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German Pages 184 [185] Year 2017
Otto Weiß
Aufklärung Modernismus Postmoderne
VE R LAG FR IED R ICH P U ST ET
Das Ringen der Theologie um eine zeitgemäße Glaubensverantwortung
Otto Weiß
Aufklärung – Modernismus – Postmoderne Das Ringen der katholischen Theologie um eine zeitgemäße Glaubensverantwortung
Verlag Friedrich Pustet Regensburg
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
eISBN 978-3-7917-7140-3 (pdf ) © 2017 by Verlag Friedrich Pustet, Regensburg Umschlaggestaltung: Martin Veicht, Regensburg eBook-Produktion: Friedrich Pustet, Regensburg
Diese Publikation ist auch als Printprodukt erhältlich: ISBN 978-3-7917-2876-6 Weitere Publikationen aus unserem Programm finden Sie unter www.verlag-pustet.de
Inhalt Vorwort 9
Einleitung...............................................................................................................13 1.
2.
3.
4.
Grundlagen aus der Philosophie- und Theologiegeschichte ..................13 a) Vom Nominalismus zur Reformation .................................................14 b) Descartes und die Folgen .......................................................................15 c) Blaise Pascal ..............................................................................................17 Mystik ..............................................................................................................19 a) Mystik im eigentlichen Sinn..................................................................19 b) Christliche Mystik...................................................................................20 c) Begegnung mit Jesus ...............................................................................21 d) Modernismus und Mystik......................................................................22 e) Modernista ut reformator ......................................................................23 Moderne – Modernisierung – Modernismus............................................25 a) „Reform“ zwischen „Restauration“ und „Innovation“ .....................25 b) Von der via moderna zur Modernisierung ..........................................25 c) Die „Moderne“ ........................................................................................27 d) Moderne und katholischer Modernismus ..........................................30 Die Beiträge in diesem Buch ........................................................................32
Glauben und Wissen im Gefolge der Aufklärung .............................33 1. 2.
3.
Hinführung......................................................................................................33 Grundlagen und Grundfragen der Aufklärung und der Romantik ......33 a) Die europäische Aufklärung ..................................................................33 b) Antworten auf das Scheitern des aufgeklärten Vernunftbegriffs in der Romantik.......................................................................................36 c) Zusammenfassung ...................................................................................39 Die Antwort der institutionalisierten Religion auf die Anfragen von Aufklärung und Romantik ....................................................................40 a) Die Begegnung der christlichen Konfessionen mit der deutschen Aufklärung .....................................................................40 b) Das Weiterwirken der Theologie der Aufklärung im 19. Jahrhundert ........................................................................................49
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Inhalt
Tendenzen und Strategien katholischer Theologie im 19. Jahrhundert ...........................................................................................53 1. 2. 3.
4.
Hinführung......................................................................................................53 Die Herausforderung durch die Moderne .................................................55 Die Antworten der katholischen Theologie im 19. Jahrhundert ..........60 a) Strategie der Begegnung .........................................................................61 Exkurs: Die Exegese in Tübingen ..................................................................68 b) Strategie der Verdrängung .....................................................................71 Bilanz und Ausblick ......................................................................................76
Die Moderne vor dem Richterstuhl der Kirche ..................................79 1.
2. 3.
4.
5.
Das Dekret Lamentabili und die Enzyklika Pascendi ...........................79 a) Die Hintergründe ihres Entstehens ....................................................79 b) Die angeblichen Irrlehren der Modernisten nach der Enzyklika Pascendi ..................................................................................81 Die Wendezeit um 1900: Fortschrittsglaube und neue Innerlichkeit ...........................................................................................84 Die Kirchenkrise nach 1900 .........................................................................88 a) Der Entwicklungsgedanke.....................................................................88 b) Agnostizismus und immanente Erfahrung des Religiösen ..............98 c) Zusammenfassung ................................................................................ 100 Die römische Reaktion ............................................................................... 101 a) Dogmatismus versus Historismus oder Absolutheitsanspruch gegen Relativität ................................................................................... 101 b) Singularität gegen Pluralismus........................................................... 102 c) Sekurität gegen Wagnis mit der Welt ............................................... 103 Ergebnis ......................................................................................................... 103
Mystik und Reform – Der Theologe und Historiker Philipp Funk ........................................ 107 1.
2.
Unterwegs zum Modernisten .................................................................... 109 a) Kindheit und Jugend ........................................................................... 109 b) Student der Theologie ......................................................................... 110 c) Der Zusammenbruch .......................................................................... 113 Bekennender Modernist ............................................................................. 115
Inhalt
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a) Unter den deutschen „Modernisten“................................................ 115 b) Um den Kurs des „Neuen Jahrhundert“: Mystik oder Kritik? ..... 119 3. Standortwechsel: Modernismus und Mystik.......................................... 122 a) Die Kirche des Geistes......................................................................... 122 b) Auf der Suche nach einem neuen Standort ..................................... 126 4. Die weitere Entwicklung ............................................................................ 131 a) Die Stellung Funks im deutschen Katholizismus: Primat des Religiösen .......................................................................... 131 b) Ausklang ................................................................................................. 133 5. Bilanz ............................................................................................................. 135
Glaube als Begegnung.................................................................................. 137 1. Religiöse Erkenntnis als Sicheinlassen auf die Offenbarung ...................... 138 a) Postmodernes Denken mit einem hermeneutischen Rückgrat ... 138 b) Begreifen, was uns ergreift .................................................................. 139 c) Christlicher Glaube als Sicheinlassen auf Jesus Christus .............. 140 d) Keine Verwissenschaftlichung des Glaubens ................................... 141 2. Die römische „Naturwissenschaft des Glaubens“ und die „antimodernen Modernisten“ ............................................................. 142 a) Die kirchliche Aufklärung: Theologie als Wissenschaft erweisen ................................................................................................. 143 b) Die Liebe allein führt zur Erkenntnis Gottes … ............................. 144 c) Naturwissenschaft des Glaubens … .................................................. 146 d) … oder Unruhe hin zu Gott ............................................................... 147 3. Folgerungen für den Glauben heute ........................................................ 149 4. Schluss............................................................................................................ 152 Die Rückkehr des christlichen Gottes .................................................. 153
Abkürzungen ......................................................................................................... 158 Literaturverzeichnis ............................................................................................. 159 Personenverzeichnis ............................................................................................. 177 Nachweis der Erstveröffentlichung ................................................................... 183
Vorwort
Im Sommer 1992 erreichte mich völlig unerwartet ein Schreiben des Verlagsleiters des Verlags Friedrich Pustet und Lektors für den Bereich Theologie, Dr. Gerd Johannes Maurer, mit der Anfrage, ob ich ein Buch zum katholischen „Modernismus“ schreiben könnte. Nach gründlicher Überlegung sagte ich zu. 1995 konnte ich das umfangreich gewordene Buch „Der Modernismus in Deutschland“ vorlegen. Das überwältigende Echo in nahezu fünfzig Besprechungen und sonstigen Reaktionen aus mehreren Ländern bewies, dass damit ein Thema angesprochen worden war, das offensichtlich lang gehegte Erwartungen erfüllte und einen Gegenwartsbezug aufwies. Dies gilt nicht zuletzt für die Stellungnahmen von Peter Neuner, Manfred Weitlauff und Klaus Schatz. Auch die von den Rezensenten ausgesprochene Erwartung, das Buch möge zu weiteren Forschungen und Veröffentlichungen anregen, ging in den letzten zwanzig Jahren in Erfüllung. Erinnert sei nur an die Forschungen und Publikationen von Claus Arnold sowie an die in den letzten Jahren veröffentlichten einschlägigen Schriften von Gregor Klapczynski, Judith Schepers und Jan Dirk Busemann. Dass auch Wilhelm Imkamp in die Diskussion eingriff, sei ausdrücklich begrüßt. Kritik kam lediglich von extrem konservativer Seite in der Zeitschrift „Theologisches“, wie in einer Besprechung, bei der ich bis heute nicht weiß, ob der von mir durchaus geschätzte Autor mein Buch wirklich gelesen hat, ob er zu sehr in seinem Verstehenshorizont befangen war oder ob er bewusst provozieren wollte, denn seiner Fehldeutungen sind gar viele. So lag es mir, um einen seiner Kritikpunkte herauszugreifen, völlig fern, den sogenannten katholischen Modernismus „mit einer fortschrittlich liberalen, spezifisch bürgerlichen Kulturwerten verpflichteten Frömmigkeitshaltung“ (wie sie anscheinend im liberalen deutschen Protestantismus zu Hause war) zu identifizieren. Gewiss brachte ich zum Ausdruck, dass sich katholische Theologen – die von Rom „Modernisten“ genannt wurden – dem Denken der Zeit, etwa dem Entwicklungsgedanken, öffneten und einem starren einseitigen Objektivismus den Kampf ansagten. Um eine „liberale bürgerliche Frömmigkeitshaltung“ (ob sie nun von den Modernisten erreicht wurde oder ob sie auf halbem Weg stehen blieben) ging es in meiner Studie jedoch
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Vorwort
nicht, wie eine genaue Lektüre und schon der Untertitel hätte zeigen können. Der lautet nämlich nicht „Katholiken und deutsche bürgerliche Kultur“ (wozu sicher manches zu sagen wäre), auch nicht „Religion und Gesellschaft in Deutschland“, sondern „Ein Beitrag zur Theologiegeschichte“. Dies, nicht mehr und nicht weniger, war das Thema dieses Buches. Dabei ging es mir in erster Linie um fundamentaltheologische Neuorientierungen, mit denen katholische Theologen nicht nur in Deutschland um 1900 versuchten, Antwort auf bedrängende Anfragen der Moderne an den christlichen Glauben zu geben, wobei sie ihre Argumentationen auf zwei Pfeiler aufbauten: die historisch-kritische Schrifterklärung einerseits, die mystische Erfahrung andererseits. Mit ihren Bemühungen reihten sie sich unter jene ein, die den ursprünglichen Impuls aus der Offenbarung mit der Gedankenwelt der Neuzeit und, wie dies Alfred Loisy ausdrückte, mit einer „fortschreitenden katholischen Tradition“ in Einklang zu bringen suchten. Es sind Bemühungen, die auch die Theologen des Zweiten Vatikanischen Konzils bewegten. Richtig ist allerdings, dass zwei verschiedene – jeweils von „Antimodernisten“ erfundene –Modernismusbegriffe in der Enzyklika Pascendi Dominici gregis vermengt wurden. Zu den Theologen, denen es um theologische Neuerungen ging (gemeint war vornehmlich Loisy), wurden in dem Schreiben alle jene hinzugefügt, die irgendeine Reform im Rechtsgefüge der Institution Kirche anstrebten. Dazu kam, dass sich diese „Reformer“ – und nicht nur diese – nun auch selbst als „Modernisten“ bezeichneten, ein Umstand, der leicht zu Unklarheiten und Missverständnissen führen konnte. In zahlreichen Artikeln in deutschsprachigen, französischen, italienischen und tschechischen Zeitschriften und in Beiträgen zu einschlägigen Büchern habe ich seitdem versucht, diese Missverständnisse auszuräumen. Dabei schien mir wichtig, den eigentlichen theologischen Modernismus um 1900 bei den Bemühungen zu verorten, Moderne und kirchliche Lehre, oder wie Tyrrell sagte, „church and age“, miteinander zu versöhnen, wobei natürlich jede Zeit und jede Moderne eine neue Antwort verlangt, gemäß der Definition von Tyrrell: „Medievalism is an absolute, modernism a relativ term. The former will always stand for the same ideas and institutions, the meaning of the later slides on with the times.“ Mit der vorliegenden Veröffentlichung zum Teil in Deutschland noch nicht erschienener Aufsätze zum Thema „Theologie in der Neuzeit“, die ich auch als Vermächtnis an kommende Theologiehistoriker, ja als eine Art
Vorwort
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Testament betrachte, beschließe ich nun die theologiegeschichtlichen Veröffentlichungen, bei denen der katholische Modernismus zur Sprache kam, nicht ohne all derer zu gedenken, die meine Arbeiten mit Rat und Hilfe begleiteten. Vor allem danke ich dem 2010 verstorbenen ehemaligen Leiter des Verlags Pustet, Dr. Gerd Johannes Maurer, der mich auf die Fährte des „Modernismus“ wies und meine ersten Gehversuche begleitete, wie seinem Nachfolger im theologischen Lektorat, Dr. Rudolf Zwank, der mir in gleicher Weise ein kluger Ratgeber und Helfer bis hin zu der jetzt vorliegenden Veröffentlichung war. Stellvertretend für viele, die mir in all den Jahren Hilfestellung geleistet haben, danke ich ferner Prof. Dr. Claus Arnold, Prof. Dr. Joachim Köhler, Prof. Dr. Zdenek Kucera, Prof. Dr. Peter Neuner, Dr. Herman H. Schwedt, Prof. Dr. Benedict Viviano OP, Prof. Dr. Christoph Weber, Prof. Dr. Manfred Weitlauff, Prof. Dr. Hubert Wolf. Insbesondere danke ich auch den inzwischen verstorbenen Begleitern meiner wissenschaftlichen Tätigkeit Prof. Dr. Lorenzo Bedeschi, Domdekan Ernst Blöckl, Professor Dr. Oskar Köhler, Prof. Dr. Heinrich Lutz, Dr. Georg Lutz und Chefredakteur Manfred Plate. Schließlich möchte ich meiner Freude darüber Ausdruck verleihen, dass auch von der sogenannten Amtskirche inzwischen „modernistische Theologen“, wie Ernesto Buonaiuti, rehabilitiert wurden. Für Isaac Thomas Hecker, Marie-Joseph Lagrange und Giovanni Semeria wurde inzwischen der Seligsprechungsprozess eingeleitet. Wien, den 1. September 2016
Otto Weiß
Einleitung
Vorliegende Schrift ist mehr als eine Sammlung bereits erschienener Veröffentlichungen. Zur Sprache kommen Beiträge, die sich in verschiedener Weise der Möglichkeit von Glauben gestern, heute und morgen zuwenden. Die Anregung dazu ging von einem mir nahestehenden Theologen aus. „Ich habe den Eindruck“, schrieb er, „dass Deine der Historie gewidmete Arbeit – ich denke vor allem an die den ‚Modernismus‘ betreffende – auch von einem systematischen fundamentaltheologischen Impetus getragen ist: wie christlicher Glaube heute redlich vollzogen werden kann.“ Genau dies soll in den folgenden Beiträgen sichtbar werden, die sich vor allem dem langen 19. Jahrhundert zuwenden, von dem gesagt wurde, dass es die Fundamentaltheologie erfunden hat – ob man dabei an Johann Sebastian Drey, an Anton Günther oder an Antonio Rosmini denkt. Um das Verständnis der vorgestellten Aufsätze zu erleichtern und Missverständnisse auszuräumen, seien einleitend einige Überlegungen vorangestellt. Dabei werfen wir zunächst einen Blick auf die Philosophie- und Theologiegeschichte, gehen dann einem in den Aufsätzen mehrfach zur Sprache kommenden Thema nach, der „Mystik“ und ihrem Verhältnis zum Glaubensvollzug, und rücken schließlich einem in den Abhandlungen öfter erwähnten Begriff zu Leibe, der heute zu einem vieldeutigen Schlagwort geworden ist, bei dem es sich daher lohnt, nachzufragen, was jeweils gemeint ist: dem Begriff „die Moderne“ mit seinen Abwandlungen und Konnotationen, wie etwa „Modernismus“, „Modernisierung“ oder „Postmoderne“.
1. Grundlagen aus der Philosophie- und Theologiegeschichte Umgreifendes Thema der vorgestellten Arbeiten ist also der Glaubensvollzug des Christen im Wandel der Geschichte. Zwar gilt für den Glaubenden: Ewig fest steht Gottes Wort, das leibhaft in Jesus, dem Christus, offenbar wurde. Doch dieses Wort will sich immer wieder neu in die Geschichte inkarnieren. Dies wird in den vorgelegten Aufsätzen von verschiedenen Perspektiven her
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Einleitung
beleuchtet. Ausgangspunkt ist die europäische Aufklärung mit all den Fragen, die sie an den christlichen Glauben und an die Theologie stellte, was nicht ausschließt, dass in den Beiträgen zu diesem Buch auch Denker zur Sprache kommen, die schon zuvor Sein und Sinn, Welt und Gott zum Thema ihrer Überlegungen machten – und das schon in vorchristlicher Zeit, angefangen von Plato und Aristoteles, denen man die zu Unrecht geschmähten Sophisten1 und die protoi theologousantes, die ersten Theologie Betreibenden, die Vorsokratiker, hinzufügen könnte. Auch Traditionslinien werden sichtbar, genauso wie Brüche und Paradigmenwechsel. Da ist zum einen der „rationale Trend“, der die Philosophen, von Plato und Plotin über Augustinus zu Bonaventura, von Aristoteles zu Thomas von Aquin, von den Sophisten zum Nominalismus, bewegte. Da ist zum anderen ein nichtdiskursives Ausgreifen auf Leben und Wirklichkeit, und beides ist oft untrennbar miteinander verschmolzen. Wer möchte etwa sagen, dass die deutsche Mystik – die „Seinsmystik“ eines Eckhart, Tauler oder Seuse – irrational wäre?2 All dies klingt in den folgenden Beiträgen an. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf grundstürzende Wandlungen im Bedenken von Wirklichkeit, deren hinterlassene Spuren bis heute immer wieder das Nachdenken über den Glaubensvollzug des Christen beeinflussten.
a) Vom Nominalismus zur Reformation Wohl kein anderes Geschehen hat das gültige abendländisch-christliche Bedenken von Leben, Welt und Gott so erschüttert wie das Auftreten des Nominalismus3, der die Möglichkeit „ewiger Wahrheiten“ zwar nicht in Frage stellte, wohl aber den Glauben, diese Wahrheiten in bestimmte unverrückbare Begriffe einfangen zu können. Über das „Wesen der Dinge“ und all das, was jenseits der Natur liegt, so sagte man jetzt, gibt es keine Erkenntnis. Und doch war diese seinspessimistische Haltung zugleich begleitet von einem fast grenzenlosen Optimismus, der sich in einem Wort ausdrückt, das zum Schlagwort wurde und es bis heute blieb, das Wort „modern“.4 Neben die bisherige via antiqua der abendländischen Philosophie trat die nominalistische via mo1 2 3 4
Vgl. Joseph Ratzinger, Wahrheit, Werte, Macht. Prüfsteine der pluralistischen Gesellschaft, Freiburg i. Br. 21995, 47. Aufschlussreich dazu Wolfgang Steiner, Die Aufgabe des Denkens. Martin Heidegger und die philosophische Mystik, Marburg 2010. Vgl. Johann Kreuzer, Nominalismus, in: RGG4 6 (2003) 356–359. Vgl. Johannes Spörl, Das Alte und das Neue im Mittelalter. Zum Problem des spätmit-
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derna, der neue Weg.5 Galt bis dahin „alt und darum gut“, so hieß die Parole jetzt „neu und darum besser“. Damit war dem Wandel, der Entwicklung oder, wenn man will, dem „Fortschritt“ das Wort gesprochen. Bestimmend für die Erkenntnis aber war nicht mehr das Sein, sondern das Bewusstsein. Zu Recht spricht man daher von einer anthropologischen Wende. Vom Nominalismus lassen sich Traditionslinien zu Luther und zur Reformation ziehen, auch wenn die neuere Forschung vor Vereinfachungen warnt.6 So erscheint manchen Historikern Erasmus, ja selbst Melanchthon, weit mehr als Luther ein Vertreter einer neuen Zeit, der „Neuzeit“. Entscheidend jedoch ist, dass Luther, und der mehr als andere, zutiefst davon überzeugt war, dass es der menschlichen Vernunft nicht gegeben ist, die eigentliche Wirklichkeit, zu der zuvörderst Gott gehört, in ihrem Wesen zu begreifen. Das wahrhaft Wirkliche, dies hatte er erkannt, ja existentiell erlebt, übersteigt das Denken, und die befreiende Begegnung mit dem wirklichen Gott kann nur geschehen, indem der Mensch sich ihm im Glauben hingibt.
b) Descartes und die Folgen Kommen wir zu René Descartes, der vielfach als der „erste moderne Mensch“ bezeichnet wird, weil er den Schritt zum Bewusstsein als sicherer Instanz mit letzter Entschiedenheit vollzogen habe. Er tat dies, indem er der Scholastik und der Metaphysik den Abschied gab und an die Stelle des alten Seinsoptimismus und der platonisch-idealistischen Gleichsetzung von Bewusstsein und Sein den methodischen Zweifel setzte und alles in Frage stellte, jedoch eine Instanz ausnahm: das denkende Ich. „Je pense, donc je suis.“ Hinter dieser unerschütterlichen Wahrheit aber stand für ihn als Garant Gott selbst mit seinem lumen naturale7, womit er freilich, wie Blaise Pascal spottete, den nicht erkennbaren Gott gleichsam durch die Hintertür wieder einführte8. Zu dieser tiefgreifenden Wende vom Objekt zum Subjekt kam Descartes’
5 6 7 8
telalterlichen Fortschrittsbewusstseins, in: Hist. Jb. 50 (1930) 297–330; Walter Freund, Modernus und andere Zeitbegriffe des Mittelalters, Köln/Graz 1957. Vgl. Heinrich Hermelink, Die theologische Fakultät in Tübingen vor der Reformation, Tübingen 1906. Vgl. Volker Leppin, Martin Luther, Darmstadt 22010, 101–104; ferner Otto Hermann Pesch, Hinführung zu Luther, Mainz 1982, 19. Vgl. Konrad Cramer, Descartes antwortet Caterus. Gedanken zu Descartes’ Neubegründung des ontologischen Gottesbeweises, in: Andreas Kemmerling/Hans-Peter Schütt (Hg.), Descartes nachgedacht, Frankfurt am Main 1996, 123–169. Vgl. Blaise Pascal, Pensées, Br. 77, Laf. 1001.
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Einleitung
Einteilung der Wirklichkeit in die res cogitans und die res extensae, die konsequent weitergedacht zu verschiedenen Ergebnissen führen konnte, je nachdem, ob man vom denkenden Ich oder von der Materie ausging.9 War die Materie der Ausgangspunkt, so gelangte man schließlich zum Empirismus, zur Erfahrung und zum Experiment als einziger sicherer Erkenntnisquelle. An die Stelle der cartesianischen Deduktion trat – nach zeitweiligen Vermengungen der Methoden – die Induktion. Philosophie wurde zum Anhang der Naturwissenschaft, zugleich jedoch befreite sich die Naturwissenschaft aus „metaphysischen“ und dogmatischen Zwängen. Und so galt jetzt erst recht der Jubel, den Ulrich von Hutten schon zu Lebzeiten Luthers angestimmt hatte: „Oh Jahrhundert, oh Wissenschaften. Es ist eine Lust zu leben.“10 Der Jubel galt jetzt der Naturwissenschaft, und er galt der modernen Geschichtsschreibung, der es nach Pierre Bayle nicht um Welterklärungen, sondern um konkrete Fakten gehen müsse. Auch positive Theologie, nicht zuletzt in der Erklärung der heiligen Schriften, wurde jetzt möglich, wenn auch auf die Gefahr hin, dass sie in Positivismus ausartete und zu einer Art „Naturwissenschaft des Glaubens“ wurde, ja dass man glaubte, Gott und die Übernatur schlussfolgernd more geometrico erweisen zu können. Anders verlief der Weg, wenn man bei der res cogitans ansetzte. Davon ausgehend fand Nicolas Malbranche in Verbindung mit augustinischen Überlegungen zu seinem Ontologismus, zur „Schau aller Dinge in Gott“.11 Doch auch Friedrich Heinrich Jacobi ist zu nennen und nicht zuletzt Maurice Blondel, der in der Glaubensbegründung die extrinsische Argumentation für zweitrangig ansah und seinen apologetischen Überlegungen seine immanente Methode zugrunde legte. Der Ausgangspunkt des Glaubensaktes lag für ihn nicht außerhalb des denkenden Subjekts, sondern in der action, in der Tat des Glaubens, im „Vorangehen unseres Wollens“, was jedoch nicht mit Irrationa-
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Ernst Cassirer, Die Philosophie der Aufklärung, Tübingen 1932, Neuauflage Hamburg 2007, passim. 10 Ulrich von Hutten an Willibald Pirckheimer, 25. Dezember 1518: Gesprächsbüchlein von Ulrich von Hutten, Berliner Ausgabe, 32014, Kap. 2, Einleitung. Vgl. Heinz Schilling, Martin Luther. Rebell in einer Zeit des Umbruchs, München 2014, passim. 11 Vgl. zum Ontologismus: Gerard Casimir Ubaghs, Quelques mots sur l’ontologisme e sur un pseudo-ontologisme, in: Revue catholique 21 (1863) 45; Johan Ickx, Tra Lamennais e San Tommaso d’Aquino. La condanna di Gerard Casimir Ubaghs e della dottrina dell’Università Cattolica di Lovanio, 1834–1870 (Collectanea Archivi Vaticani 56), Città del Vaticano 2005.
Grundlagen aus der Philosophie- und Theologiegeschichte
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lismus gleichzusetzen ist.12 Dass Blondel dabei von Anfang an immer schon Gott mit seiner Gnade am Werk sieht, war für ihn kein Widerspruch.13 Doch ziehen wir die Linie weiter bis zur heutigen Theologie und begegnen Karl Rahner mit seinem von der Offenheit (potestas oboedientialis) des Menschen als capax entis und damit capax infiniti ausgehenden Theologoumenon eines übernatürlichen Existentials des Menschen, das ein vorgängiges transzendentales, unreflektiertes „anonymes und unthematisches Wissen“ von Gott einschließt.14 Die Frage ist freilich, ob bei alldem nicht doch wieder mit Hilfe augustinischer oder letztlich idealistisch-platonischer Vorstellungen die „alte Metaphysik“ mit ihren „Gottesbeweisen“ eingeführt wird.
c) Blaise Pascal Man mag darüber streiten, wer nun der „erste moderne Mensch“ war: René Descartes oder der Mathematiker, Philosoph und Theologe Blaise Pascal. Konsequenter war in gewisser Hinsicht Pascal. Nicht nur die Erkenntnis Gottes durch diskursive Gedankenspiele, als die er die alten metaphysischen „Gottesbeweise“ betrachtete, sondern auch Descartes’ Lehre von Gott als Garant für die Erfassung von Wirklichkeit lagen ihm fern. Was die Glaubensbegründung und das Erkennen Gottes betrifft, gab es für ihn nur einen Garanten: den in Jesus erschienenen und zugleich verborgenen Gott. So konnte er schreiben: „Nur durch Jesus Christus kennen wir Gott“15, doch nicht den deistischen Gott als Urheber der geometrischen Wahrheiten und der Ordnung der Elemente, sondern den „Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs“16. Es ist der Gott, den der Mensch nicht suchen würde, wenn er ihn nicht schon – nicht im diskursiven Denken, sondern in einer „auf das Ganze“ gerichteten „Vernunft des Herzens“ – gefunden hätte.17 In der Begegnung mit Jesus als dem sichtbar gewordenen und doch in seiner Menschheit verborgenen Gott kommt die Logik des Herzens zum Ziel, und der Mensch, geführt von der 12 René Virgoulay, Blondel et le modernisme. La philosophie de l’action et les sciences religieuses (1896–1913), Paris 1980, 313–325. 13 Vgl. Maurice Blondel, Lettre sur les exigences de la pensée contemporaine en matière d’apologétique et sur la méthode de la philosophie dans l’étude du problème religieux, in: Annales de philosophie chrétienne, Januar–Juli 1896, 22. 14 Karl Rahner, Grundkurs des Glaubens. Einführung in den Begriff des Christentums, Freiburg i. Br. u. a. 1976, 20–22, 31–34. 15 Blaise Pascal, Pensées, Br. 547, Laf. 198. 16 Ebd., Br. 556, Laf. 449. 17 Ebd., Br. 553, Laf. 919.
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Einleitung
Gnade Gottes, wird befähigt, den unendlichen Abstand von der Ordnung des Körpers und des Geistes zur umfassenden Ordnung der Liebe Gottes zu überwinden und den „Sprung“ in Gottes Hände zu wagen.18 Man versteht, dass Pascal bis heute immer wieder das Denken der Philosophen und Theologen anregte.19 Denn in seinem Denken und der von ihm propagierten „Logik“ oder „Vernunft des Herzens“, hinter dem das „unruhige Herz“ des Augustinus aufscheint, schien der „moderne Mensch“, der mit den alten metaphysischen „Gottesbeweisen“ nichts mehr anzufangen wusste, eine Antwort auf seine Fragen, nicht zuletzt auf die Frage nach einem verantworteten Glauben, zu finden. In verschiedensten Abwandlungen kann man daher im Denken späterer Theologen, auch wenn sie von verschiedenen Ausgangspunkten herkamen, Pascals Überlegungen wiederfinden. So hat vor allem Jacobi auf dessen „Vernunft des Herzens“ zurückgegriffen.20 Doch schon zuvor lassen sich in der Philosophie Johann Georg Hamanns und im Begriff der „Anschauung“ bei Alexander Gottlieb Baumgarten, wie auch später in der „intellektuellen Anschauung“ Schellings, im „Voluntarismus“ Schopenhauers und ganz besonders in Blondels Begriff der „Intuition“ Anklänge an Pascal finden. Nur sollte man sich darüber im Klaren sein, dass es bei Pascals „Vernunft des Herzens“ um mehr geht als um eine Thematik, die in der Epistemologie, der Erkenntnislehre, abgehandelt werden muss. Es ging ihm vielmehr, ähnlich wie später einem John Henry Newman, der den Begriff „Imagination“ verwendet21, vor allem um den Glaubensvollzug. Entscheidend dürfte dabei Pascals Feststellung sein, dass wir Gott nur suchen können, weil wir ihn bereits gefunden haben. Man kann dabei an die Lehre Kants von den „Urteilen a priori“ denken, also an ein vorgängiges nichtdiskursives Erkennen von Wirklichkeit, zu der immer schon diejenige, die den Bereich der Natur übersteigt, also Gott, gehört, womit wir uns dem „übernatürlichen Existential“ Karl Rahners nähern. 18 Vgl. ebd., Br. 277, Laf. 423; Br. 793, Laf. 308. 19 Vgl. Otto Weiss, „Der erste aller Christen“. Zur deutschen Pascal-Rezeption von Friedrich Nietzsche bis Hans Urs von Balthasar, Regensburg 2012. 20 Nicole Schumacher, Friedrich Heinrich Jacobi und Blaise Pascal. Einfluss – Wirkung – Weiterführung (Epistemata. Würzburger wissenschaftliche Schriften. Reihe Literaturwissenschaft, Bd. 458), Würzburg 2003. 21 John Henry Newman, Essay in Aid of A Grammar of Assent, zuerst London 1870, mir vorliegend Ausgabe Oxford 1985. Vgl. auch Lothar Kuld, Lerntheorie des Glaubens. Religiöses Lehren und Lernen nach John Henry Newmans Phänomenologie des Glaubensaktes (Internationale Cardinal-Newman-Studien 13), Sigmaringendorf 1989.
Mystik
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2. Mystik Mystik, verstanden als Erfahrung und Erleben einer die Natur übersteigenden Wirklichkeit, ist nicht auf das Christentum begrenzt. Sie findet sich etwa auch im Buddhismus, Hinduismus und Sufismus.22 Allerdings sollte man einen Trennungsstrich ziehen zur sogenannten natürlichen Mystik, der Erfahrung unerklärlicher Dinge und Zustände, die wir heute weithin dem Bereich der Parapsychologie zurechnen.23 Hierher gehören auch die sogenannten Begleiterscheinungen der Mystik, wie sie etwa Joseph von Görres im 19. Jahrhundert in seiner „Christlichen Mystik“24 schilderte. Auch „Visionen“ und angebliche Erscheinungen von Heiligen haben mit Mystik nichts zu tun. Schließlich ist die Mystik von der Gnosis, also einer Art von religiösem Geheimwissen, das gewöhnlich mit Leibfeindlichkeit verbunden ist, strikt zu trennen.
a) Mystik im eigentlichen Sinn Mystik im eigentlichen Sinn, so wie sie heute allgemein definiert wird, unterscheidet sich von all dem Genannten. Sie ist nach dem Zeugnis der Mystiker zuerst und vor allem die Berührung des Menschen durch das Göttliche, aufgipfelnd im Einswerden mit Gott, was jedoch nicht mit Weltflucht zu verwechseln ist; vielmehr befähigt es den Menschen gerade dazu, die Dinge der Welt richtig, gleichsam mit den Augen Gottes, einzuschätzen.25 Der Weg zu diesem Schauen im Lichte des Göttlichen freilich wird von Mystikern als ein mühsamer Weg durch die Nacht beschrieben, auf dem der Mensch von aller Gier und falschen Anhänglichkeit gereinigt wird.26 Nicht handelt es sich trotz phänotypischer Ähnlichkeiten um den von uns im vorigen Abschnitt behandelten transzendentalen Überstieg menschlicher Vernunft in die Übernatur. Auch die von dem Mystikforscher Henri Brémond ins Feld geführ-
22 Vgl. Geoffrey Parrinder, Mysticism in the World’s Religions, London 1976; Georges Anawati/Louis Gardet (Hg.), Mystique musulmane, Paris 31986. 23 Vgl. Herbert Thurston, Die körperlichen Begleiterscheinungen der Mystik, hg. von J. H. Crehan (Grenzfragen der Psychologie 2), Luzern 1956; Roger I. Anderson, Psychics, Sensitives and Somnambules. A Biographical Dictionary, London 2006. 24 Joseph von Görres, Die christliche Mystik, 4 Bde., Regensburg 1836–1842. 25 Noch immer grundlegend Friedrich von Hügel, The Mystical Element of Religion, 2 Bde., London 1908. 26 Vgl. Aloysius ab Immac. Conceptione/Ambrosius a. S. Theresia OCD (Hg.), Des Heiligen Johannes vom Kreuz sämtliche Werke in fünf Bänden, München 31956/57.
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Einleitung
te Verwandtschaft von Poesie und Mystik27 reicht, sosehr bei der mystischen Erfahrung ähnliche psychologische Vorgänge wie im dichterischen Wirken, etwa das ganzheitliche Erfassen, am Werk sein mögen, zur Erklärung mystischer Erfahrung nicht aus. Und dies deswegen, weil die mystische Begegnung mit Gott sich ipso facto grundsätzlich jeder Entmythologisierung entzieht, da sie, wie Pascal sagen würde, nicht dem Körper oder dem Geist – auch nicht einer in die Transzendenz ausgreifenden ganzheitlichen Vernunft – verbunden ist, sondern einer „höheren Ordnung“, der Ordnung der von Gott geschenkten Gnade zugehört, die dem an den Körper gebundenen menschlichen Verstand unzugänglich ist und nur von dem bereits Glaubenden erahnt werden kann.28 Diese von der mystischen Theologie beschriebene Einordnung der Mystik in den Bereich der Gnade besagt jedoch nicht, dass mystische Erfahrungen, weil direkt von Gott stammend, unfehlbar sind, und zwar deswegen, weil das göttliche Einwirken, wie die großen Lehrer christlicher Mystik Juan de la Cruz und Teresa von Ávila betonten, durch ein menschliches Medium hindurchgehen und daher dem Irrtum unterworfen sein können29, wobei nicht zuletzt die Mentalitäten verschiedener Zeiten und Länder, in denen die Mystiker leben, zu berücksichtigen sind.
b) Christliche Mystik Was nun spezifisch die christliche Mystik anlangt, so dürfte sie sich von der Mystik in anderen Religionen vor allem dadurch unterscheiden, dass sie zwar wie diese um das innigste Einswerden mit dem Göttlichen weiß, dass aber der menschgewordene Gott, die Person Jesu Christi, im Mittelpunkt steht. So hat denn auch Heinrich Seuse dem „Büchlein der ewigen Weisheit“ mit seinen Spekulationen über Gott, Welt und menschliche Natur das „Gespräch mit der ewigen Wahrheit“, das Mitleiden mit dem Gekreuzigten und seine Nachfolge zur Seite gestellt.30 Als weiteres Merkmal christlicher Mystik gilt die in 27 Vgl. Henri Bremond, Prière et poésie, Paris 1926. 28 Vgl. Blaise Pascal, Pensées, Br. 793, Laf. 308. 29 Vgl. Karl Rahner, Visionen und Prophezeiungen (Quaestiones disputatae 4), Freiburg i. Br. 21958, 12, 19–33, 56–67. 30 Heinrich Seuse, Büchlein der ewigen Weisheit, 1330/31; ders., Büchlein der Wahrheit, 1329/30; mir vorliegend die Ausgabe von Melchior Diepenbrock, Heinrich Suso’s, genannt Amandus, Leben und Schriften. Mit einer Einleitung von J. Görres, Regensburg 1829. Vgl. auch: Das Büchlein der Ewigen Weisheit. Nach der Handschrift Nr. 40 des Suso-Gymnasiums in Konstanz, hg. von Jörg Mauz, Konstanz 2003.
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den Schriften des Neuen Bundes grundgelegte Hinwendung zu den Mitmenschen, womit nicht nur gemeint ist, der Mystiker möge seine Beschauung der göttlichen Geheimnisse lassen, wenn „ein Bettler an die Türe klopft und um ein Süpplein bittet“; gemeint ist vielmehr, er möge das, was ihm in der Beschauung geschenkt wurde, an seine Schwestern und Brüder weiterreichen (contemplata aliis tradere, Thomas von Aquin).31
c) Begegnung mit Jesus Doch kehren wir zurück zu dem Einfluss der Mentalität und Kultur einer Zeit auf das mystische Erleben. Dabei zeigt sich, dass die Religiosität und damit auch die christliche Mystik nicht unberührt blieb von gesellschaftlichen Entwicklungen, insbesondere von dem allgemeinen Paradigmenwechsel seit dem 11. Jahrhundert, worauf auch immer dieser zurückgeführt wird.32 Das archaische, symbolhafte, objektivistische Bedenken der Welt wich in Westeuropa immer mehr einem rationalen Trend, der auf wissenschaftlichem Gebiet in der Scholastik, verstanden als „erste Aufklärung“ und „Personalisierung“ (Abälard), zum Durchbruch drängte und sich unter anderem in der nüchternen Betonung der Eignung und Persönlichkeit eines Amtsträgers und nicht mehr so sehr seines Geblüts oder seiner „Sakralität“ zeigte, bis hin zu der Absetzung des gesalbten alter Christus, des Kaisers Heinrich IV., durch den Papst.33 Diese Wende zum Subjekt blieb nicht ohne Auswirkung auf die Mystik in der Westkirche. An die Stelle einer mehr oder weniger archaischen, von Symbolen geprägten Frömmigkeit trat eine personale, gefühlsbetonte Frömmigkeit. An die Stelle der doxa tou theou, der majestas Dei, die die ostkirchliche Kreuzestheologie noch immer prägt, trat die compassio, das Mitleiden mit dem leidenden und sterbenden Jesus am Kreuz. Nicht mehr Christus der Gesalbte, der Kyrios pantokrator, steht jetzt im Mittelpunkt, sondern der verwundete, gekreuzigte, nackte Mensch Jesus (nudus Christus in nudo lig31 Vgl. Dietmar Mieth, Gotteserfahrung – Weltverantwortung, München 1983; ders., Mystik. Systematisch-theologisch, in: LThK3 7 (1998) 593f. 32 Zum „rationalen Trend“ und zur „Personalisierung“ bereits im Hochmittelalter grundlegend: Friedrich Heer, Aufgang Europas, Wien/Zürich 1959; Karl Bosl, Die Grundlagen der modernen Gesellschaft im Mittelalter. Eine deutsche Gesellschaftsgeschichte des Mittelalters, Stuttgart 1972, 212–250. 33 Hier liegt die Bedeutung des sogenannten Investiturstreits. Mit der Absetzung des sakralen Kaisers durch den Papst begann die moderne Entsakralisierung und Säkularisierung. Vgl. Bonizo von Sutri: „Der ganze römische Erdkreis erzitterte, als die Leute vom Bann des Königs hörten“ (MG, Lib. de lite I, 609).
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no), dem es nachzufolgen gilt (nudus nudum Jesum sequi).34 So schilderte ihn Bernhard von Clairvaux, der die Christen anleitete, sich in das Leiden Jesu zu vertiefen und ihm durch selbst auferlegte Leiden ähnlich zu werden.35 In unübertroffener Weise kommt diese compassio zum Ausdruck im „Büchlein der ewigen Weisheit“ des Heinrich Seuse. Ja, Seuse fühlte sich getrieben, das Mitleiden dem eigenen Körper aufzuprägen.36
d) Modernismus und Mystik Es ist diese vom subjektiven Erleben bestimmte Mystik, die bis heute für das westliche Christentum typisch ist, auch wenn, etwa unter dem Einfluss eines „modernen“ Buddhismus, das objektive Moment wieder stärker in den Vordergrund drängen mag. Und dieses mystische Erleben war es auch, das in der westeuropäischen Mystik im Gefolge von Antonio Rosmini und John Henry Newman um die Wende zum 20. Jahrhundert im katholischen Modernismus eine entscheidende Rolle spielte, wie zahlreiche in den letzten Jahren erschienene französische und italienische Studien zum Ausdruck bringen.37 So habe auch ich bereits in meiner Schrift über den Modernismus (1995) zum „Modernismus im engeren Sinn“ geschrieben: „Er wollte Vertiefung der Religion und wissenschaftliche Glaubensbegründung. Dabei entstand zwischen diesen beiden Polen ein dialektisches Spannungsverhältnis, das in Persönlichkeiten wie von Hügel, Fogazzaro und Funk, ganz besonders aber in P. Tyrrell, dem Urbild aller wahren ‚Modernisten‘, deutlich wird, aber auch schon in manchen Gestalten vor dem ‚eigentlichen Modernismus‘ anklang: in Franz Xaver Kraus vor allem, aber auch in Herman Schell. Die beiden Pole der Spannung waren: Zum einen ein tiefreligiöses, ja mystisches Verlangen nach Erneuerung aus der inneren Begegnung mit Gott und Christus, ein Leben aus der ursprünglichen lebendigen Kraft des katholischen Glaubens, das als normativ für 34 Vgl. Marie-Dominique Chenu, Moins, clercs, laics au carrefour de la vie évangelique (XIIe siècle), in: Revue d’Histoire Ecclesiastique 49 (1934) 59–89; Bosl, Die Grundlagen (wie Anm. 32), 241f. 35 Vgl. Bernhard von Clairvaux, Über die Gottesliebe I/1 (Sämtliche Werke, hg. von Gerhard Winkler, Bd. I), Innsbruck 1990, 75–151. 36 Vgl. Anm. 30. 37 Vgl. Émile Poulat, Critique et Mystique. Autour de Loisy ou la conscience catholique et l’esprit moderne, Paris 1984; Giacomo Losito/Charles Talar, Modernisme e mystique (Mystica 1), Paris 2017.
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die Kirche verstanden wurde, fern von aller nur von außen kommender Normierung; zum andern eine klare wissenschaftliche Durchdringung des Glaubens und seiner Quellen, Rechtfertigung des Glaubens vor der Vernunft, mehr noch, eine Neubegründung des Glaubens in der Begegnung mit der modernen Philosophie und Geschichtswissenschaft. Dabei handelte es sich freilich um eine Religionsbegründung, die das Geheimnis stehen ließ und entschieden jede Theologie ‚modo mathematico‘ zurückwies. Zwischen den Polen Mystik und Aufklärung, zwischen Mysterium und Vernunft, zwischen Dogma und Geschichte bewegte sich das, was man ‚Modernismus‘ genannt hat.“38 Auch Antonio Fogazzaro, der seine Ausbildung in einem Kolleg der Rosminianerpatres erfahren hatte, hat in seinem Roman „Il Santo“ nicht wissenschaftliche Spekulationen, sondern den „religiösen Katholizismus“ Rosminis und dessen „misticismo intellettuale“ als Weg zur evangelischen Erneuerung der Kirche zur Sprache bringen wollen.39 Auch Lucien Laberthonnière und Eduard Le Roy, ja, auch Loisy, der sein Leben lang bemüht war, der „Religion in den Religionen“ auf den Grund zu gehen, bekannten sich zur mystischen Erfahrung. Und wer wollte diese nicht einem Pater Isaak Thomas Hecker, einem Pater Giovanni Semeria, einem Pater Marie-Joseph Lagrange absprechen, deren Seligsprechungsprozess eingeleitet ist? Schließlich wird man nicht umhinkönnen, die beiden Mystikkenner Henri Brémond und Friedrich von Hügel und vor allem Philipp Funk in diese mystische Tradition zu stellen, die leider allzu häufig – auch in Rom – einer rein intellektualistischen und positivistischen Begründung und einem kraftlosen Vollzug des Glaubens hatte weichen müssen.
e) Modernista ut reformator Angefügt sei jedoch, dass es, propagiert von Pater Albert Maria Weiß und nur allzu gerne von Papst Pius X. übernommen, auch einen weiter gefassten Modernismusbegriff gab, der in die Enzyklika Pascendi Dominici gregis vom September 1907 seinen Eingang fand, die nicht nur, wie das vorausgehende 38 Otto Weiss, Der Modernismus in Deutschland. Ein Beitrag zur Theologiegeschichte, Regensburg 1995, 11. 39 Paolo Marangon, Il Modernismo di Antonio Fogazzaro (Istituto italiano per gli studi storici), Napoli 1998, 171–188.
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Dekret des Heiligen Offiziums Lamentabili sane exitu, den theologischen Modernismus, sondern alle „Neuerer“ in der Kirche im Auge hatte. Diese Zielrichtung wird besonders deutlich, wo die Enzyklika vom „modernista ut reformator“ spricht. Als Modernisten galten danach alle jene, die neue Gebräuche in die Kirche einführen wollen40, sei es in der Liturgie oder Pastoral oder hinsichtlich disziplinärer und kanonistischer Vorschriften bis hin zur Infragestellung des Zölibats. Solche praktische Reformer, auch wenn sie sonst völlig mit der Kirche übereinstimmten, seien als Modernisten zu betrachten. Mehr noch, die Enzyklika lässt keinen Zweifel daran, dass jeder Katholik, der auch nur eine Form dieses Modernismus nach außen hin vertrete, ipso facto ebenso allen anderen Formen des Modernismus huldige41, zu denen schließlich auch ein sozialer, politischer und literarischer Modernismus gezählt wurde42. Zu alldem kam, dass die Reformer nun selbst die römische Terminologie übernahmen, und so schrieben etwa in der Zeitschrift der deutschen Modernisten „Das Zwanzigste Jahrhundert“ und in dessen Folgeorganen neben den theologischen Modernisten Thaddäus Engert und Philipp Funk alle möglichen „Reformer“, auch solche, die mit dem eigentlichen modernistischen Aufbruch, vor allem mit seiner mystischen Komponente, wenig zu tun hatten und die im Grunde nicht als Modernisten, sondern höchstens als „Reformkatholiken“ zu bezeichnen sind.43 Dies besagt jedoch keineswegs, dass nicht auch im „deutschen Modernismus“ bei dessen führenden Theologen – Philipp Funk, Thaddäus Engert, Joseph Schnitzer, Otto Rudolphi44 – der von Frankreich, Italien und England ausgehende mystische Impuls lebendig war und dass auch in Deutschland „das Wehen des ,modernistischen‘ Geistes“ gespürt wurde, was zu „schweren, schmerzlichen Krisen“ führte45. 40 Vgl. Wilhelm Imkamp, De modernista ut reformator, in: Studi Tomistici 60 (1995) 351– 367. 41 Rundschreiben unseres Heiligen Vaters Pius X., durch göttliche Vorsehung Papst, über die Lehre der Modernisten (autorisierte Ausgabe der Enzyklika „Pascendi“, lateinisch und deutsch), Freiburg i. Br. 1907, 82f. 42 Vgl. Manfred Weitlauff, „Modernismus litterarius“. Der „katholische Literaturstreit“, die Zeitschrift „Hochland“ und die Enzyklika „Pascendi dominici gregis“ Pius’ X. vom 8. September 1907, in: ders., Kirche zwischen Aufbruch und Verweigerung. Ausgewählte Beiträge zur Kirchen- und Theologiegeschichte des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, Stuttgart 2001, 388–460. 43 Vgl. Jörg Haustein, Liberal-katholische Publizistik im späten Kaiserreich. Das „Neue Jahrhundert“ und die Krausgesellschaft, Göttingen 2001. 44 Vgl. Weiss, Der Modernismus in Deutschland (wie Anm. 38), passim. 45 Philipp Funk, Der Gang des geistigen Lebens, in: Max Ettlinger/Philipp Funk/
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3. Moderne – Modernisierung – Modernismus In den vorangehenden Überlegungen begegnete uns als Gegenpol zum Begriff „Mystik“ das Begriffsfeld „modern“, da und dort begleitet von dem Begriff „Reform“ (Reformator, Reformkatholiken). Es sind Begriffe, die in den hier vorgestellten Aufsätzen wie in meinen Veröffentlichungen zum Modernismus immer wieder auftauchen. Allerdings gilt es mit einigen Missverständnissen aufzuräumen.
a) „Reform“ zwischen „Restauration“ und „Innovation“ Kurz zu dem Begriff „Reform“, der im katholischen Modernismusstreit nicht immer das Gleiche meinte. Bedeutete er für die einen so viel wie „Restauration“ (Wiederherstellung des alten Zustands), entsprach er für andere eher dem heutigen Begriff „Innovation“, was weit mehr besagt als Erneuerung des guten Alten und verständlich macht, dass das kirchliche Lehramt der Ansicht war, die Reformvorschläge der sogenannten Modernisten als Infragestellung der geoffenbarten Wahrheit ablehnen zu müssen. Die meisten katholischen „Reformer“, angefangen von John Henry Newman bis zu Alfred Loisy, lagen jedoch in gewisser Hinsicht zwischen den beiden genannten Extremen. Wenn sie von „Reform“ oder auch von „Entwicklung“ im Verständnis der Offenbarung sprachen, meinten sie etwas wirklich Neues, das dennoch dem unveränderlichen Impuls aus der Offenbarung verpflichtet bleibt.46 Es ging ihnen um „Wahrheit in Geschichte“.
b) Von der via moderna zur Modernisierung Problematischer als der Begriff „Reform“ erscheint mit Blick auf den sogenannten katholischen „Modernismus“ auch heute noch alles, was mit dem Begriffsfeld „modern“ zu tun hat. Dabei spielt neben der verschiedenen Deutung der verwendeten Begriffe ihre Wertung eine Rolle. Wie bereits ausgeführt, waren die Begriffe „modern“ und „via moderna“ von Anfang an positiv aufgeladen. Später wurde dann das, was die anthropologische Wende genannt Friedrich Fuchs (Hg.), Wiederbegegnung von Kirche und Kultur in Deutschland. Eine Gabe für Karl Muth, München 1927, 77–126, hier 105. 46 Vgl. Rosanna Ciappa, Rivelazione e storia, in: François Laplanche/Ilaria Biagioli/ Claude Langlois (Hg.), Alfred Loisy cent ans après. Autour d’un petit livre. Actes du colloque international, tenu à Paris, les 23–24 mai 2003, Turnhout 2007, 35–46, hier 39.
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wird, und zuletzt auch die europäische Aufklärung mit Entwicklung und dem wertenden Begriff „Fortschritt“ in Verbindung gebracht, was einen mir befreundeten Historiker zu der Frage veranlasste: „Sind wir Historiker wirklich einem Ranke verpflichtet, dem es ganz schlicht um das Aufzeigen von Fakten ging, oder sind wir Hegelianer, die sich vom Glauben an die Entwicklung des Weltgeistes leiten lassen?“ Ich antwortete: „Wir sind Hegelianer, zumindest unbewusst.“ Und weil dem weithin so ist, wurde vor nicht allzu langer Zeit das deutsche bürgerliche 19. Jahrhundert, dessen Verdienste nicht geleugnet werden sollen, von einer Schar sonst der Wertfreiheit Max Webers verpflichteter Sozialwissenschaftler, Historiker und Theologen hochgepriesen als „fortschrittlich, (links)liberal und bürgerlichen Kulturwerten“ verpflichtet47, woran sich dann höchstens noch das Bedauern über den Sündenfall protestantischer Pietisten und zum Katholizismus konvertierter Romantiker in diesem Jahrhundert anschloss. So kam es, dass deutsche katholische Historiker sich geradezu in den sogenannten Kulturkampf zurückversetzt fühlen mussten, auch wenn die Invektiven eines Rudolf von Virchow und damaliger liberaler protestantischer Professoren gegen die obskuren, unaufgeklärten, undeutschen ultramontanen Katholiken nicht mehr wiederholt wurden. Damit sei nicht geleugnet, dass das sogenannte Modernisierungsmodell als idealtypischer Zugriff auf die historische Wirklichkeit hilfreich ist. Man kann und soll natürlich geschichtliche Trends diagnostizieren als eine Folge von Umwandlungsprozessen im wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Bereich. Nicht zuletzt gilt dies für die „Sattelzeit“ um 1800 mit ihrem Paradigmenwechsel, der sich in der Folgezeit in Industrialisierung und Parlamentarisierung, in der Überwindung der personalen Herrschaft und des Klientelsystems, schließlich im Vorrang der Gesellschaft vor dem Staat auswirkte. Die Gesellschaft selbst hörte damals auf, von alten Traditionen, vor allem von Religion und Kirche, bestimmt zu sein. An deren Stelle traten Entmythologisierung, Säkularisierung, rationale Durchdringung, Betonung der Leistung vor vorgegebenen Rollen.48 Hervorgehoben sei besonders die zu Recht betonte 47 Vgl. Friedrich Wilhelm Graf, Alter Geist und neuer Mensch. Religiöse Zukunftserwartungen um 1900, in: Ute Frevert (Hg.), Das neue Jahrhundert. Europäische Zeitdiagnosen und Zukunftsentwürfe um 1900 (Geschichte und Gesellschaft, Sonderheft 18), Göttingen 2000, 186–228, hier 207. 48 Vgl. Hans-Ulrich Wehler, Modernisierungstheorie und Geschichte, Göttingen 1975,
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Pluralisierung, auch im Bereich der Religion, wie schon (der liberal-konservative) Karl Bosl auf den Spuren von Karl Lamprecht und der französischen Annales-Schule aufgezeigt hat.49 Was bei den Vertretern des Modernisierungsmodells jedoch bisweilen störend wirkt, ist das aufklärerische Engagement, ja das Sendungsbewusstsein hinter manchen Äußerungen, wie auch die geradezu dogmatische Unhinterfragbarkeit, die mit Begriffen wie Entwicklung oder Fortschritt verbunden wird. Aber darf ein objektiv arbeitender Historiker wirklich nicht mehr fragen: Ist wirklich alles besser, weil es „modern“ (oder auch nur „modisch“) ist oder der Fortschrittsideologie des liberalen (deutschen, protestantischen) Bürgertums des 19. Jahrhunderts entspricht? Peter Hersche jedenfalls hat am Beispiel Italiens in der Zeit des Barocks überzeugend dargestellt50, dass die Gleichung „moderner und darum besser“ für den angelsächsisch-deutschen Raum Geltung besitzen mag, wie wenig eine solche Wertung jedoch für Italien greift. In diesem Zusammenhang ist auch der Begriff „Entwicklung“ in die Betrachtung einzubeziehen. Nicht jede Entwicklung ist positiv zu werten, vielmehr gibt es immer auch Fehlentwicklungen und Rückentwicklungen, und manche Entwicklung, die hochgepriesen wurde, endete in einer Sackgasse.
c) Die „Moderne“ Viel später als das Adjektiv „modern“, nämlich erst im 19. Jahrhundert, taucht im deutschen Sprachbereich, und hier zuerst im Literatur- und Kunstbetrieb, das Substantiv „die Moderne“ auf, das vielfach als Synonym für den Begriff „Neuzeit“ verwendet wird und damit an einer Periodisierungsdiskussion teilnimmt. Wann, so wird gefragt, beginnt die Neuzeit beziehungsweise die Moderne: mit dem 19. Jahrhundert oder vielleicht schon mit der Entdeckung Amerikas, der Reformation oder mit der Benützung des Fernrohrs51, mit der Aufklärung52, wenn nicht schon im Hochmittelalter (Abälard, Albertus Magnus) oder aber erst im 20. Jahrhundert?
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bes. 34–38; Thomas Nipperdey, Probleme der Modernisierung in Deutschland, in: ders., Nachdenken über deutsche Geschichte, München 1986, 44–59. Karl Bosl, Pluralismus und pluralistische Gesellschaft. Bauprinzip, Zerfallserscheinung, Mode, München/Salzburg 1967. Peter Hersche, Italien im Barockzeitalter (1600–1750), Wien 1999. Vgl. Hannah Arendt, Vita activa – oder vom tätigen Leben, Stuttgart 1960, 252–262. Vgl. Jürgen Mittelstrass, Neuzeit und Aufklärung. Studien zur Entstehung der neuzeitlichen Wissenschaft und Philosophie, Berlin/New York 1970.
