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German Pages 495 Year 2013
Außenwirtschaft Grundlagen der realen und monetären Theorie von
Univ.-Prof. Dr. Gerhard Rübel
Georg-August-Universität Göttingen
Oldenbourg Verlag München
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2013 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 143, D-81671 München Telefon: (089) 45051-0 www.oldenbourg-verlag.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Lektorat: Dr. Stefan Giesen Herstellung: Constanze Müller Titelbild: thinkstockphotos.de Einbandgestaltung: hauser lacour Gesamtherstellung: Beltz Bad Langensalza GmbH, Bad Langensalza Dieses Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706. ISBN 978-3-486-71660-3 eISBN 978-3-486-73177-4
Vorwort Das vorliegende Lehrbuch stellt die umfangreichen Zusammenhänge und Aspekte der internationalen Wirtschaftsbeziehungen kompakt und übersichtlich dar. Für das Verständnis des Stoffes sind lediglich ökonomische Grundkenntnisse erforderlich. Mathematische Zusammenhänge sind weitgehend aus dem Text ausgegliedert und in eigenen Anhängen dargestellt, sie sind für das Sachverständnis nicht unbedingt erforderlich. Das Buch ist daher für alle Studierenden der Wirtschaftswissenschaften geeignet, die das interessante und für fast alle Berufsfelder immer wichtiger werdende Gebiet der Außenwirtschaft in Pflicht- oder Wahlveranstaltungen belegen. Das Buch behandelt drei Aspekte der internationalen Wirtschaftsbeziehungen: Zunächst steht in den beiden ersten Kapiteln die Integration der außenwirtschaftlichen Beziehungen einer Ökonomie in die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung sowie Ursachen und Folgen von ungleichgewichtigen Beziehungen zum Rest der Welt im Mittelpunkt. Im zweiten Teil (Kapitel 3 bis 10) wird die reale Außenwirtschaft behandelt. Zunächst wird anhand der traditionellen Außenhandelstheorie die Frage untersucht, weshalb Länder bestimmte Güter exportieren und andere importieren, welche Konsequenzen dies für die nationalen Wirtschaftsstrukturen hat und welche Wohlfahrtswirkungen von einer internationalen Arbeitsteilung ausgehen. Die Annahmen der traditionellen Außenhandelstheorie sind zwar sehr restriktiv, die aus ihnen gewonnenen Aussagen besitzen jedoch einerseits Trendcharakter, sie ermöglichen es andererseits auf äußerst anschauliche Weise, die positiven Konsequenzen internationalen Handels für alle Beteiligte zu verdeutlichen. Außerdem erhält im Zuge der Globalisierung und der damit verbundenen Fragmentation der Produktionsprozesse die Faktorausstattung einzelner Länder und damit die traditionelle Außenhandelstheorie wieder eine größere Bedeutung. Die Darstellung in vorliegendem Lehrbuch geht jedoch weiter. Neben verschiedenen Erweiterungen der traditionellen Theorie werden auch die Bestimmungsfaktoren von intra-sektoralem Handel untersucht und ein Kapitel beschäftigt sich mit der „Neuen Außenhandelstheorie“, ein Begriff, unter dem alle Versuche subsumiert sind, die Annahmen der traditionellen Theorie grundlegend zu modifizieren. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Analyse der Tätigkeiten multinationaler Unternehmen im Zeitalter der Globalisierung. Es werden Voraussetzungen und Motive von Direktinvestitionen dargestellt und die Konsequenzen der immer weiteren Aufteilung der Produktion in Teilprozesse (Fragmentation) und deren internationale Lokalisierung nach Kostengesichtspunkten analysiert. Letzter Schwerpunkt dieses Teils ist die Problematik der Protektion. Verschiedene protektionistische Instrumente werden vorgestellt und ihre Wirkung wird theoretisch untersucht. Daran anschließend wird die Frage diskutiert, weshalb bis heute kein globaler Freihandel existiert, weshalb er sich allerdings immer stärker in regionalen Integrationsgebilden verbreitet. Kapitel 10 widmet sich dann den bisherigen Versuchen zum globalen Abbau protektionistischer Maßnahmen und diskutiert aktuelle Fragen und Forderungen im Rahmen der WTO. Schließlich werden die Konsequenzen der Globalisierung für die nationale Wirtschaftspolitik beleuchtet und versucht, Grundprinzipien einer zukünftigen Welthandelsordnung zu entwerfen.
VI
Vorwort
Roter Faden des dritten Teils, der monetären Außenwirtschaft (Kapitel 11 bis 17), ist das Austauschverhältnis zwischen verschiedenen Währungen, der Wechselkurs. Es werden ökonomische, aber auch nicht-ökonomische Bestimmungsfaktoren der Kurse betrachtet, die Rahmenbedingungen, unter denen Währungen gehandelt werden ebenso wie die Konsequenzen von Wechselkursänderungen und von unterschiedlichen Währungssystemen. Es wird ein Überblick über die grundlegenden Erscheinungsformen von Wechselkursen gegeben und der gleichgewichtige Zusammenhang zwischen Devisenkassa- und Devisenterminmärkten diskutiert. Neben Theorien zur Bestimmung der Wechselkurshöhe werden auch die Rahmenbedingungen untersucht, unter denen Devisen gehandelt werden sowie die grundlegenden Merkmale von Währungssystemen analysiert. Ausführlich werden die bisher existierenden Weltwährungssysteme (Gold-Standard sowie Gold-Devisenstandard), ihre Funktionsweisen und die Gründe ihres Scheiterns dargestellt. In einem eigenen Kapitel steht die europäische Währungsintegration im Mittelpunkt, die vom Europäischen Wechselkursverbund über das Europäische Währungssystem bis zur Währungsunion reicht. Bei letzterer werden neben der Entstehungsgeschichte die ökonomischen Vor- und Nachteile analysiert und eine kritische Bestandaufnahme der bisherigen Erfahrungen durchgeführt. Die Auswirkungen unterschiedlicher Währungssysteme auf die einzelnen Volkswirtschaften und die diesen verbleibenden Möglichkeiten einer eigenständigen Wirtschaftspolitik stehen im Mittelpunkt des letzten Schwerpunkt und zum Abschluss wird der Versuch unternommen, einen Blick in die Zukunft zu werfen und mögliche Aspekte einer neuen internationalen Finanzarchitektur kritisch zu diskutieren.
Inhaltsverzeichnis Vorwort
V
1
Einleitung
1
1.1
Die Lage der Weltwirtschaft ...................................................................................... 1
1.2
Aufbau des Buches .................................................................................................... 3
2
Die Zahlungsbilanz
2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4 2.1.5
Wirtschaftskreislauf einer offenen Volkswirtschaft ................................................... 5 Aufbau der Zahlungsbilanz ........................................................................................ 7 Leistungsbilanz .......................................................................................................... 8 Vermögensübertragungen .......................................................................................... 9 Kapitalbilanz ............................................................................................................ 10 Restposten ................................................................................................................ 11
2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3
Ausgleich der Zahlungsbilanz.................................................................................. 12 Formaler Ausgleich .................................................................................................. 12 Materieller Ausgleich ............................................................................................... 13 Leistungsbilanzausgleich als wirtschaftspolitisches Ziel ......................................... 13
2.3 2.3.1 2.3.2
Bestimmungsfaktoren der Zahlungsbilanz............................................................... 15 Determinanten der Einzelbilanzen ........................................................................... 15 Intertemporaler Ansatz der Zahlungsbilanztheorie .................................................. 26
2.4
Zusammenfassung von Kapitel 2 ............................................................................. 38
5
Aufgaben zu Kapitel 2 ........................................................................................................... 39 3
Die traditionelle Außenhandelstheorie
43
3.1
Fragestellung............................................................................................................ 43
3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3
Verfügbarkeit, Konsumentenpräferenzen und multinationale Unternehmen ........... 44 Natürliche Nicht-Verfügbarkeit, fehlendes technologisches know-how und räumliche Nähe ........................................................................................................ 44 Die Produktlebenszyklustheorie des internationalen Handels ................................. 45 Konsumentenpräferenzen und die Strategie multinationaler Unternehmen ............. 47
3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3
Preisunterschiede als Ursache für Außenhandel ...................................................... 48 Absolute Preisvorteile .............................................................................................. 48 Die Rolle des Wechselkurses bei der Bestimmung der Preisvorteile ....................... 50 Relative Preisvorteile ............................................................................................... 52
VIII
Inhaltsverzeichnis
3.4 3.4.1 3.4.2 3.4.3 3.4.4
Theorie der relativen Kostenvorteile (Ricardo) ....................................................... 53 Die Vorteilhaftigkeit von internationalem Güteraustausch .......................................53 Relative Kosten- und relative Preisvorteile ..............................................................54 Anpassung nach Aufnahme von Handel ...................................................................59 Bestimmung des Weltmarktpreisverhältnisses..........................................................61
3.5
Modelltheoretische Erweiterung ...............................................................................65
3.6
Unterschiede in der allgemeinen Produktionseffizienz.............................................72
3.7
Unterschiede in der Nachfrage .................................................................................74
3.8 3.8.1 3.8.2
Unterschiede in der Faktorausstattung (Heckscher-Ohlin-Theorem) .......................76 Messung anhand der physischen Ausstattung ...........................................................76 Messung am Lohn-Zins-Verhältnis...........................................................................80
3.9
Zusammenfassung von Kapitel 3..............................................................................81
Aufgaben zu Kapitel 3 ............................................................................................................83 4
Nationale Wohlfahrt und das Freihandelsgleichgewicht
87
4.1 4.1.1 4.1.2
Wohlfahrtsgewinne durch Freihandel .......................................................................87 Statische Wohlfahrtseffekte ......................................................................................87 Dynamische Wohlfahrtseffekte .................................................................................89
4.2 4.2.1 4.2.2
Das Freihandelsgleichgewicht ..................................................................................90 Das Konzept der Tauschkurven ................................................................................90 Bestimmung des gleichgewichtigen Güterpreisverhältnisses ...................................95
4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3
Die Stabilität des Freihandelsgleichgewichts ...........................................................97 Die Importnachfrageelastizität entlang einer Tauschkurve .......................................97 Die Stabilität des Gleichgewichts ...........................................................................100 Bedingungen für Stabilität des Weltmarktgleichgewichts ......................................101
4.4
Zusammenfassung von Kapitel 4............................................................................102
Aufgaben zu Kapitel 4 ..........................................................................................................102 5
Erweiterungsmöglichkeiten der traditionellen Außenhandelstheorie
103
5.1 5.1.1 5.1.2
Terms of trade als Wohlfahrtsindikator ...................................................................103 Determinanten der terms of trade ...........................................................................103 Verelendungswachstum ..........................................................................................104
5.2
Das Leontief-Paradoxon .........................................................................................106
5.3 5.3.1 5.3.2 5.3.3 5.3.4
Modellerweiterungen ..............................................................................................108 Qualifikationsunterschiede des Faktors Arbeit .......................................................108 Dimensionserweiterungen ......................................................................................108 Handel- und nicht-handelbare Güter....................................................................... 111 Abbau monopolistischer Strukturen ....................................................................... 112
5.4
Zusammenfassung von Kapitel 5............................................................................ 114
Aufgaben zu Kapitel 5 .......................................................................................................... 114
Inhaltsverzeichnis
IX
6
Neue Außenhandelstheorie und die Wettbewerbsfähigkeit von Ländern
117
6.1 6.1.1 6.1.2 6.1.3
Einige Aspekte der Neuen Außenhandelstheorie ................................................... 117 Angebotsseitige Außenhandelsursachen ................................................................ 117 Nachfrageseitige Außenhandelsursachen ............................................................... 120 Monopolistische Marktstrukturen und strategische Handelspolitik ....................... 123
6.2
Intra-sektoraler Handel .......................................................................................... 125
6.3 6.3.1 6.3.2 6.3.3
Die internationale Wettbewerbsfähigkeit eines Landes ......................................... 127 Traditionelle Messweise ........................................................................................ 127 Der Diamant-Ansatz von Porter............................................................................. 129 Multinationale Unternehmen, technological gap und der Standortwettbewerb von Staaten............................................................................................................. 130
6.4
Zusammenfassung von Kapitel 6 ........................................................................... 133
Aufgaben zu Kapitel 6 ......................................................................................................... 135 7
Direktinvestitionen und Fragmentation
137
7.1
Multinationale Unternehmen ................................................................................. 137
7.2 7.2.1 7.2.2 7.2.3
Direktinvestitionen multinationaler Unternehmen ................................................. 139 Voraussetzungen und Motive von Direktinvestitionen .......................................... 139 Versuche einer theoretischen Erklärung von Direktinvestitionen .......................... 142 Exporte versus Direktinvestitionen ........................................................................ 143
7.3 7.3.1 7.3.2 7.3.3 7.3.4 7.3.5 7.3.6
Fragmentation ........................................................................................................ 148 Erscheinungsformen internationaler Fragmentation .............................................. 148 Organisatorische und geographische Fragmentation ............................................. 150 Fragmentation eines Produktionsprozesses............................................................ 150 Zwei-Güter-Zwei-Faktoren Modell eines kleinen Landes ..................................... 153 Fragmentation und Wettbewerbsfähigkeit ............................................................. 158 Beschäftigungseffekte der Fragmentation.............................................................. 159
