Auf dem Weg zu einer Biographie Gerhard Kittels (1888-1948): Herausgegeben:Bormann, Lukas; Zwiep, Arie W. 9783161616273, 9783161616280, 3161616278

Der Theologe Gerhard Kittel (1888-1948) hatte als Herausgeber des Theologischen Wörterbuchs zum Neuen Testament und der

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Titel
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
I. Einführung
Lukas Bormann — Gerhard Kittel als Repräsentant der deutschsprachigen Exegese 1920–1960. Forschungsstand und gegenwärtige Herausforderungen
II. Gerhard Kittels frühe Jahre
Lukas Bormann — Anti-Semitic Exegesis of the New Testament 1900–1945. From Rudolf Kittel (1853–1929) to His Son Gerhard (1888–1948)
Roland Deines — Gerhard Kittel und Adolf Schlatter. Dokumentation einer Beziehung
Anhang: Gerhard Kittels Briefe an Schlatter
Felix John — Gerhard Kittel in Greifswald (1921–1926)
Arie Zwiep — Gerhard Kittel und Frederik Willem Grosheide. Ein Briefwechsel über drei Jahrzehnte (1922–1946)
Anhang: Het Jodenvraagstuk in Duitschland (2.7.1933). (Grosheides Rezension zu Kittels Schrift „Die Judenfrage“)
III. Gerhard Kittel als Exeget und Theologe
Hannah Kreß — „[S]o viel Verständnis für [...] unser nationalsozialistisches Denken“. Gerhard Kittel und Hugo Odeberg
Guido Baltes — Die Artikel von Gerhard Kittel und Hugo Odeberg zu den biblischen Eigennamen im ThWNT
Brandon Massey — Gerhard Kittel and His Septuagint Specialist Georg Bertram
Hans Förster — Exegese und Judentum im ThWNT
IV. Gerhard Kittel zwischen Philo- und Antisemitismus
Matthias Morgenstern — Das Verständnis des Judenchristentums bei Gerhard Kittel
Horst Junginger — Antitalmudismus bei Gerhard Kittel
Dirk Rupnow — Gerhard Kittel und die NS-Judenforschung
Clemens Vollnhals — Gerhard Kittel und das geplante Spruchkammerverfahren
V. Internationale Rezeptions- und Wirkungsgeschichte
George Harinck — Bittersweet: Abraham Kuyper’s View on Jews in relation to the Reception of Gerhard Kittel’s View in Neo-Calvinist Circles in the Netherlands
Jacobus Kok — Implicit Influence of Kittel and Grosheide in the Shaping of Apartheid in South-Africa? The Case of E.P. Groenewald
Gert van Klinken — Jewish Mission and Chiliasm in the Reformed Churches in the Netherlands, 1896–1948
VI. Ausblicke
Alon Segev — Religious Justification for Violence in Gerhard Kittel’s Die Judenfrage
Manfred Gailus — Die Biografie Gerhard Kittels. Eine Herausforderung für Theologie und Geschichtswissenschaft
VII. Die Kittel-Grosheide Korrespondenz
Lukas Bormann und Arie Zwiep — Die Korrespondenz der Jahre 1922 bis 1944 bzw. 1955 von Gerhard und Elisabeth Kittel geb. Rohde mit Frederik Willem und Ottoline Grosheide geb. Schut
Briefwechsel von Gerhard und Elisabeth Kittel geb. Rohde mit Frederik Willem und Ottoline Grosheide geb. Schut
Anhang 1: Die Familien Grosheide und Kittel
Anhang 2: Rekonstruktion der Briefe Grosheides
Autorenverzeichnis
Stellenregister
Personenregister
Sachregister
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Auf dem Weg zu einer Biographie Gerhard Kittels (1888-1948): Herausgegeben:Bormann, Lukas; Zwiep, Arie W.
 9783161616273, 9783161616280, 3161616278

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History of Biblical Exegesis Herausgeber Mark W. Elliott (Glasgow) Jennie Grillo (Notre Dame, IN) David Lincicum (Notre Dame, PA) Benjamin Schliesser (Bern, CH)

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Auf dem Weg zu einer Biographie Gerhard Kittels (1888–1948) Herausgegeben von

Lukas Bormann und Arie W. Zwiep

Mohr Siebeck

Lukas Bormann, geboren 1962; 1993 Promotion; 2000 Habilitation; Lehrstühle an den Universitäten Erlangen, Bayreuth und Braunschweig; seit 2014 Professor für Neues Testament an der Philipps-Universität Marburg. orcid.org/0000-0002-0823-4421 Arie Zwiep, geboren 1964; 1996 Promotion; 2017–2020 Director Graduate School of Religion and Theology an der Fakultät Religion und Theologie der Vrije Universiteit Amsterdam; dort seit 2020 Prodekan, seit 2021 Professor für Hermeneutik. orcid.org/0000-0003-0126-1563

ISBN 978-3-16-161627-3 / eISBN 978-3-16-161628-0 DOI 10.1628/978-3-16-161628-0 ISSN 2748-0313 / eISSN 2748-0321 (History of Biblical Exegesis) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2022  Mohr Siebeck Tübingen.  www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Über­ setzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Laupp & Göbel in Gomaringen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und gebunden. Printed in Germany.

Vorwort Die Zeit des Nationalsozialismus und ihre Wirkungen werden von jeder nachfolgenden Generation neu zum Gegenstand der wissenschaftlichen Erforschung erhoben. Das hat seine Ursache nicht zuletzt darin, dass sich in dieser Zeit ethische Grundfragen moderner Gesellschaften nach Beteiligung, Anpassung oder Widerstand, denen sich jeder und jede auch heute mehr oder minder ausgesetzt sieht, in einer besonderen Intensität stellten. Auch die Geschichte der wissenschaftlichen Disziplinen, in denen grundlegende Forschungsergebnisse und die mit diesen verbundene Grundlagenliteratur in der Zeit des Nationalsozialismus entstanden sind, ist davon betroffen. Die Beseitigung der explizit nationalsozialistischen und offensichtlich ideologisch verzerrten Wissensproduktion ist in der Nachkriegszeit weitgehend erfolgt. Weit weniger einheitlich verlief der Umgang mit Forschungsergebnissen und Forscherpersönlichkeiten, die als grundlegend betrachtete wissenschaftliche Leistungen erbracht haben. Erst seit einigen Jahren fragt die Forschung verstärkt nach den weniger offensichtlichen Formen der Mittäterschaft und nach den möglichen Verbindungen von persönlichen Biographien und vermeintlich objektiver Forschungsleistung. Der Frage nach der Relevanz der biographischen Prägungen für die Forschung stellt sich bei geisteswissenschaftlichen und theologischen Forschungen besonders intensiv. Die Wahrnehmung und Beurteilung von Phänomenen der menschlichen Kultur und Geschichte unterliegen herme­ neutischen Voraussetzungen, aus denen die Wirkungen biographischer Prägungen und Einflüsse nicht vollständig auszuschließen sind. Der Evangelische Theologe, Neutestamentler und Judentumsforscher Gerhard Kittel (1888–1948) hat an grundlegenden Wissenschaftsprojekten mitgearbeitet, die bis in die Gegenwart genutzt werden. Über seine Beteiligung an der menschenverachtenden Politik der nationalsozialistschen Gewaltherrschaft ist vieles bekannt, aber der Bezug zu seiner Biographie und umgekehrt die biographische Prägung, die zur Unterstützung des Nationalsozialismus und aktiven Judenfeindschaft führten, stellen nach wie vor ein Rätsel dar. Die derzeit international führenden Forscher und Forscherinnen zu Gerhard Kittel und seinem wissenschaftlichen Werk aus Belgien, Deutschland, den Niederlanden, Österreich und Südafrika haben sich vom 4. bis 6. November 2020 online und in Präsenz zu einer Tagung in Marburg zusammengefunden, um diese Fragen zu diskutieren. Die Herausgeber danken den Teilnehmer und Teilnehmerinnen, die unter den schwierigen Bedingungen der Jahre 2020 und 2021 ihre Beiträge erstellt

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Vorwort

und für die vorliegende Publikation ausgearbeitet haben. Die englischspra­ chigen Beiträge folgen dem Chicago Manual of Style bzw. dem darauf beruhenden SBL Handbook of Style, 2nd edition. Die Fritz Thyssen Stiftung für Wissenschaftsförderung hat die Tagung und auch die vorbereitenden Publikationsarbeiten finanziell möglich gemacht. Die Vrije Universiteit Amsterdam, namentlich die Fakultät Religion und Theologie und das Historisch Documentatiecentrum voor het Nederlands Protestantisme (HDC Centre for Religious History), hat die gemeinsamen Forschungen zum Briefwechsel Kittel-Grosheide unterstützt und mit Interesse be­ gleitet. Die Marburger Forschungen zum Neuen Testament trugen Teile der Reisekosten und machten die Drucklegung möglich. Johanna Bergmann, Moritz Groos, Eva-Maria Kreitschmann, Fabian Schley, Lisa Sunnus und Lea Trugenberger unterstützten die Tagungsdurchführung, Korrekturen und Registererstellung. Marburg/Amsterdam, März 2022 Lukas Bormann Arie Zwiep

Inhaltsverzeichnis Vorwort����������������������������������������������������������������������������������������������������� V

I. Einführung Lukas Bormann Gerhard Kittel als Repräsentant der deutschsprachigen Exegese 1920–1960. Forschungsstand und gegenwärtige Herausforderungen������������������������������������������������������������������������������������� 3

II. Gerhard Kittels frühe Jahre Lukas Bormann Anti-Semitic Exegesis of the New Testament 1900–1945. From Rudolf Kittel (1853–1929) to His Son Gerhard (1888–1948)�������������31 Roland Deines Gerhard Kittel und Adolf Schlatter. Dokumentation einer Beziehung������ 53 Anhang: Gerhard Kittels Briefe an Schlatter��������������������������������������� 88 Felix John Gerhard Kittel in Greifswald (1921–1926)������������������������������������������������ 99 Arie Zwiep Gerhard Kittel und Frederik Willem Grosheide. Ein Briefwechsel über drei Jahrzehnte (1922–1946)�������������������������������� 119 Anhang: Het Jodenvraagstuk in Duitschland (2.7.1933) (Grosheides Rezension zu Kittels Schrift „Die Judenfrage“)������������� 143

III. Gerhard Kittel als Exeget und Theologe Hannah Kreß „[S]o viel Verständnis für [...] unser nationalsozialistisches Denken“. Gerhard Kittel und Hugo Odeberg�����������������������������������������������������������149

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Inhaltsverzeichnis

Guido Baltes Die Artikel von Gerhard Kittel und Hugo Odeberg zu den biblischen Eigennamen im ThWNT����������������������������������������������173 Brandon Massey Gerhard Kittel and His Septuagint Specialist Georg Bertram�����������������201 Hans Förster Exegese und Judentum im ThWNT���������������������������������������������������������215

IV. Gerhard Kittel zwischen Philo- und Antisemitismus Matthias Morgenstern Das Verständnis des Judenchristentums bei Gerhard Kittel��������������������243 Horst Junginger Antitalmudismus bei Gerhard Kittel��������������������������������������������������������265 Dirk Rupnow Gerhard Kittel und die NS-Judenforschung���������������������������������������������291 Clemens Vollnhals Gerhard Kittel und das geplante Spruchkammerverfahren���������������������� 313

V. Internationale Rezeptions- und Wirkungsgeschichte George Harinck Bittersweet: Abraham Kuyper’s View on Jews in relation to the Reception of Gerhard Kittel’s View in Neo-Calvinist Circles in the Netherlands��������������������������������������������339 Jacobus Kok Implicit Influence of Kittel and Grosheide in the Shaping of Apartheid in South-Africa? The Case of E.P. Groenewald�����������������������367 Gert van Klinken Jewish Mission and Chiliasm in the Reformed Churches in the Netherlands, 1896–1948�����������������������������������������������������������������391

Inhaltsverzeichnis

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VI. Ausblicke Alon Segev Religious Justification for Violence in Gerhard Kittel’s Die Judenfrage���������������������������������������������������������� 411 Manfred Gailus Die Biografie Gerhard Kittels. Eine Herausforderung für Theologie und Geschichtswissenschaft����������427

VII. Die Kittel-Grosheide Korrespondenz Lukas Bormann und Arie Zwiep Die Korrespondenz der Jahre 1922 bis 1944 bzw. 1955 von Gerhard und Elisabeth Kittel geb. Rohde mit Frederik Willem und Ottoline Grosheide geb. Schut�������������������������453 Briefwechsel von Gerhard und Elisabeth Kittel geb. Rohde mit Frederik Willem und Ottoline Grosheide geb. Schut�������������������������467 Anhang 1: Die Familien Grosheide und Kittel������������������������������������549 Anhang 2: Rekonstruktion der Briefe Grosheides������������������������������� 551 Autorenverzeichnis����������������������������������������������������������������������������������553 Stellenregister������������������������������������������������������������������������������������������555 Personenregister��������������������������������������������������������������������������������������558 Sachregister���������������������������������������������������������������������������������������������571

I. Einführung

Gerhard Kittel als Repräsentant der deutschsprachigen Exegese 1920–1960 Forschungsstand und gegenwärtige Herausforderungen Lukas Bormann A. Die erste Phase der Auseinandersetzung mit Gerhard Kittel (1946–1966) Im Jahr 1958 jährte sich der zehnte Todestag sowie der siebzigste Geburtstag von Gerhard Kittel. Die damalige deutsche akademische Tradition gebot, lebenden Ordinarien zum Siebzigsten eine Festschrift zu widmen. Bei Verstorbenen, die der Würdigung für Wert erachtet wurden, veranstalte­ ten die Theologischen Fakultäten akademische Gedenkfeiern. Das Aus­ bleiben einer solchen Ehrung wurde als Infragestellung des wissen­schaft­ lichen Ansehens bewertet. Die Hauptlast der Durchführung fiel in dieser Angelegenheit regelmäßig auf den Nachfolger des Lehrstuhlinhabers, bei dessen Unwilligkeit übernahmen die Schüler des zu ehrenden Gelehrten diese Aufgabe. Im Jahr 1958 sah der Nachfolger Kittels, der Neutestamentler Otto Michel (1903–1993), diesem Ansinnen sicherlich mit gemischten Gefühlen entgegen, und zwar nicht nur mit Blick auf die schon damals als unrühm­ lich angesehene nationalsozialistische Vergangenheit seines Vorgängers, sondern auch aus ganz persönlichen Gründen.1 Die Biographie Michels war mehrfach an entscheidenden Wendepunkten auf dramatische Weise mit dem Schicksal Kittels verbunden gewesen. Das persönliche Verhältnis zwischen dem Vorgänger und dem Nachfolger war sicherlich nicht eng. Michel hatte zwar wie Kittel in Tübingen bei Adolf Schlatter (1852–1938) studiert, seine Promotion und Habilitation hingegen und damit seine akademischen Qualifikationen hatte er nicht in Tübingen, sondern in Halle erworben, wo er auch als Privatdozent wirkte. Im Mai 1933 war Michel in die NSDAP eingetreten, aber auch diese Gemeinsamkeit mit Kittel schuf keine besondere Nähe zwischen den Genannten. Für das Verhältnis war vielmehr entscheidend, dass Michel von Kittel im ersten 1   Haacker, Klaus, Otto Michel (1903–1993), in: Cilliers Breytenbach/Rudolf Hoppe (Hg.), Neutestamentliche Wissenschaft nach 1945. Hauptvertreter der deutschsprachigen Exegese in der Darstellung ihrer Schüler, Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag 2008, 341–352.

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Lukas Bormann

Kriegsjahr zu seinem Vertreter in Tübingen bestellt worden war, damit er seinen Lehrstuhl in Wien wahrnehmen konnte. Über die Wiener Jahre Kittels hat Karl W. Schwarz geforscht. Er kommt u.a. zu dem Ergebnis, dass das Wirken Kittels in Wien dem kulturellen Expansionsstreben des Deutschen Reichs in die besetzten Länder des ehemaligen Habsburgerreichs dienen sollte.2 Michel wurde im September 1940 mit der Vertretung Kittels betraut und deswegen als unabkömmlich vom Kriegsdienst abgestellt. Kittels Entscheidung von Wien wieder nach Tübingen zurückzukehren, die er auf den Rat des Reichsstatthalters in Wien Baldur von Schirach traf, bewirkte, dass Michel im März 1943 umgehend zum Militärdienst eingezogen wurde. Michel schil­ dert ein Gespräch mit Kittel, zwischen dem Rückkehrer auf ein Ordinariat und dem bereits wieder in der Kaserne lebenden jungen Dozenten, in seiner Biographie mit einiger Bitterkeit, zumal er von Kittel über die Umstände sei­ ner Rückkehr im Unklaren belassen worden war. Michel ging fälschlich davon aus, dass Kittel nun „zwei Lehrstühle“ innehatte, er aber in der Kaserne den „Boden schrubben“ musste, wie er festhielt.3 Zugleich hatte Michel im Jahr 1958 aber auch Anlass, Kittel dankbar zu sein. Dieser hatte den noch nicht fest in der Wissenschaft etablierten Privatdozenten zum Vertreter bestellt und als Mitarbeiter für das Theologische Wörterbuch mit einigen Artikeln betraut.4 Bereits im August 1945 vertrat Michel den vakanten Lehrstuhl Kittels erneut und wurde im Folgejahr auf diesen als Inhaber berufen. Im Jahr 1958 war Michel in der Pflicht, vor dem Hintergrund dieser merkwürdigen Verknüpfung der Schicksale zum siebzigsten Geburtstag eine akademische Ehrung durchzuführen. Seine Gedenkrede auf Kittel wurde im Deutschen Pfarrerblatt gedruckt und erreichte so nahezu alle protestantische­ n Pfarrer in Deutschland.5 Im gleichen Jahr verfasste Michel den Eintrag in der Neuen Deutschen Biographie (NDB), die bis heute von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften herausgegeben wird.6 Der Hauptteil des Artikels skizziert 2   Schwarz, K arl W., „Grenzburg“ und „Bollwerk“. Ein Bericht über die Wiener Evangelischtheologische Fakultät in den Jahren 1938–1945, in: Leonore Siegele-Wenschkewitz/Carsten Nicolaisen (Hg.), Theologische Fakultäten im Nationalsozialismus (Arbeiten zur kirchlichen Zeitgeschichte B 18), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1993, 361–389. 3   Michel, Otto, Anpassung oder Widerstand. Eine Autobiographie, Wuppertal/Zürich: Brockhaus 1989, 93f.: Kittel sagte Michel, er spiele jeden Morgen das Harmonium und singe einen Choral zum Gotteslob. Michel antwortete (94): „Herr Professor, beim Militär gibt es kein Harmonium“. 4   Insgesamt sechs Artikel in ThWNT 3 (1938). 5   Michel, Otto, Das wissenschaftliche Vermächtnis Gerhard Kittels. Zur 70. Wiederkehr seines Geburtstages, in: Deutsches Pfarrerblatt 58 (1958), 415–417. 6   Michel, Otto, Kittel, Gerhard, in: Neue Deutsche Biographie 11 (1977), 691f. [OnlineVersion]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118562592.html#ndbcontent, Zugriff am 9.6.2021.

Forschungsstand und Herausforderungen

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Kittels rassenbiologische Sicht des Judentums in einer Weise, die klar die antisemitische Zielrichtung des Wirkens Kittels unterstreicht. Da Michel den Indikativ in der Darstellung wählte, können die Aussagen als zustim­ mendes Referat gelesen werden. Erst im Schlusssatz stellte Michel klar, dass Kittels „Thesen über das Judentum unhaltbar sind“, machte allerdings nicht deutlich in welcher Hinsicht, so dass der Leser des Artikels ein antisemi­ tisches Zerrbild des antiken Judentums als eine wissenschaftlich plausible Sichtweise auffassen muss. Inzwischen ist der Eintrag mit einem Hinweis versehen, mit dem sich die Neue Deutsche Biographie von Michels Text zu Kittel distanziert: Der vorliegende Artikel gibt ausschließlich das Werturteil des Verfassers wieder, der den Inhalt allein verantwortet. Im Rahmen des Projekts „NDB-online“ ist eine Neufassung des Artikels vorgesehen. Die ältere Version bleibt als Quelle kritischer, historiographie­ geschichtlicher Forschung weiterhin zugänglich.7

Michels Darstellung Kittels von 1958 ist heute nicht mehr nachvollziehbar und ist selbst zum zeitgeschichtlichen Dokument erklärt worden. Inzwischen ist Michel, der in pietistischen und evangelikalen Kreisen eine große Rolle spielte und spielt, selbst Gegenstand einer erinnerungspolitischen Debatte geworden, in der die Frage nach dem Verhältnis zu Kittel eine große Rolle spielt.8 Matthias Morgenstern hat dazu und zur Frage des sogenannten Judenchristentums wichtige Beiträge geleistet, die auf großes Interesse stoßen und bereits eine Würdigung durch Klaus Haacker, ein Schüler Michels, erfahren haben.9 Die Geschichtswissenschaft hat sich in diesen Jahren nur wenig für den Theologen und Exegeten Kittel interessiert. Ihr war Kittel vielmehr als je­ mand bekannt, der an der nationalsozialistisch inspirierten Neuformung des deutschen Geschichtsverständnisses im „Reichsinstitut für Geschichte des Neuen Deutschlands“ mitgewirkt hatte. In der von Karl Alexander von Müller (1882–1964) durch Wilhelm Grau (1910–2000) als Geschäftsführer geleiteten Forschungsabteilung Judenfrage des genannten Instituts wirkte Kittel im Sachverständigenbeirat für den Bereich Religionswissenschaft mit.10 Müller war zudem von 1935 bis 1944 Herausgeber der 1859 gegründeten   Michel, Kittel, 691f.  Vgl. Michel, Otto, Otto Michel über Chancen und Gefahren der Theologie Rudolf Bultmanns (1952), in: Theologische Beiträge 51 (2020), 390–392. 9   Morgenstern, Matthias/Rieger, Reinhold (Hg.), Das Tübinger Institutum Judaicum. Beiträge zu seiner Geschichte und Vorgeschichte seit Adolf Schlatter (Contubernium 83), Stuttgart: Franz Steiner 2015; Haacker, K laus, Otto Michel und das Tübinger Institutum Judaicum – historisch erhellt, in: Theologische Beiträge, 48 (2017), 363–368. Vgl. dazu den Beitrag von Morgenstern, Das Verständnis des Judenchristentums bei Gerhard Kittel, in diesem Band. 10   Heiber, Helmut, Walter Frank und sein Reichsinstitut für Geschichte des Neuen Deutschlands (Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte 13), Stuttgart: Deutsche Verlags7 8

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Lukas Bormann

renommierten Historischen Zeitschrift. In dieser Funktion richtete er in der Zeitschrift eine Rubrik ein, in der er unter der Überschrift „Zur Geschichte der Judenfrage“ Publikationen und Mitteilungen aus der Forschungsabteilung abdrucken ließ.11 Kittel selbst publizierte dort Rezensionen und kurze Fachbeiträge.12 Außerhalb dieser Rubrik veröffentlichte er weiterhin eine anti-englische Kriegspolemik, die als Fachbeitrag behandelt wurde.13 In diesem Aufsatz versuchte Kittel beständig die Nähe der englischen Elite („Inselpharisäer“) zum Judentum nachzuweisen.14 Kittels Ausführungen beruhten auf zahlreichen Arbeiten der Forschungsabteilung Judenfrage, die in Detailforschungen zur britischen Elite deren Verbindung mit jüdi­ schen Familien nach den antisemitischen Kategorien der „Zersetzung“ und „Rassenmischung“ bewerteten.15 Kittel war damit sowohl in der Religionswissenschaft als auch in der Geschichtswissenschaft angekommen und wirkte eben nicht mehr „nur“ als Theologe. Die Wiener Unterlagen zeigen, dass Kittel sogar mit dem Gedanken spielte, in die Religionswissenschaft zu wechseln, um den nega­ tiven Anklang, den die Theologie im NS-Staat hatte, abzustreifen.16 Dirk Rupnow hat in seiner Studie zur „Judenforschung im Dritten Reich“ die Arbeit der judenfeindlichen Institutionen, Akteure und Netzwerke dieser Anstalt 1966, 421; Rupnow, Dirk, Judenforschung im Dritten Reich. Wissenschaft zwischen Politik, Propaganda und Ideologie (Historische Grundlagen der Moderne 4), Baden-Baden: Nomos 2011, 70. 11   Rupnow, Judenforschung, 76f. 12   Kittel, Gerhard, Rezensionen zu Erich Thielecke, Die alttestamentlichen Personennamen im mittelalterlichen niederdeutschen Sprachgebiet östlich der Weser, und zu Arnold Meier, Die alttestamentliche Namengebung in England, in: Historische Zeitschrift 156 (1937), 316–318; Ders., Bilder aus der antiken Judenfrage, in: Historische Zeitschrift 163 (1941), 327–332; Ders., Corpus Inscriptionum Judaicarum, in: Historische Zeitschrift 164 (1941), 107–110. 13   Kittel, Gerhard, Die Wurzeln des englischen Erwählungsglaubens, in: Historische Zeitschrift 163 (1941), 43–81. 14   Kittel, Wurzeln, 52; vgl. dazu Bormann, Lukas, „Sie sagen Christus und meinen Weltherrschaft“. Stereotypen im Englandbild des deutschen Protestantismus am Beispiel der Englandschriften von Martin Dibelius und Gerhard Kittel, Angermion 6 (2013), 85–99. 15   Fester, Richard, Das Judentum als Zersetzungselement der Völker. Weltgeschichtliche Betrachtungen, in: Forschungen zur Judenfrage 6, Hamburg: Hanseatische Verlags-Anstalt 1941, 7–41; Schlichting, Günter, Die British-Israel-Bewegung, in: Forschungen zur Judenfrage 6, 42–103; Euler, Wilfried, Das Eindringen jüdischen Blutes in die englische Oberschicht, in: Forschungen zur Judenfrage 6, 104–252. 16  Vgl. Rupnow, Dirk, „Pseudowissenschaft“ als Argument und Ausrede. Antijüdische Wissenschaft im „Dritten Reich“ und ihre Nachgeschichte, in: Ders. u.a. (Hg.), Pseudo­ wissenschaft. Konzeptionen von Nichtwissenschaftlichkeit in der Wissenschaftsgeschichte, Frankfurt am Main: Suhrkamp 2008, 279–307, bes. 297f.; In der Denkschrift „Die [Stellung der] Judaistik [im Rahmen der Gesamtwissenschaft]“, Universitätsarchiv Wien Phil. Fak Dekanat 734–1941/42 wird das Judentum „als Ab-Art, als Un-Natur, als Krankheit und Pervertierung“ bezeichnet.

Forschungsstand und Herausforderungen

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Zeit grundlegend analysiert.17 Die akademische Institutsarbeit brachte erheb­ liche Spannungen, Rivalitäten und Konkurrenzen mit sich. Wie sich Kittel inmitten dieser prekären Situation verhielt, ist bis ins Detail in der umfang­ reichen Studie von Helmut Heiber aus dem Jahr 1966 nachzulesen.18 Heiber stellt die Forschungsabteilung Judenfrage als eine der aktivsten Abteilungen des Reichsinstituts dar. In dieser war auch der spätere Heidelberger Ordinarius für Neues Testament Karl Georg Kuhn (1906–1976) tätig.19 Eine gewisse Nähe des Instituts zur bayerischen Landeskirche kommt darin zum Ausdruck, dass Günter Schlichting als Vikar bzw. Pfarrer dieser Kirche für den Dienst in der Münchener Abteilung freigestellt worden war. 20 Nach dem Krieg stellte Schlichting diese Tätigkeit als Schutz des jüdischen Kulturguts dar – tatsächlich handelte es sich um Raubgut. 21 Der Stil der Darstellung Heibers ist charakteristisch für die sechziger Jahre. Positivistisch im Detail, aber doch in den Wertungen von einem ungläubigen Staunen gegenüber dem Ansinnen einer nationalsozialistisch inspirierten wissenschaftlichen Geschichtsschreibung geprägt, das sich insgesamt in einem ironisierenden Stil niederschlägt, der die Protagonisten oft genug als lächerliche Figuren dastehen lässt. Rupnow hat Heibers Buch zutreffend in seinen Schwächen dargestellt und festgehalten, dass die Analysen Heibers sich in „süffisantironischen Kommentaren und Formulierungen“ erschöpften.22 Heibers Dar­ stellung sei zudem als ein „Schlüsselroman über das Münchner Institut für Zeitgeschichte“, an dem Heiber tätig war, zu betrachten.23 Dieser Versuchung, den akademischen Betrieb in Deutschland mit seinen verbissenen Streitigkeiten um vermeintliche Kleinigkeiten zu ironi­sieren, konnte auch Henry Wassermann in seinem aufschluss­reichen Buch über Judentumsforschung in der Weimarer Zeit und über jüdi­   Rupnow, Judenforschung, 63–153. Vgl. den Beitrag von Rupnow, Gerhard Kittel und die NS-Judenforschung, in diesem Band. 18   Heiber, Walter Frank. 19   Theissen, Gerd, Neutestamentliche Wissenschaft vor und nach 1945. Karl Georg Kuhn und Günther Bornkamm (Schriften der Philosophisch-Historischen Klasse der Heidelberger Akademie der Wissenschaften 47), Heidelberg: Universitätsverlag Winter 2009; Jeremias, Gert, Karl-Georg Kuhn (1906–1976), in: Breytenbach/Hoppe, Neutestamentliche Wissenschaft, 297–313; Lindemann, Gerhard, Theological Research about Judaism in Different Political Contexts. The Example of Karl Georg Kuhn, in: Kirchliche Zeitgeschichte 17 (2004), 331–338. 20  Günter Schlichting an Gerhard Friedrich vom 25.1.1983, Nachlass Friedrich, Gerhard 8.2.0009 – 42. 21   Schlichting an Friedrich; vgl. von Papen, Patricia, „Scholarly“ Antisemitism during the Third Reich. The Reichsinstitut’s Research on the „Jewish Question“, 1935–1945, New York, NY: Columbia University Dissertation 1999, 181.270; Kühn-Ludewig, Maria, Johannes Pohl (1904–1960). Judaist und Bibliothekar im Dienste Rosenbergs. Eine biographische Dokumentation (Kleine historische Reihe 10), Hannover: Laurentius 2000, 88. 22   Rupnow, Judenforschung, 41. 23   Rupnow, Judenforschung, 41. 17

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Lukas Bormann

sche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die ihre ersten akade­ mischen Qualifikationen in Deutschland erwarben, nicht widerstehen.24 Wassermanns historische Darstellung ist zugleich eine Parodie auf die akademische Welt. Der nichtjüdische deutsche und der jüdische israelische Wissenschaftler, Heiber und Wassermann, verfolgten beide das Ziel, in der Forschung zur Wissenschaftsgeschichte zugleich mit den weniger vorteil­ haften Seiten des Wissenschaftsbetriebs abrechnen zu wollen. Gerade der teilweise auch heute noch gegebene Bezug zur Gegenwart über tatsäch­l iche und vermeintliche Kontinuitäten sollte bei Arbeiten zu Kittel nicht dazu verleiten, den Gegenstand zu einer Abrechnung etwa mit der neutestament­ lichen Wissenschaft als solcher, mit der Tübinger Fakultät oder mit dem Christentum werden zu lassen. Gleichwohl sollten verengte Sichtweisen ge­ genüber dem Judentum in der gegenwärtigen Wissenschaft, die in den NSinspirierten oder NS-geförderten Forschungen dieser Zeit und denjenigen Kittels im Besonderen ihren Ursprung haben, deutlich benannt werden. Dieser Blick auf die frühe Forschungsgeschichte zu Kittel zeigt, dass weder Heiber noch Michel, weder der Historiker noch der Theologe, für ihre Forschungen die Ergebnisse der Entnazifizierungsverfahren oder auch nur die dort zugrunde gelegten Quellen auswerteten. Das direkt nach Kriegsende veröffentlichte Buch „Hitler’s Professors“ von Max Weinreich, der 1923 in Marburg mit einer Studie über das Jiddische promoviert worden war, wurde in der Regel ablehnend knapp erwähnt und im Ergebnis beiseitegeschoben.25 Das Buch Weinreichs beruhte auf umfangreichem Quellenmaterial, das während der NS-Zeit vom YIVO-Institut (Yidisher Visnshaftlekher Institut, später Institute for Jewish Research) gesammelt worden war. Einige Versehen im Detail, Kittel wird etwa als „Alttestamentler“ bezeichnet, machten es den Betroffenen leicht, die Glaubwürdigkeit der dort zusammenges­ tellten Informationen infrage zu stellen.26 In der Folge wurde Weinreichs Buch über Jahrzehnte nur selten herangezogen. Zu den Ursachen für die mangelnde Akzeptanz der Entnazifizierungsverfahren und den in diesem Zusammenhang gesammelten Quellen und Zeugenaussagen hat Clemens Vollnhals wichtige Studien vorgelegt, aus denen deutlich wird, dass die überspannte Ausweitung des inkriminierten Personenkreises zu falschen Solidarisierungseffekten führte, der angestrebte Elitenaustausch von den Alliierten bald aufgegeben wurde und schließlich das gesamte Verfahren vor­   Wassermann, Henry, False Start. Jewish Studies at German Universities during the Weimar Republic, Amherst, NY: Humanity Books 2003. 25   Weinreich, Max, Hitler’s Professors. The Part of Scholarship in Germany’s Crimes against the Jewish People, New York: Humanity Books 1946; Ders., Studien zur Geschichte und dialektischen Gliederung der jiddischen Sprache, 3 Bde., Dissertation Marburg 1923, Maschinenschrift. 26   Weinreich, Hitler’s Professors, 41: „Gerhard Kittel […] a recognized authority in the Old Testament“. 24

Forschungsstand und Herausforderungen

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rangig als Gefährdung des sozialen Status und nicht als gere­chte Sühne für die nationalsozialistische Untaten erlebt wurde.27 Lutz Niethammer ist es gelungen, das Ergebnis seiner umfangreichen Analyse der Entnazifizierung in einem einzigen Wort zusammenzufassen: die „Mitläuferfabrik“.28 Er bezeichnet damit die systema­ t ische Verharmlosung von Personen, die führend am nationalsozialistischen Unrecht mitgewirkt und als „belastet“ zu gelten hatten, zu unbelasteten „Mitläufern“. Die umfang­reiche Akte zum Entnazifizierungsverfahren Kittels in Sigmaringen ist nur gelegent­ lich einmal herangezogen, nicht aber in ihrem gesamten Zusammen­hang mit dem Entnazifizierungsverfahren der Universität Tübingen und den Geheimdienstinformationen und Prozessakten der franzö­sischen Militär­ regierung ausgewertet worden.29 Die französischen Quellen sind nach einer älteren Auskunft des ehemaligen Archivleiters der Universität Tübingen Johannes Wischnath nur schwer zugänglich.30 Mit Michel und Heiber sind in der Forschungsgeschichte zum ersten Mal zwei Perspektiven auf Kittel ausgearbeitet, in deren Nachgeschichte man sich bis heute stellen kann: Die theologische, die den frommen Mitstreiter für das Christentum in seinen Verfehlungen als Judentumsforscher zu erfassen sucht, und die geschichtswissenschaftliche, die sich fragt, wieso ausgerech­ net Evangelische Theologen bis ins Herz der säkularen Wissenschaft hinein, in der sie doch gemessen an den Ansprüchen der NS-Ideologie immer Fremde blieben, ihrer Abneigung gegen das Judentum mit wissenschaftlichem Ehrgeiz und entsprechender mühevoller Genauigkeit Ausdruck verliehen. Diese zwei Perspektiven prägen bis heute die Kittel-Rezeption. Sie wurde durch eine religionswissenschaftliche Perspektive auf hohem theoretischem 27   Vollnhals, Clemens (Hg.), Entnazifizierung. Politische Säuberung und Rehabilitierung in den vier Besatzungszonen 1945–1949, München: dtv 1991; Ders. (Hg.), Entnazifizierung und Selbstreinigung im Urteil der evangelischen Kirche. Dokumente und Reflexionen 1945–1949 (Studienbücher zur kirchlichen Zeitgeschichte 8), München: Kaiser 1989; Ders., Evangelische Kirche und Entnazifizierung 1945–1949. Die Last der nationalsozialistischen Vergangenheit (Studien zur Zeitgeschichte 36), München: Oldenbourg 1989; Ders., Im Schatten der Stuttgarter Schulderklärung. Die Erblast des Nationalprotestantismus, in: Manfred Gailus/ Hartmut Lehmann (Hg.), Nationalprotestantische Mentalitäten. Konturen, Entwicklungslinien und Umbrüche eines Weltbildes (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 214), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2005, 379–431; Ders. Die evangelische Kirche nach dem Zusammenbruch. Berichte ausländischer Beobachter aus dem Jahre 1945 (Arbeiten zur kirchlichen Zeitgeschichte A 3), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1988. 28   Niethammer, Lutz, Die Mitläuferfabrik. Die Entnazifizierung am Beispiel Bayerns, Berlin/Bonn: Dietz ²1982, 83–89. 29   Diese Forschungslücke schließt der Beitrag von Vollnhals, Gerhard Kittel und das ge­ plante Spruchkammerverfahren, in diesem Band. 30   Wischnath, Johannes Michael, Eine Frage des Stolzes und der Ehre. Die politische Säuberung der Universität Tübingen und ihr letzter NS-Rektor Otto Stickl, in: Wolfgang Sannwald (Hg.), Persilschein, Käferkauf und Abschlachtprämie. Von Besatzern, Wirtschafts­ wunder und Reformen im Landkreis Tübingen, Tübingen: Schwäbisches Tagblatt 1998, 103–123.

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Niveau von Horst Junginger ergänzt.31 Er hat in mehreren quellengesättigten Studien die Tübinger Verhältnisse und die Konkurrenzen zwischen christ­ lichen NS-affinen antisemitischen Theologen und den verschiedenen anti­ christlichen rassisch-biologistischen Weltanschauungsgemeinschaften auf­ gearbeitet. Ein wichtiger Vermittler zwischen den Disziplinen Evangelischer Theologie, Geschichtswissenschaft und Religionswissenschaft ist der Historiker Manfred Gailus. Er hat durch gewichtige Einzelstudien und programmatische Beiträge die Wahrnehmung des Protestantismus in der Geschichtswissenschaft und in der weiteren Öffentlichkeit entscheidend ge­ prägt und bezieht in seinen Arbeiten zunehmend die historische, die theolo­ gische und die religionswissenschaftliche Perspektive aufeinander, um zu einem geschlossenen Bild der Intentionen und des Wirkens Kittels sowie seiner Wirkungsgeschichte im Protestantismus zu gelangen.32 Die drei Perspektiven der Evangelischen Theologie, der Geschichts­ wissenschaft und der Religionswissenschaft zu einem umfassenden Bild Kittels zusammenzuführen, ist eine nach wie vor noch nicht bewältigte Aufgabe. Einen wichtigen Beitrag zur Vermittlung dieser verschiedenen Sichtweisen kann die Religionsphilosophie leisten. Der Religionsphilosoph Alon Segev hat bereits mehrere Studien vorgelegt, in denen er das Verhältnis von Religion und Gewalt im deutschen Protestantismus analysiert.33

B. Der Durchbruch: Die Arbeiten von Leonore Siegele-Wenschkewitz In den siebziger Jahren befasste sich die junge Tübinger Kirchengeschichtlerin Leonore Siegele-Wenschkewitz (1944–1999) am Lehrstuhl von Klaus   Junginger, Horst, Die Verwissenschaftlichung der „Judenfrage“ im Nationalsozialismus, Darmstadt: wbg Academic 2013; Ders., The Study of Religion under the Impact of Fascism (Studies in the History of Religions 117), Leiden: Brill 2008; Ders., Von der philologischen zur völkischen Religionswissenschaft. Das Fach Religionswissenschaft an der Universität Tübingen von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Ende des Dritten Reiches (Contubernium 51), Stuttgart: Franz Steiner 1999. 32   Gailus, Manfred/Vollnhals, Clemens (Hg.), Christlicher Antisemitismus im 20. Jahr­ hundert. Der Tübinger Theologe und „Judenforscher“ Gerhard Kittel (Berichte und Studien 79), Göttingen: V&R unipress 2019; Ders., Gläubige Zeiten. Religiosität im Dritten Reich, Freiburg: Herder 2021; vgl. den Beitrag von Gailus, Die Biographie Gerhard Kittels: Eine Herausforderung für Theologie und Geschichtswissenschaft, in diesem Band. 33   Segev, Alon, Religion, Race, and Politics. Gerhard Kittel and the Jewish Question, in: Alexander Dubrau u.a. (Hg.), Transfer and Religion. Interactions between Judaism, Christianity and Islam from the Middle Ages to the 20th Century (Sapientia Islamica), Tübingen: Mohr Siebeck 2021; Morgenstern, Matthias/Segev, Alon, Gerhard Kittels „Verteidiging“. Die Rechtfertigungsschrift eines Tübinger Theologen und „Judentumsforschers“ vom Dezember 1946, Berlin: Berlin University Press 2019. Vgl. den Beitrag von Segev, Religious Justification for Violence in Gerhard Kittel’s Die Judenfrage, in diesem Band. 31

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Scholder (1930–1985) mit der Geschichte der Kirche im Nationalsozialismus. Die Absicht, eine Fakultätsgeschichte zum 500sten Universitätsjubiläum 1977 abzufassen, ließ viele Fakultätsmitglieder nach angemessenen Themen suchen.34 Siegele-Wenschkewitz, die Tochter des Neutestamentlers Hans Wenschkewitz (1904–1987), kam auf Kittel. Sie erhielt Zugang zur Familie Kittel. Das Gespräch mit den Angehörigen und ihre Quellenstudien ermög­ lichten es ihr, Studien zum Fall Kittel auszuarbeiten, die bereits vor ihren Veröffentlichungen 1978 und 1980 erhebliche Wellen schlugen.35 Um diese hohe Aufmerksamkeit zu erreichen, genügte es damals, die offensichtlichen historischen Sachverhalte wie die NSDAP-Mitgliedschaft Kittels zu thema­ tisieren, in ein Narrativ zu bringen und den Blick auf Kittels Mitwirken an den Zielen des nationalsozialistischen Staates zu richten. Die Studie gilt als grundlegender Durchbruch der Kittel-Forschung, aber zumindest eine ihr­ er Hauptthesen wird nach wie vor heftig diskutiert. Siegele-Wenschkewitz behauptete: „Kittel ist erst durch die politischen Verhältnisse des Jahres 1933 und deren Einschätzung, die sich nachträglich auch ihm selbst als Fehler herausstellte, zu einem antisemitischen Wirken gekommen.“36 Sie löste durch die Einführung dieses biographischen Narrativs eine Fokussierung auf die Fragestellung des Zeitpunkts und damit der interpre­ tativen Kontextualisierung des Kittelschen Antisemitismus aus, der es ihr aber auch ermöglichte, diesen klar zu benennen. Im Grunde wiederholte sie in der Biographie Kittels die Hauptthese der Kirchengeschichtsschreibung Scholders, nach der die evangelische Kirche 1933 benebelt von Illusionen den Nationalsozialismus begeistert aufgenommen habe, im Jahr 1934 aber bereits wieder ernüchtert aus ihren Träumen von einem christlich-protestantischen deutschen Staat herausgerissen worden sei.37 Sie fügte aber in dieses Narrativ eine provokative Variante ein: Bei Kittel hielt die Begeisterung weit über das Jahr 1934 an und es blieb überhaupt unklar, ob und zu welchem Zeitpunkt   Köpf, Ulrich, Die Universität Tübingen und ihre Theologen. Gesammelte Aufsätze, Tübingen: Mohr Siebeck 2020. 35   Siegele-Wenschkewitz, Leonore, Gerhard Kittel und die Judenfrage, in: Tübinger Theologie im 20. Jahrhundert, Zeitschrift für Theologie und Kirche Beiheft 4, Tübingen: Mohr Siebeck 1978, 53–80; Dies., Neutestamentliche Wissenschaft vor der Judenfrage. Gerhard Kittels theologische Arbeit im Wandel deutscher Geschichte (Theologische Existenz heute NF 208), München: Kaiser 1980. 36   Siegele-Wenschkewitz, Leonore, Neutestamentliche Wissenschaft, 36, vgl. 42: „Kittels wissenschaftliche Arbeiten, gerade seine wechselnden Thesen zum Verhältnis von Christentum und Judentum spiegeln unmittelbar die jeweiligen politischen Verhältnisse, unter denen er lebt und arbeitet, wider.“ Vgl. Rese, Martin, Antisemitismus und neutestamentliche Forschung. Anmerkungen zum Thema „Gerhard Kittel und die Judenfrage“, in: Evangelische Theologie 39 (1979), 557–570. 37   Scholder, K laus, Die Kirchen und das Dritte Reich, Bd. 1. Vorgeschichte und Zeit der Illusionen 1918–1934, Frankfurt am Main/Berlin: Ullstein 1986; Ders., Die Kirchen und das Dritte Reich, Bd. 2, Das Jahr der Ernüchterung: 1934, Barmen u.a.: Ullstein 1988. 34

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diese geendet hatte. Kittels Biographie wurde zum Paradigma der anhal­ tenden Verbundenheit der protestantischen Kirche und Theologie mit dem NS-Staat und seiner Ideologie. Der Zeitgeschichts- und Holocaustforscher Alan Steinweis folgte der These von Siegele-Wenschkewitz, nach der Kittel erst 1933 zum Antisemiten geworden sei, in seinen einflussreichen Studien.38 Für Steinweis ist deswegen die „Bekehrung Kittels zum Antisemitismus“ nach wie vor ein Rätsel, dessen Lösung noch ausstehe.39 Neben der zuvor genannten Perspektivverschränkung von Theologie, Geschichtswissenschaft und Religionswissenschaft ist auf eine zweite Herausforderung der Kittel-Forschung zu verweisen: Welche Wirkkräfte brachten Kittel dazu als einer der wenigen aus dem Kreis der lange vor 1933 als Ordinarien etablierten Professoren, sich so vehement dem Nationalsozialismus zuzuwenden und noch dazu seine eigene wissenschaft­ liche Kompetenz und Reputation mit der antisemitischen Weltanschauung zu verbinden? Einfacher formuliert: Warum wurde der Ordinarius für Theologie nicht nur zum Nazi, sondern auch zum aktiven wissenschaftlichen und politischen Antisemiten? Siegele-Wenschkewitz hat die Einwände ge­ gen ihr Bekehrungsnarrativ scharf und zum Teil unsachlich zurückgewiesen, obwohl doch eine „Bekehrung“ im Sinne eines grundlegenden Wandels des Weltbilds als Analysemodell in der historischen Arbeit eher die Ausnahme als die Regel ist.40 Selbst bei Paulus oder Augustinus, die ja als die Paradigmen der extremen Lebenswende im Sinne eines Damaskuserlebnisses schlechthin gelten, stellt die Konversionsforschung fest, dass neben der oft rhetorisch herausgestellten Diskontinuität zahlreiche sachliche Kontinuitäten erhalten blieben, bei Paulus zum Judentum, bei Augustinus zum Manichäismus. Die so­ zialwissenschaftliche Konversionsforschung spricht deswegen von Prozessen der Dekonversion, die der nicht selten überzogen inszenierten und rhetorisch überhöhten Konversion vorausgehen.41 So ist es mehr als plausibel, dass neue quellenbasierte Untersuchungen zur Wendung Kittels zum nationalsozialis­ tischen Judenforscher auch Kontinuitäten wie etwa seine Zugehörigkeit zum rechtskonservativen Protestantismus zutage bringen werden. Das kann aber nur gelingen, wenn weitere Quellen in die Forschung miteinbezogen werden. In der Quellenfrage liegt die größte Herausforderung, aber auch das wichtig­ ste Potential, um über das unbefriedigende Kittel-Bild hinaus zu gelangen. 38   Steinweis, Alan E., Studying the Jew. Scholarly Antisemitism in Nazi Germany, Cambridge: Harvard University Press 2006, 66–76. 39  Alan Steinweis an Lukas Bormann vom 13.11.2019. 40   Siegele-Wenschkewitz, Leonore, Neutestamentliche Wissenschaft, 32: „Als HobbyKirchenhistoriker tummelt er [Martin Rese] sich auf einem Feld, dessen Ansprüche an einen Bearbeiter er ganz offensichtlich unterschätzt.“ 41   Streib, Heinz, Deconversion. Qualitative and Quantitative Results from Cross-Cultural Research in Germany and the United States of America (Research in Contemporary Religion 5), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2009, 17–22.

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Auch mit Blick auf die internationalen Dimensionen der Biographie und des Wirkens Kittels sind noch zahlreiche offene Fragen näher zu unter­ suchen. Neben dem bereits genannten Bezug zu Österreich, genauer nach Wien, rücken die Niederlande und die skandinavischen Länder näher in den Fokus. Arie Zwiep hat zahlreiche Studien zur Fachgeschichte vorgelegt.42 Er analysiert in diesem Band den in Amsterdam lagernden Briefwechsel Kittels mit dem niederländischen Professor F.W. Grosheide (1881–1972).43 Über Grosheide erschließt sich die Verbindung zum europäischen protestantische­n Antisemitismus, dessen Vernetzung noch kaum untersucht wurde. Der nieder­ländische reformierte Protestantismus ist vielgestaltig und durch eine Geschichte von Trennungen und Wiedervereinigungen geprägt, bei denen Fragen der Nähe zum Staat bzw. der religiösen Toleranz und damit nach der Stellung des Judentums eine große Rolle spielten. Eine zentrale Figur in diese­n Konstellationen war Abraham Kuyper (1837–1920), neocalvinis­t ischer Theologe und Politiker, Gründer der Freien Universität Amsterdam und von 1901–1905 Ministerpräsident der Niederlande. Die Schriften Kuypers zum Judentum und zum politischen Liberalismus spielen im Briefwechsel Kittels mit Grosheide im Jahr 1933 eine bedeutende Rolle. Der niederländische und der deutsche Theologe versuchten die Gemeinsamkeiten in ihrer Haltung zum Judentum zu bestimmen, indem sie auf Kuyper Bezug nahmen.44 George Harinck, der diesen Aspekt näher untersucht, ist spezialisiert auf die Geschichte der neocalvinistischen Kirche und auf die ihres Übervaters Kuyper, der im Kuyper-Jahr 2020, 100 Jahre nach seinem Tod, Gegenstand zahlreicher Debatten in den Niederlanden war.45 Das Wirken Kittels während seiner Aufenthalte in den Niederlanden fand große Aufmerksamkeit in den dortigen reformierten Kirchen, aber auch in den jüdischen Gemeinschaften,   Zwiep, Arie, Bible Hermeneutics from 1950 to the Present. Trends and Developments, in: Oda Wischmeyer (Hg.), Handbuch der Bibelhermeneutiken. Von Origenes bis zu Gegenwart, Berlin: De Gruyter 2016, 933–1008; Ders., Judas and the Jews. Anti-Semitic Interpretation of Judas Iscariot, Past and Present, in: Ders., Christ, the Spirit and the Community of God (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 2/293), Tübingen: Mohr Siebeck, 2009, 77–99; Ders., Tussen tekst en lezer. Een historische inleiding in de bijbelse hermeneu­ tiek, Bd. 2: Van moderniteit naar postmoderniteit, Amsterdam: VU University Press, 2013, 4 2021. 43   Vgl. dazu den Beitrag von Zwiep, Gerhard Kittel und Frederik Willem Grosheide: Ein Briefwechsel über drei Jahrzehnte (1922–1946), in diesem Band. 44   Vgl. dazu den Beitrag von Harinck, Bittersweet: Abraham Kuyper’s View on Jews in relation to the Reception of Gerhard Kittel’s View in Neo-Calvinist Circles in the Netherlands, in diesem Band. 45   Harinck, George, Foreword – Being public. On Abraham Kuyper and his Publications, in: Tjitze Kuipers (Hg.), Abraham Kuyper. An Annotated Bibliography 1857–2010 (Brill’s Series in Church History 55), Leiden: Brill 2011, VII–XXI; Ders., Het gereformeerde geheu­ gen. Protestantse herinneringsculturen in Nederland, 1850–2000, Amsterdam: Bert Bakker 2009. 42

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die große Erwartungen an den Sohn des als judenfreundlich geltenden Vaters Rudolf Kittel richteten. Diese Erwartungen wurden durch die auch in den Niederlanden breit rezipierte Schrift Kittels „Die Judenfrage“ schwer ent­ täuscht.46 Gert van Klinken ist ein Spezialist für die Haltung der niederlän­ dischen Kirchen zum Judentum.47 Den Resonanzraum, den die Arbeiten von Kittel und Grosheide in den Niederlanden fanden, beleuchtet van Klinken, indem er die Entwicklung der Haltung zur Judenmission analysiert.48 Über die Niederlande vermittelt, studierten auch Exegeten aus Südafrika bei Kittel in Tübingen. Die Verbindungslinien von Kittels Exegese zur Rechtfertigung der Apartheidpolitik hat Jakobus Kok herausgearbeitet.49 Er beleuchtet ein­ en bisher nur selten behandelten Teil der Wirkungsgeschichte Kittels, zu der wohl auch die theologische Rechtfertigung der Apartheidpolitik ge­ hört.50 Die Beziehung des schwedischen Ordinarius für Neues Testament und Judentumsforscher Hugo Odeberg (1898–1973) in Lund zu Kittel und Walter Grundmann (1906–1976) ist immer wieder einmal in der Forschung thematisiert worden. Der Nachlass Odebergs wurde aber erst vor wenigen Jahren zugänglich. Hannah Kreß, die sich bereits eingehend mit interna­ tionalen Wissenschaftlernetzwerken befasst hat, analysiert auf der Basis des Briefwechsels von Odeberg mit Kittel die Verbindung nach Schweden und die Versuche, „NS-regimeaffine“ Wissenschaftlernetzwerke zu bilden.51 Kittel hatte Odeberg vorwiegend mit Artikeln zu biblisch-jüdischen Namen für das Theologische Wörterbuch beauftragt. Die Aufgabe, diese unter philo­logischen und exegetischen Gesichtspunkten zu analysieren und in das Gesamtwerk Odebergs zum Judentum einzuordnen, hat Guido Baltes, ein ausgewiesener Kenner der Forschungsgeschichte zur hebräischen und ara­ mäischen Sprache in den Bibelwissenschaften, übernommen.52 Zum Kreis   Kittel, Gerhard, Die Judenfrage, Stuttgart: Kohlhammer, 31934.   Klinken, Gert J. van, Opvattingen in de Gereformeerde Kerken in Nederland over het Jodendom, 1896–1970, Kampen: Kok 1996. 48  Vgl. den Beitrag von van Klinken, Jewish Mission and Chiliasm in the Reformed Churches in the Netherlands, 1896–1948, in diesem Band. 49   Kok, Jakobus, Drawing and Transcending Socio-Religious Boundaries – The Influence of Gerhard Kittel on Evert P. Groenewald: The Shaping of an Apartheid Theologian?, in: Ders./Martin Webber/Jermo van Nes (Hg.), Drawing and Transcending Boundaries in the New Testament and Early Christianity (Beiträge zum Verstehen der Bibel/Contributions to Understanding the Bible 38), Münster: Lit 2019, 153–177. 50   Vgl. den Beitrag von Kok, Implicit Influence of Kittel and Grosheide in the Shaping of Apartheid in South-Africa: The Case of Evert P. Groenewald, in diesem Band. 51   K ress, Hannah/Bormann, Lukas: “Free from German ‘Schulmeinungen’ and other one-sidedness”: Die Entstehungsgeschichte der New Testament Studies (1936–1954), in: New Testament Studies 66 (2020), 21–50. Vgl. den Beitrag von K ress, “[S]o viel Verständnis für [...] unser nationalsozialistisches Denken”: Hugo Odeberg und Gerhard Kittel, in diesem Band. 52   Baltes, Guido, Hebräisches Evangelium und synoptische Überlieferung. Untersuchungen zum hebräischen Hintergrund der Evangelien (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 2/312), Tübingen: Mohr Siebeck 2011; Ders., The Use of Hebrew and Aramaic in 46 47

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der NS-affinen Judentumsforscher um Kittel gehörte auch der Gießener Ordinarius für Neues Testament Georg Bertram (1896–1979). Er wirkte auf Einladung Kittels als Spezialist für die griechische Textfassung des Alten Testaments, die so genannte Septuaginta, am Theologischen Wörterbuch mit. Brandon Massey, der zum deutsch-englischen Wissenstransfer in der neutestamentlichen Wissenschaft gearbeitet hat, analysiert Bertrams Wirken im Umfeld von Kittel und Grundmann.53 Ausgehend vom Stand der Forschung lassen sich zu fünf Fragekomplexen neue Erkenntnisse gewinnen: 1) Die produktive Verschränkung der Per­spek­ tiven der Fachdisziplinen Theologie, Geschichtswissenschaft, Religions­ wissenschaft und Religionsphilosophie, 2) die Erforschung der NS-Wissen­ schafts­geschichte als selbstreflexive Auf klärung der beteiligten Disziplinen, 3) die lang anhaltende Dekonversion Kittels von der auf klärerischen Humanität und Liberalität seines Elternhauses und dessen vermeintliche Konversion zum Antisemitismus, 4) bisher noch nicht ausgewer­t ete Quellen zu den einzelnen Stationen der Biographie Kittels, 5) die internationale Vernetzung Kittels und deren Wirkungsgeschichte.

C. Der Exeget Kittel als Repräsentant der deutschsprachigen Exegese Der 1921 nach Greifswald berufene Kittel führte in seinen Forschungen zum antiken Judentum („Spätjudentum“) eine Fragestellung weiter, der sich sein berühmter Vater Rudolf Kittel zunehmend angenommen hatte. Dieser hatte gemeinsam mit dem Sohn die Reihe „Beiträge zur Wissenschaft vom Alten Testament“ umgewidmet zu „Beiträge zur Wissenschaft vom Alten und Neuen Testament“. In seiner wenige Jahre vor seinem Tod abgefassten Autobiographie erklärte Vater Kittel, er wolle in seinen letzten Jahren „die Fortführung der Studien über das Judentum zu einer zusammenhängen­ den Geschichte desselben“ bewerkstelligen.54 Das Verhältnis von Vater und

Epigraphic Sources of the New Testament Era, in: Randall Buth/Steven R. Notley (Hg.), The Language Environment of First Century Judaea. Jerusalem Studies in the Synoptic Gospels, Bd. 2 (Jewish and Christian Perspectives Series 26), Leiden: Brill 2014, 35–65. Vgl. den Beitrag von Baltes, Die Artikel von Hugo Odeberg und Gerhard Kittel zu den biblischen Namen im ThWNT, in diesem Band. 53   Massey, Brandon, Translating, Summarising and Hidden Attribution. R.H. Lightfoot’s Problematic Use of German Scholarship, in: New Testament Studies 66 (2020), 601–629. Vgl. den Beitrag von Massey, Gerhard Kittel und sein “Spezialist” für die Septuaginta Georg Bertram, in diesem Band. 54   Kittel, Rudolf, Autobiographie, in: Erich Stange (Hg.), Die Religionswissenschaft der Gegenwart in Selbstdarstellungen, Bd. 1, Leipzig: Meiner 1925, 113–144, hier 142.

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Sohn ist nur im Ansatz näher analysiert.55 Die Zerstörung des Leipziger Universitätsarchivs setzt für derartige Forschungen enge Grenzen. Es spricht aber vieles dafür, dass der Vater direkt und indirekt erheblich auf die Karriere des Sohnes eingewirkt hat. In Greifswald vertiefte Kittel wichtige Prägungen, indem er mit dem Erbe Hermann Cremers (1834–1903), dem Begründer des Vorgängerwerks des Theologischen Wörterbuchs, vertraut wurde und neben dem Judentums- und Palästinaforscher Gustaf Dalman (1855–1941) wirkte. Mit den Greifswalder Jahren Kittels hat sich Felix John befasst.56 John hat sich bereits ausführlich mit dem Wirken Kittels in Kiel, wo er im Ersten Weltkrieg als Marinepfarrer eingesetzt und im Jahr 1917 habilitiert worden war, beschäftigt.57 In dem von John herausgegebenen Band findet sich auch eine aufschlussreiche Studie zu Johannes Leipoldt (1880–1965), der als einer der wesentlichen Lehrer Kittels angesehen werden muss.58 In ihren programmatischen Aussagen zu dem damals neuen Forschungs­ gebiet des Judentums hielten Sohn wie Vater Kittel fest, dass man zunächst mit jüdischen Wissenschaftlern zusammenarbeiten müsse, dann aber diese durch kompetente christliche Wissenschaftler nach und nach ablösen solle, um die Forschungen für das Christentum fruchtbar zu machen. Gerhard Kittel wandte sich dem rabbinischen Judentum zu, um es für das Verständnis des Christentums zu erschließen. Es gab auf diesem Gebiet nur wenig Konkurrenz. Zugleich konnte man auf diesem Feld schnell eine Expertise er­ werben, die in der akademischen Welt gefragt war. Die Spezialforschungen Kittels wurden dann auch zu einem wichtigen Thema im bereits genannten Briefwechsel mit seinem Amsterdamer Kollegen Grosheide. Kittels Übersetzung und Erläuterung der rabbinischen Schrift, des tan­ naitischen Midraschs Sifre zu Deuteronomium, fand Grosheides Interesse.59 Im September 1923 regte er Kittel dazu an, nach Amsterdam zu kommen, um die in Deutschland nicht zugängliche englischsprachige Literatur zum

55  Vgl. Bormann, Lukas, Between Prophetic Critique and Raison d’état. Rudolf Kittel on German Jews during the Great War and on Old Testament Hebrews in Biblical Wars, in: Andrew Mein/Nathan MacDonald/Matthew A. Collins (Hg.), The First World War and the Mobilization of Biblical Scholarship, London: T&T Clark 2019, 49–67. Vgl. auch den Beitrag von Bormann, Anti-Semitic Exegesis of the New Testament 1900–1945: From Rudolf Kittel (1853–1929) to His Son Gerhard (1888–1948), in diesem Band. 56   Vgl. den Beitrag von John, Gerhard Kittel in Greifswald (1921–1926), in diesem Band. 57   John, Felix, Vom ‚Spätjudentum‘ zur ‚Judenfrage‘. Gerhard Kittel (1888–1948), in: Ders./Swantje Rinker (Hg.), Exegese in ihrer Zeit (Arbeiten zur Bibel und ihrer Geschichte 52), Leipzig: EVA 2015, 158–181. 58   Schult, Maike, Anpassungsbereit und stets zu Diensten. Zeit- und Streitfragen zu Johannes Leipoldt (1880–1965), in: John/Rinker, Exegese, 121–140. 59   Kittel, Gerhard, Sifre zu Deuteronomium, übersetzt und erläutert, Stuttgart: Kohl­ hammer 1922.

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rabbinischen Judentum zu studieren.60 Seine Arbeiten in der wichtigsten kontinentaleuropäischen Spezialbibliothek für Judaica, der Rosenthaliana in Amsterdam, gehören zu den Vorbereitungen für die Etablierung des er­ sten wichtigen Forschungsfeldes Kittels: der Übersetzung und Erläuterung rabbinischer Schriften. Schon 1923 machte Kittel deutlich, dass ihm diese Arbeiten in erster Linie dazu dienen sollten, die Besonderheit Jesu und damit des Christentums zu unterstreichen. Kittel schrieb an Grosheide: Ich selbst | glaube, je intensiver ich in die jüdische Literatur und deren Geist ein­ dringe, dass die Besonderheit der Ethik Forderung Jesu an keinem Punkt in dem ethis­ chen Einzelsatz liegt, sondern einerseits in der absoluten Konzentration und absoluten Intensität, mit der er die Forderung hinstellt; andererseits in dem Sohnesbewusstsein Jesu selbst, das den Hintergrund aller seiner Forderungen bildet. In seinem Munde ist die Forderung Gottes- und Christusforderung, d.h. selbst ein Stück seines Reiches. Ich hoffe, unter diesem Gesichtspunkt den Vergleich der Ethik des Judentums und Jesu 61 noch einmal durchführen zu können.62

Diese und andere Arbeiten qualifizierten Kittel für den Ruf auf die Nachfolge Schlatters nach Tübingen. Schlatter hatte seine Theologie auf der Basis einer ausführlichen Kantkritik entfaltet, in deren Folge er einen theo­logischen Weg wählte, der in der akademischen Theologie Deutschlands als Sonderpfad galt. Schlatter selbst zeigte auch kein Interesse daran, die Verbindung zu den wichtigsten Vertretern der neutestamentlichen Wissenschaft in Deutschland herzustellen. Dennoch rückte Kittel Schlatters Exegese in die Mitte der Programmatik des Theologischen Wörterbuchs. In das Verhältnis von Schlatter und Kittel führt Roland Deines ein, der bedeu­ tende Beiträge zu Kittel, Grundmann, aber eben auch zu Schlatter vorgelegt hat und Träger des Adolf Schlatter-Preises 2005 ist.63 Kittels Publikationen in dieser Zeit und die von ihm angestoßenen Editionsprojekte für Rabbinica mündeten in einen Förderantrag bei der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft. Im März 1928 gutachteten un­ ter anderem der Altphilologe Eduard Meyer (1855–1930) sowie die jüdischen Wissenschaftler Harry Torczyner (1886–1973) und Ismar Elbogen (1874–   Kittel an Grosheide vom 28.9.1923, HDC Inv. 111 F.W. Grosheide, K 141.   S. dazu Kittel, Gerhard, Die Bergpredigt und die Ethik des Judentums, in: Zeitschrift für systematische Theologie 2 (1925), 555–594. 62   Kittel an Grosheide vom 28.9.1923, HDC Inv. 111 F.W. Grosheide, K 141. 63   Deines, Roland, Biblische Texte und zeitgeschichtliche Deutungen. Neutestamentler und die nationalsozialistische Machtergreifung, in: Michael Meyer-Blanck (Hg.), Geschichte und Gott. XV. Europäischer Kongress für Theologie (Veröffentlichungen der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie 44), Leipzig: EVA 2016, 442–482; Ders. (Hg.), Walter Grundmann. Ein Neutestamentler im Dritten Reich (Arbeiten zur Kirchen- und Theologiegeschichte 21), Leipzig: EVA 2007; Ders., Die Pharisäer. Ihr Verständnis im Spiegel der christlichen und jüdi­ schen Forschung seit Wellhausen und Graetz (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 101), Tübingen: Mohr Siebeck 1997, 413–448. Vgl. den Beitrag von Deines, Gerhard Kittel und Adolf Schlatter: Dokumentation einer Beziehung, in diesem Band. 60 61

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1943) über Kittels Projektantrag, der das Ziel verfolgte, wissenschaftliche Übersetzungen und Kommentierungen der Tosefta und der tannaitischen Midraschim anzufertigen. Der Antrag wurde zur Förderung angenommen.64 Wassermann, Junginger und einige andere haben die Unterlagen teilweise ausgewertet, aber auch hier wäre eine vertiefte Beschäftigung mit den Quellen und deren Einordnung in die Wissenschaftslandschaft dieser Jahre wünschenswert. Nach der Genehmigung der Forschungsmittel konnte Kittel die jüngeren Wissenschaftler, zu denen er bereits Kontakt hatte, fester an sich binden. Die zweite bedeutende Lebensleistung, die Kittel als Forscher in Angriff nahm, und die ungleich wirksamer zu seiner wissenschaftlichen Bedeutung beitrug, war die Herausgabe des Wörterbuchs zum Neuen Testament. Ursprünglich sollte er die nur die Verantwortung für das bereits in 11. Auflage erschienene Biblisch-Theologischen Wörterbuch übernehmen. In den Gesprächen mit dem Vorgänger Kögel war bereits thematisiert worden, dass Kittel das Wörterbuch um rabbinische Belege ergänzen solle. Die an ihn herangetragene Aufgabe, das Wörterbuch insgesamt herauszugeben, verstand er von nun an bis zu seinem Tod neben der Arbeit an den Rabbinica als das zweite seiner wissenschaftlichen Hauptaufgabenfelder. Sehr früh war ihm klar, dass er das Cremersche Wörterbuch neu konzipieren müsse, um es „aus der lexikographisch-philologischen Verknöcherung“ herauszu­ bringen.65 Mit einigem Geschick gelang es ihm, Rudolf Bultmann (1884– 1976) für das Projekt zu gewinnen, so dass sich der Kreis der neutesta­ mentlichen Ordinarien, die zur Mitarbeit bereit waren, schnell auf zwan­ zig erweiterte.66 Die Grundkonzeption des Wörterbuchs, die Verteilung der Artikel und die Verlagsverträge aller Mitarbeiter waren im Jahr 1929 abgeschlossen. Das Theologische Wörterbuch begann als ein kollegial an­ gelegtes Gemeinschaftsprojekt der deutschsprachigen neutestamentlichen Exegese. Erst die politische Wende des Jahres 1933 und der große Erfolg des Wörterbuchs verschafften Kittel eine größere Bewegungsfreiheit, um als Herausgeber Einfluss auszuüben. Das bis heute wirkungsreiche und bestän­ dig genutzte Theologische Wörterbuch zum Neuen Testament (ThWNT) und seine weltweit verbreitete englische Übersetzung (Theological Dictionary of 64  Vgl. Wassermann, False Start, 183f. Zur Notgemeinschaft vgl. Zierold, Kurt, Forschungsförderung in drei Epochen. Deutsche Forschungsgemeinschaft. Geschichte, Arbeitsweise, Kommentar, Wiesbaden: Franz Steiner 1968, 108; Wagner, Patrick, Grenz­ wächter und Grenzgänger der Wissenschaft. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Geistes- und Sozialwissenschaften 1920–1970, in: Karin Orth/Willi Oberkrome (Hg.), Die Deutsche Forschungsgemeinschaft 1920–1970. Forschungsförderung im Spannungsfeld von Wissenschaft und Politik (Beiträge zur Geschichte der Deutschen Forschungsgemeinschaft 4), Stuttgart: Franz Steiner 2010, 347–362, 349f. und 355f. 65   Kittel an Grosheide vom 10.9.1930, HDC Inv. 111 F.W. Grosheide, K 174. 66   Bormann, Lukas, Rudolf Bultmann und das Theologische Wörterbuch zum Neuen Testament. Eine Neubewertung, in: Zeitschrift für Theologie und Kirche 118 (2021), 21–54.

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the New Testament = TDNT) galt in der neutestamentlichen Exegese zwis­ chen 1933 und 1965 als die grundlegende Autorität in exegetischen Fragen. Es war zwar von Anfang an nicht unumstritten, aber erst die Kritik aus linguistischer Perspektive, die im Jahr 1961 von James Barr vorgebracht wurde, stellte seine Grundkonzeption grundlegend infrage.67 1929 hingegen gab es unter den Mitarbeitern keine Einwände gegen die Grundausrichtung des Wörterbuchs. Man hatte sich verpflichtet, die neutestamentlichen Wörter als Begriffe zu interpretieren, in denen das Besondere und das Neue im Christentum seinen Ausdruck finde. Die Artikel hatten die Aufgabe, ein christliches Spezifikum mit theologischer Relevanz von seinen hellenis­ tischen, von jüdischen sowie von allen weiteren religionsgeschichtlich als relevant erachteten Voraussetzungen, etwa der Gnosis oder der iranischen Religion, zu lösen. Kittel forderte, dass jeder Artikel „das Eigenste des Neuen Testaments“ herausarbeiten und an den behandelten Lexemen das „neue Gewicht“, das „neue Gepräge“ und die „neue Energie“ hervorheben sollte.68 Immer wieder mahnte er die Autoren, nicht beim lexikographisch Gelehrten stehenzubleiben, sondern einen theologischen Sinn herauszuar­ beiten, eben „das theologisch Bedeutsame und Charakteristische“ zusam­ menzufassen.69 Er forderte, es müsse „bei jedem, auch dem kleinsten Artikel herausgearbeitet werden, sei es auch nur mit ein paar Worten, worin die theologische Bedeutung der Vokabel liegt, d.h. worin das Anrecht des Artikels auf einen Platz im Wörterbuch besteht.“ 70 Nicht alle Autoren waren mit dieser Vorgabe glücklich. Karl Ludwig Schmidt fragte bei Bultmann ironisierend an, was er denn Theologisches aus dem Wort gr. ποιέω für „tun, handeln, machen“, das im Neuen Testament etwa 568 Mal vorkommt, herausarbeiten solle.71 Bultmann selbst teilte das Anliegen Kittels, aus dem Neuen Testament das spezifisch Christliche herauszuarbeiten, führte diese Aufgabe aber in einer Weise durch, die Kittel eher Unbehagen bereitete. Bultmann sah bekanntlich das Spezifische nicht in dieser oder jener Aussage des Neuen Testaments, sondern in dem in diesem zum Ausdruck gebrachten christlichen Existenzverständnis, das er in den formalen Kategorien der Heideggerschen Fundamentalontologie darstellte. Kittel und anderen war das wiederum nicht christlich genug. Einige der ersten Rezensenten der ersten Bände stellten fest, dass die Suche nach dem Bedeutsamen und Charakteristischen gelegentlich etwas überzo­   Barr, James, The Semantics of Biblical Language, London: Oxford University Press 1961. 68   Wörterbuch Mitteilung Nr. IV vom 12.11.1929, Universitätsbibliothek Tübingen (UBT) Mn 2–181. 69   Wörterbuch Mitteilung Nr. VII vom 17.7.1930, UBT Mn 2–181. 70   Wörterbuch Mitteilung Nr. IX. vom 31.10.1930, UBT Mn 2–181. 71   Der Artikel war dann ausgeführt worden von: Braun, Herbert, Art. ποιέω, in: ThWNT 6 (1959), 456–483. 67

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gen wirke, andere hielten das Wörterbuch deswegen für einen Rückschritt der Forschung.72 Die große Mehrheit der Evangelischen Theologen und auch die große Zahl der akademisch gebildeten und theologisch interessierten Protestanten hingegen waren begeistert. Die Verkaufszahlen übertrafen alle Erwartungen. Die ersten Bände des Wörterbuchs waren so überzeugend, dass Neutesta­ mentler in aller Welt meinten, ohne das Wörterbuch keine Exegese auf dem aktuellen Stand der Forschung betreiben zu können. Robert Henry Lightfoot (1883–1953), Professor in Oxford, erkundigte sich in seinem er­ sten Brief nach dem Zweiten Weltkrieg an Bultmann nach „the very valuable Kittel Wörterbuch“ und bat in einem weiteren Schreiben dringend um die Zusendung des während des Krieges publizierten Band 4 von 1942.73 Kittel orientierte sich bei der Konzipierung des Theologischen Wörter­ buchs an einem Grundkonsens der theologisch orientierten neutestament­ lichen Forschung. Sie sahen im Neuen Testament das Grunddokument des Christentums, an dem das spezifisch Christliche in Abgrenzung vom Griechentum, vom Judentum sowie von der Gnosis und anderen antiken Religionen herauszuarbeiten war. Vom Spezifischen zum Überlegenen war es dann nur noch ein kleiner Schritt, den manche Autoren auf Drängen Kittels gingen, der aber von der großen Mehrzahl der Nutzer des Wörterbuchs mit Begeisterung vollzogen wurde. Insofern ist das Urteil von Martin Leutzsch nachzuvollziehen, der in diesem Vorgehen die „wissen­ schaftliche Selbstvergötzung des Christentums“ sieht.74 Auch Hans Förster wies durch eindringliche philologische Studien zu Artikeln des Wörterbuchs darauf hin, dass und auf welche Weise dort das Bild des Judentums ver­ zerrt wird.75 Aus theologischer Sicht wird man aber dem Anliegen, sich mit Hilfe der Auslegung des Neuen Testaments des Christentums zu versichern, 72   Adam, K arl, Rez. Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, Bd. 2, Lfg. 9–Bd. 3, Lfg. 5, in: Theologische Quartalschrift 117 (1936), 441–442, kritisiert, „daß man um eine bi­blische Besonderheit um jeden Preis zu sichern, mehr in den biblischen Text hineinliest als darin­steckt“. Fascher, Erich, Rez. Kittel, Gerhard (Hg.), Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament. 1.–4. Liefg, in: Theologische Literaturzeitung 58 (1933), 4–8: Sieht einen wirklichen Fortschritt, wenn Kittel „von dem Eigentlichen des neutestamentlichen Wortes“ rede. 73   Robert Henry Lightfoot an Bultmann am 10.10.1945 und am 29.3.1946 (UBT Nachlass Bultmann, Mn 2 1294). 74   Leutzsch, Martin, Wissenschaftliche Selbstvergötzung des Christentums. Antijudaismus und Antisemitismus im „ThWNT“, in: Gailus/Vollnhals, Christlicher Antisemitismus, 101– 118; Ders., Der arische Paulus. Ein Seitenstück des Mythos vom arischen Jesus, in: Andreas Bedenbender (Hg.), Mit Paulus in der Welt (Texte & Kontexte 153–155), Dortmund: Lehrhaus 2017, 65–99. 75   Förster, Hans, „Ihr kennt weder mich noch meinen Vater“. Philologische Überlegungen zu Joh 8:29, in: Novum Testamentum 61 (2019), 253–268; Ders., Verstehen und Glauben im Johannesevangelium. Ein alternativer Übersetzungsvorschlag für Joh 5,37–40, in: Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft 110 (2019), 115–126.

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die Berechtigung nicht absprechen können.76 Wo dies aber auf Kosten des Judentums und jüdischer Menschen geschieht, ist dies klar zu benennen und in der Sache zu kritisieren. Kittel war demnach der Organisator dieser herausragenden wissen­ schaftlichen Gemeinschaftsleistung der deutschsprachigen Exegese mit internationaler Reichweite. So wie der Name des Tübinger Theologen die Kurzbezeichnung für das insgesamt 10-bändige Wörterbuch (der „Kittel“) wurde, so können Lebenswerk, Theologie, Exegese und Judentumsforschungen Kittels in ihrer Widersprüchlichkeit paradigmatisch für die deutschsprachige neutestamentliche Wissenschaft dieser Zeit und ihre internationale Rezeption stehen. Die Erforschung der Biographie, des Werks und der Wirkungen Kittels ist demnach zugleich eine Auseinandersetzung mit den Leistungen und dem Versagen dieser Ausprägung philologisch-his­ torisch orientierter theologischer Forschung. Neben dem Typischen und Repräsentativen in Kittels Haltung als Wissenschaftler und Theologe tritt nun aber das Besondere. Kittel hatte sich in den Jahren zwischen 1917 und 1933 einen Namen als Spezialist in der Erforschung rabbinischer Texte gemacht. Seine ursprüngliche Absicht, in den Wörterbuchartikeln immer auch rabbinische Texte zum Verständnis heranzuziehen, konnte er nur im Ansatz verwirklichen. Es blieb weit­ gehend den Artikeln von Karl Georg Kuhn und Karl Heinrich Rengstorf (1903–1992) vorbehalten, diese Zielsetzung zu verwirklichen. Bis 1933 galt Kittel, nicht zuletzt wegen seiner profilierten Äußerung, dass nichts an der Ethik Jesu gegenüber dem Judentum neu sei, als Kenner und Freund des Judentums. Die Ursachen für die mit dem Jahr 1933 verbundene Wende zum aktiv und offen judenfeindlichen Wissenschaftler sind in der Forschung bis heute umstritten. Die Problematik der Vorstellung einer „Bekehrung“ oder Konversion wurde schon angesprochen. Im Jahr 1933 veröffent­lichte Kittel einen Tübinger Vortrag vom 1. Juni 1933 unter dem Titel „Die Judenfrage“, in dem er offen antisemitische politische Forderungen erhob, etwa das Verbot für Juden deutsche Literatur zu schreiben, und antisemi­ tische Maßnahmen verteidigte bzw. ihnen eine Begründung gab.77 Ab 1936 hatte Kittel über seine Mitwirkung in der Forschungsabteilung Judenfrage Zugriff auf die Rubrik „Forschungen zur Judenfrage“ der Historischen Zeitschrift. Er verfasste Gutachten mit antisemitischer Zielsetzung und wirkte am Holocaust insofern aktiv mit, als er sich im Wissen um die zer­ störerischen Folgen dieser vermeintlich wissenschaftlichen Entscheidungen an der Bestimmung der Zugehörigkeit zum Judentum und der Identifizierung jüdischer Kulturgüter beteiligte.78 Es öffnet sich in Kittels Wirken ab 1938   Vgl. den Beitrag von Förster, Exegese und Judentum im ThWNT, in diesem Band.   Kittel, Judenfrage, 47: „Ebenso muß gelten, daß der Angehörige des fremden Stammes in der deutschen Literatur nichts zu suchen hat.“ 78   Bormann, Lukas: Art. Holocaust II Christianity. 1. The Jewish Question and Christian 76

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eine Büchse der Pandora, zu deren Inhalt aus heutiger Sicht so unglaubliche Forschungsaktivitäten Kittels wie Gutachten über die rassisch-biologische Zugehörigkeit kaukasischer Volksgruppen zum Judentum oder Planungen für ein Museum über das vernichtete europäische Judentum in Prag ge­ hörten.79 Rupnow und Junginger haben diesen Teil des Wirkens Kittels in Anknüpfung an Heiber weitgehend erforscht. Auch in diesem Bereich sind noch nicht alle relevanten Quellen, die sich auf die Mitarbeiter der Abteilung beziehen, ausgewertet, etwa in Bezug auf Schlichting, der noch 1982 eine „verschollene“ jüdische Schrift publizierte, die er 1941 in Amsterdam für das Institut in Besitz genommen hatte.80

D. Ausblick Die Nähe und Vertrautheit mit den Quellen des Judentums einerseits und die judenfeindlichen Forschungen mit politischer Absicht nach 1933 an­ dererseits verweisen auf eine innere Spannung, die eine geschlossene Gesamtbeurteilung der Biographie Kittels erheblich erschwert. Kittel selbst wollte nach 1945 seine historischen Interessen am antiken Judentum wieder in den Mittelpunkt rücken. Er plante als Herausgeber des Theologischen Wörterbuchs, der Rabbinischen Schriften und des Corpus Inscriptionum Judaicarum zu wirken. In den drei genannten Arbeitsfeldern hatte er die Arbeiten nach 1945 bereits wieder aufgenommen und nationale wie inter­ nationale Kontakte wieder belebt bzw. neu geknüpft. Siegele-Wenschkewitz meinte diese innere Spannung mit der These einer illusionären politische­n Wandlung Kittels im Jahr 1933 erklären zu können. Diese chronolo­g ische Lösung, die mit einer Art Konversion zum Antisemitismus im Jahr 1933 rechnet und zudem eine reuige Umkehr Kittels während der Zeit des Nationalsozialismus konstatiert, überzeugt nicht. Steinweis schlägt vor, die inneren Widersprüche zwischen dem Kenner des Judentums und dem aktiven Antisemiten als tragische Konstellation zu verstehen: „If there is a single tragic figure in the history of Nazi anti-Jewish scholarship, it is Gerhard Kittel.” 81 Wollte man aber Kittel im klassischen Sinn eine tragi­ sche Figur nennen, dann müsste man ihm gute Absichten oder Unwissen unterstellen. Tatsächlich nahm er beides in seiner Verteidigungsschrift für sich in Anspruch. Die Quellen aus den Jahren vor dem Kriegsende spre­ Exegesis until the Holocaust, in: Encyclopedia of the Bible and its Reception 12 (2016), 87–89. 79   Potthast, Jan Björn, Das jüdische Zentralmuseum der SS in Prag. Gegnerforschung und Völkermord im Nationalsozialismus, Frankfurt am Main: Campus 2002, 31f. 80   Schlichting, Günter, Ein jüdisches Leben Jesu. Die verschollene Toledot-Jeschu-Fassung Tam ū-mūʿād (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 24), Tübingen: Mohr Siebeck 1982; vgl. o. Anm. 21; Heiber, Walter Frank, 441. 81   Steinweis, Studying the Jew, 66.

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chen aber eine andere Sprache. Kittel hatte nachweislich bis Januar 1945 die Ursache für die Judenverfolgung, den Krieg und die absehbare Niederlage des Deutschen Reiches einem von ihm entworfenen antisemitischen Zerrbild des Judentums zugewiesen („der ‚Weltgefahr‘ des Judentums“).82 Das bio­g raphisch ungelöste Problem weist über die Person Kittels hinaus auf Grundfragen des Protestantismus und der christlichen Theologie. Deren Rückbindung an das Judentum führt immer wieder dazu, ein Bild vom Judentum zu konstruieren, das in irgendeiner Weise durch einen Mangel behaftet ist, aus dem sich die Entstehung des Christentums als sinnvoll und notwendig erklären lassen soll. Diesen Kreislauf gilt es historisch zu analy­ sieren und theologisch zu durchbrechen. Diese einleitenden Überlegungen begannen bei Michels biographischen Eintrag zu Kittel, der Jahrzehnte unbeanstandet blieb und nun doch durch einen neuen Eintrag ersetzt werden soll. Auch diesem Vorgang wohnt eine gewisse Tragik inne. Michels Artikel sollte als Offenlegung des rassistischen Denkens Kittels verstanden werden. Der Autor vermied es allerdings, dieses explizit zu benennen. Die hier vorgelegten Forschungen zu Kittel werden hoffentlich dazu beitragen, dass – sagen wir im Jahr 2060 – nicht erneut ein Disclaimer dem noch zu schreibenden Eintrag zu Gerhard Kittel, der in der Neuen Deutschen Biographie an die Seite desjenigen Michels treten soll, vorangestellt werden muss.

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II. Gerhard Kittels frühe Jahre

Anti-Semitic Exegesis of the New Testament 1900–1945 From Rudolf Kittel (1853–1929) to His Son Gerhard (1888–1948) Lukas Bormann „A not so great son of a great scholar“1

A. Introduction: State of Research In recent years many important scholarly books have been published dealing with the long history of anti-Jewish prejudices in German Protestant Biblical scholarship before the Nazi Era. Anders Gerdmar, for instance, while look­ ing for the “Roots of theological Anti-Semitism” by going through nearly three centuries of German Biblical interpretation from Semler (1725–1791) to Bultmann (1884–1976), 2 comes to the somewhat general conclusion that theological or political assumptions and schools were not decisive factors for scholarly prejudice against Jews and Jewishness but instead the “ethos of the individual scholar.” 3 Christian Wiese approaches the subject from a critical historical as well as cultural interpretation and finds in German Biblical scholarship until the time of the Great War a remarkable disrespect for Jewish scholars, Jewish scholarship, and Judaism as such.4 He uses the famous metaphor of the “cry into the void,” coined by Gershom Scholem (1897–1982) to characterize the German-Jewish experience of interaction with Protestant Biblical scholarship. Ran HaCohen discusses the issue from 1   Max Weinreich, Hitler’s Professors: The Part of Scholarship in Germany’s Crimes against the Jewish People (New York: Yivo, 1946; repr. New Haven: Yale University Press, 1999), 41. 2   Anders Gerdmar, Roots of Theological Anti-Semitism: German Biblical Interpretation and the Jews, from Herder and Semler to Kittel and Bultmann, Studies in Jewish History and Culture 20 (Leiden: Brill, 2009). 3   Gerdmar, Roots of Theological Anti-Semitism, 607. 4  Christian Wiese, Challenging Colonial Discourse: Jewish Studies and Protestant Theology in Wilhelmine Germany, Studies in European Judaism 10 (Leiden: Brill, 2005); idem, Wissenschaft des Judentums und protestantische Theologie im wilhelminischen Deutschland: Ein Schrei ins Leere?, Schriftenreihe wissenschaftlicher Abhandlungen des Leo Baeck Instituts 61 (Tübingen: Mohr Siebeck, 1999).

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a more post-structuralist perspective.5 Like Wiese, he analyses the connec­ tion between German-Protestant and German-Jewish Biblical scholarship and argues that the “German Jewish Reception of Biblical Criticism” was part of a struggle between “narrative” and “counter-narrative,” namely be­ tween the Wellhausen school and the “Wissenschaft des Judentums”.6 The core issue of this battle was the question of continuity and discontinuity between the pre-exilic, prophetic, ancient Israel and the post-exilic, Torahcentred Judaism. The narrative of the Wellhausen school can be put in a nut­ shell in the Latin saying: lex post prophetas. In opposition to Wellhausen the mainstream of the “Wissenschaft des Judentums” insisted on the historical continuity of the Jewish people from Sinai to the Diaspora of modern times. Eventually, the controversy concerning the continuity of Jewish history and the Jewish people became a core issue of political debate and continues to be so today, often viewed as part of anti-Semitic discourse, as can be seen in the debate concerning Shlomo Sand’s books about the “Invention of the Land of Israel” and the “Invention of the Jewish people”.7 All three approaches named above attempt to look behind the scenes of German Biblical scholarship, which at the time was widely praised for its scholarly virtues of thoroughness (“Gründlichkeit”) and objectivity (“Neutralität”) but is today infamous for its anti-Jewish attitudes (or at least Protestant-Christian supersessionism), with very few and even disputed exceptions such as Johannes Weiß (1863–1914), Emil Schürer (1844–1910), Rudolf Bultmann (1884–1976), and Joachim Jeremias (1900–1979). The debate surrounding this question today often becomes heated when a distinctive form, method, or school of scholarship is seen as one of the preconditions of the anti-Semitic politics in Germany after 1933 or even of the destruction of the European Jews after 1941. One of the reasons for such debates is the complicated and very diverse mixture of competent scholar­ ship and anti-­Jewish prejudices found in the German Biblical scholarship of these times.8 To give an example, Emil Schürer (1844–1910) has been widely accepted up to the present as an outstanding and excellent scholar of Judaism in his time, as one can see in the project of the “new Schuerer”.9 However, Schürer was also convinced that due to the progress of mankind Judaism belonged 5   Ran HaCohen, Reclaiming the Hebrew Bible: German-Jewish Reception of Biblical Criticism, Studia Judaica 56 (Berlin: de Gruyter, 2010). 6   HaCohen, Reclaiming the Hebrew Bible, 219–223. 7   Shlomo Sand, The Invention of the Land of Israel: From Holy Land to Homeland (London: Verso, 2012); idem, The Invention of the Jewish People (London: Verso, 2009). 8   Lukas Bormann, “Holocaust II Christianity: 1. The Jewish Question and Christian Exegesis until the Holocaust,” Encyclopedia of the Bible and Its Reception 12 (2016): 87–89. 9   Emil Schürer, The History of the Jewish People in the Age of Jesus Christ (175 BC – AD 135): A New English Version, rev. and ed. by Geza Vermes (Edinburgh: T&T Clark, 1973–1987).

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to the past and was irrelevant to contemporary times. His fierce opponent in German Biblical scholarship, Adolf Schlatter (1852–1938), was convinced that Judaism as he understood it was an important moral and cultural is­ sue of his times for Jews, Christians, and non-Jews; however, Schlatter saw “Jewish­ness” as something which eventually must be overcome by true Christianity every day anew.10 Today Schlatter is viewed with increasing criticism because of his religious views on the role of Judaism in salvation history.11 This debate is not only a debate between international and German scholar­ship, but also a case of transnational and transreligious discussion, as can be seen in the disputes between Susannah Heschel, James E. McNutt from the United States on the one side and Peter Head and Robert Morgan from the United Kingdom on the other, about the significance of Schlatter.12 In the discussion about Schlatter, who passed away in 1937, it is always on the table whether and to what degree Schlatter’s views were the founda­ tion of the three main definitive and indisputably anti-Semitic enterprises of German Biblical scholars: the “Research Center of the Jewish Question at the Reichs-Institute of the History of the New Germany” led by Gerhard Kittel (1888–1948), the “Research Institute of the Jewish Influence on German Religious Life” led by Walter Grundmann (1906–1976), and the efforts to install a chair for the “Jewish question” with the most promising and basi­ cally sole candidate for this chair being Karl Georg Kuhn (1906–1976), who succeeded in 1949 in earning an associate professorship for New Testament at the theological faculty in Göttingen and later, in 1954, a full professorship in Heidelberg.13 In this debate two question come into focus: 1. Does the 10  Adolf Schlatter, Wird der Jude über uns siegen? Ein Wort für die Weihnachtszeit (Essen/Velbert: Freizeiten-Verlag, 1935). Kittel found that Schlatter’s scholarly reputation had been damaged by Schürer’s reviews of his works. See the letter of Gerhard Kittel to Rudolf Bultmann from January 13 in 1932 in Universitätsarchiv Tübingen, Nachlaß Rudolf Bultmann, Mn 2–1135: Schlatter was not taken seriously (“Nichternstnehmen”) by scholars of his times particu­larly through Schürer’s highly critical reviews. 11  Leonore Siegele-Wenschkewitz, “Adolf Schlatters Sicht des Judentums im politischen Kontext: Die Schrift Wird der Jude über uns siegen? von 1935,” in Christlicher Antijudaismus und Antisemitismus: Theologische und kirchliche Programme Deutscher Christen, ed. eadem, Arnoldshainer Texte 85 (Frankfurt: Haag & Herchen, 1994), 95–110. 12  Peter Head, “Susannah Heschel’s The Aryan Jesus: A Response,” Journal for the Study of the New Testament 32 (2010): 421–430; Susannah Heschel, “Historiography of Antisemitism versus Anti-Judaism: A Response to Robert Morgan,” Journal for the Study of the New Testament 33 (2011): 257–279; James E. McNutt , “A Very Damning Truth: Walter Grundmann, Adolf Schlatter, and Susannah Heschel’s The Aryan Jesus, ” Harvard Theological Review 105 (2012): 280–301; Robert Morgan, “Susannah Heschel’s Aryan Grundmann,” Journal for the Study of the New Testament 32 (2010): 431–494. 13  Gert Jeremias, “Karl-Georg Kuhn (1906–1976),” in Neutestamentliche Wissenschaft nach 1945: Hauptvertreter der deutschsprachigen Exegese in der Darstellung ihrer Schüler, ed. Cilliers Breytenbach and Rudolf Hoppe (Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag, 2008),

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Biblical scholarship inspired by Schlatter’s salvation history always tend to become anti-Semitic, or at least religiously anti-Semitic?, 2. What was the contribution of these scholars and institutions to the destruction of European Jewry? I will mostly deal with the second question, but also give a more indirect answer to the first. In recent years several important books have been published with the intention of giving an answer concerning the impact of these more institutio­ nalized research efforts on the destruction of European Jews. Each of them has its own merits, but all are based on nearly fifty years of research starting from the late Helmut Heiber’s comprehensive study on the “Reichs-Institute of the History of the New Germany” in 1966.14 However, for the readership in the English-speaking world the books of Alan Steinweis (2006) and Susannah Heschel (2008) gained overall influence.15 In the year 2011 three addition­ al major scholarly works were published on institutionalized anti-Semitic scholarship in the years from 1933 to 1945. Dirk Rupnow has analyzed the whole range of institutionalized research on Jews (“Judenforschung”), show­ ing in detail that the theological and/or religious research of Grundmann, Kittel and Kuhn was a part of a whole range of scholarly approaches orga­ nized by the Nazi party itself, the Security service of the Nazi party (SD and SS), the later Reichssicherheitshauptamt, the Nazi collaborators in occupied France, allied Italy, and allied Hungary, in addition to the efforts of scholar­ ly disciplines such as anthropology, religious studies, biology and others.16 Rupnow points to the fact that from the very beginning the Nazis were in­ terested in precise scholarly research on Jews in order to build their anti-Se­ mitic efforts on a serious, thorough, and objective scientific foundation. The Nazis understood themselves as a movement for “practical anti-Semitism,” using the term for their particular way of anti-Jewish politics in opposition to a more cultural anti-Semitic attitude. In the view of the leading anti-Semi­ te­s of the Nazi party this practical anti-Semitism should be based on scho­ larly and scientific research on Judaism (“Judenforschung”). 297–313; Notker Hammerstein, Die Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main 1: 1914–1950 (Neuwied: Metzner, 1989), 531–532; Gerd Theißen, Neutestamentliche Wissenschaft vor und nach 1945: Karl Georg Kuhn und Günther Bornkamm, Schriften der Philosophisch-Historischen Klasse der Heidelberger Akademie der Wissenschaften 47 (Heidelberg: Winter, 2009). 14  Helmut Heiber, Walter Frank und sein Reichsinstitut für Geschichte des Neuen Deutschlands, Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte 13 (Stuttgart: DVA, 1966). 15   Alan E. Steinweis, Studying the Jew: Scholarly Antisemitism in Nazi Germany (Cambridge, MA: Harvard University Press, 2006); Susannah Heschel, The Aryan Jesus: Christian Theologians and the Bible in Nazi Germany (Princeton: Princeton University Press, 2008). 16  Dirk Rupnow, Judenforschung im Dritten Reich: Wissenschaft zwischen Politik, Propaganda und Ideologie, Historische Grundlagen der Moderne 4 (Baden-Baden: Nomos 2011). See my review in Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte 64 (2012): 99–100.

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Oliver Arnhold presents a detailed and nearly comprehensive two-vol­ ume study on the Grundmann Institute.17 In comparison to Heschel’s “Aryan Jesus” Arnhold is more thorough in details, but he thinks that the anti-Se­ mitic sources speak for themselves and therefore his study lacks a deeper analysis of the anti-Semitism which brought the institute into being. With the exception of some minor flaws, Heschel’s book presents a more convin­ cing historical narrative and her analysis and conclusions about the moral ambivalences of history are clearer and more helpful. However, particularly Heschel’s research is challenging in her analysis of anti-Semitism as a fruit of Christianity itself.18 She presumes that an­ ti-Semitism is rooted in the Christian idea of incarnation starting from the very beginning of early Christianity, and she underlines the importance of the Grundmann Institute for both the Churches in Germany and the de­ struction of the European Jews. Both conclusions have been criticized and one can say, at least, that Heschel somewhat exaggerates the impact of the Grundmann Institute. Horst Junginger’s study overlaps with several aspects of Rupnow’s book but has an additional focus on the role of religious studies (Religionswissenschaft) and Indo-European languages (Indogermanistik) at German universities and on the enmities between the different neo-pagan groups during the Third Reich, such as the German faith movement (Allgemeine deutsche Glaubensbewegung).19 However, Junginger also emphasizes the research of Kittel, Kuhn und Grundmann as the most effective and important enterprise in anti-Semitic research. In Junginger’s view the theologians named above were primarily religiously motivated. They had the aim of connecting the old Christian prejudices against the Jews with the more scientific concept of race with the goal of presenting the traditional and somewhat outdated religious anti-Semitism in a more objective and neutral appearance.20 In summary I will connect the results of Raul Hilberg’s (1926–2007) magisterial work on “The Destruction of the European Jews” with the state of present research.21 Hilberg divides the Holocaust and also other po­  Oliver Arnhold, „Entjudung“ – Kirche im Abgrund, Teil 1: Die Thüringer Kirchenbewegung Deutsche Christen 1928–1939, Teil 2: „Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben“ 1939–1945 (Berlin: Inst. Kirche und Judentum, 2010). See my review in Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte 63 (2011): 307–308. 18   See Heschel, The Aryan Jesus, 21–23. 19  Horst Junginger, Die Verwissenschaftlichung der „Judenfrage“ im Nationalsozialismus (Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2011); idem, Von der philologischen zur völki­ schen Religionswissenschaft: Das Fach Religionswissenschaft an der Universität Tübingen von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Ende des Dritten Reiches, Contubernium 51 (Stuttgart: Steiner 1999). 20   Junginger, Verwissenschaftlichung, 392–393. 21   Raul Hilberg, The Destruction of the European Jews (New York: Holmes and Meier, 1985), 54. 17

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groms into four phases: 1. Definition, 2. Expropriation, 3. Concentration, 4. Annihilation. The Nazis decided to solve the problems of the first step, namely the definition of who is a Jew and what is Jewish, with scholarly methods from biology, anthropology, and religious and Jewish studies. They needed experienced scholars who were able to provide a scholarly basis for the definition of Jewishness. With this in mind, my paper will be based on the following assumptions: 1. The practical anti-Semitism of the Nazis had a need for precise scholarship about Jews to define, expropriate, segregate and annihilate all that they saw as Jews or Jewish. 2. Jews were not allowed to participate in this sort of research, because they were seen as enemies in all respects and without exception. 3. Only a few non-Jewish scholars were trained researchers in Judaism and therefore qualified for the anti-Jewish research, most of them being Protestant theologians specializing in New Testament scholarship.22 Based on these three assumptions, I will change sides from the Nazi per­ spective, which was the need for anti-Semitic research, to the perspective of the scholars themselves, which was the free decision to join in these efforts. None of them, neither Grundmann nor Kittel nor Kuhn, was forced to do what he did. Why were they interested in being a part of the Nazi-inspired anti-Semitic research? I will deal with Gerhard Kittel, an internationally recognized scholar who in the middle of the 1920s had already attained a tenured chair at the facul­ ties at Greifswald and Tübingen.23 Why, considering that he had already had a secure and well-paid position, did Kittel choose to engage himself additionally in anti-Semitic research? To find an answer I will compare two generations of Protestant theologians, which in the case of Kittel is especial­ ly fruitful and telling since his own father, Rudolf Kittel (1853–1929), was an outstanding Biblical scholar himself.24 Moreover, father Kittel took part in a judicial anti-Semitic conflict in the years 1911 to 1913 by writing a deci­ sive expert report (“Obergutachten”) for the Royal Saxonian criminal court, 22  Otto Merk, “‘Viele waren Neutestamentler’: Zur Lage neutestamentlicher Wissenschaft 1933–1945 und ihrem zeitlichen Umfeld,” Theologische Literaturzeitung 130 (2005): 106–120. 23  See Gerhard Lindemann, “Gerhard Kittel: Familiäre Herkunft, Ausbildung und wis­ senschaftliche Anfänge,” in: Manfred Gailus and Clemens Vollnhals (ed.), Christlicher Antisemitismus im 20. Jahrhundert: Der Tübinger Theologe und ‘Judenforscher’ Gerhard Kittel, Berichte und Studien 79 (Göttingen: V&R unipress, 2019), 74. 24   See Rudolf Kittel, “Autobiographie,” in: Erich Stange (ed.), Die Religionswissenschaft der Gegenwart in Selbstdarstellungen 1 (Leipzig 1925), 113–44; Johannes Hempel, “Rudolf Kittel,” Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft 84 (1930): 78–93; Rudolf Smend, “Rudolf Kittel (1853–1929),” Theologische Zeitschrift 55 (1999): 326–353 (338–340); Lukas Bormann, “Between Prophetic Critique and raison d’état: Rudolf Kittel on German Jews during the Great War and on Old Testament Hebrews in Biblical Wars,” in: Andrew Mein, Nathan MacDonald, and Matthew A. Collins (eds.), The First World War and the Mobilization of Biblical Scholarship (London: T&T Clark, 2019), 49–67.

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and also his son Gerhard was asked to write a report for the High Court of Finance in behalf of the Tübingen faculty in 1943 to deal with the out­ comes of the “practical anti-Semitism” of the Nazi state. This comparative approach is particularly interesting since both, Gerhard and Rudolf, had to decide in these judicial conflicts how to handle the work of Theodor Fritsch (1852–1933), a leading radical anti-Semitic propagandist.25

B. Biographical Sketches Rudolf Kittel (1853–1929), the father, was born in Eningen, Württemberg.26 He studied in Tübingen, was a pastor for some years, then a supervisor (“Repetent”) at the famous Tübingen Stift, and after that he was a teacher with the title professor in Stuttgart. In this position he published two books, the one of which on an Old Testament subject eventually led to an appoint­ ment as Professor of Old Testament at Breslau.27 The other book is very sel­ dom noticed, but important for our subject. In 1885, Kittel published a book with the title “Moral Questions. Ethics and Apologetics,” in which he clearly states that every human being has the gift of a consciousness, that every religion is important for ethical living and that every human being, from whatever historical, cultural, and religious background, has the ability to act morally.28 Neither nationalistic arrogance nor disrespect towards specific groups of human beings are to be found here at all, particularly not against Jews or Jewishness. Moses, the Ten Commandments, and the Jewish law are seen as important contributions to the moral history of mankind. To give an example, Kittel cites Moses as well as Jesus, but also Confucius, Pythagoras and others as “geniuses of ethics” and “moral heroes.” 29 For Kittel the call of God is the main source of ethics, and religion is, therefore, of utmost impor­ tance for a social and ethical life. Kittel is not critical of Jewish ethics, but of philosophical ethics based on non-religious sources instead. The book clear­ ly shows Kittel’s distance from racial or cultural prejudices against Jews. As an Old Testament scholar Kittel was seen as being in fierce opposition to the Wellhausen school. One of his more popular books, “The Scientific Study of the Old Testament: Its Principal Results, and Their Bearing upon 25  Alexander Volland, Theodor Fritsch (1852–1933) und die Zeitschrift „Hammer“ (Ph.D. diss., University of Mainz, 1993). 26   Kittel, “Autobiographie,” 113–144; Hempel, “Rudolf Kittel,” 78–93; Smend, “Rudolf Kittel,” 326–353. 27  Rudolf Kittel, Geschichte der Hebräer: Quellenkunde und Geschichte der Zeit bis zum Tode Josuas, Handbücher der Alten Geschichte I/3 (Gotha: Perthes, 1888). 28  Rudolf Kittel, Sittliche Fragen: Ethisches und Apologetisches über Freiheit, Gewissen und Sittengesetz (Stuttgart: Kohlhammer, 1885). 29   Kittel, Sittliche Fragen, 130.

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Religious Instruction,” was translated into Hebrew and published by the pub­ lishing house Tushya in 1911.30 The translator, Abraham Samuel Hirshberg (1858–1943), a scholar and textile industrialist from Bialystok,31 writes in the foreword to the Hebrew edition about the tasks of his translation into Hebrew: Therefore the present translation comes to fill an urgent need. Its author, even if he is one of the greatest contemporary scholars of Biblical criticism and our history, and furthermore free of preconceived notions and a truly scientific scholar, we find that he is continuously shattering the foundations of anti-Semitic Biblical criticism (‫)חמקרא חאנטישמים‬, restoring the glory of Holy Scriptures and our glorious origin, our Torah and our prophets, in a very exalted manner.32

Kittel admired Jewish piety, such as the observance of the Sabbath and the delight in the law.33 Moreover, the Jewish Lexicon from 1927 honours Kittel with an entry and notes his objectivity in Biblical scholarship and also his traditional dating of the Biblical narrative, events, and figures over against Wellhausen’s school.34 The more critical article of the Encyclopedia Judaica from 1971 and 2007, unfortunately with several factual errors and typos, states: “His anti-Semitic tendencies were limited to private and popular expression, and did not affect his scholarship.” 35 While it is not to be de­ nied that Kittel may have shared some prejudices and stereotypes of Jews, it should be noted that most of them were shared by many German Jews of his time as well. Kittel’s research was widely praised by German Jews since he was the editor of the first scholarly reliable print of the Hebrew Bible, but mostly Kittel’s opposition to the Wellhausen approach and his insistence on the historicity of great parts of the Biblical narrative were appreciated by the “Wissenschaft des Judentums.” Kittel’s idea of the academy was somewhat elitist, but it also was not racial or nationalistic. He was rector magnificus of the University of Leipzig during the years 1918/19 and fought as “the lead­ ing head of the university” against the influence of the revolutionary guards on the university.36 For him the university should be an “aristocracy of the 30  Rudolf Kittel, Die alttestamentliche Wissenschaft in ihren wichtigsten Ergebnissen mit Berücksichtigung des Religionsunterrichts (Leipzig: Quelle & Meyer, 1910); Rudolf Kittel, haḤaḳirah be-khitve-ha-ḳodesh (Vilna: Tushiyah, 1911, 21913). About the idea to use Kittel as an ally against anti-Semitism see: Yaacov Shavit and Mordechai Eran, The Hebrew Bible Reborn: From Holy Scripture to the Book of Books; A History of Biblical Culture and the Battles over the Bible in Modern Judaism, Studia Judaica 38 (Berlin: de Gruyter, 2007), 181–183. 31   About Hirshberg see: Shavit, Hebrew Bible Reborn, 398, n.127. 32   A.S. Hirshberg, By the translator, in: Kittel, ha-Ḥaḳirah, 161–164. I owe the English translation to my colleague Hannu Töyrylä from Abo Aakdemi, Finland. I thank also Professor Yaacov Shavit from Tel Aviv University for sending me copies of the work. 33  Rudolf Kittel, Die Religion des Volkes Israel (Leipzig: Quelle & Meyer, 1921), 162. 34  Arthur Spanier, “Kittel, Rudolf,” Jüdisches Lexikon 3 (1927): 726. 35   Zev Garber, “Kittel, Rudolph,” Encyclopedia Judaica 10 (1971): 1079–1080; Zev Garber and David S. Sperling, “Kittel, Rudolph,” Encyclopedia Judaica 12 (2007): 207. 36  Silvio Reisinger, “Die Novemberrevolution 1918/1919 in Leipzig,” in Die November­

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enlightened” and should also be free from political influences.37 He died in the year 1929. His son Gerhard Kittel was born in Leipzig in 1888. Friends of the Kittel family later recounted that the young Gerhard was under eminent pressure by his father and his family to be as successful as possible. During his whole life Kittel was a man of boundless ambitions and was always attempting to gain the leading position. He studied Protestant theology in Leipzig, Tübingen, Berlin and Halle. His doctoral thesis was finished in 1913, his second book („Habilitation“) in 1914. In 1921 he was appointed as associate professor at Leipzig and received full professorships in the same year at Greifswald and later, in 1926, at Tübingen. In 1933 he joined in the Nazi party. Some scho­ lars argue that Kittel was not anti-Semitic, but philo-Semitic before 1933.38 However, this idea is only based on information given by his family and friends as well as on some positive remarks on ancient Judaism in the midst of the twenties.39 In opposition to this view, Walter Grundmann, who was a stu­ dent of Kittel between 1930 and 1932, wrote in his autobiography that Kittel was deeply and fundamentally anti-Semitic.40 In 1936 Kittel was invited to be leading scholar of the research unit “Jewish question” as part of the ReichsInstitute of the History of the New Germany.41 Additionally he was appointed as the leading scholar for the Protestant theological faculty of Vienna to build up a “front faculty” (“Frontfakultät”) for the Germanization of the countries of the former Habsburg monarchy, in South-East Europe in 1939.42

revolution 1918/1919 in Deutschland: Für bürgerliche und sozialistische Demokratie – Allgemeine, regionale und biographische Aspekte, ed. Ulla Plener, Rosa Luxemburg-Stiftung Manuskripte 85 (Berlin: Dietz, 2009), 161–180, see 178. See also Ulrich von Hehl, Das zwanzig­ ste Jahrhundert 1909 – 2009, vol. 3 of Geschichte der Universität Leipzig 1409–2009 (Leipzig: Leipziger Universitätsverlag, 2010), 61–105. 37  Rudolf Kittel, Die Universität Leipzig und ihre Stellung im Kulturleben (Dresden: Heling, 1924), 41. 38  Leonore Siegele-Wenschkewitz, „Gerhard Kittel und die Judenfrage,“ in Tübinger Theologie im 20. Jahrhundert, ed. Eberhard Jüngel (Tübingen: Mohr Siebeck, 1978), 53–80. 39   See e.g. Gerhard Kittel, Jesus und die Juden (Berlin: Furche-Verlag, 1926), 24: “daß es nämlich unter den ethischen Forderungen Jesu auch nicht eine einzige gibt, von der man aprio­ risch behaupten dürfte, sie sei als Einzelforderung – wohlgemerkt: als Einzelforderung – etwas schlechthin Singuläres.” 40  Walter Grundmann, Erkenntnis und Wahrheit: Aus meinem Leben (Landeskirchenarchiv Eisenach, Nachlass Grundmann 92), 22: “Er, der große Kenner des Judentums, der mit vielen Juden in Verbindung stand und auch für seine Rabbinica-Studien und das Wörterbuch Juden zu Mitarbeitern hatte, war grundsätzlicher Judengegner.” 41   Heiber, Walter Frank und sein Reichsinstitut, 462. 42  Karl W. Schwarz, “‘Grenzburg’ und ‘Bollwerk’: Ein Bericht über die Wiener Evangelisch-theologische Fakultät in den Jahren 1938–1945,” in Theologische Fakultäten im Nationalsozialismus, ed. Leonore Siegele-Wenschkewitz and Carsten Nicolaisen, Arbeiten zur kirchlichen Zeitgeschichte B 18 (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1993), 361–389, see 376.

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Kittel’s name is related to the most outstanding scholarly work of New Testament scholarship in the 20th century, the Theological Dictionary of the New Testament. In Britain, Kittel was seen as one of the leading scho­ lars of German Protestant theology of these years. He was invited to give two lectures in Cambridge in October 1937, which were immediately pub­ lished in English and German.43 In the same year he was appointed as the only German scholar in the provisional committee of the Society for New Testament Studies. During this time, Kittel was close to the Nazi leaders of Germany, frequently writing secret reports about his activities to the Reich ministry of education.44 In 1938 he reported about a meeting in Birmingham; I have tried to translate his typically exaggerating style in English: The very fact of my presence at Birmingham in these days was greatly prized by the foreign colleagues, but their astonishment was still greater when word got around that I came directly from Nuremberg, and that I had attended as a guest of honor of the Führer the National Socialist party rally there. I had to talk non-stop about Germany and in particular the Nuremberg days. The interest in hearing about it – and especially about the Führer himself – was enormous.45

Starting with his appointment at the Research Institute on the Jewish Question he was focused on anti-Semitic studies and also activities. He was invited, for instance, by the Reich ministry of propaganda as lead­ ing scholar to prepare the show trial against Herschel Grünspan, who in November 1938 had killed the German diplomat Ernst vom Rath in Paris.46 Kittel visited Grünspan in prison and wrote a report about the inf luence of the book of Esther, and especially the killings of non-Jews by Jews reported by it, on the plans and deeds of Grünspan. In 1945 the French military administration put Kittel immediately behind bars when enter­ ing Tübingen. Kittel lost his professorship. As head of the Department for Research on the Jewish Question of the Reich Institute of History,   Gerhard Kittel, Lexicographia Sacra: Two Lectures on the Making of the „Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament“; Delivered on Oct. 20th and 21st, 1937 in the Divinity School (Cambridge: SPCK, 1938); idem, “Lexicographia Sacra,” Deutsche Theologie 5/4 (1938): 91–109. 44  Lukas Bormann, “‘Auch unter politischen Gesichtspunkten sehr sorgfältig ausgewählt’: Die ersten deutschen Mitglieder der Studiorum Novi Testamenti Societas (SNTS) 1937–1946,” New Testament Studies 58 (2012): 416–452, see 425–427. 45   Letter of Kittel to Riche’s Minister for Education 22. September 1938, Bundesarchiv R 4901/2924: “Schon die Tatsache meiner Anwesenheit in Birmingham in diesen Tagen wurde von den ausländischen Kollegen stark eingeschätzt; noch grösser war allerdings ihr Erstaunen, als sich herumsprach, dass ich unmittelbar aus Nürnberg kam und dass ich dort als Ehrengast des Führers am Reichsparteitag teilgenommen hatte. Ich musste unendlich viel über Deutschland und insbesondere über die Nürnberger Tage erzählen; das Interesse darüber zu hören – und vor allem über den Führer selbst – war ungeheuer.” 46  Helmut Heiber, “Der Fall Grünspan,” Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 2 (1957): 134–172, see 158. 43

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Kittel had the opportunity to publish freely in the recommended Historical Journal (Historische Zeitschrift), which was edited by Karl Alexander von Müller (1882–1964) and provided a section reserved for the “History of the Jewish question”.47 His influence on the Nazi politicians was great, but he also exaggerated it. Many colleagues feared to confront him, particularly Hermann Strathmann and Rudolf Bultmann were very careful in dealing with Kittel.48 After the death of Hans Lietzmann it was planned to give the editorship of the leading scholarly New Testament journal to Kittel and Martin Dibelius. In January 1945 Kittel wrote to Dibelius about ancient pagan anti-Semitism and also the contemporary danger of the world forced upon them by the Jews (“jüdische Weltgefahr”).49 Kittel’s studies on Judaism are marked by a strong tension between meti­ culous scholarship and uncontained emotion. His anti-Semitism was not an isolated phenomenon but connected to nationalistic, colonialist, and imperia­l istic ideas which led people such as Kittel to both nationalistic war propaganda against Britain as well as hatred towards Jews.50 The third personality of this study, Theodor Fritsch (1852–1933), was seen by the Nazi Regime as one of their most important predecessors. Fritsch was a publicist and politician in the tradition of Wilhelm Marr (1819–1904), who was the first to use the term anti-Semitism in a political sense.51 Fritsch himself was a leading member of several anti-Semitic parties and organizations. In 1924 he even became a member of the “Reichstag for the Deutschvölkische Freiheitspartei.” In 1886 he began his anti-Semitic activi­ ties. He published the infamous “Semi-Kürschner,” the journal Der Hammer, and the Handbuch zur Judenfrage, the last of these being published after 52 his death in 1933 by the SS and reaching its 49th edition in 1944. The 47  Lukas Bormann, “‘Sie sagen Christus und meinen Weltherrschaft’: Stereotypen im Englandbild des deutschen Protestantismus am Beispiel der Englandschriften von Martin Dibelius und Gerhard Kittel,” Angermion: Yearbook for Anglo-German Literary Criticism, Intellectual History and Cultural Transfers / Jahrbuch für britisch-deutsche Kulturbeziehungen 6 (2013): 85–99, see 93–95. 48  Lukas Bormann, “Rudolf Bultmann und das Theologische Wörterbuch zum Neuen Testament. Eine Neubewertung,” Zeitschrift für Theologie und Kirche 118 (2021): 21–54. 49   Letter of Kittel to Dibelius, 19.1.1945, Universitätsbibliothek Heidelberg Heid. Hs. 3814 III A. 50  See Gerhard Kittel, “Die Wurzeln des englischen Erwählungsglaubens,” Historische Zeitschrift 163 (1941): 43–81. 51  Wilhelm Marr, Vom Sieg des Judenthums über das Germanenthum vom nicht confessionellen Standpunkt aus betrachtet (Bern: Costenoble, 1879). 52  Philipp Stauff, Semi-Kürschner oder literarisches Lexikon der Schriftsteller, Dichter, Bankiers, Geldleute, Ärzte, Schauspieler, Künstler, Musiker, Offiziere, Rechtsanwälte, Revolutionäre, Frauenrechtlerinnen, Sozialdemokraten usw. jüdischer Rasse und Versippung, die von 1813–1913 in Deutschland tätig oder bekannt waren (Berlin: Selbstverlag, 1913);

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Handbook on the Jewish Question was seen by anti-Semites – and after 1933 by government offices – as the main authority for identifying what Judaism is, what Jewishness is and who is a Jew. Fritsch was a “leading figure among the radical anti-Semites” and found himself before court an estimated 33 times.53 He was punished several times with prison, ranging from a week to four months, and was imposed with fines, the biggest being a six million Reichsmark fine in 1924.54 Both father and son Kittel had to deal with this radical anti-Semite and his Handbook on the Jewish Question, this industrious summary of what anti-Semites saw as knowledge about Jews and Jewishness, in a judicial en­ vironment. They did so very differently, as one may imagine.

C. The Elder Kittel and Theodor Fritsch In his anti-Semitic publications Fritsch was eager to show that the Jewish god was despicable. I don’t want to quote from what he understood as allegations against the Jewish god, but one can imagine that he used all variations of the anti-Semitic tropes concerning the immorality and blood-thirstiness of what he called “Jehova” and saw as the Jewish god.55 The Central Union of German Citizens of the Jewish Faith (“Centralverein der deutschen Staatsbürger jü­ dischen Glaubens”) sued Fritsch for blasphemy and disturbing the religious peace by offending the Jewish community. Fritsch was sentenced to a week in prison, but he proceeded in publishing similar attacks against what he understood to be the god of the Hebrew Bible and the Jewish religion. After several similar trials Rudolf Kittel was invited to give a final examination of the arguments presented by the defence and the persecutors as well as of four expert reports given by two Talmudic and two Old Testament scholars.56 Theodor Fritsch, Handbuch zur Judenfrage: Eine Zusammenstellung des wichtigsten Materials zur Beurteilung des jüdischen Volkes (Hamburg: Hanseatische Verlagsanstalt, 261907) (Former title: Antisemiten-Katechismus: Eine Zusammenstellung des wichtigsten Materials zum Verständnis der Judenfrage); idem, Handbuch der Judenfrage: Die wichtigsten Tatsachen zur Beurteilung des jüdischen Volkes (Leipzig: Hammer, 491944). 53  Gerhard Lindemann, „Typisch jüdisch“: Die Stellung der Ev.-Luth. Landeskirche Hannovers zu Antijudaismus, Judenfeindschaft und Antisemitismus 1919 – 1949, Schriftenreihe der Gesellschaft für Deutschlandforschung 63 (Berlin: Duncker & Humblot, 1998), 404. 54   Volland, Theodor Fritsch, 10–13. See also: L.W., “Theodor Fritsch, der Herausgeber des „Hammer“ vor dem Schwurgericht in Hof i. B,” Bayerische israelitische Gemeindezeitung 7 (1926), 204. 55   See the documents provided in: Rudolf Kittel, Judenfeindschaft oder Gotteslästerung? Ein gerichtliches Gutachten: Mit einem Schlußwort: Die Juden und der gegenwärtige Krieg (Leipzig: Otto Wigand, 1914). 56  See Ulrich Kusche, Die unterlegene Religion: Das Judentum im Urteil deutscher Alttestamentler: Zur Kritik theologischer Geschichtsschreibung, Studien zu Kirche und Israel

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Kittel published his report in 1914 under the title “Enmity against Jews or Blasphemy?”.57 Here Kittel presents his view of the religion of the Hebrew Bible as a development in three areas, which did not follow each other his­ torically, as Wellhausen saw it, but instead always existed contemporarily to each other: the religion of the people (“Volksreligion”), the more sophis­ ticated prophetic religion of ancient Israel (“Prophetie”), and the religion of law (“Gesetzesreligion”). In opposition to the Wellhausen school he insists on the connection between these three areas and the continuity of its subject, the Jewish people. The report dismisses the argument of Fritsch and some other scholars who insisted that a severe criticism of the god of the Hebrew Bible would not affect the god of Christianity, but only the Jewish god. This Jewish god, they said, is not connected to the god of Christianity, hence the critique of the Jewish god should not be seen as blasphemy under the law. Kittel, how­ ever, presents a narrative of the development of the god of the Hebrew Bible, which leads to the conclusion that both Jews and Christians follow “ethi­ cal and universal monotheism” and believe “ultimately in the same God”.58 Fritsch’s anti-Semitic ranting, he continues, would target neither contempo­ rary Judaism nor the Jewish god, but only a few aspects of the particularis­ tic and nationalistic Judaism which is only followed by a minority of Jews today.59 Kittel’s report includes several harsh words about Fritsch’s intellec­ tual capabilities, some of which he even deleted in the published version to avoid insult (77), but admits also that personally Fritsch may be an “honest enthusiast”.60 Kittel concludes the judicial side of his report by stating that opinions as presented by Fritsch were wrong, but could not be sorted out by legal actions.61 The controversy presented includes several interesting aspects, with a particularly mentionable example being the controversy between Hermann Cohen and Kittel concerning the meaning of “Love Your Neighbour” and “Love the Alien” (Lev 19:18, 33).62 For the purposes of the present study, which is the comparison between father and son Kittel, it is clear enough that the elder Kittel opposes the anti-Semitic tropes of Fritsch, and insists on the continuity of the Biblical god and the Jewish people as well. He also points to the high standing morality of his Jewish contemporaries. His main criteria are in continuity with those of his early ethical publication of 1885, 12 (Berlin: Inst. Kirche und Judentum, 1991), 113–36; Wiese, Challenging Colonial Discourse, 248–85. 57   Kittel, Judenfeindschaft. 58   Kittel, Judenfeindschaft, 66. 59   Kittel, Judenfeindschaft, 70–73 and 83: “rückständige Einzelpersonen.” 60   Kittel, Judenfeindschaft, 77: “ehrlicher Eiferer.” 61   Kittel, Judenfeindschaft, 79: “nicht auf gerichtlichem Wege beizukommen.” 62   Kittel, Judenfeindschaft, 44–45.

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namely universalistic monotheism and morality, which he claims to find not only in ancient Judaism but also in the German Jewish community of his time. However, Kittel did not take the position of his contemporary Jewish fellow citizens that such insults presented by Fritsch should be punished by law. Fritsch took advantage of this opinion and used Kittel’s report in a biased way as a scholarly confirmation of his anti-Semitic views, which in turn forced Kittel to agree to the request of the Jewish community to publish the report.

D. The Younger Kittel, the Tübingen Theological Faculty, and Theodor Fritsch In 1942 the National High Court of Finance and Taxes (“Reichsfinanzhof”) published a decision about the privilege of tax exemption for printing and distributing the Bible. The infamous special-court No. 6a (“Sondersenat VI a”) which in 1937 was established with the particular task of deciding on mostly anti-Jewish and anti-Church political cases, decided that the transla­ tion of the Bible in languages of “alien races” (“fremdrassige”), particularly in Hebrew, but also in African and Slavic languages as well as the distribu­ tion of the Bible in Germany, does not cohere to the opinions and feelings of the German people (“Volksanschaung”) and should no longer be tax ex­ empted.63 In the opinion of the court neither the Old nor the New Testament could be seen by the German people as useful. The court concluded that the German people could not understand why a book such as the Bible, which glorifies the Jewish people with which the German people were in a deathand-life fight, should be exempted by taxes. This ruling, and particularly its publication in the main official journal of decisions in financial and tax matters, was seen by the churches that op­ posed the anti-Christian political measures, the churches in Bavaria and Wuerttemberg, as an attack against the Bible and Christianity.64 The Bishop of Wuerttemberg, Theophil Wurm (1868–1953), asked the theological facul­ ty of Tübingen for an expert report on the decision of the court of finance, particularly its reasoning that the Bible does not match the opinions and 63   Reichsfinanzhof, Senat VI a, “Urteil v. 17. März 1943 VI a 4/43,” Reichssteuerblatt (1943, 47): 468–469; Reichsfinanzhof, ed., Sammlung der Entscheidungen und Gutachten des Reichsfinanzhofs 53 (Bonn: Gerber, 1944), 195–198; Bundesarchiv, Bestand Reichsfinanzhof, R 37/VI a 4/43. 64  Lukas Bormann, “Staatskirchenrecht im Nationalsozialismus,“ in Entwicklungstendenzen des Staatskirchen- und Religionsverfassungsrechts: Ausgewählte begrifflich-systematische, historische, gegenwartsbezogene und biographische Beiträge (19.–21. Jahrhundert), ed. Thomas Holzner and Hannes Ludyga, Kirchen- und Staatskirchenrecht 15 (Paderborn: Schöningh, 2013), 243–268, see 259–267.

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feelings of the German people.65 The dean of the faculty, Arthur Weiser (1893–1978), accepted the task and consulted Gerhard Kittel.66 The report quoted extensively most of the anti-Semitic publications of Kittel and Kuhn from the year 1939.67 The faculty’s report followed the idea of the younger Kittel that the Jewish people of modern times had nothing in common with the people of Israel in most parts of the Hebrew Bible.68 The younger Kittel’s argument is racist, claiming that the Jewish people had, through a process of racial mixture during the Babylonian exile, reached its present racial characteristics when the Old Testament in its main parts had already been finished. The report concludes that, from the standpoint of racial theory, the Jewish people and the Old Testament have no connection to each other, which means the Old Testament is not Jewish. On the basis of this racial argument, Weiser pre­ supposes on a more exegetical level that the Old Testament represents two narratives, a nationalistic and a prophetic narrative, the latter having been in war against the nationalistic from the times of the great prophets on. The decision of the High Court of Finance and Taxes should only target this nationalistic Jewish narrative but not the Bible as such, which should on the contrary be seen as a fierce opponent of Judaism. The report, therefore, claims to have refuted the opinion of the High Court “that the Old Testament understood by the terms of the church does not match the national-socialist world view”.69 The report quotes Fritsch’s Handbook on the Jewish Question three times as an authority on Judaism. Firstly, the report accepts Fritsch’s distinction between the true religion of revelation and paganism, and presents it as a distinction between the nationalistic and the prophetic narrative of the Bible, which is understood as the distinction between Judaism and Christianity, 65  Lukas Bormann, “Bibel, Bekenntnis, Gewissensfreiheit – Judentum? Hans Meisers Schreiben an den Reichsfinanzhof vom 17.9.1943,” Zeitschrift für Bayerische Kirchengeschichte 80 (2011): 363–383. 66  To Weiser see Cornelia Weber, Altes Testament und völkische Frage: Der biblische Volksbegriff in der alttestamentlichen Wissenschaft der nationalsozialistischen Zeit, dargestellt am Beispiel von Johannes Hempel, Forschungen zum Alten Testament 28 (Tübingen: Mohr Siebeck, 2000), 284–287. 67  Gerhard Kittel, Die historischen Voraussetzungen der jüdischen Rassenmischung, Schriften des Reichsinstituts für Geschichte des neuen Deutschland (Hamburg: Hanseatische Verlagsanstalt, 1939); Karl Georg Kuhn, Die Judenfrage als weltgeschichtliches Problem, Schriften des Reichsinstituts für Geschichte des neuen Deutschland (Hamburg: Hanseatische Verlagsanstalt, 1939). 68   Gutachten der Evang.-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen vom 17.4.1943, Bundesarchiv, Bestand Reichsfinanzhof, R 37/VI a 4/43. 69   Gutachten der Evang.-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen, 8–9: “das im Sinne der Kirche verstandene Alte Testament sei mit der nationalsozialistischen Weltanschauung unvereinbar.”

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respectively. Secondly, the report accepts Fritsch’s idea that the “nationalis­ tic” narrative of the Jewish people is paganism. Thirdly, the Tübingen facul­ ty’s report presents the trump card of religious anti-Semitism, agreeing with Fritsch in pointing to the enmity of Jews towards Jesus, which found its high point in the crucifixion as an outcome of Jesus’ criticism of Israel. In summary, then, for the theological faculty of Tübingen, the Bible was in its prophetic message anti-Jewish and pro-Christian, and both the prophet­s and Christianity were highly anti-Semitic and therefore consistent with the views of the German people as the Nazis understood it.

E. Comparison and Conclusion Comparing the arguments against the Bible used in the court decisions at the Saxonian Court in 1913 and thirty years later at the High Court of Finance in 1943, it is obvious that ideas represented by a small circle of “practical anti-Semites” around Theodor Fritsch in 1913 became the ground for the decisions of the German state in 1943, which used all its power and bureau­ cratic precision. Looking more closely at father and son Kittel, the shift can be analysed in more detail. Whereas in 1913 father Kittel could mock the insanity of Fritsch, and the German Jews were also able to bring Fritsch to court and even saw him convicted at least in some cases, in 1943 the Tübingen faculty of theology and Kittel the son used Fritsch as an authority on Judaism to protect them­ selves against the anti-Bible decision of the Financial High Court. Whereas father Kittel was honest enough to admit the high standard of morality of both Jews and Jewish tradition, which he saw as founded in the teachings of the moral genius Moses at Sinai and continuing to his contemporary Jewish fellow citizens, the son follows the Wellhausen school’s thesis of discontinuity between the prophets and Judaism, and even deepened the rift between the Bible and both ancient Judaism and contemporary Jews by using what he saw as scientific theories about racial mixture. Whereas father Kittel esteems the Old Testament as a document showing the high standards of Jewish morality, which as he claimed “in some aspects could only redeveloped but not bettered by Christianity,” the son even ignores the high standard of Jewish ethics he had admitted himself in his earlier publications.70 Whereas the father could use the connection between the Jewish people and what he called the Old Testament to defend his Jewish contemporaries against hate-speech, the son tried to defend a reduced and distorted Old Testament which was no longer his father’s Old Testament.   Kittel, Judenfeindschaft, 63–64: “[eine] Höhe und Reinheit (…) die auch nach manchen Richtungen durch das Christentum nur wiederentdeckt, nicht aber überboten werden konnte.” 70

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Whereas father Kittel followed the tradition of the Enlightenment in stating that every human being is confronted with the will of God, from whatever origin or religion it may be, the son Gerhard preferred a tribal view of hu­ manity limited by racial presuppositions which led him to oppose assimila­ tion and prefer separation and segregation. Whereas the father was active in integrating German Jews by sharing common values such as Germanhood and suffering for the nation, the son consequently opposed integration and looked for the separation and dispossession of Jews in all respects. Whereas the father saw the academy as the “aristocracy of the enlightened” based solely on scholarly talent and capability, the son used all his power and influence to support only national-socialist, imperialistic, anti-liberal, and anti-Semitic scholars. Obviously, there must have been a major shift between father and son as well as between the two generations they represent. The attitude towards Jews was a field in which such shifts took place, but one can also see in oth­ er fields of cultural and political life the growing radicalization of anti-libe­ ral, anti-international, and anti-democratic views between the elder Kittel, born before the founding of the Second Reich in 1871, and the younger Kittel, born after this period. Especially the outcome of the Great War has to be seen as a watershed which widened the shift between liberal and na­ tional-conservative groups. One of the main fields of anti-Semitic attacks was the question of the continuity or discontinuity of the Biblical narrative and of Jewish history. Anti-Semites did not want to be understood as anti-Christian in criticizing the Bible, and thus tried to disconnect the hatred of Jews from anti-Chris­ tian sentiments, at least on tactical grounds. Even Fritsch, who was very critical of many parts of Christianity which he understood as Jewish, was afraid to go too far in his anti-Christian propaganda. In 1943, however, when the destruction of the European Jews was ongoing, at least some of this reluctance towards Christianity was given up and the High Court of Justice ruled that the New Testament was useless for Germans and the Old Testament even dangerous by reason of its glorifying what they saw as the enemies of the German people (“Staatsfeinde”). The determination of the National-Socialist movement to use all areas of society in its fight against Jews and Judaism led to an explicitly anti-Semi­ tic form of Biblical scholarship produced by Kittel, Kuhn, and Grundmann. But in 1943 these scholars found themselves under pressure to defend the Bible. They were caught up in the contradictions which they had brought upon themselves by freely choosing the task of interpreting the Bible in an anti-Semitic fashion as Christians. In the opinion of this author, it is obvious that at least in the narrative presented in this study, which is the family narrative of father and son Kittel, there is more discontinuity than continuity between the two scholars in relation to anti-Semitism, or even a

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gap which became increasingly broader between 1914 and 1943. There were many poli­tical influences which forced this rift, but in terms of Biblical scholarship these influences were echoed in the views on the continuity of the Jewish people from Sinai to modern times.

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Gerhard Kittel und Adolf Schlatter Dokumentation einer Beziehung Roland Deines A. Einleitung Sind Lehrer für die Taten und Untaten ihrer Schüler verantwortlich? Diese Frage steht im Raum, seit Matthias Morgenstern die Frage nach einer Schlatter-Schule gestellt hat, in der er eine, wenn nicht unheilvolle so doch zumindest problematische Linie von Adolf Schlatter (1852–1938) über Gerhard Kittel (1888–1948) zu deren Tübinger Lehrstuhl-Nachfolgern Otto Michel (1903–1993) und Martin Hengel (1926–2009) gezogen hat.1 Auch wenn er am Ende – und nach dem, was er im Voranstehenden an Dependenzen aufzuzeigen versucht eher unerwartet – den Gedanken einer Schlatter-Schule zurückweist, bleibt dennoch die Frage nach dem genaue­n Verhältnis von Schlatter und Kittel bestehen, zumal Morgenstern/Rieger die Behauptung aufstellen, dass „Schlatter… der wichtigste Lehrer Gerhard Kittels gewe­sen“ ist. 2 Verstärkt wird dieses Bild eines dezidierten Tübinger theologische­n Antisemitismus im Gefälle von Schlatter dadurch, dass auch Walter Grundmann und Karl Georg Kuhn, die ebenfalls in den dreißiger Jahren als Mitarbeiter Kittels in Tübingen waren, indirekt als Schlatterschüler dargestellt werden. So schreibt Tanja Hetzer im Artikel über Adolf Schlatter im Handbuch des Antisemitismus, dass dieser „in 1   Morgenstern, Matthias, Von Adolf Schlatter zum Tübinger Institutum Judaicum: Gab es in Tübingen im 20. Jahrhundert eine Schlatter-Schule? Versuch einer Rekonstruktion, in: Ders./Reinhold Rieger (Hg.), Das Tübinger Institutum Judaicum. Beiträge zu seiner Geschichte und Vorgeschichte seit Adolf Schlatter (Contubernium 83), Stuttgart: Steiner 2015, 11–147. 2   Morgenstern, Matthias/Reinhold Rieger, Vorbemerkung, in: Dies. (Hg.), Das Tübinger Institutum Judaicum. Beiträge zu seiner Geschichte und Vorgeschichte seit Adolf Schlatter (Contubernium 83), Stuttgart: Steiner 2015, 9f. So auch Lindemann, Gerhard, Gerhard Kittel: familiäre Herkunft, Ausbildung und wissenschaftliche Anfänge, in: Manfred Gailus/Clemens Vollnhals (Hg.), Christlicher Antisemitismus im 20. Jahrhundert. Der Tübinger Theologe und »Judenforscher« Gerhard Kittel (Hannah-Arendt-Institut. Berichte und Studien 79), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2020, 63–82. Auch ich habe dieses Verständnis von Schlatter als Lehrer Kittels vertreten, s. Deines, Roland, Die Pharisäer. Ihr Verständnis im Spiegel der christlichen und jüdischen Forschung seit Wellhausen und Graetz (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 101), Tübingen: Mohr Siebeck 1997, 418f.

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Tübingen… einen wissenschaftlich-theologischen Antisemitismus ent­ wickelt“ habe, den seine Schüler Gerhard Kittel und Walter Grundmann in den 1920er und 1930er Jahren aufnahmen und zu einer dezidiert rassisch-völkischen Judenfeindschaft radika­ lisierten. Die besondere Tübinger Prägung dieser theologischen Judenfeindschaft be­ stand in der Überzeugung Schlatters, das Christentum habe das Judentum nicht nur überwunden, sondern Jesus sei selbst der „gewaltigste Widersacher“ des Judentums. Seine theologische Auseinandersetzung mit „den Juden“ und dem „Judentum“ diente dabei der Festigung fundamentaler christlicher Dogmen.3

Die Bewertung, dass Schlatter einen eigenständigen „wissenschaftlichtheolo­ g ischen Antisemitismus entwickelt“ habe, ist wenig überzeugend. Er partizipierte zwar in nicht geringem Maß an dem weit verbreiteten konser­vativ-protestantischem Feindbild „einer übergreifenden Allianz von moderne­m Judentum, liberaler Publizistik und innerkirchlichem Libera­ lismus“ und sah mit Besorgnis und Ablehnung auf die jüdische Beteiligung sowohl am Marxismus als am Kapitalismus, die er beide als gesellschaft­l iche Systeme ablehnte, aber diese politische und gesellschaftliche Verortung inner­halb des protestantisch-konservativen Lagers hat weder zu einer eigen­ ständigen Form des traditionellen christlichen Antijudaismus noch zu einem rassisch konnotierten Antisemitismus geführt.4 Zudem hat sich Schlatter, wenn ich das recht sehe, in seinen Schriften vor 1930 an keiner Stelle politisch über die Situation des gegenwärtigen Judentums geäußert. Alle dies­bezüglichen Äußerungen (in Form von Kleinschriften und kürzeren Beiträgen in kirchlichen Zeitschriften) stammen aus der Zeit ab 1930 und es ist wenig wahrscheinlich, dass diese auf Kittels oder Grundmanns Position irgendeinen nennenswerten Einfluss hatten.5 Aber gerade weil Schlatter immer wieder in eine Traditionslinie zu den genannten Autoren gebracht wird,6 erscheint es angemessen, zunächst noch einmal anhand gedruckter und ungedruckter Quellen zu präzisieren, in welchem Verhältnis Kittel und Schlatter zueinander standen. Dabei werden 3   Hetzer, Tanja, Schlatter, Adolf, in: Wolfgang Benz (Hg.) Handbuch des Antisemitismus, Bd. 2/2: Personen L–Z, Berlin: de Gruyter/Saur 2009, 731–733 (732f.); zu Schlatter als „teacher and mentor“ von Kittel, Grundmann und Paul Althaus s. auch Gerdmar, Anders, Roots of Theological Anti-Semitism. German Biblical Interpretation and the Jews, from Herder and Semler to Kittel and Bultmann (Studies in Jewish History and Culture 20), Leiden/Boston: Brill 2009, 254. 4   Heinrichs, Wolfgang E., Das Judenbild im Protestantismus des Deutschen Kaiserreichs. Ein Beitrag zur Mentalitätsgeschichte des deutschen Bürgertums in der Krise der Moderne, Gießen: Brunnen 22004, 501 (das Zitat bezieht sich nicht auf Schlatter, sondern auf den konser­ vativen Protestantismus; zu Schlatter s. 308 Anm. 951). 5   So auch Gerdmar, Theological Anti-Semitism, 275. 6  Vgl. Siegele-Wenschkewitz, Leonore, Vorwort, in: Dies (Hg.), Christlicher Antijudaismus und Antisemitismus: Theologische und kirchliche Programme Deutscher Christen (Arnolds­ heimer Texte 85), Frankfurt/M.: Haag+Herchen 1994, VII–XXI.

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in einem ersten Teil die Äußerungen und Bezugnahmen Kittels auf Schlatter und in einem zweiten Schlatters Äußerungen bzw. Bezugnahmen auf Kittel herangezogen. Meine These ist, um das vorwegzunehmen, dass von ei­ nem eigentlichen Schülerverhältnis nicht gesprochen werden kann, weil in Kittels formativer Periode ein Einfluss Schlatters nicht zu erkennen ist und von Kittel auch an keiner Stelle benannt wird. Das wird unterstützt durch die relativ zahlreichen autobiographischen Zeugnisse Schlatters, in denen Kittel nicht erwähnt wird. Ein eigentliches Verhältnis zwischen den beiden entstand erst, nachdem Kittel als Nachfolger des früh verstorbenen Wilhelm Heitmüller (1869–1926) nach Tübingen gekommen war. Inwieweit hier noch von einer prägenden Beeinflussung Schlatters auf Kittel gesprochen werden kann, bleibt eine offene Frage. Die hier vorgelegten Indizien spre­ chen jedoch gegen einen solchen Einfluss Schlatters, auch wenn Vieles für ein enges und gutes Verhältnis der beiden Gelehrten spricht, die als Vertreter eines konservativen Protestantismus eine große Schnitt­menge gemeinsamer Überzeugungen besaßen. Um Schlatters Stellung und seine­n Einfluss in den Jahren 1930 bis 1938 beurteilen zu können, wäre eine grundlegendere Untersuchung notwendig, die mehr biete­t als die weit ver­ breitete Glorifizierung des „Alten“ in seinen letzten Lebensjahren, die aber hier nicht geleistet werden kann. Mein Eindruck ist, dass der alte Schlatter spätestens nach 1945 (und möglicherweise schon früher, beginnend mit sei­ nem Tod und den Nachrufen) vielfach eine willkommene Projektionsfläche bot, um sich entweder positiv oder negativ auf ihn zu beziehen und so die eigene Stellung zu legitimieren, aufzuwerten oder zu entschuldigen. Das Ziel dieser Dokumentation der Zusammenarbeit und gegenseitigen Wahrnehmung von Schlatter und Kittel liegt nicht in einer Bewertung ihres Verhaltens in der Zeit der Naziherrschaft. Dass hier für beide Gelehrte, wenn auch m.E. in verschiedener Gewichtung gilt, dass sie die Zeichen der Zeit missdeutet und sich schuldig gemacht haben, indem sie die Vorrangstellung der „völkischen“ Gemeinschaft über die in Jesus Christus begründete Gemeinschaft nicht nur mit den Judenchristen, sondern eben auch bleibend mit dem jüdischen Volk, gestellt haben. Dazu kommt, dass sie – wiederum in sehr verschiedener Gewichtung – die Not der jüdischen Gemeinschaft nicht gesehen haben, die durch die nationalsozialistische Politik erzeugt und durch ihre eigenen theologischen Aussagen zumindes­t bestätigend sekundier­ t werden konnte. Sie haben sich zwar einzelner Schicksale im Privaten angenommen, aber für die Bedrohung des jüdi­ schen Volks als Ganzem hatten sie kein Gespür. Das mag bei Schlatter noch verstehbar sein, da er die Reichpogromnacht am 9. November 1938 nicht mehr erlebt hat. Kittel hätte jedoch spätestens da, so meint man zumindes­t als Nachgeborener, merken und erkennen können, dass dieses Regime den Juden in Deutschland noch nicht einmal das von ihm propa­ gierte „Gastverhältnis“ und die damit verbundene „Kulturautonomie“ (61f.)

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einräumen würde, geschweige denn die Gewähr dafür, „dass man das Recht des Fremdlings nicht beugen dürfe.“ 7

B. Gerhard Kittel und Adolf Schlatter 1. Kittel als Tübinger Student „Kittel verstand sich als Schüler Schlatters“ schreibt Lukas Bormann vor­ sichtiger als Morgenstern und andere, die den Tübinger Professor zum „wichtigste[n] Lehrer“ Kittels erklären (s.o. Anm. 2). Denn die Fortsetzung des Satzes von Bormann lautet: „[Kittel]… war in Kiel an der Fakultät Kögels promoviert und habilitiert worden und hatte von 1921–1926 in Greifswald, dem Wirkungsort Cremers, seine erste Stelle als ordentlicher Professor inne gehabt, bevor er dem Ruf nach Tübingen folgte.“8 D.h. in seiner wissen­ schaftlichen Biographie findet sich keine nähere Berührung mit Schlatter. Kittel studierte überhaupt nur ein Semester in Tübingen (im Sommersemester 1908)9 und belegte in dieser Zeit als einzige Vorlesung Schlatters dessen vier­stündige Auslegung des Johannesevangeliums. Weitere der insgesamt vier Lehrveranstaltungen Schlatters in diesem Semester besuchte er nicht. An theologischen Vorlesungen hörte er stattdessen Theodor von Häring über die Johannesbriefe (2 std.) und Paul Volz (damals noch Privatdozent) über Jeremia (2 std.). Daneben betrieb er intensive philologische Studien: bei Julius von Grill (s.u. Anm. 109) nahm er an einer Targumlektüre (1 std.) teil, bei Prof. Christian Seybold belegte er Syrisch und Arabisch (höherer Kurs) jeweils 2-stündig, dazu Babylonisch-assyrisch bei Prof. Paul Rießler (1865– 1935) von der katholischen Fakultät, der mit seiner Sammlung Altjüdisches Schrifttum außerhalb der Bibel (Augsburg 1928) bis heute berühmt ist. Aus diesem Programm wird deutlich, dass er sein Interesse an der Philologie (und damit auch an der rabbinischen Literatur) offenbar schon nach Tübingen mitbrachte und dieses nicht erst durch die Begegnung mit Schlatter ent­   Die Zitate stammen aus Kittel, Gerhard, Die Judenfrage, Stuttgart: Kohlhammer 21933, 61–63, in der er als ‘Lösung’ der sog. Judenfrage die Anwendung des Fremdlingsrechts (und da­ mit verbunden des Gastrechts) auf die deutsche jüdische Bevölkerung vorschlägt. Die falschen Wegentscheidungen beider Gelehrter, bei aller Würdigung ihres theologischen Anliegens, sind detailliert beschrieben bei Gerdmar, Theological Anti-Semitism, 253–326 (Schlatter) und 417–530 (Kittel). 8   Bormann, Lukas, Das Theologische Wörterbuch zum Neuen Testament im 21. Jahrhundert. Überlegungen zu seiner Geschichte und heutigen Benutzung, in: Gerhard Kittel/ Gerhard Friedrich (Hg.) Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, Darmstadt: wbg Academic 2019, Bd. 1, V–XXII (XII). 9   Siegele-Wenschkewitz, Leonore, Neutestamentliche Wissenschaft vor der Judenfrage. Gerhard Kittels theologische Arbeiten im Wandel deutscher Geschichte (Theologische Existenz heute 208), München: Kaiser 1980, 47 Anm. 11, teilt den Studienverlauf Kittels semestergenau mit. 7

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stand. Daneben ist ein deutlich politisch-gesell­schaftliches Interesse erk­ ennbar, wie Vorlesungen über „Die deutsche Geschichts­schreibung im 19. Jahrhundert“ (Prof. Walter Goetz, 1 std.), „Die politischen Parteien“ (Prof. Heinrich Triepel, 1 std.) und „Das Recht der Arbeiterversicherung“ bei dem Schweizer Staats- und Kirchenrechtler Prof. Fritz Fleiner (2 std.) belegen.10 Kittel beendete sein Studium nach insgesamt zehn Semestern (davon sieben in Leipzig, zwei in Berlin und nur eines in Tübingen) in Leipzig im Frühjahr 1912 und wird dann für etwas über ein Jahr Assistent am Neutestamentlichen Seminar bei Paul Feine (1859–1933) in Halle. Seine Dissertation (Lic. theol.) schrieb er jedoch unter Johannes Leipoldt (1880– 1965), der von 1905 bis 1909 in Leipzig als Privatdozent wirkte, bevor er in Kiel eine Professur erhielt (1909). Nach einem kurzen Intermezzo in Münster kehrte Leipoldt 1916 nach Leipzig als Nachfolger seines Lehrers Georg Heinrici zurück. Kittel, der in Kiel auch habilitiert wurde, ließ sich 1917 nach Leipzig umhabilitieren, wo er bis 1921 blieb. Daraus geht zweifelsfrei hervor, dass Leipoldt und Leipzig die für ihn entscheidenden Prägungen darstellten.11 Leipoldt gehörte später – im Unterschied zu Kittel – zu den aktiven Mitarbeitern am Eisenacher „Institut zur Erforschung (und Beseitigung) des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben“, dem sein ehemaliger Student Walter Grundmann vorstand. Für Kittels Biographie und intellektuelle Genese ist darum Leipoldt ungleich wichtiger als Schlatter. Daneben ist der Einfluss seines Vaters, der seit 1898 in Leipzig wirkte, von 1917–1919 sogar als Universitätsrektor, wohl ebenfalls nicht zu unterschätzen. In der Danksagung seiner Dissertation von 1913 nennt er seinen Vater als den, dem er „am meisten“ dankt.12 Auch aus dem ersten Brief Kittels an Schlatter vom April 1923 (s. Anhang) wird deutlich, dass es in der Zeit des Studenten Kittel keine nähere Beziehung zu dem damals noch nicht wirklich berühmten Professor gab.

10   Universitätsarchiv Tübingen (UAT) 258/9317: Studierendenakte Gerhard Kittel (1888– 1948). DOI: 10.20345/digitue.22285. 11  Zu Leipoldt s. Schuster, Dirk, „Jesu ist von jüdischer Art weit entfernt“. Die Konstruktion eines nichtjüdischen Jesus bei Johannes Leipoldt, in: Manfred Gailus/Clemens Vollnhals (Hg.), Für ein artgemäßes Christentum der Tat. Völkische Theologen im „Dritten Reich“ (Berichte und Studien 71), Göttingen: V&R unipress 2016, 189–201. Bei Leipoldt finden sich schon 1923 „Überlegungen … hinsichtlich einer auf rassekundlichen Gedanken basierenden nichtjüdi­ schen Herkunft Jesu“ (191), desgleichen über die antiken Juden als „Mischlinge“ (192). Nach dem 2. Weltkrieg machte Leipoldt in der ehemaligen DDR Karriere, war Abgeordneter der Volkskammer und Träger mehrerer Orden (198). Es ist unverständlich, dass es über ihn bis heute keine grundlegende Monographie gibt. Auch das Verhältnis Kittels zu Leipoldt nach 1933 wäre eine eigene Untersuchung wert. 12   Zit. b. Siegele-Wenschkewitz, Judenfrage, 48 Anm. 13. In dieser Danksagung werden darüber hinaus eine Reihe von Lehrern genannt, aber Schlatter gehört nicht dazu. Zum Verhältnis zum Vater s. Deines, Pharisäer, 416–419.

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2. Schlatter als methodologischer Anreger und Vorbild Aus dem Tübinger Semester lässt sich darum nur schwer ein besonderes Interesse Kittels an Schlatter ablesen, auch wenn es möglich ist, dass des­ sen Johannesvorlesung, bei der der sprachliche Nachweis der palästinischen Herkunft des vierten Evangeliums eine Rolle gespielt haben wird, Eindruck auf ihn gemacht hat. Schlatters entsprechende Veröffentlichung13 lag zu der Zeit schon vor. Ausgehend von rabbinischen Parallelen führte er darin den Nachweis, dass die Sprache des Johannesevangeliums sich am besten damit erklären lässt, dass hier jemand auf Griechisch geschrieben hat, der in der Denk- und Sprachwelt des Aramäischen zu Hause war. Damit meinte er, ge­ gen die zu dieser Zeit hochgehandelten religionsgeschichtlichen Ableitungen des Johannesevangeliums vor allem aus nichtjüdischen Quellen, den Nachweis erbracht zu haben, dass der vierte Evangelist dem palästinischen Judentum des 1. Jahrhunderts angehört haben musste. Diese Schrift, die in deer zeitgenössischen Johannesforschung kaum rezipiert wurde, hat Kittel – ob schon damals oder erst später – offenbar sehr beeindruckt. Erstmals weist er auf sie anlässlich der Veröffentlichung der ersten (und einzigen) Lieferung seiner Übersetzung von Sifre zu Deuteronomium hin, die er nach seinen eigenen Worten 1913 begann. Zwar seien und sind Mischna und Talmud „mannigfach Gegenstand von Bearbeitungen und Übersetzungen gewesen,“ jedoch habe die Forschung der tannaitischen Kommentare zu den Büchern Exodus bis Deuteronomium bis auf wenige Ausnahmen vernachlässigt. Eine dieser Ausnahmen ist Schlatter, der als einer der wenigen mit diesen Texten vertrauten christlichen Theologen… das Verdienst [hat], an einer Einzelfrage, der des Sprach- und Heimatproblems des vierten Evangelisten, gezeigt zu haben, wie fruchtbar die systematische Verarbeitung gerade dieser Gruppe der rabbinischen Quellen für die neutestamentliche Forschung sein kann.14

Noch ausführlicher geht Kittel in seiner Programmschrift Die Probleme des palästinischen Spätjudentums auf diese frühe Arbeit von Schlatter ein. Kittels Buch entstand aus Vorlesungen, die er im Frühjahr 1924 an der Amsterdamer Vrije Universiteit gehalten hatte. In ihm unternahm er es, seine eigene wissenschaftliche Arbeit in der zeitgenössischen neutestament­ 13   Schlatter, Adolf, Die Sprache und Heimat des vierten Evangelisten (Beiträge zur Förderung christlicher Theologie VI/4), Gütersloh: Bertelsmann 1902. Wiederabdruck in: Karl Heinrich Rengstorf (Hg.), Johannes und sein Evangelium (Wege der Forschung 82), Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1973, 28–201. Zur Einordnung dieses frühen Werkes Schlatters in die johanneische Forschungsgeschichte, s. Frey, Jörg, Die Johanneische Eschatologie, Bd. 1: Ihre Probleme im Spiegel der Forschung seit Reimarus (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 96), Tübingen: Mohr Siebeck 1997, 75f. Wassermann, Clemens, Das vierte Evangelium aus Sicht der semitischen Sprachen: Ein linguistischer Beitrag zur Klärung der johanneischen Frage (Arbeiten zur Bibel und ihrer Geschichte 65), Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2020, 222 u.ö. 14   Kittel, Gerhard, Sifre zu Deuteronomium 1. Lfg., Stuttgart: Kohlhammer 1922.

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lichen Wissenschaft zu verorten. Schlatters Studie wird im Kapitel über „Das literar- und formgeschichtliche Problem“ nicht nur ausführlich vorge­ stellt, sondern Kittel hebt auch ihren exemplarischen und methodisch vor­ bildlichen Charakter ausdrücklich hervor:15 Schlatter ging in seiner 1902 erschienenen Untersuchung… von den tannaitischen Midraschim Mekilta und Sifre aus, das heisst: von den alten haggadischen, in ihren Grundbestandteilen auf die Zeit der Apostel zurückreichenden Texten des palästinischen Judentums. Satz für Satz und Vers für Vers hat er durch das ganze Johannesevangelium und die Johannesbriefe hin die Einzelheiten nicht nur der Begriffe, sondern auch der ganzen Sprechweise aus dem Material dieser Midraschim beleuchtet. (…) Was Schlatter gegeben hat, ist im wahren Sinn des Wortes Materialsammlung. Man mag es bedauern – auch um der Wirkung seiner Abhandlung willen –, dass er es verschmäht hat, selber das Ergebnis in systematischer Abrundung vorzuführen. Aber wer sich wirklich die Mühe gemacht hat, die Schlatterschen Nachweise an den Texten selbst zu prüfen, ist, bei aller Berücksichtigung dieser Einschränkungen, von ihrer Tragweite über­rascht. So wenig Schlatters Buch in den zweiundzwanzig Jahren seit seinem Erscheinen von der Mehrzahl der Exegeten des Johannesevangeliums auch nur zitiert, geschweige denn gelesen worden ist, es bleibt ihm der Ruhm, den exakten Beweis geführt zu haben, dass die einseitig hel­ lenistische Fragestellung und die Ignorierung der palästinischen Zusammenhänge his­ torisch falsch ist.16

Dass diese Studie Schlatters aufgrund der ihm eigenen Verweigerung des (dokumentierten) wissenschaftlichen Gesprächs und der genauen Nachweise der Belege formal nicht recht zu befriedigen mag, wird bei Kittel ebenfalls deutlich, wenn er den Charakter als „Materialsammlung“ hervorhebt, die ohne ein „Ergebnis in systematischer Abrundung“ geblieben ist.17   Kittel, Gerhard, Die Probleme des palästinischen Spätjudentums und das Urchristentum (Beiträge zur Wissenschaft vom Alten und Neuen Testament 37), Stuttgart: Kohlhammer 1926, 45–51. 16   Kittel, Probleme, 47f. Auch die sonstigen Hinweise auf Schlatter in Kittels Studie ver­ weisen in erster Linie auf dessen Rabbinica-Forschung, s. 17 m. Anm. 1; 18 Anm. 3; 69 Anm. 4. In dem umfangreichen Vergleich zwischen Jesus und seiner jüdischen Mitwelt, in der Kittel aufzuzeigen versucht, welche Elemente in Jesu Lehre und Wirken als Beginn der Trennung des Weges von Judentum und Christentum angesehen werden können (Kittel, Probleme, 88–140: „Das religionsvergleichende Problem“), kommt Schlatter dagegen nur einmal vor, beim Vergleich von Jesus mit den Wundertätern in der rabbinischen Literatur und bei Josephus (136f.). 17  Sein eigenes akribisches Arbeiten, das gerade bei rabbinischen Texten auf Handschriftenvarianten und Paralleltraditionen eingeht, dieselben bibliographisch doku­ mentiert und sich weiter darum bemüht, die mögliche Entstehung und Entwicklung einer Überlieferung nachzuzeichnen, ist sehr gut erkennbar in Kittel, Gerhard, Rabbinica. Paulus im Talmud; Die „Macht“ auf dem Haupte; Runde Zahlen (Arbeiten zur Religionsgeschichte des Urchristentums I/3), Leipzig: Hinrichs 1920; ders., Probleme, 141–194. Hier sind die Unterschiede zu Schlatter (und Kittels methodologische Überlegenheit) mit Händen zu greifen. Auch die peinlich genaue Überprüfung aller Quellenbelege, die den ‘Kittel’ (s.u.) auszeichnen sollten, entspricht Kittels penibler Genauigkeit, vgl. dazu Bormann, Wörterbuch, VII. Die tra­ ditionsgeschichtliche Methode entspricht genau dem, was in Leipzig von Leipoldt und vor allem 15

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Als Kittel 1933 die Arbeit an den Rabbinica im Rahmen des Übersetzungs­ projekts „Rabbinische Texte“ wieder aufnahm, verwies er in einer kurzen Vorbemerkung zu den ersten Lieferungen auf Adolf von Harnack, der „den entscheidenden Anstoß für die hier beginnende Ausgabe“ gegeben habe.18 Schlatter ist in diesem in Tübingen geschriebenen Vorwort gerade nicht erwähnt. Die Wurzeln des Projekts liegen bei Kittels Doktorvater Johannes Leipoldt (Leipzig), der seit 1916 den Plan einer deutschen ToseftaÜbersetzung verfolgte, von der allerdings nur die ersten beiden Traktate er­ schienen sind. Dieses Projekt ist wiederum inspiriert von einem 1913/14 be­ schlossenen Göttinger Akademieprogramm.19 Kittel steht darum mit seinen rabbinischen Plänen viel stärker in der Leipziger religionswissenschaftlichen Tradition als in einer (nicht wirklich vorhandenen) Tübinger Tradition, da Schlatter zu solchen wissenschaftlich-editorischen Großprojekten Neigung und Fähigkeit fehlten. Als einzige Verbindungslinie zwischen Leipzig und Tübingen lässt sich eine gewisse Wertschätzung Leipoldts für die Arbeit Schlatters benennen.20 3. Publikationen Ein weiterer Hinweis, der gegen eine Schülerschaft Kittels in Bezug auf Schlatter spricht, sind die getrennten Wege, was die vielfältigen Publikationen der beiden Gelehrten anbelangt. So erschien keine der Arbeiten von Kittel in den maßgeblich von Schlatter herausgegebenen Beiträge[n] zur Förderung christlicher Theologie, die am ehesten als Organ einer „Schlatter-Schule“ ver­ standen werden können, obwohl er sich selbst (s.u.) sowie die Entstehung der Beiträge immer von einem solchen Schuldenken distanziert hatte. Im Jubiläumsheft, das den 25. Band einleitete, berichtete Schlatter über die Entstehung der Beiträge, die er 1900 zusammen mit Hermann Cremer ins Leben gerufen hatte. Ziel war nicht ein Schulorgan oder die Begründung einer „positiven Schule“ („Der Titel sagte aller theologischen Schul- und Sektenbildung den Kampf an“) sondern eine Publikationsform, die sowohl Georg Heinrici praktiziert und begründet wurde, s. Seelig, Gerald, Religionsgeschichtliche Methode in Vergangenheit und Gegenwart. Studien zur Geschichte und Methode des religions­ geschichtlichen Vergleichs in der neutestamentlichen Wissenschaft (Arbeiten zur Bibel und ihrer Geschichte 7), Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2001, 122–259; Frenschkowski, Marco/Seehausen, Lena R. (Hg.), Im Gespräch mit C.F. Georg Heinrici: Beiträge zwischen Theo­ logie und Religionswissenschaft (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 2/546), Tübingen: Mohr Siebeck 2021. 18   Kittel, Gerhard, Vorbemerkung zu den „Rabbinischen Texten“, in: Rengstorf, Karl Heinrich, Jebamot. Text/Übersetzung/Erklärung, Lieferungen 1–3 (Rabbinische Texte 1. Reihe: Die Tosefta. Bd. 3: Seder Naschim), Stuttgart: Kohlhammer, 1933, I–III (I). 19   Vgl. dazu Deines, Pharisäer, 406f. mit Nachweisen. 20   Vgl. die kurze Rezension Leipoldt, Johannes, Rez. Schlatter, Adolf, Geschichte Israels von Alexander dem Großen bis Hadrian, Stuttgart: Calwer 31925, in: Angelos 2 (1926), 159.

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der Kirche als auch der Theologie dienen wollte, indem sie die Einheit der Theologie in dem Wirken Gottes für und in der Welt aufzeigte.21 Neben Schlatter, der mit Abstand die meisten Beiträge geschrieben hat, haben sich 72 weitere Autoren daran beteiligt.22 Kittel war nur mit der Gedenkrede auf den verstorbenen Schlatter, der er sich wohl nicht entziehen konnte, dar­u nter.23 Als nach dem überraschenden Tod von Schlatters ehemali­ gen Schüler, langjährigem Freund und Kollegen, dem 15 Jahre jüngeren Wilhelm Lütgert im Februar 1938 neue Herausgeber gesucht wurden, war Kittel offenbar kein Kandidat, der dafür in die engere Wahl gezogen wurde.24 Das kann einerseits mit dessen Beanspruchung als Herausgeber des Theologischen Wörterbuch zum Neuen Testament erklärt werden, aber dahinter verbirgt sich möglicherweise doch auch eine gewisse theologische Distanz bei aller persönlichen Nähe. Das Titelblatt des ersten Hefts nach Schlatters Tod lautete: „Begründet von D. Adolf Schlatter. Herausgegeben von D. Paul Althaus.“ Bemerkenswert ist außerdem, dass Kittel in keiner der drei Festschriften begegnet, die Schlatter gewidmet waren.25   Schlatter, Adolf, Die Entstehung der Beiträge zur Förderung christlicher Theologie (Beiträge zur Förderung christlicher Theologie 25/1), Gütersloh: Bertelsmann 1920, 8f. 22   Bis 1941, als die Beiträge kriegsbedingt eingestellt wurden, stieg die Zahl auf 115 Autoren, darunter auch Dietrich Bonhoeffer. Mit Bd. 44 begannen sie 1948 wieder zu erscheinen. 23   Kittel, Gerhard, Adolf Schlatter. Gedenkrede, gehalten am 23. Mai 1938 im Festsaal der Universität Tübingen, in: Paul Althaus/Gerhard Kittel/Hermann Strathmann, Adolf Schlatter und Wilhelm Lütgert zum Gedächtnis (Beiträge zur Förderung christlicher Theologie 40/1), Gütersloh: Bertelsmann 1938, 16–30. Die Seitenzahlen im Folgenden beziehen sich auf die Parallelausgabe: Kittel, Gerhard, Gedenkrede bei der akademischen Feier, in: Ein Lehrer der Kirche. Worte des Gedenkens an D. Adolf Schlatter, 1852–1938, Stuttgart: Calwer 1938, 19–33 (in dieser Version sind die Zitate nachgewiesen). Ein drittes Mal wurde sie veröffentlicht im Schlatter gewidmeten Heft der Zeitschrift: Deutsche Theologie 5 (1938), 91–109. 24   Schlatter selbst bat Paul Althaus in einem Brief vom 22.3.1938, die Herausgabe der Beiträge zu übernehmen, s. Althaus, Paul, Zum Gedächtnis der abgerufenen Herausgeber der „Beiträge“, in: Adolf Schlatter und Wilhelm Lütgert zum Gedächtnis (Beiträge zur Förderung christlicher Theologie 40/1), Gütersloh: Bertelsmann 1938, 9–15, wo er aus diesem Brief zitiert, „in dem sein Vertrauen die Verantwortung für die ,Beiträge‘ in meine Hände legte“ (15). 25  Aus Schrift und Geschichte. Theologische Abhandlungen Adolf Schlatter zu seinem 70. Geburtstage dargebracht von Freunden und Schülern, Stuttgart: Calwer 1922; zum 75. Geburtstag erschien noch einmal eine Festschrift für Adolf Schlatter, zu der sich, wie es in ein­ er Verlagswerbung hieß, „eine Gruppe von Schülern und Schülerinnen Schlatters zusammen­ getan“ hat, „um dem Lehrer eine Festgabe darzubringen: Vom Dienst an Theologie und Kirche. Festgabe für Adolf Schlatter, Berlin: Furche 1927. Unter den zehn Autoren befinden sich keine wirklich bekannten Namen (H.A. Hesse und Walter Freytag sind wohl die bekanntesten), aber mit Käte Steil, Lydia Schmid und Anna Paulsen gleich drei Frauen. Was Schlatter dazu be­ wog, sich um die weiblichen Studierenden in besonderer Weise zu bemühen, schildert er in Schlatter, Adolf, Erlebtes, Berlin: Furche 1924 (im selben Jahr erfolgten zwei weitere Auflagen, die 4. dann ein Jahr später; eine erweiterte 5. Auflage erschien 1929; die Seitenzahlen hier und im Folgenden beziehen sich auf die 1.-4. Aufl., in Klammer dahinter dann die Seitenzahlen 21

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4. Kittels Briefe an Schlatter Das Archiv der Schlatter-Stiftung umfasst 7512 Briefe, davon 5646 an Schlatter gerichtete, 1793 von ihm verfasste und 73 sonstige.26 Bei den meisten handelt es sich um Familienbriefe und Verlagskorrespondenz, aber auch der Briefwechsel mit Kollegen ist beeindruckend: aufgeführt werden 1964 Briefe an Schlatter, die von 239 „Professoren und sonstigen im Lehramt stehenden Personen“ stammen. Von Schlatter selbst sind immerhin 741 Briefe vorhanden, die an 25 Kollegen gerichtet sind.27 Darunter sind jedoch keine Briefe an Kittel (und nebenbei: auch keiner an Grundmann oder Karl Georg Kuhn), dafür u.a. an seine ehemaligen Studenten Karl Barth (4), Paul Althaus (6), Heinrich Bornkamm (2) und Karl Heinrich Rengstorf (5).28 D.h. selbst wenn man annimmt, dass ab 1926 der persönliche Verkehr zwische­n Schlatter und Kittel einen Briefwechsel unnötig machte, so ist doch fest­ zuhalten, dass es aus der Zeit davor keine Belege für engere persönliche Kontakte gab. Von Kittel finden sich 8 Briefe im Archiv, darunte­r sechs aus der Zeit zwischen 1923 und 1936, eine Urlaubspostkarte sowie ein Brief an die Tochter von Schlatter vom 21. März 1944. Alle 8 Briefe sind im Anhang dokumentiert.29 Ob es Briefe von Schlatter an Kittel überhaupt gegeben hat, lässt sich den vorliegenden Briefen nicht entnehmen. Kittel jedenfalls bedankt sich in keinem der Briefe für einen vorangegangenen Brief Schlatters. Es ist zudem nirgends erkennbar, dass ein Brief fehlt, so dass man davon ausgehen kann, dass die beiden ersten Briefe, die aus der Zeit stammen, bevor Kittel nach Tübingen gezogen ist, die einzigen Briefe dieses Zeitraums sind. Bei den anderen handelt es sich ausnahmslos um Geburtstagsbriefe an Schlatter, die vor allem darum nötig waren, weil sich die beiden um diese Zeit je­weils an einem Urlaubsort befanden und darum keine persönliche Begegnung möglich war. der 5. Aufl.), 47 (558f.). Die dritte Festschrift zum 80. Geburtstag ist eine Einführung in sein Werk: Lütgert, Wilhelm, Adolf Schlatter als Theologe innerhalb des geistigen Lebens seiner Zeit. Eine Festgabe der Beiträge zur Förderung christlicher Theologie ihrem Begründer zum 80. Geburtstag dargebracht (Beiträge zur Förderung christlicher Theologie 37/1), Gütersloh: Bertelsmann 1932. Dieses Heft ordnet das literarische Werk Schlatters in die zeitgleiche Diskussion ein, d.h. führt in gewisser Weise das Gespräch, das Schlatter selbst verweigert hat. Daran übt Lütgert pointiert Kritik: „Wer nicht zitiert, der wird auch nicht zitiert“ (6). 26   Bock, Ernst, Adolf-Schlatter-Archiv. Inventar, Stuttgart: Landeskirchliches Archiv 1988, 156. 27   Bock, Inventar, 157. 28   Für eine vollständige Liste s. Bock, Inventar, 158–176. 29   Zum Vergleich hier die Zahlen der im Archiv befindlichen Briefe an Schlatter von aus­ gewählten Kollegen und Schülern (in alphabetischer Reihenfolge): P. Althaus (20), K. Barth (3), K. Bornhäuser (35), H. Bornkamm (6), E. Brunner (5), F. Büchsel (4), R. Bultmann (1), G. Dalman (9), A. Deißmann (2), P. Fiebig (3), W. Hadorn (17), Theoder Haering (59), A. v. Harnack (18), K. Heim (4), Martin Kähler (17), K. H. Rengstorf (9).

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Die Briefe bezeugen eine große Wertschätzung, die Kittel dem Älteren entgegenbringt. Er sieht in ihm nicht in erster Linie den akademischen Lehrer, sondern – und m.E. sogar noch stärker – das Vorbild des christlichen Lehrers, bei dem wissenschaftliches Arbeiten, persönliche Frömmigkeit und ein pastorales Anliegen in Bezug auf die Studierenden miteinander verbun­ den waren, weil alles getragen war von derselben „Ehrfurcht vor der Schrift und Verwurzelung in der Schrift“ (Brief vom 26.3.1923). Das ist der Tenor des ersten Briefes und noch im letzten an Schlatters Tochter ist es dessen „fröhliche Glaubensgewissheit,“ die Kittel als persönlich wohltuend be­ schreibt. Es ist erkennbar, dass Kittel in Schlatter eine väterliche Figur sah, deren Umgang er suchte und die ihm offenbar gut tat. In zwei Briefen spielt die politische Situation eine Rolle, am deutlichsten im Geburtstagsbrief von 1933. Hier bemüht sich Kittel, Schlatter davon zu überzeugen, dass sein Eintritt bei den Deutschen Christen mit dem zusammenhängt, was er bei ihm gelernt hat. Aber die Art, wie Kittel sich verteidigt, lässt erkennen, dass Schlatter darüber nicht glücklich war.30 Wünschenswert wäre, den Briefwechsel zwischen Schlatter und seinem Sohn Theodor aus der Zeit von 1930 bis zu seinem Tod auf diese Frage hin über die Hinweise bei Neuer hinaus noch einmal auszuwerten. 5. Kittels Antrittsvorlesung in Tübingen Kittel begann sein Wirken in Tübingen im Wintersemester 1926/27. Mit sein­ er Antrittsvorlesung stellte er sich am 28. Oktober 1926 den Kollegen und Studierenden vor. Die drei dafür gewählten Titelwörter „Urchristentum – Spätjudentum – Hellenismus“ machen deutlich, dass Kittel das Urchristentum als „eine Religion zweier Kulturen,“ der jüdisch-palästini­schen und der hel­ lenistischen versteht, die vielfach ineinander verwoben sind.31 Entsprechend beschreibt er seine eigene Aufgabe in Anlehnung an seine beiden Vorgänger auf dem Tübinger Lehrstuhl, Schlatter und Heitmüller, die je eine Seite her­ vorgehoben hätten:

30   Das wird bestätigt durch Neuer, Werner, Adolf Schlatter. Ein Leben für Theologie und Kirche, Stuttgart: Calwer 1996, 729. Demnach hatte Schlatter mit Kittel eine „eingehende“ Aussprache (so in einem Brief an seinen Sohn) über dessen Eintritt in die NSDAP, „die je­ doch deren gegensätzliche Einschätzung der Lage nicht zu überbrücken vermochte.“ Zu weite­ ren Konflikten zwischen den beiden in dieser Frage s. Neuer, Schlatter, 731.739.746.757.773f. Es ist zudem immerhin auffällig, dass Kittel in seinem berüchtigten Vortrag von 1933 über „Die Judenfrage“ Schlatter an keiner Stelle erwähnt, aber z.B. Johannes Leipoldt, vgl. Kittel, Judenfrage, 117 Anm. 12, wo er dessen „wertvolle[s] Büchlein“ Antisemitismus in der alten Welt von 1933 empfiehlt. 31   Kittel, Gerhard, Urchristentum, Spätjudentum, Hellenismus: Akademische Antritts­ vorlesung gehalten am 28. Oktober 1926, Stuttgart: Kohlhammer 1926, 4 (vgl. 9–18); s. dazu auch Deines, Pharisäer, 442f.; Morgenstern, Institutum Judaicum, 48f.

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Das Urchristentum ist freilich in eigentümlicher Weise eine Religion zweier Kulturen. Seine Heimat ist Palästina, sein Heimatvolk das Judentum. Aber sein Ausbreitungsgebiet ist Kleinasien, Griechenland, Ägypten, Italien: die Welt des Hellenismus. […] So geht mit Notwendigkeit durch alle Beschreibung der Zeit- und Religionsgeschichte des Neuen Testaments die Zweiteilung: palästinische Umwelt – hellenistische Umwelt. […] In diesem Sinn sind ja auch meine beiden Amtsvorgänger Typen: der eine, indem er aus intimer Kenntnis des Spätjudentums Licht auf den Weg des Urchristentums zu werfen sucht, der andere, indem er dasselbe aus ebenso umfassender Beherrschung der Probleme des Hellenismus leistete.32

Aus diesem Grund ist es nicht zutreffend, wenn John schreibt, dass Kittel das „Programm seines verehrten Vorvorgängers Adolf Schlatter“ fort­ setzte, indem er den „Schwerpunkt“ auf das rabbinische Judentum als „Umwelt des Urchristentums“ legte.33 Ähnlich missverständlich äußert sich auch Gerhard Lindemann, wenn er behauptet, dass „die neutesta­ mentliche Forschungstätigkeit in Tübingen“ unter Schlatter „eine starke Konzentration auf das rabbinische Judentum“ aufwies, an die Kittel an­ knüpfen konnte.34 Diese Betonung des Rabbinischen ist sowohl im Hinblick auf die Antrittsvorlesung von Kittel als auch im Hinblick auf dessen weitere Arbeit in Tübingen zu einseitig. Zudem hat es eine so geartete „neutesta­ mentliche Forschungstätigkeit“ zu keinem Zeitpunkt gegeben. Schlatter hat während seiner gesamten Lehrtätigkeit nie Übungen oder Seminare zu rabbinischen Texten angeboten.35 Die Offenheit Kittels für die allgemeine Religionsgeschichte, wie er sie etwa von Johannes Leipoldt gelernt hat, zeigt sich am besten in seinen Vorlesungen, die er im Oktober 1931 in Uppsala (Schweden) über Die Religionsgeschichte und das Urchristentum gehalten hat. Diese gehören inhaltlich in die Vorbereitung zum Theologischen Wörterbuch, die Kittel nötigte, sich stärker als bisher mit der hellenisti­ schen Religionsgeschichte und ihren literarischen Dokumenten zu beschäf­ tigen. Da Schlatter auf diesem Gebiet nicht tätig war, tritt er in dieser Veröffentlichung auch kaum in Erscheinung.36 Die einzige Erwähnung, die   Morgenstern, Institutum Judaicum, 1–5.   John, Felix, Vom „Spätjudentum“ zur „Judenfrage“. Gerhard Kittel (1888–1948), in: Ders./Swantje Rinker (Hg.), Exegese in ihrer Zeit. Ausleger neutestamentlicher Texte. Porträts, zusammengestellt anlässlich des 350-jährigen Bestehens der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (Arbeiten zur Bibel und ihrer Geschichte 52), Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2015, 158–181 (165). Kittel wird immer wieder eine solche Einseitigkeit zugeschrieben, auch im Hinblick auf das Theologische Wörterbuch, aber das ist schlichtweg falsch, s. Deines, Pharisäer, 445. 34   Lindemann, Gerhard Kittel, 75. 35   Vgl. das Verzeichnis der akademischen Lehrtätigkeit Schlatters in Brezger, Rudolf, Das Schrifttum von Professor D. A. Schlatter (Beiträge zur Förderung christlicher Theologie 40/2), Gütersloh: Bertelsmann 1938, 80f. 36   Kittel, Gerhard, Die Religionsgeschichte und das Urchristentum. Vorlesungen der Olaus-Petri-Stiftung, gehalten in der Universität Upsala, 26.–29. Oktober 1931, Gütersloh: Bertelsmann 1932 (Nachdruck: Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1959). Zu dem 32 33

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über den bloßen Nachweis hinausgeht, ist Schlatters These, dass das Neue Testament zwar „in griechischen Buchstaben und Vokabeln“ geschrieben wurde, aber darin „einen Inhalt wieder[gibt], der großenteils zunächst von Jesus und seinen Jüngern nicht griechisch, sondern semitisch geredet und vor allem gedacht war.“37 Dies „neu und nachdrücklich gezeigt zu haben, ist eines der großen Verdienste“ von Schlatters Kommentaren.38 6. Persönlicher Umgang in Tübingen Das Haus von Schlatter war ein offenes Haus, in dem Studierende und Kollegen regelmäßig zu Besuch waren.39 In vielen Erinnerungen an Schlatter werden diese persönlichen Begegnungen, nicht zuletzt in seiner Sprechstunde, hervorgehoben.40 Dabei ist zu beachten, dass diese Sprechstunden im ei­ genen Haus und auch offene Abende offenbar eine verbreitete Praxis un­ ter den Tübinger Theologieprofessoren war. Es ist also eher die besondere Atmosphäre, die in Schlatters Haus in der Olgastraße herrschte, die diese Besuche so einprägsam machten. Walter Geißer beschreibt als Ziel von Schlatters Seelsorge das gemeinsame Gehen zu Jesus: „Wir kommen deshalb zusammen, ,weil wir miteinander zu Jesus gehen.‘“41 Diese Christozentrik war für viele, auch solche, die theologisch anders dachten, attraktiv, und of­ fenbar gelang es Schlatter, diesen Mittlerdienst hin zu Jesus authentisch zu leben. Kittel hat diese Besuche im Haus Schlatter, die sicher erst ab 1926 be­ gannen (ob er in seinem einen Semester in Tübingen einmal bei Schlatter zu Gast war, ist möglich, aber nicht eindeutig), in seinen Briefen mehrfach er­ wähnt.42 Er beschreibt diese „Stunden in Ihrer Klause am Olgaberg“ als „ein Reichwerden nicht bloß an der (nicht geringen) Weisheit des Alters, sondern auch ein Beschenktwerden aus dem gütigen und liebevollen Verstehen des väterlichen Freundes.“43 Im Nachruf erwähnt Kittel darum auch diesen Aspekt, wobei sich eigenes Erleben und das von anderen Gehörte verbinden:

Text auch Deines, Pharisäer, 446–448. 37   Kittel, Religionsgeschichte, 80. 38   Kittel, Religionsgeschichte, 145 Anm. 176. Ansonsten taucht Schlatter nur noch 138 Anm. 65, 139 Anm. 84 u. 88, 140 Anm. 95 u. 97, sowie 148 Anm. 265 auf. Sehr viel häufiger werden Leipoldt und nun vor allem auch Bultmann erwähnt und zitiert. 39   Zu der theologischen „Kaffeerunde“ s. Neuer, Schlatter, 713f. 40   Vgl. z.B. Fritsch, Hermann, Adolf Schlatter und wir Jungen, in: Deutsche Theologie 5 (1938), 59–61; Rengstorf, K arl Heinrich, Nachwort, in: Adolf Schlatter, Rückblick auf meine Lebensarbeit, Stuttgart: Calwer 21977, 263–270 (268f.). Einen Überblick bietet Neuer, Schlatter, 611–618. 41   Geisser, Walter, Adolf Schlatter als Seelsorger, in: Deutsche Theologie 5 (1938), 47–54 (53). 42   Vgl. die Briefe (s. Anhang) vom 14.8.1935; 15.8.1936; 21.3.1944. 43   Brief vom 15.8.1936.

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Sein Hörsaal und die Stube seiner Offenen Abende haben manches zornige Wort ge­ hört, und das Sprechzimmer im ersten Stock der Olgastraße weiß von all den hunderten und tausenden Malen, wenn der Seelsorger mit seinem klaren, nüchternen, durch alle Verwirrung durchstoßenden Wort einem wieder den Weg zeigte, wenn man schier hatte meinen wollen, daß dieser Weg vor lauter wirklichen oder sogenannten Schwierigkeiten und Problemen völlig zugedeckt sei. Und es darf auch einmal gesagt werden, wie man­ cher in dieser stillen Stube erstaunt und überwältigt war, wenn er statt des scheinbar ro­ busten und manchmal sogar groben Professor Schlatter einen gütigen Freund von großer Zartheit und großer Liebe fand, der ihm wieder sehen half, wo der andere alle Wege zum Licht verschlossen geglaubt hatte.44

Die Gespräche im Hause Schlatter – nebenbei: von Besuchen im Haus Kittels erfährt man nichts – kreisten aber nicht nur um persönliche und geistliche Fragen, sondern sie dienten auch dem wissenschaftlichen Gespräch und insbesondere der Ermutigung, um nicht zu sagen, Ermahnung zum wissen­ schaftlichen Publizieren. Nur dass hier, in umgekehrter Rollenverteilung, nicht der Ältere den Jüngeren zum Publizieren ermahnt und ermutigt, sondern der Jüngere den Älteren bittet und ihn darin unterstützt, doch seinerseits die angefangenen Arbeiten nicht ruhen zu lassen. Die neun großen Kommentare, die Schlatter zwischen 1929 und 1937 noch veröffentlichte, wären ohne das Insistieren Kittels wohl nicht zustande gekommen. In einem Brief an seinen Sohn Theodor schreibt Schlatter am 20. November 1927, dass ihn Kittel „in­ ständig“ gebeten habe, „nicht bloß Populäres, Gemeindemäßiges, sondern auf die Fachgenossen Eingestelltes zu unternehmen.“45 In diesem Jahr begann er dann auch, seinen Kommentar zu Matthäus zu schreiben, der 1929 erschien. Bereits 1930 erschien der Kommentar zum Johannesevangelium und Kittel schreibt in seinem Brief vom 31. August 1930, dass ihm das „eine riesige Freude“ sei. Er selbst hatte zum Gelingen indirekt dadurch beigetragen, dass zwei seiner Mitarbeiter für den Band Korrektur lasen.46 Im selben Brief er­ muntert er Schlatter, nun auch noch Lukas, und wenn möglich Markus zu bearbeiten; außerdem erwähnt er ein Manuskript zur Apostelgeschichte. In schneller Folge erscheinen in den folgenden Jahren die Kommentare zum Lukasevangelium (1931), Jakobusbrief (1932), dessen Entstehung sich ebenfalls „der Überredungskunst seines Kollegen Kittel“ verdankt,47 den   Kittel, Gedenkrede, 20.   Zit. in Neuer, Schlatter, 632. S. dazu auch Morgenstern, Institutum Judaicum, 59f. 46   Vgl. dazu die Anmerkungen im betreffenden Briefabschnitt. Neuer, Schlatter, 692f., be­ richtet von einem Brief Schlatters an seinen Sohn, in dem er davon erzählt, dass Kittel nicht von allen Ergebnissen überzeugt war. 47   Neuer, Schlatter, 699f. Kittel hatte selbst am Jakobusbrief großes Interesse und teilte mit Schlatter die Auffassung seiner Authentizität, vgl. Kittel, Gerhard, Die Stellung des Jakobus zu Judentum und Heidenchristentum, in: Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft 30 (1931), 145–157; ders., Der geschichtliche Ort des Jakobusbriefes, in: Zeitschrift für die neu­ testamentliche Wissenschaft 41 (1942), 71–105; ders., Der Jakobusbrief und die Apostolischen Väter, in: Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft 43 (1950/51), 54–112. Zu den 44 45

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Korintherbriefen (1934) und zum Römerbrief (1935).48 Im selben Jahr wie der Römer­brief erschien dann auch noch der von Kittel ausdrücklich gewünsch­ te Kommentar zu Markus, obwohl er die Arbeit daran „als eine schwere Störung seiner Arbeitspläne empfunden hat,“ wie Karl Heinrich Rengstorf mitteilt: „Wenn es überhaupt zu ihm gekommen ist, so ist es nicht zuletzt Gerhard Kittel zu danken,“ der ihn einen „dem Verfasser abgerungene[n] Band“ nennt.49 An Ruhe war aber immer noch nicht zu denken: „Einige Tage tändelte ich, hielt es dann aber nicht mehr aus. Kittel und Rengstorf trieben zu den Pastoralbriefen und die Unlust ist bald gewichen.“50 Als der Kommentar dann 1936 erschienen war, schreibt Kittel im Geburtstagsbrief am 15. August 1936: „Es reut mich nicht, zum Druck zugeraten zu haben.“ Aber damit nicht genug: Er rät und drängt zum Petrusbrief. Darüber berichtet Schlatter in ei­ nem Brief an Wilhelm Lütgert nur vier Tage später (19. August 1936), als er abschließend auf mögliche zukünftige Projekte eingeht: „Was noch kommt – ich sehe nichts mehr vor mir. Kittel drängt zum ersten Petrusbrief. Aber – das ist zu groß.“51 Das Drängen hatte jedoch erneut Erfolg: 1937 erscheint der letzte der seit 1929 im Calwer Verlag herausgekommenen Kommentare unter dem Titel Petrus und Paulus. Nach dem 1. Petrusbrief.52 Bedenkt man, dass Kittel und Schlatter in der Beurteilung der politischen Situation einen offenbar anhaltenden Dissens hatten, ist diese langjährige Ermutigung und Wertschätzung der theologischen Arbeit des Älteren durch Schwächen von Schlatters Auslegung, die „Impulse der zeitgenössischen Judentumskritik“ ent­hält, s. Morgenstern, Institutum Judaicum, 32. Zur Beurteilung von Kittels Jakobusarbeiten s. Morgenstern, Matthias, Gerhard Kittels „Verteidigung“. Die Rechtfertigungs­schrift eines Tübinger Theologen und „Judentumsforschers“ vom Dezember 1946; Segev, Alon, Gerhard Kittel’s „Defense“. Apologia of a Tübingen Theologian and New Testament Scholar, December 1946, Berlin: Berlin University Press 2019, 68f. 48  Auch hier war Kittel unterstützend beteiligt, s. Neuer, Schlatter, 786. Zu Schlatters Aussagen über Röm 9–11 in diesem Kommentar s. a.a.O., 788f. Schlatter betont hier sehr stark die bleibende Erwählung Israels, die sich sichtbar in der Zukunft offenbaren wird. Kritisch dazu Gerdmar, Theological Anti-Semitism, 262–264.301–305. 49   Rengstorf, K arl Heinrich, Geleitwort zur Neuausgabe, in: Adolf Schlatter, Markus. Das Evangelium für die Griechen, Stuttgart: Calwer 21984, V–XVI (XIII). Weiter schreibt er dazu: „Es ist, wie ich aufgrund von persönlichen Gesprächen mit ihm bezeugen kann, kein anderer gewesen als Gerhard Kittel, der seinen von ihm bewunderten und hochverehrten Vorgänger durch unermüdliches und zudem über längere Zeiträume hin immer wieder neu in Gang gesetzte­s Drängen schließlich dazu gebracht hat, die bewußte ,Lücke‘ in der Reihe der Kommentare zu den Evangelien zu schließen und auch noch einen Kommentar zum Markusevangelium zu veröffentlichen“ (XI). 50   Aus einem Brief an Theodor Schlatter, zit. b. Neuer, Schlatter, 795. 51   Der Brief ist abgedruckt als Anhang in Schlatter, Rückblick, 271f. Weitere Bemerkungen zur Entstehungsgeschichte und Kittels „zart[em] und verständig[em] Mahnen“ bei Neuer, Schlatter, 798. 52   S. zu diesem Kommentar u. Anm. 116.

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den Jüngeren umso erstaunlicher. Den Geburtstagsbrief vom 14. August 1935 unterschrieb Kittel mit „In herzlicher Liebe“ – das mag erstaunen, auch deshalb, weil die Beziehung nie vom Sie zum Du wechselte, aber die Selbstlosigkeit, mit der Kittel Schlatter unterstützte, lässt sich wohl nicht an­ ders als mit einer tiefen emotionalen Bindung erklären.53 Denn, das muss im­ mer wieder betont werden, Schlatter hat dieses Bemühen Kittels nie öffent­ lich gewürdigt. In keinem Vorwort oder autobiographischen Bekennntnis taucht dessen Name auf. Alle Informationen über dieses Drängen, Mahnen und Unterstützen verdanken sich ungedruckten Quellen. Dasselbe gilt auch für den nächsten Punkt: 7. Schlatter und das Theologische Wörterbuch („der Kittel“) Das alles tritt jedoch zurück, wenn man sich vor Augen hält, dass Kittel seine eigentliche Lebensleistung, mit der sein Name bis heute verbunden ist, dem Tübinger Kollegen gewidmet hat. Denn der am stärksten anhaltende Bezugspunkt zwischen diesen beiden Gelehrten ist das Widmungsblatt des ersten Bandes des Theologischen Wörterbuchs, das bis heute in der theolo­ gischen Umgangssprache als „der Kittel“ tituliert wird: „Adolf Schlatter dem Achtzigjährigen.“ Diese Zuschreibung war unter den Mitarbeitern, mit denen Kittel seit seiner Zusage im Jahr 1928, die Neubearbeitung des Cremer-Kögelschen Biblisch-theologischen Wörterbuchs der neutestament­ lichen Gräzitität zu übernehmen, in Kontakt stand, keineswegs unumstrit­ ten. Besonders Rudolf Bultmann (der aber 1903/04 immerhin 3 Semester in Tübingen studiert hatte und da auch bei Schlatter hörte, auch wenn er diesen „pedantisch und gedankenarm“ fand 54) wollte sich nicht durch die Widmung auf die von Schlatter repräsentierte „heilsgeschichtliche Philologie“ ver­ einnahmen lassen.55 Bultmann hatte sich bis 1932 wiederholt zu Schlatter geäußert und dies durchaus in einer wertschätzenden Weise, die weder die Unterschiede noch die besondere Leistung des Älteren negierte. Der eigent­ 53   Man könnte hier vielleicht auch von einem geistlichen Vorbild sprechen, vgl. Kittel, Gedenkrede, 20, der über das letzte Gespräch mit Schlatter, wo es um sein Vermächtnis und die „Summa seines Lebens“ ging, berichtet: „…ein Teil des letzten Gespräches …, das er mit mir hatte, wenige Tage vor seinem Heimgang, offenen Auges im Angesicht des Sterbens, auf das er wartete. Ich versuchte eben in dieser seiner Situation ihm etwas davon zu sagen, daß wir alle, die wir unter seiner Einwirkung gestanden haben, irgendwie an die Ufer einer freudi­ gen, jasagenden, getrosten Theologie und Kirche gehören. Da blitzte es noch einmal mit der ganzen alten Leidenschaft: ‚Ja, Herr Kollege, ich glaube, Sie haben recht; ich glaube, da habe ich wirklich etwas bedeutet.‘“ 54   So in einem Brief an seine Mutter, zit. in: Hammann, Konrad, Rudolf Bultmann: Eine Biographie, Tübingen: Mohr Siebeck 22009, 19. 55   Ausführlich dargestellt bei Bormann, Wörterbuch, XIIf. (das Zitat S. X), vgl. ders., Rudolf Bultmann und das Theologische Wörterbuch zum Neuen Testament. Eine Neubewertung, in: Zeitschrift für Theologie und Kirche 118 (2021), 21–54 (28–37).

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liche Differenzpunkt liegt, wie Bormann in der Auswertung des die Arbeit am ThWNT vorbereitenden Austauschs zwische­n Kittel und dem Marburger gezeigt hat, in der Anwendung der historisch-kritischen Methode, der sich Schlatter nach Bultmann konsequent verweigert habe und damit auch dem wissen­ schaftlichen Gespräch mit ihren Vertretern. Darum gäbe es auch keine­n Grund, gegenüber Schlatter irgend­etwas „gut machen“ zu müssen, wie Kittel in der Wörterbuch-Mitteilung XIII vom 6. Januar 1932 bezüglich seines Vor­schlags der Widmung an Schlatter u.a. geschrieben hatte: Die Gründe, die mich zu diesem Vorschlag bestimmen, sind – neben meiner persönli­ chen Verehrung und Freundschaft – mehrere. Am gewichtigsten ist mir die Tatsache, dass Schlatters Lebensarbeit mir heute wie ein Symbol der Einheitlichkeit der Theologie derer scheint, die im eigentlichen Sinn theologisch um das NT sich bemühen. … Es würde mir eine tiefe Befriedigung sein, wenn die Herren Mitarbeiter mir zustimmten, daß wir diese an diesem Mann uns gegebene Einheit auch äusserlich auf dem Widmungsblatt unseres Buches zum Ausdruck bringen. Es kommt dazu, daß auch sachlich keiner unter den Lebenden der älteren Generation so zu unserem Werke gehört wie Schlatter. Vielen der Mitarbeiter wird es gehen wie mir, daß sein „Der Glaube im NT“ als Vorbild für unsere ganze begriffsgeschichtliche Arbeit erscheint. An dem jetzigen Werk hat Schlatter von Anfang an den unmittelbarsten Anteil genommen, mich besonders in den Anfängen in jeder Hinsicht beraten, auch durch seine Josephuszitate uns kräftig gefördert. Schliesslich kann auch ausgesprochen werden, daß die nt.liche Wissenschaft unserer Generation recht wohl an diesem Manne etwas von der wissenschaftlichen Nichtachtung gut machen darf, die ihm – aus welchen Gründen auch immer – durch Jahrzehnte hindurch zuteil geworden ist.56

Bultmann macht dagegen deutlich, dass sich Schlatter diese „Nichtachtung“ selbst zuzuschreiben habe, weil auch er selbst den meisten seiner Kollegen mit „Nichtachtung“ begegne und weist darum die ursprünglich vorgeschla­ gene Widmung zurück. Zwar versucht Kittel bei Bultmann für Schlatters Verhalten Verständnis zu erwecken, indem er auf die lange zurückliegend­e Kontroverse zwischen Schlatter und Emil Schürer verweist,57 aber am Ende stimmt er Bultmann doch zu. Im Mitarbeiterkreis gab es ansonsten wohl wenig Widerstand, denn in der Wörterbuch-Mitteilung Nr. 14 (ab  UAT 183/172: Gerhard Kittel (1888–1948), Nachlass-Splitter: Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, 1929–1939. Vgl. dazu Bormann, Bultmann und das Theologische Wörterbuch, 36. Zu Bultmanns kritischen Würdigungen Schlatters s. Bultmann, Rudolf, Theologie als Kritik, hg. v. Matthias Dreher/Klaus W. Müller, Tübingen: Mohr Siebeck 2002, 211 (über Schlatters Sprache und Heimat des vierten Evangelisten, dessen Beurteilung erkenn­ bar von der Darstellung in Kittel, Probleme, abhängig ist) u. 233–235 (Rezension der 4. Auflage von Schlatters Der Glaube im Neuen Testament; sehr viel schärfer fiel seine fast zeit­ gleiche Rezension von Kittel, Probleme, aus, vgl. Bultmann, Theologie als Kritik, 222–228, das er später dann jedoch positiver beurteilte, s. Bultmann, Theologie als Kritik, 315). 57   Bormann, Bultmann und das Theologische Wörterbuch, 36. Zu den Details des Konflikts mit Schürer s. Neuer, Schlatter, 280–284. Wie schwer Schlatter darunter gelitten hatte, wird auch in seinen autobiographischen Notizen sichtbar, vgl. Schlatter, Beiträge, 80f.; Erlebtes, 84f.; Rückblick, 152–158. 56

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jetzt verwendet er arabische Zahlzeichen) vom 26. Februar 1932 heißt es abschließend: „Meine Anregung der Widmung an Schlatter hat allseitig Zustimmung gefunden und wird ausgeführt werden.“58 Entsprechend nimmt Kittel im Vorwort zum ersten Band (das Vorwort erschien in der 1. Lieferung 1932, der fertige Band lag dann 1933 vor) rela­ tiv ausführlich auf Schlatter Bezug. Zunächst erwähnt er, dass dieser den Bearbeitern „große Teile eines durchschossenen Exemplars des CremerKögel“, das „handschriftlich mit Parallelen aus der rabbinischen Literatur und aus Josephus versehen“ war, „zum freien Gebrauch überlassen“ habe. Ganz am Ende gibt es eine zweite Bezugnahme, in der Kittel dann doch das betont, was nicht nur die Kirche und Theologie allgemein, sondern „insbe­ sondere die neutestamentliche Wissenschaft“ Schlatter schuldet: Das Widmungsblatt deutet, wenn es den Namen von Cremers Freund trägt, die Verbindung mit jenem älteren Werk an, von dem eingangs die Rede war. Es spricht zugleich aus, daß „Der Glaube im Neuen Testament“ uns ein Vorbild für die Untersuchung biblischtheologischer Begriffe ist. Es möchte aber darüber hinaus dem Achtzigjährigen etwas von dem Dank sagen, den Kirche und Theologie und insbesondere die neutestamentliche Wissenschaft seiner Lebensarbeit schulden.59

Kittel hat damit in abgewandelter Form ins Vorwort hineingenommen, was er eigentlich aufs Widmungsblatt schreiben wollte. Das ist ohne Zweifel der sichtbarste Ausdruck von Kittels Wertschätzung von Schlatters Werk, von dem er sich offenbar in dieser Zeit eine theologische Erneuerung der neutesta­mentlichen Wissenschaft erhoffte. Das geht aus einem vertraulichen Antwortbrief an den damaligen Tübinger Stadtpfarrer, Theodor Haug, vom 30. September 1932 hervor, der in Kittels Nachlass enthalten ist. Dieser hatte sich in einem Schreiben an Kittel gewandt und darin offenbar seiner Sorge Ausdruck verliehen, dass die Neubearbeitung des Wörterbuchs von Cremer-Kögel so stark von der theologischen Ausrichtung des Vorgängers abweicht.60 Darauf antwortet ihm Kittel: 58   Dieses positive Echo hatte möglicherweise auch damit zu tun, dass Schlatter einen Teil seiner eigenen Sammlungen von Parallelen Kittel und seinen Mitarbeitern zur Verfügung gestellt hatte. Die Schlatterschen „Zettel“ (erstellt aus den Randnotizen in Schlatters eigenem Exemplar eines „durchschossene[n] Exemplar[s] des Cremer-Kögel“) waren den Mitarbeitern als „bedeutungsvolle handschriftliche Hilfsmittel“ bereits in der Wörterbuch Mitteilung Nr. VIII vom 5.9.1930 angekündigt worden. Dass diese als durchaus nützlich empfunden und offen­bar auch nachgefragt wurden, geht aus einer weiteren Mitteilung (Nr. 15 vom 22. März 1932) hervor: „Weitere Zettel von Schlatter kann ich leider nicht liefern, da dessen Notizen im Cremer-Kögel nur bis K gingen. Aber inzwischen sind ja die Register zu seinen 3 Evangelienkommentaren ein Ersatz geworden.“ Als Beispiel für die ausführ­lichen Register s. Schlatter, Adolf, Der Evangelist Johannes. Ein Kommentar zum vierten Evangelium, Stuttgart: Calwer 1930 (41975), 378–397. 59   Kittel, Gerhard, Vorwort, in: ThWNT 1 (1933), V–VII (VII). 60   Der Brief erwähnt die „Zusendung der Kritik im Ev. Kirchenblatt.“ Zu Haug s. auch Morgenstern, Gerhard Kittels „Verteidigung“, 45 Anm. 91.