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Doch bleiben wir nicht bei Periodisierungsfragen stehen, sondern gehen der Frage nach: Was ist gemeint, wenn seit dem 19. Jahrhundert von „Moderne“ gesprochen wird? Die Antwort wird differenziert ausfallen müssen. Denn das Wort „Moderne“ kann offensichtlich Verschiedenes bedeuten. Vor allem konservative Katholiken meinten mit „Moderne“ um 1900 einfach die Zeit, in der sie gerade lebten (englisch age), womit sie nun allerdings eine negative Wertung verbanden. Die „Moderne“, der „moderne Mensch“, die „moderne Kultur“, die „moderne Wissenschaftlichkeit“, „die moderne Denk- und Sprechweise“, so hieß es, sei nichts anderes als der Abfall von den Werten des Christentums, wie sie im Mittelalter gegolten hatten.53 Verständlich, dass außerhalb eines streng kirchlichen Milieus eine solche Deutung keine Gültigkeit besaß. Allerdings war man sich um die Wende zum 20. Jahrhundert auch außerhalb dieses Milieus nicht im Klaren, was nun wirklich „modern“ und damit gültig und wegweisend für die Zukunft ist. War es die „moderne“, liberale, bürgerliche Gesellschaft, waren es Industrialisierung, Technisierung und Verstädterung, Prozesse, die im Gefolge einer popularisierten Aufklärung die Entzauberung der Welt vorantrieben, war es die sogenannte „deutsche Wissenschaft“, waren es gelehrter Historismus und Positivismus nicht nur in der Naturwissenschaft, mit einem Wort all das, was uns bereits mit dem Begriff „Modernisierung“ begegnet ist? Oder aber wurde seit einer um 1890 anzusetzenden Epochengrenze54 gerade die Kritik an alldem als „modern“ empfunden? Denken wir an die „literarische Moderne“, die im deutschen Kulturbereich ihre Zentren in Berlin, Wien und München hatte, jedoch gleichzeitig in Frankreich und Italien von sich reden machte.55 Nennen wir wenigstens die Namen der führenden Gestalten der neuen „modernen“ Literatur: in Berlin Eugen Wolff, der 1886 den 53 Vgl. Albert Maria Weiss, Religionsformen und Reformreligionen der neuesten Zeit, in: Hist.-pol. Bl. 131 (1903) 241–259, 325–342, 405–422, 565–581, 645–658, 729–745, 801–817; ders., Die religiöse Gefahr, Freiburg 1904, 366–375; ders., Was ist Modernismus und was verdient Modernismus zu heißen?, in: Theologisch-praktische Quartalschrift 63 (1910) 1–14; ders., Liberalismus und Christentum, Trier 1914, 1f. 54 Vgl. Wolfgang J. Mommsen, Kultur und Politik im deutschen Kaiserreich, in: ders., Der autoritäre Nationalstaat. Verfassung, Gesellschaft und Kultur im deutschen Kaiserreich, Frankfurt am Main 1990, 255–286. 55 Vgl. Manfred Ach/Johannes Jörgensen, Joris-Karl Huysmans und die okkulte Dekadenz, München 1980; Amaury D’Esneval, Huysmans, in: Dictionnaire de biographie française 18 (1994) 111–114; Paolo Alatri, Gabriele D’Annunzio, Torino 1983.
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Begriff „die Moderne“ prägte56; in Wien Hermann Bahr mit seinem „dekadenten“ Drama „Die Mutter“57, in München Stefan George und seine „Gesellschaft für modernes Leben“58. All diesen Literaten war trotz der Verschiedenheit ihrer Werke eines gemeinsam: der Wille, eine elitäre Gegenwelt der Kunst, des Fühlens und Erlebens gegen den Rationalismus einer „aufgeklärten“ Zivilisation mit ihrem bürgerlichen Leistungsprinzip zu errichten. Zu erinnern ist ferner an die Lobredner einer neuen Renaissance59 und an revolutionär-konservative Kulturkritiker wie Lagarde und Langbehn60, an Georg Simmel und seinen Kampf gegen einseitige Verwissenschaftlichung61, vor allem jedoch an Friedrich Nietzsche62 und nicht zuletzt an Karl Lamprecht, der immer wieder auf die negativen Folgen von Technisierung und Rationalismus hinwies und eine moderne ästhetische Kultur, beherrscht von den Mächten der Phantasie, Kunst und Dichtung, herbeisehnte63. Welche „Moderne“ war nun die wirkliche „Moderne“? Oder anders gefragt: Woher nehmen heutige Soziologen und Historiker den Maßstab, der sie ermächtigt, nur die deutsche liberale, bürgerliche „aufgeklärte“ Kultur und positivistische Wissenschaft der „Moderne“ zuzurechnen und alles andere, mag es auch später in Erscheinung getreten sein, als „antimodern“ abzuwerten, womit sie im Grunde auch mit ihrer eigenen Definition von „Mo56 Jürgen Schutte/Peter Sprengel, Die Berliner Moderne 1885–1914, Stuttgart 1987. 57 Hermann Bahr, Die Mutter, Berlin 31891; vgl. Reinhard Farkas, Hermann Bahr, Prophet der Moderne. Tagebücher 1885–1914, Wien 1987; Gotthart Wunberg (Hg.), Die Wiener Moderne. Literatur, Kunst und Musik zwischen 1890 und 1910, Stuttgart 1981. 58 Stefan Breuer, Ästhetischer Fundamentalismus. Stefan George und der deutsche Antimodernismus, Darmstadt 1996. Vgl. auch Christa Bürger, Naturalismus, Ästhetizismus, Frankfurt am Main 1979; Günter Heintz, Stefan George. Studien zu seiner künstlerischen Wirkung, München 1986. 59 Vgl. [ Joseph Arthur Comte de] Gobineau, Die Renaissance. Historische Szenen [1877], deutsch von Ludwig Schemann, Leipzig 1896; neue durchgesehene und verbesserte 3. Auflage Leipzig 1904; Gerd Uekermann, Renaissancismus und Fin de siècle. Die italienische Renaissance in der deutschen Dramatik der letzten Jahrhunderte, Berlin/New York 1985. 60 Vgl. Fritz Stern, Kulturpessimismus als politische Gefahr, dt. Taschenbuchausgabe, München 1986; Liselotte Ilschner, Rembrandt als Erzieher und seine Bedeutung. Studie über die kulturelle Struktur der neunziger Jahre, Danzig 1928. 61 Vgl. Georg Simmel, Der Konflikt der modernen Kultur, Berlin 1918. 62 Wilhelm Boelsche, Das Geheimnis Friedrich Nietzsches, in: Neue Deutsche Rundschau 5 (1894) 1026–1033; Bruno Hillebrand, Nietzsche und die deutsche Literatur, Bd. 1, Tübingen 1978, 68; Steven E. Aschheim, Nietzsche und die Deutschen. Karriere eines Kults, Stuttgart 1996, 22, 52. 63 Vgl. Karl Lamprecht, Zur jüngsten deutschen Vergangenheit, Bd. 1, Berlin 1905, 184.
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derne“ und „Modernismus“ in Konflikt geraten? Denn, so sagen sie zu Recht: Kennzeichnend für die Moderne ist der Pluralismus. Also ist sie nicht „singulär“, sondern „plural“, und so gehört ipso facto auch die Kritik an der einseitigen Verstandeskultur und damit, worauf in den folgenden Beiträgen zurückzukommen ist, auch die Lebensreformbewegung und die neue Mystik eines Eugen Diederichs64 genauso zur „Moderne“ wie Liberalismus, Aufklärung, Historismus und Verwissenschaftlichung. So ist denn auch zu begrüßen, dass neueste Veröffentlichungen die Pluralität der „Moderne“ ernst nehmen, wie nicht zuletzt ein vor kurzem ins Leben gerufenes Forschungsprojekt beweist, das sich mit der „okkulten Moderne“ seit der Wende zum 19. Jahrhundert befasst65. Angefügt sei jedoch die Frage: Was unterscheidet dann noch die plurale oder pluralistische „Moderne“ von der „Postmoderne“, als deren entscheidendes Merkmal der Pluralismus gilt?
d) Moderne und katholischer Modernismus Kehren wir zurück zum katholischen Modernismus, der – was vielfach nicht beachtet wird –von einem allgemeinen Modernismus, etwa im Bereich der Kunst, zu unterscheiden ist, und fragen zunächst: Worum ging es den theologischen „Modernisten“, also jenen „Neuerern“, die, wie ausgeführt, von der römischen Glaubensbehörde gemeint waren, bevor sie diesen Begriff auf alle „Neuerer“ ausdehnte? Darauf ist zu antworten: Deren Anliegen war in erster Linie die Suche nach einem verantworteten Glaubensvollzug in der Zeit einer pluralen Moderne, in der alte Schemata bis hin zu den sogenannten Gottesbeweisen der Metaphysik brüchig geworden waren. So war es nicht zufällig, dass am Anfang des katholischen Modernismus Lehrer des Faches „Apologetik“ standen, angefangen von Herman Schell über Lucien Laberthonnière in Frankreich bis hin zu Leonhard Fendt in Deutschland; und auch Alfred Loisy war von einem zutiefst apologetischen oder richtiger fundamentaltheologischen Anliegen beseelt. Und so kritisierte denn auch die Enzyklika Pascendi 64 Gangolf Hübinger (Hg.), Versammlungsort moderner Geister. Der Eugen Diederichs Verlag. Aufbruch ins Jahrhundert der Extreme, München 1996; hierin bes. Friedrich Wilhelm Graf, Das Laboratorium der religiösen Moderne. Zur „Verlagsreligion“ des Eugen Diederichs Verlag, 243–298; Hermann Platz, Das Erwachen der „Mystik“ um 1900, in: Hochland 34/I (1936/37) 324–337, 434–448. 65 Vgl. Maren Sziede/Helmut Zander, Von der Dämonologie zum Unbewussten. Die Transformation der Anthropologie um 1800 (Okkulte Moderne. Beiträge zur nicht-hegemonialen Innovation, Bd. 1), Berlin/München/Boston 2015.
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Dominici gregis ausdrücklich die „Apologetik“ der katholischen „Modernisten“, wenn sie ihnen Agnostizismus, Immanentismus und als Grundirrtum einen verkehrten Entwicklungsgedanken vorwarf.66 Wir stellen eine zweite Frage: In welchem Verhältnis standen die theologischen katholischen Modernisten um 1900 zu der „Moderne“ des 19. und 20. Jahrhunderts? Die Antwort dürfte lauten: Natürlich waren sie Kinder ihrer Zeit (age), und so ging es ihnen darum, diese Zeit, die geprägt war von den Vorstellungen einer „pluralen Moderne“ – oder doch schon „Postmoderne“? –, mit der von der Kirche verwalteten Offenbarung in Einklang zu bringen. Im katholischen Modernismus findet sich daher die ganze Bandbreite der damaligen pluralen Moderne, also auch, zumal in der Exegese, der rationale Trend und der Wille, Theologie als Wissenschaft zu erweisen, auf die Gefahr hin, dabei mit der Heiligen Inquisition und der Indexkongregation in Konflikt zu geraten. Zugleich jedoch waren sich die führenden Modernisten, wie Loisy, darüber im Klaren, dass die Wirklichkeit Gottes und seiner Offenbarung alles wissenschaftliche Erkennen übersteigt und dass er sich nicht dem grübelnden Forscher, sondern dem demütig anbetenden Mystiker offenbart.67 Dass manche „Modernisten“ dabei auf Abwege gerieten und dass sie, gemessen an einem allgemeinen Modernismusbegriff, sogar als „Antimodernisten“ erschienen, mag richtig sein, und so habe auch ich stets auf ,,antimoderne“ Züge bei katholischen Modernisten hingewiesen.68 Eines jedoch ist sicher: Sie hatten nur sehr bedingt mit dem in der heutigen deutschen Sozialgeschichtsschreibung üblichen, dem Fortschrittsgedanken verhafteten wertenden Modernisierungsmodell zu tun.69 „Modern“ oder „postmodern“ waren sie dennoch, und das vor allem, weil sie Singularität ablehnten und angeblich objektive „starke Wahrheiten“ in Frage stellten, die – auch in Kir-
66 Vgl. Rundschreiben (wie Anm. 41), 61, 75. 67 Vgl. Alfred Loisy, Autour d’un petit livre, Paris 1903, 199–208. 68 Vgl. Weiss, Der Modernismus in Deutschland (wie Anm. 38), 28f., 68, 71, 90, 112 u. ö.; ders., „Sicut mortui et ecce vivimus“. Überlegungen zur heutigen Modernismusforschung, in: Hubert Wolf (Hg.), Antimodernismus und Modernismus in der katholischen Kirche. Beiträge zum theologiegeschichtlichen Vorfeld des II. Vatikanums (Programm und Wirkungsgeschichte des II. Vatikanums, Bd. 2), Paderborn 1998, 42–63; ders., Der katholische Modernismus. Begriff – Selbstverständnis – Ausprägungen – Weiterwirken, ebd., 107–139, hier 115. – Vgl. auch Linus Hauser, „Der Modernismus in Deutschland“, in: Engagement. Zeitschrift für Erziehung und Schule 1–2 (1997) 138–141. 69 Vgl. Graf, Alter Geist und neuer Mensch (wie Anm. 47), 207.
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chen und Religionsgemeinschaften – fast immer erbarmungslos im Dienst von Machterhalt standen.70
4. Die Beiträge in diesem Buch So weit zu Begriffen, die dem Leser in den vorgestellten Beiträgen begegnen. Was die Beiträge selbst anlangt, so folgt ihre Aneinanderreihung nicht dem Datum ihres Entstehens. Maßgebend ist vielmehr zum einen die zeitliche Abfolge der behandelten Themen, zum andern eine gewisse innere, nicht linear verlaufende Logik. Diese hat ihren Zielpunkt im Aufweisen eines „verantworteten Glaubensvollzugs“ in der heutigen Zeit, der von verschiedenen Perspektiven her spiralenförmig beleuchtet wird. Dass es dabei zu Wiederholungen kommt, kann auch als fortschreitende Konkretisierung gewertet werden. Diese findet sich besonders in den immer wieder genannten philosophischen und theologischen Vordenkern (Blaise Pascal, Johann Georg Hamann, Friedrich Heinrich Jacobi, Johann Michael Sailer, Friedrich Schlegel, Anton Günther, John Henry Newman, Alfred Loisy). Vorbildhaft erscheint im Deutschland des 20. Jahrhunderts vor allem das Leben und Denken des Laientheologen und Historikers Philipp Funk, der 1927 zu verstehen gab, bei den Bestrebungen der sogenannten Modernisten habe es sich im Kern um eine fundamentaltheologische Neuorientierung in der Auseinandersetzung mit den modernen Natur- und Geisteswissenschaften gehandelt. Dem dürfte voll zuzustimmen sein. Der katholische Modernismus um die Wende zum 20. Jahrhundert, nicht der von allen möglichen Allerweltsmodernisten und libertinistischen „Margarinekatholiken“ vertretene, sondern der eigentliche theologische Modernismus, den die Enzyklika Pascendi Dominici gregis als agnostisch, immanent und evolutionistisch bekämpfte und der bis heute noch von manchen Theologen als subjektivistisch und relativistisch verurteilt wird, spielt damit zu Recht eine Hauptrolle in den folgenden Beiträgen.
70 Vgl. Gianni Vattimo/Pier Aldo Rovatti, Il pensiero debole, Mailand 101995. Dazu: Martin G. Weiss, Gianni Vattimo. Einführung, Wien 32012.
Glauben und Wissen im Gefolge der Aufklärung
1. Hinführung Nach der mittelalterlichen Scholastik, die als „erste große Aufklärung“ in einem bis dahin unbekannten Maße im christlichen Europa Glaube und Religion zu verstehen und zu begründen suchte, hat keine geistig-philosophische europäische Bewegung so sehr die abendländische Theologie veranlasst, den religiösen Glauben vor dem Verstand zu rechtfertigen, wie die neuzeitliche europäische Aufklärung. Wie jedoch die Aufklärungsphilosophen selbst die neu aufgeworfenen Fragen zur Religion verschieden angingen, haben auch die Theologen auf diese Fragen nicht einstimmig geantwortet. Eines jedoch haben sie mitvollzogen: den mit der Aufklärung verbundenen Modernisierungsschub weg von einer bloßen Autoritätshörigkeit hin zum Gebrauch des Verstandes, auch in Fragen des Glaubens. Dem sei im Folgenden mit Blick auf den deutschen Sprachraum nachgegangen. Aufgezeigt werden sollen die Grundfragen der Aufklärung, aber auch die nachfolgende Krise des aufgeklärten Vernunftoptimismus, wie die Folgerungen, welche aus alldem von den beiden großen abendländischen Konfessionen gezogen wurden.
2. Grundlagen und Grundfragen der Aufklärung und der Romantik a) Die europäische Aufklärung Der europäischen Aufklärung kommt das Verdienst zu, die Menschen gelehrt zu haben, ihren Verstand zu gebrauchen.1 Wer möchte leugnen, dass damit zahlreiche Errungenschaften verbunden waren, die wir nicht mehr 1
Die beste Einführung noch immer: Ernst Cassirer, Die Philosophie der Aufklärung, Tübingen 1932, Neuauflage Hamburg 2007.
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missen möchten? Erwähnt sei die Überwindung eines überholten Naturbegriffs, die Betonung des bewussten und verantwortlichen Handelns, der Freiheit des Einzelnen, der personalen Würde, der Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz, der Menschenrechte, ferner die Herausbildung des modernen Rechtsstaats und der Toleranz in einer pluralen Gesellschaft, auch wenn liebgewordene religiöse, gesellschaftliche und kulturelle Überlieferungen nicht mehr die letzte Norm bildeten.2 Denn jetzt galt „neu und darum besser“.3 Damit war eine Entwicklung zum Abschluss gekommen, deren Anfänge gewöhnlich im Nominalismus gesehen werden. Der Mensch mit seiner Freiheit erscheint vorrangig vor angeblich ewigen unveränderlichen Ideen, Wahrheiten und Gesetzen. Mit alldem aber verband sich die Überzeugung, es bedürfe nur der Erziehung und richtigen Bildung, um den Menschen zur Vollkommenheit und zur Glückseligkeit zu führen. Freilich wurde das Zurücktreten des Gesetzes hinter der Freiheit, des Objekts hinter dem Subjekt, des Seins hinter dem Bewusstsein auch als Begrenzung menschlichen Erkennens und Wissens empfunden. Die Vernunft wurde als eingeschränkt auf das Erfahrbare erlebt. An die Stelle der Erkenntnis metaphysischen Seins traten das Phänomen und die Funktion, an die Stelle der Metaphysik im alten Sinne Bewusstseinspsychologie und Erkenntnistheorie. An die Stelle der Deduktion traten Induktion, Experiment und zergliedernde Ratio oder, wie Voltaire sagte, „der Kompass der Mathematik und die Fackel der Erfahrung“4, womit der Siegeszug der Naturwissenschaften eröffnet war. Nicht dass eine objektive Wirklichkeit hinter der sinnlichen Erfahrung geleugnet wurde, aber der neuzeitliche „moderne“ Mensch war überzeugt, dass es ihm nicht gegeben ist, sie zu erkennen. „Über das Wesen der Dinge“, so
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Vgl. Heinrich Lutz, Das Toleranzpatent von 1781 im Kontext der europäischen Aufklärung, in: ders., Politik, Kultur und Religion im Werdeprozess der frühen Neuzeit. Aufsätze und Vorträge. Aus Anlass des 60. Geburtstages von Heinrich Lutz hg. von Moritz Csáky u. a., Klagenfurt 1982, 292–306; ders., Normen und gesellschaftlicher Wandel zwischen Renaissance und Revolution. Differenzierung und Säkularisierung, ebd., 279– 291; ders., Aufstieg und Krise der Neuzeit. Bemerkungen zu deutschen Interpretationen von Dilthey bis Horkheimer, ebd., 307–355. Johannes Spörl, Das Alte und das Neue im Mittelalter. Zum Problem des spätmittelalterlichen Fortschrittsbewusstseins, in: Hist. Jb. 50 (1930) 297–330; Walter Freund, Modernus und andere Zeitbegriffe des Mittelalters, Köln/Graz 1957. Cassirer, Die Philosophie (wie Anm. 1), 54.
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der französische Aufklärer D’Alembert, „hat die Vorsehung einen Schleier gebreitet, den wir vergebens zu heben suchen“.5 Allerdings, und das wird bisweilen übersehen, war das Denken der Aufklärer vielfältig, ja, der Pluralismus philosophischer Annäherungen an Welt und Wirklichkeit ist geradezu ein Hauptmerkmal der europäischen Aufklärung. So hat denn Ernst Cassirer, von dem die bis heute beste Einführung in das Denken der Aufklärung stammt, eingehend betont, dass die Aufklärung sich in Frankreich stark von der in Deutschland unterschied. Blieb sie hier weithin eine Angelegenheit der Philosophen, so wurde sie in Frankreich zu einer Befreiungsbewegung des Bürgertums gegen überkommene Autoritäten. An ihrem Beginn stand René Descartes, der vielfach, neben Blaise Pascal, als erster moderner Mensch bezeichnet wird, weil er konsequent an die Stelle der ungültig gewordenen alten Metaphysik als einzige unerschütterliche Wahrheit das eigene Sein rückte. Demgegenüber nahm die Aufklärung im deutschsprachigen Raum eine Sonderstellung ein. Ihre ersten Vertreter Gottfried Wilhelm Leibniz und Christian Wolff haben ihre Herkunft aus der damaligen Schulphilosophie nie verleugnet, ja, es ging ihnen mehr oder weniger darum, „die Metaphysik zu retten“. So blieb denn auch eine Hauptfrage der deutschen Aufklärung die Frage nach Gott. Gab es, so fragte sie, eine Möglichkeit, mit Hilfe der Vernunft Gott zu erfassen, nachdem die alte Metaphysik ihre Gültigkeit verloren hatte? Ja, sagte Christian Wolff und versuchte, mit der „modernen“ induktiven „geometrischen Methode“ die Existenz Gottes mit mathematischer Gewissheit zu demonstrieren.6 Ihm folgte auch noch bis zu einem gewissen Grad der böhmische Mathematiker, Philosoph und Theologe Bernard Bolzano, von dem Verbindungslinien über Franz Brentano und die Wiener Schule bis zur heutigen analytischen Philosophie gezogen werden.7 Es war Kant, der dem Versuch rationalistischer Gotteserkenntnis einen vernichtenden Schlag versetzte, indem er mit der neuzeitlichen Eingrenzung des Verstandes auf das Sinnlich-Erfahrbare Ernst machte. Blieb also folgerichtig auch für die deut5 6 7
Vgl. Hans Meyer, Geschichte der abendländischen Weltanschauung, Bd. 4: Von der Renaissance bis zum deutschen Idealismus, Würzburg/Paderborn 1950, 248f. Vgl. Karlheinz Ruhstorfer, Benedikt Stattler. Theologie als System der Vernunft, in: Peter Walter/Martin H. Jung, Theologen des 17. und 18. Jahrhunderts. Konfessionelles Zeitalter – Pietismus – Aufklärung, Darmstadt 2003, 181–203. Man vergleiche die Schriftenreihe des Forschungsinstituts für Angewandte Ethik an der Universität Salzburg: Beiträge zur Bolzano-Forschung, St. Augustin 1992ff.
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sche Aufklärung nur eine Antwort? Und diese lautete: Gott gehört nicht dem Bereich des Sinnlich-Erfahrbaren und damit des Wissens an; er ist ein Gegenstand des Glaubens. Glauben und Wissen erscheinen damit voneinander völlig getrennt, eine Feststellung, die in der Zukunft vielfach fast zu einer Art Dogma wurde. Allerdings wird häufig vergessen, dass nicht einmal alle Denker der Aufklärung sich mit diesem „Dogma“ zufriedengaben, wobei sie jedoch eine andere Lösung als Wolff oder Leibniz suchten. Zwar gingen auch sie davon aus, dass der Ratio – dem zergliedernden Verstand – ein Überstieg in die Transzendenz nicht möglich sei, dennoch waren sie der festen Meinung, dass es so etwas wie Präliminarien des Glaubens oder einen „intuitiven“ Zugang zum Glauben gebe, etwa gründend im Gefühl der „schlechthinnigen Abhängigkeit“ der menschlichen Kreatur. Schon vor Friedrich Schleiermacher und lange vor Rudolf Otto, mitten in der Zeit der Aufklärung, begegnen uns Gestalten wie Johann Georg Hamann, der „Magus des Nordens“, der überzeugt war, dass neben der biblischen Offenbarung die intuitive Erfahrung der Wirklichkeit eine „unentbehrliche Stütze unserer Vernunft“ darstelle8; ferner der heute weithin vergessene Philosoph Alexander Gottlieb Baumgarten9, der einem nicht rationalen ganzheitlichen Erkennen von Wirklichkeit mit Hilfe der intellektuellen „Anschauung“, der „Ästhetik“, das Wort sprach.
b) Antworten auf das Scheitern des aufgeklärten Vernunftbegriffs in der Romantik An der Wende zum 19. Jahrhundert war nicht nur die politische Landschaft in Europa in Aufruhr geraten, auch die geistige Landschaft war im Gefolge der Aufklärung in Bewegung versetzt, und diese Bewegung ging nicht immer in die gleiche Richtung. Gewiss, die Französische Revolution, die als popularisierte Aufgipfelung der französischen Aufklärung verstanden werden kann, und die ihr vorausgehende amerikanische Revolution mit der Proklamation der Menschenrechte und den Idealen von Freiheit, Gleichheit und Solidarität aller Menschen kündeten ein neues – bürgerliches – Zeitalter an. 8 9
Vgl. Oswald Bayer (Hg.), Johann Georg Hamann. „Der hellste Kopf seiner Zeit“, Tübingen 1998; ferner Ulrich Moustakas, Hamann, in: RGG4 3 (2000) 1396f. Vgl. bes. Alexander Gottlieb Baumgarten, Theoretische Ästhetik. Lateinisch-deutsch, übers. und hg. von Hans Rudolf Schweizer (Philosophische Bibliothek 355), Hamburg 2 1988. – Dazu: Wolfgang Welsch, Die zeitgenössische Vernunftkritik und das Konzept der transversalen Vernunft, Frankfurt am Main 1996, 490–495.
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Aber die Revolution hatte ein doppeltes Gesicht. Im Namen von Aufklärung, Vernunft und Freiheit waren die schrecklichsten Gräuel verübt, war der aufgeklärte Glaube, dass das Wissen um das Gute selbstverständlich das gute Tun hervorbringt, ad absurdum geführt worden. Die napoleonischen Kriege, die Europa zum großen Heerlager machten, hatten noch im letzten Winkel Europas die Gebrochenheit menschlicher Existenz erfahrbar gemacht. Der aufgeklärte Glaube an Vervollkommnung durch Erziehung und Bildung war zerbrochen. Hier aber war nun der Ort, wo die Ambivalenzen der Aufklärung, die etwa in einem Hamann sichtbar geworden waren, Bedeutung erlangten. Es kam die Romantik, verstanden als ein weit über Literatur, Kunst und Philosophie hinausgreifendes Lebensgefühl. Nicht mehr das Licht, die Helligkeit des Tages und des Denkens trat in den Mittelpunkt des Nachdenkens, sondern weit mehr das Dunkel, die „Nachtseiten des Lebens“, der Traum, das Weiblich-Erdhafte, die Mystik. Gewiss, das Scheitern des aufgeklärten Verstandesoptimismus wurde ambivalent empfunden, als unheimlich und bedrohend (E. T. A. Hoffmann), doch zugleich schien sich mit der Krise der aufgeklärten Vernunft im Denken der Romantik ein Ausweg aus der Aporie aufzuzeigen, nicht zuletzt, weil jetzt die Religion, auch jenseits vernünftiger Begründung, als rettender Anker ins Blickfeld trat. Der Phase der Frühromantik, die gekennzeichnet war durch das Hervortreten der Subjektivität, folgten in der Spätromantik eine neue Hinwendung zum Objektiven und die Wiederkehr der Religion, die auch das Unbegreifliche als göttliche Fügung zu begreifen suchte.10 Die Frucht des romantischen Denkens und Empfindens insgesamt aber drückte sich aus in der Aufwertung des Lebendig-Organischen, der Entdeckung der Religionen und Mythen entfernter östlicher Völker und nicht zuletzt in den philosophischen Systemen des deutschen Idealismus, zumal der Geschichtsphilosophie Hegels. Doch dabei blieb es nicht. Persönliches Empfinden, Erleben und ganzheitliches, nicht rational zergliederndes Erfassen von Wirklichkeit trat vielfach nicht nur an die Stelle des vorkantischen Rationalismus, sondern auch an die Stelle der Hegel’schen Spekulationen. Genannt sei Friedrich Jacobi, der im Anschluss an Blaise Pascals „Vernunft des Herzens“ davon überzeugt war, dass Vernunft, gerade auch im Blick auf die Religion, mehr sei als Verstand 10 Vgl. Thomas Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800–1866. Bürgerwelt und starker Staat, München 1983, 404–440.
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(Rationalität), was fälschlicherweise vielfach als irrationales Fühlen missverstanden wurde. Tatsächlich jedoch steht, wenn Jacobi vom „Trieb“ spricht, dahinter ein betonter Voluntarismus. In der Kraft des Willens sieht er geradezu „das Göttliche im Menschen“ am Werk, das ihn angesichts des Versagens alles verstandesmäßigen Erkennens zum „Sprung“ über den „Abgrund“ veranlasst, mit der Sicherheit, auf der anderen Seite „fest und gesund auf die Füße“ zu kommen.11 Auch der große Konvertit Friedrich von Schlegel, der Theoretiker der katholischen Wiener Romantik, ist in diesem Zusammenhang zu nennen. Denn sosehr er überzeugt war, dass die neuere Philosophie mit ihrem „Streben nach einer streng wissenschaftlichen Methode“ auf dem rechten Weg sei, so sehr hat er sich gegen die „moderne Denkweise eines rationalistischen Lehrbegriffs“ vor allem im Bereich der Theologie und des Glaubens ausgesprochen. Wirkliche Erkenntnis, Erkenntnis Gottes vor allem, war für ihn verschieden von einem nur rationalen Erkennen, war „Leben und Liebe“. Was ihn und andere Romantiker bewegte, war, wie schon bei Baumgarten und Hamann, nicht die Zergliederung, sondern ein „Vernehmen“ von Wirklichkeit und ein Einswerden vor aller rationalen Objektivierung.12 Damals nannte man dieses ganzheitliche Erfassen intellektuelle „Anschauung“, ein Begriff, der so oder ähnlich auch bei Schelling wie bei Joseph Görres wieder auftaucht.13 Damit im Zusammenhang ist schließlich auch der sogenannte Organismusgedanke zu sehen.14
11 Nicole Schumacher, Friedrich Heinrich Jacobi und Blaise Pascal. Einfluss – Wirkung – Weiterführung (Epistemata. Würzburger wissenschaftliche Schriften. Reihe Literaturwissenschaft, Bd. 458), Würzburg 2003, 222f. – Zu Jacobi: Birgitt Sandkaulen, Jacobi, in: RGG4 4 (2001) 343. 12 Friedrich Schlegel, Von der wahren Liebe Gottes und dem falschen Mystizismus, in: Ölzweige 1 (1819) 419–429, 431–436, hier 429. 13 Vgl. Adolf Dyroff, Görres und Schelling, in: Görres-Festschrift. Aufsätze und Abhandlungen zum 150. Geburtstag von Joseph Görres, hg. von Karl Hoeber, Köln 1926, 67, 78, 88. 14 Vgl. Otto Weiss, „Was heißt und zu welchem Ende betreibt man Theologie“. Bemerkungen zu Tendenzen und Strategien katholischer Theologie im 19. Jahrhundert, in: Matthias Blum/Rainer Kampling (Hg.), Zwischen katholischer Aufklärung und Ultramontanismus. Neutestamentliche Exegeten der „Katholischen Tübinger Schule“ im 19. Jahrhundert und ihre Bedeutung für die katholische Bibelwissenschaft (Contubernium. Tübinger Beiträge zur Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte 79), Tübingen 2012, 241–262, hier 245, 253.
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c) Zusammenfassung Fragen wir nach diesem kursorischen Überblick: Was bedeutete all dies für die Religion? Eines zumindest scheint sicher: Sosehr die Aufklärung als eine Befreiung von geistigen und gesellschaftlichen Zwängen zu begrüßen ist, so gilt doch auch, dass mit dem Verzicht auf die Begründungen der alten Metaphysik, dem Schwinden der objektivistischen Welterklärung und der normierenden Kräfte der Tradition, Religion und Glaube schwieriger geworden waren. Dazu kam, dass das aufstrebende Bürgertum, das im 19. Jahrhundert zum bestimmenden Faktor in der Gesellschaft wurde, sich das aufgeklärte Denken zu eigen machte.15 Nicht, dass Säkularisierung und „Entchristianisierung“16 sofort die Masse der Bevölkerung erfassten, aber so allmählich begann ein Pluralismus von Wertvorstellungen die angeblich ewige christlich-religiöse Seins-, Staats- und Gesellschaftsordnung und die aus ihr fließenden Verhaltensnormen abzulösen.17 Mit anderen Worten: Die kirchlich gebundene Religion mit ihren Regeln hörte in zunehmendem Maße auf, alleinige Norm der Lebenswelt zu sein, auch wenn richtig ist, dass das Zwischenspiel der Romantik, zunächst wenigstens, so etwas wie eine neue Wiederkehr der Religion mit sich brachte.
15 Vgl. Jürgen Kocka (Hg.), Bürger und Bürgerlichkeit im 19. Jahrhundert, Göttingen 1987; ders. (Hg.), Bürgertum im 19. Jahrhundert. Deutschland im europäischen Vergleich, 3 Bde., München 1988. 16 Bernard Plongeron, La déchristianisation a-t-elle une histoire? Notes pour une réflexion méthodologique, in: Christianisation et déchristianisation (Publications du Centre de recherches d’histoire religieuse et d’histoire des idées 9), Angers 1986, 91–106; Wolfgang Schieder, Religion und Gesellschaft im 19. Jahrhundert (Industrielle Welt 54), Stuttgart 1993; Hartmut Lehmann (Hg.), Säkularisierung, Dechristianisierung, Rechristianisierung im neuzeitlichen Europa (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 130), Göttingen 1997; hierin: Friedrich Wilhelm Graf, ‚Dechristianisierung‘. Zur Problemgeschichte eines kulturpolitischen Topos, 33–66. 17 Vgl. Karl Bosl, Pluralismus und pluralistische Gesellschaft. Bauprinzip, Zerfallserscheinung, Mode, München/Salzburg 1967; Michael Phayer, Religion und das Gewöhnliche Volk in Bayern in der Zeit von 1750–1850 (Miscellanea Bavarica Monacensia 21), München 1970.
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3. Die Antwort der institutionalisierten Religion auf die Anfragen von Aufklärung und Romantik Die Aufklärung, die den Menschen zum Gebrauch der Vernunft und zum Handeln nach seinem Gewissen verpflichtete, wie die sich anschließende Romantik hatten eine Menge Fragen aufgeworfen, die auf Antwort von Seiten der in den Kirchen institutionalisierten Religion warteten. Dies war umso drängender, weil – auch in Mitteleuropa – die Aufklärung sich allmählich popularisierte. Es ging nicht nur um weltfremde philosophische und theologische Spekulationen, sondern um das Eindringen eines nicht mehr in der Tradition verwurzelten „neuen Glaubens“ in die konkrete Lebenswelt der Menschen, zunächst vor allem der Gebildeten, wobei man jedoch noch nicht von einer Entchristlichung, wohl aber von einer schleichenden Entkirchlichung reden sollte. Religion als solche, ja, auch der Glaube wurden nicht weniger, aber Religion und Glaube begannen sich der Reglementierung durch die Institution Kirche zu entziehen und wurden subjektiv und plural18, bis hin etwa zum Ersatzglauben an die Nation, die sich mit „heiligen“ Symbolen, Fahnen, Denkmälern, Bekenntnissen und Eiden umgab19. Wie antwortete die Theologie auf die mit alldem verbundene Herausforderung, und wie weit konnte sie dabei vielleicht sogar an Denker der Aufklärung anknüpfen? Versuchen wir wenigstens einigen Antworten der Theologie nachzugehen, ohne den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben. Dabei beschränken wir uns im Wesentlichen auf Deutschland und die beiden großen christlichen Konfessionen.
a) Die Begegnung der christlichen Konfessionen mit der deutschen Aufklärung 1. Der Protestantismus20. Zweifellos tat sich der Protestantismus in Deutschland mit der Bewältigung der Aufklärung leichter als der Katholizismus, und das nicht nur, weil die großen deutschen Aufklärer von Leibniz über Lessing zu Kant aus dem Protestantismus kamen, sondern auch deswegen, weil 18 Bosl, Pluralismus (wie Anm. 17), 50f. 19 Vgl. Helke Rausch, Kultfigur und Nation. Öffentliche Denkmäler in Paris, Berlin und London 1848–1914 (Pariser Historische Studien 70), München 2005. 20 Vgl. Friedrich Wilhelm GRAF, Protestantische Theologie und die Formierung bürgerlicher Gesellschaft, in: ders. (Hg.), Profile des neuzeitlichen Protestantismus, Bd. 1: Aufklärung, Idealismus, Vormärz, Gütersloh 1990, 11–54.
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sich eine Traditionslinie aufzeigen lässt, die vom Nominalismus über Luther zur deutschen Aufklärung reicht. Auch wenn man sich vor Vereinfachungen hüten sollte, war nun einmal der Protestantismus die „modernere“ Religion, weil sie die neuzeitliche Wende zum Subjekt, zum Menschen vollzogen hatte. So fiel es der protestantischen Theologie nicht allzu schwer, theologische Fragen mit Hilfe der Aufklärung zu lösen, ja, es bildete sich seit dem Ende des konfessionellen Zeitalters eine typische „Aufklärungstheologie“ (Neologie), in deren Mitte der sittlich verantwortliche Mensch stand, was so weit ging, dass Religion vielfach mit Ethik gleichgesetzt wurde. Im Zentrum dieser Theologie stand nicht mehr die reformatorische Lehre von der Rechtfertigung von Gott her, sondern der „gütige Vater überm Sternenzelt“ sowie Jesus als Vorbild menschlicher Tugend und als Führer zur „Glückseligkeit“. Eine zentrale Frage in der Neologie spielte die Möglichkeit von Offenbarung, wobei gerne auf Christian Wolff zurückgegriffen wurde. Überhaupt spielte der Rationalismus bei der Glaubensbegründung eine bedeutende Rolle, führte aber auch bei einigen Theologen, allen voran Hermann Samuel Reimarus, nicht nur zu einem radikalen Deismus, sondern auch zur strikten Trennung von Wissen und Offenbarung, ja sogar zur Ablehnung der Offenbarung und damit des geschichtlichen Christentums. Zu begrüßen ist jedoch, dass sich aufgrund rationaler Beschäftigung mit biblischen Texten eine kritische Schrifterklärung ausbilden konnte, was sich unter anderem darin zeigte, dass die Exegeten Eichhorn und Gabler im Schöpfungsbericht bereits zwischen theologischen Aussagen und deren mythischer Darstellung unterschieden.21 Zum andern kann jedoch kaum genügend betont werden, dass für die Neologie Theologie als Wissenschaft völlig verschieden war von Religion als Beziehung zu Gott. Deren Möglichkeit wurde nicht geleugnet, doch sie drückte sich, wie dies besonders Johann Joachim Spalding betonte, nicht im Denken, sondern in einem lebendigen Gefühl und einer tiefen Erfahrung aus. Dies führt uns hin zu einer Bewegung im Protestantismus, die bisweilen als Gegenbewegung zur theologischen Aufklärung gesehen wird, im Grunde jedoch vieles mit ihr gemeinsam hatte: zum Pietismus, der eine Laienbewegung darstellte und zur Gruppenbildung neigte. Ohne auf die Einzelheiten einzugehen, ist festzustellen, dass der Pietismus wie die Aufklärung mit 21 Vgl. Christian Hartlich/Walter Sachs, Der Ursprung des Mythosbegriffes in der modernen Bibelwissenschaft, Tübingen 1952.
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der neuzeitlichen Wende zum Menschen, auch zum Menschen Jesus, zu tun hatte. Die Folgerungen, die er aus der anthropologischen Wende zog, unterschieden sich jedoch wesentlich von der Neologie. Entscheidend war für ihn nicht ein theoretisches „Glaubenswissen“, sondern die praxis pietatis, die sich zwischen zwei Polen bewegt: der Bibel als Glaubensquelle einerseits und dem frommen Leben andererseits. Als Spezifikum des Pietismus lässt sich ferner, etwa im Gefolge von August Hermann Francke und seinen Stiftungen, ein pädagogischer Zug aufzeigen. Religiös vertiefte Bildung sollte nicht mehr nur einem Kreis von Akademikern, sondern gerade dem einfachen Volk zuteilwerden, wobei die Betonung der Frömmigkeit über der bloßen Ethik stand. Die großen Gestalten des Pietismus von Johann Albrecht Bengel22 über Friedrich Christoph Oetinger23 und Gerhard Tersteegen bis zu Johann Caspar Lavater und Johann Heinrich Jung-Stilling24 waren sich darin einig, dass in der Begegnung mit Gott Wissen und Verstand unwichtig sind. Damit „die Theologie ins Herz kommt“, so hatte schon der „Patriarch“ des Pietismus, Philipp Jacob Spener, gesagt, brauche es keine höhere Ausbildung, keine Universitätsprofessoren und keine vermittelnden Amtspriester. Großer Wert wurde dagegen auf ein „Erweckungserlebnis“ gelegt, das als eine Art zweiter Taufe verstanden wurde und eine „Abwendung von der Sünde“ und ein neues Leben in der Hingabe an den „Christus in uns“ zur Folge habe.25 Seit der Wende zum 19. Jahrhundert kam es dann teilweise zu einem ausgesprochenen Supranaturalismus26, der sich ausschließlich an der Heiligen Schrift als der Urkunde göttlicher Offenbarung orientierte. Außerdem setzte nun auch bei evangelischen Theologen wie zuvor schon in der Philosophie der Versuch ein, nach dem Scheitern sowohl der alten Metaphysik wie auch der neuen Vernunftgläubigkeit nach dem Vorbild Jacobis „fest und gesund auf die Füße zu kommen“27. Zu nennen ist vor allem Fried22 Martin H. Jung, Bengel, Johann Albrecht, in: RGG4 1 (1998) 1299f.; Gerhard Schäfer, Zu erbauen und zu erhalten das rechte Heil der Kirche. Eine Geschichte der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, Stuttgart 51984, 161–172. 23 Zu ihm Hermann Ehmer, Oetinger, Friedrich Christoph, in: RGG4 6 (2003) 460; Schäfer, Zu erbauen (wie Anm. 22), 143–153. 24 Vgl. Martin Völkel, Jung-Stilling: Ein Heimweh muss doch eine Heimat haben. Annäherungen an Leben und Werk 1740–1817, Nordhausen 2008. 25 Vgl. Friedrich Wilhelm Kantzenbach, Die Erweckungsbewegung, Neuendettelsau 1957; Friedrich Wilhelm Graf, Erweckung, in: RGG4 2 (1999) 1490–1495. 26 So bei August Hahn (1792–1863). Vgl. Erich Beyreuther, NDB 7 (1966) 502f. 27 Schumacher, Friedrich Heinrich Jacobi (wie Anm. 11), 216.
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rich Schleiermacher, der „Kirchenvater des 19. Jahrhunderts“, ohne den die neoprotestantische Theologie jenes Jahrhunderts kaum zu denken wäre, auch wenn ihm nicht alle Theologen folgten. Schleiermacher ging es darum, zwischen der rationalen Erfassung von Wirklichkeit im Bereich der Religion und einem irrationalen Fideismus und Supranaturalismus zu vermitteln. Den festen Grund fand er, hierin ganz dem modernen Denken seit Descartes folgend, im menschlichen Subjekt. Bekannt ist seine Definition von Religion als „Gefühl der schlechthinnigen Abhängigkeit“.28 Auch bei ihm findet sich der Begriff der „Anschauung“, näherhin der „religiösen Anschauung“. Danach gründet sich Religion in der über Einzelerfahrungen hinausgehenden Wahrnehmung des Ganzen, wo Transzendenz offenbar und Unendliches im Endlichen erfahren wird. Aber Schleiermacher kennt auch, was bei Hamann als „unentbehrliche Stütze“ des Glaubens begegnet: die positive Offenbarung wie die Bedeutung von Kirche und Dogmatik für die Religion. Aber das Dogma gehört nach ihm als Reflexion nicht eigentlich zum Ereignis von Religion, sondern ist deren Folge.29 2. Der Katholizismus. Auch die katholische Theologie, die grundsätzlich an einem objektivistischen Weltbild festhielt, blieb im deutschen Sprachraum nicht unberührt von der Aufklärung. Dabei spielte der Einfluss des „jansenistischen“ Reformkatholizismus, vor allem im Österreich Maria Theresias und Josephs II. mit dem Kontakt katholischer Theologen zu Männern der jansenistischen Kirche von Utrecht, eine bedeutende Rolle.30 Ein Kennzeichen dieses Reformkatholizismus, der besonders von den alten Orden getragen wurde, war die Hinwendung zum Cartesianismus und zur kritischen Naturund Geschichtswissenschaft. Eine der ersten Früchte dieser theologischen 28 Friedrich Schleiermacher, Der christliche Glaube (1830/31), Berlin/New York 1984, 3–6. Vgl. Jan Rohls, Protestantische Theologie der Neuzeit, Bd. 1, Tübingen 1997, 396; Markus Schröder, Die kritische Identität des neuzeitlichen Christentums. Schleiermachers Wesensbestimmung der christlichen Religion, Tübingen 1996; Gunther Wenz, Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher. Sinn und Geschmack fürs Unendliche, in: ders./ Peter Neuner (Hg.), Theologen des 19. Jahrhunderts. Eine Einführung, Darmstadt 2002, 21–38. 29 Vgl. Friedrich Schleiermacher, Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern (1799), Stuttgart 1993. 30 Peter Hersche, Der Spätjansenismus in Österreich (Veröffentlichungen der Kommission für Geschichte Österreichs 7), Wien 1977; Ulrich L. Lehner, On the Road to Vatican II. German Catholic Enlightenment and Reform of the Church, Minneapolis 2016.
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Neubesinnung war die „Philosophia Pollingiana“ des bayerischen Augustiner-Chorherrn Eusebius Amort31, der auf der Suche nach einem „raisonablen Katholizismus“32 scholastischen Objektivismus mit cartesianischer Philosophie und Naturwissenschaft zu verbinden suchte. Andere katholische Theologen, wie der Exjesuit Benedikt Stattler, der Lehrer Johann Michael Sailers in Ingolstadt33, folgten bei der Glaubensbegründung und dem Nachweis der Existenz Gottes der „geometrischen Methode“ von Christian Wolff.34 Auch Einflüsse der protestantischen Neologie sind festzustellen. Zumindest die kritische Exegese fand da und dort bei katholischen Theologen Zuspruch. So bestritt der Wiener Exeget Johann Martin Jahn bereits um 1800 die Historizität der Bücher Ijob, Jona, Judith und Tobit.35 Doch wie auch immer die neuen Denkansätze der kirchlichen Aufklärer aussahen, eines war ihnen gemeinsam: Sie waren davon überzeugt, dass eine „Theologie“, die darüber nachdachte, ob Gott die Welt im Frühjahr oder im Herbst erschaffen habe, in der Zeit Lessings, Herders und Voltaires überholt war.36 Der Aufgabe der Theologie, Offenbarung zu aktualisieren, glaubten sie nur glaubwürdig nachkommen zu können, wenn sie sich dem neuen Denken öffneten. Dabei stand die Kampfansage an einen „abergläubischen“ Volkskatholizismus im Mittelpunkt. Dies gilt besonders für einige am Rationalismus eines Wolff orientierte, teilweise auch den Illuminaten oder Freimaurern verpflichtete radikale kirchliche Aufklärer, wie Benedikt Werkmeister37, Marc Anton
31 Vgl. Richard van Dülmen, Propst Franziskus Töpsl (1711–1796) und das AugustinerChorherrenstift Polling. Ein Beitrag zur Geschichte der katholischen Aufklärung in Bayern, Kallmünz 1967. 32 Hermann Lais, Eusebius Amort und seine Lehre über die Privatoffenbarungen. Ein historisch-kritischer Beitrag zur Geschichte der Mystik (Freiburger theologische Studien 58), Freiburg i. Br. 1941, 4. 33 Vgl. Ruhstorfer, Benedikt Stattler (wie Anm. 6). 34 Vgl. Benedikt Stattler, Demonstratio catholica, Pappenheim 1775; ders., Theologia christiana theoretica, Eichstätt 1781. 35 Constant von Wurzbach, Jahn, in: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich, Bd. 10, Wien 1864, 42–47; Eduard Hosp, Die josephinischen Lehrbücher der Theologie in Österreich, in: Theologisch-praktische Quartalschrift 105 (1957) 195–217; Hersche, Spätjansenismus (wie Anm. 30), 300, 303f.; Otto Weiss, Begegnungen mit Klemens Maria Hofbauer 1751–1820, Regensburg 2009, 41–45. 36 Vgl. Sebastian Merkle, Die kirchliche Aufklärung im katholischen Deutschland, Berlin 1910, 95f. 37 Vgl. August Hagen, Die kirchliche Aufklärung in der Diözese Rottenburg. Bildnisse aus einem Zeitalter des Übergangs, Stuttgart 1953.
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Wittola38 oder den „Tugendfabrikinspektor“ (so Sailer) Matthias Fingerlos39. Volk und Klerus sollten einem „vernünftigen Glauben“ verpflichtet sein. Dem diente in Österreich auch die Reform der theologischen Studien, die um 1780 von dem Abt des Benediktinerklosters Břevnov-Braunau, Franz Stephan Rautenstrauch, betrieben wurde. Rautenstrauch war ein Aufklärer reinsten Wassers. Das Rationale und die der Vernunft gemäße „Sittlichkeit“ standen bei ihm im Vordergrund. Den Dogmatikern empfahl er klassische jansenistische Werke.40 In dem Bemühen, die wenig erleuchtete Frömmigkeitspraxis und die theologische Bildung von Grund auf zu erneuern, wurde Rautenstrauch jedoch auch zum Erfinder der „Pastoraltheologie“ als eigener theologischer Disziplin.41 Der erste Wiener Pastoraltheologe war dann der katholische Aufklärer Franz Giftschütz42, der jedoch bereits von Rautenstrauch abrückte. Vom Seelsorger forderte er neben gediegener Bildung „Herzensgüte“.43 Seine „Pastoraltheologie“ (1785) wurde bis weit ins 19. Jahrhundert hinein wegweisend. Doch auch die katholische Aufklärung hatte wie die protestantische ihren „Kontrapunkt“, ihren „Pietismus“. Auch hier gab es Gruppen, die angesichts der neuzeitlichen Glaubensproblematik Religion in eine in der biblischen Offenbarung gründende Herzensfrömmigkeit verlegten, nicht selten im Kontakt mit dem protestantischen Pietismus. Zeitlich die erste „katholisch-pietistische“ Gruppierung stellte der Münsteraner Kreis um die Fürstin Adelheid Amalie von Gallitzin dar, die durch die Begegnung mit Friedrich Heinrich Jacobi und Johann Georg Hamann zur Sicherheit in Fragen der Religion ge38 Vgl. Hersche, Spätjansenismus (wie Anm. 30), 251–273. 39 Heinz Marquart, Matthäus Fingerlos (1748–1817). Leben und Wirken eines Pastoraltheologen und Seminarregenten in der Aufklärungszeit (Studien zur Theologie und Geistesgeschichte des 19. Jahrhunderts, Bd. 22), Göttingen 1977. Zu seiner Auseinandersetzung mit Sailer ebd., 156–172. 40 Franz X. Arnold, Grundsätzliches und Geschichtliches zur Theologie der Seelsorge, Freiburg i. Br. 1949; Beda F. Menzel, Abt Franz Stephan Rautenstrauch von BřevnovBraunau. Herkunft, Umwelt und Wirkungskreis, Königstein (Taunus) 1969. 41 Vgl. Stephan Rautenstrauch, Entwurf zur Einrichtung der theologischen Schulen in den k. k. Erblanden, Wien 21784. 42 Sailer nannte die 1785 erschienene „Pastoraltheologie“ von Giftschütz einen „vortrefflichen Leitfaden“ ( Johann M. Sailer, Vorlesungen aus der Pastoraltheologie, Bd. 1, München 1788, 5). Vgl. Gustav Pirich, Franz Giftschütz (1748–1788) – der erste Wiener Pastoraltheologe. Theologische Grundlinien in Leben und Werk unter dem Einfluss des Jansenismus, der katholischen Aufklärung und des Ultramontanismus, Würzburg 1998. 43 Vgl. Hersche, Spätjansenismus (wie Anm. 30), 318–320.
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funden hatte.44 Das bedeutendste Mitglied dieses Kreises, Graf Friedrich zu Stolberg-Stolberg, der am 1. Februar 1800 mit seiner Familie zum Katholizismus übergetreten war45, suchte in seiner monumentalen „Geschichte der Religion Jesu Christi“ den Offenbarungsglauben anhand der Kirchengeschichte zu beweisen.46 Der Kreis stand in Kontakt zu protestantischen Pietisten, wie Johann Caspar Lavater und Matthias Claudius.47 Auch ein weiterer katholischer Reformkreis stand der protestantischen Erneuerung nahe: die „Allgäuer Erweckungsbewegung“, die als ein Hinüberschwingen des württembergischen Pietismus in die katholische Kirche bezeichnet werden kann. An ihrer Spitze standen durch Erweckungserlebnisse zum Glauben gerufene Priestergestalten, allen voran Johann Michael Feneberg mit seinen beiden Kaplänen Martin Boos und Johann Goßner, der später zum Protestantismus konvertierte.48 Die zentrale Lehre der Bewegung lautete: „Christus für uns, Christus in uns. Für uns starb er am Kreuze, in uns lebt sein Geist.“49 Ein naher Freund Fenebergs war sein ehemaliger Mitnovize bei den Jesuiten, der Moral- und Pastoraltheologe und „bayerische Kirchenvater“ Johann Michael Sailer. Damit ist der Name des Mannes genannt, der wie kein anderer katholischer Theologe der „Sattelzeit“ um 1800 bemüht war, die Begründung christlichen Glaubens in der Begegnung mit der Aufklärung zu aktualisieren.50 44 Vgl. Mathilde Köhler, Amalie von Gallitzin. Ein Leben zwischen Skandal und Legende, Paderborn 1993, 137. 45 Zu ihm Manfred Weitlauff, Die Konversion des Grafen Friedrich Leopold zu Stolberg zur katholischen Kirche (1800) und seine „Geschichte der Religion Jesu Christi“ (1806– 1818), in: ders., Kirche zwischen Aufbruch und Verweigerung, Stuttgart 2001, 1–49; weiterführende bibliographische Angaben ebd. 1, Anm. 1; ferner Gerhard Sauder, Stolberg, Friedrich Leopold, in: LThK3 9 (2000) 1016f. (Lit.). 46 Vgl. Weitlauff, Die Konversion (wie Anm. 45), 27–49. 47 Vgl. Otto Weiss, Religiöse Erneuerung im deutschen Katholizismus am Beginn des 19. Jahrhunderts, in: Nicolaus U. Buhlmann/Peter Styra (Hg.), Signum in Bonum, FS Wilhelm Imkamp, Regensburg 2011, 713–745, hier 719–722. 48 Hildebrand Dussler, Johann Michael Feneberg und die Allgäuer Erweckungsbewegung. Ein kirchengeschichtlicher Beitrag aus den Quellen zur Heimatkunde des Allgäus, Kempten/Nürnberg 1959; vgl. Weiss, Religiöse Erneuerung (wie Anm. 47), 722–725. 49 Johann Michael Sailer, Aus Fenebergs Leben, München 1814, 124. 50 Aus der umfangreichen Sailer-Literatur sei erwähnt: Hubert Schiel (Hg.), Johann Michael Sailer. Leben und Briefe, 2 Bde., Regensburg 1948/1952; Georg Schwaiger, Johann Michael Sailer. Der bayerische Kirchenvater, München/Zürich 1982; Manfred Weitlauff, Johann Michael Sailer (1751–1832), Universitätslehrer, Priestererzieher und Bischof im Spannungsfeld zwischen Aufklärung und Restauration, in: Zeitschrift für Schweizerische Kirchengeschichte 77 (1983) 149–202; ders., Priesterbild und Priestererziehung bei Johann Michael Sailer, in: Münchener Theologische Zeitschrift 46 (1995) 69–97; Bertram Meier, Die Kirche der wahren Christen. Johann Michael Sailers
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Dabei gelang es ihm im Laufe seiner wissenschaftlichen Tätigkeit als akademischer Lehrer und theologischer Schriftsteller, die Klarheit aufgeklärten Denkens mit der Mystik pietistischer Kreise beider Konfessionen, „Verstand und Herz“, zu einer einzigartigen Synthese zu verbinden.51 Ausgangspunkt für Sailers geistige Entwicklung war sein Lehrer Benedikt Stattler. Von ihm lernte er, dass Glaube immer ein Glaube sein müsse, der vor der Vernunft bestehen kann. Doch Sailer wuchs über Stattler hinaus. Er wandte sich von der mathematischen Erweisbarkeit Gottes im Gefolge von Wolff und dem Erkenntnisoptimismus der frühen Aufklärung ab. Im Wissen um die Beschränktheit menschlicher Vernunft folgte er eine Wegstrecke weit Kant, dessen sittlicher Ernst ihn beeindruckte und der sein „Handbuch der christlichen Moral“ wesentlich beeinflusste.52 Sailer lehnte jedoch dort, wo es um Gott ging, Kants Einschränkung des Erkennens auf die Erfahrung ab. Er gab zu verstehen: „Die alldemonstrierende Schule [Wolf ] mochte unzulänglich gewesen sein, die allzermalmende [Kant] mit ihren ärmlichen Behelfen einer bloß geforderten Gottheit, Freiheit und Unsterblichkeit konnte nicht erquicken das nach Licht, Leben und Liebe schmachtende Gemüt.“ Und weiter: „Die Sittlichkeit setzte sich obenan, drängte die Religion erst zur Türe zurück, endlich nannte sie sich selber Religion.“53 Die Antwort auf die Fragen nach Religion, Gott und Glaube fand Sailer eher bei Jacobi und dessen Unterscheidung zwischen dem nur reflektierenden Verstand und der VerKirchenverständnis zwischen Unmittelbarkeit und Vermittlung (Münchener Kirchenhistorische Studien 4), Stuttgart/Berlin/Köln 1990; Manfred Weitlauff, Johann Michael Sailer (1751–1832), in: ders. (Hg.), Lebensbilder aus dem Bistum Augsburg. Vom Mittelalter bis in die neueste Zeit (Verein für Augsburger Bistumsgeschichte, Jahrbuch 39), Augsburg 2005, 220–250. 51 Vgl. Otto Weiss, Die Redemptoristen in Bayern (1790–1909). Ein Beitrag zur Geschichte des Ultramontanismus (Münchener Theologische Studien, I. Hist. Abt., Bd. 22), St. Ottilien 1983, 38–41. 52 Vgl. Gerard Fischer, Johann Michael Sailer und Immanuel Kant. Eine moralpädagogische Untersuchung zu den geistigen Grundlagen der Erziehungslehre Sailers (Untersuchungen zur Theologie der Seelsorge 7), Freiburg i. Br. 1953. 53 Gerard Fischer, Johann Michael Sailer und Friedrich Heinrich Jacobi. Der Einfluss evangelischer Christen auf Sailers Erkenntnistheorie und Religionsphilosophie in Auseinandersetzung mit Immanuel Kant. Mit einem Forschungsnachtrag der Beziehungen der Sailerschen Moraltheologie zur materialen Ethik Kants (Untersuchungen zur Theologie der Seelsorge 8), Freiburg i. Br. 1955, 51 und passim.