7.4
Zusammenfassung von Kapitel 7 ........................................................................... 160
Aufgaben zu Kapitel 7 ......................................................................................................... 162 8
Theorie des Protektionismus
165
8.1
Motive und Instrumente des Protektionismus ........................................................ 165
8.2 8.2.1 8.2.2 8.2.3 8.2.4 8.2.5 8.2.6 8.2.7 8.2.8 8.2.9
Die Wirkungen von Importzöllen .......................................................................... 168 Zollarten................................................................................................................. 168 Partialanalyse eines kleinen Landes ....................................................................... 169 Partialanalyse eines großen Landes ....................................................................... 172 Totalanalyse eines kleinen Landes ......................................................................... 176 Totalanalyse eines großen Landes.......................................................................... 178 Der „Optimalzoll“ .................................................................................................. 182 Die Effektivzolltheorie........................................................................................... 184 Das Erziehungszollargument ................................................................................. 187 Ergebnisse der Zollanalyse .................................................................................... 189
X
Inhaltsverzeichnis
8.3
Die Wirkung eines Importkontingents ....................................................................190
8.4 8.4.1 8.4.2 8.4.3
Sonstige handelspolitische Instrumente ..................................................................192 Exportselbstbeschränkungsabkommen ...................................................................192 Subventionen im Importsubstitutionssektor ...........................................................192 Exportförderung .....................................................................................................196
8.5
Gegenmaßnahmen des Auslands ............................................................................196
8.6
Zusammenfassung von Kapitel 8............................................................................198
Aufgaben zu Kapitel 8 ..........................................................................................................200 9
Integrationstheorie
203
9.1 9.1.1 9.1.2
Formen wirtschaftlicher Integration .......................................................................203 Integrationsräume in der Praxis ..............................................................................203 Stufen der wirtschaftlichen Integration...................................................................203
9.2 9.2.1 9.2.2
Ökonomische Wirkungen der Integration ...............................................................205 Partialanalytische Wirkung einer Zollunion ...........................................................206 Totalanalyse einer Zollunion ..................................................................................210
9.3 9.3.1 9.3.2
Einseitiger Zollabbau versus Zollunion ..................................................................213 Zollfreiheit im Rest der Welt ..................................................................................213 Importzölle im Rest der Welt ..................................................................................214
9.4
Dynamische Effekte einer Zollunion ......................................................................217
9.5
Zusammenfassung von Kapitel 9............................................................................219
Aufgaben zu Kapitel 9 ..........................................................................................................220 10
Handelspolitik und Welthandelsordnung
223
10.1
Die Situation vor dem Zweiten Weltkrieg ..............................................................223
10.2 10.2.1 10.2.2 10.2.3 10.2.4 10.2.5 10.2.6 10.2.7
Geschichte und Entwicklung des GATT .................................................................224 Entstehung der GATT-Vereinbarungen ...................................................................224 Wesentliche Inhalte des GATT von 1947 ...............................................................225 Entwicklung des GATT ..........................................................................................227 Ergebnisse der Uruguay-Runde ..............................................................................229 Aufbau und Aufgaben der WTO .............................................................................231 Das Streitschlichtungsverfahren .............................................................................232 Handelspolitik nach der Uruguay-Runde ...............................................................233
10.3 10.3.1 10.3.2
Stand der handelspolitischen Debatte .....................................................................233 Umwelt- und Sozialstandards in Handelsvereinbarungen ......................................233 Perspektiven der Globalisierung .............................................................................237
10.4
Zusammenfassung von Kapitel 10..........................................................................239
Aufgaben zu Kapitel 10 ........................................................................................................240
Inhaltsverzeichnis
XI
11
Devisenmärkte
241
11.1 11.1.1 11.1.2 11.1.3 11.1.4
Erscheinungsformen des Wechselkurses ................................................................ 241 Devisen, Devisenmärkte und Wechselkurs ............................................................ 241 Kassawechselkurs und Terminwechselkurs ........................................................... 243 Effektive und reale Wechselkurse .......................................................................... 244 Wechselkursrisiken und Möglichkeiten ihrer Absicherung.................................... 245
11.2 11.2.1 11.2.2 11.2.3
Determinanten von Devisenangebot und -nachfrage ............................................. 249 Angebot und Nachfrage aus Außenhandelsgeschäften .......................................... 249 Devisenangebot und -nachfrage aus Spekulationsgeschäften ................................ 256 Devisenangebot und -nachfrage aus kursgesicherten internationalen Anlagegeschäften ................................................................................................... 258
11.3 11.3.1 11.3.2 11.3.3 11.3.4
Gleichgewichtiger Zusammenhang zwischen Kassa- und Terminmärkten ............ 262 Die Arbitragewunschkurve .................................................................................... 262 Die Arbitragemöglichkeitskurve ............................................................................ 263 Gleichzeitiges Kassa- und Terminmarktgleichgewicht .......................................... 264 Veränderungen des Gleichgewichts ....................................................................... 265
11.4
Zusammenfassung von Kapitel 11 ......................................................................... 266
Aufgaben zu Kapitel 11 ....................................................................................................... 267 12
Bestimmungsfaktoren des Wechselkurses
271
12.1 12.1.1 12.1.2 12.1.3
Kaufkraftparitätentheorem ..................................................................................... 271 Kaufkraftparität in absoluter Form ........................................................................ 271 Kaufkraftparität in relativer Form .......................................................................... 273 Handel- und nicht-handelbare Güter ...................................................................... 274
12.2 12.2.1 12.2.2 12.2.3
Die monetäre Wechselkurstheorie.......................................................................... 276 Der Fall eines kleinen Landes ................................................................................ 276 Zwei-Länder-Betrachtung ...................................................................................... 278 Wechselkursbildung im monetären Ansatz ............................................................ 280
12.3 12.3.1 12.3.2 12.3.3 12.3.4
Finanzmarktansatz ................................................................................................. 283 Portfoliotheoretische Zusammenhänge .................................................................. 283 Der wechselkursinduzierte Vermögenseffekt ......................................................... 285 Graphische Darstellung des Portfoliogleichgewichts ............................................ 286 Determinanten des Wechselkursniveaus ................................................................ 287
12.4
Zinsparitätentheorem ............................................................................................. 292
12.5 12.5.1 12.5.2
Überschießende Wechselkursreaktion ................................................................... 293 Kurz- und langfristig reagierende Variable ............................................................ 293 Kurz- und langfristige Veränderungen des Wechselkurses .................................... 294
12.6 12.6.1 12.6.2 12.6.3 12.6.4
Sonstige Bestimmungsfaktoren des Wechselkurses ............................................... 296 Erwartungen und Risiko ........................................................................................ 296 Spekulative Blasen ................................................................................................. 297 Mikrostrukturansatz ............................................................................................... 298 Technische Analyse, Noise Trade und Herdenverhalten ........................................ 299
XII 12.7
Inhaltsverzeichnis Zusammenfassung von Kapitel 12..........................................................................300
Anhang zu Kapitel 12 ...........................................................................................................301 Aufgaben zu Kapitel 12 ........................................................................................................303 13
Währungssysteme
307
13.1
Merkmale von Währungssystemen .........................................................................307
13.2 13.2.1 13.2.2 13.2.3
Regeln für die Bestimmung der Wechselkurse .......................................................307 Feste Wechselkurse durch Entscheidung einzelner Länder ....................................308 Feste Wechselkurse durch institutionelle Vereinbarungen zwischen mehreren Ländern ...................................................................................................................310 Flexible Wechselkurse ............................................................................................313
13.3 13.3.1 13.3.2
Mechanismen des Zahlungsbilanzausgleichs .........................................................313 Zahlungsbilanzanpassung .......................................................................................314 Zahlungsbilanzfinanzierung ...................................................................................316
13.4 13.4.1 13.4.2 13.4.3
Art und Umfang von Währungsreserven ................................................................317 Die wichtigsten Arten von Währungsreserven........................................................317 Bedarf und Entstehung von Währungsreserven ......................................................319 Optimaler Umfang von Währungsreserven ............................................................320
13.5 13.5.1 13.5.2 13.5.3
Feste versus flexible Wechselkurse ........................................................................321 Devisenmarktinterventionen und Unabhängigkeit der Geldpolitik ........................321 Devisenmarktspekulationen ....................................................................................327 Internationale Inflationsübertragung.......................................................................331
13.6
Zusammenfassung von Kapitel 13..........................................................................335
Aufgaben zu Kapitel 13 ........................................................................................................338 14
Weltwährungssysteme in der Praxis
341
14.1 14.1.1 14.1.2 14.1.3 14.1.4
Der klassische Goldstandard...................................................................................341 Institutionelle Regelungen des Goldstandards ........................................................341 Ökonomische Wirkungen des Goldstandards .........................................................343 Beurteilung des Goldstandards ...............................................................................346 Die Zwischenkriegszeit ..........................................................................................348
14.2 14.2.1 14.2.2 14.2.3 14.2.4
Der Gold-Devisen-Standard ...................................................................................350 Die unterschiedlichen Ausgangspunkte ..................................................................350 Das Vertragswerk von Bretton Woods ....................................................................351 Erfahrungen mit dem System und das Triffin-Dilemma .........................................353 Das Scheitern des Gold-Devisen-Standards ...........................................................355
14.3 14.3.1 14.3.2
Flexible Wechselkurse ............................................................................................358 Erfahrungen mit flexiblen Wechselkursen ..............................................................358 Politische Versuche der Devisenmarktbeeinflussung .............................................359
14.4
Zusammenfassung von Kapitel 14..........................................................................361
Aufgaben zu Kapitel 14 ........................................................................................................363
Inhaltsverzeichnis
XIII
15
Währungspolitik in Europa
365
15.1
Der Europäische Wechselkursverbund................................................................... 365
15.2 15.2.1 15.2.2
Das Europäische Währungssystem ........................................................................ 366 Vertragliche Regelungen des Europäischen Währungssystems ............................. 366 Entwicklung und Krisen des EWS ......................................................................... 369
15.3 15.3.1 15.3.2 15.3.3 15.3.4 15.3.5 15.3.6
Die europäische Währungsunion ........................................................................... 374 Der Weg zur europäischen Währungsunion ........................................................... 374 Die Europäische Zentralbank ................................................................................. 378 Die Optimalität Europas als einheitlicher Währungsraum ..................................... 381 Die Problematik asymmetrischer Entwicklungen .................................................. 382 Erfahrungen mit der Europäischen Währungsunion .............................................. 387 Staatsverschuldung und Krise der Währungsunion ............................................... 389