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Sie dürfen ganz ruhig sein, dass ich Ihnen nichts verarge. Ich sehe als Herausgeber viel zu genau die Grenzen und Schwächen des Werkes, als dass ich nicht die Kritik hören könnte. Und von dem Tag an, an dem ich nach einer langen Überlegung mit D. Schlatter zu dem Ergebnis kam, dass ich den neuen Cremer in Verbindung mit anderen machen müsste, liegt die Sorge auf mir, dass ich damit die Gewähr aus der Hand gegeben habe, das in dem Buch nur das steht, für das ich persönlich die restlose Verantwortung übernehmen kann. Darin lag der große Vorzug der Lage Cremers vor der meinigen. Andererseits wäre es freilich undankbar, wenn ich nicht sagen würde, dass in dem Zusammen mit vielen Kollegen auch ein großer Reichtum liegt, und ich will hinzufügen, dass ich auch eine Aufgabe darin sehe, nun, nachdem die Art des Werkes sich so gestaltet hat, die am NT arbeitenden Kollegen in der positiven theologischen Aufgabe zu einen. Ich sehe es als einen von Gott gegebenen Dienst an, dass dieses Buch mit seiner Zielsetzung dazu helfen könnte, manchen Kollegen aus der nur religionsgeschichtlichen und nur philologischen Betrachtung herauszuzwingen in die theologische Fragestellung. Ich habe im einen und anderen Fall eine solche Wirkung schon wahrnehmen dürfen und ich leite daraus für meine Herausgeberschaft sowohl die Pflicht der Wachsamkeit wie der Geduld ab. Ich bin deshalb dankbar, wenn andere mit mir diese Wachsamkeit üben, bin freilich doppelt dank­ bar, wenn ich wissen darf, dass sie zugleich für das Werk beten und es in Geduld tragen, d.h. auch seine Unvollkommenheiten im Lichte der Zielsetzung sehen. Vielleicht darf ich grade Ihnen diesen Gesichtspunkt sagen und auf viel Verständnis hoffen: dass ein solches Werk auch eine Aufgabe zum Dienst an denen haben kann, die daran mitarbeiten.61

Am Ende kann schließlich noch die Frage gestellt werden, wie viel denn nun von Schlatter wirklich in diesem ersten Band enthalten ist? Er selbst hat keine eigenen Artikel verfasst, aber eine Durchsicht (die nicht beansprucht, vollständig zu sein) ergibt, dass Schlatter auf mindestens 116 Seiten (von 793) erwähnt wird, und zwar von ingesamt 15 verschiedenen Autoren,62 die von ihrer Position her das theologische Spektrum recht gut repräsentieren. Dabei handelt es sich, in alphabetischer Reihenfolge, um: Johannes Behm, Friedrich Büchsel, Rudolf Bultmann, Walter Grundmann, Friedrich Hauck, Joachim Jeremias, Gerhard Kittel, Karl Georg Kuhn, Albrecht Oepke, Otto Procksch, Heinrich Schlier, Julius Schniewind, Gottlob Schrenk, Gustav Stählin und Ethelbert Stauffer. Die Mehrheit der Verweise beziehen sich auf philologische Fragen, die Bücher, die am häufigsten genannt werden sind sein Matthäus-Kommentar, seine Arbeiten zur johanneischen Sprache und seine Josephus-Studien. Kittel hat im ersten Band 13 Artikel geschrieben, in sechs von ihnen verweist er auf Schlatter. Von Grundmann stammen fünf Artikel, Schlatter findet nur in einem Erwähnung. Aus diesem Befund geht eindeutig hervor, dass keiner der Mitarbeiter die Widmung an Schlatter 61  UAT 183/172: Gerhard Kittel (1888–1948), Nachlass-Splitter: Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, 1929–1939. Dies war offensichtlich nicht der einzige besorgte Brief, den Kittel als Herausgeber beantworten musste. In der genannten Nachlasssammlung findet sich ein weiterer von Gerhard Delling, dazu ein Antwortschreiben Kittels. 62   Die Mitarbeiterliste auf S. 1* nennt 40 Namen, von denen manche aber nur Teilbereiche bearbeitet haben, bei denen es keinen Anlass gab, Schlatter zu erwähnen (z.B. bei den rein alt­ testamentlichen Abschnitten).

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in einer Weise verstanden hat, dass dieser nun in irgendeiner prominenten Weise zu Wort kommen sollte. Das Theologische Wörterbuch ist darum kein Dokument einer Schlatterschule oder einer von ihm beeinflußten Methodik (oder gar Weltanschauung), und noch viel weniger einer Kittelschule, sondern im besten Sinn ein Gemeinschaftswerk der vielfältigen deutschsprachigen, protestantischen, neutestamentlichen Wissenschaft dieser Zeit. 8. Die Gedenkrede Nicht nur die Tatsache, dass Kittel Schlatters Nachfolger auf seinem Lehrstuhl war, sondern auch die dargestellte enge Verbundenheit von Kittel und Schlatter legten es nahe, dass er die Gedenkrede bei der akademischen Feier hielt, die noch am selben Tag wie die Beerdigung am 23. Mai 1938 im Festsaal der Universität Tübingen gehalten wurde. Sie ist gerahmt durch zwei Bezugnahmen auf die Nachfolgeerzählung von Elia und Elisa (2 Kön 2). Am Beginn steht der Schmerz, am Ende der Dank, der sich leitmotivisch durch diese Ansprache zieht. Im 2. Buch der Könige ist erzählt, wie Elia von der Erde entrückt wird. „Elisa aber sah es und schrie: ‘Mein Vater, mein Vater, Wagen Israels und seine Reiter!‘; und er faßte seine Kleider und zerriß sie in Stücke.“

Unmittelbar daran anschließend fährt Kittel fort: Es sind nicht wenige, denen es heute so zumute ist, da Gott den alten Mann, der vielen ein Vater und ein Wagen Israels geworden war, von uns genommen hat.63

Am Ende der Rede nimmt Kittel diesen Gedanken wieder auf und ver­ pflichtet die Zuhörenden, den Mantel Elias aufzunehmen, d.h. das Werk des Verstorbenen in seinem Sinn weiterzuführen. Dass er sich selbst als einer derjenigen sah, die sich dadurch verpflichtet fühlten, war wohl allen Anwesenden und darüber hinaus allen, die diese Rede lesen würden (sie wurde immerhin an drei verschiedenen Orten veröffentlicht, s.o. Anm. 23) klar. Auch die Widmung des Theologischen Wörterbuchs hatte ja seine Loyalität und Verbundenheit mit Schlatter öffentlich demonstriert.64 Dass es Kittel auch nach Schlatters Tod ein Anliegen war, dessen Erbe zu bewahren und für die Kirche fruchtbar zu erhalten, belegt der Schriftwechsel mit einem Tübinger Studenten, der während des Krieges eine Promotion über Schlatter anstrebte: 9. Aktivitäten während dem Krieg Der zeitweilige Tübinger Student Kittels und nachmalige Pfarrer der westfälis­ chen Landeskirche, Friedrich Leiwe, wollte ausweislich seines Briefwechsels   Kittel, Gedenkrede, 19.   Kittel, Gedenkrede, 33.

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mit Kittel im Jahr 1944 mit einer Dissertation über „Haupterkenntnisse der Exegese Adolf Schlatters“ beginnen. Zur Begründung des Themas schriebt er an Kittel: Die Notwendigkeit einer solchen Arbeit scheint mir dadurch gegeben zu sein, daß einmal die exegetischen Erkenntnisse Schlatters nicht genügend bekannt sind und andererseits nicht genügend geklärt sind. Ich würde in der Einleitung vielleicht ausgehen von dem starken exegetischen Bemühen der neueren Theologie, wie es sich besonders stark aus­ drückt in Ihrem Wörterbuch, und dann zu Schlatter hinleiten, der gewissermaßen der Vater der neueren Exegese ist, was sich ja rein äusserlich schon darin ausdrückt, daß der I. Band Ihres Wörterbuches „Adolf Schlatter, dem Achtzigjährigen“ gewidmet ist. Sodann würde ich…65

Das ist zugleich ein interessantes Zeugnis dafür, welche Wirkung die Widmung des ThWNT an Schlatter hatte (s.o. B.7). Es zeigt, dass Bultmann mit seiner Befürchtung nicht unrecht hatte und sie in der Tat als das Bekenntnis zu einer bestimmten Art der Theologie missdeutet werden konnte. Kittel antwortete auf diesen Brief eine Woche später mit der grund­ sätzlichen Bereitschaft, „eine Arbeit der von Ihnen geschilderten Art als Doktorarbeit anzunehmen.“ Er weist jedoch darauf hin, dass Leiwe offen­ bar nur einen Aspekt von Schlatters Exegese im Blick habe, nämlich „die speziellen theolo­g ischen Haupterkenntnisse.“ Diese, so schreibt er dann weiter, seien aber gerade nicht der Grund gewesen, ihm „den 1. Band unseres Wörterbuchs“ zu widmen. Es lohnt sich, diesen Passus im Zusammenhang zu lesen: So viel ich sehe, wollen Sie sich auf die speziellen theologischen Haupterkenntnisse im engeren Sinn beschränken, die sich aus der Schlatterschen Exegese ergeben. Sie erörtern z.B. nicht die literarischen Fragen – etwa des Mt-Mk-Verhältnisses oder der lukani­ schen Sonderquelle usw –, auch nicht die in gewisser Weise bahnbrechende religions­ vergleichende Arbeit Schlatters – Verhältnis Jesu und der Apostel zum Rabbinat –, auch nicht die philologischen Ergebnisse Schlatters – etwa zur johanneischen Gräcität und Stilistik oder über das Verhältnis des Griechisch der Evangelien zu dem des Josephus usw –. Diese Dinge sind zum Teil ja auch von grösster Tragweite und gehen durch Schlatters ganze Lebensarbeit hindurch, von seinem »Der Glaube im NT« an. Dieser Teil seiner Arbeit ist eigentlich der akkute [sic!] Grund gewesen, dass wir ihm den 1. Band unseres Wörterbuchs gewidmet haben, dazu dass er in seiner Person die lebendige Kontinuität mit Cremer und dessen Werk darstellte. Sie müssten also im Thema auf alle Fälle zum Ausdruck bringen, dass Sie nur die »theologischen Haupterkenntnisse der Exegese Adolf Schlatters« behandeln wollen.66

Zwei Dinge sind bemerkenswert. Kittel macht deutlich, dass nur der 1. Band Schlatter gewidmet ist, zum anderen, dass es „unser“ Wörterbuch ist, d.h. 65   Brief von Friedrich Leiwe and Gerhard Kittel vom 19.10.1944. Landeskirchliches Archiv Stuttgart (LKAS), Schlatter-Nachlass, Nr. 1361 (= Bock, Inventar, 127). 66  Brief von Kittel and Friedrich Leiwe vom 27.10.1944. LKAS, Schlatter-Nachlass, Nr. 1361.

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er weist indirekt Leiwes Zuschreibung („in Ihrem Wörterbuch“) zurück. Es ist ferner deutlich, dass die Bedenken Bultmanns gegen die Widmung von Kittel inhaltlich übernommen wurden: Abgesehen von der persönlichen Linie, die Schlatter mit Cremer und Kögel verband, geht es dabei nicht darum, die besondere theologische Sicht Schlatters zu würdigen, sondern „nur“ um seine „religionsvergleichende Arbeit“ (im Sinne von Jesus muss im Kontext des zeitgenössischen Judentums verstanden werden) und seine „philologischen Ergebnisse.“ Leiwe antwortet am 21. Januar 1945 und bedankt sich dafür, dass Kittel „grundsätzlich einverstanden“ sei, die Arbeit zu betreuen. Außerdem schickt er eine neue Gliederung, die nun ihren Ausgangspunkt nicht mehr von der Widmung an Schlatter nimmt, sondern von dessen Rezeption in Theologie und Kirche. Kittel reagiert mit einer vorfrankierten Postkarte („da man jetzt keine Briefe schreiben darf“) am 31. Januar 1945 (gestempelt am 1. Februar 45), auf der er den Eingang des Briefs bestätigt und sich mit dem bisherigen Fortgang einverstanden erklärt.67 Dieselbe scheint dann aber nicht mehr zu­ stande gekommen sein.68 10. Die Berufung auf Schlatter nach 1945 In seiner Verteidigungsschrift von 1946 beruft sich Kittel nur an einer Stelle ausdrücklich auf Schlatter. Im Kontext geht es darum, dass Kittel „sich den wenigen Gelegenheiten… im Rahmen der Partei [d.h. der NSDAP] zu äußern, nicht von vornherein verschlossen hat.“ Hierbei sei es ihm in erster Linie um die Zurückdrängung der „landläufigen antisemitischen Vulgärpublikationen“ gegangen und um die Beeinflussung der Kreise, „die ein Interesse daran hat­ ten, die antijudaistische Propaganda auf festere wissenschaftliche Grundlagen zu stellen.“69 In diesem Bemühen, so behauptet er, sei er von maßgebenden christlichen Männern bestärkt worden. Zum Beispiel hat er in den Jahren bis zum Tode Adolf Schlatters im Sommer 1938 wohl keinen Schritt auf dem umstrittenen Gebiet getan, ohne mit diesem sich zu besprechen.70

67   Postkarte von Kittel an Friedrich Leiwe vom 31.1.1945. LKAS, Schlatter-Nachlass, Nr. 1361. 68   Aus Unterlagen im Schlatter-Archiv, die ich aber im Detail nicht mehr für diesen Aufsatz einsehen konnte, geht hervor, dass Leiwe im Jahr 1952 noch einmal einen Versuch unternahm, die Promotion abzuschließen, vgl. dazu die Nr. 919–923 im Adolf-Schlatter-Archiv, s. Bock, Inventar, 113. 69   Morgenstern, Gerhard Kittels „Verteidigung“, 96f.; ders., Erwägungen zur „Verteidigung“ Gerhard Kittels vom Dezember 1946, in: Theologische Beiträge 51 (2020), 260–271. Über den „Erfolg“ Kittels und seine tiefgehende Verstrickung in die öffentliche Verächtlichmachung der Juden s. Förster, Hans, Gerhard Kittel. Zur öffentlichen Wirkung eines Theologen in der Zeit des Dritten Reichs, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 131 (2020), 365–388. 70   Morgenstern, Gerhard Kittels „Verteidigung“, 98.

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Damit wird letztlich ein damals noch unbelasteter Zeuge, der in hohem Ansehen stand, als Gewähr dafür aufgerufen, dass Kittel mit seinen politi­ schen Parteinahmen nichts Böses habe verfolgen können. Dass Schlatter und Kittel einen regen Austausch pflegten, ist durch das Voranstehende hinlänglich belegt. Aber eben auch, dass gerade in Fragen des politischen Engagements ihre Positionen verschieden waren, wenngleich beide dem­ selben konservativen und modernekritischen protestantischen Milieu ange­ hörten, das sich vor allem in den Anfangsjahren des Nationalsozialismus von der christlichen Fassade dieses nationalen Auf bruchs blenden ließ. Doch während Schlatter zunehmend auf Distanz gegangen zu sein scheint, verstrickt sich Kittel immer tiefer. Eine wichtige Rolle spielt in dieser Diskussion Schlatters kleine Schrift Wird der Jude über uns siegen?, die als Ein Wort für die Weihnachtszeit 1935 erschienen ist. Dora Schlatter (1890– 1969), die zweitjüngste ledige Tochter von Schlatter, die ihrem Vater den Haushalt führte und nach seinem Tod im elterlichen Haus wohnte, berichtete in ihrer eidesstattlichen Erklärung zu Gunsten Kittels im Januar 1947, dass dieser „in engster Fühlungnahme“ mit ihrem Vater gestanden habe und „ihm alle seine Anliegen, seine Arbeiten, seine Fragen vorgelegt und seinen Rat eingeholt“ hat. Der Kontakt zu Parteigremien wird als der gemeinsam gebilligte Versuch dargestellt, „Schlimmes zu verhüten“: „So begleitete er den Weg, den Professor Kittel gehen musste, bis in die allerletzten Tage vor seinem Tode im Mai 1938 mit seiner ganzen Anteilnahme.“71 Dora Schlatter geht dann auch auf die Schrift von 1935 ein, offenbar weil sie darauf vertraute, dass ihr Urteil, dass diese einer „der schärfsten öffent­ lichen Angriffe gegen die nationalsozialistische Weltanschauungs- und Judenpolitik“ gewesen sei, von den urteilenden Behörden geteilt werden würde. Das ist aus heutiger Perspektive schwer nachvollziehbar, zeigt aber doch, wie diese von den Beteiligten verstanden wurde und darum auch keiner­lei Interesse daran bestand, diesen Sachverhalt zu verbergen. 71   UAT 162/31: Gerhard Kittel (1888–1948). Personalakte der Evangelisch-Theologischen Fakultät (DOI: 10.20345/digitue.22285). Weder diese Veröffentlichung von Schlatter noch ir­ gend eine andere von ihm stand auf der Liste der Bücher, die aus allen öffentlichen Bibliotheken in der sowjetischen Besatzungszone auszusondern waren, wie das etwa für Grundmann und teilweise auch Kittel galt, s. Liste der auszusondernden Literatur. Herausgegeben von der Deutschen Verwaltung für Volksbildung in der sowjetischen Besatzungszone. Vorläufige Ausgabe nach dem Stand vom 1. April 1946 (Berlin: Zentralverlag 1946; online zugänglich unter: http://www.polunbi.de/bibliothek/1946-nslit.html), wo unter der Nr. 4187 Grundmanns „Sämtliche Schriften“ genannt sind (s. auch Nr. 3710 u. 3759: von Grundmann herausgegebene Bände); Kittels Name taucht hier noch nicht auf. In der ersten Ergänzung dieser Liste: Erster Nachtrag nach dem Stand vom 1. Januar 1947 (Berlin: Zentralverlag 1947), steht unter Nr. 2073 Kittels Judenfrage, und später dann noch seine Schrift über Die historischen Voraussetzungen der jüdischen Rassenmischung, s. Liste der auszusondernden Literatur. Herausgegeben vom Ministerium für Volksbildung der Deutschen Demokratischen Republik. Dritter Nachtrag nach dem Stand vom 1. April 1952 (Berlin: Zentralverlag 1953), Nr. 2524.

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Umgekehrt besprach mein Vater seine Schrift „Wird der Jude über uns siegen?“ ausführ­ lich mit Professor Kittel, gab ihm das Manuskript zu lesen, vollzog die Veröffentlichung auf dessen dringenden Rat und Wunsch. Die Schrift stellte bekanntlich einen der schärfste­n öffentlichen Angriffe gegen die nationalsozialistische Weltanschauungs- und Judenpolitik dar und wurde deshalb von der Gestapo beschlagnahmt. Auch diese Schrift war Ausdruck der vollen gemeinsamen Überzeugung beider Männer.72

11. Zusammenfassung Damit sind, so weit als möglich vollständig, alle Bezugnahmen Kittels auf Schlatter dokumentiert. Sie zeigen, dass die Beziehung erst eigentlich mit Kittels Antritt seiner Professur in Tübingen begann. Ihm war es erkenn­bar ein Anliegen, in engem Kontakt mit dem Älteren zu bleiben, dessen sprach­ lich-philologischen Arbeiten er eine größere wissenschaftliche Reichweite zu verschaffen versuchte. In den eigentlich theolo­g ischen Fragen sind sehr viel weniger Bezugnahmen nachweisbar, was aber auch daran liegt, dass Kittel selbst wenig genuin Theologisches geschrieben hat. Das gemein­ same protestantisch-konservative Milieu verband beide im Hinblick auf die Abwehr der Gefahren der Moderne und ihrem Ideal eines christlich ge­ prägten Staates, wobei Schlatter m.E. deutlicher und früher sah, dass die mit der nationalsozia­l istischen Machtergreifung verbundene Hoffnung eine trügerische war.

C. Adolf Schlatter und Gerhard Kittel Ziel dieses zweiten, sehr viel kürzeren Abschnitts ist es, die Stellen zu analysieren, in denen Schlatter sich in Bezug auf Kittel äußert. Hat er in ihm seinen „Schüler“ gesehen oder seinen legitimen Nachfolger, wie vielfach an­ genommen wird? Zur Beantwortung dieser Frage sind vor allem die autobio­ graphischen Zeugnisse zu würdigen, in denen Schlatter über seine eigenen „Schüler“ spricht bzw. sich gegen den Vorwurf wendet, eine „SchlatterSchule“ begründet zu haben. 1. Die fehlende Schultradition. Der vielleicht aufschlussreichste Text stammt aus seinem 1924 veröffent­ lichten Lebens- und Rechenschaftsbericht.73 Darin schrieb er, dass er 1922, zum Zeitpunkt seiner „Enthebung von der Amtspflicht… den württem­ bergische­n Freunden keinen Nachfolger zeigen konnte.“ 74 Schlatter hat nach   UAT 162/31.   Schlatter, Erlebtes, 7 (55f.). Zu diesem Text s.o. Anm. 25. 74   Schlatter, Erlebtes, 83 (5104). Dass Schlatter 1924 nicht auf Kittel als möglichen Nachfolger eingeht, kann man verstehen. Dass er ihn auch 1929 an keiner Stelle nennt, obwohl sonst eine Reihe von Namen und Begebenheiten nachgetragen wurden, ist aber doch auffällig. 72 73

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dieser Selbstaussage keinen seiner Studenten im engeren Sinn als seinen Schüler und berufenen Nachfolger gesehen. Als Grund dafür nennt er eine persönliche Hemmung, andere an sich und seine Art des Denkens zu bin­ den.75 Eine Folge dieser Zurückhaltung zeigt sich auch daran, dass es nur weni­ ge gibt, die Schlatter zur Promotion ermutigt hat. Im Inventar findet sich dazu nur der Hinweis, das 1899 Schlatters „erster Tübinger Licentiat“ ein Repetent des Stifts gewesen war.76 Darüber hinaus werden genannt: cand. theol. Hermann Albert Hesse (1900), Emil Brandes (1904) und die erste Theologin mit dem Universitätsabschluss als Lic. theol. überhaupt, Lydia Schmid (1921), die ein Jahr darauf auch noch einen Dr. phil. machte.77 In seiner zweiten biographischen Schrift Erlebtes beschreibt Schlatter als weiteren Grund für das Fehlen einer „Schule,“ dass ihm das wissenschaft­ liche Gespräch unter Kollegen bei gleichzeitigem selbstverantwortlichen Lernen und Lehren als Ideal galt. Das belegt er anhand einer Aufzählung von ihm nahestenden Kollegen und Studenten, von denen die jüngeren am ehesten als Schlatter-Schüler gelten könnten. Dass darin der 1888 geborene Kittel fehlt (der immerhin zu dem Zeitpunkt als sein möglicher Nachfolger schon einmal im Gespräch war), während der im gleichen Jahr geborene Paul Althaus (1888–1966) Erwähnung findet, verweist darauf, dass er ihn nicht zu dem ihm persönlich verbundenen wissenschaftlichen Kreis zählte.78 Kittel, der in seiner Gedenkrede auf Schlatter sich vielleicht am deut­ lichsten als den bezeichnen wollte, auf den Elias Mantel gefallen war, räumt darin selbst ein, dass es keine „Schlatterschule“ gab: Es ist kein Zufall, daß es nie eine „Schlatterschule“ gegeben hat, obwohl vermutlich von ganz wenigen Männern je in Kirche und Theologie so viele junge und alte Menschen ent­ scheidend beeinflußt worden sind. Es ist kein Zufall, daß keiner von uns daran gedacht oder auch nur gewagt hätte, sich einen „Schlatterianer“, kaum einen „Schlatterschüler“ 75   Schlatter, Erlebtes, 83 (5104), vgl. außerdem Schlatter, Erlebtes, 81 (5102): „Da wir in meinem Hörsaal miteinander das Neue Testament lasen, konnte in ihm keine ,Schule‘ entste­ hen. Ich zeigte den Jungen, die zu mir wanderten, wie ich mit dem Text verkehrte, machte mich für sie zum Vorbild und lieh ihnen meine Augen, damit sie sehen lernten. Dieses Ziel war aber etwas völlig anderes als die Übertragung meiner Gedanken auf sie mit dem Anspruch, daß sie sich diese einprägen und wiederholen sollten.“ 76   Bock, Inventar, 199. Es handelte sich dabei um Friedrich Traub, den späteren Ephorus des Tübinger Stifts. 77  Es ist möglich, dass dies keine vollständige Liste ist, sondern nur diejenigen, von denen sich Unterlagen im Schlatter-Archiv befinden. Zu Lydia Schmid (1897–1946), die mit Schlatter weiterhin in brieflicher Verbindung blieb, s. Schäfer-Bossert, Stefanie, Lic. theol. Dr. phil. Lydia Schmid, in: Lexikon früher evangelischer Theologinnen, Neukirchen-Vluyn: Neukirchener 2005, 344. Zu Hermann Albert Hesse, der im Kirchenkampf eine wichtige Rolle spielte, s. Kittels Brief an Schlatter vom 14.8.1933 (im Anhang). 78   Schlatter, Erlebtes, 82f (5103f.).

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zu nennen oder nennen zu lassen. Ich hätte den grausamen Spott nicht erleben mögen, den er über den Armen ausgegossen hätte.79

Bestätigt wird dieses Bild durch die Tatsache, dass die Tübinger theologi­ sche Fakultät von 1917 bis 1923 niemand habilitierte. Im Neuen Testament geschah dies überhaupt erst wieder 1930 mit Karl Heinrich Rengstorf. Das fällt auf, besonders wenn man sich vor Augen hält, dass in den 1920er Jahren die Tübinger Fakultät die größte in Deutschland war.80 2. Gerhard Kittel als Wunschkandidat Schlatters für seine Nachfolge Eine Aussage, die sich vielfältig in den Veröffentlichungen über Kittel und Schlatter findet, bezieht sich auf die Wahl seines Nachfolgers, nachdem Schlatter anlässlich seines 70. Geburtstages von seinen Amtspflichten ent­ bunden worden war. Sie steht in Werner Neuers großer Schlatterbiographie und ist seither von vielen, auch von mir, einfach übernommen, aber nie wirklich überprüft worden: Der unmittelbare Anlaß für diese überraschende und in ihrer Länge und Intensität durchaus ungewöhnliche Weiterführung des akademischen Lehrens (Schlatter las auch als Emeritus noch durchschnittlich sechs Stunden im Semester!) war die Tatsache, daß nicht der von ihm favorisierte Greifswalder Neutestamentler Gerhard Kittel, sondern der Bonner Exeget Wilhelm Heitmüller (1869–1926) als sein Nachfolger berufen wurde. Schlatter sah sich nicht in der Lage, Heitmüller als »wirklichen Nachfolger« seiner neu­ testamentlichen Lehrtätigkeit anzuerkennen.81

Quelle für diese Aussage ist offenbar ein Brief an seine Schwester, Christine Schlatter, vom 20. Dezember 1922, aber das einzige Zitat, das Neuer daraus bringt (und, so weit ich sehe, ist dieser Brief unabhängig von Neuer sonst nicht herangezogen worden), besagt nur, dass er Heitmüller nicht als „wirkli­ chen Nachfolger“ anerkennen kann.82 Vollständig lautet der betreffende Abschnitt des Briefes, der mit einer kurzen Betrachtung über Weihnachten und dem Älterwerden beginnt: Ueber dem neuen Jahr hängt allerdings insofern ein Fragezeichen, als meine Nachfolge noch immer nicht endgültig entschieden ist. Die Wahrscheinlichkeit liegt bei dem von der Fakultät an erster Stelle gewünschten Liberalen [d.h. Heitmüller]. Die Verhandlung lief so, daß ich von jedem aktiven Anteil an ihr ausgeschaltet wurde, was mir die Ruhe

  Kittel, Gedenkrede, 27; ebenso im Nachruf des damaligen Dekans der Tübinger theolo­ gischen Fakultät, Artur Weiser, in: Ein Lehrer der Kirche [s.o. Anm. 23], 12. 80   Rieger, Reinhold, Die Tübinger evangelisch-theologische Fakultät während der Zeit der Weimarer Republik, in: Rainer Lächele/Jörg Thierfelder (Hg.), Württembergs Protestantismus in der Weimarer Republik, Stuttgart: Calwer 2003, 174–186 (175). 81   Neuer, Schlatter, 592. 82  Die Aussage, dass „der von ihm geschätzte Gerhard Kittel… schon 1922 Schlatters Wunschkandidat“ war, wird auf Neuer, Schlatter, 621 wiederholt, aber ohne zusätzlichen Beleg. 79

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gibt, die die Befreiung von jeder Verantwortlichkeit begleitet.83 Vielleicht wird auch die Wandlung nicht einmal in einem merkbaren Rückgang der Fakultät ans Licht treten, da vielleicht die noch im Amt stehenden Kollegen sie halten. Und wenn sich die Kurve wieder abwärts neigt, so ist ja nicht gesagt, daß wir bleibend in diesem Maß wie bisher die junge Geistlichkeit in Tübingen heranbilden müssen. Dann gibt es eben anderweitig Lehrstühle, um die sie sich sammeln wird. Für Württemberg hat die Sache freilich un­ vermeidliche Folgen, weil unsere Württemberger nicht wandern können, sondern an Tübingen gebunden sind. Für mich persönlich hat die Sache insofern eine eingreifende Wichtigkeit, weil mein Anteil am Unterricht einigermaßen davon abhängt. Wenn ich keinen wirklichen Nachfolger erhalte, sondern alles in ganz andere Bahnen hinübergestoßen wird, so werde ich von kräftiger Lehrarbeit mich schwerlich zurückziehen können. Es sieht somit noch nicht so aus, als ob nun Ruhe und Stille mir beschieden sei. Doch das liegt nicht in un­ seren, sondern in den rechten Händen.

Dass Schlatter Kittel als einen „wirklichen Nachfolger“ angesehen hätte, geht aus diesem Brief also gerade nicht hervor, auch wenn das immer wieder in der Literatur so dargestellt wird. Ein weiterer Brief, diesmal an seine Tochter Ruth vom 28. November 1922, auf den sich Neuer ebenfalls bezieht,84 enthält zwar einige Bemerkungen über das Berufungsverfahren, aber auch da fällt der Name Kittel nicht. Dafür ist es erneut der gleichaltrige Althaus, der erwähnt wird: Meine Nachfolge wird sich vermutlich so gestalten, daß ich noch mit den Jungen mich ab­ geben muß, soweit es reicht. Da ich kein Stimmrecht mehr besaß, verläuft die Verhandlung ohne meine Mitwirkung. Sie ist aber noch nicht ganz zu Ende, da der Senat erst nächste Woche seinen Beschluß faßt. Weil ich keine Verantwortung mehr habe, hat es mich nicht aufgeregt. Es ist ja nicht nötig, daß der Unterricht der deutschen Theologie studierenden Jugend in dem Maße in Tübingen geschehe, wie es in den letzten Jahren der Fall war. Die jungen Kräfte an den anderen Fakultäten werden sich entfalten, z.B. Althaus.

Kittel taucht dagegen nur in der Dreier-Vorschlagsliste der Fakultät für die Nachfolge Schlatters auf, in der Heitmüller an erster, Kittel an zweiter und an dritter Stelle Leipoldt stand. Wie Schlatter in den Briefen an seine Schwester und Tochter bemerkte, liefen die Verhandlungen ohne dass er darin in irgend­einer Weise involviert war, was m.E. dagegen spricht, dass er sich ak­ tiv für Kittel eingesetzt hat. Der Konflikt um die Berufung Heitmüllers steht im Zusammenhang der Auseinandersetzung um die religionsgeschichtliche 83   Dass man versuchte, Schlatter aus den Beratungen herauszuhalten, könnte damit zusammen­hängen, dass er sich 1920 gegen die Mehrheit seiner Fakultät für die Berufung von Karl Heim einsetzte, der ebenfalls dem positiven Lager angehörte, vgl. Neuer, Schlatter, 588. Von einem ähnlichen Engagement für Kittel wird dagegen nichts berichtet. 84   Neuer, Schlatter, 594. Neuer weist zudem auf den Brief Schlatters an Wilhelm Lütgert hin (19.11.1922), wo er ebenfalls davon schreibt, dass für ihn die bevorstehende „Wahl Heitmüllers vermutlich die Fortsetzung der Lehrarbeit in etwas reduzierter Form bedeuten“ wird. Er schreibt weiter: „Glücklicherweise muß ich als Emeritus das Gutachten nicht unterzeichnen; ich hätte es nicht fertig gebracht, meinen Namen darunter zu setzen“ (ebd.).

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Schule, zu der Heitmüller gehörte. Es war vor allem seine führende Position in derselben, die ihn sowohl der Fakultät als auch dem Akademischen Senat für den wissenschaftlich geeignetsten Kandidaten empfahlen.85 Dabei ist in Erinnerung zu rufen, dass es schon 1912 Bemühungen gab, Hermann Gunkel (1862–1932), der nun wirklich einer der herausragenden Vertreter der religionsgeschichtlichen Schule war, als Nachfolger von Julius von Grill (der ja ebenfalls stark religionswissenschaftlich arbeitete) nach Tübingen zu berufen. Schlatter hatte damals der Nominierung von Gunkel auf Platz 1 der Besetzungsliste zugestimmt.86 Das zeigt, dass es ihm nicht um ein rein konservatives Gepräge der Fakultät ging, sondern um die Berücksichtigung der theologischen Pluralität in den exegetischen Fächern, wozu eben auch die nichtliberale historische Kritik, wie er sie vertrat, zählte. Schlatters gleichaltriger Fakultätskollege, der Kirchengeschichtler Karl Müller (1852–1940), schrieb in einem Brief an Hans Lietzmann, als es dann vier Jahre später um die Nachfolge Heitmüllers ging, dass Schlatter damals, als seine „Emeritierung noch in einiger Entfernung stand… selbst einmal in der Sitzung [gesagt habe], Weinel87 wäre der erste.“ Zwar hielt Müller das damals für eine wenig glaubhafte Äußerung, aber aus seinem Brief geht an keiner Stelle hervor, dass Schlatter in dieser Frage sich für Kittel einge­ setzt hat, den er ebenfalls erwähnt: „Unser zweiter war damals Kittel, der 3. Leipoldt.“88 In dem Brief bittet Müller seinen Kollegen Lietzmann um eine Einschätzung bezüglich der beiden, weil diese nun wieder in Betracht gezo­ gen wurden. Darüber hinaus nennt er einige weitere Kandidaten, von denen er fürchtet, dass sie in die Diskussion gebracht würden, darunter soga­r Schlatters Sohn Theodor. Aber auch hier fehlt ein Hinweis darauf, dass sich Schlatter für Kittel (oder gar für seinen Sohn) ausgesprochen hätte.89 85   Vgl. die Belege aus den entsprechenden Protokollen bei Breitschwerdt, Jörg, Theologisch konservativ. Studien zu Genese und Anliegen der evangelikalen Bewegung in Deutschland (Arbeiten zur Geschichte des Pietismus 62), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2018, 257. 86   Breitschwerdt, Theologisch konservativ, 264 Anm. 655. Riegers Aussage, wonach Schlatter sich „schon früher grundsätzlich gegen die Berufung religionsgeschichtlich ausge­ richteter Exegeten ausgesprochen hatte“ ist also zu korrigieren, s. Rieger, Die Tübinger evan­ gelisch-theologische Fakultät, 178. 87  Heinrich Weinel (1874–1936), der zu den „peripheral members“ der religionsgeschichtli­ chen Schule zählte, s. Baird, William, History of New Testament Research, Bd. 2: From Jonathan Edwards to Rudolf Bultmann, Minneapolis: Fortress 2003, 251–253. In welchem Verhältnis Schlatter zu Weinel stand, ist nicht erkennbar. In Neuer, Schlatter, taucht Weinel nicht auf, und auch im Nachlass weist nichts auf eine nähere Bekanntschaft hin. Theologisch nahe standen sie sich sicher auch nicht. 88   Diese Dreierliste wurde „einstimmig – unter Einschluss der dem Pietismus nahestehen­ den Glieder Wurster und Heim“ beschlossen, s. Breitschwerdt, Theologisch konservativ, 260 Anm. 635. Das Zitat stammt aus einem Zeitungsartikel von Karl Müller vom 10.1.1923, in dem er über die Neubesetzung der Tübinger NT-Professur informierte. 89  Der Brief ist abgedruckt in: Aland, Kurt, Glanz und Niedergang der deutschen Universität. 50 Jahre deutscher Wissenschaftsgeschichte in Briefen von und an Hans Lietzmann

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Reinhold Rieger hat dagegen auf eine Quelle aufmerksam gemacht, die so verstanden werden kann, dass Schlatter sich 1922 für Kittel ausgesprochen hat. Im Protokollbuch des Großen Senats findet sich zum 14. Dezember 1922 die Diskussion über die „Wiederbesetzung des Lehrstuhls für Neues Testament.“ Zu der Vorschlagsliste der Fakultät (1. Heitmüller, 2. Kittel, 3. Leipoldt) beantragte der Berichterstatter für den Senat, der klassische Philologe Wilhelm Schmid, „Heitmüller mit allem Nachdruck zu berufen.“ Er weist darauf hin, „dass die Fakultät für den Fall, dass Heitmüller den Ruf ausschlägt, schwer­l ich in der Lage sein werde, einen ihm Ebenbürtigen zu nennen.“ Gegen dieses letzte Votum protestierten die beiden Vertreter der theologischen Fakultät, der Systematiker Friedrich Traub und der praktische Theologe Paul Wurster. Zu vermeiden sei der Eindruck, dass zwische­n Heitmüller und den beiden anderen Bewerbern „ein ausserordent­ licher Abstand bestünde.“ Ihres Erachtens stehe Kittel „hinter Heitmüller nicht so weit zurück, wie der Berichterstatter annehme, er sei von Professor v.Schlatter [sic!] sogar als sein geeigneter Nachfolger bezeichnet worden.“ Dem Vorschlag stimmt­e zwar ein Teil des Gremiums zu, aber weil es sich bei der Nachfolge Schlatters „um einen hervorragenden Lehrstuhl handelt,“ sollte dieser nur „von einem erprobten Forscher besetzt werden…; Kittel aber sei noch zu jung und zu wenig originell.“ 90 Das war gewiss ein weises Urteil. Was aber folgt aus diesem Votum, wonach Schlatter Kittel als seinen „geeignete[n] Nachfolger“ ansah? M.E. bedeutet dies in erster Linie, dass sich Schlatter in Bezug auf die Dreierliste für Kittel ausgesprochen haben dürfte. Was er zu dieser Zeit von ihm wusste oder kannte, lässt sich nicht sagen (die Publikationsliste Kittels bis zu diesem Zeitpunkt ist überschaubar), aber er kannte sicherlich seinen Vater und wusste von dessen Herkunft aus dem schwäbisch-pietistischen Milieu. Darum ist es auch wahrscheinlich, dass er sich an dessen Sohn erinnerte, der vor vielen Jahren eine seiner Vorlesungen besucht hatte. Dass er diesen Heitmüller oder Leipoldt vorzog und sich von ihm am ehesten erhoffte, dass er die Tübinger Studenten in einer hilfreichen Weise prägen könnte, über­ rascht darum nicht.

(1892–1942), Berlin: de Gruyter 1979, 494f. Allerdings ist das dort angegebene Datum des Briefes (8.2.1925) offensichtlich falsch, denn Heitmüller ist erst am 29.1.1926 gestorben. Der Brief Müllers dürfte darum wohl auf den Februar 1926 zu datieren sein (so auch Aland in einer Herausgebernotiz, s. Aland, Glanz und Niedergang, 1098 Anm. 2 zu Brief Nr. 524). Vom „Fall Heitmüller“ (bezogen auf die Berufung 1922) ist auch im Brief von Ernst Matthis vom 10.6.1923 die Rede, der scherzhaft davon erzählt, dass selbst die württembergische Bäckervereinigung gegen ihn protestiert habe (466f.). 90   Protokollbuch des Großen Senats 1912–1927 (UAT 47/39), 641f., vgl. dazu Rieger, Die Tübinger evangelisch-theologische Fakultät, 178f.

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3. Vermischtes Bereits oben (s. C.1) ist auf die Fortsetzung von Schlatters Lehrtätigkeit über das Jahr 1922 hinaus hingewiesen worden. Theodor Schlatter schreibt dazu in der Ergänzung zu dem „Rückblick“ seines Vaters, der mit der Emeritierung am 16. August 1922 auf hörte: „Er sah in der Fortsetzung dieses Dienstes eine Verpflichtung, weil Wilhelm Heitmüller, ein Vertreter der Religionsgeschichtlichen Schule, auf seinen Lehrstuhl berufen worden war.“ 91 Und etwas später heißt es: „Als nach Heitmüllers überraschend frühem Tode (1926) Gerhard Kittel der Neutestamentler der Fakultät wurde, mit dem ihn bald eine herzliche Freundschaft verband, zog er sich allmäh­ lich vom akademischen Unterricht zurück.“ 92 Dennoch hielt er bis zum Sommer 1928 noch neutestamentliche Seminare, und Vorlesungen bis ins Wintersemester 1929/30, d.h. bei aller Freundschaft zu Kittel wollte er ihm die Studierenden offensichtlich auch nicht alleine überlassen.93 Dennoch scheint er Tübinger Studenten ermutigt zu haben, nach Greifswald und dort u.a. auch zu Kittel zu gehen. Darüber berichtet Karl Heinrich Rengstorf, der vielleicht am ehesten als Schlatterschüler im engeren Sinn verstanden werden kann. Dieser habe ihm geraten, nachdem er „vier Semester[] in seinem Hörsaal und drei Semester[] in seinem Seminar“ verbracht hatte, „zu Gustav Dalman und Gerhard Kittel nach Greifswald“ zu gehen. Das muss in der Zeit 1923/24 gewesen sein, denn Rengstorf berichtet, dass er sich Anfang März 1924 „schweren Herzens von ihm verabschiedete“, um diesen vorgeschlagenen Weg zu gehen.94 Dazu passt, dass Kittel in seinem ersten Brief an Schlatter von den „aus Ihrem Hörsaal“ kommenden Tübinger Studenten schreibt, die zu ihm nach Greifswald kamen. Ohne historischen Kontext ist ein letztes, indirektes Zeugnis Schlatters über Kittel. Charles Horowitz, ein jüdischer Mitarbeiter an Kittels Lehrstuhl, der Tübingen 1933 aufgrund von Anfeindungen und Übergriffen verlas­ sen musste und in die Niederlande emigrierte, bevor er nach dem Krieg nach Deutschland zurückkehrte,95 berichtet in einem Brief an Otto Michel vom 28. August 1946, dass Kittel, „der Nachfolger Schlatters, von diesem 91   Schlatter, Theodor, Die letzten fünfzehn Jahre, in: Adolf Schlatter, Rückblick auf meine Lebensarbeit, Stuttgart: Calwer 21977, 254–262 (254). In diesem frühen Zitat ist auf­ fallenderweise noch nicht die Rede davon, dass er sich Kittel als Nachfolger gewünscht hatte. 92   Schlatter, Jahre, 255. 93   Lindemann, Gerhard Kittel, 75, interpretiert dies vielleicht doch etwas zu freundlich damit, dass er bis Februar 1930 seinen Nachfolger „entlastete.“ 94   Rengstorf, Nachwort, 267. 95  Zu seiner Beziehung zu Schlatter s. Neuer, Schlatter, 748f., außerdem Morgenstern, Institutum Judaicum, 26–32.60 (und dort als Anhang: Briefe von Charles Horowitz an Otto Michel nach der Schoah, 129–132); ders., Gerhard Kittels „Verteidigung,“ 129.198–200; John, ›Spätjudentum‹, 167.170. Weiteres zu Horowitz auch im Beitrag von Morgenstern, „Das Veerständnis des Judenchristentums bei Gerhard Kittel“ Anm. 54, in diesem Band.

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der Ersatzchristus Oberammergaus genannt“ wurde.96 Im unmittelbaren Kontext des Briefes ist der berüchtigte Vortrag Kittels über die Judenfrage am 1. Juni 1933 erwähnt, so dass es möglich ist, dass diese Bemerkung im Nachgang dazu gefallen ist, aber das ist nicht eindeutig. Es ist auch nicht klar, was mit dieser Bezeichnung gemeint sein könnte. Unterstellt er Kittel, dass er sich in der Pose des deutsch-christlichen Retters stilisierte, der für Deutschland zu leiden habe? Oder soll angedeutet werden, dass Kittel einen arischen Jesus bevorzugen würde? 4. Zusammenfassung So zeigt sich am Ende dieser Dokumentation noch einmal, dass das Verhältnis zwischen Schlatter und Kittel vielschichtiger war als es vielfach darges­ tellt wird. Besonders die Ungleichheit der gegenseitigen Bezugnahmen ist nicht zu übersehen. Während Kittel sich öffentlich wiederholt dankbar und wertschätzend über die wissenschaftliche Lebensarbeit Schlatters äußert und seiner Verehrung für den Älteren in vielfältiger Weise Ausdruck gibt, ist Schlatter hinsichtlich seines Nachfolgers in der Öffentlichkeit stumm. Die oben zitierte Sitzungsprotokollaussage (die eine Schlatter zugeschrie­ bene und zudem nichtöffentliche Aussage war!) kann diesen Befund nicht ernsthaft in Frage stellen. Dieses vollständige Fehlen des Ausdrucks von Dankbarkeit oder Verbundenheit, wie sie im wissenschaftlichen Geschäft vor allem in Vorworten geübt wird, gehört erkennbar zum Stil Schlatters, so dass sein Schweigen über Kittel nicht überbe­wertet werden darf. Aber auch in den bisher bekanntgewordenen Privatnachrichten fehlen Hinweise darauf, dass Schlatter Kittels Veröffentlichungen gelesen oder in irgendeiner Form geschätzt hat. Dass er sie zitiert, ist angesichts seiner Abneigung gegen diese Form des kollegialen Gesprächs erst gar nicht zu erwarten. Schlatters, so weit ich sehe, einzige Bemerkung zum Theologischen Wörterbuch ist, dass es ob seiner Fülle die Arbeit eher erschwert als befördert. So bleibt am Ende der Eindruck, dass es vor allem die Darstellungen der Kinder Schlatters sind, die das öffentliche Bild der „herzliche[n] Freundschaft“ 97 zwischen den beiden Gelehrten maßgeblich bestimmt haben, die sich Kittel, das scheint mir sicher, aufrichtig gewünscht hat. Ein Schüler Schlatters ist Gerhard Kittel hingegen nicht gewesen. Denn dazu reicht eine Vorlesung in einem Semester gewiss nicht aus. Weder die methodologische Schulung und theol­ ogische Positionierung noch seine gesell­schaftliche und politische Weltsicht sind von Schlatter bestimmt. Sie lagen lange fest, bevor er als Professor nach Tübingen kam. Das schließt nicht aus, dass es gemeinsame Überzeugungen und zahlreiche Überschneidungen im Hinblick auf theologische Fragen gab, darüber hinaus ein angenehmes persönliches Miteinander. Aber, um   Der Brief ist abgedruckt bei Morgenstern, Institutum Judaicum, 129f.   Die letzten fünfzehn Jahre, in: Schlatter, Rückblick, 255; so auch Neuer, Schlatter, 801.

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die Frage vom Anfang zu beantworten: Die Verantwortung für die eigenen Taten und Untaten lassen sich nicht auf die Lehrer abwälzen und noch nicht einmal mit deren Einfluss erklären oder entschuldigen. Auch und gerade in herausfordernden Zeiten bleibt der Mensch vor seine eigene Entscheidung gestellt und für seine Handlungen gegenüber Gott und seinen Mitmenschen verantwortlich.

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ANHANG

Gerhard Kittels Briefe an Schlatter Zeilen und Einrückungen sind dem gegenwärtigen Layout angepasst. Unterstreichungen im Original sind hier entsprechend wiedergegeben. Wo Lesungen unsicher sind, steht hinter dem Wort ein Fragezeichen (?).1 1. G. Kittel an A. Schlatter

Sehr verehrter Herr Professor Schlatter!

Greifswald, Steinstraße 2 II, 26. April 1923.

Wie die Zeitungen berichten, ist die Frage Ihrer Nachfolge nunmehr end­ gültig entschieden. Damit ist für mich der Grund fortgefallen, der mich seit einem halben Jahr hinderte, Ihnen das zu schreiben, was ich gerne zu Ihrem siebzigsten Geburtstag Ihnen geschrieben hätte. Ich wollte Ihnen gern einmal danken! Sie haben heute vor fünfzehn Jahren dem jungen Studenten in Vorlesungen und offenen Abenden viel ge­ geben. In späteren Jahren und in immer steigendem Maße bis auf den heu­ tigen Tag sind Sie dann, als der einstige Student die Arbeit am NT sich als Lebensaufgabe gewiesen sah, mit Ihren Untersuchungen zur Geschichte der ersten Christenheit in den „Beiträgen“ einer der Führer für ihn gewesen, von denen er in besonderem Maß wissenschaftliche Anregung, Förderung und Führung empfangen hat und empfängt; sind Sie auch vor allem es gewesen, an dessen Vorbild ihm die Aufgabe für den Neutestamentler, rabbinische Quellen [Rückseite] zu studieren, klar geworden ist. Ich glaube, meine SifraÜbersetzung 2 zeigt davon etwas. Als Prediger und immer auch bei meinem persönlichen Bibellesen kam ich zu Ihnen und dankte Ihnen unzählige Male,   Für die Bereitstellung der Digitalisate danke ich ganz herzlich Dr. Johannes Grützmacher vom Landeskirchlichen Archiv Stuttgart. Die Ersttranskription von Kittels Briefen, die in deutscher Kurrentschrift und einer nicht leicht zu lesenden Handschrift verfasst sind, ver­ danke ich Schwester Ilse Szaukellis von der Schwesterschaft der Liebenzeller Mission. Bei der Klärung letzter Schwierigkeiten haben mir Hans Förster, Lukas Bormann und Lisa Sunnus sehr geholfen, wofür allen herzlich gedankt sei. 2  Zu dieser Übersetzung s.o. Anm. 14; Deines, Pharisäer, 430; Morgenstern, Meine Verteidigung, 22 Anm. 37. 1

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wie Sie in Ihren „Erläuterungen“ das Wort Jesu und das Wort der Apostel mir sagten. Über allem aber steht der Dank des Theologen, daß Sie uns Jüngeren, besonders in Ihrer „NTlichen Theologie“ und Ihrer „Geschichte des Christus“, gezeigt haben, was Schrifttheologie ist. An diesem Punkt sind Sie, der nie eine Schule gebildet und Schüler gezüchtet hat, einer großen Schar von uns Jüngeren der Meister, mehr als Sie selbst vielleicht es ahnen. Und an dem Punkt danke ich Ihnen jetzt auch in neuem Sinn, wenn ich, nun selbst Freund und Lehrer der Jüngeren, an meinen Studenten, wenn sie von Tübingen kommen oder mir schreiben, spüre, was sie aus Ihrem Hörsaal mit­ nahmen an Ehrfurcht vor der Schrift und Verwurzelung in der Schrift. Und schließlich möchte der Professor Ihnen auch ausdrücklich danken für ein paar Worte, in denen Sie neulich anläßlich Ihres Geburtstages, ein Urteil über den Beamtencharakter der theologischen Professuren niedergeschrie­ ben haben.3 Diese Ihre Worte sind mir wie [neues Blatt] ein Stück Profetie. Ich glaube fast, Gott läßt etwas von dem Morgenrot einer neuen Zeit sehen, auch für die Fakultäten; freilich müssen dabei auch viel(e?) stolze und vor Menschen angesehene, vornehme „Stellungen“ zunichte werden. Bis dahin wird es wohl dabei bleiben, daß man Gott bitten muß, das Evangelium in der Theologie „überwintern“ zu lassen – und immer in demselben Sinn, wie einst zwischen Ihnen, Cremer und Kähler davon die Rede war (in den Briefen, die in der Cremerbiographie abgedruckt sind).4 Es war mir ein Bedürfnis, Ihnen, Herr Professor Schlatter, dies al­ les einmal zu sagen. Gott lasse Sie, den Siebziger, noch lange für diese „Überwinterung“ mitwirken, als Zeugen Jesu und als Führer zu Jesus! Ihr dankbarer Gerhard Kittel. 2. G. Kittel an A. Schlatter Hochverehrter Herr Professor Schlatter!

Greifswald, 12.VI.1926.

Der württ. Kultminister hat mich gefragt, ob ich einem Rufe als Nachfolger für Professor Heitmüller Folge leisten wolle. 3  Vgl. Schlatter, Adolf, Ein Wort zum Preise meines Amtes, in: Evangelisches Kirchenblatt für Württemberg 83 (1922), 97f. 4  Diese Biographie wurde vom Sohn Hermann Cremers (1834–1903) veröffentlicht: Cremer, Ernst, Herman Cremer. Ein Lebens- und Charakterbild, Gütersloh: Bertelsmann 1912. Der Briefwechsel zwischen Cremer und Schlatter ist veröffentlicht, vgl. Stupperich, Robert, Hermann Cremer. Haupt der „Greifswalder Schule.“ Briefwechsel und Dokumente (Mitteldeutsche Forschungen 97), Köln/Wien: Böhlau 1988.

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Anhang

Sie müssen mir erlauben, dass ich gleichzeitig mit dem offiziellen Brief an den Herrn Dekan der Tübinger Fakultät Ihnen gegenüber ausspreche, wie tief mich der Gedanke bewegt, möglicherweise auf demselben Katheder lesen zu sollen, das Sie innehatten. Ich kann nur demütig Gott bitten, daß Er mich die rechte Entscheidung treffen läßt, und daß Er, falls ich nach Tübingen komme, mir die Kraft gibt, die Aufgabe zu erfüllen, die mir anver­ traut werden soll. Das Buch, das ich gleichzeitig an Sie absende, sollte, als es geschrieben wurde, ja zu einem Teil auch der Öffentlichkeit [Rückseite] etwas von dem sagen, was die neutest. Wissenschaft und ich im besonderen Ihnen danke.5 Ich ahnte nicht, daß ich unter solchen Umständen es Ihnen schicken würde. Nehmen Sie es als ein Stück des Dankes Ihres einstigen studentischen Schülers! In Verehrung und Dankbarkeit Ihr Gerhard Kittel. 3. G. Kittel an A. Schlatter Lieber, verehrter Herr Professor Schlatter,

Tübingen, 31.8.30.

Wenn mein Gedächtnis mich nicht täuscht, haben Sie in diesen letzten Augusttagen Ihren Geburtstag. Da soll mein Gruß nicht fehlen, der in diesem Jahr in besonderem Maß zugleich ein Dank für viel Güte und väter­ liche Geduld ist. Hoffentlich haben Sie, nachdem die Regenzeit überwunden ist, noch eine schöne und erholsame Zeit zusammen mit Ihren Kindern. Bei uns in Walchensee 6 wars still u. ruhig und dadurch wohltuend; nur hat mich leider die Feuchtigkeit eine Zeitlang mit meinem alten Kriegsrheuma ins Bett ge­ zwungen. Jetzt ist es aber weit besser. Daß der Joh. nun fertig gedruckt ist, ist mir eine riesige Freude.7 Das jet­ zige Buch führt doch weit über „Sprache und Heimat“ hinaus in die Mannig­ faltigkeiten des sprachlichen und fachlichen Materials.8 Das Buch kann nun keiner mehr ignorieren oder auslachen! Hoffentlich haben Horowitz 9 5   Dabei handelt es sich wohl um sein 1926 erschienenes Buch Die Probleme des palästinischen Spätjudentums und das Urchristentum (s.o. Anm. 15). 6   Das Ferienhaus der Familie Kittel lag im oberbayerischen Luftkurort Walchensee, der auf 800m Höhe an dem gleichnamigen See liegt. 7   Schlatter, Der Evangelist Johannes. 8   Zu dieser Schrift s.o. B.2. 9  Zu Horowitz s.o. C.3. Schlatter selbst verzichtet hier wie in allen seinen Veröffent­ lichungen darauf, die Menschen zu erwähnen, die ihn bei der Arbeit unterstützt haben. Die Nichterwähnung von Horowitz ist also nicht damit zu erklären, dass er Jude war. Auch Kittel

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und Zitt(?) ihre Schuldigkeiten brav getan, und haben Sie auf unsere Korrek[Rückseite] turen nicht gewartet. Ich hätte, außer ein paar gewöhnlichen Druckfehlern nichts beisteuern können, weil ich droben nichts zum Nach­ schlagen hatte; und zudem war ich durch die erwähnte Attacke gehemmt. Daß der Appetit wieder mit dem Lesen sich vermehrte, wird Sie nicht wundern. Es wäre doch fein, wenn Sie noch an den Lukas kämen und damit neben Mth. u. Joh. den 3. u. 4. Typ sprachlicher Gestalt (Lk selbst + seine Sonderquellen) stellten, u. außerdem vom Lk aus noch einmal die Markfrage beleuchteten.10 Ist mir’s recht,11 so sprachen Sie früher einmal davon, ein Manuskript zur Apg. liege schon da?12 Jetzt sitz ich über Wörterbuch-Artikeln und genieße weiter Ihre Segnungen. In dem durchschossenen Expl. steht sehr viel. Es tut mir nun doch leid, daß es nur bis K geht. Erholen Sie sich weiter gut! Einen herzli­ chen Gruß an Ihren Sohn und Ihre Töchter. Ihr dankbarer Gerhard Kittel Grill gehts nicht gut, es wird wohl zu Ende gehen.13 4. G. Kittel an A. Schlatter Lieber Herr Professor Schlatter,

Walchensee, 14./ 8.33.

der Sonnenglanz, der über den Bergen heute liegt, paßt zu dem Geburtstags­ brief an Sie. Ich wollte, ich könnte Ihnen etwas davon als Gruß schicken; aber vielleicht sitzen Sie selbst schon irgendwo in Ihren eigenen Schweizer Bergen u. freuen sich an dem Leuchten u. Strahlen. Jedenfalls ist mein be­ sonderer Wunsch in diesem Jahr, daß der helle Strahl des „Gott der Herr ist wird mit keinem Wort je erwähnt. 10   Vgl. dazu Kittel, Probleme, 51–56, wo er selbst auf diesen „dritten Typ“ eingeht. 11   „Ist mir recht“ wohl umgangsprachlich für „Wenn ich mich recht erinnere…“ 12   Im Nachlass-Inventar ist unter der Nr. 194 ein Vorlesungsmanuskript zur Apostelgeschichte nachgewiesen (Bock, Inventar, 47), dazu 4 Bände „Sammlungen zur Apostelgeschichte“ (Nr. 324, S. 56), und zwei weitere Manuskripte: „Vergleich zwischen dem Sprachgebrauch der Apostelgeschichte und des Josephus“ (Nr. 325, S. 56), sowie „Die Apostelgeschichte und Josephus nach ihren sachlichen und formalen Parallelen“ (Nr. 378, S. 59). 13   Gemeint ist Julius (von) Grill, der in Tübingen von 1888 bis 1913 Altes Testament lehrte, darüber hinaus aber auch im Bereich des Neuen Testaments und des frühen Christentums sowie der antiken Religionsgeschichte publizierte. Er starb am 10.9.1930, nur wenige Tage nach Abfassung dieses Briefes. Zu Grill s. ausführlich Rieger, Reinhold, Religionsgeschichte außerhalb der ›Religionsgeschichtlichen Schule‹. Der Tübinger Alttestamentler und Orientalist Julius Grill (1840–1930), in: Bausteine zur Tübinger Universitätsgeschichte 10 (2005), 49–112.

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Sonne und Schild“ Ihnen einige der Sorgen verjagen möge, die sich in den letzten Monaten in der Stube auf dem Olgaberg haben einschleichen wollen. Wichtiger als alle Fehler, die wir machen, wird ja wohl auch für die neue Deutsche Kirche bleiben, daß Er die Türe u. die Herzen auftut. Im übrigen mag es Sie gefreut haben, an dem Hesse’schen14 Brief (der end­ lich ein ernsthaftes Wort war, [Rückseite] viel ernsthafter als der Barth’sche Erguß!15) zu sehen, wie stark grade bei den Ernsthaften beider Seiten das Bewußtsein ist, an Ihre Lebensarbeit anknüpfen zu müssen. Glauben Sie mir, wenn Fezer u. ich zu den „Deutschen Christen“ gegangen sind,16 so ist das zu einem wesentlichen Teil geschehen: 1. weil wir von Ihnen gelernt haben, daß es nicht die Aufgaben (sic) der Theologie ist, in Maria Laach Horen zu singen – ich könnte auch sagen, Daumen zu drehen17 –, sondern   Gemeint ist offenbar Hermann Albert Hesse, der seine Licentiaten-Arbeit bei Schlatter geschrieben hat (s.o. C.1). Die im Brief erwähnte Stellungnahme hängt sehr wahrscheinlich mit Hesses Mitwirkung im sogenannten „Drei-Männer-Kollegium“ zusammen, in dem er als Vertreter der reformierten Kirchen seit dem 23. April 1933 die Gründung einer deutschen Reichskirche vorbereitete, vgl. Hermle, Siegfried/Thierfelder, Jörg, Herausgefordert. Dokumente zur Geschichte der Evangelischen Kirche in der Zeit des Nationalsozialismus, Stuttgart: Calwer 2008, 72. Bereits am 24. April hatte dieses Kollegium einen Aufruf erlas­ sen, in dem ein „Ja“ zum Staat des Dritten Reiches gefordert wurde. Am 20. Mai wurden im „Loccumer Manifest“ die Grundzüge dieser geplanten neuen Kirchenverfassung vorge­ legt (Hermle/Thierfelder, Herausgefordert, 96f., Dok. 28). Am 27.5.1933 wurde Friedrich von Bodelschwingh zum neuen Reichsbischof gewählt, wegen zahlreicher Konflikte – auch Hesse sprach sich gegen ihn aus! – trat er am 24. Juni jedoch bereits wieder zurück. Hesse war in dieser Zeit in engem Kontakt mit Karl Barth (was Kittel möglicherweise unbekannt war), vgl. Barth, K arl, Briefe des Jahres 1933, hg. v. Eberhard Busch, Zürich: Theologischer Verlag 2004, 211). Am 26.5.1933 hatte Hesse eine Erklärung über „das rechtliche Verhältnis der Reformierten zum Reichsbischof“ abgegeben, die am 4. Juni in der Reformierten Kirchenzeitung (S. 166f.) abgedruckt wurde (s. Barth, Briefe, 241 Anm. 2). Es ist anzunehmen, dass sich Kittel auf diesen Text bezieht. 15   Damit ist wohl auf Barths Schrift Theologische Existenz heute!, angespielt, die im Juni 1933 erschienen ist und im September schon in der 7. Auflage mit über 20.000 Exemplaren vorlag, vgl. Barth, Briefe, 393. 16   Zu seiner späteren Begründung dafür s. Morgenstern, Gerhard Kittels „Verteidigung“, 40f. 17   Anspielung auf Barth, K arl, Theologische Existenz heute!, München: Kaiser 1933, 26, der auf den „Horengesang der Benediktiner im nahen Maria Laach“ verwies, der „auch im Dritten Reich zweifellos ohne Unterbruch und Ablenkung“ weitergegangen sei. Damit verwahrt er sich gegen die von den Deutschen Christen und von Kittel erhobene Forderung, die Verkündigung des Evangeliums dem „geschichtlichen Augenblick“ anzupassen, vgl. Kittel, Gerhard/Barth, K arl, Ein theologischer Briefwechsel, Stuttgart: Kohlhammer 1934, und dazu Deines, Roland, Biblische Texte und zeitgeschichtliche Deutungen: Neutestamentler und die national­ sozialistische Machtergreifung, in: Michael Meyer-Blanck (Hg.), Geschichte und Gott. XV. Europäischer Kongress für Theologie (14.–18. September 2014 in Berlin) (Veröffentlichungen der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie 44), Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2016, 442–482 (475–480). 14

Kittels Briefe an Schlatter

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daß wir grade als Theologen da zu sein haben, wo es brennt (hätten Sie es uns nicht ein Leben lang gepredigt, so wüssten wirs vielleicht nicht mit dieser Selbstverständlichkeit); u. 2. weil wir die fröhliche Gewißheit haben, eine Theologie von unseren Lehrern überkommen zu haben, die sich nicht zu fürchten braucht, wenn sie eben dorthin geht, wo es brennt, die viel­ mehr weiß, daß, was sie zur Theologie macht, echt u. darum stärker als alles Menschenfeuer ist. Kurz, dieser Geburtstagsbrief wird auch in diesem Jahr wieder ein Dankbrief für die Treue, mit [neues Blatt] der Sie uns und unserer Kirche ein Leben lang Jesu Wort gesagt haben. Und im besonderen danke ich Ihnen für alle die Liebe u. Geduld, mit der Sie so oft werte (?) Zeit für vielerlei kleine u. große Anliegen gehabt haben. – Wir genießen hier die Ruhe und – wie Sie aus dem Briefeingang sehen – die Sonne, ich selbst vor allem das ruhige Zusammenleben mit den Kindern, für die in Tübingen oft so wenig Zeit bleibt. Die Autofahrt neulich über Ulm – Kempten – Füssen – Garmisch war wunderschön, aber auf die Dauer doch etwas anstrengend und ermüdend. Meine Frau grüßt Ihre Töchter, ich selbst Ihren Sohn recht herzlich. In Treue Ihr Gerhard Kittel 5. G. Kittel an A. Schlatter [Postkarte] Vorderseite: Bild vom Walchensee (im Hintergrund der Ort Walchensee) Rückseite: Abgestempelt am 16.8.1934 Herrn Professor D. v. Schlatter bei Herrn Pfr. Hinderer Laichingen bei Illertissen Württbg. Einen herzlichen Geburtstagsgruß senden Gerhard Kittel, sFrau Elisabeth, Gustav Groß

Walchensee, 15./8.34.

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6. G. Kittel an A. Schlatter Lieber Herr Professor Schlatter,

Tbg. 14./8.35.

Da Sie sich nun einmal verschworen haben, Ihren Geburtstag nicht in Tübingen zuzubringen, so muß der Geburtstagsgruß auch in diesem Jahr der Post anvertraut werden. Er ist drum (sic) nicht minder herzlich. Das Herz ist immer noch voll Dank gegen Gott, der Ihr Leben all die Jahrzehnte hindurch gesegnet hat; aber jetzt doch am meisten darüber, daß Er Sie uns in diesen schweren u. entscheidungsvollen Jahren noch gelassen hat, daß wir Jüngeren bei Ihnen uns Trost u. Rat u. Stärkung für die Verantwortungen, die auf uns liegen, holen dürfen. Sie wissen, wie ich u. andere an jedem neuen Buch, das aus der Studierstube in der Olgastraße kommt, sich freuen; aber mehr noch bitten wir drum, daß das lebendige Buch in dieser Stube uns noch eine Weile aufgeschlagen bleiben möge! In herzlicher Liebe Ihr Gerhard Kittel.

7. G. Kittel an A. Schlatter Lieber Herr Professor Schlatter,

Walchensee, 15./8.36.

Zu Ihrem Geburtstag soll auch dies Jahr ein Gruß von Walchensee in die Olga­straße kommen. Ich hatte gehofft, Ihnen einen Enzianen-Strauß zu schicken. Aber die kleinen(?) Sommerenzianen sind schon verblüht und die Herbstenzianen sind wegen des vielen Regens dieses Jahr noch zurück und blühen noch nicht. So müssen Sie vorlieb nehmen mit dem Wort, das vor allem ein Dank ist, daß Gott uns X18 und mir im besonderen wieder ein Jahr lang viel Liebe durch Sie geschenkt hat. Sie spüren und wissen es auch ohne viel Worte, was die Stunden in Ihrer Klause am Olgaberg für mich sind: ein Reichwerden nicht bloß an der (nicht geringen) Weisheit des Alters, sondern auch ein Beschenktwerden aus dem gütigen und liebevollen Verstehen des väter­l ichen Freundes. Es ist egoistisch, wenn ich wünsche, daß [Rückseite] Gott Sie uns noch eine Strecke Weg lassen möchte. Und wenn Er Sie ein­ mal von uns nimmt, dann wird uns ein Geschenk und ein Segen bleiben,   Ein großes X, evtl. auch ein Staurogramm (ΧΡ), das hier möglicherweise als Abkürzung für „Christus“ oder „Christen“ steht. 18

Kittels Briefe an Schlatter

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der mehr ist als bloß „Erinnerung“. Das möchte ich ihnen einmal sagen, solange Sie uns noch hören. Dieser Tage brachte die Post die Pastoralbriefe.19 Ich habe eine große Freude daran, die beim nochmaligen Lesen nicht geringer ist als beim ers­ ten. Es reut mich nicht, zum Druck zugeratet zu haben, und es ist weiter richtig egoistisch, wenn ich ein „vivat sequens – Petrus!“ 20 sage. – Haben Sie Dank für das Buch und für das liebe Wort, das Sie hineingeschrieben haben (wenns auch unverdient ist). In Österreich hab ich viel gelernt. Sie tun natürlich in jeder Hinsicht schwer drüben, aber es ist, scheint mir, viel Ernst. Politisch ist natür­ lich der alles beherrschende Eindruck der des echten Kampfes gegen den Ultramontanismus und die unwahre klerikale Machtpolitik. Der Krach neulich in Wien entstand Übrigens daran, daß Starhemberg 21 vor dem [neu­ es Blatt] notorisch in Wien kein Mädchen sicher ist, eine Protektoratschaft im „Mütterbund“ hielt oder halten sollte. 22 Das Problem „Nationalsoz. u. Christentum“ ist natürlich ebenso da, wie bei uns, nur vielfach sozusagen von der anderen Seite her beleuchtet. Unter den 25, z.T. jungen, z.T. älteren Pfarrern in Treffen 23 war wohl keiner, der nicht in irgendeiner Weise um das echte und rechte positive Verhältnis praktisch und grundsätzlich sich bemüht, trotz aller Problematik, die auch hier gesehen wird. Ein besonderes Problem sind die Übertritte; ich hatte den Eindruck, daß man die Gefahr und die Aufgabe sehr klar sieht, die daran entsteht, daß Tausende nur mit dem negativen Vorzeichen des „Los von Rom bzw. Schuschnigg“ 24 kom­ men. – Besonders schön waren für mich die zwei Predigtgottesdienste, die ich halten durfte: der eine in der Diakonissenkirche in Gallneukirchen bei Linz, 25 der andere am letzten Sonntag in einem kärntnerischen Hochtal,   Schlatter, Adolf, Die Kirche der Griechen im Urteil des Paulus. Eine Auslegung seiner Briefe an Timotheus und Titus, Stuttgart: Calwer 1936 (31983). S.o. B.6. 20   „Es lebe der Folgende.“ Als letzter Kommentar erschien dann Schlatter, Adolf, Petrus und Paulus. Nach dem 1. Petrusbrief, Stuttgart: Calwer 1937. 21  Ernst Rüdiger Camillo Maria Fürst von Starhemberg (1899–1956), von 1934 bis 1936 Vizekanzler in Österreich und Führer des Österreichischen Heimatschutzes, einem Zusammenschluss der rechten Wehrverbände. 22   Starhemberg verließ 1937 seine Frau und heiratete eine Burgschauspielerin, das mag der Grund für diese Beurteilung sein. Was es mit der Aufgabe im „Mütterbund“ auf sich hat, konnte ich nicht herausfinden. 23  Treffen ist ein Ferienort am Ossiacher See in Kärnten, in dem es eine evangelische Gemeinde gibt. 24  Kurt Schuschnigg war von 1934 bis 1938 österreichischer Bundeskanzler, der einen au­ toritären (katholisch-)christlichen Staat als bessere Alternative zum nationalsozialistischen Deutschland anstrebte und für die Unabhängigkeit Österreichs kämpfte. 25   Das Diakonissenmutterhaus Bethanien in Gallneukirchen entstand 1877 als ein Werk der Inneren Mission und besteht in veränderter Form bis heute unter dem Namen Evangelisches Diakoniewerk Gallneukirchen. 19

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das fast ganz evangelisch (und zwar altevangelisch) ist.26 [neues Blatt] Es ist eines der abgelegenen Täler, in das die Jesuiten der Gegenreformation nicht gekommen sind. Der junge, sehr tüchtige Pfarrer ist ein alter Tübinger Student, der mich noch zu sich hinauf holte. In dem einen Bauernhaus, in das wir unangemeldet kamen, lag auf dem Tisch aufgeschlagen u. vom Gebrauch zerlesen eine Tübinger Bibel von 1742, also eine jener Bibeln, aus denen vor dem Toleranzedikt die Bauern heimlich ihr Glaubensleben erhiel­ ten. Die Bäuerin sagte, als sie hörte, ich sei aus Tübingen: „Aus Tübingen haben wir unsere Bibel und unsern Herrn Pfarrer!“ Das war, ohne daß die Bäuerin es wusste, ein Gruß an Sie, denn „Tübingen“ sind zu einem nicht geringen Teil – Sie. Und nun nochmals einen herzlichen, treuen und liebevollen Geburtstags­ gruß von Ihrem dankbaren Gerhard Kittel 27 Das sind alle im Schlatter-Archiv auf bewahrten Briefe Kittels an ihn. Der letzte Brief ist an Dora Schlatter, die Tochter Adolf Schlatters gerichtet. 8. G. Kittel an D. Schlatter Liebes Fräulein Schlatter,

Badgastein, 21./3.44.

Ich muss Ihnen doch einmal schreiben, eine wie große Freude Sie mir mit den Briefen des Vaters gemacht haben. Sie haben mich natürlich auch „in­ teressiert“: es ist ja viel von Menschen und Dingen darin die Rede, die ich kannte oder kenne, und von Entwicklungen, die von Bedeutung waren oder wurden. Aber es ist viel mehr! Es treten an dem mir lieben Bild Saiten ins Licht, die im Umgang sehr verborgen blieben und die man nur ahnte und mittelbar erschloß; von denen aber erst an den tagebuchartigen Briefen an die Mutter sichtbar wird, wie beherrschend sie waren, vor allem die mit der fröhlichen Glaubensgewissheit verbundene tiefe Demütigkeit. Die ganze Atmosphäre ist für einen Kuraufenthalt besonders geeignet, weil man eingehüllt wird in die Ruhe und Geborgenheit des Schreibenden, die einem jeder Verkrampftheit entnimmt. Es war wieder einmal, wie so oft, wenn ich in der oberen Stube bei ihm saß, mit allerlei großen u. klei­   Wohl das Gegendtal, das zum Ossiacher See führt.   In diesem Urlaub erlebte Kittel offenbar noch einiges mehr, von dem er Schlatter nicht berichtet, s. dazu Morgenstern, Gerhard Kittels „Verteidigung“, 45f. 26 27

Kittels Briefe an Schlatter

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nen Sorgen, und die Wohltat eines getrösteten Heimgehens erfuhr, die nicht so sehr aus einzelnen Worten entstand, sondern [Rückseite] dem ganzen Geschenk der Selbstverständlichkeit des in Gott Daheimseins. Und die vielen köstlichen Einzelsätzen, die man am liebsten einzeln in Gold fassen möchte. – Kurz, ich danke Ihnen herzlich. Auch meine Frau hat viel Freude dran. – Inzwischen ist in Tübingen allerhand passiert. Ich war ja sehr unsicher, ob wir reisen sollten, aber es wird doch recht gewesen sein, selbst wenn wir, was ich für möglich halte, plötzlich abbrechen müßten. Die 14 Tage haben vor allem meiner Frau schon recht gut getan, die sehr am Ende gewesen ist. Leider sind die Aussichten auf das Mädchen aus Neuhausen zu Wasser ge­ worden, weil das Arbeitsamt uns zwar „ein“ Mädchen bewilligt, aber dieses nicht aus der bisherigen Stellung freigegeben hat. So ists umso dringlicher, daß die Frau Kräfte sammelt. Wir baden eifrig, ruhen viel, genießen die feine Art des Hauses sehr. Gott behüte Sie und Ihr Haus und uns alle! In Berlin haben sich viele, wie ich höre, gewöhnt, während der Alarme den 57. Psalm zu lesen. Ihr Gerhard Kittel

Gerhard Kittel in Greifswald (1921–1926) Felix John A. Einleitung Nach einer kurzen Bestandsaufnahme der Spuren Kittels in Greifswald (B) blickt der folgende Beitrag auf sein Ankommen in Pommern unter den Umständen der Nachkriegszeit sowie sein Fußfassen innerhalb der national-protestantischen Netzwerke in Fakultät und Universität (C). Als Theologieprofessor (D) agierte Kittel in fakultätspolitischen Angelegenheiten und trieb seine Profilierung als Spezialist für das „Spätjudentum“ voran. Kittels antisemitische Positionen (E) lassen sich auch innerhalb seiner Netzwerke kontextualisieren. Noch von Tübingen aus (F) verfolgte er das Geschehen am ehemaligen Wirkungsort. Der Beitrag schließt mit einem Rückblick (G).

B. Eine Greifswalder Spurensuche Bei einem Rundgang durch die Universitätsstadt am Ryck („ein kleines Land­städtchen“1) begegnen naturgemäß nur mittelbare Spuren des einsti­ gen Greifswalder Neutestamentlers. In der Steinstraße 2 erinnert nichts mehr an die ehemaligen Bewohner Elisabeth und Gerhard Kittel, die mit ihren kleinen Kindern Elsbeth und Eberhard ein, wie sie es nennen, „deutsche[s] Familienleben“ 2 führten, zu dem Klavierspiel und Handarbeit, zudem Gottesdienstbesuche und das Auswendiglernen biblischer Texte gehörten.3 Die Adresse lässt aber die Einbindung in die damals tonangeben­ den Theologenkreise erahnen. Denn das Nachbargebäude beherbergt das Theologische Studienhaus, das der „positiv“ gestimmten Studentenschaft als Lebensmittelpunkt diente.4  Elisabeth Kittel an Familie Grosheide vom 22.12.1925, Historisch Documentatiecentrum voor het Nederlands Protestantisme (HDC) Inv. 111 F.W. Grosheide, K 158. 2   Kittel an Grosheide vom 24.4.1926, HDC Inv. 111 F.W. Grosheide, K 159. 3  Vgl. Kittel an Grosheide vom 8.1.1923, HDC Inv. 111 F.W. Grosheide, K 137) Kittel an Grosheide vom 19.4.1924, HDC Inv. 111 F.W. Grosheide, K 145; Elisabeth Kittel an Familie Grosheide vom 19.4.1924, HDC Inv. 111 F.W. Grosheide, K 148; Elisabeth Kittel an Familie Grosheide vom 22.12.1925, HDC Inv. 111 F.W. Grosheide, K 158. 4  Vgl. Garbe, Irmfried, Die Entstehung des Theologischen Studienhauses Greifswald. 1

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Den damaligen Inspektor des Studienhauses, den – explizit antisemitische Positionen vertretenden – Alttestamentler Johannes Hänel, förderte Kittel bis zu dessen Ruf nach Münster.5 Ernst Lohmeyer (1890–1946), einer der Nachfolger Kittels in Greifswald, amtier­t e später als erster Rektor der Universität nach 1945, bis er im Folgejahr vom sowjetischen Geheimdienst ermordet wurde.6 Wie im Folgenden noch zu sehen sein wird, verband mindestens seit Kittels Greifswalder Zeit eine tiefe Gegnerschaft beide Wissenschaftler. Lohmeyer ist heute auf dem Altstadtcampus Namensgeber sowohl des vor 20 Jahren errichteten Gebäudes der Theologischen Fakultät als auch eines 2019 eingeweihten, neugestalteten Platzes vor dem Hauptgebäude der Philosophischen Fakultät. Das heute am deutlichsten wahrnehmbare Zeichen der Wirksamkeit Kittels ist das Gustaf-Dalman-Institut für Palästinakunde, das der mit Dalman eng verbundene Kittel mitbegründete. Auf einer Postkarte erwähnt Kittel eine im Entrée des heutigen Ernst-Lohmeyer-Hauses hängende Relief karte aus dem Institutsbestand.7 An schriftlichen Quellen nimmt neben den Fakultätsakten der ebenfalls im Universitätsarchiv Greifswald (UAG) auf bewahrte Nachlass des damaligen Rostocker Alttestamentlers Friedrich Baumgärtel eine wichtige Rolle ein. Er enthält Briefe Kittels sowie eine Materialsammlung zum ‚Fall‘ Kittel.8 Als ergiebig könnten sich auch die noch nicht erschlossenen Nachlässe Wilhelm Zugleich ein Kapitel zur Genese der Kirchlichen Hochschulen, in: Ders./Tilman Beyrich/ Thomas Willi (Hg.), Greifswalder theologische Profile. Bausteine zur Geschichte der Theologie an der Universität Greifswald (Greifswalder Theologische Forschungen 12), Frankfurt am Main: Peter Lang 2006, 149–183. 5  Vgl. Garbe, Irmfried/Onnasch, Martin, Die Theologische Fakultät Greifswald 1815– 2004, in: Dirk Alvermann/Karl-Heinz Spieß (Hg.), Universität und Gesellschaft. Festschrift zur 550-Jahrfeier der Universität Greifswald 1456–2006, Bd. 1: Die Geschichte der Fakultäten im 19. und 20. Jahrhundert, Rostock: Hinstorff 2006, 11–163, hier 126 Anm. 277. Ferner Kittel an Baumgärtel vom 29.1.1926, Universitätsarchiv Greifswald (UAG) 4.43. 4. Zu Hänel s.u. (E. „Christlicher“ Antisemitismus). 6   Vgl. Böttrich, Christfried (Hg.), Ernst Lohmeyer. Beiträge zu Leben und Werk (Greifswalder Theologische Forschungen 28), Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2018; Ders., Ernst Lohmeyer und die „Alten Griechen“, in: Susanne Fröhlich (Hg.), Altertumswissenschaft in Greifswald. Porträts ausgewählter Gelehrter 1856 bis 1946 (Beiträge zur Geschichte der Universität Greifswald 14), Stuttgart: Franz Steiner 2021, 327–348; Köhn, Andreas, Der Neutestamentler Ernst Lohmeyer. Studien zu Biographie und Theologie (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament II/180), Tübingen: Mohr Siebeck 2004; Reinmuth, Eckart, Vom Zeugnis des NT zum Zeugnis für das NT: Ernst Lohmeyer, in: Garbe/Beyrich/Willi (Hg.), Profile, 259–273. 7   Vgl. Kittel an Baumgärtel vom 8.10.1926, UAG 4.43. 4: Die in Greifswald hängende Karte sei in Tübingen bei dem Jesuitenpater Robert Köppel zu beziehen. Wähle man die unbeschrif­ tete Ausführung, erhalte man 10 RM Rabatt; in diesem Fall biete es sich an, einem Studenten das korrekte Aufkleben der Ortsschilder als Seminararbeit aufzuerlegen. 8   Für umfassende Hilfe bei der Transkription danke ich Ralph Brucker, Hamburg.

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Kählers und Kurt Deißners erweisen.9 Die meisten Einblicke in Leben und Denken Kittels während der Greifswalder Zeit gewährt der von Lisa Sunnus, Hannah Kreß, Moritz Groos, Lukas Bormann und Arie Zwiep erschloss­ ene Briefwechsel der Ehepaare Grosheide und Kittel.10 Zur Fakultäts- und Theologiegeschichte der fraglichen Zeit hat Irmfried Garbe gründliche Untersuchungen vorgelegt.11

C. „Zerrissene Zeit“. Suche nach Halt im Deutsch-Nationalen Zum Zeitpunkt der Berufung Kittels standen Bevölkerung und Universität unter dem Eindruck der materiellen Not und der politisierten Unruhen der unmittelbaren Nachkriegszeit.12 Freicorps und Studentenverbindungen at­ tackierten die jüdischen und die seit Kurzem zugelassenen weiblichen Studierenden. Auf seine Mitgliedschaft im antisemitisch13 und antidemo­ kratisch orientierten „Verein deutscher Studenten“, der auch in Greifswald eine Ortsgruppe hatte, kommt Kittel in den erhaltenen Dokumenten nicht zu sprechen. Im Rückblick auf damals spricht er 1931 von einer „zerrissenen Zeit“.14 Insbesondere die Auswirkungen der Wirtschaftskrise trieben Kittel um: Die Theologische Fakultät könne nicht einmal die Mittel für den Druck einer Urkunde auf bringen.15 Dass Kittel bei ausländischen Kollegen um Druckkostenzuschüsse für von ihm als wichtig erachtete Publikationen bitten muss, empfindet er damals als das „Bitterste[] an der Lage, in der

  Eine Personalakte Kittels befindet sich nicht in Greifswald. Die im Bestand der Universitätsbibliothek befindlichen Unterlagen des Greifswalder „Vereins Deutscher Studenten“ sind auf Grund von Bauarbeiten derzeit nicht einsehbar. 10   Vgl. in diesem Band VII. Die Kittel-Grosheide Korrespondenz (Bormann/Zwiep). 11   Vgl. insb. Garbe, Geschichte; Ders., Theologe zwischen den Weltkriegen. Hermann Wolfgang Beyer (1898–1942) (Greifswalder Theologische Forschungen 9), Frankfurt am Main: Peter Lang 2004. 12   Vgl. Garbe, Theologe, 183.198. 13   Vgl. Herrlein, Jürgen, Zur „Arierfrage“ in Studentenverbindungen. Die akademischen Korporationen und der Prozess der Ausgrenzung der Juden vor und während der NS-Zeit sowie die Verarbeitung dieses Vorgangs nach 1945, Baden-Baden: Nomos 2015; K ampe, Norbert, Studenten und „Judenfrage“ im Deutschen Kaiserreich. Die Entstehung einer akademi­ schen Trägerschicht des Antisemitismus (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 76), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1988. 14   Kittel, Gerhard, Günther Holstein, in: Ders./Heinrich Rendtorff/Walter Schönfeld, Günter Holstein. 22.5.1892–11.1.1931, Stuttgart: Kohlhammer 1933, 15–34, hier 30. 15   Vgl. die Ansprache Kittels, zit: Söderblom, Nathan, Der evangelische Begriff eines Heiligen. Eine akademische Vorlesung, Greifswald: L. Bamberg 1925, 5. 9

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wir Deutschen heute sind“16. Immer weiter verschärfe sich die Notlage der Studierendenschaft.17 Auf Grund seines Herkunftsmilieus fürchtete Kittel in besonderem Maße staatliche Eingriffe in die kirchliche Arbeit. Er klagt 1922 über Gehaltseinbußen der Pfarrerschaft im sozialistisch regierten Sachsen und die drohende Schließung des von ihm bis vor Kurzem geleiteten Religionslehrerseminars.18 In den Briefen des Ehepaars Kittel an Familie Grosheide in Amsterdam ist der verarmte und weiter verarmende Deutsche, „auch in weiten Kreisen unseres Standes“19, allgegenwärtig. Dankbar werden Lebensmittel und Geld als Geschenke angenommen. Angesichts der Notlage spricht Kittel von der Notwendigkeit, sich Gottes Führung zu überlassen: „Aber freilich, auch seine [sc. Gottes] Wege sind dunkle; wir können nur im Glauben still an Seiner Hand gehen!“ 20 Erst 1924 hegt Kittel Hoffnung auf eine Entspannung.21 Neben der wirtschaftlichen Lage zählte Kittel auch die gesundheitlichen Probleme, mit denen die beiden Kinder des Ehepaars im­ mer wieder zu kämpfen hatten, zu den Folgen der (Nach-)Kriegszeit.22 Trotz ihrer relativen materiellen Absicherung missfielen der Mehrheit der Hochschullehrer die neuen Umstände. Unter anderem fürchtete man mit der Einordnung in den Beamtenapparat den Verlust angestammter Privilegien.23 Die von der Preußischen Hochschulreform vorgeschriebene Beförderung der Nicht-Ordinarien zu Ordinarien etwa wurde auch in Greifswald allge­ mein abgelehnt.24 Kittel teilte diese Meinung und entsprach auch in dieser Hinsicht dem konservativen Mainstream.25 Obwohl die glänzende Zeit der sog. Greifswalder Schule26 unter Hermann Cremer und Adolf Schlatter27 bereits rund 20 Jahre zuvor zu Ende gegan­   Vgl. Kittel an Grosheide vom 30.9.1922, HDC Inv. 111 F.W. Grosheide, K 134.   Vgl. Kittel an Grosheide vom 22.10.1922 und vom 14.12.1922, HDC Inv. 111 F.W. Grosheide, K 135f. 18   Vgl. Kittel an Grosheide vom 14.12.1922, HDC Inv. 111 F.W. Grosheide, K 136. 19   Vgl. Elisabeth Kittel an Ottoline Grosheide vom 20.1.1924, HDC Inv. 111 F.W. Grosheide, K 143. 20   Vgl. Kittel an Grosheide vom 31.8.1923, HDC Inv. 111 F.W. Grosheide, K 140. 21   Vgl. Kittel an Grosheide vom 15.8.1924, HDC Inv. 111 F.W. Grosheide, K 150. 22   Vgl. Kittel an Familie Grosheide vom 27.12.1928, HDC Inv. 111 F.W. Grosheide, K 166. 23   Vgl. Jansen, Christian, Die soziale Lage der Hochschullehrerschaft im Kaiserreich und in der Weimarer Republik im Vergleich. Zum Beispiel Heidelberg, in: Werner Buchholz (Hg.), Die Universität Greifswald und die deutsche Hochschullandschaft im 19. und 20. Jahrhundert (Pallas Athene 10), Stuttgart: Steiner 2004, 169–189, hier 172. 24   Vgl. Welker, Meinrad, Die preußische Hochschulreform an der Universität Greifswald, in: Buchholz (Hg.), Universität, 191–215, hier 201. 25   Vgl. Kittel, Gerhard [anonym], Die Aufhebung des Extraordinariates. Ketzereien zur Hochschulreform. Von einem noch Hoffenden, in: Die Grenzboten 78 (1919), 206–211. 26   Vgl. dazu Garbe, Geschichte, 59–78; Ders., Theologe, 327. 27  Vgl. Lubinetzki, Volker, Von der Knechtsgestalt des Neuen Testaments. Beobachtungen zu seiner Verwendung und Auslegung in Deutschland vor dem sowie im Kontext des „Dritten Reichs“, Münster: LIT 2000, 53; sowie den Beitrag von Roland Deines, Gerhard Kittel und 16 17

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gen war, stellte sich die Theologische Fakultät weiterhin als „positives“ Bollwerk dar. In Wahrheit schritt die Suche nach neuem Sinnstiftenden voran.28 Die Theologieprofessoren Walter Glawe (1880–1967) und Eduard Freiherr von der Goltz etwa wirkten im Stahlhelm-Bund 29 beziehungsweise in der örtlichen DNVP mit,30 jener Partei, in die auch der Greifswalder Lehrkörper seine Hoffnungen setzte. Aus „Positiven“ waren in Greifswald „Nationale“ geworden. Berufen wurden dementsprechend Angehörige des einschlägigen Lagers, so etwa der Kirchengeschichtler und spätere DC- und SA-Mann Hermann Wolfgang Beyer (1898–1942),31 und zuvor der ehemals der Vaterlandspartei angehörige Kittel.32 Auch zur „posi­ tiven“ Tradition Greifswalds passte Letzterer, der sich als Vertreter einer „positive[n], offenbarungsgläubige[n] Theologie“33 verstand. Als Nachfolger des Neutestamentlers Johannes Haußleiter34 hatte die Fakultät zwar an­ dere Kandidaten favorisiert und Kittel nur für ein persönliches Ordinariat ins Spiel gebracht. Doch das Ministerium – Kittel behauptete, über gute Kontakte dorthin zu verfügen 35 – setzte sich wie häufig36 über die Vorschläge hinweg und übertrug ihm das Ordinariat für Neues Testament.37 Im Jahr zu­ vor war Kittel in Breslau bei der Nachfolge Bultmanns erfolglos geblieben. Obsiegt hatte dort Ernst Lohmeyer.38 In Greifswald stand Kittel der im Kollegium allgemein geschätzte Kurt Deißner zur Seite, daneben Otto Bauernfeind, Schwiegersohn des KittelVorgängers Haußleiter,39 und Kittel seit dem Krieg bekannt. Zusammen veranstaltete man eine „Neutestamentliche Arbeitsgemeinschaft“, in der etwa mandäische Texte gelesen wurden.40 Kittel förderte 41 den Greifswalder Adolf Schlatter: Dokumentation einer Beziehung, in diesem Band. 28   Vgl. Garbe, Theologe, 337. 29   Vgl. Garbe, Geschichte, 84. 30   Vgl. Garbe, Theologe, 332f. 31   Vgl. Garbe, Geschichte, 82. 32   Vgl. Garbe, Geschichte, 82. 33   Vgl. Kittel an Grosheide vom 30.9.1922, HDC Inv. 111 F.W. Grosheide, K 134. 34   Vgl. Garbe, Geschichte, 70f. 35   Vgl. Kittel an seine Kollegen vom 4.6.1924, UAG 2.3. I–114. 36   Vgl. Kittel an Baumgärtel vom 1.12.1928, UAG 4.43. 4. 37   Vgl. Schreiben des Ministeriums vom 6.8.1921, UAG 2.3. I–111; Garbe, Geschichte, 84; Lindemann, Gerhard, Gerhard Kittel: familiäre Herkunft, Ausbildung und wissenschaftliche Anfänge, in: Manfred Gailus/Clemens Vollnhals (Hg.), Christlicher Antisemitismus im 20. Jahrhundert. Der Tübinger Theologe und „Judenforscher“ Gerhard Kittel, Göttingen: V&R unipress 2019, 63–82, hier 74. 38   Vgl. Mühling, Andreas, Karl Ludwig Schmidt. „Und Wissenschaft ist Leben“ (Arbeiten zur Kirchengeschichte 66), Berlin/New York: de Gruyter 1997, 37. 39   Vgl. Garbe, Theologe, 344. 40   Vgl. Universität Greifswald, Personalverzeichnis, Vorlesungsverzeichnis für das W.-S. 1925/6, Greifswald [o.J.], 20. 41   Er setzte sich für ein Privatdozentenstipendium ein, vgl. Schreiben Kittels vom 25.7.1922,

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Habilitanden Bauernfeind.42 Wie auch der studentische Mitarbeiter Kittels, Karl Heinrich Rengstorf,43 vollzog er den Wechsel nach Tübingen mit.44 Bei der Bewältigung der unmittelbaren Nachkriegszeit hatte Kittels Wahrnehmung zufolge Nathan Söderblom als wichtiger Akteur fungiert, den Kittel aus Leipzig kannte und mit dem er freundschaftlich verbunden war.45 Söderblom gab Geld für von Kittel geförderte Publikationen.46 1923 würdigte die Greifswalder Fakultät seine „Samaritaner-Spende“ genannte Hilfsaktion für Nachkriegsdeutschland mit einer Ehrenpromotion. Als Dekan gedachte Kittel der schwedischen Hilfe, die „dem Volk, das unter die Räuber und Mörder gefallen war“47 viel geholfen habe. Nach einer Zeit der Friedenssehnsucht48 und des Entsetzens über das Ausmaß der Entchristlichung der Landsleute 49 deutete der angehende Greifswalder Neutestamentler das Kriegsende als Chance des Neuanfangs der Evangelischen Kirchlichkeit.50 Insbesondere auf die Jugend setzte der zuvor auch in der Jugendmission Tätige51 Hoffnungen. Unter Kittels Dekanat fand die Ehrenpromotion des Pfarrers Paul Le Seur statt, ein Mitarbeiter UAG 2.3. I–112. 42   Vgl. Gutachten Kittels vom 21.6.1922, UAG 2.3. I–112, ferner Bauernfeind, Otto, Der Römerbrieftext des Origenes nach dem Codex von der Goltz (Cod. 184 B 64 des Athosklosters Lawra) (Texte und Untersuchungen 3/14), Leipzig: Hinrichs 1923. 43   Vgl. Kittel, Gerhard, Die Probleme des palästinischen Spätjudentums und das Urchristentum (Beiträge zur Wissenschaft vom Alten und Neuen Testaments 37), Stuttgart: Kohlhammer 1926, 1 Anm. 1. 44   Am ThWNT wirkte er als Mitarbeiter mit. Wegen seiner NS-kritischen Haltung schied er 1939 aus und wurde erst später rehabilitiert (vgl. Lindemann, Herkunft, 70). 45   Vgl. Siegele-Wenschkewitz, Leonore, Neutestamentliche Wissenschaft vor der Judenfrage. Gerhard Kittels theologische Arbeit im Wandel deutscher Geschichte (Theologische Existenz heute 208), München: Kaiser 1980, 81. 46   Vgl. Kittel an Grosheide vom 30.9.1922, HDC Inv. 111 F.W. Grosheide, K 134. 47   Ansprache Kittels, zit. Söderblom, Begriff, 5. 48   Vgl. Kittel, Gerhard, Groß ist der Friede! Fragmente aus altsynagogalen Predigten, in: Saat auf Hoffnung 57 (1920), 109–124, insb. 109. Das Exlibris Kittels trägt das Motto „Jerem. 29,11“ („Denn ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der Herr: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung“). Es ist erhalten auf einem Exemplar von Levy, Jacob, Neuhebräisches und chaldäisches Wörterbuch über die Talmudim und Midraschim, Leipzig: Brockhaus 1876, das Kittel offenbar der Universität über­ eignete (vgl. https://digitale-bibliothek-mv.de/viewer/image/PPN625045033/2/LOG_0004/; ab­ gerufen am 2.9.2020), nachdem er als Rezensent die Neuauflage erhalten hatte (vgl. Kittel, Gerhard, Rez. Levy, Jacob: Wörterbuch über die Talmudim und Midraschim, in: Theologische Literaturzeitung 16 [1926], 418f). 49   Vgl. Kittel, Gerhard, Zur Volkskirchenfrage, in: Akademische Blätter (1919/20), 22f. 50   Vgl. Kittel, Gerhard, Die kirchliche und religiöse Lage in Deutschland, Leipzig: Dörffling 1921; dazu auch Siegele-Wenschkewitz, Wissenschaft, 82–84. 51   Vgl. Kittel, Gerhard, Grundsätzliches zum Umbau der Kirche, in: Allgemeine evange­ lisch-lutherische Kirchenzeitung vom 7.2.1919, 118–123; Ders., Und doch: die neue Gemeinde, in: Pastoralblatt 63 (1921), 420–424.

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Stoeckers in der Berliner Stadtmission. Ähnlich wie Kittel sprach er von einem Neuanfang der evangelischen Kirche aus „Liebe zu unserem Volke“52. Als Greifswalder Professor wirkte Kittel auch auf kirchlichen Laien­ veranstaltungen, so etwa 1922 im Rahmen einer Reise in die damalige Tschechoslowakei, wo er Gemeinden der „Deutschen Evangelischen Kirche in Böhmen, Mähren und Schlesien“ besuchte.53 In Fragen der Gegenwart und Zukunft Deutschlands und der Kirche gewann Kittel Günther Holstein als Gesprächspartner. Der Inhaber des Lehrstuhls für öffentliches Recht war ein innerhalb von Universität und Protestantismus sehr gut vernetzter Akteur. Kittel arrangierte ein Zusammentreffen von Holstein und Söderblom.54 Nach Holsteins frühem Tod 1931 schrieb Kittel eine persönlich gehaltene Würdigung. Er erin­ nert sich an heitere Lästerrunden etwa über das Allzumenschliche inner­ halb der evangelischen Kirchenbund-Bürokratie.55 Kittel lobt Holstein als Verfechter der engen Partnerschaft von Kultur, Religion und Staat,56 und sieht ihn – bemerkens­ wert angesichts der späteren NS-Verstrickungen Kittels – hoffnungs­voll als „Wegbereiter… für die neue Gestaltung von Volk und Reich“57. Großes Gewicht im Greifswalder national-protestantischen Netzwerk hatte auch Wilhelm Kähler.58 Der Sohn Martin Kählers und Bruder Walter Kählers lehrte in Greifswald Nationalökonomie, saß in Provinzialund Preußischer Synode sowie im Preußischen Landtag. Zusammen mit Glawe und von der Goltz arbeitete er das Programm der DNVP aus, das für die Kooperation von Staat und Kirche und gegen den Sozialismus eintrat. Der auf kommenden nationalsozialistischen Bewegung stand man in dieser Zeit jedoch kritisch gegenüber. Kittel etwa zeigte sich erleichtert darüber, 52   Le Seur, Paul, Die Meisterfrage beim Aufbau der Evangelischen Kirche. Ein Wort an die Treuen unter den Freunden und an die Frommen unter den Verächtern der Kirche, Berlin: Hochweg Verlag 1924, 59. Kittel wirkte beim Erwerb des Hainsteins unweit der Wartburg durch Söderblom und die schwedische Kirche mit. Wie Kittels Ehefrau schreibt, erfolgte der Kauf, „weil ruchbar wurde, dass die Katholiken ihn [sc. den Hainstein] erwer­ ben wollten“ (vgl. Elisabeth Kittel an Familie Grosheide vom Jahreswechsel 1924/25, HDC Inv. 111 F.W. Grosheide, K 149). Von 1925 an leitete Le Seur die am Hainstein eingerichtete Jugendhochschule. 53   Vgl. Kittel an Grosheide vom 22.10.1922, HDC Inv. 111 F.W. Grosheide, K 135. 54   Vgl. Söderblom an Kittel vom 5.6.1925, UAG 2.3. I–115. 55   Vgl. Kittel, Holstein, 26. 56   Vgl. Kittel, Holstein, 23f. 57   Kittel, Holstein, 32. 58   Kähler war unter von Papen Reichskommissar im preußischen Kultusministerium und kümmerte sich auch um die „Entjudung besonders verjudeter Fakultäten“ (K ähler, Walter, Meine 100 Tage als Reichskommissar für das preußische Kultusministerium, in: Eckhard Oberdörfer [Hg.], Noch hundert Tage bis Hitler. Die Erinnerungen des Reichskommissars Wilhelm Kähler [Abhandlungen zum Studenten- und Hochschulwesen 4], Schernfeld: SHVerlag 1993, 51–110, hier 82). Anlässlich der Agitation gegen den Breslauer Professor Ernst Josef Cohn versuchte er zu vermitteln.

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dass die Nationalsozialistische Freiheitspartei bei den Reichstagswahlen 1924 nur „geringen Erfolg“59 erzielen konnten.

D. Kittels Wirken in Greifswald Angesichts der krisenhaften und auch daher studierendenarmen Jahre blieb die Fakultät nicht untätig. Wie von Kittel schon vorher favorisiert,60 wurde ein vierjähriges Pflichtstudium eingeführt.61 Im Sommer fanden unter der Ägide Deißners und Kittels62 Freizeiten in Orten der Region statt. Das Konzept trug, als Kittel bereits nach Tübingen gegangen war, Früchte.63 Er lässt Baumgärtel 1928 von Tübingen aus wissen: „Über die guten Rostocker und Greifswalder Zahlen freue ich mich sehr“64. Voran stellt er allerdings den über die Bedeutung der eigenen Institution stolzen Satz: „Hier ist natür­ lich Hochbetrieb. Zwischen 5 und 600 Theologen“65. In zwei Berufungsverfahren konnte sich die Position Kittels und eini­ ger seiner Kollegen nicht vollständig durchsetzen. Im Fach Altes Testament unterlag der favorisierte Franz Böhl66 gegen Johannes Hempel. Kittel wehrte sich gegen einen Systematiker aus dem Kreis der Seeberg-Schüler und brachte seinerseits Georg Wehrung, Friedrich Brunstäd und Emil Brunner ins Spiel.67 Arnold Stolzenberg bekämpfte er mit Hilfe eines Sondervotums,68 konnte ihn aber nicht weiter als auf den dritten Listenplatz zurückdrängen.69 Aus diesen Erfahrungen zog Kittel Konsequenzen im Hinblick auf Berufungsverfahren: „Man muss sowohl gerissen als u.U. bru­ tal und rücksichtslos sein, wenn man etwas erreichen will“ 70. Zum Ziel kam Kittel damit im Falle Hermann Wolfgang Beyers, der ihm von Karl Holl   Kittel an Grosheide vom 10.5.1924, HDC Inv. 111 F.W. Grosheide, K 146.   Vgl. Kittel, Gerhard, Zur Reform des Studiums der Theologie, in: Akademische Nachrichten und Leipziger Studentenzeitung 3 (1920), 14f. 61   Vgl. Garbe, Geschichte, 85. 62   Vgl. Garbe, Zur Einführung, in: Ders./Beyrich/Willi (Hg.), Profile, 237–241, hier 238, sowie die Bitte Kittels und Deißners um einen Finanzzuschuss aus dem Jahr 1923, vgl. UAG 1.1. K 177. 63   Vgl. Garbe, Geschichte, 84. 64   Kittel an Baumgärtel vom 14.5.1928, UAG 4.43. 4. 65   Kittel an Baumgärtel vom 14.5.1928, UAG 4.43. 4. 66   Vgl. Weber, Cornelia, Altes Testament und völkische Frage. Der biblische Volksbegriff in der alttestamentlichen Wissenschaft der nationalsozialistischen Zeit, dargestellt am Beispiel von Johannes Hempel (Forschungen zum Alten Testament 28), Tübingen: Mohr Siebeck 2000, 97f. Anm. 68. Kittel und Böhl kannten sich seit ihrer Studienzeit (vgl. Kittel an Grosheide vom 17.2.1924, HDC Inv. 111 F.W. Grosheide, K 144). 67   Vgl. Garbe, Theologe, 339. 68   Vgl. UAG 2.3. I–116. 69   Vgl. Kittel an Baumgärtel vom 3.8.1926, UAG 4.43. 4. 70   Kittel an Baumgärtel vom 1.12.1928, UAG 4.43. 4. 59

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empfohlen worden war und zum Nachfolger Victor Schulzes auf dem Gebiet der Christlichen Archäologie wurde.71 Als Dekan setzte sich Kittel dafür ein, dass neuberufene Professoren wieder die traditionelle formula sponsionis sprechen sollten, nachdem Johannes Hempel mit diesem Brauch ge­ brochen hatte. An der christologisch fundierten Formel hängt der Status als Theologische Fakultät, so Kittel.72 Hempel plädierte demgegenüber dafür, sich als staatliche Einrichtung zu begreifen und sich vor allem am freien wissenschaftlichen Diskurs zu orientieren.73 1922 bewarb sich Kittel erfolglos um die Nachfolge Hermann Stracks am Institutum Judaicum.74 Da die Berliner Stelle vakant blieb, seien Gustaf Dalman und er die einzigen verbliebenen Spezialisten für das sog. Rabbinische Spätjudentum, so Kittel in einem Schreiben an seine Fakultätskollegen.75 Um dem institutionell Rechnung zu tragen, ließ er sich vom Ministerium einen entsprechenden Lehrauftrag genehmigen.76 Eine Schwerpunktverschiebung in den Vorlesungen Kittels blieb allerdings aus. Neben Vorlesungen etwa zum 1. Korintherbrief oder zur Neutestamentlichen Theologie („das sind zwei sehr schöne Vorlesungen; vor allem die NTliche Theologie führt einen in die Tiefe der Schrift“77) bot er gelegentlich Veranstaltungen mit judaistischem Bezug an, so in gleich drei Semestern die Vorlesung „Geschichte der spätjüdischen und urchristlichen Apokalyptik und Auslegung der Johannes-Apokalypse“.78 Der enge Kontakt zwischen Kittel und dem 1917 nach Greifswald berufenen Palästinawissenschaftler Gustaf Dalman (1855–1941) ging auf die gemeinsame Leipziger Zeit zurück. Söderblom war ein Vertrauter Beider. Dalmans Sammlung gelangte unter Mühen 1921 endlich nach Greifswald, Mittel für weitere Institutsarbeit aber fehlten. Kittel beteiligte sich an der von Albrecht Alt und Anderen angestoßenen Initiative, anlässlich des 70.   Vgl. Garbe, Theologe, 321–323.   Vgl. das Votum Kittels von 1925, UAG 2.3. I–115. 73   Vgl. das Schreiben Hempels vom 17.12.1925, UAG 2.3. I–115. 74   Vgl. Golling, R alf, Das Institutum Judaicum in Berlin, in: Ders./Peter von der OstenSacken (Hg.), Hermann L. Strack und das Institutum Judaicum in Berlin. Mit einem Anhang über das Institut Kirche und Judentum (Studien zu Kirche und Israel 17), Berlin: Institut Kirche und Judentum 1996, 70–122, hier 93f; Lindemann, Herkunft, 8–20, hier 74. 75   Vgl. Kittel an seine Kollegen vom 4.6.1924, UAG 2.3. I–114. 76   Vgl. das Ministerium vom 1.10.1924, UAG 2.3. I–114. 77   Vgl. Kittel an Grosheide vom 15.5.1923, HDC Inv. 111 F.W. Grosheide, K 139 (Hervorhebung i.O. unterstrichen). 78   Vgl. Universität Greifswald, Verzeichnis der Dozenten, der Institute und der Vorlesungen der Preußischen Universität zu Greifswald im Winterhalbjahr 1922–23, Greifswald 1922, 18; Dies., Personalverzeichnis, Vorlesungsverzeichnis für das W.-S. 1924/25, Greifswald [o.J.], 19; Dies., Personalverzeichnis, Vorlesungsverzeichnis für das S.-S. 1925, Greifswald [o.J.], 19. Weiterhin kündigte Kittel an „Lektüre eines Mischnatraktats oder ande­ rer rabbinischer Texte“ (vgl. Universität Greifswald, Verzeichnis der Dozenten der Institute und der Vorlesungen der Preußischen Universität zu Greifswald im S.-S. 1923, [o.O.] [o.J.], 19); „Jüdische Wundergeschichten“ (vgl. Universität Greifswald, Personalverzeichnis 1925/6, 20). 71

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Geburtstags Dalmans eine Geldsammlung durchzuführen. Gewinnen konnte er Unterstützer im In- und Ausland, etwa auch Joseph Klausner.79 Kittels Vorstoß sah vor, das Greifswalder Institut nach seinem Gründer zu benennen und ihm als Aufgabenstellung zuzuweisen: „[d]ie Palästinakunde und die Geschichte und Religion des Palästinischen Judentums in ihrem Zusammenhang mit der Bibelwissenschaft“80. So sollte später einmal ein Alt- oder Neutestamentler der Fakultät die Leitung der Einrichtung übernehmen.81 Mit seiner Konzentration auf das palästinische Judentum sowie durch die Würdigungen Dalmans82 versuchte Kittel vermutlich, sich als geeigneten künftigen Institutsleiter in Stellung zu bringen. Kittels Sammlung brachte den Grundstock der Finanzierung der bis heute bestehen­ den Einrichtung zusammen.83

E. „Christlicher“ Antisemitismus Die Akteure des Greifswalder Netzwerks Kittels vertraten immer wieder an­ tisemitische Positionen. Der von Kittel protegierte Alttestamentler Johannes Hänel etwa sprach anlässlich eines Universitätstages davon, der Jude sei für den Verfall Deutschlands verantwortlich und müsse „wirksam“ 84 getroffen werden. Dalman kritisierte die jüdische Einwanderung nach Palästina mit dem auch bei Kittel zu hörenden Argument, sie stehe im Zusammenhang mit dem Abfall der Juden von ihrer wahren Religion.85 Ähnlich wie Kittel schrieb der Greifswalder Ehrendoktor Le Seur, das Judentum stehe im „Gegensatz gegen die Heilsbotschaft unseres Herrn“86. Bei Paul Billerbeck, der auf Initiative von Dalman, Deißner und Kittel hin im akademischen Jahr 1922/23 h.c. promoviert wurde,87 schätzte Kittel etwa „die Ausführung zu Röm. 5,1 79   Vgl. Kittel an Grosheide vom 15.8.1924 und vom 30.8.1924, HDC Inv. 111 F.W. Grosheide, K 150f., ferner Männchen, Julia, Gustaf Dalman als Palästinawissenschaftler in Jerusalem und Greifswald. 1902–1941 (Abhandlungen des Deutschen Palästina-Vereins 9/2), Wiesbaden: Harrasowitz 1993, 113. Zu Dalman auch Dies., Gustaf Dalman – auf der Grenze: Leben und Forschen zwischen Kirche und Wissenschaft, in: Garbe/Beyrich/Willi (Hg.), Profile, 109–126. 80   Vgl. Männchen, Palästinawissenschaftler, 113f. Anm. 422; i.O. hervorgehoben. 81   Vgl. Männchen, Palästinawissenschaftler, 114. 82   Vgl. Kittel, Probleme, 2.4.21.41.44. 83   Vgl. Kittel, Probleme, 115. Kittel freut sich über das Resultat von 6.000 Mark (vgl. Kittel an Grosheide vom 28.5.1925, HDC Inv. 111 F.W. Grosheide, K 156. 84   Hänel, Johannes, Alttestamentliche Sittlichkeit. Dargestellt gegen ihre antisemitischen Verächter. Vortrag zum Greifswalder Universitätstag in Stolp 1924, Gütersloh: Bertelsmann 1924, 4. 85   Vgl. Männchen, Palästinawissenschaftler, 96f; Berkemann, K arin, Das gelobte Land der Moderne. Deutsche Reisefotografien zwischen Aleppo und Alexandria, Berlin: Jovis 2020, 79f. 86   Le Seur, Meisterfrage, 44. 87   Vgl. den Vorschlag von 1922, UAG 2.3. I–113.

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über die Heilsgewissheit und deren völliges Fehlen im Judentum“ 88. Seine Verbundenheit mit Kittel drückte Billerbeck in seinem Dankesschreiben an die Fakultät aus.89 Kittel setzte sich in Greifswald literarisch insbesondere mit judaisti­ schen Fragen und jüdischen Publikationen auseinander.90 So gab ihm etwa das zunächst nur auf Hebräisch verfügbare Jesus-Buch Joseph Klausners die Gelegenheit, seine Sprachkompetenz herauszustellen, deren Fehlen an­ sonsten ein „gewisse[s] Hindernis[] für die Berücksichtigung dieses Werkes durch die christliche neutestamentliche Forschung“ 91 darstelle. Der Betonung des christlich-jüdischen Gegensatzes beim Zionisten Klausner, den Kittel um Unterstützung der Dalman-Stiftung gebeten hatte, stimmt der Rezensent dem Grundsatz nach zu.92 Kritisch merkt er an, Klausner reproduziere das Jesus-Bild der Liberalen Theologie und ignoriere konservative Fachleute wie Bernhard Weiß, Zahn, Schlatter, Feine.93 Auch in Grosheide-Briefen kommt Kittel auf das Buch zu sprechen. Er sieht sich durch das Werk darin bestätigt, dass Jesus auf die von ihm selbst vertretene Seite gehöre, nicht auf die des Judentums, insbesondere nicht des modernen. Schließlich habe Jesus ja das „Nationaljudentum“, dem Kittel auch den Zionismus zuordnete, aufgelöst.94 Er ist froh, dass „auch der Jude… die Eigenart der Ethik Jesu anerkennen muss“.95 Im Zuge der Auseinandersetzung mit innerantisemitischen Konkurrenten verfasste Kittel einen mit „Zur Judenfrage“ überschriebenen Artikel, der 1923 in den Akademischen Blättern erschien,96 dem weit verbreiteten und von führenden Rechtspublizisten betriebenen Organ des VDSt.97 Der Beitrag zur „populären Erörterung der Judenfrage, auch in akademi­ schen Kreisen“ 98 kritisiert den Agitator Theodor Fritsch,99 über den schon

  Kittel an Grosheide vom 24.4.1926, HDC Inv. 111 F.W. Grosheide, K 159.   Vgl. Billerbeck an die Fakultät vom 1.5.1923, UAG 2.3. I–113. 90   Vgl. Kittel, Gerhard, Rez. Levy; und Ders., Sifre zu Deuteronomium, Stuttgart: Kohlhammer 1922, die noch in Leipzig erarbeitete Übersetzung der Sifre zum Deuteronomium. 91   Kittel, Gerhard, Jeschu ha-noṣri. Ein hebräisches Leben Jesu eines modernen jüdischen Gelehrten, in: Theologisches Literaturblatt 44 (1923), 241–246.257–263, hier 241. 92   Vgl. Kittel, Jeschu, 257. 93   Vgl. Kittel, Jeschu, 244. 94   Vgl. Kittel an Grosheide vom 31.8.1923, HDC Inv. 111 F.W. Grosheide, K 140. 95   Kittel an Grosheide vom 28.9.1923, HDC Inv. 111 F.W. Grosheide, K 141. 96   Vgl. Kittel, Gerhard, Zur Judenfrage, in: Akademische Blätter (1922/23), 7f. 97   Vgl. K ampe, Studenten, 137. 98   Vgl. Kittel, Zur Judenfrage, 7. 99   Vgl. Fritsch, Theodor (Hg.), Handbuch der Judenfrage. Eine Zusammenstellung der wichtig­sten Tatsachen zur Beurteilung des jüdischen Volkes, Leipzig: Hammer 461941; dazu auch Hintze, Katja, „Antisemiten-Katechismus“ und „Handbuch der Judenfrage“. Antisemitische Vorurteile und Stereotypen bei Theodor Fritsch, Magisterarbeit Univ. Hamburg 1997. 88 89

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Gerhard Kittels Vater, Rudolf Kittel, ein Gerichtsgutachten verfasst hatte.100 Statt Fritschs Verzerrungen der rabbinischen Literatur zu folgen und der Fälschung der Protokolle der Weisen von Zion zu erliegen,101 emp­fiehlt Kittel die Werke Fiebigs und Stracks.102 Im Hinblick auf die Schriften Fritschs appelliert Kittel an seine Gesinnungsgenossen: „Diese Waffen wird der Antisemitismus guttun, so schnell als möglich einzuziehen!“103. Eine redaktionelle Anmerkung betont die Relevanz der Einlassungen Kittels „im judengegnerischen Lager“104. Kittel kuratierte eine ab 1926 erscheinende lose Folge von Stimmen aus der deutschen christlichen Studentenbewegung. Angelegt für eine breite Leserschaft, sollten die Hefte „vom biblischen Christentum aus zur völ­ kischen Frage Stellung“105 nehmen. Als Eröffnungsband erschien Kittels Jesus und die Juden,106 die populäre Fassung der gleichzeitig vorgelegten wissenschaftlichen Monographie. In einem weiteren Heft stellte Hempel das Volk Israel als an den Forderungen der Jahwe-Religion scheiternd dar.107 1929 ließ Kittel die Reihe einschlafen, da, wie er schreibt, die völkischalttestamentliche Frage nun nicht mehr so relevant sei.108 Das im wissenschaftlichen Kontext am meisten rezipierte Buch Kittels über Die Probleme des palästinischen Spätjudentums und das Urchristen­ tum bündelt einige Arbeitsergebnisse der Greifswalder Zeit.109 Zu Stande kam es maßgeblich im Rahmen des Studienaufenthaltes Kittels in Amster­   Vgl. Fritsch, Theodor, Der Streit um Gott und Talmud. Meine Antworten an Strack, Kittel, Fiebig, Caro und andere, Leipzig: Hammer 1922, 40f. 101   Dazu Tilly, Michael, Die „Protokolle der Weisen von Zion“ und der Mythos der jüdi­ schen Weltverschwörung, in: Sachor 19 (2000), 67–75. 102   Vgl. Strack, Hermann L., Jüdische Geheimgesetze?, Berlin: Schwetschke 1920; Fiebig, Paul, Juden und Nichtjuden. Erläuterungen zu Th. Fritschs „Handbuch d. Judenfrage“, Leipzig: Hammer 1921. 103   Vgl. Kittel, Zur Judenfrage, 8. 104   Redaktionelle Anmerkung zu Kittel, Zur Judenfrage, 7. 105   Vgl. die redaktionelle Anmerkung in Kittel, Gerhard, Jesus und die Juden (Stimmen aus der deutschen christlichen Studentenbewegung 42), Berlin: Furche 1926, [2]. 106   Vgl. Kittel, Jesus; dazu auch Gerdmar, Anders, Roots of Theological Anti-Semitism. German Biblical Interpretation and the Jews, from Herder and Semler to Kittel and Bultmann (Studies in Jewish History and Culture 20), Leiden: Brill 2010, 436f. 107   Vgl. Weber, Altes Testament, 98. 108   Vgl. die Ankündigung bei Kittel, Jesus, [2]; sowie Kittel an Baumgärtel vom 27.9.1929, UAG 4.43 4. 109   Vgl. dazu Deines, Roland, Die Pharisäer. Ihr Verständnis im Spiegel der christlichen und jüdischen Forschung seit Wellhausen und Graetz (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 101), Tübingen: Mohr Siebeck 1997, 434–442; Gerdmar, Roots, 423–433; Siegele-Wenschkewitz, Wissenschaft, 55–61; Lubinetzki, Knechtsgestalt, 54–57, sowie die weitreichende Zustimmung des damaligen Rezensenten Dibelius, Martin, Rez. Kittel, Prof. Gerhard: Die Probleme des palästinischen Spätjudentums und das Urchristentum. Stuttgart: W. Kohlhammer 1926, in: Theologische Literaturzeitung 12 (1927), 270–272. 100

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dam.110 Kittel fordert „das Hand in Hand arbeiten [sc.] des christlichen mit jüdischen Gelehrten“111; ein auch in den jüdischen Reaktionen auf die Schrift begrüßter Gedanke. Nach einem wertfreien Diskurs klingt Kittels Einschränkung, „der moderne abendländische Durchschnittsjude“112 kenne die jüdische Traditionsliteratur nicht zu Genüge, allerdings nicht. Der christliche Forscher benötige den „im Talmud lebende[n] Jude[n] als lebendige Konkordanz“113. Abgesehen von der tendenziell dehumanisie­ renden Bildsprache klingt in den zitierten Formulierungen die innerhalb der Argumentation zentrale Differenzierung in vermeintlich gute und vorge­ blich schlechte Juden an.114 Die neben Jesus einsetzende jüdische Geschichte versteht Kittel unmissverständlich als Verfallsgeschichte: in ritualistischen Talmudismus einerseits sowie in ein areligiöses Assimilationsjudentum an­ dererseits, als dessen Repräsentant schlechthin Walter Rathenau angeführt wird,115 die „Symbolgestalt“116 der jüdischen Emanzipation. Mit dem zeitgenössischen Antisemitismus weiß Kittel sich in der Bevor­ zugung des marginalisiert lebenden orthodoxen Juden einig.117 Walter Grundmann, der Schlatter und Kittel als Ideengeber bezeichnet,118 nennt Kittel einen „grundsätzliche[n] Judengegner“119. Kittel blieb „unreflektiert, wohl 110   Vgl. Kittel, Probleme, 1 Anm. 1; Kittel an Grosheide vom 28.9.1923, HDC Inv. 111 F.W. Grosheide, K 141; dazu auch Bormann, Lukas, Gerhard Kittels wissenschaftliche Auslandsbeziehungen und die internationale Rezeption seiner Werke, in: Gailus/Vollnhals (Hg.), Antisemitismus, 135–160, hier 142. Zu britischen Kollegen nahm Kittel dagegen erst in seiner Tübinger Zeit Kontakt auf (vgl. a.a.O. 142f; Ders., „Sie sagen Christus und meinen Weltherrschaft“. Stereotypen im Englandbild des deutschen Protestantismus am Beispiel der Englandschriften von Martin Dibelius und Gerhard Kittel, in: Angermion. Jahrbuch für bri­ tisch-deutsche Kulturbeziehungen 6 [2013], 85–99; Siegele-Wenschkewitz, Wissenschaft, 81. 111   Kittel, Probleme, 19. 112   Kittel, Probleme, 19. 113   Kittel, Probleme, 20. 114   Vgl. Lubinetzki, Knechtsgestalt, 56, sowie Bormann, Auslandsbeziehungen, 142, mit Hinweis auf das Zitat von Joh 1,47 („Siehe, ein rechter Israelit, in dem kein Falsch ist“), das der Widmung an Kahan beigestellt ist. 115   Vgl. Kittel, Probleme, 90f. 116   Garbe, Irmfried, Taufe als Versuchung. Walther Rathenaus Beiträge zur Frage der Konversion, in: Julia Männchen (Hg.), Mein Haus wird ein Bethaus für alle Völker genannt werden (Jes 56,7). Judentum seit der Zeit des Zweiten Tempels in Geschichte, Literatur und Kult (FS Th. Willi), Neukirchen-Vluyn: Neukirchener 2007, 287–305, hier 298. Ein Brief Söderbloms vom 5. Juni 1925, UAG 2.3. I–115, erwähnt Schriften Kittels über Dostojewski und Rathenau. 117   Vgl. K atz, Jacob, Vom Vorurteil bis zur Vernichtung. Der Antisemitismus 1700–1933, München: Union 1989, 195f. 118   Vgl. Arnhold, Oliver, Walter Grundmann und das „Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben, in: Manfred Gailus/ Clemens Vollnhals (Hg.), Für ein artgemäßes Christentum der Tat. Völkische Theologen im „Dritten Reich“ (Berichte und Studien 71), Göttingen: V&R unipress 2016, 203–217, hier 206. 119   Zit. Arnhold, Grundmann, 206.

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auch unbewußt, in christlicher Überheblichkeit dem Judentum gegenüber befangen“120. Er traute sich nicht nur ein Urteil über wahres Judentum zu, sondern überließ Juden auch den antisemitischen Marginalisierungsversuchen.121 In der Tatsache, dass Kittel diese Position bereits während seiner Greifswalder Zeit einnahm, steckt die relative Wahrheit seiner freilich in ihren Kontext ein­ zuordnenden und im Zuge der Verdrängung der eigenen Mitverantwortung getätigten Nachkriegsaussage, er habe stets das Gleiche vertreten, näm­ lich die nachexilische Unheilsgeschichte des Judentums.122 Unbeschadet dieser Kontinuität betrat das antisemitische Programm Kittels 1933 mit der Publikation zur Judenfrage ein neues Terrain.123 Die nun einsetzende posi­ tive Fritsch-Rezeption ist dafür ein Indiz,124 die Wahrnehmung Kittels durch Zeitgenossen ein weiteres. In Breslau etwa hatte Ernst Lohmeyer Kittel noch als möglichen Bearbeiter des Galaterbriefs im renommierten Kritischexegetischen Kommentar ins Gespräch gebracht.125 1934 aber schreibt er: „[E]s besteht das für meine Begriffe blamable Buch über die Judenfrage – kurz, ich habe kein Vertrauen mehr zu seiner wissenschaftlichen Arbeit“126. Kittel wurde daraufhin von der Mitarbeit am KEK ausgeschlossen.127 An Martin Buber sandte Lohmeyer eine Solidaritätsadresse: „[D]ieser Brief soll Ihnen zeigen, daß nicht alle in den theologischen Fakultäten, auch nicht alle Neutestamentler, Kittels Meinung teilen“128. Vielmehr müsse das Christentum das Judentum im Herzen tragen.129

F. Nachspiele Auf Kittel folgte in Greifswald Julius Schniewind, der aber nur ein Jahr blieb. Von Tübingen aus setzte Kittel über den inzwischen nach Greifswald gewechselten Baumgärtel alles daran, Lohmeyer in Greifswald zu verhin­ dern: Es „muss alles getan werden, dass der Name Lohmeyer nicht einmal   Lubinetzki, Knechtsgestalt, 57 Anm. 224.   Vgl. Lubinetzki, Knechtsgestalt, 57 Anm. 224. 122   Vgl. Gailus, Manfred, Gerhard Kittels „Meine Verteidigung“ von 1946: Rechtfertigungs­ versuche eines schwer kompromittierten Theologen, in: Ders./Vollnhals (Hg.), Antisemitismus, 161–182, hier 166. Andere Akzentsetzung noch bei Siegele-Wenschkewitz, Wissenschaft, 63– 70. Kittel betont: Die Position des Buches „ist für mich grundsätzlich keine andere, als ich sie in meiner Beschäftigung mit dem Judentum seit Jahren gewonnen habe“ (Kittel an Grosheide vom 12. Juni 1933, HDC Inv. 111 F.W. Grosheide, K 182). 123   Ähnlich Gerdmar, Roots, 432. 1933 als Zäsur betont auch Deines, Pharisäer, 414–416. 124   Für diesen Hinweis danke ich Manfred Gailus. 125   Vgl. Köhn, Neutestamentler, 46–49. 126   Lohmeyer an Ruprecht vom 29.7.1934, zit. Köhn, Neutestamentler, 75. 127   Vgl. Köhn, Neutestamentler, 85. 128   Lohmeyer an Buber vom 19.8.1933, zit. Köhn, Neutestamentler, 85. 129   Vgl. Köhn, Neutestamentler, 75f.; Reinmuth, Zeugnis, 270f. 120 121

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genannt wird“130. Lohmeyers Theologie sei reine Spekulation, als Lehrer sei er langweilig. Zudem wäre doch zu wünschen, wenn Greifswald „wenn auch ohne Engherzigkeit, den ‚positiven Charakter‘“131 erhielte. Stattdessen schlug Kittel Bauernfeind vor. Er habe im Kollegium einen etwas schwe­ ren Stand, nachdem er, nicht Deißner oder Beyer, als Nachfolger Kittels in den „Philologisch-historischen Dozentenverein“ gewählt wurde.132 Nachfolger Schniewinds wurde Joachim Jeremias.133 In Breslau hegte Lohmeyer seinerseits seine Antipathie gegenüber Kittel. Er schreibt 1934: Kittels „Vorlesungen sind, wie ich es vielfach gehört habe, von unerträgli­ cher Langeweile, seiner Fakultät ist er in diesen akademischen und wis­ senschaftlichen Dingen ein gewisses Kreuz. Wenn er bei wichtigen Fragen paulinischer Theologie als der Weisheit letzter Schluss verkündet: ‚Wir se­ hen, bei Paulus kommt alles auf den Glauben an‘, so ist solch ein Ausspruch einfach niederschlagend. Und das ist nicht nur studentisches Gerede, sondern ich habe es von drei verschiedenen Kollegen verbürgt gehört“134. Von der pommerschen Landesuniversität nahm Kittel den Nukleus seines Wörterbuch-Unternehmens mit. Hermann Cremers 1866 erstmals veröffent­lichtes Biblisch-Theologisches Wörterbuch des Neutestamentlichen Grie­chisch war ab der 10. Auflage von 1915 Julius Kögel (1871–1928) in Kiel bearbeitet worden.135 Dem sterbenden Kögel versprach Kittel, die Wörterbuch-Arbeit fortzuführen. Anlässlich des 25. Todestages Cremers rief die Greifswalder Fakultät zu Spenden für eine Stiftung auf. Von den eingegangenen Geldern konnte sowohl ein Gemälde des Geehrten angefer­ tigt als auch ein Beitrag zum von Kittel in Angriff genommenen ThWNT ge­ leistet werden.136 Die Greifswalder Beyer, Deißner und Baumgärtel gewann Kittel als Mitarbeiter.

G. Rückblick Materiell, emotional und intellektuell beeinflussten Kittel insbesondere in seiner Greifswalder Anfangszeit die in Gesellschaft, Universität und Kirche gemachten oder befürchteten Verlusterfahrungen.137 Hinzu kam die Unzufriedenheit darüber, an einer kleinen Universität an einem klei­   Kittel an Baumgärtel vom 9.12.1928, UAG 4.43. 4.   Kittel an Baumgärtel vom 1.12.1928, UAG 4.43. 4. 132   Vgl.  Kittel an Baumgärtel vom 1.12.1928, UAG 4.43. 4. 133   Vgl. Garbe, Geschichte, 86; Ders., Theologe, 336. 134   Lohmeyer an Ruprecht vom 29.7.1934, zit. Köhn, Neutestamentler, 84. 135   Vgl. Kögel, Julius, Hermann Cremers Biblisch-theologisches Wörterbuch des neutesta­ mentlichen Griechisch, Stuttgart/Gotha: Perthes 11 (=10)1923. 136   Vgl. Garbe, Geschichte, 78. 137   Vgl. Deines, Pharisäer, 442. 130 131

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nen Ort zu leben und zu arbeiten.138 Entgegen kamen Kittel die „positive“ Tradition Greifswalds und die „nationale“ Orientierung seiner Fakultät und seines örtlichen Netzwerkes. Die Verbindungen zu seinen Greifswalder Kontaktpersonen waren und blieben auch nach 1926 eng. Als Professor setzte sich Kittel für seine Interessen in der Fakultätspolitik und für die Beförderung seiner Karriere ein. Zur Weiterentwicklung der örtlichen Studiensituation sowie zur Förderung von Nachwuchswissenschaftlern trug er bei. Seine Greifswalder Arbeiten berühren einzelne dezidiert neutesta­ mentliche Themen,139 konzentrieren sich aber auf die Profilierung des frühen Christentums vor dem Hintergrund des „Spätjudentums“. Innertheologisch suchte der Sohn Rudolf Kittels immer wieder den Kontakt insbesondere mit (Vertretern) der alttestamentlichen Wissenschaft.140 Kittel trat als überzeugter „positiver“ Theologe auf. Kritische Selbstreflexionen sind nicht dokumen­ tiert. In Vertretern anderer theologischer Positionen sah er primär Gegner, deren Einfluss es zurückzudrängen galt. Interesse an offenen Diskussionen lässt er nicht erkennen. Blickte Kittel zu Beginn seiner Greifswalder Zeit mit Scham auf die Diskrepanz zwischen der Bedeutung, die er als (deutscher, protestantischer, „positiver“, ordentlicher) Theologieprofessor für sich beanspruchte, und den tatsächlichen, zeitbedingten Umständen, stellte er sich im Laufe der Zeit immer häufiger, auch gegenüber Gleichgestellten, als über­ legen dar.141 Als Fachmann zeigte sich Kittel grundsätzlich als am Austausch auch mit jüdischen Gelehrten interessiert. Intensive Arbeitsgemeinschaften wie mit Kahan in Leipzig entstanden in Greifswald aber nicht mehr. Im Einklang mit seinem örtlichen Netzwerk verortete er sich innerhalb des an­ tisemitischen Spektrums. Positionen wie die Fritschs wurden dabei (noch) abgelehnt. Kittel verband in seinen Greifswalder Jahren die Gedanken der bereits zur Zeit Jesu eingetretenen jüdischen Dekadenz und der christlichen Überlegenheit mit der Ablehnung modern und liberal eingestellter Juden wie Christen. Für ihn glichen die „modernen Formen sogenannter christ­ licher Religiosität“142 , wie sie etwa von Bousset, Heitmüller oder Eduard Meyer propagiert würden, jenen der „modernen Juden“143. Er selbst wusste 138   Nach dem Tübinger Wechsel betont Kittel, „dass das Land hier in Württemberg sehr viel interessanter ist als in Pommern“ (Kittel an Grosheide vom 24.12.1926, HDC Inv. 111 F.W. Grosheide, K 160). 139   Vgl. Kittel, Gerhard, Nolloth, Charles Frederick, M.A., D. Litt.: The Fourth Evangelist. His Place in the Development of Religious Thought. London: J. Murray 1925, in: Theologische Literaturzeitung 16 (1926), 422–424; Ders., Die Schallanalyse und das Neue Testament, in: Theologisches Literaturblatt 43 (1922), 1–8.17–22.289–291. 140   Vgl. die Kontakte mit Hänel, Böhl, Baumgärtel und Dalman. Die Wichtigkeit des ATStudiums in hebräischer Sprache betont Kittel, Reform, 15. 141   S.o. bei Anm. 21.37.57.67.77.93.133. 142   Kittel an Grosheide vom 31.8.1923, HDC Inv. 111 F.W. Grosheide, K 140. 143   Kittel an Grosheide vom 31.8.1923, HDC Inv. 111 F.W. Grosheide, K 140.

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sich der entgegengesetzten Seite, der „Christus-religion“144, zugehörig. Im Rückblick erscheint die Greifswalder Zeit als eine Phase der Grundlegung bzw. Etablierung der großen wissenschaftlichen Vorhaben Kittels, etwa des ThWNT oder der Rabbinica-Edition, daneben auch der Verfestigung der Liberalismus und Judentum ablehnenden Haltung des nationalkonservativ geprägten Theologen.

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Gerhard Kittel und Frederik Willem Grosheide Ein Briefwechsel über drei Jahrzehnte (1922–1946) Arie Zwiep A. Einleitung Was steht auf dem Spiel? Die Briefe Gerhard Kittels an den niederländi­ schen Theologen Frederik Willem Grosheide (1881–1972) liefern ein beein­ druckendes Bild von Deutschland und den Niederlanden im Vorfeld (und während) des Zweiten Weltkriegs und von der Notlage der Universitäten und des kirchlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens der damaligen Zeit.1 Die Korrespondenz befasst sich neben einem fachspezi­ fischen und persönlichen Austausch auch mit der „Judenfrage“ und das macht die Korrespondenz heutzutage, in einer Zeit in der Antisemitismus und Rassismus (vgl. „Black Lives Matter“) wieder auftauchen, sehr aktu­ ell. Kittel war am 1. Mai 1933 der NSDAP beigetreten und erwies sich als begeisterter Vertreter eines „christlichen Antisemitismus“ (eine konstante Selbstbezeichnung, allerdings – nach seiner eigenen Auffassung – immer im Gegensatz zum „vulgären Antisemitismus“ oder „Radauantisemitismus“), 2 1   Beitrag zur internationalen Tagung „Auf dem Weg zu einer Biografie Gerhard Kittels (1888–1948)/Towards a Biography of Gerhard Kittel (1888–1948)“ (Marburger Forschungen zum Neuen Testament), Alte Universität, Philipps-Universität Marburg, 6.11.2020. Ich danke den Teilnehmern und auch Maarten Aalders, Hans Grosheide (jüngster Sohn F.W.), Elbert Grosheide und Johan Vos, für ihre hilfreichen Bemerkungen. 2   S. dazu Morgenstern, Matthias, Gerhard Kittels „Verteidigung“. Die Rechtfertigungs­ schrift eines Tübinger Theologen und „Judentumsforschers“ vom Dezember 1946; Segev, Alon, Gerhard Kittel’s „Defense“. Apologia of a Tübingen Theologian and New Testament Scholar, December 1946, Berlin: Berlin University Press 2019, 27–28.150 (Meine Verteidigung), 184–187 („Antisemitische Konstanten“). S. auch Junginger, Horst, Gerhard Kittel – Tübinger Theologe und Spiritus rector der nationalsozialistischen „Judenforschung“, in: Manfred Gailus (Hg.), Täter und Komplizen in Theologie und Kirchen 1933–1945, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2015, 81–112; Gailus, Manfred, Gerhard Kittels „Meine Verteidigung“ von 1946. Rechtfertigungsversuche eines schwer kompromittierten Theologen, in: Manfred Gailus/Clemens Vollnhals (Hg.), Christlicher Antisemitismus im 20. Jahrhundert. Der Tübinger Theologe und „Judenforscher“ Gerhard Kittel (Berichte und Studien 79), Göttingen: V&R Unipress 2020, 161–182; Morgenstern, Matthias, Erwägungen zur „Verteidigung“ Gerhard Kittels vom Dezember 1946, in: Theologische Beiträge 51 (2020), 260–271. Zu Kittel, s. weiter Siegele-Wenschkewitz, Leonore, Neutestamentliche Wissenschaft vor der Judenfrage.

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ein Thema, das auch in der Korrespondenz zwischen Kittel und Grosheide beiläufig diskutiert wird (s.u.). Als Kittel Grosheide seine (antisemitische) Veröffentlichung über Die Judenfrage (1933) schickte,3 reagierte Grosheide bemerkenswert schnell, mild und verständnisvoll und schien (aus unserer heutigen Sicht jedenfalls) die recht heiklen Fragen systematisch zu vermei­ den.4 Er schrieb nur zwei Wochen nach Empfang des Buches in De Heraut, eine Kirchenzeitschrift der reformierten Kirchen in den Niederlanden, he­ rausgegeben von einem Sohn Abraham Kuypers, Herman Huber Kuyper,5 folgendes: Prof. Kittel kann als besonders qualifiziert gelten über diese Dinge zu schreiben. Er hat sich viel mit Juden beschäftigt und einen wichtigen Teil seines Lebens dem Studium der altjüdischen Literatur gewidmet. Wir glauben zu wissen, dass dieser Gelehrte auch in jüdischen Kreisen Autorität besitzt und dass sein Wort auch dort gerne gelesen wird.6

Grosheides Kritik betraf nicht Kittels politische Auffassungen oder sein Standpunkt zum damaligen Judentum (Grosheide schreibt mehrmals et­ was ausweichend „darüber reden wir nicht“), sondern nur die kirchlichtheologische Frage nach dem Platz christlicher Juden in der Kirche. Am Ende schreibt er: „Ein ganz anderer Punkt ist, ob die Rassenunterschiede in der Politik das zivile Leben beeinflussen sollten. Darüber reden wir hier nicht. Wir erinnern uns nur daran, daß dieses Thema wirklich nicht nur von der jüdischen Frage angesprochen wird. Man findet es immer wieder, wo verschiedene Rassen zusammenleben, entweder weil sie zusammengeflos­

Gerhard Kittels theologische Arbeit im Wandel deutscher Geschichte (Theologische Existenz Heute 208), München: Kaiser 1980; Ericksen, Robert P., Theologians under Hitler: Gerhard Kittel, Paul Althaus and Emanuel Hirsch, New Haven: Yale University Press 1985, 28–78; Friedrich, Gerhard/Johannes Friedrich, Kittel, Gerhard, in: Theologische Realenzyklopädie 19 (1990), 221–225; Schatzmann, Siegfried S., Kittel, Gerhard, in: Donald K. McKim (Hg.), Dictionary of Major Biblical Interpreters, Downers Grove: IVP Academic 22007, 614–618; Heschel, Susannah, The Aryan Jesus. Christian Theologians and the Bible in Nazi Germany, Princeton: Princeton University Press, 2008; Gerdmar, Anders, Gerhard Kittel. Jewish Unheil Theologically Founded, in: Roots of Theological Anti-Semitism. German Biblical Interpretation and the Jews, from Herder and Semler to Kittel and Bultmann (Studies in Jewish History and Culture 20), Leiden: Brill 2010, 417–530. 3   Kittel, Gerhard, Die Judenfrage, Stuttgart: Kohlhammer 1933, erste Auflage (Juni 1933). 4   Grosheide, F.W., Het Jodenvraagstuk in Duitschland, in: De Heraut 2893 (2.7.1933). S.u. Grosheides Rezension zur Kittels Judenfrage, Anhang zu diesem Beitrag. 5   Dessen Ruf im Zweiten Weltkrieg und danach nicht gut war, s. dazu Zondergeld, Gjalt, Geen duimbreed?! De Vrije Universiteit tijdens de Duitse bezetting (Historische Reeks VU 4), Zoetermeer: Meinema 2002, 243–244 et passim; Aalders, Maarten, 125 jaar Faculteit der Godgeleerdheid aan de Vrije Universiteit (Historische reeks VU 9), Zoetermeer: Meinema 2005, 199–201. Vgl. auch Nauta, Doede, Kuyper, Herman Hubert, in: Biografisch Lexicon voor de geschiedenis van het Nederlands Protestantisme 3 (1988), 233–235. 6   Meine Übersetzung.

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sen sind oder weil eine Rasse über die andere herrscht.“ 7 Hat Grosheide die antisemitischen Aussagen Kittels nicht durchschaut oder hat er sie viel­ leicht unterschätzt? Oder glaubte er, dass Kittel das moralische Recht hat sich auszusprechen, und war er vielleicht sogar einverstanden mit Kittels Programm? Warum brachte er nicht eine viel schärfere Kritik vor? Stand ihre jahrelange Freundschaft einer öffentlich kritischen Position im Wege? Auf jeden Fall ist es sicher, dass Grosheide weitgehend von Abraham Kuypers äußerst kritischer Betrachtung des Judentums seiner Tage inspi­ riert war,8 eine Sichtweise, die in den reformierten Kirchen jener Tage (und auch danach) weit verbreitet war 9 und die auch bei Kittel Anklang fand, als Grosheide ihn darauf aufmerksam machte.10 In der Diskussion geht es daher auch um die Problematik des protestantischen Antisemitismus, den jüdischchristlicher Dialog, um Identitätsfragen (modern gesagt: um die Rolle des Anderen), und um Verarbeitung der eigenen Vergangenheit im Lichte der Gegenwart sowie um Hermeneutik, Glaube und Wissenschaft. I n diesem Beitrag möchte ich den breiteren Kontext von Grosheide und die Korrespondenz mit Kittel untersuchen. Ich werde mich auf einige bio­ grafische Notizen beschränken, den Kontext der Korrespondenz beschrei­ ben und die wichtigsten Themen hervorheben. Die Frage nach Grosheides Position in Bezug auf die Judenfrage wird im Beitrag von George Harinck ausführlicher dargestellt.

B. Einige biografische Notizen zu Grosheide Eine Biografie zu Grosheide, obwohl „ein Desideratum“ (T. Baarda),11 gibt es bisher noch nicht. Es gibt einige kurze biografische Übersichten auf Niederländisch.12 Eine Fülle von Informationen findet man jedoch   Meine Übersetzung.   Kuyper, Abraham, Liberalisten en Joden, Amsterdam: Kruyt 1878. S. dazu den Beitrag von George Harinck in diesem Band. 9   Klinken, Gert van, Opvattingen in de Gereformeerde Kerken in Nederland over het Jodendom, 1896–1970, Kampen: Kok 1996. S. dazu auch Gert van Klinkens Beitrag in diesem Band. Vgl. auch Sanders, Ewoud, Levi’s eerste kerstfeest. Jeugdverhalen over jodenbekering, 1792–2015, Nijmegen: Van Tilt 2017. 10   S. dazu Kittel an Grosheide vom 31.8.1933 (HDC, Inv. 111, K 183). 11   Baarda, Tjitze, F.W. Grosheide (1881–1972) als stimulans voor mijn latere studie (nicht veröffentlicht). So auch: de Jager, Koos-Jan, Missionair bewogen en maatschappelijk betrok­ ken. Prof. Dr. F.W. Grosheide (1881–1972), in: Historisch tijdschrift GKN 36 (2017), 3: „Het is… bevreemdend dat Grosheide tot op heden geen wetenschappelijke biografie heeft gekregen.“ 12   Nauta, Doede, Frederik Willem Grosheide. Amsterdam 25 november 1881 – Amsterdam 5 maart 1972, in: Jaarboek van de Maatschappij der Nederlandse Letterkunde 1974–1975 (1976), 58–64; Mulder, H., Grosheide, Frederik Willem, in: Biografisch Lexicon voor de ge­ schiedenis van het Nederlands Protestantisme 3 (1988), 155–156; Flipse, Ab C. (Hg.), Verder kij­ 7 8

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im Grosheide-Archiv des „Historisch Documentatiecentrum voor het Nederlands Protestantisme“ (HDC) an der Vrije Universiteit Amsterdam, insgesamt mehr als fünfzig Archivboxen (6,6 Meter), die erst Oktober 2016 freigegeben wurden und noch weitgehend unerforscht sind.13 Ich beschränke mich im Folgenden deshalb auf einige Hauptlinien, die für unseres Thema relevant sind und verweise zu Weiterem auf die bereits genannten Quellen, in der Hoffnung, dass sich in naher Zukunft jemand traut, eine umfassende Biografie über Grosheide zu schreiben. Frederik Willem („Willem“) Grosheide (Amsterdam 25. November 1881 – Amsterdam 5. März 1972) studierte Theologie und Altphilologie („Klassieke Letteren“) an der Vrije Universiteit Amsterdam. Die Freie Universität war damals zusammen mit der Theologische Schule in Kampen der offizielle Ausbildungsort für Pfarrer in den reformierten („gereformeerde“) Kirchen in den Niederlanden.14 1907 war Grosheide der erste Doktorand, der an der Vrije Universiteit über ein neutestamentliches Thema promovierte (und zwar cum laude).15 Sein Promotor war der Neutestamentler Prof. Petrus Biesterveld, dem er fünf Jahre später als Professor für Neues Testament nachfolgen würde.16 In seiner Dissertation bestritt Grosheide energisch die Idee, dass Jesus und die Apostel eine baldige Rückkehr Jesu auf die Wolken des Himmels erwarteten (Naherwartung), wie es damals u.a. Vertreter der sog. „Hollandse radikale School“ und deutsche kritische Forscher behaupte­ ten.17 ken. Honderdvijfendertig jaar Vrije Universiteit Amsterdam in de samenleving – 26 portretten, Amsterdam: VU University Press 2016, 11–17; De Jager, Missionair bewogen en maatschap­ pelijk betrokken, 3–18. Zur Genealogie der Familie Grosheide, s. van Beek, P./D.Th. Kuiper /J.C. Okkema (Hg.), De dolerenden van 1886 en hun nageslacht, Kampen: Kok 1990, 258–268. 13   Jager, Koos-Jan de, Inventaris van het archief van prof. dr. F.W. Grosheide, HDC col­ lectienummer 111 (2016). Das Archiv enthält auch Filmmaterial aus den 1930er Jahren, in dem Grosheide erscheint, z.B. www.geheugenvandevu.nl > beeld en geluid > films (1935, deel 1): 25:40–48 betritt er zur Eröffnung des akademischen Jahres das alte VU-Gebäude am Herengracht 162; 40:30–41:30 hält er ein Vortrag an der theologischen Fakultät. 14   Zur Geschichte der Vrije Universiteit, s. Deursen, A.Th. van, Een hoeksteen in het verzuild­ bestel: De Vrije Universiteit 1880–2005, Amsterdam: Bert Bakker 2005, und zur Geschichte der theologischen Fakultät, s. Aalders, 125 jaar Faculteit der Godgeleerdheid. 15  In den Niederlanden kennt man nur die Bezeichnung cum laude. Sie entspricht die Auszeichnung summa cum laude im deutschen System. Ich danke Johan Vos, der mich darauf aufmerksam gemacht hat. 16  P. Biesterveld (1893–1908) war Professor „ambtelijke vakken“ Kampen 1894–1902, Professor ambtelijke vakken en Nieuwe Testament an der Vrije Universiteit (1902–1908), s. Bakker, W./H. Mulder, Biesterveld, Petrus (1893–1908), in: Biografisch Lexicon voor de ge­ schiedenis van het Nederlands Protestantisme 3 (1988), 41–42. 17   Grosheide, F.W., De verwachting der toekomst van Jezus Christus. Exegetische stud­ ie, Amsterdam: Bottenburg 1907. Academisch Proefschrift. Obwohl in 1907 erschienen, hat Grosheide Albert Schweitzer, Von Reimarus zu Wrede, in 1906 erschienen, nicht berück­ sichtigt. Zur sog. „holländische radikale Schule“, s. Van den Berg van Eysenga, G.A., Die hol­

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29. November 1907 heiratete er Alexandrine Ottoline Willemine Daniëlle Schut (1885–1950).18 Sie spielt später in der Korrespondenz – als die Beziehungen zwischen den Familien enger wurden – eine aktive Rolle. 1907 bis 1912 war Grosheide Pfarrer der Gereformeerde Kerk in Schipluiden. Von 1912 bis 1953, also mehr als vierzig Jahre, war er Professor des Neuen Testaments an der Vrije Universiteit, insbesondere im Bereich der Exegese und der Hermeneutik (d.h. nach seiner Auffassung: eine exegeti­ sche Hilfsdisziplin).19 In seiner Antrittsrede von 1912 sprach er sich für die Unabhängigkeit der Exegese hinsichtlich der Dogmatik aus, jedoch in en­ gem Verbindung mit der reformierten („gereformeerde“ oder calvinistische) Konfession.20 Grosheide war sein ganzes Leben lang aktiv am reformier­ ten Kirchenleben beteiligt, insbesondere an Sonntagsschularbeit, Mission (Evangelisation) und Bibelübersetzung, und er schrieb viele Beiträge zu kirchlichen und theologischen Zeitschriften (De Heraut, Gereformeerd Theologisch Tijdschrift u.s.w.).21 Zusammen mit G.Ch. Aalders, J. Ridderbos und S. Greijdanus hat Grosheide die reformierte („gereformeerde“) Exegese in den Niederlanden tief geprägt. Von Beginn seiner akademischen Lauf bahn an war Grosheide als Promotor an Dissertationen im Bereich von Kirche und Judentum/Judenmission beteiligt, beispielsweise an der Dissertation von H.A. Lamprecht über Nationalismus in der Judenmission (1915)22 und, zusammen mit dem Alttestamentler Cornelis van Gelderen, an der (unvollendete) Dissertation

ländische radikale Kritik des Neuen Testaments (Jena: Diederichs 1912); Verhoef, Eduard, Manen, Willem Christiaan van, in: Biografisch Lexicon voor de geschiedenis van het Nederlands Protestantisme 4 (1998), 322–324; Ders., W.C. van Manen. Een hollandse radicale theoloog ( Kampen: Kok 1994). 18   S.u. Anhang 1 zum Briefwechsel, Die Familien Grosheide und Kittel, in diesem Band (VII. Die Kittel-Grosheide Korrespondenz). 19   Grosheide, F.W., Hermeneutiek ten dienste van de bestudeering van het Nieuwe Testament, Amsterdam: Bottenburg 1929, 1: Hermeneutik ist „de wetenschap, die de regels zoekt, vindt, formuleert en in systeem brengt, volgens welke alle of bepaalde geschriften kun­ nen en behooren te worden uitgelegd.“ 20   Grosheide, F.W., Nieuw-Testamentische exegese. Rede gehouden bij de aanvaarding van het hoogleeraarsambt in de Heilige Godgeleerdheid aan de Vrije Universiteit te Amsterdam op vrijdag 13 december 1912, Amsterdam: Bottenburg 1913. 21   Bibliografische Übersichten zu F.W. Grosheide findet man u.a. im Festschrift Arcana Revelata: Een bundel nieuwtestamentische studiën aangeboden aan Prof. Dr. F.W. Grosheide ter gelegenheid van zijn zeventigste verjaardag, Kampen: Kok 1951, mit einer “Lijst van zelf­ standig verschenen publicaties van prof. dr. F.W. Grosheide en artikelen in verzamelwerken.“ S. weiter Nauta, Doede, Frederik Willem Grosheide, 58–64, und HDC F.W. Grosheide-Archief 111. Eine vollständige Grosheide-Bibliographie steht noch immer aus. 22   Lamprecht, H.A., Het Nationalisme in de Jodenzending (Van Klinken, Opvattingen 77).

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von Jacob van Nes23 über den Versöhnungstag in Bibel und Mischna.24 Van Nes spielte später eine wichtige Rolle in der kirchlichen Debatte über Kirche und Judentum.25 G rosheide war dreimal Rektor der Vrije Universiteit, damals ein einjäh­ riges Amt, zum ersten Mal 1918–1919, dann 1925–1926, und dann noch ein­ mal nach dem Zweiten Weltkrieg, 1948–1949, d.h. im Todesjahre Gerhard Kittels (der am 7. November 1948 gestorben war). Wie auch Kittel, 26 un­ terhielt Grosheide mehr als seine Kollegen Beziehungen zum Ausland. Er schrieb Artikel für das Bulletin of the Bezan Club, war Mitglied der Studiorum Novi Testamenti Societas (SNTS), er erhielt Ehrentitel von zwei ungarischen Universitäten (Sarospatak und Debrecen), 27 unterhielt persön­ liche Kontakte mit Ned Stonehouse, seinem ehemaligen Promovend und dem späteren General Editor des New International Commentary on the New Testament, wo die englische Übersetzung seiner 1. Korintherkommentar erschien, mit dem Afrikaner Theologen Evert P. Groenewald (Pretoria), 28 und mit Donald MacLean (Edinburgh), Herausgeber der Zeitschrift The Evangelical Quarterly. In den Niederlanden ist Grosheide vor allem be­ kannt geworden durch seine exegetische Kommentaren zum Matthäusund Johannesevangelium, den zwei Korintherbriefe, dem Hebräerbrief und dem Jakobusbrief in der Reihe Kommentaar op het Nieuwe Testament, der sog. Bottenburg-Kommentar, 29 dessen Mitherausgeber er viele Jahre   Flinterman, R.A., Nes, Jacob van, in: Biografisch Lexicon voor de geschiedenis van het Nederlands Protestantisme 3 (1988), 279–280. 24   Nes, Jacob van, De Groote Verzoendag (Yoom Hakkippoeriem). Kampen: Kok 1933. S. dazu Van Klinken, Opvattingen, 219. Im Archiv des HDC gibt es Korrespondenz zwi­ schen Van Nes und Grosheide. Zu C. van Gelderen (1872–1945), s. Houtman, Cees, Gelderen, Cornelis van, in: Biografisch Lexicon voor de geschiedenis van het Nederlands Protestantisme 2 (1983), 211–213. 25   Van Klinken, Opvattingen, 105–126, 219–231 und passim. Seine Hauptveröffentlichung war Het Jodendom, Kampen: Kok 1933. 26   Zu den Auslandbeziehungen Kittels, s. Bormann, Lukas, Gerhard Kittels wissenschaftli­ che Auslandbeziehungen und die internationale Rezeption seiner Werke, in: Gailus/Vollnhals, Christlicher Antisemitismus, 135–160. 27  Dazu HDC, Grosheide-Archiv, Inv. 111, No. 290–295 (Contacten met Hongarije); Aalders, Maarten J., Nederlandse en Hongaarse protestanten gedurende het interbellum (AD Chartasreeks 37), Barneveld: De Vuurbaak 2021. 28   S. dazu den Beitrag von Kobus Kok in diesem Band, und auch Kok, Jacobus (Kobus)/AnneCatherine Pardon, Drawing and Transcending Socio-Religious Boundaries. The Influence of Gerhard Kittel on Evert P. Groenewald: The Shaping of an Apartheid Theologian?, in: Drawing and Transcending Boundaries in the New Testament and Early Christianity, hg. v. Jacobus Kok /Martin Webber /Jermo van Nes (Beiträge zum Verstehen der Bibel/Contributions to Understanding the Bible 38), Wien: LIT 2020, 153–177. 29   Grosheide, F.W., Het heilig Evangelie volgens Mattheus (Kommentaar op het Nieuwe Testament 1), Amsterdam: Bottenburg 1922; Ders., De brief aan de Hebreen en de brief van Jakobus (Bd. 12), 1927; Ders., De eerste brief van den Apostel Paulus aan de Kerk te Korinthe 23

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lang war, und verschiedene Kommentare in der sog. Korte Verklaring van de heilige Schrift. 30 Er war auch intensiv an der neuen niederländischen Bibelübersetzung von NBG-51 beteiligt. 31 Im Auftrag der Vrije Universiteit war Grosheide in alle möglichen kirchlichen und praktisch-theologischen Fragen involviert. Die sogenannte „kwestie Geelkerken“ (1926) – im popu­ lären Bereich oft vereinfacht auf die Frage, ob die Schlange im Paradies wahrnehmbar („zintuiglijk waarneembaar“) gesprochen hat – ist in den Niederlanden noch immer ein Begriff. 32 Grosheide war auch eng in die Evangelisation involviert. 33 G rosheide emeritierte am 1. Januar 1953. Er starb neunzehn Jahre spä­ ter, am 5. März 1972, 90 Jahre alt. Die letzten Jahre seines Lebens (ab 1965) war er wegen Demenz nicht mehr erreichbar.

C. Grosheide und Kittel: Die Anfänge Grosheide und Kittel trafen sich 1922 zum ersten Mal auf einem Kongress zur Bibelrevision in Stuttgart (Nr. 1, K 134). Grosheide war seit einem Jahr Mitglied des Hauptvorstandes der niederländischen Bibelgesellschaft („Nederlands Bijbelgenootschap“), als Nachfolger des berühmten reformier­ ten Theologen Herman Bavinck (1854–1921), der kurz zuvor gestorben war. Nicht lange nach dem Kongress schrieb Kittel einen Brief an seinen nie­ derländischen Kollegen, in dem er um finanzielle Unterstützung für eine (Bd. 7), 1932; Ders., De tweede brief van den Apostel Paulus aan de Kerk te Korinthe (Bd. 8), 1939; Ders., De Handelingen der Apostelen, 2 Bde. (Bd. 5/1–2), 1942–1948; Ders., Het heilig Evangelie volgens Johannes, Bd. I, Hoofdstukken 1–7 (Bd. 4/1), 1950; Ders., Het heilig Evangelie volgens Johannes, Bd. II, Hoofdstukken 8–21 (Bd. 4/2), 1950 (Nachdruck der ganze Reihe: Utrecht: J. Wristers, 1983); Ders., De brief van Paulus aan de Efeziërs (Commentaar op het Nieuwe Testament, 2. Reihe; Kampen: Kok 1960). 30   Grosheide, F.W., Hebreeën. Opnieuw uit de grondtekst vertaald en verklaard (Korte Verklaring der Heilige Schrift), Kampen: Kok 1922; Ders., 1 Korinthe, 1933, 2. Aufl. 1954; Jakobus, 1935, 2. Aufl. 1950; Ders., 2 Korinthe, 1939, 2. Aufl. 1955; Ders., De Handelingen der Apostelen, 2 Bde. 1950, 3. Aufl. 1962–1963 (Neudruck der ganzen Reihe in 13 Bde, o.J.). 31  S. HDC, Grosheide-Archiv, Inv. 111, No. 353–360 (Nederlands Bijbelgenootschap). Dazu Harinck, George, „Het zou mij gewenschter voorkomen, die poging nog niet te wagen“. Greijdanus en de voorgeschiedenis van de Nieuwe Vertaling van 1951, in: George Harinck (Hg.), Leven en werk van prof. dr. Seakle Greijdanus (AD Chartasreeks 3), Barneveld: De Vuurbaak 1998, 119–146. 32  Dazu Harinck, George (Hg.), De kwestie-Geelkerken. Een terugblik na 75 jaar (AD Chartas reeks 5), Groningen: Vuurbaak 200l; Aalders, Maarten, Heeft de slang gesproken? Het strijdbare leven van dr. J.G. Geelkerken (1879–1960), Amsterdam: Bert Bakker 2013; HDC, Grosheide-Archiv, Inv. 111, No. 322–328 (Kwestie Geelkerken, 1920–1933). 33  S. de Jager, Missionair bewogen en maatschappelijk betrokken, 11–14. Kittel umschreibt Grosheide in Nr. 15, K 146 als jemand „der an den evangelisatorischen Fragen tatkräftigen Anteil nimmt.“

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Veröffentlichung für einen Freund von ihm, Johannes Kühn, bat. Es war der erste Brief, der eine Korrespondenz von mehr als 25 Jahren begann. Darin bat Kittel Grosheide (30. September 1922) ihn mit potenziellen Sponsoren in den Niederlanden in Kontakt zu bringen, die die Veröffentlichung finan­ ziell unterstützen könnten. Kühn war ein deutscher Historiker der ein Buch über Toleranz und Offenbarung im sogenannten „offenbarungsgläubigen Protestantismus“ in Deutschland, Niederlande und England geschrieben hat­ te und es jetzt veröffentlichen wollte.34 (Kittels Antrag erwies sich übrigens als erfolgreich – durch Grosheide erhielt er 10 Gulden, Nr. 3, K 136). K ittel appellierte dabei an ihr gegenseitiges Engagement für eine „positive, offenbarungsgläubige Theologie“, eine Bindung an das Wort Gottes, und er glaubte, nicht zu Unrecht, in Grosheide einen zuverläs­ sigen Partner gefunden zu haben. Die Freie Universität war 1880 von Abraham Kuyper als Alternative zur damaligen liberalen Theologie ge­ gründet worden.35 Grosheide selbst hat ständig die Bedeutung eines theo­ logischen, „Bibelfrommen“ Prinzips („beginsel“) für die Ausübung der Bibelwissenschaft und Theologie betont. Auch dies ist in der Korrespondenz ein wiederkehrendes Thema. Beide Theologen waren davon überzeugt, dass sie sich in einem Weltanschauungskampf befanden. Und sie glaubten, dass eine „gläubige“ Lektüre der Bibel notwendig sei um die Schriften wirk­ lich verstehen zu können (Kittel spricht in den Briefen manchmal von der „Tiefe“ der Schrift).36 Die erste geplante Reise von Kittel nach Niederlande fand im Frühjahr (März oder April) 1924 statt, als Grosheide seinen Kollegen einlud in Amsterdam und Utrecht akademische Vorträge zu halten (Nr. 8–9, K 141– 142).37 Auch Frau Elisabeth Kittel wurde eingeladen (vgl. Nr. 11, K 144) und begleitete ihn auf der Reise. A ls Generations- und Fachgenossen teilten Grosheide und Kittel man­ che gemeinsamen Interessen, nicht nur an Bibelwissenschaft, Theologie und Bibelübersetzung, sondern auch an kirchlichen, praktisch-theologischen, politischen und gesellschaftlichen Fragen. Alle diese Themen kommen in der Korrespondenz vor. Im Laufe der Zeit wurden die Beziehungen zwischen 34   Kühn, Johannes, Toleranz und Offenbarung: Eine Untersuchung der Motive und Motivformen der Toleranz im offenbarunggläubigen Protestantismus. Zugleich ein Versuch zur neueren Religion- und Geistesgeschichte, Leipzig: Felix Meiner 1923. 35  S. Aalders, 125 jaar Faculteit der Godgeleerdheid. 36   Z.B. „die NTliche Theologie führt einen in die Tiefe der Schrift“ (Nr. 6, K 139); vgl. Nr. 18, K 151, „[W]ir müssen Gott bitten, dass er uns nun auch eine Schriftauslegung schenkt, die sich vom Geist Gottes in die Tiefe des Schrift-Inhaltes führen lässt!“ (Kritik auf Zahn, auch Nr. 17, K 150); er lobt Dalmans „stillen, tiefen, feinen Tiefe der Schriftauslegung“ (Nr. 18, K 151) (Kursiv unterstrichen im Original). 37   Zwei Jahre später veröffentlicht als Kittel, Gerhard, Die Probleme des palästinischen Spätjudentums und das Urchristentum (Beiträge zur Wissenschaft vom Alten und Neuen Testament 37), Stuttgart: Kohlhammer 1926.

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den beiden Kollegen enger und es entwickelten sich auch freundschaftliche Beziehungen zwischen den beiden Familien, einschließlich gegenseitiger Besuche im Laufe der Jahre.

D. Zur Korrespondenz Der Briefwechsel umfasst 55 Schreiben Kittels und elf Schreiben seiner Frau Elisabeth geb. Rohde (1886–1972), überwiegend vier- bis sechsseitige handgeschriebene Briefe (nur einige Maschineschreiben), einige Postkarten sowie Bücher- und Geschenksendungen, meistens um Weihnachten und Neujahr. Auch die Schreiben von Elisabeth Kittel enthalten Aussagen, die sich auf die Arbeit Kittels beziehen. Die Korrespondenz erstreckte sich über die Zeit vom 30. September 1922 (Greifswald) bis zum 4. September 1944 (Tübingen). Im Jahr 1946 muss Kittel seinem niederländischen Kollegen noch seine Schrift „Meine Verteidigung“ zugesendet haben. Am 6. Juli 1955 hat Elisabeth Kittel noch einmal an Grosheide, dessen Frau fünf Jahre zuvor verstorben war, geschrieben mit der Frage, ob ein Besuch auf ihrer Rückreise von England, wo sie mit einer Gruppe schwäbischer Philologen einen Kongress besucht hatte, ihm und seinen Töchtern angenehm wäre. Ob es tatsächlich zu einem Treffen gekommen ist, muss offen bleiben. Bis heute ist nicht sicher ob die Schreiben Grosheides an Kittel (oder auch Schreiben seiner Frau Ottoline an Elisabeth Kittel) erhalten geblieben sind. Wir sind daher auf die Informationen angewiesen, die wir aus Kittels Briefen extrahieren können. Daraus lässt sich schließen, dass Grosheide die Briefe im Allgemeinen sehr pünktlich beantwortete, jedenfalls nicht unbe­ antwortet ließ und auch auf eigene Initiative schrieb.38 Grosheide hat seinen ersten Brief vermutlich auf Deutsch geschrieben (vgl. Nr. 2, K 135). Leider wissen wir aufgrund des Fehlens von Grosheides Briefen nicht, ob er seine weitere Korrespondenz auf Vorschlag von Kittel auf Niederländisch verfasst hat – Kittel behauptete jedenfalls, Niederländisch lesen zu können: „[I]ch verstehe das gedruckte und geschriebene holländische Wort ganz gut – nur in der Unterhaltung bei dem gesprochenen Wort kann ich nicht so gut fol­ gen“ (Nr. 2, K 135). In seinen Arbeiten zitierte er auch gelegentlich nieder­ ländische Quellen Zu den Kriterien und die Rekonstruktion der Korrespondenz verweise ich auf die Erörterungen in der Einleitung zur Korrespondenz.39

38   S.u. Anhang 2 zum Briefwechsel, Rekonstruktion der Briefe Grosheides, in diesem Band (VII. Die Kittel-Grosheide Korrespondenz). 39  Dazu auch Plachta, Bodo, Editionswissenschaft. Eine Einführung in Methode und Praxis der Edition neuerer Texte, Stuttgart: Reclam, 32013.

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E. Wichtige Themen 1. Akademischer Austausch Kittel und Grosheide teilten ein gemeinsames Interesse an philologischen Fragen und an Fragen der Bibelübersetzung. Grosheide hatte bereits 1912 die kurze Grammatik („Short Grammar“) des Amerikanischen Gelehrten Archibald Thomas Robertson (1863–1934) ins Niederländische übersetzt,40 hatte einiges zur Bibelübersetzung veröffentlicht41 und war seit 1921, wie ge­ sagt, Mitglied des Hauptvorstandes der niederländischen Bibelgesellschaft. Von 1939 bis 1952 war Grosheide Vorsitzender der NBG und mitverantwort­ lich für die sogenannte „Nieuwe Vertaling“ (1951, Neues Testament 1939).42 In den Briefen liefert Kittel persönliche und informelle Hintergrund­ information zu wichtigen Theologen und Neutestamentlern wie zum Beispiel Julius Kögel,43 Gustav Dalman,44 Adolf Schlatter,45 Karl Girgensohn,46 Ned Stonehouse,47 und vielen andere. 2. Zum Theologischen Wörterbuch Es gibt manche Verweisungen nach dem Theologischen Wörterbuch in der Korrespondenz. Nach Nr. 35, K 167 (22. September 1929) meinte Kittel da­ 40   Grosheide, F.W., Prof. Dr. A.T. Robertsons Beknopte grammatica op het Grieksche Nieuwe Testament. Voor Nederland vrij bewerkt. Met voorbericht van J. Woltjer, Kampen: Kok 1912. Robertson, A.T., A Short Grammar of the Greek New Testament. For Students Familiar with the Elements of Greek, New York: A.C. Armstrong 1908. Ders., A Grammar of the Greek New Testament in the Light of Historical Research, 2 Bde., New York: Hodder & Stoughton, 1914. Eine deutsche Übersetzung der Short Grammar wurde 1911 veröffentlicht. 41   Grosheide, F.W., Van wie moet een nieuwe vertaling van den Bijbel uitgaan?, in: Stemmen des tijds 2 (1913), 1286–1297; idem, Bijbelvertalen, Amsterdam: Bottenburg 1916. 42  S. Rutgers, H.C., F.W. Grosheide en het Nederlands Bijbelgenootschap, in: Arcana Revelata. Een bundel nieuw-testamentische studiën aangeboden aan Prof. Dr. F.W. Grosheide ter gelegenheid van zijn zeventigste verjaardag ( Kampen: Kok 1951), 171–178; van Capelleveen, Jan J., Het Woord gaat zijn weg. Een geschiedenis van bijbelvertalen en van de invloed van bij­ belvertalingen op de samenleving, Haarlem: Nederlands Bijbelgenootschap; Beernem: Vlaams Bijbelgenootschap 1996, 226–229. N.b. 247–248: 1942 wurde die NBG von den Deutschen ge­ schlossen, aber bald wieder geöffnet, dank der Vermittlung von Grosheide: „De voorzitter van het bijbelgenootschap, prof. Grosheide, kreeg te horen dat ook alle plaatselijke afdelingen [van het NBG] opgeheven moesten worden. Hij legde echter uit, dat het hoofdbestuur geen macht had over die afdelingen, omdat ze onafhankelijke, zelfstandige organisaties vormden; als de Duitsers ook die wilden opheffen zouden ze de meer dan 500 afdelingen ieder voor zich moeten opheffen“ (248). 43   Nr. 7, K 140; Nr. 13, K 145; Nr. 18, 151; Nr. 35, K 166. 44   Nr. 8, K 141; Nr. 17, K 150; Nr. 18, 151; Nr. 20, 153; Nr. 23, K 155; Nr. 24, K 156. 45   Nr. 28, K 160; Nr. 35, K 167; Nr. 41, K 174. 46   Nr. 25, K 157. 47   Nr. 34, K 166.

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mals noch das ganze Projekt – anfänglich als eine Revision von Cremers berühmtem Lexikon vorgesehen – könnte in den nächsten fünf Jahren fertig gestellt werden. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass das ganze Projekt erst 1979 vollendet wurde. G rosheide selbst hat keine Artikel für das Wörterbuch geschrieben. Er und später sein Kollege Pieter Boendermaker (Evang.-Luth. Seminarium an der Gemeente Universiteit Amsterdam, heute: Universiteit van Amsterdam) waren jedoch als Berater (und Boendermaker als Korrektor) an dem Projekt beteiligt.48 Grosheide wird in der Einleitung zum ersten Band (Neujahr 1932/Juli 1933 veröffentlicht) explizit als einer derjenigen erwähnt, die man­ nigfaltigen Literaturhinweise vorgeschlagen hatten49 und dies wird gelegent­ lich in der Korrespondenz bestätigt.50 Im Vorwort zum fünften Band (13. März 1954), als das Projekt von Gerhard Friedrich fortgesetzt wurde, fehlt Grosheide jedoch unter den Namen der Korrektoren und der „sonst kaum in Erscheinung tretenden Mitarbeiter“ (IV).51 Die einzigen niederländischen Beiträge zum ThWNT stammen von Marinus de Jonge (Leiden) und Adam van der Woude (Groningen), erst im 9. Band aus dem Jahre 1973.52 Zwei Jahre nach Kittels Tod veröffentlichte Grosheide eine kurze Rezension der ersten vier Bände des Wörterbuches, die zu einer Zeit verfasst wurde, als Grosheide noch nicht wusste, wer das Projekt fortsetzen würde.53 Er schrieb darin:

48   Zu Pieter Boendermaker (Amsterdam 8.8.1893 – Loosdrecht 14.12.1977), s. Fafié, T.A., Biografisch Lexicon voor de geschiedenis van het Nederlands Protestantisme 5 (2001), 71–73: „Tijdens de oorlogsjaren 1940–1945 zette B. zich tot het maken van een tekstregister op G. Kittels Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament. Aan het zesde tot en met het negende deel (p t/m w (sic); 1959–1973) werkte hij mee als corrector; hij vulde de rest van deze delen aan met verwijsplaatsen“ (kursiv im Original). 49   Kittel, Gerhard, Vorwort, in: ThWNT 1 (1932/33), VII. 50   Z.B. Kittel an Grosheide (Nr. 39, K 170), 2.5.1930; (Nr. 40, K 171) 7.6.1930; (Nr. 41, K 174) 10.9.1930 (in diesem Brief die Bitte die Notizen einseitig zu beschreiben), 8.8.1931 (Nr. 46, K 177). S. weiter Bormann, Lukas, Das Theologische Wörterbuch zum Neuen Testament im 21. Jahrhundert. Überlegungen zu seiner Geschichte und heutigen Benutzung, Sonderdruck Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, hg. Gerhard Kittel und Gerhard Friedrich, unveränderter Nachdruck der 1. Aufl. Stuttgart 1933 erweitert um eine Einleitung von Lukas Bormann, S. V–XXII, Darmstadt: wbg Academic 2019, XII–XVII. 51   Friedrich, Gerhard, Vorwort, in: ThWNT 5 (1954), IV. 52   de Jonge, Marinus und van der Woude, Adam S. sind verantwortlich für Teil „C. Messianische Vorstellungen im Spätjudentum“ des Artikels χρίω, χριστός, ἀντίχριστος, χρῖσμα, χριστιανός, ThWNT 9, 482–576 (mit W. Grundmann und F. Hesse). Van der Woude schrieb I. Terminologisches, II. Septuaginta (500–502), IV. Qumran (508–511), und VI. Rabbinisches Schrifttum (512–518); De Jonge III. Apokryphen und Pseudepigraphen (502–508), und V. Philo und Josephus (511–512). 53   Grosheide, F.W., Rezension zu: Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, hg. v. Gerhard Kittel, in: The Bible Translator 1 (1950), 38–39.

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Until November 1942 the following instalments came quite regularly. On that date the fourth volume as far as the letter Ν was complete. But then came the difficulties. At first there was no longer printed what the Swiss scholars sent and finally the entire work was stopped.54

Über Kittel schrieb er lobend: Gerhard Kittel, who had been an excellent leader for this work and who had also written splendid articles, died in 1948, sixty years old. Whether someone was appointed as his successor is not yet known, but the work goes on again.55

Es findet sich also kein Hinweis auf Kittels problematische Position zur Judenfrage oder auf den beabsichtigten aber abgebrochenen Prozess, obwohl Grosheide da­von wusste (s.u.).56 3. Zum alltäglichen Leben, persönliches In den Briefen sind auch viele persönliche Mitteilungen enthalten, meis­ tens von der Seite Elisabeth Kittels. Die beide Gattinnen korrespondierten auch miteinander. Insgesamt haben wir 15 Briefe von Elisabeth Kittel,57 von denen vier exklusiv an Frau Grosheide adressiert 58 und einen (der letzte Brief) an Herrn Grosheide.59 Die beiden Kollegen und die beiden Familien besuchten einander gelegentlich. Die älteste Tochter der Familie Grosheide, Jo Grosheide, die damals Germanistik („Germaanse taal en letterkunde“) an der Universität von Amsterdam studierte, besuchte zum Beispiel die Familie Kittel im Jahr 1930 (Nr. 174, K 174). Elsbeth Kittel, die Tochter Kittels, be­ suchte die Familie Grosheide im Jahr 1936 (Nr. 56, K 187) und Jo Grosheide

  Grosheide, Rezension, 39.   Grosheide, Rezension, 39. 56   Zum Thema Antijudaismus/Antisemitismus im ThWNT im Allgemeinen, s. Müller, Karlheinz, Das Judentum in der religionsgeschichtlichen Arbeit am Neuen Testament. Eine kri­ tische Rückschau auf die Entwicklung einer Methodik bis zu den Qumranfunden (Judentum und Umwelt 6), Frankfurt am Main: Peter Lang 1983, bes. S. 79–91; Vos, Johan S., Antijudaismus/ Antisemitismus im Theologischen Wörterbuch zum Neuen Testament, in: Nederlands Theologisch Tijdschrift 38 (1984), 89–110; Casey, Maurice, Some Anti-Semitic Assumptions in the Theological Dictionary of the New Testament, in: Novum Testamentum 41 (1999), 280–291; Nicklas, Tobias, Vom Umgang mit biblischen Texten in antisemitischen Kontexten, in: Hervormde teologiese Studies/Theological Studies 64 (2008), 1895–1921 (bes. 1909–1914); Leutzsch, Martin, Wissenschaftliche Selbstvergötzung des Christentums. Antijudaismus und Antisemitismus im „Theologischen Wörterbuch zum Neuen Testament,“ in: Gailus/Vollnhals, Christlicher Antisemitismus, 101–118. 57   Nr. 10, K 143; Nr. 14, K 148; Nr. 16, K 147; Nr. 19, 152; Nr. 22, K 149; Nr. 26, K 158; Nr. 30, K 162; Nr. 32, K 164; Nr. 36, K 167; Nr. 38, K 169; Nr. 42, K 172; Nr. 50, K 181; Nr. 59, K 190; Nr. 61, K 192; Nr. 66, K 197. 58   Nr. 10, K 143; Nr. 16, K 147; Nr. 19, K 152; Nr. 36, K 167. 59   Nr. 66, K 197. 54 55

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besuchte die Kittels mehrmals.60 Sohn Henk sparte Briefmarken und tausch­ te sie aus mit einem Kollegen von Kittel, dem Greifswalder Theologen Kurt Deissner (Nr. 14, K 148). Eine humoristische Episode finden wir in Nr. 13, K 145. Kittel berichtet Grosheide darin mit Stolz, dass seine Kinder bei der Rückkehr der beiden Eltern von einer Reise durch Deutschland Psalm 103 von außen gelernt und gesungen hatten. Im folgenden Brief aber meldet er, dass seine Kinder nach dem Besuch bei den Grosheides ein weniger geistliches Lied gesungen ha­ ben, nämlich „das Lied vom Hasen,“ ein sehr bekanntes niederländisches Kinderlied („In een groen, groen, groen, groen knollen-, knollenland…“, Nr. 15, K 146). Wenn man will, sieht man hier die ersten Anzeichen eines säkularisierenden Einflusses aus Amsterdam… Die Beziehungen waren jedenfalls eng. Ab 1924 schickte die Familie Grosheide jedes Jahr ein Weihnachtsgeschenk an die Familie Kittel, in der Regel in Form von typisch holländischen Süßwaren und Büchern über Städte und Architektur in den Niederlanden. Dies dauerte – fast ununterbrochen – bis 1938.61 Danach gab es noch einige Buchsendungen, u.a. Grosheides Kommentar zum 2. Korintherbrief (Nr. 60, K 191), und seine Dies-Rede des Jahres 1941 (Nr. 63, K 194), aber der Austausch scheint während der Kriegsjahre weniger häufig gewesen zu sein. Ich komme darauf noch zu­ rück. 4. Politisches In den Briefen klagt Kittel regelmäßig über die chaotische politische und wirtschaftliche Situation, in der sich Deutschland in den zwanziger und dreißiger Jahren befand. Am 14. Dezember 1922 schreibt er, dass es in Sachsen besonders böse ist, „weil dort eine sozialistische Landtagsmehrheit die Kirche scharf bekämpft“ (Nr. 3, K 136), am 31. August 1923: „wir halten es nicht für unwahrscheinlich, dass schliesslich der Bolschewismus über unser deutsches Vaterland hereinbricht“ (Nr. 7, K 140). Er referiert an der   Hans Grosheide sagt dazu: “[M]ijn zuster Jo was bevriend met Elsbeth K. Zij is voor de oorlog herhaaldelijk bij de familie in Duitsland geweest. Voor zover ik weet zijn die contacten na de oorlog niet voortgezet, in tegenstelling tot die met een andere Duitse vriendin, die in de oorlog tot de kerkelijke tegenstanders van Hitler behoorde.” (Email Grosheide vom 5.10.2021) 61   1924 (Nr. 22, K 149 „ein wunderschönes süßes Paket… Borstplaats und… Beschuit“); 1925 (Nr. 26, K 158 Buch über Amsterdam); 1926 (Nr. 28, K 160 Buch über ‘s Gravenhage); 1927 (Nr. 32, K 164 „ein solch verdächtiges rotes Buch“ über Holland); 1928 (Nr. 34, K 166 „wieder ein Buch mit holländischen Bilder“); 1929 (Nr. 37, K 168 „das feine Buch über die holländischen Kirchen“) (Kursiv unterstrichen im Original); 1930 (Nr. 42, K 172 „ein schö­ nes Paket aus Holland mit gutem Tee… Borstplaats, holländische Zigarren“); 1932 (Nr. 47, K 178 „ein herrliches Werk… über die holländischen Turmgebäude“); 1933 (Nr. 53, K 184 „das wunderschöne Hollandbuch“); 1935 (Nr. 55, K 186 ein Buch über die großen holländischen Meister); 1938 (Nr. 59, K 190 ein Kalender). 60

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Reichstagswahl am 24. Mai 1924 und meint „Es ist gut, dass die ,Völkischen‘ nur einen geringen Erfolg gehabt haben“ (Nr. 15, K 146). Einige Jahre später, am 3. Juli 1931, spricht er nochmals seine Sorge über die politische Lage aus, „denn wir wissen nicht, ob wir nicht in einiger Zeit Revolution haben werden“ (Nr. 45, K 176). Und vier Wochen später (am 8.8.1931): „Morgen ist die grosse Abstimmung über den preussischen Landtag. Man ist sehr gespannt, wie sie gehen wird. Der Gegensatz zwischen der sozialistischultramontanen Regierung und der Opposition ist ungeheuer scharf. Die Auswirkung auf die gesamte Politik wird nicht fehlen, sei es nach der eine­n , sei es nach der anderen Seite“ (Nr. 46, K 177). Am 11. Juni 1932 zur politische Lage in den Niederlanden: „Im Grunde ist doch | wohl das, wor­ unter auch Ihr Land leidet, die Auswirkung des Versailler Wahnsinns“ (Nr. 48, K 179). Und (am 2.10.1932): Wir hoffen sehr, dass es unserer energischen Regierung gelingt, mit dem ArbeitslosenProblem mehr fertig zu werden als ihre Vorgänger, und zugleich die Ruhe im Innern zu bewahren. Die Wahlen am 6. November werden wahrscheinlich zum ersten Mal einen grossen Rückgang der Nationalsozialisten bringen, die sich durch ihre Torheiten seit dem 13. August alle Sympathien verscherzt haben (Nr. 49, K 180).

Am 1. Mai 1933 trat Kittel der NSDAP bei, hielt seinen Vortrag Zur Judenfrage und sandte Grosheide ein Begleitschreiben als er ihm die erste Auflage zusandte (Nr. 52, K 183, 31.8.1933) und erklärte darin: „deshalb be­ kämpfe ich politisch das Judentum.“ K ittel war ziemlich konsistent in seinen Erwägungen. Er deutete dies al­ les vom Anfang an theologisch. Er sagt „Es ist Gottes Weg, den wir gehen!“ (Nr. 2, K 135); „Gott allein weiss, wie die Wege sein werden, die wir zu gehen haben!“ (Nr. 3, K 136). Und er behauptet, es sei „vielleicht… eine Läuterungszeit, die schliesslich zum Segen wird.“ Und: „Gott ist unsere Zuversicht und Stärke… wir können nur im Glauben still an Seiner Hand gehen!“ (Nr. 7, K 140); „Gott weiss den Weg“ (Nr. 17, K 150). „(mein) Kraft und Gesundheit… steht in Gottes Hand“ (Nr. 40, K 171); und zur Revolution: „Aber auch dieses steht in Gottes Hand“ (Nr. 45, K 176). Eine solche theo­ logische Sicht der Geschichte muss von Grosheide mit großer Zustimmung aufgenommen und bestätigt worden sein (Grosheide hat offensichtlich von den Unruhen in Holland in den dreißiger Jahren berichtet, Nr. 48, K 179).62

62   Die Krisenjahre infolge der weltweiten Depression (Börsenkrach New York 1929) führ­ ten in den 1930er Jahren auch in den Niederlanden zu Aufständen und Unruhen. In nur wenigen Jahren stieg die Zahl der Arbeitslosen von etwa 150.000 im Jahr 1930 auf fast 600.000 im Jahr 1935.

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F. Zur Judenfrage Wenn man sich das Register der dreiteiligen Übersichtsarbeit über christliche Theologie nach Auschwitz von dem niederländischen (kontrovers rezipierten) Forscher Hans Jansen (1931–2019) ansieht, muss es auffallen, dass die Arbeit, die aus mehr als 1.650 Seiten besteht, nur zwei Verweise auf F.W. Grosheide enthält, und zwar zweimal als Vertreter der klassischen Interpretation von Matthäus 27,25 („Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!“), völlig unauffällig unter einer Vielzahl anderer Vertreter dieser Position.63 Dies ist insofern bemerkenswert, als die Arbeit von Jansen da­ mals in enger Zusammenarbeit mit Mitarbeitern der theologischen Fakultät der Vrije Universiteit, darunter Tjitze Baarda und Johan Vos, entstanden ist. Kann daraus geschlossen werden, dass Grosheide in den 80er Jahren noch nicht explizit mit Kittel und seiner antisemitischen Stellungnahme in Verbindung gebracht wurde? Oder gibt es eine andere Erklärung? Warum ist Grosheide damals nicht in den Blick genommen worden, obwohl man seine Stellung zur Judenfrage kennen konnte? Die Korrespondenz mit Kittel war damals natürlich noch nicht zugäng­ lich. Vielleicht kann die Korrespondenz des kürzlich eröffneten Archivs neues Licht auf diese Frage werfen. Die wichtigsten Briefe zu diesem Thema sind 12. Juni 1933 (Nr. 51, K 182) und 31. August 1933 (Nr. 52, K 183), und der Brief Grosheide 3. Juli 1933 (und seine Rezension, 2. Juli 1933). K ittel informierte Grosheide in einem Brief vom 12. Juni 1933, dass er ihm die Broschüre über „Die Judenfrage“ schicken werde. Grosheide ver­ öffentlichte seine Rezension am 2. Juli in De Heraut, also bereits etwa zwei Wochen nach Erhalt (!). Der Vollständigkeit halber wird hier die Rezension von Grosheide im Anhang gedruckt und mit einer Übersetzung versehen.64 Am nächsten Tag (3. Juli 1933) schrieb Grosheide an Kittel einen vermut­ lich kritischen Brief, in dem Grosheide offenbar „offen“ zur Judenfrage ge­ schrieben hat. Dazu sagte Kittel: „Er war mir von besonderem Wert und ich habe viel und oft über ihn nachgedacht.“ Kittel wiederholte seine Position und erklärte noch einiges, offenbar in Antwort auf Grosheides Brief. Kittel verspricht ihm auch den zweiten, erweiterten Druck zu schicken (Nr. 52, K 183). Für eine weitere Analyse verweise ich auf den Beitrag George Harincks zu diesem Thema.

  Jansen, Hans, Christelijke theologie na Auschwitz, Bd. 2/1: Nieuwtestamentische wor­ tels van het antisemitisme. A1 Diagnose en therapie in geschriften van joden en christenen, ’s Gravenhage: Boekencentrum 1981–1985, 84, 384. 64   Grosheide, F.W., Het Jodenvraagstuk in Duitschland [Die Judenfrage in Deutschland], De Heraut 2893, zondag 2 Juli 1933. S.u. Anhang Grosheides Rezension zu Kittels Judenfrage. 63

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G. Grosheide in den Kriegsjahren Der Briefwechsel zwischen den beiden Theologen war in den Kriegsjahren weniger intensiv. Zweifellos spielten dabei die Umstände eine Rolle. Ob es sich dabei um eine Reserve von Grosheide handelt, ist schwer zu sagen. Die Situation in den Niederlanden, insbesondere an der Vrije Universiteit, war bedrückend und angespannt.65 In den Anfangsjahren des Krieges suchte die Universität nach einem Weg, um mit der Besatzungssituation und den Anforderungen der Besatzer, keine jüdischen Studenten einzuschreiben und neue Studiengänge auf nationalsozialistischer Basis einzuführen, so lange wie möglich pragmatisch umzugehen. I ntern gab es Konflikte. Der damaligen VU-Historiker A.A. van Schelven hatte sich der faschistischen Nationalen Front angeschlossen, was einen internen Aufruhr auslöste und ihn zwang, seine Mitgliedschaft in der na­ tionalen Front zu kündigen; er wurde erst nach dem Krieg (in 1946) ent­ lassen.66 Abraham Kuypers Sohn Herman Huber Kuyper stand unter dem Verdacht pro-deutscher Sympathien. Er hatte eine anti-jüdische Haltung und meinte die Deutschen sollten – nach der Kapitulation der niederländischen Regierung am 10. Mai 1940 – als die rechtmäßige Obrigkeit betrachtet wer­ den.67 Nach seinem Tod (er starb am 29. Januar 1945) – und nach dem Krieg ist er sogar der „tatsächlichen Kollaboration“ („feitelijke colloboratie“) be­ schuldigt worden.68 A ndere VU-Professoren waren aber kritischer und waren oft aktiv am Widerstand beteiligt. Die Leitung der Universität wollte die Universität so lange wie möglich offenhalten und das akademische Leben fortsetzen. Das war aber nur teilweise erfolgreich. Im Sommer 1943 wurde die Universität geschlossen, aber viele Aktivitäten wurden heimlich fortgesetzt. Die Prüfungen wurden heimlich bei den Professoren zu Hause abgelegt. Für die Entwicklung der Universität nach dem Krieg wurden große Pläne ge­ macht, zum Beispiel der Auf bau einer medizinischen Fakultät (in 1950 rea­   Dazu Zondergeld, Geen duimbreed; Aalders, 125 jaar Faculteit der Godgeleerdheid, 188–210; Van Deursen, Hoeksteen in het verzuild bestel, 183–196; HDC, Grosheide-Archiv, Inv. 111, No. 280–289 (Vrije Universiteit en de Tweede Wereldoorlog). 66   Zu A.A. van Schelven (1880–1954): Roelink, Jan, Schelven, Aart Arnout van, in: Biografisch Lexicon voor de geschiedenis van het Nederlands Protestantisme 2 (1983), 387– 389; Bak, Peter, Aart Arnout van Schelven en het Nationaal Front, in: Radix 17 (1991), 80–99; Zondergeld, Geen duimbreed, 66–80.240–243. 67   Zu Van Schelven und Kuyper, s. Zondergeld, Geen duimbreed, 66–80 (Van Schelven), 240–244 (Van Schelven und Kuyper). 68   Zondergeld, Geen duimbreed, 244. Doede Nauta, der Rektor war in den Jahren 1942– 1943, ist auffällig neutral. Er sagt noch 1988, dass Kuyper „moeite had met het bepalen van de tegenover de bezettende macht in te nemen houding“ (Nauta, Kuyper, Herman Huber, 235). S. oben Anm. 5. 65

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lisiert).69 Und die Theologen – so muss ich leider sagen – hatten 1944 sogar die Zeit eine kirchliche Spaltung zu verursachen, „als ob es keinen Krieg oder Besetzung gab“ (Zondergeld) (die sog. „Vrijmaking“).70 G rosheides Position in den Kriegsjahren ist weniger profiliert. Seine poli­ tische Sicht auf das Judentum seiner Zeit machte ihn zunächst (in den drei­ ßiger Jahren) nicht antideutsch. Er hatte 1936 die Entscheidung der Synode abgelehnt, die Mitgliedschaft in der NSB („nationaal-socialistische bewe­ ging“) zu verbieten.71 In den Kriegsjahren war das Bild der Fakultät (und Grosheide insbesondere), wie der VU-Historiker Maarten Aalders gezeigt hat, „ziemlich vage.“ 72 Aber es gibt auch andere Hinweise. Grosheide hatte sich 1942 erfolg­ reich gegen die Schließung der niederländischen Bibelgesellschaft (NBG) gewehrt.73 Er hat erfolgreich versucht, seine Schüler vom Arbeitseinsatz zu befreien.74 Und als 1943 deutsche Soldaten seinen letzten Vortrag unterbra­ chen und in den Raum eindrangen, forderte er, dass er seinen Vortrag wie gewohnt erst mit Gebet beenden könne. Die Studenten wurden dann in die Halle gebracht und durchsucht.75 Nach diesem Vorfall wurde die Universität   Zondergeld, Geen duimbreed, 217–221.   Der ehemalige VU-Historiker Cornelis Augustijn sagt dazu: „1944–1945 trennten sich in der sogenannten Vrijmaking ca. 10% der Gläubigen unter der Leitung von Klaas Schilder ab, nach einem Konflikt, der nur Insidern verständliche Unterschiede in der Bundes- und Tauflehre betraf,“ Augustijn, Cornelis, Niederlande, in: Theologische Realenzyklopädie 24 (1994), 491. 71   Aalders, 125 jaar Godgeleerdheid, 194. 72   Aalders, 125 jaar Godgeleerdheid, 203: „het bestuurlijke beeld van hen is betrekkelijk vaag. Aalders en Grosheide hebben tot op het laatst hun medewerking aan De Heraut verleend, maar daarmee is niet gezegd dat ze het ook inhoudelijk met [H.H.] Kuyper eens waren.“ 73   Van Capelleveen, Het Woord gaat zijn weg, 247–248: „De voorzitter van het bijbelge­ nootschap, prof. Grosheide, kreeg te horen dat ook alle plaatselijke afdelingen [van het NBG] opgeheven moesten worden. Hij legde echter uit, dat het hoofdbestuur geen macht had over die afdelingen, omdat ze onafhankelijke, zelfstandige organisaties vormden; als de Duitsers ook die wilden opheffen zouden ze de meer dan 500 afdelingen ieder voor zich moeten opheffen“ (248). 74   Aalders, 125 jaar Godgeleerdheid, 106. 75   Zondergeld, Geen duimbreed, 137, beschreibt Grosheides letzter Vortrag bevor die Universität geschlossen wurde: „In het hoofdgebouw aan de Keizersgracht gaf prof. Grosheide college aan de derde- en vierdejaars theologen. Het college was net afgelopen en Grosheide wil­ de eindigen toen er twee figuren zonder kloppen binnen kwamen, gehuld in de bekende zwarte leren jassen en met gleufhoeden op. Eén vroeg: ‘Sind Sie alle Studenten?’ Waarop Grosheide zich als professor bekend maakte en toestemming vroeg om het college met een gebed te beëin­ digen, zoals het bij de VU gebruikelijk was. Dit werd toegestaan: de beide SD-ers verlieten zelfs even de zaal. Grosheide liet in zijn gebed, volgens het ooggetuigenverslag uit 1984 van ds. A.C. Mooy, dat opgetekend werd door Huug Teekens, alle zorg en vrees doorklinken die bij de aanwezigen leefde. Uit de collegezaal komend werden de studenten opgevangen in de hal, vol met geüniformeerde Grüne Polizei, die hen tegen de muur zette en fouilleerde. Eén student mocht weggaan omdat zijn vader bij de Wehrmacht werkte.“ Er erwähnt (138), dass in den Niederlanden rund 600 Studenten festgenommen wurden und dass schließlich 70 Studenten 69 70

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am nächsten Tag geschlossen. Grosheide setzte jedoch seinen Unterricht im Geheimen zu Hause fort.76 Es gibt aber auch Umstände, jedenfalls später, die verständlich machen warum Grosheide nicht so öffentlich protestierte und, soweit wir wis­ sen, nicht aktiv am Widerstand beteiligt war. Am 23. Oktober 1943 wur­ de Grosheides ältester Sohn, Henk (G.H.A. Grosheide), der damals Lektor an der Vrije Universiteit war und seit Mai 1942 „untergetaucht“ war, ver­ haftet und eingesperrt, weil er sich verweigert hat sich als ehemaliger Reserveoffizier als Kriegsgefangener bei den Behörden anzumelden. Er wurde in Polen in einem Kriegsgefangenenlager interniert und kehrte erst Juni 1945 nach Amsterdam zurück.77 Wie war es nun mit den Kontakten mit Kittel in dieser Zeit? Man kann hier nur Vermutungen aussprechen, weil wir nur einige Schreiben vom Seiten Kittels haben und keine von Seiten Grosheides. Wie gesagt, waren die Kontakte während des Krieges weniger intensiv. Im Juni 1939 hatte Grosheide Kittel seinen Kommentar zum 2. Korintherbrief gesendet (von Kittel mit einem Dankesbrief vom 22. Juni 1939 beantwortet, Nr. 60, K 191). Um Weihnachten 1939 hatte Kittel der Familie noch Weihnachtsgrüße ge­ schickt (Nr. 61, K 192, 19. Dezember 1939). Am 27. Juni 1940 (also sechs Wochen nach dem Anfang des Krieges in Holland) schrieb Kittel eine kurze Notiz, in der er sich nach der Situation der Familie Grosheide erkundigte (Nr. 62, K 193). Es ist nicht bekannt, ob dieser Brief beantwortet wurde. Auf jeden Fall schickte Grosheide anderthalb Jahre später seine Dies-Rede an Kittel (Nr. 63, K 194).78 Ein weiteres halbes Jahr später dankte Kittel Grosheide für einen Brief, in dem er offenbar über seine Arbeitsumstände ge­ schrieben hat und den Abschluss seines Kommentars zur Apostelgeschichte erwähnte (Nr. 64, K 195). Kittel antwortete Grosheide auf einen Brief vom 16. August 1944, worin er ihn über seine Umstände informierte (Nr. 65, K 196). Wir wissen nicht, ob danach noch Briefe geschrieben wurden. Was wir sicher wissen, ist, dass Kittel im Frühjahr 1946 seine Schrift Meine Verteidigung an Grosheide schicken ließ. Der letzte Brief ist, wie bereits erwähnt, ein Schreiben Elisabeth Kittels an Grosheide aus dem Jahre 1955 (Nr. 66, K 197, 6. Juli 1955). Wir wissen leider nicht ob das Besuch tat­ der VU (und etwa 250 der UvA) deportiert wurden. S. auch Aalders, 125 jaar Godgeleerdheid, 203–204. 76   Aalders, 125 jaar Godgeleerdheid, 205. 77   Zondergeld, Geen duimbreed, 130. 78   Grosheide, F.W., Existentieele exegese? Rede gehouden ter viering van den één en zestigs­ te verjaardag der Vrije Universiteit op 20 October 1941, Kampen: Kok 1941. Ausnahmsweise hielt Grosheide diese Rede anstelle des damaligen Rektors V.H. Rutgers. Zum Hintergrund die­ ser strategischen Maßnahme siehe Zondergeld, Geen duimbreed, 93.100. Vgl. auch: De Vrije Universiteit in oorlogstijd, Wageningen: Zomer & Keuning 1946, 15 (Rede V.H. Rutgers, 16. September 1942).

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sächlich stattgefunden hat. Hans Grosheide, der jüngste Sohn, der damals 25 Jahre alt war und das Elternhaus ein Jahr zuvor verlassen hat, vermutet jedenfalls dass sich die Kontakte nicht fortgesetzt haben.79

H. Grosheide und „Meine Verteidigung“ Nach dem Krieg – als Kittel verhaftet war und sich auf sein bevorstehendes Entnazifizierungsverfahren vorbereitete – sandte er Grosheide seine Schrift Meine Verteidigung.80 Grosheides Nachlass enthält auch die Anhänge, die Kittels Verteidigung unterstützen sollten (nicht in Morgensterns editio princeps der Verteidigung enthalten), einschließlich einer achtseitigen Zusammenfassung von Kittel selbst (in Maschinenschrift), in der etwa dreißig Personen zitiert werden, die Kittel entlasten sollten (meistens Gutachten), sowie Kopien von Aussagen über Kittel.81 Es handelt sich um Exzerpte aus einer Erklärung, die Kittel im Internierungslager in Balingen am 3. Dezember 1945 abgegeben hat. Diese Anhänge sind nicht nur für die Untersuchung von Kittel wichtig, sondern sie zeigen auch, dass Grosheide im Jahre 1946 über den Fall Kittel gut informiert war. Soweit wir wissen, hat Grosheide selbst kein Gutachten geschrieben. Es ist mir auch nicht be­   Email J.H. Grosheide vom 5.10.2021.   Kittel, Gerhard, Meine Verteidigung. Erste Niederschrift: Juni 1945; Neue erweiterte Niederschrift: November/Dezember 1946. 76 Seiten (Durchschlagpapier, rossig), aufgenommen in HDC, Grosheide-Archiv, Inv. 111, Nr. 330 (Stukken betreffende Gerhard Kittel, waaronder Meine Verteidigung, 1935–1946). S.o. Anm. 2 (Morgenstern/Segev, Kittels „Verteidigung“. 81   Kittel (Summarium), 8 Seiten (Titel: „Professor Kittel und die Judenfrage“), mit Gutachten und entlastende Erklärungen von (1) Martin Dibelius (Heidelberg Sommer 1945); (2) Josef Keil (Wien 26.11.1946); (3) Albrecht Alt (Leipzig 7.12.1946); (4) Joachim Jeremias (Göttingen 22.12.1946), mit Abschrift; (5) Dora Schlatter, die Tochter Adolf Schlatters (Tübingen Januar 1947), mit Abschrift; (6) Theophil Wurm (Stuttgart 24.4.1946), mit Abschrift; (7) Thomas Breit (9.1.1947); (8) Heinrich Liptak (Wien 7.12.1946; 15.12.1946), mit Abschrift; (9) Gerhard May (Wien 29.11.1946), mit Abschrift; (10) Fritz Gehring (Tübingen 22.9.1945); (11) Walter Rey (Tübingen 27.12.1946); (12) Graf Reventlow (o.D.); (13) Reinhold Graeter (13.9.1946); (14) Eugen Klett (nach Helmut Gesler, 4.10.1946); (15) Neues Tübinger Tagblatt (2.6.1933); (16) Hans Gutbrot (Württemberg 30.9.1946); (17) Helmut Gesler (4.10.1946); (18) Richard Jordan (Tübingen 5.12.1946); (19) Otto Bauernfeind (Tübingen 5.1.1947); (20) Fritz Majer-Leonhardt (Stuttgart 6.6.1945); (21) Elisabeth Ortner-Kallina (Wien 7.8.1945), mit Abschrift; (22) Annemarie Tugendhat (Tübingen 1.10.1945), mit Abschrift; (23) Karl Gutbrod (7.1.1945); (24) Pfarrer Honecker (Klingenstein 20.12.1946); (25) Julius Streicher (1934, kriti­ scher Besprechung GK); (26) Karl Prümm (Pullach bei München 6.12.1946), mit Abschrift; (27) Claus Schedl (Wien); (28) Hans Langer (Wien Dezember 1946); (29) Constantin Merentitis (Tübingen 26.12.1946, 3 Berichte); (30) Augustinus Bea (Rom 15.1.1947). Weiter im Archiv (nicht in der Zusammenfassung): (31) Rudolf Alexander Schröder (Bergen Obb. 22.2.1949); (32) Julius Schniewind (Halle 21.4.1947); (33) Wilhelm Dittmann (Berlin Lichtenrade 13.2.1947); (34) Johannes Betz (Tübingen 4.12.1946); (35) Josefa Eder, Witwe Hans Eder (22.12.1946). 79

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kannt, ob Kittel ihn dazu eingeladen hat. Noch in 1959 schrieb Grosheide ziemlich vage und verschleiert, dass Kittel nach dem Krieg „wegen seiner veränderten Haltung gegenüber dem Judentum, die von vielen missbilligt wurde (,die velen af keurden’), in Schwierigkeiten mit dem französischen Besatzer geriet.“82

I. Fazit Vieles wissen wir nicht, weil die Briefe Grosheides nicht mehr (oder noch nicht) vorhanden sind. Das Gesamtbild aber ist ziemlich klar. Als Johan Vos (damals wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Vrije Universiteit) 1983 eine Broschüre über Kittels Bild des Judentums schrieb – basierend auf dem Tübinger Manuskript von Meine Verteidigung (UAT 162/31) – erwähnte er die enge Freundschaft zwischen Grosheide und Kittel explizit.83 Das war damals bekannt und konnte auch ziemlich einfach aus der Literatur ent­ nommen werden. Grosheide nannte Kittel 1951 noch seinen guten Freund.84 Jetzt, da Kittels Briefe an Grosheide öffentlich sind, bekommen wir einen besseren Eindruck von der Tiefe dieser Freundschaft. Abgesehen von al­ lem anderen teilten sie eine theologische Sichtweise des Judentums, die, erstens, auf einer strengen („Bibelfrommen“, „positiven“ oder „offen­ barungsgläubigen“) Auffassung der Schrift, zweitens, auf einer antitheti­ schen Sicht auf das Verhältnis zwischen Judentum und Christentum und, drittens, auf einem antiliberalen und anti-revolutionären politisch inspirier­ ten Bild des Judentums ihrer Zeit beruhte. Grosheide war ein konsequenter Vertreter der sog. Substitutionslehre („vervangingstheologie“), auch nach dem Zweiten Weltkrieg.85 Seine theologischen Überzeugungen machten es ihm unmöglich, es anders zu sehen, seine (rechts-konservative) politische Anschauungen ebenso. Darin kommt er seinem Freund nahe, obwohl er fun­ damental anderer Ansicht war als Kittel, was die Position christlicher Juden anbetrifft. Der Fall Kittel-Grosheide macht jedenfalls deutlich, dass theo­ 82   Grosheide, F.W., Kittel II. Gerhard, in: F.W. Grosheide/G.P. van Itterzon (Hg.), Christelijke encyclopedie, tweede geheel herziene druk, Bd. 4, Kampen: Kok 1959, 260–261: „K[ittel] heeft veel studie gemaakt van het Jodendom; niet om het ras, maar om de religie van het Jodendom en zijn verhouding tot het Christendom (…) Na de oorlog kwam hij ook in verband met zijn veranderde houding tegenover het Jodendom, die velen afkeurden in moei­lijkheden met de Fr[anse] bezetting.“ 83   Vos, Johan S., Politiek en exegese: Gerhard Kittels beeld van het jodendom (Verkenning en bezinning 17.2), Kampen: Kok 1983, 5, 24 Anm. 19 („mijn goede vriend Gerhard Kittel“). 84   Vos, Politiek en exegese, 24 Anm. 19. 85   S. z.B. Grosheide, F.W., Lijnen in het Nieuwe Testament, in: Belijden en Beleven 5.42 (18.6.1948) (Van Klinken, Opvattingen, 416); Grosheide, Boekbespreking, in: Belijden en Beleven 9.6 (9.11.1951) (Van Klinken, Opvattingen, 512).