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nunft als der Fähigkeit, über die bloße Erfahrung hinauszugreifen. Bei alldem fühlte er sich jedoch der Aufklärung verpflichtet, auch wenn er die falsche von der wahren Aufklärung unterschied. Was diese anging, scheute er nicht davor zurück, Jesus einen Aufklärer zu nennen.54 Sailer war nicht der einzige katholische Theologe, der sich an Philosophen der Aufklärung orientierte. So gab es frühe katholische Kantianer, allen voran den Banzer Benediktiner und Würzburger Professor Pater Maternus Reuß, der Kant in Königsberg besuchte55, wie den Münchener Pfarrer, Philosophen und Schulreformer Sebastian Mutschelle56. Erwähnt sei ferner der Dogmatiker Patriz Benedikt Zimmer, der sich in dem Bemühen, katholische Theologie als Wissenschaft zu erweisen, an der Philosophie Kants, Fichtes und Schellings orientierte.57 Was Sailer aus der Aufklärung mitnahm, war das Bemühen, Glauben und Religion vor der Vernunft zu rechtfertigen. Aber die Aufklärung genügte ihm nicht. Als er 1783 auf Ersuchen des Augsburger Fürstbischofs Clemens Wenzeslaus von Sachsen ein Pastoralschreiben für den Klerus verfasste, das als „das wertvollste amtliche Dokument einer katholischen Aufklärung und ihres Reformwillens, vor allem hinsichtlich seiner streng christologischen Konzeption“ (Manfred Weitlauff ) bezeichnet wurde, hatte er, angeregt vom Pietismus, zumal von Johann Caspar Lavater, bereits die Heilige Schrift als Quelle des Glaubens herausgestellt. Von den Seelsorgern verlangte er, sie möchten die Heilige Schrift – ohne Kommentare – immer wieder lesen, damit in ihnen Gottes Wort wirksam werden könne.58 In seinen „Vorlesungen aus der Pastoraltheologie“ legte er den Priestern „zu einer Zeit, in der fade Witzelei die Geschichte des Menschensohnes zu einem Romane herabwürdigt“, das „erbauende Schriftbetrachten“ ans Herz.59 54 Johann Michael Sailer, Religionskollegien (Handschriften, Bibliothek des Wilhelmstifts Tübingen), Bd. I, 76f. 55 Karl Eugen Motsch, Matern Reuß. Ein Beitrag zur Geschichte des Frühkantianismus an katholischen Hochschulen, Freiburg i. Br. 1932; Clemens Schwaiger, Reuß Maternus, in: BBKL 12 (2003) 1149–1152. 56 Zu dem leider vergessenen katholischen Kantianer noch immer lesenswert: Kajetan Weiller, Mutschelle’s Leben, München 1803. – Dagegen zu negativ: Walter Hunscheidt, Sebastian Mutschelle 1749–1800, Freiburg i. Br. 1948. 57 Zu ihm Philipp Schäfer, Philosophie und Theologie im Übergang von der Aufklärung zur Romantik, dargestellt an Patriz Benedikt Zimmer, Göttingen 1971. 58 Johann Michael Sailer, Vorlesungen aus der Pastoraltheologie. Erster Band. Fünfte, revidierte und vermehrte Auflage, Sulzbach 1835, 59–67. 59 Ebd., 327.
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b) Das Weiterwirken der Theologie der Aufklärung im 19. Jahrhundert Das Nachdenken der Theologen über den christlichen Glauben während des 19. Jahrhunderts kann zu einem guten Teil verstanden werden als Auseinandersetzung mit Fragen, welche die Aufklärung gestellt hatte. Zwei Momente standen dabei im Mittelpunkt: zum einen die Vernunft – der Glaube sollte ein „vernünftiger Glaube“ sein –, zum andern das Versagen rationalistischer Glaubensbegründung, damit in Verbindung das Weiterwirken neuer philosophischer Ansätze, die in die Transzendenz auszugreifen suchten. Was die protestantische Theologie anlangt, wäre vor allem auf Hegel zu verweisen, der zahlreiche theologische Fragen der Aufklärung aufgegriffen hat. So hat er sich bereits in einer frühen Schrift dem Thema „Glauben und Wissen“ zugewandt.60 In seiner „Religionsphilosophie“ setzte er sich ausführlich mit Jacobi und Schleiermacher auseinander. Ihre Verlegung von Religion allein in das endliche subjektive Bewusstsein lehnte er aufgrund seiner idealistischen Philosophie ab. Wissen vom Absoluten vermittelte für ihn die Philosophie, und zwar nur die Philosophie. Doch sei die Religion befähigt, das Absolute in der Form der „Vorstellung“ zu erfassen.61 Die großen Gestalten der liberalen protestantischen Theologie, wie David Friedrich Strauß mit seinem „Neuen Glauben“, Bruno Bauer und seine Schule, standen dann vor allem in der Nachfolge und Auseinandersetzung mit Hegel. Die katholische Theologie ging einen etwas anderen Weg. Wie schon Sailer griff sie bei der Frage nach „Glauben und Wissen“ stärker auf die Lösungsversuche Jacobis, aber auch auf die Schleiermachers und das Gedankengut der philosophischen Romantik zurück, wobei jedoch auch der deutsche Idealismus, beginnend mit Hegel, eine Rolle spielte. Genannt sei der österreichische Priesterphilosoph Anton Günther, der im Vormärz großen Einfluss auf die deutsche Theologie ausübte. Der Rückgriff auf die Theologia Cordis des Augustinus und die Auseinandersetzung mit Hegel führten ihn zur Erkenntnis: Die Wissenschaft bedarf des Glaubens, um das Übernatürliche zu erkennen, der Glaube seinerseits darf kein blinder Vertrauensglaube bleiben, 60 Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Glauben und Wissen oder Reflexionsphilosophie der Subjektivität in der Vollständigkeit ihrer Formen als Kantische, Jacobische und Fichtesche Philosophie (1803), Frankfurt am Main 1979. 61 Ders., Vorlesungen über die Philosophie der Religion (1821–1831), Studienausgabe, Hamburg 1993–1995.
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sondern muss von der Vernunft erleuchtet sein – eine alte katholische Lehre, die jedoch jetzt von Rom als Semirationalismus verurteilt wurde.62 Schon vor Günther suchten Theologen der sogenannten „Katholischen Tübinger Schule“ in der Begegnung mit der Zeitphilosophie den Glauben an die Offenbarung auf ein vernünftiges Fundament zu stellen. Aus der ersten Generation der „Tübinger“63 sei Johann Sebastian Drey, der „Vater der Fundamentaltheologie“, genannt. Angeregt vom deutschen Idealismus, von der romantischen Naturphilosophie wie von Jacobi und Schleiermacher, suchte er vernünftige Theologie mit religiöser Bildung und dem Leben der Gläubigen in Einklang zu bringen64, ein Bestreben, das auch später die Entwürfe der Tübinger Theologen auszeichnete. So sah der ebenfalls vom deutschen Idealismus, aber auch von Sailer beeinflusste Pastoral- und Moraltheologe Johann Baptist Hirscher65 das Ziel eines vernünftigen Glaubens in einem „lebendigen Christentum“. In die gleiche Richtung ging es, wenn der einer zweiten Tübinger Generation angehörige Johannes von Kuhn Dogmatik als praktische Wissenschaft bezeichnete.66 Schließlich sei Johann Adam Möhler genannt, der zum einen den Organismusgedanken der Romantik aufgriff, zum andern die überkommene katholische Lehre mit dem neuen historischen Denken im Anschluss an Hegel zu verbinden suchte.67 62 Zu ihm Franz Peter Knoodt, Anton Günther. Eine Biographie, 2 Bde., Wien 1881; Josef Reikerstorfer, Anton Günther (1783–1863) und seine Schule, in: Emerich Coreth u. a., Christliche Philosophie im katholischen Denken des 19. und 20. Jahrhunderts, Bd. I: Neue Ansätze im 19. Jahrhundert, Graz/Wien/Köln 1987, 266–284; Herman H. Schwedt, Die Verurteilung der Werke Anton Günthers (1857) und seiner Schüler, in: ZKG 101 (1990) 303–345. 63 Vgl. Abraham Peter Kustermann, Die erste Generation der „Katholischen Tübinger Schule“ zwischen Revolution und Restauration, in: RJKG 12 (1993) 11–24. 64 Zu ihm grundlegend Abraham P. Kustermann, Die Apologetik Johann Sebastian Dreys (1777–1853). Kritische, historische und systematische Untersuchungen zu Forschungsgeschichte, Programmentwicklung, Status und Gehalt (Conturbernium 36), Tübingen 1988. 65 Zu ihm Walter Fürst, Wahrheit im Interesse der Freiheit. Eine Untersuchung zur Theologie Johann Baptist Hirschers, Mainz 1979. – Vgl. jedoch: Norbert Köster, Der Fall Hirscher. Ein „Spätaufklärer“ im Konflikt mit Rom?, Paderborn 2007. 66 Vgl. Walter Fürst, Theologie und Praxis. Über Perspektiven und Schicksale der Tübinger Theologie in ihrer praktischen Version von J. B. Drey und J. B. Hirscher bis J. Ev. Kuhn und F. X. Linsenmann, in: RJKG 1 (1982) 69–141; Gebhard Fürst (Hg.), Neugestaltung christlich-kirchlicher Lebenspraxis und lebensbezogener Theologie, Mainz 1989, 12–31. 67 Vgl. zu ihm Walter Kasper, Johann Adam Möhler – Wegbereiter des modernen Katholizismus, in: Internationale Katholische Zeitschrift 17 (1988) 433–443; Harald Wagner (Hg.), Johann Adam Möhler, Kirchenvater der Moderne, Paderborn 1996; ders.,
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Lassen wir es bei diesen Beispielen bewenden. Sie veranschaulichen das Weiterwirken der deutschen Aufklärung im Blick auf die Beziehung von Glauben und Wissen. Dieses Weiterwirken reicht bis in das theologische Denken der Gegenwart hinein.
Johann Adam Möhler. Die Kirche als Organ der Inkarnation, in: Wenz/Neuner (Hg.), Theologen (wie Anm. 28), 59–74.
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1. Hinführung Ich beginne mit einer persönlichen Erinnerung. Als Abiturient war ich auf zwei Bücher gestoßen: Karl Adam, „Jesus unser Bruder“, und Romano Guardini, „Der Herr“. Beide Bücher erzählten von Jesus Christus, aber irgendwie passten sie nicht zusammen. Ich fragte mich: Wer war nun dieser Jesus wirklich? Und ich ging mit dieser Frage zu meinem Präfekten, einem frommen und klugen Priester. Der hörte mich geduldig an. Dann sagte er: „Du musst unterscheiden zwischen der Offenbarung, der Lehre der Kirche und der Theologie. Die ganze Theologie ist nur ein schwacher Versuch, das unfassbare Geheimnis der Offenbarung für die jeweilige Zeit fassbar zu machen.“ Und er gab noch eins drauf: „Das gilt auch für die Lehre der Kirche mit all ihren Dogmen.“ Daran musste ich denken, als ich Jahre später John Henry Newmans Essay über die Entwicklung der christlichen Lehre1 las. Der große englische Theologe nahm den Ursprung aus der Offenbarung genauso ernst wie den jeweils neuen Anruf der Geschichte. Heilige Schrift war für ihn zwar inspiriertes Gotteswort, aber dieses, so war er überzeugt, bedarf der jeweiligen Interpretation durch die Kirche, das heißt des Lehramts der Hirten wie des Lehramts der Theologen. Entwicklung war für Newman identisch mit der immer neuen Antwort auf neue Anforderungen aus dem Impuls des Ursprungs. Und ähnlich fand ich es bei Alfred Loisy, dem „Vater des Modernismus“, der sich ausdrücklich auf Newman berief.2 1
2
John Henry Newman, Essay on the Development of Christian Doctrine, London 1845. – Vgl. Günter Biemer, John Henry Newman. Heiligkeit und Wachstum, in: Peter Neuner/Gunther Wenz (Hg.), Theologen des 19. Jahrhunderts. Eine Einführung, Darmstadt 2002, 127–143, hier bes. 133–135; Claus Arnold u. a. (Hg.), John Henry Newman, Kirchenlehrer der Moderne, Freiburg i. Br. 2009. Vgl. Rosanna Ciappa, Rivelazione e storia, in: François Laplanche/Ilaria Biagioli/ Claude Langlois (Hg.), Alfred Loisy cent ans après. Autour d’un petit livre. Actes du colloque international, tenu à Paris, les 23–24 mai 2003, Turnhout 2007, 35–46, hier 39.
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Tendenzen und Strategien katholischer Theologie im 19. Jahrhundert
Newman und Loisy haben recht. Die Theologie und die kirchliche Lehre bewegen sich zwischen zwei Polen. Auf der einen Seite steht die Offenbarung, auf der anderen Seite die jeweilige Zeit. Beiden Polen zu entsprechen, bedeutet jedoch nicht nur eine Neuanpassung der Begrifflichkeit, zumal wenn damit das Festhalten an starren Positionen verbunden bleibt. Beiden Polen zu entsprechen bedeutet vielmehr, sich klarzumachen, dass die Wahrheit der Offenbarung nicht etwas Statisches ist, sondern Wahrheit in Geschichte. Und genau hier ist der Ort der Theologie. So haben sich denn Theologen immer wieder bemüht, Geschichte und Offenbarung, age and church, miteinander in Einklang zu bringen3 und dabei das Verständnis der Offenbarung zu vertiefen. Den verschiedenen Theologien der Heiligen Schrift, der Synoptiker, des Johannes, des Paulus und den Theologien der Urgemeinde, folgten die Kirchenväter, folgte die Begegnung mit dem Hellenismus und seiner Philosophie, eine Begegnung, die im 4. und 5. Jahrhundert in die großen Konzilien von Nikaia und Chalkedon mündete, bei denen mit Hilfe der griechischen Philosophie Aussagen der Schrift in grundlegende Dogmen gegossen wurden: in die Lehren von der hypostatischen Union und der Trinität. Wahr ist allerdings, dass von heutigen Theologen die Verbindung des Christentums mit der griechischen Theologie verschieden beurteilt wird. Sehen die einen in der sogenannten Hellenisierung eine erste gelungene Inkulturation des Christentums4, so ist sie für andere der Beginn einer kolossalen Fehlentwicklung, hinter die die Theologie, auch aufgrund der Erkenntnisse neuzeitlicher Philosophie, zurückgehen muss5. Machen wir einen Sprung ins 10. und 11. Jahrhundert. Erneut wurde die Theologie herausgefordert durch einen grundstürzenden Paradigmenwechsel. Das archaische, symbolhafte, objektivistische Bedenken der Welt wich in der 3 4
5
Vgl. R. Scott Appleby, “Church and Age unite!”. The Modernist Impulse in American Catholicism, Notre Dame (Indiana) 1992. Vgl. Wolfhart Pannenberg, Die Aufnahme des philosophischen Gottesbegriffes als dogmatisches Problem der frühchristlichen Theologie, in: ZKG 70 (1959) 1–45; Peter Neuner, Die Hellenisierung des Christentums als Modell der Inkarnation, in: Stimmen der Zeit 213 (1995) 363–376. Adolf von Harnack, Lehrbuch der Dogmengeschichte I, Tübingen 51931, 20. – Vgl. Walther Karl Erich Glawe, Hellenisierung des Christentums in der Geschichte der Theologie von Luther bis auf die Gegenwart, Berlin 1912, Nachdruck Aalen 1973. – Zur neueren Diskussion: Karl Heinz Ohlig, Ein Gott in drei Personen. Vom Vater Jesu zur Trinität, Mainz/Luzern 22000; Paul Wess, Geburt des zweiten Adam, in: Die Furche 2007, Nr. 1, S. 5; Heinz Robert Schlette, Die Anfänge und das Folgende, in: Orientierung 71 (2007) 49–51.
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Scholastik einem rationalen Trend, aufgipfelnd in Albertus Magnus, der die Naturwissenschaften wiederentdeckte, in Thomas von Aquin, der die Theologie auf eine neue Grundlage stellte, indem er platonische und plotinische Spekulationen durch die klare aristotelische Rationalität ersetzte, in Abälard, der den Einzelnen, das Individuum, das Subjekt, die Person ernst nahm.6 Wir könnten weiter den Theologen der nachfolgenden Jahrhunderte nachgehen, und wir kämen über den Nominalismus7 schließlich zur Reformation, zu Renaissance und Humanismus und damit zur Wende zum Humanum und zum Gewissen als letzter Norm.8 Ernst Troeltsch hat diesen anthropozentrischen Neuaufbruch, der von der reformatorischen Theologie und ihrem Wissen um die Freiheit des Christenmenschen reflektiert wurde, unübertroffen gezeichnet9, doch sei die Frage erlaubt, ob es den Reformatoren wirklich gelungen ist, im Gegenüber zu einer neuen Welt und einem neuen Denken, für welches der Satz „Cogito, ergo sum“ galt, neue Wege im Bedenken des Christentums zu finden.
2. Die Herausforderung durch die Moderne Es war Johann Gottfried Herder, der geschrieben hat, Martin Luther sei letztlich in der mittelalterlichen Mönchsatmosphäre stecken geblieben.10 Und so haben denn auch nicht wenige Historiker die übliche Periodisierung der 6
Vgl. Friedrich Heer, Aufgang des Abendlandes. Eine Studie zu den Zusammenhängen zwischen politischer Religiosität, Frömmigkeit und dem Werden Europas im 12. Jahrhundert, Wien/Zürich 1949; Karl Bosl, Die Grundlagen der modernen Gesellschaft im Mittelalter, Stuttgart 1972. 7 Vgl. Jürgen Goldstein, Nominalismus und Moderne. Zur Konstitution neuzeitlicher Subjektivität bei Hans Blumenberg und Wilhelm von Ockham, München 1998. 8 Vgl. Heinrich Lutz, Normen und gesellschaftlicher Wandel zwischen Renaissance und Revolution. Differenzierung und Säkularisierung, in: ders., Politik, Kultur und Religion im Werdeprozess der frühen Neuzeit. Aufsätze und Vorträge. Aus Anlass des 60. Geburtstages von Heinrich Lutz hg. von Moritz Csáky u. a., Klagenfurt 1982, 279–291. 9 Vgl. Ernst Troeltsch, Luther, der Protestantismus und die moderne Welt, in: ders., Ges. Schriften, Bd. 4, 202–296; ders., Das Wesen des modernen Geistes, ebd., 297–338. – Vgl. auch Thomas Nipperdey, Luther und die moderne Welt, in: ders., Nachdenken über deutsche Geschichte, München 1986, 31–43; ders., Probleme der Modernisierung in Deutschland, ebd., 44–59; ders., Reformation, Revolution, Utopie, Göttingen 1975. 10 Vgl. Michael Embach, Das Lutherbild Johann Gottfried Herders (Trierer Studien zur Literatur 14), Frankfurt am Main u. a. 1987; Joyce Schober, Die deutsche Spätaufklärung (1770–1790) (Europäische Hochschulschriften III/54), Frankfurt am Main u. a. 1975, passim.
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Geschichte in Frage gestellt und die Neuzeit nicht mit der Reformation, sondern erst im 18. Jahrhundert mit der europäischen Aufklärung beginnen lassen.11 Und heute ist es üblich geworden, eine neue Epoche der europäischen Geschichte, genannt die Moderne, mit der Wende zum 19. Jahrhundert anzusetzen12, nicht nur im Blick auf grundstürzende politische Ereignisse mit ihrer Aufgipfelung in der Französischen Revolution, sondern auch deswegen, weil in Europa erst jetzt die alte, vom Christentum bestimmte monistische Weltordnung einem Pluralismus von Wertvorstellungen zu weichen begann und Dechristianisierung und Säkularisierung in der Öffentlichkeit sich Bahn brachen13. Dahinter aber stand wieder einmal ein tiefgreifender Paradigmenwechsel: Die Erfassung von Wirklichkeit war nicht mehr von ewig gültigen unveränderlichen theologischen und philosophischen Prämissen abhängig.14 Grundlegend wurde die Erfahrung. Das moderne, induktive naturwissenschaftliche Denken wurde genauso wichtig oder noch wichtiger als die Deduktion aus vorgegebenen, nicht mehr hinterfragbaren Sätzen. Erfahrung bedeutete aber auch Erfahrung von Veränderung. An die Stelle eines ewigen unveränderlichen Seins trat das Werden. Ja, Sein wurde nunmehr als Werden definiert. Damit aber verband sich der Aufstieg der Geschichtswissenschaft. Geschichtliches Denken erfasste alle wissenschaftlichen Disziplinen, angefangen bei der Philosophie. Der deutsche Idealismus, allen voran Hegel ist zu nennen, aber auch Auguste Comte und Karl Marx, die – jeder auf seine Weise – große geschichtsphilosophische Systeme aufbauten. Doch das war nur die eine Seite des geschichtlichen Denkens. Wirklich modern war im 19. Jahrhundert die Wendung zum Einzelnen und zu den Methoden der Quellenkritik. Dem sei im Folgenden mit Blick auf den deutschen Sprachraum nachgegangen. 11 Hans Blumenberg, Die Legitimität der Neuzeit, Frankfurt am Main 1966; Reinhart Koselleck, Das 18. Jahrhundert als Beginn der Neuzeit, in: Reinhart Herzog/Reinhart Koselleck (Hg.), Epochenschwelle und Epochenbewusstsein (Poetik und Hermeneutik XII), München 1987, 269–283. 12 Vgl. Reinhart Koselleck, Einleitung, in: Otto Brunner/Werner Conze/Reinhart Koselleck (Hg.), Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Bd. 1, Stuttgart 1972, XV. 13 Vgl. Hartmut Lehmann (Hg.), Säkularisierung, Dechristianisierung, Rechristianisierung im neuzeitlichen Europa (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 130), Göttingen 1997. 14 Vgl. Karl Bosl, Pluralismus und pluralistische Gesellschaft. Bauprinzip, Zerfallserscheinung, Mode, München/Salzburg 1967.
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Aber auch die Antinomien seien nicht vergessen, die Aufklärung und Romantik in deutschen Landen begleiteten – zwei Epochen, die nicht nur als Gegensätze, sondern auch als Einheit zu sehen sind. Erfahrung vor aller rationalen Durchdringung, Erleben, ganzheitliches, nicht rational zergliederndes Erfassen von Wirklichkeit traten vielfach nicht nur an die Stelle des vorkantischen metaphysischen Objektivismus, sondern auch an die Stelle der kühnen Spekulationen eines Hegel. Neben Jacobi ist hier vor allem an Friedrich Schleiermacher zu erinnern, der zwischen einseitigem theologischem Rationalismus und einem irrationalen Fideismus und Supranaturalismus zu vermitteln suchte.15 Doch wir können in der Zeit noch weiter zurückgehen16 und den heute vergessenen großen Philosophen Alexander Gottlieb Baumgarten17 nennen oder Johann Georg Hamann18, von dem Friedrich Schlegel, der Theoretiker der katholischen Wiener Romantik, gelernt hat. Auch Schlegel stand der Suche nach einer streng wissenschaftlichen Methode positiv gegenüber, blieb aber dem theologischen Rationalismus gegenüber reserviert. Wirkliche Erkenntnis war für ihn wie für andere Romantiker ein Einswerden vor aller Objektivierung,19 war intellektuelle Anschauung.20 Dilthey wird später vom „Erlebnis“ sprechen.21 Das „Leben“, so Dilthey, kommt vor dem Bewusstsein. Damit ist auch schon eine weitere Facette dieser Wirklichkeitserfassung angesprochen: der Organismusgedanke. Organisch zu sein, also eine innere Zweckmäßigkeit, eine Teleologie zu besitzen, ist nach Kant neben dem 15 Bekannt ist seine Definition von Religion als „Gefühl der schlechthinnigen Abhängigkeit“. Vgl. u. a. Markus Schröder, Die kritische Identität des neuzeitlichen Christentums. Schleiermachers Wesensbestimmung der christlichen Religion, Tübingen 1996; Gunther Wenz, Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher. Sinn und Geschmack fürs Unendliche, in: Wenz/Neuner (Hg.), Theologen (wie Anm. 1), 21–38. 16 Vgl. Hans-Georg Gadamer, Wahrheit und Methode, Frankfurt am Main 61960, hier bes. 66–76. 17 Vgl. bes. Alexander Gottlieb Baumgarten, Theoretische Ästhetik. Lateinisch-deutsch, übers. und hg. von Hans Rudolf Schweizer (Philosophische Bibliothek 355), Hamburg 2 1988. – Dazu: Wolfgang Welsch, Die zeitgenössische Vernunftkritik und das Konzept der transversalen Vernunft, Frankfurt am Main 1996, 490–495. 18 Zu ihm Ulrich Moustakas, Hamann, in: RGG4 3 (2000) 1396f. 19 Friedrich Schlegel, Von der wahren Liebe Gottes und dem falschen Mystizismus, in: Ölzweige 1 (1819) 419–429, 431–436, hier 429. 20 Der Begriff taucht so oder ähnlich auch bei Schelling wie bei Joseph Görres auf. S. o. S. 38. 21 Vgl. u. a. Wilhelm Dilthey, Das Erlebnis und die Dichtung. Lessing – Goethe – Novalis – Hölderlin, Leipzig 1905; ders. [über das Problem der Religion 1911], in: Ges. Werke, Bd. IV, Leipzig 1914ff., 288–301.
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Grundsatz, dass das Ganze mehr ist als die Summe der Teile, Merkmal des Lebendigen.22 Schelling hat diesen Ansatz weitergedacht und damit jedwedem Materialismus eine Absage erteilt, insbesondere in seiner Naturphilosophie. Das organologisch-teleologische Wirklichkeitsverständnis wurde in der Zeit der Spätromantik wegweisend für die Wissenschaft wie auch für das Verständnis von Staat und Gesellschaft, wie dies bereits in der Staatslehre eines Adam Müller23 zum Ausdruck kommt. Man glaubte an ein universales, vereinheitlichendes, alles durchformendes lebendiges Prinzip, eine wirkmächtige „universale Einheit des sichtbaren und unsichtbaren Kosmos“, in der sich alle Gegensätze aufheben.24 Kehren wir zurück zur Hinwendung zum Einzelnen. Es scheint fast, als ob die großen geschichtsphilosophischen Systeme, allen voran der Hegel’sche Idealismus, nur ein – allerdings mächtig weiterwirkendes – Zwischenspiel darstellten. Der unterschwellige Trend ging in eine andere Richtung. Seit dem Tode Goethes und Hegels, spätestens aber seit der Mitte des 19. Jahrhunderts setzte sich dieser Trend, wie zuvor schon in England, auch in Deutschland immer mehr durch. Das Schlagwort, das im Gleichklang mit der fortschreitenden Industrialisierung nicht nur das akademische Leben prägte, war das Wort „Wissenschaft“ – verstanden als positive, objektivierende Wissenschaft. Das bedeutete eine Abwendung von universalen Welterklärungen und eine Hinwendung zur exakten Methode, zum Positivismus, nicht nur in den Naturwissenschaften, sondern bis hin zur Beantwortung letzter philosophischer Fragen.25 Mit Recht wurde von einem „revolutionären Bruch“ im Denken des 19. Jahrhunderts26 gesprochen. Bezeichnend dafür ist der Satz von Friedrich 22 Immanuel Kant, Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft. Werke, hg. von der Königlich Preußischen Akadamie der Wissenschaften, Bd. IV, Berlin 1903, 532f. 23 Vgl. Adam Müller, Die Elemente der Staatskunst, (zuerst) Berlin 1809. 24 Vgl. Hans Grassl, Münchner Romantik. Ein Beitrag zu ihrer deutschen und europäischen Bedeutung, in: Der Mönch im Wappen. Aus Geschichte und Gegenwart des katholischen München, München/Zürich 1960, 323–360, hier 346f. 25 Vgl. Otto Weiss, Das deutsche Modell. Zu Grundlagen und Grenzen der Bezugnahme auf die deutsche Wissenschaft in Italien in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts, in: Aldo Mazzacane/Reiner Schulze (Hg.), Die deutsche und die italienische Rechtskultur im „Zeitalter der Vergleichung“ (Schriften für europäische Rechts- und Verfassungsgeschichte 15), Berlin 1994, 77–135, hier 85f.; auch in: ders., Kulturen – Mentalitäten – Mythen. Zur Theologie- und Kulturgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, Paderborn 2004, 279–338, hier 287f. 26 Karl Löwith, Von Hegel zu Nietzsche. Der revolutionäre Bruch im Denken des neunzehnten Jahrhunderts, Stuttgart 1950, Neuauflage Hamburg 1995.
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Engels: „Indem die Nation sich auf das Praktische warf, […] sagte sie der im Sande der Berliner Althegelei verlaufenen deutschen klassischen Philosophie entschieden ab.“27 Organisation, Spezialisierung und Methode wurden ausgebaut, die deutsche Universität verlor den von Wilhelm von Humboldt intendierten Charakter einer Stätte universaler Bildung in der Verbindung von Forschung und Lehre und wurde nach den Worten Adolf von Harnacks zum „Großbetrieb der Wissenschaft“28. Die Wende von der Theorie zur Empirie zeigte sich besonders im weiteren Siegeszug der Geschichtswissenschaft, im Verfassen umfangreicher Quellenwerke und voluminöser Monumenta.29 Und noch einmal änderte sich Wahrnehmung von Wirklichkeit am Ende des 19. Jahrhunderts. Es kam zu einer Krise des Positivismus als Weltdeutung. Führende Intellektuelle wandten sich gegen Rationalismus, Verwissenschaftlichung und gelehrten Historismus. Kulturkritiker traten auf, allen voran Friedrich Nietzsche.30 Man sprach von der crise du fin de siècle.31 Der als zukunftsweisende Errungenschaft gefeierten Säkularisierung und Entzauberung der Welt, die sich in Industrialisierung, Technisierung und Verwissenschaftlichung konkretisierte32, der Fortschrittskultur und positivistischen Wissenschaftsgläubigkeit stellte sich in der sogenannten Lebensreformbewegung eine neue ästhetische Kultur entgegen33. Der Begriff der Moderne wandelte sich. Sie wurde zur 27 Friedrich Engels, Dialektik der Natur, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, hg. vom Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED, Bd. 20, Berlin 1978, 311–570, hier 331f. – Vgl. auch Otto Weiss, Der Ort der „Christlichen Mystik“ im Gesamtwerk von Görres und im Denken seiner Zeit, in: ders., Kulturen – Mentalitäten – Mythen (wie Anm. 25), 85–130, hier 124–128. 28 Rüdiger vom Bruch, Wissenschaft, Politik und öffentliche Meinung. Gelehrtenpolitik im wilhelminischen Deutschland (Historische Studien, Heft 135), Husum 1980, 250. 29 Hier ist an die Monumenta Germaniae Historica zu erinnern. Vgl. Rudolf Schieffer, in: LThK3 7 (1998) 449; vgl. auch Owen Chadwick, Acton, Döllinger und die Geschichte, in: Georg Denzler/Ernst Ludwig Grasmück (Hg.), Geschichtlichkeit und Glaube. Gedenkschrift zum 100. Todestag von Ignaz von Döllinger, München 1990, 317–340. 30 Vgl. Wilhelm Boelsche, Das Geheimnis Friedrich Nietzsches, in: Neue Deutsche Rundschau 5 (1894) 1026–1033; Bruno Hillebrand, Nietzsche und die deutsche Literatur, Bd. I, Tübingen 1978, 68; Steven E. Aschheim, Nietzsche und die Deutschen. Karriere eines Kults, Stuttgart 1996, 22, 52. 31 Vgl. Carl E. Schorske, Wien. Geist und Gesellschaft im Fin de Siècle, München/Zürich 1994. 32 Vgl. Hartmut Berghoff, „Dem Ziele der Menschheit entgegen“. Die Verheißungen der Technik an der Wende zum 20. Jahrhundert, in: Ute Frevert (Hg.), Das neue Jahrhundert. Europäische Zeitdiagnosen und Zukunftsentwürfe um 1900 (Geschichte und Gesellschaft, Sonderheft 18), Göttingen 2000, 47–78. 33 Vgl. Stefan Breuer, Ästhetischer Fundamentalismus. Stefan George und der deutsche Antimodernismus, Darmstadt 1996. Vgl. auch Christa Bürger, Naturalismus,
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pluralen Moderne. Modern war nicht mehr nur der vom Bürgertum getragene aufgeklärte Fortschrittsoptimismus, sondern genauso auch der Kulturpessimismus, nicht mehr nur die Rationalität, sondern genauso auch eine neue Mystik innerhalb und außerhalb der Kirchen.34 In einer Art neuer Romantik trat das Erlebnis vielfach wieder in den Mittelpunkt des Denkens – nicht nur bei Dilthey, sondern auch in all den neuen antibürgerlichen profanen Religionen der Jahrhundertwende bis hin zur Wandervogel- und Jugendbewegung35.
3. Die Antworten der katholischen Theologie im 19. Jahrhundert Wie hat die deutsche katholische Theologie im 19. Jahrhundert auf die neuen Denkweisen und Methoden geantwortet? Hat sie sich den Herausforderungen gestellt, die nacheinander Aufklärung, deutscher Idealismus, romantischer Universalismus, Positivismus, Wissenschaftlichkeit und neue Mystik ihr abverlangten? Und eine weitere Frage sei angefügt: Wie reagierte das kirchliche Lehramt? Vorweg sei bemerkt, dass sich durchgehend zwei Strategien in der Begegnung der Theologie mit der modernen Welt und dem säkularen Denken feststellen lassen. Es gab zum einen eine weitgehende Offenheit gegenüber der neuen Art, Wirklichkeit zu denken, zum andern aber Abschottung und aggressive Distanznahme bis hin zum Aufbau einer Gegengesellschaft mit eigenen Normen und Gesetzen. Dazu kam, dass der theologische Diskurs von der Amtskirche kontrolliert und behindert wurde. Das Ergebnis war bei nicht wenigen Theologen ein Zwiespalt zwischen wissenschaftlicher Erkenntnis Ästhetizismus, Frankfurt am Main 1979; Günter Heintz, Stefan George. Studien zu seiner künstlerischen Wirkung (Schriften zur Literatur- und Geistesgeschichte 2), Stuttgart 1986; Richard Faber, Männerrunde mit Gräfin. Die „Kosmiker“ Derleth, George, Klages, Schuler, Wolfskehl und Franziska von Reventlow. Mit einem Nachdruck des „Schwabinger Beobachters“, Frankfurt am Main u. a. 1994; ders., Genii locorum. Schwabings neureligiöse „Kosmiker“ zwischen Wilhelminismus und Faschismus, in: Moritz Bassler/Hildegard Chattelier (Hg.), Mystique, mysticisme et modernité en Allemagne autour de 1900 / Mystik, Mystizismus und Moderne in Deutschland um 1900, Strasbourg 1998, 149–164. 34 Vgl. Otto Weiss, Nuove questioni sul modernismo, in: Annali di storia dell’educazione e delle istituzioni scolastiche 16 (2009) 379–400, hier bes. 390f. 35 Vgl. Franz M. Kapfhammer, Neuland. Erlebnis einer Jugendbewegung, Graz/Wien/ Köln 1987.
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und willentlich festgehaltener Dogmatik.36 Allerdings wäre es verkehrt, ein Schwarz-Weiß-Gemälde zu erstellen. Zwischen der Öffnung zur Moderne und dem Rückzug auf festgefügte Bastionen gab es viele Zwischentöne, Schattierungen, Nuancen. Auch jenen Theologen, die den Kontakt mit der Zeit suchten, ging es um den Erweis, dass die katholische Lehre die wahre Lehre sei. Auch für sie war – sieht man von der durch das Unfehlbarkeitsdogma ausgelösten Krise ab – grundsätzlich das Lehramt der authentische Träger des rechten Redens über Gott. Sie waren Apologeten im besten Sinne des Wortes, und wahrscheinlich hätten sie dem Antimodernisten Albert Maria Weiß recht gegeben, der noch in den 1920er Jahren in der Theologie einen „Schutzbau“ für die Kirche sah.37 So mag es kein Zufall sein, dass der indizierte Reformkatholik Herman Schell das Fach Apologetik vertrat und dass Alfred Loisys verurteilte Schrift „L’Évangile et l’Église“ eine Apologie der katholischen Kirche mit modernen Methoden darstellte38.
a) Strategie der Begegnung Gehen wir in die Einzelheiten und sprechen wir zunächst von den Theologen im deutschen Sprachraum, die versuchten, die Herausforderungen der Moderne positiv zu bewältigen. Wie standen sie zur Aufklärung39? Sie mussten sich mit ihr auseinandersetzen, ob sie wollten oder nicht. Denn eine zentrale Fragestellung der deutschen Aufklärung war die Frage nach der Möglichkeit von Offenbarung.40 Neu war die Art, wie diese Frage gestellt wurde: Ausschlaggebend war die Vernunft oder richtiger: der Verstand, die zergliedernde ratio. So hatte die Aufklärung, jedenfalls in ihrer radikalen Form, ein doppeltes Gesicht41: Sie ermutigte den Menschen, mündig zu werden und selbst zu 36 Vgl. Christoph Weber, Kirchengeschichte, Zensur und Selbstzensur (Kölner Veröffentlichungen zur Religionsgeschichte 4), Köln/Wien 1984. 37 Vgl. Otto Weiss, Modernismus und Antimodernismus im Dominikanerorden. Zugleich ein Beitrag zum „Sodalitium Pianum“ (Quellen und Studien zur neueren Theologiegeschichte 2), Regensburg 1998, 198f. 38 François Laplanche, Le projet catholique de Loisy, in: ders. u. a. (Hg.), Alfred Loisy (wie Anm. 2), 19–34. Vgl. auch Nathan Söderblom, Religionsproblemet inom Katolicism och Protestantism, Bd. I, Stockholm 1910, 132. 39 Zur Aufklärung noch immer grundlegend Ernst Cassirer, Die Philosophie der Aufklärung (zuerst 1932), Hamburg 2007. 40 Vgl. Wilfried Barner u. a., Lessing. Epoche – Werk – Wirkung, München 61998, 290f.; Helmut Thielicke, Offenbarung, Vernunft und Existenz, Gütersloh 1957. 41 Vgl. Max Horkheimer/Theodor W. Adorno, Dialektik der Aufklärung, Frankfurt am Main 1969.
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denken, sie verengte jedoch das Denken – wenn auch nicht in all ihren Vertretern – auf die Ratio und schloss damit einen weiten Bereich von Wirklichkeit aus der Wahrnehmung aus. Die Aufklärung erreichte die deutsche Theologie in zwei Phasen. Ausgangspunkt der ersten Phase waren zahlreiche Einflüsse des jansenistischen Reformkatholizismus aus Frankreich, den Niederlanden und Norditalien.42 Im Vordergrund stand die Kampfansage an einen „abergläubischen“ Volkskatholizismus. Auf diesem Hintergrund kam es im josephinischen Österreich zur Begründung der Pastoraltheologie als einer eigenen Disziplin.43 Die zweite Phase der katholischen Aufklärung war geprägt vom Eindringen der Philosophie eines Gottfried Wilhelm Leibniz und Christian Wolff in die katholische Theologie. Als dann Kant der rationalistischen Aufklärung einen Schlag versetzte, indem er die Fähigkeit des Verstandes auf das Sinnlich-Erfahrbare eingrenzte, bekam dies auch die aufgeklärte katholische Theologie zu spüren, auch wenn vereinzelte katholische Theologen wie Benedikt Alois Pflanz in Württemberg bis weit ins 19. Jahrhundert hinein der vorkantischen Aufklärung folgten.44 Andere Theologen schlossen sich an Kant an, so der Münchener Pfarrer Sebastian Mutschelle45 oder der Würzburger Professor Maternus Reuß46. Warum genügte diesen Theologen die bisherige Theologie nicht mehr? Der Grund war ganz einfach: Sie waren überzeugt, dass der verknöcherte Scholastizismus überholt sei, der noch im 18. Jahrhundert erklärte, dass die Erschaffung der Welt wahrscheinlich im kalten Herbst erfolgt sei, weil Gott die ersten Menschen nach dem Bericht der Bibel mit Fellen bekleidet ha42 Vgl. u. a. Harm Klueting (Hg.), Katholische Aufklärung – Aufklärung im katholischen Deutschland, Hamburg 1993; ders. (Hg.), Der Josephinismus, Darmstadt 1995; Peter Hersche, Der Spätjansenismus in Österreich (Veröffentlichungen der Kommission für Geschichte Österreichs 7), Wien 1977; Richard van Dülmen, Propst Franziskus Töpsl (1711–1796) und das Augustiner-Chorherrenstift Polling. Ein Beitrag zur Geschichte der katholischen Aufklärung in Bayern, Kallmünz 1967. 43 Vgl. Stephan Rautenstrauch, Entwurf zur Einrichtung der theologischen Schulen in den k. k. Erblanden, Wien 21784; Franz X. Arnold, Grundsätzliches und Geschichtliches zur Theologie der Seelsorge, Freiburg i. Br. 1949; Beda F. Menzel, Abt Franz Stephan Rautenstrauch von Břevnov-Braunau. Herkunft, Umwelt und Wirkungskreis, Königstein (Taunus) 1969. 44 August Hagen, Die kirchliche Aufklärung in der Diözese Rottenburg, Stuttgart 1953, 279–335; Abraham P. Kustermann, „Katholische Tübinger Schule“. Beobachtungen zur Frühzeit eines theologiegeschichtlichen Begriffs, in: Catholica 36 (1982) 65–82. 45 Zu ihm Kajetan Weiller, Mutschelle’s Leben, München 1803. 46 Clemens Schwaiger, Reuß, Maternus, in: BBKL 12 (2003) 1149–1152.
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be.47 Der Aufgabe der Theologie, Offenbarung zu aktualisieren, meinten sie nur glaubwürdig nachkommen zu können, wenn sie sich dem neuen Denken öffneten. Dass sie dabei nicht selten die „Ambivalenzen der Aufklärung“48 übersahen und sich, um auf der Höhe der Zeit zu stehen, allzu optimistisch dem Verstand anvertrauten, war fast unvermeidlich. Dazu kam, dass sie vielfach eine Problematik noch nicht erkannten, nämlich dass der bisherige Methodenmonismus nicht ausreichte und die Induktion in den geschichtlichen theologischen Disziplinen neben die Systematik treten musste. So hat auch ein Eusebius Amort naturwissenschaftliche Fragen deduktiv zu lösen versucht49, während Benedikt Stattler und ähnlich Bernard Bolzano der Metaphysik mit der Mathematik zu Leibe rückten50. Die Exegese aber galt nicht als eigentlich historische Wissenschaft. Sie war abhängig von den Prämissen der Dogmatik. Daher waren auch die katholischen Exegeten der Aufklärungszeit noch weit entfernt von den Erkenntnissen der Protestanten Eichhorn und Gabler, die im Schöpfungsbericht zwischen theologischen Aussagen und deren mythischer Darstellung unterschieden51, und das obwohl der französische katholische Theologe Richard Simon bereits im 17. Jahrhundert die Verfasserschaft des Mose für den Pentateuch angezweifelt hatte52. Seine Verurteilung hat in der katholischen Bibelwissenschaft auf Jahrhunderte hinaus jede streng wissenschaftliche Behandlung der Heiligen Schrift behindert. Immerhin bestritt der um 1800 in Wien lehrende Exeget Johann Martin Jahn die Historizität der Bücher Ijob, Jona, Judith und Tobit. Daraufhin wurden seine wissenschaftlichen Arbeiten indiziert. Jahn wich in die Philologie aus53, eine Strategie, in der ihm bis hin 47 Vgl. Sebastian Merkle, Die kirchliche Aufklärung im katholischen Deutschland, Berlin 1910, 95f. 48 Gerhard Angerer/Hanns Haas, Ambivalenzen der Aufklärung. Festschrift für Ernst Wangermann, Wien/München 1997. 49 Vgl. B. Jansen, Die Philosophia Pollingiana des Eusebius Amort, in: Zeitschrift für katholische Theologie 62 (1938) 569–574. 50 Sein Schüler Anton Günther warf ihm daher vor, für ihn gelte: „Mathesis allein hat Gewissheit, Philosophie [ist] bloßes Meinen, Geschichte bloße Wahrscheinlichkeit“ (Franz Peter Knoodt, Anton Günther. Eine Biographie, 2 Bde., Wien 1881, II, 111f.). 51 Vgl. Christian Hartlich/Walter Sachs, Der Ursprung des Mythosbegriffes in der modernen Bibelwissenschaft, Tübingen 1952. 52 Vgl. Sascha Müller, Richard Simon (1638–1712), Exeget, Theologe, Philosoph und Historiker. Eine Biographie. Würzburg 2005; ders., Die historisch-kritische Methode in den Geistes- und Kulturwissenschaften, Würzburg 2010. 53 Eine moderne Biographie fehlt. Zu ihm Constant von Wurzbach, Jahn, in: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich, Bd. 10, Wien 1864, 42–47; Hersche,
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zu Pater Marie-Joseph Lagrange nicht wenige von Rom gemaßregelte Exegeten im 19. und 20. Jahrhundert folgten. Kehren wir zur katholischen Aufklärungstheologie zurück. Diese spaltete sich an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert in zwei Richtungen. Neben die radikalen Aufklärer traten diejenigen Theologen, welche die Alleinherrschaft der Ratio in Frage stellten und davon überzeugt waren, dass christlicher Glaube mehr ist als die Annahme einer Lehre. An erster Stelle zu nennen ist in diesem Zusammenhang der bayerische Professor für Moral- und Pastoraltheologie Johann Michael Sailer, ein Mann, der wie kein anderer die Wende vom Rationalismus zur Synthese von Verstand und Gemüt, von Wissen und Glauben oder, wie gesagt wurde, von der Aufklärung zur Romantik verkörperte.54 Nicht zuletzt durch die Begegnung mit dem protestantischen Pietismus fand er Zugang zur Mystik und entdeckte die Heilige Schrift als Quelle des Glaubens und als Weisung zu einem christlichen Leben. Gegenüber der kritischen Exegese war er allerdings skeptisch. Dem Seelsorger empfahl er daher das „praktische Schriftforschen“, nämlich „nach dem Inhalt und Geiste des Neuen Testamentes zu fragen“55. Dennoch wurde Sailer von Glaubenswächtern von seinem Lehrstuhl entfernt, sei es, weil er sich in seiner Moraltheologie auch von nichtkatholischen Philosophen leiten ließ, sei es, weil er Kontakt zu protestantischen Mystikern aufrechterhielt. Und so wie er wurde auch sein Freund und Kollege, der Dogmatiker Patriz Benedikt Zimmer, gemaßregelt. Ihm ging es darum, katholische Theologie als Wissenschaft zu erweisen, was er mit Hilfe der Philosophie Kants, Fichtes und Schellings zu erreichen suchte.56 Doch nicht nur Sailer und seine Freunde ließen den Rationalismus der frühen Aufklärung hinter sich. Zu erwähnen ist die katholische Wiener SpätSpätjansenismus (wie Anm. 42), 300, 303f.; Otto Weiss, Begegnungen mit Klemens Maria Hofbauer 1751–1820, Regensburg 2009, 41–45. 54 Aus der zahlreichen Sailer-Literatur sei erwähnt: Hubert Schiel (Hg.), Johann Michael Sailer. Leben und Briefe, 2 Bde., Regensburg 1948/1952; Georg Schwaiger, Johann Michael Sailer. Der bayerische Kirchenvater, München/Zürich 1982; Manfred Weitlauff, Johann Michael Sailer (1751–1832), in: ders. (Hg.), Lebensbilder aus dem Bistum Augsburg. Vom Mittelalter bis in die neueste Zeit (Verein für Augsburger Bistumsgeschichte, Jahrbuch 39), Augsburg 2005, 220–250. 55 Johann Michael Sailer, Vorlesungen aus der Pastoraltheologie. Erster Band. Fünfte, revidierte und vermehrte Auflage, Sulzbach 1835, 327. 56 Zu ihm Philipp Schäfer, Philosophie und Theologie im Übergang von der Aufklärung zur Romantik, dargestellt an Patriz Benedikt Zimmer, Göttingen 1971.
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romantik. Wir haben bereits auf Friedrich Schlegel hingewiesen. Und wenn wir schon in Wien sind, ist auch der Priester und Philosoph Anton Günther zu nennen, der im Vormärz großen Einfluss auf die deutsche Theologie ausübte.57 Der Schüler Bolzanos war – auch in der Begegnung mit Schlegel – zur Überzeugung gekommen, dass Christen nicht durch eine Lehre erlöst seien, sondern durch die nur im Glauben erfassbare Erlösungstat Gottes in Jesus Christus. Dennoch bestritt er nicht die Notwendigkeit, dass der Glaube von der Vernunft erleuchtet sein müsse.58 Mit Günther sind wir bei einer Gruppe katholischer Theologen angekommen, die sich in besonderer Weise mit dem deutschen Idealismus auseinandersetzten und in der Begegnung mit der Zeitphilosophie den Glauben an die Wahrheit der Offenbarung auf ein vernünftiges Fundament zu stellen suchten. Ich denke an die sogenannte „Tübinger Schule“. Die in Ellwangen befindliche württembergische „Katholische Landesuniversität“59 war 1817 als katholisch-theologische Fakultät in die protestantisch geprägte Universität Tübingen eingegliedert worden. Dies trug dazu bei, dass die dort lehrenden Theologen im Bemühen, nicht hinter den Protestanten zurückzustehen, sich um Wissenschaftlichkeit und Aufgeschlossenheit für die Philosophie der Zeit mühten. Konfessionsübergreifende gegenseitige Befruchtungen dürften selbstverständlich gewesen sein, auch wenn es nicht immer leicht ist, sie nachzuweisen. Jedenfalls wurde die Fakultät ein gleichberechtigter Teil des deutschen Wissenschaftsbetriebes und damit ein Vorbild für andere katholische Fakultäten. Dies bedeutete Ansehen und zugleich staatlichen Schutz gegen Eingriffe des Lehramts in die Freiheit der Forschung.60 Dazu kam, dass die erste Generation der Tübinger, angeführt von Johann Sebastian Drey, dem 57 Zu ihm Knoodt, Günther (wie Anm. 52); Josef Reikerstorfer, Anton Günther (1783–1863) und seine Schule, in: Emerich Coreth u. a., Christliche Philosophie im katholischen Denken des 19. und 20. Jahrhunderts, Bd. I: Neue Ansätze im 19. Jahrhundert, Graz/Wien/Köln 1987, 266–284; Herman H. Schwedt, Die Verurteilung der Werke Anton Günthers (1857) und seiner Schüler, in: ZKG 101 (1990) 303–345. 58 Vgl. oben S. 48. 59 Eugen Haug, Geschichte der Friedrichsuniversität Ellwangen 1812–1817, Ellwangen 1917; Rudolf Reinhardt, Die Friedrichs-Universität Ellwangen, 1812–1817, in: Ellwanger Jahrbuch 27 (1977/78) 93–115. 60 Vgl. Abraham Peter Kustermann, Die erste Generation der „Katholischen Tübinger Schule“ zwischen Revolution und Restauration, in: RJKG 12 (1993) 11–24; Rudolf Reinhardt, Die Katholisch-Theologische Fakultät Tübingen, in: ders. (Hg.), Tübinger Theologen und ihre Theologie. Quellen und Forschungen zur Geschichte der KatholischTheologischen Fakultät Tübingen, Tübingen 1977, 1–42, hier 10–22.
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„Vater der Fundamentaltheologie“, sich bewusst vom kirchlichen Milieu distanzierte. Diese Professoren wollten nicht bloße Kirchendiener, sondern „öffentliche Lehrer“ sein61, eine Einstellung, die während des ganzen 19. Jahrhunderts erhalten blieb, auch wenn sich führende Tübinger Theologen von Möhler bis Kuhn von den aufklärerischen Anfängen distanzierten und als kirchlich und gemäßigt ultramontan erwiesen. Es war ein Glücksfall, dass Tübingen hervorragende Theologen aufwies, beginnend mit Johann Sebastian Drey62, der, angeregt vom deutschen Idealismus und von Schleiermacher, in seiner Theologie Theorie und Praxis oder, ähnlich wie Günther, Christentum als Lehre und als Leben miteinander verband. Und so sah auch der ebenfalls vom deutschen Idealismus beeinflusste Pastoral- und Moraltheologe Johann Baptist Hirscher63 das Ziel von Katechese und Pastoral in einem „lebendigen Christentum“, und Johannes Kuhn, der der zweiten Tübinger Generation angehörte, verstand Dogmatik als eine „praktische Wissenschaft.“64 Und noch ein Gedanke ist anzuschließen, wenn der Begriff „Leben“ ins Spiel kommt. Es ist der Einfluss des Organismusgedankens der Spätromantik und des organologischen, ganzheitlichen, nicht rationalistischen Erfassens von Wirklichkeit auf die Tübinger Theologie. In diesem Zusammenhang ist an Johann Adam Möhlers Kirchenbild in seiner Spätphase zu erinnern. Kirche wird von Möhler als Organismus verstanden, man kann auch sagen als mystischer Leib Christi. Und was genauso wichtig ist: Die ideale Kirche ist für Möhler nicht, wie Harnack sagen wird, die Urkirche, zur Kirche gehört ihre organologische Entwicklung in der Geschichte. Das war eine Abkehr von der ursprünglichen Aufklärungstheologie der Tübinger, nicht aber von der Begegnung mit dem Denken der Zeit. Denn Möhler suchte die überkommene katholische Lehre mit dem neuen historischen Denken im Anschluss an He61 Kustermann, Die erste Generation (wie Anm. 61), 22. 62 Zu ihm Abraham P. Kustermann, Die Apologetik Johann Sebastian Dreys (1777– 1853). Kritische, historische und systematische Untersuchungen zu Forschungsgeschichte, Programmentwicklung, Status und Gehalt (Conturbernium 36), Tübingen 1988. 63 Zu ihm Walter Fürst, Wahrheit im Interesse der Freiheit. Eine Untersuchung zur Theologie Johann Baptist Hirschers, Mainz 1979. – Vgl. jedoch: Norbert Köster, Der Fall Hirscher. Ein „Spätaufklärer“ im Konflikt mit Rom?, Paderborn 2007. 64 Vgl. Walter Fürst, Theologie und Praxis. Über Perspektiven und Schicksale der Tübinger Theologie in ihrer praktischen Version von J. B. Drey und J. B. Hirscher bis J. Ev. Kuhn und F. X. Linsenmann, in: RJKG 1 (1982) 69–141; Gebhard Fürst (Hg.), Neugestaltung christlich-kirchlicher Lebenspraxis und lebensbezogener Theologie, Mainz 1989, 12–31.
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gel zu verbinden.65 Gleiches gilt von fast allen führenden Tübinger Theologen seit den 1830er Jahren, etwa von Staudenmaier66 und genauso von Kuhn. Sie empfanden sich wie auch Günther67 in Wien als gemäßigte Ultramontane, welche die noch vorhandenen Aufklärer allmählich verdrängten68. Ihre vermittelnde Position kann als eine neue Strategie der Theologie im 19. Jahrhundert angesehen werden. Eine andere Strategie war diejenige, die nach dem Paradigmenwechsel der Jahrhundertmitte von den Theologen vertreten wurde, die sich dem Ideal der „deutschen Wissenschaft“, verstanden als positive objektivierende Wissenschaft, verschrieben, um so schließlich die Protestanten zu übertreffen und damit dem Vorwurf der wissenschaftlichen Inferiorität der Katholiken69 entgegenzuwirken. An die Gründung der Görresgesellschaft im Jahre 187670 ist zu denken, aber auch an einzelne Theologen, zumal Kirchenhistoriker wie Karl Joseph von Hefele71 oder Ignaz von Döllinger. Vor allem Döllinger wurde nicht müde, das Ideal der Wissenschaftlichkeit hochzuhalten, ganz besonders 1863 in seiner berühmten Rede bei der Versammlung deutscher katholischer Gelehrter in München, wo er konstatierte, dass der Leuchter der Wissenschaft von den Italienern weggerückt und den Deutschen gegeben worden sei.72 So hat er denn auch mit ätzendem Spott und beißender Iro65 Vgl. zu ihm Walter Kasper, Johann Adam Möhler – Wegbereiter des modernen Katholizismus, in: Internationale Katholische Zeitschrift 17 (1988) 433–443; Harald Wagner (Hg.), Johann Adam Möhler, Kirchenvater der Moderne, Paderborn 1996; ders., Johann Adam Möhler. Die Kirche als Organ der Inkarnation, in: Wenz/ Neuner (Hg.), Theologen (wie Anm. 1), 59–74. 66 Vgl. Albert Franz, Glauben und Denken. Franz Anton Staudenmaiers Hegelkritik als Anfrage an das Selbstverständnis heutiger Theologie (Eichstätter Studien, NF 18), Regensburg 1983. 67 So bezeichnete der Freund Günthers Johann Emanuel Veith sich und die Güntherianer ausdrücklich als „gemäßigt ultramontan“ ( Johann Emanuel Veith, Eine harmlose Exhorte an die Plenarversammlung des Katholiken-Vereins am 1. August, in: Aufwärts 1 [1848] 93–96, hier 95). 68 Vgl. Reinhardt, Die Katholisch-Theologische Fakultät (wie Anm. 61), 22–36. 69 Vgl. Martin Baumeister, Parität und katholische Inferiorität. Untersuchungen zur Stellung des Katholizismus im Deutschen Kaiserreich (Politik- und Kommunikationswissenschaftliche Veröffentlichungen der Görres-Gesellschaft 3), Paderborn u. a. 1987. 70 Vgl. Georg von Hertling, Erinnerungen aus meinem Leben, 2 Bde., Kempten/München 1919/20, I, 282–287. 71 Zu ihm Hubert Wolf (Hg.), Zwischen Wahrheit und Gehorsam. Carl Joseph von Hefele (1809–1893), Ostfildern 1994. 72 Vgl. Otto Weiss, Döllinger, Rom und Italien, in: Denzler/Grasmück (Hg.), Geschichtlichkeit und Glaube (wie Anm. 29), 212–316, hier 228–235.
