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German Pages 168 [170] Year 2018
Imre Josef Demhardt Aufbruch ins Unbekannte
Imre Josef Demhardt
Aufbruch ins Unbekannte Legendäre Forschungsreisen von Humboldt bis Hedin
Diesen Band widme ich der Erinnerung an Arno Breithaupt (1927 – 2010) und Wilhelm „Barnie“ Barnard (1935 – 2010).
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. © 2011 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Layout, Satz und Prepress: schreiberVIS, Seeheim Umschlaggestaltung: Finken & Bumiller, Stuttgart Umschlagabb.: Fregatte „Novara“. Gemälde von Erich Lessing. Heeresgeschichtliches Museum Wien. © akg-images Abb. S. 107: Fregatte „Novara“. Gemälde von Erich Lessing. Heeresgeschichtliches Museum Wien. © akg-images. Abbildungen ohne direkte Quellenangabe: Bildarchiv des Verfassers. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany www.wbg-wissenverbindet.de ISBN 978-3-534-21726-7 Lizenzausgabe für: Konrad Theiss Verlag, Stuttgart Umschlaggestaltung: Stefan Schmid Design, Stuttgart, unter Verwendung zweier Abbildungen des Autors: oben: Die Karte stammt aus einem Heft von „Petermanns Geographische Mitteilungen“ aus dem Jahr 1869. Unten: „Humboldt und Bonpland am Fuße des Chimborazo“, Gemälde von Friedrich Georg Weitsch, 1810. Besuchen Sie uns im Internet: www.theiss.de ISBN 978-3-8062-2231-9 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-534-70841-3 (für Mitglieder der WBG) eBook (epub): 978-3-534-70842-0 (für Mitglieder der WBG) eBook (PDF): 978-3-8062-2511-2 (Buchhandel) eBook (epub): 978-3-8062-2512-9 (Buchhandel)
Inhalt 1
Alexander von Humboldt »der größte Reisende Wissenschaftler, der jemals gelebt hat« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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August Petermann »Rastlos nach dem Inneren längstgekannter Kontinente …« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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»Zur Ehre des Vaterlandes« Die »Deutschen Nordpolar-Expeditionen« 1868 – 70 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Emin Pascha Gratwanderer zwischen Forschung und Kolonisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Oscar Baumann Afrikaforscher der nächsten Generation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Gerhard Rohlfs Vom Abenteurer der Sahara zum Forschungsorganisator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Johann Krapf Missionare, Schnee auf dem Kilimandscharo und ein Riesensee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Heinrich Barth der »Humboldt der Afrikaforschung« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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»Nie zurück« Die »Österreich-ungarische Nordpol-Expedition« 1872 – 74 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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10 Ferdinand von Hochstetter und die Weltumsegelung der »Novara« 1857 – 59 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
106
11 Franz Junghuhn Die Feuerberge von Indonesien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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12 Otto Finsch und der deutsche Kolonialgriff nach der Südsee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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13 »Weder Mücken noch Flöhe …« Die Wüstenoase San Pedro de Atacama und das Kartenbild der Anden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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14 Erich von Drygalski und die deutsche Südpolar-Expedition 1901 – 03 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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15 Alfred Philippson Das multiethnische Osmanische Reich und der imperialistische Griff nach Mesopotamien . . . . . . . .
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16 Alfred Wegener Grönlandforschung und Theorie der Kontinentaldrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
143
17 Sven Hedin der letzte große Entdeckungsreisende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Ortsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Vorwort „Das Endresultat und der Endzweck aller geographischen Forschungen, Entdeckungen und Aufnahmen ist, in erster Linie, die Abbildung der Erdoberfläche, die Karte. Die Karte ist die Basis der Geographie. Die Karte zeigt uns am Besten, am Deutlichsten und am Genauesten, was wir von der Erde wissen!“ August Petermann, 1866.
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a der Mensch bekanntlich zu den Augentieren zählt, sind gerade Karten aufgrund ihres visuellen Charakters die am leichtesten zugängliche Darstellungsform, um die sich beständig wandelnden Vorstellungen über das Aussehen der Erdoberfläche zu verfolgen. Wie kongenial Karten dabei selbst komplexe Vorgänge umzusetzen vermögen, verdeutlicht etwa die durch die Einführung moderner Verkehrsmittel wie Dampfschiff (USA 1807) und Eisenbahn (England 1825) begonnene „Schrumpfung“ des Raums. Hierüber reflektierte schon 1843 der Schriftsteller Heinrich Heine in seinem Pariser Exil: „Durch die Eisenbahn wird der Raum getödtet, und es bleibt uns nur die Zeit übrig. […] In vierthalb Stunden reist man jetzt nach Orléans, in ebenso vielen Stunden nach Rouen. Was wird das erst geben, wenn die Linien nach Belgien und Deutschland ausgeführt und mit den dortigen Bahnen verbunden sein werden! Mir ist als kämen die Berge und Wälder aller Länder auf Paris herangerückt. Ich rieche schon den Duft der deutschen Linden; vor meiner Tür brandet die Nordsee.“ Eine Zwischenbilanz dieser bis in die Gegenwart anhaltenden und sich noch beschleunigenden „Raumvernichtung“ veranschaulichte 1909 der damals führende Kartenwissenschaftler Max Eckert-Greifendorff (1868 – 1938) in einer wegweisenden Karte der thematischen Kartographie. Seine mittelabstandstreue Projektion von Linien gleicher Verkehrsferne vom Mittelpunkt Berlin fasste ganze Regale von Eisenbahn- und Schiffsfahrplänen zusammen und setzte auf einen Blick die Reisemöglichkeiten der schnellsten Verkehrsmittel in jeweils günstigster Kombination mit der Darstellung in Tagesklassen um. In der sich
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so ergebenden Isochronenkarte wird ersichtlich, dass es Jules Vernes 1873 erdachter spleeniger Weltumrunder Phileas Fogg nach der Jahrhundertwende in nur 20 Tagen bis nach Buenos Aires oder Tokio und in 40 Tagen sogar ins abgeschiedene westafrikanische Timbuktu geschafft hätte. Den Erdball auf der Vernes’schen Route zu umrunden hätte dagegen auch schon 1909 anstelle von 80 Tagen keine zwei Monate mehr benötigt. Und nach der Einführung des Düsenflugzeugs sind es heute selbst für den Pauschalurlauber kaum mehr als 40 Stunden bis zu den Berlin antipodisch gegenüberliegenden Inseln des südlichen Pazifischen Ozeans. Ein weiterer Aspekt dieser technisch-wissenschaftlichen Prägung des 19. Jahrhunderts ist auf erdkundlichem Gebiet der damals rasche Übergang von unsystematischen Entdeckungsfahrten zu den sich bereits seit der Wende zum 20. Jahrhundert ausbildenden hoch spezialisierten Forschungsverbänden. Dabei stellten die wenigen Jahrzehnte vor allem von der Jahrhundertmitte bis zum Ersten Weltkrieg das mit Recht so genannte „geographische Zeitalter“ dar, eine forschungsgeschichtlich einmalige Epoche herausragender wissenschaftlicher Einzelforscher, denen unter reger öffentlicher Anteilnahme die Entschleierung des entlegenen Innern der Kontinente gelang. Während etwa der angelsächsische Raum nie den Zugang zu dieser goldenen Zeit der Forschungsreisenden verlor, verstellten die Verwerfungen des 20. Jahrhunderts dem deutschen Kulturraum bis vor wenigen Jahren einen unideologischen Rückblick auf diese Zeit und den außerordentlich großen Beitrag, den Mitteleuropa damals zur Entschleierung der Erde leistete.
Schon seit über einem Jahrzehnt mit der Erforschung des deutschen Beitrags zu dieser Epoche befasst, erschien mir der im Sommer 2008 angenommene Ruf auf den Stifungslehrstuhl für Kartengeschichte an der University of Texas at Arlington als ein guter Anlass, bisherige verstreute Arbeiten über herausragende Figuren und einflussreiche Karten mit neuen Studien zu einer umfassenderen Schau dieser so ereignis- und ergebnisreichen Epoche der Forschungsgeschichte zusammenzufassen. Ganz im Sinne der Zeitgenossen – und ohne aktuelle politische Hintergedanken – wurde bei Auswahl der Forscher und Themen vom seinerzeitigen (groß-)deutschen Kulturraum ausgegangen, der neben dem Deutschen Bund und seinen beiden größten Nachfolgegebilden, dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn, auch ganz selbstverständlich die Schweiz und etwa die Baltendeutschen umfasste. Gleich in mehrfacher Hinsicht können vor diesem Hintergrund Alexander von Humboldts Amerikareise 1799 – 1804 (Kapitel 1) und Sven Hedins Hochasien-Expeditionen 1892 – 1935 (Kapitel 17), welche auch den Zeithorizont des Bandes eingrenzen, als die Gegenpole dieser Etappe der Erderforschung betrachtet werden. Ein Hochschullehrer und Autor steht vor der Frage, wie er mit seinem Anliegen Studenten und die interessierte Öffentlichkeit erreichen kann. Für diesen Band erschien die Gliederung des Stoffes in siebzehn weltumspannende Kapitel mit vorwiegend biographischem Zuschnitt sinnvoll, welche zunächst nach Kontinenten und darin chronologisch geordnet sind. Der essayistische Charakter der Kapitel verlangt dabei die Konzentration auf wenige entscheidende Stationen des Forscherlebens. Die Übersichtskarte im Inneneinband ermöglicht den raschen Zugriff auf besonders interessierende Personen wie Regionen. Die Darstellung selbst unternimmt den Lückenschluss zwischen knappen biographischen Nachschlagewerken und ausführlichen Lebensbeschreibungen. Ein besonderes Herausstellungsmerkmal dieses Buches sind zweifelsohne
die zahlreichen und auch im Detail in „lesbarer“ Größe wiedergegebenen Karten(ausschnitte), wofür der Verlag und der Lektor, Dr. Rainer Aschemeier, dankenswerterweise von Anfang an ein großes Buchformat unterstützten. Als gleichsam rote Fäden führen die vielfach recht farbigen Charaktere der Protagonisten nicht nur durch die Leitthemen der einzelnen Kapitel, sondern werden auch in häufigen Originalzitaten für sich selbst sprechen. Eingestreute
Vorwort
Quelle: Dr. A. Petermanns Mitteilungen aus Justus Per Perthes’ Geographischer i Anstalt, Jahrgang 55 (1909), Tafel 25.
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Kästen dienen der Herausarbeitung wichtiger Zusatzthemen und Personen im Umfeld der Hauptakteure. Während sich die bibliographischen Literaturbelege am jeweiligen Kapitelende zusammen mit einer biographischen Übersicht finden, erschließt ein ausführliches Orts- und Personenregister das Buch. Nicht erst hier, sondern bereits beim Lesen der einzelnen Kapitel, unterstützt durch die eingefügten Querverweise, sollte sich Alexander von Humboldts Erkenntnis bestätigen, dass alles mit allem zusammenhängt. Entsprechend versucht dieses Buch in siebzehn Anläufen die Herausarbeitung des tatsächlich seinerzeit bestehenden Netzwerkes, wobei auch die herausragende Bedeutung des zu Unrecht in
Vergessenheit geratenen Gothaer Verlagshauses Justus Perthes und August Petermanns, seines Meisterkartographen und Forschungsmanagers, ins gebührende Licht gerückt wird. Die Bildvorlagen stellten freundlicherweise die Abteilung Special Collections der Central Library der University of Texas at Arlington, die Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt, die Universitätsbibliothek Frankfurt am Main und die Kartenabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin zur Verfügung. Auch meinen Research Assistants Mylynka Kilgore-Mueller und Raul Rutschmann sowie Herrn Bernhard Hager sei für ihre Hilfe bei der Literatur- und Kartenbeschaffung gedankt. Imre Josef Demhardt
Literatur
PETERMANN, AUGUST: Notiz über den kartographischen Standpunkt der Erde, in: Geographisches Jahrbuch (hrsg. von Ernst Behm), Band I (1866), S. 581.
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Vorwort
HEINRICH HEINE’S Sämtliche Werke. Sechster Band: Vermischte Schriften (Zweite Abtheilung). Philadelphia 1856, S. 378.
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Alexander von Humboldt „der größte Reisende Wissenschaftler, der jemals gelebt hat“
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zu skizzieren, dem nicht nur der Wissenschaftler Charles Darwin, sondern fast alle Zeitgenossen große Anerkennung entgegenbrachten. Wie bei vielen Forschungsreisenden in diesem Buch deutete auch bei Alexander von Humboldt zu Anfang wenig auf seine Beiträge zur Entschleierung der Welt hin. Viel verdankte er dem Glück seiner Geburt am 14.9.1769 in Berlin in eine märkische Beamtenfamilie, der die hugenottische Mutter einigen Wohlstand ins Haus gebracht hatte. Der Vater war Freimaurer und Kammerherr beim „Alten Fritz“, was Alexander eine lebenslange Verbindung mit dem preußischen Königshof eintrug. Ganz im Sinne der
Aufklärung sparte der Vater keine Kosten, um seinen Kindern die bestmögliche Ausbildung für eine Karriere im Staatsdienst zu ermöglichen. Die Hauslehrer hielten den zwei Jahre älteren Wilhelm – später Sprachforscher, Diplomat und preußischer Bildungsminister – für hochbegabt, während der Jüngere dauernd kränkelte und nur mit Mühe dem seinem älteren Bruder angepassten Lehrstoff folgen konnte. Immerhin interessierte sich Alexander bereits als Kind so sehr für Pflanzen, dass er in der Familie den Spitznamen „kleiner Apotheker“ erhielt. Die einzige früh hervortretende Begabung war ein Zeichentalent, das ihn schon 14-jährig die ersten Karten kopieren ließ und nach Anleitung
Alexander von Humboldt. Selbstporträt 1815
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1 Alexander von Humboldt
durch den berühmten Kupferstecher Daniel Chodowiecki dazu führte, dass von dem 17-Jährigen eine Kreidezeichnung für die Jahresausstellung der Berliner Kunstakademie angenommen wurde. Nach dem frühen Tod des Vaters drängte die Mutter den naturwissenschaftlich-künstlerisch Veranlagten in Richtung einer Beamtenlaufbahn. V Da Berlin erst 1810 eine Universität bekam, die wesentlich auf seines Bruders Reformbemühunw gen zurückgehen und 1949 nach den Brüdern benannt werden sollte, nahm er 1788 lustlos ein staatswissenschaftliches Studium in Frankfurt an der Oder auf. Schon nach einem Semester floh Alexander nach Berlin zurück, um ab April 1789 A in Göttingen seinen Neigungen entsprechend Naturwissenschaften, vor allem Botanik, Geologie und Physik zu studieren. Dort wurde ihm klar, dass seine naturkundlichen Begabungen der Wissenschaft wohl am besten dienten, wenn er mit universellem Forb schungsansatz eine der mit der Aufklärung in Mode kommenden Weltreisen unternähme. Deshalb suchte er die Verbindung mit Georg Forster, der 1772 – 75 als Naturalist die zweite Weltumseglung von James Cook begleitet hatte. Auf einer gemeinsamen Reise 1790 zum Niederrhein, ins revolutionäre Paris und nach England fühlte sich Humboldt in seinen Zielen bestätigt, erkannte aber auch, sich noch breiter und tiefer in die Naturwissenschaften einarbeiten zu müssen. Da die Mutter weiterhin auf einem zum Staatsdienst führenden Studium bestand, ging er 1791 zum Montanstudium ins sächsische Freiberg, um schon im Folgejahr ohne Studienabschluss – er legte im ganzen Leben kein einziges Examen ab – als Assessor in die preußische Bergverwaltung einzutreten. Seine geologische Untersuchung der Bergwerke in Franken wurde von den Vorgesetzten so hoch geschätzt, dass der 23-JähV rige sofort die Leitung dieser Bergämter übertragen bekam. Neben der Umorganisation der Bergwerke fand Humboldt noch die Zeit, einen Grubengasrettungsapparat zu erfinden, eine Abhandlung über Höhlenpflanzen vorzulegen und auch eine Abendschule für seine Bergleute einzurichten, wo er selbst lehrte und für die er auch noch die Lehrbücher schrieb. 1 Amerikanische Reiseroute 1799 – 1804 (Quelle: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 15 (1869), Tafel 16).
„ … der größte Reisende Wissenschaftler, der jemals gelebt hat“
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2 Übersichtskarte der beiden Hauptketten der Anden im Bereich von Ecuador und Peru (Quelle: Alexander von Humboldt: Voyage de Humboldt et Bonpland. Premiere Partie. Relation Historique. Atlas Geographique et Physique des Regiones Equinoxiales du Nouveau Continent […]. Paris 1814 – 1834, Karte 5).
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Der damit früh begründete Ruf des jungen Montanfachmanns trug ihm bereits 1793 die Aufnahme in die Deutsche Akademie für Naturkunde (Leopoldina) in Halle ein. Als 1796 die Mutter starb und ein umfangreiches Vermögen hinterließ, war der Weg endlich frei, den ungeliebten Staatsdienst zu quittieren und sich auf eine möglichst weit gespannte Reise zu begeben, um im Geiste Forsters Anschauungsmaterial für eine „physique du monde“ zu sammeln. Nach sorgfältigen Vorbereitungen, die Humboldt zur Beschaffung von Instrumenten und Fühlungnahme mit Fachgelehrten quer durch Europa führten – so erlernte er 1797 an der Gothaer Sternwarte von Franz Xaver von Zach astronomische Beobach-
1 Alexander von Humboldt
tungen und geophysikalische Messungen –, traf t eer 1798 in Paris ein, dem damaligen Zentrum der d aufgeklärten Wissenschaft. Hier fand er seinen n zukünftigen Reisegefährten, den Botaniker Aimé Bonpland (1773 – 1858). Den ersten Plan, A mit m einem englischen Lordbischof nach Ägypten zu z gehen, zerschlug Napoleons dortige Landung, den d zweiten Plan, eine mehrjährige französische Weltumseglung zu begleiten, deren Vertagung W infolge Geldmangels wiederum durch Napoleons i Ägyptenabenteuer. Überhaupt durchkreuzte der Ä spätere Kaiser der Franzosen mehrmals Reisevors haben Humboldts, dem er bei einer Audienz unh mittelbar nach der Rückkehr aus Amerika wenig m beeindruckt erwiderte: „Sie beschäftigen sich mit b Botanik? Genau wie meine Frau!“ B Nachdem sich alle französischen Hoffnungen zerschlagen hatten, reisten die beiden gestrandez ten t Weltreisenden in spe Ende 1798 an den spanischen Königshof. Obwohl die Spanier ihr Kon lonialreich seit je dem Zutritt von Ausländern l entzogen, passte beim Eintreffen Humboldts e wunderbarerweise alles zusammen: ein diplomaw tisch geschickt auftretender preußischer Adelit ger g mit Unterstützung durch seinen König, ein vorausgeeilter Ruf als Bergbauexperte, das in fliev ßendem Spanisch gemachte Angebot, der klamß men m allerkatholischsten Krone durch Untersuchungen die Erträge aus den Bergbaufeldern der c Neuen Welt zu vermehren – und dies alles noch N auf a eigene Kosten. Binnen weniger Wochen hatte t Humboldt einen Generalpass und konnte am 5.6.1799, dem Tag der Abreise mit der Fregatte 5 „Pizarro“, brieflich ankündigen: „Ich werde Pflan„ zen z und Fossilien sammeln, mit vortrefflichen Instrumenten astronomische Beobachtungen machen können. m […] Das alles ist aber nicht der Hauptzweck meiner Reise. Und auf das Zusammenwirken der Kräfte, den Einfluß der unbelebten Schöpfung auf die belebte Tier- und Pflanzenwelt, auf diese Harmonie sollen stets meine Augen gerichtet sein!“ `1, 2 Anstelle der Orientreise oder der Weltumseglung verschlug es Humboldt also zur Verfolgung seines großen Plans nach Lateinamerika, wo er am 16.7.1799 in Cumana an Land ging. Noch in der Akklimatisationsphase an die Üppigkeit der fremdartigen Tropenvegetation beobachtete er dort in der Nacht auf den 12. November den Meteoritenschauer der Leoniden, dessen Beschreibung später die Periodizität dieser Ereignisse mitbegründete. Auch wenn sich Humboldts Reisen in Amerika glücklich ergebenden Zufällen
anpassten, lag diesen doch ein großer Plan zugrunde: Im spanischen Vizekönigreich Neu-Granada – die Ländermasse vom heutigen Venezuela bis nach Peru – galt es, die physikalisch-biologischen Verhältnisse der hier zwischen dem Tiefland des Amazonas und dem Andenbogen auf engstem Raum zusammengedrängten tropischen Großlandschaften zu erkunden, um dies dann im subtropischen Vizekönigreich Neu-Spanien – vor allem das heutige Mexiko – zu ergänzen, und zwischendurch die Minenberichte nach Madrid im Auge zu behalten. Die erste große Expedition führte Humboldt und Bonpland im Februar bis November 1800 durch die Savannen jenseits der Küstengebirge zum Orinoco und diesen stromauf, um die von portugiesischen Priestern 1639 erstmals behauptete Wasserverbindung hin zum Amazonasflusssystem zu erkunden. Mit von Indianern geruderten Kanus, durch Hitze und Moskitos, dabei stets botanisierend und Tiere fangend, den Fluss und dessen Umgebung physikalisch wie kartographisch aufnehmend, kämpften sich die Forscher langsam flussaufwärts. Um die hier angetroffenen elektrischen Aale erstmals untersuchen zu können, griff Humboldt auf eine List der Indianer zurück, die Pferde oder Rinder in aalverseuchte Gewässer trieben, die sie überqueren wollten. Auch jetzt klappte dieser Trick, die Aale entluden ihre Spannung an den Huftieren, und Humboldt konnte einen Aal zur Untersuchung greifen. Allerdings erholte sich der Aal schneller als gedacht, sodass auch der preußische Freiherr manchen Stromschlag abbekam. Am 20.5.1800 erreichten die Einbäume eine Stromgabelung, wo das Flusswasser sich teilte. Humboldt folgte dem Casiquiare genannten Abzweig über 320 Kilometer bis zu dessen Einmündung in den Amazonasnebenarm Rio Negro, wodurch die sogenannte Bifurkation des Casiquiare zwischen beiden Stromsystemen bewiesen war. `3 `4 Nach insgesamt 2800 Kilometern zu Fuß und im Kanu endete die erste Expedition wieder an der venezolanischen Küste. Von hier ging Humboldt für ein Vierteljahr nach Kuba, wo er nicht
nur mit der Sortierung seiner Orinocosammlungen beschäftigt war, sondern wo er außerdem mit dem mitgeführten halben Hundert der bis dahin genauesten Beobachtungsinstrumente in der Neuen Welt die Inselhauptstadt Havanna teilweise neu vermaß. `5 Bei seinen Besuchen der großen Zuckerrohrplantagen sammelte er zudem das Material für das 1807 in Paris erschienene „Essay politique sur l’ile de Cuba“, die erste moderne länderkundliche Kulturstudie mit deutlicher Kritik an der ineffizienten Sklavenhalterwirtschaft. Als Gegenstück zur Orinocoexpedition unternahmen Humboldt und Bonpland von April 1801 bis Oktober 1802 eine Andenexpedition, wobei sie dieses Faltengebirge nicht weniger als vier Mal querten. Hier entwickelte Hum-
3 Humboldts Kartenentwurf der Bifurkation des Casiquiare zwischen Orinoco und Amazonas (Quelle: Alexander von Humboldt: Voyage de Humboldt et Bonpland. Premiere Partie. Relation Historique. Atlas Geographique et Physique des Regiones Equinoxiales du Nouveau Continent […]. Paris 1814 – 1834, Karte 16).
„ … der größte Reisende Wissenschaftler, der jemals gelebt hat“
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4 Ausschnitt der Karte der Bifurkation des Casiquiare zwischen Orinoco und Amazonas (Quelle: Alexander von Humboldt: Voyage de Humboldt et Bonpland. Premiere Partie. Relation Historique. Atlas Geographique et Physique des Regiones Equinoxiales du Nouveau Continent […]. Paris 1814-1834, Karte 16)
5 Der durch Humboldts Neuvermessung revidierte Stadtplan von Havanna de Cuba (Quelle: Alexander von Humboldt: Atlas Geographique et Physique du Royaume de la Nouvelle Espagne […]. Paris 1811, Karte 23).
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1 Alexander von Humboldt
Von den Mühsalen eine alte Berühmtheit zu sein
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bwohl der verarmte Alexander von Humboldt in Berlin nur eine kleine Mietwohnung bewohnte, zu der man alleine durch die Wohnung seines Dieners Seiffert, den er zu seinem Universalerben einsetzte, gelangen konnte, war der berühmte Wissenschaftler das touristische Ziel unzähliger durchreisender Würdenträger und Bildungsbürger. Charakteristisch für eine solche „Heimsuchung“ ist der Bericht des amerikanischen Reiseschriftstellers Bayard Taylor von 1856: „Ich ging nach Berlin, nicht um seine Museen und Galerien, die schöne Lindenstraße, Opern und Theater zu sehen, noch mich an dem munteren Leben seiner Strassen und Salons zu erfreuen, sondern um den größten jetzt lebenden Mann der Welt zu sprechen – Alexander von Humboldt. Ich drückte die Hand, welche die Friedrich des Großen, Forsters, des Gefährten Cooks, Klopstocks und Schillers, Pitts, Napoleons, Josephinens, der Marschälle des Kaiserreichs, Jeffersons, Hamiltons, Wielands, Herders, Goethes, Cuviers, Laplaces, Gay-Lussacs, Beethovens, Walter Scott – kurz aller großen Männer, die Europa in drei Vierteln eines Jahrhunderts erzeugt hat, berührt hatte. Ich blickte in das Auge, welches nicht allein die gegenwärtige Geschichte der Welt, Szene für Szene, hatte vorüberziehen sehen, bis die Handelnden einer nach dem anderen verschwanden, um nicht wiederzukehren, sondern das auch die Katarakte von Aturas und die Wälder von Cassiquiare, den Chimborasso, den Amazon und Popocatepetl, die Altaischen Alpen von Sibirien, die Tartarensteppen und das Kaspische Meer betrachtet hatte. Ich habe nie ein
so erhabenes Beispiel bejahrten Alters, gekrönt mit unvergänglichen Erfolgen, voll des reichsten Wissens, belebt und erwärmt durch die reichsten Attribute des Herzens gesehen. Eine Ruine, wirklich? Nein, ein menschlicher Tempel, vollendet wie der Parthenon.“ Erst sieben Wochen vor seinem Tod raffte sich der Jahr für Jahr von Hunderten von ergriffenen Besuchern und lästigen Bittstellern von seiner Arbeit am „Kosmos“ abgehaltene Humboldt zu einer öffentlichen Bekanntmachung auf, die am 15.3.1859 in den „Berlinischen Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen“ erschien und umgehend von in- wie ausländischen Zeitungen nachgedruckt wurde: „Leidend unter dem Drucke einer immer noch zunehmenden Korrespondenz, fast im Jahresmittel zwischen 1600 und 2000 Nummern (Briefe, Druckschriften über mir ganz fremde Gegenstände, Manuskripte, deren Beurteilung gefordert wird, Auswanderungs- und Colonialprojekte, Einsendung von Modellen, Maschinen und Naturalien, Anfragen über Luft-Schiffahrt, u Vermehrung autographischer Sammlungen, Anerbietungen mich häuslich zu pflegen, zu zerstreuen und zu erheitern usw.), versuche ich einmal wieder, die Personen, welche mir ihr Wohlwollen schenken, öffentlich aufzufordern, dahin zu wirken, dass man sich weniger mit meiner Person in beiden Kontinenten beschäftige und mein Haus nicht als ein Adress-Comptoir benutze, damit bei ohnedies abnehmenden physischen und geistigen Kräften mir einige Ruhe und Mußee zu eigener Arbeit verbleibe. Möge dieser Ruf um Hilfe, zu dem ich mich ungern und spät entschlossen habe, nicht lieblos gemissdeutet werden.“
boldt ein starkes Interesse am Vulkanismus und der Hochgebirgsforschung. Entsprechend intensiv erforschte er die doppelte Feuerschlotkette im heutigen Ecuador um Quito, die er „Allee der Vulkane“ taufte. Seit der Erdvermessungsexpedition Charles Marie de la Condamines 1735 – 41, der ersten wissenschaftlichen Expedition in die Tropen, galten die Gipfel der ecuadorianischen Anden aufgrund der Äquatoraufwölbung durch die Zentrifugalkräfte der Erddrehung als die am weitesten vom Erdmittelpunkt befindlichen Punkte. Kaum besser ausgestattet als mit Reiseröcken, erstiegen Humboldt und seine Begleiter mehrere der Vulkanriesen und wagten sich schließlich auch an den höchsten Vulkankegel, den Chimborazo. `8 Am 9.6.1802 erreichten die Bergsteiger auf 5880 Meter knapp unterhalb des Gipfels ihre Sauerstoffgrenze, die sie zur Umkehr zwang. Ihr Hö-
henrekord blieb aber 29 Jahre bestehen. Als ein Vierteljahrhundert später die Briten nachwiesen, dass der Himalaya höher aufragte als die Anden (Kapitel 17), schrieb Humboldt 1828 an seinen Kartographen Berghaus: „Ich habe mir mein Lebenlang etwas darauf eingebildet, unter den Sterblichen derjenige zu sein, der am höchsten in der Welt gestiegen ist […] und bin stolz gewesen auf meine Ascension! Mit einem gewissen Gefühl von Neid habe ich darum auf die Enthüllungen geblickt, welche Webb und seine Consorten von den Bergen in Indien geben. Ich habe mich über die Reisen des Himalaya beruhigt, weil ich glaube annehmen zu dürfen, dass meine Arbeiten in Amerika den Engländern den ersten Impuls gegeben haben, sich etwas mehr um die Schneeberge zu bekümmern […].“ Nachdem sich Humboldt ungern von der „Allee der Vulkan“ getrennt hatte, erreichte die Expedition Ende Oktober 1802 die peruanische Hauptstadt Lima. Hier nutzte er den Durchgang
„ … der größte Reisende Wissenschaftler, der jemals gelebt hat“
6 Der Tod lädt Humboldt zum Abschied vom „Kosmos“ ein (Quelle: Carl Aarland 1869, in: Frank Holl: Alexander von Humboldt. Berlin 2009, Seite 270).
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7 „Die Verbreitung der Pflan fl zen nach senkrechter Richtung in der heißen, der gemäßigten und kalten Zone […]“. Ausschnitt des wesentlich auf Humboldts Beobachtungen und Konzeption zurückgehenden höhengestuften Vegetationsmodells der Anden und Mexikos (Quelle: Heinrich Berghaus: Dr. Heinrich Berghaus’ Physikalischer Atlas […]. Band 1. Gotha 2 1852, Abteilung 5, Nummer 1).
des Merkur am 9. November, die Lage des Hafenvororts Callao genau zu bestimmen, was der geodätischen Aufnahme der Andenländer noch auf Jahrzehnte den am besten bestimmten Festpunkt lieferte. Nachdem er auf die bei den Indios beobachtete Düngung mit Guano (Kot von Seevogelkolonien) aufmerksam wurde und Proben zur chemischen Untersuchung nach Hause sandte, was ihn unter die Ahnherren des Kunst-
düngers einreiht, segelte Humboldt schon im Januar 1803 nach Guayaquil, wo er Anschluss an die nun doch aufgebrochene französische Weltumseglung suchte. Während der dortigen Wartezeit – eine Routenänderung des Schiffs verhinderte schließlich abermals das Anbordgehen Humboldts – überdachte der Forscher die ihm bei den Bergtouren in den Anden aufgefallenen Anzeichen gesetzmäßiger Zusammenhänge zwischen der Temperatur, der Vegetationszusammensetzung und der Höhe über dem Meer. Hieraus entwickelte er ein systematisches Vorhersagemodel der tropischen Vegetation und wurde damit zum Begründer der Pflanzengeographie. `7 Nachdem ihn der dritte und letzte Abschnitt der großen amerikanischen Reise im März 1803 auf ein Jahr nach Neu-Spanien geführt hatte, wo er aufgrund des unbeschränkten Zugangs zu staatlichen wie privaten Archiven und Sammlungen nicht nur archäologische Studien über die Aztekenkultur unternahm, sondern vor allem durch kritische Zusammenschau aller vorlie8 Ansicht des Chimborazo mit Alexander von Humboldt im Reiserock mit Sextant (Quelle: Gemälde von Georg Weitsch 1810).
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1 Alexander von Humboldt
9 Südblatt der aus Humboldts Auswertung älterer Karten und Berichte neu entworfenen Karte des Vizekönigreichs Neu-Spanien (Quelle: Alexander von Humboldt: Atlas Geographique et Physique du Royaume de la Nouvelle Espagne […]. Paris 1811).
genden Entdeckungs- und Reiseberichte die erste moderne wissenschaftliche Karte des Landes entwarf. `9 `10 Diese rückte er gleichsam an die richtigen Stellen im Netz der Längen- und Breitengrade, da seine Instrumente und Fachkenntnisse die bis dahin teils grob falschen Lagebestimmungen durch die astronomische Neuvermessung der Referenzpunkte Acapulco am Pazifik, Mexiko-Stadt und Veracruz am atlantischen Golf von Mexiko gestatteten. Begleitend unternahm er auch hier kulturgeographische Studien, wobei er auf den ersten Zensus von 1794 zurückgreifen konnte, den er freilich durch den Kniff der Stichprobe aktualisierte: Anhand der Rückmeldungen ausgewählter Gemeindepriester rechnete Humboldt unter Aufschlag eines bestimmten Anteils von nicht beim Sonntagsgottesdienst Erscheinenden die aktuellen Einwohnerzahlen des Vizekönigreichs hoch. Am 4.8.1804 schließlich betraten Humboldt und Bonpland in Bordeaux wieder europäischen Boden. Der als Kind stets kränkelnde Humboldt hatte alle Strapazen der fünfjährigen Reisen ohne nennenswerte Leiden überstanden und konnte nun an den Hauptteil seiner Lebensleistung gehen, die systematische und alle neueren Erkenntnisse heranziehende vernetzte Auswer-
10 Ein Blick hinter die Kulissen der wissenschaftlichen KarKar tographie. Da Humboldts Kartenentwurf des Vizekönigreichs Neu-Spanien dem mexikanischen Gebiet eine von bisherigen Karten abweichende Gestalt gab, veranschaulichte er auf diesem Blatt seine astronomischen Ortsbestimmungen, an denen die Topographie einer wissenschaftlichen Karte gleichsam aufgehängt wird, durch einen Vergleich mit den teils erheblich abweichenden Ortsbestimmungen älterer Karten (Quelle: Alexander von Humboldt: Atlas Geographique et Physique du Royaume de la Nouvelle Espagne […]. Paris 1811, Karte 10).
„ … der größte Reisende Wissenschaftler, der jemals gelebt hat“
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Heinrich Berghaus, Humboldt und der „Physikalische Atlas“
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11 Heinrich Berghaus (Quelle: Forschungsbibliothek Gotha, Sammlung Perthes, Archiv).
enn auch nicht ein Universalgenie wie Humboldt, so stand der am 3.5.1797 in Kleve am Niederrhein geborene Heinrich Berghaus dem bedeutendsten wissenschaftlichen Reisenden der Neuzeit auf dem Gebiet der Kartographie mit einem kaum minder ergebnisreichen Lebenslauf zur Seite. Noch unter napoleonischer Herrschaft trat er erst 14-jährig in Münster in die Straßenund Brückenbauverwaltung des Lippe-Departements ein, wo sein Geschick in Geodäsie und Topographie es ermöglichte, dass er gerade 16-jährig beim damals führenden Landkartenhaus Bertuch in Weimar sein erstes Atlaswerk veröffentlichte. Nachdem Berghaus als Freiwilliger mit den gegen Napoleon ziehenden preußischen Truppen bis in die Bretagne gelangt war, trat er 1816 als Ingenieur-Geograph in den Dienst des Preußischen Kriegsministeriums, für welches er an der trigonometrischen Landesvermessung teilnahm. Die 1824 erfolgte Berufung zum Professor für angewandte Mathematik an der Berliner Bauakademie hätte ihm in fachlich engem aber wirtschaftlich einigermaßen gesichertem Rahmen ein für die meisten annehmbares Leben geboten.
Der hochbegabte und innovative Kartenentwickler aber gab die sichere Beamtenposition auf und wandte sich, als legendärer Erschließer von Kartenquellen, die er mit bis ins hohe Alter unermüdlichem Fleiß zeichnerisch umzusetzen verstand, einer unsicheren und letztlich materiell nicht erfolgreichen Laufbahn als freier Kartograph zu. In deren Verlauf suchte er seine stets sprudelnden Ideen mit nicht weniger als 36 verschiedenen Verlegern umzusetzen. Am Schluss eines ein halbes Jahrhundert währenden äußerst produktiven Schaffens standen mehrbändige erdkundliche Standardwerke von einzelnen preußischen Provinzen bis hin zu weltmaßstäblichen Überblicken, die Herausgabe oder Mitarbeit an Kartenwerken wie dem seit 1817 bei Justus Perthes in Gotha erscheinenden Stieler Handatlas, dem führenden Weltatlas des 19. Jahrhunderts, sowie nicht zuletzt die Herausgeberschaft von vier geographischen Zeitschriften: Hertha 1825 – 29, Annalen der Erd-, Völker- und Staatenkunde 1830 – 43, Almanach 1840 – 41 und das Geographische Jahrbuch 1850 – 52, welches das Vorbild für die ab 1855 erscheinende Monatsschrift seines Schülers August Petermann (Kapitel 2) wurde. Mit dem preußischen Amerikareisenden Humboldt war Berghaus 1819 in Kontakt gekommen und wurde bald zu dessen wichtigstem kartographischen Ansprechpartner. Zu den aus dem Austausch mit Humboldt entwickelten Projekten gehörte auch die 1839 – 48 von Berghaus in Potsdam betriebene „Geographische Kunstschule“ zur Ausbildung von Kartographen, in der die großen deutschen Geographen sowie zahlreiche ausländische Fachleute ein- und ausgingen. Bereits am 20.12.1827 hatte Humboldt, dem schon damals ein größeres erdkundliches Übersichtswerk vorschwebte, an Berghaus geschrieben, dass es sein Wunsch sei, „daß Sie die geographischen Erläuterungsblätter zu meinem Buch bearbeiten mögen, einen Atlas der physischen Erdkunde.““ Aus die-
12 „Die Isothermenkurven der nördlichen Halbkugel“. Ausschnitt einer Welttemperaturkarte mittels einer auf Humboldts Anregung beruhenden Darstellung einer linienhaften Verbindung von Orten, die zur gleichen Zeit den gleichen Wärmewert aufweisen. Das so begründete System der Isolinien findet heute in den Naturwissenschaften weithin Verwendung, wobei die Isobaren der Wetterkarte mit den Luftdruckwerten der Hoch- und Tiefdruckgebiete wohl am bekanntesten sind (Quelle: Heinrich Berghaus: Dr. Heinrich Berghaus’ Physikalischer Atlas […]. Band 1. Gotha 21852, Abteilung 1, Nummer 2).
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ser Anregung Humboldts konzipierte Berghaus ein Kartenwerk, das im Gegensatz zu allen bisherigen Atlanten nicht aus topographisch-politischen Kartenblättern bestehen, sondern sich ganz auf die Darstellung der neuen Erkenntnisse über den physikalisch-ethnologischen Zustand der Erde in einzelnen Themenblättern widmen sollte. Der 1838 – 48 in 90 Kartenblättern und 18 Lieferungen für zwei Bände bei Justus Perthes erschienene „Physikalische Atlas“ (2. Auflage 1849 – 52: 93 Kartenblätter), nun ausdrücklich als Atlas zum „Kosmos“ zugeordnet, wurde ein Wendepunkt in der wissenschaftlichen Kartographie. Dabei gingen vor allem die geologischen, geophysikalischen und pflanzengeographischen Blätter aus einer engen Zusammenarbeit hervor, für die der adelige Forscher die Konzeption und die wesentliche Datengrundlage lieferte, die der Kartograph kongenial zeichnerisch umsetzte. Die sofortige und europaweite Anerkennung des innovativen „Physikalischen Atlas“ veranlasste das Verlagshaus Johnston in Edinburgh, eine britische Ausgabe aufzulegen, für deren Anfertigung Berghaus’ Meisterschüler Petermann seine Lehrerstelle an der Kunstschule aufgab und im Juni 1845 nach Schottland übersiedelte. Die dortige Weiterentwicklung des Berghaus’schen Konzepts und die Einbeziehung zusätzlichen britischen Materials, die 1848 als „The Physical Atlas“ erschien, vollendete die Entwicklung des ersten Themenatlas. Wohl nicht zu dessen reinem Vergnügen übersandte Humboldt noch im November Berghaus sein Handexemplar mit dem Bemerken: „Sie können die physikalische Arbeit nicht anfangen, ohne Johnston’s englische Ausgabe Ihres Atlas […]. Sie enthält so viel Vortreffliches und ganz Neues für Geographie der Pflanzen und der Thiere, Windrichtungen, Meeresströme, magnetische Karten.“ Nach dem großen Wurf des Themenatlas erwartete der hochbetagte Humboldt von Berghaus, der ihn um ein Vierteljahrhundert überlebte und am 17.2.1884 in Stettin starb, eine an sein Mexikowerk anschließende Landeskunde unter Verarbeitung des überaus zahlreichen neuen Quellenmaterials. Dazu kam es aber nicht, da diesem erst ein Mitarbeiter starb und sich dann kein Verleger für das Großvorhaben fand. Doch im Grunde hatte Humboldt, so das Urteil des Berghausbiographen Engelmann, zu viel von seinem Freund erwartet: „Berghaus war ein hervorragender Kartograph, der auf wissenschaftlicher Grundlage arbeitete und auch länderkundlich zu schreiben vermochte. Aber ein ‚geographischer College‘ Humboldts war er nicht.“
tung seiner umfangreichen Materialsammlungen und Beobachtungsniederschriften. Die hierfür notwendigen Kontakte zu Fachgelehrten, Künstlern und Druckern fand er nur in Paris, wo er seit 1807 ansässig war und seine große Amerikareise, die ihn etwa ein Drittel seines ererbten Vermögens gekostet hatte, 1807 – 28 auswertete und drucken ließ. Die Herausgabe in 30 hochwertigen und auf den aktuellsten Stand gebrachten Bänden der „Le voyage aux regiones equinoxiales du Nouveau Continent […]“, dem umfangreichsten je vollständig aus eigener Tasche finanzierten Forschungs- und Publikationsunternehmen mit über 1400 großen Teils farbigen Stichen, verschlang den Rest seines Vermögens. Obwohl sofort als ein kopernikanischer Wendepunkt in der Wissenschaftsgeschichte anerkannt, wurde es doch niemals vollständig in eine andere Sprache übersetzt. Die Wirkung dieses gewaltigen und schier allumfassenden Reisewerks auf die Zeitgenossen fasste Goethe nach dem Eintreffen Humboldts am 11.12.1826 in begeisterte Worte: „Alexander von Humboldt ist diesen Morgen einige Stunden bei mir gewesen. Was ist das für ein Mann! […] Man kann sagen, er hat an Kenntnissen und lebendigem Wissen nicht seinesgleichen. Und eine Vielseitigkeit, wie sie mir gleichfalls noch nicht vorgekommen ist! Wohin man rührt, er ist überall zu Hause und überschüttet uns mit geistigen Schätzen. Er gleicht einem Brunnen mit vielen Röhren, wo man überall nur Gefäße unterzuhalten braucht und wo es uns immer erquicklich und unerschöpflich entgegenströmt. Er wird einige Tage hier bleiben, und ich fühle schon, es wird mir sein, als hätte ich Jahre verlebt.“ Mit dem Abschluss des Reisewerks völlig verarmt, siedelte Humboldt 1828 nach Berlin über, um als Kammerherr des preußischen Königs materiell abgesichert, eine östliche Ergänzung seiner Tropenreise zu unternehmen. Bereits 1811 war alles für eine Expedition durch Russland nach Sibirien vorbereitet, als ihm Napoleon wieder einmal den Weg versperrte, diesmal mit seinem Feldzug nach Moskau. Von Mai bis November 1829 jedoch gelang dem nunmehr 60-Jährigen auf Einladung und Kosten des russischen Zaren eine 15 000 Kilometer umfassende Reise. Diese hatte verglichen mit seinem Aufenthalt in Amerika eine große Entourage einschließlich persönlichen Arztes und Dieners sowie der Nutzung von 12 000 Pferden. Während Humboldts Hauptinteresse der Verbesserung des wissenschaftlichen
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Biographie Alexander von Humboldt 1769 geboren am 14.9. in Berlin 1789 – 92 Studium der Naturwissenschaften in Göttingen und Freiberg 1792 – 95 Assessor in der Preußischen Bergverwaltung 1793 Aufnahme in die Deutsche Akademie für Naturkunde (Leopoldina) in Halle 1796 Tod der Mutter und deren Erbschaft ermöglichen Aufgabe des Staatsdienstes 1799 – 1905 große Amerikareise mit dem Botaniker Aimé Bonpland, darunter auf dem Orinoco (1800), durch die Anden (1801 – 02) und in Mexiko (1803 – 04) 1800 Aufnahme in die Preußische Akademie der Wissenschaften in Berlin in Abwesenheit 1805 Ernennung zum Kammerherrn des Königs von Preußen mit Jahresrente 1807 – 27 Wohnsitz in Paris zur Ausarbeitung der Ergebnisse der amerikanischen Reise: „Le voyage aux regions equinoxiales du Nouveau Continent“ (1807 – 28), in 30 Bänden das umfangreichste je privat finanzierte Reisewerk 1828 Übersiedlung nach Berlin, Mitgründer der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin 1829 Reise durch Russland und Sibirien bis zur chinesischen Grenze 1835 – 59 Arbeit am „Kosmos. Entwurf einer Physischen Erdbeschreibung“ (5 Bände, 1845 – 62) 1848 Mitgründer der Deutschen Geologischen Gesellschaft 1859 gestorben am 6.5. in Berlin
Beobachtungsnetzes, der Geologie und dem Altaigebirge als entferntestem Reisepunkt galt, beeindruckte den Zarenhof am meisten, dass der Gelehrte die bei der Audienz vor dem Aufbruch vorhergesagten sibirischen Diamantenlagerstätten tatsächlich fand. Zurück in Berlin trieb ihn der Versuch einer Zusammenschau der gesamten Naturwissenschaften um. Seinem Freund Karl August Varnhagen von Ense skizzierte er 1834 den Inhalt des schließlich „Kosmos. Entwurf einer Physischen Weltbeschreibung“ betitelten Werks: „Ich habe den tollen Einfall, die ganze materielle Welt, alles, was wir heute von den Erscheinungen der Himmelräume und des Erdenlebens, von den Nebelsternen bis zur Geographie der Moose auf den Granitfelsen wissen, alles in einem Werke, das zugleich in lebendiger Sprache anregt und das Gemüt ergötzt. Jede große und wichtige Idee, die irgendwo aufglimmt, muß neben den Tatsachen hier verzeichnet sein.“ Diese Darstellung „von allem“ gelang natürlich nicht in dem ursprünglich vorgesehenen einen Band. Obwohl Humboldt die letzten 25 Jahre seines Lebens vor allem der Arbeit am „Kosmos“ widmete und dabei durch die fortlaufenden Erkenntniszuwächse zu immer neuen Überarbeitungen des bereits Geschriebenen genötigt wurde, war dieses letzte Vorhaben einer Weltbeschreibung im 19. Jahrhundert schon nicht mehr leistbar. Wenn ihm auch ein sanfter Tod im 90. Lebensjahr am 6.5.1859 die Feder aus der Hand nahm, so hinterließ Humboldt – unter rund 600 Veröffentlichungen – mit dem „Kosmos“, vier Bänden und einem Nachlassband, als Vordenker der wissenschaftlichen Welterforschung einen derart inhaltsreichen Torso, dass alleine das Register über 1000 Seiten umfasste.
Literatur
BECK, HANNO: Große Geographen. Pioniere – Außenseiter – Gelehrte. Berlin 1982. BECK, HANNO: Alexander von Humboldts Beitrag zur Kartographie, in: Wolfgang-Hagen Hein (Hrsg.): Alexander von Humboldt. Leben und Werk. Frankfurt am Main 1985, S. 239 – 248. BERGHAUS, HEINRICH: Dr. Heinrich Berghaus’ Physikalischer Atlas. Eine, unter der fördernden Anregung Alexander von Humboldt verfasste, Sammlung von 93 Karten […]. 2 Bände. Gotha 21852. DEMHARDT, IMRE JOSEF: Der Erde ein Gesicht geben. Petermanns Geographi-
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sche Mitteilungen und die Entstehung der modernen Geographie in Deutschland. Gotha 2006. ENGELMANN, GERHARD: Heinrich Berghaus. Der Kartograph von Potsdam. Halle 1977. HOLL, FRANK: Alexander von Humboldt. Mein vielbewegtes Leben. Der Forscher über sich und seine Werke. Berlin 2009. HUMBOLDT, ALEXANDER VON: Atlas Geographique et Physique du Royaume de la Nouvelle Espagne […]. Paris 1811. HUMBOLDT, ALEXANDER VON: Voyage de Humboldt et Bonpland. Premiere Partie. Relation Historique. Atlas Geo-
graphique et Physique des Regiones Equinoxiales du Nouveau Continent […]. Paris 1814 – 1834. NOWOTNY, OTTO: Die Entwicklung der Geographie der Pflanzen und der Tiere im Spiegel der Kartographie unter besonderer Berücksichtigung des 19. Jahrhunderts. Wien (Diss.) 1989. PAUL, JOHANNES: Abenteuerliche Lebensreise – sieben biographische Essays. Minden 1954. TAYLOR, BAYARD: At Home and Abroad. A Sketchbook of Life, Scenery, and Men. New York 1889.
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August Petermann „Rastlos nach dem Inneren längstgekannter Kontinente …“
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ährend der Ruhm des Alexander von Humboldt (Kapitel 1) zu Recht bis in die Gegenwart trägt, ist August Petermann heute unverdienterweise nur mehr einem kleinen Kreis von Fachleuten bekannt, obwohl er nach dem Berliner Freiherrn der wohl wichtigste deutsche Organisator des so glänzend eingeleiteten zweiten Zeitalters der (wissenschaftlichen) Entdeckungsreisen war. Am 18.4.1822 in Bleicherode am Harz in eine arme Gerichtsschreiberfamilie geboren, bewies August Petermann bereits als Gymnasiast eine besondere Befähigung zum Kartenzeichnen. Als Heinrich Berghaus (Kapitel 1) auf diese Gabe aufmerksam wurde, nahm er den mittellosen Jüngling 1839 nicht nur kostenlos zur Ausbildung zum Kartographen in seine Potsdamer „Geographische
Kunstschule“ sondern auch in seine Familie auf. Bereits früh in der 5-jährigen Ausbildung durfte Petermann als bester Lehrling von Berghaus unter Anleitung des Lehrmeisters die Gebirgsketten auf Humboldts Karte von Zentralasien für dessen Werk „Asie Centrale“ zeichnen, die den ehrenden Vermerk erhielt: „Gez. von Alexander v. Humboldt zu Berlin 1839 und 1840, beendigt von C. [sic!] Petermann zu Potsdam 1841.“ Nach dem Ende seiner Lehrzeit wechselte Petermann, der im Haushalt von Berghaus die geographischen Koryphäen der Zeit wie Humboldt und Ritter kennengelernt hatte, nach einjährigem Dienst als Lehrer an seiner Schule im April 1845 nach Edinburgh in das Verlagshaus Johnston, um dort an der englischen Ausgabe des „Physikalischen Atlas“ mitzuarbeiten.
August Petermann um 1855 (Quelle: Hermann Haack: August Petermann, Tafel 17).
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Aber bereits im Juni 1847 ging Petermann in die Weltmetropole London, um am Puls der in Schwung kommenden großen Entdeckungsfahrten zu sein, gleichsam dem Rohmaterial seiner kartographischen Arbeit. Hier machte er sich mit einem „Geographical Establishment“ selbstständig, das zuletzt in Charing Cross No. 9 ansässig war. Seinen beruflichen Aufstieg begann er als aktives Mitglied der Royal Geographical Society sowie mit zahlreichen kartographischen Veröffentlichungen und publizistischen Beiträgen
13 a / b Aufstieg und Niedergang einer großen Zeitschrift. Im März 1855 erschien das erste Heft der zeittypisch umständlich aber treffend betitelten Monatsschrift „Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann“. Das Eröffnungsheft hatte nur 28 Druckseiten und drei Kartentafeln. Neben dem programmatischen Vorwort von August Petermann enthielt es publikumswirksame Beiträge von Heinrich Barth (Kapitel 3) und dem Vater von Wladimir Köppen. Aufgrund des sofortigen großen Erfolgs bei Forschern wie Bildungsbürgertum wurden „Petermanns Mitteilungen“, so die baldige Kurzbezeichnung, zu einer der weltweit führenden geographischen Zeitschriften, der in ihren Glanzzeiten bis zum Ersten Weltkrieg der Spagat zwischen gelehrtem Fachorgan und berichtender Publikumszeitschrift gelang. Im Laufe des 20. Jahrhunderts zu einer zuletzt in der DDR erschienenen Fachzeitschrift „Petermanns Geographische Mitteilungen“ geworden, hätten Wiedervereinigung und Übernahme durch die Verlagsgruppe Klett 1992 eine Wiederpositionierung im Sinne Petermanns als anspruchsvolle Publikumszeitschrift ermöglicht. Da diese Chance nicht ergriffen wurde, stießen „Geo“ und „National Geographic“ in die Marktlücke, während „Petermanns Geographische Zeitschrift“ der Konkurrenz der etablierten westdeutschen Fachzeitschriften erlag und 2004 als damals älteste geographische Zeitschrift im 148. Jahrgang eingestellt wurde (Quellen: a) Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 1 (1855), Titelblatt des ersten Heftes [= auch in: Forschungsbibliothek Gotha, Sammlung Perthes, Archiv] und b) Titelblatt von Petermanns Geographische Mitteilungen, 148. Jahrgang (2004), Heft 6).
„Die Fortschritte der Geographie zu befördern und zu verkünden“
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anz dem Geist des 19. Jahrhunderts huldigend, der zwar nach geographischen Abenteuern hungerte, aber mit deren wissenschaftlicher Verwertung gerade erst begann, gab Petermann seiner Zeitschrift am 15.2.1855 ein ebenso lyrisches wie prophetisches Geleitwort mit auf den Weg: „Rastlos nach dem unerforschten Innern längstgekannter Continente wandert der Mensch, trotz Seuche und Gefahr; furchtlos ob der starren Natur durchbricht er die Geheimnisse der ewig eisumgürteten Angelenden des Erdballs; die höchsten Gipfel der himmelstrebenden Gebirge muss er ermessen, und mit seinem meilenlangen Senkblei den Grund des Meeres, wo es am tiefsten, erfassen. Die Phänomene der Luft, der Fluth, des Innern seiner Erde muss er ergründen und auf ihre einfachen Naturgesetze reduciren; des gelben welt-regierenden Metalles verborgene Schlupfwinkel prophetisch verkünden, und die naturgerechten Stätten der ihm unentbehrlichen Pflanzen und Thiere in Gür-
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tel-Linien um die Erde legen. Das ist das Reich der heutigen Geographischen Wissenschaft, eine wunderbare grosse Welt menschlichen Wissens, von der es unseren Väter kaum geahnet.““ Die neue Zeitschrift solle „sich dadurch von ähnlichen Schriften unterscheiden, dass sie auf sorgfältig bearbeiteten und sauber ausgeführten Karten das Endresultat neuer geographischer Forschungen zusammenfassen und graphisch veranschaulichen [will]. Nie wird deshalb eine Nummer unserer Schrift ausgegeben werden, ohne eine oder mehrere KartenBeilagen […]. Wir werden uns angelegen sein lassen, besonders wichtige neue Entdeckungen immer sofort, oder möglichst schnell unsern Lesern vorzulegen. Was den Text anbelangt, so soll in demselben Weitschweifigkeit vermieden, auf der anderen Seite aber durch möglichst zahlreiche zusammengedrängte Notizen und kurzgefasste Miscellen die Vollständigkeit einer geographischen Zeitung erzielt werden.“
Primat der Karte als Zweck der geographischen Forschung
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etermann gewahrte sich lebenslang einen vor allem kartographischen Zugang zur geographischen Erkundung. In einer „Notiz über den kartographischen Standpunkt der Erde“ für Behms Geographisches Jahrbuch formulierte er 1866 den von vielen Zeitgenossen geteilten Primat der Karte über das Wort bei den überseeischen Erkundungen (Kapitel 7 und 8): „Das Endresultat und der Endzweck aller geographischen Forschungen, Entdeckungen und Aufnahmen ist, in erster Linie, die Abbildung der Erdoberfläche, die Karte. Die Karte ist die Basis der Geographie. Die Karte zeigt uns am Besten, am Deutlichsten und am Genauesten, was wir von unserer Erde wissen.“ Zwar werde das Innere von Afrika, Asien, Australien und Südamerika auf zahlreichen Karten verzeichnet, die „fast überall mit Flüssen und Bergen, Orten und Strassen“ ordentlich gefüllt seien und trügerisch „sauber in Kupfer gestochen, nirgends eine Lücke““ ließen. „Selbst die Afrikanische und Australische terrae incognitae schrumpfen mehr und mehr zusammen, es sind noch einige weiße Stellen, vielleicht ,wüste Gebiete‘, wo ,Nichts‘ ist. In Wahrheit aber ist Alles, was wir auf unseren Karten sehen, nur erst der erste Schritt, der Anfang zu einer genaueren Kenntniss unserer Erdoberfläche.“ Hierin folgte ihm noch Jahrzehnte später Hermann Haack, der kartographisch wohl bedeutendste Nachfolger Petermanns in Justus Perthes’ Geographischer Anstalt, mit dem Be-
in der Tageszeitung „Times“, aber auch der „Encyclopedia Britannica“. Schon bald war der junge Deutsche einer der führenden Köpfe der Geographenszene der damaligen Welthauptstadt der Entdeckungsreisen und im Juni 1852 mit dem königlichen Ehrentitel „Physical Geographer to the Queen“ ausgezeichnet. Der im freien Wettbewerb stehende umtriebige Petermann erkannte schnell, dass er sich durch den frühzeitigen Kontakt mit vielversprechenden Forschern und die Vermittlung von Sponsorengeldern für deren Reiseunternehmungen einen wettbewerbsentscheidenden Vorsprung vor seinen Konkurrenten sichern konnte. Im Gegenzug sicherte er sich möglichst exklusiv die zu veröffentlichenden Briefe der Reisenden und die kartographische Auswertung der eingehenden Ergebnisse. Petermanns Durchbruch zum Ruhm gelang dabei mit der 1849 abgegangenen britischen Han-
merken, Entdeckungs- wie Forschungsreisen erforderten „geradezu das Kartenbild. Außerordentlich schwer und oft ganz unmöglich ist es, sich nach dem Text einer Reisebeschreibung oder den Aufzeichnungen der Tagebücher ein klares Bild zu machen von der Tragweite der Entdeckungen, das wirklich Neue herauszufinden u und mit dem Alten zu einem harmonischen und vor allem richtigen Bilde zu verarbeiten. Was selbst durch eingehendes Studium von Texten oder Zahlen nicht zu erreichen ist, vermittelt die übersichtliche Karte ohne Mühe; sie ermöglicht aber auch die beste Prüfung der Aufnahmen. Erst bei der Konstruktion der Reiseroute, wenn alle die unzähligen Marschstundenzahlen sich in meßbare Wegelängen verwandeln, die Winkelzahlen der Tagebücher greifbare Gestalt annehmen müssen, wird jedes kleinste Versäumnis des Forschers kund, und der wortreichste und anschaulichste Bericht kann dann eine versäumte Zahl oder Messung nicht ersetzen. Und nicht nur die eigenen Maße und Zahlen werden durch die Konstruktion dem Forscher zuu einem Prüfstein seiner Arbeit im fernen Land, sie ermöglicht es auch, die Arbeiten der Vorgänger zur Bewertung heranzuziehen.“ Gerade mit dieser heute überzogenen Betonung der (natur-)wissenschaftlichen Kartographie wurde der autodidaktische Geograph Petermann zu einem Wegbereiter der wissenschaftlichen Geographie der nächsten Generation.
delsexpedition ins Innere von Westafrika unter der Leitung von James Richardson. Bei dieser gelang es ihm dank hochrangiger und mit Zuschüssen verbundener Fürsprachen vor allem durch seine Förderer, insbesondere der preußische Gesandte Karl von Bunsen und Alexander von Humboldt, mit Heinrich Barth (Kapitel 3) und Adolf Overweg gleich zwei ihm verpflichtete wissenschaftliche Begleiter unterzubringen. In der Figur des alle Widerstände kühn überwindenden Entdeckungsreisenden verkörperte sich ein populäres Ideal des bürgerlichen 19. Jahrhunderts, dem nicht zuletzt dank oft sensationeller Presseberichte die Bewunderung breitester Kreise entgegenschlug. Sein Londoner Aufstieg war auch in der Heimat verfolgt worden: Hatte die geographische Illustrierte „Das Ausland“ noch 1850 von „einem gewissen in London lebenden Herrn Petermann“ ge-
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Ernst Behm und die Mühen der Wissenschaftspublizistik
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14 Ernst Behm im Jahr 1883 (Quelle: Forschungsbibliothek Gotha, Sammlung Perthes, Archiv).
rst der Nachruf von Hermann Wagner wies 1884 nachdrücklich darauf hin, dass nicht etwa Petermann zusätzlich zu seinen kartographischen und organisatorischen Pflichten auch noch die Textredaktion, vor allem die Bearbeitung eingehender Manuskripte und die Formulierung der unzähligen ungezeichneten Textbeiträge, in den vergangenen knapp drei Jahrzehnten geleistet hatte, sondern der am 4.1.1830 in Gotha geborene stille Ernst Behm. Dieser hatte 1853 in Würzburg ein ungeliebtes Medizinstudium mit der Promotion abgeschlossen, aber keinerlei Neigung gezeigt, diesen Beruf auch auszuüben. Vielmehr befasste er sich bereits während des Studiums intensiv mit Reiseliteratur, sodass zum wohl beiderseitigen Glück der Verleger der gerade aus der Taufe gehobenen „Petermanns Mitteilungen“ auf den jungen Mann aufmerksam wurde und diesen zum 31.1.1856 als „ständigen Hilfsarbeiter“ des Herausgebers einstellte.
Schon bald schulterte Behm die Hauptlast der redaktionellen Arbeit an der Zeitschrift, während sich Petermann, neben der Anleitung der Kartographie, ganz dem Heranschaffen von druckbarem Rohmaterial durch seine weit gespannte Korrespondenz und den publikumswirksamen Expeditionsprojekten widmete. Schon nach wenigen Jahren war der geographische Autodidakt Behm zum unentbehrlichen Helfer des genialisch begeisternden, aber unsteten Petermann geworden, der genau wusste, was er an seiner rechten Hand hatte, die er gelegentlich, so Wagners Nachruf, als „die Leiter, auf welcher er zum Ruhm […] emporgestiegen sei“, bezeichnete. Der fleißige aber eher kontemplativ veranlagte Behm erarbeitete sich im Laufe der Jahre einen derartigen Wissensschatz, dass er zum wandelnden Lexikon der Geographischen Anstalt wurde. Seine wichtigste Leistung für die Zeitschrift lag nach Wagner dabei in der Bearbeitung
15 Wenig Neues unter der Sonne. Ungeachtet noch manch unsicherer Kenntnisse, wie etwa zur Anzahl und Ve Verteilung errteilung der Chinesen, entwarf Behm 1873 für ein bevölkerungsgeographisches Ergänzungsheft der Zeitschrift den nach Heinrich Berghaus (1849) und August Petermann (1859) wohl erst dritten Versuch einer Weltbevölkerungskarte mit absoluten Zahlenwerten. Das vorliegende Kartenbild nimmt dabei die heutigen Verteilungsmuster bereits weitgehend übereinstimmend voraus (Quelle: Ernst Behm/Fritz Hanemann: Die Verteilung der Menschen über die Erde, in: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Ergänzungsband 8, Ergänzungsheft 35 (1874), Tafel 1).
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„der so oft in ganz ungenießbarer Form eingelieferten Reisetagebücher, in denen er stets eine glückliche Mitte zwischen bloßer Itineraraufzählung und feuilletonistischer Darstellung zu halten wusste. Überhaupt besaß er allmählich eine ungemeine Gewandtheit, aus dickleibigen Reisebeschreibungen in kurzen Zügen uns das eigentlich neue und bemerkenswerte geographische Resultat herauszuschälen.“ Obgleich reiner Stubengelehrter, der wie sein Chef nie als Forscher „draußen“ gewesen war, widerlegte der geographische „Armsesselforscher“ Behm allein durch systematisches Quellenstudium sogar den großen Entdeckungsreisenden David Livingstone mit seiner bereits 1872 in der Zeitschrift erschienenen Beweisführung, dass der dem Tanganyikasee entspringende Lualaba nicht dem Nil, sondern dem Kongo zufließe. Henry Morton Stanley bewies dieses durch seine Befahrung 1876 und bestätigte so den zuvor von der Fachwelt heftig kritisierten Gothaer Redakteur glänzend. Eine besondere Vorliebe hatte Behm für die geographische Statistik, zu der er seit 1866 aus weit verstreuten und beständig anwachsenden Quellen das verdienstvolle Geographische Jahrbuch – und seit 1872 gemeinsam mit Hermann Wagner daraus ausgekoppelt periodische Ergänzungshefte der Mitteilungen unter dem Titel: Die Bevölkerung der Erde – mit großen Mühen herausgab. Nach dem Freitod Petermanns 1878 fiel Behm ganz selbstverständlich die Leitung der Zeitschrift zu. Da ihm jedoch die propagandistische Begabung des Gründungsherausgebers fehlte, verwunderte es im langsam auslaufenden Zeitalter der großen Entdeckungsreisen nicht, wenn laut Wagner „das früher durch Petermanns Anregungen in Atem gehaltene geographische Publikum später etwas vermißt hat und die einzelnen Hefte der Zeitschrift nicht mehr die Sensation erregten, welche sie zu Zeiten des Höhepunktes afrikanischer oder polarer Forschung zur Folge hatten.“ Zu dieser konzeptionellen Stagnation mag nicht zuletzt beigetragen haben, dass Behm bereits leidend die Zeitschrift übernommen hatte und am 15.3.1884 in Gotha der Lungentuberkulose erlag.
schrieben, war er 1853 für die „Zeitschrift für Allgemeine Erdkunde“ bereits der „allbekannte deutsche Geograph“. Als freischaffender Kartograph hatte Petermann aber auch mit Neidern und schwankendem wirtschaftlichen Erfolg zu kämpfen. Da erreichte ihn im Februar 1853 die Anfrage des Gothaer Verlags Justus Perthes, ob er mit seiner „dortigen Lage und mit Aussichten für die Zukunft zufrieden zu sein Ursache““ habe. Erst nach längerem Schwanken nahm Petermann im Oktober 1853 das Angebot einer festen und bezahlten Anstellung in der Geographischen Anstalt an, die ihn wohl weniger als innovativen Kartographen denn als kontaktreichen Wissenschaftsmanager überseeischer Forschungsreisen verpflichtete. Verlagsseitig war zunächst daran gedacht worden, Berghaus‘ „Geographisches Jahrbuch“ wieder aufleben zu lassen. Schon bald nach Petermanns Übersiedlung im Sommer 1854 wurde aber offensichtlich, dass nunmehr dank seiner weit gespannten Verbindungen derart umfangreiches und aktuelles Material nach Gotha gelangte, dass man dem Jahrbuch nicht mehr gerecht werden konnte. Den Vorschlag des Bürogehilfen im Verlagskontor, doch eine zwanglose Heftreihe herauszugeben, griff Petermann begeistert auf und entwickelte daraus eine Monatsschrift, die sich in Format und Satz an das Jahrbuch seines Lehrers anlehnte. `13 a / b Das entscheidende Alleinstellungsmerkmal der Zeitschrift gegenüber der Konkurrenz war der gepflegte Dreiklang aus thematisch universell breiter Berichterstattung aus allen mit der Raumforschung befassten Wissenschaftszweigen, deren rasche und verständliche Aufbereitung sowie eine damit Schritt haltende und zudem innovative wie abwechslungsreiche Kartographie. Überdies war der Geist der Zeit, so Ernst Neef, einer der Nachfolger von Petermann als Herausgeber, „in einer heute kaum noch vorstellbaren Weise auf die Entschleierung der Erde gerichtet.“ Schon bald verließ sich nicht nur die Wissenschaft auf die sorgfältigen geographischen Fortschrittsanzeigen in den Spalten und Karten der Zeitschrift, sondern „auch ein großer Teil der gebildeten Welt befriedigte seinen Hunger nach neuen Nachrichten von der Erforschung der Erde aus dieser Zeitschrift.“ `16 Nach dem Aufbau eines fähigen und weitgehend selbstständig wirkenden Mitarbeiterstabs in Redaktion und Kartographie zog Petermann sich ab Anfang der 1860er-Jahre aus der Tagesarbeit zurück und widmete sich vor allem seiner weit
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16 Die Erforschung der Welt im Blick. Zum 25-jährigen Jubiläum der Zeitschrift 1880 fertigte Bruno Hassenstein (1839 – 1902), der Meisterschüler und kartographische Nachfolger bei „Petermanns Mitteilungen“, eine Übersicht der in 300 Monatsheften und 58 Ergänzungsheften erschienen insgesamt 453 Kartenbeilagen. Bei der Durchsicht fallen nicht nur zahlreiche in diesem Buch nachgedruckte Karten auf, sondern auch dass Petermann als Herausgeber sorgfältig auf eine breite regionale Streuung der Kartenbeigaben geachtet hatte (Afrika = rot, Asien = braun, Australien = blassgelb, Europa = violett, Nordund Mittelamerika = grün, Südamerika = gelb, Polargebiete = blau, Übergreifendes und Allgemeine Geographie = weiß; Quelle: Forschungsbibliothek Gotha, Sammlung Perthes: Archiv: Redaktionskorrespondenz, Akte 540, Mappe 18).
gespannten Korrespondenz und Kontaktpflege zur Vorbereitung von Zeitschriftenthemen und Großprojekten. Dieser Schriftwechsel erweiterte sich durch beständig neue Suchanfragen und Kontaktaufnahmen des Herausgebers nicht selten zu jahrelangen Korrespondenzen mit stetem Blick auf neue Text- und Kartenbeiträge. Dadurch wurden „Petermanns Mitteilungen“ zu einem Dreh- und Angelpunkt der globalen geographi-
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schen Forschung, die auch zahlreiche ausländische Reisende zur Erstveröffentlichung ihrer Berichte in den Spalten dieser Zeitschrift bewegen konnte: Nach dem Zeitzeugen Hermann Wagner wussten die Reisenden und Forscher, dass ihre Ergebnisse „nirgends rascher publiziert, gründlicher kartographisch verarbeitet und dann auch weiter verbreitet wurden, als wenn sie in den ‚Mitteilungen’ erschienen. So strömte Jahre hindurch massenhaft das in-
17 Petermann als die „Spinne im Netz“ der Forschungsreisenden. Als Herausgeber der Zeitschrift wurde aus dem innovativen Kartographen der geniale Forschungsorganisator, der einen großen Teil seiner Zeit auf den Schriftwechsel mit Korrespondenten und Forschern in allen Weltgegenden verwandte. So erhielt Petermann etwa Ende der 1850er-Jahre monatlich bis zu 20 Briefe aus aller Welt, auf die er teils in größerem Umfange handschriftlich antwortete. In der Sammlung Perthes der Forschungsbibliothek auf Schloss Friedenstein in Gotha haben sich Hunderte von Briefdurchschlägen in seiner charakteristisch kleinen aber gestochen scharfen Kartographenhandschrift erhalten. In diesem Schreiben vom 2.1.1873 an den „lieben Freund““ Gerhard Rohlfs (Kapitel 5), eine Entdeckung Petermanns und in den 1860er-Jahren als populärer Afrikareisender einer der produktivsten Zulieferer der Zeitschrift, wird die Einbindung des Herausgebers in das zeitgenössische Forschungsnetzwerk deutlich: Gerade sei der russische Meteorologe Alexander Wojeikow zu Besuch, und schon morgen werde der von ihm seit 1866 geförderte Afrikareisende Carl Mauch von Marseille kommend in Gotha erwartet. Zudem hätten sich der russische Turkestanreisende Alexei „Fedtschenko und andere auswärtige Leute“angekündigt. Auch bittet Petermann seinen engen Vertrauten um die Weiterleitung beigelegter Schreiben an den soeben von einer gleichfalls durch Perthes geförderten vierjährigen Chinareise zurückgekehrten Ferdinand von Richthofen sowie an den Afrikareisenden Eduard Mohr. Schließlich gewährt der Brief auch noch einen Blick hinter die Kulissen des Wissenschaftsbetriebs, indem Petermann Rohlfs bittet, die prekäre finanzielle Lage Mauchs doch durch die Honorarabtretung und die Abhaltung von einem oder zwei Vorträgen zu dessen Gunsten zu lindern (Quelle: Imre Demhardt: Der Erde ein Gesicht geben, S. 25).