15.4
Zusammenfassung von Kapitel 15 ......................................................................... 391
Aufgaben zu Kapitel 15 ....................................................................................................... 393 16
Wirtschaftspolitik in unterschiedlichen Währungssystemen
397
16.1 16.1.1 16.1.2
Makroökonomischer Modellrahmen ...................................................................... 397 Internes Gleichgewicht .......................................................................................... 397 Außenwirtschaftliches Gleichgewicht ................................................................... 400
16.2 16.2.1 16.2.2 16.2.3
Geld- und Fiskalpolitik .......................................................................................... 404 Expansive Fiskalpolitik.......................................................................................... 404 Expansive Geldpolitik............................................................................................ 409 Auslandseinflüsse .................................................................................................. 412
16.3 16.3.1 16.3.2
Internationale Rückwirkungen ............................................................................... 416 Expansive Fiskalpolitik.......................................................................................... 417 Expansive Geldpolitik............................................................................................ 419
16.4 16.4.1 16.4.2 16.4.3
Geld- und Fiskalpolitik bei flexiblen Güterpreisen ................................................ 420 Erweiterung der Modellstruktur ............................................................................. 421 Expansive Fiskalpolitik.......................................................................................... 424 Expansive Geldpolitik............................................................................................ 427
16.5
Wirtschaftspolitische Implikationen ...................................................................... 429
16.6
Zusammenfassung von Kapitel 16 ......................................................................... 430
16.7
Anhang zu Kapitel 16 ............................................................................................ 431
Aufgaben zu Kapitel 16 ....................................................................................................... 434 17
Zukunft der internationalen Finanzmärkte
437
17.1
Das magische Dreieck der Finanzarchitektur ........................................................ 437
17.2 17.2.1 17.2.2
Erhöhung der internationalen Finanzmarktstabilität .............................................. 439 Institutionelle Überwachung der Märkte ............................................................... 439 Regulierung der Märkte ......................................................................................... 440
XIV
Inhaltsverzeichnis
17.3 17.3.1 17.3.2 17.3.3
Kapitalmobilität und globale Ungleichgewichte ....................................................446 Optimale internationale Kapitalakkumulation ........................................................446 Erzwungener Leistungsbilanzausgleich ..................................................................448 Internationale Ungleichgewichte und Finanzkrisen................................................450
17.4
Vorschläge für eine „neue Finanzarchitektur“ ........................................................453
17.5
Zusammenfassung von Kapitel 17..........................................................................455
Aufgaben zu Kapitel 17 ........................................................................................................456 Literatur
459
Register
475
1
Einleitung
1.1
Die Lage der Weltwirtschaft
Wir leben im so genannten Zeitalter der Globalisierung. Dabei handelt es sich keineswegs um ein rein ökonomisches Phänomen. Durch die dramatische Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologie und der Mobilität rückt die Welt immer enger zusammen. Naturkatastrophen und Hungersnöte, die früher außerhalb der betroffenen Regionen kaum wahrgenommen wurden, lösen heute Hilfsaktionen in allen Erdteilen aus. Die Informationsdichte, die das globalisierte Kapital bewirkt, rückt nicht nur die Märkte enger zusammen, sondern auch die Menschen. Will man den Grad der Globalisierung messen, so darf man sich also nicht auf rein ökonomische Faktoren beschränken, was das Ganze sehr vielschichtig und schwierig macht. Die ETH Zürich hat diesen Versuch unternommen. Für über 123 Länder wird anhand von 23 Einzelindikatoren der Grad der Globalisierung gemessen. Zu den Indikatoren zählen etwa ökonomische Größen wie der Güter- und Dienstleistungshandel, die Direktinvestitionstätigkeit, die internationale Arbeitsmobilität oder der Grad der Handelsbeschränkungen. Berücksichtigt werden aber auch soziale Indikatoren wie der internationale Telefonverkehr, der Grad des Tourismus oder die Internetnutzung sowie politische Indikatoren wie die Zahl der diplomatischen Botschaften, die Mitgliedschaft in internationalen Organisationen oder die Teilnahme an Missionen des UNSicherheitsrats. Es zeigt sich, dass der so berechnete Globalisierungsindex für die Welt als Ganzes seit 1985 kontinuierlich steigt. Trotz der Vielschichtigkeit des Phänomens Globalisierung stehen meist die wirtschaftlichen Aspekte im Mittelpunkt und führen vor allem in den alten Industrienationen auch zu Skepsis und sogar Furcht, etwa vor dem Verlust von Arbeitsplätzen. Obwohl durch die Intensivierung der internationalen Arbeitsteilung in der Tat traditionelle Strukturen in Frage gestellt werden, leistet der Prozess der Globalisierung aber einen wesentlichen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung und zur Überwindung der Ungleichheit in der Welt. Allein im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts waren die Entwicklungsländer Empfänger von über einer Billion US-Dollar privater ausländischer Direktinvestitionen, das ist mehr als die gesamte öffentliche Entwicklungshilfe der 50 Jahre davor zusammengenommen. (Vgl. NORBERG, 2003) Allerdings profitierten davon nicht alle Regionen der Erde in gleichem Maße. In einer Weltbankstudie wurden drei Gruppen von Ländern unterschieden. Zum einen die Industrieländer, die sich schon in den 1970er Jahren gegenüber den Weltmärkten geöffnet hatten, Entwicklungsländer, die dies verstärkt seit etwa 1980 tun und Entwicklungsländer, die sich einer Öffnung ihrer Wirtschaft entgegenstellen. Dabei zeigt sich ein bemerkenswertes Resultat: Das jährliche Wachstum des realen Pro-Kopf-Einkommens betrug von 1990 bis 2001 in den Industrieländern durchschnittlich 1,6 Prozent, in den Entwicklungsländern 3,2 Prozent. Dabei kam es allerdings innerhalb der Entwicklungsländer zu einer sehr großen Schwankungsbreite. Ostasien/Pazifik, Regionen, die sich sehr früh der internationalen Arbeitsteilung ge-
2
1 Einleitung
öffnet hatten, kamen auf einen jährlichen realen Zuwachs von 6,2 %. Auf der anderen Seite stehen die Länder südlich der Sahara, die sich noch immer weitgehend abschotten und die im gleichen Zeitraum sogar einen Rückgang um 0,3 % pro Jahr zu verzeichnen hatten. Diese Länder stehen auch im Globalisierungsindex am Ende der Skala. Die Tendenz zur wirtschaftlichen Globalisierung drückt sich zunächst in der kontinuierlichen Zunahme des internationalen Handels aus. Im Jahr 2010 wurden weltweit Waren im Wert von über 15 Billionen US-Dollar exportiert, das war in realer Betrachtung etwa das Dreißigfache gegenüber 1950. Auch hier sind nicht alle Länder gleichermaßen beteiligt. Etwa zwei Drittel des Weltexports wird von Industrienationen bestritten, wobei die sich öffnenden Entwicklungsländer jedoch deutlich aufholen. Die Staaten Westeuropas haben mit nahezu 40 Prozent den größten Anteil an den Weltexporten. Asien kommt auf gut ein Viertel des Welthandelsvolumens und Nordamerika auf 10 bis 15 Prozent. Die absolute Höhe der Exporte sagt jedoch noch nichts darüber aus, wie stark ein Land von der internationalen Arbeitsteilung abhängig ist. Um hierzu eine Aussage zu erhalten, müssen die Exporte ins Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt gesetzt werden. Dieser Anteil kann auch einen Wert von über 100 Prozent annehmen, wie dies etwa in Singapur der Fall ist. Dort werden offensichtlich viele Vor- und Zwischenprodukte importiert und die damit erstellten Endprodukte wieder exportiert, so dass der Exportwert die inländische Wertschöpfung übersteigt. In Europa weisen Irland und Belgien mit über 80 Prozent dieser Quote die höchste Außenhandelsabhängigkeit auf, die USA liegt bei gut 10 Prozent. In Deutschland lag diese Quote 1970 noch bei knapp 20 Prozent und übersprang 2011 erstmals die 50 Prozent-Marke. Dieser deutliche Anstieg ist sicher auch auf den verstärkten Import von Vorleistungen zurückzuführen, die dann wiederum in den Exporten enthalten sind. Seit 1953 gehört Deutschland zu den drei größten Güterexportnationen und war von 1986 bis 2008 insgesamt 10 Mal so genannter „Exportweltmeister“. Aber nicht nur der internationale Austausch von Gütern und Dienstleistungen erreicht immer neue Rekordhöhen, auch immer mehr Unternehmen agieren weltweit. Sie treffen ihre Entscheidungen über Absatz und Produktion im weltwirtschaftlichen Rahmen. Dabei gehen die zunehmend multinational tätigen Unternehmen immer mehr dazu über, ihren gesamten Produktionsprozess aufzuteilen (fragmentieren) und die einzelnen Komponenten weltweit dort zu lokalisieren, wo die spezifischen Vorteile für gerade diese Tätigkeit vorhanden sind. So besteht etwa ein Auto, das in Deutschland vom Band läuft, nur noch zu einem Teil aus deutscher Wertschöpfung und dieser Teil wird immer kleiner. Der Anteil importierter Vorprodukte, z. T. aus mehreren Dutzend Ländern, aber auch von Managementdienstleistungen, nimmt dagegen immer mehr zu. Daraus folgt aber, dass ein großer Teil des internationalen Warenverkehrs aus Vor- und Zwischenprodukthandel besteht, der innerhalb des Netzwerks multinationaler Unternehmen stattfindet. Schätzungen gehen von mittlerweile über 50 Prozent des Gesamtaußenhandels aus. Diese Entwicklungen haben zur Folge, dass seit Mitte der 1980er Jahre die Direktinvestitionen als Ausdruck der grenzüberschreitenden Tätigkeit von Unternehmen wesentlich schneller steigen als der Güterhandel. Nicht nur im realen Bereich rücken die Märkte immer enger zusammen, noch dynamischer war die Entwicklung auf den internationalen Kapitalmärkten, die immer stärker voneinander abhängig sind. Die Devisenmarktumsätze belaufen sich auf etwa 4 bis 5 Billionen Dollar pro Tag. Dies hat nicht nur Einfluss auf die geldpolitischen Möglichkeiten einzelner Länder, durch das „Zusammenrücken“ verlieren Volkswirtschaften zunehmend ihre nationale Identität.
1.2 Aufbau des Buches
3
Der gesamte Prozess der Globalisierung, der seit Mitte der 1980er Jahre ein Ausmaß annimmt, das Aufmerksamkeit erzeugt, ist auf zahlreiche Ursachen zurückzuführen, die an dieser Stelle nicht vollständig genannt werden können. Dazu gehört etwa: • Der Abbau von Hemmnissen im Güter- und im internationalen Kapitalverkehr durch internationale Abkommen. • Die Öffnung der Volkswirtschaften vieler Entwicklungs- und Schwellenländer und ihre Teilnahme an der internationalen Arbeitsteilung. So hat sich der Anteil der Entwicklungsländer am Welthandel, der 1975 noch bei etwa 12 Prozent lag, mittlerweile mehr als verdoppelt. • Die Transformation der Volkswirtschaften des ehemaligen Ostblocks von Zentralverwaltungswirtschaften zu Marktwirtschaften westlicher Prägung, die ebenfalls ihre Chancen durch die Teilnahme an der internationalen Arbeitsteilung suchen. • Der rapide Preisverfall für Transport- und Kommunikationsmöglichkeiten, vor allem bedingt durch technischen Fortschritt, der eine internationale Ausrichtung der Unternehmenstätigkeit zum einen erst möglich, zum anderen aber auch lohnend macht.
1.2
Aufbau des Buches
Das vorliegende Lehrbuch will die umfangreichen Zusammenhänge und Aspekte der internationalen Wirtschaftsbeziehungen möglichst kompakt und übersichtlich darstellen. Für das Verständnis des Stoffes sind lediglich ökonomische Grundkenntnisse erforderlich. Das Buch ist daher für alle Studierenden der Wirtschaftswissenschaften geeignet, die das interessante und für fast alle Berufsfelder immer wichtiger werdende Gebiet der Außenwirtschaft in Pflicht- oder Wahlveranstaltungen belegen. Der Inhalt gliedert sich in drei Teile. 1. Außenwirtschaftliche Beziehungen einer Volkswirtschaft In Kapitel 2 wird die Integration der außenwirtschaftlichen Beziehungen einer Ökonomie in die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung dargestellt, die Systematik der Zahlungsbilanz wird verdeutlicht und es werden die Ursachen und die Bedeutung von ungleichgewichtigen Beziehungen zwischen den Ländern analysiert. 2. Reale Außenwirtschaft Die Kapitel 3 bis 10 widmen sich der realen Außenwirtschaft. Dabei wird zunächst anhand der traditionellen Außenhandelstheorie die Frage untersucht, weshalb Länder bestimmte Güter exportieren und andere importieren, welche Konsequenzen dies für die nationalen Wirtschaftsstrukturen hat und welche Wohlfahrtswirkungen von einer internationalen Arbeitsteilung ausgehen. Neben verschiedenen Erweiterungen der traditionellen Theorie werden auch die Bestimmungsfaktoren von intra-sektoralem Handel untersucht und ein Kapitel beschäftigt sich mit der „Neuen Außenhandelstheorie“, ein Begriff, unter dem Versuche subsumiert sind, die Annahmen der traditionellen Theorie grundlegend zu modifizieren. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Analyse der Tätigkeiten multinationaler Unternehmen im Zeitalter der Globalisierung. Es werden Voraussetzungen und Motive von Direktinvestitionen dargestellt und die Konsequenzen der immer weiteren Aufteilung der Produktion in Teilprozesse und deren internationale Lokalisierung nach Kostengesichtspunkten analysiert. Letzter Schwerpunkt des zweiten Teils ist die Problematik des Protektionismus. Verschiedene pro-
4
1 Einleitung
tektionistische Instrumente werden vorgestellt und ihre Wirkung wird theoretisch untersucht. Daran anschließend wird die Frage diskutiert, weshalb bis heute kein globaler Freihandel existiert, weshalb er sich allerdings immer stärker in regionalen Integrationsgebilden verbreitet. Schließlich werden die bisherigen Versuche zum globalen Abbau protektionistischer Maßnahmen vorgestellt und aktuelle Fragen und Forderungen im Rahmen der WTO diskutiert. 3. Monetäre Außenwirtschaft Roter Faden der Kapitel 11 bis 17, der monetären Außenwirtschaft, ist das Austauschverhältnis zwischen verschiedenen Währungen, der Wechselkurs. Es werden ökonomische, aber auch nicht-ökonomische Bestimmungsfaktoren der Kurse betrachtet, die Rahmenbedingungen, unter denen Währungen gehandelt werden ebenso, wie die Konsequenzen von Wechselkursänderungen und von unterschiedlichen Währungssystemen. Es wird ein Überblick gegeben über die grundlegenden Erscheinungsformen von Wechselkursen und den gleichgewichtigen Zusammenhang zwischen Devisenkassa- und Devisenterminmärkten. Theorien zur Bestimmung der Wechselkurshöhe werden ebenso diskutiert wie die Merkmale von Währungssystemen. Es wird die bisher zu beobachtende Praxis der monetären Beziehungen zwischen Staaten, die vom Goldstandard und dem Gold-Devisen-Standard bis flexiblen Wechselkursen reicht, problemorientiert dargestellt. Ein eigenes Kapitel widmet sich dabei der Währungspolitik in Europa, vom Wechselkursverbund über das Europäische Währungssystem bis zur Währungsunion. Die Auswirkungen unterschiedlicher Währungssysteme auf die einzelnen Volkswirtschaften und die diesen verbleibenden Möglichkeiten einer eigenständigen Politik stehen im Mittelpunkt des letzten Teils und zum Abschluss werden kritisch die Möglichkeiten und Vorschläge diskutiert, zu einer neuen internationalen Finanzarchitektur zu gelangen.