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nie die Wundererzählungen des 1872 zum Kirchenlehrer erhobenen Neapolitaners Alfonso de Liguori als Beispiel römischer Pseudowissenschaftlichkeit kritisiert.73 Und auch seine Kritik an den Dogmen von 1870 ist in diesem Kontext zu sehen.
Exkurs: Die Exegese in Tübingen Zweifellos vertraten die Tübinger Exegeten von Peter Alois Gratz bis Paul Wilhelm Keppler durchaus eine „katholische Exegese“, will heißen, dass sich für sie die Heilige Schrift als inspiriertes Gotteswort von jedem anderen Text unterschied und dass sie sich in ihrer Interpretation an der kirchlichen Lehre orientierten. Zum andern jedoch scheint sich gerade in der Exegese der Kontakt zur deutschen Universität ausgewirkt zu haben. So wenn schon der erste in Tübingen lehrende katholische Exeget Gratz, ein Schüler Sailers und Zimmers und 1819 Mitbegründer der „Tübinger Theologischen Quartalschrift“, zu dem ihm von Sailer vermittelten „praktischen Schriftforschen“ die wissenschaftlich fundierte kritische Exegese hinzufügte und betonte, dass das Christentum sein „Lebensprinzip in der Geschichte“ hat, dass sich also die Lehre Jesu im Verlauf der Geschichte im Leben der Kirche auszeitigt.74 Ähnliches gilt von dem Tiroler Andreas Benedict Feilmoser, dessen Einleitung in das Neue Testament, zumal in die Evangelien, sich an wissenschaftlicher Akribie durchaus mit den von ihm zitierten protestantischen Exegeten messen konnte.75 Von 1841 bis 1849 dozierte in Tübingen Joseph Gehringer76 katholische Exegese gleichzeitig mit Ferdinand Christian Baur, dem Erneuerer protestan-
73 Ebd., 247f. 74 Vgl. zu ihm Norbert Wolff, Peter Alois Gratz (1769–1849). Ein Theologe zwischen „falscher Aufklärung“ und „Obscurantismus“ (Trierer Theologische Studien 61), Trier 1998; ders., Von der „moralischen“ zur „kritischen“ Bibelauslegung. Peter Alois Gratz (1769– 1849), in: Matthias Blum/Rainer Kampling, Zwischen katholischer Aufklärung und Ultramontanismus. Neutestamentliche Exegeten der „Katholischen Tübinger Schule“ im 19. Jahrhundert und ihre Bedeutung für die katholische Bibelwissenschaft (Contubernium 79), Stuttgart 2012, 83–102. 75 Vgl. Andreas Benedict Feilmoser, Einleitung in die Bücher des neuen Bundes für die öffentlichen Vorlesungen, Tübingen 21830. Zu ihm Matthias Blum, Andreas Benedikt Feilmoser (1777–1831). Ein bedeutender Exeget der Katholischen Tübinger Schule, in: Blum/Kampling, Zwischen katholischer Aufklärung (wie Anm. 75), 103–130. 76 Zu ihm Herman H. Schwedt, Gehringer Joseph, in: BBKL 21 (2003) 467–470; Michael Theobald, Joseph Gehringer (1803–1856). Autor einer längst vergessenen Evangeliensynopse und Wegbereiter der Zweiquellentheorie, in: Blum/Kampling, Zwischen katholischer Aufklärung (wie Anm. 75), 147–181.
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tischer Schrifterklärung.77 Auch er wandte die von Baur vertretene ursprünglich theologiefremde historisch-kritische Methode konsequent auf die Heilige Schrift an. Ja, er vertrat faktisch bereits die sogenannte Zweiquellentheorie bei den Synoptikern, eine Auffassung, die noch im 20. Jahrhundert katholischen Exegeten Verweise des Lehramts eintrug78. So blieb es nicht aus, dass Gehringer mit der ultramontanen, streng kirchlichen Richtung in Konflikt geriet. Man warf ihm vor, dass er die Exegese „von der Krücke der Spekulation emanzipieren“ wolle79 und die Bibel „behandelte wie der Philolog einen Klassiker“. Doch der katholische Exeget habe nicht zu erklären, „wie er diese oder jene Stelle verstehe, sondern wie die Kirche sie versteht“80. Sein größtes Vergehen dürfte jedoch gewesen sein, dass er die Echtheit des sogenannten Heiligen Rocks von Trier bestritt.81 Denn damit berührte er eine für den deutschen Katholizismus eminent politische Frage.82 Schließlich sei Moritz von Aberle erwähnt, ein liebenswürdiger Mensch mit einem scharfen Verstand, der danach fragte, warum die Evangelien geschrieben wurden. Dabei wurde ihm klar, dass die Vorgänge und Ereignisse in der jungen Kirche während der Zeit ihrer Abfassung in die Darstellung einflossen. Die Zeitgenossen haben ihm diese seine „Sondermeinungen“ verziehen, weil er ja sonst ein integrer Mensch war.83 So auch sein Nachfolger Paul von Schanz84, der eine Zu77 Vgl. Jan Rohls, Spekulation und Christentumsgeschichte, in: Wenz /Neuner, Theologen (wie Anm. 1), 39–58. 78 So geriet Joseph Sickenberger, der die Zweiquellentheorie (1917) im katholischen Raum durchsetzte, deswegen in Schwierigkeiten. Vgl. Hans-Joseph Klauck, Religion und Gesellschaft im frühen Christentum. Neutestamentliche Studien (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 252), Tübingen 2003; siehe auch Otto Weiss, Der Modernismus in Deutschland. Ein Beitrag zur Theologiegeschichte, Regensburg 1995, 252, Anm. 27. 79 Kirchliches aus Würtemberg, in: Hist.-pol. Bl. 13 (1844) 236–240. 80 Professor Gehringer und die Exegese, in: Hist.-pol. Bl. 16 (1845) 755–760, hier 759f. 81 Vgl. ebd. [Gehringer] Erwiderung, 197–204, hier 198–201. 82 Vgl. Wolfgang Schieder, Kirche und Revolution. Sozialgeschichtliche Aspekte der Trierer Wallfahrt von 1844, in: Archiv für Sozialgeschichte 14 (1974) 419–454; Philipp W. Hildmann, Solches Gepolter in der Kirche. Studien zu Joseph von Eichendorffs Streitschrift zum Deutschkatholizismus, Berlin u. a. 2001, 26f. Vgl. zu der Ausstellung des Heiligen Rocks auch die zeitgenössische Darstellung von Johann Gustav Gildemeister/ Heinrich von Sybel, Der Heilige Rock von Trier und die anderen zwanzig Heiligen Ungenähten Röcke, Düsseldorf 1844. 83 Vgl. zu ihm die Bemerkungen Franz X. Linsenmanns: Rudolf Reinhardt (Hg.), Franz Xaver Linsenmann. Sein Leben, Sigmaringen 1987, 228–230. 84 Zu ihm Markus Thurau, Paul von Schanz (1841–1905). Zur sozial- und theologiegeschichtlichen Verortung eines katholischen Theologen im langen 19. Jahrhundert (Contubernium 80), Stuttgart 2013; vgl. auch Abraham P. Kustermann, Paul Schanz
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sammenfassung von Aberles Vorlesungsmanuskripten (soweit sie überhaupt vorhanden waren) unter dem Titel „Einleitung in das Neue Testament“ herausgab85. Man kann sich mit Recht fragen, ob nicht der enge Kontakt an der Universität mit den Kollegen aus der evangelisch-theologischen Fakultät die katholischen Exegeten beeinflusste. Jedenfalls kannten und zitierten sie trotz mancher Vorbehalte deren Auffassungen. Selbst der als erzkonservativ geltende Paul Wilhelm Keppler hat seine Untersuchung über das Johannes-Evangelium86 mit einem Lob auf Ferdinand Christian Baur und dessen „tiefere Erfassung“ und „gründlicheres Verständnis“ der Heiligen Schrift begonnen. Und auch Paul von Schanz fand zu Beginn des 20. Jahrhunderts in einer Rückschau lobende Worte für protestantische Exegeten, auch wenn er betonte, dass nach katholischer Auffassung – anders als bei den Protestanten – die Exegese „keine voraussetzungslose Wissenschaft“ sei. Sie sei vielmehr von der Lehre der Kirche abhängig, die „bleibenden Ideen“ kämen vor der Geschichte, das Dogma vor der Theologie. Eine Exegese, die diese Voraussetzungen aufgebe, werde vom jeweiligen Stand der Wissenschaft abhängig und damit, wie im 19. Jahrhundert geschehen, nacheinander von der jeweiligen Weltanschauung, vom Rationalismus, vom Historizismus, von der Religionsgeschichte und Religionsphilosophie und schließlich vom Evolutionismus. Tatsächlich sprach Schanz, der im Übrigen die Fortschritte in den Naturwissenschaften als förderlich für die Exegese darstellte, damit die grundlegende Problematik katholischer Schrifterklärung an. Was an seiner Darstellung jedoch irritiert, ist die schroffe Gegenüberstellung von kirchlicher Lehre und Wissenschaft, von bleibenden Ideen und Geschichte, von Dogma und Theologie oder, wie er anderswo schreibt, von gläubiger Exegese und radikaler Kritik.87 Ob er wohl Newman gelesen hat? Wahrscheinlich nicht, denn sonst wäre doch wohl an die Stelle des Entweder-oder das Sowohl-als-auch getreten. Aber vielleicht übte er einfach Selbstzensur, um nicht zensuriert zu werden. Auch das war (1841–1905). Ein bedeutender Theologe seiner Zeit: Glaubensrechenschaft an der Jahrhundertwende, in: Karl Matt-Müller, 600 Jahre Stiftskirche Heiligkreuz 1387–1987. Erinnerung an das Horber Kirchenjubiläum, Horb am Neckar 1989, 157–168. 85 Moritz von Aberle, Einleitung in das Neue Testament, hg. von Paul Schanz, Freiburg i. Br. 1877. 86 Paul Wilhelm Keppler, Das Johannes-Evangelium und das Ende des ersten christlichen Jahrhunderts. Akademische Antrittsrede, Rottenburg 1883. 87 Paul von Schanz, Die Grundsätze, Richtungen und Probleme der Exegese im 19. Jahrhundert, in: Biblische Zeitschrift 1 (1903) 6–31, hier bes. 7f.
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eine Strategie, der nicht wenige katholische Theologen folgten.88 Sie war um die Wende zum 20. Jahrhundert besonders bei jenen Exegeten in Übung, die wegen ihrer historisch-kritischen Methode in der Modernismuskontroverse in Bedrängnis gerieten, und das nicht nur in Tübingen. Da war auch Anton von Scholz in Würzburg89, da war Karl Holzhey90 in Freising, da waren die Jesuiten Franz von Hummelauer91 und Joseph Knabenbauer92 und zahlreiche Exegeten in Frankreich und Italien.
b) Strategie der Verdrängung Doch bevor wir darauf zu sprechen kommen, werfen wir einen Blick auf die zweite Strategie, mit der sich katholische Theologie zur modernen Welt und zum säkularen Denken stellte, nämlich die Verweigerungsstrategie, die leider auch vom kirchlichen Lehramt als dem unumstößlichen Fels der Wahrheit geteilt wurde. Dieses flüchtete angesichts der Herausforderung durch das moderne Denken und die moderne Welt in ein sicheres Haus der Dogmen. Ein solches Sekuritätsbedürfnis führte jedoch zu einer Engführung in der Theologie. Deren Stationen sind das Rundschreiben Gregors XVI. Mirari vos von 1832, der Syllabus Pius’ IX. 1867, das Unfehlbarkeitsdogma von 1870, schließlich der kirchliche Antimodernismus zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Kehren wir zu den Theologen zurück, die die Strategie der Verdrängung wählten. Zu nennen ist an erster Stelle die sogenannte „Mainzer Theologenschule“93, die ihre Entstehung dem Umstand verdankt, dass Mainz 1797 französisch geworden und ein neues linksrheinisches Bistum Mainz 88 Vgl. Weber, Kirchengeschichte (wie Anm. 36), passim. 89 Scholz war der Lehrer des „Modernisten“ Thaddäus Engert. Zu Scholz: Karl Hausberger, Scholz, in: BBKL 9 (1995) 676–679. 90 Vgl. Judith Schepers, Dokumentation der römischen Zensurverfahren gegen deutschsprachige Publikationen (1893–1922), in: Hubert Wolf/Judith Schepers (Hg.), „In wilder zügelloser Jagd nach Neuem“. 100 Jahre Modernismus und Antimodernismus in der katholischen Kirche (Römische Inquisition und Indexkongregation 12), Paderborn u. a. 2009, 525–685, hier 546–550. 91 Ebd., 550–553. Vgl. Klaus Schatz, „Modernismo“ tra i gesuiti. I casi Hummelauer e Wasmann, in: Michele Nicoletti/Otto Weiss (Hg.), Il modernismo in Italia e in Germania nel contesto europeo, Bologna 2010, 341–359; ders., Liberale und Integralisten unter den deutschen Jesuiten an der Jahrhundertwende, in: RJKG 21 (2002) 141–162, hier 142–152. 92 Vgl. Schepers, Dokumentation (wie Anm. 91), 552; Schatz, „Modernismo“ (wie Anm. 92), 341. 93 Ludwig Lenhart, Die Erste Mainzer Theologenschule des 19. Jahrhunderts (1803– 1830), Mainz 1956.
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errichtet worden war. Dessen Leitung wurde 1802 von Napoleon dem Straßburger Domprediger Joseph Ludwig Colmar94 übertragen. 1805 kam ebenfalls aus Straßburg Bruno Franz Leopold Liebermann95, der Regens des Priesterseminars. Beide waren geprägt vom konservativen Elsässer Katholizismus und der jesuitischen Scholastik, die sie nach Deutschland übertrugen. Unter ihrer Führung kam es zu einer Restauration des deutschen Katholizismus weit über Mainz hinaus.96 Der Kampf Joseph de Maistres97 für die päpstliche Infallibilität wurde – nach einigem Schwanken – zu einem zentralen Programmpunkt der Mainzer.98 All dies ging in Richtung eines politischen, restaurativen Katholizismus.99 Soweit die Mainzer sich mit den modernen Zeitströmungen befassten, geschah dies in aggressiver Defensive. Wie ging es weiter in den zwanziger und dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts? Wir erinnern an Johann Adam Möhler, an Friedrich von Schlegel, an Anton Günther. Im Gefolge der organischen Sichtweise der deutschen Spätromantik suchten diese Männer einen Weg zwischen Rationalismus und Fideismus und zwischen der überkommenen Lehre und den neuen Denksystemen. Wir haben sie unter die Reformer eingereiht. Fast mit gleichem Recht könnte man sie zu den restaurativen Antireformern rechnen. In diesem Zusammenhang ist auf Johann Adam Möhler zurückzukommen. Auf die Gefahr hin, an seinem Ruhm zu kratzen, sei auf die Ambivalenz seines Kirchenbildes hingewiesen. Denn die organologische Auffassung von Kirche als Corpus Christi mysticum konnte dahingehend verstanden werden, dass erst das Zusammenwirken aller Glieder der Kirche mit ihren jeweiligen Aufgaben die ganze Wahrheit ans Licht bringt. In dieser Sicht erscheint auch der Papst als ein Hörender.100 Für die katholischen Theologen würde 94 Zu ihm Friedhelm Jürgensmeier, Colmar, in: LThK3 3 (1994) 1259f. (Lit.). 95 Abraham P. Kustermann, Liebermann, Leopold, in: NDB 14 (1985) 485f. 96 Vgl. René Epp, Le mouvement ultramontain dans l’Eglise catholique en Alsace au XIXe siècle (1802–1870), Lille/Paris 1975. 97 Joseph de Maistre (1753–1821), geb. in Chambéry, gest. in Turin. Sein Werk „Du Pape“ (Lyon/Paris 1819) beeinflusste maßgeblich die Diskussion, die zur Definition der Dogmen vom Universalepiskopat des Papstes und von dessen Unfehlbarkeit (1870) führte. Vgl. Hermann Josef Pottmeyer, Unfehlbarkeit und Souveränität. Die päpstliche Unfehlbarkeit im System der ultramontanen Ekklesiologie des 19. Jahrhunderts (Tübinger Theologische Studien 5), Mainz 1975, 61–73. 98 Ebd., 193–200. 99 Franz Schnabel, Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Band: Die religiösen Kräfte, Freiburg i. Br. 21951, 74–97. 100 Bei der näheren Bestimmung des Dogmas der Infallibilität gilt demnach, dass der Papst
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dies bedeuten, dass auch sie sich als „Selbstdenker“ und nicht als bloße Befehlsempfänger in den theologischen Diskurs einbringen konnten. Der Organismusgedanke konnte aber auch zur Vorstellung von einer organisch gegliederten, hierarchisch aufgebauten Kirche und zur Identifizierung des Papstes mit Christus als dem Haupt des mystischen Leibes führen101, damit verbunden zur Ansicht, dass die Glaubensüberlieferung als ein Depositum fidei, als ein Schatz unveränderlicher Wahrheiten, „weder einzelnen Christgläubigen noch selbst den Theologen zur authentischen Auslegung anvertraut [ist], sondern allein dem Lehramt der Kirche“, wobei den Theologen nach den Worten Pius’ XII. in der Enzyklika Humani generis lediglich „die Aufgabe zukommt, zu zeigen, wie die von der Kirche definierte Lehre in den Quellen enthalten ist“102. Abgesehen davon, dass eine so verstandene Theologie aufhört, freie Wissenschaft zu sein, ist sie nur schwer zu einer unvoreingenommenen Begegnung mit der jeweiligen Zeit imstande. Die großen Tübinger Theologen, zumal diejenigen der zweiten Generation, aber auch Günther und seine Anhänger verstanden sich, wie gesagt, als „gemäßigt Ultramontane“. Und tatsächlich standen sie mit ihrer Theologie zwischen den alten Aufklärern und einer neuen, extrem ultramontanen integralistischen pressure group, die in Württemberg eine Art Antifakultät zu Tübingen ins Leben rief und in der Dogmatik eine Rückkehr zu Thomas von Aquin, in der Moraltheologie zur Kasuistik des Alfons von Liguori forderte.103 – auch wenn er ex sese definiert (Denzinger/Hünermann, Enchiridion Symbolorum, Nr. 3074) – immer auf die primäre Unfehlbarkeit der Kirche bezogen bleibt. Bei der päpstlichen Unfehlbarkeit handelt es sich daher primär um die Unfehlbarkeit der Kirche, also die Unfehlbarkeit des gesamten Corpus Christi mysticum. Vgl. Wolfgang Beinert, Unfehlbarkeit, in: LThK3 10 (2001) 389–392, hier 390. – Vgl. auch Paul Wess u. a., Papstamt jenseits von Hierarchie und Demokratie, Berlin u. a. 2003, hier bes. 24, Anm. 22. 101 Vgl. dazu Otto Weiss, Rechtskatholizismus in der Ersten Republik. Zur Ideenwelt der österreichischen Kulturkatholiken 1918–1934, Frankfurt am Main u. a. 2007, 71f. 102 Enzyklika Humani generis, in: AAS 42 (1950) 561–577; Textverbesserungen in: AAS 42 (1950) 960; Denzinger/Hünermann, Nr. 3875–3899. – Vgl. Klaus Unterburger, Vom Lehramt der Theologen zum Lehramt der Päpste. Pius XI. Die Apostolische Konstitution „Deus scientiarum Dominus“ und die Reform der Universitätstheologie, Freiburg i. Br. 2010. 103 Vgl. Otto Weiss, Die Redemptoristen in Bayern. Ein Beitrag zur Geschichte des Ultramontanismus, St. Ottilien 1983, 466–491, 907–929; Hubert Wolf, Im Zeichen der „Donzdorfer Fakultät“. Staatskirchenregiment – „Liberale“ Theologie – Katholische Opposition, in: Historisches Jahrbuch für den Kreis Göppingen 3 (1993) 96–116.
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Damit aber bahnte sich in der romtreuen restaurativen Theologie ein Umbruch an, der durchaus dem allgemeinen Paradigmenwechsel um die Mitte des 19. Jahrhunderts entsprach, also der Wende zum Positivismus, allerdings gerade nicht in der historischen Theologie und Exegese, wo kritische Wissenschaftlichkeit am Platz gewesen wäre, sondern ausgerechnet in der systematischen Theologie. Man sprach später nicht zu Unrecht von einer „Naturwissenschaft des Glaubens“104. Konkret hieß dies, dass an katholischen Hochschulen die Systematiker, die sich am deutschen Idealismus orientiert hatten, zurückgedrängt wurden. Erst recht wurde die Vorstellung einer intuitiven Erfassung des göttlichen Seins durch den Belgier Ubaghs suspekt und verschwand aus den Lehrplänen.105 An die Stelle von alldem rückte die Neuscholastik106, die im Unterschied zur „deutschen“ Universitätstheologie als „römische Theologie“ bezeichnet wurde. An den Neuscholastikern aber war, wie Anton Günther schrieb, die Philosophie der Gegenwart „nicht bloß seit Kant, sondern seit Leibniz […] wie ein Irrlicht aus dem Moorgrund vorbeigegangen, vor dem sie den Atem eingezogen und den Lauf der Füße eingehalten hatten“107. Entstanden wohl in Spanien, hatte die Neuscholastik sich in Italien ausgebreitet und war – gegen starke Widerstände, etwa von dem Jesuitentheologen Carlo Passaglia108 – zur Theologie der römischen Jesuiten geworden, und zwar im suarezianisch-molinistischen Gewande der frühneuzeitlichen spanischen Jesuiten, einer Theologie, die der menschlichen Ratio bei der Erkenntnis übernatürlicher Wahrheiten fast alles zutraute. Es war der deutsche Jesuit Joseph Kleutgen, der sich in diesem Erkenntnisoptimismus kaum mehr überbieten ließ.109 Nach 104 So Leonhard Fendt, Die religiösen Kräfte des katholischen Dogmas, München 1921, 218f. – Vgl. Alfred Loisy, Autour d’un petit livre, Paris 1903, 10; George Tyrrell, Il Papa e il modernismo, Rom 1912, 151. 105 Vgl. Roger Aubert, Le Pontificat de Pie IX. 1846–1878 (Histoire de l’Eglise I, 21), Paris 2 1962, 189–192; Johan Ickx, Tra Lamennais e San Tommaso d’Aquino. La condanna di Gerard Casimir Ubaghs e della dottrina dell’Università Cattolica di Lovanio, 1834–1870 (Collectanea Archivi Vaticani 56), Città del Vaticano 2005. 106 Vgl. Otto Weiss, Neuscholastik, in: RGG4 6 (2003) 246–248; ders., Modernismus und Antimodernismus (wie Anm. 37), 47–50; Detlef Peitz, Die Anfänge der Neuscholastik in Deutschland und Italien (1818–1870), Bonn 2006. 107 Anton Günther an Franz Peter Knoodt, 22. Mai 1845, zit. in: Eduard Winter, Romantismus, Restauration und Frühliberalismus im österreichischen Vormärz, Wien 1968, 226. 108 Vgl. Peter Walter, Carlo Passaglia. Auf dem Weg zur Communio-Ekklesiologie, in: Wenz/Neuner, Theologen (wie Anm. 1), 165–182, hier 171. 109 Zu ihm Peitz, Die Anfänge (wie Anm. 107), 146–198; Konrad Deufel, Kirche und Tradition. Ein Beitrag zur Geschichte der theologischen Wende im 19. Jahrhundert am
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Deutschland, vor allem nach Würzburg, Mainz und Eichstätt, kam die „römische Theologie“, die alle Rätsel der Moderne mit scholastischer Verstandesschärfe zu lösen glaubte, durch die in Rom geschulten Theologen Denzinger, Dieringer, Hettinger und Hergenroether.110 Daneben hatte auch der Neuthomismus der Dominikaner, der in theologischen Fragen dem Geheimnis und der Mystik einen weiteren Raum gab als die Jesuitentheologie, in Deutschland ihre Vertreter111, allen voran den Freiburger Privatdozenten Constantin von Schaezler. Der Schüler und einstige Freund Döllingers wusste durchaus, dass die Neuscholastik einer Erneuerung durch die Einbeziehung der Geschichtlichkeit bedurfte, doch wegen seiner Festlegung auf den traditionellen Objektivismus und seiner Fixierung auf ewig-unveränderliche, zeitlose Wahrheiten gelang ihm diese Einbeziehung nicht wirklich.112 Einen vorläufigen Sieg der Scholastik in Deutschland brachte 1870 das Erste Vatikanische Konzil, gefolgt 1879 von der Enzyklika Aeterni Patris Leos XIII. Fast die gesamte Bonner katholisch-theologische Fakultät, wo wie in Breslau Theologen aus der Günther-Schule lehrten, wurde altkatholisch113, die gemäßigten Ultramontanen in Tübingen, Kuhn an der Spitze, verstummten114. Männer, die wie Matthias Joseph Scheeben115 zu vermitteln suchten, wurden überhört oder uminterpretiert. Doch die auf Sicherheit und Verdrängung der Probleme bedachte Strategie des Lehramts, aufgipfelnd in der Quasi-Kanonisierung der neuscholastischen Philosophie und Theologie, war aufs Ganze gesehen nicht in der Lage, den Herausforderungen der Theologie durch die Moderne gerecht zu werden, auch wenn die gute Absicht des Papstes und die Bestrebungen einzelner neuscholastischer Theologen durchaus
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Beispiel des kirchlich-theologischen Kampfprogramms P. Josef Kleutgens, Paderborn 1976. Vgl. Bernhard Welte, Zum Strukturwandel der katholischen Theologie im 19. Jahrhundert, in: ders., Auf der Spur des Ewigen, Freiburg 1965, 380–409. Vgl. Weiss, Modernismus und Antimodernismus (wie Anm. 37), 47–132. Ders., Constantin Freiherr von Schaezler – neue Akzente auf Grund neuer Quellen, in: Gisela Fleckenstein u. a., Kirchengeschichte. Alte und neue Wege. Festschrift für Christoph Weber, Bd. 1, Frankfurt am Main u. a. 2008, 397–442. Vgl. Johann Friedrich von Schulte, Der Altkatholizismus. Geschichte seiner Entwicklung, inneren Gestaltung und rechtlichen Stellung in Deutschland, Gießen 1887, Nachdruck Aalen 1965. Vgl. Hubert Wolf, Ketzer oder Kirchenlehrer. Der Tübinger Theologe Johannes von Kuhn 1806–1887, Mainz 1992, 350–357. Zu ihm noch immer wichtig Karl Eschweiler, Die zwei Wege der neueren Theologie, Augsburg 1926, 131–183. Vgl. auch Wolfgang W. Müller, Von der Lebendigkeit des trinitarischen Gottes, in: Wenz/Neuner, Theologen (wie Anm. 1), 204–218.
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anzuerkennen sind. Auch führende Reformer haben von der vielgeschmähten Neuscholastik gelernt, nicht zuletzt Herman Schell, der ein Schüler Constantin von Schaezlers war.116 Erinnert sei auch daran, dass die thomanische Theologie durch die Begegnung mit modernen Entwürfen im 20. Jahrhundert eine fruchtbare Erneuerung erfuhr.117
4. Bilanz und Ausblick Verdrängungen führen zu neurotischen Krisen, die nichts anderes sind als Heilungsversuche des leibseelischen Organismus. Die Verdrängung der Moderne führte um die Wende zum 20. Jahrhundert im Organismus der Kirche zur Modernismuskrise. Katholische Theologen gaben sich nicht mehr damit zufrieden, die Vorgaben des Lehramts auch dann noch im Gehorsam hinzunehmen, wenn sie damit gegen ihr Gewissen handeln und ihre klaren wissenschaftlichen Erkenntnisse aufgeben sollten. Ihr Protest, der im Allgemeinen gar nicht als Protest, sondern als Verteidigung der kirchlichen Lehre mit Hilfe moderner Erkenntnisse und Methoden gedacht war, ging in eine zweifache Richtung. Er wandte sich zum einen gegen die „Naturwissenschaft des Glaubens“ und kann damit als Teil der neuen Romantik des Fin de Siècle und seiner Positivismuskritik verstanden werden. So bei George Tyrrell, dem großen Mystiker 116 „Überhaupt dürfte ein großer Einfluss seiner [Schaezlers] Darstellungsmethode und Schreibweise auf die Art meines Denkens, Darstellens und Schreibens leicht zu erkennen sein“ (Schell an Heinrich Kihn, 31. Juli 1883, in: Herman Schell, Briefe an einen jungen Theologen, hg. von Josef Hasenfuss, München/Paderborn/Wien 1973, XVI). – Vgl. ebd. XII, XXI. 117 Zu erinnern ist an Joseph Maréchal SJ und Antonin-Dalmace Sertillanges OP. Besonders hingewiesen sei auf die theologische Schule Le Saulchoir und deren Begründer Ambroise Gardeil OP. Dazu: Wolfgang W. Müller, Was kann an der Theologie neu sein? Der Beitrag der Dominikaner zur „nouvelle théologie“, in: ZKG 110 (1999) 86–104; ders., Dolorosi strascichi del modernismo: l’interpretazione dei dogmi di padre Ambroise Gardeil, in: Nicoletti/Weiss, Il modernismo (wie Anm. 92), 281–296. – Eine bedeutende Rolle spielte ferner das Institut Superieur de Philosophie de l’Université catholique de Louvain. – Zum Thomismus in Deutschland im 20. Jh. Lydia Bendel-Maidl, Tradition und Innovation. Zur Dialektik von historischer und systematischer Perspektive in der Theologie, am Beispiel von Transformationen in der Rezeption des Thomas von Aquin im 20. Jahrhundert, Münster 2004; vgl. auch Alois Guggenberger, Orientations métaphysiques dans l’Allemagne d’aujourd’hui, in: Revue philosophique de Louvain 51 (1963) 541–554.
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unter den Modernisten, der den römischen Glaubenshütern vorwarf, sie seien der Ansicht, „dass man die Existenz Gottes und der Übernatur so einfach beweisen kann wie die Existenz der Planeten Neptun oder Uranus“118. So bei Alfred Loisy, der betonte: „Im Unterschied zum rationalen wissenschaftlichen Erkennen ist die Erkenntnis religiöser Wahrheiten nicht eine Frucht der Ratio allein.“ Sie sei vielmehr Begegnung des offenbarenden Gottes mit dem Menschen in einer Offenbarung, die jedes rationale Erkennen übersteigt und der sich der Mensch nur in „Symbolen“, den Dogmen, annähern kann. Nie und nimmer jedoch könne er Gott und die Offenbarung sozusagen unter dem Mikroskop zerlegen.119 All dies erinnert an Hamann und Schlegel und an den Begriff der „intellektuellen Anschauung“ bei Schelling, aber auch an Schleiermacher, der um 1900 von Modernisten neu rezipiert wurde. Der Protest ging jedoch genauso in eine andere Richtung, und die hatte mit der historisch-kritischen Methode zu tun. Den sogenannten Modernisten, und besonders den Exegeten unter ihnen, war klar, dass sie im Wissenschaftsbetrieb der Universitäten nur ernst genommen werden und die Kirche nur dann erfolgreich verteidigen konnten, wenn sie dies mit denselben Methoden taten wie diejenigen, von denen diese Angriffe ausgingen. Auch hierzu ist Alfred Loisy ein sprechendes Beispiel. Gewiss, er hatte von der deutschen liberalen protestantischen Exegese gelernt, aber er benützte dieses sein Wissen dazu, um die Gegner mit ihren eigenen Waffen zu schlagen. Dies gilt besonders für seine von Rom verurteilte Schrift „L’Évangile et l’Église“ aus dem Jahre 1902, mit der Loisy, gründend auf der historisch-kritischen Methode und unter Berücksichtigung des Prinzips der Geschichtlichkeit, Adolf von Harnacks Vorwurf zurückwies, die römische Kirche sei von der Lehre Jesu abgefallen. Nicht die Rückkehr zur Urkirche sei erfordert, sondern die immer neue Interpretation der Offenbarung durch die Kirche als Antwort auf die jeweiligen Herausforderungen in ihrer Geschichte.120 Loisy und mit ihm zahlreiche katholische Exegeten taten nichts anderes, als mit Hilfe moderner Methoden und mit Blick auf die sich in der Geschichte wandelnde Tradition der Kirche den Unterschied zwischen dem theologischen Inhalt einer biblischen Aussage und ihrer Interpretation im Laufe der 118 George Tyrrell, Il papa e il modernismo [zuerst Corriere della Sera 1907], Rom 1912, 151. 119 Alfred Loisy, Autour d’un petit livre, Paris 1903, 199–208. 120 Vgl. Ciappa, Rivelazione e storia (wie Anm. 2).
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Geschichte herauszustellen. Das Lehramt hat ihnen schließlich durch die Enzyklika Pius’ XII. Divino afflante spiritu recht gegeben.121 Was der Wiener Exeget Martin Jahn bereits um 1800 gelehrt hatte, wurde 1943 als katholische Lehre dargelegt: Bei der Auslegung der Heiligen Schrift ist zu beachten, um welche literarische Gattung es sich handelt. Und noch ein weiteres Problem, das sich einem Loisy und zuvor schon einem Newman und noch früher einem Sebastian Drey gestellt hatte, das der Geschichtlichkeit und der Entwicklung von Dogmen, dürfte spätestens seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil wenigstens teilweise gelöst sein durch die Erkenntnis, dass Wahrheit, auch die uns in der Bibel begegnende Offenbarungswahrheit, nichts Statisches, sondern immer Wahrheit in Geschichte ist.122 Wir haben aufgezeigt, welchen Strategien Theologen tatsächlich folgten, um die Wahrheit der Offenbarung und die Anforderungen der Zeit in Einklang zu bringen. Zwei hauptsächliche Strategien wurden sichtbar: die der Verdrängung und die der Begegnung und des Dialogs. Dabei zeigte sich: Auf die Dauer hat sich die Strategie der Begegnung am Ende nicht nur als siegreich erwiesen, sondern auch zu einem besseren Verständnis der evangelischen Botschaft beigetragen. Denken wir nur an die Überwindung des Methodenmonismus und die Anerkennung der induktiven Methode in der Exegese und nicht nur in der Exegese. Zusammenfassend lässt sich also feststellen: Das Verständnis der evangelischen Botschaft ist auf die jeweils neue Durchdringung von Seiten der Vernunft angewiesen. Darum genügt es nicht, sich in eine Burg von unveränderlichen Dogmen einzumauern und sich einer für ewige Zeiten festgelegten objektivistischen Wesensschau hinzugeben. Der Glaube bedarf vielmehr der ständig neuen Interpretation durch die von den Erkenntnissen der Zeit befruchtete Theologie, damit er von Erstarrungen und eventuellen Fehlentwicklungen befreit wird und so die Impulse des Ursprungs für die jeweilige Gegenwart weiter entfaltet und fruchtbar werden können. Deswegen, und nicht um ständig neue Schutzmauern aufzurichten, muss Theologie immer wieder neu betrieben werden.
121 AAS 35 (1943) 297–326. Vgl. Robert Bruce Robinson, Roman Catholic Exegesis since Divino afflante spiritu, Atlanta 1988. 122 Vgl. Otto Hermann Pesch, Das Zweite Vatikanische Konzil. Vorgeschichte – Verlauf – Ergebnisse – Nachgeschichte, Würzburg 1994, 283–286.
Die Moderne vor dem Richterstuhl der Kirche
1. Das Dekret Lamentabili und die Enzyklika Pascendi a) Die Hintergründe ihres Entstehens Über hundert Jahre sind vergangen, seit die oberste römische Glaubensbehörde, das Heilige Offizium, am 4. Juli 1907 das Dekret Lamentabili veröffentlichte1, ein Schriftstück, das sich in erster Linie gegen den französischen katholischen Exegeten Alfred Loisy2 wandte. Seine Schriften wurden indiziert, er selbst wurde wenig später exkommuniziert. Warum ging die römische Behörde, die sonst durchaus um Objektivität bemüht war, derartig scharf gegen den Gelehrten vor? Der Grund war nicht nur die Lehre Loisys. Es war die Furcht einiger römischer Glaubenshüter, die in Loisy nur die Spitze des Eisberges erblickten. Hinter ihm sahen sie eine Phalanx von gefährlichen Neuerern heraufkommen. Der Jesuitentheologe und spätere Kardinal Louis Billot3 stellte fest: „Er ist das Idol und das Haupt einer Schule, deren Kühnheit von Tag zu Tag wächst […]. Sie korrumpieren den jüngeren Klerus, der schon an vielen Orten nach einem neuen Zustand lechzt, wo alles, in welcher Reihenfolge auch immer verändert werden soll.“4 1
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ASS 40 (1907) 470–478; Enchiridion Biblicum. Documenta ecclesiastica Sacram Scripturam spectantia, auctoritate Pontificiae Commissionis de re biblica edita, Roma 41961, 83–89; Heinrich Denzinger/Peter Hünermann (Hg.), Enchiridion Symbolorum, Freiburg u. a. 1991, 932–939. Eine zeitgenössische Übersetzung mit Kommentar in: Albert Meyenberg, Ist die Bibel inspiriert? Orientierende Wanderungen durch die Gebiete der modernen Bibelfragen, Luzern 21907, 126–144. Zu ihm zuletzt François Laplanche/Ilaria Biagioli/Claude Langlois (Hg.), Alfred Loisy cent ans après. Autour d’un petit livre. Actes du colloque international, tenu à Paris, les 23–24 mai 2003, Turnhout 2007; vgl. auch Otto Weiss, Alfred Firmin Loisy (1857– 1940), in: Theologische Revue 103 (2007) 18–28; Claus Arnold, Kleine Geschichte des Modernismus, Freiburg i. Br. 2007, 52–68. Vgl. Peter Walter, in: LThK3 2 (1994) 460. Zit. n. Claus Arnold, „Lamentabili sane exitu“ (1907). Das römische Lehramt und die Exegese Alfred Loisys, in: Zeitschrift für Neuere Theologiegeschichte 11 (2004) 24–51, 31f.;
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Dem Dekret Lamentabili folgte zwei Monate später, am 8. September 1907, ein weiteres römisches Dokument, das das Dekret der Glaubensbehörde bei Weitem überbot: das Rundschreiben Papst Pius’ X. über die Lehren der Modernisten Pascendi Dominici gregis5. Nicht nur, dass die Verurteilungen schärfer und die angedrohten Strafen drastischer waren, auch der Kreis derer, die angesprochen wurden, hatte sich gegenüber Lamentabili erheblich ausgedehnt. Im Visier der Glaubenswächter standen nicht mehr nur einige katholische Exegeten, die die induktive historisch-kritische Methode anwandten, der Kreis der Neuerer oder „Modernisten“, wie sie jetzt genannt wurden, hatte sich, ganz im Sinne der Horrorvision Billots, erheblich ausgedehnt und erstreckte sich von neuerungssüchtigen katholischen Philosophen über Exegeten und Historiker sowie Männer, die praktische Reformen in der Kirche forderten – sei es die Volkssprache in der Liturgie, sei es eine zeitgemäße Ausbildung der Kleriker –, bis zu all denen, welche die hergebrachte hierarchische Ordnung in Frage stellten und ein Mitspracherecht des niederen Klerus und der Laien forderten. Wie neueste Forschungen Claus Arnolds in römischen Archiven gezeigt haben, hatte diese neue Frontstellung, die das bisherige Vorgehen des Heiligen Offiziums bei Weitem überbot, sehr konkrete Gründe. Sie ist Ausdruck des Sieges einer einflussreichen integralistischen pressure group, die, angeführt von Männern wie dem Dominikanerpater Albert Maria Weiß6, an den römischen Behörden – auch am Heiligen Offizium – vorbei sich mit ihren Forderungen direkt an Papst Pius X. gewandt hatte. Ihnen ging es nicht nur um irgendwelche theologische Sondermeinungen gelehrter Exegeten. Zu den theologischen Irrtümern hatte es ihrer Meinung nach nur kommen können, weil sich überall in der Kirche eine gefährliche Neuerungssucht ausgebreitet
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vgl. ders., Die Römische Indexkongregation und Alfred Loisy am Anfang der Modernismuskrise (1893–1903). Mit besonderer Berücksichtigung von P. Thomas Esser O. P. und einem Gutachten von P. Louis Billot S. J., in: Römische Quartalschrift 96 (2001) 290–332. ASS 40 (1907) 596–628; Denzinger/Hünermann, Enchiridion (wie Anm. 1), 961– 964; Rundschreiben unseres Heiligen Vaters Pius X., durch göttliche Vorsehung Papst, über die Lehre der Modernisten (autorisierte Ausgabe der Enzyklika „Pascendi“, lateinisch und deutsch), Freiburg i. Br. 1907. – Jetzt auch Claus Arnold/Giacomo Losito (Hg.), „Lamentabile sane exitu“ (1907). Les Documents préparatoires du Saint Office (Fontes Archivi Sancti Officii Romani 6), Città del Vaticano 2011. Vgl. Otto Weiss, Modernismus und Antimodernismus im Dominikanerorden. Zugleich ein Beitrag zum „Sodalitium Pianum“ (Quellen und Studien zur neueren Theologiegeschichte 2), Regensburg 1998, 133–203.
Das Dekret Lamentabili und die Enzyklika Pascendi
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hatte, die dabei war, die Grundfesten der Kirche zu erschüttern. Diese Neuerungssucht musste in der Wurzel ausgerottet werden. Entscheidend wurde, dass Pius X. voll auf die Anregungen dieser Gruppe einging. In einer eigenhändigen Bemerkung zu der Aufforderung des Pater Weiß und seiner Gesinnungsgenossen beschwor er 1907 in erregten Worten die Gefahr, die von falschen Lehrern ausgehe, welche die Finsternis für Licht ausgeben. Die Zeit zum Handeln, so Pius X., sei gekommen. Damit gab der Papst höchstpersönlich den Startschuss zur Abfassung der Enzyklika Pascendi gegen die sogenannten Modernisten, eines Dokuments, das mit seinen Verurteilungen jede Reform in der Kirche im Keim erstickte7 oder – wie ein Betroffener, der deutsche Pfarrer Otto Rudolphi8, ein Freund des Reformbischofs von Cremona, Geremia Bonomelli9, formulierte – die Kirche schützen sollte, ihr aber in Wahrheit eine tödliche Wunde beifügte10.
b) Die angeblichen Irrlehren der Modernisten nach der Enzyklika Pascendi Bevor wir uns den einzelnen Aussagen der Enzyklika Pascendi zuwenden, ein Wort zu deren Verfasser. Nach den Forschungen von Claus Arnold steht mittlerweile fest, dass Pater Joseph Lémius11 aus dem Oblatenorden zur Abfassung des Rundschreibens beauftragt worden war, eine Aufgabe, die für diesen, wie Arnold ebenfalls zeigen konnte, persönlich mehr Nachteile als Vorteile brachte. Die Mitverfasserschaft des Kapuzinerkardinals Josiep Calassanç Vives y Tutó12, der ebenfalls in der Literatur genannt wird, erscheint nach den neuesten Erkenntnissen eher marginal. Nicht unwichtig ist die Feststellung 7
Otto Weiss, Der Modernismus in Deutschland. Eine Bestandsaufnahme, in: Laurentianum 46 (2005) 27–65, hier 40–49; Claus Arnold, Absage an die Moderne. Pius X. und die Entstehung der Enzyklika Pascendi 1907, in: Theologie und Philosophie 80 (2005) 205–224; ders., Kleine Geschichte (wie Anm. 2), 106–119. 8 Vgl. Otto Weiss, Der Modernismus in Deutschland. Ein Beitrag zur Theologiegeschichte, Regensburg 1995, 209–225. 9 Vgl. Geremia Bonomelli e il suo tempo. Atti del convegno storico tenuto dal 16 al 19 ottobre 1996, Brescia 1999. 10 R [= Otto Rudolphi], Kirchenpolitische Briefe VIII. Die Politik Pius’ X. (1906–1910), in: NJ 2 (1910) 604. 11 Joseph Lémius war Generalprokurator seines Ordens und Konsultor der Studienkongregation. Vgl. Herman H. Schwedt, in: Hubert Wolf (Hg.), Prosopographie von Römischer Inquisition und Indexkongregation 1814–1917, L–Z (Römische Inquisition und Indexkongregation, Grundlagenforschung III), Paderborn u. a. 2005, 858f. 12 Vgl. Frederic Raurell, L’Antimodernisme i el Cardenal Vives i Tutó (Edicions de la Facultat de Teologia de Catalunya), Barcelona 2000.
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Arnolds, dass Lémius auf bereits von ihm ausgearbeitete Arbeiten zu Loisy zurückgreifen konnte.13 Das bedeutet aber auch, dass die Enzyklika Pascendi genauso wie das Dekret Lamentabili vor allem Loisy im Auge hatte, dessen angebliche Irrlehren nun allen Modernisten zugeschrieben wurden. Mit Recht hat daher bereits einer der Betroffenen geäußert: „Mit der Keule, die auf Blondel14 und Loisy passt, wird ebenso Schell wie Fogazzaro, ebenso Ehrhard15 wie Müller, ebenso Günter wie Schrörs16 erschlagen.“17 Das Wort „Modernismus“ war so, wie der katholische Theologe Heinrich Fries äußerte, zum „Killerwort“ geworden18, das jeden Kritiker, jeden Neuerer, jeden Reformer treffen konnte. Dazu kam ein Kunstgriff des Verfassers der Enzyklika, der sehr wohl gespürt haben mag, dass viele der von ihm angeführten Einzelforderungen der Neuerer für sich genommen weder glaubenswidrig noch glaubenszerstörend waren. Lémius machte jedoch hinter alldem ein verborgenes System aus. Damit gelang es ihm – entsprechend den Auffassungen eines Albert Maria Weiß –, alle Neuerungen in den Griff zu bekommen, ganz gleich, ob es sich um die Anwendung neuer wissenschaftlicher Methoden, um die Forderung nach der Reform des kirchlichen Lebens, um größere Selbstständigkeit der nationalen Kirchen, um eine gewisse Demokratisierung oder um die Zurückweisung der Alleingültigkeit der Scholastik handelte. Ja, er brachte zum Ausdruck, dass diejenigen, die auch nur eine der genannten Neuerungen öffentlich vertreten, ipso facto das ganze System des 13 Arnold, Kleine Geschichte (wie Anm. 2), 116f. 14 Maurice Blondel (1861–1949); vgl. Peter Henrici, in: LThK3 2 (1994) 528f. (Lit.); René Virgoulay, Blondel et le modernisme. La philosophie de l’action et les sciences religieuses (1896–1913), Paris 1980; vgl. auch Maurice Blondel, Geschichte und Dogma, hg. und eingeleitet von Albert Raffelt, übersetzt und kommentiert von Hansjürgen Verweyen, Regensburg 2011. 15 Albert Ehrhard (1862–1940); vgl. Weiss, Der Modernismus in Deutschland (wie Anm. 8), 170–180; Anton Landersdorfer, Ehrhard, in: RGG4 2 (1999) 1114f. (Lit.); Gregor Klapczynski, Katholischer Historismus? Zum historischen Denken in der deutschsprachigen Kirchengeschichte um 1900. Heinrich Schrörs – Albert Ehrhard – Joseph Schnitzer, Stuttgart 1913, 143–269. 16 Gemeint ist der Kirchenhistoriker Heinrich Schrörs (1852–1928). Zu ihm Herman H. Schwedt, in: Karl Schein (Hg.), Christen zwischen Niederrhein und Eifel. Lebensbilder aus zwei Jahrhunderten, Bd. III, Aachen 1993, 31–52; Klapczynski, Katholischer Historismus? (wie Anm. 15), 51–141. 17 Otto Sickenberger, Kritische Gedanken zur neuesten Enzyklika „Pascendi dominici gregis“, in: NJ 8 (1908) 8–10, 16–18, 31–34, hier 34. 18 Heinrich Fries, Vorwort zu Weiss, Der Modernismus in Deutschland (wie Anm. 8), VI.
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häretischen „Modernismus“ bejahen. Denn der Modernismus sei das „Sammelbecken aller Häresien19, die es je gegeben hat“. Worin bestand nun nach der Enzyklika das angebliche System der „Modernisten“? Zwei Grundpfeiler werden genannt: der Agnostizismus und das Prinzip der Immanenz, dazu als „Quintessenz der modernistischen Lehre“ der Entwicklungsgedanke. Nach Ansicht der „Modernisten“, so die Enzyklika, unterlägen der religiöse Kult, die Kirche und ihre Dogmen, ja der Glaube selbst, den Gesetzen einer immanenten vitalen Entwicklung. Glaubensschwierigkeiten, Widersprüche, Glaubensgegner hätten zur Ausformung der Dogmen geführt, die Anpassung an die Sitten der Völker zur Entfaltung und Veränderung des Kults.20 Diesen Irrlehren ist nach der Enzyklika jeder Modernist in seinen verschiedenen Rollen als Philosoph, Gläubiger, Theologe, Historiker, Kritiker, Apologet und Reformator21 verfallen, auch wenn er nie das ganze System zum Ausdruck bringt, sondern geschickt jeweils verschiedene Teilaspekte desselben in die Theologie einzuschleusen versucht. Versuchen wir diese Vorwürfe ernst zu nehmen und ihnen nachzugehen. Denn sosehr das modernistische System eine Konstruktion darstellt, so sind doch die einzelnen von der Enzyklika genannten schlagwortartigen Begriffe – Immanentismus, Agnostizismus, Evolutionismus – nicht völlig aus der Luft gegriffen. Sie können in Verbindung gebracht werden mit „modernen“ Verstehenshorizonten und Deutungsversuchen von Welt und Leben, auch von Religion und Glaube, wie sie um die Wende zum 20. Jahrhundert außerhalb und innerhalb der Kirchen diskutiert wurden. Die Frage ist nur, wie weit Loisy und alle mit ihm als „Modernisten“ Verdächtigte sich diese zu eigen machten, und ferner, falls sie dies taten, ob es sich dabei um ein glaubenswidriges Denken und Tun handelte oder nicht eher darum, aufzuzeigen, dass Religion und Kirche auch für den modernen Menschen bedeutsam sind, wenn nur die Form, in der die offenbarte Wahrheit verkündet wird, noch zeitgemäß ist. Ich werde daher zunächst wenigstens andeutungsweise die Diskussionen der Jahrhundertwende darlegen und anschließend zeigen, wie weit die sogenannten Modernisten diese im Nachdenken über Religion, Glaube und Kirche aufgriffen.
19 „omnium haeresium conlectus“ (Rundschreiben [wie Anm. 5], 82). 20 Ebd., 9–83. 21 Ebd., 7f.
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2. Die Wendezeit um 1900: Fortschrittsglaube und neue Innerlichkeit Zunächst ist festzustellen: Die Wende zum 20. Jahrhundert war eine Wendezeit, eine „Sattelzeit“22, in der überkommene Sichtweisen und Verstehenshorizonte, angeblich unverrückbare Wahrheiten, Richtlinien, Dogmen, Strukturen mit neuen Paradigmen in Konflikt gerieten.23 Wendezeiten haben ein doppeltes Gesicht: Mit dem einen blicken sie zurück in die Vergangenheit, deren Errungenschaften sie zu wahren suchen, mit dem anderen in die Zukunft. Dies gilt auch für die Wende zum 20. Jahrhundert. Eines vor allem schien den Menschen der Jahrhundertwende im Gefolge der Aufklärung erhaltenswert: der Glaube an den Fortschritt und an die Wissenschaft. Die führende Gesellschaftsschicht des 19. Jahrhunderts, konkret das liberale Bürgertum, glaubte an eine fortschreitende historische Entwicklung, an einen Geschichtsprozess, an eine Teleologie in der Menschheitsgeschichte und im menschlichen Bewusstsein.24 Die Menschheitsgeschichte erschien als ein Weg aus der Bewusstlosigkeit zu immer hellerem Bewusstsein, aus Unterwürfigkeit und Dogmenglaube zum Selbstdenkertum und zur Selbstbestimmung, aus selbstverschuldeter Unmündigkeit zur Freiheit der Person. Als weithin sichtbare Leuchtfeuer dieses Weges leuchteten die großen Revolutionen auf25, im Hintergrund aber erschien, wie nicht wenige 22 Den Begriff „Sattelzeit“ hat Reinhart Koselleck für die Zeit der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert geprägt. Tatsächlich lassen sich jedoch für die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, die crise du fin de siècle, ähnliche gesellschaftliche, kulturelle, wirtschaftliche und politische krisenhafte Umbrüche aufweisen, die sich auch, etwa in der Lebensreformbewegung und der Jugendbewegung, in einer neuen Begrifflichkeit manifestierten. – Vgl. Reinhart Koselleck, Vergangene Zukunft. Zur Semantik geschichtlicher Zeiten, Hamburg 52003. 23 Vgl. Ute Frevert (Hg.), Das neue Jahrhundert. Europäische Zeitdiagnosen und Zukunftsentwürfe um 1900 (Geschichte und Gesellschaft, Sonderheft 18), Göttingen 2000; Michael Graetz/Aram Marrioli (Hg.), Krisenwahrnehmungen im Fin de siècle. Jüdische und katholische Bildungseliten in Deutschland und der Schweiz, Zürich 1997; Otto Weiss, Tendenzen im deutschen Kulturkatholizismus um 1900, in: ders., Kulturen, Mentalitäten, Mythen. Zur Theologie- und Kulturgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, Paderborn u. a. 2004, 439–476, hier 441–451. 24 Vgl. Dieter Langewiesche (Hg.), Liberalismus im 19. Jahrhundert (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 79), Göttingen 1988; Werner Conze/Jürgen Kocka/Reinhart Koselleck/M. Rainer Lepsius (Hg.), Bildungsbürgertum im 19. Jahrhundert, 4 Bde. (Industrielle Welt 38, 41, 48, 50), Stuttgart 1985–1990. 25 Vgl. Hans Maier, Revolution und Kirche. Zur Frühgeschichte der christlichen Demokratie, Freiburg i. Br. 51988.