18 „Erdbeben, Orkane, sowie auch politische Territorial-Veränderungen“. Heute wie damals muss jede Zeitschrift an der Gewinnung von Mitarbeitern und Material zur Füllung ihrer Druckbögen interessiert sein. Zu diesem Zweck sprach Petermann nicht nur ihm bekannte Personen und Institutionen an, sondern ging, insbesondere in der Anfangszeit seiner Mitteilungen, per Inserat auf die Suche nach interessanten Beiträgen. Diese „Einladung zu Beiträgen““ umriss einen für das heutige Geographieverständnis außerordentlich breiten Fachhorizont von der Geophysik („Tellurischer Magnetismus“) bis hin zur Ethnologie („Zahlen-, Stamm-, Sprachund Religionsverhältnisse“). Charakteristisch für den gerade in den besonders interessierenden überseeischen Gebieten noch vorherrschend narrativen Charakter der geographischen Forschung ist dabei auch die Ansprache „nicht nur von Geographen von Fach, sondern auch von officiellen Personen, Consuln, Kaufleuten, Schiffskapitänen, Schiffsärzten und Missionären, durch deren viele uns bereits so werthvolle und mannichfaltige Berichte zugegangen sind“. Entsprechend wurden nicht nur wissenschaftliche Beobachtungen oder Rohdaten erbeten, sondern auch versprochen, man werde „Nachrichten über momentane Ereignisse, als: Erdbeben, Orkane, sowie auch politische Territorial-Veränderungen etc. dankbar entgegennehmen“ Quelle: Forschungsbibliothek Gotha, Sammlung Perthes: Archiv, Redaktionskorrespondenz, Akte Nr. 540, Mappe 9, Blatt 1b).
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19 Umfassend, kritisch und aktuell – die Merkmale einer Petermannkarte. Diese auch ästhetisch ansprechende Übersichtskarte des südlichen Afrika veranschaulicht gleich in mehrfacher Hinsicht, warum Petermann mit seiner Zeitschrift bereits kurz nach Gründung die führende Stellung in der explorativen Kartographie erringen konnte. Zu allererst ist dieses herausragende Blatt der in Gotha gepflegten wissenschaftlichen Kartographie ein frühes Beispiel der kongenialen Zusammenarbeit von Petermann und Behm. Während Letzterer als Redakteur in einem 49-seitigen Aufsatz aufgrund akribischer Literaturauswertung vor allem nach den jüngsten Berichten von David Livingstone umfassend den seinerzeitigen länderkundlichen Kenntnisstand über das südliche Afrika zusammenfasste, setzte Ersterer als Kartograph diese Übersicht in ein klares Kartenbild um. Haupt- wie Nebenkarten stellen eine kritische Verarbeitung des gesamten älteren Materials sowie der jüngsten Entdeckungen dar und fußen auf nicht weniger als 33 genannten Text- und Kartenquellen. Aufgrund der bereits 200-jährigen weißen Besiedlung und Erforschung war die Südspitze des Kontinents bereits derart gut bekannt, dass Petermann seinem topograpaphischen Kartenentwurf des Kaplands eine innovative geologische Skizze überlegen konnte. Bemerkenswert sind schließlich auch die auf Behms Literaturauswertungen beruhenden beiden Nebenkarten: Auf der linken findet sich ein Vergleich der seinerzeit widerstreitenden Ansichten von Heinrich Kiepert (1855), J. MacQueen (1857) und David Livingstone (1857) über die Ausrichtung des zentralafrikanischen Gewässernetzes, wobei die Hauptkarte der sich als richtig erweisenden Ansicht Livingstones folgt. Und versteckt auf der rechten Nebenkarte findet sich die in dieser Art erste Verbreitungsskizze biologischer und ethnographischer Merkmale des südlichen Afrika (Quelle: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 4 (1858), Tafel 7).
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teressanteste Material zusammen, ein jeder Reisende suchte sich hier in Gotha über das zu erforschende Gebiet zu orientieren und nahm seine Instruktionen mit, es war ein Kommen und Gehen, ein Korrespondieren, ein Einziehen von Erkundigungen aus den entlegensten Teilen der Erde, das auch dem Trägsten das Blut in Bewegung bringen mußte […]“. `17, 18 Wie zuvor in London so liefen nun in Gotha von Reisenden beständig Reisebriefe und nach deren Rückkehr auch deren Routenaufnahmen samt Skizzen, Tagebüchern und Ortsbestimmungen ein, die Petermann gewissenhaft auswertete und deren Ergebnisse in Karten umsetzte (Kapitel 7 und 8). Anstelle der seinerzeit üblichen getreuen Darstellung der Reiserouten vermied er diese jedoch zumeist und verknüpfte stattdessen die neuen Nachrichten mit dem bereits vorhandenen Wissen, arbeitete nach Franz Köhler so „beides ineinander, schuf aus den einzelnen Fäden sozusagen ein
Gewebe. Das Arbeitsergebnis war also eine Zweimannarbeit, die Analyse des Reisenden im Felde und die Synthese des Kartographen am Zeichenpult.“ Dieser Arbeitsaufwand erbrachte aber in seinem inneren Zusammenhang wesentlich mehr als die Zusammenfassung bloßer Einzelleistungen. Zuerst ist diese Technik bei der Auswertung von Barths westafrikanischer Reise zu beobachten. Nachdem er seine Schüler hierin unterwiesen hatte, wurde diese Technik von ihnen entweder unter seiner Anleitung oder auch selbstständig fortgesetzt. „Weil die Reisenden nach dieser Auswertungsarbeit eine Karte des bereisten Gebietes erwarten konnten, nicht nur ein Abbild der Reiseroute im engeren Sinne, gaben sie ihr Material gern an die Gothaer Anstalt.“ Damit wurden Karten der Petermannschule ihrerseits zu geschätzten Quellen für andere Kartographen, da in ihnen die Hauptschwierigkeit der explorativen Geographie, die kritische Behand-
20 D Das SSchatzhaus h th dder üb überseeischen i h Entdeckungskartographie E td k k t hi ddes 19 19. JJahrhunderts. h h d t Bli Blickk in i den d 1901 eingerichteten i i ht t sogenannten Ahnensaal von Justus Perthes‘ Geographischer Anstalt mit dem bereits damals umfangreichen Kartenarchiv, Entwürfen und ungebundenen Kartenblättern in nach Erdteilen geordneten Kartenschränken. Die heute in der Forschungsbibliothek Gotha auf Schloss Friedenstein verwahrten rund 185 000 Kartenblätter der Sammlung Perthes stellen, zusammen mit den etwa 120 000 Büchern und Zeitschriftenbänden sowie 800 laufenden Metern Archivgut eine der weltweit wichtigsten Quellensammlung insbesondere aus der Hochzeit der explorativen Kartographie von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts dar (Quelle: Imre Demhardt: Der Erde ein Gesicht geben, S. 6).
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Biographie August Petermann 1822 geboren am 18.4. in Bleicherode am Harz 1839 – 44 Ausbildung zum Kartographen an der Geographischen Kunstschule in Potsdam 1844 – 45 Lehrer an der Geographischen Kunstschule 1845 – 47 Kartograph im Kartenhaus Johnston in Edinburgh 1847 – 54 freischaffender Kartograph in London 1849 ff. Durchbruch mit der Herausgabe der Briefe und Karten der Westafrikaexpedition von Heinrich Barth 1854 Übersiedlung nach Gotha und Eintritt in Justus Perthes‘ Geographische Anstalt 1856 erste Ehe mit der Britin Clara Mildred Leslie (3 Kinder, Scheidung 1877) 1855 – 78 Gründungsherausgeber von „Petermanns Mitteilungen“, Förderer und Organisator zahlreicher Entdeckungs- und Forschungsreisen, darunter die folgenden drei: 1860 – 62 „Deutsche Innerafrika-Expedition“ 1868 „Erste Deutsche Nordpolar-Expedition“ 1869 – 70 „Zweite Deutsche Nordpolar-Expedition“ 1877 zweite Ehe mit Toni Pfister aus Bernburg 1878 Freitod am 25.9. in Gotha
lung der Widersprüche in den Angaben verschiedener Reisender, in verlässlicher Abwägung bereits erfolgt war. `19, 20 Noch der Perthes Firmenkatalog von 1935 warf sich stolz in die Brust, „Petermanns Mitteilungen“ in den goldenen Jahrzehnten bis zum Ersten Weltkrieg „kündeten aller Welt den Ruhm der erfolgreichen Pioniere und spornten dadurch zu Wetteifer und Nachahmung an und sie versagten auch nicht, wenn es galt, Mittel und Ausrüstung zu neuen Reisen zu beschaffen. Kein Forscher ging hinaus, der nicht in Gotha Anregungen erhalten, dort sich Rat geholt hatte; aber auch kaum einen gab es, der sich nicht draußen seiner Dankespflicht bewußt gewesen wäre. So gingen reiche Schätze geographischer Wissenschaft von Gotha aus, aber nicht weniger reiche strömten dahin zurück in Gestalt handschriftlicher Aufnahmen und Tagebücher, in Form von Zeitungen, Zeitschriften, Büchern und Karten aller Art.“ Jedoch schon Ende der 1870erJahre zeichnete sich das allmähliche Ende der Epoche der spektakulären Entdeckungen ganzer Gebirge oder Völkerschaften und damit der Übergang zur unscheinbareren wissenschaftlichen Detailforschung ab. Zugleich machten die immer zahlreicher werdenden Geographischen Gesellschaften und Universitätslehrstühle dem bisher unangefochtenen Mittelpunkt Gotha seinen Rang zunehmend streitig. Dies alles setzte August Petermann offensichtlich derart zu, dass er im emphatischen Empfinden des Zeitgenossen Hermann Wagner das Verblassen seines bisher so strahlenden Sterns nicht ertragen wollte und am 25.9.1878 den allseits schockiert aufgenommenen Freitod wählte.
Literatur
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DEMHARDT, IMRE JOSEF: Vom geographi-
HOFFMANN, MATTHIAS: August Petermann
PETERMANN, AUGUST: Notiz über den kar-
schen Magazin zur populären Fachzeitschrift – die einflußreichsten Jahre von PGM bis zum Weltkrieg, in: Petermanns Geographische Mitteilungen, 148. Jahrgang (2004), Heft 6, S. 1 – 19. DEMHARDT, IMRE JOSEF: Der Erde ein Gesicht geben. Petermanns Geographische Mitteilungen und die Entstehung der modernen Geographie in Deutschland. Gotha 2006. ENGELMANN, GERHARD: August Petermann als Kartographenlehrling bei Heinrich Berghaus in Potsdam, in: Petermanns Geographische Mitteilungen, Jahrgang 106 (1962), S. 161 – 182. HAACK, HERMANN: August Petermann (1822 – 1878), in: Hermann Haack: Schriften zur Kartographie (hrsg. von Werner Horn), Gotha 1972, S. 182 – 190.
(1822 – 1878). Ein Gothaer Geograph und Kartograph, in: Internationales Jahrbuch für Kartographie, Band XXIX, S. 85 – 98. JUSTUS PERTHES: Hauptkatalog. Gotha 1935. KÖHLER, FRANZ: 125 Jahrgänge von Petermanns Geographischen Mitteilungen. Wandlungen im Profil der Zeitschrift, in: Petermanns Geographische Mitteilungen, Jahrgang 125 (1981), S. 1 – 10, 109 – 115. NEEF, ERNST: Zum 100. Jahrgang von Petermanns Geographischen Mitteilungen, in: Petermanns Geographische Mitteilungen, Jahrgang 100 (1956), S. 1 – 3. PETERMANN, AUGUST: Vorwort, in: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 1 (1855), S. 1 – 2.
tographischen Standpunkt der Erde, in: Geographisches Jahrbuch (hrsg. von Ernst Behm), Band I (1866), S. 581. SMITS, JAN: Petermann’s Maps. Carto-bibliography of the maps in Petermanns Geographische Mitteilungen. ’t GoyHouten 2004. STAMS, WERNER: Die Kartographie in den ersten 30 Jahrgängen von „Petermanns Geographischen Mitteilungen“, in: Petermanns Geographische Mitteilungen, Jahrgang 122 (1978), S. 185 – 202, 271 – 284. WAGNER, HERMANN: Ernst Behm, in: Petermanns Mitteilungen, Jahrgang 30 (1884), S. I–VI. WICHMANN, HUGO: Petermann, August, in: Allgemeine Deutsche Biographie, Band 26, Leipzig 1988, S. 795 – 805.
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Heinrich Barth der „Humboldt der Afrikaforschung“
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ie erste wissenschaftliche Afrikareise der Neuzeit unternahm 1768 – 73 der Brite James Bruce von Massaua am Roten Meer über die Quelle des Blauen Nil zur Nubischen Wüste. Hieran knüpfte die 1788 in London gebildete „Association for promoting the Discovery of the Interior Parts of Africa“ an, aus der 1830 die Royal Geographical Society hervorging. Schon bald richtete sich das europäische Augenmerk vor allem auf das Innere von Westafrika, um die verworrenen Flussläufe von Senegal, Gambia und vor allem Niger zu klären. Mit den französischen Eroberungen in Algerien und im Senegal seit den 1830er-Jahren verstärkte sich auch in Großbritannien das Interesse an den im kontinentalen Innern gelegenen weithin unbekannten Landschaften. Der britische Mis-
sionar und Sklavereigegner James Richardson (1809 – 51), der 1845 – 46 Tripolitanien durchstreift hatte, konnte 1849 seine Regierung für die Unterstützung einer Forschungs- und Handelsexpedition ins Herz von Westafrika gewinnen. Der aufstrebende Kartograph Petermann (Kapitel 2) ergriff diese Gelegenheit zur Beschleunigung seiner publizistischen Karriere: Er nutzte Empfehlungen des alten Alexander von Humboldt (Kapitel 1) und Zuschüsse der preußischen Krone, die durch seinen Fürsprecher, den preußischen Gesandten Christian von Bunsen, vermittelte worden waren. So konnte er durchsetzen, dass Richardson gleich zwei junge deutsche Wissenschaftler als Begleiter beigegeben wurden: Adolf Overweg (1822 – 52) und Heinrich Barth.
Heinrich Barth
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Der am 16.2.1821 in Hamburg als Kaufmannssohn geborene Heinrich Barth zeigte schon in der Jugend einen schroffen Charakter, verfügte aber über zahlreiche für einen zukünftigen Forschungsreisenden notwendige Talente, vor allem leichten Zugang zu Sprachen, und war ein guter Zeichner. Neben der Altertumskunde und Sprachwissenshaften studierte er ab 1839 in Berlin auch bei Carl Ritter (1779 – 1859), der neben Alexander von Humboldt der Begründer der modernen wissenschaftlichen Geographie sowie seit 1820 Inhaber des bis 1845 einzigen Geographielehrstuhls in deutschsprachigen Ländern war. Nach der Promotion über die Handelsbeziehungen des antiken Korinth bereiste Barth 1845 – 47 die afrikanisch-asiatische Mittelmeerküste von Marokko bis Kleinasien und wurde mit dem hierüber vorgelegten Reisebericht 1848 als Geograph habilitiert. Da seine Vorlesungen im Revolutionsjahr mangels Hörern eingestellt werden mussten,
21 Adolf Overweg
suchte der Orientfachmann nach der Gelegenheit zu einer neuen großen Reise, als Petermanns Anfrage aus London einging. Der 1847 in Geologie promovierte Overweg ergänzte durch seine naturwissenschaftliche Schulung Barths kulturwissenschaftliche Fähigkeiten besonders glücklich. `21 Die „British Expedition to Central Africa“ verließ am 24.3.1850 das libysche Tripolis. Eingedenk seiner Erfahrungen auf der ersten Reise nach Afrika, die ihm einen von Räubern verpassten Magenschuss eingetragen hatte, an dessen Spätfol-
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gen er dann wohl auch starb, reiste Barth unter dem Decknamen Abd el Karim (= Diener des Gnädigen) und führte neben Revolver und Doppelflinte auch säckeweise Münzgeld mit sich. Entlang der erstmals von Europäern begangenen zentralen transsaharischen Karawanenroute über Murzuk gelang die Durchquerung der Sahara, die mit Sandsturm und Tuaregüberfall aufwartete, nur äußerst mühsam. Auf einem Abstecher erkundete Barth alleine das völlig unbekannte Airgebirge im Herzen des Tuareglandes. Am Nordrand des Sultanats Bornu, das sich um den Tschadsee erstreckte, trennten sich die Reisenden erneut, um auf verschiedenen Wegen den See zu erreichen. Allerdings starb der total entkräftete Richardson am 11.1.1851 nach sechs Tagesreisen nördlich dieses großen Binnengewässers. Barth konnte die Aufzeichnungen des Expeditionsleiters bergen, jedoch verblieben ihm nach Begleichung von dessen Schulden nur mehr 16 Taler Barvermögen. Das Glück bescherte Barth aber eine freundliche Aufnahme beim Herrscher von Bornu, der sogar weitere Reisemittel vorstreckte. `22 Anfang Mai 1851 traf Overweg bei Barth am Sultansitz in Kuka ein, von wo aus beide gemeinsam oder getrennt mehrere ergebnisreiche landeskundliche Ausflüge in die noch unbekannten Landschaften der Umgebung machten. Wichtigster Ausflug von Barth war dabei derjenige zum Adamauagebirge im Süden, wobei er bei Yola am 18.6.1851 als erster Europäer den Benue sichtete (Kapitel 5), den mächtigsten Zuflusses des Niger, von dem die Zeitgenossen noch lange glaubten, dieser sei die ersehnte Wasserstraße ins Innere von Afrika. Gemeinsam mit Overweg unternahm Barth von November 1851 bis Februar 1852 eine Reise in die Landschaft Musgo im Süden des Sees. Anschließend reiste er längere Zeit alleine in die Landschaft Bagirmi im Südosten. Neben einer auf umfangreichen Erkundigungen beruhenden Landeskunde Bagirmis und der Nachbarlandschaften bis hin zum Wadai sowie der Erforschung des Schari, des bedeutendsten Zuflusses des Tschadsees, entstanden hier nicht weniger als acht Vokabularien lokaler Sprachen. Die herausragends22 Eine Pionierkarte hat über Generationen Bestand. Petermanns „Karte vom Tuareg-Lande Air oder Asben““ mit einem Plan der südlich davon gelegenen Stadt Agades aufgrund Barths Bereisung von Oktober bis Dezember 1850 (Quelle: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 3 (1857), Tafel 11).
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Barth und Petermann – gemeinsamer Durchbruch zum Ruhm 23 und die „Britische Westafrika-Expedition“. Einem 1854 in London erschienenen Zwischenbericht der 1850 – 53 erhaltenen Nachrichten der britischen „Handelsexpedition“ ins Innere von Westafrika stellte Petermann eine farbige Schmucklithographie der bisherigen Routen sowie in den Ecken Porträts der vier Expeditionsteilnehmer James Richardson (oben links), Adolf Overweg (oben rechts), Heinrich Barth (unten links) und Eduard Vogel (unten rechts) voran. Dazwischen finden sich Ansichten der Oasen Mursuk (rechts) und Ghat (links), des Tschadsees mit künstlerisch frei interpretierten Elefanten, Krokodil und Flusspferd (unten) sowie der zwischen Tripoli und Mursuk gelegenen Ruinen von Ghareeah (Quelle: Petermann, August: An Account of the Progress of the expedition to Central Africa. London 1854, Frontispiz).
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er Zeitgeist des bildungsbürgerlichen Europas war um die Mitte des 19. Jahrhunderts wie nie zuvor oder danach von der sich entfaltenden Geographie und ihren überseeischen Entdeckungen geprägt, wobei die kühnen Reisenden Tagesgespräch und Gegenstände oft sensationeller Zeitungsberichte waren. Dieses außerordentliche
24 Petermanns Gesamtentwurf des Innern von Westafrika aufgrund der Forschungen von Barth (Quelle: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 4 (1858), Tafel 19).
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und heute kaum mehr nachzuempfindende Publikumsinteresse hatte in den deutschen Ländern aber anfänglich, bis auf die seit 1828 erscheinende Cotta’sche Zeitschrift „Das Ausland. Ein Tageblatt für die Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker […]“, kein nachhaltiges publizistisches Angebot, da die noch wenigen Geographischen Gesellschaften nur recht trockene und kaum mit Karten begleitete wissenschaftliche Mitteilungen herausgaben und geographische Zeitschriften wie zuletzt Heinrich Berghaus’ „Geographisches Jahrbuch“ (1850 – 52) bislang auch immer recht kurzlebig waren. Ein aufmerksamer Verleger konnte sich also auf dem Feld der viel diskutierten Entdeckungsgeographie einen Gewinn bringenden Markt schaffen, sofern er diesen mit
allgemein interessierenden Themen, einer guten wissenschaftsjournalistischen Feder und möglichst attraktiven Karten- und Bildbeilagen bedienen konnte. Diese drei Elemente unter den Hut einer Zeitschriftenneugründung zu bekommen, versuchte der Verlag Justus Perthes in Gotha. Die kartographischen und journalistischen Sporen hatte sich der in London kontaktierte August Petermann bereits erworben. Zudem konnte er als Frucht vorausschauender Forschungsförderung exklusive Publikationsrechte an den vom Publikum begierig verfolgten westafrikanischen Reisen Barths in die seit 1853 laufenden Anstellungsverhandlungen als umsatzträchtige „Mitgift“ einbringen. Als Barth nach über fünfjährigen innerafrikanischen Wanderungen zurückkehrte, war er durch seine auf vielen Wissensgebieten wegweisenden Reisebriefe bereits zu einer europäischen Berühmtheit aufgestiegen und auch sein kongenialer Kartograph und Publizist Petermann in aller Munde. Als Lohn seiner Mühen wurde Barth überall als „Humboldt der Afrikaforschung“ empfangen und mit Ehrungen überhäuft: Sowohl die Pariser als auch die Londoner Geographische Gesellschaft verliehen ihm ihre Goldmedaillen und die Universität Oxford eine Ehrendoktorwürde. Neben Queen Victoria dekorierte auch der preußische König Friedrich Wilhelm IV. den Heimgekehrten mit einem hohen Orden, bot ihm aber nicht den einst in Aussicht gestellten Lehrstuhl an, worüber Barth bitter enttäuscht war. Um seine finanzielle Not zu lindern, schloss Barth am 24.10.1855 mit dem Verlag Justus Perthes einen Vertrag, worin er sich verpflichtete gegen ein Honorar von 3500 Talern – was etwa dem Dreifachen von Petermanns anfänglichem Jahresgehalt entsprach –, auf der Grundlage seiner tagtäglich penibel geführten Tagebücher ein Reisewerk „in 5 Bänden mit dazu gehörigen Karten, Bildern und Holzschnitten“ abzuliefern, für welches Petermann nicht nur eine reiche Kartenausstattung besorgen, sondern auch durch Berichte in seiner gerade gestarteten Zeitschrift publizistisch werben sollte. Entsprechend stammte nicht nur der Aufmacheraufsatz des Eröffnungshefts von „Petermanns Mitteilungen“ aus Barths Feder, sondern in den ersten drei Jahrgängen von „Petermanns Mitteilungen“ neben drei Dutzend Artikeln, Berichten und Kurzmitteilungen auch nicht weniger als elf der insgesamt 90 Kartenbeigaben. Da die bis 1858 erschienenen Verarbeitungen der Reisetagebücher dem breiten Publikum dann doch zu wissenschaftlich und zu schwer verdaulich waren, erschien bald eine populär gehaltene zweibändige Ausgabe sowie von Dritten verfasste Bücher
über seine Reisen. Diese trugen Barth zwar keine Tantiemen ein, hoben jedoch seine Reputation auf eine solche Höhe, dass ihm 1863 an seiner Berliner Universität zumindest eine (unbesoldete) außerordentliche Professur gewährt wurde. Jedoch schon am 25.11.1865 erlag er nur 44-jährig seinem Magenleiden. Obwohl seine Routenaufnahmen als grundsätzlich zuverlässig anzusehen sind, bedauerte doch schon Alexander von Humboldt mit vergleichendem Blick auf die Leistungen des unglücklichen Overweg, dass Barth, wie später auch Gerhard Rohlfs (Kapitel 5), von der Wurzel der kartographischen Aufnahme, der astronomischen Ortsbestimmung, leider Mangels entsprechender Schulung zu wenig verstanden habe. Durch die Einfühlung Petermanns in die Reisetagebuchein-
25 Barths Kopie einer Felszeichnung im Tal Telissarhe, heute im Grenzgebiet von Algerien und Niger (Quelle: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 3 (1857), Seite 244).
träge wurde jene Schwäche jedoch für den zeitgenössischen Bedarf weitgehend ausgeglichen. Nach Alexander Supan, dem zweiten Nachfolger Petermanns als Herausgeber, ist deshalb die bleibende Leistung Barths – neben den ebenso akribischen wie thematisch weit gespannten eigenen Wahrnehmungen – insbesondere die auf sorgfältig abgewogenen Erkundigungen beruhende erste zuverlässige Beschreibung nahezu des gesamten Innern von Westafrika zwischen den Atlasländern, dem Nigerbogen und dem Nilbecken. Im Zusammenspiel von Reisendem und Publizist war Barth zum bedeutendsten afrikanischen Forschungsreisenden nördlich des Äquators geworden.
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26 Barths Zeichnung handwerklicher Erzeugnisse der Handelsstadt Kano
te Leistung Overwegs hingegen war die erste europäische Befahrung des Tschadsees, wobei er dessen geringe Tiefe und den darin befindlichen Inselarchipel als Erster beschrieb. Diesem ergebnisreichen Erkunden setzte der Tod Overwegs am 27.9.1852 ein abruptes Ende, der dem schwül-heißen Klima des Binnensees in Gestalt des Sumpffiebers erlag. Zum zweiten Mal musste Barth nun einen Reisegenossen begraben und dessen Aufzeichnungen bergen.
(Quelle: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 4 (1858), Seite 453).
Ein Exkurs über die Gefahren der Forschungsreisen: „Märtyrer der deutschen Wissenschaft“ Nach dem Erschöpfungstod James Richardsons am 11.1.1851 noch auf dem Anmarsch zum Tschadsee und dem dortigen Fiebertod von Adolf Overweg am 27.9.1852 war Heinrich Barth im Innern Afrikas völlig auf sich allein gestellt. Als die Kunde hiervon nach England gelangte, wurde unter maßgeblichem Einfluss von Petermann der erst 24-jährige Eduard Vogel (1829 – 56) im Februar 1853 von London aus zu dessen Unterstützung nachgesandt. Der gebürtige Krefelder hatte nach dem Studium der Mathematik und Naturwissenschaften seit 1851 an der Londoner Sternwarte als Assistent gearbeitet und war so der Vermes-
27 Routenaufnahmen – keine Stärke des Kulturwissenschaftlers Barth. Petermanns Verarbeitung der sehr schematischen Reiseroute Barths von Sokoto nach Wurno aufgrund dessen Tagebuchaufzeichnungen mit nur wenigen topographischen Elementen – zugleich die die erste Kartenbeilage von „Petermanns Mitteilungen“ (Quelle: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 1 (1855), Tafel 1).
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sungsfachmann, den der vielseitig begabte aber gerade in astronomischen Ortsbestimmungen dilettierende Barth nach dem Tode Overwegs benötigte. Über Tripolis, Murzuk und Bilma traf Vogel im Januar 1854 in Kuka ein, das Barth aber schon im November 1852 in Richtung Timbuktu verlassen hatte. Um die Wartezeit bis zu dessen Rückkehr zu nutzen, begleitete Vogel von März bis Mai 1854 einen Feldzug des Herrschers von Kuka nach Südosten in die Landschaft Musgo, wo er infolge der gerade herrschenden Überschwemmung die Tuburisümpfe irrtümlich für einen riesigen See hielt. Es folgten weitere Ausflüge ins Mandaragebirge und nach Zinder, bevor er am 1.12.1854 mit dem schon tot geglaubten Barth zusammentraf. Nach Barths Heimreise stieß Vogel zunächst gen Südwesten in teilweise noch unbekannte Landschaften am Fuß des Adamauagebirges vor, konnte aber sein Ziel Yola am Benue infolge des Widerstands der Einheimischen nicht erreichen. Nach kurzer Rückkehr nach Kuka im Dezember 1855 brach Vogel am 1.1.1856 in das Sultanat Wadai auf, ein trockenes Hügelland östlich des Tschadsees. Dabei hoffte er, in Entsprechung der ausgedehnten westlichen Forschungen Barths selbst gen Osten bis zum Nil vorzustoßen. Unmittelbar nach der ersten Einreise eines Europäers in den streng islamischen und fremdenfeindlichen Wadai verlor sich jede Spur des wagemutigen Forschers. Da über Monate und Jahre die widerstreitendsten Gerüchte über das Schicksal Vogels nach Europa drangen, nutzte der unterdessen nach Gotha übersiedelte Petermann die nicht zuletzt durch seine Berichterstattung angeregte öffentliche Anteilnahme zur Entsendung zweier Suchexpeditionen: Die eine Expedition war ein Ein-Mann-Unternehmen des Potsdamer Pionieroffiziers Carl Moritz von Beurmann (1835 – 62), der durch Barths Reiseberichte den Drang zum Afrikaforschen verspürte. Nach der Quittierung des öden Garnisonsdienstes studierte er die arabische Sprache und ging 1860 nach Ägypten, wo er dem Nil aufwärts bis Nubien folgte und über die äthiopischen Hochländer 1861 in die Heimat zurückkehrte. Die Aufhellung von Vogels Schick-
29 Karte von Eduard Vogels Aufnahmen der Landschaften Musgo und Tuburi südlich des Tschadsees (Quelle: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 3 (1857), Tafel 7).
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30 „Vier Märtyrer deutscher Wissenschaft in Inner-Afrika“. Ausschnitt der Umgebung des Tschadsees aus einer Übersichtskarte der Reiserouten der ums Leben gekommenen Adolf Overweg (orange), Eduard Vogel (rot) und Moritz von Beurmann (grün). Der Reisende Hermann Steudner kam weit östllich davon am oberen Nil zu Tode (Quelle: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 10 (1864), Tafel 2).
sal sah er als seine Chance zum Ruhm. Alle von Petermann angesprochenen namhaften Afrikareisenden hatten nämlich ein Vordringen vom libyschen Benghasi, dem Endpunkt der Karawanen aus dem Wadai, nach dieser Landschaft als zu gefahrvoll befunden. Daneben kam die „Deutsche Innerafrika-Expedition“ zustande, die vom Roten Meer aus nach Wadai vordringen sollte. Erst als diese Expedition umständlich in Afrika unterwegs war, ging Petermann auf das An-
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erbieten des tatendurstigen von Beurmann ein, über die schnellere Benghasiroute vorzudringen. Zu Weihnachten 1861 verließ der Pionieroffizier die Heimat und trat im Februar 1862 von Benghasi aus die transsaharische Expedition an. Infolge von Widrigkeiten musste er aber vom direkten Weg weit nach Westen abbiegen und auf der schon von Barth begangenen Route von Murzuk über Bilma zum Tschadsee vordringen, den er Mitte August 1862 erreichte.
Die gescheiterte „Deutsche Innerafrika-Expedition“ 1861 – 62
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egen der nur sporadischen und Monate dauernden Karawanenpost aus dem Innern Afrikas veröffentlichten „Petermanns Mitteilungen“ noch im März 1857 Reisebriefe Vogels von 1854, um die Leser im Juli unter dem Notiztitel „Traurige Nachrichten von Dr. E. Vogel’s Expedition“ auf den wahrscheinlichen Untergang dieses hoffnungsvollen Reisenden einzustimmen. Da die öffentliche Meinung starken Anteil am tragischen Schicksal des jungen Forschers nahm, nutzte der Herausgeber die Stimmung und begann im August 1860 seine erste Kampagne zur Durchführung einer von ihm gesteuerten Expedition: „Laut und dringend ergeht an die Deutsche Nation der Ruf der Menschlichkeit und der Ehre in dem Namen Eduard Vogel’s, des im Dienste Deutscher Wissenschaft im fernen Innern Afrika’s verschollenen jugendlichen Reisenden.“ Zwar sei der seit Januar 1856 in der Landschaft Wadai Verschollene mutmaßlich tot, doch gelte es, „die Aufzeichnungen seiner Hand, seine Sammlungen, die Resultate seiner mühevollen Arbeiten, den Preis seines Opfers zu retten“ und als ehrendes Denkmal „sein Werk zu vollenden“. Die bisherigen ruhmreichen deutschen Entdeckungen und Forschungen im Innern Afrikas, die von „Barth und Overweg angefangen und Vogel selbst mit eisernem Beharren nach Osten weiter geführt ward, würde hier im Nil-System ihren völligen Abschluss erhalten.“ Zur Durchführung der Expedition hatte sich am 15.7.1860 in Gotha ein Komitee unter dem Vorsitz von Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg-Gotha gebildet, dem rasch eine Reihe namhafter Spender wie etwa Heinrich Barth ihre finanzielle Unterstützung zusagten. In einem Spendenaufruf wurde auch die Fortsetzung von Vogels Bestrebungen unter Hervorhebung der Bedeutung der Durchgangslandschaft Wadai für den transsaharischen Karawanenverkehr näher ausgeführt: „Wadai, an der Nordwest-Scheide des NilstromGebietes, ein reiches, von den verschiedenartigsten Völkerschaften bewohntes Land, bildet ein höchst interessantes Verbindungsglied im Centrum Afrika’s zwischen Westt und Ostt und zwischen Nord und Süd“, dessen Erreichung „den vielen unsicheren Nachrichten und Erkundigungen von Eingebornen den ersten sicheren Halt gewähren wird.“ Nachdem ein starker Spendenzufluss die auf bis zu 20 000 Taler veranschlagte „Deutsche InnerafrikaExpedition“ finanziell gesichert hatte, verfasste Petermann detaillierte Expeditionsinstruktionen in 15 Paragrafen, gemäß denen „die Aufklärung der Schicksale
31 „Gegen den grossen unbekannten Kern von Inner-Afrika“. Der Instruktion der „Deutschen Innerafrika-Expedition“ hatte Petermann eine Kartenskizze beigegeben, die außer einigen Routen bedeutender Reisender (rot), darunter Barths in der Sahara und Livingstones im südlichen Afrika, das zum Stichtag 1.8.1860 noch „unerforschte von Europäern nie betretene Gebiet“ im Innern des Kontinents als großen weißen Fleck auswies. Diese „terra incognita“ erstreckte sich damals noch über knapp ein Drittel des schwarzen Kontinentes von der libyschen Sahara im Norden bis zum Kongobecken im Süden und von der Küste Kameruns im Westen bis zum Horn von Afrika im Osten. Instruktionsgemäß sollte die Expedition ihr doppeltes Ziel mittels ausgeklügelter Routenvorgaben (grün) erreichen: Über das Rote Meer und durch „mehr oder weniger erforschte Gebiete“ nach Khartum, von dort auf vier alternativen und großenteils neuen Wegen (I – IV) nach Wara, den Hauptort des Wadai, zur Klärung von Vogels Schicksal. Im Anschluss gab Petermann der Expedition auf, von dort auf neun alternativen Wegen (1 – 9) einen Vorstoß „gegen den grossen unbekannten Kern von Inner-Afrika“ zu unternehmen: Entweder durch die Libysche Wüste (Kapitel 5) nach Kairo (1) oder besser noch nach Zentralafrika und nach dortigen ausgedehnten Entdeckungen mit reichem Material alternativ zu den tropischen Küsten des Atlantischen (2 – 5) oder des Indischen Ozeans (6 – 9; Quelle: [August Petermann:] Instruktion für die Expedition nach Inner-Afrika zur Aufhellung der Schicksale Dr. Ed. Vogel’s und zur Vollendung seines Forschungswerkes. Gotha 1861, Beilage Nr. 1: Kartenskizze von Africa […]).
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Eduard Vogel’s, die Rettung seiner Papiere und die Vollendung seines wissenschaftlichen Unternehmens – nämlich die Erforschung des Gebietes zwischen dem Nil und dem Tsad-See“ (§ 1) das Ziel der Expedition war. Zu diesem Zweck wurde Theodor von Heuglin (1824 – 76) zum Chef der Expedition und zugleich Zoologen und Topograph bestimmt, an der als wissenschaftliche Begleiter der bereits in Nordostafrika weilende Werner Munzinger (1832 – 1875) als Völker- und Sprachkundler sowie Dr. Heinrich Steudner (1832 – 1863) als Botaniker und Geologe und Theodor Gottlob Kinzelbach (1822 – 1868) als Meteorologe und Zuständiger für die astronomischen Ortsbestimmungen teilnahmen (§ 2, 3, 7 und 11). Nicht zuletzt zur Kosteneinsparung sollte Heuglin die Ausrüstung erst in Afrika vervollständigen und dort auch die Begleitmannschaft anheuern, dabei aber bedenken: „Soweit die gebotenen Geldmittel es gestatten, ist darauf Bedacht zu nehmen, dass die Expedition ein möglichst zahlreiches Personal begleite, damit in Krankheitsfällen ein Erkrankter geschont und in Sterbefällen der Verlust so gut als möglich ersetzt werden kann“ (§ 6 und 7). Auch die Anmarschroute in den Wadai wurde detailliert vorgeschrieben: „nach möglichst kurzem Aufenthalt in Cairo“ auf einem Dampfer nach Suakin oder Massaua am Roten Meer, um zur Regenzeit in den gesunden nordäthiopischen Hochländern um Bogos zu sein, anschließend westwärts nach Khartum, um von dort nach Ende
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der Regenzeit „also etwa Ende September oder Anfang Oktober 1861, nach Wadai aufzubrechen. […] Da nur in Wadai das Schicksal Vogel’s aufgeklärt werden kann, so wird die ganze Macht und Energie der Expedition auf Erreichung dieses Landes concentrirt und die Nachforschungen daselbst nach besten Kräften angestellt werden“ (§ 8 und 9). Nachdem damit der Hauptzweck der Expedition erreicht sei, sollte dieselbe „in Bezug auf die zweite Aufgabe des Unternehmens, geographische Entdeckungen zu machen, weniger gebunden“ sein, sich dabei aber, um „die belangreichsten Entdeckungen [zu] machen und die reichsten wissenschaftlichen Resultate in jeder Beziehung [zu] gewinnen“, nach den Routenvorschlägen der beigegebenen Kartenskizze richten (§ 10). Um dem Schicksal des Verlustes der Aufzeichnungen, wie bei Vogel zu befürchten, vorzubeugen, wurde den Expeditionsmitgliedern vorgeschrieben, bereits unterwegs „von Zeit zu Zeit durch sichere Gelegenheit“ abschriftlich „alle abgeschlossenen Tagebücher, Albums, Karten, Itinerarien, astronomische, meteorologische und physikalische Beobachtungen“ an das Komitee zu senden und auch naturkundliche Sammlungen anzulegen (§ 12). Als letzte wichtige Frage regelte die Instruktion die Verwertung der Forschungsergebnisse. Für Petermann und die publizistische Begleitung der Expedition in seiner Zeitschrift war die Bestimmung wichtig, dass „so oft als möglich volle allgemeine und wissenschaftli-
32 Einmalige Übersicht des Bekannten und Unbekannten im Innern von Afrika (Blatt 5 „Wadai und Bagirmi“ der zehnblatt-„Karte von Innerafrika“ (1862 – 63). Petermann hoffte, dass die „Deutsche Innerafrika-Expedition“ nach dem Etappenziel Wara auf einer der erhofften Routen in das noch unbekannte Innere des östlichen Sudan oder Zentralafrikas vorstoßen könnte und durch umfassende Beobachtungen und Aufnahmen seiner kartographischen Auswertung eine reiche und exklusive Materialgrundlage verschaffen würde. Zur Einarbeitung dieser erhofften – praktisch aber nicht eingetretenen – Zulieferungen verfolgte seine kartographische Abteilung über Jahre hinweg das Großprojekt der „Karte von Inner-Afrika nach dem Stande der geographischen Kenntnis in den Jahren 1861 bis 1863“ in zehn Kartenblättern. Dieses Kartenwerk beruht auf einer umfassenden Auswertung und Umsetzung aller Quellen zum kartographischen Kenntnisstand des Innern von Afrika zwischen dem Hinterland der Mittelmeerküsten und dem – als solchem noch nicht erkannten – Kongobecken. Jedes der in vier Lieferungen erschienenen Kartenblätter enthält in der Legende einen Nachweis der herangezogenen Routenaufnahmen. Die Zeichnung stammt weitestgehend von der Hand Bruno Hassensteins, dem kartographischen Meisterschüler Pe-
termanns. Zahlreiche der mühsam zusammengetragenen Routen waren bis dahin noch nie auskonstruiert worden. Nach Hassensteins „Memoire“ fügten sich den weitmaschigen Kartenelementen „die von den Reisenden eingezogenen Erkundigungen, welche bei weitem das Meiste zur Füllung der Blätterr beitragen mussten“ an. Bei deren Auswertung stießen Petermann und Hassenstein natürlich „häufig auf unlösbare Widersprüche […]. Indessen kam uns gerade die Niederlegung der Nachrichten auf der Karte sehr zu Statten, denn dadurch lässt sich mit ungleich grösserer Sicherheit das Bessere vom Irrthümlichen unterscheiden als durch blosses Nachforschen über die Quellen.“ Die Zehnblattkarte stellt in Akribie und räumlichem Ausgriff einen nie wieder und in manchen Teilen noch für Jahrzehnte nicht übertroffenen Meilenstein der Kartographie von Innerafrika dar
che Berichte, Karten, Auszüge aus den Tagebüchern etc. über den Fortgang des Unternehmens“ an das Komitee zu senden waren und diesem das exklusive Nutzungsrecht eingeräumt war: „Sämmtliche Mitglieder der Expedition verpflichten sich, an Niemand anders Berichte über ihre Reisen und Arbeiten zu machen“ (§ 14). In der Tat erschienen 1861 – 63 nicht weniger als 30 teils längere Berichte von oder über die „Deutsche Innerafrika-Expedition“ in „Petermanns Mitteilungen“. Die Expedition stand jedoch von Anbeginn unter keinem guten Stern: Dies begann schon damit, dass sie erst am 17.6.1861 im eritreischen Hafen Massaua eintraf, wo als letzter Teilnehmerr Werner Munzinger hinzustieß. Aus den im Herbst 1861 aus den äthiopischen Bergländern nach Gotha abgehenden Reiseberichten, die zudem einen weiteren dortigen Verbleib ankündigten, gewann Petermann im November die Überzeugung, dass der Expeditionsleiter von Heuglin das erste Hauptziel, die Klärung des Schicksals von Eduard Vogel im Wadai, „vollständig aus den Augen verloren hat, und anstelle dessen sich einer gänzlich ungebundenen Bereisung gewisser Gegenden von Ostafrika hingiebt“. Als Sekretär des ausführenden Ausschusses forderte Petermann daher einen Komiteebeschluss über das weitere Vorgehen, da von Heuglin den Protest des Komitees vom 20.8.1861 gegen dessen nach Gotha gesandten Reisepläne offensichtlich ignorierte. In der Einleitung zu Heuglins siebtem Reisebericht, der im Januar 1862 abgedruckt wurde, berichtete das Komitee, ihm sei bekannt geworden, dass „unter den Mit-
gliedern der Expedition die Verabredung getroffen war, dass nur Dr. Steudner und Schubert mit Herrn v. Heuglin nach Abessinien gehen, die Übrigen aber, Munzinger, Kinzelbach und Hansal, unverweilt nach Chartum und von da nach Darfur abreisen sollten“. In einer nach der Heimkehr verfassten Stellungnahme wies Munzinger hierzu auf die gruppendynamischen Prozesse in am grünen Tisch zusammengewürfelten Expeditionsgruppen hin: Auf großen See- wie Landreisen würden Expeditionsgruppen entweder zu lebenslangen Freunden oder Todfeinden: „Wir sahen bald ein, dass uns getrennt wohler würde. […] Vom Zufall zusammengeworfene Personen können nur durch Zufall zusammenpassen. In Europa wären sie vielleicht Freunde, die unangenehmen Seiten der Menschen treten weniger hervor, da sie kaum das Privatleben berühren. In der Fremde zusammengebunden geniren, kränken, verhindern sie sich; man steht sich zu nahe, um den geringsten Fehler des Genossen übersehen zu können. Deswegen sind […] die meisten zusammengesetzten Expeditionen zu Grunde gegangen, während allein stehend Mungo Park, Livingstone, Barth reussirt haben.““ Die von Munzinger geleitete Restexpedition erreichte Khartum am 1.3.1862. Der Weitermarsch auf den Wadai endete aber bereits in El-Obeid, dem Hauptort von Kordofan, wo ihr nach wochenlangem Warten schließlich die Genehmigung zur Weiterreise verwehrt wurde. Daraufhin wurde die Expedition im Juni abgebrochen und man trat die Heimreise an.
(Quelle: Petermann, August/Hassenstein, Bruno: Inner-Afrika nach dem Stande der geographischen Kenntnis in den Jahren 1861 bis 1863. Nach den Quellen bearbeitet von A. Petermann und B. Hassenstein. Nebst Original-Berichten von M. von Beurmann, Kotschy, Brun-Rollet, Behm, Antinori, Th. von Heuglin, Morlang und von Harnier, in: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt […]. Ergänzungsband II 1862 – 1863. Gotha 1863).
der „Humboldt der Afrikaforschung“
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Endlich Klarheit über das Schicksal von Eduard Vogel
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m April 1862 waren Werner Munzinger und Theodor Kinzelbach, der Rest der „Deutschen Innerafrika-Expedition“, in El-Obeid eingetroffen, dem Hauptort von Kordofan und äußersten westlichen Vorposten des ägyptisch besetzten Sudans gegen die benachbarte Landschaft Darfur. Von dort hofften die beiden, eine Durchzugsgenehmigung des Sultans von Darfur, in das wiederum westlich an sein Reich anschließende Wadai zu erreichen, wo Eduard Vogel seit 1856 verschollen war. Am 29.7.1862 aber meldete Munzinger brieflich aus Khartum an Petermann, dass sich seine Rumpfexpedition bereits wieder auf der Heimreise nach Europa befand. Nach wochenlangem Warten in El-Obeid sei am 10. Juli ein Brief des Sultans von Darfur, Muhammad al-Husain Ibn-Muhammad al-Fadl, den dieser schon am 24. April an den österreichischen Konsul in Khartum, Joseph Natterer, gerichtet hatte, auch bei Munzinger angelangt. Das Schreiben des Sultans warnte christliche Europäer vor der Einreise in das streng islamische Darfur und fügte bezüglich der Fragen nach dem Schicksal Vogels mit drohendem Unterton bei: „Was wir aber nicht leiden können, das ist der Verdacht und die Beschuldigung als ob der Sultan von Darfur die Fremden die zuu ihm kommen, töten ließ; […] Ihr wißt […], daß Gott – Lob sei ihm! – der Erhabene, die erschaffenen Seelen jede in ihren Körper hineingesetzt hat. Mit seiner Vorsehung hat er Ihnen die Zeit ihres Bleibens vorausbestimmt und Niemand kann daran Etwas ändern. Wie viele Mohammedaner sind in ihrem Handel in christlichen Reichen gestorben und wie viele Christen in den Ländern des Islam! Jeder von ihnen in seiner Religion, ohne Zwang und ohne üble Nachrede.“ Hinsichtlich der erbetenen Durchzugserlaubnis hieß es weiter wenig einladend: „Was aber das Reisen in den verschiedenen uns gehörigen Landen angeht, so ist das eine unthunliche Sache, die wir nicht zugeben: denn unser Gebiet ist weitläufig und wir haben nicht Vertrauen genug auf unsere Unterthanen […].“ Munzinger bemerkte hierzu, dass der Sultan am liebsten überhaupt keine Fremden in seinem Herrschaftsbereich sehe, weshalb das ganze Schreiben trotz des formalen Zugeständnisses einer bewachten Reise in seine Residenz El-Fascher als Abschreckung angesehen werden müsse, „daß einem förmlich die Lust vergehen muß, davon Gebrauch zu machen. […] Von weitergehen, was ja die Hauptsache ist, […] keine Rede.““ Was in dem Schreiben an den Konsul nur angedeutet wurde, verlangte der Sultan in einem gleichzeitigen Brief an den ägyptischen Gouverneur von ElObeid: „[…] eine Bürgschaft gegen jede Anklage im Fal-
33 Werner Munzinger
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3 Heinrich Barth
le unseres Todes.““ Jedoch noch vor dem Eintreffen der beiden Schreiben des Sultans von Darfur traf Munzinger in El-Obeid durch schieren Zufall auf den Araber Mohammed, der einst im Gefolge eines mit Barth befreundeten Scheichs in Bornu gewesen war, der Vogels Schicksal von dortigem Hörensagen kannte. Über die Aussage des Mohammed berichtete Munzinger am 23. Juni 1862 nach Gotha, dass Vogel wohl im Mai 1856 unter Verlust seiner Aufzeichnungen mit seinem Diener einem Raubmord seines Gastherrn, einem Vertrauten des Sultans, zum Opfer gefallen sei, der es auf sein schönes Pferd abgesehen habe. Jedenfalls sei es nun „leider wohl nicht dem geringsten Zweifel unterworfen, dass Dr. Vogel nicht mehr am Leben ist. Es thut mir leid, seine Familie und Freunde der letzten Hoffnung berauben zu müssen. Aber Wahrheit hat auch ihren Trost.“ Da durch den Araber Mohammed hinreichende Nachricht über das traurige Schicksal Vogels gewonnen und an einen eigenen Vorstoß in den Wadai nicht zu denken war, entschied sich Munzinger zur Umkehr. Dabei hoffte er in seinem Schreiben vom 29. Juli, „von dem verehrten Comite und jedem vernünftig und kalt denkenden Ehrenmanne, der unser Leben und Gesundheit auch in die Wagschale legt und nicht unnützes Märtyrerthum verlangt, nicht mißbilligt zu werden“. Die von Vogel 1856 in östlicher Richtung zum Nil hin und 1861 – 62 von der „Deutschen Innerafrika-Expedition“ in westlicher Richtung zum Tschadsee hin beabsichtigte Querung der zentralen Landschaften des Sudan gelang erst über ein Jahrzehnt später Gustav Nachtigal als erstem Europäer. Im März 1873 verließ Nachtigal die alte Forschungsbasis von Barth und Vogel, Kuka am Tschadsee, gen Osten und hielt sich fast ein dreiviertel Jahr im Wadai auf, wo er auch den Hauptort Wara besuchte und dort unter anderem auch taktvoll den Sultan nach Vogel befragte. Zusammen mit weiteren Erkundigungen wurden die früheren Berichte über Vogels Tod bestätigt: Vogel sei nach etwa zweiwöchiger Anwesenheit von misstrauischen Einheimischen beim Herrscher wegen des von ihnen beobachteten Zeichnens und Schreibens sowie nächtlicher Sternbeobachtungen als Spion verleumdet und im Palast der Hauptstadt Wara auf Befehl des Sultans am 8.2.1856 durch Lanzenstiche niedergestreckt und dann enthauptet worden. Ohne Tagebücher oder sonstige Hinterlassenschaften des jungen Krefelders mehr gefunden zu haben, erreichte Nachtigal im August 1874 über Darfur und Kordofan den Nil.
34 Einzug von Barths Karawane in Timbuktu (nach einer Vorlage aus Barths Skizzenbuch; (Quelle: Heinrich Barth: Reisen und Entdeckungen in Nord- und Central-Afrika in den Jahren 1849 bis 1855. Im Auszuge bearbeitet. Band 2. Gotha 1860, nach Seite 260).
In Kuka, dem schon traditionellen Basislager der deutschen Sudanforscher, wurde von Beurmann durch Unruhen in Kanem und Überschwemmungen südöstlich des Sees zurückgehalten. Die erzwungene Wartezeit nutzte der Reisende gemäß Karawanen mitgegebenen Reisebriefen zu Erkundungen des Südwestens des Bornureichs mit der Provinzhauptstadt Jakoba als Angelpunkt. Als der Weg durch Kanem nach Wadai wieder sicher erschien, brach der vom Fieber geplagte von Beurmann am 26.12.1862 auf, nur um bereits zwei Tage später von seinen eigenen Dienern ausgeraubt nach Kuka zurückzukehren. Mit von einem arabischen Händler geliehenen Geld neu ausgerüstet, wagte er im Januar 1863 einen zweiten Vorstoß, der noch schlimmer endete: Bereits nach fünf Marschtagen und nur kurz hinter der Grenze des Wadai wurde von Beurmann in Mao am Ostufer des Tschadsees auf Befehl des Sultans ermordet. Und auch die mit der „Deutschen Innerafrika-Expedition“ nach Afrika gegangenen Reisenden kamen alle bis auf ein Mitglied dort zu Tode: Der Völkerkundler Heinrich Steudner starb noch unterwegs im April 1863 in Wau am Oberlauf des Weißen Nil am Fieber, ebenso wie der Botaniker Theodor Kinzelbach auf einer nachfolgenden Expedition 1868 an der somalischen Küste. Während der Sprachforscher Werner Munzinger im ägyptischen Staatsdienst bis zum Pascha und Gouverneur aufgestiegen 1875 bei einem Eroberungszug am Roten Meer ermordet wurde, ereilte den Expeditionssekretär Martin Hansal der gewaltsa-
me Tod, als die Mahdisten 1885 Khartum eroberten (Kapitel 7). Nur der Expeditionsleiter Theodor von Heuglin schloss 1876 im heimischen Stuttgart friedlich die Augen.
Barths Vorstoß nach Timbuktu und Heimkehr Nach dem Tod von Richardson und Overweg seit September 1852 völlig auf sich gestellt und nur durch langwierige Karawanenpost mit Europa in Verbindung stehend, verließ Barth Bornu gen Westen und gelangte nach Kano, dem Hauptort des Sultanats Sokoto, dessen Herrscher ihn ebenfalls freundlich aufnahm. Von dort aus unternahm er in den folgenden Monaten mehrere Vorstöße in die völlig unbekannten Landschaften des Nigerbogens. Am 12.6.1853 überquerte er den einen Kilometer breiten Niger bei Say und kam als erster Europäer durch die Landschaften Gurma und Dalla, um am 7.9.1853 das sagenumwobene Karawanen- und Gelehrtenzentrum Timbuktu zu erreichen. In seiner nordafrikanischen Tracht wurde Barth zunächst für einen Abgesandten des osmanischen Sultans gehalten. Ständig musste er, ohnehin dauernd kränkelnd, die Steinigung als Ungläubiger fürchten, sollte seine wahre Identität und Aufgabe bekannt werden. `26, 27 Trotz der christenfeindlichen Stadtbevölkerung hielt Barth monatelang aus und verfertigte aufgrund seiner Sprachkenntnisse durch eingehende Erkundigungen Kartierungen der Stadt wie der gesamten westlichen Sudanländer. Am 18.5.1854 schließlich trat er den Rückmarsch
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35 Planskizze von Timbuktu mit Einzeichnung einiger Gebäude (Quelle: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 1 (1855), Tafel 2).
über Wurno nach Kuka an. Unterwegs schloss er, wie bereits mehrfach zuvor, mit einem Lokalfürsten einen Vertrag für seinen Dienstherrn, die britische Regierung, ab, der deren Schiffen die Befahrung des Niger gestattete. Mitte Oktober 1854 traf er nach anderthalbjähriger Abwesenheit wieder in Kano ein, fand jedoch keineswegs die sehnlichst erhofften neuen Barmittel vor: Sowohl in Europa wie auch in Kuka für gestorben gehalten, hatte man in Bornu schon seinen vermeintlichen Nachlass verteilt. Als sich Barth mühsam nach Kuka durchschlug, traf er kurz vor dem Ziel am 1.12.1854 völlig überraschend auf den bereits im Vorjahr zu seiner Unterstützung entsandten Eduard Vogel, der auch frische Geldmittel brachte. `34, 35 Nach gemeinsamen Wochen in Kuka rüstete Barth zur Heimreise, die er am 5.5.1855 mit sechs Mann Begleitung, zwei Pferden, zwölf Kamelen und seinen kostbaren Aufzeichnungen antrat. Auf wiederum neuer transsaharischer Route über Bilma und Murzuk erreichte er am 21.8.1855 bei Tripolis nach bald 20 000 Wegekilometern in fünfeinhalbjährigen Wanderungen wieder das Mittelmeer. Der durch seine Reisebriefe längst zu
1845 – 47 Reise durch die afrikanisch-asiatischen Küstenländer des Mittelmeers 1848 Reisewerk „Wanderungen durch die Küstenländer des Mittelmeeres“ wird in Berlin als Habilitation in Geographie anerkannt
Biographie Heinrich Barth Hamburg 1839 – 44 Studium der Altertumskunde, Sprachwissenschaft und Geographie 1844 Promotion in Alter Geschichte in Berlin
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3 Heinrich Barth
1850 – 54 wissenschaftlicher Begleiter und einziger Überlebender der britischen Handelsexpedition durch die Sahara und die Sudanländer vom Tschadsee bis Timbuktu 1855 – 58 Niederlassung in London und Anfertigung des fünfbändigen Reisewerks: „Reisen und Entdeckungen in Nord- und
Central-Afrika in den Jahren 1849 bis 1855. Tagebücher seiner im Auftrag der britischen Regierung unternommenen Reise“ 1858 Reise durch Nordanatolien von Trapezunt am Schwarzen Meer 1863 außerordentliche Professur für Geographie an der Berliner Universität (ohne Gehalt) und Präsident der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin 1864/65 Reisen nach Italien, Dalmatien, Montenegro und dem europäischen Teil des Osmanischen Reichs 1865 Tod am 25.11. in Berlin
einer europäischen Berühmtheit aufgestiegene Barth war aufgrund seiner zuverlässigen Beobachtungsgabe, die sich mit einem weit gespannten Interessenhorizont für (Kultur-)Geographie, Geschichte, Völkerkunde und Sprachforschung verband, zu einem der bedeutendsten afrikanischen Forschungsreisenden aller Zeiten sowie Vorbild zahlreicher Nacheiferer geworden, dem auch der greise Humboldt höchste Anerkennung zollte: „Er schloß uns diesen Erdteil auf.“ `36
36 Skizzenhafte Übersicht von Barths Reiserouten und Erkundigungsgebiet im Innern Westafrikas (Quelle: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 1 (1855), Seite 307).
Literatur
BARTH, HEINRICH: Reisen und Entdeckungen in Nord- und Central-Afrika in den Jahren 1849 bis 1855. Tagebücher seiner im Auftrag der Britischen Regierung unternommenen Reise. 5 Bände. Gotha 1857 – 58. BARTH, HEINRICH: Reisen und Entdeckungen in Nord- und Central-Afrika in den Jahren 1849 bis 1855. Im Auszuge bearbeitet. 2 Bände. Gotha 1859 – 60. DEMHARDT, IMRE JOSEF: Die Entschleierung von Afrika. Deutsche kartographische Beiträge von August Petermann bis zum Kolonialkartographischen Institut. Gotha 2000. DEMHARDT, IMRE JOSEF: Heinrich Barth – der Humboldt der Sudanforschung (Teil I), in: Petermanns Geographische Mitteilungen, Jahrgang 144 (2000), Heft 1, S. 84 – 85. DEMHARDT, IMRE JOSEF: Heinrich Barth – der Humboldt der Sudanforschung (Teil II), in: Petermanns Geographische Mitteilungen, Jahrgang 144 (2000), Heft 2, S. 92 – 93. DEMHARDT, IMRE JOSEF: Barth und Petermann – symbiotische Wissenschaftskarrieren in der Afrikaforschung, in: Petermanns Geographische Mitteilungen, Jahrgang 144 (2000), Heft 3, S. 84 – 85. DEMHARDT, IMRE JOSEF: Eduard Vogel und andere Märtyrer der Petermann’schen Sudanforschung, in: Petermanns Geographische Mitteilungen, Jahrgang 144 (2000), Heft 4, S. 92 – 93. DEMHARDT, IMRE JOSEF: Der Erde ein Gesicht geben. Petermanns Geographische Mitteilungen und die Entstehung der modernen Geographie in Deutschland. Gotha 2006. HENZE, DIETMAR: Enzyklopädie der Entdecker und Erforscher der Erde. 5 Bände. Graz 1978 – 2004. MUNZINGER, WERNER: Nachrichten über Ed. Vogel’s Schicksal von der Munzin-
ger’schen Expedition, in: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 8 (1862), S. 346 – 350. MUNZINGER, WERNER: Schluss der Expedition unter W. Munzinger und Th. Kinzelbach; deren Rückkehr nach Europa. Schreiben des Herrn Munzinger aus Chartum, datirt 29. Juli 1862, in: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 8 (1862), S. 388 – 390. [MUNZINGER, WERNER:] Werner Munzinger’s Bericht über seine u. Th. Kinzelbach’s Reise nach El Obed, 1862, in: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 9 (1863), S. 183 – 189. PETERMANN, AUGUST: An Account of the Progress of the expedition to Central Africa. London 1854. PETERMANN, AUGUST: Th. v. Heuglin’s Expedition nach Inner-Afrika, zur Aufhellung der Schicksale Dr. Vogel’s und zur Vollendung seines Forschungswerkes, in: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 6 (1860), S. 358 – 362. [PETERMANN, AUGUST:] Instruktion für die Expedition nach Inner-Afrika zur Aufhellung der Schicksale Dr. Ed. Vogel’s und zur Vollendung seines Forschungswerkes. Gotha 1861.
