen ihren steten Sieg? Schon fünfzehn Jahre, seit der Kampf nicht schwieg, Mir wilde Qualen jäh die Brust zerzausen. Ihr Auge blendet, wie das erste Mal; Noch mächtiger: das Licht, das sie verbreitet, Erglänzt zurückgestrahlt in Berg und Thal. Wohin ich späh, mein Blick sie nimmer meidetl Zum Walde wächst ihr Lorbeer ohne Rast, Und wo ich weile, winkt mir Blatt und Ast.
-
85
-
84 Unvergänglich bleibt das Bild der Geliebten. O Stätte, aller Seligkeiten Pfand, W o jene Frau zuerst ich einst gesehen, In deren Blicken heil'ge Schauer flehen, Und die erhellt ein jedes Erdenland 1 Viel eher wird ein Bild von Diamant Im Lauf der Zeiten schwinden und vergehen, Als dass die süssen Zauber mir verwehen, Die sie auf ewig mir ins Herz gesandt. Und seh ich sie, gern küss ich ihre Spur! W o sie berührt die hochgeweihte Erde, Erstrahlt die hochbeseligte Natur. 0 Boden, keime auf zu neuem Werde! Und auch dem Freund zu sagen, sei bereit, Dass er dem Freund ein stilles Thränlein weiht.
—
86
—
85 Freudvoll und leidvoll . . . So oft mich brennen heisse Liebesgluten, — Und hundertfach geschieht es Tag wie Nacht, — Gedenk ich ihrer holden Augen Pracht, Worin der Sehnsucht Feuer ewig fluten. Dann find ich meinen Sinn, den frohgemuten, Und meine Ruhe; morgends, mittags lacht Und abends mir das Auge; mild und sacht Verschliessen sich die Wunden, die mir bluten. Ein süsser Hauch von ihrem Antlitz wehtl Die helle Stimme und der Worte Laut, Der lieblich aufsteigt, lieblich auch vergeht, Beruhigt mich, wie wenn ein Engel traut Vom Paradies im Aetherglanz erschiene; Dann atm' ich auf, und hell wird Herz und Miene.
-
8;
-
86 Die Seligkeit der Begegnung besiegt alle Vorsätze. Die Liebe drohte in gewohnter Weise; Doch nun verschanzt ich mich, wie vor der Schlacht; Ich rüstete mich mutig; kampferwacht Schloss ich bewaffnet mich in meine Kreise. Jetzt wandt' ich mich; schnell huscht ein Schatten leise, Verhüllt die Sonne, zeichnet dunkle Nacht Am Boden hin; du pochst, mein Herz, — hab Achtl Es ist die Frau, die ich die heil'ge heisse. Mein Geist ruft: »Schnell, was soll das Zögern taugen?« Doch ehe der Gedanke noch vollendet, Trifft mich ein Strahl aus ihren tiefen Augen. Oft rollt der Donner, wenn der Blitz noch blendet: Kaum hab ich ihrer Augen Macht empfunden, Folgt schnell ihr Gruss — nun bin ich überwunden.
—
88
—
87 Die holde Begegnung birgt eine Fülle des Entzückens. Ich sitze einsam, die Gedanken steigen; Da plötzlich — sie, sie ist's, die all mein Weben, Im Blick erschaut; ich grüsse sie mit Beben, In Ehrfurcht, mit der Stirne sanftem Neigen. Sie schaut mich an mit Blicken, die ihr eigen, Und gleich erkennend all mein sinnend Streben, Entfesselt sie ein solches Liebesleben: Den Donnrer selbst hätt' es gebracht zum Schweigen. Ich schauerte; sie sprach noch und sie ging; Ihr holdes Wort entrückte mich, ihr Auge Erblitzte; Himmelswonne mich umfing. O neuer Liebreiz, den ich bebend sauge! O SeligkeitI Nicht leid ich mehr inmitten Des Heils; — mir ist, ich hätte nie gelitten!