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Denker um die Jahrhundertwende – ich denke an Ernst Troeltsch26 – zum Ausdruck brachten, der Aufbruch zum Humanum, zum denkenden Subjekt, zur Person in ihrer Selbstbestimmung, zum Gewissen als letzter Norm27, ein Aufbruch, der sich in Humanismus und Renaissance und zuvor schon bei den Reformatoren Hus, Wyclif und Luther artikulierte und schließlich in die große europäische Aufklärung des 18. Jahrhunderts, aufgipfelnd in Männern wie Kant, einmündete. Der Liberalismus des 19. Jahrhunderts trug diese Ideen weiter. Am Ende des 19. Jahrhunderts stand dann die Entwicklung des ökonomischen Sektors im Gefolge von Industrialisierung, Technisierung und Verstädterung im Vordergrund. Sie wurde von den Modernisierern um die Jahrhundertwende als Fortschritt und zukunftsweisende Errungenschaft gefeiert, die die Säkularisierung und Entzauberung der Welt vorantrieb.28 Verständlich, dass die Geschichtswissenschaft, die die geschichtlichen Prozesse nachzeichnete, im 19. Jahrhundert zur Leitwissenschaft wurde, die angeblich alle „Welträtsel“ löst.29 Und noch etwas ist zu erwähnen, wenn wir an den Entwicklungsgedanken erinnern: Darwin trat auf, und seine Anhänger gaben noch eins drauf. Der Gedanke der Entwicklung, basierend auf den Prinzipien der Anpassung und der natürlichen Auslese, wurde zur nicht mehr hinterfragbaren Erklärung fast aller Fragen, nicht nur der Naturwissenschaft.30 Doch der Fortschrittsoptimismus war nur die eine Seite der Wendezeit um 1900. In ihm manifestierte sich der Blick zurück auf das Erbe, das es um jeden Preis zu erhalten und weiterzuentwickeln galt. Gleichzeitig aber traten kulturkritische Propheten auf, angeführt von Nietzsche als der Symbolgestalt einer neuen Kultur.31 Die alte Zeit, die sogenannte Gründerzeit, war 26 Vgl. Ernst Troeltsch, Aufsätze zur Geistesgeschichte und Religionssoziologie (Gesammelte Schriften 4), hg. von Hans Baron, Tübingen 1925. 27 Vgl. Heinrich Lutz, Politik, Kultur und Religion im Werdeprozess der frühen Neuzeit. Aufsätze und Vorträge, Klagenfurt 1982. 28 Vgl. Hartmut Berghoff, „Dem Ziele der Menschheit entgegen“. Die Verheißungen der Technik an der Wende zum 20. Jahrhundert, in: Frevert (Hg.), Das neue Jahrhundert (wie Anm. 23), 47–78. 29 Zu den Auswirkungen auf die Theologie vgl. Friedrich Wilhelm Graf, Historismus, in: RGG4 3 (2000) 1795f. 30 Vgl. Jürgen Hübner, Darwinismus. III. Systematisch-theologisch, in: RGG4 2 (1999) 586 (Lit.). 31 Vgl. Wilhelm Boelsche, Das Geheimnis Friedrich Nietzsches, in: Neue Deutsche Rundschau 5 (1894) 1026–1033; Bruno Hillebrand, Nietzsche und die deutsche Literatur, Bd. I, Tübingen 1978, 68; Steven E. Aschheim, Nietzsche und die Deutschen. Karriere eines Kults, Stuttgart 1996; Domenico M. Fazio, Il caso Nietzsche. La cultura italia-
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vorüber. In Deutschland trat Bismarck ab. Wilhelm II. kam, der bei allem Festhalten an einem autoritären Amtsverständnis seinen Zeitgenossen als „moderner Mensch“ erschien.32 Man sprach von der crise du fin de siècle.33 Verwissenschaftlichung, Profitgier, Materialismus und die damit verbundene Vermassung in der Gesellschaft wurden in Frage gestellt. Der Fortschrittskultur und positivistischen Wissenschaftsgläubigkeit des späten 19. Jahrhunderts stellte sich, sekundiert von der sogenannten Lebensreformbewegung, eine neue ästhetische Kultur entgegen.34 In der Literatur folgte dem Realismus die neuromantische Epoche des „Dämmerlichts“, des crepuscolo35, der décadence, symptomatisch etwa in der sogenannten Wiener Moderne.36 Ähnliches gilt für die Kunst, die mit der sterilen akademischen Malerei Schluss machte. Impressionismus, Jugendstil, Expressionismus, Futurismus waren jedoch mehr als neue Stilrichtungen. Hinter ihnen verbarg sich eine Abkehr von rationalistischen Welterklärungen, ein neues Verständnis von Welt und Leben, von Staat und Gesellschaft. Ich erinnere an den Kreis um Hermann Bahr in Wien37, an Max Brod und seinen Prager Kreis38, an die
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na di fronte a Nietzsche 1872–1948, Milano 1988, 13–79; Gaia Michelini, Nietzsche nell’Italia di D’Annunzio, Palermo 1978. In diesem Zusammenhang sei auf die Beurteilung Wilhelms II. in Italien hingewiesen. Er interessiere sich für Technik und Naturwissenschaft, zugleich sei sein Denken fantastisch, enthusiastisch und mystisch. Vgl. L’Imperatore di Germania, in: Il Secolo, 24./25. 11. 1899; L’Imperatore tedesco e la Cina, in: Corriere della Sera, 18./19. 7. 1900. Vgl. Carl E. Schorske, Wien. Geist und Gesellschaft im Fin de Siècle, München 1994. Vgl. Christa Bürger, Naturalismus, Ästhetizismus, Frankfurt am Main 1979; Richard Faber, Männerrunde mit Gräfin. Die „Kosmiker“ Derleth, George, Klages, Schuler, Wolfskehl und Franziska von Reventlow. Mit einem Nachdruck des „Schwabinger Beobachters“, Frankfurt am Main 1994; ders., Genii locorum. Schwabings neureligiöse „Kosmiker“ zwischen Wilhelminismus und Faschismus, in: Moritz Bassler/Hildegard Chattelier (Hg.), Mystique, mysticisme et modernité en Allemagne autour de 1900 / Mystik, Mystizismus und Moderne in Deutschland um 1900, Strasbourg 1998, 149–164. Vgl. Carlo Salinari, Mito e coscienza del decadentismo italiano, Mailand 91973; Paolo Alatri, D’Annunzio. Mito e realtà, Neapel 1988, 15–22; Michelini, Nietzsche nell’Italia (wie Anm. 31), 47–152. Vgl. Gotthart Wunberg unter Mitarbeit von Johannes J. Braakenburg (Hg.), Die Wiener Moderne. Literatur, Kunst und Musik zwischen 1890 und 1910 (Reclam Universal-Bibliothek 7742), Stuttgart 1981; Wolfdietrich Rasch, Die literarische Décadence um 1900, München 1986; Dieter Kafitz, Décadence in Deutschland. Beiträge zur Erforschung der Romanliteratur um die Jahrhundertwende, Frankfurt am Main 1987. Vgl. Reinhard Farkas, Hermann Bahr, Prophet der Moderne. Tagebücher 1885–1914, Wien 1987. Vgl. Bernd W. Wessling, Max Brod. Ein Porträt, Stuttgart u. a. 1969; Neuausgabe: Max Brod. Ein Porträt zum 100. Geburtstag, Gerlingen 1984.
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italienischen Zeitschriften „Il Marzocco“, „Il Regno“, „La Voce“39, an Filippo Tommaso Marinetti und das „Futuristische Manifest“, an die Zeitschrift „Lacerba“ mit Giovanni Papini und Ardengo Soffici40 und an alle um die neuen Zeitschriften gescharten jungen Literaten, Vertreter einer neuen antipositivistischen Kultur, Philosophie und Literatur, ich erinnere schließlich an Stefan George und seine Anhängerschaft41. Der Positivismus als Weltdeutung und der Glaube an die Naturwissenschaft begannen zu konkurrieren mit der Sehnsucht nach „unmittelbarem Lebensgefühl“, nach „innerlicher Vertiefung“ und Neuverzauberung.42 So stellte denn Dilthey in seiner Philosophie den Begriff des „Erlebnisses“ in die Mitte.43 Das „Leben“, so Dilthey, kommt vor dem Bewusstsein. Deshalb ist für ihn – und nicht nur für ihn – insbesondere das künstlerische Erfassen nicht eine quantitative, naturwissenschaftliche Zergliederung eines Gegenstandes, sondern Erkenntnis durch Innewerden und Einswerden vor aller rationalen Objektivierung. Hingeweisen sei ferner auf die Wandervogel- und Freikörperbewegung, auf die Apostel des Vegetarismus und der natürlichen Ernährungsweise, schließlich auf die Anthroposophie Rudolf Steiners und auf zahlreiche andere „Ersatzreligionen“ mit ihren Kulten und Riten.44 Ein Kristallisationspunkt all dieser Heilslehren war zweifellos der Eugen-Diede39 Vgl. Rosario Contarino, Il primo „Marzocco“ (1896–1900), Bologna 1982; Giuseppe Marchetti, „La Voce“, Ambiente – Opere – Protagonisti, Firenze 1986; Arturo Mazzarella, Percorsi della „Voce“, Napoli 1990; Daniela Coli, Croce, Laterza e la cultura europea, Bologna 1983; Giuseppe Prezzolini, Il tempo della Voce, Milano 1960. 40 Vgl. Giovanni Papini, L’esperienza futurista. Introduzione di Luigi Baldacci, Firenze 1981; Alberto Viviani, Giubbe rosse. Il caffè fiorentino dei futuristi negli anni incendiari 1913–1915, hg. von Paolo Perrone Burali d’Arezzo, Firenze 1983; Giuseppe Prezzolini/Ardengo Soffici, Carteggio I: 1907–1918, hg. von Mario Richter, Roma 1977; Hansgeorg Schmidt-Bergmann, Futurismus – Geschichte, Ästhetik, Dokumente, Reinbek bei Hamburg 1993. 41 Vgl. Stefan Breuer, Ästhetischer Fundamentalismus. Stefan George und der deutsche Antimodernismus, Darmstadt 1996; Günther Heintz, Stefan George. Studien zu seiner künstlerischen Wirkung, München 1986. 42 Lulu von Strauss und Torney-Diederichs (Hg.), Eugen Diederichs. Leben und Werk. Ausgewählte Briefe und Aufzeichnungen, Jena 1936, 52. – Zu Diederichs Justus H. Ulbricht/Meike G. Werner (Hg.), Romantik, Revolution, Reform, Göttingen 1999; Gangolf Hübinger (Hg.), Versammlungsort moderner Geister. Der Eugen Diederichs Verlag. Aufbruch ins Jahrhundert der Extreme, München 1996. 43 Vgl. u. a. Wilhelm Dilthey, Das Erlebnis und die Dichtung, 1905; ders. [über das Problem der Religion 1911], in: Ges. Werke IV, 1914ff., 288–301. 44 Dazu Albert M. Weiss, Die religiöse Gefahr, Freiburg 1904, 111–185, bes. 139–144, 423–433; ders., Lebens- und Gewissensfragen der Gegenwart, 2 Bde., Freiburg i. Br. 1911, I, 325; II, 323ff., 401–403.
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richs-Verlag in Jena, der sich als „Versammlungsort moderner Geister“ verstand und eine neue „künstlerische Kultur“ gegen die hochgradig spezialisierte „Verstandeskultur“, gegen Intellektualismus und Großstadtzivilisation stellte, aber nicht als Rückkehr zur Tradition, sondern in der Blickrichtung nach vorne, und in einem kaum zu überbietenden Sendungsbewusstsein „die Sehnsucht der Seele nach etwas, das dem Leben Sinn und Inhalt gibt“, zu stillen und „innerliche Vertiefung“ durch Lebensreform, Rückkehr zur Mystik und durch eine moderne überkonfessionelle und interreligiöse Religiosität zu vermitteln suchte.45
3. Die Kirchenkrise nach 1900 Ich kehre zu den Modernisten und ihrem angeblichen System zurück. Drei Grundirrtümer in Bezug auf Religion und Glaube hat die Enzyklika Pascendi den „Modernisten“ vorgeworfen: Evolutionismus, Agnostizismus und Einschränkung der Erkenntnis auf die Immanenz. Tatsächlich hat sie damit die real existierenden Diskurse der Wendezeit um 1900 angesprochen. Die Frage ist jedoch, ob die sogenannten Modernisten, mit anderen Worten das angebliche Heer neuerungssüchtiger Theologen, diese Diskurse zu den ihrigen machten und mit ihrer Hilfe Religion, Glaube und Kirche zu deuten versuchten. Und wenn ja, erhebt sich die weitere Frage, ob die Anwendung solcher neuer Perspektiven glaubenswidrig war oder ob sie vielleicht ganz im Gegenteil glaubensstützend wirkte.
a) Der Entwicklungsgedanke Ich beginne mit der „Quintessenz“ der modernistischen Lehre, mit dem Entwicklungsgedanken. Es besteht kein Zweifel, dass die sogenannten Modernisten, um im Jargon der Enzyklika zu bleiben, in vielfacher Weise vom Entwicklungsgedanken infiziert waren und gegen den Geist der Unbeweglichkeit und Erstarrung Sturm liefen. Zwei zentrale Aspekte möchte ich herausgreifen. Zum einen die Überzeugung der sogenannten Neuerer, dass Glaube, Kirche und Dogma nicht außerhalb der Geschichte stehen, sondern wie alles in der 45 Friedrich Wilhelm Graf, Das Laboratorium der religiösen Moderne. Zur „Verlagsreligion“ des Eugen Diederichs Verlag, in: Hübinger (Hg.), Versammlungsort (wie Anm. 42), 243–298.
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Welt in ihrer äußeren Form Veränderungen unterworfen sind und dass das Verständnis der Heiligen Schrift – unbeschadet des offenbarten Glaubensinhalts – sich im Laufe der Geschichte entwickelt hat. Zum andern die Hinwendung vieler Modernisten zum Fortschrittsgedanken, mit anderen Worten zur Bejahung der anthropologischen Wende seit dem Beginn der Neuzeit, zur denkenden und selbständig handelnden, nur ihrem Gewissen verpflichteten Person mit all den daraus resultierenden praktischen Folgen: der Demokratisierung der Gesellschaft, die auch auf kirchliche Strukturen angewandt wird, der Forderung nach Gedankenfreiheit und Mitbestimmung der Laien und – im Bereich der Theologie – dem Primat der wissenschaftlichen Forschung, die nicht von fachfremden dogmatischen Vorgaben abhängig gemacht werden darf.
Das Ernstnehmen der Geschichte: Anruf der Zeit – Antwort aus den Ursprüngen Was den ersten Aspekt betrifft, die grundsätzliche Bejahung des Entwicklungsgedankens und damit verbunden des historischen Denkens mit all seinen Implikationen, dürfte es sich dabei tatsächlich um das zentrale Problem vieler Modernisten gehandelt haben, das im Grunde bis heute nicht gelöst ist.46 Diese Theologen haben die Geschichte ernst genommen im Unterschied zu manchen Vertretern des kirchlichen Lehramtes, die der Ansicht waren, man könne Christentum und Kirche so betrachten, als gäbe es für sie keine Entwicklung, da es sich ja um übernatürliche Gegebenheiten handelt, die nichts mit der Welt zu tun haben. Immerhin hatten manche Theologen schon früher sich um eine Lösung des Problems bemüht. Dieses schien ihnen dadurch behoben, dass sie in der Entwicklung eines Dogmas nur die explizite Ausfaltung dessen sahen, was immer schon da war, eine Entfaltung aus innerer Notwendigkeit. Es war John Henry Newman47, der bereits 1845 in seinem „Essay on the Development of Christian Doctrine“ zu erkennen gab, dass die 46 Vgl. Peter Neuner, Il problema della storia dei dogmi a cent’anni dall’enciclica sul modernismo, in: Michele Nicoletti/Otto Weiss (Hg.), Il modernismo in Italia e in Germania nel contesto europeo (Annali dell’Istituto storico italo-germanico in Trento. Quaderni 79), Bologna 2010, 297–321. 47 Vgl. Heinrich Fries, „Aus Schatten und Bildern zur Wahrheit“. Der schwierige Weg des John Henry Newman, in: Hermann Häring/Karl Josef Kuschel (Hg.), Gegenentwürfe. 24 Lebensläufe für eine andere Theologie, München/Zürich 1988, 225–242; Günther Biemer, Die Wahrheit wird stärker sein. Das Leben Kardinal Newmans, Frankfurt am Main u. a. 2000; ders., John Henry Newman (1801–1890), Heiligkeit und Wachstum,
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biologischen und logischen Entwicklungsmodelle nicht ausreichten, um dem gerecht zu werden, was Entwicklung im Glauben und im Dogma besagt. Sein dem geschichtlichen Denken verpflichtetes Modell nahm den Ursprung aus der Offenbarung genauso ernst wie den jeweils neuen Anruf der Geschichte. Entwicklung war für ihn identisch mit einer immer neuen Antwort auf neue Anforderungen aus dem Impuls des Ursprungs.48 Loisy wird sich später ausdrücklich auf Newman berufen. Zwar findet sich bei ihm auch das biologische Modell, wenn er sagt, das Evangelium sei „virtuellement“ die Kirche, diese sei implizit enthalten „dans le germe“. Er geht jedoch bei der Zurückweisung eines historistischen Determinismus über das biologische Modell hinaus. Hinter der Öffnung der Kirche für die verschiedenen historischen „Phänomene“ sieht er einen vitalen Impuls am Werk, der seine Kraft aus ihrem übernatürlichen Ursprung hat.49 Auch der englisch-irische Mystiker und Modernist Tyrrell wird in den immer neuen Antworten aus dem Evangelium heraus das Spezifikum des Modernismus sehen, das er dem starren kirchlichen Mediävalismus entgegenstellt50, und es ist bezeichnend, dass auch italienische Modernisten in ihrem Kampf gegen den von Antonio Fogazzaro51 gegeißelten Geist der Unbeweglichkeit52 immer wieder die Bezogenheit der beiden Pole hervorhoben: Anruf der Gegenwart und Antwort aus den Ursprüngen des Evangeliums gehörten für sie untrennbar zusammen. Eine spezielle Frage, die sich in diesem Zusammenhang aufdrängt, ist die nach dem Einfluss Darwins oder des Darwinismus auf katholische Denker. Es erscheint mehr als unwahrscheinlich, dass alle Theologen die Auffassung
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in: Peter Neuner/Gunther Wenz, Theologen des 19. Jahrhunderts, Darmstadt 2002, 127–143 (Lit.). John Henry Newman, Essay on the Development of Christian Doctrine, London 1845. – Vgl. Biemer, Newman (wie Anm. 47), 133–135. Vgl. Rosanna Ciappa, Rivelazione e storia, in: Laplanche/Biagioli/Langlois (Hg.), Alfred Loisy (wie Anm. 2), 35–46, hier 39. „Medievalism is an absolute, Modernism a relative term. The former will always stand for the same ideas and institutions; the meaning of the latter slides on with the times“ (George Tyrrell, Medievalism. A Reply to Cardinal Mercier, London u. a. 1908, 144). Zu ihm Gilberto Pizzamiglio/Fabio Finotti (Hg.), Antonio Fogazzaro tra storia, filologia, critica, Vicenza 1999; Paolo Marangon, Il modernismo di Antonio Fogazzaro, Napoli 1998; ders. (Hg.), Antonio Fogazzaro e il modernismo, Vicenza 2003. Vgl. Antonio Fogazzaro, Il Santo. Edizione integrale, Milano 1985, 253f.; deutsche Ausgabe: Maria Gagliardi, Der Heilige. Einzige berechtigte Übertragung, München/ Leipzig 81908, 360–362. – Maria Gagliardi war die Tochter des Herausgebers der satirischen Zeitschrift „Kladderadatsch“, Ernst Dohm. Vgl. Elena Raponi (Hg.), Antonio Fogazzaro – Carl Muth (Collana Fogazzaro X), Carteggio 1903–1910, 19.
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der „Civiltà Cattolica“ teilten, es genüge, die Deszendenzlehre lächerlich zu machen.53 Zu nennen ist in diesem Zusammenhang der Jesuit Wasmann, der glaubte feststellen zu dürfen, dass, rein hypothetisch gesehen, eine Evolution des Menschen, was seinen Körper anlangt, nicht der Schöpfungslehre zu widersprechen brauche.54 Weiter ging der reformkatholische Turiner Naturwissenschaftler und Gerichtsarzt Piero Giacosa, der der Ansprechpartner Tyrrells in Italien55 war. Giacosa, obgleich überzeugter Katholik, ging bei der Anwendung des Evolutionismus über den rein physischen Bereich hinaus, wobei er biologische Erkenntnisse mit theologischen Aussagen vermengte. Noch bedeutsamer erscheint, dass Fogazzaro, der mit ihm in engem Kontakt stand, nicht nur von der Vereinbarkeit einer von materialistischer Ideologisierung gereinigten Evolutionslehre mit dem christlichen Schöpfungsglauben überzeugt war, sondern sich bemühte, gerade in der Evolutionstheorie einen Beweis für die christliche Lehre zu finden.56
Die neue Exegese im Konflikt mit der Dogmatik Auf einem Gebiet wurde die Entscheidung der Theologen für das historische Denken besonders brisant: auf dem Gebiet der Exegese. Während deutsche protestantische Exegeten – Adolf Jülicher, Julius Wellhausen oder Heinrich Julius Holtzmann57 – schon lange historisch-kritisch arbeiteten, war um 53 Mariano Artigas/Thomas F. Glick/Rafael A. Martinez (Hg.), Negotiating Darwin. The Vatican Confronts Evolution 1877–1902, Baltimore 2006, passim. – Vgl. Constantin James, Moïse et Darwin. L’homme de la Génèse comparé à l’homme-singe ou L’enseignement religieux opposé à l’enseignement athée, Bruges 1880. 54 Vgl. Erich Wasmann, La biologia moderna e la teoria dell’evoluzione, Firenze 1906, 400– 454. Dazu Klaus Schatz, Modernismo tra i gesuiti. I casi Hummelauer e Wasmann, in: Nicoletti/Weiss, Il modernismo (wie Anm. 46), 341–359. 55 Vgl. George Tyrrell, Il papa e il modernismo, con una prefazione di A. Cervesato, Roma 1912; Antonio Fogazzaro an Geremia Bonomelli, 2. November 1905, in: Carlo Marcora, Corrispondenza Fogazzaro – Bonomelli, Milano 1968, 77f. 56 Vgl. Nicola Raponi, Cattolicesimo liberale e modernità. Figure e aspetti di storia della cultura dal Risorgimento all’età giolittana, Brescia 2002, 195–220; Giovanni Landucci, Il modernismo, la filosofia, le scienze e la nuova apologetica, in: Alfonso Botti/Rocco Cerrato (Hg.), Il modernismo tra cristianità e secolarizzazione. Atti del convegno internazionale di Urbino, 1–4 ottobre 1997 (Studi e testi 6), Urbino 2000, 83–122, hier 86– 94,106; Alfonso Botti (Hg.), Carteggio Giacosa – Bonomelli, in: Modernismo Piemontese II. Centro studi per la storia del Modernismo. Fonti e documenti, vol. 9, Urbino 1980, 185–205; Stefano Pivato, Carteggio Giacosa – Fogazzaro, ebd., 206–284; Marangon, Il modernismo (wie Anm. 51), 35–45. 57 Vgl. Ulrich Köpf, Historisch-kritische Geschichtsbetrachtung. Ferdinand Christian Baur und seine Schüler, Sigmaringen 1994.
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1900 im katholischen Bereich die Exegese weithin eine Hilfswissenschaft der Dogmatik oder diente als Beispielsammlung für die Homiletik.58 Von verschiedenen literarischen Gattungen in der Heiligen Schrift wusste man nichts, Sagen wurden wörtlich genommen. Mit vielen spitzfindigen Erklärungen wurde etwa nachgewiesen, dass Noah tatsächlich je ein Paar von allen Tierarten mit in die Arche genommen hatte.59 Dies wurde anders, als der katholische französische Bibelwissenschaftler Alfred Loisy die historisch-kritische Methode anzuwenden begann und zwischen Darstellung und Inhalt der Offenbarungswahrheit unterschied, in der Absicht, mit den Mitteln der Wissenschaft Angriffe auf den katholischen Glauben zurückzuweisen. Mehr noch, er träumte von einer allgemeinen Reform der katholischen Lehre, gründend auf der Unterscheidung zwischen der Substanz des offenbarten Glaubens und dessen je verschiedener Darstellung im Laufe der Geschichte.60 Zum Eklat kam es 1902, als Loisy seine Schrift „L’Évangile et l’Église“ veröffentlichte, eine Schrift, die Nathan Söderblom 1910 „die überzeugendste und klarste Apologie des römischen Systems seit Newman“61 nannte, ein Urteil, das sich in ähnlicher Weise in einem im Jahr 2007 erschienenen wissenschaftlichen Werk findet. Darin schreibt der französische Religionshistoriker François Laplanche, es sei schwierig, noch katholischer zu sein als Loisy in diesem Buch.62 Tatsächlich handelte es sich um eine Verteidigung der katholischen Kirche gegen Adolf von Harnacks Schrift „Das Wesen des Christentums“. Harnack hatte darin der römischen Kirche vorgeworfen, sie sei von der Lehre Jesu abgefallen, der Gott als seinen Vater und den Vater der Menschen sowie ein rein innerliches Reich Gottes in den Herzen der Menschen verkündet habe, jedoch nicht an eine rechtlich strukturierte äußerliche Kirche 58 Vgl. Otto Weiss, Das wechselvolle Geschick des Alfred Loisy in Deutschland, in: ders., Kulturen (wie Anm. 23), 385–437, hier 387–390. 59 So der französische Exeget am Seminar Saint-Sulpice Fulcrand Vigouroux (1837–1915), seit 1903 Sekretär der römischen Bibelkommission. Vgl. Alfred Loisy, De la croyance à la foi, zuletzt nach dem Original veröffentlicht in Émile Poulat, Critique et Mystique. Autour de Loisy ou la conscience catholique et l’esprit moderne, Paris 1984, 14–43, hier 17. – Zu Vigouroux: Émile Poulat (Hg.), Alfred Loisy – sa vie – son œuvre, par Albert Houtin et Félix Sartiaux, Paris 1960, 408. 60 Vgl. Weiss, Alfred Firmin Loisy (wie Anm. 2), 19–21. 61 Nathan Söderblom, Religionsproblemet inom Katolicism och Protestantism, Bd. I, Stockholm 1910, 132. 62 François Laplanche, Le projet catholique de Loisy, in: Laplanche/Biagioli/ Langlois (Hg.), Alfred Loisy (wie Anm. 2), 19–34.
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dachte.63 Loisy betonte dagegen, dass das von Jesus verkündete Reich Gottes von Anfang an als Kollektiv, als eine rechtlich verfasste Gemeinschaft ins Leben trat. Weiter stellte er fest, dass es ganz normal sei, dass die Kirche sich entwickelt habe. Er schrieb: „Es gibt keine Institution auf der Erde und in der Geschichte der Menschheit, deren Legitimität und Wert nicht bestritten werden könnte, wenn man das Prinzip aufstellt, dass alles in seinem ursprünglichen Zustand erhalten bleiben muss. Dieses Prinzip widerspricht jedoch dem Gesetz des Lebens. Dieses bedeutet Bewegung und fortwährende Anpassung an ständig wechselnde neue Bedingungen. Das Christentum hat sich diesem Gesetz nicht entzogen und es kann nicht deswegen getadelt werden, weil es ihm unterworfen ist. Es konnte gar nichts anderes tun.“64 Loisy konnte sich dabei auf das Prinzip der Tradition berufen oder, wie er es ausdrückte, auf die jeweilige Interpretation der Offenbarung durch die Kirche im Laufe der historischen Entwicklung. Heute hätte er vielleicht von „Inkulturation“ gesprochen und aufgezeigt, dass die von Harnack, aber auch von radikalen katholischen Reformern wie Marcel Hébert65 abgelehnte sogenannte Hellenisierung des Christentums66 eine erste gelungene Inkulturation darstellte. Die Schrift Loisys wurde von Rom verurteilt, desgleichen die nachfolgende Verteidigungsschrift Loisys „Autour d’un petit livre“67.
63 Adolf von Harnack, Das Wesen des Christentums, Leipzig 1902. 64 Alfred Loisy, L’Évangile et L’Église, Bellevue 21903, 153f. 65 Vgl. Albert Houtin, Un prêtre simboliste, Paris 1925; Otto Weiss, Hébert, in: RGG4 3 (2000) 1494. 66 Vgl. Adolf von Harnack, Lehrbuch der Dogmengeschichte I, Tübingen 51931, 20. – Vgl. W. K. E. Glawe, Hellenisierung des Christentums in der Geschichte der Theologie von Luther bis auf die Gegenwart, Berlin 1912, Nachdruck Aalen 1973. – Zur neuesten Diskussion: Karl-Heinz Ohlig, Ein Gott in drei Personen. Vom Vater Jesu zur Trinität, Mainz/Luzern 22000; Paul Wess, Geburt des zweiten Adam, in: Die Furche (2007), Nr. 1, S. 5; Heinz Robert Schlette, Die Anfänge und das Folgende, in: Orientierung 71 (2007) 49–51. 67 Alfred Loisy, Autour d’un petit livre, Paris 1903. Loisy versuchte in dem Werk seine neuen theologischen Ansätze verständlich zu machen, womit er sich jedoch erst recht der Häresie verdächtig machte.
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Wende zum Humanum: personale Gewissensentscheidung – aktive Tugenden –Demokratisierung Die Hinwendung der „Modernisten“ zum historischen Denken hatte auch inhaltliche Komponenten, die mit der neuzeitlichen anthropologischen Wende zu tun hatten. An die Stelle der blinden Unterwerfung unter ein objektivistisches System, aufgebaut auf ewigen Säulen, auf Autorität, Dogma und objektive Norm als letzten Instanzen trat bei vielen Katholiken im Laufe des 19. Jahrhunderts eine stärkere Betonung des vernünftigen Handelns und der selbstverantwortlichen Gewissensentscheidung. Zweifellos spielte dabei die zunehmende Demokratisierung der Gesellschaft eine entscheidende Rolle. Auch die Katholiken nahmen nicht mehr alles unbesehen hin, nur deswegen, weil es von oben verordnet wurde. Sie besannen sich auf ihre Freiheit, die eine Freiheit des Denkens und Forschens sein sollte. Das galt gegenüber dem Staat wie gegenüber der Kirche. Die Vereinbarkeit von Liberalismus und Kirche war daher bereits während des 19. Jahrhunderts ein Thema, das diskutiert wurde.68 Damit verband sich eine Veränderung des Kirchenbildes. Die Kirche sollte mehr sein als ein hierarchischer Machtapparat, wie er sich seit der konstantinischen Wende69 ausgeformt hatte, mehr als eine wohl gegliederte Pyramide: ganz unten die große Schar der Laien, darüber die Priester, dann die Bischöfe und ganz oben schließlich der römische Papst, von dem alle Macht ausgeht und der, ausgestattet mit Unfehlbarkeit, die absolute Wahrheit als den ihm anvertrauten Schatz seit Jahrhunderten hütet und jeden Abweichler bestraft. Aber auch dem Umstand sollte Rechnung getragen werden, dass Kirche als Kirche in der Welt nicht außerhalb der sich ständig verändernden Gesellschaft und Kultur steht. Alte passive Tugenden – Gehorsam, Demut, Selbstverleugnung, Absage an das Irdische – traten in den Hintergrund gegenüber den aktiven Tugenden. Hervorgehoben wurden „In68 Vgl. Maier, Revolution und Kirche (wie Anm. 25), passim; Mario Sancipriano, Lammenais in Italia. Autorità e libertà nel pensiero filosofico-religioso del Risorgimento, Mailand 1973; Otto Weiss, Anmerkungen zum „Liberalen Katholizismus“ im italienischen Nationalstaat des 19. Jahrhunderts, in: Peter Walter/Hermann-Josef Reudenbach (Hg.), Bücherzensur – Kurie – Katholizismus und Moderne. Festschrift für Herman H. Schwedt (Beiträge zur Kirchen- und Kulturgeschichte 10), Frankfurt am Main u. a. 2000, 309–346; Christoph Weber, Liberaler Katholizismus. Biographische und kirchengeschichtliche Essays von Franz Xaver Kraus, Tübingen 1983. 69 Vgl. Ekkehard Mühlenberg (Hg.), Die Konstantinische Wende, München 1998; Klaus M. Girardet, Die Konstantinische Wende. Voraussetzungen und geistige Grundlagen der Religionspolitik Konstantins des Großen, Darmstadt 2006.
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itiativfreudigkeit“ und „Tatkraft“70. Das „Prinzip der Individualität“ sollte gelten. Das bedeutete eine Abkehr vom starren katholischen Objektivismus hin zur Selbstverantwortung. Und es war ausgerechnet der englische Kardinal Manning71, der sich beim Ersten Vatikanischen Konzil als einer der entschiedensten Kämpfer für die päpstliche Unfehlbarkeit hervorgetan hatte, der später den katholischen „Sakramentalismus“, den Glauben an ein mechanisch wirkendes Opus operatum genauso kritisierte wie den „Offizialismus“, der das kirchliche Amt über die persönliche Eignung des Amtsträgers stellte.72 Ein weiterer Gesichtspunkt kam hinzu: die Kritik an der Missachtung der regionalen und nationalen Eigenheiten durch das päpstliche Rom, auch wenn es vielleicht zu weit geht, wenn ein heutiger Beobachter feststellt, dass dieses der spezifisch mediterranen, patriarchalischen, von Besitz und Herrschaft geprägten Kultur verhaftet geblieben sei und daher kein Verständnis für die moderne leistungsorientierte Mentalität der Völker jenseits der Alpen hatte.73 Man spricht in diesem Zusammenhang gewöhnlich vom katholischen Amerikanismus. Wir kommen darauf zurück. Allerdings gingen in Europa bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts der amerikanischen katholischen Freiheitsbewegung ähnliche Bewegungen voraus. Ich nenne zwei Gebiete, die beide unter der doppelten Bevormundung von Rom und Habsburg zu leiden hatten: Norditalien und Böhmen. Was Italien anlangt, ist in diesem Zusammenhang Antonio Rosmini zu nennen.74 Schon lange vor den Modernisten finden sich bei ihm Themen, wie sie im Modernismus, vor allem von Antonio Fogazzaro, wieder aufgenommen wurden, so dass der italienische Germanist und Schwiegersohn 70 Vgl. Felix Klein, L’Americanisme. Une Hérésie Fantôme, Paris 1949, 4f. und passim. 71 Henry Edward Manning, geb. in Totteridge, gest. in London, 1853 Konversion und kath. Priester, 1865 Erzbischof von Westminster. Vgl. Günther Biemer, Manning, in: LThK3 6 (1997) 1283 (Lit.). 72 Gerhart Wahrmut, Cardinal Manning’s, des Erzbischofs von Westminster, letzte Schrift „Neun Hindernisse für den Fortschritt des Katholizismus in England“, geschrieben im Sommer 1890, Würzburg 1898. 73 David G. Schultenover, A View from Rome. On the Eve of the Modernist Crisis, New York 1993, 161–244. 74 Vgl. Francesco Traniello, Einführende Bemerkungen zu Antonio Rosminis Philosophie der Politik, in: Antonio Rosmini, Philosophie der Politik, in deutscher Übersetzung von Christiane Liermann, Innsbruck/Wien 1999, 19–34; ders., Revolution und Verfassung bei Antonio Rosmini, in: Antonio Autiero/Karl-Heinz Menke (Hg.), Brückenbauer zwischen Kirche und Gesellschaft, Münster 1999, 115–133.
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Thomas Manns, Giuseppe Borgese, 1910 feststellen konnte: „Gioberti ist unser Tyrrell, Rosmini ist unser Loisy.“75 In seiner 1848 veröffentlichten Schrift „Le cinque piaghe della Santa Chiesa“ beklagte Rosmini unter anderem die Trennung der Laien vom Klerus beim Gottesdienst, die unzureichende Ausbildung des Klerus sowie die Spaltung in einen höheren und einen niederen Klerus, die Ernennung der Bischöfe durch den Staat statt ihre Wahl durch Klerus und Volk, wobei Rosmini die Praxis in der österreichischen Donaumonarchie im Auge hatte.76 Das Buch wurde 1849 auf Betreiben des Indexkonsultors Augustin Theiner, eines Parteigängers Österreichs, und unter dem Druck Metternichs auf den Index gesetzt, weil es demokratische Tendenzen in die Kirche hineinbringen wolle.77 Ebenfalls 1848 finden wir in einem anderen Teil der Donaumonarchie, nämlich in Prag, ähnliche Bestrebungen.78 Auch hier kam der Druck in gleicher Weise aus Wien wie aus Rom von Seiten derer, die kein Verständnis für die nationalen Eigenheiten der Ortskirche aufbrachten. So war es üblich, dass Wien deutsche Bischöfe für Prag ernannte. Doch auch hier waren alte demokratische Traditionen lebendig, die sich im Freiheitsjahr 1848, getragen von Anhängern des katholischen Priesters, Mathematikers und Philosophen Bernard Bolzano, Luft machten.79 Neben dem nationalen slawophilen Freiheitsgedanken waren hier – ähnlich wie im damaligen Wien bei den Anhängern des Priesterphilosophen Anton Günther80 – demokratische und soziale 75 Giuseppe A. Borgese, La vita e il libro. Saggi di letteratura e di cultura contemporaneo (1909–1910), Torino 1910, 397. 76 Antonio Rosmini, Delle cinque piaghe della Santa Chiesa, edizione critica a cura di A. Valle, Roma 1981. 77 Vgl. Victor Conzemius, Rosmini und die Kirchenreform, in: Stimmen der Zeit 215 (1997) 579–592, bes. 587–589. 78 Jiří Štaif, Revolučni léta 1848–1849, a čeké zemé, Praha 1990; Günter Schödl, Jenseits von Bürgergesellschaft und nationalem Staat. Die Völker Ostmitteleuropas 1848/49, in: Wolfgang Hardtwig (Hg.), Revolution in Deutschland und Europa, Göttingen 1998, 207–239. 79 Vgl. Jaromir Loužil, Bernard Bolzano, Josef Jungmann und die Anfänge der tschechischen Nationalbewegung, in: Helmut Rumpler (Hg.), Bernard Bolzano und die Politik. Staat, Nation und Religion als Herausforderung für die Philosophie im Kontext von Spätaufklärung, Frühnationalismus und Restauration, Wien 2000, 181–200; Jiří Kořalka, František Palacký und die böhmischen Bolzanisten, ebd., 201–220. 80 Vgl. Otto Weiss, Die Wiener Katholiken im Revolutionsjahr 1848, in: RJKG 19 (2000) 107–142; ders., Katholiken in der Auseinandersetzung mit der kirchlichen Autorität. Zur Situation der Wiener Katholiken und des Wiener Katholikenvereins 1848–1850, ebd. 10 (1991) 23–54.
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Vorstellungen am Werk. Gefordert wurde das Mitspracherecht des niederen Klerus und schließlich auch des Kirchenvolks. Am ehesten gelang es der katholischen Kirche in den Vereinigten Staaten von Amerika, sich in die moderne demokratische Gesellschaft zu inkulturieren, nicht zuletzt deswegen, weil hier auch die Bischöfe vielfach auf der Seite derer standen, die sich für eine gewisse Demokratisierung in der Kirche einsetzten, angefangen vom „Vater des amerikanischen Katholizismus“ John Carroll, wobei Rom damals noch mitspielte. Papst Pius VI. gestattete 1790 die demokratische Wahl Carrolls durch den Klerus zum ersten Bischof der Vereinigten Staaten.81 Im 19. Jahrhundert war es dann Isaak Thomas Hekker, der sich für die Inkulturation der Katholiken in die amerikanische Demokratie starkmachte.82 In seinem Buch „Church and Modern Society“ aus dem Jahre 1896 pries Bischof John Ireland die „geheiligten Worte Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ als die Religion Jesu Christi. „Die Laien sollen nicht auf die Priester warten“, schrieb er, „die Priester nicht auf die Bischöfe, die Bischöfe nicht auf den Papst.“83 Als dann die von Walter Elliot verfasste Biographie Heckers 1897 ins Französische übersetzt wurde84, erreichte die innerkirchliche demokratische Reformbewegung Europa, wo sie sich mit dem ins 19. Jahrhundert zurückreichenden liberalen Katholizismus verband, der noch immer lebendig war, etwa in der Zeitschrift „Rassegna Nazionale“, zu deren Mitarbeitern Antonio Fogazzaro und Piero Giacosa, aber auch deutsche Reformtheologen wie Franz 81 Vgl. Annabelle M. Melville, John Carroll of Baltimore, Founder of the American Catholic Hierarchy, New York 1955; Thomas O’Brien Hanley, Charles Carroll of Carrollton. The Making of a Revolutionary Gentleman, Washington 1970; Joseph Agonito, The Building of an American Catholic Church. The Episcopacy of John Carroll, New York 1988. 82 Isaak Thomas Hecker (1819–1888), geb. in New York, gest. ebd., seit 1844 katholisch, 1845 Redemptorist, 1849 Priester, 1857 aufgrund seiner Inkulturationsversuche aus dem Orden entlassen, gründete 1858 die Kongregation der Paulisten. 2008 wurde sein Seligsprechungsprozess eingeleitet. Zu ihm David J. O’Brien, Isaac Hecker. An American Catholic, New Jersey 1992; John Farina, An American Experience of God. The Spirituality of Isaac Hecker, New York 1981; ders. (Hg.), Hecker Studies. Essays on the Thought of Isaac Hecker, New York 1983. 83 Herman Schell, Die neue Zeit und der alte Glaube. Eine culturgeschichtliche Studie, Würzburg 1898,1–6; Nachdruck in Thomas Franz (Hg.), Herman Schell, Die neue Zeit und der alte Glaube. Vier theologische Programmschriften, Würzburg 2006, 126–245, hier 130–139; James J. Moynihan, The Life of Archbishop John Ireland, New York 1953, 33–63. 84 Walter Elliot, Life of Father Hecker, New York 1891; französisch: Le Père Hecker, Foundateur des Paulistes, Paris 1897, 71898.
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Xaver Kraus85 und Otto Rudolphi86 zählten.87 Einer der ersten deutschen Reformtheologen, die jetzt von Rom als „Amerikanisten“ beschimpft wurden, war der angesehene Würzburger Theologieprofessor Herman Schell88, der in seinen Schriften „Der Katholizismus als Prinzip des Fortschritts“ und „Die neue Zeit und der alte Glaube“89 in den Jahren 1897 und 1898 „Freiheit des Denkens und Forschens“, Mitsprache der Laien und persönliche Verantwortung anstelle der bloßen Unterwerfung unter die Hierarchie forderte. Schell wurde verurteilt90 und noch nach seinem Tode von einem ehemaligen Freund öffentlich verketzert91.
b) Agnostizismus und immanente Erfahrung des Religiösen Zum Vorwurf, die Modernisten seien dem Entwicklungsgedanken verfallen, kam in der Enzyklika Pascendi ein weiterer, der dazu in einem gewissen Spannungsverhältnis stand: Die Modernisten seien auf religiösem Gebiet Agnostiker. Mit anderen Worten, für sie gebe es keine rationale Erkenntnis des Übernatürlichen, wie dies das Erste Vatikanische Konzil gelehrt hatte, vielmehr würden sie (im Sinne der Erlebnisphilosophie der Jahrhundertwende – ich erinnere an Dilthey – und einer an Schleiermacher orientierten Theologie92) nur die innere mystische Erfahrung und das subjektive religiöse Erlebnis gelten lassen. Dazu ist zu sagen, dass die Enzyklika damit tatsächlich ein zentrales Anliegen vieler sogenannter Modernisten ansprach, auch wenn sie dieses 85 Vgl. Weber, Liberaler Katholizismus (wie Anm. 68), passim. 86 Vgl. Weiss, Der Modernismus in Deutschland (wie Anm. 8), 209–225. 87 Vgl. Glauco Licata, La „Rassegna nazionale“. Conservatori e cattolici liberali italiani attraverso la loro rivista (1879–1915) (Politica e Storia, ed. Gabriele De Rosa, 20), Roma 1968; Ornella Pellegrino Confessore, Conservatorismo politico e riformismo religioso. La „Rassegna Nazionale“ dal 1898 la 1908, Bologna 1971. 88 Vgl. Karl Hausberger, Herman Schell (1850–1906). Ein Theologenschicksal im Bannkreis der Modernismuskontroverse (Quellen und Studien zu neueren Theologiegeschichte 3), Regensburg 1999. 89 Schell, Die neue Zeit, hg. von Franz (wie Anm. 83), 34–125. 90 Vgl. Hausberger, Schell (wie Anm. 88), 177–252. 91 Vgl. Weiss, Modernismus und Antimodernismus (wie Anm. 6), 70–75. 92 Bezeichnend die Schleiermacher-Renaissance bei dem „protestantischen Modernisten“ Louis Auguste Sabatier (1839–1901). Loisy war ein wissenschaftlicher Gegner Sabatiers, ein Beweis für die Vielfältigkeit und Widersprüchlichkeit des tatsächlich existierenden pluralen religiösen „Modernismus“, der mit dem heutigen Begriff „Modernisierung“ wenig zu tun hat. Vgl. Guglielmo Forni, L’essenza del cristianesimo. Il problema ermeneutico nella discussione protestante e modernista (1897–1904), Bologna 1992; François Laplanche, Le projet catholique de Loisy, in: Laplanche/Biagioli/Langlois (Hg.), Alfred Loisy (wie Anm. 2), 21–26; Ciappa, Rivelazione (wie Anm. 49), 30f.
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Anliegen sofort negativ wertete. Es gab um 1900 ein Hinüberschwingen der crise du fin de siècle, die eine Krise des Rationalismus und Positivismus darstellte, in die evangelische wie in die katholische Theologie. Es gab so etwas wie einen Impressionismus des religiösen Erlebens. Die irrationale Unruhe der Wendezeit wurde auch zur religiösen Unruhe, zur „inquietude religieuse“, wie der Titel eines Buches aus dem Jahr 1901 lautete, das sich der „religiösen Krise des modernen Menschen“ zuwandte.93 Dass der Verfasser dieses Buches, der ein enger Freund Loisys und Tyrrells war, nämlich Henri Brémond94, sich später als Mystikforscher einen Namen machte, ist sicher kein Zufall, auch nicht, dass er später Bücher schrieb, in denen er mystisches Erleben mit dem künstlerischen Schaffen in Verbindung brachte95. Zu nennen sind einige französische Religionsphilosophen, wie Lucien Laberthonnière und Édouard Le Roy96, aber auch Antonio Fogazzaro, dessen Romanfigur „Il Santo“ als der Prototyp der modernistischen Mystik gelten kann, für den die persönliche Begegnung mit Gott und mit Christus über alle Dogmengläubigkeit, über alle Kirchlichkeit und alle von den Konfessionen aufgerichtete Barrieren geht. Zu nennen ist der Mystiker George Tyrrell97, der eine völlig neue Kirche forderte und dessen Begriff der Katholizität wieder vom Wortsinn „katholisch“ ausging. Katholizismus war für ihn so weit wie die ausgebreiteten Arme Jesu am Kreuz, die alle Konfessionen, alle Religionen, alle Menschen umfassen.98 In Deutschland sprach Carl Muth99, der Herausgeber der katholischen 93 Henri Brémond, L’inquietude religieuse. Aubes et lendemains de conversion, Paris 1901. 94 Vgl. Émile Goichot, Alfred Loisy et ses amis, Paris 2002. 95 Vgl. Henri Brémond, Prière et poésie, Paris 1926. 96 Vgl. Paul Beillevert, Laberthonnière. L’homme et l’œuvre, Paris 1972; Marie-Thérèse Perrin, Laberthonnière et ses amis. L. Birro – H. Bremond – L. Canet – E. Le Roy, Paris 1975; Giacomo Losito, Attualità di Laberthonnière, in: Botti/Cerrato, Il modernismo (wie Anm. 56), 275–283. 97 Vgl. Nicholas Sagovsky, „On God’s Side“. A Life of George Tyrrell, Oxford 1990. 98 George Tyrrell, A Reply to Cardinal Mercier, London u. a. 1908, 185. 99 Der Publizist Carl Muth kämpfte erfolgreich gegen die „Inferiorität“ der Katholiken auf literarischem Gebiet, vor allem durch die von ihm gegründete Kulturzeitschrift „Hochland“. Er wurde von Rom als Vertreter des „Modernismus litterarius“ verurteilt. – Manfred Weitlauff, „Modernismus litterarius“. Der „Katholische Literaturstreit“, die Zeitschrift „Hochland“ und die Enzyklika „Pascendi dominici gregis“ Pius’ X. vom September 1907, in: Beiträge zur altbayerischen Kirchengeschichte 37 (1988) 97–175. Vgl. Maria Cristina Giacomin, Zwischen katholischem Milieu und Nation. Literatur und Literaturkritik im Hochland (1903–1918), Paderborn 2009; Otto Weiss, Kulturkatholizismus. Katholiken auf dem Weg in die deutsche Kultur, Regensburg 2014, passim; ders., Carl Muth und
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Die Moderne vor dem Richterstuhl der Kirche
Kulturzeitschrift „Hochland“, von der Bedeutung des religiösen Erlebnisses.100 Philipp Funk101, der Herausgeber der Modernistenzeitschrift „Das Neue Jahrhundert“, war geprägt von der deutschen und spanischen Mystik von Meister Eckhart und Tauler bis hin zu Teresa von Ávila und Juan de la Cruz.102 Der Primat der Gottes- und Nächstenliebe, die eine unreife Gesetzesfrömmigkeit und Gehorsamsethik weit hinter sich lässt, zeichnet Funks 1913 erschienenes Buch „Von der Kirche des Geistes“ aus, das auf die Vorstellung des Joachim von Fiore zurückgreift, dass dem Reich des Vaters (im Alten Testament) und des Sohnes (im Neuen Testament) das Zeitalter des Heiligen Geistes folgen muss, das vielleicht jetzt gerade anbricht.103 Gewiss, die Religiosität dieser Frauen und Männer – es gab ja Gott sei Dank auch einige modernistische Frauen: Antonietta Giacomelli104, Maud Petre105, Louise von Léon-Hunoltstein106 – hatte etwas Explosives, Unorthodoxes, aber es ging ihnen um den gelebten Glauben, der darum weiß, dass das Herz seine Gründe hat, die der Verstand nicht kennt. Es ging ihnen um eine theozentrische und christozentrische Spiritualität, die sich nicht auf die römische Kirche eingrenzen und in ihre Vorschriften einfangen lässt.
c) Zusammenfassung Wir sehen, dass das Denken derjenigen Theologen, die sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit dem Weitertradieren erstarrter Lehrsätze nicht begnügten, vielfältig war. Der Bogen reicht von der kritischen wissenschaftlichen historischen Methode bis zur Mystik, und nicht selten findet sich beides im gleichen das Hochland, in: zur debatte. Themen der Katholischen Akademie in Bayern 4 (2016) 33–35. 100 Carl Muth, Die Wiedergeburt der Dichtung aus dem religiösen Erlebnis. Gedanken zur Psychologie des katholischen Literaturschaffens, Kempten/München 1909. 101 Vgl. Roland Engelhart, „Wir schlugen unter Kämpfen und Opfern dem Neuen Bresche“. Philipp Funk (1884–1937) – Leben und Werk (Europäische Hochschulschriften III/695), Frankfurt am Main u. a. 1996; Weiss, Der Modernismus in Deutschland (wie Anm. 8), 348–376. 102 Dazu Otto Weiss, Philipp Funk – ein deutscher „theologischer Modernist“, in: RJKG 28 (2009) 139–164. 103 Philipp Funk, Von der Kirche des Geistes. Religiöse Essays im Sinne eines modernen Katholizismus, München 1913. 104 Vgl. Roberta Fossati, Élites femminili e nuovi modelli religiosi nell’Italia tra Otto e Novecento, Urbino 1997. 105 Ellen Leonard, Unresting Transformation: The Theology and Spirituality of Maude Petre, Lanham (Maryland) 1991. 106 Vgl. Weiss, Der Modernismus in Deutschland (wie Anm. 8), 384–394.
Die römische Reaktion
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Denker. Diese Impulse hatten natürlich mit der damaligen Zeit zu tun, hatten mit dem zu tun, was mit dem vagen Begriff „Moderne“ umschrieben wird, und zwar mit der äußerst vielfältigen, pluralen Moderne des Fin de Siècle, zu der das Erbe des 19. Jahrhunderts – Aufklärung, Wissenschaftlichkeit, historisch-kritische Methode – genauso gehörte wie crepuscolo und décadence und die neue Romantik der Lebensreform. All dies zu versöhnen mit der überkommenen Lehre, war die Absicht der Reformer. Ob es immer gelang, ist eine andere Frage.
4. Die römische Reaktion Warum reagierte Rom derartig überzogen auf die Anliegen der Neuerer? Ich versuche thesenartig eine Antwort zu geben.
a) Dogmatismus versus Historismus oder Absolutheitsanspruch gegen Relativität Die gegen Harnack gerichtete Schrift Loisys „L’Évangile et l’Église“ wurde „die überzeugendste und klarste Apologie des römischen Systems seit Newman“ genannt. Sie kam dennoch auf den Index der verbotenen Bücher. Ein angesehener deutscher katholischer Theologe der Gegenwart, Leo Kardinal Scheffczyk, gibt den Grund dafür an. Eine unter seiner Anleitung entstandene Dissertation nennt die Auffassung Loisys „eine totale Historisierung des Glaubens“107, und er selbst stellte fest: „Nach dem vom evolutionistischen Rationalismus und einer rein natürlichen Religionsauffassung bestimmten Konzept Loisys waren Christentum und Kirche rein historisch erklärbare religiöse Bewegungen, die einem dauernden Wandel unterlagen.“ Das bedeute eine Relativierung des Glaubens und die Leugnung übernatürlicher ewiger Wahrheiten.108 Es ist also die Angst vor einer Relativierung des 107 Irmingard Böhm, Dogma und Geschichte. Systematische Überlegungen zum Problem der Dogmenentwicklung in der Auseinandersetzung zwischen Alfred Loisy und dem Lehramt der katholischen Kirche, Bad Honnef 1987, 296. 108 Leo Kardinal Scheffczyk, Glaube und Irrglaube im Drama der Geschichte. Schluss, in: Der Fels. Katholisches Wort in die Zeit 36/5 (2005) 203–207, hier 204f.
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Glaubens, die mit dem historischen Denken notwendig verbunden schien. Loisy wurde verurteilt, weil er wie sein Gegner Harnack historisch argumentierte. Zwei Denkkonzepte standen einander gegenüber: das dogmatische Denken, das von objektiv vorgegebenen, absoluten, nicht mehr hinterfragbaren „starken“ Wahrheiten ausgeht, von denen alles abgeleitet wird, und das Denken des Historikers, der mit seiner allein der Wissenschaft verpflichteten induktiven Methode aufzuzeigen sucht, wie alles in seiner strukturellen Verflochtenheit und Bedingtheit geworden ist. Die römischen Glaubenswächter haben gespürt, dass hier Fragen gestellt wurden, die Kirche und Glaube in Frage stellen konnten. Dazu kam, dass sie die aufgeworfenen Fragen in ihre eigenen Denkmodelle pressten. Gewohnt, von dogmatischen Formeln, von ewigen Glaubenswahrheiten auszugehen, von Thesen, deren bereits feststehendes Ergebnis lediglich zu demonstrieren war109, waren sie unfähig, eine wertfreie, vorurteilslose Forschung, deren Ergebnis offen ist, zu verstehen. Loisy etwa konnte noch so oft versichern, er sei nichts weiter als ein „pauvre déchiffreur des textes“110, für sie stand am Anfang von dessen Forschen eine philosophische Festlegung, stand die agnostizistische Auffassung von der Unerkennbarkeit transzendenter Wirklichkeit, letztlich der Kantianismus. Den Gebrauch der historischen Methode verwechselten sie mit Historismus als Weltdeutung, auf den sie mit einem alles erklärenden Dogmatismus antworteten, davon überzeugt, dass – entsprechend einem Ausspruch Pius’ IX. – das Dogma die Geschichte besiegen würde.
b) Singularität gegen Pluralismus Wir müssen noch tiefer graben, um die Reaktion Roms zu verstehen. Die meisten Integralisten konnten mit dem modernen historischen Denken wie mit der Betonung des Menschlichen und Subjektiven und allem, was damit zusammenhängt – Gewissensfreiheit, Demokratisierung, die Hervorhebung der Laien –, nichts anfangen, weil ihnen all dies von vornherein mit ihrer Einstellung zu Kirche und Glaube inkompatibel erschien. Wahrheit war für sie 109 Vgl. Philipp Kneib, Wissen und Glauben. Ein Wort zur Klarstellung und Verständigung, Mainz 1905, hier bes. 363f.; Karl Gebert, Der katholische Lehrbegriff und das moderne Bildungsideal, in: Das Zwanzigste Jahrhundert 3 (1903) 385–389, 400–403. 110 Alfred Loisy an Maurice Blondel, 11. Februar 1903, in: René Marlé (Hg.), Au cœur de la crise moderniste. Le dossier inédit d’une controverse, Paris 1960, 72.
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identisch mit dem Besitz des Depositum fidei, eines der Kirche anvertrauten Schatzes von ewigen, unveränderlichen „Glaubenssätzen“, die von den Gläubigen als einzig wahre und immer gültige Lehre im Gehorsam anzunehmen waren.111 Das neue moderne, plurale Denken aber war offen für die verschiedenen Perspektiven einer immer neu zu entdeckenden Wahrheit in ihrer vielfältigen Gebrochenheit. Pluralität und suchendes Fragen standen also gegen das Eingeschlossensein in ewig gültige, unwandelbare, jede Entwicklung ausschließende Formeln.
c) Sekurität gegen Wagnis mit der Welt Viele Antimodernisten waren besessen von einer irrationalen Angst, die römische Kirche könne zusammenbrechen, wenn auch nur das kleinste Steinchen aus ihrem Gebäude herausgebrochen werde. Fast schon zur Karikatur verzerrt personifizierte diese Haltung Albert Maria Weiß, indem er sich als zweiter Jeremia stilisierte, der über den Trümmern der Kirche seine Klagegesänge anstimmt.112 Ihre Angst ließ diese Menschen in die Macht flüchten. Es war leichter zu verurteilen, als sich in andere Denkhorizonte hineinzubegeben.
5. Ergebnis Die Enzyklika Pascendi warf den Modernisten vor, sie wollten Kirche und Glaube zerstören. Diese selbst glaubten, in der Begegnung mit der Welt, mit der modernen Kultur, Philosophie und Wissenschaft, Kirche und Glaube auf eine neue Grundlage stellen zu können, und zwar, was von den 111 Vgl. Enzyklika Humani generis, in: AAS 42 (1950) 561–577; Textverbesserungen in: AAS 42 (1950) 960; Denzinger/Hünermann, Enchiridion (wie Anm. 1), 3875– 3899, hier 3886. Dazu Max Seckler, Kirchliches Lehramt und theologische Wissenschaft, in: ders., Die schiefen Wände des Lehrhauses. Katholizität als Herausforderung, Freiburg/Basel/Wien 1988, 105–135, hier 126; Peter Hünermann, Theologie als Wissenschaft und ihre Disziplinen, in: Hubert Wolf/Claus Arnold (Hg.), Die katholischtheologischen Disziplinen in Deutschland 1870–1962. Ihre Geschichte, ihr Zeitbezug (Programm und Wirkungsgeschichte des II. Vatikanums, Bd. 3), Paderborn 1999, 377– 394. 112 Vgl. Albert M. Weiss, Die religiöse Gefahr, Freiburg 1904, 338–343; Weiss, Modernismus und Antimodernismus (wie Anm. 6), 198f. – So auch Pius X.; vgl. Gianpaolo Romanato, Pio X. La vita di papa Sarto, Milano 1992, 282f., 334f.