PETERMANN, AUGUST/HASSENSTEIN, BRUNO: Inner-Afrika nach dem Stande der
arbeitet von A. Petermann und B. Hassenstein. Nebst Original-Berichten von M. von Beurmann, Kotschy, Brun-Rollet, Behm, Antinori, Th. von Heuglin, Morlang und von Harnier, in: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann. Ergänzungsband II 1862 – 1863 (= enthält Ergänzungshefte 7, 8, 10, 11). Gotha 1863. Die erste Lieferung mit Blättern 4 „Nubien“ und 6 „Darfur und Kordofan“ in Ergänzungsheft Nr. 7 (Gotha 1862), die zweite Lieferung mit Blättern 1 „Fessan“, 2 „Ägypten“ und 3 „TebuLand“ in Ergänzungsheft Nr. 8 (Gotha 1862), die dritte Lieferung mit Blättern 5 „Wadai und Bagirmi“, 7 „Dar-Banda“ und 9 „Kongo“ in Ergänzungsheft 10 (Gotha 1862) und die vierte Lieferung mit Blättern 8 „Gondokoro“ und 10 „Uniamwesi“ in Ergänzungsheft 11 (Gotha 1863). SUPAN, ALEXANDER: Ein Jahrhundert der Afrikaforschung, in: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 34 (1888), S. 161 – 188. [VON HEUGLIN, THEODOR:] Th. von Heuglin’s Expedition nach Inner-Afrika, Siebenter Bericht: […], in: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 8 (1862), S. 15. WEIDMANN, CONRAD: Deutsche Männer in Afrika. Lexicon der hervorragendsten deutschen Afrika-Forscher, Missionare etc. Lübeck 1894.
geographischen Kenntnis in den Jahren 1861 bis 1863. Nach den Quellen be-
der „Humboldt der Afrikaforschung“
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Johann Krapf Missionare, Schnee auf dem Kilimandscharo und ein Riesensee
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Johann Krapf
er durch die Nachschlagewerke der Entdeckungen blättert, stellt fest, welch erheblichen Anteil christliche Missionare am Fortschritt der überseeischen Erkundungen haben. Einen starken Impuls erhielt dieser eigentümliche Zweig der Explorationen seit Beginn des 19. Jahrhunderts durch die Gründung und rege Wirksamkeit der großen protestantischen Missionsgesellschaften. Schon bald nach der anglikanischen Church Missionary Society (1799), deren bekanntester Missionar der fast ausschließlich als Forscher hervorgetretene David Livingstone war, folgten die im deutschen Sprachraum dominierenden Missionsgesellschaften in Basel (1815), Barmen (1818) und Berlin (1824). Während aus diesem protestanti-
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schen Milieu fast seit Anbeginn eine ganze Reihe bedeutender Forschungsreisender erwuchs, organisierte sich die katholische Mission allgemein erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und spielte im deutschen Sprachraum, nicht zuletzt aufgrund der Beeinträchtigungen durch Reichskanzler Otto von Bismarcks antikatholischen „Kulturkampf“, nur eine geringe Rolle im Zeitalter der Entdeckungsreisen. Der am 11.1.1810 in Derendingen, einem heutigen Stadtteil von Tübingen, in eine wohlhabende lutherische Bauernfamilie geborene Johann Ludwig Krapf begeisterte sich früh für die entstehende protestantische Weltmission und interessierte sich dabei, wie so viele württembergische Landjungen seiner Generation, sowohl für den
Glauben als auch für Berichte über ferne Länder und Kulturen. Unter dem Einfluss des schwärmerischen Mystizismus suchte er16-jährig Anschluss an die in Afrika tätige Baseler Missionsgesellschaft, bereute dies bald als voreilig, studierte aber dann doch Theologie. Nachdem er unentschieden einige Vikariate absolviert hatte, gewann ihn ein Freund wieder für den Missionsgedanken und 1836 für den Eintritt in die Baseler Mission. Noch im gleichen Jahr aber folgte er einer Anfrage der Londoner Church Missionary Society, als Missionar nach Äthiopien zu gehen, wohin er bereits Anfang 1837 abreiste. Die nächsten fünf Jahre suchte er dort mit geringem Erfolg vor allem die heidnisch-muslimischen Galla zu bekehren, bevor er das Land wegen Krankheit und wechselnder politischer Verhältnisse verlassen musste. Wesentlich erfolgreicher als in der Mission war er in seinen äthiopischen Sprachstudien, mit denen er 1842 in Tübingen die Promotion erlangte. Nach dem Rückzug aus Äthiopien ging Krapf aber nicht nach Europa zurück, sondern im Januar 1844 nach Sansibar, wo er vom Sultan die Genehmigung erhielt, in dessen Reich an der Festlandsküste bei Mombasa tätig zu werden. Bereits kurz nach seiner dortigen Ankunft hörte Krapf von durchreisenden Einheimischen, dass sich im Hinterland sehr hohe und mit Schnee bedeckte Berge sowie ein sehr großer See oder sogar mehrere fänden. Aber erst nachdem 1846 durch den Missionar Johannes Rebmann (1820 – 76) Verstärkung gekommen und 1846 die Missionsstation Rabbai Mpia bei Mombasa angelegt war – 1849 stieß noch Jakob Erhardt (1823 – 1901) hinzu –,
konnten die Seelsorgepflicht für die kleine Gemeinde, die Neugier der Missionare und der Londoner Ausweitungsauftrag dergestalt miteinander verbunden werden, dass der kränkelnde Krapf den jungen Rebmann am 27.4.1848 auf einen Erkundungszug ins Küstenhinterland losschickte. Bereits zwei Wochen später erblickte dieser am 11. Mai als erster Europäer den Kilimandscharo aus der Ferne und gelangte auch an die von den Dschagga dicht besiedelten unteren Abhänge bis zum Häuptlingssitz Marangu. Bereits am 15. Juni war Rebmann zurück, um seinem Kollegen die Existenz des Schneebergs zu berichten. Bis Mitte 1849 unternahm Rebmann noch zwei weitere kurze Reisen zu den Häuptlingsschaften an den Flanken des Kilimandscharo, um die Möglichkeiten für die Anlage einer Missionsstation zu erkunden. Erst am 1.11.1849 trat dann auch Krapf eine Erkundungsreise an, wobei er den Kilimandscharo am 10. November als zweiter Europäer aus der Entfernung von Norden her sah: „Morgens hatte ich eine schöne Aussicht auf den Schneeberg Kilimandscharo in Dschagga. […] Sogar in dieser weiten Entfernung konnte ich wahrnehmen, daß die weiße Materie, die ich sah, Schnee sein müsse. […] Dies ist es, was ich und alle meine Leute gesehen haben, und was jeder nachfolgende Reisende sehen wird […].“ Im Gegensatz zu Rebmann, der stets nur bis zum Kilimandscharo ging, ließ Krapf den Berg buchstäblich links liegen und drang dafür weit nach Nordwesten bis ins Land der Kikuyu vor, wo er am 3. Dezember den 5199 Meter hohen Mount Kenia sichtete. Damit waren die beiden höchsten Berge Afrikas von württembergischen Missiona-
Rebmanns Tagebucheintrag über die Entdeckung des Kilimandscharo am 11.5.1848
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ai 11. Inmitten einer großen Wüste, die voll ist von wilden Thieren, wie namentlich Nashörnern, Büffeln und Elephanten, schliefen wir unter Dornbüschen sicher und ruhig unter Gottes gnädigem Schutz. […] Wir sahen diesen Morgen die Berge von Dschagga immer deutlicher, bis ich gegen 10 Uhr den Gipfel von einem derselben, mit einer auffallend weißen Wolke zu sehen glaubte. Mein Führer hieß das Weiße, das ich sah, schlechtweg ,Kälte’ (beredi); es wurde mir aber eben so klar als gewiß, daß das nichts anderes sein könne, als Schnee, welchen Namen ich meinen Leuten gleich nannte und die Sache zu erklären suchte; sie wollten
mir aber nicht recht glauben, ausgenommen mein Führer, der wie ich nachher erfuhr, auf u seiner letzten Reise nach Dschagga, wo er wußte, daß wir beabsichtigten auch dorthin zu gehen, und daher für das ,Silber’ in jenem Lande fürchtete, die Sache untersuchen ließ, indem er gegen eine geringe Belohnung einige Dschagga-Leute den Berg hinaufschickte, die ihm des Silbers so viel als möglich bringen sollten, aber dem speculierenden Suahili nichts als Wasser zurückbrachten […]“ (Quelle: Johann Ludwig Krapf: Reisen in Ostafrika ausgeführt in den Jahren 1837 – 1855. Zweiter Theil: Meine größeren Reisen in Ostafrika, Korntal/Stuttgart 1858 (unveränderter Nachdruck, Stuttgart 1964), S. 30 – 31).
Missionare, Schnee auf dem Kilimandscharo und ein Riesensee
37 Johannes Rebmann
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38 Das Innere von Ostafrika: Sklavenhandelsrouten, ein Riesensee und viel Leere. Bemerkenswert an dieser von Petermann provokativ gemeinten Orientierungsskizze über den Kenntnisstand des ostafrikanischen Küstenhinterlandes nach einer Vorlage des Missionars Jakob Erhardt ist der Gegensatz zwischen den seinerzeit durch britische Marinevermessungen bereits recht zuverlässig bekannten Küstenlinien und der „terra incognita“ im Landesinnern. Vor allem durch reisende Missionare wie Krapf waren im Binnenland in den 1850er-Jahre zumindest im Norden einige Landschaften im Innern einigermaßen sicher bekannt. Sämtliche Lokalisierungen abseits der Küsten und Vulkanberge im Hinterland von Mombasa wie der Verteilung die Völkerschaften, die Sklavenhandelsrouten und die „wahrscheinliche Lage u. Ausdehnung“ des hier erstmals gezeichneten riesigen Binnensees beruhten ausweislich der Legende noch ausschließlich auf dem Hörensagen von „zahlreichen Eingeborenen und muhammedanischen Reisenden“ (Quelle: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 2 (1856), Tafel 1).
ren mit vergleichsweise geringem Aufwand und schnellem Vorstoß durch das Steppenhochland hinter dem feuchttropischen Küstensaum entdeckt worden. Natürlich berichteten Rebmann und Krapf die Ergebnisse ihrer Reisen ins Innere des Kontinents nach Europa, wo ihre Beschreibungen aber verhalten aufgenommen wurden. Dies hing ganz wesentlich damit zusammen, dass der britische Geograph William Desmond Cooley (1795 – 1883), eine anerkannte Kapazität bei der „Einordnung“ von überraschenden Forschungsberichten aus Afrika, es als rundweg unmöglich bezeichnete, dass es Schneeberge am Äquator geben könne. Während Krapf 1850 bei einem Kurzbesuch in Europa Alexander von Humboldt (Kapitel 1) von der Existenz der äquatoria-
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4 Johann Krapf
len Schneeberge überzeugen konnte, hielt Cooley als willensstarker Gelehrter selbst dann noch unbeirrt an seiner Meinung fest, als Carl Claus von der Decken (1833 – 65) beim ersten Aufstiegsversuch am Kilimandscharo 1862 in einen heftigen Schneefall geriet. Auch der erst 1849 nach Rabbai Mpia gekommene Jakob Erhardt ergänzte die Erkundungen seiner Kollegen. Allerdings ging er dabei einen recht ungewöhnlichen Weg. Die Notwendigkeit, eine der einheimischen Sprachen zu erlernen, veranlasste den Neuankömmling nämlich, den Erzählungen von Elfenbeinhändlern zu lauschen, deren Angaben über das Innere des Kontinents er dann durch systematische Befragungen ergänzte. Entweder über seine noch aus London stammenden Kontakte zur Church Missionary Society oder über einen im April 1855 an das Calwer Tagblatt gesandten Brief Rebmanns trat Petermann mit diesem in Verbindung. Wie dem auch gewesen sein mag, bereits im August 1855 konnte Petermann den Lesern seiner Zeitschrift mitteilen, dass Rebmann ihm einen Bericht und eine Kartenskizze habe zukommen lassen, worin nach dem Missionar „das Herz Afrika’s – die viel genannte terra incognita – endlich einmal enthüllt vor Augen liegt.““ Seine Kartenskizze sei jedoch nur ein Vorläufer von „Bruder Erhardt’s schön und ausführlich bearbeiteter
Karte, die ausser dem grossen Binnenmeer auch die verschiedenen Karawanen-Strassen an dasselbe, sowie die vielen Völker und Stämme, die östlich und westlich darum herum sich ausbreiten, zur Kenntnis bringen wird.“ Nachdem diese Kartenskizze Erhardts eingetroffen war, veröffentlichte Petermann seine Ausarbeitung der Karte, der er ein erläuterndes Kartenmemoire Erhardts sowie, aufgrund des umwälzenden Charakters des Karteninhalts, einen eingeholten Kommentar des unvermeidlichen Cooley und eigene Bemerkungen beigab. Während der Missionar sich in Memoire und Kartenskizze auf die zusammengetragenen übereinstimmenden Angaben der Einheimischen verließ, kritisierte Cooley gewohnt scharf dessen vermeintlich blauäugigen Übernahmen wie etwa hinsichtlich der Breite des Binnensees: Erhardt gebe an, „dass die Bewohner der Ost-Ufer des See’s kein gegenüberliegendes Land, sondern ein unbegrenztes Meer sehen. Aber dies beweist noch nicht einmal eine Breite von
dreissig Meilen“ (= etwa 50 Kilometer). In seinem eigenen Urteil und der Kartenzeichnung übernahm Petermann Argumente beider Positionen. Mit Cooley erschien ihm dabei insbesondere die gewaltige Breite von fünf Längengraden oder etwa 800 Kilometern zweifelhaft. Im Rückblick ist festzustellen, dass die Stärke dieser Karte in den Angaben zum (Sklaven-)Handel und der Völkerverteilung lag, da Missionare ihr Handeln auf die Menschen ausrichteten, während ihnen abstrakte Lage- und Größenangaben verständlicherweise ferner lagen. Zudem waren die in dieser Kartenskizze verwandten Entfernungsangaben in Tagesmärschen oder Rudertagen variabel zu bemessen – je nach Terrainverhältnissen und der individuellen Leistungsfähigkeit (Kapitel 6 und 7). `38 Wenn auch Petermann mit Cooley darin übereinstimmte, dass das nasse Etwas im Innern Afrikas sicherlich nicht das monsterhafte Ausmaß des Missionarsentwurfs haben würde, zeichnete
Sprachstudien bei Elfenbeinhändlern fördern die Kenntnis über das Innere Afrikas
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m 23.4.1855 beschrieb Johannes Rebmann in einem Brief an das Calwer Tagblatt, wie sein Kollege Jakob Erhardt zur Kartierung des Hinterlandes der ostafrikanischen Küste bis zum vermeintlichen Riesensee angeregt wurde: „Während mein Mitarbeiter, Missionar Erhardt, sich 6 Monate lang in Tanga [= Küstenort im Norden des heutigen Tansania] aufhielt, um die Kisambara-Sprache zu studiren, mußte er nolens volens öfters den Reise-Erzählungen zuhören, welche die Elfenbeinhändler jenes Ortes in seiner Hütte aufs Tapet brachten. Jene Handelsleute waren es, die ihm den See Uniamwesi einfach als die Fortsetzung von dem Niassa-See darstellten, indem, wie sie sagten, der letztere von seiner nördlichen Richtung nach Westen umbiege, um noch einmal, und zwar in viel größerer Ausdehnung sich bis nahe zu den Gebirgen hin auszudehnen, welche, ganz die Mitte des Erdtheils durchziehend, die mächtige Wasserscheide bilden. Die nördliche Seite derselben enthält die Quellen des Nils, des Tschadsee’s und des Tschadda-Flusses, während die Südseite ihre Gewässer theils dem atlantischen Meer (im Congo oder Zaire), theils dem indischen Ozean (im Dschub, Dana und Osi), und, was mir höchst wahrscheinlich ist, eben diesem Binnenmeer zusendet. Wie wir von jeher alle Nachrichten der Eingeborenen als sehr unsicher und ungenau ansahen, so war auch Br[uder] Erhardt An-
fangs nicht bereit, dieser Angabe Glauben zu schenken. Nur Ein Umstand war ihm als sehr merkwürdig aufgefallen, nämlich der, daß die Reisenden alle von den verschiedenen Ausgangspunkten, wie Uibo, Kiloa, Mbuamadshi, Bagamoyo, Pangani und Tanga, – also von einem Küstenstrich von etwa 6 Breitengraden – sie darbieten, in sehr verschiedener Entfernung von der Küste, an einem Baheri oder Binnenmeer ankommen.“ Hierzu ergänzte Krapf in seinen Erinnerungen 1858: „Was mich selbst betrifft, so habe ich schon bei meiner ersten Ankunft in Ostafrika im Jahr 1844 von einem See in Uniamesi, sowie von dem Niassa gehört. Der Uniamesi-See wurde mir unter dem Namen Tanganika genannt, was wohl der Name des See’s in der Gegend ist, wo mein Berichterstatter ihn gesehen hat. Auch hatte ich 1851 in Ukambani [= Landschaft westlich des Kilimandscharo] von einem großen See gehört, dessen Ende man nicht erreicht, auch wenn man 100 Tage weit geht. Von dem Vorhandensein eines großen See’s im Innern war ich also längst überzeugt, aber ob der Niassa-See mit dem Uniamesi zusammenhänge, war mir und ist mir noch zweifelhaft, zumal da ich von mehreren afrikanischen Reisenden […] hörte, daß beide Seen völlig voneinander getrennt sind. Ich möchte die Sache unentschieden lassen, […]. Die Untersuchung von europäischen Reisenden muß dieses wichtige Problem in’s Klare setzen“
Missionare, Schnee auf dem Kilimandscharo und ein Riesensee
(Quelle: Johann Ludwig Krapf: Reisen in Ostafrika ausgeführt in den Jahren 1837 – 1855. Zweiter Theil: Meine größeren Reisen in Ostafrika, Korntal/Stuttgart 1858 (unveränderter Nachdruck, Stuttgart 1964), S. 507 – 508, 514 – 515).
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Hans Meyer, der Kilimandscharo und der Fortschritt der Aufnahmetechniken
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39 Hans Meyer um 1900 (Quelle: Hans Meyer: Der Kilimanjaro. Reisen und Studien. Berlin 1900, S. 109).
er Kilimandscharo gehört zur Kette von Vulkanen, welche den ggroßen Ostafrikanischen Grabenbruch säumen und entstand auf dem br Kreuzungspunkt zweier Bruchlinien. Kr Er erhebt sich von allen Seiten weithin sichtbar beinahe fünf Kilometer hi mitten aus der hier etwa 1000 Meter m hoch gelegenen Massaisteppe. Damit ho ist der Kilimandscharo der höchste is freistehende Berg auf den fünf Konfr tinenten und wird nur von dem zur ti Hälfte untermeerischen etwa neun H Kilometer hohen hawaiianischen Mauna Kea übertroffen. Die für Vulkane ungewöhnlich große Höhe des „sehr großen Bergs“, wie man seinen Namen übersetzen kann, erklärt sich sowohl durch seine Zusammensetzung aus drei dicht beieinanderliegenden Schloten (Shira, Mawensi und Kibo) als auch aus dem geringen Alter des Massivs von nur etwa einer Million Jahren, wobei der mittlere und heute höchste Kegel (Kibo) als Letzter vor erst rund 300 000 Jahren entstand.
Nachdem der Riesensee im Innern Ostafrikas, von dem der Missionar Jakob Erhardt berichtet hatte, schon bald durch Expeditionen in drei immer noch große Seen „aufgeteilt“ worden war und die Frage nach der Quelle des Weißen Nil gelöst erschien, übte vor allem das vergletscherte Vulkanmassiv des Kilimandscharo, der bereits auf Erhardts Kartenskizze prominent hervortrat, die nachhaltigste Anziehungskraft auf Forschungsreisende in Ostafrika aus. Schon die antiken Geographen hatten eine vage Kenntnis davon, dass sich bei den Quellseen des Nil schneebedeckte Berge befanden. Die erste noch unbestimmte neuzeitliche Kunde vom Kilimandscharo, vielleicht aufgrund von Erkundigungen iberischer Indienfahrer, gab der spanische Kosmograph Martin Fernandez de Encisco in seiner Weltbeschreibung von 1519, in der er einen „äthiopischen Olymp“ westlich von Mombasa nannte. Die erste Expedition zu diesem Vulkanmassiv nach den Entdeckungsberichten von Rebmann und Krapf unternahmen 1861 der vormals Hannoveraner Offizier Carl Claus von der Decken und der britische Geologe Richard Thornton, die damit dessen Existenz bestätigten. Sie gelangten aber beim Erkunden nicht höher hinauf als bis etwa 1600 Meter. Im folgenden Jahr kehrte von der Decken mit dem Botaniker Otto Kersten zurück, um sich nun in der ersten Besteigung zu versuchen, die aber infolgge ungeeigneter Ausrüstung und großer Kälte auf etwa 44200 Meter abgebrochen werden musste. Jedoch lieferten ihre Beobachtungen von 1862 die Grundlage der erste ten Spezialkarte des Kilimandscharo. te Zur Schlüsselfigur am Kilimandscharo mit bedeutendder Wirkung auch auf die gesamte spätere deutsche Kolonialkartographie wurde Hans Meyer, der am 22.3.1858 lo im thüringischen Hildburghausen in eine wohlhabendde Verlegerfamilie geboren wurde, deren „Bibliographissches Institut“ in Leipzig vor allem wegen Meyers Konverssationslexikon bekannt war. Nach einem breit angelegten 40 Die Bezwingung der höchsten Erhebung im Deutschen Reich. Meyers provisorische Panorama- und Aufsichtsskizze des Gipfelkraters des Kibo mit der am 6.10.1889 erstiegenen höchsten Erhebung, der Kaiser-Wilhelm-Spitze – heute: Uhuru (= Freiheit) Peak – jeweils in der Mitte des Bildvordergrunds. Der auf der Skizze noch geschlossene Kranz der Gipfelgletscher ist seither bis auf einige Reste abgeschmolzen – eine Tendenz die schon der Erstbesteiger Meyer bei seinem vierten Aufstieg 1898 beobachtete (Quelle: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 36 (1890), Tafel 2).
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4 Johann Krapf
41 „Spezialkarte des Kilima-Ndscharo- und Meru-Gebietes“ von 1893. Topographisch-vegetationsgeographischer Entwurf Hassensteins, der sich neben Meyers Aufnahmen vor allem auf die Vorbeizüge von Oscar Baumann 1890 und 1892 sowie die Aufnahmen des österreichischen Marineoffiziers Ludwig von Höhnel bei dessen Gipfelversuch 1887 stützt Quelle: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 39 (1893), Tafel 7).
Studium und der Promotion in Wirtschaftsgeschichte trat er 1884 als Mitinhaber in das väterliche Unternehmen ein. Mit der Verlagsteilhaberschaft gewann Meyer eine für Forschungsreisende sehr seltene lebenslange finanzielle Unabhängigkeit und völlige Freiheit in der Wahl und Verfolgung seiner Forschungsinteressen. Nachdem er bereits 1882 – 83 eine Weltreise unternommen hatte, über die Meyer die erste seiner zahlreichen Veröffentlichungen vorlegte, wandte er sich ab 1887 der Erforschung von Deutsch-Ostafrika zu und hier vor allem dem erst 1885 durch ein Grenzabkommen mit Großbritannien an das Deutsche Reich gefallenen Kilimandscharo. Ein erster Besteigungsversuch 1887 scheiterte an mangelhafter Ausrüstung am Fuße der Gipfelgletscher auf etwa 5500 Meter. Beim zweiten Versuch im nächsten Jahr geriet er mit seinem Begleiter Oscar Baumann (Kapitel 6) schon beim Anmarsch in den Araberaufstand gegen die deutsche Kolonialverwaltung. Die beiden Reisenden wurden von den Aufständischen als Geiseln genommen und erst nach Zahlung eines beträchtlichen Lösegeldes unbeschadet freigelassen. Wiederum ein Jahr später reiste Meyer zum dritten Mal zum Kilimandscharo, diesmal in Begleitung des Innsbruckers Ludwig Purtscheller (1849 – 1900), einem der besten Alpinisten seiner Zeit. In Marangu am Südfuß des Massivs, das mit etwa
4500 Quadratkilometer fast die doppelte Fläche des Saarlandes einnimmt, stießen noch der einheimische Dschaggaführer Yohani Kinyala Lauwo (1872[?]–1996, bei Richtigkeit des Geburtsjahres wäre er auch einer der je am ältesten gewordenen Menschen; Meyer starb 1929) sowie zahlreiche Träger hinzu. Im wahrscheinlich fünfzigsten europäischen Anlauf gelang dem Trio am 6.10.1889 tatsächlich der Aufstieg zum Kraterrand des Kibo und dort die Besteigung des höchsten Felsenturms. An „Petermanns Mitteilungen“ berichtete Meyer, das letzte Stück Aufstieg sei „eine verzweifelte Kletterei in dunkler Nacht“ gewesen, welche er nur mit Schneebrille, Gletscherseil, Eispickel und „zweckmässig vernagelten Bergschuhen“ geschafft habe. „Um 10 Uhr 15 Min. betrat ich als erster
Missionare, Schnee auf dem Kilimandscharo und ein Riesensee
42 Höhenprofil des Kilimandscharo. Meyers schematischer Nordwest-Südost-Höhenschnitt durch das Massiv des Kilimandscharo in zehnfacher Überhöhung mit höhenzonalen Vegetationsstufen (Quelle: Hans Meyer: Der Kilima-Ndscharo. Berlin 1900, nach S. 294).
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43 Klutes stereophotogrammetrische Aufnahme der Hochregion des Kilimandscharo von 1912 (Quelle: Fritz Klute: Die stereophotogrammetrische Aufnahme der Hochregionen des Kilimandscharos, in: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin, 1921).
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pflanzte auf dem Eispickel die im Rucksack mitgetragene deutsche Flagge auf und taufte den Fels ‚Kaiser-WilhelmSpitze‘.““ Nach halbstündigem Aufenthalt und Anfertigung von Skizzen des 2000 Meter weit und 200 Meter tief geschätzten Gipfelkraters traten die Kibobezwinger „im Frohgefühl des erreichten Ziels den Rückmarsch an.“ Zwischen seinen folgenden Expeditionen auf die Kanaren, in die Anden und 1911 ein fünftes Mal nach Deutsch-Ostafrika besuchte Meyer den Kilimandscharo zuletzt 1898 und untersuchte dabei dessen vorzeitlich tief die Flanken herabreichende Vergletscherung. Aufgrund seiner wiederholten Besuche und ausgedehnten Forschungen ging die erste einigermaßen wirklichkeitsnahe topographische Karte des Vulkanmassivs auch wesentlich auf Meyers Beobachtungen zurück, die Bruno Hassenstein 1893 in „Petermanns Mitteilungen“ vorlegen konnte (Kapitel 3 und 17). Wie bei der insgesamt noch recht dürftigen Datengrundlage kaum verwunderlich, wies diese Karte doch manche nur unsicher erfasste Gebiete auf. „Die wichtigsten Geländeeigenheiten des Massivs, nämlich seine Gliederung in Basisgebirge und Gipfelzone und seine radiale Zertalung werden“, so der Kartenwissenschaftler Wolfgang Pillewizer in einer Würdigung, „durch eine plastische Schummerung jedoch gut herausgearbeitet.““ Ein wesentlicher Darstellungsfortschritt am Kilimandscharo war mit den einfachen linienhaf-
4 Johann Krapf
ten Routenaufnahmen, ergänzt durch wenig genaue Peilungen und barometrische Höhenbeobachtungen, nicht mehr erreichbar. Erst mit dem Einsatz von Vermessungsfachleuten und modernen flächenhaften Aufnahmeverfahren, insbesondere der hoch genauen Stereophotogrammetrie (Kapitel 5), konnten solch schwierige Geländeformen kartographisch befriedigend bewältigt werden. Eine solche weiträumige Pionierkartierung gelang Fritz Klute und Eduard Oehler noch kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Bereits 1876 hatte der Geodät Wilhelm Jordan aufgrund seiner bei der Rohlfs’schen Expedition von 1873/74 in die Oasen der Libyschen Wüste gemachten guten Erfahrungen mit der allerersten afrikanischen Photogrammetrie in der Zeitschrift für Vermessungswesen weitsichtig vorhergesagt, „daß die Photographie in vielen gewissen Fällen mit außerordentlichem Vorteil angewandt werden könnte, z. B. bei schwer zugänglichen Gebirgen und bei Entdeckungsreisen […].“ Mit einem Orel-Zeiss-Phototheodoliten fertigten Klute und Oehler dann 1912 von 63 geodätisch bestimmten Festpunkten aus stereographische Aufnahmen und maßen diese nach der Heimkehr auf den Fotoplatten zur Bestimmung von über 2000 exakten Punkten nach Höhe und Lage aus, in welche sie alte aber entsprechend korrigierte Routenaufnahmen und eigene Messtischaufnahmen einpassten und so eine praktisch bis heute gültige Darstellung der Hochregion des Kilimandscharo gewannen. Während Meyer die Höhe des Kilimandscharo noch auf etwa 6010 Meter geschätzt hatte, nennen die meisten Karten- und Lexikaeinträge 5895 Meter für den Kibo. Eine satellitengestützte deutsch-tansanische Neuvermessung ergab 1999 schließlich 5891,77 Meter. Um die Jahrtausendwende bestiegen jährlich etwa 15.000 zumeist weiße Touristen in Begleitung von bis zu 70.000 einheimischen Führern, Köchen und Trägern diesen wohl „leichtesten Beinahe-6.000er“ der Welt und trugen durch ihre schiere Anzahl wesentlich zu gravierenden ökologischen Wandlungen bei: Neben den Auswirkungen der globalen Klimaerwärmung – seit den Tagen Meyers ist die Vergletscherung des Kibo um mehr als die Hälfte zurückgewichen – und zunehmendem Siedlungsdruck der an den fruchtbaren unteren Hängen des Kilimandscharo siedelnden Wadschagga veranlasst der „Homo touristicus“ beträchtliche Abholzungen zur Gewinnung des Feuerholzes für die mehrtägigen Gipfelexpeditionen.
Biographie Johann Krapf 1810 geboren am 11.2. im württembergischen Derendingen 1829 – 34 Studium der evangelischen Theologie in Tübingen 1834 – 36 Vikar in einigen Gemeinden bei Calw und Tübingen 1836 Beitritt zur Baseler Missionsgesellschaft, dann Übertritt zur Londoner Church Missionary Society 1837 – 42 Missionstätigkeit in Äthiopien, vor allem in der Landschaft Schoa (Galla) 1842 Promotion in Philologie in Tübingen in Abwesenheit
er die Karte doch gemäß den Angaben Erhardts. Allerdings fügte er links unten zwei Skizzen ein, in denen er seine Ansicht über die „wahre Lage und Ausdehnung des See’s von Uniamesi“ derjenigen des Missionars gegenüberstellte. Die heute so bizarr erscheinende Hauptkarte spiegelte jedoch in schöner Offenheit geringen Kenntnisstand über die Gebiete jenseits der Küste getreu wider und forderte durch ihre weißen Flecken und den ausdrücklich als unsicher gekennzeichneten Riesensee künftige Forschungsreisende geradezu zur baldigen Korrektur heraus. Und tatsächlich entsandte die Royal Geographical Society noch 1857 John Burton und John Speke zur Klärung der Frage der Nilquellen ins Innere von Ostafrika (Kapitel 6). Diese erreichten nicht nur im Februar 1858 den auf Erhardts Karte eingezeichneten Hafenplatz Ujiji, sondern konnten aufgrund verschiedener Erkundungszüge feststellen, dass es den vorgeschlagenen einzigen Monstersee nicht gab, sondern dass dieser in mehrere immer noch gewaltig große Seen zerfiel. Dass der starrsinnige Cooley allerdings noch 1864 behauptete, dass der
44 Auflösung des Riesensees Uniamesi in die drei Seen Ukerewe (Victoria), Tanganyika und Nyassa (Quelle: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 22 (1876), Tafel 20).
1843 – 53 Missionstätigkeit an der ostafrikanischen Küste im Umkreis von Mombasa, vor allem auf der Station Rabbai Mpia 1848 – 52 mehrere Erkundungsreisen ins Küstenhinterland und dabei 1848 Entdeckung des Kilimandscharo (Rebmann am 11.5., Krapf am 10.11. 1849) und 1849 des Mount Kenya (Krapf am 3.12.) 1850 erster Kurzaufenthalt in Europa seit 1837 mit Besuch bei Alexander von Humboldt in Berlin 1853 Rückkehr nach Europa aufgrund gesundheitlicher Schwäche 1854 Reisen nach London und Jerusalem 1855 Besuch beim abessinischen Kaiser Theodor und gescheiterter Landvorstoß nach Mombasa 1855 – 58 Aufenthalt im württembergischen Korntal und Arbeit am Erinnerungsbuch „Reisen in Ostafrika in den Jahren 1837 – 1855“ 1859 – 60 Inspektor der Missionsanstalt in Riehen bei Basel 1860 – 61 Begleitung von Methodistenmissionaren zur Stationsgründung in Ostafrika ab 1861 Arbeit an afrikanischen Sprachstudien und Vokabularien in Korntal 1867 Begleitung der britischen Militärexpedition nach Abessinien 1881 gestorben am 26.11. in Korntal
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Raumvorstellungen der Afrikaner 45 Karl Weule (Quelle: Karl Weule: Negerleben in Ostafrika. Ergebnisse einer ethnologischen Forschungsreise. Berlin 1908, Vorsatzblatt).
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ährend bei den kartengeschichtlichen Miniaturen in diesem Buch die überseeischen Raumwahrnehmungen is und u deren zweidimensionaler Niederschlag in Karten durchN weg w aus dem europäischen Kulturverständnis erfolgen, soll Ku hier hi am Beispiel der Afrikaner und u an anderer Stelle der Polynesier, zumindest in Ansätzen ly auf au die so völlig unterschiedlichen Raumvorstellungen der lic „Bereisten und Erforschten“ hingewiesen werden. Zwischen Europäern und Afrikanern bestanden einerseits ganz erhebliche Unterschiede in der Wahrnehmung des Raums, andererseits weist gerade die vorkoloniale Expeditionskartographie auch eine erhebliche Überlappung in den Karteninhalten auf, da manches dort Dargestellte vom europäischen Aufnehmenden über-
haupt nicht (selbst) gesehen wurde, sondern nur durch einheimische Gewährsleute auf die Karten der Europäer gelangte, wie etwa der Verlauf eines überquerten Flusses außerhalb des Blickfeldes des Reisenden, die Verteilung der einheimischen Siedlungen oder die Ausdehnung eines Herrschaftsgebiets. Dabei spielten natürlich sprachliche wie zivilisatorische Barrieren eine erhebliche Rolle. Hiervon kündet etwa der Bericht des britischen Forschungsreisenden Verney Lovett Cameron (1844 – 94), der 1873 von der Royal Geographical Society zur Unterstützung Livingstones ausgesandt worden war. Nachdem ihm aber bereits kurz nach der Ankunft in Ostafrika dessen Leichenzug entgegenkam, durchquerte Cameron ersatzweise binnen zwei Jahren als erster Europäer die äquatoriale Mitte des Kontinents von Küste zu Küste. Dabei konnte er wie viele Europäer den so ganz anderen Raumbegriff der Afrikaner nicht nachvollziehen, wie er etwa am Beispiel des Tanganyikasees beklagte: „Eingeborenes Wissen ist etwas Wunderbares, aber sie scheinen nicht in der Lage, so etwas wie eine generalisierende Vorstellung zu haben. Sie starrten auf meine Karte und dachten, dies sei die wundervollste Unterhaltung; und wenn ich ihnen sagte, daß die Leute in England durch diese Karte Form und Größe des Tanganyika wie auch Namen und Umstände seiner Zuflüsse und Dörfer wüßten, da bin ich veranlaßt anzunehmen, daß sie mich für einen Zauberer hielten.“ Als Ausdruck der zunehmenden Spezialisierung der Forschungsreisenden ging 1906 – 07 Karl Weule (1864 – 1926), der Chefkurator des Leipziger Völkerkundemuseums, mit Förderung des Berliner Kolonialamts in das Hinterland des Hafens Lindi im Süden des Schutzgebiets Deutsch-Ostafrika. Als Kulturanthropologe hatte Weule ein derart großes Interesse an der visuellen Vorstellungswelt seiner einheimischen Reisebegleiter, dass er an diese Skizzenhefte verteilte und sie zum Zeichnen ermunterte. Als er diese Hefte am Ende der Reise einsammelte, enthielten diese auch einige Kartenskizzen. Die erste Kartenskizze stammt von Weules 24-jährigem Karawanenführer Pesa Mbili. Die einer Routenaufnahme mit nur angedeuteten Flussquerungen sehr ähnliche Zeichnung stellt jeden Karawanenweg dar, den der junge Pesa Mbili bisher begangen hatte. Die Skizze zeigt 46 Gedächtnisskizze des Schutzgebietes Deutsch-Ostafrika durch den Karawanenführer Pesa Mbili (Quelle: Dr. A. Petermanns Mitteilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt, Jahrgang 61 (1915), Tafel 12).
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4 Johann Krapf
dabei den Teil des Kaiserlichen Schutzgebiets DeutschOstafrika unterhalb der Linie Daressalam/Victoriasee mit entgegen der europäischen Gewohnheit seitenverkehrter Darstellung und der Himmelsrichtung Süden oben statt unten. Für die Raumwahrnehmung besonders interessant ist, dass der Karawanenführer, der ja stets zu Fuß und im Auftrag der Kolonialherren unterwegs war, die Großseen Tanganyika und Victoria (in den Ecken der Zeichnung rechts oben und unten) wie die Flüsse nur als Striche darstellt, dafür aber ihm wichtige Siedlungs- und Herrschaftselemente wie Dörfer der ethnischen Gruppen, deutsche Kolonialbauten und die in seinen Gedanken scheinbar überall wehende Reichsflagge unverhältnismäßig groß einzeichnete. Weule war bei Pesa Mbilis Kartenskizze besonders davon beeindruckt, dass diese ausschließlich aus der Erinnerung entstanden war und sich trotzdem Teile der proportionalen Entfernungen einzelner Punkte mit den Entfernungsrelationen europäischer Karten deckten. Auch
47 Gedächtnisskizze der Expeditionsroute von Lindi nach Massassi surch den Karawanenführer Pesa Mbili
die zweite Skizze stammt von Pesa Mbili und stellt die 49 Weule spielt Dorfbewohnern ein aufgenordete Karawanenroute vom Küstenort Lindi bis Masgenommenes Eingesassi dar. Wie schon bei seiner Skizze von Deutsch-Ostborenenlied auf dem Grammofon vor afrika beklagte sich sein Karawanenführer gemäß Weu(Quelle: Karl Weule: le, dass das Papier viel zu klein sei und deshalb auch hier Negerleben. Ergebnisse die dargestellten Wege nur „abgeknickt“ dargestellt seieiner ethnologischen en. Unbeschadet dessen ist die Darstellung von MassasForschungsreise. Leipzig 1909, S. 384). si sehr detailliert geraten bis hin zu Weules Expeditionskisten, Tisch und Bett – vielleicht wegen eines längeren Aufenthaltes an diesem Ort. Zur unterschiedlichen Größe der Hütten der einheimischen Expeditionsmitglieder erfuhr Weule von Pesa Mbili als Grund, dass sich dahinter eine soziale Rangordnung verbarg: Je näher die Hüttenbewohner zum Karawanenführer standen, umso größer stellte dieser sie dar. „Wenn man gerecht sein will“, so Weule, „muss man die kartographischen Gesamtleistungen dieses Pesa Mbili rückhaltlos bestaunen.“
(Quelle: Dr. A. Petermanns Mitteilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt, Jahrgang 61 (1915), Tafel 12).
50 Zeichnung des Bwana Pusesa – Eingeborenenname des „Herrn Professor“ [Weule] – von einem Soldaten seiner Begleitmannschaft 48 Weules Karawane auf Marsch durch Deutsch-Ostafrika, Zeichnung des Karawanenführers Pesa Mbili (Quelle: Karl Weule: Negerleben. Ergebnisse einer ethnologischen Forschungsreise. Leipzig 1909, S. 136).
Missionare, Schnee auf dem Kilimandscharo und ein Riesensee
(Quelle: Karl Weule: Negerleben. Ergebnisse einer ethnologischen Forschungsreise. Leipzig 1909, S. 457).
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Tanganyikasee nur eine nördliche Verlängerung des Nyassasees sei, ist eine andere Geschichte. `44 Obwohl sie 1854 in einem Bericht nach London einen nur überaus geringen Missionierungserfolg feststellten und nach zehnjähriger Tätigkeit sogar zu erwägen gaben, dass die Zeit für die christliche Mission in Ostafrika noch nicht gekommen sein könnte, wurde doch keiner der drei Missionare der Sache untreu. Von den Oberen daran erinnert, dass in anderen Missionsgebieten die Zeit der Prüfungen noch viel länger gedauert habe, setzten sie ihre Sisyphusarbeit fort, solange es die Gesundheit und Missionsplanung gestatteten: Krapf kehrte 1853 aus Gesundheitsgründen heim, Rebmann hingegen harrte ununterbrochen 29 Jahre bis 1875 aus, bevor er nahezu erblindet für sein letztes Lebensjahr zu Krapf nach Korntal zog. Erhardt hingegen wurde 1856 nach Indien versetzt, wo er weitere 35 Jahre Dienst tat, bevor er hochbetagt nach Württemberg zurückkehrte.
Im Gegensatz zu den „weltlichen“ Forschungsreisenden trieb die meisten Missionare – mit prominenten Ausnahmen wie David Livingstone – nicht vorrangig die Entdeckerlust in die Welt hinaus, sondern der christliche Missionsauftrag. Ganz charakteristisch formulierte Krapf immer wieder, dass Afrika entdeckt werden müsse, um das Wort Gottes auf neuen Wegen bis in die entlegensten Winkel verkünden zu können. Vor diesem funktionellen Hintergrund betrachteten Krapf, Rebmann und Erhardt es nicht nur als ihre Pflicht, die frohe Botschaft zu verbreiten, sondern auch die dabei als Pioniere begangenen Routen, besuchten Plätze und gehörten Sprachen so genau zu beschreiben, dass nachfolgende Glaubensboten sich Zeit und Mühe sparen konnten, die besser auf die eigentliche Missionsarbeit verwandt werden konnten. Letztlich waren Forschungsreisen für die Missionare eines der Mittel zum heiligen Zweck.
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Gerhard Rohlfs Vom Abenteurer der Sahara zum Forschungsorganisator
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er am 14.4.1831 in Vegesack an der Weser als viertes von sieben Kindern in eine alteingesessene bremische Arztfamilie geborene Gerhard Friedrich Rohlfs konnte in jungen Jahren als Musterbeispiel eines missratenen Sohns durchgehen: Er verließ zwei Gymnasien, nahm 17-jährig als Freiwilliger am deutsch-dänischen Krieg um Schleswig und Holstein 1849 – 50 teil, in dem er nach der Schlacht von Idstedt zum Leutnant befördert wurde. Daran schloss sich ein Medizinstudium an mehreren Universitäten ohne Abschluss an sowie Tätigkeiten als bis nach Italien umherziehender Wundarzt und als Militärfreiwilliger bis zur Desertion. Schließlich landete Rohlfs 1856 – 60 als Arzt und Apotheker
in der französischen Fremdenlegion in Algerien. Hier nahm er an Feldzügen in die Kabilei teil und brachte es wiederum durch Tapferkeit zum Sergeant, dem höchsten Dienstgrad für Nichtfranzosen. Positiv kann man dennoch aus diesem bruchreichen Werdegang am Ende seines dritten Lebensjahrzehnts Abenteuerlust, Unerschrockenheit und einen ausgeprägten Wandertrieb herauslesen. Am Ende seiner Dienstzeit in der Fremdenlegion war Rohlfs mit Nordafrikas Sprachen und Kulturen derart vertraut, dass er es im Frühjahr 1861 wagen konnte, in moslemischer Verkleidung die wegen der französischen Eroberungen europäerfeindlichen Atlasländer zu bereisen. Mit
Gerhard Rohlfs
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51 Detailkarte von Rohlfs‘ Zug durch die ostmarokkanische Oase Tafilet 1862. Da der Reisende keine Routenaufnahmen im klassischen Sinne anfertigen konnte, konstruierte Bruno Hassenstein ein bewusst kleinmaßstäblich gewähltes Kartenblatt „nach Rohlfs’ Tagebuch & persönlichen Angaben mit Benutzung anderer Quellen“ (Quelle: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 11 (1865), Tafel 6).
nur einem Bündel und etwas in die Mütze eingenähtem Geld brach er von Tanger aus ins Hinterland auf. Der begleitende Einheimische brachte ihn zwar schon nach wenigen Tagen um Hab und Gut, doch gelangte er auch führer- und mittellos in die Hauptstadt Fes. Hier brachte es der Studienabbrecher im Handumdrehen zum obersten marokkanischen Truppenarzt. Als „deutscher Arzt und Wunderdoktor“ praktizierte Rohlfs mit so großem Erfolg, dass er bald als erster Europäer den Posten als Leib- und Haremsarzt des Sultans angetragen bekam (Kapitel 7).
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5 Gerhard Rohlfs
Es hätte nicht seinem Naturell entsprochen, sich auf diesem Erfolg auszuruhen. Wieder gab Rohlfs alles auf und wagte 1862 einen Vorstoß in die Sahara, auf dem sich, wie im Vorjahr, sein Diener schon nach wenigen Tagen unter der Mitnahme von Esel und Gepäck absetzte. Trotz dieses Rückschlags drang Rohlfs von Agadir zwischen Hohem Atlas und Antiatlas über das Wadi Draa zur ostmarokkanischen Oasenlandschaft Talifet vor, welche die Kolonialmacht Frankreich erst 30 Jahre später nach vielen vergeblich Anläufen erreichte. Hier besserte er seine Reisekasse auf, indem er als Arzt praktizierte, nur um schon am ersten Abend der Weiterreise unter tätiger Mithilfe seines neuen Dieners von Räubern mit Schusswaffen und Säbelhieben angegriffen und mit zerschmettertem linken Arm in der Wüste liegen gelassen zu werden. Von mildtätigen Menschen gerettet und halbwegs gesund gepflegt, musste Rohlfs fortan mit einem verstümmelten linken Arm und steifen Fingern dieser Hand leben. `51 Unter Vermittlung seines Bruders Hermann gelangten Abschriften der überaus lebendig geschriebenen Reisetagebücher über dieses Abenteuer auf den Schreibtisch von August Petermann (Kapitel 2). Dieser erkannte sofort den wissenschaftlich zwar nur mäßigen Wert des dilettierenden Forschungsnovizen, sah aber dafür das publizistische Potenzial von Rohlfs’ mitreißenden Berichten für seine Monatsschrift. Entsprechend förderte Petermann seine Neuentdeckung energisch mit Rat und Tat: So begleiteten die Honorarzahlungen auch Hinweise zur kartographischen Notierung der durchreisten Gebiete. Und in der Tat erschienen zwischen 1863 und 1869 nur wenige Monatshefte ohne einen Bericht oder Reisebrief aus der fleißigen Rohlfs’schen Feder oder ohne eine Kurzmitteilung über dessen Treiben. So nimmt es kaum Wunder, dass der Name Rohlfs in den 1860er-Jahren noch häufiger in „Petermanns Mitteilungen“ erschien als in den 1850er-Jahren derjenige von Heinrich Barth. Aufgrund der ersten Bekanntheit und vor allem den von Petermann in bewährter Weise eingesammelten Zuschüssen (Kapitel 3 und 8), die vom Bremer Senat über die Royal Geographical Society bis zur Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin kamen, konnte Rohlfs erstmals angemessen mit Instrumenten, Waffen und Medikamenten versehen, im März 1864 von Algier aus einen erneuten Vorstoß ins Innere wagen. Er über-
schritt als erster Europäer den algerischen Atlas vom Mittelmeer bis in die Sahara zur Oasenlandschaft Tidikelt mit dem Ort In-Salah, dabei fleißig Reisebriefe für Petermann verfassend. In dieser Oase versperrten ihm jedoch Kriegshändel der Tuareg sowie ausgehende Geldmittel den beabsichtigten Weitermarsch bis Timbuktu. Deshalb wich er nach Nordosten zurück und erreichte über Ghadames an der heutigen libysch-algerischen Grenze am 29.12.1864 in abgerissenem Zustand wieder die Mittelmeerküste bei Tripolis. Nach 16-jähriger Abwesenheit kehrte er nun erstmals kurz in die Heimat zurück. `52 Den größten Coup seiner Karriere landete Rohlfs mit seiner dritten Saharaexpedition: Unterdessen aufgrund der Reisebriefe nach Gotha ein berühmter Mann, gelang die Geldbeschaffung durch gut besuchte Vortragsveranstaltungen derart rasch und ergiebig, dass er schon am 20.5.1865, kaum ein halbes Jahr nachdem er in Tripolis auf das Meer getroffen war, den gleichen Ort wieder in die Gegenrichtung verlassen konn-
te. Das eigentliche Ziel war in Absprache mit Petermann wieder Timbuktu, doch infolge der immer noch andauernden Kriegshändel weigerten sich seine Begleiter schon in Ghadames, auf diese ein Jahrzehnt zuvor von Barth erreichte Stadt weiter zuzugehen. Rohlfs musste sogar nach Murzuk ausweichen, wo er die Nachricht erhielt, ein weniger xenophober Herrscher habe den Sultansthron des Wadai bestiegen. Dies schien ein lohnendes Ersatzziel, zumal dort vielleicht die Aufzeichnungen des ermordeten Eduard Vogel geborgen werden konnten (Kapitel 3). Über Bilma traf Rohlfs am 25.3.1866 in Kuka ein, wo sich jedoch die Hoffnungen auf den neuen Herrscher des Wadai zerschlugen, der ihm die Einreise verweigerte. Da nach Timbuktu im Westen nun auch der Wadai im Osten verschlossen war, wandte sich Rohlfs notgedrungen, aber entschlossen der Durchquerung noch unerforschter Gebiete nach Süden zu. Am 13. September verließ er Kuka und erreichte, wieder einmal völlig mittellos, am 19.3.1867 den Benue, wo er die Kleider, die er auf
Vom Abenteurer der Sahara zum Forschungsorganisator
52 Kartierung von Rohlfs’ Vorstoß in die zentralV saharischen Oasenlandschaften Tuat und Tidikelt (In-Salah) 1864 (Quelle: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 11 (1865), Tafel 14).
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Übergang vom Einzelreisenden zur Gruppenforschung – das Wirken der Afrikanischen Gesellschaft
53 Photogrammetrischtrigonometrische Aufnahme derr Oase Dakhla, Januar 1874. Der Geodät Wilhelm Jordan hatte bereits 1876 in der Zeitschrift für Vermessungswesen aufgrund seiner bei der Rohlfs’schen Expedition 1873/74 in den Oasen der Libyschen Wüste gemachten guten Erfahrungen mit der Photogrammetrie weitsichtig vorhergesagt, „daß die Photographie in vielen gewissen Fällen mit außerordentlichem Vorteil angewandt werden könnte, z. B. bei schwer zugänglichen Gebirgen und bei Entdeckungsreisen […]“ (Quelle: Wilhelm Jordan: Handbuch der Vermessungskunde, Band 2: Fels- und Land-Messung. Stuttgart 51897, S. 776 – 777).
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m die bis dahin eher zufällig zustande kommenden Expeditionen ins Innere von Afrika, die zudem überwiegend von nicht hinreichend geschulten Reisenden unternommen wurden, zu verstetigen und auf eine wissenschaftliche Grundlage zu stellen, gründete sich im April 1873 in der Reichshauptstadt auf Anregung des Vorstands der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin in Trägerschaft durch Fürsten, das interessierte Bürgertum sowie naturwissenschaftliche und geographische Vereinigungen die „Deutsche Gesellschaft zur Erforschung Äquatorialafrikas“. Eine der ersten Aussendungen war bereits im Winter 1873/74 Rohlfs Expedition in die Libysche Wüste, großzügig unterstützt durch den osmanischen Vizekönig in Kairo. Anstelle des von einem oder wenigen wagemutigen Draufgängern unternommenen Durchzugs zu einem möglichst spektakulären Ziel – ob nun an einen anziehenden Ort oder zur Klärung einer die Öffentlichkeit bewegenden Frage – sah sich der bisherige Einzelgänger Rohlfs hier in der völlig neuen Rolle des Leiters einer wissenschaftlichen Expedition von zehn Fachwissenschaftlern. Darunter befanden sich neben den zu vermutenden Geologen und Botanikern auch der Geodät Wilhelm Jordan und der Fotograf Philipp Remelé, die im Rahmen eines dreimonatigen Aufenthaltes wichtige, aber wenig Aufsehen erregende Grundlagenforschungen in den Oasen Dakhla, Farafrah und Siwa trieben. In der Leitung und Beratung dieser Fachgelehrten erreichte Rohlfs seinen wichtigsten Beitrag zur wissenschaftlichen Erforschung seines saharischen Wandergebiets. Diese wurde in kartographischer Hinsicht gekrönt durch die von Jordan
5 Gerhard Rohlfs
und Remelé vorgenommene erste photogrammetrische Aufnahme auf afrikanischem Boden, ein Plan der Oase und Siedlung Dakhla im Maßstab 1 : 5000. Neben der Berliner Gesellschaft entstand aus dem vom belgischen König Leopold II. im September 1876 in Brüssel veranstalteten Kongress afrikanischer Forschungsreisender die „Association Internationale Africaine“ zur Hebung der Lebensumstände der afrikanischen Völkerschaften, der Bekämpfung des Sklavenhandels, der Förderung von Landwirtschaft, Industrie und Verkehrswegen sowie nicht zuletzt, um den Heiden das Licht des Christentums zu bringen. Noch bevor sich aus dieser internationalen Vereinigung im Verlauf eines Jahrzehnts eine Aktiengesellschaft und schließlich Leopolds Privatkolonie, der Kongo-Freistaat, entwickelte (Kapitel 7), entstanden Nationalkomitees überall in Europa, so auch im Dezember 1876 in Berlin die „Deutsche Afrikanische Gesellschaft“. Da für zwei in ihren Bestrebungen so ähnliche Vereinigungen kein dauerhaftes Auskommen war, erfolgte am 29.4.1878 die Verschmelzung zur „Afrikanischen Gesellschaft in Deutschland“. Diese entsandte im kommenden Jahrzehnt zahlreiche Expeditionen in verschiedenste Teile des afrikanischen Kontinents, so etwa auch die nächste Expedition von Rohlfs 1878 – 79 in die Kufra-Oasen. Eine solch kostspielige Forschungstätigkeit konnte nur aufgrund der Einrichtung eines besonderen Titels im Reichshaushalt angegangen werden, der „für die auf die Erschließung Inner-Afrikas gerichteten wissenschaftlichen Unternehmungen“ bewilligt worden war. Dieser sogenannte Afrikafonds belief sich auf 200 000 Mark pro Jahr, deren Verteilung 1880 Reichskanzler Otto von Bismarck an sich gezogen hatte, da dieser eine bereits in die Wege geleitete Expedition von Tripolis nach Bornu missbilligte, da nach seinen Worten „in der Wüste es nichts zu erforschen gäbe“. Mit der Mitte der 1880erJahre erfolgten kolonialen Aufteilung des schwarzen Kontinents verübelte es der Reichskanzler der Afrikanischen Gesellschaft in Deutschland nachhaltig, dass diese selbst dann noch eine reichsfinanzierte Expedition in den Kongo-Freistaat entsandte, als sich die hanseatischen Kaufleute mit dem Segen des Reichs bereits an der atlantischen Küste Afrikas von Guinea über Togo und Kamerun bis nach Südwestafrika etablierten hatten. Die Folge war, dass der Reichskanzler der Gesellschaft die Zuschüsse aus dem Afrikafonds entzog und die Forschungsförderung auf die neuen eigenen Schutzgebiete konzentrierte. Da ihrer Tätigkeit damit der notwendige finanzielle Boden entzogen wurde, löste sich die Gesellschaft am 11.12.1887 wieder auf.
Gustav Nachtigal – Afrikaforscher durch Zufall und Kolonialpionier wider Willen
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ach der Geburt am 23 23.2.1834 2 1834 im altmärkischen Eichstedt deutete in den ersten drei Jahrzehnten im nicht allzu langen Leben des Gustav Nachtigal wenig auf eine Forscherkarriere hin. Nach dem Medizinstudium wurde er 1858 preußischer Militärarzt in Köln. Als er dort an Lungentuberkulose erkrankte, suchte Nachtigal im trockenen Klima Algeriens Heilung, bevor er 1863 nach Tunis übersiedelte und dort ähnlich der marokkanischen Karriere von Rohlfs zum Leibarzt des Bey aufstieg. Als eben jener Rohlfs 1868 in Tripolis angekommene Ge-
schenke des preußischen Königs nach Bornu zu brin bringen hatte, selbst aber eine Reise in die Libysche Wüste der Gesandtschaftsreise auf bekannter Route vorzog, gewann er den ernsten und gewissenhaften, aber bislang noch überhaupt nicht als Reisender hervorgetretenen Medizinerkollegen dafür, die Geschenke zu begleiten. Als Nachtigal im Januar 1869 von Tripolis auf der Barth’schen Karawanenroute (Kapitel 3) die Sahara querte, die jener als lebhaft begangen beschrieben hatte, die Nachtigal aber infolge einer Verlage-
554 Gustav Nachtigal
555 Das Tibestigebirge. Die aufgrund der Bereisung Nachtigals im Juni bis September 1869 nach dessen peniblen Beschreibungen und einer Handzeichnung entstandene Übersichtsskizze sollte aufgrund der Abgelegenheit und Unwirtlichkeit die erste, lange Zeit einzige und sogar noch jahrzehntelang beste Gesamtkartierung dieses bis 3415 Meter hohen Gebirges bleiben (Quelle: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 16 (1870), Tafel 15).
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d l d vorfand, f d erreichte i h er rung dder Handelsströme verödet schon im März den einst lebendigen Knotenpunkt Murzuk. Von hier aus unternahm Nachtigal als erster Europäer eine sich als sehr schwierig gestaltende Erkundungsreise in das Tibestigebirge, in deren Verlauf er in Bardai in Gefangenschaft geriet, aus der aber schließlich doch die Flucht zurück nach Murzuk gelang. Durch das Tibestiabenteuer fast ein Jahr aufgehalten, verließ er erst im April 1870 Murzuk, um im Juli in Kuka anzulangen, wo die Geschenke übergeben werden konnten. Nach längerem Aufenthalt bereiste Nachtigal von März 1871 bis Januar 1872 die Landschaften Borku und Bagirmi östlich des Tschadsees. Im März 1873 verließ er Kuka endgültig und drang, hierin erfolgreicher als Rohlfs sieben Jahre zuvor, in die deutsche „Schicksalslandschaft“ Wadai vor, die er trotz zeitweiliger Festsetzung durch den Sultan als erster Europäer lebend wieder verlassen konnte. Zuvor war es seinem Takt im Umgang mit den Einheimischen gelungen, das unglückliche Schicksal von Eduard Vogel endgültig zu bestätigen (Kapitel 3). In Verfolgung von Vogels altem Vorhaben setzte Nachtigal nun seine Reise über die jeweils östlich benachbarten Landschaften fort: Am März 1874 erreichte er
El-Fascher, l h den d Hauptort des d Darfur. f Der ddortige i Sultan, l der ein Jahrzehnt zuvor Werner Munzinger die Einreise verleidet hatte, verbot auch ihm die Erforschung seines Reichs, was den Reisenden aber nur zu heimlichen Beobachtungen anstachelte. Über Kordofan gelangte Nachtigal ins Niltal, bevor er am 22.11.1874 in Alexandria seine fast sechsjährigen Wanderungen durch viele von Europäern nie zuvor betretene Landschaften der Sahara und des Sudan beendete. In der Heimat wurde diese Leistung sofort gewürdigt und Nachtigal wurden verschiedene Ehrenämter übertragen, so der Vorsitz der „Deutschen Gesellschaft zur Erforschung Äquatorialafrikas“ und der „Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin“. Mit der Rückkehr nach Tunis 1882 als deutscher Generalkonsul mag Nachtigal auf neue Forschungen gehofft haben, wurde aber dort bereits im Mai 1884 vom Kreuzer „Möwe“ abgeholt, um eher widerwillig die deutschen Privaterwerbungen in Togo, Kamerun und Südwestafrika durch den Abschluss von kaiserlichen Schutzverträgen zu sichern. Auf der Rückfahrt erlag Nachtigal am 20.4.1885 der Malaria und wurde auf Kap Palmas beigesetzt, 1888 aber nach Duala in das von ihm mitbegründete deutsche Schutzgebiet Kamerun umgebettet.
dem Leib trug, für das Anmieten eines Kanus versetzen musste. In der nächsten britischen Handelsfaktorei am Unterlauf des Niger der größten Not entronnen, vollendete Rohlfs auch den letzten Abschnitt dieser unabsichtlichen ersten afrikanischen Kontinentaldurchquerung eines Europäers vom Mittelmeer zur atlantischen Küste bei Lagos am Golf von Guinea. Der Wandertrieb brachte Rohlfs noch im gleichen Jahr zurück nach Afrika, um als preußischer Kriegsbeobachter am britischen Feldzug gegen den Kaiser von Abessinien teilzunehmen. In abermals preußischen Diensten landete er 1868 in Tunis mit dem Auftrag, Geschenke von König Wilhelm an den deutsche Forscher seit Heinrich Barth stets freundlich empfangenden Sultan von Bornu in Kuka zu überbringen. Rohlfs zog es aber in die noch wenig bekannte Becken- und Oasenlandschaft der Libyschen Wüste, deren Depressionscharakter er als erster Reisender feststellte. Zuvor musste er in Tunis aber einen „Ersatzmann“ für den lästigen diplomatischen Auftrag suchen, der sich auch glücklich in Gestalt eines völlig unbe-
kannten Medizinerkollegen fand, Gustav Nachtigal, bis dahin Leibarzt des osmanischen Beys von Tunis. Nach seiner Rückkehr aus der Libyschen Wüste verweilte Rohlfs als gefragter Vortragsredner immerhin vier Jahre in der Heimat, wo er Ehrendoktor in Jena und Preußischer Hofrat wurde. Auch heiratete er 1870 die Nichte des Afrikareisenden Georg Schweinfurth (Kapitel 7). Weniger spektakulär als seine Afrikadurchquerung, dafür aber wissenschaftlich seine bedeutendste Leistung, wurde die vom osmanischen Vizekönig in Kairo großzügig geförderte und mustergültig ausgerüstete Expedition, die Rohlfs 1873 – 74 in Begleitung von zehn Fachwissenschaftlern in die Libysche Wüste zurückbrachte. Die folgenden Unternehmungen waren weniger erfolgreich: 1878 – 79 gelang einer weiteren Expeditionsgruppe unter seiner Leitung nur unter erheblichen Schwierigkeiten ein bis nach dem Ersten Weltkrieg nicht mehr wiederholter Vorstoß zu den extrem christenfeindlichen Kufra-Oasen im Südosten des heutigen Libyen, welche erst in den 1930er-Jahren unter italienische
5 Gerhard Rohlfs
Kolonialherrschaft gerieten – als letzter Teil des afrikanischen Kontinents überhaupt. Spürbar gealtert trat Rohlfs nun in den geruhsamen diplomatischen Dienst als Gesandter beim Kaiser von Abessinien 1880 – 81, zugleich seine letzte Bereisung auf dem Kontinent, und 1884 – 85 als wenig erfolgreicher Generalkonsul in Sansibar. Anschließend zog er sich ins Privatleben zurück, wo es um den einst so populären Abenteurer schon zu Lebzeiten still wurde, bevor er erst 65-jährig
56 Übersichtskarte der wichtigsten Routen (groß-)deutscher Forschungsreisender in Afrika. Als letzter Höhepunkt der Gothaer Explorationskartographie erschien1893 – 97 in Lieferungen der vom völkischen Kartographen Paul Langhans entworfene „Deutsche Kolonial-Atlas“. Der Ausschnitt des Übersichtsblatts zum „Anteil der Deutschen an der Erforschung des Erdteils“ zeigt neben den Routen von Rohlfs und Nachtigal auch diejenigen weiterer herausragender Reisender während des gesamten 19. Jahrhunderts in West- und Nordafrika sowie den Nilländern (Quelle: Paul Langhans: Deutscher Kolonial-Atlas. Gotha 1892 – 97).
Vom Abenteurer der Sahara zum Forschungsorganisator
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an den in Afrika zugezogenen Verletzungen leidend bei Bad Godesberg am 2.6.1896 verstarb. Der zwei Jahrzehnte hindurch fast ständig auf Expeditionen oder Gesandtschaften weilende Hanseat war wohl der letzte Afrikareisende von Rang, der die Anerkennung seiner Zeitgenossen wesent-
lich durch seine Abenteuer und fesselnden Berichte hierüber errang, wohingegen er erst spät über die Rolle eines der ersten Leiter von wissenschaftlichen Gemeinschaftsexpeditionen zu vertiefter Forschung fand.
1856 – 60 Dienst in der französischen Fremdenlegion als Arzt und Apotheker in Algerien 1861 Reise von Tanger nach Fes und Leibarzt des Sultans von Marokko
Biographie Gerhard Rohlfs
1862 Expedition von Agadir in die Oase Talifet
1831 geboren am 14.4. in Vegesack bei Bremen
1864 Expedition von Algier in die Saharaoase In-Salah und zurück nach Tripolis
1849 – 50 Kriegsfreiwilliger im Deutsch-Dänischen Krieg 1850 – 53 Studium der Medizin in Göttingen, Heidelberg und Würzburg 1854 – 55 wandernder Wundarzt in Österreich, der Schweiz und Italien
1865 – 67 Expedition von Tripolis über Kuka nach Lagos als erste Saharadurchquerung 1867 – 68 preußischer Gesandter beim Kaiser von Abessinien und Beobachter auf der britischen Militärexpedition gegen Abessinien
1868 – 69 Expedition in die Libysche Wüste 1870 – 73 Aufenthalt in Deutschland mit wiederholten Vortragsreisen 1873 – 74 Leitung einer Fachgelehrtenexpedition zu den östlichen Oasen der Libyschen Wüste 1875 – 76 Vortragsreise durch die USA 1878 – 79 Expedition in die libysche Kufra-Oase 1880 – 81 deutscher Gesandter beim Kaiser von Abessinien 1884-85 deutscher Generalkonsul im Sultanat Sansibar, danach Rückzug ins Privatleben 1896 gestorben am 2.6. in Rüngsdorf bei Bad Godesberg
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5 Gerhard Rohlfs
wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Ergänzungsband V, Ergänzungsheft 25). Gotha 1868. ROHLFS, GERHARD: Gerhard Rohlfs‘ Reise durch Nord-Afrika vom Mittelländischen Meere bis zum Busen von Guinea, 1865-1867. 2. Hälfte: Von Kuka nach Lagos […] (= Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Ergänzungsband VII, Ergänzungsheft 34). Gotha 1872. WEIDMANN, CONRAD: Deutsche Männer in Afrika. Lexicon der hervorragendsten deutschen Afrika-Forscher, Missionare etc. Lübeck 1894. WEISS, MAX: Die geschichtliche Entwicklung der Photogrammetrie und die Begründung ihrer Verwendbarkeit für Meß- und Konstruktionszwecke. Stuttgart 1913.
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Oscar Baumann Afrikaforscher der nächsten Generation
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ls Oscar Baumann am 25.6.1864 in Wien als Sohn eines Bankbeamten geboren wurde, hatten Heinrich Barth und Johann Krapf den afrikanischen Kontinent schon lange verlassen, Gerhard Rohlfs stand an der Schwelle zum Ruhm, Gustav Nachtigal und Emin Pascha sollten ihm wenige Jahre später folgen. Mit den Berichten dieser Pioniere aufgewachsen, empfing Baumann als der wohl herausragendste Vertreter der zweiten Generation der Afrikaforscher eine wesentlich fundiertere kartographische Vorbereitung als jene. Allerdings war ihm in seinem kurzen Leben dann nur ein einziges, aber sehr ergebnisreiches Jahrzehnt des Wirkens vergönnt. Nach dem Gymnasium hörte er ab 1882 einige Vorlesungen vor allem in Geographie und übte sich am Militärgeographischen Institut in
Wien in Terrainaufnahmen und im Kartenzeichnen. Gerade 19 Jahre alt unternahm Baumann seine erste selbstständige Forschungsreise nach Montenegro und Albanien, deren kartographisches Ergebnis die Kaiserlich-Königliche Geographische Gesellschaft in Wien als seinen Erstling publizierte. Nach dem Militärdienst wurde er aufgrund der auf dem Balkan erworbenen Sporen dazu ausgewählt, die von Oscar Lenz geleitete österreich-ungarische Kongoexpedition 1885 – 87 als Topograph zu begleiten. Als Baumann Anfang 1886 bei den Stanleyfällen schwer erkrankte, trennte er sich von der Expedition, reiste den Kongo hinab zur Mündung, weiterhin so gut es eben ging die Topographie aufnehmend. Zur Erholung auf der spanischen Plantageninsel Fernando Póo in der Bucht von Biafra entwarf er de-
Oscar Baumann um 1896
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57 Übersichtskarte der Insel Fernando Póo. Erste moderne Kartierung der Plantageninsel in der Bucht von Biafra in Baumanns Zeichnung nach eigenen Aufnahmen Quelle: Dr. A. Petermanns Mitteilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt, Jahrgang 33 (1887), Tafel 14).
ren erste moderne Landeskunde, die 1887 als Buch erschien. Nachdem Baumann 1888 über diese Insel in Leipzig in Geographie promoviert hatte, folgte der nächste Vorstoß nach Afrika, der aber ebenfalls scheiterte: Von Hans Meyer als Begleiter für seinen zweiten Gipfelversuch am Kilimandscharo verpflichtet (Kapitel 4), gerieten beide schon beim Anmarsch in den Araberaufstand, wurden als Geiseln in Ketten gelegt und erst nach einer beträchtlichen Lösegeldzahlung wieder frei gelassen. `57 Unerschrocken versuchte sich Baumann im folgenden Jahr ein drittes Mal in Afrika, als ihm
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die Untersuchungsexpedition der Eisenbahntrasse von Tanga ins kolonialwirtschaftlich wertvolle Usambara angeboten wurde. Der Eisenbahnbericht und die grundlegende landeskundliche Studie des Berglands trugen dem 26-Jährigen ein derartiges Renommee ein, dass er amtlicherseits mit der Leitung der „Massai-Expedition“ betraut wurde. Diese sollte geeignete Verkehrswege im nördlichen Deutsch-Ostafrika von der Küste über die Massaisteppe zwischen Kilimandscharo und Victoriasee, wo er den Ngorongorokrater entdeckte, bis hin zu den dahinter aufragenden und noch völlig unbe-
„Topographische Aufnahmen auf Reisen“, 1894
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d i h f li h i d mann war „das wichtigste seiner Forschungen [...] immer die Kartenaufnahme“, wie sich sein ostafrikanischer Reisegefährte Hans Meyer bewundernd erinnerte (Kapitel 4). „Auf Nachtmärschen mit der Handlaterne und bei Durchzügen durch feindliche Volksmassen mit dem Gewehr im Arm, las er ununterbrochen Compaß und Uhrzeiten ab und notirte Beobachtetes. An seiner Willensenergie brachen alle Widerstände. ‚Bwana Kivunja‘, der Zerbrecher, hieß er beim ostafrikanischen Neger mit Recht.““ In der Tat hatten willige Forschungsreisende in offenen Landschaften wie den Steppen und Savannen Ostafrikas zumeist wenig Schwierigkeiten, das Gelände zu erfassen. Neben die am Beispiel von Emin Pascha (Kapitel 7) erläuterte Routenaufnahme trat an günstigen Übersichtspunkten die Zeichnung von Rundpeilungen, in welche alle im Umkreis wahrnehmbaren Landmarken mit ihren Kompasspeilungszahlen eingetragen wurden. Die regelmäßige Vornahme solcher Rundpeilungen ergab eine das durchzogene Gelände überdeckende Marschtriangulation, welche die angeschnittenen Punkte mit einer größeren Lagesicherheit wiedergaben, als durch bloße Routenaufnahmen mit gelegentlichen Fernpeilungen allein erreicht werden konnte. Schließlich traten noch barometrische Höhenmessungen hinzu sowie, wenn irgend möglich, Versteifungen durch gelegent-
li h astronomische liche i h Ortsbestimmungen b i zumindest i d nachh der geographischen Breite. Eine praktische Anleitung für Novizen dieses Aufnahmewesens aus Baumanns Feder veröffentlichten 1894 die amtlichen „Mittheilungen aus den deutschen Schutzgebieten von Forschungsreisenden und Gelehrten“ unter dem Titel „Topographischen Aufnahmen auf Reisen““ mit der dringenden Empfehlung der Nachahmung. Die von wissenschaftlichen Reisenden dieser Zeit im Feld in Afrika wie auch auf den anderen Kontinenten unternommenen im Grunde einfachen aber beachtliche Willensstärke erfordernden Aufnahmeverfahren schildern die folgenden Auszüge sehr anschaulich: „Die nachfolgenden Winke sind für Reisende berechnet, welche fast oder ganz unerforschte Gebiete besuchen und die Aufgabe haben, dieselben topographisch i festzulegen. [...] Zurr Routenaufnahme dienen Kompass und Taschenuhr. Der Kompass ist viereckig und zwar derart hergestellt, dass die Kanten den vier Hauptrichtungen der Theilung parallel laufen. Die Eintheilung ist rechts herum von 0 bis 360°. Die Sperrvorrichtung in Form einer Schraube befindet sich an der Südostecke. In trockenen Klimaten kann das Gehäuse aus Holz sein. In feuchten tropischen Ländern muss dasselbe jedoch aus Metall (Messing) gefertigt sein, da Holzbestandtheile sich werfen und das Inst-
Afrikaforscher der nächsten Generation
58 Musterblätter aus Baumanns Beobachtungstaschenbuch mit abgekürzten Marschnotizen (links), einer Feldskizze (Mitte) und einer Auskonstruktion von Notizen, Skizze und Peilungen (rechts; Quelle: Oscar Baumann: Topographische Aufnahmen auf Reisen, in: Mittheilungen von Forschungsreisenden und Gelehrten aus den Deutschen Schutzgebieten, Band 7 (1894), S. 4).