2
Die Zahlungsbilanz
2.1
Wirtschaftskreislauf einer offenen Volkswirtschaft
Im Wirtschaftskreislauf einer geschlossenen Ökonomie führt die Aggregation aller einzelwirtschaftlichen Transaktionen zum ex-post-Gleichgewicht einer geschlossenen Volkswirtschaft: Die Nettoinvestitionen (In) stimmen mit den gesamtwirtschaftlichen Ersparnissen (S) überein, oder anders ausgedrückt, die Veränderung des gesamtwirtschaftlichen Reinvermögens (Ersparnisse) muss der Veränderung des gesamtwirtschaftlichen Sachvermögens (Nettoinvestitionen) entsprechen. Die Differenz zwischen der Ersparnis und der Nettoinvestition ist der Finanzierungssaldo eines Wirtschaftssubjekts, der auch der Differenz zwischen der Veränderung seiner Forderungen und der Veränderung seiner Verbindlichkeiten entspricht. Da in einer geschlossenen Volkswirtschaft jeder Schuldnerposition eine entsprechende Gläubigerposition gegenübersteht, ergibt sich zwangsläufig ein gesamtwirtschaftlicher Finanzierungssaldo (F) von Null. S = In bzw. F = 0 (2.1) Der arbeitsteilige Wirtschaftsprozess heutiger Volkswirtschaften ist jedoch durch intensive reale und monetäre ökonomische Beziehungen zum Ausland gekennzeichnet. Dies hat auch Konsequenzen für die in (2.1) beschriebene Identität. Dabei liefern die hier dargestellten Zusammenhänge noch keine Kausalerklärungen, sie stellen lediglich Saldenmechanismen dar, die zu ex-post Identitäten führen. Zum einen sind der Export (X) und der Import (M) von Gütern und Dienstleistungen bei der Verwendungsgleichung des Nettoinlandsprodukts zu berücksichtigen. Definitionsgemäß ist das Nettoinlandsprodukt (Yn) einer geschlossenen Volkswirtschaft gleich der Summe aus privatem und öffentlichem Konsum (CH, CSt) und den Nettoinvestitionen (In). Im Inland produzierte Güter werden jedoch nicht nur von den inländischen Sektoren nachgefragt, sondern auch exportiert. Da auf der anderen Seite der Konsum der privaten Haushalte und des Staates sowie die Nettoinvestitionen und die Exporte auch Güter aus ausländischer Produktion enthalten, müssen diese Importe abgezogen werden, um eine Aussage über die nationale Wertschöpfung zu erhalten. Die Differenz zwischen X und M bezeichnet dabei den Außenbeitrag des betrachteten Landes. Yn = CH + CSt + In + X − M (2.2) Fasst man den Konsum der privaten Haushalte und des Staates sowie die Nettoinvestitionen zur inländischen Absorption (A) zusammen, so wird deutlich, dass der Außenbeitrag der Differenz zwischen dem Nettoinlandsprodukt und der inländischen Absorption entsprechen muss. Ein positiver Außenbeitrag impliziert also, dass die inländische Absorption kleiner ist als das Inlandsprodukt. X − M = Yn − A (2.3)
6
2 Die Zahlungsbilanz
Die gesamtwirtschaftliche Ersparnis ergibt sich aus der Differenz zwischen dem Nettoinlandsprodukt und dem gesamtwirtschaftlichen Konsum, wobei in einer offenen Volkswirtschaft auch Übertragungen zwischen dem Inland und dem Ausland, also Güter- und Finanztransaktionen, die ohne ökonomische Gegenleistung erfolgen, zu berücksichtigen sind. Hier sollen die Übertragungen in Form von Nettoübertragungen des Auslands ins Inland (NÜ) berücksichtigt werden, die zusätzlich zur Inlandsproduktion für Konsumzwecke zur Verfügung stehen. Damit gilt: S = Yn + NÜ − CH − CSt (2.4) Die Summe aus Außenbeitrag und Nettoübertragungen vom Ausland ist der Leistungsbilanzsaldo (LB) des betrachteten Landes. LB = X − M + NÜ (2.5) Damit ergibt sich durch Einsetzen von (2.4) in (2.2) und Berücksichtigung von (2.5) das expost Gleichgewicht einer offenen Volkswirtschaft als Identität zwischen den gesamtwirtschaftlichen Ersparnissen auf der einen und der Summe aus Nettoinvestitionen und Leistungsbilanzsaldo auf der anderen Seite, mit anderen Worten, der Leistungsbilanzsaldo entspricht der Differenz zwischen den gesamtwirtschaftlichen Ersparnissen und den gesamtwirtschaftlichen Nettoinvestitionen. S = In + LB bzw. S − In = LB (2.6) Mit dem Export und dem Import von Gütern und Dienstleistungen und von Übertragungen sind immer auch Zahlungsströme verbunden. Jeder Export führt zu Zahlungseingängen, Importe entsprechend zu Zahlungsausgängen. Die Konsequenzen dieser Zusammenhänge werden bei der Interpretation von (2.6) erkennbar. Sind die gesamtwirtschaftlichen Ersparnisse kleiner als die gesamtwirtschaftlichen Nettoinvestitionen – negativer Leistungsbilanzsaldo –, so existiert eine „Ersparnislücke“, ein Teil der inländischen Nettoinvestitionen (des Sachvermögensaufbaus) wird vom Ausland finanziert. Die Differenz zwischen der Ersparnis und den Nettoinvestitionen, der Finanzierungssaldo des Landes, ist in diesem Fall negativ. Dieser Finanzierungsbedarf muss durch Kapitalimporte gedeckt werden, so dass die Schuldnerposition des Inlands gegenüber dem Ausland um den Betrag des Finanzierungsdefizits zunimmt bzw. eine eventuell vorhandene Gläubigerposition entsprechend abnimmt. Sind dagegen die gesamtwirtschaftlichen Ersparnisse größer als die gesamtwirtschaftlichen Nettoinvestitionen, so existiert ein „Ersparnisüberschuss“, ein Teil der inländischen Ersparnis wird nicht investiv im Inland verwendet, sondern dem Ausland durch Kapitalexporte zur Verfügung gestellt. Die Gesamtgläubiger- bzw. Gesamtschuldnerposition des Landes ändert sich damit entsprechend. Das Nettoauslandsvermögen einer Volkswirtschaft entspricht ihrer Gläubiger- (positives Nettoauslandsvermögen) bzw. ihrer Schuldnerposition (negatives Nettoauslandsvermögen) gegenüber dem Ausland. In Höhe der gesamtwirtschaftlichen Ersparnisse (Stromgröße) entsteht also zusätzliches Volksvermögen, das sich aus einer Erhöhung des Sachvermögens im Inland (Nettoinvestition) sowie aus der Veränderung des Nettoauslandsvermögens zusammensetzt. Aus diesen Zusammenhängen folgt, dass die Bestandsgröße Nettoauslandsvermögen der Summe aller Leistungsbilanzsalden der Vergangenheit entsprechen muss. Die Bundesrepublik Deutschland hatte in den 1970er und 1980er Jahren (mit Ausnahme der Jahre 1979 bis 1981) zum Teil hohe Leistungsbilanzüberschüsse, was zu einem Anstieg des Nettoauslandsvermögens führte. Dieses erreichte 1991 548 Mrd. D-Mark (netto zu Markt-
2.1 Wirtschaftskreislauf einer offenen Volkswirtschaft
7
preisen). In den Jahren 1990 und 1991 vollzog sich dann im Zusammenhang mit der deutschen Wiedervereinigung eine dramatische Verschlechterung der deutschen Leistungsbilanz, sie wies von 1991 bis zum Jahr 2000 ein Defizit auf. Damit verringerte sich aber auch das Auslandsvermögen der Bundesrepublik Deutschland, es blieb jedoch positiv. Ab dem Jahr 2001 verzeichnete die deutsche Leistungsbilanz wieder Überschüsse, die in den Jahren 2006 bis 2011 jeweils deutlich über 100 Mrd. Euro betrugen. (Vgl. Tabelle 2.1). Damit stieg auch wieder das Nettoauslandsvermögen und erreichte 2010 den Wert von 951 Mrd. Euro (5391 Mrd. Euro Passiva standen 6342 Mrd. Euro Aktiva gegenüber. Gliedert man die gesamtwirtschaftlichen Größen Ersparnis und Nettoinvestition in sektorale Größen auf, so folgt: LB = (SH − IHn) + (SSt − IStn) + (SU − IUn) (2.7) Da die Differenz zwischen der Ersparnis und der Nettoinvestition eines Sektors seinem Finanzierungssaldo entspricht, gilt auch: LB = FH + FSt + FU = F (2.8) Der Leistungsbilanzsaldo eines Landes ist gleich der Summe der Finanzierungssalden der volkswirtschaftlichen Sektoren und entspricht damit dem gesamtwirtschaftlichen Finanzierungssaldo. Der Leistungsbilanzsaldo wird also neben dem Spar- und Investitionsverhalten der privaten Wirtschaftssubjekte auch vom Budgetsaldo des Staates determiniert. (Vgl. hierzu auch Abschnitt 2.3.2) In der bisher dargestellten volkswirtschaftlichen Kreislaufanalyse sind noch nicht alle Transaktionen zwischen In- und Ausland, insbesondere nicht die rein monetären Beziehungen, berücksichtigt. Eine vollständige Erfassung erfolgt in der Zahlungsbilanz, deren Aufbau im Folgenden dargestellt wird.
2.1.1
Aufbau der Zahlungsbilanz
Die Zahlungsbilanz eines Landes erfasst alle ökonomischen Transaktionen zwischen Inländern und Ausländern in einem bestimmten Zeitraum, bewertet in Inlandswährung. Es handelt sich also um eine Stromgrößenbetrachtung. Inländer und Ausländer werden dabei nicht nach Staatsangehörigkeit unterschieden, Inländer sind vielmehr alle natürlichen Personen mit ständigem Wohnsitz im Inland sowie alle anderen Wirtschaftssubjekte, bei denen der Schwerpunkt ihrer wirtschaftlichen Aktivität im Inland liegt. In der Zahlungsbilanz werden also alle ökonomischen Transaktionen zwischen Gebietsansässigen und Gebietsfremden erfasst. Die Gliederung der deutschen Zahlungsbilanz orientiert sich am „Balance of Payments Manual“ des Internationalen Währungsfonds, in dem die grundsätzlichen Prinzipien der Zahlungsbilanzerstellung für die Mitglieder des Fonds aufgestellt sind. Die Zahlungsbilanz wird danach in verschiedene Teilbilanzen aufgegliedert. Die Aufzeichnung erfolgt grundsätzlich nach dem Prinzip der doppelten Buchführung, es werden also immer Leistung und Gegenleistung verbucht. Daraus folgt, dass die Zahlungsbilanz eines Landes formal immer ausgeglichen sein muss, dass sich die Salden der einzelnen Teilbilanzen also zu Null addieren. Bei den Teilbilanzen unterscheidet man Leistungstransaktionen, die in der Leistungsbilanz zusammengefasst werden, und Finanztransaktionen. Die einzelnen Teilbilanzen sind aus Tabelle 2.1 ersichtlich.
8
2 Die Zahlungsbilanz
Tab. 2.1:
Auszug aus der deutschen Zahlungsbilanz, Salden in Mrd. Euro
Salden der Teilbilanzen I. Leistungsbilanz 1. Außenhandel Ausfuhr (fob) Einfuhr (cif) 2. Dienstleistungen davon Reiseverkehr 3. Erwerbs- und Vermögenseinkommen 4. Laufende Übertragungen Saldo der Leistungsbilanz II. Vermögensübertragungen III. Kapitalbilanz Direktinvestitionen Wertpapiere Finanzderivate Übriger Kapitalverkehr Veränderung der Währungsreserven (Zunahme: −) Saldo der Kapitalbilanz IV. Restposten
2000
2005
2008
2011
+62,9 596,9 534,0 −59,8 −37,2 −2,6 −28,4 −27,9 +6,8
+156,0 790,6 634,6 −37,6 −36,3 +24,9 −28,7 +114,7 −1,4
+178,3 984,1 805,8 −11,6 −34,7 +35,6 −33,4 +154,8 −0,2
+158,1 1060,0 901,9 −6,5 −32,7 +48,4 −33,5 +147,7 +0,6
+158,8 −152,4 −12,5 +39,4 +5,8 +28,3 −13,2
−22,9 −29,9 −9,3 −69,8 +2,2 −129,6 +16,4
−49,8 +51,4 −30,2 −129,6 −2,0 −160,2 +5,6
−10,0 +37,0 −28,7 −157,4 −2,8 −161,9 +13,6
Quelle: Deutsche Bundesbank, Monatsberichte, verschiedene Ausgaben
2.1.2
Leistungsbilanz
Außenhandel Hier werden die Lieferungen von Waren an das Ausland (Warenexporte) und vom Ausland (Warenimporte) verbucht. Die Exporte werden nach ihrem Wert „free on board“ (fob) erfasst, d. h. Transport- und Versicherungskosten sind bis zur Grenze des Lieferlandes enthalten. Bei den Importen gilt dagegen das Prinzip „cost, insurance, freight“ (cif). Danach sind die Transport- und Versicherungskosten im Wert der Importe bis zur Grenze des Abnehmerlandes enthalten. Exporte führen zu Zahlungseingängen, Importe entsprechend zu Zahlungsausgängen. Die Gegenbuchung zum Güterstrom erfolgt je nach Art des zugrunde liegenden Geschäftes in einer anderen Teilbilanz. Lediglich bei einem reinen Warentauschgeschäft würden beide Buchungen beim Warenverkehr erfolgen. Exporte und Importe werden in der Bundesrepublik Deutschland durch das Statistische Bundesamt erfasst, wobei sich die Erfassungsprobleme durch den Wegfall der innereuropäischen Grenzkontrollen (Schengener Abkommen) seit 1994 verstärkt haben, da man auf die Meldungen der Unternehmen angewiesen ist. Alle anderen in der Zahlungsbilanz erfassten Transaktionen werden von der Deutschen Bundesbank erhoben. Dienstleistungen Die Dienstleistungsbilanz enthält Dienstleistungskäufe von Inländern bei Ausländern (Dienstleistungsimporte) und die entsprechenden Käufe von Ausländern bei Inländern (Dienstleistungsexporte). Eine bedeutende Art von Dienstleistungshandel ist für die Bundesrepublik Deutschland der Reiseverkehr, der traditionell ein hohes Defizit aufweist, da die Bundesbürger sehr gerne ins Ausland reisen und dort Dienstleistungen wie Hotelübernachtungen, Restaurantbesuche u. a. in
2.1 Wirtschaftskreislauf einer offenen Volkswirtschaft
9
Anspruch nehmen. Weitere größere Posten sind Transportleistungen, Finanzdienstleistungen sowie Patente und Lizenzen. Addiert man die Salden von Außenhandels- und Dienstleistungsbilanz, so ergibt sich der Außenbeitrag zum Bruttoinlandsprodukt, wie er im vorhergehenden Abschnitt verwendet wurde. Erwerbs- und Vermögenseinkommen Da die Zahlungsbilanz auf dem Inländerkonzept beruht, muss der Saldo der Erwerbs- und Vermögenseinkommen berücksichtigt werden. Die Einkommen der Inländer im Ausland müssen addiert werden, da dies eine Leistung von Inländern ausdrückt. Im Inland erzielte Einkommen von Ausländern werden abgezogen. Hierzu zählen die grenzüberschreitenden Kapitalerträge und Einkommen aus unselbstständiger Arbeit, also Einkommen aus Faktorleistungen. Eine grenzüberschreitende Faktorleistung tritt etwa dann auf, wenn ein im Inland (Ausland) lebender Arbeitnehmer täglich zu seiner Arbeitsstätte im Ausland (Inland) fährt. Der Saldo der Erwerbs- und Vermögenseinkommen ist gleichzeitig die Differenz zwischen dem Bruttoinlandsprodukt und dem Bruttonationaleinkommen, das die Wertschöpfung aller Inländer (unabhängig vom Ort ihrer Entstehung) erfasst. Laufende Übertragungen Übertragungen sind die Gegenbuchung zu allen Güter- und Finanzgeschäften zwischen Inund Ausländern, die ohne direkte ökonomische Gegenleistung vorgenommen werden. Unterschieden wird dabei zwischen laufenden Übertragungen, zu denen etwa die Beiträge der Bundesrepublik Deutschland an internationale Organisationen zählen, und ihrem Charakter nach einmaligen Übertragungen, die gesondert erfasst werden. Erfolgt eine laufende Übertragung in Form eines Gutes, so ist die Übertragungsbilanz als Gegenbuchung zur Außenhandelsbilanz betroffen. Erfolgt die Übertragung ins Ausland in Form einer finanziellen Zuwendung, so erfolgt die Gegenbuchung in der unten dargestellten Kapitalbilanz. Die bisher betrachteten Teilbilanzen bilden die Leistungsbilanz, in der alle Transfers berücksichtigt werden, die Einfluss auf Einkommen und Verbrauch haben. Da dies bei Vermögensübertragungen nicht direkt der Fall ist, werden diese außerhalb der Leistungsbilanz gesondert erfasst.