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Antimodernisten meist übersehen wurde, durchaus auch in der Rückbesinnung auf deren Ursprünge aus dem Evangelium. Damit wollten sie, wie einer der Beteiligten, Philipp Funk, äußerte, Antwort auf die Frage geben: „Wie kann die Menge der von den Zeitirrtümern Gefährdeten, wie können vor allem die Gebildeten beim lebendigen Glauben erhalten werden?“113 Der Antimodernismus der Kirchenleitung versagte sich jedoch den von den Modernisten gestellten Anfragen. Glaube und Dogma standen für sie als unwandelbare übernatürliche Größen fest. Jeder Versuch einer Neuinterpretation in der Begegnung mit Welt und Zeit wurde von den Glaubenshütern von vornherein als Relativierung und Historisierung der Wahrheit verurteilt. Damit wurde – wenigstens zunächst – eine Chance verspielt. Die Chance wiederholte sich während des Zweiten Vatikanischen Konzils und wurde dieses Mal weitgehend aufgegriffen, auch wenn nach den Worten des verstorbenen römischen Weihbischofs Clemente Riva114 Vertreter eines Clan- und Katakombenchristentums, das schlimmer sei als das alte Heilige Offizium, dabei seien, die Fenster wieder zu schließen.115 Eine Bemerkung von Clemente Riva kann auch als Mahnung an diejenigen verstanden werden, die die Macht besitzen: „Wenn wir unter Modernismus eine Kultur verstehen, die den Ursprung verleugnet, der die Geschichte erhellt und erlöst hat, und die Geschichte ausschließlich in ihrer horizontalen Dimension betrachtet, dann ist ein solcher Modernismus zurückzuweisen. Voll zu bejahen ist es jedoch, wenn die modernistische Bewegung eine Erneuerung und Reinigung der Kirche, ein stärkeres Eingehen auf die geschichtlichen Erfordernisse, eine Öffnung zur Welt und ihren Herausforderungen verlangt hat. Die Kirche hat, wie [das Konzilsdokument] Gaudium et Spes herausstellt, viel von der Welt zu lernen […]. Nach Rosmini und Newman, nach dem Modernis113 Philipp Funk, Der Gang des geistigen Lebens, in: Max Ettlinger/Philipp Funk/ Friedrich Fuchs (Hg.), Wiederbegegnung von Kirche und Kultur in Deutschland. Eine Gabe für Karl Muth, München 1927, 77–126, hier 99–103. 114 Clemente Riva, geb. in Medolago (Bergamo), gest. in Rom, Rosminianer (seit 1939), Herausgeber der Werke Rosminis und Verfasser mehrerer Schriften über Rosmini, seit 1975 Weihbischof von Rom (Süd). Riva bemühte sich um den interreligiösen Dialog, insbesondere mit dem Judentum. Vgl. Gianni Maritati/Fabrizio Condó, Clemente Riva, vescovo del dialogo, Stresa 2000. 115 Clemente Riva, Il modernismo, una crisi ecclesiale, in: Ricerche per la storia religiosa di Roma. Studi, documenti, inventari, Roma 1990, 66–73, hier 72f.
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mus der Jahrhundertwende, die an der geschlossenen kirchlichen Mentalität kratzten, hat das Konzil die Türen aufgestoßen und die christliche Gemeinde aufgefordert, sich selbst in Frage zu stellen, es hat sichtbar gemacht, wie drängend ein Positionswechsel im Gegenüber zur Welt und Geschichte sei.“116
116 Ebd., 73.
Mystik und Reform – Der Theologe und Historiker Philipp Funk Am 20. Dezember 1908 verließ der 24-jährige Doktor der Philosophie Philipp Funk schweren Herzens das Priesterseminar der Diözese Rottenburg. Am darauffolgenden Tag hätte er eigentlich die niederen Weihen erhalten sollen. Es war nicht dazu gekommen, obwohl er nichts sehnlicher wünschte, als Priester zu werden. Der Grund lag in der Situation, in der sich Kirche und Theologie befanden. Funk, der sich schon Jahre zuvor als „Modernist“ verdächtig gemacht hatte, war am 16. Dezember 1908 vom Regens des Priesterseminars befragt worden, wie er zur Enzyklika Pascendi Dominici gregis stehe. Funk hatte erklärt, er wolle sich nicht gegen das päpstliche Rundschreiben wenden, habe aber einige Bedenken, die er erst klären müsse. Der Regens und der von ihm unterrichtete Bischof Paul Wilhelm von Keppler verlangten jedoch eine sofortige schriftliche Unterwerfung. Nur dann könne der Alumne zu den Weihen zugelassen werden. Dazu sah sich Funk nicht imstande.1 Sechs Jahre später, am 29. März 1915, saß die römische Indexkongregation über Funks Schrift „Die Kirche des Geistes“ zu Gericht. Der von der Kongregation beauftragte Gutachter Ubaldo Mannuci2 hatte ein vernichtendes Gutachten geschrieben, das die anwesenden Konsultoren bestätigten. Bei der Sitzung erklärte der Konsultor Hildebrand Höpfl3, das Werk sei „gänzlich von der Häresie des Modernismus infiziert“4. Der Autor wolle die Kirche, die 1
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Philipp Funk, Aus der Verfolgung, in: NJ 1 (1909) 57f.; vgl. Roland Engelhart, „Wir schlugen unter Kämpfen und Opfern dem Neuen Bresche“. Philipp Funk (1884–1937), Leben und Werk (Europäische Hochschulschriften III/695), Frankfurt am Main 1996, 115–122. Ubaldo Mannucci, Dr. theol. und Dr. iur. utr., geb. 1883 in Montágano (Campobasso, Molise), gest. 1935 in Rom, Professor der Patrologie am Collegio Agostiniano S. Monica in Rom. Herman H. Schwedt/Tobias Lagatz, Prosopographie von Römischer Inquisition und Indexkongregation 1814–1917 (Römische Inquisition und Indexkongregation. Grundlagenforschung III: 1814–1917), hg. von Hubert Wolf, Paderborn u. a. 2005, 933–935. Hildebrand (Gustav) Höpfl, geb. 1872 in Ledau (Böhmen), gest. 1934 in Rom, seit 1893 OSB in Emaus bei Prag, 1901–1903 Professor der Exegese in Beuron, 1903–1915 und 1920–1934 am Collegio S. Anselmo in Rom. Schwedt/Lagatz, Prosopographie (wie Anm. 2), 774–776. ACDF Index Diari 24 (1915–1916), die 29 Martii [1915], 4f.
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Hierarchie und den göttlichen Kult zugrunde richten. Bei der nachfolgenden Sitzung der Kardinäle nannte Kardinal Willem van Rossum5 die Schrift „eine genuine Ausgeburt des Modernismus“6. Nicht uninteressant ist die Begründung der Verurteilung: Das Buch sei deswegen so gefährlich, weil der Verfasser „sein Gift in der Blütenpracht einer wunderschönen Darstellung und in der ränkevollen Verkleidung einer verlogenen mystischen Salbung sorgsam verstecke“7. Die Schrift wurde auf den Index der verbotenen Bücher gesetzt, der Autor wurde zum Widerruf aufgefordert.8 Sollte er diesen verweigern, sei er der Exkommunikation verfallen. Es scheint jedoch, dass der Verfasser nichts von der Verurteilung erfuhr. Er befand sich als Sanitäter im Kriegseinsatz. Am 14. Januar 1937 starb Philipp Funk völlig unerwartet, erst 52 Jahre alt. Er war zuletzt Professor der Geschichte an der Universität von Freiburg im Breisgau, zugleich Vorsitzender der Historischen Sektion der Görresgesellschaft für Mittlere und Neuere Geschichte und Herausgeber des „Historischen Jahrbuchs“.9 An seinem Grab sagte sein Heimatpfarrer: „Die Wahrheit hat er stets in seinem Leben gesucht, der Wahrheit hat er gedient und um seiner inneren Überzeugung willen hat er auch manches ihm Unliebsames erfahren müssen.“10 Szenen aus dem Leben des „Modernisten“ Funk. Wer aber war dieser Philipp Funk? Die Antwort könnte lauten: Funk war der Mystiker unter den deutschen Modernisten, was nicht ausschließt, dass er auch ein kritischer Geist war. Der Titel der Schrift Émile Poulats über Loisy „Mystique et critique“ würde auch für Philipp Funk passen.11 Und wenn von Loisy gesagt
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Marinus Willem Kardinal van Rossum, geb. 1854 in Zwolle (Niederlande), gest. 1932 in Maastricht (Niederlande), CSSR (seit 1874), 1896 Konsultor des Heiligen Offiziums, seit 1911 Kardinal, Mitglied der Indexkongregation und des Heiligen Offiziums, seit 1918 Präfekt der Propagandakongregation. Schwedt/Lagatz, Prosopographie (wie Anm. 2), 1276–1279; Otto Weiss, Der Glaubenswächter van Rossum. Wilhelm Marinus van Rossum im Heiligen Offizium und in der Indexkongregation, in: Spicilegium Historicum CSSR 58 (2010) 85–138. 6 ACDF Index Diari 24 (1915–1916), die 12 Aprilis [1915], 9, 11. 7 Gutachten Mannuccis, ACDF Index Protocolli 143 (1914–1917), n. 188. 8 ACDF Index Diari 24 (1915–1916), die 14 Aprilis [1915], 11. 9 Vgl. Johannes Spörl, Nachruf auf Philipp Funk, in: Hist. Jb. 57 (1937) 1–15. 10 Engelhart, Funk (wie Anm. 1), 467. 11 Émile Poulat, Critique et mystique. Autour de Loisy ou la conscience catholique et l’esprit moderne, Paris 1984.
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wurde, er habe als „glühender Mystiker“ begonnen12, so gilt dies in gleicher Weise für Philipp Funk.
1. Unterwegs zum Modernisten a) Kindheit und Jugend Philipp Funk wurde am 28. Juni 1884 in der kleinen württembergischen Stadt Wasseralfingen als Sohn eines Eisengießers geboren. Nach dem Besuch des Gymnasiums studierte er seit 1903 an der Universität Tübingen Philosophie, katholische Theologie und Geschichte. Am 8. Oktober 1907 trat er in das Priesterseminar in Rottenburg ein.13 Damit schien der Wunsch, Priester zu werden, der seinen Lebensweg seit frühester Kindheit bestimmte, kurz vor der Erfüllung zu stehen. Dieser Lebensweg freilich war durchaus ungewöhnlich, nicht was die äußeren Stationen des Weges betraf, ungewöhnlich war die innere Entwicklung des äußerst sensiblen Schülers und Studenten. Die hat er nach seinem Austritt aus dem Priesterseminar aufgrund seiner Tagebuchaufzeichnungen für einen weiteren Leserkreis „voll und hemmungslos“14 nachgezeichnet. Folgen wir den Aufzeichnungen! Funk berichtet von seiner Mutter: „Sie lebte und starb wie eine Kerze, die in geruhiger Andacht vor dem Altare verglimmt. Sie war eine Heilige in Beten und Leiden. Mit ihren zarten Nerven hing es wohl zusammen, dass sie in ihrem melancholischen Sinn ein Gewissen trug, das auf die leisesten Störungen reagierte […].“ Dies alles, so Funk, habe sie auch ihrem Sohn als Erbe mitgegeben. Doch da war noch eine andere Person, die auf den zartfühlenden Jungen einen bleibenden Einfluss ausübte. Es war Tante Genoveva, die Schwester seines Vaters, eine unverheiratete ältere Frau. Von ihr sagt Funk, sie sei in „Geist und Leben der katholischen Mystik“ tiefer eingedrungen als all die Geistlichen, bei denen sie wöchentlich beichtete. „Nicht als ob sie das Äußere der Religion verschmäht hätte; aber sie blieb nicht hängen am Äußeren und Einzelnen. […] Sie las und liebte die wichtigsten Schriften christlicher Mystiker 12 13 14
[Vincenzo Ceresi], in: L’Osservatore Romano, 29 giugno 1940, S. 30. Engelhart, Funk (wie Anm. 1), 49–68. [Philipp Funk], Aus den Papieren eines Modernisten, in: NJ 2 (1910) 5.
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[…], die Nachfolge Christi, die Philothea des heiligen Franz von Sales, die Schriften der hl. Theresia, des heiligen Johann vom Kreuz […].“ Sie war es, die den jungen Philipp mit den Heiligen des kirchlichen Kalenders vertraut machte. Funk berichtet weiter, er habe sich im Mittelpunkt des Katholizismus gefühlt. Aber gerade dieses Bewusstsein habe ihn „gleich den heiligen Visionären der Kirchengeschichte“ bedrückt. Der Zustand der Kirche habe ihm Schmerzen bereitet, vor allem das praktische kirchliche Leben und die Gestaltung der Messe, „wo der heilige Vorgang zerfallen ist in unverständliches Getue am fernen Altar und in ein stummes Versunkensein der Teilnehmer in öde Gebetbücher“. Das passte nicht zu seinem innerlichen Leben, auch wenn er der Volksreligiosität mit ihren frommen Bräuchen, Prozessionen und Wallfahrten einen weiten Raum zugestand. Seine „nervöse Sensibilität“ kam mit all den Problemen nicht zurecht. Funk fand eine Zuflucht, die seinem Charakter und Werdegang, aber auch der allgemeinen religiösen Unruhe der Wendezeit um 1900 entsprach. Schon als Schüler am Gymnasium ließ er sich, wie er schreibt, unterweisen von den großen Mystikern, von dem „glühenden Seraph Franziskus“, von Gertrud, Mechthild und Hildegard, „von dem minnereichen Landsmann Seuse und dem geistesreichen Meister Ekkehart“, von der „Nachfolge Christi“ des Thomas von Kempis (Kempen) und von den großen Spaniern Teresa von Ávila und Juan de la Cruz, um sich ganz in Gott zu versenken. Unter den Theologen der Zeit, deren Schriften er schon als Schüler las, fand er hingegen meist nur tote scholastische Begrifflichkeit. Er vermisste das „inwendige Feuer“, mit einer Ausnahme: Herman Schell, der ihm erschien wie der „Sonnenaufgang am frühen Morgen“.15
b) Student der Theologie Im Herbst 1903 bezog Funk das bischöfliche Theologenkonvikt in Tübingen, das „Wilhelmstift“. Er studierte Theologie, doch der trockene Lehrbetrieb sagte ihm wenig zu. Umso mehr war er begeistert von Freundeskreisen unter den Theologen, die sich – wie hundert Jahre zuvor die Tübinger Studenten Schelling, Hegel und Hölderlin – trafen, um über Gott und die Welt 15 Ebd., 5–8, 13–16, 52f., 64–67, 75–77, 88–90, 101–103, 116f., 124–126, 138–140, 579– 582.
Unterwegs zum Modernisten
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nachzudenken.16 Die jungen Männer, die sich da zusammenfanden, allen voran Romano Guardini17, machten später fast alle im deutschen Katholizismus von sich reden. Sie lasen Goethe und Hölderlin, philosophierten, schrieben Gedichte, nahmen die Gedanken und Empfindungen der gesellschaftlichen und kulturellen Umbrüche der Jahrhundertwende in sich auf, wandten sich ab von einseitiger Verwissenschaftlichung, vom aufgeklärten bürgerlichen Rationalismus und Positivismus und wandten sich – im Einklang mit der Lebensreformbewegung, der neuen postmodernen Romantik und der aufkommenden Jugend- und Wanderbewegung – der Natur, dem Leben, der Seele zu.18 Zweifellos fühlten sie sich elitär und erhaben, wenn sie sich von der Unruhe des Fin de Siècle inspirieren ließen, wie dies anderswo in Deutschland die Kreise um Hermann Bahr, Eugen Diederichs oder Stefan George taten.19 Dazu kam bei Funk nach wie vor die mystische Komponente. Sie war es denn auch, die ihn in eine Richtung wies, die wenig später als Modernismus von der Kirchenführung verurteilt wurde. Er hatte Fogazzaros20 Roman „Il Santo“21 entdeckt, der seit Januar 1906 in Fortsetzungen in dem von Carl Muth22 herausgegebenen „Hochland“ veröffentlicht wurde23, einer Zeitschrift, die den Neuaufbruch im deutschen Katholizismus symbolisierte. Es scheint, dass sich der Tübinger Student voll mit der Romanfigur des „Heiligen“ identifizierte, der sich wie die mittelalterlichen Heiligen berufen fühlte, das Unkraut zu jäten, das den Garten der Kirche überwucherte.24 In der 16 Engelhart, Funk (wie Anm. 1), 79–81. 17 Romano Guardini, geb. 1885 in Verona, gest. 1968 in München, Religionsphilosoph und Theologe. Hanna-Barbara Gerl, Romano Guardini 1885–1968, Mainz 1985, hier 53. 18 Vgl. Philipp Funk, Die Jungen und die Alten, in: Hochland 22/I (1924/25) 589–597, hier 594f. 19 Vgl. Otto Weiss, Tendenzen im deutschen Kulturkatholizismus um 1900, in: RJKG 21 (2002) 63–91, hier 65–72. 20 Antonio Fogazzaro, geb. 1842 in Vicenza, gest. 1911 ebd., Romancier des „decadentismo“, „literarischer Modernist“. Donatella e Leone Piccioni, Antonio Fogazzaro, Torino 1970; Paolo Marangon, Il modernismo di Antonio Fogazzaro, Napoli 1998; ders. (Hg.), Antonio Fogazzaro e il modernismo, Vicenza 2003. 21 Antonio Fogazzaro, Il Santo, Milano 1905; autorisierte deutsche Ausgabe: Antonio Fogazzaro, Der Heilige, übersetzt von Maria Gagliardi, München/Leipzig 81908. 22 Carl Muth, geb. 1867 in Worms, gest. 1944 in Reichenhall, katholischer Publizist, Begründer und Herausgeber der Kulturzeitschrift „Hochland“. Vgl. Maria Cristina Giacomin, Zwischen katholischem Milieu und Nation. Literatur und Literaturkritik im Hochland (1903–1918), Paderborn 2009. 23 Vgl. Elena Raponi (Hg.), Antonio Fogazzaro – Carl Muth: Carteggio (1903–1910), Vicenza 2010. 24 [Funk], Aus den Papieren (wie Anm. 14), 6f.
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Mystik und Reform – Philipp Funk
reformkatholischen Zeitschrift „Renaissance“ veröffentlichte der 21-jährige Theologe anonym einen Artikel mit dem Titel „Custos quid de nocte?“, in dem er nicht nur die armselige Lehrmethode seines Professors der neutestamentlichen Exegese kritisierte, sondern auch Fragen stellte, die zeigen, dass er mit Alfred Loisy und der protestantischen Exegese vertraut war. Warum, so fragte er, weiche die deutsche katholische Exegese auf sekundäre Themen aus, warum packe sie nicht zentrale Probleme an: das Seelenleben und Selbstbewusstsein Jesu, die Rolle des Paulus bei der Entstehung des Christentums, die Historizität des Johannesevangeliums, das Verhältnis von Bibel und Dogmenentwicklung?25 In einem zweiten Artikel befasste er sich speziell mit Fogazzaro und seiner Darstellung eines modernen Heiligen. Dem Jesuiten Alexander Baumgartner26, der eine vernichtende Kritik des Werkes Fogazzaros geschrieben hatte, warf er vor, sein Urteil über den „Santo“ zeige, wie wenig er im Grunde von der Mystik und den Mystikern verstehe. Die nervöse Disposition, die unter Umständen ins Pathologische hineinreiche, spiele, anders als Baumgartner behaupte, eine nicht unbedeutende Rolle in ihren religiösen Erfahrungen. Eine Mystikerin wie Teresa von Ávila beweise, dass „der höchsten mystischen Erhebung des Geistes- und Gemütslebens […] eine schwere Zerrüttung des Nervensystems zur Seite“ stehen könne. Doch deswegen, so Funk „werden diese Heiligen nicht zu psychisch minderwertigen Subjekten, zu hysterischen Kranken“, wie Baumgartner mit Blick auf Piero Maironi, den „Heiligen“ Fogazzaros, festgestellt hatte. Vielmehr, so deutet Funk an, könne gerade eine solche seelische Disposition zum Einfallstor für Gottes Wirken werden.27 Dass er dabei auch an sich selbst gedacht haben mag, liegt nahe.
25 [Philipp Funk], „Custos quid de nocte?“ Über katholische Exegese und einen ihrer namhaften Vertreter, in: Renaissance 7 (1906) 202–211. 26 Alexander Baumgartner, geb. 1841 in St. Gallen, gest. 1910 in Luxemburg, SJ (seit 1860), Literaturwissenschaftler, Dozent in Feldkirch und Stonyhurst, Mitarbeiter der „Stimmen aus Maria-Laach“, Verfasser einer äußerst kritischen Goethe-Biographie. Karl Muth, Alexander Baumgartner, in: Hochland 8/I (1910/1911) 237–239; Otto Pfülf, Nekrolog, in: Stimmen aus Maria-Laach 79 (1910) 349–372. 27 [Philipp Funk], Zur Psychologie und Mystik von Fogazzaros „Il Santo“, in: Renaissance 7 (1906) 597–600. – Ein weiterer Beitrag Funks befasste sich mit den „Legendenstudien“ des Historikers Heinrich Günter: ebd., 645–647.
Unterwegs zum Modernisten
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c) Der Zusammenbruch Der Student Funk fühlte sich „fast trunken von dem Hochgefühl, mitten in der Zeit religiösen Aufschwungs zu stehen, selbst Hand mit anlegen zu dürfen, mit den Besten und Frömmsten zu arbeiten auf hoher Warte“28. Er gab sich nicht mehr zufrieden mit den Vorlesungen seiner theologischen Lehrer. Die Ansichten Alfred Loisys und anderer kritischer Theologen suchte er in Einklang zu bringen mit seinem Glauben. Er schreibt: „Jahrelang habe ich mich gemüht, den dogmatischen Begriffen Offenbarung, Inspiration der Schrift und ähnlichem einen Inhalt abzugewinnen, der einerseits religiös fruchtbar wäre, andererseits dem literar- und religiös-geschichtlichen Forschen Raum ließe. Mochte dann Babel wie immer es wollte zur Bibel stehen, mochte das vierte Evangelium sein, von wem es wollte: das Gut der religiösen Wahrheit sollte durch die Bohrarbeit des Historikers nicht geschädigt werden.“ Da traf ihn wie „ein Blitz aus heiterem Himmel“ die Indizierung des Romans „Il Santo“. „Voll froher Pläne“, so schreibt er, sei er zu Beginn der Karwoche 1906 über seine Heimatberge gewandert. Zurückgekehrt, habe er eine Zeitung aufgeschlagen und gelesen, dass „Der Heilige“ indiziert worden sei. „Noch nie“, so Funk, „erlebte ich einen so schmerzlichen Karfreitag als den, da mein religiöses Ideal am Kreuze hing, angenagelt von den Bürokraten und Banausen des Kirchentums, denen der Genius des Christentums und des Katholizismus fremd war. Ich klagte damals einem Freund: die Geistestiefe ist verurteilt, die geniale Mystik, die man nicht versteht, fürchtet und hasst man. Der Katholizismus verflacht immer mehr.“ Es blieb nicht bei der Verurteilung Fogazzaros. 1907 folgten die römischen Erlasse Lamentabili sine exitu und Pascendi Dominici gregis. Funk fühlte sich selbst „vom Blitzstrahl des Dekrets“ Lamentabili verwundet. „Mir war es sofort klar: Dutzende meiner Grundsätze […], die ganze Methode, nach der ich in den Jahren meines theologischen Studiums an einem Ausgleich zwischen Wissen und Glauben gearbeitet hatte, war getroffen […]. Ich begann zu ahnen, was Theologen wie Schell und andere 28 [Funk], Aus den Papieren (wie Anm. 14), 5.
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fühlen mussten, als ihnen die Kunde von der Verurteilung ihrer Schriften, ihrer Lebensarbeit durch die römische Inquisition zukam. Bei mir handelte es sich weniger um theologische Lebensarbeit, die mit einem Mal vernichtet worden wäre, als um die theologische Lebensmöglichkeit.“29 Mit anderen Worten: Funk wurde klar, dass er möglicherweise seinen sehnlichsten Wunsch, Theologe und Priester zu werden, aus Liebe zur Wahrheit und Wahrhaftigkeit würde begraben müssen. Was aber dann? Für Funk gab es kein anderes Berufsziel, als Priester zu werden. Er fühlte sich zum Priester geboren und war überzeugt: „Wer zum Priester geboren wird, wird Priester, ob ihm ein Bischof die Hände auflegt oder nicht […] und er bleibt Priester, auch wenn er aus dem Heiligtum verjagt wurde.“30 Doch sollte er wirklich ein „Priester ohne Kelch und Altar“ werden? Nach schweren inneren Kämpfen, in denen er „das Wehen des modernistischen Geistes“ schmerzvoll erlebte31, glaubte er schließlich, bei seinen geliebten Mystikern einen Weg gefunden zu haben, doch noch Priester werden zu können. Musste der Christ nicht, wenn Gott es verlangte, seinen Verstand zum Opfer bringen und mit Ignatius von Loyola beten: „Nimm an, o Herr, meinen Verstand, meinen Willen, meine Freiheit …“? Sagte nicht die „Nachfolge Christi“, das kostbare Büchlein der Devotio moderna: „Gar ein Großes ist’s, im Gehorsam zu stehen. Wer ist so weise, dass er alles so vollkommen wissen könne?“ Und dennoch: Bedeutete eine solche Haltung nicht Unreife und Flucht vor der Verantwortung? „Freilich“, so notierte sich Funk, „ist Demut eine Grundhaltung, nicht dumme Kritik.“ Aber für ihn galt auch: „Das Fundament sittlichen Handelns ist die Selbstverantwortung.“32 So mag er gehofft haben, dass sich seine Probleme im Laufe der Zeit lösen würden. Nachdem er sein theologisches Abschlussexamen mit großem Erfolg abgelegt hatte, trat er im Herbst 1907 ins Priesterseminar in Rottenburg ein und fühlte sich in der klösterlichen Atmosphäre recht wohl. Doch nun holte ihn seine Vergangenheit ein. Es war ruchbar geworden, dass er der Verfasser 29 Ebd., 6f. 30 Vgl. Philipp Funk, Priester ohne Kelch und Altar, in: NJ 2 (1910) 425–427. 31 Vgl. Philipp Funk, Der Gang des geistigen Lebens im katholischen Deutschland unserer Generation, in: Max Ettlinger/Philipp Funk/Friedrich Fuchs (Hg.), Wiederbegegnung von Kirche und Kultur in Deutschland. Eine Gabe für Karl Muth, München 1927, 77–126, hier 104. 32 [Funk], Aus den Papieren (wie Anm. 14), 126, 138f.
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der kritischen Artikel in der „Renaissance“ war. Regens und Bischof gaben ihm deshalb zu verstehen, dass es wegen seiner „modernistischen Tendenzen“ wohl besser sei, wenn er das Seminar verlasse. Darauf entschloss sich Funk, die Seminarausbildung zunächst zu unterbrechen und sein Geschichtsstudium abzuschließen.33 Im Sommer 1908 konnte er an der Universität Tübingen seine Doktorarbeit über den Kardinal Jacques de Vitry einreichen, der in der Geschichte der mittelalterlichen Mystik eine bedeutende Rolle spielte.34 Sein Doktorvater, der bekannte protestantische Historiker Walter Goetz35, lobte an der Arbeit besonders Funks Einfühlungsvermögen in die Gestalt seiner Untersuchung.36 Am 26. November 1908 trat Funk erneut ins Priesterseminar ein. Doch schon am 18. Dezember beschied ihn der Regens zu sich und befragte ihn über seine Stellung zur Enzyklika Pascendi und zu Loisy. Was die Enzyklika anlangte, bat Funk um Bedenkzeit. Zu Loisy bemerkte er, dieser sei nicht durch philosophische Vorentscheidungen, sondern durch die historisch-kritische Methode zu seinen Ergebnissen gekommen. Das jedoch widersprach den kirchlichen Entscheidungen, denen Funk sich in einer schriftlichen Erklärung unterwerfen sollte.37 Um nicht seiner klaren Erkenntnis untreu zu werden, verließ Funk das Priesterseminar.
2. Bekennender Modernist a) Unter den deutschen „Modernisten“ Die Jahre, die dem Austritt aus dem Priesterseminar folgten, waren für Funk von schweren inneren Krisen begleitet. Zwar hatte er auf Vermittlung von 33 [Funk], Aus der Verfolgung (wie Anm. 1), 57f.; Engelhart, Funk (wie Anm. 1), 113– 115. 34 Philipp Funk, Jakob von Vitry (Beiträge zur Kulturgeschichte des Mittelalters und der Renaissance 3), Leipzig 1909. 35 Walter Goetz, geb. 1867 in Lindenau bei Leipzig, gest. 1958 in Adelholzen (Oberbayern), bedeutender deutscher Historiker, Franziskusforscher, während der Zeit des Modernismus führte er einen Briefwechsel mit Paul Sabatier. Vgl. Helmut Goetz, Il carteggio Paul Sabatier e Walter Goetz (1900–1913), in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 58 (1978) 566–614. 36 Promotionsbericht der philosophischen Fakultät, Universitätsarchiv Tübingen 131/58b, n. 25. 37 [Funk], Aus der Verfolgung (wie Anm. 1), 57f.; Gegenerklärung (von Seiten der Diözese Rottenburg), in: NJ 1 (1909) 78.
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Walter Goetz eine wissenschaftliche Beschäftigung als Historiker gefunden. Glücklich aber war er dabei nicht, zumal nachdem es ihn 1909 als Hilfsbibliothekar in das ferne protestantische Stettin verschlagen hatte.38 Funk wollte weiterhin Katholik sein, aber ein „modernistischer Katholik“. Als solcher begann er jetzt publizistisch tätig zu sein. Dabei fand er schon bald Eingang in die in München erscheinende Zeitschrift „Das Neue Jahrhundert“, die den Untertitel „Zeitschrift der deutschen Modernisten“ trug.39 In einem seiner ersten Beiträge stellte er fest, der Modernismus sei keineswegs ein „halber Protestantismus“, es handle sich nicht um eine „infiltration protestantique“40. Es gehe den Modernisten vielmehr um eine totale Erneuerung. Doch Funk, aus dessen Zeilen man seine Verbitterung über sein Schicksal herauslesen kann, ging noch weiter. Er war der Ansicht, die Modernisten müssten sich gerade im Namen der Katholizität gegen das gegenwärtige kirchliche „System“ wenden, das nichts anderes sei als der „Zerstörer und Totengräber von Religion und Kirche, von Glauben und Frömmigkeit“41. Funk begann, sich deutlich von der Kirche als Institution zu entfernen. Gewiss, er wollte katholisch sein. Aber nicht römisch. Und er wollte für seine Ideale kämpfen. Deswegen suchte er nach Gesinnungsgenossen. Er fand sie vor allem unter den Mitarbeitern des „Neuen Jahrhundert“, allen voran in seinem Freund Herman Hefele42, einem Neffen des großen Bischofs Hefele43 von Rottenburg, der wie er wegen „modernistischer Tendenzen“ das Priesterseminar hatte verlassen müssen, ferner in den „modernistischen“ jungen Pro-
38 Otto Weiss, Der Modernismus in Deutschland. Ein Beitrag zur Theologiegeschichte, Regensburg 1995, 356. 39 Vgl. Jörg Haustein, Liberalkatholische Publizistik im späten Kaiserreich. „Das Neue Jahrhundert“ und die Krausgesellschaft, Göttingen 2001; Engelhart, Funk (wie Anm. 1), 187–238; Weiss, Der Modernismus in Deutschland (wie Anm. 38), 359–368. 40 Anspielung auf das antimodernistische Pamphlet: Julien Fontaine, Les infiltrations protestantes et le clergé français, Paris 1901. 41 Ph[ilipp] F[unk], Ist Modernismus halber Protestantismus?, in: NJ 1 (1909) 85f. 42 Herman Hefele, geb. 1885 in Stuttgart, gest. 1936 in Frauenburg (Ostpreußen), Literaturwissenschaftler, Romanist. Vgl. Weiss, Der Modernismus in Deutschland (wie Anm. 38), 377–382. 43 Carl Joseph von Hefele, geb. 1809 in Unterkochen, gest. 1893 in Rottenburg, Kirchenhistoriker in Tübingen, markanter Vertreter der Minorität beim I. Vatikanum, 1869–1893 Bischof von Rottenburg. Hubert Wolf (Hg.), Zwischen Wahrheit und Gehorsam. Carl Joseph von Hefele (1809–1893), Ostfildern 1993.
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fessoren der Theologie Hugo Koch44 und Joseph Schnitzer45, dem aus Franken stammenden Exegeten Thaddäus Engert46, schließlich dem Dorfpfarrer Otto Rudolphi47, der eine ausgedehnte Korrespondenz mit „modernistischen“ Neuerern wie Geremia Bonomelli, Albert Houtin und Alfred Loisy führte. Funk ließ es nicht dabei bewenden. Er begann Kontakte zu knüpfen zu Gruppen, die seinen Idealen zu entsprechen schienen. Nach wie vor stand für ihn dabei das Religiöse im Mittelpunkt. Darum kämpfte er ganz im Sinne eines Franz Xaver Kraus48 gegen den „politischen Katholizismus“, den er in der deutschen Zentrumspartei verwirklicht sah. So knüpfte er Verbindungen zu dem „Antiultramontanen Reichsverband“ in Berlin und zu dessen Geschäftsführer Lorenz Wahl, einem ehemaligen Kapuziner. Er interessierte sich auch für Bewegungen außerhalb des Katholizismus, die sich einer überkonfessionellen „laikalen Mystik“ widmeten. Zu nennen ist etwa Eugen Diederichs49, 44 Hugo Koch, geb. 1869 in Andelfingen, gest. 1940 in München, Dogmenhistoriker. Vgl. Weiss, Der Modernismus in Deutschland (wie Anm. 38), 336–343; Gregor Klapczynski, „Ab initio sic non erat!“ Modernismus am Beispiel Hugo Koch (1869–1940), in: Judith Schepers/Hubert Wolf (Hg.), „In wilder, zügelloser Jagd nach Neuem“. 100 Jahre Modernismus und Antimodernismus in der katholischen Kirche (Römische Inquisition und Indexkongregation 12), Paderborn 2009, 271–288. 45 Joseph Schnitzer, geb. 1859 in Lauingen, gest. 1939 in München, Dogmenhistoriker, Professor der Dogmatik in München, 1908 als Modernist suspendiert. Norbert Trippen, Theologie und Lehramt im Konflikt. Die kirchlichen Maßnahmen gegen den Modernismus im Jahre 1907 und ihre Auswirkungen in Deutschland, Freiburg/Basel/Wien 1977, 268–404; Manfred Weitlauff, Der „Fall“ des Augsburger Diözesanpriesters und Münchener Theologieprofessors Joseph Schnitzer (1859–1939). In Erinnerung an die antimodernistischen Erlasse Papst Pius’ X. vor hundert Jahren. Verein für Augsburger Bistumsgeschichte, Augsburg 2011; Gregor Klapczynski, Katholischer Historismus? Zum historischen Denken in der deutschsprachigen Kirchengeschichte um 1900. Heinrich Schrörs – Albert Ehrhard – Joseph Schnitzer (Münchener Kirchenhistorische Studien, NF 2), Stuttgart 2013, 271–375. 46 Thaddäus Engert, geb. 1875 in Ochsenfurt, gest. 1945 in Gräfenroda, Exeget, 1910 Übertritt zum Protestantismus. Karl Hausberger, Thaddäus Engert 1875–1945. Leben und Streben eines deutschen „Modernisten“ (Quellen und Studien zur neueren Theologiegeschichte 1), Regensburg 1996. 47 Otto Rudolphi, geb. 1862 in Börwang bei Kempten, gest. 1925 in Gestraz (Allgäu), seit 1898 Pfarrer in Gestraz. Vgl. Weiss, Der Modernismus in Deutschland (wie Anm. 38), 209–225. – Rudolphi stand später in engem Kontakt mit Monsignore Umberto Benigni. Vgl. Archivum Secretum Vaticanum, Fondo Benigni, pacco 60, n. 9784, 9819, 9847. 48 Franz Xaver Kraus, geb. 1840 in Trier, gest. 1901 in San Remo, Kirchenhistoriker, Gegner des politischen Katholizismus, Reformkatholik. Christoph Weber, Liberaler Katholizismus. Biographische und kirchenhistorische Essays von Franz Xaver Kraus, Tübingen 1983; Sonja Tophofen, Franz Xaver Kraus (1840–1901). Ein Leben zwischen Wissenschaft und kirchlichem Lehramt, Frankfurt am Main u. a. 2013. 49 Eugen Diederichs, geb. 1867 in Löbitz, gest. 1930 in Jena, Verleger. Lulu von Strauss und Torney-Diederichs (Hg.), Eugen Diederichs. Leben und Werk. Ausgewählte
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der mit seinem Verlag zum Sprachrohr der Lebensreformbewegung der Jahrhundertwende mit ihren vielfältigen Ersatzreligionen wurde, der aber auch die mittelalterliche deutsche Mystik in sein Repertoire aufnahm. Allerdings wandte Funk sich sehr schnell wieder von Diederichs ab. Sein Argwohn galt, wie es scheint, vor allem dem „erotischen“ Mystizismus, wie er ihn leider auch in der von ihm geschätzten Herz-Jesu-Verehrung häufig am Werk sah.50 Eine solche „Weihrauch-Mystik“, meinte er, sei nichts anderes als „eine Art Opiumsucht“. Als Hauptvertreter falscher Mystik nannte er im Sommer 1910 Georges Marie Charles Huysmans51, einen Romancier, der „aus Degeneration“ katholisch geworden sei52. Funk blieb bei diesem Urteil. Als er fünf Jahre später, während seines Kriegseinsatzes in Belgien, in Brügge am Lac d’Amour stand, dem Ort, an dem Fogazzaro die Geschichte des „Santo“ beginnen lässt, kam ihm erneut als perverses Gegenbild zu diesem heiligen Mystiker Huysmans in den Sinn, der, nachdem „kein Winkelchen seiner Phantasie mehr rein geblieben“ sei, „letzte Gluten“ in der Mystik gesucht habe, „um unter der frommen Hülle alte Bedürfnisse wieder zu befriedigen“53. Höhepunkt der „antirömischen“ Phase in Funks Leben war seine Teilnahme am „Berliner Weltkongress für freies Christentum und religiösen Fortschritt“, der vom 5. bis 10. August 1910 in Berlin stattfand.54 Als Redner traten führende deutsche protestantische Professoren auf wie Ernst Troeltsch, Rudolph Eucken, Adolf von Harnack und Hermann Gunkel, dazu der deutschnationale Vertreter einer „sozialistischen Theologie“ Max Maurenbrecher55.
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Briefe und Aufzeichnungen, Jena 1936; Justus H. Ulbricht/Meike G. Werner, Romantik, Revolution und Reform. Der Eugen Diederichs Verlag im Epochenkontext 1900– 1949, Göttingen 1999. Vgl. Philipp Funk, Die Herz-Jesu-Andacht, in: NJ 1 (1909) 397–400. Joris-Karl (Charles Marie Georges) Huysmans (1848–1907), Romancier. Manfred Ach/ Johannes Jörgensen, Joris-Karl Huysmans und die okkulte Dekadenz, München 1980; Amaury D’Esneval, Huysmans, in: Dictionnaire de biographie française 18 (1994) 111–114. Philipp Funk, Unsere Lage und unsere Aufgabe, in: NJ 2 (1910) 375–378, hier 376, Anm. 1. Philipp Funk, Die tote Stadt. Träumereien in Brügge, in: Freie deutsche Blätter 15 (1915) 808–822, hier 809, 820. Vgl. Max Fischer/Friedrich Michael Schiele (Hg.), Fünfter Weltkongress für Freies Christentum und Religiösen Fortschritt, Berlin-Schöneberg 1910. Max Maurenbrecher, geb. 1874 in Königsberg, gest. 1930 in Osthausen, ev. Theologe, Philosoph, Wirtschaftswissenschaftler, Politiker. Lothar Bily, Maurenbrecher, in: BBKL 5 (1993) 1051–1055.
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Von Frankreich kam der 85-jährige „Altkatholik“ Hyacinthe Loyson56 mit seinem Sohn Paul, der für den Pariser Bund der Freidenker sprach. Der katholische Modernismus in Europa bildete ein eigenes Thema des Kongresses. Für Italien sprach dazu Romolo Murri, für Frankreich der Protestant Sabatier und für England ebenfalls ein Nichtkatholik, nämlich Alfred Lesley Lilley, ein Freund von George Tyrrell. Als Vertreter der deutschen Modernisten äußerte sich der erst 26-jährige Philipp Funk. In seiner Rede betonte er, der deutsche Modernismus habe zwei Ziele: zum einen die „Freiheit wissenschaftlicher Forschung“, zum andern eine „persönliche intensive Religion“. Dadurch unterscheide er sich vom „Reformkatholizismus“ eines Franz Xaver Kraus oder Josef Müller57. Diese hätten sich zwar gegen die Politisierung des deutschen Katholizismus gewandt, aber sie hätten keine wirkliche religiöse Erneuerung gewollt. Funk fuhr fort: „Unser Gewissen geht uns über das kirchliche Urteil, während Kraus, Schell und Müller das kirchliche Urteil dem Zeugnis ihres Gewissens vorgehen ließen. Ferne sei es uns, den Wert der kirchlichen Gemeinschaft zu unterschätzen: sie ist der Wärmeherd des religiösen Lebens […]. Aber wenn der schmerzliche Fall eintritt, dass die kirchliche Gemeinschaft, statt die religiöse Flamme anzufachen, sie zu dämpfen oder zu ersticken droht, dann gilt es die Religion zu retten auch auf Kosten der Kirche! Wenn wir dabei den taktischen Grundsatz verfolgen: nicht selbst austreten, kein Schisma von uns aus – so wollen wir doch nicht um den Preis unserer religiösen Ideale und unseres sittlichen Charakters bei Rom bleiben.“58
b) Um den Kurs des „Neuen Jahrhundert“: Mystik oder Kritik? Seit dem Sommer 1910 weilte Funk in München. Seit Ende 1909 war er verantwortlicher Redakteur, seit März 1910 auch alleiniger Herausgeber der Modernistenzeitschrift „Das Neue Jahrhundert“, die seit 1911 zugleich das 56 Hyacinthe (Charles) Loyson, geb. 1827 in Orléans, gest. 1912 in Paris, 1858 OP, 1859 OCarm, berühmter Kanzelredner von Notre-Dame, Gegner der Infallibilität, 1872 Heirat, 1879 Gründung der „Église catholique gallicane“. Albert Houtin, Le père Hyacinthe, prêtre solitaire, 3 Bde., Paris 1920–1924. 57 Josef Müller, geb. 1855 in Bamberg, gest. 1942 ebd., 1877 Priester, veröffentlichte 1898 das zweibändige Werk „Der Reformkatholizismus, die Religion der Zukunft“. Weiss, Der Modernismus in Deutschland (wie Anm. 38), 181–196. 58 Vgl. Aus dem Referat von Dr. Ph. Funk auf dem Berliner Weltkongress, in: NJ 2 (1910) 406–408.
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offizielle Organ der nach Franz Xaver Kraus benannten liberalkatholischen Münchener Krausgesellschaft darstellte. Schon bald begann er der Zeitschrift gegen den entschiedenen Widerstand einiger seiner Mitstreiter den Stempel eines geläuterten Modernismusverständnisses aufzudrücken. Für ihn handelte es sich beim deutschen Modernismus weder um einen neuen Altkatholizismus noch um eine „Abart des Protestantismus“, auch nicht um einen antiultramontanen „Reichsverband“ zur Bekämpfung des Zentrums59 und schon gar nicht um eine Sammelbewegung nationalliberaler, aufgeklärter katholischer Bildungsbürger60. Darum bestand er auf der Trennung von allen freigeistigen, freireligiösen und völkisch-nationalen Gruppen. Sie hatten in der Zeitschrift und in der Krausgesellschaft nichts verloren. Jede rein negative Kritik wies er zurück und betonte: „Wir sind und bleiben katholisch, nicht römisch, sondern katholisch […]. Wir schließen uns zu einer innerkatholischen Reform zusammen.“61 Klingt hier noch der Gedanke an, dass es nötig sein könnte, die römische Kirche zu verlassen, um wirklich katholisch zu sein, so gab wenig später der junge Erlanger Physiker Joseph Würschmidt in der Zeitschrift – sicher im Einklang mit Funk – zu verstehen, dass die deutschen Modernisten keine „romfreie deutsche katholische Kirche“ anstreben.62 Der bisherige Kurs seines Vorgängers als Herausgeber des „Neuen Jahrhundert“, des Exegeten Thaddäus Engert, erschien Funk zu negativ. Die Kritik und das Niederreißen um des Niederreißens willen tauge zu nichts. Gewiss, Kritik sei nötig, aber nur um die verschütteten Quellen zu öffnen, aus denen das Leben des Katholizismus sprudelt. Was jedoch war nach Funk das Wesentliche am Katholizismus? Funk antwortete, kaum in Übereinstimmung mit der kirchlichen Dogmatik und ganz im Sinne des von der Enzyklika Pascendi verurteilten „Immanentismus“: „Der ganze Katholizismus ist nichts anderes als eine hohe Schule der religiösen Erfahrung.“63 Er forderte daher eine religiöse Erneuerung im Geiste von George Tyrrell und betonte, niemand trage „schwerer an den Fehlern des gegenwärtigen 59 Vgl. [Philipp Funk], in: NJ 3 (1911) 172; ferner: [Philipp Funk], Die Krausgesellschaft und die Freireligiösen, in: NJ 6 (1914) 270. 60 Vgl. Schriftliche Bemerkung Funks zum Programmentwurf von Gustav Ziegler: Programmentwürfe Funk, Bayer. Staatsbibliothek, Handschriftenabteilung, Krausgesellschaftiana III/1, Nr. 1. 61 Philipp Funk, Der jetzige und künftige Kurs des „Neuen Jahrhundert“, in: NJ 2 (1910) 109f. 62 J[oseph] Würschmidt, Eine Entscheidung, in: NJ 2 (1910) 322f. 63 Funk, Der jetzige und künftige Kurs (wie Anm. 61).
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Katholizismus als die große Zahl eifriger Priester und auch Laien, die trunken vom Geist eines heiligen Franz von Assisi, Franz von Sales, Johann Michael Sailer […] von einer gereinigten Kirche der Zukunft träumen“. Aber nicht von einer protestantischen, sondern von einer katholischen Kirche, „in der die persönliche Religion eines Paulus, Chrysostomus, Augustin, Benedikt, Bernhard, Franz von Assisi, Franz von Sales, Newman […] fortlebt“. Deshalb sei es nötig, alle „zwecklose Dogmenkritik“ zu unterlassen. „Nur das eine Dogma wird von uns immer und ewig abgelehnt, dass wir rechtlose Sklaven einer Autorität seien, die sich hartnäckig der Einsicht verschließt, dass sie für uns da ist und nicht wir für sie!“64 Dies allerdings war nicht die Ansicht vieler Mitarbeiter Funks. Sein hauptsächlicher Gegenspieler war sein Vorgänger als Herausgeber der Zeitschrift, der Exeget Thaddäus Engert, der eine historisch-kritische und eine mystische Richtung im Modernismus unterschied65 und sich selbst als genuiner Gefolgsmann Loisys und seiner historisch-kritischen Methode verstand, während sich Funk immer mehr an George Tyrrell und dessen Trennung von „Wahrheit und Form, Glauben und Theologie“ orientierte. Engert, ein nüchterner Bibelwissenschaftler, war vor Funk Herausgeber des „Neuen Jahrhundert“ gewesen. Die ungerechte Verfolgung von Seiten seines Bischofs, die schließlich zu seiner Exkommunikation führte, und die Überzeugung, in der katholischen Kirche nicht mehr wissenschaftlich arbeiten zu können, hatten ihn im Frühjahr 1910 veranlasst, protestantisch zu werden. Zugleich übergab er die Herausgabe des „Neuen Jahrhundert“ an Funk.66 Ein spezieller Streitpunkt zwischen Funk und Engert war die Rolle der Religiosität und der Mystik im christlichen Leben. In einer Zuschrift an das „Neue Jahrhundert“ nahm Engert zu dem Programm Funks Stellung. Dieser habe recht, wenn er weniger Theologie und mehr Religiosität fordere. Der lebendige Jesus, wie ihn das Volk im Herz-Jesu-Kult verehre, habe mit einer alles wissenden und zergliedernden, rationalistischen Theologie und dem blutleeren Jesus der Dogmen nichts zu tun. Einer solchen Theologie soll der Kampf der Modernisten gelten. Etwas anderes sei es mit der kritischen 64 Philipp Funk, Unsere Lager und unsere Aufgabe, in: NJ 2 (1910) 375–378. 65 Thaddäus Engert, Vom konservativen katholischen Priester zum liberalen Protestanten. Der Lebensweg eines deutschen Modernisten. Lebenserinnerungen aus dem Nachlass, hg. von Wolfgang Engert, Fotoprint, o. O. [1986], 28. 66 Vgl. Funk, Der jetzige und künftige Kurs (wie Anm. 61).
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wissenschaftlichen Theologie. Diese sei für einen selbstständig denkenden Menschen unabdingbar. Engert fährt fort: „Symbolismus und Mystik soll nicht fehlen, aber man vergesse nicht, dass die Symbolisten und Mystiker zu allen Zeiten die größten und die – feigsten Häretiker waren. Sie verfuhren ganz souverän mit der Überlieferung, ganz gleichgültig gegen den ursprünglichen Sinn […]. Was kümmert den Mystiker, was die Urgemeinde beim Abendmahl empfand und dachte! Er legt seine Gefühle und Empfindungen den alten Worten und Formeln einfach zugrunde. Hier muss die Kritik einsetzen.“67 Funk war offenbar anderer Ansicht. Schon zuvor hatte er in der Zeitschrift einer Leserin, die ihm seine „mystische Natur“ zum Vorwurf machte, geantwortet: „Hätten wir nur recht viele Mystiker für unsere Bewegung und unser Organ! Wer kann berufener sein, ein religiöser Pfadweiser zu werden als eine ‚mystische Natur‘? […] Gott ist dem Mystiker in allen Einzelheiten des Lebens gegenwärtig.“ Funk war überzeugt, dass die Feinde des religiösen Fortschritts, „ultramontane Stumpfheit“ und „flaches Aufklärertum“, in gleicher Weise nur „von einer genialen Mystik erfolgreich bekämpft werden“ können.68
3. Standortwechsel: Modernismus und Mystik a) Die Kirche des Geistes Seit Beginn des Jahres 1911 rückte Funk immer weiter von seinen ursprünglichen modernistischen Positionen ab und bekannte sich zu einem „gemäßigten Konservativismus“69. Probleme der modernen Exegese, die ihn früher bedrängt hatten, rückten in den Hintergrund. Ganz im Unterschied zur Mystik, die ihn nach wie vor, besonders was die Mystik des Mittelalters anlangt, 67 [Offener Brief Engerts an das „Neue Jahrhundert“], in: NJ 2 (1910) 298f. 68 Philipp Funk, Nochmals unser Kurs, in: NJ 2 (1910) 206–210, hier 206. 69 [Philipp Funk], in: NJ 3 (1911) 172.
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intensiv beschäftigte.70 Hinsichtlich der kirchlichen Dogmen plädierte er dafür, zwischen deren eigentlichem Sinn und deren zeitbedingter Formulierung zu unterscheiden. So verstanden gäbe es keinen Widerspruch zwischen Dogma und Gewissen. Auch die Autorität in der Kirche erschien ihm nun wichtig und notwendig, von Übel sei nur die „Überspannung der Autorität“. Rom sei nun einmal „Schloss und Schlüssel des Bandes der kirchlichen Einheit“. Darum gelte: „Der abendländische Katholizismus wird vom Papsttum nicht mehr loskommen; er ist ganz auf dieses Fundament gebaut.“71 Entscheidend in dieser Äußerung ist das Wort „religiös“. In der betonten Herausstellung des Religiösen über alle inneren Wandlungen hinweg liegt das Spezifische des Modernismusverständnisses Funks, das ihn in die Nähe zu Brémond und Fogazzaro bringt. Der Modernismus müsse sich darum bemühen, sagte er bei einem Vortrag in Essen vor 700 Zuhörern, „die ewigen Lebensquellen in der katholischen Kirche sprudeln zu lassen“. „Auf diesem Feld“, so Funk, „hat der Modernismus seine Lebensfähigkeit zu erproben, nicht auf dem Feld der Trennung und des Kampfes.“ Weiter bemerkte er in dem Vortrag: „Man sieht, dass die Kirche zu versteinern droht, weil sie im Gegensatz zum Mittelalter sich gegen die Zeit und ihre Kultur verschließt; und weil man sie von Herzen liebt, diese Kirche mit ihren Symbolen und ihren Sakramenten, mit ihrer religiösen Mystik und ihren künstlerischen Reizen, mit ihrer ethischen Unerbittlichkeit und ihrem sozialen Helfersinn, sucht man sie zu retten – malgré elle-même. Herman Schell und Franz Xaver Kraus in Deutschland, Alfred Loisy in Frankreich, der frühere Jesuitenpater George Tyrrell in England, Romolo Murri in Italien waren die Meister dieser Bewegung.“72 Und so stellte Funk einer verweltlichten und versteinerten Kirche das Ideal der geistlichen Kirche gegenüber, vor allem in der 1913 erschienenen Schrift
70 Vgl. Philipp Funk, Lieder der Braut. Religiöse Minnedichtungen aus den Schriften der Schwester Mechthild von Magdeburg, in: NJ 3 (1911) 368–370. 71 Philipp Funk, Das geistige Erbe von Franz Xaver Kraus, in: NJ 4 (1912) 16–19. 72 Philipp Funk, Das katholische Problem der deutschen Gegenwart, in: NJ 5 (1913) 342– 344.
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„Von der Kirche des Geistes“, einer Sammlung von Meditationen73, die zum Großteil bereits im „Neuen Jahrhundert“ erschienen waren. Schon der erste Satz der Schrift verkündete das Programm, welches das ganze Werk durchzieht. Funk zitierte den mittelalterlichen Zisterzienserabt Joachim von Fiore74, der dem Reich des Vaters (im Alten Testament mit dem Joch des Gesetzes) und dem petrinischen Reich des Sohnes (im Neuen Testament mit dem Joch der Erziehung) das johanneische „dritte Reich“ des Heiligen Geistes folgen lässt, das Zeitalter der Liebe, von dem Joachim glaubte, dass es gerade anbreche.75 Allerdings wandte sich Funk gegen die Vorstellung einer zeitlichen Abfolge der drei Reiche. Er sah in den drei Reichen drei Stufen auf dem Weg zu Gott, drei Gruppen von Menschen, die zwar alle unter dem gleichen Dach der einen Kirche wohnen, aber gleichsam in drei verschiedenen Räumen, einer dunklen Krypta der Furcht und Seelenangst, einer darüberliegenden Unterkirche, wo alles religiöse Leben von Gehorsam, Unterwerfung, Pflichtgefühl und von einer unmündigen, „pubertären“ Haltung geprägt ist, die nicht völlig falsch ist, aber doch nur eine Durchgangsphase sein darf, und schließlich einer „lichterfüllten Oberkirche“, wo der Mensch in Freiheit und Liebe sich dem Dienst an Gott und den Menschen verschreibt. Entschieden wendet sich Funk gegen das Steckenbleiben vieler Katholiken in einer rein äußerlichen Frömmigkeit, die unter dem Gesetz seufzt und getrieben von Höllenangst der kirchlichen Autorität Gehorsam leistet. Über diese unreife Religiosität gelte es hinauszuwachsen. Jedoch seien äußere Frömmigkeitsformen, der Gottesdienst und sein Mittelpunkt, die Eucharistie, deswegen keineswegs überflüssig. Die Liebe zu Gott und den Mitmenschen zu nähren, dazu seien sie den Christen geschenkt worden.76 Nach wie vor zeigte sich Funk in seiner Schrift begeistert von dem „Heiligen“ Fogazzaros, der eine selbstbewusste Persönlichkeit und zugleich einen Mystiker darstelle, einen Menschen, der wie eine Katharina von Siena vom heiligen Geist der Erneuerung erfüllt war. Heutzutage könnten die 73 Philipp Funk, Von der Kirche des Geistes. Religiöse Essays im Sinne eines modernen Katholizismus, München 1913. 74 Gioacchino da Fiore, geb. ca. 1135 in Celino (Kalabrien), gest. 1202 in Martin de Giove, Abt, monastischer Reformer. Vgl. Karl Löwith, Weltgeschichte und Heilsgeschehen. Sämtliche Schriften, Bd. 2, Stuttgart 1983, 158–172; Ernesto BUONAIUTI, Gioacchino da Fiore. I tempi, la vita, il messaggio (Collezione meridionale), Roma 1931. 75 Funk, Von der Kirche (wie Anm. 73), 1. 76 Ebd., 2–9.
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Ultramontanen, die die Kirche regieren, solche Heiligen nicht mehr brauchen. Heiliggesprochen werde heutzutage nur noch, wer das Denken beiseitegestellt habe und „sich vom Nivellierungsapparat des jesuitisch verstandenen Kirchentums am gründlichsten zurichten ließ“77. Heiligkeit sei ein Monopol der Hierarchie geworden und wehe dem, der – noch dazu, wenn er Laie sei – wie die Heiligen früherer Zeiten an Reformen denke. „Solche Heilige brauchen wir nicht: weg mit ihnen – auf den Holzstoß, wenn sie lebendig, auf den Index, wenn sie papieren sind.“78 Im Übrigen betonte Funk jedoch, dass der Glaube oder das „religiöse Ahnen“ der Mystiker nicht mit der Wissenschaft verwechselt werden sollten und keineswegs das „natürliche Denken“ verdrängen dürften. Glauben und Wissen seien verschiedene Annäherungen an die Wirklichkeit. Es sei daher eine Grenzüberschreitung, ja ein „unerlaubter Übergriff “, wenn die Kirche die Ansichten über den Lauf der Sonne, die Lehre von der Entstehung der Arten oder – in der „Modernistenenzyklika“ – wissenschaftliche Erkenntnisse und Überzeugungen historisch arbeitender Gelehrter verurteile.79 Funk konnte feststellen, dass sein Buch ein gutes Echo fand. In einem Brief an Albert Houtin, den er im Sommer 1913 zusammen mit Joseph Schnitzer und Otto Rudolphi bei einem „modernistischen Religionskongress“ in Paris kennengelernt hatte80, schrieb er: „Die Kirche des Geistes hat in Priesterkreisen viel Sympathie gefunden. Das Buch dient jetzt vielen als Predigtquelle und Erbauungsbuch.“81 Offensichtlich jedoch nicht allen. Wenig später wurde es nämlich in Rom bei der Indexkongregation angezeigt und schließlich am 14. April 1914 verurteilt82, weil darin die Errichtung eines „modernen Katholizismus“ gepredigt werde, der an die Stelle der überkommenen katholischen Lehre treten solle und der nichts anderes sei als ein in katholische For-
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Ebd., 106. Ebd., 108. Ebd., 21f. Vgl. Joseph Schnitzer, Aus dem Tagebuch eines deutschen Modernisten, hg. von Norbert Trippen, in: Georg Schwaiger (Hg.), Aufbruch ins 20. Jahrhundert. Zum Streit um den Reformkatholizismus und Modernismus (Studien zur Theologie und Geistesgeschichte des 19. Jahrhunderts, Bd. 23), Göttingen 1976, 140–222, hier 182f. 81 Funk an Albert Houtin, 25. April 1914, Bibliothèque nationale Paris, Nouvelles acquisitions françaises, Fonds Houtin 15704, fol. 385. 82 ACDF, Index Diarii 24 (1915–1916), 11.