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59 Marschkompass (oben) und Libelle (unten); Quelle: Oscar Baumann: Topographische Aufnahmen auf Reisen, in: Mittheilungen von Forschungsreisenden und Gelehrten aus den Deutschen Schutzgebieten, Band 7 (1894), S. 6).
rument unbrauchbar machen. Die Taschenuhr hat keinen Deckel, sondern nur ein festes Glas. Man thut gut, mehrere vorher gut eingeschliffene Reservegläser mitzunehmen, um die Uhr, falls das Glas einmal zerbricht, nicht unbrauchbar werden zu lassen. Die Beobachtung besteht darin, dass der Reisende bei jeder erheblichen Wegbiegung die Uhrzeit und Kompassrichtung abliest. Wenn der Topograph mit einer Karawane marschirt, so hält er sich am Ende derselben 30 bis 40 Schritt hinter den letzten Leuten auf. Er kann dann, besonders wenn er auf einem Reitthier sitzt, die Hauptrichtung des Marsches und jede nennenswerte Aenderung desselben meist gut erkennen, besonders wenn an der Spitze der Karawane eine Flagge oder sonst ein hoher Gegenstand getragen wird. Bei einigermaassen guter Marschdisziplin ist die Geschwindigkeit am Ende der Karawane nicht unregelmässiger wie an der Spitze. Der Vorgang bei der Beobachtung ist folgender: Der Reisende i trägt den Kompass in der rechten unteren Rocktasche, die er, wenn derselbe von Messing ist, mit Leder füttern lässt. In der linken oberen Rocktasche trägt er ein halbsteif gebundenes Oktavheft, in welchem ein Bleistift (Faber Nr. 3) bei jenen Seiten liegt, die gerade beschrieben werden, so dass sie sich beim Gebrauch ohne Weiteres aufklappen. An einem Rockknopf befestigt er ein Endchen blauen Bleistift. Ferner hat er einen Radiergummi stets bei sich. Sobald der Reisende eine Biegung des Weges wahrnimmt, sieht er auf die Uhr. Hierauf stellt er den Kompass
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so, dass d die di Nord-Südlinie d dli i iin di die Richtung ih des d Weges fällt, und liest die Zahl ab, auf welche das blaue (Nordende) der Nadel zeigt. Dass er den Kompass richtig hält, erkennt er daran, dass die Sperrschraube rechts unten ist. Dann schreibt er Uhrzeit und Kompasslesung auf die linke Seite des Taschenbuches. Die rechte bleibt zum Einzeichnen des Croquis frei. […] Während derart der Routentext auf der linken Seite des Taschenbuches vermerkt wird, dient in bergigem Terrain die rechte Seite für die Terrainskizze. […] Die in die Skizze eingeschriebenen Zahlen sind Uhrzeiten, diese werden im Routentext unterstrichen, um Verwechselungen unmöglich zu machen. Das Terrain wird in Formenlinien dargestellt, die Gewässer blau eingezeichnet. Bei dieser Skizze kommt ess weder auf Maasstab noch auf Richtung an, sondern nur auf möglichst charakteristische, wenn auch rohe Wiedergabe des Terrains. Dass man, um dies im Stande zu sein, einige Uebung im topographischen Zeichnen nach der Natur besitzen muss, ist selbstverständlich, doch ist dieselbe unter geeigneter Anleitung leicht zu erlernen. `58 Bei einiger Uebung kann ein Reisender, der zu Fuss marschirt, die sämtlichen angeführten Arbeiten ausführen, ohne stehen zu bleiben. Doch empfiehlt es sich, anfangs beim Ablesen des Kompasses einen Augenblick
60 Detaillier- oder Peilungsbrett mit aufgelegtem Diopterlineal zum Anvisieren und Einzeichnen angepeilter Geländepunkte (Quelle: Oscar Baumann: Topographische Aufnahmen auf Reisen, in: Mittheilungen von Forschungsreisenden und Gelehrten aus den Deutschen Schutzgebieten, Band 7 (1894), S. 5).
i h l b einzuhalten, man kkann ddann auff etwa 5°° genaue Beobachtungen bekommen. Gegenstände aus Eisen muss der Topograph natürlich entfernt von sich halten. Wenn die Marschrichtung sich anscheinend längere Zeit nicht ändert, so empfiehlt es sich, besonders in waldiger oder hochbegraster Gegend, zur Kontrolle doch manchmal auf den Kompass zu sehen, doch braucht die Ablesung, falls sie von der vorigen nicht abweicht, nicht verzeichnet zu werden. Wer auf einem Esel, Pferd oder Kamel reitet, kann sämtliche Routenbeobachtungen ausführen, ohne anzuhalten, wenn das Thier einigermaassen ruhig geht. Wer im Kanu fährt oder in der Hängematte getragen wird, legt den Kompass am besten an eine gesicherte Stelle und orientirt ihn nach der Hauptachse des Kanus (der Hängematte). Er kann dann die Sperrvorrichtung öffnen und die Richtungsänderung direkt ablesen. Angaben über die Geschwindigkeit des Marsches, z. B. wie viele Schritte durchschnittlich in der Minute zurückgelegt werden, sind sehr erwünscht. Im Lager angelangt, sowie an Orten, wo längerer Aufenthalt genommen wird, öffnet man die Sperrvorrichtung des Kompasses und stellt ihn horizontal an einen gesicherten Ort. `59 Hand in Hand mit den Routenaufnahmen gehen die Peilungen. Dieselben werden mit dem Detaillirbrett und mit der Schmalkalder Boussole ausgeführt. Das Detaillirbrett ist ein gewöhnliches kleines Reissbrett, welches auf ein Stativ aufschraubbar ist. In tropischen Ländern, wo geleimte Bretter leicht zerfallen, müssen dieselben durch zwei Messingdrähte, welche das Brett der Breite nach durchbohren, festgehalten werden. Das Stativ hat drei Beine, welche durch je eine Schraube festgehalten werden. Um die zum Festdrehen dienenden Schraubenmuttern nicht zu verlieren, wird am Ende der Schrauben ein Knopf angebracht. Als Zubehör zum Brett dienen die Libelle und das Diopterlineal. […] `60 Die Beobachtung mit dem Detaillirbrett, das Anfertigen einer trigonometrischen Rundsicht geschieht an Punkten, welche einen guten Ueberblick über das Terrain darbieten. Solche liegen nicht immer an der Route, sondern müssen erst besonders aufgesucht werden, was sich besonders vom Lager aus empfiehlt. Zur Beobachtung wird das Stativ aufgestellt und das Brett daraufgeschraubt. Hierauf wird ein Blatt Zeichenpapier mit vier Reissnägeln, die man stets im Brett stecken lässt, aufgespannt. Man stellt hierauf das Brett nach dem Augenmaass durch Verstellen der Beine horizontal, was an Orten, wo der Horizont sichtbar ist, recht genau möglich ist, wenn man über die Fläche des Brettes auf den Horizont visirt. Hierauf legt
man die Libelle erst parallel der Schmalseite, dann parallel der Längsseite des Brettes und sucht durch Einstossen der Spitzen der Stativfüsse in den Boden das Einspielen der Libelle in beiden Lagen zu erreichen. Dies ist in weichem Boden leicht, bei hartem steinigen Boden aber oft recht mühsam, so dass man gut thut, bei Wahl des Platzes auf diesen Umstand Rücksicht zu nehmen. Am besten ist es, das Aufstellen und Nivellieren des Brettes gleich von Anfang f an dem topographischen Gehülfen beizubringen, der dies, wenn er halbwegs intelligent ist, rasch lernt, und sich dann von dem richtigen Einspielen der Libelle zu überzeugen. […] `61 Dann beginnt man mit dem Diopterlineal zu visiren. Will man z. B. einen Berg a anpeilen, so legt man das Diopterlineal fest an die Nadel an und verschibt es – doch so, dass es stets die Nadel berührt – so lange, bis man durch die Okularspalte den Objektivfaden und den Berg a in einer Linie erblickt. Hierauf zieht man, ohne das Auge von der Okularspalte zu entfernen, mit einem harten Bleistift (Faber No. 5) den Peilungsstrahl r von der Nadel aus längs des Diopterlineals. Dann schiebt man das Lineal von der Nadel ab und zeichnet am Ende des Strahles das Profil des Berges a leicht ein. Hierauf wiederholt man dasselbe mit einem Objekt b und fährt fort, bis man nach allen wichtigen Terrainobjekten Peilungsstrahle gezogen hat.
Afrikaforscher der nächsten Generation
61 Rundpeilung als Ergebnis der Arbeit mit Detaillierbrett und Diopterlineal (Quelle: Oscar Baumann: Topographische Aufnahmen auf Reisen, in: Mittheilungen von Forschungsreisenden und Gelehrten aus den Deutschen Schutzgebieten, Band 7 (1894), S. 7).
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[ ] Es empfiehlt fi hl sich i h sehr, h auff dder Rückseite k i dder Rundd […] sicht aus freier Hand ein Terraincroquis anzufertigen, indem man versucht, die in der Rundsicht im Profil angedeuteten Objekte in horizontaler Projektion darzustellen. Man zeichnet immer erst die Wasserläufe, dann die Gebirge ein. Bei kleineren Terrainabschnitten kann man die Bergformen gleich in der Rundsicht in Formenlinien darstellen […]. `62 Bei den Rundsichten kommt es hauptsächlich darauf an, dieselben Punkte möglichst oft anzupeilen, nicht nur um dieselben festzulegen, sondern um eine Kontrolle der Routenaufnahme zu bekommen. Eine solche erhält man auch durch Anpeilen von Punkten, die in der bereits zurückgelegten Route gelegen sind, doch ist es nicht immer leicht, solche genau zu erkennen. […] `63 Die Höhenmessungen werden mit Aneroidbarometer und Thermohypsometer ausgeführt. Zur Routenaufnahme empfiehlt es sich, ein grösseres Instrument zu benutzen, welches der topographische Gehülfe in einem Futteral an einem Riemen trägt. Für Höhen über 2500 Meter hat man ein besonders kleines Insrument und nimmt das grössere womöglich nicht dahin mit. Die Beobachtung erfolgt so oft als möglich, vor Allem in Thälern und auf Höhen, bei Rasten immer knapp vor dem Abmarsch. Bei
62 Freihändiges Terraincroquis [= Entwurfszeichnung auf dem Ma Marsch] arsch] eines Flusstals in den Usambarabergen mit angedeuteten Formlinien eines erfahrenen Aufnehmenden (Quelle: Oscar Baumann: Topographische Aufnahmen auf Reisen, in: Mittheilungen von Forschungsreisenden und Gelehrten aus den Deutschen Schutzgebieten, Band 7 (1894), S. 9).
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d Beobachtung der b h giebt i b man dem d Aneroid id einen i kl kleinen i Schlag und liest den Barometerstand ab, dann liest man die Temperatur am Thermometer im Instrument und bestimmt die Lufttemperatur mit dem Schleuderthermometer. Das Schleuderthermometer steckt in der rechten oberen Rocktasche, der Deckel seines Futterals ist durchbohrt und durch denselben geht der Seidenfaden des Thermometers, dessen Ende an einem Rockknopf befestigt wird. Zur Beobachtung wird das Thermometer etwa 1 Minute lang rasch im Kreise geschwungen und dann abgelesen. […] Auf astronomische Ortsbestimmungenn kann hier nicht eingegangen werden, da dieselben doch unbedingt praktisch unter Leitung eines Fachmannes erlernt werden müssen. Als Instrument empfehlen sich ein Universal-Instrument mit gebrochenem Fernrohr, das besonders in den Tropen sehr vortheilhaft ist, da es gestattet, die Sonne selbst bei Zenithstand zu beobachten, ferner Reflexionskreis (event. mit Stativ) und künstlicher Horizont. Als Uhren benutzt man Halbchronometer [= sehr gangstabile Uhren zur Gewinnung der bei der Berechnung der geographischen Länge notwendigen Kenntnis der Zeitdifferenz zwischen einem bekannten Referenzort und dem Messstandort], oder mindestens drei gute Glashütter Ankeruhren im Preis von je ca. 180 Mk., von denen eine nach Sternzeit regulirt sein sollte, die in ein Holzkästchen verpackt, in Wachstuch eingewickelt und unterwegs zwischen Wäsche gelegt werden. Das tägliche Aufziehen der Uhren gehört – so unglaublich dies klingen mag – zu den schwierigsten Aufgaben des Reisenden. Es empfiehlt sich, möglichst viele Leute mit Verrichtungen zu beauftragen, die sich auf das Aufziehen der Uhren beziehen. So liess ich einen meiner Jungen die Uhren abends auspacken und bereit legen, derselbe musste sie mir morgenss zum Aufziehen bringen. Dann musste ein anderer Junge die Uhren aus meiner Hand übernehmen und im Beisein des diensthabenden Unteroffiziers im Koffer verwahren, worauf der Unteroffizier mir meldete, dass die Uhren richtig verpackt seien. Schliesslich musste der Träger bei der ersten Rast melden, dass er den Koffer mit den Uhren richtig übernommen habe. Auf diese Art wurde ich so oft an das Aufziehen der Uhren erinnert, dass ein Vergessen nahezu ausgeschlossen war. Dennoch kam ein solches anlässlich der blutigen Gefechte in Mugango vor. Im Allgemeinen lehrt die Erfahrung, dass Breitenbestimmungen auf Inlandreisen selbst von ungeübten Beobachtern recht verlässlich angestellt werden, während Län-
b i i lf h sehr h mangelhaft lh f sind, i d selbst lb genbestimmungen vielfach wenn sie von gründlich geschulten Fachleuten vorgenommen wurden. Der Grund liegt in dem unregelmässigen Gang der Uhren und in den zahlreichen Fehlerquellen, welche die absoluten Methoden der Längenbestimmungen enthalten. Im Allgemeinen sind die Ergebnisse, welche die Routenkonstruktion und vor Allem die trigonometrischen Rundsichten ergeben, ohne Vergleich genauer als astronomische Längenbestimmungen. Besonders wenn der Reisende sich in Routenschleifen durch ein abgeschlossenes Gebiet bewegt, giebt ein aus den Rundsichten konstruirtes Dreiecksnetz oft die beste Grundlage für die Karte. Bei grossen Inlandsreisen freilich wird sich ein solches kaum jemals ergeben und muss Alles daran gesetzt werden, um gute Längen zu erhalten. Breitenbestimmungen und Zeitbestimmungen können und müssen unter allen Umständen gemacht werden, schon um die zur Konstruktion unumgänglich nothwendige magnetische Missweisung zu erhalten. Dieselbe wird am einfachsten bestimmt, indem man an Orten, wo Zeit und Breite ermittelt wurden, die Sonne morgens und abends mit der Schmalkalder Boussole anpeilt und die Ablesung mit der Uhrzeit der astronomischen Beobachtungsuhr anmerkt. Aus den Breitenbestimmungen lassen sich sehr oft die Längen durch Peilungen bestimmen. Der Reisende muss vor Allem darauf bedacht sein, möglichst viel Material zu sammeln und dasselbe in solcher Form zu verzeichnen, dass es im Nothfalle auch Anderen verständlich ist. Im Lager angelangt, braucht er sich nicht mehr um die Aufnahmen zu kümmern, da es, falls er Alles, was er sah, bereits unterwegs verzeichnet hat, vollkommen gleichgültig ist, ob er die Aufnahme sofort oder erst in Jahren konstuirt. Seine freie Zeit benutzt er besser zur Ersteigung einer Anhöhe und Anfertigung einer Rundsicht, oder zu anderen wissenschaftlichen Arbeiten. Höchstens kann er bei langen Reisen das mit Bleistift ins Taschenbuch Eingetragene abends mit Tinte nachziehen, was rasch geschehen ist. Es sei hier betont, dass ich keineswegs den Werth sofortiger Konstruktion verkenne, bei welcher aus frischem Gedächtniss immerhin noch Manches ergänzt werden kann. Doch ist sie bei sorgfältiger Arbeit unterwegs keineswegs unbedingt nöthig, und ich sehe daher davon ab, dieselbe vorzuschlagen, weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass ähnliche Anleitungen meist an dem Mangel leiden, dass man von den Reisenden zuviel verlangt. Dieselben wenden sich ja nur in Ausnahmefällen an eigentliche Forschungsreisende, sondern meist an Of-
63 Terraincroquis eines sumpfigen Flusstals in Ruanda von einem Peilpunkt aus mit roher Einzeichnung der Geländeformen (Quelle: Oscar Baumann: Topographische Aufnahmen auf Reisen, in: Mittheilungen von Forschungsreisenden und Gelehrten aus den Deutschen Schutzgebieten, Band 7 (1894), S. 11).
fiziere, Missionare u.s.w. Wenn solche nun lesen, dass sie unterwegs unaufhörlich beobachten, abends eine ,Rohkonstruktion’, an Ruhetagen eine ,Reinzeichnung’ machen, dann nachts womöglich noch astronomisch beobachten sollen, so gelangen sie sehr oft zu dem Beschluss, gar nichts zu machen. […] Die Methoden topographischer Aufnahmen, die hier Erwähnung fanden, sind keineswegs schwierig, ja jede für sich betrachtet, äusserst primitiv, liefern aber doch in ihrer Gesammtheit ein Bild des erforschten Landes, wie es von einem Einzelnen nicht besser verlangt werden kann. Die Haupteigenschaft des reisenden Topographen ist Ausdauer: niemals und unter keinen Umständen t darf die Aufnahme unterbrochen werden“ (Quelle: Oscar Baumann: Topographische Aufnahmen auf Reisen, in: Mittheilungen von Forschungsreisenden und Gelehrten aus den Deutschen Schutzgebieten, Band 7 (1894), S. 1 – 14).
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Richard Kandt – Dichter, Kolonialbeamter und wahrer Entdecker der Quelle des Weißen Nil 64 Richard Kandt, 1897
„Heut nacht h hhab‘ b iichh den d Todd bbeii mir i gesehen, h Er saß an meinem Bett und sprach Mit sanfter Stimme: Willst Du mit mir gehn? Ich zeige Dir die Straße – folge nach. […]“
(Quelle: Richard Kandt: Caput Nili. Eine empfindsame Reise zu den Quellen des Nils. Berlin 1904, S. XXVI).
Mit Haumessern und auf allen vieren – Kandts Vorstoß zur Quelle des Nil
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er am 17.12.1867 in eine jüdisch-intellektuelle Kaufmannsfamilie in Posen geborene Richard Jakob Kantorowicz, der seinen Nachnamen später in Kandt änderte, studierte Medizin und praktizierte danach zeitweise in der Kreisirrenanstalt Bayreuth. Nach der Beschäftigung mit Geographie und afrikanischen Sprachen unternahm er 1897 – 1901 mehrere teils von ihm selbst finanzierte Forschungsreisen durch den gebirgigen und dicht besiedelten Nordwesten des Schutzgebiets Deutsch-Ostafrika. Dabei bestimmte er im August 1898 in Ruanda den von Oscar Baumann im September 1892 bei dessen Durchzug nicht hinreichend genau festgestellten Quellbach des rund 850 Kilometer langen Gebirgsflusses Kagera. Nach der Heimkehr legte der Gedichte schreibende sensible Einzelgänger 1904 mit „Caput Nili. Eine empfindsame Reise zu den Quellen des Nils““ in vierzig Briefen eines der ungewöhnlichsten, offensten und lesenswertesten Erinnerungsbücher über Erlebnisse, Menschen und Zustände im deutschen Kolonialreich vor. In Vorbereitung der für später vorgesehenen Inverwaltungnahme jenes entlegenen Landesteils wurde Kandt, seit 1905 wieder in Ruanda, als bester Kenner jener Gebiete 1907 – 13 zu einem Gesandten ähnlichen Kaiserlichen Residenten im politisch heiklen Ruanda-Urundi. Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs in der Heimat, ging er an die Front und starb am 29.4.1918 nach langem Leiden an einer im Juli 1917 zugezogenen Gasvergiftung mit anschließender Lungentuberkulose in einem Nürnberger Lazarett. Noch am Tag zuvor las er in seinen Kriegsgedichten, darunter den Anfang des folgenden:
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6 Oscar Baumann
„Ich folgte also dem Rukarara stromaufwärts, zuerst nach Südwesten, später nach Westen. Je weiter wir in die Randgebirge hineingerieten, um so schwieriger wurde das Terrain. Aber doch war es mir, wenn auch unter großen Anstrengungen, möglich, dem Flußlauf zu folgen und ihn nur vorübergehend, wenn das schroffe Gelände es nicht anders gestattete, zu verlassen. Es war eine böse Zeit für uns alle, und es kostete wahrlich manche Überwindung, nicht zu verzagen, wenn man eben einen hohen steilen Berg mühsam erklommen hatte, auf dem schmalen Kamm zu sehen, daß man sofort wieder eben so tief hinab muß und daß eine unübersehbare Kette gleich hoher Berge noch vor einem liegt. Da heißt es, die Zähne zusammenbeißen. […] Am fünften Tage begannen die Ansiedlungen seltener zu werden; am sechsten hörten sie ganz auf. […; am 10. Tag:] Es waren herrliche Hochtäler, durch die wir dem allmählich auf eine Breite von vier Metern und Knöcheltiefe gesunkenen Rukarara folgten […] Zahlreiche Nebenschluchten führen dem Haupttal kleine Bäche zu, und je weiter stromaufwärts wir marschieren, um so rascher nimmt die Wassermenge des Rukarara ab. Die Abende in diesen herrlichen Tälern hatten einen besonderen Zauber. Den ganzen Nachmittag türmten die Träger Scheiterhaufen, die nach Sonnenuntergang entzündet wurden und die Nacht hindurch das Tal und den Waldrand erleuchteten. […] Es war am Ende eines solchen Tales, das ich Mitte August 1898 […] mit meiner Karawane erreichte. Nur noch als 30 Zentimeter breites Rinnsal kam hier der Rukarara aus einer pfadlosen, mit Wald und üppigster Vegetation erfüllten Schlucht. In diese drang ich am nächsten Tage mit einem Eingeborenen und einigen meiner Leute ein. Es war eine schlimme Arbeit; für je 500 Meter brauchten wir fast eine Stunde. Aber mit Äxten und Haumessern brachen wir 65 Richard Kandts Erkundungszüge durch die Landschaften Ruanda-Urundi mit der Nilquelle (Kreis) auf etwa 2° 40' Nord und 29° 20' Ost (Quelle: Richard Kandt: Caput Nili. Eine empfindsame Reise zu den Quellen des Nils. Berlin 1904, Kartenbeilage).
h undd oftf im i Morast bis bi zum Leib ib versinkend, i k d oftf uns Bahn auf allen Vieren in den eiskalten Bach selber kriechend, durch Schluchten und Nebenschluchten langsam ansteigend, erreichten wir nach mühevollen Stunden, erschöpft, durchnäßt, von oben bis unten besudelt, einen feuchten
Kessell am Ende d einer i Klamm, l aus deren d Boden d di die Quell le nicht sprudelnd, sondern Tropfen für Tropfen dringt: Caput Nili“ (Quelle: Richard Kandt: Caput Nili. Eine empfindsame Reise zu den Quellen des Nils. Berlin 1904, S. 320 – 322).
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Biographie von Oscar Baumann 1864 geboren am 25.6. in Wien 1882 Studium der Geographie und Naturwissenschaften in Wien Ausbildung am Militärgeographischen Institut Wien 1883 erste Reise nach Montenegro und Albanien 1883 – 84 Militärdienst beim Tiroler Jägerregiment und Abgang als Reserveoffizier 1885 Teilnahme an der Kongoexpedition von Oskar Lenz als Topograph 1886 – 87 krankheitsbedingtes Verlassen der Expedition und Forschungen auf der Insel Fernando Póo während der Rekonvaleszenz 1888 Promotion in Geographie in Leipzig und Begleitung von Hans Meyer auf dessen zweite Kilimandscharoexpedition 1889 zweite Reise nach Montenegro 1889 – 90 Expedition in Deutsch-Ostafrika im Usambarabergland zur Erkundung der Eisenbahntrasse von Tanga nach Korogwe 1892-93 Expedition durch Deutsch-Ostafrika von Pangani nach Ruanda-Urundi mit Erkundung der Quellen des Weißen Nil 1893 – 95 Auswertung der Forschungsergebnisse in Wien 1895 Expedition in Deutsch-Ostafrika im Hinterland von Pangani 1896 – 99 Österreich-ungarischer Konsul auf Sansibar 1899 gestorben am 12.10. in Wien
kannten Bergländern von Ruanda-Urundi erforschen. Am 15.1.1892 verließ Baumann den Hafen Tanga mit 200 Trägern und Soldaten, erreichte bereits am 12. April den Victoriasee und hatte dabei die erste wissenschaftlich gründliche Routenaufnahme nebst weiteren Beobachtungen und Sammlungen in jenem Teil des Schutzgebiets geleistet. Ende Juli folgte er dem Kagera, dem bedeutendsten Zufluss des Victoriasees, als erster Europäer hinauf ins Bergland von Ruanda und glaubte in einer der vielen Verästelungen des Oberlaufs am 18. September die Quelle des Nil gefunden zu haben. Hierin sollte er sich aber genauso irren wie zuvor John Hanning Speke, der 1857 den Victoriasee als erster Europäer erreicht hatte, aber erst bei seinem zweiten Besuch 1862 den See umrunden konnte, dabei im Norden einen mächtigen Ausfluss fand, dem er flussab bis Khartum folgte, von wo er das berühmte Telegramm nach London kabelte, das am 11.5.1863 auf einem Treffen der Royal Geographical Society verkündet wurde: „The Nile is settled.“ Baumann jedenfalls verließ im sicheren Gefühl, nun die wirkliche Quelle des Weißen Nils gefunden zu haben, das Bergland und erreichte über den Tanganyikasee, Tabora und die Massaisteppe am 21.2.1893 bei Pangani wieder die Küste. Nach der heimischen Auswertung der bis dahin ergebnisreichsten Forschungsreise in diesem deutschen Schutzgebiet kehrte Baumann 1895 noch einmal auf das afrikanische Festland zurück, um für das Zuckersyndikat des Schutzgebiets das Tal des Panganiflusses kolonialwirtschaftlich zu untersuchen. Wie schon manchem Forschungsreisenden zuvor verhalfen ihm seine Landeskenntnisse zur Übernahme in den diplomatischen Dienst. Ab 1896 wirkte er als österreich-ungarischer Konsul auf Sansibar, erkrankte jedoch 1899 so schwer, dass er nach Wien zurückkehren musste, wo er am 12. Oktober gerade 35-jährig verstarb.
Literatur
BAUMANN, OSCAR: Beiträge zur physischen Geographie von Fernando Póo, in: Dr. A. Petermanns Mitteilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt, Jahrgang 33 (1887), S. 265 – 269. BAUMANN, OSCAR: Durch Massailand zur Nilquelle. Berlin 1894. BAUMANN, OSCAR: Topographische Aufnahmen auf Reisen, in: Mittheilungen von Forschungsreisenden und Gelehrten aus den Deutschen Schutzgebieten, Band 7 (1894), S. 1 – 14. BINDSEIL, REINHART: Ruanda – Deutschland. Begegnungen und gemein-
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same Wegstrecken. Historischer Abriß der deutsch-ruandischen Beziehungen mit einer biographischen Würdigung Richard Kandts. Kigali 1987. BINDSEIL, REINHART: Ruanda im Lebensbild des Afrikaforschers, Literaten und Kaiserlichen Residenten Richard Kandt. Trier 2008. DEMHARDT, IMRE JOSEF: Die Entschleierung von Afrika. Deutsche kartographische Beiträge von August Petermann bis zum Kolonialkartographischen Institut. Gotha 2000.
KANDT, RICHARD: Caput Nili. Eine empfindsame Reise zu den Quellen des Nils. Berlin 1904. KÖFLER-TOCKNER, BARBARA: „Denn die Tropenwelt ist eine Circe …“. Der Wiener Geograph Dr. Oscar Baumann (1864 – 1899). Wien 2003. MEYER, HANS: Baumann, Oskar, in: Allgemeine Deutsche Biographie, Band 46. Leipzig 1902, S. 255-256. WEIDMANN, CONRAD: Deutsche Männer in Afrika. Lexicon der hervorragendsten deutschen Afrika-Forscher, Missionare etc. Lübeck 1894.
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Emin Pascha Gratwanderer zwischen Forschung und Kolonisierung
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ichts in der Jugend des am 28.3.1840 im schlesischen Oppeln in eine jüdische Kaufmannsfamilie geborenen Eduard Carl Oscar Theodor Schnitzer deutete darauf hin, dass er der außergewöhnlichste deutsche Afrikareisende werden würde. Nach dem frühen Tod des Vaters trat er mit der Mutter bei deren Heirat mit einem Christen 1846 zum Protestantismus über. Auf den Gymnasialbesuch folgte ein Medizinstudium, nach dem er 1863 in Berlin das Doktorexamen ablegte. Zu der damit verbundenen Staatsprüfung jedoch kam es nie: Über Nacht verließ Schnitzer 1864 Familie und Heimat und reiste über Triest ins rückständige Albanien, den westlichsten Vorposten des Osmanischen Reichs auf dem Balkan, und trat dort 1865 als Quarantänearzt in den türkischen Staatsdienst. So unerklär-
lich der Ausbruch aus der vorgezeichneten Bahn, so unklar waren selbst den zeitgenössischen Biographen die Stationen seines Lebenswegs im folgenden Jahrzehnt: halbdiplomatische Missionen auf dem Balkan, Übertritt zum Islam und Umbenennung in Hairullah Hakim (= Arzt), Leibarzt des Gouverneurs von Albanien auch während dessen Verbannung nach Trapezunt am Schwarzen Meer, Hinweise auf Reisen bis hinab in den Jemen. Sicher ist, dass er schließlich in den meisten Sprachen des Türkenreichs sowie den orientalischen Sitten bewandert war und eine rege Korrespondenz mit westlichen Zeitschriften und Gesellschaften über unterschiedliche osmanische Fragen unterhielt. Nach dem Tod des Ex-Gouverneurs suchte Schnitzer 1874 noch einmal in der Heimat Fuß zu
Emin Pascha (Quelle: Georg Schweinfurth/ Friedrich Ratzel (Hrsg.): Emin Pascha. Eine Sammlung von Reisebriefen und Berichten Dr. Emin-Pascha’s aus den ehemals ägyptischen Aequatorialprovinzen […]. Leipzig 1888, Vorsatzblatt mit Photo).
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66 Mustergültige Routenaufnahme von Emin Pascha, 1883. Diese Originalroutenaufnahme Emin Paschas entstand nach Notizen auf dem Marsch, wohl im abendlichen Lager oder während eines Ruhetags, durch sorgsame Übertragung auf Karopapier. Die Darstellung ist von unten nach oben zu lesen und zeigt als senkrechten Strich die schematische Marschroute. Die Zahlen rechts des Strichs geben die Uhrzeit gemäß eines idealerweise genau gehenden und sorgsam gepflegten Chronometers in Stunden und Minuten an. Emin marschierte den Angaben zufolge die Strecke von etwa 15 Kilometern am sehr frühen Morgen in knapp vier Stunden. Die Zahlen links des Strichs dokumentieren die Kompassrichtung des jeweiligen Marschabschnitts. Jede Richtungsänderung ist durch Punkte auf dem Strich gekennzeichnet, sodass die Strecke zwischen zwei Punkten erläutert wird – links durch die Kompassrichtung und rechts durch die minutengenaue Uhrzeit an beiden Wendepunkten. Ergänzt wird dieses verblüffend einfache, aber effiziente Aufnahmeverfahren durch waagrechte Striche, die Überschreitungen von Bächen andeuten, sowie durch kurze Bemerkungen zum Landescharakter wie Hügel, Sumpf oder Buschwald und, am linken Blattrand, eine knappe Gesamteinschätzung der durchzogenen Gegend. Alles in allem ist dies eine mustergültige Aufnahme des Anmarschs auf das Dorf Moggu, aus der Bruno Hassenstein, von dem die Bleistiftzahlen links des Strichs stammen, die begangene Route auskonstruieren konnte (Quelle: Forschungsbibliothek Gotha, Sammlung Perthes, Archiv: Emin Beys [Emin Pasa, Mehmed] Tagebücher. Heft VIII ; 10. Reise von Wandi durch Makraka u. Mundi nach Monbuttu u. zurück. Mai bis August 1883. Hier Blatt 5 verso und 6 recto).
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fassen, brachte allerdings die Witwe seines Förderers und deren Dienerschaft mit. Dieser morgenländische Lebenswandel stieß in der schlesischen Provinz auf Ablehnung, sodass Schnitzer wieder von einem Tag auf den anderen verschwand. Aber statt auf den vertrauten Balkan zurückzukehren, tauchte der unterdessen völlig mittellose 1875 im Innern Afrikas in Khartum am Zusammenfluss von Blauen und Weißem Nil auf, wo er sich als Arzt niederließ. Im Folgejahr trat er, wie schon in Albanien, als Arzt in den Staatsdienst des osmanisch-ägyptisch beherrschten Sudan. Da Männer seines Kalibers in dieser Weltecke selten waren, wurde er umgehend als oberster Arzt der kleinen Verwaltung des vom Briten Gordon Pascha geleiteten südlichsten Vorpostens zugeteilt, der Äquatorial-Provinz, die im Wesentlichen aus der Region Bahr-el-Ghazal des heutigen Sudan sowie Nachbargebieten im Kongo und in Uganda bestand. Der Einfachheit halber übernahm Schnitzer nun den Namen seines Amtsvorgängers und wurde damit zu Emin Effendi, wobei gemäß osmanischem Brauch dem einzigen Eigennamen bei Staatsdienern die (wechselnde) Rangbezeichnung folgte. Für den Provinzgouverneur unternahm der im Umgang mit den Einheimischen auffällig geschickte Emin mehrere diplomatische Missionen, darunter schon 1876 ins benachbarte Königreich Buganda (= Uganda). Als Gordon Pascha 1879 zum Generalgouverneur des Sudan aufstieg, folgte ihm der bewährte Emin im Range eines Bey an die Provinzspitze. In seiner neuen Position suchte Emin die Verwaltung zu reorganisieren und dabei insbesondere den Sklavenhandel sowie die Ausbeutung der Einheimischen zurückzudrängen. Trotz des Mangels an Fachkräften und Unterstützung aus dem fernen Khartum förderte er den Ausbau der Verkehrswege einschließlich der Bekämpfung der Nilverstopfung durch exzessiven Pflanzenwuchs, die Einführung neuer Kulturpflanzen und ersetzte die bisherigen Söldner allmählich durch Einheimische. Auch vernachlässigte Emin nicht gänzlich seine ärztlichen Obliegenheiten. Die Mühen zahlten sich aus, das Wirtschaftsleben kam in Gang und die hoch defizitär übernommene Provinzkasse wies bereits nach fünf Jahren einen Überschuss aus. So verdienstvoll des Schlesiers Wirken auch gewesen sein mag, hätte dies für sich noch nicht die Aufnahme in diesen Band gerechtfertigt. In kartographischer Hinsicht wertvoll wurde Emin,
67 Auskonstruktion der Routenaufnahmen Emin Paschas zu einer Routenkarte, 1887. Auf der Grundlage zahlloser Blätter von Emins Routenaufnahmen konstruierte Bruno Hassenstein auf diesem Manuskriptblatt am 20. – 24.6.1887 dessen etwa 65 Kilometer lange Marschroute von der ägyptischen Regierungsstation Wandi (Abmarsch 15.5.1883) in der Landschaft Makraka im Nordosten des heutigen Kongo. Die Karawane des Provinzgouverneurs wandte sich zunächst gen Süden zur Station Ndirfi und dann gen Westen zum Dorf Kutérma in der Landschaft Mundu (Ankunft 29.5.1883). An wichtigen Elementen enthält das Entwurfsblatt die Marschroute (rot durchgezogene Linie), Siedlungsbereiche (gelb), Fließgewässer (blau), wobei durch Pfeile die Richtung und durch die Strichstärke deren Mächtigkeit angedeutet ist, die ungefähren Grenzen der politischen Raumeinheiten (rot gestrichelte Linien), dichten Busch oder Wald (grün) sowie Hügel (kreisförmige Strichgruppen). Als guter Aufnehmer notierte Emin – als Erläuterungen in die Routenkonstruktion übernommen – zudem Beobachtungen wie Bodenbeschaffenheit, Vegetation und Tiefe der Gewässer. Eine solche Routenkarte musste also auch gelesen werden. Um die Zeitstrecken der Marschroute und die Kompassablesungen zu kontrollieren, machten sorgsame Reisende wie er gelegentlich Rundpeilungen von markanten Landmarken neben dem Marschweg. Aus deren Vernetzung (mehrere Peilungen auf das gleiche Objekt von verschiedenen Standpunkten) konnten in Kombination mit genau geführten Marschbüchern erstaunlich exakte Routenkarten konstruiert werden konnten. Hassenstein übertrug die Peilungen auf Transparentpapier und richtete bei passender Überlappung das Gerüst seiner Routenkonstruktion daran aus. Die Verarbeitung des ausgewählten Aufnahmeblatts findet sich etwa auf halbem Weg von Wandi nach der Station Ndifiri zwischen den Dörfern Hakko und Moggu größtenteils in der Landschaft „Mundu“ (Quelle: Forschungsbibliothek Gotha, Sammlung Perthes, Archiv: Bruno Hassenstein: Emin-Bey. Makraka-Mobuttu Reise 1883; 20. – 24. Juni 1887: [Entwurf] – 1 : 185 000. – Farbige Handzeichnung. In: Hassenstein, Bruno: Dr. Emin Pascha’s Reiseroute von Wandi nach Tangasi und zurück. Mai bis August 1883: Nach dem Original-Tagebuche konstruiert für Petermann’s Mitteilungen).
weil er – halb der schieren Notwendigkeit bei nur kleinem Beamtenstab und halb seinen Neigungen geschuldet – die gesamte noch kaum erforschte Äquatorial-Provinz 1879 – 88 praktisch ununterbrochen als „Wandergouverneur“ bereiste. Dies hielt er nicht nur in zehn lückenlosen Tagebücher fest, geführt von der Ankunft in Khartum 1875 bis zum Tod 1892, sondern er dokumentierte die begangenen Wege zudem als begabter Autodidakt in mustergültigen Routenaufnahmen. Diese ergänzte er noch um landes-
kundliche Studien und sandte sie in Form von Reisebriefen oder Zeitschriftenaufsätzen nach Europa und dort natürlich auch an die Redaktion von „Petermanns Mitteilungen“. `66, 67, 68 Das Ende dieser fruchtbarsten Zeit in Emins Wirken begann mit dem sich 1881 im Norden des Landes gegen die ägyptische Fremdherrschaft erhebenden fundamental-islamischen Mahdiaufstand, der dort rasch die Oberhand gewann und seit 1883 die Äquatorial-Provinz dauerhaft vom übrigen ägyptischen Herrschaftsbereich ab-
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Georg Schweinfurth – letzter Pionier der Afrikaforschung
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iit ddem 89-jährigen j hi h i f h schloss hl Georg Schweinfurth am 19.9.1925 der Letzte aus der „Heroenzeit“ der deutschen Afrikaforschung die Augen. Als er vier Tage später sein ungewöhnliches, aber passendes Ehrengrab mitten im Botanischen Garten von Berlin fand, „folgten seinem Sarge Botaniker, Geographen, Ethnographen, Anthropologen, Ägyptologen und Kolonialpolitiker, und alle konnten mit Recht sagen: Er war unser.“ Der Baltendeutsche war am 29.12.1836 in Riga in ein so vermögendes Elternhaus geboren worden, dass er, hierin Hans Meyer ähnlich, sein Leben ganz der Forschung widmen konnte, ohne je eine bezahlte Stellung annehmen zu müssen. Nach einer botanischen Promotion wandte er sich mit seiner ersten Forschungsreise 1863 – 66 seinem Lebensthema, der Pflanzenwelt, Geschichte und Völkerkunde der Nilländer zu, die mit dem Bau am Suezkanal 1859 – 69 nachhaltig in das Interesse europäischer Forscher und Machtstrategen traten. Nach der Rückkehr entwarf Schweinfurth eine bahnbrechende erste ökologische Beschreibung dieses Großraums mit beigefügter Kartierung bis zum lang gestreckten Grabenbruch des Roten Meers. Der damit erzielte wissenschaftliche Durchbruch trug ihm bereits 1868 den Auftrag der Berliner Akademie der Wissenschaften ein, die Landschaften des Bahr-al-Ghasal zu erforschen. Dieses Becken des Weißen Nil und die Übergänge nach Uganda sowie zum noch völlig unbekannten Kongobecken waren damals noch ausschließlich den arabischen Elfenbein- und Sklavenjäger bekannt. Im Januar 1869 verließ Schweinfurth Khartum nilaufwärts und schloss sich hierbei auch Sklavenjägern an, wofür er später harte Kritik erfuhr. Nach einjähriger Anreise durch den Bahr-el-Ghasal überschritt er 1870 als erster Europäer die Wasserscheide zum Kongobecken und entdeckte dort den Flusslauf des Uelle, einen Ne-
b fl ddes Kongo, welchen benfluss l h er zunächst h fälschlich für den Oberlauf des von Barth (Kapitel 3) entdeckten Tschadzuflusses Schari hielt. Die Bewohner der von ihm als erster Weißer betretenen Landschaft Niam-Niam zieh er der Menschenfresserei, war aber zugleich derart von ihnen fasziniert, dass er Menschenschädel gegen Kupferarmreifen eintauschte: „Einige kamen wohl direkt vom Mahle, denn sie waren noch feucht und schienen eben dem Kupferkessel entkommen.““ Überdies entdeckte Schweinfurth hier das Pygmäenvolk der Akka wieder, von dem bereits die Antike eine vage Kenntnis hatte. Auf dem Rückmarsch büßte er fast sämtliche Aufzeichnungen und Sammlungen ein, erreichte selbst aber im Juli 1871 wohlbehalten wieder Khartum. `70, 71 Nachdem er 1873 die Expedition von Rohlfs (Kapitel 5) in die Libysche Wüste begleitet hatte, ließ sich der lebenslange Hagestolz 1875 in Kairo nieder, wo er noch im gleichen Jahr der Gründungsvorsitzende der dortigen Geographischen Gesellschaft wurde und in der Folge sogar vorübergehend als Generaldirektor der ägyptischen Museen wirkte. Bei der Übersiedlung nach Berlin 1889 übergab der Mittfünfziger dem Botanischen Garten den Großteil seiner Herbarien, wofür ihm dieser das dauernde Wohnrecht inmitten der Pflanzen aus allen Weltgegenden einräumte. Hoch geachtet widmete er sich, neben winterlichen Reisen vor allem nach Ägypten, noch fast vier Jahrzehnte mit schließlich über 400 Veröffentlichungen als Ehrenmitglied von 20 Wissenschaftlichen Gesellschaften und Träger von sechs Goldmedaillen inund ausländischer Geographischer Gesellschaften bis ins letzte Lebensjahr der Forschung.
68 Georg Schweinfurth, 1874
69 Hassensteins Vierblattkarte von Zentralafrika von 1889. Das südöstliche Kartenblatt der großen Vierblattkarte – in Entwurf und Zeichnung von Bruno Hassenstein – dokumentiert die seit der Zehnblattkarte 1862 – 63 erreichte beachtliche „Füllung“ der seinerzeit noch so großflächigen „weißen Flecken“ im Innern von Afrika. Der Ausschnitt vom oberen rechten Blattrand des sonst weitgehend auf Routenaufnahmen des russland-deutschen Forschers Wilhelm Junker von 1877 – 85 beruhenden Kartenwerks verwertete die auskonstruierten Routenaufnahmen Emin Paschas von 1883. Hassenstein wies dazu auf den in der zeitgenössischen Wahrnehmung unterschätzten Wert der kartographischen Aufzeichnungen des Paschas hin, insbesondere durch die wechselseitige Bestätigung mit Junker aufgrund hier überlappender Routen und Peilungen der Routen 1877 und 1883 (Quelle: [Bruno Hassenstein:] Originalkarte von Dr. W. Junker’s Forschungen in Central-Afrika, Südostblatt, in: Wissenschaftliche Ergebnisse von Dr. W. Junkers Reisen in Zentral-Afrika, 1880 – 85 (= Dr. A. Petermanns Mitteilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt, Ergänzungsband 20, Ergänzungshefte 92 und 93, Gotha 1889).
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70 Pfl flanzengeographische Pionierkarte der Nilländer und des Roten Meers. Aufgrund eigener Bereisungen sowie Auswertung der Fachliteratur legte Schweinfurth 1868 eine erste Gesamtübersichtskartierung der Vegetation Nordostafrikas in eigenem Entwurf und Zeichnung vor (Quelle: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 14 (1868), Tafel 9).
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71 „Originalkarte von Dr.r G. Schweinfurth’s Reisen im Obern Nilgebiete, 1869 & 1870“. Unter Verwendung eigener Kartenzeichnungen Schweinfurths entstandene Orientierungskarte mit weiteren Routenaufnahmen und astronomischen Bestimmungen (Quelle: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 17 (1871), Tafel 7).
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Forschungsreisende und das andere Geschlecht
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iin Brief i f Schweinfurths h i f h an seinen i engen Freundd Konrad Guenther, den Neffen von Gerhard Rohlfs, vom April 1922 schildert nicht nur, wie er selbst mit dem weiblichen Geschlecht in Afrika umging, sondern wirft auch ein knappes aber bezeichnendes Schlaglicht darauf, wie es dort viele Reisende auf ihren oft jahrelangen Expeditionen mit diesem kaum je berichteten Thema hielten: „Als ich die großen Reisen in Afrika begann, von 1863 – 1866 und von 1868 – 1871, blieb ich – mir selbst ein Rätsel – allen Verbindungen mit dem anderen Geschlecht absolut fremd. Meine Stellung als Wesen höherer Art ließ das nicht zu. Oft hörte ich, wie Leute unterwegs diese Enthaltsamkeit meinem weißraßlichen Stolz zuschrieben. Andere Reisende haben Sklavinnen bei sich gehabt, fast die Mehrzahl, bei mir kam das nicht vor. Geschenkte Sklavinnen verschenkte ich wieder. Als ich in Kairo von 1875 – 88 die elegante große Paterrewohnung
schnitt. Obwohl Emin die nördlichsten Stationen räumen musste, gelang es, die Provinz wenig beeinträchtigt die nächsten fünf Jahre hindurch zu halten und sogar die forschenden Bereisungen fortzusetzen. Allerdings veränderte sich jenseits des oberen Nilbeckens unterdessen die geopolitische Großwetterlage: Nachdem Großbritannien zur Sicherung seines imperialen Interesses am Suezkanal Ägypten mitsamt dessen Anhängsel Sudan 1882 besetzt und damit dem Sultan in Konstantinopel faktisch entrissen hatte, folgte als Dominoeffekt der rasch von den Küsten ins Hinterland fortschreitende Übergang zur kolonialen Durchdringung des Kontinents. Vor diesem Hintergrund suchten sowohl deutsche als auch britische „Emin-Pascha-Komitees“ den zum Tagesgespräch aufgestiegenen Statthalter zu „befreien“, allerdings mit dem Hintergedanken, dessen machtpolitisches Erbe anzutreten. Das Rennen machte schließlich der mit britischen Mitteln ausgerüstete Henry Morton Stanley (1841 – 1904), der bereits 1871 David Livingstone („Dr. Livingstone, I presume“) „gerettet“ hatte. Seit dem Frühjahr 1887 kämpfte er sich mit zehn Weißen, 700 einheimischen Trägern und Soldaten sowie einer Kanone gegen Widerstände und Krankheiten den Kongo aufwärts quer durch den Kontinent voran. Als die dezimierte und hunger-
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7 Emin Pascha
i inne hhatte, di die von dder Straße ß aus so lleicht i h undd unauff fällig zugänglich war, habe ich einige Male provokante Besuche von schönen, unverheirateten Damen erhalten, die ich sehr höflich und schnell los wurde mit dem Bemerken: Sie wollten gewiß meine Merkwürdigkeiten sehen, meine 5000 Jahre alten Pflanzenreste usw. Auf keinen Fall hätte ich mich binden lassen, da ich nicht nur meine Anstellung in Kairo als Präsident der Geographischen Gesellschaft durch den Khediven [= Vizekönig] Ismael Pascha, sondern hauptsächlich noch so viele, viele Reisen vorhatte. Wie Alexander von Humboldt auf die Frage, weshalb er nicht geheiratet, sagen konnte, er hätte dazu keine Zeit gehabt, so schützte ich damals auch schon pränumerandoo [= im Voraus] Zeitmangel vor“ (Quelle: Konrad Guenther: Georg Schweinfurth zum hundertsten Geburtstage, in: Die Naturwissenschaften, Jahrgang 24 (1936), S. 821).
leidende Expedition am 29.4.1888 auf die Vorposten von Emins Äquatorial-Provinz trafen, waren es die wohlgenährten „Befreiten“, die ihre „Retter“ aufpäppeln mussten. Da Emins Verwaltungsapparat intakt war und dieser sich mit den unterdessen sesshaft gewordenen ägyptischen Beamten und Soldaten vorstellen konnte, dauerhaft selbstständig zu bleiben, sah er keinerlei Veranlassung, die Provinz zu räumen und Stanley zu folgen, zumal der herrschsüchtige Charakter des als Expeditionschef berüchtigten Briten ihn rasch abstieß. Tragischerweise hatte die Ankunft Stanleys aber den Keim zum Untergang von Emins kleinem Reich gelegt. Da der ob seines Ausharrens zum Pascha beförderte Deutsche weder für eine britische noch eine belgische Kolonialoption gewonnen werden konnte, ging Stanley einstweilen auf die Suche nach seiner im Urwald abhanden gekommenen Nachhut, was mehrere Monate dauerte. Unterdessen sorgte die vom Briten überbrachte „Räumungsgenehmigung“ der nunmehr britisch beherrschten Regierung im fernen Kairo zunehmend für Unruhe, da diese von Emins Soldaten und Beamten für eine Fälschung gehalten wurde. Der politisch eher Unbedarfte reagierte so ungeschickt, dass Meuterer ihren Verwaltungschef bis zu Stanleys Rückkehr gefangen
Kolonialismus und Kartographie – das Beispiel Deutsch-Ostafrika
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iie Jahrzehnte h h dder kosmopolitischen k li i h Erforschung f h des schwarzen Kontinents endeten mit der kolonialen Aufteilung auf der Berliner Kongo-Konferenz 1884 – 85. Die hier erfolgte Zuweisung exklusiver Interessensphären sorgte unvermeidlich dafür „dass infolge der Aufteilung der afrikanischen Ländermasse zwischen den sieben europäischen Mächten ebenso der Engländer und Franzose als Forschungsreisender aus den deutschen Kolonien verschwand“, so der Kolonialkartograph Richard Kiepert, „wie der Deutsche aus den Landstrichen, welche England, Frankreich, Belgien, Italien, Spanien oder Portugal zugefallen war.““ Das durch kaiserliches Patent vom 27.2.1885 geschaffene Schutzgebiet Deutsch-Ostafrika war mit rund 991 000 Quadratkilometern Flächeninhalt fast doppelt so groß wie das von der Maas bis an die Memel reichende „Mutterland“. Die einheimische Bevölkerung umfasste am 1.1.1913 ungefähr 7,6 Millionen Menschen. Die weiße Bevölkerung zählte am gleichen Stichtag dagegen nur 5336 Menschen, davon 4107 Deutsche. Von der erwachsenen weißen männlichen Bevölkerung waren zu diesem Zeitpunkt 882 Farmer und Pflanzer, 551 Regierungsbeamte, 523 Kaufleute sowie 498 Geistliche und Missionare. Die meisten Weißen wohnten in den nördlichen Küstenbezirken Daressalam (1053) und Tanga (581) sowie den drei anschließenden Hochland- und Gebirgsbezirken des Kilimandscharo und der Usambaraberge (1390). Hier lag neben dem administrativen Zentrum Daressalam der farm- und plantagenwirtschaftlich wertvollste Teil des Schutzgebiets. Da das Schutzgebiet noch am Vorabend des Ersten Weltkriegs bloß elf Landmesser beschäftigte, lag die Hauptlast der landeskundlichen Detailforschung bei zusammen nur rund ein halbes Hundert Leitern der Binnenbezirke sowie Offizieren der Schutztruppe – natürlich neben und zusätzlich zu deren jeweiligen Hauptdienstpflichten. Um die Landeserforschung zu koordinieren, wurde 1893 beim Gouvernement in Daressalam die Abteilung Landeskultur und Vermessung gegründet, an deren Spitze Franz Stuhlmann trat, der Emin Pascha 1890 – 91 auf dem Zug nach Bukoba und dann über die Schutzgebietsgrenze hinweg begleitet hatte. Aufgrund des immer zahlreicher in Berlin einlaufenden topographischen Aufnahmematerials gab die Kolonialverwaltung bereits 1894 der Firma Dietrich Reimer (Ernst Vohsen) den Auftrag zur Herstellung eines ganz Deutsch-Ostafrika abdeckenden großmaßstäblichen Kartenwerks im Maß-
stabb 1 : 300 000. Bis i Ende d 1896 waren unter dder Leitung i von Richard Kiepert bereits zehn Kartenblätter erschienen. `72 Aufgrund des weiten steppenhaften Charakters mit topographische Aufnahmen nur selten behindernden Wäldern sowie hoch aufragenden Vulkanen vom Kilimandscharo im Osten bis zu den Virungavulkanen im Westen sowie den großen Bruchstufen des Zentral- und des Ostafrikanischen Grabenbruchs blieb der Norden von Deutsch-Ostafrika das anziehendste Tätigkeitsfeld topographierender Offiziere und allmählich aufkommender Spezialexpeditionen. Dabei herrschten noch bis weit nach der Jahrhundertwende die linienhaften Routenaufnahmen mit Kompass, Schrittzählung und barometrischer Höhenbestimmung vor, die nur unzulänglich durch Panoramapeilungen ergänzt und schließlich durch Messtischaufnahmen und Triangulationen nur in kolonialwirtschaftlich interessanten Landesteilen zu flächenhaften Aufnahmeverfahren weiterentwickelt wurden. Welch erhebliche kartographische Fortschritte innerhalb der kurzen deutschen Kolonialperiode trotzdem erreicht werden konnten, verdeutlicht am eindrücklichsten das amtliche Kartenblatt B4. Die erste Ausgabe von 1894 spiegelt in ihrer rohen Geländeskizze des Ngorongorokraters und des
Gratwanderer zwischen Forschung und Kolonisierung
72 Blattschnitt der amtlichen „Karte von Deutsch-Ostafrika“ im Maßstab 1 : 300 000 (Quelle: Hugo Marquardsen: Die Kolonial-Kartensammlung des Reichskolonialamts. Beilage: Mitteilungen aus den Deutschen Schutzgebieten, Band 28 [2] (1915), Tafel I).
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73 Blatt B4 Evássi der „Karte von DeutschOstafrika“ im Maßstab 1 : 300 000 – Ausgabe 1894 (Quelle: Pillewizer, Wolfgang: Der Anteil der Geographie an der kartographischen Erschließung Deutsch-Ostafrikas, in: Jahrbuch der Kartographie, 1941, Beilage IV).
länglichkeit der linienhaften Routenaufnahmen wider. Der ersten Ausgabe lag sogar nur eine einzige Aufnahme von Oscar Baumann (Kapitel 6) zugrunde, die bei dessen raschem Durchzug 1892 entstanden war. Im Gegensatz
74 Blatt B4 Umbulu der „Karte von DeutschOstafrika“ im Maßstab 1 : 300 000 – Ausgabe 1916. Dieses infolge der Kriegshandlungen unveröffentlichte Kartenblatt wurde zusammen mit nahezu dem gesamten Kartenbestand des Reichskolonialamtes am 14.4.1945 beim alliierten Bombenangriff auf das Reichsarchiv in Potsdam vernichtet (Quelle: Pillewizer, Wolfgang: Der Anteil der Geographie an der kartographischen Erschließung Deutsch-Ostafrikas, in: Jahrbuch der Kartographie, 1941, Beilage V).
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7 Emin Pascha
d dazu konnte k die zweii Jahrzehnte di h h später angefertigte f i zweite Ausgabe von 1916 im bereits recht wirklichkeitsgetreuen Reliefbild zur Füllung des Kartenblatts nicht nur auf viele nachfolgende Routenaufnahmen, sondern auch auf flächenhafte Aufnahmen wie etwa die Triangulations- und Messtischaufnahmen zweier Spezialexpeditionen zurückgreifen. `73, 74 Bis 1911 lag das amtliche Kartenwerk im Maßstab 1 : 300 000 in 29 Kartenblättern mit sechs Ansatzstücken in überall zumindest erster Bearbeitung vor. Diese beruhte auf nicht weniger als 750 Routenaufnahmen, welche auf insgesamt mehr als 4900 Blättern in den Maßstäben 1 : 75 000 und 1 : 37 500 auskonstruiert waren, sowie auf 1863 astronomischen oder geodätischen Ortsbestimmungen. Angesichts dieser aufwendigen Kartenkonstruktion wird verständlich, warum die kartographische Fortschreibung nach dem Übergang des Schutzgebiets in britische und belgische Treuhandverwaltung praktisch bis über den Zweiten Weltkrieg hinaus zum Erliegen kam. So bildete noch über drei Jahrzehnte später eben jenes deutsche Kartenwerk, umgearbeitet zu einer britischen Ausgabe im Maßstab 1 : 250 000, das einzige vollständige Kartenwerk des Mandated Territory of Tanganyika.
setzten. Da Emin dadurch seinen strategischen Wert verloren hatte, trat der Brite mit dem sich schweren Herzens fügenden Deutschen Mitte 1889 den Rückmarsch zur Küste an, für den man allerdings den kürzeren Weg durch Uganda und Deutsch-Ostafrika wählte. Am 4. Dezember trafen beide schließlich im deutschen Hafenort Bagamoyo ein, wo Emin nicht nur ein Telegramm des Kaisers erwartete, sondern noch am gleichen Abend ein Bankett im Amtsgebäude. Der damals bereits halb erblindete Pascha hielt ein tief gehendes Fenster für eine Balkontür und stürzte zum Schrecken der Festgesellschaft aus dem ersten Obergeschoss. Da Emin mit einem Schädelbruch ins Hospital kam, musste Stanley den ihm ohnehin nur widerwillig gefolgten Pascha zurücklassen. Der Bedrängung durch Stanley ledig, trat Emin im Februar 1890 in den deutschen Kolonialdienst ein. Dabei dürfte er gehofft haben, seine alte Provinz statt mit dem ihm verhassten Stanley für Großbritannien oder Belgien nun eben für das Deutsche Reich zurückzugewinnen. Bereits im April übernahm er deshalb trotz arg angeschlagenem Gesundheitszustand die Leitung einer an den Victoriasee abgehenden Regierungsexpedition. Unterwegs traf Emin am 4. Juni den Reichskommissar Carl Peters, den Gründer des Schutzgebietes Deutsch-Ostafrika, der ihn über im Gange befindliche deutsch-britische Verhandlung zur Abgrenzung der Interessenssphären unterrichtete und jegliche weitere Gebietserwerbungen untersagte. Der sich immer noch als „rechtlicher Herr“ der Äquatorial-Provinz fühlende Emin legte schriftlichen Protest ein, marschierte dann weiter und erreichte im September den Victoriasee. An dessen Ostufer gründete die Expedition am 1. November die damals am weitesten nach Nordwesten vorgeschobene deutsche Station Bukoba am Ostufer des Sees. Aufgrund von Berichten, dass Verbände seiner ehemaligen Soldaten noch immer aushielten, überschritt Emin im April 1891 die Grenze in das gerade erst britisch gewordene Uganda, auch „auch auf die Gefahr hin, später vor ein Kriegsgericht zu kommen“ und drang bis in den äußersten Südzipfel seiner alten Provinz vor, im nun britischkongolesischen Grenzgebiet. Nach der Aufsammlung von 29 alten Untergebenen mit 72 Frauen, 81 Kindern und 3000 Zentnern Elfenbein aus den Provinzmagazinen, versuchte er den Durchmarsch zur Atlantikküste, kam aber aufgrund
Biographie von Emin Pascha 1840 geboren als Eduard Schnitzer am 28.3. in Oppeln 1846 Übertritt vom Judentum zum Protestantismus 1859 – 63 Studium der Medizin in Breslau, Berlin und Königsberg 1863 Promotion in Medizin in Berlin 1865 – 70 ärztliche und diplomatische Tätigkeiten in osmanischen Diensten auf dem Balkan 1871 – 74 Bereisung des Osmanischen Reichs, teils als Leibarzt des Ismail Hakki Pascha 1874 vorübergehende Rückkehr nach Schlesien 1875 Niederlassung als Arzt in Khartum 1876 Eintritt in die Verwaltung des ägyptischen Sudan als Regierungsarzt in der Äquatorial-Provinz als Emin Effendi; Heranziehung auch zu politischen Missionen durch Provinzgouverneur Gordon Pascha 1879 Nachfolge des Provinzgouverneurs Gordon durch Emin Bey 1879 – 88 ausgedehnte Bereisungen der Provinz unter beständigen Routenaufnahmen 1883 Mahdiaufstand im nördlichen Sudan schneidet die Äquatorial-Provinz dauerhaft von Ägypten ab 1887 Beförderung zum Emin Pascha 1888 britische „Rettungs“-Expedition unter Stanley erreicht Emin in der Äquatorial-Provinz 1889 mehrmonatige Geißelhaft Emins durch meuternde Provinzialverwaltung; anschließend Abzug von Emin und Stanley nach Deutsch-Ostafrika 1890 Eintritt in den deutschen Kolonialdienst und Leitung einer Expedition zur Gründung der Station Bukoba am Victoriasee 1891 – 92 weisungswidriger Vorstoß in Richtung der ehemaligen Äquatorial-Provinz und Versuch des Rückmarschs zur Atlantikküste durch den Kongo-Freistaat 1892 ermordet am 23.10. in Kinene im Nordosten des Kongo-Freistaats
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vielfältiger Widrigkeiten – Nahrungs- und Trägermangel, Desertion, Blatternepidemie und zunehmende eigene Krankheit(en) – kaum voran. Im Dezember musste er seine deutschen Begleiter mit den Gesunden nach Bukoba zurücksenden. Im Mai 1892 schien ein durchziehender arabischer Elfenbeinjäger doch noch den Durchbruch zum Atlantik zu eröffnen. Aber in Kinene, etwa zehn Tagesmärsche östlich des Kongo, mitten im angestammten arabischen Jagdgebiet nach Sklaven und Elfenbein, brach die Expedition des Invaliden am 14. Oktober endgültig zusammen. Da der Kongo-Freistaat des belgischen Königs Leopold scharf gegen die arabischen Konkurrenten vorging, war das Schicksal Emins, obwohl selbst Moslem, besiegelt: Am 23.10.1892, nachdem er als letzte Worte „Dunkles Wetter seit 3 Ta-
gen – hohe Aneroidstände“ im Tagebuch vermerkt hatte, kamen auf Befehl des örtlichen Araberführers eine Handvoll Halbblutaraber in Emins Hütte „und als sie ihn unter seinen Naturalien schreibend fanden, faßten sie ihn, legten ihn auf den Boden, und schnitten ihm nach kurzer Gegenwehr die Kehle ab“. Das blutige Ende dieses außergewöhnlichen Lebenslaufs fand mächtigen Widerhall in Europa. Eine belgische Strafexpedition richtete nicht nur Emins Mörder, sondern barg auch Teile seiner Sammlungen einschließlich der bis zum Todestag akribisch geführten Tagebücher – allein der Verbleib seines Leichnams war nicht mehr festzustellen. Motive von Emins schillerndem Leben regten manche zeitgenössische Schriftsteller an, darunter auch Karl May 1889 – 90 zu seinem Jugendbuch „Die Sklavenkarawane“.
Literatur
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DEMHARDT, IMRE JOSEF: Georg Schwein-
HASSERT, KURT: Die Erforschung Afrikas.
RATZEL, FRIEDRICH: Emin Pascha (Edu-
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7 Emin Pascha
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„Zur Ehre des Vaterlandes …“ Die „Deutschen NordpolarExpeditionen“ 1868 – 70
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ls August Petermann 1847 nach London kam, gerieten gerade nicht nur die Forscherzirkel, sondern ganz England in den Bann des Schicksals der unglücklichen FranklinExpedition. Dieser bis dahin bestausgerüstete Polarvorstoß war 1845 unter der Leitung von Sir John Franklin, einem Teilnehmer der Seeschlacht von Trafalgar und Veteranen zweier Arktisexpeditionen gestartet. Die beiden Segelschiffe „Erebus“ und „Terror“ sowie 134 Mann Besatzung auf der Suche nach der Nordwestpassage gingen aber schon bald im arktischen Inselarchipel zwischen Kanada und Grönland verschollen. Nach einigen ergebnislosen Suchexpeditionen konnte der junge Kartograph Petermann (Kapitel 2) sicher sein, mit einem durchdachten neuen Suchansatz breite Aufmerksamkeit zu erzielen:
75 Eisfreiheit im Nordpolarmeer durch den Golfstrom. Diese polständige Karte skizziert des Kenntnisstand des Polarbeckens (äußere gelbe Linie) zur Mitte des 19. Jahrhunderts mit den küstennahen Packeisgebieten (grün), den wichtigsten Meeresströmungen (Pfeile) mit den noch großen „weißen Fleck“ um den Nordpol. Der lange rote Pfeil von London westlich ins Archipel der kanadischen Arktis zeigt dabei die angenommene Route der verschollenen Franklin-Expedition, der zweite von London in östliche Richtung ausgehende Pfeil zeigt Petermanns Routenvorschlag für eine Suchexpedition mit dem Golfstrom durch das sommerliche eisfreie Meer entlang der sibirischen Küste bis zum vermuteten Verdriftungsgebiet der Franklin-Expedition vor dem Eingang zur Beringstraße. (Quelle: August Petermann: The search for Franklin. A suggestion submitted to the British public. London 1852).