2.1.3
Vermögensübertragungen
Hierzu zählen alle Übertragungen zwischen In- und Ausländern, die von mindestens einer der beiden Seiten als „einmalig“ angesehen werden. Beispiele sind Erbschaften, Schenkungen, Schuldenerlasse, aber auch etwa Infrastrukturleistungen der Europäischen Union (während die Beiträge an die Europäische Union laufende Übertragungen sind). Die Buchungstechnik entspricht der der laufenden Übertragungen. So ist die Erbschaft eines wertvollen Möbelstücks eine empfangene Übertragung, deren Gegenbuchung ein Warenimport bildet, wenn das Möbel ins Inland gebracht wurde. Die Erbschaft eines Sparbuchs, das auf ausländische Währung lautet, wird dagegen in der Kapitalbilanz gegengebucht. Addiert man den Saldo der Vermögensübertragungen zum Saldo der Leistungsbilanz, so erhält man den Saldo der „korrigierten Leistungsbilanz“, der, wie in Abschnitt 2.1 diskutiert, dem gesamtwirtschaftlichen Finanzierungssaldo entspricht. Der Finanzierungssaldo gibt also das Ergebnis sämtlicher Leistungstransaktionen zwischen dem betrachteten Land und dem Rest der Welt wieder und entspricht auch deshalb der Veränderung der Nettoauslandsposition des Inlands.
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2.1.4
2 Die Zahlungsbilanz
Kapitalbilanz
Ein Kapitalexport wird durch den Erwerb eines Vermögenstitels durch einen Inländer von einem Ausländer oder die Kreditvergabe durch einen Inländer an einen Ausländer begründet. Als Kapitalimport bezeichnet man analog den Erwerb eines inländischen Vermögenstitels durch einen Ausländer oder die Kreditaufnahme eines Inländers bei einem Ausländer. Rückzahlungen internationaler Schuldverhältnisse werden analog zum Erwerb und der Veräußerung von Wertpapieren behandelt, die Rückzahlung eines ausländischen Kredits durch einen Inländer ist also ein Kapitalexport. Ein Kapitalexport begründet immer die Zunahme von Forderungen an das Ausland (Abnahme von Verbindlichkeiten gegenüber dem Ausland), ein Kapitalimport dagegen eine Zunahme der Verbindlichkeiten gegenüber dem Ausland (Abnahme der Forderungen). Kapitalexporte erscheinen in der Zahlungsbilanz auf der gleichen Seite wie Güterimporte, da sie zu (potenziellen) Zahlungsausgängen führen, Kapitalimporte werden entsprechend auf der Gegenseite verbucht, da sie zu (potenziellen) Zahlungseingängen führen. Kapitalexporte und -importe können entweder als monetäre Komponenten von Leistungstransaktionen auftreten (etwa der im Zusammenhang mit einem Exportgeschäft vergebene Kredit) oder es handelt sich um eine reine Finanztransaktion (Kauf eines ausländischen Wertpapiers als Geldanlage). Der private Kapitalverkehr mit dem Ausland wird in der Zahlungsbilanz in Teilbilanzen gegliedert, deren Abgrenzung primär nach funktionalen Gesichtspunkten erfolgt. Direktinvestitionen Als Direktinvestition bezeichnet man den Kauf bzw. die Gründung und die Liquidation eines Unternehmens oder einer Beteiligung daran im Ausland (auch in Form von Aktien), ebenso langfristige Darlehen und kurzfristige Finanzbeziehungen verbundener Unternehmen. Auch der grenzüberschreitende Immobilienverkehr wird hier erfasst. Erwirbt ein deutsches Unternehmen aus unternehmensstrategischen Überlegungen Aktien eines ausländischen Unternehmens, so handelt es sich um eine Direktinvestition im Ausland (Kapitalexport), die Gegenbuchung erfolgt je nach vereinbarter Zahlungsmodalität in einem anderen Teil der Kapitalbilanz. Würde das inländische Unternehmen eine Produktionsanlage im Inland abbauen und diese im Ausland errichten, so erfolgt die Gegenbuchung zu dieser Art des Kapitalexports in der Außenhandelsbilanz als Export. Direktinvestitionen ausländischer Unternehmen im Inland werden analog hierzu auf den jeweils entgegengesetzten Bilanzseiten erfasst. Wertpapieranlagen Hierzu zählen Portfolioinvestitionen wie Käufe oder Verkäufe von Aktien ohne Beteiligungsabsicht, Wertpapieren, Geldmarktpapieren, Anteilen an Geldmarktfonds o. ä. Gesondert erfasst werden die Finanzderivate.
2.1 Wirtschaftskreislauf einer offenen Volkswirtschaft
11
Kreditverkehr und sonstige Kapitalanlagen Hier werden alle Finanztransaktionen erfasst, die weder Direktinvestitionen noch Wertpapieranlagen zuzuordnen sind. Ein großes Gewicht hat dabei der Kreditverkehr unter Banken, den Hauptakteuren an den internationalen Finanzmärkten. Erfasst werden auch staatliche Kredite an Entwicklungsländer. Der Kreditverkehr wird in kurzfristige (ursprüngliche Laufzeit kleiner als 1 Jahr) und langfristige (ursprüngliche Laufzeit länger als 1 Jahr) Transaktionen unterteilt, außerdem wird zwischen den Sektoren Kreditinstitute, Private und Staat unterschieden. Veränderung der Währungsreserven Die Veränderungen der Währungsreserven der Zentralbank zu Transaktionswerten im betrachteten Zeitraum werden ebenfalls in der Kapitalbilanz erfasst. Auslandsaktiva der Zentralbank sind vor allem Gold, die Reserveposition im Internationalen Währungsfond, Forderungen an die Europäische Zentralbank, Sonderziehungsrechte sowie Bestände von Währungen anderer Länder, entweder in bar, vor allem aber in Form ausländischer Wertpapiere. Bei der Bestimmung der Nettoposition sind hiervon die Veränderungen der Auslandsverbindlichkeiten der Zentralbank, die vor allem aus verzinslichen Einlagen ausländischer Notenbanken bestehen, abzuziehen. Erhält etwa ein Exporteur (Außenhandelsbilanz) ausländische Währung, tauscht diese bei seiner Hausbank in Inlandswährung um und gibt die Hausbank die Fremdwährung an die Zentralbank weiter, so haben als Gegenbuchung zum Warenexport letztlich die Devisenreserven der Zentralbank zugenommen. Auch wenn eine inländische Geschäftsbank im Rahmen einer Portefeuilleumschichtung ihren Bestand an Fremdwährung erhöht und diese bei der Zentralbank kauft, ist, obwohl kein Ausländer an dieser Transaktion beteiligt ist, die Zahlungsbilanz betroffen. Die offiziellen Auslandsaktiva, die Währungsreserven der Zentralbank, nehmen ab, gleichzeitig nehmen der Devisenbestand der privaten Geschäftsbanken und damit ihre Forderungen gegenüber dem Ausland zu. Beide Buchungen erfolgen also innerhalb der Kapitalbilanz, allerdings in unterschiedlichen Teilbilanzen.
2.1.5
Restposten
Ein Restposten ist erforderlich, weil die exakte, lückenlose und periodengerechte Erfassung aller Güter-, Transfer- und Forderungsströme nicht möglich ist. Außerdem können viele Vorgänge nur geschätzt werden, etwa der Geldtransfer von Gastarbeitern in ihre Heimatländer, ebenso ein Teil des Kapitalverkehrs. Auf die Probleme der durch das Schengener Abkommen offenen europäischen Grenzen wurde bereits hingewiesen. Das Statistische Bundesamt ist bei der Erfassung der Güterströme auf die Angaben der Ex- und Importeure angewiesen. Die mit den Warengeschäften verbundenen Finanzierungsgeschäfte werden dagegen über die Deutsche Bundesbank von den Geschäftsbanken erfasst. Aufgrund solcher Schwierigkeiten tritt in der Regel ein Saldo aller statistisch erfassten Leistungs- und Kapitaltransaktionen auf, der als „Saldo der statistisch nicht aufgliederbaren Transaktionen“ bezeichnet wird und als Restposten in der Zahlungsbilanz erscheint.
12
2 Die Zahlungsbilanz
2.2
Ausgleich der Zahlungsbilanz
2.2.1
Formaler Ausgleich
Unter Vernachlässigung von Rest- und Ausgleichsposten setzt sich die Zahlungsbilanz aus der (korrigierten) Leistungsbilanz1, und der Kapitalbilanz zusammen. Der Export von Waren und Dienstleistungen, empfangene Übertragungen und Kapitalimporte stellen (potenzielle) Zahlungseingänge dar, Importe von Waren und Dienstleistungen, geleistete Übertragungen und Kapitalexporte sind dagegen (potenzielle) Zahlungsausgänge. Da jede Buchung eine Gegenbuchung in einer der Teilbilanzen zur Folge hat, sind die beiden Seiten der Zahlungsbilanz bei vollständiger Erfassung wertmäßig stets identisch. Ein Saldo auf der Einnahmeseite der Leistungsbilanz muss stets einem Saldo auf der Ausgabenseite der Kapitalbilanz entsprechen. Daraus folgt, dass ein Leistungsbilanzüberschuss stets einem Nettokapitalexport und ein Leistungsbilanzdefizit stets einem Nettokapitalimport entspricht. Abb. 2.1 zeigt die Saldenmechanik der Zahlungsbilanz in vereinfachter Form. Ein positiver Saldo der Leistungsbilanz ist also identisch der Summe aus privaten Nettokapitalexporten und der Nettozunahme der Auslandsaktiva der Zentralbank. Ein Leistungsbilanzdefizit entspricht der Summe aus privaten Nettokapitalimporten und einer Nettoabnahme der Auslandsaktiva der Zentralbank. Ein Überschuss der Leistungsbilanz bedeutet, dass die Zahlungseingänge größer sind als die Zahlungsausgänge. Da die Zahlungsbilanz insgesamt ausgeglichen sein muss, folgt daraus notwendigerweise, dass in der Kapitalbilanz die Zahlungsausgänge größer sein müssen als die Zahlungseingänge, d. h., es muss in der betrachteten Periode eine Nettoforderung gegenüber dem Ausland entstanden sein. Ein Leistungsbilanzüberschuss muss also immer einem Nettokapitalexport (NKX) entsprechen und impliziert damit eine Zunahme der Nettoauslandposition des Landes. Ein Leistungsbilanzdefizit entspricht folglich einem Nettokapitalimport und impliziert eine Abnahme der Nettoauslandsposition des Landes. Es gilt also: LB = NKX (einschl. der Nettozunahme der Währungsreserven der Notenbank) LB = Veränderung der Nettoauslandsposition des Landes Zahlungsausgänge
Zahlungseingänge
Saldo der Teilbilanz
1. Güterimporte 2. Dienstleistungsimporte 3. Geleistete Übertragungen 1. – 3. 4. Kapitalexporte (Zunahme Forderungen/ Abnahme Verbindlichkeiten gegenüber dem Ausland) 1. – 4.
Güterexporte Dienstleistungsexporte Empfangene Übertragungen
Außenhandelsbilanz Dienstleistungsbilanz Übertragungsbilanz Leistungsbilanz Kapitalbilanz
Abb. 2.1:
Kapitalimporte (Zunahme Verbindlichkeiten/ Abnahme Forderungen gegenüber dem Ausland)
Zahlungsbilanz
Vereinfachtes Aufbauschema der Zahlungsbilanz
Da es sich um grenzüberschreitende Zahlungen handelt, entsprechen Zahlungseingänge einem Angebot an Devisen, Zahlungsausgänge dagegen einer Nachfrage nach Devisen. Da1
Im Folgenden wird unter der Leistungsbilanz stets die korrigierte Leistungsbilanz verstanden.
2.2 Ausgleich der Zahlungsbilanz
13
mit besteht ein enger Zusammenhang zwischen der Zahlungsbilanz und der Situation auf den Devisenmärkten. Ist durch Leistungs- und private Kapitaltransaktionen ein Überschussangebot an Devisen entstanden, so führt dies bei konstanten Wechselkursen zu einer Zunahme der Nettoauslandsaktiva der Notenbank, da sie das Überschussangebot am Devisenmarkt durch ihre Nachfrage beseitigen muss. Bei einer Überschussnachfrage nach Devisen gilt das Umgekehrte, der Bestand an Devisen bei der Notenbank nimmt ab, um die Überschussnachfrage auszugleichen. Verändern sich die Währungsreserven der Zentralbank nicht, so muss sich der Devisenmarkt allein aufgrund privater Transaktionen im Gleichgewicht befinden. Allerdings kann eine Wechselkursänderung und die durch sie ausgelösten Leistungs- oder Kapitaltransaktionen zu diesem Gleichgewicht geführt haben. Der Einfluss des Wechselkurses auf die Zahlungsbilanz wird unten ausführlich diskutiert.
2.2.2
Materieller Ausgleich
Obwohl die Zahlungsbilanz formal immer ausgeglichen sein muss, spricht man häufig von einem Zahlungsbilanzsaldo. Dies kann zum einen auf die Veränderung der Devisenreserven der Notenbank bezogen sein, denn die Summe aus Leistungsbilanzsaldo und Saldo des privaten Kapitalverkehrs wird auch als Saldo der Gesamtbilanz bezeichnet. Eine Zunahme der Devisenreserven der Notenbank würde also einen „positiven Zahlungsbilanzsaldo“ implizieren, eine Abnahme einen „negativen Saldo“. Ein anderes Konzept ist die Unterscheidung zwischen autonomen und zahlungsbilanzinduzierten Transaktionen. Bei letzteren handelt es sich um Transaktionen, die mit dem Ziel durchgeführt werden, die Zahlungsbilanz zu beeinflussen, also wirtschaftspolitische Maßnahmen, etwa die Begebung einer Anleihe zur Zahlungsbilanzfinanzierung, internationale Stützungsaktionen, aber auch Devisenmarktinterventionen der Zentralbank. Ein Ausgleich der Zahlungsbilanz läge vor, wenn dieser sich allein aus autonomen Transaktionen ergäbe. Eine Trennung in autonome und zahlungsbilanzinduzierte Transaktionen ist jedoch in der Praxis kaum möglich. In der Regel ist mit einem Zahlungsbilanzsaldo aber der Saldo der Leistungsbilanz gemeint, da dieser, wie in Abschnitt 2.1 diskutiert, die eigentlichen „Leistungen“ einer Volkswirtschaft im Rahmen der Weltwirtschaft zum Ausdruck bringt.