-
89
-
88
Der Freund soll wissen, in welchem Liebeszauber der Dichter weilt. Senuccio, du sollst wissen, was ich fühle: Noch immer liege ich in Lauras Banden, Und ihre Fesseln, die mich einst umwanden, Umwinden mich noch heut im Leidgewühle. Bald lässt sie sich herab vom hohen Pfühle; Bald ist sie stolz und herb, mit hochgespannten Geberden blickend, wie aus fernen Landen; Bald sanft; bald reserviert und voller Kühle. Dort sang sie einstens, und dort sass die Holde, Dort ging sie, dort hielt sie die Schritte an; W a s sie berührte, wurde mir zu Golde. Dort that ihr Auge mich in Acht und Bann; Dort sprach die Hehre, dort hat sie gelächelt: So T a g und Nacht ihr Zauber mich umfächelt.
—
9 °
—
89 Auch im Idyll von Vaucluse fühlt der Dichter, weil er die Geburtsstätte Lauras geschaut, hohe Sehnsucht, die er in unendlich zarter Weise seinem Freunde schildert. Hier weile ich im reizenden Idyll, Allein, denn ach, du fehlst, Senuccio meinl Geborgen vor dem Sturm, vor Wetterspein, Vor Donnerswut; hier ist es rein und still. Die Ruhe böte mir mein WaldidyllI Doch wieder keimt die Sehnsucht mir im Hain: Nicht ist erloschen ihre Herrschaft, nein, In meinem Innern tobt es laut und schrill. Denn ich ersah der Seligkeiten Port, Ich sah die Stätte, die sie einst gebar, Des Himmels Freude und der Schönheit Hort. Aufs neue stieg der Liebe stolzer Aar! Wie war es erst, hätt sie mein Aug' erschaut, Hätt' ich vernommen ihrer Stimme Laut!
—
91
—
9°
Aus Valchiusa schreibt der aus Avignon geflohene Dichter an einen (an Podagra leidenden) Freund (Kardinal Colonna?). Geflohen hab ich dich, verruchtes Babel, W o jede Scham entwich, jed' Heil entschwunden, Dich, Avignon, dich Quell von Weh und Wunden 1 Dich Schiff ohn Anker, ohne Tau und Kabel! Hier weile ich bei Poesie und Fabel; Ich pflücke Verse, Blumen, und gebunden Hab ich so manchen Kranz in stillen Stunden, Fern allem Glanz und nichtigen Gefabel. Was soll die Menge mir? Die Scheinbeglückung? Was kümmert mich der eitle Seelentrug? Nicht bietet er Gefallen noch Entzückung. Zwei Dinge sind dem Wünschenden genug: Dass Laura gnädig mindere mein Weh, Und dass mein Freund auf festem Fusse steh.
—
92
—
9i Laura, von hellem Sonnenstrahl umflossen, grüsst den Dichter, und die Sonne verhüllt sich, wie aus Eifersucht. Zwei Liebende, ich und die hohe Sonne, Wir stritten heftig uns um eine Frau; Sie schritt einher, erfüllt vom Himmelstau, Geleitet von dem Gott der W e h und Wonne, Auf freier Flur, damit das Licht sie sonne. Mein Gegner schloss sie ein auf stiller Au. Voll wilden Unmuts war ich schon; doch schau, Sie lächelt mir, — ein Lächeln der Madonne! Da ward ich jäh erfasst von Seligkeiten, Und alle Eifersucht im Herzen schwand: Mein ist die Frau für alle Ewigkeiten! Mein Nebenbuhler hüllte sein Gesicht In Wetterwolken, dunkel, tief und dicht: Es war der Schmerz, den er darob empfand.