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meln gekleidetes Abzugsbild der protestantischen Lehre von einer unsichtbaren innerlichen Kirche83.
b) Auf der Suche nach einem neuen Standort Funk war während des Ersten Weltkriegs als Sanitäter, Kriegsberichterstatter, Mitarbeiter der Militärregierung in Brüssel sowie bei der Spionageabwehr in Rumänien tätig. 1918–1919 war er Schriftleiter für Außen- und Kulturpolitik bei der „München-Augsburger Abendzeitung“. 1921 wurde er Lektor beim Kösel-Verlag in München und Mitarbeiter der katholischen Kulturzeitschrift „Hochland“. Daneben gab er von 1920 bis 1926 den „Literarischen Ratgeber für die Katholiken Deutschlands“ heraus.84 Seine Berufung zum Professor der Geschichte an die Philosophisch-Theologische Hochschule Freising im Jahre 1924 scheiterte am Einspruch des Münchener Erzbischofs Michael Kardinal von Faulhaber.85 1925 habilitierte er sich in München bei Heinrich Günter mit der wegweisenden Arbeit „Von der Aufklärung zur Romantik“86. Er lehrte 1926 kurze Zeit als Privatdozent an der Münchener Universität. Ein ordentlicher Lehrstuhl blieb ihm versagt. Doch erhielt er noch im gleichen Jahr einen Ruf als Professor für Geschichte und Neuere Literaturgeschichte an die Universität Braunsberg im fernen Ostpreußen.87 1929 wurde er Professor für Mittelalterliche und Neuere Geschichte in Freiburg im Breisgau.88 Wie stand es mit Funks innerer Entwicklung in all diesen Jahren? Seine Biografen betonten, er habe während des Ersten Weltkriegs unter dem Eindruck der Kriegserlebnisse fast eine Kehrtwende vom individualistischen Kritiker der Kirche zum Verteidiger der von der Kirche gehüteten objektiven Wahrheit vollzogen.89 Und sein ehemaliger Mitstreiter 83 Gutachten von Ubaldo Mannucci, ACDF, Index Protocolli 143 (1914–1917), Nr. 188. Vgl. Judith Schepers, Dokumentation der römischen Zensurverfahren gegen deutschsprachige Publikationen (1893–1922), in: Schepers/Wolf (Hg.), „In wilder, zügelloser Jagd“ (wie Anm. 44), 525–685, hier 539–541; Weiss, Der Glaubenswächter (wie Anm. 5), 123f. 84 Vgl. Engelhart, Funk (wie Anm. 1), passim. 85 Funk an Albert Houtin, 22. Januar 1925, Bibliothèque nationale Paris, Nouvelles acquisitions françaises, Fonds Houtin 15704, fol. 390f. 86 Philipp Funk, Von der Aufklärung zur Romantik. Studien zur Vorgeschichte der Münchener Romantik, München 1925. 87 Vgl. Engelhart, Funk (wie Anm. 1), 349–406. 88 Vgl. ebd., 407–460. 89 Vgl. ebd., 291–311; August Hagen, Philipp Funk 1884–1937, in: ders., Gestalten aus dem schwäbischen Katholizismus. Dritter Teil, Stuttgart 1954, 244–279, hier 275.
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Professor Joseph Schnitzer, dessen Weg in die Religionswissenschaft nach seiner Suspension ein wenig an Loisy erinnert, stellte 1922 verächtlich fest, Funk sei „in die liebenden Mutterarme der heiligen römischen Kirche“ zurückgekehrt.90 All diese Feststellungen sind nur teilweise richtig, und sie treffen höchstens dann zu, wenn man den Funk des Jahres 1910 mit dem Funk des Jahres 1920 vergleicht. Dazwischen aber lag ein ereignisreiches Jahrzehnt. Funk selbst sprach daher von einem „inneren Prozess“, den er in diesen Jahren durchlebte.91 Dieser Prozess begann bald nach seinem Auftritt beim „Weltkongress für freies Christentum“ in Berlin. Im Laufe dieses Prozesses ließ er, wie er später im Rückblick andeutete92, manche jugendliche Übersteigerungen und Verstiegenheiten hinter sich und fing an, gewisse Vorgänge in der Kirche ruhiger und gelassener zu beurteilen. Doch geblieben war seine tiefreligiöse, ja mystische Grundhaltung, die stets unverändert blieb, ob er nun die freie Persönlichkeit oder die Hingabe an die als richtig erkannte objektive Wahrheit in den Vordergrund stellte. Dabei spielte wohl auch das traumatische Erlebnis seines Ausschlusses aus dem ersehnten Priestertum eine entscheidende Rolle, ein Erlebnis, das der sensible, zur Schwermut neigende Mann bis zu seinem Lebensende zu verwinden suchte, indem er sich mühte, seine priesterliche Existenz „ohne Kelch und Altar“ inmitten der Welt zu leben. Gehen wir in die Einzelheiten, ausgehend von dem Trauma, das Funk zeit seines Lebens begleitete und immer wieder in ihm die Sehnsucht nach dem Priestertum aufsteigen ließ93, ja ihm auch nach außen hin einen priesterlichen Habitus verlieh94. Dass dies so war, bezeugen seine Freunde. So schrieb Otto Rudolphi 1915: „Sehr sympathisch ist mir Dr. Funk, ein ganz ausgezeichneter Mensch, eine tiefreligiöse Schwabennatur, gemütvoll und ein vornehmer Charak-
90 Schnitzer an Houtin, 9. Januar 1922, Bibliothèque nationale Paris, Nouvelles acquisitions françaises, Fonds Houtin 15733, fol. 106. 91 Philipp Funk an Carl Muth, 24. Februar 1919, Nachlass Muth, Bayer. Staatsbibliothek, Handschriftenabteilung, Ana 390 II A. 92 Vgl. Funk, Der Gang des geistigen Lebens (wie Anm. 31), 100. 93 Vgl. Philipp Funk an Helene Raff, 26. Mai 1919, Bayer. Staatsbibliothek, Handschriftenabteilung, Raffiana. 94 Vgl. Engelhart, Funk (wie Anm. 1), 310.
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ter […]. Er wäre ein ausgezeichneter Geistlicher geworden und würde es auch heute noch sein.“95 Und noch zwanzig Jahre später stellten seine Schüler fest, dass Funks ganzes Wesen etwas Priesterliches an sich habe.96 Er selbst fühlte sich noch immer als Priester und blieb deswegen ehelos. Nicht verstehen konnte er es, wenn Priester, die seine Freunde waren, den Zölibat ablehnten oder heirateten. Dies ging so weit, dass er alte Freundschaften zerbrechen ließ. Der Frau des ehemaligen Priesters und katholischen Schriftstellers Joseph Bernhart warf er vor, sie habe ihren Mann „aus seiner priesterlichen Bahn gerissen und leider […] gegen sein wahres Glück zu weit vom Wege abgedrängt“.97 Damit kommen wir zur religiösen Grundhaltung Funks, der er stets treu blieb, die er aber auch von anderen forderte. Es scheint, dass er zunächst versuchte, dort weiterzumachen, wo er als Redakteur und Buchautor während der Zeit des Modernismus gewirkt hatte. Seine Tätigkeit als politischer Redakteur war ihm zu wenig, und so finden wir ihn bald als Mitarbeiter einer seit 1919 erscheinenden Zeitschrift, der es um das „neue innere Werden“ ging und die den bezeichnenden Namen „Seele“ trug. Der Initiator und Herausgeber der Zeitschrift, Alois Wurm98, ein kirchentreuer, aber durchaus aufgeschlossener Katholik, war ihm nicht völlig fremd. Bereits 1910 war er Funk aufgefallen. Wurm hatte damals geschrieben, die entscheidende Frage für den Katholiken laute: „Wie stehe ich zu Gott, zu Christus, zur Kirche – ich, losgelöst von allen anderen, ich in der tiefsten Einsamkeit und Wahrhaftigkeit meines Wesens?“ Alles andere sei nebensächlich, ja der wirklichen Lebensfreude hinderlich.99 Im „Neuen Jahrhundert“ hatte Funk dazu bemerkt, in solchen Sätzen offenbare sich „das Morgenrot religiöser Wiedergeburt des Katholizismus“; an die Stelle von „äußerer Kirchlichkeit“ trete wahre Religiosität. Er 95 Otto Rudolphi an Albert Ehrhard, 18. Januar 1915, Nachlass Albert Ehrhard, Archiv des Byzantinischen Instituts, Kloster Scheyern. 96 Engelhart, Funk (wie Anm. 1), 310. 97 Vgl. Joseph Bernhart, Erinnerungen 1881–1930, hg. von Manfred Weitlauff, 2 Bde., Weißenhorn 1992, I, 834–843. – Funk war mit dieser Ansicht allerdings nicht allein. Sie war, wie immer man dies beurteilen mag, offensichtlich unter den Weggefährten Bernharts verbreitet (Mitteilung eines Freundes von Bernhart an den Verfasser). 98 Vgl. Otto Weiss, Der Seelenwurm. Dr. Alois Wurm (1874–1968), Herausgeber der Zeitschrift „Seele“, in: Beiträge zur Geschichte des Bistums Regensburg 43 (2009) 453–491. 99 Alois Wurm, Religiöse Auseinandersetzung mit sich selbst, in: Die Wahrheit 1 (1910), Nr. 1, 3f.
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hatte hinzugefügt: „Wenn Rom in diesem Sinn religiös würde, dann hätten wir nichts mehr gegen Rom.“100 Jetzt, nach dem Krieg, kam Funk Alois Wurm noch näher. Für die „Seele“ verfasste er mehrere Beiträge.101 Es sind Funks letzte „theologische“ Veröffentlichungen, in denen er seinen neuen Standort innerhalb des Katholizismus präzisierte. Dabei zeigt sich, dass die religiöse Grundeinstellung Funks dieselbe war wie vor dem Krieg. Was sich verändert hatte, waren zwei Dinge. Da war zum einen sein Stil, der nüchterner und rationaler geworden war. Da war zum andern eine stärkere Betonung des „katholischen Objektivismus“, der Sakramente und der Liturgie, Ausdrucksformen des kirchlichen Lebens, die er jedoch nie geringgeschätzt hatte. Was im Denken Funks gleich geblieben war, war der Aufruf an Priester und Laien zur „Teilnahme am mystischen Leben Christi“, eine Teilnahme, die er jedoch jetzt mehr als früher eingebunden sah in das „sakramentale Leben der Kirche“, durch das das „mystische Christuserlebnis“ nicht bloß „innerlich, geistlich und sittlich“, sondern auch „sachlich, tatsächlich und wesenhaft“ Wirklichkeit wird. Aber er betonte auch, dass die „objektive Christusmystik“, der „Anschluss an Christi mystischen Leib“ sich in der „subjektiven Christusmystik“ offenbaren müsse, im Glauben und Leben der einzelnen Christen. Als Führer und Wegweiser zu dieser individuellen Christusbegegnung nennt er neben Paulus und Ignatius von Antiochien die griechischen Kirchenväter, Tauler, Jean Gerson, die „Brüder vom gemeinsamen Leben“102 und die „Nachfolge Christi“ des Thomas von Kempis. Wichtiger als alle geistlichen Lehrer sei jedoch die Liebe: „Die Liebe führt am sichersten zu Christus und sie allein hält bei ihm.“103 Nach wie vor war Funk von den großen Heiligen und Mystikern fasziniert. Auch in seiner Habilitationsschrift „Von der Aufklärung zur Romantik“ aus dem Jahre 1925, in deren Zentrum der bayerische Theologe und Bischof 100 [Philipp Funk], Die Wahrheit, katholische Kirchenzeitung für Deutschland, in: NJ 2 (1910) 500f. 101 Vgl. Ph. F. (= Philipp Funk), Petrus. Ein Medaillon, in: Seele 2 (1920) 210; Matthäus, in: Seele 2 (1920) 274; Johannes, in: Seele 3 (1921) 110f.; Philippus, in: Seele 5 (1923) 126–128. 102 Die Gemeinschaft der „Brüder vom gemeinsamen Leben“ wurde von Florens Radewijns (1350–1400), einem Freund und Schüler des Bußpredigers und Hauptbegründers der Devotio moderna, Geert Grote (1340–1384), um 1381 in Deventer ins Leben gerufen. Regnerus Richardus Post, The Modern Devotion. Confrontation with Reformation and Humanism, Leiden 1968. 103 Philipp Funk, Unser Verhältnis zu Christus, in: Seele 2 (1920) 226–232.
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Johann Michael Sailer104 steht, kommt dies zum Ausdruck. Schon als Schüler am Gymnasium, so Funk, habe Sailer „mystische Erfahrungen“ gemacht. Dass er eine „aufgeklärte“ Phase durchmachte, konnte Funk jedoch nicht verschweigen, doch habe Sailer sich schließlich – nicht zuletzt unter dem Einfluss pietistischer Protestanten wie Lavater und Matthias Claudius – den Mystikern Tauler und Heinrich Seuse, aber auch François Fénelon zugewandt.105 Kein Verständnis habe Sailer jedoch für einen falschen Mystizismus empfunden. Trotz seiner Beziehungen zu der katholischen Erweckungsbewegung im bayerischen Allgäu habe er das dort übliche Erweckungserlebnis nicht durchgemacht106, eine Behauptung, die allerdings aufgrund neuerer Forschungen bezweifelt werden kann107. Funks neue Begegnung mit der Mystik beschränkte sich jedoch nicht auf seine Habilitationsschrift. Er plante darüber hinaus ein umfassendes Werk zur Geschichte der Mystik. An Albert Houtin schrieb er im November 1922: „Ich bin auch über einem Buch zur Geschichte der Frömmigkeit, französisch etwa: les périodes historiques du sentiment religieux dans l’Europe chrétienne – aber nicht auf unser Volk beschränkt wie das Werk von Brémond und nicht bloß histoire littéraire. Ich will sehen, ob die äußeren Verhältnisse dem Fortschritt meiner Arbeit günstig sind.“108 Funk scheint jedoch den Gedanken an das Werk aufgegeben zu haben109, nachdem ihm die mehrbändige „Geschichte der Mystik“ von Pierre Pourrat110 bekannt geworden war. 104 Johann Michael Sailer, geb. 1751 in Aresing, gest. 1832 in Regensburg, Professor der Theologie, 1829 Bischof von Regensburg, gilt als der „bayerische Kirchenvater“. Manfred Weitlauff, Johann Michael Sailer (1751–1832), in: ders. (Hg.), Lebensbilder aus dem Bistum Augsburg. Vom Mittelalter bis in die neueste Zeit (Verein für Augsburger Bistumsgeschichte, Jahrbuch 39), Augsburg 2005, 220–250. 105 Philipp Funk, Von der Aufklärung (wie Anm. 86), hier 88–90. 106 Ebd., 98. 107 Vgl. Hildebrand Dussler, Johann Michael Feneberg und die Allgäuer Erweckungsbewegung. Ein kirchengeschichtlicher Beitrag aus den Quellen zur Heimatkunde des Allgäus, Nürnberg 1959, 87, 145, 154f. 108 Funk an Houtin, 14. November 1922, Bibliothèque nationale Paris, Nouvelles acquisitions françaises, Fonds Houtin 15704, fol. 387–390. 109 Vgl. ebd. 110 Pierre Pourrat, La spiritualité chrétienne, 4 Bde., Paris 1918–1928, Neuauflage 1947– 1951.
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4. Die weitere Entwicklung a) Die Stellung Funks im deutschen Katholizismus: Primat des Religiösen Funk war das Priestertum verwehrt worden, was jedoch nichts an seinem zutiefst religiösen Charakter änderte. Mehr noch, er suchte jetzt die Lösung, die er für sich gefunden hatte, in eine allgemeine Forderung umzuformen. Nicht nur er selbst war „ein Priester ohne Kelch und Altar“, auch jedem Christen, davon war er überzeugt, war durch die Taufe das Priestertum geschenkt worden. Daher geißelte er in den Zeitbetrachtungen, die er nun in der Zeitschrift „Hochland“ veröffentlichte, den „Aktionismus“ und die „Organisierwut“ der deutschen Vereinskatholiken, die nichts anderes seien als ein Zeichen für den Mangel an schöpferischer Kraft.111 Er forderte: „Ein neuer Typus des katholischen Laien überhaupt wäre erst zu schaffen […].“ An die Stelle von äußerer Betriebsamkeit müsse ein Handeln aus innerster Verbundenheit mit Christus treten. „Die Religion“, so Funk, „muss im Laien ebenso die beherrschende Kraft des ganzen Seelenlebens sein wie beim Priester.“ Dies gelte nicht zuletzt für die geistige Elite. Daher sollten die katholischen Professoren an Universitäten zwar nur der kritischen Wissenschaft verpflichtet sein, doch dessen ungeachtet müssten sie religiöse Menschen sein.112 Aus einer solchen Einstellung heraus wurde Funk in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts zum schärfsten Kritiker des politischen Katholizismus wie des bloßen „Kulturkatholizismus“. Enttäuscht stellte er fest: „Je mehr ich in kirchlicher Umgebung lebe, desto ungeheurer empfinde ich den Kontrast zwischen den ewigen Ideen und Kräften dieser Religion und dem Wenigen, was sie […] gegenwärtig an Kraft und Geist entfaltet.“113 Was er vor Jahren geschrieben hatte, schien noch immer zu gelten. Der deutsche Katholizismus schien sich mehr um politische Machtfragen als um religiöse Grund-
111 Julius (= Philipp Funk), München im katholischen Geistesleben der Gegenwart, in: Hochland 19/II (1921/22) 497–506, hier 504. 112 Philipp Funk, Katholische Weltanschauung und Universität, in: Hochland 19/II (1921/22) 380–384. 113 Philipp Funk, Kritisches zum neuen katholischen Selbstgefühl, in: Hochland 22/I (1924/25) 232–237, hier 236.
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fragen zu kümmern114, eine Tatsache, in der er einen „Abfall vom katholischen Heiligkeitsideal“ erblickte. Fast noch schärfer ging Funk mit dem deutschen „Kulturkatholizismus“ dieser Jahre ins Gericht, den führende katholische Intellektuelle, angefangen von dem „Akademikerpapst“ Erich Przywara115 bis hin zu dem Philosophen Peter Wust116, als einen „Siegkatholizismus“117 propagierten, der die „Superiorität“ der Katholiken über jede andere Konfession und Weltanschauung118 beweise. Der Katholizismus, so hieß es, sei endlich aus dem „Exil“ zurückgekehrt. Zeitschriften wie „Das Neue Reich“ feierten das angeblich hohe Niveau der katholischen Literatur, und Peter Wust war der Ansicht, die Katholiken sollten die Auferstehung der „katholischen Metaphysik“ mit einem Fanfarenstoß verkünden.119 Dazu bemerkte Funk: Nichts gegen die „Wiedergeburt der Metaphysik“, auch nichts dagegen, dass den Katholiken in der Republik anders als im wilhelminischen Reich Karrieren in Staat und Gesellschaft offenstünden. Was ihn jedoch störe, sei das neue katholische Selbstgefühl. Das Superioritätsgerede sei Selbsttäuschung und Übertreibung, mehr noch Überheblichkeit und Pharisäismus. „Nicht Fanfaren, sondern Taten überzeugen.“ Allerdings habe das Blasen der Fanfaren, die „journalistische Inszenierung“ des „katholischen Überlegenheitsgefühls“ bereits eingesetzt, und zwar von einer Seite, die am wenigsten dazu berechtigt sei. Gemeint ist das „Neue Reich“, wo Minderwertiges in der Literatur, nur weil es katholisch sei, zur Größe aufgebläht werde. 114 Vgl. Philipp Funk, Ist das katholische Christentum eine Religion oder ein politisches System?, in: NJ 3 (1911) 626–628. 115 Erich Przywara, geb. 1889 in Kattowitz, gest. 1972 in Hagen bei Murnau, SJ (seit 1908), Philosoph und Theologe. Martha Zechmeister, Gottes-Nacht. Erich Przywaras Weg Negativer Theologie (Religion – Geschichte – Gesellschaft. Fundamentaltheologische Studien 4), Berlin 22000. 116 Peter Wust, geb. 1884 in Rissenthal, gest. 1940 in Münster, Philosoph. Alexander Lohner, Peter Wust. Gewissheit und Wagnis, Paderborn 1995. 117 Den Begriff prägte Erich Przywara im Anschluss an Hugo Ball. Vgl. Erich Przywara, Integraler Katholizismus?, in: Stimmen der Zeit 113 (1927) 115–121, hier 119; auch in: ders., Ringen der Gegenwart. Gesammelte Aufsätze 1922 bis 1927, 2 Bde., Augsburg 1929, II, 133–145, hier 140. 118 Vgl. Oskar Bauhofer, Idee und Gestalt katholischer Wissenschaft, in: Der katholische Gedanke 6 (1933) 124–134. 119 Peter Wust, Die Rückkehr des deutschen Katholizismus aus dem Exil, in: Kölnische Volkszeitung, 21./22. Mai 1924, n. 385ff.; auch in: Karl Hoeber (Hg.), Die Rückkehr aus dem Exil. Dokumente der Beurteilung des deutschen Katholizismus der Gegenwart, Düsseldorf 1926, 16–35.
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Im Übrigen sei es nicht die erste Aufgabe der Kirche, Kultur im künstlerischen Sinn zu schaffen, denn „das Reich Gottes liegt keineswegs im Glanz der Kultur und im Klang der Dichtung“.120
b) Ausklang Funk fand sich schließlich damit ab, dass seine wissenschaftliche Zukunft nicht in der Theologie, sondern in der Geschichtswissenschaft liegen würde. Doch noch einmal blickte er 1929 in einer Festschrift für Carl Muth zurück auf die Zeit des Modernismus und behandelte damit ein Thema, das damals in Deutschland tabu war.121 An den einstigen Weggefährten Joseph Schnitzer schrieb er: „Es wäre mir ganz lieb, wenn Sie […] ganz offen Ihre Meinung über den Versuch sagen würden, den ich in der Muth-Festschrift machte, Reformkatholizismus und Modernismus aus der Entfernung meines heutigen Standpunkts historisch zu würdigen. Ich nehme an, dass das manchen in die Nase sticht, die gern das ganze ehemalige Geschehen begraben ließen.“122 Funk war sich also über das Wagnis, das er mit seinem Beitrag einging, durchaus im Klaren. Schon allein der Umstand, dass er die gute Absicht der Reformer bei ihren Bemühungen hervorhob, stand in schroffem Gegensatz zur Enzyklika Pascendi, die ihnen vorgeworfen hatte, sie wollten die Kirche zerstören. Allerdings glaubte Funk feststellen zu müssen, der eigentliche theologische Modernismus sei in Deutschland von den meisten Reformern gar nicht verstanden worden. Nur indirekt gehe der Modernismus auf Deutschland zurück, „aber auf das protestantische, auf Kant und Hegel, und auf die deutschprotestantische Bibelkritik alten und neuen Stils“. Jedoch – und damit spielt er auf sein eigenes Schicksal an – im Verborgenen habe auch Deutschland „das Wehen des ,modernistischen‘ Geistes“ gespürt, was zu „schweren, 120 Philipp Funk, Kritisches zum neuen katholischen Selbstgefühl, in: Hochland 22/I (1924/25) 233–237; auch in: Hoeber (Hg.), Die Rückkehr aus dem Exil (wie Anm. 119), 68–75. 121 Funk, Der Gang des geistigen Lebens (wie Anm. 31). 122 Philipp Funk an Joseph Schnitzer, Stettin, 4. Januar 1928, Bayer. Staatsbibliothek, Handschriftenabteilung, Schnitzeriana, Supplementum II, 21.
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schmerzlichen Krisen“ geführt habe. Die Nichtbeteiligung der offiziellen deutschen katholischen Theologie an der modernistischen Bewegung sei jedoch kein „Ruhmestitel“, da sie „auf mangelnde Kraft zur spekulativen und religionsphilosophischen Einstellung auf wichtigste theologische Probleme zurückzuführen ist“123. So habe es sich beim theologischen Modernismus vorwiegend um das Ringen französischer Denker, allen voran Loisy, mit dem Problem einer religionsphilosophischen und fundamentaltheologischen Neuorientierung gehandelt, wie sie die Auseinandersetzung mit der modernen Natur- und Geisteswissenschaft erforderte. Dieser Modernismus sei nichts anderes gewesen als „der Versuch einer Überwindung der Kritik, die Naturwissenschaft, Geschichtswissenschaft und eine neue Religionsphilosophie an den Grundlagen des Glaubens übten“. Dahinter sei „der Wille zu einer großzügigen, einen Thomas von Aquin erfordernden Synthese“ gestanden. Die Zeit dazu sei leider noch nicht reif gewesen, und die Lösungsversuche seien nicht genügend durchdacht worden.124 In Deutschland allerdings seien wesentliche Fragestellungen und lebenswichtige Beschwerden „nicht einmal zur Besprechung zugelassen worden“. Der politische Tageskampf sei wichtiger gewesen als die Zeitaufgabe, die da lautete: „Wie […] können vor allem die Gebildeten beim lebendigen Glauben erhalten werden?“125 In der Folgezeit verließ Funk das Gebiet der Theologie. Er widmete sich ganz seiner Aufgabe als Historiker. Größere wissenschaftliche Arbeiten, die er plante, kamen allerdings nicht zur Ausführung, was sicher auch durch seine schwache Gesundheit und häufige Erkrankungen bedingt war. Es fehlt auch nicht an Hinweisen, dass er, vor allem nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten, wieder verstärkt an Depressionen litt. Dass 1935 ein Ruf an die Universität München als Nachfolger seines Lehrers Günter scheiterte – wie es scheint auf Betreiben des Nationalsozialisten Professor Karl Alexander von Müller –, hat seine psychischen Probleme offenbar noch vermehrt.126 Dennoch wurde er als vorzüglicher Lehrer von seinen Schülern geschätzt. Zwar
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Funk, Der Gang des geistigen Lebens (wie Anm. 31), 104. Ebd. Ebd., 99–103. Vgl. Engelhart, Funk (wie Anm. 1), 452–459.
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trug ihm seine ängstliche Art bei ihnen den Titel „Doctor Timidus“ ein127, doch verstand er sie dennoch zu begeistern. Vor allem imponierte ihnen, dass er ein zutiefst religiöser Mensch war, der sich jedoch nicht vor den Anforderungen der Moderne verbarrikadierte. Dies hat auch die Tätigkeit seiner Schüler später ausgezeichnet. Philipp Funk starb völlig unerwartet am 15. Januar 1937 an einer Grippe.
5. Bilanz Funk hat rückblickend die Rolle, die der Modernismus in Deutschland spielte, als eher marginal und zweitrangig gezeichnet. Sicher zu Recht. Trotz der zahlreichen verworrenen Geister und Kirchenkritiker, die sich in der Krausgesellschaft und der „Zeitschrift der deutschen Modernisten“ zusammenfanden, hat es vielleicht tatsächlich nur zwei genuine deutsche Modernisten von Format gegeben: den Münchener Dogmatiker Joseph Schnitzer und den Würzburger Exegeten Thaddäus Engert. Beide standen in ihren Auffassungen Loisy nahe, und beide gingen nach ihrer Verurteilung einen ähnlichen Weg wie dieser. Aber Funk hat rückblickend auch auf „schwere, schmerzliche Krisen“ hingewiesen, die der Modernismus auch in Deutschland bewirkte. Er dachte dabei sicher an den jungen sensiblen, frommen und intelligenten Theologiestudenten, der er selber war, jenen Studenten, der sich, angeregt von führenden Reformern aus Italien, Frankreich und England, mitten in einem religiösen Aufbruch hin zur Erneuerung von Kirche und Theologie wähnte und der doch so bitter enttäuscht wurde. Funk hat recht. Auch er selbst, so jung er war, war ein Teil der modernistischen Bewegung, auch wenn er 1907 noch keine Bücher verfasst hatte, die verurteilt werden konnten. Und doch passte er nicht recht zu den übrigen Vertretern des Modernismus in Deutschland, vor allem nicht zu den historischkritischen Theologen Schnitzer und Engert. Denn Funk war der vielleicht einzige deutsche Vertreter eines anderen Grundstroms der modernistischen Bewegung, es sei denn, man rechne Carl Muth, den Herausgeber des „Hochland“, mit seiner Schrift „Die Wiedergeburt der Dichtung aus dem religiösen 127 Mündliche Mitteilung seines Schülers Professor Oskar Köhler (1909–1996).
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Erlebnis“128 hinzu. Dieser andere Grundstrom – die „religiöse Unruhe“ eines Brémond, das „religiöse Erlebnis“ eines Carl Muth, oder wie Funk sagte: die „religiöse Erfahrung“ – war die Mystik. Ihr war der sensible Funk schon als Kind in den großen Heiligen des Mittelalters begegnet, denen später auch sein wissenschaftliches Interesse galt, er hatte sie als Student neu entdeckt in dem „Heiligen“ Fogazzaros, sie hatte auch sein späteres Leben bestimmt, auch wenn an die Stelle seines jugendlichen Aktionismus und mancher unreifer Verstiegenheit nüchterne Überlegung und ein hohes Maß an Demut getreten waren. Aber war ein solches Reifwerden und Ruhigwerden durch das Leben hindurch nicht gerade der klassische Weg der Mystik? War Funk also ein Mystiker? Er war es nicht, wenn Mystik mit Flucht aus der realen Welt gleichgesetzt wird. Und er war es erst recht nicht, wenn damit jener Mystizismus und Ästhetizismus gemeint ist, der am Fin de Siècle als neue Romantik, als décadence, als „Lebensreform“ das Fühlen und Denken vieler Intellektueller bestimmte. Wenn damit jedoch gemeint ist, dass er ein Mensch war, der sich vom Primat des Religiösen leiten ließ, dass es ihm um die Erfahrung, die „Teilnahme am mystischen Leben Christi“ ging, war er ein Mystiker. Und diese Art von Mystik forderte er von jedem Christen, ganz besonders vom katholischen Laien. Damit hat er vorweggenommen, was Karl Rahner später so ausgedrückt hat: „Der Fromme von morgen wird ein ‚Mystiker‘ sein, einer, der etwas erfahren hat, oder er wird nicht mehr sein, weil die Frömmigkeit von morgen nicht mehr durch im Voraus zu einer personalen Erfahrung und Entscheidung einstimmige, selbstverständliche öffentliche überzeugende und religiöse Sitte aller mitgetragen wird.“129
128 Karl Muth, Die Wiedergeburt der Dichtung aus dem religiösen Erlebnis. Gedanken zur Psychologie des katholischen Literaturschaffens, Kempten/München 1909. 129 Karl Rahner, Schriften zur Theologie, Bd. 7, Einsiedeln 1966, 22f.
Glaube als Begegnung Erfahrung und Offenbarung sind einerlei, und unentbehrliche Flügel oder Krücken unserer Vernunft, wenn sie nicht lahm bleiben oder kriechen soll. Johann Georg Hamann Glaube ist nicht ein fest verschnürtes Geschenkpaket, das dem Täufling mit der Taufe in die Wiege gelegt wird, der dann dessen einzelne Inhalte fest verpackt während seines Lebens mit sich herumträgt, um sie als wohlpräparierte Fertigprodukte je nach Anlass und Bedarf aus der sicheren Plastikfolie herausholen zu können. Gläubig kann man nur sein, wie Miguel de Unamuno es ausdrückte, wenn man täglich darum kämpft. Mag sein, dass das heute in einer Welt und Gesellschaft, die auch in Europa immer weniger vom Christentum her bestimmt ist und deswegen als „postchristliche“ Gesellschaft verstanden wird, mehr denn je gilt. Erst recht scheint es der Fall zu sein, wenn man den Begriff der „Postmoderne“ als Beschreibung heutigen Lebens, Denkens und Fühlens in den Blick nimmt, einen Begriff, der unendliche Relativität und Pluralität, auch der Weltdeutungen und Wertvorstellungen, zu besagen scheint, sofern man überhaupt noch von solchen reden kann. Noch weit mehr als in der Zeit der „Moderne“ mit ihrer Fortschritts- und Modernisierungsideologie scheint Glaube in der „Postmoderne“ keinen Platz mehr zu haben. Im Folgenden sei daher in einem ersten Schritt versucht, im Rückgriff auf Hermeneutik und auf ein nichtrationalistisches Bedenken von Wirklichkeit als Ganzem der Möglichkeit von Glauben heute nachzugehen. In einem zweiten Schritt soll aufgezeigt werden, wie innerhalb des Christentums in den letzten zweihundert Jahren bereits wegweisende Antworten für Glaube in der Postmoderne vorgegeben wurden. Im Zentrum steht dabei die katholische Modernismuskrise zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Am Schluss mögen dann, ausgehend von den vorangehenden Überlegungen, konkrete Hinweise für den Glauben heute stehen.
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1. Religiöse Erkenntnis als Sicheinlassen auf die Offenbarung Vom Ende einheitsstiftender „Metaerzählungen“, von grenzenlosem Wertepluralismus ist heute vielfach die Rede. An die Stelle des Fortschrittsgedankens der „Moderne“ tritt das „Ende der Geschichte“. Wie alle Welterklärungen und Daseinsdeutungen, so unterschiedlich sie sein mögen, birgt auch solcher „Postmodernismus“ mit seiner „neuen Unübersichtlichkeit“ Erkenntnisse, die wert sind, bedacht zu werden. Sicher ist, dass solches Denken die Realität unserer heutigen Informationsgesellschaft exakt spiegelt und den Pluralismus in allen Bereichen ernst nimmt. Die Menschen auf der ganzen Welt mit ihren pluralen, unterschiedlichen Vorstellungsmustern, Verhaltensweisen und Sozialisationen, auch mit ihren verschiedenen Weltdeutungen und Religionen, sind enger zusammengerückt. Die letzten Bastionen geschlossener Milieus und geschlossener Gesellschaften sind zusammengebrochen oder beginnen zu zerbröckeln. Sie weichen der weltweit offenen „Internetkultur“.
a) Postmodernes Denken mit einem hermeneutischen Rückgrat Doch postmodernes Denken ist nicht nur ein Reflex auf die Realität. Es handelt sich um eine Art, Wirklichkeit wahrzunehmen, die nicht rationalistisch ist. Sie ist auch nicht teleologisch. Das will nicht unbedingt heißen, dass alle Begründungen ausgeschlossen werden. Im Gegenteil: An die Stelle der Monokausalität tritt ein weit verflochtenes Wurzelwerk. Gewiss, es gibt Trends, aber sie können sich jederzeit umkehren. Es gibt noch immer so etwas wie Strukturen, doch diese können sich jederzeit ändern oder auflösen. Wenn dieses Spiel freilich einen „absoluten Relativismus“ meinen sollte (was ja ein Widerspruch wäre) – und manche heutigen Denker scheinen dieser Ansicht zu sein –, dürfte es sich um eine Sackgasse des Denkens handeln. Tatsächlich suchen jedoch nicht wenige der sogenannten postmodernen Philosophen, bewusst oder unbewusst, einen festen Punkt, eine einheitstiftende Ordnung im Archipel beziehungsloser Inseln. So wurde von Gianni Vattimo, dem italienischen „Postmodernen“, gesagt, er sei, sosehr er eine „Schwächung der Prinzipien“ fordert, ein „Postmoderner mit einem hermeneutischen
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Rückgrat“.1 Mit anderen Worten: Die Hermeneutik wird bei ihm als gestaltendes Prinzip zum Korrektiv. Er hat von Heidegger und Gadamer gelernt. Er ist überzeugt, dass die von diesen Denkern aufgezeigte Weise, Wirklichkeit zu erfassen – nicht durch objektivierendes Gegenübertreten, sondern durch Innewerden –, noch immer wegweisend sein kann.
b) Begreifen, was uns ergreift Die Wurzeln dieser anderen Art, Wirklichkeit wahrzunehmen, reichen weiter zurück, und es lohnt sich, im Gefolge Hans-Georg Gadamers2 dem nachzugehen. Die Anfänge scheinen nicht, wie man vielleicht meinen möchte, in der Romantik zu liegen, sondern ausgerechnet in der Zeit der Aufklärung, die mit Christian Wolff und Moses Mendelssohn den modernen Methodenmonismus und die Alleingültigkeit des quantitativen Denkens auf die Spitze trieb. Es gab damals, trotz einiger alles erklärender und alles beweisender Rationalisten, auch die anderen: von Johann Georg Hamann, dem „Magus des Nordens“, bis hin zu den französischen Vorläufern der Romantik – SaintMartin zum Beispiel, von dem Baader gelernt hat. Ja, sogar in den Schriften des als Materialist verrufenen Holbach finden sich Äußerungen, die alles andere als materialistisch und rationalistisch sind. Vor allem einem bisher wenig beachteten Denker aus der Zeit der Aufklärung ist nachzugehen. Es ist Alexander Gottlieb Baumgarten, der Bedeutendes geschrieben hat, nicht über das rationale Zergliedern, sondern über die „Anschauung“. Ein anderes Begegnen von Wirklichkeit, ein ursprüngliches Gewahrwerden vor allem rationalistischen Zugriff, wird dabei sichtbar. Wir finden es später immer wieder, selbst bei Kant in der „Kritik der praktischen Vernunft“3, vor allem aber bei Dilthey. Es hier im Einzelnen auszubreiten, ist nicht möglich. Nur skizzenhaft sei aufgerissen, worum es geht. Offensichtlich, so wird uns gesagt, gibt es eine ursprüngliche Art, Wirklichkeit zu erfassen, die jedoch nicht einfach mit Irrationalismus gleichzusetzen ist. Dabei spielt der Begriff der „Anschauung“, das „ästhetische Erfassen“, eine zentrale Rolle. Wegweisend scheint Baumgarten zu sein.4 Dilthey 1 2 3 4
Wolfgang Welsch, Vernunft. Die zeitgenössische Vernunftkritik und das Konzept der transversalen Vernunft, Frankfurt am Main 1996, 204–206. Hans-Georg Gadamer, Wahrheit und Methode, Frankfurt am Main 61960, hier bes. 66–76. Welsch, Vernunft (wie Anm. 1), 490–495. Vgl. ebd., 487.
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wird später vom „Erlebnis“ sprechen.5 Das „Leben“, so Dilthey, kommt vor dem Bewusstsein. So ist insbesondere das künstlerische Erfassen nicht die quantitative, naturwissenschaftliche Zergliederung eines Gegenstandes, sondern Erkenntnis durch Innewerden, Einswerden vor aller rationalen Objektivierung, und doch ist dies weit entfernt von bloßem subjektivem Gefühl und von jedem Psychologismus. Es ist, wie wir heute sagen, „personaler Vollzug“. Heidegger meint dies, wenn er sagt: „Denken ist nicht notwendig ein Vorstellen von etwas als Objekt.“ Denn wäre dem so, „dann bliebe das Gestalten von Kunstwerken sinnlos“. Gewiss könne man die Statue des Apollon im Museum von Olympia zum Objekt eines naturwissenschaftlichen „Vorstellens“ machen, man könne ihr Gewicht, ihre chemische Beschaffenheit bestimmen, „aber“, so fährt Heidegger fort, „dieses objektivierende Denken und Sprechen erklärt nicht den Apollon, wie er sich in seiner Schönheit zeigt und in dieser als Abbild des Gottes erscheint“. Hier sieht Heidegger ein ursprüngliches „Denken“ am Werk, das nichts anderes ist als „ein Entsprechen gegenüber dem, was sich zeigt“, was sich offenbart.6 Der Germanist Emil Staiger wird sagen, Erfassen von Kunst sei „begreifen dessen, was uns ergreift“.7 Heidegger dehnt solches Erfassen von Wirklichkeit aus auf die alltägliche Erfahrung: „Die alltägliche Erfahrung ist weder objektivistisch, noch eine Vergegenständlichung.“
c) Christlicher Glaube als Sicheinlassen auf Jesus Christus Es ist bedeutsam, dass sich die erwähnten Aussagen Heideggers nicht in einer Abhandlung zur Ästhetik finden, sondern in einem Aufsatz mit dem Titel „Phänomenologie und Theologie“ aus dem Jahre 1927, den ein späterer Herausgeber ergänzt hat durch einen Brief Heideggers aus dem Jahre 1964 zu dem gleichen Thema. Offensichtlich sieht Heidegger die religiöse Erkenntnis, vor allem aber die christliche Glaubenserkenntnis nicht bei der objektivierenden Wissenschaft aufgehoben, sondern stellt sie in die Nähe des ästhetischen Erfassens. Er ist überzeugt: Die christliche „Offenbarung ist als Mitteilung 5 6
7
Vgl. Wilhelm Dilthey, Das Erlebnis und die Dichtung, 1905; ders. [über das Problem der Religion 1911], in: Ges. Werke 1914ff., IV, 288–301. Sämtliche Zitate Heideggers sind dem Aufsatz „Phänomenologie und Theologie“ (1927 und 1964) entnommen, in: ders., Wegmarken (Gesamtausgabe, hg. von Friedrich Wilhelm von Hermann, 1. Abteilung: Veröffentlichte Schriften 1914–1970, Bd. 9), Frankfurt am Main 1976, 45–78. Vgl. hierzu Hans-Georg Gadamer, Hermeneutik, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, hg. von Joachim Ritter † und Karl Gründer, Bd. 3 (1974) 1061–1073.
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keine Übermittlung von Kenntnissen über wirkliche, bzw. gewesene oder erst eintretende Vorkommnisse, sondern diese Mitteilung macht zum Teilnehmer an dem Geschehen, welches die Offenbarung = das in ihr Offenbare selbst ist.“ Was aber die Theologie anlangt, so gilt zunächst: „Der Glaube geht der Theologie voraus.“ Zwar gilt von der Theologie, sie sei die „Wissenschaft von dem Geglaubten“. Doch um jedem Missverständnis vorzubeugen, als handle es sich um eine „Naturwissenschaft“, um die Beschreibung einer Quantität von „Glaubenswahrheiten“, um ein „Glaubenssystem“, fügt Heidegger hinzu, Theologie sei „die begriffliche Selbstinterpretation der gläubigen Existenz“. Aber Heidegger geht noch weiter. Schon 1927 und erneut 1964 stellt er die radikalere Frage, ob eine so verstandene Theologie – gemeint ist die sogenannte systematische Theologie – überhaupt eine Wissenschaft sei. Was aber ist sie dann? Ist systematische Theologie, ist Dogmatik der „Dichtung“ verwandt, nicht verstanden als Synonym zu Phantasterei, sondern als innerste Wahrheit, die Bestand hat inmitten allen Fluktuierens vergänglicher Begriffe?
d) Keine Verwissenschaftlichung des Glaubens Lassen wir diese Frage offen. Es dürfte jedenfalls deutlich sein, dass jede Bestimmung dessen, was Theologie, aber auch was Glaube meint, heute weniger denn je ausgehen kann von einem Verständnis von Theologie als einer QuasiNaturwissenschaft des Göttlichen. Gott entzieht sich dem Zugriff des quantitativen Denkens, er entzieht sich – das wusste schon die alte theologia negativa – jedem Begriff. Religiöse Erkenntnis, auch christlicher Glaube, folgt, wie Kierkegaard herausgestellt hat, anderen Erkenntnismustern8 als denen, die die objektivierende Wissenschaft anbietet. Sie ist ein Sicheinlassen, sie ist Begegnung, in der kein Raum bleibt für den Subjekt-Objekt-Gegensatz. Und man darf hinzufügen: Christlicher Glaube ist ein Sicheinlassen auf eine Person, auf Jesus, den Christus. Gewiss kann die Theologie versuchen, den Glaubensakt nachträglich gedanklich zu durchdringen. Doch eine rationale „Glaubensbegründung“ gibt es nicht. Es gibt nur das in festem Vertrauen gründende Leben des Glaubens, das jedoch die Ungewissheit nicht aus-, sondern einschließt. Kehren wir zum Ausgangspunkt unserer Überlegungen zurück, zum pluralen heutigen Denken, und stellen wir die Frage: Ist Glaube heute noch 8
Søren Kierkegaard, Werke, hg. von E. Hirsch, Düsseldorf 1956–1960, 16/I, 202f., 215ff.
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möglich? Die Antwort dürfte nach all dem Gesagten bejahend ausfallen, vorausgesetzt, dass die faktische Pluralität, der mangelnde Sinnzusammenhang und die Normlosigkeit nicht zur Norm gemacht werden. Denn dann wäre, genau genommen, nicht nur jedwede umgreifende Sinnstiftung, sondern auch jedes Gespräch unmöglich. Was allerdings endgültig beiseitezulassen ist, ist die „moderne“ Verwissenschaftlichung des Glaubens. Hier ist nun der Ort, wo meines Erachtens der eigentliche Kern einer bis heute andauernden „Modernismuskrise“ in der katholischen Kirche festzumachen ist. Die Modernismuskrise um die Wende zum 20. Jahrhundert wurde vielfach gedeutet als Auseinandersetzung der Kirche mit der Moderne, zumal mit der historisch-kritischen wissenschaftlichen Methode. Gewiss, das war sie auch. Doch es gab damals nicht nur den theologisch-wissenschaftlichen „Modernismus“, sondern auch den religiösen „Modernismus“. Dieser aber war in seiner Stellung zu Glaube, Dogma und Theologie weit mehr „antimodern“ als „modern“. Seine Gegner jedoch, die Vertreter der Neuscholastik und des kirchlichen Amtes, erscheinen, genau besehen, dem modernen quantitativen Denken, ja einer Naturwissenschaft des Glaubens verfallen gewesen zu sein. Es dürfte daher angesichts der heutigen Situation des „Glaubens in der Postmoderne“ hilfreich sein, sich auf die damalige Diskussion zurückzubesinnen, um Weisungen für die Gegenwart zu erhalten.
2. Die römische „Naturwissenschaft des Glaubens“ und die „antimodernen Modernisten“ Der Aufklärung kommt das unbestrittene Verdienst zu, den Menschen gelehrt zu haben, seinen Verstand zu gebrauchen, „helle“ zu werden und sich so aus der Unmündigkeit zu befreien. Sie brachte einen mächtigen Modernisierungsschub, und kein ernst zu nehmender katholischer Theologe wird heute noch die Aufklärung als widerchristlich abtun. Dies gilt auch von der sogenannten katholischen oder kirchlichen Aufklärung, zu der sich ein Mann wie
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Johann Michael Sailer bekannte, der sich nicht scheute, Jesus einen Aufklärer zu nennen9.
a) Die kirchliche Aufklärung: Theologie als Wissenschaft erweisen Das zentrale Anliegen der katholischen Aufklärer war es, katholische Theologie als Wissenschaft zu erweisen, auch wenn ihre Bemühungen oft mühsame Gehversuche darstellten. Um die Methode vor allem ging es. Dahinter standen unterschiedliche Auffassungen von Denken und Sein. So war der um einen „raisonablen Katholizismus“ bemühte bayerische Augustiner Eusebius Amort10, der als gefährlicher „modernistischer“ Jansenist verklagt wurde, methodisch noch ganz der alten Scholastik verpflichtet, die von allgemeinen Prinzipien ausgehend alle Wirklichkeit in den Griff zu bekommen suchte. Ganz anders der Ingolstädter Jesuit Benedikt Stattler, der im Gefolge Wolffs Gott zu demonstrieren suchte und sich, als Kant die theoretische Vernunft in ihre Grenzen verwies, jede Kritik an seiner Methode verbat11, was insofern nicht weiter verwundert, weil die Jesuitentheologie von jeher dem menschlichen Verstand sehr viel zugetraut hatte. Hatten doch schon die Jesuitentheologen an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert dem Menschen die Möglichkeit „evidenter Vernunfterkenntnis“ übernatürlicher Wahrheiten zugesprochen.12 Auf verschiedene Weise haben auch später katholische Theologen im Gefolge der Aufklärung und des deutschen Idealismus in Auseinandersetzung mit deren Vertretern versucht, Theologie als Wissenschaft zu erweisen. Erinnert sei an Sailers Freund Patriz Zimmer, der sich dazu verschiedener Philosophien seiner Zeit von Kant über Fichte bis zu Schelling bediente.13 Erinnert 9 10 11 12 13
Johann Michael Sailer, Religionskollegien (Handschriften Bibliothek des Wilhelmstifts Tübingen), Bd. I, 76f. Vgl. Hermann Lais, Eusebius Amort und seine Lehre über die Privatoffenbarungen. Ein historisch-kritischer Beitrag zur Geschichte der Mystik (Freiburger theologische Studien 58), Freiburg i. Br. 1941. Vgl. Benedikt Stattler, Demonstratio evangelica sive religionis a Jesu Christo revelatae certitudo. Accurata methodo demonstrata, Augsburg 1770; ders., Demonstratio catholica, Pappenheim 1775. Karl Eschweiler, Die zwei Wege der neueren Theologie. Georg Hermes – Matthias Joseph Scheeben. Eine kritische Untersuchung des Problems der theologischen Erkenntnis, Augsburg 1926, 40–45. Philipp Schäfer, Philosophie und Theologie im Übergang von der Aufklärung zur Romantik, dargestellt an Patriz Benedikt Zimmer (Studien zur Theologie und Geistesgeschichte des 19. Jahrhunderts, Bd. 3), Göttingen 1971.
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sei an Georg Hermes und an Anton Günther, deren Lehre von der Kirche als Semirationalismus verurteilt wurde, was zum mindesten bei Günther nicht zutrifft, da er klar unterscheidet zwischen dem, was dem Wissen, und dem, was nur dem Glauben zukommt: Der Glaube, betont Günther – ganz in der Tradition stehend –, sucht den Intellekt, aber auch der Intellekt sucht den Glauben. Richtig war lediglich, dass all diese Theologen und „christlichen Philosophen“ davon überzeugt waren, dass Theologie als Wissenschaft möglich sei, und nicht von ungefähr ist die theologische Disziplin „Fundamentaltheologie“ auch ein Kind der „Güntherschule“. Um Theologie als Wissenschaft ging es aber auch der neu belebten Scholastik, deren Anfänge bezeichnenderweise zusammenfallen mit der seit der Mitte des 19. Jahrhunderts immer wieder erhobenen Forderung nach einer „katholischen Wissenschaft“14, eine Forderung, die sich in Deutschland mit dem Ruf des Kirchenhistorikers Döllinger zum Anschluss, zumal der historischen Theologie, an die „deutsche Wissenschaft“ verband15. Mit einem Wort, die katholische Theologie, zum mindesten in Deutschland, hatte im 19. Jahrhundert Anteil an dem Trend zu größerer Verwissenschaftlichung. Dies alles dürfte grundsätzlich zu begrüßen sein. So nur war es möglich, dass die historisch-kritische Methode auch in die katholische Exegese Eingang fand und dass die Katholiken aus ihrer viel beklagten wissenschaftlichen Inferiorität heraustreten konnten. Sebastian Merkle konnte dann sozusagen den Schlussstrich ziehen, indem er 1910 ausdrücklich von katholischer Seite die Aufklärung und den mit ihr erfolgten Durchbruch zur Wissenschaftlichkeit auch im katholischen Bereich ausdrücklich rehabilitierte.16 Um die gleiche Zeit kam allerdings auch die Modernismuskrise zum Höhepunkt. Wer wissenschaftlich-kritische Exegese betrieb, wurde von „Rom“ verurteilt. Die Zukunft freilich sollte nicht „Rom“, sondern der kritischen Exegese mit ihren wissenschaftlichen Methoden recht geben. 14 Gedanken über die Begründung einer katholischen Wissenschaft, in: Hist.-pol. Bl. 21 (1848) 83–88, 175–179; vgl. auch Claude Langlois/François Laplanche (Hg.), La science catholique. L’„Encylopedie du Migne“ (1844–1973) entre apologétique et vulgarisation, Paris 1992. 15 Vgl. Ignaz von Döllinger, Die Speyerische Seminarfrage und der Syllabus ( Januar 1865), in: ders., Kleinere Schriften, gedruckte und ungedruckte, hg. von Franz Heinrich Reusch, Stuttgart 1890, 197–227. 16 Sebastian Merkle, Die katholische Beurteilung des Aufklärungszeitalters, Berlin 1909; ders., Die kirchliche Aufklärung im katholischen Deutschland, Berlin 1910.
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b) Die Liebe allein führt zur Erkenntnis Gottes Die Frage ist dennoch, ob im Bemühen um aufgeklärte Wissenschaftlichkeit der Bogen nicht überspannt wurde – wie außerhalb des Kirchenraums so auch in seinem Innern –, und das sogar an einem Ort, wo man es nicht vermuten würde, in Rom selbst. Um zu verstehen, was gemeint ist, ist es nötig, zu unseren einführenden Überlegungen zurückzukehren, also jenen Denkern nachzugehen, die schon in der Zeit der Aufklärung und Romantik verschiedene Arten von Erkennen unterschieden hatten, weil sie darum wussten, dass Wirklichkeit nicht nur Faktizität bedeutet und vom positiven naturwissenschaftlichen Denken daher nicht voll erfasst werden kann, zumal dann, wenn es um den Bereich des Religiösen oder der Kunst geht. Die Frage stellt sich: Gab es solche Denker auch im Bereich des Katholizismus? Gewiss, es gab sie. Ich erinnere an Joseph von Görres, der überzeugt war: „Nicht mit Klettern und Springen und Steigen lässt sich Gott erreichen […]. Er steigt also nieder und gibt sich uns […].“17 Ich nenne Friedrich Schlegel. Sosehr er überzeugt war, dass die neuere Philosophie mit ihrem „Streben nach einer streng wissenschaftlichen Methode“ und einem den „Alten unbekannten Grade“ von „Wissenschaftlichkeit“ auf dem rechten Weg sei, so sehr hat er sich – wenigstens in seiner katholischen Zeit – gegen die „moderne Denkweise eines rationalistischen Lehrbegriffs“ im Bereich der Theologie und des Glaubens ausgesprochen. Religiöse Erkenntnis, Erkenntnis Gottes vor allem, ist für ihn unterschieden von jedem rationalen Erkennen. Sie ist Begegnung mit dem in der Geschichte sich offenbarenden Gott, ist Leben und Liebe: „Die Vernunft kennt und hat und gibt nur einen verneinenden Begriff oder Nichtbegriff von Gott. Die Liebe allein hingegen führt zu einer positiven, oder um es nicht in abstrakter sondern in lebendiger Sprache zu sagen, zu einer lebendigen Erkenntnis Gottes und der Fülle des Lebens und der Liebe in ihm.“18 Lassen wir es bei dieser Aussage bewenden. Eine eingehendere Untersuchung könnte weitere Zeugnisse anführen. Baader, der Münchener „Theosoph“, 17 Joseph von Görres, Aphorismen (1822–1823), in: ders., Politische Schriften, Bd. V, hg. von Marie Görres, München 1859, 130. 18 Friedrich Schlegel, Von der wahren Liebe Gottes und dem falschen Mystizismus, in: Ölzweige 1 (1819) 419–429, 431–436.
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wäre zu nennen. Den „Tübingern“ von Drey bis Kuhn wäre nachzugehen. Auch Joseph von Görres, der sich in der Auseinandersetzung mit Schelling für die „intellektuelle Anschauung“ („Intelligenz“) starkmachte, gehört in diese Tradition.
c) Naturwissenschaft des Glaubens … Durchgesetzt hat sich im 19. Jahrhundert solche Art, Theologie zu treiben, nicht. Durchgesetzt hat sich, ganz wie bei Benedikt Stattler, eine Art „theologische Naturwissenschaft“, und zwar zunächst nicht in der sogenannten „historischen Theologie“, wo kritische Wissenschaftlichkeit am Platz gewesen wäre, sondern ausgerechnet in der „systematischen Theologie“, wie sie von der Neuscholastik betrieben wurde. Dabei mag es eine Rolle gespielt haben, dass diese anfänglich vor allem im suárezianisch-jesuitischen Gewand auftrat, die dem menschlichen Verstand bei der Erkenntnis des Göttlichen fast alles zutraute. Aber auch der dominikanische Neothomismus stand dem nicht viel nach, nur dass nun ein anderes ausgeklügeltes scholastisches System neben das der Jesuiten gestellt wurde.19 Ja, sogar ein so selbständiger Denker wie Heideggers Lehrer Karl Braig sprach nicht einer theologia negativa das Wort, sondern war der Ansicht, dass Theologie, je klarer, je mathematischer ihre Aussagen seien, umso mehr der Klarheit des Göttlichen entspreche.20 Diejenigen, die der Ansicht waren, dass dem Göttlichen gegenüber eher eine Art „ehrfürchtiger Agnostizismus“ entspreche, nannte er schon 1889 „Modernisten“. Dieses Modernismusverständnis ging dann in die Modernismusdefinition der Antimodernistenenzyklika Pascendi Dominici gregis von 1907 ein21, die nun freilich aufgrund solcher Konstruktion aus jedem aufgeschlossenen Theologen, auch aus dem der modernen Wissenschaftlichkeit verpflichteten Exegeten, einen „Agnostiker“ machte. Bei genauerem Betrachten scheint es allerdings, dass sich die kirchlichen 19 Vgl. Otto Weiss, Modernismus und Antimodernismus im Dominikanerorden. Zugleich ein Beitrag zum „Sodalitium Pianum“ (Quellen und Studien zur neueren Theologiegeschichte 3), Regensburg 1998, 47–132. 20 Vgl. Rüdiger Saffranski, Ein Meister aus Deutschland. Heidegger und seine Zeit, München/Wien 1994, als Taschenbuch Frankfurt am Main 1997, 97f. 21 Vgl. Otto Weiss, Der Modernismus. Begriff – Selbstverständnis – Ausprägungen – Weiterwirken, in: Hubert Wolf (Hg.), Antimodernismus und Modernismus in der katholischen Kirche. Beiträge zum theologiegeschichtlichen Vorfeld des II. Vatikanums (Programm und Wirkungsgeschichte des II. Vatikanums, Bd. 2), Paderborn u. a. 1998, 107–139.