Kittel und Grosheide

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logische und bibelwissenschaftliche Überzeugungen niemals neutral sind, aber tief ins Leben (auch ins Leben des Anderen) eingreifen können… Und leider nicht immer zum Guten.

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Kittel und Grosheide

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ANHANG

Het Jodenvraagstuk in Duitschland (2.7.1933) (Grosheides Rezension zu Kittels Schrift „Die Judenfrage“) Wie leest, hoe het Duitschland van Hitler tegenover de Joden optreedt, heeft zich misschien wel eens de vraag gesteld, hoe staan de positieve Christenen tegenover deze dingen.1 Nu is het wellicht niet geheel billijk op die vraag op dit oogenblik een beslist antwoord te willen ontvangen. De omstandigheden daarvoor zijn im­ mers niet gunstig. Wanneer heel een volk door één idee bezield wordt, gelijk op dit oogenblik het Duitsche, dan grijpt dat allen aan en dan is het moeilijk om stil te staan en ernstig te overdenken, wat er geschiedt. Het kan ook om tactische redenen beter zijn, zijn kruit niet op het verkeerde oogenblik te verschieten. Toch is van positief Christelijke zijde het vraagstuk onder de oogen gezien. Dezer dagen verscheen van den ook in ons land wel bekenden hoogleeraar te Tübingen, Prof. Gerhard Kittel, een boekske getiteld Die Judenfrage. Prof. Kittel mag bijzonder bevoegd worden geacht om over deze dingen te schrij­ ven. Hij heeft veel met Joden omgegaan en heeft aan de bestudeering van de oud-Joodsche litteratuur een belangrijk deel van zijn leven gewijd. We meenen te weten, dat deze geleerde ook in Joodsche kringen gezag heeft en dat zijn woord ook daarin gaarne wordt gelezen. Het boek van Kittel is zeer merkwaardig. Er staan ook dingen in, die typisch Duitsch zijn en daarover spreken we hier niet. Andere bladzijden herinneren duidelijk aan wat Dr A. Kuyper reeds vele jaren geleden in zijn Liberalisten en Joden schreef, een geschrift, dat door de omstandigheden deze­r dagen opnieuw actueel is geworden en verdient weer gelezen te worden.2 De oplos­sing van Kittel is in hoofdzaak deze: de Joden beweren zelf, dat ze in balling­schap verkeeren, ze zijn gasten, welnu laat ze dan als gasten behandeld worden, met al de voor hen voordeelige en nadeelige gevolgen. Ook op dit punt, dat feitelijk van staatkundigen aard is, gaan we nu niet verder in. Prof. Kittel zelf voelt zeer goed, voor hoe groote moeilijkheden zijn gedachten hem plaatsen. Het is nu immers meer dan een eeuw anders geweest. 1   Grosheide, F.W., Het Jodenvraagstuk in Duitschland, in: De Heraut 2893, 2.7.1933. S. auch Grosheide, De Jodenchristenen, in: De Heraut 2924, 4.2.1934. 2   Kuyper, Abraham, Liberalisten en Joden. S.o. Anm. 8.

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Anhang

We wilden hier echter vooral wijzen op het slot, waar Prof. Kittel de vraag behandelt, hoe het staat met de Jodenchristenen. Prof. Kittel gelooft van harte, dat er voor Joden alleen zaligheid is in het bloed van den Heere Jezus Christus. Christus is de vervulling van het Jodendom. Terecht waarschuwt hij tegen het zoogenaamd Christen worden van vele Joden met allerlei bij­ bedoelingen en terecht spreekt hij van uiterlijk goddelooze overgangen. Maar nu komt er ook een punt van verschil en dat is, als ik wel zie, typee­ rend voor de Duitsche toestanden. Prof. Kittel redeneert aldus: een Jood, die gedoopt wordt, blijft Jood, hij is door zijn Christen worden geen Duitscher ge­ worden, maar Jodenchristen. Zoo vinden we het ook in het Nieuwe Testament, dat Christenen uit de Joden en uit de heidenen onderscheidt. Zoo is het ook nu nog op het Zendingsveld. Er is een Chineesch, een Indisch Christendom, dat geen copie kan zijn van het Westersche. Zoo moet er een Jodenchristelijke theo­ logie zijn. De Jodenchristen moet niet predikant of ouderling in een Duitsche gemeente willen zijn. Er moet een Jodenchristelijke kerk zijn, die echter in den vollen zin des woords Christelijke kerk is. De Jodenchristen is mijn broeder in Christus, zonder voorbehoud. En zoolang als er geen Jodenchristelijke kerk is, moet de jodenchristen lid zijn van de Duitsche kerk. En de Duitsche kerk mag nooit vergeten, dat de zaligheid uit de Joden is. Dit standpunt laat door zijn inwendige tegenstrijdigheid zien, dat het niet te handhaven is. Het is niet schriftuurlijk, want in de Handelingen der Apostelen lezen we juist van de vele moeilijkheden, die moesten worden overwonnen en die zijn overwonnen opdat er één kerk zou zijn van Christenen uit de Joden en uit de heidenen. En zoo is het in de Christelijke kerk gebleven tot op den dag van heden. Het is immers niet de vraag, of de Indiërs en de Chineezen met de hun van God geschonken gaven ook niet hun deel kunnen bijdragen tot de Christelijke theologie. Maar de heel andere vraag is, moet er scheiding in de kerk zijn. Tot dusver is die vraag overal zóó opgelost: schei­ ding is kerkelijk dan alleen geoorloofd, wanneer die noodzakelijk is, b.v. omdat er verschil van taal is. Maar verder heeft de kerk des Heeren altijd op eenheid aangedrongen en die ook in praktijk gebracht. Eigenlijk staat de vraag zóó, mag rassenverschil scheiding maken in de kerk. En dan antwoorden Schrift en historie: neen. Daarmee wordt het ras­ senverschil niet weggenomen. Maar daarmee wordt gezegd, dat er reeds hier in de kerk iets gezien kan worden van de heerlijke toekomst, waarin de ééne schare uit alle geslachten en volken en natiën zal juichen voor den troon van het Lam. Een heel ander punt is, of het rassenverschil in de staatkunde, in het burgerlijke leven invloed moet oefenen. Daarover spreken we hier niet. We herinneren er slechts aan, dat die kwestie waarlijk niet alleen bij het Jodenvraagstuk aan de orde komt. Men vindt het telkens weer, waar ver­ schillende rassen samenwonen, hetzij omdat ze dooreen zijn gevloeid, hetzij omdat het eene ras over het andere heerscht.

Het Jodenvraagstuk

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Maar dat in de kerk des Heeren het rassenverschil niet van beteekenis mag zijn, staat toch zeker wel vast. F.W.G. [Übersetzung] Wer liest, wie sich Hitlers Deutschland gegenüber den Juden verhält, hat vielleicht mal die Frage gestellt, wie positive Christen diese Dinge sehen. Jetzt ist es vielleicht nicht ganz fair, in diesem Moment eine eindeutige Antwort auf diese Frage erhalten zu wollen. Immerhin sind die Umstände dafür nicht günstig. Wenn eine ganze Nation von einer einzigen Idee beseelt wird, genau wie der Deutsche in diesem Moment, dann sind alle betroffen und dann es ist schwierig, stillzustehen und ernsthaft darüber nachzuden­ ken, was passiert. Es kann aus taktischen Gründen auch besser sein, sein Schießpulver nicht im falschen Moment abzufeuern. Trotzdem wurde das Thema von einer positiven christlichen Seite in Betracht genommen. In diesen Tagen erschien von dem auch in unserem Land bekannten Professor in Tübingen, Prof. Gerhard Kittel, ein Büchlein mit dem Titel Die Judenfrage. Prof. Kittel kann als besonders qualifiziert gelten, über diese Dinge zu schreiben. Er hat sich viel mit Juden beschäftigt und einen wichtigen Teil seines Lebens dem Studium der altjüdischen Literatur gewid­ met. Wir glauben zu wissen, dass dieser Gelehrte auch in jüdischen Kreisen Autorität besitzt und dass sein Wort auch dort gerne gelesen wird. Das Buch von Kittel ist sehr merkwürdig. Es enthält auch Dinge, die typisch deutsch sind, und darüber reden wir hier nicht. Andere Seiten erinnern deutlich an das, was Dr. A. Kuyper bereits vor vielen Jahren in seinen Liberalisten en Joden geschrieben hat, eine Schrift, die aufgrund der Umstände dieser Tage wieder aktuell geworden ist und es verdient, erneut gelesen zu werden.3 Die Lösung von Kittel lautet im Wesentlichen: Die Juden selbst behaupten, dass sie im Exil sind, sie sind Gäste, also lass sie dann als Gäste behandelt werden mit allen vor- und nachteiligen Folgen für sie. Auch in diesem Punkt, der eigentlich politischer Natur ist, werden wir jetzt nicht weiter gehen. Prof. Kittel weiß selber sehr wohl, wie sehr ihn seine Gedanken in Schwierigkeiten bringen. Immerhin war es jetzt mehr als ein Jahrhundert anders. Wir wollten hier jedoch vor allem auf den Abschluss hinweisen, worin Prof. Kittel der Frage nachgeht, wie es sich mit den Judenchristen verhält. Prof. Kittel glaubt herzlich, dass es für Juden nur im Blut des Herrn Jesus Christus Heil gibt. Christus ist die Erfüllung des Judentums. Zu Recht warnt er vor dem sogenannten Christentum vieler Juden mit allerlei Hintergedanken und spricht zu Recht von äußerlich gottlosen Übergängen.   Kuyper, Abraham, Liberalisten en Joden. S.o. Anm. 8.

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Anhang

Aber jetzt gibt es auch einen Unterschied, und das ist, wie ich sehe, typisch für die deutsche Situation. Prof. Kittel argumentiert so: Ein getaufter Jude bleibt ein Jude, durch seinen Christwerden ist er kein Deutscher ge­ worden, sondern Judenchrist. So finden wir es auch im Neuen Testament, das Christen von Juden und Heiden unterscheidet. Dies ist am Missionsfeld immer noch der Fall. Es gibt ein chinesisches, ein indisches Christentum, das keine Kopie des westlichen sein kann. So muss es also eine judenchrist­liche Theologie geben. Die Judenchristen sollten nicht Pfarrer oder Ältester in einer deutschen Gemeinde sein wollen. Es muss eine judenchristliche Kirche geben, die jedoch im wahrsten Sinne des Wortes eine christliche Kirche ist. Der Judenchrist ist ohne Vorbehalt mein Bruder in Christus. Und solange es keine judenchristliche Kirche gibt, müssen die Judenchristen Mitglieder der deutschen Kirche sein. Und die deutsche Kirche darf niemals vergessen, dass das Heil von den Juden kommt. Diese Position zeigt durch ihren inneren Widerspruch, dass sie nicht auf­ recht erhalten werden kann. Es ist nicht biblisch, denn in der Apostelgeschichte lesen wir genau die vielen Schwierigkeiten, die überwunden werden mussten und die überwunden wurden, damit es eine Kirche von Christen der Juden und der Heiden geben konnte. Und so ist es bis heute in der christlichen Kirche geblieben. Die Frage ist ja nicht, ob die Inder und die Chinesen mit den Gaben, die sie von Gott erhalten haben, auch zur christlichen Theologie beitragen können. Aber die ganz andere Frage ist, ob es in der Kirche eine Trennung geben darf. Bisher wurde diese Frage überall wie folgt gelöst: Trennung ist nur dann kirchlich erlaubt, wenn es notwendig ist, z.B. weil es einen Unterschied in der Sprache gibt. Ansonsten hat die Kirche des Herrn immer auf Einheit bestanden und sie auch in die Praxis umgesetzt. Tatsächlich stellt sich die Frage, ob rassische Unterschiede eine Trennung in der Kirche bewirken dürfen. Und dann antworten Schrift und Geschichte: Nein. Dies beseitigt nicht die Rassenunterschiede. Aber damit wird gesagt, dass schon hier in der Kirche etwas von der glorreichen Zukunft gesehen werden kann, in der die eine große Schar aus allen Generationen und Völker und Nationen vor dem Thron des Lammes jauchzen wird. Ein ganz anderer Punkt ist, ob die Rassenunterschiede in der Politik das zivile Leben beeinflussen sollten. Darüber reden wir hier nicht. Wir erinnern uns nur daran, dass dieses Thema wirklich nicht nur von der jüdischen Frage angesprochen wird. Man findet es immer wieder, wo verschiedene Rassen zusammenleben, entweder weil sie zusammengeflossen sind oder weil eine Rasse über die andere herrscht. Aber dass der Rassenunterschied in der Kirche des Herrn keine Bedeutung haben darf, ist wohl sicher. F.W.G.

III. Gerhard Kittel als Exeget und Theologe

„[S]o viel Verständnis für […] unser nationalsozialistisches Denken“ Gerhard Kittel und Hugo Odeberg Hannah Kreß A. Einleitung Das Verhältnis des schwedischen Neutestamentlers Hugo Odeberg (1898– 1973) und seines deutschen Kollegen Gerhard Kittel (1888–1948) war bisher nicht Gegenstand der Forschung,1 wenngleich beide auf Initiative Kittels 1   Hier ist auf die biographische Darstellung von Odebergs Nachfolger auf der Professur in Lund, Birger Gerhardsson, (Gerhardsson, Birger, Fridrichsen, Odeberg, Aulén, Nygren. Fyra teologer, Lund: Novapress 1994; hier: 85–135, bes. 94–97) hinzuweisen, die zwar ein besonderes Augenmerk auf Odebergs inhaltlich exegetische Arbeit legt, aber dennoch auf die Zusammenarbeit mit Kittel hinweist. Dabei erwähnt Gerhardsson Odebergs pro-nationalsozia­ listischen Überzeugungen sowie seine Teilnahme an der Lutherakademie in Sondershausen. Die Einbindung in weitere pro-nationalsozialistische Forschungszusammenschlüsse und die Bedeutung der Vermittlung Kittels wird jedoch nicht thematisiert. Darüber hinaus schildert Åmark die pro-nationalsozialistische Einstellung Odebergs, jedoch nur in Hinblick auf den schwedischen Kontext (vgl. Åmark, Klas, Att bo granne med ondskan. Sveriges förhållande till nazismen, Nazityskland och förintelsen, Stockholm: Albert Bonniers förlag 2011; hier: 336–339) und Oredsson weist im Rahmen seiner Darstellung der Universität Lund während des Zweiten Weltkriegs auf Odebergs Aufeinandertreffen mit Gerhard Kittel und dessen Bewunderung für ebenjenen hin, ohne nähere diesbezügliche Erläuterungen anzuschließen (vgl. Oredsson, Sverker, Lunds universitet under andra världskriget. Motsättningar, debatter och hjälpinsatser, Lund: Lunds universitetshistoriska sällskap 1996; hier: 116). Auf eine über das gemeinsame wissenschaftliche Interesse hinausgehende Beziehung zwischen Odeberg und Kittel verweist Bormann (vgl. Bormann, Lukas, Kittels wissenschaftliche Auslandsbeziehungen und die in­ ternationale Rezeption seiner Werke, in: Manfred Gailus/Clemens Vollnhals (Hg.): Christlicher Antisemitismus im 20. Jahrhundert. Der Tübinger Theologe und Judenforscher Gerhard Kittel, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2020; hier: 143f.). Weitere Beziehungen Odebergs zu Deutschland und dabei insbesondere nach Eisenach zur Arbeitsgemeinschaft „Germanentum und Christentum“ des „Institut[s] zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben“ und die Verbindung zu den dem Institut angehörigen Wissenschaftlern werden von Arnhold dargestellt (vgl. Arnhold, Oliver, Entjudung – Kirche im Abgrund. Die Thüringer Kirchenbewegung Deutsche Christen 1928–1939 und das „Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben“ 1939–1945, Bd. II, Berlin: Institut Kirche und Judentum 2010; hier: 618–649).

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an mehreren wissenschaftlichen Projekten gemeinsam arbeiteten und bei­ de Kenner der semitischen Sprachen und der Texte des antiken Judentums waren, deren Relevanz für das Verständnis des Neuen Testaments sie durch ihre Arbeiten aufzeigten. Kittel war in den zwanziger und dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts der wohl international am besten vernetzte neutestament­ liche Wissenschaftler und konnte diese Verbindungen zu ausländischen Kollegen auch während der Restriktionen durch das NS-Regime aufgrund seiner politischen Nähe zu diesem sowie der damit verbundenen Privilegien aufrecht­e rhalten. So war er nicht nur das erste deutsche Mitglied der inter­ national ausgerichteten Studiorum Novi Testamenti Societas (SNTS) und von Anfang an im vorläufigen Komitee der Gesellschaft, 2 sondern wusste auch neutestamentliche Wissenschaftler, zwar insbesondere aus Deutschland, aber auch aus anderen Ländern Europas für die Mitarbeit am Theologische[n] Wörterbuch zum Neuen Testament (ThWNT), das in seiner Verantwortung herausgegeben wurde, zu gewinnen. Darüber hinaus stand Kittel mit vielen, auch internationalen, Fachkollegen in brieflichem Austausch, wie sich an­ hand entsprechender Nachlässe nachweisen lässt.3 Da der Nachlass Kittels der Forschung unzugänglich ist, sind seine Verbindungen nur anhand seiner Briefe, die sich in den Nachlässen der Adressaten finden, zu rekonstruieren und ermangeln in den meisten Fällen den Antworten der jeweiligen Nachlassbildner. Dennoch sind ebendiese Nachlässe eine wichtige Quelle, um einerseits die Reichweite von Kittels Kontakten zu ermessen und um andererseits einen Einblick in die Inhalte der Korrespondenzen und die Qualität der Beziehungen zu gewinnen. Dieser Aufsatz soll auf Basis des Nachlasses von Odeberg, der darin enthaltenen Briefe Kittels,4 aber auch anderer Korrespondenzpartner unter deutschen Theologen und Nichttheologen 5 sowie weiterer Materialien, die Odebergs  Vgl. u.a. Boobyer an Odeberg vom Januar 1939; LUB [Lunds Universitets Bibliotek] Samling Odeberg, Hugo; B:812. Zur Rolle Kittels in der Gründungsphase der SNTS und bei der Auswahl der ersten deutschen Mitglieder: vgl. Bormann, Lukas, „Auch unter politischen Gesichtspunkten sehr sorgfältig ausgewählt“: Die ersten deutschen Mitglieder der Studiorum Novi Testamenti Societas (SNTS), in: New Testament Studies 58 (2012), 416–452. 3   Hier sei neben dem Nachlass Odebergs beispielhaft etwa auf den Nachlass von Frederik W. Grosheide (1881–1972), den Nachlass von Rudolf Bultmann (1884–1976) oder den Nachlass von Friedrich Baumgärtel (1888–1981) verwiesen, die alle zahlreiche Briefe von Kittel enthalten. 4   In Odebergs Nachlass, der in der Bibliothek der Universität Lund einzusehen ist, sind insge­ samt 15 Briefe/Briefkarten an Odeberg enthalten, von denen einer von Kittel gemeinsam mit sei­ ner Frau abgefasst wurde, sowie die Todesanzeige Kittels aus dem Jahr 1948 und eine Abschrift des ersten Briefs von Odeberg an Kittel aus dem August 1928. Der Nachlass wurde der Universität Lund nach Odebergs Tod übergeben, ob dieser im Vorhinein durch den Nachlassbildner geordnet wurde, ist nicht bekannt. Erweitert wurde der Nachlass im Jahr 2014 durch Odebergs Nachfolger in Lund, Birger Gerhardsson, sowie im Jahr 2018 durch Bengt und Håkan Odeberg. 5   Odebergs Nachlass enthält weiterhin Briefe von George H. Boobyer (1902–1999), Walter 2

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Verbindungen zu Deutschland zuzurechnen sind, das Verhältnis von Kittel und Odeberg nachzeichnen. Dabei wird einerseits deutlich werden, wie Kittel internationale Kon­takte knüpfte und diese pflegte, indem er seine Kollegen in seine wissen­schaftlichen Projekte einband; im Fall von Odeberg anfangs in die Herausgabe der „Rabbinischen Schriften“.6 Die Fruchtbarkeit dieser ersten Zusammenarbeit bedingte schließlich vielleicht Odebergs Beteiligung am ThWNT. Zu vermuten steht, dass Kittel und Odeberg im Lauf der Zeit erkann­ ten, dass sie neben wissenschaftlichen Gemeinsamkeiten auch ähnlichen politischen Überzeugungen anhingen, die dem gemeinsamen Verhältnis andererseits eine neue Dimension gaben. Auf Basis dieser gemeinsamen politischen Ansichten respektive Sympathien erhielt Odeberg vermittelt durch Kittel Zugang zu einem Kreis NS-regimetreuer Wissenschaftler, zu dem nicht nur wissenschaftliche Expertise, sondern insbesondere auch politische Einstellungen als Zugangsvoraussetzungen galten. An der Auswertung des Nachlasses Odebergs in Hinblick auf Kittel zeigt sich daher exemplarisch Kittels unangemessene Verschränkung von Politik und Wissenschaft, die zur Ausbildung eines Netzwerks pro-nationalsozia­ listischer Wissenschaftler führte, die sich auf je eigene Weise mit dem Judentum beschäftigten, und ihn in seiner Zeit erfolgreich sowie Odeberg zu einem wertvollen wissenschaftlichen Kontakt im Ausland machte.

B. Hugo Odeberg Hugo Odeberg und Gerhard Kittel wurden einander durch die Vermittlung Erzbischof Nathan Söderbloms7 bekannt, der Kittel auf der deutschbritische­n Theologenkonferenz auf der Wartburg im August 1928 von Ode­ bergs Arbeiten zum antiken Judentum berichtet hatte.8 Im gleichen Jahr war Odeberg Dozent für Exegese an der Universität in Uppsala geworden.9 Frank (1905–1945), Wolf Meyer-Erlach (1891–1982) sowie Carl Stange (1870–1959), die für den Aufsatz ebenfalls ausgewertet wurden. 6   Kittel, Gerhard/Rengstorf, K arl Heinrich (Hg.), Rabbinische Texte Reihe 1, Die Tosefta. Text, Übersetzung, Erklärung, Stuttgart: Kohlhammer 1933–1954. 7  Nathan Söderblom (1866–1931): Studium der Evangelischen Theologie in Uppsala, 1901 Promotion, 1901 Ruf auf eine Professur für Religionsgeschichte an der Universität Uppsala, seit 1912 zusätzlich Inhaber des ersten Lehrstuhls für Religionswissenschaft an der Universität Leipzig, 1914 Ernennung zum Erzbischof der Schwedischen Kirche, 1930 Friedensnobelpreis. Besonders durch Odebergs Doktorvater G.H. Box wurde Söderblom die wissenschaftliche Begabung seines Schülers nahegelegt, mit der Bitte diesen nach dessen Rückkehr aus London zu unterstützen (vgl. Gerhardsson, Fyra teologer, 92). 8  Vgl. Kittel an Odeberg vom 16.8.1928, LUB Samling Odeberg, Hugo; B:812. 9  Vgl. K ronholm, Tryggve, Art. Hugo Odeberg, in: Svenskt biografiskt lexikon (SBL) Bd. 28, 1–5; hier: 2.

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Hugo Odeberg wurde am 7. Mai 1898 in Åmal geboren und war seit seine­r Kindheit durch seine alleinerziehende Mutter mit biblischer Literatur vertraut. Nach dem Schulabschluss studierte er in Uppsala vornehm­ lich Sprachen und Exegese, interessierte sich aber gleichermaßen für Naturwissenschaften und Jurisprudenz. In den Jahren 1919 und 1921 legte er zuerst ein Examen in Philosophie und anschließend in Theologie ab. Intensivere Studien konzentrierten sich in der Folge auf die neutestament­ liche Exegese sowie die Judaistik und Odeberg verband beide Teilgebiete in seinen Forschungen in der Überzeugung, dass „die neutestamentliche Forschung auf völlig andere Weise als früher die spätjüdische Literatur […] auf Hebräisch und Aramäisch, also die rabbinischen Schriften, berück­ sichtigen muss.“10 Odeberg wandte sich insbesondere der ältesten jüdischen Mystik zu und widmete seine Dissertation ebendiesem Thema. Im Jahr 1924 wurde er mit seiner Arbeit „3 Enoch, or the Hebrew Book of Enoch“11 am King’s College in London bei George Herbert Box (1869–1942) zum Doktor (Dr. phil.) promoviert, die Arbeit selbst erschien jedoch erst im Jahr 1928. Seine Übersetzung und Edition eines bis dato unbekannten he­ bräischen Textes, dessen ältesten Teil Odeberg auf das erste nachchristliche Jahrhundert datierte, veranlassten ihn, mögliche Anknüpfungspunkte der antiken jüdischen Mystik und dem Neuen Testament aufzuzeigen, vornehm­ lich in Hinblick auf die johanneische Theologie.12 Im Jahr 1928 wurde Odeberg, wie erwähnt, Dozent an der Universität in Uppsala und wurde ebendort im Jahr 1932 zum Doktor der Theologie promoviert. Zeitgleich mit seiner Beschäftigung an der Universität in Uppsala war Odeberg eben­ so, vor allem an den Wochenenden, als Pfarrer in der Gemeinde Björklinge in der Nähe von Uppsala tätig.   Gerhardsson, Birger, Hugo Odeberg. Minnesord av Birger Gerhardsson, in: Kungl. Humanistiska vetenkapssamfundet i Lund: Årsberättelse. Bulletin de la Societé Royal des Lettres de Lund 1974–1975, Lund: Gleerup 1975, 19–22; hier 19f. (Direkte Zitate aus schwedisch­sprachiger Literatur sind hier und im Folgenden in einer von der Verfasserin an­ gefertigten deutschen Übersetzung geboten). 11   Odebergs Dissertation erschien in einer revidierten Version im Jahr 1928, in einem Neudruck im Jahr 1973 sowie im Jahr 1984 in einer deutschen Übersetzung: Hofmann, Helmut, Das sogenannte hebräische Henochbuch (3. Henoch). Nach dem von Hugo Odeberg vorgelegten Material zum ersten Mal ins Deutsche übersetzt, Königstein/Ts.: Hanstein 1984. Im Vorwort und der Einleitung dieser Übersetzung findet sich weder eine Auseinandersetzung noch ein Hinweis auf Odebergs politische Einstellung, sondern allein inhaltliche Hinweise auf die Bedeutung der Schrift für das Interesse an jüdischer Mystik und die durch den Fortschritt der Forschung notwendig gemachte Revision von Odebergs Übersetzung des dritten Henochbuchs. 12   Odeberg, Hugo, The Fourth Gospel. Interpreted in its Relation to Contemporaneous Religious Currents in Palestine and the Hellenistic-Oriental World, Uppsala: Almqvist & Wiksell 1929. Auf diese Veröffentlichung Odebergs verweist Kittel in einem Brief an Albert Schweitzer im November 1929. Vgl. Zager, Werner, Albert Schweitzer als liberaler Theologe. Studien zu einem theologischen und philosophischen Denker, Berlin: LIT 2009, 245. 10

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Seit 1932 vertrat er den Lehrstuhl für Exegese in Lund, den er 1933 als Ordinarius übernahm. Anlässlich seiner Berufung auf diesen Lehrstuhl wurden drei Gutachten in Auftrag gegeben, die Odebergs Eignung für die Position eruieren sollten. Sowohl Erling Eidem,13 der sein Vorgänger auf dem Lehrstuhl gewesen war, als auch Anton Fridrichsen14 empfahlen ihn. Beide hoben seine Expertise in den Schriften des antiken Judentums hervor und insbesondere seine Auseinandersetzung mit dem Johannesevangelium vor dem Hintergrund seines jüdischen Entstehungskontextes. Des Weiteren wurden seine Interdisziplinarität aufgrund seiner Arbeiten zu alttesta­ mentlichen Schriften und seine didaktischen Fähigkeiten hervorgeho­ ben, die zugleich Odebergs noch nicht vollständig an den griechischen Texten erwiesene exegetische Kompetenz, die bisher auf die Sprache und Gedankenwelt des Judentums beschränkt war, aufwiegten.15 Das dritte Gutachten bezüglich der Berufung Odebergs nach Lund wurde von Kittel angefertigt. Darin empfiehlt er Odeberg uneingeschränkt für die infrage stehende Professur, da er durch seine Arbeiten zu den antiken jüdischen Schriften genauso wie durch seine neutestamentlich exegetischen Arbeiten „seine ausgezeichnete sprachliche Durchbildung, reiche Kenntnisse, eine exakte Methode, selbstständige Kombinationsgabe, die durch wis­ senschaftliche Zucht gebändigt ist, und ein unabhängiges theologisches Denken“16 erwiesen habe. Neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit in Lund, die weiterhin auf die Verbindungslinien von antikem Judentum und der neutestamentlichen Literatur sowie den semitischen Sprachen ausgerichtet war, engagierte sich Odeberg für die Verbreitung der Erkenntnisse neutestamentlicher Forschung in populärwissenschaftlichen Kreisen. Im Jahr 1943 gründete er den Verein „Erevna“, der „die bibeltreue Forschung befördern und seinen Mitgliedern zu einem vertieften Einblick in die Heilige Schrift verhelfen“17 sollte, und war sein Vorsitzender. Odeberg verband also seine wissenschaftliche Arbeit, unter anderem an der Edition der rabbinischen Schriften, für die Kittel ihn in bereits genanntem Brief aus dem August 1928 zu gewinnen suchte und zu der 13  Erling Eidem (1880–1972): Studium in Göteborg und Lund, 1913 Promotion, 1913–1924 Dozent an der Universität Lund, ab 1926 ao. Professor an der Universität Uppsala, 1928 o. Professor für Neues Testament in Lund, 1931 Ernennung zum Erzbischof der Schwedischen Kirche als Nachfolger von Nathan Söderblom. 14  Anton Fridrichsen (1888–1953): 1911 theologisches Examen in Oslo, Studienbesuche in Breslau und Göttingen, 1925 Promotion in Straßburg, ab 1928 Professor für Exegese in Uppsala, 1936 Gründung der „Exegetisk sällskap [Exegetische Gesellschaft]“ in Uppsala. 15  Vgl. Eidem, Erling/Fridrichsen, Anton/Kittel, Gerhard, Sakkunnigutlåtanden rr. ledi­ ga professorsämbetet i exegetisk teologi vom April 1933, LUB, unpaginiert (Eidem, Ärkebiskop E. Eidems utlåtande sowie Fridrichsen, Professor A. Fridrichsens utlåtande). 16   Kittel, Gerhard, Professor G. Kittel utlåtande den 26. April 1933, LUB, unpaginiert. 17  Vgl. K ronholm, Odeberg, 2.

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Odeberg gern bereit war, mit Hinwendung zu Nichttheologen, die zu­ nehmend einen großen Teil von seiner Arbeit und Zeit in Anspruch nahm. Nach dem Tod Kittels im Jahr 1948 wurde die Reihe der Rabbinischen Texte von Karl-Heinrich Rengstorf (1903–1992)18 übernommen, der sich mehrfach um die weitere Mitarbeit Odebergs bemühte, allerdings ohne Erfolg.19 Wenngleich Odeberg in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg bis hin zu seinem Tod 1973 mit verschiedenen deutschen Kollegen in brief­ lichem Kontakt stand 20 und auch zu Vorträgen in Deutschland war, 21 blieben größere fachwissenschaftliche Veröffentlichungen aus. Odeberg setzte sich nach seiner Emeritierung bis zu seinem Tod mit den semitischen Sprachen auseinander, erarbeitete Entwürfe für Grammatiken des Samaritanischen und Koptischen, ging aber ebenso seinen naturwissenschaftlichen Interessen nach.22

C. Odeberg, Kittel und die Beziehungen zur deutschen Wissenschaft Der folgenden Darstellung sei vorausgeschickt, dass sie auf der brieflichen Korrespondenz zwischen Gerhard Kittel und Hugo Odeberg aus den Jahren 1928 bis 1948 basiert, von der jedoch nur die Briefe Kittels an Odeberg zugäng­ lich sind. Dennoch zeigt sich daran exemplarisch, wie Kittel und Odeberg durch gemeinsame fachliche Interessen einander bekannt wurden, die fach­ lichen Gemeinsamkeiten und Zusammenarbeiten vertieften und auf diese Weise gleichzeitig auf einer persönlichen Ebene Verbindungen knüpften. Der initiale Brief Kittels an Odeberg aus dem August 1928 wurde bereits genannt und lässt nicht nur erkennen, wie Kittel von Odebergs Arbeiten er­ fuhr. Darin versucht Kittel zugleich, wie bereits angedeutet, Odeberg für sein Projekt der Herausgabe einiger rabbinischer Texte in deutscher Übersetzung zu gewinnen, die durch einen kurzen Kommentar zu ergänzen sei:   Karl Heinrich Rengstorf (1903–1992): Studium in Tübingen, Greifswald und Göttingen, 1927 Lizentiat, 1930 Habilitation, 1936 Professor in Kiel, 1948–1971 Professor für Neues Testament in Münster. 19  Vgl. Rengstorf an Odeberg vom 13.3.1950 sowie 30.5.1950, LUB Samling Odeberg, Hugo; B:812. 20   Vgl. Briefwechsel mit Karl-Heinrich Rengstorf, Heribert Preisker, Otto Michel u.a., LUB Samling Odeberg, Hugo; B:812. 21   Vgl. u.a. Rengstorf an Odeberg vom 28.1.1957, LUB Samling Odeberg, Hugo; B:812. 22  Vgl. K ronholm, Odeberg, 4. Odeberg las mit großem Interesse naturwissenschaftliche Arbeiten aus den Bereichen Physik, Chemie, Astronomie oder Botanik. Er suchte vielleicht durch die Beschäftigung mit den Naturwissenschaften und auch der Mathematik, einen tiefe­ ren Einblick in die Geheimnisse von Gottes Schöpfung zu erlangen. Vgl. Gerhardsson, Fyra teologer, 112. 18

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In der Art, wie dort ein kurzer Kommentar gegeben ist, ist es gedacht; besonders die 3 Punkte sind zu berücksichtigen: Erklärung des für den Nichtrabbinisten Unverständlichen oder Schwerverständlichen; Parallelen aus der rabbinischen Ueberlieferung; Parallelen aus dem NT […] Meine Frage ist nun, ob Sie sich wohl entschliessen würden, sich an der Bearbeitung der Tosefta zu beteiligen, etwa durch Uebernahme eines Seder […] Zunächst möchte ich Ihre grundsätzliche Bereitwilligkeit herbeiführen, sich an dem Unternehmen zu beteiligen. Es wäre mir eine besondere Freude, wenn wir uns dabei als Schwede und Deutscher zu dieser wissenschaftlichen Arbeit zusammenfänden. 23

Bereits in diesem ersten Brief Kittels an Odeberg zeigt sich, dass neben dem fachlichen Aspekt, der für Kittels Kontaktaufnahme sicher ausschlaggebend war, ebenso die Tatsache, dass Odeberg darüber hinaus für Kittel als inter­ nationaler Kontakt zur Vernetzung seiner Forschung von Bedeutung war. Odeberg war an der Mitarbeit und der Zusammenarbeit mit Kittel offensicht­ lich sehr interessiert und antwortete bereits eine Woche später zustimmend: Mit tiefstem Dank für Ihren freundlichen Brief bitte ich Ihnen mitzuteilen, dass ich es für ein grosses Privilegium halten würde an Ihrer Herausgabe der Tosefta mitarbeiten zu dürfen. 24

Die Zusage Odebergs erfreute Kittel, der ihm in den folgenden Briefen einer­ seits das konkrete Vorgehen der Bearbeitung und Kontrolle erläuterte25 und ihm andererseits in Kopie die benötigten Handschriften des von Odeberg zu bearbeitenden Seders zukommen ließ.26 Eine erste persönliche Begegnung zwischen Kittel und Odeberg er­ gab sich allerdings nicht so bald wie Kittel gehofft hatte. In einem Brief aus dem April 1929 kündigte Kittel sein Kommen zum Kongress für Religionsgeschichte in Lund im August desselben Jahres an und erwog ein Treffen beider zu dieser Gelegenheit.27 In der brieflichen Korrespondenz und weiteren Unterlagen zu Kittels Tätigkeit lässt sich erst aus einem Brief von Kittels Frau, Elisabeth, erfahren, dass das Ehepaar Kittel Familie Odeberg im Oktober des Jahres 1931 in Björklinge besucht hatte.28 Dieser Besuch fand wohl im Kontext einer Vortragsreise Kittels an die Universität Uppsala statt, für die er für den Beginn des Wintersemesters 1931/1932 beurlaubt worden war.29 23   Kittel an Odeberg vom 16.8.1928, LUB Samling Odeberg, Hugo; B:812. Kittel rekur­ riert hier auf den von ihm im Jahr 1922 herausgegebenen Sifre zu Deuteronomium, dessen Gestalt als Vorlage dienen sollte. Vgl. Kittel, Gerhard, Sifre zu Deuteronomium, Stuttgart: Kohlhammer 1922. 24   Odeberg an Kittel vom 25.8.1928, LUB Samling Odeberg, Hugo; B:812. 25  Vgl. Kittel an Odeberg vom 27.10.1928, LUB Samling Odeberg, Hugo; B:812. 26  Vgl. Kittel an Odeberg vom 23.2.1929, LUB Samling Odeberg, Hugo; B:812. 27  Vgl. Kittel an Odeberg vom 27.4.1929, LUB Samling Odeberg, Hugo; B:812. 28  Vgl. Elisabeth Kittel an Elsa Odeberg vom 15.12.1931 sowie Kittel an Odeberg vom 26.11.1932, LUB Samling Odeberg, Hugo; B:812. 29   Vgl. Württembergisches Kultusministerium an das Akademische Rektoramt in Tübingen vom 7.8.1931, UAT [Universitätsarchiv Tübingen] Personalakte des Akademischen Rektoramts,

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Der Willen zur Zusammenarbeit zwischen Kittel und Odeberg scheint durch die nun auch persönliche Bekanntschaft und die offenbar gegensei­ tige Sympathie vertieft worden zu sein. Neben Odebergs Beteiligung an der Bearbeitung der Rabbinischen Schriften 30 konnte Kittel ihn für ein weiteres seiner Projekte gewinnen und dankte ihm im Mai 1934 für seine Beteiligung am ThWNT, dessen Herausgeber bekanntlich Kittel 31 war:32 Ich danke Ihnen herzlich für Ihre Zusage und freue mich, Sie unter die Mitarbeiter des Th.W. [Theologischen Wörterbuchs] rechnen zu können. Je eher ich das Manuskript er­ halte, desto lieber ist es mir.

Der erste Artikel, den Odeberg schrieb und auf dessen Manuskript Kittel im oben genannten Zitat rekurriert, war zum Stichwort „Ἐνώχ [Henoch]“, pas­ send zu Odebergs Dissertationsschrift. Im Juni des folgenden Jahres dankte Kittel Odeberg dann für den Artikel zum Stichwort „Ἠσαῦ [Esau]“ und fragte nach Odebergs Bereitschaft auch die Artikel zu weiteren Namenslemmata abzufassen.33 Insgesamt übernahm Odeberg schließlich über die genannten hinaus die Artikel zu den Stichworten „Ιακώβ [Jakob]“, „Ἰάννες, Ἰάμβρης [Jannes, Jambres]“ und „Ἰεζάβελ [Jezabel]“.34 Die genannten Artikel er­ schienen in den Bänden zwei und drei des ThWNT, die in den Jahren 1935 und 1938 herausgegeben wurden. Die erhaltenen Briefe Kittels aus dem Nachlass Odebergs enthalten für den Zeitraum zwischen 1935 und 1939 keine Briefe, wenngleich davon auszugehen ist, dass beide dennoch in Kontakt standen, mindestens um die Gerhard Kittel (1888–1948); UAT 126/326c. In einem Brief an Odeberg vom 26.11.1932 kündigt Kittel an, ihm die schwedische Ausgabe der Vorlesungen, die er in Uppsala gehalten habe, nach ihrem Erscheinen schicken zu wollen. 30  Vgl. Kittel an Odeberg vom 16.1.1933, LUB Samling Odeberg, Hugo; B:812. Der Seder, Neziqim, den Odeberg übernommen hatte, erschien allerdings erst als vierter Band der Reihe „Rabbinische Texte“ im Jahr 1976. Es ist nicht bekannt, ob Odeberg Vorarbeiten gemacht hatte, die später in die Herausgabe des Seders einflossen und warum Odeberg die zugesagte Bearbeitung des Seders nicht umsetzte. 31  Ausführlicher zur Entstehung des ThWNT: vgl. Bormann, Lukas, Einleitung, Das Theologische Wörterbuch zum Neuen Testament im 21. Jahrhundert, in: ThWNT 1 (2019), V–XXII. 32   Kittel an Odeberg vom 13.5.1934, LUB Samling Odeberg, Hugo; B:812. 33  Vgl. Kittel an Odeberg vom 13.6.1935, LUB Samling Odeberg, Hugo; B:812. Konkret schlug Kittel hier die Stichworte: „Θαμάρ [Thamar]“, „Ιακώβ [Jakob]“, „Ἰεζάβελ [Jezabel]“ und „Ἱώβ [Job]“ vor. 34  Nachdem die Herausgeberschaft des ThWNT im Jahr 1948 von Gerhard Friedrich (1908–1986) übernommen worden war, fragte dieser Odeberg nach seiner Bereitschaft, den Artikel zu dem Stichwort „ὑπόκρισις“ [und verwandten Worten] zu verfassen, den er offen­ bar Kittel gegen­über zugesagt hatte. Auf Friedrichs Anfragen reagierte Odeberg jedoch nicht (vgl. Friedrich an Odeberg vom 26.9.1948, 28.12.1960, 27.12.1961, 9.1.1962, 28.3.1962 sowie 13.2.1962; LUB Samling Odeberg, Hugo; B:812), sodass der Artikel im achten Band des ThWNT schließlich von einem anderen Autoren, Ulrich Wilckens, übernommen wurde.

Kittel und Odeberg

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von Kittel erbetenen und von Odeberg tatsächlich erarbeiteten Artikel für das ThWNT auszutauschen. Des Weiteren ist aus dem nächsten erhaltenen Brief aus dem September 194035 zu erfahren, dass in der Zwischenzeit ein weiteres persönliches Treffen zwischen Odeberg und Kittel sowie des­ sen Frau stattgefunden hatte, das sicher im Vorhinein mittels brieflicher Korrespondenz vorbereitet worden war. Zwischen Kittel und Odeberg scheinen sich in diesem Zeitraum neben ihrer wissenschaftlichen Zusammenarbeit auch persönliche und politische Sympathien und Gemeinsamkeiten gezeigt zu haben, die Kittel in genanntem Brief aus dem September 1940 zusammenfassend auf folgende Weise be­ schreibt: Auch uns, meiner Frau und mir, war es eine rechte Freude, einmal wieder ausführlich mit Ihnen & anderen schwedischen Freunden zusammenzusein. Es tat besonders wohl, so viel Verständnis für unsere deutsche Lage und unser nationalsozialistisches Denken zu finden. Dass ich die Verbindung mit Professor Frank 36 herstellen konnte, war mir eine Freude.37

Odeberg intensivierte in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre offenbar seine Beziehungen zu Deutschland und war in internationale Netzwerke von ver­ schiedenen Forschungsgruppen und -einrichtungen eingebunden. So wurde Odeberg in einer frühen Phase und unmittelbar nach der Konstituierung der SNTS als Mitglied in die Gesellschaft eingeladen.38 Die Einladung und damit die Mitgliedschaft in der Gesellschaft goutierte er mit der Zahlung des er­ sten fälligen Mitgliedsbeitrags 1939/1940.39

 Vgl. Kittel an Odeberg vom 29.9.1940, LUB Samling Odeberg, Hugo; B:812.  Der in dem Zitat genannte Prof. Frank ist Prof. Walter Frank, der seit 1935 Präsident des „Reichsinstitut für Geschichte des Neuen Deutschlands“, in dem er 1936 die „Forschungsabteilung Judenfrage“ einrichtete. Ausführlicher zum Reichsinstitut für Geschichte des Neuen Deutschlands vgl. Heiber, Helmut, Walter Frank und sein Reichsinstitut für Geschichte des Neuen Deutschlands, Stuttgart: DVA 1966, sowie Rupnow, Dirk, Judenforschung im Dritten Reich. Wissenschaft zwischen Politik, Propaganda und Ideologie, Baden-Baden: Nomos 2011, hier: 67–85. 37   Kittel an Odeberg vom 29.9.1940, LUB Samling Odeberg, Hugo; B:812. Wie im Folgenden noch ausführlicher dargestellt wird, nahm Odeberg mit weiteren Schweden im August 1940 an der Lutherakademie in Sondershausen teil und kam möglicherweise im Rahmen dieses Besuchs in Deutschland mit Kittel und seiner Frau zusammen. Ebenfalls im Kontext die­ ser Deutschlandreise Odebergs ist wahrscheinlich sein Besuch der „Forschungsabteilung Judenfrage“ in München zu verorten, bei dem er Frank kennenlernte und von dem er in seinem Aufsatz in der schwedischen Zeitschrift „Sverige-Tyskland“ berichtete. 38  Vgl. Boobyer an Odeberg vom Januar 1939; LUB Samling Odeberg, Hugo; B:812. 39  Vgl. Boobyer an Odeberg vom 29.2.1940; LUB Samling Odeberg, Hugo; B:812. Das geplante erste General Meeting der SNTS für September 1939, für das in zuvor genanntem Brief Boobyers ebenfalls eingeladen wurde, musste aufgrund des Ausbruchs des Zweiten Weltkrieges abgesagt werden und wurde vorerst auf das folgende Jahr verschoben, sodass diese Zahlung des Mitgliedsbeitrags wohl die erste fällige war. 35

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Besonders zu nennen ist hier aber vor allem Odebergs Teilnahme an den Tagungen der Lutherakademie in Sondershausen.40 In seinem Nachlass fin­ det sich einerseits eine Korrespondenz mit Carl Stange (1870–1959), dem wichtigsten Organisator der Lutherakademie, aus der hervorgeht, dass Odeberg mindestens an den Treffen im Jahr 1938 und 1940 teilgenommen und Vorträge gehalten hatte. Den Vortrag des Jahres 1938 wollte Stange in der „Zeitschrift für Systematische Theologie“ veröffentlichen und bat daher um das Manuskript.41 In Hinblick auf die internationale Vernetzung und den Besuch der Lutherakademie durch skandinavische Wissenschaftler scheint Odeberg einen wesentlichen Beitrag geleistet zu haben. So bezeich­ nete Stange ihn nicht nur als „Mittelsmann für Schweden“,42 sondern hob seine Bedeutung für die Lutherakademie in einem anderen Brief aus dem Jahr 1942 hervor: Zugleich bitte ich Sie mir freundlichst mitteilen zu wollen, ob ich auch im kommenden Jahre auf ihre für uns immer so wertvolle Mitarbeit in der Luther-Akademie hoffen darf. Sie wissen, wie dankbar wir Ihnen für die von Ihnen bei uns gehaltenen Vorträge und Ihre eifrige Werbearbeit immer gewesen sind. So ist es auch mein herzlicher Wunsch, dass uns der Zusammenhang mit Ihnen auch weiterhin erhalten bleibt.43

Dass mit der Teilnahme an der Lutherakademie nicht nur eine fachwis­ senschaftliche Dimension verbunden war, sondern ebenso eine politische, zeigt sich nicht zuletzt an einem Brief Stanges, der Odeberg beauftragt für das Treffen der Lutherakademie im Jahr 1940, schwedische Studenten auszuwählen, denen für die Teilnahme ein Stipendium durch die Akademie gewährt werden konnte.44 Bei der Auswahl sei, so schrieb Stange, zu berücksichtigen, dass „selbstverständlich […] nur solche Studenten in Frage kommen [können], die in politischer Hinsicht Deutschland gegenüber eine freundliche Stellung einnehmen.“45 40  Weitere Quellen zur Lutherakademie in Sondershausen vgl. Mikosch, Hans, Trotz Hakenkreuz und Ährenkranz. Der Weg der Lutherakademie in Sondershausen in den Jahren 1932–1962, Neuendettelsau: Freimund-Verlag 2005 (Odeberg wird darin fälschlicherweise „Oderberg“ genannt.). Zum Verhältnis schwedischer Theologen zur Lutherakademie in Sondershausen vgl. insbesondere: Appelqvist, Gunnar, Luthersk samverkan i nazismens skugga. Sverige och Lutherakademien i Sondershausen 1932–1945, Uppsala: Almqvist & Wiksell 1993. 41  Vgl. Stange an Odeberg vom 19.2.1939; LUB Samling Odeberg, Hugo; B:812. In der von Stange herausgegebenen Zeitschrift für Systematische Theologie veröffentlichte Odeberg in der zweiten Ausgabe des Jahres 1939 einen Artikel zum Johannesevangelium: Odeberg, Hugo, Über das Johannesevangelium, in: Zeitschrift für Systematische Theologie 16 (1939), 173–188. Darüber hinaus veröffentliche Odeberg in der Zeitschrift für Systematische Theologie in fol­ genden beiden Jahren noch zwei weitere Aufsätze, die zuvor bereits auf Schwedisch erschienen waren (vgl. Gerhardsson, Fyra teologer, 96 [FN 23]). 42   Stange an Odeberg vom 15.7.1942; LUB Samling Odeberg, Hugo; B:812. 43   Stange an Odeberg vom 17.12.1942; LUB Samling Odeberg, Hugo; B:812. 44  Vgl. Stange an Odeberg vom 22.4.1940; LUB Samling Odeberg, Hugo; B:812. 45  Ebd.

Kittel und Odeberg

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Hier zeigt sich exemplarisch die ambivalente Situation der Lutherakademie während des nationalsozialistischen Regimes. Einerseits zielte sie auf die inter­nationale Zusammenarbeit von Theologen, deren verbindendes Element der lutherische Ökumenismus sein sollte. Andererseits zeigten sich unmit­ telbar nach der Machtergreifung die propagandistischen Möglichkeiten, die eine Weiterführung und Subventionierung der Lutherakademie bot, um den ausländischen Besuchern derselben ein wohlgeordnetes Bild Deutschlands zu vermitteln. So wurde die Akademie von den Teilnehmenden selbst zwie­ spältig betrachtet; während intern ihre propagandistische Vereinnahmung und ihre finanzielle Verflechtung mit dem NS-Regime kritisiert wurden, wurde gleichzeitig ihr Verdienst um die Gemeinschaftsstiftung in einer sich verfeindenden Welt hervorgehoben. Dabei darf allerdings nicht außer Acht gelassen werden, was Stange im zuvor genannten Zitat an Odeberg schrieb: Die Teilnahme an der Lutherakademie war an eine bestimmte politische Einstellung gebunden oder zumindest durch politische Opposition verun­ möglicht. Odebergs Mitarbeit und Teilnahme an der Lutherakademie ist da­ her als weiterer Schritt in den Kreis NS-regimeaffiner Wissenschaftler zu werten, der offenbar nicht nur in wissenschaftlicher Hinsicht einen großen Eindruck auf ihn gemacht hatte. Die Propaganda eines wohlgeordneten Deutschlandbildes sowie Deutsch­ lands militärischer Stärke, das auch durch die Tagungen der Lutherakademie ins Ausland vermittelt werden sollte, hatte ebenso Einfluss auf einen Aufsatz Odebergs, den dieser nach einem Besuch in Deutschland nach Beginn des Krieges verfasste. In der ersten Ausgabe der Zeitschrift Sverige-Tyskland des Jahres 1940, die von der Riksförening Sverige-Tyskland 46 herausgegeben wurde, veröffentlichte Odeberg einen Aufsatz mit dem Titel „Eindrücke aus Deutschland während des Krieges“. Dieser konstatiert seit der Machtergreifung eine positive Verwandlung Deutschlands und lobt das auf blühende geis­ tige Leben, insbesondere in Hinblick auf die Auseinandersetzung mit dem Judentum, in den höchsten Tönen. Zur Veranschaulichung sei an dieser Stelle ein längerer Ausschnitt zitiert:

46  Die Riksförening Sverige-Tyskland war ein schwedischer pro-nationalsozialistischer Verein, der im Dezember 1937 in Lund gegründet wurde. Das Ziel des Vereins war, „auf reinem schwedischem Fundament, ohne parteipolitische Stellungnahme für eine gerechte Beurteilung des Neuen Deutschland zu wirken“ (Oredsson, Lunds universitet under andra världskriget, 48 [Hervorhebung im Original]), allerdings ohne nationalsozialistische Propaganda zu betreiben. Die wichtigste Aufgabe des Vereins war die Herausgabe einer Zeitschrift unter dem Namen Sverige-Tyskland, die, wenngleich sie den „unpolitischen“ Zielen des Vereins dienen sollte, dennoch als Propagandainstrument zugunsten des NS-Regimes zu bewerten ist. Odeberg war von 1941 bis 1943 der letzte Vorsitzende des Vereins, der bis zu 5000 Mitglieder zählte. Ausführlicher zur Entstehung der Riksförening Sverige-Tyskland: vgl. Oredsson, Lunds uni­ versitet under andra världskriget, 48–53.

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Bei dem ersten Besuch, den ein Schwede nach der Machtübernahme Deutschland ab­ stattete, gab er seiner Verwunderung Ausdruck über die große Veränderung, die be­ sonders in der körperlichen und geistigen Haltung der Jugend seit dem Umbruch einge­ treten sei. Diese Verwunderung dürfte von vielen geteilt werden, die gleichfalls in der Lage waren, Deutschland sowohl vor wie nach 1933 zu sehen. Wer der Neuordnung selbst noch so sympathisch gegenüber gestanden hat, der hätte es sich nicht träumen lassen, daß ein so großer moralischer Aufstieg in so kurzer Zeit hätte stattfinden können. Und wenn er in der Heimat über diese Eindrücke berichtete, lief er Gefahr, keinen Glauben zu finden. […] [Es] muß unterstrichen werden, wie stark sich das heutige deutsche Volk fühlt, ebenso sehr in einem geistigen Kampf wie im militärischen. Es wäre nicht ganz korrekt, diesen Kampf als einen Kampf für oder um Ideologien zu kennzeichnen, denn unter Ideologien versteht man meistens ein System von Ideen von allgemeingültigem Charakter, das die Weltherrschaft auf Kosten anderer Ideen erstrebt. […] Die historische Forschung wird da­ her mit womöglich noch größerer Energie während des Krieges betrieben und hat, indem sie die gesamten Lebensbedingungen des Volkes zum Gegenstand hat, einen weit umfas­ senden Charakter, was allen anderen Forschungszweigen zugute kommt. Bezeichnend für einen solchen Forschungseifer, dessen Intensität nicht geringer, sondern eher größer während des Krieges wird, ist die Arbeit, die ausgeführt wird vom Reichsinstitut für die Geschichte des Neuen Deutschlands, das unter der Leitung von Professor Walter Frank, Berlin steht. […] Ein Arbeitsgebiet innerhalb des Reichsinstituts für die Geschichte des neuen Deutschlands, dessen wissenschaftliche Forschungskapazität ich in der Lage war, näher studieren zu können, ist die Forschungsabteilung Judenfrage. Diese Abteilung hat ein besonderes Forschungsinstitut, das nach München verlegt ist, und hat als Mitarbeiter den bekannten Orientalisten, Hebraisten und Exegeten Gerhard Kittel. Die Aufgabe des Instituts besteht darin, die Geschichte des Judentums nach allen Gesichtspunkten von den ältesten Zeiten bis heute zu bearbeiten. Die Existenz dieses Instituts ist eine entscheidende Widerlegung der an und für sich merkwürdigen Behauptung, dass man im neuen Deutschland keinen Platz hatte für das Studium jüdischer Literatur und jüdischer oder überhaupt orientalischer Sprachen oder der Geschichte des Judentums. Das Gegenteil müßte ja rein logisch der Fall sein und ist es auch. Da man überzeugt ist, daß das Judentum eine wichtige Rolle in der Geschichte der Völker spielt, mußte sich die Aufmerksamkeit ja darauf richten, diese Rolle festzule­ gen. Man mußte ja auch größere Freiheit bekommen, die Literatur und die Geschichte des Judentums zu erforschen, in einem Lande, wo man keine Gegenmaßnahmen zu befürchten braucht von Kreisen, die Interesse daran haben, daß die tatsächlichen ge­ schichtlichen Verhältnisse nicht ans Licht kommen. […] Für diese Forschungen ist ja die Voraussetzung der Zugang zu Quellenschriften, Literatur und Dokumentensammlungen. Diesem Bedürfnis wird […] durch eine für das Institut direkt eingerichtete Bibliothek mit Archiv, die ihr Gepräge durch die übliche deutsche Gründlichkeit und Ordnung erhält, [entsprochen] Diese Bibliothek ist schon ziemlich reichhaltig […] [und enthält eine Kartothek] von sämtlichen Personen jüdischen Blutes, die in Deutschland gelebt haben, und über die etwas bekannt ist. […] Die riesenhafte Archivarbeit beweist, daß keine Rede davon sein kann, daß man eine falsche Geschichtskonstruktion auf den Gebiete der Judenfrage geltend machen will.47   Odeberg, Hugo, Eindrücke aus Deutschland während des Krieges, LUB Samling Odeberg, Hugo; B:812, unpaginiert [Hervorhebungen im Original]. 47

Kittel und Odeberg

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Bei seiner Rede auf der Jahresversammlung der Riksförening SverigeTyskland im März 1941, auf der er zum neuen Vorsitzenden des Vereins gewählt wurde, griff Odeberg inhaltlich die hier genannte Darstellung auf.48 Augenfällig ist dabei die Betonung der militärischen Stärke Deutschlands, die die Voraussetzungen für historische Forschung zum Schutz vor ein­ seitiger Indoktrination schaffe und daher ebenso die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Judentum erlaube. Odebergs Glorifizierung der Gegebenheiten in Deutschland erscheint aus heutiger Perspektive wie eine Persiflage, verkehrt sie das Ziel der ideologischen Durchsetzung Deutschlands gänzlich in ihr Gegenteil und verschweigt vollständig Zweck und Nutzung der Forschungen zum Judentum. So konterkariert Odeberg hier nicht nur die vorgeblichen Ziele des Vereins, nicht der politischen Propaganda für das Neue Deutschland zu dienen, sondern offenbart deutlich, dass er „die nationalsozialistische Denkweise und den Sprachgebrauch angenommen“49 hatte. Des Weiteren kommt in seinem Aufsatz zur Sprache, dass er sich selbst ein Bild von der Arbeit der „Forschungsabteilung Judenfrage“ des „Reichsinstitut[s] für Geschichte des Neuen Deutschlands“ machen konnte und damit einen weiteren Schritt seiner Vernetzung mit pro-nationalsozia­ listischen Wissenschaftlern markierte. Wie bereits erwähnt, wurde der Kontakt zwischen Odeberg und Frank, dem Leiter des Instituts, durch Kittel vermittelt, für den sich Frank in einem Brief an Odeberg bedankte: Ich bin Professor Kittel aufrichtig dankbar, daß er unsere Bekanntschaft vermittelt hat. Es ist mir wertvoll, von einem Schweden der neuen Generation Auf klärung über die geistige und politische Situation zu erhalten. Wie ich Ihnen schon sagte, würde ich es begrüssen, wenn Sie uns von Ihren Arbeiten zur Judenfrage Kenntnis geben.50

Diesem Wunsch Franks schloss sich Kittel in bereits genanntem Brief aus dem September 1940 an und bestärkte Odeberg, einen Aufsatz in der Reihe „Forschungen zur Judenfrage“ zu publizieren. Auf diese Weise wurde Odeberg die Möglichkeit eröffnet, seiner Zugehörigkeit zu diesem Kreis einen publi­zistischen Ausdruck zu verleihen. Wie sich in Kittels Ausführungen zeigt, stand dabei jedoch vornehmlich die Motivation im Vordergrund, die politischen Überzeugungen durch wissenschaftliche Arbeiten zu fundamentieren, deren Inhalte offenbar zweitrangig waren, in­ sofern sie sich mit der Ausrichtung der Reihe deckten: 48  Vgl. Oredsson, Lunds universitet under andra världskriget, 114f. Den Schwerpunkt seiner Rede verschiebt Odeberg im Vergleich mit dem Zeitschriftenaufsatz leicht dahingehend, dass er insbesondere die große Freiheit betont, die in Deutschland vorherrsche und es sogar erlaube die Führungseliten ohne Angst zu kritisieren, und befürwortet darüber hinaus die deutsche Kirchenpolitik. 49   A.a.O., 115. 50   Frank an Odeberg vom 27.8.1940; LUB Samling Odeberg, Hugo; B:812.

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Es wäre mir eine besondere Freude, wenn Sie der Aufforderung Franks zur literarischen Mitarbeit nachkommen würden. Können Sie uns nicht im Laufe der nächsten Monate einen Aufsatz zu einem Gebiete aus der Judenfrage liefern? Entweder über den antiken Kosmopolitismus, oder über den Zionismus, oder über den Einfluss der Kabbala auf das abendländische Denken, oder sonst ein Thema, das Ihnen gelegen ist und das in den allgemeinen Rahmen der „Forschungen zur Judenfrage“ passt. Vielleicht auch über das Judentum in der nordischen Presse.51

Gleichzeitig war sich Kittel durchaus der Brisanz der Verschränkung von politischer Überzeugung und wissenschaftlicher Publikation bewusst, sodass er ebenfalls anbot, den etwaigen Aufsatz Odebergs unter einem Pseudonym erscheinen zu lassen. Tatsächlich ist in den „Forschungen zur Judenfrage“, die mit dem Jahr 1944 ihr Erscheinen einstellten, weder ein Aufsatz unter Odebergs Namen noch ein solcher unter einem Pseudonym er­ schienen, der sich aus inhaltlichen Gesichtspunkten Odeberg zuordnen ließ. Dennoch blieb das Verhältnis von Kittel und Odeberg auch in den fol­ genden Jahren, die die letzten sind, die von der brieflichen Korrespondenz abgedeckt werden, von dieser Doppelseitigkeit geprägt, die bei beiden je­ doch offenbar keine Irritation hervorrief. Im Oktober 1942 schrieb Kittel den letzten erhaltenen Brief an Odeberg, in dem er ein möglicherweise weiteres gemeinsames Projekt thematisierte und Odeberg nach passenden Mitarbeitern fragte: Es wäre sehr dringend gewesen, dass wir über die Frage der Gräber-Inschriften gesprochen hätten. Auch die anderen daran beteiligten Herren waren in Berlin. Bitte schreiben Sie mir so bald als möglich, ob Sie uns einen Ihrer Schüler zur Verfügung stellen können, der gut Hebräisch kann, für die Angelegenheit sich interessiert, und den Sie politisch und charakterlich empfehlen können. Wenn Sie jemanden vorschlagen, ist es am besten, Sie schicken mir gleichzeitig einen Lebenslauf & ein Gutachten, das Sie erstatten. Dann kann ich bei den zuständigen Stellen alles weitere in die Wege leiten.52

Dieser letzte Brief Kittels an Odeberg zeigt, dass die Umsetzung gemein­ samer wissenschaftlicher Projekte immer unter politischer Kautel stand. Kittel bringt darin deutlich zum Ausdruck, dass er einerseits trotz der gegenwärtigen Kriegsereignisse seine wissenschaftliche Arbeit verhält­ nismäßig ungehindert vorantreiben und neue Projekte avisieren und um­ setzen konnte. Dabei wurde ihm von staatlicher Seite offenbar eine solche Entscheidungsbefugnis und -kompetenz eingeräumt, dass seinem Vorschlag eines „politisch und charakterlich“ geeigneten Mitarbeiters voraussichtlich ohne Weiteres stattgegeben würde und er ungehindert „alles weitere in die Wege leiten“ könne. Andererseits zeigt sich desgleichen, dass der Zugang zur Zusammenarbeit mit Kittel und den „anderen daran beteiligten Männern“ sowie an wissenschaftlichen Projekten, die in dieser Zeit realisiert wur­   Kittel an Odeberg vom 29.9.1940; LUB Samling Odeberg, Hugo; B:812.   Kittel an Odeberg vom 12.10.1942; LUB Samling Odeberg, Hugo; B:812 [Hervorhebung im Original]. 51

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Kittel und Odeberg

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den, zugleich unauflöslich an politische Überzeugung gebunden und von ihr präjudiziert war. Im Deutschland dieser Zeit war dafür die Sympathie mit dem NS-Regime unerlässlich, die jedoch, insofern vorhanden, offen­ bar über wissenschaftliche Qualifizierung, die hier wohl eher als zweitran­ gig, zumindest nicht als vorrangig betrachtet wurde, erhaben machte. So wird an diesem Brief Kittels anschaulich, wie die Vernetzung pro-national­ sozialistischer Wissenschaftler um seine Person kreiste; bei ihr Ausgang nahm und genauso in ihr und seiner Zustimmung mündete. Kittel konnte so durch das reziproke Verhältnis seiner gleichermaßen zahlreichen und guten Auslandskontakte sowie zu den politischen Eliten zum entscheidenden Faktor dieser Netzwerkbildung werden. Mit diesem Brief endete die Korrespondenz zwischen Kittel und Odeberg, die in Odebergs Nachlass zusätzlich allein die Todesanzeige Kittels aus dem Jahr 1948 enthält. Neben seiner Zusammenarbeit mit Kittel und seinen Kontakten in weitere Kreise des deutschen Wissenschaftsbetriebs war Odeberg seit dem Jahr 1941 außerdem in die „Arbeitsgemeinschaft: Germanentum und Christentum“53 als Mitarbeiter involviert, die in der Verantwortung des „Institut[es] zur Erforschung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben“ stand und zu der unter anderen Wolf Meyer-Erlach (1891–1982) und Walter Grundmann (1906–1976) gehörten. Die Einführung Odebergs in das Netzwerk NS-regimetreuer Wissenschaftler hatte sich nach der anfängli­ chen Vermittlung Kittels offenbar als so tragfähig erwiesen, dass Odeberg an diesem auch ohne direkte Einwirkung Kittels partizipieren konnte und eingebunden wurde. Vielmehr hatte Odeberg auf diese Weise sogar Kontakte etwa zu Grundmann geknüpft, die Kittel selbst vermied.54 Hervorgegangen war diese Arbeitsgemeinschaft aus der Zusammenarbeit einer kaum zu­ vor auf Initiative Odebergs gegründeten „Gesellschaft für germanische Kulturforschung [Odal samfundet för germansk kulturforskning]“, mit der gemeinsam Arbeitstagungen in Weißenfels ausgerichtet wurden. Die „Arbeitsgemeinschaft: Germanentum und Christentum“ sollte „,das Bewußtsein der germanischen Verbundenheit’ zwischen Deutschland und den skandinavischen Völkern her[…]stellen und den Austausch von Studierenden der Länder“55 fördern. In diesem Anliegen reiste Odeberg im Jahr 1941 mit etwa zwanzig Studierenden zur ersten Arbeitstagung der Arbeitsgemeinschaft in Weißenfels (4.–8. November 1941). Dort hielt er einen Vortrag über das Verhältnis von Germanentum und Christentum 53  Ausführlicher zur „Arbeitsgemeinschaft: Germanentum und Christentum“: vgl. Arnhold, Entjudung – Kirche im Abgrund II, 618–725. 54  Vgl. exemplarisch der Ausschluss Grundmanns von der Mitarbeit am ThWNT bei Bormann, Lukas, Rudolf Bultmann und das Theologische Wörterbuch zum Neuen Testament. Eine Neubewertung, in: Zeitschrift für Theologie und Kirche 118 (2021), 21–54, 46f. 55   Arnhold, Entjudung – Kirche im Abgrund II, 620.

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und sagte, dass „das Christentum jedes Volk und jedes Individuum dorthin führen will, wozu es von Gott bestimmt ist.“56 Die Nivellierung nationaler und individueller Unterschiede sei dabei gerade nicht sein Anliegen, sondern dem Christentum fremd, sodass die historische Zusammengehörigkeit von Christentum und Germanentum auch durch die Überprüfung der Reinheit des Christentums und dessen Befreiung von allem Nicht-Christlichen stän­ dig von Neuem zu leisten sei.57 Anfang des Jahres 1942 wurde Odeberg, des­ sen Vortrag auf der vergangenen Tagung sehr geschätzt wurde, von MeyerErlach für eine kommende Tagung erneut eingeladen: Ich gestatte mir, Sie, sehr verehrter Herr Kollege und Freund, zu der Dritten Haupttagung des Instituts, die vom 9.–11. März in Nürnberg stattfindet, einzuladen. Sie hatten die Freundlichkeit uns einen Vortrag zuzusagen. […] Wir denken voll Dankbarkeit und Freude an den wertvollen Beitrag, den Sie durch Ihren Vortrag zu der Arbeitstagung in Weissenfels geleistet haben und freuen uns auf die weitere gemeinsame Arbeit.58

Odeberg war von der vergangenen Arbeitstagung in Weißenfels und ihrem Erfolg unter den schwedischen Studierenden ebenfalls sehr angetan, wie er Grundmann in einem Brief vom Juni des Jahres 1942 mitteilte.59 So besuchte Odeberg auch die zweite Tagung der Arbeitsgemeinschaft in Weißenfels im Oktober 1942 und beteiligte sich mit einem Vortrag.60 Diese zweite Tagung goutierte Odeberg mit einem Brief an Meyer-Erlach, in dem er betonte, dass diese unter der schwedischen Delegation Begeisterung ausgelöst habe, und veröffentlichte über seine Reise nach Deutschland ebenfalls einen Bericht in einer schwedischen Tageszeitung, der die gesellschaftliche Situation   Anonymus, Några reflektioner kring Weissenfelskonferensen; LUB Samling Odeberg, Hugo; B:812, unpaginiert. Es handelt sich hier um ein Protokoll, dessen Autor unbekannt ist, der aber die wesentlichen Inhalte der gehaltenen Vorträge wiedergibt. 57   Vgl. ebd. 58   Meyer-Erlach an Odeberg vom 26.1.1942; LUB Samling Odeberg, Hugo; B:812. Bei dieser Tagung handelte es sich durch den Krieg bedingt um eine nicht-öffentliche Mitarbeitersitzung. Weitere Beteiligte lassen sich aus dem Programm der Tagung im Nachlass Odebergs entne­ hmen. Aus einem weiteren Brief Meyer-Erlachs an Odeberg ist zu entnehmen, dass die Tagung aufgrund der Kriegsumstände auf den Mai des Jahres 1942 verschoben wurde. Vgl. MeyerErlach an Odeberg vom 19.3.1942; LUB Samling Odeberg, Hugo; B:812. Ein Produkt dieser Zusammenarbeit war Odebergs Aufsatz in den „Veröffentlichungen des Instituts zur Erforschung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben“: Odeberg, Hugo, Hellenismus und Judentum. Verjudung und Entjudung der antiken Welt, in: Walter Grundmann/Hugo Odeberg/ Wolf Meyer-Erlach (Hg.): Die völkische Gestalt des Glaubens, Leipzig: Wigand 1943, 103–118. 59  Vgl. Arnhold, Entjudung – Kirche im Abgrund II, 623f. 60   Odebergs Vortragsthema lautete: „Die Religionsphilosophie des schwedischen Denkers Pontus Wikner“. Pontus Wikner (1837–1888) war ein schwedischer Philosoph, Dozent für Theoretische Philosophie in Uppsala und später in Oslo und wird dem schwedischen religiö­ sen Idealismus zugerechnet. Hervorzuheben sind an dieser Stelle vielleicht seine Beiträge zur Geschichte der Homosexualität, die insbesondere die Probleme homosexueller Identität und des Prozesses des Coming-out adressierten. 56

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in Deutschland in positiven Bildern darstellt.61 Innerhalb der „Arbeits­ gemeinschaft: Germanentum und Christentum“ wurde Odeberg laut eines Augenzeugenberichts als einer der „führende[n] Köpfe der Tagung“62 wah­ rgenommen. Sein Beitrag blieb aber im Gegensatz zu Grundmann und Meyer-Erlach, die mit propagandistischen Aspekten der Arbeit beschäf­ tigt waren, vornehmlich auf wissenschaftliches Arbeiten und Vorträge be­ schränkt. Nach dieser zweiten Arbeitstagung in Weißenfels endete die gemein­ same Ausrichtung der Tagungen mit der schwedischen Gesellschaft, wenngleich die alleinig organisierten Tagungen der „Arbeitsgemeinschaft: Germanentum und Christentum“ in Nürnberg fortgesetzt wurden. Eine sol­ che Tagung war es auch, zu der Meyer-Erlach Odeberg in bereits genanntem Brief von Anfang des Jahres 1942 einlud und an der sich Odeberg eben­ falls mit einem Vortrag beteiligte. Aufgrund der Kriegsereignisse wurden weitere Tagungen beeinträchtigt, fanden aber mindestens bis ins Jahr 1944 hinein noch statt.63 Insgesamt war Odeberg also seit seiner Bekanntschaft mit Kittel in verschiedene wissenschaftliche Gemeinschaftsprojekte eingebunden, die anfangs von Kittel initiiert wurden. Zunehmend und insbesondere durch ähnliche politische Ansichten und Überzeugungen, die Kittel, wie bereits erwähnt als „Verständnis für […] unser nationalsozialistisches Denken“64 beschrieb, vertiefte sich das Verhältnis beider. Odeberg wurde in Forschungsgruppen und Arbeitsgemeinschaften integriert, in denen sich nicht nur Wissenschaftler gleicher oder ähnlicher Fachrichtungen, sondern auch gemeinsamem politischen Gepräge, nämlich pro-nationalsozialistisch­ er Haltungen, wenn­gleich in möglicherweise differenter Ausprägung der tatsächlichen Sympathie, trafen und kooperierten. Diese Zusammenarbeiten blieben nicht ausschließlich mit der Person Kittels verbunden und hatten offenbar auch, nachdem der Kontakt zu Kittel, der sich durch die briefli­ che Korrespondenz nachweisen ließ, abgerissen war, Bestand. So erfül­ lte sich die Hoffnung Kittels, dass Odeberg die Verbindung, die dieser zu seiner Einschätzung nach politisch und fachlich empfehlenswerten Wissenschaftlern hergestellt hatte, aufrechterhielt, um nicht nur der Wissenschaft, sondern seinem gesell­schaftlichen Ideal zu dienen: Ich bitte Sie herzlich, dass Sie und Ihre Freunde diese Verbindung nicht abreissen lassen. Grade auf dem wissenschaftlichen Gebiet müssen wir unbedingt zusammenarbeiten, um dem Neuen die Bahn zu brechen.65

 Vgl. Arnhold, Entjudung – Kirche im Abgrund II, 627.   A.a.O., 628. 63   Vgl. a.a.O., 640. 64   Kittel an Odeberg vom 29.9.1940; LUB Samling Odeberg, Hugo; B:812. 65  Ebd. 61

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D. Fazit Die vorausgegangene Darstellung hat insbesondere aus den erhaltenen Briefen im Nachlass Odebergs und weiteren darin überlieferten Materialien versucht, einerseits das Verhältnis von Hugo Odeberg und Gerhard Kittel zu beleuchten und die Entwicklung desselben darzustellen, das aus ge­ meinsamen wissenschaftlichen Interessen heraus entstand, Odeberg aber schließlich durch seine pro-nationalsozialistische Überzeugung einen durch Kittel vermittelten Zugang zu Kreisen von Wissenschaftlern ermöglichte, die gleiche politische Überzeugungen hegten. Aus diesem Grund sei hier abschließend auf eine Debatte in der schwe­ dischen Forschung zu Odeberg hingewiesen, die sich einerseits mit der Person Odebergs auseinandersetzt sowie andererseits um den angemessenen Umgang mit Odebergs 1943 erschienenem Buch „Fariséism och kristendom [Pharisäismus und Christentum]“, das „lange eine zentrale Rolle im schwe­ dischen theologischen Denken spielte“66, ringt. In dem auch in diesem Aufsatz als Quelle verwendeten biographischen Artikel über Odeberg heißt es: „O[deberg] wurde nicht selten eine pro-na­ tionalsozialistische Einstellung vor und während des Zweiten Weltkrieges vorgeworfen. Seine tiefgehende und bleibende Freundschaft mit einer großen Anzahl Juden in Schweden spricht dagegen eine andere Sprache.“67 Durch die vorgelegte Darstellung sollte allerdings deutlich geworden sein, dass nicht nur Odebergs hier erwähnten Äußerungen als pro-na­ tionalsozialitisch anzusehen sind.68 Insbesondere die Tatsache, dass Odeberg Teilnehmer an und Mitarbeiter bei Arbeitsgemeinschaften oder Forschungseinrichtungen war, die direkt mit dem nationalsozialistischen Regime verbunden oder mit Institutionen, die von diesem in propagan­ distischer Hinsicht genutzt wurden, zugehörig waren und mit dezidierten Unterstützern der nationalsozialistischen Ideologien zusammenarbeiteten, zeigt deutlich, dass er gleichsam von anderen mindestens als Sympathisant einer solchen politischen Einstellung angesehen wurde, um überhaupt in einen solchen Forschungsverbund integriert werden zu können. So scheint, sofern dies der Fall war, für Odeberg seine pro-nationalistische Einstellung nicht mit der Freundschaft zu jüdischen Mitmenschen konfligiert zu haben, aus der Kronholm in seinem biographischen Überblick die Unmöglichkeit jener zu konstruieren suchte.

  Åmark, Att bo granne med ondskan, 338.   K ronholm, Odeberg, 2. 68  Ebenso Oredsson, der darauf hinweist, dass Kronholm, der ein Schüler Odebergs und später Professor für semitische Sprachen in Uppsala war, mit seinen Aussagen mehr seine loy­ ale Schülerschaft als den Versuch, ein angemessenes Bild von Odeberg zu zeichnen, bezeugt. Vgl. Oredsson, Lunds universitet under andra världskriget, 116f. 66 67

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Der zweite Aspekt der Debatte um Odeberg sei an dieser Stelle zwar der Vollständigkeit halber, aber dennoch nur kurz erwähnt. Odebergs Buch „Fariséism och kristendom“ erschien erstmals, wie bereits erwähnt, im Jahr 1943 und erlebte noch drei weitere revidierte Auflagen 1945, 1963 und 1980. Außerdem erschienen Übersetzungen in die anderen nordischen Sprachen und ins Englische. Inhaltlich ist der Band in zwei Teile aufgeteilt, von denen der erste allgemeine Missverständnisse über den Pharisäismus berichtigt und zu dem Schluss kommt, dass die pharisäische Ethik nicht als Verdienstmoralsethik zu charakterisieren sei.69 Der zweite Teil stellt aus Odebergs Perspektive die wesentlichen Gegensätze zwischen dem Pharisäismus und dem Christentum dar. Der Begriff des Pharisäismus, den Odeberg in seiner Darstellung verwendet, ist dabei nicht auf die an­ tike Religionspartei beschränkt, sondern erstreckt sich bis auf das Judentum seiner Gegenwart.70 Besonders auffallend sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Auflagen. Insbesondere von der ersten zur zweiten Auflage im Jahr 1945 wurden einige Formulierungen entschärft, „die als herabwürdigend ge­ genüber Juden gelesen werden können.“ 71 Diese Revision der verschiedenen Auflagen von „Fariséism och kristendomen“ zeigt, dass Odeberg nach 1943 einige seiner Formulierungen, die teilweise der Redeweise nationalsozial­ istisch eingestellter Wissenschaftler entlehnt waren,72 möglicherweise auch um sich davon abzugrenzen, verändern musste oder wollte. Inwiefern die Schrift, auch nach den revidierten Auflagen, noch brauchbar respektive von Odebergs politischen Überzeugungen und Aussagen zu trennen ist, ist ein weiterer Aspekt der Debatte um diese Veröffentlichung.73 Konkret stehen sich dabei zwei unversöhnliche Positionen gegenüber: Timo Laato plä­d iert dafür die Bedeutsamkeit von Odebergs Schrift, die zu ihrer Zeit einen bedeutenden wissenschaftlichen Beitrag geleistet habe und ebenso in der Wahrnehmung jüdischer Wissenschaftler anerkannt worden war, unab­ hängig von seiner politischen Einstellung – die zweifellos abzulehnen sei – zu lesen und zu würdigen, um dem „Genie [dieser Schrift] Gerechtigkeit  Vgl. Håkansson, Bengt, Fariséer mellan svensk protestantism och Tredje riket – en bakgrundsteckning till Hugo Odebergs „Fariséism och kristendomen’, in: Svenskt Teologisk Kvartalskrift (STK) 82 (2006), 97–109; hier: 98. 70  Vgl. Håkansson, Fariséer, 99. 71   Håkansson, Fariséer, 101. Eine ausführliche und detaillierte Darstellung der Unterschiede zwischen den einzelnen Auflagen von „Fariséism och kristendomen“ findet sich bei Håkansson, Fariséer mellan svensk protestantism och Tredje riket, 97–109. 72  Vgl. Håkansson, Fariséer, ebd. 73   Vgl. dazu ausführlicher: Laato, Timo, Att göra rättvisa åt ett geni. Om Hugo Odebergs bok „Fariseism och kristendomen“, in: Svensk Teologisk Kvartalskrift (STK) 83 (2007), 169– 174 sowie Svartvik, Jesper, Att göra rättvisa åt enbart genier. Fem synpunkter på Timo Laatos artikel „Att göra rättvisa åt ett geni: Hugo Odebergs bok „Fariseism och kristendomen“, in: Svensk Teologisk Kvartalskrift (STK) 83 (2007), 175–180. 69

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widerfahren zu lassen“.74 Auf diese Weise könne einer pauschalisierenden Aburteilung Odebergs entgegengewirkt und ein vielschichtigeres Bild seines Schaffens gezeichnet werden. Dagegen führt Jesper Svartvik aus, dass Odebergs „Fariséism och kristendomen“ aufgrund der darin latent und offen zum Ausdruck kommenden Judenfeindlichkeit sowie des politischen Hintergrunds und der politischen Überzeugungen des Verfassers in Gänze abzulehnen sei. Die politisch pro-nationalsozialistische Einstellung Odebergs, die im vor­ liegenden Aufsatz und unter Verweis auf die Debatte in der schwedisch­ sprachigen Forschung dargestellt wurde, war seine Eintrittskarte in ein Netzwerk NS-regimeaffiner Wissenschaftler, das aus der unangemes­ senen Verquickung von (neutestamentlicher) Wissenschaft und politischer Überzeugung erwuchs. Zwischen Odeberg und Kittel entwickelte sich aufgrund gemeinsamer wissenschaftlicher Interessen und ähnlicher Forschungsbereiche durch die Initiative Kittels und seinem Bestreben zum Knüpfen internationaler Kontakte eine Bekanntschaft, die sich über ähnliche Arbeitsbereiche und die gelingende Zusammenarbeit vertiefte. Der Besuch Kittels bei Odeberg in Björklinge im Jahr 1931 zeigte beiden möglicherweise Gemeinsamkeiten über die Wissenschaft hinaus, ließ sie aber sicher weitere gemeinsame Projekte anstreben und offenbar eine Freundschaft wachsen. Odeberg wurde von Kittel, wie gezeigt, nicht nur zur Mitarbeit an den Rabbinischen Schriften eingeladen, sondern auf diese Zusammenarbeit auf bauend auch für die Abfassung einiger Artikel für das ThWNT angefragt. Die Sympathie Odebergs gegenüber Kittels politischer Einstellung veranlasste Kittel vielleicht schließlich, Odeberg den Kontakt zu Forschungs­g ruppen und -instituten, die Wissenschaftler nicht nur gleicher Fachrichtungen, sondern auch kompatibler politischer Überzeugungen ver­ band, zu vermitteln. So erhielt Odeberg nicht nur Zugang zur „Forschungsabteilung Judenfrage“ des „Reichsinstitut[es] für Geschichte des Neuen Deutschlands“ und ge­ wann, wie er in der Zeitschrift „Sverige-Tyskland“ ausführlich darstellte, einen außerordentlich positiven Eindruck dieses durch gemeinsame pro-na­ tionalsozialistische Einstellung grundierten wissenschaftlichen Netzwerks. Die direkte Verbindung Odebergs zu Kittel schwand zunehmend, während sich Odebergs Kontakte innerhalb diese Netzwerks NS-regime­t reuer Wissen­ schaftler verselbstständigten und sich auf weitere Gruppierungen, die Kittel seinerseits mied, ausweiteten. Odeberg wurde so zu einem regelmäßigen Teilnehmer der Lutherakademie in Sondershausen und ihr Mittelsmann für Kontakte nach Skandinavien sowie Mitarbeiter der „Arbeitsgemeinschaft: Germanentum und Christentum“ des „Institut[es] zur Erforschung des jüdi­   Laato, Att göra rättvisa åt ett geni, 175.

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schen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben“ und publizierte in dessen Veröffentlichungen. Dass sowohl Kittel als auch Odeberg von dieser unangemessenen Verquickung von wissenschaftlicher Tätigkeit und politischer Überzeugung profitierten, ist unbestreitbar. Des Weiteren steht zu vermuten, dass beide diese politische Haltung vornehmlich nicht aus Opportunismus, sondern aus einer Überzeugung annahmen, die aufgrund der fachlichen Kompetenzen beider wunder nimmt: Kittel und Odeberg waren Kenner des Hebräischen und insbesondere der Texte des antiken Judentums und Odebergs exe­ getisches Wirken ist in Hinblick auf die schwedische neutestamentliche Wissenschaft seiner Zeit sogar als „judaisierend“ 75 zu betrachten. Die Gewissheit der gleichen politischen Überzeugung des anderen erklärt möglicherweise auch, warum Kittel seine nach Ende des Zweiten Weltkrieges abgefasste Schrift, „Meine Verteidigung“, die er an internatio­ nale Fachkollegen, deren kritische Distanz zu seinen politischen Ansichten ihm bekannt war,76 als Rechtfertigung versandte, offenbar jedoch nicht an Odeberg schickte.77 Insgesamt ist also anzunehmen, dass Kittels Verhältnis zu Odeberg eine Freundschaft war, die dem Interesse beider an Vernetzung und Kooperation entsprach und gleichermaßen auf wissenschaftlichen wie auf politischen Gemeinsamkeiten beruhte, sodass die bereits im Titel dieses Aufsatzes genannte Aussage Kittels wohl auch für Odeberg Geltung beanspruchen kann: „Es tat besonders wohl, so viel Verständnis für […] nationalsozia­ listisches Denken zu finden“,78 wenngleich damit keineswegs die wissen­   Wingren, Gustaf, Tolken som tiger. Vad teologin är och vad den borde vara; de döva låter han höra och de stumma tala (Mark 7:37), Stockholm: Gummessons 1981, hier: 39. „Judaisierend“ rekurriert an dieser Stelle darauf, dass Odeberg im Gegensatz zu anderen neu­ testamentlichen Kollegen sich in besonderem Maße mit der Literatur des antiken Judentums ausein­andersetzte und diese für die Erforschung des Neuen Testaments fruchtbar machte. Dieses Vorgehen, das eigentlich eine besondere Wertschätzung jüdischer Kultur und jüdi­ schen Schrifttums bedeutete, kon­fligiert mit Odebergs politischer, pro-nationalsozialistischer Einstellung umso mehr. Ausführlicher zu Odebergs wissenschaftlicher Auseinandersetzung mit dem Judentum vgl. Gerhardsson, Fyra teologer, 105–107. 76  Im Nachlass Frederik Willem Grosheides (1881–1972) findet sich beispielsweise ne­ ben dem Briefwechsel mit Kittel ein auf Durchschlagpapier getipptes Exemplar von „Meine Verteidigung“ (vgl. Historisch Documentatiecentrum voor het Nederlandse Protestantisme (HDC) Inv. 111 F.W. Grosheide). Darüber hinaus schrieb Kittel in einem Brief an Grosheide vom 12.6.1933 über die Herausgabe seiner Schrift „Die Judenfrage“, dass es ihm „ein Bedürfnis [ist], auch einigen Freunden im Ausland gegenüber diese meine Stellung nicht zu verbergen.“ und bat, „dass Sie [Grosheide] das Buch freundlich aufnehmen und auch, wenn seine Haltung Ihnen in manchen Punkten zu Kritik Anlass gibt, dass Sie doch weder das Büchlein, noch seinen Verfasser verdammen möchten.“ (Kittel an Grosheide vom 12.6.1933, HDC 111 K 182). 77  In Odebergs Nachlass findet sich kein Hinweis darauf, dass er diese Schrift von Kittel erhalten hat. 78   Kittel an Odeberg vom 29.9.1940; LUB Samling Odeberg, Hugo; B:812. 75

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schaftliche Zusammenarbeit und Produktivität beider verhehlt werden soll, die der Ausgangspunkt ihres Verhältnisses war, das durch die gemein­ samen politischen Ansichten jedoch eine fragwürdige Tiefendimension erhielt. Sie zeigt aber auch, wenngleich beispielhaft, dass in Hinblick auf die Zeitbedingtheit wissenschaftlicher Forschung während des NS-Regimes nicht allein nach möglicher pro-nationalsozialistischer Einstellung der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen selbst oder nach der Unab­ hängigkeit wissenschaftlicher Publikation von politischer Haltung zu fragen ist, sondern ebenso nach der Ermöglichung wissenschaftlicher Arbeit und Kooperation in dieser Zeit sowie der Bildung einschlägiger Netzwerke auf Grundlage politischer Gemeinsamkeiten.

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Die Artikel von Gerhard Kittel und Hugo Odeberg zu den biblischen Eigennamen im ThWNT Guido Baltes A. Einleitung Gerhard Kittel bezeichnete das Theologische Wörterbuch zum Neuen Testament 1938 als eine „deutsche theologische Gemeinschaftsarbeit“.1 In der Tat hatte das Wörterbuch zu diesem Zeitpunkt nahezu ausschließlich deutsche Autoren. Die einzige Ausnahme bildete Hugo Odeberg (Lund/ Schweden), 2 der von Kittel mit einer Reihe von Artikeln zu biblischen Eigennamen betraut worden war. Bis zum Ende der Herausgeberschaft Kittels blieb er auch der einzige internationale Autor.3 Nach 1945 dräng­ ten die Besatzungsmächte auf eine Internationalisierung des Wörterbuchs,4 von Gerhard Friedrich wurden schließlich weitere internationale Autoren beteiligt, so dass bei Fertigstellung des Werkes insgesamt zwölf der 109

1   Kittel, Gerhard, Lexicographia Sacra, in: Deutsche Theologie 4 (1938), 91–109, hier 93; vgl. Bormann, Lukas, Gerhard Kittels wissenschaftliche Auslandsbeziehungen und die inter­ nationale Rezeption seiner Werke, in: Manfred Gailus/Clemens Vollnhals (Hg.), Christlicher Antisemitismus im 20. Jahrhundert. Der Tübinger Theologe und „Judenforscher“ Gerhard Kittel, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2020, 135–160, hier 149. 2   Zu Biografie und Bibliografie Odebergs vgl. Gerhardsson, Birger, Fridrichsen, Odeberg, Aulén, Nyberg. Fyra teologer, Lund: Novapress 1994, 85–136; Ders., Hugo Odeberg and his Vision „Christ and Scripture“, in: Jostein Ådna/Scott J. Hafemann/Otfried Hofius (Hg.), Evangelium, Schriftauslegung, Kirche. Festschrift für Peter Stuhlmacher zum 65. Geburtstag, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1997, 112–125; Gerdmar, Anders, Ein germanischer Jesus auf schwedischem Boden. Schwedisch-deutsche Forschungszusammenarbeit mit ras­ sistischen Vorzeichen 1941–1945, in: Roland Deines/Volker Leppin/Karl-Wilhelm Niebuhr (Hg.), Walter Grundmann. Ein Neutestamentler im Dritten Reich (Arbeiten zur Kirchen- und Theologiegeschichte 21), Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2007, 319–348. 3   Eine weitere Ausnahme bildete Albert Debrunner (Bern/Schweiz), der als Gräzist zum festen Bearbeiterstab des Lexikons gehörte und 1942 einen Teilartikel beitrug. 4   Zunächst wurde erwogen, die Herausgeberschaft „einem Gremium von schweizerischen, amerikanischen und skandinavischen Theologen“ zu übertragen, vgl. Rühle, Oskar, Hundert Jahre Kohlhammer. Geschichtlicher Überblick, in: Hundert Jahre Kohlhammer. 1866–1966, Stuttgart u.a.: Kohlhammer 1966, 11–162, hier 131. Schließlich wurde Kittel jedoch von der französischen Militärregierung wieder in die Herausgeberschaft eingesetzt (Kittel an Karl Ludwig Schmidt vom 12.8.1947, LAELKB Nachlass Friedrich, Gerhard).

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beteiligten Autoren aus dem Ausland stammten 5 und neun weitere an auslän­ dischen Universitäten tätig waren,6 wobei in beiden Fällen das deutschspra­ chige Ausland überwog. Die Beschränkung auf deutsche Autoren war dabei keiner Verschlossenheit Kittels gegenüber internationaler wissenschaftlicher Zusammenarbeit geschul­det. Im Gegenteil, bedingt durch die Wirksamkeit seines Vaters und auch vielfältige eigene Aktivitäten verfügte Kittel bereits Anfang der 30er Jahre über ein „relativ dichtes wissenschaftliches Netzwerk [...], das ihn mit schwedischen, niederländischen, britischen und amerikanischen Wissenschaftlern in Kontakt und teilweise intensiven Austausch gebracht hatte“,7 eine Tatsache, die sich dann auch in der schnellen und breiten inter­ nationalen Rezeption des Wörterbuchs8 sowie in Kittels prominenter Rolle im entstehenden Netzwerk der Studiorum Novi Testamenti Societas (SNTS) niederschlug.9 Auch im Mitarbeiterstab des Wörterbuchs hatte Kittel be­ reits von Anfang an mit Frederik Willem Grosheide (Amsterdam), Arthur Nock (Harvard) und Albert Debrunner (Basel) Gelehrte aus dem Ausland eingebunden.10 Hugo Odeberg bleibt jedoch bis 1954 der einzige auslän­ dische Autor des Wörterbuchs. Der vorliegende Beitrag wirft daher einen eingehenderen Blick auf seinen Beitrag. Die biographischen Beziehungen zwischen Gerhard Kittel und Hugo Odeberg, die zu dieser Mitwirkung führ­ ten, hat Hannah Kreß in ihrem Tagungsbeitrag nachgezeichnet.11 Im vor­ liegenden Beitrag soll daher vor allem der inhaltliche Niederschlag dieser Zusammenarbeit beleuchtet werden.

B. Der Weg zu Odebergs Mitwirkung am Theologischen Wörterbuch Gerhard Kittels Kontakte nach Schweden waren bereits durch Reisen seines Vaters sowie familiäre Beziehungen zum späteren Erzbischof Nathan

5   Die Autoren stammten aus der Schweiz (5), aus Schweden (3), den Niederlanden (2) und Frankreich (2). Vgl. Autoren- und Mitarbeiterverzeichnis, in: ThWNT 10/2 (1979), 87–107. 6   Schweiz (4), Österreich (1), Schweden (1), USA (1), England (1), Rom (1). Vgl. Autorenund Mitarbeiterverzeichnis, ThWNT 10/2, 87–107. 7   Bormann, Auslandsbeziehungen, 145, vgl. 138–145. 8   Bormann, Auslandsbeziehungen, 145–148. 9   Bormann, Lukas, „Auch unter politischen Gesichtspunkten sehr sorgfältig ausgewählt“. Die ersten deutschen Mitglieder der Studiorum Novi Testamenti Societas (SNTS) 1937–1946, in: New Testament Studies 58 (2012), 416–452. 10   Kittel, Gerhard, Vorwort, in: ThWNT 1 (1933), V–VII. 11   Vgl. den Beitrag von Hannah Kreß, “[S]o viel Verständnis für [...] unser nationalsozialis­ tisches Denken”: Hugo Odeberg und Gerhard Kittel, in diesem Band.

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Söderblom vorbereitet.12 Ob für Gerhard Kittel bei der Zusammenarbeit mit Odeberg „als Schwede und als Deutscher“13 zudem auch nationalpolitische oder völkische Aspekte eine Rolle spielten, lässt sich nicht sicher feststellen. Ganz ohne politische Konnotation geschah die Einbindung eines schwedi­ schen Autors insbesondere in den Jahren 1933/1934, in denen die kirchlichen und politischen Beziehungen zwischen Schweden und Deutschland in eine ernsthafte Krise geraten waren, sicher nicht.14 Ein ausdrücklicher Rekurs auf „die große germanische Schicksalsgemeinschaft, die in der Geschichte Deutschlands und der nordischen Länder sichtbar geworden ist“,15 ist bei Kittel jedoch weder zu diesem Zeitpunkt noch auch in späteren Jahren so explizit wie später bei Odeberg.16 Odeberg hatte 1925 sein Promotionsstudium in London mit der Edition einer hebräischen Handschrift des „3. Buch Henoch“ abgeschlossen, die 1928 im Druck erschien.17 Auf Empfehlung von Söderblom nahm Kittel im Sommer 1928 Kontakt auf, um ihn für die Mitarbeit an der Tosefta-Ausgabe in der Reihe „Rabbinische Texte“ zu gewinnen.18 Inwiefern Odeberg zu diesem Zeitpunkt bereits durch Kittel beeinflusst war, lässt sich schwer feststellen. In seiner Dissertationsschrift erwähnt er ihn noch nicht. Im Vorwort zum 1929 erschienen fragmentarischen Johanneskommentar wird dann jedoch Kittel, gleich nach seinem Lehrer George H. Box, als derjenige genannt, mit dem Odeberg sich „intrinsically best in accord“ befinde.19 Auch   K reß, Verständnis; Bormann, Auslandsbeziehungen, 138–139.   Kittel an Odeberg vom 16.8.1928, LUB Samling Odeberg, Hugo; B:812. 14   Vgl. dazu unten C. Das Ende der Mitarbeit. 15   Grundmann, Walter, Vorwort, in: Walter Grundmann/Hugo Odeberg/Wolf MeyerErlach, Die völkische Gestalt des Glaubens (Beiheft zu: Germanentum, Christentum und Judentum. Studien zur Erforschung ihres gegenseitigen Verhältnisses. Veröffentlichungen des Instituts zur Erforschung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben), Leipzig: Wigand 1943, Vorwort ohne Seitenzahlen. 16   Odeberg wirkte als Mitherausgeber und Autor an dem in Anm. 15 genannten Sammelband mit, vgl. Odeberg, Hugo, Hellenismus und Judentum. Verjudung und Entjudung der antiken Welt, in: Grundmann/Odeberg/Meyer-Erlach, Völkische Gestalt, 103–118. Vgl. außerdem Odeberg, Hugo, Gamla testamentet i våra dagar, in: Svensk teologisk kvartalskrift 10 (1934), 328–334, hier 330–331; Odeberg, Hugo, Fariseism och Christendom [1943], Lund: Gleerup 4 1980, 581. 17   Odeberg, Hugo, 3 Henoch or The Hebrew Book of Enoch. Edited and Translated for the First Time with Introduction, Commentary & Critical Notes, Cambridge: Cambridge University Press 1928. 18  Auf Kittels Anfrage vom 16.8.1928 folgte Odebergs Zusage am 25.8.1928. Kittel betrau­ te Odeberg am 27.10. mit der Herausgabe des Seders Neziqin und sandte ihm am 23.2.1929 Kopien der entsprechenden Handschriften. LUB Samling Odeberg, Hugo, B:812. 19   Odeberg, Hugo, The Fourth Gospel, Interpreted in Its Relation to Contemporaneous Religious Currents in Palestine and the Hellenistic-Oriental World, Uppsala: Almqvist & Wiksells 1929, 6. Odeberg verweist hier auf Kittel, Gerhard, Die Probleme des palästi­ nischen Spätjudentums und das Urchristentum (Beiträge zur Wissenschaft vom Alten und 12 13

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sein ebenfalls 1929 erschienener Artikel über „Normativ Judendom“ be­ ginnt programmatisch mit einem Verweis auf Kittel und zählt diesen neben Moore, Dalman, Schlatter, Billerbeck und Box zu den sechs bedeutendsten zeitgenössischen Experten für das rabbinische Judentum.20 Die erste persön­ liche Begegnung zwischen beiden fand vermutlich im Oktober 1931 statt.21 Odebergs Mitarbeit an den „Rabbinischen Texten“ blieb bis zur vorläufigen Einstellung der Reihe 1937 allerdings ohne greif bares Ergebnis. Kittels Anfrage an Odeberg zur Mitarbeit am Theologischen Wörterbuch erfolgte vermutlich 1933 oder 1934, kurz bevor dieser den Lehrstuhl für Neues Testament in Lund übernahm.22 Zu diesem Zeitpunkt hatte Odeberg seine Forschungsgebiete über den Bereich der jüdischen Mystik hinaus auf das Alte und Neue Testament sowie den Mandäismus ausgedehnt: In den Jahren zwischen 1929 und 1934 erschienen unter anderem ein Kommentar zum Buch Kohelet, 23 Fragmente eines Kommentars zum Johannesevangelium, 24 Kurzdarstellungen des Frühjudentums25 und der mandäischen Religion, 26 ein Kommentar zu Tritojesaja, 27 eine Abhandlung über Himmelswelten im Epheserbrief 28 sowie kleinere erbauliche Schriften und Predigthilfen für die kirchliche Praxis.29 Programmatisch fasst Odeberg den Ertrag seiner bis­ herigen Arbeiten in seiner Antrittsvorlesung 1934 in Lund zusammen, die Neuen Testament 37), Stuttgart: Kohlhammer 1926. Vgl. dazu auch Gerdmar, Anders, Roots of Theological Antisemitism, Leiden: Brill 2009, 423–435; Lindemann, Gerhard, Gerhard Kittel. Familiäre Herkunft, Ausbildung und wissenschaftliche Anfänge, in: Gailus/Vollnhals, Christlicher Antisemitismus, 64–82, insbes. 74–79. 20   Odeberg, Hugo, Normativ Judendom, in: Norsk Teologisk Tidsskrift 30 (1929), 88–114, hier 88, wieder mit Verweis auf Kittel, Probleme. 21   Vermutlich bei einem Besuch von Ehepaar Kittel in Björklinge im Oktober 1931, vgl. Kittel an Odeberg vom 26.11.1932, LUB Samling Odeberg, Hugo, B:812. 22  Schriftlich erhalten ist lediglich Kittels Dank für die erfolgte Zusage, in: Kittel an Odeberg vom 13.5.1934, LUB Samling Odeberg, Hugo, B:812. 23   Odeberg, Hugo, Qohælæth. A Commentary on the Book of Ecclesiastes, Uppsala: Almqvist & Wiksell 1929. 24   Odeberg, Fourth Gospel. 25   Odeberg, Judendom. Odeberg rezensierte Moore, George Foot, Judaism in the First Centuries of the Christian Era. The Age of the Tannaim, Cambridge, MA: Harvard University Press 1927. Er setzt Moore jedoch seinen eigenen Entwurf einer ursprünglichen Vielgestaltigkeit des vorrabbinischen, vor allem mystischen Judentums entgegen. 26   Odeberg, Hugo, Die mandäische Religionsanschauung. Zur Frage nach Wesen, Grundzügen und Herkunft des Mandäismus, in: Uppsala Universitets Årsskrift, Teologi 2, Uppsala: Lundequist 1930, 1–27. 27   Odeberg, Hugo, Trito-Isaiah (Isaiah 56–66). A Literary and Linguistic Analysis, in: Uppsala Universitets Årsskrift, Teologi 1, Uppsala: Lundequist 1931, 1–285. 28   Odeberg, Hugo, The View of the Universe in the Epistle to the Ephesians, in: Lunds Universitets Årsskrift, N.F., Avdelningen 1 (Teologi, Juridik och Humanistiska Ämnen) 29:6, Lund: Gleerup 1934, 1–20. Nach Auskunft von Gerhardsson, Vision, 117, hatte Odeberg diese Schrift bereits vor seinem Wechsel nach Lund fertiggestellt. 29   Zu ausführlichen bibliografischen Übersichten vgl. die Literatur in Anm. 2.

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grundsätzlich nach der Bedeutung jüdischer Literatur für die Exegese des Neuen Testaments fragt.30 Trotz der Vielfalt der Themenbereiche wird in diesen frühen Jahren ein Grundgerüst der theologischen und religionsge­ schichtlichen Denkweise Odebergs erkennbar, das zum einen eine große Nähe zum Denken Gerhard Kittels aufweist und zum anderen auch den später erschienenen Artikeln des Theologischen Wörterbuchs zugrunde liegt. Es soll daher hier kurz skizziert werden. In seinen beiden Schriften aus dem Jahr 1929 bezieht sich Hugo Odeberg, wie bereits erwähnt, an jeweils herausgehobener Stelle auf Kittels Programmschrift „Die Probleme des palästinischen Spätjudentums und das Urchristentum“.31 Und in der Tat sind in seinen frühen Arbeiten viele in­ haltliche Parallelen zu Kittels Thesen von 1926 erkennbar: Wie Kittel, so will auch Odeberg das frühe Christentum im Spannungsfeld zwischen jü­ dischem und hellenistischem Einfluss verorten.32 Wie Kittel stellt er dabei den Gegensatz in Frage, den die religionsgeschichtliche Forschung zwis­ chen Judentum und Hellenismus zeichnete, und betont demgegenüber ihre gegenseitige Durchdringung.33 Wie Kittel stellt er jedoch gleichzeitig die Einzigartigkeit des Christentums gegenüber beiden Strömungen heraus.34 Odeberg sieht, auch hier Kittel ähnlich, grundsätzlich zwei gegensätzliche Gefahren in der zeitgenössischen neutestamentlichen Forschung. Eine ein­ seitige Herleitung des Christentums allein aus hellenistischen religiösen Strömungen (Gnosis, Mysterienkulte, Mandäismus) löse das Christentum nicht nur vom historischen Jesus, sondern auch vom Judentum und vom Alten Testament. Diese auch kirchenpolitisch zur Forderung erhobene Loslösung lehnt Odeberg als antisemitisch ab.35 Auf der anderen Seite lehnt er aber auch die einseitige Herleitung des Christentums aus dem Judentum ab: Eine Parallelsetzung von Neuem Testament und rabbinischem Judentum reduziere das Christentum auf eine „Moralphilosophie“, ja es drohe die „Judaisierung des Christentums“.36 Beide Tendenzen, einen (falschen) christlichen Antisemitismus37 und eine „Judaisierung des Christentums“, will Odeberg vermeiden und stattdessen, wie auch Kittel, die unbedingte Eigenständigkeit des Christentums sowohl gegenüber dem Judentum als auch gegenüber dem Hellenismus erweisen. Später wird Odeberg es so 30   Odeberg, Hugo, Några Synpunkter på den judiska litteraturens betydelse för den nytesta­ mentliga exegetiken, in: Svensk Teologisk Kvartalskrift 10 (1934), 107–119. 31   Vgl. Anm. 19 und 20. 32   Odeberg, Fourth Gospel, 5–6; Ders., Synpunkter, 113–114; vgl. Kittel, Probleme, 71–87. 33   Odeberg, Fourth Gospel, 5; 95–100; 215–216 u.ö.; Ders., Judendom, 99–100; 106–108; Ders., Synpunkter 117–118; vgl. Kittel, Probleme, 3–4; 74–87. 34   Odeberg, Synpunkter, 109 und 114; Ders., Fourth Gospel, 95–100; vgl. Kittel, Probleme, 93–94 und 120–131. 35   Odeberg, Synpunkter, 107. 36   Odeberg, Synpunkter, 108–109; vgl. Kittel, Probleme, 90–93. 37  Vgl. Odeberg, Gamla testamentet.

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zusammenfassen: „Das Christentum ist weder jüdisch noch hellenistisch [...]. Wenn man von Gegensätzen sprechen will, [stand] das Christentum [...] in einem viel größeren Gegensatz [...] zu Judentum und Hellenismus zugleich als der Gegensatz war, der zwischen Judentum und Hellenismus obwaltete.“38 Den Schlüssel für diese doppelte Abgrenzung findet Odeberg in der von ihm herausgegebenen Schrift des „3. Buch Henoch“: Die Schrift be­ schreibt die visionäre Himmelsreise des Rabbi Ishmael, der im himm­l ischen Heiligtum einer gottähnlichen Erlöserfigur, dem Erzengel Metatron, be­ gegnet. Dieser wird in der Erzählung mit dem erhöhten Henoch identifi­ ziert 39 und erhält von Gott sogar den Titel „kleiner JHWH“ (‫ )יהוה הקטן‬40. Für Odeberg, der den Kern der Schrift in das erste nachchristliche Jahrhundert datiert, ist sie das einzige erhaltene Zeugnis eines heterodoxen, mystischen, nicht-rabbinischen Judentums, das als Bindeglied zwischen Judentum und Hellenismus Elemente aus beiden Welten in sich vereinte: eine hebräische Sprachwelt, die dem rabbinischen Judentum nahestehe, und zugleich eine mystische Denkwelt, die antirabbinisch geprägt sei und Verwandtschaft mit dem gnostisch-mandäischen Erlöser- und Urmenschenmythos auf­ weise. Erlösung werde hier nicht durch Toragehorsam, sondern durch eine priesterliche Himmelsgestalt vermittelt. Diese frühe Form eines mystischen Judentums wurde nach Odebergs Rekonstruktion jedoch nach und nach durch das „normative“, rabbinische Judentum verdrängt. Erste Ansätze ein­ er solchen „Rabbinisierung“ seien bereits im 3. Henoch selbst erkennbar. In den späteren rabbinischen Schriften hingegen seien nur noch vereinzelt Spuren davon zu finden. Das im 3. Buch Henoch repräsentierte mystische Judentum bildet für Odeberg zugleich den Ansatz- und Ausgangspunkt für die Entstehung des Christentums: Dieses sei nun weder einseitig aus dem (rabbinischen) Judentum, noch einseitig aus dem (gnostisch-mandäischen) Hellenismus her­ zuleiten. Vielmehr greife es auf Vorstellungswelten aus deren gemeinsamer Schnittmenge, dem mystischen Judentum, zurück. Gleichzeitig stehe es zu diesem in scharfem Gegensatz, insofern es zwar Bilder und Begriffe aufgreife, diese aber völlig neu fülle. Vor allem im johanneischen Schrifttum (vgl. Joh 3,13), aber auch im übrigen NT, nehme eben nicht der zum Himmelswesen erhöhte Menschensohn bzw. Urmenschentypos, sondern der aus dem Himmel herabgestiegene menschgewordene Gottessohn die Rolle der Erlöserfigur ein.   Odeberg, Hugo, Das Christentum. Hellenistisch oder jüdisch?, in: Zeitschrift für syste­ matische Theologie 17 (1940), 569–586, hier 585; ähnlich Ders., Über das Johannesevangelium, in: ZSTh 16 (1939), 173–188, hier 176–177 und 183–184; Ders., Das Alte Testament im Neuen, in: ZSTh 18 (1941), 56–61, hier 61; Ders., Pharisäische oder christliche Ethik, in: ZSTh 18 (1941), 482–498, hier 492–493. 39   Schäfer, Peter /Schlüter, Margarete (Hg.), Synopse zur Hekhalot-Literatur (Texte und Studien zum antiken Judentum 2), Tübingen: Mohr 1981, § 12. 40   Schäfer /Schlüter, Synopse, § 15. 38

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Der weitere Verlauf der Forschung, insbesondere die heute akzep­ tierte Datierung des 3. Henochbuches auf das 8.–9., statt auf das 1.–2. Jahrhundert, 41 hat Odebergs Konstruktion zwar an einem zentralen Punkt als ein Fehlurteil erwiesen.42 Gleichwohl haben sich einzelne Aspekte seiner These durchaus bestätigt: Die seinerzeit innovative Grundthese einer gegen­ seitigen Durchdringung von Judentum und Hellenismus wird heute nicht mehr bezweifelt. Der von Odeberg rekonstruierte Text des 3. Henoch hat sich als zuverlässig bewährt.43 Und auch die These von einem henochischen Judentum, das die mosaische Tora gänzlich ignorierte 44 und damit nicht nur in Opposition zum zadokitisch-priesterlichen Judentum stand, sondern auch in scharfem Kontrast zum späteren rabbinischen Judentum, das des­ halb seinerseits „die Erinnerung an das henochitische Judentum sogar ganz ausstrich“45, sowie die Herleitung der johanneischen Christologie aus diesem henochitischen Judentum,46 wird gegenwärtig neu diskutiert. Für Odeberg diente jedoch die von ihm entworfene Entstehungsnarrative 47 vor allem als Werkzeug zu einer wissenschaftlich verankerten Verhältnis­ bestimmung zwischen Christentum und Judentum48 nicht nur im his­ torischen, sondern auch im gegenwärtigen Kontext. Mit ihrer Hilfe konnte sich Odeberg auch im weiteren Verlauf seiner Forschungstätigkeit in zwei Richtungen abgrenzen und damit ein theologisches Profil entwickeln, das ihn zwar eng mit Kittel verband, im Detail aber auch von diesem unter­   Schäfer, Peter, The Origins of Jewish Mysticism, Tübingen: Mohr Siebeck 2009, 1–33 und 353–355. 42   Schäfer, Origins, 355, warnt grundsätzlich vor „universalistic and ahistorical tenden­ cies“, die dem Begriff einer „jüdischen Mystik“ innewohnen. 43   Schäfer, Peter (Hg.), Übersetzung der Hekhalot-Literatur. 1: §§ 1–80 (Texte und Studien zum antiken Judentum 46), Tübingen: Mohr Siebeck 1995, XLVIII. 44   Boccaccini, Gabriele, Beyond the Essene Hypothesis. The Parting of the Ways between Qumran and Enochic Judaism, Grand Rapids: Eerdmans 1998, 74. 45   Boccaccini, Gabriele/Palmer, Gesine, Wurzeln des rabbinischen Judentums. Eine Geistesgeschichte von Ezechiel bis Daniel (Arbeiten zur neutestamentlichen Theologie und Zeitgeschichte 11), Berlin: Institut Kirche und Judentum 2014, 186. 46   Boccaccini, Gabriele, From Jewish Prophet to Jewish God. How John Made the Divine Jesus Uncreated, in: Benjamin E. Reynolds/Gabriele Boccaccini (Hg.), Reading the Gospel of John’s Christology as Jewish Messianism (Ancient Judaism and Early Christianity 106), Leiden: Brill 2018, 335–357. 47  Zum Problem der Funktionalisierung von Geschichtskonstruktionen des antiken Judentums als Evolutions- oder Niedergangsnarrative vgl. Leutzsch, Martin, Wissenschaftliche Selbstvergötzung des Christentums. Antijudaismus und Antisemitismus im ‚Theologischen Wörterbuch zum Neuen Testament‘, in: Gailus/Vollnhals, Christlicher Antisemitismus, 101– 118, hier 107–110 und Gerdmar, Roots, 581–587. 48   Zur Instrumentalisierung wissenschaftlicher Theologie und christlicher Judaistik für die Zwecke nationalsozialistischer Rassenpolitik vgl. Junginger, Horst, Die Verwissenschaftlichung der ›Judenfrage‹ im Nationalsozialismus, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2011, 131–220. 41

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schied. Mit Kittel teilte er einerseits die Ablehnung eines Antisemitismus, der das Christentum vom Alten Testament oder von seiner jüdischen Herkunft zu lösen versuchte.49 Mit ihm teilte er anderer­seits auch die scharfe Abgrenzung gegen das „pharisäische“ oder „rabbinische“ Judentum, das er als legalistische Degeneration oder Verfälschung des ursprünglichen, mys­ tischen Judentums verstand. Folgt man gängigen, wenn auch nicht immer scharf zu trennenden, Unterscheidungen unterschiedlicher Formen von Antijudaismus und Anti­ semitismus,50 so findet sich bei Odeberg in dieser frühen Phase nirgends die Vorstellung einer grundsätzlichen Verwerfung Israels, wie sie für den traditionellen christlichen Antijudaismus charakteristisch ist. Die scharfe Opposition des Neuen Testaments gegen den „Pharisäismus“ ist bei Odeberg vielmehr eine theologische Frontstellung, die das frühe Christentum mit dem mystischen Judentum verbindet, und die sich nach Odebergs Ansicht nicht gegen das Judentum an sich, sondern nur gegen dessen vermeint­liche Degeneration im späteren, pharisäisch-rabbinischen Judentum wendet. Diese Konstruktion ermöglicht im weiteren Leben und Wirken Odebergs das Nebeneinander zweier gegensätzlicher Tendenzen: Zum einen entwick­ elt er eine bewusst von Elementen jüdischer Liturgie und Schriftauslegung geprägte mystisch-quietistische Bibelfrömmigkeit, die er bis zu seinem Lebensende pflegte und die ihn von Kittels programmatischer Forderung nach „Rassentrennung“ in der Kirche deutlich unterschied. Daneben jedoch steht bei Odeberg immer auch die scharfe Abgrenzung: Theologisch geschieht diese sowohl gegenüber dem mystischen als auch gegenüber dem pharisäischrabbinischen Judentum, insofern ersteres die Erhöhung eines Menschen zum himmlischen Erlöser erwarte und letzteres die Erlösung durch menschlichen Toragehorsam. Beiden wird die neutestamentliche Christologie als das en­ tscheidend Neue entgegengestellt. Geschichtlich jedoch weiß sich Odeberg in seiner mystischen Grundhaltung lebenslang dem von ihm als „wahr“ verstandenen Judentum verbunden, während er dem „tödlichen Gift“51 des Pharisäismus ebenfalls lebenslang feindlich gegenübersteht. Nur einmal verlässt Odeberg in seinen hier geschilderten frühen Arbeiten den Rahmen eines theologischen Antijudaismus und greift Denk- und   Vgl. Gerdmar, Roots, 586: „The goal was partly to disconnect Judaism from the Old Testament, in order to ,save’ the Old Testament.“ 50  Ich folge der Terminologie von Vos, Johan S., Antijudaismus/Antisemitismus im Theologischen Wörterbuch zum Neuen Testament, in: Nederlands Theologisch Tijdschrift 38 (1984), 89–110; vgl. auch Leutzsch, Selbstvergötzung, 112 und 114; Gerdmar, Roots, 5–8; Schäfer, Peter, Judeophobia. Attitudes Toward the Jews in the Ancient World, Cambridge, MA: Harvard University Press 1997, 197–211; Schwarz-Friesel, Monika/Reinharz, Jehuda, Die Sprache der Judenfeindschaft im 21. Jahrhundert (Europäisch-jüdische Studien Beiträge 7), Berlin/Boston: de Gruyter 2013, 58–105. 51  Vgl. Odeberg, Ethik, 83; ders., Farissim, 6. Vgl. Odeberg, Gamla testamentet, 331. 49

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Sprachformen eines politischen Antisemitismus auf, den er dann auch, im Unterschied zum falschen, als einen „berechtigten“ Antisemitismus bezeich­ net. Dieser wende sich weder gegen das Volk Israel noch gegen das rabbi­ nische Judentum, sondern (zusammen mit diesem) gegen ein säkulari­siertes Judentum, das sich „von seinen Wurzeln löse“, damit „zersetzend“ auf die Gesellschaft wirke und zur „Auflösung von Religion und Moral“ führe. Diese Tendenz sieht Odeberg im hellenistischen Judentum der Antike und im liberalen Judentum der Moderne. Dieses sei „wurzellos“, „seelenlos“ und „vergifte den nordischen und germanischen Geist“.52 Auch mit solchen, für ihn 1934 noch singulären, Formulierungen kann Odeberg auf Kittel zurück­ greifen, bei dem ähnliche Denkfiguren eines politischen Antisemitismus be­ reits 1926 zu finden sind.53

C. Die Artikel im Theologischen Wörterbuch 1. Die Auswahl der Artikel und die Zuweisung der Autoren Die Aufnahme biblischer Eigennamen in die Stichwortliste des ThWNT zählt, neben der Aufnahme der Präpositionen, zu den beiden grundsätz­ lichen Neuerungen in der Artikelauswahl, die Kittel im Vorwort des er­ sten Wörterbuchbandes benennt.54 Insgesamt 33 Artikel zu Orts- und Personennamen finden sich im ThWNT.55 Zwar kündigte Kittel zunächst nur „alttestamentliche Eigennamen [...], deren Personen Gegenstand theo­ logischer Deutung“56 seien, an. Gleichwohl entstammen acht Namen nicht dem Alten Testament, darunter auch die von Odeberg bearbeiteten Ἰάννης und Ἰαμβρῆς. Kittel suchte für die Namensartikel offenbar vor allem solche Autoren aus, von denen er sich Expertise in rabbinischer Literatur erhoffte:   Odeberg, Gamla testamentet, 330–331.   Kittel, Probleme, 90 (vgl. aber auch 16.91.120); Ders., Jesus und die Juden (Stimmen aus der deutschen christlichen Studentenbewegung 42), Berlin: Furche 1926, 5. Es lässt sich daher nicht pauschal sagen, Kittel sei „erst durch die politischen Verhältnisse des Jahres 1933 [...] zu einem antisemitischen Wirken gekommen“ [Siegele-Wenschkewitz, Leonore, Neutestamentliche Wissenschaft vor der Judenfrage. Gerhard Kittels theologische Arbeit im Wandel deutscher Geschichte (Theologische Existenz heute NF 208), München: Kaiser 1980, 36], oder explizit antisemitische Bekenntnisse gebe es erst „seit der Zäsur von 1933“ (Gailus, Manfred/Vollnhals, Clemens, Der Tübinger Theologe und „Judenforscher“ Gerhard Kittel. Zur Einführung, in: Dies., Christlicher Antisemitismus, 7–18, hier 17). 54   Kittel, Vorwort, V. 55   Zur Rekonstruktion der ursprünglichen Stichwort- und Autorenlisten vgl. neben den hier zitierten Briefen auch Bormann, Lukas, Rudolf Bultmann und das Theologische Wörterbuch zum Neuen Testament. Eine Neubewertung, in: Zeitschrift für Theologie und Kirche 118 (2021), 23–56, hier 26–27. 56   Kittel, Vorwort, V. 52 53

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Fünfzehn Namen wurden Joachim Jeremias zugeteilt,57 vier weitere in Band I zunächst Kittels Mitarbeiter Karl Georg Kuhn, einen übernahm Kittel selbst. In Band II und III scheint Odeberg die Rolle Kuhns einzunehmen: Beide standen Kittel nicht nur politisch näher als Jeremias, der sich 1933 der Bekennenden Kirche angeschlossen hatte, sondern arbeiteten auch mit Kittel an der Edition der „Rabbinischen Texte“. Zudem zählt Odeberg beide zusammen mit drei weiteren Personen zu „seinen Schülern“ auf judaistisch­ em Gebiet.58 Kittel fragte Odeberg für insgesamt sieben Artikel an,59 fünf davon übernahm dieser, einen verfasste Kittel selbst (Θαμάρ etc.) und einer entfiel ganz (Ἰώβ). Kuhn übernahm zudem in Band III einen Teilartikel zu Ἰσραήλ. Sechs Namensartikel wurden von Kittel an andere Autoren verge­ ben. Odeberg verfasste außer den Namensartikeln keine Artikel zu anderen Schlagworten. 2. Ἑνώχ (Odeberg) Odebergs ausführlichster Artikel im ThWNT widmet sich dem zen­ tralen Forschungsgebiet des Autors, der henochischen Literatur.60 Der Großteil des Artikels bietet dabei den damaligen Forschungsstand zur Entwicklungsgeschichte henochischer Vorstellungen im Judentum.61 Durch gezielte Kommentierung nutzt Odeberg den Artikel jedoch, um sein Narrativ einer Degeneration vom ursprünglich mystischen zum späteren rabbinischen Judentum zu entfalten: So findet er bereits im Text von Gen 57   Jeremias war seit 1928 als außerordentlicher Professor und Direktor am Institutum Iudaicum in Berlin sowie seit 1929 als Professor in Greifswald tätig. Seine frühen Veröffentlichungen stammen aus dem Bereich der Landes- und Realienkunde. Neben den im Druck erschienenen 13 Wörterbuch-Artikeln zu Eigennamen waren auch Σιών/Ἰερουσαλήμ und πέτρα/Πέτρος zunächst Jeremias zugedacht. 58   Junginger, Horst, Gerhard Kittel. Ein biographischer Abriss im Kontext der politischen und kirchlichen Zeitgeschichte, in: Gailus/Vollnhals, Christlicher Antisemitismus, 203–258, hier 232. 59   Eine Korrespondenz zu Ἑνώχ ist im Nachlass nicht erhalten. Den Erhalt des Artikels zu Ἠσαῦ quittiert Kittel mit den Worten: „Lieber Herr Kollege, Besten Dank für Esau. Sie erhalten sehr bald die Korrektur. Bitte fügen Sie zu Hebr 11,20 noch eine Anmerkung mit Stellenbeleg für die zeitgenössische Anschauung ein. Ich habe für eine Anm. 6 an dieser Stelle Platz gelas­ sen. Ich bitte Sie sehr dringend, mir mitzuteilen, wie es mit Thamar, Jakob, Jezabel & Job steht? Herzliche Grüsse, Ihr Kittel.“ Kittel an Odeberg vom 13.6.1935, LUB Samling Odeberg, Hugo; B:812. 60   Odeberg, Hugo, Art. Ἑνώχ, in: ThWNT 2 (1935), 553–557. 61   Nicht nur im Blick auf „3. Henoch“, sondern auch im Blick auf die ältere Henochliteratur hat sich die Quellenlage nicht zuletzt durch die aramäischen Textfunde von Qumran (1951) und den Fund eines koptischen Fragments (1937) erheblich verändert. Vgl. dazu Uhlig, Siegbert, Das äthiopische Henochbuch (Jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit V/9), Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 1984, 463–780, hier 466–491. Zum slavischen Henochbuch vgl. Böttrich, Christfried, Das slavische Henochbuch (JSHRZ V/10), Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 1995, 783–1040.

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5,22 („und Henoch wandelte mit Gott“) den mystischen Gedanken einer „Vertrautheit mit Gott, d.h. Besitz der göttlichen Geheimnisse“ [553] vor, zudem erklärt er die Notiz als Rückgriff der priesterschriftlichen Verfasser (!) auf den gnostischen Urmenschenmythos. Dass Henoch nur hier im AT erwähnt werde, erklärt Odeberg durch eine gezielte Ausscheidung he­ nochischer Motive und Literatur im Zuge der späteren „rechtgläubigen“ [553] Kanonbildung. Außerkanonisch seien jedoch „reiche Spuren dieser Überlieferungen“ erhalten geblieben, die „im Urchristentum noch zu den heiligen Schriften gehörten“. In dieser Literatur sei das Bild vom in himm­ lische Welten vordringen­den „Träger der in jedem Zeitalter gegenwärtigen göttlich-geistigen Urmenschenpotenz“ [554] am deutlichsten verwirklicht, sie finde sich zwar auch vereinzelt in späteren rabbinischen Texten, habe aber „ihren wirklichen Ursprung nicht innerhalb des Judentums“ [555]. Bereits im äthiopischen Henochbuch sei daher eine Tendenz zu erkennen, Vorstellungen von einer Erhöhung des Menschen „zu unterdrücken“. Man könne darin „einen Versuch seitens des rechtgläubigen Judentums sehen, die Henoch-Überlieferungen zu korrigieren und zu judaisieren“ [555]. Das slavische Henochbuch hingegen gehe über die Traditionen der frühen „hetero­doxen Kreise“ [555] noch hinaus, indem es die Erhöhung Henochs zu einem Erzengel darstelle, der seinen Platz neben dem Thron Gottes ein­ nimmt. Diese Vorstellung erinnere „am ehesten an die Erhöhung Christi, wie sie zB von Paulus in Phil 2 gezeichnet ist“ [555]. Derartige „verdächtige Traditionen“ seien jedoch schließlich durch den Prozess der Kanonisierung „aus dem Bereich des rechtgläubigen Judentums ausgeschaltet“ worden. Lediglich im hebräischen Henoch seien sie teilweise bewahrt worden. Entsprechend der Zielvorgabe des ThWNT, den „neuen Gehalt“ bzw. die „neue Energie“62 herauszuarbeiten, den Begriffe im Neuen Testament gegenüber ihrem vorherigen Gebrauch erhalten, stellt Odeberg im neu­ testamentlichen Abschnitt seines Artikels sowohl Kontinuitäten als auch Diskontinuitäten heraus. Henochische Schriften hätten „zur Zeit des Urchristentums zu den heiligen Schriften gehört“ [555]: ein direktes Zitat aus äthHen sei zwar nur in Jud 14 sicher nachweisbar. Anklänge, Anspielungen und inhaltliche Parallelen seien aber z.B. in Heb, in Off b und in den Paulusbriefen vielfach zu finden. „Der Verfasser des JohEv ist mit den gesam­ ten Vorstellungen der Apokalyptik und Mystik sowie des rechtgläubigen Judentums vertraut“ [556]. Jedoch nehme gerade das Johannesevangelium „Abstand von beidem“. In Apokalyptik und Mystik finde es zwar immer­ hin „Spuren der Wahrheit“, dem „rechtgläubigen“ Judentum bzw. dem „Rabbinismus“ gelte aber die „schroffste Ablehnung“ [556]. Johannes knüpfe lediglich an die Begrifflichkeit der jüdischen Mystik an, um damit 62   Kittel, Vorwort, V. Zur Programmatik des Wörterbuchs vgl. auch Bormann, Lukas, Das Theologische Wörterbuch zum Neuen Testament im 21. Jahrhundert. Überlegungen zu seinem Gebrauch, in: ThWNT 1 (Neuausgabe 2019), V–XXII, hier IX–XII.

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gleichzeitig die Andersartigkeit des Christusglaubens herauszustellen. Joh 3,13 etwa wende sich gegen henochische Vorstellungen einer Himmelsreise und setze diesen die Menschwerdung des Gottessohnes entgegen. Odeberg hält jedoch auch diese Vorstellung für „ursprünglich jüdisch“. Odeberg nutzt den Lexikonartikel zu Ἑνώχ, um die Kernthese seiner bis­ herigen Arbeit zu entfalten: Die Entstehung des frühen Christentums aus dem henochisch-mystischen Judentum, wie es sich am authentischsten in 3Hen darstelle. Diese Herleitung erlaubt es Odeberg auch hier, gleichzeitig die Kontinuität des Christentums zum „ursprünglichen“ Judentum und Kontrast zum späteren, als Degeneration gedeuteten, rabbinischen Judentum aufzuzeigen, das die älteren jüdischen Traditionen durch „Ausscheidung“ und „Ausschaltung“ [556] verdrängt habe. 3. Ἠσαῦ (Odeberg) Odebergs Artikel zu Ἠσαῦ fällt ungleich kürzer aus.63 Anstelle einer system­ atischen Darstellung jüdischer Esautraditionen64 thematisiert er nur solche Traditionen, die in unmittelbarer Beziehung zu neutestamentlichen Texten stehen (Röm 9,13; Heb 11,20; 12,6). Dabei steht auch hier die Diskontinuität im Vordergrund: Der Gedanke etwa einer vorgeburtlichen Verwerfung Esaus durch Gott (Röm 9,13), habe „im gleichzeitigen jüdischen Schrifttum kein Gegenstück“ [957]. Ein Exkurs stellt Texte zur Verwerfung Esaus aufgrund seiner bösen Taten zusammen, lässt jedoch andere rabbini­sche Traditionen unerwähnt, die Esau (und damit Rom bzw. das Christentum) positiv darstel­ len.65 Ähnliches gilt für die Materialzusammenstellungen zu Heb 11,20 und 12,6. In seiner Auslegung von Röm 9,13 deutet Odeberg Jakob und Esau kollek­ tiv als Repräsentanten der aus ihnen entstandenen Völker: „Das Vorrecht der Geburt käme also in eben demselben Grade bei den Nachkommen Esaus in Betracht wie bei den Nachkommen Jakobs, dh bei Israel“ [957]. Odeberg deutet Röm 9,13 allerdings ausdrücklich nicht als grundsätzliche Verwerfung Israels, wie dies teilweise bis in die Gegenwart hinein geschieht.66 Vielmehr sei Gottes Gnadenwahl unabhängig von menschlichen Verdiensten – aber eben auch von „deren Gegenteil“ [957]. Odeberg steht damit heutigen Auslegungen nahe, die in Röm 9,13 keine Auf hebung der Erwählung Israels,   Odeberg, Hugo, Art. Ἠσαῦ, in: ThWNT 2 (1935), 957–958.   Vgl. dazu Langer, Gerhard (Hg.), Esau – Bruder und Feind, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2009. 65  Vgl. bBer 57b; bAZ 10b; bGit 57b sowie Langer, Gerhard, Esau im Talmud, in: Ders. (Hg.), Esau – Bruder und Feind, 123–133, hier 129. 66  Vgl. R äisänen, Heikki, Römer 9–11. Analyse eines geistigen Ringens, in: Aufstieg und Niedergang der römischen Welt II.25.4 (1987), 2891–2931, hier 2897; Hübner, Hans, Gottes Ich und Israel. Zum Schriftgebrauch des Paulus in Röm 9–11 (Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments 136), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1984, 28. 63

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sondern einen Verweis auf die Souveränität des Heilshandelns Gottes sehen.67 Auch hier spiegelt sich das für Odeberg charakteristische Nebeneinander eines Festhaltens am Volk Israel bei gleichzeitiger Ablehnung des als theolo­ gische Verfälschung verstandenen rabbinischen Judentums. 4. Ἰακώβ (Odeberg) Odebergs Artikel zum Stichwort Ἰακώβ fällt ebenfalls selektiv aus.68 Die Vielfalt jüdischer Jakobsrezeption69 bleibt weitgehend unerwähnt, der Artikel konzentriert sich stattdessen auf die dreigliedrige Formel Αβραὰμ καὶ Ἰσαὰκ καὶ Ἰακώβ und den Erwählungsgedanken, der dadurch zum Ausdruck komme. Die Formel diene als „Bezeichnung für das besondere Gottesverhältnis, des­ sen sich das Judentum rühmen wollte“. Mit dieser Zuspitzung steht Odeberg Rudolf Bultmann nahe, der das „Rühmen“ im gleichen Band, wie dann auch später in seiner Theologie des Neuen Testaments, zunächst alttestamen­ tlich als „die Grundhaltung des törichten und gottlosen Menschen“ 70 und anschließend neutestamentlich als „die Grundhaltung des Juden“ 71 bezeich­ net und zugleich als Gegenbegriff zur neutestamentlichen πίστις versteht. Für Odeberg ist die Reihe der drei Erzväter „ein Symbol der bundestreuen Judenschaft, des ‚rechten Israel‘ [...]. Der bundestreue Jude war kraft des Bundes des kommenden Gottesreiches sicher“.72 Das „unerhörte Paradoxon“ des Neuen Testament bestehe nun aber darin, dass diese Bundeszugehörigkeit in Frage gestellt werde (Mt 8,11). Der Verweis auf die Väter in Apg 3,13 habe daher Gerichtsfunktion: Er zeige, dass „die Juden“ Gottesleugner seien. Zudem habe die dreifache Formel auch „einschränkenden Sinn“, insofern sie Abrahamskindschaft und Verheissungszusage von einander unterscheide. In diesem Sinne sei die Formel in Heb 11,9; Apg 7,2–8; 7,46 und Lk 1,33 ver­ wendet und auf die Christusgläubigen bezogen. Andere Stellen hingegen, in 67   K ampling, R ainer, Wieder kein Segen – Esau im Neuen Testament, in: Gerhard Langer (Hg.), Esau – Bruder und Feind (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2009), 231–241, hier 238–239; Wolter, Michael, Der Brief an die Römer, Teilband 2: Röm 9–16 (Evangelischkatholischer Kommentar zum Neuen Testament VI/2), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2019, 59–60. 68   Odeberg, Hugo, Art. Ἰακώβ, in: ThWNT 3 (1938), 191–192. 69  Vgl. Löhr, Hermut, Isaak, Jakob, Esau, Josef, in: Markus Öhler (Hg.), Alttestamentliche Gestalten im Neuen Testament, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1999, 75–96; Aberbach, Moses, Jacob in the Aggadah, in: Encyclopaedia Judaica 11 (2007), 19–22; Evans, Craig A./Lohr, Joel N./Petersen, David L. (Hg.), The Book of Genesis. Composition, Reception and Interpretation (Vetus Testamentum. Suplements 152), Leiden: Brill 2012, 303–494. 70   Bultmann, Rudolf, Art. καυχάομαι, καύχημα, καύχησις, in: ThWNT 3 (1938), 646–654, hier 647. 71   Bultmann, καυχάομαι, 649. 72  Für Odeberg, Ἰακώβ, 191 ist diese zugespitzte Formulierung einer Bundestheologie für die rabbinische Literatur so selbstverständlich, „daß ein Heranziehen besonderer Belegstellen sich erübrigt“.

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denen die Jakobsverheissungen gerade dem „Israel nach dem Fleisch“ [191] gelten, werden von Odeberg nur beiläufig genannt (Röm 11,26) oder bleiben unerwähnt (Lk 1,33; Röm 11,28). In Röm 9,13 sieht Odeberg eine Absage an jüdische „Geburtsvorrechte“ und verweist ansonsten auf seinen ἨσαῦArtikel. Die dreifache positive Nennung Jakobs in Heb 11 bleibt dagegen gänzlich unerwähnt. Besonders erstaunlich ist das völlige Fehlen zweier wichtiger johan­ neischer Jakobstexte: Odeberg selbst hatte in seinem Johanneskommentar das Gespräch am Jakobsbrunnen als Ausdruck einer besonderen Offenheit heterodoxer Gruppierungen in Israel (analog zum „mystischen Judentum“) gegenüber der Christusbotschaft dargestellt, während „die Juden“ in Joh 8,37–48 als Kinder des Teufels bezeichnet würden.73 Im Blick auf Joh 1,51 deutet Odeberg das Auf- und Niedersteigen der Engel auf der Jakobsleiter vor dem Hintergrund midraschischer, philonischer, mandäischer und jü­ disch-mystischer Texte als Bild für eine mystische Vereinigung des gläu­ bigen Menschen mit Gott, die durch das Herabsteigen und Aufsteigen des himmlischen Menschensohn-Erlösers ermöglicht wird.74 Warum beide Johannestexte, die in Odebergs Kommentar eng mit der Jakobsgestalt ver­ bunden sind, in seinem Wörterbuchartikel nicht erwähnt werden, ist nicht nachvollziehbar. 5. Ιάννης καὶ Ἰαμβρῆς und Ἰεζάβελ (Odeberg) Die beiden Artikel von Odeberg zu Ιάννης und Ἰαμβρῆς bzw. Ἰεζάβελ fal­ len noch knapper aus als die bisher genannten.75 Dies kann aber auch nicht verwundern, da diese Namen in ihren neutestamentlichen Kontexten kaum mit theologischer Bedeutung belegt sind. So beschränkt sich Odeberg für die Ιάννης und Ἰαμβρῆς-Traditionen auf ein kurzes Referat ihres Inhalts mit vielen Quellenverweisen, vor allem aus Targum und Midrasch. Belege aus der Profangräzität erwähnt er nicht.76 Ebenfalls unerwähnt bleibt, dass Fragmente einer antiken und von Kirchenvätern zitierten, von Odeberg jedoch als „uns verloren gegangene[n] Schrift“ erwähnten, Jannes und Jambres-Komposition schon seit dem 19. Jahrhundert in Papyrusfunden vor­

  Odeberg, Fourth Gospel, 187–190.   Odeberg, Fourth Gospel, 33–40. Vgl. dazu auch Frey, Jörg, Die johanneische Eschatologie: 1. Ihre Probleme im Spiegel der Forschung seit Reimarus (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 96), Tübingen: Mohr Siebeck 1997, 80–82. 75   Odeberg, Hugo, Art. Ιάννης καὶ Ἰαμβρῆς, ThWNT 3 (1938), 192–193; Ders., Art. Ἰεζάβελ, ThWNT 3 (1938), 218. 76   Plinius (Hist Nat 30,11); Apuleius (Apologia 90); Numenius (Eusebius, Praep Ev 9,8 und Origenes, Cels 4,51). Vgl. dazu Pietersma, Albert, Jannes und Jambres (Jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit II/4), Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2013; Stern, Menahem, Art. Jannes and Jambres, in: Encyclopaedia Judaica 11 (2007), 78. 73 74

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liegen und bereits erste Editionen erfolgt waren.77 Über die Erwähnung der beiden Namen in 2. Tim 3,8 kann Odeberg nichts weiter vermerken, als dass sie „mit den Aussagen in den jüdischen Quellen überein“ stimme. Zu Ἰεζάβελ nennt Odeberg drei Belegstellen aus der rabbinischen Literatur und referiert den Inhalt kurz.78 Einen theologisch relevanten Gebrauch, oder gar einen „neuen Gehalt“ des Namens im Sinne des ThWNT, kann Odeberg allerdings der kurzen Erwähnung Isebels in Off b. 2,20 (zu Recht) nicht fest­ stellen. Der Name sei „höchstwahrscheinlich [...] symbolisch gebraucht“ und verweise auf „eine falsche (libertinisch gesinnte) christliche Prophetin“ [218]. Insgesamt erwecken die Artikel Odebergs in Band 3 des Wörterbuchs einen Eindruck zunehmender Kürze und auch Oberflächlichkeit, was mit ihrem Gegenstand zu tun haben könnte, aber möglicherweise auch bereit­s ein nachlassendes Interesse Odebergs widerspiegelt, der sich in seiner weite­ ren wissenschaftlichen Arbeit anderen Aufgaben zuwandte. 6. Ἁγάρ (Kittel) In seinem kurzen Artikel zu Ἁγάρ erwähnt Kittel zunächst jeweils eine lobende und eine abwertende Erwähnung Hagars aus den Midraschim.79 Philos allegorische Deutung der Hagargestalt bezeichnet er als „abwer­ tend“, obwohl Hagar bei Philo durchaus positiv als Sinnbild für menschliche Bildung erscheint, die zwar der göttlichen Weisheit unterlegen ist, aber doch zu ihr hinführt. Der Gebrauch des Namens in Gal 4,24 zeige jedoch das „unerhörte Umdenken des einstigen Pharisäers“ Paulus [56]: Für jüdisches Denken sei „echtes Judentum“ an die Stammutterschaft Sarahs gebunden. Indem Hagar mit dem jetzigen Jerusalem gleichgesetzt werde, erfolge daher eine „Umwertung des Begriffes: echtes Judentum“. Kittel führt hier exempla­ risch, am Beispiel eines biblischen Eigennamens, vor, wie der „neue Gehalt“ eines Begriffes im Neuen Testament sogar Eigennamen betreffen kann: Das Gegenüber von Hagar und Sara in Gal 4 deutet er, durchaus in den Bahnen üblicher Exegese, als Gegenüber von Judentum und (Heiden-) Christentum und damit als eine Enterbung des Judentums.80 Eben diese Gleichsetzung von Hagar und Judentum nimmt Paulus jedoch nicht vor. Neuere exeget­ ische Ansätze gehen daher davon aus, dass Paulus hier einen Gegensatz  Vgl. Pietersma, Jannes, 30–34. Neue Handschriftenfunde aus den letzten Jahrzehnten haben allerdings jetzt eine umfangreichere Edition von Texten ermöglicht, die Odeberg so noch nicht bekannt sein konnten. 78  Ausführlicher Sperling, David, Art. Jezebel, in: Encyclopaedia Judaica 11 (2007), 333– 334. 79   Kittel, Gerhard, Art. Ἁγάρ, in: ThWNT 1 (1933), 55–56. 80   Betz, Hans Dieter, Der Galaterbrief, München: Kaiser 1988, 422 und 431; Broer, Ingo‚ „Vertreibe die Magd und ihren Sohn!“ Gal 4,21–31 im Horizont der Debatte über den Antijudaismus im Neuen Testament, in: Stephan H. Pfürtner/Ulrich Schoenborn (Hg.), Der bezwingende Vorsprung des Guten, Münster: LIT 1994, 167–198. 77

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zwischen irdischer Sklaverei und himmlischer Freiheit auf baut, die beide sowohl Juden als auch Nichtjuden symbolisieren.81 Eine Umwertung oder Enteignung des Judentums an sich geschieht also hier nicht. 7. Θαμάρ, Ῥαχάβ, Ῥούθ, ἡ τοῦ Οὐρίου (Kittel) In einem Sammelartikel, den er ursprünglich Hugo Odeberg angetra­ gen hatte,82 dann aber doch selbst verfasste, widmet sich Kittel den in der Genealogie Jesu in Mt 1,2–16 genannten Frauen Thamar, Rahab, Ruth und Batseba.83 Für Kittel sollen die vier Namen des matthäischen Stammbaums bewusst die Namen der vier „Stammütter Israels“ (Sara, Rebekka, Lea, Rahel) verdrängen bzw. ersetzen [1]. Die Nennung der Frauen in der Genealogie Jesu wurde in der Auslegungsgeschichte häufig mit einer Abwertung des Judentums bzw. des Volkes Israel verbunden: Entweder wurden sie als exem­ plarische Sünderinnen gesehen, die die Erlösungsbedürftigkeit des alttesta­ mentlichen Gottesvolkes repräsentieren sollen, oder aber als Nichtjüdinnen, die für die Überwindung einer nationalen Verengung des Heils stehen.84 Kittel verbindet beide Motive in dem Begriff der Unwürdigkeit, „nämlich in Sünde und als Fremde“ [1]. Die für Kittel selbstverständliche Verknüpfung von Fremdheit und Minderwertigkeit greift das verbreitete Stereotyp jüdi­ scher Misanthropie und Misoxenie auf:85 So sei die moabitische Herkunft Ruths „ein unter natürlichen Gesichtspunkten ernster Familienmakel“ und in jüdischen Augen eine „Demütigung“ [3]. Die von Kittel angeführten rab­ binischen Belege stützen diese These nicht.86

81  Vgl. Bachmann, Michael, Die andere Frau. Synchrone und diachrone Beobachtungen zu Gal 4,21–5,1, in: Ders. (Hg.), Antijudaismus im Galaterbrief? (Novum Testamentum et Orbis Antiquus 40) Fribourg/Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1999, 127–158; Söding, Thomas, „Sie ist unsere Mutter“. Die Allegorie über Sara und Hagar (Gal 4,21–31) in der Einheitsübersetzung und bei Paulus, in: Christoph Dohmen/Christian Frevel (Hg.), Für im­ mer verbündet (Stuttgarter Bibelstudien 211), Stuttgart: Katholisches Bibelwerk 2007, 231–237; Sellin, Gerhard, Hagar und Sara. Religionsgeschichtliche Hintergründe der Schriftallegorese Gal 4,21–31, in: Ders., Studien zu Paulus und zum Epheserbrief (Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments 229), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2009, 116–137, hier 127); Bouwman, Gilbert, Die Hagar- und Sara-Perikope (Gal 4,21–31). Exemplarische Interpretation zum Schriftbeweis bei Paulus, in: Aufstieg und Niedergang der römischen Welt II.25.4 (1987), 3135–3155. 82   Vgl. oben Anm. 59. 83   Kittel, Gerhard, Art. Θαμάρ, Ῥαχάβ, Ῥούθ, ἡ τοῦ Οὐρίου, in: ThWNT 3 (1938), 1–3. 84   Mayordomo Marín, Moisés, Den Anfang hören. Leserorientierte Evangelienexegese am Beispiel von Matthäus 1–2, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1998, 245–246. 85  Vgl. Schäfer, Peter, Judeophobia, 197–211. 86   bJeb 76b zitiert das Fremdurteil eines Edomiters, nicht eine jüdische Lehrmeinung. Auch die von Kittel im Weiteren angeführten Belege für eine Hochschätzung Ruths und Rahabs widerlegen die These der Misoxenie.

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Im matthäischen Verweis auf Batseba sieht Kittel einen weiteren Kontrast zu jüdischer Tradition: Hier werde die Sünde von Juda und David meist herunter­ gespielt oder entschuldigt, während Matthäus sie offenlege. Insgesamt ist Kittels Quellenzusammenstellung vor allem von der Frage geleitet, inwiefern die Verfehlungen der genannten Frauen entschuldigt (Thamar/Juda, Batseba/ David) oder ihre Verdienste gelobt (Rahab, Ruth) werden. In einer Seitennotiz spielt Kittel zudem den historischen Wert der Panthera-Überlieferungen herunter [2] und tritt damit zeitgenössischen Versuchen entgegen, aus diesen Überlieferungen eine nichtjüdische Abstammung Jesu abzuleiten.87

D. Das Ende der Mitarbeit Odebergs Mitarbeit am Theologischen Wörterbuch endet mit der Veröffent­ lichung von Band 3 im Jahr 1938. Der erhaltene Briefwechsel mit Kittel ent­ hält keine Korrespondenz aus den Jahren 1935 bis 1940, und auch in den drei erhaltenen Briefen aus den Jahren 1940 und 1942 erwähnt Kittel zwar ver­ schiedene andere gemeinsame Projekte und auch persönliche Begegnungen, aber nicht mehr das Wörterbuch.88 Allerdings hat Odeberg Kittel vor dessen Tod offenbar noch einen Artikel zu ὑποκριτής zugesagt: Gerhard Friedrich bat ihn im Zuge der Neuaufnahme der Herausgeberschaft um eine entsprechende Bestätigung.89 Odeberg wiederum scheint Friedrich in seiner Antwort einen Artikel zu den Stichworten υἱός und υἱὸς τοῦ ἀνθρώπου angeboten zu haben, der jedoch bereits anderweitig vergeben war.90 Schlussendlich verfasste Odeberg keine weiteren Artikel mehr. Mehrfache Versuche einer erneuten Kontaktaufnahme blieben offenbar unbeantwortet.91 Allerdings stammen zwei Artikel in Band 5 und 6 von Odebergs und Kittels gemeinsamen Schüler Erik Sjöberg.92  Vgl. Deines, Roland, Jesus der Galiläer. Traditionsgeschichte und Genese eines antisemi­ tischen Konstrukts bei Walter Grundmann, in: Deines/Leppin/Niebuhr, Walter Grundmann, 43–131, insbes. 69.72–73.84–85.103–105.121–122. 88   Kittel an Odeberg vom 29.9.1940, 14.2.1942, 12.10.1942; LUB Samling Odeberg, Hugo; B:812, vgl. Kreß, Verständnis. 89   Friedrich an Odeberg vom 26.9.1948. Es handelt sich um ein vorgefertigtes Rundschreiben Friedrichs an alle Mitarbeitenden, in dem er über die Übernahme der Herausgeberschaft in­ formiert. LUB Samling Odeberg, Hugo; B:812. 90  Das lässt sich aus der Antwort Friedrichs vom 12.11.1948 erschließen; LUB Samling Odeberg, Hugo; B:812. 91   Friedrich an Odeberg vom 28.12.1960, 28.3.1961, 27.12.1961, 9.1.1962 und schließlich am 13.2.1962: „...dringend bitten, mir irgend eine Nachricht zukommen zu lassen. [...] Ich muss wissen, woran ich bin. Bitte schreiben Sie eine Postkarte oder lassen Sie diese von irgend ei­ nem ihrer Schüler schreiben, aber hüllen Sie sich nicht weiter länger (sic!) in Schweigen“. LUB Samling Odeberg, Hugo; B:812. 92   Sjöberg studierte in Uppsala, Tübingen und Lund, wurde dort 1939 promoviert 87

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Warum Odeberg nach 1938 nicht weiter am ThWNT mitarbeitete, lässt sich bestenfalls vermuten. Er nähert sich in diesen Jahren zunehmend einer völki­ schen Theologie und den dazugehörigen wissenschaftlichen und kirchen­ politischen Netzwerken an.93 Zwischen 1939 und 1943 publiziert er vornehmlich in Deutschland, zunächst in der gemäßigteren Zeitschrift für Systematische Theologie,94 dann in den stärker völkisch orientierten Veröffentlichungen des Instituts zur Erforschung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchli­ che Leben in Eisenach.95 Ein Zusammentreffen zwischen Kittel und Odeberg anlässlich dessen Deutschlandreise 194096 und die Briefkorrespondenz aus den Jahren 1940 und 1942 machen deutlich, dass Kittel Odeberg gern für die Mitarbeit an den „Forschungen zur Judenfrage“ des Reichsinstituts für die Geschichte des Neuen Deutschland gewonnen hätte. Für Odeberg aller­ dings scheint die Zusammenarbeit mit dem Eisenacher Institut inzwischen eine höhere Priorität gehabt zu haben. Ob die Auseinandersetzungen um die Person Grundmanns im Herausgeberkreis des ThWNT 1937 und die an­ schließende Entfremdung zwischen Kittel und Grundmann97 auch zu einem Rückzug Odebergs aus der Mitarbeit am Wörterbuch führte, lässt sich nicht sagen. Eine vergleichbare Entfremdung zwischen Kittel und Odeberg ist aus den Quellen jedenfalls nicht zu erkennen. In Schweden selbst dagegen fand Odeberg weniger Resonanz für seine theologischen Positionen. Die schwedische Kirche hatte sich unter Erzbischof Eidem, Odebergs Vorgänger auf dem Lehrstuhl in Lund, schon früh öffentlich auf der Seite der Bekennenden Kirche positioniert und die Beziehungen zur Deutschen Evangelischen Kirche 1934 abgebrochen.98 und war anschließend zunächst als Lehrbeauftragter an der Åbo Akademi und dann als Gymnasialdirektor in Johanneshov bei Stockholm tätig. In seiner Dissertationsschrift nennt er unter anderem Hugo Odeberg und Gerhard Kittel als seine Lehrer, vgl. Sjöberg, Erik, Gott und die Sünder im palästinischen Judentum (Beiträge zur Wissenschaft vom Alten und Neuen Testament 79), Stuttgart: Kohlhammer 1939, III–IV. 93   Vgl. dazu den Beitrag von Kreß, Verständnis, in diesem Band. 94   Vgl. oben Anm. 38. 95   Odeberg, Hugo, Die Muttersprache Jesu als wissenschaftliche Aufgabe, in: Walter Grundmann (Hg.), Germanentum, Christentum und Judentum. Studien zur Erforschung ihres gegenseitigen Verhältnisses. Bd. 3. Veröffentlichungen des Instituts zur Erforschung des jüdis­ chen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben), Leipzig: Wiegand 1943, 70–82; Odeberg, Hellenismus. 96   Kittel an Odeberg vom 29.9.1940, LUB Samling Odeberg, Hugo; B:812, sowie Odebergs Bericht von der Reise in der Zeitschrift Sverige-Tyskland, vgl. den Beitrag von Kreß, Verständnis, in diesem Band. 97   Bormann, Bultmann, 46–47. 98  Vgl. Murtorinne, Eino, Erzbischof Eidem zum deutschen Kirchenkampf, Helsinki: Finnische Gesellschaft für Missiologie und Ökumenik, 1968; Ders., Die nordischen Kirchen im Zweiten Weltkrieg, in: Carsten Nicolaisen (Hg.), Nordische und deutsche Kirchen im 20. Jahrhundert (Arbeiten zur kirchlichen Zeitgeschichte B 13), Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht 1982, 112–227; Brohed, Ingmar, Anders Nygren und gesellschaftspolitische

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Ebenfalls 1934 veröffentlichte Odebergs Fakultätskollege Anders Nygren eine Reihe von Artikeln über den Kirchenkampf in Deutschland, die kurz darauf als Buch nicht nur in Schweden, sondern auch in England und den Niederlanden erschienen,99 und bezog darin deutlich Position gegen den Nationalsozialismus. Eine Studienreise des Predigerseminars Finkenwalde unter der Leitung Dietrich Bonhoeffers sorgte 1936 für weitere kirchen­ politische Verstimmungen.100 Auf der Besuchsliste standen Gustav Aulén und Anders Nygren in Lund sowie Erling Eidem in Uppsala, wohingegen Odeberg weder in den Planungen noch in den Berichten der Reise erwähnt wird. Auf Protestbriefe der deutschen Kirchenleitung und des Auswärtigen Amtes antwortet Eidem, „daß die Sympathien in der schwedischen Kirche und im schwedischen Volk ganz überwiegend auf der Seite der Bekennenden Kirche stehen“.101 Es mag auch diese Stimmung gewesen sein, die dazu bei­ trug, dass Odeberg seine Beziehungen nach Deutschland intensivierte und sich hier zunehmend radikalisierte. In den Artikeln Odebergs aus den Jahren 1939–1943, die größtenteils auf seine Vortragstätigkeit in Deutschland zurückgehen, finden sich weithin die Grundthesen und Geschichtskonstrukte aus früheren Arbeiten wieder, je­ doch sind sie deutlich schärfer durch Abgrenzung gegenüber dem Judentum und zunehmend auch durch rassische und völkische Begrifflichkeit geprägt. So sei das rabbinische Judentum eine „Fortsetzung und Konservierung oder Reinzüchtung des pharisäischen Judentums“,102 und Jesus bringe im Johannesevangelium „die nur möglichst scharfe Abgrenzung und Verdammung dieses Judentums zum Ausdruck“.103 Ein Vergleich zwis­ chen christlicher und pharisäischer Ethik zeige, dass „die Juden aus in­ nerer Verkehrtheit die göttlichen Gebote verfälschen“104, und dass „der Pharisäismus [...] wie ein tödliches Gift wirkt, das das christliche Leben zugrunde richten muss, wenn es zugelassen wird“.105 Das Bild vom tödli­ chen Gift erscheint zwei Jahre später auch in der Einleitung der Monografie Fragen der NS-Zeit, in: Nicolaisen, Nordische und deutsche Kirchen, 42–57; Haendler, Gert, Schwedisch-deutsche Kirchenbeziehungen 1901–1936, Stuttgart: Calwer 1975, 50–58. 99   Nygren, Anders, Den tyska kyrkostriden. Den evangeliska kyrkans ställning i „det Tredje Riket“, Lund: Gleerup 1934. 100   Haendler, Kirchenbeziehungen, 58–65. Glenthöj, Jörgen u.a., Illegale Theologen­ ausbildung. Finkenwalde 1935–1937 (Dietrich Bonhoeffer Werke 14), Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus, 1996, 120–134. 101   Eidem an Wilhelm Zoellner (RKA) vom 18. Mai 1936, Haendler, Kirchenbeziehungen, 60. Es gab allerdings in Lund neben Odeberg durchaus auch andere Personen und Gruppen, die dem Nationalsozialismus nahestanden, vgl. Oredsson, Sverker, Lunds universitet under andra världskriget,Lund: Lunds Universitetshistoriska Sällskap 1996. 102   Odeberg, Johannesevangelium, 186. 103   Odeberg, Johannesevangelium, 187. 104   Odeberg, Das Alte Testament, 61. 105   Odeberg, Ethik, 483.

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„Fariséism och Kristendom“106, das in mehrere Sprachen übersetzt, bis 1980 vielfach neu aufgelegt und zu einem der „einflussreichsten Bücher der schwedischen Christenheit im 20. Jahrhundert“107 wurde. Insbesondere nutzte Odeberg in dieser Phase die von ihm konstruierte Geschichte des antiken Judentums verstärkt als Deutungsmuster für sozio­ politische Phänomene der Gegenwart: Die gegenseitige Durchdringung von Judentum und Hellenismus und die „volkhafte Ausbreitung“108 des antiken Judentums in der Diaspora werden so zum Vorbild für einen von Odeberg als bedrohlich empfundenen „jüdischen Einfluss [...] in der moder­ nen Weltkultur“, der „aus jeder einzelnen Volkskultur etwas grundsätz­ l ich Verstelltes“ herausbilde.109 Sowohl Judentum als auch Hellenismus hät­ ten das gemeinsame Ziel, Menschen „unter eine einzige nivellierende [...] Menschheitsdoktrin“110 zu stellen. Die „Idee des Kosmopolitismus und Weltbürgertums“ sei daher „gerade auf den Einfluß des Judentums zurückzuführen“.111 Dieser habe damals wie heute „zersetzend gewirkt“, und das Judentum habe „diese Zersetzung als etwas für sich vorteilhaftes empfunden“.112 Die „Machenschaften der Finanz [...], die Machenschaften der jüdischen Presse, der jüdischen Verlagswirksamkeit, des jüdischen Nachrichtendienstes“ verdrängten deshalb zunehmend die deutschen und nordischen kulturellen Errungenschaften der Vergangenheit und ersetz­ ten sie durch „Amerikanismus“ und „Bolschewismus“.113 Andererseits je­ doch hätten die Juden der Antike auch in der Diaspora „Palästina, Israels Land, als [...] eigentliche Heimat“114 betrachtet, womit Odeberg das ver­ breitete Stereotyp einer mangelnden staatsbürgerlichen Loyalität abruft. Die jüdi­sche Ethik, die durch die „sogenannten jüdischen Liberalen der Neuzeit“115 Einfluss auf das Christentum nehme, sei ihrem Wesen nach pharisäisch­e „Heuchelei“116 und ende durch ihre strenge Gesetzlichkeit „in der Forderung auf eine Weltherrschaft, die die Gehörigkeit unter dem

106  Vgl. Odeberg, Fariseism, 6. Zur neueren Debatte um den antijüdischen Charakter des Buches vgl. Laato, Timo, Att göra rättvisa åt ett geni. Om Hugo Odebergs bok ‘Fariseism och kristendom’, in: Svensk Teologisk Kvartalskrift 83 (2007), 169–174; Svartvik, Jesper, Att göra rättvisa åt inte enbart genierFem synpunkter på Timo Laatos artikel „Att göra rättvisa åt ett geni. Om Hugo Odebergs bok ‚Fariseism och kristendom‘“, in: STK 83 (2007), 175–180. 107   Laato, Rättvista, 169. 108   Odeberg, Christentum, 575. 109   Odeberg, Hellenismus, 115. 110   Odeberg, Christentum, 585. 111   Odeberg, Christentum, 581. 112   Odeberg, Christentum 581. 113   Odeberg, Hellenismus, 114–115. 114   Odeberg, Christentum 576. 115   Odeberg, Ethik, 485. 116   Odeberg, Ethik, 492.

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Fürsten dieser Welt bedeutet“.117 Eine natürliche Folge dieser Prozesse sei deshalb der „Antisemitismus, der ja kommen musste“.118 Anknüpfend an seine frühe Kernthese, dass das Christentum seine Eigenart im starken Kontrast sowohl zum Hellenismus als auch zum Judentum entwickelte, stellt Odeberg auch im Blick auf heutige Prozesse die „Wahrung der Eigenart“119 des Christlichen heraus. Diese zeige sich bereits in der aramäischen Muttersprache Jesu.120 Insgesamt gehe es dem Christentum, anders als dem Judentum und dem Hellenismus, eben nicht um „eine einzige nivellierende [...] Menschheitsdoktrin“,121 sondern es wolle „ein jedes Individuum und ein jedes Volk gerade dazu führen, wozu sie durch ihre gottgegebene Eigenart bestimmt waren, zu dem ihne­n von Gott gegebenen Eigenleben“.122 Der „Sieg des Christentums in der antiken Welt“ geschah daher letztlich durch „eine Enthellenisierung und Entjudung der antiken Welt“.123 Auch wenn Odeberg an dieser Stelle einen Gegenwartsbezug nicht expliziert, hat er mit dieser Formulierung wohl am pointiertesten seine Unterstützung für die nationalsozialistische Rassenpolitik zum Ausdruck gebracht. Nach dem Krieg hingegen zog er sich insgesamt aus der akademi­s chen Forschung zurück und widmete sich vor allem der kirchlichen Praxis und einer mystisch-erbaulichen Bibelfrömmigkeit. Das widersprüchliche Nebeneinander einer (so bei Kittel nicht zu findenden) ausdrücklichen Hochschätzung jüdischer Tradition, verbunden mit nicht unproblema­ tischen Formen kultureller Aneignung,124 und einer gleichzeitigen schar­ fen antijüdischen Polemik,125 wie es sich in ähnlicher Weise bis heute in manchen pietistischen Gruppen findet, blieb für Odeberg bis zu seinem Lebensende charakteristisch.

  Odeberg, Ethik, 495.   Odeberg, Christentum, 580. 119   Odeberg, Ethik, 486 und 483. 120  Vgl. Odeberg, Muttersprache. Diese sei zum einen der „begrenzte[n] Art des Denkens und Fühlens der Hebräer“ überlegen und stehe zugleich, vermittelt über den Sanskrit, dem modernen indogermanischen Sprachduktus näher als das neutestamentliche Griechisch (78). Grundmann lobte Odebergs Darstellung des Aramäischen als “gegen-jüdische, neuschöpfer­ ische Sprache Jesu”, vgl. Gerdmar, Germanischer Jesus, 329. Eine Textausgabe und Grammatik der aramäischen Teile von BerR ist in dieser Phase eine der wenigen monografischen Werke Odebergs: Odeberg, Hugo, The Aramaic Portions of Bereshit Rabba (2 Bde.) (LUÅ 36), Lund: Gleerup 1939, 3–4. 121   Odeberg, Christentum, 585. 122   Odeberg, Christentum, 585. 123   Odeberg, Hellenismus, 118. Hervorhebung im Original, vgl. auch den Titel des Artikels. 124  Insbesondere in den Versammlungen der 1943 von Odeberg gegründeten religiösen Vereinigung „Erevna“, vgl. Gerhardsson, Odeberg, 124–125; Ders., Fyra teologer, 115–125. 125   Vgl. oben Anm. 106. 117

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E. Fazit In Hugo Odeberg gewann Kittel einen Mitarbeiter für das Theologische Wörterbuch, der sich nicht nur durch seine Kenntnis rabbinischer und früh­ jüdischer Literatur und seine politische Nähe zu Kittel und zum deutschen Nationalsozialismus, sondern auch durch eine religionsgeschichtliche Programmatik qualifizierte, die sich gut in das Konzept des Wörterbuchs einfügte: Das Neuartige des christlichen Denkens sowohl gegenüber dem jüdischen als auch dem hellenistischen herauszustreichen. Odebergs Geschichtskonstrukt einer Entstehung des frühen Christentums aus dem mystischen Judentum, und damit aus einer Synthese von Judentum und Hellenismus, überbrückte einerseits den religionsgeschichtlichen Gegensatz zwischen beidem und ermöglichte andererseits, das Christentum in Kontrast gegenüber beidem als etwas grundlegend Neues und Eigenständiges darzu­ stellen. In seinem programmatischen Wörterbuchartikel zu Henoch konnte Odeberg dieses Geschichtskonstrukt ausführlich entfalten und so sowohl die johanneische Christologie als auch die deuteropaulinische Kosmologie als christliche Überbietung jüdischer Metatron-Spekulationen deuten. Die übrigen vier Artikel Odebergs jedoch nehmen in Umfang und Tiefe deutlich ab und erscheinen zuletzt eher wie eine Pflichtübung. Sie sind möglicher­ weise bereits Anzeichen einer inneren Distanz, die schließlich in einer Beendigung der Mitarbeit mündete. Allerdings ist auch fraglich, welchen Ertrag sich Kittel von den im Neuen Testament marginalen Personennamen Jannes, Jambres und Isebel versprach. Deutlicher greif bar wird Kittels Programmatik dagegen in den beiden von ihm selbst übernommenen Artikeln zu biblischen Eigennamen. Hier wird in der Tat in beiden Fällen ein deutlicher Kontrast zwischen jüdischer und neutestamentlicher Rezeption konstruiert und theologisch aufgeladen. Die Frage nach antijüdischen und antisemitischen Tendenzen in den genannten Artikeln führt zu einer differenzierten Antwort: (a) Das vorchristliche antijüdische Stereotyp der Misoxenie und Misanthropie findet sich bei Kittel in der Gleichsetzung von Fremdheit und Makel,126 und liegt vielleicht auch Odebergs Kritik an jüdischem „Rühmen“127 und „Geburtsvorrechten“128 zugrunde. (b) Motive eines „traditionellen christli­ chen Antijudaismus“ finden sich nur an zwei Stellen: Odeberg stellt „die Juden“ kollektiv als Gottesleugner dar,129 und Kittel spricht von einer „Umwertung des Begriffs: echtes Judentum“,130 durch den die heidenchrist­  Vgl. Kittel, Θαμάρ, 1 und 2 zu Mt 1,2–16.  Vgl. Odeberg, Ἰακώβ, 191 zu Mt 8,11. 128  Vgl. Odeberg, Ἰακώβ, 192 und ders., Ἠσαῦ, 957 zu Röm 9,13. 129  Vgl. Odeberg, Ἰακώβ, 191 zu Apg 3,13. 130  Vgl. Kittel, Ἁγάρ, 56, zu Gal 4,24. 126 127

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liche Kirche an die Stelle des Volkes Israel tritt. Odeberg dagegen meidet im Blick auf Röm 9,13 das Motiv einer kollektiven Verwerfung Israels.131 (c) Ein „moderner christlicher Antijudaismus“, der die religionsgeschichtli­ che Einzigartigkeit und Überlegenheit des Christentums gegenüber dem Judentum theologisch herauszustellen versucht, ist für die Artikel am charakteristischsten. Dies ist sicher auch der von Kittel zugrunde ge­ legten Programmatik des Wörterbuchs geschuldet. Hierher gehören etwa die Gegenüberstellung von jüdischer Werkgerechtigkeit und christlich­ er Gnadenwahl,132 von jüdischer Erwählungsgewissheit und christlicher Infragestellung der Abrahamskindschaft,133 die Kontrastierung von jüdis­ chem Heilsexklusivismus mit christlichem Heilsuniversalismus,134 sowie die These einer dem rabbinischen Judentum unbekannten „Vertrautheit mit Gott“.135 Der „zum Vergleichszweck konstruierte Quellenkorpus“136 ist zudem oft selektiv ausgewählt und blendet vor allem solche jüdischen Traditionen aus, die nicht im Kontrast zu den neutestamentlichen Texten ste­ hen. (d) Ein „politischer bzw. rassistischer Antisemitismus“ tritt in den hier behandelten Artikeln nicht erkennbar zu Tage, obwohl er bei beiden Autoren in anderen Schriften bereits zu früheren Zeitpunkten vorhanden ist.137 Es gilt also auch hier das Urteil, dass solche ideologischen Standpunkte dem gemeinsamen Anliegen des Herausgeberkreises untergeordnet wurden und sich stattdessen „außerhalb des ThWNT Publikationsforen und organisa­ torische Zusammenhänge“ suchten.138 Für Hugo Odeberg führte diese Suche offenbar dazu, dass seine Mitarbeit 1938 endete.

Literaturverzeichnis Aberbach, Moses, Jacob in the Aggadah, in: Encyclopaedia Judaica 11 (2007), 19–22. Bachmann, Michael, Die andere Frau. Synchrone und diachrone Beobachtungen zu Gal 4,21–5,1, in: Ders. (Hg.), Antijudaismus im Galaterbrief? (Novum Testamentum et Orbis Antiquus 40) Fribourg/Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1999, 127–158. Betz, Hans Dieter, Der Galaterbrief, München: Kaiser 1988. Boccaccini, Gabriele, Beyond the Essene Hypothesis. The Parting of the Ways between Qumran and Enochic Judaism, Grand Rapids: Eerdmans 1998. –. From Jewish Prophet to Jewish God. How John Made the Divine Jesus Uncreated,  Vgl. Odeberg, Ἠσαῦ, 957, zu Röm 9,13.  Vgl. Odeberg, Ἠσαῦ, 957, zu Röm 9,13. 133  Vgl. Kittel, Ἁγάρ, 56, zu Gal 4,24; Kittel, Θαμάρ, 1 zu Mt 1,2–16; Odeberg, Ἠσαῦ, 957, und ders., Ἰακώβ, 192 zu Röm 9,13. 134  Vgl. Kittel, Θαμάρ, 1 und 2 zu Mt 1,2–16. 135  Vgl. Odeberg, Ἑνώχ, 553, zu Gen 5,22. 136   Leutzsch, Selbstvergötzung, 105. 137   Vgl. oben Anm. 52 und 53. 138   Leutzsch, Selbstvergötzung, 118. 131

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Gerhard Kittel and His Septuagint Specialist Georg Bertram Brandon Massey A. Introduction The Theologische Wörterbuch zum Neuen Testament/Theological Dictionary of the New Testament1 is regarded as one of the great achievements of New Testament scholarship of the twentieth century.2 Although the first volume was published almost ninety years ago, the ThWNT is still used by seminary students, scholars, and pastors in, as Maurice Casey stated over twenty years ago, “blissful ignorance of the ideological orientation of their authors” whose anti-Semitism and theological anti-Judaism are all the more dangerous be­ cause they are not always recognizable upon an initial reading.3 As Gerhard Kittel began the task of recruiting scholars to contribute to the ThWNT, he sought specialists in a variety of areas related to biblical studies, which in­ cluded a number of anti-Semitic scholars including Walter Grundmann as a Gospels specialist and Karl Georg Kuhn as a Rabbinic and Semitic philo­ logy specialist.4 The focus of this chapter is Kittel’s relation­ship with Georg  Henceforth ThWNT refers to the German edition and TDNT to the English translation.   I am grateful to Lukas Bormann, Susannah Heschel, Joachim Hendel, and Michael Weise for their help accessing archival material and hard to find articles during the COVID-19 pan­ demic when travel to libraries was not possible. I am indebted to Chris Keith and his kindness and genero­sity as my doctoral advisor, as he presented an abbreviated version of this chapter on my behalf at the 2021 SBL Mid-Atlantic Regional Meeting as my family recovered from a signifi­cant auto accident. Nathan Shedd and Scott Robertson read early versions and provided helpful feedback. 3  Maurice Casey, “Some Anti-Semitic Assumptions in the Theological Dictionary of the New Testament,” NovT 41/3 (1999): 280–291, here 282; Tobias Nicklas, “Vom Umgang mit bibli­schen Texten in antisemitischen Kontexten,” Hervormde Teologiese Studies 64/4 (2008): 1895–1921, here 1910–1911. For a recent discussion on the use of the TDNT, Hans Förster, “What to Do With the TDNT?” Didaktikos 4 (2021): 40–42. 4   For more on Grundmann, see Susannah Heschel, The Aryan Jesus: Christian Theologians and the Bible in Nazi Germany (Princeton: Princeton University Press, 2008); Roland Deines, Volker Leppin, and Karl-Wilhelm Niebuhr, eds., Walter Grundmann: Ein Neutestamentler im Dritten Reich (Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt, 2007). For Kuhn, see Gerhard Lindemann, “Theolo­ gical Research about Judaism in Different Political Contexts,” Kirchliche Zeitgeschichte 17/2 (2004): 331–38; Horst Junginger, The Scientification of the “Jewish Question” in Nazi Germany, Numen Book Series, Studies in the History of Religions 157 (Leiden: Brill, 2007), 159–196. 1 2

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Bertram, his Septuagint specialist for the ThWNT, and the ways Kittel and Bertram viewed Bertram’s role as a contributor and reviewer of all entries on the Septuagint, a role that continued under the editorship of Gerhard Friedrich. During the same period as Kittel and Bertram collaborated on the ThWNT, Bertram also played a prominent role in Grundmann’s Institut zur Erforschung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche­Leben (henceforth, the Institute), where he also served as Septuagint specialist. The anti-Semitic depictions of “late Judaism“ (Spätjudentum) are more pro­ nounced in Bertram’s writings published by the Institute and, when Bertram’s contributions to the first four volumes of the ThWNT are read in conjunction with his publications from the Institute, a picture emerges of the ways in which Bertram’s ideology was not suppressed in his “objective“ philological work.5 The following sections trace the influence of a scholar who, through his work on the ThWNT, has influenced generations of students, pastors, and scholars, though he has remained largely unknown to most scholars. I begin with a brief biography of Bertram and his scholarly evolution from an early form critic to a Septuagint scholar, using archival material to detail Bertram’s relationship with Kittel and his role as Septuagint specialist with the ThWNT. After this biography, I will turn to Bertram’s contributions to both the ThWNT and his other writings on the Septuagint, paying close at­ tention to his characterization of Second Temple Judaism and the ways in which he framed its relationship to Jesus and early Christianity. Finally, the chapter will conclude with Bertram’s fate after World War II and his ongoing role with the ThWNT as Septuagint specialist under Friedrich’s editorship.

B. From Early Form Critic to Septuagint Scholar After completing his license of theology in 1921, Bertram completed his doc­ torate under Adolf Deissmann at Berlin with a form-critical study of the pas­ sion narrative.6 Bertram never published another form-critical monograph,   For more on Bertram’s ideological orientation, see Michael Weise, “Diener zweier Herren: Theologische Forschung und ideologische Betätigung bei Georg Bertram und Karl Friedrich Euler in der NS-Zeit,” in Mitteilungen des Oberhessischen Geschichtsvereins Gießen, Band 105, eds. Michael Breitbach, Eva-Marie Felschow, Susanne Gerschlauer, Volker Hess, and Sabine Raßner (Gießen: Verlagsdruckerei Schmidt, Neustadt a. d. Aisch, 2020), 335–369. 6  Georg Bertram, Die Leidensgeschichte Jesu und der Christuskult: Eine formgeschichtliche Untersuchung, Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments 15 (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1922). For an early assessment, see Erich Fascher, Die formgeschichtliche Methode: Eine Darstellung und Kritik: Zugleich ein Beitrag zur Geschichte des synoptischen Problems (Gießen: Töpelmann, 1924), 170–185. Vincent Taylor, The Formation of the Gospel Tradition (London: Macmillan, 1933), 16, characterized Bertram’s form-critical scholarship as “radical in the extreme.” For a recent assessment of Bertram’s form-critical scholarship, see Hans-Josef Klauck, “Hundert Jahre Formgeschichte: Ein Tribut 5

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though he did publish an article detailing his approach to form criticism, “Kultgeschichte”.7 In1925 he was appointed professor of theology at Gießen, where he remained until 1946. Although Bertram ultimately attained the position as “ein Junger,” the committee’s first choice was Ernst Lohmeyer, who remained at Breslau. In a letter to the Gießen faculty, Rudolf Bultmann warned of Bertram’s “immaturity,” his “one-sidedness, exaggerations, and excessiveness in assessments and observations.” 8 Martin Dibelius did not know Bertram personally, but repeated what he heard to the faculty: he had heard good things about Bertram, but nothing very good.9 Early in his career, Bertram published as a New Testament scholar, in­ cluding a work on historical method and the study of the New Testament.10 Bertram later turned his attention to questions surrounding Second Temple Judaism, the Septuagint, and the relationship between Judaism and Christianity.11 During this time Bertram also edited and expanded Georg Rosen’s writing on the missionary work of Judaism that was left incomplete at the time of Rosen’s death in 1891, contributing a new chapter, “Das antike Judentum als Missionsreligion.”12 As Bertram was establishing himself as a Septuagint scholar in the late 1920s, Kittel had already undertaken editorship of the dictionary. The first volume was nearing publication when Kittel approached Bertram to contri­ bute to the ThWNT in 1932.13 Kittel suggested two possibilities for Bertram’s involvement. First, Bertram could review a word list and provide his notes with references to the way these words were used in the Septuagint to the assigned authors for these articles. The individual authors would determine how these notes would be used. Second, Kittel suggested that Bertram could also compose short Septuagint supplements to entries in the early volumes. In May 1932, Kittel remarked that the printing was currently at ἁμαρτία; therefore it would be easier for Bertram to provide his supplements for sub­ sequent volumes, though important Septuagint supplements could be added

an die Begründer,” Biblische Zeitschrift 64 (2020): 49–84, here 76–79. 7  Georg Bertram, “Die Bedeutung der kultgeschichtlichen Methode für die neutestamentli­ che Forschung,” Theologische Blätter 2 (1923): 25–36. 8  16.1.1925, R. Bultmann an Dekan, Universitätsarchiv Gießen (UAG), Theol K 11 “Bertram, Georg, 1925, 1942–1945”; Heschel, Aryan Jesus, 154–175, n. 42. 9   29.1.1925, M. Dibelius an Dekan, UAG, Theol K 11 “Bertram, Georg, 1925, 1942–1945.” 10  Georg Bertram, Neues Testament und historische Methode: Bedeutung und Grenzen historischer Aufgaben in der neutestamentlichen Forschung (Tübingen: Mohr Siebeck, 1928). 11  Georg Bertram, “Septuaginta und Urchristentum: Ein Entwurf,” Theologische Blätter 4 (1925): 208–213. 12  Georg Rosen, Juden und Phönizier: Das antike Judentum als Missionsreligion und die Entstehung der jüdischen Diaspora, Neu bearbeitet und erweitert von F. Rosen und G. Bertram (Tübingen: Mohr Siebeck, 1929). 13  G. Kittel to G. Bertram, 27.5.1932, Nachlass Friedrich, Gerhard, LAELKB.

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to volume one. In exchange for his work, Kittel offered Bertram 500 RM14 with the promise of increased wages if his work proved satisfactory. Bertram, however, was not interested in the Septuagint specialist role as sketched out by Kittel.15 The option to provide his own notes was not viable because, as Bertram observed, the other scholars may have already done their own work and Bertram’s notes may not be understandable to oth­ ers. Instead, Bertram suggested that article proofs be made available to him so that he can add his remarks to ensure that there was uniformity in the way the Septuagint was handled across all articles. In addition, Bertram offered to submit Septuagint supplements for articles already written in the early volumes in the ThWNT. Kittel found Bertram’s proposal agreeable, and Bertram submitted one Septuagint supplement to volume one16 and four Septuagint supplements and one full article to volume two,17 as these vol­ umes were already being prepared for printing when Bertram joined Kittel’s editorial team as Septuagint specialist. In the subsequent volumes under Kittel’s editorship Bertram contributed only one more Septuagint supple­ ment in volume four,18 but increased his full article contributions with six in volume three (along with an additional supplement on early Christology)19 and three in volume four.20 Despite joining Kittel’s team later in the process of producing the first four volumes of the Wörterbuch, Bertram wrote six   Approximately $2,220 or £2,450 in current value.  Georg Bertram to G. Kittel, 9.2.1933, Nachlass Friedrich, Gerhard, LAELKB. In this let­ ter, Bertram references a prior letter from 23.11.1932 that I have not come across in my research. Here, Bertram is reiterating suggestions made in previous correspondence. 16  Georg Bertram, “Theologische Prägungen von ἁμαρτία in LXX,” ThWNT 1:288–290; ET: “Theological Nuances of ἁμαρτία in the LXX,” TDNT 1:286–289. 17  Georg Bertram, “Beilage: διψάω und Verwandte in LXX,” ThWNT 2:231–232; ET: “Additional Note: διψάω and Cognates in the LXX,” TDNT 2:227–229; idem, “A. Volk und Völker in der Septuaginta,” ThWNT 2:362–366; ET: “A. People and Peoples in the LXX,” TDNT 2: 364–69; idem, “ἔργον κτλ.,” ThWNT 2:631–653; ET: “ἔργον κτλ.,” TDNT 2:635–55; idem, “C. ζωή und βίος in der Septuaginta,” ThWNT 2:853–856; ET: C. ζωή and βίος in the Septuagint,” TDNT 2:851–54; idem, “ζυγός in LXX,” ThWNT 2:898–900; ET: “ζυγός in the LXX,” TDNT 2:896–898. 18  Georg Bertram, “F. μακάριος in LXX und im Judentum,” ThWNT 4:367–369; ET: “μακάριος in the LXX and Judaism,” 364–367,” TDNT 4:364–67. 19  Georg Bertram, “θάμβος κτλ.,” ThWNT 3:3–7; ET: “θάμβος κτλ.,” TDNT 3:4–7; idem, “θαῦμα κτλ.,” ThWNT 3:27–42; idem, “θαῦμα κτλ.,” TDNT 3:27–42; idem, “θεσσεβής κτλ.,” ThWNT 3:124–128; ET: “θεσσεβής κτλ.,” TDNT 3:123–128; idem, “καλός in christologischen Aussagen der alten Kirche,” ThWNT 3:553–558; ET: “καλός in Christological Statements in the Early Church,” TDNT 3:550–56; idem, “κατεργάζομαι,” ThWNT 3:635–37; ET: “κατεργάζομαι,” TDNT 3:634–35; idem, “κρεμάννυμι κτλ.,” ThWNT 3:915–920; ET: “κρεμάννυμι κτλ.,” TDNT 3:915–921; idem, “κρούω,” ThWNT 3:956–958; ET: “κρούω,” TDNT 3:954–957. 20  Georg Bertram, “μυκτηρίζω κτλ.,” ThWNT 4:804–807; ET: “μυκτηρίζω κτλ.,” TDNT 4:796–799; idem, “μωρός κτλ.,” ThWNT 4:837–852; ET: “μωρός κτλ.,” TDNT 4:832–847; idem, “νήπιος κτλ.,” ThWNT 4:913–925; ET: “νήπιος κτλ.,” TDNT 4:912–923. 14

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Septuagint supplements, one additional supplement, and nine articles along with proofing and editing other entries on the Septuagint. The Septuagint supplement in volume one, “Theologische Prägungen von ἁμαρτία in LXX,” may provide insight into the goals of Kittel and Bertram. As noted above, the printing of volume one was already at ἁμαρτία, and they had to work around the printing schedule to have the supplement included. Bertram opened this supplement by observing that although the previous sections under ἁμαρτία had given a general overview of its usage in the Septuagint, his purpose was to provide “theologisch wichtige Prägungen” that were missed in the previous sections because of the difficulty of the Hebrew texts.21 This Septuagint supplement is a brief three pages filled most­ ly with attempts to decipher the Hebrew original from which the Septuagint was translated. However, the most important aspect of this Septuagint supple­ment was the opening sentences where Bertram stated his intention to provide theological nuances to articles that had already been written. While Bertram had established himself as the Septuagint specialist for one of the premier NT reference works of the twentieth century, he was also positioning himself politically within the Deutsche Christen (German Christian) movement. On 15 July 1939, Bertram was present at the first meeting of Grundmann’s Institute, whose purpose was “an investigation of the origins of Christianity from the perspective of the new volkisch, ra­ cial points of view, with plans for a large history of Jesus and Christian origins.” 22 Bertram chaired the working group “Judaism in the Hellenistic World.” Though active in the Institute, and even serving as director when Grundmann was called to serve in the War, Bertram never joined the Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) but was a mem­ ber of both the Nationalsozialistischer Deutsche Dozentenbund (NSDoB) and the Nationalsozialistischer Lehrerbund (NSLB). Through the Institute, Bertram published on Philo as propagandist in the ancient world, Josephus and the Western idea of history, Jesus and the Septuagint, and Paul and Judaism.23 In these writings Bertram was openly anti-Semitic and articu­ lated theologically anti-Jewish ideas in order to present a negative image of ancient Judais m, to portray early Christianity as distinct and superior to   Bertram, “Theologische Prägungen,” 288; ET: “Theological Nuances,” 286.   Heschel, Aryan Jesus, 100. 23  Respectively, Georg Bertram, “Philon von Alexandria und jüdische Propaganda in der alten Welt,” Christentum und Judentum, vol. 1, ed. Walter Grundmann (Leipzig: Georg Wigand, 1940), 79–105; cf. idem, “Philo als politisch-theologischer Propagandist des spätan­ tiken Judentums,” Theologische Literaturzeitung 64 (1939): 193–199; idem, “Josephus und die abendländische Geschichtsidee,” Germanentum, Christentum und Judentum, vol. 2, ed. Walter Grundmann (Leipzig: Georg Wigand, 1942), 41–82; idem, “Jesus und das Buch: Das Alte Testament in den Worten Jesu nach der synoptischen Überlieferung,” Germanentum, Christentum und Judentum, vol. 3 (Leipzig: Georg Wigand, 1943), 347–422; idem, “Paulus, Judensendling und Christenapostel,” Germanentum, Christentum und Judentum, 3:83–136. 21

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Second Temple Judaism, and to provide justification and theological reflec­ tion for the Deutsche Christen movement. In his chapter on Kittel in Theologians Under Hitler, Robert Ericksen at­ tempted to distance Kittel from both the Deutsche Christen and the Eisenach Institute.24 He described their existence as “one of the most fortuitous circum­stances in Kittel’s favor,” as the extreme positions taken by both the Deutsche Christen and the Institute – including a rejection of the OT, an Aryan rather than Jewish Jesus, and their blending of pagan and Christian el­ ements into German myths – were all rejected by Kittel.25 However, Ericksen seems to have taken Kittel’s Verteidigung at face value and his relationships and collaborations with members on both the Deutsche Christen and the Institute undermine Kittel’s own statements in his defense.26 In addition to Bertram and Grundmann, contributors to the ThWNT from the Institute in­ cluded Rudolf Meyer, Gerhard Delling, Herbert Preisker, and Carl Schneider – all of whom were present at the inaugural meeting of the Institute and re­ mained active members. In contrast to Ericksen’s attempt to distance Kittel from the Institute, Susannah Heschel observed that Kittel likely did not join the Institute because he had already reached higher level­s of Reich propa­ ganda, including Joseph Goebbels’s Reichsministerium für Volksaufklärung und Propoganda and Walter Frank’s Reichsinstitut für Geschichte des neuen Deutschlands.27 However, Kittel’s break with Grundmann over the ques­ tion of the Old Testament and völkische theology sufficiently explains the distance he kept from both the Institute and the Deutsche Christen move­ ment.28 While Kittel attempted to distance himself from the Institute before and after the War, his collaboration with Institute members on the ThWNT, including Bertram working as Kittel’s Septuagint specialist, weakens his self-serving post-War effort to distance himself from the Deutsche Christen and the Institute.

24  Robert P. Ericksen, Theologians under Hitler: Gerhard Kittel, Paul Althaus and Emmanuel Hirsch (New Haven: Yale University Press, 1980), 48. 25   Ericksen, Theologians under Hitler, 48. 26   Ericksen relied on an unpublished version of Kittel’s Meine Verteidigung. It has recently been edited, translated, and published, Matthias Morgenstern, Gerhard Kittels Verteidigung: die Rechtfertigungsschrift eines Tübinger Theologen und “Judentumsforschers” vom Dezember 1946/Gerhard Kittel’s Defence: Apologia of a Tübingen Theologian and New Testament Scholar, December 1946, trans. Alon Segev (Wiesbaden: Berlin University Press, 2019). 27   Heschel, Aryan Jesus, 188. 28  Lukas Bormann, “Rudolf Bultmann und das Theologische Wörterbuch zum Neuen Testament: Eine Neubewertung,” Zeitschrift für Theologie und Kirche 118 (2020): 21–54, here 46–47.

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C. Bertram’s Theological Anti-Judaism and Racial Anti-Semitism in the ThWNT The review of Bertram’s scholarly career raises the question of what made him a suitable Septuagint specialist for Kittel’s ThWNT. Regarding Bertram’s scholarly output, Hans-Josef Klauck remarked that outside his early formcritical monograph, “Zu weiteren größeren Arbeiten ist es offenbar nicht mehr gekommen, es sei den, man zählt die 37 Artikel im ThWNT (oft zur LXX) als solche.” 29 While Bertram published articles in Theologische Literaturzeitung30 and Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft,31 the majority of Bertram’s publications during this period were in the proceedings of the Institute and in the ThWNT.32 The question arises whether Bertram’s reputation as a Septuagint scholar preceded his role as Kittel’s Septuagint specialist or whether his relationship with Kittel and the ThWNT solidified his reputation as a leading Septuagint scholar. Additionally, Bertram’s work on the Septuagint combined with his anti-Semitic and anti-Jewish political and theological views made him a suitable candidate for Kittel, and one may speculate on the role this played in the selection of Bertram as Septuagint specialist. The archival record, unfortunately, does not directly speak to this matter. The anti-Semitism and anti-Judaism in Bertram’s ThWNT contribu­ tions has already been discussed by J.S. Vos,33 and Almut Rütten34 scrutinized Bertram’s anti-Semitic polemics in his works on the Septuagint. My inten­ tion is to build upon these previous works, citing examples of anti-Judaism in   Klauck, “Hundert Jahre Formgeschichte,” 78. Klauck refers to Bertram’s contribution to all ten volumes. My focus here is on Bertram’s articles in the first four volumes. 30   Bertram, “Philo als politisch-theologischer Propagandist, 193–99. 31  Georg Bertram, “Das Problem der Umschrift und die religionsgeschichtliche Erforschung der Septuaginta,” in idem, Werden und Wesen des Alten Testaments, Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft 66, ed. Paul Volz, Friedrich Stummer and Johannes Hempel (Berlin: de Gruyter, 1936), 97–109; idem, “Der Sprachschatz der Septuaginta und der des hebräischen Alten Testaments,” Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft 16 (1939): 85–101. 32   During this period Bertram also published multiple articles in both Kirche im Angriff and Positives Christentum. The journal Kirche im Angriff was published from 1935–1938 and sought to mediate in church conflicts. Positives Christentum was published from 1935–1941 and edited by Christian Kinder, a leader in the Deutsche Christen movement. 33   Johan S. Vos, “Antijudaismus/Antisemitismus im Theologischen Wörterbuch zum Neuen Testa­ment,” Nederlands Theologisch Tijdschrift 34 (1984): 89–110, here 96–102. 34  Almut Rütten, “‘Hellenisierung des semitischen Alten Testaments’ und ‘Christianisierung des jüdischen heiligen Buches’: Zur Verhältnisbestimmung von Christentum und Judentum bei Georg Bertram,” in Krisen und Umbrüche in der Geschichte des Christentums, Gießener Schriften zur Theologie und Religionspädagogik 9, ed. Wolfram Kurz, Rainer Lächele, and Gerhard Schmalenberg (Gießen: Selbstverlag des Fachbereichs Evangelische Theologie und Katholische Theologie und deren Didaktik, 1994), 107–122. 29

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Bertram’s contributions to the first four volumes of the ThWNT and reading these contributions in conjunction with Bertram’s more overt anti-Semitic writings from the Eisenach Institute.

D. Philology and the Aryan Jesus Philological attempts to distance Jesus from his Jewishness and establish a connection between Jesus and Indo-European or Aryan languages and re­ inforce völkisch beliefs about the origins of Germanic culture were perva­ sive in the nineteenth century.35 As the Institute worked to distance Jesus from Jewishness and establish Aryan origins for Christianity, its members joined this tradition that sought to racialize Jesus as Aryan in an effort to purify theology and strengthen Christian faith.36 Bertram’s work in Kittel’s dictionary did not make the outright claim that Jesus was Aryan and not Jewish, and in fact, as Leutzsch observed, avoided using the propaganda term “Rasse” and instead referred to Judaism as a religion, and not a race.37 I n the Septuagint supplement from volume two, “Volk und Völker in der Septuaginta,” published in 1935, Bertram made philological distinctions be­ tween the Greek terms ἔθνος and λαός and between the Hebrew terms ‫ּגֹוי‬ and ‫ ַעם‬that were amenable to those who argued that Jesus was not Jewish. Bertram argued that the Jews were not a people, but a religion: Das Judentum ist – im Gegensatz zu Israel und Juda – trotz der Theologumena der Abrahamskindschaft und des auserwählten Volkes nicht Volk, sondern, soweit es sich dabei um Proselyten und die ihnen nahestehenden Kreise handelte, Religion und prägt infolgedessen auch die aus dem alten Israel überkommene völkische Terminologie des AT im weitem Maße um. Das gilt besonders auch von der Übersetzung der entsprechen­ den Vokabeln in LXX. Zunächst ergibt sich ein aüßerordentlich klares und einheitliches Bild. Fast völlig entsprechen einander ‫ ּגֹוי‬und ἔθνος sowie ‫ ַעם‬und λαός.38

35  Maurice Olender, The Languages of Paradise: Race, Religion, and Philology in the Nineteenth Century, trans. Arthur Goldhammer (Cambridge, MA: Harvard University Press, 2008); Bruce Lincoln, Theorizing Myth: Narrative, Ideology, and Scholarship (Chicago: University of Chicago Press, 1999), esp. chapter 3 “The History of Myth from the Renaissance to the Second World War,” 47–66. 36   E.g., Houston Stewart Chamberlain, Die Grundlagen des neunzehnten Jahrhunderts, 2 vols. (Munich: Bruckmann, 1899). 37  Martin Leutzsch, “Wissenschaftliche Selbstvergötzung des Christentums: Antijudaismus und Antisemitismus im ‘Theologischen Wörterbuch zum Neuen Testament,’” in Christlicher Antisemitismus im 20. Jahrhundert: Der Tübinger Theologe und “Judenforscher” Gerhard Kittel, ed. Manfred Gailus and Clemens Vollnhals (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2020), 101–118, here 116; Cf. Weise, “Diener zweier Herren,” 338. 38   Bertram, “Volk und Völker in der Septuaginta,” 362–363; ET: “People and Peoples in the LXX,” 365.

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Although Bertram did not make the claim that Jesus was an Aryan in the ThWNT, his statements from the Institute in 1942 and 1943 revealed his beliefs concerning the racialization of Jesus. Bertram stated, “Ausgangspunkt ist die Erkenntnis, daß der Schlüssel zur Religionsgeschichte die Rassenkunde ist. Sie führt zur sicheren Ausschaltung des Judentums.”39 And concern­ ing Jesus, Bertram asserted, “Jesus war kein Jude, weder der Rasse noch der Religion nach.”40 These remarks are consistent with other works pub­ lished by the Institute, including Grundmann’s Jesus der Galiläer und das Judentum,41 that stated: Wenn also die galiläische Herkunft Jesu unbezweifelbar ist, so folgt auf Grund der eben angestellten Erörterung daraus, daß er mit größter Wahrscheinlichkeit kein Jude gewe­ sen ist, vielmehr völkisch einer der in Galiläa vorhandenen Strömungen angehört hat.42

Through seemingly “objective” scholarly practices, including Bertram’s philology, attempts were made to sever Jesus from Judaism and from the Jewish Scriptures and locate his racial identity elsewhere. On the question of whether Jesus was Jewish or Aryan, Kittel was clear that Jesus was Jewish: Aber wenn es sich darum handelt, ob Jesus selbst seinem Geschlecht und seiner Rasse nach ein Arier oder ein Jude war, dann muß man allerdings als einfachen historischen Tatbestand, an dem gar nicht zu deuteln ist, festellen: es ist denkbar, daß Jesus, wenn er Galiläer war, ein paar Tropfen nichtjüdisches Blut in seinem Adern hatte – ich frage: das ist denkbar, ist nicht ganz ausgeschlossen; aber absolut sicher ist, daß er auf alle Fälle sehr viele Tropfen echt semitischen Blutes in sich getragen.43

Although he was clear that Jesus certainly had “many drops of genuine Semitic blood” coursing through his veins, Kittel still left open the possibil­ ity that Jesus, as a Galilean, had a few drops of non-Jewish blood coursing through his veins. These racial characterizations of Judaism otherized the Jewish people and supported paradigms of the “conceptual Jew” and lent historical and theological support to anti-Jewish politics.44 39  Oliver Arnhold, “Entjudung”: Kirche im Abgrund: Die Thüringer Kirchenbewegung Deutsche Christen 1928–1939 und das “Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben” 1939–1945 (Berlin: Institut Kirche und Judentum, 2010), 2:571. 40   Arnhold, Entjudung, 2:586. 41  Walter Grundmann, Jesus der Galiläer und das Judentum, Veröffentlichungen des Instituts zur Erforschung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben (Leipzig: Georg Wigand, 1940). Cf. Roland Deines, “Jesus der Galiläer: Traditionsgeschichte und Genese eines antisemitischen Konstrukts bei Walter Grundmann,” in Walter Grundmann: Ein Neutestamentler im Dritten Reich, 43–132. 42   Grundmann, Jesus der Galiläer und das Judentum, 175. 43  Gerhard Kittel, Jesus und die Juden, Stimmen aus der deutschen christlichen Studentenbewegung 42 (Berlin: Furche Verlag, 1926), 3. 44  Todd Penner, “Die Judenfrage and the Construction of Ancient Judaism: Toward

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E. Jesus, Early Christianity and Second Temple Judaism Throughout Bertram’s writings was a negative characterization of Judaism as an intermediate stage of religion that was to be surpassed by Jesus and Christianity. This view of the relationship between Second Temple Judaism and Christianity was not unique to anti-Semitic scholars like Bertram, as Anders Gerdmar has demonstrated.45 In his essay “Jesus und das Buch,” Bertram was clear that although Jesus grew up within and around Judaism, he had no inner connection to the Septuagint – it was only the background to his message.46 Thus, Jesus did not stand in the line of the great Jewish proph­ ets, though Bertram granted that the Gospel of Matthew presented Jesus as the second Moses. In this Institute publication, Bertram attempted to sepa­ rate Jesus from Second Temple Judaism while also acknowledging that the NT adopted imagery and symbolism from the Septuagint as it wrote the life of Jesus in the Gospels. This attempt to distance Jesus from Judaism and to present Christianity as superior to Judaism were present in Bertram’s full entry on the word ἔργον. In his discussion of “works,” Bertram repeated typical stereotypes about Judaism as a religion of works. Here are two examples: Typische Bedeutung hat sBar 63, 3: “Da vertraute Hiskia auf seine Werke…und der Gewaltige erhörte ihn.” Gegen diese namentlich in den Memoiren Nehemias so überheb­ lich hervortretende Selbstgerechtigkeit wendet sich auch die at.liche Offenbarung (vgl Js 58, 2f; 64, 5).47

After a discussion of works in Joshua, Sirach, Proverbs, and Isaiah, Bertram stated: Aber diese einzelnen Ansätze (die Beispiele dafür ließen sich ja noch vermehren) vermö­ gen die mit der Werkgerechtigkeit notwendig verbundene Kasuistik nicht zu überwinden. Sie vermag im Gegenteil ihre Bezirke immer weiter auszudehnen und sogar in den Kreis der frühchristlichen Frömmigkeit einzudringen.48

Later in the same article, Bertram repeated anti-Jewish stereotypes from his work on Paul from the Institute in his discussion of Paul and the works of the law (ἔργα νόμου). He stated: a Foregrounding of the Backgrounds Approach to Early Christianity,” in Scripture and Traditions: Essays on Early Judaism and Christianity in Honor of Carl R. Holladay, ed. Patrick Gray and Gail R. O’Day, Supplements to Novum Testamentum 129 (Leiden: Brill, 2008), 429– 456, here 438–442. 45  Anders Gerdmar, Roots of Theological Anti-Semitism: German Biblical Interpretation and the Jews, from Herder and Semler to Kittel and Bultmann, Studies in Jewish History and Culture 20 (Leiden: Brill, 2009). 46   Bertram, “Jesus und das Buch,” 417–419. 47   Bertram, “ἔργον κτλ.,“ ThWNT, 2:642; idem, “ἔργον κτλ.,” TDNT, 2:645. 48   Bertram, “ἔργον κτλ.,“ ThWNT, 2:643; idem, “ἔργον κτλ.,” TDNT, 2:646.