— 93
-
92 Mit dem Bild der Geliebten fühlt sich der Dichter am glücklichsten auf dem Lande, im herrlichen Vaucluse (Val chiusa). Ganz unaussprechlich fühl' ich mich berückt Von jener Schönheit — schönres sah ich nie; Wärs doch mein Todl
Die ganze Phantasie
Träumt nur von ihr, die mich so hold beglückt. Seit mich ihr Auge himmelhoch entzückt Mit unsagbarer Güte, seh ich sie, Und sie nur!
Jeder fremde Anblick flieh, —
Denn Rauch ist alles, was das Leben schmückt. So flüchtet ich zum Thale Val Chiusa, Umschlossen rings, erfrischt von süsser Welle, Allein mit meiner Lyra, meiner Musa. Nicht Frauen prunken hier, nur Fels und Quelle: Hier folgt mir stets ein wunderholdes Bildnis, Und überall erstrahlt es in der Wildnis.
—
94
—
93 Ein Fels versperrt dem in Vaucluse weilenden Dichter die Aussicht nach Lauras Landsitz. O möchte jener Fels, der Vauclus' Au'n Umschliesst, nach Rom sich mit den Hängen neigen Und Avignon den stolzen Rücken zeigen, Dem schlimmen Babell Meine Seufzer traun, Viel Wo Und Wo
leichter fänden sie die sel'gen Gau'n, sie verweilt! Jetzt fliegen sie und schweigen, Berg und Thälern werden sie zu eigen, sanfte Lichter Feld und Flur betaun.
Dort bleiben sie und keiner kehrt zurück, Im stillen Thale finden sie ihr Glück: Der Berg trennt sie von meiner Liebsten Sitze. Erheb ich mich beim ersten Tagesgraun, Nach der geweihten Stätte auszuschaun, Dann muss ich klimmen auf des Felsens Spitze.
—
95
—
94 Verderben bringt die Liebe, weil sie's will. Schon sechzehn Lebensjahre sind geschwunden Voll Seufzern, und das letzte ist nicht weit; Und doch ist mirs, als ob erst kurze Zeit Verstrichen meine ersten Liebesstunden. Jezt muss mir Bittres statt des Süssen munden, Der Schaden nützlich scheinen — schwerer Streit 1 Wie wünscht ich aufgelöst der Seele Leid, Damit sich schlössen meines Herzens Wunden 1 Doch ach, vergib mir! Mögen niemals sterben Die Augen, denen ich manch Lied geweiht 1 Viel eher will ich selbst im Leid verderben. Ich möchte anders, könnt ichs! Jederzeit Erkeimt es neu, und neuer Kummer spricht, Und tausend Stösse änderten mich nicht.
-
96
-
95
An einen Dichter, der ihn für tot hielt und besang. Die Verse voll Gefühl, die meinem T o d Gewidmet, zeigen deines Herzens Treue Und künden deinen feinen Geist aufs neue. Drum rasche Antwort ist mir Pflichtgebot, Um dir zu sagen, dass die letzte Not, Die ich, wie männiglich, erwart' und scheue, Mich nicht ergriff, wenn ich auch ohne Reue Am eh'rnen Thore stand, das jedem droht. Dort war geschrieben: „Noch ist nicht die Stunde Gekommen, wo die mächt'ge Pforte dröhnt! Noch weiter weilst du auf dem Erdenrundel" Zwar weiss ich nicht, wann mir der Ruf ertönt; Einstweilen bin ich frei von Todesgift, Und andrer Lob entkeime deinem Stift.
—
97
~
96
Man ändert die Haare, nicht den Sinn. Schon siebzehn Jahre sah ich abwärts gehen, Seit mir das Herz in Liebesglut entbrannte; Doch durch die Flammenflut, die hochgespannte, Fühl ich's bisweilen wie ein fröstelnd Wehen. Fürwahr, der Spruch ist unser Erb und Lehen: Die Haare ändert man, doch niemals wandte Sich unser Wesen; ob der Sinne Bande Sich lockern, — die Gefühle nie vergehen. Wann naht der Tag, da mich ein Gott befreit Von meines Lebens allzu langer Qual, Von meines Herzens kummervollem Leidl O, dass nur einmal dieser Augen Strahl Erhörte meine stete Lebensbitte, — — — 0 wärst du mein, nach Anstand, Recht und Sitte!