2.2.3
Leistungsbilanzausgleich als wirtschaftspolitisches Ziel
Da sich die Leistungsbilanzsalden aller Länder zu Null addieren, einer externen Gläubigerposition also immer eine entsprechende externe Schuldnerposition im Rest der Welt gegenübersteht, werden ausgeglichene Leistungsbilanzsalden zur Vermeidung weltwirtschaftlicher Ungleichgewichte oft als politische Zielvorgabe genannt. So wird auch das im deutschen Stabilitäts- und Wachstumsgesetz (StWG) von 1967 genannte Ziel eines „außenwirtschaftlichen Gleichgewichts“ in der Regel als Vermeidung eines Leistungsbilanzsaldos interpretiert. Dennoch bestehen weltweit Leistungsbilanzungleichgewichte, die in den letzten Jahrzehnten tendenziell zugenommen haben. Ein Beispiel hierfür ist das seit Jahrzehnten bestehende Defizit der US-Leistungsbilanz. Betrachtet man die Wechselwirkungen zwischen Leistungsbilanzsaldo und Devisenmärkten, so müsste das Leistungsbilanzdefizit ein Überschussangebot an Dollar auf den Devisenmärkten implizieren und von daher zu einer Abwertung der US-Währung, verbunden
14
2 Die Zahlungsbilanz
mit einer Verbesserung der Leistungsbilanz dieses Landes, führen. Dies ist jedoch deshalb nicht der Fall, weil etwa private Kapitalanleger eine Kapitalanlage in den USA als lohnender ansehen. als in anderen Ländern, was den USA einen Nettokapitalimport beschert. Das Leistungsbilanzdefizit ist also weniger das Zeichen einer mangelnden Konkurrenzfähigkeit der USA auf den Weltmärkten als vielmehr ein Vertrauensbeweis der internationalen Kapitalanleger in die US-Wirtschaft. Eine andere Ursache sind etwa Dollarkäufe von ausländischen Zentralbanken. So hat China in großem Umfang US-Dollar gekauft, um dadurch eine Aufwertung ihrer Währung gegenüber dem Dollar zu verhindern. Ein umgekehrter Zusammenhang bestand etwa Ende der 1980er Jahre in der Bundesrepublik Deutschland. Die deutsche Leistungsbilanz hatte in den 1980er Jahren einen permanenten Überschuss zu verzeichnen, der sich 1989 auf über 5 % des Bruttoinlandsprodukts erhöht hatte. Vor allem von Gewerkschaftsseite wurde dies als Indiz für die gute Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Produkte an den Weltmärkten angesehen, was Lohnsteigerungen rechtfertige. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung wies jedoch auf die Zweideutigkeit des Leistungsbilanzüberschusses hin. Ein signifikanter Teil der Ersparnisse der Bundesrepublik Deutschland werde nicht im Inland investiv verwendet, sondern den Ausländern in Form von Kapitalexporten zur Verfügung gestellt. Dies sei aber nichts anderes als der Beweis eines mangelnden Vertrauens in die Zukunft des eigenen Landes und u. U. ein Export zukünftiger Arbeitsplätze. Eine Verbesserung der Leistungsbilanz, wird in der tagespolitischen Diskussion oft als positive Erscheinung hervorgehoben, da dies eine Steigerung der Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft sowie eine Erhöhung der Konkurrenzfähigkeit der Inlandsprodukte an den Weltmärkten dokumentiere und nicht zuletzt einen positiven Beschäftigungseffekt für das Inland impliziere. Berücksichtigt man jedoch, dass im Ausmaß der Verbesserung der Leistungsbilanz ein Nettokapitalexport erfolgen muss, so erscheint ein Leistungsbilanzüberschuss in anderem Licht. Er muss nicht eine besonders gute internationale Konkurrenzfähigkeit und damit eine Standortstärke der betrachteten Volkswirtschaft ausdrücken, sondern kann auch das Gegenteil bedeuten. Die internationalen Kapitalanleger sehen eventuell im Inland keine hinreichende Rentabilität für ihre Ersparnisse und legen ihr Kapital deshalb im Ausland an. Erfolgt der Kapitalexport in Form von Direktinvestitionen, so bedeutet dies letztlich einen Export zukünftiger Arbeitsplätze. In dieser Betrachtung wäre ein Leistungsbilanzüberschuss eher negativ, als Zeichen eines Standortnachteils, zu interpretieren. Die Fragwürdigkeit des wirtschaftspolitischen Ziels eines Leistungsbilanzausgleichs wird auch deutlich, wenn man den Fall eines Leistungsbilanzdefizits bei Unterbeschäftigung unterstellt. Zum einen könnte man fordern, das Land solle versuchen, seine Exporte zu steigern und die Leistungsbilanz damit zu verbessern, um so einen Beitrag zum Abbau der Unterbeschäftigung im Inland zu leisten. Neben der damit verbundenen Problematik der beggar-my-neighbour-policy (dem Versuch, sich Vorteile zu Lasten des Auslands zu verschaffen), könnte aber auch der Fall vorliegen, dass die bestehende Arbeitslosigkeit nicht konjunktureller Natur ist, sondern auf Kapitalmangel im Inland beruht. In diesem Fall wäre aber keine Nachfragebelebung, sondern verbesserte Rahmenbedingungen für ausländische Direktinvestitionen das geeignetere Mittel zum Abbau der Arbeitslosigkeit. Hat dies Erfolg und steigt der Import ausländischen Kapitals, so ist damit jedoch eine weitere Verschlechterung der Leistungsbilanz verbunden.
2.3 Bestimmungsfaktoren der Zahlungsbilanz
2.3
Bestimmungsfaktoren der Zahlungsbilanz
2.3.1
Determinanten der Einzelbilanzen
15
Die Frage nach den Determinanten eines Leistungs- und damit eines Kapitalbilanzsaldos versucht, die Entstehung der bisher betrachteten ex-post Identitäten mit Hilfe verschiedener Theorien zu erklären. Man kann sich dieser Problematik von zwei Seiten her nähern. Zum einen kann man die Einzelbilanzen von Leistungs- und Kapitalbilanz durchgehen und versuchen, die Handlungsmotive der Wirtschaftssubjekte und deren Wirkung auf die Zahlungsbilanz zu untersuchen. Dies soll in diesem Abschnitt geschehen. Da die Leistungsbilanz aber auch der Differenz zwischen gesamtwirtschaftlicher Ersparnis und gesamtwirtschaftlicher Nettoinvestition entspricht, kann man auch versuchen, die Determinanten dieser beiden Größen zu analysieren, um auf diesem Weg eine Aussage über die Bestimmungsgrößen der Leistungsbilanz zu erhalten. Dies erfolgt in Abschnitt 2.3.2. Die Ursachen von Außenhandel sind vielfältig, sie werden in Kapitel 3 ausführlich dargestellt. Eine der Hauptursachen sind aber nach wie vor unterschiedlich hohe Preise in verschiedenen Ländern für gleichartige Güter. Leistungsbilanzsaldo und absolute Preisvorteile Um eindeutige Aussagen über den Zusammenhang zwischen Güterpreisen und internationalem Handel zu erhalten, werden im Folgenden homogene Güter unterstellt, d.h. die Konsumenten haben keine Präferenzen bezüglich der Herkunft der Güter, es ist ihnen also gleich, ob das Gut im Inland produziert oder importiert wurde. Außerdem soll zur besseren Veranschaulichung von einem Zwei-Länder-Zwei-Güter-Beispiel ausgegangen werden, bei dem die beiden Güter in beiden Ländern produziert und auch in beiden Ländern nachgefragt werden. Für die Güternachfrage ist in diesem Fall ein Vergleich des inländischen mit dem ausländischen Preis vor Aufnahme von Handel entscheidend. Diese Differenz nennt man den absoluten Preisvorteil. Da der Preis im Ausland in ausländischen Währungseinheiten definiert ist, muss dabei auch eine Währungsumrechnung erfolgen. Kennzeichnet man die Güterarten mit dem Subscript 1 und 2 und sei Land 2 das Ausland, dessen Größen mit einem Stern (*) versehen sind, so gilt für einen absoluten Preisvorteil des Landes 1 für Gut 1: p1 < p1* w (2.9) w bezeichnet den Wechselkurs, der als Preis einer ausländischen Währungseinheit, ausgedrückt in inländischen Währungseinheiten, definiert ist. Im Folgenden sei angenommen, die Währung des Inlands sei der Euro (€), die des Auslands der Dollar ($). Land 1 hat dann einen absoluten Preisvorteil für Gut 1, wenn der Preis dieses Gutes im Ausland, umgerechnet in Inlandswährung, – d. h. multipliziert mit dem Wechselkurs – höher ist als im Inland.2 Entsprechend wäre ein absoluter Preisvorteil des Inlands für Gut 2 definiert als: p2 < p2* w (2.10) Da jedoch internationaler Handel immer in zwei Richtungen erfolgen muss, d. h., ein Land nie nur exportieren oder nur importieren kann, müssen sich in dem Zwei-Länder-Beispiel 2
Da in der hier vorgenommenen Betrachtung noch kein Handel erfolgt und auch Kapitalverkehr vernachlässigt wird, existiert streng genommen noch kein Wechselkurs. Man kann deshalb vereinfachend annehmen, dieser sei zunächst durch staatliche Instanzen, unabhängig vom Markt, festgelegt worden.
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2 Die Zahlungsbilanz
die beiden absoluten Preisvorteile zwischen den beiden Ländern verteilen. In der Regel sorgt der Wechselkurs, der ja auch eine Bestimmungsgröße des absoluten Preisvorteils ist, dafür, dass es zu einer Verteilung auf die beiden Länder kommt. Hat etwa, wie in den Gleichungen (2.9) und (2.10) unterstellt, Land 1 einen absoluten Preisvorteil für beide Güter und lässt man internationalen Handel zu, so haben die ausländischen Konsumenten einen Anreiz, beide Güter im Inland zu kaufen, während für das Inland ein Import nicht lohnend ist. Die Folge dieses Zustands ist eine Nachfrage der Ausländer nach inländischer Währung, die sie ja brauchen, um die inländischen Güter kaufen zu können, während dem kein inländisches Angebot gegenübersteht, da die inländischen Konsumenten nicht an den ausländischen Gütern und damit auch nicht an der ausländischen Währung interessiert sind. Die Folge dieses Überschussangebots an Währungseinheiten des Landes 2 (Überschussnachfrage nach denen des Landes 1) ist bei freien Märkten eine Aufwertung der Inlandswährung, die inländische Währung gewinnt gegenüber der ausländischen Währung an Wert, der Wechselkurs fällt. Wenn man nur noch einen Euro für einen Dollar zahlen muss, während man zuvor 1,2 Euro auf-wenden musste, so ist der Dollar billiger geworden, der Euro hat an Wert gewonnen. Eine solche Wechselkursänderung hat natürlich Auswirkung auf die absoluten Preisvorteile, da durch die Aufwertung des Euro die ausländischen Güter für die Inländer, in inländischer Währung ausgedrückt, billiger werden, während sich die inländischen Güter für die in ausländischer Währung zahlenden Ausländer verteuern. In den Gleichungen (2.9) und (2.10) nehmen die rechten Seiten ab. Sobald sich durch den Wechselkursrückgang einer der beiden absoluten Preisvorteile umgekehrt hat, kann Handel in beiden Richtungen beginnen. Im folgenden Beispiel wird davon ausgegangen, dass der absolute Preisvorteil des Landes 1 für Gut 2 geringer war als der für Gut 1. Der absolute Preisvorteil bei Gut 2 dreht sich also um, er liegt jetzt bei Land 2. Land 1 behält dagegen seinen Preisvorteil bei Gut 1. Es gilt: p1 < p1* w und p2 > p2*w (2.11) Findet nun Handel statt, so wird Land 1 sein relativ billigeres Gut 1 exportieren und Gut 2 importieren. Für Land 2 gilt das Umgekehrte. Durch die Öffnung der Grenzen verändern sich jedoch auch die bisherigen Güterpreisniveaus. Während vor Handel der Preis allein durch die Inlandsnachfrage und das Inlandsangebot bestimmt wurde, findet die Preisbildung jetzt an Weltmärkten statt, auf denen sich Angebot und Nachfrage aus allen beteiligten Ländern gegenüberstehen. Vernachlässigt man Transport- oder sonstige Kosten des Handels sowie politische Handelshemmnisse jeglicher Art, so wird sich für jedes Gut ein einheitlicher Weltmarktpreis, ausgedrückt in einer Währung, bilden. Abb. 2.2 gibt einen Überblick über die Bestimmung der Weltmarktpreise. Die äußeren Bilder stellen die Situation in den jeweiligen Ländern vor Aufnahme von Handel dar. Eine solche Situation nennt man Autarkie. Der Preis des Gutes 1, der sich in Land 1 vor Aufnahme von Handel bildet (p1A) – linkes oberes Bild –, ist kleiner als der in Inlandswährung umgerechnete Autarkiepreis des gleichen Gutes in Land 2 (wp1*A) – rechtes oberes Bild. Steigt der Preis über p1A, so entsteht in Land 1 ein Überschussangebot, das auf dem Weltmarkt angeboten wird. Die Überschussangebotskurve des Landes 1 im mittleren oberen Bild bildet also die zum jeweiligen Weltmarktpreis gehörende Differenz zwischen Angebot und Nachfrage in Land 1.