1852 legte er einer Zusammenstellung neuester Suchergebnisse eine Karte bei, in der er erstmalig seine aus der Auswertung hydrographischer Berichte gewonnene Vorstellung der Eisverhältnisse in den hohen Breiten entwickelte. `75 Diesem im nächsten Vierteljahrhundert immer weiter entwickelten Konzept lagen zwei An-
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nahmen zugrunde: Erstens setze sich der warme transatlantische Golfstrom viel weiter und stärker als bisher gedacht in das Nordpolarmeer fort und sorge deshalb dort zweitens für schiffbar freie Wasserflächen in den Sommermonaten, die auch zu Schiffsvorstößen zum Nordpol genutzt werden könnten (Kapitel 9). Aufgrund dieses Ansatzes gelangte Petermann 1852 zu seinem öffentlichen Vorschlag, dass die FranklinExpedition – oder besser deren Überreste – vor die Beringstraße verdriftet sein könnten und eine Suchexpedition durch das von ihm postulierte sommerlich eisfreie Nordpolarmeer zwischen Spitzbergen und Nowaja Semlja hindurch zu dem vermuteten Fundgebiet vorstoßen sollte. Dies wurde aber erst 1878 – 79 durch Nordenskjölds Vega-Expedition umgesetzt. Mit der Übersiedlung nach Gotha trat für Petermann im kommenden Jahrzehnt aber die von Heinrich Barth ausgelöste Begeisterung für Expeditionen nach Afrika und Berichten darüber in den Vordergrund. Als sich Mitte der 1860er-Jahre jedoch, nicht zuletzt als Folge der ergebnisarmen „Deutschen Innerafrika-Expedition“, ein Abnehmen spektakulärer Berichte aus dem dunklen Kontinent und damit ein nachlassendes Publi-
kumsinteresse abzeichneten, wandte sich Petermann, instinktsicher das Sensationspotenzial vorausahnend, erneut der Arktisforschung zu. Der Herausgeber leitete 1865 diese neue Kampagne, die abermals symbiotisch der geographischen Forschung und der Auflage von „Petermanns Mitteilungen“ dienen sollte, mit zwei programmatischen Aufsätzen ein: Die Grundlage des nun von ihm propagierten deutschen Vorstoßes zum Nordpol waren seine seit London akribisch erweiteren Materialsammlungen zur Hydrographie der hohen Breiten. Durch diese fühlte er sich darin bestätigt, dass es die allgemein behauptete unüberwindlich starre Eisbarriere um den Pol herum nicht gebe. Vielmehr sei „das ganze Meer bis zum Pol zeitweise fast völlig eisfrei“. Überdies äußerte er die Überzeugung, dass die arktischen „Eismassen durchaus nicht stationär sind, sondern daß sie sich beständig verändern“ und von „zwei mächtigen Strömungen durchsetzt [werden], von denen die eine das Eis hinwegträgt, während die andere die warmen Gewässer des Golfstroms zuführt!“ Als einer der Ersten erkannte Petermann die entscheidende globale Bedeutung des warmen Golfstroms, der bis dato aufgrund der geringen Oberflächenbewegung vor allem für die Schiff-
Die eisige Mitternachtswelt des hohen Nordens
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ls Nordpolarregion oder Arktis (griechisch: árktos = der Bär, nach dem Nordgestirn des „Großen Bären“) werden zumeist die durch ganzjährige oder jahreszeitliche Eisbedeckung so unwirtlichen Seegebiete und Inseln innerhalb des Polarkreises oberhalb 66° 30' Nord verstanden. Genau auf dem Breitenkreis lugt die Sonne zur Wintersonnenwende am 21. Dezember gerade noch über den Horizont, während der Nordpol selbst das gesamte Winterhalbjahr im Dunkeln verharrt. Im Sommer bietet sich das umgekehrte Schauspiel: Der Nordpol ist dauernd taghell und der Polarkreis weist am 21. Juni zur Sommersonnenwende nur einen kurzen Anflug von Nachtdämmerung auf. Die Erforschung jener zumeist froststarren Gebiete am und im rund 12 Millionen Quadratkilometer großen Nordpolarmeer mit insgesamt rund 7 Millionen Quadratkilometer Inselflächen sowie Festlandsteilen wie dem Norden von Sibirien setzte mit den Wikingern ein. Diese erreichten auf ihren Fahrten im 9. Jahrhundert Island und Grönland sowie im 12. Jahrhundert auch Spitzbergen. Über die Nordmeerfahrten der Wikinger hinausgehen-
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8 „Zur Ehre des Vaterlandes …“
de Vorstöße erfolgten erst seit dem 16 16. Jahrhundert im Zusammenhang mit der langwierigen und verlustreichen Suche nach der Nordwestpassage um Nordamerika herum. Diese von einer 20 000-Pfund-Prämie der britischen Admiralität angetriebenen und seit den 1820er-Jahren zunehmend wissenschaftlicheren Bemühungen gipfelten im Verschwinden der FranklinExpedition 1845 und den nachfolgenden rund 40 Rettungs- bzw. Suchexpeditionen bis in die 1870er-Jahre. In deren Verlauf gelang dem Iren Robert John McClure 1850 – 53 nach 300-jähriger Suche die Durchquerung der Nordwestpassage in westöstlicher Richtung, während der Schweden Adolf Erik von Nordenskjöld 1878 – 79 mit dem Dampfer „Vega“ die erste Nordostpassage von Norwegen in den Pazifik vollendete. Den vermeintlichen Hauptpreis der Nordlandfahrer sicherte sich der US-Amerikaner Robert Edwin Peary, der behauptete, am 6.4.1909 mit Hundeschlitten vom kanadischen Ellesmereland aus den Nordpol erreicht zu haben, was jedoch seither immer wieder angezweifelt wird und Gegenstand heftiger Kontroversen ist.
76 M Meeresströmungen tö als l M Motoren t ddes W Weltklimas. ltkli Unter U t besonderer b d Würdigung Wü di der d Bedeutung B d t der d seinerzeit i it nochh kaum k bekannten polaren Meeresströmungen führte Petermann 1865 zu dieser Karte aus, dass, wenn man unter der Nordpolarregion die äußerste Eisberggrenze fassen wollte, sich die Arktis aufgrund der südwärts gerichteten Meeresströmungen beiderseits von Grönland im Atlantik bis hinab auf die Breite von Lissabon ausdehnen ließe. Während man bis dahin in den Eisfeldern der Arktis zumeist bloß „einen Gegenstand des Schreckens und der Gefahr für die Handels- und Postschiffe“ sah, vertrat er die zukunftsweisende Ansicht, die arktischen Treibeisströmungen spielten „eine wichtige Rolle im Haushalt der Natur und verdienten wohl mehr Beachtung Seitens der Wissenschaft als bisher. Wenn sie nun also als streng zusammengehörig mit der polaren Geographie angesehen werden müssen, so führen sie uns zu dem System y der Meeresströmungen überhaupt […]“. Auch billigte er diesen einen bis dato noch zu wenig gewürdigten Einfluss auf die globalen Klimaverhältnisse zu. Die solchermaßen als notwendig begründete polare Strömungskarte entstand in zeitaufwendigem Zusammentragen und Abwägen einer Unzahl – sich zum Teil widersprechender – empirischer Beobachtungen zur Bewegung von Treibeis und Treibholz sowie der unterschiedlichen Meerestemperaturen als Ergebnis eines ersten Versuchs, das allgemeine System der arktischen Meereszirkulation darzustellen. Die intuitive leicht verständliche Karte zeigt warme (rot) und kalte (blau) Meeresströmungen, wobei die Abstufung der Farbtöne die Mächtigkeit, Geschwindigkeit und Beständigkeit der Strömung ausdrücken und sich kreuzende Strömungen auf jahreszeitlich wechselnde Regime hinweisen. Augenfällig ist zudem Petermanns heute kurios anmutende Vorstellung einer Verlängerung Grönlands weit über den Nordpol hinweg bis fast zur Beringstraße (Quelle: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 11 (1865), Tafel 5).
Die „Deutschen Nordpolar-Expeditionen“ 1868 – 70
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fahrt nur als „schwache und unbedeutende Drift“ bewertete wurde. Petermann erkannte ihn nun als eine der hydrologisch-meteorologisch „mächtigsten Strömungen der Erde“, die seiner Meinung nach nicht wie bisher angenommen, vor Spitzbergen versiegt, sondern die sich bis weit in das Polarbecken fortsetzt. Diesen tief gehenden, warmen und beständigen Golfstrom machte er sowohl für das milde Winterklima der Bäreninsel als auch für die Eisdrift vor der sibirischen Küste verantwortlich. Aus all dem zog er den Schluss, dass allein schon der Golfstrom die Notwendigkeit weiterer Polarforschungen begründe; „wenn Theilnahme, viele Menschenleben, Geld und Zeit verlangt werden, um zu erfahren, wo ein Afrikanischer Strom wie der Nil eigentlich herkommt und welches seine Quelle ist, so ist man auch berechtigt […] ein Gleiches zu Beanspruchen für die Aufklärung der Frage, wo der Golfstrom eigentlich hingeht und was aus ihm wird, diesem grossen Lebensstrom für Europa […]“. `76 In einem weiteren Aufsatz über die Wichtigkeit der Polarforschung verteidigte Petermann diese gegen die ehrwürdige Londoner Tageszeitung „The Times“, die am 30.3.1865 behauptet hatte, der kostspielige Drang zum Nordpol sei bloß eine Verrücktheit der Geographen. Dem hielt er entgegen, dass „so lange es noch große Gebiete der Erde giebt, in denen neue Länder, Küsten und Inseln zu entdecken sind“, wie in der nur etwa zehn Dampfertage vor der deutschen Küste gelegenen Arktis, deren Erforschung eine Hauptaufgabe
Keine Entdeckungen, aber abenteuerliches Glück im Unglück
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achdem die „Hansa“ ihr großes Schwesterschiff „Germania“ am 20.7.1869 in dichtem Nebel verloren hatte, setzte der Segler unter Kapitän Paul Hegemann für sich alleine die Erkundungen fort. Er fror jedoch bereits am 7. September an einer Eisscholle fest und wurde am 19. Oktober etwa auf 70° 50' Nord sogar vom Eis zerdrückt. Die vierzehnköpfige Besatzung hatte da jedoch bereits in weiser Voraussicht eine Überwinterungshütte auf der Eisscholle errichtet, auf der sie 198 Tage lang rund 600 Kilometer südwärts driftete. Als die Scholle am 7. Mai 1870 zu klein wurde, stiegen die Schiffbrüchigen in drei verbliebene Rettungsboote um und erreichten, ohne Verluste und auch noch gesund, über sommerliche Schmelzwasserrinnen unmittelbar vor der Küste am 13. Juni fast auf 60° Nord die Herrnhuter Missionsstation Friedrichsthal beim Kap Farvel an der Südspitze von Grönland. Von einem dänischen Segler aufgenommen, kehrte die Mannschaft über Kopenhagen am 7. September – und damit sogar noch vier Tage vor der „Germania“ – nach Bremen zurück.
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der Geographie bleiben müsse. Noch 1874 erregte sich Petermann angesichts der immer größer werdenden Walfangdampfer: „Würden die geographischen Forschungen mit ähnlichen Mitteln betrieben, so wären auch z. B. die Polar-Gebiete der Erde längst erforscht, die Pole längst erreicht. Wo es aber nicht zu Kriegszwecken oder für den Handel, für industrielle Unternehmungen oder Heidenmission geschieht, […] da muss Alles gemeiniglich sehr langsam, mit den kärglichsten Mitteln geschehen.“ Nach dem Vorbild der afrikanischen Kampagnen (Kapitel 3) propagierte Petermann nun eine (groß-)deutsche „Nordfahrt“. Zu diesem Zweck hielt er am 23.7.1865 in Frankfurt am Main auf dem Verbandstreffen des Freien Deutschen Hochstifts, ein 1859 an Schillers 100. Geburtstag gegründeter und vor allem vom wohlhabenden Frankfurter Bildungsbürgertum getragener geistig-kultureller Kristallisationspunkt des liberalen Deutschland, einen Werbevortrag, wobei der Stiftsgründer, der Geologe Otto Volger, dieses Treffen ganz auf die Förderung geographischer (Polar-)Forschung ausgerichtet hatte. Das Vorhaben schien aber unter keinem guten Stern zu stehen, da die Spendenaufrufe beim Bürgertum nur mäßigen, bei den Regierungen in Berlin und Wien aber überhaupt keinen Erfolg hatten, ein erster Schiffsausflug noch im gleichen Jahr schon bei der Ausfahrt Schiffbruch erlitt und schließlich 1866 der preußisch-österreichische Krieg den großdeutsch-einigenden Bestrebungen Petermanns und des Hochstifts einen dicken Strich durch alle Planungen machte. Erst nach weiteren zwei Jahren der Agitation mit nunmehr breiterem Presseecho sowie der Fühlungnahme mit sachverständigen hanseatischen Kreisen vor allem in Bremen gelangen die Einwerbung hinreichender Spendengelder und die Formierung einer Organisationsgruppe. In durchaus nicht spannungsfreiem Miteinander des überaus rührigen, aber seemännisch unerfahrenen Petermann und des Bremer Komitees, aus dem sich schließlich die Bremer Geographische Gesellschaft bilden sollte, wurde Kapitän Karl Koldewey (1837 – 1908) zum Kauf eines geeigneten Schiffs ins norwegische Bergen entsandt. Am 24.5.1868 stach Koldewey mit zwei Steuerleuten und weiteren neun Seeleuten – ohne einen einzigen Wissenschaftler an Bord, aber mit zwölf Flaschen Madeirawein – auf der eilends ausgerüsteten 17 Meter langen Jacht „Grönland“ in See. Obwohl die schlechten Erfahrungen mit zu de-
Auszüge aus Petermanns „Instruktion für den Oberbefehlshaber der Expedition“ vom 6.5.1868
§
1. Möge dder Segen Gottes miti di diesem, ddem ersten Deutschen Unternehmen zur See der Art sein, und dasselbe zur Ehre des Vaterlandes und zur Ehre der Wissenschaft und menschlichen Thatkraft zu Ende geführt werden! […] § 5. Die erste Aufgabe […] ist die Ostküste Grönlands in 74 ½ N. Br. So schnell und direkt als möglich zu erreichen, und die in dieser Breite gelegene Sabine-Insel […] anzusegeln. Die Arbeiten haben am besten bei dieser Insel zu beginnen, nicht bloss, weil sie so ziemlich den höchsten erreichten Punkt an dieser Küste bildet, sondern auch, weil ihre Lage durch General Sabine im J. 1823 sehr genau bestimmt ist […]. […] Die Lage von General Sabine’s an der Südostküste errichtet gewesenen Observatoriums ist wo möglich aufzusuchen und neu zu bestimmen. § 6. […] Auch der jetzt noch in Vegesack lebende alte Kapitän Haake erreichte, wie er mir am 16. September 1867 mündlich mitgetheilt hat, Ende Juli 1831 (?) die OstGrönländische Küste ebenfalls in 74° N. Br., fand das Meer in einer Breite von 3 Deutschen Meilen [entspricht etwa 22,5 Kilometern] längs der Küste frei und ohne Eis, das Wetter klar und nebelfrei. […] § 7. Die Küste südlicher als 74 ¼° N. Br. zu erreichen, muss auf alle Weise vermieden werden, da es nicht im Entferntesten der Zweck der Expedition sein kann, Küstenstrecken zu besuchen, die bereits seit 46 Jahren von drei verschiedenen, Englischen und Dänischen, Expeditionen erforscht und aufgenommen worden sind. […] § 11. Das Hauptziel der Expedition ist die Erreichung einer möglichst hohen Breite, und der Anstrebung dieses Zieles müssen alle anderen Rücksichten untergeordnet werden. […] § 13. […] Ein Hauptpopanz in der allgemeinen Ansicht über arktische Geographie ist der Nebel, der angeblich im Sommer in jenen Regionen vorherrschen soll; derselbe beschränkt sich aber meist nur auf die Eiskante. […] Kein Schiff der sehr zahlreichen Erforschungs-Expeditionen bei Spitzbergen oder in den antarktischen Meeren ist jemals im Eise fest gehalten worden oder hat jemals zu überwintern gebraucht. […] § 24. Was die auszuführenden Arbeiten anbelangt, so ist vor Allem eine möglichst genaue Aufnahme oder Fixierung der zu entdeckenden Küsten, Länder, Inseln
77 Die Jacht „Grönland“ Grönland“ oder „Germania“ Germania“ der „Ersten Ersten Deutschen Nord Nordpolar-Expedition“ ddpolar Expedition“ (Quelle: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Ergänzungsheft Nr. 28, Gotha 1871, Frontispiz).
auszuführen, nach den drei Coordinaten: Breite, Länge, Meereshöhe. Die Karten und Karten-Croquis [= Entwurfszeichnungen], die Tag für Tag anzufertigen sind, sollen unter Anderem auch eine Zeichnung der Eisgrenzen, Verbreitung von Treibeis &c. enthalten […]. […] § 26. Ausser den zu Schiff üblichen Logbüchern sind Tagebücher mit genauer und möglichst ausführlicher r Schilderung des Gangs der Expedition, der Entdeckungen und verschiedenen Beobachtungen anzulegen, welche, regelmässig abgefasst, das Erlebte und Gesehene schildern und die Eindrücke an Ort und Stelle treu wiedergeben. – Auch Skizzen und Ansichten sind erwünscht. § 27. Was die Namen für die zu entdeckenden Länder und alle ihren einzelnen Punkten anlangt, so bleibt die Wahl der grossen Mehrzahl für die Anfertigung der Karte daheim überlassen, wobei den Namen der hauptsächlichsten Freunde und Unterstützer der Expedition die erste Berücksichtigung zu Theil werden wird.
Die „Deutschen Nordpolar-Expeditionen“ 1868 – 70
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[ ] […] § 34. Vor Allem aber sollen, wenn irgend möglich, zwei Eskimos, Mann und Frau, mitgebracht werden, um Gelegenheit zu geben, diesen in jenen hohen Breiten ganz isolirt lebenden merkwürdigen Menschenstamm näher zu studieren; […]. Wie die Clavering-Sabine’sche Expedition gezeigt hat, müssen die Eskimos mit aller Vorsicht behandelt werden, damit sie nicht, z. B. durch Abfeuern der Gewehre in ihrer Nähe, scheu und furchtsam werden und davon laufen. § 35. Unter den Beilagen zu dieser Instruktion befindet sich die interessante Mittheilung des Dr. Perschau in Bederkesa über Belebung und Erfrischung durch Morphium, die der Beachtung und nach Umständen der vielleichtigen Prüfung empfohlen wird. […]“ (Quelle: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 14 (1868), S. 214 – 218)
78, 79 an ein Kartenblatt bei zu wenigen Informationselementen? Schon der irische Satiriker Jonathan Swift (1667 – 1745), Autor von „Gullivers Reisen“, spottete über die „Kunstfertigkeit“ mancher Kartenzeichner: „So Geographers, in Afric Maps, With savagepictures fill their gaps; And o’er uninhabitable downs Place elephants for want of towns.“ Wenn auch Petermanns Gothaer Schule der explorativen Kartographie sorgsam den Missstand der voraufklärerischen Kartographen mied, dem horror vacui oder der Angst vor der Leere nachzugeben und dekorative Blickfänge in ihre Karten einzuzeichnen, so schien Petermann doch derart verlegen um darstellungsfähige Ergebnisse der „Ersten Deutschen Nordpolar-Expedition“, dass er dem Publikum gleich mehrfach attraktive aber unwissenschaftliche Kartenfüllelemente vorlegte: Die Fahrt der „Germania“ durch das Packeis (oben), das Festliegen im Eis mit Robben- und Eisbärenjagd (oben links), ein „gefahrvoller Ausflflug““ der Expeditionsmitglieder ins Gletschereis von Spitzbergen, Eisbären und Walrossjagd (unten rechts) nach Skizzen von Obersteuermann Hildebrandt. (Quelle: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Ergänzungsheft Nr. 28, Gotha 1871, Tafel 1 (oben und Mitte) sowie Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer i Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Ergänzungsheft Nr. 28, Gotha 1871, Tafel 2 (unten)).
((Bild 5 weggelassen, da gleiches Motiv wie 6 und 4 gegenüber))
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8 „Zur Ehre des Vaterlandes …“
taillierten Anweisungen für die „Deutsche Innerafrika-Expedition“ 1860 – 1862 (Kapitel 3), die letztlich auch daran gescheitert war, noch in frischer Erinnerung waren, erschwerte Petermann auch diese Mission durch eine ebenso einschnürende wie umfängliche Instruktion mit nicht weniger als 38 Paragraphen und vielen detaillierten Wenn-dann-Vorgaben. Das Hauptziel in der kurzen Sommersaison war demnach „die Erforschung und Entdeckung der arktischen Central-Region von 75° Nördlicher Breite an“ (§ 2). Hierzu wurde die Besatzung sogar ganz modern durch ein gestaffeltes Prämiensystem angespornt, wobei zum Erreichen von 80° Nord 500 Taler, von 83° Nord weitere 500 Taler und für jeden höheren Breitengrad weitere 500 Taler ausgelobt wurden. Dazu sollte die Expedition die grönländische Küste unter Durchbrechung des Treibeises keinesfalls südlicher als die bereits bekannten 74° 30' Nord erreichen (§ 7), falls dies unmöglich sei aber „ohne vielen Zeitverlust längs der Eiskante etwa bis zum 80° N. Br. nach Norden vorzudringen“ (§ 9). Jedenfalls sollten „Forschungen, Aufnahmen und Aufenthalt in und bei Spitzbergen“ vermieden werden, da dieses schon gut bekannt sei (§ 18). Darüber hinaus sollte die Expedition Tagebücher mit „Skizzen und Ansichten“ führen, Messungen machen und kartieren, Treibholz sammeln, Gesteinsproben sammeln, botanisieren und jagen (§ 24 – 26, 29 – 32). „Vor allem aber sollen, wenn irgend möglich, zwei Eskimos, Mann und Frau, mitgebracht werden […]“ (§ 34). Statt das wohl umfangreichste Arbeitsprogramm, das einer arktischen Sommerkreuzfahrt je aufgegeben worden war, abarbeiten zu können, scheiterte Koldewey sowohl Anfang Juni als auch Ende Juli mit dem Versuch, durch das Treibeis die Ostküste Grönlands zwischen 73° und 79° Nord anzusegeln. Auch ein zwischenzeitlicher Vorstoß zwischen der Bäreninsel und Spitzbergen misslang aufgrund ungünstiger Eisund Wetterlage. Erst nachdem sich die Expedition weisungswidrig nach Spitzbergen gewandt und dort die (bekannte) Hinlopenstraße befahren hatte, erreichte die „Grönland“ ausgerechnet hier am 14.9.1868, nach der Vermessung einiger neuer Küstenstrecken, noch kurz vor der Heimreise mit 81° 4' 30'' Nord den nördlichsten bislang überhaupt erreichten Punkt. Reich an Erfahrungen, jedoch bis auf die zudem kurzlebige Rekordhöhe arm an Ergebnissen lief diese „Erste Deutsche Nordpolar-Expedition“ am 11. Oktober in die Unterweser ein. `80
80 „Originalkarte der 1. Deutschen Nordpolar-Expedition“. Obwohl die im Original großformatige Karte einen gut gefüllten ersten Eindruck vermittelt, verzeichnet sie neben damals schon bekannten Küsten nur die für einen Segler wie die „Grönland“ in tückischen Treibeisgewässern charakteristischen Zickzackkurs mit Übertragungen aus dem Schiffslogbuch. Deshalb waren sich sowohl Kapitän Koldewey als auch Petermann privatim einig, dass die „Erste Deutsche Nordpolar-Expedition“, gemessen an Erwartungen und Aufwand, ein glatter Fehlschlag war (Quelle: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Ergänzungsheft Nr. 28, Gotha 1871, Tafel 1).
Da unterdessen nicht zuletzt aufgrund der auch über „Petermanns Mitteilungen“ hinaus regen Berichterstattung nicht nur die Kosten der Sommerkreuzfahrt gedeckt waren, sondern sogar ein noch einmal genau so hoher Spendenüberschuss in Gotha aufgelaufen war, konnte bereits bei der Feier für die zurückgekehrten Nordfahrer eine weitere Nordpolexpedition verabredet werden. Deren Organisation ging nun jedoch gänzlich auf das Bremer Komitee über. Mit der eigens gebauten „Germania“, einem Segelschiff
Die „Deutschen Nordpolar-Expeditionen“ 1868 – 70
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mit Hilfsdampfmaschine, und dem kleinen Begleitsegler „Hansa“ verließ die „Zweite Deutsche Nordpolar-Expedition“ am 15.6.1869 Bremerhaven. Diesmal waren sechs Wissenschaftlern an Bord und natürlich wieder eine 31 Paragraphen lange Petermann-Instruktion, deren Abdruck in der Zeitschrift nicht weniger als sechs Seiten erforderte. Welch nationale Resonanz die Polarforschung unterdessen gewonnen hatte, kam darin zum Ausdruck, dass diese Expedition sogar vom preußischen König Wilhelm I. und dessen Kanzler Otto von Bismarck verabschiedet wurde.
Bereits ein Monat nach dem Auslaufen froren beide Schiffe am 15. Juli im Treibeis vor Ostgrönland fest und trieben fünf Tage später in dichtem Nebel auseinander. Der großen „Germania“ mit ihrer Dampfmaschine gelang am 5. August doch noch bei 74° 30' Nord der Durchbruch durchs Treibeis zur Insel Sabine (Kapitel 16). Unter topographischer Küstenaufnahme nordwärts vorstoßend, musste Kapitän Koldewey bereits am 13. August angesichts einer Packeisfront bei der Insel Shannon auf 75° 30' Nord zur Vorbereitung der Überwinterung auf Sabine umkehren. Hier fror die „Germania“ bald nach Beginn der fast 300-tägigen Überwinterung am 22.9.1869 endgültig fest. Nach dem Ende der langen Winternacht und vor dem Antritt der Heimreise unternahm der als Topograph mitgereiste Alpinist Julius Payer (Kapitel 9) zwischen dem 24. März und dem 27. April des Folgejahres einen Schlittenvorstoß die felsige Küste entlang gen Norden, der ihn hinauf bis auf 77° 1' Nord führte. Damit erreichte er den nördlichsten Punkt der Expedition, die damit den Kenntnisstand der ostgrönländischen Küste aber nur um etwa 1° nach Norden verschoben hatte. `81 Nachdem die „Germania“ am 11.7.1870 wieder eisfrei wurde, scheiterte Ende Juli auch der zweite Nordvorstoß am Treibeis auf nur 75° 29' Nord, woraufhin Kapitän Koldewey von weiteren Durchbruchversuchen absah und stattdessen der Küste gen Süden folgte. Es ist nicht ohne Ironie, dass der größte Erfolg der Expedition sich erst hier kurz vor dem Verlassen Grönlands einstellte, als am 9. August ein tief eingeschnittener Fjord entdeckt und bis zum 15. August auf 130 Kilometer Länge befahren wurde. Um nicht erneut festzufrieren, trat die „Germania“ 81 Kartographische Aufplusterung geringer Kenntnisfortschritte. In dieser Karte präsentiert Petermann sehr geschickt die eigentlich nur begrenzten Kenntnisfortschritte der „Zweiten Deutschen Nordpolar-Expedition“ an diesem Teil der bereits 1607 von Henry Hudson entdeckten ostgrönländischen Küste: Einer lange überholten Kartenaufnahme von Edward Sabine von 1823 setzte er geschickt in roten Umrissen die 1869 – 1870 „neu-entdeckten oder neu-aufgenommenen Theile“ seiner Expedition entgegen. Die beiden wichtigsten dargestellten Ergebnisse waren dabei Julius Payers Schlittenvorstoß, der die Küstenkenntnis um einen vollen Breitengrad bis 77° 1' Nord voranschob, und die Befahrung des neu entdeckten Kaiser-Franz-Josef-Fjords (Quelle: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 17 (1871), Tafel 10).
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Ein stilles Leid: Forschungsfinanzierung
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eute wie damals kostet das Reisen Reisen, und gerade gut ausgerüstete Expeditionen in unbekannte Landstriche konnten früher ein kleineres oder noch häufiger ein größeres Vermögen verschlingen. Unzählige Forschungsvorhaben scheiterten deshalb schon an den Klippen der Finanzierung. Hier wird nun August Petermanns überragende Bedeutung deutlich als einer der wegen seines Renommees und seiner Stellung als Herausgeber einer der führenden geographischen Zeitschriften am besten mit Verlagen, Gesellschaften, Regierungen und breiten bildungsbürgerlichen Kreisen seiner Leserschaft „verdrahteten“ und damit wichtigsten „Torwächter“ von Forschungsreisen im 19. Jahrhundert. Schon aus der Sichtung neu eingegangen Materials entwickelte Petermann beständig Anregungen für zukünftige Projekte und spielte, je nach Größe des Vorhabens, meisterlich auf der Klaviatur seiner Kontakte, um erstens die Forschungen zu ermöglichen, zweitens den Rohmaterialnachschub an Berichten und Kartenmaterial für seine Zeitschrift zu sichern und drittens durch spektakuläre Themen sein Publikum zu fesseln. Im Falle von Heinrich Barth (Kapitel 3) weiß man, dass dessen fünfjährige Reise durch die Sahara und Westafrika ungefähr 10 000 Taler gekostet hatte, wovon der preußische König 1000 Taler und Barth selbst unter Ruinierung seines Vermögens weitere 1400 Taler aufbrachten, während die verbleibenden drei Viertel dieser seinerzeit ganz erheblichen Summe nicht zuletzt durch die Vermittlung von Petermann zusammenkamen. Sein Organisationstalent und Trommeln ermöglichten auch die verschiedenen Suchexpeditionen zur Aufklärung des Schicksals von Eduard Vogel. Über den Fortschritt der Spendensammlung und die Ausgaben berichtete Petermann in regelmäßigen „Quittungen“ am Schluss der Monatshefte. So gingen für die „Deutsche Innerafrika-Expedition“ bis zur 1. Quittung am 15.8.1860 erst 1095 Taler, zur 4. Quittung am 20.12.1860 schon 10 740 Taler und bis zur 12. und letzten Quittung am 1.6.1863 sogar 22 090 Taler in Gotha ein. Da die „Deutsche Innerafrika-Expedition“ rasch auseinanderbrach, blieb ein größerer Betrag übrig, der es
am 17. August endgültig die Rückfahrt durch das Treibeis an und erreichte Bremerhaven am 11. September. `82 Auch nach den Berichten der „Zweiten Deutschen Nordpolar-Expedition“ konnte sich Petermann nicht von seiner im Grundsatz zwar richtigen, aber in den Auswirkungen weit überschätzenden Ansicht trennen, dass das Polar-
Petermann erlaubte erlaubte, den unglücklichen Moritz von Beurmann 1862 – 63 zum Tschadsee hin in Marsch zu setzen (Kapitel 3). Später unterstützte er damit auch den von ihm „entdeckten“ Nachwuchsforscher Carl Mauch, der 1866 – 71 in Südostafrika Goldfelder und die Ruinen von Simbabwe (wieder-)entdeckte, sowie Gerhard Rohlfs (Kapitel 5), der schon bald zu einem der populärsten Autoren seiner Zeitschrift werden sollte. Und es blieb sogar noch ein Rest, der den Grundstock der ersten Polarexpedition 1868 bildete. Für die beiden Nordpolar-Expeditionen 1868 – 70 lief Petermann dank des breiten Widerhalls seiner Arktiskampagne zur sammelnden Bestform auf, wie in der umständlich, aber buchhalterisch genauen „General-Rechnungs-Ablage“ am 25.11.1871 in seiner Zeitschrift nachzulesen war: Obwohl die Sommerkreuzfahrt der „Ersten Deutschen Nordpolar-Expedition“ 1868 mit 16 441 Talern drei Mal so teuer wie ursprünglich veranschlagt war, hatte der Gothaer Trommler bis zu deren Rückkehr aber schon 33 191 Taler eingeworben. Deshalb konnte sofort mit der Planung der „Zweiten Deutschen Nordpolar-Expedition“ begonnen werden. Für diese sammelte Petermann durch die fortgesetzte Arktiskampagne weitere 26 971 Taler ein, sodass für die Begründung der deutschen Polarforschung binnen sechs Jahren nicht weniger als 60 162 Taler eingesammelt wurden. Da sich das Bremer Komitee und der ebenso umtriebige wie eigensinnige Petermann bald zerstritten, schoss der Herausgeber nur etwa die Hälfte der sich auf astronomische 84 252 Taler belaufenden Kosten dieser zweiten Nordfahrt zu, während er einen Teil der Spenden in andere arktische Expeditionen umlenkte. Dem nominellen Ausrichter der „Zweiten Deutschen Nordpolar-Expedition“, dem Bremer Komitee, hingegen gelang es bis zum 1. März 1870 nur 25 618 Taler Geldund Naturalspenden – darunter 920 Flaschen französischen Rotweins und 50 Flaschen alten deutschen Rheinweins – einzusammeln, weshalb die Expedition tief verschuldet begann und erst durch die Versicherungssumme von 12 000 Talern für den Verlust der „Hansa“ einigermaßen ausgeglichen werden konnte.
meer abseits der Küstengestade unter dem Einfluss des warmen Golfstroms im Sommer zumindest bis knapp unterhalb des Nordpols weitgehend eisfrei sei und damit einen Schiffsvorstoß ermögliche. Neben diesen beiden maßgeblich durch ihn beeinflussten Expeditionen beriet der Gothaer Kartograph eine Reihe weiterer Expeditionen, die ins Nordpolarmeer führten,
Die „Deutschen Nordpolar-Expeditionen“ 1868 – 70
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82 Unverhofftes Entdeckerglück im letzten Augenblick. Drei Tage nach der am 9.8.1870 auf 73° 16' Nord erfolgten Entdeckung eines tief ins Hinterland einschneidenden Fjords, den Petermann später zum Ärger des Bremer Komitees nach dem österreichischen Kaiser Franz Josef benannte, nutzte der ausgewiesene Alpinist Julius Payer eine Reparatur am Schiffskessel der „Germania“, um mit einer Seilschaft die über 2000 Meter hohen Fjordflanken zu erklimmen. Oben angekommen erblickten die arktischen Bergsteiger nahebei eine dann nach Payer benannte Spitze (Mittelgrund links) sowie ganz am Ende des Fjordes einen mächtigen Berg (Hintergrund Mitte), die nach dem spiritus rector der Expedition getaufte Petermann-Spitze, die mit ihrer erst viele Jahre später festgestellten Höhe von 2939 Meter nur knapp hinter der Zugspitze zurücksteht. Diesen denkwürdigen Moment stellt hier Edward Whymper (1840 – 1911), ein persönlicher Freund Petermanns und berühmter Erstbesteiger des Matterhorns (1865) und des Chimborazo (1880), an dem Alexander von Humboldt 1802 gescheitert war (Kapitel 1), nach einer auf Payer zurückgehenden Vorlage in zeittypisch heroischer Pose als Holzschnitt dar (Quelle: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebietee der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 17 (1871), Frontispiz).
wie etwa diejenige von Graf Waldburg-Zeil und Theodor von Heuglins 1870, die einige Inseln des König-Karl-Lands östlich von Spitzbergen (wieder-)entdeckten, sowie die Erkundungsfahrt von Weyprecht und Payer 1871 (Kapitel 9), die bis auf W 78° Nord vordrangen, bevor der Eisgang auch ihnen den Weg versperrte. Wenn auch der Vorstoß zum Nordpol für Petermann ein unerfüllter Traum blieb, trugen die bis zu seinem Tod 1878 nicht weniger als 130 detaillierten Fortschrittsberichte und rund fünfzig Karten(-skizzen) in seiner Zeitschrift ganz erheblich zum Aufschwung der arktischen Entdeckungsreisen bei. Einen angemessenen Schlussstrich unter Petermanns Förderung der Polarforschung setzte unwissentlich Adolf Erik von Nordenskiöld, als dieser nach dem erfolgreichen und zuerst von Petermann vorgeschlagenen Durchstoß der Nordostpassage, am 9.2.1879 noch aus dem Eis der Beringstraße einen Brief an den unterdessen aus dem Leben geschiedenen „gelehrten und eifrigen Beförderer aller Arktischen Seefahrten“ schrieb mit den ersten Ergebnissen der Bezwingung der Nordostpassage.
Literatur
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8 „Zur Ehre des Vaterlandes …“
gen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 16 (1870), S. 408 – 421. KÖHLER, FRANZ: Gothaer Wege in Geographie und Kartographie. Gotha 1987. KRAUSE, REINHARD: Die Gründungsphase deutscher Polarforschung; 1865-–1875. Bremen 1992. KRAUSE, REINHARD: Zweihundert Tage im Packeis: Die authentischen Berichte der „Hansa“-Männer der deutschen Ostgrönland-Expedition 1869 bis 1870. Hamburg 1997. NEEF, ERNST: Das Gesicht der Erde. Leipzig 21962. PAYER, JULIUS: Die Entdeckung des Kaiser Franz Josef-Fjordes, in: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 17 (1871), S. 195 – 200. PETERMANN, AUGUST: The search for Franklin. A suggestion submitted to the British public. London 1852. PETERMANN, AUGUST: Die Eisverhältnisse in den Polar-Meeren und die Möglichkeit des Vordringens in Schiffen bis zu den höchsten Breiten, in: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete
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„Nie zurück“ Die „Österreich-ungarische Nordpol-Expedition“ 1872 – 74
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ie aufsehenerregenden deutschen Nordpolarfahrten (Kapitel 8) entfachten auch in Österreich-Ungarn, damals eine der führenden europäischen Mächte, das Interesse an einer eigenen Expedition in die Arktis. Durch das Zusammentreffen von Julius Payer, dem auf der „Zweiten Deutschen Nordpolar-Expedition“ bewährten arktischen Schlittenführer, mit seinem Offizierskollegen Carl Weyprecht von der Kriegsmarine und dem Wiener Mäzen Johann Nepomuk Graf Wilczek waren rasch die Grundzüge einer baldigen habsburgischen Nordfahrt entworfen: Schon im Juni bis Oktober 1871 unternahmen Payer und Weyprecht vom norwegischen Tromsö aus eine „Rekognoszierungsfahrt“
auf dem gecharterten Robbenfänger „Isbjörn“ in die Barentssee östlich von Spitzbergen. Obwohl das Treibeis ein Vordringen in unbekannte Gefilde verhinderte hatte, blieb der Nautiker Weyprecht doch nach wie vor von der durch Petermann vorhergesagten sommerlichen Befahrbarkeit des Nordpolarmeers überzeugt. Entsprechend entwickelte er im Winter 1871/72 vor der Frankfurter Geographischen Gesellschaft, eine der Förderinnen der deutschen wie österreichischen Polarexpeditionen, als Ziel recht nüchtern nicht etwa den Pol – „ferner ist wissenschaftlich die Erreichung des Pols nicht so wichtig, er repräsentiert einen Punkt nicht interessanter als andere Punkte auch“ –, der nur mit wesentlich mehr Mitteln
Julius Payer, ca. 1868 (Quelle: Martin Müller: Julius von Payer, Stuttgart 1956, Frontispiz).
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83 Petermanns Zusammenfassung der „Österreich-ungarischen Nordpol-Expedition“. „Originalkarte zur Übersicht des Standpunktes neuester Polarforschungen bis Ende September 1874“ mit Einzeichnung der Routen der „Isbjörn“ 1871 und der „Admiral Tegetthoff“ 1872 – 74 (Quelle: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 20 (1874), Tafel 20).
und zumindest zwei Schiffen angegangen werden könne. Vielmehr sei das Ziel der habsburgischen Expedition die Überwindung des bisherigen Sperrriegels Nowaja Semlja, der Vorstoß entlang der nordsibirischen Küste „und als ideales Ziel die Durchfahrung der Beringstraße“. `83, 84 Da das unterdessen gebildete Wiener „Comité für die österreichisch-ungarische Nordpol-Expedition“ über 200 000 Gulden bei staatlichen und privaten Förderern eingesammelt hatte, konnte die Expedition wie kaum eine zuvor aus dem Vollen schöpfen: Als Expeditionsschiff wurde in V Bremerhaven nach Weyprechts Angaben der 32 Meter lange Dreimastmotorsegler „Admiral Tegetthoff“ mit einer 100-PS-Dampfmaschine und 220 Tonnen Wasserverdrängung in nur wenigen Monaten gebaut und ausgerüstet. Er war um die Hälfte größer als die „Germania“ der „Zweiten Deutschen Nordpolar-Expedition“. Am 14.7.1872 stach die „Admiral Tegetthoff“ mit Proviant für 1000 Tage – obwohl nur eine Driftüberwinte-
84 Der Dreimastmotorsegler „Admiral Tegetthoff“ im Eis (Quelle: Sammlung des Verfassers).
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9 „Nie zurück“
Julius Payer – Alpinist, Polarforscher und Monumentalmaler
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l markantester ls k t t Teil T il der d Gebirgskomplexe G bi k l weisen i Hochgebirge neben einer größeren Erhebung – in der Regel etwa 2000 Meter über dem Meeresspiegel hoch oder zumindest mit 1500 Meter Höhenunterschied zur Umgebung – als weitere Merkmale einen deutlichen Gebirgszugcharakter auf mit ausgeprägtem Steilrelief. Außerdem sind Hochgebirge von gegenwärtiger oder eiszeitlicher Vereisung mit dem zugehörigen Formenschatz gekennzeichnet sowie von einem deutlich kühleren Klima und einem höhengestuften geomorphologischen und ökologischen Wandel. Dies alles trifft auf den 1200 Kilometer langen Bogen der Alpen zu, der als höchster und formenreichster kontinentaler Gebirgszug Mittel- von Südeuropa trennt. Sein überaus komplizierter Bau reicht bis ins Erdaltertum zurück, die gegenwärtige Gestalt mit ihren Überschiebungsdecken entstand aber vorwiegend seit dem Tertiär durch den Vorstoß der Afrikanischen Platte nach Norden auf die Eurasische Platte, wobei beständig und bis in die Gegenwart das Faltengebirge der Alpen aufgeworfen wurde. Die in erster Linie eiszeitlich geformten Gebirgskämme über den Pässen und Almen erkundeten seit dem ersten Drittel des 19. Jahrhunderts wagemutige Kletterer – die „Alpinisten“ – und berichteten hierüber einer zunehmend interessierten Öffentlichkeit. So auch Julius Payer: Als Sohn eines Offiziers war die militärische Ausbildung des am 1.(2.?).9.1841 im böhmischen Schönau bei Teplitz geborenen Julius Johann Ludwig Payer nahezu vorbestimmt. Er durchlief ein Kadetteninstitut bei Krakau und die Militärakademie Wiener Neustadt, wo er als Topograph geschult wurde, und kam 1860 als Leutnant ins 36. Infanterieregiment im damals noch habsburgischen Verona. Dort entwickelte er ein reges Interesse für den gerade in Mode kommenden Alpinismus, zeichnete sich aber auch 1866 beim österreichischen Schlachtensieg von Custozza über die Italiener aus. Payer war schon 1864 in Verbindung mit Petermann getreten und begann eine zwar nur wenige Jahre umspannende, dafür aber sehr intensive Zusammenarbeit. Schon sein erster in der Zeitschrift veröffentlichter Beitrag berichtete charakteristisch wortmächtig über seine im Jahr zuvor ausgeführte Besteigung des Großglockner, der mit 3797 Meter höchsten und in ihren Flanken stark vergletscherten Erhebung der Ostalpen.
D ebenso Der b kkunstsinnige t i i wie i naturwissenschaftlich t i h ftli h interessierte Offizier bot zunächst eine naturkundliche Skizze und einen Abriss der Bergsteigergeschichte, bevor er sehr anschaulich seinen Aufstieg mit der Zeichenmappe zum Gipfel beschrieb, wo sich ihm ein Panorama von etwa 170 000 Quadratkilometern bot: „Ich bemerkte keine sonderliche Athembeschwerde, dagegen wurde mir der verringerte Luftdruck in der Pfanne des Schenkelknochens fühlbar.“ Aufgrund des großen Anklangs und schließlich sogar im offiziellen Armeeauftrag erschienen sodann 1865 – 72 in rascher Folge fünf Ergänzungshefte zu „Petermanns Mitteilungen“ über die Massive Adamello-Presanella und Ortler, den westlichen Ortler, südlichen Ortler und schließlich den zen85 Julius Payer, ca. 1868 tralen Ortler – insgesamt der neben Alfred Philippson (Quelle: Martin Müller: Juli(Kapitel 15) größte individuelle Beitrag zu dieser Reius von Payer, Stuttgart 1956, he. Payers alpine Ergänzungshefte enthalten jeweils Frontispiz). etwa hälftig einen naturkundlichen Teil zur Topogra-
86 Payers Südwestansicht der Großglocknerspitze (Quelle: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 10 (1864), Tafel 11).
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phie, Geologie, den Gletschern und mit Talbeschreibungen sowie einen „touristischen“ Teil, in welchem er mit leichter Feder seine Besteigungen von insgesamt etwa 120 Gipfeln schildert, darunter ein halbes Hundert Erstbesteigungen. Aufgrund seiner vielfachen Begabungen holte Petermann den Mittzwanziger als Topographen und Alpinisten in die „Zweite Deutsche Nordpolar-Expedition“ (Kapitel 8), wo er sich tatsächlich im Frühjahr 1870 beim Schlittenvorstoß bis auf 77° 1‘ Nord herausragend bewährte. Nach der Rückkehr lernte Payer im Herbst in Wien seinen Offizierskollegen Weyprecht kennen, mit dem gemeinsam er
1871 eine Erkundungsfahrt und dann 1872 – 74 die Tegetthoff-Expedition unternahm, auf der er drei lange Schlittenexpeditionen zur Erkundung des entdeckten Franz-Josef-Landes unternahm. Wieder in Wien veröffentlichte er ein weit verbreitetes Erinnerungsbuch, beteiligte sich aber nicht mehr an der Auswertung der geretteten wissenschaftlichen Beobachtungen. Von den bedeutenden Forschern, die Payer nun traf, verehrte er am meisten den Afrikareisenden Gerhard Rohlfs (Kapitel 5), nach dem er schon ein Kap auf der Kronprinz-Rudolf-Insel im äußersten Norden von Franz-Josef-Land benannt hatte. Als er Rohlfs, zu dem sich eine Freundschaft entwickelte und den er beinahe 1878 als Maler auf dessen Kufra-Expedition begleitet hätte, im Oktober 1874 in Weimar besuchte, meldete dieser den Gast bei Carl Alexander, dem Großherzog von Sachen-Weimar-Eisenach, der umgehend eine Einladung aussprach. Als sich Payer für seinen Straßenanzug entschuldigte, entgegnete der Großherzog: „Bitte, ich habe nicht Ihren Frack, den Sie zweifelsohne besitzen, eingeladen, sondern Sie selbst.“ Obwohl zu einem „von Payer“ geadelt, fühlte sich der leicht verletzliche Eigenbrötler in der kaiserlich-königlichen Armee nicht hinreichend gewürdigt und schied als Oberleutnant aus, um sich künftig ganz seinen künstlerischen Neigungen zu widmen. Nachdem er schon in den Alpen und auf den Expeditionen stets die Zeichenmappe dabei hatte, ließ Payer sich 1880 – 82 in München zum Kunstmaler ausbilden und ging dann zu weiteren Studi-
rung eingeplant war – sowie mit 24 Mann Besatzung von Tromsö aus in See. Neben den Offizieren versammelte die Besatzung zwei Bergsteiger und Jäger aus dem Tiroler Passeiertal, ansonsten stammten die Männer aber vorwiegend aus dem Kronland Dalmatien, weshalb das damals dort verbreitete Italienisch die Bordsprache der Österreich-ungarischen Expedition wurde. Das Kommando war dergestalt aufgeteilt, dass Weyprecht das Schiff führte, während Payer die Schlittenexpeditionen in den zu entdeckenden Ländern leiten sollte. Bereits am 22. August wurde das Schiff bei Nowaja Semlja vom Eis eingeschlossen, mit dem es die nächsten 373 Tage in einem Zickzackkurs bis auf 79° 58' Nord driftete. „Es war um die Mittagszeit“, so Payer in seinem volkstümlichen Erinnerungsbuch über den ersehnten Moment
am 30.8.1873, „da wir über die Bordwand gelehnt, in die flüchtigen Nebel starrten, durch welche dann und wann das Sonnenlicht brach, als eine vorüberziehende Dunstwand plötzlich rauhe Felszüge fern in Nordwest enthüllte, die sich binnen wenigen Minuten zu dem Anblick eines strahlenden Alpenlandes entwickelten! Im ersten Moment standen wir Alle gebannt und voll Unglauben da; dann brachen wir, hingerissen von der unverscheuchbaren Wahrhaftigkeit unseres Glückes, in den stürmischen Jubelruf aus: ,Land, Land, endlich Land!’ Keine Kranken gab es mehr im Schiffe; im Nu hatte sich die Nachricht der Entdeckung verbreitet; Alles war auf Deck geeilt, um sich mit eigenen Augen Gewißheit darüber zu verschaffen, daß wir ein unentreißbares Resultat unserer Expedition vor uns hatten.“ Durch Drift und Wetter war es aber erst im November im polaren Winterdämmerlicht und
87 Payers Rundsichtpanorama vom Großglocknergipfel (Quelle: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 10 (1864), Tafel 11).
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88 Das Ortlermassiv. Südostansicht der Punta Taviela (3612 m) und des Dente del Vióz (2905 m) nach einer Zeichnung von Julius Payer mit einem Messtisch mit Kippregel (Quelle: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Ergänzungsheft Nr. 27, Gotha 1869, Frontispiz).
en nach Paris. Die Erblindung seines linken Auges beschränkte ihn nach 1884 auf Monumentalgemälde, die bevorzugt dramatische Sujets der Polarwelt aufgriffen. Damit dürfte er der einzige bedeutende Polarforscher sein, der Gemälde auch seiner eigenen Expeditionen schuf. Nach der Scheidung einer unglücklichen Ehe 1890 nach Wien zurückgekehrt, unterhielt er eine Malschule für Damen der Gesellschaft. Nur 1895 trat er noch ein-
mal aus der Zurückgezogenheit heraus, indem er eine Künstlerreise in die Arktis vorschlug und im November aktiv an einer Vorbereitungssitzung zu Erich von Drygalskis „Deutscher Südpolar-Expedition“ in Berlin teilnahm (Kapitel 14). Nach der Jahrhundertwende zog er sich auf oft monatelange Touren durch die Alpen zurück, wo er auch am 29.8.1915, mittlerweile völlig vergessen, in Veldes in der Krain starb.
seit Ende Februar 1874 im helleren Licht des anbrechenden Polarfrühlings möglich, das gesichtete Land auch zu besuchen. Die längste Schlittenerkundungsfahrt Payers fand dabei vom 26.3. bis 23.4.1874 statt und führte unter vorwiegend patriotischer Namensvergabe durch das Inselgewirr des Austria-Sunds, der östlichen und einzigen damals gesichteten nordsüdlichen Meeresstraße, bis hinauf zur nördlichsten Insel des etwa 16 300 Quadratkilometer großen Archipels – und damit 300 Kilometer weit weg von der „Admiral Tegetthoff“. Dabei trat der Landescharakter als weitgehend flache und vergletscherte Inselgruppe hervor mit dem rund 2000 Quadratkilometer großen und bis 609 Meter hohen Wilczek-Land als Hauptinsel. Den Archipel taufte die Expedition zu Ehren des heimischen österreichischen Kaisers und
ungarischen Königs Franz-Josef-Land. Heute jedoch ist bekannt, dass vermutlich schon 1675 der Niederländer Cornelius Roule, ganz sicher aber 1868 der norwegische Robbenfänger Nils Frederik Rönnebeck die Inselgruppe für norwegische Fischer und Jäger gesichtet hatte, die aber zum Schutze dieser neuen Ertragsquelle ihre Entdeckung geheim hielten. Nicht zuletzt wegen dieser norwegischen Verschwiegenheit blieb der Name Franz-Josef-Land haften, auch als die Sowjetunion die Inseln 1928 annektierte. Die bereits von Payers Schlittenvorstoß erreichte und nach dem österreichischen Thronfolger benannte Rudolf-Insel stellt heute mit 81° 46' Nord den nördlichsten Punkt Russlands und Eurasiens dar. `92, 93 Nachdem im zweiten Polarwinter die „Admiral Tegetthoff“ am Eis des Wilczek-Lands fest-
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Carl Weyprecht und die Verstetigung der Polarforschung
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89 Carl Weyprecht (Quelle: Egon Ihne: Der Nordpolarforscher Carl Weyprecht, Darmstadt 1913, Frontispiz).
stadt als Sohn eines Gutsverwalters beim Grafen von Erbach geborene Carl Weyprecht zog es bereits als Kind zur Seefahrt, weshalb er zur besseren naturwissenschaftlichen Ausbildung vom Gymnasium zur Höheren Gewerbeschule wechselte. Nach deren Abschluss trat er 1856 als Kadett in den damals bedeutendsten deutschen Flottenverband ein – die österreichische Kriegsmarine! Nach der Ausbildung diente er 1860 – 62 als Fähnrich auf der Fregatte „Radetzky“, die der spätere österreichische Seeheld Wilhelm von Tegetthoff befehligte, dessen Fürsprache ihm ein Jahrzehnt später mit entscheidend den Weg in die Arktis bahnen sollte. Einstweilen las Weyprecht begeistert den Werbevortrag Petermanns für eine gesamtdeutsche Nordpolarexpedition und bewarb sich im März 1866 unter Beifügung detaillierter Listen zur Schiffsausrüstung sowie durchdachten Ausführungen über Zelte, Schlitten und Hunde. Obwohl Petermann ihm umgehend zusagte, zerschlug sich Weyprechts Teilnahme an beiden deutschen Expeditionen, da ihn die Kriegsmarine, in der er 1866 auf der Panzerfregatte „Drache“ am österreichischen Seesieg über Italien bei Lissa ordensdekoriert mitfocht, zunächst nicht freistellen wollte. Außerdem erkrankte er 1868 als Linienschiffsleutnant auf einer Abkommandierung in die
90 Deutsche Station Kingua-Fjord am Golf von Cumberland auf dem kanadischen Baffin Island (Quelle: Reinhard Krause: Das erste Internationale Polarjahr (IPY) 1882/83), in: Polarforschung, Band 77 (2007), Heft 1, S. 33).
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Karibik schwer am Sumpffieber und lag monatelang in Havanna auf Kuba im Hospital. Einigermaßen genesen zeichnete er sich seit 1869 bei der Küstenaufnahme der Adria aus und lernte im Winter 1870/71 seinen Offizierskollegen Payer kennen, der eine gemeinsame Expedition unter der Flagge Österreich-Ungarns vorschlug. Damit eröffnete sich Weyprecht doch noch die Gelegenheit zu einer Nordfahrt – und nun zudem als deren Kapitän. Als er drei Jahre später nach Wien zurückkehrte, hatte Weyprecht aus den Erfahrungen in Franz-JosefLand die Erkenntnis gewonnen, dass an die Stelle der bisher zufälligen und punktuell bzw. linearen Beobachtungen auf Expeditionen eine Verstetigung und Vernetzung der Polarforschung treten müsse. Seine Zweifel am Wert isolierter Einzelmessungen zum Verständnis insbesondere der arktischen Meteorologie spitzte er 1875 auf der 48. Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte in Graz wie auch auf dem 2. Internationalen Geographen-Kongress in Paris zu einer prägnanten Forderung zu: „Forschungswarten statt Forschungsfahrten“. Das Ziel war ein polumspannendes Netzwerk von (Wetter-)Beobachtungsstationen, um Ursachen und Ausmaß der am eigenen Leib in zwei Driftjahren erlebten Dominanz der Winde über den Golfstrom zu erforschen. Die vergleichende Auswertung der gleichzeitig und einheitlich durchgeführten Messungen sollten Klimaphänomene und Schwankungen des Erdmagnetfeldes begreifbar machen. Den Adelstitel im Gegensatz zu Payer ablehnend arbeitete Weyprecht in Wien trotz beständiger „Erkältun-
91 Kenntnisstand der Arktis und Internationales Polarjahr 1882 – 83. Neben der Verteilung der 14 Beobachtungsstationen (hier vom Autor hervorgehoben) des ersten Internationalen Polarjahrs fällt der selbst nach einem halben Jahrhundert moderner Polarforschung noch ausgedehnte „weiße Fleck“ rund um den Nordpol ins Auge (Quelle: Scottish Geographical Magazine, Vol. 1 (1885), Issue 12).
gen“, die schließlich in eine Tuberkulose mündeten, an der Auswertung der geretteten Messergebnisse aus dem Nordpolarmeer wie auch an der Realisierung der „Forschungswarten“. Bereits todkrank von der Familie in einem kaiserlichen Salonwagen ins hessische Michelstadt zurückgeholt, starb er dort zwei Tage später am 29.3.1881. Seine Idee aber hatte sich da schon durchgesetzt, sodass 1882 – 83 ein „Internationales Polarjahr“ mit 14 Forschungsstationen von elf Nationen durchgeführt wurde – die größte zwischenstaatlich koordinierte Forschungsanstrengung des 19. Jahrhunderts. Wenn es auch, entgegen der Intentionen Weyprechts, im An-
schluss an der zusammenfassenden Auswertung aller Messdaten noch haperte, so verdanken wir doch jenem ersten internationalen Polarjahr die Erkenntnis der grundlegenden Bedeutung der polaren Luftmassen für das weltweite Klimageschehen. Nachdem 50 Jahre später das 2. Internationale Polarjahr 1932 /33 gefolgt war, stellten die Naturforscher nach dem Zweiten Weltkrieg neben die Polarforschung auch die allgemeine geophysikalische Forschung, sodass das 3. und 4. Polarjahr jeweils mit dem 1. Geophysikalischen Jahr 1957/58 und dem 2. Geophysikalischen Jahr von März 2007 bis März 2009 zusammenfiel.
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92 Payers Entwurf des (wieder-)entdeckten Franz-Josef-Lands (Quelle: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 22 (1876), Tafel 11. [im Ausschnitt!]).
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fror, fiel die Entscheidung, keine dritte Überwinterung mehr hinzunehmen, sondern im Frühling das Schiff aufzugeben und nach Süden zu marschieren. Am 20.5.1874 zogen 23 Männer – der Maschinist war im März der Lungentuberkulose erlegen – mit drei zu Schlitten umgebauten Booten los, in die neben dem verbliebenen Proviant auch die wissenschaftlichen Aufzeichnungen verpackt waren. Der wohl dramatischste Moment der gesamten Expedition war der 15. Juli, als die erschöpften Männer feststellen mussten, dass die Eisdrift sie fast wieder bis zur „Admiral Tegetthoff“ zurückgetragen hatte. Als einige in Panik und Verzweiflung wieder aufs vertraute Schiff wollen, schaffte es Weyprecht nur mit einer flammenden Ansprache und der Bibel in der Hand, diese zum rettenden Weitermarsch zu bewegen. `93 Am 14. August wurde nach 76-tägigem Marsch, während dem man nur wenige für die Boote nutzbare Wasserrinnen fand, die in diesem Jahr besonders weit nach Norden zurückgewichene Eiskante erreicht und auf ruhiger See mit voller Beflaggung bereits am 18. August das sommerliche Nowaja Semlja. Das Glück blieb den habsburgischen Nordfahrern hold, als diese, nachdem der Proviant zur Neige gegangen war, am 24. August in der Dünenbucht auf einen russischen Schoner trafen, dessen Besatzung hier der Lachsfischerei und Rentierjagd nachging. Aber erst nach zähen Verhandlungen – der Verlust der sommerlichen Jagdbeute musste ja ausgeglichen werden – erklärten sich die Russen bereit, die Expeditionscrew gegen Überlassung der drei Boote, von zwei Gewehren und 1200 Silberrubeln ins norwegische Vardö zu bringen, von wo aus am 3.9.1874 und damit fast zwei Jahre nach dem letzten Kontakt zur Außen-
welt die Meldung der Rettung und „Entdeckung“ um die Welt lief. Mit der Eisdrift hatte die „Österreich-ungarische Nordpol-Expedition“ unabsichtlich aber eindrucksvoll Petermanns Vorstellung vom sommerlich weitgehend eisfreien und damit befahrbaren Nordpolarmeer zumindest in den höheren Breiten widerlegt (Kapitel 8).
Literatur
DEMHARDT, IMRE JOSEF: Österreichisch-Ungarische Expedition entdeckt FranzJosef Land, in: Petermanns Geographischen Mitteilungen, Jahrgang 145 (2001), Heft 1, S. 76 – 77. DEMHARDT, IMRE JOSEF: Die Alpen, in: Petermanns Geographischen Mitteilungen, Jahrgang 146 (2002), Heft 1, S. 84 – 85. IHNE, EGON: Der Nordpolarforscher Carl Weyprecht. Darmstadt 1913. KRAUSE, REINHARD: Das erste Internationale Polarjahr (IPY) 1882/1883: Die Entwicklung der Beteiligung Deutschlands, in: Polarforschung, Band 77 (2007), Heft 1, S. 17 – 36. MÜLLER, MARTIN: Julius von Payer. Ein Bahnbrecher der Alpen- und Polarfor-
schung und Maler der Polarwelt. Stuttgart 1956. NEEF, ERNST: Das Gesicht der Erde. Leipzig 21962. PAYER, JULIUS: Die österreichisch-ungarische Nordpol-Expedition in den Jahren 1872 – 1874. Wien 1876. [PETERMANN, AUGUST:] Geographie und Erforschung der Polar-Regionen, Nr. 109: Die 2. Österr.-Ungarische NordpolarExpedition unter Weyprecht und Payer, 1872/4, in: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 21 (1875), S. 222 – 228.
93 me des Rückmarschs nach Süden und der Bootsfahrt nach Nowaja Semlja (Quelle: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 23 (1877), Tafel 5).
[PETERMANN, AUGUST:] Geographie und Erforschung der Polar-Regionen, Nr. 117: Die Entdeckung des Franz Josef-Landes durch die zweite Österr.-Ungarische Nordpolar-Expedition, 1873 und 1874, in: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 22 (1876), S. 201 – 209. RATZEL, FRIEDRICH: Weyprecht, in: Allgemeine Deutsche Biographie, Band 42, Leipzig 1897, S. 763 – 774 www.carl-weyprecht.org/carlweyprecht.html
Die „Österreich-ungarische Nordpol-Expedition“ 1872 – 74
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Ferdinand von Hochstetter und die Weltumsegelung der „Novara“ 1857 – 59
Ferdinand Hochstetter um 1856
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ie schwäbischen Pfarrersfamilien haben viele hervorragende Politiker, Künstler und Forscher hervorgebracht. Da der Vater des am 30.4.1829 in Esslingen geborenen Ferdinand Hochstetter sowohl als evangelischer Pfarrer als auch Botanikprofessor am örtlichen Lehrerseminar wirkte, war lange Zeit nicht klar, in welche Richtung sein viertes Kind gehen würde. An der Universität Tübingen begann Hochstetter 1848 zunächst das Theologiestudium, interessierte sich jedoch zunehmend für Mineralogie, sodass er zusätzlich auch noch Naturwissenschaften studierte. Nach dem theologischen Staatsexamen 1851 promovierte er bereits 1852 auch in Mineralogie über den Kalkspat. Eine noch im gleichen Herbst nach Wien führende Reise des für eine stille Pfarrerslaufbahn zu
unternehmungslustigen Schwaben gab den Ausschlag über den weiteren Lebensweg: Dem Eintritt in die Kaiserliche Geologische Reichsanstalt in Wien folgte noch 1853 die erste von mehreren Aufnahmereisen nach Böhmen, auf deren Grundlage sich Hochstetter 1856 in Geologie habilitierte. Die Fähigkeiten des gerade 27-Jährigen wurden so hoch eingeschätzt, dass man ihn einlud, an der Weltumseglung der „Novara“ teilzunehmen, mit der sich Österreich an der kosmopolitischen Erforschung überseeischer Gefilde beteiligte. Zur Vorbereitung auf diese einmalige Gelegenheit, sonst kaum zugängliche Weltgegenden als wissenschaftlicher Pionier besuchen zu können, reiste Hochstetter zum Geophysiker Edward Sabine in London und zu Alexander von Humboldt
in Berlin, dem Nestor aller Naturforscher. Als die „Novara“ am 30.4.1857 von Triest auslief, war der Geologe während der langen Segeltage neben der Abfassung von Reisebriefen für die damals führende deutsche Tageszeitung „Augsburger Allgemeine Zeitung“ auf die Auswertung seiner Beobachtungen und Sammlungen beschränkt, die er bei den zumeist nur sehr kurzen Landungen machen konnte. Besonders ergiebig für ihn waren dabei die Inseln Sankt-Paul und Neu-Amsterdam im südlichen Indischen Ozean, die Nikobaren im
Golf von Bengalen und die pazifischen Salomonen. Als die „Novara“ am 22.12.1858 nach 20 Monaten im neuseeländischen Auckland einlief, witterte er die Chance, die beiden 1642 entdeckten und erst 1840 von Großbritannien annektierten Hauptinseln Neuseelands als erster Fachgeologe erforschen zu können. `96 Im Einvernehmen mit Expeditionsleitung wie Kolonialverwaltung, die an Expertisen zur Geologie im Allgemeinen und an der Untersuchung kolonialwirtschaftlich wertvoller Gold-
Die Weltumsegelung der „Novara“ als Großtat der Grundlagenforschung
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l t i h ftli h W lt l l ten die beiden Reisen, die James Cook 1768 – 71 mit der „Endeavour“ zur Beobachtung des Durchgangs der Venus durch die Sonne unter Begleitung des Botanikers Joseph Banks nach Tahiti führte, und diejenige von 1772 – 75 mit der „Resolution“ und der „Adventure“, an der die beiden deutschen Naturforscher Reinhold und Georg Forster (Kapitel 1) teilnahmen. Die Blüte solcher langjährigen und von immer mehr Fachgelehrten begleiteten Großforschungsunternehmen lag im 19. Jahrhundert. Als wissenschaftlich herausragende Weltumrundungen gelten dabei die Expeditionen der französischen „L’Astrolabe“ 1826 – 29 unter Jules Dumont d’Urville, der „Erebus“ und der „Terror“ (die später mit John Franklin in der Nordwestpassage verschollen gingen; Kapitel 2) unter James Ross, der „Challenger“ 1872 – 76 unter George Narres, die ein 47-bändiges Forschungswerk veranlasste, und der deutschen „Gazelle“ 1874 – 76 unter Georg von Schleinitz, die im Dezember 1874 ein Jahrhundert nach Cook wiederum einen Venusdurchgang auf den Kerguelen beobachtete. In diese kosmopolitische Grundlagenforschung suchte sich das Kaiserreich Österreich Ende der 1850erJahre durch die größte wissenschaftliche Mission seiner Kriegsmarine einzureihen. Für die Fregatte „Novara“ stellte die Wiener Akademie der Wissenschaften eine Gruppe von Fachgelehrten um den Geologen Ferdinand Hochstetter und den Zoologen Georg von Frauenfeld zusammen. Die „Novara“ unter dem Kommando von Linienschiffskapitän Bernhard von Wüllerstorf-Urbair verließ die österreichische Flottenbasis Triest am 30.4.1857 mit 344 Seeleuten, sieben Wissenschaftlern und einem Expeditionsmaler. Sie segelte zunächst über Gibraltar, Madeira und Rio de Janeiro nach Kapstadt. In den gewaltigen Gesamtkosten von 585 000 Gulden, was heute
zumindest i d t 10 Milli Millionen EEuro entt spricht, waren neben Emaille-Gesundheitsgeschirr und luftdicht verpacktem Trockengemüse – zur Vorbeugung von an Bord verbreiteten oder durch angekaufte Vorräte importieren Krankheiten – auch neuartige Technologien enthalten wie eine französische Meerwasserentsalzungsanlage und ein britisches Schleppnetz zum meeresbodennahen Fischfang. Die eigentliche Forschungsarbeit begann mit dem Erreichen des Indischen Ozeans, in dem besonders ertragreich die Inseln Sankt-Paul und Neu-Amsterdam und die Nikobaren im Golf von Bengalen untersucht wurden. Über Singapur, Java – wo es zu einem Zusammentreffen von Hochstetter mit Franz Junghuhn (Kapitel 11) kam –, Manila, Shanghai und die Südseegruppe der Salomonen erreichte die „Novara“ am 5.11.1858 das australische Sydney, wo einer der wenigen längeren Aufenthalte eingelegt wurde. Nachdem im Januar 1859 im neuseeländischen Auckland der Geologe Hochstetter von Bord gegangen war, begann die sich um den halben Erdball spannende Heimreise über Tahiti, Valparaíso, Kap Hoorn und die Azoren. Nach 551 Tagen und 96 093 Kilometern Fahrtstrecke lief die „Novara“ am 26.8.1859 wieder in Triest ein. Zu den wichtigsten Ergebnissen des 1861 – 76 publizierten 21-bändigen und dank der 2000 Skizzen des Expeditionsmalers Joseph Selleny reich illustrierten Forschungswerk „Reise der österreichischen Fregatte Novara um die Erde“ zählen 26 000 naturhistorische Objekte, darunter auch 100 Menschenschädel sowie das Blatt eines Coca-Strauchs, an dem 1860 in Wien die Entdeckung der Base Kokain gelang.
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94 (Quelle: akg-images/ Erich Lessing).