Petrarcas Sonette.
7
-
g8
-
97 Der Liebe Lust und Leid . . . — Wie sie erblasste, lieblich, fest und stet, In sanfte Wolken hüllte ihre Blicke! Und wie ihr Lächeln, das mich stets. erquicke, Mein Herz durchdrang in stiller Majestät 1 Gleich wie im Paradies die Seele späht Zur Seele in des Himmels Hochgeschicke, So wars; ob auch ihr Blick nur schweigend nicke, Ich fühl es, — mir erkeimt, was sie gesät. Der Engelsgruss, das Lächeln einer Frau, Die sich dem Flehenden voll Sanftmut neigte, Sind gegen d i e s e Sprache hart und rauh. Und ich allein Verstands; ihr Schweigen zeigte Ein süsses Wort, das Engel könnt' erfreuen, Das hiess: „Wer nimmt mir meinen Freund, den treuen."
-
99
—
98
Schlimm und schlimmer verfliesst mein Leben. Die Lieb' und das Geschick bedrängen mich, Auch wohl mein Geist, der von der Gegenwart Sich abgewandt und längst vergangner Art Gedenkt; drum oftmals Unmut mich beschlich. Die Liebe fasste mich, das Glück entwich, Und Thorheit ist mit meinem Sinn gepaart; Drum schweifen die Gedanken wild geschaart, Erzürnt ob meines Lebens, das verstrich. Nicht hoff ich mehr auf holde Wiederkehr Der Tage, die vergangen; schlimm und schlimmer Verfliesst mein Leben in die Kreuz und Quer. Nicht Diamant, nein, schwaches Glas und Glimmer Ist all mein Hofifen; es entfällt der Hand, Bevor ich nur des Daseins Glück erkannt.
7*
—
IOO —
99 ,Mir folgt die Missgunst und mein Lieben." Da mir verschlossen ist der Weg der Labe, Bin ich entfloh' n in der Verzweiflung Nacht Den Augen, die in ihrer holden Pracht Gestrahlt als meiner Sehnsucht Morgengabel Mit Seufzern nähr ich mich bis hin zum Grabe, Und Thränen sind die Speise schmerzentfacht ; Doch klag ich nicht: die Zähre sanft und sacht Ist Wundenbalsam, der das Herz erlabe. Ein Bild nur ist's, an dem ich sehnend hange; Nicht Zeuxis, Phidias, Praxiteles Dies schuf; nein, Gott erschufs im Weltendrange. Ob ich nach Scythjen, Lybjen auch vertrieben, Erreich ichs wohl, dass ich mein Leid vergess? O nie, — mir folgt die Missgunst und mein Lieben.
—
101
—
IOO
Die w a h r e Liebe hört nie auf zu hoffen. Die Liebe werd' ich singen so gewaltig, Dass ihrem harten Herzen tausend Thränen Entquellen; der Gedanken heisses Wähnen Soll in ihr toben, wild und vielgestaltig! Dem starren Eise wird entkeimen baldig Ein Frühling, und ihr A u g erglüht im Sehnen; Sie neigt sich mir, und unter ihren Strähnen Erblüht ein Leben tief und mannigfaltig. Sie denkt, zu spät ach, an mein treues Lieben; Die Wange blüht, mir winkt der Hände Schnee, Auf ihrer Stirn ist milde Huld geschrieben. Vor diesem Bild erstarrt ein jedes Weh. O Seligkeit!
Noch reift des Lebens Saat,
Wenn meiner T a g e letzter Abend naht.