2.3 Bestimmungsfaktoren der Zahlungsbilanz Land 1
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Weltmarkt
Land 2
*
wp1
p1
wp1*
wp1*A ÜA
p1W
ÜA
p1A
ÜN*
ÜN*
N
A
Q1
O Land 1
p2
A
ÜN
O wp2*
-E1, E1*
GG
Weltmarkt
N
Q1*
O wp2*
Land 2
ÜA*
p2A wp2*
ÜA*
wp2*A
ÜN
p2*A A*
O Abb. 2.2:
N*
A*
p1A
Q2
O
GG
E2, -E2*
O
N* Q2*
Weltmarktpreisbildung in einem Zwei-Länder-Fall
Die Überschussnachfrage des Landes 2 wird entsprechend konstruiert. Bei Weltmarktpreisen, die unter wp1*A liegen, entsteht in Land 2 ein Anreiz, das Gut 1 zu importieren. Die zu den jeweiligen Weltmarktpreisen gehörende Importnachfrage entspricht der Überschussnachfrage des Landes 2 nach Gut 1. Sie entspricht exakt der Differenz zwischen Nachfrage und Angebot in Land 2, dargestellt im rechten oberen Bild von Abb. 2.2. Bei der Übertragung der nationalen Preise auf den Weltmarkt ist in Abb. 2.2 vereinfacht ein Wechselkurs von Eins unterstellt. Die Zusammenhänge für Gut 2 gelten analog, die Weltmarktnachfrage entspricht hier der Überschussnachfrage des Landes 1. Sie beginnt beim Autarkiepreis p2A und steigt mit sinkendem Weltmarktpreis. Das Weltmarktangebot beginnt beim Autarkiepreis des Landes 2 für Gut 2. Es steigt mit steigendem Weltmarktpreis und entspricht dabei stets der Differenz zwischen Angebot und Nachfrage dieses Gutes in Land 2. Im Schnittpunkt von Überschussangebot- und Überschussnachfragekurve stimmen Weltmarktangebot und Weltmarktnachfrage überein, der sich dort ergebende Preis ist der gleichgewichtige Weltmarktpreis. Eine ausgeglichene Leistungsbilanz würde dabei implizieren, dass der Wert der Exporte – das Produkt aus gleichgewichtigem Preis und gleichgewichtiger Menge auf dem Weltmarkt des Gutes 1 – dem Wert der Importe – dem Produkt aus gleichgewichtigem Preis und gleichgewichtiger Menge auf dem Weltmarkt des Gutes 2 – entspricht. Dies kann etwa durch eine Veränderung des Wechselkurses sichergestellt werden, ein Zusammenhang, auf den unten näher eingegangen wird. Aus Abb. 2.2 ist auch ersichtlich, dass die Richtung und das Ausmaß des internationalen Handels – neben dem Wechselkurs – von den Autarkiepreisen in den beiden Ländern abhängig ist, die wiederum von zahlreichen Faktoren bestimmt werden. So hat alles Einfluss, was die nationalen Angebots- und Nachfragekurven bestimmt, also etwa die Produktionstechnologie und die Kostensituation der Unternehmen, die Ausstattung der Länder mit Produktions-
18
2 Die Zahlungsbilanz
faktoren, die Präferenzen der Konsumenten, die Einkommensverteilung, die Substitutionsmöglichkeiten zwischen den Gütern und auch zwischen den Produktionsfaktoren. Ebenso können die Marktstruktur, der Monopolisierungsgrad, aber auch die staatlichen Eingriffe in den Marktprozess oder die Wirtschaftspolitik im Allgemeinen genannt werden. All diese Größen bestimmen folglich auch den Leistungsbilanzsaldo des betrachteten Landes. Beispielhaft sollen im Folgenden der Einfluss einer Abwertung der Inlandswährung, eine – aus welchen Gründen auch immer erfolgende – Nachfrageexpansion im Inland und alternativ dazu eine Nachfrageexpansion im Ausland auf den inländischen Leistungsbilanzsaldo betrachtet werden. Leistungsbilanzsaldo und Wechselkurs Die Argumentation erfolgt weiterhin im Rahmen des Zwei-Länder-Zwei-Güter-Zusammenhangs. In Abb. 2.3 sind die Weltmärkte der beiden Güter dargestellt, sie entsprechen den beiden mittleren Bildern der Abbildung 2.2. Eine Überschussnachfrage wird im Weiteren mit E abgekürzt. E entspricht also der Differenz zwischen nachgefragter (C) und angebotener (Q) Menge. Handelt es sich um ein Überschussangebot, so ist E negativ. Subskripte bezeichnen die Güterart, die ausländischen Größen sind wieder mit einem Stern gekennzeichnet. E1 = C1 − Q1, E2 = C2 − Q2 E1* = C1* − Q1*, E2* = C2* − Q2* (2.12) Gleichgewichte auf den Weltgütermärkten ergeben sich bei Identität von Gesamtangebot und Gesamtnachfrage bzw. von Überschussnachfrage des einen und Überschussangebot des anderen Landes. Dabei ist weiterhin unterstellt, dass keine Substitutionseffekte zwischen den beiden Güterarten existieren, d. h. Überschussangebot und Überschussnachfrage nach einem Gut sind lediglich vom Preis dieses Gutes abhängig. − E1 (p1) = E1* (p1*), E2 (p2) = − E2* (p2*) (2.13) In Abb. 2.3. ergeben sich diese Gütermarktgleichgewichte aus den Schnittpunkten von Überschussnachfrage- und Überschussangebotskurven. Damit ist auch der Gleichgewichtspreis bestimmt. Da die Zahlungsbilanz in Inlandswährung ausgedrückt wird, entspricht die Fläche OABC in Abbildung 2.3.a aus Sicht des Landes 1 dem Produkt aus Inlandspreis und Exportmenge, also dem inländischen Exportwert. Analog bezeichnet ODFG in Abb. 2.3.b das Produkt aus Inlandspreis und Importmenge und damit den Importwert des Landes 1. Die Differenz der beiden Flächen entspricht – wenn man wie hier von Dienstleistungshandel und Übertragungen absieht – dem Leistungsbilanzsaldo des Landes 1. Steigt nun der Wechselkurs, wird die Inlandswährung also abgewertet, so verschieben sich in den Abb. 2.3a und 2.3b die jeweiligen ausländischen Kurven. Das Überschussangebot und die Überschussnachfrage des Auslandes sind von Auslandspreisen abhängig. Da auf den Achsen Inlandspreise stehen, müssen die Auslandspreise mit Hilfe des Wechselkurses umgerechnet werden. Steigt der Wechselkurs, so entspricht einem gegebenen Auslandspreis jetzt ein höherer Inlandspreis. Werden etwa bei einem Preis von 10 Dollar 100 Mengeneinheiten vom Ausland auf dem Weltmarkt nachgefragt und ist der Wechselkurs gleich Eins, so entsprechen die 100 nachgefragten Mengeneinheiten auch einem Preis von 10 Euro. Steigt dagegen der Wechselkurs auf 2, so entsprechen die 10 Dollar jetzt 20 Euro, bei denen die 100 Mengeneinheiten nachgefragt werden. Sowohl auf dem Weltmarkt des Gutes 1 als auch auf dem des Gutes 2 verschieben sich die ausländischen Kurven deshalb nach oben.
2.3 Bestimmungsfaktoren der Zahlungsbilanz p1
19
p2 −E 1(p1)
−E2* (p2*) M
L
B' F'
A' D' B
K
A
D
F
E2(p2)
E1* (p1*) O
C
C'
−E1, E1*
O
Abb. 2.3a Abb. 2.3:
G'
G
E2 ,−E2*
Abb. 2.3b
Veränderung von Export- und Importwert bei einer Abwertung
Betrachtet man zunächst Gut 1, so ergibt sich im neuen Gleichgewicht B' ein höherer Inlandspreis und eine größere Exportmenge. Durch die Abwertung werden die inländischen Güter für die Ausländer billiger, da sie beim Umtausch ihrer Währung weniger bezahlen müssen. Die Weltmarktnachfrage nach Gut 1 nimmt also zu. Wenn sich, was hier angenommen wird, die Angebotsentscheidung der inländischen Produzenten allein am Inlandspreis des Gutes orientiert, so wird sich die Angebotsmenge durch die Wechselkursänderung zunächst nicht verändern. Dadurch entsteht, bei noch konstantem Inlandspreis, eine Weltüberschussnachfrage nach Gut 1 in Höhe von BK und der Preis in Inlandswährung steigt, bis das Gleichgewicht B' erreicht ist. Folge ist damit ein eindeutiger Anstieg des inländischen Exportwerts auf OA'B'C'. Die Veränderung des Importwerts ist dagegen nicht eindeutig. Die Importgüter werden bei gegebenem Auslandspreis durch die Abwertung für die Inländer teurer, der Inlandspreis steigt. Dies drückt sich durch die nach oben verschobene ausländische Überschussangebotskurve aus. Bei einem Preis in Höhe des Punktes M in Abb. 2.3.b ist die Inlandsnachfrage zurückgegangen, es ist ein Überschussangebot in Höhe ML entstanden. Der Weltmarktpreis in Inlandswährung sinkt, bis in F' ein neues Gleichgewicht erreicht ist. Der Preis in Inlandswährung ist bei normal verlaufenden Angebots- und Nachfragekurven aber letztlich höher als im ursprünglichen Gleichgewicht, lediglich ein Teil des abwertungsbedingten Preisanstiegs wird durch die Nachfragesenkung zurückgenommen. Ob der Importwert des Landes 1 bei dieser Konstellation sinkt oder steigt, die Fläche OD'F'G' größer oder kleiner ist als ODFG, hängt vor allem vom Ausmaß des Nachfragerückgangs nach Importgütern ab und damit von deren Substituierbarkeit. Man kann drei Fälle unterscheiden: 1) Hohe Preiselastizität der Importnachfrage: Das importierte Gut kann durch ein inländisches Substitut leicht ersetzt werden. In diesem Fall ist die Überschussnachfragekurve des Inlands relativ flach, es wird zu einem deutlichen Rückgang der Nachfrage kommen, und der Importwert wird trotz des gestiegenen Preises fallen. Damit ergibt sich durch die Abwertung eindeutig eine Verbesserung der inländischen Leistungsbilanz.
20
2 Die Zahlungsbilanz
2) Preisanstieg und Mengenrückgang sind prozentual gleich groß. Der Importwert bliebe konstant und die Leistungsbilanz würde sich im Ausmaß des Exportwertanstiegs verbessern. 3) Geringe Preiselastizität der Importnachfrage: Das importierte Gut kann nur schwer ersetzt werden, die Überschussnachfragekurve des Inlands ist relativ steil. Der Mengenrückgang ist daher so gering, dass der Preisanstieg dominiert, der Importwert wird steigen. Auch in diesem Fall kann sich die Leistungsbilanz verbessern, solange der Anstieg des Importwerts kleiner ist als der Anstieg des Exportwerts. Nur in dem Fall, in dem der Anstieg des Exportwerts nicht ausreicht, um den Anstieg des Importwerts zu kompensieren, wird sich die Leistungsbilanz als Folge einer Abwertung der Inlandswährung verschlechtern. Dies ist eine anormale Reaktion der Leistungsbilanz aufgrund einer Wechselkursänderung. Damit gilt für einen Anstieg von w im Überblick: 1) ∆X > 0, ∆M < 0 und damit ∆LB > 0: Normalreaktion 2) ∆X > 0, ∆M = 0 und damit ∆LB > 0: Normalreaktion 3) ∆X > 0, ∆M > 0 3a) ∆X > ∆M und damit ∆LB > 0: Normalreaktion 3b) ∆X = ∆M und damit ∆LB = 0: keine Reaktion 3c) ∆X < ∆M und damit ∆LB < 0: anormale Reaktion Als Normalreaktion der Leistungsbilanz bezeichnet man also den Fall, in dem sich die Leistungsbilanz als Folge einer Abwertung verbessert oder aber als Folge einer Aufwertung verschlechtert (∆LB/∆w > 0) Hinreichende Bedingung für eine Normalreaktion der Leistungsbilanz aufgrund einer Wechselkursänderung ist also eine preiselastische Importnachfrage des Inlands, d. h. die Preiselastizität müsste absolut größer als Eins sein, da in diesem Fall der Mengeneffekt dominiert und der Importwert damit eindeutig sinkt (Fall 1). Die Formulierung einer notwendigen Bedingung müsste dagegen auch alle anderen Preiselastizitäten von Angebot und Nachfrage berücksichtigen. Man kann dabei eine bestimmte Kombination von Angebots- und Nachfrageelastizitäten bestimmen, bei deren Erfüllung die Leistungsbilanz normal auf eine Wechselkursänderung reagiert. Dies ist die sogenannte Robinson-Bedingung (Robinson, 1937), die für den Spezialfall vollkommen elastischer Angebotsfunktionen zur Marshall-LernerBedingung wird (Marshall, 1923; Lerner, 1944).3 Durch die restriktiven Modellannahmen und insbesondere durch die Nichtberücksichtigung von Kapitalverkehr hat die Aussagekraft dieser Bedingungen jedoch an Bedeutung verloren. Ein weiterer Einwand gegen eine Überbewertung von notwendigen Elastizitätsbedingungen beruht auf der hier gemachten Annahme, dass die Überschussangebots- und die Überschussnachfragefunktionen allein vom Preis in den jeweiligen Inlandswährungen abhängig sind. Dies impliziert aber, dass etwa das Angebotsverhalten der inländischen Exporteure unabhängig ist von der Höhe des Wechselkurses. Diesen hier dargestellten, die theoretische Analyse vereinfachenden Fall nennt man „exchange rate pass-through“. Es könnte aber auch sein, dass die Anbieter auf den Weltmärkten andere Kriterien in ihr Preiskalkül aufnehmen, etwa ein bestimmtes Absatzvolumen oder das Erreichen eines bestimmten Marktanteils. Sie könnten aus diesem Grund die Mindererträge, die sich als Folge einer Aufwertung der eigenen Währung ergeben, in Kauf nehmen. In diesem Fall blieben die Preise in Auslandswährung 3
Vgl. zur Herleitung dieser Bedingungen z.B. Rose/Sauernheimer, 2006
2.3 Bestimmungsfaktoren der Zahlungsbilanz
21