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95 Ferdinand Hochstetter in seiner Kabine auf der „Novara“ nach einer Zeichnung von Joseph Selleny
und Kohlevorkommen im Besonderen interessiert war, verließ Hochstetter die „Novara“. Glücklich begleitet durch den wenige Monate zuvor angekommenen rheinischen Geologen JJulius Haast, bereiste Hochstetter sechs Monate lang die Nordinsel sowie drei Monate die Südinsel, deren grundlegende geologische und geographische Struktur dabei aufgedeckt wurde. Sein besonderes Interesse galt dabei neben den ins Auge springenden Vulkanen und Geysiren der A praktischen Suche nach Rohstofflagerstätten bis hin zum Gold. Dem gelben Metall galt auch die Wahl der Route der im Oktober 1859 angetreteW nen Rückreise, die über die Goldfelder der südaustralischen Provinz Victoria und die damals noch nicht durchstochene Landenge von Suez führte. Im Januar 1860 kam Hochstetter wieder in Wien an, wo dem 30-Jährigen die Ergebnisse der Segelreise und vor allem der Pionierleistungen in Neuseeland eine steile Karriere bescherten: noch 1860 eine Professur in Geologie und Mineralogie an der (späteren) Technischen Universität Wien, 1867 Präsident der Kaiserlich-Königlichen Geographischen Gesellschaft und 1876 Gründungsintendant des Naturwissenschaftlichen Hofmuseums. Neben der Auswertung der Reise ans andere Ende der Welt in einem Neuseelandbuch nebst geologisch-topographischem Atlas (1863) und drei geologischen Bänden (1864 – 66) innerhalb der 21-bändigen wissenschaftlichen Ergebnisauswertung der Weltumsegelung der „Novara“ widmete sich Hochstetter sowohl vor der Haustür der Lagerstättenkunde Österreich-Ungarns als auch im Weltmaßstab der Erdbebenforschung. Letzterer gab er einen wertvollen Impuls durch die Untersuchung der vom peruanischen Erdbeben am 13.8.1868 ausgelösten transpazifischen Flutwelle. Gerade 55-jährig starb der 1860 geadelte Hochstetter am 18.7.1884 in Wien an der damals kaum behandelbaren Zuckerkrankheit. `96, 97, 98 96 Übersichtskarte von Neuseeland (Quelle: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 8 (1862), Tafel 14).
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97 Die Vulkane am Isthmus von Auckland. Zu den auf Bitten der britischen Kolonialverwaltung vom erfahrenen geologischen Aufnehmer Hochstetter unternommenen Kartierungen zählt diese vor allem um die erloschenen Vulkankegel erfolgte Ergänzung teilweise vorhandenen topographischen Materials auf der neuseeländischen Nordinsel (Quelle: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 8 (1862), Tafel 6).
Bayerische Inseln im Indischen Ozean? Seit dem im 15. Jahrhundert einsetzenden „Zeitalter der Entdeckungen“ stießen europäische Seefahrer auch auf die Hochsee der Ozeane vor und dort mehr oder minder zufällig auf Inseln. Da die Technik der nautischen Ortsbestimmung bis ins 18. Jahrhundert noch nicht ausgereift war und manche Inselsichtungen auch geheim gehalten wurden, waren „Neuentdeckungen“ von eigentlich schon bekannten Inseln bis weit in das 19. Jahrhundert keine Seltenheit. Die durch die Untersuchungen der „Novara“ im südlichen Indi-
schen Ozean dorthin gelenkte Aufmerksamkeit nutzte August Petermann (Kapitel 2) zu einem Seitenhieb auf einen Konkurrenten, der anstelle seiner Nordpolar- die Südpolarforschung zu befördern suchte. Der bayerische Pfälzer Georg Neumayer (1826 – 1909; Kapitel 14) hatte nach dem Ingenieursexamen 1849 auf einem Segler nach Südamerika angeheuert, 1850 in Hamburg sein Steuermannspatent gemacht und war 1852 dem Goldrausch nach Australien gefolgt, aus dem er durch sein Interesse an erdmagnetischen Messungen zur Wissenschaft zurückfand. Um
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ein geophysikalisch-astronomisches Observatorium in Melbourne gründen zu können, kehrte er 1855 zur Geldbeschaffung nach Bayern zurück. Tatsächlich bewilligte König Max II. auf Zuraten Alexander von Humboldts die Mittel für das Observatorium in Australien, sodass Neumayer Anfang 1857 wieder nach Melbourne segeln konnte, wobei er unterwegs einige Inseln „entdeckte“, die nach dem hochherzigen Förderer benannt wurden. `99, 100 Natürlich wurde diese „Entdeckung“ in der deutschen Presse breit diskutiert, sodass sich Petermann als führender Kartograph der Entdeckungsreisen zu einem klärenden Wort herausgefordert fühlte: „Seit Kurzem ist in vielen Deutschen Blättern eine angebliche Entdeckung neu98 Frühe Skizzierung der Ausbreitung von Tsunamis im Pazififischen Ozean. Darstellung der Ausbreitung der durch die Erdbeben im japanischen Simonda am 23.12.1854 und Peru am 13.8.1864 ausgelösten Flutwellen mit Angabe des Eintreffens in Stunden nach den Beben. Das peruanische Beben war mit einem Magnitudenwert von 9,0 das fünftstärkste je gemessene Beben, dessen Tsunami nicht nur dort Tausende Küstenanwohner tötete, sondern auch Hawaii verheerte. Auf der Basis von Beobachtungen und Daten aus dem Pazifik und von dessen Anliegerküsten korrelierte Hochstetter richtig die Ausbreitungsdynamik von Tsunamis und bestimmte deren Wellengeschwindigkeit auf 600 bis 850 Stundenkilometer (Quelle: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 15 (1869), Tafel 12).
99 Vergleichende Lageskizzen der Inselsichtungen südsüdöstlich der Kerkuelen (Quelle: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 4 (1858), Tafel 1).
er Inseln ausposaunt worden, […] über welche Dr. G. Neumayer berichtet und sie zu Ehren des Königs von Bayern benannt hat. Seine Majestät wird sich aber […] bedanken, wenn er erfährt, dass diese Inseln von vielen Schifffahrern und Entdeckern vor Neumayer nicht bloss gesehen, sondern auch genau bestimmt, beschrieben und auf Karten niedergelegt worden sind.“ Durch die Auswertung amtlicher Seekarten und den Vergleich älterer Sichtungsberichte konnte der V Gothaer Kartograph nachweisen, dass die von 100 Kartenskizzen und Südostansicht der Insel St. Paul nach den Kapitänen Blackwood und Denham (Quelle: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 4 (1858), Tafel 1).
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10 Ferdinand von Hochstetter
Neumayer im Januar 1857 etwa 350 Kilometer südsüdöstlich der Kerkuelen gefundenen „KönigMax-Inseln“ auf 53° Süd tatsächlich bereits von den Kapitänen Heard im November 1853 (Hauptinsel) und Macdonald im Januar 1854 (benachbarte Inselchen) beschrieben wurden. Sie sind deshalb auch bis heute nach den beiden Amerikanern benannt. Da die Besatzung der „Novara“ einige Inseln im südlichen Indischen Ozean wissenschaftlich untersuchte, nutzte Petermann die Richtigstellung der Entdeckung der „König-Max-Inseln“ auch zu einer Übersicht benachbarter Inseln. So wurde die in der Nähe der Segelroute vom Kap der Guten Hoffnung nach Indien und Australien gelegene nur sieben Quadratkilometer kleine erloschene Vulkaninsel Sankt-Paul auf 38° Süd bereits 1559 von den Portugiesen gesichtet. Die seit 1893 französische Insel im bereits polarkühlen Klima ist von dichter Gras- und Moosvegetation bedeckt. Sankt-Paul besteht aus einer Caldera mit sehr flachem Meereszugang und einem bis 272 Meter hohen Rand. Sie ist heute zwar unbewohnt, wurde aber in der Segelschiffzeit zur Proviantaufnahme oft angelaufen und diente Walfängern wie Robbenfängern als Stützpunkt, deren „kleine terrassenförmige Gärten einen erfrischenden Beweis [bieten], wie das Genie des Menschen selbst die kärglichsten Gaben der Natur zu seinem Nutzen zu verwenden weiss. Der Ertrag lohnt reichlich der Arbeit, so dass ein Tauschhandel mit den vorüberkommenden Schiffen betrieben werden kann.“ Handel, Fischerei und Robbenfang waren so einträglich, dass die Insel noch 1848 für 6000 USDollar von einem Polen an einen Franzosen verkauft wurde.
Biographie Ferdinand von Hochstetter 1829 geboren am 30.4. im schwäbischen Esslingen 1848 – 52 Studium der Theologie und der Naturwissenschaften in Tübingen 1851 Theologisches Staatsexamen in Tübingen 1852 Promotion in Mineralogie in Tübingen 1853 Eintritt in die österreichische Geologische Reichsanstalt in Wien 1856 Habilitation in Geologie in Wien 1857 – 59 Begleitung der Weltumseglung der „Novara“ von Triest bis Neuseeland 1859 geologische Expeditionen auf der Nord- und Südinsel von Neuseeland; Erkundung der australischen Goldfelder der Provinz Victoria 1860 Württembergischer Personaladelsstand (1884 erblicher österreich-ungarischer Ritterstand) 1860 – 81 Professur für Geologie und Mineralogie an der Technischen Universität Wien 1867-82 Präsident der Kaiserlich-Königlichen Geographischen Gesellschaft 1860 Reise durch den osmanischen Balkan und dessen erste geologische Kartierung 1872 Reise durch Russland 1872 – 73 Naturwissenschaftslehrer des Kronprinzen Rudolf 1876 – 84 Gründungsintendant des Naturwissenschaftlichen Hofmuseums 1884 gestorben am 18.7. in Oberdöbling bei Wien
Literatur
DEMHARDT, IMRE JOSEF: In den „brüllenden Vierzigern“ des Südens, in: Petermanns Geographischen Mitteilungen, Jahrgang 148 (2004), Heft 2, S. 72 – 73. HENNIG, EDWIN: Württembergische Forschungsreisende der letzten anderthalb Jahrhunderte. Stuttgart 1953. HOCHSTETTER, FERDINAND VON: Der Isthmus von Auckland in Neuseeland, in: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtge-
biete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 8 (1862), S. 81 – 83. HOCHSTETTER, FERDINAND VON: Geographische Skizze von Neu-Seeland, in: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 8 (1862), S. 367 – 369. PETERMANN, AUGUST: Die sogenannten „König-Max-Inseln“, Kerguelen, St. Paul, Neu Amsterdam u.s.w., eine geographi-
sche Skizze der hauptsächlichsten Inseln im Südlichen Indischen Ocean, in: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 4 (1858), S. 17 – 33. PRIESSNER, CLAUS: Neumayer, Georg Balthasar, in: Neue Deutsche Biographie, Band 19. Berlin 1999, S. 166 – 168.
und die Weltumsegelung der „Novara“ 1857 – 59
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Franz Junghuhn Die Feuerberge von Indonesien
Franz Junghuhn um 1860
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ei wenigen Forschern in diesem Band wird so deutlich, dass die unbekannte Ferne auch ein Fluchtziel war, wie bei dem am 26.10.1809 in Mansfeld als Sohn eines Barbiers geborenen Franz Wilhelm Junghuhn. Als Heranwachsender wurde ihm der Druck, den väterlichen Beruf auszuüben zu müssen, so unerträglich, dass er sogar in einen Selbstmordversuch flüchtete. Erst danach konnte Junghuhn 1830 seine naturkundlichen Interessen, insbesondere die Botanik, in einem Medizinstudium umsetzen. Aber schon 1831 kam es auf einem Fest zum Streit mit einem Kommilitonen. Im folgenden Pistolenduell wurden beide Kontrahenten verletzt, sein Widersacher aber tödlich. Junghuhn versuchte der Strafe durch Meldung zu einer preußischen Artillerieeinheit im Hunsrück zu
entgehen, wurde aber 1832 zu zehn Jahren Festungshaft auf Ehrenbreitstein verurteilt. Wegen simulierter Tobsucht in milderer Haft gehalten, gelang ihm nach wenigen Wochen die Flucht nach Paris, wo er sich klassischerweise zur Fremdenlegion meldete. Aber schon im Folgejahr wurde er krankheitshalber nach Paris zurückgesandt, wo ihn die Nachricht erreichte, dass die Haftstrafe für das Duell nicht zuletzt wegen der Fürsprache Alexander von Humboldts (Kapitel 1) kassiert worden war. Als Mittzwanziger hatte Junghuhn einen eher schillernden als erfolgreichen Lebenslauf und entschied sich wohl auch deshalb gegen die Rückkehr in die Heimat. Im niederländischen Utrecht schloss er seine medizinische Ausbildung nunmehr zum Tropenarzt ab und
Heinrich Zollinger und die Rivalität der Forscher
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er am 22.3.1818 in Feuerthalen bei Zürich geborene Bauernsohn Heinrich Zollinger wurde Hilfslehrer, träumte aber davon, als Naturforscher in die Welt zu gehen, obwohl er ein 1837 in Genf begonnenes Botanikstudium wegen Geldnot bereits nach zwei Semestern abbrechen musste. Unbeirrt reiste er 1842 nach Java, um sich dort als Pflanzensammler für europäische Herbarien durchzuschlagen. Mit der Hilfe von Gönnern und dem Honorar für Katalog- und Zeitschriftenbeiträge sowie gelegentlichen administrativen Zuwendungen für Studienreisen hielt sich Zollinger einigermaßen über Wasser. Der begabte Botaniker und Naturforscher litt dabei aber während seines gesamten Aufenthalts in Niederländisch-Indien darunter, dass der früher angekommene und zudem fest in der kleinen Kolonialverwaltung verankerte Junghuhn die besseren Forschungsmöglichkeiten hatte. So gingen sich beide Konkurrenten 1844, als sie zugleich im noch kaum erforschten Ost-Java unterwegs waren, geflissentlich aus dem Weg. Auch den Plan ein eigenes Javawerk zu schreiben, gab er auf, als er vom bereits weiter fortgeschrittenen Werk des Deutschen hörte.
Nicht zuletzt um sich ein noch nicht von Junghuhn besetztes Feld zu suchen, begleitete Zollinger 1845 – 46 eine niederländische Strafexpedition nach Bali, wo er Kulturgegenstände rettete, und ging anschließend weiter auf das benachbarte Lombok. Mit seinem einzigen größeren Regierungsauftrag besuchte er 1847 die noch weiter östlich gelegenen Sundainseln und untersuchte als erster Europäer den Vulkan Tambora auf Sumbawa, dessen Ausbruch 1815 sogar noch den des Krakatau übertroffen hatte. Entmutigt über seine andauernd unsichere Position kehrte Zollinger 1848 in die Schweiz und dort in den Schuldienst zurück. Aber 1855 zog es ihn mit Frau und Kindern nach Java zurück, diesmal aber um sein Glück als Pflanzer zu versuchen. Schon am 19.5.1859 aber erlag er mit gerade 41 Jahren der Malaria. In der indonesischen Vulkanforschung war es Zollingers Verdienst bemerkt zu haben, dass die Höhe der Gebirgssättel zwischen den javanischen Vulkanen nach Osten beständig abnimmt und schließlich unter den Meeresspiegel sinkt, was die Entstehung der Kleinen Sundainseln und die ostwärts zunehmende Tiefe der sie trennenden Meeresstraßen erklärte.
101 Heinrich Zollinger
sive Batur (Bali) (Bali) und Rindjani (Lombok)) mit Vegetationsangab Vegetationsangaben en nach Heinrich Zol ZolProfilschnitte durch die Vulkanmas Vulkanmassive 102 Profilschnitte linger. Der Vulkan Batur auf Bali weist als Besonderheit eine doppelten Caldera, deren äußere im Randvulkan Abang gegenwärtig über 2100 Meter erreicht und mit ihrer Größe von etwa 10 mal 14 Kilometer zu den größten und schönsten der Erde gerechnet wird. Darin findet sich eine zweite etwa 7 Kilometer weite Caldera, welche bis zu 300 Meter eingetieft ist und einen See mit dem Spiegel auf etwa 1030 Meter über dem Meer enthält. Im Mittelpunkt dieser beiden Calderen liegt der namensgebende Vulkan Batur. Dessen tiefere Verwitterungsflanken tragen im monsunalen Klima fruchtbare Böden, welche trotz der bei starken Niederschlägen oder Vulkanausbrüchen auftretenden verheerenden Schlammströme dicht besiedelt sind. Auf dem gleichfalls von einer Vulkanreihe durchzogenen benachbarten Lombok beschrieb Zollinger die wassergefüllte Caldera des Rindjani, deren Rand aber seither durch wiederholte Ausbrüche um etwa 500 auf etwa 3700 Meter abgebrochen ist (Quelle: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 4 (1858), Tafel 3).
Die Feuerberge von Indonesien
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103 Vergleich des wissenschaftlichen Aufnahmefortschritts derr mittleren Westküste von Sumatra zwischen der ersten Karte von William Marsden (1811, links) und Franz Junghuhn (1847, rechts) (Quelle: a) William Marsden: History of Sumatra […]. London 31811. b) Franz Junghuhn: Die Battaländer auf Sumatra. Berlin 1847).
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Krakatau – zweitstärkster Vulkanausbruch seit dem Ende der Eiszeit
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as verheerende Seebeben vor Sumatra an Weihnachten 2004, dass einen Tsunami mit über 220 000 Todesopfern auslöste, lenkte die Aufmerksamkeit darauf, dass sich vor dem indonesischen Inselbogen die Indisch-australische Platte unter die Eurasische Platte schiebt. Dies führt nicht nur zu Verhakungen beider Erdplatten, die sich ruckartig auflösen und zu häufigen Beben führen, sondern hat noch weitere bedrohliche Konsequenzen für die Bewohner Indonesiens. Die abtauchende Indisch-australische Platte schmilzt im heißen Erdmantel auf, wobei die leichteren Bestandteile nach oben drängen und sich wie Schneidbrenner Wege durch den Rand der Eurasischen Platte zur Oberfläche bahnen. Dies erklärt die Kette der mehr als 50 großen Vulkane entlang der Südflanke des indonesischen Archipels, die oft lange ruhen, dann aber plötzlich derart gewaltige Ausbrüche haben können, dass nicht nur die Umgebung verheert, sondern mitunter sogar das Weltklima beeinflusst wird. Ein bis zum Ende des 19. Jahrhunderts eher unscheinbarer Vulkan in schon Jahrhunderte währender Ruhe war der Krakatau – eine recht kleine Insel in der Sundastraße zwischen Sumatra und Java. Ab Mai 1883 kündigten Beben und kleinere Ausbrüche an, dass der Vulkan aus dem Schlaf erwacht war. Zwei niederländische Untersuchungskommissionen konnten aber keine derartige Gefahr erkennen, dass die Insel oder gar die Umgebung geräumt werden müsste. Am 27. August explodierte ein Gasausstoß des Krakatau „bei völliger Dunkelheit etwa um 10 Uhr mit einem furchtbaren Knall“, so der Bericht des Chefingenieurs des Bergwesens von Niederländisch-Indien und löste die zweitgewaltigste Eruption seit dem Ende der Eiszeit aus: Noch in fast 5000 Kilometer Entfernung war zu hören, wie 18 Kubikkilometer Asche und Gestein bis zu 80 Kilometer hoch in die Atmosphäre aufstiegen. Die Auswirkungen dieser Explosion mit mindestens der 10 000-fachen Sprengkraft der Atombombe von Hiroshima waren lokal wie global verheerend: Die schlagartig entleerte Magmakammer stürzte zu einer bis 270 Meter unter dem Meeresspiegel tiefen und 7 Kilometer weiten Caldera ein, was einen bis zu 36 Meter hohen Tsunami hervorrief, der allein an den Küsten von Sumatra und Java 36 400 Menschenleben forderte. Nach der Explosion kam die Eruption zu einem plötzlichen Ende. Die um die Hälfte verkleinerte Insel wurde von Pflanzen und Tieren allmählich neu besiedelt, als der Vulkan im Januar 1928 in einem neuen Ausbruch vom Grunde der Caldera Anak Krakatau gebar, das „Kind des Krakatau“.
104 rung einer Katastrophe. Geologische Kartenskizzen (a + c) und doppelt überhöhte Profile (b + d) der Vulkaninsel Krakatau vor und nach dem Ausbruch (Quelle: Dr. A. Petermanns Mitteilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt, Jahrgang 32 (1886), Tafel 2).
Der Ascheauswurf bedeckte die doppelte Fläche Indonesiens, wobei die unmittelbare Nachbarschaft des explodierten Vulkans bis zu 60 Meter mächtig verschüttet wurde und im Wasser treibende Schollen leichten Bimssteins in der wichtigen Sundastraße die Schifffahrt noch wochenlang behinderten. Aber auch entfernte Weltgegenden wurden vor allem durch die gewaltige Flugaschenmenge in Mitleidenschaft gezogen. Nachdem diese sich in der Atmosphäre verteilt hatte, verdunkelte sie noch über drei Jahre hinweg den Sonneneinfall und führte zu erheblichen Ernteausfällen. Und im fernen Norwegen notierte der Maler Edvard Munch über die Anregung zu seinem berühmten Gemälde „Der Schrei“ in sein Tagebuch: „Plötzlich färbte sich der Himmel blutrot, die Wolken aus Blut und Flammen hingen über dem blau-schwarzen Fjord und der Stadt.“
Die Feuerberge von Indonesien
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105 Franz Junghuhn und Ferdinand von Richthofen, 1861
die Liebe zur Botanik und Naturkunde wieder, sodass er bereits Mitte 1836 durch den ihn fördernden Vorgesetzten, selbst ein naturkundlich interessierter deutscher Arzt, zur ersten Studienreise durch Java entsandt wurde. In den kommenden zwölf Jahren nutzte Junghuhn jede Gelegenheit, Java und 1840 – 42 auch Sumatra in naturkundlich außerordentlicher Breite mit teils einfachsten Mitteln – so bestimmte er die ersten Höhen mit einem selbst gefertigten Barometer – und trotz anfänglicher Wi-
trat Ende 1834 als drittklassiger „Officier van Gesondheit“ in den Kolonialdienst von Niederländisch-Indien, dem heutigen Indonesien. Das Herzstück der seit etwa 1600 von der „Vereenighde Nederlandtsch Oostindische Compagnie“ erworbenen Kolonie war die Insel Java mit zwar nur einem Zehntel der Fläche, aber zwei Dritteln der Einwohner. Am 13.10.1835 landete Junghuhn in der Hauptstadt Batavia, dem heutigen Djakarta, wo er als Militärarzt zu arbeiten begann. Das Erlebnis der Tropen erweckte
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11 Franz Junghuhn
106 „Orographisch-physikalische Karte von Java“. Durch die heute als ungewöhnlich stark empfundenen Farbkontraste in den Höhenstufen in jeweils 1000 Rheinländischen Fuß (= 314 Meter) der sich teils bis 3000 Meter über die Umgebung erhebenden zumeist „klassischen“ Schichtvulkane scheint die Kette der javanischen Feuerberge geradezu plastisch hervorzutreten. Neben etwa der Hälfte der damals 484 bestimmten Höhepunkte geht auch die Terraindarstellung weitgehend auf Junghuhns topographische Beschreibungen sowie dessen 1855 erschienene Vierblattkarte „Kaart van het Eiland Java“ zurück (Quelle: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 6 (1860), Tafel 9).
derstände seines Dienstherrn zu durchforschen. Erst nach dem Übertritt in die Naturkundeabteilung der Kolonialverwaltung konnte sich Junghuhn ab 1845 ausschließlich botanischen und geologischen Forschungen widmen. Am Ende hatte er alleine auf Java nicht weniger als 45 Vulkane beschrieben. Für den Rest des Jahrhunderts unübertroffene Ergebnisse waren die ans Naturkundemuseum Leiden gesandten umfangreichen geologisch-paläontologischen Sammlungen, das große in Batavia angelegte Herbarium sowie die zunächst in Holländisch erschienenen, aber bald übersetzten Standardwerke über die Studienreisen und Sammlungen, die zunehmend auch völkerkundliche Themen angingen. Aus gesundheitlichen Gründen wurde Junghuhn 1848 ein mehrfach verlängerter Europaurlaub gewährt, den dieser zu mehreren Reisen bis hin nach Russland nutzte. Vor allem aber schloss er sein Hauptwerk „Java, seine Gestalt, Pflanzendecke und innere Bauart“ (1849, dt. 1852) ab. Erst 1855 kehrte der frisch vermählte Junghuhn nach Java zurück, wo er als hoch angesehene Autorität die Inspektion der Naturkundeabteilung übernahm und 1858 für die Verbreitung der im tropischen Klima im Kampf gegen die Malaria wichtigen Chinarindenkulturen zuständig wurde. Als endlich gesellschaftlich Arrivierter traten das Forschen und Veröffentlichen nun deutlich zurück. Es ist nicht ohne Ironie, dass der größte Naturforscher Javas im Herbst 1861 dem jungen Ferdinand von Richthofen (Kapitel 17) am Anfang von dessen zwölfjähriger Reise durch Asien und Amerika „sein“ Java zeigte und in der Geländeaufnahme unterwies, dabei an der Ruhr erkrankte und, nicht wieder richtig davon genesen, am 24.4.1864 auf seinem Landsitz in Lembang verstarb. `102, 103, 106
Biographie Franz Junghuhn 1830 – 31 Studium der Medizin in Halle und Berlin 1832 Festungshaft auf Ehrenbreitstein bei Koblenz wegen eines Duells 1832 – 33 Dienst in der französischen Fremdenlegion in Algerien 1833 – 34 Tropenarztausbildung im niederländischen Utrecht 1835 – 45 Militärarzt im niederländischen Kolonialdienst und Studienreisen durch Java und Sumatra 1845 – 48 Dienst in der Naturkundeabteilung der Kolonialverwaltung 1848 – 55 Erholungsurlaub in Europa mit ausgedehnten Reisen 1855 – 58 Inspektor in der naturkundlichen Abteilung der Kolonialverwaltung 1858 – 64 Aufseher der Chinarindenkulturen 1864 gestorben am 24.4. in Lembang auf Java
Literatur
DEMHARDT, IMRE JOSEF: Große Katastro-
METZGER, EMIL: Der Ausbruch von Kra-
phen der Feuerberge, in: Petermanns Geographischen Mitteilungen, Jahrgang 148 (2004), Heft 1, S. 74 – 75. HANTZSCH, VIKTOR: Zollinger, Heinrich, in: Allgemeine Deutsche Biographie, Band 45. Leipzig 1900, S. 419 – 423. JUNGHUHN, FRANZ: Die Battaländer auf Sumatra. Berlin 1847. MARSDEN, WILLIAM: History of Sumatra […]. London 31811.
katau im Jahre 1883, in: Dr. A. Petermanns Mitteilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt, Jahrgang 32 (1886), S. 10 – 24. PETERMANN, AUGUST: Die orographischphysikalischen Grundzüge Java’s, nach den Forschungen Dr. Fr. Junghuhn, in: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von
Dr. A. Petermann, Jahrgang 6 (1866), S. 188 – 191. RATZEL, FRIEDRICH: Junghuhn, Franz Wilhelm, in: Allgemeine Deutsche Biographie, Band 14. Leipzig 1881, S. 712 – 718. ZOLLINGER, HEINRICH: Der Indische Archipel, in: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 3 (1857), S. 56 – 63. http://nl.wikipedia.org/wiki/Franz_Junghuhn
Die Feuerberge von Indonesien
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Otto Finsch und der deutsche Kolonialgriff nach der Südsee
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ls sich der spanische Konquistador Vasco Núñez de Balboa durch den Urwald der Landenge von Panama schlug, erblickte er am 27.9.1513 ein Gewässer, dem er den Namen Mar del Sur oder Südsee gab. Dabei dürfte dem Glücksritter kaum klar gewesen sein, dass er den Pazifischen Ozean für Europa entdeckt hatte, der mehr als ein Drittel der Erdoberfläche einnimmt und damit größer ist, als alle Kontinente zusammen. Jedenfalls nahm Balboa zwei Tage später seine Neuentdeckung einschließlich der „Länder, Küsten, Inseln mit allem, was zu ihnen gehört oder was auf irgendeine Weise oder aus welchem Grunde auch immer dazu gehören kann, […] ohne dass dagegen der geringste Ein-
Otto Finsch
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spruch möglich ist“, für die spanische Krone in Besitz. Dieser wohl größte je erhobene Besitzanspruch dehnte sich von Panama bis Indonesien und von der Beringstraße bis zur Antarktis über jeweils mehr als 16 000 Kilometer aus. Den Namen Pazifischer oder Stiller Ozean legte diesem Gewässer der erste Weltumsegler Fernão de Magalhães bei, der ihn 1521 in 110 sturmfreien Tagen von Chile bis zu den Philippinen überquerte. Die Erforschung der zerstreuten Inselwelten, die kaum 0,1 Prozent der Oberfläche dieses Ozeans einnehmen, begann aber erst ein Vierteljahrtausend später mit den Expeditionen im Gefolge der wissenschaftlichen Beobachtungen, die James Cook 1770 vor allem zwischen Tahiti
und Australien im Zuge seiner ersten Weltumseglung 1768 – 71 gemacht hatte. Im Laufe des 19. Jahrhunderts stieg das europäische Wirtschaftsinteresse an den pazifischen Inseln, die eine leicht zugängliche tropische Plantagenwirtschaft verhießen, vor allem geeignet für Zuckerrohr und Kopra, das getrocknete fettreiche Nährgewebe der Kokosnuss, für die Herstellung von Margarine, Süßwaren und Kosmetika. Seit den 1870er-Jahren beteiligten sich zunehmend auch hanseatische Handelsunternehmen an diesem Geschäft, das profitabel aber nur bei möglichstem Ausschluss von Konkurrenten betrieben werden konnte. Aus diesem Grunde schlossen sich mehrere Firmen 1880 zur „Deutschen Handels- und Plantagengesellschaft der Südseeinseln“ zusammen und suchten den Reichskanzler Otto von Bismarck für die Gründung einer deutschen Südseekolonie zu gewinnen. Aber erst als Mitte des Jahrzehnts der Wettlauf um die koloniale Aufteilung Afrikas begonnen hatte, war Bismarck gewillt, die unterdessen in der „Neuguinea-Compagnie“ organisierten deutschen Handelsinteressen im Westpazifik unter den Schutz des Deutschen Reichs zu stellen. Hierdurch geriet der am 8.8.1839 in Schlesien geborene Ornithologe Otto Finsch in die nun erfolgende koloniale Erwerbung und auf die Seiten dieses Buchs. Vom Vater zum Kaufmannsberuf bestimmt, brach Finsch gerade 19-jährig ohne Abschluss auf den Balkan auf, wo er seiner Leidenschaft der Vogelkunde nachging. Zurückgekehrt ergab sich 1861 glücklicherweise eine Anstellung als Assistent am Reichsmuseum im niederländischen Leiden, wo er eine ornithologische Ausbildung erhielt. Durch das 1864 erfolgte Überwechseln in die Sammlungen der Museumsgesellschaft in Bremen, dem Vorläufer des Überseemuseums, kam Finsch auch mit völkerkundlichen Sammlungen in Berührung. Für die Museumsgesellschaft unternahm er in den 1870er-Jahren drei größere Studienreisen, wobei ihn die letzte 1876 mit dem Zoologen Alfred Brehm nach Sibirien und China führte. Um eine längere Forschungsreise ins Gebiet der ihm besonders am Herzen liegenden polynesischen Papageien unternehmen zu können, gab er 1879 seinen Direktorenposten bei der Museumsgesellschaft auf und bereiste bis 1882 mit Unterstützung der Humboldt-Stiftung vor allem die Inselgruppen des späteren deutschen Interessengebiets in der Südsee einschließlich Neuguineas.
Gerade mit der Sichtung der Vogelbälge beschäftigt, die er aus dem pazifischen Raum mitgebracht hatte, erreichte Finsch im Sommer 1884 als einen der wenigen deutschen Kenner jener Küsten und Inseln die dringende Anfrage der Neuguinea-Compagnie, die Erwerbungsexpedition zu begleiten. Am 19. August hatte Bismarck dem deutschen Generalkonsul in Sydney mitgeteilt, „dass die Absicht bestehe, zunächst im Archipel von Neubritannien und auf dem außerhalb der berechtigten Interessensphäre der Niederlande und Englands liegenden Teile der Nordostküste von Neuguinea, überall, wo deutsche Niederlassungen bereits beständen oder in Ausführung begriffen seien, alsbald die deutsche Flagge zu hissen.“ Am 11. September verließ Finsch Sydney an Bord des Dampfers „Samoa“ unter dem bremischen Kapitän Eduard Dallmann und kreuzte zunächst durch den NewBritain-Archipel, den er weisungsgemäß, teils begleitet von zwei deutschen Kriegsschiffen, durch Vertragsabschlüsse und Flaggenhissungen für seine Auftraggeberin sicherte. Am 23. Dezember teilte Bismarck den übrigen Kolonialmächten mit, dass die Inseln als „Bismarck-Archipel“ und die Nordostküste von Neuguinea als „Kaiser-Wilhelm-Land“ in deutschen Besitz genommen worden seien. Noch bis Mitte 1885 unternahm Finsch insgesamt sechs Erwerbungs- und Erkundungsfahrten mit der „Samoa“, wobei er insbesondere nach kolonialwirtschaftlich verwertbaren Kokos-
und der deutsche Kolonialgriff nach der Südsee
107 Die BrandenburgKüste des KaiserWilhelm-Lands (Neuguinea) und der am 14.5.1884 entdeckte Berlin-Hafen (Quelle: Dr. A. Petermanns Mitteilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt, Jahrgang 40 (1894), Tafel 6).
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Leo Frobenius und das Rätsel der Besiedlung der pazifischen Inseln 108 V Verschlagungen hl als l „Unfreiwillige Wanderungen im Grossen Ocean“ (Quelle: Dr. A. Petermanns Mitteilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt, Jahrgang 36 (1890), Tafel 12).
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ls die Entdeckungsreisenden selbst auf den abgeschiedensten Inseln in den Weiten des Pazifischen Ozeans auf Ureinwohner getroffen waren, die mitunter Hunderte von Kilometern von ihren nächsten Nachbarn entfernt waren, erhob sich natürlich die Frage, wie die Insulaner auf diese Eilande gelangt waren. Trotz der anerkannten Seefahrtskunst der Polynesier erschien eine absichtsvolle Besiedlung der pazifischen Inselwelten über so große Entfernungen den Europäern derart unwahrscheinlich, dass zumindest für isolierte Insellagen zufällige Verdriftungen, auch Verschlagungen genannt, angenommen wurden. Solch unfreiwillige Wanderungen nahm etwa Otto Sittig an, der Ende des 19. Jahrhunderts Berichte über unfreiwillige Sturmfahrten von Insulanern seit dem 17. Jahrhundert über Entfernungen von bis zu 2700 Kilometer zusammentrug. Immerhin legten die Wind- und Meeresströmungsrichtungen dabei eine von Asien her stattgefundene Besiedlung der Inseln nahe. Seinerzeit weitgehend übersehen wurden dabei Belege wie die einheimischen Stabkarten, die für eine zielgerichtete Besiedlung und dauernden Verkehr zwischen den Inseln sprechen. Nur wenige zeitgenössische Exemplare dieser ungewöhnlichen Orientierungshilfen sind in die Sammlungen der entstehenden Völkerkundemu-
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seen gelangt, wie etwa 1902 eine Stabkarte von Jaluit. Erst nach und nach verstanden die Europäer, dass solche Stabkarten die Insellagen durch Kaurimuscheln und hydrographische Daten wie Strömung, Dünung und Kabbelung auf verbindenden Palmblattrippen wiedergeben. Zusammen mit Entfernungsangaben (Paddelschläge oder Tagesreisen) und einfachen nautischen Instrumenten wie
110 Stabkarte der Mikronesier von den Marshallinseln (Quelle: Andreas Mieth/Hans-Rudolf Bork: Inseln der Erde. Darmstadt 2009, Seite 66).
dem Sonnenkompass (Bootsmast als Schattenstab) konnten die Insulaner mit diesen Stabkarten recht zuverlässig auch weit entfernte Ziele ansteuern, wobei die Genauigkeit der Richtungen diejenige der Streckenlängen übertrifft und überdies mit der Anzahl der verzeichneten Inseln zunimmt. Die kulturelle Beweisführung, dass die Besiedlung der pazifischen Inseln tatsächlich in Wellen und von den asiatischen Küsten ausging, unternahm Leo Frobenius (1873 – 1938), der als Begründer der Kulturkreislehre zu den Pionieren der Völkerkunde gehört. Er entwarf aufgrund des Vergleichs von ethnologischen Forschungsberichten und Museumsstücken der materiellen Kultur eine Gliederung der pazifischen Kulturkreise. Aus Be-
obachtungen wie derjenigen, dass die Töpferei auf den Palauinseln ausgeübt wurde, auf den östlicheren Karolineninseln Töpfe benutzt wurden, jedoch nicht mehr hergestellt werden konnten und im noch weiter östlich anschließenden Polynesien Töpfereierzeugnisse völlig unbekannt waren, zerfiel Ozeanien für Frobenius in drei Kulturkreise: in den indonesischen Inselbogen als alte Kulturquelle, den nördlichen Übergangsraum Mikronesien, dessen Inseln zu klein waren, „eine neu hinzugekommene Kultur zur Blüte zu bringen, sondern höchstens sie zu erhalten“, und schließlich Polynesien, dessen größere Inseln wie Fidschi und Samoa die eingewanderten Kulturelemente zu neuen Formen weiterentwickelten.
und der deutsche Kolonialgriff nach der Südsee
111 Verbreitungsskizzen ausgewählter Kulturformen im westlichen Pazifik nach Leo Frobenius (Quelle: Dr. A. Petermanns Mitteilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt, Jahrgang 46 (1900), Tafel 18).
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Das Jaluit-Atoll – Kolonialzentrum des deutschen Mikronesien 112 Orientierungskarten des Jaluit-Atolls mit dem Norden der Hauptinsel Jabor (Quelle: Dr. A. Petermanns Mitteilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt, Jahrgang 39 (1893), Tafel 17).
113 Katasterplan der Hauptstation der Jaluit-Gesellschaft auf der Insel Jabor (Quelle: Dr. A. Petermanns Mitteilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt, Jahrgang 39 (1893), Tafel 17).
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m mikronesischen Westpazifik liegt die doppelreihige Kette der 34 Atolle der Marshallinseln. Das Atoll von Jaluit ging wie alle Atolle aus Korallensaumriffen hervor, die auf langsam unter den Meeresspiegel abgesunkenen Vulkanspitzen wuchsen. Als solches umschließt es eine flache Lagune, während die 55 flachen Koralleninseln auf dem Saumriff zusammen nur 17 Quadratkilometer umfassen. Inmitten der großen Anzahl der westpazifischen Inseln wurde Jaluit erst 1809 „entdeckt“. Obwohl denkbar weit vom Deutschen Reich entfernt, setzte die koloniale Durchdringung dieser bedeutendsten der Marshallinseln sogar noch vor Afrika ein, als der Häuptling der Reichsmarine bereits 1878 die Anlage einer Kohlenstation erlaubte. In der Folge ließen sich deutsche Handelsgesellschaften nieder und bewegten 1885 die Reichsregierung dazu, die Marshallinseln als im Sinne des abendländischen Völkerrechts „herrenlos“ in deutschen Besitz zu nehmen.
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Nur folgerichtig nahm der Kaiserliche Kommissar als einziger Reichsbeamte im Schutzgebiet der Marshallinseln auf Jaluit seinen Sitz. Die Station Jaboran, einzig zugelassener Außenhandelshafen und größte Europäersiedlung der Marshallinseln bis zur Zerstörung durch einen Taifun im Juni 1905, lag an der Nordspitze der Hauptinsel. Nachdem alle Inseln 1906 von der Privatverwaltung durch die Gesellschaften dem Kaiserlichen Gouverneur von Deutsch-Neuguinea unterstellt worden waren, verblieb auf Jaluit ein Bezirksamt mit einem Bezirksamtmann, einem Sekretär, einem Polizei- und Hafenmeister sowie einem Regierungsarzt. Bei Kriegsausbruch 1914 lebten unter den etwa 1100 Jaluit-Insulanern rund 30 Weiße, etwa ein Sechstel aller Europäer auf den Marshallinseln. Haupteinnahmequelle war die von den Insulanern für die Kolonialgesellschaften betriebene Gewinnung von Kopra.
hainen der Einheimischen Ausschau hielt, die er entlang der gesamten neuguineischen Küste des Kaiser-Wilhelm-Lands in nennenswertem Umfang aber nur im Bereich der Brandenburgküste fand. Obwohl Finsch diese Gegend nach der Rückkehr der Neuguinea-Compagnie zur Anlage einer Station empfahl, ließ sich erst ein Jahrzehnt später ein selbstständiger Händler dort nieder, nach dessen baldigem Tod die Compagnie die begonnenen Kokosplantagen übernahm und ausbaute. `107 Nach der Rückkehr aus Kaiser-Wilhelm-Land blieb Finsch zwar noch bis 1886 Berater der Neuguinea-Compagnie, war aber praktisch bis 1897 stellungsloser Privatgelehrter. Dann eröffnete sich die Gelegenheit, als Abteilungsleiter der Ornithologie an das Reichsmuseum in Leiden zurückzukehren. Von dort wechselte er 1904 in gleicher Funktion an das Städtische Museum Braunschweig, wo er sich auch mit der Neuordnung der völkerkundlichen Sammlung befasste. An den bedeutenden Ornithologen, der am 31.1.1917 in Braunschweig gestorben ist, erinnert neben der Benennung einiger Papageienarten aufgrund seines kurzen Kolonialabenteuers auch der von ihm am 27.11.1884 mitentdeckte kleine Naturhafen am Ende der Huonhalbinsel, der als Finschhafen 1886 – 91 sogar Hauptort der „Neuguinea-Compagnie“ war. Als im dortigen feuchten Tropenklima jedoch 1891 alle Weißen einschließlich Arzt und Generaldirektor der Malaria zum Opfer fielen, wurde der Ort sogar vorübergehend aufgegeben.
Biographie Otto Finsch 1839 geboren am 8.8. in Warmbrunn in Schlesien 1858 – 59 Reise auf den Balkan mit ornithologischen Studien vor allem in Bulgarien 1861 – 64 Anstellung und ornithologische Ausbildung am Reichsmuseum für Naturkunde in Leiden 1864 – 78 Konservator und (ab 1876) Direktor am Vorläufer des Überseemuseums in Bremen; Erfahrungen in der musealen Völkerkunde 1868 Ehrendoktorwürde der Universität Bonn 1872 – 76 Studienreisen nach Nordamerika (1872), Lappland (1873) sowie Sibirien und China (1876) 1879 – 82 ornithologische Expedition in den westlichen Pazifik 1884 – 85 Expedition zur Inbesitznahme des NewBritain-Archipels und der Nordostküste von Neuguinea für das Deutsche Reich 1885 – 97 stellungsloser Privatgelehrter 1897 – 1904 Abteilungsleiter am Reichsmuseum für Naturkunde in Leiden 1904 – 17 Abteilungsleiter für Völkerkunde am Städtischen Museum Braunschweig 1917 gestorben am 31.1. in Braunschweig
Literatur
ABEL, HERBERT: Finsch, Otto Friedrich
FROBENIUS, LEO: Die Kulturformen Ozea-
Hermann, in: Neue Deutsche Biographie, Band 5. Berlin 1961, S. 163 – 164. DEMHARDT, IMRE JOSEF: Pazifische Inselwelten, in: Petermanns Geographischen Mitteilungen, Jahrgang 148 (2004), Heft 4, S. 76 – 77. DEMHARDT, IMRE JOSEF: Jaluit-Atoll in Mikronesien, in: Petermanns Geographischen Mitteilungen, Jahrgang 148 (2004), Heft 5, S. 76 – 77.
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tung und Vergleich auf quantitativer Grundlage, in: Petermanns Geographischen Mitteilungen, Jahrgang 112 (1968), S. 309 – 320. MIETH, ANDREAS/BORK, HANS-R RUDOLF: Inseln der Erde. Landschaften und Kulturen. Darmstadt 2009. SITTIG, OTTO: Über unfreiwillige Wanderungen im Grossen Ozean, in: Dr. A. Petermanns Mitteilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt, Jahrgang 36 (1890), S. 161 – 166, 185 – 188.
und der deutsche Kolonialgriff nach der Südsee
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„Weder Mücken noch Flöhe …“ Die Wüstenoase San Pedro de Atacama und das Kartenbild der Anden
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as andine Hochbecken mit dem wüstenhaften Salzsee des Salar de Atacama, heute im hohen Norden von Chile, war schon seit präkolumbianischer Zeit ein Durchgangsland und als solches von den Verkehrs- und Handelsbedürfnissen der umgebenden wirtschaftlichen Aktivräume im positiven wie negativen Sinne hochgradig abhängig. Im Zuge der lateinamerikanischen Unabhängigkeitskriege erlangte Bolivien 1825 seine Selbstständigkeit und durch die Küstenprovinz Antofagasta, zu dem der Salar de Atacama gehörte, einen schmalen Zugang zum Pazifik. Obwohl drei Jahrhunderte zuvor von den Spaniern erobert, war aufgrund der katastrophalen Wegeverhältnisse in der Atacama noch Mitte des
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19. Jahrhunderts kaum etwas über jenen unwirtlichen Landstrich bekannt. Eine bildhafte Schilderung seiner beschwerlichen Anreise 1858 gab der Schweizer Forschungsreisende Johann Jakob von Tschudi am Beispiel des Wegehäuschens Tambillo auf dem Bergrücken Purillacte (indian.: gib mir Wasser!), dreieinhalb Reitstunden westlich von San Pedro de Atacama. In jenen menschenleeren Gegenden hatte der bolivianische Staat entlang der Hauptwege in Abständen sogenannte „postas“, Hütten aus Steinen und Brettern, für die Reisenden errichtet. „Tambillo ist eines davon, bloss ein mit rohen Steinen eingefasster und mit einem Dache versehener Raum. Kein Tropfen Wasser, kein Grashalm ist in der Nähe. Um die Hütte herum lagen Maulthiermu-
mien, eine derselben auf dem Rücken, die eingeschrumpften Beine himmelan streckend. Diese benutzten wir statt Pfähle, um die Reitthiere daran zu binden. Pferde und Maulthiere scheuen sich im Allgemeinen in hohem Grade vor den Leichen ihrer Kameraden, die Bolivianischen Maulthiere aber, an den fortwährenden Anblick dieser Kadaver gewöhnt nähern sich ihnen ganz ruhig.“ Bereits über den Jahreswechsel 1853/54 hatte der Botaniker Rudolf Amandus Philippi im Auftrag der chilenischen Regierung eine ebenso beschwerliche Bereisung der Atacama unternommen, über deren Ergebnisse er 1860 eine klassisch gewordene Landeskunde vorlegte. Philippi war am 22.1.1854, begleitet von einem Führer und einem Geometer, zu einem achttägigen Aufenthalt in San Pedro de Atacama eingetroffen, welches, obwohl es damals bereits „seit länger als anderthalb Jahren keinen Tropfen Regen gesehen“, infolge der hiesigen Einmündung eines ganzjährigen Flusses in den „grösstentheils trockenen Salzsumpf“ des Salar de Atacama eine leidlich grüne Oase darstellte: „Atacama ist kein zusammenhängender Ort, es ist eine vielfach von Wüstensand und Kies unterbrochene Reihe von Gärten und Häusern, und nur die unmittelbare Nähe der Plaza, welche ziemlich am nordöstlichen Ende des Ortes liegt, zeigt regelmässige Strassen. […]. Die angesehenen Einwohner sind Argentiner, welche vor den Degollaciones (Köpfungen) des grässlichen Rosas [Diktator 1835 – 52] hieher geflohen sind. Der Ort lebt hauptsächlich vom Waarentransport zwischen Cobija [an der bis 1884 bolivianischen Pazifikküste] und der anderen Seite der Cordillere, la otra banda. Namentlich ist es die Argentinische Provinz Salta, welche alle Waaren, die nicht schwer ins Gewicht fallen, über Cobija und Atacama bezieht […].“
Philippis Atacamareise und der Wandel der Anden im Kartenbild `96 Die „Cordillera de los Andes“ erstrecken sich auf rund 7500 Kilometer zwischen der kolumbianischen Halbinsel Guajira (12° 27' Nord) und dem Cabo Forward (53° 54‘ Süd) an der Magellanstraße, den beiden am weitesten von einander entfernten Punkten des südamerikanischen Festlands. Zusammen mit den nordamerikanischen Rocky Mountains bilden sie mit insgesamt über 17 000 Kilometern das längste kettenförmige Gebirgssystem der Erde, welches die gesamte Westküste des Doppelkontinents begleitet und seinen höchsten Gipfel im 6959 Meter hohen argentinischen Anconcagua besitzt. Ähnlich dem indonesischen Inselbogen entstanden die Anden durch
den Zusammenstoß zweier Erdplatten: Die pazifische Nazca-Platte schiebt sich dabei seit dem Erdaltertum unter die Amerikanische Großplatte, an deren Rand das Gebirge der Anden aufgefaltet wurde. Ein wesentliches Element der Anden sind die den Bruchlinien aufsitzenden mächtigen Vulkane, von denen viele bis in die Gegenwart tätig sind. Morphologisch am ausgeprägtesten ist der mittlere Gebirgsabschnitt, wo das Kettengebirgssystem Kessel und Hochländer wie den Salar de Atacama einschließt. Hier findet sich zudem der weltweit größte Höhenunterschied, wobei der Andenhauptkamm bei Antofagasta so dicht an die Küste herantritt, dass hier über eine Entfernung von nur rund 300 Kilometern ein steiler Abfall von mehr als 6000 Metern über dem Meer bis auf eine unterseeische Tiefe von 8000 Metern im Atacamagraben auftritt. Dies ist ein Höhenunterschied von über 14 Kilometern oder ein durchschnittlicher Abfall von knapp 50 Metern pro Entfernungskilometer. Durch die Forschungen Alexander von Humboldts (Kapitel 1) zu Beginn des 19. Jahrhunderts galten die Anden bis zur Jahrhundertmitte als – so auch im Kartenbild dargestellte – parallele Gebirgsketten. Den 1855 in Gotha eingegangenen knappen Bericht von Rudolf Philippi über die Atacamawüste erkannte August Petermann (Kapitel 2) umgehend als einen wichtigen Beitrag zur Entschleierung des gesamten Andenraums. Vor diesem Berliner Auswanderer war noch kein moderner Forschungsreisender in den Bereich der Atacama vorgedrungen, sodass sich selbst auf den besten zeitgenössischen Karten bis dahin hinter der Küste eine weit ins Hinterland reichende ebene Sandfläche hielt, der die Anden als einreihige Kette nur gleichsam aufgesetzt schienen. Erst Philippis Zug von der Küste ins Hochbecken des Salar de Atacama und zurück, wobei dieser in Vorgebirgen der Anden stetig ansteigende Pässe überschritt, welche zuletzt selbst die höchsten Alpenpässe übertrafen, legte Petermann die Reduktion jener großen Sandebene auf einen schmalen Küstensaum nahe, der beständig zu einem Hochland vor den Andenketten anstieg – „eine Erhöhung, die der des Hochlandes von Quito gleichkommt, und diese Erhebung scheint eben in frühern Darstellungen nicht geahnt worden zu sein.“ Hinsichtlich des neu erkannten Baus der nordchilenischen Anden wagte Petermann in ergänzender Neuauswertung weiterer bekannt gewordener Daten auch die Aussage und kartographische Darstellung,
Die Wüstenoase San Pedro de Atacama und das Kartenbild der Anden
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dass die Anden im Hinterland der Atacama zwischen 19° und 27° Süd „nicht eine einzelne Gebirgskette, wie man vermuthet hat, sondern den westlichen Abfall eines der mächtigsten Plateaux und GebirgslänA der der Erde“ in einer Breite von durchschnittlich etwa 450 Kilometern bilden. Die Ankunft von Tschudis am 5.8.1858 zu einem dreitägigen Besuch gelegentlich seiner Andenüberquerung vom argentinischen Cordoba ins (heute) chilenische Cobija bestätigte Philippi und ergänzte über die angetroffene kleine Ansiedlung, unter deren nahezu ausschließlich indianischen Einwohnerschaft sich nur wenige Weiße und überhaupt keine Europäer befanden: W „Das Städtchen selbst liegt an dem aus Norden kommenden Rio de Atacama [= Rio San Pedro], der sich zwei Legua [entspricht etwa 13,5 Kilometern] vom Orte in dem Sande verliert, aber doch hinreichend Wasser führt, um seine beiden Ufer mit Nachhülfe künstlicher Berieselung der Agrikultur zugänglich zu machen. Mais, wenig Weizen, sehr wenig Kartoffeln, ziemlich viel Luzern-Klee, etwas Gemüse und Obst sind die Erzeugnisse der Chacras von Atacama. Die Einwohner der umliegenden Ayllus [= inkazeitliche Bezeichnung für ummauerte und bewässerte Flurgewanne] sind fast ausschlieslich Arrieros [= Maultiertreiber des transandinen Fernhandels], sie richten daher ihr Bestreben vorzüglich auf möglichst grosse Futtererzeugung. Nach Angabe des Corregidore [= Stadtrichter] belief sich 1858 die Einwohnerzahl des Bezirks von Atacama auf 2200 Individuen, die des Städtchens, die anliegenden Ayllus abgerechnet, auf nicht mehr als 200. Sie wohnen meistens in erbärmlichen Lehmhütten, denn Atacama zählt nur wenige Wohnungen, die den Namen A von Häusern verdienen. Der Hauptplatz ist ein schmutziges, wüstes Viereck, auf dem eine einzige bewohnbare Hütte steht. Die Kirche ist fast in Ruinen und hat einen unverhältnissmässig grossen, Thurm, an dem alljährlich ein Stückchen aufgebaut wird. Das Rathhaus j (Cabildo) ist eher einem Schutthaufen als einem Regierungsgebäude zu vergleichen.““ Das Winterklima von San Pedro empfand von Tschudi während seines 114 Skizzen der kartographischen Vorstellung der topographischen Verhältnisse des Andenraums. Für den Abschnitt zwischen 19° und 27° Süd zeigt der obere Entwurf das Humboldt’sche Kartenbild vorr dem Bericht der Expedition von Rudolf Philippi und der untere Entwurf das revidierte Kartenbild danach mit Höhenangaben in Pariser Fuß (= rund 0,325 Meter; Quelle: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 2 (1856), Tafeln 4 und 5).
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13 „Weder Mücken noch Flöhe …“
Rudolf Amandus Philippi und die wissenschaftliche Dimension der Auswanderung
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ie deutsche Gesellschaft des 19. Jahrhunderts war in einem heute kaum mehr nachvollziehbaren Ausmaß durch massenhafte Auswanderung nach Übersee geprägt. Dabei waren es weniger die Abenteuerlust anregende Berichte von Forschungsreisenden, sondern Missernten, wie die Hungerjahre nach dem Ausbruch des indonesischen Vulkans Tambora 1815, oder anhaltende frühindustrielle Wirtschaftskrisen in Gemengelage mit politischem Emigrationsdruck 1845 – 55, welche die Wanderung und das Ziel beeinflussten. Nicht weniger als rund 8 Millionen Menschen aus den deutschsprachigen Gebieten Mitteleuropas schnürten im Verlauf des Jahrhunderts ihr Bündel und gingen nach Übersee. Wenn auch die USA mit neun Zehnteln der Wanderer das alles überragende Ziel waren, so wurden Brasilien, Argentinien und Chile ab den 1830er-Jahren weitere wichtige Aufnahmegebiete für etwa 400000 Deutsche, Österreicher und Schweizer. Unter den Auswanderern befanden sich auch zahlreiche ausgebildete Wissenschaftler aller Wissensgebiete, die weite Teile ihrer neuen Heimatländer oft erstmals erkundeten und aufgrund ihrer transnationalen Identitäten wesentlich zum interkontinentalen Gedankenaustausch beitrugen sowie den Aufschwung der Wissenschaften im 19. Jahrhundert zu einer kosmopolitischen Forschungsgemeinschaft wesentlich mittrugen. Eine exemplarische Karriere eines solchen forschenden Auswanderers ist diejenige des am 14.9.1808 in Charlottenburg, damals noch bei Berlin, in eine arrivierte Beamtenfamilie geborenen Rudolf Amandus Philippi. Schon 1818 – 22 auf der schweizerischen Erziehungsanstalt von Johann Pestalozzi und später auf dem Berliner Gymnasium interessierte sich Philippi für Botanik. Wiewohl er seit 1830 in Berlin Medizin studierte, hörte er natürlich auch die Vorlesungen Alexander von Humboldts. Wegen einer Lungenkrankheit verbrachte er einige Zeit zum Botanisieren in Unteritalien und promovierte dann 1833 in Berlin im Fach Medizin. Seit 1835 Lehrer am Kasseler Polytechnikum erhielt Philippi 1837, wieder lungenleidend, ein dreijähriges Reisestipendium nach Neapel. In der gescheiterten Revolution von 1848 zog er sich als Linksliberaler die Ungnade seines kurfürstlichen Landesherrn zu und musste Hessen-Kassel fluchtartig verlassen. In dieser Situation gab das Vorbild seines jüngeren Bruders die weitere Richtung vor: Bernhard Philippi (1811 – 52) war zur See gefahren, bevor er sich 1837 in Südchile angesiedelt hatte, wo er als Gouverneur der zu er-
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schließenden Provinz ab 1845 Auswanderer zur Anlage deutscher Siedlungen anwarb. Durch die aussichtslose Lage daheim und die verwandtschaftliche Brücke in die Ferne entschloss sich der bereits 43-jährige Rudolf Philippi, wie so viele Landsleute, zur Auswanderung und begleitete 1851 eine Ansiedlergruppe in die südchilenische Kolonie seines Bruders. Dass nicht nur der Wilde Westen der USA, sondern auch der Süden Chiles voller Gefahren steckte, erwies sich bereits im Folgejahr, als der Bruder von gegen die Kolonistenansiedlung Widerstand leistenden Indios erschlagen wurde. Obwohl Rudolf dessen Ländereien zufielen, betrieb er die Kolonisierung nur nebenher, da er seinen Neigungen entsprechend 1853 – 74 den neuen Lehrstuhl für Naturgeschichte an der Universität von Santiago de Chile übernahm. Zugleich zum Direktor des neugegründeten Naturhistorischen Museums wie des Botanischen Gartens berufen, baute Philippi deren Sammlungen beständig aus. Den eingewanderten Fachmann setzte die chilenische Regierung, neben 40 eigenen Sammel- und Studienreisen, nach der ersten Aussendung von November 1853 bis Februar 1854 per Schiff bis zum Hafen Copiapo und von dort bis in den Salar de Atacama und zurück noch zu weiteren naturkundlichen Untersuchungsexpeditionen im ganzen Land ein. Bis 1897 blieb Philippi Direktor des Nationalmuseums und war Korrespondent von zahlreichen Gelehrten wie Alexander von Humboldt und von Zeitschriften wie „Petermanns Mitteilungen“ mit insgesamt 352 Veröffentlichungen. Als er am 23.7.1904 in Santiago de Chile im 96. Lebensjahr verstarb, erhielt der in seinem im neuen Heimatland bis heute als bedeutendster landeskundlicher Forscher hoch geehrte Philippi ein Staatsbegräbnis.
Die Wüstenoase San Pedro de Atacama und das Kartenbild der Anden
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116 „Dr. R. A. Philippi’s Erforschung der sogenannten Wüste Atacama“. Entwurf des begleitenden Geodäten Wilhelm Döll in der Zeichnung von August Petermann mit Höhenzahlen in Pariser Fuß (= rund 0,325 Meter; Quelle: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 2 (1856), Tafel 3).
kurzen Aufenthalts dagegen als angenehm, „die Tage waren; ohne heiss zu sein, schön, die Nächte kühl, fast kalt.““ Nach Philippis Beobachtung war es sonderbar und besonders erwähnenswert, „dass es in Atacama weder Mücken noch Flöhe noch Wanzen giebt, dafür sind freilich die Vinchucas desto häufiger: braune geflügelte Schreitwanzen, die ausgewachsen elf Linien [entspricht etwa 2,5 Zentimetern] lang sind und des Nachts die Schlafenden heimsuchen. Eines Morgens tödteten wir in meinem Bett nicht weniger als 42, die kleinen mitgerechnet. Ich habe ihren Stich nie gespürt, aber mein Gefährte, Herr Döll [Geometer], hatte viel davon zu leiden […].“ Über das wirtschaftliche Leben in dieser kleinen Oase führte Philippi weiter aus: „Die Atacamer bauen nur höchst wenig Getreide, ebenso ist die Zucht von Schlachtvieh sehr unbedeutend, beide Artikel beziehen sie von der Argentinischen Republik, auch bringen Indier bisweilen Llamas zu Markte. […] Die Europäischen Artikel fehlten in den Läden nicht, aber der Marktplatz war schlecht versehen; in der ganzen Zeit von acht Tagen, die wir in Atacama zubrachten, konnte ich weder Milch, noch Hühner, noch Eier, noch Kartoffeln, grünen Mais oder sonstige Gemü-
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13 „Weder Mücken noch Flöhe …“
se erlangen, so dass wir – abgerechnet die Geschenke, welche wir von einigen Personen, denen ich empfohlen war – nicht anders lebten, als mitten in der Wüste, nur dass wir frisches Fleisch, Brot und Birnen hatten.“ Zum bereits in präkolumbianischer Zeit betriebenen Kupferbergbau nur etwa 30 Kilometer nördlich von San Pedro de Atacama verwies Philippi, der ja im Auftrag der begehrlich nach Norden blickenden chilenischen Regierung unterwegs war, auf „Bänke von weichem Sandstein voll gediegenen Kupfers in Schüppchen, Körnern und großen Fladen““ östlich des Mittellaufs des Rio de San Pedro („Atacama“ auf der Karte) bei dem Weiler San Bartolo hin: „Es genügt, den weichen Sandstein zu zermahlen und auszuwaschen, um das gediegene Kupfer zu gewinnen. Die Lage kann nicht günstiger sein; im Laufe des Atacama-Flusses können eine grosse Menge Pochwerke angelegt werden; das Thal bietet Alfalfa-Felder zum Unterhalt der Maulthiere, Brenn- und Bauholz (Algarrobus und Chanares) genug dar […].“ Nach vergeblichen Anläufen der Wiedereröffnung dieser Schürfstellen durch die notorisch ineffiziente bolivianische Regierung berichtete Philippi, dass zur Zeit seines Besuchs in San Pedro vor allem Ausländer aus Peru und Argentinien mit dem Bergrechtserwerb und den Anfängen des Abbaus „bereits lebhaft im Gange““ waren. Und von Tschudi ergänzte, dass das Kupfer, welches bloß gesammelt, gewaschen und geschieden werden musste,
Johann Jakob von Tschudi – ein Schweizer Forscher in Südamerika
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i bi i 9 J hhrhundert h d t zurückzuverf ük folgende l d Schweizer Adelsfamilie, die unter anderem durch mehrere Politiker und Historiker hervortrat, wurde am 25.7.1818 in lebenslang abgesicherte Verhältnisse Johann Jakob von Tschudi in Glarus geboren. Nach dem Studium der Naturwissenschaften an verschiedenen europäischen Universitäten ergriff Tschudi im Februar 1838 das Angebot, das nach Peru abgehende Schiff eines Genfer Handelshauses als Naturforscher zu begleiten. Im Lande angekommen, geriet er in den ersten peruanisch-chilenischen Krieg, der seine Pläne völlig umwarf. Nach einigen Sammelreisen studierte er in Lima Medizin und praktizierte dann an verschiedenen Orten des Binnenlandes. Eine Typhuserkrankung bewegte ihn 1843 zur Rückkehr nach Europa, wo er die naturkundlichen Studien an den Universitäten Würzburg und Berlin fortsetzte und 1844 – 47 ein fünfbändiges Werk über die peruanische Vegetation sowie 1846 das noch heute sehr lesenswerte zwei118 „Originalkarte zu J. J. v. Tschudi’s Reise durch die Andes von Süd-Amerika von Córdova nach Cobija“. Höhenzahlen in Pariser Fuß (= rund 0,325 Meter; Quelle: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Ergänzungsheft 2. Gotha 1860, Tafel).
bä di R bändige Reisewerk i k „Peru. P R Reiseskizzen i ki aus dden JJahren h 1838 – 42“ vorlegte. Um dem kaiserlichen Hofnaturalienkabinett in Wien nahe zu sein, übersiedelte er 1848 auf einen Gutshof bei Wiener Neustadt. Von dort brach er im Herbst 1857 zu seiner zweiten Südamerikareise auf, die ihn zum Studium der Botanik und Geologie sowie der Auswandereransiedlungen durch weite Teile Brasiliens führte. Im Südwinter 1858 überschritt er den Andenkamm an der breitesten Stelle, um nach dem Durchzug durch die Atacama in Santiago de Chile im Staatsmuseum einige Wochen auch mit Rudolf Philippi zu verbringen. Kaum dass er über Bolivien, das vertraute Peru und Panama 1859 heimgekehrt war, ging er bereits 1860 – 62 als Schweizer Gesandter an den Hof des Kaisers von Brasilien zurück, nicht zuletzt um die Verhältnisse der unter Pachtverträgen mit Großgrundbesitzern leidenden Schweizer Auswanderer zu verbessern. Vor allem der zweite und dritte Besuch in Lateinamerika fanden 1866-69 ihren Niederschlag im fünfbändigen Werk „Reisen durch Südamerika“. Selbst 1866 – 83 als Schweizer Botschafter in Wien beschäftigte sich Tschudi noch mit philologischen Studien der Inkasprache Ketschua, die er Jahrzehnte zuvor in Peru erlernt hatte. Als Mitglied zahlreicher gelehrter Gesellschaften starb Tschudi am 8.10.1889 auf seinem Gut in Niederösterreich.
Die Wüstenoase San Pedro de Atacama und das Kartenbild der Anden
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119 Übersichtskarte der Wüste Atacama auf dem steilen Westabfall der Anden zum Pazifischen Ozean (Quelle: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 22 (1876), Tafel 17).
in Säcken verpackt auf Maultierrücken nach Cobija zur Verschiffung gebracht wurde. `116 Obwohl die Kupfervorkommen altbekannt waren, rückte dieser bis in das 19. Jahrhundert stets im Abseits liegende Landstrich erst durch die Entdeckung einer Reihe weiterer abbauwürdiger Bodenschätze ins Blickfeld: Nachdem die Ausbeutung der oberflächennahen Natriumnitratlagerstätten in der Atacama bereits um 1810 in immer größerem Stil angelaufen war, in welchen der sogenannte „Chile-Salpeter“ zur Stickstoffdüngung gewonnen wurde, um ihn in die ganze Welt zu verschiffen, folgten in den 1860er Jahren die großen Guanoablagerungen an der Küste und schließlich 1870 die Entdeckung der Silbervorkommen von Caracoles auf halbem Wege zwischen Antofagasta und San Pedro de W Atacama. Vor dem Hintergrund der hierdurch geweckten wirtschaftlichen und politischen Begehrlichkeiten ist auch der bolivianisch-chilenische Grenzkonflikt seit 1879 zu sehen, auf den sich die Regierung in Santiago de Chile durch die Entsendung Philippis bereits ein Vierteljahrhundert zuvor vorausschauend vorbereitet hatte. Dieser Konflikt wuchs sich zum sogenannten „Salpeterkrieg“ aus, an dessen Ende Bolivien 1884 seine Küstenprovinz Antofagasta an Chile abtreten musste. Bereits die meerseitige Erschließung der Abbaufelder durch die seit dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts angelegten Pazifikhäfen und die von dort ausgehenden Bergbaubahnen machten die althergebrachten Transport- und Versorgungsleistungen der Oase von San Pedro zunehmend überflüssig. Der hierdurch eingeleitete wirtschaftliche Niedergang dieser stets fremdbestimmten peripheren Oasensiedlung konnte seither nicht mehr umgekehrt werden. `119
Literatur
BORK, HANS-R RUDOLF ET AL.: Die Entwicklung der Oase San Pedro de Atacama, Chile, in: Petermanns Geographische Mitteilungen, Jahrgang 146 (2002), Heft 5, S. 56 – 63. DEMHARDT, IMRE JOSEF: Chilenische Anden, in: Petermanns Geographische Mitteilungen, Jahrgang 146 (2002), Heft 5, S. 84 – 85. FÜRSTENBERG, PAUL: Dr. Rudolph Amandus Philippi. Sein Leben und seine Werke. Santiago de Chile 1906. PETERMANN, AUGUST: A. Petermann’s Bemerkungen, in: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geogra-
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13 „Weder Mücken noch Flöhe …“
phie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 2 (1856), S. 66 – 71. PHILIPPI, RUDOLF: Die sogenannte Wüste Atacama und die grossen Plateau-Bildungen der Andes südlich vom 19° s. Br., in: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 2 (1856), S. 52 – 66. PHILIPPI, RUDOLF: Reise durch die Wüste Atacama auf Befehl der chilenischen Regierung im Sommer 1853 – 54 […]. Halle 1860. RATZEL, FRIEDRICH: Tschudi, Johann Jakob, in: Allgemeine Deutsche Biographie, Band 38. Leipzig 1894, S. 749 – 752.