IOI
Ein Widerspruch ist alles Lieben. Nicht Liebe wärs? Was ist es, was ich fühle? Und ist es Liebe, was soll sie besagen? Ist sie ein Gut, was soll mein bebend Zagen? Ist böse sie, woher die Wonngefühle? Will ichs? Wenn ja, warum das Leidgewühle? Wenn nein, was nützt mich all' mein sehrend Klagen? O wonnig Leid, o nachtumhülltes Tagen! Wie toll erscheints, betracht ichs voller Kühle. Ich hab's gewollt — o unglückselig Stöhnen! O schwaches Boot im Schaukelspiel der Winde, Umwogt von grausen Meeres wildem Höhnen! So trag ich meines Irrtums Angebinde. Was will ich denn? Nicht hab ich's je gewusst: Ich glüh im Winter, schaure im August.
—
io3 — 102
,In Feuersglut erfüllt sich mein Geschick" . . . . Ich bin das Ziel, an dem dein Pfeil sich bricht! Mein Sein zerschmilzt in deiner Augen Strahl, Wie Schnee vor Sonne, Wachs in Feuersqual. Ich ruf mich heiser, und du hörst mich nicht! In deinen Augen all mein Schicksal spricht! So fliesst mein Leben ungenutzt zu Thal; Nicht kann ich flieh'n, hier giebt es keine Wahl: Die Liebe mir den Totenschleier flicht. Denn was du sinnst und denkst, sind heisse Pfeile, Dein Wunsch ist Feuer, Sonne ist dein Blick, Dein holder Hauch war nimmer mir zum Heile. In Feuersglut erfüllt sich mein Geschick! Was mich verfolgt, wo ich auch steh' und weile, Ist deiner Worte himmlische Musik.
—
io4 —
103 Humor der Verzweiflung 1 ). Nicht Friede giebt's, vergeblich dich bekrieg ich; Ich fürchte, hoffe, alle Welt erfass' ich; Zum Himmel flieg ich, auf dem Boden lieg' ich, Umarme alle Welt und alles hass' ich. Die Liebe drängt mich, nimmer sie besieg ich; Sie fesselt mich und nie die Fessel lass ich; Nicht tötet sie, doch in der Qual versieg ich, - An Freuden arm, im Leide schwelg' und prass' ich. Ohn' Augen seh' und ohne Zunge klag ich, Ich möchte sterben und zu sterben zag ich; Mich hass' ich und an andrer Thun erwarm' ich. Ich möchte leben und den Tod umarm ich; Ich lache weinend und vor Schmerz zerstieb ich: Ich lebe, sterbe — edle Frau, dich lieb ichl ') Vorbote Heines.
—
los
-
104 Erste Invektive auf Avignon. Des Himmels Feuer fall' auf dich herab, Unselige! Von Wasser und von Beeren Ward einst der Heilg'e gross; doch jetzo mehren Sich deine Schätze durch der andern Grab. Nest des Verrats! Des Bösen Schild und Stab, Wo alle Uebel, die die Welt verheeren, Erkeimen! Deine Knechte prassen, zehren, — Das Mark der Welt ist ihres Gaumens Lab. Ihr schwelgt in Wein und tollen Üppigkeiten, Und Greise, Knaben buhlen; Beelzebub Tanzt rings mit Blasebalg und Feuerscheiten; Den Spiegel hält er in der Dirnen Trupp! Und ihr wälzt euch im Flaum! — Die Kirche sank, Und bis zum Himmel brütet der Gestank.
—
io6
-
ios Zweite Invektive auf Avignon. Gesättigt ist des Zornes volle Schale Ob dir, du lastervolles Babylon! Zum Überlaufen voll! Du Spott und Hohnl In Bachus, Venus schwelgen deine Mahle! Wann kommt die Rache für dein Thun, das schale? Zu lange zögert schon der Sündenlohn; Ein Retter wird erscheinen auf dem Thron, Und Rom wird glänzen gleich dem Sonnenstrahle. Dann sinken falsche Götzen in den Staub; Am Boden liegen jene stolzen Zinnen, Drin sich ersättigte der Völker Raub. Ein frisches Leben werden wir beginnen: Die goldnen Zeiten keimen uns auf's neue, Und kräftig sprossen wird die alte Treue.