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Die ἔργα νόμου, um die es sich für Paulus handelt, sind dem Juden Mittel geworden, die eigene Gerechtigkeit zu begründen; sie sind daher nicht mehr Ausdruck der schlechthin­ nigen Forderung Gottes – Forderung Gottes bleibt das Gesetz für Paulus, Gl 5,3 –, sondern entspringen dem überheblichen Streben der Menschen nach Selbstgerechtigkeit.49

In his 1943 article, “Paulus, Judensendling und Christusapostel,” Bertram found Paul to be a legalist, even though he wrote against the works of the law!50 Bertram disapproved of Paul’s opposition of faith and works arguing that any true faith would prove itself with works. This may explain why Bertram pays more attention to the Epistle of James than to Paul’s epistles in his TDNT article.

F. Conclusion – Bertram after the War Bertram’s post-War fate was much different than Kittel’s. In May 1946 Bertram lost his post at Gießen and at his denazification trial in July 1947 he was classified as “Belasteter,” and 50% of his property seized.51 Bertram appealed and the second trial downgraded his classification to “Minderbelasteter,” based on the fact that the Institute was not officially un­ der the auspices of the National Socialist party and on the testimony of his colleagues from the Institute and from Gießen. In March 1949 Bertram’s classification was downgraded to “Mitläufer.” Shockingly, Bertram served as a pastor in Düdelsheim and later in Frankfurt and began lecturing on the Old Testament at the University of Frankfurt in 1955. Bertram continued publish­ ing academic articles on the Septuagint, Philo, and patristics. Bertram never recanted his anti-Semitic views, though he did tone down the rhetoric in his writings following the War.52 Following the publication of Rolf Seeliger’s Braune Universität, which named Bertram as one of many Nazi professors who continued their teaching career, Bertram retired from the University.53 Despite the combination of the overt anti-Semitism in Bertram’s writ­ ings, the results of his denazification trial, and the loss of his professor­ ship at Gießen, Bertram continued to serve as the Septuagint specialist for the ThWNT under the editorship of Gerhard Friedrich. In February 1961 Bertram submitted his application for retirement to the University of Gießen that included an expert opinion on Bertram’s research activities from 1945–   Bertram, “ἔργον κτλ.,“ ThWNT, 2:648; idem, “ἔργον κτλ.,” TDNT, 2:651.   Bertram, “Paulus,” 130. 51   For details of Bertram’s trials, Weise, “Diener zweier Herren,” 364–365. 52   E.g., Georg Bertram, “ Vom Wesen der Septuaginta-Frömmigkeit,” Die Welt des Orients 2/3 (1956): 274–284. 53   Universitätsarchiv Frankfurt am Main (UAF) Abt. 14 Nr. 2680 Georg Bertram 1955– 1965, Akten Phil. Fak.; Rolf Seeliger, Braune Universität: Deutsche Hochschullehrer gestern und heute 3 (Munich: Seeliger, 1965), 19–25. 49

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1961 written by Friedrich.54 Friedrich noted that Bertram was indispensable as one of the few Septuagint experts in Germany. Under Friedrich’s editor­ ship, Bertram continued in the role as Septuagint specialist as he had under Kittel – proofing article entries on the Septuagint, submitting Septuagint supplements, and writing full articles. Bertram not only continued to contribute to the ThWNT, he also contributed to the third edition of Die Religion in Geschichte und Gegenwart and to the Reallexikon für Antike und Christentum, which further solidified Bertram’s status as a respected Septuagint scholar among both Protestant and Catholic scholars. While there were some contributors to the dictionary who opposed National Socialism, including Bultmann and Karl Ludwig Schmidt, there were many outspoken anti-Jewish and anti-Semitic scholars, including Grundmann, H. Odeberg, C. Schneider, H. Preisker, G. Delling, K.G. Kuhn, H.W. Beyer, and E. Stauffer. In a recent essay, Martin Leutzsch concluded: Der Verdacht, dass das ThWNT von Antisemitismus durchdrungen sei, basierte darauf, dass der erste Herausgeber, Gerhard Kittel, und eine ganze Reihe von Mitarbeitern ex­ plizite Antisemiten waren oder wurden und in ihren Veröffentlichungen antisemitische Propoganda betrieben. Dieser Verdacht lässt sich nur aufrechterhalten, wenn darauf ver­ zichtet wird, das Wörterbuch zu lesen.55

Leutzsch’s statement here is accurate and the examination of Bertram’s con­ tributions to the ThWNT revealed that there was no overt anti-Semitism pre­ sent in his articles that appeared in the first four volumes. However, when read in conjunction with Bertram’s writings published by the Institute, it becomes clear that anti-Semitic views were not something he could turn off in pursuit of objective scholarship. The racial anti-Semitism and theological anti-Judaism present in Bertram’s writings preclude him from being given the benefit of the doubt in his ThWNT entries.

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Exegese und Judentum im ThWNT Hans Förster A. Einleitung Die grundsätzliche Annahme, unter der dieser Beitrag steht, ist folgender­ maßen von Simon R. Slings in Worte gefasst worden: One of the more obvious uses of general linguistic theory for the study of classical and other dead languages is to help us to determine whether what we do know (or rather what we think we know) is really knowledge, or the product of misunderstandings and errors committed and added to by one generation of scholars after another.1

Damit ist vorausgreifend bereits festgehalten, dass vieles, was am ThWNT kritisiert werden kann – und kritisiert werden muss – weniger deutlich mit vor­sätz­l ichem Handeln und viel stärker mit der Vorläufigkeit des mensch­ lichen Wissens zu tun hat. Dieses vorläufige Wissen betrifft auch metho­d i­ sche Voraussetzungen. Im Folgenden soll anhand von Beispielen gezeigt werden, dass das ThWNT aus philologischer Sicht von einem – aus heutiger Sicht – hoch problema­ tischen Zugang beeinflusst ist, dass aber gleichzeitig die Frage wohl verneint werden muss, ob das ThWNT von einem vorsätzlichen oder methodischen Antijudaismus geprägt ist. In der Einleitung zu diesem Beitrag ist jedoch zuerst auf die verständlicherweise als problematisch wahr­genommene Nähe einzelner Verfasser von Beiträgen zur NSDAP und zum Nationalsozialismus kurz einzugehen, da der Eindruck bereits in Worte gefasst worden ist, dass diese offensichtliche Zugehörigkeit zu einer Partei und einem politischen System, das für die Shoah verantwortlich gemacht werden kann und muss, die Frage erzwingt, ob tatsächlich objektiv gearbei­tet wurde oder ob die Nähe zur Parteiideologie die wissenschaftlich notwendige Objektivität getrübt hat. Damit kann einleitend festgehalten werden: Das Verhältnis des ThWNT zum Judentum bzw. die Möglichkeit eines methodischen Antijudaismus im ThWNT ist ein höchst komplexes Thema, das bereits mehrfach und in durchaus kontroverser Weise diskutiert wurde. Ein Teil der Problematik ist die Frage der Objektivität des Zugangs zum neutestamentlichen Vokabular. 1   Slings, Simon R., ‘ΚΑΙ adversativum’ – Some Thoughts on the Semantics of Coordination, in: Dick J. van Alkemade u.a. (Hg.), Linguistic Studies offered to Berthe Siertsema (Costerus New Series 25), Amsterdam: Rodopi 1980, 101–125, 101.

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Auch wurde bereits die Frage aufgeworfen, ob dieses Wörterbuch möglicher­ weise wissenschaftlich problematisch ist: Die ersten Bände wurden von ei­ nem NSDAP-Mitglied herausgegeben, an ihnen haben Persönlichkeiten wie Walter Grundmann mitgearbeitet, eine Prägung der ersten Bände durch den Antisemitismus des Nationalsozialismus kann nicht ausgeschlos­ sen werden. Es ist deshalb zu fragen, ob zumindest diese ersten Bände – wenn nicht sogar das gesamte Werk – angesichts der Rezeption des Neuen Testaments in der nationalsozialistischen Propaganda heute als nicht zitier­ fähig gelten sollten. Es ist ja nicht ohne Grund, dass Walter Grundmann und sein „Entjudungsinstitut“ die für einen Theologen zweifelhafte Ehre hatte, postum Gegenstand einer wissenschaftlichen Veröffentlichung zu sein, die den Titel Kirche am Abgrund trägt.2 Gerhard Kittel, der Herausgeber des ThWNT, wurde in neuerer Zeit in Tageszeitungen anlässlich des Gedenkens an die Novemberpogrome als „Theologe“ und „geistiger Mittäter“ des Nationalsozialismus3 und als „Judenhasstheologe“4 bezeich­ net. In der Zeitschrift des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit in Österreich wird nun in einer aktuellen Rezension des von Manfred Gailus und Clemens Vollnhals herausgegebenen Tagungsbandes festgehalten: „Er beschert eine anspruchsvolle Lektüre und illustriert die Verlockungen des Zeitgeistes, denen ein geachteter Wissenschaftler vom Rang Kittels ausgesetzt war und – so das Resultat dieser Untersuchung – er­ legen ist.“5 Gerhard Kittel selbst hingegen beschreibt seine Haltung in seiner nach dem Ende des Nationalsozialismus abgefassten Verteidigung, dass seine eigene Sicht des Judentums und die daraus resultierende Position durch die biblischen Schriften normiert sei.6 Eine solche Argumentation muss heute angesichts der durchaus provokanten Formulierung Lars Kierspels irritieren: „[…] Nazis used the Fourth Gospel as ‘a favourite text-book of anti-Jewish propaganda’.“ 7 Gerade angesichts einer derartigen Rezeptionsgeschichte   Vgl. Arnhold, Oliver, „Entjudung“ – Kirche am Abgrund, Bd. 1: Die Thüringer Kirchenbewegung Deutsche Christen 1928–1939 (SKI Bd. 25/1); Bd. 2: Das „Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben“ 1939–1945 (SKI Bd. 25/1), Berlin: Institut Kirche und Judentum 2010. 3   Vgl. Tagesspiegel vom 8.11.2020; https://www.tagesspiegel.de/wissen/nationalsozialis­ mus-ein-theologe-als-geistiger-mittaeter/26601280.html. 4   Die Furche vom 31.10.2019; https://www.furche.at/religion/judenhasstheologe-1567927. 5   Schwarz, K arl, Rez. M. Gailus/C. Vollnhals (Hg.), Christlicher Antisemitismus im 20. Jahrhundert. Der Tübinger Theologe und „Judenforscher“ Gerhard Kittel (Berichte und Studien 79), Göttingen: V&R unipress 2020, in: Dialog-Du Siach 121 (2020), 20–24, 24. 6  Vgl. Morgenstern, Matthias/Segev, Alon, Gerhard Kittels „Verteidigung“/Gerhard Kittel’s “Defense”. Die Rechtfertigungsschrift eines Tübinger Theologen und „Judentumsforschers“ vom Dezember 1946/Apologia of a Tübingen Theologian and New Testament Scholar, December 1946, Wiesbaden: Berlin University Press 2019, 150. 7   Kierspel, Lars, The Jews and the World in the Fourth Gospel. Parallelism, Function, and Context (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 2/220), Tübingen: Mohr 2

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kann und muss ein im Neuen Testament wahrgenommener Antijudaismus jeweils neu Gegenstand wissenschaftlicher Forschung sein. Angesichts dieser Haltung des Herausgebers muss die Frage aufgeworfen werden, ob er überhaupt aufgrund seines überzeugten, biblisch fundierten Antijudaismus zu einer „objektiven“ philologischen Arbeit fähig war. Im Zusammenhang dieser Einleitung ist ebenfalls festzuhalten, dass die Frage eines möglichen Antijudaismus im ThWNT nie systematisch für das ge­ samte Wörterbuch und alle seine Einträge untersucht wurde. Dies wäre wohl angesichts des Umfangs des Wörterbuchs auch ein sehr großes Unterfangen gewesen, das sicherlich wissenschaftlich interessante, möglicherweise auch unbequeme Resultate versprechen würde. Vielmehr erschienen synchron mit der sich steigernden kirchlichen Sensibilität dafür, dass ein aus den heili­ gen Schriften herausgelesener christlicher Antijudaismus potentiell dazu geeig­net ist, das gesellschaftliche Klima eines Antisemitismus zu stützen, zu legitimieren und teilweise sogar zu befeuern – dies lässt sich ja auch für die Zeit des Dritten Reichs belegen –, auch einzelne kürzere oder länge­ re Auseinandersetzungen mit der Frage eines potentiellen Antijudaismus in einzelnen Artikeln des ThWNT. Diese haben jeweils den Charakter von eklektischen Einzeluntersuchungen. Damit gilt bis heute, was Johannes Sijko Vos vor mehr als einem Vierteljahrhundert bemerkte: Obwohl die Frage, ob das von G. Kittel begründete Theologische Wörterbuch zum Neuen Testament vom Zeitgeist eingegebene antijüdische oder antisemitische Tendenzen ent­ halte, regelmäßig diskutiert wird, steht eine Untersuchung über diese Frage noch aus.8

Bezüglich der insgesamt 26 Beiträge Kittels im ThWNT kommt Vos in dem erwähnten Beitrag zu folgendem Ergebnis: „Sämtliche Beiträge sind Ausdruck des von Kittel 1926 formulierten Bestrebens, die jüdischen Texte ohne Vorurteile zu lesen. Von Antisemitismus findet man in diesen Artikeln keine Spur.“ 9 Im Gegensatz zu Johannes Sijko Vos sieht Maurice Casey einen Zusammenhang zwischen der Ausrichtung des Wörterbuchs und der politischen Heimat einer ganzen Reihe von Mitarbeitern. Die These von Maurice Casey wird unter einem durchaus provokanten Titel publiziert: „Some Antisemitic Assumptions in the Theological Dictionary of the New Testament.“ Auch wenn Casey die „verborgene Bedrohung“ durch das wissen­ schaftliche Werk betont und diejenigen, die dieses Wörterbuch verwenden, vermahnt, dass sie es in kritischster Weise verwenden sollten,10 müssen Siebeck 2006, 8. 8   Vos, Johannes Sijko, Antijudaismus/Antisemitismus im Theologischen Wörterbuch zum Neuen Testament, in: Nederlands Theologisch Tijdschrift 85 (1984), 89–110, 89. 9   Vos, Antijudaismus/Antisemitismus, 92–93. 10   Casey, Maurice, Some Antisemitic Assumptions in the Theological Dictionary of the New Testament, in: Novum Testamentum 41 (1999), 280–291, 291: „When the editor and im­ portant contributors to TWNT turn out to be Nazis, and an editorial assistant an SS supporter, it should be a standing warning to us all that even those with more theological commitments

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diese Ausführungen letztlich doch eher als Versuch gewertet werden, seine Kritik stärker an der politischen Zugehörigkeit der Beitragenden und weni­ ger stark an ihren Beiträgen festzumachen. Es mag irritieren, dass Gerhard Kittel mit dem 1. Mai 1933 Mitglied der NSDAP wurde, es mag auch irri­ tieren, dass Gerhard Kittel Ehrengast des Führers am Reichsparteitag im Jahr 1938 war, es mag schlicht unverständlich sein, dass Kittel Material für Propagandaausstellungen wie Der ewige Jude lieferte. Der Nachweis steht jedoch noch aus, dass Kittel selbst tatsächlich einen Antijudaismus in den von ihm betreuten Beiträgen bewusst gefördert und dabei wissenschaftliche Kriterien verraten hat. Dessen ungeachtet hält Martin Leutzsch fest: „Es ist dieser strukturelle moderne christliche Antijudaismus, der das ThWNT insgesamt als philolo­ gisches Instrument unbrauchbar macht.“11 Ähnlich urteilt Oliver Arnhold: Auch wenn nach 1945 in dem theologischen Standardwerk der innere Zusammenhang des traditionell ‚theologisch begründeten Antijudaismus’ und des ‚modernen rassischen Antisemitismus’ weniger offensichtlich ist als noch in den Arbeiten des kirchlichen ‚Entjudungsinstituts’, so ist trotzdem davon auszugehen, dass die im ThWNT verfolgten antijüdischen Konzepte auch nach der Nazizeit weiter wirkungsmächtig geblieben sind.12

Aus der Sicht des Lexikographen – und dies ist die Perspektive, aus welcher der vorliegende Beitrag verfasst wurde13 – sind derart pauschale Urteile gerade deshalb wenig überzeugend, da letztlich die Grundsatzfrage, ob im ThWNT überhaupt ein grundsätzlicher theologisch begründeter Antijudaismus zu finden ist, weiterhin einer methodisch überzeugenden Antwort bedarf. Die Frage der semantischen Klärung einzelner Begriffe ist im Normalfall die Aufgabe entsprechender lexikographischer Einzeluntersuchungen, die ggf. dazu führen, die Bedeutung, die Begriffen im Griechischen oder Koptischen zugemessen wird, zu präzisieren oder ein neues Verständnis der Semantik vorzuschlagen.14 Einer derartigen semantischen Klärung liegt – implizit oder lived in a society so controlled by an anti-Jewish outlook that we should be constantly on our guard against believing anything written in TWNT, and we should use it only in the most critical spirit. […] Students should be warned of this hidden menace, and all readers should consult it only with their critical wits sharpened to the highest degree.“ 11   Leutzsch, Martin, Wissenschaftliche Selbstvergötzung des Christentums. Antijudaismus und Antisemitismus im „Theologischen Wörterbuch zum Neuen Testament“, in: Manfred Gailus/Clemens Vollnhals (Hg.), Christlicher Antisemitismus, 101–118, 113. 12   Arnhold, Oliver, Gerhard Kittel und seine Schüler. Welche Verbindungen bestan­ den zum Eisenacher „Entjudungsinstitut“? in: Manfred Gailus/Clemens Vollnhals (Hg.), Christlicher Antisemitismus, 119–134, 134. 13  Vgl. Förster, Hans, Wörterbuch der griechischen Wörter in den koptischen dokumenta­ rischen Texten (TU 148), Berlin: de Gruyter 2002. 14   Vgl. exemplarisch Förster, Hans, Ein Weg für ein besseres Verständnis von P.Mich. inv. 6898, in: Traianos Gagos (Hg.), Proceedings of the 25th International Congress of Papyrology. Ann Arbor July 29–August 4, 2007 (ASP. Special Edition), Michigan: Scholarly Publishing Office The University of Michigan Library 2010, 239–242; Ders., Zur Stellvertretung in kopti­

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explizit – ein methodisches Vorverständnis zugrunde, das in entscheidender Weise dazu beiträgt, wie die semantische Klärung erfolgt. Angesichts dieser Tatsache ergibt sich eine grundlegende Zweiteilung des vorgelegten Beitrags: Im Anschluss an die Einleitung ist als erstes kurz aufzuzeigen, dass dem ThWNT – gegen Casey, Leutzsch und Arnhold – kein „methodischer“ bzw. „theologischer“ Antijudaismus zugrunde liegt. Allerdings widerspricht der methodische Ansatz des ThWNT, dies ist im ersten Teil ebenfalls zu zeigen, zentralen Grundsätzen moderner Lexikographie und ist deswegen als sachwid­ rig bzw. ideologisch zu qualifizieren. Daraus ergibt sich als Folge, dass nicht nur bei Lexemen, welche dazu geeignet sind, einen Antijudaismus zu ver­ stärken, sondern auch bei neutralen Begriffen die postulierte Wortbedeutung aus lexikographischer Sicht nicht zu überzeugen vermag und als schlicht irrig aufgezeigt werden kann. Auf der Basis der explizit gemachten Methode des ThWNT können im daran anschließenden Abschnitt an exemplarisch aus­ gewählten Einträgen im ThWNT folgende Einwände gegen die zugrundelie­ gende Methode und ihre konkreten Ergebnisse geltend gemacht werden: 1. Die grundlegenden methodischen Fehler des ThWNT betreffen keines­ falls nur einen potentiellen Antijudaismus, sie führen vielmehr allgemein zu sinnverzerrenden Einträgen, die in der Folge die Exegese der neutestament­ lichen Texte zu beeinflussen geeignet sind. 2. Ein besonderer „theologischer Antijudaismus“ ist auch den ersten, unter Kittel herausgegebenen, Bänden fern. Schließlich ist im Vergleich mit einem Beitrag im ThWNT das von Bauer/Aland herausgegebene Wörterbuch in der aktuellen Auflage von 1988 in diesem Fall in expliziterer Weise judenfeind­ licher als der vergleichbare Eintrag im ThWNT (s.u.). Dies bedeutet jedoch nicht, dass sich nicht durchaus deutliche Beispiele für eine „Entjudung“ des Neuen Testaments durch das ThWNT anführen lassen, sodass gerade an­ gesichts der Wirkungsgeschichte einer theologischen Deutung des Neuen Testaments als scharfer und unversöhnlicher Gegensatz zum Judentum die Frage aufgeworfen werden muss, ob dies ein heute noch akzeptabler theolo­ gischer Zugang zum Neuen Testament sein kann. Wie anhand der Beispiele gezeigt wird, widersprechen diese theologischen Deutungsmuster jeden­ falls den Grundsätzen guter wissenschaftlicher Praxis in Philologie und Lexikographie. 3. Während nach Vos kein Antijudaismus in den Beiträgen von Gerhard Kittel zu konstatieren ist, kommt die hier vorzulegende Untersuchung eines Beitrags zu dem gegenteiligen Ergebnis. Zumindest dieser Beitrag von Gerhard Kittel ist zweifelsfrei dazu angetan, einen Antijudaismus schen Texten: Das ⲉⲓⲣⲉ ⲙⲡⲣⲟⲥⲱⲡⲟⲛ und seine griechischen Vorlagen, in: ZSRG.R 127 (2010), 328–335; Ders., Zur Bedeutung von ⲗⲟⲅⲟⲥ im Prolog des Judasevangeliums, in: Zeitschrift für antikes Christentum 14 (2010), 487–495; Ders., Zur Bedeutung von ⲁⲡⲟⲫⲁⲥⲓⲥ im Prolog des Judasevangeliums, in: Revue d’études augustiniennes et patristiques 58 (2012), 217–231; Ders., Zur Bedeutung von ἐγκαίνια in Joh 10,22, in: Revue biblique 123 (2016), 400–417.

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im Neuen Testament mit Argumenten zu begründen, die von der klas­ sischen Philologie als ideologische Argumentation abgelehnt würden. Folglich ist die Behauptung von Vos, dass sich in Kittels Beiträgen kein Antijudaismus nachweisen lasse, vor allem dazu angetan, aufzuzeigen, dass die theologische Forschung gerade im Falle einer Wörterbuchanalyse von einer engeren Zusammenarbeit mit der klassischen Philologie und vor allem der Lexikographie profitieren und durch diese vor ideologischen Argumentationsfiguren bewahrt werden könnte. Gleichzeitig muss betont werden, dass eine systematische philologische Untersuchung aller Beiträge Kittels aus philologischer Perspektive noch aussteht. Bis zu einem endgülti­ gen Ergebnis sollte man das Ergebnis von Vos vor allem dahingehend kom­ mentieren, dass hier der Herausgeber des Wörterbuchs vorschnell und ohne Prüfung von etwas freigesprochen wurde, woran er eindeutig beteiligt war: An einem ideologischen Verständnis des Neuen Testaments, das als antijü­ disches Konstrukt bezeichnet werden muss. 4. Das ThWNT macht aufgrund seines theologischen bzw. ideologischen Verständnisses von Lexikographie ein nicht notwendiges Textverständnis explizit und stellt dieses als einzig mögliches Textverständnis dar. Dieses aus Sicht der Lexikographie ideologische Vorgehen war bereits der Kern der fundamentalen Kritik von James Barr an diesem Wörterbuch, auf die im Folgenden noch einzugehen ist. Als letzte Konsequenz scheint das ThWNT auch in der für den christlich-jüdischen Dialog besonders heiklen Passage Röm 11 ursächlich daran beteiligt, dass in einigen wichtigen Übersetzungen das im ThWNT absolut gesetzte Textverständnis explizit gemacht wird: die Juden werden dadurch in Röm 11 zu „Feinden Gottes“.15 Diese Übersetzungsentscheidung ist aus translationswissenschaftlicher Sicht als Paraphrase zu kennzeichnen: In keiner griechischen Handschrift findet sich an dieser Stelle ein Äquivalent für das in einer Reihe von Übersetzungen eingefügte Nomen „Gott“. Da diese Paraphrase dazu angetan ist, einen Antijudaismus in den neutestamentlichen Text zu tragen, kann auch in 15   So z.B. in der Basis Bibel (Röm 11,28a: „Betrachtet man es von der Guten Nachricht her, dann sind sie Gottes Feinde geworden.“) oder in der Gute Nachricht Bibel (Version 2018; Röm 11,28: „Im Blick auf die Gute Nachricht gilt: Sie sind Gottes Feinde geworden, damit die Botschaft zu euch kommen konnte.“); vgl. beispielsweise auch die New Revised Standard Version, wo in der Ausgabe der Oxford Annotated Bible (1991) in einer Anmerkung darauf hingewiesen wird, dass Gott in keiner griechischen Handschrift erwähnt wird (Röm 11,28a: „As regards the gospel they are enemies of God for your sake […].“). Etwas Vergleichbares lässt sich auch für Übersetzungen des Jesaja-Zitats in Joh 12,40 beobachten (so z.B. Gute Nachricht Bibel 2018 oder Basis Bibel). Dass gerade auch ein Zitat aus einem der prophetischen Bücher dafür verwendet wurde, um Gott ausdrücklich als Urheber der Verblendung seines Volkes zu bezeichnen, ist aus Sicht des christlich-jüdischen Dialogs als problematisch zu qualifizieren; für die philologisch Argumentation des ThWNT in dieser Frage vgl. grundsätzlich Förster, Hans, Ein Vorschlag für ein neues Verständnis von Joh 12,39–40, in: Zeitschrift für die neu­ testamentliche Wissenschaft 109 (2018), 51–75.

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diesem deutlichen Fall den theologischen Wörterbüchern einschließlich des ThWNT und seiner Vorstufe eine Mitschuld an einem Textverständnis nicht abgesprochen werden, das weitaus judenfeindlicher ist, als dies vom griechi­ schen Text her gefordert wäre. Obwohl eine Untersuchung des ThWNT aus lexikographischen Gesichtspunkten zu dem Ergebnis kommt, dass ein methodischer Antijudaismus nicht dokumentiert werden kann, so führen die Prämissen des ThWNT trotzdem in zahlreichen Fällen zu einer antijüdi­ schen Deutung des Neuen Testaments in den einzelnen Artikeln. Damit ist einleitend festzuhalten: Auch wenn eine derartige, judenfeindliche Deutung des neutestamentlichen Textes nicht vorsätzlich vorgenommen wird, sollte dies doch – gerade mit Blick auf die Wirkungsgeschichte judenfeindlicher Übersetzungsentscheidungen – kritisiert und korrigiert werden dürfen, so­ dass der hier vorgelegte Beitrag als zentrales Ergebnis die Forderung erhebt, dass das ThWNT und mit ihm wohl auch andere wichtige neutestamentli­ che Wörterbücher aus philologischer Sicht einer Überarbeitung lege artis bedürfen.

B. Die methodischen Prämissen der Arbeit an einem „theologischen Wörterbuch“ Das ThWNT steht als Wörterbuch nicht für sich alleine als ein erratischer Block, der plötzlich und ohne Vorstufen entstanden ist. Ganz im Gegenteil, das ThWNT baut konkret auf dem von Hermann Cremer herausgegebenen Wörterbuch auf, welches wiederum im breiten Strom der neutestamentli­ chen Lexikographie zu verorten ist. Das Gebiet der neutestamentlichen Lexikographie war über die Jahrhunderte hinweg derart fruchtbar, dass eine eigene Geschichte der neutestamentlichen Lexikographie geschrieben werden kann, die trotz ihres erstaunlichen Umfangs keinesfalls Anspruch auf vollständige Erwähnung aller lexikographischen Werke, die exklusiv das Neue Testament als Quelle der Lexeme haben, erheben kann.16 Gleichzeitig ist die neutestamentliche Lexikographie bereits seit Jahrhunderten vom Strom der allgemeinen griechischen Lexikographie getrennt, sodass eine Korrektur durch die allgemeine griechische Lexikographie nur in sehr be­ grenztem Maße stattgefunden hat.17  Vgl. Lee, John A. L., A History of New Testament Lexicography (Studies in Biblical Greek 8), New York u.a.: Peter Lang 2003. 17  Vgl. Danker, Frederick William, Lexical Evolution and Linguistic Hazard, in: Taylor, Bernard A. u.a. (Hg.), Biblical Greek Language and Lexicography. Essays in Honor of Frederick W. Danker, Grand Rapids/Cambridge, UK: Eerdmans 2004, 1–27, 9: „Although the revision of Preuschen’s work marked an advance on that particular work, it is important to recognize that Bauer remained in the mainstream of a long European lexical tradition, beginning with the first dictionary limited to the Greek NT, produced by Eilhard Lubin in 1614.“ 16

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Bereits dem Wörterbuch von Hermann Cremer liegen grundlegende und wegweisende Entscheidungen zugrunde, die für die neutestamentliche Philologie, wie sie sich dann im ThWNT weiterentwickelt hat, von entschei­ dender Bedeutung dafür sind, dass die semantischen Analysen von Seiten der modernen Lexikographie als sachlich und methodisch verfehlt betrachtet werden müssen. Weil man das ThWNT und seine Bedeutung für Exegese und Judentum nicht verstehen kann, ohne dass die Weichenstellungen, die bereits in den Vorarbeiten von Hermann Cremer grundgelegt wurden, thema­t isiert werden, muss hier Hermann Cremer selbst ausführlich zu Wort kommen. Hermann Cremer beschreibt seine Sicht der neutestamentlichen Philologie folgendermaßen: Was die lexikalischen Bearbeitungen der neutestamentlichen Gräcität bisher vermis­ sen lassen, ist die grundsätzliche und durchgreifende Berücksichtigung der ‚sprach­ bildenden Kraft des Christentums’, wie es Schleiermacher genannt hat. […] Eine lexi­ kalische Bearbeitung der neutestamentlichen Gräcität muß daher, soll sie wirklich das Verständniß der Offenbarungsurkunden fördern, vorzugsweise denjenigen Theil des Sprachvorraths in’s Auge fassen, welcher von jenem Einflusse besonders betroffen werden mußte, die Ausdrücke des geistigen, sittlichen und religiösen Lebens. Für den übrigen Theil des neutestamentlichen Sprachschatzes werden zunächst die Wörterbücher der Profangräcität genügen. Daher wird ein solches Wörterbuch der neutestamentlichen Gräcität vorzugsweise ein biblisch-theologisches sein müssen, ein Wörterbuch, welches vorzugsweise diejenigen Ausdrücke untersucht, die einen biblisch-theologischen Inhalt haben. Es genügt nicht, zu diesem Zwecke durch einfache Zitate nachzuweisen, daß das betreffende Wort sich überhaupt auch in der Profangräcität im Gebrauch befunden habe. Vielmehr muß die Begriffssphäre des außerbiblischen Gebrauchs nachgewiesen und der Unterschied wie die Verwandtschaft der biblischen Vorstellung aufgewiesen werden.18

In der Vorrede werden Überzeugungen bezüglich der Philologie deutlich, die durch die Erwähnung Schleiermachers, der auch in den späteren Vorreden einen herausgehobenen Platz erhält,19 dann noch einmal in den Kontext der Geistes- und Wissenschaftsgeschichte gestellt werden. Diese Überzeugungen betreffen zwei Aspekte, die im Folgenden noch einmal thematisiert werden sollen: Zum einen geht es um die Möglichkeit der „präzisen Definition“ von Begriffen im Rahmen lexikographischer Arbeit. Erkenntnistheoretisch widerspricht diese Überzeugung heutigen translations­ w issenschaftlichen Erkenntnissen, die sich auch in Wortspielen ausdrücken können. Das italienische Diktum „traditore traddutore“ („als Übersetzer ist man ein Verräter“) bzw. das französische Wortspiel „traduire, c’est trahir“ („über­ setzen ist verraten“) bringt eine Grundüberzeugung der translationswissen­ schaftlichen Arbeit, zu der auch die Lexikographie gerechnet werden muss,   Cremer, Hermann, Biblisch-theologisches Wörterbuch der Neutestamentlichen Gräcität, Gotha: Friedrich Andreas Perthes 1866, v–vi. 19   Cremer, Hermann, Biblisch-theologisches Wörterbuch der Neutestamentlichen Gräcität, Gotha: Friedrich Andreas Perthes 1902, vii (Vorrede aus dem Jahr 1883): „Dies ist nach Schleiermachers glücklichem Ausdruck die ‚sprachbildende Kraft des Christentums’.“ 18

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zum Ausdruck: Übersetzung und Definition lexikalischer Äquivalente ist ohne Vorannahmen bezüglich eines Textes nicht möglich, und eben diese Vorannahmen prägen die Übersetzungsentscheidungen gera­de auch hinsicht­l ich der lexikalischen Äquivalente, sodass der Sinn eines Textes in der Übersetzung transformiert werden kann. Zum anderen geht es, hierauf ist ebenfalls im Folgenden noch einmal einzugehen, um die sprachbildende Kraft des Christentums. Die methodische Annahme einer Sprachbildung im Neuen Testament öffnet einer einseitigen Berücksichtigung der Rezeptionsgeschichte Tür und Tor, während gleichzeitig die klassi­ sche Philologie ihre Wirkung als Korrektiv nicht mehr entfalten kann. Mit die­ ser methodischen Voraussetzung verliert der griechische Text des Neuen Testaments letztlich seine kritische Funktion für die Theologie, da die „sprachbildende Kraft“ je neu in der Rezeptionsgeschichte wahrgenommen wird und damit die Rezeptionsgeschichte über das Textverständnis ent­ scheidet. Wie sehr die Überzeugung, dass eine sichere und semantisch eindeutige Definition griechischer Wörter möglich ist, nicht nur die deutschsprachige theologische Wissenschaft zu dieser Zeit prägte, zeigt sich exemplarisch in dem von William Edwy Vine herausgegebenen Wörterbuch des Neuen Testaments. Dieses Wörterbuch trägt den Untertitel: A Comprehensive Dictionary of the Original Greek Words with their Precise Meanings for English Readers.20 Die Annahme, man könnte den Sinn von Wörtern in einer anderen Sprache „präzise“ wiedergeben, ist etwas, was zur Zeit der Entstehung des ThWNT durchaus dem Stand der Wissenschaft entsprach – und eben als Grundproblem des im ThWNT praktizierten Zugangs von James Barr im Jahr 1961 kritisiert wurde. James Barr geht – wohl mit Recht – davon aus, dass sich der Theologe Kittel nicht bewusst war, welche philo­ logischen Schwierigkeiten mit einem solchen Werk verbunden waren.21 Das zentrale Problem des ThWNT ist nach Barr die Tendenz, semantische Alternativen auszublenden.22 John A.L. Lee hält mit Recht fest, dass auch unbewiesene Vermutungen in theologischen Wörterbüchern als Tatsachen ausgegeben werden, sodass man diesen Wörterbüchern – zu denen auch das ThWNT gehört – nur sehr bedingt vertrauen kann: Yet this trust is misplaced. The concise, seemingly authoritative statement of meaning can, and often does, conceal many sins – indecision, compromise, imperfect knowledge, guesswork, and, above all, dependence on predecessors. 23 20   Vine, William Edwy, Expository Dictionary of New Testament Words. A Comprehensive Dictionary of the Original Greek Words with their Precise Meanings for English Readers, McLean, Virginia, VA: MacDonald 1939. 21   Barr, James, The Semantics of Biblical Language, London: SCM 1983, 206. 22   Barr, Semantics, 215. 23   Lee, John A.L., The Present State of Lexicography of Ancient Greek, in: Bernard A. Taylor u.a. (Hg.), Biblical Greek Language and Lexicography, 66–74, 66.

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Die Abhängigkeit von Vorgängern wird im Folgenden noch mehrfach zu thematisieren sein. In der Tat sind es, darauf ist in diesem Kontext hinzuweisen, gera­ de die semantischen Feinheiten des Griechischen, die in der theologi­ schen Diskussion neutestamentlicher Probleme keinesfalls nur im ThWNT, sondern vielmehr ganz allgemein viel zu wenig Raum finden. Dies führt dann dazu, dass beispielsweise in Joh 10,22 „das“ Tempelweihfest gese­ hen wird, was zusammen mit der Information, dass dieses Fest im Winter stattfindet, als Hinweis für eine intendierte Leserschaft gesehen wird, die eine große Distanz zum Judentum aufweist. Da es sich bei dem verwen­ deten Begriff um ein Adjektiv handelt, das nach griechischer Grammatik überhaupt erst in Verbindung mit einem Artikel als Nomen verwendet werden kann, ist hier keinesfalls „das“ Tempelweihfest, sondern „ein“ Tempelweihfest bezeugt, das durch die Erwähnung des Winters näher gekennzeichnet wird. Schließlich feierte das Judentum in dieser Zeit drei unterschiedliche (!) Tempelweihfeste. Wohl aufgrund der semantisch ein­ deutig verfehlten Übertragung mit „das Tempelweihfest“ hat man aus neutestamentlicher Perspektive die zahlreichen, und offen zutage liegen­ den Bezeugungen anderer jüdischer Tempelweihfeste – es sei nur auf den Pilgerbericht der Egeria verwiesen, der keinesfalls eine entlegene Quelle darstellt – offensichtlich übersehen.24 Gerade weil mit der Erwähnung eines Tempelweihfestes im Winter sehr genaue Kenntnisse des Judentums voraus­ gesetzt werden, weist diese Erwähnung „eines“ Tempelweihfests auf eine jüdische Erstleserschaft des Johannesevangeliums hin. Die semantische Analyse von τὰ ἐγκαίνια wurde nicht rite artis vorgenommen. Angesichts der Wirkung der Übersetzungsentscheidung darf dies einmal mehr als po­ tentiell judenfeindliche Deutung des Textes angesehen werden.25 Dies an­ hand des Beispiels τὰ ἐγκαίνια einleitend deutlich zu machen, ist umso wichtiger, als dieses Lexem im ThWNT nicht eigens behandelt wird, sondern vielmehr nur in einem Halbsatz als Teil des Artikels zu καινός κτλ. be­ gegnet.26 Mit diesem Beispiel wäre gezeigt, dass das Problem einer seman­ tischen Engführung, durch welche ein Verortung des Johannesevangeliums außerhalb des Judentums unterstützt wird – und das wird man wohl doch als eindeutig judenfeindliche Interpretation dieses neutestamentlichen Textes bezeichnen dürfen –, kein Charakteristikum des ThWNT darstellt, sondern, dass es sich bei dem hier zu beobachtenden, sehr freien Umgang mit Fragen von Syntax und Semantik vielmehr um ein Vorgehen handelt, das den philo­   Vgl. Förster, ἐγκαίνια, 400–417.   Zur intendierten Leserschaft als jüdischer Leserschaft vgl. jetzt auch Penwell, Stewart, Jesus the Samaritan. Ethnic Labeling in the Gospel of John (Biblical Interpretation Series 170), Leiden/Boston: Brill 2019. 26  Vgl. Behm, Johannes, Art. καινός κτλ., ἐγκαινίζω, in: ThWNT 3 (1938), 455–456, 455,39 („bes Fest der Tempelweihe“). 24 25

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logischen Zugang zum Neuen Testament, wie er in der Theologie prakti­ ziert wird, zu prägen scheint.27 Ähnliches gilt für das griechische Wort ἐγκάθετος. Dieses wird im ThWNT überhaupt nicht behandelt, auch dieses trägt einen semantisch nicht gerechtfertigten Antijudaismus in den Text und verhindert damit, dass der jüdische Kontext der lukanischen Version der Zinsgroschenperikope erkannt werden kann.28 Ein weiterer Aspekt, der hier nur kurz angeschnitten werden kann, ist die Abhängigkeit von bestehenden Bibelübersetzungen, die den lexikalischen Äquivalenten der neutestamentlichen Wörterbücher zugrunde liegen. John A.L. Lee ist zuzustimmen, wenn er festhält: „So a New Testament transla­ tion is the source of the gloss used by the lexicons to indicate the meaning of a word.“ 29 Die christliche Begriffsprägung, die ja ihren Niederschlag gera­ de auch in den Übersetzungsentscheidungen findet, gelangt so wieder in die Wörterbücher, die dann aufs Neue die Übersetzungen prägen. Hier darf man wohl von einem hermeneutischen Zirkel sprechen. Dass im Kontext der neutestamentlichen Philologie der semitische Einfluss auf das neutesta­ mentliche Griechisch unterschätzt wurde, was aber nicht nur eine Schwäche des Wörterbuchs von Cremer ist,30 sondern in noch viel deutlicherer Form auch in anderen neutestamentlichen Wörterbüchern postuliert wird,31 wird sich im Folgenden zeigen. Ferner darf inzwischen vorausgesetzt werden, dass die gesamte neutestamentliche Philologie in durchaus grundsätzlicher Weise vom Latein (vor allem, aber nicht nur, der Vulgata) beeinflusst ist.32 Eben dies lässt sich auch für das ThWNT zeigen und gilt ebenfalls für das von Bauer/Aland herausgegebene Wörterbuch. Dieses baut, vermittelt über Preuschen, in seiner lexikalischen Semantik auf dem griechisch-lateinischen Wörterbuch von Grimm auf. Dessen Vorwort dokumentiert deutlich die Abhängigkeit von der Vulgata: Omnino latinae translationis, quae Vulgata dicitur, longe saepius rationem habui quam qui ante me lexica N. Ti. ador-

27   Vgl. hierzu auch Barrett, Charles Kingsley, A Commentary on the First Epistle to the Corinthians (Black‘s New Testament Commentaries), London: Black 1968, 168. 28  Vgl. hierzu grundsätzlich Förster, Hans, Antijüdische Polemik oder innerjüdischer Diskurs? Eine kritische Lektüre der Zinsgroschenperikope (Lk 20,[19]20–26) in der Version der revidierten Einheitsübersetzung, in: Studien zum Neuen Testament und seiner Umwelt, Serie A 42 (2017), 35–54; Ders., Quod licet Iovi non licet bovi? Überlegungen zur Auslegung der Zinsgroschenperikope nach dem Lukasevangelium, in: Studien zum Neuen Testament und seiner Umwelt, Serie A 43 (2018), 33–59. 29   Lee, History, 32. 30   Das Postulat eines grundsätzlichen Unterschieds zwischen Septuaginta-Griechisch und neutestamentlichem Griechisch findet sich bereits bei Cremer, Wörterbuch (1866), vii. 31   Vine, Expository Dictionary, 7. 32   Vgl. hierzu grundsätzlich Förster, Hans, Translating from Greek as Source Language? The Lasting Influence of Latin on New Testament Translation, in: Journal for the Study of the New Testament 43 (2020), 85–107.

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naverunt.33 Man darf also die methodische Problematik einer neutestament­ lichen Lexikographie dahingehend beschreiben, dass hier den griechischen Begriffen ihre lexikalischen Äquivalente nicht im Sinne einer semantischen Definition, wie sie modernen lexikographischen Werken zugrunde gelegt wird (oder zumindest zugrunde gelegt werden sollte), sondern vielmehr im Sinne einer rezeptionsgeschichtlichen Begriffsprägung zugewiesen werden. Während die Zuweisung von lexikalischen Äquivalenten als Problem er­ kannt wurde – es sei nur auf die Arbeiten von Jesús Peláez und Juan Mateos hingewiesen 34 –, existiert kein Bewusstsein dafür, dass sich grundlegende Verschiebungen in der Semantik im Rahmen der Rezeptionsgeschichte erge­ ben haben könnten. Derartige rezeptionsgeschichtlich bedingte semantische Verschiebungen führen dazu, dass beispielsweise der Stamm Ephraim, des­ sen Größe im Johannesevangelium nur noch als die einer Stadt beschrieben wird, gegen griechische Syntax zur „Stadt, die Ephraim genannt wird“ in den Übersetzungen von Joh 11,54 wird. Das ist eine Übersetzung, die sich keinesfalls auf den griechischen Text berufen kann, auch wenn sie sich so in allen gängigen Übersetzungen dieser Stelle findet.35 Im ThWNT, dies sei am Rande erwähnt, findet sich kein Eintrag zu Ἐφραίμ.

C. Die methodischen Probleme des ThWNT 1. Unzulässige Einschränkung der Semantik eines griechischen Wortes Die von Barr kritisierte Vernachlässigung des gesamten semantischen Spektrums lässt sich sehr deutlich bei dem Verb ἀνήκω beobachten. Dieses Wort ist aus mehreren Gründen geeignet, die Probleme des ThWNT auf­ zuzeigen: Während die Bedeutungsverengung und die damit einherge­ henden Probleme der Textinterpretation offen zutage treten, handelt es sich keinesfalls um ein Wort, das einen Antijudaismus in das Neue Testament trägt, sodass die einseitige Fokussierung der Frage, ob nun dem ThWNT ein „methodischer Antijudaismus“ zugrunde liege, auf die Ebene der aus lexikographischer Sicht schlicht abzulehnenden semantischen Verengung, die bei zahlreichen Einträgen zu beobachten ist, gehoben werden kann. Gleichzeitig ist dieses Beispiel geeignet, die dem ThWNT weit vorausge­ hende Trennung von klassischer Philologie und neutestamentlicher Philologie zu belegen. Die vierte Auflage des Wörterbuchs von Benseler aus dem Jahr 33   Grimm, Carolus Ludovicus Wilibaldus, Lexicon Graeco-Latinum in Libros Novi Testamenti, Leipzig: Libraria Arnoldiana 1868, viii. 34   Vgl. Peláez, Jesús/Mateos, Juan (†), New Testament Lexicography. Introduction – Theory – Method (Fontes et subsidia ad Bibliam pertinentes 6), Berlin/Boston: de Gruyter 2018. 35  Vgl. hierzu Förster, Hans, Philologische und historische Überlegungen zum „Passa der Juden“ im Johannesevangelium, in: Revue biblique 126 (2019), 415–427, 421–422.

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187236 bemerkt zu ἀνήκω, dass dieses Wort im NT auch „sich schicken“ bedeuten könne. Diese neutestamentliche „Sonderbedeutung“ wird auch im Wörterbuch von Gemoll, dessen erste Auflage im Jahr 1908 erschien, be­ tont: „[…] im NT sich ziemen, sich schicken, τὸ ἀνῆκον Pflicht […]“37 In eben dieser Tradition stehend, hält auch das Wörterbuch von Liddell, Scott und Jones fest, dass es sich bei der Bedeutung „to be fit, to be proper“ um eine Sonderbedeutung des neutestamentlichen Griechisch handeln würde, nur im Neuen Testament würde sich die semantische Entsprechung von τὸ ἀνῆκον und τὸ προσῆκον finden.38 Am Rande sei bemerkt, dass natürlich seitens der Lexikographen die semantische Bestimmung der neutestamen­ tlich verwendeten Wörter nicht noch einmal geprüft wurde. Vielmehr wurde die seman­tische Deutungshoheit der Theologie überlassen. Die Ergebnisse werden entsprechend als Sonderbedeutung festgehalten. Eben diese traditionell theologische Deutung der Semantik von τὸ ἀνῆκον wird durch den Eintrag im ThWNT bestätigt. Dort wird festge­ halten: „Im NT ist Phlm 8 τὸ ἀνῆκον (mit ἐπιτάσσειν!) nicht nur das, was sich geziemt, sondern das, wozu man, obwohl in privater Angelegenheit, so gut wie recht­l ich verpflichtet ist.“39 Auch die neutestamentliche Grammatik von Blass/Debrunner bietet ohne weitere Diskussion als Übersetzung für ἃ οὐκ ἀνῆκεν (Eph 5,4) „was sich nicht ziemt“.40 Die Argumentation des Paulus wird durch diese semantische Bestimmung des griechischen Verbs nicht einfacher verständlich, ganz im Gegenteil. Warum Paulus gegenüber Philemon seine Freiheit betont, dass er befehlen könne, was er tun solle,41 bzw. dass er gebieten könne, was zu tun sei,42 um dann stattdessen zu bitten, muss unverständlich bleiben. Was Paulus hier sagt, dürfte jedoch keinesfalls so unverständlich sein, wie man gemein­ hin annimmt. Hierfür muss man die semantische Engführung der neutesta­ mentlichen Philologie an dieser Stelle außer Acht lassen und den Text so verstehen, wie er aus der Sicht der Gräzistik verstanden werden kann. Das τὸ ἀνῆκον ist erst einmal „das, was jemandem gehört“, das Eigentum. 36   Benseler, Gustav Eduard, Griechisch-Deutsches Schulwörterbuch. 4. verbesserte Auflage besorgt von J. Rieckher, Leipzig: Teubner 41872. 37   Gemoll, Wilhelm, Griechisch-Deutsches Schul- und Handwörterbuch. 9. Auflage durch­ gesehen und erweitert von Karl Vretska, München/Wien: Freytag 1954 = 1985, s.v. 38   Liddell, Henry George/Scott, Robert/Jones, Henry Stuart, A Greek-English Lexicon, Oxford: Clarendon Press 1996 (= 9. Aufl. 1925–1940), s.v. 39   Schlier, Heinrich, Art. ἀνήκει, ThWNT 1 (1933), 361,30–32. 40  Vgl. Blass, Friedrich/Debrunner, Albert, Grammatik des neutestamentlichen Griechisch, bearbeitet von Friedrich Rehkopf, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 182001, § 358.2. 41  Vgl. Einheitsübersetzung 2016: „Obwohl ich durch Christus volle Freiheit habe, dir zu befehlen, was du tun sollst.“ 42  Vgl. Lutherbibel 2017: „Darum, obwohl ich in Christus alle Freiheit habe, dir zu gebie­ten, was zu tun ist.“

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Ähnlich, wie auch im Deutschen durchaus ein Unterschied zwischen „dem, was mir gehört,“ und „dem, was sich gehört“ besteht, sollte man auch in der neutestamentlichen Philologie den Unterschied zwischen τὸ ἀνῆκον und τὸ προσῆκον nicht einfach nivellieren. Die Gültigkeit der griechi­ schen Semantik vorausgesetzt, würde Paulus hier behaupten, dass er volle Freiheit hat, dem Philemon in seinen Besitz hineinzureden. In griechischen Rechtsurkunden wird das Eigentum folgendermaßen unterteilt: κινητά τε καὶ ἀκίνητα καὶ αὐτοκίνητα.43 Und Sklaven gehören nun einmal in den Bereich der αὐτοκίνητα. Man dürfte in der theologischen Diskussion um Phlm 8 die eigentumsrechtliche Stellung von Sklavinnen und Sklaven zur Zeit des Paulus übersehen haben, die ja auch dazu führte, dass der fugitivus bzw. die Beherbergung desselben aus rechtlicher Sicht eine Gefahr für Paulus dar­ gestellt hat. Angesichts dieser rechtlichen Situation scheint es verständlich, dass Paulus für sich zwar die Freiheit reklamiert, dem Philemon in sein Eigentum hineinzureden, es aber doch erst einmal mit guten Worten ver­ sucht. Dass Albert Debrunner44, der auch die neutestamentliche Grammatik bearbeitete, am ThWNT mitarbeitete, erklärt vielleicht, warum in der neu­ testamentlichen Grammatik und im ThWNT die aus lexikographischer Sicht nicht nachvollziehbaren semantische Verengung von ἀνήκει einfach aus der theologischen Tradition übernommen wurde, statt dass man die sich bietende Gelegenheit, das volle semantische Spektrum darzustellen und die sich dar­ aus ergebenden Übersetzungsmöglichkeiten zu diskutieren, genutzt hätte. Unter Bezug auf die Grundbedeutung des Verbs scheint die Stelle jedenfalls weit weniger dunkel, als dies unter Berücksichtigung der traditionellen se­ mantischen Deutung der Fall ist. Dass in diesem Kontext auch syntaktische Strukturen anders verstanden werden können, sodass Paulus keinesfalls die höchst komplizierte Stilfigur der Epidiorthose verwendet, zeigt ein­ mal mehr, dass aus philologischer und lexikographischer Sicht Fortschritte in der neutestamentlichen Philologie möglich sind.45 Die Grammatik von Blass/Debrunner bemerkt hinsichtlich der Epidiorthose in Phlm 19: „[…] (so JJeremias brieflich an Debrunner).“46 Deutlicher könnte sich nicht zeigen, dass der Philologe hier einfach übernimmt, was der Theologe liefert. 43   Preisigke, Friedrich G., Wörterbuch der griechischen Papyrusurkunden mit Einschluß der griechischen Inschriften, Aufschriften usw. aus Ägypten. Bd. 1, Berlin: Selbstverl. d. Erben 1925, s.v. 44   Debrunner war als „Spezialist für das Griechische“ gebeten, alle Artikel durchzusehen. Ob er das tatsächlich auch immer gemacht hat und auf welche Weise, ist eine andere Frage; siehe hierzu Bormann, Lukas, Rudolf Bultmann und das Theologische Wörterbuch zum Neuen Testament. Eine Neubewertung, in: Zeitschrift für Theologie und Kirche 118 (2021), 21–54, hier 30. 45   Siehe hierzu grundsätzlich Förster, Hans, Die Bitte des Paulus für den Sklaven Onesimus. Semantische und syntaktische Überlegungen zum Philemonbrief, in: Novum Testamentum 60 (2018), 268–289. 46   Blass/Debrunner, Grammatik, § 495.12.

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2. Verschärfung der Semantik Das griechische Verb ἀπόλλυμι hat nach dem Artikel im ThWNT die Bedeutung „vernichten, umbringen, töten“ sowie ferner „verlieren, einbüßen“, „umkommen“ und „verlorengehen“.47 Nach dem Artikel zu ἀπόλλυμι im ThWNT ist dabei an einer Reihe von Stellen eine Verschärfung der Semantik in den neutestamentlichen Texten vorzunehmen: Daß trotz des uns geläufigen, sachlich in ihrer Art sinnvollen Übersetzung Luthers verloren werden vielmehr umkommen, zugrunde gehen gemeint ist, machen schon die Synonyma und Opposita wahrscheinlich.48

Eine derartige Verschärfung findet durchaus bis heute statt. Während die Lutherbibel 1912 in Joh 12,17 noch mit Martin Luther letzte Hand (1545) „das verlorene Kind“ (ὁ υἱὸς τῆς ἀπωλείας) übersetzt, steht hier in der Lutherbibel 2017 „Sohn des Verderbens“. In diesem Zusammenhang darf vorausgeschickt werden, dass die Semantik dieses Verbs offensichtlich eine extreme Breite besitzt. Sowohl das „verlorene“ Schaf (Lk 15,6: τὸ πρόβατόν μου τὸ ἀπολωλός) als auch der Tötungsvorsatz der Pharisäer in Mk 3,6 u.ö. (Mk 3,6: Καὶ ἐξελθόντες οἱ Φαρισαῖοι εὐθὺς μετὰ τῶν Ἡρῳδιανῶν συμβούλιον ἐδίδουν κατ᾿ αὐτοῦ ὅπως αὐτὸν ἀπολέσωσιν) werden mit diesem Verb beschrie­ ben. Interessanterweise kann nun die lateinische Überlieferung hier ein Korrektiv sein. Grundsätzlich wird eine – möglicherweise einseitige – Abhängigkeit von der lateinischen Überlieferung bereits in der Einleitung zu diesem Artikel im ThWNT deutlich: „Das Wort hat, dem lat perdere genau entsprechend, zwei trans Bedeutungen, die im Deutschen bestimmter unterschieden werden. Dazu kommt der intr Gebrauch des Med.“49 Diese bestimmte­Unterscheidung führt dazu, dass in den Übersetzungen unhinter­ fragt ein und dasselbe Wort den Tötungsvorsatz der jüdischen Autoritäten und den Verlust des Schafs beschreibt. Dem apodiktischen Satz, dass die bei­ den transitiven Bedeutungen dieses Verbs im Deutschen bestimmter unter­ schieden würden, darf man aus philologischer Sicht widersprechen. Das lateinische Mittelalter – das zeigt beispielsweise die Mentelin-Bibel – sah keine Veranlassung, bei der Übersetzung der beiden Passagen unterschied­ liche Verben zu verwenden. Vielmehr wird sowohl für das „verlorene Schaf“ wie auch für den Tötungsvorsatz, der aus dem Verb perdere nach dem im ThWNT vorgelegten Verständnis der Semantik klar und deutlich ablesbar sein müsste, mit einer Vergangenheitsform des Verbs verliesen übertragen. Da nun unbestritten ist, dass das Schaf keinesfalls tot ist, sondern vielmehr gerettet werden kann, sollte auch deutlich sein, dass der Text in Mk 3,6 u.ö. 47   Oepke, Albrecht, Art. ἀπόλλυμι κτλ., A. Der eigentliche Gebrauch, in: ThWNT 1 (1933), 393,11–27. 48   Oepke, Art. ἀπόλλυμι, 394,42–395,1. 49   Oepke, Art. ἀπόλλυμι, 393,7–9.

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zwar als Tötungsvorsatz verstanden wurde, dass dies aber keinesfalls eine notwendige oder gesicherte Übersetzungsentscheidung ist. Vielmehr spricht gerade auch die Tatsache, dass mittelalterliche Theologen diese Stelle noch nicht im Rahmen des Konzepts eines jüdischen Christozids verwenden konnten, gegen die Annahme, dass hier eindeutig ein Tötungsvorsatz vor­ liegt. Damit kann festgehalten werden: Die Übersetzung in Mk 3,6 stellt eine nicht notwendige und wohl auch sinnentstellende Verengung der Semantik dar, die grundsätzlich auch vom ThWNT gestützt wird. Im Gegensatz zum ThWNT führt dann das Wörterbuch von Bauer/Aland jedoch sogar die Stellen einzeln an, an denen dieses Wort eindeutig als „umbringen“ bzw. „töten“ verstanden werden müsse. Insofern ist die semantische Engführung in diesem Fall im Bauer/Aland noch problematischer als im ThWNT, was einmal mehr gegen einen „methodischen“ Antijudaismus im ThWNT zu sprechen scheint.50 Auch wenn neuerdings von Jesús Peláez und Juan Mateos darauf hingewiesen wird, dass abstrakte Definitionen anstelle von lexikalischen Äquivalenten – gemeinhin auch als Glossen bezeichnet – in Lexika verwen­ det werden sollten, da hierdurch Präjudizierungen der Semantik, die durch Glossen stattfänden, vermieden würden,51 so sind doch auch diese Arbeiten weiterhin von dem grundsätzlichen, von Barr kritisierten Problem gekenn­ zeichnet: Die Überzeugung, dass der Sinn des in der Ausgangssprache ge­ botenen Textes grundsätzlich richtig verstanden wird, ohne dass eine tie­ fere Prüfung der Semantik stattfindet, zeigt sich sehr gut in der Annahme, dass ἀπόλλυμι tatsächlich dann „töten“ bedeuten müsse, wenn die jüdi­ schen Autoritäten sich bezüglich Jesus beraten.52 Aus philologischer Sicht sagt die Übersetzungsentscheidung „töten“ bzw. „umbringen“ in Mk 3,6 wenig über den Sinn der Stelle aus. Vielmehr drückt sich in dieser Übersetzungsentscheidung aus, wie der Übersetzer bzw. die Übersetzerin das Verhältnis der jüdischen Autoritäten zu Jesus versteht. Das lexikali­ sche Äquivalent „umbringen“ für ἀπόλλυμι hat über die Lutherübersetzung Eingang in die neutestamentlichen Wörterbücher gefunden. Martin Luther wird man nicht unbedingt als Philosemiten bezeichnen dürfen. Wenn man an den entsprechenden Stellen weniger scharf, aber dafür semantisch korrekter übersetzen würde, könnte deutlich werden, dass die jüdischen Autoritäten Jesu gelehrte Auseinandersetzung mit ihnen um Fragen des Gesetzes als   Vgl. hierzu grundsätzlich Förster, Hans, Martin Luther und die Veritas Graeca – Eine Positionsbestimmung, in: Kerygma und Dogma 66 (2020), 195–219; Ders., Translating from Greek as Source Language? The Lasting Influence of Latin on New Testament Translation, in: Journal for the Study of the New Testament 43 (2020), 85–107. 51   Vgl. Peláez/Mateos (†), Lexicography. 52   Für eine Kritik vgl. Förster, Hans, Rez. Jesús Peláez and Juan Mateos (†), New Testament Lexicography. Introduction – Theory – Method (FoSub 6), Berlin/Boston: de Gruyter 2018, in: Theologische Revue 115 (2019), 289–291. 50

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störend empfunden haben und nach schwierigen Fragen suchten, um „ihn loszuwerden“. Die öffentliche theologische Auseinandersetzung war Teil eines für jüdische Gesetzeslehrer typischen Umgangs untereinander, wie dies beispielsweise Jeffrey Rubenstein aufzeigt.53 Die Tatsache, dass die ein­ deutig verzerrende Übersetzungsentscheidung verhindert, dass der jüdische Kontext, in dem Jesus und die Vertreter des Judentums handeln, erkannt wird, darf einmal mehr als judenfeindliches Textverständnis bezeichnet werden.

3. Kittel und die judenfeindliche Deutung des Neuen Testaments durch das ThWNT Es lassen sich auch nach Vos explizite Tendenzen zu einer Entjudung des Neuen Testaments im ThWNT belegen. Johannes Sijko Vos diskutiert als ein Beispiel den Beitrag von Walter Grundmann zum Artikel μέγας κτλ. Dort beschäftigt sich Grundmann auch mit der Frage nach dem größten Gebot (Mk 12,28–34), wobei Grundmann einen prinzipiellen Gegensatz zwischen der Antwort Jesu und der jüdischen Antwort konstruiert. In dieser Antwort gehe es um eine grundsätzliche Überwindung des jüdischen Nomismus und damit des Judentums als Religion.54 Angesichts derartiger Formulierungen hält Vos fest: Wenn man weiß von Grundmanns Aktivität am Institut in Eisenach, kann man den Satz ‚Damit ist… das Judentum als Religion grundsätzlich überwunden’ nur als Beitrag zur Entjudung von Kirche und Christentum werten.55

Ähnliches kann – gegen Vos – allerdings auch für Gerhard Kittel nachgewiesen werden. Es darf in diesem Zusammenhang als wissenschaftlich unerheblich betrachtet werden, ob Kittels eigene Einstellung – er selbst bezeichnet sich als Vertreter eines „christlichen Antijudaismus“56 (wobei aus heutiger Sicht die Frage erlaubt sein muss, wie man nach der Shoah einen Antijudaismus noch als christlich bezeichnen kann?) – oder die philologi­schen Voraussetzungen des ThWNT den Antijudaismus in die Auslegung des Neuen Testaments hineintragen. Teil der Aufgabe des vorliegenden Beitrags ist es, eine philo­logische Analyse eines Beitrags von Kittel zu bieten und nicht eine Motivationsanalyse dieses Theologen durchzuführen. Hierfür wären andere Disziplinen zuständig. 53   Rubenstein, Jeffrey L., The Culture of the Babylonian Talmud, Baltimore: Johns Hopkins University Press 2003, 40. 54  Vgl. Grundmann, Walter, Art. μέγας κτλ., 3. Das größte Gebot, in: ThWNT 4 (1942), 541–542, 542,18–21 u. 37–38. 55   Vos, Antijudaismus/Antisemitismus, 97. 56   Morgenstern/Segev, Kittels Verteidigung, 150.

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Wichtig ist für diesen Zusammenhang, dass Kittels Beitrag den Antijudaismus einer entscheidenden Passage des Johannesevangeliums mit scheinbaren philologischen Argumenten legitimiert, die einmal mehr dem entsprechen, was James Barr als systematischen Fehler des ThWNT kritisiert. Kittel stützt mit diesem Beitrag eine literarkritische Operation am Text des Johannesevangeliums, die nur als eindeutig judenfeindliche Interpretation bezeichnet werden kann. Der von Kittel behandelte Beitrag im ThWNT betrifft Joh 5,37. Der einflussreiche Johanneskommentar von Rudolf Bultmann beruft sich nun unter anderem auf die eindeutige Ablehnung des Judentums in Joh 5,37, die nach Bultmann dazu führe, dass man das posi­ tive Wort in Joh 4,22, dass das Heil von den Juden komme, nun wirklich nicht dem ursprünglichen Text des Johannesevangeliums zurechnen könne, weil der Evangelist die Juden nicht als „Eigentums- und Heilsvolk“ anse­ he.57 Die Lutherübersetzung (1984=2017) überträgt Joh 5,37: „Und der Vater, der mich gesandt hat, hat von mir Zeugnis gegeben. Ihr habt niemals seine Stimme gehört noch seine Gestalt gesehen.“58 Übersetzungen wie diese scheinen eine wesentliche Ursache dafür zu sein, dass dem jüdischen Volk in der theologischen Forschung pauschal der Weg zur Gotteserkenntnis ab­ gesprochen wurde, wie dies exemplarisch in einem Zitat aus Bultmanns Johanneskommentar geschieht: […] den Juden ist Gott gänzlich verborgen; sie haben keinen Zugang zu ihm […]. Die prätendierte Gotteserkenntnis der Juden ist also Lüge […]; nicht etwa bloßer Irrtum, der auf Mangel an Information beruht, sondern Schuld, denn sie ist Verschlossenheit gegen Gott.59

Angesichts derartiger Formulierungen im Johanneskommentar Bultmanns, die zwar zeitbedingt sein mögen, die jedoch trotzdem als eine potentiell einseitige Interpretation dieser Passage gewertet werden müssen, soll nun aufgezeigt werden, wie der Artikel von Kittel zu εἶδος dazu bei­ trägt, eine Übersetzung zu legitimieren, die zwar in dieser Form bereits vor dem Entstehen des ThWNT üblich war, die jedoch übersieht, dass es sich beim Griechisch des Neuen Testaments wohl nicht einfach um ein Koine-Griechisch, sondern vielmehr um ein vom Hebräischen beein­ flusstes Griechisch handelt, das in seinen semantischen und syntaktischen Besonderheiten eng mit dem Griechisch der Septuaginta verwandt ist. Grundsätzlich darf vorausgeschickt werden, dass der Verfasser des Johannesevangeliums so weit des Hebräischen mächtig war, dass er das 57   Bultmann, Rudolf, Das Evangelium des Johannes. Studienausgabe (Kritischexegetischer Kommentar über das Neue Testament 2), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 21 1986, 139 Anm. 6. 58   Joh 5,37: καὶ ὁ πέμψας με πατὴρ ἐκεῖνος μεμαρτύρηκεν περὶ ἐμοῦ. οὔτε φωνὴν αὐτοῦ πώποτε ἀκηκόατε οὔτε εἶδος αὐτοῦ ἑωράκατε. 59   Bultmann, Johannes, 200–201.

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Jesaja-Zitat in Joh 12,40 als erfülltes Zitat überträgt. Dies setzt voraus, dass der Verfasser in der Lage war, einen unvokalisierten Text dieser Passage so zu lesen, dass er statt des kausativen Hifil ein Perfekt in defektiver Schreibung las.60 Damit darf aus philologischer Sicht nicht von vornherein ausgeschlos­ sen werden, dass andernorts Semitismen das Griechisch dieses Evangeliums prägen. Es darf nun, wie kürzlich gezeigt wurde, als Semitismus angesehen werden, dass im Johannesevangelium das Perfekt von ὁράω die semantische Funktion des ϝιδ-Stammes übernimmt. Diese semantische Umprägung des Perfekts von ὁράω lässt sich deutlich in der Septuaginta dokumentieren. Damit ist – unter Berücksichtigung des semitischen Einflusses – in Joh 5,37–40 folgende Übersetzung vorzuschlagen (eigene Übersetzung): Der Vater, der mich gesandt hat, legt Zeugnis über mich ab: Weder habt ihr euch seine Stimme jemals zu Herzen genommen noch habt ihr sein Wesen verstanden. Und sein Wort habt ihr nicht als eines, das in euch wohnt. Offensichtlich ist: Den jener gesandt hat, dem glaubt ihr nicht. Sucht in den Schriften! Offensichtlich ist: Ihr seid überzeugt, in ihnen das ewige Leben zu haben. Und jene sind es, die Zeugnis ablegen für mich. Und ihr wollt trotzdem nicht zu mir kommen, damit ihr das Leben habt?61

Mit dieser Übersetzung, die durch die sprachliche Verortung des johan­ neischen Griechisch in einem semitischen Soziolekt möglich ist, wird deutlich, dass es Jesus um die Frage geht, wie die Torah verstanden werden muss. Damit ist Jesus natürlich Teil des Judentums und – um es mit Stewart Penwell zu formulieren – ein „sektiererischer“ Jude.62 Im Gegensatz dazu ist die traditionelle Übersetzung, die den semitischen Einfluss auf das johan­ neische Griechisch ignoriert, dazu angetan, Grundlage einer Positionierung des Johannesevangeliums in diametralem Gegensatz zum Judentum zu sein, die in einem wohl durchaus provokant gemeinten Titel der jüdischen Gelehrten Adele Reinhartz ihren Niederschlag gefunden hat: Cast out of the Covenant63. Eine Ablehnung eines semitischen Einflusses auf das Griechisch des Johannesevangeliums – und nichts anderes charakterisiert den Beitrag von Kittel – darf wohl tatsächlich selbst dann als judenfeind­liche Deutung des Textes und seines historischen Entstehungskontextes aufgefasst werden, wenn es sich um eine implizite und unreflektierte Ablehnung handelt. Die von Kittel in seinem Beitrag vorgenommene semantische Engführung von εἶδος verhindert, dass die tiefe Verankerung dieser Passage im Judentum erkannt werden kann. Angesichts der Tatsache, dass Bultmann auch für Joh 8,19 ein judenfeindliches Verständnis reklamiert, sollte betont werden, dass dies  Vgl. Förster, Verständnis von Joh 12,39–40, 65.   Für eine ausführliche Argumentation vgl. Förster, Hans, Verstehen und Glauben im Johannesevangelium. Ein alternativer Übersetzungsvorschlag für Joh 5,37–40, in: Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft 110 (2019), 115–126. 62   Im Englischen wird hierfür „factionalist” verwendet; vgl. Penwell, Jesus, 143–144. 63   Vgl. Reinhartz, Adele, Cast out of the Covenant. Jews and Anti-Judaism in the Gospel of John, Lanham u.a.: Lexington Books/Fortress Academic 2018. 60 61

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ebenfalls nicht durch das Griechische selbst, sondern vielmehr durch wertende Übersetzungsentscheidungen begründet werden kann.64 Auf dem Hintergrund einer Übersetzung, die den semitischen Soziolekt des Johannesevangeliums berücksichtigt, wodurch die harte Polemik gegen das Judentum zu einem intensiven Diskurs mit dem Judentum wird, kann selbstverständlich auch Joh 4,22 neu und anders wahrgenommen werden: Im Diskurs zwischen den zwei israelitischen Gruppierungen, die dort thema­tisiert werden,65 wird mit Joh 4,22 auf den unterschiedlichen Kanon Bezug genommen: Während die Samaritanerinnen und Samaritaner mit dem „samaritanischen Pentateuch“ die Torah kennen, kennt das Judentum den Tenach. Aufgrund des weiteren Kanons, der bei den Juden Nebiim und Ketubim umfasst, haben Jüdinnen und Juden – und damit auch Jesus – ein tieferes Offenbarungswissen über Gott, wenn sie sich mit den Samaritanern vergleichen.66 Damit darf festgehalten werden: Die inhaltliche Übereinstimmung der Bestimmung des Verhältnisses von Judentum und Jesus bei Bultmann und Kittel, die anhand von εἶδος in Joh 5,37 aufgezeigt wurde, erhält noch einmal besonderes Gewicht, wenn man berück­sichtigt, dass Kittel die enge Verbundenheit mit Bultmann und die inhaltliche Ausrichtung des Wörterbuchs an der Linie von Kittel und Bultmann in den Handreichungen für die Autoren betont.67 Insgesamt scheint hier deutlich zu werden, was Kittel in einem Vortrag in Wien programmatisch bezüglich einer zentralen Passage des Johannesevangeliums formuliert hat: Sie will im Zusammenhang des Johannes-Evangeliums die Entstehung und das Wesen des Judentums definieren als Abfall von der ‚aletheia’, das heißt: von der göttlichen Wirklichkeit. Die christliche These nennt die jüdische Wendung der Dinge Verzerrung, Ungehorsam, Abfall. Sie nennt um dieses Abfalls willen das erwählte Volk verworfen. Sie setzt an die Stelle des vermeintlichen Privilegs den Fluch.68

4. Die Juden als von Gott verworfen Das theologische Konzept des „verworfenen Volkes“ findet sich auch im Artikel zu ἐχθρός κτλ. Dort wird bezüglich Röm 11,28 Folgendes festgehalten: 64  Vgl. Förster, Hans, „Ihr kennt weder mich noch meinen Vater“: Philologische Überlegungen zu Joh 8:19, in: Novum Testamentum 61 (2019), 253–268. 65   Jesus ist Jude, die Samaritanerin nimmt für sich in Anspruch, Tochter Abrahams zu sein (Joh 4,12), der Brunnen steht auf dem Stammesgebiet Josefs (Joh 4,5); damit ist sie selbstver­ ständlich dem „Haus Josefs“ zuzuordnen, das aus den Stämmen Ephraim und Manasse besteht. 66   Vgl. grundsätzlich Förster, Hans, Die Begegnung am Brunnen (Joh 4.4–42) im Licht der „Schrift“: Überlegungen zu den Samaritanern im Johannesevangelium, in: New Testament Studies 61 (2015), 201–218. 67   Vgl. Universitätsarchiv Tübingen 183/172, XII/3 (Wörterbuchmitteilung Nr. IV. 68   Kittel, Gerhard, Die Entstehung des Judentums, in: Die Welt als Geschichte 9 (1943), 68–82, 79.

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In R 11 ist ἐχθρός pass zu fassen. Dafür spricht nicht nur das auch pass ἀγαπητοί, sondern auch das δι᾿ ὑμᾶς: die Juden sind nicht ‚Hinderer der Ausbreitung des Evangeliums’ um der Heiden willen, sondern im ganzen Zusammenhang sieht Paulus auf das τέλος der Verwerfung Israels, es steht nicht der Menschen Verhalten, sondern das Gottes vor Augen.69

In diesem Fall wurde von jüdischer Seite darauf hingewiesen, dass zumindest eine englische Übersetzung in Röm 11,28 durchaus dieses Textverständnis explizit macht: In the case of New Revised Standard Version (NRSV), which has become a standard choice for many academic audiences, it is disheartening to discover some decisions in chapter 11, vv. 17 and 28 in particular […], are more negative and introduce a greater degree of replacement theology than previous translations, including the King James Version.70

Die New Revised Standard Version bietet als Übersetzung von Röm 11,28: „As regards the gospel they are enemies of God for your sake; but as re­ gards election they are beloved, for the sake of their ancestors.“ Mark Nanos weist mit Recht darauf hin, dass der griechische Text folgendermaßen lautet: κατὰ μὲν τὸ εὐαγγέλιον ἐχθροὶ δι᾿ ὑμᾶς, κατὰ δὲ τὴν ἐκλογὴν ἀγαπητοὶ διὰ τοὺς πατέρας.71 Das Nomen θεός findet sich keinesfalls im griechischen Text oder auch nur in einer einzigen im kritischen Apparat angegebenen Handschrift. Diese Übersetzungsentscheidung als missglückt zu bezeich­ nen, scheint berechtigt. Ferner wird man in diesem Kontext aus philolo­ gischer Sicht einwenden müssen, dass es sich bei ἐχθρός um ein Adjektiv handelt, als Substantiv darf es nur dann übertragen werden, wenn es durch einen Artikel als solches gekennzeichnet wird. Dies ist in Röm 11,28 jedoch nicht der Fall, sodass das Adjektiv auch als Adjektiv bzw. gegebenenfalls als Adverb übertragen werden sollte. Damit wird man Röm 11,28 mit Blick auf die griechische Grammatik folgendermaßen übertragen dürfen (eigene Übersetzung): „Gemäß dem Evangelium sind sie entfremdet wegen euch, gemäß der Erwählung sind sie geliebt wegen der Väter.“ Diese Übersetzung ermöglicht durchaus auch das Verständnis, dass die Entfremdung nicht von Gott, sondern von bzw. aufgrund der neuen Gemeindemitglieder, die nach Röm 11,24 gegen die Natur in den Ölbaum eingepflanzt wurden (κατὰ φύσιν), geschah. Dass durch die beschneidungsfreie Mission des Paulus Spannungen entstanden, die zu „Entfremdungen“ führten, zeigen der so­ genannte Antiochenische Zwischenfall und der Apostelkonvent. Es ist aber keinesfalls nur die NRSV, die hier ein implizites Textverständnis explizit   Förster, Werner, Art. ἐχθρός κτλ. B. ἐχθρός im NT, ThWNT 2 (1935), 813–814, 814,15–

69

19.

70   Nanos, Mark D., Reading Romans within Judaism. Vol. 2 of Collected Essays of Mark D. Nanos, Eugene: Cascade 2018, 181. 71   Vgl. Anm. 70.

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macht, auch für die Gute Nachricht lässt sich das zeigen. Sie ist an dieser Stelle noch weitaus paraphrasierender als die NRSV. Die Gute Nachricht formuliert hier: Im Blick auf die Gute Nachricht gilt: Sie sind Gottes Feinde geworden, damit die Botschaft zu euch kommen konnte. Im Blick auf ihre Erwählung gilt: Sie bleiben die von Gott Geliebten, weil sie die Nachkommen der erwählten Väter sind.“ Einmal mehr darf angesichts derartiger Übersetzungsentscheidungen die Frage gestellt werden, ob die „Gute Nachricht“ auch für Juden eine „Gute Nachricht“ ist.72

Auch hier kann man nicht alleine dem ThWNT, das natürlich bei die­ sen Übersetzungsentscheidungen einen Einfluss gehabt haben dürfte, die Schuld geben. Bereits das Wörterbuch von Cremer zeigt ein vergleichbares Textverständnis. Hält man sich dies gegenwärtig, so entfällt jeder Grund, Röm. 11, 28 ἐχθροί passivisch zu fassen; im Gegenteil, auch dort wird gerade durch diese Beobachtung der Sinn erst klar und die Aussage gewichtig: κατὰ μὲν τὸ εὐαγγέλιον ἐχθροὶ δι᾿ ὑμᾶς, κατὰ δὲ τὴν ἐκλογὴν ἀγαπητοὶ διὰ τοὺς πατέρας, wo ἐχθροὶ = Widersacher Gottes, ἀγ. = Geliebte Gottes.73

Es darf hier festgehalten werden, dass die Übersetzungsentscheidung in der Guten Nachricht eine größere Nähe zum Wörterbuch von Cremer hat, während sich die NRSV an das ThWNT anzulehnen scheint. Einmal mehr zeigt sich an diesem Beispiel, dass im ThWNT die Aufgaben von Exegese und Philologie vermischt wurden. Die Ausblendung semantischer Möglichkeiten mag im ThWNT methodisch erwünscht sein, eben dies ist jedoch aus Sicht der Lexikographie abzulehnen.

D. Ergebnis Eine lexikographische Untersuchung ausgewählter Beiträge in Bänden des ThWNT, die unter Gerhard Kittel herausgegeben wurden, kommt zu dem Ergebnis, dass diesem Werk zwar kein vorsätzlicher Antijudaismus nachgewiesen werden kann. Allerdings ist es aus lexikographischer Sicht methodisch inakzeptabel, das Bedeutungsspektrum eines Lexems willkür­ lich zu verengen. Vielmehr hat die Lexikographie den Auftrag, das volle Bedeutungsspektrum und damit die semantischen Möglichkeiten eines Lexems vorurteilsfrei darzulegen. Die philologische Trennung der neutesta­ mentlichen Philologie von der allgemeinen Gräzistik hat, wie oben dargelegt wurde, eine lange Tradition. Diese lässt sich bis ins 17. Jahrhundert zurück­ 72  Für weitere, ähnlich problematische Übersetzungsentscheidungen vgl. grundsätz­ lich Förster, Hans, The Good News Bible: Is It Good News for the Jews? Methodological Observations on Translational Choices in GNB, in: Bible Translator 69 (2018), 383–401. 73   Cremer, Wörterbuch (1902), 451.

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verfolgen.74 Damit kann auch für die methodisch abwegige Vorentscheidung des ThWNT nicht allein der Theologe Kittel verantwortlich gemacht werden. Vielmehr zeigt sich in den Wörterbüchern des klassischen Griechisch, dass man seitens der Gräzistik die von der Theologie postulierte semantische Verselbstständigung des neutestamentlichen Griechisch akzeptiert hat und der Theologie den eigenen Text überlassen hat. Die sich daraus ergebenden Probleme gehen dem ThWNT voraus und dauern, wie an derzeit gebräuchli­ chen Bibelübersetzungen gezeigt wurde, bis heute an. Der Beitrag wurde mit einem Zitat eines klassischen Philologen eröffnet, und so mag am Ende noch ein Orientalist zu Wort kommen, der ein großes Interesse am Neuen Testament hatte. Rykle Borger bemerkt in der Festschrift für Frederick W. Danker, der bekanntlich die aktuelle englische Ausgabe des neutestamentlichen Wörterbuchs von Bauer/Aland herausgegeben hat, hinsichtlich der Beschäftigung von Theologinnen und Theologen mit der neutestamentlichen Philologie: Too often ecclesiastical dignitaries – Roman Catholic and Protestant – have authorita­ tively pronounced opinions about questions of biblical philology that were totally wrong, thereby abusing the trust of their believers.75

Die theologischen Wörterbücher waren sicherlich nicht völlig unschuldig daran, dass sowohl von jüdischer Seite76 wie auch durch den Verfasser dieses Beitrags77 darauf hingewiesen werden konnte, dass die Judenfeindlichkeit einzelner Passagen in diesen Übersetzungen des Neuen Testaments, die nach der Shoah erarbeitet wurden, sogar eine Verschärfung gegenüber äl­ teren Übersetzungen erfahren hat. Angesichts der hier aufgezeigten methodischen Probleme einer neutesta­ mentlichen Philologie, die sich auch im ThWNT – aber nicht nur dort – zei­ gen, wäre es vielleicht tatsächlich angeraten, statt auf der Besonderheit der neutestamentlichen Philologie zu beharren und die Herausgabe derartiger Wörterbücher in die Hände von Theologinnen und Theologen zu legen, ver­ stärkt die Zusammenarbeit mit der Philologie zu suchen.

  Vgl. Anm. 17.   Borger, Rykle, Remarks of an Outsider about Bauer’s Wörterbuch, BAGD, BDAG, and Their Textual Basis, in: Taylor, Bernard A., u.a. (Hg.), Biblical Greek Language and Lexicography, 32–47, 46. 76   Nanos, Romans, 201. 77   Vgl. grundsätzlich Förster, Hans, Der Versucher und die Juden als seine Vortruppen. Überlegungen zum Einfluss der Rezeptionsgeschichte auf die Übersetzung einiger wirkungs­ geschichtlich problematischer Passagen des Neuen Testaments, in: Zeitschrift für Theologie und Kirche 115 (2018), 229–259. 74

75

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IV. Gerhard Kittel zwischen Philo- und Antisemitismus

Das Verständnis des Judenchristentums bei Gerhard Kittel Matthias Morgenstern A. Einleitung Gerhard Kittel war erklärtermaßen am Judenchristentum (und an der Judenmission) interessiert.1 Abseits deklarativer Äußerungen finden sich in seinem Werk aber nur wenige explizite und systematische Erörterungen des Themas in neutestamentlicher, frühchristlicher oder späterer Zeit.2 Fragt man nach dem Grund für diese Diskrepanz, so fallen Kittels persön­ liche Bekanntschaften mit Judenchristen ins Auge.3 Diese hielten das 1   Die Frage, was „Judenchristentum“ bedeutet und wie es definiert werden kann, ist – je nachdem, welcher Zeitraum gemeint ist – hochkomplex und umstritten. Setzt die Verwendung des Begriffs eine (vollständige oder partielle?) jüdische Abstammung voraus und/oder auch die (vollständige oder partielle?) Fortsetzung jüdischer Praktiken nach der Taufe? Sind Formen der Anerkennung oder Wertschätzung Jesu unter Juden, die nicht zur Taufe führen (wie teilweise heute in Gruppen im Umfeld der sog. „messianischen Juden“), mitgemeint? Kann ein nicht selbst jüdisch-stämmiges Mitglied einer judenchristlichen Gruppe als „Judenchrist“ gelten? Impliziert die Verwendung des Begriffs für heutige Erscheinungen die Annahme historischer oder sachlicher Kontinuitätslinien zu Phänomenen in der Antike/Spätantike? Zur Diskussion in der neueren Literatur vgl. Broadhead, Edwin K., Jewish Ways of Following Jesus, Tübingen: Mohr Siebeck 2010. Grundlegend für die Diskussion zu Beginn der 1930er Jahre ist Bonhoeffer, Dietrich, Die Kirche vor der Judenfrage (April 1933), in: Ders., Gesammelte Schriften Bd. 2. Kirchenkampf und Finkenwalde. Resolutionen, Aufsätze, Rundbriefe 1933 bis 1943, München: Kaiser 1959, 44–53; Niemöller, Martin, Sätze zur Arierfrage in der Kirche (November 1933), in: Eberhard Röhm/Jörg Thierfelder, Juden – Christen – Deutsche, Bd. 1: 1933–1935, Stuttgart: Calwer Verlag 1990, 388–390; Jasper, Gerhard, Die evangelische Kirche und die Judenchristen, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1934 – Die Terminologie ist be­ sonders problematisch und ideologiebelastet, wenn im „Dritten Reich“ diskutierte Sachverhalte im Blick sind. Die „nicht-arischen“ Gesprächspartner Kittels, die unter dem Druck der NSRassengesetzgebung standen, gebrauchten diesen Begriff häufig anders als Kittel bzw. lehnten sein Verständnis explizit oder implizit ab. In den folgenden Ausführungen muss der Begriff immer so verstanden werden, wie es der Kontext erfordert. Um der besseren Lesbarkeit willen wird in der Regel auf das Setzen von Anführungszeichen verzichtet. 2   Auffällig ist das Fehlen einer Auseinandersetzung mit den Thesen seines Tübinger Vorgängers F.C. Baur. 3   Auch an den Einfluss Schlatters ist zu denken, der sich für das Thema interessierte und Kontakt zu judenmissionarischen Gruppierungen hielt (Neuer, Werner, Adolf Schlatter. Ein Leben für Theologie und Kirche, Stuttgart: Calwer Verlag 1996, 147.179). In Tübingen taufte

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Matthias Morgenstern

Thema offenbar bei ihm präsent und sorgten dafür, dass er – angesichts der Komplexität der damit verbundenen Fragen – nicht zu einer expliziten und stimmigen Ausformulierung seiner Theologie des Judenchristentums fand. Im Folgenden wird versucht, die relative Zurückhaltung in den Texten Kittels im Kontext seiner biographischen Erfahrungen zu deuten.

B. Kittels „Judentümer“ Fasst man die Texte zusammen, die Kittel in den Jahren des „Dritten Reiches“ zur „Judenfrage“ veröffentlichte – als wichtigste Schrift gilt sein gleichnamiges Pamphlet aus dem Jahre 1933, das im gleichen Jahr in zwei­ ter und 1934 in dritter Auflage herauskam –, so lassen sich verschiedene „Judentümer“ herausdestillieren, die nach ihm jeweils unterschiedlich theo­ logisch zu bewerten sind: a) Das gottgefällige Judentum der biblischen Zeit. b) Das gottgefällige Judenchristentum jüdischer Einzelner, die zu neutestamentlicher Zeit und später Jesus Christus annahmen. c) Das rabbinische Judentum, dessen Vorgeschichte noch in die Zeit des 2. Tempels zurückreicht und das im Jahre 70 n.Chr. die von Gott verhängte Strafe (Exil und Absonderung in der Zerstreuung) willig annahm und trug. Diesem Judentum, das im orthodoxen Judentum der Gegenwart seine Fortsetzung findet, stellten sich Jesus und seine Apostel entschieden entgegen. War dieses Judentum als Fortsetzung und/oder Depravation des biblischen Judentums zu betrachten? Oder handelte es sich um die Kontinuitätslinie derjenigen Israeliten, die in der Bibel Gegner der Propheten waren? Diese Fragen bleiben unbeantwortet. Konsistente Äußerungen darüber, ob die nachbibl­i­ schen jüdischen Gesetze im Talmud nach Kittel legitime Weiterbildungen der bibli­s chen Normen, an denen die Juden nach Gottes Willen festhalten sollen, Produkte menschlicher Willkür oder gar eine von Gott verhängte Strafe sind, feh­len.4 In Die Judenfrage spricht Kittel von einer Orthodoxie, die im Begriff sei, „in Ritualismus und Gesetzesreligion zu vertrocknen“ und dem entgegengesetzten Extrem der liberalen Synagoge, die „den leben­d igen Gottesglauben verflachen“ lasse.5 Seine Diagnose mündet in die Anklage, „der größte Teil des Judentums der Gegenwart“ habe „keine lebendige Religion Schlatter am 23.3.1913 persönlich den jüdischen Tapetenhändler Hugo Löwenstein, mit dem er freundschaftlich verbunden blieb. Kittel berichtet in seiner Verteidigung (1946), er habe Löwenstein regelmäßig beraten. Am Tag des Judenboykotts (1.4.1933) habe er Löwenstein ge­ schützt, indem er lange Zeit mit dem Inhaber vor seinem Geschäft auf- und abging. 4   Bei Kittel finden sich sowohl Belege für eine Zustimmung zu talmudischen Normen (vgl. dazu unten) als auch Diffamationen des Talmuds; vgl. Morgenstern, Matthias/Alon Segev, Gerhard Kittels „Verteidigung“. Die Rechtfertigungsschrift eines Tübinger Theologen und „Judentumsforschers“ vom Dezember 1946/Gerhard Kittel’s „Defense“. Apologia of a Tübingen Theologian and New Testament Scholar, December 1946, Berlin: Berlin University Press 2019, 103f. 5   Kittel, Gerhard, Die Judenfrage, Stuttgart: Kohlhammer 1933, 64.

Das Judenchristentum bei Kittel

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mehr.“6 Als Hoffnungsgestalt stellt Kittel Martin Buber dar. Ihm könnte es durch seine „Lebensarbeit um eine Erweckung der Religion der Väter“ und „sein Ringen um die Seele seines Volkes“ gelingen, „ein Führer“ zur Überwindung sowohl der „Verflachung des Liberalismus“ wie der „Vertrocknung der Orthodoxie“ zu werden.7 d) Das moderne Judentum, das die Ghetto-Existenz abgeworfen habe und nicht mehr abgeschieden im Gastzustand leben wolle. Dieses Judentum, zu dem prinzipiell auch der Zionismus gehöre, war nach Kittel kompromisslos zu bekämpfen. Als beson­ dere Verfehlung rechnete er ihm das Emanzipations- und Assimilationsstreben (wozu der bloß äußerliche Übertritt zum Christentum, die „Assimilationstaufe“ ohne innere Überzeugung, gehörte) und die „Vermischung mit anderen Völkern“ zu – nach den alt­ testamentlichen Propheten die schwerste Sünde, die nach dem biblischen Gesetz mit Ausrottung bestraft werde. „Der Bestand des Ghettos durch die Jahrhunderte hin war ja nicht nur durch den Zwang von außen gewährleistet, sondern auch durch den Willen von innen. Der fromme alte Ostjude verflucht noch heute seinen Sohn, wenn dieser in die Assimilation und in das Konnubium mit der Nichtjüdin geht… Assimilation ist Sünde und Übertretung eines von Gott in Volk und Völker gesetzten Willens.“ 8

C. Kittels Schrift Die Judenfrage (1933) In diesem Kontext finden sich Kittels bekannteste Äußerungen zum Thema Judenchristen. Der Begriff fällt erstmals im Zusammenhang mit seinem Vorschlag zur Lösung der „Judenfrage“. Kittel zitiert als Kronzeugen eine 1882 erschienene Schrift unter dem Titel Die historische Weltstellung des Judentums und die moderne Judenfrage, deren Autor, den Basler Professor Karl Friedrich Heman, er als Judenchristen vorstellt.9 Anders als diese Charakterisierung zu vermuten gibt, hatte Hemans Vorschlag aber nichts mit Optionen der Judenmission zu tun, also der Hoffnung, Juden des Typs d) in solche des Typs b) zu überführen. Diese Möglichkeit schließt Kittel – entgegen den Deutschen Christen und im Widerspruch zu radikalen Kräften in der NSDAP – zwar nicht aus, aber sie interessiert ihn hier noch nicht.10 Von Übertritten zum Christentum ist in seiner Schrift bis zu diesem Punkt überhaupt nur im Sinne der „Assimilationstaufe“ die Rede.11 Das   Kittel, Judenfrage, 64.   Kittel, Judenfrage, 67. 8   Kittel, Judenfrage, 37. 9   Kittel, Judenfrage, 51. 10   Auf dieses Thema geht Kittel erst später ein (Judenfrage, 70). Zur Ablehnung der Judenmission bei den Deutschen Christen vgl. Brakelmann, Günter, Hans Ehrenberg. Ein judenchristliches Schicksal in Deutschland. Bd. 2. Widerstand, Verfolgung und Emigration 1933–1939, Waltrop: Spenner 1999, 129. 11   Kittel nennt sie Übertritte zur „Verbesserung der gesellschaftlichen Qualität“ (Judenfrage, 21; im Original gesperrt). Später, bevor er auf das Thema des Judenchristentuns eingeht, distanziert er sich erneut von „äußerlichen gottlosen Übertritten vom Judentum zum Christentum… die nur gesellschaftliche oder geschäftliche Gründe hatten“, durch die die 6 7

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Judenchristentum selbst behandelt er erst zwanzig Seiten später. Heman, der bereits vor einem halben Jahrhundert vor der Gefahr der Assimilation gewarnt habe, ist für Kittel als „Judenchrist“, der „zeitlebens eine heiße Liebe zu seinem Volk im Herzen“ getragen habe, nur ein glaubwürdiger Zeuge für sein Ziel, assimilierte Juden auch gegen ihren Willen ins Ghetto zurückzutreiben.12 Wenn Kittel 1933 „Assimilationsjuden“ dazu aufruft, „zu Gott“ zurückzukommen und „wieder Jude zu sein und sein zu wollen“, so handelt es sich nicht um eine judenmissionarische Predigt. Der lebendige Gott, „von dem Mose und die Propheten und die Psalmen“ künden, meint den „Gott der Geschichte“, der den Juden „seit zweitausend Jahren“ die „Fremdlingschaft unter den Völkern der Welt“ aufgetragen habe. Dies ist für Kittel die Botschaft, die die modernen Juden hören sollen.13 Die Rücknahme der Emanzipation bedeute nicht, die Juden sollten in Deutschland „unterdrückt werden“.14 Mit dem Gaststatus sollten auch Rechte auf Autonomie und die eigene jüdische Kultur verbunden sein. Dazu gehört nach Kittel die Schächtfreiheit, der Schutz des Sabbats, des Gottesdienstes und der jüdi­ schen Riten wie der Beschneidung.15 Erst in einigem Abstand kommt Kittel auf das Judenchristentum zu spre­ chen. Bezeichnenderweise unterlässt er aber theologische Erörterungen und erklärt nur, Christus sei die „Erfüllung des Judentums“.16 Anschließend geht er zur Diskussion über die Anwendung des „Arierparagraphen“ in der Kirche über. Wie sollte die evangelische Kirche mit den in ihrer Mitte Dienst tuenden Pfarrern und anderen Mitarbeitern „nicht-arischer“ Herkunft ver­ fahren? Da die Taufe einen Juden nicht zu einem Deutschen, sondern ei­ nem Judenchristen mache17, lasse sich vom „Ziel und Ideal“ der Entstehung einer „judenchristlichen Kirche“ sprechen. Zwar könnten aufgrund zahlen­ mäßiger Gegebenheiten judenchristliche Lokalgemeinden vorerst nur in den Großstädten entstehen, aber „es wäre richtig“, so Kittel, „wenn wenigstens ein Anfang eines organischen Zusammenschlusses der Judenchristen inner­ halb Deutschlands gemacht würde.“18 Nähere Ausführungen darüber, wie eine solche „Kirche“ unter den Bedingungen der NS-Rassengesetzgebung „Judenschaft“ und die Kirche „schwere Schuld“ (im Original gesperrt) auf sich geladen hätten (Kittel, Judenfrage, 69). 12   Kittel, Judenfrage, 51f. 13   Kittel, Judenfrage, 66; ähnlich 63. 14   So Kittel, Judenfrage, 54 (im Original gesperrt). 15   Mit Blick auf den zu bekämpfenden Teil des Judentums erwägt Kittel gar, ob ein staatli­ ches Schächtgebot nicht angemessener sei als ein Schächtverbot (Kittel, Judenfrage, 1933, 41; ³1934, 43). Der m.W. beispiellose Vorschlag zur Durchsetzung jüdischer Ritualbestimmungen mit Hilfe der Zwangsmittel des NS-Staates erklärt vielleicht teilweise durchaus verständnis­ volle Reaktionen orthodoxer Kommentatoren. 16   Kittel, Judenfrage, 69 (im Original gesperrt). 17   Kittel, Judenfrage, 70. 18   Kittel, Judenfrage, 72 („judenchristliche Kirche“ im Original gesperrt).

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wirken könne, aber auch Erörterungen der Frage, ob die Pflicht zur Observanz der Ritualgebote und der Absonderung, wie Kittel sie vorschwebte, auch für Judenchristen gelten sollte, sucht der Leser vergeblich. Bezeichnenderweise geht Kittel weder hier noch in den späteren Auflagen auf den vom Reichsministerium für Volksauf klärung und Propaganda genehmigten, am 20. Juli 1933 gegründeten Reichsverband christlich-deutscher Staatsbürger nichtarischer oder nicht rein arischer Abstammung ein, obwohl er durch den Stuttgarter Zahnarzt Erwin Goldmann, der die württembergische Filiale des Verbandes leitete, über dessen Aktivitäten informiert war.19 Offensichtlich kam die Vereinigung, die sich mehrfach umbenannte – 1934 hieß sie Reichsverband der nichtarischen Christen e. V., 1936 Paulusbund – Vereinigung nichtarischer Christen – nicht als Beispiel für die von Kittel ins Auge gefassten Gemeinden in Betracht. In der zweiten Auflage fügte Kittel seiner Schrift einen Anhang unter der Überschrift Kirche und Judenchristen bei.20 Auch hier fehlen nähere Ausführungen zu den angedeuteten Fragen. Mehr noch: Kittel nimmt das im Haupttext Gesagte teilweise zurück und relativiert es.21 Er betont nun die geringe quantitative Bedeutung des „Problems“ und begrenzt auch seine theolo­g ische Relevanz. Es gelte der Obersatz […], ohne den jede Erörterung der Judenchristenfrage sinnlos wird und auf hört, eine christliche zu sein, […] die rückhaltlose und uneingeschränkte Anerkennung […], daß der christliche Jude mein christlicher Bruder ist, und daß jede gläubige judenchrist­ liche Gemeinschaft und Gemeinde ein volles Glied der Una Sancta ist und bleibt. Wo man anfängt, Christen erster und zweiter Klasse zu unterscheiden, hat man aufgehört, Kirche zu sein. 22 19   Vgl. Goldmann, Werner, Zwischen zwei Völkern. Ein Rückblick. Erlebnisse und Erkenntnisse, Königswinter: Cramer 1975, 47; zum Reichsverband vgl. Benz, Wolfgang, Patriot und Paria. Das Leben des Erwin Goldmann zwischen Judentum und Nationalsozialismus, Berlin: Metropol 1997, 25–28 und Cohn, Werner, Bearers of a Common Fate? The „NonAryan“ Christian „Fate-Comrades“ of the Paulus-Bund 1933–1939, in: Leo Baeck Institute Yearbook 33 (1988), 327–366; zu Goldmann s. unten. An der Gründung des Verbandes war offenbar die Gestapo beteiligt (Vuletić, Aleksandar-Saša, Christen jüdischer Herkunft im Dritten Reich. Verfolgung und organisierte Selbsthilfe 1933–1939, Mainz: Von Zabern 1999, 199). 20   Einleitend (Kittel, Judenfrage, 101) nennt er die Themenstellung ein „Problem“ (und be­ tont nicht etwa judenmissionarische Chancen): „Das Problem ‚Kirche und Judenchristen‘ ent­ steht an der Tatsache, dass Juden Christen geworden sind“. Der Autor sieht im Judenchristentum also nicht etwa eine mögliche „Lösung“ für die von ihm präsentierte „Frage“. Zu dieser Beilage vgl. Töllner, Axel, Eine Frage der Rasse? Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern, der Arierparagraf und die bayerischen Pfarrfamilien mit jüdischen Vorfahren im „Dritten Reich“, Stuttgart: Kohlhammer 2007, 71–73. 21   Diese Beilage war die zweite nach einer ebenso langen Antwort an Martin Buber, mit der Kittel auf Bubers in den Theologischen Blättern (1933, Nr. 8, 148–150) abgedruckten Offenen Brief an ihn reagierte. 22   Kittel, Judenfrage, 31934, 101f. (im Original gesperrt). Kittel erwähnt in einer Fußnote

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Von diesem Obersatz aber seien Fragen des praktischen Zusammenlebens unberührt. Paulus habe in Gal 3,28 den Unterschied von Sklaven und Freien, Frauen und Männern und Griechen und Juden ja nicht aufgehoben und Frauen in 1. Kor 14,34 auch das „Amt des Wortes“ verweigert. Deshalb sei der Zugang „nicht-arischer“ Christen zu Ämtern und Funktionen in der Kirche im Sinne einer Verwaltungsmaßnahme praktisch zu lösen. Kittel plädierte dafür, „rassischen Gesichtspunkten keine rückwirkende Kraft“ zu geben und die „Angelegenheit durch Sichtung des Nachwuchses“ zu regeln.23 Er resümiert: Nicht ob der Judenchrist Pfarrer sein kann oder nicht, ist eine Fundamentalfrage, sondern ob durch dies sein Pfarrersein irgendwo Verkündigung gehemmt, Erbauung gemindert, den Feinden der Kirche ein Mittel zum Angriff auf die Kirche gegeben wird. 24

In einem kleinen Zwischenabschnitt behandelt die Beilage auch die Frage möglicher selbständiger judenchristlicher Gemeindebildungen. Der Autor spielt hier ebenfalls die thematische Dringlichkeit herunter – nicht nur wegen der geringen Zahlen der in Betracht kommenden Judenchristen 25, sondern vor allem, weil „der Ruf nach der judenchristlichen Kirche, wenn er erho­ ben wird, unter keinen Umständen aus dem Grunde erschallen darf, weil die Arier die Judenchristen aus der arischen Kirche entfernen wollen, sondern [..] allein um der Judenchristen selbst willen“, weil für Judenchristen wie für Arier gelte, „daß die religiöse Verkündigung und ihre Formen wurzelhaft sein müssen“.26 Warum aber hatte sich Kittel – wenn es sich um ein zu vernachlässigendes Problem handelte – überhaupt die Mühe gemacht, die Beilage zu verfassen? Auch in seiner Verteidigung (1946) wiegelt Kittel ab. Im Hinblick auf die Gründung einer judenchristlichen Kirche betonte er nun, er habe „nie­ mals die Forderung einer solchen gestellt“, sondern nur „die Möglichkeit erwogen, dass aus verschiedenen Gründen eine solche Zusammenfassung der christlichen Juden in eigenen kirchlichen Gruppen sich […] als praktisch erweisen könne.“ 27 Ansonsten will er rückblickend das Thema als Teil seiner die Sportpalastrede des Berliner DC-Gau-Obmanns Reinhold Krause, der am 13.11.1933 geru­ fen hatte, „judenblütige Menschen“ gehörten „nicht in die Deutsche Volkskirche, weder auf die Kanzel noch unter die Kanzel“. Die Sportpalastresolution, so Kittel, sei „blanke Irrlehre“, die „deutsche Christenheit“ müsse Judenchristen vielmehr „aus innerstem Wesen und aus vollem freudigem Herzen […] die volle Gemeinschaft von Wort, Sakrament und Gebet offen halten“ (a.a.O., 103); vgl. auch 134 (Zitat der Sportpalastrede). 23   Kittel, Judenfrage, 31934, 104. 24   Kittel, Judenfrage, 31934, 106. 25   Kittel, Judenfrage, 31934, 108. 26   Kittel, Judenfrage, 31934, 110 (im Original gesperrt). Vielleicht ist diese Bemerkung kritisch gegen die oben erwähnte Gründung des Reichsverbandes christlich-deutscher Staatsbürger nichtarischer oder nicht rein arischer Abstammung gerichtet. 27   Morgenstern, Kittels „Verteidigung“, 67f. „Seine Meinung war, dass keinerlei Anlass

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wissenschaftlichen Arbeit darstellen. Er nennt zu diesem Zweck aber nur zwei disparate (mit Blick auf die verhandelte Thematik eher fernliegende) fachexegetische Aufsätze aus der Zeit vor Beginn des „Dritten Reiches“ und von 1942.28 Dass apologetische Interessen Kittel die Feder führen, zeigt schon die Tatsache, dass das Konvolut mit persönlichen Aussagen zu seinen Gunsten, das Kittel seiner Verteidigung beifügte, auch zahlreiche Unterstützungsschreiben von Judenchristen enthielt, auf die der Autor sicht­ lich Wert legte.29 Wie lassen sich die Äußerungen Kittels verstehen? Zu bedenken ist, dass die Beilage Kirche und Judenchristen zuerst als Gutachten der Tübinger Theologischen Fakultät veröffentlicht und allen in Tübingen bekannten theologischen Dozenten außerhalb Deutschlands in Europa und Amerika zugesandt worden war, um der ausländischen Kritik an der Übernahme des „Arierparagraphen“ in der Kirche entgegenzutreten.30 Kittel war mit der Sache im Rahmen seiner Bemühungen um einen Antrag der Deutschen Christen in der württembergischen Landeskirche befasst gewesen, in der für eine modifizierte Übernahme des Arierparagraphen geworben wurde.31 Die Beilage war aber noch in anderer Hinsicht eine Gelegenheitsschrift. Kittel reagierte auf Anfragen des Bochumer judenchristlichen Pfarrers Hans bestehe, einer solchen Entwicklung entgegen zu sein. Sie würde vielmehr zur Bereicherung sowohl des gesamtchristlichen wie des judenchristlichen Lebens dienen. Kittel hat dafür auf Beispiele judenchristlicher Gemeindebildungen und Gottesdienstordnungen hingewiesen, vor allem auf die Versuche des bedeutenden judenchristlichen Predigers Paul Levertoff in London.“ Zu Levertoff (1878–1954), der zunächst am Leipziger Institutum Judaicum Delitzschianum tätig war und 1918 nach England auswanderte, wo er sich u.a. mit der Übersetzung von Texten Adolf Schlatters ins Englische beschäftigte, vgl. Harvey, Richard, Das Verhältnis zwischen mes­ sianischen Juden und der protestantischen Kirche im Vereinigten Königreich, Theologische Beiträge 50 (2019), 1–6, hier: 2. 28   Kittel, Gerhard, Die Stellung des Jakobus zu Judentum und Heidenchristentum, Zeitschrift für die Neutestamentliche Wissenschaft 30 (1931), 145–157; Ders., Der geschicht­ liche Ort des Jakobusbriefes, Zeitschrift für die Neutestamentliche Wissenschaft 41 (1942), 71–105. Als unabgeschlossene Werke Kittels nennt Otto Merk neben dem nicht zu Ende ge­ führten Theologischen Wörterbuch eine Geschichte des antiken Judentums und den von ihm geplanten Kommentar zum Jakobusbrief, an dem er noch während seiner Gefangenschaft im Sommer 1945 gearbeitet hatte. Im Nachlass fand sich Kittels Aufsatz Der Jakobusbrief und die Apostolischen Väter“, der mit einführenden Bemerkungen postum von seinem Schüler Karl Heinrich Rengstorf veröffentlicht wurde: Zeitschrift für die Neutestamentliche Wissenschaft 43 (1950/51), 54–112. 29   Vgl. Morgenstern, Kittels „Verteidigung“, 134–137. 30   Junginger, Horst, Gerhard Kittel. Ein biografischer Abriss im Kontext der politischen und kirchlichen Zeitgeschichte, in: Manfred Gailus/Clemens Vollnhals (Hg.), Christlicher Antisemitismus im 20. Jahrhundert. Der Tübinger Theologe und „Judenforscher“ Gerhard Kittel, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2020, 203–257 (hier: 215); Morgenstern, Kittels „Verteidigung“, 64f. 31   Junginger, Abriss, 213.

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Ehrenberg (1883–1958). Ihm hatte er die zweite Auflage von Die Judenfrage geschickt, Ehrenberg hatte mit der Zusendung seiner im Zusammenhang mit den Anfängen der Arbeit der Bekennenden Kirche in Westfalen entstan­ denen 72 Leitsätze zur judenchristlichen Frage gedankt.32 Ehrenberg gehörte zu den judenchristlichen Zeitgenossen, Schülern und Weggefährten, mit denen Kittel während der NS-Zeit auf unterschiedliche Weise Kontakt hielt. Wenn der Tübinger sich auf die Pressemeldung berief, nach der reichsweit nur 29 aktiv im Dienst stehende evangelische Pfarrer von einer möglichen Anwendung des „Arierparagraphen“ berührt waren 33, so erweckt die von ihm erhaltene Korrespondenz den Eindruck, dass er einen hohen Prozentsatz der Betroffenen persönlich kannte und mit vielen in persönlichem Austausch stand. Führt man sich die unterschiedlichen „Fälle“ vor Augen, mit denen er befasst war, so ist zu vermuten, dass die Konfrontation mit den disparaten Schicksalen es ihm unmöglich machte, seine Vorstellungen zum zeitgenös­ sischen Judenchristentum in einer systematischen und konsistenten Form darzulegen.

D. Der Briefwechsel mit Hans Ehrenberg Ehrenberg und Kittel waren sich bereits 1930 in Stuttgart auf einer Tagung des evangelisch-lutherischen Zentralvereins für Mission unter Israel zum Thema der „Judenfrage“ begegnet, an der auch Adolf Schlatter und – den Kontakt hatte Ehrenberg, ein Vetter Franz Rosenzweigs, hergestellt – Martin Buber teilgenommen hatten.34 Der in eine liberale jüdi­sche Familie 32   Brief Ehrenbergs an Kittel, 16.10.1933, Archiv der Evangelische Kirche von Westfalen (EKvW), Bielefeld. Vgl. auch Brakelmann, Ehrenberg, Bd. 2, 162. 33   Kittel, Judenfrage, 132, Anm. 98 (mit Bezug auf die Deutsch-Evangelische Korrespondenz, 15.11.1933); die Zahl wird bestätigt bei Benz, Patriot, 18. Quelle ist offenbar: Fischer, Otto, Arische Abstammung und evangelische Pfarrer, in: Deutsches Pfarrerblatt 44 (1933), 31.10.1933, 607–619 (non vidi). Nach neueren Forschungen waren aber ca. 100 Personen betroffen: vgl. Röhm /Thierfelder, Juden – Christen – Deutsche, 199f. Benz (Patriot, 20) zählt für das Jahr 1933 20.000 evangelische und 6.000 katholische „Laienchristen“ jüdi­ scher Herkunft in Deutschland. Nahm man „Mischlinge ersten Grades“ hinzu, so gehörten ca. 45.000 „Nicht-Arier“ zur evangelischen, ca. 13.000 zur katholischen Kirche. Vgl. auch Hertz, Deborah, Wie Juden Deutsche wurden. Die Welt jüdischer Konvertiten vom 17. bis zum 19. Jahrhundert, Frankfurt/New York: Campus 2010 (mein Dank an Dr. Hanna Rucks für diesen Hinweis). 34   Otto von Harling, von 1903 bis 1935 Leiter des Institutum Judaicum Delitzschianum in Leipzig und Missionsdirektor des dortigen Zentralvereins für Mission unter Israel, nannte diese Tagung euphorisch „Höhepunkt der deutschen Judenmission“. In Stuttgart sei erreicht worden, „wofür sich die lutherische Mission schon seit den Tagen von Delitzsch eingesetzt hatte: einmal die Erweckung und Sammlung gläubiger christlicher Kreise innerhalb der Kirche zur Mitarbeit an der Evangelisation der Juden, und sodann die Auseinandersetzung von Kirche

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in Altona geborene Ehrenberg hatte sich nach dem Studium der Rechtsund Staatswissenschaften und dann der Philosophie (beide Studien hatte er 1906 und 1909 mit je einer Dissertation abgeschlossen) 1910 in Heidelberg in Philosophie habilitiert, wo er nach dem Weltkrieg zum außerordentli­ chen Professor ernannt wurde. Nachdem er sich 1909 hatte evangelisch taufen lassen, entschied er sich 1922, seine akademische Karriere auf­ zugeben und noch einmal Theologie zu studieren, um anschließend Pfarrer zu werden. Es ist nicht sicher, ob Kittel bereit war, den fünf Jahre älteren Ehrenberg, der ihn mit „sehr geehrter Herr Kollege anredete“, als ebenbürti­ gen Gesprächspartner anzuerkennen (er replizierte, leicht herablassend, mit „sehr geehrter Herr Pfarrer!“, später auch „sehr geehrter Herr Doktor!“); immerhin war er sich nicht zu schade, die im Selbstverlag Ehrenbergs er­ schienenen Leitsätze zu erwähnen und teilweise zu beantworten.35 Ehrenberg lehnte die Gründung judenchristlicher Separatgemeinden scharf ab. Er betonte, die einzelnen Judenchristen hätten mit ihrer Existenz in der Gesamtchristenheit die Nationalkirchen an den heilsgeschichtlichen Ursprung der Kirche in der Geschichte des auserwählten Volkes Gottes zu erinnern. Die Judenchristen gehörten daher voll und ganz zur Kirche; die Bildung eigener christlicher Gemeinden und Kirchen sei den Juden sogar verboten – ohne ihre judenchristlichen Glieder verkümmere die Kirche zu einer „Rotten-“ oder „Ketzerkirche“.36 Kittel erwiderte, diese Aufgabe der Judenchristen dürfe nicht auf einzelne judenchristliche Mitglieder be­ schränkt bleiben, sondern könne auch von ganzen Gemeinden wahrgenom­ men werden.37 Die Präsenz Ehrenbergs in Kittels Text – ein großer Teil der zweiten Beilage ist der Auseinandersetzung mit ihm gewidmet – ist an sich bereits bemerkens­wert. Neuere Funde im Archiv des Tübinger Evangelischen Stifts haben ans Licht gebracht, dass die Korrespondenz Kittels mit Ehrenberg und Synagoge durch persönliche Begegnung ihrer Vertreter.“ Das „Bemerkenswerteste war die Teilnahme des berufensten Vertreters der neuen jüdischen Frömmigkeit, Dr. Martin Bubers, der sich bereit gefunden hatte, einen der Hauptvorträge zu übernehmen.“ Es sei „das erste Mal seit den Tagen der Apostel“ gewesen, „wie Pastor Professor Dr. Ehrenberg sich ausdrück­ te […], daß Kirche und Synagoge freiwillig in ein Gespräch miteinander eingetreten“ seien. Harling, Otto von, Um Zions willen. Ein Leben im Dienst des Evangeliums unter Israel, Neuendettelsau: Freimund 1952, 67. Buber habe im großen Saal des CVJM „unter der großen Figur des Thorwaldsenschen Segnenden Christus seinen tiefen und feurigen Vortrag“ gehalten (a.a.O., 68). Zu den Diskussionen in Leipzig über „das Für und Wider einer jüdischen Kirche Christi“ vgl. a.a.O., 12. 35   Kittel hatte offenbar gehofft, Ehrenberg könnte die judenchristliche Bewegung in Deutschland anführen; entsprechend hielt er Buber für einen Erneuerer der traditionell-jüdi­ schen Religiosität. Das erklärt die parallele Auseinandersetzung mit beiden in den Beilagen zur dritten Auflage seiner Schrift. 36   Brakelmann, Ehrenberg, Bd. 2, 163. 37   Kittel, Judenfrage, 31934, 109.

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sich nicht auf 1933 beschränkte, wie noch Ehrenbergs Biograph Günter Brakelmann annahm.38 Die Auseinandersetzung mit der von Ehrenberg gestellten und durch ihn repräsentierten Frage sollte den Tübinger Neutestamentler noch weitere Jahre begleiten. Kittel machte zunächst auch keine Anstalten, den Briefwechsel zu beenden. Die gegenseitigen Schreiben geben ein erstaunliches Maß an Übereinstimmung zu erkennen. In Zusammenhang mit ihrer beiderseiti­ gen Kritik am deutschen Idealismus teilte der frühere Philosophieprofessor die Auf klärungskritik Kittels und dessen Sympathie für die illiberale Stoßrichtung der NS-Ideologie.39 Theologisch sah er wie Kittel in der Judentumsgeschichte zugleich Gottes Fluch und Gnade, Erwählung und Verwerfung40, wenngleich er beides anders diagnostizierte. Beide Briefpartner lehnten zudem den kirchlichen Liberalismus ab und warfen der Kirche die Assimilationstaufen vor.41 Beide gestanden dem NS-Staat auch das Recht zu, die „Judenfrage“ grundsätzlich neu zu regeln und dies auch auf dem Wege eines Sonderrechts für Juden.42 Als Ehrenberg Kittel am 5. Januar 1938 schrieb, war er auf Druck der NSBehörden bereits vor einem halben Jahr (zum 1. Juli 1937) zwangspensio­ niert worden.43 Er setzte seine theologische Arbeit nun im Rahmen der Bekennenden Kirche fort und stellte Kittel Fragen zur Stellung der Juden in der Heilsgeschichte, zur theologischen Bewertung des Talmuds, zum jüdi­ schen Gesetzesverständnis, zur theologischen Einordnung der Auf klärung und der Emanzipation der Juden.44 Besonderes Interesse verdient die   Zum Briefwechsel Kittels mit Ehrenberg vgl. Brakelmann, Ehrenberg, Bd. 2, 116.162–167.   Brakelmann, Ehrenberg, Bd. 2, 139. An Kittel schreibt er am 16.10.1933 (a.a.O., 165): „Gott will nicht, daß Juda verschwindet, sondern daß Israel und Deutschland sich dauernd wie­ der und wieder begegnen. Wenn einmal die Gesellschaft faschistisch geworden sein wird, der Staat aber wieder jenseits der Diktatur steht, dann wird der Zeitpunkt für das wahre Judenrecht in Deutschland da sein. Die Theologen haben nicht die Gegenwart zu sanktionieren oder ab­ zumildern, sondern diese Zukunft vorzubereiten. Der wirklich völkisch erzogene Mensch aber wird sich darüber freuen, daß Israel aus Deutschland nicht verschwunden sein wird.“ 40   In Ehrenbergs Kommentar zu seinen Thesen heißt es: „Juda war bis zu Christus das aus­ erwählte Volk, das auch schon dem Gericht übergeben ist (…). Es ist seit Christus das verwor­ fene Volk, das noch immer das begnadete ist“ (Brakelmann, Ehrenberg, Bd. 2, 141); ähnliche Formulierungen: a.a.O., 394. 41   Brakelmann, Ehrenberg, Bd. 2, 411. Zu diesem Thema vgl. auch Küttler, Thomas, Umstrittene Judenmission. Der Leipziger Zentralverein für Mission unter Israel von Franz Delitzsch bis Otto von Harling, Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2009, 88–99. 42   Brakelmann, Ehrenberg, Bd. 2, 143. 43   Brakelmann, Ehrenberg, Bd. 2, 362. Die Angabe bei Junginger (Abriss, 228: 1. Juni) ist zu korrigieren. 44   Zu Beginn dankt Ehrenberg Kittel für eine Sendung. Möglicherweise hatte er ihm sei­ nen kurz zuvor (Forschungen zur Judenfrage 2/1937, 30–62) erschienenen Aufsatz über das Konnubium mit den Nicht-Juden im antiken Judentum zugesandt. Dagegen spricht, dass Ehrenberg Kittels briefliche Anspielungen auf diesen Text in seiner Antwort nicht versteht. 38 39

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Kontroverse über das biblische Mischehenverbot. Es war dies ein zentraler Punkt für Kittel, der davon ausging, dass die von den NS-Rassengesetzen be­ troffenen „nicht-arischen“ Christen, sofern sie jüdisch-stämmig waren, ipso facto Judenchristen waren und die sie betreffenden staatlichen Eheverbote zu Recht bestanden und weiter bestehen sollten. Die „Assimilation“ der Judenchristen an die heidenchristliche Mehrheitskirche sollte verhindert und der Fortbestand des Judenchristentums gesichert werden.45 In seinem Aufsatz über das Das Konnubium mit den Nichtjuden im antiken Judentum (1937) hatte Kittel sich auf Esra und Nehemia bezogen und deren Gesetze als „völkische Gesetze“, die „aus der Notwendigkeit des Volkskörpers ent­ standen“ seien, bezeichnet.46 In diesem Stadium habe noch jeder Ansatz gefehlt, „die fremden Frauen in die Religion Israels herüberzuziehen und damit das Mischehenproblem aufzulösen.“47 Die „Proselytenehe“, wie sie der Talmud vorsehe, haben demgegenüber eine Praxis begründet, „die das genaue Gegenteil der ursprünglichen Praxis im Ansatz des echten Judentums und ebenso das genaue Gegenteil des ursprünglichen Sinnes und Zweckes jener ersten jüdischen Ehegesetzgebung“ gewesen sei.48 Ehrenberg, mit der „Nicht-Arierin“ Else geb. Zimmermann verheiratet49, mit der er eine Tochter und einen Sohn hatte, war von Kittels Konstruktionen persönlich betroffen. 45   Kittel, Judenfrage, 31934, 108: „Die staatlichen Maßnahmen stempeln manchen wieder zum Judenchristen, der vergessen hatte, daß er ein solcher ist…“ 46   Vgl. Kittel, Gerhard, Das Konnubium mit den Nichtjuden im antiken Judentum, in: Forschungen zur Judenfrage 2 (1937), 30–62, hier 38. 47   Kittel, Konnubium, 38; vgl. Esr 9–10; Neh 13,23–31 sowie Ex 34,16f. und Dtn 7,3f. Kittel geht davon aus, dass das rabbinische Judentum entstand, als Juden sich in der Antike auf breiter Front über „eine der radikalsten und der am radikalsten durchgeführten Mischehengesetzgebungen der ganzen Weltgeschichte“ hinwegsetzten, wie sie sich bei Esra und Nehemia und in den dort niedergelegten Bestimmungen zur Scheidung von den „fremden Frauen“ findet (so Ders., Die historischen Voraussetzungen der jüdischen Rassenmischung, 8). Indem die Rabbinen diese biblischen Vorschriften verfälscht oder jedenfalls abgeändert hätten, sei es in der Antike zu einem beliebigen „Ineinanderheiraten aller Völker und Rassen“ (a.a.O., 34) gekommen, das den Boden für das gegenwärtige jüdische „Rassengemisch“ bereitet habe, gegen das die frühchristlichen Konzilien sich zur Wehr gesetzt hätten. Kittel denkt auch an die Warnung vor jüdischen „Proselytenmachern“ in Mt. 23,15. 48   Kittel, Konnubium, 38f. 49   Zur Ehe Ehrenbergs vgl. Brakelmann, Günter, Hans Ehrenberg. Ein judenchristliches Schicksal in Deutschland, Band 1. Leben, Denken und Wirken 1883–1932, Waltrop: Spenner 1997, 41f. und Brakelmann, Ehrenberg, Bd. 2, 380. In einem Brief an den „Bruderrat der Bekennenden Kirche Westfalen“ nimmt Ehrenberg Bezug auf das „Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ vom 15.9.1935, das ihm auch untersagte „weibliche Staatsangehörige deutschen oder artsverwandten Blutes unter 45 Jahren“ in seinem Haushalt zu beschäftigen und fragt an, ob die „Zurechnung“ seines Hauses „zu den Häusern, die der Unzucht an ihren eigenen Hausangestellten für verdächtig erklärt sind, wenn diese Angestellten arischer Rasse sind“ als „Verfolgung und Schmähung um des Herren Namen willen“ gelten könne, so dass die Betroffenen in die Fürbitten, wie sie den in den Konzentrationslagern eingeschlosse­ nen Pfarrern gelten, eingeschlossen werden könnten? (Brakelmann, Ehrenberg, Bd. 2, 316).

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Er fragte: Geht es wirklich an, die Mischehen des antiken Diasporajudentums, soweit sie dem Gang der Heidenbekehrung folgten, als im Widerspruch mit der Restaurationsgesetzgebung Esras und Nehemias anzusehen? Warum haben sie damals so wenig zur Auflösung des Judentums geführt, während sie im 19. Jahrhundert dazu geführt haben?50

Kittel antwortete, das Verbot der Mischehe bei Esra habe auch dann gegolten, wenn ein heidnischer Ehepartner sich zum Gott Israels bekannt habe.51 Bezogen auf die Gesprächssituation mit Ehrenberg sollte dies wohl heißen, dass auch in der Gegenwart das Konnubium von Juden- und Heidenchristen verboten sei. Jede Übertretung des Verbots bringe as­ similatorische Gefahren mit sich. Bereits zu rabbinischer Zeit hätten die Übertretungen zur Auflösung Israels geführt. Weitsichtige Rabbiner hätten sich bereits in der Spätantike darüber beklagt. Ohne weitere Erläuterung schreibt Kittel dann lapidar, dass „sie [d.h. Proselytenehen] auch damals zur Auflösung geführt“ hätten, bewie­sen „die Klagen der Rabbiner über die ‚Issah‘52 und über den Aussatz an Israel“ – ein Satz, von dem nicht si­ cher ist, ob Ehrenberg ihn verstanden hat. Die Kenntnis des postbiblischen Ausdrucks Issah (hebr. Mischteig) und des im rabbinischen Schrifttum gemeinten Sachverhalts konnte Kittel auch bei einem außergewöhnlich gebildeten Theologen wie Ehrenberg nicht voraussetzen. In seiner Antwort vom 29. Juni 1938 geht dieser auch nicht auf diesen Begriff ein, sondern bemerkt nur, Jesus habe den „Aussatz“ geheilt, insofern – so will der Bochumer Pfarrer wohl sagen – sei das Mischehenverbot post Christum nicht mehr rechtskräftig. Kittel hatte freilich nicht Jesu Heilungswunder, sondern ein Diktum Rabbi Helbos im Talmud angesprochen, der die Proselyten in einem Bildwort als „Aussatz am Hause Jakobs“ bezeichnet hatte.53 Entsprechend bezog sich die Metapher des Mischteigs im selben Text auf das nach Kittel durch „Proselytenehen“ entstandene spätantike Rassengemisch, das schon weitsichtige Rabbinen angeprangert hätten. Im Jeruschalmi-Traktat Ketubbot bezeichnet dieser Terminus eine Familie, die aus Proselyten besteht oder in der nach dem

  Archiv des Evangelischen Stifts, Tübingen, Akte G. Kittel.   Der Durchschlag des Briefes im Stiftsarchiv ist undatiert; Terminus ante quem ist Ehrenbergs Antwort vom 29.6.1938. 52   Vgl. Kittel, Konnubium, 61 (mit Verweis auf bQid 69b und 71a); vgl. auch mChal 1, 8. Der Ausdruck Isa („Teig“ bzw. „Mischteig“) bezeichnet eine Familie, die entweder aus Proselyten besteht oder in der nach dem Priesterrecht verbotene Ehen vorgekommen sind; die Nachkommen dieser Familien können gewöhnliche Israeliten, aber keine Priester heiraten. Zu diesem Terminus vgl. Rosenthal, Ferdinand, Über Isa. Ein Beitrag zur Sittengeschichte der Juden vor und nach der Zerstörung des zweiten Tempels, in: Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums (1881), 38–48. 53   Kittel, Konnubium, 58 (Verweis auf bQid 70b). 50 51

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Priesterrecht verbotene Ehe vorkamen 54; Nachkommen dieser Familien können gewöhnliche Israeliten, aber keine Priester heiraten.55 Wie ist Kittels (für Ehrenberg offenbar enigmatischer) Satz textpragma­ tisch zu interpretieren? Erörterte der Tübinger seinem Gesprächspartner gegenüber den gleichen Sachverhalt, den er auch in den Forschungen zur Judenfrage des Reichsinstituts für Geschichte des Neuen Deutschlands zur Sprache gebracht hatte und spielte er insofern mit offenen Karten? Oder behandelte er Ehrenberg von oben herab einfach als „Juden“, bei dem man – im Hinblick auf den Bildungsgang des Letzteren lebensfern und insofern eine Frechheit! – Talmudkenntnisse voraussetzen müsse?56 Auf Kittels Briefschluss („mit gutem und dennoch brüderlichem Gruße“) replizierte Ehrenberg am 29. Juni 1938 mit Verweis auf das biblische Beispiel der Ruth und insofern auf „Rassenmischung“ im Stammbaum Jesu (Mt 1,5). Abschließend schreibt er: Sehr verehrter Herr Professor, es gibt in dieser Welt zwei Wege, wenn es keinen Weg gibt sich zu verständigen: entweder man schießt sich, oder man schweigt miteinander. Da uns jener Weg nicht offen steht, lassen Sie uns nunmehr den zweiten gehen. Wir wollen über den rauhen, aber herzlichen Ton hinaus nicht in Zwist kommen. Aber, sagen Sie, fühlen 54   Dieser Traktat war, was Kittel verschwieg, 1930/31 in Tübingen ins Deutsche (erstmals in eine moderne Sprache) übersetzt worden: Übersetzer war der von Kittel angestellte jüdische Talmudgelehrte Charles Horowitz. Aufgrund seines (später „rassenbiologisch“ missbrauchten) Interesses an eherechtlichen Fragen, wies Kittel seine jüdischen Mitarbeiter (neben Horowitz ein sonst unbekannter Gelehrter namens Gerschenowitz) wohl an, ihr Übersetzungswerk des Talmud Yerushalmi mit Texten aus der dritten Ordnung der Mischna („Frauen“) zu beginnen. Neben Ketubbot wurden aus dieser Ordnung die Traktate Nazir (1929) und Nedarim (offen­ bar zu Beginn der 1930er Jahre) übersetzt. Vgl. Morgenstern, Matthias, Von Adolf Schlatter zum Tübinger Institutum Judaicum, in: Ders./ Reinhold Rieger (Hg.), Das Tübinger Institutum Judaicum. Beiträge zu seiner Geschichte und Vorgeschichte seit Adolf Schlatter (Contubernium. Tübinger Beiträge zur Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte 83), Stuttgart: Franz Steiner 2015, 11–147, hier 28. In yKet 1, 9/3 (25d, 16–22) übersetzt Horowitz: „Wer heisst (eine Witwe wie) ein tauglicher Teig? Aus einer Familie, in der keine Illegitimen, keine Mischlinge, und keine Tempeldiener vorkommen“; Horowitz, Charles, Übersetzung des Traktats Ketubbot des Jerusalemer Talmuds, 26 (maschinenschriftlich, Bibliothek der Ev. Theol. Fakultät Tübingen, Rara, Signatur Ra VII 116). Der Text bespricht den Fall, dass eine Gruppe von Priestern durch einen Ort zog und sich ein (nicht namentlich bekannter) Priester auf kurze Zeit entfernte und Verkehr mit einer Frau hatte. Obwohl der Vater des später geborenen Kindes unbekannt ist, gilt ein solches Kind dennoch als „tauglich“ zur Ehe mit einem Priester (yKet 1, 9/2 – 25d, 10–16). Im Anschluss werden Kriterien zur Bestimmung der „Ehetauglichkeit“ von Frauen erörtert; vgl. Morgenstern, Matthias, Übersetzung des Talmud Yerushalmi III/3. Ketubbot. Eheverträge, Tübingen: Mohr Siebeck 2009, 53f. 55   Das Verbot wird halachisch aus Lev 21,7 abgeleitet. 56   Wenn Ehrenberg schreibt: „Inwiefern besagt das Klagen über den Aussatz Ablehnung der Proselytenehe?“, scheint er Kittels Aussage nicht verstanden zu haben. Auch seine Einrede, die Ehegesetzgebung Esras und Nehemias sei „sakral“ zu verstehen, trifft Kittel nicht, denn dieser hatte ja gerade dies moniert und bemerkt, dass der theokratische Zug dieser Gesetze der späteren Proselytenehe Tor und Tür geöffnet habe.

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Sie sich in Ihrer Haut wirklich wohl? Diese Frage will keine Antwort. Ich erwidere Ihren brüderlichen Gruß und bitte von dem Ihren das „dennoch“ zu streichen […]

Kittel antwortete am 25. Juli 1938 kühl, Ehrenbergs Frage hebe die „Brüderlichkeit“ auf, jede weitere Unterhaltung habe nun keinen Zweck mehr. Er unterzeichnet – offenbar sein letztes Wort in dieser Korrespondenz – mit „ergebenst“. Bevor Ehrenberg im September 1938 mit einem „totalen Predigt- und Redeverbot“ belegt wurde, war er weiter im „übergemeindliche(n) Dienst der Bekennenden Kirche“ tätig.57 Im Herbst 1937 hatte er den „speziellen Auftrag“ der „seelsorgerische(n) Sonderbetreuung von Gemeindegliedern, die unter der Wirkung der Rassengesetzgebung stehen“ übernommen. Die Arbeit mit einer Gruppe, die sich unter der Wirkung der NS-Gesetze als „judenchristliche“ Gemeinde hatte konstituieren müssen, war für ihn, an­ ders als für Kittel, keine Theorie. Die von ihm betreute Gruppe war aber alles andere als einheitlich. Am 9. März 1938 verfasste er einen Bericht, in dem er die „nichtarischen evang. Gemeindeglieder“ charakterisierte. Nach seinen Beobachtungen zeigen sie alle Nuancen vom vollständigen Tod bis zur Wiedergeburt: Verbitterung, Verhärtung, Vereinsamung, Erwecktheit, Ernst, Einsamkeit, Erschlossenheit, Bekehrtheit, Verstocktheit […] Einstellungen: jüdisch-christlich, antijüdisch-christlich, christlichdeutsch, kirchlich-reaktionär, pietistisch-christlich, christlich-kirchlich, bekenntnischristlich bis zu aktiver Einsatzbereitschaft und Dienstwillen. Durchschnittliche Bitterkeit bedeutend geringer als zu erwarten, zur Beschämung der antikirchlichen Gegner sei das gesagt. Von völliger Ablehnung judenchristlicher Zusammenkunft bis zu starkem Wünschen judenchristlicher Gruppierung.58

Alle diese Menschen waren durch die Gewaltmaßnahmen gegen ihren Willen zu einer Gruppe zusammengefasst.59 Auch in dieser Situation noch weigerte sich Ehrenberg, seine Arbeit als Keimzelle einer judenchristlichen Gemeinde zu sehen. Sein Anliegen war nur, den „arischen“ Gemeindepfarrern durch die „Sonderbetreuung“ der jüdischen Christen „eine Last von der Seele“ zu nehmen – ihnen die Verantwortung abnehmen, wollte er nicht.60 Sein Briefwechsel mit Kittel ist in diesem Kontext zu sehen. Man kann nur spekulieren, wie detailliert Kittel von den Vorgängen informiert war, die die Lebenssituation seines Briefpartners betrafen. Im Pogrom von 1938 wurde Ehrenbergs Bochumer Wohnung verwüstet. Er selbst stellte sich freiwillig der Gestapo, wurde in „Schutzhaft“ genommen und in das KZ Sachsenhausen   Brakelmann, Ehrenberg, Bd. 2, 404.   Brakelmann, Ehrenberg, Bd. 2, 409. 59   Noch in dieser Situation thematisierte Ehrenberg die „Schuld der Kirche durch libe­ rale Judentaufen“ (Brakelmann, Ehrenberg, Bd. 2, 411). Judenchristen sind demgegenüber „Denkmäler der Treue Gottes, wie die ungläubigen Juden die Denkmäler der Sünde der Menschen sind“ (a.a.O., 410). 60   Brakelmann, Ehrenberg, Bd. 2, 410. 57

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verschleppt.61 1939 konnte er dank einer Intervention und Bürgschaft George Bells, des Bischofs von Chichester, nach England emigrieren. Seine Familie folgte ihm nach.62 1947 kehrte Ehrenberg nach Deutschland zurück und er­ hielt eine Stelle als Pfarrer in der Erwachsenenbildung in Bethel. In seinem Ruhestand zog er 1953 nach Heidelberg, wo er 1958 starb.

E. Der „Fall“ Peter Katz Anders gestalteten sich die Beziehungen Kittels zu dem „nicht-arischen“ Theologen Peter Katz (1886–1962); dieser war (wie Ehrenberg) etwas älter als Kittel, trat ihm aber nicht als ebenbürtiger Diskussionspartner gegenüber, da Kittel ihn als eine Art Mentor betreute. Nach dem Krieg dankte ihm Katz in einem ausführlichen Brief. Katz war im Alter von zwei Jahren getauft worden, hatte Theologie studiert und war 1931 zum Pfarrer in Hechingen (Hohenzollern) ernannt worden. Am 1. März 1934 versetzte ihn der alt­ preußische Landesbischof Ludwig Müller in den einstweiligen Ruhestand; nach dem Novemberpogrom 1938 nahm Katz eine Einladung George Bells an und emigrierte mit seiner Familie nach England. Katz‘ Eltern Oscar und Elisabeth Katz wurden am 22. Oktober 1940 von Mannheim nach Gurs (Südfrankreich) deportiert, wo Oskar Katz am 18. Januar 1941 starb. Elisabeth Katz wurde halb verhungert entlassen und in die Schweiz ge­ bracht. Sie kehrte 1953 nach Deutschland zurück und starb im gleichen Jahr. Am 6. August 1947 schreibt Katz zur Sache „Professor Gerhard Kittel, z.Zt. Beuron“ einen Brief, den der abgesetzte Theologieprofessor zu seiner Verteidigung verwenden wollte. Dort heißt es, Kittel habe sich keineswegs „zu einem Handlanger der [NS]-Bewegung“ gemacht. Denn diese dachte nicht entfernt daran, den nicht-arischen Christen ein ungestörtes Leben in sozialer wie in religiöser Hinsicht zu ermöglichen, wie sich sehr bald zeigte […]. Prof. Kittel wollte etwas erzwingen, indem er sich an den Wortlaut der offiziel­ len Verlautbarungen hielt, und damit den Christen unter den Nichtariern die religiöse Versorgung sichern. Die Regierung beim Wort nehmen, wo sie sich nicht entziehen konnte, schien ihm der Weg, eine verzweifelte Situation zum Besten zu benutzen. Dass seine Intentionen ganz anders waren als die der maßgebenden Schreier, war ihm so deutlich als jedem Verständigen. So war er auch im Gespräch voll der Geistliche und Amtsbruder, der Christliches christlich geschlichtet sehen wollte.

Nach Katz vertrat Kittel sehr wohl „den Standpunkt […], dass die nichtarischen Christen in besonderen judenchristlichen Gemeinden sich zusam­ menschließen sollten und dort von Pfarrern gleicher Herkunft zu betreuen   Brakelmann, Ehrenberg, Bd. 2, 420.   Zu Ehrenberg vgl. auch Brakelmann, Günter (Hg.), Hans Ehrenberg, Autobiographie eines deutschen Pfarrers mit Selbstzeugnissen und einer Dokumentation zu seiner Amtsentlassung, Waltrop: Spenner 1999. 61

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wären.“ Kittel habe ihn, Katz, „mit großem Nachdruck“ aufgefordert, sich eine solche Gemeinde zu suchen, um im Segen weiter als Pfarrer wirken zu können an solchen, die gerade einen solchen Dienst nötig hätten. Ich setzte ihm auseinander, dass ich zu solchem Dienst wenig geeignet sei, da die Verbindung meiner Familie mit jüdis­ chen Traditionen seit Generationen gelöst sei.63

Später schildert er, wie Kittel ihn bei seinen Arbeiten in der SeptuagintaForschung unterstützt und ihm geholfen habe, an der Universität Cambridge unterzukommen, wo er den Doktor der Philosophie gemacht habe und nun­ mehr Dozent für dieses Fach sei. Es kann nicht nachdrücklich genug betont werden, dass diese glückliche Wendung ganz einzig dem sehr nachdrücklichen Rat und den speziellen Anweisungen Prof. Kittels ver­ dankt wird […] Denn er hat als ein rechter Kollege und Seelsorger an mir gehandelt, indem er die bestehenden Möglichkeiten erwog, meine Fähigkeiten richtig einschätzte und mir den Schatz seiner Erfahrungen als Gelehrter zur Verfügung stellte.64

Noch im Sommer 1937, als es „schon längst nicht mehr selbstverständlich“ gewesen sei, „sich [in einer] gedruckten Äusserung auf das Urteil eines nicht-arischen Kollegen zu beziehen“, habe Kittel in einer Besprechung der Rahlfschen Septuaginta „mit grossem Nachdruck“ auf Katz‘ Arbeiten ver­ wiesen.65 Ohne Zweifel hat Kittel mit dieser Besprechung etwas riskiert und war bereit, die Folgen auf sich zu nehmen. Zu dieser Zeit war er mir nicht nur behilflich, weitere Werke zur Besprechung zu erhalten, und mir andere aus seiner eigenen Bibliothek auf lange Fristen auszuleihen, sondern er forderte mich auf, an seinem Theologischen Wörterbuch zum Neuen Testament, dem grossen, eingangs erwähnten Werke, mitzuarbeiten. […] Gleichzeitig machte er mir ein grosses und völlig unerwartetes Geschenk, indem er mir ein Herausgeberexemplar des Wörterbuches dedizierte […]. Als es sich darum handelte, bei dem Septuagintaunternehmen der Universität Cambridge angestellt zu werden, hat Prof. Kittel, sobald er davon hörte, anlässlich eines wissenschaftlichen Aufenthaltes in England sich sogleich bei den in Frage kom­ menden Fachgelehrten mündlich nachdrücklich für mich verwandt und auch weiterhin Korrespondenz in dieser Sache geführt, mit dem Erfolg, dass ich auf das Zeugnis hin im Herbst 1939, als die Ausländer hier auf ihre Verhältnisse hin nachgeprüft wurden, von einem dieser Gelehrten, dem bald darauf viel zu früh verstorbenen Canon und Professor J.M. Creed, das Zeugnis ausgestellt bekommen habe, ich sei ihm als „eine Autorität auf dem Gebiet der Septuaginta“ bezeichnet worden, nämlich von Prof. Kittel.66

  Staatsarchiv Sigmaringen Wü 13 T 2 Nr. 2136/001.   Staatsarchiv Sigmaringen Wü 13 T 2 Nr. 2136/001. 65   Die Besprechung des Werkes Rahlfs (Deutsche Literaturzeitung, 11.7.1937, 1175–76), in der Katz ausführlich gewürdigt wird, ist Kittels Bibliographie hinzuzufügen: Junginger, Horst, Bibliografie Gerhard Kittels, in: Gailus /Vollnhals (Hg.), Antisemitismus, 259–267. 66   Staatsarchiv Sigmaringen Wü 13 T 2 Nr. 2136/001. Zu Katz vgl. auch Vees, Adolf, Das Hechinger Heimweh. Begegnungen mit Juden, Tübingen: Silberburg 1997, 79–95. 63

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1961, als Katz, der inzwischen den Namen Walters angenommen hatte, die Ehrendoktorwürde der Universität Heidelberg erhielt, schrieb der Geehrte an den Heidelberger Dekan Hans von Campenhausen, indem er auf die „gnädige Führung“ Bezug nahm, die ihn „auf Gerhard Kittels Rat nach lan­ gen Umwegen zur Septuaginta, der Liebe“ seiner „Jugend“ zurückgeführt habe.67

F. Weitere Judenchristen in Kittels Umfeld Ein weiterer Judenchrist in Kittels Umfeld war der Tübinger Theologie­ student Wilhelm Dittmann (1915–1996). Ihn benannte Kittel am 10. Oktober 1947 in einem Brief an den Staatskommissar für die politische Säuberung als „theologischen Vertreter der getauften Judenchristenschaft“, der für ihn aussagen könne.68 Dittmanns Dissertation im Juli 1939 bei Kittel über Die Auslegung der Urgeschichte (Genesis 1–3) im Neuen Testament war durch eine von Kittel beim Reichswissenschaftsministerium erwirkte Sondergenehmigung möglich geworden.69 Dittmann galt als „Halbjude“ und war mit der Nichtjüdin Grete Leitner liiert.70 Ihr Zusammenleben galt als „Rassenschande“; beide lebten in ständiger Angst und konnten erst nach 1945 heiraten.71 Am 13. Februar 1947 schrieb Dittmann einen heute in den Verteidigungsunterlagen Kittels befindlichen Brief, in dem er Kittel dankte, dass er sich in der schweren Zeit auch besonders seiner damaligen Braut angenommen habe. Kittel pflegte auch Kontakt mit dem „halbjüdi­ schen“ Stuttgarter Pfarrer Majer-Leonhardt – in seinen Gesprächen mit ihm soll von Schicksalen anderer judenchristlicher Theologen die Rede gewe­sen

  Walters (Katz) an Campenhausen vom 4.7.1961, zitiert in: Ludwig, Hartmut, Die Vertreibung von Pfarrer Peter Katz aus Hechingen 1934, in: Blätter für württembergische Kirchengeschichte 119/120 (2019/2020), 217–238, hier: 236 (Akte der Ehrenpromotion in der Theologischen Fakultät Heidelberg). 68   Schreiben Kittels an den Staatskommissar vom 18.3.1947 (UAT 162/31). 69  Nach einem Erlass vom 15.4.1937 durften Juden mit deutscher Staatsangehörigkeit nicht mehr zur Doktorprüfung zugelassen werden, die Promotion von „Mischlingen“ war aber weiter­hin zulässig. Vgl. Berg, M atthias, „Können Juden an deutschen Universitäten promovieren?“ Der „Judenforscher“ Wilhelm Grau, die Berliner Universität und das Promotionsrecht für Juden im Nationalsozialismus, in: Jahrbuch für Universitätsgeschichte 8 (2011), 213–227, hier 219. 70   Vgl. Ludwig, Hartmut, „Wilhelm Dittmann“, in: Ders./Eberhard Röhm (Hg.), Evangelisch getauft – als „Juden“ verfolgt. Theologen jüdischer Herkunft in der Zeit des Nationalsozialismus, Stuttgart: Calwer 2014, 84f. 71   Im Universitätsarchiv Tübingen (UAT 162/31), Beilage VI (unpaginiert) ist Dittmanns und seiner Braut Dankesbrief an Kittel dokumentiert. 67

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sein72 –, dem judenchristlichen Theologiestudenten Adalbert Fischer73 aus Frankfurt/Main und der „halbjüdischen“ Theologiestudentin Annemarie Tugend.74 Im Stiftsarchiv befindet sich ferner ein Briefwechsel Kittels mit dem Stuttgarter Zahnarzt und Judenchristen Erwin Goldmann (1891–1981). Goldmann, nationaldeutsch gesonnen, hatte im Ersten Weltkrieg als Truppenarzt gedient und gehörte danach der Schwarzen Reichswehr an. 1919 hatte er sich evangelisch taufen lassen und verstand sich als gläu­ biger Christ.75 Seit 1925 war er ärztlicher Direktor im Dienst der AOK Stuttgart und Berater des württembergischen Landtages und verschiedener Reichsdienststellen. Dem Nationalsozialismus stand er mit Sympathie ge­ genüber. Am 1. April 1933 als Beamter entlassen, arbeitete er zunächst als privat praktizierender Facharzt und nach 1939 als Gärtner. Goldmann war Mitglied des Paulusbundes, bis er 1937 aus diesem Verband ausscheiden musste, der in eine Organisation für „Mischlinge“ umgewandelt wurde.76 Sein Briefwechsel mit Kittel ist ein Zeugnis von politisch-ideologischem Fanatismus, theologischer Verblendung (auf Seiten Goldmanns verbun­ den mit selbstzerstörerischer Frömmigkeit und Aufopferungsbereitschaft), fehlgeleiteter „Judentums-Expertise“ und positivistisch-naiver Wissen­ schafts­­gläubigkeit mitsamt den Widersprüchen, die sich aus dieser fatalen Kombination ergaben.   Zu Fritz Majer-Leonhardt (1915–1995), der wegen seiner jüdischen Mutter als „Mischling ersten Grades“ galt, vgl. Röhm, Eberhard, Fritz Majer-Leonhardt, in: Ludwig/Röhm (Hg.), Evangelisch getauft, 228–229; Hermle, Siegfried, Die Bischöfe und die Schicksale ‚nichtarischer‘ Christen, in: Manfred Gailus/Hartmut Lehmann (Hg.), Nationalprotestantische Mentalitäten. Konturen, Entwicklungslinien und Umbrüche eines Weltbildes, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2005, 263–306 (hier 286f.). Majer-Leonhardt hatte u.a. in Tübingen evangelische Theologie studiert, wo er 1937 das Fakultäts­examen ab­ legte. In einem Arbeitslager in Wolfenbüttel lebte er später in einer Baracke gemeinsam mit Hansrudolf Hauth und Arthur Schaller, zwei anderen „nicht-arischen“ Theologen, die eben­ falls in Tübingen studiert hatten und nicht zum Pfarrdienst in der württembergischen Kirche zugelassen waren. Offenbar war in Kittels Gesprächen mit Majer-Leonhardt von diesen Schicksalen die Rede. 73   Näheres zu seiner Person ließ sich nicht ermitteln. 74   Zu Annemarie Tugendhat, zuvor Tugend (1922–2013), die als „Halbjüdin“ in der NSZeit nicht studieren durfte und erst 1945 das Studium der evangelischen Theologie auf­ nahm, vgl. Pithan, Annebelle, Religionspädagoginnen des 20. Jahrhunderts, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1997, 423f.; Ericksen, Robert P., Über den „Fall Kittel“ nach 1945, in: Gailus/Vollnhals (Hg.), Antisemitismus, 17–41 (hier 28f.). 75   Benz, Patriot, 29. 76   Am 10.8.1939 aufgelöst, konnte der württembergische Zweig des Paulusbundes einst­ weilen unter dem Dach der evangelischen Landeskirche weiterbestehen, nach Darstellung Goldmanns nach dem Krieg, weil seine (Goldmanns) Mitgliedschaft im Sicherheitsdienst (SD) des Reichsführers SS als Schutz diente. 1944 wurde der Paulusbund aufgelöst (Goldmann, Zwischen zwei Völkern, 57.126). 72

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Anlass eines Schreibens Goldmanns vom 18. Juni 1940 war seine Bitte an Kittel, sich für ihn nach der künftig vorgesehenen Stellung der „Mischlinge 1. Grades“ zu erkundigen. Goldmann, der zwei jüdische Elternteile hatte, war zu der Überzeugung gekommen, aufgrund seiner Gesinnung und Haltung kein Jude, jedenfalls kein „Volljude“ sein zu kön­ nen und wollte sich als „Halbjude“ anerkennen lassen. Wahrheitswidrig gab seine Mutter der Reichsstelle für Sippenforschung an, ihre Kinder Else und Erwin seien nicht Kinder des rechtlichen Vaters, sondern mit einem ver­ storbenen „arischen“ Uhrenfabrikanten gezeugt worden.77 Kittel setzte sich im November 1940 gutachterlich für die Überprüfung des Falles ein, in­ dem er bezeugte, „dass dieser Jude so völlig unjüdisch denkt und handelt.“ 78 Diese Intervention fiel Kittel, dem erklärten Gegner von „Mischehen“, viel­ leicht etwas schwer. Auch lehnte Goldmann für die eigene Person und für den Paulusbund, zu dessen Grundsätzen die Betonung der Zugehörigkeit ihrer Mitglieder zu Deutschland und die Loyalität zum Reich gehörte, die Bezeichnung Judenchrist ab und betonte vielmehr die Ablehnung al­ les „Jüdischen“. Hinzu kam ein weiteres pikantes Detail: Der „Spezialist“, der Goldmann untersuchen sollte, sein „Arisierungsverfahren“ aber aus unbekannten Gründen nie abschloss, war der zur Tübinger medizinischen Fakultät gehörende Rassenbiologe Wilhelm Gieseler (1900–1976).79 Dessen Lehrstuhl war im Zusammenhang mit seiner Berufung 1938 an die Stelle des Ordinariats für Altes Testament an der Katholisch-Theologischen Fakultät getreten – eine Entwicklung, die Kittel, der das AT als Disziplin der christli­ chen Theologie beibehalten wollte, für gefährlich hielt.80 Goldmann tat sich schließlich mit Loyalitätsbekundungen zum Dritten Reich und zu Hitler hervor, von denen man überlegen kann, ob sie Kittel zumindest nach 1945 peinlich waren.81 Nach Kriegsende wurde Goldmann, der Mitarbeiter des   Benz, Patriot, 86.   Junginger, Abriss, 238f. 79   Benz, Patriot, 53.73 und 166. 80   Morgenstern, Matthias, Erwägungen zur „Verteidigung“ Gerhard Kittels vom Dezember 1946, in: Theologische Beiträge 51 (2020), 260–271, hier: 265 (Literatur); Junginger, Abriss, 231. Wie Kittel die Rassenbiologie einschätzte, gibt ein Brief an den bayrischen Vikar Karl Steinbauer wieder, der am 19.7.1935 in Dorf Walchensee, einer Penzberger Filialgemeinde über Apg 8,26–40 gepredigt hatte. Steinbauer hatte sich in seiner Predigt ironisch zu den „heu­ tigen Lehren von Rasse, Blut, Boden u. dgl.“ geäußert. Kittel gab ihm zu bedenken, man habe als Christ keinen Grund, sich „Erkenntnissen der Forschung zu verschließen, so wenig auf dem Gebiet der Rassenkunde wie auf dem Gebiete der Hygiene.“ An anderer Stelle formulierte Kittel: „Und wenn es im Jahr 1900 es Prediger gab, die predigten, es sei gottwidrig, daß ein Mensch fliegen wolle, so hat eben Gott solchen Predigern Unrecht gegeben.“ Mein Dank an Pfr. Jochen Teuffel, Vöhringen, für die Überlassung des Briefwechsels Kittels mit Steinbauer. Zu diesem Vorgang vgl. Töllner, Frage der Rasse?, 176f. 81   Es fragt sich allerdings, mit welcher Intention diese Texte – u.a. ein Hitler gewidmetes Gedicht Goldmanns – in Kittels Akte im Tübinger Stiftsarchiv gelangten. 77 78

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Sicherheitsdienstes des Reichsführers SS Reinhard Heydrich gewesen war, von den Amerikanern als Kollaborateur verhaftet und verbrachte mehrere Jahre in Internierungslagern und Gefängnissen – wohl ein Grund dafür, dass Kittel nach dem Krieg eine gewisse Distanz zu ihm wahrte.82 Wenn Kittel in seiner Verteidigung (1946) etwas verschleiernd (ohne Nennung Goldmanns) auf „eine kirchliche Beratungsstelle für christliche Nichtarier“ zu sprechen kommt, deren Schließung er 1944 habe verhindern wollen83, so ist die apologetische Absicht unverkennbar.84

G. Eine Wiener judenchristliche Gemeinde? In seiner Verteidigung gibt Kittel einen weiteren Hinweis auf eine juden­ christliche Gruppierung zur Zeit des zweiten Weltkrieges – aber auch hier bleibt es (wie zu vermuten, aus guten Gründen) bei einer apologetisch ver­ wertbaren Andeutung. Kittel, so heißt es, habe sich mit dem Wiener Bischof Eder dafür eingesetzt, dass im jüdischen Ghetto „für die getauften Juden regelmäßig durch einen christlichen Gelehrten Andachten gehalten werden durften.“85 Gemeint war die Wiener „Schwedische Israelmission“, eine 1920 nach Österreich gekommene Gruppe skandinavischer Theologen, die mit einheimischen Partnern in der Seegasse im neunten Bezirk karitativ und mit Bildungsangeboten tätig und auch judenmissionarisch nicht erfolg­los war.86   Morgenstern, Kittels „Verteidigung“, 90f.   Der Paulusbund, offiziell am 10.8.1939 aufgelöst, konnte bis 1944 unter dem Dach der evangelischen Landeskirche in Württemberg weiterbestehen. Wie genau Kittel die kirchenpoli­ tischen Vorgänge verfolgte, zeigt der Durchschlag eines Erlasses der Deutschen Evangelischen Kirche vom 22.12.1941 in seiner Akte (Stiftsarchiv), in dem die oberen Behörden der Landeskirchen angewiesen werden, dafür zu sorgen, „dass die getauften Nichtarier dem kirch­ lichen Leben der deutschen Gemeinde fernbleiben.“ Weiter heißt es: „Die getauften Nichtarier werden selbst Mittel und Wege suchen müssen, sich Einrichtungen zu schaffen, die ihrer geson­ derten gottesdienstlichen und seelsorgerischen Betreuung dienen können. Wir werden bemüht sein, bei den zuständigen staatlichen Stellen die Zulassung derartiger Einrichtungen zu er­ wirken.“ Vgl. auch Benz, Patriot, 22. Brunotte, Heinz, Die Kirchenmitgliedschaft der nichtari­ schen Christen im Kirchenkampf, in: Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht 13 (1967/68), 140–174.166f. und Küttler, Judenmission, 262. 84   Erwähnt werden muss noch, dass Kittel staatlichen Stellen gegenüber wissenschaftliche Gegner wie den Neutestamentler Werner Georg Kümmel als „Halbjuden“ kennzeichnen und damit Benachteiligungen und potentiell Gefahren (Kümmel lehrte freilich in Zürich) ausset­ zen konnte: Bormann, Lukas, „Auch unter politischen Gesichtspunkten sehr sorgfältig aus­ gewählt“: Die ersten deutschen Mitglieder der Studiorum Novi Testamenti Societas (SNTS) 1937–1946, in: New Testament Studies 58 (2012), 416–452 (hier 436). 85   Morgenstern, Kittels „Verteidigung“, 134. 86   Allein 1937, so heißt es, seien 55 Personen getauft worden, und zwischen Ende Mai 1939 bis zur Schließung der Missionsstation im März 1940 habe es erneut 47 Taufen gege­ ben; vgl. Pammer, Thomas, Die Arche Noah ist auf dem Kanal vorbeigefahren.“ Geschichte 82 83

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Auch wissenschaftliche Arbeit fand ihren Platz: Als 1935 das Leipziger Institutum Judaicum Delitzschianum schließen musste, setzte sein dama­ liger Leiter Hans Kosmala die Institutstätigkeit in der Wiener Seegasse bis zur erneuten Schließung fort.87 Nach dem „Anschluss“ Österreichs an NS-Deutschland bekam das Haus 1940 einen österreichischen Geistlichen, den „nichtarischen“ Pfarrer Johannes Jellinek, der durch die Ereignisse arbeitslos geworden war. Jellinek schrieb nach dem Krieg, Bischof Eder habe ihm „die Möglichkeit geben“ wollen, wieder „in der Kirche aktiv zu werden“. Hier war nun so etwas wie eine überparochiale judenchristliche Gemeinde Wirklichkeit ge­ worden.88 Alle „nicht-arischen“ evangelischen Christen Wiens, auch sol­ che, deren Verbindung zum Judentum von ihnen selbst oder ihren Eltern längst gelöst war, gehörten nun zur Klientel der Israelmission.89 Nach dem Krieg gab Jellinek gemeinsam mit Kittels Schüler Karl Heinrich Rengstorf als Band 2 der Schriften des in Münster neugegründeten Institutum Judaicum Delitzschianum die Erinnerungen der schwedischen Nonne Greta Andrén an ihre Wiener Zeit heraus.90 In den Berichten aus den Wochen der Schwedischen Israelmission in Wien, hg. von der Evangelischen Akademie Wien, Wien: Evangelische Akademie 2017, 68 und 92. Zum Einfluss Kittels auf die Wiener Arbeit vgl. a.a.O., 64f. und Weinzierl, Erika, Zu wenig Gerechte. Österreicher und die Judenverfolgung 1938–1945, Graz/Wien/Köln: Styria 41987, 122f. 87   Vgl. Küttler, Judenmission, 254. Zu den Ereignissen von 1935 vgl. auch Harling, Um Zions willen, 69. 88   Pammer, Arche, 82f. 89   Nach Pammer, Arche, 89, war in einem Bericht von „8.000 Personen“ die Rede, „was durchaus realistisch klingt, wenn man die (…) Taufzahlen seit Mitte des 19. Jahrhunderts be­ trachtet“. 90   Zur Neugründung dieses Instituts vgl. Küttler, Judenmission, 274–276; Andrén, Greta, Ein Brief Christi, Neuendettelsau: Freimund 1958. Die Mission baute auch ein Altenheim und eine eigene Krankenstation für Judenchristen auf, da Nicht-Arier in den öffentlichen Hospitälern nicht mehr willkommen waren und das Rothschildspital der jüdischen Gemeinde einerseits meist überbelegt war, andererseits nur „konfessionellen“ Juden offenstand. Besonders wichtig waren die Unterstützungsleistungen bei der Auswanderung (vgl. Pammer, Arche, 95). Andrén (Brief, 13) beschreibt die judenchristlichen Gottesdienste in Wien: „Dort sitzt ein Universitätsprofessor. Neben ihm ein Schauspieler… ein Theaterdirektor aus Düsseldorf. Die Frau dort beim Fenster ist mit dem berühmten Spezialisten Lerk verheiratet… Und dort, in der ersten Reihe…eine Sängerin, die oft vor dem Kaiser gesungen hat. Und schräg hinter ihr – der Astronom Luma.“ Kittel führt in seiner „Verteidigung“ an, er sei mit der Wiener „halbjüdi­ sche(n)“ Schauspielerin Elisabeth Kallina „eng befreundet“ gewesen (Morgenstern, Kittels Verteidigung, 134) – Zwei prominente Namen sind aus dem Umkreis dieser Arbeit zu nennen: Georg Klüger (1922–1944), ein älterer Cousin der späteren amerikanischen Germanistin Ruth Klüger, war Leiter eines Jugendkreises der Mission. Nachdem die schwedischen Behörden sei­ nen Asylantrag abschlägig beschieden hatten, wurde er 1944 ins KZ Buchenwald verschleppt und ermordet (Pammer, Arche, 94. 119; Andrén, Brief, 35–36). – Ilse Aichinger (1921–2016), die spätere Schriftstellerin, die jüdische Vorfahren hatte und als Mischling ersten Grades galt (Pammer, Arche, 123), fasste die Gefühle und Gedanken der Gemeindeglieder, die vol­

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nach der Reichspogromnacht ist von einer Vertiefung der Spiritualität der Gemeindeglieder die Rede. Der schwedische Missionar Aron Andersson (1901–1985) hielt eine Predigt und war überrascht über die Euphorie und die charismatischen Züge des Gottesdienstes: Anschließend fragten wir, ob jemand von denen, die sich noch nicht für Christus ent­ schieden hatten, nun den entscheidenden Schritt machen wollten. Einen Augenblick war es still – und dann streckten sich Hunderte Hände nach oben und man rief: ‚Wir alle wol­ len an den Messias Jesus glauben, an Jesus Christus!‘ Als wir zu beten begannen, fielen sie um uns herum auf die Knie und weinten laut­h als. Junge und Alte, Männer und Frauen sagten mit Tränen in den Augen: ‚Betet für uns!‘ Niemals hatte ich so Herzzerreißendes erlebt.“ 91

Vor dem Hintergrund der politischen Ereignisse liest man die Bekehrungs­ berichte mit Beklemmung. In den Berichten aus der Zeit der beginnenden Deportationen heißt es: Die Israelmission hatte keine Möglichkeit mehr, jemanden (…) zu retten: ‚Möglich ist nur, von Haus zu Haus zu gehen und den Menschen packen zu helfen. Die Missionare gehen von morgens bis spät in die Nacht hinein von einer Familie zu der andern. Alle sind wie gelähmt.‘92

An den Toren der Vernichtungslager Osteuropas, spätestens hier, ging Gerhard Kittels Traum, sein Phantasma einer „judenchristlichen Kirche“, in einem Blutbad unter.

ler Hoffnung in die Israelmission gekommen waren und denen die Missionare, die am Ende nach Skandinavien entkamen, nicht helfen konnten, in dem Gedicht „Seegasse“ (1953/54 ent­ standen) zusammen. In ihren Erinnerungen schreibt Aichinger: „Zur Zeit der schlimmsten Bedrohung im Zweiten Weltkrieg gab es in Wien [..] einen Ort, fast könnte man sagen, eine Zweigniederlassung zur Bekehrung der Juden, die „Schwedische Mission“, mit schwedischen und jüdischen Pastoren, Diakonissen“ (zitiert nach: Pammer, Arche, 127). Danach schreibt sie: „Die Andacht war gut, die feste Burg, unser Gott hielt noch stand. Kurz darauf verließen die Schweden die Stadt, samt ihren Pastoren, Diakonissen und Chorälen. Nur die Brücken blieben vorerst, wo sie waren, die Schwedenbrücke, die Marienbrücke, die Friedensbrücke. Auch die Gruppe blieb, aber ihre Quartiere, oft nahe dem ehemaligen Ghetto von Wien wurden täg­ lich gefährdeter. Und es blieb, nachdem die Schweden sich davongemacht hatten, eine ein­ zige Diakonisse und die Sucht nach dem Norden, seine Anziehung, seine Fernblicke. Von der Gruppe in der Seegasse entkamen nur ganz wenige und die wenigsten nach Schweden. Auch ich blieb und überlebte – mit mir die nach Norden gerichteten Süchte“ (Pammer, Arche, 127). 91   Pammer, Arche, 90. 92   Pammer, Arche, 116.

Antitalmudismus bei Gerhard Kittel Horst Junginger A. Geschichte und Funktion des Antitalmudismus Schon früh wurde der Talmud von christlicher Seite angefeindet. Einerseits sah man in ihm das religiöse Zentrum des Judentums und andererseits war er ein Buch mit sieben Siegeln, das dem christlichen Denken unver­ ständlich blieb. Dem Talmud haftete etwas Dunkles und Geheimnisvolles an, das sich leicht mit antijüdischen Ressentiments aller Art in Verbindung bringen ließ. Greift man aus seiner diskursiven Struktur nur eine Position heraus, ohne den Gesamtzusammenhang zu beachten, muss zwangs­läufig ein einseitiges Bild entstehen. Oft dienten jüdische Apostaten als Kron­ zeugen, die den Christen aus erster Hand ihre Vorurteile bestätigten. Die Verleumdung eines dieser Abtrünnigen, Nikolaus Donin, führte 1242 in Paris zur ersten Talmudverbrennung großen Stils. Unter dem Vorwurf der Christentumsfeindschaft wurden 24 Wagenladungen Talmudhandschriften herangekarrt und öffentlich vernichtet. Auch in anderen europäische­ n Ländern bildete der vermeintliche Hass der Juden auf die Christen den ideologischen Kern des Antitalmudismus. Die mutmaßlich letzte Talmud­ verbrennung fand 1757 in Polen statt. Von Beginn an charakterisierte sich die christliche Auseinander­setzung mit dem Talmud durch das Bestreben, in ihm die schlechten Eigenschaft des Judentums zu „entdecken“ und als sein eigentliches Wesen auszugeben. Die negativen Charaktermerkmale der Juden entsprachen zufälligerweise genau dem Gegenteil dessen, was als typisch christlich galt. Im Talmud finden sich die moralischen Defizite des jüdischen Volkes, wie sie ihm von den Christen zugeschrieben wurden. Tatsächlich spiegelt der Antitalmudismus christliche Stereotypen wider, die auf das Judentum projiziert wurden. Man liest aus dem Talmud das heraus, was man vorher in ihn hineingelesen hat. Die christliche Aufklärungsarbeit setzte sich im Allgemeinen aus dem Dreischritt entdecken – anprangern – bekämpfen zusammen. Deswegen hatte der Antitalmudismus neben der religiösen immer auch eine politisch-praktische Dimension. Soweit als möglich griff man dabei auf die weltliche Herrschaft zurück, um sich vor der vermeintlichen jüdischen Gefahr zu schützen. Im Talmud stehen die Werte des Christentums wie in einer Camera ob­ scura auf dem Kopf. Das talmudische Wesen zeigt sich im Auge des christ­

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lichen Betrachters als eine Perversion der eigenen Grundüberzeugungen. Es finden sich dort Abgründe, die einen erschaudern lassen, und man fühlt sich von dem Gesehenen derart abgestoßen, dass sich der Affekt nicht mehr allein gedanklich bewältigt lässt. Die mentale Gefühlserregung wird so stark, dass sie zur Explosion drängt. Rationale Überlegungen und ethische Vorbehalte sind dann nicht mehr in der Lage, die Anwendung von Gewalt zu verhindern. Das im Antitalmudismus angelegte Aggressionspotenzial tendiert dazu, sich der Impulskontrolle zu entziehen. Je unmittelbarer eine­m die Gefahr vor Augen steht, desto energischer muss gehandelt werden. Indem der Antitalmudismus nichtkognitive Schichten des Bewusstseins anspricht, kann er leicht in eine Dynamik einmünden, die sich mit rationalen Argumenten nicht mehr beherrschen lässt. Meines Wissens wurde der Ausdruck „umgekehrter Talmud“ als erstes von dem Kölner Judaisten Helmut Greive (1935–1984) in die Antisemitismus­ forschung eingeführt.1 Leider wurde dieser Ansatz nicht weiterentwickel­t, was möglicherweise auch mit dem frühen Tod Greives zu tun hat.2 Auf klärungs­a rbeit über den Talmud zu leisten, entwickelte sich bereits im Mittelalter zu einem eigenständigen Topos des christlichen Antijudaismus. Weil nur wenige die heiligen Schriften der Juden im Original lesen konnte­n , bedurfte es sprachlich versierter Experten, die sie übersetzten und dem allgemeinen Publikum zugänglich machten. Oft hatten diese einen hebrais­ tischen, alttestamentlichen oder orientalistischen Hintergrund, wie das bei Johann Andreas Eisenmenger und August Rohling der Fall war. Sammlungen von Talmudzitaten stellten der christlichen Mehrheitsbevölkerung das „worst off“ des Judentums in einfacher und leicht memorierbar Form zur Verfügung. Im Kontext publizierter Auszüge aus dem Talmud bildete sich eine eigene Schriftgattung des „Judenspiegels“ heraus. Wie der Name sagt, konzen­ trierten sie sich auf besonders schlimme Talmudzitate, in denen sich der schlechte Charakter des jüdischen Volkes spiegelte. Durch ihre fachkundige Bearbeitung wurden sie der Unkenntnis entrissen und politisch gebrauchs­ fähig gemacht. Ohne antitalmudische Auf klärungsarbeit hätte der normalen Bevölkerung verborgen bleiben müssen, was sich hinter der dunklen Fassade der jüdischen Religion tatsächlich verbarg.

1   Greive, Hermann, Der „umgekehrte Talmud“ des völkischen Nationalismus, in: Judaica 23 (1967), 1–27 sowie Ders., Der Talmud. Zielscheibe und Ausgangspunkt antisemitischer Polemik, in: Günther B. Ginzel (Hg.), Antisemitismus, Bielefeld: Verl. Wiss. und Politik, 1991, 304–310. 2   Greive wurde am 28.1.1984 während einer Lehrveranstaltung von einer psychisch kran­ ken Archivangestellten angeschossen und starb am nächsten Tag.

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B. Kittels Annäherung an die NS-Ideologie So wie der völkische Nationalismus nach dem Ersten Weltkrieg kein Problem damit hatte, sich aus dem Arsenal der christlichen Judenfeindschaft zu bedienen, so wäre es auch mehr als merkwürdig gewesen, wenn sich die nationalsozialistische „Judenforschung“ nach 1933 nicht des Talmudthemas angenommen hätte. Kittel als einer ihrer führenden Repräsentanten machte sich dabei Positionen zu eigen, die vorher nur am rechten Rand der völkische­n Bewegung zu finden waren. 1920 hatte Alfred Rosenberg beispielsweise ein sechzigseitiges Pamphlet veröffentlicht, das sich aus kommentierten Talmudzitaten zusammensetzte. Er lobte wie einst der katholische Theologe Rohling ein Preisgeld dafür aus, falls ihm jemand auch nur ein falsches Talmudzitat nachweisen könnte. Im fünften Kapitel „Über Christus und die Nichtjuden“ verteidigte Rosenberg die hehre Persönlichkeit Christi, die schon immer eine Bastion gegen den Ansturm des Judentums gewesen sei.3 Die politischen Verhältnisse in der Weimarer Republik verhinderten es, dass ein primitiver Antitalmudismus à la Rosenberg seine völkische­n Randexistenz verlassen konnte. Kein vernünftiger Mensch wäre auf die Idee gekommen, einseitig zusammengetragene und noch einseitiger kom­ men­­tierte Zitate aus dem Talmud für akzeptabel zu halten. Und selbst zu Beginn des Dritten Reiches bestand in der Wissenschaft noch Konsens darüber, dass antitalmudische Invektiven dort nichts verloren hatten. Der Weimarer Anpassungsdruck führte auch bei Gerhard Kittel zu einer ver­ gleichsweise moderaten Einstellung der jüdischen Religion gegenüber. Am bemerkenswertesten ist in dieser Hinsicht sein Beitrag „Judentum und Christentum“, der 1926 im dritten Band des evangelischen Lexikons Die Religion in Geschichte und Gegenwart erschien. Das Christentum aus seinem jüdische­n Kontext herauslösen zu wollen, würde aus ihm eine ge­ schichtslose Erscheinung machen und es vom „Mutterboden seiner sittlichen Kraft“ ent­fernen.4 Trotzdem machte Kittel keinerlei Abstriche an der religiösen Über­ legenheit des Christentums. Das Judentum, wenn es Judentum bleiben wolle, werde dem christlichen Messias immer den Kampf ansagen müssen, denn „wo Jesu Vollmacht als Wirklichkeit und als Wahrheit anerkannt ist, 3   Rosenberg, Alfred, Unmoral im Talmud, München: Deutscher Volksverlag 1935, 27 (Erstauflage 1920). Zum Preisgeld: Noack, Hannelore, Unbelehrbar? Antijüdische Agitation mit entstellten Talmudzitaten. Antisemitische Aufwiegelung durch Verteufelung der Juden, Paderborn: University Press Paderborn 2001, 341. 4   Kittel, Gerhard, Judentum: III. Judentum und Christentum, in: Die Religion in Geschichte und Gegenwart, Bd. 3, 21926, Sp. 491–494, hier Sp. 493f. Siehe auch Oelschläger, Ulrich, Judentum und evangelische Theologie 1909–1965. Das Bild des im Spiegel der ersten drei Auflagen des Handwörterbuchs „Die Religion in Geschichte und Gegenwart“, Stuttgart: Kohlhammer 2005, 257–277.

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da hat das Judentum sein Ende gefunden.“5 Hätten die Juden, die sich lobend über Kittels RGG-Artikel äußerten, darüber nachgedacht, zu welchen Konse­quenzen dieser Satz führt, wenn man ihn zu Ende denkt, wäre ihre Urteil zurückhaltender ausgefallen. Denn ungeachtet aller Zugeständnisse bewegte sich Kittels Argumentation auf dem Boden einer kompromisslosen Substitutionstheologie, die dem Judentum nur zwei Möglichkeiten ließ: seine Existenz entweder durch die Bekehrung oder durch die verweigerte Bekehrung einzubüßen. Auch wenn Kittel mit seiner Einstellung aufseiten der Deutschnationalen stand, scheint er sich am Ende der Weimarer Republik politisch radi­ kalisiert zu haben. Ein Indiz dafür ist, dass er im Dezember 1930 eine Wahlkampfveranstaltung der Nationalsozialisten in Stuttgart besuchte. Walter Grundmann, sein Doktorand und Mitarbeiter am Theologischen Wörterbuch zum Neuen Testament, hatte ihn wohl dazu überredet. In seinen Lebenserinnerungen schrieb Grundmann später, dass ihn die Hitler-Rede in Stuttgart überzeugt hätte, sich in Tübingen der NSDAP anzuschließen. Glaubt man seinen Erinnerungen, hatte es ihm das judengegnerische Klima im Umfeld Kittels besonders angetan. Allerdings ging Grundmann dann ei­ gene Wege, die ihn zur radikalen Fraktion der Deutschen Christen führten. Was Kittel und Grundmann aber ungeachtet aller Unterschiede weiterhin einte, war der Antisemitismus in der Tradition Adolf Stoeckers. Kittels eigener Parteieintritt im Mai 1933 erfolgte hauptsächlich aus politischer Überzeugung, auch wenn ein opportunistischer Einschlag nicht übersehen werden kann. Ein wichtiger Grund für diesen Schritt be­ stand darin, dass Tübingen eine Hochburg der deutschgläubigen Neuheiden war. Deren Behauptung, Christentum sei Judentum für Nichtjuden, empörte ihn zutiefst und trieb ihn zum Beweis des Gegenteils an. Seine mehr­fach wiederholte Maxime, dass es keinen größeren Gegensatz als den zwischen der christlichen und jüdischen Religion geben könne, bil­ dete auch die Hauptaussage seiner antisemitischen Programmschrift Die Judenfrage, die Kittel bereits im Juni 1933 vorlegte. Innertheologisch knüpft­ e er mit seiner Fokussierung auf die „Judenfrage“ an Schlatters Kritik am Hellenismusparadigma der Religionsgeschichtlichen Schule an. Wie Schlatter nahm Kittel die Textgrundlagen der jüdischen Religion aus bibeltreuer Perspektive in den Blick, wobei er aber die nationalsozialistische Rassenlehre als Interpretationsschlüssel für sich zu entdecken begann. Die lange antisemitische Tradition der württembergischen Landes­ universität ließ Kittels Judenforschung in Tübingen auf einen besonders fruchtbaren Boden fallen. Juden als „nagendes Gewürm“ zu dämoni­ sieren, ging auf Graf Eberhard im Bart zurück, der seiner Universität die Judengegnerschaft als bleibendes Motto ins Stammbuch schrieb. In seiner   Kittel, Judentum, Sp. 494.

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Argumentation bezog sich Kittel ausdrücklich auf die Judenfeindschaft Martin Luthers, dessen Theologie großen Einfluss auf den nationalkonserva­ tiven Protestantismus in Tübingen hatte.

C. Rasse und Religion: Antitalmudismus reloaded Trotz der enormen Finanzmittel, die nach 1933 in den Ausbau der Rassen­ forschung gesteckt wurden, blieben alle Versuche, das Judentum mit Hilfe eines materiellen Distinktionskriteriums als rassische Größe zu er­ fassen, ohne Ergebnis. Nirgends versagte die Rassenklassifikation des Nationalsozialismus aber mehr als bei „Mischlingen“ und „Mischehen“. Es gelang nicht ansatzweise, im Blut oder bei anderen somatischen Merkmalen etwas zu finden, mit dem man Juden von Nichtjuden rassisch unterschei­ den konnte. Um die Rassenzugehörigkeit eines Menschen zu bestimmen, gab es nur eine Möglichkeit, den Rückgriff auf die Religion. Fand sich in den Kirchenbüchern der Eintrag „mosaischen Glaubens“, interpretierten ihn die deutschen Behörden als Rassenbeleg. Aber nicht nur bei den Juden, auch bei den „Ariern“ blieb die Zahl der Taufscheine bei den Eltern und Großeltern das einzig sichere Instrument, um den Prozentsatz an arischem oder jüdische­ m Blut zu bestimmen, das die Adern ihrer Nachkommen durchströmte. Auch der Ariernachweis bestand aus nichts anderem als ei­ nem umgeschriebenen Religionsverzeichnis. Kittel erkannte sofort, dass die klassifikatorischen Schwierigkeiten der Rassengesetze der Religion eine neue Bedeutung verliehen. Mit großem Geschick brachte er sein theologisches Fachwissen in Anschlag, um bei einer für den NS-Staat zentralen ideologischen Frage als maßgeblicher Experte in Erscheinung treten zu können. In seiner wissenschaftlichen Arbeit konzen­ trierte er sich nun fast vollständig darauf, einen Zusammenhang zwischen der Rasse und Religion des Judentums herzustellen und für diesen Zweck die heiligen Schriften der Juden nach Belegen zu durchforsten. Wie konnten sich die Neuheiden anmaßen, auf einem Gebiet Urteile zu fällen, von dem sie nicht die geringste Ahnung hatten? Ohne des Hebräischen oder irgend­ einer anderen Quellensprache mächtig zu sein, warfen sie die schriftliche Überlieferung von Juden und Christen in den gleichen Topf und benutzten den zusammengerührten Brei für ihre antichristlichen Ausfälle. Kittel griff die Möglichkeit, das Christentum mit Hilfe antisemitischer Argumente zu verteidigen, dankbar auf. Er konnte etwas für Theologie und Kirche tun und gleichzeitig als Kenner der Materie glänzen.

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1. Antitalmudismus in der Forschungsabteilung Judenfrage Eine halbstaatliche Einrichtung wie die im November 1936 eröffnete Forschungs­abteilung Judenfrage des Reichinstituts für Geschichte des neu­ en Deutschland hatte ganz andere Möglichkeiten als ein Universitätsinstitut, um die politische Seite des „Judenproblems“ in den Blick zu nehmen. Ihre Aufgabe bestand einerseits in der ideologischen Legitimierung der national­ sozialistische Judenpolitik. Auf der anderen Seite erwartete man von ihr auch, dass sie bei konkreten Aufgaben fachliche Hilfestellung leisten würde. Ohne diese Zielvorgabe hätte die Forschungsabteilung Judenfrage keine Daseinsberechtigung gehabt. Kittel war der angesehenste Wissenschaftler der Forschungs­abteilung, in vielem die treibende Kraft und ihr Spiritus Rector. Er nahm an al­ len Arbeitstagungen teil und steuerte grundlegende Beiträge zu ihrem Publikationsorgan, den Forschungen zur Judenfrage bei.6 Für deren ersten Band schrieb er einen programmatischen Artikel über „Die Entstehung des Judentums und die Entstehung der Judenfrage“, der auf seinen bei der Eröffnungstagung gehaltenen Vortrag zurückging. Ursache der „Judenfrage“ sei eine spezifisch jüdische Mentalität, die im normativen Schrifttum des Judentums begründet liege. Der Tübinger Neutestamentler ließ in konventioneller Manier die Schuld der Juden mit der Kreuzigung Jesu beginnen. Doch die entscheidende Zuspitzung habe das „Judenproblem“ in der Neuzeit durch den Glaubensabfall der Juden erfahren. Der vorher religiös gehemmte Hass auf die Christen verwandelte sich in offene Feindschaft, als die sittliche Bindung durch den religiösen Glauben verloren ging: Der echte orthodoxe Talmudjude im Ghetto wird oftmals hasserfüllt die Faust ballen und die Hände gen Himmel erheben und Rachegebete über die Ungläubigen rufen; aber er ist nicht der eigentliche Träger der Volkszersetzung. Wo jedoch diese Hemmung fällt, wo dieses talmudische Denken sich ins Säkulare umsetzt, wo die Auf klärung ein athe­ istisches Judentum entstehen lässt, das keine Tora mehr hat und deshalb auch keinen Herrn der Tora, da brennt die Judenfrage lichterloh, weil da alle jene Faktoren, die sie ausmachen, der letzten Hemmung entnommen sind.7   Kittel, Gerhard, Die Entstehung des Judentums und die Entstehung der Judenfrage, in: Forschungen zur Judenfrage 1, Hamburg: Hanseatische Verlags-Anstalt 1937, 43–63; Ders., Das Konnubium mit Nicht-Juden im antiken Judentum, in: Forschungen zur Judenfrage 2, Hamburg: Hanseatische Verlags-Anstalt 1937, 30–62; Ders., Die Abstammung der Mutter des Origenes, in: Forschungen zur Judenfrage 3, Hamburg: Hanseatische Verlags-Anstalt 1938, 235–36; Ders., Die ältesten jüdischen Bilder, Forschungen zur Judenfrage 4, Hamburg: Hanseatische Verlags-Anstalt 1940, 237–249; Ders., Die Ausbreitung des Judentums bis zum Beginn des Mittelalters Teil 1, in: Forschungen zur Judenfrage 5, Hamburg: Hanseatische Verlags-Anstalt 1941, 290–310; Ders., Die Ausbreitung des Judentums bis zum Beginn des Mittelalters Teil 2, in: Forschungen zur Judenfrage 9, Hamburg: Hanseatische Verlags-Anstalt 1944, 159–220; Ders./Eugen Fischer, Das antike Weltjudentum. Tatsachen, Texte, Bilder, Forschungen zur Judenfrage 8, Hamburg: Hanseatische Verlags-Anstalt 1943. 7   Kittel, Entstehung, 61. 6

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Seinen für die künftige Arbeit der Forschungsabteilung richtungsweisende­n Vortrag benutzte Kittel dazu, um vor der versammelten Prominenz aus Politik und Gesellschaft die Leistung des christliche Abendlandes bei der Judenabwehr ins rechte Licht zu rücken. Die Kirchen seien von jeher die „schärfsten Gegner des Judentums und der ernsthafteste Wächter ge­ gen seine Übergriffe“ gewesen. Nicht umsonst habe er schon 1933 darauf hingewiesen, „dass es in der Welt keine unversöhnlicheren Gegner gab und gibt als echtes Judentum und echtes Christentum“.8 Sich der Juden zu erwehren, sei keine Barbarei und willkürliche Brutalität, wie von den Feinden des Dritten Reiches behauptet werde, sondern eine geschichtliche Notwendigkeit. Deutschland sei unter der Führung Adolf Hitlers zum ersten Land der Welt geworden, das „in radikalem Entschluss“ die Judenfrage in einer grundsätzlich neuen Weise in Angriff genommen habe.9 Zum eigentlichen Talmudspezialisten in der Forschungsabteilung Juden­ frage wurde jedoch Karl Georg Kuhn (1906–1976), einer von Kittels eng­ sten Mitarbeiter beim Theologischen Wörterbuch zum Neuen Testament, den er 1936 als Leiter des „Talmudreferats“ in München unterbrachte. Der von der NS-Presse hoch gelobte Kuhn bot an der Eberhard-KarlsUniversität bis 1945 Lehrveranstaltungen zum Talmud an. 1942 wurde er in Tübingen zum außerplanmäßigen Professor für das Studium der Judenfrage, gewissermaßen zum ersten „Antisemitismusprofessor“ des Dritten Reiches ernannt. Außerdem setzte Kittel durch, dass sein Assistent Günter Schlichting am 1. Juli 1937 in München die Leitung der neu geschaf­ fenen Forschungsbibliothek zur „Judenfrage“ übernahm. Schlichting war vorher mit Korrekturaufgaben am Theologischen Wörterbuch befasst gewe­ sen. In seiner Doktorarbeit behandelte er den Mischnatraktat Pea, in dem es um die jüdische Armenfürsorge geht. Die Vorstellung des umgekehrten Talmud kam darin insofern zum Tragen, als Schlichting dem jüdischen Volk eine – dem christlichen Universalismus diametral entgegengesetzte – partikulare Bereichsethik unterstellte, die Fremdvölkische grundsätzlich als Menschen zweiter Klasse behandeln würde.10 Dass er in Tübingen die Seminarbibliothek der Evangelisch-theologischen Fakultät geleitet und vor­ her schon die Bibliothek des Danziger Konsistoriums betreut hatte, qualifi­ zierte ihn in besonderer Weise für seine neue Aufgabe in München, zumal er bereits 1920 im Alter von 19 Jahren in die NSDAP eingetreten war. Nach der Promotion bei Kittel kehrte der in Sopot geborene Schlichting zunächst nach Danzig zurück, wo er als Vikar arbeitete und die zweite theo­ logische Dienstprüfung ablegte. Auf Veranlassung seines Mentors wurde er unmittelbar danach für wissenschaftliche Arbeiten am Toseftatraktat Berakot vom kirchlichen Dienst freigestellt. Außerdem sollte Schlichting nach   A.a.O., 62; Kittel bezog sich auf Ders., Die Judenfrage, Stuttgart: Kohlhammer 1933, 61.   Kittel, Entstehung, 63. 10   Schlichting, Günter, Der Toseftatraktat Pea, Diss. Tübingen 1936, 123. 8 9

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München kommen, um die Bibliothek der Forschungsabteilung Judenfrage aufzubauen. Deren Bestand belief sich im Mai 1937 auf nur 300 Bücher. In einem internen Bericht konnte Schlichting am 2. September 1939 jedoch be­ reits vermelden, dass es gelungen sei, die Bibliothek bis zum Sommer 1939 auf 10.000 Bände zu vergrößern.11 Ein Jahr später war sie auf 20.000 Bände angewachsen, Dubletten nicht eingerechnet.12 Die Nichteinrechnung der Dubletten ist bereits ein Hinweis darauf, dass der Aufwuchs der Bibliothek nicht auf herkömmliche Weise erfolgte, denn niemand würde Bücher kaufen, die er bereits besitzt. Tatsächlich gewannen sog. Sicherstellungen und die Übernahme von Bibliotheken aus jüdischem Vorbesitz eine immer größere Bedeutung für den Bestandsauf bau. Nach Kriegsbeginn trat der Bücherraub in eine neue Dimension ein. Schlichting, der seine Bibliothek ein Werkzeug im Kampf gegen das Judentum nannte, wollte sie zur größten europäischen Bibliothek auf dem Gebiet der Judenfrage ausbauen.13 Schlichtings besonderes Sammelinteresse galt der jüdischen Rechts­literatur. In diesem Zusammenhang hatte er eine spezielle „Abteilung Talmudjudentum“ eingerichtet, in der im Laufe der Zeit wahre Preziosen Eingang fanden: Dazu gehören frühe Drucke und wissenschaftliche Ausgaben beider Talmude, auch der außerkanonischen Talmudtraktate, ferner Mischna, Tosefta, Midraschim, Targumim. Dazu gehören die mittelalterlichen und neueren Kompendien, wie Maimonides‘ Jad Hazaka, Aschers Arba Turim, Karo-Isserles‘ Schulchan Aruch (hier ist auch der noch unzensierte Erstdruck, Venedig 1565 vorhanden), aber auch die Responsen einfluss­ reicher Rabbiner, die oft von weittragender politischer Bedeutung waren. Das Hauptwerk der Kabbala, der Sohar, ist im Erstdruck (Mantua 1558) vorhanden. Ebenso wurde die für die neuere Entwicklung des Ostjudentums, für Chassidismus und Haskala, für die Frankisten, die Karäer und besonders für die Pogrome einschlägige Literatur, meist in neuhebräischer und jüdischer Sprache gesammelt. Besonderes Augenmerk musste auf den Kampf um das Talmudjudentum gelegt werden.14

Woher kamen alle diese Bücher? Auch wenn sich das in Anbetracht der Quellen­lage nicht genau bestimmen lässt, stammten große Teile der Münchner „Forschungsbibliothek“ aus aufgelösten Bibliotheken jüdische­r Privatpersonen, in zunehmendem Umfang auch aus ehemaligen Talmud­ schulen und zerstörten Synagogen. In Österreich waren beispielsweise die jüdischen Gemeinden in den burgenländischen Orten Frauensee, Kittsee und Lackenbach von Plünderungen im großen Stil betroffen, die der Bibliothek in München zugute kamen. Leider ist es bislang nicht gelungen,   Schlichting, Günter, Die Münchner Bibliothek zur Judenfrage, in: Bundesarchiv Berlin, R 4901, 2595, fol. 63–68, hier fol. 65. 12   So Schlichting, Günter, Eine Fachbibliothek zur Judenfrage. Die Münchner Bibliothek des Reichsinstituts für Geschichte des neuen Deutschlands, in: Historische Zeitschrift 162 (1940), 567–573, hier 569. 13   Schlichting, Fachbibliothek, 567 und 571. 14   Schlichting, Fachbibliothek, 571f. Schlichtings Aufzählung war damit bei weitem nicht erschöpft. 11

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den Bestand von Schlichtings Bibliothek zu erfassen. Die von ihm geführten Akzessionslisten wurden vernichtet oder sind verschollen. Hinweise aus anderen Archivbeständen lassen aber erahnen, in welchem Ausmaß seine Bibliothek aus Raubgut bestand. Sven Kuttner schätzt, dass von den zum Schluss ca. 35.000 Büchern mehr als 27.000 „über Beschlagnahmeaktionen oder antiquarischen Kauf“ Eingang in die Bibliothek fanden.15 Schlichting selbst sah sich nach dem Krieg einem Gerichtsverfahren ausgesetzt, weil er bei einem jüdischen Antiquar in Amsterdam auf zweifelhaftem Wege einen Nachdruck der mittelalterlichen Schmähschrift Toledot Jeschu in seinen Besitz gebracht hatte.16 Mit einem dubiosen Vorwort versehen publizierte er sie 1982 als Band 24 der von Martin Hengel und Otfried Hofius herausgege­ benen „Wissenschaftlichen Untersuchungen zum Neuen Testament“.17 Dass Kittel nichts über den Bücherraub und die Zusammensetzung der von Schlichting geleiteten Bibliothek wusste, kann ausgeschlossen werden. Auch Karl Georg Kuhn beteiligte sich aktiv an der „Sicherstellung“ jüdische­r Kulturgüter. Im Mai 1940 fuhr er im Auftrag der Forschungsabteilung Judenfrage nach Warschau, um dort im Ghetto Kultgegenstände und anderes Material der jüdischen Gemeinde für eine Übernahme zu inspizieren.18 2. Die Münchner Ausstellung „Der ewige Jude“ Die am 8. November 1937 im Deutschen Museum in München eröffnete Ausstellung „Der ewige Jude“ zog in wenigen Wochen mehrere hundert­ tausend Zuschauer an. Sie wurde später in Wien, Berlin und anderen deutschen Städten gezeigt und war mit 1,3 Millionen Besuchern die erfolg­ reichste Propagandaausstellung der NS-Zeit. Die beiden ersten von insgesamt zwanzig Sälen zeigten die anthropologisch-rassische und die weltanschau­ lich-geistige Seite der „Judenfrage“. Rasse und Religion der Juden bildeten in Saal eins und zwei eine synthetische Einheit, die mit Hilfe der gängi­gen Klischees als äußerlich-biologische und innerlich-religiöse Dimension des Judentums dargestellt wurde. Im zweiten, dem Religionssaal, hatte man auf einer Länge von etwa vierzig Metern eine Schauwand aufgebaut, deren große und zum Teil überdimensionierte Bilder die Ausstellungsbesucher suggestiv in ihren Bann zogen. Wie man auf den beiden nachstehenden Fotos sehen kann, 15   Kuttner, Sven, Braune Erblast. Erfahrungen mit geraubtem jüdischen Buchbesitz in der Biblio­thek des Historicums der Universitätsbibliothek München, in: AKMB-news 11/2 (2005), 13–18, hier 14. 16  S. Junginger, Horst, Die Verwissenschaftlichung der „Judenfrage“ im Nationalsozialismus, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2011, 409, allgemein zu Schlichting: 245–252. 17   Schlichting, Günter, Ein jüdisches Leben. Die verschollene Toledot-Jeschu-Fassung Tam ū-mūʿād, Tübingen: Mohr Siebeck 1982. 18   Junginger, Verwissenschaftlichung, 199f.

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folgten sie in großer Ergriffenheit und mit vor Staunen geöffnetem Mund der Schlechtigkeit des jüdischen Volkes, die sie auf den Plakatwänden zu sehen bekamen.19

  Die Fotos stammen aus dem Stadtarchiv München und tragen die Signatur DE-1992-FSNS-00266 und DE-1992-FS-NS-00106. 19

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Eingeleitet wurde der zweite Saal mit dem auch von Kittel oft gebrauchten Standardsatz, dass die Judenfrage so alt sei wie die jüdische Geschichte. Die Juden waren demnach selbst die Ursache dafür, dass andere Probleme mit ihnen hatten. Dass sich von Anfang an Widerstand gegen den „ewig­ en Juden“ regte, basierte deshalb nicht auf Vorurteilen übelwollender Menschen, sondern lag in der Natur des jüdischen Volkes begründet. Dass der Kampf gegen die Juden früher von Staat und Kirche gemeinsam getra­ gen wurde, konkretisierte die Plakatwand links von der Säule. Auf ihr wird Papst Innozenz III. zitiert, der auf dem vierten Laterankonzil 1215 erneu­ ert habe, „was früher schon die Synode von Toledo wohlweislich festsetzte, nämlich das Verbot, dass Juden öffentliche Ämter bekleiden dürfen, weil sie nämlich unter diesem Deckmantel den Christen sich am allergefährlichsten erweisen“.20 Auf einer satinierten Glasscheibe wurde gleich am Anfang die Filmsequenz einer rituellen Schlachtung gezeigt, die wegen ihrer Brutalität bei den Besuchern empörte Unmutsbekundungen und Rufe des Abscheus auslösten.21 Die Empörung über das Gruselkabinett der jüdischen Niedertracht wurde im Religionssaal mit Hilfe pseudoobjektiver Beweisstücke rationalisiert, wofür man vor allem auf die Heiligen Schriften der Juden zurückgriff, die „in Gestalt von Thora, Schulchan Aruch und Talmud Gegenstand herabsetzender und beleidigender Interpretation“ wurden.22 Diese Quellendokumente hatten eine hohe Authentizität und vermittelten die Gewissheit, dass es nicht um Propaganda und anachronistische Ressentiments ging, sondern um die ob­ jektive Darstellung historischer Tatsachen. Den Kultgegenständen in den Schau­v itrinen waren Bild- und Schriftdokumente zur Seite gestellt worden, die den moralische Tiefstand des jüdischen Volkes anhand einschlägiger Originalzeugnisse „belegten“. Nach dem Besucherbericht des amerika­ nischen Konsuls Roy Bower erfuhr man aus ihnen, dass im Wertekanon der Juden Hunde höher als Nichtjuden stehen und Nichtjüdinnen grundsätzlich für Huren gehalten würden.23 20   Das Zitat findet sich in der Bildmitte des Plakats und ist bei einer größeren Bildauflösung und auch auf einem anderen Foto (DE-1992-FS-NS-01605) gut zu lesen. Rechts daneben sieht man den Judenfeind „Dr. Martin Luther“. Die Abbildungen können unter der angegebenen Signatur im Onlinekatalog des Stadtarchivs eingesehen und vergrößert werden. 21   Siehe dazu Burgstaller, Rosemarie, „Der Ewige Jude (Ausstellung), 1937“ auf www. historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Der_Ewige_Jude_(Ausstellung,_1937), 7, 30.7.2020. Der ausgezeichnete Artikel Burgstallers geht auf ihre Wiener Dissertation zurück, deren Publikation für Ende 2021 angekündigt ist: Burgstaller, Rosemarie, Inszenierung des Hasses. Feindbildausstellungen im Nationalsozialismus, Frankfurt am Main: Campus. 22   Benz, Wolfgang, „Der ewige Jude“ (Propaganda-Ausstellung), in: Ders. (Hg.), Handbuch des Antisemitismus, Bd. 4, Berlin: De Gruyter 2011, 114–117, hier 115. 23  Vgl. Benz, Wolfgang, „Der ewige Jude“. Metaphern und Methoden nationalso­ zialistischer Propaganda, Berlin: Metropol 2010, 89. Das Zitat entstammt der detaillierten Ausstellungsbeschreibung des amerikanischen Konsuls Roy Bower (88–96), die Benz in den

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Ein anderes Plakat gab mit der großbuchstabigen Bildunterschrift „Gottes­ lästerung ist erlaubt“ Verse aus dem Mischnatraktat „Sanhedrin“ und dem zweiten Abschnitt des Schulchan Aruch „Jore Dea“ wieder. Demnach sei der Religionsspott innerhalb des Judentums grundsätzlich verboten, bei Nichtjuden aber grundsätzlich erlaubt. 24 Das nachstehend zu sehende Plakat ging ausführlich auf die Esthergeschichte des Alten Testaments ein. Das Purimfest der Juden sei in Wirklichkeit eine Freudenfeier über 75.000 getötete Nichtjuden. Rechts unten wird eine „Anordnung“ aus dem Schulchan Aruch („Orach Chajim“ 690, 16) zitiert, dass Juden aus diesem Anlass zu sagen hätten: „Verflucht seien alle Gojim (Nichtjuden), gesegnet seien alle Juden.“ 25

„Was die Juden aus dem Alten Testament herauslesen“, entspricht ihrem pervertierten Sittlichkeitsempfinden, bei dem sich die Moral der Bibel in ihr Gegenteil verkehrt. Kittels eigene Deutung der Esthergeschichte deckte sich exakt mit diesem Plakat. Generell weist die Darstellung des Talmudjudentums im Religionssaal der Ausstellung frappierende Parallelen zu sonstigen Äußerungen Kittels auf. Besonders bei den in München ver­ Akten des State Departments im Washingtoner Nationalarchiv entdeckt hatte. 24   Benz, „Der ewige Jude“, 101 (DE-1992-FS-NS-02368). 25   Stadtarchiv München, Foto DE-1992-FS-NS-01596.