TSCHUDI, JOHANN JAKOB VON: Reise durch die Andes von Süd-Amerika, von Cordova nach Cobija im Jahre 1858. (= Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Ergänzungsheft Nr. 2). Gotha 1860. WAGNER, HERMANN: Das Bolivianische Litoral, in: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 22 (1876), S. 321 – 327.
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Erich von Drygalski und die Deutsche Südpolar-Expedition 1901 – 03
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aum ein halbes Jahr nachdem Erich von Drygalski am 9.2.1865 im ostpreußischen Königsberg als Sohn eines Gymnasialdirektors geboren worden war, fiel am 23. Juli in Frankfurt am Main auf einem ganz im Zeichen der Entdeckungsgeographie stehenden Treffen des Freien Deutschen Hochstifts eine Entscheidung von grundlegender Bedeutung für seinen späteren wissenschaftlichen Werdegang. Nachdem Georg von Neumayer (1826 – 1909; Kapitel 10) im Vorjahr aus Australien zurückgekehrt war, wo er ein geophysikalisches Observatorium aufgebaut hatte, warb er für die Inangriffnahme der wissenschaftlichen Erforschung der noch gänzlich unbekannten Antarktis. In Frank-
furt gelang es seinem Widersacher August Petermann (Kapitel 2) jedoch, diese erste Versammlung deutscher Geographen, aus welcher die Deutschen Geographentage hervorgehen sollten, von seinen Plänen zur Beteiligung am kosmopolitischen Wettlauf um den Vorstoß zum Nordpol zu überzeugen, was in die beiden „Deutschen Nordpolar-Expeditionen“ 1868 – 70 mündete (Kapitel 8). Erst mit drei Jahrzehnten Verspätung erlebte es Neumayer, der seit 1876 die auf seine Frankfurter Anregung zurückgehende Deutsche Seewarte in Hamburg geleitet und nicht zuletzt durch die Berufung Wladimir Köppens zu einem maritim-meteorologischen Forschungsinstitut von Weltrang ausgebaut hatte (Kapitel 16), doch
Erich von Drygalski, 1896
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Die „Gauss“ im Eis der Antarktis 120 Die „Gauss“ im Eis vor der Küste von Kaiser-WilhelmII.-Land. Beim Aufstieg des mitgeführten Wetterbeobachtungsballons entstand am 29.3.1902 diese erste Luftaufnahme in der Antarktis mit dem Winterlager um das Expeditionsschiff
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m Unterschied zu den beiden „Deutschen NordpolarExpeditionen“ (Kapitel 8), die eine Generation vorher stattgefunden hatten, ermöglichten die Reichsgründung und das in den 1890er-Jahren zunehmend nationalistisch aufgeladene Interesse an der Antarktis mit dem mehr oder minder offen ausgetragenen Wettlauf zum Südpol eine Finanzierung des Vorstoßes aus dem Reichshaushalt. Größter Einzelposten im Expeditionsetat von 1 509 000 Mark war der 1900 eigens in den Kieler Howaldtswerken gebaute 51 Meter lange und 1442 Tonnen Wasser verdrängende Dreimastschoner mit einer 325 PS starken Hilfsmaschine. Dieser wurde nach dem Mathematiker und Vermessungsfachmanns Carl Friedrich Gauss (1777 – 1855) benannt, der die Lage des magnetischen Südpols berechnet hatte. Als planmäßiges Zwischenziel wurden am 31. Dezember die Kerguelen-Inseln erreicht, die seit 1874 bereits drei deutschen Schiffsexpeditionen als Forschungsziel gedient hatten. Hier gingen je ein Botaniker, Meteorologe und Geomagnetiker sowie zwei Matrosen von Bord, die eine Beobachtungsstation errichteten und bemannten, wo bis zur Rückkehr des Schiffs subantarktische Vergleichsdaten zu den Untersuchungen der „Gauss“ auf dem Südkontinent selbst erhoben wurden. Erst am 21.2.1902 wurde – schon im Herbst der Südhalbkugel – auf etwa 90° Ost endlich erstmals die Küste der Antarktis an einer noch unbekannten Stelle gesichtet, die man ob des offiziösen Charakters der Expedition auf den einzig möglichen Namen taufte: Kaiser-Wilhelm-II.Land. Aber bereits am folgenden Tag geriet die „Gauss“ in Treibeis und fror am 1. März etwa 80 Kilometer vor der Küste endgültig fest. Da sie in weiser Voraussicht mit abgerundetem Kiel gebaut worden war, der das Expeditionsschiff zwar im offenen Wasser elendig schwerfällig machte mit einer Marschgeschwindigkeit von nur höchstens 5 Knoten (= 9 Stundenkilometer), wurde sie nun vom Eis jedoch nicht zerdrückt, sondern herausgehoben. Weit vor der Küste wurden die Vorbereitungen zur eingeplanten Überwinterung getroffen. Dabei bedeutete die Unbeweglichkeit des Schiffs jedoch mitnichten auch Untätigkeit der Besatzung: Am 29. März füllte man den mitgeführten Fesselballon mit 121 Route der „Gauss“ 1901 – 03 (Quelle: Drygalski, Erich (Hrsg.): Deutsche Südpolar-Expedition 1901 – 1903. Band VII. Berlin 1914, Tafel III).
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14 Erich von Drygalski
Wasserstoff und ließ diesen mit Drygalski in der Gondel bis auf 500 Meter Höhe steigen. Dabei erblickte der Expeditionsleiter im Küstenhinterland eine dunkle Erhebung, die sich bei der Erkundung nach rund dreitägiger Anfahrt mit Hundeschlitten als ein rund 90 Kilometer entfernter und 371 Meter hoher erloschener Vulkan herausstellte, der nach dem Expeditionsschiff Gaussberg getauft wurde. Vom Gipfel des kegelförmigen Berges gab es zwar ein grandioses Panorama über die unendliche Weite des Inlandeises weiter im Süden, aber kein weiteres eisfreies Land im gesamten Blickfeld – die Expedition hatte also die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen getroffen, als sie gerade hier festfror. Nachdem die „Gauss“ auch im antarktischen Sommer 1902/03 nicht freikam, versuchte die Besatzung wiederholt durch das Ausstreuen von Asche, die sich durch Absorption von Sonnenlicht erwärmte und ins Eis einschmolz, eine Fahrrinne zu öffnen. Schließlich rückten die Expeditionsmitglieder dem Packeis sogar mit Sägen und Sprengstoff zu Leibe und brachten ihr Schiff tatsächlich noch am 8.2.1903 vom Eis frei und entgingen so der bereits drohenden zweiten Überwinterung. Als einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg von der Einzel- zur Gruppenforschung sowie der voranschreitenden Professi-
onalisierung der sich immer weiter aufgliedernden Teildisziplinen insbesondere der Naturwissenschaften prägte die reisende Forschungsgemeinschaft der „Gauss“ den noch heute für die ebenso international wie interdisziplinär kooperative Südpolarforschung gebräuchlichen Begriff der „Universitas Antarctica“.
122 Kartenskizze der Route der „Gauss“ und des Kaiser-Wilhelm-II.-Landes (Quelle: Dr. A. Petermanns Mitteilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt, Jahrgang 84 (1938), Seite 302).
123 Kartierung des Gaussbergs auf Grundlage photogrammetrischer Aufnahmen (Quelle: Erich von Drygalski: Der Gaussberg, seine Kartierung und seine Formen. Berlin 1906).
und die Deutsche Südpolar-Expedition 1901 – 03
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124 Petermanns Karte zum Kenntnisstand von 1865 der Antarktis und der südpolaren Meeresströmungen (Quelle: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 11 (1865), Tafel 5).
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noch, dass 1895 die „Deutsche Kommission für Südpolarforschung“ gegründet wurde. Nun aber im 70. Lebensjahr stehend, war es an einem Jüngeren, diese verspätete Expedition zu leiten. Ganz natürlich fiel die Wahl auf den jungen Geowissenschaftler Erich von Drygalski. Dieser hatte nach dem Abitur in seiner Heimatstadt mit dem Studium der Mathematik und Physik begonnen, war aber in Bonn in den Bannkreis des Geomorphologen Ferdinand von Richthofen geraten (Kapitel 17), dem er 1883 nach Leipzig und 1886 nach Berlin folgte, wo er bei ihm mit einer geophysikalischen Arbeit über die Verformung
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der Erde durch Eisbedeckung promovierte. Dies qualifizierte ihn, eine von der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin – deren langjähriger Vorsitzender sein Doktorvater Richthofen war – organisierte Expedition nach West-Grönland zu leiten. Die Ergebnisse der Vorerkundung 1891 wie der Hauptexpedition 1892 – 93 begründeten das internationale wissenschaftliche Ansehen des jungen Geowissenschaftlers. Nachdem sich Drygalski 1898 in Berlin in Geographie und Geophysik habilitiert hatte, wurde er noch im gleichen Jahr von der „Deutschen Kommission für Südpolarforschung“ zum Leiter der in Vorbereitung be-
griffenen Expedition in die Antarktis berufen. Da die Antarktis um die Jahrhundertwende als der letzte große weiße Fleck in der Kenntnis des Erdballs in das rivalisierende Interesse mehrerer europäischer Polarforschernationen geriet, wurde 1899 auf dem VII. Internationalen Geographenkongress in Berlin verabredet, die bis 1905 vorgesehenen nationalen Expeditionen hinsichtlich der Zielgebiete zu entzerren, aber in den wissenschaftlichen Ansätzen zu koordinieren. An Bord des Dampfseglers „Gauss“ konnten Drygalski, vier Wissenschaftler und 24 Seeleute – in Kapstadt schlichen sich noch zwei de-
125 Stand der Südpolarforschung im Februar 1913
sertierte schwedische Seeleute aufs Schiff – am 11.8.1901 endlich aus Kiel auslaufen. Ganz im Sinne von Carl Weyprecht, der 1871 im Vorfeld der „Österreich-ungarischen Nordpolar-Expedition“ die Erreichung des Nordpols als wissenschaftlich unwichtig bezeichnet hatte (Kapitel 9), gab Drygalski bei der Rückkehr am 25.11.1903 nach über 27 Monaten beständiger Untersuchungen zu verstehen, dass er sich nicht am nationalis-
und die Deutsche Südpolar-Expedition 1901 – 03
(Quelle: Dr. A. Petermanns Mitteilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt, Jahrgang 59 (1913), Halbband I, Tafel 13).
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Biographie Erich von Drygalski 1865 geboren am 9.2. im Königsberg 1882 – 87 Studium der Mathematik, Physik und Geographie in Bonn, Leipzig und Berlin 1887 Promotion in Physischer Geographie in Leipzig 1888 – 91 Assistent am Geodätischen Institut in Potsdam 1891 Leitung der Vorexpedition der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin nach Westgrönland 1892 – 93 Leitung der Hauptexpedition nach Westgrönland 1898 Habilitation in Geographie und Geophysik; Berufung zum Leiter der seit 1895 in Vorbereitung befindlichen deutschen Antarktisexpedition 1898 – 1901 Leiter der naturgeographischen Abteilung des Museums für Meereskunde in Berlin 1899 außerordentliche Professur für Geographie und Geophysik an der Universität Berlin 1901 – 03 Leitung der „Deutschen Südpolar-Expedition“ mit der „Gauss“ 1906 – 35 Professur für Geographie an der Universität München; langjähriger Vorsitzender der Geographischen Gesellschaft München
tischen Wettlauf zu den Polen beteiligen wollte: „Für die Polarforschung ist es unerheblich, wer als erster am Pol steht.“ Ihre Majestät Kaiser Wilhelm II. war jedoch ungehalten, dass die „Gauss“ es nur bis auf 66° 2' Süd ‘geschafft hatte, während die seit Jahren vom Südpolrausch befallenen Briten unter Ernest Shackelton und Robert Scott auf der Discovery-Expedition am 30.12.1903 schon bis auf über 82° Süd vorgedrungen waren. Immerhin brachte Drygalski seine Mannschaft wohlbehalten zurück, während Scott und seine Begleiter nach der Niederlage im epischen Zweikampf mit dem Norweger Roald Amundsen 1912 nicht nur den Südpol einen Monat zu spät erreichten, sondern auf dem Rückmarsch auch noch alle umkamen. Durch die unter Drygalskis Federführung vorbildlich gewissenhafte und bis 1931 dauernde Auswertung der in bisher unerreichter Breite und Tiefe erhobenen Daten aus dem Südpolarmeer und der Antarktis in 20 Bänden und zwei Atlanten ging ihm 1906 der Ruf auf eine Professur für Geographie an der Universität München zu. Diesen Lehrstuhl hatte er bis zu seiner Emeritierung 1935 inne und begründete zudem das Geographische Institut. Nach der Teilnahme an der Zeppelin-Studienfahrt nach Spitzbergen 1910 wurde Drygalski, wie viele der durch Richthofen naturwissenschaftlich geprägten Geographen, durch den Ersten Weltkrieg nachhaltig politisiert und wandte sich seit den 1920er-Jahren verstärkt auch kulturgeographischen Themen zu. Er starb international hoch geachtet am 9.1.1949 in München. `124, 125
1910 Teilnahme an der Zeppelin-Expedition nach Spitzbergen 1953 gestorben am 10.1. in München
Literatur
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BRUNNER, KURT/LÜDECKE, CORNELIA: Karto-
FELS, EDWIN: Drygalski, Erich Dagobert
graphische Ergebnisse der ersten deutschen Südpolar-Expedition 1901 – 1903, in: Kartographische Nachrichten, 2002 (Heft 4), S. 143 – 148. DRYGALSKI, ERICH (Hrsg.): Deutsche Südpolar-Expedition 1901 – 1903. Band VII. Berlin 1914. DRYGALSKI, ERICH VON: Der Gaussberg, seine Kartierung und seine Formen ( = Deutsche Südpolar-Expedition 1901 – 1903, Band 2, Heft 1, Teil 1). Berlin 1906.
von, in: Neue Deutsche Biographie, Band 4. Berlin 1959, S. 143 – 144. LÜDECKE, CORNELIA: Erich von Drygalski und die Gründung des Instituts und Museums für Meeresforschung in Berlin, in: Historisch-meereskundliches Jahrbuch, Band 4. Stralsund 1997, S. 19 – 36. LÜDECKE, CORNELIA ET AL.: Universitas Antarctica. 100 Jahre deutsche Südpolarexpedition 1901 – 1903 unter der
14 Erich von Drygalski
Leitung Erich von Drygalskis. Leipzig 2001. PRIESNER, CLAUS: Neumayer, Georg Balthasar von, in: Neue Deutsche Biographie, Band 19. Berlin 1999, S. 166 – 168. WICHMANN, HUGO: Der Stand der Südpolarforschung, in: Dr. A. Petermanns Mitteilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt, Jahrgang 59 (1913), Halbband I, S. 57 – 59.
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Alfred Philippson Das multiethnische Osmanische Reich und der imperialistische Griff nach Mesopotamien
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ls Jude am 1.1.1864 in Bonn geboren zu sein, bedeutete für Alfred Philippson wie für viele seiner Glaubensgenossen noch im ausgehenden 19. Jahrhundert eine erheblich erschwerte akademische Karriere – oder aber die Konversion zu einem christlichen Bekenntnis. Dies kam für den Sohn eines Rabbiners und Publizisten aus einer weit verzweigten jüdischen Gelehrtenfamilie aber nicht infrage. Philippson durchlief das Gymnasium und das erste Studienjahr in Bonn, bevor er seinem Lehrer Ferdinand von Richthofen 1883 nach Leipzig folgte und dort 1886 in Geographie über Wasserscheiden
promovierte. Obwohl er erkannte, dass für einen Juden noch immer kaum Aussicht auf den höheren Schuldienst bestand, erhoffte er doch gerechteter Beurteilungskriterien an den Universitäten. In Vorbereitung auf eine geographische Professur unternahm er auf Anraten Richthofens ab 1887 dank elterlicher Zuwendungen mehrere Studienreisen nach Griechenland. Die Habilitation über eine geologische Landeskunde des Peloponnes verzögerte sich, da mehrere Universitäten ihn wegen antisemitischer Vorbehalte ablehnten. Erst das beherzte Eingreifen eines Ministerialdirektors im preußischen Kul-
Alfred Philippson um 1910 (Quelle: Philippson, Alfred: Wie ich zum Geographen wurde. Aufgezeichnett im Konzentrationslager Theresienstadt zwischen 1942 und 1945 (hrsg. von Hans Böhm und Astrid Mehmel). Bonn 1996, S. XXVIII).
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126 Ethnographie des nordwestlichen Kleinasien nach Philippsons Bereisungen 1900 – 04 (Quelle: Dr. A. Petermanns Mitteilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt, Jahrgang 65 (1919), Tafel 3).
tusministerium ebnete Philippson 1891 in Bonn den Weg. Solchermaßen „durchgedrückt“ konnte er dort aber nur wenig erwarten und musste sich zwölf Jahre lang als Privatdozent durchschlagen und mit weiteren Studienreisen nach Griechenland, ins Osmanische Reich und nach Russland ein überdurchschnittliches wissenschaftliches Ansehen erarbeiten. „Vom Antisemitismus merkten wir gesellschaftlich noch nichts,“ so Philippson in seinen Lebenserinnerungen, „es zeigte sich aber deutlich, daß der Judenhaß im deutschen Volk – namentlich in den gehobenen Ständen – in erster Linie geheimer Brotneid war. Der Jude ist willkommen, ja sogar geschätzt, solange er keine besoldete Stelle hat. Soweit er für eine solche berechtigterweise in Betracht kommt, wacht der Antisemitismus auf und macht geschlossen Front dagegen.“ Erst 1904 erfolgte ein Ruf auf eine Professur, allerdings bezeichnenderweise in Bern in der Schweiz. Dies brach vorerst den Bann, denn bereits 1906 folgte Philippson Rufen nach Halle und 1911 nach Bonn. Nicht zuletzt wegen der Widerstände gegen sein Judentum erarbeitete sich Philippson durch mehr als zwei Dutzend Studienreisen bis zum Weltkrieg vor allem auf das festländische Griechenland, in die Ägäis und den kleinasiatischen Küstensaum den Ruf eines hervorragenden Vertreters der wissenschaftlichen NachfolgegeV neration der klassischen Entdeckungs- und Forschungsreisenden. Obwohl durch seinen Lehrer Richthofen von der naturwissenschaftlichen Geomorphologie her kommend, pflegte Philippson bis zu seiner Emeritierung 1929 doch auch die Länderkunde als Zusammenführung der Einzelwissenschaften. Es klingt noch der Geist Humboldts durch, wenn Philippson in einer Denkschrift zum Ausbau der Geographie an deutschen Hochschulen als Ziel dieser Disziplin bestimmte: „Die Erscheinungen der Erdoberfläche, sowohl die der Natur wie der Kultur, zu beschreiben und in ihrer gegenseitigen ursächlichen Verknüpfung zu erkennen.“ Die Studienreisen in die Landschaften um die Ägäis schloss Philippson 1900 – 04 mit intensiven sommerlichen Feldforschungen in Kleinasien ab, die sich in einer ganzen Reihe von Veröffentlichungen niederschlugen. Wohl durch die tief greifenden ethnischen Umbrüche in Kleinasien veranlasst, die im Ersten Weltkrieg mit der Verfolgung der Armenier begannen und sich danach
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im griechisch-türkischen Krieg 1919 – 22 mit der Vertreibung der Festlandsgriechen fortsetzten, legte der Bonner Professor 1919 eine Kartierung seiner kurz nach der Jahrhundertwende gemachten ethnographischen Aufnahmen vor. Diese im Publikationsjahr schon historische Karte wies die kleinasiatischen Küstenlandschaften als ein wahres Völkergemisch mit relativer Vorherrschaft der Griechen um deren festländische Metropole Smyrna (Izmir) aus, „bestehend teils aus rein griechischen Dörfern, die Acker-, Wein-(Rosinen-)bau, auch Schifffahrt und Fischerei treiben und sich stellenweise zu rein griechischen Gauen zusammenschließen“. Noch vor den nur wenigen städtischen Armeniern und Juden sowie den verschiedenen Turkvölkern beherrschten die Griechen hier den Binnen- und Außenhandel sowie Banken und Gastronomie. „Ärzte, Advokaten, Ingenieure, kleine Beamte sind zum großen Teil Griechen. Diese sind die Hauptträger des wirtschaftlichen Fortschritts, aber auch der kapitalistischen Ausbeutung im Lande.“ `126 Im anatolischen Kerngebiet des im Ersten Weltkrieg untergegangenen multiethnischen Osmanischen Reichs gründete Mustafa Kemal – ge-
nannt Atatürk (= Vater der Türken) – 1919 mit dem Mythos eines Nationalstaates die moderne Türkei. Für selbst erklärte „National“-Staaten sind bedeutende ethnische Minderheiten aber stets wunde Punkte dieser Staatlichkeit. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren dies vor allem die Griechen an der Ägäisküste sowie die Armenier und Kurden in Anatolien. Die „ethnische Säuberung“ Kleinasiens begann 1915 mit dem immer noch offiziell verdrängten Völkermord an den christlichen Armeniern. Es folgte der griechisch-türkische Krieg 1919 – 21 mit der wechselseitigen Vertreibung von Millionen Griechen und Türken, der ein nahezu rein türkisches Kleinasien hinterließ und die bis in die Gegenwart währenden Konflikte 127 Völkergemisch zwischen Mittelmeer und um die Kurdistanfrage. Die Genozide des 20. JahrPersien in den 1870erhunderts von der entstehenden Türkei über den Jahren nach Cernik nationalsozialistischen Rassenwahn mit „bestra(Quelle: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographifenden“ Nachkriegsvertreibungen bis hin zu den scher Anstalt über wichti„ethnischen Säuberungen“ im zerfallenden Jugoge neue Erforschungen auf slawien lehren, dass ein (einigermaßen) friedliches dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Pemultiethnisches Zusammenleben nur in pränatitermann, Ergänzungsband onalistischen Gebilden wie Österreich-Ungarn X (1875-76), Ergänzungsheft 44. Gotha 1876, Tafel 3). oder dem Osmanischen Reich möglich war, diese
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Eisenbahnen und Erdöl – Vorboten imperialer Konflikte des 20. Jahrhunderts
128 Bagdad und Umgebung 1873 (Quelle: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Ergänzungsband X (1875 – 76), Ergänzungsheft 44. Gotha 1875).
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rogenität trug vor allem die mangelnde infrastrukturelle Erschließung durch moderne Verkehrsmittel zur wirtschaftlichen Stagnation und damit dem schleichenden Niedergang des Osmanischen Reichs bei. Die Eisenbahn hatte im asiatischen Landesteil erst 1873 mit der nur 91 Kilometer langen Strecke von Haidar Pascha gegenüber Konstantinopel nach Izmit Einzug gehalten. Unbeschadet dieses bescheidenen Anfangs wurde bereits 1872 – 73 der Ingenieur Josef Cernik auf eine Studienexpedition zur Untersuchung der Fortführung dieser Bahnlinie bis ins mesopotamische Zweistromland entsandt. Ein
wichtiges Expeditionsziel war Bagdad, welches erst 762 n. Chr. von den Arabern als Kalifatssitz strategisch günstig auf der nur 35 Kilometer breiten Landenge zwischen beiden Strömen am Tigris gegründet worden war. Nach der osmanischen Eroberung 1638 war es aber zu einer unbedeutenden Provinzstadt abgesunken, die nur noch 80 000 Einwohner zählte, als Cernik im November 1872 hier eintraf: „Die heutige Stadt, der von ihrem ehemaligen Rufe nichtt die geringste Reminiscenz geblieben ist, nimmt räumlich einen nur kleinen Bruchtheil der Chalifen-Residenz ein. […] Die Stadtmauern, vielfach zerstört, mit ausgefüllten Gräben und baufälligen Thürmen, ziehen sich noch ein beträchtliches Stück ins Land hinein und besäumen […] einen hügeligen, von stagnierenden Lachen und Cloaken-Ausflüssen bedeckten Raum […]. Mitten durch dieses Chaos von Trümmern, Schmutz und anderem Gerümpel zieht die Karawanenstrasse […] in die Stadt.“ Angesichts dieser Schilderung verwundert es nicht, dass Bagdad im 19. Jahrhundert immer wieder von Seuchen heimgesucht wurde, wobei allein 1831 das Zusammentreffen von Pest und Hochwasser etwa die Hälfte der Einwohner töte. Liest man zudem Cerniks Beschreibung der schiitischen Leichenkarawanen zur Beisetzung im heiligen Kerbela mit ihren „Pestilenz athmenden Todtensärgen“, hat man die Vorlagen für Karl Mays Pestabenteuer von Kara ben Nemsi in „Von Bagdad nach Stambul“ vor Augen. Erst das Basarviertel von Bagdad versöhnte den Ingenieur wieder: „Hier herrscht noch urwüchsiges, typisches Leben, eine Völkermusterkarte aller Natiönchen West-Asiens giebt dem todten Stadtgebilde die nothwendige pittoreske Staffage […].“ Trotz der Voruntersuchungen Cerniks sollte es aufgrund der chronischen Finanzschwäche des Sultans noch bis 1888 dauern, bevor ein privates Konsortium unter Führung der Deutschen Bank die Konzession zur Übernahme der Izmit-Bahn und zum Fortbau als „Anatolische Bahn“ über Eskisehir nach Konya erhielt. Ab 1903 wurde mit deutschem Geld und Machtinteresse die Verlängerung über Adana, Aleppo, Mossul und Bagdad bis nach Basra am Persischen Golf in Angriff genommen, aber erst 1940 von den Nachfolgestaaten, der Türkei und dem britischen Mandatsgebiet Irak, vollendet. Die deutschen Orientträume waren da schon lange geplatzt, obwohl es 129 Die natürlichen Erdölquellen im nordirakischen Mendeli (Quelle: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 20 (1874), Seite 345).
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noch im Frühjahr 1914 so ausgesehen hatte, als ob sich die über den Bahnbau zerstrittenen Großmächte verständigen konnten: Mit Billigung Konstantinopels sollte Frankreich den Abzweig von Aleppo nach Damaskus bauen und Großbritannien das strategische Endstück von Bagdad bis in das von diesem 1899 besetzte Kuwait. Diese Flurbereinigung vom Juni 1914 durchkreuzte der bereits im August ausbrechende Erste Weltkrieg. Jedoch zeichnete diese bereits die imperiale Aufteilung des 1918 untergegangenen Osmanischen Reichs in die Mandatsgebiete von Frankreich (Syrien und Libanon) und Großbritannien (Irak) vor. Der wichtigste Grund des europäischen Machtgerangels um die Verkehrserschließung des rückständigen Mesopotamiens war bereits damals das für moderne Volkswirtschaften immer wichtiger werdende Erdöl, welches dort seit dem Altertum in natürlichen Quellen austrat. Das Osmanische Reich hatte sich als unfähig erwiesen, diesen Rohstoff angemessen zu verwerten. Während das Bitumenfeld bei Hit am mittleren Euphrat „mit seiner rauchdunstigen Atmosphäre, den heissen Quellbächen mit schwimmender Naphtha“ von Cernik nur kurz gestreift wurde, berichtete der von der Regierung in Konstantinopel eigens zur Erdölexploration ausgesandte Bergingenieur Meissner eingehend über Naphthaquellen beim nordirakischen Städtchen Mendeli. Hier fanden sich Wasseraustritte mit beigemengtem Naphtha, dem damaligen Begriff für schweres Rohöl. Um den Naphthaberg quoll das Öl aus Hunderten Tropfpunkten, in größeren Mengen jedoch nur in einer Quelllinie in Flussnähe. „Der Theer wird in Lederschläuche gefüllt und auf kleinen Eseln nach Mendeli geschafft.“ Der hiermit behördlich beauftragte Hirte, der als Lohn jeden dritten Sack auf eigene Rechnung verkaufen durfte, ließ sich nach Meissner von der regionalen Räuberbande „ein paar Mal im Jahre seine Ladung wegnehmen, wofür sie ihn und sein Vieh die übrige Zeit in Ruhe lassen.“ Über die Verwendung des in Mendeli in Kupferkesseln grob destillierten Naphtha bemerkte der Bergingenieur: „In den umliegenden Orten […] brennen die Araber den Bergtheer im natürlichen Zustande.“ Beim Besuch der „Raffinerie“ füllte Meissner eine Probeflasche mit dem Destillat. „Sofort leckte einer der Arbeiter das Übergelaufene ab“, wozu der Aufseher bemerkte, „dass sich die Leute der Umgegend sogar der Rückstände statt des Öles zum Anmachen des Salates bedienten“.
aber in den Hochzeiten des Nationalismus keinen Bestand haben konnten. `127 „Wenn hinten, weit, in der Türkei, die Völker aufeinanderschlagen …“ (Goethe: Faust I, Bürger in Szene vor dem Tor) wurde Anfang des 19. Jahrhunderts zum geflügelten Wort für entlegene Konflikte, die uns nicht zu betreffen scheinen, beschreibt aber auch noch die traurige Realität anhaltender ethnischer Konflikte in Vorderasien im 21. Jahrhundert. Die gewaltsame Entmischung in seinem Studiengebiet vor Augen mochte sich Philippson selbst durch die Verleihung des Titels „Geheimer Regierungsrat“ 1915 und durch die Leitung des Fachausschusses Geographie in der „Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft“ 1920 – 28, dem Vorläufer der Deutschen Forschungsgemeinschaft, als Angekommener wähnen. Wie dünn das Eis jedoch tatsächlich war, wurde 1933 deutlich, als die Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin am 6. Mai den bedeutendsten Richthofenschülern Sven Hedin (Kapitel 17), Erich von Drygalski (Kapitel 14) und Alfred Philippson die Goldene Richthofenmedaille verlieh. Gegen Letzteren protestierte der Orientgeograph und Nationalsozialist Ewald Banse damals noch vergeblich beim preußischen Kultusministerium. Der weitere Weg Philippsons folgte aber den Entrechtungsschritten aller deutscher Juden, bis der 78-Jährige aufgrund der Eingaben von Freunden und Kollegen als sogenannter „Prominenter“ nicht in ein KZ, sondern am 16.8.1942 im Güterwagen in das „Vorzeigeghetto“ Theresienstadt in Nordböhmen eingewiesen wurde. Im September 1942 wurde Philippson, der seit seiner Einlieferung mit Frau und Tochter in einem Massenquartier vegetierte und sogar in einer Szene des infamen SS-Films über Theresienstadt zu sehen ist, auf die Kommandantur zitiert. Dort legte man ihm einen Brief von Sven Hedin vor, den dieser nach Philippsons Abholung geschrieben hatte, und befragte ihn nach seiner Beziehung zu dem damals wohl bekanntesten Forschungsreisenden. Der Brief des den Nazis wichtigen, weil notorisch deutschfreundlichen, schwedischen Forschers bewirkte, dass man der Familie Philippson ein Einzelzimmer zuwies und dem Greis sogar einige wissenschaftliche Werke aus seiner Bonner Bibliothek zukommen ließ. Dieser wohl lebensrettende Brief Hedins wurde nur deshalb zugestellt, weil Hedin dem Reichsinnenminister Frick gegenüber seine zukünftige
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Biographie Alfred Philippson 1864 geboren am 1.1. in Bonn 1882 – 86 Studium der Geographie, Geologie, Mineralogie und Nationalökonomie in Bonn und Leipzig 1886 Promotion in Geographie in Leipzig 1887 – 90 Feldforschungsreisen nach Griechenland 1891 Habilitation in Bonn über die Geologie des Peloponnes 1892 – 1904 Privatdozent in Bonn; mehrere Studienreisen in die Landschaften um die Ägäis 1904 – 06 Professur in Bern 1906 – 11 Professur in Halle
Stellung zum Deutschen Reich vom Schicksal des Studienfreunds abhängig machte. Im jahrzehntelangen Briefwechsel zwischen Philippson und Hedin findet sich als erstes Nachkriegsschreiben ein Brief Philippsons vom 29.5.1946: „Mein lieber Hedin! Die Eröffnung der Briefpost nach dem Ausland giebt mir die Möglichkeit, Ihnen zu schreiben. […] Wir denken oft mit herzlicher Dankbarkeit an unseren Lebensretter, dem allein es zuzuschreiben ist, dass wir die schreckliche Zeit dreijähriger Einschließung und Hungers im K.Z. Theresienstadt lebend überstanden haben, in meinem Alter ein wahres Wunder.“ Jedenfalls begann Philippson noch im Oktober 1942 mit der Niederschrift der für seine Wissenschaftlergeneration erhellenden Autobiographie „Wie ich zum Geographen wurde“, deren Anfertigung ihn die Lagerhaft geistig durchzustehen half. Nach der Befreiung kehrte die Familie nach Bonn zurück und Philippson nahm 81-jährig im Wintersemester 1945/46 nochmals die Lehrtätigkeit auf. Mit auffällig vielen späten Ehrungen bedacht, starb er am 28.3.1953 in seiner Vaterstadt.
1911 – 29 Professur in Bonn 1929 Emeritierung 1933 Verleihung der Richthofenmedaille trotz Protestes von Ewald Banse 1942 – 45 Lagerhaft im Ghetto Theresienstadt 1945 Rückkehr nach Bonn, Rehabilitierung und Wiederaufnahme der Lehre 1953 gestorben am 28.3. in Bonn
Literatur
DEMHARDT, IMRE JOSEF: Zivilisationswiege Mesopotamien, in: Petermanns Geographische Mitteilungen, Jahrgang 147 (2003), Heft 3, S. 84 – 85. DEMHARDT, IMRE JOSEF: Völkergemisch im vornationalistischen Osmanischen Reich, in: Petermanns Geographische Mitteilungen, Jahrgang 147 (2003), Heft 4, S. 84 – 85. DEMHARDT, IMRE JOSEF: Hedschas- und Bagdadbahn, in: Petermanns Geographische Mitteilungen, Jahrgang 147 (2003), Heft 6, S. 76 – 77. LAUER, WILHELM: Alfred Philippson – Bonner Geograph zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus, in: Eckart Ehlers (Hrsg.): Philippson-Gedächtnis-Kolloquium 13.11.1989 (= Colloquium Geographicum, Band 20), Bonn 1989, S. 9 – 20. MEHMEL, ASTRID: Wie ich zum Geographen wurde – Aspekte zum Leben Alfred Phi-
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lippsons, in: Geographische Zeitschrift, Jahrgang 82 (1994), Heft 2, S. 116 – 132. MEISNER: Die Naphtha-Quellen bei Mendeli in Irak Arabi, in: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 20 (1874), S. 343 – 346. PHILIPPSON, ALFRED: Zur Völkerkarte des westlichen Kleinasien, in: Dr. A. Petermanns Mitteilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt, Jahrgang 65 (1919), S. 17 – 19. PHILIPPSON, ALFRED: Wie ich zum Geographen wurde. Aufgezeichnet im Konzentrationslager Theresienstadt zwischen 1942 und 1945 (hrsg. von Hans Böhm und Astrid Mehmel). Bonn 1996.
SCHWEIGER-LERCHENFELD, AMAND VON (Hrsg.:): Ingenieur Cernik’s Techni-
sche Studien-Expedition durch die Gebiete des Euphrat und Tigris […]. Erste Hälfte (= Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Ergänzungsband X (1875 – 76), Ergänzungsheft 44.) Gotha 1875.
SCHWEIGER-LERCHENFELD, AMAND VON (Hrsg.:): Ingenieur Cernik’s Technische Studien-Expedition durch die Gebiete des Euphrat und Tigris […]. Zweite Hälfte (= Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Ergänzungsband X (1875 – 76), Ergänzungsheft 45.) Gotha 1876.
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Alfred Wegener Grönlandforschung und Theorie der Kontinentaldrift
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er am 1.11.1880 in Berlin in eine märkische Theologenfamilie geborene Alfred Lothar Wegener schloss das Köllnische Gymnasium als Klassenbester ab und bewies im Studium mit Physik, Meteorologie und Astronomie breit gestreute naturwissenschaftliche Interessen. Obwohl er das Studium 1905 mit einer astronomischen Promotion abschloss, zog es ihn dann doch zur Meteorologie, da ihm die Sternenkunde bezeichnenderweise als zu stark ortsgebunden erschien. Erste meteorologische Sporen verdiente sich Wegener als Assistent am Aeronautischen Observatorium Lindenberg in der Mark Brandenburg. Hier unternahm er Luftuntersuchungen durch Ballonaufstiege und stell-
te dabei, gemeinsam mit seinem zwei Jahre älteren Bruder Kurt, am 5. – 7.4.1906 mit 52 Stunden Fahrdauer einen neuen Rekord im Ballonfahren auf. Noch im gleichen Jahr trat Wegener als Meteorologe und Geophysiker die erste Expedition nach Grönland an. Hauptziel der dänischen „Danmark-Expedition“ unter der Leitung von Ludvig Mylius-Erichsen (1872 – 1907) war der Lückenschluss der Umrisskenntnis von Grönland. Auf dieser „Danmark-Expedition“ traf der ideenreiche, aber wortkarge Gelehrte mit dem lebenslangen Drang in die arktischen Weiten mit dem dänischen Offizier Johann Peter Koch (1870 – 1928) zusammen. Der Expeditionsleiter Mylius-Erich-
Alfred Wegener im Winterquartier der zweiten Grönlandexpedition 1912 – 13 (Quelle: Imre Josef Demhardt: Alfred Wegener’s Hypothesis on Continental Drift and Ist Discussion in Petermanns Geographische Mitteilungen (1912-1942), in: Polarforschung, Band 75 (2005), Heft 1, S. 30).
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sen und eine Teilgruppe gingen auf dem Rückmarsch von einem Schlittenhundevorstoß am Danmarkfjord im November 1907 zugrunde. Der von Koch geleiteten anderen Schlittenhundegruppe gelang es jedoch, streckenweise begleitet durch Wegener, die unbekannte 1100 Kilometer lange Küstenstrecke zwischen dem südlichsten Punkt von Robert Edwin Pearys nordgrönländischen Erkundungen 1900 (ca. 83° Nord) und Kap Bismarck (ca. 78° Nord; Kapitel 8), dem nördlichsten Punkt der etappenweise von Süden her erkundeten Ostküste, zu schließen. Damit bestätigte
Frühe Vermutungen über einen Urkontinent
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as Zeitalter der europäischen Entdeckungsfahrten hatte gegen Ende des 16. Jahrhunderts die ersten Weltkarten mit einigermaßen naturgetreuer Wiedergabe der Verteilung der Land- und Seemassen geliefert. Bei deren Betrachtung war bereits dem englischen Staatsmann und Naturphilosophen Francis Bacon (1561 – 1626) aufgefallen, dass verschiedene Erdteile aneinander zu passen schienen, so am augenfälligsten der brasilianische Küstenwinkel zur ober- und niederguinesischen Westküste Afrikas. Der Philosoph erwog deshalb die Möglichkeit, dass die gerade erst in ihren Umrissen bekannt gewordenen Kontinente die Bruchteile eines in der Urzeit zusammenhängenden Ganzen gewesen sein könnten. Diesen Gedanken griff dann anderthalb Jahrhunderte später nochmals der französische Naturforscher George-Louis Leclerc de Buffon (1707 – 1788) auf. Da er aber seinerzeit kaum Belege für einen Urkontinent finden konnte, gerieten diese frühen Überlegungen zur Dynamik der Kontinente wieder in Vergessenheit und waren Wegener 1911 bei der Konzeption seiner Theorie nicht bekannt.
130 Weltkarte von Battista Agnese mit der ersten Weltumsegelung durch Fern Fernão não Magalhães um 1544 (Quelle: Michael Swift: Mapping the World. London 2006, Seite 69).
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diese Expedition endgültig die erwartete Inselnatur von Grönland. Nach der Rückkehr habilitierte sich Wegener 1909 in Marburg und arbeitete dort als Privatdozent für Meteorologie und Astronomie an einem Buch über die Thermodynamik der Atmosphäre. Damit schien eine verdienstvolle, aber doch blasse Professorenkarriere im akademischen Elfenbeinturm vorgezeichnet. Eine völlig andere Wendung nahm Wegeners Leben jedoch, als ihm 1910 beim Betrachten einer Weltkarte ganz spontan der Gedanke kam, dass die heutigen Kontinente bloße Bruchstücke eines urzeitlichen Riesenkontinentes sein könnten. Bereits im Januar 1911 hatte Wegener an seine Braut Else Köppen (1892 – 1992) geschrieben: „Passt nicht die Ostküste Südamerikas genau an die Westküste Afrikas, als ob sie früher zusammengehangen hätten. Noch besser stimmt es, wenn man die Tiefenkarte des Atlantischen Ozeans ansieht und nicht die jetzigen Kontinentalränder, sondern die Ränder des Absturzes in die Tiefsee vergleicht. Dem Gedanken muss ich nachgehen.“ Und in der Tat ließ schon im Herbst des gleichen Jahres ein zufällig gelesenes Sammelreferat über gleichartige paläontologische Funde in Afrika und Brasilien, die eine frühere Landbrücke beider Erdteile nahe legten, in Wegener eine Theorie reifen, welche diese irritierenden Beobachtungen widerspruchsfrei erklärte. Deren Kern, das Auseinanderbrechen eines später Gondwanaland genannten Urkontinentes, skizzierte er schon am 6.11.1911 in einem Brief an Wladimir Köppen (1846 – 1940), den schon berühmten Meteorologen und Vater seiner Verlobten Else: „Den Vorgang kann man sich auf zweierlei Weise vorstellen: 1.) Durch Versinken eines verbindenden Kontinents „Archhelenis“ oder 2.) durch das Auseinanderziehen von einer großen Bruchspalte. Bisher hat man, von der unveränderlichen Lage jedes Landes ausgehend, immer nur 1.) berücksichtigt und 2.) ignoriert. Dabei widerstreitet 1.) aber der modernen Lehre von der Istostasie und überhaupt unseren physikalischen Vorstellungen. Ein Kontinent kann nicht versinken, denn er ist leichter als das, worauf er schwimmt … warum sollen wir zögern, die alte Anschauung über Bord zu werfen?“ Sein zukünftiger Schwiegervater Köppen warnte Wegener zwar, sich als Meteorologe in die Angelegenheiten der Geologen einzumischen, jedoch vergebens: Bereits am 6.1.1912 stellte Wegener in einem Vortrag die „Herausbildung der Großformen der Erdrinde (Kontinente und Ozeane) auf geophysikalischer Grundlage“ der Geologischen Vereinigung in Frankfurt am Main vor.
131 Kurzer Aufsatz mit epochaler Wirkung (Quelle: Dr. A. Petermanns Mitteilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt, Jahrgang 58 (1912), Teilband 1, Ausschnitt der Seite 185).
Bereits wenig später hatte Wegener ein Manuskript ausgearbeitet, welches ab dem Aprilheft in „Petermanns Mitteilungen“ seine Theorie der Kontinentaldrift publizierte, die eine kopernikanische Wende der Geowissenschaften darstellte. Der dreiteilige Aufsatz mit zehn Abbildungen stellte den „ersten rohen Versuch“ dar, „Großformen unserer Erdoberfläche, d. h. die Kontinentaltafeln und die ozeanischen Becken, durch ein einziges umfassendes Prinzip genetisch zu deuten, nämlich durch das Prinzip der horizontalen Beweglichkeit der Kontinentalschollen“. Die Theorie Wegeners löste die Kontinente vom Erdinnern und verwandelte sie gleichsam in Flöße hauptsächlich aus Gneis, die auf dem schwereren Erdmantel aus Basalt schwimmen. Dabei lösen sie sich unter Bildung von Spalten und Gräben voneinander und schieben Faltengebirge auf, wo sie aufeinanderprallen. `131, Wie bereits im Brief an Köppen angedeutet, legte Wegener der Theorie wie dem Aufsatz die bereits im 19. Jahrhundert verbreitete Annahme zugrunde, dass die Kontinente aus einer leichteren Mischung der Elemente (Sal, von Silizium und Aluminium, mit einer Dichte von etwa 2,5 Gramm/ Kubikzentimeter) bestehen, die auf dem aus einer schwereren Elementmischung aufgebauten Erdmantel (Sima, von Silizium und Magnesium, mit einer Dichte von etwa 3,5 Gramm/Kubikzentimeter) isostatisch aufschwimmen. Dachte man diese Annahme konsequent zu Ende, konnten die geologischen, paläontologischen, paläoklimatischen und biologischen Übereinstimmungen etwa zwischen Brasilien und Südafrika nicht durch das physikalisch unmögliche „Absinken“ einer zu-
132, 133 Die der Erstveröffentlichung beigegebene Kartenskizze zeigt die in etwa 200 Meter Meerestiefe verlaufenden subozeanischen Ränder der Kontinente. Der schematische Halbschnitt durch die Erdkugel stellt unter den gestrichelten Schichten der Atmosphäre die sich schwimmend auf dem äußeren Erdmantel (Sima) zu denkenden Kontinentalschollen (Sal) von durchschnittlich nur etwa 120 Kilometer Stärke und den Nickel-Eisen-Erdkern (Nife) dar (Quelle: Dr. A. Petermanns Mitteilungen aus Justus Perthes’ Geographischer i Anstalt, Jahrgang 58 (1912), Teilband I, Tafel 36 (Ausschnitt: 1. Kartenskizze der Kontinentalschollen, 2. Schnitt im größten Kreise durch Südamerika und Afrika)).
Grönlandforschung und Theorie der Kontinentaldrift
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134 Letztes Foto von Alfred Wegener (links) und Rasmus Villumsen vor der Rückfahrt von der Forschungsstation „Eismitte“ 1930
dem viele Tausend Kilometer breiten Landbrücke erklärt werden, sondern nur durch ein Auseinanderbrechen der Kontinente. Überdies erklärte das Bild von gleichsam treibenden Bruchschollen auch bestechend einfach die Beobachtung, dass Skandinavien sich nach dem Abschmelzen der auf ihm lastenden eiszeitlichen Gletschermassen immer weiter über den Meeresspiegel erhob. Wie jede neue Arbeitshypothese enthielten auch Wegeners Darlegungen Fehler und Lücken. Zu Ersteren rechnet, zwar nicht im Vorgang aber in der Ausdehnung, seine Annahme, „daß die salische Rinde einst die ganze Erde umkleidete“ und erst durch einen Prozess „des Aufreißens und Zusammenschubs, dessen Einzelphasen wir als Gebirgsbildung wahrnehmen, allmählich an Oberfläche und Zusammenhang verlor und dafür an Mächtigkeit [= senkrechte Dicke der Kontinentalplatten] gewann“. In die zweite Kategorie fiel vor allem Wegeners Unvermögen, den mächtigen Motor, der die horizontale Drift der Kontinente bewirken sollte, namhaft zu machen. Etwas hilflos schlug er neben der auch in Betracht gezogenen Auswirkung der „Mondflut im Erdkörper“ vor, zumindest vorläu-
Geodätische Belege für die Kontinentaldrift
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ie zu Lebzeiten Wegners eindeutigsten Belege für seine Theorie lieferte die Geodäsie oder Kunde von der geometrischen Raumgestalt der Erdoberfläche. Nachdem der irische Astronom Edward Sabine (1788 – 1883) zwei britische Vorstöße zur Nordwestpassage 1818 – 20 begleitet hatte, unternahm er 1821 – 23 eine Schiffsreise zu den Küsten des Atlantischen Ozeans, um mittels Pendelbeobachtungen hoch genaue Feststellungen der geographischen Längen dieser Plätze zu machen. Eine der Beobachtungsstelle war dabei 1823 eine kleine Insel vor der grönländischen Ostküste auf 74° 30' Nord. Eine Generation später besuchte 1869 die zweite „Deutsche NordpolarExpedition“ (Kapitel 8) diese Insel und benannte sie nicht nur nach Sabine, sondern wiederholte dessen Ortsbestimmung. Dabei trat ein Unterschied von 420 Metern in der geographischen Länge auf, den man aber der Mess-
135 Nordpolar-Expedition 1871“ (Quelle: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 17 (1871), Tafel 10).
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fehlertoleranz zuschrieb und nicht weiter beachtete. Wiederum eine Generation später besuchte 1906 die dänische „Danmark-Expedition“ die Insel und ermittelte eine Differenz von nun sogar 1100 Metern gegenüber Sabines erster Messung. Ungeachtet dessen war es aber nur der Expeditionsteilnehmer Wegener, der keinen Messfehler unterstellte, sondern im Rahmen seiner bald darauf entwickelten Kontinentaldrifttheorie von einer tatsächlichen Westverschiebung ausging. Diese auffälligen grönländischen Messwerte wurden daraufhin 1927 vom Geodätischen Institut Dänemarks mit neuester Funkübermittlungstechnik überprüft und nachgerechnet. Dabei ergab sich nun eindeutig eine Westdrift der Sabine-Insel von 950 Metern zwischen 1823 und 1927. Da zudem bereits 1914 die Sternwarten von Greenwich (Großbritannien) und Cambridge (USA) durch telegraphischen Längenvergleich mittels Transatlantikkabel festgestellt hatten, dass ihre gegen jeden Zweifel erhabenen astronomischen Ortspunkte seit 1874 um 7,25 Meter auseinandergerückt waren, schienen die Driftbewegungen der Erdoberfläche nunmehr hinreichend belegt.
136 Die Wanderung der Pole. Zur Verteidigung der Kontinentaldrifttheorie seines Schwiegersohns griff Wladimir Köppen in mehreren Schriften auf neueste paläomagnetische und paläoglaziale Beobachtungen zurück. Die erste Skizze (links) verdeutlicht den damaligen Kenntnisstand der Landmassen im Perm-Karbon mit damaligen Äquatorlagen und nachgewiesenen Vereisungsspuren in heute tropischen Erdteilen. Die anderen beiden Skizzen (Mitte und rechts) zeigen auf dreidimensionalen Kugelprojektionen mit der gegenwärtigen Lage der Kontinente die erdgeschichtlichen Wanderungen von Nord- und Südpol vom Karbon bis zum Quartär (Quelle: Dr. A. Petermanns Mitteilungen aus Justuss Perthes’ Geographischer Anstalt, Jahrgang 67 (1921), Tafel 1 (Ausschnitt: Fig. 1, Fig. 6 und Fig. 7)).
fig „die Verschiebungen der Kontinente als Folgen zufälliger Strömungen im Erdkörper zu betrachten“. Gerade das Fehlen der treibenden Kraft lieferte den Gegnern seiner Theorie die verwundbarste Flanke für Kritik. Die Entdeckung der beständigen Spreizung des Meeresbodens in den mittelozeanischen Gebirgsrücken, wohl durch konvektive Strömungen im Erdmantel bewirkt, und damit die Erklärung der Kontinentaldrift erfolgte erst Jahre nach dem Tode Wegeners. `132, 133 Unmittelbar nach Erscheinen seines Aufsatzes in „Petermanns Mitteilungen“ und noch vor dem Anlaufen der jahrzehntelangen Kontroverse um die Theorie der Kontinentaldrift begleitete Wegener den Dänen Koch im Sommer 1912 zu seiner zweiten Grönlandexpedition. Diese überwinterte an der ostgrönländischen Dovebucht auf 75° 45' Nord und unternahm die ersten Eisbohrungen auf einem arktischen Gletscher. Von April bis Juli 1913 überquerten Koch und Wegener das Inlandeis zwar nur als Zweite nach Fridtjof Nansen, dem dies schon 1888 in Südgrönland gelungen war, dafür aber an dessen breitester Stelle zum westgrönländischen Upernavik hin auf etwa 73° Nord. Nur ein reisender Pastor, der die verstreuten Eskimosiedlungen an der West-
küste besuchte, bewahrte die beiden Forscher, die bereits ihre Ponys und Hunde aufgegessen hatten, vor dem Hungertod. Zurück in der Heimat heiraten Alfred und Else noch 1913. Weitere grönländische Forschungen unterband der Erste Weltkrieg, an dem Wegener an der Front und als Meteorologe in verschiedenen europäischen Etappenstellungen teilnahm. Schon bald nach seinem „Thesenanschlag“ verhinderten zunächst die neue Grönlandexpedition, dann das Warten auf neue Belege für die Driftthese und schließlich der Ausbruch des Ersten Weltkriegs die im Aufsatz angekündigte eingehendere Darstellung. Erst 1915 gelang Wegener die versprochene Ausarbeitung seiner Theorie in einem wenn auch nur 94 Seiten starken Büchlein, welches zwar aufgrund der Zeitumstände zunächst wenig Beachtung fand, aber bis zur vierten Auflage 1929 stark erweitert wurde. 1919 wurde er Nachfolger seines Schwiegervaters Wladimir Köppen als Abteilungsleiter an der Hamburger Seewarte und zudem außerplanmäßiger Professor an der dortigen Universität. Erst 1924 erhielt Wegener einen Ruf auf den Lehrstuhl für Geophysik und Meteorologie an der Universität Graz.
Grönlandforschung und Theorie der Kontinentaldrift
137 Österreichische Sonderpostmarke mit einem Porträt Wegeners
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Global Warming – kartographische Flaschenpost aus dem Jahre 1903 138 Gletscherrückzug in Grönland bereits im 19. Jahrhundert (Quelle: Dr. A. Petermanns Mitteilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt, Jahrgang 49 (1903), Tafel 11).
Ü
b berraschend h d hä häufig fi können kö hi historische t i h KKartent blätter aktualistisch kurzatmigen Debatten einen Hintergrund zur geschichtlichen Dimension strittiger Phänomene geben. So findet sich schon 1903 in „Petermanns Mitteilungen“ ein kurzer Aufsatz des Kopenhagener Privatdozenten Magnus Cornelius Engell „Über die Schwankungen des Jakobshavns-Gletschers“ im Westen Grönlands mit einer selbst entworfenen Karte. Grönland, als zwischen 59° 46' und 83° 39' Nord gelegene, etwa 2650 Kilometer lange und bis 1050 Kilometer breite und damit größte Insel der Welt, war zu seiner Zeit noch zu über 85 Prozent von ewigem Eis bedeckt, welches auch heute noch den größten Eiskörper der Nordhalbkugel darstellt. Zu den in diesem polaren Klimaregime mit selbst im Sommer niedrigen Monatsmitteltemperaturen von unter 10° C mächtigsten Gletschern zählt auch derjenige bei der 1741 angelegten Siedlung Jabobshavn (grönländisch: Ilulissat) auf 69° 30' Nord an der Diskobucht an der mittleren Westküste. Das besondere an dem von Engell beschriebenen Gletscher ist der Umstand, dass dieser als einziger bereits seit der Mitte des 19. Jahrhunderts regelmäßig besucht und mit der Lage seiner Zungenfront zum Jakobshavn-Eisfjord hin genau beschrieben wurde.
148
16 Alfred Wegener
Aus dden von Engell A E ll ausgewerteten t t ffrüheren üh Gl Glett scherbeschreibungen ging hervor, dass der Jakobshavngletscher während einer 50-jährigen Beobachtungsreihe durch verschiedene Besucher (1851, 1875, 1879/80, von Drygalski 1891 und 1893, Engell 1902) schon damals bis zur Jahrhundertwende im stetigen Rückzug begriffen war. Das auf der Karte gleichfalls verzeichnete scheinbare zwischenzeitliche Voranschreiten im Juli 1888 durch eine Kartenskizze des Arztes S. Hansen konnte der Privatdozent aufgrund einer von diesem Arzt selbst stammenden Photographie als auf Grund gelaufenes Randeis mit eingestreuten Eisbergen identifizieren. Neben dem Rückzug des Gletschers konnte der dänische Gelehrte auch dessen Oberflächenabsenkung um etwa 6 bis 7 Meter feststellen, wodurch etwa die beiden neuen Nunataker am Ostrand des Kartenausschnitts bloßgelegt worden waren. Seit den 1920er-Jahren bewirkte die Zunahme der Temperaturen von Meer und Atmosphäre entlang der Westküste eine Nordabwanderung der Robben, der Hauptjagdbeute der Inuit (Eskimo), bei einer Zuwanderung riesiger Mengen Dorsch, was – zusammen mit dem „zivilisatorischen“ Druck des kolonialen Mutterlandes Dänemark – einen grundlegenden sozioökonomischen Wandel von Jägern zu Fischern mit Konzentration auf wenige besser zu verwaltende und zu versorgende Hafensiedlungen auslöste.
Die Not der Nachkriegsjahre hinderte Wegener lange an der Rückkehr ins ewige Eis. Als die „Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft“ endlich Geldmittel bewilligte, wählte er auf einer Vorexpedition 1929 unter Erprobung neuartiger Propellerschlitten den nächstjährigen Forschungsstandort im Inlandeis aus, an dem die „Deutsche Grönlandexpedition Alfred Wegener 1930 / 31“ auf 71° 10 ' 8 '' Nord die von zwei Mitarbeitern besetzte Station „Eismitte“ anlegte. Deren monatelange Beobachtungen erbrachten nicht nur grundlegende meteorologische Erkenntnisse, sondern stellten auch durch Echolotmessung fest, dass der Eispanzer an dieser Stelle 2700 Meter mächtig war. Noch im Frühwinter brachte Wegener per Hundeschlitten Versorgungsgüter nach „Eismitte“, um das Überwintern und den Fortbetrieb der Station zu gewährleisten. An seinem 50. Geburtstag trat er, nur vom Eskimo Rasmus Villumsen und 17 Schlittenhunden begleitet, den Rückmarsch zur Westküste an, die er jedoch nicht erreichen sollte: Sieben Monate später fand man seinen in Decken eingenähten und mit Skiern markierten Leichnam 189 Kilometer vom Basislager an der Westküste entfernt, während sich die Spur seines Begleiters mit Wegeners letztem Tagebuch im ewigen Eis verlor. `134, 137
Veröffentlichungen eines außerordentlich langen und produktiven Gelehrtenlebens widmen sollten. Da Köppen 1872 – 73 bereits am russischen Zentralobservatorium mit dem Wetterdienst Erfahrungen gesammelt hatte, berief ihn Georg von Neumayer 1875 an die Deutsche Seewarte in Hamburg, an der er 44 Jahre tätig blieb. Zunächst für „Wettertelegraphie und Sturmwarnwesen“ zuständig, war Köppen mit dem Aufbau des Seewetterdienstes, also der Beobachtungsstellen, der Entwicklung des telegraphischen Meldewesens und der internationalen Vernetzung befasst, die recht bald Wetterphänomene wie typische Zugmuster von Tiefdruckgebieten aufdeckten und bereits 1876 die erste deutsche Karte des Europawetters ermöglichten. In Anerkennung seiner wissenschaftlichen Leistungen wurde Köppen 1879 vom Amtsdienst befreit und bis zu seiner Pensionierung 1919 für die Forschung freigestellt. In dieser beneidenswerten Position verfasste er mehrere wichtige Segelhandbücher und
139 Wladimir Köppen, 1921
Wladimir Köppen, die neue Konkurrenz der Fachzeitschriften und die Klassifikation des Weltklimas Ganz im Gegensatz zur äußerst kontroversen Diskussion um Wegeners Theorie der Kontinentaldrift erfuhr das Wirken seines Schwiegervaters eine stets wohlwollende Beachtung. Wladimir Peter Köppen wurde am 25.9.1846 als Enkel eines unter Kaiserin Katharina II. nach Russland ausgewanderten preußischen Arztes und Sohn eines Adjunkten der Akademie der Wissenschaften in Sankt Peterburg geboren. Wie viele Oberschichtsangehörige des multiethnischen Zarenreichs mehrsprachig aufgewachsen, studierte Köppen wegen seines bereits in der Jugend ausgeprägten Naturinteresses ab 1864 in seiner Heimatstadt und dann in Deutschland Botanik und Zoologie. Bereits mit der Leipziger Promotion 1870 über „Wärme und Pflanzenwuchs“ hatte er in der Untersuchung der Abhängigkeit des Vegetationsbilds von den klimatischen Gegebenheiten ein wissenschaftliches Lebensthema gefunden, dem sich zahlreiche der über 500
wurde zu einem der Väter der maritimen Meteorologie. Als einer der ersten seines Fachs versuchte er eine Datengewinnung auch oberhalb der Erdoberfläche und richtete hierfür 1903 eine „Drachenstation“ in Großenborstel bei Hamburg ein, über welche dann der junge Alfred Wegener in Kontakt mit ihm kam. `136, 140, 141 Als ausgewiesener Fachmann entwickelte Köppen seit den 1870er-Jahren als einer der Pio-
Grönlandforschung und Theorie der Kontinentaldrift
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140 Klassifikationsformel des Weltklimas. Diese Klimaklassifikation entwarf Wladimir Köppen auf der Grundlage von botanisch relevanten und von in die Namensgebung mancher Klimatypen eingeflossenen Schwellenwerten der Temperatur und der Niederschläge unter Berücksichtigung von deren jahreszeitlicher Verteilung. Äußeres Merkmal dieser Klimaklassifikation ist eine durch einprägsame Buchstabenreihungen gebildete immer feinere Verästelung der regionalen Ausprägungen des Weltklimas. Dabei bezeichnet der erste Buchstabe eine der fünf hauptsächlichen Klimazonen – vom Äquator zu den Polen hin: tropische Regenklimate, trockene Klimate, warm gemäßigte Regenklimate, subarktische Klimate und Schneeklimate. Der zweite kennzeichnet den regionalen Klimatyp und ein eventueller dritter Buchstabe etwaige Klimauntertypen (Quelle: Dr. A. Petermanns Mitteilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt, Jahrgang 64 (1918), Jahrgang 64 (1918), Tafel 10).
niere eine effektive Klassifikation des Weltklimas, das heißt der tatsächlich auf der Erdoberfläche wahrnehmbaren Klimaelemente. Diese Klassifikation verfolgte den Ansatz einer nach bestimmten Merkmalen erfolgenden Ordnung mit nur wenigen Kennbuchstaben der ansonsten wegen der schieren Vielzahl der klimatischen Beobachtungen nicht erkennbaren übergeordneten allgemeinen Wirkungszusammenhänge. In einem Schreiben vom 24.4.1900 bot Köppen die Erstveröffentlichung Alexander Supan an, dem Nachfolger von Ernst Behm als Herausgeber von „Petermanns Mitteilungen“: „Da zwei Weltkarten dazu gehören und ich auf die gute Herstellung namentlich der einen grossen Werth lege, so würde ich ihn am liebsten in Ihren ‚Mitteilungen’ veröffentlicht sehen, umso mehr, als in ihnen vor 33 Jahren die Karte von Griesebach erschienen ist, die mir schon damals den Anstoss zu dem Ideengang gegeben hat, den ich nun durchgeführt habe.“ Mit etwa zwölf Druckseiten sei das Manuskript zwar etwas lang geraten, aber kaum kürzer zu fassen. Da die Zeitschrift damals in der Regel auf mindestens ein halbes Jahr im Voraus „verplant“ war und Supan sich des Angebots im Nachhall der einstigen Alleinstellung in der geographischen Publizistik zu sicher gewesen schien,
141 Klimatologischer Idealkontinent. Da die wirklichen Kontinente etwa durch Gebirgsketten erhebliche Abweichungen des primär oder „eigentlich“ zu erwartenden Klimas aufweisen, entwarf Köppen einen fiktiven Kontinent. Dieser ermöglicht – durchaus angenähert an Form und Verteilung der realen Erdteile – die Darstellung der idealen Ausprägung seiner Klimaklassifikation sowohl über dem Meer als auch dem Festland (Quelle: Dr. A. Petermanns Mitteilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt, Jahrgang 64 (1918), Tafel 11).
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16 Alfred Wegener
ließ er sich mit einer Antwort (zu viel) Zeit: Der im Unklaren gelassene Köppen jedenfalls brachte sein Manuskript bei der seit 1895 konkurrierenden „Geographischen Zeitschrift“ von Alfred Hettner unter. Auf wütende Vorstellungen Supans, dieser Artikel sei doch Gotha zugesagt worden, entgegnete Köppen am 26.11.1900: „Mein Brief trug durchaus nur den Charakter einer vorläufigen Orientierung. Sie haben mir geantwortet, dass Sie vor Schluss des Jahres keinen Raum hätten, und da ich wünschte und hoffte, sie früher zu veröffentlichen, so lag natürlich keine Veranlassung vor, durch eine Hin- und Hersendung des Manuskripts Zeit zu verlieren.“ Obwohl Köppen der Ärger Supans eingestandenermaßen schmeichelte, kam er in seiner Erwiderung doch nicht darum herum, diesem das Ende
der unangefochtenen Marktbeherrschung seiner Zeitschrift klarzumachen: Die Autoren „müssen sich gegen eine Tyrannis der Redaktionen, die ihnen verbieten würde, sich anderswo umzusehen, wenn ihnen nach vorläufiger Anfrage die gestellten Bedingungen nicht passen, ebenfalls verwahren“. Nach dieser verpassten Chance erschien aber zumindest die verbesserte, erweiterte und generalisierte Überarbeitung von Köppens Klimaklassifikation mit einer noch heute verwendeten Klimakarte der Erdteile und dem Klimaschema eines Idealkontinents im kriegsbedingten Doppelheft September/Oktober 1918 von „Petermanns Mitteilungen“ als Grundlage seines 1923 erschienenen Hauptwerks. Köppen widmete sich in den 1920er-Jahren mit mehren Schriften intensiv der Verteidigung
Grönlandforschung und Theorie der Kontinentaldrift
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Biographie Alfred Wegener 1880 geboren am 1.11. in Berlin 1900 – 04 Studium der Physik, Meteorologie und Astronomie 1905 Promotion in Astronomie in Berlin
1906 Dauerrekord im Ballonfahren (52 Stunden); erste Grönlandexpedition unter der Leitung von Ludvig Mylius-Erichsen („Danmark-Expedition“) 1909 Habilitation in Meteorologie und anschließende Privatdozentur in Marburg 1912 Veröffentlichung des Aufsatzes „Die Entstehung der Kontinente“; zweite Grönlandexpedition unter der Leitung von Johann Peter Koch, dabei 1913 erste Durchquerung des Inlandeises an der breitesten Stelle 1913 Ehe mit Else Köppen (drei Kinder)
der Kontinentaldrifttheorie Wegeners. Seine Tochter erinnerte sich, dass der Vater als wichtigster Fürsprecher ihres Mannes auf dem Höhepunkt des Gelehrtenstreits „immer einen kleinen Globus in der Rocktasche“ hatte, um plötzliche Einfälle auch unterwegs überprüfen zu können. Vom Tod seines Schwiegersohn schwer getroffe-
1914 – 18 Kriegsdienst an der Front und als Militärmeteorologe; Abteilungsleiter Meteorologie an der Deutschen Seewarte in Hamburg 1924 Professur für Meteorologie und Geophysik an der Universität Graz 1929 dritte Grönlandexpedition (Vorexpedition der „Deutschen Grönlandexpedition“) 1930 vierte Grönlandexpedition („Deutsche Grönlandexpedition Alfred Wegener 1930/31“) 1930 Tod etwa Mitte November im westgrönländischen Inlandeis
nen, begann der 84-jährige Köppen noch 1930 die Herausgabe eines fünfbändigen Handbuchs der Klimatologie mit Beiträgen zahlreicher Fachgenossen. Dieses Vorhaben wurde nach seinem Tod am 22.6.1940 in Graz, wohin er 1924 mit Wegener gezogen war, nach 19 Lieferungen der Kriegsumstände halber abgebrochen.
Literatur
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16 Alfred Wegener
phische Mitteilungen und die Entstehung der modernen Geographie in Deutschland. Gotha 2006, S. 89, 95 – 97. ENGELL, MAGNUS CORNELIUS: Über die Schwankungen des Jakobshavns-Gletschers, in: Dr. A. Petermanns Mitteilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt, Jahrgang 49 (1903), S. 121 – 123. KÖPPEN, WLADIMIR: Versuch einer Klassifikation der Klimate, vorzugsweise nach ihren Beziehungen zur Pflanzenwelt, in: Geographische Zeitschrift, Band 6 (1900), S. 593 – 611, 657 – 679. KÖPPEN, WLADIMIRR PETER: Klassifikation der Klimate nach Temperatur, Niederschlag und Jahresverlauf, in: Dr. A. Petermanns Mitteilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt, Jahrgang 64 (1918), S. 193 – 203, 243 – 248. KÖPPEN, WLADIMIR: Polwanderungen, Verschiebungen der Kontinente und Klimageschichte, in: Dr. A. Petermanns Mitteilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt, Jahrgang 67 (1921), S. 1 – 8, 57 – 63. KÖPPEN, WLADIMIRR PETER: Die Klimate der Erde. Grundriß der Klimakunde. Berlin et al. 1923.