—
io 7
—
106 Dritte Invektive auf Avignon.
O Leidesquelle, Stätte voller Zorn! Verruchte Schule aller Ketzerei; Erst Rom, jetzt babylonsche Klerisei, Du frecher, schamentwöhnter Lästerborn 1 Die Münze du mit falschem Schrot und Korn! Wo Gutes stirbt und was nur Böses sei, Es wächst in dir in frecher Buhlereil Den Heiland lästerst du mit Gift und Dorn! Auf Keuschheit und der Armut süsser Spende Warst du gegründet; nun hebst du die Hände, Zu eifern gegen deine heil'gen Gründer! Du Dirne! Was dir Konstantin verliehn An Schätzen, zeugte nur die Schaar der Sünder; O raubte sie ein neuer Konstantin!
—
io8
—
107
Der Reisende gedenkt seiner Lieben. Je sehnsuchtsvoller ich des Herzens Schwingen Nach euch, ihr holden Freunde, liebend breite, Je mehr muss ich zu meines Herzens Leide Euch flieh'n, erfasst von meines Schicksals Schlingen Ins Weite reis' ich; doch die Seufzer dringen Zu euch ins Thal nach jener Meeresseite, W o sinnig mild die grüne W o g e gleite Am stillen Hain in sonnbekränzten Ringen. Zwei T a g e schon verliess ich meine Lieben: Mit Thränen ging ich links; nach rechts sich kehrt Mein Herz, das immerdar bei euch verblieben. Geduld erheischt's; das Schicksal uns verwehrt Die Stunden, die dem hoh'n Olymp entstammen: Nur kurz und selten führt es uns zusammen.
—
io9
—
io8 Die Liebe verblutet sich. Die Liebe, deren Kräfte stetig schaffen Voll Eifer, zu des Daseins Wonn' und Pein, Dringt oft hervor aus meines Herzens Schrein: Auf meine Stirne pflanzt sie Wehr und Waffen. Doch will ich mich zu neuem Angriff raffen, Verwehrt es unmutvoll die Herrin mein: Vernunft und Ehrfurcht sollen Zügel sein, Und meine Sehnsucht soll daran erschlaffen. Da muss die Liebe sich im Busen bergen Und wohl verzichten auf ihr heisses Streben, Gefesselt von des Schicksals grausem Schergen. Was bleibt mir übrig in des Herzens Beben, Als dass ich warte auf die letzte Stunde? Der Tod allein tilgt unsre Lebenswunde.
—
IIO
—
109 „Ich falle blind ins eigene Verderben." So wie der Schmetterling zu Sommerszeiten, Gewöhnt ans Licht, uns manchmal flatternd streicht Ums helle Aug und stirbt, eh ers erreicht, Denn niemand will den wilden Fremdling leiden: So fliege ich, und meine Schwingen gleiten Um jenes Auge, dem kein andres gleicht; Die Sehnsucht drängt und all' mein Denken weicht! Stets siegt der Wille, wenn die beiden streiten. Wohl weiss ich, dass die Liebe mir zu Leide; Ich seh', wie meine Herrin mich verschmäht Und wie ich sterbend einst die Flügel breite. So mächtig doch ist ihre Majestät: Ich weine, wenn die Menschen ringsum sterben, Und falle blind ins eigene Verderben.