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wendeten Talmudzitaten ist die wissenschaftliche Expertise unübersehbar, mit der sie ausgewählt und kommentiert wurden. Ohne intime Kenntnis der jüdischen Literatur wäre das nicht möglich gewesen. Allein schon diese formalen und inhaltlichen Überlappungen legen den Schluss auf eine Mit­ wirkung des Tübinger Neutestamentlers an der Ausstellung nahe. Kittel sagte aber auch selbst, dass er an der Ausstellung „Der ewige Jude“ mitgewirkt und ihr „geeignete Sprüche aus Talmud und spätantiker Literatur“ zur Verfügung gestellt habe. Im Kontext einer anderen antisemitischen Ausstellung, die zweieinhalb Jahre später im Naturhistorischen Museum in Wien unter dem Titel „Das körperliche und seelische Erscheinungsbild der Juden“ gezeigt wurde, hatte man ihn um Mithilfe gebeten, die er bereitwillig zusagte. Kittel schrieb dem Ausstellungsmacher Josef Wastl (1892–1968), es sei nun schon das dritte Mal, dass er in dieser Weise daran mitwirke, mög­ lichst viele Volksgenossen über die „Judenfrage“ aufzuklären.26 Er werde auch für Wien „geeignete Wandsprüche über die Juden aus der antiken Literatur“ zusammen­stellen, „wie ich das schon für die Ausstellung ,Der Ewige Jude‘ und ,Deutschlands Schicksalskampf im Osten‘ getan habe“.27 Unter den Materialien, die Kittel im Februar 1939 nach Wien schickte, befan­den sich 92 Fotos, von denen zwölf die Esthergeschichte betrafen. 1932 hatte man in einer in Dura Europos am Euphrat ausgegrabenen Synagoge Wandmalereien dazu entdeckt, die eine hervorragend erhaltene Qualität aufwiesen. Auf die im trockenen Wüstenklima ausgezeichnet erhaltenen Wand­bemalung griff Kittel mehrfach zurück, um die Purimgesinnung der Juden mit neuestem Beweismaterial zu unterfüttern. Er riet Wastl, den Esthertext anhand eines bestimmten Durabildes mit den drei Hauptpersonen des Geschehens „in geschickter Weise zeichnerisch zu verwenden“, um die Überzeugungskraft der Aussage zu erhöhen: „[I]ch finde, dass daran der Welt­herrschaftsanspruch des Judentums sehr gut anschaulich wird. Das Bild ist noch sehr unbekannt; es ist vor wenigen Jahren von den Amerikanern aus­ gegraben worden.“ 28 Von einem gewöhnlichen NS-Propagandisten konnte man schwerlich erwarten, die neueste archäologische Forschungsliteratur zu kennen. Seinem Schreiben an Wastl legte Kittel außerdem noch „einige von mir gesammelte altkirchliche Synodalbeschlüsse bei“, um hinzuzufügen, dass er besonders die Canones über die Mischehen für bedeutsam hielt, da sie  Gerhard Kittel an Josef Wastl am 7.2.1939. Der zitierte Briefwechsel befindet sich im Naturhistorischen Museum Wien, Anthropologische Abteilung, Korrespondenz 1939. Siehe dazu auch Junginger, Verwissenschaftlichung, 272–275. 27  Gerhard Kittel an Karl Georg Kuhn am 24.1.1939, Naturhistorischen Museum Wien, Anthropologische Abteilung, Korrespondenz 1939. 28  Gerhard Kittel an Josef Wastl am 18.2.1939, Naturhistorischen Museum Wien, Anthropo­ logische Abteilung, Korrespondenz 1939. Der Wikipedia-Artikel „Synagoge von Dura Europos“ enthält ein Farbfoto dieses Bildes. 26

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gerad­e in Wien „als altkirchliches Gegenstück zu den Nürnberger Gesetzen“ dienen könnten.29 Kittels Fotos, für die er von Wastl 200 Reichsmark erstattet bekam, wurden in Wien dankbar aufgenommen. Auch sein Vorschlag, ein Album mit 60 charakteristischen Judenfotos aus seinem Besitz auszulegen, wurde aufgegriffen. Überdies hatte Kittel im Rheinischen Landesmuseum in Trier vermeintlich antijüdische Terrakottafiguren entdeckt, die aus dem 3.–4. Jahrhundert stammten und die ihm besonders gut geeignet erschienen, um den sich im germanischen Teil des römischen Reiches formierenden Widerstand gegen den „ewigen Juden“ zu belegen. Genau die gleichen „Juden-Terrakotten“, die in München und Wien ausgestellt wurden, behandelte er in mehreren Aufsätzen, auch in einem Buch, das er zusammen mit dem Rassenhygieniker Eugen Fischer, einem Kollegen in der Forschungsabteilung Judenfrage, publizierte.30 Die im römerzeitlichen Trier angefertigten Judenkarikaturen ließen nach Kittels Ansicht das jüdische Rassengemisch in Reinform erken­ nen. Nicht ohne Grund sei der jüdische Menschenschlag überall im antiken Europa kritisiert und lächerlich gemacht worden. Unter Hinzunahme von römerzeitlichen Phallusdarstellungen aus dem Rhei­n i­schen Landes­museum schloss Kittel auf eine ausschweifende Sexuali­tät der Juden, die notwendigerweise den Abscheu der Nichtjuden erregen musste. „Krummnasigkeit und phallischer Charakter“ des jüdi­ schen Rassentypus hätten sich in einer in diesem Ausmaß sonst nicht vorzufindenden Weise überschnitten. Es sei kein Zufall, dass sich in den Judenkarikaturen der instinkthafte Widerstand gegen „den wollüstigen Juden“ und „die sich ihm hingebende schamlose Frau“ geregt hätte. Kittel hielt es nicht für übertrieben, in den Trierer Juden-Terrakotten „die älteste Verspottung der Rassenschande“ zu sehen, für die historische Zeugnisse vorlägen.31 Dem fügte er ein weiteres Mal sein Lob auf die Kirche hinzu, die wusste, warum sie christlich-jüdische Mischehen verbot und sexuelle

29  Gerhard Kittel an Josef Wastl am 18.2.1939. Obwohl man es nicht eindeutig sehen kann, scheint Kittels Aufstellung auf der Schautafel links von der Säule (DE-1992-FS-NS-00106) abgebildet zu sein. Rechts daneben das zitierte Verbot des vierten Laterankonzils, wonach Juden in einem christlichen Land keine öffentlichen Ämter bekleiden dürfen. Das Problem der „Rassenmischung“ und die Verhinderung von „Mischehen“ war in München ein zentrales Thema. 30   Kittel, Gerhard, Staatsbürgertum ohne völkische Verpflichtung bedeutet nationalen Untergang und soziales Chaos. Das Beispiel der jüdischen Zersetzung des Ersten Römischen Imperiums, in: Der Schulungsbrief, 6. Folge, 1939, 239–246 (mit beigefügtem Bildteil); Ders., Die Rassenmischung des Judentums in ihren geschichtlichen Voraussetzungen, in: Kosmos. Handweiser für Naturfreunde, 1939, 152–156; Ders., Die ältesten Judenkarikaturen. Die „Trierer Terrakotten“, in: Forschungen zur Judenfrage 4, Hamburg: Hanseatische VerlagsAnstalt 1940, 250–290; Ders./Fischer, Weltjudentum, 177–185. 31   Kittel, Judenkarikaturen, 257f.

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Beziehungen zwischen Juden und Nichtjüdinnen unter Strafe stellte.32 In der national­sozialistischen Presse wurde viel über die Trierer Terrakottajuden berichtet und ihre psychologische Wirkung auf das Publikum hervorgeho­ ben. Den Ausstellungsbesucher erwarteten in München bereits im Eingangs­ bereich die „Judenfratzen“ aus Trier. Sie würden sich, wie der Völkische Beobachter schrieb, einem wie ein Alp auf die Brust legen.33 Der Kopf eines hässlich grinsenden Juden, der auch bei Kittel hoch im Kurs stand, hatte dem Völkischen Beobachter im Juli 1937 als großformatiger Auf hänger eines Vorabberichts gedient.34 Kittel, der bei der Münchner Propagandaschau „Der ewige Jude“ offen­ sichtlich die Funktion eines wissenschaftlichen Beraters innehatte, trat im darauffolgenden Jahr auf dem Reichsparteitag Großdeutschland – an dem er als Ehrengast des Führers teilnahm – selbst als Ausstellungsmacher in Erscheinung. Die von Alfred Rosenberg am 6. September 1938 eröffnete Ausstellung „Europas Schicksalskampf im Osten“ enthielt einen Raum, den Kittel gestaltet hatte. In ihm war auch jene Judenfratze zu sehen, die der Völkischen Beobachter in seinem Vorabbericht abgedruckt hatte. Bei der Parteitagsausstellung in Nürnberg ging es Kittel darum, die Ausbreitung des antiken Weltjudentums als Ursache für den Untergang des Römischen Reichs darzustellen. Zu diesem Zweck hatte er einen seiner Tübinger Studenten ei­ gens eine Wandkarte über „Die Verbreitung des Judentums in der römischen Kaiserzeit“ anfertigen lassen. Für den Begleitband der Ausstellung schrieb er außerdem einen erläuternden Artikel, in dem Fotos von einem Teil der gezeigten Gegenstände zum Abdruck kamen.35 Dem politischen Kontext eines NSDAP-Parteitages gemäß hatte dieser Beitrag Kittels ein stark ideologisches Gepräge. Das Überlegenheitsdenken der Juden sei schon immer maßlos gewesen. Sie hätten bereits das Imperium Romanum zum Einsturz gebracht und stünden bis heute in der vordersten Reihe der Zersetzungsmächte. Im Purimfest erblickte Kittel das empörend­ ste Beispiel des jüdischen Herrschaftsanspruchs. Mit Verweis auf die 75.000 getötete Perser prangerte er ein weiteres Mal die Purimgesinnung der Juden an, die sich vor Freude über die Ermordung ihrer Feinde sinnlos betrinken würden. Dabei wiederholte er exakt die gleiche Stelle aus dem „Orach Chajim“, die in der Münchner Ausstellung „Der ewige Jude“ zum Einsatz gekommen war: „Man muss am Purimfest sagen: Verflucht seien alle Nichtjuden!“36   Kittel, Judenkarikaturen, 258f.   Symbol des Unheils, Völkischer Beobachter, 16.1.1938. 34   Gesicht des Juden vor 1700 Jahren – Die ältesten Judenplastiken auf der Ausstellung „Der ewige Jude“ in München, Völkischer Beobachter, 30.10.1937. 35   Kittel, Gerhard, Einbruch des Orients – Untergang des Imperium Romanum, in: Hans Hagemeyer/Georg Leibbrandt (Hg.), Europa und der Osten, München: Hoheneichen-Verlag 2 1943, 63–77 (Erstauflage 1939), seine Wandkarte: 73, die Trierer Judenköpfe, 77. 36   a.a.O., 64, siehe weiter oben das Foto DE-1992-FS-NS-00106. 32 33

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Um die Münchner Ausstellung „Der ewige Jude“ von fachwissenschaft­ liche­r Seite zu untermauern, hatte die Forschungsabteilung Judenfrage eine Vor­t rags­reihe durchgeführt, bei der Kittel am 16. Dezember 1937 über „Die rassische Entwicklung des antiken Judentums“ und Karl Georg Kuhn am 11. Januar 1938 über den „Talmud als Spiegel des Judentums“ referierten. Die Presse berichtete ausführlich über die Vorträge und stellte beson­ders deren wissenschaftlichen Charakter in den Vordergrund. Kittel sei bei seinen Ausführungen auf die scharfen Ehegesetze der frühen christlichen Regenten eingegangen, die schon im Mittelalter der verhängnisvollen Rassenmischung zwischen Juden und Christen entgegengewirkt hätten.37 3. Der Antitalmudismus im Krieg Wie bereits angesprochen eröffneten sich nach der Besetzung Polens neue Möglichkeiten, um das „Talmudjudentum“ direkt vor Ort in Augenschein zu nehmen. Im unmittelbaren Anschluss an die Einnahme von Łódź begann das Propagandaministerium, die Ausstellung „Der ewige Jude“ in einen „historischen Dokumentarfilm“ gleichen Titels überzuführen. Er sollte den zivilisatorischen Tiefstand des Ostjudentums zeigen, das selbst heute noch so leben würde wie im Mittelalter. Mit der Fokussierung auf den jüdischen „Untermenschen“ enthielt der Film eine deutliche Verschärfung vergli­ chen mit der Vorkriegsausstellung. Eine besonders hohe Authentizität hat­ ten die Aufnahmen, die bei einem orthodoxen Gottesdienst in der Großen Synagoge von Łódź gedreht wurden. Die Filmemacher mussten sich dabei beeilen, denn wenig später wurde die Synagoge in der Nacht vom 10. auf den 11. November 1939 – d.h. an Luthers Geburtstag – niedergebrannt. „Was lehrt nun das uralte Gesetz des Talmud?“ wird im Film von einer düster theatralischen Stimme gefragt, die selbst darauf antwortet „Fünf Dinge hat Kanaan seinen Söhnen empfohlen. Liebet einander, liebet den Raub, liebet die Ausschweifung, hasst Eure Herren und redet nie die Wahrheit.“38 In der Passage davor war eine Purimfeier in Warschau gezeigt worden, bei der polnische Juden die Abschlachtung von 75.000 antisemitischen Persern als „Rachefest“ feiern. Außerdem zeigte der Film den Unterricht in einer Talmud-Schule, bei dem die Juden im uralten Gesetz ihrer Rasse erzoge­n würden. Die Rabbiner seien alles andere als friedliche Gottesgelehrte, sondern politische Erzieher und Meister der Verstellungskunst. Der „ein­ zelne Ghettojude“ braucht ihre wahren Absichten weder im Detail zu ken­ nen noch zu verstehen. „Es genügt, wenn er von Jugend auf mit ihrem

37  Das Judentum der Antike. Seine rassische Entwicklung, in: Münchner Neueste Nachrichten, 11.12.1937, 1. 38   Der ewige Jude, NS-Propagandafilm (Erstaufführung November 1940), Regie: Fritz Hippler, Drehbuch: Eberhard Taubert, Filmsequenz 48:50.

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Geist erfüllt wird.“39 Ausgewählte Zitate aus dem „Orach Chajim“ und dem Mischna-Traktat „Chagiga“ dienten auch im Film dazu, die Niedertracht der Juden auf ihre heiligen Schriften zurückzuführen. Das Judentum sei keine Religion, wie es in der berühmten Abschlusspassage heißt, sondern „die Verschwörung einer krankhaft hinterlistigen, vergifteten Rasse gegen die Gesundheit der arischen Völker und ihr moralisches Gesetz“.40 Auch wenn man sich bei einem renommierten Hochschullehrer wie Gerhard Kittel schwer damit tut, muss man sich klarmachen, dass er in den 1940er Jahren auf diesem Niveau der nationalsozialistischen Propaganda, ja der Aufstachelung zum Judenhass anlangte. Zwei auf dem Höhepunkt des Krieges geschriebene Artikel über „Das talmudische Denken und das Judentum“ und „Die Behandlung des Nichtjuden nach dem Talmud“ sind in dieser Hinsicht besonders aufschlussreich. Mit einer Fülle an Belegstellen aus dem Talmud erklärte Kittel die jüdischen Religionsgesetze zur Ursache für den moralische Abgrund des Judentums. Der Hass der Juden auf die Nichtjuden reicht jetzt in Kittels Fantasie bis „zur vollen Freiheit der Tötung“.41 Im Talmud stünden die Nichtjuden (Gojim) außerhalb des „nor­ malen, des eigentlichen Menschentums“, sie würden als „Unrat“ betrachtet. Im Jargon der Herrenrasse unterstellte Kittel den Juden, sie behandelten die Acherim, die Anderen, als „Untermenschen“. Der Nichtjude ist für den Juden ein „Nicht-Mensch“, deswegen kann er mit ihm machen, was er will.42 In ihrer grenzenlosen Hybris würden die Juden glauben, Gott selbst hätte sie dazu autorisiert, ihren weltlichen Herrschaftsanspruch mit allen Mitteln durchzusetzen. Man müsse sich den Zusammenhang zwischen dem jüdische­n Aus­e rwähltheitsdenken auf der einen und der Herabwürdigung al­ ler Nicht­juden auf der anderen Seite bewusstmachen, um die bis zum Mord reichende Unmoral der Juden zu erkennen. Für den Talmud sei der Nichtjude „kein Mensch im eigentlichen Sinn, im Sinn der Schöpfung Gottes. Er ist lediglich ein Etwas.“43 Im Sog des Antitalmudismus wurden die Juden aus Kittels Sicht immer brutaler. Je mehr sich der Judenmord seinem Höhepunkt näherte, umso moralloser erschienen sie ihm. Kittel verwies jetzt darauf, dass im zweiten nachchristlichen Jahrhundert eine Viertelmillion Nichtjuden von den Juden in Nordafrika niedergemetzelt wurden. Das war das Vierfache der von den Juden in der Esthergeschichte Getöteten: „Irgendein Problem von Recht   Filmsequenz 45:00–48:50.   Ebd., 54:10; s. dazu auch Hornshøj-Møller, Stig, „Der ewige Jude“. Quellenkritische Analyse eines antisemitischen Propagandafilms, Göttingen: Institut für den wissenschaftlichen Film 1995, 158f. und 167. 41   Kittel, Gerhard, Die Behandlung des Nichtjuden nach dem Talmud, in: Archiv für Judenfragen, 1943, 7–17, hier 7. 42   Kittel, Behandlung, 10. 43   Kittel, Behandlung, 11. 39

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oder Unrecht des politischen Mordes am Nichtjuden existiert für das tal­ mudische Denken nicht.“44 Im Vorstellungsvermögen Kittels wurde der jü­ dische Hass maßlos, er kannte keine Grenzen mehr. Durch die spezifische Verbindung ihrer religiösen und rassischen Wesensart seien die Juden zum „abstruses­ten Volk“ geworden, „das die Weltgeschichte je hervorbrachte“. Einen Menschen wie ein Stück Vieh umzubringen, werde vom Talmud „aus­ drücklich und grundsätzlich als straffrei erklärt“.45 Unabhängig von indivi­ duellen Eigenschaften oder der Stellung zur Religion sind für Kittel grund­ sätzlich alle Juden Träger der talmudischen Denkungsart: Ob der Einzeljude in einer orthodoxen talmudischen Familie aufwächst, oder ob er als freier Assimilations- und Zivilisationsjude längst allen Ghetto- und Talmudgeruch ab­ gestreift zu haben meint: so wie sein Blut dasselbe bleibt, so bleibt auch sein Denken dasselbe.46

Die zwei genannten Artikel Kittels erschienen in der Zeitschrift der Anti­ semitischen Aktion des Propagandaministeriums, die ab 1937 Mitteilungen zur Judenfrage, ab 1940 Die Judenfrage und seit 1943 Archiv für Juden­ fragen hieß. Schon 1934 hatte Goebbels in seinem Ministerium ein Institut zum Studium der Judenfrage einrichten lassen, das von dem ehemaligen Feld­d ivisionspfarrer Wilhelm Ziegler (1891–1962) geleitet und 1939 in Anti­ semitische Aktion umbenannt wurde. Ziegler und Kittel kannten sich zum einen vom Sachverständigenbeirat der Forschungsabteilung Judenfrage her. Zum andern war Ziegler als Judenreferent des Propagandaministeriums auch bei der Vortragsreihe beteiligt gewesen, die parallel zur Ausstellung „Der ewige Jude“ stattfand. 1941 wurde Kittel um ein judenwissenschaftliche­s Fachgutachten im Zusammenhang des von Goebbels geplanten Schau­ prozesses gegen Herschel Grynszpan (1921–ca. 1942) gebeten. Am 8. Dezember 1941 fuhr Kittel deshalb nach Berlin, wo er am Abend im gelben Saal des Kaiserhofs vor der Antisemitischen Aktion einen Vortrag über „Die Äußerungen der normativen religiösen Schriften des Judentums über die Stellung der Juden zum Nichtjuden“ hielt. Nach einem Arbeitsfrühstück mit hochrangigen Ministeriumsmitarbeitern suchte Kittel Grynszpan am näch­ sten Tag im Gefängnis in Moabit auf, um ihn eingehend zu befragen. Dabei wurde er vom ersten Staatsanwalt des Volksgerichtshofs begleitet.47 Noch   Kittel, Behandlung, 17. Kittel bezog sich dabei auf die Überlieferung Cassius Dios (Römische Geschichte, 68.32) der von einem jüdischen Aufstand in der Kyrenaika berichtete. 45   Kittel, Gerhard, Das talmudische Denken und das Judentum, in: Die Judenfrage, 1.10.1942, 208f., hier 209. 46   Kittel, Das talmudische Denken, 208. 47   Junginger, Verwissenschaftlichung, 287–294 (zu Wilhelm Ziegler: 186, 222, 229 und 257f.). Kittels Gutachten ist als Abschrift vom 31.12.1941 in zwei Durchschlägen überliefert, die sich im Centre de Documentation Juive Contemporain in Paris und in den Beständen des Propagandaministeriums im Bundesarchiv Berlin (Bundesarchiv R 55/628) befinden. Jetzt abgedruckt in: Gailus, Manfred/Vollnhals, Clemens (Hg.), Christlicher Antisemitismus im 44

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im gleichen Monat reichte er sein großenteils auf diesem Verhör basierendes Gutachten ein. Kittel war die Vorgabe gemacht worden, Grynszpans Attentat als Beginn eines jüdischen Angriffskrieges gegen Deutschland zu werten. Dieser Logik ordnete er sein ganzes Gutachten unter. Das Deutsche Reich habe jedes Recht, sich gegen die Attacken des Weltjudentums zu verteidigen. Die Existenz des Judentums sei „wesenhaft parasitär“ und beruhe darauf, andere auszusaugen und sich dienstbar zu machen. Würde man sich nicht mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln gegen den jüdischen Parasiten zur Wehr setzen, wäre der sichere Tod die Folge: Das Wesen des Parasiten ist: 1. dass er seine Existenz immer nur als Gast eines Anderen hat; 2. dass unter seinen Aspekten die Existenz dieses Anderen ihren Sinn und Zweck nicht in sich selbst hat, sondern allein darin, von ihm, dem Parasiten, ausgesogen zu werden und seiner, der Parasiten, Existenz dienstbar zu sein; 3. dass jener andere, wenn keine Gegenmaßnahmen erfolgen, unweigerlich an ihm zu Grunde gehen muss; 4. dass dies alles dem Parasiten als ein Gesetz der Natur bzw. der göttlichen Vorsehung er­ scheint. Das ist die talmudische Stellung des Juden zum Nichtjuden.48

Da Grynszpan alles andere als ein frommer Jude war, bereitete es Kittel gewisse Schwierigkeiten, das Attentat in Paris mit dem Talmud in Zusammen­ hang zu bringen und auf die unmoralischen Gesetze der jüdischen Religion zurückzuführen. Mit Hilfe der Rassenidee gelang es ihm dann aber doch, diese Schlussfolgerung zu ziehen. Bei einem nichtreligiösen Juden sei die talmudische Mentalität sogar noch viel gefährlicher als bei einem religiösen, weil ihm der moralische Rückhalt des Glaubens fehle. Es sei davon auszuge­ hen, dass der 1933 zwölf und 1938 siebzehn Jahre alte Grynszpan nicht nur an den Purimfeiern seiner Familie teilnahm, sondern dass dabei auch die Erinnerung an die Vernichtung der Judenfeinde auf „Adolf Hitler und seine Herrschaft“ bezogen wurde.49 Natürlich sei nicht jede Ostjudenfamilie „eine Familie von aktivistischen Mördern, d.h.: von Menschen, die bei jeder Gelegenheit ihre nichtjüdischen Mitmenschen totzuschlagen suchen. So einfach liegen die Dinge nicht.“ Der Durchschnittsjude sei dazu im Allgemeinen nicht nur zu feige. Er sei auch dazu erzogen, auf die negativen Konsequenzen Rücksicht zu nehmen, die ein solches Tun für die Judenschaft hätte. Doch wenn sich die Gojim aus ihrer Judenhörigkeit zu lösen beginnen und die Juden in ihre Schranken weisen, „wie es der nationalsozialistische Staat seit 1933 tut“, dann bricht sich bei ihnen die Purimgesinnung „mit absoluter Notwendigkeit“ Bahn.50 Deswegen musste gerade bei einem der Religion entfremdeten Juden wie 20. Jahrhundert. Der Tübinger Theologe und „Judenforscher“ Gerhard Kittel (Berichte und Studien des HAIT 79), Göttingen: V&R unipress 2020, 185–194. 48   Kittel, Gutachten, 3. 49   Kittel, Gutachten, 6. 50   Kittel, Gutachten, 7.

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Grynszpan der unter der Oberfläche glühende Hass auf die Nichtjuden zur Explosion kommen. Kittel mutmaßte, dass Grynszpan in Paris Kontakte zu Freidenkern und Kommunisten hatte und schlussfolgerte daraus, „dass un­ ter diesen Pariser Juden derjenige, bei dem der Funke zündet und die Tat ausgelöst wird, ein mit eben dieser uralten und gemein jüdischen Mentalität geladener junger Talmudjude ist“. Sein Auftragsgutachten endete mit dem Ergebnis, dass Grynszpans Tat als „Fanal für das gottgewollte Purim über die Judenfeinde“ zu werten sei.51 Was seine Beurteilung des Judentums betraf, war sich Kittel absolut si­ cher, dass er nicht lediglich antijüdische Klischees reproduzierte, sondern auf historische Tatsachen Bezug nahm, die klar zutage treten müssten, wenn man den Schleier ihrer ideologischen Überformung wegziehen würde. Den ultimativen Beweis für die Richtigkeit seiner Auffassung entdeckte Kittel im Talmud selbst. Denn dort werde der von der Judenforschung aus der Außenperspektive erarbeitete Befund von der jüdischen Innenperspektive her bestätigt. Im Talmud stehe affirmativ zu lesen, was die wissenschaft­ liche Auf klärung am Judentum kritisch negiere. In einem nichtpubli­ zierten Artikel stellte Kittel detailreiche Überlegungen an, wie sich der Auf klärungsansatz der nationalsozialistischen Judenforschung auf den akademischen Bereich übertragen ließ.52 Sein Aufsatz trug den Titel „Die Stellung der Judaistik im Rahmen der Gesamtwissenschaft“ und zielte dar­ auf ab, die prekäre Situation der Theologie mit Hilfe des neuen und politisch so erfolgreichen Paradigmas der Judenforschung zu verbessern. Kittel argu­ mentierte über die historisch-kritische Methode der Bibelwissenschaft, die auf die Erforschung der jüdischen Quellenschriften anzuwenden sei. Das Theologische Wörterbuch zum Neuen Testament und die Rabbinischen Texte bildeten hierfür die Grundlage, auf der die neue, an der nationalsozia­ listischen Rassenlehre ausgerichtete Judaistik auf bauen würde. Kittels Aufsatz blieb unveröffentlicht und ist nur deswegen überliefert, weil er ihn am 11. Oktober 1942 dem Dekan der Philosophischen Fakultät der Universität Wien, Viktor Christian (1885–1963), zuschickte, der mit ihm seinen Antrag zur Schaffung einer judenkundlichen Professur für Karl Georg Kuhn untermauerte. Christian griff Kittels Darlegung dank­ bar auf und schickte sie fünf Tage später zusammen mit seinem Gesuch an das Reichserziehungsministerium nach Berlin. Die Einrichtung einer solchen Lehrkanzel werde eine wichtigen Beitrag für den deutschen Sieg im Weltkrieg leisten. Letzten Endes sei der momentane Krieg „nur der   Kittel, Gutachten, 10.   Der sechzehnseitige Artikel findet sich in den Akten der Philosophischen Fakultät der Universität Wien (Universitätsarchiv Wien Phil. Fak Dekanat 734-1941/42). Siehe dazu auch Rupnow, Dirk, „Kittels Wiener Konzept einer ‚Judaistik‘“, in: Ders., Judenforschung im Dritten Reich. Wissenschaft zwischen Politik, Propaganda und Ideologie, Baden-Baden: Nomos 2011, 327–330. 51

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mit Waffen ausgetragene Kampf gegen das Judentum“. Man werde ihn umso erfolgreicher führen, je genauer man seinen Gegner kenne.53 An der philo­sophischen Fakultät in Wien, wo Kittel am 28. Dezember 1940 einen antisemitischen Lehrauftrag für „Ältere Geschichte des Judentums und der Judenfrage“ übernommen hatte, seien die Bedingungen für eine universitäre Judenforschung besonders gut und Kuhn als herausragen­ der Talmudspezialist der am besten geeignete Kandidat. Zu den günstigen Voraussetzungen für die neue Professur rechnete Christian auch den großen Bestand an sicher­gestellten Büchern aus Synagogen des Burgenlands und Wiens, über die man verfüge. Für diese gebrauchte er das Wort „Leihgabe“. Die Studienbibliothek eines Oberrabbiners sei dem orientalischen Institut insgesamt „überlassen“ worden.54 Kittels antitalmudische Logik spitzte sich während des Krieges auf ein absolutes „Entweder-Oder“ zu. Zwar basierte sein theologischer Ansatz auch früher schon auf dem metaphysischen Gegensatz zwischen Judentum und Christentum. Doch der Antagonismus zwischen den beiden Religionen nahm jetzt den Charakter einer finalen Auseinandersetzung auf Leben und Tod an. In einem an der Universität Wien am 23. März 1943 vor annähern­d tausend Zuhörern gehaltenen Vortrag nannte er das Jesuswort aus dem Johannesevangelium „Euer Vater ist der Teufel“ keine „gelegentliche, zufäl­ lige, sondern eine neutestamentliche Grundaussage“. Wie die christliche Religion den jüdischen Heilsexklusivismus verwerfen musste, so stellt sie auch den Zusammenhang von Heils- und Unheilsgeschichte richtig: „Sie setzt an die Stelle des vermeintlichen Privilegs den Fluch“.55 Daran schloss Kittel eine Aufzählung der antijüdischen Maßnahmen der alten Kirche an, mit der er den Erfolg des Christentums bei der Überwindung seiner Vorgängerreligion anhand der einschlägigen Gesetze exemplifizierte. Am wichtigsten hielt Kittel das Mischehenverbot und den Ausschluss der Juden von allen öffentlichen Berufen.56 Allerdings sei die Kirche im Laufe der Zeit ihrem eigenen Anspruch nicht mehr gerecht und ihres Wächteramtes untreu geworden. Unter dem  Viktor Christian an das Reichserziehungsministerium am 16.10.1942, Archiv der Universität Wien, Dekanat der philosophischen Fakultät, 1129. 54  Ebd. In einem früheren Schreiben hatte Christian noch die 3000 Bände umfassende Fachbibliothek des Wiener Talmudarchäologen Samuel Krauss in Anschlag gebracht. Diese war Krauss während des Judenpogroms in Wien geraubt worden. Die Israelitisch-Theologische Lehranstalt (ITLA), in der Krauss unterrichtete, wurde am 10.11.1938 – d.h. an Luthers Geburtstag – in Brand gesteckt. Am 4.12.2014 restituierte die Berliner Staatsbibliothek 13 Bücher und die Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin am 15.11.2020 ein Buch mit Bibliotheksstempel der ITLA. Möglicherweise befinden sich auch noch in anderen Bibliotheken Bücher dieser Provenienz. 55   Kittels Vortrag wurde noch im gleichen Jahr veröffentlicht: Kittel, Gerhard, Die Entstehung des Judentums, in: Die Welt als Geschichte, H. 1/3 (1943), 68–82, die Zitate 79. 56   Kittel, Entstehung, 81f. 53

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Einfluss der neuzeitlichen Auf klärung habe sie begonnen, sich ihres Antijudaismus zu schämen, ihn sogar zu verleugnen. Als sie die „undisku­ tierte Selbstverständlichkeit der Ghettolösung“ aufgab, konnte es nicht ausbleiben, dass sich die metaphysische in eine politische Judenfrage ver­ wandelte. Ein salzlos gewordenes Christentum habe seine Widerstandskraft verloren mit der Konsequenz, dass die Juden im Gefolge der Emanzipation und Assimilation die deutsche Gesellschaft nach und nach von innen her zersetzten. Doch im Frühjahr 1943 hatte Kittels Narrativ ihr positives Ende und den optimistischen Ausblick eingebüßt. Von einem deutschen Sieg über das Weltjudentum konnte nicht mehr die Rede sein. Unter dem nieder­ schmetternden Eindruck der sich abzeichnenden Niederlage trat in seiner Geschichtstheologie Fatalismus an die Stelle der alten Siegeszuversicht. Die „ebenso verführerischen wie unchristlichen Maximen von der liberté und égalité“ hätten das christliche Abendland zwar dazu verleitet die Tür des Ghettos aufzubrechen, doch nicht zum versprochen Paradies geführt, ganz im Gegenteil: In Wirklichkeit war es eine Tür der Dämonen; in Wirklichkeit führte sie nicht in ein paradiesisches Tal, sondern in ein Tal des Chaos und des Fluches und des Grauens. Darf es den wundernehmen, der die Geschichte als Lehrmeisterin weiß und ehrt, wenn dort, wo in einem furchtbaren Ringen der Ausgang aus dem Tal erkämpft wird, alles Grauen sich sammelt und alle Dämonen wüten?57

Der Holocaust, der in Kittels Ausführungen anklingt, ist somit nicht dem Dritten Reich anzulasten. Er hat nichts mit der nationalsozialistischen Judenforschung und noch weniger mit dem von ihm an führender Stelle vertretenen Antisemitismus zu tun. Säkularismus, Auf klärung und die Französische Revolution seien schuld. So abstrus Kittels Argumentation auch sein mag, den Judenmord auf Religionslosigkeit und den Abfall vom Glauben zurückzuführen, ist ein Erklärungsmodell, das in der öffentlichen Debatte der letzten Jahre an Bedeutung gewonnen hat.

D. Religiöse Vorurteile im Wandel der Zeit Als Professor für Neues Testament an der Universität Greifswald veröffent­ lichte Kittel 1925 einen langen Zeitschriftenartikel über „Die Bergpredigt und die Ethik des Judentums“, in dem er das Urchristentum mit dem Spätjudentum verglich, um beim letzteren einen ethischen Niedergang fest­ zustellen, der die „lebendige sittliche Religion des alten Prophetismus“ zum 57   Kittel, Entstehung, 82. Kittel sagte nach dem Krieg, er habe Anfang 1943 erstmals von seinem auf Urlaub weilenden Sohn von den Massenmorden im Osten erfahren. Ob die Datierung stimmt, sei dahingestellt. Jedenfalls hatte Kittel Kenntnis vom Holocaust, als er den Vortrag in Wien hielt. Siehe dazu auch Junginger, Verwissenschaftlichung, 309f.

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„sophistisch-moralistischen Talmudgelehrtentum vertrocknen ließ.58 Er wolle das Judentum nicht abwerten, müsse aber konstatieren, dass die Höhepunkte an echtem Sittlichkeitsempfinden im Talmud Ausnahmeerscheinungen seien und in keiner Weise an die Moralität heranreichen würden, die der christ­ liche Messias in die Welt brachte. Der schroffe Gegensatz seines religions­ geschichtlichen Vergleichs habe nichts mit Bosheit oder Intoleranz zu tun, sondern ergebe sich mit innerer Notwendigkeit aus der Sache selbst. Weil Jesus mit seiner religiösen Überzeugung gleichzeitig an das Judentum anknüpfte und es überwand, musste er diesem zwangsläufig zum Ärgernis werden. Durch die Transformation des jüdischen Erbguts wurde daraus „die neue Religion, die nicht mehr Judentum ist, sondern Christusreligion“. Der heilsgeschichtliche Antagonismus beider Religionen sei unvermeidlich, solange die Vorgängerreligion des Christentums an ihrem alten Glauben festhalte: „Wo Judentum Judentum bleiben will, muss es dem Anspruch Jesu Kampf ansagen bis zum Letzten.“59 Man sieht hier, wie die christliche Apologetik den Ausgangspunkt von Kittels antijüdischer Theologie bildet. Der Nationalsozialismus und die Rassenlehre lagen in dieser Zeit außer­ halb seiner Vorstellungswelt. Stattdessen suchte Kittel die Höherwertigkeit des Christentums auf dem Weg eines objektiven Religionsvergleichs nach­ zuweisen. Erst später begründete er die Superiorität des eigenen Glaubens mithilfe einer „wissenschaftlichen“ Rassentypologie. Nach 1933 die christliche Substitutionstheologie mit rassischen Argu­ menten zu objektivieren, lag für einen nationalsozialistischen Theologen wie Kittel in jeder Hinsicht nahe. Allen, die in einer kritischen Distanz zu den dogmatischen Glaubenslehren der Kirche standen, konnte auf diese Weise klargemacht werden, dass der Kampf gegen das Judentum auf objek­ tiven Voraussetzungen und einer anthropologischen Grundlage fußte, die mit mittelalterlichen Vorurteilen einer vergangene Zeit rein gar nichts zu tun hatten. Kittel zögerte keine Sekunde, um sich und sein theologisches Fachwissen auf dem Gebiet der „Judenfrage“ ins Spiel zu bringen. Er konnte dem Staat dabei nicht nur bei seinem wichtigsten ideologischen Problem Schützenhilfe leisten. Auch die fortdauernde Relevanz von Theologie und Kirche erfuhr dadurch eine eindrucksvolle Bestätigung trotz aller gegen­ läufigen Tendenzen. Immer und immer wieder betonte Kittel, dass allein der christliche Antijudaismus das Ausbreiten des jüdischen Geistes von der Antike bis zur Gegenwart verhindert habe. Der Gedanke einer Lösung des „Judenproblems“ ohne Kenntnis seiner religiösen Voraussetzungen sei vollkommen illusorisch. Um ihm auf den Grund gehen und es tatsächlich an seinen Wurzeln packen zu können, sei die intensive Beschäftigung mit den heiligen Schriften der Juden unerlässlich. Nicht von ungefähr erklärte Kittel 58   Kittel, Gerhard, Die Bergpredigt und die Ethik des Judentums, in: Zeitschrift für sys­ tematische Theologie, H. 2 (1925), 555–594, hier 557. 59   Kittel, Die Bergpredigt, 588f.

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den Talmud zum weltanschaulichen Grundlagentext des Judentums, in dem der Schlüssel für die Lösung der „Judenfrage“ zu finden sei. Je besser es ihm gelang, mit diesem Ansatz politisch durchzudringen, desto wichtiger wurde der Rückgriff auf sein Expertenwissen durch NS-Institutionen aller Couleur. Kittels antisemitische Veröffentlichungen zeigen deutlich, wie er die Judenpolitik des Dritten Reiches auf allen Stufen ihrer Realisierung ideo­ logisch begleitete. Seine Einstellung wurde zunehmend radikaler, um in den vierziger Jahren das Niveau einer mittelalterlichen Dämonologie zu erreichen.60 Auch im Dritten Reich bildete der Antitalmudismus den ent­ scheidenden Hebel, um aus antisemitischen Vorurteilen antisemitisches Verhalten zu machen. Der antitalmudische Spiegelungsmechanismus recht­ fertigte alle Arten der Gegenwehr und führte am Ende den Gedanken der legitimen Selbstverteidigung bis zur existenziellen Auseinandersetzung mit einer satanische Macht. Die Vorstellung, dass gegenüber den Juden humani­ täre Rücksichtnahmen fehl am Platze, ja sogar selbstmörderisch seien, fand Kittel in gespiegelter Form bereits im Talmud vor. Mit dem den Juden unter­ stellten Massenmord erreichte der Antitalmudismus während des Holocaust seine finale Stufe. Dem harten Urteil des Wiener Hebraisten Fritz Werner über die national­ sozialistische Judenforschung ist deswegen uneingeschränkt zuzustim­ men. In seiner bei Kurt Schubert (1923–2007) in Wien geschriebenen Dissertation hatte sich Werner intensiv mit den Beiträgen Kittels und Kuhns für die Schriftenreihe der Forschungsabteilung Judenfrage befasst. Gerade diese beiden Gelehrten hätten unter Preisgabe aller Standards der wissenschaftlichen Arbeit den Versuch unternommen, die antijüdischen Vorurteile des Dritten Reiches mit pseudowissenschaftlichen Argumenten zu untermauern. Werner kam zu dem Schluss, dass viele der Ausführungen diese­r Spätjudentumsforscher erheiternd wirken würden, „hätten sie nicht die ‚wissenschaftliche‘ und selbst ‚theologische Rechtfertigung‘ für einen millionen­fachen Mord geliefert“.61 Seine Einschätzung gründete allein in den publizierten Texten der Forschungen zur Judenfrage. Nimmt man archi­ varische und andere Quellen hinzu, ist der Befund noch wesentlich klarer und erschreckender. 60  Die Parallelen zwischen Kittels Beschreibung jüdischer „Monstrositäten“ und dem Sprachgebrauch der mittelalterlichen Judenfeindschaft sind frappierend. S. Patschovsky, Alexander, „Der Talmudjude“. Vom mittelalterlichen Ursprung eines neuzeitlichen Themas, in: Alfred Haverkamp und Franz-Josef Ziwes (Hg.), Juden in der christlichen Umwelt während des späten Mittelalters, Berlin: Duncker und Humblot 1992, 13–27. 61   Werner, Fritz, Das Judentumsbild der Spätjudentumsforschung im Dritten Reich. Dargestellt anhand der „Forschungen zur Judenfrage“ Bd. I–VIII, in: Kairos 12 (1971), 161– 194, hier 194. Werner wurde 1981 in Wien habilitiert und 2000 zum Professor für Hebräische Philologie ernannt.

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Gerhard Kittel und die NS-Judenforschung Dirk Rupnow A. Einleitung Parallel zur antijüdischen Politik der Nationalsozialisten, die im systema­ tischen Massenmord gipfelte, wurde im „Dritten Reich“ die sogenannte „Erforschung der Judenfrage“ bzw. „Judenforschung“ mit einer Reihe von Instituten, Veröffentlichungsorganen und regelmäßigen Veranstaltungen sowie nicht zuletzt mit einer distinkten Bezeichnung als ein eigenstän­ diges Forschungsfeld über traditionelle Fachgrenzen hinweg etabliert: die von nichtjüdischen Wissenschaftlern betriebene Beschäftigung mit der Geschichte des Judentums und der sogenannten „Judenfrage“ aus ex­ plizit antisemitischer Perspektive. In der NS-Judenforschung wurde der Antisemitismus zum erkenntnisleitenden Prinzip erhoben, die jeweils be­ reits antisemitisch konstruierte „Judenfrage“ zum Ausgangspunkt des wis­ senschaftlichen Interesses und Fokus der Forschungstätigkeit.1 „Judenforschung“ ist keineswegs mit naturwissenschaftlich grundier­ ter Rassenkunde oder Anthropologie identisch, wenn auch rassenkund­ liche oder anthropologische Arbeiten zum Judentum in ihrem Rahmen stattfanden und enge Verbindungen zu Rasseanthropologie und -biologie bestanden. Vielmehr arbeiteten unter dieser Überschrift Historiker, Theo­ logen, Philosophen, Literaturwissenschaftler und Juristen neben- und fallweise auch miteinander an Fragestellungen der Politik-, Sozial- und Rechtsgeschichte, der Religions-, Literatur- und Geistesgeschichte. Jenseits der Rassenkunde stellt sie vermutlich den markantesten Schnittpunkt von Wissenschaft und antisemitischer Propaganda sowie nationalsozialistische­r 1   Zur NS-Judenforschung allgemein vgl. Rupnow, Dirk, Antijüdische Wissenschaft im ,Dritten Reich‘. Wege, Probleme und Perspektiven der Forschung, in: Simon Dubnow Institute Yearbook 5 (2006), 539–598, sowie die weiteren dortigen Beiträge; Rupnow, Dirk, Judenforschung im Dritten Reich. Wissenschaft zwischen Politik, Propaganda und Ideologie (Historische Grundlagen der Moderne), Baden-Baden: Nomos 2011; Steinweis, Alan E., Studying the Jew. Scholarly Antisemitism in Nazi Germany, Cambridge, MA: Harvard University Press 2006. Vgl. auch die klassische Arbeit von Weinreich, Max, Hitler’s Professors. The Part of Scholarship in Germany’s Crimes against the Jewish People, New Haven: Yale University Press 21999. In diesem Zusammenhang auch relevant: Junginger, Horst, Die Verwissenschaftlichung der „Judenfrage“ im Nationalsozialismus, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2011.

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Ideologie und antijüdischer Politik in ihrer Praxis von der Ausgrenzung über die Vertreibung bis zum Massenmord dar. Entgegen der Tradition der deutschen Wissenschaft, vor wie nach dem Zweiten Weltkrieg, Themen (deutsch-)jüdischer Geschichte auszublenden, wurden diese damit während der NS-Zeit durchaus für erforschungswürdig gehalten.

B. Nachgeschichte und Debatten Neben Historikern und Sozialwissenschaftlern waren es vor allem protes­ tantische Theologen, die das Feld der NS-Judenforschung bestimmten. Die entscheidende Herausforderung für die protestantische Theologie nach 1945 ergab sich dabei aus zwei besonderen Fällen: Zum einen war es der Tübinger Neutestamentler Gerhard Kittel (1888–1948), der sich nach 1933 dem NSRegime selbst als theologischer Experte für die „Judenfrage“ empfohlen hatte, zum anderen das 1939 in Eisenach gegründete „Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben“, das unter dem nationalkirchlichen Einfluss der „Deutschen Christen“ stand. Dass die institutionalisierten Aktivitäten zur „Entjudung“ des Neuen Testaments durch den Direktor des Eisenacher Instituts und Professor an der Universität Jena, den Theologen Walter Grundmann (1906–1976), eng mit theologischen Traditionen verknüpft sind und noch Kontinuitäten in die Nachkriegszeit aufweisen, scheint mittlerweile unumstritten.2 Grundmann war ein Schüler Kittels, er wurde nach dem Krieg aus dem Universitätsdienst entlassen und leitete das neu gegründete Katechetische Seminar in Eisenach. Sehr viel schwieriger ist jedoch die Bewertung des Verhaltens Gerhard Kittels, des Begründers des „Theologischen Wörterbuchs zum Neuen Testament“. 2  Vgl. Heschel, Susannah, Nazifying Christian Theology. Walter Grundmann and the Institute for the Study and Eradication of Jewish Influence on German Church Life, in: Church History 63/4 (1994), 587–695; Heschel, Susannah, Deutsche Theologen für Hitler. Walter Grundmann und das Eisenacher „Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben“, in: Jahrbuch des Fritz Bauer Instituts 3 (1998), 147–167; Heschel, Susannah, The Theological Faculty at the University of Jena as a Stronghold of National Socialism, in: Uwe Hoßfeld/Jürgen John/Rüdiger Stutz (Hg.), Kämpferische Wissenschaft. Studien zur Universität Jena im Nationalsozialismus, Köln/Weimar: Böhlau 2003, 452–470. Dazu auch Heschel, Susannah, The Aryan Jesus. Christian Theologians and the Bible in Nazi Germany, Princeton: Princeton University Press 2008. Von Bedeutung sind außerdem die Beiträge von Klaus-Peter Adam, Susannah Heschel und Birgit Jerke, in: SiegeleWenschkewitz, Leonore (Hg.), Christlicher Antijudaismus und Antisemitismus. Theologische und kirchliche Programme Deutscher Christen (Arnoldshainer Texte 85), Frankfurt am Main: Haag + Herchen 1994, sowie die Beiträge von Susannah Heschel, Wolfgang Schenk und Peter von der Osten-Sacken in: Osten-Sacken, Peter (Hg.), Das mißbrauchte Evangelium. Studien zu Theologie und Praxis der Thüringer Deutschen Christen (Studien zu Kirche und Israel 20), Berlin: Institut Kirche und Judentum 2002.

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Immerhin profilierte sich Kittel vor 1933 vor allem durch die Betonung der Bedeutung rabbinischer Literatur für das Verständnis der christlichen Überlieferung, wovon er auch während des „Dritten Reichs“ nicht ab­ wich, sodass er eine Art Gegenposition zum Eisenacher Institut vertrat. Allerdings schlug mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten seine ursprünglich tendenziell positive Analyse des Judentums um in Antisemitismus und die Forderung nach antijüdischen Maßnahmen. Die wissenschaftliche Befähigung und Bedeutung Kittels kann trotz alledem nicht geleugnet werden. Dennoch gehen die Einschätzungen auseinander, ob Kittel mit seinem Verhalten im NS-Staat als typischer Vertreter seines Faches oder als ein Außenseiter verstanden werden muss. Der amerikanische Archäologe und Orientalist William Foxwell Albright (1891–1971) fällte verhältnismäßig früh ein sehr deutliches und scharfes, insgesamt aber wohl durchaus angemessenes Urteil über Kittels Versagen als Wissenschaftler und Theologe: Entgegen seiner Nachkriegsdarstellung sei es tatsächlich Kittels Intention gewesen „to whip up hatred against the Jews in Germany to the last terrible orgasm“.3 Im Gegensatz zu Albright ver­ sucht der Historiker Robert P. Ericksen Kittel als Christen und Theologen ernst zu nehmen und vor diesem Hintergrund sein Verhalten während des „Dritten Reiches“ zu erklären. Er endete seine quellengesättigte und nu­ ancierte Studie zurückhaltender, mit einem Hinweis auf den historischen Kontext: „Kittel should not be condemned. The situation he faced was extre­ me­ly difficult, and the world in which he lived conditioned his response. But hopefully we can recognize that his response was tragically misguided and learn something from it.“4 Wie Albright verwirft aber auch Ericksen Kittels Behauptung nach 1945, er habe Hitler und den Nationalsozialismus mißverstanden, und führt Kittels offensichtliche Zustimmung zum National­sozialismus bis zum Kriegsende vielmehr auf ein antimodernisti­ sches Ressentiment zurück, sodass er im Nationalsozialismus einen wirk­ lichen Bündnispartner für das Christentum zu finden glaubte.5 Die deut­ sche Kirchenhistorikerin Leonore Siegele-Wenschkewitz (1944–1999) nahm Kittels Selbstverteidigung insofern ernst, als sie annahm, dass er Hitler falsch eingeschätzt habe und seine antijüdische Einstellung erst aus 3   Albright, William Foxwell, Gerhard Kittel and the Jewish Question in Antiquity, in: Ders., History, Archaeology, and Christian Humanism, New York/Toronto/London: McGrawHill 1964, 229–240, 240. 4   Ericksen, Robert P., Theologian in the Third Reich. The Case of Gerhard Kittel, in: Journal of Contemporary History 12/3 (1977), 595–622, 616. 5   Vgl. auch die weitere Ausführung und Differenzierung seiner Einschätzung in Ericksen, Robert P., Zur Auseinandersetzung mit und um Gerhard Kittels Antisemitismus, in: Evangelische Theologie 43 (1983), 250–270, sowie ausführlich Ericksen, Robert P., Theologians under Hitler. Gerhard Kittel, Paul Althaus and Emanuel Hirsch, New Haven/ London: Yale University Press 1985, 1–27 (zur Wahrnehmung der Modernisierung am Beginn des 20. Jahrhunderts als Krise und Gefahr), 28–77 (zum Fall Gerhard Kittel).

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den politischen Verhältnissen des Jahres 1933 resultierte.6 Sie liest seine offen antisemitische Schrift „Die Judenfrage“ von 1933, in der er einen Sonder- bzw. Gaststatus für Juden in Deutschland forderte, skurrilerweise als den Versuch einer Vermittlung zwischen Christentum, Judentum und Nationalsozialismus, ohne dass es am Ende einem der Betroffenen gerecht geworden wäre. An anderer Stelle sprach Siegele-Wenschkewitz sogar vom „Konzept eines solidarischen Mittelkurses“.7 Ein solches konnte wohl kaum möglich sein. Zudem sind die Rollen hier wohl eindeutiger verteilt und auch benennbar. Nur weil Kittels Position nicht vollständig in einer eindeutigen Parteinahme aufging und tatsächliche eine Art von „Vermittlung“ – wenn auch zwischen offensichtlich unvermittelbaren Dingen – versuchte, hat das noch nichts mit Solidarität zu tun. Kittels Argument, vor allem gegenüber den sogenannten „Judenchristen“, scheint vor allem dem modernen „dif­ ferenzialistischen“ Neo-Rassismus vergleichbar, der mit seinem vorgeb­ lich toleranten Ethnopluralismus allerdings keinesfalls von „klassischen“ Rassismen unterschieden ist. Ein anderer Schüler Kittels, Karl Georg Kuhn (1906–1976), wurde während­dessen weitaus weniger in den Blick genommen.8 Dabei war er es, der an den Universitäten des „Dritten Reichs“ als „einer der wenigen wirklichen Fachmänner für Judenforschung“ galt 9 und dementsprech­ end der Wunschkandidat für alle geplanten einschlägigen Lehrstühle zur „Judenkunde“ oder „Erforschung der Judenfrage“ in Berlin, Wien, Frankfurt a.M. und Tübingen war. Zudem konnte er – im Gegensatz zu Kittel – nach 1945 seine Karriere als Neutestamentler an den Universitäten Göttingen und Heidelberg mit seinen Qumran-Forschungen nahezu problemlos fort­ setzen. Gerade die Differenz zwischen Kittels karikaturhaftem Bild des Judentums und Kuhns vergleichsweise sachlichen Darstellungen könnte für die Forschung von Interesse sein.10 Doch offensichtlich war es wie bei   Siegele-Wenschkewitz, Leonore, Neutestamentliche Wissenschaft vor der Judenfrage. Gerhard Kittels theologische Arbeit im Wandel deutscher Geschichte (Theologische Existenz heute 208), München: Kaiser 1980, 85–111. 7   Siegele-Wenschkewitz, Leonore, Die Evangelisch-theologische Fakultät Tübingen in den Anfangsjahren des Dritten Reichs II. Gerhard Kittel und die Judenfrage, in: Eberhard Jüngel (Hg.), Tübinger Theologie im 20. Jahrhundert (Zeitschrift für Theologie und Kirche, Beiheft 4), Tübingen: Mohr Siebeck 1978, 53–80, 77. 8   Vgl. etwa die wenig substantielle Auseinandersetzung von Lindemann, Gerhard, Theological Research about Judaism in Different Political Contexts. The Example of Karl Georg Kuhn, in: Kirchliche Zeitgeschichte l7/2 (2004), 331–338. 9   Vgl. NSDAP-Gauleitung Wien/Dozentenführer an der Universität Wien an Dekan Viktor Christian, Betrifft: Dozent Kuhn, Talmudforschung, 9.8.1942, Archiv der Universität Wien (UAW), Phil. Fak. 734–1941/42. 10   Vgl. Hoffmann, Christhard, Juden und Judentum im Werk deutscher Althistoriker des 19. und 20. Jahrhunderts (Studies in Judaism in Modern Times 9), Leiden: Brill 1988, 259–261. Zu Kittels und Kuhns Arbeiten vgl. auch Werner, Fritz, Das Judentumsbild der 6

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der Konfrontation der Historiker mit ihrer eigenen Geschichte auch für Theologen und Religionsgeschichtler wesentlich leichter, sich mit dem kurz nach dem Ende des „Dritten Reichs“ Verstorbenen auseinanderzusetzen, der seine Lehrtätigkeit nach dem Krieg nicht wiederaufnehmen und somit keinen Einfluss mehr auf das Fach gewinnen konnte. Hinzu kommt, dass wesentlich antijüdische Tendenzen in der theologischen Beschäftigung mit dem Judentum auch bei Theologen zu beobachten waren, die sich zwischen 1933 und 1945 persönlich integer verhalten haben.11

C. Institutionen und Lehrstühle Gerhard Kittel gehörte – zusammen mit dem Münchner Ordinarius für deutsche Geschichte Karl Alexander von Müller (1882–1964) – zu den „sen­ ior scholars“ auf dem Feld der NS-Judenforschung, die ihre Netzwerke zur Verfügung stellten, während die Arbeit an den verschiedenen Institutionen hauptsächlich von einer jüngeren Generation von Wissenschaftlern, ihren akademischen Schülern, getragen wurde: beispielsweise von Karl Georg Kuhn (1906–1976), Walter Grundmann (1906–1976), Wilhelm Grau (1910– 2000) und Günter Schlichting (1911–1989). Kittel zählte allerdings mit sei­ nen zahlreichen Publikationen – ganz im Gegensatz zu von Müller – auch zu den produktivsten Vertretern der „Judenforschung“. Kittel war Mitglied des Sachverständigenbeirats der 1936 in München gegründeten „Forschungsabteilung Judenfrage“ des Berliner „Reichsinstituts für Geschichte des neuen Deutschlands“, gemeinsam mit Johannes Alt, Hans Bogner, Johannes Heckel, Karl Georg Kuhn, Philipp Lenard, Ottokar Lorenz, Wilhelm Stapel, Otmar von Verschuer, Max Wundt und Wilhelm Ziegler.12 Formell geleitet wurde die Forschungsabteilung von Karl Alexander von Müller, tatsächlich führte die Geschäfte aber Wilhelm Grau, der sich mit einer bereits im Februar 1933 fertiggestellten Dissertation über das Ende der Regensburger jüdischen Gemeinde 1519 profiliert hatte und als Vorreiter einer nicht-jüdischen deutschen und antisemitisch grundierten „Judenforschung“ präsentiert und wahrgenommen wurde. Spätjudentumsforschung. Dargestellt anhand der „Forschungen zur Judenfrage“, Bd. I–VIII, in: Kairos N.F. 13 (1971), 161–194. 11   Vgl. etwa den Fall des liberalen Theologen Rudolf Bultmanns, der trotz seiner Ablehnung des Antisemitismus und der antijüdischen Maßnahmen des NS-Regimes ein negatives Zerrbild vom antiken Judentum bewahrte. Dazu Stegemann, Wolfgang, Das Verhältnis Rudolf Bultmanns zum Judentum, in: Kirche und Israel. Neukirchener Theologische Zeitschrift 5 (1990), 26–44. 12   Heiber, Helmut, Walter Frank und sein Reichsinstitut für Geschichte des neuen Deutschlands (Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte 13), Stuttgart: Deutsche VerlagsAnstalt 1966, 421.

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Nach dem Willen seines Präsidenten, des Historikers Walter Frank (1905– 1945), sollte das Reichsinstitut zum Zentrum einer neu gestalteten, natio­ nal­ sozialistisch-antisemitischen Geschichtswissenschaft werden. Personell wurde beim Auf bau der Münchner Forschungsabteilung ganz auf die bestehe­ nden Netzwerke der Beteiligten zurückgegriffen: So war etwa der Bibliothekar Günter Schlichting ein Assistent Gerhard Kittels und in Tübingen zum Dr. theol. promoviert worden; Karl Georg Kuhn, ein andere­r Schüler Kittels, bearbeitete einen umfangreicheren Forschungsauftrag über die Entstehung und Gesamtentwicklung des Judentums und der „Judenfrage“.13 Kittel war Gast auf den Arbeitstagungen der Forschungsabteilung, ge­ meinsam mit Johannes Alt, Erich Botzenhart, Friedrich Burgdörfer, Clemens August Fischer, Eugen Fischer, Hans Alfred Grunsky, Karl Georg Kuhn, Ottokar Lorenz, Kleo Pleyer, Wilhelm Stapel, Bruno Thüring, Otmar von Verschuer, Max Wundt und Wilhelm Ziegler. Er publizierte regelmäßig in den vom Reichsinstitut herausgegebenen „Forschungen zur Judenfrage“, war dort sogar der bei weitem häufigste Beiträger (er ist in sieben von neun Bänden präsent), veröffentlichte aber auch einschlägige Texte in anderen Organen. In den „Forschungen zur Judenfrage“ erschien nicht zuletzt auch die große monographisch angelegte Zusammenarbeit von Kittel und dem Rassebiologen Eugen Fischer über „Das antike Weltjudentum“. Eingebunden war Kittel zudem in die verschiedenen Versuche, Lehrstühle zur „Judenfrage“ an Universitäten einzurichten – nicht zuletzt durch die zentrale Position, die seinem Schüler Kuhn dabei zukam, der als Favorit bei praktisch allen diesen Unternehmungen gehandelt wurde, ohne dass aller­d ings bis Kriegsende eines dieser Projekte erfolgreich realisiert werden konnte. Kittels Heimatuniversität Tübingen erteilte als erste Karl Georg Kuhn im November 1936 einen besoldeten Lehrauftrag für „Sprache, Literatur und Geschichte des Judentums mit besonderer Berücksichtigung der Judenfrage“.14 In Wien wurde seit 1940 versucht, „Judenforschung“ an der Universität zu institutionalisieren. Vor allem der Orientalist Viktor Christian (1885–1963), bereits vor 1938 illegaler Nationalsozialist und als Vertreter des SS-Ahnenerbes, Dekan der Philosophischen Fakultät, Mitglied der Wiener Akademie der Wissenschaften, später Prorektor und in den letz­ ten Tagen des Krieges noch Rektor, eine der Schlüsselgestalten an der Wiener Universität während der NS-Zeit, versuchte einen Lehrstuhl für „Kunde des Judentums“ bzw. „Sprache und Literatur des nachbiblischen Judentums“ einzurichten. Er kooperierte dabei mit Gerhard Kittel, der von 1939 bis 1943 die neutestamentliche Professur an der Evangelisch-Theologischen Fakultät   Vgl. Heiber, Walter Frank, 440f., 446.450–453.   Rektor an Kultusminister, 4.5.1940, Archiv der Eberhard-Karls-Universität Tübingen (UAT), 126a/284 Rektor/Personalakte Kuhn. Vgl. Junginger, Horst, „Judenforschung“ in Tübingen. Von der jüdischen zur antijüdischen Religionswissenschaft, in: Simon Dubnow Institute Yearbook 5 (2006), 375–398. 13 14

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in Wien vertrat und an der Philosophischen Fakultät Lehrveranstaltungen über die Geschichte des Judentums abhielt. Auch in Wien wurde neben einer dauerhaften Berufung von Kittel an die Evangelisch-Theologische Fakultät Karl Georg Kuhn als Wunschkandidat für den neu zu errichtenden Lehrstuhl gehandelt.15 In Tübingen wurde in der Folge versucht, Kittels theologischen Lehrstuhl in die Philosophische Fakultät überzusiedeln und umzuwidmen. Nachdem Kittel ablehnte, weil er seinen theologischen Lehrberuf nicht aufgeben wollt­e, wurde Kuhn dafür ins Auge gefaßt, der schließlich als der idealere, „freiere“ Kandidat erschien, weil er nicht Theologe sei wie Kittel.16 Um eine Wegberufung zu verhindern, wurde Kuhn bis zur Errichtung einer eigenständigen Professur weiterhin ein besoldeter Lehrauftrag garantiert, während er sich verpflichtete, auswärtige Angebote abzulehnen.17 Kuhn sollte so die „Tübinger Wissenschaftsgruppe Judenkunde – Semitologie – Rassenforschung“ verstärken. Er wurde 1942 allerdings nur zum außerplan­ mäßigen Professor ernannt.18

D. Gerhard Kittel und Martin Buber Zu einer öffentlich ausgetragenen Debatte in der Frühzeit der NSJudenforschung kam es zwischen Gerhard Kittel und dem jüdischen Religionsphilosophen Martin Buber. Kittel hatte Buber seine Schrift „Die Judenfrage“ (1933) nach Erscheinen zugeschickt. Darin wendete er sich vor allem dagegen, dass das Judentum einen öffentlichen Einfluss erlangt und angeblich missbraucht habe, der ihm als Gast nicht zustünde. Gleichzeitig beschreibt er das sich assimilierende Judentum als seines „Volkstums“ ent­ wurzelt, als eine Quelle der Dekadenz, ein Gift im Körper anderer Völker, der alle echten, aus dem Volkstum erwachsenen religiösen, kulturellen und nationalen Gedanken zersetze.19 Für Kittel ist namentlich die Auflösung der Religion ein Problem, wobei auch er sich auf den angeblichen Instinkt des Volkes beruft, während Intelligenz und Bürgertum versagt hätten: […]: weil die Wissenschaft die antisemitische Frage nicht so ernst nahm, wie sie ge­ nommen werden mußte, wurde aus dem Antisemitismus eine Bewegung, die zwar aus echten Instinkten heraus lebte, die aber in der Begründung vielfach auf halbwissen­ schaftliche Theorien, oft gar auf Märchen und Schlagworte zurückgreifen mußte. Das geschah, weil diejenigen versagten, die die wissenschaftliche Begründung hätten geben   Vgl. UAW, Rektorat 1473–1939/40; Phil. Fak. 734–1941/42.   Rektor an Kultusminister, 13.11.1939, UAT, 126a/284 Rektor/Personalakte Kuhn. 17   Dekan an Rektor, 17.4.1940, UAT, 126a/284 Rektor/Personalakte Kuhn. 18   Vgl. Rektor an Kultusminister, 13.2.1942, UAT, 126a/284 Rektor/Personalakte Kuhn; Dekan an Rektor, 23.1.1942, UAT, 126a/284 Rektor/Personalakte Kuhn. 19   Kittel, Gerhard, Die Judenfrage, Stuttgart: Kohlhammer 31934, 25f. 15 16

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können. Die berechtigte heiße Leidenschaft des neueren Antisemitismus entstand und mußte entstehen an dem Assimilationsjudentum; weil aber keine Anstalten gemacht wur­ den, dessen Probleme ernst zu nehmen, nämlich dem Problem der Fremdrassigkeit, der Andersartigkeit sein Recht zu geben, – deshalb sprang die populäre Diskussion um in die Theorie von der absoluten Minderwertigkeit der anderen Rasse. So lebten die mittel­ alterlichen Märchen vom jüdischen Ritualmord wieder auf; so kam das ganze Arsenal echter und falscher und aus dem Zusammenhang gerissener Talmudzitate wieder zum Vorschein, zu welchen vor allem zu sagen ist, daß schwerlich ein einziger von denen, die diese Zitate weitergeben, je den Talmud wirklich gelesen hat. 20

Kittels Ziel ist ein frommes, nicht assimiliertes Judentum, das isoliert und ghettoisiert auf einen Gaststatus beschränkt ist. Ganz offensichtlich handelt es sich dabei um einen Versuch, die Assimilation tatsächlich rückgängig zu machen, das reale Judentum als ritualisiert, starr und rückständig fest­ zuschreiben, wie es dem Bild der triumphalistischen Theologie entspricht – eine Angleichung der Realität an die Propaganda und Vorurteile. Der Gaststatus bedeutete für Kittel den Ausschluss aus dem ‚deutschen Staatsund Volksleben‘ (auch von Nachkommen aus ‚Mischehen‘) und ein strenges Verbot neuer ‚Mischehen‘.21 Kittel berief sich in seinem Text auch auf das orthodoxe Judentum, das eine Vermischung und Assimilation ablehnt. Explizit warb er in sei­ nem persönlichen Schreiben auch um die Zustimmung Bubers zu seinen antisemitischen Thesen einer „Andersartigkeit“ des Judentums und seiner Forderung nach einem „Fremdlingsein“: Sehr geehrter Herr Kollege, Ich übersende Ihnen mit gleicher Post ein Büchlein ‚Die Judenfrage’. Ich bin mir bewußt, daß Gesichtspunkte darin enthalten sind, die Ihnen als Juden feindselig erscheinen müssen. Vielleicht sind sie es aber in einem tieferen Sinne doch nicht. […] Es lag mir daran, der ‚völkischen’ Bewegung einen Weg zu zeigen, der dem Berechtigten an ihr Rechnung trägt, der aber zugleich dem Judentum wirklich als solchem gerecht wird. Ob es mir gelungen ist, weiß Gott allein; aber ich wünschte, daß auch der jüdische Leser etwas von der Redlichkeit meines Vorhabens spüren möchte. Wie ernst ich gerade Ihre Lebensarbeit nehme und wie ich Sie und Ihresgleichen mir im tiefsten verbündet zu wissen glaube, geht aus dem von mir über Sie Gesagten hervor. 22

Emanzipation und Assimilation markierte Kittel als die entscheidende­n Fehl­ entwicklungen. Das Judentum sollte auf eine religiös-orthodoxe Existenz festgeschrieben werden. Zudem reklamierte Kittel für seine Forderungen eine Berührung „mit den tiefsten und echtesten Strömungen des Judentums selbst“.23   Kittel, Judenfrage, 36f.   Kittel, Judenfrage, 45.63–69. 22   Gerhard Kittel an Martin Buber, Tübingen, 13.6.1933, in: Schaeder, Grete (Hg.), Martin Buber. Briefwechsel aus sieben Jahrzehnten, Bd. 2: 1918–1938, Heidelberg: Lambert Schneider 1973, 486f. 23   Kittel, Judenfrage, 76. 20 21

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In einer persönlichen Antwort verwahrte sich Buber gegen diese An­ spielungen und seine Einbeziehung sowie die Behauptung einer ge­rechten Behandlung des Judentums. In dem Brief hatte er vor allem auf die beson­ dere Verantwortung des Intellektuellen, aber auch auf die ihn als jüdischen Wissenschaftler bereits ausgrenzende Situation hingewiesen: „Ich würde Ihnen gerne öffentlich entgegnen; aber was ich sagen kann wird Ihre Hörerund Leserschaft nicht erreichen. Sie reden in einem Raum, der mei­ner Antwort verschlossen ist; diese Lage scheint mir die Verantwortlichkeit des Wortes in einer eigentümlichen Weise zu steigern.“ 24 Öffentlich antwortete er Kittel dennoch in den „Theologischen Blättern“. Buber distanzierte sich dort von Kittels Zumutung, dass das Judentum ‚Fremdlingschaft‘, Diskriminierung und Diffamierung gläubig anerkennen und als Gottes gerechte Schickung und der Menschen ge­ rechte Tat hinnehmen müsse. 25 Die von Kittel unterstellte Nähe seiner Forderung nach einer religiösen Erneuerung des Judentums und Kittels eigener Forderung nach einem auf eine religiöse Fremdexistenz redu­ zierten Judentum konnte er freilich nicht anerkennen. Feuchtwanger be­ zeichnete andernorts Kittels Programm sogar als eine „Forderung ewiger Knechtschaft für die Juden“. 26 Kittel bestreitet darauf hin in einer Antwort an Martin Buber, die der dritten Auf lage „Der Judenfrage“ (1934) angehängt wurde, dass seine Ausfälle Diffamierungen seien, vielmehr gehe es ihm um die „gerech­ tere und richtigere Feststellung der Andersartigkeit“. 27 Auch hier be­ zieht Kittel sich bereits implizit auf ein als unwandelbar angenommenes Judentum: seine Forderungen würden keine Unbilligkeit darstellen, sondern allein feststellen, „was ist“. 28 Buber hatte jedoch schon in seiner ersten Entgegnung Kittels Schrift als einen reinen Machtdiskurs ent­ larvt, der seine Legitimation vor allem aus der Übereinstimmung mit dem politischen Zeitgeist bezog: „Zu Ihren Urteilen und Forderungen brauche ich nichts zu sagen. Es sind die herrschenden.“ In einer nochmaligen Reaktion auf Kittels „Antwort“ geht er zwar an Hand von fünf Punkten noch einmal auf dessen Argumentation ein, vor allem aber macht der sehr knappe Text deutlich, dass es schon nach so kurzer Zeit hier längst keine   Martin Buber an Gerhard Kittel (Entwurf), o.D., in: Schaeder (Hg.), Martin Buber, 487f.   Vgl. Buber, Martin, Offener Brief an Gerhard Kittel, in: Theologische Blätter 12/8 (1933), 248–250. Vgl. auch die Zusammenfassung von Bubers Antwort in: C.V.-Zeitung, 14.9.1933 (Zur Theologie des Judenproblems. Drei Stimmen zu Professor Gerhard Kittels Schrift „Die Judenfrage“), mit weiteren Reaktionen von Dr. Hugo Hahn und Rabbiner Dr. S. Samuel. 26   Vgl. Feuchtwanger, Ludwig, Mythos und Wirklichkeit unserer Zeit. Vom Anteil der Rasse am Wesen des jüdischen und christlichen Geistes, in: Jüdische Rundschau, 26.6.1934 (auch in: Feuchtwanger, Ludwig, Gesammelte Aufsätze zur jüdischen Geschichte, Berlin: Duncker & Humblot 2003, 135). 27   Vgl. Kittel, Judenfrage, 90 (Antwort an Martin Buber). 28   Kittel, Judenfrage, 93. 24 25

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gleichberechtigte Gesprächssituation mehr gibt, auf der auch nur eine Verständigung über die Auffassungsunterschiede möglich wäre. 29

E. Radikalisierung und Vernichtung Kittels Arbeit radikalisierte sich seit 1933 stetig. Bereits im Jahr der na­ tionalsozialistischen Machtübernahme hatte er in seiner antisemitischen Schrift „Die Judenfrage“, die das Judentum in Deutschland auf eine ortho­ doxe Religiosität festschreiben und einen nicht assimilierten Gaststatus be­ schränken wollte, sich gegen eine rein gefühlsmäßige oder auch rassische antisemitische Stimmung verwahrt. Gleich zu Beginn seines Textes, noch vor der Beschreibung des Problems, benennt Kittel vier mögliche Lösungen: Die Frage, was mit dem Judentum zu geschehen hat, kann auf eine vierfache Weise beantwortet werden: 1. Man kann die Juden auszurotten versuchen (Progrome [sic!]); 2. man kann den jüdischen Staat in Palästina oder anderswo wiederherstellen und dort die Juden der Welt zu sammeln versuchen (Zionismus); 3. man kann das Judentum in den anderen Völkern aufgehen lassen (Assimilation); 4. man kann entschlossen und bewußt die geschichtliche Gegebenheit einer ‚Fremd­ lingschaft’ unter den Völkern wahren.30

Kittel benennt damit bereits im Jahr 1933, mithin zu Beginn der nationalso­ zialistischen antisemitischen Politik und praktisch noch vor der Etablierung der NS-Judenforschung, schon die „Ausrottung“ als äußerste Konsequenz eines rassistischen Antisemitismus. Allerdings zieht er den Vorschlag sogleich wieder zurück: Eine gewaltsame Ausrottung des Judentums kommt für eine ernsthafte Betrachtung nicht in Frage: wenn sie den Systemen der spanischen Inquisition oder den russischen Progromen [sic!] nicht gelungen ist, wird sie für das 20. Jahrhundert erst recht nicht möglich sein. Der Gedanke entbehrt auch des inneren Sinnes. Ein geschicht­ l icher Tatbestand, wie er mit diesem Volk gegeben ist, wird höchstens in demagogischen Schlagworten, niemals aber in der Geschichte selbst durch Ausrottung des Volkes gelöst. Der Sinn einer geschichtlichen Lage ist immer, daß sie uns eine Aufgabe stellt, die wir meistern sollen. Alle Juden totschlagen heißt aber nicht, die Aufgabe meistern.31

Die Begründung gegen eine ‚gewaltsame Ausrottung‘ sagt schon alles über die grundsätzliche Akzeptanz als eine mögliche Lösungsoption aus. Die gewalttätige Sprache bleibt dann folgerichtig auch bei der Erörterung des   Vgl. Buber, Martin, Zu Gerhard Kittels „Antwort“, in: Theologische Blätter 12/12 (1933), 370–372, 370f. 30   Kittel, Gerhard, Die Judenfrage, Stuttgart: Kohlhammer 1933, 13 (31934). ‚Progrom‘ wurde in der zweiten Auflage jeweils korrigiert. 31   Kittel, Judenfrage, 14. 29

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Gastzustandes erhalten: „Stellt man den Gastzustand wieder her, so be­ deutet das zuerst: radikale Ausrottung des für beide Teile gleich verfehlten Schlagwortes von dem ‚Deutschen Staatsbürger jüdischen Glaubens’.“32 In der zweiten, überarbeiteten Auflage noch im gleichen Jahr ergänzte Kittel seine Aussage: „Im übrigen ist der ganze Gedanke so absurd, daß es nicht der Mühe wert ist, zu seiner Abwehr viele Worte zu verlieren; vollends daß es nicht einer Feststellung der schlechthinigen [sic!] Unchristlichkeit einer solchen ‚Lösung’ bedarf.“33 In den Fußnoten hieß es weiter: Diese Sätze standen wörtlich so in der ersten Auflage. Ich habe jetzt vorsichtshalber den nächsten Satz noch eingefügt, denn es ist einem theologischen Kollegen [Ludwig Köhler, 1880–1956] vorbehalten geblieben, dazu folgenden Kommentar drucken zu lassen: ‚Kittel lehnt das Pogrom ab. »Alle Juden totschlagen, heißt nicht, die Lage meistern.« Nein, wirklich nicht. Man braucht keinen Professor der Theologie, um das festzustellen. Aber ist es möglich, daß ein Deutscher diesen Satz schreibt, ohne zu sagen, daß die Juden totschlagen ja wohl ein wenig unmenschlich wäre. Wer eine Tat erwägt, der bedenkt ja doch wohl nicht nur, ob sie zum Ziele führt, sondern auch und vielleicht zu allererst, ob die Tat seiner würdig wäre. Es gibt Dinge, die man um seiner selbst willen nicht tut. Und ich meine, ein Deutscher, Glied des Volkes, dem wir alles Edle, Feine, Innige, Gütige, Große, Menschliche zuschreiben, sollte unfähig sein, so zu schreiben. Daß Kittel hierzu nicht unfähig ist, ist ihm keine Ehre.’ (Neue Zürcher Zeitung, 1. Juli 1933, Blatt 1). Unter Berufung auf diesen christlichen Kritiker hat dann ‚Benammi’ in ‚The Jewish Chronicle’ (London, 11. August 1933) folgendes Bild von mir entworfen: ‚Is it not significant that when this theologian considers the policy of pogroms he says never a word of condem­ nation? He rules out pogroms not because they are wicked but only because they are impracticable. It is a question of expediency with him.’34

Mit Kittels Bemerkung aus dem Jahr 1933 wird der ursprünglich utopische Charakter der „Endlösung“ deutlich, die von den Tätern bis kurz vor ihrer Realisierung im systematischen Massenmorden kaum für praktikabel ge­ halten werden konnte. Sie konnte nur in einer beständigen Radikalisierung erreicht werden, ausgehend von der Gewöhnung an die jeweils vorherige Verfolgungspraxis.35 Die aporetischen Konstruktionen der „Judenforscher“   Kittel, Judenfrage, 39.   Kittel, Gerhard, Die Judenfrage, Stuttgart: Kohlhammer 21933, 14. 34   Kittel, Judenfrage2, 115, Anm. 4. In der dritten Auflage ergänzte Kittel nochmals die Fußnote, vgl. Kittel, Judenfrage3, 115f., Anm. 4: „Derselbe ‚Benammi’ hat den Satz geschrie­ ben: ‚Hitler’s revolution has been termed ‚the meanest revolution in History’. Professor Kittel’s book is the meanest handling of the Jewish question.’ B. ahnt schwerlich, ein wie stolzes und einzigartiges Lob dieser Vergleich einem seines Volkes und der Hingabe an seinen großen Führer bewußten Deutschen des Jahres 1933 bedeutet!” Hinter dem Pseudonym ‚Benammi‘ verbarg sich der aus Kovno stammende Mortimer Epstein (1880–1946). Er hatte in England und an deutschen Universitäten studiert und u.a. auch Werner Sombarts „Die Juden und das Wirtschaftsleben (The Jews and Modern Capitalism)“ übersetzt. Zwischen 1932 und 1936 war er Geschäftsführer des „Jewish Chronicle“. 35   Vgl. dazu auch Kuhn, K arl Georg, Ursprung und Wesen der talmudischen Einstellung zum Nichtjuden, in: Forschungen zur Judenfrage 3 (1938), 199–234, 211: „Die Rabbinen spre­ 32 33

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konnten dabei auch eine Rolle spielen, indem sie immer tiefgreifendere und gewalttätigere Optionen, gewissermaßen als einzige Auswege, nahelegten, ohne diese unbedingt jeweils konkret benennen zu müssen. Die nüchternen Narrative konnten gleichzeitig die bestehende Situation beruhigen und satu­ rieren helfen, als Ausgangspunkt für eine nächste Stufe. Den Höhepunkt Kittels antisemitischer Produktion stellen fraglos seine Arbeiten über „Die Behandlung des Nichtjuden nach dem Talmud“ sowie über antike Bilder und Karikaturen in den „Forschungen zur Judenfrage“ dar. Seit der Forderung nach einer Dissimilation und Isolierung der deutschen Juden in seinem Text „Die Judenfrage“ entwickelte er – entsprechend dem politischen Geschehen – mit einer antiken Vorlage nicht nur ein historisches Argument zur Denunziation eines angeblichen „Weltjudentums“ in der Gegenwart, sondern vor allem auch eine Projektion der deutschen Verbrechen auf deren Opfer, während diese in vollem Gange waren: Der „Nicht-Jude“ sei für Juden „Gegner, ist immer der ‚Andere‘“, Nichtjuden aber stünden für Juden „außerhalb des normalen, des eigentlichen Menschentums“, die wie Tiere oder „ein Etwas“, „von Gott der Vernichtung“ preisgegeben seien. Der Mord an einem Nichtjuden sei für Juden mithin ausdrücklich nicht un­ ter Strafe gestellt, endzeitliche Weltherrschaftsträume hätten auch in der Geschichte bereits zu Massakern von Juden an Nichtjuden geführt („in den grausamsten Formen die Menschen schlachtend“).36 1934 hatte er noch in einem Aufsatz das Vorurteil eines jüdischen Menschenschächtgesetzes und damit Ritualmord-Vorwürfe scharf kritisiert, allerdings weil es den „ernst­ haften Antisemitismus“ diskreditieren würde.37 Kittel gab später an, dass er im Laufe des Jahres 1943 von seinem Sohn von den Massenmorden hinter der Front in der Sowjetunion erfahren habe.38 Einen Vortrag an der Universität Wien über „Die Entstehung des Judentums“ im gleichen Jahr endete er mit der Bemerkung:

chen auch davon, daß die Nichtjuden am liebsten als radikalste Lösung der Judenfrage einfach alle Juden vernichten wollten, sie wissen aber auch, daß das nie durchführbar ist, schon wegen der weltweiten Zerstreuung des Judentums, daß also gerade diese Zerstreuung für sie ein Glück ist.“ 36   Kittel, Gerhard, Die Behandlung des Nichtjuden nach dem Talmud, in: Archiv für Judenfragen 1943, Gruppe A1, H. 1, 7–17, hier: 10.12.16f. Vgl. auch Kuhn, Ursprung und Wesen, vor allem: 226–234. 37   Kittel, Gerhard, Das Menschenschächtgesetz, in: Deutsche Theologie 1 (1934), 293– 299, 299. 38   Vgl. Meine Verteidigung von Gerhard Kittel, UAT, 162/31 Evangel.-Theol. Fak./PA Kittel, 43. Ausführlich zu Kittels Verteidigungsschrift vgl. Ericksen, Theologian in the Third Reich, 612–615; Ericksen, Robert P., Theologians under Hitler, 31–45; Siegele-Wenschkewitz, Leonore, „Meine Verteidigung“ von Gerhard Kittel und eine Denkschrift von Walter Grundmann, in: Hermann Düringer/Karin Weimz (Hg.), Leonore Siegele-Wenschkewitz. Persönlichkeit und Wirksamkeit (Arnoldshainer Texte 112), Frankfurt am Main: Haag + Herchen 2000, 134–170.

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Als das christliche Abendland die Tür des Ghetto auf brechen ließ, gab es damit zu­ gleich sich selbst preis. Es erlag den ebenso verführerischen wie unchristlichen Maximen von der liberté und égalité, die diese Tür verbrämten. In Wirklichkeit war es eine Tür der Dämonen; in Wirklichkeit führte sie nicht in ein paradiesisches Tal, sondern in ein Tal des Chaos und des Fluches und des Grauens. Darf es den wundernehmen, der die Geschichte als Lehrmeisterin weiß und ehrt, wenn dort, wo in einem furchtbaren Ringen der Ausgang aus dem Tal erkämpft wird, alles Grauen sich sammelt und alle Dämonen wüten?39

Als ein versteckter Hinweis auf den zu dieser Zeit stattfindenden Massenmord am europäischen Judentum mochte dies sehr wohl verstanden werden. Ob er allerdings aus dem Geiste des Widerstands entsprang, wie Kittel nach dem Krieg glauben machen wollte, darf im Licht seiner sonstigen Schriften aus dieser Zeit wohl bezweifelt werden.40

F. Transdisziplinarität und Kooperation Mit der Öffnung der Geisteswissenschaften für das Konzept der „Rasse“ gewinnt ein umfangreiches und ehrgeiziges transdisziplinäres Projekt an Umrissen, das in der kurzen Zeit des „Dritten Reichs“ nur in Ansätzen reali­ siert werden konnte, das aber genau die Schnittfläche von Wissenschaft, na­ tionalsozialistischer Rassenideologie und antijüdischer Politik in ihrer Praxis von der Ausgrenzung über die Vertreibung bis zum Massenmord bezeich­ net.41 Die gemeinsamen Arbeiten des Rassebiologen Eugen Fischer und des Theologen Gerhard Kittel können dabei nur als ein wenig ausgereifter, aller­d ings äußerst bemerkenswerter Anfang angesehen werden.42 Sie selbst 39   Kittel, Gerhard, Die Entstehung des Judentums, Vortrag an der Wiener Universität, 22.3.1943, UAT, 162/31 Evangel.-Theol. Fak./PA Kittel, Bl. 193–195. 40   Vgl. Meine Verteidigung von Gerhard Kittel, 43, UAT, 162/31 Evangel.-Theol. Fak./PA Kittel. 41   Vgl. in diesem Zusammenhang auch R aphael, Lutz, ‚Ordnung‘ zwischen Geist und Rasse. Kulturwissenschaftliche Ordnungssemantik im Nationalsozialismus, in: Geschichte und Gesellschaft 27/1 (2001), 5–40. 42   Vgl. Fischer, Eugen/Kittel, Gerhard, Das antike Weltjudentum. Tatsachen, Texte, Bilder (Forschungen zur Judenfrage 7), Hamburg: Hanseatische Verlagsanstalt 1943 (darin von Fischer: 109–163, 172f.); Fischer, Eugen/Kittel, Gerhard, Über zwei angeblich Juden dar­ stellende antike Skulpturen, in: Forschungen zur Judenfrage 9 (1944), 221f. Vgl. auch den kur­ zen Beitrag von Fischer, Eugen Judenporträts in der Antike, in: Europäischer WissenschaftsDienst 3/9 (1943), 8f. Zur Zusammenarbeit von Kittel und Fischer vgl. Schmuhl, Hans-Walter, Grenzüberschreitungen. Das Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik 1927–1945 (Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus 9), Göttingen: Wallstein 2005, 444–448; Weiss, Sheila Faith, Humangenetik und Politik als wechselseitige Ressourcen. Das Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik im „Dritten Reich“ (Forschungsprogramm „Geschichte der KaiserWilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus“ 17), Berlin: Wallstein 2004, 30.

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bezeichneten ihre Arbeit als „die Frucht einer echten Gemeinschaftsarbeit zwischen Geisteswissenschaft und Naturwissenschaft.“43 Angeregt wurde sie angeblich durch die zwei kleinen Aufsätze Kittels in einem früheren Band der „Forschungen zur Judenfrage“, in denen er auch explizit eine „Gemeinschaftsarbeit“ einforderte.44 Kittel und Fischer behaupten darin die Existenz eines „Weltjudentums“ als eine dem Judentum „von Anbeginn – wesenhaft – eignende Tendenz“ mit „Solidaritätsbanden“ quer durch die Völker und Kontinente und einem welt­ umspannenden Machtstreben lange vor dem 19. und 20. Jahrhundert, bereits in der Antike – und damit die Existenz einer „antiken Weltjudenfrage“ als ein gesellschaftliches, wirtschaftliches, politisches und „rassisches“ Problem.45 Als empirisches Material werden dafür Mumienportraits aus dem (2./3. Jht. n.Chr.) sowie die angeblich ältesten Karikaturen von Juden (3./4. Jht. n. Chr.) herangezogen.46 Die „Rassendiagnose“ kann der Rassenkundler aber nur in Zusammenarbeit mit Archäologen, Historikern und Kunsthistorikern durchführen, weil er ansonsten nicht einschätzen kann, welches tech­n ische Können vorhanden war und welche Kunstströmungen, Schulen, aber auch Glaube, Vorstellung und Gesetze oder auch persönliche Einstellungen die Darstellung beeinflusst haben könnten.47 Da exakte Messungen nicht möglich sind, sondern nur eine Beobachtung der Nasen-, Gesichts- und Schädelform, beschrieb Fischer sein Vorgehen folgendermaßen: Man erkennt oft mit völliger Sicherheit einen Juden als solchen, auch wenn er keine sog. Judennase, keines der vorhin geschilderten Rassenmerkmale hat. Es gibt ein Etwas (vielleicht besser gesagt, viele solche Einzelheiten) in der jüdischen Physiognomie, was nicht meßbar, kaum im einzelnen so beschreibbar ist, daß sich der Leser oder Hörer ein klares Bild davon machen kann. Es wird aber kein Mensch daran zweifeln, daß man sehr zahlreiche Juden mit völliger Sicherheit aus Nichtjuden heraus erkennen kann. […] Es ist nicht angängig, die Angabe eines allgemeinen ‚Eindrucks’ von ‚jüdisch’ bei der Beurteilung der Bilder als unwissenschaftlich abzutun.48   Fischer /Kittel, Das antike Weltjudentum, 5 (Fischer /Kittel, Vorwort, April 1942).   Kittel, Gerhard, Die ältesten jüdischen Bilder. Eine Aufgabe für die wissenschaftliche Gemeinschaftsarbeit, in: Forschungen zur Judenfrage 4 (1940), 237–249; Kittel, Gerhard, Die ältesten Judenkarikaturen. Die „Trierer Terrakotten“, in: Forschungen zur Judenfrage 4 (1940), 250–259. 45   Fischer /Kittel, Das antike Weltjudentum, 9.11 (Einleitung). Vgl. dazu auch schon zuvor Kuhn, K arl Georg, Weltjudentum in der Antike in: Forschungen zur Judenfrage 2 (1937), 9–29. 46   Albright, Gerhard Kittel and the Jewish Question, 239f., hält die angeblichen ältes­ ten Karikaturen von Juden aus antiker Zeit (3.–4. Jht. n.Chr.), die Kittel in den sogenannten ‚Trierer Terrakotten‘ im Rheinischen Landesmuseum in Trier gefunden zu haben glaubt, für Fälschungen des 19. oder 20. Jahrhunderts. Kittel schloß von der Krummnasigkeit der über­ zeichneten Figuren und angeblicher Merkmale von Zirkumzision an den dargestellten Phalli einiger der Figuren auf eine beabsichtigte Darstellung von Juden. 47   Fischer /Kittel, Das antike Weltjudentum, 109f. 48   Fischer /Kittel, Das antike Weltjudentum, 113. 43

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Instinkt und Intuition werden damit als unwiderleglich in den Forschungs­ prozess eingeführt.

G. „Judaistik“ und „Judenforschung“ Während seiner Wiener Zeit hatte Kittel 1942 in Walchensee/Oberbayern eine Denkschrift über „Die [Stellung der] Judaistik [im Rahmen der Gesamtwissenschaft]“ verfasst, in der er die Ausgestaltung einer inter­ disziplinären, antisemitischen Hilfswissenschaft „Judaistik“ beschrieb, die sich vor allem aus Rassenkunde, Archäologie, Soziologie, Orientalischer Philologie, Religionswissenschaft und Theologie speist.49 Die „wissen­ schaftliche Judaistik“ sei „heimatlos“: sprachlich gehöre sie zur Semitistik, aber die Semitisten hätten sie vor allem als Anhängsel der christlichen Theologie angesehen. Tatsächlich habe die Theologie bisher den wesent­ lichen Anteil an Forschung auf diesem Feld geleistet, „einfach in Wahrung der alten Traditionen des christlichen Antijudaismus – eine von jüdi­schen Prätentionen unabhängige wissenschaftliche Erforschung wenigstens gewisser Teile des Judentums und seiner Quellen“,50 wenn auch natürlich mit bestimmten disziplinenabhängigen Begrenzungen. Kittel stellte Viktor Christian diesen Text zur Unterstützung seiner Bemühungen um den neu­ en Lehrstuhl zur Verfügung, worauf hin dieser ihn mit einem erneuten Ansuchen an das Reichswissenschaftsministerium weiterleitete.51 Der anti­ jüdische Impuls als Ursprung christlicher Beschäftigung mit dem Judentum wird dabei schon aufgedeckt, begleitet von dem Vorwurf, dass Judaistik bisher vor allem von Juden betrieben worden und „projüdische Apologetik“, im besten Fall eine „Materialsammlung“ und nicht selten dilettantenhaft gewesen sei.52

49   Kittel, Gerhard, Die Judaistik, o.D. [1942?], Bl. 9, UAW, Phil. Fak. Dekanat 734– 1941/42 [Typoskript, handschriftliche Korrektur im Titel]. Der Begriff ‚Judaistik‘ für die ‚Judenforschung‘ wurde auch von Friedrich Löffler verwendet: Löffler, Friedrich, Weg und Ziel, in: Archiv für Judenfrage (1943), H. 1, Gr. A1, 1–5, 2. 50   Kittel, Die Judaistik, Bl. 1. 51  Vgl. Kittel an Christian, 11.10.1942, UAW, Phil. Fak. Dekanat 734–1941/42. Kittel be­ richtet, dass er den Text „für die kommende orientalistische Publikation niedergeschrieben“ habe. Allerdings konnte eine Veröffentlichung des Textes nicht nachgewiesen werden. Kittel beklagt darin auch, „wie heimatlos die Judaistik heute noch ist und wie die Orientalistik sel­ ber in Verlegenheit ist, wie sie sie einordnen solle“. Er verweist dabei auf Enno Littmann, Der deutsche Beitrag zur Wissenschaft vom Vorderen Orient, Stuttgart/Berlin 1942, 24, der in seiner Überblicksdarstellung auf „die weitschichtige Literatur zum Alten Testament und zum Neuhebräischen sowie zur Erforschung des Judentums durch christliche Gelehrte“ erst gar nicht näher einging. 52   Kittel, Die Judaistik, Bl. 2.

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Kittel unterscheidet dabei zwischen einer breiter angelegten „Judentums­ kunde“ und einer eindeutig politisch konnotierten „Erforschung der Judenfrage“53 und verweist besonders auf die Bedeutung der nationalso­ zialistischen Machtübernahme für den Aufschwung einer nichtjüdischen Beschäftigung mit jüdischer Geschichte, begründet in der zentralen Stellung des Antisemitismus für die nationalsozialistische Ideologie und politische Praxis: Vor allem aber wurde [in den Jahren seit 1933] die Erforschung des Judentums und der Judenfrage plötzlich aus ihrem bisherigen künstlichen Dornröschenschlaf jener TabuStellung aufgeweckt und mitten in das grellste Licht der höchsten Aktualität einer in eminentestem Sinn politischen Wissenschaft gerückt. Das letztere hat nun zwar zu einer außerordentlichen Belebung des wissenschaftlichen Interesses an den Problemen der Judenfrage und damit zu einem nicht unerheblichen quantitativen Anschwellen der nichtjüdischen wissenschaftlichen Publikationen zur Judenfrage und ihrer Geschichte geführt. Es hat aber nicht geführt zu einer Gestaltung und Entfaltung einer wirklich in die Gesamt-Geisteswissenschaft eingeordneten Wissenschaft vom Judentum, einer in sich geschlossenen Judaistik im eigentlichen Sinn.54

Das Kittelsche Konzept der Judaistik versteht diese nicht als eine „‚neutrale’, harmlos ‚nur‘-wissenschaftliche Judentumskunde“, sondern als „Geschichte und Darstellung der Judenfrage und ihrer Auswirkungen, das heißt aber, immer zugleich Geschichte und Darstellung einer Frage des nicht-jüdischen, des gesamtabendländischen Lebens“.55 Sie ist eine „Judentumskunde, so­ zusagen nicht von innen, sondern von außen her“.56 Abzugrenzen davon sei eine „Israelistik“, eine „Alttestamentliche Wissenschaft“, die sich mit der Geschichte des Volkes Israel beschäftigt – in Kittels Verständnis der Vorgeschichte des rassistisch denunzierten Judentums.57 Der immer noch vorherrschende Dilettantismus könne nur überwunden werden, wenn die „eigenen und eigentlichen Quellen und Lebensäußerungen“ des Judentums mit philologischer und historischer Souveränität beherrscht werden, gleichzeitig aber die jüdischen Quellen wie der Talmud nicht isoliert betrachtet würden, sondern im Kontext von „Rassen- und […] soziologischen und […] religionsgeschichtlichen Fragen“.58 Kittel übt damit recht deutlich Kritik an einem Teil der nationalsozialistisch inspirierten Beschäftigung mit jüdischer Geschichte: teilweise blieben die Ergebnisse mangels der für das Thema notwendigen umfassenden wissenschaftlichen Qualifikation „banausen­haft, mögen sie noch so gelehrt aussehen“, es kommt „zu den ge­ schichtlich verzerrtesten Ergebnissen“ oder zum „blanken geschichtlichen   Kittel, Die Judaistik, Bl. 1.   Kittel, Die Judaistik, Bl. 2f. 55   Kittel, Die Judaistik, Bl. 3, 5. 56   Kittel, Die Judaistik, Bl. 6. 57   Kittel, Die Judaistik, Bl. 7. 58   Kittel, Die Judaistik, Bl. 9f. 53

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Unsinn“.59 Freilich spart er zur gleichen Zeit keinesfalls mit antisemitischen Ausfällen: das Ghettodasein der Juden sei „vollendete Unnatur, aber nicht um der sadistischen Grausamkeit derer willen, die es den Juden bereiten, sondern weil ihre eigene Geschichte und ihr eigenes Dasein wesenhaft Pervertierung echten Völkerdaseins ist“; ebenso sei der Talmud, den er als geistiges Ghetto beschreibt, „selbstverständlich für jedes echte menschliche Empfinden von Größe und Tiefe und Schönheit eine Monstrosität und eine Verirrung“.60 Judaistik ist am Ende eine Hilfswissenschaft, Material-Beschaffung und Material-Sichtung, die als solche überaus notwendig und unentbehrlich ist, die aber niemals sich unterfan­ gen darf, um ihrer selbst willen dazusein. Denn in dem Augenblick, in dem sie das ver­ sucht, ist sie schon nicht mehr imstande, ihren Gegenstand sachgemäß zu sehen und zu beschreiben; in dem Augenblick nämlich, in dem sie auf hört, diesen ihren Gegenstand als Ab-Art, als Un-Natur, als Krankheit und als Pervertierung zu sehen, und in dem sie ihre und jeder Wissenschaft eigentliche Aufgabe vergisst: Dienerin zu sein an der Erkenntnis der Natur, des Echten, des Gesunden.61

Kittels Wiener Konzept für eine Judaistik entspricht in vielen Punkten der an verschiedenen Orten praktizierten antijüdischen Wissenschaft im „Dritten Reich“: transdisziplinär, in bewusster Nähe zur Politik des NS-Regimes, mit einem Bekenntnis zum Antisemitismus als erkenntnis­ leitendem Prinzip und einer zugewiesenen Bedeutung über den engeren Themenkreis hinaus, für das Verständnis nichtjüdischen Lebens und nichtjüdischer Geschichte allgemein. Gleichzeitig ging es Kittel of­ fenbar darum, mit eigenen Akzenten eine stärker religionsgeschichtli­ che Ausrichtung durchzusetzen, entgegen der dominanten Stellung der Historiker in der NS-Judenforschung.

H. Nachkrieg und Verteidigung Nach Kriegsende verlor Gerhard Kittel seine Position und auch Pension, wurde im Mai 1945 in Tübingen von der französischen Besatzungsmacht verhaftet und war von November 1945 bis Oktober 1946 in einem Lager und dann im Kloster Beuron interniert. Im Februar 1948 durfte er nach Tübingen zurückkehren, starb aber bereits am 11. Juli desselben Jahres.62 Kittel behauptete, in Opposition zur antijüdischen NS-Politik gestanden   Kittel, Die Judaistik, Bl. 10.   Kittel, Die Judaistik, Bl. 13. 61   Kittel, Die Judaistik, Bl. 13f. 62   Dahm, Christoph, Gerhard Kittel, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon 3 (1992), Sp. 1544–1546. 59

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zu haben. In einem in Erwartung seines Spruchkammerverfahrens im Juni 1945 niedergeschriebenen und im Winter 1946 erweiterten, knapp 80-seitige­ n Text „Meine Verteidigung“ nahm er zwar einen Teil der deutschen Kollektivschuld an, leugnete aber jegliche persönliche Schuld.63 Kittel argumentiert darin in jeder Hinsicht überraschend: Er bedauerte nicht etwa, was er 1933 über das Judentum geschrieben habe, sondern dass er nicht schon vorher die Assimilation kritisiert habe, um das Argument nicht den Nationalsozialisten zu überlassen. Er sei immer für eine seriöse und planvolle, eine liebevolle und humane Lösung der „Judenfrage“ eingetreten, seine Position eines „christ­lichen Antijudaismus“ sei eine Gegenposition zum rassistischen „völkischen Antisemitismus“ gewese­n . Vor allem aber seien seine Arbeiten innerhalb des NS-Systems gar nicht wahrgenommen worden und hätten dement­ s prechend auch keinerlei Wirksamkeit entfalten können. Schließlich habe er sich gegen den vulgären Antisemitismus der NS-Propaganda und des „Stürmer“ gewandt und eine ernsthafte wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der „Judenfrage“ be­ trieben. Der Verteidigungsschrift beigelegt waren Entlastungserklärungen für Kittel von hohen kirchlichen Würdenträgern und Theologen, die Kittel nicht nur direkt mit Jesus verglichen (Erzabt Baur: „Ihn wegen dieser Arbeiten zur Judenfrage zu verurteilen, wäre gleichbedeutend mit einer Verurteilung der Profeten des Alten Bundes und mit einer Verurteilung Christi des Herrn selbst.“), sondern – mit Verweis auf eine einwand­ freie wissenschaftliche Haltung – auch die Hoffnung artikulierten, dass seine Schriften „nicht irgendeinem Verdammungsedikt zum Opfer fallen, sondern die Wissenschaft weiter befruchten“ werden (Martin Dibelius).64 Auch Kittels Schüler Karl Georg Kuhn wurde zunächst als „antisémite par excellence de Tübingen“ an der Universität amtsenthoben. Auch er nahm für sich und seine Arbeiten allerdings Objektivität in Anspruch und grenz­te sich vor allem gegen die Fälschungen und Verzerrungen des „Stürmer“ ab. Die gescheiterten Lehrstuhlbesetzungen in Berlin, Tübingen und Wien konnten nun belegen, dass er sich im Gegensatz zur offiziel­ len antisemi­tischen Ideologie befunden hatte und seine Karriere aufzu­ halten versucht wurde. Auch hier wurden ausländische Stimmen ins Feld geführt und die Zusammenarbeit mit Juden betont. Vor allem aber wurde   Vgl. Meine Verteidigung von Gerhard Kittel, UAT, 162/31 Evangel.-Theol. Fak./PA Kittel.   Vgl. Meine Verteidigung von Gerhard Kittel, UAT, 162/31 Evangel.-Theol. Fak./ PA Kittel: Dr. Benedict Baur (Erzabt/Erzabtei Sanct Martin, Beuron), 22.2.1947; Prof. Dr. Albrecht Alt (Dekan Theol. Fak., Universität Leipzig), 7.12.1946; Entz (Dekan Evangel.-Theol. Fak., Universität Wien), 13.12.1946; Prof. Dr. Dr. Joachim Jeremias (Prodekan Theol. Fak., Universität Göttingen), 22.12.1946; Walter Ray (stud. theol.), 27.12.1946; Pfarrer Dr. theol. Günter Schlichting, 2.1.1947; Friedrich Wilhelm Euler, 8.1.1947; Rolf Gögler (Priesterseminar Rottenburg a.N.), 8.11.1946; Johannes Betz (Kaplan, Tübingen), 4.12.1946; Dr. theol. Wilhelm Dittmann, 13.2.1947; Martin Dibelius, Gerhard Kittels Arbeiten über das antike Judentum, o.D. 63

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ein schar­fer Gegensatz zwischen Kuhn als „reinem Wissenschaftler“ und Kittel als Propagandisten und Ideologen konstruiert.65

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Gerhard Kittel und das geplante Spruchkammerverfahren Clemens Vollnhals A. Einleitung Nach wiederholten Angriffen auf die Evangelisch-theologische Fakultät der Universität Tübingen hob der württembergisches Landesbischof Theophil Wurm 1939 in einem Schreiben an den Reichsführer SS Heinrich Himmler die besonderen Verdienste hervor: „Wie steht diese Fakultät zum Dritten Reich? Das dürfte schon daraus ersichtlich sein, dass der erste Universitätsrektor nach der Machtergreifung ein Theologe war, Professor D. Dr. Fezer, der Ephorus der berühmten theologischen Bildungsanstalt, des Stifts. Fünf Mitglieder der Fakultät sind Pg [Parteigenossen], einer ist Adjutant der Reiterstandarte der SA. Professor Kittel ist als hervorragender Kenner des Judentums Mitarbeiter an dem Reichsinstitut für die Geschichte des Neuen Deutschland [sic!] und hat kürzlich einen von der gesamten Parteipresse sehr gewürdigten Vortrag über die Rassenmischung im Judentum in dem überfüllten Auditorium maximum der Berliner Universität gehalten. Beim letzten Parteitag in Nürnberg war er Ehrengast des Führers. […] Welches Hohngelächter wird in Basel erschallen, wenn bekannt wird, dass aus­ gerechnet die Theologische Fakultät in Deutschland, die man dort als stärkste Gegnerin ansieht, Gegenstand eines solchen Angriffes geworden ist, vollends wenn sie aufgehoben würde!“1

Diese anbiedernden Ausführungen waren 1939 gewiss auch opportunistisch motiviert, um die zunehmend bedrängte Stellung der Kirchen im öffent­ lichen Leben zu verteidigen. Tatsächlich war die Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 von der evangelischen Kirche – mit Ausnahme kleiner Minderheiten – begeistert begrüßt worden, zumal die NSDAP selbst von ihrer Mitglieder- und Wählerstruktur im Wesentlichen eine Protestpartei des protestantischen Milieus darstellte.2 Aus dieser Milieuverbundenheit  Wurm an Reichsführer SS vom 4.2.1939, abgedruckt in: Gerd Schäfer (Hg.), Die Evangelische Kirche in Württemberg und der Nationalsozialismus. Eine Dokumentation zum Kirchenkampf, Bd. 6, Stuttgart: Calwer Verlag 1986, 68–71, hier 69f. 2  Vgl. Vollnhals, Clemens, Nationalprotestantische Traditionen und das euphorische Aufbruchserlebnis der Kirchen im Jahr 1933, in: Manfred Gailus/Clemens Vollnhals (Hg.), Christlicher Antisemitismus im 20. Jahrhundert. Der Tübinger Theologe und „Judenforscher“ Gerhard Kittel (Berichte und Studien des HAIT 79), Göttingen: V&R unipress 2020, 43–61. Zur historischen Wahlforschung ebd., 50f. 1

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und einem beträchtlichen Anteil von NSDAP-Mitgliedern in ihrer eige­ nen Pfarrerschaft erklärt sich auch, weshalb Wurm und der bayerische Landesbischof Hans Meiser die politische Säuberung von Anfang als schwe­ res Unrecht kritisierten.3 Kittel selbst war seit dem 1. Mai 1933 Mitglied der NSDAP und erklärte im Juni 1934 gegenüber Karl Barth, er rechne sich zu den „württembergi­ schen nationalsozialistischen Theologen“.4 Dabei bezog er sich auch auf die von ihm mit verfassten Tübinger „Zwölf Sätze“ vom 12. Mai 1934, in denen es hieß: „Wir sind voll Dank gegen Gott, dass er als der Herr der Geschichte unserem Volk in Adolf Hitler den Führer und Retter in schwerer Not ge­ schenkt hat.“5 Solche und andere Äußerungen, etwa sein Eintreten für die Deutschen Christen 1933 und sein Votum für die Einführung des staatlichen Arierparagrafen in die württembergische Landeskirche,6 waren nach dem Ende der NS-Diktatur keineswegs vergessen. Linke NS-Gegner dürften die heftigen innerkirchlichen Konflikte zwischen den Deutschen Christen, die eine Synthese von Christentum und Nationalsozialismus anstrebten, und der Bekennenden Kirche, die die Autonomie der Kirche und das unver­f älschte Bekenntnis verteidigte, wohl nicht im Detail verfolgt haben. Dennoch kannten sie Kittels politisches Bekenntnis zum Nationalsozialismus, das die Tübinger Lokalpresse kurz vor der Reichstagswahl im März 1933 veröffentlicht hatte,7 oder seine 1933/34 viel beachtete Programmschrift Die Judenfrage,8 in der Kittel den Juden in Deutschland nur mehr ein Gastrecht zugestehen wollte und mit dieser Forderung die Nürnberger Gesetze vor­ wegnahm.

3  Vgl. Vollnhals, Clemens, Evangelische Kirche und Entnazifizierung 1945–1949. Die Last der nationalsozialistischen Vergangenheit (Studien zur Zeitgeschichte 36), München: Oldenbourg 1989. 4   Kittel an Barth vom 9.6.1934, in: Karl Barth und Gerhard Kittel. Ein theologischer Schriftwechsel, Stuttgart: Kohlhammer 1934, 3. 5   Ebd., 4. 6  Vgl. Junginger, Horst, Gerhard Kittel im „Dritten Reich“: Die Karriere eines evangeli­ schen Theologen im Fahrwasser der nationalsozialistischen Judenpolitik, in: Gailus/Vollnhals (Hg.), Christlicher Antisemitismus im 20. Jahrhundert, 83–100, hier 89. 7   Tübinger Chronik vom 1.3.1933. 8   Stuttgart: Kohlhammer 1933. Die 2. erweiterte Auflage 1933 und 3. Auflage 1934 ent­ halten die zusätzlichen Teile „Antwort an Martin Buber“ und „Kirche und Judenchristen“. Um sich gegen ausländische Kritik an der kirchlichen Übernahme des Arierparagrafen zu wehren, schickte der Dekan der Tübinger Fakultät Georg Wehrung im November 1933 „allen theologi­ schen Dozenten außerhalb Deutschlands in Europa und Amerika“ Kittels Addendum „Kirche und Judenfrage“ zu. Vgl. Junginger, Horst, Biografischer Abriss, in: Gailus/Vollnhals (Hg.), Christlicher Antisemitismus im 20. Jahrhundert, 203–257, hier 215.

Kittel und das geplante Spruchkammerverfahren

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B. Verhaftung, Internierung und Entlassung Am 15. April 1945 besetzten französische Truppen die Universitätsstadt Tübingen. Zu diesem Zeitpunkt besaßen die örtlichen Militärkommandanten keine detaillierten Vorgaben zur politischen Säuberung, so dass im Chaos der ersten Besatzungswochen vieles eher zufällig verlief. In Tübingen hatte sich unmittelbar nach der Besetzung die „Demokratische Vereinigung“ als Antifa-Ausschuss konstituiert und erste Personalvorschläge für die Entlassung von aktiven Nationalsozialisten und ihrer Ersetzung durch überzeugte Demokraten vorgelegt.9 Dieser Vereinigung gehörten auch Viktor Renner, der im Juni 1945 als Oberbürgermeister von Tübingen eingesetzt wurde und Ende 1946 das Innenministerium von WürttembergHohenzollern übernahm, sowie der sozialdemokratische Dozent Carlo Schmid an, der aufgrund seiner Sprachkenntnisse und guten Kontakte zu­ gleich als Verbindungsmann der Universität zur Militärregierung fungierte. Am 3. Mai verfügte die französische Besatzungsmacht die Verhaftung von Gerhard Kittel und sieben weiteren Professoren, von denen die Hälfte bald wieder entlassen wurde. Länger inhaftiert blieben neben Kittel die schwer belasteten Professoren Wilhelm Gieseler (Rassenkundler), Jakob Wilhelm Hauer (Indologe und Gründer der neopaganen Deutschen Glaubensbewegung), Gerhard Pfahler (Pädagoge) und Robert Wenzel (Anatom, Urgeschichtler und Führer des NS-Dozentenbundes) so­ w ie der Dozent Otto Rössler (Orientalist).10 Anders als im Falle des eben­ falls verhafteten Theologen und Stiftephorus Karl Fezer11 blieb die so­ fortige Fürsprache von Landesbischof Theophil Wurm, der Kittel am 22. September auch einen ostentativen Besuch im Tübinger Schlossgefängnis abstattete, jedoch erfolglos. Am 12. November 1945 wurde Kittel in das Internierungslager Balingen überführt, in dem er weiter an seiner Rechtfertigungsstrategie Meine Verteidigung 12 arbeitete und zugleich im 9   Vgl. Henke, Klaus-Dietmar, Politische Säuberung unter französischer Besatzung. Die Entnazifizierung in Württemberg-Hohenzollern (Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 42), Stuttgart: Deutsche Verlagsanstalt 1981, 38f.; Weber, Petra, Carlo Schmid, 1896–1979. Eine Biographie, München: Beck 1996, 192–194. 10   Vgl. Zauner, Steffen, Die Entnazifizierung (Epuration) des Lehrkörpers. Von der Suspendierung und Entlassung 1945/46 zur Rehabilitierung und Wiedereinsetzung der Professoren und Dozenten bis Mitte der 1950er Jahre, in: Urban Wiesing u.a. (Hg.), Die Universität Tübingen im Nationalsozialismus (Contubernium 73), Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2010, 937–997, hier 941. 11   Zu Fezer und weiteren evangelischen Theologen, die später noch im Text genannt wer­ den, vgl. Rieger, Reinhold, Die Entwicklung der Evangelischen-theologischen Fakultät im „Dritten Reich“, in: Wiesing, Die Universität Tübingen, 77–117. 12   Die 2. Fassung vom 14.12.1946 liegt editiert vor: Morgenstern, Matthias, Gerhard Kittels Verteidigung. Die Rechtfertigungsschrift eines Tübinger Theologen und „Judentumsforschers“ vom Dezember 1946/Segev, Alon, Gerhard Kittel‘s Defense. Apologia of a Theologian and New

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Auftrag der Landeskirche als Lagerpfarrer tätig war. Dort besuchte ihn im August 1946 erneut Landesbischof Wurm, der seinen Fall einen Monat später auch in einer persönlichen Unterredung mit dem Militärgouverneur der französischen Besatzungszone, General Marie-Pierre Koenig, vortrug.13 Diese Intervention führte am 6. Oktober 1946 zur Entlassung Kittels aus dem Internierungslager, gleichzeitig wurde ihm von der Sŭreté als neuer Aufenthaltsort das katholische Kloster Beuron an der Donau zugewiesen. Nach Tübingen konnte Kittel erst im Februar 1948 zurückkehren, wo er wenig später am 11. Juli im Alter von 59 Jahren verstarb. Die Verhaftungen am 3. Mai waren ein Paukenschlag. Vier Tage später trat der seit November 1939 amtierende Rektor Otto Stickl zurück, am 19. Mai wählte der Große Senat den Germanisten Hermann Schneider zum neuen Rektor und den evangelischen Kirchenhistoriker Hanns Rückert zum Prorektor. Bis Mitte Juni verfasste eine universitäre Reinigungskommission unter Vorsitz des Rektors Stellungnahmen zu 44 Professoren und zwei Dozenten. Kittel zählte dabei zu den elf in Kategorie I eingeordneten Personen; sie „galten größtenteils als überzeugte und aktive, ja militante Nationalsozialisten oder Protégés des Regimes beziehungs­ weise offensive Exponenten nationalsozialistischer Interessenpolitik an der Universität“.14 Carlo Schmid, der am 18. Juni von der Militärregierung zum Landesdirektor für Kultus, Erziehung und Kunst ernannt worden war, veranlasste im Juli die Suspendierung von 35 Hochschullehrern unter Einbehalt ihrer Gehaltsbezüge. Diese Maßnahme betraf neben Kittel auch den evangeli­schen Kirchenhistoriker Ernst Stracke. Anfang September folgt­e eine zweite Suspendierungswelle von weiteren 75 Hochschullehrern, die „mit sofortiger Wirkung vorläufig ihres Amtes enthoben“ wurden.15 Zu diesem Zeitpunkt hatte der Lehrbetrieb an den beiden theologischen Fakultäten mit knapp 400 Studenten bereits wieder begonnen, während die feierliche Wiedereröffnung der ganzen Universität erst am 15. Oktober erfolgte. Am 10. September verschickte Rektor Schneider ein Rundschreiben an alle suspendierten (auch in Haft befindlichen) Professoren, dass die Möglichkeit bestehe, bei der Militärregierung ein begründetes Wiedereinsetzungsgesuch vorzulegen. Sie sollten umgehend die Gründe für ihren Beitritt zur NSDAP Testament Scholar, December 1946, Wiesbaden: Berlin University Press 2019. Vgl. auch Gailus, Manfred, Gerhard Kittels „Meine Verteidigung“ von 1946: Rechtfertigungsversuche eines schwer kompromittierten Theologen, in: Gailus/Vollnhals (Hg.), Christlicher Antisemitismus im 20. Jahrhundert, 161–182. 13   So die Angaben Kittels, o. D.; Staatsarchiv Sigmaringen (künftig: StASig), Wü 13 T 2, Nr. 2136/001, Bild 217. Die im Original nicht paginierte Spruchkammerakte ist als Digitalisat auf der Homepage des Landesarchivs Baden-Württemberg einsehbar. 14   So Zauner, Entnazifizierung, 944. 15   Vgl. Zauner, Entnazifizierung, 946–952.

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darlegen und alle Aspekte aufführen, die politisch entlastend wirken könn­ ten. Kittel berief sich auf politischen und sozialen Idealismus: Mein Beitritt zur NSDAP erfolgte am 1. Mai 1933. Ich hoffte auf eine Behebung der furchtbaren Arbeitslosigkeit und der schweren sozialen Notstände, v.a. darauf, dass die von der Partei mit besonderem Nachdruck geforderte ‚Volksgemeinschaft‘ im Sinne einer echten Überwindung der Klassen- und Standesgegensätze verwirklicht werden möchte.16

Ganz ähnlich argumentierte Elisabeth Kittel am 14. September in einem Schreiben an die Militärregierung in Tübingen: Ihr Mann habe geglaubt, „in der NSDAP eine letzte Möglichkeit zu erblicken, um die furchtbare Arbeitslosigkeit und die schweren sozialen Notstände der Krisenjahre einzu­d ämmen und zu überwinden“. Auch sie benannte als Motivation „die Idee der ‚Volksgemeinschaft‘, im Sinne einer echten Überwindung der Klassen- und Standesgegensätze in einer anscheinend haltlosen Kultur und Gesellschaft“. Zum Vorwurf des Antisemitismus schrieb sie: In dem besonderen Punkte der Judenfrage glaubte er, als wohl der einzige Gelehrte Deutschlands, gestützt auf jahrzehntelange sachliche Beschäftigung mit der Geschichte des Judentums, diesen Ruf zur Sachlichkeit ausgehen lassen zu müssen. Deshalb hielt er es für seine Hauptaufgabe, in dem auf brennenden Kampf gegen das Alte Testament sich schützend vor die Bibel zu stellen, in dem er die bleibende Bedeutung des Alten Testaments und die volle Zugehörigkeit des Judenchristen zur christlichen Gemeinschaft im Kampf ge­ gen das Eisenacher ‚Institut zur Entjudung des Christentums‘ betonte. Als Kenner der jü­ dischen Geschichte glaubte er, angeregt durch Gedanken eines judenchristlichen schweizer Gelehrten, dass in dem unentwirrbaren Gegeneinander der Meinungen in den Jahren um 1933 eine schiedlich-friedliche Trennung als Übergangslösung gefunden werden müsse. Umso mehr als er sich mit dem orthodoxen Judentum darin in Übereinstimmung wusste, dass das Heil des jüdischen Volkes nicht in einer ungehemmten Assimilation, sondern in einer bewussten Rückwendung auf sich selbst, in einem neuen Selbstbewusstsein eines spezifischen jüdischen Seins liege. Demgemäß trat er im Gegensatz zu dem völkischen Antisemitismus eines ‚Stürmer‘, in dem er auf die Notwendigkeit einer friedlichen und gerechten Lösung der Judenfrage aus christlichem Geist hinwies.

Ihr Mann habe „von Anfang an in schärfster Weise vor Ungerechtigkeit ge­ gen und vor Verfolgung der Juden gewarnt“ und im Stillen „in einer ganzen Reihe von nachweislichen Fällen“ verfolgten Juden geholfen. Im Laufe der Jahre habe ihr Mann erkannt, „dass er sich in der Wert- und Einschätzung des Nationalsozialismus geirrt“ und „seine Einflussmöglichkeit überschätzt“ habe.17 Mit dieser Argumentation wiederholte Elisabeth Kittel, die vermut­ lich auch den Text des Wiedereinsetzungsgesuchs kannte, im Grunde die Rechtfertigungsstrategie, die Kittel bereits im Sommer 1945 in der ersten Fassung von Meine Verteidigung ausgearbeitet hatte. 16   Kittel an Rektor Schneider vom 12.9.1945, zit. nach Rieger, Die Entwicklung der Evangelischen-theologischen Fakultät im „Dritten Reich“, 90. 17   Elisabeth Kittel an Militärregierung Tübingen vom 14.9.1945; StASig, Wü 13 T 2, Nr. 2136/001, Bild 810f.

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Das Gesuch Kittels kommentierte Rektor Schneider, der der politischen Säuberung eher ablehnend gegenüberstand und seine Kollegen zumeist sehr nachsichtig beurteilte, mit den Worten: Zum Verhängnis wurde ihm die allzu große Nachgiebigkeit gegen den Parteistandpunkt in der Judenfrage. Kittel ist von Haus aus gewiss kein Antisemit, sondern ein ausgezeich­ neter und verständnisvoller Kenner und besonnener Historiker des Judentums. Aber er hat sich selbst in seiner wissenschaftlichen Schriftstellerei in der Abwägung von Recht und Unrecht zwischen dem Nationalsozialismus und dem Judentum zu Konzessionen und Äußerungen hinreißen lassen, die sich mit der Würde und Freiheit der Wissenschaft nicht vertragen.

Noch schärfer äußerte sich Carlo Schmid, der die Gesuche prüfte und mit einer klaren Empfehlung an die Militärregierung weiterleitete: Über seine große wissenschaftliche Leistung auf dem Gebiet des Neuen Testaments ist kein Zweifel möglich. Er hat sich jedoch in der Judenfrage, insbesondere durch die Mitarbeit im Reichsinstitut für die Geschichte des neuen Deutschlands – Forschungen zur Judenfrage –, derartig kompromittiert, dass er als völlig untragbar für die Universität bezeichnet werden muss. Vorschlag: Dienstentlassung mit Ruhegehalt.18

Auf Anweisung der Militärregierung wurden am 25. Oktober von den bis­ lang nur suspendierten Hochschullehrern 22 Ordinarien und Extraordinarien sowie elf außerplanmäßige Professoren und Dozenten endgültig entlassen, die anderen auf Widerruf im Angestelltenverhältnis wiedereingestellt.19 Im Falle Kittels bedeutete das die Entlassung aus dem Staatsdienst ohne Pensionsanspruch, gefolgt von seiner Überführung in das Internierungslager Balingen am 12. November. Ebenso entlassen wurden der Kirchenhistoriker Stracke und Ende Januar 1946 auch der Orientalist Karl Georg Kuhn, ein Schüler und enger Mitarbeiter Kittels in der Forschungsabteilung Judenfrage im Reichsinstitut für die Geschichte des neuen Deutschlands.20 Am 3. Dezember 1945 reichte Kittel „in Ergänzung meiner früheren Verteidigungsschrift“ eine weitere Erklärung nach: Er sei 1933 der NSDAP beigetreten, um „das Starkwerden der demagogischen Elemente zu verhin­ dern und die sittlichen Grundlagen der Politik und des öffentlichen Lebens 18   Zit. nach Weber, Carlo Schmid, 198. Bei Weber ohne Namensnennung; die Empfehlung bezieht sich jedoch eindeutig auf Kittel, der entgegen der aus der Sekundärliteratur übernom­ menen Angabe Webers sehr wohl NSDAP-Mitglied (Mitgliedsnummer: 3243036) war. 19   Vgl. Zauner, Entnazifizierung, 953. 20   Zu Kuhn vgl. Junginger, Horst, Antisemitismus in Theorie und Praxis, in: Wiesing u.a. (Hg.), Die Universität Tübingen im Nationalsozialismus, 483–558, hier 491–501. Vgl. auch Lammers, K arl-Christian, Die „Judenwissenschaft“ im nationalsozialistischen Dritten Reich. Überlegungen zur „Forschungsabteilung Judenfrage“ in Walter Franks „Reichsinstitut für Geschichte des neuen Deutschlands“ und zu den Untersuchungen Tübinger Professoren zur „Judenfrage“, in: Freddy Raphael (Hg.), „… das Flüstern eines leisen Wehens…“ Beiträge zu Kultur und Lebenswelt europäischer Juden. Festschrift für Utz Jeggle, Konstanz: UVKVerlags-Gesellschaft 2001, 369–391.

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zu bewahren“. „Ich habe nicht gewusst – so wenig wie die überwiegende Mehrzahl meiner Volksgenossen – in welchem Maße der jedem Volk inne­ wohnende nationale Gedanke zu einem System der imperialistischen und größenwahnsinnigen Politik der Brutalität umgefälscht und das soziale und sozialistische Ideal zur Tarnung von Lüge und Korruption missbraucht wurde.“ Seine Arbeiten über das antike Judentum seien von „der radikalen Judenpolitik nicht als Förderung, sondern als Störung empfunden“ und des­ halb „bewusst verschwiegen und bekämpft worden“. Er hätte jedoch diese Veröffentlichungen unterlassen, wenn er damals schon gewusst hätte, „dass die nationalsozialistische Judenpolitik von Anfang an in ihrer Dynamik auf Verbrechen, Mord und Vernichtung als ihre letzten Ziele hintendierte und dass darum alle Versuche, zu mildern und Gesichtspunkten der Gerechtigkeit Geltung zu verschaffen, von vornherein völlig zwecklos waren“. Ebenso steh­e heute fest, dass die Weltanschauungspolitik der Nationalsozialisten auf „die radikale Ausrottung der biblischen Religion“ abgezielt habe: Ich glaube, dass ich mein Handeln und meinen Irrtum mit dem Handeln und dem Irrtum des ehrlichen und tapferen deutschen Soldaten vergleichen kann und darf. Er weiß heute, dass er sich geopfert hat, nicht nur, wie er meinte, für die Existenz seines Volkes, sondern für eine Sache, in der er belogen und verraten worden ist und deren er sich heute als einer Beschmutzung des deutschen Namens schämen muss. Genau ebenso weiß ich heute, dass die Sache, mit der meine redliche wissenschaftliche Arbeit verquickt worden ist, eine verruchte Sache war. Hätte ich dieses alles gewusst, so hätte ich meine wissenschaft­ lichen Arbeiten auf diesem Gebiet eingeschränkt und geschwiegen.

Abschließend betonte Kittel, dass seine historischen Forschungsarbeiten „weder in den Methoden noch in den Ergebnissen“ von Zeitströmungen oder politischen Postulaten beeinflusst worden seien: Meine theologische Stellung zur Judenfrage gründet sich auf die Heilige Schrift und auf die altchristliche-kirchliche Tradition. Ich bitte, mir Gelegenheit zu geben, diese meine Stellung und Haltung vor einem autoritativen theologischen Forum von Männern, die auf dieser selben Grundlage stehen, zu verantworten. Ich werde auch da jederzeit mich beu­ gen, sobald ich mit Gründen der Heiligen Schrift einer irrtümlichen Lehre oder Haltung überführt werde. 21

Eine Reaktion auf diese Erklärung ist nicht bekannt und auch unwahrschein­ lich, da zu diesem Zeitpunkt die Durchführung der Entnazifizierung allein in den Händen der französischen Militärregierung lag, die sich lediglich auf die Zuarbeit von deutschen Stellen stützte. Dies zeigte sich auch, als um die Jahreswende 1945/46 ein Vortrag des neu berufenen Theologen Helmut Thielicke für große Aufregung sorgte. Er hatte am 8. November als Reaktion auf einen Vortrag des Schweizer Theologen Karl Barth, der die Deutschen zur Besinnung nach einem langen   Erklärung Kittels vom 3.12.1945, von der Evang.-theol. Fakultät am 11.12.1945 beglau­ bigte Abschrift; StASig, Wü 13 T 2, Nr. 2136/001, Bild 21f. 21

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Irrweg aufgerufen hatte, an der Universität eine Replik gehalten, die ganz der deutschnationalen und nationalprotestantischen Tradition verhaftet war und von verstockter Schuldabwehr zeugte. Die Vorlesung Thielickes wurde vorübergehend verboten und seine Hörer, darunter viele ehemalige Wehrmachtsoffiziere, einer eingehenden Überprüfung unterzogen.22 Bei der Neuwahl des Rektors im März 1946 wurde ehemaligen NSDAP-Mitgliedern das Stimmrecht entzogen, ebenso untersagte die Militärregierung der Universität ihre Berufung oder Ernennung. Im Mai erfolgte dann eine letzte Entlassungswelle, von der zehn Ordinarien und fünf habilitierte Lehrkräfte betroffen waren. Unter ihnen befanden sich auch zwei evange­ lische Theologen: Hermann Faber (Professor für Praktische Theologie, Adjutant der SA-Reiterstandarte bis 1939, Parteieintritt 1937) und Artur Weiser (Professor für Altes Testament, Parteieintritt 1933). Im Amt ver­ bleiben durfte jedoch Karl Fezer, wohl auf Fürsprache des französischen Militärbischofs Marcel Sturm, obwohl er ebenfalls der NSDAP im Mai 1933 beigetreten war und 1934/35 sogar als Rektor die Universität geleitet hatte.23

C. Reorganisation der politischen Säuberung und Kittels Verteidigungsstrategie Ende Mai 1946 erfuhr das Entnazifizierungsverfahren in WürttembergHohenzollern eine erste grundlegende Reorganisation, der im April 1947 eine weitere folgen sollte. Sie stellte eine Reaktion auf den Wechsel der amerikanischen Politik dar, die mit der maßlosen Ausdehnung der Entlassungsbestimmungen gescheitert war und deshalb die Durchführung der politischen Säuberung den deutschen Ministerpräsidenten übertrug, die im März 1946 mit dem „Gesetz zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus“ das justizförmige Spruchkammersystem installierten. In Württemberg-Hohenzollern wurde hingegen mit Rechtsanordnung das Amt eines „Staatskommissars für die politische Säuberung“ geschaffen, das zunächst Otto Künzel (SPD), der stellvertretende Oberbürgermeister Reutlingens, ausübte. Der Staatskommissar entschied in letzter Instanz über alle Säuberungs- und Sühnemaßnahmen, die allerdings erst nach der Bestätigung durch die Militärregierung und der Veröffentlichung im Amtsblatt rechtskräftig wurden.24 Gleichzeitig wurde die Aufgabe der bis­ 22   Vgl. Zauner, Entnazifizierung, 960. Die Kontroverse ist ausführlich dokumentiert bei Greschat, Martin (Hg.), Die Schuldfrage der Kirche. Dokumente und Reflexionen zur Stuttgarter Schulderklärung vom 18./19. Oktober 1945 (Studienbücher zur Kirchlichen Zeitgeschichte 4), München: Kaiser 1982, 156–183. 23   Vgl. Zauner, Entnazifizierung, 962f. 24   Vgl. Henke, Politische Säuberung, 80–87. Als Überblick vgl. Vollnhals, Clemens, Entnazifizierung. Politische Säuberung und Rehabilitierung in den vier Besatzungszonen

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herigen Kreisuntersuchungsausschüsse und Reinigungskommissionen auf Landesebene auf die umfassende Tatbestandsermittlung reduziert. Es war ein reines Verwaltungsverfahren ohne die Einreihung des Betroffenen in eine Gruppe formaler Belastungskategorien, ohne öffentlichen Kläger und umgekehrte Beweislast. Das Rechtsmittel der Revision stand den Betroffenen ebenfalls nicht zur Verfügung, wohl jedoch der Gnadenweg. Im Mittelpunkt dieses Verfahrens stand nicht die persönliche Rechtfertigung, sondern die politische Entscheidung, wem aufgrund seiner NS-Vergangenheit die Mitwirkung am demokratischen Neuauf bau von Staat und Gesellschaft ver­ wehrt werden sollte. Das neue Verfahren galt jedoch nicht für die Universitäten, da die Militärregierung in Baden-Baden in diesem Bereich ihre unmittelbare Zuständigkeit nicht aufgeben wollte. Für die entlassenen Professoren und Dozenten war damit ein gravierender Nachteil verbunden, da ohne die Einschaltung eines Säuberungsausschusses keine Entscheidung über die Festsetzung etwaiger Versorgungsbezüge fallen konnte. Erst im Oktober 1946 stimmte die Militärregierung der Bildung eines gesonderten Ausschusses für den Lehrkörper der Universität Tübingen zu, dem Ministerialrat Hans Rupp, ein enger Mitarbeiter Schmids, vorstand. Dieser Kommission ge­ hörten je ein Vertreter der sechs Fakultäten sowie je ein Delegierter der vier zugelassene­n Parteien (SPD, CDU, DVP, KPD) an, wobei letztere ihre Ernennung vom Staatskommissar erhielten. Es vergingen weitere drei Monate, bis die Richtlinien mit den Kompetenzen des Ausschusses vorla­ gen. Die Befugnisse beschränkten sich auf die Überprüfung, ob und in welcher Höhe den entlassenen Lehrkräften eine Pension zugebilligt werden könne, ob weitere Sanktionen gegen sie zu verhängen seien und ob ihnen die Ausübung einer anderen beruflichen Tätigkeit gestattet werden könne. Weder Entlassungen noch Wiedereinsetzungen ins Amt, die von der Militärregierung bereits ausgesprochen worden waren, durften in Frage gestellt werden. 25

Lediglich bei künftigen Berufungen oder Ernennungen sollte der Aus­ schuss eine Stellungnahme abgeben. Tatsächlich nahm der universitäre Säuberungsausschuss seine Tätigkeit erst im Februar 1947 auf, um sie nach vier Monaten – nach der Einführung des Spruchkammersystems nach dem Muster der amerikanischen Besatzungszone – wieder einzustellen. Am 12. Februar 1947 beantragte Kittel beim Staatskommissar für die politische Säuberung die „Untersuchung und Beurteilung meiner politischen Vergangenheit“. Dem Schreiben legte er neben dem ausgefüllten Fragebogen das Manuskript Meine Verteidigung sowie ein Heft mit den dazu „gehörigen Beilagen (Gutachten, Zeugnisse, Äußerungen usw.)“ bei. In der Denkschrift habe er sich mit den gegen ihn erhobenen Vorwürfen, soweit sie ihm be­ 1945–1949, München: dtv 1991. 25   Zauner, Entnazifizierung, 968.

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kannt geworden seien, auseinandergesetzt. Sollten noch andere Vorwürfe vorliegen, so möge ihm davon Kenntnis gegeben werden. Ferner solle zur „weiteren Klarstellung der kirchlich-theologischen Hintergründe“ seiner Haltung eine Stellungnahme des Landesbischofs Wurm eingeholt werden, der für ihn als Theologieprofessor „zuständigen obersten kirch­l ichen Stelle“: Ich weiß heute, dass meine frühere Beurteilung des Nationalsozialismus, insbesondere seiner Führung, und mein Beitritt zur Partei auf einer bitteren Täuschung beruht haben, mit der ich an der Schuld vieler meiner Volksgenossen teilhabe. Ich habe bisher ohne Murren und Klagen die Folgen getragen. Wenn ich nunmehr darum bitte, dass mein Handeln, seine Motive und sein Gesamtcharakter der gesetzlich vorgeschriebenen Prüfung unterzogen werden möchten, so tue ich dies in Vertrauen, dass dabei auch denjenigen Gesichtspunkten Rechnung getragen werden wird, die ich am Ende meiner Verteidigungsschrift darzulegen versucht habe (S. 75/76, Abschnitt XVII 13 und XVIII 26).27

Die geringen Befugnisse des universitären Säuberungsausschusses waren Kittel, der seine volle Rehabilitierung anstrebte, wohl nicht bekannt. Der Ausschuss beschloss auf seiner Sitzung am 28. März lediglich als „Vorschlag“: „Pensionierung unter 20%iger Kürzung des normalen gesetzlichen Ruhe­ gehalts. Freie wissenschaftliche Publikationsmöglichkeit auf dem Gebiet der biblischen Fächer gestattet.“28 Die Vermögenssperre war, wie Kittel in seinem Antrag ausgeführte, schon am 19. Dezember 1946 aufgehoben worden. Die Publikationserlaubnis lag Kittel besonders am Herzen. Er hatte Mitte Januar 1947 die Anfrage des Rektors des Päpstlichen Bibelinstituts in Rom, Pater Augustinus Bea, erhalten, ob er nicht im Kloster Beuron die Herausgabe des zweiten Bandes des Corpus Inscriptionum Judaicarum übernehmen könne, der seit dem Tod von Pater Jean Baptiste Frey 1939 verwaist sei.29 Die Anfrage bezeugt die konfessionsübergreifende Anerkennung, die Kittel auch weiterhin genoss, und legitimierte zugleich nach der Entlassung aus dem Internierungslager seinen Aufenthalt in der Klosterbibliothek. Vor allem aber wollte Kittel die Herausgabe des Theologischen Wörterbuches zum Neuen Testament fortführen, wofür sich neben englische­n und amerikanischen Theologen auch der Bischof von Chichester und der Rektor des Päpstlichen Bibelinstituts einsetzten.30 Am 24. April übersandte Landesbischof Wurm dem Staatskommissar für die politische Säuberung die von Kittel erbetene Stellungnahme. Hinsichtlich   Vgl. Morgenstern, Gerhard Kittels Verteidigung, 151f.   Kittel an Staatskommissar für die politische Säuberung vom 12.2.1947; StASig, Wü 13 T 2, Nr. 2136/001, Bild 19. 28   Von Ministerialrat Rupp beurkundeter Auszug aus dem Sitzungsprotokoll vom 28.3.1947; ebd., Bild 9. 29   Erzabt von Beuron an Staatskommissar für die politische Säuberung vom 22.2.1947; ebd., Bild 39–46, hier 44. 30   George Chicester [George Bell] an Kittel vom 11.4.1947 und Augustinus Bea an Kittel vom 8.5.1947; ebd., Bild 64 und 103. 26 27

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des Vorwurfs „seiner angeblich antisemitischen Haltung“ referierte Wurm, der selbst stark vom preußischen Hofprediger Adolf Stoecker geprägt war, zunächst die Position des traditionellen christlichen Antijudaismus: Es habe Gott wohlgefallen, zuerst aus dem Volke Israel seine Gemeinde zu erwählen. „Aber neben der durch das ganze Alte Testament hindurch sicht­baren Heilslinie der Erwählung ist daneben von Anfang an die Linie der Verwerfung sichtbar, die mitten durch dies Volk hindurch geht und die alle einschließt, die sich im Ungehorsam gegen Gottes Gebote aus falsch verstandenem Rassedünkel erhoben haben.“ Das besondere Arbeitsgebiet Kittels sei die Geschichte des Volkes Israel von der nachexilischen bis zur talmudistischen Zeit: Dass hierbei die letzten göttlichen Ursachen der Verwerfung des Volkes aufgezeigt werden mussten, gehörte darum zu seinem theologischen Lehrauftrag, der seinem Inhalt nach ein Auftrag der Kirche ist. Dieser Lehrauftrag ist aber zuerst und für immer be­ gründet und vorgebildet in der Stellungnahme Jesu und seiner Apostel, der Kirchenväter und Synoden und man kann ihn sachlich nicht als eine Verirrung brandmarken oder ihn mit dem vulgären Antisemitismus identisch erklären.

Kittel habe als international anerkannter Wissenschaftler „dieses Zeugnis, das ein Zeugnis der Kirche ist, in sachlicher Weise lange vor 1933 und ebenso auch nachher abgelegt“. Des Weiteren führte Wurm aus, dass Kittel im Kirchenkampf immer treu zur Landeskirche gehalten und ihn während des Hausarrestes im Herbst 1934 ostentativ besucht habe. „Das furchtlose Bekenntnis Professors Dr. Kittels zu mir half mit, dass ein großer Teil der damaligen Theologiestudenten in seiner politischen Meinungsbildung gegen­über der NS-Partei entscheidend beeinflusst wurde.“ Ebenso habe Kittel, als er die Professur in Wien (1940–1943) versah, „die akademische Jugend in der Ablehnung gegen DC und Partei bestärkt“.31 Bemerkenswert ist die acht Seiten umfassende Stellungnahme des Erzabtes von Beuron, Benedikt Baur, die im Kern ganz ähnlich argumen­ tierte: Die katholische Kirche und Theologie nehme am Fall Kittel einen „sehr lebhaften Anteil“: Sein Wirken und seine wissenschaftlichen Arbeiten stehen seit vielen Jahren in hohem Ansehen auch bei uns, wie die vielen katholischen Hörer seiner Vorlesungen und die starke Benutzung seiner Werke auf katholischer Seite beweisen. Dazu kommt, dass die Hauptbeschuldigungen gegen ihn Fragen allgemein biblisch-christlicher Natur betreffen, die die katholische Theologie und Kirche nicht weniger angehen als die protestantische.

Kittels Arbeiten hätten „nichts zu tun mit der Rassentheorie des National­ sozialismus, noch weniger mit seiner Propaganda“. Es sei das Urteil aller Sachverständigen beider Konfessionen,

  Landesbischof Wurm an Staatskommissar für die politische Säuberung vom 24.4.1947; ebd., Bild 51–53. 31

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dass die Auffassung Kittels über die Judenfrage in ihrer Begründung wie in ihrer Auswirkung eine völlig andere war als der nationalsozialistische Antisemitismus, dessen Grundlagen sie im Gegenteil zu zerstören geeignet war. Ihn wegen dieser Arbeiten zur Judenfrage zu verurteilen, wäre gleichbedeutend mit einer Verurteilung der Propheten des Alten Bundes und mit einer Verurteilung Christi des Herrn selbst.

Es fehlten auch nicht die üblichen Argumente: Kittel sei aus Idealismus 1933 der NSDAP beigetreten und später, als er seinen Irrtum erkannt habe, nicht ausgetreten, um Schlimmeres zu verhüten. Er habe sich nie als NS-Aktivist betätigt, sondern vielmehr den vulgären NS-Antisemitismus bekämpft, wes­ halb er von der Partei scharf angegriffen worden sei. Abschließend führt­e Erzabt Baur aus, es sei keine Übertreibung, dass „die gesamte wissen­ schaftliche Welt aller Konfessionen und aller Kulturländer der ganzen Erde mit Spannung und Erwartung auf die Entscheidung der maßgebenden Stellen über die endgültige Liquidation des ‚Falles Kittel‘ wartet“.32 In beiden Stellungnahmen wurde sowohl Kittels Schrift Die Judenfrage von 1933 als auch seine Berufung 1936 in den Sachverständigenbeirat der Forschungsabteilung Judenfrage des Reichsinstituts für die Geschichte des neuen Deutschlands stillschweigend übergangen, obwohl er in des­ sen Schriftenreihe Forschungen zur Judenfrage mehrfach publiziert hatte. Kittel war kein akademischer Gelehrter, dessen Forschungen und Publikationen im Gegensatz zur antisemitischen Propaganda des NSRegimes gestanden haben, wie diese und viele andere Entlastungszeugnisse suggerieren wollen. Vielmehr kooperierte er eng mit NS-Stellen und wirk­ te an ebendieser Propaganda aktiv mit. So war er, wie sein Schüler Kuhn, an der Gestaltung der großen Ausstellung „Der ewige Jude“ beteiligt, die am 8. November 1937 mit großer Presseresonanz in München eröffnet wurde, ebenso an der Sonderausstellung „Das körperliche und seelische Erscheinungsbild der Juden“ im Naturhistorischen Museum in Wien im Mai 1939. Auch dass Kittel seine Auffassungen 1939 im auflagenstarken NSDAPParteiblatt Der Schulungsbrief, 1941 in der Zeitschrift der Hitlerjugend Wille und Macht und 1942/43 auch zweimal in einem Publikationsorgan des Reichspropagandaministeriums verbreiten konnte, widersprechen zentrale­n Behauptungen dieser Entlastungszeugnisse.33 Des Weiteren sind vertrauliche Gutachten Kittels zu nennen, die in unmittelbarem Bezug zur Judenverfolgung stehen. So sein Gutachten vom Dezember 1941 für den ge­ planten Schauprozess vor dem Volksgerichtshof gegen Herschel Grynszpan, dessen Attentat auf einen Mitarbeiter der deutschen Botschaft in Paris

  Erzabt von Beuron an Staatskommissar für die politische Säuberung vom 22.2.1947; ebd., Bild 39–46. 33   Vgl. Junginger, Gerhard Kittel im „Dritten Reich“, 91–94; Förster, Hans, Gerhard Kittel. Zur öffentlichen Wirkung eines Theologen in der Zeit des Dritten Reichs, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 131/3 (2020), 365–388. 32

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den Vorwand für das Novemberpogrom 1938 geliefert hatte.34 Im Februar 1943 verfasste Kittel eine Stellungnahme für das Auswärtige Amt „Über die persischen, afghanischen und kaukasischen Juden“. Hierin sprach er sich dagegen aus, den im besetzten Paris lebenden iranischen Sepharden, die sich selbst als Ario-Lateiner mosaischen Glaubens verstanden, einen Ausnahmestatus zuzugestehen. Sie seien vielmehr als Juden anzusehen und repräsentierten „vermutlich den alten orientalisch-vorderasiatischen Rassentypus, wahrscheinlich mit gewissen Degenerationserscheinungen. Anthropologische Untersuchungen an der Pariser Kolonie der Iranier mo­ saischen Glaubens wären wertvoll.“ Mit dieser Stellungnahme trug Kittel dazu bei, dass auch diese Gruppe in die NS-Vernichtungspolitik einbezogen wurde.35 Etwas anders sind die Zeugnisse ausländischer Theologen zu beurteilen, die Kittels Zeitschriftenbeiträge und öffentliche Vorträge während des Zweiten Weltkrieges wohl nicht kannten und in ihm vor allem den verdienten Herausgeber des Theologischen Wörterbuches zum Neuen Testament sahen. So führte die in Großbritannien ansässige Vereinigung „Studiorum Novi Testamenti Societas“ noch im März 1947 Kittel im Brief kopf als Mitglied des „Provisional Committee“ und sprach ihm ihr „tiefes Mitgefühl“ sowie die Hoffnung aus, dass „noch viele Jahre fruchtbarer Arbeit vor Ihnen liegen mögen“.36 Weitere Unterstützungsschreiben kamen u.a. von den Schweizer Professoren Albert Debrunner und Gottlob Schrenk, dem Präsidenten der Universität Chicago Ernest Cadman Colwell, den Harvard-Professoren Arthur Darby Nock und Henry J. Cadbury, Herman A. Preuss vom Luther Theological Seminary, Clarence Tucker Craig von der Yale University und vom Kanzler der Vanderbilt University Harvie Branscomb.37

34   Abgedruckt in: Gailus/Vollnhals (Hg.), Christlicher Antisemitismus im 20. Jahrhundert, 185–194. 35   Stellungnahme Kittels für das Auswärtige Amt vom 16.2.1943; Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes, R 99422, unpag. Vgl. auch Junginger, Gerhard Kittel im „Dritten Reich“, 96. 36   Studiorum Novi Testamenti Societas, gez. J. de Zwaan und G.H. Boobyer, an Kittel vom 29.3.1947; StASig, Wü 13 T 2, Nr. 2136/001, Bild 59. Zit. nach deutscher Übersetzung; ebd., Bild 63. Vgl. auch Bormann, Lukas, Gerhard Kittels wissenschaftliche Auslandsbeziehungen und die internationale Rezeption seiner Werke, in: Gailus/Vollnhals (Hg.), Christlicher Antisemitismus im 20. Jahrhundert, 135–160, insbes. 152–155. 37   Eine Sammlung der von Kittel beigebrachten Entlastungszeugnisse findet sich in der Zusammenstellung “Äußerungen zu der Angelegenheit des Professor Gerhard Kittel“, o. D. (Ende 1947) mit 83 Anlagen; StASig, Wü 13 T 2, Nr. 2136/001, Bild 228–348. Vgl. auch Bild 74–89.

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D. Die Vorbereitung auf das geplante Spruchkammerverfahren Ende April 1947 erfuhr das Entnazifizierungsverfahren in WürttembergHohenzollern eine weitere grundlegende Veränderung, da nun mit der Rechtsanordnung zur politischen Säuberung vom 25. April das justizför­ mige Spruchkammersystem mit seinen fünf Belastungsgruppen (I. Hauptschuldige, II. Belastete, III. Minderbelastete, IV. Mitläufer und V. Entlastete bzw. Unbelastete) eingeführt und das Staatskommissariat nach der Landtagswahl und Bildung der Regierung Lorenz Bock (CDU) im Juni mit Anton Traber neu besetzt wurde. Als erstes wurde die Lagerspruchkammer für das Internierungslager Balingen mit den mutmaßlich schweren Belastungsfällen gegründet, danach folgte die Einrichtung von neun wei­ teren Spruchkammern, die jedoch erst im Frühjahr 1948 arbeitsfähig waren.38 Zu diesem Zeitpunkt hatte die ungeliebte und von der evangelis­ chen Kirche von Anfang an äußerst heftig kritisierte Entnazifizierung in allen Besatzungszonen ihre fina­le Endkrise erreicht, zumal die Sowjetische Militärregierung mit dem SMAD-Befehl Nr. 201 vom August 1947 vorge­ prescht war und mit dem SMAD-Befehl Nr. 35 im Februar 1948 schließlich das offizielle Ende der Entnazifizierung verkündete. Priorität besaß nun die Neuverhandlung aller Entscheidungen aus dem alten Verwaltungsverfahren, den sogenannten Künzel-Bescheiden, mit dem klaren Ziel der Rehabilitierung. Für die Universität Tübingen erfolgte im November 1947 die Konstituierung einer gesonderten Spruchkammer, die Ende Januar 1948 erstmals tagte. Sie bestand unter dem Vorsitz des Rektors aus zwei Professoren sowie je einem Vertreter der vier zugelassenen Parteien und der Gewerkschaft. Ihre Aufgabe war es, „sämtliche Fälle der bis dahin entlassenen oder sus­ pendierten, aber auch der vorläufig wiedereingesetzten Lehrkräfte und Assistenten noch einmal aufzurollen und neu zu untersuchen“.39 Zugleich wies der neue Kultusminister Albert Sauer (CDU) die Universität an, dass Berufungsverhandlungen zur Neubesetzung von Lehrstühlen entlassener Hochschullehrer bis zum Abschluss ihres Verfahrens zurückzustellen seien. Zur Beschleunigung wurde im Sommer 1948 eine zweite Spruchkammer gebildet, die vor allem die leichteren Fälle bearbeiten sollte. Bis Anfang Juli wurden auf diese Weise insgesamt knapp 100 Verfahren abgeschlossen, etwa ebenso viele waren noch offen.40 Wohl in Erwartung eines baldigen Verfahrens hatte sich Erzabt Baur am 20. August 1947 bei dem neuen Staatskommissar für die politische Säuberung Traber erneut eindringlich für Kittel verwandt und ihm eine ganze Reihe von   Vgl. Henke, Politische Säuberung, 168f.   Zauner, Entnazifizierung, 970. 40   Zauner, Entnazifizierung, 972. 38 39

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Stellungnahmen übermittelt, die er teilweise auch schon dem Amtsvorgänger Künzel vorgelegt hatte.41 Am 1. September beantragte dann der Prior der Erzabtei Beuron, Pater Matthäus Mutter, dass Bischof Johannes Sproll von Rottenburg als Sachverständiger gehört werden möge, da sich Landesbischof Wurm ebenfalls bereit erklärt habe, vor der Spruchkammer persönlich für Kittel auszusagen. Angesichts der Bedeutung, die der Fall Kittel „sowohl grundsätzlich als auch im Speziellen für die katholischen Kreise“ gewon­ nen habe, „besonders infolge der Stellungnahme der vatikanischen Stellen, legen wir einen gesteigerten Wert auf diesen Antrag“.42 Wenige Tage später schrieb Traber zurück, der Fall Kittel sei ihm „noch nicht bekannt“; er befür­ wortete aber eine Ladung von Bischof Sproll und Landesbischof Wurm als Sachverständige, da niemanden das Recht auf Anhörung und auf Entlastung durch Zeugen verkürzt werden solle.43 Mitte September übersandte Kittel dem Staatskommissar weitere Entlastungszeugnisse und kündigte an: Er werde „in Kürze einen mit ausführlicher Begründung versehenen Antrag auf Vernehmung meiner Selbst, auf Ladung einer Reihe bestimmter Zeugen sowie die Bitte auf Ladung mehrerer Sachverständiger einreichen“.44 Am 7. Oktober kam die Evangelisch-theologische Fakultät der Bitte Kittels nach und schlug als „Sachverständigen auf dem Gebiete der israelitisch-jüdi­ schen Geschichte und Religionsgeschichte“ den Alttestamentler Friedrich Baumgärtel von der Universität Erlangen vor.45 Zwei Tage später informierte der Prior der Erzabtei Beuron Staatskommissar Tauber, dass man den Antrag auf Ladung Sprolls zurücknehme: „Herr Bischof Dr. Sproll kennt Prof. Dr. Kittel nicht persönlich und hat sich auch mit dem ganzen Problemkreis bisher nicht näher beschäftigt; aus diesem Grund ist es ihm verständlicher­ weise doch lieber, wenn von seiner Inanspruchnahme abgesehen wird.“ Stattdessen werde Erzabt Baur als Sachverständiger auftreten.46 Womöglich hatte sich Sproll, einer der schärfsten NS-Gegner im deutschen Episkopat, zwischenzeitlich doch näher mit der Causa Kittel befasst. Am 10. Oktober beantragte Kittel die Ladung von fünf Sachverständigen und 15 Zeugen. Sie sollten nicht nur die gegen ihn erhobenen Beschul­d i­ gungen „entkräften oder widerlegen“, sondern gleichzeitig den „nicht weniger wichtigen Nachweis erbringen, dass durch meine jetzt zum 41   Erzabt Baur an Staatskommissar für die politische Säuberung; StASig, Wü 13 T 2, Nr. 2136/001, Bild 101–147. 42   Prior der Erzabtei Beuron an Staatskommissar für die politische Säuberung; ebd., Bild 154. 43   Staatskommissar für die politische Säuberung an Prior der Erzabtei Beuron; ebd., Bild 168. 44   Kittel an Staatskommissar für die politische Säuberung vom 18.9.1947; ebd., Bild 152. 45   Evang.-theol. Fakultät an Staatskommissar für die politische Säuberung vom 7.10.1947; ebd., Bild 171. 46   Prior der Erzabteil Beuron an Staatskommissar für die politische Säuberung vom 9.10.1947; ebd., Bild 161.

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Gegenstand der Anklage gemachte Haltung und Wirksamkeit der tatsächli­ che Widerstand gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft gestärkt und gestützt wurde und dass ich dabei weder der Gefahr von Nachteilen noch tatsächlichen Nachteilen ausgewichen bin“. Er sei sich bewusst, dass er mit der Vernehmung der Sachverständigen und Zeugen „ungewöhnliche Anforderungen an die Säuberungsbehörde“ stelle: Ich glaube dies deshalb zu dürfen, weil meine Angelegenheit in wahrscheinlich singulärer Weise eine Verflechtung von kirchlichen und wissenschaftlichen Fragestellungen einer­ seits, politischen Fragen anderseits ist, wobei viele Gesichtspunkte, die rein politisch aussehen, in Wirklichkeit wesenhaft kirchlicher und theologischer Art sind; wobei ferner Äußerungen und Handlungen, die, wo sie isoliert politisch gesehen werden, in der Linie der Partei zu liegen scheinen, in Wirklichkeit sich als dieser tief gegensätzlich, ihre Ziele und Absichten hemmend und zerstörend, als Teile des kirchlich-weltanschaulichen Widerstandes erweisen.47

Als Sachverständige zur Beurteilung seiner theologischen Haltung und „For­ schungen auf dem Gebiet der Judenfrage“ benannte Kittel für die evange­ lische Kirche Landesbischof Wurm, für die katholische Kirche Erzabt Baur, einen von der Theologischen Fakultät zu benennenden Fachgelehrten für israelitisch-jüdische Geschichte, als Vertreter der katholischen Patristik und Kirchenlehre Bibliotheksrat Dr. theol. Dr. phil. Karl Hermann Schelkle und als „theologischen Vertreter der getauften Judenchristenschaft“ Pastor Dr. theol. Wilhelm Dittmann. Die von Kittel benannten 15 Zeugen sollte­n vor allem seine politische Distanz zum NS-Regime und persönli­ che Integrität bestätigen. Hinsichtlich seiner Tätigkeit für das Reichsinstitut für die Geschichte des neuen Deutschlands sollte beispielsweise sein früh­ erer Assistent Günter Schlichting (NSDAP-Beitritt 1930), der von der bay­ erischen Landeskirche für seine Tätigkeit als Leiter der Fachbibliothek des Reichsinstituts freigestellt worden war und nun wieder als Pfarrer im Dienste der Landeskirche stand, aussagen. Flankiert wurde der Antrag Kittels von weiteren Entlastungszeugnissen, so etwa einer langen Eingabe des emeritierten Tübinger Systematikers Karl Heim. Er kam zu dem Schluss, Kittels Äußerungen zur Judenfrage hätten sich „in direktem Gegensatz zum Partei-Antisemitismus“ befunden. Kittel habe „seine christliche Überzeugung und Lehre stets mutig verfochten“, und zwar „auf dem gefährlichsten Frontabschnitt des weltanschaulichen Ringens im Dritten Reich, nämlich auf dem Gebiet der Judenfrage“. Ebenso sei Kittel stets für das Alte Testament eingetreten, „ein Kampf, in dem auch zahlreiche Christen schwach geworden“ seien. „All dies war ‚aktiver Widerstand‘ im ausgeprägtesten Sinne!“ Dieser Formulierung folgte der Verweis auf eine Entscheidung des Kassationshofes in München, wonach die Bekennende   Kittel an Staatskommissar für die politische Säuberung vom 10.10.1947; ebd., Bild 155– 160, hier 155f. 47

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Kirche als Widerstandsbewegung im Sinne des Befreiungsgesetzes zu gelten habe.48 Der Bekennenden Kirche hatte Kittel allerdings nie ange­ hört. Sein Bruch mit den Deutschen Christen erfolgte nach der skandalösen Sportpalastrede des Berliner DC-Gauobmanns Reinhold Krause, worauf hin Kittel gemeinsam mit den Fakultätskollegen Fezer, Rückert und Weiser am 25. November 1933 seinen Austritt erklärte.49 Die Verteidigung des Alten Testaments als unabdingbarer Glaubensgrundlage stellte die Trennlinie zu den Deutschen Christen dar, weshalb Kittel auch zu dem 1939 in Eisenach gegründeten „Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben“ Distanz hielt.50 Trotz dieser erfolgreichen Lobbyarbeit mit Hilfe eines internationalen Netzwerkes sollte es 1947 jedoch zu keinem Verfahren mehr kommen, da die für die Universität Tübingen zuständige Spruchkammer erstmals Ende Januar 1948 tagte. Im Februar durfte Kittel das Kloster Beuron verlassen und zu seiner Familie nach Tübingen zurückkehren. Am 19. März 1948 legitimierte sich Rechtsanwalt Dr. Theodor Zeller aus Balingen gegenüber der Universitätsspruchkammer als „Verteidiger des Betroffenen“, was jedoch zunächst keine Auswirkungen auf das Verfahren hatte. Sicherlich hatte der Dekan der Evangelisch-theologischen Fakultät Rückert auch den Fall Kittel im Blick, als er am 19. Juni im Großen Senat die „schleppende Arbeit der Spruchkammer“ kritisierte.51 Einen Tag später schrieb Rechtsanwalt Zeller allerdings an den Rektor der Universität Walter Erbe, der qua Amt der Kammer vorsaß, „ob es im Hinblick auf die der­ zeitige Lage nicht doch besser wäre, den von Ihnen unverbindlich für 1. Juli in Aussicht genommenen Termin noch hinauszuschieben“. Den aus­ wärtigen Zeugen sei eine Reise zum jetzigen Zeitpunkt nicht zuzumuten.52 Den Hintergrund für dieses Anliegen bildete die kurzfristig angekündigte Währungsreform, die am 20. Juni 1948 in Kraft getreten war. Sie war mit der Ausgabe des „Kopfgeldes“ von 40 DM als neuem Zahlungsmittel ver­ bunden, während die alten Reichsmark-Konten zunächst eingefroren und mit einem Währungsschnitt umgestellt wurden. Am 22. Juni erhielt Zeller als Antwort: Man werde „im Hinblick auf die inzwischen eingetretene neue wirtschaftliche Situation“ zunächst diejenigen Verfahren durchführen, in   Karl Heim u.a. an Staatskommissar für die politische Säuberung vom Oktober 1947; ebd., Bild 173–187, hier 184 und 186. Vgl. auch „Äußerungen zu der Angelegenheit des Professor Gerhard Kittel“, o. D. (Ende 1947) mit 83 Anlagen; ebd., Bild 228–348. 49   Vgl. Junginger, Biografischer Abriss, 216. 50   Vgl. Arnhold, Oliver, Gerhard Kittel und seine Schüler. Welche Verbindungen bestanden zum Eisenacher „Entjudungsinstitut“?, in: Gailus/Vollnhals (Hg.), Christlicher Antisemitismus im 20. Jahrhundert, 119–134. 51   Vgl. Zauner, Entnazifizierung, 972, Anm. 153. 52   Rechtsanwalt Zeller an Rektor Erbe vom 20.5.1948; StASig, Wü 13 T 2, Nr. 2136/001, Bild 554. 48

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denen die Verteidiger der Betroffenen ortsanwesend seien und keine aus­ wärtigen Zeugen geladen werden müssten. „Erst im Anschluss daran werden die übrigen Verfahren zum Zuge kommen.“53 Die mit großem Aufwand vorangetriebene Rehabilitierung sollte Kittel jedoch nicht mehr erleben. Er hatte sich bereits Anfang Februar 1945 we­ gen einer Herzmuskelschädigung in eine vierwöchige Kur begeben müs­ sen 54 und verstarb am 11. Juli 1948 in Tübingen im Alter von 59 Jahren. Die Fakultät ehrte ihn mit einer Gedenkstunde am 20. Juli. Auf die Mitteilung des Todes Kittels reagierte die Universitäts­spruch­ kammer umgehend. In ihrer Sitzung vom 15. Juli fasste sie den Beschluss: „Der Betroffene ist nicht als Hauptschuldiger oder Belasteter einzureihen.“ Allerdings kam diese Entscheidung mit denkbar knapper Mehrheit (4 zu 3 Stimmen) zustande, was auf die selbst noch Mitte 1948 stark vorhandene Polarisierung im Fall Kittel verweist. Zugleich stellte man das Verfahren ein und legte die Akten dem Staatskommissar für die politische Säuberung vor, der den Beschluss am 29. November 1948 bestätigte.55

E. Das Ringen um die Witwenpension Damit war die Angelegenheit aber noch nicht zu Ende, denn nun folgte ein jahrelanges Ringen um die Höhe der Witwenpension. Zwar galt Elisabeth Kittel nach dem Entscheid der Spruchkammer IX vom 21. November 1948 als „unbelastet“, da sie weder der NSDAP noch einer ihrer Gliederungen angehört hatte.56 Damit war aber noch nicht geklärt, ob nicht im Falle ihres Ehemanns eine Pensionskürzung als Sühnemaßnahme angebracht gewesen wäre. Jedenfalls forderte der Staatskommissar für die politische Säuberung die Akten an und wies am 6. April 1949 die Spruchkammer an, eine entspre­ chende Prüfung vorzunehmen: Der Fall ist sehr dringend, da das Kultministerium über die Versorgungsbezüge der Witwe keine Entscheidung treffen will, bevor nicht eine Säuberungsentscheidung gegen den verstorbenen Ehemann vorliegt. Es ist zu prüfen, ob auf Grund der politischen Belastung des Verstorbenen beamtenrechtliche oder besoldungsrechtliche Sühnemaßnahmen zu verhängen sind.57

  Rektor Erbe an Rechtsanwalt Zeller vom 22.6.1948; ebd., Bild 553.   Kittel an Rektor vom 18.1.1945; Universitätsarchiv Tübingen (künftig: UAT), Personalakte (PA) Kittel 126/326c, unpag. 55   Beschluss der Spruchkammer für den Lehrkörper der Universität Tübingen vom 15.7.1948 mit Bestätigungsvermerk vom 29.11.1948; StASig, Wü 13 T 2, Nr. 2136/001, Bild 2. 56   Spruch der Spruchkammer IX vom 21.11.1948; ebd., Bild 3. 57   Staatskommissar für die politische Säuberung an Universitätsspruchkammer vom 6.4.1949; ebd., Bild 8. 53

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Die Kammer ließ sich Zeit, bis sie am 24. November in Ergänzung zu ihrem Beschluss vom 15. Juli 1948 einstimmig festhielt: Es lasse sich aus den Akten „nichts ersehen, was auf eine berufliche oder gehaltliche Förderung infolge Zugehörigkeit zur NSDAP seit 1933 schließen lassen könnte“. Deshalb sei auch die Ehefrau nicht Teilhaberin einer solchen Förderung bzw. Vergünstigung gewesen, die einen eigenen Grund für die Kürzung ihrer Pensionsbezüge abzugeben vermöchte.58 Der Personalakte ist aller­ d ings auch zu entnehmen, dass Reichsminister Bernhard Rust „auf Anregung des württembergischen Kultministers“, d.h. auf Empfehlung von Christian Mergenthaler, der zugleich seit 1933 als Ministerpräsident amtierte und einen explizit kirchenfeindlichen Kurs verfolgte, die „Unterrichtsgeldgarantie von 1000 RM mit Wirkung vom 1. April 1944 ab auf jährlich 2000 RM“ erhöht hatte.59 Zum Vergleich: 1944 betrug das jährliche Durchschnittseinkommen aller in der Rentenversicherung erfassten Erwerbspersonen 2292 RM.60 Als jährliches Gehalt hatte Kittel zuletzt 13600 RM bezogen, hinzukam ein ruhegehaltsfähiges Wohngeld von 1440 RM.61 Mit Kabinettsbeschluss vom 24. Februar 1950 erhöhte die Staatsregierung die seit 1. April 1949 widerruflich gewährte Unterstützung für die Witwe auf monatlich 350 DM.62 Diese Festsetzung der Hinterbliebenenbezüge wurde auf der 166. Sitzung des Staatsministeriums am 2. August 1950 endgültig bestätigt.63 Mit dieser Regelung war Elisabeth Kittel jedoch nicht einver­ standen, da ihr die volle Witwenpension in Höhe von 564 DM zustehe. Sie wandte sich deshalb im Juli 1951 an den neuen Rektor Thielicke, der seiner­ seits in einem amtlichen und einen Tag später auch in einem persönlichen Schreiben direkt bei Staatspräsident Gebhard Müller (CDU) vorstellig wurde: Da Frau Kittel persönlich völlig unbelastet sei, stehe ihr billigerweise auch die volle Witwenpension zu. Zumal Gerhard Kittel von der Spruchkammer jetzt „wahrscheinlich“ in die Gruppe der Entlasteten eingestuft werden würde.64 Am 23. Juli teilte Thielicke Elisabeth Kittel mit, dass ihm Müller 58   Beschluss der Spruchkammer für den Lehrkörper der Universität vom 24.11.1949; StASig, Wü 13 T 2, Nr. 2655/005, Bild 1. 59   Erlass des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 17.4.1944 (Abschrift); UAT, PA Kittel, 126/326c, unpag. 60   Angabe nach Tabelle bei https://de.wikipedia.org/wiki/Durchschnittsentgelt. 61  Berechnung der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit mit handschriftlichem Vermerk vom 27.12.1948; UAT, PA Kittel, 126/326c, unpag. Nach dieser Berechnung ergab sich für Elisabeth Kittel eine monatliche Witwenpension in Höhe von 564 DM. 62   Finanzministerium an Landeshauptkasse vom 24.3.1950 und Kultministerium an Rektorat vom 2.5.1950; UAT, PA Kittel, 126/326c, unpag. 63   Entscheidung des Staatsministeriums auf Grund des Gesetzes über die Regelung der aus politischen Gründen vom Amt entfernten Personen vom 22. Dezember 1948 (Reg.Bl. 1948, 181) ausweislich der Anlage zur Niederschrift über die 166. Sitzung des Staatsministeriums am 2. August 1950; UAT, PA Kittel 126/326c, unpag. 64   Rektorat an Staatspräsidenten des Landes Württemberg-Hohenzollern vom 10.7.1951 und

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in einem persönlichen Gespräch zugesagt habe, dass sie bald mit vollen Pensionsbezügen rechnen könne, „und zwar im Zusammenhang mit einer allgemeinen Neuregelung solcher Fälle“.65 Anscheinend kam es zu einer be­ friedigenden Regelung, da sich in den Akten kein weiterer Schriftwechsel mehr befindet.

F. Ausblick: Rehabilitierung und Integration Bereits im Mai 1951 war das Bundesgesetz „zur Regelung der Rechts­ verhältnisse der unter Artikel 131 GG fallenden Personen“ in Kraft ge­ treten, das die Rückkehr von im Zuge der politischen Säuberung entlassene­n Staatsdienern in ihre früheren (oder gleichwertigen) Stellungen oder zu­ mindest eine angemessene Versorgung ermöglichte. Diesem großzügigen – oder je nach Sichtweise auch skandalösen – Integrationsangebot für zumeist Schwerbelastete folgte im Juli 1953 das baden-württembergische „Gesetz zur einheitlichen Beendigung der politischen Säuberung“, das alle früheren Versetzungen in den Ruhestand auf hob und die betreffenden Hochschullehrer „zur Wiederverwendung“ frei gab.66 Für die Universität Tübingen ergibt die Untersuchung Zauners, dass von den 33 in den Jahren 1945/46 entlassenen oder längerfristig suspendierten Professoren 15 zwischen 1948 und 1955 an die Universität zurückkehrten. Weitere 13 wurden zwischen 1951 und 1955 emeritiert und waren damit nicht nur nach außen rehabilitiert, sondern ebenfalls wieder lehrbefugt. Nur drei der Entlassenen sollten auf Dauer an keiner deutschen Universität mehr lehren; zwei weitere waren zwischenzeitlich verstorben, darunter Gerhard Kittel. Blickt man auf die 28 entlassenen oder längerfristig suspendierten außerplanmäßigen Professoren und Dozenten, so ergibt sich ein ähnliches Bild. Von ihnen kehrten 14 zwischen 1948 und 1952 an die Universität Tübingen zurück.67 Den Kittel-Schüler Karl Georg Kuhn hatte die Universitätsspruchkammer unter Vorsitz von Rektor Erbe bereits im Oktober 1948 mit einer abenteuer­ lichen, aber für den Zeitgeist einer vehementen Schlussstrichmentalität68 Thielicke an Staatspräsident Müller vom 11.7.1951; ebd. 65   Thielicke an Elisabeth Kittel vom 23.7.1951; ebd. 66   Vgl. Zauner, Entnazifizierung, 989f. Das Bundesland Baden-Württemberg, bestehend aus den bisherigen Gebieten Württemberg-Baden, Württemberg-Hohenzollern und Baden, war erst im April 1952 gegründet worden. 67   Ebd., 991f. 68  Bereits am 1.2.1948 hatte die Kirchenleitung von Hessen-Nassau unter der Führung Martin Niemöllers in einer Kanzelabkündigung zum Boykott der Spruchkammern aufgerufen: „Wirkt an dieser Sache, die so viel Unrecht im Gefolge hat, nicht länger aus freien Stücken als öffentlicher Kläger oder als freiwilliger Belastungszeuge mit! Oder ihr kommt in die Gefahr, das Amt der Versöhnung zu verraten, das euch aufgetragen ist.“ Zu den Hintergründen und

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typischen Begründung als „entlastet“ eingestuft. Diese Eingruppierung setz­ te den Nachweis aktiven Widerstandes voraus, da Kuhn schon im September 1932 der NSDAP beigetreten war und somit allenfalls als Mitläufer gelten konnte. In seiner Lehrtätigkeit habe Kuhn „niemals national­sozialistische Lehren propagiert“, sondern seine Hörer durch die rein sachlich-wissen­ schaftliche Darlegung gegen „die landläufigen antisemitischen Parolen“ immunisiert. Auch bei der Prüfung der Publikationen – darunter auch die 1941 in einer Schriftenreihe des NS-Dozentenbundes erschienene Abhandlung Der Talmud – das Gesetzbuch der Juden – gewann die Kammer die Überzeugung, „dass die vom Verfasser aufgeworfenen Fragen eine rein fachwissenschaftliche Behandlung erfahren haben, keine antisemitischen Neigungen erkennen lassen und deshalb keine politische Belastung ergeben können“. Dem Reichsinstitut für die Geschichte des neuen Deutschlands sei Kuhn 1936 nur beigetreten, weil ihm die personelle Zusammensetzung des Instituts eine saubere wissenschaft­ liche Gesamthaltung zu gewährleisten schien und er dieses deshalb für eine geeignete Plattform ansah, auf dem umstrittenen Gebiet der talmudischen Literatur die Stimme der sachlichen, auf solidem Quellenstudium beruhenden Wissenschaft zur Geltung zu bringen.

Zudem sei Kuhn an mehreren Universitäten für einen Lehrstuhl für „Geschichte und Sprache des Judentums“ vorgeschlagen, aber aufgrund des Widerstands des Reichserziehungsministeriums nicht berufen worden.69 Damit sei, so die Kammer, „der Beweis für eine empfindliche wirtschaft­ liche und persönliche Schädigung aus politischen Gründen eindeutig er­ bracht“. Außerdem habe Kuhn mit seiner Vortragstätigkeit im Rahmen der kirchlichen Jugendarbeit und der Betreuung von studentischen Anhängern der Bekennenden Kirche aktiven Widerstand geleistet.70 Dieser Spruch der Universitätsspruchkammer Tübingen ist das Produkt einer 1948 völlig enthemmten Mitläuferfabrik, in der durch­ sichtige Rechtfertigungsversuche und in kollegialer Standessolidarität großzügi­g erteilte Entlastungszeugnisse, die nicht umsonst umgangssprach­ lich „Persilscheine“ hießen, mehr galten als tatsächliche und gut belegte politischen Reaktionen vgl. Vollnhals, Evangelische Kirche und Entnazifizierung, 104–113, Zitat 105. 69  Tatsächlich befürworteten sowohl die Dienststelle Rosenberg als auch das Reichserziehungsministerium im Herbst 1944 die Besetzung eines an der Frankfurter Universität geplanten Lehrstuhls für Judenkunde mit Kuhn. Vgl. Junginger, Horst, Die Verwissenschaftlichung der „Judenfrage“ im Nationalsozialismus (Veröffentlichungen der Forschungsstelle Ludwigsburg 19), Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2011, 209. Zur Planung einer Professur zum Studium der „Judenfrage“ vgl. ebd., 176–220. 70   Spruch der Spruchkammer für den Lehrkörper der Universität vom 18.10.1948; StASig, Wü 13 T 2, Nr. 2657/250, Bild 1–17; Fragebogen mit Anlagen (ebd., Nr. 2514/075). Vgl. auch Junginger, Antisemitismus in Theorie und Praxis, 545f.

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Belastungen, die entweder einfach ignoriert oder mit wortreicher Rabulistik als unerheblich abgetan wurden. Nach seiner erfolgreichen Entlastung lehrte Kuhn 1949 zunächst als außerplanmäßiger Professor für Neues Testament und Judaistik an der Universität Göttingen, bis er 1954 auf einen Lehrstuhl in Heidelberg berufen wurde. Dort leitete Kuhn ab 1957 zugleich die Qumranforschungsstelle und wurde 1964 in die Heidelberger Akademie der Wissenschaften aufgenommen.71 Das geplante Spruchkammerverfahren gegen Gerhard Kittel kam auf­ grund seines Todes zu keinem Abschluss. Man kann jedoch mit guten Gründen annehmen, dass es letztendlich zu der von ihm angestrebten voll­ ständigen Rehabilitierung geführt hätte. Seine akademische Karriere hätte Kittel, gestützt auf ein exzellentes Netzwerk, gewiss fortsetzen können.

Literaturverzeichnis Arnhold, Oliver, Gerhard Kittel und seine Schüler. Welche Verbindungen bestanden zum Eisenacher „Entjudungsinstitut“?, in: Manfred Gailus/Clemens Vollnhals (Hg.), Christlicher Antisemitismus im 20. Jahrhundert, 119–134. Bormann, Lukas, Gerhard Kittels wissenschaftliche Auslandsbeziehungen und die internati­ onale Rezeption seiner Werke, in: Manfred Gailus/Clemens Vollnhals (Hg.), Christlicher Antisemitismus im 20. Jahrhundert, 135–160. Förster, Hans, Gerhard Kittel. Zur öffentlichen Wirkung eines Theologen in der Zeit des Dritten Reichs, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 131/3 (2020), 365–388. Gailus, Manfred, Gerhard Kittels „Meine Verteidigung“ von 1946: Rechtfertigungsversuche eines schwer kompromittierten Theologen, in: Manfred Gailus/Clemens Vollnhals (Hg.), Christlicher Antisemitismus im 20. Jahrhundert, 161–182. Gailus, Manfred/Vollnhals, Clemens (Hg.), Christlicher Antisemitismus im 20. Jahr­ hundert. Der Tübinger Theologe und „Judenforscher“ Gerhard Kittel (Berichte und Studien des HAIT 79), Göttingen: V&R unipress 2020. Greschat, Martin (Hg.), Die Schuldfrage der Kirche. Dokumente und Reflexionen zur Stuttgarter Schulderklärung vom 18./19. Oktober 1945 (Studienbücher zur Kirchlichen Zeitgeschichte 4), München: Kaiser 1982, 156–183. Henke, Klaus-Dietmar, Politische Säuberung unter französischer Besatzung. Die Entnazifizierung in Württemberg-Hohenzollern (Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 42), Stuttgart: Deutsche Verlagsanstalt 1981. Junginger, Horst, Antisemitismus in Theorie und Praxis, in: Wiesing u.a. (Hg.), Die Universität Tübingen im Nationalsozialismus, 483–558. –, Die Verwissenschaftlichung der „Judenfrage“ im Nationalsozialismus (Veröffentlichungen der Forschungsstelle Ludwigsburg 19), Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2011. –, Gerhard Kittel. Ein biografischer Abriss im Kontext der politischen und kirchli­ chen Zeitgeschichte, in: Gailus/Vollnhals (Hg.), Christlicher Antisemitismus im 20. 71  Zum akademischen Lebensweg vgl. Theissen, Gerd, Neutestamentliche Wissenschaft vor und nach 1945. Karl Georg Kuhn und Günther Bornkamm, Heidelberg: Universitätsverlag C. Winter 2009, 15–150.

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Jahrhundert, 203–257. –, Gerhard Kittel im „Dritten Reich“: Die Karriere eines evangelischen Theologen im Fahrwasser der nationalsozialistischen Judenpolitik, in: Manfred Gailus/Clemens Vollnhals (Hg.), Christlicher Antisemitismus im 20. Jahrhundert, 83–100. Lammers, Karl-Christian, Die „Judenwissenschaft“ im nationalsozialistischen Dritten Reich. Überlegungen zur „Forschungsabteilung Judenfrage“ in Walter Franks „Reichsinstitut für Geschichte des neuen Deutschlands“ und zu den Untersuchungen Tübinger Professoren zur „Judenfrage“, in: Freddy Raphael (Hg.), „… das Flüstern eines leisen Wehens…“ Beiträge zu Kultur und Lebenswelt europäischer Juden. Festschrift für Utz Jeggle, Konstanz: UVK-Verlags-Gesellschaft 2001, 369–391. Morgenstern, Matthias, Gerhard Kittels Verteidigung. Die Rechtfertigungsschrift eines Tübinger Theologen und „Judentumsforschers“ vom Dezember 1946/Segev, Alon, Gerhard Kittel’s Defense. Apologia of a Theologian and New Testament Scholar, December 1946, Wiesbaden: Berlin University Press 2019. Raphael, Freddy (Hg.), „… das Flüstern eines leisen Wehens…“ Beiträge zu Kultur und Lebenswelt europäischer Juden. Festschrift für Utz Jeggle, Konstanz: UVK-VerlagsGesellschaft 2001. Rieger, Reinhold, Die Entwicklung der Evangelischen-theologischen Fakultät im „Dritten Reich“, in: Wiesing u.a. (Hg.), Die Universität Tübingen im Nationalsozialismus, 77–117. Schäfer, Gerd (Hg.), Die Evangelische Kirche in Württemberg und der Nationalsozialismus. Eine Dokumentation zum Kirchenkampf, Bd. 6, Stuttgart: Calwer Verlag 1986, 68–71. Theissen, Gerd, Neutestamentliche Wissenschaft vor und nach 1945. Karl Georg Kuhn und Günther Bornkamm, Heidelberg: Universitätsverlag C. Winter 2009, 15–150. Vollnhals, Clemens, Entnazifizierung. Politische Säuberung und Rehabilitierung in den vier Besatzungszonen 1945–1949, München: dtv 1991. –, Evangelische Kirche und Entnazifizierung 1945–1949. Die Last der nationalsozialisti­ schen Vergangenheit (Studien zur Zeitgeschichte 36), München: Oldenbourg 1989. –, Nationalprotestantische Traditionen und das euphorische Aufbruchserlebnis der Kirchen im Jahr 1933, in: Manfred Gailus/Clemens Vollnhals (Hg.), Christlicher Antisemitismus im 20. Jahrhundert. Der Tübinger Theologe und „Judenforscher“ Gerhard Kittel (Berichte und Studien des HAIT 79), Göttingen: V&R unipress 2020, 43–61. Weber, Petra, Carlo Schmid, 1896–1979. Eine Biographie, München: Beck 1996. Wiesing, Urban u.a. (Hg.), Die Universität Tübingen im Nationalsozialismus (Contubernium 73), Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2010. Zauner, Steffen, Die Entnazifizierung (Epuration) des Lehrkörpers. Von der Suspendierung und Entlassung 1945/46 zur Rehabilitierung und Wiedereinsetzung der Professoren und Dozenten bis Mitte der 1950er Jahre, in: Urban Wiesing u.a. (Hg.), Die Universität Tübingen im Nationalsozialismus (Contubernium 73), Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2010, 937–997.

V. Internationale Rezeptions- und Wirkungsgeschichte

Bittersweet Abraham Kuyper’s View on Jews in relation to the Reception of Gerhard Kittel’s View in Neo-Calvinist Circles in the Netherlands George Harinck A. Introduction The aim of this contribution is to show how the views of the Dutch theo­ logian and politician Abraham Kuyper resonated in the context of two New Testament scholars and friends, Gerhard Kittel and Frederik Willem Grosheide, and their engagement with the “Jewish question” – the position of Jewish minorities in European nations and anti-Semitism in 1933. The focus will be on Kuyper’s pamphlet Liberalisten en Joden from 1878, the pamphlet Grosheide referred to as an authoritative publication on the topical issue of political anti-Semitism in his review of the first edition of Kittel’s book Die Judenfrage and in his correspondence with his German colleague. Kittel subsequently read Kuyper’s pamphlet in 1933 with appreciation. The question that guides this article is: What has been the role and impact of Kuyper’s pamphlet in the debate on anti-Semitism over a time span of 65 years (1878–1933)? Attention will be paid to the context and content of the pamphlet, its reception history and its functioning in the context of the start of the Third Reich and Kittel’s book.

B. Kuyper and Neo-Calvinism Abraham Kuyper and the Kuyperian or Neo-Calvinist world need some intro­duction.1 Kuyper lived in the Netherlands from 1837 till 1920 and was a prominent theologian, journalist, and politician, a member of parliament and from 1901 till 1905 prime minister of his country. In the Reformed communi­ ty Grosheide belonged to, Kuyper and his works were the main authority and point of reference on theological, political, and cultural issues. Kuyper had  See James D. Bratt, Abraham Kuyper: Modern Calvinist, Christian Democrat (Grand Rapids: Eerdmans, 2013). 1

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reached this position by his creative power, his leadership qualities and his organizational talents. He founded a political party, a university, a denomi­ nation, newspapers, and led the Christian school movement. The Reformed community he created – about eight percent of the Dutch population – was largely dependent on his ideas and leadership, and had a national influence that exceeded its number. When he died in 1920, the fear was that this world would fall apart, and the aim of his successors therefore was to maintain and conserve his ideas and the institutions he had founded. In the 1930s, Reformed politicians in his Anti-Revolutionary Party, Reformed professors at his Vrije Universiteit, ministers in the Reformed Churches he founded, journalists of his newspapers De Standaard (a daily) and De Heraut (a week­ ly), and Reformed teachers at Christian primary and seconda­r y schools, to all of them Kuyper’s views defined their outlook and their opinions. In the nineteenth century Kuyper, as one of Grosheide’s theological colleagues, V. Hepp, said in the 1920s with a metaphor, had reconstructed and moder­ nized the building of Calvinism in which the Neo-Calvinists all lived, and it was their duty to maintain that building, and extend it according to the blueprint of its architect. The structure of the building was solid and its foundation would endure the ages. The building could be expanded some­ what in line with the architect’s vision, but in principle the Neo-Calvinist house was complete.2 Especially the theological department of the Vrije Universiteit, where Grosheide worked, was a gatekeeper and guardian of true Kuyperianism. In 1937, at the centennial of Kuyper’s birth and the hey­ day of Kuyper-worship, Grosheide placed him as reformer of the church next to Luther and Calvin.3 This atmosphere meant, when after the First World War and after Kuyper’s death in 1920, new issues in modern culture had to be addressed and new national and international circumstances had to be taken into account, Kuyper’s publications were the sole armoury, where they would find orientation and get their arguments.4 Younger Reformed theolo­ gians who dared to criticize aspects of Kuyper’s theology were labelled as iconoclasts, “ready to demolish all the monuments that have been erected by the most excellent theologians of our tradition.”5 In the 1930s, anti-Semitism was one of the modern issues that had to be addressed. So, when Grosheide on 2 July 1933 reviewed Gerhard Kittel’s 78-page pamphlet Die Judenfrage  V. Hepp in De Reformatie, 26.11.1920.   De Heraut, 31.10.1937. 4   Kuyperianism was also the answer for devastated Germany after the first World War, see George Harinck, “The Early Reception of the Theology of Karl Barth in The Netherlands (1919–1926),” Zeitschrift für dialektische Theologie 17 (2001): 170–187. 5  H.H. Kuyper in De Heraut, 3.1.1937, quoted in: George Harinck, “Saevis Tranquillus in Undis? The Dutch Neo-Calvinist Tradition and Modernism after World War I,” in: Leo Kenis and Ernestine van der Wall (eds.), Religious Modernism in the Low Countries (Leuven: Peeters, 2013), 234. Unless otherwise indicated, English translations are my own (GH). 2 3

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in De Heraut, founded by Kuyper, it was not unusual at all that he referred to Kuyper and what he had written on the Jews, even if this had been published 65 years ago. His readers would not have expected anything else.

C. Grosheide’s Review The text of Kittel’s book Die Judenfrage was an extended version of a lec­ ture he had given to students at the University of Tübingen on 1 June 1933. It was published on their request. At that time the anti-Semitic policy of the Third Reich was implemented at full speed. Half a million Jews, about one percent of the German population, were being segregated: on 1 April the Nazi’s started a boycott of Jewish shops, medical doctors, and lawyers; some days later Jews were excluded from civil service, professors were fired, also in Tübingen. No colleague at the university protested publicly against these measures. Kittel wrote Grosheide “dass in solchen Zeiten des radikalen Umschwunges, wie sie in Deutschland jetzt sind, vieles auch geschieht, was der einzelne nicht versteht und was ihn dennoch an seinem Gesamturteil nicht irre machen kann.”6 Kittel did not understand every disaster that hap­ pened, but he joined Hitler’s National-Socialist party on 1 May 1933 and actively contributed to the Nazi revolution. In April 1933 he dismissed his already often harassed Jewish coworker and assistant Charles Horowitz, who fled to the Netherlands where Grosheide took care for him, and in June Kittel hired a Nazi instead.7 Those were the days in which he composed his lecture and book Die Judenfrage. On 12 June Kittel promised Grosheide to send him his book, because he wanted to make clear, “dass für mich die gegenwärtige deutsche Situation auch in Bezug auf die Judenfrage einen christlichen Sinn hat. Es ist mir ein Bedürfnis, auch einigen Freunden im Ausland gegenüber diese meine Stellung nicht zu verbergen.” 8 More so, he was afraid to be damned by his foreign friends for his opinion on what he understood to be God’s way with the Jewish people and with his own German people. He therefore wanted to justify his position over against Grosheide. Basically, so he wrote him, I still hold to the same view of Judaism I had developed over the years. But a new accent was added: “… ich glaube, dass wir als Christen auch eine Pflicht haben, mit der Perspektive des Neuen Testaments Ernst zu machen, die von einer besonderen Stellung dieses Volkes seit dem Geschehen auf Golgatha  G. Kittel to F.W. Grosheide, 31.8.1933 (K 183). F.W. Grosheide Papers, Collectie HDC, University Library Vrije Universiteit Amsterdam (HDC). 7  Horst Junginger, The Scientification of the “Jewish Question” in Nazi Germany (Leiden: Brill, 2017), 124–126. See on Horowitz also Kittel to Grosheide, 31.8.1933 (K 183). 8   Kittel to Grosheide, 12.6.1933 (K 182). 6

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weiß.” 9 Grosheide was an important conversation partner for Kittel, because “diesen Teil der Unterhaltung können wohl allein solche führen, die 1) Israel kennen & ernstlich lieben, & die 2) ebenso ernstlich gewillt sind, nach Gottes Willen zu fragen, ihn aus der Bibel zu erheben, & sich gehorsam un­ ter ihn zu beugen.”10 It was clear that Kittel realized that either his political opinion regarding the Jews in the newly founded Third Reich might not be appreciated by Grosheide, or that he would criticize his new understanding of the New Testament. Grosheide reacted to the book, sent to him later in June, in two ways. On 3 July he wrote Kittel a personal letter, to which Kittel responded almost two months later: “Immer noch ist Ihr ausführlicher, freundlicher Brief vom 3.7. unbeantwortet. Er war mir von besonderem Wert und ich habe viel und oft über ihn nachgedacht. Ich danke Ihnen, dass Sie mir so offen geschrieben haben.”11 Unfortunately, we don’t know the content of this letter and can only guess what Grosheide’s extensive and candid argument has been. The second way Grosheide reacted to Kittel’s book was by publish­ ing a review in De Heraut.12 It was published on 2 July 1933 and he in­ serted the clipping in the letter he wrote Kittel the next day. In the review Grosheide avoided as much as possible addressing the hot political issue of anti-Semitism in Germany. He started his review by assuming his readers sometimes wondered what positive Christians – Grosheide meant orthodox Christians – in Germany think of Hitler’s acts against the Jews since the Machtübernahme of 30 January 1933. At the same time, he doubted if it was the right time to ask them this question, given the circumstances, or as Kittel, one of these positive Christians, would put it, “solchen Zeiten des radikalen Umschwunges.”13 When a whole people is spellbound by one idea, as was the case in Germany with anti-Semitism, it is so thrilling that it is difficult to reflect seriously on what is going on, Grosheide wrote. For tacti­ cal reasons Christians in Germany better postpone their judgement, wrote Grosheide. Kittel, however, had not waited and in Die Judenfrage gave his opinion on the burning issue. Grosheide described the pamphlet as “remarkable” and sometimes so “typical German” that he would not comment on it. As to the political issue, Grosheide restricted himself to summarizing Kittel’s solution: if the Jews say they live in exile, say they are guests, well then, let us treat them as guests, with all the advantageous and disadvantageous consequences. Kittel realized that his political view was contrary to Western   Kittel to Grosheide, 12.6.1933 (K 182).   Kittel to Grosheide, 31.8.1933 (K 183). 11   Kittel to Grosheide, 31.8.1933 (K 183). 12   For the text of this review, see the apppendix to the contribution of Arie Zwiep in this volume. 13   Kittel to Grosheide, 31.8.1933 (K 183). 9

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European history since about 1800, when Jews had been granted full citizen­ ship and were considered since as an integral part of the nations they lived in. He therefore was afraid his colleague might disagree with him, but at least in public Grosheide avoided the political issue as much as he could, as well as the issue of applying New Testament notions to the politics of the Third Reich.14 As to this topic, Kittel could be relieved. As a New Testament scholar Grosheide was mainly interested in the theo­ logical aspects of Kittel’s pamphlet, especially his opinion on Jews that had converted to Christianity. Kittel argued that Jewish Christians were not Germans, and that they should develop their own Jewish-Christian theology and found their own Jewish-Christian church. This means, wrote Grosheide, that racial distinctions dominate the church. Here Grosheide expressed his disagreement with Kittel. With reference to the Acts of the Apostles he stated that racial-based divisions in the church had to be rejected. Half a year later he repeated this opinion in an article on the second edition of Kittel’s book, and added that only language differences might lead to different churches.15 As to racial differences in society, Grosheide only remarked in his review that the problem of minorities in a national context was not restricted to Jews, but was present in every mixed racial context. Grosheide qualified Kittel’s book as “typical German,” probably meaning that unlike the situation in the Netherlands, in the country of his colleague nationalism and the church-state-relationship were key issues, and that antiSemitism dominated national politics. As said, Grosheide did not deal with the political aspects of Kittel’s book, but it did remind him of what Kuyper had written half a century earlier about Jews in the Netherlands. Grosheide hinted at similarities between Kuyper and Kittel. In the new political situa­ tion in Germany since the start of 1933 he therefore recommended his read­ ers the lecture of Kuyper’s pamphlet Liberalisten en Joden from 1878 and stressed its topical relevance. As far as Grosheide’s critique of the section on the Jews and the church in Kittel’s pamphlet concerns, he was in line with Kuyper’s views. I give two illustrations to highlight the Kuyperian viewpoint. In 1893 Kuyper got involved in a public debate on the practice of segregating European and native Christians in the Reformed Church of Batavia, Dutch Indies, now 14  G.J. van Klinken, Opvattingen in de Gereformeerde Kerken in Nederland over het Jodendom, 1896–1970 (Kampen: Kok, 1996), 235, states that Grosheide in his review of Kittel’s book “wrote” that political anti-Semitism was “not unacceptable,” but as a matter of fact the text only leaves room for this suggestion. 15   De Heraut, 4.2.1934. Grosheide hinted to the fact that the text of the second edition of Judenfrage slightly differed from the first edition. See also a review of the second edition by Rev. P. Prins in De Amsterdammer: Christelijk dagblad voor Nederland, 10 February 1934. Despite a shared language the position of Jewish Christians in the church was more complex, see Van Klinken, Opvattingen, 279.

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Indonesia. In a Dutch church-paper a Reformed minister had rejected this practice and wrote: Where would Jesus Christ go to church, if he were in Batavia? “I think he would rather go to a service of the blacks than a service of the whites.” Kuyper quoted him in De Heraut of 10 December 1893 and wrote: “Excellent! In Christ we are all one. In Jesus Christ there is Greek nor Jew, Scyth nor barbarian. And therefore, this sin [of racism] – a serious injustice towards the Javanese – has to be expelled from the Dutch Indies.”16 Unlike Kittel, Kuyper never envisioned a Jewish church, and he rejected racial segregation in church overall. In 1896 the general synod of the Reformed Churches adopted regulations for the ministry of missions. They resembled Kuyper’s viewpoint of 1893. The acts of the synod read: “Because in Christ there is Jew nor Greek, and therefore also neither Javanese nor Dutchman, the believers in Java, what­ ever their nation or race is, should live together in one church, and only dif­ ference in confession, church order or language may separate them.”17 In his review Grosheide adhered to this Kuyperian principle, that was common in his circles, and argued that Kittel’s opinion regarding Christian Jews and the church was at odds with Scripture.

D. From Kittel to Kuyper But how about the Jews in German society, the topic for which Grosheide referred his readers to Kuyper’s 1878 pamphlet? Let us first summarize what Kittel said on this issue in Die Judenfrage. Jews were guests in Germany, because they had a different religion and were a different race. As such this was not a problem: they had lived for ages in German lands, in their ghet­ tos. The problem started with the French revolution and its emancipation of the Jews. The subsequent assimilation of the Jews in traditionally Christian societies had wiped out distinctions, and had resulted in Jews invading na­ tional cultures and concealing Jewish identity. Especially in Germany this was considered to be a threat to the future of its own people. Kittel wrote that this problem of Jews assimilating in a state but not be­ longing to the nation had usually been answered in Europe by pogroms, assimilation, or (especially towards the end of the nineteenth century) Zionism. Kittel did not prefer one of these solutions. He recommended a position of the Jew as “nicht assimilierter Gast” instead.18 This distinct po­ sition, secured by guaranteeing cultural autonomy under German aliens   Kuyper referred to Col. 3:11.   Acta der generale synode van de Gereformeerde Kerken in Nederland, gehouden te Middelburg van 11 aug. tot 4 sept. 1896 (Leiden: Donner, 1897), 74. 18  G. Kittel, Die Judenfrage (Stuttgart: Kohlhammer, 1933), 40. 16 17

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law, and granting a life in freedom among the Germans, would fit orthodox Jews best. They understood better than their fellow Reform Jews they were differen­t from the Christian people of Germany. In reaction to the vulgar looking down upon Jews by the Nazi’s, Kittel offered an academic argument for the difference between the two races, the one ruling, the other obedient as a legally protected guest.19 Kittel proposed this solution in order to prevent a conflict between two qualitatively different races, as was the Third Reich’s take on the issue. Jews were different but had to be protected. He showed the same attitude in Horowitz’s case. He dismissed him in Tübingen, but at the same time recom­ mended him as an excellent academic to Grosheide, and asked him to help “mein jüdischer Freund” Horowitz: “Es ist meiner Meinung nach ein grosser Gewinn, wenn Theologie und Mission einen solchen Mann, derer es sehr wenige gibt, zur Verfügung haben.” 20 Given Kittel’s view on Jews as marked guests in Germany, what was his take on Kuyper’s pamphlet Liberalisten en Joden? Kittel could read Dutch and when Grosheide in the light of the recent anti-Semitic developments in Germany recommended Kuyper’s pamphlet in his review, Kittel obtained a copy, read it in the Summer of 1933, and assessed its meaning in a letter to Grosheide: Ich habe sie mit grösstem Interesse gelesen, denn sie beschreibt ja in vieler Beziehung Verhältnisse, die genau den unseren entsprechen. Ich habe auch hier wieder Kuypers scharfen Blick bewundert. Wenn er nicht ganz zu den Konsequenzen gekommen ist, die mir vorschweben, so ist nach meinem Urteil wohl der Grund, dass die Verhältnisse in Holland noch nicht ebenso reif waren (und vielleicht sind) wie bei uns. 21

Kittel pointed at two similarities between 1878 and 1933: the tense rela­ tion between the Jews and the Dutch, mutatis mutandis German popula­ tion, and the congruence between his and Kuyper’s analysis of the situation. Grosheide had written in his review that Kittel’s book “clearly reminds” of Kuyper’s pamphlet. Kittel confirmed this similarity, with one caveat: in the Dutch context at the time Kuyper had not drawn the consequences yet that, according to Kittel, had to be drawn in the present German situation. That consequence was depriving Jews of their civil rights granting them a legal guest status instead – a consequence Kuyper had always rejected.

19   A summary of Die Judenfrage can be found in: Leonore Siegele-Wenschkewitz, “Die Evangelisch-theologische Fakultät Tübingen in den Anfangsjahren des Dritten Reichs II. Gerhard Kittel und die Judenfrage,” Zeitschrift für Theologie und Kirche (1978), Beiheft 4: Tübinger Theologie im 20. Jahrhundert, 58–66. 20   Kittel to Grosheide, 31.8.1933 (K 183). 21   Kittel to Grosheide, 31.8.1933 (K 183).

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E. Context of Kuyper’s Pamphlet As said, in Neo-Calvinist circles it was not unusual in the 1930s to refer to Kuyper in all kinds of contemporary issues. Kuyper had written several times on Jews in relation to politics.22 However, his articles and remarks on issues related to Jews had become largely unknown in twentieth-century Neo-Calvinist circles. Grosheide was one of the first who in the wake of ris­ ing anti-Semitism in Germany recommended Kuyper’s pamphlet as an ori­ entation point. Originally written as a series of seven editorials in Kuyper’s daily newspaper De Standaard from 11 till 23 October 1878, the text had been published separately later in the same month.23 Kuyper had also added the text as one of the many appendixes to the edition of Ons program from 1879, a 1300-page explanation of the program of the Anti-Revolutionary Party, founded in the same year.24 This edition was expensive and was print­ ed in a limited run. The four subsequent prints of Ons program were popular editions without appendixes. The text of Liberalisten en Joden has not been reprinted since, and in the reception history of this text it is usually the pam­ phlet version that is referred to. The publication date of the text is relevant, for 1878 saw the culminatio­n of the conflict between Kuyper’s anti-revolutionary movement and the politi­ cal liberal movement over the position of orthodox Christianity in a liberal state. The liberals defined the public domain in liberal terms, which implied freedom of religion, but as a private practice only. Religion should not inter­ fere with public interests. For that reason, public education should not be of a Christian, or for that matter of a Jewish, nature. The liberals dominated poli­ tics in Kuyper’s youth and in 1857 parliament had adopted a law on primary education that excluded confessional religion from the curriculum. This ex­ clusion was also a gesture towards the Jews, according to anti-revolutionary politician P.J. Elout van Soeterwoude.25 It made the public school acceptable for them, and they closed their 74 publicly funded Jewish schools.26 They 22   I mention two more extensive publications: a series on “De Joden onder de christen-natiën 1–5,” De Standaard, 8–14, October 1875, and the chapter “Het Joodsche probleem,” in: A. Kuyper, Om de oude wereldzee, vol. 1 (Amsterdam: Van Holkema & Warendorf, 1907), 235–324. 23  A. Kuyper, Liberalisten en Joden (Amsterdam: Kruyt, 1878). See als his postscript in De Standaard, 26.10.1878. 24  A. Kuyper, Ons program (Met bijlagen) (Amsterdam: Kruyt, 1879), 167–184 (post­ script included). Bart Wallet, Christendom en antisemitisme: Tweeduizend jaar confrontatie (Utrecht: Boekencentrum, 2017), 97, gives too much importance to this inclusion. After 1878, it was the pamphlet-version of the text that was referred to, and not the appendix-version. And Kuyper also included his series “De Joden onder de christen-natiën” as an appendix, and that was not referred too either. 25   De Standaard, 26.6.1878. 26  J.C.H. Blom et al. (eds.), Geschiedenis van de Joden in Nederland (Amsterdam: Balans, 2017), 242.

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defined the public domain as uniformly liberal. From about 1870 onward, Kuyper protested against this liberal dominance, especially against the education law, which deprived Christian groups (orthodox Protestants and Catholics) of religious education on their own terms, and had forced them to found and fund their own non-public schools. His complaint was that liberalis­m claimed the public domain exclusively for its own view. In line with this criticism, he nicknamed liberals as “liberalists” – they turned their ideology into a dictate. Liberalists did not dare to grant freedom to opposing views, Kuyper argued, whereas he would grant freedom to any opinion. That is why the title of the series and of the pamphlet is not Liberals and Jews but Liberalists and Jews. Liberalism had gone astray by suppressing other world­ views. In the 1870s Kuyper called himself sometimes a Christian liberal, that is a true libe­r al, for he granted freedom even to error or apostasy, and defined the public domain in plural terms.27 Historian Ivo Schöffer misrepre­ sented Kuyper’s position around 1870, when he wrote: “When one wants to understand attitudes and activities of men like Kuyper one should always keep in mind that in the background of their thoughts there was ever present a longing for … a revival of the calling for all Dutch compatriots to form once again that Protestant nation and state as it should be according to God’s clear intentions and signs.” 28 Kuyper never promoted a return to a Protestant state. He was a democrat who adhered to the liberal Constitution of 1848 and promoted equal civil rights for all from the start of his political career, Jews included. He broke with the ideal of a Protestant state, with a Protestant public school, and a Protestant public church his tutor Groen van Prinsterer had advocated. He championed a plural public domain instead, in line with the mixed composition of the Dutch population: a large segment of Catholics, followed by a substantial Liberal segment, and a smaller orthodox-Protestant segment, and some tiny other segments, like the Jews.29 The state should not choose sides with any confession, but take a theist stance and grant freedom to all religious or philosophical worldviews. By promoting plurality Kuyper lost the support of many orthodox-Protestants, like A.W. Bronsveld or P.J. Hoedemaker, who in 1889 praised the “excellent” view that the political 27   De Standaard, 29.6.1874: “Men houdt de liberalen voor vrienden der vrijheid, en ze zijn haar vijandig. Men houdt de antirevolutionairen voor vijanden der vrijheid, en zij alleen durven haar aan.” In De Standaard, 4.4.1872, Kuyper wrote that “liberalists” “in naam der vrijheid, de vrijheid van conscientie weer durven aanranden.” In his view, the difference between his anti-revolutionary movement and the liberal movement was that the former proclaimed and granted freedom, even at the most precarious point, that of error (De Standaard, 18.6.1874). 28  Ivo Schöffer, “Abraham Kuyper and the Jews,” in: Joseph Michman and Tirtsah Levie (eds.), Dutch Jewish History: Proceedings of the Symposium on the History of the Jews in the Netherlands November 28 – December 3, 1982 Tel Aviv/Jerusalem (Jerusalem: Hebrew University, 1984), 238. 29   See: A. Kuyper, “Protestantsch of christelijk? I–VI,” De Standaard, 31.1.–12.2.1900, esp. 2.2.1900.