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Gegner eines angeblichen Agnostizismus vom „modernen“ positivistischen Wissenschaftsoptimismus des 19. Jahrhunderts anstecken ließen oder gar dem Rationalismus der frühen Aufklärung verfallen waren – und das in einem Bereich, wo dies wirklich nicht am Platz war: „Glaubensgewissheit“ sollte auf der gleichen Ebene wie mathematische Sicherheit festgemacht werden. Glaube hörte damit auf, Glaube zu sein; er wurde zu einer höheren Art von Wissen. Und auch die Dogmen waren keine hinweisenden Zeichen mehr auf eine tiefere, nur im Glauben fassbare Wirklichkeit, sie wurden zu positiven, unmittelbar einsichtigen „Wahrheiten“ und zur Glaubenswirklichkeit selbst.
d) … oder Unruhe hin zu Gott Bei alldem nimmt es nicht wunder, dass solches auf Sekurität bedachtes Glaubens- und Dogmenverständnis um die Wende zum 20. Jahrhundert fragwürdig wurde, als in der crise du fin de siècle auch die positivistische Wissenschaftsgläubigkeit in die Krise geriet. Ja, der sogenannte „religiöse Modernismus“, der sich darauf besann, dass religiöses Erkennen anders verläuft als „modernes“ rationales Durchdringen eines „Gegenstandes“, wird auf solchem Hintergrund erst ganz verständlich. Nietzsche war es, der damals in seiner „Fröhlichen Wissenschaft“ die Verwissenschaftlichung und den Positivismus anprangerte. Dilthey stellte, wie wir sahen, das Leben vor das Bewusstsein. In Frankreich entdeckte Bergson den élan vital. Blondel trat auf, der als „Vater des philosophischen katholischen Modernismus“ bezeichnet wurde. Der Boden für den „religiösen Modernismus“ war bereitet, der nun jedoch alles andere als „modern“ und rationalistisch, sondern eher antimodern, in gewisser Hinsicht „hermeneutisch-postmodern“ erscheint und sich aus solcher Sicht mit der römischen „Naturwissenschaft des Glaubens“ anlegte. Belege hierfür gibt es mehr als genug. Sabatier, der „Modernist aus dem Protestantismus“, hat, wo es um religiöse Erkenntnis geht, an Schleiermacher angeknüpft.22 Carl Muth, der „literarische Modernist“, schrieb ein Buch, dessen Titel „Die Wiedergeburt der Dichtung aus dem religiösen Erlebnis“ auf Dilthey verweist. Pater Tyrrell, der große Mystiker unter den Modernisten, warf den römischen Glaubenshütern vor, sie seien der Ansicht, „dass man die Existenz Gottes und der Übernatur so einfach beweisen kann wie 22 Vgl. Guglielmo Forni, L’„Essenza del cristianesimo“. Il problema ermeneutico nella discussione protestante e modernista (1897–1904), Bologna 1992, 17–34.
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die Existenz der Planeten Neptun oder Uranus“23. Selbst der kritische Exeget Loisy betonte: „Im Unterschied zum rationalen wissenschaftlichen Erkennen ist die Erkenntnis religiöser Wahrheiten nicht eine Frucht der Ratio allein.“ Sie ist vielmehr Begegnung des offenbarenden Gottes mit dem Menschen, in einer Offenbarung, die jedes rationale Erkennen und jeden Begriff übersteigt und dem der Mensch sich nur in „unvollkommenen Symbolen“, den Dogmen, annähern kann. Nie und nimmer jedoch kann er, wie mancher rationalistische Glaubenshüter meint, Gott und die Offenbarung sozusagen unter dem Mikroskop zerlegen.24 Loisy wurde wegen solcher Aussagen als Agnostiker verurteilt. Dennoch verstummten sie seither nie. Leonhard Fendt, auch er aus dem modernistischen Aufbruch kommend, wandte sich 1922 ausdrücklich gegen die „Naturwissenschaft des Glaubens“. „Das“, so sagt Fendt, „wäre nicht Religion, sondern bloße Aktion des Intellekts.“ Die Zielrichtung ist nach Fendt umgekehrt, wie die Schrift sagt: „Jeder, der das Leben lebt, glaubt an dies.“25 Glaube ist kein Syllogismus, Glaube ist Leben, lebendige Begegnung mit Gott durch Jesus, den Christus. Später hat sich die Nouvelle théologie ähnlich geäußert und sich gegen den Begriff der „Glaubensgewissheit“ gewandt. Mit Recht, da in einer solchen Wortprägung noch immer die Vorstellung fortlebte, als könne man Gottes als zuhandenen Objektes habhaft werden. Schließlich hat der ebenfalls aus dem modernistischen Aufbruch kommende Mystikforscher und einstige Freund Pater Tyrrells, Henri Brémond, auf die Verwandtschaft religiöser Erfahrung mit dem dichterischen Denken hingewiesen.26 Damit schließt sich der Kreis. Wir werden von den „religiösen Modernisten“ zurückgewiesen auf den eingangs bedachten Denkweg der Phänomenologie und Hermeneutik, von Baumgarten über Kant und Dilthey zu Heidegger und Gadamer und zu denen, die in unserer Gegenwart nach neuen Formen des „Denkens“ suchen, in denen der Subjekt-Objekt-Gegensatz aufgehoben ist – nicht zugunsten eines hemmungslosen „charismatischen“ Subjektivismus, sondern zugunsten eines personalen Vollzugs und lebendiger Begegnung. 23 George Tyrrell, Il papa e il modernismo [zuerst Corriere della Sera 1907], Rom 1912, 151. 24 Alfred Loisy, Autour d’un petit livre, Paris 1903, 199–208. 25 Leonhard Fendt, Die religiösen Kräfte des katholischen Dogmas, München 1921, 218f. 26 Vgl. Henri Bremond, Mystik und Poesie, Freiburg i. Br. 1929.
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Es dürfte deutlich geworden sein, dass wir den real existierenden heutigen Pluralismus zur Kenntnis nehmen, ihn ernst nehmen, uns von ihm anregen lassen. Es dürfte genauso deutlich geworden sein, dass wir uns nicht einfach einem Diktat der Faktizität unterwerfen. Als Korrektiv und als ordnendes Prinzip gilt uns die Hermeneutik. Dazu kommt die Erkenntnis, dass Gewahrwerden religiöser Wirklichkeit nicht zuerst aus dem rationalen, quantitativ-zergliedernden Denken kommt. Dies gilt für religiöses Erkennen ganz allgemein, aber auch für die christliche Glaubenserkenntnis, sosehr der auf Offenbarung beruhende Glaube sich grundsätzlich von naturhafter Religiosität unterscheiden mag. Versuchen wir nun aufgrund unserer Überlegungen zur Eigenart der Glaubenserkenntnis einige Folgerungen für den Glaubensvollzug zu ziehen.
3. Folgerungen für den Glauben heute Vor allem gilt: Christentum heute und morgen wird mehr denn je bedeuten: glaubendes Sicheinlassen auf die Offenbarung Gottes in Jesus, dem Christus, in personalem Vollzug und lebendiger Begegnung. Damit erst wird Glaube voll in sein Recht eingesetzt. Karl Rahners Aussage „Der Christ der Zukunft wird en Mystiker sein […], oder er wird nicht mehr sein“ dürfte solchem Glaubensverständnis entsprechen. Daraus ergeben sich Weiterungen. Wenigstens einige derselben, die uns wichtig erscheinen, seien genannt: 1. Absage an jedes Festmachen des Glaubens an Voraussetzungen außerhalb des Glaubens, an rationalistische oder quantitativ-mathematische Beweisbarkeit, auch an jeden Mirakelglauben und biblischen Fundamentalismus, der Glauben als Wissen ausgibt, gegründet auf dem Experiment des Wunders. Das meint nicht, dass die historische Dimension christlichen Glaubens zugunsten einer tieferen mythischen Wahrheit aufgehoben werden soll, es meint allerdings, dass eine Theologie, der es nur darum geht, Glaubenswahrheiten in ein System zu fassen und zu zergliedern und mit Hilfe biblischer Zitate zu beweisen, mit dem, was Glaube wirklich meint, nichts zu tun hat. Auch „zentrale“ Glaubensaussagen lassen sich nicht „beweisen“. So ist die Auferstehungserfahrung der Jünger nicht als grobsinnliche Erfahrung eines Mirakels aufzufassen, das sozusagen den wissenschaftlichen Beweis liefern würde, dass Jesus sich als der Christus erwiesen hat und beim Vater lebt. Wo
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bliebe da noch der Glaube? Allerdings, solche Glaubenserfahrung ist auch nicht irrational und blind. Sie ist sehend, nicht infolge quantitativen „VorStellens“, sondern infolge von Begegnung und Innewerden des sich in Jesus, dem Christus, offenbarenden Gottes. Von Seiten des Menschen ist dabei nur eines nötig: die freie Tat seines Glaubens im vertrauenden Sicheinlassen auf den sich zeigenden Gott. Wer aber den Glauben an ihn tut – wer ihn lebt –, den wird er frei machen. 2. Den Glauben wagen. Glauben ist – vom Menschen her gesehen – nicht Verstandesarbeit, sondern vor allem Tat, ist höchste Möglichkeit menschlicher Freiheit. Und diese ist – das zeichnet den christlichen Glauben vor allen Religionen aus – Entscheidung für eine Person, für Jesus, den Christus. Auf ihn sich einzulassen inmitten des Zweifels, das ist die Eigenart christlichen Glaubens. Solcher Glaube ist nie fertig. Man muss sich ihm täglich neu ausliefern. Das Ergebnis wird dann vor allem ein Glaube sein, der in der Liebe tätig ist. Jedenfalls kann Glaube nicht einfach Bekenntnis zu einem System bedeuten, das durch festgefügte Grenzen sich von anderen Systemen abgrenzt, aus der Überzeugung heraus, dass wir schon jetzt und allein im „Besitz“ der Wahrheit sind. Auch die Christen sind auf dem Weg – oder sollte man eher sagen: Der sich offenbarende Gott ist noch immer auf dem Weg zu ihnen? 3. Aushalten „negativer Glaubenserfahrungen“. Nicht selten wird die Antwort auf die Frage nach religiöser Erfahrung lauten: „Die einzige Erfahrung, die ich habe, wenn ich bete, ist die Erfahrung der Mauer, der Wand. Wenn ich bete, rede ich an eine Wand hin.“ Oder, so die Aussage eines weithin geschätzten Seelsorgers: „Meine einzige Gotteserfahrung ist die Erfahrung der Abwesenheit Gottes, ja die Erfahrung des Nichts.“ Und ein alter Priester: „Wenn ich zu Gott reden will, ist es stockfinster.“ Aber vielleicht ist solche Erfahrung nur folgerichtig. Johannes vom Kreuz hat bekanntlich von der „dunklen Nacht“ des Glaubens gesprochen. Wer mit dem Glauben Ernst macht, wer allen Mirakelglauben und alles, was dem „Anfänger“ auf dem Weg zu Gott noch hilfreich sein mag, beiseitelässt, erfährt die Nacht, das Dunkel, das Nichts. Und wie sollte es denn auch anders sein, da Gott kein Gegenstand, kein Objekt des „Vorstellens“ ist? Gerade die Erfahrung der Nacht und des Nichtwissens kann so zum Hinweis werden, dass es nottut, unsere rationalistischen Annäherungen an Gott zu verlassen und uns auf die Begegnung vorzubereiten, die wir nicht schaffen können, von der wir uns nur ergreifen lassen können, indem wir uns der Tat Gottes in Jesus Christus, mit all unseren ungelösten Fragen,
Schluss
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mit der Erfahrung der Macht des Bösen und der Brüchigkeit menschlicher Existenz, auch mit der Erfahrung der Abwesenheit Gottes, vertrauend und liebend überlassen. 4. Den Weg des Glaubens gemeinsam gehen. Es könnte nach all dem Gesagten scheinen, als sei Glaube, wie er hier dargestellt wurde, etwas rein Subjektives und nur Sache der Einzelnen. Dem ist jedoch nicht so. Gerade angesichts des Verlusts fester Orientierungen in der heutigen Gesellschaft tut es mehr denn je not, dass der einzelne Christ in seiner Glaubensunruhe nicht allein steht. Hier ist der Ort der Kirche, der Gemeinde als Gemeinschaft der Glaubenden, derer, die gemeinsam den Weg des Glaubens durch die Wüste gehen, indem sie sich in ihrem Glauben gegenseitig aufmuntern, nicht jedoch als hätten sie ihr Ziel schon erreicht oder gar Gott und die Wahrheit „in den Griff bekommen“, um sich in einem „Haus der Dogmen“ behaglich einzurichten. Der offenbarende Gott ist zwar in Christus aus der absoluten Jenseitigkeit herausgetreten und zum anwesenden Gott geworden, aber er ist nicht verfügbar. Und doch wird er in der Praxis der Gemeinde – auch wenn keine Zeichen und Wunder geschehen – in seinen Wirkungen erfahrbar. „Seht, wie sie einander lieben!“, hieß es von den ersten Christen. 5. Den Pluralismus der Religionen ernst nehmen. Zur Erfahrung moderner Pluralität in der heutigen weltweiten Informationsgesellschaft gehört die Erfahrung des Nebeneinanders vieler Religionen. Warum sollte es nicht auch andere Angebote von Offenbarung geben? Freilich nicht so wie im Supermarkt, nicht so, dass die verschiedenen Religionen miteinander in Konkurrenz stehen und der Mensch nach Gutdünken auswählen könnte. Aber auch nicht so, dass ein jeder glaubt, er allein „besitze“ die Wahrheit. Wahrheit ist immer auf dem Weg zu dem, der sich von ihr ergreifen lässt. So mag denn für den Christen das Wort des Evangeliums gelten: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.“ Es gilt aber auch das andere Wort: „Im Hause meines Vaters sind viele Wohnungen.“ Dies meint nicht Synkretismus und Indifferenz, dies meint Achtung vor den Wegen der Religionen, die – wenn sie echt sind – sich stets als Wege Gottes erweisen. Mag sein, dass dann am Ende eine Ökumene der Religionen steht, die bei aller Verschiedenheit durch den Glauben an den einen allen gemeinsamen, sich offenbarenden Gott zusammengehalten wird.
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4. Schluss Ich schließe mit Sätzen Friedrich Schlegels: „Die beste Stärkung gegen die moderne Denkweise eines rationalistischen Lehrbegriffs, der sich aus einer verkehrten Vernunftphilosophie in das Christentum hinüberschleichen will, finden wir bei jenen großen Geistern und erleuchteten Männern der Vorzeit, wie der heilige Bernhardus, der nicht bloß einen mathematischen Begriff von der Einheit und ewigen Einerleiheit Gottes im Kopfe hatte, sondern in der ganzen Fülle Gottes lebte und liebevoll wandelte, und selig in dieselbe versenkt war […].“27 Und Schlegel fährt, sicher auch an unsere Zeit gewandt, fort: „Wie auch die Zeiten in ihrem Stufengange sich nach dem Ratschlusse Gottes weiter entwickeln werden, für den Einzelnen, sobald er nur recht will, sind alle Zeiten gleich abgelaufen, und es ist die ewige Liebe, immer und in jedem Augenblick, wo er sich ihr hingibt, auch ganz da.“28
27 Schlegel, Von der wahren Liebe Gottes (wie Anm. 18), 427f. 28 Ebd., 436.
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Im Frühjahr 1947 hörte ich eine ungewöhnliche Fastenpredigt. Das Thema war die Schuld der Christen in den Jahren des Nationalsozialismus. Der Prediger sagte: „Nicht das Christentum hat versagt, sondern die Christenheit.“ Ich frage mich: Würde der Prediger heute, angesichts der Entchristlichung unserer Gesellschaft, erneut vom Versagen der Christenheit sprechen? Vielleicht sogar mit mehr Recht als damals? Denn sosehr die Jahre des Nationalsozialismus gezeichnet waren von Feigheit, Mitläufertum und offener Kollaboration, es gab auch den Widerstand, es gab das Zusammenstehen in der Bedrängnis. Das alles scheint heute auch bei Christen vielfach einer bequemen Verbürgerlichung gewichen zu sein. Und auch dort, wo Christen sich einzubringen suchen in die Gesellschaft, findet man oft nur oberflächliches Gerede oder Modern-sein-Wollen um jeden Preis. Dennoch: Kann man das „Damals“ und das „Heute“ vergleichen? Ich glaube nicht. Dazwischen liegt die Revolution der 1960er Jahre. Wie immer wir, die Beteiligten, diese Jahre empfanden, als Aufbruch, als Ausbruch, als „Einbruch der dunklen Wasser“1, eines schien uns sicher: dass wir nicht mehr so weiterleben konnten wie bisher, so, als wäre nichts geschehen. Auch in den Kirchen, zumal in der katholischen Kirche, entlud sich damals vieles, was sich aufgestaut hatte in Jahrhunderten. Es war nicht nur das Konzil, das alles auf den Kopf stellte, wie manche erschrockenen Glaubenswächter nachträglich meinten.2 Nein, das Konzil war bereits der Versuch einer Antwort. Und der Wandel betraf bei weitem nicht nur Deutschland, wo der nach dem Krieg neu aufgelebte triumphalistische „Siegkatholizismus“ wie ein Strohfeuer fast über Nacht in sich zusammengebrochen war. Der Wandel ging über Deutschland und Europa hinaus. Er betraf die Kirche, das Christentum überhaupt, er betraf die Gesellschaft. Die Soziologen sind den Gründen der Veränderung nachgegangen. Man spricht von der Popularisierung der Aufklärung, von der Umformung der 1 2
Vgl. Reinhold Schneider, Winter in Wien. Aus meinen Notizbüchern 1957/58, Freiburg i. Br. 1959, 110. Vgl. Dietrich von Hildebrand, Das trojanische Pferd in der Stadt Gottes, Regensburg 1969.
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Gesellschaft, von einem allgemeinen Strukturwandel, von einem ständigen Paradigmenwechsel, von der „Postmoderne“ und in ihrem Gefolge von der Entwertung bisheriger Werte, vom grenzenlosen Pluralismus, von der „Schwächung der starken Prinzipien“3, vom „Ende der Geschichte“4, vom postchristlichen Zeitalter5 – alles Dinge, die am Christentum nicht spurlos vorbeigehen konnten. Es handelt sich nicht nur um Schlagwörter. Dass mehr hinter alldem steckt, lehrt schon die Statistik. Lassen wir einmal die Kirchenaustritte beiseite, obwohl auch sie nicht nur unter dem Gesichtspunkt sinkender Kirchensteuereinnahmen betrachtet werden sollten. Nennen wir einen anderen statistisch greifbaren Vorgang in der römisch-katholischen Kirche. Er betrifft den Massenaustritt Geistlicher aus ihrem Amt, der, beginnend mit dem Jahr 1959, bei den Geburtsjahrgängen 1932 bis 1945 in manchen Gegenden bis zu 90 Prozent erreichte. Bis heute ist dieser Vorgang nicht aufgearbeitet. Dass es sich dabei um ein Symptom einer tiefergehenden Problematik handelt, ist jedoch sicher.6 Man kann dies nicht ignorieren. Man kann ihm weder mit moralisierenden Belehrungen noch mit einer naiven „neuen Evangelisierung“ begegnen. Auch deswegen nicht, weil die Sache mit Gott und dem angeblichen Abfall vom Glauben nicht so einfach ist. Die Gottesfrage ist nicht verschwunden. Sie wird noch immer gestellt, nur vielfach nicht im Rahmen der Institution Kirche. Gott, der Totgesagte, ist zurückgekehrt, und er hat, wie ein Buch unserer Tage uns sagt, Rache genommen für seinen Tod.7 Die Frage ist nur: Welcher Gott ist gestorben? Und welcher Gott kehrt zurück nach dem Tode Gottes? Welcher Gott ist gestorben? Gestorben ist der rational beweisbare Gott, der in Begriffe eingefangene und in das Haus der Dogmen gesperrte Gott, der 3 4 5 6 7
Vgl. Martin G. Weiss, Gianni Vattimo. Einführung, Wien 32012, hier bes. 143f. Francis Fukuyama, Das Ende der Geschichte. Wo stehen wir?, Berlin 1992; Stefan Jordan, Francis Fukuyama und das „Ende der Geschichte“, in: Zeithistorische Forschungen/ Studies in Contemporary History 6 (2009) 159–163. Vgl. Urs Altermatt, Konfession, Nation und Rom. Metamorphosen im schweizerischen und europäischen Katholizismus des 19. und 20. Jahrhunderts, Frauenfeld 2009. Vgl. Norbert Greinacher u. a., Die deutsche Priesterfrage. Eine soziologische Untersuchung über Klerus und Priesternachwuchs, Mainz 1961. Gilles Kepel, Die Rache Gottes. Radikale Moslems, Christen und Juden auf dem Vormarsch, München 22001; vgl. auch Friedrich Wilhelm Graf, Die Wiederkehr der Götter. Religion in der modernen Kultur, München 2004.
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von den kirchlichen Institutionen zurechtgestutzte Gott. Gestorben ist der einschläfernde, beruhigende Gott eines bequemen Glaubens. Welcher Gott ist zurückgekehrt? Aus den vielen Antworten will ich drei herausgreifen, die ernst zu nehmen sind. Wenn ich dabei an die Aussagen von Männern anknüpfe, die in Italien zu Hause sind, dann einfach deswegen, weil mir aufgrund meines langen Aufenthalts in Rom die italienische Gegenwartskultur am meisten vertraut ist. Aber ich weiß, dass Ähnliches auch in Deutschland gedacht wird. Vorausschicken will ich, dass alle drei Antworten die Herkunft aus der christlichen Tradition nicht verleugnen, auch wenn diejenigen, die sie vortrugen, mit dem institutionalisierten Christentum in Konflikt geraten sind. So verschieden alle drei Aussagen sind, alle drei verweisen auf den Menschen Jesus. Zurückgekehrt ist der unbegreifliche Gott, der den Verstand übersteigt, nicht nur, weil er über unsere Begriffe hinausgeht, sondern auch, weil er auf den ersten Blick dort zu versagen scheint, wo wir ihn am meisten bräuchten. Es ist der Gott des Menschen Ijob, der Gott nach Auschwitz, der Gott, in dem sich das Antlitz des Vaters verdunkelt. Reinhold Schneider erfuhr diesen Gott im letzten Winter seines Lebens. Er sah nur noch den „Keltertreter“8, vor dem ihm nichts blieb als die Flucht in die Kapelle der Todesangst Christi. Genau hier setzt das ein, was der Turiner Philosoph Luigi Pareyson uns nahebringen wollte. Er ist der Ansicht, nur der richtig verstandene christliche Gott nehme den „Skandal des Bösen“ wirklich ernst. Es ist der Gott der „Kenosis“, der in der Gottverlassenheit Jesu am Kreuz sich selbst negierende Gott, der in Jesus mit dem leidenden, verängstigten Menschen solidarisch gewordene Gott. Pareyson schreibt: „Das Christentum leugnet weder das Böse noch nimmt es das Leid hinweg. Im Gegenteil: es macht das Böse in all seinem Schrecken offenbar und lehrt uns zu leiden, vor allem für die andern.“9 Zurückgekehrt ist der schwache Gott. Von ihm spricht der Philosoph Gianni Vattimo. Auch Vattimo geht wie sein Lehrer Pareyson vom paulinischen Kenosisgedanken aus, von der Menschwerdung als Selbsterniedrigung Gottes auf die Ebene des Menschen. An die Stelle des „starken“, zornigen und strafenden Gottes tritt im Christentum ein „schwacher“, ja ohnmächtiger Gott der selbstlosen Liebe. Vattimo bringt diesen Gedanken in Verbindung 8 9
Schneider, Winter in Wien (wie Anm. 1), 119. Vgl. Martin G. Weiss, Hermeneutik des Unerschöpflichen. Das Denken Luigi Pareysons (Philosophisch-theologische Brückenschläge 21), Münster 2004, 126f.
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mit der Geschichte des Denkens, das für ihn immer auch eine Geschichte des Rechthabenwollens und der Gewalt darstellte. Jede Philosophie, jede Religion glaubte allein „die Wahrheit zu besitzen“. Für diese starke Wahrheit brachten sich die Menschen gegenseitig um, rauchten Scheiterhaufen, wurden Menschen um ihre Karriere und ihr tägliches Brot gebracht.10 Allerdings ist Vattimo überzeugt, dass dieses starke Denken immer mehr einem schwachen Denken Platz macht. In der Kenosis Gottes ist das „starke Denken“ schon überwunden in der Liebe des schwachen Menschen Jesus.11 Die Folgerungen sind nicht zu übersehen. Sie betreffen auch die institutionalisierten Religionen. Sie tun gut daran, sich nicht als Besitzer unerschütterlicher Wahrheit zu betrachten. Sie besitzen nicht die Wahrheit, sie sind – in ihrem Pluralismus – auf dem Weg zur Wahrheit. Zurückgekehrt ist der Gott, der nicht so sehr vertikal als horizontal erfahrbar ist. Von ihm hat ein unbequemer, politisch und sozial engagierter italienischer Intellektueller und christlicher Pazifist, Pater Ernesto Balducci, 1995 wenige Tage vor seinem Tod in einem Interview gesprochen.12 Der Glaube der Zukunft werde nicht so sehr nach oben gerichtet sein, sondern zum Mitmenschen hin. In jedem Menschen könne auch heute noch Gott erfahren werden, so wie er im Menschen Jesus erfahrbar wurde, nicht im Jesus 10 Vgl. auch René Girard, Das Heilige und die Gewalt, Frankfurt am Main 1994. 11 Gianni Vattimo, Credere di credere, Milano 1996, 31f. – Vgl. Branko Klun, Der schwache Gott. Zu Vattimos hermeneutischer Reduktion des Christentums, in: Zeitschrift für katholische Theologie 129 (2007) 167–182; Martin G. Weiss, Kenosis und Caritas. Die Postmoderne als Einlösung der christlichen Botschaft, in: Christian Strecker/Joachim Valentin (Hg.), Paulus unter den Philosophen (Religionskulturen), Stuttgart 2013. 12 Ernesto Balducci, geb. 1922 in Santa Fiora am Monte Amiata (Toskana), gest. 1995 bei einem Unfall in Cesena. In jungen Jahren Eintritt in den Servitenorden, 1944 Priester, anschließend im Schuldienst, 1950 Promotion in Literaturwissenschaft über Antonio Fogazzaro (Ernesto Balducci, Antonio Fogazzaro, Brescia 1952), im gleichen Jahr Gründung des „Cenacolo“, einer karitativen Organisation mit religiösen, politischen, sozialen und pazifistischen Zielen, 1958 Gründung der Zeitschrift „Testimonianze“; geriet als Reformer mit der Diözesanleitung in Florenz und Papst Pius XII. in Konflikt und wurde nach Frascati verbannt; stand während des Zweiten Vatikanischen Konzils in engem Kontakt zu Karl Rahner und Yves Congar. Er verteidigte den Gewissenseinspruch gegen den Wehrdienst und wurde deswegen von Rom verurteilt, doch konnte er 1965 nach Florenz zurückkehren. Wegen seiner Forderung nach einem Dialog mit den Kommunisten und nach der Abschaffung der Wehrpflicht, wie wegen der Gründung eines pazifistischen Verlags und seiner Kritik an der kirchlichen Nabelschau geriet er erneut mit der „Amtskirche“ in Konflikt. Balducci hinterließ eine große Anzahl von Schriften, u. a. über Franziskus von Assisi und Mahatma Gandhi. – Zu ihm Andrea Cecconi, In nome dell’uomo. Per conoscere Ernesto Balducci, S. Domenico di Fiesole 2005.
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der Theologen, dem Übermenschen, der alles schon im Voraus wusste, sondern in dem wirklichen, historischen, noch so jungen und doch so leidenden und scheiternden Menschen Jesus.13 Die aufgezeigten Versuche einer Antwort auf die Frage nach der Rückkehr Gottes weisen alle in eine Richtung. Es wird schon so sein, dass der Gott, den wir uns selbst gezimmert und in unsere Katechismen und Religionsbücher verpackt haben, den wir in kirchlichen Jubiläumsfeiern und groß angelegten Bekehrungskreuzzügen proklamiert haben, dass dieser Gott in unserer heutigen Welt und Gesellschaft tot ist. Aber ist der wirkliche Gott deswegen nicht so lebendig wie eh und je? Wenn wir demütig genug sind und unsere alte Überheblichkeit und Besserwisserei aufgeben, werden wir seine Spuren auch in unserer Zeit und Welt entdecken: die Spuren des ganz anderen, des unbegreiflichen und uns in seiner Menschlichkeit doch so nahen Gottes. Aufgabe der Christen im postchristlichen Zeitalter dürfte sein, auf diese Spuren aufmerksam zu machen, auch dann, wenn sie nicht bei uns, sondern bei den „anderen“ sichtbar werden, anstatt der Versuchung zu erliegen, die Strohfeuer christlicher Selbstverherrlichung anzuzünden. Die Zeit dafür ist endgültig vorbei. Wenn „die Christenheit“ dies einsieht, wird man von ihr nicht sagen können, dass sie versagt hat.
13 Zur „horizontalen Gottbegegnung“ auch Ladislaus Boros, Im Menschen Gott begegnen, Mainz 1967.
Abkürzungen
AAS ACDF ASS BBKL Hist. Jb. Hist.-pol. Bl. LThK NDB NJ RGG RJKG ZKG
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Personenverzeichnis Abälard, Peter (1029–1142), Philosoph 21, 27, 55 Aberle, Moritz von (1819–1875), Moraltheologe und neutestamentlicher Exeget 69, 70 Adam, Karl (1876–1966), Dogmatiker 53 Albertus Magnus OP (ca. 1200–1280), Theologe der Hochscholastik 27, 55 Amort, Eusebius CRSA (1692–1775), Moraltheologe 44, 63, 143 Arendt, Hannah (1906–1957), Philosophin 27 Aristoteles (384/383–322/321 v. Chr.), Philosoph 14 Arnold, Claus (* 1965), Kirchenhistoriker 9, 11, 53, 79–82, 103 Augustinus, Aurelius (354–430), Bischof, Kirchenvater 14, 18, 49, 121 Baader, Franz von (1765–1841), Philosoph 139, 145 Bahr, Hermann (1863–1934), Schriftsteller 29, 86, 111 Balducci, Ernesto SP (1922–1995), Literaturwissenschaftler, Publizist, Reformkatholik 156 Bauer, Bruno (1809–1882), Theologe, Philosoph, Bibelwissenschaftler 49 Baumgarten, Alexander Gottlieb (1714– 1762), Philosoph 18, 36, 38, 57, 139, 148 Baumgartner, Alexander SJ (1841–1910), Literaturwissenschaftler 112 Baur, Ferdinand Christian (1792–1860), ev. historisch-kritischer Exeget, Dogmenhistoriker 68–70, 91 Bayle, Pierre (1647–1708), Philosoph 16 Benedikt von Nursia (ca. 489–547), Ordensgründer 121 Bengel, Johann Albrecht (1687–1752), ev. Theologe, religiöser Schriftsteller, Pietist 42 Bernhard von Clairvaux OCist (ca. 1090– 1153), Abt, religiöser Schriftsteller, Kirchenlehrer 22, 121, 152 Billot, Louis SJ (1846–1931), Kurienkardinal, Antimodernist 79, 80
Bismarck, Otto Graf (Fürst) von (1815– 1898), deutscher Reichskanzler 86 Blondel, Maurice (1861–1949), Philosoph 16–18, 82, 102, 147 Boelsche, Wilhelm (1861–1939), Literat 29, 59, 85 Bolzano, Bernard (1781–1848), Philosoph 35, 63, 65, 96 Bonaventura ( Johannes Fidanza) OMin (ca. 1217–1274), Kardinal, Theologe, Philosoph 14 Bonomelli, Geremia (1831–1914), Bischof von Cremona 81, 91, 117 Boos, Martin (1762–1825), mystisch begabter kath. Theologe und Pietist 46 Bosl, Karl (1908–1993), Historiker 21, 22, 27, 39, 40, 55, 56 Braig, Carl (1853–1923), Philosoph, Dogmatiker 146 Brémond, Henri SJ (1882–1933), Mystikforscher 19, 20, 23, 99, 123, 130, 136, 148 Brentano, Franz (1838–1917), Philosoph 35 Brod, Max (1884–1968), Schriftsteller 86 Carroll, John SJ (1735–1815), Erzbischof von Baltimore 97 Cassirer, Ernst (1874–1945), Philosoph, Philosophiehistoriker 16, 33–35, 61 Chrysostomus, Johannes (ca. 345–407), Bischof von Konstantinopel, Prediger, theologischer Schriftsteller 121 Claudius, Matthias (1740–1815), Dichter, Publizist 46, 130 Colmar, Ludwig (1760–1816), Bischof von Mainz 72 Comte, Auguste (1798–1857), Philosoph, Soziologe 29, 56 Congar, Yves OP (1904–1995), Dogmatiker, Kardinal 156 D’Alembert, Jean-Baptiste le Rond (1717– 1783), Mathematiker, Physiker, Philosoph 35 Darwin, Charles Robert (1809–1882), Naturwissenschaftler, Begründer der Deszendenzlehre 85, 90 91
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Personenverzeichnis
Denzinger, Heinrich Joseph (1819–1883), Philosoph 75 Descartes, René (1596–1650), Philosoph 15, 17, 35, 43 Diederichs, Eugen (1867–1930), Verleger 30, 87, 111, 117, 118 Dieringer, Franz Xaver (1811–1876), Professor für Katechetik und Homiletik, Gegner der päpstl. Infallibilität 75 Dilthey, Wilhelm (1833–1911), Philosoph 34, 57, 60, 87, 98, 139, 140, 147, 148 Drey, Johann Sebastian (1777–1853), Dogmatiker 13, 50, 65, 66, 78, 145 Ehrhard, Albert Joseph Maria (1862–1940), Kirchenhistoriker, Patristiker 82, 128 Eichhorn, Johann Gottfried (1752–1827), ev. Theologe, Exeget 41, 63, Ekkehart/Eckhart, Meister OP (ca. 1260– 1328), Mystiker 14, 100, 110 Engels, Friedrich (1820–1895), Philosoph 59 Engert, Thaddäus (1875–1945), Exeget 24, 72, 117, 120–122, 135 Erasmus von Rotterdam, Desiderius (1469– 1536), humanistischer Philosoph 15 Eucken, Rudolph (1846–1926), Literat, Philosoph 118 Faulhaber, Michael Kardinal von (1869– 1952), Bischof von Speyer, Erzbischof von München und Freising 125 Feilmoser, Andreas Benedict (1777–1831), Exeget 68 Fendt, Leonhard (1881–1957), Theologieprofessor 30, 74, 148 Feneberg, Johann Michael (1751–1812), Gymnasiallehrer, mystisch begabter Pfarrer in Seeg (Allgäu) 46, 130 Fénelon des Salignac de la Mothe, François (1651–1715), Erzbischof von Cambrai, Philosoph, religiöser Schriftsteller 130 Fichte, Johann Gottlieb (1762–1814), Philosoph 48, 64, 143 Fingerlos, Matthias (1748–1814), Pastoraltheologe, Seminardirektor 45 Fiore, Gioacchino da OCist (1130–1202), Abt, Theologe, Ordensgründer 100, 124 Fogazzaro, Antonio (1842–1911), Schriftsteller, ital. Senator 22, 23, 82, 90, 91, 95, 97, 99, 111–113, 118, 123, 124, 136, 156
Fontaine, Julien (1827–1897), theologischer Schriftsteller 116 Francke, August Hermann (1663–1727), Theologe, Pädagoge, Pietist 42 Franz von Assisi (1181/82–1226), Armutsprediger, Ordensgründer 121, 156 Fries, Heinrich (1911–1998), Fundamentaltheologe, Religionsphilosoph, Ökumeniker 82, 89 Funk, Philipp (1884–1937), Theologe, Historiker 22–24, 32, 100, 104, 107–136 Gabler, Johann Philipp (1753–1826), ev. Theologe, Exeget 41, 63 Gadamer, Hans-Georg (1900–2002), Philosoph 57, 139, 140, 148 Gallitzin, Adelheid Amalie Fürstin von (1748–1806), religiöse Schriftstellerin, führte einen bedeutenden philosophisch-literarischen Salon 45 Gehringer, Joseph (1803–1856), Exeget 68, 69 Gerson, Jean le Charlier de (1363–1429), Mystiker, Kanzler der Sorbonne 129 Gertrud von Helfta (1256–1302), Mystikerin 110 Giacomelli, Antonietta (1857–1949), Erzieherin, Schriftstellerin, Journalistin 100 Giacosa, Piero (1853–1928), Gerichtsarzt 91 Giftschütz, Franz (1748–1788), Pastoraltheologe 45 Gioberti, Vincenzo (1801–1852), Theologe, Philosoph, Politiker 96 Goethe, Johann Wolfgang von (1749– 1832), Dichter 58, 111, 112 Goetz, Walter (1867–1958), Historiker 115, 116 Görres, Johann Joseph von (1776–1848), Historiker, Publizist 19, 20, 38, 57, 145 Goßner, Johann Evangelist (1773–1858), mystisch begabter Theologe, Missionar 46 Gratz, Peter Alois (1769–1849), Exeget 68 Gregor XVI. (1765–1846), Papst 71 Guardini, Romano (1885–1968), Theologe, Religionsphilosoph 53, 111 Gunkel, Hermann (1862–1932), ev. Exeget 118
Personenverzeichnis Günter, Heinrich (1870–1951), Historiker 112, 126, 134 Günther, Anton (1783–1863), Theologe, Philosoph 13, 32, 49, 50, 63, 65–67, 72–75, 96, 143, 144 Hamann, Johann Georg (1730–1788), Philosoph 18, 32, 36–38, 43, 45, 57, 77, 137, 139 Harnack, Karl Gustav Adolf von (1851– 1930), ev. Theologe, Dogmenhistoriker 54, 59, 66, 77, 92, 93, 101, 102, 118 Hébert, Marcel (1851–1916), Philosoph, theologischer Schriftsteller 93 Hecker, Isaac Thomas CSSR, CSP (1819– 1888), Ordensgründer 11, 23, 97 Hefele, Hermann (1885–1936), Literaturwissenschaftler 116 Hefele, Carl Joseph von (1809–1893), Kirchenhistoriker, Bischof von Rottenburg 67, 116 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich (1770– 1831), Philosoph 37, 49, 50, 56–58, 110, 133 Heidegger, Martin (1889–1976), Philosoph 14, 139–141, 146, 148 Heinrich IV. (1050–1106), römischer Kaiser 21 Herder, Johann Gottfried (1744–1803), ev. Theologe, Philosoph 44, 55 Hergenröther, Kardinal Joseph (1824– 1890), Kirchenhistoriker, Archivar 75 Hermes, Georg (1775–1831), Theologe, Philosoph 143 Hersche, Peter (* 1941), Historiker 27, 43–45, 62–64 Hettinger, Franz (1819–1890), Patrologe, Dogmatiker 75 Hirscher, Johann Baptist (1788–1865), Moral- und Pastoraltheologe 50, 66 Hoffmann, Ernst Theodor Amadeus (1776– 1822), Schriftsteller, Komponist 37 Holbach, Paul-Henri Baron Thiry d’ (1723– 1789), Philosoph 139 Hölderlin, Friedrich (1770–1843), Dichter 110, 111 Holtzmann, Heinrich Julius (1832–1910), ev. neutestamentlicher Exeget 91 Holzhey, Carl/Karl (1863–1943), Exeget 71
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Höpfl, Hildebrand (Gustav) OSB (1883– 1935), Exeget, Konsultor der Indexkongregation 107 Houtin, Albert (1867–1926), Kirchenhistoriker 92, 93, 117, 119, 125–127, 130 Hügel, Friedrich Frh. von (1852–1925), religiöser Schriftsteller, Theologe 19, 22, 23 Humboldt, Wilhelm von (1767–1835), Kulturwissenschaftler, Schul- und Bildungsreformer 59 Hummelauer, Franz von SJ (1842–1914), Exeget 71 Hus, Jan (ca. 1369–1415), Theologe, Reformator 85 Hutten, Ulrich von (1488–1523), Humanist 16 Huysmans, Charles (1848–1907), Schriftsteller 118 Ignatius von Antiochien (2. Jh. n. Chr.), Patriarch von Antiochia, Apostolischer Vater 129 Ignatius von Loyola (1491–1556), Mystiker, Ordensgründer 114 Jacobi, Friedrich Heinrich (1743–1819), Philosoph 16, 18, 32, 37, 38, 42, 45, 47, 49, 50, 57 Jahn, Johann Martin OPraem (1750–1816), Orientalist, biblischer Archäologe, alttestamentlicher Exeget 44, 63, 78 Joseph II. (1741–1790), römischer Kaiser 43 Juan de la Cruz (1542–1591) OCarm (OCD), Mystiker, mystischer Schriftsteller, Kirchenlehrer 20, 100, 110, 150 Jülicher, Adolf (1857–1938), ev. Exeget 91 Jung-Stilling, Johann Heinrich (1740– 1817), Augenarzt, Schriftsteller, Pietist 42 Kant, Immanuel (1724–1804), Philosoph 18, 35, 40, 47, 48, 57, 58, 62, 64, 74, 85, 133, 139, 143, 148 Katharina von Siena (1347–1380), Mystikerin, Kirchenlehrerin 124 Keppler, Paul Wilhelm von (1852–1926), neutestamentlicher Exeget und Moraltheologe, Bischof von Rottenburg, religiöser Schriftsteller 68, 70, 107 Kleutgen, Joseph SJ (1811–1883), Theologe, Philosoph, Neuscholastiker 74, 75
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Personenverzeichnis
Knabenbauer, Joseph SJ (1839–1911), Exeget 71 Koch, Hugo (1869–1940), Dogmenhistoriker 117 Koselleck, Reinhart (1923–2006), Historiker 56, 84 Kraus, Franz Xaver (1840–1901), Kunst- und Kirchenhistoriker 22, 98, 117, 119, 123 Kuhn, Johannes Evangelist von (1806– 1887), Dogmatiker 50, 66, 67, 75, 145 Laberthonnière, Lucien Or (1860–1932), Religionswissenschaftler 23, 30, 99 Lagarde, Paul de (Paul Anton Bötticher), Kulturkritiker 29 Lagrange, Marie-Joseph OP (1855–1938), Exeget 11, 23, 64 Lamprecht, Karl (1856–1915), Historiker 27, 29 Langbehn, Julius (1851–1907), Kulturkritiker 29 Laplanche, François (1928–2009), Historiker 61, 92, 98 Lavater, Johann Caspar (1741–1801), Pfarrer, Philosoph, religiöser Schriftsteller 42, 46, 48, 130 Le Roy, Eduard (1870–1954), Mathematiker, Religionsphilosoph 23. 99 Leibniz, Gottfried Wilhelm (1646–1716), Physiker, Philosoph 35, 36, 40 ,62, 74 Lémius, Joseph OMV (1860–1923), Generalprokurator OMV, Konsultor der Studienkongregation 81, 82 Leo XIII. (1810–1903), Papst 75 Lessing, Gotthold Ephraim (1729–1781), Dichter, Philosoph 40, 44 Liebermann, Bruno Franz Leopold (1759– 1844), Regens des Priesterseminars Mainz, Generalvikar in Straßburg, Pastoraltheologe, Dogmatiker, Neuscholastiker 72 Liguori, Alfonso de (1696–1787), Moraltheologe, Bischof von S. Agata dei Goti, Ordensgründer 68, 73 Lilley, Alfred Lesley (1866–1911), anglikan. Theologe 119 Loisy, Alfred (1857–1940), Exeget, Religionswissenschaftler 10, 23, 25, 30–32, 53, 54, 61, 74, 77, 80, 82, 83, 90, 92, 93, 96, 98, 99, 101, 102, 108, 112, 113, 115, 117, 121, 123, 127, 134, 135, 147, 148
Loyson, Hyacinth OP, OCarm (1827– 1912), Prediger, Begründer einer „gallikanischen Kirche“ 119 Luther, Martin (1483–1546), Reformator 15, 16, 41, 55, 85 Maistre, Joseph, Comte de (1753–1821), Politiker, politischer Schriftsteller 72 Malbranche, Nicolas Or (1638–1715), Philosoph 16 Manning, Kardinal Henry Edward (1808– 1892), Erzbischof von Westminster 95 Mannucci, Ubaldo (1883–1935), Patrologe, Konsultor der Indexkongregation 107, 108, 126 Maria Theresia von Habsburg (1717–1780), Erzherzogin von Österreich und Königin von Ungarn, „Kaiserin“ der Donaumonarchie 43 Marinetti, Filippo Tommaso (1874–1944), Schriftsteller 87 Marx, Karl Heinrich (1818–1883), Philosoph 56 Maurenbrecher, Max (1874–1930), ev. Theologe, Wirtschaftswissenschaftler, Politiker 118 Mechthild von Magdeburg (um 1210– 1282), Mystikerin 110 Melanchthon, Philipp (1497–1560), Reformationstheologe 15 Mendelssohn, Moses (1729–1786), Philosoph 139 Merkle, Sebastian (1862–1945), Kirchenhistoriker 44, 63, 144 Metternich, Graf (Fürst) Klemens Wenzel Lothar von (1773–1859), im österr. Staatsdienst, seit 1809 Außenminister, führender Politiker der Restaurationszeit („System Metternich“) 96 Möhler, Johann Adam (1796–1838), Dogmatiker 50, 51, 66, 72 Müller, Adam Heinrich, Ritter von Nittersdorf (1779–1829), Staatsphilosoph 58 Müller, Josef (1855–1942), Reformtheologe 119 Müller, Karl Alexander von (1882–1964), Historiker 134 Murri, Romolo (1870–1944), Politiker, Publizist 119, 123 Muth, Carl/Karl (1867–1944), Publizist 99, 100, 111, 127, 133, 135, 136, 147
Personenverzeichnis Mutschelle, Sebastian (1749–1800), Theologe, Schulreformer 48, 62 Newman, Kardinal John Henry (1801– 1890), religiöser Schriftsteller 18, 22, 25, 32, 53, 54, 70, 78, 89, 90, 92, 101, 104, 121 Nietzsche, Friedrich (1844–1900), Philosoph 29, 59, 85, 147 Oetinger, Friedrich Christoph (1702– 1782), Pietist 42 Otto, Rudolf (1869–1937), Religionsphilosoph 36 Papini, Giovanni (1881–1956), Schriftsteller 87 Pareyson, Luigi (1918–1991), Philosoph 155 Pascal, Blaise (1623–1662), Mathematiker, Theologe, Philosoph 15, 17, 18, 20, 32, 35, 37 Passaglia, Carlo SJ (1812–1887), Theologe und Politiker 74 Paulus, Apostel 54, 112, 121, 129 Petre, Maud D. (1863–1942), Erzieherin, religiöse Schriftstellerin 100 Pflanz, Benedikt Alois (1794–1844), Theologe, Politiker 62 Pius VI. (1717–1799), Papst 97 Pius IX. (1802–1878), Papst 71, 102 Pius X. (1835–1914), Papst 23, 24, 80, 81, 101, 103, 117 Pius XII. (1876–1958), Papst 73, 78, 156 Plato(n) (428/427–348/347 v. Chr.), Philosoph 14 Plotin(os) (205–270), Philosoph 14 Poulat, Émile (1920–2014), Theologe, Historiker, Soziologe 22, 92, 108 Pourrat, Pierre (1871–1957), Theologe, Mystikforscher 130 Rahner, Karl SJ (1904–1984), Theologe 17, 18, 20, 136, 149, 156 Ranke, Leopold (von) (1795–1886), Historiker 26 Rautenstrauch, Franz Stephan OSB (1734– 1785), Abt, Studienreformer 45, 62 Reimarus, Hermann Samuel (1694–1768), Gymnasiallehrer, Philosoph 41 Reuß, Marternus OSB (1751–1798), Philosoph 48, 62 Riva, Clemente (1922–1999), Rosminianer, Weihbischof von Rom (Süd) 104
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Rosmini-Serbati, Antonio (1797–1855), Theologe, Philosoph, Ordensgründer 13, 22, 23, 95, 96 Rudolphi, Otto (1862–1925), Pfarrer, Publizist 24, 81, 98, 117, 125, 127, 128 Sabatier, Paul (1858–1928), Historiker, Franziskusforscher 94, 98, 115, 119, 147 Sachsen, Clemens Wenzeslaus von (1739– 1812), Erzbischof und letzter Kurfürst von Trier, Fürstbischof von Augsburg 46, 48 Sailer, Johann Michael (1751–1832), Pastoral- und Moraltheologe, Bischof von Regensburg 32, 44–50, 64, 68, 121, 130, 142, 143 Saint-Martin, Louis-Claude de (1746– 1803), Philosoph 139 Sales, Franz von (1567–1622), Fürstbischof von Genf, Mystiker, Ordensgründer 110, 121 Schaezler, Constantin von (1827–1880), Neuscholastiker 75, 76 Schanz, Paul von (1841–1905), neutestamentlicher Exeget und Dogmatiker 69, 70 Scheeben, Matthias Joseph (1835–1888), Dogmatiker 75 Schell, Herman (1850–1906), Apologet, Fundamentaltheologe 22, 30, 61, 76, 82, 97, 98, 110, 113, 119, 123 Schelling, Friedrich Wilhelm (1775–1854), Philosoph 38, 57, 58, 77, 110, 143, 145 Schlegel, Karl Wilhelm Friedrich von (1772–1829), Orientalist, Philosoph 32, 38, 57, 65, 72, 77, 145, 152 Schleiermacher, Friedrich David Ernst (1768–1834), Philosoph 36, 43, 49, 50, 57, 66, 77, 98, 147 Schnitzer, Joseph (1859–1939), Theologe, Dogmenhistoriker 24, 117, 125, 127, 133, 135 Scholz, Anton von (1829–1908), Exeget 71 Schopenhauer, Arthur (1788–1860), Philosoph 18 Schrörs, Heinrich (1852–1928), Kirchenhistoriker 82 Semeria, Giovanni B. (1867–1931), Exeget 11, 23
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Personenverzeichnis
Seuse (Suso), Heinrich OP (1295–1366), Mystiker 14, 20, 22, 110, 133 Simmel, Georg (1858–1918), Soziologe 29 Söderblom, Nathan (1866–1931), ev. Theologe, Erzbischof von Uppsala 61, 92 Soffici, Ardengo (1879–1944), Schriftsteller 87 Spener, Philipp Jacob (1635–1705), ev. Pfarrer, Pietist 42 Stattler, Benedict SJ (1728–1797), Theologe, Philosoph 44, 47, 63, 143, 146 Staudenmaier, Franz Anton (1800–1856), Dogmatiker 67 Steiner, Rudolph (1861–1925), Begründer der Anthroposophie 87 Stolberg-Stolberg, Friedrich Graf zu (1750– 1819), Jurist, Schriftsteller 46 Strauß, David Friedrich (1808–1874), Theologe, Philosoph 49 Tauler, Johannes OP (um 1300–1361), Mystiker 14, 100, 129, 130 Teresa von Ávila OCarm (OCD) (1515– 1582), Mystikerin, Ordensgründerin, Kirchenlehrerin 20, 100, 110, 112 Tersteegen, Gerhard (1697–1769), religiöser Schriftsteller, Mystiker, Pietist 42 Theiner, Augustin (1804–1874), Kirchenhistoriker, Kanonist, Konsultor der Indexkongregation 96 Thomas von Aquin OP (1225–1274), Theologe, Philosoph 14, 21, 55, 73, 134 Thomas von Kempen (1379–1471), Mystiker, religiöser Schriftsteller 110, 129 Troeltsch, Ernst (1865–1923), Theologe, Soziologe 55, 85, 118 Tyrrell, George SJ (1861–1910), mystischer Theologe 10, 22, 74, 76, 77, 90, 91, 96 99, 119–121, 123, 147, 148 Unamuno y Jugo, Miguel (1864–1936), Dichter, Philosoph 137 Ubaghs, Gerard Casimir (1800–1875), Theologe, Philosoph 16, 74 Van Rossum, Willem Kardinal CSSR (1854– 1932), Konsultor der Indexkongregation und des Heiligen Offiziums, Präfekt der Propagandakongregation 108
Vattimo, Gianni (* 1936), Philosoph 32, 138, 155, 156 Veith, Johann Emanuel CSSR (1788–1876), Arzt, Prediger, religiöser Schriftsteller 67 Virchow, Rudolf von (1821–1902), Pathologe, Politiker, Prähistoriker 26 Vives y Tutó, Josiep Callasanç OFMCap (1854–1913), Kurienkardinal, Konsultor des Heiligen Offiziums und der Indexkongregation, theologischer Schriftsteller 81 Voltaire (François-Marie Arouet) (1694– 1778), Philosoph 33, 44 Weber, Max (1864–1920), Soziologe, Kulturwissenschaftler 26 Weiß, Albert Maria OP (1844–1925), Sozialreformer, Apologet, Publizist 23, 66, 80–82, 103 Wellhausen, Julius (1844–1918), ev. Exeget 91 Werkmeister, Benedikt (1745–1823), Hofprediger, Reformkatholik 44 Wyclif, John (um 1330–1384), Theologe, Kirchenreformer 85 Wilhelm II. (1859–1941), deutscher Kaiser 86 Wittola, Marc Anton (1736–1787), Pfarrer und Titularpropst, Herausgeber der „Wiener Kirchenzeitung“, österr. Spätjansenist 45 Wolff, Christian (1679–1754), Philosoph 35, 36, 41, 44, 47, 62, 139, 143 Wolff, Eugen (1863–1929), Literaturwissenschaftler 28 Würschmidt, Joseph (1886–1950), Physiker 120 Wurm, Alois (1874–1968), Theologe, Kunstkritiker, Begründer und Herausgeber der Zeitschrift „Seele“ 128, 129 Wust, Peter (1884–1940), Philosoph 132 Zimmer, Patriz Benedikt (1752–1820), Dogmatiker 48, 64, 68, 143
Nachweis der Erstveröffentlichung
Glaube und Wissen im Gefolge der Aufklärung: bisher unveröffentlicht Tendenzen und Strategien katholischer Theologie im 19. Jahrhundert, in: Matthias Blum/Rainer Kampling, Zwischen katholischer Aufklärung und Ultramontanismus. Neutestamentliche Exegeten der „Katholischen Tübinger Schule“ im 19. Jahrhundert und ihre Bedeutung für die katholische Bibelwissenschaft (Contubernium 79), Stuttgart 2012, 241–261. Die Moderne vor dem Richterstuhl der Kirche: Italienisch in: Michele Nicoletti/Otto Weiß, Il modernismo in Italia e in Germania nel contesto europeo, Bologna 2010, 161–190. Mystik und Reform: Französisch in: Giacomo Losito/Charles Talar, Modernisme e mystique (Mystica 1), Paris 2017 (in Vorbereitung). Glaube als Begegnung, in: Theologie der Gegenwart 42 (1999) 252–264. Die Rückkehr des christlichen Gottes, in: Johannes Röser (Hg.), Mehr Himmel wagen. Spurensuche in Gesellschaft, Kultur, Kirche, Freiburg i. Br. 1999, 138–141.
Zum Buch Das gespaltene Verhältnis der katholischen Kirche zur Aufklärung und zur Moderne belastet die Theologie bis heute. Rationalismus, Freiheit des Denkens, Immanentismus, Geschichtlichkeit, Historische Kritik sind nur einige Stichworte, die das kirchliche Lehramt auf den Plan riefen. Die Verurteilung der als „Modernisten“ gebrandmarkten Theologen gibt davon ein beredtes Zeugnis. Otto Weiß, angesehener Experte für die Geschichte von Theologie und Kirche im 19. und 20. Jahrhundert, ruft eine Fülle von Namen und Schicksalen in Erinnerung, die diesen Diskurs prägten. Aus verschiedenen Perspektiven zeigt er, wie in den vergangenen zweihundert Jahren um die Verantwortung des Glaubens vor der Vernunft im Kontext der Moderne gerungen wurde.
Zum Autor Otto Weiß, Dr. phil., geboren 1934, ist Historiker und Autor zahlreicher Veröffentlichungen zum Katholizismus im 19. und 20. Jahrhundert.
Otto Weiss
Kulturkatholizismus Katholiken auf dem Weg in die deutsche Kultur (1900–1933) Mit einem Geleitwort von Hans Maier 312 Seiten, kartoniert ISBN 978-3-7917-2615-1 auch als eBook
Seit der Wende zum 20. Jahrhundert stand die »katholische Kultur« unter den deutschen Katholiken im Zentrum der Diskussion Im protestantisch geprägten deutschen Kaiserreich war den als antimodern, fortschrittsfeindlich und ultramontan geltenden Katholiken häufig der Zugang zu Wissenschaft, Literatur und Kunst versperrt. Über die Notwendigkeit, Anschluss an die »deutsche Nationalkultur« zu erhalten, bestand weithin Einigkeit, über die Wege dorthin jedoch tobten erbitterte Grabenkämpfe. Diese wurden vor allem in neu gegründeten Zeitschriften ausgetragen, allen voran im Hochland unter der Leitung von Karl Muth und in der Schöneren Zukunft, herausgegeben von Josef Eberle. Otto Weiß zeichnet den Weg der katholischen Intellektuellen in die deutsche Kultur von der Jahrhundertwende bis zum Beginn des Dritten Reichs nach und stellt die Protagonisten und Wortführer vor. Das faszinierende Porträt einer spannenden Epoche! »Das Werk genügt hohen wissenschaftlichen Ansprüchen und bietet zugleich (…) eine spannende Lektüre.« CHRIST IN DER GEGENWART
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