—
III
—
IIO
„Mein Lied verklingt . . Hör ich euch liebende Gespräche führen, Wie sie Gott Eros eingiebt den Vertrauten, Entzündet sich die Sehnsucht mir; in Lauten Möcht ich sie schildern, die selbst Tote rühren. Von neuem sich die Feuerflammen schüren: Ich schaue wieder, was die Augen schauten, Als mir beim Morgenlicht die Thränen thauten Und ich erwachte bei der Glocke Rühren. Ich seh die Holde, aufgelöst das Haar Im Winde wehend, und, zu mir gewendet, Als Herrin glänzend in der Frauen Schaar. Mein Lied verklingt und meine Sprache endet; Sie reicht nicht hin, was ich geschaut, zu schildern: Das Wort erstirbt in lichten Himmelsbildern.
—
112
—
III
Der Liebe Einzug kommt dem Dichter wieder in den Sinn. Nie sah ich so die Sonne mild ersteigen Am Himmelsspiegel klar und wonnig blau, Nie sah ich bunten Regenbogens Thau So herrlich sich in allen Farben zeigen, Wie dieses Antlitz in der Liebe Reigen A m Tag, da ich sie sah im holden Gau. Nun wusst ich: in der Welten stolzem Bau Muss alles vor der Hochgeweihten schweigen. Da rührte mich der übermächtge Gott: Das ganze Weltall ward mir trüb und dunkel, Und alle andern Reize Hohn und Spott. In ihrer Augen hehrem Sterngefunkel Sah ich Gott Eros selbst; ich wusste nun: Nicht rasten werd ich je und nimmer ruhn.
—
" 3
—
112 ,Ob klein ich, ob ich ein berühmter Mann . . ." Versetz mich hin, wo heiss versengt die Au, Versetz mich hin, wo matt die Sonne zagt, Versetz mich hin, wo Eis- und Schneewelt ragt, Ins Abendland, zum morgenländschen Gau, In stolzes Schloss, in Hütten matt und grau, In tiefste Tiefen, wo das Dunkel klagt, Auf lichte Höhn, wo heller Morgen tagt, In Winternächte, zu des Frühlings Thau, Zum Himmelskreis, in düstre Höllenlande, Zum Alpenschnee, in tiefen Thaies Bann! Mach mich zum Freiherrn, schlage mich in Bande, — Ob klein ich, ob ich ein berühmter Mann, Ich bin der Deine stets und immerdar, Wie ich es seufzend fünfzehn Jahre war.
8
-
H4
—
"3 ,Bis zum fernsten Thüle." Du edle Seele, heller Tugend Zier, Die alle Erdenschatten mir verbannte, Der ich so manche heil'ge Dichtung sandte, Der feste Turm des Lebens bist du mir! Des höchsten Daseins sicherstes Panier! Du weisser Schnee von lichtem Himmelsstrande, Du Rose mein, du weltenglutentbrannte, Ein Spiegelbild des Ewigen bist du mir! O helles Licht! Auf meines Liedes Schwingen Möcht ich dich tragen bis zum fernsten Thüle; Zum Nil, nach Baktra sollt dein Name klingen, Bis wo vereist die grosse Weltenspule 1 Nicht kann ich's; doch im Lande sollst du glänzen Des Apennin, das Meer und Alp begrenzen.
—
IIS
-
114 Tyrannin ist die Liebe. Oft treibt mein Wille mich mit scharfem Sporn Und lenkt die Schritte mir mit festem Zaum; Dann überschreit' ich jählings, wie im Traum, Die Grenzen, haschend nach dem Lebensborn 1 Schnell liest sie auf der Stirne, wie der Dorn Der Leidenschaft mich jagt; zum Herzenssaum Dringt rasch ihr Blick — zu spähen wag ich kaum, Aus ihrem Auge funkelt Amors Zorn. Du schnellst empor, wenn vor dem Blitz du bangst; So fahr ich jäh zurück in Herzensangst, Und die Begierde scheucht ein streng Geschick. Doch dann und wann erheitert sich ihr Blick, Wenn, wie durch bunte Scheiben, in mir fluten Der Furcht, der Hoffnung mild gedämpfte Gluten.