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emancipation of Catholics is a threat to the Protestant state, and that for the same reason “one never should have emancipated the Jew politically.”30 This is a relevant issue in relation to our subject, for Kittel claimed a Christian state excluding Jews, like most of the Protestants in the Netherlands around 1870 – but unlike Kuyper. For Kuyper this conflict over a uniform or pluriform public domain was also a conflict between orthodox Christians on the one side and modern or apostate Christians on the other side. In De Standaard Kuyper succeeded in rallying orthodox Protestants for political action against a new educa­ tion law. He organized a civil rights movement in 1878 – consisting mainly of people without voting rights – against the law of the liberal government with stricter criteria than the 1857 law, that would suffocate Christian ed­ ucation. Catholics had joined him in this protest movement. They at first had acquiesced to the 1857 law, grateful as they were to the liberals for the Constitution of 1848, that had granted them full religious freedom. In the 1860s they realized that the public domain was not liberal but liberalist: “All liberal aspirations and desires are identified as national demands without diffidence,” as the Catholic newspaper De Tijd summarized the Catholic protest.31 They abandoned the liberals. In the 1870s they supported Kuyper in his struggle for Christian education.32 Kuyper had hoped to win over the small Jewish segment as well, but in general they preferred to be on the liberal side – in the end it was liberalism that had brought them full civil rights.33 The school struggle was at times a bitter fight, with feuds in the press in which Kuyper disqualified liberals as pagans, and the liberals depicted Kuyper as a Christian theocrat. In 1878 a “civil war” was waged in the   De Gereformeerde Kerk, 27.6.1889: “… dat men de Joden nooit politiek had moeten emancipeeren.” Hoedemaker quoted this in agreement from De Nieuwe Provinciale Groninger Courant, 22.6.1889. In his pamphlet Noch rechts noch links, maar den koninklijken weg (Amsterdam: Hollandsch-Afrikaansche Uitgevers-Maatschappij, 1905), 12, he erroneously mentioned De Standaard as the source of this quote, thus suggesting that this was Kuyper’s opinion. De Joodsche Wachter, 4.8.1905, and Algemeen Handelsblad, 14.6.1905, used this pre­ sumed Kuyper quote against him in the parliamentary election campaign of 1905. See for more orthodox-Protestant and non-Kuyperian views: R. Kuiper, “Een antirevolutio­nair af­scheid van Duitsland: Abraham Kuyper (1837–1920) en Adolf Stoecker (1835–1909),” Tijdschrift voor Geschiedenis 111 (1998): 241. 31   Quoted in Pieter de Coninck, “De natie in pacht: Katholieke minderheid, liberale onder­ wijspolitiek en natievorming in Duitsland en Nederland tijdens de jaren 1870,” in: Henk te Velde and Hans Verhage (eds.), De eenheid en de delen: Zuilvorming, onderwijs en natievor­ ming in Nederland 1850–1900 (Amsterdam: Het Spinhuis, 1992), 75. 32  De Coninck, “De natie in pacht,” 69–76. In the 1870s Catholics did not yet adopt Kuyper’s view of a plural public domain. 33  Karin Hofmeester, “’Een teeder en belangrijk punt’: Opinies over openbaar onderwijs in joodse kring, 1857–1898,” in: Te Velde and Verhage, De eenheid en de delen, 164–169. 30

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Netherlands.34 Notwithstanding protests from orthodox-Protestant circles and from Kuyper in De Standaard, the liberal majority in parliament adopt­ ed a new law on education in the Summer of 1878, with the effect of thwart­ ing the Christian schools. Kuyper won a moral victory in August 1878, when Elout van Soeterwoude presented a petition to the king against the religiously neutral public school and in favour of Catholic, Protestant –and Jewish – schools, signed by more than 300,000 Protestants.35 Catholics col­ lected another 160,000 signatures. The petition begged King William III to abort the law by refusing to sign it. This petition was quite a feat in a country which because of a restrictive suffrage had no more than 100,000 voters – it was the largest mass protest in Dutch politics in the nineteenth century.36 Nevertheless, the king signed.

F. Reasons for Kuyper’s Pamphlet In this conflict, the large majority of the Jews was on the liberal side. In his series on liberalists and Jews, published in October, two months after the petition had been presented to the king, Kuyper gave his explanation for this choosing sides. Why he decided to address this topic, and why at this moment, is not clear. Anti-Semitic actions elsewhere in Europe may have directed his attention to the position of the Dutch Jews, but nationally he was not in need of rallying support on an anti-Semitic agenda. Ivo Schöffer rightly referred to the “civil war” as a possible impetus, but he also men­ tioned Kuyper’s worries “that liberalism was trying to get the electoral and political support of the Jews.” 37 This however was not an issue in 1878: the Jewish elite had been joining the liberals for decades, and the liberals cher­ ished the Jews.38 Disappointment about the Jews not choosing his side in the “civil war” with the liberals may have been a motive for his series, but there is no evidence to sustain this option.39 Kuyper criticized the Jewish liberal  Jeroen Koch, Abraham Kuyper: Een biografie (Amsterdam: Boom, 2006), 178.   De Standaard, 24.7.1878 and 15.8.1878. When the petition was presented to the king, an explicit reference was made to Jewish schools, see De Standaard, 8.8.1878. 36  Annemarie Houkes, Christelijke vaderlanders: Godsdienst, burgerschap en de Neder­ landse natie 1850–1900 (Amsterdam: Wereldbibliotheek, 2009), 218–230. 37   Schöffer, “Kuyper and the Jews”, 240; see also 247–248. 38   Weekblad voor Israelieten, 14.6.1878, warned Jews to stay on the liberal side and not trust Kuyper in his struggle against the public school, for he did not include Jews as members of the Christian nation; Blom, Geschiedenis van de Joden, 242. 39   Blom, Geschiedenis van de Joden, 247: “it seems not impossible”; Lodewijk Kater, “Either Mammon or the Messiah? The Christian-Social Tradition in the Netherlands and Germany on the Jewish Question, 1875–1914,” Trajecta: Religion, Culture and Society 28 (2019): 31, is firm­ er (“Kuyper had been disappointed about the lack of support for his petition from the Jews”), but presents no evidence for Kuyper’s state of mind. 34 35

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politician M.H. Godefroi in his pamphlet for his anti-Christian stance in the parliamentary debate of 8 July on the new law on education, but this stance was less a disappointment to Kuyper than a confirmation of his opinio­n about Jews and liberals.40 In 1878 De Standaard had not tried to win the sup­ port of the Jews in the petition movement. Another suggestion for addressing this topic at this moment was Kuyper’s connection with the prominent German Lutheran clergyman Adolf Stöcker, who in 1878 founded the Christlich Soziale Arbeiter Partei. Kuyper visited him in Berlin in September 1878. During Kuyper’s later life, Jews and Protestants alike have reflected on similarities and dissimilari­ ties between the Christian-social program Stöcker presented in Germany, defending a Christian state by offending Jewish influence, and Kuyper’s anti-revolutionary program in favour of a Christian nation and freedom of conscience.41 Kuyper was attracted to Stöcker for his organized Christian action in the social and political domain. This recent change of direction within Christianity from mission, charity and incidental political addresses to participating in politics on a permanent base, was exactly what Kuyper was organizing in the seven months in between the presentation of the peti­ tion and the founding of the Anti-Revolutionary Party in April 1879.42 But anti-Semitism was not yet Stöcker’s explicit political theme in 1878, and in his pamphlet, written and published a month after his visit to Stöcker, Kuyper implicitly corrected his colleague’s view on Christian politics, by   Kuyper, Liberalisten en Joden, 29–30; Algemeen Handelsblad, 10.7.1878.   For the Protestants, see: J.Th. de Visser, De christelijk-sociale beweging van onzen tijd (Utrecht: Ruys, 1913), 89: “Dr. Kuyper noemde zich eens christelijk-sociaal, en zoowel het so­ ciaal program van Patrimonium als de verschillende programs van actie der anti-revolutionaire partij correspondeeren met wat Stöcker in de statuten zijner christelijk-sociale arbeiderspartij opnam.” For the Jews, see: Nieuw Israelietisch Weekblad, 17.12.1920: He called the Jews to be Jew in Dutch society, without using anti-Semitic arguments: “En men schat dit nog hooger, wanneer men bedenkt, dat Dr. Kuyper zijn partijvorming der anti-revolutionairen precies in denzelfden tijd begonnen is, dat in het buitenland gelijkgezinde, orthodoxe protestanten, in Duitschland b.v. onder leiding van den beruchten hofprediker Stoecker, alleen hun godsdienst-, nationalen- en concurrentie-haat tegen ons Joden als positief en eenig gemeenschappelijk be­ ginsel konden vinden” (This has to be valued even higher, if one takes into account that his party formation took place at the same time orthodox Protestants like the notorious court chap­ lain Stöcker in Germany could rally supporters only on the common denominator of national, religious and economic hatred.). De Vrijdagavond: Joodsch Weekblad, 5.9.1924: “Dr. Abraham Kuyper’s ‘Liberalisten en Joden’ (1878), een antisemietische brochure, welke hij later vrijwel verloochend heeft, is bijna gelijktijdig en misschien wel in samenhang met het antisemietisch optreden van den hofprediker Stöcker te Berlijn uitgekomen” (Kuyper’s anti-Semitic pamphlet Liberalisten en Joden was issued at about the same time and maybe in cohesion with the antiSemitic action of court chaplain Stöcker in Berlin). See also: De Joodsche Wachter, 29.1.1915, review of O. Norel Jzn., Adolf Stoecker en zijn sociaal-ethisch streven (Utrecht: Kemink, 1914). 42  Rienk Janssens, De opbouw van de Antirevolutionaire Partij 1850–1888 (Hilversum: Verloren, 2001), 156–165. 40 41

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criticizing politicians in England and Germany who wanted to deprive Jews of certain civil rights.43 “Equal rights for everyone,” was his motto since he engaged himself with politics in the late 1860s. Kuyper held this position all his life.44 This is not to say that anti-Semitism was not around in Dutch orthodoxProtestant circles. Liberal politicians like Eduard Lasker in Germany were labelled as Jewish on purpose.45 The most explicit allusion to an anti-Semitic motive for addressing the “Jewish question” by Kuyper is a letter to him from his friend and Maecenas Willem Hovy on the petition. In it he was un­ certain whether king William III would withhold his signature to the educa­ tion law, and therefore urged Kuyper to get the support of his sons, the two princes Henry and Frederic, to influence their father to choose the petition­ ers’ side: “The princes are for the Bible, and conservative. Especially prince Frederic with his German sympathies. If only it could be made clear to them, that the Jews drive this law, and that it will gallicize our people.”46 Kuyper did not follow Hovy’s suggestion. Related to the connection with Stöcker as a possible reason for this series is the general rise of anti-Semitism in Europe in the late 1870s, that made Kuyper try-out the effect of an anti-Semitic political agenda.47 This motive may have been present, but can not be sustained by facts. A final possibility is that Kuyper wrote the pamphlet to mobilize his antirevolutionary supporters to rally against the growing Jewish influence in society, as Gert van Klinken suggested. Anti-Jewish rancour might be a motive, for the anti-revolutionaries did not have the position in society they deserved according to their numbers – think of the many petitioners that could not prevent the adoption of the new school law.48 But Van Klinken did not offer any proof for this suggestion.   Kuyper, Liberalisten en Joden, 30–32.   See, e.g., A. Kuyper, Antirevolutionaire staatkunde, vol. 1 (Kampen: Kok, 1916), 543: “De christelijke partij-titel nam onder ons nimmer het uitwendig-formeele karakter aan, dat in Duitschland het ‘Christliche’ steeds kenmerkte” (“Unlike the situation in Germany, ‘Christian’ never became a formal criterion in Dutch Christian politics”). 45   Kuyper, Liberalisten en Joden, 13, mentions Lasker as one of the leading Jewish politi­ cians, next to Gambetta (France; his Jewishness is disputed) and Disraeli (Great Britain). See: A. van Daehne van Varick to A. Kuyper, August 1878, about a cicil servant in Prussia who resigned “ten gevolge van het toegeven des konings aan de eischen van den vrijmetselaar en jood Lasker” (“because the king gave in to the demands of the freemason and Jew Lasker”), A. Kuyper Papers (HDC). 46  W. Hovy to Kuyper, 26.7.1878: “De prinsen zijn vóór den bijbel en conservatief. Vooral prins Frederik met zijn Duitsche sympathieën. Als het hun maar klaar kon gemaakt worden dat het een drijven der Jooden is, en tot verfransching van ons volk zal leiden,” A. Kuyper Papers (italics original). 47   Schöffer, “Kuyper and the Jews,” 256–257; Wallet, Christendom en antisemitisme, 97. 48  Van Klinken, Opvattingen, 32, 33. 43

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All these possibilities rely on indirect evidence at best. We therefore con­ clude that the reason for Kuyper addressing the “Jewish question” is not clear.

G. Contents of Kuyper’s Pamphlet What then was his argument? He started by pointing at the growing public attention for the large influence Jews exerted in Europe, in the press, the stock exchange, and at the bar. An example he gave referred to the latest battle in the culture war: it were Jewish correspondents who had success­ fully framed his petition in their communications to the European press as a failed action and favoured the liberal minister and his education law. Like Kittel, Kuyper started by analysing the Jewish influence historically. The Dutch Republic had been hospitable towards the Jews: they could prac­ tice their own social and religious life as a “Jewish nation,” be it that their rights were limited, as was the case with every other non-Reformed reli­ gion. In the wake of the French Revolution, the Dutch granted legal equal­ ity for all citizens, including Jews. Contrary to Kittel, Kuyper was positive about this development: “Deeply ashamed over its own former injustice,” Kuyper wrote, “almost all Christian countries have welcomed this meaning­ ful produ­ct of the revolution as one of its best consequences.”49 But soon Christians realized that emancipating Jews on liberal conditions was a mis­ take. The emancipation should have happened in a Christian way, by mis­ sion to the Jews. Instead, the Jews were welcomed warmly, without really inviting them in the Christian nation. This invitation without reaching out to them had in fact promoted the role and influence of the talented Jewish minority beyond measure. The Jews welcomed their full citizenship but did not assimilate. The Jewish distinctiveness was stressed by Kuyper, as he had been used to stress the Catholic or liberal profile of Dutchmen. Orthodox or modern, Jews be­ longed to a nation of their own, and distinguished themselves in a Christian context by opposing Christianity: “Jews in all corners and farthest parts of our continent have stayed a nation in a much stricter sense, than any European people ever was a nation,” they are “as guests in our midst.”50 Kuyper praised this preservation as God’s providence, and, like Kittel, dis­ tanced himself from the disdainful contempt for Jews in certain German 49   Kuyper, Liberalisten en Joden, 6: “Diep beschaamd over eigen vroegere ongerechtigheid, heeft toen de Christenheid schier in alle landen deze beteekenisvolle vrucht der revolutie als een harer uitnemendste consequentiën toegejuicht.” 50   Kuyper, Liberalisten en Joden, 14: “Joden in alle hoeken en uiteinden van ons werelddeel [zijn] nog steeds in veel strenger zin een natie gebleven, dan eenig Europeesch volk ooit een natie was.” Also 32: “als gasten in ons midden.”

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circles.51 They both sympathized with orthodox Jews, and equaled Reform Jews with liberals. He did not refer to Dutch disdain for Jews. His main ar­ gument was that modern Christians like the liberals resembled the Jews, by dismissing orthodox Christianity and adopting the Jewish anti-Christian po­ sition. Because of their religion, the Jewish position could be no other than negative towards Christianity, but the apostate Christians had deliberately chosen this position. After three instalments, the liberal press reacted. To them Kuyper was an orthodox tyrant, and they concluded from his article that he gave the Jews no choice but to convert to Christianity or to be deprived of civil rights.52 The liberal newspaper Algemeen Handelsblad envisioned a new petition movement, this time directed against the Jews.53 This caricature of Kuyper’s posi­t ion was in line with the way he had been depicted by the liberals in the school struggle. In reaction to the reproaches in the liberal press Kuyper in three subsequent articles stressed that his arrows were not aimed at the Jews, who had joined the liberals, but at the liberalists who had adopted the posi­ tion of the Jews in their rejection of orthodox Christianity In a final instalment he drew four conclusions: the liberalist is a Jew in dis­ guise; despite differences Jews are a closed phalanx; their civic rights should be protected at all costs; and the Christian attitude towards the Jew should be missionary. As to the Jews, he said he distanced himself from disdainful ex­ pressions regarding Jews, but at the same time he repeated carefree the usual stereotypes. He not only mentioned that they rejected Christ as Messiah, but also that Jews had nailed Christ to the cross and killed him, and therefore had a blood guilt.54 And he also mentioned their different physique, appearance, complexion, character, attitude, dress, look, tone, and occupation.

H. The Religious, Social and National Distinctiveness of the Jews If there was no acute reason to address the Jews, why then did Kuyper deal extensively with the Jews in this pamphlet? I ask attention for three aspects. In the first place, he stressed that Jews were not his target. He indeed did not propose any cultural or political solution to the “Jewish question,” and he personally interacted socially with Jewish colleagues and friends.55 The   Kuyper, Liberalisten en Joden, 14–15.   Het Algemeen Handelsblad, 12.10.1878. Or, as Wageningsch Weekblad had sugges­ted, send them to Palestine. 53   Algemeen Handelsblad, 12.10.1878. 54   Kuyper, Liberalisten en Joden, 23, 83. 55  See Johan Snel, De zeven levens van Abraham Kuyper: Portret van een ongrijpbaar staatsman (Amsterdam: Prometheus, 2020), 220–222; Ad de Bruijne, “Abraham Kuyper’s 51

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main reason he gave for his focus was the liberal threat to the Netherlands as a Christian nation. As said, a “civil war” between Christianity and liberalis­m was being waged in 1878. In his eyes the liberals were not mode­ rate Christians, in the end part and parcel of the Dutch Christian tradition, but, to the contrary, they were active anti-Christians, who had transferred to the Jewish religious position over against Christianity, and tried to exclude orthodox Christians from the public domain. To Kuyper this anti-Christian position essentially was the downfall of liberalism. While the Jews as a na­ tion would stay in tune with their religious and social traditions, modern Christians would finally degrade to the level of Paganism, sorcery, idolatry, and bestiality.56 So, the Jews were not his target, but functioned to highlight the anti-Christian position of the liberals. This function implied a right-out criticism of the Jewish religion. Secondly, Kuyper’s focus on the large influence of Jews in society and their coalition with the ruling liberals, made this pamphlet more than plain anti-Judaistic. He led his readers to believe that Jews had a large influ­ ence in society, accentuated their physical and cultural difference, and highlighted their distinct position in society as a group. He claimed the right to do so, for in his opinion these were not offenses against Jews, but mere facts. He used to address differences between religious groups ex­ plicitly, and treated for example the Catholics in the same way. In a se­ ries in De Standaard in 1875 he criticized the Catholic religion right-out and in politics he rejected full cooperation in his fight against the liberals: “Independence is our strength.”57 And in 1878 De Standaard complained that both Catholics and Jews were too dominant in Europe in journalism and in the stock exchange.58 Religious differences and religious dominance could be debated in public, as Kuyper did energetically: if the Christian principle does not offend the Jews, it is not a true Christian principle, he wrote in De Standaard of 21 June 1878. But religious differences should not be overcome or neutra­l ized by depriving opponents of their civil rights, as Bismarck did with Catholics in the 1870s in the Kulturkampf in Germany. “If a Jew wishes to take exception to the Messiah of Christians, or a Muslim to Holy Scripture, or a Darwinist to the idea of creation – or for that mat­ ter, if a positivist wants to protest against the root which for all things holy lies in faith – all should be free to do so.”59 For compulsion “clashes most Surprising Love of the Jews,” Journal of Reformed Theology 11 (2017): 24–46. 56   Kuyper, Liberalisten en Joden, 26: “Eenmaal aan den Christus ontzonken, moeten natiën, die zijn zegen eenmaal indronken, oneindig dieper wegzinken dan Israël, dat in zijn tegenwoordige verschijning den zegen van dien Christus nooit heeft gekend.” 57  A. Kuyper, “Rome en Dordt”, De Standaard, 3–9.7.1875. 58   De Standaard, 22.5.1878. 59  A. Kuyper, Our Program: A Christian Political Manifesto (Bellingham: Lexham, 2015), 68 (originally in De Standaard, 13.6.1878).

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vehemently with the character of the Christian faith.”60 Over against “the crushing force of Ultramontanism” the only effective weapons were “the weapon of faith” and “free persuasion.”61 Kuyper took the same attitude towards the Jews as to the Catholics: “We will fight them, but in an honest match: a spiritual fight.”62 By treating the Jews like he did, he placed them in the spotlight as a distinct group at a time most of them were focused on assimilating into Dutch society.63 A difference with his take on Jews was that he did not locate Catholic in­ fluence in certain trades or positions in society. There was no reason for such an identification, for, contrary to Jews, Catholics were underrepresented in Dutch politics, journalism and at the bar. And he did not refer to a Catholic physique or character. In this sense his anti-Semitism implied social con­ sequences that were absent from his anti-Catholicism. He made his readers realize the strong social position of some Jews, and since he presented the Jews as a unity, he suggested a concerted Jewish action to gain influence in society. The conclusion was unavoidable: Jews were a threat to the Christian nation, and the liberal adoption of their religious position made this threat all the more real. Thirdly, one time he qualified the Jews in this pamphlet as “guests.”64 This reminds us of Kittel’s pamphlet, but Kuyper used the word “guest” in a moral, not in a legal context. As citizens, the Jews belonged to the same Kingdom of the Netherlands as every other Dutchman, wrote Kuyper, but they were not of the same nation. He took a nation as a moral community, with a shared history and religion. The Netherlands was not a Jewish, not an Islamic, but clearly a Christian nation, and the Jews had always been a distinct nation. Their full citizenship in the Kingdom of the Netherlands did not alter this position, according to Kuyper. As a matter of fact, he called the Jews the nation by excellence.65 Scripture taught him that the Jewish nation would not be exterminated. Whether a nation would tolerate another nation in its midst on an equal footing, was a question of numbers, Kuyper wrote. He did not apply this issue to the Dutch situation, though it may have sounde­d like a warning, when he estimated that one out of four Dutchmen was a Jew.66 This number is a gross overstatement. In 1879, according to Kuyper about one percent of the European population was Jewish, and ac­ cording to the census about two percent of the Dutch population.   Kuyper, Our Program, 64.   See: Pieter de Coninck, Een les uit Pruisen: Nederland en de Kulturkampf, 1870–1880 (Hilversum: Verloren, 2005), 252–258. 62   Kuyper, Liberalisten en Joden, 33. 63   Blom, Geschiedenis van de Joden, 273–274. 64   In Ons program, he did not use this word for Jews, except in this series. 65   Kuyper, Liberalisten en Joden, 14, 22. 66   Kuyper, Liberalisten en Joden, 28. 60 61

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These religious, social and national distinctions did not mean Kuyper would support attempts to deprive Jews of their legal right, or create specific rights for them. British liberals and Bismarck in Germany had proposed to exclude Jews from public offices, but in reaction to these plans Kuyper wrote that when Jews would not have had full civil rights in the Netherlands, he would be in favour of granting these yet.67 In his view religion or worldview defined one’s identity, in the private sphere as well as in the public domain. His paradigm of a plural society presupposed that everyone had a religion or worldview – a neutral position based on reason did not exist, according to Kuyper – and that everyone should express his conviction in the public domain, in politics, education, and the media in the first place. He expected Catholics, liberals, Jews and radicals or socialists to do the same as he did.68 But the Jews did not, so there was a tension between the tendency of the Jewish community to assimilate into Dutch society, and Kuyper’s aim to integrate them as a Jewish community.

I. Reception of Kuyper’s Pamphlet The liberals were his main target in Liberalisten en Joden, and it was their dismissive reaction that made Kuyper publish the newspaper articles as a pamphlet. They blamed him for fuelling hatred against the Jews and aiming at restricting their civil rights. He rejected these allegations in a preface to his pamphlet and stressed that he had not attacked Jews, but apostate Christians. He “tended to downplay the meaning of the term ‘anti-Semitism’ and ‘antiSemite,’ which he mostly saw as Liberal inventions to hit out against their political opponents.”69 He may not have realized the connection, but in Jewish circles his pamphlet was not appreciated either. Because of previous critical remarks on assimilating Jews, Kuyper was not in high regard in their circles. On the other hand: he also showed appreciation for orthodox Jews and for the talents and achievements of the Jews. Therefore, the tone of the pamphlet was called “bittersweet,” at the same time positive and negative.70 Kuyper did not accept any connection between his religious criticism and political antiSemitism, but he did not react to comments on this aspect in the Jewish press.

  Kuyper, Liberalisten en Joden, 32. Cf. Van Klinken, Opvattingen, 236, 238: Grosheide had written that according to Abraham Kuyper the emancipation of the Jews “had gone too far” (“te ver was gegaan”). I did not find a source that substantiates this statement. 68   See: Leon van den Broeke and George Harinck, “The Liberal State, the Christian State and the Neutral State: Abraham Kuyper and the Relationship between the State and Faith Communities,” Glossa Iuridica 7/3–4 (2020): 9–28. 69   Kater, “Either Mammon or the Messiah?”, 38. 70   Weekblad voor Israëlieten, 18.10.1878. 67

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After some weeks the pamphlet was not mentioned anymore in the press, and Kuyper did not elaborate on its theme either, though Liberalisten en Joden, printed in a run of 1,000, kept on being advertised for years – it clearly was not a best-seller. But the pamphlet and Kuyper’s stance were not forgotten in the Netherlands. It was, as Schöffer put it, one “of the most exceptional and straightforward political tracts on the ‘Jewish problem’ placed within the national Dutch context.” 71 Kuyper hardly ever referred to Liberalisten en Joden. His attention for the Jews shifted from politics to church and theology, but he never amended or rejected this political text. Several incidents through the years show that Kuyper’s relation with the Jews was delicate. In 1885 he provoked protests by referring to the antirevolutionary member of the Amsterdam city council Willem Hovy as a lone member amidst his co-members, that is, “non-believers and Jews.” 72 A Jewish weekly called his language “hateful, sneaky, and hurting, a habitu­ al way of doing among anti-revolutionaries.” 73 In 1888, the Jewish weekly Israëliet advised its readers to vote liberal in the upcoming parliamentary elections: “Or did you forget the Standaard-articles ‘Liberalisten en Joden’ by the anti-revolutionary leader?” 74 In 1903, when Kuyper had become prime minister, the social democrat Jan Schaper asked him in parliament, whether the interests of the Jews could be entrusted to him safely, given his pamphlet Liberalisten en Joden.75 At the start of his term in 1901 Kuyper had said he would not discuss in parliament what he had written previously, those publications were now “outworn coats” to him.76 So he did not speak about the pamphlet, but in his answer he made clear that he protected Jewish civil rights. It was a quarter of a century later that Schaper still referred to Kuyper’s distinction between the Kingdom of the Netherlands, to which the Jews be­ longed, and the Dutch nation, where Jews were guests. It is clear that the pamphlet had a huge impact in liberal and especially in Jewish circles, and Kuyper’s harsh quotes on Jews kept on being repeated. The pamphlet had not been labelled anti-Semitic in 1878 – the word did not circulate yet – but at about 1900 the word was commonly used to blame critics of the Jews, and could regard Kuyper,77 but also Catholics, and social democrats like   Schöffer, “Kuyper and the Jews,” 240.   Opregte Haarlemsche Courant, 4.7.1885; Algemeen Handelsblad, 22.7.1885. 73   Israëliet: Wekelijksch orgaan gewijd aan de bevordering van Joodsche belangen, 6 November 1885. 74   Israëliet, 24.2.1888. 75   Het Vaderland, 11.12.1903. 76   Handelingen Tweede Kamer, 4.12.1901: “Maar overigens moet ik opmerken, dat ik nooit bereid zal bevonden worden om, wanneer men met die oude plunje van dertig jaren geleden hier komt aandragen, daarop te antwoorden.” 77   See the series “Dr. Kuyper en het anti-semietisme,” Het Vaderland, 5, 7 and 11.12.1907; Onafhankelijk Israelitische Orgaan, 28.1.1909 and 18.2.1909. 71

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Pieter Jelles Troelstra.78 Kuyper himself stuck to his opinion that he had not been anti-Semitic in his pamphlet, but anti-liberal. Interestingly, in the antirevolutionary press hardly any attention was paid to the regular accusations of anti-Semitism, and Liberalisten en Joden was never referred to. There is a flipside to this reception history. While Kuyper did not try to win Jewish supporters for his Anti-Revolutionary Party or promoted Jewish interests, some orthodox Jews did support anti-revolutionary candidates for political positions. It was a minority, but Jews like the orthodox chief rabbi of North Holland (Amsterdam), Joseph H. Dünner, appreciated Kuyper’s view of a plural society, and now that his civil rights movement had proved to be successful, and he himself had become prime minister in 1901, voting the Anti-Revolutionary Party was an option. In a Jewish weekly, Schaper’s reference to Liberalisten en Joden was labelled “antiquated.” 79 In 1903 De Joodsche Courant someone considered the possibility to vote anti-revolu­ tionary: Kuyper might be a democrat, and some orthodox supported his school struggle, but given his pamphlet, in which he had criticized Jewish principles and called Jews guests, it was impossible to do so, according to Van Raalte. The editors did not agree with him and in an appendix to his article stressed the anti-revolutionary defence of theism as the basis of so­ ciety. They also pointed to the fact that scattered quotes on Jews and Jewry from Kuyper’s works could not serve as an argument, and that these nega­ tive quotes did not correspond with his political practice. At the time of the parliamentary election campaign of 1905 – actually about a second term for Kuyper as a prime minister – the biweekly magazine De Joodsche Wachter argued that the program of the Christian political parties corresponded with some Jewish interests, such as publicly funded Jewish schools.80 The ambivalence regarding Kuyper was also revealed in the review of his book from 1907 on his trip around the Mediterranean in 1905–1906, Om de oude wereldzee. In this book a chapter of 85 pages was devoted to the “Jewish question,” the position of the Jewish minority in Western na­ tions, and 110 pages to the Holy Land, and Zionism. In the second half of the nineteenth century the Dutch Jewry had searched for and found a certain balance between being Dutch and being Jewish, the sensitive issue Kuyper had addressed bluntly in his 1878 pamphlet. This balance was combined

 E.g. De Joodsche Courant, 1.1.1904; De Joodsche Wachter, 30.6.1905. See also: Jan Willem Stutje, “Antisemitisme onder Nederlandse socialisten in het fin de siècle,” Bijdragen en mededelingen betreffende de geschiedenis der Nederlanden – Low Countries Historical Review 129/3 (2014): 4–26. 79   Weekblad voor Israëlietische Huisgezinnen, 18.12.1903: “Mij komt het voor dat de heer Schaper die brochure gerust in de antiquiteitenkast had kunnen laten.” 80   De Joodsche Wachter: Halfmaandelijksch orgaan voor groot-Nederlands Jodendom, 30.6.1905. 78

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with national and transnational loyalties.81 But since the rise of Zionism at the turn of the century, this balance had been disturbed once more. In this dynamic Jewish debate Kuyper’s book functioned as a catalyst. Some re­ jected Kuyper’s disquisitions as a mistreatment of the Jewish nation,82 others wrote that orthodox rabbis of old would have blessed him for his chapters.83 These discussions give more profile to the Jewish appreciation of Kuyper’s writings on them as “bittersweet:” “With one hand he gives a nice pat, with the other he gives a blow.” 84 When Kuyper died in 1920, the Jewish ambi­ valence regarding Kuyper was summarized in one question: when Kuyper as prime minister divided the Dutch population in Christians and pagans, where would he have classified the Jews?85

J. Renewed Attention for Kuyper’s Pamphlet While in the 1920s Kuyper’s pamphlet had not been forgotten in Jewish and, to a lesser degree, in liberal circles, in the Neo-Calvinist world Kuyper’s pamphlet, and anti-Semitism in general, was a non-issue. To most non-Jewish Dutchmen and also to Neo-Calvinists, anti-Semitism was a problem in many countries, but not in the Netherlands. The internal opinion was that antiSemitism should be rejected, like Kuyper had done, and they were not aware of ongoing critical references to Liberalisten en Joden or to Kuyper as an anti-Semite. An illustration of this situation is the entry on this pamphlet in J.C. Rullmann’s Kuyper-bibliographie of 1923, or the entry “Antisemitisme” in the first volume of the Christelijke encyclopedie of 1925: any reference to alleged anti-Semitism in the pamphlet or to critical Jewish reactions to the pamphlet are absent.86 The blind spot for anti-Semitism as a social vice corresponded with complaints by those active in the Neo-Calvinist Jewish mission about a general disinterest for the Jewish people.87 After decades of silence around Liberalisten en Joden in Neo-Calvinist circles, they reminded of the pamphlet in the wake of anti-Semitic policies   Blom, Geschiedenis van de Joden, 273.  A.B. Davids, Een midden-eeuwer in onze dagen (Dr. A. Kuyper) (Baarn: Hollandia, 1909). 83   S. de Pinto in Centraal Blad voor Israëlieten, quoted in Het Vaderland, 20.1.2009. 84   De Joodsche Kroniek, 26.4.1912. 85   Weekblad voor Israelitische Huisgezinnen, 19.11.1920: “Bij welke groep zou dr. Kuyper de Joden wel hebben ingedeeld, toen hij tydens zijn ministerschap de bevolking van ons land verdeelde in twee partijen: christenen en paganisten?” 86  J.C. Rullmann, Kuyper-bibliografie, vol. 1 (’s-Gravenhage: Bootsma, 1923), 201– 205; Christelijke encyclopedie, vol. 1 (Kampen: Kok, 1925), 134–135. See Van Klinken, Opvattingen, 171–172. 87  Van Klinken, Opvattingen, 191–195. 81

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in the Third Reich. Two months after Hitler came to power in January 1933, Grosheide’s close colleague Herman H. Kuyper, professor of church history at the Vrije Universiteit and Kuyper’s eldest son, gave a second life to the pamphlet, writing in De Heraut of 2 April about explicit anti-Semitism in the German government policy: Jews are a non-national element, to be de­ prived of influence in public life and to be neglected in their religious feelings. Given the nationalistic phase Germany went through, Herman Kuyper wrote, one should understand the complaints about the disproportionate influence of the “exotic” Jewish element. He asked for a sedate judgement of the German situation, and qualified talk about Jewish “persecution” as “folly.” He distin­ guished between anti-Semitism as religious persecution – which was not the case, according to him – and as a nationalistic reflex – which he justified. He motivated his mild reaction to the German anti-Semitic policy by referring to Liberalisten en Joden. According to him, in this pamphlet his father had indicated the influence beyond measure of the Jews, which was “not always fa­ vourable” to the development of the Dutch national character. Herman Kuyper ended his article in admiration of the international Jewish community and its joint protest against anti-Semitic smear campaigns. Persecution of Christians had never united churches in such a concerted effort: “I am sorry to say that the sense of common roots, of being one nation [of Jews], seems to be stronger than the unity that binds Christians together.”88 Herman Kuyper’s qualitative distinction between religious (serious) and political anti-Semitism (less serious) was new in Neo-Calvinist circles. Maybe this novelty, together with the fact that his article was one of the first evaluations of the German revolution, was the reason his article was cited approvingly in the Dutch press several times.89 He related his soft­ ness on political anti-Semitism to Liberalisten en Joden. This was incorrect, for Kuyper had protested in his pamphlet against depriving Jews of their politica­l right, in strong words: “Taking away any of the rights the Jews had won, would meet our invincible opposition,” and: “if Jews did not have the civil rights yet, we would be in favour of granting these … we disap­ prove any fight against the Jew with unequal legal means.” 90 Interestingly, this message had not endured the decades.91 The pamphlet was referred to   De Heraut, 2.4.1933: “Het gevoel van stamverwantschap, van één natie te vormen, blijkt helaas sterker te werken dan de eenheid, die ons als christenbroeders saam verbindt.” 89   Nieuwe Apeldoornsche Courant, 4.4.1933; Provinciale Geldersche en Nijmeegsche Courant, 5.4.1933; Friesch Dagblad, 8.4.1933; De Tijd: Godsdienstig-staatkundig dagblad, 14.4.1933; J.R. Callenbach and F.J. Krop, Enkele opmerkingen naar aanleiding van de jodenvervolgingen in Duitschland: Anti-semietisme (Rotterdam: Geloof en Vrijheid [1933]), 13. 90   Kuyper, Liberalisten en Joden, Preface and 32. 91  According to Herman Kuyper in De Heraut, 8.12.1940, his father had defended civil rights for Jews on pragmatic grounds: a dispute about these rights might hinder their conver­ sion to Christianity. 88

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in 1933 to remind the Neo-Calvinist readers of Kuyper’s worries about a Jewish influence beyond measure. In his review of Kittel’s Die Judenfrage Grosheide followed the same line as Herman Kuyper.92 He too was careful in his opinion about the political situation in Germany. He reminded his readers that the denial of full citizen­ ship was not anti-Semitic as such: racial exclusion happened to many minor­ ities elsewhere in the world. By this downplaying of philo-Semitic support for the German Jews and by stressing at the same time that it was “clear” that racial exclusion was “certainly” not allowed in the church, he showed to be soft on Jewish racial discrimination in Germany.93 This clarity and certitude was absent when it came to excluding Jews in society: Grosheide connected Liberalisten en Joden with Kittel’s plea for a guest status for Jews in Germany, and recommended the pamphlet to his readers. Kuyper’s message to his readers in Liberalisten en Joden was that ortho­ dox Christianity should reach out to the Jews in a missionary spirit, and that they should protest in the name of Christ against any vilification of Jews.94 Christening of Jews would make them harmless, but the message was not that their influence should be regulated or restricted politically. But either the message was misunderstood, or other notions in this pam­ phlet prevailed. For in 1933 it turned out that Kuyper’s theological heirs has drawn this lesson from Liberalisten en Joden: Jews are a problem in our so­ ciety. Not nationalism was the main problem in Germany, not limiting civil rights, not social and economic segregation, nor the German vehemence, and not Christians’ lack of a missionary zeal, but the Jews were the menace. And this Kuyperian interpretation of the pamphlet was not a singular aber­ ration. Kittel read the pamphlet in the Summer of 1933 and got the same im­ pression. In 1878 Kuyper had detected exactly the problem Nazi-Germany had to deal with, he wrote to Grosheide: assimilated Jews threatening the Christian character of Germany. Kuyper had not yet drawn the conclusion the Nazi’s had drawn: segregating Jews legally, socially, economically and religiously. But basically Kuyper, Stöcker and he were on the same wave­ length: “Wenn er [Kuyper] nicht ganz zu den Konsequenzen gekommen ist, die mir vorschweben, so ist nach meinem Urteil wohl der Grund, dass die Verhältnisse in Holland noch nicht ebenso reif waren (und vielleicht sind) wie bei uns.” 95   Cf. Van Klinken, Opvattingen, 235–236.   De Heraut, 2.7.1933: “We herinneren er slechts aan, dat die kwestie waarlijk niet alleen bij het Jodenvraagstuk aan de orde komt. Men vindt het telkens weer, waar verschillende rassen samenwonen, hetzij omdat ze dooreen zijn gevloeid, hetzij omdat het eene ras over het andere heerscht. Maar dat in de kerk des Heeren net rassenverschil niet van beteekenis mag zijn, staat toch zeker wel vast.” 94   Kuyper, Liberalisten en joden, 33, 34. 95   Kittel to Grosheide, 31.8.1933 (K 183) (italics underlined in the original). 92 93

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Grosheide had been right in suggesting similarities between Kittel’s and Kuyper’s pamphlet. Both uttered religious, social, economic and national reservations against Jews. But Grosheide overlooked a difference, most rele­vant in 1933, that Kuyper did not want to deprive the Jews of their civil rights. Kuyper, unlike Bismarck, Kittel and other Germans, did not speak of the Netherlands as a Christian state and did not grant the state a task in defending Christianity. The Netherlands was a Christian nation, and this identity of the Dutch people was exactly what was at stake in the civil war of 1878. Unlike Kittel, Kuyper did not define the public domain, he stressed its plural character, open to Christians and Jews alike. In 1916 he had described Stöcker’s endeavour as “maintaining the Christian character of the state by the civil-disability of the Jews.” 96 He distanced himself from this formal and outward character of the Christian motive, and deplored that Stöcker failed to develop a broader political, that is anti-revolutionary approach.97 This difference is essential in an evaluation of Kuyper’s and Stöcker’s ideas, but it is revealing that in the 1930s this difference was not that relevant to theologians such as Grosheide and Herman Kuyper.

K. Aloofness In the anti-Semitic context of the 1930s Grosheide, and for that matter also his theological colleague Herman Kuyper at the Vrije Universiteit, preferred to refrain from the political debate about the Jews, which meant they did not employ the key argument of the anti-revolutionary tradition against the persecution of the Jews in Germany: the freedom of conscience, expressed in and guaranteed by equal rights for all citizens.98 Grosheide did not think Christianity and National-Socialism were compatible,99 but in 1934 he sup­ ported Abraham Kuyper’s reservations by depicting the Jews as a different nation, and added to this they were also a different race – a word Kuyper did not use in 1878.100 Grosheide did refer to Kuyper’s pamphlet as a relevant 96   Kuyper, Antirevolutionaire staatkunde, 1:544; see on the difference between Germany and the Netherlands in this respect also: Bart Wallet, “Waarom het antisemitisme uiteindelijk niet aansloeg in de Nederlandse christelijk-sociale traditie,” Sofie 6/3 (2016): 28–33. 97  A. Kuyper, Antirevolutionaire staatkunde, vol. 2 (Kampen: Kok, 1916), 54. 98   After the Kristallnacht of November 1938 Grosheide showed more understanding for the disastrous role of political anti-Semitism in Germany. See: Van Klinken, Opvattingen, 321. 99   Ger van Roon, Protestants Nederland en Duitsland 1933–1941 (Kampen: Kok, 21990), 226. 100   Grosheide in De Heraut, 4.2.1934. In Liberalisten en Joden, 13 and 21, Kuyper wrote about differences between the Caucasian and the Jewish “body” and between “Caucasian and Semitic blood”. Kuyper did speak of the Semitic race over against the Arian race in Kuyper, Om de oude wereldzee, 1:276–278.

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source for understanding the present situation, but he did so without any reservations, not realizing or not worrying about the anti-Semitic overtones in Kuyper’s pamphlet. In this way, Grosheide impeded critical reflection on the base of the Neo-Calvinist tradition about what was going on Hitler’s Germany. In a way, by relating Liberalisten en Joden to Kittel’s pamphlet, he supported Kuyper’s liberal critics of 1878, who suspected Kuyper of deprivin­g the civil rights of the Jews.101 As a theologian, Grosheide did not want to deal with the political situ­ ation. This flaw of aloofness is also present in his qualification of Kittel’s Judenfrage as “typical for the German situation.” This is a neutral formula­ tion that would not hurt any Dutch reader, nor Kittel. This refraining from political issues, even those that touched on basic notions of civil freedom, was typical for the theological faculty of the Vrije Universiteit during the 1930s and during the German occupation of the Netherlands. Grosheide’s review of Kittel’s pamphlet fits in a larger pattern at the Vrije Universiteit of a theological reluctance to address political issues.102 The ultimate result was that Kittel’s anti-Semitic political engagement as a theologian did not get any rebuttal from his Kuyperian colleagues. This does not mean that Kuyper’s argument from 1878 accorded fully with Kittel’s – on one essential point it did not –, but it is clear that the NeoCalvinist reactio­n to the rise of anti-Semitic policies in Germany revealed a weakness in Kuyper’s Liberalisten en Joden: it is hard to convince readers to defend the civil rights of the Jews after having criticized extensively and harshly their religious position and aims, as well as their economic and so­ cial position. Kuyper’s strong-worded declaration at the end of his pamphlet, in reaction to objections in the liberal and Jewish press, that he would defend the civil rights of the Jews with all his might, was too little, too late. This explains that Kuyper’s pamphlet and Kittel’s book, despite fundamental dif­ ferences on religious freedom and plurality, could be matched in 1933.

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Implicit Influence of Kittel and Grosheide in the Shaping of Apartheid in South Africa? The Case of E.P. Groenewald Jacobus Kok A. Introduction Tertullian once asked: “What has Jerusalem to do with Athens?”1 Similarly, we could ask: “What has Tübingen in Germany to do with Pretoria in South Africa?” In this article it will be shown that the path of Gerhard Kittel, a leading figure in the justification of Nazism from Scripture, crossed per­ sonally and significantly with that of Evert P. Groenewald, a leading figure in the justification of apartheid from Scripture. The crossing of their paths was made possible by a “broker” in the person of F.W. Grosheide, a friend of both. This revelation warrants further research mainly due to recently discovered primary sources. The hypothesis is that Grosheide sustained and participated in apartheid discourses by not countering them directly in the context of his friendship with Kittel and Groenewald. This paper will mainly focus on Groenewald. Methodologically, we are inspired by insights from socio-cognitive critical discourse analysis and socio-cognitive metaphor theory, as well as social identity and self-categorization theory (to be explained further below). 1. Discoveries from the Grosheide Archive Recently, the F.W. Grosheide archive at the Vrije Universiteit Amsterdam was disclosed. Grosheide (1881–1972) was a prominent New Testament scholar and rector at the Vrije Universiteit. The archive contains, among other things, hundreds of personal letters exchanged between Grosheide and his correspondents. Among these letters are a body of letters written re­ spectively by Gerhard Kittel (1888–1948) and E.P. Groenewald (1905–2002), spanning several decades (1930–1957). But now, for the first time in his­ tory, a relation is revealed which was unknown or at least unexamined until now. This calls for a new investigation and, coupled with novel theoretical   Tertullian, Praescr. 7.9: “Quid ergo Athenis et Hierosolymis? quid academiae et eccle­ siae? quid haereticis et christianis?” 1

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approaches, may well provide new insights in a research field relevant for scholars in Germany, the Netherlands and South Africa. In a letter dated 2 May 1930, 2 Gerhard Kittel writes from Tübingen an informal letter to his good friend F.W. Grosheide in Amsterdam, in which he notes: “Eben vorhin war Ihr Südafrikaner bei mir.” This is, to my knowledge, the only time in the Kittel to Grosheide correspondence that Kittel refers to this unnamed South African. After having read this, I endea­vored to find out who this unnamed South African is. It might be one sentence in the oeuvre of the Kittel letters, but it surely will lead to several research questions and years of research for us today. Subsequently, I conducted historical research in which it is now confirmed that the unnamed South African person to whom Kittel refers is none other than the doyen of New Testament scholar­ ship in South Africa, Prof. Evert P. Groenewald (1905–2002), a leading fig­ ure in the biblical justification of apartheid.3 The evidence was determined after careful investigation into the archives at the University of Tübingen and triangulation with the historical material in the F.W. Grosheide archive and a reconstruction of the life of E.P. Groenewald based on his personal letters to Grosheide spanning several decades, and a letter written to Groenewald by Kittel discovered in South Africa, as well as from Groenewald’s doctoral thesis, completed in 1932. What makes this remarkable is that it was just a year later that Kittel would officially join the Nazi Party, in 1933. Hence, we have here two leading figures who in history would become known as the most prominent exponents of biblical justification of Nazism on the one hand and apartheid on the other, engaging with each other during this pivotal mo­ ment in history. And in-between both these persons stands F.W. Grosheide – a leading New Testament scholar in the Netherlands and rector of the Vrije Universiteit – who was a friend and mentor closely involved in the lives of both these men. In fact, he introduced them to one another. This fascinat­ ing triangle of relationships calls for a fresh investigation and new research questions in the field. 2. Background to the Life and Work of E.P. Groenewald and New Evidence Groenewald was a South African born in 1905 close to George in the Cape and died in 2002. He excelled in sports and academics both at school and at university.4 He is remembered as being an introverted person with strong   On Evert P. Groenewald, see Grosheide archive Inv. 111, G 222–248 (Correspondence 21.7.1930–22.11.1957). 3   See the recently published work by M. Gräper, The Bible and Apartheid: Contested Interpretations in the History of Christianity in South Africa and Beyond, Studien zur ausser­ europäischen Christentumsgeschichte 32 (Wiesbaden: Harrassowitz, 2019). 4   For more information, consult Jacobus Kok and Anne Catherine Pardon, “Drawing and Transcending Socio-Religious Boundaries: The Influence of Gerhard Kittel on E.P. Groenewald – The Shaping of an Apartheid Theologian?,” in Drawing and Transcending Boundaries in the 2

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morals and attention to detail. He studied theology in Stellenbosch, comple­ ted his Magister Artium in Greek and specialized in New Testament studie­s. It was initially his plan to undertake further study in the United States. But a rugby injury (i.a. a concussion) led to a situation in which he missed the deadline for submission and thus could not go. He was an early admirer of Prof. Johannes Du Plessis, who at that moment was known to be a very libe­ ral and critical scholar for that particular time period of history in South Africa and who had at some stage lost his venia legendi in 1932.5 Several charges of heresy were brought out against Du Plessis and intense court cases followed. Groenewald also reflects on some of these elements in his letters to Grosheide dated 25 November 1930 (G 223), 20 December 1931 (G 224–227), 10 August 1932 (G 228), and 28 November 1933 (G 229–230). One has always suspected that Groenewald was a supporter of Du Plessis, but these letters to Grosheide now confirm it. Perhaps due to his admiration for Du Plessis, Groenewald decided to fol­ low the example of others who at that time had studied at the well-known Vrije Universiteit in Amsterdam. He arrived in Amsterdam in 1929 to study with F.W. Grosheide, a respected Neo-Calvinist New Testament scholar in the Low Countries who served as rector magnificus of the Vrije Universiteit. As mentioned above, Grosheide and Kittel were close friends for several decades. Grosheide arranged for Groenewald to study for a semester un­ der the watchful eye of his dear friend Kittel in Tübingen. But Groenewald would only stay two months in total in Tübingen.6 Still, Kittel made a last­ ing impact on Groenewald. In his thesis, he explicitly expresses a word of gratitude towards Kittel in his preface, where he says that Kittel inspired in him a love for his subject. He had also briefly visited Adolf Deissmann in Berlin. Interestingly enough, he does not mention Deissmann in his preface. After his doctoral defense, both of these scholars wrote letters to him con­ gratulating him on his fine work. These letters were sent to me by Prof. Gerrit van Wyk Kruger,7 a Professor of Classics at the University of Stellenbosch, who is currently in possession of the letters. Kittel wrote a letter on 29 June 1932 in his own characteristic handwriting to Groenewald, congratulating him on finishing his doctoral thesis:

New Testament and Early Christianity, ed. J. Kok, M. Webber, and J. van Nes, Beitrage zum Verstehen der Bibel 38 (Wien: LIT, 2019), 153–177. 5   A. Du Toit, “Die Opkoms en Huidige Stand van Die Nuwe-Testamentiese Ondersoek in Suid-Afrika: Deel 1,” Hervormde Teologiese Studies 49/3 (1993): 503–514. 6   As evidenced in Groenewald’s letter to Grosheide, dated 21 July 1930 (G 222). 7   This letter is in the possession of Prof. Gerrit Van Wyk Kruger. It was send to me via email on 13.7.2020.

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Verehrter lieber Herr Kollege! Haben Sie herzlichen Dank für die Zusendung Ihrer Doktorarbeit über Koinonia! Ich habe schon viel darin gelesen und sehe mit großem Vergnügen, dass es ein aus­ gezeichnetes Buch ist. Es ist mir eine Freude, dass es Ihnen geglückt ist, die Arbeit zu Ziele zu bringen, und eine Genugtuung, das auch Tübingen Ihnen ein wenig dabei behilflich sein konnte. Mit allen guten Grüßen, Ihr Kittel

With this evidence, it is safe to assume that their exists circumstantial evi­ dence that might point in the direction that Groenewald could have been inspired by Kittel when it comes to his nationalistic and apartheid thinkin­g due to his appreciation of Kittel and the general sentiments which he may have picked up on during this important formative time in his life. In a personal interview with Dr Sarel Terblanche,8 who did his doctoral studies on Groenewald and still had had the opportunity to personally interview Groenewald, Kittel indeed had a great influence on him, but he (Terblanche) himself has not investigated this any further.

B. Significant Findings about Groenewald’s Time in Amsterdam Most scholars do their doctoral studies when they are in their late twenties. This is a youthful time and the experiences one has if given the opportunity to study internationally, tend to be rather significant. For that reason it was a true discovery when I found the photo which was taken of Groenewald at the occasion of his doctoral defense.9 Next to him on the photo appear his two paranymphs. These men were identified by several South African scholars I have interviewed and also from one doctoral thesis that had been written on Groenewald (that of Terblanche), as being A.B. Du Preez (left) and Geoff Cronje (right). What makes these men significant for this present study, is that both of them would later on become professors at the University of Pretoria and would be leading figures in the biblical justification of apart­ 8   S. Terblanche, Die Lewe en Werk van Evert Philippus Groenewald in Kerkhistoriese Perspektief (Pretoria: Unpublished UNISA Dissertation, 1998), 200. http://uir.unisa.ac.za/han­ dle/10500/16178. 9   This photo was given to me by a family member of Groenewald (who wants to stay anon­ ymous). The same photo also appears in a doctoral thesis written by Sarel Terblanche who interviewed Groenewald personally. Jacobus Kok interviewed Sarel Terblanche, “Groenewald and Paranymphs,” Whatsapp, September 9, 2020. On this occasion he provided a copy of his own records and his thesis in which the identities of Groenewald’s paranymphs was disclosed to me. See Terblanche, Die Lewe en Werk van Groenewald, 200, for the same photo.

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heid. I have also come to know that all three these men were members of the secretive Afrikaner nationalist “Broederbond” organization which strongly supported and promoted apartheid.10 These interesting relations and their respective positioning together in Amsterdam in 1932 raise many questions for the historian interested in knowing how the leaders who would later jus­ tify apartheid biblically, were formed during this crucial time in history and what relationships they continued to hold which might have influenced their thinking on apartheid and their hermeneutics of reading Scripture.

Photo: E.P. Groenewald and his paranymphs in 1932

Below I expand more on the significance of this photo and the people in­ volved. I will deal with the logical flow of Groenewald’s time line. But first I have to sketch a narrative of the macro-context of rising nationalism in South Africa which forms the direct backdrop against which Groenewald, Du Preez and Cronje would work. This is important from the perspective of critical discourse analysis. Fairclough11 is one of the main exponents of this methodology, and convincingly argues that micro-, meso-, and macro-dis­ courses are always dialogical in nature, and are a social practice in linguistic form, i.e., we do things through words and participate as “consumers” in already existing discourses in the Umwelt.12 We not only participate as con­ sumers in already existing discourses, but also “produce” new discourses.   In this regard, see, e.g., Hybridity and Its Discontents: Politics, Science, Culture, ed. Avtar Brah and Annie Coombes (New York: Routledge, 2000). On the Broederbond and Afrikaner nationalism and its relation to Kuyper, see C. Bloomberg and S. Dubow, ChristianNationalism and the Rise of the Afrikaner Broederbond, in South Africa, 1918–48 (London: Palgrave Macmillan, 1990). 11   N. Fairclough, Critical Discourse Analysis: The Critical Study of Language (London: Routledge, 22013). 12   On Groenewald, see also Kok and Pardon, “Drawing and Transcending,” 153–177. 10

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Discourses are a form of “capital” or social resources which discourse par­ ticipants can use to enhance their own position of power. Elsewhere, in­ spired by Bourdieu, I speak of [t]he ‘capital’ or resources which social agents use in their multidimensional social space in structuring their social relations and making use of (and producing) their networks to further their needs and social position. Naturally this would imply that some form of inequality will be (re)produced in the process and will inevitably lead to dynamics of inclusion and exclusion – to the drawing of social boundaries as people struggle and compete for resources.13

C. Understanding Underlying Metaphors of Rising Nationalism in 19th-Century South Africa In the present context, we don’t have to repeat the nature of rising nationa­ lism as macro-backdrop at the end of the 1800s and the beginning of the 1900s. This will be commonplace for informed readers of this book. What would be of more immediate interest to note is how international discourses interacted with and were contextualized in South Africa. In many cases, the struggle of the Afrikaners was a struggle over the preservation of their identity, which was under attack by the British. The word “attack” was used often by the people involved, including Groenewald. During the Anglo-Boer war of 1899–1902 more than 30,000 women and children died in British concentration camps and almost nothing was left after Kitchener’s scorched-earth campaign in which Boer farms were burnt to the ground and women and children put in concentration camps.14 At that time, South Africa was supported by the Dutch mainly due to their historic relationship with the Netherlands, a shared language and a common dislike of Britain at the time. Many prominent South-African leaders in the nine­ teenth and twentieth centuries studied in the Netherlands. One of them was Dr. D.F. Malan who later became prime minister of South Africa. He studied in Utrecht from 1900–1905 and in his doctoral studies worked on Hegel and Fichte and also on Herder, which is where he got his nationalist ideas from.15 In this vein, Kok and Pardon point out that it is important to see that Malan and others who were influenced by Herder, Fichte et al. took up these ideas about “wonderfully separated nationalities not only by woods and mountains, seas and deserts, rivers and climates, but more particularly by   J. Kok, Drawing and Transcending Boundaries in the Dutch Reformed Church, UPeTD (Pretoria: University of Pretoria PhD Thesis in Missiology and Religious Studies, 2016), 54. 14   Kok and Pardon, “Drawing and Transcending,” 161. 15   L. Koorts, D.F. Malan en die opkoms van Afrikaner-nasionalisme (Kaapstad: Tafelberg, 2014). 13

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languages and inclinations and characters” (emphasis mine).16 From this per­ spective it is therefore rather noteworthy to read the words of Malan already expressed by 1896, which echo the discourses that were already circulating within the Afrikaner community in South Africa: “How are we protected against contagion…? Let us stand together, let us preserve our nationality and with our nationality our national character.”17 In order to do so, he ar­ gued that a nation must study its history, tell the story, preserve its language, struggle for acknowledgment of its identity against systemic onslaught, not in a spirit of race hatred or prejudice, but from the true perspective of patri­ otism.18 Particularly interesting is that Malan, based on his experience of ris­ ing nationalism in Europe (especially Germany), realized that the Afrikaner “faced extinction in the face of British cultural dominance.”19 Malan re­ turned to South Africa with a mission! Important for us is the underlying root metaphor which is being used by Malan.20 Socio-cognitive metaphor theory is helpful in this regard since a metaphor to a large extent frames a discourse, accentuates certain aspects and conceals others, and analyzing it would help us to make explicit mean­ ings that are often not overtly discussed. In all metaphors, a source domain (vehicle) is used to explain a target domain (tenor) in a process in which the former is projected onto the latter. A metaphor ipso facto entails a process of mapping two different conceptual domains. In the case of Malan and others at this time, the metaphor of “purity and contagion” functions as a so-called root metaphor. The word “contagion” has a negative and evasive connota­ tion and thus carries a negative emotional meaning. In this case the target domain to be described is the national identity, and the source domain used is that of contagion with its flip-coin aspect of purity. The in-group’s culture, history, language and traditions (target domain) are seen as “pure” (source domain). This kind of thinking can only be based on an idealized form of one’s own culture. From the perspective of social identity theory and self-categorization theory, the ingroup puts itself hierarchi­cally on a higher level in relation to the perceived outgroup and creates clear boundaries between “us” and “them.” 21 The root metaphor of contagion relates socio-cognitively to the discourse of the danger of con­ 16   Kok and Pardon, “Drawing and Transcending,” 162. Herder as quoted by C.J.H. Hayes, “Contributions of Herder to the Doctrine of Nationalism,” The American Historical Review 32/4 (1927): 719–736. 17   Malan (1896) quoted by Koorts, Afrikaner-nasionalisme, 28. 18   Malan in 1896 as quoted and interpreted by Koorts, Afrikaner-nasionalisme, 28. 19   Koorts, Afrikaner-nasionalisme, 55, and also 25–26. 20   Here I follow the insights of Lakoff and Johnson who are well-known for their pioneer­ ing work on root metaphors. See G. Lakoff and M. Johnson, Metaphors We Live By (Chicago: University of Chicago Press, 2003). 21   On the theory, see T&T Clark Handbook to Social Identity in the New Testament, ed. B.J. Tucker and C.A. Baker (London: Bloomsbury, 2014).

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tamination of purity which needs to be protected against forms of onslaught. The interesting thing here is the introduction of another metaphor here, i.e., the metaphor of a battle. In a battle, people need to “fight” and to “protect,” and use words like “enemy” and “extinction”. It is thus not surprising to see that these underlying socio-cognitive metaphors shape the discussion and that these words and related concepts, building on such a root metaphor (e.g. notions of pure blood), are thus found in the writings of several people during this time, e.g. Malan, Cronje, and Groenewald. This short analysis shows us an important underlying theme which many scholars specializing in these kinds of literature would recognize, namely that the purity of the “nation” (Volk) is to be “protected” by means of “dis­ tance” and “resistance.” This metaphor of “purity” and “contagion” frames and forms a discourse – and all discourses are in fact a social practice in linguistic form, i.e., we do things through words and not only position ourselves but also others in some form of power relation. Keeping this in mind, we now turn to take a closer look at Groenewald, who as a discourse partici­ pan­t in an Umwelt in which these root metaphors were already circulating, participates in, as well as “consumes” and sustains, these discourses.

D. Groenewald as a Young Minister of the Church (1932–1938) By the end of 1932, after having defended his doctoral thesis in Amsterdam, Groenewald returned to South Africa. Later that year he accepted a call to become a minister in the Dutch Reformed Church Bethulie in the Orange Free State.22 In history, the Free State – as the name also suggests – has been well-known for its conservative Afrikaans nationalism and anti-British and anti-colonial stance. The 1930s were a difficult time in South Africa due to the economic circumstances in the world and due to a great drought in the Free State. Groenewald wrote several letters to Grosheide during this time, keeping him up-to-date on developments in his personal and professional life. For the Afrikaners, this was a particularly difficult time. It was shortly after the Anglo-Boer War (1899–1902), in which South Africa had lost the war against the British Empire. This led to a long period of poverty and op­ pression for the Afrikaners by the British. The period of the depression add­ ed to an already impoverished situation among the Afrikaners. Groenewald writes in one of his letters to Grosheide, dated 28 November 1933 (G 229– 230), that in Bethulie in the Free State the sheep were so weak that they were 22   Koorts wrote a biography of D.F. Malan in 2014, which is considered essential reading for those wanting to understand the emergence of Afrikaner nationalism. See Koorts, Afrikanernasionalisme.

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blown away by the wind. He tells of members of his congregation who were farmers who had had 1,000–2,000 sheep and were left with only 100 weak ones. He describes this time as being “uiters sorgwekkend” (extremely wor­ risome) and writes about the heavy losses experienced by the community in his congregation that is severely suffering. This paints the picture of a church minister in the middle of the depression in South Africa who had to provide hope for his people, who happened to be Afrikaners. One has to understand the context in which Groenewald now worked and lived. It paints a dim picture of a crushed people who suffer in a context of depression and poverty. This was the perfect background in which the Afrikaners would look to Europe (especially Germany) and would take their inspiration directly from there. The Free State in South Africa at that stage played a leading role in a nationalist revival that had started long before, but would continue to become ever stronger in the next few years. In 1918, the Afrikaner Broederbond was founded. Its main aim was to help create in the Afrikaner a sense of identity. Then in 1929, the “Federasie van Afrikaanse Kultuurvereniginge” (Federation of Afrikaans Cultural Associations) was created in an effort to deliberately support the Afrikaner people to create a cultural consciousness of the “Armblanke Vraagstuk” (the Poor White Question). This was an energetic cultural revival period in Afrikaner histo­ ry, and a direct reaction to the destruction of the Afrikaner people under the British during the Anglo-Boer war and the needs which arose in the Union of South Africa after 1910 and the poverty which resulted from the great depression of the 1930s.

E. Groenewald Participating in Already Existing Discourses What critical discourse analysis shows us is that people can either sus­ tain discourses already circulating in society, or can transform such dis­ courses. Below I will argue that before we can begin to investigate whether Groenewald was influenced by Kittel and Grosheide, we first need to criti­ cally look at ways in which Groenewald participated in discourses which were already circulating and how he participated in these discourses by ei­ ther sustaining them or transforming them. I will show that Groenewald participated in discourses in South Africa by scholars who were slightly his seniors in years, and will argue that some of these discourses of the South Africans came from the Dutch and Germans but were particularized and contextualized into the South African situation.

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1. J.G. Strydom on the Race Question In a recent study, Gräper23 discusses the most important figures in the bibli­ cal justification of apartheid, notably so in chronological order. For the pur­ poses of our present study it is significantly important to consider the work of Dr. J.G. (Valie) Strydom entitled “Die Rasse-Vraagstuk in Suid-Afrika” (The Race Question in South Africa), published as a chapter in a three-vol­ ume series called Koers in die Krisis (Direction in the Crisis), published in 1941. These volumes were compiled by the Federation of Calvinist Student Bodies in South Africa (“Federasie van Calvinistiese Studenteverenigings in Suid-Afrika”). In these volumes, several contributions stemmed from theologians. Interestingly, this includes a contribution in this book by none other than Prof. F.W. Grosheide (1935) on “Gereformeerde Schriftuitleg” (Reformed Exegesis of Scripture). These books could be seen as a signifi­ cant achievement during that time, indicating the impact of a contextua­l ized Kuyperian Neo-Calvinist paradigm which fed the growing Afrikaner na­ tionalism during the formative years of apartheid.24 In his paper, Strydom points out that negative discourses were in circu­ lation in the world that said that the Afrikaners (Whites) were oppressin­g the Blacks in South Africa. He distances himself from this by referring to the inhumane way the Americans killed the “Red Skins” and how the Australians killed and suppressed the native inhabitants of their country. Over and against that, Strydom states that the Afrikaners have in fact not done that, but have dedicated large parts of land for the exclusive use by the native populations where they could fully develop on their own and conserve their own culture, language and traditions. The purpose of this, he says, is that the different cultures are respected and that the one does not assimilate into the other. It is rather a vision of respecting the particularity and pres­ ervation of the different peoples. Assimilation, he argued, is not the will of God, as can clearly be seen from the fact that God is the great Divider we meet in the Ge­nesis creation stories and in the story of the Tower of Babel in Genesis 11. In the latter we clearly see God dispersing people. God does not will sameness and assimilation. For Strydom, it is the small size of White Afrikaners in comparison with the Black South African population which especially urges this particular approach of separation. There is a form of 23  M. Gräper, The Bible and Apartheid: Contested Interpretations in the History of Christianity in South Africa and Beyond, Studien zur außereuropäischen Christentumsgeschichte 32 (Wiesbaden: Harrassowitz, 2019), 82. 24   Gräper, The Bible and Apartheid, 82. See also J.A. Loubser, The Apartheid Bible: A Critical Review of Racial Theology in South Africa, MML South Africa Today Series (Cape Town: Maskew Miller Longman, 1987), 35–38, and R.R. Vosloo, “Calvin and Anti-Apartheid Memory in the Dutch Reformed Family of Churches in South Africa,” in Sober, Strict and Scriptural. Collective Memories of John Calvin, 1800–2000, ed. J. de Niet and B. Wallet (Leiden: Brill, 2009), 217–244.

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danger and fear of being overwhelmed, simply due to the small size of the Afrikaner population. He compares the South African situation with that of America and argues that the difference is that in America (at that time in history), the Black population was constituting the minority. As Gräper25 correctly saw, for Strydom the danger is that if separation is not exercised properly, it would lead to vermenging (mixing of blood) and gelykstelling (equality without differentiation). This would directly lead to the loss of cultural identity and language and create a “Koffie-Kleur Basterbevolking” (Coffee-Colored Bastard People). In our analysis, this idea is made possible by means of the underlying metaphor which we have explained above related to “purity” and “contagion.” To support his idea, Strydom finds answers and hope in a Kuyperian Neo-Calvinist paradigm according to which separation between the races is justified. For him, integration and assimilation would be going against the will of God and the Scriptures. In his argument, he makes it very clear that it is not the intention of the White Afrikaners to dominate other races. They know the implication of the colonial domination of the Afrikaner by the British in which the latter have tried to assimilate them into the British Empire by inter alia attempting to take away their language and culture. According to Strydom, it is the communists and the Roman Catholics who critique the Afrikaner’s policy. According to him, those who are true to Scripture and follow a Calvinist interpretation will recognize this when they read Scripture. To this end, he draws on the metaphor of God as the Great Divider in Gen 1–2 and 11:1–9, as well as on New Testament texts such as Acts 17:26 in combination with Gal 3:28 and on some baptismal for­ mulae (Col 3:11; 1 Cor 12:13). He states that God himself created differen­t peoples, with different skin colours and different languages. It would go against the will of God to assimilate them and eliminate the differences. The differences should rather be protected. It is the (divine) calling of a nation to protect its “erfgoed” (heritage) and to use it as the basis to build itself up. 26 Strydom appeals to Gal 3:28, according to which God in Christ creates a new unity which is in Christ and something which transcends the particularities of cultures, languages, etc. But he accentuates that one must see clearly that the Bible is not saying here that these differences are obliterated. In fact, it rather seems that these differences are maintained. Echoing Paul’s first letter to the Corinthans (1 Cor 7:17–20), he argues that one should basically remain in one’s calling in life. Each nation or people has its own history, calling and place. In his vision, Strydom sees that the Afrikaners in the Union of South Africa should facilitate a space in which all people can protect and develop their own heritage and that this can only   Gräper, The Bible and Apartheid, 85.   Gräper, The Bible and Apartheid, 85.

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be done if there is clear separation and not “gelykstelling” (to make the same or assimilate). As is typical in this kind of White colonial discourse, although they claim explicitly to be against the (British) Empire, they still use metaphors that illustrate their presupposition that the White race and culture are superior to the Black race and culture. Strydom refers to the Dutch Reformed Church as the mother-church which needs to take care for the Black daughter churches. Related to the metaphor of guardianship, we can expect to see a cluster of socio-cognitive and metaphorically related ideas like “leading to maturity,” “guiding,” “care,” “protection,” “mother” and “daughter,” etc. From a social identity and self-categorization perspective, this vision ex­ pressed above basically created the template for what would eventually be­ come known as apartheid, dividing the world into the ingroup (Afrikaner, Afrikaans, White, Calvinist) versus the outgroup (Black African groups, Bantu languages, Black). In the same way on macro-level, the ingroup is defined as those holding a Kuyperian Neo-Calvinist worldview as interpre­ ted by the Afrikaner elite and the outgroup as those sharing ideas which are labelled as being communist, liberal humanist or Roman Catholic. Note that Strydom’s chapter was written in 1941 and that it echoes also earlier discourses and sustains such discourses.27 Others28 would follow in the same lines of discourse and participate and sustain these in a process which in­ terweaves politics, education, Christian mission, urban development, etc.29 What is remarkable and rather important for us is that a chapter by Grosheide is included within this book. Thus, it cannot be argued that Grosheide at this stage was unaware of what the content of the book was. Also, he had much time to react on this, as we will see in letters dated towards the end of the 1940s, but there is no evidence that he did, as we will argue towards the end of the chapter. 2. J.D. Du Toit (Totius): God as the Great Divider One of the most loved and well-known Afrikaans poets and theologians was Prof. J.D. Du Toit (Totius). Just like his father before him, he was a key figur­e in the Afrikaans language and cultural movement.30 Like Groenewald, Du Toit was a Vrije Universiteit Amsterdam alumnus and a member of the Afrikaner Broederbond. In 1944, Totius would argue in favour of the race policy which would later be known as apartheid by saying:   Unfortunately there is not enough space in this chapter to go into this in detail.   Gräper, The Bible and Apartheid, mentions others in chronological order, but there is no space in this article to refer to all of them. 29   See in this regard the work of H. Giliomee, “The Making of the Apartheid Plan, 1929– 1948,” Journal of Southern African Studies 29/2 (2003): 373–392, especially 381. 30   Afrikaans (a daughter language of Dutch) was only recognized as an official language in 1925. 27

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“Give me a Bible text,” says the opponent of our colour policy, “a text that proves that segregation is in agreement with the utterances of Holy Scripture.” “I have no text,” is my answer. “Then I have won the case, says the advocate for equality”… I answer: … “I don’t have a text, but I have the Bible, the whole Bible. My argumentation would proceed from Genesis to Revelation.” 31

These were the opening words, as Vosloo (2016) shows, of the docu­ ment called Die Godsdienstige Grondslag van ons Rassebeleid (The Religious Foundation of our Race Policy), which was presented at the 1944 “Volkskongres” (National People’s Congress) in Bloemfontein in the Free State where Groenewald had been a church minister. This “Volkskongres” was a significant moment in history in which a whole generation would be aligned to interpret history and Scripture in a certain way. Much of Totius’s argument aligns with what we found in Strydom men­ tioned above. According to Totius, Africa is a dark continent with bar­ baric peoples under the curse of Ham (Gen 9:20–27).32 Totius explicitly quotes Abraham Kuyper who apparently viewed the Afrikaners as a people who were sent by God to enlighten Black Africa out of their ignorance. Participating in and sustaining the White colonial metaphors and discourses already circulating in the Umwelt, Totius says that God wills the separation between nations and that He certainly does not will gelykstelling (equal­ izing/assimilation/“verbastering”). He explicitly draws in his paper on the previous work of Strydom.33 In his argument, Totius starts with Genesis, and shows how God created order and difference. The God of Genesis is the great Hammabdil – the One who divides and separates.34 Drawing on Gen 11, he argues that God is pre­ sented here once again as the One who divides and separates the nations, and drawing on Acts 17:26, the One who gave each a geographical area. For that reason, he argues, the nations should resist the Babylonian spirit of unifica­ tion, i.e., to make or force unity of something which was intended by God to remain separate. This idea, expressed in 1944, had its antecedents already in 1935 in the Mission Policy of the Dutch Reformed Church and the thoughts of Strydom. Therein we saw the authors clearly expressing their negativity towards social equalization (gelykstelling) and rather supported the notion   Quoted from R.R. Vosloo, “The Bible and the Justification of Apartheid in Reformed Circles in the 1940’s in South Africa: Some Historical, Hermeneutical and Theological Remarks,” Stellenbosch Theological Journal 1/2 (January 22, 2016), accessed February 11, 2021, https://ojs.reformedjournals.co.za/stj/article/view/1257. 32   See also Gräper, The Bible and Apartheid, 91. 33   For the exact reference to Strydom by Totius, see Gräper, The Bible and Apartheid, 91 n.349. It seems that he is not referring to the chapter in Koers en Krisis but to a pamphlet enti­ tled “Die Rasse-Vraagstuk en die toekoms van die Blankes in Suid-Afrika,” which was widely circulated in the Dutch Reformed Church in the early 1940s. 34   See Vosloo, “The Bible and the Justification of Apartheid,” 195–215. 31

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that social differentiation and cultural segregation should be enforced to the advantage of both Black and White races. Totius’ talk also mentioned that the Afrikaner and the Dutch Reformed Church should do everything they can to resist the tendencies of the liberals, the communists and the Roman Catholics who were promoting one-ness or equality (gelykstelling) of the races. Gräper, in my opinion, is correct in his observation that the creation theology of Totius built around the notion of a God of order and a God who wills separation, is interpreted by these Afrikaners around the notion of the purity of the “volk”, and “maintaining diversity and organizing social life around the notion of ‘volk’”.35 More than Strydom, Totius sharpens the inferiority and backwardness of the native Black Africans and the superio­ rity of the White Afrikaners and their call to guardianship over the Blacks. Totius links up explicitly with ideas of Kuyper and contextualizes them to the context of South Africa at that time. 3. Geoff Cronje and Groenewald on “Regverdige Rasse-Apartheid” Another large People’s Congress (Volkskongres) was held in 1947. At this meeting, the rapid urbanization of Johannesburg36 and other cities was dis­ cussed, and once again the need for racial segregation was accentuated. One of the leading voices in South Africa at this time was Geoff Cronje. He was a Professor of Sociology at the same university as Groenewald and a formi­ dable promoter of apartheid engineering in his capacity as sociology pro­ fessor and dean of humanities at Pretoria University. Cronje also belonged to the secretive Broederbond,37 as did Groenewald.38 Cronje also studied at the Vrije Universiteit Amsterdam and was present at the doctoral defense of Groenewald as one of his paranymphs, as noted above. Here two men, who not only studied together in Amsterdam, but also supported Afrikaner nationa­ lism and whose sentiments go back decades, are seen in action on the race question and apartheid.   Gräper, The Bible and Apartheid, 93.   It was at Johannesburg and vicinity that gold and diamonds were discovered in the late 1800s leading to development of an industry. 37   The history of the Broederbond is best understood if one considers the history and the context at the time. See C. Bloomberg and S. Dubow, Christian-Nationalism, 65/203 (https://doi. org/10.1007/978-1-349-10694-3), who correctly point out that after the First World War, South Africans were divided in two groups, those in favor of the British colonial powers and those in favour of Germany. The young D.F. Malan (president/minister of South Africa) had recent­ ly returned from the Netherlands, and was influenced by the thoughts of Herder and Fichte. Malan wanted the Afrikaner to abolish the (British) Monarchy and transform South Africa into a Republic outside the British Empire. For that reason, Afrikaners wanted to see Germany win the war. It was with that spirit that Groenewald, Cronje and others would be drawn to German litera­ ture and thought, but sprinkled with Kuyper’s thoughts. See in this regard the work of S. Milton, A Perfect Storm: Antisemitism in South Africa, 1930–1948 (Johannesburg: Jonathan Ball, 2015). 38   Bloomberg and Dubow, Christian-Nationalism, 203. 35

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Cronje made an important contribution to the discussion about racial segre­gation in the book Regverdige Rasse-Apartheid (Just Racial Apartheid, 1947), which he co-authored with E.P. Groenewald and Dr. Willem Nicol.39 Shortly thereafter, the National Party won the elections and these insights were made state policy and fixed in legislation. It was also in this book that Groenewald would explain his thoughts with a chapter entitled: “Apartheid en Voogdyskap in die lig van die Heilige Skrif” (Apartheid and Guardianship in light of Holy Scripture). This document would serve as a very influential text to give a Biblical justification for apartheid. Later on it would be used by the Synod of the Dutch Reformed Church in 1948 and beyond to great avail in supporting the government in its apartheid policy. Cronje was strongly influenced by German nationalism and especially by the importance of the notion of “pure blood” which needed to be protected against “vermenging” (mixing) which inevitably would lead to a weak race of sloths.40 He identified the following races of people that were not to be mixed: European, Black, Asian, Jewish, Coloured. Cronje builds his whole vision on the fact that the biology of the different races differ, basing his insights on the South African biologist Gerrie Eloff.41 This insight is rather new and was first pointed out in detail by Venter.42 Eloff was a professor of Genetics and Breeding Studies in Bloemfontein and originally studied at Potchefstroom and then in the Netherlands. He was an active member of the Pro-Nazi “Ossewabrandwag” organization. In 1933, Eloff published a paper in the journal Koers with the title: “Rasverbetering deur uitskakeling van minderwaardige indivi­ due” (Racial improvement by eliminating inferior individuals).43 Perhaps a  See Vosloo, The Bible and the Justification of Apartheid, and also G. Cronje, E.P. Groenewald, and W. Nicol, Regverdige Rasse-Apartheid (Stellenbosch: Christen-Studente­ verenigingmaatskappy van Suid-Afrika, 1947). 40   C. Venter, “The Influence of Early Apartheid Intellectualisation on Twentieth-Century Afrikaans Music Historiography” (Masters Dissertation: University of Pretoria, 2009), https:// core.ac.uk/download/pdf/37322514.pdf, refers to Eloff in regard to racial mixing, which “yields vacillating temperament, lack of self-control and determination, deficient spiritual energy, ir­ responsibility and slothfulness with secondary effects such as alcohol abuse and promiscuity (Eloff, 1938:24). Eloff concludes that the Afrikaner Trekboer was long aware of what biologi­ cal scientists had only recently demonstrated: intermixture between white and black is not desirable (1938:25).” Venter shows that Eloff had a significant effect on the thoughts of Jeff Cronje. See in this regard the important work of J.M. Coetzee on Geoff Cronje and the “Mind of Apartheid”. Coetzee is a South African author who won the Nobel Prize for Literature in 2003. See J.M. Coetzee, “The Mind of Apartheid: Geoffrey Cronjé (1907–),” Social Dynamics 17/ 1 (June 1, 1991): 1–35, accessed February 11, 2021, https://doi.org/10.1080/02533959108458500. 41   Consult in this regard the very insightful thesis of Venter (2009), Apartheid Intellectuali­ sation, in which she discusses Cronje and the influence the biologist Gerrie Eloff had on his thoughts. 42   Venter, Apartheid Intellectualisation, 25. 43   G. Eloff, “Rasverbetering deur uitskakeling van minderwaardige indiwidue,” Koers (1933): 30–34. 39

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German translation of this 1933 Afrikaans article will convey the shocking proxi­m ity to Nazi ideals even better: “Rassenverbesserung durch Elimi­ nierung minderwertiger Individuen.” Already in 1933, Eloff suggested that the Church and the State/Society should encourage “positive eugenics” by making sure that people marry appropriately, so as to ensure that weak el­ ements are reduced or even eliminated.44 This should entail that in school, children should be taught that the White race is superior and that a course be developed about “erflikheidsleer en rassekunde” (hereditary and race stud­ ies). Eloff45 opens his 1942 book with the following important statement which provides a very clear example of the thinking of this time, which was in fact only made possible by the root metaphors of purity and contamina­ tion mentioned above: Dit [ons erflike samestelling] moet rein bewaar en beskerm word soos ’n heilige pand ons toevertrou, sodat ons nooit selfs ook maar die geringste vergiftigende insypeling sal toelaat nie.46 This [our inherited constitution] must be kept pure and defended like a holy token en­ trusted to our care, meaning that we cannot ever allow even the smallest poisonous infu­ sion (Eloff, 1942:3, my translation).

In his own work, Cronje 47 (1945) refers several times to Eloff.48 This illus­ trates without doubt that Cronje was strongly influenced by the German and Nazi ideas at the time. Cronje and Groenewald not only draw on insights from the Germans, but also from Dutch scholars such as Geesink,49 who believed that different races have clearly distinguishable biological features related to their geo­ graphical origin, and that they have different temperaments and intellectual abilities. The combination of these insights would create the ideology that would feed the monster that institutionalized apartheid would eventually become. Where Eloff provided the biological and genetic arguments, Cronje provided the sociological arguments, and Groenewald the religious and Biblical justification thereof. We need to note again that in the book Regverdige Rasse-Apartheid, Groenewald collaborated with Cronje in writing this 1947 book. In his own 44   Eloff, “Rasverbetering,” 33 and Venter, Apartheid Intellectualisation, 23. In an interview with Groenewald by Terblanche, he remembered that the insights of Geesink were well-known at the time. See Terblanche, Lewe en Werk van E.P. Groenewald, 184. 45   G. Eloff, Rasse en rassevermenging: Die Boerevolk gesien van die standpunt van die rasseleer (Bloemfontein: University of the Free State, 1942), 3, as quoted by Venter, Apartheid Intellectualisation, 26. 46   Eloff, Rasse en rassevermenging, 3. 47   G. Cronje, ’n Tuiste vir die Nageslag: Die blywende oplossing van Suid-Afrika se rassevraagstukke (Pretoria: University of Pretoria, 1945), 18. 48   For more information on Eloff and Cronje, see Venter, Apartheid Intellectualisation. 49   W. Geesink, Gereformeerde Ethiek (Kampen: Kok, 1931).

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work we see how Groenewald participates in and sustains the discourses we have already seen in Strydom and Totius. Even more strongly than in Totius, whom he explicitly refers to, the notions of guardianship of the Afrikaner and his responsibility of stewardship in this regard are developed. Apart from using the Genesis account of creation, Gen 11 (see also Gen 10:31) on separation of the nations, and Acts 17:26 as proof of geographi­ cal areas for all races/nations, Groenewald appeals to Isa 5, in which strict fences protect the vineyard from being trampled and destroyed by wild ele­ ments. We have already shown that the same ideas already circulated in the Afrikaner Umwelt. Groenewald argued that social, racial, cultural and other (religious, labour, jurisprudence) forms of assimilation would lead to moral and spiritual brokenness and destruction and also appealed to Scripture and God’s set “boundaries.” For that reason there should be no mixing of blood of Black and White. Therefore, separation (or segregation) i n national, so­ cial and religious domains is indeed warranted and justified, according to Groenewald. The social distancing that Groenewald and others fought for, however, did not entail a distancing in responsibilities toward “outsiders.” This reflects a Calvinist pietism. Groenewald argued that Whites have the responsibility of guardianship over the less developed Black nations. Again, Groenewald draws on Scripture to make his argument. In this case, he uses Gal 4:2 to argue that children stand under the watchful guardianship of their master. Children should also submit and with gratitude accept the authority of their masters. Clearly Groenewald builds on a White, colonial paradigm of power over the “natives” and the presupposition that the “mother” is more devel­ oped than the “child”. With regard to national pride, Groenewald draws on Paul and specifically on Phil 3:4–11, where Paul “boasts” of his national identity. Groenewald uses this analogy to argue that the Afrikaner must also be proud of their national identity just as the Jews like Paul were proud of theirs. I was sur­ prised to read that Groenewald argues that Paul (1 Cor 9:20–22) says that he became “a Jew to the Jews” but never that he became “a Greek to the Greek” in a nationalist sense of the word. That proves for him the fact that Paul saw national and ethnic identity as being too important to “give up.” This, according to Groenewald, is also seen in Acts 10. In my opinion, Acts 10 can be used to demonstrate exactly the opposite. But for Groenewald all Scriptures point in one direction, and that is that God created diversity and that diversity should be maintained, not annihilated. That is why the estab­ lishment of separate White and Black Churches is warranted, and based on Scripture and God’s will. Using Gal 3:28, he argues that God wants to see the church in unity, but this unity is something which transcends the physi­ cal. He argues that Galatians speaks of the unity of believers, but that the unity between man and woman never entails annihilation of their diversity

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or differences. In fact, diversity can only be spoken of in the context of dif­ ferentiation. Diversity and differentiation is the given fact which makes talk about unity possible in the first place. Thus, diversity is on a higher hierar­ chical level of importance. Establishing churches differentiated along colour lines is therefore theologically justified. It is the responsibility of the strong­ er to lead the weaker. For Groenewald, the White Afrikaner is the stronger, and the people of colour in other nations the weaker and less developed. As guardians (appealing to Gal 4:2) the Afrikaner should care for the weaker in a spirit of neighbourly love. Blacks are like children for whom the Whites must care. The Whites must protect them as guardians do. He concludes his paper by strongly arguing that all attempts by others (liberal, communist, Roman Catholics) to undo these boundaries in their effort at “gelykstelling” (equalization) are in fact directly opposed to the will of God and to the truth of Scripture. In a letter to Grosheide, as early as in 1939, Groenewald refers to the “bittere stryd” (bitter struggle) about the Afrikaans language, the centenary of the “Voortrekker-Eeufees” (Voortrekker centenary celebra­ tions), and also to the pressure from international bodies to do away with the “naturellebeleid” (native policy). He disagrees with these voices and calls them “vyande van die evangelie” (“enemies of the Gospel”).50 Clearly we see here that Groenewald expressed his thoughts to Grosheide already in the late 1930s. And as I will show later, this continued into the later forties and early fifties, suggesting that Grosheide knew of his thoughts, but did not seem to have opposed or corrected him. Let us also remind ourselves that this was the period, in the 1930s, that Grosheide exchanged letters with Kittel and was aware of Kittel’s ideas after he published his controversial work on the Jews (Die Judenfrage).51 4. Participating in Larger Discourses One might now ask from where Strydom, Du Toit and Groenewald got the insights of their basic argument from. To this end, we have already shown how they explicitly refer to Abraham Kuyper, contextualized to the South African situation, to serve their purposes. We have also illustrated how Eloff and Cronje draw on Nazi ideology. Furthermore, Groenewald collaborates actively in edited book publica­ tions with Cronje, presupposing the participation in the aforementioned dis­ courses. In the case of Acts 17:26, Groenewald explicitly refers to Calvin in a context in which the latter also presupposes that different groups are to live in clearly defined regions and borders. However, it is clear from his under­ lying assumptions that he circulates and participates in discourses already   Groenewald to Grosheide, 18 July 1939 (G 233).   See the Kittel-Grosheide correspondence in the Grosheide Archive K 134–197 (Corres­ pondence 30.9.1922–7.6.1955), and the relevant chapters in this volume. 50 51

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seen in Strydom and Du Toit, presupposing a South-African contextualized interpretation of Kuyper. Subsequently, I have searched wide and far and indeed found some evi­ dence that the cluster of exact verses used by some of these apartheid schol­ ars were circulating in a specific discourse in the Netherlands. Gräper 52 found that the Afrikaner apartheid leaders drew inter alios on W. Geesink, and especially his book on Reformed ethics.53 Geesink himself makes use of Genesis’s creation story and Gen 11 as well as Acts 17:26 to argue that it is God’s will that there are boundaries between nations and people.54 Gustav Gerdener, for instance, was a Professor of Missiology at Stellenbosch and chairman of the Dutch Reformed Church’s Federal Mission Council. He was a prominent figure in the South African Bureau of Racial Affairs (SABRA) and appointed by Dr. D.F. Malan to implement apartheid after 1948, when the National Party came to power. It was Gerdener who was tasked with organizing a church congress on the “native issue” (Die Naturellevraagstuk), which was a pivotal moment in history. In his own contribution he clearly drew on the earlier work of Strydom, Totius and es­ pecially Groenewald. But what is very interesting to see is that Gerdener explicitly refers to the Dutch theologian Geesink and his book on Reformed ethics to argue in favour of keeping nations apart due to inherent (essential­ ist) differences that are to be respected and maintained.55

F. Concluding Remarks: Did Grosheide Know of Groenewald’s Nationalistic or Apartheid Ideas? As mentioned above, we now have Evert P. Groenewald’s letters to F.W. Grosheide at our disposal, spanning from 1930 until 1957. These letters are currently housed in the Grosheide archive at the Vrije Universiteit Amsterdam in the Netherlands. These letters were all written in Afrikaans, a daughter language of Dutch. I have subsequently transcribed and translated these let­ ters, which date from the 1930s until the retirement of Grosheide in the 1950s. From Groenewald’s letters to Grosheide we learn that he visited Grosheide in Amsterdam in July 1949. In a letter dated 20 June 1949,56 he says that he expects to fly to Amsterdam on 7 July and arrive there by 8 July 1949.   Gräper, The Bible and Apartheid, 107   Geesink, Gereformeerde Ethiek, 528. 54   Geesink, Gereformeerde Ethiek, 528. 55   For a very helpful overview and discussion of Gerdener and how he relates to Strydom, Totius and Groenewald, see Gräper, The Bible and Apartheid, 104ff. 56   HDC Grosheide archief, 111, G 240. 52 53

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On 24 October 1949, he again writes a letter to Grosheide (idem) in which he thanks him for the visit and sends him two pictures of the two of them taken in front of the Waalse Kerk in Amsterdam. He explains to Grosheide that he has been particularly busy since returning to South Africa, particu­ larly with reference to his work for the Church synod. He states that he will be going to the Cape the following day (25 October 1949) to address the Cape Synod and report inter alia on his visit to Amsterdam. Knowing now what happened in 1947 at the “Volkskongres” and the pub­ lication of Regverdige Rasse-Apartheid (Justified Racial-Apartheid) in 1947, and Grosheide’s involvement as author in Koers in die Krisis (Direction in the Crisis), it is highly unlikely that Grosheide was unaware of Groenewald’s thoughts and views. In fact, I have indicated above that, already in 1939, Groenewald expressed his sentiments rather clearly to Grosheide. Note once again that Groenewald by the time of his visit to Grosheide had already published the book on Regverdige Rasseapartheid (Justified Racial Apartheid) in collaboration with Cronje, who explicitly builds on Eloff’s Nazi ideas. In a letter dated 22 September 1950 (G 243), Groenewald writes to Grosheide the following (translated from Afrikaans into English by J. Kok): On the church yard everything goes its normal course. Evangelism is receiving conside­ rable attention. This is another new venture and a way must be found to act as efficiently as possible in our particular circumstances. Fortunately, we can learn much from the Geref. Churches in [the] N[ether]l[ands], and also benefit from their experience. In April of next year DV [Deo volente] the Transvaal Synod will gather and I suspect that our membership in the World Council of Churches will be discussed. A strong current in the church is of the opinion that membership should be terminated because the World Council seems to have little appreciation for the good and virtuous in our relationship with the non-whites. Certain elements in the World Council even seem to want to force us to abandon our tried and tested policies which are preferred by whites as well as the nonwhites. All sorts of things are blamed on the Afrikaans churches, but the good they do is not highlighted. The fact that our Dutch Reformed Churches have spent £400,000 on mission in the past year should certainly testify to our sincere intentions.

It is without doubt clear from this letter that Groenewald presupposes that his reader (Grosheide) has some information on this topic already. Given the fact that Groenewald visited him in the time in which he wrote and pub­ lished Apartheid en Voogdyskap in die lig van die Heilige Skrif (Apartheid and Guardianship in light of Holy Scripture), the chances are very high that Grosheide was aware of these thoughts.57 In his writings Groenewald also 57   Vosloo, The Bible and the Justification of Apartheid, remarks: “One of the speakers at the 1947 conference was Dr Geoff Cronjé, a professor of sociology from the University of Pretoria. His paper on “Racial Policy” (“Rassebeleid”) was later expanded and published in the book Regverdige rasse-apartheid [Just Racial Apartheid], a book that included chapters by Dr W. Nicol and Prof. E.P. Groenewald. Prof. Groenewald, a respected New Testament scholar from the University of Pretoria, used as the basis for his chapter on “Apartheid en Voogdyskap in die lig van die Heilige Skrif” [Apartheid and Guardianship in light of Holy Scripture] his earlier

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clearly says that much could be learned from the Reformed Churches in the Netherlands. There is no evidence in the letters that Grosheide challenged the views of Groenewald in this regard. In a letter dated 21 November 1950 (G 244), written two months after his previous letter, Groenewald writes a letter that indicates to us as current readers that he is not reacting to any counterdiscourse to which Grosheide might have reacted. This can clearly be seen in the manner in which he refers to what he considers to be a very unfortunate event at the United Nations (letter translated from Afrikaans into English by J. Kok): In our country there is a mood of depression due to the world tensions in general, and especially due to the events at the latest meeting of the UN. India’s unfair charge against South Africa is only part of the systematically planned occupation of the entire East coast of Africa by India. It is incomprehensible that Britain, which is struggling with the same problem in its Afrikaans territories, did not support South Africa. On the other hand, the Netherlands’ actions made us feel connected to that old motherland anew. What will be the end of this issue is difficult to predict because the Indian already controls the economic life of Natal. In the ecclesiastical field, everything goes smoothly except that a gathering of Protestant churches in which the danger of R. Catholicism was discussed caused a great deal of controversy. This revealed how strongly the R.C. (= Roman Catholic) influence has already become and what grip they have gained on the press. Next year our synod will meet DV but I fear it will be a disappointing meeting because there will not be enough time for discussions.

After reading this letter, I investigated what happened at the United Nations meetings during that year.58 On 2 December 1950, Resolution 395 was brought out, which declared that racial segregation (apartheid) is “neces­ sarily based on doctrines of racial discrimination”.59 The UNO made the concrete suggestion in December 1950 that India and the South African govern­ment should proceed to hold round table conference talks in accor­ dance with resolution 265 (III) and Resolution 395 related to human rights. Here Groenewald, in his letter (written in November) to Grosheide probably refers to the complaint of the Indians which eventually led to the UNO meet­ ing which would be made official in the UNO December 1950 report. Again, one is left with the question whether Grosheide was not aware of the thoughts that were going on in the life of Groenewald. The evidence pre­ sented here shows us at least that he must have been aware of Groenewald’s position to a large degree. The exchange of letters between 1949 and 1950 also shows us that no impression is created that Groenewald was challenged study on the theme, a document that was accepted by the Transvaal Dutch Reformed Synod and the Council of Dutch Reformed Churches in 1947.” 58   See https://www.un.org/en/events/mandeladay/un_against_apartheid.shtml, visited on 9 February 2021. 59   See https://documents-dds-ny.un.org/doc/RESOLUTION/GEN/NR0/059/93/IMG/ NR005993.pdf?OpenElement, visited on 9 February 2021.

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to react on any discourses from the side of Grosheide in which he had to de­ fend previous statements. What then shall we make of this? Was Grosheide supporting the views of Groenewald? This needs closer investigation in the future. Another very curious issue is that nowhere in the letters (dating between 1930–1957) is there ever again reference to Kittel, except for the letter dated 21 July 1930 (G 222). Even after the death of Kittel, there was no mention of this by Groenewald. It is as if there was a gentleman’s agreement to keep silent about Kittel. Silence about a sensitive topic is sometimes also an im­ portant message. In the introduction we mentioned that we wanted to answer the ques­ tion whether Kittel and Grosheide have implicitly influenced Groenewald’s apartheid ideas. Using socio-cognitive metaphor theory, it could be argued that Kittel expressed similar ideas and root metaphors in his publication Die historischen Voraussetzungen der jüdischen Rassenmischung from 1939.60 However, we problematized this assumption by means of drawing on in­ sights from socio-cognitive critical discourse analysis, metaphor theory and social identity theory to show that people participate in already existing discourses in the Umwelt.61 One can either sustain existing discourses or transform them. Our investigation is therefore ongoing to find out whether Kittel really influenced Groenewald’s apartheid ideas. This might be diffi­ cult to find out without direct quotations or allusions of Kittel in the work of Groenewald, since mere participation in discourses (by both) already circu­ lating in the Umwelt is not enough proof of influence. One also has to look at root metaphors being used and consumed by individuals as they participate in such metaphorical frames already circulating in the Umwelt. However, what the recently disclosed letters in the Grosheide archive have shown, is that Grosheide was aware of the ideas of both Kittel and Groenewald. I  G. Kittel, Die historischen Voraussetzungen der jüdischen Rassenmischung (Hamburg: Hanseatische Verlagsanstalt, 1939). Kok and Pardon, “Drawing and Transcending,” 165 n.138, argue that Kittel in 1929 (when he had contact with Groenewald) distanced himself also from radical Nazi nationalist discourses about pure blood. 61  The critical question could be asked as to whether a socio-cognitive approach adds more to a “simple” historical approach. For historians it seems clear that Kittel’s ideas (and Grosheide’s and Groenewald) were “in the air” so to speak: That is, in a way these men all drew from the discourses circulating in the same larger tradition. One could then ask whether this is not simply “ incidental and unsurprising”? In our opinion, what is significant is that in spite of Groenewald’s admiration of Kittel, he never quotes Kittel in a way to bolster his own apartheid views. Thus, this makes a contribution to the reception of Kittel in South Africa. What I find helpful in Socio-Cognitive approaches is that one can reflect more critically on how people participate in already existing or circulating discourses in the Umwelt and to what extent people either sustain or transform such discourses. It creates some more analytical tools that might very well just confirm what historians also find, but do so from a slightly different angle. For in­ stance, the metaphor theory aspect is a way of looking at it differently than a historian would do. 60

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have found no evidence that Grosheide countered these discourses in his correspondence with Groenewald. In fact, I suggest that Grosheide sus­ tained these discourses, and as such allowed his two friends, especially Groenewald who we now have investigated, to participate, consume and produce such discourses. Not only do we have the concrete evidence of the Groenewald-Grosheide letters, but also evidence of Groenewald’s partici­ pation in an important Apartheid book Koers in die Krisis (Direction in the Crisis)62 in 1935, a pivotal point in history when he was already aware of Kittel’s Die Judenfrage.63

Bibliography Bloomberg, C., and S. Dubow, Christian-Nationalism and the Rise of the Afrikaner Broederbond, in South Africa, 1918–48. London: Palgrave Macmillan, 1990. Brah, Avtar, and Annie Coombes, eds. Hybridity and Its Discontents: Politics, Science, Culture. New York: Routledge, 2000. Coetzee, J.M. “The Mind of Apartheid: Geoffrey Cronjé (1907–).” Social Dynamics 17/1 (1991): 1–35, accessed February 11, 2021, https://doi.org/10.1080/02533959108458500. Cronje, G. ’n Tuiste vir die Nageslag: Die blywende oplossing van Suid-Afrika se rassevraagstukke. Pretoria: University of Pretoria, 1945. –, E.P. Groenewald, and W. Nicol, Regverdige Rasse-Apartheid. Stellenbosch: ChristenStudente-verenigingmaatskappy van Suid-Afrika, 1947. Eloff, G. “Rasverbetering deur uitskakeling van minderwaardige indiwidue.” Koers (1933): 30–34. –. Rasse en rassevermenging: Die Boerevolk gesien van die standpunt van die rasseleer. Bloemfontein: University of the Free State, 1942. Fairclough, N. Critical Discourse Analysis: The Critical Study of Language. London: Routledge, 22013. Geesink, W. Gereformeerde Ethiek. Kampen: Kok, 1931. Giliomee, H. “The Making of the Apartheid Plan, 1929–1948.” Journal of Southern African Studies 29/2 (2003): 373–392. Gräper, M. The Bible and Apartheid: Contested Interpretations in the History of Christianity in South Africa and Beyond, Studien zur außereuropäischen Christentumsgeschichte 32. Wiesbaden: Harrassowitz, 2019. Grosheide, F.W. “Gereformeerde Schriftuitlegging.” Pages 79–88 in Koers in die Krisis. Edited by H.G. Stoker and F.J.M. Potgieter. Stellenbosch: Pro Ecclesia-Drukkery, 1935. Hayes, C.J.H. “Contributions of Herder to the Doctrine of Nationalism.” The American   See F.W. Grosheide, “Gereformeerde Schriftuitlegging,” in Koers in die Krisis, ed. H.G. Stoker and F.J.M. Potgieter (Stellenbosch: Pro Ecclesia-Drukkery, 1935), 79–88. 63   See in this regard also the Kittel-Grosheide letters (letter dated 12 June 1933; See Inv. 111 K 182–184 (Correspondence 12.6.1933) in which Kittel engages with Grosheide about his pub­ lication of Die Judenfrage and sends the manuscript to Grosheide with the letter. In the letter he asks Grosheide to read it with sympathy because he knows it contains perspectives which might be received critically. Profs. Bormann and Zwiep have investigated these letters, see the relevant chapters in this volume. 62

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Jewish Mission and Chiliasm in the Reformed Churches in the Netherlands, 1896–1948 Gert van Klinken

A. Perceptions of the Other and the Self It is not easy to assess the subject of anti-Judaism or even anti-Semitism in the former Reformed Churches in the Netherlands (RCN), now part of the Protestant Church in the Netherlands (since 2004). The historiography makes it abundantly clear that perceptions of Jews and Judaism in the RCN changed beyond recognition in less than two decades between 1948 and 1968.1 The transition can be observed in the memorial book published in 1949, with the aim of preserving the memory of the contribution by the RCN to antifascist resistance. It contained a prominent contribution by a representative of the Jewish Mission, describing in no uncertain terms how conversion of the persecuted had been regarded as an important aim of the RCN under the conditions of the German occupation.2 Just a few years lat­ er, adding a testimony of this kind to the story of the Reformed resistance against Hitler would be unthinkable. Even in the late forties, the emphasis in RCN showed all the signs of being redirected. What was being highlighted were no longer the successes of the Jewish Mission in terms of conversion (a standard topic during the Interbellum), but the stories of offering refuge to the persecuted. If the aim was to leave an inspiring legacy for a later postwar generation, the Jewish Mission apparently no longer fit the purpose. A new narrative framework became the norm, even if it diverged from easily accessible contents of the Reformed press during the Interbellum. Influential examples of this popu­lar rewriting of Reformed history are a trilogy by Klaas Norel (1945),3 the biography of resistance fighter Johannes Post by Anne de Vries (1948),4 and also the series Reis door de nacht by Anne de 1   G.J. van Klinken, Opvattingen in de Gereformeerde Kerken in Nederland over het Joden­ dom, 1896–1970, Dissertation Theologische Universiteit Kampen (Kampen: Kok, 1996). 2   J. van Nes, “Het Jodendom en de Kerk in bezettingstijd,” in: Opdat wij niet vergeten: De bijdrage van de Gereformeerde Kerken, van haar voorgangers en leden, in het verzet tegen het nationaal-socialisme en de Duitse tyrannie, ed. Th. Delleman (Kampen: Kok, 1949), 131–189. 3  Klaas Norel, Engelandvaarders (Meppel: Roelofs van Goor, 1948). 4   Anne de Vries, De levensroman van Johannes Post (Kampen: Kok, 1948).

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Vries (4 vols., ET: Through That Darkness, 1951–1958).5 Not only were these titles widely read by the Reformed audience, they also became integrated into Christian secon­d ary education. For the present author, who was born in 1960, the memory is still quite vivid. Klaas Norel and Anne de Vries intended to present an attractive model of what they had come to regard as the true Reformed identity. It was this “true” identity they wanted to record, or perhaps the better part of their self, rather than a factual survey of recent church policies during the forties. This can be demonstrated by referring to a few very obvious points. No historian will deny that between 1938 and 1944 the RCN had been ripped apart by dis­ agreements regarding dogmatics and church order. The result was a lengthy conflict that absorbed a substantial part of official minutes during wartime and finally the split between “synodal” and “free” Reformed Churches in 1944. It was a phenomenon that no observer could miss.6 Amazingly, the conflict receives no mention at all in the post-war literature mentioned above, where the focus is entirely on connection between faith and resistance. Any Reformed church member, worthy of that name, was supposed to have been committed to the struggle against Nazism. Aspects of the recent past that did not seem to fit this paradigm were apparently silently dropped or even retouched, to make them correspond with a new sense of identity. Among them is the Jewish Mission, the existence of which was also hardly a secret. After all, the effort to convert Jews to the Reformed version of the Protestant faith was part of the stated policies of the RCN. The program was endowed with professional staff and a missionary magazine, De Messiasbode (Herald of the Messiah), and as such a standard item of reporting in the published Acts of Synod. In the case of this dogmatic conflict, it is obvious that the immense amounts of time and energy that had been invested in this matter might damage the preferred image of a church community totally committed to the fight against Nazism. But what were the reasons for removing the Jewish Mission from the general picture? In the Johannes Post-biography of 1948 some oblique references can be found about the assumption that hiding Jews might somehow open the way to their becoming faithful followers of Jesus. A decade later, in Reis door de nacht (ET: Through that Darkness), referen­ ces of this kind had become a rarity. Clearly, the perception of the past, of the way the past could be transmitted, required some form of selection and adaption. Parts of the story, though much in evidence in the archives and known to professional historians, were being deleted from what one might call “living history.” Why was this remodelling of a recent aspect of the past 5   Anne de Vries, Reis door de nacht, 4 vols. (Nijkerk: Callenbach; Kampen: Kok, 1951– 1958). 6   Th.J.S. van Staalduine, Om de lijn der Afscheiding: Prof. dr. G.M. den Hartogh en de Vrijmaking van 1944, Dissertation Theologische Universiteit Kampen (Kampen: Kok, 2004).

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deemed necessary? To answer that question, we need to take a closer look at church history.

B. Secession (“Afscheiding”) and Neo-Calvinism During the eighteenth century, relations in the Dutch Republic between Calvinists and Jews had been mostly stable. Dominance of the Reformed Church in public society was respected by the Jews, while the autonomy of the kehillot in their internal affairs was also publicly recognized. Change came with the separation of Church and State in 1796. The Reformed Church grudgingly lost its former peer position and had to accept regulations by royal decree in 1816. The Jewish community acquired full citizenship, at the price of a good deal of former autonomy. Everyone had to seek an equi­ librium. Tensions in society, however, were mainly between Protestants and Roman Catholics or between “enlightened” and “orthodox” factions of Christianity, rather than between Protestants and Jews. The secessionist “Christelijke Gereformeerde Kerk” or Christian Reformed Church (CRC) broke away from the “Nederlandse Hervormde Kerk” or Dutch Reformed Church (DRC) in 1834, due to the tolerance of diverging theological opinions in the latter. Among the Secessionists there was strong support for the view that the Jews were God’s old people, to be restored in their promised land of Canaan and to be converted to the Messiah in God’s due time. Ideas of this kind showed some influence of chiliastic expectations in the English-speaking world. Based upon Rev 20, many be­ lieved that the Jews would convert at some unspecified point in the future, to reign with Christ in Jerusalem for a period of one thousand years. Only after Satan’s last attempt to destroy them, would history come to its predicted end. Even though denounced by both Augustine and Calvin, chiliasm had always been a tolerated minority position in Dutch Protestantism. Secession theologians like J. van Andel7 and M. Sipkes8 persisted in their view that a return of the Jews to Palestine (even if they had not yet converted to Christianity) could be interpreted as a sign of the impending eschaton. They also interpreted contemporary violence against the Jews (such as the pog­ roms in Eastern Europe) as part of Satan’s efforts to stop them from play­ ing their ordained role in the eschatological final acts of human history. As van Andel remarked, Christ needed the continuing existence of the Jewish people, if the unfolding of a preordained biblical scenario was to succeed. If Satan was about to oppose the prospect of prophesy being fulfilled, as   J. van Andel, Handleiding der gewijde geschiedenis (Leiden: Amsing, 1903), 448.  M. Sipkes, De toekomst des Heeren of de leer der laatste dingen (Winterswijk: Bulens, 1884), 14–27, 64–78 (my translation). 7 8

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might be anticipated, it was obvious that he would also try to prevent the Jews from playing their assigned role. Members of the CRC came together in a missionary meeting in 1889, where they discussed “the great works of the Lord, that will be seen among Israel” with representatives of the London Society for Promoting Christianity amongst the Jews (A.C. Adler) and the Nederlandsche Vereeniging voor Israël (Dutch Society for Israel) (F.W.A. Korff and A. van Os, both members of the DRC). Typical for many members of the CRC was their conviction that God himself would affect a funda­ mental change in the history of the Jewish people, and that Christians had confined themselves to a supportive role of prayer. The framework of this thinking was strongly deterministic: God alone could open the Jewish hearts and he would do so during the final stages of human history. The following propositions were put forward by van Andel: (1) The fact that the Jewish people are being preserved till this day, despite so many dan­ gers, can only be explained from the fact that the historical task of these people, far from being fulfilled some eighteen hundred years ago, has yet to be borne out in the future. (2) In accordance with the Book of Revelation we expect that a remnant of the Jewish people will be preserved by elective grace (…). (3) This remnant will finally be converted. It is destined to contribute substantially, both in suffering and testimony, to the flowering of the Kingdom of God in the final stages of human history. (4) The land of Canaan and the city of Jerusalem will set the stage for the final battle between the converted people of Israel and the anti-Christian world.9

By this time, such beliefs had become a minority view, even within the CRC, where they were opposed by Herman Bavinck.10 But there were other forces at work too. The year 1848 was a turning point for public debate in the Netherlands. Since free speech (and press) were now guaranteed by a liberal constitution, nothing stood in the way of applying the force­ ful missionary methods that were being developed in the English-speaking world: tract distribution, and attempts to address people in their homes and neighbourhoods. The methods were equally applied by Socialists and – less success­f ully – by Christian missionaries. This was a kind of social pressure that the Jewish community in the Netherlands had not experienced before. Under the Republic, the dividing lines between church and synagogue had been assiduously guarded, and King William I (1813–1840) had maintained this policy. Jewish Mission as practiced by the Secessionists was mainly a matter of prayer. After 1848, however, it was possible to go considerably further, both in the printed word and in more practical efforts to attract others to the faith. It is in this context of modernizing Dutch society in the second half of the nineteenth century that we find examples of anti-Judaism 9  E. Kropveld, Onze eerste zendingsdag voor Israël (Heusden: A. Gezelle Meerburg, 1889) (my translation). 10  Herman Bavinck, Gereformeerde dogmatiek, 4 vols. (Kampen: Kok, 1930), 4:652.

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that transcend the level of individual attitude. Though consistently deny­ ing any anti-Semitic connotation, anti-Judaism became entrenched to a cer­ tain extent in official policies of the Reformed Churches in the Netherlands (RCN), that originated from a merger in 1892 between Secession and the Neo-Calvinists led by Abraham Kuyper. It was due to Kuyper’s tireless en­ ergy that the Reformed were not only able to build a new church formation (RCN), but also to esta­blish their Anti-Revolutionary Party (ARP) and the Vrije Universiteit. A notable feature was their willingness to cooperate with an old adversary, the Roman Catholic Church, in order to secure the interests of Christian schools. Meanwhile the RCN remained staunchly opposed to liberalism, social democracy and the Jews. The forceful invective against all three, but especially the Jews, was unprecedented in the early nineteenth century. For that reason alone, we cannot simply attribute the phenomenon to traditionalis­t attitudes in Reformed theology. To be sure, anti-Judaism in the sense of being opposed to central tenets of Jewish religion and exegesis was nothing new. New, at the level of official church policy, was its being connected to the notion that Jews were a danger as such, even if they had been secularized and no longer attended a synagogue. The shifting focus is evident in the genesis of the Jewish Mission of the RCN in 1896 and its dual aim: to combat Judaism as a false religion and to purge Reformed theology from lingering traces of chiliasm. It was not only about converting the Jews, but also about controlling the Christians.

C. Abraham Kuyper and Judaism Kuyper published a series of articles on “The Jews among the Christian nations” in his periodical De Standaard in 1875. He dealt with his subject mainly as a politician and as a Dutch nationalist. Despite a sojourn of more than two centuries in the Netherlands, Jews in his view remained a corpus alienum. The differences in ancestry, background and mindset were simply too great.11 The Jews did not belong to the “organism” of the Dutch com­ munity, and for that reason they could not be taken into account in any general definition of national identity. The latter position was repeated in the political program of the Anti-Revolutionary Party.12 Since Kuyper believed that the Jews were alien to the Dutch culture as he understood it and yet a contributing factor, it followed for him that they affected the nation without the legitimate right to do so. He believed that theological modernism, high­ lighting Jesus as a mere man and a moral example instead of elevating him to the status of Son of God, was dependent on longstanding rabbinic objec­  A. Kuyper, “De Joden onder de Christen-natiën,” De Standaard nr. 1086 (11.10.1875).  A. Kuyper, Ons Program (Amsterdam: Kruyt, 1879), 154.

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tions to the idea of the Trinity. The Jews, he believed, were also a force to be reckoned with when it came to denying a Christian character to the Dutch system of public education.13 Kuyper did not mean to align himself to modern anti-Semitism. Incite­ ments to physical violence against the Jews, as advocated at some time by Luther in the later years of his life, had no part in the Calvinist tradition that had invited the Jews to settle in the Netherlands as resident strangers under the protection of the law. Freedom of conscience and of religion under this “guest status” was not under discussion, as far as Kuyper was concerned. What he questioned was whether Jews were entitled to full Dutch citizenship and the right to have a say in public debate. Underlying his reasoning was the firm conviction that Holland ought to remain a Protestant nation, not­ withstanding separation of Church and State. Liberals and socia­l democrats allowed Jews to become active in their political movements, and Kuyper held this against them. He was equally displeased with former Secessionists who figured the Jews so prominently in their chiliastic ideas. Jews, according to Kuyper, had to refrain from meddling in Christian politics or theo­logy. He would be happy if they returned to Jewish schools of their own making. “Any nation, including the Dutch, is more than just a matter of public theory. It is a reality that is founded on a community of flesh and blood. The Jews take no part in that community.”14 In his opposition to chiliastic thinking, Kuyper could be said to follow the traditional Calvinist majority position. That was not so in the case of his conception of the Dutch nation as being an organism, defined by common ancestry and bonds of blood. Calvinists had always stressed the importance of a common faith, rather than any national or genetic backgrounds. They had felt closer to those that maintained the same confession, such as the French Huguenots, than to those with whom they shared a family lineage but not the faith. Many of the Secessionist migrants to the United States of America had taken their leave from Holland without nostalgia. Kuyper, however, intended to modernize Calvinism by fusing it to nationalist ideas, and soon his attitude towards Judaism became part of his intended program of change. In a series on the subject of “The Jews among the Christian nations” in 1878,15 he claimed that Jews had made themselves the masters of public life. By forging an alliance with liberalism, they were gaining control of high finance.16 He admired their intellectual capacities but feared that Jewish influence would become only more pernicious because of it. Orthodoxy  A. Kuyper, “De Joden onder de Christen-natiën,” De Standaard nr. 1087 (12.10.1875).  A. Kuyper, “De Joden onder de Christen-natiën,” De Standaard nr. 1089 (14.10.1875) (my translation). 15  A. Kuyper, Liberalisten en Joden (Amsterdam: Kruyt, 1878). 16  A. Kuyper, “Liberalisten en Joden,” Ons Program (Amsterdam: Kruyt, 1879), 154. 13

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was in a steep decline, as the younger generation turned towards liberal­ ism or social democracy. Many no longer considered themselves part of religious Judaism. Nevertheless, Kuyper was adamant that all of these dif­ ferent branches of the Dutch Jewish community acted in unison and for a common (Jewish) purpose. Though they were willing to honour Jesus as an eminent man and teacher, they stubbornly refused to recognize his messianic claim. The reasons for this refusal, so Kuyper believed, were connected to memories of Christian cruelty throughout the ages, but even more so to national pride. Jesus had prophesied the end of the temple in Jerusalem and with it the end of any hope for an enduring Jewish State. Without offering any concrete proof for this assertion, Kuyper wrote that all Jews were united in their hate of Christ. Here was the reason to join the political left: the aim was to ensure that Holland would lose any remaining vestiges of Christian identity. The similarities between this line of reason­ ing and modern anti-Semitism in Germany (where the word was coined by Wilhelm Marr in 187917) and Austria are obvious. Yet Kuyper persisted in his claim that he was not anti-Semitic, partly because it would be ineffec­ tive. All that the persecutions had achieved was to make the Jews mentally stronger. They could be ensured of fair treatment, but this did not alter the fact that they were perceived as unfaltering enemies of the Christian faith. Historically, Kuyper said, Judaism manifested itself as an intermediary stage between paganism and Christianity. Liberalism, both in politics and in theology, was setting out on the return journey: away from Christianity and back to a form of paganism. On their road towards secularization, the liberals encountered the same intermediary stage as before: Judaism. Of course, their combined effor­t to secularize the Dutch nation would require a proper Calvinist answe­r. Kuyper believed that this was possible without hatemongering: It is obvious from these articles [“Liberalisten en Joden”], firstly, that not the Jews but the renegade Christians were the true aim of our attack; secondly that any Christian tendency to treat the Jew with contempt would meet our strong disapproval; thirdly and finally that any attempt to curb existing Jewish civil rights would be opposed by us. Any other relationship between the present author and the Jews would be unthinkable. He had the privilege, from an early age, to make the acquaintance with excellent Jewish families. He enjoyed their affection, learned to value their mostly excellent qualities. Their kindness towards him would be ill repaid indeed if there was ever any tendency to speak ill in public of those that he had learnt to appreciate in private encounter.18

17  Cf. Friedrich Battenberg, Das europäische Zeitalter der Juden, vol. 2 (1650–1945) (Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1990), 175. 18   Kuyper, Liberalisten en Joden, Introduction (my translation).

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Rev. Adolph Stöcker,19 he wrote in 1893, had been fully justified in his de­ cision to fight the “Jewish and deist spirit” that threatened to undermine the Christian character of the German nation. In Kuyper’s opinion this had nothing to do with the more vulgar forms of anti-Semitism.20 Church historia­n Harm Bouwman, who came from a Secessionist background, was not so sure about that: noble as the intentions of Stöcker might have been, he had pursued them by the wrong means, means that a properly understood Reformed tradition could have warned him against.21 J.H. Gunning JHzn. (Dutch Reformed Church) commented that the RCN could not have it both ways. It was difficult, if not impossible, to see any substantial differences between Kuyper and Stöcker, apart from the sensible hesitation of the for­ mer to transform his critique of Judaism into a political program of action against Jewish fellow-citizens.22

D. Jewish Mission The Russian pogroms of 1882 were widely denounced in Protestant circles in Holland. In the aftermath, Kuyper quietly dropped any further hints of the desirability of a “guest status” for Dutch Jewry. Ivo Schöffer believes that it was no longer seen as opportune to include that subject in the program of the Anti-Revolutionary Party.23 Instead, he now probed for ways to confront the Jews by missionary means. First of all, it was necessary to make sure that the RCN would no longer be affected by chiliasm. Typical for chiliastic thinking was the belief that the Jews, whether converted to Christianity or not, still had a part to play in the divine plan. The question of how was for God alone to de­ cide. For Kuyper this was quietist and unacceptable. Human beings had to act and to make choices for which they would be held accountable. The only re­ maining hope for a Jew was conversion, and this implied that he stopped being a Jew. “To choose to be part of Israel in the flesh is to reject Christ; and to ac­ cept Christ is to break away from Israel in the flesh. For a Jewish convert it is not enough to believe in Christ, he must also renounce his national identity.”24 19   Harold M. Green, “Adolph Stöcker: Portrait of a Demagogue,” Politics and Policy 31/1 (2003): 106–129; Barnet Peretz Hartston, Sensationalizing the Jewish Question: Anti-Semitic Trials and the Press in the Early German Empire (Leiden: Brill, 2005). 20   [A. Kuyper], “Anti-Semitism,” De Standaard 6500 (17.5.1893). 21  H. Bouwman, “Adolf Stöcker,” De Bazuin 57–58 (19.2.1909). 22   J.H. Gunning JHzn., “Adolf Stöcker,” Pniël 1011 (13.5.1911). 23   I. Schöffer, “Abraham Kuyper and the Jews,” in Dutch Jewish History: Proceedings of the Symposium on the History of the Jews in the Netherlands November 28–December 3, 1982 Tel Aviv/Jerusalem, ed. Joseph Michman and Tirtsah Levie (Jerusalem: Hebrew University, 1984), 240. 24  A. Kuyper, Dictaten Dogmatiek, vol. 5 (Kampen: Kok, 1910), 155 (my translation).

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A majority of the Secessionists combined with Kuyper and his followers (who had broken away from the Dutch Reformed Church in 1886), to form the Reformed Churches in the Netherlands (1892). Kuyper welcomed these former Secessionists as useful allies but made it clear that their chiliasm (“being false and Jewish and particularistic”) would no longer be tolera­ ted.25 For the program of Jewish Mission, formally organized by the Synod in 1896 and based on principles that had been laid down by Kuyper, Judaism had become a pejorative term. The Church, and only the Church, could be recognized as the true new Israel.26 What could be done to encounter this perceived threat? The Jewish Mission of the RCN received its ordinances from the General Synod of Middelburg in 1896. As might be expected, chiliasm was emphatically con­ demned. The wording of the decisions being made by this General Synod sounded strongly antithetic. 27 A future restoration of the Jews was out of the question. Their refusal to honour Jesus as the son of God could not be pardoned for the sake of any incapacity to believe (as maintained by a deterministic reading of the classic Calvinist dogma of predestination). If the Jews, who ought to know better because of their intimate knowledge of Scripture, continued to resist Jesus as God’s chosen Messiah, then they were committing blasphemy and sacrilege. Kuyper had been actively en­ gaged in the process of drafting the new policy that was to provide a type of Jewish Mission that was unlike anything the Netherlands had seen so far. 28 As Kuyper remarked, the claim of Jesus to be the Messiah required an unambiguous response. There was only yes or no. This implied the neces­ sity of taking sides, for or against Jesus, for or against Judaism: “To choose for Israel in the flesh is to reject Christ; and to accept Christ is to break away from Israel in the flesh. The implication is that any Jew who becomes a believer in Christ by definition renounces any trace of his being a Jew. In this sense we see that far more is being required from a Jewish convert than from a heathen.” 29 Inherited responsibility for the crucifixion of Christ weighed heavily on the shoulders of any Jew who persisted in denying the messianic title of Jesus. Being both cunning, resilien­t and a “non-organic” exotic element in the Dutch national life, Judaism posed a clear potential  A. Kuyper, De Gemeene Gratie, vol. 1 (Kampen: Kok, 1902), 318 (my translation).   Acta der generale synode van de Gereformeerde Kerken in Nederland, gehouden te Middel­burg van 11 aug. tot 4 sept. 1896 (Leiden: Donner, 1897) (articles 46, 75 and 180), 39, 41, 113.. 27   The Utrecht Archives, RCN Archive, inv. nr. 278 (Acts of the General Synod, Middelburg 1896). 28   Cf. J. van Gelderen, “Protestantism and the Jews in Nineteenth-Century Holland,” in Dutch Jewish History, vol. 2: Proceedings of the Fourth Symposium on the History of the Jews in the Netherlands, ed. J. Michman. Assen: Van Gorcum, 1989), 335–336. 29   Kuyper, Dictaten Dogmatiek, 5:150. Cf. ibidem, 3:185; 5:144. 25

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danger. Nonetheless, the RCN maintained that this danger could only be warded off by proper Christians means. Jewish members of the Dutch Reformed Church, such as the well-known Isaac da Costa, were criticized for their insistence that they still belonged to the Jewish nation and even harboured hopes for a future redemption of that nation.30 As the General Synod of Arnhem stipulated in 1902, the struggl­e against Judaism as a false religion became the primary aim of Jewish Mission, to which the making of converts was secondary.31 President of the Arnhem Synod was H. Hoekstra, who denied any continuing relevance of the Jewish people in the history of salvation. If anything, the Jews were enemies of the Christian faith: “No, as long as they persist in their unbelief, they form a synagogue of Satan, a term that we find quite explicitly in the Revelation of John 2:9 and 3:9,32 to denounce the blaspheming Jews that are persecuting Christ and the members of His Church.” 33 Kuyper, while ser­v ing as the Prime Minister of the Netherlands, insisted the fundamental sin of Judaism was hybris, an unwillingness to live by grace alone.34 The Reformed press shows that many former Secessionists remained unconvinced of this and that others felt drawn to contemporary American Evangelicalism.35 Yet the RCN would officially maintain the course that had been charted out in 1896, for more than six decades. The missionary offensive included De Messiasbode, a missionary magazine intended for the attention of every Jewish household in the Netherlands. It became the duty of all local churches to assist in the delivery at Jewish addresses in their neighbourhood, with the clear understanding that delivering the magazine had to continue even if the recipients protested. The policy was defended by Hendrik Adriaan Lamprecht, a South African who had completed his PhD on Jewish Mission under the supervision of F.W. Grosheide. Lamprecht argued that any remain­ ing sense of Jewish nationality made Jewish converts unfit for the member­ ship of a Christian church: “Not Moses and the prophets, but an anti-Chris­ tian outlook is fundamental for Jewish nationality. OPTION: It used to be   Kuyper, De Gemeene Gratie, 1:370, 385.   Acta der generale synode van de Gereformeerde Kerken in Nederland, Arnhem 1902 (article 167 with appendices), 65–66, 263–269. 32   Rev. 2:9: “I know your tribulation and your poverty (but you are rich) and the slander of those who say that they are Jews and are not, but are a synagogue of Satan” (ESV). The other quotation is taken from Rev 3:9: “Behold, I will make those of the synagogue of Satan who say that they are Jews and are not, but lie – behold, I will make them come and bow before your feet, and learn that I have loved you” (ESV). 33  H. Hoekstra, Bijdrage tot de kennis en de beoordeling van het Chiliasme (Kampen: Kok, 1903), 92 (my translation). 34   Kuyper, De Gemeene Gratie, 1:370–385. 35  H. Dijkstra, “Uit mijn camera,” in De Macedoniër 1 (November 1915); J.P. Tazelaar, “Gij blijft mij onvergetelijk.” Een woord in het belang der Zending onder de Joden (Kampen: Kok, 1911). 30 31

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that Moses and the prophets were fundamental for Jewish nationality. Now it is an anti-Christian outlook.” 36 A total breach with their past was what was required. Most members of the RCN, like Kuyper himself, believed that this ag­ gressive missionary strategy had nothing to do with anti-Semitism. Willem Hovy, a member of the Upper Chamber of the Dutch Parliament,37 coopera­ ted with Rabbi A.S. Onderwijzer in the Dutch Kishinew committee.38 They tried to provide aid to the victims of pogroms in Moldavia in the Russian Empire. Pastor J.C. Sikkel (Amsterdam) expressed his horror about ritual blood accusations in the German city of Xanthen, close to the Dutch bor­ der, that also resulted in violence.39 Another matter of concern in the RCN was the feelin­g that anti-Semitism in Germany tended to devaluate the Old Testament. Despite his high regards for Stöcker and his other German “Lutheran” brethren, this was a direction in which Kuyper did not wish to follow. “They have let slip the Old Testament from their hands, even during Bible readings at home.”40 Adolf von Harnack’s doubts about the wisdom of the decision to maintain the canonical status of the Hebrew Bible 41 clashed with established Calvinist exegetical traditions. C. van Gelderen, who was appointed at the Vrije Universiteit in 1906 in the newly founded chair of the Old Testament, was opposed to von Harnack’s views.42 Surprisingly, Hoekstra admitted that there was something to say for the chiliasts, who at least did not shun the Jews “as if bearing the sign of Cain” – an attitude that was clearly on the rise in Central Europe, and also in Protestant circles.43

E. The Interbellum Missionaries for the Jewish Mission of the RCN received their training at the Institutum Judaicum at Leipzig, founded by Franz Delitzsch in 1870. It was supposed that the principles of the institute were compatible to those 36  H.A. Lamprecht, Het Nationalisme in de Jodenzending (Amsterdam: Bottenburg, 1915), 244 (my translation). 37  Rolf van der Woude, Brouwer naast God: Willem Hovy (1840–1915), ondernemer en filantroop (Amsterdam: Boom, 2020). 38   John Doyle Klier and Shlomo Lambroza, Pogroms: Anti-Jewish Violence in Modern Russian History (Cambridge: Cambridge University Press, 1992). 39  J.C. Sikkel, “Land en Wereld,” Hollands Weekblad: Gereformeerd Weekblad voor Nederland 745 (13.6.1903). 40   Kuyper, De Gemeene Gratie 3:170–171 (my translation). 41  Kurt Nowak et al. (eds.), Adolf von Harnack: Christentum, Wissenschaft und Gesellschaft (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2003). 42  M. Aalders, 125 Jaar Faculteit der Godgeleerdheid aan de Vrije Universiteit (Zoetermeer: Meinema, 2005), 94–95. 43   Hoekstra, Bijdrage tot de kennis van het Chiliasme, 92 (my translation).

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of Kuyper and the Middelburg Synod of 1896 (even though tutors such as Otto von Harling were Lutherans), and Franz Delitzsch upheld the value of the Old Testament. The RCN, or “frei-reformierte Kirchen Hollands,” were donors of the institute in Leipzig.44 It was hoped that the influence of the Institutum might help to counter the persisting influence of chiliasm in the RCN. Jacobus Pieter Tazelaar (1892–1936) was a typical example. Though with a missionary intent and also very critical about the Talmud (“opening the Talmud means closing the Bible”),45 he called for a positive attitude towards the Jews – warm and inviting instead of hard and aggressive. Even more important from a theological point of view was that he still referred to the Jewish people as Israel, contrary to the recommendations of the Middelburg Synod in 1896. Tazelaar had taken Isa 44:21 as his motto: “Remember these things, O Jacob, and Israel, for you are my servant; I formed you, you are my servant; O Israel, I will not forget you.” Unlike Hoekstra,46 Tazelaar insisted that this text did not refer to Jesus Christ but to the Jewish people: “Even if Israel forgets God, God does not forget Israel.” Tazelaar acknowledged that there was something of a mystery here, beyond his understanding, but fully compatible with mystical trends in the Secessionist tradition.47 In a similar trend, G. Doekes, though not a chiliast, published a commentary on Rom 9–11, in which he criticized the view that Kuyper had taken in De Gemeene Gratie. The Jews, as Jews, were entitled to a place of honour in the Church.48 Theologians like Tazelaar and Doekes as well as lay members of the RCN had difficulty accepting the policies that had been laid down in Middelburg. This can be attested by the constant complaints about lukewarm support for the Jewish Mission. As noted, every local church community was sup­ posed to distribute De Messiasbode (Herald of the Messiah) among local Jewish residents. Clearly, this was perceived as a rather unpleasant task by many. An obvious reason was the futility of an enterprise that provoked anger among the recipients and only very few conversions. More important, attempts to influence a religious community by external propaganda were exactly what most Reformed parents were trying to protect their own chil­ dren from. As a consequence, they felt ill at ease with this kind of activity, even if it was aimed at others. Interestingly, chiliasm among the members of the RCN also remained a constant matter of concern for leading theologians and church authorities. There was a clear connection between the state aim of Jewish Mission (to combat Judaism as a false religion) and the effort to suppress chiliastic tendencies in the Protestant community, that was obvi­  G. Dalman, “Das Institutum Delitzschianum zu Leipzig,” Saat auf Hoffnung 34 (1897): 119.   Tazelaar, “Gij blijft Mij onvergetelijk,” 17–20 (my translation). 46   Hoekstra, Bijdrage tot de kennis van het Chiliasme, 95. 47   Tazelaar, “Gij blijft Mij onvergetelijk,” 15 (my translation). 48  G. Doekes, De beteekenis van Israëls val: Commentaar op Romeinen ix–xi (Nijverdal: Bosch, 2015). 44 45

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ously not immune against the revival of millennialism in the United States of America.49 RCN members had various reasons for distancing themselves from Jewish Mission. First of all, between the late sixteenth and early nineteenth centu­ ries, relations between Calvinists and Jews had been distant but stable, with a strong emphasis on the autonomy of both communities. This kind of au­ tonomy was what many Reformed families were keen to preserve, aware that missionary methods could only too easily be turned around and used against them by others. What Jewish Mission was doing to the Jews was exactly what they were trying to avoid in their own situation. It was no wonder that missionary pastor Jacob van Nes complained that so many of his fellowReformed felt ill at ease with the strategies that were driving the distribution of De Messiasbode. Secondly, there was an enduring appeal of chiliasm: the idea that the progress of human history conformed to a prophetic scenario in the Bible. Belief was a gift that only God could bestow. It was impossible to force this gift on another person by human agencies. That is why it was so important in the chiliastic scenario that Jewish salvation would be brought about by God and not by the church. Officials of the Jewish Mission were keenly aware of both tendencies. Van Nes bitterly remarked that the worst enemies of his work were to be found among members of his church.50 As a consequence, polemics against Judaism by leading RCN theologians such as F.W. Grosheide or K. Dijk were not only driven by a need to break Jewish op­ position against the Gospel. For them it was just as important to maintain the proper theological standards in the RCN. The struggle against Judaism as a perceived “false religion” and the struggle to control sets of belief among church members were interconnected.

F. 1938–1942 Strikingly, the most forceful expressions of the antithetical view can be found in the Reformed press between 1938 and 1942. Professor Klaas Dijk, who taught at Kampen Theological High School and who was a prominent mem­ ber of the General Synod, interpreted the Kristallnacht of 1938 as divine judgement. In opposition to church members who wavered in their commit­ ment to Jewish Mission or even harboured chiliastic sympathies, he argued that the Jews were rightly punished for their enduring unbelief, that was a direct and wilful continuation of Christ’s crucifixion by their forbears. The

 Van Klinken, Opvattingen, 286–311.   J. van Nes, “Vijanden van de Jodenzending onder de Christenen,” Zendingsblad van de GKN voor de Zending onder de Joden 30 (December 1925). 49

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blood of Christ came upon their heads with a vengeance.51 Even Grosheide shrank back from this extreme position. He agreed with Dijk that Jewish preponderance and money had become a burden for German society, but even so, the Christian position should be dominated by an attitude of love. When it came to the Jews, this meant intensification of Jewish Mission.52 That same Jewish Mission issued a direct appeal to the Dutch Jews in De Messiasbode of March 1940, in three sections: “Israel’s sin,” “Divine judge­ ment on Israel,” and “Your personal calling.” After a long period of patience and after decades of Jewish Mission, there was no avoiding a stark choice: either to convert or to perish.53 “The Jews are finished,” Dijk wrote in August of that same fateful year: “Instead of looking forward to a bright future that will restore them as a nation, they will be punished by God’s judgement. The blood of Christ is as an avenger over them and their children.” For this, he quoted 1 Thess 2:15, which refers to “the Jews, who killed both the Lord Jesus and the prophets, and drove us out, and displease God and oppose all men by hindering us from speaking to the Gentiles that they may be saved – so as always to fill up the measure of their sins. But God’s wrath has come upon them at last!”54

G. Changing Perceptions in the Post-War World Given the antithetical approach of the Jewish Mission and of prominent theo­ logians like Dijk and Grosheide, it comes as a surprise that the Reformed were so well represented – and perhaps even over-represented – among the small percentage of the Dutch population that was willing to take the Jews into hiding. Among the motivations of RCN members who had taken Jews into hiding, as written down immediately after the war, 55 there is a complete absence of the kind of polemic that is so characteristic for Dijk’s articles that have been quoted above. What we find in these testimonies is an empha­ sis on the basic precepts of the seventeenth-century Dutch Republic, with an added element of chiliasm and especially an echo of van Andel’s belief that attempts to destroy the Jewish people belonged to a satanic effor­t to prevent them from playing the part that had been assigned to them by the biblical pro­phets.56 According to the post-war testimonies, efforts to bring  K. Dijk, “Kerkelijk leven,” De Bazuin (18.11.1938).  F.W. Grosheide, “Zendingsliefde,” De Heraut (18.12.1938). 53   “De zonde van Israël,” “Israëls oordeel” and “Uw persoonlijke roeping”, De Messiasbode (March 1940) (my translation). 54  K. Dijk, “Van de laatste dingen,” De Bazuin (14.9.1940) (my translation). 55   The Utrecht Archives, Archive deputies for Church and Israel RCN, inv. nr. 394 (enquiry among members of the RCN that had been sheltering persecuted Jews during wartime). 56   Florisca van Willegen, Motieven van gereformeerde hulp aan Joodse onderduikers en 51

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Jews in hiding to salvation in Christ had been restrained or even absent. Jewish-Christian relations were regulated by the protecting force of law and the liberty of conscience, while eventual Jewish conversion depended on predestination. It would not be decided by human efforts but by God alone. The chiliastic undertone once again showed the enduring influence of Secessionist views in the nineteenth century and of the Anglo-Saxon Evangelical emphasis on eschatology and dispensationalism. In conclusion, one might say that the Reformed perception of Judaism appears to have been a hybrid, rather than a monolithic block. It offered the opportunity of an almost extreme flexibility. From an essentially stable rela­ tion between themselves and the Jews, as two autonomous communities, the RCN had moved to the aggressively antithetical approach that was adopted in Middelburg in 1896. But as their perception was essentially an unequal match between widely differing positions, the Reformed were also in a po­ sition that they could swing back the other way: to a deterministic interpre­ tation of predestination, to a vindication of autonomy of religious commu­ nities and to a moderately chiliastic reading of contemporary history. After the establishment of the State of Israel in 1948, Anne de Vries’ Reis door de Nacht presented a world view in which the very elements that Kuyper, Grosheide and Dijk had tried to curb were once again vindicated. Any mis­ sionary intent had become secondary at best, as the prime goal during the war years had been to save lives. The chiliastic undertone expressed itself in an early fascination by the State of Israel, where it was felt that God was directing the fate of His old people without being dependent on missionary efforts by the Christians. In short, it might seem as if the decisions of the Middelburg Synod and the harsher polemics of the ensuing Jewish Mission had never happened. The smoothness of the transition strongly suggests that seventeenth-century Calvinism (with an emphasis on religious auton­ omy and predestination) and nineteenth-century chiliasm had not only suc­ cessfully resisted the attempts to modify these widely held convictions in the context of Jewish Mission, but were also able to reassert themselves in the ecclesiastical and theological realignment after the Second World War. Klaas Dijk remained a leading figure in the RCN, widely respected for re­ sisting the take-over of Christian schools by the Nazi regime and for being incarcerated as a consequence of that.57 Secessionist and Evangelical view­ points connected themselves to the ideal of Jewish Christian dialogue that had been developed by the Dutch Reformed Church since 1948 and where the emotional attachment to the memory of the Second World War and the State of Israel remained exceptionally strong.58 The Jewish Mission of the RCN oorlogswezen, master thesis Protestantse Theologische Universiteit 2016. 57   B. Jan Aalbers, Klaas Dijk (Kampen: Vereniging van Oud-Studenten van de Theologische Universiteit Kampen, 2000). 58  J.F.L. Bastiaanse, De Jodenzending en de eerste decennia van de Hervormde Raad voor

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continued its tract distribution among Dutch Jews until well into the sixties. But even as early as 1948, it had obviously become a leaf that dwindl­e ­d on the tree. The renewed Reformed sympathy for and interest in Jewish matters were appreciated in the State of Israel, though markedly less so in the Jewish community in the Netherlands.59 On the negative side, we have to conclude that the Reformed Churches in the Netherlands never came to grips with the darker sides of their attitudes towards Jews and Judaism between 1896 and 1942. A possible explanation is the hybrid character of Reformed theology. Deterministic interpretations of predestination (questioning the possibility of conversion by missionary means) and chiliastic undertones remained a potent factor among the members of the RCN, even though they were strong­ ly condemned by leading theologians like Grosheide and Dijk, and also by the Jewish Mission. Both factors reasserted themselves after 1945, as if they had never been absent. It was still hoped that Jews might find their way to Jesus, but without direct influence of Christians; and contemporary Jewish history (in the State of Israel) was followed with positive interest. The com­ bative stance against Judaism as a false religion simply faded from view, as if it had never existed and as if the new paradigm had always been the norm. History was rewritten in a way that is beginning to provoke critical self-scrutiny in the present Protestant Church in the Netherlands.60 Yet it can be noted with a degree of concern that self-criticism was mainly focused on a church in wartime that was divided and afraid, which is rather different from a church that in 1940 elevated its struggle against Judaism as a false religion to a new pitch of intensity.

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VI. Ausblicke

Religious Justification for Violence in Gerhard Kittel’s Die Judenfrage Alon Segev A. Introduction In his text Die Judenfrage (The Jewish Question), Gerhard Kittel discusses four solutions to the Jewish Question, that is, to the question concerning the problem of the Jews living in Germany.1 Kittel uses terminology akin to the Nazi terminology and expresses support and sympathy with Hitler and Nazi politics. However, Kittel discusses the Jewish Question within a Christian framework, which he implicitly assumes throughout his text. This frame­ work has its source in the New Testament and its reception in the patristic tradition, above all, by Augustine. Without working out this framework and making it explicit, his claims bear no meaning. In Die Judenfrage, Kittel turns down three possible solutions to the Jewish Question and advances one. His reason for rejecting three and advancing one becomes clear only within a religious framework. In what follows, I will elaborate on this framework. I will first present and discuss Kittel’s four solutions to the Jewish Question. Secondly, I will discuss two accounts, by Jan Assmann and René Girard, on the relationship between religion and violence. These are the main accounts which scholars have been referring to in working out the relationship between religion and violence. These two ac­ counts will turn out to be useless when it comes to explaining the violence in the relationship between Christianity and Judaism, as embodied in Kittel’s text. I will then suggest an alternative account to explain religious violence in this relationship.

B. The Jewish Question In 1933, Gerhard Kittel published a treatise called Die Judenfrage, a printed version of his keynote address on June 1, 1933, the fiftieth anniversary of the Association of German Students. The treatise sold 9,000 copies in three  Gerhard Kittel, Die Judenfrage. Mit zwei Beilagen: Antwort an Martin Buber, Kirche und Judenchristen (Stuttgart: Kohlhammer, 1933, 31934), 10. 1

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editions. Kittel dedicated the treatise to “my fraternity brothers in the as­ sociation.” This association had a long tradition of anti-Semitism. A second enhanced edition appeared some months later, and a third edition was re­ leased in 1934. This edition contains two essays, one of which responds to an open letter that Martin Buber had published in the Jüdische Rundschau concerning Kittel’s text.2 In Die Judenfrage, Kittel examines four solutions to the presence of Jews in Germany. The first proposed solution is the extermination of all Jews. The second proposed solution is the foundation of a Jewish state in Palestine. The third proposed solution is conversion and assimilation. The fourth proposed solution, the only one which Kittel advances, is granting a guest status to Jews living in Germany.3 Kittel rejects the first three solutions and accepts only the fourth. In his view, the assimilation of Jews and their conversion to Christianity has hardly ever been done out of a sincere conviction. It was rather done out of social, professional, and economic considerations: “Thus, the conversion to Christianity was aimed, almost exclusively, at the improvement of social quality. Conversion out of belief has almost always been an unlikely rarity. It can surprise nobody that this must have implied the complete superficia­ lity of religion and likewise that it led by necessity to the disparagement and redundancy of religion.”4 This kind of conversion is in Kittel’s eyes, along with cosmopolitanism 5, internationalism,6 mixed race,7 and mixed marriage,8 a symptom of deca­ dence.9 Kittel however does not reject genuine conversions. “As every re­ ligious person in the entire world, naturally, the Christian Jew is fully my Christian brother.”10 From a Christian viewpoint, non-genuine conversion is inacceptable. However, there is no conceivable procedure to determine whether a conversion has been performed genuinely or not. Thus, Kittel’s rejection of conversion as a potential solution to the Jewish Question is far from being convincing. Kittel likewise rejects two other proposed solutions to the Jewish Question: the annihilation of all Jews and the establishment of a Jewish state: “A violent extermination of Judaism does not deserve a serious con­  Martin Buber, “Offener Brief an Kittel,” in: Jüdische Rundschau 72/9 (1933): 498 (9 September). 3   Kittel, Judenfrage, 13. 4   Kittel, Judenfrage, 21 (trans. AS). 5   Kittel, Judenfrage, 26. 6   Kittel, Judenfrage, 27. 7   Kittel, Judenfrage, 22–23. 8   Kittel, Judenfrage, 22, 63. 9   Kittel, Judenfrage, 25. 10   Kittel, Judenfrage, 80. 2

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sideration: since it did not work out for the organizations of the Spanish in­ quisition and the Russian pogroms, it would be all the more impossible in the 20 th century.”11 By “a violent extermination of Judaism” (“eine gewaltsame Ausrottung des Judentums”), a clumsy expression, Kittel means “extermi­ nation of the [Jewish] people” and “killing all Jews.”12 In Kittel’s view, this is a bad idea, since technically it cannot be carried out, as the examples of the inquisition and pogroms have demonstrated. This explanation is quite odd. The failure of the Spanish inquisition and the mobs in Eastern Europe to annihilate all Jews should not deter one from working hard on a good technical way to complete this task. The third solution, establishing a Jewish state, Kittel rejects for techni­ cal and political reasons. A Jewish state in Palestine, he contends, would be an artificial creation, depending on the support and protection of the great nations, and its establishment would come at the expense of the indigenous Arab population. Furthermore, the Jewish state could become home only for a small portion of the Jews.13 This explanation likewise sounds odd. The idea that Palestine can become home only for a small portion of the Jews implies that Jews according to Kittel should not be allowed to live in other countries once a Jewish state has been established. It is also not clear why a way could not be found to protect the rights of the indigenous Arab popula­ tion in Palestine. We must admit that the reasons Kittel provides to reject conversion, the annihilation of all Jews, and the establishment of a Jewish state as solutions to the Jewish Question are not convincing. The fourth solution is to assign a guest (or alien) status to the Jews.14 The Jews will live in Germany as guests, stripped of all civil rights. For Kittel, this is the only acceptable solution. This guest status does not stem from any political and technical decision, Kittel emphasizes. It has rather been decreed by God15: “Thus, there remains only one way for the devout Jew: the determined, pious acceptance of life in ‘dispersion’ (Zerstreuung) and in ‘aliena­tion’ (Fremdlingschaft).”16 As guests, the Jews will not be exter­ minated or forced to emigrate. On the contrary, they will continue to live in their host state. They will be guests devoid of all civil rights and of equal job opportunities. Kittel expected support for this theory from Jews and expressed disappointment that Martin Buber, to whom he sent his text Die Judenfrage, did not join him in these efforts17: “If he [the Jew] is a decent   Kittel, Judenfrage, 14.   Kittel, Judenfrage, 14. 13   Kittel, Judenfrage, 15–17. 14   Kittel, Judenfrage, 41. 15   Kittel, Judenfrage, 40, 61. 16   Kittel, Judenfrage, 40. 17  Gerhard Kittel, “Antwort an Martin Buber,” in: Kittel, Judenfrage, 87–100. Buber turned down this idea. 11

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guest, there will perhaps come a time when the cooperation and services of this decent guest be valued and respected as long as he does not cross the boundaries set for him as a guest.”18 Kittel admits that taking these measures is tough. It could have been avoided, if they had been taken 50 years ago.19 Now there is no other option. It is tough when officials, teachers, and professors, who are guilty of nothing except of being Jewish, must give up their position. It is tough when people who, along with their fathers and grandfathers, had become accustomed to being citizens with equal rights for hundreds of years must return to the role of strangers. We can always ask whether and how we can assist in these cases. However, such considerations should never lead to a sentimental softening, never hinder the necessary measures of purification and healing. 20

Kittel’s solution to the Jewish question is assigning the status of guest to people of Jewish descent, secular, assimilated, and converted alike, strip­ ping them of equal rights and job opportunities. Kittel’s justification of these violent measures against the Jews is theological. Their homelessness derives from their breach of the covenant they had with God and their rejection of Jesus as the Messiah, according to the story related in the New Testament. The Jews should accept this divine decree. We may wonder what, according to Kittel, is the essence of Judaism, what makes up its existence. It is however obvious that he does not primarily mean a specific race or a psychological disposition. Had he meant that, he would have talked mainly about the Talmudic mentality, as, for example, his disciple and colleague at Tübingen Karl Georg Kuhn did in his lecture Die Judenfrage als weltgeschichtliches Problem of 1938.21 Likewise, he should have talked about the attempt made by Ezra and Nehemiah to identify re­ ligion with race. “The Jewish Question is ultimately a religious question,” Kittel insists.22 The answer to the Jewish Question, the guest or alien status of the Jew, should equally be understood only in a Christian theological context. “Only if the otherness [i.e. the guest status of the Jews] is acknow­ ledged wholeheartedly and honestly by both sides [i.e. the German and the Jewish], can the terrible theory of the inferiority of one race be overcome.” 23 From this answer we see that for Kittel Judaism consists of nothing else but its diasporic existence. The essence of Judaism consists in the dispersal of the Jews all over the earth. Their dispersal, their diasporic existence (Galut in Hebrew), is their lot, determined and enacted by God through the destruction of Jerusalem by   Kittel, Judenfrage, 60–61.   Kittel, Judenfrage, 59. 20   Kittel, Judenfrage, 68. 21  Karl Georg Kuhn, Die Judenfrage als weltgeschichtliches Problem (Hamburg: Hanseatische Verlagsanstalt, 1939), 21–22. 22   Kittel, Judenfrage, 76. 23   Kittel, Judenfrage, 61. 18

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the Babylonians in the sixth century BCE and again by the Romans in the destruction of Jerusalem and the Temple in the first century CE. The Jews must obey this divine decree and live as Jews with their guest and alien status, Kittel says. For Judaism, the answer to present-day events means even more than having the courag­e to be and want to be a Jew again and giving up the disastrous dream of assimilation. Becoming a Jew again, that can ultimately only mean having the courage to return to the roots of the Jewish religion – not to modern philosophies, but to the living God whom Moses and the prophets and psalms proclaim. For the Jew, returning to the God of the fathers also always means returning to the God of history. The history of God with the Jewish people has yet meant for two millen­ nia being strangers among the peoples of the world. For the Jew, coming to God means obediently accepting this divine history; accepting with obedience the suffering of dis­ persal, the suffering of the Galut of Israel. 24

Kittel suggests taking violent measures in handling the Jewish Question, in treating the problem of Jews aspiring to be equal citizens in Germany. The Jews should be stripped of all their rights. Their new status is that of guest residents. They will be forced to practice the Jewish religion which, for Kittel, comes down to nothing more than a diasporic lifestyle.

C. Religion and Violence Jan Assmann and René Girard have long since established themselves as authorities in explaining the relationship between religion and violence. For Assmann, religion became violent with the introduction of monothe­ ism. In polytheistic cultures, the gods are identical with their functions in nature and culture such as sun, war, reason, justice, etc. Hence, the gods of one poly­theistic culture can be easily translated into another polytheis­ tic culture. The principle of polytheism is “intercultural translatability.” 25 Monotheism, on the contrary, acknowledges only one truth. All the rest is false. Its principle is the “Mosaic distinction.” 26 This distinction goes back to the revolution which Pharaoh Akhenaton carried out in the fourteenth centu­ ry BCE. Akhenaton, who worshiped the sun as a god, carried out a religious revolution. “The monotheistic revolution of Akhenaton was not only the first but also the most radical and violent eruption of a counter-religion in the history of humankind. The temples were closed, the images of the gods were destroyed, their names were erased, and their cults were discontinued.” 27   Kittel, Judenfrage, 73.   Jan Assmann, Moses the Egyptian: The Memory of Egypt in Western Monotheism (Cambridge MA: Harvard University Press, 1998), 3. 26   Assmann, Moses, 3. 27   Assmann, Moses, 25. 24 25

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It was Akhenaton who carried out this revolution and introduced religious violence into human history. Assmann, however, insists on ascribing it to Moses and the Jews: The Mosaic distinction between true and false in religion finds its expression in the story of Exodus. This means that it is symbolized by the constellation or opposition of Israel and Egypt. Books 2 through 5 of the Pentateuch unfold the distinction in a nar­ rative and in a normative form. Narratively, the distinction is represented by the story of Israel’s Exodus out of Egypt. Egypt thereby came to symbolize the rejected, the reli­ giously wrong, the “pagan.” As a consequence, Egypt’s most conspicuous practice, the worship of images, came to be regarded as the greatest sin. Normatively, the distinction is expressed in a law code which conforms with the narrative in giving the prohibition of “idolatry” first priority. 28

One can argue against Assmann that there is no clear monotheistic notion emerging from the Torah. The theory about the Torah consisting of different traditions is based upon the different notions of God discerned in the Torah: El, Elohim, Yahweh. Thus, Richard Elliott Friedman explains: The Levite names Moses, Hophni, and Phinehas are all Egyptian, not Hebrew. And the Levites did not occupy any territory in the land like the other tribes. These investigators suggest that the group that was in Egypt and then in Sinai worshiped the God Yahweh. Then they arrived in Israel, where they met Israelite tribes who worshiped the God El. Instead of fighting over whose God was the true God, the two groups accepted the belief that Yahweh and El were the same God. The Levites became the official priests of the united religion, perhaps by force or perhaps by influence. 29

In this description we do not see a violent negation of another religion. On the contrary, we see a peaceful incorporation of one religion into the other. According to Assmann, the leading principle in monotheism is “normative inversion”. “The principle of normative inversion consists in inverting the abominations of the other culture into obligations and vice versa.” 30 As Mary Douglas shows, Maimonides agrees that some of the oddest rules in Judaism go back to the attempt to break with pagan practices. However, some other pagan practices were allowed and, furthermore, allocated a central role such as sacrifice. Maimonides justifies it as a necessary transitional stage which gradually enables the Hebrews to be weaned from pagan practices.31 “Of 28   Assmann, Moses, 4. Assmann does not explain why the “religious enemy” eventually became affixed to the Jews. He simply states it and implies that the Jews are guilty of an­ ti-Semitism: “The Egyptian phantasm of the religious enemy first became associated with the Asiatics in general and then with the Jews in particular. It anticipated many traits of Western anti-Semitism that can now be traced back to an original impulse. This impulse had nothing to do with the Jews but very much to do with the experience of a counter-religion and of a plague,” Assmann, Moses, 30. 29   Richard Elliott Friedman, Who Wrote the Bible? (New York: Simon & Schuster, 1997), 82. 30   Assmann, Moses, 31. 31   Mary Douglas, Purity and Danger: An Analysis of the Concepts of Pollution and Taboo (New York: Routledge, 2001), 49.

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course no culture is created out of nothing. The Israelites absorbed freely from their neighbors, but not quite freely. Some elements of foreign culture were incompatible with the principles of patterning on which they were con­ structing their universe; others were compatible.” 32 For George Mendenhall and Walther Eichrodt, covenant was the original principle of the Hebrews in encountering people with a different religious code.33 The covenant was made between various peoples of different faiths, who were all oppressed slaves revolting against their oppressor. “It is for this reason that the covenant tradition is so overwhelmingly important in biblical tradition, for this was the formal symbol by which the solidarity was expressed and made functional. The symbolization of historical events was possible because each group which entered the covenant community could and did see the analogy between bondage and Exodus and their own experience.”34 Eichrodt states: “It is significant that this covenant (Verband) does not acknow­ledge a clear demarcation line between foreigners, but al­ ways admits people who have been so far outsider.” 35 Exodus is indeed a constitutive element in Judaism. However, using it as the foundation of the theory about religious violence turns out to be useless when we come to account for Christian anti-Semitism. As Rosemary Radford Ruether explains: There was little in the pagan tradition of anti-Semitism which the Church could take over untransformed. Since the Christians shared with the Jews the biblical Exodus story and also used the word Egypt as a negative religious term, they could not appropriate the native Egyptian anti-Exodus polemics without transforming them into a wholly dif­ ferent framework and motivation. Christianity shared fully with Judaism the negative judgment upon polytheism, pagan myths, and cults and continued the Jewish tradition of anti-pagan polemic, so they could not absorb a pagan answer to this biblical intolerance.36

Judaism and Christianity have been initially not opposing but rather siblingreligions competing on the same source of their mythologies and symbols. We must recognize Christian anti-Semitism as a uniquely new factor in the picture of antique anti-Semitism. Its source lies in the theological dispute between Christianity and Judaism over the messiahship of Jesus, and so it strikes at the heart of the Christian gospel. It was this theological root and its growth into a distinctively Christian type of anti-Semi­ tism that were responsible for reversing the tradition of tolerance for Jews in Roman law.37   Douglas, Purity, 50.   George E. Mendenhall, “The Hebrew Conquest of Palestine,” The Biblical Archaeologist 25.3 (1962): 65–87; Walther Eichrodt, Gott und Volk, vol. 1 of Theologie des Alten Testaments (Stuttgart: Ehrenfried Klotz, 1962). 34   Mendenhall, Hebrew, 74. 35   Eichrodt, Theologie, 11 (trans. AS). 36   Rosemary Radford Ruether, Faith and Fratricide: The Theological Roots of AntiSemitism (Eugene, OR: Wipf & Stock, 1997), 28–29. 37   Ruether, Faith, 28. 32 33

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As Lewis Coser explains, violence between religions with no common sym­ bols can hardly be as virulent as between sibling religions.38 The threat is dan­ gerous when it comes from within, when two siblings fight over the throne.39 As Rudolph Loewenstein explains, the source of Christian anti-Semitism is its debt to Judaism.40 The fraternal rivalry, according to Ruether, is embodied in two sorts of midrash: the Palestinian midrash, which is the foundation of Judaism, and the Hellenistic midrash, which is the foundation of Christianity. Hellenistic midrash, influenced by Greek philosophy and Gnosticism, is allegorical. It proceeds from the visible to the invisible, from the corporeal to the spiritual. The Palestinian midrash, on the contrary, never abandons the literal sense in favor of the spiritual.41 We encounter this fraternal rivalry between Judaism and Christianity in Gal 4:22–23: “For it is written, that Abraham had two sons, the one by a bondmaid, the other by a freewoman. But he who was of the bondwoman was born after the flesh; but he of the freewoman was by promise” (KJV). Likewise, Rom 9:6–8 states: “Not as though the word of God hath taken none effect. For they are not all Israel, which are of Israel: Neither, because they are the seed of Abraham, are they all children: but, In Isaac shall thy seed be called. That is, They which are the children of the flesh, these are not the children of God: but the children of the promise are counted for the seed” (KJV). This fraternal rivalry is elaborated in Augustine’s City of God. The elder brother (Cain, Ishmael, Esau) represents carnal Judaism, and the younger brother (Abel, Isaac, Jacob) represents spiritual Christianity. The first man born of the two parents of the human race was Cain. He belonged to the city of man. The next born was Abel, and he was of the City of God. Notice here a parallel between the individual man and the whole race. We all experience as individuals what the Apostle says: “It is not the spiritual that comes first, but the physical, and then the spiritual”.42

It seems that Assmann’s theory of the “Mosaic distinction” and “normative inversion” does not help us to understand violence of a religious nature as far as the rivalry between Judaism and Christianity is concerned. As we saw, the hatred between Jews and Christians is a new phenomenon of frater­ nal religions. As James Everett Seaver shows, the Jews lost their immunity 38   Quoted in John G. Gager, The Origins of Anti-Semitism: Attitudes toward Judaism in Pagan and Christian Antiquity (Oxford: Oxford University Press, 1983), 21. 39   Gager, Origins, 22. 40   Rudolph M. Loewenstein, Christians and Jews: A Psychoanalytic Study (New York: International Universities Press, 1951), 199. 41   Ruether, Faith, 39. 42   Saint Augustine, The City of God, Books VIII–XVI, Fathers of the Church 14, trans. Gerald G. Walsh and Grace Monahan (Washington, DC: Catholic University of America Press, 2008), 414.

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and special status in the Roman empire and became a target of persecution after the Christianization of the Roman Empire in the fourth century CE.43 Assmann is however certain that his theory provides the ultimate account for the violence, originally of religious nature, directed against the Jews. Assmann writes: The other peoples are envious of the chosen people who received the Torah on Sinai. Today, this argument meets with the objection that it amounts to holding the victims responsible for their fate. But what else is martyrdom, if not the responsibility of victims for their fate? To be sure, the Jews murdered by the Nazis were not asked whether they professed faith in Judaism. But this should not blind us to the nature of faith, nor prevent us from seeing how inseparably this category is bound up with the Mosaic distinction.44

Another prevalent attempt to explain the relationship between religion and violence is found in René Girard. According to him, violence is “genera­ tive”; it lies at the foundation of religion. Sacrifice is the act of violence on which Girard is concentrated. Scapegoating is the psychological mechanism behind sacrificing. A society suffering from an unexplainable plague or dis­ aster puts the blame for it, in a way reminiscent of Freud’s transference, on a scapegoat.45 It can now get rid of the plague or disaster and restore peace and health by removing the scapegoat. The stability of society is dependent on scapegoating. Since the sacrifice of an arbitrary scapegoat must be justified, the mechanism of scapegoating remains unconscious.46 Thus, at the time of the Black Death, foreigners, Jews, and a century or two later “witches” were killed.47 In other words, it is a collective unconsciousness, a mob violence against innocent victims that underlies the religious ritual of scapegoating: “From the collective violence, and from nothing else, a new cult is born, a totemic system is established, a new culture is founded.”48 For the violent mob sees itself as weak and vulnerable, while the scapegoat is seen as an allpowerful troublemaker.49 The real victim, the scapegoat, gains a metaphysi­ cal, eternal status. The scapegoat never dies.50 It becomes an eternal entity. There is however a twist in this story: “Far from being the scapegoat reli­ gion par excellence, Christianity is the only religion that explicitly rejects 43   James Everett Seaver, Persecution of the Jews in the Roman Empire (300–438) (Kansas: University of Kansas Publications, 1952). 44   Cited in Alon Segev, Thinking and Killing: Philosophical Discourse in the Shadow of the Third Reich (Boston: de Gruyter, 2013), 92. 45   René Girard, “Generative Scapegoating,” in: Violent Origins: Walter Burkert, René Girard, and Jonathan Z. Smith on Ritual Killing and Cultural Formation, ed. Robert G. Hamerton-Kelly (Stanford, CA: Stanford University Press, 1987), 75. 46   Girard, “Generative Scapegoating,” 78. 47   Girard, “Generative Scapegoating,” 86. 48   Girard, “Generative Scapegoating,” 90. 49   Girard, “Generative Scapegoating,” 91. 50   Girard, “Generative Scapegoating,” 92.

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scapegoating as a basis for a religious epiphany.”51 Thus, the ascription of anti-Semitism to the Gospel is false and based on a misunderstanding of the New Testament, according to Girard.52 By making this argument, he seems to have skipped some main passages in the New Testament, in which the Jews are portrayed as the murderers of Jesus and of all the prophets prior to him. As Stephen argues against the Jews in Acts 7:51–53: Ye stiffnecked and uncircumcised in heart and ears, ye do always resist the Holy Ghost: as your fathers did, so do ye. Which of the prophets have not your fathers persecuted? and they have slain them which shewed before of the coming of the Just One; of whom ye have been now the betrayers and murderers: Who have received the law by the disposi­ tion of angels, and have not kept it (KJV).

And Jesus himself argues against the Jews: Ye serpents, ye generation of vipers, how can ye escape the damnation of hell? Wherefore, behold, I send unto you prophets, and wise men, and scribes: and some of them ye shall kill and crucify; and some of them shall ye scourge in your synagogues, and persecute them from city to city: That upon you may come all the righteous blood shed upon the earth, from the blood of righteous Abel unto the blood of Zacharias son of Barachias, whom ye slew between the temple and the altar (KJV). 53

It is also inconceivable how Girard wants to separate the Gospel from its reception throughout history, from the Church fathers to the present. Girard also disregards the long patristic tradition of Adversos Judaeos. As Rosemary Radford Ruether writes: “That the Jews never heard the proph­ ets, always rejected the prophets, ever refused to repent at the prophets’ call, and, finally, regularly killed the prophets is repeated throughout the anti-Judaic writings.”54 Judaism has been superseded by Christianity as the legitimate path to salvation. This theology is what Ruether calls “the left hand of Christology.”55 This “left hand of Christology” is the source of antiSemitism. Gregory Baum writes: It was this left hand of Christology that generated … the radical distinction between the believing Church and the blind Synagogue, between the Israel of the spirit and the Israel of the f lesh, between the heavenly and the earthly Jerusalem. Eventually all the di­ chotomies of salvation between spirit and f lesh, light and darkness, truth and falsehood, grace and damnation, life and death, trust and self-righteousness, were projected on the opposition between Church and Synagogue until the Jewish people became the embodi­ ment of all that is unredeemed, perverse, stubborn, evil, and demonic in this world. 56

51   René Girard, “The Question of Anti-Semitism in the Gospel,“ in: The Girard Reader, ed. James G. Williams (New York: Crossroad, 1996), 219. 52   Girard, “Question of Anti-Semitism,” 219. 53   Matt 23:33–35. 54   Ruether, Faith, 124. 55   Ruether, Faith, 12. 56   Ruether, Faith, 12–13.

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I believe that we can justifiably conclude that Assmann and Girard do not provide us with any valuable insights into religious violence, as far as Christianity and Judaism are concerned.

D. Theological-Political Hierarchy A famous quote by Alfred Loisy reads: “Jesus came proclaiming the Kingdom, and what arrived was the Church.”57 Jesus preached the kingdom of heaven. However, the outcome is a church as a political organization. This discrepancy is illustrated perfectly in the episode of the Grand Inquisitor in Dostoevsky’s novel The Brothers Karamazov. The grand inquisitor tells Jesus: “I do not know who you are, and I do not want to know: whether it is you, or only his likeness; but tomorrow I shall condemn you and burn you at the stake as the most evil of heretics.”58 The grand inquisitor goes on to explain that once the church has been established, there is no more room for Jesus and his message. “That, if you like, is the most basic feature of Roman Catholicism, in my opinion at least: ‘Everything,’ they say, ‘has been handed over by you [i.e. Jesus] to the pope, therefore everything now belongs to the pope, and you may as well not come at all now, or at least don’t interfere with us for the time being.’”59 The dualism between the carnal and spiritual spheres should be overcome by the church as a political institution. The spiritual freedom which Jesus preached should be submitted to the earthly church authority and administration. Christianity is embodied in the earthly church as a political organization. We should now look at what made the Jews become a factor in this political organization. In the second century CE, Marcion of Sinope, the first who drew an outline of a Christian canon, excluded the Hebrew Bible from his canon. Marcion then purged the canonical text, consisting of the Gospel of Luke and most of the Pauline letters, of all passages indicating continu­ ity with the Hebrew Bible. His Antitheses, as rendered by Tertullian, starts with the following exclamation regarding the new Gospel: “Oh wonder of all wonders, rapture, force, and marvel, that one can neither say something about the Gospel, nor think about it, nor compare it with anything else.”60 Marcion talks about the complete independence of the Gospel. The Gospel does not rely on the Old Testament, and the coming of the Messiah is not 57   Alfred Loisy, The Gospel and the Church, trans. Christopher Home (Philadelphia: Fortress Press, 1976), XVIII. 58   Fyodor Dostoevsky, The Brothers Karamazov: A Novel in Four Parts and Epilogue, trans. Richard Pevear and Larissa Volokhonsky (New York: Farrar, Straus and Giroux, 2002), 250. 59   Dostoevsky, Brothers, 250–251. 60   Quoted in Adolf von Harnack, Marcion: Das Evangelium vom fremden Gott (Leipzig: Hinrichs, 1924), 94.

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proclaimed by it. The Old Testament and the New Testament should be un­ derstood as two distinct and unrelated Bibles of two different Gods. For Marcion, there are two gods. The god of the Law, of the Jews. He is the evil demiurge. There is also the god of mercy and love, who is the god of Jesus as announced by the true Gospel. “The good God came to eliminate the Law and the Prophets rather than to fulfill them; He accomplishes it by means of the Gospel in order to redeem the souls.”61 Tertullian, in whose work Marcion’s claims are preserved, accepts the idea that in lege maledictio est, in fide vero benedictio.62 However, he does not accept the dualistic world­ view of Marcion. The source of evil is not the demiurge. There is only one God. He gave the Law to Moses and sent Jesus. The Law was given to tame the unruly Jews: “This law was not laid down because of its Author’s hard­ ness, but by reason of that supreme kindness which preferred to tame the people’s hardness, and smooth down with exacting obligations their faith, as yet unpracticed in obedience.”63 According to Tertullian, the inferiority of the Law does not derive from the inferiority of God, as Marcion infers, but rather from the inferiority of the Jewish people.64 The Law is the old covenant, replaced by the new covenant announced by the Gospel. This claim has been made in the first century CE, about half a century before Tertullian, by Justin Martyr in his Dialogue with Trypho: There never will be, nor has there ever been from eternity, any other God except him who created and formed this universe. Furthermore, we do not claim that our God is different from yours, for he is the God who, with a strong hand and outstretched arm, led your forefathers out of the land of Egypt. Now a later law in opposition to an older law abrogates the older; so, too, does a later covenant void an earlier one. An everlasting and final law, Christ himself, and a trust­ worthy covenant has been given to us, after which there shall be no law, or command­ ment, or precept.65

Instead of two gods, we have two testaments, one old and one new, the old announced the new and is now superseded by it. In the City of God, Augustine translated this theological hierarchy between the New Testament and the Old Testament into political hierarchy. Although they [the Jews] were conquered and oppressed by the Romans, God did not “slay” them, that is, He did not destroy them as Jews. For, in that case, they would have forgotten and would have been useless as witnesses to what I am speaking of.   Harnack, Marcion, 122.   Harnack, Marcion, 128. 63   Cited in David P. Efroymsen, “The Patristic Connection,” in: Antisemitism and the Foundations of Christianity, ed. Alan T. Davies (New York: Paulist, 1979), 101. 64   Efroymsen, “Patristic Connection,” 101. 65   Justin Martyr, Dialogue with Trypho, trans. Thomas B. Falls (Washington, DC: Catholic University of America Press, 2003), 20. 61

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Consequently, the first part of the prophecy, “Slay them not lest they forget thy law,” is of small import without the rest, “Scatter them.” For, if the Jews had remained bottled up in their own land with the evidence of their Scriptures and if they were not to be found everywhere, as the Church is, the Church would not then have them as ubiquitous wit­ nesses of the ancient prophecies concerning Christ.66

According to this theological-political doctrine, diasporic existence is the lot of the Jews. They should live homelessly dispersed all over the earth. They serve as witness in two senses. Their Scripture announces the Gospel, and their diasporic existence demonstrates the lot of those who disobeyed God and rejected Jesus as the Messiah. Hence, they should not be killed, Augustine warns, referring to Ps 59:11 (“Slay them not, lest my people forget: scatter them by thy power; and bring them down, O Lord our shield,” KJV). This doctrine does not imply by necessity anti-Judaism. As Paula Fredriksen notes, following the collapse of the Western Roman Empire, this doctrine of Augustine has been preserved by mediaeval Christian Europe. “In that more violent society, Augustine’s witness doctrine provided authority for later learned churchmen, who used it … to deflect and defuse Christian violence against Jews.”67 Thus, in the twelfth century Bernard of Clairvaux says: “The Jews are not to be persecuted, killed, or even put to flight… Indeed, the Jews are for us the living letters (vivi apices) of Scripture, constantly repre­ senting the Lord’s passion.”68 The Jew as a witness bears the curse of Cain, as Augustine writes in his Reply to Faustus the Manichæan: No emperor or monarch who finds under his government the people with this mark kills them, that is, makes them cease to be Jews, and as Jews to be separate in their obser­ vances, and unlike the rest of the world. Only when a Jew comes over to Christ, he is no longer Cain, nor goes out from the presence of God, nor dwells in the land of Nod, which is said to mean commotion.69

Likewise, Peter of Cluny wrote in the twelfth century: Do not slay them, God does not want to annihilate them… They are dependent, miser­ able, and terror-stricken, and must remain in that state until they are converted to the Saviour. You ought not to kill them but to afflict them in a manner befitting their base­ ness.70 66   Saint Augustine, The City of God, Books XVII–XXII, Fathers of the Church 14, trans. Gerald G. Walsh and Daniel J. Honan (Washington, DC: Catholic University of America Press, 2008), 165. 67   Paula Fredriksen, Augustine and the Jews: A Christian Defense of Jews and Judaism (New Haven: Yale University Press, 2010), xii. 68   Quoted in Jeremy Cohen, Living Letters of the Law: Ideas of the Jew in Medieval Christianity (Berkeley: University of California Press, 1999), 2. 69   Augustine, The Writings Against the Manichaeans and Against the Donatists, vol. 4 of The Nicene and Post-Nicene Fathers, Series 1, ed. Philip Schaff (Peabody, MA: Hendrickson, 1996), 309. 70   Cited in Seaver, Persecution, 86.

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Concerning this statement, Seaver says: “Here is Augustine’s theory of the position of the Jew repeated to justify pillage in the twelfth century.” 71 This Augustinian theory of witness is the religious framework in which Kittel discusses the Jewish question. Only within this framework is his rejec­t ion of the three solutions to the Jewish Question, i.e. assimilation, an­ nihilation, and foundation of a Jewish state, intelligible, and the guest status assigned to the Jews is understandable. Only within this framework can we understand the relationship between religion and violence in Kittel’s text Die Judenfrage. The Jews should stay in Germany, but as guests stripped of all rights. In this Christian theological framework, every harsh measure taken against Jews trying to step out of their guest status is justified. This religious framework is a theological construction and does not refer to real, living Jews. Thus, any encounter with a living Jewish person who does not fit into this theological construction is upsetting, as for example Kittel’s en­ counter with the assimilated Jew. Jeremy Cohen explains: For Bernard, as for many medieval churchmen, the Jews embodied a particular reading of Holy Scripture, one that established the truth of Christianity in its own right and illumi­ nated the contrasting Christian exegesis of the Bible. As such, the Jews’ nature, their per­ sonality, and their historical mission derived directly from essential dictates of Christian doctrine and hermeneutics. On the other hand, when Christian theologians awakened to the disparity between the Jew they had constructed and the real Jew of history, they could construe the latter’s failure to serve the purposes allotted him as an abandonment of his Judaism. This, in turn, might render him less suited for the protection granted Jews who did function “properly” in Christian society.72

On August 24, 1933, Gershom Scholem wrote to Martin Buber concer­ ning Kittel’s Die Judenfrage: “What mendacity, what a cynical game with God and religion.” 73 It may turn out impossible to determine with certainty whether Kittel was cynical and insincere, as Scholem argues, or rather meant what he said. We should however ask whether as a theologian addressing the Jewish Question Kittel could come forward with a different view on the Jewish Question. In a text called “Guilt, Justification, and Revival” of 1941, Dietrich Bonhoeffer, who paid with his life for his opposition to the Third Reich, writes: “Any attempt to rescue the West through exclusion of one of its peoples is doomed to failure.” 74 This sounds like a political reaction to the Third Reich’s plan to get rid of the European Jewry. However, in a text composed in 1940, “Legacy and Decline”, Bonhoeffer writes: “The Jew keeps the question concerning Christ open. He is the sign of the gracious   Seaver, Persecution, 86.   Cohen, Living, 2. 73   Quoted in Horst Junginger, The Scientification of the “Jewish Question” in Nazi Germany, Numen Book Series/Studies in the History of Religions 157 (Leiden: Brill, 2017), 157. 74  Dietrich Bonhoeffer, Ethik, vol. 6 of Werke, ed. Ilse Tödt and Eberhard Bethge (Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus, 22006), 127 (trans. AS). 71

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election [Gnadenwahl] and rejecting wrath [verwerfender Zorn] of God (R. 11, 22).” 75 Bonhoeffer refers to Rom 11:22 which reads: “Consider therefore the kindness and sternness of God: sternness to those who fell, but kindness to you, provided that you continue in his kindness. Otherwise, you also will be cut off” (KJV). So, according to these quotes, the Jews have the role of witnesses to play in history. They should therefore continue to live in the West. However, in their miserable life they will serve as witnesses, remin­ ding people what happens to those who do not accept Christ as the Messiah. Bonhoeffer is apparently not aware of the connection between this theology and the politics to which he is opposed.

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Die Biografie Gerhard Kittels Eine Herausforderung für Theologie und Geschichtswissenschaft Manfred Gailus A. Zur Konjunktur der Biografie Das Genre der geschichtswissenschaftlichen Biografie hat Konjunktur – so liest man das bei Historikerinnen und Historikern nun schon seit Jahren, wenn nicht gar seit Jahrzehnten.1 Spätestens seit den 1980er Jahren, als sich die Dominanz der historischen Sozialwissenschaften mit ihrer be­ sonderen Vorliebe für die „großen Prozesse und Strukturen“ wie auch die Konjunktur der Sozialgeschichte mit Fokus auf die Performance historischer Großgruppen (etwa „Klassen“ und „Schichten“, „Generationen“ usw.) zu er­ schöpfen begann, rückte die historische Biografie mehr in den Vordergrund der Disziplin.2 Zugleich beförderten die zeitgleich einsetzenden Trends zur historischen Anthropologie und Kulturgeschichte die biografische Darstellungsweise von Geschichte.3 Die rechte Balance zwischen individuellem „Leben“ und „Werk“ einer­ seits und den historischen „Kontexten“ eines Protagonisten andererseits zu finden, war und ist allerdings eine anspruchsvolle Aufgabe, die nicht  So zuletzt: Harders, Levke, Historische Biografieforschung, in: Docupedia Zeit­ geschichte, 31.10.2020. Vgl. ferner: R auh-Kühne, Cornelia, Das Individuum und seine Geschichte. Konjunkturen der Biografik, in: Andreas Wirsching (Hg.), Neueste Zeit (Oldenbourg Geschichte. Lehrbuch), München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag 2006, 215–232; Lässig, Simone, Die historische Biografie auf neuen Wegen?, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 60 (2009), 540–553; Herbert, Ulrich, Über Nutzen und Nachteil von Biografien in der Geschichtswissenschaft, in: Beate Böckem u.a. (Hg.), Die Biografie – Mode oder Universalie? Zu Geschichte und Konzept einer Gattung in der Kunstgeschichte, Berlin: de Gruyter 2015, 3–15. 2  Zu geschichtswissenschaftlichen Trends der 1980er und 90er Jahre: R aphael, Lutz, Geschichtswissenschaft im Zeitalter der Extreme. Theorien, Methoden, Tendenzen von 1900 bis zur Gegenwart, München: Beck 2003. 3  Zum cultural turn: Conrad, Christoph/Kessel, Martina (Hg.), Kultur & Geschichte. Neue Einblicke in eine alte Beziehung, Stuttgart: Reclam 1998; Daniel, Ute, Kompendium Kulturgeschichte. Theorien, Praxis, Schlüsselwörter, Frankfurt am Main: Suhrkamp 2001; R aphael, Geschichtswissenschaft, bes. 228–246. 1

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immer glückt. Häufig kommt es zu emotionalen Überidentifikationen mit der jeweiligen Protagonistin oder dem Protagonisten mit der Folge einer distanz­losen Heroisierung. Gewarnt wird in jüngeren Forschungsberichten wiederholt vor der „biografischen Illusion“ (Pierre Bourdieu), betont wird die Heterogenität eines jeden individuellen Lebens mit seinen Brüchen und Kontingenzen sowie der grundsätzliche Konstruktionscharakter jeder biografischen Identität.4 Gewiss, das alles ist bekannt und wird in den ge­ lungenen Biografien der jüngeren Zeit hinlänglich beachtet. Auch im Gegenstandsbereich der Religionsgeschichte sowie der Kirchenund Theologiegeschichte des 20. Jahrhunderts fehlt es nicht an jüngeren, beeindruckenden Musterbiografien, an denen sich jeder neue Versuch auf diesem Gebiet wird messen lassen müssen. Hervorgehoben seien drei mar­ kante Beispiele: die im Jahr 2009 erschienene große Bultmann-Biografie des Münsteraner Theologen Konrad Hammann 5; die ebenso profunde Biografie über den Schweizer reformierten Jahrhunderttheologen Karl Barth (2018), verfasst von der Züricher Systematischen Theologin Christiane Tietz 6; und die durch breiten historischen Kontext sich auszeichnende Biografie der streitbaren protestantischen Führungspersönlichkeit Martin Niemöller durch den in Sheffield lehrenden Historiker Benjamin Ziemann.7 Alle drei Studien sind umfangreiche, fünf- bis sechshundert Seiten umfassende Werke, an deren souveräner Behandlung des biografischen Stoffes, ausge­ wogener Balance zwischen sympathisierender Nähe und wissenschaftlich gebotener kritischer Distanz sowie an deren Einbettung in die historischen Kontexte des 20. Jahrhunderts sich eine seit langem überfällige Biografie des Tübinger Theologen Gerhard Kittel zu orientieren hätte.   So durchgängig Harders, Biografieforschung (wie Anm. 1).  Vgl. Hammann, Konrad, Rudolf Bultmann. Eine Biografie, Tübingen: Mohr Siebeck 2009. Für die Zeitspanne 1933–1945 liefert diese Biografie eindrucksvolle Einblicke in die theologischen und kirchenpolitischen Auseinandersetzungen der Kirchenkampfzeit. Man lernt den Marburger Hochschullehrer als einen der wenigen dem braunen Zeitgeist widerste­ henden protestantischen Theologen kennen und wertschätzen. Gegenüber den Gremien der Kirchenopposition übte Bultmann eher Zurückhaltung. Das mag ein Grund sein, warum er in der einschlägigen historischen Kirchenkampfliteratur so vergleichsweise wenig vorkommt. 6   Tietz, Christiane, Karl Barth. Ein Leben im Widerspruch, München: Beck 2018. 7   Ziemann, Benjamin, Martin Niemöller. Ein Leben in Opposition, München: Deutsche Verlags-Anstalt 2019. Diese Studie orientiert sich an drei Zentralthemen, die Niemöllers Wirken mit allgemeinen Problemen des 20. Jahrhunderts verbinden: Kontinuitäten national­ protestantischer Mentalitäten; die fortschreitende Säkularisierung und darauf reagierende kirchliche Rechristianisierungsbemühungen; schließlich Niemöllers Einstellungswandel von anfänglich „kriegstreiberischer Grundeinstellung“ 1914–1918 zum lebensgeschichtlich späten Repräsentanten der bundesrepublikanischen Friedensbewegung. Die kirchengeschichtlich viel­ fach verklärte Heldenfigur wird durch diese nüchterne und quellengesättigte Analyse auf ein realistisches Größenmaß zurückgeführt, einschließlich ihrer problematischen Eigenschaften und Widersprüchlichkeiten. 4 5

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Der bloße Umstand, dass eine solche Biografie eines der einflussreichsten Theologen des „Dritten Reiches“, der bereits 1948 verstarb, so lange hat auf sich warten lassen und noch immer auf sich warten lässt, ist bereits als ein Zeichen von erheblichen Problemen und Schwierigkeiten zu werten, die mit einer tief schürfenden biografischen Studie zu Kittel verbunden sind. Das hing und hängt offenbar nicht zuletzt mit Kittels gravierende­r wis­ senschaftspolitischer Kollaboration mit dem NS-Regime zusammen. Man schwieg lieber. Abgesehen von der mutigen Kirchenhistorikerin Leonore Siegele-Wenschkewitz, die das heikle Thema relativ früh um 1980 auf­ griff, haben Generationen von Theologen und Kirchenhistorikern offen­ bar gemeint, von diesem beschwiegenen Thema, zumal in akademische­n Qualifikationsarbeiten, lieber die Finger zu lassen. Nur allzu leicht konnte man (oder Frau) sich disziplinintern an der Aufarbeitung der KittelProblematik die Finger verbrennen, mit allen unliebsamen Folgen für eine Karriere im Fach.8 Weniger zu befürchten hatte der US-amerikanische Historiker Robert P. Ericksen, der zeitgleich mit Forschungen zu Kittel und anderen belasteten Theologieprofessoren wie Emanuel Hirsch (Göttingen) begann und als Doktorand an der London School of Economics mit dieser Themenwahl kein Risiko für seine weitere akademische Lauf bahn einging.9

B. Herausforderungen Was Kittel betrifft, so müsste der gesuchte Biograf (resp. die Biografin) sowohl Theologe wie auch zugleich ein versierter Historiker/in sein, der oder die imstande wäre, die notwendigen historischen Kontexte der Lebenszeit Kittels von 1888 bis 1948 – also Kaiserreich, Weimarer Republik, Nationalsozialismus und die ersten Jahre der zweiten deutschen Nachkriegszeit – als mitprägende Hintergründe in diese Lebensgeschichte einzuarbeiten. Das sind keine geringen Anforderungen. Schriebe ein zeit­ geschichtlich orientierter Allgemeinhistoriker eine solche Biografie, so sähe er sich bald dem Vorwurf ausgesetzt: Der versteht von Theologie nicht viel. 8  Vgl. Siegele-Wenschkewitz, Leonore, Die Evangelisch-theologische Fakultät Tübingen in den Anfangsjahren des Dritten Reichs. II. Gerhard Kittel und die Judenfrage, in: Eberhard Jüngel (Hg.), Tübinger Theologie im 20. Jahrhundert (Zeitschrift für Theologie und Kirche, Beiheft 4), Tübingen: Mohr Siebeck 1978, 53–80; Dies., Neutestamentliche Wissenschaft vor der Judenfrage. Gerhard Kittels theologische Arbeit im Wandel deutscher Geschichte, München: Kaiser 1980. 9   Vgl. Ericksen, Robert P., Theologian in the Third Reich. The Case of Gerhard Kittel, in: Journal of Contemporary History 12 (1977), 595–622; ders., Zur Auseinandersetzung mit und um Gerhard Kittels Antisemitismus, in: Evangelische Theologie 43 (1983), 250–270; ders., Theologians under Hitler: Gerhard Kittel, Paul Althaus and Emanuel Hirsch, New Haven: Yale University Press 1985 (dt. München: Hanser 1986).

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Verfasste hingegen ein Theologe die Biografie, so würde es bald von ande­ rer Seite heißen: Die Studie ist zu eng auf theologie- oder kirchenhistori­ sche Aspekte begrenzt und berücksichtigt die allgemeinen, gesellschafts­ geschichtlichen Kontexte zu wenig. Der oder die ideale Kittel-Biograf/in müsste also sein: professionell ausgebildet in Theologie mit guten Hebräischund Griechischkenntnissen; überdies jemand, der viel von antiker Religionsund Kirchengeschichte versteht und zugleich vorzügliche Kenntnisse über jüngere Kirchengeschichte sowie Politik- und Gesellschaftsgeschichte des frühen 20. Jahrhunderts besitzt. Noch einmal: Das sind keine geringen Anforderungen. Sie ergeben sich schon allein aus der Komplexität dieses Theologenlebens, aus der Vielseitigkeit an Rollen, Positionen und Funktionen dieses Protagonisten sowie aus dessen ebenso umfangreichem wie vielschichtigem publizistischen Werk, das sich von 1909 bis 1944 über dreieinhalb Jahrzehnte erstreckt.10 Kittel war Vieles zu gleicher Zeit. Er war ein genuin theologischer und religions­geschichtlicher Forscher mit wissenschaftlichen Beiträgen zum frühen Christentum und antiken Judentum, die ihn akademisch hierzulande rasch reüssieren ließen und die auch internationale Beachtung und Wertschätzung erfuhren.11 Es gab zugleich den gläubigen Christen schwäbischer Prägung, den from­ men Kirchenmann und ordinierten evangelischen Geistlichen, der seinen Christenglaube von der Kirchenkanzel verkündete. So hielt er während der vier Jahre des Ersten Weltkriegs als Marinegeistlicher vaterländische Predigten in der Cuxhavener Marinegarnisonkirche und später als theolo­ gischer Hochschullehrer Universitätsgottesdienste sowohl in Greifswald wie auch in Tübingen.12 Darüber hinaus betätigte sich Kittel lange vor 1933 als christlich-konservativer Publizist in Zeitungen und Zeitschriften mit aktuel­ len Stellungnahmen zu allgemeinen Fragen von Religion, Kultur, Kirche und Politik.13 Stark bewegt durch sein intensives protestantisches „Erlebnis   Vgl. hierzu die umfangreiche Werkbibliografie: Junginger, Horst, Bibliografie Gerhard Kittel, in: Manfred Gailus/Clemens Vollnhals (Hg.), Christlicher Antisemitismus im 20. Jahrhundert. Der Tübinger Theologe und „Judenforscher“ Gerhard Kittel, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2020, 259–267. 11   Wichtigste Werke dieser Phase: Kittel, Gerhard, Die Oden Salomos. Überarbeitet oder einheitlich? (Beiträge zur Wissenschaft vom Alten Testament 16), Leipzig: Hinrichs 1914; Ders., Die Probleme des palästinischen Spätjudentums und das Urchristentum (Beiträge zur Wissenschaft vom Alten und Neuen Testament 37), Stuttgart: Kohlhammer 1926; vgl. zu dies­ er Werkphase auch: Lindemann, Gerhard, Gerhard Kittel: familiäre Herkunft, Ausbildung und wissenschaftliche Anfänge, in: Gailus/Vollnhals (Hg.), Christlicher Antisemitismus, 63–82. 12  Vgl. hierzu Kittel, Gerhard, Fünf Predigten gehalten in der Evangelischen MarineGarnison-Kirche zu Cuxhaven, Leipzig: Deichert 1919. 13  Kittel als vielseitiger evangelischer Publizist: Kittel, Gerhard, Grundsätzliches zum Umbau der Kirche, in: Allgemeine evangelisch-lutherische Kirchenzeitung vom 7.2.1919, 118–123; ders., Die volksmissionarische Aufgabe, in: a.a.O. vom 9.5.1919, 398–402 und 16.5. 1919, 410–413; ders., Die religiöse und kirchliche Lage in Deutschland, Leipzig: Dörffling und 10

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1933“ gab es schließlich den zunehmend völkisch und politisch beeinflussten Hochschullehrer der NS-Zeit, der sich als führender „Judenforscher“ und Mitglied der NSDAP in wachsende Kollaborationen mit Parteistellen, staatliche­ n Organen und Forschungseinrichtungen des Regimes begab.14 Eine gute Biografie hätte folglich mindestens diese vier Ebenen zu unter­ scheiden und eine Balance zwischen dem wissenschaftlichen Forscher, dem christlich-frommen Bekenner und dem politisch-weltanschaulichen Protagonisten zu finden, der durch seine Beiträge den nationalsozialistisch­ en Zeitgeist der Epoche bediente. Es sind eine ganze Reihe weiterer Herausforderungen zu erwähnen, die auf einen zukünftigen Kittel-Biografen oder eine Kittel-Biografin zukom­ men. Vielleicht an erster Stelle ist das Überlieferungsproblem zu nennen. Es gibt für den Tübinger Theologen keinen umfangreichen, zusammen­ hängenden, öffentlich zugänglichen Nachlassbestand. Was bei Kittel fehlt, das ist eine Art biografisches Zentralarchiv mit wesentlichen Teilen seines Nachlasses, das in einer öffentlichen Institution deponiert und somit all­ gemein zugänglich wäre. Bei den eingangs erwähnten Beispielbiografien über Bultmann, Barth und Niemöller ist dies – mehr oder minder – der Fall und eine nicht unwesentliche Voraussetzung für den Erfolg dieser quellen­ gesättigten Biografien.15 Unter günstigen Umständen würde ein solcher Quellenbestand wesentliche Teile der Manuskripte des Protagonisten – ne­ ben den veröffentlichten auch die unveröffentlichten – und vor allem die wissen­schaftliche Korrespondenz enthalten. Hinzu kämen private Nachlass­ teile (Briefe, Tagebuchnotizen, Terminkalender, Fotosammlungen etc.) aus Familienbesitz. Erst durch Studium dieser privaten Materialien ließe sich jene Nähe zu einer Person herstellen, die für eine gute Biografie eben auch ganz unverzichtbar erscheint. Die Kirchenhistorikerin Leonore Siegele-Wenschkewitz hatte im Rahmen ihrer frühen Kittel-Forschungen um 1980 noch mit Elsbeth Thomae (geb. Kittel) und Eberhard Kittel ausführliche Gespräche führen können. Aktuell Franke 1921; ders., Die Stigmatisierte von Konnersreuth, in: Allgemeine evangelisch-luther­ ische Kirchenzeitung vom 3.7.1931, 630–635; ders., Die griechische Vorbildung der evangeli­ schen Theologen, in: Theologische Blätter 10,1 (1931) 12–19. 14   Vgl. hierzu neben den genannten älteren Werken von Siegele-Wenschkewitz und Ericksen jetzt auch: Junginger, Horst, Gerhard Kittel im „Dritten Reich“: Die Karriere eines evangeli­ schen Theologen im Fahrwasser der nationalsozialistischen Judenpolitik, in: Gailus/Vollnhals (Hg.), Christlicher Antisemitismus, 83–100; Bormann, Lukas, Gerhard Kittels wissenschaft­ liche Auslandsbeziehungen und die internationale Rezeption seiner Werke, in: ebd., 135–160. 15   Für die Biografie Bultmanns standen wesentliche Nachlassteile in der Universitäts­ bibliothek Tübingen zur Verfügung (s. Hammann, Bultmann, 515–517); für die Barth-Biografie war das Karl-Barth-Archiv, eingerichtet in seinem letzten Baseler Wohnhaus, die zentrale Fundstelle (vgl. Tietz, Barth, 423–429); für die Niemöller-Biografie standen die Nachlässe des Protagonisten sowie seines Bruders Wilhelm Niemöller im Zentralarchiv der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau in Darmstadt zur Verfügung (s. Ziemann, Niemöller, 16f., 601).

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fehlt jeder Zugang zum familiengeschichtlichen Nachlassteil Kittels, der eine wichtige Voraussetzung wäre, um den privaten Kittel jenseits des öffentl­ich agierenden und veröffentlichten Theologen schärfer in den Blick zu bekommen. Es ist derzeit nicht bekannt, ob ein solcher Bestand existiert und wo er sich befindet. Nach Lage der Dinge dürfte dieser Nachlassteil in­ zwischen an die Enkelgeneration weitergereicht worden sein. Die Hoffnung erscheint nicht unbegründet, dass sich mit wachsendem zeitlichen Abstand eines Tages an dieser Stelle die Türen für wissenschaftliche Forschung öffnen werden.16 Höchst aufschlussreich wäre im Fall Kittel insbesondere dessen Schriftverkehr als Herausgeber des Theologischen Wörterbuchs zum Neuen Testament (ThWNT) mit den Verfassern der Lexikonartikel und die ein­ schlägige Verlagskorrespondenz. Letztere soll sich bis gegen Kriegsende beim Stuttgarter Kohlhammer Verlag befunden haben. Sie gilt jedoch durch Kriegseinwirkung als verloren. Auch im Nachlass des im Jahr 1986 verstor­ benen Neutestamentlers Gerhard Friedrich (1954–1968 Erlangen, danach bis zur Emeritierung 1976 in Kiel), der von Kittel im Jahr 1948 die Fortführung des ThWNT übernahm, könnten sich Überlieferungsspuren finden.17 In jedem Fall wird viel Spürsinn und Reisefreudigkeit erforderlich sein, um aus den verstreuten, unterschiedlichsten Archivbeständen und aus Kittels inter­nationaler brieflicher Kommunikation mit Kollegen, mit Kirchenführern wie dem württembergischen Landesbischof Theophil Wurm und wichtigen politischen Kontaktpersonen (etwa NS-Historiker Walter Frank, einig­e Mit­ arbeiter des Amt Rosenberg, Reichsstudentenführer Gustav Adolf Scheel) verstreute Einzelteile einer zersplitterten Überlieferung zusammenzutragen und in einem neu zu bildenden Kittel-Archiv zusammenzufügen.18

16  Vgl. Siegele-Wenschkewitz, Neutestamentliche Wissenschaft, 110–111. Dr. med. Eberhard Kittel (geb. 1920) war praktizierender Arzt und leitete seit 1953 als Chefarzt die Innere Abteilung der Klinik für das Hanauerland in Kehl-Kork (Baden). Er ist 2010 im Alter von 90 Jahren verstorben. Er hinterließ drei Kinder (vgl. den Bericht „Das Vertrauen der Hanauer gewonnen“, in: baden online vom 28.7.2010). Sein Sohn Dr. med. Gerhard Kittel ist Arzt für Innere Medizin und Rheumatologie in Baden-Baden. Über Elsbeth Thomae (geb. 1918), um 1980 wohnhaft gewesen in Düsseldorf, ist Näheres nicht bekannt. 17  Zur schwierigen Quellenlage vgl. Bormann, Gerhard Kittels wissenschaftliche Auslandsbeziehungen, bes. 135–137. 18  Mehrere Teilnehmer der Marburger Kittel-Tagung vom November 2020 sprachen die Empfehlung aus, bei Lukas Bormann in Marburg die verstreuten Quellen-Partikel zu Kittel in einem virtuellen Kittel-Archiv zu sammeln.

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C. Relevanz Ungeachtet all dieser und weiterer Forschungsprobleme kann derzeit die Devise nur lauten: Eine Kittel-Biografie ist aus Gründen allgemeinhistori­ scher Relevanz und als wichtiger Beitrag zu einer Protestantismusgeschichte des 20. Jahrhunderts vordringlich. Sie sollte ungeachtet der genannten und anderer Hindernisse unbedingt geschrieben werden. Dabei ist vielleicht in erster Linie nicht einmal an Kittels Leistung als neutestamentlicher Theologe im „Dritten Reich“ zu denken. Gewiss hatte er wissenschaft­ liches Renommee schon seit den 1920er Jahren durch Forschungsleistungen im Bereich des Frühchristentums und antiken Judentums erworben. Aber man wird doch wohl etliche andere Hochschulkollegen wie Karl Barth, bis 1935 in Bonn und anschließend – wegen Verweigerung eines Eids auf Hitler ohne relativierende Zusatzerklärung – in Basel, oder Rudolf Bultmann in Marburg nennen müssen, die in ihrer theologiegeschichtlichen Bedeutung höher rangieren. Friedrich Wilhelm Graf meint in einer jüngsten Übersicht über Theologieverhältnisse im „Dritten Reich“, Kittel sei „kein Neutestamentler vom intellektuellen Rang eines Rudolf Bultmann oder auch Martin Dibelius“ gewesen. Aber als Herausgeber des ThWNT habe er zwei­ fellos über viel „akademisches Symbolkapital“ verfügt. Über den theolo­ gisch-wissenschaftlichen Stellenwert oder Rang Kittels im „Dritten Reich“ zu befinden, ist zweifellos eine wichtige Frage, die in der Biografie zu klären wäre. Als Historiker möchte ich diese fachwissenschaftliche Evaluation den Theologen oder Theologiehistorikern überlassen.19 Aber der Tübinger Theologe war doch herausragend wichtig als Wissenschaftsmanager im Bereich der akademischen Theologie der NSZeit. Hier wuchs ihm eine Schlüsselrolle zu, die er sich vor allem als Herausgeber der ersten vier Bände des ThWNT erwarb. Er war es, der maßgeblich darüber entscheiden konnte, wer welchen Artikel für das rasc­h als Standardwerk anerkannte Lexikon schrieb, wer als Autor wenig berück­ sichtigt wurde und wer womöglich völlig von der Autorschaft ausgeschlossen blieb. Aus dieser Schlüsselrolle ergab sich eine konkurrenzlose Vernetzung im fachwissenschaftlichen Kreis der Hochschullehrer, Dozenten und promo­v ierten Nachwuchskräfte – eine akademische Machtposition, die in der Hochschultheologie der 1930er Jahren ihresgleichen sucht. Über diese Schlüsselrolle konnte Kittel auf beherrschende Weise in sein Fach hinein­ wirken. 20 19   Graf, Friedrich Wilhelm, Protestantische Universitätstheologie in der „Deutschen Revolution“, in: Ders./Hans Günter Hockerts (Hg.), Distanz und Nähe zugleich? Die christ­ lichen Kirchen im „Dritten Reich“, München: NS-Dokumentationszentrum München 2017, 119–164, 149. 20  Vgl. hierzu die Einführung zum Neudruck des ThWNT: Bormann, Lukas, Das Theologische Wörterbuch zum Neuen Testament im 21. Jahrhundert. Überlegungen zu seiner

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Eng damit verbunden war Kittels wissenschaftspolitische Vorzugsstellung unter den theologischen Hochschullehrern gegenüber zuständigen Stellen des NS-Staates wie dem Reichserziehungsministerium (REM) unter Leitung von Bernhard Rust, das auch für die Hochschulen zuständig war, oder dem Reichskirchenministerium unter Hanns Kerrl. Diese Vorzugsstellung resul­ tierte nicht zuletzt aus Kittels seit 1933 vielfach erwiesener Bereitschaft zur Kollaboration mit Kräften in Partei und Staat: Eintritt in die NSDAP im Mai 1933, Mitarbeit in Walter Franks „Forschungsabteilung Judenfrage“ seit 1936, Mitwirkung an antisemitischen Propagandaausstellungen wie „Der ewige Jude“ (1937) oder „Europas Schicksalskampf im Osten“ (1938), Bereitschaft zur Übernahme von dubiosen „Gutachten“ wie im Fall des Pariser Attentäters Herschel Grynszpan im Dezember 1941 oder anlässlich der rassischen Einordnung in Frankreich lebender Iraner mosaischen Glaubens (Februar 1942). Lukas Bormann charakterisiert Kittel zutreffend als einen „mächti­ ge(n) Wissenschaftspolitiker, dem Kommunikationskanäle zu Entscheidern offenstanden, über die kein anderer evangelischer Theologe in dieser Zeit ver­ fügte.“21 Mit dieser herausgehobenen Stellung im Inland korrespondierte ein hohes internationales Ansehen Kittels als Repräsentant der deutschen evangeli­ schen Theologie, das sich beispielsweise in prestigeträchtigen Einladungen zu Gastvorträgen in Cambridge (1937) und Berufung in den Vorstand der 1938 in Birmingham gegründeten internationalen Gesellschaft zur Erforschung des Neuen Testaments (Studiorum Novi Testamenti Societas) ausdrückte. Im September 1938 war Kittel der einzige Neutestamentler, der von den deutschen staatlichen Behörden die Ausreisegenehmigung zum Besuch eines Theologentreffens in Birmingham erhielt. Eine anschließende internatio­ nale Tagung war für September 1939 vorgesehen. Kittel war in vertraulicher Abstimmung mit dem Reichskirchenministerium, dem Auswärtigen Amt und dem Reichssicherheitshauptamt in die Vorbereitung involviert, wobei „politische Gesichtspunkte“ bei der sorgfältigen Auswahl der Repräsentanten deutscher Theologie eine nicht unwesentliche Rolle spielten. Hier war er ver­ traulicher theologischer Fachberater des Regimes. Aufgrund des soeben be­ gonnenen Zweiten Weltkriegs musste das Treffen annulliert werden.22 Geschichte und heutigen Benutzung, in: Gerhard Kittel/Gerhard Friedrich (Hg.), Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, 10 Bände, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2019, Band 1, V–XXII; und Leutzsch, Martin, Wissenschaftliche Selbstvergötzung des Christentums: Antijudaismus und Antisemitismus im „Theologischen Wörterbuch zum Neuen Testament“, in: Gailus/Vollnhals (Hg.), Christlicher Antisemitismus, 101–118. 21   Bormann, Kittels wissenschaftliche Auslandsbeziehungen, 153. Zu diesen Kollabora­ tionen jetzt auch mit einigen neuen Belegen: Förster, Hans, Gerhard Kittel. Zur öffentlichen Wirkung eines Theologen in der Zeit des Dritten Reichs, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 131.3 (2020), 365–388. 22  Vgl. Bormann, Kittels wissenschaftliche Auslandsbeziehungen, 150–155.