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17
Sven Hedin der letzte große Entdeckungsreisende
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s mag verwundern, warum dieser Band über bedeutende Forschungsreisende des deutschen Kulturraums mit dem ebenso reichen wie umstrittenen Lebenswerk von Sven Hedin, einem gebürtigen Schweden, schließt. In dessen nur Alexander von Humboldt (Kapitel 1) ähnlichem außerordentlich langem Forscherleben spiegelt sich nicht nur das bereits mit Gerhard Rohlfs‘ (Kapitel 5) Expedition in die Oasen der Libyschen Wüste 1873 – 74 heraufziehende Ende der heroischen Einzelforscher, die von der Gruppenforschung zunehmend internationalen Zuschnitts ersetzt wurden. Auch der Wandel der geographischen Arbeitsweise und die Umbrüche der deutschen Wissenschaftsentwicklung vom Kaiserreich bis in den Nationalsozialismus lassen sich anhand der Person Hedins wie in einem
Brennglas bündeln. Infolge seiner Prägung durch die wilhelminische Wissenschaft wird man Hedin sicherlich mit einigem Recht in die (groß-) deutsche Forscher- und Gelehrtentradition einreihen dürfen. Als Sohn des Stockholmer Stadtarchitekten am 19.2.1865 in wohlsituierte Verhältnisse geboren, begeisterte sich Hedin schon früh für Entdeckungsfahrten nach Afrika und zum Nordpol. Ganz dem zeitgenössischen Ideal der Karte als höchstem Ausdruck des Stands der Welterforschung zugetan, begann der 14-Jährige einen mehrbändigen Weltatlas mit selbst gezeichneten Karten zu erstellen. Durch die wohlwollend aufgenommene Karte zu einem Gastvortrag des russischen Asienforschers Nikolaj Przewalskji 1884 wandte sich Hedins Interesse künftig ausschließ-
Sven Hedin auf der zweiten Hochasienexpedition 1899 – 1902 in der Kleidung eines buddhistischen Pilgerers
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Ferdinand von Richthofen und die geomorphologische Epoche der Geographie
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er wohl hl einflussreichste i fl i h t ddeutsche t h G Geograph des ausgehenden 19. Jahrhunderts und zugleich Hauptvertreter der geomorphologischen Phase war der Schlesier Ferdinand von Richthofen (1833 – 1905). Nach dem Studium der Geologie, Mineralogie und Geographie in Breslau und Berlin, wo er 1856 in Mineralogie promovierte, ging Richthofen wie Ferdinand Hochstetter an die Geologische Reichsanstalt in Wien. Nachdem er schon in Berlin durch den Kontakt mit den Gebrüdern Schlagtintweit das Interesse an Asien gefunden hatte, konnte er 1860 – 62, auch dank eines Korrespondentenvertrags mit August Petermann, eine preußische Handelsmission begleiten, die ihn mit ganz Südostasien vertraut machte – von 142 Ferdinand von Richthofen Sri Lanka über Java, wo ihn Franz Junghuhn (Kapitel 11) in die Vukangesteine einführte, bis Thailand, Philippinen, Taiwan und Japan. Statt nach Missionsende zurückzukehren, überquerte Richthofen den Pazifik und arbeitete 1862 – 68 als Lagerstättenprospektor in Kalifornien und Nevada. Im Auftrag der Handelskammern von San Francisco und Shanghai konnte er 1868 nach China gehen und binnen vier Jahren den Großteil des Reichs der Mitte bis zu den Anstiegen nach Hochasien vor allem nach Rohstoffen erkunden. Dabei weitete sich sein Blick von der Geologie hin zur Geographie. Als er 1872 nach zwölfjähriger Abwesenheit in Berlin eintraf und schubweise, jedoch unvollendet sein Chinawerk herausgab, wurde er damit zum Reformator der Fachdisziplin Geographie, die er naturwissenschaftlich neu ausrichtete.
lich Asien zu. Zur Vorbereitung auf spätere Forschungen ging er nach dem Abitur 1885 als Hauslehrer zu Sprachstudien ins kaukasische Baku und unternahm Reisen nach Persien und Mesopotamien, über die er das erste seiner stets erfolgreichen Bücher veröffentlichte. Zum Studium zurück in Stockholm wurde er mit Ferdinand von Richthofens Asienwerk bekannt, wechselte daraufhin 1889 nach Berlin und wurde rasch dessen Lieblingsschüler. Eine Studienunterbrechung 1890 zur Begleitung einer schwedischen Gesandtschaft nach Persien, wo er im Elbursgebirge den Demavend bestieg, nutzte der 25-Jährige auch zu einem Ritt bis zur westchinesischen Grenzstadt Kaschgar, wodurch Zentral- oder Hochasien zu seinem Sehnsuchtsziel wurde. In Vorbereitung
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17 Sven Hedin
Al charismatischer Als h i ti h PProfessor f 1879 – 83 iin B Bonn, 1883 – 86 in Leipzig und 1886 – 1905 in Berlin prägte er den Forschungsweg zahlreicher bedeutender Geographen der nächsten Generation wie denjenigen seiner Schüler Alfred Philippson (Kapitel 15), Erich von Drygalski (Kapitel 14) und Sven Hedin. Die seine Schüler prägende geomorphologische Methode führte er 1877 im ersten Band von „China. Ergebnisse eigener Reisen“ (Seite 730) aus: „Es sollte stets im Auge behalten werden, dass der Gegenstand der wissenschaftlichen Geographie in erster Linie die Oberfläche der Erde für sich ist, unabhängig von ihrer Bekleidung und ihren Bewohnern. […] Um sie zu beherrschen, hat sie vor Allem, mittelst der exacten Bestimmung der geometrischen Verhältnisse in horizontalem und verticalem Sinn, die Anordnung der Oberflächenformen des Festen und Flüssigen, die Vertheilung der Gebirge, Thäler und Ebenen, den Lauf, das Gefäll und die Verzweigungen der Gewässer, die Verbreitung der den Oberflächencharakter bestimmenden Bodenarten und Gesteine zu erforschen, und die Gesetze in diesen Erscheinungen zu ergründen. […] Eine wissenschaftliche Geographie im Sinn unsrer Zeit ist daher ohne diejenige geologische Grundlage, welche durch eine möglichst genaue geognostische Kenntniss der zu behandelnden Länder gewonnen wird, undenkbar.““ Noch ein halbes Jahrhundert nach seinen Studien bei Richthofen bekannte dessen Lieblingsschüler Sven Hedin 1933 anlässlich des 100. Geburtstags seines Lehrers bei der Veröffentlichung ihres Briefwechsels: „Nächst meiner Mutter und meinem Vater habe ich Richthofen dafür zu danken, mir das meiste während meiner Entwicklung geschenkt zu haben.“
einer ausgedehnten Expedition schrieb Hedin zunächst ein Buch über die Gesandtschaftsreise, schloss 1892 sein Studium mit der Promotion bei Alfred Kirchhoff in Halle mit einem 28-seitigen Auszug des Persienbuchs über den Demavend ab, verschlang alle Veröffentlichungen über seinen Forschungsgegenstand und warb in Schweden wie Deutschland auch durch Vorträge erfolgreich Reisekostenzuschüsse ein. Die Nichtbefolgung von Richthofens Rat, nicht nur drei Semester bei ihm zu belegen, sondern sich gründlicher in die Geographie und die Forschungsmethodik einzuarbeiten, begründete der alte Hedin so: „Ich war zu früh auf die wilden Wege Asiens hinausgekommen, ich hatte zu viel von der Pracht und Herrlichkeit des Orients, von der Stille der Wüsten und der Einsamkeit der langen Wege ver-
spürt. Ich konnte mich mit dem Gedanken nicht befreunden, wieder zu längere Zeit auf der Schulbank zu sitzen.“ Ebenso abenteuerlustig wie gut vorbereitet verließ Hedin am 16.11.1893 Stockholm, um die erste von vier mehrjährigen Expeditionen nach Hochasien anzutreten. Über Taschkent erreichte er die Hochbeckenlandschaft des Pamir, wo der durch russische Expeditionen seit 1876 nur im Umriss bekannte Große Kara-Kul-See sein erstes innerasiatisches Forschungsziel wurde, worüber er in einem geomorphologischen Reisebrief an „Petermanns Mitteilungen“ am 14.5.1894 aus Kaschgar berichtete. Diese erste knappe Mitteilung begründete eine 50-jährige freundschaftliche Verbindung mit der Zeitschrift und den Kartographen im Verlagshaus
Justus Perthes. Im weiteren Verlauf der Expedition durchquerte Hedin unter Verlust eines Teils seiner Karawane die Takla-Makan-Wüste bis zum Lop-Nur-See und traf über den Norden des tibetanischen Hochlandes kommend am 2.3.1897 in Peking ein. Sein bei Brockhaus in Leipzig auf Deutsch erschienener und fesselnd erzählter Reisebericht erhob Hedin mit einem Schlag zum bewunderten und meistgelesenen Forscher der Zeit. Die wissenschaftlichen Ergebnisse der ersten Expedition erschienen 1900, als er bereits zu seiner zweiten Hochasienexpedition aufgebrochen war, in einem Ergänzungsheft zu „Petermanns Mitteilungen“ mit dem letzten großen Kartenwerk aus der Hand von Petermanns Meisterschüler Bruno Hassenstein. `143
der letzte große Entdeckungsreisende
143 Die Expeditionsrouten von Sven Hedin in Hochasien 1894 – 1902 (Quelle: Dr. A. Petermanns Mitteilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt, Jahrgang 48 (1902), Tafel 15).
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Geheimvermessungen um den Mount Everest und in Tibet
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144 Skizze des zentralen Hochhimalaya mit Colonel Waughs vier höchsten Gipfeln (Quelle: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 2 (1856), Seite 379).
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a den d bbritischen iti h KKolonialherren l i lh üb über IIndien di ddas gesamte 19. Jahrhundert hindurch der Zugang zum Hauptkamm des Himalaya sowohl durch Nepal als auch Tibet verwehrt wurde, mussten die ersten Höhenfeststellungen durch Fernpeilungen von Gipfeln der Vorketten über Entfernungen von bis zu 250 Kilometern hinweg erfolgen. Zu einer hierauf fußenden Kartenskizze zum Bericht von Colonel Andrew Scott Waugh, dem Chef des Survey of India, bemerkte August Petermann noch 1856: „Im Allgemeinen sind die Vorstellungen und Zeichnungen dieses Riesen-Gebirges der Welt sehr mangelhaft; denn eben so irrig ist es, eine einzige Hauptkette anzunehmen, als eine Plateaux- und Terrassen-Bildung zu zeichnen: – der Himalaya bildet vielmehr unzählige transversale Ketten, die sich in unregelmässiger Gruppirung [..] in ungeheurer massenhafter Breite aneinanderreihen.““ Colonel Waugh berichtete, dass der 1841 erstmals gesichtete, 1848 erstmals angepeilte und 1852 nach erneuten Peilungen auf 29 002 Fuß (= 8840 Meter) bestimmte Berg XV „höher als alle anderen bisher in Indien gemessenen sei, und wahrscheinlich ist er der höchste Berg in der ganzen Welt“. Jedoch sei es seinem Amt nicht möglich gewesen, eine lokale Bezeichnung dieses Gipfels in Erfahrung zu bringen – und daran werde sich wohl auch so lange nichts ändern, wie Nepal britischen Vermessern keinen Zugang zum Hauptkamm gestatte. „In der Zwischenzeit verlangt mein Privilegium und meine Pflicht, dass ich dieser Riesen-Spitze unserer Erdkugel einen Namen gebe, mit welchem ihn die Geographen bezeichnen können und der den civilisirten Nationen geläufig wird. Kraft dieses Privilegiums, zum Beweis meiner hohen Achtung vor einem verehrten Cheff […] habe ich beschlossen, diesen erhabenen Gipfel des Himalaya ‚Mount Everest’ zu nennen.“ Da den britischen Offizieren des Survey of India das Betreten nepalischen oder tibetischen Bodens verboten blieb, behalf man sich seit 1863 mit der heimlichen Entsendung einheimischer Topographen aus der Brahmanenkaste, den sogenannten Punditen, welche dort vollkommen eigenständig die Felderkundungsarbeit leisteten. Der Survey of India ersann eine Reihe von Tricks, um den Punditen unauffällige Vermessungen zu ermöglichen, wie etwa das Antrainieren von exakt 2000 Schritten
17 Sven Hedin
pro M Meile, il die di mitit einer i von 108 auff 100 Perlen P l vermini derten buddhistischen Gebetskette unauffällig mitgezählt werden konnten. Bereits 1867 erhielt ein Pundit, der zur Wahrung der notwendigen Anonymität nur unter einer Kennung – hier „Nr. 9“ – lief, den Auftrag zu einer kreisförmigen Aufnahmereise des höchsten Bergs durch die Landschaften beiderseits des Hauptkamms und ausgehend vom britischen Vermessungsendpunkt Darjeeling. Obwohl Pundit „Nr. 9“ bei dieser Aufklärung der Gebirgs- und Gewässerverhältnisse den höchsten Berg der Erde vollständig umkreist hatte, war dessen Gipfel doch aus der Nähe ständig von so hohen Bergen umstellt, dass er den Mount Everest selbst niemals zu Gesicht bekam. Trotzdem war die Umrundung des Massivs ein großer topographischer Erfolg, da auf ihr etwa 890 Kilometer neue Routen aufgenommen und durch Peilungen ein bis dahin unbekanntes Gebiet von rund 75 000 Quadratkilometern in seinen großen Zügen topographisch bekannt wurden. Eine der hervorragendsten topographischen Aufnahmen durch Punditen war diejenige von Krishna Singh (1850 – 1921), dessen Kürzel „A- K-“ lautete und der 1878 – 82 unter Lebensgefahr eine Bereisung des verschlossenen östlichen Himalaya und des noch völlig unbekannten mittleren Tibet unternahm. Diese Gebiete waren lediglich durch chinesische Aufnahmen des 17. Jahrhunderts sowie durch den Vorstoß französischer Missionare nach Lhasa 1844 flüchtig bekannt. Im Frühjahr 1878 war Krishna Singh mit dem Auftrag entsandt worden, das tibetische Hochland zwischen dem Himalaya und dem Kunlun zu erforschen, um einen Zusammenschluss zwischen den britischen Vermessungen und den bis Nordtibet reichenden Aufnahmen des russischen Oberst Nikolaj Przewalskji zu erreichen. Der in Verkleidung eines Kaufmanns reisende Pundit „war mit Instrumenten vorzüglich ausgerüstet und mit Geldmitteln reichlich versehen, auch gebrauchte er die Vorsicht, nicht auf der gewöhnlichen Handelsstrasse durch Nepal nach Tibet zu gelangen, sondern, damit die Kunde von seinem Vorhaben ihm nicht vorauseilen und die Schwierigkeiten bei der schon überaus argwöhnisch gewordenen Priesterkaste noch vermehren könnte“, drang er über den Osthimalaya nach Tibet und im September 1878 bis in die Hauptstadt Lhasa vor. Da er hier keine nach Norden abgehende Karawane fand, musste Pundit „A- K-“ ein Jahr in Lhasa warten, welches er unter fortgesetzter Tarnung erstmals nach wissenschaftlichen Maßstäben aufnahm. Nachdem schließlich doch noch der Vorstoß bis 40° Nord und damit der Anschluss an Przewalskjis Aufnahmen gelungen war, kehrte Krishna Singh im November 1882 nach vier Jahren und rund 5000 Kilometern mittels Schrittzählern und Kompass-
peilungen il genau nachvollziehbaren h ll i hb R Routen t mitit einer i A Ausbeute von 225 Höhenmessungspunkten und 22 Breitenbestimmungen nach Darjeeling zurück. Am wichtigsten war seine – indirekte – Feststellung des Verlaufs des bereits durch andere Punditen erkundeten Tsangpo, welcher der Oberlauf von Brahmaputra oder Irrawaddy sein musste. Erst ein Vierteljahrhundert später gelang Sven Hedin auf dessen dritter Expedition 1905 – 08 als erstem Europäer der Vorstoß in jene Gegenden, wo er sowohl den Tsangpo als Oberlauf des Brahmaputra bestätigte als auch die von ihm acht Mal überschrittene Gegenkette des Transhimalaya, das letzte für Europa entdeckte Hochgebirge der Welt, als solches erkannte und benannte. Erst 1925 gestattete Nepal dem Survey of India – freilich ohne Beteiligung britischer Offiziere – den Zugang und die Vermessung im Lande. Auch deshalb wurde die einheimische Bezeichnung des höchsten Bergs der Erde, Sagarmatha, was bei den umwohnenden Sherpa passenderweise „Muttergöttin der Erde“ heißt, recht spät erst bekannt. Nach vielen vergeblichen Anläufen gelangten am 29.5.1953 der Sherpa Tenzing Norgay und der Neuseeländer Edmund Hillary als erste Menschen auf den derzeit offiziell mit 8848 Meter höchsten Erdgipfel. Hier eingesammelte Gesteinsproben brachten die Erkenntnis, dass die Bergspitze aus marinen Kalken besteht, in welche mit Seelilien (Crinoiden) die höchstgelegenen Fossilien eingebettet sind.
145 Topographischer Kenntnisstand der Umgebung des Mount Everest (Quelle: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 21 (1875), Tafel 8).
146 „Reiserouten R i t ddes iindischen di h PPunditen dit A A- K K- iin G Gross Tib Tibett undd dder Mongolei“ M l i“ mit it einem i Stadtplan von Lhasa (Quelle: Dr. A. Petermanns Mitteilungen aus Justuss Perthes’ Geographischer Anstalt, Jahrgang 31 (1885), Tafel 1).
der letzte große Entdeckungsreisende
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Die Gebrüder Schlagintweit als Pionierreisende im Himalaya Die erste sichere Kunde über den Himalaya erreichte das Abendland durch den Vorstoß Alexander des Großen über den Indus hinweg bis in den Pandschab. Allerdings dauerte es noch bis ins 17. Jahrhundert, bevor die europäische Erkundung mit katholischen Missionaren an der Südflanke einsetzte. Die erste kenntnisgeleitete Karte des Himalaya erschien sogar erst 1777. Eine Generation später nahm der kolonialbritische Survey of India seine Tätigkeit auf, wobei
147 Gebrüder Robert, Adolph und Hermann Schlagintweit, 1847
bereits 1809 – 10 die ersten Höhenmessungen und 1812 ein erster Vorstoß zu den Gangesquellen gelang. Ab 1823 erfolgte dann die weiträumige Triangulation Indiens, in deren Rahmen um die Jahrhundertmitte auch der Hauptkamm des Himalaya untersucht wurde. Dabei trat 1848 durch Fernpeilungen von den Vorbergen des indisch-nepalischen Terrai herab zutage, dass es sich beim Hauptkamm des Himalaya um das Gebirge mit den höchsten Erhebungen der Erde handeln musste. Bis dahin hatte sich die Hochgebirgsforschung in Europa als Alpinismus durchgesetzt und auch die meisten der sechs Söhne eines Münchener Augenarztes angezogen. Insbesondere die Brüder Hermann (1826 – 82), Adolph (1829 – 57) und Robert (1833 – 85) traten früh nicht nur als Kletterer hervor, die 1851 nur knapp unterhalb der 4634 Meter hohen Dufourspitze scheiterten, dem höchsten Schweizer Gipfel, sondern auch mit Forschungen vor allem zur Botanik und zu den Gletschern, die sie 1850 und 1854 in zwei grundlegenden Bänden über die physische Geographie der Alpen vorlegten. Hierüber machten sie 1849 die Bekanntschaft Alexander von Humboldts
158
17 Sven Hedin
(Kapitel 1), der bei seinem Besteigungsversuch des Chimborazo ein halbes Jahrhundert zuvor noch der Ansicht sein konnte, dass die ecuadorianischen Anden das höchste Gebirge der Welt seien. Da seit den 1820er-Jahren einlaufende Berichte es immer deutlicher machten, dass der Himalaya die Anden übertraf, gelang es dank der Vermittlung Humboldts, des Nestors der Naturforscher, und dank der Finanzierung durch den preußischen König Friedrich Wilhelm IV., die British East India Company zu überzeugen, die drei Brüder mit einer offiziellen naturkundlichen und kartographischen Expedition in den Himalaya zu betrauen. Am 26.10.1854 landeten die Schlagintweits in Bombay und beschlossen, dass Hermann alleine den leichter zugänglichen westlichen Teil des Himalaya untersuchen sollte. Um von Darjeeling aus dem Hauptkamm des Himalaya trotz der Durchzugsverweigerung des Fürsten von Sikkim möglichst nahe zu kommen, erstieg Hermann Schlagintweit im Mai 1855 unter beständiger Vornahme geologischer, botanischer und geodätischer Beobachtungen in der Singaliakette, welche die Grenze zwischen Nepal und Sikkim bildet, den von ihm auf 3670 Me-
148 Kartenskizze der Reiserouten der Gebrüder Schlagintweit vom 5.11.1854 – 26.2.1856 (Quelle: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 2 (1856), Seite 104).
ter berechneten Gipfel Falut. Hier bot sich bei klarem Wetter ein derart gutes Panorama des Hauptkamms, dass der Forschungsreisende mehrere Tage zur Anfertigung eines Panoramabildes der Gipfel nutzte. Dabei erblickte er noch über dem Makalu den Berg XV, als „mächtig dominierenden Schneegipfel“, der alle umstehenden Berge überragte und von ihm auf 29 196 englische Fuß (= ca. 8899 Meter) gemessen wurde, welche Höhe sich 1857 bei seiner Peilung vom Berg Kaulia (2095 Meter) nördlich Kathmandu aus bestätigte. Damit überbot er den Mittelwert der aus einer Entfernung von etwa 250 Kilometer gemachten britischen Generalstabspeilungen um 194 Fuß (= ca. 59 Meter), was näher an den späteren Messwerten lag, wie sein letzter überlebender Bruder Max Schlagintweit (1849 – 1935) noch sieben Jahrzehnte später mit Befriedigung feststellte. In mancher Literatur wird allerdings angenommen, dass Hermann den Makalu irrtümlich für den Berg XV annahm. Den Brüdern Adolph und Robert hingegen gelang unter Vornahme von erdmagnetischen Messungen die Durchquerung von Kaschmir und Ladakh bis hinein ins chinesische Ostturkestan,
bevor sie zur Umkehr gezwungen wurden. Auf dem Rückmarsch nach Kaschmir wollten sie im August 1855 beim Besteigungsversuch des 7816 Meter hohen Kamet in der Landschaft Zanskar mit 6785 Metern die bis dahin höchste von Europäern erklommene Höhe erreicht haben. Die drei Brüder trafen im Oktober 1856 in der kaschmirischen Hauptstadt Srinagar letztmals zusammen, wonach Hermann und Robert den Seeweg nach Europa nahmen und im Juni 1857 in Deutschland eintrafen, um in den folgenden Jahrzehnten, ähnlich ihrem Mentor Humboldt, die Aufarbeitung der umfangreichen Beobachtungen und Sammlungen ihrer zweieinhalbjährigen Expedition – neben den Tagebüchern auch 750 Aquarelle
149 Hermann Schlagintweits Fernpeilungen des Mount Everest vom Falut 1855 aus sowie vom Kaulia 1857 (Quelle: Dr. A. Petermanns Mitteilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt, Jahrgang 73 (1927), Seite 88).
150 Reiserouten der Gebrüder Schlagintweit und indischer Punditen im Quellgebiet des Indus (Quelle: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 17 (1871), Tafel 20).
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151 NASA-Satellitenbild des Himalaya und Hochasiens
und Skizzen sowie Pflanzen- und Gesteinssammlungen, Baumschnitte, Menschenskelette und ethnographische Gegenstände – nicht vollenden zu können. Der mittlere Bruder Adolph hingegen suchte auf dem Landweg durch Mittelasien in die Heimat zurückzukehren. Nach der Überschreitung des Karakorum wurde er jedoch bei Kaschgar am Ostende des Tarimbeckens als mutmaßlicher Spion festgenommen und vom örtlichen Khan ohne Anhörung am 26.08.1857 enthauptet. `147, 148, 149, 150
Hedin, der Himalaya und Hitler-Deutschland Nach Hedins dritter Zentralasienexpedition war klar, dass das landläufig unter Himalaya (in Sanskrit „Wohnort des Schnees“) zusammengefasste Gebirgssystem von Süden nach Norden aus vier parallelen Gebirgszügen besteht: den niedrigen Siwalikketten im Anschluss an die Gangesebene, dem indisch-nepalischen Vorderhimalaya, den der Hauptkamm um bis zu 4000 Meter überragt, dem eigentlichen Himalaya oder Hochhimalaya mit den Hauptketten des Gebirgssystems und zehn Achttausendern sowie der dem tibetischen Hochplateau aufsitzende 1000 Kilometer lange und bis über 7.000 Meter hohe Transhimalaya, der von Leh in Ladakh bis zur tibetischen Hauptstadt Lhasa streicht und von Hedin erkannt und benannt wurde. Als gefeiertem Buchautor gelang es Hedin auch nach der dritten Rückkehr aus dem Innern Asiens rasch, die Schulden durch eine Vortragstournee zu begleichen. Über deren Beginn in Stuttgart noch 1909 berichtete er: „Heute Abend habe ich den ersten öffentlichen Vortrag gehalten, vollgepfropft; er bringt si-
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17 Sven Hedin
cher dreitausend Mark ein, denn die Eintrittspreise gingen bis zu sechs Mark hinauf [= in etwa der Jahresbeitrag vieler Geographischer Gesellschaften]. Ich halte es fast für eine Gaunerei, so viel Geld an sich zu raffen, nur damit man dasteht und sieben Viertelstunden etwas Auswendiggelerntes hersagt. Aber im übrigen mache ich mir kein Gewissen daraus, denn wenn die Menschen so verrückt sind, sechs Mark zu bezahlen, um mich eine Zeitlang angucken zu können, meinetwegen!“ Hatten Hedins erste Expeditionen bis zur Jahrhundertwende noch ganz dem Idealbild der alle Widerstände kühn überwindenden Forscherpersönlichkeit entsprochen, vollzog sich in der Erforschung größerer Räume bereits vor dem Ersten Weltkrieg auf breiter Front ein Paradigmenwechsel. Da der zunehmenden Aufgliederung der Geo- und Kulturwissenschaften ein Einzelner nicht mehr gewachsen sein konnte, wurde auch in der geographischen Feldforschung der klassische Einzelkämpfer durch einen Zweckverbund von Forschungsspezialisten der unterschiedlichsten Fachdisziplinen abgelöst. Bei seiner vierten und letzten Expedition 1927 – 35 wirkte Hedin denn auch vorwiegend als organisatorischer Leiter einer topographischen, geologischen, meteorologischen und archäologischen Gemeinschaftsunternehmung von zeitweise bis zu zwei Dutzend Fachgelehrten aus Schweden, Deutschland und China, die eine Art „reisende Universität“ darstellten. Diese erkundete ab 1933 auch ganz modern im Sinne angewandter Auftragsforschung für die chinesische Regierung zukünftige Straßentrassen. Seit seinen Studientagen bewahrte sich Hedin lebenslang eine ebenso verklärende wie un-
Der Hochgebirgssee Kara-Kul auf dem „Dach der Welt“ (Pamir)
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ie großen hochasiatischen Gebirgszüge des Hindukusch (Westen), Tien-Shan (Nordosten), Kunlun (Osten) sowie Karakorum und Himalaya (Südosten) treffen sich in einem vergleichsweise kleinen Gebirge, das mit seinem mauerartig von Randketten umgebenen Innern ausgedehnte Hochbeckenlandschaften umschließt, die im Persischen deshalb als „Dach der Welt“ bezeichnet werden. Die hier mit Yaks und Schafen nomadisierenden Tadschiken und Kirgisen nennen diese von eiszeitlichen Endmoränen und Endseen wie dem Großen Kara-Kul überprägten Hochbecken aber prosaischer Pamir oder „Kalte Hochsteppe“. Als erster verbürgter Forschungsreisender drang 1876 der Russe Leo Kostenko bis zu diesem Steppensee vor, dessen Spiegel er auf eine Höhe von 4025 Meter bestimmte. Das Wasser selbst sei klar und von bitterem Geschmack. „Es ist“, so eine Zusammenfassung seines Berichts, die 1877 wohl aus der redigierenden Feder von Ernst Behm in „Petermanns Mitteilungen“ erschien, „noch einer eigenthümlichen Erscheinung in Betreff des See’s zu gedenken; die Eingeborenen behaupten nämlich, dass der Wasserstand des See’s wöchentlich, und zwar am Freitag steige. Ich hatte Gelegenheit, mich während meines Aufenthalts am Kara-Kul von der Wahrheit dieser Angaben zu überzeugen.“ Die erste größere wissenschaftliche Expedition in den Pamir führte 1878 der Zoologe Nikolai Sewerzow, die hinsichtlich des Großen Kara-Kul im Wesentlichen Kostenkos Beschreibung bestätigte, wobei sie den Seespiegel um etwa 110 Meter tiefer ansetzte und den umgebenden Gebirgskranz mit einer Anzahl von auf 5800 Metern und mehr vermessenen Gipfeln erstmals in detaillierter Gliederung aufnahm. Im Mai 1894 schließlich schrieb Sven Hedin von seiner ersten Hochasienexpedition aus Kaschgar nach Gotha, dass er den von anderen Reisenden nur im Sommer begangenen Pamir im vergangenen Winter von Nordwesten nach Südosten überschritten habe. Dabei gestattete ihm das schöne Winterwetter sieben Tiefenlotungen des zugefrorenen Kara-Kul und damit eine Ergänzung der zwei Jahre zuvor erschienenen ersten russischen Kartenskizze jener Gegend. Der schwedische Forscher beschrieb den abflusslosen See als etwa 25 Kilometer lang und bis 20 Kilometer breit, wobei ihn ein weit von Süden her vorspringender etwa 150 Meter hoher Bergrücken und eine diesen verlängernde große bis 50 Meter hohe Insel nahezu vollständig in zwei unterschiedliche Be-
cken teilten, „von denen das östliche weit kleiner und von Steppen und Niederungen mit zahlreichen kleinen Süßwasser-Tümpeln und -Quellen umgeben ist, wogegen das westliche von einer bei meinem Besuche vom Fuß bis zum Kamm schneebedeckten, hohen Gebirgskette begrenzt wird. Schon diese Plastik des umgebenden Terrains lässt uns a priori schließen, daß das östliche Becken des Sees sehr flach und reich an Untiefen, das westliche Becken dagegen bedeutend tiefer sein muß.““ In der Tat ergab hier die tiefste Lotung 230,5 Meter, wobei das aus dem aufgeschlagenen Eis quellende bis 10 Meter durchsichtige Wasser „so bitter war, dass sogar die Pferde es zu trinken verweigerten“. Als Höhe des Wasserspiegels bestimmte Hedin mithilfe eines Hypsometers und dreier Aneroide etwa 3870 Meter (heute 3910 Meter).
152 Hedins Kartenskizze des Großen Kara Kara-Kul-Sees Kul Sees im Pamir 1894 (Quelle: Dr. A. Petermanns Mitteilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt, Jahrgang 40 (1894), Seite 211).
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Bruno Hassenstein – letzter großer Routenkartograph der Gothaer Schule
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153 Bruno Hassenstein um 1884 (Quelle: Justus Perthes: 1785-1885. Gotha 1885).
Hassenstein (1839 – 1902) trat 1854 noch 14-jährig fast zugleich mit August Petermann in Justus Perthes‘ Geographische Anstalt in Gotha ein und wurde dem aus London Übersiedelten in die Lehre gegeben. Schon bald zu dessen Meisterschüler aufgestiegen, bewies Hassenstein eine besonderer Begabung für die explorative Routenkartographie. Nach dem Abschluss der Zehnblattkarte von Innerafrika suchte er 1866 einen eigenen Karriereweg in Berlin, wo er auch Routenkarten für die mit „Petermanns Mitteilungen“ konkurrierende „Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin“ zeichnete. Da sich seine an den Ortswechsel geknüpften Hoffnungen nicht erfüllten, kehrte Hassenstein bereits 1868 nach Gotha zurück, wo er neben der Tätigkeit als erster kartographi-
scher Mitarbeiter Petermanns auch atlaskartographisch wirkte. Als wesentlichen Unterschied im Kartenstil von Lehrer und Schüler strebte Petermann ein Kartenbild möglichst ohne Texteinträge an, während Hassenstein gerade in diesen ein vorzügliches Mittel der gelehrsamen Genauigkeit und Ästhetik insbesondere in zeichnerisch nur schwach gefüllten Blatteilen sah. Völlig unumstritten trat Hassenstein 1878 nach Petermanns Selbstmord für das nächste Vierteljahrhundert die kartographische Leitung der Zeitschrift an, in der aus seiner Zeichenfeder vor allem herausragende Karten afrikanischer Reisender wie Emin Pascha (Kapitel 7), Oscar Baumann (Kapitel 6) und Hans Meyer erschienen, aber auch das frühe wissenschaftliche Kartenwerk zu den Hochasienreisen von Sven Hedin. Seinem verlagsinternen Ansehen abträglich war jedoch der Umstand, dass dem Meisterkartograph das Geld rascher aus der Tasche floss, als es die angemessene Lohnzahlung hätte zulassen dürfen. So finden sich in den Redaktionsakten eine Reihe dringlicher Bitten an den „verehrtesten Herrn Hofrath“ Bernhard Perthes um einen Lohnvorschuss. Am 2.2.1888 konnte die Verlagsleitung hierauf die Bemerkung nicht unterdrücken, „da mir Ihre wiederholten finanziellen Nöte unerklärlich sind. Sie haben in den letzten Jahren inclusive der kleinen Extrahonoraree [= Autorenhonorare für Textbeiträge], aber abgesehen von der Lebensversicherungsprämie, die ich zahle, jährlich auf über M. 5000 Jahreseinnahmen gestanden – damit müßen Sie aber durchaus standesgemäß auskommen können! Was sollen Staatsbeamte: Gymnasiallehrer, Amtsrichter etc. machen?““ Den so geradezu klischeehaft unpraktisch erscheinenden Kartenkünstler vermisste Hedin noch drei Jahrzehnte nach dessen Tod bei der 1936 beginnenden Arbeit am Zentralasienatlas, als er sich mit dem von Hermann Haack entworfenen nüchternen Kartenentwurf nicht anfreunden konnte und wiederholt klagte, wie sehr ihm das wissenschaftlich wie ästhetisch herausragende Geländebild des Kartenmeisters Hassenstein fehle. 154 Karte des nordtibetischen Kunlun-Gebirges – Bruno Hassensteins letztes routenkartographisches Meisterwerk (Quelle: Sven Hedin: Die Geographisch-wissenschaftlichen Ergebnisse meiner Reisen in Zentralasien, 1894 – 1897 (= Dr. A. Petermanns Mitteilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt, Ergänzungsband 28, Ergänzungsheft 131). Gotha 1900, Blatt III).
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17 Sven Hedin
155 Der Zentralasienatlas als Prestigeprojekt von Perthes im Dritten Reich. Aufgrund des Zweiten Weltkriegs erschienen von den beabsichtigten 54 Karten des Atlaswerks im Maßstab 1 : 1 Million nur drei Blätter, darunter als erstes im Januar 1941 das Blatt N.K-45 „Turfan“ in einem ganz auf dieses Unternehmen abgestellten Themenheft von „Petermanns Mitteilungen“ (Quelle: Dr. A. Petermanns Mitteilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt, Jahrgang 87 (1941), Tafel 1).
erschütterlich bewundernde Vorstellung von Deutschland als wissenschaftlicher wie politischer Führungsmacht. Bereits im Ersten Weltkrieg publizistisch für das bedrängte Kaiserreich aufgetreten, war er als eitler Mensch auch zur Förderung seiner wissenschaftlichen Absichten für das Werben des Dritten Reichs empfänglich. Aus dem Schriftwechsel mit Adolf Hitler spricht eine wechselseitige Bewunderung. Vor diesem Hintergrund erklärt sich, dass Hedin die Jahrzehnte benötigende Auswertung und Veröffentlichung der umfangreichen Ergebnisse der vierten Expedition (1942: 20 Bände – 1980: 52 Bände) mit dem bleibenden Denkmal eines Atlaswerks krönen wollte. Zu dessen angemessener Herstellung schien ihm nur Deutschland und dort das Verlagshaus Perthes in der Lage zu sein. Nach einigem Zögern erkannte das NS-Regime den Reputationsgewinn eines solchen Vorhabens und finanzierte ab 1939 über die
Deutsche Forschungsgemeinschaft das unter der Leitung von Hermann Haack bearbeitete Großprojekt. Noch bis 1943 hatten die Kartographen bei Perthes trotz vorrangiger Wehrmachtsaufträge die ihnen näherstehende Arbeit am Zentralasienatlas in verdeckter Weise vorangetrieben. Das nach Kriegsende von Gotha an Hedin gesandte Material ging 1946 an den US Army Map Service, der – ungeachtet der Verfemung Hedins – aus geostrategischen Gründen das Kartenwerk 1952 – 59 in abgewandelter und verringerter Form herausbrachte. Nachdem Hedin sich 1935 – 45 während seiner häufigen Besuche in Berlin auch als Berater des NS-Regimes betätigt und 1936 sogar überlegt hatte, ein Buch über das „wirkliche“ Deutschland zu schreiben, wurde er nach Kriegsende in Schweden zur Persona non grata. Mit seinem Tod am 26.11.1952 sank die Ära der großen Forschungsreisenden unwiderruflich ins Grab. `155
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1886 – 88 Studium der Geologie, Mineralogie und Zoologie in Stockholm und Uppsala 1889 – 90 Studium der Geographie in Berlin bei Ferdinand von Richthofen 1890 – 91 zweite Reise nach Persien 1892 Studium der Geographie in Berlin bei Ferdinand von Richthofen; Promotion in Geographie in Halle
Biographie Sven Hedin 1865 geboren am 19.2. in Stockholm 1880 – 82 Zeichnung eines sechsbändigen Weltatlas 1885 – 86 Hauslehrer im aserbaidschanischen Baku; erste Reise nach Persien und Mesopotamien
1910 Auseinandersetzung mit dem Schriftsteller August Strindberg über die Authentizität von Hedins Forschungsergebnissen und dessen Gesinnung 1914-15 Parteinahme für das Deutsche Reich im Ersten Weltkrieg mit Frontbesuchen; Ausschluss aus der Royal Geographical Society
1893 – 97 erste Hochasienexpedition in den Pamir und die Takla-Makan-Wüste im Tarimbecken
1926 – 35 Leiter der „Sino-Schwedischen Expedition“ in die Mongolei, die Wüste Gobi und nach Ost-Turkestan zum Lop-Nor-See
1899 – 1902 zweite Hochasienexpedition in die Takla-Makan-Wüste zum Lop-NorSee und nach Tibet mit vergeblichen Versuchen, nach Lhasa vorzudringen
1935 – 45 Unterstützung des Naziregimes in Schriften und durch wiederholte Besuche; zugleich Einsatz für zahlreiche internierte Juden und Skandinavier
1905 – 09 dritte Hochasienexpedition nach Tibet mit Entdeckung des Transhimalaya
1952 gestorben am 26.11. in Stockholm
Literatur
BECK, HANNO: Geographie. Europäische Entwicklung in Texten und Erläuterungen. Freiburg/München 1973. [BEHM, ERNST:] Ost-Turkestan und das Pamir-Plateau nach den Forschungen der Britischen Gesandtschaft unter Sir T. D. Forsyth 1873 und 1874 […] (= Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Ergänzungsband XI, Ergänzungsheft Nr. 52). Gotha 1877. DEMHARDT, IMRE JOSEF: Der Himalaya im Kartenbild 1856 – 1936, in: Petermanns Geographischen Mitteilungen, Jahrgang 146 (2002), Heft 4, S. 88 – 93. DEMHARDT, IMRE JOSEF: Der Erde ein Gesicht geben. Petermanns Geographische Mitteilungen und die Entstehung der modernen Geographie in Deutschland. Gotha 2006. Die Englische Vermessung von Kaschmir und der zweithöchste Berg der Erde, in: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 7 (1861), S. 1 – 3. Die Karte von N.A. Sewerzow’s Reise auf dem Pamir 1878, Dr. A. Petermanns Mitteilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt, Jahrgang 26 (1880), S. 420 – 422. Eine Reise um den höchsten Berg der Erde, in: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 21 (1875), S. 147 – 152. HAACK, HERMANN: Sven Hedins Zentralasien-
164
17 Sven Hedin
Atlas, in: Dr. A. Petermanns Mitteilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt, Jahrgang 87 (1941), S. 2 – 7. HEDIN, SVEN: Über die Tiefe des großen Kara-kul, in: Dr. A. Petermanns Mitteilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt, Jahrgang 40 (1894), S. 211 – 212. HEDIN, SVEN: Die Geographisch-wissenschaftlichen Ergebnisse meiner Reisen in Zentralasien, 1894 – 1897 (Dr. A. Petermanns Mitteilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt, Ergänzungsband 28, Ergänzungsheft 131). Gotha 1900, Blatt III. HEDIN, SVEN: Neue Forschungen in Mittelasien und Tibet, in: Dr. A. Petermanns Mitteilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt, Jahrgang 81 (1935), S. 275 – 284. JUSTUS PERTHES: 1785 – 1885. Gotha 1885. KÖHLER, FRANZ: Gothaer Wege in Geographie und Kartographie. Gotha 1987. MEHMEL, ASTRID: Sven Hedin und die nationalsozialistische Expansionspolitik, in: Irene Diekmann et al. (Hrsg.): Geopolitik. Grenzgänge im Zeitgeist. Band 1.1: 1890 bis 1945. Potsdam 2000, S. 189 – 236.
MÜLLER, CLAUDIUS/R RAUNIG, WALTER (HRSG.): Der Weg zum Dach der Welt. Innsbruck/Frankfurt am Main 1982.
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se eigener Reisen und darauf gegründeter Studien. 5 Bände. Berlin 1877 – 1912. SCHLAGINTWEIT, EMIL: Schlagintweit, in: Allgemeine Deutsche Biographie, Band 31. Leipzig 1890, S. 336 – 348. SCHLAGINTWEIT, HERMANN VON: Reisen in Indien und Hochasien. 4 Bände. Jena 1869 – 80. SCHLAGINTWEIT, MAX: Die Höhenmessung des Everestberges durch Hermann Schlagintweit 1855 auf dem Falut und 1857 auf dem Kauliaberge bei Katmandu, in: Dr. A. Petermanns Mitteilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt, Jahrgang 73 (1927), S. 87 – 89. SCHWARZ, GABRIELE (HRSG.): Die Entwicklung der geographischen Wissenschaft seit dem 18. Jahrhundert. Berlin 1948. SMITS, JAN: Petermann’s Maps. Carto-bibliography of the maps in Petermanns Geographische Mitteilungen. ’t GoyHouten 2004. TIESSEN, ERNST (HRSG.): Meister und Schüler. Ferdinand von Richthofen an Sven Hedin. Berlin 1933. [WAUGH, ANDREW [W W SCOTT:] Colonel A. S. Waugh’s Messungen der höchsten Gipfel der Erde, in: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 2 (1856), S. 379 – 381. WICHMANN, HUGO: Die Reise des Punditen A- K- durch das östliche Tibet, in: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Jahrgang 21 (1885), S. 1 – 6. http://www.geographiegeschichte.de/ hedin_h.htm
Ortsregister (Seitenhinweise in kursiver Schrift beziehen sich auf Abbildungen; Registereinträge können sich auch auf Abbildungen beziehen)
Abessinien (siehe
Äthiopien) Acapulco 17 Adamaua (Gebirge) 32, 37 Adamello-Presanella (Massiv der Alpen) 99 Ägäis 138, 142 Ägypten 12, 37, 40, 79, 80, 82 Äquatorialafrika (siehe Zentralafrika) Äquatorial-Provinz des Sudan 76 – 77, 78, 80 – 81, 82, 85 Äthiopien 37, 41, 47, 53, 62 – 64, 80 Afrika 23, 26, 27, 31 – 86 [63], 88, 90, 99, 144, 162 Agades 32 Agadir 58, 64 Air (Gebirge) 32, 33 – 34 Albanien 65, 74 – 75 Aleppo 140 – 141 Alexandria 62 Algerien 57 – 59, 61, 64, 117 Algier 58, 64 Alpen (Gebirge) 99, 125 Allee der Vulkane (Ecuador) 15 Antofagasta (Provinz) 124, 130 Altai (Gebirge) 20 Amazonas 13, 14 Amerika 10 – 11, 12 – 19, 26, 88, 110, 124 – 130 Anatolien 44, 139, 141 Anconcagua 125 Anden (Gebirge) 12, 13, 15 – 16, 52, 124 – 126, 158 Antarktis 109, 118, 131 – 136 Argentinien 125 – 128 Arktis 87 – 98, 100 – 103, 104, 109, 143 – 144, 146 – 149, 152 Asben (siehe Air) Asien 26, 113 – 117, 153 – 164 Atacama (Wüstenlandschaft) 124 – 130 Atacamagraben 125 Atlas (Gebirge) 35, 57 – 59 Auckland 107, 109 – 110 Australien 23, 26, 107 – 108, 110, 118, 131 Austria-Sund 101, 104
Bäreninsel
90, 93 Bagamoyo 49, 85 Bagdad 140 Bagirmi (Landschaft) 32, 37, 7 40, 41, 62 Bahr-el-Ghazal (Landschaft) 76, 79, 81 Baku 154, 164 Bali (Insel) 113 Balkan 75 – 76, 85, 111, 119, 123 Bardai 62 Barentssee 97 Barmen (Ortsteil von Wuppertal) 46 Basel 46 Batavia (heute: Djakarta) 116 – 117 Batur (Vulkan) 113 Bayern 110 Benghasi 38 Benue (Fluss) 32, 34, 37, 59 Berg XV (siehe Mount Everest) Bergen (Norwegen) 90 Beringstraße 88 – 89, 96, 98, 103, 118 Berlin 9, 11, 15, 19, 35, 46, 60, 79, 83, 90, 127, 134 – 136, 141, 154, 162, 164 Berlin-Hafen 119 Bilma 37 – 38, 44, 59 Bismarck-Archipel 119, 123 Bolivien 124, 128 – 130 Bombay 158 Bonn 137, 142 Bogos (Landschaft) 40 Borku (Landschaft) 62 Bornu (Landschaft und Sultanat) 32, 37, 7 43 – 44, 60 – 61 Brahmaputra (Fluss) 157 Brandenburgküste (Neuguinea) 119, 123 Brasilien 13, 127, 129, 144 – 145 Braunschweig 123 Bremen 90, 93, 95 – 96, 119, 123 Bremerhaven 94 – 95, 98 Brüssel 60 Bukoba 83, 85 – 86
Callao 16 Calw 48 – 49, 53 Cambridge (Massachusetts) 146 Caracoles 130
Casiquiare 13, 14 Chile 124 – 125, 127 – 130 Chimborazo (Vulkan) 15, 16, 96, 158 China 27, 119, 123, 154, 160 Cobija 125 – 126, 130 Copiapo 127 Cumana 12
Dakhla (Oase)
60 Dalmatien (Landschaft) 100 Danmarkfjord 144 Daressalam 83 Darfur (Landschaft und Sultanat) 41 – 42, 62, 80 Darjeeling 156 – 157 Demavend (Vulkan) 154 Deutsch-Ostafrika 51 – 52, 54 – 55, 66, 72, 73 – 74, 83 – 85 Deutsch-Südwestafrika 60, 62 Dovebucht 147 Dschagga (Volksgruppe und Landschaft) 47, 51 Duala 62 Dufourspitze 158
Ecuador 12, 15 Edinburgh 21, 30 Eismitte (Grönländ. Forschungsstation) 146, 149 El-Fascher 42, 62 El-Obeid 41 – 42 Elburs (Gebirge) 154 Ellesmereland (Insel) 88 Europa 26 Falut (Berg, siehe auch
Himalaya) 159 Farafrah (Oase) 60 Fernando Póo (Insel) 65 – 66, 74 Fes 58, 64 Fidschi (Insel) 121 Finschhafen 123 Frankfurt am Main 90, 97, 131, 144 Frankreich 12 Franz-Josef-Land (Inseln) 98, 100 – 102, 103 – 105 Freiberg (Sachsen) 11 Friedrichsthal (Grönland) 90
Galla (Landschaft) 53, 80
47,
Gambia 31 Gangesebene (Landschaft) 160 Gaussberg 133 Ghadames 59 Ghareeah 34 Ghat 34 Göttingen 11 Gotha 12, 18, 23 – 30, 35, 37, 39, 41 – 42, 59, 88, 93, 95, 125, 161 – 163 Graz 102, 149, 152 Greenwich 146 Griechenland 137 – 138, 142 Grönland (Insel) 87, 89 – 91, 93 – 94, 103, 134, 136, 143, 146 – 149, 152 Großbritannien 31 Großenborstel bei Hamburg 149 Großer Kara-Kul-See (siehe Kara-Kul-See) Großglockner (Massiv der Alpen) 99, 100 Guayaquil 16 Gurma (Landschaft) 43
Hakko 77 Hamburg 32, 131, 147, 149, 152 Havanna 13, 14 Hawaii (Inseln) 110 Heard-Insel 110 Himalaya (Gebirge) 15, 155, 156 – 160, 162 – 164 Hinlopenstraße (Spitzbergen) 92, 93 Hit 141 Hochasien (siehe auch Zentralsien) 153, 154 – 155, 161 – 162, 164 Indien
156, 158 – 160 Indischer Ozean 107, 109 – 111, 121, 127, 132, 134 Indonesien (siehe auch Niederländisch-Indien) 113, 115, 118, 25 Indus (Fluss) 158 – 159 Inner-Afrika (siehe auch Afrika und Zentralafrika) 38 – 41, 78, 79, 162 In-Salah (Oase) 59, 64 Irak (siehe Mesopotamien)
165
Irrawaddy 157 Island (Insel) 88
Jabor (Insel) 122 Jakoba 43 Jacobshavn (= Ilulissat) 148 Jaluit-Atoll 122 Java (Insel) 113, 115 – 117, 154 Jena 62 Kabilei (Landschaft) 57 Kagera (Fluss) 72, 74 Kairo 39 – 40, 60, 62, 79, 82 Kaiser-Franz-Josef-Fjord 94 Kaiser-Wilhelm-Land (Antarktis) 132, 133, 135 Kaiser-Wilhelm-Land (Neuguinea) 119, 123 Kaiser-Wilhelm-Spitze (siehe auch Kilimandscharo) 50, 52 Kamerun 39, 60, 62 Kamet (Berg, siehe auch Himalaya) 159 Kanada 87 Kanem (Landschaft) 43 Kano 36, 43 – 44 Kap Bismarck 144 Kap Palmas 62 Kapland (Südafrika) 28 Karakorum (Gebirge) 160 – 161 Kara-Kul-See 155, 161 Karolineninseln 121 Kaschgar 155, 160 – 161 Kaschmir (Landschaft) 159 Kaulia (Berg, siehe auch Himalaya) 159 Kerbela 140 Kerguelen (Inseln) 107, 110 – 111, 132, 134 Khartum 39 – 43, 74, 76 – 77, 79, 85 Kibo-Gipfel (siehe auch Kilimandscharo) 50 – 52 Kiel 132 Kikuyu (Volksgruppe und Landschaft) 47 Kilimandscharo 47 – 53, 66, 74, 83 Kiloa 49 Kinene 85 – 86 Kleinasien 32, 138 – 139, 141 König-Karl-Land (Inseln) 96 König-Max-Inseln (siehe auch Heardund Macdonald-Insel) 110 – 111
166
Ortsregister
Kongo (Fluss) 39, 41, 65, 74, 79, 82, 86 Kongo-Freistaat 60, 85 – 86 Konstantinopel (= Istanbul) 140 Kordofan (Landschaft) 41 – 42, 62, 80 Korinth 32 Korntal 53, 56 Krakatau (Vulkan) 113, 115 Kuba (Insel) 13, 14, 102 Kufra-Oasen 60, 62, 64, 100 Kuka 32, 37, 42 – 44, 59, 62, 64 Kunlun (Gebirge) 156, 161, 162 Kutérma 77
Ladakh 159 – 160 Lagos 62, 64 Leiden 117, 119, 123 Leipzig 50, 54 Lhasa 156, 157, 7 160, 164 Libysche Wüste 39, 52, 60 – 62, 64, 79, 153 Lima 15, 129 Lindenberg bei Potsdam 143 Lindi 54 – 55 Lissa (Insel) 102 Lombok (Insel) 113 London 21 – 23, 30, 32, 35 – 36, 87 – 88, 90 Lop-Nor-See 155, 164 Macdonald-Insel
110 Makalu (Berg, siehe auch Himalaya) 159 Makraka (Landschaft) 76, 77 Mao 43 Mandara (Gebirge) 37 Marangu 47, 51 Marokko 32, 58, 64 Marshallinseln 120, 122 Massasi 55 Massaisteppe 50, 66, 74 Massaua 31, 40 – 41 Matterhorn 96 Mauna Kea 50 Mawensi-Gipfel (siehe auch Kilimandscharo) 50 Melbourne 110 Mendeli 140, 141 Mesopotamien 137, 140 – 141, 154, 164 Mexiko 13, 17 Mexiko-Stadt 17 Mikronesien (Inseln) 121 – 122 Moggu 76 – 77
Mombasa 47 – 48, 50, 53 Montenegro 65, 74 Mount Everest 156, 157, 159 Mount Kenia 47, 53 Mundi (Landschaft) 76 Mundu (Landschaft) 77 Murzuk 32, 34, 37 – 38, 44, 59, 62 Musgo (Landschaft) 32, 37
Ndirfi 77 Nepal 156 – 160 Neu-Amsterdam (Insel) 107 Neu-Britannien (siehe Bismarck-Archipel) Neu-Granada 13 Neu-Spanien 13, 16, 17 Neuguinea (Insel) 119, 123 Neuseeland (Inseln) 107 – 108, 110, 111, 134 Ngorongorokrater 66, 73, 83, 84 Niam-Niam (Landschaft) 79, 81 Niederländisch-Indien 113, 115 – 116 Niger (Fluss) 31 – 32, 34, 35, 43 – 44, 45, 62 Nikobaren (Inseln) 107 Nil (mit Blauem und Weißem Nil) 25, 31, 35, 37 – 39, 42 – 43, 50, 63, 72 – 74, 76, 79 – 82, 90 Nordafrika 32, 37 – 38, 57 – 64 Nordostpassage 96 Nordpol 88 – 90, 95 – 98, 103, 131, 147 Nordpolarmeer 87 – 88, 89, 90, 93, 95, 97, 103, 105 Nordpolarregion (siehe Arktis) Nordwestpassage 87 – 88, 107, 146 Norwegen 115 Nowaja Semlja (Inseln) 88, 98, 100, 103, 105 Nubische Wüste 31 Nyassasee 49, 53, 56 Österreich-Ungarn
97 – 98, 102, 106 – 108, 111, 139 Oppeln 75, 85 Orinoco 13, 14 Ortler (Massiv der Alpen) 99, 101 Osmanisches Reich 75 – 76, 85, 137 – 141 Ostafrika 39, 43, 46 – 56,
63, 66 – 67, 72 – 73, 76 – 86 Ostafrikanischer Grabenbruch 50, 83 – 84 Ostturkestan (Landschaft) 159, 164 Ozeanien (siehe Pazifischer Ozean)
Palauinseln
121 Pamir (Gebirge) 155, 160, 164 Panama 118, 129 Pandschab (Landschaft) 158 Pangani (Fluss und Ort) 49, 74 Paris 12, 19, 35, 102, 112 Payer-Spitze 96 Pazifischer Ozean 110, 118 – 123, 134 Peloponnes 137, 142 Persien 154, 164 Peru 12, 13, 15 – 16, 108, 110, 128 – 129 Petermann-Land (Insel) 104 Petermann-Spitze 96 Polargebiete 26, 103 Polynesien (Inseln) 54, 119 – 121 Potsdam 18, 21 Preußen 9, 11, 31, 137 – 138, 141 Purillacte 124
Quito
15, 125
Rabbai Mpia (Missions-
station) 47 – 48, 53 Rindjani (Vulkan) 113 Rio Negro (Brasilien) 13 Rotes Meer 39, 43, 79 – 80 Ruanda 71, 72 – 74 Ruanda-Urundi (Landschaften in DeutschOstafrika) 66, 72 – 74 Rudolf-Insel 101, 104 Rukarara (Fluss) 72 – 73 Russland 19 – 20, 101, 138, 149
Sabine-Insel 91, 94, 146 Sagarmatha ( siehe Mount Everest) Sahara 32, 38 – 39, 44, 58 – 63, 95 Salar de Atacama (siehe Atacama) Salomonen (Insel) 107 Samoa (Inseln) 121 San Pedro de Atacama (Oase) 124 – 126, 128, 130
Sankt Paul (Insel) 107, 111 Sansibar (Insel und Sultanat) 47, 63 – 64, 74 Santiago de Chile 127, 129 – 130 Say 43 Schari (Fluss) 79 Schlesien 75 – 76, 85 Schwaben 106 Schweiz 113, 129, 138 Senegal 31 Shannon (Insel) 94 Shira-Gipfel (siehe auch Kilimandscharo) 50 Sibirien 19 – 20, 90, 103, 119, 123 Sikkim 158 – 159 Simbabwe (Ruinen) 95 Singaliakette (siehe auch Himalaya) 158 – 159 Siwa (Oase) 60 Siwalikketten (siehe auch Himalaya) 160 Smyrna (= Izmir) 138, 139 Sokoto 36, 43 Spanien 12 Sprinagar 159 Spitzbergen (Inseln) 88, 92, 93, 96 – 97, 103, 136 Stanleyfälle (Kongo) 65 Stockholm 153, 164 Sudan (Landschaft zwischen Sahara und Küste, siehe auch West- und Zentralafrika) 41 – 42, 62 Sudan (ägyptische Einflusssphäre) 42, 80 – 81 Südafrika 28, 39, 63, 95, 145
Südamerika 10, 12 – 16, 124 – 130 Südpol 132, 134, 135, 136, 147 Südpolarregion (siehe Antarktis) Südsee (siehe auch Pazifischer Ozean) 118 – 119 Suezkanal 82, 108 Sumatra (Insel) 114 – 117 Sumbawa (Insel) 113 Sundainseln 113 Sundastraße (Indonesien) 115 Sydney 107, 119
Tabora 74 Tafilet (Oase) 58, 64 Tahiti (Insel) 107, 118 Takla-Makan (Wüste) 155, 164 Tambillo 124 – 125 Tambora (Vulkan) 113, 127 Tanga 49, 66, 74, 83 Tanganyika (Mandated Territory) 84 Tanganyikasee 25, 49, 53 – 56, 74 Tanger 58, 64 Tarimbecken 160, 164 Telissarhe (Tallandschaft) 35 Teneriffa (Insel) 16 Terrai (Landschaft) 158 Theresienstadt 141 – 142 Tibesti (Gebirge) 61 – 62 Tibet 155 – 160, 162, 164 Tidikelt (Oase) 59
Tigris (Fluss) 140 Timbuktu 37, 43, 44, 59 Togo 60, 62 Transhimalaya (Gebirge) 157, 160, 164 Trapezunt 44 Triest 75, 107, 111 Tripolis (Libyen) 32, 37, 44, 59 – 61, 64 Tripolitanien 31 Tromsö 97, 100 Tsangpo (Fluss) 157 Tschadsee 32, 34, 36 – 38, 40, 42 – 43, 45, 62, 79, 95 Tuareg-Länder 32, 33, 45 Tuat (Oase) 59 Tuburi-Sümpfe 37 Tübingen 46 – 47, 53, 106 Türkei (siehe Anatolien/ Osmanisches Reich) Tunis 60, 62 Turfan (Landschaft) 163 Turkestan 27
Uelle (Fluss)
79 Uganda 76, 79, 85 Ujiji 53 Ukambani (Landschaft) 49 Ukerew (siehe Victoriasee) Uniamwesi (vermuteter Riesensee) 48 – 50, 53 Upernavik 147 Usambara 66, 69 – 70, 73 – 74 Utrecht 112, 117
Vardö 105 Venezuela 13 Veracruz 17 Vereinigte Staaten von Amerika 10, 127 Victoria (australische Provinz) 108, 111 Victoriasee 53, 55, 66, 74, 85 Virungavulkane 83 Wadai (Landschaft und
Sultanat) 32, 37 – 43, 45, 59, 62 Wadi Draa 58 Wandi 77 Wara 39, 42 Wau 43 Welt (Karte oder Diagramm) 24, 26, 144, 145, 147, 150 – 151 Westafrika 23, 29, 31, 34 – 35, 45, 63, 95 Wien 65, 74, 90, 97 – 98, 100, 102, 106, 108, 111, 129 Wilczek-Land (Insel) 101, 104 Wurno 36, 44 Württemberg 46, 56
Yola
32, 37
Zentralafrika
39, 48, 54, 63, 65 – 66, 76, 78, 79, 85 – 86, 107 Zentralafrikanischer Grabenbruch 83 Zentralasien 21, 154 – 155, 160, 162 – 163 Zinder 37
Personenregister A- K- (siehe Singh,
Krishna) Abd el Karim (siehe Heinrich Barth) Agnese, Battista 144 Alexander der Große 158 Amundsen, Roald 135 – 136
Bacon, Francis
144 Banks, Joseph 107 Banse, Ewald 141 Barth, Heinrich 22 – 23, 29, 31 – 39, 41 – 45, 58, 61, 65 Baumann, Oscar 51, 65 – 72, 74, 84, 88, 95, 162 Behm, Ernst 23 – 25, 28, 150, 161
Berghaus, Heinrich 15, 18 – 19, 21, 25, 34 Beurmann, Carl Moritz von 37 – 38, 41, 43, 95 Bismarck, Otto von 46, 60, 94, 119 Blackwood (Kapitän) 110 Bonpland, Aimé 12 – 14, 17 Brehm, Alfred 119 Bruce, James 31 Buffon, George-Louis Leclerc de 144 Bunsen, Karl von 23, 31 Burton, John 53
Cameron, Verney 54 Carl Alexander (Großherzog von SachsenWeimar-Eisenach) 100
Cernik, Josef 139 – 141 Condamine, Charles Marie de la 15 Cook, James 11, 107, 118 Cooley, William Desmond 48 – 49, 53, 56
Dallmann, Eduard
119 Denham (Kapitän) 110 Döll (Geometer) 128 Drygalski, Erich von 101, 131, 133 – 136, 141, 148, 154 Dumont d’Urville, Jules 107
Emin Pascha
65, 67, 75 – 79, 82 – 83, 85 – 86, 162
Encisco, Martin Fernandez de 50 Engell, Magnus 148 Erhardt, Jakob 47 – 50, 53, 56 Ernst II. (Herzog von Sachsen-CoburgGotha) 39
Fedtschenko, Alexei
27 Finsch, Otto 118 – 119, 123 Forster, Georg 11 – 12, 107 Franklin, John 87 – 88, 107 Frauenfeld, Georg von 107 Frick, Wilhelm 141 Friedrich Wilhelm IV. (König von Preußen) 35, 95, 158 Frobenius, Leo 120 – 121
Personenregister
167
Gauss, Carl Friedrich
132 Goethe, Johann Wolfgang von 19, 141 Gordon Pascha 76, 85 Griesebach, August 150 Guenther, Konrad 82
Haack, Hermann
162 – 163 Haake (Kapitän) 91 Haast, Julius 108 Hansal, Martin 41, 43 Hansen, S. 148 Hassenstein, Bruno 26, 41, 51 – 52, 58, 76 – 77, 155, 162 Heard (Kapitän) 111 Hedin, Sven 141 – 142, 153 – 155, 160 – 164 Hegemann, Paul 90 Hettner, Alfred 151 Heuglin, Theodor von 40 – 41, 43, 96 Hildebrandt (Obersteuermann) 92 Hillary, Edmund 157 Hitler, Adolf 163 Hochstetter, Ferdinand von 106 – 111, 154 Höhnel, Ludwig von 51 Humboldt, Alexander von 9 – 21, 23, 31 – 32, 35, 45, 48, 53, 82, 96, 106 – 107, 110, 112, 125 – 127, 138, 153, 158 – 159 Humboldt, Wilhelm von 9, 11
Jordan, Wilhelm 52, 60 Junghuhn, Franz 107, 112 – 114, 116 – 117, 154 Junker, Wilhelm 79 Kandt, Richard
72 – 73 Kantorowicz, Richard (siehe Kandt, Richard) Kersten, Otto 50 Kiepert, Heinrich 28, 83 Kinzelbach, Theodor 40 – 43 Kirchhoff, Alfred 154 Klute, Fritz 52 Koch, Johann 143 – 144, 152 Köhler, Franz 29 Köppen, Else 144, 152 Köppen, Wladimir 22, 131, 144 – 145, 147, 149 – 152 Koldewey, Karl 90, 93 – 94
168
Personenregister
Kostenko, Leo 161 Krapf, Johann 46 – 50, 53, 56, 65
Langhans, Paul 63 Lenz, Oscar 65 Leopold II. (König von Belgien) 60, 86 Livingstone, David 25, 28, 39, 41, 46, 56, 82 MacQueen, J.
28 Magalhães, Fernão de 118, 144 Marsden, William 114 Mauch, Carl 27, 95 Max II. (König von Bayern) 110 May, Karl 86, 140 McClure, John 88 Meissner (Bergingenieur) 141 Meyer, Hans 50 – 52, 66 – 67, 79, 162 Mohammed (Bekannter von Heinrich Barth) 42 Muhammad al-Fadl (Sultan von Darfur) 42 Munch, Edvard 115 Mungo Park 41 Munzinger, Werner 40 – 43, 62 Mustafa Kemal (= Atatürk) 139 Mylius-Erichsen, Ludvig 143 – 144, 152
Nachtigal, Gustav
42, 61 – 63, 65 Nansen, Fridtjof 147 Napoleon (Bonaparte) 12, 19 Narres, George 107 Natterer, Joseph 42 Neef, Ernst 25 Neumayer, Georg von 109 – 111, 131, 134, 149 Nordenskjöld, Adolf Erik von 88, 96 Norgay, Tenzing 157 Nr. 9 (Deckname eines Punditen) 156 Núñez de Balboa, Vasco 118
Oehler, Eduard
52 Overweg, Adolf 23, 31 – 32, 34 – 41, 43
Payer, Julius von
94 – 97, 99 – 102 Peary, Robert 88, 144 Perschau (Arzt) 92 Perthes, Bernhard 162 Pesa Mbili (Karawanenführer in Ostafrika) 54 – 55 Pestalozzi, Johann 127 Petermann, August 18 – 19, 21 – 32, 34 – 39, 42, 48 – 49, 53, 58 – 59, 87 – 96, 98 – 100, 102, 109 – 111, 125 – 126, 131, 134, 154, 156, 162 Peters, Carl 85 Philippi, Bernhard 127 Philippi, Rudolf 125 – 130 Philippson, Alfred 99, 137 – 139, 141 – 142, 154 Pillewizer, Wolfgang 52 Przewalskji, Nikolaj 153, 156 Purtscheller, Ludwig 51
Selleny, Joseph 107 – 108 Sewerzow, Nikolai 161 Shackleton, Ernest 135 – 136 Singh, Krishna 156 – 157 Sittig, Otto 120 Speke, John 53, 73 Stanley, Henry Morton 25, 82, 85 Steudner, Hermann 38, 40 – 41, 43 Strindberg, August 164 Stuhlmann, Franz 83 Supan, Alexander 35, 150 – 151
Rebmann, Johannes
Karl August 20 Victoria (Queen of England) 22, 35 Villumsen, Rasmus 146, 149 Vogel, Eduard 34, 36 – 40, 42, 44, 59, 62, 95 Volger, Otto 90 von der Decken, Carl Claus 48, 50
47 – 50, 56 Remelé, Philipp 60 Richardson, James 23, 31 – 32, 34, 36, 43 Richthofen, Ferdinand von 27, 116 – 117, 134, 137 – 138, 141, 154, 164 Ritter, Carl 21, 32 Rönnebeck, Frederik 101 Rohlfs, Gerhard 27, 35, 52, 57 – 65, 79, 82, 95, 100, 153 Rohlfs, Hermann 58 Ross, James 107 Roule, Cornelius 101
Sabine, Edward
91, 106, 146 Schlagintweit (Gebrüder) 154, 158 – 160 Schlagintweit, Adolph 158 – 160 Schlagintweit, Hermann 158 – 159 Schlagintweit, Max 159 Schlagintweit, Robert 158 – 159 Schleinitz, Georg von 107 Schnitzer, Eduard (siehe Emin Pascha) Schweinfurth, Georg 62, 79 – 82 Scott, Robert 135 – 136
Taylor, Bayard 15 Tegetthof, Wilhelm von 102 Thornton, Richard 50 Tschudi, Johann Jakob von 124 – 126, 128 – 129 Varnhagen von Ense,
Wagner, Hermann
24, 26, 30 Waldburg-Zeil, Karl von 96 Waugh, Andrew 156 Wegener, Alfred 143 – 147, 149, 152 Wegener, Kurt 143 Weule, Karl 54 – 55 Weyprecht, Carl 96 – 98, 100, 102 – 103, 105, 135 Whimper, Edward 96 Wilhelm (König von Preußen) 61 – 62, 94 Wilczek, Johann Nepomuk von 97 Wojeikow, Alexander 27 Wüllerstorf-Urbair, Bernhard von 107
Yohani Kinyala Lauwo
(Dschagga-Führer) 51
Zach, Franz Xaver von
12