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Eine Kittel-Biografie hätte des Weiteren die Frage zu klären, wie der „christliche Nationalsozialist“ Gerhard Kittel in den Gesamtkontext von NSDAP und NS-Staat einzuordnen ist. In seiner „Verteidigung“ von 1946 entwarf Kittel von sich selbst das Bild eines einsamen christlichen Widerstandskämpfers innerhalb einer krass antichristlichen Partei NSDAP. Eine solche Konstellation entspricht nicht den historischen Tatsachen. Streng genommen war die mehrere Millionen Mitglieder umfassende Volkspartei NSDAP nach ihrer Konfessionszugehörigkeit eine „christliche Partei“. Deutlich über zwei Drittel ihrer Mitglieder gehörten selbst zu einem späte­ ren Zeitpunkt (etwa 1938–1939) noch immer einer der beiden großen christ­ lichen Konfessionen im Deutschen Reich an. Untersucht man die verborgene Religiosität in der Partei näher, so zeigt sich, dass in Glaubensfragen eine erstaunliche religiöse Gesinnungsvielfalt innerhalb der politisch totalitären Monopolpartei bestand, über die freilich in der Öffentlichkeit nicht debat­ tiert werden durfte. Religionsdebatten zwischen Christen und „gottgläubi­ gen“ Nichtchristen, Konfessionsstreitereien zwischen Evangelischen und Katholiken oder kirchenpolitischer Richtungsstreit wie im „Kirchenkampf“ zwischen Deutschen Christen und Bekenntnischristen waren partei­ intern unerwünscht und wurden im Sinne einer übergreifend postulierten Grundgesinnung aller Deutschen („Volksgemeinschaft“) unterbunden.23 In der Parteispitze dominierten zweifellos „weltanschauliche Rigoristen“ (Klaus Scholder) wie Heinrich Himmler, Reinhard Heydrich oder Alfred Rosenberg. Sie trieben den religiösen Mentalitätsbruch in dem ganz über­ wiegend christlich geprägten Deutschen Reich mit kulturrevolutionären Konsequenzen voran. Christlicher Glaube und ein neudeutscher Gottglaube, so ihre weltanschauliche Überzeugung, gingen nicht auf längere Sicht zusammen, folglich würde der „alte Glaube“ dem „neuen Glauben“ weichen müssen. Dieser radikalen Fraktion standen religiöse Traditionalisten in der NSDAP gegenüber, die hier „christliche Nationalsozialisten“ genannt seien. In der Parteispitze waren sie schwächer vertreten, es sind Namen wie Reichskirchenminister Kerrl, der bayerische Kultusminister Hans Schemm oder der ostpreußische Gauleiter Erich Koch zu nennen. Auf der mitt­ leren und breit ausfächernden unteren Parteiebene spielten sie allerdings eine wichtige Rolle für die Loyalitätsbindung großer Bevölkerungsteile, denn viele Parteigenossen bekannten sich zwar als politisch gläubige Nationalsozialisten, wollten aber zugleich an christlichen Traditionen 23  Zu Konfessionszugehörigkeiten in der NSDAP: Nolzen, Armin, Nationalsozialismus und Christentum. Konfessionsgeschichtliche Befunde zur NSDAP, in: Manfred Gailus/ Armin Nolzen (Hg.), Zerstrittene „Volksgemeinschaft“. Glaube, Konfession und Religion im Nationalsozialismus, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2011, 151–179; grundlegend zur Mitgliederentwicklung und zu innerparteilichen Strukturen jetzt: Falter, Jürgen W., Hitlers Parteigenossen. Die Mitglieder der NSDAP 1919–1945, Frankfurt am Main/New York: Campus Verlag 2020.

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festhalten. Sie repräsentieren einen verbreiteten religiösen Synkretismus der Epoche. Die neuere Forschung spricht von Ausprägungen hybrider Doppelgläubigkeit. Ohne Berücksichtigung dieser doppelten, völkischreligiösen Gläubigkeiten ist das Funktionieren des NS-Staats kaum zu er­ klären.24 Mit anderen Worten: So einsam und so allein als bekennender Christ in der angeblich komplett antichristlichen NSDAP, wie Kittel dies seit 1945 von sich behauptete, war er tatsächlich nicht. Es gab viele Parteigenossen, die ähnlich wie er dachten und eine Synthese aus christlich-protestantischer Glaubensprägung und NS-Weltanschauung – gewissermaßen in der natio­ nal-heroischen deutschen Traditionslinie von Luther zu Hitler – wünsch­ ten. Reichskirchenminister Kerrl machte mehrere Anläufe zwischen 1936 und 1939, um bei Hitler mit seinen Ideen einer solchen Synthese durchzu­ dringen, allerdings vergeblich und mit wachsendem Verlust an politischer Reputation.25 Es wird im Falle Kittels auch nicht so gewesen sein, dass er in jeder Parteiversammlung, bei jedem von ihm besuchten Parteivortrag oder bei anderer Gelegenheit demonstrativ aufstand und protestierte, wenn ein postchristlicher neudeutscher Glaube verkündet oder als Massenkult per­ formativ zelebriert wurde. Dann hätte er im Jahr 1938 überhaupt nicht als „Ehrengast des Führers“ zum Nürnberger Parteitag fahren dürfen. Vielmehr schwamm Kittel mit im großen national-völkischen Strom der Zeit und eckte dabei als gläubiger Christ gelegentlich an – wie viele andere Parteigenossen übrigens auch –, wenn er für die Wertschätzung oder Beibehaltung christ­ licher Glaubensgehalte in Partei und Staat eintrat. Das alles wusste man parteiintern über Kittel bald und schickte ihn dennoch vorzugsweise als bestens geeigneten Repräsentanten deutscher Theologie ins Ausland. Er besaß für die Machthaber offensichtlich einen nicht geringen instrumentellen Wert. Zwei innerparteiliche Gutachten über   Vgl. hierzu: Steigmann-Gall, Richard, The Holy Reich. Nazi Conceptions of Christianity 1919–1945, Cambridge: Cambridge University Press 2003; Poewe, K arla, New Religions and the Nazis, New York/London: Routledge 2006; Gailus, Manfred, „Ein Volk – ein Reich – ein Glaube“? Religiöse Pluralisierungen in der NS-Weltanschauungsdiktatur, in: Friedrich Wilhelm Graf/Klaus Große Kracht (Hg.), Religion und Gesellschaft. Europa im 20. Jahrhundert, Köln/Weimar/Wien: Böhlau Verlag 2007, 247–268; Vondung, Klaus, Deutsche Wege zur Erlösung. Formen des Religiösen im Nationalsozialismus, München: Wilhelm Fink 2013; Gailus, Manfred, Nationalsozialismus und Religion: Überlegungen zu einer Gesamtschau, in: Olaf Blaschke/Thomas Großbölting (Hg.), Was glaubten die Deutschen zwischen 1933 und 1945? Religion und Politik im Nationalsozialismus, Frankfurt am Main/ New York: Campus Verlag 2020, 443–468. 25  Vgl. zu Kerrls Bemühungen um Synthese: Gailus, Manfred, „Nationalsozialistische Christen“ und „christliche Nationalsozialisten“. Anmerkungen zur Vielfalt synkretistischer Gläubigkeiten im „Dritten Reich“, in: Ders./Hartmut Lehmann (Hg.), Nationalprotestantische Mentalitäten in Deutschland (1870–1970). Konturen, Entwicklungslinien und Umbrüche eines Weltbildes, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2005, 223–261, hier 243–246. 24

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den Tübinger Theologen aus dem Jahr 1943 beschreiben Kittels Dilemma als „christlicher Nationalsozialist“ ziemlich genau: So wurde ihm die ak­ tive Teilnahme sowohl in seiner Tübinger wie in seiner Wiener NSDAPOrtsgruppe bescheinigt. Er stehe allerdings vor dem Problem, heißt es in dem ersten Gutachten, dass sich christliche und nationalsozialistische Weltanschauung zueinander im Widerspruch befänden. Wegen seines un­ bedingten Eintretens für die Kirche sei bei Kittel ein „gewisses Lavieren“ zu beobachten. Ein zweites, mehr kritisches politisches Gutachten schil­ derte Kittel als einen Verfechter des kirchlichen Christentums. In dieser Eigenschaft sei er verbissener als manche anderen Parteigenossen. Er kön­ ne als ein typischer Vertreter der in Süddeutschland frommen Leute gel­ ten, „die mit ihrer Frömmigkeit ein verblüffendes Geschick zur günstigen Regelung ihrer irdischen Angelegenheit zu verbinden wissen“.26

D. Die Aufgabe In diversen sich bietenden Konstellationen erscheint Kittel stets als ein „Mann der Mitte“, in Konflikten niemals völlig auf der einen oder an­ deren Seite stehend. Was ihn auszeichnete, war ein virtuos praktiziertes, chamäleonartiges Farbwechselvermögen, mit dem er sich je nach Umgebung und Situation den Gegebenheiten anzupassen verstand. Man kann das als geschicktes Verhalten deuten und Kittel ein hohes Maß an ausgleichenden diplomatischen Eigenschaften zuschreiben. Man kann das allerdings ebenso sehr als gezieltes und bisweilen trickreiches Lavieren oder als opportunis­ tische Anpassungshaltung bezeichnen. Nach Kriegsende rechtfertigte Kittel sich: Er sei zwar in der NSDAP gewesen, aber doch mit der eigentlichen Zielsetzung, um christlichen Widerstand gegen sie zu leisten. Vor 1945 hingegen pflegte er in vielen Situationen als ein Mann der Partei aufzutreten, der auch das Parteiabzeichen am Revers trug, besonders in internationalen offiziellen Rollen als anerkannter Repräsentant der deutschen Theologie. Und das gilt offenbar fast bis zum Ende des NS-Regimes, jedenfalls bis Herbst 1944, wie sich aus Kittels eigener Schilderung ergibt.27  Es handelt sich um die Gutachten von Erich Hahnenbruch (SD-Abteilung IV B 2, Politischer Protestantismus) und von Robert Wetzel (Führer des Tübinger Dozentenbundes); aus beiden wird zit. in: Junginger, Kittel. Ein biografischer Abriss, 246 f. 27   So wird berichtet, Kittel sei während seiner Vorträge in Cambridge (1937) mit dem Partei­ abzeichen aufgetreten. Vgl. Head, Peter M., The Nazi Quest for an Aryan Jesus, in: Journal for the Study of the Historical Jesus 2 (2004), 55–89, hier 72; zit. n. Junginger, Kittel. Ein biografischer Abriss, 226, Anm. 43. Kittel selbst berichtet in seiner „Verteidigung“ von 1946, er sei im Herbst 1944 „aus dem Volkssturm ausgeschlossen“ worden und habe daraufhin „auf offener Strasse“ sein Parteiabzeichen abgerissen und von sich geworfen. Vgl. Kittel, Meine Verteidigung, 69 (unveröffentlichtetes Manuskript 1946, Universitätsarchiv Tübingen, Signatur 162/31, 69). 26

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Auch kirchenpolitisch versuchte er, sich als ein „Mann der Mitte“ zu positionieren. Die innerkirchliche Massenbewegung der Deutschen Christen verließ er in Württemberg relativ früh im November 1933. Das geschah nach dem Berliner „Sportpalastskandal“ (13. November), als der Berliner DC-Gauobmann Reinhold Krause eine programmatische Rede hielt, die sich in ihrer Terminologie an vielen Stellen kaum noch von Alfred Rosenberg unterschied. Kittel folgte in diesem Krisenmoment dem Schritt etlicher Tübinger Professorenkollegen und vieler Gemeindepfarrer in Württemberg. Damit näherte er sich einem gemäßigten Kirchenkampf kurs des Landesbischofs Theophil Wurm an, ohne sich freilich der Bekennenden Kirche anzuschließen. Kittel war mitbeteiligt an der Formulierung der „Zwölf Tübinger Sätze“ (11. Mai 1934), die zwischen den aufgebrochenen kirchenpolitischen Richtungen zu vermitteln versuchten und von über 600 württembergischen Pfarrern unterzeichnet wurden. Mit diesem Statement dankten die Theologen Gott für die Sendung Hitlers als Retter der Deutschen aus schwerer Not und bekannten sich – gegen die diktatorischen Ansprüche des Reichsbischofs Ludwig Müller in Berlin – zu Bischof Wurm als dem rechtmäßigen Führer der württembergischen Landeskirche.28 Die Barmer Theologische Erklärung vom Mai 1934 kritisierte Kittel in einem offenen Brief mit deutlichen Spitzen gegen die dieses Dokument wesentlich mitprägende Theologie Karl Barths. Daraus entwickelte sich ein kontro­verser Briefwechsel mit Barth, in dem Kittel sich zu seiner Schrift „Die Judenfrage“ vom Sommer 1933 bekannte und betonte, er würde sie auch jetzt in allen wesentlichen Punkten genau so wieder schreiben. Er beanspruchte in dieser Auseinandersetzung gegenüber Barth, „das neu­ testamentliche Problem des Judentums ernster zu nehmen als die christli­ chen Beschützer des Assimilationsjudentums.“ 29 Zugleich pflegte Kittel ein zunehme­nd freund­schaftliches Nahverhältnis zu Landesbischof Wurm, was er nicht zuletzt durch seinen Hausbesuch beim Bischof, als dieser im Herbst 1934 vorübergehend unter Hausarrest stand, zum Ausdruck bringen wollte.30 Aber auch hier, auf dem zerstrittenen Terrain des Kirchenkampfes, la­ vierte er, bewegte sich häufig zwischen den Fronten. Seine Kontakte zum Reichskirchenministerium und zur weithin deutschchristlich orientierten  Vgl. Schäfer, Gerhard (Hg.), Die evangelische Kirche in Württemberg und der Nationalsozialismus, Bd. 3: Der Einbruch des Reichsbischofs in die württembergische Landeskirche, Stuttgart: Calwer 1974, 334–339, 335f. 29   Kittel, Gerhard, Karl Barth und Gerhard Kittel. Ein theologischer Briefwechsel, Stuttgart: Kohlhammer 1934 (zit. n. Junginger, Kittel. Ein biografischer Abriss, 220). 30   Den Hausbesuch bei dem unter Hausarrest stehenden Landesbischof erwähnt er in seiner „Verteidigung“ als Ausweis seines widerständigen Verhaltens. Der Vorgang wird von Bischof Wurm in seinem Gutachten für Kittel von 1947 bestätigt (vgl. Schreiben Landesbischof Wurm vom 24.4.1947 an den Staatskommissar für die politische Säuberung, in: Landeskirchliches Archiv Stuttgart, A 127, Nr. 1267 b). 28

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Leitung der offiziellen Deutschen Evangelischen Kirche (DEK) in Berlin waren offenbar gut. So genoss er das Vertrauen von Bischof Theodor Heckel im Kirchlichen Außenamt, das er für die Genehmigung seiner Auslandsreisen brauchte.31 Der bei den Machthabern ungünstige Ruf ein­ er Nähe zur Bekennenden Kirche haftete Kittel jedenfalls nicht an. Der Theologe bewegte sich zwischen den Fronten des Kirchenkampfes und ver­ suchte offenbar, stets eine gemäßigte, irgendwie mittlere und wenig angreif­ bare Position zu finden. Dies allerdings mit unterschiedlichem Erfolg. Als der bayerische Landesbischof Hans Meiser im August 1944 einen von Kittel im Jahr zuvor an der Universität Wien gehaltenen Vortrag „Die Entstehung des Judentums“ als „Berufshilfe“ an die bayerische Pfarrerschaft versandte, protestierte der Erlanger Bekenntnistheologe Hermann Sasse in einem Brief an Meiser scharf: Kittel ist einer der gerissensten theologischen Geschäftsleute unse­r er Zeit, was ich aus jahrelanger Mitarbeit an seinem Wörterbuch weiß. Sein Paktieren mit den DC aller Richtungen ist uns schon immer eine schwere Anfechtung gewesen, z.B. dass er Herrn Grundmann, einen Totengräber unse­r er Kirche in Thüringen, niemals ausgebootet hat. Dieser Vortrag ist ein Dokument seiner Tätigkeit in dem „Reichsinstitut für Geschichte des Neuen Deutschlands“, das die wissenschaftlichen Grundlagen für die gegenwärtige Judenpolitik zu liefern hat. Kittel hat mit dazu geholfen, auch durch diesen Vortrag, die evangelische Theologie dafür mithaftbar zu machen.32

Der Tübinger Theologe war ein Meister selbstzentrierter Netzwerkarbeit. Und dies auf mehreren Gebieten während der Hitlerzeit: theologischwissens­chaftlich als Koordinator des ThWNT; wissenschaftspolitisch als ein vom NS-Regime anerkannter Repräsentant deutscher Theologie, der bei Beratungen ins Vertrauen gezogen wurde; schließlich kirchlich und kirchen­ politisch mit seiner Mittelstellung zwischen Deutschen Christen und Bekennender Kirche und seiner engen Beziehung zu Bischof Wurm. Die weit gespannte kirchliche Vernetzung in Württemberg hielt selbst noch während der drei ersten Nachkriegsjahre, als Kittel sich überwiegend in Haft befand, wie das Konvolut an Entlastungsschreiben als Beigabe zu sei­ ner „Verteidigung“ beweist. Zahlreiche dieser Entlastungsbriefe in dem über einhundert Seiten umfassenden Konvolut liegen in Abschriften mit dem 31   Vgl. hierzu Bormann, Kittels wissenschaftliche Auslandsbeziehungen, 152 f. Zu Theodor Heckel als „Auslandsbischof“, der sich bemühte, sämtliche Außenkontakte (Reisen) deutscher Theologen in staatskonformer Weise zu kontrollieren, s. Besier, Gerhard, Die Kirchen und das Dritte Reich. Spaltungen und Abwehrkämpfe 1934–1937, München: Econ Ullstein List Verlag 2001, bes. 558–560. Jetzt auch, allerdings mit einigen fragwürdigen Deutungen: Brauer, K arl, Für die Freiheit und Unabhängigkeit der Kirche. Eugen Gerstenmaiers religiöse und theologi­ sche Entwicklung im Spannungs- und Handlungsfeld von Kirche und Staat bis 1945, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2020, bes. 202–214. 32  Schreiben Hermann Sasse vom 28.8.1944 an Landesbischof Meiser, zit. n. Röhm, Eberhard/Thierfelder, Jörg, Juden – Christen – Deutsche, Bd. 4/II: 1941–1945, Stuttgart: Calwer 2007, 353.

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Stempel des Evangelischen Dekanats Tuttlingen vor. In dieser kirchlichen Einrichtung, so scheint es, hatte die württembergische Landeskirche eine Art Schreibbüro in Sachen Kittel eingerichtet, um den Theologen im bevor­ stehenden Spruchkammerverfahren zu unterstützen und die eingegangenen „Persilscheine“ zu vervielfältigen. In bislang nicht zu überschauender Zahl wurden diese Abschriften („Meine Verteidigung“ und „Beilagen“, zusam­ men ca. 180 Blatt) in alle nur denkbaren Richtungen versandt, um für eine Entlastung Kittels zu werben.33 Es empfiehlt sich für eine Kittel-Biografie, unbedingt auf die Methoden und Terminologien der historischen Netzwerkanalyse zurückzugreifen, die in jüngster Zeit in einer Reihe von Studien erfolgreich angewandt worden sind, insbesondere in Untersuchungen zum deutschen Widerstand gegen das NS-Regime.34 Soziale Netzwerke in diesem Sinn sind informell und kaum planmäßig strukturiert. Deren Akteure teilen nicht zwingend gemeinsame Identität. Über bestimmte Punkte (Personen) werden Zentren (Cluster) miteinander verbunden. Entlang dieser Beziehungen findet ein Austausch von Informationen, Ressourcen und Dienstleistungen statt. Netzwerkbeziehungen werden vorrangig dann gebildet, wenn bestimmte Ziele erreicht werden sollen, wobei an die einbezogenen Personen Erwartungen hinsichtlich ihrer Tauglichkeit gerichtet werden.35 Kittel repräsentierte unzweifelhaft Zentralpunkte mehrerer derartiger Kommunikationsgeflechte, und er ver­ stand es geschickt, sie für seine Zwecke und persönliches Fortkommen zu nutzen. Eine Kittel-Biografie steht des Weiteren vor der schwierigen Aufgabe, die Ausprägungen privater Frömmigkeit der Kittels in familiengeschicht­licher Perspektive näher zu erforschen. Gerade hier mangelt es an Einblicken, da der Privatnachlass verschlossen ist. Im Allgemeinen wird der aus dem Württembergischen stammenden Familie eine Nähe zum schwäbischen Pietismus zugeschrieben. Vater Rudolf Kittel (geb. 1853 in Eningen) war Sohn eines Lehrers und wirkte vor seinem Ruf nach Breslau (1888) zeitweilig als Repetent am Theologischen Stift Tübingen und als Gymnasiallehrer in Stuttgart. Als ordinierter Pfarrer predigte Gerhard Kittel zur Weltkriegszeit 33   Vgl. Universitätsarchiv Tübingen, Signatur 162/31: Beilagen zu Gerhard Kittel: Meine Verteidigung; o. Pag. (104 S.). 34  Vgl. Düring, Marten, Verdeckte Soziale Netzwerke im Nationalsozialismus. Berliner Hilfs­ netz­werke für Ver­folgte, Berlin: Oldenbourg 2015; Keyserlingk-Rehbein, Linda von, Nur eine „ganz kleine Clique“? Die NS-Ermittlungen über das Netzwerk vom 20. Juli 1944, Berlin: Lukas Verlag 2018; Voigt, Martina, Versuche zur Rettung verfolgter Juden in der NS-Zeit: Das Hilfsnetzwerk um die Berliner Pädagogin Elisabeth Abegg (Magisterarbeit im Fach Geschichte an der TU Berlin), Berlin 2015. 35  Vgl. hierzu: Düring, Marten/Eumann, Ulrich, Historische Netzwerkforschung. Ein neuer Ansatz in den Geschichtswissenschaften, in: Geschichte und Gesellschaft 39 (2013), 369–390; Düring, Marten u.a. (Hg.), Handbuch Historische Netzwerkforschung. Grundlagen und Anwendungen, Berlin: Lit 2016.

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als Marinefeldgeistlicher von der Kanzel der Cuxhavener Garnisonkirche. Einige dieser Predigten sind publiziert. Im Familiennachlass dürften wei­ tere Kriegspredigten und andere Kanzelreden des evangelisch-lutheri­ schen Geistlichen auf bewahrt sein. Kittels öffentliche Klage über mo­ ralischen Verfall in Deutschland (1921) lässt pietistische Besorgnis über Säkularisierung, wachsende „Gottlosigkeit“ und weltliche Verderbtheit anklingen.36 Während seiner Tübinger Zeit war der Neutestamentler an Universitätsgottesdiensten beteiligt. Auch hielt er regelmäßig Bibelstunden für Studierende der Theologie. Nach 1945 betätigte er sich zeitweilig als (in­ offizieller) Seelsorger im Lager Balingen. Obwohl selbst Internierter, suchte er seine Mitgefangenen, nationalsozialistisch belastete Alt- und Ex-Nazis, zu Stubenandachten in ihren Baracken auf und hatte dann gelegentlich mit deren Neigung zu weltlichem Zeitvertreib wie „Kartenspiel“ zu kämpfen. In der kleinen Diasporagemeinde Beuron hatte er anschließend einen offi­ ziellen kirchlichen Auftrag der Landeskirche Württemberg als Pfarrer inne, was zweifellos seinem in der Nachkriegsöffentlichkeit gesunkenen Ansehen auf half. Es gab also den praktizierenden Geistlichen neben dem Wissenschaftler. Das alles erlaubt freilich noch wenige Rückschlüsse auf die häuslich-private Frömmigkeit der Familie Kittel. Es scheint mir aber plausibel, bei Gerhard Kittel einen Zusammenhang zwischen einer pietistisch-biblizistischen Familienprägung und seiner entschieden antijudaistischen Lektüre des Neuen Testaments anzunehmen, die sich auf diverse biblische Belegstellen berufen konnte. Diese Belegstellen zitiert Kittel wiederholt zu seiner Rechtfertigung in seiner „Verteidigung“ von 1946 und im Schriftwechsel der Jahre 1946–1948. Er sei als gläubiger Christ lediglich dem gefolgt, so nahm er für sich in Anspruch, was so oder ähnlich in der Bibel geschrie­ ben stehe und entsprechend habe er sein Verhalten auch 1933–1945 ausge­ richtet. Kurz: Kittel hat aus Gründen subjektiver religiöser Wahrhaftigkeit gemeint, als rechtgläubiger Christ einen scharfen Antijudaismus vertreten zu sollen und zu müssen. Damit ist für eine Kittel-Biografie zugleich das generelle Thema antijüdischer Gehalte im Neuen Testament aufgeworfen, ein Problem, an dem sich nach Hitler und Holocaust vor allem die aktuelle Theologie abzuarbeiten hat.37 Familiengeschichtlich wäre das Vater-Sohn-Verhältnis zwischen dem international renommierten Alttestamentler Rudolf Kittel und seinem Sohn Gerhard Kittel zu hinterfragen. Über diese Vater-Sohn-Beziehungen ist we­ nig bekannt. Offensichtlich ist, dass die hohe wissenschaftliche Reputation des Vaters für den Sohn hilfreich war, um eine rasche akademische Karriere  Vgl. Kittel, Die religiöse und kirchliche Lage in Deutschland.   Zur familiären Frömmigkeit und zur Kittelschen Selbstzurechnung zur Pietismustradition s. Siegele-Wenschkewitz, Neutestamentliche Wissenschaft, bes. 84; Lindemann, Gerhard Kittel. 36 37

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einzufädeln. Die erstaunlich guten Platzierungen des Kittel-Sohns bei sei­ nen ersten Bewerbungen um eine Professur überraschen doch und sind nicht unbedingt durch das bis dahin relativ schmale Werk legitimiert. Auch sei­ ne Themenwahl, seine Vertrautheit mit antiken jüdischen Quellen und eine durch wissenschaftliche Aktivitäten des Vaters vermittelte „nützliche Nähe“ zu jüdischen Wissenschaftlern waren teilweise ein vorgegebenes, für die Karriere förderliches Erbe. Für Gerhard Kittels frühe Publikationen stan­ den teils vom Vater herausgegebene Schriftenreihen sowie mutmaßlich auch andere, seit langem bestehende publizistische Kontakte und internationa­ le Verbindungen zur Verfügung. Mit anderen Worten: Der Sohn schuldete dem Vater doch Einiges und es ist zu fragen, wie diese Konstellation die Vater-Sohn-Beziehungen mitprägte. In der Familie schien mit den erfolgrei­ chen Hochschulkarrieren von Rudolf und Gerhard Kittel der Anfang einer Theologendynastie begründet worden zu sein. Sie brach dann in der dritten Generation während des „Dritten Reiches“ allerdings ab. Warum eigentlich? Ein Biograf sollte die Frage verfolgen, warum Kittels Sohn Eberhard, der 1937 das Abitur ablegte, dem Großvater und Vater nicht in die prestigeträch­ tige Lauf bahn eines Hochschultheologen nachfolgte. Gerhard Kittels Sohn entschied sich ca. 1938–1939 für ein Medizinstudium und war bald nach Kriegsbeginn zur Wehrmacht eingezogen. 1944 legte er das medizinische Staatsexamen ab. Nach Kriegsende war seine langwierige medizinische Ausbildung noch nicht abgeschlossen, wie sich aus Unterstützungszahlungen des Vaters um 1947 an den noch in der Ausbildung in Heidelberg stehen­ den Sohn ergibt. Hatte sich der junge Eberhard Kittel wie sein Vater auch der NSDAP angeschlossen? War es womöglich die um 1940 absehbare und schon weit vorangeschrittene Abwicklung der Hochschultheologie an den Universitäten des „Dritten Reiches“, die den Sohn bewog, das zu diesem Zeitpunkt aussichtsreichere Studium der Medizin aufzunehmen? Alles dies sind Fragen, die in einer Biografie auf der Grundlage neu erschlossener Quellenbestände zu beantworten wären.38 Zuletzt: Kittels umfassendes schriftliches Selbstzeugnis „Meine Vertei­ di­g ung“ aus dem Jahr 1946 – ein Monument autobiografischer Selbst­ darstellung, Selbstrechtfertigung, Neuerfindung! Für jede Kittel-Biografie liegt damit ein Ego-Dokument von kaum zu überschätzendem Wert vor. Der Text ist inzwischen durch Matthias Morgenstern und Alon Segev (in engli­ scher Sprache) ediert, kommentiert und auch mehrfach analysiert worden.39 38  Einige Hinweise zum offenbar guten, einvernehmlichen Vater-Sohn-Verhältnis und zur maßgeblichen väterlichen Beeinflussung der Themenwahl Gerhard Kittels finden sich in: Siegele-Wenschkewitz, Neutestamentliche Wissenschaft, 47 (bes. Anm. 10), 49, 81 u. ö.; Lindemann, Gerhard Kittel; Bormann, Kittels wissenschaftliche Auslandsbeziehungen, bes. 138–141; zu Eberhard Kittels Biografie auch der Artikel: „Das Vertrauen der Hanauer gewon­ nen“, in: Baden online vom 28.7.2010. 39   Morgenstern, Matthias/Segev, Alon, Gerhard Kittels „Verteidigung“. Die Recht­

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Gleichwohl scheinen mir diese gut siebzig Seiten noch längst nicht ausge­ schöpft. Sie fordern eine vertiefende Analyse, vielleicht mit Unterstützung von Seiten professioneller Hilfe der wissenschaftlichen Psychologie. Was mich am meisten frappierte bei der Lektüre, war Kittels halsstarriges Festhalten an einmal gefassten Glaubens- und Wissensüberzeugungen so­ wie sein genereller Mangel an innerer Betroffenheit über das doch offen­ sichtlich unter seiner geistigen Mithilfe angerichtete Nationaldesaster der Deutschen, sein eklatanter Mangel an Beschämung über sich selbst. Ein bezeichnender Kernsatz Kittels von 1946 lautet demzufolge: Er habe nicht einem Juden auch nur ein einziges Haar gekrümmt. Eine künftige Biografie wird diesem zentralen Ego-Dokument des Protagonisten einen zentralen Stellenwert zuweisen müssen. Vielleicht wäre es klug, eine Biografie damit beginnen zu lassen. Dieser Text, behutsam mit den Mitteln psychologischer Analyse untersucht, ist womöglich der Generalschlüssel, um ein fundiertes individuelles Charakterbild des Protagonisten zu gewinnen. Eine professio­ nelle Analyse dieses „Jahrhunderttexts“ wäre damit zugleich ein Beitrag zum Verständnis der deutschen Katastrophe im 20. Jahrhundert und ihrer schwierigen, verzögerten Verarbeitung während der Nachkriegszeit. Kittels Rechtfertigungstext dürfte paradigmatisch für eine ganze Generation von Deutschen sein, die sich während der Hitlerzeit in Anpassung übten oder in die Rolle von Mitläufern und in direkte Kollaboration mit dem Regime begeben hatten.40 Björn Krondorfer hat vor geraumer Zeit autobiografische Texte von Theologen aus der Nachkriegszeit untersucht, darunter prominente Figuren wie Theophil Wurm, Hanns Lilje, Walter Künneth und Helmut Thielicke. Keiner der Männer, so resümiert er, sei der Herausforderung durch Auschwitz mit einer persönlichen Bekenntnisschrift entgegengetreten. „Besonders in den Erinnerungsdiskursen von Künneth und Thielicke ist deutlich geworden, wie sehr sie an Selbstrechtfertigung, moralischer Reinwaschung und Subjektverbergung teilgenommen haben. Sie möchten nach 1945 in ihrer moralischen (...) Integrität und Autorität an­ erkannt werden, schwelgen aber in wehleidigen Reminiszenzen. Sie haben ferti­ gungs­ schrift eines Tübinger Theologen und „Judenforschers“ vom Dezember 1946, Wiesbaden: Berlin University Press 2019; ferner Gailus, Manfred, Gerhard Kittels „Meine Verteidigung“ von 1946: Rechtfertigungsversuche eines schwer kompromittierten Theologen, in: Gailus/Vollnhals (Hg.), Christlicher Antisemitismus, 161–182. 40   Vgl. zu diesem Genre der autobiografischen Aufarbeitung und Verdrängung: K rondorfer, Björn/Kellenbach, K atharina von/Reck, Norbert, Mit Blick auf die Täter. Fragen an die deutsche Theologie nach 1945, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2006. Jetzt auch mit neue­n Fragestellungen: Lessau, Hanne, Entnazifizierungsgeschichten. Die Auseinandersetzung mit der eigenen NS-Vergangenheit in der frühen Nachkriegszeit, Göttingen: Wallstein 2020; die Verfasserin unternimmt auf breiter Quellengrundlage den Versuch, die Umdeutungen der eigenen Vergangenheit durch die Fragebogen-Generation der frühen Nachkriegszeit als Erfahrungsgeschichte neu zu bewerten. Es wäre lohnend, Hanne Leßau für ein Statement über Kittels „Meine Verteidigung“ zu gewinnen.

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sich auf das Leid der Deutschen versteift und die Leiden der Anderen ver­ schwinden lassen.“41 Zu einer kompletten Biografie Kittel gehörte schließlich der Umgang mit dem „Fall Kittel“, insbesondere das viele Jahrzehnte währende Beschweigen seiner ganz unzweifelhaften NS-Kollaborationen durch eine weit gespannte protestantische Verschweigegemeinschaft der Nachkriegszeit. Zu thematisie­ ren ist ein spezifisches „Tübingen-Syndrom“, an dem offenbar viele örtliche evangelische Zeitgenossen während der Adenauerära und darüber hinaus teil­ hatten. Zu unterstellen ist ein mutmaßlicher moralischer Unterstützungskreis um die Witwe Elisabeth Kittel (geb. Rohde), die im Jahr 1972 in Tübingen verstarb. Der öffentliche Ansehens- und Ehrverlust der renommierten Theologenfamilie, die zum Honoratiorenkreis der Universitätsstadt Tübingen und darüber hinaus zur Elite des württembergischen Protestantismus gehörte, muss gewaltig gewesen sein. Da sammelte sich in einem vertrauten Kreis von Freunden und Nachlebenden, neben Trauer und Schmerz gewiss auch viel Scham, Enttäuschung, Abwehr, Ärger und wohl nicht zuletzt auch ein gewisses Ressentiment gegenüber einer als verständnislos empfunde­ nen Öffentlichkeit. Schon bei Kittel selbst klang dieser Ton an. In seinem Briefwechsel mit Vertrauten um 1946–1947 war von einer gegen ihn ein­ gestellten „Clique“ an der Hochschule und von „denunzieren“ die Rede, wo es doch tatsächlich im Vorfeld des Spruchkammerverfahrens zunächst um Sammlung von Informationen ging, um die möglichst präzise Auf klärung und politische Neubewertung des Verhaltens eines Hochschullehrers zur Hitlerzeit. Zum engeren Kittel-Unterstützerkreis dürften Dora Schlatter (1890–1979), Tochter des langjährigen und mit Kittel eng befreundeten Tübinger Großtheologen Adolf Schlatter, und der Theologe Karl Heim (1874–1958) gehört haben. Beide hatten 1947 eine umfangreiche Pro-KittelErklärung mit unterzeichnet. Sie bescheinigte dem Theologen „beständigen aktiven Widerstand“, und dies am „gefährlichsten Frontabschnitt des welt­ anschaulichen Ringens“, auf dem „Gebiet der Judenfrage“.42 Zu diesem prä­ sumtiven Kittel-Kreis ist ferner Adolf Köberle (1898–1990) zu zählen, der 1946–1947 als Vertrauensmann des inhaftierten Kollegen dessen Interessen in der Öffentlichkeit wahrnahm. Von 1939 bis 1965 amtierte er als Professor für Systematische und Praktische Theologie in Tübingen.43 Nach dem auffallend schonenden Umgang mit dem „Fall Kittel“ in sei­ nem großen, bahnbrechenden Werk über die Kirchen im „Dritten Reich“ zu schließen, dürfte auch der seit 1968 an der Theologischen Fakultät 41  Vgl. K rondorfer, Björn, Nationalsozialismus und Holocaust in Autobiografien protes­ tantischer Theologen, in: Ders./von Kellenbach/Reck, Mit Blick auf die Täter, 23–170, Zit. 138f. 42  Landeskirchliches Archiv Stuttgart, A 127, Nr. 1267 b; darin: Schreiben von Karl Heim u.a. an den Staatskommissar für die politische Säuberung und den Vorsitzenden der Spruchkammer für die Universität vom Oktober 1947. 43  Zu Köberle vgl. Gailus, Gerhard Kittels „Meine Verteidigung“, 173.

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Tübingen (Lehrstuhl für Kirchenordnung) lehrende Kirchenhistoriker Klaus Scholder auf die Befindlichkeiten des Kittel-Kreises Rücksicht genommen haben. Der 1930 geborene Scholder gehörte nun bereits einer jüngeren Generation an. Möge die Wahrheit auch schmerzlich sein, so hatte er 1977 im Vorwort seines großen Buches angekündigt, schmerzlicher noch sei dagegen die Unwahrheit. In seinem 900-Seiten-Werk indessen schwieg er sich über Kittel aus.44 Auch in seinem zweiten Band über Kirchen im „Dritten Reich“, erschienen posthum als Torso im Jahr 1985, hatte sich an dieser Zurückhaltung wenig geändert. Zum Thema Kittel verwies Scholder nun auf die Publikationen seiner Assistentin Siegele-Wenschkewitz.45 Selbst ein 1998 erschienener, verdienstvoller Sammelband mit dem bezeichnenden Titel Wir konnten uns nicht entziehen, herausgegeben von Rainer Lächele und Jörg Thierfelder, mit 30 Porträts zu Kirche und Nationalsozialismus in Württemberg, sparte aus unerfindlichen Gründen Gerhard Kittel aus.46

E. Fazit Es wäre zu wünschen, dass die hier angestellten Vorüberlegungen, alle­ samt ein Plädoyer für die überfällige Biografie Gerhard Kittels, die Inangriffnahme einer biografischen Studie fördern mögen. Diese Biografie sollte möglichst den Zuschnitt einer Familienbiografie haben, die sowohl das geistige wie religiöse Erbe des Vaters wie auch den Abbruch der fami­ liären Theologietradition durch den Sohn Eberhard Kittel und dessen of­ fenkundige Verweigerung öffentlichen Sprechens zur Sache bis 2010 ein­ bezieht. An Vorarbeiten fehlt es inzwischen nicht. Genannt seien nur stell­ vertretend die Forschungen von Leonore Siegele-Wenschkewitz, Robert P. Ericksen, Horst Junginger, Matthias Morgenstern sowie last but not least Lukas Bormann mit seinen Aufsätzen zu Kittels Auslandskontakten, der Organisation der internationalen Marburger Kittel-Tagung vom November  Vgl. Scholder, Klaus, Die Kirchen und das Dritte Reich, Bd. 1: Vorgeschichte und Zeit der Illusionen 1918–1934, Frankfurt am Main/Berlin: Propyläen 1977; einzige Erwähnung Kittels in den Anmerkungen auf S. 858, Anm. 52. Es geht dort um den Austritt Tübinger DC-Theologen aus der Glaubensbewegung Deutsche Christen, veranlasst durch den „Sportpalastskandal“ vom 13.11.1933. 45  Vgl. Scholder, Klaus, Die Kirchen und das Dritte Reich, Bd. 2: Das Jahr der Ernüchterung 1934 – Barmen und Rom, Berlin: Wolf Jobst Siedler 1985, 25 und 371 (Anm. 44). 46  Vgl. Lächele, R ainer /Thierfelder, Jörg (Hg.), Wir konnten uns nicht entziehen. 30 Porträts zu Kirche und Nationalsozialismus in Württemberg, Stuttgart: Quell 1998. Der Band bringt neben biografischen Skizzen über Theophil Wurm, Jakob Wilhelm Hauer, den radikalen DC-Theologen Immanuel Schairer, BK-Pfarrer Paul Schempp sowie Wilhelm Pressel auch Porträts der Tübinger Hochschultheologen Karl Fezer und Hanns Rückert, ferner Studien über Ernst Fuchs und Helmut Thielicke. 44

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2020 und der nun vorliegenden Publikation ihrer Beiträge.47 Es bedarf ledig­ lich eines Entschlusses, das lange Zeit versäumte, von vielen Theologen und Historikern – und allen Zeitgenossinnen und Zeitgenossen, die sich für die Geschichte des Christentums und besonders des deutschen Protestantismus im 20. Jahrhundert interessieren – erwartete wichtige Werk endlich in Angriff zu nehmen.

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am Main/New York: Campus Verlag 2020. Förster, Hans, Gerhard Kittel. Zur öffentlichen Wirkung eines Theologen in der Zeit des Dritten Reichs, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 131.3 (2020), 365–388. Gailus, Manfred, „Ein Volk – ein Reich – ein Glaube“? Religiöse Pluralisierungen in der NS-Weltanschauungsdiktatur, in: Friedrich Wilhelm Graf/Klaus Große Kracht (Hg.), Religion und Gesellschaft. Europa im 20. Jahrhundert, Köln/Weimar/Wien: Böhlau Verlag 2007, 247–268. –, „Nationalsozialistische Christen“ und „christliche Nationalsozialisten“. Anmerkungen zur Vielfalt synkretistischer Gläubigkeiten im „Dritten Reich“, in: Ders./Hartmut Lehmann (Hg.), Nationalprotestantische Mentalitäten in Deutschland (1870–1970). Konturen, Entwicklungslinien und Umbrüche eines Weltbildes, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2005, 223–261. –, Gerhard Kittels „Meine Verteidigung“ von 1946: Rechtfertigungsversuche eines schwer kompromittierten Theologen, in: Gailus/Vollnhals (Hg.), Christlicher Antisemitismus, 161–182. –, Vollnhals, Clemens (Hg.), Christlicher Antisemitismus im 20. Jahrhundert. Der Tübinger Theologe und „Judenforscher“ Gerhard Kittel, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2020. –, Nationalsozialismus und Religion: Überlegungen zu einer Gesamtschau, in: Olaf Blaschke/Thomas Großbölting (Hg.), Was glaubten die Deutschen zwischen 1933 und 1945? Religion und Politik im Nationalsozialismus, Frankfurt am Main/New York: Campus Verlag 2020, 443–468. Graf, Friedrich Wilhelm, Protestantische Universitätstheologie in der „Deutschen Revolution“, in: Ders./Hans Günter Hockerts (Hg.), Distanz und Nähe zugleich? Die christlichen Kirchen im „Dritten Reich“, München: NS-Dokumentationszentrum München 2017, 119–164. Hammann, Konrad, Rudolf Bultmann. Eine Biografie, Tübingen: Mohr Siebeck 2009. Harders, Levke, Historische Biografieforschung, in: Docupedia Zeitgeschichte, 31.10.2020. Head, Peter M., The Nazi Quest for an Aryan Jesus, in: Journal for the Study of the Historical Jesus 2 (2004), 55–89. Junginger, Horst, Bibliografie Gerhard Kittel, in: Gailus/Vollnhals (Hg.), Christlicher Antisemitismus, 259–267. –, Gerhard Kittel im „Dritten Reich“: Die Karriere eines evangelischen Theologen im Fahrwasser der nationalsozialistischen Judenpolitik, in: Gailus/Vollnhals (Hg.), Christlicher Antisemitismus, 83–100. –, Gerhard Kittel. Ein biografischer Abriss im Kontext der politischen und kirchlichen Zeitgeschichte, in: Gailus/Vollnhals (Hg.), Christlicher Antisemitismus, 203–258. –, Die Verwissenschaftlichung der „Judenfrage“ im Nationalsozialismus, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2011. Keyserlingk-Rehbein, Linda von, Nur eine „ganz kleine Clique“? Die NS-Ermittlungen über das Netzwerk vom 20. Juli 1944, Berlin: Lukas Verlag 2018. Kittel, Gerhard, Karl Barth und Gerhard Kittel. Ein theologischer Briefwechsel, Stuttgart: Kohlhammer 1934. –, Fünf Predigten gehalten in der Evangelischen Marine-Garnison-Kirche zu Cuxhaven, Leipzig: Deichert 1919. –, Die griechische Vorbildung der evangelischen Theologen, in: Theologische Blätter 10,1 (1931) 12–19. –, Grundsätzliches zum Umbau der Kirche, in: Allgemeine evangelisch-lutherische Kirchen­ zeitung vom 7.2.1919, 118–123.

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VII. Die Kittel-Grosheide Korrespondenz

Die Korrespondenz der Jahre 1922 bis 1944 bzw. 1955 von Gerhard und Elisabeth Kittel geb. Rohde mit Frederik Willem und Ottoline Grosheide geb. Schut herausgegeben und kommentiert von

Lukas Bormann und Arie Zwiep unter der Mitarbeit von Moritz Groos, Hannah Kreß und Lisa Sunnus

A. Einleitung Der deutsche Evangelische Theologe und Neutestamentler Gerhard Kittel (1888–1948) stand vom September 1922 bis mindestens September 1944 im brieflichen und persönlichen Austausch mit dem niederländischen Professor für Neues Testament F.W. Grosheide (1881–1972). Die beiden Ehefrauen Elisabeth Kittel geb. Rohde (1886–1972) und A.O.W.D. („Ottoline“) Grosheide geb. Schut (1885–1950), sowie die älteren Kinder der beiden Ehepaare nahmen regen Anteil an der kollegialen Freundschaft der beiden Gelehrten und entwickelten diese zu einer Beziehung der Familien wei­ ter. Es ist charakteristisch, dass das letzte erhaltene Schreiben in diesem Briefwechsel von Elisabeth Kittel stammt. Es wurde im Jahr 1955 und damit sieben Jahre nach dem Tod Gerhard Kittels abgefasst und richtete sich an den inzwischen verwitweten Grosheide. Von diesem umfangreichen und sich über Jahrzehnte erstreckenden Briefwechsel sind nur die Schreiben Gerhard und Elisabeth Kittels zugäng­ lich. Diese sind aber von besonderem Interesse. Gerhard Kittel war der Sohn des weltberühmten und hoch angesehen Alttestamentlers Rudolf Kittel (1853– 1929).1 Er hatte wie der Vater Theologie studiert und war auch in der Wahl seiner theologisch-wissenschaftlichen Interessen der Einschätzung seines Vaters gefolgt. Dieser hatte zunehmend die Einsicht gewonnen, dass es an 1   Smend, Rudolf, Rudolf Kittel (1853–1929), in: Ders., Kritiker und Exegeten. Porträtskizzen zu vier Jahrhunderten alttestamentlicher Wissenschaft, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2017, 454–482; Garber, Zev/Sperling, David S., Art. Kittel, Rudolph, in: Encyclopedia Judaica 12 (2007), 207.

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Lukas Bormann und Arie Zwiep

der Zeit sei, die Geschichte und Kultur des Judentums aus christlich-theolo­ gischer Perspektive wissenschaftlich zu erschließen.2 Die Umbenennung der wissenschaftlichen Reihe, die der Vater herausgab, von „Beiträge zur Wissenschaft vom Alten Testament“ zu „Beiträge zur Wissenschaft vom Alten und Neuen Testament“ belegen diese Erweiterung des Interesses und zeigen zugleich, wie der Vater die Karriere des Sohnes, der zum Herausgeber der neuen Reihe benannt wurde, verfolgte und förderte. Im Briefwechsel mit Grosheide spiegelt sich die Bedeutung des wissenschaft­lichen Netzwerks des Vaters für Kittel an einigen Stellen wieder, etwa wenn Gerhard Kittel auf seine Gespräche mit dem schwedischen Erzbischof Nathan Söderblom (Nr. 1, K 134)3 verweist, der von 1912 bis 1914 Kollege seines Vaters in Leipzig war und über diese Zeit hinaus mit Rudolf Kittel in gutem Kontakt stand.4 Man kann davon ausgehen, dass die zwei herausragenden wissen­ schaftlichen Lebensleistungen, die Kittel selbst hervorhebt (Nr. 35, K 167), das Theologische Wörterbuch zum Neuen Testament und die kommentier­ te Übersetzung rabbinischer Schriften, wesentlich durch den Vater ange­ regt und in ihrer Anfangsphase unterstützt worden waren.5 Der vorliegende Briefwechsel enthält zahlreiche zuvor unbekannte Informationen über die Entstehung dieser beiden Projekte, die das Wissenschaftlerleben Kittels über Jahrzehnte bestimmten und deren Ergebnisse über seinen Tod hinaus bis in die Gegenwart wirksam geblieben sind. Im Jahr 1922, in dem der Briefwechsel begann, war Kittel Ordinarius für Neues Testament an der Universität Greifswald, die ihm als „eine der kleineren Universitäten“ in Deutschland galt (Nr. 8, K 141). Nachdem er in Leipzig studiert hatte, in Kiel promoviert (1913) und habilitiert (1917) worden war, war er nach einer zweijährigen Tätigkeit als Direktor des Religionslehrer-Seminars in Leipzig (1919–1921) zunächst als außerordent­ licher Professor an die dortigen Universität berufen und im gleichen Jahr (1921) nach Greifswald zum Ordinarius befördert worden. 1926 wechselte Kittel als Nachfolger des früh verstorbenen Wilhelm Heitmüller (1869–1926) nach Tübingen (Nr. 28, K 160). 1928 genehmigte die Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft Mittel für die Übersetzung und 2   Kittel, Rudolf, Autobiographie, in: Erich Stange (Hg.), Die Religionswissenschaft der Gegenwart in Selbstdarstellungen, Bd. 1, Leipzig: Meiner 1925, 113–144, hier 142. 3  Die Zahlen in Klammern bezeichnen die Nummer des jeweiligen Schreibens im Briefwechsel nach der Zählung dieser Ausgabe und derjenigen des Grosheidearchivs (Historisch Documentatiecentrum voor het Nederlands Protestantisme, Vrije Universiteit Amsterdam, Collectie nummer 111, Correspondentie Brieven aan F.W. Grosheide, K 134–K 197, Inv 111, Box 14, Ordner 124). 4   Lange, Dietz: Nathan Söderblom und seine Zeit, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2011, 221. 5   Bormann, Lukas, Rudolf Bultmann und das Theologische Wörterbuch zum Neuen Testament. Eine Neubewertung, in: Zeitschrift für Theologie und Kirche 118 (2021), 21–54, hier 30.

Die Kittel-Grosheide Korrespondenz

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Kommentierung rabbinischer Schriften (Nr. 33, K 165). 1929 hatte Kittel die Vorbereitungen für die Erarbeitung des Theologischen Wörterbuchs zum Neuen Testament als Gemeinschaftsprojekt der deutschsprachigen Exegese abgeschlossen. Im April 1932 erschien die erste Lieferung dieses weltweit erfolgreichen Werkes. Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten trat Kittel in die NSDAP ein und beteiligte sich führend an judenfeindlichen Forschungen und deren publizistischer Verbreitung.6 In den Jahren 1939 bis Anfang 1943 vertrat er zusätzlich einen Lehrstuhl für Neues Testament an der Universität Wien. 1943 kehrte er wieder ganz auf seinen Tübinger Lehrstuhl zurück (Nr. 65, K 196). Nach Kriegsende 1945 wurde er aus dem Amt entfernt, zeitweise inhaftiert und durfte erst kurz vor seinem Tod nach Tübingen zurückkehren. Der Briefwechsel mit Grosheide umfasst nahezu alle genannten biographischen Stationen von Greifswald bis Tübingen. Sein Korrespondenzpartner F.W. („Willem“) Grosheide wurde am 25. November 1881 als Sohn eines leitenden Buchhalters in eine wohlhabende Familie Amsterdams geboren. 1899 begann er das Studium der Theologie und Altphilologie an der Vrije Universiteit Amsterdam. Er wurde 1907 im Neuen Testament promoviert, übernahm eine Pfarrstelle in Schipluiden und erhielt schließlich 1912 den Ruf auf eine Professur für Neutestamentliche Exegese an der Vrije Universiteit Amsterdam. Der Universität und der Stadt blieb er bis zu seinem Lebensende verbunden. Aus der 1907 geschlosse­ nen Ehe mit A.O.W.D. Grosheide geb. Schut gingen neun Kinder hervor. Grosheide war 1918, 1925 und 1948 Rektor Magnificus der Universität und lehrte bis 1953. Er war durch sein vielseitiges Engagement in den refor­ mierten Kirchen und für Bibelgesellschaften national und international gut vernetzt und erhielt Ehrenpromotionen der Reformierten Theologischen Hochschule Sárospatak (1931) und der Universität Debrecen (1938). Kittel lernte Grosheide 1922 während einer Arbeitssitzung zur Bibel­ revision in Stuttgart kennen. Die Revision der Lutherbibel stellt bis heu­ te eine schwierige Herausforderung dar. Einerseits soll der besondere Ton der Lutherübersetzung erhalten bleiben, andererseits sollen exegetische Erkenntnisse und der Sprachgebrauch der Gegenwart berücksichtigt wer­ den. Kittel erwähnt immer wieder, dass es sich um eine „heikle“ Aufgabe handele, deren Abschluss er nicht mehr erleben sollte (Nr. 7, K 140). In seinem ersten Brief an Grosheide skizzierte Kittel die gemeinsamen Überzeugungen der beiden Exegeten. Die Gespräche in Stuttgart müssen bereits eine gewisse theologische Tiefe erreicht haben, denn Kittel setzt die Übereinstimmung mit dem Briefempfänger voraus, wenn er von „unseren Gegnern“ schreibt (Nr. 1, K 134). Er sieht sich und Grosheide auf der Seite derjenigen Theologen, die an dem offenbarungstheologischen Fundament 6   Gailus, Manfred/Vollnhals, Clemens (Hg.), Christlicher Antisemitismus im 20. Jahrhundert. Der Tübinger Theologe und »Judenforscher« Gerhard Kittel (Berichte und Studien 79), Göttingen: V&R unipress, 2019.

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Lukas Bormann und Arie Zwiep

des Christentums festhielten, während andere „den Offenbarungsglauben auflösenden Strömungen“ folgten (1, K 134). Kittel und Grosheide hingegen träten „für unsere positive, offenbarungsgläubige Theologie“ ein. Dieses Einverständnis war für beide offensichtlich so unverbrüchlich, dass es nur gelegentlich durch lobende Äußerungen zu „positiven Dogmatikern“ (Nr. 25, K 157) oder durch abwertende Äußerungen zu Publikationen Karl Barths (1886–1968) und Rudolf Bultmanns (1884–1976) unterstrichen werden muss­ te (Nr. 54, K 185 und 63, K 194). Beide waren zudem davon überzeugt, dass das Festhalten an den „positiven“ Glaubenstatsachen des Neuen Testaments eine wissenschaftliche („gelehrte“) Beschäftigung mit den Texten des Alten und Neuen Testaments erfordere, um die Tiefe der Schrift zu erschließen (Nr. 6, K 139 und 18, K 151). In dieser hier knapp skizzierten gemeinsa­ men Grundhaltung liegt die intellektuelle Bindung, die den Austausch über die wechselvollen Jahrzehnte immer wieder stabilisierte. Man schickte sich gegenseitig neue Publikationen, vermittelte oder schrieb selbst Rezensionen der Veröffentlichungen des anderen, tauschte sich über Kollegen und deren wissenschaftliches und theologisches Profil aus und unterstützte sich bei der Kontaktnahme zu Kollegen und Institutionen, mit denen der eine besser vertraut war als der andere. Seine Arbeiten zum antiken Judentum hatten Kittel bereits im Jahr 1922 einige nationale und internationale Aufmerksamkeit eingebracht, sodass er auch in den Niederlanden kein Unbekannter mehr war. Es wird zudem immer wieder berichtet, dass Gerhard Kittel aufgrund der großen Wertschätzung, die sein Vater bei christlichen und jüdischen Wissenschaftlern besaß, für seine Arbeiten eine besondere Aufmerksamkeit erwarten konnte. Kittel reiste auf Einladung Grosheides mit seiner Frau Elisabeth, die ihm bei der Erfassung englischer Fachliteratur unterstützte (Nr. 8, K 141), vom 25. März bis etwa Mitte April 1924 nach Amsterdam, arbeitete dort in der Bibliotheca Rosenthaliana, einer Spezialbibliothek für Judaica, und hielt einen Vortrag über „Rabbinismus und das Neue Testament“ (Nr. 11, K 144).7 Kittel erläu­ tert gegenüber Grosheide, dass die Ethik Jesu keinen einzigen Satz enthalte, der sich so oder so ähnlich nicht auch in der rabbinischen Überlieferung finde. Jesus gebe dieser Ethik allerdings durch die Verbindung mit sei­ nem „Sohnesbewußtsein“, das heißt seiner vermeintlich einzigartigen Gottesbeziehung, eine Intensität und Geschlossenheit, welche die rabbini­ sche Ethik nicht erreiche (Nr. 8, K 141). Das sei auch die Ursache dafür, dass nach Meinung Kittels dem Judentum die „Heilsgewissheit“ fehle (Nr. 27, K 159). Kittel ließ demnach trotz seiner vertieften Beschäftigung mit dem antiken Judentum keinen Zweifel an der theologischen Überlegenheit des Christentums und seiner Fundierung im Auftreten Jesu erkennen. 7   Zwiep, Irene E. (Hg.), Omnia in Eo. Studies on Jewish Books and Libraries in Honour of Adri Offenberg Celebrating the 125th Anniversary of the Bibliotheca Rosenthaliana in Amsterdam (Studia Rosenthaliana 38/39), Louvain: Peeters 2006.

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In der Zeit ihres Aufenthalts in Amsterdam wohnte das Ehepaar Kittel bei den Grosheides und es entstand eine vertraute Bindung der Familien zuein­ ander, die in der Folge zum Austausch über das Ergehen und die Gesundheit der Familienmitglieder und zu wechselseitigen Besuchen der heranwachsen­ den älteren Kinder führte. Kittel äußerte sich häufig und zum Teil detailliert zur wirtschaftlichen und politischen Lage in Deutschland. Es ist bezeichnend, dass auch das erste Schreiben einen wirtschaftlichen Anlass hatte. In Folge des KriegsFinanzsystems hatte in Deutschland eine Inflation eingesetzt, die sich durch die Liberalisierung des Güter- und Kapitalmarkts im Sommer 1922 zu einer Hyperinflation auswuchs.8 Der Finanzplatz Amsterdam gewann in diesem Zusammenhang für deutsche Banken und Betriebe, aber auch für Arbeitsmigranten aus Deutschland eine besondere Bedeutung.9 Die neutra­ len Niederlande galten bereits während des Krieges als die „wirtschaftliche Luftröhre Deutschlands“ und bauten diese Position während der wirtschaft­ lichen Krisen der Weimarer Zeit weiter aus.10 Es liegt jedenfalls nahe, dass Kittel bei seinem Anliegen, über Grosheide einen Druckkostenzuschuss zu erlangen, auch die wirtschaftliche Prosperität der Niederlande, die in Deutschland als sprichwörtliches „Guldenparadies“ galten, ins Kalkül ge­ zogen hatte.11 Jedenfalls thematisieren Grosheide und Kittel die Folgen der jeweiligen Valutastärke bzw. –schwäche mehrfach in ihren Briefen. Darüber hinaus erörtern sie gelegentlich die jeweilige wirtschaftliche Situation der ihnen durch ihren Sozialstatus verbundenen gesellschaftlichen Gruppen und Einrichtungen: Studenten, Pfarrer und kirchliche Institutionen. Elisabeth Kittel schreibt wiederholt über die „Verarmung“ des deutschen Volkes, ohne dass aber deutlich wird, welche Bevölkerungsgruppen sie vor Augen hat (Nr. 10, K 143). Von Kittel selbst wird die wirtschaftliche und soziale Lage der Gesamtbevölkerung oder gar der Arbeiterklasse niemals in den Blick genommen. Die Arbeiterklasse findet allerdings Erwähnung als Träger von Parteien, die den „Bolschewismus“ und die „Revolution“ wollten und Kirche und Christentum bekämpften (Nr. 45, K 176 und 48, K 179). Damit ist schon angedeutet, dass die wirtschaftlichen Fragen, die im Briefwechsel behandelt wurden, regelmäßig auch Erörterungen der poli­ 8   Blaich, Fritz, Der Schwarze Freitag. Inflation und Wirtschaftskrise, München: dtv 31994, 44f.; Kerstingjohänner, Helmut, Die deutsche Inflation 1919–1923. Politik und Ökonomie (Europäische Hochschulschriften III 988), Frankfurt: Lang 2004, 389–391. 9   Houwink ten Cate, Johannes, Amsterdam als Finanzplatz Deutschlands, in: Gerald D. Feldman (Hg.), Konsequenzen der Inflation (Einzelveröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin 67), Berlin: Colloquium-Verlag 1989, 149–179, hier 151–155. 10   Houwink ten Cate, Amsterdam, 151. 11   Bade, Klaus J., Enzyklopädie Migration in Europa vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Paderborn: Schöningh 2007, 470.

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tischen Situation hervorriefen. Das Ehepaar Kittel empfand die Lage Deutschlands als demütigend. Die deutsche Inflation der Jahre 1922 und 1923 führe dazu, dass selbst ein Professor „fast immer“ wie „80–90% aller Deutschen“ nur noch Bahnkarten der vierten Klasse bezahlen könnte (Nr. 11, K 144), die Studenten keine Bücher mehr kaufen würden, die Pensionen der Pfarrwitwen nicht mehr ausreichten und die Pfarrer zusätzliche Beschäftigungen aufnehmen müssten, um ihre Familien ernähren zu können (Nr. 5, K 138). Auch der Druck des Theologischen Wörterbuchs musste 1931 wegen der Wirtschaftskrise zunächst verschoben werden (Nr. 46, K 177). Die Erlösung aus diesen Bedrängnissen erwartete das Professorenehepaar Kittel wie die überwiegende Zahl der Angehörigen ihrer sozialen Schicht von einer autoritären konservativen Regierung, die den Linksparteien und dem „Bolschewismus“ energisch entgegentreten solle (Nr. 7, K 140). In die­ sen Zusammenhängen begegnet dann auch eine kontroverskonfessionelle Polemik gegen die katholische Zentrumspartei, die 1931 mit der SPD eine „sozialistisch-ultramontane(n) Regierung“ gebildet habe. Ab 1924 werden im Briefwechsel die rechtsextremen völkischen Parteien wahrgenommen und beobachtet (Nr. 15, K 146). In den Äußerungen spiegelt sich eine gewisse Distanz, aber auch eine zunehmende Aufmerksamkeit für die extreme Rechte, die durch die Wahlsiege der NSDAP ab 1929 endgültig in den Mittelpunkt des politischen Geschehens in Deutschland getreten wa­ ren. Die Nationalsozialisten werden aber erst in einem Brief vom Oktober 1932 zum ersten Mal ausdrücklich erwähnt (Nr. 49, K 180). Das Schreiben vermittelt den Eindruck, dass Kittel nun weniger vorsichtig und taktisch for­ muliert. Hatte er 1922 noch relativ zurückhaltend vom „Versailler Frieden“ gesprochen (Nr. 2, K 135), erscheint ihm dieser Ende 1932 als „Versailler Wahnsinn“, der für das Unglück des deutschen Volkes verantwortlich sei (Nr. 48, K 179). In Folge ihrer Machtergreifung im Januar 1933 werden die National­ sozialisten und ihre Politik zum zentralen Gegenstand des Schreibens Kittels vom 12. Juni 1933, mit dem er die Zusendung seiner Schrift zur Judenfrage ankündigte (Nr. 51, K 182). Kittel war im Mai in die NSDAP eingetreten, woraus er keinen Hehl machte, was er aber Grosheide schrift­ lich nicht ausdrücklich mitteilte. Grosheide muss in seiner Antwort auf die Zusendung der Schrift zur Judenfrage einigen Ansichten, die Kittel dort ge­ äußert hatte, entgegengetreten sein. Jedenfalls antwortet Kittel ausführlich am 31. August 1933. Er schildert die hochschulpolitischen und kirchenpoli­ tischen Ereignisse und Folgen der nationalsozialistischen Machtergreifung an exemplarischen Details von symbolischer Bedeutung (Nr. 52, K 183). Die Entlassungen von Albert Einstein (1879–1955), Hans Kelsen (1881–1973) und anderen Professoren werden meist zustimmend kommentiert. Zum ersten Mal äußert Kittel offen antisemitische Positionen, rechtfertigt die nationalsozialistischen Gewaltmaßnahmen und beschönigt auch gröbste

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Rechtsbrüche. Er formuliert dann unumwunden: „Deshalb bekämpfe ich politisch das Judentum. Es durchsetzt unsere Kultur mit seiner liberalen Dekadenz.“ Diese Haltung diskutiert er mit Grosheide anhand von Schriften Abraham Kuypers (1837–1920) über das Judentum, die ihm dieser zugesandt hatte (Nr. 52, K 183). Kuypers Position, dass man den Liberalismus, nicht aber jüdische Menschen bekämpfen solle, kann er sich nicht vollständig zu eigen machen. Der Liberalismus sei aus den Verformungen des modernen Judentums hervorgegangen, so dass man genau dieses angreifen müsse, um die verheerenden Folgen des Liberalismus grundsätzlich abzuwehren. Kittel bringt in diesen Äußerungen zum Ausdruck, dass seine Judenfeindschaft sich nicht an diesem oder jenem vermeintlichen Fehlverhalten jüdischer Menschen festmachte, sondern auf einer tief empfundenen und historisch so­ wie theologisch verankerten Ablehnung des Judentums beruhte, die man in Anlehnung an die Diskussion um den Antisemitismus bei Martin Heidegger (1889–1976) als einen „metaphysischen Antisemitismus“ bezeich­nen kann.12 Das Judentum erscheint Kittel als eine gefährliche Entität, die durch Trans­ formationen Gestalten wie die des Liberalismus und der vermeintlichen kulturellen Dekadenz annimmt, mit denen es wiederum die als homogen „deutsch“ verstandene Gesellschaft („das deutsche Volk“) durchdringe und schädige (Nr. 52, K 183). Kittel selbst bringt explizit zum Ausdruck, dass er diese antisemitischen Ansichten nicht erst jetzt, sondern schon lange hege. Er schreibt über seine in der Schrift zur Judenfrage eingenommenen Position am 12. Juni 1933: „Sie ist für mich grundsätzlich keine andere, als ich sie in meiner Beschäftigung mit dem Judentum seit Jahren gewonnen habe.“ Obwohl Kittel seine antisemitische Haltung und die Unterstützung der nationalsozialistischen Politik im Jahr 1933 unumwunden zum Ausdruck gebracht hatte, hielt Grosheide den Kontakt aufrecht. Am 31. Dezember 1933 erläuterte Kittel seine kirchenpolitische Haltung, die er im Schulterschluss mit den Tübinger Kollegen und den zwei Bischöfen der so genannten intakten Landeskirchen von Bayern und Württemberg, Hans Meiser (1881–1956) und Theophil Wurm (1868–1953), sah (Nr. 53, K 184). Danach beschränkt sich der Briefwechsel auf eher unverfängliche Fragen. Das kollegiale Verhältnis scheint ungetrübt gewesen zu sein. Grosheide lieferte Notizen zur ausländi­ schen Literatur, die für das Wörterbuch hilfreich sein sollten (Nr. 39, K 170 und 41, K 174). Kittel informierte ihn über den Verlauf des Projekts. Man tauschte weiterhin Literatur aus, lud sich wechselseitig zu Besuchen ein. Im Jahr 1936 wurde ein mehrwöchiger Besuch von Kittels Tochter Elsbeth bei Grosheides in Amsterdam vereinbart. Nach der Besetzung der Niederlande durch deutsche Truppen im Mai 1940 erkundigte sich Kittel am 27. Juni, ob es der Familie Grosheide gut ginge, und bat um ein Lebenszeichen. Der 12   Di Cesare, Donatella, Das Sein und der Jude. Heideggers metaphysischer Anti­semi­ tismus, in: Peter Trawny (Hg.), Heidegger, die Juden, noch einmal (HeideggerForum 11), Frankfurt: Klostermann 2015, 55–74.

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Austausch von Literatur und die Arbeit am Wörterbuch wurden auch wäh­ rend des Krieges, etwa anlässlich des Erscheinens des vierten Bandes des Wörterbuchs 1942, weitergeführt. Im August 1944 muss Grosheide erneut geschrieben haben. Jedenfalls antwortete Kittel mit seinem letzten in die­ sem Briefwechsel erhaltenen Schreiben am 4. September 1944 mit einem Rückblick auf die Geschehnisse der letzten zwei Jahre. Im Grosheide-Archiv befindet sich auch Kittels Verteidigungsschrift von 1946, die aber vermut­ lich nicht von Kittel selbst, sondern nach dem 5. Februar 1947 (Datum der Beglaubigung der Unterlagen durch das Dekanat Tuttlingen) durch den Unterstützerkreis des Inhaftierten an Grosheide wie an zahlreiche weitere Fachkollegen versendet worden war. In einem Schreiben vom 6. Juli 1955 versucht Elisabeth Kittel den Kontakt der Familien wieder aufleben zu las­ sen. Zur Frage, ob die Beziehung der Familien tatsächlich wieder aufgenom­ men wurde, liegen keine weiteren Informationen vor. Der niederländische Adressat der Briefe war mit den deutschen Verhält­ nissen nur teilweise vertraut. Jedenfalls war Grosheide kein kollegialer Konkurrent und auch kein intimer Kenner der kirchlichen und universitä­ ren Verhältnisse in Deutschland. Kittel musste manches erklären, was er im Gespräch mit einem deutschen Briefpartner voraussetzen konnte. Zugleich war er etwas freier in der Hervorhebung von Sachverhalten, die ihm wichtig erschienen, aber auch in der Themenwahl konnte er auf bestimmte kollegia­ le Rücksichten, die er bei anderen Korrespondenzpartner aufmerksam be­ achten musste, verzichten. Die persönlichen Kontakte und die Bereitschaft der Ehefrauen und Familien die kollegiale Beziehung zu einer Freundschaft der Familien zu vertiefen, stabilisierten den Austausch zusätzlich. Elisabeth Kittel spielte eine bedeutende und zunehmend eigenständige Rolle in dem sich entwickelnden Beziehungsgeflecht der beiden Familien. Sie bedankt sich für die Geschenksendungen, erkundigt sich interessiert nach der Entwicklung der Kinder und fördert das Germanistikstudium von Johanna Hendrika Grosheide mit Lesehinweisen (Nr. 38, K 169). Der Briefwechsel gibt dadurch einen einzigartigen Einblick in die Entwicklung und das Selbstverständnis Kittels im Dialog mit einem unabhängigen ausländischen Fachkollegen, kon­ servativen Theologen und vertrauten Freund der Familie. Grosheide war Teil des wissenschaftlichen Netzwerks Kittels und auch Grosheide profitierte von dem Kontakt. Kittel erwies sich dabei als ein umsichtiger Kommunikator, der mit einem gewissen taktischen Geschick vorzugehen wusste. Seine theologischen Überzeugungen ließ er nicht zum Hindernis für wissenschaftlich fruchtbare Kontaktaufnahmen wer­ den. Gegenüber Grosheide, der der neocalvinistischen Gereformeerde Kerken in Nederland angehörte, machte er auch gelegentlich taktvoll dar­ auf aufmerksam, dass er auch Kontakte zu Vertretern der konkurrierenden Nederlands Hervormde Kerk herstellen und lebendig halten wolle, um sein Netzwerk in den Niederlanden auszubauen (Nr. 17, K 150). Die möglichen

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Spannungen zwischen der reformierten Konfession Grosheides und der lu­ therischen Kittels kommen nicht eigens zur Sprache. Kittel kann sogar sei­ ne Wertschätzung gegenüber dem Publizisten Wilhelm Stapel (1882–1954) mit dem Hinweis einschränken, dass er dessen „sonderbare Polemik gegen die Reformierten“ missbillige (Nr. 53, K 184). Auch die Zitate Luthers, die Kittel gelegentlich in verschiedener Form verwendet, enthalten keinen kon­ troverskonfessionellen Unterton. Es spricht einiges dafür, dass sich die Briefpartner auch in den Formen, in denen sie ihrer Religiosität Ausdruck verliehen, nahestanden. Kittel ver­ weist immer wieder auf die Führung Gottes in der „Dunkelheit unseres Lebens“ (Nr. 9, K 142). Es wird berichtet, dass die Kinder Texte aus dem Psalter und dem Neuen Testament auswendig aufsagen (Nr. 13, K 145 und 26, K 158). Kurze Gebete und Segenswünsche begleiten den Schriftwechsel bis zum letzten Schreiben vom 4. September 1944 (Nr. 65, K 196: „Gott der Herr behüte Sie“). Kittels Wahrnehmung der sozialen, wirtschaftlichen und politische­ n Konflikte seiner Zeit ist geprägt von seiner Zugehörigkeit zum Bildungs­ bürgertum, das damals etwa 0,8% der Gesamtbevölkerung umfasste und das seine Interessen traditionell durch die Nähe zum obrigkeitlichen Staat gesi­ chert sah.13 In seinen politischen Äußerungen der Jahre 1929 bis 1933 spiegelt sich wieder, was Wehler dem deutschen Bürgertum insgesamt attestiert: Es unterstützte eine autoritär rechtskonservative Staatsführung, wandte sich aber ab 1929 zunehmend dem Nationalsozialismus zu, weil es die Überzeugung gewann, dass der eigene soziale Status von der NSDAP geschützt und die damit verbundenen politischen Ziele von dieser Partei am ehesten verwirk­ licht werden würden.14 Diese Hinwendung zum Nationalsozialismus vollzog Kittel entschiedener als viele seiner Standesgenossen: Er wurde am 10. Mai 1933 Mitglied der NSDAP (Nr. 3243036). Etwas anders liegen die Dinge bei Kittels Antisemitismus. Dieser setz­ te sich nicht erst in diesen Jahren oder gar erst im Jahr 1933 durch, wie Siegele-Wenschkewitz behauptete.15 Kittels Antisemitismus war lan­ ge vor 1933 ein fester Bestandteil seiner theologischen und weltanschau­ lichen Überzeugungen, fand aber vor 1933 keinen expliziten politischen Ausdruck. Der Kenner des Judentums unterschied zwischen seiner roman­ tisierenden und zugleich paternalistisch-ghettoisierenden Sicht des religiö­ sen Judentums, des Israels, das er gemeinsam mit Grosheide „ernstlich“ zu 13   Wehler, Hans-Ulrich, Deutsche Gesellschaftsgeschichte 4. Vom Beginn des Ersten Weltkriegs bis zur Gründung der beiden deutschen Staaten 1914–1949, München: Beck 2003, 294. 14   Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte 4, 299. 15   Siegele-Wenschkewitz, Leonore, Neutestamentliche Wissenschaft vor der Judenfrage. Gerhard Kittels theologische Arbeit im Wandel deutscher Geschichte (Theologische Existenz heute N.F. 208), München: Kaiser 1980, 42.

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lieben meinte (Nr. 52, K 183), und den von ihm als jüdisch empfundenen Menschen seiner Gegenwart, die ihm als Repräsentanten des politischen und kulturellen Liberalismus entgegentraten und in denen er die gefährlichen Folgen der Perversionen des religiösen Judentums sah. Seine Vorstellung von einem religiösen Judentum konnte er als Theologe und Wissenschaftler auf dem Papier teilweise respektvoll zum Ausdruck bringen, jüdische Menschen seiner Zeit hingegen meinte er politisch bekämpfen zu müssen. Abschließend soll noch etwas zu Grosheide und zur Bedeutung der Korrespondenz gesagt werden. Als Grosheide Kittel kennenlernte, war er bereits einige Jahre Professor für neutestamentliche Exegese an der damals noch jungen Vrije Universiteit in Amsterdam. Aufgewachsen in einer neocalvinistischen („gereformeerde“) Familie und Verehrer vom Theologen und Staatsmann Abraham Kuyper, hat er nach seinem Studium der Theologie und Altphilologie erst einige Jahre als Pfarrer in einer kleinen kirchliche Gemeinde gearbeitet, als er 1907 an der Vrije Universiteit über ein neutesta­ mentliches Thema promovierte. Zu dieser Zeit war der junge Grosheide wie Kittel bereits intensiv mit der Bibelübersetzungsarbeit beschäftigt. 1921, dem Jahr in dem sich Kittel und Grosheide zum ersten Mal in Stuttgart trafen, war er Mitglied des Hauptvorstandes der niederländischen Bibelgesellschaft geworden, die 1939 eine neue Übersetzung des Neuen Testaments her­ ausgeben sollte (1951 abgeschlossen mit dem Alten Testament). Die Vrije Universiteit war 1880 von Abraham Kuyper gegründet worden, um ein Gegengewicht zu der an den anderen niederländischen Universitäten ge­ lehrten liberalen Theologie zu schaffen. Die Universität leitet ihren Namen von der Ansicht ab, dass diese reformierte Universität frei von staatli­ cher und kirchlicher Einmischung sein sollte, obwohl die Universität der Kirche (d.h. den reformierten Kirchen in den Niederlanden) dienen sollte. Aus dieser Überzeugung heraus engagierte sich Grosheide viele Jahre als Herausgeber von Kommentarreihen zur Bibel, wie dem „Kommentaar op het Nieuwe Testament“ (vor allem für Pfarrer und Theologiestudenten) und dem „Korte Verklaring der Heilige Schrift“ (vor allem für Gemeindeälteste und Laien). Auch sein Engagement in der „Christelijke Encyclopedie voor het Nederlandsche Volk“ zeigt die breitere Perspektive, in der Grosheide sei­ ne wissenschaftliche Arbeit sah. Dass er Akademiker war, bedeutete für ihn nicht, dass er sich vom kirchlichen Leben fernhielt. Das zeigt sich u.a. auch daran, dass er sich nach seiner Berufung an die Vrije Universiteit in vielen kirchlichen Aktivitäten engagierte, insbesondere in der Sonntagsschularbeit und in der Evangelisation, und zu vielen kirchlichen und theologischen Zeitschriften beitrug. Grosheides Auffassung des Judentums wurde in erster Linie von der damals in diesen Kreisen allgemein akzeptierten „Ersatztheologie“ oder Substitutionslehre bestimmt, die besagte, dass die christliche Kirche das Volk Israel mit der Ankunft Christi ersetzt habe. Das Alte Testament galt nun

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als ein christliches Buch und seit Jesu Auftreten gab es keine Sonderstellung mehr für das jüdische Volk.16 Grosheides Sicht des Judentums scheint in erster Linie theologischer Art zu sein, obwohl auch die antisemitischen Gefühle dieser Tage – teilweise inspiriert von Abraham Kuyper – eine nicht zu vernachlässigende Rolle spielten. Als nach den Schrecken des Zweiten Weltkriegs in den Niederlanden die Diskussion um Kirche und Israel auf­ kam und immer mehr Stimmen laut wurden, die eine Neubewertung des Verhältnisses zum jüdischen Volk forderten, klammerte sich Grosheide an die klassische Ersatzlehre: er glaubte wegen der Offenbarung durch die Schrift nicht anders zu können. Obwohl Grosheide Kittels „Die Judenfrage“ kannte, reagierte er aus unserer heutigen Sicht auffallend mild und verständ­ nisvoll auf Kittels Aussagen und man könnte sich fragen, inwieweit er selbst Kittels Überzeugungen zur Judenfrage teilte.17 Obwohl die enge Freundschaft zwischen Kittel und Grosheide und ihren Familien bereits in den 80er Jahren bekannt war,18 macht erst die Veröffentlichung des Grosheide-Archivs, und insbeson­ dere die Korrespondenz zwischen den beiden Theologen, klar wie tief ihre Freundschaft in persönlicher, theologischer und politischer Hinsicht war und wi­e stark sie von den politischen und theologischen Tendenzen ihrer Zeit beeinflusst wurden.

B. Editorische Hinweise Der Briefwechsel Grosheide-Kittel setzt mit einem Schreiben Gerhard Kittels vom 30. September 1922 ein und erstreckt sich bis zu seinem letzten Brief vom 4. September 1944 bzw. bis zum Schreiben Elisabeths vom 6. Juli 1955. Er umfasst 66 erhaltene Schreiben, darunter 52 von Gerhard und 14 von Elisabeth Kittel. Vier Schreiben von Elisabeth Kittel richten sich ausdrücklich an Frau Grosheide, acht an das Ehepaar Grosheide und der letzte Brief aus dem Jahr 1955 an den inzwischen verwitweten Professor Grosheide. Die 52 Schreiben von Gerhard Kittel sind ganz überwiegend an 16  Typisch für diese Periode ist der Artikel über Antisemitismus von C. Lindeboom in der von Grosheide herausgegeben „Christelijke Encyclopedie voor het Nederlandsche Volk”, Kampen: Kok 1925, Bd. 1, 134–135. In diesem Artikel werden bekannte antijüdische Stereotype wiedergegeben: Nach dem Auszug aus dem Ghetto, das sie “klug und listig” gemacht habe, sei­ en “die Juden” in Handel und Geldgeschäften durch Betrug reich geworden und hätten durch ihre Überheblichkeit den “Hass der Nationen” auf sich gezogen. 17  S. Grosheide, F.W., Het Jodenvraagstuk in Duitschland, in: De Heraut 2893 (2.7.1933) (Rezension zu Kittel, Die Judenfrage), und vgl. Nr. 51, K 182 (12.6.1933); Nr. 52, K 183 (31.8.1933). 18  Dazu Vos, Johan S., Politiek en exegese. Gerhard Kittels beeld van het jodendom (Verkenning en bezinning 17/2), Kampen: Kok 1983.

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den Professor und Kollegen adressiert, seltener auch an das Ehepaar bzw. an die „Freunde“. Die erhaltene Korrespondenz besteht aus 48 handschriftli­ chen und sieben mit Schreibmaschine abgefassten Briefen, acht Brief karte­n , zwei Postkarten und einer Spruchkarte. Die Briefe des Ehepaars Grosheide an Gerhard und Elisabeth Kittel sind nicht Teil des Nachlasses Grosheide und bis heute nicht zugänglich. Die sehr wenigen Fehler in der Rechtschreibung und der Interpunktion wurden stillschweigend korrigiert bzw. zurückhaltend an die gegenwärti­ ge Rechtschreibung angepasst. Eine Besonderheit stellt die Schreibung des stimmlosen scharfen s und des stimmhaften weichen s dar. Die Schreiben von Elisabeth und Gerhard Kittel unterscheiden sich in der Rechtschreibung der genannten s-Laute. Während Gerhard Kittel für das stimmlose und hart gesprochene s fast ausschließlich die Schreibung mit Doppel-s verwendet, gebraucht Elisabeth Kittel dafür auch das scharfe sz (ß). In die Schreibweise von Gerhard Kittel wurde nicht eingegriffen und z.B. die Schreibweise „ausserordentlich“ belassen. Der Gebrauch des scharfen s (ß) bei Elisabeth Kittel ist an die gegenwärtige Rechtschreibung angepasst worden, also z.B. statt original „daß“, neu „dass“. Hervorhebungen durch Unterstreichungen wurden aus dem Original übernommen. Die Seitenwechsel in den Originaldokumenten sind durch horizontale Linien ( | ) angezeigt. Die im Nachlass von F.W. Grosheide erhaltenen Briefe sind bei der Inventarisierung im Jahr 2016 in alphabetischer Reihenfolge erfasst und durchnummeriert worden. Der Briefwechsel Kittel-Grosheide ist dem Buchstaben „K“ zugeordnet, beginnt mit der Nummer K 134 und erstreckt sich bis zu K 197. Die Nummerierung erfolgte chronologisch. Die Analyse der Briefinhalte zeigte jedoch, dass die chronologische Reihung in einigen wenigen Fällen korrigiert werden musste, so dass die Abfolge der Briefe in dieser Ausgabe von der durch die Inventarisierung vorgegebenen abweicht (Nr. 12, K 144a; Nr. 14, K 148; Nr. 22, K 149). Die Kommentierung soll das sinnerfassende Lesen und ein vertieftes Textverständnis durch die Informationen unterstützen, die unmittelbar zum Verständnis, Präzisierung und zur Identifikation der in den Schreiben er­ wähnten Sachverhalte, wie z.B. Publikationen, historische und wirtschaft­ liche Sachverhalte und erwähnte Personen, notwendig oder hilfreich sind. Arie Zwiep hat die Informationen, die die Familie Grosheide und die nie­ derländischen Verhältnisse betreffen, zusammengetragen, während Lukas Bormann für diejenigen Einträge zu Kittel und zur deutschen Situation die Verantwortung trägt. Die Verwandtschafts- und Familienverhältnisse sind in einem eigenen Abschnitt zu den Familien Kittel und Grosheide gesondert er­ läutert. Mag. theol. Moritz Groos hat zu offenen Fragen der Kommentierung wertvolle Recherchen durchgeführt. Die Transkriptionen der Briefe des Ehepaars Kittel und die Erstellung der Register zum Briefwechsel haben Dr. Hannah Kreß und cand. theol. Lisa Sunnus sorgfältig ausgeführt.

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C. Verzeichnis der Briefe und Karten Br. = Brief, BK = Brief karte, PK = Postkarte, SK = Spruchkarte 1. K 134, 30. September 1922, Greifswald, Br., G. Kittel 2. K 135, 22. Oktober 1922, Greifswald, Br., G. Kittel 3. K 136, 14. Dezember 1922, Greifswald, Br., G. Kittel 4. K 137, 8. Januar 1923, Greifswald, Br., G. Kittel 5. K 138, 22. März 1923, Leipzig, Br., G. Kittel 6. K 139, 15. Mai 1923, Greifswald, PK, G. Kittel 7. K 140, 31. August 1923, Greifswald, Br., G. Kittel 8. K 141, 28. September 1923, Greifswald, Br., G. Kittel 9. K 142, 7. Dezember 1923, Greifswald, Br., G. Kittel 10. K 143, 20. Januar 1924, Greifswald, Br., E. Kittel 11. K 144, 17. Februar 1924, Greifswald, Br., G. Kittel 12. K 144a, 8. März 1924, Greifswald, Br., G. Kittel 13. K 145, 19. April 1924, Greifswald, Br., G. Kittel 14. K 148, 19. April 1924, Greifswald, Br., E. Kittel 15. K 146, 10. Mai 1924, Greifswald, Br., G. Kittel 16. K 147, 5. Juni 1924, Greifswald, Br., E. Kittel 17. K 150, 15. August 1924, Prerow, Br., G. Kittel 18. K 151, 30. August 1924, Prerow, Br., G. Kittel 19. K 152, Oktober 1924, Greifswald, Br., E. Kittel 20. K 153, 24. November 1924, Greifswald, Br., G. Kittel 21. K 154, 21. Dezember 1924, Greifswald, Br., G. Kittel 22. K 149, ohne Datum [Jahreswechsel 1924/25], Greifswald, Br., E. Kittel 23. K 155, 28. März 1925, Greifswald, Br., G. Kittel 24. K 156, 28. Mai 1925, Greifswald, Br. (Schreibmaschine), G. Kittel 25. K 157, 23. Oktober 1925, Greifswald, Br., G. Kittel 26. K 158, 22. Dezember 1925, Greifswald, Br. (Schreibmaschine), E. Kittel 27. K 159, 24. April 1926, Greifswald, Br., G. Kittel 28. K 160, 24. Dezember 1926, Tübingen, Br., G. Kittel 29. K 161, 14. April 1927, Tübingen, Br., G. Kittel 30. K 162, 27. August 1927, Tübingen, BK, E. Kittel 31. K 163, 29. September 1927, Tübingen, BK, G. Kittel 32. K 164, 27. Dezember 1927, BK, E. Kittel 33. K 165, 23. August 1928, Sylt, Br., G. Kittel 34. K 166, 27. Dezember 1928, Scheidegg, Allgäu, Br., G. Kittel 35. K 167, 22. August 1929, Tirol, Br., G. Kittel 36. K 167 als Beilage, 22. August 1929, Tirol, Br., E. Kittel 37. K 168, 2. Januar 1930, Tübingen, BK, G. Kittel 38. K 169, 12. April 1930, Walchensee, Br., E. Kittel 39. K 170, 2. Mai 1930, Tübingen, Br. (Schreibmaschine), G. Kittel

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40. K 171, 7. Juni 1930, Tübingen, Br., G. Kittel 41. K 174, 10. September 1930, Tübingen, Br. (Schreibmaschine), G. Kittel 42. K 172, 28. Dezember 1930, Tübingen, BK, E. Kittel 43. K 173, 28. Dezember 1930, Tübingen, Br., G. Kittel 44. K 175, 20. Januar 1931, Tübingen, PK, G. Kittel 45. K 176, 3. Juli 1931, Tübingen, Br., G. Kittel 46. K 177, 8. August 1931, Tübingen, Br., G. Kittel 47. K 178, 9. Januar 1932, Tübingen, Br., G. Kittel 48. K 179, 11. Juni 1932, Tübingen, Br., G. Kittel 49. K 180, 2. Oktober 1932, Tübingen, Br., G. Kittel 50. K 181, 3. Januar 1933, Walchensee, BK, E. Kittel 51. K 182, 12. Juni 1933, Tübingen, Br. (Schreibmaschine), G. Kittel 52. K 183, 31. August 1933, Walchensee, Br., G. Kittel 53. K 184, 31. Dezember 1933, Walchensee, Br., G. Kittel 54. K 185, 23. Oktober 1935, Tübingen, Br., G. Kittel 55. K 186, 29. Dezember 1935, Tübingen, BK, G. Kittel 56. K 187, 30. Juli 1936, Wels, Österreich, Br., G. Kittel 57. K 188, 24. Februar 1937, Tübingen, Br., G. Kittel 58. K 189, 19. August 1938, Walchensee, Br. (Schreibmaschine), G. Kittel 59. K 190, 6. Januar 1939, Tübingen, BK, E. Kittel 60. K 191, 22. Juni 1939, Tübingen, Br., G. Kittel 61. K 192, 19. Dezember 1939, Wien, SK, G. Kittel 62. K 193, 27. Juni 1940, Wien, Br., G. Kittel 63. K 194, 23. Januar 1942, Wien, Br. (Schreibmaschine), G. Kittel 64. K 195, 4. Juli 1942, Wien, Br., G. Kittel 65. K 196, 4. September 1944, Tübingen, Br., G. Kittel 66. K 197, 6. Juli 1955, Tübingen, Br., E. Kittel

Briefwechsel von Gerhard und Elisabeth Kittel geb. Rohde mit Frederik Willem und Ottoline Grosheide geb. Schut 1. G. Kittel an F.W. Grosheide (K 134) Greifswald, Steinstr. 2 II, 30. September 1922 Sehr verehrter, lieber Herr Kollege! Nehmen Sie es bitte als Zeichen des Vertrauens, wenn ich mit einer Frage an Sie herantrete. Sie haben neulich in Stuttgart meinen Freund Dr. Johannes Kühn1 kennen­ gelernt, der an der Bibelrevision2 beteiligt ist. Er hat ein Buch geschrieben „Toleranz und Offenbarung“.3 Das Werk stellt an der Geschichte des deutschen, holländischen und englischen Protestantismus das grundsätzliche Verhältnis der Offenbarungsreligion zu den Toleranz-Motiven dar, beziehungsweise, wie für die offenbarungsgläubige Frömmigkeit die in ihrem Wesen gegebene Bindung stärker | ist und sein muss (um des Gewissens willen!) als jene Motive, wie dagegen jene Motive überwiegend aus anderen, den Offenbarungsglauben auflösenden Strömungen, besonders der Mystik, kommen. Die ganze Untersuchung ist meiner Meinung nach von grossem histori­ schen und auch aktuellem Werte für grade unsere positive, offenbarungs­ gläubige Theologie. Sie zeigt, wie jene innere Bindung an das Wort Gottes nicht „Intoleranz“ im landläufigen Sinn ist, nicht eine Beschränktheit und Bösartigkeit ist, wie unsere Gegner es so oft meinen, sondern im Wesen unserer Frömmigkeit, das heisst unseres Offenbarungsglaubens liegt. Das ist umso wertvoller, als es hier ein Nicht-Theologe, ein Historiker ist, der diesen Nachweis durchführt. 1  Johannes Kühn (1887–1973), deutscher Historiker, 1927 außerordentlicher Professor in Leipzig, 1928 ordentlicher Professor in Dresden, 1947 in Leipzig, 1949 in Heidelberg. 2   Nach dem Abschluss der 2. Revision der Lutherbibel 1912 wurden weitere Revisionen in Gang gesetzt, die höchst umstritten waren. Die 3. Revision erschien erst 1956 (NT) und 1964 (AT). Vgl. Kittel, Gerhard, Dichter, Bibel und Bibelrevision, Dresden und Leipzig: Ungelenk 1939 = Pastoralblätter 81 (1939), 337–366. 3   Kühn, Johannes, Toleranz und Offenbarung. Eine Untersuchung der Motive und Motiv­ formen der Toleranz im offenbarunggläubigen Protestantismus. Zugleich ein Versuch zur neu­ eren Religions- und Geistesgeschichte, Leipzig: Felix Meiner 1923.

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Der weitere Wert des Buches liegt in der genauen Darstellung auch des ausserdeutschen, besonders des holländischen und des eng- | lischen Protestantismus. Ich glaube, dass das Buch auch ausserhalb Deutschlands viel Interesse finden wird. Ich persönlich halte es jedenfalls für eine der be­ deutendsten mir bekannten wissenschaftlichen Leistungen der neueren Zeit. Nun – ich fürchte, es wird ungedruckt bleiben müssen. Die Entwicklung ist in den letzten Wochen so gegangen, dass heute in Deutschland kaum mehr ein Buch zu Druck gebracht werden kann, wenn es nicht gelingt, Druckzuschüsse aufzubringen.4 Und aus diesem Grunde schreibe ich an Sie, ob Sie wohl einen Rat wissen. Glauben Sie mir, es gehört zum Bittersten an der Lage, in der wir Deutschen heute sind, dass wir solche Briefe schreiben müssen. Für mich selbst möchte ich es auch auf keinen Fall; ich kann es, weil ich es für meinen Freund tue. Er selbst weiss von diesem Schritte nichts. Die Lage ist diese. Erzbischof Söderblom 5, der | an dem Werke starkes Interesse nimmt, hat zugesagt, einen Teil der Druckkosten zu decken. Die Notgemeinschaft für die deutsche Wissenschaft in Berlin6 wird auch eine Hilfe leisten. Es bleibt etwa eine Summe in Höhe von 150 bis 200 holländi­ sche Gulden,7 die noch fehlt. Für uns, wie Sie wissen, eine Riesensumme! Bitte, schreiben Sie mir ganz offen, ob Sie es für möglich halten, dass irgend­eine Stelle in Holland noch helfen würde, diesen Betrag zu decken, damit die Drucklegung doch noch möglich wird. Ich kann nichts tun, als Sie herzlich bitten, den Brief freundlich aufzu­ nehmen und richtig zu verstehen. – Seien Sie versichert, dass es mir eine hohe Freude war, Sie kennen zu lernen und mit Ihnen verbunden zu sein. Ihr herzlich ergebener Gerhard Kittel.

4   Ab Juli 1922 war die seit dem Weltkrieg andauernde Inflation in eine Hyperinflation über­ gegangen. Die deutsche Inlandswährung verlor rasant an Wert. Im Mai 1922 wurden für einen US-Dollar 62,30 Mark bezahlt, im Dezember 1922 bereits 7589,27 Mark. 5  Nathan Söderblom (1866–1931), evangelischer Theologe, 1901 Professor für Religions­ geschichte in Uppsala, 1912 ordentlicher Professor in Leipzig, 1914 Erzbischof von Uppsala, 1930 Friedensnobelpreis. S. auch Kittel, Gerhard, Erinnerungen an Nathan Söderblom, auf Schwedisch publiziert, in: S. Thulin (Hg.), Till minnet av Nathan Söderblom av 70 avländska författare, Uppsala: Lindblad 21933, 101–109. 6   „Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft“ war die Bezeichnung für die 1920 ge­ gründete Vorläuferorganisation der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). 7   Wechselkursangaben sind während der Hyperinflation wenig aussagekräftig. Gemessen am Durchschnittskurs des Monats Oktober 1922 hatten 200 Gulden den Wert von ca. 248.108 Mark. Da zu dieser Zeit viele Waren nur über bevorzugte Auslandswährungen gehandelt wur­ den, ist die Kaufkraft des holländischen Gulden weit höher einzuschätzen.

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2. G. Kittel an F.W. Grosheide (K 135) Greifswald, Steinstr. 2, 22. Oktober 1922 Sehr verehrter lieber Herr Kollege! Ich danke Ihnen sehr für Ihren freundlichen Brief. Sie können getrost hol­ ländisch an mich schreiben; ich verstehe das gedruckte und geschriebene holländische Wort ganz gut – nur in der Unterhaltung bei dem gesprochenen Wort kann ich nicht so gut folgen. Und dann danke ich Ihnen ebenso für die Zusendung Ihrer Schriften. Die Arbeiten über die holländische Bibelübersetzung8 haben mich, wie Sie sich denken können, ganz ausserordentlich interessiert. Mir scheint in der Tat, dass bei Ihnen die Dinge ganz ähnlich liegen als bei uns. Nur ist bei uns wohl die Form der überkommenen Bibel Luthers noch stärker als bei Ihnen in der Gemeinde verwurzelt. Auch Ihre anderen Schriften waren mir wertvoll. Vor allem danke ich Ihnen aber für Ihren Matthäus-Kommentar.9 Den will ich noch genau durcharbeiten; ich hoffe viel daraus zu lernen. Ich denke, ich werde auch eine kleine Anzeige darüber verfassen. Aber es wäre doch recht wertvoll, wenn Sie eine Darstellung Ihrer Ansicht über die syn­ optische Frage10 in deutscher Sprache veröffentlichen würden. Ich glaube, es wäre eine | Förderung für die ganze Erörterung. – Ich habe auch meinerseits einige Schriften und Separata zusammengepackt, die ich Ihnen übersende. Vielleicht hat das eine oder das andere für Sie Wert. Und dann: haben Sie auch Dank, dass Sie meine Bitte über das Buch meines Freundes so verständnisvoll aufgenommen haben. Was Sie Ihrerseits über die Lage in Holland schreiben, verstehe ich selbstverständlich sehr gut, davon dürfen Sie überzeugt sein. Ich kann mir es sehr denken, dass die wirtschaftliche Lage grade in den valutastarken Ländern schwer lastend ist. So beschränke ich mich ganz darauf, Ihnen noch einmal zu sagen: wenn Sie eine Hilfe vermitteln können, so freue ich mich; wenn nicht, so verstehe ich das vollständig. Ich habe mir nachträglich ein wenig Vorwürfe gemacht, dass ich Sie belastet hatte und überhaupt gefragt hatte. Es war aber schon geschehen, und ich bin nun froh, dass Sie es richtig verstanden und mir nicht verargt haben. – – Bei uns beginnt in diesen Tagen das neue Semester. Es wird freilich von Monat zu Monat für unsere Studenten schwieriger, ihr Studium durchzu­ 8  Es handelt sich vermutlich um folgende Schriften: Grosheide, F.W., Amsterdam: Bottenburg 1916; Ders., Bijdragen tot de geschiedenis der Bijbelvertaling, in: Gereformeerd Theologisch Tijdschrift 22 (1921), 68. 9   Grosheide, F.W., Het heilig Evangelie volgens Mattheus (Kommentaar Testament 1), Amsterdam: Bottenburg 1922. 10  Vgl. Grosheide, F.W., Enkele opmerkingen over het synoptische Gereformeerd Theologisch Tijdschrift 16 (1915), 174–194.

Bijbelvertalen, Nederlandsche op het Nieuwe vraagstuk, in:

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führen. Der neue Valuta- | sturz11 der deutschen Mark macht unsere wirt­ schaftliche Lage, vor allem für alle geistigen Gebiete, fast trostlos. Unter den Schriften ist eine über das vor drei Jahren gegründete ReligionslehrerSeminar in Leipzig.12 Die Anstalt war von ganz ausserordentlicher Bedeutung für unser neues kirchliches Leben. Jetzt wird sie wahrscheinlich infolge der Teuerung gleichfalls auf hören müssen! Auch die Lage unsrer deutschen Missionsgesellschaften ist immer ärger. Doch was soll ich klagen? Es ist Gottes Weg, den wir gehen! Vorige Woche war ich in der Tschecho-Slowakei, auf einem PastorenBibelkursus der dortigen deutsch-evangelischen Kirche.13 Dort ist einer der wenigen Fälle, wo es einer deutschen Minderheit nach dem Versailler Frieden gelungen ist, ihre kirchliche Selbstständigkeit zu wahren. So ist diese Kirche zwar auch nicht in leichter Lage, aber doch in erfreulichem Auf blühen und schöner Bewusstheit! Ich habe dort 3 Stunden gesprochen über „Das Evangelium des Paulus und das Evangelium Jesu.“ Eine ernste Frage, der wir neutestamentlichen Theologen | immer wieder nachgehen müssen. Ich grüsse Sie herzlich! In aufrichtiger Verbundenheit Ihr ergebener Gerhard Kittel. 3. G. Kittel an F.W. Grosheide (K 136) Greifswald, 14. Dezember 1922 Verehrter Herr Kollege! Herzlichen Dank für Ihren lieben Brief vom 13.XI und für Ihre erneute schöne und wertvolle Schriftensendung. Verschiedenes von Ihren Schriften ist mir recht lieb zu besitzen. Ich habe auch meinem Kollegen D. Deissner14 einiges davon gezeigt. Er will im nächsten Jahrgang der „Theologie der Gegenwart“ eine Besprechung über Ihren Matthäus-Kommentar bringen.15   Zur Hyperinflation in Deutschland, s.o. Anm. 4.  Kittel war von 1919 bis 1921 Direktor des Religionslehrer-Seminars in Leipzig. Vgl. Kittel, Gerhard, Das Religionslehrer-Seminar in Leipzig. Aufbau und Ziele im Auftrag des Christlichen Volksdienstes dargestellt, Berlin: Reuther & Reichard 1921. 13   Die Deutsche Evangelische Kirche in Böhmen, Mähren und Schlesien existierte von 1919 bis 1945 und hatte etwa 175.000 Mitglieder (5% der sudentendeutschen Bevölkerung der 1918 gegründeten Tschechoslowakei). 14  Kurt Deissner (1888–1942), evangelischer Theologe, 1922 außerordentlicher Professor in Greifswald, 1926 ordentlicher Professor ebenda. 15   Die Zeitschrift Theologie der Gegenwart, Leipzig/Erlangen: Deichert, erschien 1.1907– 3.1939. 11

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Ich habe bei der Benützung schon gesehen, dass der Kommentar ein wert­ volles und für das Studium recht praktisches Buch ist. Ich lese in diesem Semester „Geschichte des Urchristentums.“ Dies gehört zu denjenigen Vorlesungen, die mir besonders viele Freude | ma­ chen. Es hat einen grossen Reiz, darzustellen, wie auf der Grundlage der Ostererlebnisse die christliche Gemeinde sich auf baut und allmählich ausge­ staltet. Besonders lockt es mich auch, festzustellen, in welchem Umfang sich noch Aussagen über die ersten Ansätze zu einer theologischen Verarbeitung dieses Erlebnisses machen lassen. Mir scheint, dass die Reden in Act. 1–11 sehr viel mehr wertvolles historisches Material enthalten als man im all­ gemeinen annimmt. Auch die Stephanustradition16 trägt durchaus die Züge einer originellen selbständigen Gestalt, wie sie in der Entwicklung ihren deutlichen Platz zwischen den Uraposteln einerseits und dem entwickelten paulinischen Heidenchristentum auf der anderen Seite hat. Es ist nur schade, dass grade diese Gesichtspunkte in den neueren Erörterungen der urchrist­ lichen | Verhältnisse ziemlich ganz fehlen. Leider ist es für unsere Studenten recht schwer, ihr Studium durchzu­ führen. Es geschieht soviel als irgend möglich, um Speisungen für sie ein­ zurichten. Aber es bleibt alles unvollkommen. Die Teuerung ist zu gross. Viele essen nur zweimal in der Woche Mittag; die wenigsten haben ge­ heizte Stuben. Das Schlimmste ist aber beinahe, dass sie sich fast keine wissenschaft­lichen Bücher mehr kaufen können, denn schon ganz kleine Bücher kosten über tausend Mark.17 So sind wir voll schwerer Sorge um die Zukunft und können nur sagen: Gott allein weiss, wie die Wege sein werden, die wir zu gehen haben! In Sachsen ist es in der Tat besonders böse, weil dort eine sozialistische Landtagsmehrheit18 die Kirche scharf bekämpft. Die Geistlichen bekommen dort nur die Hälfte des Gehaltes ausbezahlt; es gibt Witwen | von Pastoren, die im Monat 4000 M (= 1/2 Dollar)19 erhalten! Das Religionslehrer-Seminar20 wird voraussichtlich im nächsten Jahr auf hören müssen. „Wir sind bange, aber wir verzagen nicht!“ 21 – –

  Stephanus war einer der sieben Diakone der Jerusalemer Urgemeinde und erster Märtyrer (Apg 6,5 und 6,8–7,60). 17   Im Dezember 1922 kostete ein 1 kg Roggenbrot etwa 150 Mark. 18   Am 5.11.1922 war der Landtag Sachsens neu gewählt worden. Das Ergebnis brachte eine rechnerische Mehrheit der sozialistischen Parteien VSPD 41,8% und KPD 10,5% gegenüber den bürgerlich-nationalen Parteien DVP 18,8%, DNVP 19%, DDP 8,5%. 19   Die Angaben Kittels treffen in etwa zu. Im Oktober 1922 waren für 1 US-Dollar ca. 9.000 Mark zu zahlen. 20   S.o. Anm. 12. 21   2Kor 4,8. 16

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Unter diesen Umständen danke ich Ihnen sehr für Ihre vermittelte Gabe von 10 fl.22 für die Drucklegung des Buches von Dr. Kühn.23 Wenn Sie sie mir mit den Adressen schicken, so will ich gern es an ihn für diesen Zweck weitergeben. Ich hoffe bestimmt, dass die Drucklegung sich noch wird er­ reichen lassen. Und nun wünsche ich Ihnen von Herzen ein recht frohes und gesegnetes Fest der Geburt unseres Heilandes. Für uns gilt Jes. 9,1.24 Ihr getreuer Gerhard Kittel. 4. G. Kittel an F.W. Grosheide (K 137) Greifswald, 8. Januar 1923 Sehr verehrter lieber Herr Kollege, Sie werden sich gewundert haben, von uns keine Nachricht zu erhalten. Und doch haben Sie in einer so rührenden und beschämenden Weise zu Weihnachten Ihrer deutschen Freunde gedacht. Das Paket kam wohlbehalten am 23. Dezember an. Am Tage vorher, am 22. Dezember, hatte ich mich mit hohem Fieber zu Bett legen müssen. Ich habe eine schwere Grippe und Lungendämpfung gehabt. Noch jetzt, wäh­ rend ich diesen Brief schreibe, liege ich fest zu Bett. Ich hoffe, dass ich in den nächsten Tagen langsam wieder anfangen darf, aufzustehen. Doch ver­ langt der Arzt grosse Vorsicht, weil die Nachwirkungen der Grippe als sehr gefährlich gelten. Auch quält mich noch ein böser Husten. Diese Krankheit ist der Grund, dass Sie so lange ohne Dank geblieben sind. Und doch war dieser Weihnachtsgruss fast wie eine Gottesgabe, und Sie selbst, ohne dass Sie es wohl in diesem Masse wussten, ein „barmherzi­ ger Samariter“.25 Denn ich war und bin durch die schwere Krankheit sehr ge­ schwächt, wie das ja bei Grippe in besonderem Masse der Fall ist. Da kann nun meine Frau mich aus Ihrem Paket wundervoll pflegen und kräftigen! So waren Sie wirklich συνκοινωνησας μου τῃ θλιψει!26 Haben Sie Dank dafür,   fl. = Florin: alternative Bezeichnung für den niederländischen Gulden.   S.o. Anm. 3. 24   Jes 9,1: „Das Volk das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht; und über die da woh­ nen im finstern Lande, scheint es hell“ (Luther 1912). 25   Lk 10,33. 26  Angelehnt an Phil 4,14: „Ihr habt euch meiner Trübsal angenommen“ (Luther 1912). Kittel schreibt das griechische Zitat ohne Akzente. Er passt das Zitat an den Briefkontext an, indem er statt des Plurals (συγκοινωνήσαντες) den Singular des Partizips verwendet: „Du hast dich meiner Trübsal angenommen“. 22 23

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und | lassen Sie sich als Wort des Dankes Phil. 4,19 sagen: ο δε θεος μου πληρωσει πασαν χρειαν ὑμων κατα το πλουτος αυτου εν δοξη εν Χριστω Ιησου! 27 Meine Frau bittet Ihre Frau Gemahlin 28, das kleine handgefertigte Tüchlein als Gruss freundlich aufzunehmen. Und nun: Gott befohlen zum neuen Jahr! Ihr getreuer G. Kittel. 5. G. Kittel an F.W. Grosheide (K 138) Leipzig, 22. März 1923 Hochverehrter lieber Herr Kollege! Ich danke Ihnen für Ihre Karte. Sie werden sich kaum denken können, wie peinlich es mir ist, dass Sie so lange auf Nachricht haben warten müssen. Es hatte verschiedene Gründe. Auch Dr. Kühn 29 selbst hat Ihnen noch nicht geschrieben. Das kam daher, dass jeder von uns beiden vom anderen mein­ te, er habe Ihnen geschrieben, und selbst noch warten wollte, bis er Ihnen Genaueres über das Schicksal des Buches berichten könnte. Und so kam es, dass keiner von beiden schrieb. Das Schicksal des Buches von Dr. Kühn ist nämlich wirklich tragisch. Ich bin gerade jetzt in diesen Tagen in Leipzig und Berlin, und benutze die Gelegenheit, erneut darüber zu verhandeln. Um Neujahr schien es, als sei die Drucklegung nun möglich; da brachte der Ruhreinfall der Franzosen 30 erneut die völlige Zerrüttung unserer Valuta und damit wieder erneut eine ungeheure Teuerung,31 – und sogleich waren wieder alle Druckmöglichkeiten zerstört. Augenblicklich sind wir wieder in Verhandlungen mit einer Verlagsanstalt; aber es lässt sich noch gar nicht absehen, ob wir zu einem Ziele kommen. Wir hatten immer, fast von einem Tag zum anderen, gedacht, wir könnten Ihnen über den Erfolg berichten. So kam es, dass Sie so lange ohne Nachricht blieben. Ich kann Sie nur herzlich bitten, uns es nicht allzu arg als Unhöflichkeit auszulegen und unseren Dank 27   Phil 4,19: „Mein Gott aber fülle aus alle eure Notdurft nach seinem Reichtum in der Herrlichkeit in Christo Jesu“ (Luther 1912). Kittel schreibt das griechische Zitat ohne Akzente. 28   Alexandrine Ottoline Wilhelmine Daniëlle Schut (1885–1950). 29   S.o. Anm. 1. 30   Kittel verweist hier auf die Besetzung des Ruhrgebiets durch französische und belgische Truppen von Januar 1923 bis August 1925. 31  Der Einmarsch der französisch-belgischen Truppen in das Ruhrgebiet und dessen Abriegelung am 11.1.1923 führte dazu, dass der Wert eines US-Dollars von 10.450 bis Ende Januar auf 49.000 Mark stieg.

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für Ihre Gabe auch jetzt noch freundlich aufzunehmen! | Hier in Sachsen ist die Lage der Kirche erschütternd. Die meisten Pastoren in Leipzig haben mit ihrer ganzen Familie ein monatliches Gehalt von 10–20 Tausend Mark – das sind 1–2 Gulden!32 Sie gehen fast ohne Ausnahme neben ihrem Pfarramt auf Arbeit, in eine Bank, eine Fabrik, viele auch in ein Bergwerk. So verdienen sie sich den nötigen Lebensunterhalt für ihre Familien. Es ist für die Kirchen eine sehr harte Prüfungszeit. Aber vielleicht ist es auch eine Läuterungszeit, die schliesslich zum Segen wird. Dass auch Sie die Grippe hatten, tut mir recht leid. Hoffentlich sind Sie wieder ganz gesund. Ich habe in der letzten Zeit ein interessantes Buch gelesen: das neu­ hebräisch geschriebene dicke Werk über Jesus von Dr. Joseph Klausner33 in Jerusalem. Es ist das Buch eines liberalen, aufgeklärten Juden, der der libe­ ralen protestantischen Theologie in Vielem nahesteht. Vielleicht schreibe ich einen Artikel darüber34; dann bekommen Sie ihn. Mit herzlichem Grusse! Ihr Gerh. Kittel. 6. G. Kittel an F.W. Grosheide (K 139) Greifswald, 15. Mai 1923 Lieber verehrter Herr Kollege! Ich danke Ihnen recht herzlich für Ihre Sendung! Ihre Rezension über mein Sifre35 ist wirklich ein Freundschaftsdienst. Ich habe vor einiger Zeit eine Rezension über Ihren Matthäus- und den Hebräerkommentar36 geschrieben und an die Redaktion des Theologischen Literaturblattes gesandt; ich hoffe, dass sie bald gedruckt wird. Es dauert immer so lange, bis der Druck voll­ zogen wird.   S.o. Anm. 22.   Joseph G. Klausner (1874–1958), Literaturwissenschaftler, ab 1925 Professor für hebräi­ sche Literatur an der Hebräischen Universität Jerusalem. Er verfasste ein Jesusbuch, das 1922 in Jerusalem auf Neuhebräisch veröffentlicht wurde. Kittel rezensierte es (s.u. Anm. 45). Das Buch erschien einige Jahre später in deutscher Übersetzung: Klausner, Joseph G., Jesus von Nazareth, Berlin: Jüdischer Verlag 1930. 34   S.u. Anm. 45. 35   Kittel, Gerhard, Sifre zu Deuteronomium, übersetzt und erläutert, Stuttgart: Kohlhammer 1922. Ob und wo Grosheides Rezension tatsächlich veröffentlicht wurde, ist unbekannt. 36   Kittel, Gerhard, Rezension zu: F.W. Grosheide, Het Heilig Evangelie volgens Mattheus (Kommentaar op het Nieuwe Testament 1), Amsterdam: Bottenburg 1922, und Ders., De Brief aan de Hebreeën (Korte Verklaring van de Heilige Schrift), Kampen: Kok 1922, in: Theologisches Literaturblatt 45 (1924), Sp. 6–7. 32 33

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– Auch Ihre Studie über das Wunder gefällt mir gut.37 Ich schicke Ihnen einen kleinen Aufsatz über die Auferstehung Jesu, d.h. über I Kor. 15.38 Ich lese gegenwärtig über I Kor und über NTliche Theologie. Das sind zwei sehr schöne Vorlesungen; vor allem die NTliche Theologie führt einen in die Tiefe der Schrift. Dr. Kühns Buch ist jetzt im Druck.39 | Ich hoffe, dass Sie auch Freude dran haben werden, wenn es erschienen ist. Billerbeck40 Band II41 wird ebenfalls gedruckt. Das ist gleichfalls ein sehr schönes, wertvolles Buch. Wir haben Billerbeck dafür in Greifswald zum D. theol. promoviert.42 Mit treuen Grüssen Ihr G. Kittel43 7. G. Kittel an F.W. Grosheide (K 140) Greifswald, 31. August 1923 Verehrter lieber Herr Kollege! Morgen kosten die Briefe aus Deutschland ins Ausland zweihunderttausend Mark44 – ich fürchte, dann werde ich Ihnen nicht mehr viel Briefe schreiben können. So will ich heute noch einen absenden. Ich schicke Ihnen gleichzei­ tig eine Drucksache, zwei Nummern des Theol. Lit. Blatt mit einer Arbeit über ein „Leben Jesu“45 des zionistischen Gelehrten Klausner.46 Das Buch 37   Grosheide, F.W., Het wonder, in: Het Orgaan van de Christelijke vereeniging van natuuren geneeskundigen 22, Kampen: Kok 1922. 38   Kittel, Gerhard, Das älteste geschichtliche Zeugnis für die Auferstehung Jesu, in: Allgemeine evangelisch-lutherische Kirchenzeitung 20.4.1923, 242–245 (vgl. auch 13.4.1924, 226–228). 39   S.o. Anm. 3. 40  Paul Billerbeck (1853–1932), evangelischer Theologe und Orientalist. 41   Strack, Hermann Lebrecht/Billerbeck, Paul, Das Evangelium nach Markus, Lukas und Johannes und die Apostelgeschichte erläutert aus Talmud und Midrasch (Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch 2), München: Beck 1924. 42   Die Ehrenpromotion Billerbecks erfolgte auf Antrag von G. Dalman, K. Deißner und G. Kittel mit Beschluss der Theologischen Fakultät der Universität Greifswald vom 28.4.1923. 43   Die Postkarte ist mit Briefmarken im Wert von 180 Reichsmark frankiert. Der Poststempel trägt als Datum den 14.5.1923. 44   Die Hyperinflation hatte sich in der zweiten Hälfte des Jahres 1923 weiter beschleunigt. Im August 1923 kosteten 1 kg Roggenbrot 4.620.455 Mark. 45   Kittel, Gerhard, Jeschu ha-nosri: Ein hebräisches Leben Jesu eines modernen jüdischen Gelehrten [Rez. J. Klausner, s.o. Anm. 33], in: Theologisches Literaturblatt 44 (1923), 241–246 und 257–263. 46   S.o. Anm. 33.

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ist nicht uninteressant; es zeigt sehr anschaulich und deutlich den Gegensatz der Christus-religion gegenüber dem theistischen Judentum, der weithin identisch ist mit der Gegensätzlichkeit gegen die modernen Formen soge­ nannter christlicher Religiosität. Ob man Bousset47 oder Heitmüller48 oder Ed. Meyer49 oder aber den modernen Juden urteilen hört, ist letzten Endes nicht so gross im Unterschied. Daneben ist an Klausners Buch höchst in­ teressant die Stellung des Nationaljuden 50 zu Jesus als den Auflöser des Nationaljudentums. Mich | jedenfalls hat das Klausner’sche Buch sehr lange beschäftigt und sehr interessiert, und ich glaubte den Fachgenossen einen Dienst zu tun, wenn ich einiges daraus mitteilte. Die Hinweise auf Ihre Kommentare sind leider im Lit. Blatt noch nicht erschienen. 51 Das Manuskript liegt schon lange bei der Redaktion. Ich hof­ fe bestimmt, dass es bald zum Abdruck kommt. Wie sich bei uns die Verhältnisse noch gestalten werden, darüber kann heute wohl keiner unter den Menschen etwas sagen. Zur Zeit besteht eine völlige Zersetzung aller Wirtschaftsverhältnisse, und wir halten es nicht für unwahrscheinlich, dass schliesslich der Bolschewismus über unser deutsches Vaterland hereinbricht. 52 Wir hatten gehofft, allmählich aus der Gefahr und aus der Zerrüttung heraus zu kommen und wieder zu geord­ neten Verhältnissen zu gelangen. Aber die Ruhrbesetzung der Franzosen 53 hat alles über den Haufen geworfen und wird uns wohl doch noch in den Abgrund und | ins Elend bringen. Wir können heute nur noch sagen: Gott ist unsere Zuversicht und Stärke, unsere Hilfe in den grossen Nöten, die uns betroffen haben!54 Aber freilich, auch seine Wege sind dunkle; wir können nur im Glauben still an Seiner Hand gehen! Unsere Studenten können allmählich fast ohne Ausnahme nur noch stu­ dieren, indem sie nebenher sich den Unterhalt verdienen, als Fabrikarbeiter, als Kellner, als Handwerker u. dgl. Das ist an sich nicht schlimm, es er­ zieht auch zur Selbständigkeit und Männlichkeit. Nur geht natürlich viel Kraft und Energie verloren. Besonders schlimm ist es, dass man sich fast 47  Wilhelm Bousset (1865–1920), evangelischer Theologe und Religionsgeschichtler, 1896 außerordentlicher Professor in Göttingen, 1915 ordentlicher Professor in Gießen. 48  Wilhelm Heitmüller (1869–1926), evangelischer Theologe, 1908 ordentlicher Professor in Marburg, 1920 in Bonn, 1924 in Tübingen. 49  Eduard Meyer (1855–1930), klassischer Philologe, 1885 ordentlicher Professor in Breslau, 1889 in Halle, 1902 in Berlin. 50   Kittel bezeichnet mit „Nationaljude“ einen Vertreter des Zionismus. 51   S.o. Anm. 36. 52  Kittel spielt auf die Aktivitäten der KPD zum Umsturz im Herbst 1923 an. Der Reichspräsident verhängte den Ausnahmezustand, setzte die sozialistischen Landesregierungen aus KPD und SPD in Thüringen und Sachsen ab. Im Zuge einer Reichsexekution marschierten am 23.10.1923 Truppen der Reichswehr in Sachsen ein. 53   S.o. Anm. 30. 54   Ps 46,2.

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keine Bücher mehr kaufen kann, wenn die Bücher viele Millionen Mark kosten!55 – Doch, ich will Ihnen keine Klagelieder vorsingen! Ich hoffe, im Laufe des Jahres mit meinem Anteil an der Bibelübersetzung und -revision zu Ende zu kommen. 56 Es ist eine schöne, aber sehr heikle Aufgabe. | Als Mitarbeiter habe ich in NT Professor Kögel 57 gewonnen, den Sie ge­ wiss als Herausgeber des Cremer‘schen Lexikons58 kennen. Ob und wann freilich ein Druck des Werkes erfolgen kann, ist ganz unsicher. Vielleicht nie! Ich grüsse Sie herzlich und bin Ihnen in aufrichtiger Verbundenheit sehr ergeben! Ihr Gerhard Kittel 8. G. Kittel an F.W. Grosheide (K 141) Greifswald, Steinstr. 2 II, 28. September 1923 Verehrter, lieber Herr Kollege und Freund! Ihr Brief hat mich in mehr als einer Hinsicht bewegt. Dass Sie mir nahe legen, einmal nach Holland zu kommen, um dort die englische Literatur zu studieren, ist reizend von Ihnen. Ich danke Ihnen und Ihrer Frau recht herzlich für die Einladung! In der Tat vermisse ich die genaue Bekanntschaft mit den englischen Neuerscheinungen äusserst schmerzlich. Es ist ein abgerissener Faden! Dass Sie mir helfen wollen, ihn anzuknüpfen, ist eine überaus freundliche Tat. Was an englischen Erscheinungen ich er­ reichen kann, suche ich ja wohl zu verfolgen; meine Frau, die besonders das Englische beherrscht, ist dabei meine treue Gehilfin. Aber es ist eben stets nur noch ein kleiner Teil der engl. wissenschaftlichen Literatur, der zu uns nach Deutschland kommt, vor allem an eine der kleineren Universitäten wie | Greifswald 59. Und so nehme ich Ihre Einladung mit innigem Dank an! Am   S.o. Anm. 44.   S.o. Anm. 2. 57  Julius Kögel (1871–1928), evangelischer Theologe, 1907 außerordentlicher Professor in Greifswald, 1916 ordentlicher Professor in Kiel. 58   Kögel, Julius (Hg.), Biblisch-theologisches Wörterbuch der neutestamentlichen Gräzität von Hermann Cremer, Stuttgart/Gotha: Perthes 111923. 59  Im Sommersemester 1923 hatte die Universität Greifswald 1.216 immatrikulierte Studierende, die Universität Marburg 2.334 und die Universität Berlin 11.388. Die Anzahl der Studierenden der Ev. Theologie ist nur für das Wintersemester 1924/25 eigens ausgewiesen: Greifswald 54, Marburg 123 und Berlin 247. Im Studienjahr 1922/23 hatte die Vrije Universiteit Amsterdam 287 Studierende, davon 154 in der Theologie und im Studienjahr 1923/24 waren es 55

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besten könnte ich die Reise im Frühjahr machen, im März oder April, wenn ich in dieser Zeit Sie treffen würde und Ihnen und Ihrer Frau als Gast ge­ nehm wäre. Und dann danke ich Ihnen weiter für die eingelegten 10 Gulden. Das muss ein schönes Fest gewesen sein, das Ihr glückliches Land gefeiert hat, als es das fünfundzwanzigjährige Regierungsjubilaeum seiner Königin60 beging. Für uns liegen die Zeiten, da Volk und Fürsten verbunden waren, in weiter wehmütiger Ferne. Dass Sie aber in diesen Tagen der Feier und des Glücks unser gedacht haben, danken wir Ihnen und Ihren Volksgenossen. Ich will gern das, was Sie mir geschickt haben, verwenden, ein Buch als Andenken zu erwerben. Es soll sein: Samuel Krauss, Synagogale Altertümer, 1922,61 ein Buch, das ich für meine Studien besonders nötig brauche. Es soll mir, wenn ich es benütze, stets ein liebes und | wertvolles Andenken an Sie und Ihr Volk sein. Es ist schade, dass Sie in diesem Jahr die geplante Reise zum deutschen NTler Tag62 nicht gemacht haben. Ich bin freilich auch nicht dort gewesen; wir suchen auch im Inlande die Reisen so viel als möglich einzuschränken. Aber wenn Sie im nächsten Jahr nach Deutschland kommen, so bitte ich Sie schon jetzt bestimmt, auch nach Greifswald zu reisen und hier unser Gast zu sein. Auch meine Frau würde Sie gern sehen. Und vielleicht freuen Sie sich auch, einige meiner hiesigen Kollegen kennen zu lernen, z.B. Deissner,63 Procksch,64 Dalman.65 Also, machen auch Sie uns die Freude! Dass der Aufsatz über Klausner 66 Sie interessiert hat, freut mich. Es ist in der Tat lehrreich, dass auch der Jude ähnlich wie Bischoff67 die Eigenart der Ethik Jesu anerkennen muss. Ich selbst | glaube, je intensiver ich in die jü­ dische Literatur und deren Geist eindringe, dass die Besonderheit der Ethik Forderung Jesu an keinem Punkt in dem ethischen Einzelsatz liegt, sondern einerseits in der absoluten Konzentration und absoluten Intensität, mit der er die Forderung hinstellt; andererseits in dem Sohnesbewusstsein Jesu selbst, das den Hintergrund aller seiner Forderungen bildet. In seinem Munde ist die Forderung Gottes- und Christusforderung, d.h. selbst ein Stück seines 307, davon 177 in der Theologie. 60   Königin Wilhelmina (1880–1962) regierte vom 6.9.1898 bis 4.9.1948. 61   K rauss, Samuel, Synagogale Altertümer, Berlin/Wien: Harz 1922. 62   Die zweite Neutestamentler-Tagung fand am 26.9.1923 in Münster statt. 63   S.o. Anm. 14. 64  Otto Procksch (1874–1947), 1906 außerordentlicher Professor Greifswald, 1909 ordent­ licher Professor ebenda, 1925 in Erlangen. 65  Gustaf Dalman (1855–1941), evangelischer Theologe, 1895 außerordentlicher Professor für Altes Testament und Judaistik in Leipzig, 1917 ordentlicher Professor in Greifswald. 66   S.o. Anm. 45. 67  Erich Bischoff (1865–1936), Orientalist und Privatgelehrter. Vf. von Bischoff, Erich, Jesus und die Rabbinen. Jesu Bergpredigt und „Himmelreich“ in ihrer Unabhängigkeit vom Rabbinismus, Leipzig: Hinrichs 1905.

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Reiches. Ich hoffe, unter diesem Gesichtspunkt den Vergleich der Ethik des Judentums und Jesu68 noch einmal durchführen zu können. Mit vielen Grüßen und nochmaligem Dank Ihr getreuer Kittel. 9. G. Kittel an F.W. Grosheide (K 142) Greifswald, Steinstr. 2II, 7. Dezember 1923 Lieber Herr Kollege! Ich danke Ihnen herzlich für Ihren lieben Brief. Solche Freundschaft ist für uns Deutsche wie ein Gottesgeschenk und leuchtet in die Dunkelheit unse­ res Lebens herein. Die Wochen der Adventszeit sind in Deutschland nach alter Sitte eine Zeit besonderer froher Sehnsucht. Wir durchleben sie ganz innerlich und schauen auf das „ewige Licht“ und die „ewige Gnade“; dann mag alle zeitliche Not gering und klein werden. Es ist etwas sehr Grosses, in diesen Zeiten zu wissen, dass das Heil nicht in unserem Wollen und unserer Subjektivität liegt, sondern ganz extra nos, als das grosse ewige Objektivum. Ich habe mit meinen Studenten in den letzten Wochen die ersten drei Kapitel des Römerbriefes gelesen, und wir haben dabei gespürt, wie Gott uns in das Verständnis selbst | hineinführt, wenn er uns durch diese bittere Zeit leitet. – Für Ihre Einladung nach Amsterdam und Utrecht danke ich Ihnen noch einmal sehr herzlich. Ich will sehr gern einen oder zwei Vorträge halten. Als Thema schlage ich zur Auswahl vor: 1.) „Der Rabbinismus und das NT“;69 2.) „Die Stellung des Jakobusbriefes in der Entwicklung des Urchristen­ tums“.70

68   Kittel, Gerhard, Die Bergpredigt und die Ethik des Judentums, in: Zeitschrift für sys­ tematische Theologie 2 (1925), 555–594. 69   Kittel, Gerhard, Die Probleme des palästinischen Spätjudentums und das Urchristentum (Beiträge zur Wissenschaft vom Alten und Neuen Testament 37), Stuttgart: Kohlhammer 1926, 1, Anm. 1: „Das Büchlein ist herausgewachsen aus Vorlesungen, die ich im Frühjahr 1924 in der Amsterdamer „Vrije Universiteit“ und im Herbst 1924 im Helmstedter „Apologetischen Seminar“ zu halten hatte. [...] die Vertrautheit mit der Kriegs- und Nachkriegsliteratur des Auslandes danke ich in erster Linie mehrwöchentlichen Studien in der Universitätsbibliothek und der Bibliotheca Rosenthaliana zu Amsterdam – sie wurden mir ermöglicht durch die Gastfreundschaft meines Kollegen und Freundes Prof. F.W. Grosheide.“ 70   Kittel, Gerhard, Die Stellung des Jakobus zu Judentum und Heidenchristentum, in: Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft 30 (1931), 145–157.

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Ostern haben wir ziemlich lange Ferien, sodass ich mich da nach Ihnen richten könnte. Ich könnte mich mit der Reise einrichten, zwischen etwa 10. März (terminus a quo) und 30. April (term. ad quem). Am besten ist, Sie schreiben mir selbst diejenigen Tage innerhalb dieser Zeitspanne, in denen Ihnen mein Besuch passen würde. Auf der Amsterdamer Stadtbibliothek, in der bibliotheca Rosenthaliana71 arbeiten zu können, wird mir von sehr gros­ sem Werte sein. Es ist für uns schlimm, dass wir so ausser Fühlung mit der ausländischen Literatur und Wissen- | schaft gekommen sind. – Was meine Frau anlangt, so ist es rührend von Ihnen und Ihrer Gattin, an sie zu denken. Meine Bemerkung neulich ist freilich nicht so gemeint ge­ wesen! An und für sich würde sie gewiss gerne mich begleiten – wir beide leben sehr innig zusammen und ich mache nur ganz selten Reisen ohne sie –, auch ist sie in der Tat mir eine treue Gehilfin in der Verarbeitung der auslän­ dischen Literatur und ihre Begleitung für diese Studienreise wäre für mich gleichfalls von Wert. Aber wir möchten kaum wagen, Ihnen und Ihrer Gattin auch noch diese Last aufzulegen (wenn auch wir Deutsche anspruchslos ge­ worden sind!). Es ist auch nicht völlig sicher, ob meine Frau die Kinder allein lassen kann; es kommt darauf an, ob eine ihrer Freundinnen solange bei uns Haushalten würde. Vielleicht dürfen wir sagen: 1.) Ihre Gattin muss sich noch einmal genau überlegen, ob ihr wirklich ein Besuch von uns beiden nicht zuviel Mühe machen würde, und Sie müssen es mir offen schreiben; 2.) meine Frau wartet mit der Ent- | scheidung noch, bis sie sieht, ob sie von den Kindern fort kann. Wenn auf beiden Seiten wirklich keine Schwierigkeiten sind, dann wird auch m. Frau gerne die Einladung annehmen. Einstweilen grüsst sie Ihre Gattin und dankt ihr herzlich! Dass Sie selbst nicht nach Greifswald kommen wollen, ist schade. Ich kann es ja verstehen; die Lebenshaltung in Deutschland ist in der Tat augenblicklich viel höher als im Ausland. Man lebt hier furchtbar teuer. Trotzdem sind wir sehr froh, dass wir durch die Rentenmark72 wenigstens für den Augenblick aus der gradezu entsetzlichen Währungsnot befreit sind. Das war viel schlimmer noch als alle Teuerung, dass das Geld von jedem Tage zum anderen so entwertete. Wenn man sich ein wenig Geld gespart hatte, um etwas zu kaufen, und man meinte, man habe z.B. 10 Goldmark, dann konnte man erleben, dass es nach ein paar Tagen noch 10 Pfennige waren! Jetzt, bei der Rentenmark, wissen wir zwar, wie we­ nig wir haben und wie teuer alles ist; aber wir sind schon froh, | dass wir wenigstens wissen, was wir haben. So ist in dieser Beziehung tatsächlich 71   Die von Eliezer (Leeser) Rosenthal (1794–1868) begründete Bibliothek für Judaica war als Bibliotheca Rosenthaliana in den Besitz der Stadtbibliothek Amsterdam übergegangen und gehört heute zur Universität von Amsterdam (damals auch Gemeente Universiteit Amsterdam genannt). 72   Die im November 1923 eingeführte Rentenmark war im Gegensatz zur inflationären Papiermark durch eine Grundschuld gesichert, auf 3,2 Milliarden beschränkt und nur für das Inland zugelassen. Sie bereitete den Übergang zur Reichsmark am 30.8.1924 vor.

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zum ersten Male eine Erleichterung eingetreten, und wir hoffen nur, dass sie von Bestand sein möchte. Die Teuerung freilich ist nach wie vor sehr drückend, vor allem für un­ sere Studenten. Wir haben Studenten, die wochenlang sich nicht einmal Brot kaufen können, sondern nichts essen als die tägliche Portion aus der Studentenküche. Einer meiner Theologen wohnt etwa 80 km von hier ent­ fernt; er hat nicht das Geld, mit der Eisenbahn zu fahren, sondern marschiert zu Fuss hin und her, wenn er zu seinen Eltern geht. – Bornhäusers73 Arbeiten werden hier mit einer gewissen Vorsicht beurteilt. Er hat Einfälle und weist auf manches hin, was von Wert ist. Aber er ist nicht immer zuverlässig. Vgl. die Kritik von Heinrich Laible74 über Bornhäusers „Gebeine der Toten“ in Theol. Lit.blatt, 1922, S. 321–328.75 Er konstruiert oft und verfolgt Hypothesen, die der Wirklichkeit | nicht entsprechen. – Und nun lassen Sie sich zum Weihnachtsfeste grüssen! Gott schenke Ihnen und Ihrer Frau und Ihren Kindern76 ein Fest des Segens, lasse Sie froh sein in der Geburt des Heilandes. Wir singen einen Vers von Martin Luther: „Das ewige Licht geht da hinein, „Gibt der Welt einen neuen Schein [= Glanz], „Es leucht‘ wohl mitten in der Nacht, „Und uns des Lichtes Kinder macht.“ 77 Ihr getreuer G. Kittel. 10. E. Kittel an A.O.W.D. Grosheide-Schut (K 143) Greifswald; Pommern, Steinstr. 2II, 20. Januar 1924 Sehr verehrte Frau Grosheide, erlauben Sie, dass ich Ihnen unseren herzlichen Dank ausspreche für die wundervolle Sendung, die dieser Tage in Ihrem Auftrage bei uns eintraf. Es ist unsagbar freundlich von Ihnen, dass Sie sich auch in diesem Jahr wieder 73  Karl Bernhard Bornhäuser (1868–1947), evangelischer Theologe, 1907 ordentlicher Professor in Marburg. 74  Heinrich Laible (1852–1929), evangelischer Theologe, Lehrer an der Lateinschule in Rothenburg ob der Tauber. 75   Laible, Heinrich, Rezension zu Bornhäusers „Gebeine der Toten“ in: Theologisches Literaturblatt 43 (1922), 321–328; Bornhäuser, K arl, Die Gebeine der Toten: Ein Beitrage zum Verständnis der Anschauungen von der Totenauferstehung zur Zeit des Neuen Testaments, in: Beiträge zur Förderung christlicher Theologie 26 (1921), 123–178. 76   In dieser Zeit hatte das Ehepaar Grosheide sieben Kinder. S.u. Anhang 1. Die Familien Grosheide und Kittel. 77   Aus dem Choral „Gelobt seist Du Jesus Christ“, EKG 23,4.

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Ihrer deutschen Freunde erinnern; dass wir gar nicht wissen, wie wir Ihrer Gütigkeit danken sollen. Das Paket war schon äußerlich in seinen Gaben so zierlich verpackt und alles so verlockend hergerichtet, wie wir verarmten Deutschen es gar nicht mehr zu sehen bekommen seit dem Kriege und so es fast nicht mehr kennen. Bei uns reichen ja die Mittel kaum, das Allernötigste zu beschaffen, sodass wir im Lauf der letzten fünf Jahre haben auf jeden Luxus der Form verzich­ ten lernen müssen. – Glauben Sie mir, | es ist uns nicht leicht geworden, uns in die Rolle der Beschenkten zu finden. Denn alle die wohlgemeinten christ­ lichen „fooddrafts“ 78 mit denen gute Menschen den Deutschen zu helfen suchen, und die tatsächlich auch in weiten Kreisen unseres Standes die Not wohltätig lindern: sie sind eigentlich nur immer neue handgreifliche bitter zu empfindende Beweise unserer Dürftigkeit und zunehmenden Verarmung. Können Sie verstehen, dass demgegenüber Ihre Sendung in ihrer reiz­ vollen Form uns besonders wohltat und für uns eine reine Freude ist? Unsere Kinder – ein Mädchen von 6 und ein Knabe von 4 Jahren; Elsbeth & Eberhard79 – hatten so etwas noch nie gesehen, schauen dieses Wunder von Zierlichkeit mit Wonne an; sie haben ja auch noch nie in ihrem kleinen Leben so wohlschmeckende Dinge | gegessen. Nehmen Sie, liebe Frau Grosheide, und Herr Professor noch einmal unse­ ren großen aufrichtigen Dank für Ihre Güte entgegen. Mein Mann lässt sich Ihnen bestens empfehlen. Er grüßt Herrn Professor und freut sich ihn in Holland zu sehen. Ihre Elisabeth Kittel. 11. G. Kittel an F.W. Grosheide (K 144) Greifswald, Steinstr. 2, 17. Februar 1924 Verehrter, lieber Herr Kollege Ich danke Ihnen herzlich für Ihren Brief und will ihn gleich beantworten. Wenn es recht ist, will ich es so einrichten, dass ich am Dienstag, den 25. März, in Amsterdam eintreffe. Für den Vortrag stehe ich dann ganz nach Ihren Dispositionen zur Verfügung. Gern würde ich auch einmal einen Tag

78   Engl. „food draft“: Ein Lebensmittelbezugsschein den US-Bürger kaufen konnten, um europäischen Empfängern Lebensmittelpakete zukommen zu lassen. 79   Das Ehepaar Kittel hatte zwei Kinder: Eberhard Kittel (1920–2010) und Elsbeth Thomae, geb. Kittel (1918– Todesjahr unbekannt).

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von Amsterdam aus nach Leiden hinüberfahren und Professor Windisch80 besuchen; wir sind zwar theologisch sehr verschieden, aber persönlich gut bekannt. Er war ja in Leipzig Dozent wie auch ich. Ob ich in Utrecht spre­ chen soll, überlasse ich ganz Ihnen und den dortigen Herren. Wenn Sie und Ihre Gattin es also wirklich erlauben, so werde ich – condi­ tione Jacobaea81 – meine Frau mitbringen. Das hat nun noch einen besonde­ ren Grund bekommen. Schmerzen, die | meine Frau seit längerer Zeit hatte, haben neulich (wenige Tage, nachdem sie Ihrer Gattin geschrieben hatte) zu einer Operation geführt. Nun ist sie gestern aus der Klinik entlassen worden, aber sie darf noch nicht wieder im Haus und an den Kindern arbeiten. Der Arzt hat mir geraten, in einigen Wochen, wenn die erste Rekonvaleszenz vor­ über ist, mit ihr eine kleine Reise zu machen, und als ich ihm heute von der Möglichkeit der holl. Reise sagte, hat er sehr zugeredet, sie mitzunehmen. Und darum bin ich nun tatsächlich so frei, auch für meine Frau die Einladung anzunehmen, mit herzlichem Dank auch dafür an Sie und Ihre Gattin. Wir haben gute Freunde in Varel bei Oldenburg, die schon lange uns ge­ beten haben, sie einmal zu besuchen. Das passt sehr gut, denn dann ist die Reise für meine Frau nicht so weit; wir können dort Station machen. Wir würden dann wohl über Groningen fahren. Vielleicht lässt es sich einrich­ ten, dass ich dort auch ein paar Stunden | Aufenthalt mache und Professor Böhl82 besuche, mit dem ich gleichfalls seit meiner Studentenzeit befreundet bin. Sie würden mir einen grossen Dienst tun, wenn Sie mir aus einem hol­ ländischen Kursbuch noch vor meiner Abreise die Züge aufschreiben wür­ den, die von Groningen nach Amsterdam fahren. Hier in Deutschland fahren wir fast immer mit Personenzügen und IV. Klasse. Ungefähr 80–90% aller Deutschen fahren IV. Klasse! So fahren wir auch in Holland selbstverständ­ lich nicht anders als mit der billigsten Klasse. Für die Beschreibung der Strassenbahn in Amsterdam gleichfalls vielen Dank. Ich besitze einen guten Bädeker83 von Holland, mit dem ich vor 12 Jahren gereist bin. Da haben wir auf dem Plan von Amsterdam schon Ihre Strasse Amsteldijk84 gefunden. Ich freue mich sehr darauf, Ihre Stadt und Ihr schönes Land, das ich damals lieb gewann, wiederzusehen. | Noch eine Bitte! Könnten Sie mir wohl noch eine kurze amtliche Aufforderung, den wissenschaftlichen Vortrag zu halten, schicken, etwa von 80  Hans Windisch (1881–1935), evangelischer Theologe, 1914 Professor in Leiden, 1929 or­ dentlicher Professor in Kiel, 1935 in Halle. 81   „Unter dem Vorbehalt des Jakobus(briefs)“, nach Jak 4,15 (Luther 1912): „So der Herr will und wir leben“. 82  Franz Böhl (1882–1976), evangelischer Theologe, 1912 Professor in Groningen, 1927 in Leiden. 83   Baedeker, K arl, Belgien und Holland nebst Luxemburg. Handbuch für Reisende, Leipzig: Baedeker 241910. 84   Die Familie Grosheide wohnte Amsterdam, Amsteldijk 85.

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dem Rektor oder dem Dekan gezeichnet? Es ist wegen der Ausstellung des Pass-Visums gut, eine solche beizufügen. Als Thema lassen wir dann: „Der Rabbinismus und das NT“. – Und nun danke ich Ihnen immer wieder für alle Freundlichkeit, mit der Sie mir Ihre Freundschaft zeigen. Auch ich möchte noch einmal sagen, wie reizend das Paket war. Sein Inhalt hat zum grossen Teil jetzt während der Krankheit gedient, die Lage meiner Frau zu erleichtern. Die Büchse mit den Kakes85 stand immer neben ihrem Bett. Unser Herr Christ wolle Ihnen und Ihrem Haus die Liebe vergelten, die Sie tun! Ihr Kittel. 12. G. Kittel an F.W. Grosheide (K 144a) Greifswald, Steinstr. 2, 8. März 1924 Lieber Herr Kollege! Ich danke Ihnen herzlich für Ihren Brief vom 29.II. mit allem Inhalt. Da es meiner Frau weiter besser geht, glaube ich nun, dass wir wirklich die Reise werden unternehmen können. Ich vermute, dass wir am 25.III. abends 818 in Amsterdam eintreffen. Doch werde ich Ihnen noch endgültig Nachricht auf einer Postkarte geben. Ihrer Fakultät danke ich für die freundliche offizielle Einladung. Ich bin, wie gesagt, bereit, den Vortrag „Rabbinismus und Neues Testament“ am 28.III. zu halten. Ich nehme an, die Vorlesung soll ca. 60 Minuten dauern. Wenn sie länger oder kürzer sein soll, so müssen Sie so gut sein und mir auch davon noch Mitteilung machen. Meine deutsche Sprache werden die Hörer ja hoffentlich alle verstehen. – Gott der Herr aber möge uns nun ein frohes Wieder- | sehen schenken und auch dies unser Zusammensein und unseren Gedankenaustausch zum Bau seines Reiches dienen lassen! Ihr Gerhard Kittel.

  „Kakes“ meint Kekse; Büchse mit den Kakes, niederl. „koekjestrommel“.

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13. G. Kittel an F.W. Grosheide (K 145) Greifswald, 19. April 1924 Confrater, carissime!86 So darf ich nun schon auch sagen, nach den Tagen der Gemeinsamkeit und der Freundschaft. Auch ich will Ihnen allen noch einmal von Herzen danken für alle die Liebe, die Sie uns bezeigt haben, und die so unendlich wohl getan hat. Ihre Photographie liegt, während ich schreibe, vor mir; und von ihr her grüsst mich das Verheissungswort unseres Herrn, das Sie als rechtes Oster- und Lebenswort daraufgeschrieben haben, und das als helles Licht leuchtet in all unserer Dunkelheit. Haben Sie Dank für alle äussere und alle innere Stärkung! – Wir sind programmässig gereist und kamen ganz richtig in Münster an, wo wir Koll. Herrmann87 trafen. Ebenso trafen wir am nächsten Tage Koll. Kögel.88 Ich hatte mit beiden allerlei über die Bibelübersetzung zu be­ sprechen. Mein Vater89 in Leipzig war recht gesund und munter; bei ihm waren wir auch drei Tage. Ich selbst habe dann in Berlin auf der Berliner Staatsbibliothek noch zwei Tage gearbeitet, während meine Frau voraus zu den Kindern fuhr. Bei den Kindern war natürlich grosse Freude über die Heimkehr der Eltern. Sie waren gesund und munter und hatten zu unserer Heimkehr den 103. Psalm | auswendig gelernt, um ihn uns aufzusagen. Nun spielen auch bei ihnen nach den vielfachen Erzählungen der Eltern die holländischen Freunde eine grosse Rolle. Unser Eberhard z.B. mit seinen vier Jahren er­ zählt täglich: „Wenn Henk 90 kommt, dann wird er mein Freund!“. Den Jakobus-Kommentar von Dibelius91 habe ich bestellt. Ich hoffe, ihn zu einem besonders billigen Preis zu erhalten. Sobald er da ist, schi­ cke ich ihn an Sie ab. Ebenso schicke ich Ihnen dann das Buch „Deutsche Evangelisation“ 92; bitte nehmen Sie das auch als kleines Zeichen meines   „Wertester Mitbruder!“.  Johannes Herrmann (1880–1960), evangelischer Theologe, 1913 ordentlicher Professor in Rostock, 1922 in Münster. 88   S.o. Anm. 57. 89   Gerhard Kittels Vater war Rudolf Kittel (1853–1929), evangelischer Theologe, 1888 or­ dentlicher Professor in Breslau, 1898 in Leipzig. 90   Der älteste Sohn Grosheides: Gerhardus Hendrik Adriaan Grosheide (1909–1992), der spätere Mathematiker und Rektor der Vrije Universiteit (1957). 91   Dibelius, Martin, Der Brief des Jakobus (Kritisch-exegetischer Kommentar über das Neue Testament 15), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1921. Martin Dibelius (1883–1947), evangelischer Theologe, 1915 ordentlicher Professor in Heidelberg. 92   Deutsche Evangelisation, hg. v. Christlicher Volksdienst zu Leipzig, Leipzig: Dörffling 86 87

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Dankes an. Ich freue mich besonders, es jemandem schicken zu können, der an den evangelisatorischen Fragen tatkräftigen Anteil nimmt. – Ich weiss nicht, ob der Brief noch zum Osterfest in Ihre Hand kommt. Jedenfalls ist er geschrieben in dem Gedanken an die Gemeinsamkeit, die uns als Knechte des Auferstandenen verbindet. Er sei mit Ihnen und Ihrer lieben Frau und Ihren Kindern und Ihrer ganzen Familie. Ihr treu ergebener Gerhard Kittel. 14. E. Kittel an F.W. Grosheide und A.O.W.D. Grosheide-Schut (K 148) Greifswald, Steinstr 2 II, 19. April 1924 Liebe Freunde in Holland, verehrter Herr Professor, liebe Frau Grosheide, nun sind wir seit vier Tagen wieder in unserem stillen Greifswald und fast wie ein Traum liegen die schönen Wochen hinter uns, die wir in Ihrem gast­ lichen Kreise verbringen durften. Wie war die Zeit reich an Anregung und Erholung zugleich! Wie haben Sie in ihrer übergroßen Güte sich immer neue Freundlichkeiten ausgedacht, und wie leicht haben Sie in Ihrer taktvollen Weise es uns gemacht, immer und immer wieder die Empfangenden zu sein. Wie soll ich Ihnen nur sagen, wie dankbar wir Ihnen sind! Heut war ich bei meinem Chirurgen: ich weiß gar nicht, worüber er sich mehr freute: über das Bild seines Ütrechter Ahns oder über mein Wohlsein infolge Ihrer Pflege. Und nicht nur Ihnen gilt unser Dank. Er ist zugleich an die gesamte Familie. | Morgen – am ersten Osterfesttag – wollen wir der Kinder Geburtstag fei­ ern. Da gibts früh „holländisches Frühstück“ mit Hagelslag & Mäuslein. Und auf dem Geburtstagstisch der zwei stehen Anetjes93 Klomjes94 & die Kupferlaterne für das Mädel und Herrmanns95 Chocoladen[?].96 Und die herr­ liche Chocolade von den Fräulein Grosheides! Übrigens hatten wir Glück bei der Zollrevision! Der Beamte ging flüchtig durch den Zug. Aber vom nächst­ folgenden Tage mussten die Reisenden wieder aus dem Zug und ihr Gepäck am Zolltisch revidieren lassen, vor allem auf Choc. Cacao, Kaffee, Tee & Cigarren hin. Heute haben wir Henks97 Briefmarken Herrn Prof. Deißner 98 & Franke 1920. 93   Anna Margaretha Grosheide (1916–1982). 94   „Klomjes“, niederl. Klompjes für Holzschuhe. 95   Herman Hendrik Grosheide (1914–1980). 96  Unleserlich. 97   S.o. Anm. 90. 98   S.o. Anm. 14.

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gebracht. Sie können sich seine Freude wohl vorstellen. Er wird Henk wohl selber schreiben. Nun singt mein Sohn das „groene groene Knollen Land“.99 Schad nur, dass ich nur den ersten Vers gelernt hab. Die zweite Hälfte klingt bei mir deutsch, aber gar nicht holländisch. | Gestern am Karfreitag hör­ ten wir im Kirchenkonzert zwei Bachsche Cantaten: ein Actus Tragicus: „Siehe wir gehen hinauf gen Jerusalem“100 und ein Chorwerk: „Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit“101; in der helldunkeln reichgothischen102 Kirche dies zu hören, war ein rechter Genuss. Und früh im Gottesdienst hatten wir unser Passionslied gesungen: „O Haupt voll Blut und Wunden“.103 Geht es Ihrem Fräulein Schwester104 wieder ganz gut, liebe Frau Grosheide? Hier ist aller Frost einem entsetzlichen Regen gewichen. Sie kön­ nen sich denken, wie wir jeden Tag sagen: wie günstig das Wetter während der Reise war! Bei solchem Wetter beruhigen sich dann vom Frost heim­ gesuchte Glieder. Und grüßen Sie Ihre liebe Mutter105 herzlich von uns, ich werde das freundliche ruhige Gesicht nicht vergessen, und ihre „lepelche“106 = Löffelchen in Guten Ehren halten. Mein Mann fand viel Arbeit vor; da am | 28. April die Vorlesungen wieder beginnen, sitzt er eifrig über dem kommenden Kolleg. Erinnern Sie bitte Herr Dr. Henri Grosheide107 an sein Briefversprechen. Wir stehn jetzt im Zeichen der Reichstagswahlen vom 4. Mai.108 Hoffentlich zersplittern sie unser armes Volk nicht noch mehr! Nun danken wir zwei Ihnen allen noch mal von Herzen und Ihnen beiden im Besonderen, für alle Freundschaft und Güte, die wir bei Ihnen in den Wochen der Gastlichkeit erfahren durften. Mit den herzlichsten Grüßen und den besten Wünschen für ein gesegne­ tes Osterfest sind wir Ihre Kittels.

  Niederländisches Kinderlied: „In een groen knollenland“.   Kantate von Johann Sebastian Bach (BWV 159). 101   Kantate von Johann Sebastian Bach (BWV 106), auch „Actus tragicus“. 102   Altertümlicher Ausdruck zur Bezeichnung des Baustils der Gotik in Deutschland. 103   Choral von Paul Gerhardt (1607–1676). 104   Unbekannt. Zu den komplexen Beziehungen der Familien Schut und Grosheide, s. Beek, P. van/D.Th. Kuiper /J.C. Okkema (ed.), De dolerenden van 1886 en hun nageslacht, Kampen: Kok 1990, 268. 105   Johanna Hendrika Jolink (1851–1936), seit 15.1.1917 Witwe von Daniël Schut. 106   Niederländisch korrekt: „lepeltjes“. 107  F.W. Grosheides jüngster Bruder, der Rechtsanwalt Gerhardus Hendrik Adriaan Grosheide (1887–1963). 108   Die hier genannte Reichstagswahl fand am 4.5.1924 statt. S.u. Anm. 111. 99

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15. G. Kittel an F.W. Grosheide (K 146) Greifswald, 10. Mai 1924 Lieber verehrter Freund! Endlich schicke ich Ihnen die beiden versprochenen Drucksachen. Es hat freilich länger gedauert als ich gedacht hatte. Gestern erst habe ich den Jakobusbrief 109 endlich erhalten, und leider scheint er nur ungebunden aus­ gegeben zu werden (denn ich hatte ihn gebunden bestellt!). Hoffentlich kommt er Ihnen noch gelegen. Ich bitte Sie herzlich, die beiden Bücher als Geschenk anzunehmen. Wir denken täglich der schönen Zeit, die wir in Amsterdam verleben durften, und der lieben Freunde dort. Unsere Kinder singen das Liedlein von den zwei Hasen…110 Hoffentlich sind Ihre Kinder gesund, und haben Sie auch um Otto keine Sorgen. Bei uns sind nun die Reichstagswahlen gewesen.111 Es ist gut, dass die „Völkischen“ nur einen geringen Erfolg gehabt haben. Man weiss | noch nicht, wie die Regierungsbildung sein wird. Die Gegensätze im Volke sind sehr gross. Der Tod Helfferichs112 war ein schwerer Schlag für uns, denn er war klug und wissend, kenntnisreich. Wir sind nun wieder tüchtig in der Semesterarbeit. Daneben verarbeite ich meine Exzerpte aus der Rosenthaliana113. Die Zeit war auch nach dieser Seite hin äusserst fruchtbar für mich. Vielleicht, dass sie noch eine kleine literarische Nach-Frucht trägt. Gott lehre uns in diesen Wochen selbst beten Sein (sic!): veni creator spiritus! In herzlicher Treue grüssen wir Sie und das ganze Doppelhaus GrosheideSchut114 Ihr Gerhard Kittel.

  Dibelius, Jakobus. S.o. Anm. 91.   S.o. Anm. 99. 111  Kittel verweist mit der Bezeichnung „die Völkischen“ auf die Nationalsozialistische Freiheitspartei, in der sich die zu dieser Zeit verbotene NSDAP mit der Deutschvölkischen Freiheitspartei zusammengeschlossen hatte und die in der Reichstagswahl vom 4.5.1924 einen Stimmenanteil von 6,6% erreichte. 112  Karl Helfferich (1872–1924), vor 1918 hoher Wirtschafts- und Finanzbeamter, Wirtschaftspolitiker der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP). 113   S.o. Anm. 71. 114   S.u. Anhang 1. Die Familien Grosheide und Kittel. 109 110

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16. E. Kittel an A.O.W.D. Grosheide-Schut (K 147) Steinstr 2, Greifswald, 5. Juni 1924 Meine liebe Frau Grosheide, einen Pfingstgruß möchten wir Ihnen allen schicken, in der Hoffnung dass Kinder und Eltern wieder wohlauf sind. An das nette Anetje ist ein Schächtelchen unterwegs. Das fertigen sich unsere Kinder jetzt zum Spaß an, vielleicht macht es Anetje auch Spaß. Mein Mann dankt dem Ihren für den Brief, den er neulich erhielt. Er hat sich darüber sehr gefreut. Wir stehen mitten im Semester und er also tief in der Arbeit. Diesmal haben wir auch drei Schweizer unter den Studenten. Über Pfingsten sind die meisten von ihnen wandernd unterwegs, obgleich es augenblicklich recht frisch draußen ist. | Ob Sie über den Sommer Amsterdam verlassen werden? Wir wollen in ein ganz kleines Ostseebad in der Nähe, weil die Kinder wieder so arg erkältet sind und bis jetzt den Husten nicht verloren haben. Ob das kleine Willichen115 jetzt läuft? Geht es Ihrer Frau Mutter116 gut? Ich muss so oft an ihr ruhiges, gutes Gesicht denken. Bitte, grüßen Sie uns nur jene anderen Familien-Glieder, es sind derer so viel. Und sie alle waren so freundlich gegen uns. Mein Mann und ich grüßen Sie beide besonders herzlich und wünschen Ihnen allen ein gesegnetes Fest. Ihre Elisabeth Kittel. 17. G. Kittel an F.W. Grosheide (K 150) Prerow (Vorpommern), Waldstr. 37, 15. August 1924. Verehrter und lieber Freund! Die Ferien-Musse, die ich zur Zeit geniesse, soll Ihnen endlich einmal wie­ der einen Gruss bringen. Wir haben uns für ein paar Wochen in einem klei­ nen Fischerdorf in der Nähe Greifwalds eingemietet, wo wir sehr still mit den Kindern leben. Den Kindern tut der Seeaufenthalt sehr gut. Sie werden dadurch gegen Halskrankheiten gefestigt, zu denen sie neigen. 115   Frederika Wilhelmina Grosheide (1922–2012). S.u. Anhang 1. Die Familien Grosheide und Kittel. 116  Johanna Hendrika Jolink (1851–1936). S.u. Anhang 1. Die Familien Grosheide und Kittel.

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Ich selbst habe mir eine Bücherkiste mitgenommen und arbeite verschie­ dene Stücke. Im September habe ich auf dem „apologetischen Seminar“ in Helmstedt117 einige Vorlesungen zu halten, die ich vorbereite. Ausserdem suche ich, die Vorlesungen für den Winter vorzubereiten, vor allem eine Vorlesung über die Apokalypse. Das ist ein Gegenstand, in den sind un­ sere Studenten nicht so ganz leicht einzuführen. Ich studiere zugleich die Kommentare von Charles118 und von Zahn119. Aber ich bin freilich von keinem von beiden restlos befriedigt. | Vor allem vermisse ich die eigentlich theolo­ gische Problemstellung in beiden Werken. Aber sonst lerne ich viel an ihnen beiden. Dazwischen beschäftigt mich noch immer die Bibelübersetzung. Es ist eine grosse Verantwortung, dass wir die Schrift den Gemeindegliedern so darlegen, dass sie sie verstehen. Ich habe sehr oft grosse Sorge, dass wir Theologen etwa könnten Gottes Kommen hemmen! Wir haben eine beson­ dere Verantwortung; Jak 31: μεῖζον κρίμα λημψόμεθα120. – Ich lege Ihnen eine kleine gedruckte Sache bei und möchte dazu einiges sagen und fragen. Dalman121 feiert im nächsten Jahr seinen 70. Geburtstag; der Plan, ihm dazu eine Freude zu machen, geht aus von Prof. Alt122 = Leipzig, Riggenbach123 = Basel, Aurelius124 = Lund, Hjelt125 = Helsingfors. Wir glauben, dass er viele Verehrer in allen Ländern hat; ein oder zwei Amerikaner (Moore126 & Kraeling127) werden sich an dem Aufruf auch betei­ ligen. Was meinen Sie nun; ob auch in Holland einige wären, die an einer sol­ chen Ehrung Dalmans Interesse hätten. Würden Sie selbst wohl den Aufruf unterzeichnen und etwa auch bei seiner Verbreitung in Holland mit helfen? Ich dachte, ausser Ihnen auch | noch einen der Kollegen der Hervormde  Das Apologetische Seminar war 1909 von der Allgemeinen Lutherischen Kirchenkonferenz gegründet worden und zielte auf eine akademisch gebildete Öffentlichkeit. 118   Charles, Robert Henry, A Critical and Exegetical Commentary on The Revelation of St. John, With Introduction, Notes and Indices, Also the Greek Text and English Translation, 2 Bde. (International Critical Commentary), Edinburgh: T&T Clark 1920. 119   Zahn, Theodor, Die Offenbarung des Johannes, Bd. 1 (Kommentar zum Neuen Testament 18), Leipzig: Deichert/Werner Scholl 1924. 120   Jak 3,1: „wir werden desto mehr Urteil empfangen“ (Luther 1912). 121   S.o. Anm. 65. 122  Albrecht Alt (1883–1956), evangelischer Theologe, 1912 außerordentlicher Professor in Greifswald, 1914 ordentlicher Professor in Basel, 1921 in Halle, 1923 in Leipzig. 123  Eduard Riggenbach (1861–1927), evangelischer Theologe, 1899 außerordentlicher Professor in Basel. 124  Erik Aurelius (1874–1935), evangelischer Theologe, 1912 Professor in Lund, 1927 Bischof von Linköping. 125  Arthur Hjelt (1868–1931), evangelischer Theologe, 1904 ordentlicher Professor in Helsinki. 126   George F. Moore (1851–1931), evangelischer Theologe, 1902 Professor in Harvard, 1905 Frothingham Professor ebenda. 127   Carl H. Kraeling (1897–1966), evangelischer Theologe, 1932 Professor in Yale, 1950 in Chicago. 117

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Kerk128 zu fragen, damit beide Gruppen vertreten sind. Ich könnte mir doch denken, dass grade Dalmans Bücher auch in Ihrem Lande manchen stillen Freund haben. Nach welchen Gesichtspunkten u. U. der Aufruf zu versenden wäre, kann ich für Holland schwer sagen. In Deutschland und in der Schweiz soll er den Mitgliedern des Deutschen Palästinavereins129 zugesandt wer­ den. Ob es etwa möglich wäre, ihn der Ger. Tijdschr.130 beizulegen? Da sind wir ganz auf Ihren Rat angewiesen. Für die Schweiz schlug Riggenbach131 Einrichtung eines Postscheck – oder Bankkontos vor, das auf dem Aufruf mit angegeben wäre. Ich weiss nicht, ob dies u. U. auch für Holland praktisch wäre. Sie würden mir einen neuen grossen Dienst tun, wenn Sie mir einiges über Ihre Meinung hierzu schrieben. Ich habe in dem vorbereitenden Komité die Verpflichtung übernommen, mich mit den holländischen Freunden in Verbindung zu setzen. Nun müssen Sie es sich schon wieder einmal gefallen lassen, dass ich Sie um Rat angehe. – Ihren Kindern geht es hoffentlich wieder ganz gut. Ein Brief Ihrer lieben Frau erzählte unlängst | von allerlei Sorgen. Gott gebe, dass dieselben be­ hoben sind! Von der Verlobung Ihrer Schwägerin132 hörten wir mit Freude – Gott segne den Bund, zur Freude der Angehörigen! Wir denken gern und dankbar an die Häuser der Freunde in Amsterdam! – Unsere Wirtschaftslage in Deutschland ist zwar immer noch nicht gut, aber im Augenblick viel besser als vor einem Jahr. Doch wird sich erst auf der Londoner Konferenz133 endgültig der Weg für die nächste Zukunft ent­ scheiden. Mein Bruder134 hat einen wesentlichen Teil an den Verhandlungen über die Eisenbahnfragen in Paris und in London geführt. Er ist nicht ohne Sorgen. Die Opfer, die von Deutschland gefordert werden, sind nicht gering. Doch – Gott weiss den Weg. Unser Choral heisst: „Er sitzt im Regimente und führet alles wohl.“135

128   Seit 1816 nannte sich die reformierte Kirche in den Niederlanden Nederlands Hervormde Kerk. 1892 entstand daneben der freie Zusammenschluss neocalvinistischer Gemeinden zur Gereformeerde Kerken in Nederland. 129   Deutscher Verein zur Erforschung Palästinas, gegr. 1877, bis 1949 Sitz in Leipzig. 130   Die 1912 gegründete Gereformeerd Theologisch Tijdschrift wurde von der neocalvi­ nistischen Gereformeerde Kerken in Nederland herausgegeben. Zum genannten Beitrag über Dalman, s. Grosheide, F.W., Gustav Dalman, in: Gereformeerd Theologisch Tijdschrift 25 (1924), 193–198. 131   S.o. Anm. 123. 132   Im Brief Nr. 19, K 152 vom Oktober 1924 gratulierte Elisabeth Kittel Frau Grosheide zur Verlobung ihrer Schwester. 133   Die Londoner Konferenz (16.7–16.8.1924) regelte die Reparationszahlungen Deutsch­ lands im Dawes-Plan. 134  Theodor Kittel (1883–1970), seit 1920 hoher Beamter im Reichsverkehrsministerium. 135   Zeile aus dem Choral „Befiehl Du Deine Wege“.

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Mit herzlichen und treuen Grüssen an Ihre liebe Frau, auch von meiner Frau, und an Sie selbst Ihr verbundener Gerhard Kittel. Vielen Dank für die Fotos; wir finden sie sehr gelungen – sie sind eine liebe Erinnerung! 18. G. Kittel an F.W. Grosheide (K 151) Prerow, Ostsee, Waldstr. 37, 30. August 1924 Lieber verehrter Freund! Ich danke Ihnen recht herzlich für Ihren Brief und Ihr und Ihrer Frau freund­ liches Gedenken. Auch von Ihrem Bruder136 bekamen wir dieser Tage eine Karte von seiner Schweizer Reise. Ich sollte eigentlich in diesen Tagen eine Reise nach Österreich machen, um zum 50 jährigen Jubilaeum des gros­ sen deutsch-evangelischen Diakonissenhauses in Gallneukirchen137 bei Linz zwei Vorträge zu halten. Aber ich habe leider absagen müssen, weil ich eine langwierige Augenentzündung habe, und mich so etwas in acht nehmen muss. Was Sie über Zahn138 schreiben, ist ganz meine Meinung. Wir brauchten eine gelehrte positive Schriftauslegung, der liberalen Theologie gegenüber; aber wir müssen Gott bitten, dass er uns nun auch eine Schriftauslegung schenkt, die sich vom Geist Gottes in die Tiefe des Schrift-Inhaltes führen lässt! Es ist eine Ermutigung zu sehen, wie diese Erkenntnis diesseits und jenseits der Grenzpfähle lebendig wird. Ich hatte über diese Fragen mehrfach Unterhaltungen mit meinen theologischen | Freunden, z.B. mit Prof. Julius Kögel139. Kennen Sie dessen kleine Hefte „Zum Schriftverständnis des NT“?140 –   S.o. Anm. 107.   Heute: Evangelisches Diakoniewerk Gallneukirchen. 138  Theodor Zahn (1838–1933), evangelischer Theologe, 1871 außerordentlicher Professor in Göttingen, 1877 ordentlicher Professor in Kiel, 1878 in Erlangen, 1888 in Leipzig, 1892 wie­ der in Erlangen. 139   S.o. Anm. 57. 140   Kögel, Julius, Das Evangelium des Matthäus (Zum Schriftverständnis des Neuen Testaments 1), Gütersloh: Bertelsmann 1917; Ders., Das Evangelium des Johannes (Zum Schriftverständnis des Neuen Testaments 2), Gütersloh: Bertelsmann 1918; Ders., Der Brief des Apostels Paulus an die Galater (Zum Schriftverständnis des Neuen Testaments 3), Gütersloh: Bertelsmann 1918; Ders., Der Brief des Apostels Paulus an die Römer (Zum Schriftverständnis 136 137

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Nun zur Frage Dalman141. Böhl142 hat mir sehr freundlich geantwortet. Er will gern mit unterschreiben. Für die Versendung und Korrespondenz in Holland rät er mir, mich an einen Schüler Dalmans zu wenden, Pfarrer Dr. Joh. de Groot143, ′s Gravenhage, Valeriusstr. 50. Der war Dalmans Schüler in Jerusalem und verehrt ihn sehr. Böhl meinte, er werde mit grossem Eifer an die Sache gehen. Ich glaube, das ist ein sehr guter Rat; es wäre nur die Frage, ob ich Ihre Adresse auch angeben darf für diejenigen Kreise, die Ihnen näher stehen. de Groot ist wohl Pfarrer der Herv[ormde] Kerk.144 Ich habe ihm soeben geschrieben und zweifle nicht daran, dass er einverstanden sein wird. Dann kam mir noch die Frage, ob man wohl auch einen jüdischen Gelehrten in Holland zur Unterschrift bitten solle. Aus Deutschland habe ich die Unterschrift von Elbogen145 und S. Klein146, ferner Klausner147 – Jerusalem. Ebenso wollen die amerikanischen Freunde Dalmans dort ein oder zwei Juden interessieren. Was meinen Sie dazu für Holland? Und haben | Sie selbst etwa zu einem in Frage kommenden Juden Beziehungen? Ich glaube mich z.B. zu erinnern, von dem einen Rabbiner in Amsterdam gehört zu haben, dass er wissenschaftliche Interessen verfolge? Ich will auch Böhl darum fragen. Ihren Gedanken, etwas über Dalman zu schreiben, finde ich hervorra­ gend. Ich habe einige Daten über sein Leben und seine Werke aufgezeich­ net. Zur persönlichen Charakterisierung will ich noch hinzufügen: Dalman ist einer der ganz stillen, unscheinbaren Gelehrten. Er kann eine Stunde in einem Kreise sitzen, ohne ein Wort zu sagen. Auch in Sitzungen re­ det er nur ganz selten. Seine Vorlesungen sind ganz sachlich, ohne eine Phrase oder Redewendung, er gibt nur Material. Viele Studenten halten ihn darum für langweilig, und nur ein verhältnismässig kleiner Kreis de­ rer, die sachliche Belehrungen suchen, lernen von ihm, diese aber sehr viel. Dabei ist er voll Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft, und wenn man ihn näher kennt, weiss man auch, dass er einen sonnigen, heiteren Humor des Neuen Testaments 4), Gütersloh: Bertelsmann 1919. 141   S.o. Anm. 65. 142   S.o. Anm. 82. 143   Der Altertumswissenschafter, Alttestamentler und Hebraist Johannes de Groot (1886– 1942) war damals Pfarrer der Hervormde Gemeente in ’s-Gravenhage (1922–1928). Er stu­ dierte Theologie und Philologie (Groningen), danach am Deutschen Evangelischen Institut für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes zu Jerusalem bei Dalman. 1913 Promotion Groningen, 1928 ordentlicher Professor Groningen, 1936 ordentlicher Professor Utrecht. 144   S.o. Anm. 128. 145  Ismar Elbogen (1874–1943), Judaist und Rabbiner, 1902 Dozent und Professor an der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums in Berlin, ab 1938 in New York. 146  Samuel Klein (1886–1940), Judaist und Rabbiner, 1929 Professor an der Hebräischen Universität Jerusalem. 147   S.o. Anm. 33.

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hat. Vor allem wird Sie auch interessieren, dass dieser grosse Gelehrte ein kindlich frommer und gläubiger Mann ist. Er ist „Pietist“, | steht der „Gemeinschaftsbewegung“148 nahe, hält auch Bibelstunden von einer stillen, feinen Tiefe der Schriftauslegung; auch bemüht er sich um die christliche Jugendbewegung und ist Ehrenvorsitzender des Greifswalder Christlichen Vereins Junger Männer.149 Nun danke ich Ihnen nochmals für Ihre Hilfe. Viele Grüsse und weiter gute Erholung für Sie und die Ihrigen. Eine kleine Drucksache nehmen Sie als freundlichen Gruss. Die „Furche“150 ist die Zeitschrift unserer Christlichen Studenten. Ihr getreuer Gerhard Kittel. | Gustaf Dalman: geboren 9.VI 1855 in Niesky in der Brüdergemeinde; 1881:

Dozent für AT am Theol. Seminar der Brüdergemeinde in Gnadenfeld; 1891: Privatdozent in Leipzig; 1895: ausserordentlicher Professor in Leipzig; 1902: Vorstand des deutschen Instituts für Altertumswissenschaft in Jerusalem; 1917: ordentlicher Professor für AT in Greifswald. ___________________________________ Werke: 1884: 1888: 1891: 1891: 1891: 1897: 1896: 1896:

Traditio Rabbinorum; Der leidende und der sterbende Messias Was sagt der Talmud über Jesus? Das Profetenwort vom Sühneleiden des Gottesknechtes, Jesaja 53. (2. Aufl. 1913) Jüdisch-deutsches Volkslied. Studien zur biblischen Theologie. Das AT ein Wort Gottes. Grammatik des jüdisch palästinischen Aramäisch, (2. Aufl. 1905).

148   Allgemeine Bezeichnung für eine Gruppe evangelischer Verbände und Vereine, die sich ab Mitte des 19. Jh. auf der Basis pietistischer Grundüberzeugungen der Evangelisation und Diakonie (Innere Mission) an den Entkirchlichten widmeten. 149   Dalman war eine führende Persönlichkeit des Greifswalder Christlichen Vereins Junger Männer (CVJM). 150   Die Furche. Evangelische Monatsschrift für das geistige Leben der Gegenwart, Berlin: Furche-Verlag, erschien 1910–1941.

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1896: Aramäische Dialektproben. 1897–1901: Aramäisch-Neuhebräisches Wörterbuch zu Targum, Talmud und Midrasch (2. Aufl. 1922). 1898: Worte Jesu I. 1899: Christum und Judentum.| 1901: Palästinensischer Diwan; 1905–1924: Palästinajahrbuch; 1908: Petra und seine Felsheiligtümer; 1912: Neue Petra-Forschungen; 1913: Exkursionskarte von Mitteljudaea; 1915: Die Kapelle zum Heiligen Kreuz und das heilige Grab in Görlitz und Jerusalem; 1919: Orte und Wege Jesu (2. Aufl. 1921; 3. Aufl. 1924); 1922: Jesus = Jeschua. 19. E. Kittel an A.O.W.D. Grosheide-Schut (K 152) Greifswald, Steinstr. 2II, Oktober 1924 Meine liebe Frau Grosheide, ich benutze einen einsamen Abend, an dem mein Mann zu einem seiner Collegen gebeten ist, um einmal wieder mit Ihnen zu plaudern. Wie vie­ lerlei möchte ich wohl fragen über Ihr aller Wohlergehen! Inzwischen hat sich ja Ihre jüngste Schwester151 verheiratet! Ich hoffe, unser telegra­ phischer Glückwunsch kam zu rechter Zeit. Wir schickten ihn von der Lutherstadt Wittenberg, wo mein Mann eine Theologenkonferenz hatte, während ich eine meiner verwitweten Schwestern152 , eine Pfarrerswitwe, die jetzt wieder als Lehrerin tätig ist, in Tübingen besuchte. Ist es der jungen Frau schwer geworden, | die alte Frau Mutter zu verlassen? Und wer ist jetzt bei der alten Dame? Mich dünkt, sie kann nicht mehr ganz allein leben trotz Ihrer engen Nachbarschaft. Von Ihren Geschwistern be­ kamen wir eine Karte aus der Schweiz. Danken Sie ihnen, bitte, schön dafür. Vielleicht fahren Sie ein andres Jahr nach Schweden und kommen dann über Greifswald. Das würde uns freuen. Und wie geht es den drei Fräulein Grosheides? War die eine wieder in Paris? Und kommt von ihnen keine nach Deutschland? Wer unverheiratet ist und durch einen Beruf fest­ gelegte Ferien hat, ist ja so beweglich und leichtbeschwingt, dass ihm eine weite Reise keine innere oder äußere Schwierigkeit bedeutet. Aber vor al­ 151   S.o. Anm 150. In Brief Nr. 17 (K 150) vom 15.8.1924 gratulierte Gerhard Kittel seinem Kollegen Grosheide zur Heirat seiner Schwägerin. 152  Maria Heckemann, geb. Rohde (1890–1954).

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lem zu Ihnen, liebe Frau Grosheide, und Ihren Nächsten. Haben Sie sich | während Ihres Landaufenthaltes gut erholt? Haben dem kleinen Willichen die Sonnenbäder gut getan? Man behandelt bei uns Kinder sehr viel mit Höhen-Sonnen-bestrahlung. Bei langwieriger Erkältung, bei Neigung zu Erkältung, bei Appetitlosigkeit, bei allgemeiner Zurückgebliebenheit: im­ mer wird bestrahlt. Wie geht es Otto153 und seiner Krankheit? Und was macht das kleine runde Annetje und der kleine Küster David? Vor den holländischen Schulleistungen hab ich allen Respekt und gratulier Jo154 zur Versetzung. Heut war ein schwedischer Professor bei uns, der eben aus Holland – Amsterdam & Leiden – kam und auch sehr erfreut und bewun­ dernd davon sprach, wie man alle drei Sprachen bei Ihnen gut verstehe & spreche und wie vor allem Deutsch | fast allen Holländern gut geläufig sei. Bei uns beginnt in einigen Tagen das neue Wintersemester; noch ist der Herbst hell, klar und warm; aber unser Greifswalder Winter ist hernach eiskalt und dauerhaft. Wie schön sind Ihre holländischen Kamine, die noch abends nach 6 Uhr in 10 Minuten solch behagliche Wärme ausstrahlen! Mein Mann grüßt den Ihren herzlich. Grüßen Sie, bitte, Ihre Kinder von uns. Herr Henk155 soll nicht vergessen, dass er zu uns kommen will, wenn er fertig ist. Ich bitte Sie auch, allerseits in Ihrer Familie von uns grüßen zu wollen. Ihnen selbst, meine liebe Frau Grosheide, meine allerherzlichsten Grüße. Ihre Elisabeth Kittel. 20. G. Kittel an F.W. Grosheide (K 153) Greifswald, 24. November 1924 Verehrter, lieber Freund! Haben Sie und Ihre Gattin Dank für Ihre lieben Briefe. Es ist stets eine Freude, aus Ihrem Hause Nachrichten zu haben. Ihre Frau schrieb, dass Sie im Frühjahr ein Kind156 erwarten. Wir bitten mit Ihnen Gott, dass Er Ihrer beiden Hoffnungen segne und Seine gnädige Hand über der Mutter halte! Unser Töchterchen157 ist leider seit sechs Wochen an einer Entzündung der Lymphdrüsen erkrankt. Sie hat dauernd ein wenig Fieber, muss zu Bett liegen und ist natürlich durch die Krankheit sehr geschwächt. Doch hoffen wir immer noch, dass vor Beginn der Kälte die Krankheit überwunden wird.   Alexander Otto Willem Daniel Grosheide (1918–2008).   Johanna Hendrika Grosheide (1911–1998). 155   S.o. Anm. 107. 156   Engelina Cornelia („Corrie“) Grosheide (1925–1939). 157  Elsbeth Kittel (geb. 1918). 153

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Dass Sie den Artikel über Dalman158 veröffentlichen, ist sehr fein. Wäre es Ihnen wohl | möglich, eine Anzahl Separata davon machen zu lassen? Ich würde ihn dann sehr gern ein paar der Kollegen, die sich für die DalmanStiftung besonders interessieren, zusenden. Er würde auch über Hollands Grenzen hinaus gute Dienste tun. Was Sie über die Besetzung der Amsterdamer alttestamentlichen Professur sagen,159 interessiert mich sehr. Ich halte Böhl160 für einen ausgezeichneten Gelehrten. Wir haben vor 15 Jahren zusammen in Berlin studiert. Ich halte nicht für unmöglich, dass man in Deutschland einmal daran denken wird, ihn zu berufen. Ich bin augenblicklich dabei, die Ausarbeitung meiner Amsterdamer Vorlesung über Spätjudentum und Urchristentum abzuschliessen.161 Sie ist sehr viel ausführlicher geworden, und ich habe sie mit einem ausführlichen wissenschaftlichen Apparat versehen. Als Beilage werde ich eine kleine Abhandlung über Jak. | 3,6: τροχὸς τῆς γενέσεως162 geben.163 In den letzten Wochen las ich das Buch von Burney: The Aramaic Origin of the Fourth Gospel164. Das ist eine ausgezeichnete Abhandlung. Ich halte freilich das Ergebnis einer „real translation“ nicht für richtig. Die „mistrans­ lations“, die Burney vermutet, sind zum Teil sehr willkürlich. Aber was er endgültig erwiesen hat, ist die Tatsache einer „virtual translation“. An ihr kann wohl nicht mehr gezweifelt werden. Es ist doch erstaunlich, wie lange die Wissenschaft daran vorbei gegangen ist. Wertvoll ist auch der Artikel von Torrey165 über Burney in Harv. Theol. Rev.166 Wie denken Sie übrigens über Torrey’s Hypothese von der aramäischen Grundschrift von Act. I– XV?167 Die Hypothese hat viel Bestechendes; aber sie ist freilich auch nicht so ganz einfach. | Man kommt auch in gewisse Schwierigkeiten durch sie.

  S.o. Anm. 130.   Was Grosheide dazu geschrieben hat, ist unbekannt. G.Ch. Aalders (1880–1961) war von 1920 bis 1950 Professor für Exegese und Kanonik des Alten Testaments an der Vrije Universiteit. 160   S.o. Anm. 82. 161   S.o. Anm. 69. 162   Jak 3,6: „allen unsern Wandel“ (Luther 1912), wörtlich „das Rad des Daseins“. 163   Kittel, Gerhard, ΤΟΝ ΤΡΟΧΟΝ ΤΗΣ ΓΕΝΕΣΕΩΣ, in: Ders., Die Probleme des pa­ lästinischen Spätjudentums und das Urchristentum (Beiträge zur Wissenschaft vom Alten und Neuen Testament 37), Stuttgart: Kohlhammer 1926, 141–168. 164   Burney, Charles Fox, The Aramaic Origin of the Fourth Gospel, Oxford: Clarendon 1922. 165   Charles C. Torrey (1863–1956), Historiker und Archäologe, 1892 Professor in Andover, 1900 in Yale. 166   Torrey, Charles C., The Aramaic Origin of the Gospel of John, in: Harvard Theological Review 16 (1923), 305–344. 167   Torrey, Charles C., The Composition and Date of Acts (Harvard Theological Studies 1), Cambridge, MA Harvard University Press 1916. 158 159

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Ich halte dieses Semester eine Vorlesung über das Urchristentum. Ich empfinde dabei ein Doppeltes: 1.) wie schön und gross die Aufgabe ist, die Entwicklung und Gestaltung des jungen Christentums zu erkennen, mit ihren beiden grossen Grundmotiven: Erinnerung an Geschichte und Tat und Lehre Jesu, d.h. an den geschichtlichen Jesus, und: Ostererlebnis, d.h. Erlebnis des auferstandenen Christus; 2.) aber, wie wenig in den Büchern von Weizsäcker168 und Joh. Weiss169 grade davon zum Ausdruck kommt. Dass Henk170 den Plan, nach Greifswald zu kommen, festhält, freut uns herzlich. Er soll uns stets willkommen sein! Mit treuen Grüssen Ihr Kittel. 21. G. Kittel an F.W. Grosheide (K 154) Greifswald, 21. Dezember 1924 Liebe Freunde! Zum Weihnachtsfeste [ge]denken wir Deutschen mit besonderer Herzlichkeit der Menschen, mit denen wir in Freundschaft verbunden sind. So senden wir auch den lieben Amsterdamer Freunden einen besonders innigen Gruss. Gott lege alle Seine Gnade auf Ihr Haus! τὸ φῶς ἐν τῇ σκοτίᾳ φαίνει.171 Ein paar kleine Weihnachtsgrüsslein für Eltern und Kinder des Hauses Grosheide werden, wie ich denke, ihr Ziel richtig erreicht haben. – Ich habe Ihnen noch nicht gedankt für die Zusendung des Artikels über Dalman.172 Das ist eine sehr feine Würdigung dieses Mannes, und ich bin sicher, dass sie | über die Grenzen Hollands hinaus Beachtung finden wird. Ich danke Ihnen dafür! Mit den herzlichsten Grüssen an Sie selbst und Ihre Frau und Ihre Kinder Ihr Gerhard Kittel.

168   Weizsäcker, Carl, Das apostolische Zeitalter der christlichen Kirche, Tübingen: Mohr Siebeck 31902. 169   Weiss, Johannes, Das Urchristentum, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1917. 170   S.o. Anm. 107. 171   Joh 1,5: „Das Licht scheint in der Finsternis“ (Luther 1912). 172   S.o. Anm. 130.

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22. E. Kittel an F.W. Grosheide und A.O.W.D. Grosheide-Schut (K 149) Greifswald, Steinstr. 2 ohne Datum [Jahreswechsel 1924/25]173 Liebe Freunde, Gestern kam vom Zollamt ein wunderschönes süßes Paket von den holländi­ schen Freunden. Was für eine Freude haben Sie den Eltern wie den Kindern damit gemacht! Seien Sie, liebe Freunde, herzlich dafür bedankt! Es macht uns vor allem so große Freude mit den Namen und Arten, wie wir sie in Ihrem gastlichen Lande kennen gelernt hatten, nun Wiedersehen zu feiern, mit den Borstplaats und den Beschuits174. Nun noch wollt ich immer danken für das nette Familien- | bild, auf dem wie mir scheinen will, allerdings ein Jung zu viel ist, der auf Frau Grosheides Schoß. Oder irr ich mich? Ja und dann eine Frage, wie heißt der Jung, der so alt ungefähr ist wie Daniel?175 Ich besinn mich gar nicht auf seinen Namen. – Und zum neuen Jahr wünschen wir Ihnen allen Gottes Segen. Mag Gott Sie alle behüten, und vor allem Sie, liebe Frau Grosheide, bei der bevorste­ henden Geburt. Wir hoffen, Sie haben das Fest gesund und froh erlebt. Wir sind so glücklich berichten zu können, dass unser Mädchen wieder wohler ist. Noch stellt sich abends Fieber ein, aber das Allgemeinbefinden ist doch besser. Um dem Fieber ein Ende zu machen, soll ich von Mitte Januar an einige Wochen | mit dem Kinde ins Riesengebirge, dort soll es eine Liegekur im Freien durchmachen. Der Entschluss und seine Durchführung wird uns sehr schwer; aber die Gesundheit ist ja doch das wertvollste Gut, zu dessen Erhaltung man jedes Opfer bringt. Mein Mann ist wieder in voller Tätigkeit. Am Freitag fährt er auf fünf Tage als Abgeordneter nach Stockholm, Uppsala.176 Die Schweden haben den Hainstein am Fuße der Wartburg gekauft, weil ruchbar wurde, dass die Katholiken ihn erwerben wollten, um ein Kloster daraus zu machen.177   Das undatierte Schreiben enthält gute Wünsche zum neuen Jahr und einen Rückblick auf das „Fest“, womit wahrscheinlich das Weihnachtsfest gemeint ist. Zudem wird eine Kur „Mitte Januar“ erwähnt. All das weist darauf hin, dass der Brief als Dankesschreiben für eine weihnachtliche Geschenksendung („wunderschönes, süßes Paket“) nach Weihnachten und vor Mitte Januar rund um den Jahreswechsel 1924/25 abgefasst wurde. 174   Niederländisch korrekt ohne -s: borstplaat, Bezeichnung für Zuckerplätzchen, wörtlich „Brustschild“. Beschuit niederl. für Zwieback. 175  Daniël Grosheide (1913–1986). 176   Die Stockholmer Weltkirchenkonferenz für praktisches Christentum (World Conference of Life and Work) fand vom 19.8.1925 bis zum 30.8.1925 statt. 177  Durch Vermittlung von Nathan Söderblom (s.o. Anm. 5) konnte im Oktober 1924 die Finanzierung des Kaufes des Hotels Haus Hainstein am Fuße der Wartburg durch die Evangelische Kirche gesichert werden. 173

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Nun soll über seine evangelische Zukunft & Ausgestaltung beraten wer­ den. Nun muss ich aber doch noch mancherlei von Ihnen hören: wie geht es bei dem jungen Paar in Harlem? Und vor allem was macht | Ihre gute Frau Mutter178 nun? Sehen Sie sie oft bei sich? Ihre Gestalt gehört mir zu den liebsten Erinnerungen aus Holland. Ich denk mir ihr Gesicht, mit einer schö­ nen Bürgerhaube umgeben, oft aus und sehe sie als Bild von Franz Hals179 in Harlem oder einem andern Museum. Und ist bei den geschwisterlichen Hausgenossen alles wohl? Unserem Kind hat zur Kräftigung Massage so gut getan, das stärkt schlaffe Muskeln und regt die Blutzirkulation an. – Wie schön war die Familienmusik in Ihrem Kreise! Einen herzlichen Gruß auch an die drei Fräulein Grosheides! Ihnen allen ein treues Gedenken! in Freundschaft und Dankbarkeit Ihre Elisabeth Kittel. 23. G. Kittel an F.W. Grosheide (K 155) Greifswald, 28. März 1925 Verehrter lieber Herr Kollege! Es ist fast eine Schande, wie lange ich Ihnen nicht geantwortet und geschrie­ ben habe. Ich war mit Arbeit sehr überlastet; die letzten Wochen war ich mehrfach auf Reisen: zuerst mit Studenten zu einem Bibelkursus, dann ei­ nige Tage im Gebirge bei meiner Familie, dann noch einige Zeit in Leipzig bei meinem Vater. So bin ich in der Zeit nicht zu Briefen gekommen, obwohl der Brief an Sie mir stets im Sinne war. Nun zuerst zu Ihrer Postkarte. Ich hoffe Ihnen in den nächsten Tagen ein Bild Dalmans schicken zu können. Es ist zwar nicht so ganz einfach, denn er lässt sich nie fotografieren. Aber ich denke, ich kann Ihnen eine foto­ grafische Aufnahme aus Palästina schicken; das wird für den Zweck der Zeitschrift besonders hübsch sein. Dalman ist übrigens gegenwärtig in Palästina; er wird auch seinen Geburtstag selbst dort zubringen.180 Er schreibt, das alte Jerusalem mache   S.o. Anm. 116.   Der Maler Frans Hals (1582/1583–1666) gilt als einer der wichtigsten alten niederlän­ dischen Meister des goldenen Zeitalters. Er ist bekannt für seine lebhaften und farbenfrohen Bogenschützen und Porträts von Zeitgenossen. In Haarlem, wo er soweit bekannt sein ganzes Leben gearbeitet hat, befindet sich bis heute das Frans Hals Museum. 180   Dalman verbrachte seinen 70. Geburtstag (9.6.1925) in Jerusalem. Aus Anlass dieses Geburtstags wurde 1926 das Gustaf-Dalman-Institut für Palästinawissenschaft (jetzt GustafDalman-Sammlung für biblische Landes- und Altertumskunde) gegründet. 178

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in den | letzten Jahren mehr und mehr einer ganz modernen Stadt Platz. Gegenwärtig ist grosse Wassersnot im Lande. Es hat sehr wenig geregnet, und die Zisternen haben nur sehr wenig Wasser. Wenn nicht in den nächsten Wochen noch ein Regen kommt, so sieht man dem Sommer mit den grössten Besorgnissen entgegen. Wie er mir schrieb, ist auch Böhl181 auf dem Wege nach Palästina. Er ist von unserer Fakultät an erster Stelle als Nachfolger von Procksch182 (der nach Erlangen geht) vorgeschlagen. – Das Leid, das über Ihren Bruder und seine Frau durch den Tod ihres Kindes gekommen ist,183 hat uns mit herzlicher Teilnahme erfüllt. Wir den­ ken noch so oft an den frohen Abend im Kreise der Familie in der Wohnung Ihres Bruders! Wie dankbar dürfen wir sein, dass wir die himmlische Wohnung kennen, und auch dies Kind bei seinem Heiland geborgen wissen. Und ebenso nehmen wir vollen Anteil an der frohen Erwartung, die über Ihrem eigenen Hause liegt.184 Auch unsere fürbittenden Gebete begleiten Ihre | liebe Frau in diesen Wochen. Ist nicht jedesmal das Werden eines Kindleins für die Eltern ein Wunder unseres Gottes? Uns ist leider durch die Operation meiner Frau die Schranke gesetzt. Mein Kind ist noch immer nicht ganz gesund, doch geht es ihm bes­ ser. Es wird aber wohl noch ein halbes Jahr dauern, bis es ganz gesund ist. Die Ärzte sagen mir aber mit Bestimmtheit, die Krankheit könne völlig überwunden werden. Für diese Aussicht bin ich sehr dankbar. Es ist eine Erkrankung, die sich bei manchen „Kriegskindern“ in diesem Alter zeigt. Es sind das Kinder, die im Krieg geboren sind, und die deshalb aus der Zeit ihrer Entstehung eine schwache Konstitution an sich tragen. Aber wir haben das Vertrauen, dass mit Gottes Hilfe unser Kind auch dieses Stück Schwachheit überwinden wird. – Sie schickten mir neulich so freundlich einen Antiquariats-Katalog über Judaica. Vielen Dank. Es war einiges darin, was mich unter Umständen inter­ essiert hätte. Aber der Katalog kam grade an als ich | auf Reisen war und blieb als Drucksache liegen, sodass ich ihn erst in die Hand bekam als es zu spät war. Für das hübsche Weihnachtspaket, das uns und unseren Kindern soviel Freude machte, hat meine Frau der Ihrigen geschrieben, aber ich selbst habe, glaube ich, seitdem nicht mehr geschrieben. So sei auch dafür der Dank nachgeholt. Es war ein Zeichen so liebevollen Gedenkens und erinnerte uns an alle die Liebe, die wir vor nunmehr einem Jahre in Ihrem Hause erlebt haben. Das sind Tage, die sind uns in einer so frohen Erinnerung und ver­ binden uns mit Ihnen und Ihrer Familie für immer.   S.o. Anm. 82.   S.o. Anm. 64. 183  Gerhardus Hendrik Grosheide (1923–1925), Sohn von Gerhardus Hendrik Adriaan Grosheide (1887–1963) und Geertruida Elske Johanna Hendrika Schut (1887–1975). 184   Die Geburt von Engelina Cornelia Grosheide (3.4.1925–19.8.1939). 181

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Nun leben Sie für heute wohl. Gott behüte Sie und die Ihrigen, vor allem Ihre liebe Frau in ihrer Stunde! Ihr treu ergebener Gerhard Kittel. 24. G. Kittel an F.W. Grosheide (K 156) Greifswald, 28. Mai 1925 Lieber Herr Kollege! Längst bin ich dabei, Ihnen zu schreiben. Vor allem wollten wir Ihnen sagen, wie wir an der Sorge um die Gesundheit Ihrer lieben Frau teilgenommen haben. Ich hoffe, dass keine neue Nachricht kam, sei ein gutes Vorzeichen185 und ein Beweis, dass es Mutter und Kind dauernd nunmehr gut geht. Unser Töchterchen muss leider in den nächsten Tagen wieder ins Gebirge. Es geht ihr zwar besser, aber sie hat immer noch etwas Fieber, und so soll sie wieder in Höhenluft, diesmal in ein Kindersanatorium in der Nähe des Bodensees. Nun aber möchte ich Ihnen noch einmal recht herzlich danken für alle grosse Mühe, die Sie sich in Sachen der Gustaf Dalman-Stiftung gemacht haben. Dr. de Groot186 schickte mir dieser Tage das Geld und die Liste der Spender. Ich glaube, Dalman wird sich sehr freuen, dass so viele freundlich seiner gedacht haben. Die Stiftung hat im ganzen etwa 6000 Mark erbracht, und das ist ja doch ein ganz schöner Grundstock für sein Institut. Er selber ist gegenwärtig nicht in Deutschland, sondern feiert seinen Geburtstag an der Stätte seiner Lebensarbeit, in Palästina. Wir haben Dr. Albright187 und Lic. Hertzberg188 in Jerusalem gebeten, ihm die Grüsse und Wünsche sei­ ner Schüler und Freunde einstweilen zu überbringen, und ihm die Stiftung vorläufig anzukündigen. Im Herbst, wenn er zurückgekehrt sein wird, soll ihm dann feierlich die Stiftung und die Adresse mit den Namen der Stifter übergeben werden. Dass beinahe Professor Böhl nach Greifswald berufen worden wäre, wer­ den Sie gehört haben, vielleicht habe ich es auch schon geschrieben. Aber die Regierung hat sich doch wohl gescheut, einen ausländischen Gelehrten zu be­   Kittel schreibt „VZeichen“.   S.o. Anm. 143. 187   William Foxwell Albright (1891–1971), Orientalist und Archäologe, 1920 Direktor der American School of Oriental Research in Jerusalem, 1929 Professor in Baltimore. 188  Hans Hertzberg (1895–1965), evangelischer Theologe, 1931 außerordentlicher Professor in Marburg, 1947 ordentlichen Professor in Kiel. 185

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rufen, wahrscheinlich auch der Kosten wegen, und so ist ein Privatdozent aus Halle, Dr Hempel189, zum Nachfolger von Professor Procksch ernannt worden. Ich habe in der letzten Zeit, den Kommentar von Windisch zum zweiten Korintherbrief 190 in grösseren Teilen durchgearbeitet. Ich | bin zwar nicht mit allem einverstanden, was er schreibt; aber es ist doch auf alle Fälle eine sehr bedeutende wissenschaftliche Leistung. Und eine ganze Anzahl exege­ tischer Probleme sind wirklich durch ihn stark gefördert. In den nächsten Wochen soll endlich mein Büchlein: „Palästinisches Spätjudentum und Urchristentum“191 erscheinen. Es ist die erweiterte Form meines Vortrages, den ich voriges Jahr in Amsterdam gehalten habe. Ein Teil daraus192 ist in der letzten Nummer der von Carl Stange herausgege­ benen Zeitschrift für systematische Theologie erschienen; aber ich schicke Ihnen dann in einiger Zeit, wenn es erschienen sein wird, das ganze Heft zu. Ich habe noch einiges ausgearbeitet, so einen Exkurs über „trochos tes gene­ seos“ im Jakobusbrief,193 und einen weiteren Exkurs über die Berührungen des palästinischen Judentums mit dem Osirismythus.194 Es gibt in der Mekilta eine eigenartige Hagada,195 die wohl sicher eine solche Berührung voraussetzt, und die noch nicht so beachtet worden ist, wie das nötig wäre, und auf die ich deshalb einmal aufmerksam machen will. Nun leben Sie für heute wohl; viele treue Grüsse Ihnen und den Ihrigen, besonders Ihrer lieben Frau, von uns beiden. Gott der Herr schenke uns ein Pfingsten in der Kraft seines Geistes. Ihr Gerhard Kittel.

189  Johannes Hempel (1891–1964), evangelischer Theologe, 1924 außerordentlicher Professor in Greifswald, 1928 ordentlicher Professor in Göttingen, 1945 aus dem Universitätsdienst ent­ lassen. 190   Windisch, Hans, Der zweite Korinterbrief (Kritisch-exegetischer Kommentar zum Neuen Testament 6), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 91924. 191   S.o. Anm. 69. 192   S.o. Anm. 70. 193   S.o. Anm. 163. 194   Kittel, Gerhard, Beilage II. Das Josefsgrab im Nil (Josef und Osiris), in: Ders., Probleme des palästinischen Spätjudentums, 169–194. 195  Vgl. Kittel, Beilage II, 169–179.

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25. G. Kittel an F.W. Grosheide (K 157) Greifswald, 23. Oktober 1925 Verehrter lieber Freund! Haben Sie Dank für Ihren und Ihrer lieben Frau Brief und für die Übersendung Ihrer Rektoratsrede196! Auch ich fühle mich längst in Ihrer Schuld. Ich hätte schon lange einen Brief schreiben sollen. Aber es bleibt so oft bei den guten Vorsätzen! Ihre Rede habe ich schon einmal mit grossem Interesse gelesen. Ich wer­ de aber in den nächsten Tagen sie noch einmal genau studieren. Ich glaube, die Gedanken, die Sie vertreten, sind sehr wichtig und | förderlich. Von Ihnen beiden Neues zu hören, war uns sehr lieb. Wie schön, dass es nach der langen Sorge Ihrer Frau nun wieder ganz gut geht! Oft kommt uns erst in den Tagen der Krankheit ganz zum Bewusstsein, welch köst­ liches Gut die Gesundheit ist, und wie gnädig Gott uns bis dahin bewahrt hat. Thrombose ist ja eine besondere Gefahr bei allen Krankheiten, bei denen man still liegen muss. Mein Freund, Professor Girgensohn197, ist un­ längst daran gestorben (Dogmatiker in Leipzig). Sie haben vielleicht von dem furchtbaren Schicksal seiner Familie gehört. Sie haben sich in der Sommerfrische am Typhus angesteckt, und die ganze Familie wurde schwer krank: | Vater, Mutter und 3 Kinder. Zwei Töchter starben; der Vater war fast wieder gesund, da starb er an einer Thrombose. Nur die Frau und 1 Sohn sind gerettet worden. Sein Tod ist ein ausserordentlich schwerer Verlust; er war ein Gelehrter von immensem Wissen und zugleich von tiefer gläubiger Frömmigkeit. Er war vielleicht der bedeutendste „positive“ Dogmatiker, den wir hatten. Was Sie über die Vrije Universiteit schreiben, interessiert mich sehr. Wie schade, dass das schöne physiologische Institut nun verwaist ist.198 Es wird schwer sein, eine christliche Persönlichkeit als Nachfolger zu finden. Ich vermute, es werden alle Dozenten auch der Geref. Kerk angehören müssen; sonst würde ich Sie | auf den Professor Rudolf Ehrenberg199 in Göttingen hinweisen, der ein bedeutender Physiologe und zugleich ein überzeugter und auch sich bekennender Christ ist. 196   Grosheide, F.W., De Geschiedenis der Nieuwtestamentische Godsopenbaring, rede Vrije Universiteit 20 oktober 1925, Kampen: Kok 1925. 197  Karl Girgensohn (1875–1925), evangelischer Theologe, 1907 außerordentlicher Professor in Dorpat, 1919 ordentlicher Professor in Greifswald, 1922 in Leipzig. 198   Es handelt sich vermutlich um den Physiologen F.J.J. Buytendijk (1887–1974), der 1924 als Professor für Physiologie und Histologie an der Universität Groningen ernannt wurde. 199  Rudolf Ehrenberg (1884–1969), Biologe und Physiologe, 1921 außerordentlicher Professor in Göttingen, 1935 Versetzung in den Ruhestand wegen jüdischer Herkunft, 1953 ordentlicher Professor ebenda. Vetter und Freund von Franz Rosenzweig (1886–1929).

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Sie fragen nach der Art von Angelos.200 Diese Zeitschrift soll hauptsäch­ lich Probleme der NTlichen Kultur- und Religionsgeschichte behandeln, während ZNTW201 mehr literarisch orientiert ist. Beide Zeitschriften sollen sich ergänzen. Dass Angelos mehr positiv sein wird, glaube ich nicht. Deissner202 lässt für die Briefmarke schön danken.203 Treue Grüsse von unsallen! Ihre Kittels. 26. E. Kittel an F.W. Grosheide und A.O.W.D. Grosheide-Schut (K 158) Greifswald, 22. Dezember 1925 Liebe holländische Freunde! Ihnen allen einen herzlichen Weihnachtswunsch von uns! Dass des Festes Segen uns allen neu zuteil werde in der Gegenwart des Heilandes! Nach der Unrast des Alltages ist diese heilige Zeit recht ein Gottesgeschenk, und wir hoffen nur, dass Sie alle dessen sich auch in rechter Frische und Gesundheit erfreuen können. Kennt man bei Ihnen eigentlich den Christbaum? Bei uns ist er immer ein ganz besonderes Glück, wenn das Jüngste den strahlenden Baum zum ersten Male sieht. Unsere Kinder singen schon seit Wochen die lieben al­ ten Weihnachtslieder; der kleine fünfjährige Eberhard spielt tagtäglich sein „O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit“ auf dem Klavier, und beide zusammen lernen mit grossem Eifer die Weihnachtsgeschichte aus Luk. 2, damit sie sie am Heiligen Abend aufsagen können. Liebe Frau Grosheide, wie dankbar werden Sie sein, dass Gott Sie so gnädig durch die schwere Krankheit dieses Jahres gebracht hat. Wir fühlen richtig mit Ihnen und freuen uns in Dankbarkeit mit Ihnen, dass es Ihnen nun wieder gut geht und dass Sie Ihren Kindern und Ihrem Manne erhalten geblieben sind. Am Ende des Jahres kann man ja nicht anders, als zurück­ schauen, und immer muss man Gott danken, der über uns die Hände ge­ halten hat im vergangenen Jahr. Wir sind selbst so glücklich, dass unse­ re Elsbeth wieder gesund geworden ist; das Kind hat sich im vergangenen Jahre sehr gekräftigt. 200  Angelos. Archiv für neutestamentliche Zeitgeschichte und Kulturkunde, Leipzig: Pfeiffer, erschien 1.1925 – 4.1932. 201  ZNTW (heute ZNW) = Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft und die Kunde der älteren Kirche, Berlin: de Gruyter, erscheint seit 1900. 202   S.o. Anm. 14. 203   S.o. Nr. 14, K 148 vom 19.4.1924.

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Die Kittel-Grosheide Korrespondenz

Ob Henk 204 wohl noch die Absicht hat, ein Semester im Ausland zu ver­ bringen? Er wird wohl nun bald so weit sein. Damals dachte er daran, einen Sommer zu uns zu kommen, um die deutsche Ostsee zu sehen. Das würde uns herzlich freuen. Nur bitten wir dann, dass wir es bald erfahren, da­ mit wir ein Zimmer in unserer Nähe besorgen können. Und vor allem hof­ fen wir, dass dies dann für die Eltern Grosheide einmal ein Anlass wird, die deutschen Freunde zu besuchen. Freilich ist Greifswald ein kleines Landstädtchen und nicht eine reiche stolze Stadt wie Amsterdam. Nun müssen wir Ihnen aber noch herzlich danken dafür, dass Sie uns Ihre wundervolle Stadt im Bilde zeigen. Das wunderschöne Buch 205 kam vor we­ nigen Tagen bei uns an, und wir sind beide auf das äusserste entzückt. Was wir vor zwei Jahren empfunden haben, als wir bei Ihnen waren, nämlich, dass Ihre | Stadt eine der schönsten und reichsten ist, die es wohl überhaupt auf der ganzen Welt gibt, das zeigen die Bilder des Buches von neuem. Wir suchen immer auf, welche Strassen wir gegangen sind, und ob wir wohl dies oder jenes gesehen haben. Wir danken Ihnen beiden herzlich für dies Erinnerungszeichen. Sie haben uns damit eine sehr grosse Freude gemacht. Ihr Paket hat sich gekreuzt mit einer kleinen Sendung, die von uns unter­ wegs ist. Es sind nur zwei Kleinigkeiten für die Kinder, und ein Buch, das vielleicht Herrn Grosheide ein wenig interessiert. Verzeihen Sie und verstehen Sie es nicht falsch, wenn dieser Brief das un­ persönliche Gewand der Schreibmaschinenschrift an sich trägt. Es schreibt sich schneller so in diesen Tagen, in denen noch so viel vorzubereiten ist, und die Freunde wissen, dass es drum nicht weniger von Herzen kommt. Und nun grüssen wir Sie beide von ganzem Herzen und wünschen Ihnen ein frohes Fest und einen gesunden Eintritt in das neue Jahr, dass Gott für uns als zu einem Jahr des Segens möge werden lassen. In Freundschaft und mit herzlichen Grüssen an alle die Ihren, gross und klein, Ihre Kittels.

  S.o. Anm. 107.   Im Laufe der Jahre schickte die Familie Grosheide normalerweise um Weihnachten ein Weihnachtspaket, das häufig ein Buch über niederländische Städte (Amsterdam, Den Haag), Kultur, Architektur oder niederländische Maler enthielt. S. z.B. Nr. 26, K 158; Nr. 28, K 160; Nr. 32, K 164; Nr. 37, K 168; Nr. 44, K 175; Nr. 50, K 181; Nr. 53, K 184; Nr. 55, K 186. 204 205

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27. G. Kittel an F.W. Grosheide (K 159) Greifswald, 24. April 1926 Lieber verehrter Freund! In diesen Tagen geht Ihnen mein Buch: „Die Probleme des palästinischen Spätjudentums und das Urchristentum“ 206 zu. Ich möchte es aber nicht an­ kommen lassen ohne das noch einmal ausdrücklich zu sagen, was auch die Bemerkung in der ersten Anmerkung andeutet: dass dies Buch ohne Ihre Gastfreundschaft schwerlich geschrieben wäre! Nun es fertig ist, haben Sie noch einmal herzlichen Dank! Der Besuch Ihres Bruders207 ist uns | noch in guter Erinnerung. Es war eine Freude, dass die Beziehungen wieder aufgefrischt wurden. Jetzt, wo alles blüht, wäre freilich Greifswald noch schöner anzusehen als damals. Aber vielleicht hat er auch so einen kleinen Eindruck von einer deutschen Kleinstadt und von deutschem Familienleben erhalten. In diesen Tagen erhielt ich den dritten Band von Billerbeck.208 Er gibt vor allem zum Römerbrief sehr viel Material – weit über Franz Delitzsch 209 hinaus. Besonders wertvoll war mir die Ausführung zu Röm. 5,1 über die Heilsgewissheit und deren völliges Fehlen im Judentum.210 Wir sind in diesen Tagen mitten im | Semesteranfang. Ich werde Synoptiker lesen und freue mich darauf sehr. Ausserdem will ich mit zwei anderen Kollegen zusammen ein Seminar über die mandäischen Texte halten. Ebenso wie W. Bauer im Johannes-Kommentar211 hat ja nun auch Lohmeyer im Kommentar zur Apokalypse212 ihre Bedeutung für das NT un­ geheuer überschätzt. Aber das sind Dinge, die man nur aus sehr genauer Beschäftigung mit den Stoffen heraus widerlegen kann. Den Meinen geht es, Gottseidank, gut. Unser Jüngster geht seit einer Woche zur Schule. Unser Töchterchen ist zwar noch zart, aber es geht ihr doch viel besser. Hoffentlich | ist es bei Ihnen ebenso.   S.o. Anm. 69.   S.o. Anm. 107. 208   Strack, Hermann Lebrecht/Billerbeck, Paul, Die Briefe des Neuen Testaments und die Offenbarung Johannis erläutert aus Talmud und Midrasch (Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch 3), München: Beck 1926. 209   Delitzsch, Franz (Hg.), Jüdische Theologie auf Grund des Talmud und verwandter Schriften gemeinfasslich dargestellt von Dr. Ferdinand Weber, Leipzig: Dörffling & Franke 2 1897. 210   Strack /Billerbeck, Briefe des Neuen Testaments (s.o. Anm. 208), 3:217–231. 211   Bauer, Walter, Das Johannesevangelium (Handbuch zum Neuen Testament 6), Tübingen: Mohr Siebeck 1925 (31933). 212   Lohmeyer, Ernst, Die Offenbarung des Johannes (Handbuch zum Neuen Testament 16), Tübingen: Mohr Siebeck, 1926 (31970). 206 207

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Die Kittel-Grosheide Korrespondenz

Meine Frau grüsst die Ihrige herzlich – ebenso grüssen wir sehr Ihren Bruder und seine Familie. Mit treuen Grüssen Ihr Kittel. 28. G. Kittel an F.W. Grosheide und A.O.W.D. Grosheide-Schut (K 160) Tübingen, Olgastrasse 6, 24. Dezember 1926. Liebe Freunde! Welch reizender Gedanke ist es von Ihnen gewesen, uns das Buch über ´s Gravenhage zu schicken. Es ist wie der zweite Band zu dem schönen Amsterdam-Buch, das Sie uns voriges Jahr schenkten. Die Erinnerung an die schönen Tage in Holland wird wieder lebendig, die mit Ihnen und den Ihrigen verknüpft bleibt. Wir denken, hier nach Tübingen kommt vielleicht in absehbarer Zeit einmal | Ihr Weg. Und Ihrem Bruder müssen Sie sa­ gen, dass das Land hier in Württemberg sehr viel interessanter ist als in Pommern. Für meine Frau und mich war es natürlich eine grosse Veränderung, hierher überzusiedeln. Ich selbst bin ja Süddeutscher und habe hier mei­ ne Heimat; aber meine Frau muss sich erst allmählich an den veränderten Dialekt und die anderen Lebensbedingungen gewöhnen. Für mich ist die stärkste Veränderung natürlich der Übergang von einer ziemlich kleinen zu der weitaus grössten evangelisch-theologischen Fakultät, mit über | 400 Studenten. Dass damit eine sehr starke Arbeitslast verbunden ist, versteht sich von selbst. Ich fürchte, die literarische Arbeit wird hier etwas in den Hintergrund treten müssen. Eine besondere Freude ist es mir, noch mit Schlatter 213 zusammenwirken zu können. Ich bin sein zweiter Nachfolger; sein Nachfolger war Heitmüller 214, der nur 2 Jahre hier war. Obwohl Schlatter fast 75 Jahre ist, ist er noch völlig frisch und liest noch vor 200 Hörern die grossen Vorlesungen. Ich lese zur Zeit Johannesevgl. Was denken Sie über die neueren Untersuchungen zu dem Evgl., bes. über | die Ursprache. Ich bin fast überzeugt, dass der Prolog ursprünglich aramäisch war; ob das üb­ rige Evgl. „real translation“ oder nur „virtual translation“ ist, darüber bin

213  Adolf Schlatter (1852–1938), evangelischer Theologe, 1888 außerordentlicher Professor in Bern, 1888 ordentlicher Professor in Greifswald, 1893 in Berlin und 1898 in Tübingen. 214   S.o. Anm. 48.

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ich noch nicht ganz sicher. Aber in 118 ist die Burney'sche215 Erklärung 216 des μονογενὴς θεός aus ‫ ָיחיד אלהא‬statt ‫ ְיחיד אלהא‬ingeniös! Nun schenke der treue Gott Ihnen und den Ihren allen, auch dem Hause Hendrik Grosheide217, ein Jahr reicher Gnade und Segens 1927! In alter Freundschaft und Treue Ihre Gerhard & Elisabeth Kittel. 29. G. Kittel an F.W. Grosheide (K 161) Tübingen, 14. April 1927 Hochverehrter lieber Herr Kollege und Freund! Als ich vorgestern Abend auf der Rückreise von London durch Holland von Vlissingen nach Cöln fuhr, gingen meine Gedanken nach Amsterdam, und die Versuchung war sehr gross, einen Abstecher zu Ihnen zu machen. Ich hätte es bestimmt getan, wenn nicht die stille Woche gewesen wäre; es drängte mich, vor den Feiertagen daheim zu sein. Und da ich am Montag noch zu dem deutschen Botschafter in London 218 sollte, so konnte ich erst am Dienstag früh abreisen. Ich hatte vorher interessante Tage in Canterbury219 und in Cambridge verlebt und dort viel gearbeitet. Es hätte mich sehr ge­ lockt, Sie und die Ihrigen wiederzusehen. Aber ich muss es auf eine andere – hoffentlich bald kommende – Gelegenheit verschieben. Heute nun brachte mir die Post Ihren Kommentar zu Hebräer und Jakobus.220 Ich beglückwünsche Sie herzlich zur Vollendung des Werkes. Ich   S.o. Anm. 164.   Burney, Aramaic Origin (s.o. Anm. 164), 40, argumentiert, dass ein Missverständnis in der Lesung des vermeintlichen aramäischen Originals des johanneischen Prologs in Joh 1,18 dazu geführt habe, statt richtig „der einzig von Gott gezeugte“ („the only begotten of God“) falsch ins Griechische zu übersetzen „der einzig gezeugte Gott“ („the only begotten God“), nämlich μονογενὴς θεός. Die Annahme, dass das Johannesevangelium eine Übersetzung aus dem Aramäischen sei, und die Bemühung, durch eine moderne Rückübersetzung zu einem bes­ seren Textverständnis zu kommen, werden in der heutigen Johannesexegese nicht mehr weiter verfolgt. 217   S.o. Anm. 107. 218  Friedrich Sthamer (1856–1931) war deutscher Botschafter in London von 1920–1930. 219   Der Bischof von Chichester George K. Bell (1883–1958) und Adolf Deißmann (1866– 1937) leiteten eine ökumenische Forschergruppe zur Christologie, die im April 1927 in Canterbury sowie im Mai 1927 und im Oktober 1928 auf der Wartburg zusammengekommen war. Die hier genannte erste Britisch-Deutsche Theologenkonferenz fand vom 2.4.1927 bis 9.4.1927 in Canterbury statt und befasste sich mit dem Tagungsthema: Das Wesen des Reiches Gottes und seine Beziehung zur menschlichen Gesellschaft. 220   Grosheide, F.W., De brief aan de Hebreen en de brief van Jakobus (Kommentaar op het 215 216

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habe schon gesehen, wie inhaltsreich das Buch ist. Ich werde mich viel und eingehend damit beschäftigen, und ich sehe schon, | dass ich viel daraus ler­ nen werde. Ihre Kommentare sind fast vorbildlich in der Art, den Studenten ein Hilfsmittel für das fortlaufende wissenschaftliche Studium zu geben. Wir sind da in schwieriger Lage: Zahn 221 ist zu umfangreich, Lietzmann 222 zu philologisch – so lesen die Studenten gar keine Kommentare. Aber ich hoffe, dass in einigen Jahren ein neuer Kommentar erscheint. Als erster Teil soll demnach die Apokalypse herauskommen, die Hadorn 223 bearbeitet hat. Riggenbach 224 wird die Synoptiker bearbeiten. Bei mir geht es Gott sei Dank recht gut. Unsere Tochter bekommt das Klima hier viel besser als in Greifswald, so dass wir weniger Sorgen um das Kind haben. Es ist eben hier sehr viel mehr Sonne, und das ist die Hauptsache, die sie braucht. Nun grüssen wir Sie und Ihre ganze Familie recht herzlich zum Osterfest! Ihr getreuer Gerhard Kittel. 30. E. Kittel an F.W. Grosheide und A.O.W.D. Grosheide-Schut (K 162) Tübingen, Olgastraße 6, 27. August 1927 Liebe Freunde, anbei folgt ein kleiner Gruß von uns. Die Deutsche Münze hat zum Tübinger Universitätsjubiläum eine silberne Denkmünze225 herausgege­ ben. Wir möchten den beiden Herrn Grosheides – dem Herrn Professor und dem Herrn Rechtsanwalt 226 – eine Freude damit machen. Wir grüßen Sie | alle herzlich Ihre Kittels.

Nieuwe Testament 12), Amsterdam: Bottenburg, 1927. 221   Zahn, Theodor (Hg.), Kommentar zum Neuen Testament, Leipzig: Deichert 1907–1936. 222   Lietzmann, Hans (Hg.) Handbuch zum Neuen Testament, Tübingen: Mohr Siebeck 1911 bis heute. 223  Wilhelm Hadorn (1869–1929), evangelischer Theologe, 1922 ordentlicher Professor in Bern. Das genannte Werk: Hadorn, Wilhelm, Die Offenbarung des Johannes (Theologischer Handkommentar zum Neuen Testament 18), Leipzig: Deichert 1928. 224   S.o. Anm. 123. 225   5 Reichsmark Silbermünze 1927 Universität Tübingen. 226   S.o. Anm. 107.

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31. G. Kittel an F.W. Grosheide (K 163) Tübingen, 29. September 1927 Lieber verehrter Freund, Bei der Rückkehr aus Rumänien (Siebenbürgen), wo ich einige Vorträge hielt, finde ich Ihren Brief. Ich muss morgen noch einmal verreisen, deshalb schreibe ich nur rasch diese Karte, um zu sagen, dass ich die Besprechungen gerne schreibe (ich hatte es schon vor)227; nur dauert es manchmal ein Weilchen, bis sie erschienen sind. Also bitte ich, dass Ihr Verleger sich ein wenig geduldet. Es wäre hübsch, wenn Sie mit Ihrer Frau uns einmal besuchen würden; vor allem im Sommer kann Tübingen sehr schön sein. Bitte grüssen Sie Ihre Frau und auch Ihren Bruder und dessen Familie. Ihr treu ergebener Gerhard Kittel. Nach Lausanne228 zu reisen hatte ich keine Zeit. 32. E. Kittel an F.W. Grosheide und A.O.W.D. Grosheide-Schut (K 164) Tübingen, Olgastraße 6, 27. Dezember 1927 Liebe Freunde, da ist wieder ein solch verdächtiges rotes Buch bei uns eingetroffen als Weihnachtsgruß von unsern holländischen Freunden. Haben Sie herzli­ chen Dank für Ihre Freundlichkeit. Nun lernen wir Ihr Land immer bes­ ser kennen und fast wird in uns die Sehnsucht rege es einmal wieder zu sehen. Wir freuen uns, dass es Ihnen allen gut geht und wünschen Ihnen zum Neuen Jahre Gottes Segen. Dass er es uns allen licht werden lasse und sein Name groß werde darin. Wir haben ein frohes Weihnachtsfest gefeiert. Diesmal waren auch fremde Gäste dabei: zwei christliche Chinesen, die als Volontärärzte ein Jahr in einer hiesigen Klinik arbeiten; ein Pfarrer | aus Norwegen, ein Student der Zoologie aus Siebenbürgen und ein pommerscher Theologiestudent. Sie alle konnten übers Fest nicht heimfahren und fanden sich drum bei uns ein. 227  Grosheide hatte Kittel seinen Kommentar zum Hebräer- und zum Jakobusbrief ge­ schickt (s.o. Anm. 220). 228  Erste Weltkonferenz über Glauben und Kirchenverfassung, Lausanne vom 3. bis 21.8.1927.

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Die Kittel-Grosheide Korrespondenz

Wie es den Kindern bei Ihnen geht, den großen und den kleinen und aller­ kleinsten? Ist Herr Henk 229 nun schon Student? Und die fleißige Jo230? Nun sind es ja bald Jahre, seit wir sie sahen, und unsere Kinder sind mittlerweile 10 und 8 Jahre alt. Bitte grüßen Sie Ihres Bruders Haus, Ihre Verwandten alle und seien Sie selbst alle herzlich gegrüßt von Ihren getreuen Kittels. 33. G. Kittel an F.W. Grosheide (K 165) Tübingen, Olgastrasse 6, z. Zt. Kampen, Sylt, 23. August 1928 Verehrter Freund, Die Musse der Ferientage soll nach langer Zeit endlich einmal Ihnen wieder einen Gruss bringen. Fast könnte man meinen, das Verbindungsband sei ab­ gerissen. Aber Ihr Kartengruss neulich hat es wieder neu geknüpft. Meine Familie sitzt seit vier Wochen hier an der Nordsee. Die herbe Salzluft tut allen sehr gut; meine Frau und die Kinder hatten im Winter viel mit Erkältungen zu tun. Ich selbst bin erst seit einigen Tagen hier. Ich hatte erst eine Sitzung der Bibelrevisions-Kommission 231 in Berlin, die sehr schwie­ rig war. Doch hoffe ich, dass wir nun allmählich mit dem schweren Werke dem Ende entgegen kommen. Dann war ich Mitte August auf einer zweiten deutsch-englischen Theologen-Konferenz auf der Wartburg.232 Es war die Fortsetzung der Canterbury-Konferenz im vorigen Jahr.233 Von jeder Seite waren sechs Theologen.234 Es waren sehr interessante, und, da das Thema „Christologie“ war, auch sehr bewegte Tage. Ich habe viel dabei gelernt, be­   S.o. Anm. 90.   S.o. Anm. 154. 231   S.o. Anm. 2. 232   Zweite Britisch-Deutsche Theologenkonferenz vom 11. bis 18.8.1928 auf der Wartburg in Eisenach zum Thema „Christologie“ (s.o. Anm. 219). 233   S.o. Anm. 219. 234   Teilnehmer der Konferenz waren: Prof. D. Paul Althaus, (Erlangen), Prof. D. Gustaf Aulén (Universität Lund), Very Rev. G.K.A. Bell, D.D. (Dean von Canterbury), Rev. Canon J.M. Creed (Ely Prof. Universität Cambridge), Prof. D. Adolf Deißmann, D.D. (Universität Berlin), Prof. D. Heinrich Frick (Universität Gießen), Rev. Sir Edwyn C. Hoskyns, Bart., M.A. (Corpus Christi College, Cambridge), Prof. D. Gerhard Kittel (Universität Tübingen), Rev. Prof. Nathaniel Micklem, D.D. (Queen’s Theological College Kingston, Kanada), Rev. J.K. Mozley, D.D. (St. Augustine’s College, Reading), Rev. A.E.J. Rawlinson, D.D. (Christ Church College, Oxford), Pastor Lic. theol. Hermann Sasse (Oranienburg bei Berlin), Prof. D. Karl Ludwig Schmidt (Herausgeber der Theologischen Blätter, Universität Jena), Prof. D. Dr. Wilhelm Vollrath (Universität Erlangen). 229

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sonders in der Beurteilung der anglo-catholic movement.235 Voraussichtlich wird als Niederschlag der gemeinsamen Arbeit ein Buch erscheinen.236 Nun bin ich ein wenig müde und bleibe etwa zehn Tage hier, um mich auszuruhen. Dann geht es wieder nach | Tübingen zurück. Im September werden wir umziehen, freilich nur in das Nebenhaus, Olgastrasse 5.237 Vor allem aber will ich die Ferienwochen noch zu einer möglichst fruchtbaren wissenschaftlichen Arbeitszeit ausnützen. Bei der Grösse unserer Tübinger Fakultät ist man im Semester so fabelhaft angespannt, dass zu eigener wis­ senschaftlicher Arbeit kaum noch Zeit bleibt. Wir hatten im Sommer fast 700 Studenten der Theologie. Dadurch ist man natürlich sehr in Anspruch genommen. Ich habe zwar zwei Assistenten zur Hilfe.238 Aber es bleibt noch genug zu tun. So muss ich die Ferien so sehr wie irgend möglich ausnützen. Ich habe jetzt, nachdem die Bibelrevision 239 ihrem Ende zugeht, einen grösseren Plan in Angriff zu nehmen begonnen. Es handelt sich darum, sys­ tematisch die wichtigeren rabbinischen Texte zu übersetzen und zu kom­ mentieren. Mein Sifre und die anderen tannaitischen Midraschim sollen zu Ende geführt werden; vor allem aber soll die Tosefta herausgegeben wer­ den.240 Nun leben Sie für heute wohl. Ihnen und Ihrer Familie viele Grüsse und ein herzliches Gott befohlen! Ihr getreuer Gerhard Kittel.

235   Anglo-Katholizismus nennt man die aus der Oxfordbewegung hervorgegangene kirch­ lich-theologische Tendenz, die das katholische Erbe der „Kirche von England“ (Church of England) deutlicher hervorzuheben begann. 236  Die Beiträge dieser Konferenzen wurden publiziert in: Bell, George K ennedy Allen/Deissmann, Adolf (Hg.), Mysterium Christi. Christologische Studien britischer und deutscher Theologen, Berlin 1931; englische Ausgabe: Diess. (Hg.), Mysterium Christi. Christological Studies by British and German Theologians, London: Longmans, Green 1930. 237   Die Familie Kittel war von Olgastraße 6 in das Haus Nr. 5 umgezogen. 238   Karl Heinrich Rengstorf (1903–1992), evangelischer Theologe, 1928–1929 Assistent bei Gerhard Kittel in Tübingen, 1936 ordentlicher Professor in Kiel, 1948 in Münster. 239   S.o. Anm. 2. 240  Am 13.3.1928 hatte Kittel einen erfolgreichen Förderantrag zur kritischen Edition, Übersetzung und Kommentierung rabbinischer Texte bei der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft gestellt.

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34. G. Kittel an F.W. Grosheide und A.O.W.D. Grosheide-Schut (K 166) Scheidegg, Allgäu, 27. Dezember 1928 Liebe Freunde, Sie werden sich wundern, von uns eine Nachricht von hier zu erhalten. Wir hatten mancherlei Sorge im verflossenen Vierteljahr. Eine davon war, dass bei unserem Eberhard eine Erkrankung der Bronchialdrüsen der Lungenwurzel sich zeigte, um derentwillen er seit Ende November hier in einem 1000 Meter hohen Kindersanatorium sich den Winter über befindet. So sind wir über das Weihnachtsfest hier gewesen, um mit dem Jungen zu­ sammen zu sein, und bleiben noch einige Tage hier. Das Kind scheint sich hier gut zu erholen, so dass wir hoffen dürfen, es werde Ostern wieder ge­ sund heim dürfen. Es ist dieselbe Krankheit, die unser Töchterchen vor ei­ nigen Jahren hatte. Man muss mit diesen Kindern, die am Ende des Krieges oder bald danach in Deutschland geboren sind, sehr vorsichtig sein. Die Nachricht von dem schweren Unfall Henks241 hat uns sehr bewegt. Hoffentlich geht es ihm besser. Wir haben an Ihrer Sorge um so mehr teil­ genommen, als wir dieselbe Sorge in den letzten Monaten durchlebt haben. Meine Frau stürzte am 1.X. auf dem Linoleum im Zimmer hin und erlitt da­ bei eine schwere Gehirnerschütterung und einen Schädelbruch. Sie hat wo­ chenlang liegen müssen; zu allem kam dann die Sorge um den Jungen. Erst jetzt allmählich geht es ihr besser. Doch hat sie noch gewissen Störungen des einen Auges, bei dem ein Nerv verletzt ist. Wir sind | Gott sehr dankbar, dass er uns so gnädig an einem Abgrund vorbeigeführt hat! Das junge amerikanische Ehepaar Stonehouse242 ist in Tübingen ein­ getroffen. Wir konnten uns nicht ganz so, wie wir es gehofft hatten, um sie annehmen, weil wir eben selbst Krankheit hatten. Ich habe ihnen aber manche Ratschläge geben können, und glaube, sie haben sich ganz gut ein­ gelebt. Herr Stonehouse ist sehr fleissig über seiner Arbeit; bei mir hört er Johannesevangelium. Er scheint viel theolog. Interessen zu haben und ganz tüchtig zu sein.

241   Henk, der älteste Sohn von Willem und Ottoline, Gerhardus Hendrik Adriaan Grosheide (1909–1992). Nach Brief Nr. 35, K 167 vom 22.8.1929 handelte es sich um einen Unfall „im Gewühl des Stadtverkehrs“. 242   Ned B. Stonehouse (1902–1962), PhD Vrije Universiteit Amsterdam 1929, war ameri­ kanischer Neutestamentler. Nach dem Krieg wurde er General Editor des New International Commentary on the New Testament (1946–1962). Später wurde die englische Übersetzung von Grosheides Kommentar zum 1. Korinterbrief in dieser Reihe aufgenommen, Grosheide, F.W., Commentary on the First Epistle to the Corinthians (New International Commentary on the New Testament), Grand Rapids: Eerdmans/London: Marshall, Morgan & Scott 1953, 21954.

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Durch den Tod von Professor Kögel 243 bin ich vor die Aufgabe gestellt, die Neubearbeitung von Cremers Wörterbuch 244 der neutestamentlichen Gräzität zu übernehmen. Es ist eine schwere und verantwortungsvolle Aufgabe, aber ich werde mich ihr wohl nicht entziehen können. Daneben bin ich dabei, mit einigen jüngeren Rabbinisten zusammen die Tosefta herauszugeben.245 Auch dies ist ein schweres Unternehmen. Bei uns zu Haus in Tübingen liegt ein Buch mit einigen hübschen Bildern von Tübingen, das für Sie bestimmt ist. Es kam leider über unsere Reise und den verschiedenen Krankheiten (auch ich war selbst nicht ganz gesund) nicht mehr zur Absendung. Sie erhalten es aber gleich nach Neujahr. Sie haben uns so freundlich wieder ein Buch mit holländischen Bildern gesandt. Diese Bilder sind uns stets eine besondere Freude! Haben Sie vielen Dank dafür! Und nun lassen Sie uns gegenseitig wünschen, dass der Treue Herr Seine Hand über unserem Haus, unserer Arbeit und unserem Leben halte auch im neuen Jahre! Ihr Gerhard Kittel. 35. G. Kittel an F.W. Grosheide (K 167) Lechleiten, Tirol, 22. August 1929 Lieber Herr Kollege! Wir wollen einen Regentag in der Sommerfrische benützen, den längst be­ absichtigten Gruss Ihnen und Ihrer Frau einmal wieder zu schicken. Ich habe, glaube ich, auch noch immer Ihnen nicht für Ihre feine Rede246 ge­ dankt, die Sie mir schickten. Sie ist höchst interessant und wertvoll. Ich habe sie neulich im Kolleg zitiert. Die Arbeit Ihres jungen amerikanischen Schülers247 habe ich unlängst auch bekommen. Sie ist recht gut. Er ist über­ 243  S.o. Anm. 57. Kögel verstarb am 7.11.1928. Die Herausgabe des Theologischen Wörterbuchs zum Neuen Testament (ThWNT) wurde zu Kittels bekanntester und einfluss­ reichster wissenschaftlicher Leistung. 244   S.o. Anm. 58. 245  S.o. Anm. 240. Kittel, Gerhard (Hg.), Rabbinische Texte, Abteilung: Reihe 1, Die Tosefta, Stuttgart: Kohlhammer 1934ff. 246   Grosheide, F.W., De volheid des tijds volgens de Heilige Schrift. Referaat verdedigd in de veertiende wetenschappelijke samenkomst der Vrije Universiteit op 4 juli 1929, Assen: G.F. Hummelen 1929. 247   Stonehouse, Ned Bernard, The Apocalypse in the Ancient Church. A Study in the History of the New Testament Canon, Goes: Oosterbaan & Le Cointre 1929 (doctoral thesis Vrije Universiteit Amsterdam).

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haupt ein zwar stiller, aber tüchtiger Mensch. Ich hatte auch den Eindruck, dass er gern in Tübingen war. Ich selbst bin durch die Arbeit für das „Wörterbuch der theologischen Begriffe des NT“ 248 sehr in Anspruch genommen. Aber ich freue mich der Arbeit. Ich glaube, sie kann fruchtbar werden, wenn sie nach den rechten Gesichtspunkten getan wird. Ich denke, dass ich es in Verbindung mit eini­ gen Kollegen in den nächsten 5 Jahren fertig stellen kann. – Daneben bin ich mit einigen Schülern streng dabei, die Bearbeitungen der rabbinischen Texte fortzusetzen. Ausser Sifre und Sifra soll vor allem die | Tosefta übersetzt und kommentiert werden. Auch da ist die ganze Organisation der Arbeit eine nicht geringe Mühe. Doch muss sie endlich in Angriff genommen wer­ den. Haben Sie Schlatters Matthäus249 gelesen? Ich finde dies Werk eine Sensation für die ganze Frage der jüdischen Gräzität. Das sind Probleme, an denen man bisher fast ganz vorbei gegangen ist. Der Umgang mit Schlatter ist für mich von grossem Wert. Er ist einer der universalsten und genialsten Menschen, die es gibt. Trotz seiner 77 Jahre noch sehr frisch. Meine Familie ist seit einigen Wochen hier. Unser Junge war ja im vori­ gen Winter krank, und nun sollte er noch einmal in die Höhe. Der Ort ist 1500 m hoch, und ich hoffe, er wird sich hier vollends erholen. Ich selbst kann nur kürzere Zeit hier sein. Die Arbeit drängt zu sehr. Leben Sie für heute wohl und seien Sie auf das herzlichste gegrüsst von Ihrem Gerhard Kittel. 36. E. Kittel an A.O.W.D. Grosheide-Schut(K 167 Beilage) Liebe Frau Grosheide, wenn man Ferien vom Haushalt und vom Alltag hat, dann wachen die Gedanken an ferne Freunde auf und man sucht die Fäden wieder von neuem zu knüpfen, die man im Getriebe hat fallen lassen. Wie es bei Ihnen wohl geht? Ich habe Ihrer Tochter Johanna damals gar nicht für ihren Brief gedankt, das hat mich schon lange gedrückt. Hat Henk sich von seinem schrecklichen Fall wieder ganz erholt? Ich habe so mit ihm fühlen können, da ich ja im Okt. 248  Der genaue Titel des späteren Theologischen Wörterbuchs zum Neuen Testament (ThWNT) lag zu diesem Zeitpunkt noch nicht fest. Kittels Vorstellung sich im Wörterbuch ausdrücklich auf „theologische Begriffe“ zu beschränken, stieß auf Kritik bei denjenigen, die eher ein breit angelegtes Wörterbuch in der Tradition des Kögel/Cremerschen Wörterbuchs (s.o. Anm. 58) anstrebten. 249   Schlatter, Adolf, Der Evangelist Matthäus. Seine Sprache, sein Ziel, seine Selbständigkeit. Ein Kommentar zum ersten Evangelium, Stuttgart: Calwer 1929.

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den gleichen Unfall hatte. Allerdings erlitt ich ihn ja nicht im Gewühl des Stadtverkehrs, sondern nur im frisch gebohnerten Kinderzimmer und doch bannte es mich lange Wochen ans Bett und verursachte mir noch lange viel Unbehagen, Kopfweh und Übelkeit. Und noch heut darf ich keinen Schritt ohne Hut gehen im Sonnenschein, sonst bin ich sofort seekrank. Ich hoffe, es geht Ihrem Sohn wieder gut und sein Studium könne er ungehindert fortset­ zen. Wie weit ist wohl Joh? Ob sie schon studiert? Ich war erstaunt, wie sie des Deutschen mächtig ist. Wie geht ihr Ausbildungsgang wohl weiter? Und zu welchem Ende? Kommt sie mal an eine deutsche Universität? Gar etwa mal nach Tübingen! Das würde uns freuen. Auch wie weit Daniel & Otto & Anetje sind, möchte ich wohl gern wissen. Wir verbringen unsere Ferien augenblicklich in 1548m Höhe in Tirol, unser Junge brauchte den Höhenaufenthalt für seine Atmungsorgane mit einer fatalen Erkältungsanlage. Leider läßt die Sonne dies Jahr sehr auf | sich warten. Das Einleben in Süddeutschland ist mir nun auch gelungen; es ist mir schwergefallen. Die Kinder sprechen neben der Haussprache ein so­ lides Schwäbisch, das weniger schön als originell klingt. Das Klima ist viel milder als in Norddeutschland und die Landschaft lieblicher. Wie erstaunt war ich als ich von der Reise Ihrer Tochter nach dem Harz las! Den kennen wir noch nicht einmal! Er lag immer abseits von unserer Route. Dafür liegen uns jetzt die Alpen näher! Wie geht es bei Ihren Geschwistern? Fühlen sie sich wohl im neuen Hause? Vielleicht führt der Weg eines von Ihnen doch einmal wieder durch Süddeutschland und durch unsern Winkel. Ich grüße Sie alle herzlich und hoffe, mein Brief treffe Sie alle in guter Gesundheit an Herzlichst Ihre Elisabeth Kittel. 37. G. Kittel an F.W. Grosheide (K 168) Tübingen, Olgastrasse 5, 2. Januar 1930. Verehrter lieber Herr Kollege! Meine Frau und ich danken Ihnen sehr für das feine Buch über die hol­ ländischen Kirchen. Es macht uns beiden sehr viel Freude, besonders das Verhältnis zu dem norddeutschen Kirchenstil zu studieren. Sehr vielen Dank!

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Und ebenso haben uns Ihre Worte über meinen Vater250 sehr wohlgetan. Er ist rasch und ohne viel Leiden, mitten aus der Arbeit, heimgegangen. Bei uns ist nun, nach viel Krankheit des vergangenen Jahres, alles wohl. Ich komme mit der Arbeit | tüchtig voran, soweit die 800 Studenten Zeit lassen. Zur Zeit bin ich heiss über den ersten Artikeln für den neuen Cremer (α/ω, αββα, usw.).251 Wir grüssen Sie und Ihre ganze Familie herzlich und wünschen Ihnen von Herzen viel Glück und des Treuen Gottes Segen für 1930. Ihr Kittel. 38. E. Kittel an F.W. Grosheide und A.O.W.D. Grosheide-Schut (K 169) Tübingen, Olgastr. 5, z. Zt. Walchensee, Oberbayern, 12. April 1930 Liebe Freunde, damit wir mal wieder voneinander hören, will ich Ihnen heut Abend schrei­ ben. Wir haben Universitäts- und Schulferien und verbringen sie wieder in dem kleinen Landhäuschen am oberbayrischen See, das vor 30 Jahren der Schwiegervater baute. Er ist im Oktober mit 77 Jahren gestorben; nun haben unsere Kinder keinen Großvater mehr. Die Kinder sind uns glück­ lich in der Dorf- und Waldeinsamkeit, und mein Mann hat auch hier ei­ nen festen Arbeitsplatz am Fenster. Aber dann kommen auch Tage, wo die ganze Familie gemeinsam Spaziergänge macht; um den See oder auf die Berge. Sie liegen alle voll Schnee noch und auf den Wiesen um den See blühen herrliche Frühlingsblumen. Das ist wohl die Zeit, wo in Holland die Tulpen zu blühen anfangen. Ja das muss ich erzählen: Ich habe jetzt den Roman einer unserer bedeutendsten Novellisten gelesen, den vielleicht Frl. Jo Grosheide252 einmal lesen sollte. Er heißt „Amor Dei“ von Kolbenheyer253 und ist ein Spinoza-Roman. Ich kann nicht sagen mit welch großem Interesse ich die Beschreibung Amsterdams, Rembrandts, des Judenbuurt 254 gelesen habe, wie mich die Schilderung des Regenten, Prädikanten, des Orangeisten  Rudolf Kittel verstarb am 20.10.1929 (s.o. Anm. 89).   Gerhard Kittel hatte dreizehn Artikel für den ersten Band des ThWNT, der in Lieferungen ab April 1932 erschien, übernommen, z.B. ΑΩ, ἀββᾶ, Ἄγαρ, ἄγγελος u.a. 252  Johanna Hendrika („Jo“) Grosheide (1911–1998) hatte zu diesem Zeitpunkt das Studium der Germanistik („Germaanse taal en letterkunde“) an der Gemeentelijke Universiteit Amsterdam begonnen. 253   Kolbenheyer, Erwin Guido, Amor Dei. Ein Spinoza-Roman, München/Leipzig: Müller 1908. 254  Schreibweise „Judenbuurt“ nach Kolbenheyer (s. Anm. 253), niederl. Jodenbuurt, Bezeichnung für das jüdische Viertel in Amsterdam bis 1945. 250 251

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und Republikaners interessiert hat. Ein ganz neues Stück Geschichte habe ich dabei kennen gelernt. – Der Verfasser des Buches, ein evangelischer | Österreicher ist ein ernsthafter Mann, der in allen Büchern edel und nach­ denklich ist. Nun wollte ich noch fragen, wie weit Frl. Jo im Studium ist und ob sie wohl an eine deutsche Universität kommt, oder eine Reise durch Süddeutschland macht? Dann soll sie Tübingen nicht vergessen. Ich freue mich jederzeit sie zu sehen. Darf ich noch eine Bitte im Namen meines Briefmarken sammelnden Jungen an Sie richten? Wir haben ja früher schon einmal mit Herrn Henk getauscht. Er legt Ihnen anbei eine Anzahl bei und hofft bei Gelegenheit auf einen Gegentausch. Das Interesse erfüllt jetzt sein kleines Gemüt. Mein Mann kommt wenig zum Briefschreiben; aber oft denken wir Ihrer aller und hoffen immer, mit den Vögeln im Sommer komme auch mal ei­ ner aus Holland nach Tübingen. Oder kommt mal wieder ein holländischer Student an den Neckar? Wir sehen viel Ausländer hier, aber nur im Sommer; denn im Winter ist die allzukleine Stadt nicht eben gastlich. Nun grüßen wir das ganze Haus Grosheide auch das brüderliche herzlich und wünschen Ihnen ein gesegnetes Osterfest. Ihre Elisabeth Kittel. 39. G. Kittel an F.W. Grosheide (K 170) Tübingen, Olgastrasse 5I, 2. Mai 1930 Lieber Freund! Wir danken Ihnen sehr herzlich für Ihren Brief! Hoffentlich geht die Sorge um Ihre liebe Frau vorüber und wird Ihnen die Freude aus Joh 16,21255 un­ verkürzt geschenkt. Der Gedanke, dass sie vielleicht im Sommer mit Ihrer Tochter hierher kommen, freut uns ganz ausserordentlich; bitte machen Sie es nur ja wahr! Ihre Literaturliste zu „Begriffe des Wörterbuches“ 256 ist mir ausserordent­ lich lieb und wertvoll. Ich bin Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir hie und da wieder etwas dergleichen schicken; es wird zu leicht etwas übersehen. Ich 255   Joh 16,21: „Ein Weib, wenn sie gebiert, so hat sie Traurigkeit; denn ihre Stunde ist ge­ kommen. Wenn sie aber das Kind geboren hat, denkt sie nicht mehr an die Angst um der Freude willen, daß der Mensch zur Welt geboren ist“ (Luther 1912). 256   Grosheide wirkte über viele Jahre am ThWNT dadurch mit, dass er Literaturhinweise übermittelte. Kittel gab diese an die Bearbeiter der jeweiligen Artikel weiter. Vgl. Kittel, Gerhard, Wörterbuch Mitteilung Nr. VII, vom 17.7.1930; Ders., Wörterbuch Mitteilung Nr. XI vom 4.8.1931, Universitätsbibliothek Tübingen (UBT) Mn 2–181.

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send Ihnen dieser Tage einige Listen und Mitteilungen, die Ihnen zeigen, wie das Wörterbuch in der neuen Auflage gedacht ist;257 ich denke, dieselben werde Sie interessieren. Nehmen Sie bitte für heute mit diesem kurzen Gruss aus der Flut unseres Semesteranfangs vorlieb. Mit treuen Grüssen von Haus zu Haus Ihr Gerhard Kittel [handschriftliche Ergänzung:] Eben vorhin war Ihr Südafrikaner258 bei mir. Mein Junge dankt schön für die Marken! 40. G. Kittel an F.W. Grosheide (K 171) Tübingen, Olgastraße 5I, 7. Juni 1930 Lieber Herr Kollege! Haben Sie herzlichen Dank für Ihren Brief und die Sendung Ihrer Notizen. Vor allem war es uns eine grosse Freude, dass es Ihrer Gattin nun so viel besser geht. Wir waren schon recht in Sorge und warteten auf Nachricht. Hoffentlich geht auch weiterhin alles seinen guten Weg! Dass Sie selbst unter diesen Umständen nicht hierher kommen können, ist ja sehr schade, aber wir verstehen es natürlich. Vielleicht wird es ein an­ dermal. Ihre Tochter wird uns herzlich willkommen sein, meine Frau lässt sagen, dass sie sich sehr auf den Besuch freut. Nur bitten wir, nicht zu spät im Juli, weil dann die Ferien anfangen und es dann nicht mehr so gut passt. Vielleicht schreibt Fräulein Jo259 eine Postkarte, wann es ungefähr sein wird. Bis Mitte Juli passt es jederzeit sehr gut. Ihre Notizen sind mir wieder sehr wertvoll gewesen, es stand manches da­ rin, was mir entgangen war. Ich bin Ihnen wirklich für diese Unterstützung sehr verbunden. Dass die Präpositionen von mir schon vorgesehen sind, ha­ ben Sie ja selbst bemerkt. Sie sind mir gerade sehr wichtig gewesen, denn sie sind unter Umständen theologisch bedeutungsvoll.

257   Kittel hatte vom 20.9.1929 bis 10.1.1940 als Herausgeber des ThWNT an den Kreis der beteiligten Wissenschaftler „Wörterbuchmitteilungen“ und Vokabellisten geschickt, die im Nachlass von Rudolf Bultmann erhalten sind (UBT Mn 2–181). 258   Evert P. Groenewald (1905–2002), 1938 Professor für Neues Testament an der Universität von Pretoria. S. dazu den Beitrag von Kobus Kok in diesem Band. 259   S.o. Anm. 154.

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Nun grüsse ich Sie zum Pfingstfest herzlich mit allen guten Wünschen Ihr Kittel. 41. G. Kittel an F.W. Grosheide (K 174) Tübingen, Olgastrasse 5I, 10. September 1930 Lieber Herr Grosheide! Nachdem ich wieder in Tübingen bin, sollen Sie auch einmal wieder einen längeren Brief von mir haben. Wir haben eine schöne und ruhige Zeit in den bayerischen Bergen verlebt und ich besonders habe mich sehr ausgeruht. Ihre Tochter260 wird Ihnen erzählt haben, dass es hier im Semester sehr un­ ruhig zugeht und viel zu tun ist. So habe ich die Wochen des Ausruhens sehr genossen. Es hat zwar ziemlich viel geregnet, aber das hat uns nicht allzusehr gestört. Nur hat sich bei dieser Gelegenheit leider seit Jahren zum ersten Mal wieder mein altes rheumatisches Leiden eingestellt; doch hoffe ich es nun überwunden zu haben. An den Besuch Ihrer Tochter denken wir mit viel Vergnügen zurück. Da sie, wenn ich recht verstanden habe, daran dachte, einmal für ein ganzes Semester zum Studium hierher zu kommen, so wird es sie interessieren, dass nunmehr der Wiener Germanist Kluckhohn 261 den Ruf hierher auf die Professur für neuere deutsche Literatur angenommen hat. Er gilt als einer der bedeutendsten jüngeren Germanisten. Professor Schneider262 , den Ihre Tochter gehört hat, wird in Zukunft mit ihm zusammen lesen; Schneider wird vor allem die ältere Germanistik vertreten. So wird die Germanistik in Zukunft hier sehr gut besetzt sein. Über das frohe Ereignis bei Ihnen 263 haben wir uns herzlich mitgefreut. Hoffentlich geht es Ihrer Frau wieder ganz gut und gedeiht das jüngste eben­ so wie Ihre älteren Kinder! Vor allem wollte ich Ihnen immer schon einmal schreiben und herzlich für Ihre Notizen zu dem Wörterbuch danken. Auch das Letzte, was Sie mir durch Ihre Tochter schickten, war mir sehr wertvoll. Sie übersehen ja in viel stärkerem Masse, als wir es tun, die ausländische Literatur, besonders die holländische und englisch-amerikanische. Und es liegt mir viel daran, dass   S.o. Anm. 252.  Paul Kluckhohn (1886–1957), Germanist, 1925 außerplanmäßiger Professor in Danzig, 1927 ordentlicher Professor in Wien, 1930 in Tübingen. 262  Hermann Schneider (1886–1961), Germanist, 1914 außerordentlicher Professor in Bonn, 1915 in Berlin, 1921 ordentlicher Professor in Tübingen. 263  Die Aussage bezieht sich auf die Geburt von Johan Hendrik (‚Hans‘) Grosheide am 6.8.1930. 260 261

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diese ausländische Literatur auch gut berücksichtigt wird. So bin ich Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mir auch weiterhin Ihre Notizen zur Verfügung stellen. Wenn Sie mir es | besonders bequem machen wollen, so beschreiben Sie die Blätter nur einseitig. Ich kann Sie dann bequem auseinanderschnei­ den und für die einzelnen Artikel verzetteln. Aber nur, wenn es für Sie keine grössere Mühe macht! Ich hoffe, dass wir mit dem Werk so vorankommen, dass wir etwa Anfang 1931 mit dem Druck beginnen können und dann im Laufe des Jahres die erste Lieferung herausbringen.264 Daneben kommen nun auch die in den letzten Jahren in Stillstand ge­ ratenen Arbeiten über die rabbinischen Texte265 wieder in Gang. Zwar mein eigenes Sifre zu Deuteronomium muss noch ruhen, weil eben eine neue Textausgabe zu erscheinen beginnt, und weil, nachdem der Druck so lange unterbrochen war, es richtiger ist, deren Erscheinen vollends abzuwarten, damit die Übersetzung sich dann auf diesen neuen Text stützen kann.266 Aber auch diese Arbeit soll jetzt in einen grösseren Rahmen gestellt wer­ den, indem sie ein Teil eines Corpus Rabbinicum wird, das eine grössere Anzahl der ältesten und wichtigsten, noch nicht übersetzten, rabbinischen Texte zugänglich machen soll. Zunächst sind zwei Abteilungen in Aussicht genommen: die Tosefta und die tannaitischen Midraschim. Das werden frei­ lich schon allein, wenn sie einmal fertig sind, 10 grosse Bände werden. Als erster Band soll etwa in einem Jahr Sifre Numeri herauskommen, das einer meiner Schüler bearbeitet hat und dessen Druck jetzt beginnt. 267 Dann wird sich mein Sifre Deut. anschliessen; später, wie ich hoffe, auch Sifra Leviticus. Immer soll die Übersetzung von einem Kommentar begleitet sein, der vor allem die Beziehung zwischen Sprache und Begriffswelt des Neuen Testaments deutlich macht, ähnlich, wie ich es seinerzeit in meinem 1. Teil von Sifre Deut. versucht habe. Bei der Tosefta sind die Schwierigkeiten noch grösser, denn da müssen wir uns erst eine Textausgabe schaffen, die einigermassen brauchbar ist. Hier sind meine Hauptmitarbeiter unser hiesiger Privatdozent Rengstorf 268 (von dem in der Giessener Mischna der grosse Band Jebamot 269 erschie­   Die erste Lieferung des ThWNT erschien am 1.4.1932.   S.o. Anm. 240. 266  Vgl. das 1917 begonnene Corpus Tannaiticum der Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft des Judentums: Siphre ad Deuteronomium – Sifre ‘al sefer debarim, H.S. Horovitz/Louis Finkelstein (Hg.), Berlin 1939. 267   Kuhn, K arl Georg, Sifre zu Numeri. Sifre numeri § 1–155 (Rabbinische Texte, Reihe 2. Tannaitische Midraschim: Übersetzung und Erklärung, Bd. 3, Heft 1–8, hg. Gerhard Kittel), Stuttgart: Kohlhammer 1933–1936. 268   S.o. Anm. 238. 269   Rengstorf, K arl-Heinrich, Seder 3 Naschim, Traktat 1 Jebamot (Von der Schwagerehe). Text, Übersetzung und Erklärung (Die Mischna: Text, Übersetzung und ausführliche Erklärung, hg. Georg Beer), Gießen: Töpelmann 1929. 264 265

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nen ist), Joachim Jeremias270 (der jetzt meine Greifswalder Professur inne hat) und der Schwede Hugo Odeberg 271 (dessen Ausgabe des hebräischen Henoch 272 und dessen interessantes, freilich teilweise sehr anfechtbares, Buch über Johannes273 Sie kennen werden). Sie sehen, es sind weitausschauende Pläne, die vor mir liegen. Ob mir freilich Kraft und Gesundheit geschenkt wird, sie zu Ende | zu führen, steht in Gottes Hand. Aber ich sehe die Notwendigkeiten, die in den beiden gros­ sen Werken, an denen ich bin, sich niederschlagen: die eine, die rabbinische Literatur in ihren ältesten Texten der neutestamentlichen Forschung weiter zu erschliessen; die andere, die neutestamentliche Lexikographie im Sinne des alten Cremerschen Werkes aus der lexikographisch-philologischen Verknöcherung herauszubringen und der theologischen Begriffsgeschichte dienstbar zu machen. In einigen Wochen erscheint Schlatters Johanneskommentar274. Er ist wieder ein interessantes Buch, noch stärker als der Matthäuskommentar auf die philologische Beobachtung gestellt. Der Sprachcharakter des Johannes wird, wie bei Matthäus, mit Josephus einerseits und der rabbinischen Diktion andererseits konfrontiert. Ich finde, dass man eigentlich auf Grund des Schlatter’schen Materials eine ganz neue Darstellung des „Judengriechisch“ geben sollte. Jetzt erst wird dieser Begriff in seinen Nuancierungen lebendig. Viele Grüsse an Sie alle! Ihr herzlich ergebener Kittel. 42. E. Kittel an F.W. Grosheide und A.O.W.D. Grosheide-Schut (K 172) Tübingen, Olgastraße 5I, 28. Dezember 1930 Liebe Freunde, wir wünschen Ihnen allen ein gesegnetes Neues Jahr und danken für Ihr freundliches Geschenk zum Fest. Jos Karten freuten uns recht. Sie liegen vor mir. Ein schönes Paket kam aus Holland mit gutem Tee – wie er bei uns 270  Joachim Jeremias (1900–1979), evangelischer Theologe, 1928 außerordentlicher Professor und Direktor am Institutum Judaicum in Berlin, 1929 ordentlicher Professor in Greifswald, 1935 in Göttingen. 271  Hugo Odeberg (1898–1973), evangelischer Theologe, 1933 Professor in Lund. 272   Odeberg, Hugo, 3 Enoch or The Hebrew Book of Enoch, Cambridge: Cambridge University Press 1928. 273   Odeberg, Hugo, The Fourth Gospel, Uppsala-Stockholm: Almquist und Wiksell 1929. 274   Schlatter, Adolf, Der Evangelist Johannes. Wie er spricht, denkt und glaubt: Ein Kommentar zum 4. Evangelium, Stuttgart: Calwer 1930.

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so selten geworden ist. Die Borstplaats275 betrachtet Elsbeth als ihr Eigentum und bewundert ihr zierliches Muster und Eberhard raucht holländische Zigarren. Haben Sie | herzlichen Dank für alles. Im neuen Jahr hoffen wir ja für Jo auf ein deutsches Semester, ob es Tübingen wird? Ihnen allen gute Gesundheit und Arbeitsfreude, und über allem aber im Neuen Jahre Gottes Segen. Ihre Elisabeth Kittel. 43. G. Kittel an F.W. Grosheide (K 173) Tübingen, Olgastrasse 5I, 28. Dezember 1930. Verehrter Freund, Auch ich möchte Ihnen einen Gruss sagen, zur Weihnacht und zum neu­ en Jahr, das Ihnen in Beruf und Haus ein Jahr des Segens sein möge! Ich sende Ihnen eine kleine Drucksache aus dem „Mysterium Christi“ 276 über das Problem des historischen Jesus. Ich habe versucht, indem ich Gedanken von Martin Kähler277 weiterführe, eine Abgrenzung gegen Liberalismus und Dia­lektik zu vollziehen. Ich weiss nicht, ob Sie ganz einverstanden sein wer­ den? Im Frühjahr werde ich voraussichtlich mit meiner Frau | nach England reisen, wo in Chichester die 3. deutsch-englische Theologenkonferenz 278 stattfindet. Wenn die Zeit reicht, machen wir einen kurzen Abstecher nach Amsterdam und schauen ein oder zwei Tage bei Ihnen herein. Wir würden uns des Wiedersehens sehr freuen. Aber es ist noch nicht ganz sicher, ob es sich einrichten lässt. Mit vielen Grüssen an Sie alle, Ihr Kittel.

  S.o. Anm. 174.   Kittel, Gerhard, Der „historische Jesus“, in: Bell/Deissmann (Hg.), Mysterium Christi, 43–65. 277  Martin Kähler (1835–1912), evangelischer Theologe, 1864 außerordentlicher Professor in Bonn, 1867 in Halle, 1878 ordentlicher Professor ebenda. 278   S.o. Anm. 219. 275

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44. G. Kittel an F.W. Grosheide (K 175) 20.1.1931 Tübingen, 20. Januar 1931 Verehrter Freund, Ich erhielt in diesen Tagen die Geschichte der Freien Universität 279 zuge­ schickt, gewiss auf Ihre Veranlassung! Haben Sie sehr herzlichen Dank da­ für. Es ist ein wundervolles Buch, das sehr anschaulich zeigt, wie ein starker christlicher Wille viel erreichen kann! Ihr herzlich ergebener Kittel. 45. G. Kittel an F.W. Grosheide (K 176) Tübingen, 3. Juli 1931 Verehrter Freund, Längst fühle ich mich in Ihrer Schuld. Ich habe lange nichts hören lassen. Ursprünglich hatten wir ja sogar die Absicht, Sie um die Osterzeit zu besu­ chen, auf der Reise nach England.280 Aber ich musste leider diese Englandund damit auch die Hollandreise aufgeben und statt dessen eine Badekur absolvieren. Die hat mir recht gut getan, sodass ich mich nunmehr wieder recht frisch fühle. | Meine Zeit ist fast ganz durch die Vorbereitung des Wörterbuches in Anspruch genommen. Ich hoffe, im Herbst mit dem Druck zu beginnen. Ihre Notizen haben sich als sehr wertvoll und dankenswert er­ wiesen. Ich lege Ihnen ein Verzeichnis281 der Stichworte von λ - σ bei. Falls Sie mir dazu wieder einiges Material schicken könnten, wäre ich Ihnen sehr dankbar. Sehr erfreut haben mich Ihre letzten Drucksachen. Ihr Aufsatz in The Evangelical Quarterly282 stellt einen sehr bedeutungsvollen Gesichtspunkt ins Licht. Ich | glaube, dass Sie mit Ihrer Beurteilung der TraditionsHypothese völlig recht haben. Sie muss viel ernster betont werden, als dies üblich ist. Ich habe das auch neulich unter Bezugnahme auf Ihren Artikel

279  Gemeint ist die 1880 gegründete Vrije Universiteit Amsterdam, an der Grosheide Professor war. S. Gedenkboek van de viering van het 50-jarig bestaan der Vrije Universiteit te Amsterdam op 20–22 October 1930, Kampen: Kok 1931. 280   S.o. Anm. 219, 232. 281   S.o. Anm. 256. 282   Grosheide, F.W., The Synoptic Problem. A Neglected Factor in Its Solution, in: Evangelical Quarterly 3 (1931), 57–67.

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im Kolleg dargelegt. Auch Ihre Studie über ἐκκλησία im NT 283 stimme ich weithin zu. Ebenso gibt der Aufsatz Quos quidem Ecclesia legere potest 284 eine höchst interessante Überschau. Vielen Dank für alles! Wie geht es in Ihrer Familie? Wir freuten uns, vor einiger Zeit durch | Jo einiges zu hören. Bei uns ist gottlob alles gesund. Auch den Kindern geht es wieder ganz gut. Natürlich sind wir alle über die politische Lage in Sorge,285 denn wir wissen nicht, ob wir nicht in einiger Zeit Revolution haben werden. Aber auch dies steht in Gottes Hand. Seien Sie alle sehr herzlich von uns allen gegrüsst! Ihr Gerh. Kittel. 46. G. Kittel an F.W. Grosheide (K 177) Tübingen, 8. August 1931 Lieber Herr Kollege! Haben Sie sehr herzlichen Dank für Ihre Noten. Ich wiederhole, dass mir diese höchst wichtig und wertvoll sind. Hier bin ich so frei, Ihnen den Rest der Stichworte286 zu senden. Ihre Ausfüllung ist aber nicht eilig, da wegen der Wirtschaftslage in Deutschland 287 der Druck unseres Werkes noch et­ was aufgeschoben werden musste. Er wird aber, wie ich hoffe, im Herbst beginnen. Die Lage in Deutschland war einige Zeit sehr schwer. Ob es nun besser wird, wissen wir noch nicht. Wahrscheinlich werden die Franzosen noch öfters die Gelegenheit | benützen, uns unserer Abhängigkeit von ih­ nen zu zeigen. Morgen ist die grosse Abstimmung über den preussischen Landtag.288 Man ist sehr gespannt, wie sie gehen wird. Der Gegensatz zwi­ schen der sozialistisch-ultramontanen Regierung und der Opposition ist un­ 283   Grosheide, F.W., Gedachten over de kerk in het Nieuwe Testament, in: Gereformeerd Theologisch Tijdschrift 31 (1930), 257–268. 284   Grosheide, F.W., Dewelke de Kerk wel leren kan, in: F.W. Grosheide u.a., Wetenschappelijke bijdragen. Aangeboden door hoogleeraren der Vrije Universiteit ter gele­ genheid van haar vijftigjarig bestaan, Amsterdam: De Standaard 1930, 1–14. Kittel übersetzt den niederländischen Titel des Aufsatzes, der ein Zitat aus der Confessio Belgica von 1566 ist („.Dewelke de Kerk wel leren kann“), wieder zurück ins lateinische Original: „Quos quidem Ecclesia legere potest“. 285  Im Juli 1931 spitzte sich infolge der Weltwirtschaftskrise die Krise der deutschen Banken zu. Zahlreiche Banken und Sparkassen waren illiquide geworden und wurden faktisch verstaatlicht. 286   S.o. Anm. 256. 287   S.o. Anm. 285. 288   Am 9.8.1931 fand ein Volksentscheid zur Auflösung des preußischen Landtags statt.

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geheuer scharf. Die Auswirkung auf die gesamte Politik wird nicht fehlen, sei es nach der einen, sei es nach der anderen Seite. Hoffentlich haben Sie für Ihren Sommeraufenthalt schönes Wetter. Bei uns sind dies Jahr viele Unwetter. Gute Erholung! Ihr treulich ergebener Kittel. 47. G. Kittel an F.W. Grosheide (K 178) Tübingen, 9. Januar 1932 Lieber verehrter Freund, Das neue Jahr soll seine erste Dekade doch nicht vollenden, ohne dass ich Ihnen einen zwar kurzen, aber herzlichen Gruss gesagt habe. Gott der Herr segne Sie selbst, Ihre Familie und Ihre Arbeit, und Er erspare unseren Völkern eine zu schwere Notzeit. Bei uns sind viele kleinmütig oder ungeduldig. Umso nötiger ist es, immer von neuem das Wort des Glaubens zu verkünden! Dass Ihr Korintherkommentar289 bald fertig wird, freut mich sehr. Diese Ihre Kommentare sind ein Vorbild solider und sauberer exegetischer Arbeit. Ich glaube, dass sie Ihrer Kirche und Theologie einen bedeutenden Dienst tun. Die ersten Bogen des Wörterbuches sind im Druck. Ich denke bestimmt, dass etwa zu Ostern die erste Lieferung herauskommen wird. Wir wollen es langsam in nicht zu grossen | Lieferungen erscheinen lassen. Anders können unsere Studenten heute ein solches grosses Buch nicht kaufen. Ich bin ohne­ dies oft verzagt, ob bei der heutigen Wirtschaftslage der Plan durchführbar sein wird. Aber jedenfalls wollen wir es versuchen. Auch dies Jahr, wie all die Jahre, hoffe ich, dass wir uns einmal wieder­ sehen. Führt Ihr Weg Sie nicht einmal in unsere Nähe? Es wäre uns eine sehr grosse Freude, Sie einmal bei uns zu sehen. In Skandinavien war es sehr schön.290 Ich habe in Kopenhagen, Lund und Uppsala gesprochen. Wenn die Vorträge gedruckt sind, 291 schicke ich sie Ihnen. Ebenso erhalten Sie natürlich das Wörterbuch 292 , sobald es zu er­ scheinen beginnt. 289   Grosheide, F.W., De eerste brief van den Apostel Paulus aan de Kerk te Korinthe (Kommentaar op het Nieuwe Testament 7), Amsterdam: Bottenburg 1932. 290   Kittel hielt im Herbst 1931 Vorlesungen in Kopenhagen, Lund und Uppsala. 291   Kittel, Gerhard, Die Religionsgeschichte und das Urchristentum. Vorlesungen der Olaus-Petri Stiftung gehalten in der Universität zu Uppsala 26.–29. Oktober 1931, Gütersloh: Bertelsmann 1931. 292   S.o. Anm. 248.

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Mit allen guten Grüssen und einem treuen „Gott befohlen!“ Ihr Gerhard Kittel. 48. G. Kittel an F.W. Grosheide (K 179) Tübingen, 11. Juni 1932. Verehrter lieber Freund, Haben Sie herzlichen Dank für Ihren lieben Brief, der mir eine grosse Freude war. Ich freue mich sehr, dass Sie das Theol Wörterbuch 293 für brauchbar halten. Dass man an einem Werk dieses Umfangs vieles im Einzelnen aus­ setzen kann, ist mir klar. Umso dankbarer bin ich, wenn das Gesamturteil so freundlich ist, wie das Ihrige. Zu meiner Freude ist der bisherige Erfolg so gut, dass wir hoffen dürfen, es zu einem guten Ende zu bringen. Was Sie über die politische Lage schreiben, bewegt mich sehr. Wir lasen hier mehrfach von den Unruhen in Holland.294 Es ist mir sehr schmerzlich, dass durch unsere Politik Ihre Lage verschlechtert wird. Aber bedenken Sie bitte, dass wir nicht frei handeln können, sondern eine durch den Fluch der Tribute völlig zerrüttete Volkswirtschaft haben. Im Grunde ist doch | wohl das, worunter auch Ihr Land leidet, die Auswirkung des Versailler Wahnsinns295. Wie die Entwicklung bei uns weitergehen wird, weiss niemand. Es ist tragisch, dass Brüning296, vor dem alle Achtung haben, sich so fest an die Linkspartei angeschlossen hatte, dass er die Trennung von Groener297 nicht vollziehen konnte. Es steht jetzt fest, dass der Bruch mit Hindenburg298 erfolgt ist, weil dieser von Groener belogen worden war und diesen (nicht Brüning) entlassen wollte. Die neue Regierung enthält einige sehr ernste Christen, wäh­   Die erste Lieferung des ThWNT erschien am 1.4.1932.   Die Krisenjahre infolge der weltweiten Depression (Börsenkrach New York 1929) führ­ ten in den 1930er Jahren auch in den Niederlanden zu Aufständen und Unruhen. In nur wenigen Jahren stieg die Zahl der Arbeitslosen von etwa 150.000 im Jahr 1930 auf fast 600.000 im Jahr 1935. 295  Vgl. Brief vom Nr. 2, K 135 vom 22.10.1922: „Versailler Frieden“. In der deutschen Öffentlichkeit wurden die im Versailler Vertrag vereinbarten Reparationszahlungen an die Siegermächte des Ersten Weltkriegs und ihre wiederholten Anpassungen an die wirtschaftliche Lage hoch emotional diskutiert und politisch instrumentalisiert. 296  Heinrich Brüning (1885–1970), Mitglied der katholischen Zentrumspartei, Reichskanzler vom 30.3.1930 bis 30.5.1932. 297  Wilhelm Groener (1867–1939), Generalleutnant, Reichwehrminister vom 28.1.1928 bis 30.5.1932. 298   Paul von Hindenburg (1847–1934), Generalfeldmarschall, 1925 bis 1934 Reichspräsident. 293

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rend Groener Atheist ist. Die Art, wie die Sozialdemokraten und Atheisten sie als Reaktionäre und Kriegshetzer beschimpfen,299 ist unerhört. Nun seien Sie herzlich mit Ihrer lieben Frau gegrüsst von Ihrem Gerhard Kittel. Kommen Sie nicht einmal wieder nach Deutschland? 49. G. Kittel an F.W. Grosheide (K 180) Tübingen, Olgastrasse 5I, 2. Oktober 1932. Verehrter lieber Herr Kollege! Ich habe Ihnen noch nicht für Ihren Korinther-Kommentar300 gedankt, denn ich wollte erst soviel darin lesen, dass ich ein Urteil über das Buch hatte. Heute kann ich Ihnen nun schreiben, dass ich über das Werk auf das Lebhafteste erfreut bin und Sie dazu beglückwünsche. Das ist ein Kommentar, wie er sein soll! Gelehrt, zuverlässig, – und zugleich eine wirk­ liche Einführung in den Sinn und Gehalt der Heiligen Schrift. Ich denke, es muss für einen Studenten oder Pfarrer ein Vergnügen sein, mit einem solchen Kommentar zu arbeiten. Ich habe auch an mehreren Stellen wichtige exegetische Gesichtspunkte gefunden, die mir neues Licht gegeben haben. Für | meinen Wörterbuch-Artikel σοφία habe ich mir schon manches aus dem Kommentar notiert. Besonders gut gefällt mir die Exegese von 1Kor 13 und von 1Kor 15. Haben Sie vielen vielen Dank für die wunderschöne Gabe! – Jo ist nun längst wieder bei Ihnen. Wir denken gern an diesen lieben Gast zurück. Es ist eigentlich schade, dass sie im August nicht doch mit nach Walchensee gekommen ist. Unruhen sind ja in dieser Gegend nicht entstan­ den. Vielleicht ein andermal! Die Wirtschaftslage ist wohl auch in Holland jetzt schwer. Wir hoffen sehr, dass es unserer energischen Regierung gelingt, mit dem ArbeitslosenProblem mehr fertig zu werden als ihre Vorgänger, und zugleich die Ruhe im Innern zu bewahren. Die Wahlen am 6. November301 werden wahrscheinlich 299   Im Mai 1932 trat das Kabinett Brüning zurück. Reichspräsident Hindenburg beauftra­ ge Franz von Papen (1879–1969), ein Präsidialkabinett zu bilden, das vom 1.6.1932 bis zum 3.12.1932 regierte. 300   S.o. Anm. 289. 301   Die Wahlen zum Reichstag am 6.11.1932 brachten der NSDAP tatsächlich Verluste ein. Sie blieb aber dennoch mit 33,1% die stärkste Fraktion und Adolf Hitler wurde am 30.1.1933 von Reichspräsident Hindenburg zum Reichskanzler ernannt.

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zum ersten Mal einen grossen Rückgang der Nationalsozialisten bringen, die sich durch ihre Torheiten seit dem 13. August 302 alle Sympathien ver­ scherzt haben. – Nochmaligen Dank und herzliche Grüsse Ihr getreuer Gerh. Kittel. 50. E. Kittel an F.W. Grosheide und A.O.W.D. Grosheide-Schut (K 181) Walchensee, Oberbayern, 3. Januar 1933 Liebe Freunde, was haben Sie uns für ein herrliches Werk geschickt über die holländischen Turmgebäude. Die lieben alten Glockentürme, herrliche Denkmäler der Baukunst und Künder & Zeugen von Menschenschicksal und Gottesnähe. Wirklich prachtvoll ist das Werk. Und viel Dank sagen wir Ihnen dafür und fügen hinzu unsere besten Wünsche für ein gesegnetes neues Jahr. Ihnen allen äußere und innere Kräfte und Vertrauen und Mut für alles, was das neue Jahr bringen mag. Sie wissen ja, wie sehr wir, unser armes Deutschland, Gottes Gnade bedürfen für die Zukunft. Wir sind hier in den Bergen in unserem Häuschen, | wo mein Mann die Reste seiner Lungenentzündung auskuriert. Da wir strahlendes Sonnenwetter haben, macht sein Wohlbefinden auch gute Fortschritte. Die Bauern hier orientieren sich im Wetter nach dem „hundertjährigen“ Kalender. Der weiß seit 100 Jahren nicht von solch warmem Winterwetter. Ich gratuliere Jo auch herzlich zur Erledigung ihrer ersten Studiumshälfte. Sie soll mir mal schrei­ ben, über welche Themen sie ihre zwei Vorträge halten wird. Wie gern sähe ich die Arbeiten mit entstehen. Frl. Freiling303 hat meinem Mann neulich einen langen Brief geschrieben. Ach, es tat mir so leid, dass wir in der Sorge um meines Mannes Gesundheit vergessen haben Ihnen zur silbernen Hochzeit 304 zu gratulieren. – Nun seien Sie nochmals herzlich bedankt und gegrüßt von Ihrer Elisabeth Kittel.

302   Hitler forderte am 13.8.1932 von Hindenburg, zum Reichskanzler ernannt zu werden. Dieser lehnte das Ansinnen ab und machte den Vorgang öffentlich bekannt. 303  Unbekannt. 304   Am 29.11.1932 feierte das Ehepaar Grosheide seinen 25. Hochzeitstag.

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51. G. Kittel an F.W. Grosheide (K 182) Tübingen, Olgastr. 5, 12. Juni 1933 Sehr verehrter Herr Kollege, lieber Freund! Ich sende Ihnen in diesen Tagen ein Büchlein über „Die Judenfrage“.305 Es ist ein Vortrag, den ich auf Wunsch der Studenten gehalten und auf Wunsch der Hörer habe drucken lassen.306 Ich habe darin versucht, etwas von dem zu sa­ gen, dass für mich die gegenwärtige deutsche Situation auch in Bezug auf die Judenfrage einen christlichen Sinn hat. Es ist mir ein Bedürfnis, auch einigen Freunden im Ausland gegenüber diese meine Stellung nicht zu verbergen. Sie ist für mich grundsätzlich keine andere, als ich sie in meiner Beschäftigung mit dem Judentum seit Jahren gewonnen habe. Ich glaube mich auch heute redlich zu bemühen, dem echten, frommen Judentum gerecht zu werden; aber ich glaube, dass wir als Christen auch eine Pflicht haben, mit der Perspektive des Neuen Testaments Ernst zu machen, die von einer besonderen Stellung dieses Volkes seit dem Geschehen auf Golgatha weiß. Ich glaube zu wissen, dass es für meine Freunde im Ausland nicht leicht ist, diesen heutigen deutschen Fragen ganz gerecht zu werden und sie in ihrem eigentlichen Wesen so zu verstehen, wie wir es möchten. Darum bitte ich Sie, lieber Freund, persönlich, dass Sie das Buch freundlich aufnehmen und auch, wenn seine Haltung Ihnen in manchen Punkten zu Kritik Anlass gibt, dass Sie doch weder das Büchlein, noch seinen Verfasser verdammen möchten. Ich bitte Sie vielmehr, es zu glauben, dass hier in ehrlichem Ringen um die Erkenntnis von Gottes Weg, sowohl mit dem jüdischen Volk als mit meinem deutschen Volk, von dieser Sache geredet ist. Mit herzlichen Grüssen Ihr Gerhard Kittel. 52. G. Kittel an F.W. Grosheide (K 183) Walchensee, 31. August 1933 Lieber Freund, Immer noch ist Ihr ausführlicher, freundlicher Brief vom 3.7. unbeantwortet. Er war mir von besonderem Wert und ich habe viel und oft über ihn nachge­   Kittel, gerhard, Die Judenfrage, Stuttgart: Kohlhammer 1933 (Erste Auflage).   Die Schrift geht auf einen Vortrag zurück, den Kittel am 1.6.1933 an der Universität Tübingen hielt. 305

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dacht. Ich danke Ihnen, dass Sie mir so offen geschrieben haben. Nur daraus können wir gegenseitig lernen. Ich habe mir auf Ihren Brief hin die Schrift von Abr. Kuyper307 „Liberalisten en Joden“308 besorgt. Ich habe sie mit grösstem Interesse ge­ lesen, denn sie beschreibt ja in vieler Beziehung Verhältnisse, die genau den unseren entsprechen. Ich habe auch hier wieder Kuypers scharfen Blick bewundert. Wenn er nicht ganz zu den Konsequenzen gekommen ist, die mir vorschweben, so ist nach meinem Urteil wohl der Grund, dass die Verhältnisse in Holland noch nicht ebenso reif waren (und vielleicht sind) wie bei uns. Was Sie über die Wirtschaftspolitik schreiben, kann ich im Einzelnen nicht beurteilen, aber ich glaube, dass Sie zumeist recht haben und dass grosse Fehler auf diesem Gebiet gemacht worden sind. Nun würde ich fra­ gen, ob es nicht grade typisch ist für diejenige Art der Wirtschaftspolitik, welche die | Nationalsozialisten bekämpfen, dass zwar den Grossen, den Inhabern der Young-& Dawes-Aktien 309, nicht das Geringste zu leid ge­ schieht, dass aber die kleinen Leute um ihr Geld gebracht werden. Unter kei­ ner Regierung sind jemals die kleinen Leute und der Mittelstand so ignoriert und ruiniert worden wie unter den Demokraten und Sozialisten, weil deren Finanz- & Wirtschaftspolitik ausschliesslich die grossen internationalen Finanzpolitiker machten, meist die Juden. Kuyper hat vielleicht ganz recht, wenn er sagt: nicht die Juden seien das Schlimme, sondern die Liberalen (& Sozialisten); nur dass der Kern beider das Assimilationsjudentum ist, das seinem Wesen nach liberal sein muss! Deshalb bekämpfe ich politisch das Judentum. Es durchsetzt unsere Kultur mit seiner liberalen Dekadenz. Einstein 310 hätte man wohl nichts getan, wenn er nicht so unfreundlich im Ausland über Deutschland sich geäussert hätte. Aber Kelsen 311 ist allerdings ein Typus, den wir nicht als deutschen Juristen gelten lassen. Grade die Kelsen’sche Rechtslehre, die rein rationalistisch ist, hat die echten Rechtsbegriffe bei uns vielfach ins Formalistische verbogen und verfälscht und das Rechtsbewusstsein verdorben. 307  Abraham Kuyper (1837–1920), Journalist, Theologe und Politiker, 1902–1905 Ministerpräsident der Niederlande. 308   Kuyper, Abraham, Liberalisten en Joden, Amsterdam: Kruyt 1878. 309   Young-Aktien und Dawes-Aktien bezeichnen Wertpapiere, die auf dem Young Plan von 1929 und dem Dawes Plan von 1924 zur Regelung der Reparationszahlungen Deutschlands beruhten. 310  Albert Einstein (1879–1955), Physiker, 1909 außerordentlicher Professor in Zürich, 1911 ordentlicher Professor in Prag, 1917 bis 1933 Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Physik, 1922 Nobelpreis, 1933 Professor in Princeton. 311  Hans Kelsen (1881–1973), Jurist, Begründer der reinen Rechtslehre, 1917 außerordent­ licher Professor in Wien, 1919 ordentlicher Professor ebenda, 1930 in Köln, 1933 Professor in Prag und Genf, 1940 in Harvard und Berkeley.

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Dass Prof. Hinderer312 nur weniger Tage beurlaubt war, werden Sie wis­ sen. Ob er auf die Dauer an seiner Stelle bleibt, ist wohl noch nicht sicher. Aber | damals, als diese (und andere kirchliche) Beurlaubungen erfolgten, waren grade in Berlin besonders aufgeregte Tage. Natürlich bleiben aber auch sonst Dinge nicht aus, die ich auch nicht verstehe. Z.B. ist unlängst der Landesbischof von Mecklenburg beurlaubt worden, D. Rendtorff 313, der ein naher Freund von mir ist und selbst Mitglied der NSDAP ist; ein sehr from­ mer und ernster Mann. Ich kenne den Grund seiner Absetzung noch nicht; aber es ist klar, dass in solchen Zeiten des radikalen Umschwunges, wie sie in Deutschland jetzt sind, vieles auch geschieht, was der einzelne nicht ver­ steht und was ihn dennoch an seinem Gesamturteil nicht irre machen kann. Es ist eben allenthalben so, wie ich es ja auch bei der Judenfrage sage: hätte man die Dinge nicht so lange gegen die wirkliche Volksstimmung hingezo­ gen, so wäre alles weniger explosiv vor sich gegangen. – Doch nun zur Judenfrage selbst. Ich kann auch hier nur immer wieder sagen: hätten die massgebenden Christen wie Juden seit 50 Jahren auf die Warnungen ernster Männer wie Adolf Stöcker314, Hamann 315 usw. gehört, so sähe heute alles ganz anders aus; dann wäre auch hier alles ruhiger & ohne Gewaltsamkeiten & Härten abgegangen. Niemand | leidet unter diesen Härten mehr als ich. Aber ich muss leider sagen, dass sie zum grössten Teil verschuldet sind. (Dass die Juden, welche im Kriege an der Front waren, bevorzugt werden, ebenso die Kinder derer die gefallen sind, werden Sie wissen. Doch ist zu betonen, dass es schon vor dem Kriege sehr ernste Leute gegeben hat, die forderten, die Juden sollten nicht Soldaten werden; z.B. Frymann, Wenn ich der Kaiser wär‘, 1912.316 Aber die liberalen Regierungen haben das immer abgelehnt.) Über die judenchristliche Frage habe ich in den letzten Wochen & Monaten besonders viel nachgedacht. Ich gebe soeben die 2. Auflage meines Büchleins317 in Druck. Da habe ich sehr ausführlich über diese Frage und auch über die biblische Stellung gesprochen. Vielleicht darf ich, statt das hier im Brief zu wiederholen, Ihnen auch dies, wenn es erschienen ist, schi­ cken. Ich würde gern mit Ihnen weiter darüber sprechen. Denn ich mei­ 312  August Hinderer (1877–1945) evangelischer Theologe, 1918 bis 1945 Direktor des Evangelischen Preßverbandes für Deutschland (EPD), 1927 Honorarprofessor in Berlin. 313  Heinrich Rendtorff (1888–1960), evangelischer Theologe, 1930 ordentlicher Professor in Kiel, 1931–1933 Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs. 314  Adolf Stöcker (1835–1909), evangelischer Theologe, 1874–1890 Hofprediger in Berlin, 1874 Leiter der Berliner Stadtmission, 1879–1898 Abgeordneter im preußischen Landtag und 1880–1893 im Reichstag. 315   Johann Georg Hamann (1730–1788), Privatgelehrter und Schriftsteller, einflussreicher Kritiker der Aufklärung. 316   Frymann, Daniel, Wenn ich der Kaiser wär‘. Politische Wahrheiten und Notwendigkeiten, Leipzig: Dieterich 1914. 317   Kittel, Gerhard, Die Judenfrage, Stuttgart: Kohlhammer 21933.

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ne, diesen Teil der Unterhaltung können wohl allein solche führen, die 1) Israel kennen & ernstlich lieben, & die 2) ebenso ernstlich gewillt sind, nach Gottes Willen zu fragen, ihn aus der Bibel zu erheben, & sich gehorsam unter ihn zu beugen. Deshalb würde ich grade über diese Frage so gern mit Ihnen sprechen. | Mein jüdischer Freund Horovitz318 hat, wie er uns schreibt, nun Aussicht, nach Amsterdam ziehen zu dürfen. Ich bin Ihnen sehr dank­ bar, dass Sie sich ein wenig um ihn angenommen haben. Er ist ein ganz lauterer Mensch, der Christus ernstlich sucht. Die grösste Schwierigkeit ist für ihn seine Familie. Seine Frau hasst alles Christentum tödlich; und zur Trennung kann er sich der Kinder wegen nicht entschliessen. So muss man mit ihm Geduld haben und seine Schwierigkeiten in Liebe tragen. Er ist, wie gesagt, ein sehr lauterer Mensch, der durch das Unglück, das ihn (bes. ein Tod eines Kindes) getroffen hat, immer näher zu Christus geführt worden ist. – Wenn Sie je ihn in seinen wissenschaftlichen Arbeiten etwas fördern könnten, wäre es sehr schön. Er hat ganz ausgezeichnete Kenntnisse und arbeitet wirklich mit sehr grosser Liebe und Begeisterung. Es ist meiner Meinung nach ein grosser Gewinn, wenn Theologie und Mission einen sol­ chen Mann, derer es sehr wenige gibt, zur Verfügung haben. Dass Ihr Sohn Hermann 319 Theologe wird, freut mich sehr. Vielleicht stu­ diert er auch einmal in Tübingen? Wir hatten jetzt mehrere junge Hol- | länder hier, ua. 2 sehr tüchtige Kampener Studenten.320 Und nun seien Sie alle auf das herzlichste gegrüsst. Haben Sie Dank für alle Offenheit und Liebe! Ihr Gerhard Kittel. 53. G. Kittel an F.W. Grosheide (K 184) Walchensee, 31. Dezember 1933 Lieber verehrter Freund, Ihr Brief hat mich beschämt, denn er ist dem meinigen zuvorgekommen. Ich wollte Ihnen für das wunderschöne Hollandbuch danken. Die Bücher, die Sie uns in den letzten Jahren geschenkt haben, sind eine grossse Bereicherung. 318  Charles Horowitz (1892–1969), Judaist, arbeitete 1928 bis 1933 mit A. Schlatter und G. Kittel zusammen, 1933 Flucht in die Niederlande, dann nach Frankreich, ab 1956 Lehrbeauftragter in Bonn, 1965 Honorarprofessor. 319   Herman Hendrik Grosheide (1914–1980). 320   Dr. Jan van der Linden (geb. 1907), 1934 Promotion in Tübingen mit einer Arbeit über: Die Entstehungsgeschichte der Mission der niederländischen reformierten Kirchen. Ein Beitrag zur Geschichte der kirchlichen Mission in Holland, ab 1934 Pfarrer in den Niederlanden.

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Sie geben ein so umfassendes Bild Ihres schönen Landes und seiner Kultur, dass uns daran immer neu die Erinnerung an dies Land und an Menschen erweckt, derer wir in herzlicher Gesinnung gedenken. Haben Sie einen herz­ lichen Dank für dies neue prächtige Werk. Wir sind dies Jahr übers Fest in unsre Berge gefahren und haben hier in der Stille ein schönes Weihnachten verlebt. Die vergangenen Monate hatten, wie Sie sich denken können, manche Unruhe & manche Erregung gebracht. So war ich über die ruhigen Tage hier sehr froh. Dass man bei Ihnen nicht versteht, wie ein Dr. Krause321 in der christ­ lichen Kirche möglich ist, will ich gerne glauben. Wissen Sie, dass die­ ser Fall der Anlass war, dass ich mit drei meiner Tübinger Kollegen & in Zusammenwirken mit den Bischöfen von Württemberg & Bayern die Entfernung Hossenfelders322 aus allen Ämtern gefordert & durchgesetzt habe? | Er hat jetzt auch die Reichsleitung der Deutschen Christen & das preussische Bischofsamt niedergelegt. Wie die Entwicklung weitergeht, wis­ sen wir noch nicht. Aber Sie mögen daran sehen, dass meine Freunde & ich am entscheidenden Punkt keine Kompromisse kennen! Über Stapel 323, dessen Namen Sie im selben Zusammenhang nennen, müssten wir einmal mündlich reden. Ich halte zwar viele seiner Theorien für falsch, missbillige auch scharf seine sonderbare Polemik gegen die Reformierten. Aber er ist ein ernster Mann von lauterem sittlichen Wollen & ohne Aspirationen nach persönlicher Ehre. Im übrigen danke ich Ihnen ganz besonders für Ihr Wort, dass wir das Vertrauen zueinander wahren wollen, auch wenn wir über manche Punkte jetzt nicht das letzte Wort sprechen können. Lassen Sie uns dies Vertrauen auch ins neue Jahr hinübernehmen. Und lassen Sie unser und unsrer Völker Geschicke in froher Gewissheit in die Hände des barmherzigen Gottes, des Vaters Jesu Christi legen. Er be­ hüte Sie und Ihre Familie und Ihre Kirche! In herzlicher Verbundenheit Ihr Gerhard Kittel. Meine Frau dankt Jo sehr für den Brief und antwortet bald.

321  Reinhold Krause (1893–1980), evangelischer Religionsphilologe, Obmann der Deutschen Christen in Berlin, Redner im Sportpalast am 13.11.1933 („Sportpalastskandal“). 322  Joachim Hossenfelder (1899–1976), evangelischer Theologe, 1932 Reichsleiter der Glaubensbewegung Deutsche Christen, einflussreicher Kirchenpolitiker, 21.12.1933 Rücktritt von allen Ämtern. 323  Wilhelm Stapel (1882–1954), Schriftsteller, christlich-antisemitischer Publizist.

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54. G. Kittel an F.W. Grosheide (K 185) Tübingen, Ob dem Käsenbach 7, 23. Oktober 1935 Lieber verehrter Freund, Seit langem hatte ich einmal wieder einen Brief an Sie vor. Wir haben lange nichts voneinander gehört. Aber ich habe oft an Sie gedacht, vor allem in der letzten Zeit, weil ich Ihren Matthäus-Kommentar324 viel benützte. Er ist ein ganz ausgezeichnetes Buch! Nun haben Sie mich mit der Übersendung Ihrer „Kanonik“325 gestern überrascht. Ich beglückwünsche Sie | zum Abschluss dieses eminent wichti­ gen Werkes. Es wird, soviel habe ich schon gesehen, durch seine Klarheit & Besonnenheit der holländischen Theologie bedeutende Dienste tun können. Denn eine klare, geschichtlich fundierte Erkenntnis der Kanonsgeschichte ist eine wesentliche Voraussetzung einer gesunden Theologie. Nichts hat so auf die liberale Theologie gewirkt, wie die durch Harnack 326 u. ande­ re Väter der liberalen Theologie bewirkte Entstellung der geschichtlichen Grundtatsachen der Kanonsbildung. Das ist auch eines meiner schwersten Bedenken gegen Karl Barth 327 & seine | Schüler, dass sie zwar viel vom Kanon reden, aber mit ihm nicht Ernst machen. Ich bin über gewisse Partien seines „Credo“328 (soviel Schönes in dem Buch steht) entsetzt; z.B. über die – ich möchte fast sagen – Leichtfertigkeit, mit der er „Legenden“ & „Sagen“ für „harmlos“ erklärt. Immer wieder, an allen Punkten, stosse ich auf das Problem der geschicht­ lichen Offenbarung. Weil man mit ihr nicht wirklich vollen Ernst macht, – weil nämlich die Grundlagen einer die Geschichte anerkennenden Exegese und Kanonik fehlen –, deshalb entsteht kein echtes Verhältnis zur Schrift. So erklärt sich auch die merkwürdige Verbundenheit | zwischen Barth & Hölscher329. – – 324   Grosheide, F.W., Het heilig Evangelie volgens Mattheus (Kommentaar op het Nieuwe Testament 1), Amsterdam: Bottenburg 1922. 325   Grosheide, F.W., Algemeene canoniek van het Nieuwe Testament, Amsterdam: Bottenburg 1935. 326   Adolf von Harnack (1851–1930), 1875 außerordentlicher Professor in Leipzig, 1879 or­ dentlicher Professor in Gießen, 1886 in Marburg, 1888 in Berlin. 327  Karl Barth (1886–1968), evangelischer Theologe, 1921 Professor in Göttingen, 1925 or­ dentlicher Professor in Münster, 1930 in Bonn, 1935 in Basel. 328   Barth, K arl, Credo. Die Hauptprobleme der Dogmatik dargestellt im Anschluss an das Apostolische Glaubensbekenntnis. 16 Vorlesungen, gehalten an der Universität Utrecht im Februar und März 1935, München: Chr. Kaiser 1935. S. auch Barth, K arl/Kittel, Gerhard, Ein theologischer Briefwechsel, Stuttgart: Kohlhammer 1934. Nachdruck Dieter Koch (Hg.), Karl Barth. Offene Briefe 1909–1935, Zürich: Theologischer Verlag 2001, 268–319. 329  Gustav Hölscher (1877–1955), evangelischer Theologe, 1915 außerordentlicher Professor in Halle, 1920 ordentlicher Professor in Gießen, 1921 in Marburg, 1929 in Bonn, 1935 in Heidelberg.

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Ich selbst bin ganz in meinem Logos-Artikel für das ThW330 gefangen. Ich hoffe, den echt biblischen Charakter der johanneischen Logos-Aussage aufzeigen zu können. Von Ihrer Familie hörten wir neulich zu unserer Freude wieder durch Jos Brief an meine Frau. Gott der Herr bewahre & behüte Sie. In treuer Verbundenheit Ihr Gerhard Kittel. 55. G. Kittel an F.W. Grosheide (K 186) Tübingen, Christophstr. 2I, 29. Dezember 1935. Lieber Freund & Kollege! Was haben Sie uns wieder eine besondere Freude gemacht mit dem herr­ lichen Buch! An diesen Skizzen & Zeichnungen lernen wir Ihre grossen holländischen Meister & auch manche uns Unbekannte ganz neu & von ganz neuen Seiten kennen. Die Geschichte der Kunst Ihres Volkes | ist uns ein immer neuer Gegenstand der Bewunderung. – – Ich wünschte wohl, das Jahr 1936 würde uns einmal wieder zusammen­ führen. Kommen Sie nicht einmal nach Deutschland? Gott der Herr segne Sie und Ihre Lieben im kommenden Jahr! Ihre getreuen Kittels. 56. G. Kittel an F.W. Grosheide (K 187) z.Zt. Wels, Österreich, 30. Juli 1936 Lieber Kollege & Freund, Es ist mir ein Bedürfnis, Ihnen auch persönlich danken zu dürfen, dass mei­ ne Tochter Elsbeth einige Wochen Ihre Familie besuchen darf. Ich freue mich, dass sie Ihre schöne Stadt ein wenig kennen lernt, und ebenso dass Sie Menschen, deren Freundschaft mir & meiner Frau von bleibendem Wert ist, nahekommt. Heute etwas ganz Praktisches. Mein zur Zeit in Schweden befindlicher Sohn wird wahrscheinlich in diesen Tagen von dort einen kleinen Geldbetrag   Kittel, Gerhard, Art. λόγος, ThWNT 4 (1942), 100–140.

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an Sie schicken. Es wird dadurch etwas Umwechsel-Gebühr gespart, die bei den Banken ja sehr teuer ist, und ich bitte Sie, das Geld für Elsbeth zurück­ zulegen, bis sie zu Ihnen kommt. Es werden wohl nur wenige Gulden sein, aber sie hat dann ein weniges zu ihrer Verfügung. – Ebenso werde ich selbst möglicherweise (aber es ist noch nicht sicher) in einigen Tagen einen klei­ nen Betrag österreichisches Geld an Sie zu demselben Zweck | schicken. Ich schreibe es nur, damit Sie sich nicht wundern, wenn Sie auf einmal ein paar Gulden erhalten. Ich bin für einige Tage in Österreich, um auf zwei Theologischen PfarrerKonferenzen Vorträge zu halten. In alter Verbundenheit grüsse ich Sie und Ihre Gattin als Ihr Gerhard Kittel. 57. G. Kittel an F.W. Grosheide (K 188) Tübingen, 24. Februar 1937 Lieber verehrter Freund, Aus einer sehr angestrengten Zeit möchte ich Ihnen wenigstens einen ganz kurzen Gruss & Dank für Ihren lieben Brief sagen. Ich freue mich, dass Sie doch Ihre Kommentierungsarbeit fortsetzen können; ich schätze Ihre Kommentare wegen ihrer Umsicht sehr hoch & rühme sie oft. – Ihre Bibelübersetzungsarbeit 331 interessiert mich auch sehr. Ich bin ja seit fast 18 Jahren daran tätig.332 Wir hoffen, jetzt abzuschliessen. Für heute nur dieser Gruss In alter Herzlichkeit Ihr Kittel.

 Grosheide war seit 1921 Mitglied des Hauptvorstandes der Niederländischen Bibelgesellschaft („Nederlands Bijbelgenootschap“), als Nachfolger des berühmten reformier­ ten Theologen Herman Bavinck (1854–1921). Von 1939–1952 war er Vorsitzender der NBG und mitverantwortlich für die sogenannte „Nieuwe Vertaling“ (1951, Neues Testament 1939). Er hatte damals schon einige Artikel zum Thema geschrieben: Grosheide, F.W., Van wie moet een nieuwe vertaling van den Bijbel uitgaan?, in: Stemmen des tijds 2 (1913): 1286–1297; Ders., Bijbelvertalen, Amsterdam: Bottenburg 1916. 332   S.o. Anm. 2. 331

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58. G. Kittel an F.W. Grosheide (K 189) z.Zt. Walchensee, 19. August 1938 Verehrter lieber Freund! Wie ich lese, werden Sie von Debreczen zum Ehrendoktor333 ernannt wer­ den. Ich vermute, dass Sie – und vielleicht auch Ihre liebe Frau bei dieser Gelegenheit nach Ungarn fahren werden. Ich hatte ursprünglich selbst die Absicht, hinzufahren, es wird mir jetzt aber zuviel. Wohl aber möchten wir sie fragen, ob Sie es nicht einrichten können und mögen, bei dieser Gelegenheit einmal einen Besuch bei uns zu machen. Die Feier in Debreczen ist wohl am 4./5. 10. Auf der Hinreise würde es, für den Fall, dass Ihre Gattin mitkäme, nicht so gut passen, weil meine Frau über den ersten Oktober einer auswärtigen Schwester bei einem Umzug hel­ fen muss. Es wäre uns eine besondere Freude, wenn wir Sie beide auf der Rückreise von Ungarn in Tübingen bei uns haben dürften. Vielleicht würde es Ihnen Freude machen und Sie interessieren, mit mir einen oder ein paar Tage an einer vom 8.–12. Oktober in Freudenstadt statt­ findenden „Christlichen Akademiker-Konferenz“334 teilzunehmen. Ich habe aber keine besondere Verpflichtung, dort zu sein, und schreibe es nur als eine Möglichkeit, von der ich denke, sie mache Ihnen vielleicht Freude. Freudenstadt ist eine der schönsten Städte im Schwarzwald, wo jeden Herbst eine solche Konferenz seit vielen Jahren stattfindet, zu der auch viele LaienAkademiker kommen. Für den Fall, dass Ihre Frau nicht mitkäme (was aber sehr schade wäre!), könnte der Besuch ebenso gut auf der Hinreise nach Ungarn sein. Ich selbst bin in dieser Zeit in Tübingen und freue mich jederzeit über den Besuch; nur meine Frau ist dann nicht da. So müssten Sie in diesem Fall mit mir allein vorlieb nehmen. Aber die grösste Freude würde Sie uns machen, wenn Sie uns zusammen besuchten. Mit herzlichen Grüssen an die ganze Familie Grosheide Ihre Kittels.

  1938 erhielt Grosheide die Ehrendoktorwürde der Universität Debrecen.  Der Altfreundeverband (AFV) der Deutschen Christlichen Studentenvereinigung (DCSV) organisierte sogenannte Akademiker-Konferenzen zu theologischen, religiösen und weltanschaulichen Fragen. 333

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59. E. Kittel an F.W. Grosheide und A.O.W.D. Grosheide-Schut (K 190) Tübingen, Tannenbergstraße 5, 6. Januar 1939 Liebe Freunde, nun hängt schon seit 6 Tagen im Neuen Jahr unter dem holländischen Jubiläumsteller Ihr wirklich wunderschöner Kalender, für den wir herz­ lich danken. Was für ein Jahr werden seine Tage bringen? In einer Neujahrspredigt, die ich einer Erkältung wegen am Radio aus Basel hörte, hatte die Predigt den Text aus der Josua- | Geschichte: „Ich bin ein Fürst im Heere des Herrn.“335 Das klingt vertrauensvoll und soll der Inhalt unsrer Neujahrswünsche an Sie alle sein. Mit herzlichem Gruß, Ihre Elisabeth Kittel. Auch von mir Ihnen allen einen besonderen, sehr herzlichen Gruss In alter Verbundenheit Gerhard Kittel. 60. G. Kittel an F.W. Grosheide (K 191) Tübingen, 22. Juni 1939 Lieber Herr Kollege, Ich erhielt vorgestern Ihren Kommentar zu 2. Kor336. Nehmen Sie meinen Dank für die Gabe & meinen allerherzlichsten Glückwunsch zur Vollendung dieses grossen & wichtigen Doppelwerkes337 der Korinther-Auslegung. Es steht würdig in der grossen Tradition der Exegeten dieser Briefe. Ich habe in diesen 2 Tagen schon allerhand in dem neuen Band gelesen & mich des ge­ sunden, nüchternen, echten biblischen Urteils, das mir entgegentritt, herz­ lich gefreut. Gott lege Seinen Segen auf die Auslegung! | Ich beabsichtige, wenn die Verhältnisse es erlauben, im September in Birmingham 338 zu sein.   Jos 5,15.   Grosheide, F.W., De tweede brief van den Apostel Paulus aan de Kerk te Korinthe (Kommentaar op het Nieuwe Testament 8), Amsterdam: Bottenburg 1939. 337   S.o. Anm. 289. 338  Das First General Meeting der Studiorum Novi Testamenti Societas (SNTS) in Birmingham war für die Tage vom 20. bis 22.9.1939 geplant. Die Zusammenkunft fand wegen des Kriegsausbruchs nicht statt. 335

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Ich hoffe sehr, Sie dort auch zu sehen. Das wäre mir eine grosse Freude. Ich werde sehr wenig Zeit haben; sonst würde ich über Amsterdam fahren & Ihnen & den Ihrigen geschwind einen kurzen Besuch machen. Aber dazu wird es nicht reichen. Nun seien Sie – mit nochmaligem Dank – von uns allen sehr herzlich gegrüsst Ihr Gerhard Kittel. 61. G. Kittel an F.W. Grosheide und A.O.W.D. Grosheide-Schut (K 192) Wien I, Reichsratstr. 13, 19. Dezember 1939 Liebe Freunde, Zur Weihnacht sagen wir Ihnen allen einen herzlichen Gruss!339 Ihre Elisabeth & Gerhard Kittel 62. G. Kittel an F.W. Grosheide (K 193) Wien I, Reichsratstrasse 3/8, 27. Juni 1940 Lieber Herr Kollege, Wir würden uns sehr freuen, von Ihnen und den Ihren ein kurzes Wort zu hören, ob & wie es Ihnen geht, ob Sie alle gesund sind. Unsre Gedanken sind oft zu Ihnen gegangen. Elsbeth ist zur Zeit bei uns; Eberhard als ärztlicher Famulus in dem Krankenhaus einer Diakonissenanstalt. Ihr Gerhard Kittel.

339   Auf der Vorderseite der Spruchkarte ist zu lesen: „An Christum glauben ist nicht eine schlechte Kunst, denn sie zieht gleichsam das Herz aus. Es ist die Kunst, daß einer aus seinem Hause in die Sonne springe. Wie ist das möglich? Also, daß ich mein Herz und Zuversicht ver­ lasse und allein Christo anhänge. Martin Luther.“

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63. G. Kittel an F.W. Grosheide (K 194) Wien I, Reichsratstrasse 3/8, 23. Januar 1942 Lieber Herr Kollege! Ich danke Ihnen für die Übersendung Ihrer mich sehr interessierenden Rektoratsrede340 über die Existenzielle Exegese. Sie sagen vieles, sowohl im Positiven wie im Negativem, dem ich voll zustimmen kann und was ich sehr glücklich formuliert finde. Ich glaube, Bultmanns Kommentar341 ist in der Tat ein besonders gutes Beispiel, an dem man erkennen kann, wie diese Auslegung in ihrer Philosophie ein dem Neuen Testament wesens­ fremdes Element in sich trägt und wie sie deshalb, trotz aller wertvoller Bereicherungen, die sie geben kann, doch im Tiefsten an dem echten neu­ testamentlichen Tatbestand vorbeidenken muss. Mit bestem Dank Ihr sehr ergebener Gerhard Kittel. 64. G. Kittel an F.W. Grosheide (K 195) Wien I, Reichsratstrasse 3/8, 4. Juli 1942 Verehrter Freund, Ich danke Ihnen für Ihren Brief, der mich herzlich freute. Es ist schön, dass Sie Ihre Arbeit ungehemmt tun können. Dass das Theologische Wörterbuch trotz des Krieges, wenn auch langsam, fortschreitet, erfüllt mich mit tiefem Dank. In einigen Wochen erscheint die Schluss-Lieferung von Band IV342. Sie enthält auch das Gedenkblatt an 4 junge Mitarbeiter, die gefallen sind (Stumpff 343, Gutbrod 344, Fritsch 345, Hanse346).347  Vortrag Grosheides gehalten am 20.10.1941 zur Jahresfeier der VU Amsterdam. S. Grosheide, F.W., Existentieele Exegese? Rede gehouden ter viering van den één en zestigsten verjaardag der Vrije Universiteit te Amsterdam op 20 October 1941, Kampen: Kok 1941. 341   Bultmann, Rudolf, Das Evangelium nach Johannes (Kritisch-exegetischer Kommentar über das Neue Testament), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1941. 342   Das Vorwort Kittels zum Bd. 4 des ThWNT ist datiert mit „im August 1942“. 343  Albrecht Stumpff (1908–1940), evangelischer Theologe, 1932–34 Assistent bei Kittel, danach Repetent im Tübinger Stift. 344  Walter Gutbrod (1911–1941), evangelischer Theologe, 1935–37 Assistent bei Kittel, da­ nach Repetent im Tübinger Stift. 345  Hermann Fritsch (1913–1941), evangelischer Theologe, 1936–38 Assistent bei Kittel. 346  Hermann Hanse (1910–1942), evangelischer Theologe. 347  S. dazu auch Kittel, Gerhard, In memoriam, in: Theologische Literaturzeitung 68 340

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Meine Tochter Elsbeth hat vor einer Woche geheiratet. Ihr Mann, Oberleutnant Dr. Thomae, war vor Moskau durch einen Kieferschuss ver­ wundet. Ich habe sie selbst getraut und ihnen den 91. Psalm mitgegeben, auf den einst | vor 24 Jahren wir sie getauft hatten. Dr. Thomae ist Kaufmann, stammt aus Mannheim; sein Vater hat dort eine Fabrik und ist zugleich Vorstand des Diakonissenhauses. Mein Sohn Eberhard ist bei der Kriegsmarine. Er fuhr auf einem Minensuchboot im Kanal, war jedoch diesen Sommer zum Studium kom­ mandiert. Er ist bisher gnädig bewahrt worden. Ich selbst habe hier eine anstrengende, aber gesegnete Tätigkeit in der sehr armen, kleinen, aber lebensvollen Diaspora-Kirche. Wie lange ich hier bleibe, ist noch ungewiss; mindestens wohl bis zum Kriegsende. Meine Familie grüsst die Ihrige mit mir herzlich. Gott befohlen! Ihr Gerhard Kittel Zur Vollendung Ihres Apg.-Kommentars348 beste Glückwünsche! Ich habe ihn nicht erhalten. 65. G. Kittel an F.W. Grosheide (K 196) Tübingen, 4. September 1944 Lieber Freund, Ihr Brief vom 16.8. hat uns herzlich gefreut. Wir sind froh, zu wissen, dass Sie alle gesund sind. Ich bin seit 1½ Jahren wieder in Tübingen, nach­ dem ich hatte erreichen können, dass in Gustav Stählin 349 ein gediegener Neutestamentler nach Wien als mein Nachfolger kam. Sie kennen ihn ja aus mehreren Artikeln des ThW350. In Tübingen hatte ein Vertreter351 während meiner Abwesenheit meine Professur verwaltet.

(1943), 50–53. 348   Grosheide, F.W., De Handelingen der Apostelen, Bd. 1, Hoofdstukken 1–14 (Kommentaar op het Nieuwe Testament 5), Amsterdam: Bottenburg 1942. 349  Gustav Stählin (1900–1985), 1943–1944 Kittels Nachfolger in Wien, 1946 ordentlicher Professor in Erlangen, 1952 in Mainz. 350   Stählin hat 23 Artikel bzw. Beiträge zum ThWNT verfasst. 351  Otto Michel (1903–1993), evangelischer Theologe, 1939–1942 Lehrstuhlvertretung für G. Kittel in Tübingen, 1946 ordentlicher Professor in Tübingen.

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Die Kittel-Grosheide Korrespondenz

Dass Ihnen meine Jakobusstudie352 zusagt, freut mich gleichfalls. Sie hat natürlich auch manchen Widerspruch hervorgerufen. Unser Sohn ist in Belgien als Chirurg in einem grossen Lazarett, unser Schwiegersohn als Offizier in Nordfrankreich. Meine Frau & Tochter grüssen Sie und die Ihren mit mir herzlich. Gott der Herr behüte Sie! Ihre Kittels. 66. E. Kittel an F.W. Grosheide (K 197) Tübingen, Im Hopfengarten 353 5, 6. Juli 1955 Sehr verehrter Herr Professor, voraussichtlich werde ich auf der Rückreise von England am 13. August in Amsterdam sein. Ich reise in einer Gruppe schwäbischer Philologen und habe den Vormittag des 13. August zur Verfügung, ehe wir am Nachmittag weiterfahren. Ich weiß ja nicht, ob Sie zu gegebenem Zeitpunkt in der Stadt sind oder vielleicht Ihre Sommerferien auf dem Lande verbringen. Auch weiß ich nicht, ob Ihnen und Ihren Töchtern – vielleicht Fräulein Jo? – mein Besuch genehm wäre. Ich wäre Ihnen jedenfalls verbunden für ein kurzes Antwortschreiben. Mit verbindlichem Gruß Ihre Elisabeth Kittel.

Literaturverzeichnis Baedeker, Karl, Belgien und Holland nebst Luxemburg. Handbuch für Reisende, Leipzig: Baedeker 241910. Barth, Karl, Credo. Die Hauptprobleme der Dogmatik dargestellt im Anschluss an das Apostolische Glaubensbekenntnis. 16 Vorlesungen, gehalten an der Universität Utrecht im Februar und März 1935, München: Chr. Kaiser 1935. Barth, Karl/Kittel, Gerhard, Ein theologischer Briefwechsel, Stuttgart: Kohlhammer 1934. Nachdruck Dieter Koch (Hg.), Karl Barth. Offene Briefe 1909–1935, Zürich: 352   Kittel, Gerhard, Der geschichtliche Ort des Jakobusbriefes, in: Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft 41 (1942), 71–105. Posthum erschienen: Der Jakobusbrief und die Apostolischen Väter, hg. Heinrich Rengstorf, in: Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft 43 (1950/1951), 54–112. 353   Die im Brief Nr. 59, K 190 vom 6.1.1939 genannte Tannenbergstraße war nach 1945 in „Im Hopfengarten“ umbenannt worden.

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Theologischer Verlag 2001, 268–319. Bauer, Walter, Das Johannesevangelium (Handbuch zum Neuen Testament 6), Tübingen: Mohr Siebeck 1925 (31933). Bell, George Kennedy Allen/Deissmann, Adolf (Hg.), Mysterium Christi. Christologische Studien britischer und deutscher Theologen, Berlin 1931; englische Ausgabe: Diess. (Hg.), Mysterium Christi. Christological Studies by British and German Theologians, London: Longmans, Green 1930. Bischoff, Erich, Jesus und die Rabbinen. Jesu Bergpredigt und „Himmelreich“ in ihrer Unabhängigkeit vom Rabbinismus, Leipzig: Hinrichs 1905. Bornhäuser, Karl, Die Gebeine der Toten: Ein Beitrage zum Verständnis der Anschauungen von der Totenauferstehung zur Zeit des Neuen Testaments, in: Beiträge zur Förderung christlicher Theologie 26 (1921), 123–178. Bultmann, Rudolf, Das Evangelium nach Johannes (Kritisch-exegetischer Kommentar über das Neue Testament), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1941. Burney, Charles Fox, The Aramaic Origin of the Fourth Gospel, Oxford: Clarendon 1922. Charles, Robert Henry, A Critical and Exegetical Commentary on The Revelation of St. John, With Introduction, Notes and Indices, Also the Greek Text and English Translation, 2 Bde. (International Critical Commentary), Edinburgh: T&T Clark 1920. Corpus Tannaiticum der Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft des Judentums: Siphre ad Deuteronomium – Sifre ‘al sefer debarim, H.S. Horovitz/Louis Finkelstein (Hg.), Berlin 1939. Delitzsch, Franz (Hg.), Jüdische Theologie auf Grund des Talmud und verwandter Schriften gemeinfasslich dargestellt von Dr. Ferdinand Weber, Leipzig: Dörffling & Franke 21897. Dibelius, Martin, Der Brief des Jakobus (Kritisch-exegetischer Kommentar über das Neue Testament 15), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1921. Frymann, Daniel, Wenn ich der Kaiser wär‘. Politische Wahrheiten und Notwendigkeiten, Leipzig: Dieterich 1914. Gedenkboek van de viering van het 50-jarig bestaan der Vrije Universiteit te Amsterdam op 20–22 October 1930, Kampen: Kok 1931. Grosheide, F.W., Van wie moet een nieuwe vertaling van den Bijbel uitgaan?, in: Stemmen des tijds 2 (1913): 1286–1297. –. Enkele opmerkingen over het synoptische vraagstuk, in: Gereformeerd Theologisch Tijdschrift 16 (1915), 174–194. –. Bijbelvertalen, Amsterdam: Bottenburg 1916; –. Bijdragen tot de geschiedenis der Nederlandsche Bijbelvertaling, in: Gereformeerd Theologisch Tijdschrift 22 (1921), 68. –. Het heilig Evangelie volgens Mattheus (Kommentaar op het Nieuwe Testament 1), Amsterdam: Bottenburg 1922. –. Het wonder, in: Het Orgaan van de Christelijke vereeniging van natuur- en geneeskundi­ gen 22, Kampen: Kok 1922. –. Gustav Dalman, in: Gereformeerd Theologisch Tijdschrift 25 (1924), 193–198. –. De Geschiedenis der Nieuwtestamentische Godsopenbaring, rede Vrije Universiteit 20 oktober 1925, Kampen: Kok 1925. –. De brief aan de Hebreen en de brief van Jakobus (Kommentaar op het Nieuwe Testament 12), Amsterdam: Bottenburg, 1927. –. De volheid des tijds volgens de Heilige Schrift. Referaat verdedigd in de veertien­ de weten­schappelijke samenkomst der Vrije Universiteit op 4 juli 1929, Assen: G.F. Hummelen 1929. –. Dewelke de Kerk wel leren kan, in: F.W. Grosheide u.a., Wetenschappelijke bijdragen.

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Aangeboden door hoogleeraren der Vrije Universiteit ter gelegenheid van haar vijftigjarig bestaan, Amsterdam: De Standaard 1930, 1–14. –. Gedachten over de kerk in het Nieuwe Testament, in: Gereformeerd Theologisch Tijdschrift 31 (1930), 257–268. –. The Synoptic Problem. A Neglected Factor in Its Solution, in: Evangelical Quarterly 3 (1931), 57–67. –. De eerste brief van den Apostel Paulus aan de Kerk te Korinthe (Kommentaar op het Nieuwe Testament 7), Amsterdam: Bottenburg 1932. –. Algemeene canoniek van het Nieuwe Testament, Amsterdam: Bottenburg 1935. –. De tweede brief van den Apostel Paulus aan de Kerk te Korinthe (Kommentaar op het Nieuwe Testament 8), Amsterdam: Bottenburg 1939. –. Existentieele Exegese? Rede gehouden ter viering van den één en zestigsten verjaardag der Vrije Universiteit te Amsterdam op 20 October 1941, Kampen: Kok 1941. –. De Handelingen der Apostelen, Bd. 1, Hoofdstukken 1–14 (Kommentaar op het Nieuwe Testament 5), Amsterdam: Bottenburg 1942. –. Commentary on the First Epistle to the Corinthians (New International Commentary on the New Testament), Grand Rapids: Eerdmans/London: Marshall, Morgan & Scott 1953, 2 1954. Hadorn, Wilhelm, Die Offenbarung des Johannes (Theologischer Handkommentar zum Neuen Testament 18), Leipzig: Deichert 1928. Kittel, Gerhard, Das Religionslehrer-Seminar in Leipzig. Aufbau und Ziele im Auftrag des Christlichen Volksdienstes dargestellt, Berlin: Reuther & Reichard 1921. –. Sifre zu Deuteronomium, übersetzt und erläutert, Stuttgart: Kohlhammer 1922. –. Das älteste geschichtliche Zeugnis für die Auferstehung Jesu, in: Allgemeine evange­ lisch-lutherische Kirchenzeitung 20.4.1923, 242–245 (vgl. auch 13.4.1924, 226–228). –. Jeschu ha-nosri: Ein hebräisches Leben Jesu eines modernen jüdischen Gelehrten [Rez. J. Klausner, s.o. Anm. 33], in: Theologisches Literaturblatt 44 (1923), 241–246 und 257– 263. –. Rezension zu: F.W. Grosheide, Het Heilig Evangelie volgens Mattheus (Kommentaar op het Nieuwe Testament 1), Amsterdam: Bottenburg 1922, und Ders., De Brief aan de Hebreeën (Korte Verklaring van de Heilige Schrift), Kampen: Kok 1922, in: Theologisches Literaturblatt 45 (1924), Sp. 6–7. –. Die Bergpredigt und die Ethik des Judentums, in: Zeitschrift für systematische Theologie 2 (1925), 555–594. –. Die Probleme des palästinischen Spätjudentums und das Urchristentum (Beiträge zur Wissenschaft vom Alten und Neuen Testament 37), Stuttgart: Kohlhammer 1926. –. Wörterbuch Mitteilung Nr. VII, vom 17.7.1930. –. Wörterbuch Mitteilung Nr. XI vom 4.8.1931, Universitätsbibliothek Tübingen (UBT) Mn 2–181. –. Die Religionsgeschichte und das Urchristentum. Vorlesungen der Olaus-Petri Stiftung ge­ halten in der Universität zu Uppsala 26.–29. Oktober 1931, Gütersloh: Bertelsmann 1931. –. Die Stellung des Jakobus zu Judentum und Heidenchristentum, in: Zeitschrift für die neu­ testamentliche Wissenschaft 30 (1931), 145–157. –. Die Judenfrage, Stuttgart: Kohlhammer 1933, 21933, 31934. –. Erinnerungen an Nathan Söderblom, auf Schwedisch publiziert, in: S. Thulin (Hg.), Till minnet av Nathan Söderblom av 70 avländska författare, Uppsala: Lindblad 21933, 101– 109. – (Hg.), Rabbinische Texte, Abteilung: Reihe 1, Die Tosefta, Stuttgart: Kohlhammer 1934ff. –. Dichter, Bibel und Bibelrevision, Dresden und Leipzig: Ungelenk 1939 = Pastoralblätter

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81 (1939), 337–366. –. Der geschichtliche Ort des Jakobusbriefes, in: Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft 41 (1942), 71–105. –. Art. λόγος, ThWNT 4 (1942), 100–140. –. In memoriam, in: Theologische Literaturzeitung 68 (1943), 50–53. –. Der Jakobusbrief und die Apostolischen Väter, hg. Heinrich Rengstorf, in: Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft 43 (1950/1951), 54–112 (Posthum erschienen). Klausner, Joseph G., Jesus von Nazareth, Berlin: Jüdischer Verlag 1930. Kögel, Julius (Hg.), Biblisch-theologisches Wörterbuch der neutestamentlichen Gräzität von Hermann Cremer, Stuttgart/Gotha: Perthes 111923. –. Das Evangelium des Matthäus (Zum Schriftverständnis des Neuen Testaments 1), Gütersloh: Bertelsmann 1917. –. Das Evangelium des Johannes (Zum Schriftverständnis des Neuen Testaments 2), Gütersloh: Bertelsmann 1918. –. Der Brief des Apostels Paulus an die Galater (Zum Schriftverständnis des Neuen Testaments 3), Gütersloh: Bertelsmann 1918. –. Der Brief des Apostels Paulus an die Römer (Zum Schriftverständnis des Neuen Testaments 4), Gütersloh: Bertelsmann 1919. Kolbenheyer, Erwin Guido, Amor Dei. Ein Spinoza-Roman, München/Leipzig: Müller 1908. Krauss, Samuel, Synagogale Altertümer, Berlin/Wien: Harz 1922. Kühn, Johannes, Toleranz und Offenbarung. Eine Untersuchung der Motive und Motivformen der Toleranz im offenbarunggläubigen Protestantismus. Zugleich ein Versuch zur neueren Religions- und Geistesgeschichte, Leipzig: Felix Meiner 1923. Kuhn, Karl Georg, Sifre zu Numeri. Sifre numeri § 1–155 (Rabbinische Texte, Reihe 2. Tannaitische Midraschim: Übersetzung und Erklärung, Bd. 3, Heft 1–8, hg. Gerhard Kittel), Stuttgart: Kohlhammer 1933–1936. Kuyper, Abraham, Liberalisten en Joden, Amsterdam: Kruyt 1878. Laible, Heinrich, Rezension zu Bornhäusers „Gebeine der Toten“ in: Theologisches Literaturblatt 43 (1922), 321–328 Lietzmann, Hans (Hg.) Handbuch zum Neuen Testament, Tübingen: Mohr Siebeck 1911 bis heute. Lohmeyer, Ernst, Die Offenbarung des Johannes (Handbuch zum Neuen Testament 16), Tübingen: Mohr Siebeck, 1926 (31970). Odeberg, Hugo, 3 Enoch or The Hebrew Book of Enoch, Cambridge: Cambridge University Press 1928. –. The Fourth Gospel, Uppsala-Stockholm: Almquist und Wiksell 1929. Rengstorf, Karl-Heinrich, Seder 3 Naschim, Traktat 1 Jebamot (Von der Schwagerehe). Text, Übersetzung und Erklärung (Die Mischna: Text, Übersetzung und ausführliche Erklärung, hg. Georg Beer), Gießen: Töpelmann 1929. Schlatter, Adolf, Der Evangelist Matthäus. Seine Sprache, sein Ziel, seine Selbständigkeit. Ein Kommentar zum ersten Evangelium, Stuttgart: Calwer 1929. –. Der Evangelist Johannes. Wie er spricht, denkt und glaubt: Ein Kommentar zum 4. Evangelium, Stuttgart: Calwer 1930. Stonehouse, Ned Bernard, The Apocalypse in the Ancient Church. A Study in the History of the New Testament Canon, Goes: Oosterbaan & Le Cointre 1929 (doctoral thesis Vrije Universiteit Amsterdam). Strack, Hermann Lebrecht/Billerbeck, Paul, Das Evangelium nach Markus, Lukas und Johannes und die Apostelgeschichte erläutert aus Talmud und Midrasch (Kommentar zum

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Die Kittel-Grosheide Korrespondenz

Neuen Testament aus Talmud und Midrasch 2), München: Beck 1924. Strack, Hermann Lebrecht/Billerbeck, Paul, Die Briefe des Neuen Testaments und die Offenbarung Johannis erläutert aus Talmud und Midrasch (Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch 3), München: Beck 1926. Torrey, Charles C., The Composition and Date of Acts (Harvard Theological Studies 1), Cambridge, MA Harvard University Press 1916. –. The Aramaic Origin of the Gospel of John, in: Harvard Theological Review 16 (1923), 305–344. Weiss, Johannes, Das Urchristentum, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1917. Weizsäcker, Carl, Das apostolische Zeitalter der christlichen Kirche, Tübingen: Mohr Siebeck 31902. Windisch, Hans, Der zweite Korinterbrief (Kritisch-exegetischer Kommentar zum Neuen Testament 6), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 91924. Zahn, Theodor (Hg.), Kommentar zum Neuen Testament, Leipzig: Deichert 1907–1936. –. Die Offenbarung des Johannes, Bd. 1 (Kommentar zum Neuen Testament 18), Leipzig: Deichert/Werner Scholl 1924.

ANHANG 1

Die Familien Grosheide und Kittel 1. Familie Frederik Willem Grosheide und A.O.W.D. (Ottoline) Grosheide geb. Schut I. Frederik Willem (‚Willem‘) Grosheide geboren am 25.11.1881 in Amsterdam, verstorben am 5.3.1972 in Amsterdam. 1 Eheschließung in Amsterdam am 29.11.1907 mit Alexandrine Ottoline Wilhelmine Daniëlle (,Ottoline‘) Schut, geboren am 14.3.1885 in Amsterdam, verstorben 10.3.1950 in Amsterdam. II. Eltern von Frederik Willem Grosheide: Gerhardus Hendrik Adriaan Grosheide geboren am 1.3.1846 in Amsterdam, verstorben am 8.11.1919 in Amsterdam. Eheschließung am 12.7.1877 mit Anna Margaretha Steneker, geboren am 9.8.1850 in Amsterdam, verstorben am 5.2.1890 in Amsterdam; zweite Ehe am 24.12.1890 in Amsterdam mit Johanna Helena Egberta Hendrika Blokker, geboren 1859 in Westervoort, verstorben am 10.5.1908 in Amsterdam. III. Eltern von Ottoline Grosheide, geb. Schut: Daniël Schut, geboren am 29.8.1854 in Elst, verstorben am 15.1.1917 in Amsterdam. Eheschließung mit Johanna Hendrika Jolink, geboren am 19.9.1851 in Zutphen, gestorben am 1.5.1936 in Amsterdam. IV. Kinder von Willem und Ottoline Grosheide: Gerhardus Hendrik Adriaan (‚Henk‘) Grosheide (Schipluiden 8.8.1909–Amsterdam 18.11.1992), Johanna Hendrika (,Jo‘) Grosheide (Schipluiden 29.7.1911–Amsterdam 15.3.1998), Daniël (,Daniël‘) Grosheide (Amsterdam 31.1.1913–Utrecht 24.11.1986), Herman Hendrik (‚Herman‘) Grosheide (Amsterdam 5.7.1914–Kampen 3.6.1980), Anna Margaretha (‚Annie‘) Grosheide (Amsterdam 11.1.1916– 8.10.1982), Alexander Otto Willem Daniël (‚Otto‘) Grosheide (Amsterdam 22.5.1918–Zeist 8.3.2008), Frederika Wilhelmina (‚Wil‘) Grosheide (Amsterdam 19.3.1922–Rotterdam 24.12.2012), Engelina Cornelia (,Corrie‘) Grosheide (Amsterdam 3.4.1925–Apeldoorn 19.8.1939), Johan Hendrik (‚Hans‘) Grosheide (Amsterdam 6.8.1930–). 1   Zur Genealogie der Familie Grosheide, s. Beek, P. van/Kuiper, D.Th./Okkema, J.C. (Hg.), De dolerenden van 1886 en hun nageslacht, Kampen: Kok 1990, 258–268; HDC GrosheideArchiv 111; Internet. Ich danke J.H. (Hans) Grosheide für einige Korrekturen.

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Anhang 1: Die Familien Grosheide und Kittel

2. Familie Gerhard und Elisabeth Kittel geb. Rohde I. Gerhard Kittel geboren am 23.9.1888 in Breslau/Wrocław, verstorben am 11.7.1948 in Tübingen. Eheschließung in Dresden am 19.5.1917 mit Elisabeth Kittel geb. Rohde, geboren am 21.5. 1886, verstorben 1972 in Tübingen. II. Eltern von Gerhard Kittel: Rudolf Kittel geboren am 18.3.1853 in Eningen, verstorben am 20.10.1929 in Leipzig. Eheschließung in Ludwigsburg im Mai 1882 mit Emilie Kittel, geb. Groß, geboren am 28.11.1860, verstorben am 25.6.1914 in Karlsruhe. III. Eltern von Elisabeth Kittel, geb. Rohde: Adolf Rohde, geboren am 11.2.1858 in Trendelburg, verstorben am 27.2.1929 in Klotzsche. Eheschließung in Leipzig am 4.9.1883 mit Lilli Rohde, geb. Röth, geboren am 1.7.1857 in Allendorf/Werra, verstorben am 21.01.1923 in Klotzsche. IV. Kinder von Gerhard und Elisabeth Kittel: Elsbeth Kittel verh. Thomae (31.03.1918– unbekannt), Eberhard Kittel (9.4.1920–24.7.2010).

ANHANG 2

Rekonstruktion der Briefe Grosheides Die kursiv gedruckten Passagen benennen die 66 schriftlichen Reaktionen von Grosheide und/oder seiner Frau, die sich aus der Korrespondenz rekon­ struieren lassen.1 [1] K 134, 30.9.1922, Greifswald, Br., G. Kittel: Br. Grosheide an Kittel: ohne Datum, mit Schriftensendung [2] K 135, 22.10.1922, Greifswald, Br., G. Kittel: Br. Grosheide an Kittel, 13.11.1922, mit Schriftensendung [3] K 136, 14.12.1922, Greifswald, Br., G. Kittel: Weihnachtspaket von Familie Grosheide an Familie Kittel, erreicht 23.12.1922 [4] K 137, 8.1.1923, Greifswald, Br., G. Kittel: Karte Grosheide an Kittel, ohne Datum [5] K 138, 22.3.1923, Leipzig, Br., G. Kittel: Sendung Grosheide an Kittel mit Rezension Sifre, Grosheide, Het wonder [6] K 139, 15.5.1923, Greifswald, PK, G. Kittel [7] K 140, 31.8.1923, Greifswald, Br., G. Kittel: Br. Grosheide an Kittel, ohne Datum, Einladung nach Holland + 10 Gulden [8] K 141, 28.9.1923, Greifswald, Br., G. Kittel: Br. Grosheide an Kittel, ohne Datum, Einladung nach Amsterdam und Utrecht [9] K 142, 7. Dezember 1923, Greifswald, Br., G. Kittel: Weihnachtspaket Frau Grosheide an Familie Kittel [10] K 143, 20.1.1924, Greifswald, Br., E. Kittel: Br. Grosheide (Bestätigung Besuch, mit Beschreibung Strassenbahn in Amsterdam) [11] K 144, 17.2.1924, Greifswald, Br., G. Kittel: Br. Grosheide, 29.2.1924 „mit allem Inhalt“ / off. Einladung Faculteit Godgeleerdheid [12] K 1 44a, 8.3.1924, Greifswald, Br., G. Kittel: [Besuch zu Amsterdam, 25.3.1924–] [13] K 145, 19.4.1924, Greifswald, Br., G. Kittel: [14] K 148, 19.4.1924, Greifswald, Br., E. Kittel [15] K 146, 10.5.1924, Greifswald, Br., G. Kittel: Br. Grosheide an Kittel, ohne Datum [16] K 147, 5.6.1924, Greifswald, Br., E. Kittel: Br. Frau Grosheide an Familie (E.?) Kittel, Photos [vom Besuch zu Amsterdam] zugesanden [17] K 150, 15.8.1924, Prerow, Br., G. Kittel: Br. Grosheide an Kittel, ohne Datum, Karte Bruder Grosheide aus der Schweiz (s. auch K 152, Geschwister) [18] K 151, 30.8.1924, Prerow, Br., G. Kittel [19] K 152, Oktober 1924, Greifswald, Br., E. Kittel: Br. Grosheide an Kittel und Br. Frau Grosheide, ohne Datum [20] K 153, 24.11.1924, Greifswald, Br., G. Kittel: Zusendung Artikel Dalmans [21] K 154, 21.12.1924, Greifswald, Br., G. Kittel: Weihnachtspaket, mit Familienbild Grosheides [22] K 149, ohne Datum [Jahreswechsel 1924/25], Greifswald, Br., E. Kittel: PK Grosheide an Kittel, ohne Datum, Zusendung Antiquariatskatalog [23] K 155, 28.3.1925, Greifswald, Br., G. Kittel: – („keine neue Nachricht ... ein gutes Vorzeichen“ K 156) [24] K 156, 28.5.1925, Greifswald, Br. (Schreibmaschine), G. Kittel: Br. Grosheide, ohne Datum + Rektoratsrede [25] K 157, 23.10.1925, Greifswald, Br., G. Kittel: Weihnachtspaket mit Buch über Amsterdam („Ihr Paket hat sich gekreuzt mit einer kleinen Sendung... Buch“) [26] K 158, 22.12.1925, Greifswald, Br. (Schreibmaschine), E. Kittel [27] K 159, 24.4.1926, Greifswald, Br., G. Kittel: Weihnachtspaket mit Buch über ’s Gravenhage [28] K 160, 24.12.1926, Tübingen, Br., G. Kittel: 1   Br. = Brief, BK = Briefkarte, PK = Postkarte, SK = Spruchkarte. S.u. in diesem Band, Die Korrespondenz von Kittel und Grosheide, 3. Verzeichnis der Briefe und Karten im Schriftwechsel Kittel-Grosheide.

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Anhang 2: Rekonstruktion

Zusendung Kommentar Hebräer und Jakobus [29] K 161, 14.4.1927, Tübingen, Br., G. Kittel [30] K 162, 27.8.1927, Tübingen, BK, E. Kittel: Br. Grosheide an Kittel [31] K 163, 29.9.1927, Tübingen, BK, G. Kittel: Weihnachtspaket „wieder ein solch verdächtiges rotes Buch... als Weihnachtsgruß“ [32] K 164, 27.12.1927, BK, E. Kittel: „Kartengruss“ [33] K 165, 28.8.1928, Sylt, Br., G. Kittel: Nachricht vom schweren Unfall Henks, Weihnachtspaket „ein Buch mit holländischen Bildern“ [34] K 166, 27.12.1928, Scheidegg, Allgäu, Br., G. Kittel: Zusendung „Ihre feine Rede“ „Over de volheid des tijds“ [35] K 167, 22.8.1929, Tirol, Br., G. Kittel: Br. Johanna an Frau Kittel [36] K 167 als Beilage, 22.8.1929, Tirol, Br., E. Kittel: Weihnachtspaket mit Buch über die holländischen Kirchen (und Worte über GKs 20.10.1929 verstorbene Vater) [37] K 168, 2.1.1930, Tübingen, BK, G. Kittel [38] K 169, 12.4.1930, Walchensee, Br., E. Kittel: Br. Grosheide an Kittel, Literaturliste zu „Begriffe des Wörterbuches“ [39] K 170, 2.5.1930, Tübingen, Br. (Schreibmaschine), G. Kittel: Br. Grosheide an Kittel, mit Notizen zum Wörterbuch [40] K 171, 7.6.1930, Tübingen, Br., G. Kittel: [Besuch Tochter Jo an Kittels (mit Notizen zum Wörterbuch)] [41] K 174, 10.9.1930, Tübingen, Br. (Schreibmaschine), G. Kittel: Weihnachtspaket, Geschenk zum Fest (Borstplaat u.s.w.), Karte Jos [42] K 172, 28.12.1930, Tübingen, BK, E. Kittel [43] K 173, 28.12.1930, Tübingen, Br., G. Kittel: Zusendung „Geschichte der Freien Universität“ [44] K 175, 20.1.1931, Tübingen, PK, G. Kittel: Zusendung Drucksachen, verschiedene Aufsätze [45] K 176, 3.7.1931, Tübingen, Br., G. Kittel: Zusendung Noten (zum Wörterbuch) [46] K 177, 8.8.1931, Tübingen, Br., G. Kittel: Grosheide an Kittel „Korintherkommentar bald fertig“ [47] K 178, 9.1.1932, Tübingen, Br., G. Kittel: Br. Grosheide an Kittel, zum ThWB, politische Lage in Holland [48] K 179, 11.6.1932, Tübingen, Br., G. Kittel: Zusendung 1. Korintherkommentar [49] K 180, 2.10.1932, Tübingen, Br., G. Kittel: Weihnachtspaket, „ein herrliches Werk über die holländischen Turmgebäude“ [50] K 181, 3.1.1933, Walchensee, BK, E. Kittel [51] K 182, 12.6.1933, Tübingen, Br. (Schreibmaschine), G. Kittel: Br. Grosheide an Kittel, 3.7.1933 zur Judenfrage („ausführlich und freundlich“) [52] K 183, 31.8.1933, Walchensee, Br., G. Kittel: Weihnachtspaket mit Hollandbuch, Br. Grosheide an Kittel, ohne Datum, Br. Jo an E. Kittel (Winter 1933) [53] K 184, 31.12.1933, Walchensee, Br., G. Kittel: Zusendung „Algemeene canoniek“ [22.10.1933 empfangen], Br. Jo an E. Kittel (Herbst 1935) [54] K 185, 23.10.1935, Tübingen, Br., G. Kittel: Weihnachtspaket mit Buch holländischen Meister [55] K 186, 29.12.1935, Tübingen, BK, G. Kittel: Br. Elsbeth Kittel zum Besuch Amsterdam (Bestätigung Grosheide) [56] K 187, 30.7.1936, Wels, Österreich, Br., G. Kittel: Br. Grosheide an Kittel (Kommentierungs- und Bibelübersetzungsarbeit) [57] K 188, 24.2.1937, Tübingen, Br., G. Kittel: „Wie ich lese ...“ (pers. Einladung oder allg. Nachricht?) [58] K 189, 19.8.1938, Walchensee, Br. (Schreibmaschine), G. Kittel: Weihnachtspaket mit Kalender [59] K 190, 6.1.1939, Tübingen, BK, E. Kittel: Zusendung 2. Korintherkommentar, 20.6.1939 erhalten [60] K 191, 22.6.1939, Tübingen, Br., G. Kittel [61] K 192, 19.12.1939, Wien, SK, E. und G. Kittel [62] K 193, 27.6.1940, Wien, Br., G. Kittel: Zusendung Rektoratsrede Existentieele Exegese [63] K 194, 23.1.1942, Wien, Br. (Schreibmaschine), G. Kittel: Br. Grosheide an Kittel („ungehemmte Arbeit“) [64] K 195, 4.7.1942, Wien, Br., G. Kittel: Br. Grosheide an Kittel, 16.8.1944 [65] K 196, 4.9.1944, Tübingen, Br., G. Kittel: Zusendung Meine Verteidigung an Grosheide [66] K 197, 6.7.1955, Tübingen, Br., E. Kittel.

Autorenverzeichnis Baltes, Guido Lehrbeauftragter für Neues Testament an der Philipps-Universität Marburg. Bormann, Lukas Professor für Neues Testament an der Philipps-Universität Marburg. Deines, Roland Professor für Biblische Theologie und Antikes Judentum an der Internationalen Hochschule Liebenzell. Förster, Hans Privatdozent für Neues Testament an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien. Gailus, Manfred apl. Professor für Neuere Geschichte am Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin. Harinck, George Professor für die Geschichte des Neu-Calvinismus an der Theologische Universität Kampen und der Vrije Universiteit Amsterdam. John, Felix Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Neues Testament an der Theologischen Fakultät der Universität Greifswald. Junginger, Horst Professor für Religionswissenschaft und Religionskritik an der Universität Leipzig. Klinken, Gert van Dozent Kirchengeschichte Protestantische Theologische Universität (PThU) Amsterdam. Kok, Jacobus Professor of New Testament Studies at the Evangelische Theologische Faculteit Leuven, Belgium, and Research Associate at the University of the Free State, South Africa. Kreß, Hannah Wissenschaftliche Mitarbeiterin im DFG-Projekt „Bibliothek der Neologie“ an der West­ fälischen Wilhelms-Universität Münster. Massey, Brandon PhD Candidate at the Centre for the Study of Judaism and Christianity in Antiquity, St. Mary’s University, Twickenham.

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Autorenverzeichnis

Morgenstern, Matthias apl. Professor für Judaistik und Religionswissenschaft an der Eberhard Karls-Universität Tübingen. Rupnow, Dirk Professor für Zeitgeschichte an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck. Segev, Alon Research Associate, Institute for Orthodox Christian Studies at Cambridge University, Professor of Philosophy at Loyola University Chicago. Vollnhals, Clemens Stellvertretender Direktor am Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung e.V. an der TU Dresden und Lehrbeauftragter für Zeitgeschichte an der TU Dresden. Zwiep, Arie Professor für Hermeneutik an der Vrije Universiteit Amsterdam.

Stellenregister Altes Testament Genesis 1–2 377 1–3 259 5,22 182, 195 9,20–27 379 10,31 383 11 376, 379, 383, 385 11,1–9 377 Exodus 34,16f. 253 Leviticus 18,33 43 19,18 43 21,7 255

Esra 9–10 253 Nehemia 13,23–31 253 Psalmen 57 97 59,11 423 91 543 103 131 Jesaja 5 383 9,1 472 44,21 402 53 494 56,7 111, 116, 118 56–66 176, 198 58,2f. 210 64,5 210

Deuteronomium 7,3f. 253 2. Könige 2 72

Neues Testament Matthäus 1–2 188, 198 1,2–16 188, 194, 195 1,5 255 8,11 185, 194 23,15 253 23,33–35 420 27,25 133 Markus 3,6 229, 230 7,37 169, 171 12,28–34 231

Lukas 1,33 185, 186 2 505 10,33 472 15,6 229 20,[19]20–26 225 Johannes 1,5 498 1,18 509 1,47 111 1,51 186 3,13 178, 184

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Stellenregister

4,4–42 234 4,5 234 4,22 232, 234 5,37 232 5,37–40 20, 24, 233 8,19 233, 234 8,29 20, 24 8,37–48 186 10,22 219, 224 11,54 226 12,17 229 12,39–40 220, 233 12,40 220, 233 16,21 519 Apostelgeschichte 1–11 471 1–15 497 3,13 185, 194 6,5 471 6,8–7,60 471 7,2–8 185 7,46 185 7,51–53 420 10 383 17,26 377, 379, 383–385 Römerbrief 5,1 108, 507 9,6–8 418 9–11 197, 199, 402 9,13 184, 186, 194, 195 9–16 185 11 220, 235 11,17 235 11,22 425 11,24 235 11,26 186 11,28 186, 220, 234–236 11,28a 220 1. Korintherbrief 7,17–20 377 9,20–22 383 12,13 377 13 529 14,34 248 15 475, 529

2. Korintherbrief 4,8 471 Galaterbrief 3,28 248, 377, 383 4 187 4,2 383, 384 4,21–5,1 188, 195 4,21–31 187, 188, 196, 199 4,22–23 418 4,24 187, 194, 195 5,3 211 Epheserbrief 5,4 227 Philipperbrief 2 183 3,4–11 383 4,14 472 4,19 473 Kolosserbrief 3,11 377 1. Thessalonicherbrief 2,15 404 2. Timotheusbrief 3,8 187 Philemonbrief 8 227, 228 19 228 Hebräerbrief 11 186 11,9 185 11,20 182, 184 12,6 184 Jakobusbrief 3,1 490 3,6 497 4,15 483 Judasbrief 14 183

557

Stellenregister Johannes-Apokalypse 2,9 400 2,20 187

3,9 400 20 393

Frühjüdisches und rabbinisches Schrifttum 2. (syrischer) Baruch 63,3 210 mChal 1, 8 254 yKet 1, 9/2 (25d, 10–16) 255 yKet 1, 9/3 (25d, 16–22) 255

bBer 57b 184 bJeb 76b 188 bGit 57b 184 bQid 69b 254 bQid 70b 254 bQid 71a 254 bAZ 10b 184

Patristische und frühchristliche Schriftsteller Augustinus Contra Faustum 423 De civitate Dei 422 8–16 418 17–22 423 Bernard von Clairvaux 423 Eusebius Praeparatio evangelica 9,8 186

Justinus Martyr Dialogus cum Tryphone 422 Origenes Contra Celsum 4,51 186 Petrus von Cluny 423 Tertullianus De praescriptione haereticorum 7.9 367

Antike Schriftsteller Apuleius Apologia 90

186

Plinius der Ältere Naturalis historia 30,11

186

Personenregister Aalbers, B.J. 405, 406 Aalders, G.C. 123, 135, 497 Aalders, M.J. 119, 120, 122, 124–126, 134–136, 139, 401, 406 Abegg, E. 440, 449 Aberbach, M. 185, 195 Adam, K. 20, 23 Adam, K.-P. 292 Adler, A.C. 394 Ådna, J. 173, 197 Aichinger, I. 263, 264 Aland, K. 80, 81, 84, 219, 230, 237 Aland, B. 219, 230, 237 Albright, W.F. 293, 304, 309, 502 Alkemade, D.J. van 215 Alt, A. 107, 137, 308, 490 Althaus, P. 54, 61, 62, 77, 79, 84, 85, 139, 206, 213, 293, 309, 429, 446, 512 Alt, J. 295, 296 Alvermann, D. 100, 116 Åmark, K. 149, 166, 170 Andel, J. van 393, 394, 404, 406 Andersson, A. 264 Andrén, G. 263 Anonymus 164 Appelqvist, G. 158, 170 Arnhold, O. 35, 48, 111, 115, 149, 163–165, 170, 209, 212, 216, 218, 219, 329 Assmann, J. 411, 415, 416, 418, 419, 421, 425 Augustijn, C. 135, 139 Aulén, G. 149, 170, 173, 191, 197, 512 Aurelius, E. 490 Baarda, T. 121, 133, 139 Bachmann, M. 188, 195 Bade, K.J. 457 Baedeker, K. 483, 544 Baird, W. 80, 84 Baker, C.A. 373, 390 Bakker, W. 122, 139 Bak, P. 134, 139 Baltes, G. 14, 15, 23, 173–199

Barrett, C.K. 225 Barr, J. 19, 23, 220, 223, 226, 230, 232 Barth, K. 62, 84, 85, 92, 314, 319, 340, 364, 428, 431, 433, 438, 447, 449, 456, 536, 544 Bastiaanse, J.F.L. 405, 406 Battenberg, F. 397, 406 Bauer, F. 292 Bauernfeind, O. 103, 104, 113, 115, 137, 309 Bauer, W. 219, 230, 237, 507, 545 Baum, G. 420 Baumgärtel, F. 100, 101, 103, 106, 110, 113, 114, 150, 327 Baur, B. (Benedikt) 308, 323, 324, 326, 327, 328 Baur, F.C. 243 Bavinck, H. 125, 394, 407, 538 Bea, A. 137, 322 Bedenbender, A. 20, 25 Beek, M. van 406, 407 Beek, P. van 122, 139, 487, 549 Behm, J. 71, 224 Bell, G.K.A. 257, 322, 509, 512, 513, 524, 545 Benammi (Pseudonym für M. Epstein) 301 Benseler, G.E. 227 Benz, W. 54, 85, 247, 250, 260–262, 275, 276, 289 Berg, M. 259 Bergmann, J. VI Berg van Eysenga, G.A. van den 122, 139 Berkemann, K. 108, 115 Bertram, G. 15, 201, 202–212, 214 Besier, G. 439, 446 Bethge, E. 424, 425 Betz, H.D. 187, 195 Betz, J. 137, 308 Beyer, H.W. 101, 103, 106, 113, 116, 212 Beyrich, T. 100, 106, 108, 116, 118 Biesterveld, P. 122, 139 Billerbeck, P. 108, 109, 176, 475, 507, 547, 548

Personenregister Bischoff, E. 478, 545 Bismarck, O. van 354, 356, 362 Blaich, F. 457 Blaschke, O. 436, 447 Blass, F. 227, 228 Blokker, J.H.E.H. 549 Blom, J.C.H. 346, 349, 355, 359, 363 Bloomberg, C. 371, 380, 389 Boccaccini, G. 179, 195, 196 Bock, E. 62, 73, 74, 77, 84, 91 Böckem, B. 427, 448 Bock, L. 326 Bodelschwingh, F. von 92 Boendermaker, P. 129, 139 Bogner, H. 295 Böhl, F. 106, 114, 483, 493, 497, 501, 502 Bonhoeffer, D. 61, 191, 197, 243, 424, 425 Boobyer, G.H. 150, 157, 325 Borger, R. 237 Bormann, L. VI, 3–27, 31–51, 56, 59, 68, 69, 84, 88, 101, 111, 112, 115, 124, 129, 139, 149, 150, 156, 163, 170, 173–175, 181, 183, 190, 196, 201, 206, 213, 228, 262, 325, 334, 389, 431–434, 439, 442, 445, 446, 453, 454, 464 Bornhäuser, K.B. 62, 481, 545, 547 Bornkamm, G. 7, 27, 34, 51, 334, 335 Bornkamm, H. 62 Böttrich, C. 100, 115, 182, 196 Botzenhart, E. 296 Bourdieu, P. 372, 428 Bousset, W. 114, 476 Bouwman, G. 188, 196 Bouwman, H. 398, 407 Bower, R. 275 Box, G.H. 151, 152, 175, 176 Brah, A. 371, 389 Brakelmann, G. 245, 250–253, 256, 257 Brandes, E. 77 Branscomb, H. 325 Brasz, C. 406, 407 Bratt, J.D. 339, 364 Brauer, K. 439, 446 Braun, H. 19, 24 Breitbach, M. 202, 214 Breitschwerdt, J. 80, 84 Breit, Th. 137 Breytenbach, C. 3, 7, 24, 33, 49 Brezger, R. 64, 84

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Broadhead, E.K. 243 Broeke, L. van den 356, 364 Broer, I. 187, 196 Brohed, I. 190, 196 Bromiley, G.W. 214 Bronsveld, A.W. 347 Brucker, R. 100 Bruijne, A. de 353, 364 Brüning, H. 528, 529 Brunner, E. 62, 106 Brunotte, H. 262 Brunstäd, F. 106 Buber, M. 112, 245, 247, 250, 251, 297– 300, 309, 310, 314, 411–413, 424, 425 Buchholz, W. 102, 115, 116 Büchsel, F. 62, 71 Bultmann, R. 5, 18–20, 24, 26, 31–33, 41, 48, 49, 54, 62, 65, 68, 69, 71, 73, 74, 80, 84, 85, 103, 110, 116, 120, 140, 150, 163, 170, 181, 185, 196, 203, 206, 210, 212, 213, 228, 232–234, 295, 311, 428, 431, 433, 447, 454, 456, 542, 545 Burgdörfer, F. 296 Burgstaller, R. 275, 289 Burkert, W. 419 Burney, C.F. 497, 509, 545 Busch, E. 84, 92 Buth, R. 15, 23 Buytendijk, F.J.J. 504 Cadbury, H.J. 325 Callenbach, J.R. 360, 364 Calvin, J. 340, 376, 384, 390 Campenhausen, H. von 259 Capelleveen, J.J. van 128, 135, 139 Caro 110, 115 Casey, P.M. 130, 139, 201, 213, 217, 219 Chamberlain, H.S. 208, 213 Charles, R.H. 490, 545 Christian, V. 284, 285, 294, 296, 305 Coetzee, J.M. 381, 389 Cohen, H. 43 Cohen, J. 423–425 Cohn, E.J. 105 Cohn, W. 247 Collins, M.A. 16, 23, 36, 48 Colwell, E.C. 325 Coninck, P. de 348, 355, 364 Conrad, C. 427, 446

560

Personenregister

Coombes, A. 371, 389 Coser, L. 418 Costa, I. da 400 Craig, C.T. 325 Creed, J.M. 258, 512 Cremer, E. 84, 89 Cremer, H. 16, 18, 56, 60, 68, 70–74, 84, 87, 89, 102, 113, 117, 129, 221, 222, 225, 236, 477, 515, 516, 523, 547 Cronjé, G. 370, 371, 374, 380–382, 384, 386, 389 Daehne van Varick, A. van 351 Dahm, C. 307, 309 Dalman, G. 16, 62, 82, 100, 107–109, 114, 118, 126, 128, 176, 402, 407, 475, 478, 490–494, 497, 500, 502, 545 Daniel, U. 427, 446 Danker, F.W. 221, 237 Davids, A.B. 359, 364 David, unbekannt 496 Davies, A.T. 422, 425 Debrunner, A. 173, 174, 227, 228, 325 Deines, R. 17, 24, 53–97, 102, 110, 112– 115, 173, 189, 196, 197, 201, 209, 213 Deissmann, A. 62, 202, 369, 509, 512, 513, 524, 545 Deissner, K. 101, 103, 106, 108, 113, 131, 470, 475, 478, 486, 505 Delitzsch, F. 250, 252, 401, 402, 507, 545 Delleman, T. 391, 407 Delling, G. 71, 206, 212 Deursen, A.Th. van 134, 139 Dibelius, M. 6, 23, 41, 48, 110, 111, 115, 137, 203, 308, 433, 485, 488, 545 Di Cesare, D. 459 Dijk, K. 403–407 Dijkstra, H. 400, 407 Disraeli, B. 351 Dittmann, W. 137, 259, 308, 328 Doekes, G. 402, 407 Dohmen, C. 188, 199 Donin, N. 265 Dostojewski, F.M. 111, 421, 425 Douglas, M. 416, 417, 425 Dreher, M. 69, 84 Du Plessis, J. 369 Du Preez, A.B. 370, 371 Du Toit, A. 369, 378, 384, 385

Du Toit (Totius), J.D. 378 Dubnow, S. 291, 296 Dubow, S. 371, 380, 389 Dubrau, A. 10, 26 Dünner, J.H. 358 Düring, M. 440, 446 Düringer, H. 302, 309, 311 Eberhard im Bart, Graf 268 Eder, H. 137, 262, 263 Eder, J. 137 Edwards, J. 80, 84 Efroymsen, D.P. 422, 425 Ehrenberg, E. (Else), geb. Zimmermann 253 Ehrenberg, H. 245, 250–257 Ehrenberg, R. 504 Eichrodt, W. 417, 425 Eidem, E. 153, 170, 190, 191, 198 Einstein, A. 458, 532 Eisenmenger, J.A. 266 Elbogen, I. 17, 493 Eloff, G. 381, 382, 384, 386, 389 Elout van Soeterwoude, P.J. 346, 349 Entz, G. 308 Epstein, M. (s. Benammi) 301 Eran, M. 38, 50 Erbe, W. 329, 330, 332 Ericksen, R.P. 120, 139, 206, 213, 260, 293, 302, 309, 429, 431, 445, 446 Euler, F.W. 308 Euler, K.F. 202, 214 Euler, W. 6, 24 Eumann, U. 440, 446 Evans, C.A. 185, 196 Faber, H. 320 Fafié, T.A. 129, 139 Fairclough, N. 371, 389 Falls, T.B. 422, 426 Falter, J.W. 435, 446 Fascher, E. 20, 24, 202, 213 Feine, P. 57, 109 Feldman, G.D. 457 Felschow, E.-M. 202, 214 Fester, R. 6, 24 Feuchtwanger, L. 299, 309 Fezer, K. 313, 315, 320, 329, 445 Fichte, J.G. 372, 380 Fiebig, P. 62, 110, 115

Personenregister Finkelstein, L. 522, 545 Fischer, A. 260 Fischer, C.A. 296 Fischer, E. 270, 278, 290, 296, 303, 304, 309 Fischer, O. 250 Fleiner, F. 57 Flinterman, R.A. 124, 139 Flipse, A.C. 121, 139 Förster, H. 20, 21, 24, 74, 85, 88, 213, 215–240, 237, 324, 334, 434, 447 Förster, W. 235 Frank, W. 5, 24, 34, 39, 49, 151, 157, 160–162, 206, 295, 296, 318, 335, 432, 434 Fredriksen, P. 423, 425 Freiling 530 Frenschkowski, M. 60, 85 Freud, S. 419 Frevel, C. 188, 199 Frey, J. 58, 85, 186, 196 Frey, J.B. 322 Freytag, W. 61 Frick, H. 512 Fridrichsen, A. 149, 153, 170, 173, 197 Friedman, R.E. 416, 425 Friedrich, G. 7, 56, 84, 120, 129, 139, 140, 156, 173, 189, 202, 204, 211, 212, 214, 7, 432, 434 Friedrich, J. 120, 139 Fritsch, H. 65, 85, 542 Fritsch, T. 37, 41–48, 51, 109, 110, 112, 114–116 Fröhlich, S. 100, 115 Frymann, D. 533, 545 Fuchs, E. 445 Gager, J.G. 418, 425 Gagos, T. 218 Gailus, M. 9, 10, 20, 24, 25, 27, 36, 50, 53, 57, 86, 87, 103, 111, 112, 115–117, 119, 124, 130, 139, 140, 141, 149, 170, 173, 176, 179, 181, 182, 196, 197, 208, 214, 216, 218, 249, 258, 260, 282, 289, 313, 314, 316, 325, 329, 334, 335, 427–449, 455 Gambetta, L. 351 Garbe, I. 99–103, 106–108, 111, 113, 116, 118

561

Garber, Z. 38, 48, 453 Geelkerken, J.G. 125, 139, 141 Geesink, W. 382, 385, 389 Gehring, F. 137 Geisser, W. 65, 85 Gelderen, C. van 123, 124, 141, 401 Gelderen, J. van 399, 407 Gemoll, W. 227 Gerdener, G. 385 Gerdmar, A. 31, 49, 54, 56, 67, 110, 112, 116, 120, 140, 173, 176, 179, 180, 193, 196, 210, 213 Gerhardsson, B. 149–152, 154, 158, 169, 170, 173, 176, 193, 197 Gerhardt, P. 487 Gerschenowitz 255 Gerschlauer, S. 202, 214 Gerstenmaier, E. 446 Gesler, H. 137 Gieseler, W. 261, 315 Giliomee, H. 378, 389 Ginzel, G.B. 266, 289 Girard, R. 411, 415, 419, 420, 421, 425 Girgensohn, K. 128, 504 Glawe, W. 103, 105 Glenthöj, J. 191, 197 Godefroi, M.H. 350 Goebbels, J. 206, 282 Goetz, W. 57 Gögler, R. 308 Goldhammer, A. 208, 214 Goldmann, E. (Else) 261 Goldmann, E. (Erwin, Sohn) 261 Goldmann, E. (Erwin, Vater) 247, 260–262 Goldmann, W. 247 Golling, R. 107, 116 Goltz, E.F. von der 103, 105 Graeter, R. 137 Graetz, H. 17, 24, 53, 110, 115 Graf, F.W. 433, 436, 447 Gräper, M. 368, 376–380, 385, 389 Grau, W. 5, 259, 295 Gray, P. 210, 214 Green, H.M. 398, 407 Greijdanus, S. 123, 125, 141 Greive, H. 266, 289 Greschat, M. 320, 334 Grill, J. von 56, 80, 86, 91 Grimm, C.L.W. 225, 226

562

Personenregister

Groener, W. 528, 529 Groenewald, E.P. 14, 25, 124, 141, 367–372, 374, 375, 378–390, 520 Groen van Prinsterer, G. 347 Groos, M. VI, 101, 453, 464 Groot, J. de 493 Grosheide, A.M. (Anna) 486, 489, 496, 517, 549 Grosheide, A.O.W.D. (Otto) 496, 517, 549 Grosheide, A.O.W.D. (Ottoline), geb. Schut 102, 127, 130, 453, 455, 463, 467, 473, 481, 482, 486, 487, 489, 491, 495, 496, 499, 505, 514, 516, 549 Grosheide, D. (Daniël) 499, 517, 549 Grosheide, E.C. (Corrie) 496, 549 Grosheide, E. (Elbert) 119 Grosheide, F.W. VI, 13, 14, 16–18, 99, 101– 109, 111, 112, 114, 115, 119–143, 150, 169, 174, 339–346, 360–364, 367–369, 374–376, 378, 384–389, 400, 403–407, 453–464, 467, 545, 546, 549 Grosheide, F.W. (Wil) 489, 549 Grosheide, G.H.A. (Henk, Bruder FW) 487, 496, 501, 509, 510 Grosheide, G.H.A. (Henk, Sohn FW) 131, 136, 485–487, 498, 506, 512, 514, 516, 519, 549 Grosheide, G.H.A. (Vater FW) 549 Grosheide, H.H. (Herman, Sohn FW) 486, 534, 549 Grosheide, J.H. (Hans) 119, 131, 137, 521, 549 Grosheide, J.H. (Jo) 130, 131, 460, 496, 512, 518–520, 523, 524, 526, 537, 544, 549 Großbölting, T. 436, 447 Große Kracht, K. 436, 447 Groß, G. 93 Grundmann, W. 14, 15, 17, 24, 33–36, 39, 47, 49, 50, 53, 54, 57, 62, 71, 75, 111, 115, 129, 141, 163–165, 170–173, 175, 189, 190, 196–198, 201, 202, 205, 206, 209, 212, 213, 216, 231, 268, 292, 295, 302, 310, 311, 439 Grunsky, H.A. 296 Grünspan, H. 40, 49 Grützmacher, J. 88 Grynszpan, H. 282–284, 324, 434 Gunkel, H. 80

Gunning JHzn., J.H. 398, 407 Gutbrod, K. 137 Gutbrod, W. 542 Gutbrot, H. 137 Haacker, K. 3, 5, 24 HaCohen, R. 31, 32, 49 Hadorn, W. 62, 510, 546 Haendler, G. 191, 197 Haering, T. 62 Hafemann, S.J. 173, 197 Hagemeyer, H. 279, 289 Hahnenbruch, E. 437 Hahn, H. 299 Håkansson, B. 167, 170 Hals, F. 500 Hamann, J.G. 533 Hamerton-Kelly, R.G. 419, 426 Hammann, K. 68, 85, 428, 431, 447 Hammerstein, N. 34, 49 Hänel, J. 100, 108, 114, 116 Hanse, H. 542 Harders, L. 427, 428, 447 Harinck, G. 13, 24, 121, 125, 133, 141, 339–365 Häring, T. von 56 Harling, O. von 250–252, 263, 402 Harnack, A. von 60, 62, 401, 407, 421, 422, 426, 536 Hartogh, G.M. den 392, 408 Hartston, B.P. 398, 407 Harvey, R. 249 Hauck, F. 71 Hauer, J.W. 315, 445 Haug, T. 70 Haußleiter, J. 103 Hauth, H. 260 Haverkamp, A. 288–290 Hayes, C.J.H. 373, 389 Head, P.M. 33, 49, 437, 447 Heckel, J. 295 Heckel, T. 439 Heckemann, M. (Maria), geb. Rohde 495 Hegel, G.W.F. 372 Hehl, U. von 39, 49 Heiber, H. 5, 7–9, 22, 24, 34, 39, 40, 49, 157, 171, 295, 296, 309 Heidegger, M. 19, 459 Heim, K. 62, 79, 80, 328, 329, 444

Personenregister Heinrichs, W.E. 54, 85 Heinrici, C.F.G. 57, 60, 85 Heitmüller, W. 55, 63, 78–82, 89, 114, 454, 476, 508 Helfferich, K. 488 Heman, K.F. 245, 246 Hempel, J. 36, 37, 45, 49, 106, 107, 110, 118, 207, 213, 503 Hendel, J. 201 Hengel, M. 53, 273 Henke, K.-D. 315, 320, 326, 334 Hepp, V. 340 Herbert, U. 427, 448 Herder, J.G. 31, 49, 54, 85, 110, 116, 140, 210, 213, 372, 373, 380, 389 Hermle, S. 85, 92, 260 Herrlein, J. 101, 116 Herrmann, J. 485 Hertzberg, H. 502 Hertz, D. 250 Heschel, S. 33–35, 49, 50, 120, 141, 201, 203, 205, 206, 213, 292, 310 Hesse, F. 129 Hesse, H.A. 61, 77, 92 Hess, V. 202, 214 Hetzer, T. 53, 54, 85 Heydrich, R. 262, 435 Hilberg, R. 35, 49 Himmler, H. 313, 435 Hindenburg, P. von 528, 529, 530 Hinderer, A. 93, 533 Hintze, K. 109, 116 Hippler, F. 280 Hirsch, E. 139, 206, 213, 293, 309, 429, 446 Hirshberg, A.S. 38 Hitler, A. 105, 116, 118, 143, 145, 261, 271, 283, 292, 293, 301, 302, 314, 341, 342, 360, 363, 411, 429, 433, 436, 438, 441, 529, 530 Hjelt, A. 490 Hockerts, H.G. 433, 447 Hoedemaker, P.J. 347, 348, 364 Hoekstra, H. 400–402, 407 Hoffmann, C. 294, 310 Hofius, O. 173, 197, 273 Hofmann, H. 152, 171 Hofmeester, K. 348, 364 Holladay, C.R. 210, 214 Holl, K. 106

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Hölscher, G. 536 Holstein, G. 101, 105, 117 Holzner, T. 44, 48 Home, C. 421 Honan, D.J. 423, 425 Honecker (Pfarrer) 137 Hoppe, R. 3, 7, 24, 33, 49 Hornshøj-Møller, S. 281, 289 Horovitz, H.S. 522, 534, 545 Horowitz, C. 82, 90, 255, 341, 345, 534 Hoskyns, E.C. 512 Hossenfelder, J. 535 Hoßfeld, U. 292, 310 Houkes, A. 349, 364 Houtman, C. 124, 141 Houwink ten Cate, J. 457 Hovy, W. 351, 357, 401, 408 Hübner, H. 184, 197 Innozenz III, Papst 275 Itterzon, G.P. van 138, 141 Jager, K.-J. de 121, 122, 125, 141 Jansen, C. 102, 116 Jansen, H. 133, 141 Janssens, R. 350, 364 Jasper, G. 243 Jeggle, U. 318, 335 Jellinek, J. 263 Jeremias, G. 7, 24, 33, 49 Jeremias, J. 32, 71, 113, 137, 182, 308, 523 Jerke, B. 292 John, F. 16, 24, 26, 64, 82, 85, 99–118 John, J. 292, 310 Johnson, M. 373, 390 Jolink, J.H. 487, 489, 549 Jones, H.S. 227 Jonge, M. de 129 Jordan, R. 137 Jüngel, E. 39, 51, 294, 310, 311, 429, 449 Junginger, H. 10, 18, 22, 25, 35, 49, 119, 141, 179, 182, 197, 201, 213, 249, 252, 258, 261, 265–291, 296, 310, 314, 318, 324, 325, 329, 333, 334, 341, 364, 424, 426, 430, 431, 437, 438, 445, 446, 447 Kahan, I.I. 111, 114 Kähler, M. 62, 89, 105, 524 Kähler, W. (Walter) 105, 116 Kähler, W. (Wilhelm) 101, 105, 116, 118

564

Personenregister

Kallina, E. 263 Kampe, N. 101, 109, 117 Kampling, R. 185, 197 Kant, I. 17 Kater, L. 349, 356, 364 Katz, E. 257 Katz, J. 111, 117 Katz, O. 257 Katz, P. 257–259 Keil, J. 137 Keith, C. 201 Kellenbach, K. von 443, 444, 448 Kelsen, H. 458, 532 Kenis, L. 340, 364 Kerrl, H. 434–436 Kerstingjohänner, H. 457 Kessel, M. 427, 446 Keyserlingk-Rehbein, L. von 440, 447 Kierspel, L. 216 Kinder, C. 207 Kitchener, Lord 372 Kittel, E. (Eberhard) 99, 431, 432, 442, 445, 482, 505, 524, 541, 543, 550 Kittel, E. (Elisabeth), geb. Rohde 93, 99, 102, 105, 126, 127, 130, 136, 155, 317, 330–332, 444, 453, 456, 457, 460, 463–467, 482, 491, 499, 500, 509, 517, 519, 524, 530, 540, 541, 544, 550 Kittel, E. (Elsbeth), verh. Thomae 99, 130, 131, 431, 432, 459, 482, 496, 505, 524, 537, 538, 541, 543, 550 Kittel, E. (Emilie), geb. Groß 550 Kittel, G. (Gerhard) V, VI, 3–26, 31, 33–37, 39–51, 53–121, 124–133, 136–146, 149–157, 160–163, 165, 166, 168–171, 173–177, 179–183, 187–190, 193–197, 201–214, 216–220, 223, 231–234, 236, 237, 243–265, 267–271, 273, 275–311, 313–319, 321–332, 334, 335, 339–345, 348, 352, 355, 360–364, 367–370, 375, 384, 388–390, 411–415, 424–449, 453–464, 278, 279, 281, 282, 287, 512, 544, 546, 547, 550 Kittel, G. (Gerhard) (Enkel) 432 Kittel, R. 14–16, 23, 25, 31, 36, 37–39, 42–44, 46–49, 51, 114, 115, 440–442, 453, 454, 485, 518 Kittel, T. 491 Klauck, H.-J. 202, 207, 214

Klausner, J.G. 108, 109, 474–476, 478, 493, 546, 547 Klein, S. 493 Klett, E. 137 Klier, J.D. 401, 407 Klinken, G.J. van 14, 121, 123, 124, 138, 141, 343, 351, 356, 359, 361, 362, 364, 391–408 Kluckhohn, P. 521 Klüger, G. 263 Klüger, R. 263 Köberle, A. 444 Koch, D. 536, 544 Koch, E. 435 Koch, J. 349, 364 Koenig, M.-P. 316 Kögel, J. 18, 56, 68, 70, 74, 113, 117, 128, 477, 485, 492, 515, 516, 547 Köhler, L. 301 Köhn, A. 100, 112, 113, 117 Kok, J. 14, 25, 124, 141, 367–390, 372 Kolbenheyer, E.G. 518, 547 Koorts, L. 372, 373, 374, 390 Köpf, U. 11, 25 Köppel, R. 100 Korff, F.W.A. 394 Kosmala, H. 263 Kraeling, C.H. 490 Krause, R. 248, 329, 438, 535 Krauss, S. 285, 478, 547 Kreitschmann, E.-M. VI Kreß, H. 14, 25, 101, 149–171, 174, 175, 189, 190, 453, 464 Krondorfer, B. 443, 444, 448 Kronholm, T. 151, 153, 154, 166, 171 Krop, F.J. 360, 364 Kropveld, E. 394, 407 Kühn, J. 126, 141, 467, 473, 475, 547 Kuhn, K.G. 7, 21, 24, 25, 27, 33–36, 45, 47, 49–51, 53, 62, 71, 182, 196, 201, 212, 271, 273, 277, 280, 284, 285, 288, 294–297, 301, 302, 304, 308–310, 318, 324, 332–335, 414, 426, 196, 522 Kühn-Ludewig, M. 7, 25 Kuiper, D.T. 122, 139 Kuiper, D.Th. 487, 549 Kuiper, R. 348, 364 Kuipers, T. 13, 24 Kümmel, W.G. 262

Personenregister Künneth, W. 443 Künzel, O. 320 Kurz, W. 207, 214 Kusche, U. 42, 50 Küttler, T. 252, 262, 263 Kuttner, S. 273, 290 Kuyper, A. 13, 24, 120, 121, 126, 134, 141, 143, 145, 339–341, 343–365, 379, 380, 384, 385, 395–402, 405, 407, 459, 462, 463, 407, 532 Kuyper, H.H. 120, 134, 135, 142, 340, 360–362 Laato, T. 167, 168, 171, 192, 197 Lächele, R. 78, 86, 207, 214, 445, 448 Laible, H. 481, 547 Lakoff, G. 373, 390 Lambroza, S. 401, 407 Lammers, K.-C. 318, 335 Lamprecht, H.A. 123, 141, 400, 401, 407 Lange, D. 454 Langer, G. 184, 197 Langer, Gerhard 185 Langer, H. 137 Lasker, E. 351 Lässig, S. 427, 448 Lee, J.A.L. 221, 223, 225 Lehmann, H. 9, 27, 260, 436, 447 Leibbrandt, G. 279, 289, 290 Leipoldt, J. 16, 57, 59, 60, 63–65, 79, 80, 81, 86, 87 Leitner, G. 259 Leiwe, F. 72–74 Lenard, P. 295 Leppin, V. 173, 189, 196, 197, 201, 213 Leßau, H. 443, 448 Leutzsch, M. 20, 25, 130, 141, 179, 180, 195, 197, 208, 212, 214, 218, 219, 434, 448 Levertoff, P. 249 Levie, T. 347, 365, 398, 407 Levy, J. 104, 109, 117 Liddell, H.G. 227 Lietzmann, H. 41, 80, 510, 547 Lightfoot, R.H. 15, 20, 25 Lilje, H. 443 Lincoln, B. 208, 214 Lindeboom, C. 463 Lindemann, G. 7, 25, 36, 42, 50, 53, 64, 82,

565

86, 103, 104, 107, 117, 176, 197, 201, 214, 294, 310, 430, 441, 442, 448 Linden, J. van der 534 Liptak, H. 137 Litterscheid, H.W. 309 Littmann, E. 305 Loewenstein, R.M. 418, 426 Löffler, F. 305 Lohmeyer, E. 100, 103, 112, 113, 115, 117, 118, 203, 507, 547 Löhr, H. 185, 197 Lohr, J.N. 185, 196 Loisy, A. 421, 426 Lorenz, O. 295, 296 Loubser, J.A. 376, 390 Löwenstein, H. 244 Lubinetzki, V. 102, 110, 111, 112, 117 Ludwig, H. 259, 260 Ludyga, H. 44, 48 Lütgert, W. 61, 62, 67, 79, 84, 85, 86 Luther, M. 229, 230, 269, 280, 285, 340, 396, 436, 461, 469, 541 MacDonald, N. 16, 23, 36, 48 MacLean, D. 124 Majer-Leonhardt, F. 137, 259, 260 Malan, D.F. 372–374, 380, 385 Manen, W.C. van 123, 142 Männchen, J. 108, 111, 116, 118 Marr, W. 41, 50, 397 Massey, B. 15, 25, 201–214 Mateos, J. 226, 230 Matthis, E. 81 May, G. 137 Mayordomo Marín, M. 188, 197 McKim, D.K. 120, 142 McNutt, J.E. 33, 50 Meier, A. 6, 25 Mein, A. 16, 23, 36, 48 Meiser, H. 45, 48, 314, 439, 459 Mendenhall, G.E. 417, 426 Merentitis, C. 137 Mergenthaler, C. 331 Merk, O. 36, 50, 249 Meyer, E. 17, 114, 476 Meyer, R. 206 Meyer-Blanck, M. 17, 24, 84, 92 Meyer-Erlach, W. 151, 163–165, 170, 171, 175, 197, 198

566

Personenregister

Michel, O. 3–5, 8, 9, 23–26, 53, 82, 154, 543 Michman, J. 347, 365, 398, 399, 407 Micklem, N. 512 Mikosch, H. 158 Milton, S. 380, 390 Monahan, G. 418, 425 Moore, G.F. 176, 198, 490 Mooy, A.C. 135 Morgan, R. 33, 49, 50 Morgenstern, M. 5, 10, 26, 53, 56, 63, 64, 66, 67, 70, 74, 82, 83, 86, 88, 92, 96, 119, 137, 141, 206, 214, 216, 231, 243–264, 315, 322, 335, 442, 445, 446, 448 Mozley, J.K. 512 Mühling, A. 103, 118 Mulder, H. 121, 122, 139, 142 Müller, G. 331, 332 Müller, K. 130, 142 Müller, K.A. von 5, 41, 295 Müller, K.W. 69, 80, 81, 84 Müller, L. 257, 438 Murtorinne, E. 190, 198 Mutter, M. 327 Nanos, M.D. 235, 237 Nauta, D. 120, 121, 123, 134, 142 Nes, J. (Jacob) van 124, 139, 142, 391, 403, 407 Nes, J. (Jermo) van 14, 25, 124, 141, 369, 390 Neuer, W. 63, 65–67, 69, 78–80, 82, 83, 86, 243 Nicklas, T. 130, 142, 201, 214 Nicolaisen, C. 4, 26, 39, 50, 190, 196, 198 Nicol, W. 381, 386, 389 Niebuhr, K.-W. 173, 189, 196, 197, 201, 213 Niemöller, M. 243, 332, 428, 431, 449 Niemöller, W. 431 Niethammer, L. 9, 26 Niet, J. de 376, 390 Noack, H. 267, 290 Nock, A.D. 174, 325 Nolloth, C.F. 114, 117 Nolzen, A. 435, 448 Norel Jzn., O. 350, 365 Norel, K. 391, 392, 407 Notley, S.R. 15, 23 Nowak, K. 401, 407

Nyberg, H.S. 173, 197 Nygren, A. 149, 170, 190, 191, 196, 198 Oberdörfer, E. 105, 116, 118 Oberkrome, W. 18, 27 O’Day, G.R. 210, 214 Odeberg, B. 150 Odeberg, E. (Elsa) 155 Odeberg, H. (Hugo) 14, 149–171, 173–195, 197–199, 212, 523 Odeberg, H. (Håkan) 150 Oderberg, H. (Falschschreibung) 158 Oelschläger, U. 267, 290 Oepke, A. 71, 229 Offenberg, A. 456 Öhler, M. 185, 197 Okkema, J.C. 122, 139, 487, 549 Olender, M. 208, 214 Onderwijzer, A.S. 401 Onnasch, M. 100, 116 Oredsson, S. 149, 159, 161, 166, 171, 191, 199 Orth, K. 18, 27 Ortner-Kallina, E. 137 Os, A. van 394 Osten-Sacken, P. von der 107, 116, 292, 310 Palmer, G. 179, 196 Pammer, T. 262–264 Papen, F. von 529 Papen, P. von 7, 26 Pardon, A.-C. 124, 141, 368, 371–373, 388, 390 Patschovsky, A. 288, 290 Paulsen, A. 61 Peláez, J. 226, 230 Penner, T. 209, 214 Penwell, S. 224, 233 Petersen, D.L. 185, 196 Pevear, R. 421, 425 Pfahler, G. 315 Pfürtner, S.H. 187, 196 Pietersma, A. 186, 187, 199 Pinto, S. de 359 Pithan, A. 260 Plachta, B. , 127 Plener, U. 39, 50 Pleyer, K. 296 Poewe, K. 436, 448

Personenregister Pohl, J. 7, 25 Post, J. 392 Potgieter, F.J.M. 389 Potthast, J.B. 22, 26 Preisigke, F.G. 228 Preisker, H. 154, 206, 212 Pressel, W. 445 Preuss, H.A. 325 Prins, P. 343 Procksch, O. 71, 478, 501, 503 Prümm, K. 137 Raalte, A.C. van 358 Rahlfs, A. 258 Räisänen, H. 184, 199 Raphael, F. 318, 335 Raphael, L. 303, 310, 427, 448 Raßner, S. 202, 214 Rathenau, W. 111, 116 Rath, E. vom 40 Rauh-Kühne, C. 427, 448 Rawlinson, A.E.J. 512 Ray, W. 308 Reck, N. 443, 444, 448 Rehkopf, F. 227 Reimarus, H.S. 58, 85, 122, 186, 196 Reinhartz, A. 233 Reinharz, J. 180, 199 Reinmuth, E. 100, 112, 118 Reisinger, S. 38, 50 Rendtorff, H. 101, 117, 533 Rengstorf, H. 544 Rengstorf, K.H. 21, 58, 60, 62, 65, 67, 78, 82, 86, 87, 104, 151, 154, 171, 249, 263, 513, 522, 547 Renner, V. 315 Rese, M. 11, 12, 26 Reventlow, Graf 137 Reynolds, B.E. 179, 196 Rey, W. 137 Ridderbos, J. 123 Rieckher, J. 227 Rieger, R. 5, 26, 53, 78, 80, 81, 86, 91, 255, 315, 317, 335 Rießler, P. 56 Riggenbach, E. 490, 491, 510 Rijn, Rembrandt van 518 Rinker, S. 16, 24, 26, 64, 85 Robertson, A.T. 128, 140, 142

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Robertson, S. 201 Roelink, J. 134, 142 Rohde, A. 550 Rohde, L. (Lilli), geb. Röth 550 Rohling, A. 266, 267 Röhm, E. 243, 250, 259, 260, 439, 448 Roon, G. van 362, 365 Rosenberg, A. 7, 25, 267, 279, 290, 333, 432, 435, 438 Rosen, F. 203, 214 Rosen, G. 203, 214 Rosenthal, E. (Leeser) 480 Rosenthal, F. 254 Rosenzweig, F. 250, 504 Rössler, O. 315 Rubenstein, J.L. 231 Rückert, H. 316, 329, 445 Rucks, H. 250 Ruether, R.R. 417, 418, 420, 426 Rühle, O. 173, 199 Rullmann, J.C. 359, 365 Rupnow, D. 6, 7, 22, 26, 34, 35, 48, 50, 157, 171, 284, 290, 291–311 Rupp, H. 321, 322 Rust, B. 331, 434 Rutgers, H.C. 128, 142 Rutgers, V.H. 136, 142 Rütten, A. 207, 214 Samuel, S. 299 Sanders, E. 121, 142 Sand, S. 32, 50 Sannwald, W. 9, 27 Sasse, H. 439, 512 Sauer, A. 326 Schaeder, G. 298, 299, 310 Schäfer-Bossert, S. 77, 86 Schäfer, G. 313, 335, 438, 448 Schäfer, P. 178–180, 188, 199 Schaff, P. 423, 425 Schairer, I. 445 Schaller, A. 260 Schaper, J. 357, 358 Schatzmann, S.S. 120, 142 Schedl, C. 137 Scheel, G.A. 432 Schelkle, K.H. 328 Schelven, A.A. van 134, 139, 142 Schemm, H. 435

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Personenregister

Schempp, P. 445 Schenk, W. 292 Schilder, K. 135 Schirach, B. von 4 Schlatter, A. 3, 5, 17, 26, 33, 34, 50, 51, 53–96, 102, 109–112, 128, 137, 176, 243, 244, 249, 250, 255, 268, 444, 508, 516, 523, 534, 547 Schlatter, C. 78 Schlatter, D. 63, 75, 96, 137, 444 Schlatter, R. 79 Schlatter, T. 63, 66, 67, 80, 82, 83, 87 Schleiermacher, F.D.E. 222 Schley, F. VI Schlichting, G. 6, 7, 22, 26, 271–273, 290, 295 Schlier, H. 71, 227 Schlüter, M. 178, 199 Schmalenberg, G. 207, 214 Schmid, C. 315, 316, 318, 321, 335 Schmid, L. 61, 77, 86 Schmidt, K.L. 19, 103, 118, 173, 212, 512 Schmid, W. 81 Schmuhl, H.-W. 303, 310 Schneider, C. 206, 212 Schneider, H. 316–318, 521 Schneider, H. (Hermann) 521 Schniewind, J. 71, 112, 113, 137 Schoenborn, U. 187, 196 Schöffer, I. 347, 349, 351, 357, 365, 398, 407 Scholder, K. 11, 26, 435, 445, 448 Scholem, G. 31, 424 Schönfeld, W. 101, 117 Schrenk, G. 71, 325 Schröder, R.A. 137 Schubert, K. 288 Schult, M. 16, 26 Schulze, V. 107 Schürer, E. 32, 33, 50, 69 Schuschnigg, K. 95 Schuster, D. 57, 87 Schut, A.O.W.D. 123 Schut, D. 487, 549 Schut, Familie 488 Schut, G.E.J.H. 501 Schwarz-Friesel, M. 180, 199 Schwarz, K.W. 4, 26, 39, 50, 216 Schweitzer, A. 122, 152, 171

Scott, R. 227 Seaver, J.E. 418, 419, 423, 424, 426 Seeberg, R. 106 Seehausen, L.R. 60, 85 Seeliger, R. 211, 214 Seelig, G. 60, 87 Segev, A. 10, 26, 67, 86, 119, 137, 142, 206, 214, 216, 231, 244, 315, 335, 411–426, 442, 448 Sellin, G. 188, 199 Semler, J.S. 31, 49, 54, 85, 110, 116, 120, 140, 210, 213 Seur, P. le 104, 105, 108, 118 Seybold, C. 56 Shavit, Y. 38, 50 Shedd, N. 201 Siegele-Wenschkewitz, L. 4, 10–12, 22, 26, 33, 39, 50, 51, 54, 56, 57, 87, 104, 110– 112, 118, 119, 142, 181, 199, 292–294, 302, 309, 311, 345, 365, 429, 431, 432, 441, 442, 445, 446, 449, 461 Siertsema, B. 215 Sikkel, J.C. 401, 408 Sipkes, M. 393, 408 Sjöberg, E. 189, 190, 199 Slings, S.R. 215 Smend, R. 36, 37, 51, 453 Smith, J.Z. 419 Snel, J. 353, 365 Söderblom, N. 101, 104, 105, 107, 111, 118, 151, 153, 175, 454, 468, 499, 546 Söding, T. 188, 199 Sombart, W. 301 Spanier, A. 38, 51 Sperling, D.S. 38, 48, 187, 199, 453 Spieß, K.-H. 100, 116 Spinoza, B. de 518 Sproll, J. 327 Staalduine, Th.J.S. van 392, 408 Stählin, G. 71, 543 Stange, C. 151, 158, 159, 503 Stange, E. 15, 25, 36, 50, 454 Stapel, W. 295, 296, 461, 535 Starhemberg, E.R.C.M. von 95 Stauffer, E. 71, 212 Stauff, P. 41, 51 Stegemann, W. 295, 311 Steigmann-Gall, R. 436, 449 Steil, K. 61

Personenregister Steinbauer, K. 261 Steinweis, A.E. 12, 22, 27, 34, 51, 291, 311 Steneker, A.M. 549 Stern, M. 186, 199 Sthamer, F. 509 Stickl, O. 9, 27, 316 Stöcker, A. 105, 268, 323, 348, 350, 351, 361, 362, 398, 401, 533 Stoker, H.G. 389 Stolzenberg, A. 106 Stonehouse, N.B. 124, 128, 514, 515, 547 Stracke, E. 316, 318 Strack, H.L. 107, 110, 115, 116, 118, 475, 507, 547, 548 Strathmann, H. 41, 61, 85 Streib, H. 12, 27 Streicher, J. 137 Strydom, J.G. 376–380, 383–385 Stuhlmacher, P. 173, 197 Stummer, F. 207, 213 Stumpff, A. 542 Stupperich, R. 87, 89 Sturm, M. 320 Stutje, J.W. 358, 365 Stutz, R. 292, 310 Sunnus, L. VI, 88, 101, 453, 464 Svartvik, J. 167, 168, 171, 192, 199 Szaukellis, I. 88 Tal, J. 406, 408 Tauber 327 Taubert, E. 280 Taylor, B.A. 221, 223, 237 Taylor, V. 202, 214 Tazelaar, J.P. 400, 402, 408 Teekens, H. 135 Terblanche, S. 370, 382, 390 Teuffel, J. 261 Theißen, G. 7, 27, 34, 51, 334, 335 Thielecke, E. 6, 25 Thielicke, H. 319, 320, 331, 332, 443, 445 Thierfelder, J. 78, 85, 86, 92, 243, 250, 439, 445, 448 Thomae, Dr. 543 Thulin, S. 468, 546 Thüring, B. 296 Tietz, C. 428, 431, 449 Tilly, M. 110, 118 Tödt, I. 424, 425

569

Toit, A. Du 390 Töllner, A. 247, 261 Torczyner, H. 17 Torrey, C.C. 497, 548 Totius (= J.D. du Toit) 378–380, 383, 385 Töyrylä, H. 38 Traber, A. 326, 327 Traub, F. 77, 81 Trawny, P. 459 Triepel, H. 57 Troelstra, P.J. 358 Trugenberger, L. VI Tucker, B.J. 373, 390 Tugend, A. 260 Tugendhat, A. (zuvor Tugend) 137, 260 Uhlig, S. 199 Van Wyk Kruger, G. 369 Vees, A. 258 Velde, H. te 348, 364 Venter, C. 381, 382, 390 Verhage, H. 348, 364 Verhoef, E. 123, 142 Vermes, G. 32, 50 Verschuer, O. von 295, 296 Vine, W.E. 223, 225 Visser, J.T. de 350, 365 Voigt, M. 440, 449 Volland, A. 37, 42, 51 Vollnhals, C. 8–10, 20, 24, 25, 27, 36, 50, 53, 57, 86, 87, 103, 111, 112, 115–117, 119, 124, 130, 139, 140, 141, 149, 170, 173, 176, 179, 181, 182, 196, 197, 208, 214, 216, 218, 249, 258, 260, 282, 289, 313–335, 430, 431, 434, 443, 446–448, 455 Vollrath, W. 512 Volokhonsky, L. 421, 425 Volz, P. 56, 207, 213 Vondung, K. 436, 449 Vos, J.S. 119, 122, 130, 132, 133, 138, 142, 180, 199, 207, 214, 217, 219, 220, 231, 463 Vosloo, R.R. 376, 379, 381, 386, 390 Vretska, K. 227 Vries, A. de 391, 392, 405, 408 Vuletić, A.-S. 247

570

Personenregister

Wagner, P. 18, 27 Wallet, B. 346, 351, 362, 365, 376, 390 Wall, E. van der 340, 364 Walsh, G.G. 418, 423, 425 Walter, P. (= P. Katz) 259 Wassermann, C. 58, 87 Wassermann, H. 7, 8, 18, 27 Wastl, J. 277, 278 Webber, M. 14, 25, 124, 141, 369, 390 Weber, C. 45, 51, 106, 110, 118 Weber, F. 507, 545 Weber, P. 315, 318, 335 Wehler, H.-U. 461 Wehrung, G. 106, 314 Weimz, K. 302, 309, 311 Weinel, H. 80 Weinreich, M. 8, 27, 31, 51, 291, 311 Weinzierl, E. 263 Weise, M. 201, 202, 208, 211, 214 Weiser, A. 45, 78, 320, 329 Weiss, B. 109 Weiss, J. 32, 498, 548 Weiss, S.F. 303, 311 Weizsäcker, C. 498, 548 Welker, M. 102, 118 Wellhausen, J. 17, 24, 32, 37, 38, 43, 46, 53, 110, 115 Wenschkewitz, H. 11 Wenzel, R. 315 Werner, F. 288, 290, 294, 311 Wetzel, R. 437 Wiese, C. 31, 32, 43, 51 Wiesing, U. 315, 318, 334, 335 Wikner, P. 164 Wilckens, U. 156

Willegen, F. van 404, 408 Williams, J.G. 420, 426 Willi, T. 100, 106, 108, 111, 116, 118 Windisch, H. 483, 503, 548 Wingren, G. 169, 171 Wirsching, A. 427, 448 Wischmeyer, O. 13, 27 Wischnath, J.M. 9, 27 W., L. 51 Wolter, M. 185, 199 Woltjer, J. 128, 140 Woude, A.S. van der 129 Woude, R. van der 401, 408 Wrede, W. 122 Wundt, M. 295, 296 Wurm, T. 44, 137, 313–316, 322, 323, 327, 328, 432, 438, 439, 443, 445, 459 Wurster, P. 80, 81 Zager, W. 152, 171 Zahn, T. 109, 126, 490, 492, 510, 548 Zauner, S. 315, 316, 318, 320, 321, 326, 329, 332 Zeller, T. 329, 330 Ziegler, W. 282, 295, 296 Ziemann, B. 428, 431, 449 Zierold, K. 18, 27 Ziwes, F.-J. 288–290 Zoellner, W. 191 Zondergeld, G. 133–136, 142 Zwaan, J. de 325 Zwiep, A.W. VI, 13, 27, 101, 119–142, 342, 389, 453, 464 Zwiep, I.E. 456

Sachregister Afrikaner 124, 371–380, 383–385 Altes Testament 106, 261, 320, 323, 328, 462 Altphilologie 122, 455, 462 Amsterdam 479, 482–484, 488, 489, 491, 493, 496, 503, 506, 508, 509, 518, 524, 534, 541, 544 anti-colonial 374 anti-Judaism 391, 394–398, 401 Antijudaismus 54, 180, 181, 194, 195, 215, 217–221, 225, 226, 230–232, 236, 266, 286, 287, 305, 308, 323, 441 – christlicher 54, 180, 194, 195, 217, 218, 231, 266, 287, 305, 308, 323 anti-Semitism/anti-Semitic VII, 22, 31–47, 134, 201, 202, 205, 207–212, 216, 339–343, 345, 346, 349–351, 354–363, 412, 417, 418, 420, 423 Antisemitismus VIII, 11, 12, 13, 15, 22, 53, 54, 100, 108, 110, 111, 119, 121, 177, 180, 181, 193, 195, 212, 216, 217, 241, 268, 286, 291, 293, 297, 298, 300, 302, 306–308, 317, 324, 328, 459, 461 – christlicher 119, 177 – Antisemitismusforschung 266 – Antisemitismusprofessor 271 – vulgärer 119, 308, 323 Antitalmudismus 265–290 Apartheid VIII, 14, 367, 368, 370, 371, 376, 378, 380–382, 385–389 Arierparagraphen 246, 249, 250 Aryan Jesus 35 Ausstellung 273, 276, 277, 279, 280, 282, 324, 484 Basel 540 Bayern 535 Belgien 544 Bergpredigt 17, 286, 287, 478, 479 Berlin 39, 57, 97, 105, 107, 202, 273, 282, 284, 294, 295, 308, 329, 350, 369, 438, 439, 468, 473, 485, 497, 512, 533

Bibelfromm 126 Bibelübersetzung 123, 125, 126, 128, 225, 237, 462, 469, 477, 485, 490, 538 Birmingham 540 Cambridge 509 Canterbury 509, 512 Chichester 524 Chiliasmus/chiliasm VIII, 393, 395, 396, 398, 399, 401–406 colonial 41, 377–379, 383 Debreczen 539 Deutschland 468, 475, 477–480, 483, 491, 493, 495, 497, 502, 514, 526, 529, 530, 532, 533, 537 Deutschnationale Volkspartei (DNVP) 103, 105 Dutch Reformed Church 374, 378–381, 385, 393, 398, 399, 400, 402, 405 Ego-Dokument 442, 443 England 524, 525, 544 Entnazifizierung 8, 9, 137, 319, 320, 326 Erlöser- und Urmenschenmythos 178 Forschungsabteilung Judenfrage 5, 6, 7, 21, 161, 168, 270–273, 278, 280, 282, 288, 295, 296, 318, 324 – siehe Reichsinstitut für Geschichte des Neuen Deutschlands Freudenstadt 539 Gallneukirchen 492 Gnadenfeld 494 Greifswald 15, 16, 36, 39, 56, 82, 88, 89, 99–109, 112–114, 127, 131, 286, 430, 454, 455, 465, 467, 469, 470, 472, 474, 475, 477–482, 484–486, 488, 489, 494–496, 498–500, 502, 504, 505–507, 510, 523 Groningen 483

572

Sachregister

Haarlem 500 Halle 503 Helsingfors (Helsinki) 490 Henoch 156, 175, 178, 179, 183, 194, 523 Herrenrasse 281 Holland 468, 469, 477, 482, 483, 486, 490, 491, 493, 496, 500, 508, 509, 518, 519, 523, 528, 529, 532 Institutum Judaicum Delitzschianum 249, 250, 263 Israel 534 Jerusalem 474, 487, 493–495, 500, 502 Judenchristentum – judenchristliche Frage 533 –– judenchristliche Gemeinde 248, 251, 256, 257, 263 – judenchristliche Gruppierung 262 – judenchristliche Kirche 146, 246, 248, 264 – judenchristliche Pfarrer 249 – judenchristliche Theologen 259 – judenchristliche Theologie 146 – judenchristliche Theologiestudenten 260 Judenfeinde/Judenfeindschaft/judenfeindlich V, 21, 22, 168, 219, 221, 224, 231–233, 237, 267, 269, 283, 284, 455, 459 Judenforschung/Judenforscher VIII, 6, 12, 34, 267, 268, 284–286, 288, 291, 292, 294, 295–297, 300, 301, 307, 431 Judenfotos 278 Judenfrage VII, IX, 5,–7, 14, 21, 41, 83, 109, 112, 119, 120, 121, 130, 132, 133, 143, 145, 161, 162, 168, 190, 244, 245, 250, 252, 255, 268, 270–272, 275, 277, 278, 280, 282, 285–288, 291, 292, 294, 296, 297, 299, 300, 302, 304, 306, 308, 314, 318, 324, 328, 339–342, 344, 361, 363, 411–414, 424, 434, 438, 444, 458, 459, 463, 531, 533 judenfreundlich 14 Judenkarikaturen 278 Judenmission 14, 123, 243, 245, 246 Judentum – Judentum, antikes 203, 319 – Judentum, hellenistisches 19, 181 – Judentum, nicht-rabbinisches 178 – Judentum, rabbinisches 16, 17, 64, 107,

176–181, 183–185, 191, 195 Kirchengeschichte 430 Kirchenkampf 191, 323, 435, 438, 439 Köln 509 Kopenhagen 527 Lausanne 511 Leiden 483, 496 Leipzig 470, 473, 474, 483, 485, 494, 500, 504 Lexikographie 219–222, 226, 236, 523 London 509 Lund 527 Lutherakademie 158, 159, 168 Mannheim 543 Mecklenburg 533 Moskau 543 national-protestantisch/national protestant 99, 105, 320 Nationalsozialismus/nationalsozialistisch V, VII, 3, 5, 7, 9, 11, 12, 22, 55, 75, 76, 105, 106, 134, 151, 159, 161, 163, 165–170, 191, 193, 194, 205, 215, 216, 260, 267, 268–270, 279, 281, 283, 284, 286–288, 291, 293, 294, 296, 300, 306, 314, 317, 319, 320, 323, 328, 333, 429, 431, 437, 441, 445, 458, 459, 461 – Nationalsozialist 268, 291, 293, 296, 308, 313, 315, 316, 319, 435, 437, 455, 458, 530, 532 – Nationalsozialist, christlicher 435, 437 – Nationalsozialistischer Deutsche Dozen­ tenbund 205 – Nationalsozialistischer Lehrerbund 205 Neckar 519 Netherlands VIII, 339, 341, 343, 348, 349, 354–357, 359, 362, 363, 368, 372, 381, 385, 387, 391, 394–396, 399, 400, 406 – siehe Niederlande Netzwerk 6, 99, 105, 108, 114, 151, 157, 163, 168, 170, 174, 190, 295, 296, 329, 334, 439, 440, 454, 460 Netzwerkanalyse 440 Neu-Calvinismus/Neo-Calvinism/Neo-Cal­ vinist VIII, 339, 340, 346, 359–361, 363, 369, 376–378, 395, 462

Sachregister Neues Testament 7, 14, 15, 65, 81, 103, 122, 128, 176, 221, 226, 286, 334, 453, 454, 455, 484 Niederlande V, 13, 14, 82, 119, 120, 122–126, 131, 132, 134, 456, 457, 459, 460, 462, 463 – siehe Netherlands Niesky 494 Nordfrankreich 544 Nordsee 512 Norwegen 511 NS-Affinität 10 NS-Kollaboration 444 NS-Rassengesetzen 246, 253 NSDAP 3, 11, 74, 119, 132, 205, 215, 216, 218, 245, 268, 271, 279, 313, 314, 316–318, 320, 324, 328, 330, 331, 333, 431, 434, 435, 436, 437, 442, 455, 458, 461, 533 Oberbayrischer See 518 Offenbarungsglaube/offenbarungsgläubig 103, 126, 138, 456, 467 Offenbarungsreligion 467 Österreich 492, 537, 538 Ostsee 506 Palästina 500, 501, 502 Parteitagsausstellung 279 Paulusbund 247, 260, 261 Philological/philogical 202, 208 Philologie/philologisch 14, 18, 20, 21, 56, 68, 71, 74, 76, 113, 128, 215, 217–220, 222–233, 235–237, 305, 306, 510, 523 Pietismus, schwäbischer 440 Propagandaausstellung 218, 273, 434 Protestantismusgeschichte 433 Rabbinica/rabbinische Literatur 17, 18, 60, 115, 523 race hatred 373 race/racial 35, 37, 38, 44–47, 205, 208, 209, 212, 343–345, 361, 362, 376–383, 385–387, 412, 414 racial segregation 344, 380, 381, 387 Radauantisemitismus 119 Rasse 120, 121, 146, 208, 209, 269, 273, 280, 281, 303 – Rasseanthropologie 291

573

– Rassebeleid 379 – Rassebiologe 296, 303 – Rassedünkel 323 –– Rassenbeleg 269 – Rassenbiologe 261 – rassenbiologisch 5 – Rassendiagnose 304 – Rassenforschung 269, 297 – Rassengemisch 254, 278 – Rassengesetze 269 – Rassengesetzgebung 256 – Rassenhygieniker 278 – Rassenidee 283 – Rassenideologie 303 – Rassenklassifikation 269 – Rassenkunde 209, 291, 305, 382 – Rassenkundler 304, 315 – Rassenlehre 268, 284, 287 – Rassenmischung 6, 255, 280, 388 – Rassenpolitik 193 – Rassenschande 259, 278 – Rassentheorie 323 – Rassentrennung 180 – Rassentypologie 287 – Rassentypus 278, 325 – Rassenunterschied 120, 146 – Rassenverbesserung 382 – rassenverschil 144, 145 – Rassenzugehörigkeit 269 – Rasse-Vraagstuk 376 – Regverdige Rasse-Apartheid 380–382, 386 Rehabilitierung 322, 326, 330, 334 Reichsinstitut für Geschichte des Neuen Deutschlands 5, 7, 161, 168, 190, 206, 255, 295, 296, 318, 324, 328, 333 – siehe Forschungsabteilung Judenfrage Religionsgeschichte 64, 155, 209, 327, 428, 505 religionsgeschichtliche Schule 79 Riesengebirge 499 Rumänien 511 Sachsen 471, 474 Schipluiden 123, 455, 549 Schlatter-Schule 53, 60, 76 Schwarzwald 539 Schweden 14, 64, 158, 166, 173–175, 190, 191, 495, 499, 537

574

Sachregister

Schweiz 491, 495 Septuagint(a) VIII, 15, 202–208, 210–212, 232, 233, 258, 259 Septuaginta-Forschung 258 ’s Gravenhage (Den Haag) 493, 508 Siebenbürgen 511 Skandinavien 527 Studiorum Novi Testamenti Societas (SNTS) 40, 124, 150, 157 Spruchkammerverfahren VIII, 308, 334 Stellenbosch 369, 385 Stockholm 499 Stuttgart 467 Südafrika/South Africa V, 14, 367–377, 380, 381, 384–387, 400, 520

Tübingen-Syndrom 444

Theological Dictionary of the New Testa­ ment (TDNT) 19, 211 Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament (ThWNT) VIII, 18, 69, 73, 113, 115, 129, 150, 151, 156, 157, 168, 181, 182, 183, 187, 190, 195, 201–204, 206–209, 211, 212, 215–232, 236, 237, 432, 433, 439 Tirol 517 Toledot Jeschu 273 Tschechoslowakei 470 Tübingen 3, 4, 9, 14, 17, 36, 37, 39, 40, 44, 46, 53–57, 60, 62, 63–65, 68, 72, 76, 80, 82, 83, 89, 90, 93, 94, 96, 97, 99, 104, 106, 112, 127, 143, 145, 249, 268, 269, 271, 294, 296, 297, 307, 308, 313, 315–317, 321, 326, 329, 330, 332, 333, 341, 345, 367–369, 414, 430, 440, 444, 445, 454, 455, 465, 466, 495, 508–521, 523–529, 531, 534, 536–540, 543, 544, 550

Weltanschauung/weltanschaulich 12, 72, 75, 273, 288, 328, 431, 435–437, 444, 461 – Weltanschauungsgemeinschaften 10 – Weltanschauungskampf 126 – Weltanschauungspolitik 319

Ungarn 539 Uppsala 499, 527 Urmenschenmythos 183 Utrecht 479, 483 Varel 483 Verein Deutscher Studenten (VDS) 109 Vlissingen 509 Vrije Universiteit 58, 120, 122–125, 133, 134, 136, 138, 340, 341, 360, 362, 363, 367–369, 378, 380, 385, 395, 401, 454, 455, 462, 477, 479, 485, 497, 504, 514, 515, 525, 526, 542

Wien 4, 6, 13, 95, 234, 262, 263, 273, 277, 278, 284, 285, 288, 294, 296, 297, 302, 305, 307, 308, 323, 324, 437, 439, 455, 466, 521, 541, 542, 543 Wissenschaftlernetzwerke 14 Wissenschaft/wissenschaftlich V, VI, 3, 4, 8, 9, 14–18, 21, 32, 58, 70, 72, 90, 114, 121, 151, 161, 163, 165, 167–170, 207, 222, 223, 267, 291–293, 295, 297, 299, 303, 306–309, 323, 334, 433, 434, 441, 442, 454 Wittenberg 495 Württemberg 508, 535