trotz einer Wechselkursänderung konstant. Ein solches Verhalten nennt man „pricing to market“-Strategie. Unter Berücksichtigung solcher Verhaltensweisen wird es natürlich fast unmöglich, die genaue Reaktion des Leistungsbilanzsaldos als Folge einer Wechselkursänderung vorherzusagen. Die Deutsche Bundesbank (Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Januar 1997) hat in einer Simulationsanalyse die Wirkung einer dauerhaften 5 %igen Aufwertung der D-Mark auf die deutsche Handelsbilanz untersucht. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass sich der Handelsbilanzsaldo kurzfristig, d. h. noch ohne Mengenreaktionen, um 1,8 % verbessert, also eine anormale Reaktion vorliegt. Sie führt dies vor allem auf eine „pricing to market“Strategie der deutschen Exporteure zurück. Langfristig wird sich die Leistungsbilanz dann normal verhalten, d. h. sie verschlechtert sich, allerdings nur um 0,4 %. Vor allem die relativ geringe Preiselastizität der deutschen Importe, die auf 0,25 % geschätzt wird, ist hierfür verantwortlich. J-Kurven Effekt. Die Tatsache, dass eine Abwertung zunächst nur Preiseffekte und erst längerfristig Mengeneffekte zur Folge hat, wird in der Literatur als J-Kurven-Effekt bezeichnet. Insbesondere in den USA konnte man beobachten, dass es nach einer Abwertung des US-Dollars zunächst zu einer Verschlechterung der Leistungsbilanz kam und die sich als Normalreaktion zu erwartende Verbesserung erst zeitverzögert einstellte. Kurzfristig führt eine Abwertung dazu, dass sich die Importe in Inlandswährung verteuern und für die in Auslandswährung abgeschlossenen Exportgeschäfte weniger erlöst werden kann. Die Handelsmengen reagieren auf diese Preisverzerrung erst zeitverzögert. Deshalb ist die Bedingung für eine Normalreaktion der Leistungsbilanz auf eine Wechselkursänderung meist nur längerfristig erfüllt. Den umgekehrten Fall, eine kurzfristige Verbesserung der Leistungsbilanz als Folge einer Aufwertung, die sich zeitverzögert in eine Verschlechterung umwandelt, nennt man einen Spazierstockeffekt. In Abb. 2.4 sind diese Fälle dargestellt. LB
J-Kurven-Effekt
Zeit
Spazierstockeffekt
−LB
Abb. 2.4:
Zeitverzögerte Reaktion der Leistungsbilanz auf eine Wechselkursänderung
22
2 Die Zahlungsbilanz
Hysterese-Effekt. Eine weitere Verzerrung des Einflusses einer Wechselkursänderung auf den Leistungsbilanzsaldo ist der Hysterese-Effekt. In den USA hatte man beobachtet, dass sich aufgrund der starken Aufwertung des US-Dollars, Anfang der 1980er Jahre, die Leistungsbilanz verschlechterte, also Normalreaktion vorlag. Als aber der Dollar in den folgenden Jahren stark abwertete, blieb die erwartete Verbesserung der Leistungsbilanz aus. Die vorübergehende Aufwertung hatte einen dauerhaften Leistungsbilanzeffekt ausgelöst. Verallgemeinert liegt Hysterese dann vor, wenn eine ökonomische Größe ihren Wert aufgrund eines bestimmten Einflusses ändert und im Zeitverlauf bei ihrem neuen Wert bleibt, obwohl der Einflussfaktor mittlerweile weggefallen ist. Im Falle der Leistungsbilanz führt man eine solche Reaktion z. B. auf fixe Markteintrittskosten zurück. Angenommen, es lohnt sich für einen europäischen Hersteller, seine Güter am US-Markt ab einem Dollarkurs von w1 zu verkaufen. Wenn er aber bisher am US-Markt noch nicht präsent ist, so fallen zusätzliche Investitionskosten an, etwa zum Aufbau eines Händlernetzes, zur Umstellung der Produktion auf den USamerikanischen Geschmack, zur Schulung seiner Mitarbeiter u. a. m. Um diese Kosten zu decken, ist ein höherer Dollarkurs, in Abb. 2.5 etwa der Kurs w2, erforderlich. Der Dollar müsste also, wenn er im Ausgangszeitpunkt bei w1 liegt, aufwerten. Steigt nun der Dollar-Kurs tatsächlich über w2 an, so wird sich der europäische Exporteur am US-Markt etablieren, die hierfür erforderlichen Kosten können durch den hohen Dollarkurs gedeckt werden. w = €/$ MUSA
MUSA w2
w w1
t1 Abb. 2.5:
t2
t3
Zeit
Hysterese-Effekt
Wertet in der Folge der Dollar wieder auf w1 ab, so sind die variablen Kosten des europäischen Exporteurs nach wie vor gedeckt und es lohnt sich für ihn, am US-Markt zu bleiben. Würde er wieder aussteigen, so wären seine Markteintrittskosten verloren (sunk-costs). Für die USA bedeutet dies, dass sich auch bei einem im Zeitverlauf abwertenden Dollar der Importwert nicht verändert und sich die Leistungsbilanz von dieser Seite her nicht verbessert. Der in diesem Abschnitt diskutierte Einfluss einer Wechselkursänderung auf den Leistungsbilanzsaldo beruht auf stark vereinfachende Annahmen. Weitere Einflussfaktoren werden im Rahmen der folgenden Kapitel diskutiert.
2.3 Bestimmungsfaktoren der Zahlungsbilanz
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Leistungsbilanzsaldo und Güterpreise Ein exogener Nachfrageanstieg im Ausland auf beiden Gütermärkten kann in Abb. 2.2 durch eine Rechtsverschiebung der Nachfragekurven in den beiden rechten Abbildungen dargestellt werden. Auf beiden Märkten steigen die ausländischen Autarkiepreise. Überträgt man diese Veränderungen bei gegebenem Wechselkurs auf die Weltmärkte, so ergeben sich, wie im Fall einer Abwertung der Inlandswährung, die in Abb. 2.3 dargestellte Verschiebung beider ausländischer Kurven nach oben. Durch die ausländische Nachfrageexpansion wird auf dem Markt des Gutes 1 bei jedem Weltmarktpreis die ausländische Überschussnachfrage größer, auf dem Markt des Gutes 2 sinkt aus dem gleichen Grund das Überschussangebot bei jedem Weltmarktpreis. Die Konsequenzen dieses Prozesses auf die inländische Leistungsbilanz entsprechen exakt denen einer Abwertung der Inlandswährung. Die Interpretation erfolgt ebenfalls analog. So wird das Importgut für die Inländer teurer, jetzt jedoch nicht wegen des ungünstigeren Austauschverhältnisses der Währungen, sondern weil der Preis in Auslandswährung gestiegen ist. Als Normalreaktion der inländischen Leistungsbilanz als Folge eines exogenen Anstiegs der ausländischen Preise bezeichnet man also eine Verbesserung, als anormale Reaktion eine Verschlechterung. Etwas anders sind die Zusammenhänge bei einer inländischen Nachfrageexpansion. Auch hier geht man von Abb. 2.2 aus, in der sich die inländische Nachfrage in den beiden linken Bildern nach rechts verschiebt, auf beiden Inlandsmärkten steigen die Autarkiepreise. Durch Übertragung auf die Weltmärkte verschiebt sich dort die inländische Überschussnachfrageund die inländische Überschussangebotsfunktion nach oben. Eine eindeutige Reaktion der Leistungsbilanz ergibt sich jetzt von der Importseite her, wo durch die steigende inländische Nachfrage auch der Weltmarktpreis steigt. Der inländische Importwert wird also eindeutig zunehmen. Auf dem Markt des Gutes 1 dagegen kommt es aufgrund des verknappten inländischen Angebots zu einem Preisanstieg. Die Exportmenge sinkt. Ob der Exportwert steigt, oder fällt, ist von der Preiselastizität der Importnachfrage des Auslandes, also vom Ausmaß der Veränderung der Importnachfrage des Auslands aufgrund des Weltmarktpreisanstiegs, aber auch von der Preisreagibilität der inländischen Anbieter abhängig. Fasst man die einzelnen Fälle zusammen, so ergibt sich als Normalreaktion der Leistungsbilanz als Folge einer Nachfrageexpansion im eigenen Land, d. h. eines exogenen inländischen Preisanstiegs, eine Verschlechterung (∆LB/∆p < 0). Damit gilt für einen Anstieg von p im Überblick: 1) ∆M > 0, ∆X < 0 und damit ∆LB < 0: 2) ∆M > 0, ∆X = 0 und damit ∆LB < 0: 3) ∆M > 0, ∆X > 0 3a) ∆M > ∆X und damit ∆LB < 0: 3b) ∆M = ∆X und damit ∆LB = 0: 3c) ∆M < ∆X und damit ∆LB > 0:
Normalreaktion Normalreaktion Normalreaktion keine Reaktion anormale Reaktion
Leistungsbilanzsaldo und sonstige Einflussfaktoren Der ex-post Zusammenhang zwischen dem Leistungsbilanzsaldo und dem Inlandsprodukt wurde bereits in Abschnitt 2.1 verdeutlicht. Der Leistungsbilanzsaldo entspricht der Differenz zwischen dem Nettoinlandsprodukt und der inländischen Absorption. Steigt im Rahmen eines expansiven Prozesses mit dem Volkseinkommen die inländische Absorption, so steigen damit
24
2 Die Zahlungsbilanz
in Abhängigkeit vom Anteil importierter Güter an der inländischen Absorption auch die Importe. Da die Exporte von einer positiven inländischen Konjunkturentwicklung direkt nicht beeinflusst werden, ist ein solcher Prozess mit einer tendenziellen Verschlechterung der Leistungsbilanz verbunden. Analoge Zusammenhänge gelten für das Ausland. Da die ausländischen Importe jedoch den inländischen Exporten entsprechen, ist eine positive Konjunkturentwicklung im Ausland mit einer tendenziellen Verbesserung der inländischen Leistungsbilanz verbunden. Bei einem Rückgang der Volkseinkommen gilt auch der jeweils umgekehrte Zusammenhang für die Veränderung der Importe. Fasst man die in diesem Abschnitt diskutierten Einflussfaktoren auf den inländischen Leistungsbilanzsaldo, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, zusammen, so gilt: LB = ƒ (In- und ausländische Güterpreise, Wechselkurs, Faktorausstattung, Markt- und Kostenstrukturen, Wirtschaftspolitik, Monopolgrad, Faktorpreise, in- und ausländische Volkseinkommen, …) (2.14) Determinanten der Kapitalbilanz Zum Teil sind Kapitalexporte und -importe sowie Veränderungen der Devisenreserven lediglich das Spiegelbild von zugrunde liegenden Leistungsbilanztransaktionen. Wenn etwa ein Exportgeschäft mit einem Zahlungsziel des ausländischen Importeurs verbunden wird, so steigen die inländischen Forderungen gegenüber dem Ausland, es liegt also ein Kapitalexport vor. Ursache hierfür sind aber der Güterexport und die diesem Geschäft zugrunde liegenden Motive. Neben solchen induzierten Kapitalbewegungen gibt es auch reine Finanztransaktionen. Das Ausmaß dieser internationalen Finanztransaktionen ist in den letzten Jahrzehnten sprunghaft gestiegen. Es ist heute zur Regel geworden, dass sich Kapitalanleger nicht mehr auf inländische Alternativen beschränken, sondern international agieren. Neben der Bonität des Schuldners und einem eventuellen Länderrisiko, d. h. der Gefahr, das Vermögen nicht problemlos wieder ins Inland zurücktransferieren zu können, sind es im Wesentlichen die internationale Zinsdifferenz und die Wechselkurserwartung, die den privaten Kapitalverkehr determinieren. Bei einer Anlageentscheidung zwischen In- und Ausland, etwa in Form festverzinslicher Wertpapiere, werden zunächst die Zinssätze verglichen. Je höher c. p. der ausländische Zinssatz, umso eher bzw. mehr wird Kapital im Ausland angelegt, d.h. umso größer ist der Kapitalexport. Je größer der inländische Zinssatz, umso eher wird Kapital importiert. Neben den Zinssätzen spielt vor allem der erwartete Wechselkurs (we) eine wesentliche Rolle. Wenn sich ein Kapitalanleger für eine bestimmte Zeit im Ausland engagiert, so wird vor der Anlage ausländische Währung nachgefragt und nach der Anlage das Kapital und die Zinsen wieder in Inlandswährung zurückgetauscht. Hat während der Dauer der Anlage die Währung, in der angelegt wird, an Wert verloren, so entsteht beim Rücktausch ein Umtauschverlust, der den im Ausland erzielten Zinsertrag schmälert oder sogar überkompensiert. Hat die Auslandwährung dagegen an Wert zugelegt, so erhöht dies einen im Ausland erzielten Zinsertrag. Dem inländischen Zinssatz muss also die Summe aus ausländischem Zins und erwarteter prozentualer Wechselkursänderung gegenübergestellt werden, um zu einer Anlageentscheidung zu kommen: i ⇔ i∗+
we − w w
(2.15)
2.3 Bestimmungsfaktoren der Zahlungsbilanz
25
Wird ein Wechselkursanstieg erwartet, so ist die Differenz zwischen we und w positiv. Der erwartete Kursgewinn der Auslandswährung macht eine Auslandsanlage rentabler, als dies der Auslandszins ausdrückt, bei identischem In- und Auslandszins würde diese Erwartung den Ausschlag für eine Auslandsanlage geben. Ist dagegen we kleiner als w, so schmälert dieser Umtauschverlust den Zinsertrag, bei identischen Zinssätzen würde die Wechselkurserwartung für eine Anlage im Inland sprechen. Neben den Zinssätzen sowie dem erwarteten Wechselkurs gibt es zahlreiche weitere Einflüsse auf den internationalen Kapitalverkehr. Erwähnt seien nur die erwartete Entwicklung der Aktienkurse, erwartete Änderungen in den Inflationsraten oder der Geldpolitik der in Frage kommenden Länder, die wiederum Auswirkungen auf die Zinssätze hätten, staatliche Einflüsse auf den Kapital- oder Devisenmarkt und vieles mehr. Bei den ebenfalls zu den privaten Kapitalbewegungen gehörenden Direktinvestitionen gibt es eine ganze Fülle weiterer Einflussfaktoren. Hierzu zählen absatzorientierte, kostenorientierte und strategische Motive. Ein Unternehmen möchte mit seinem Produkt auf dem Auslandsmarkt Fuß fassen und gründet deshalb eine ausländische Niederlassung. Hier würde das Absatzmotiv dominieren. Internationale Differenzen der Faktorkosten, insbesondere der Löhne, können ebenfalls das Motiv für eine Verlagerung der Produktion ins Ausland sein. Investiert ein Unternehmen in einem Wirtschaftsblock (Europäische Union, Nordamerikanische Freihandelszone o. ä.), so liegt dieser Investition oft die Befürchtung zugrunde, zwischen den einzelnen Wirtschaftsblöcken könne es zu protektionistischen Maßnahmen kommen, die durch eine Präsenz vor Ort umgangen werden können. Fasst man die Einflussfaktoren des Kapitalbilanzsaldos, die auch hier nicht vollständig erfasst werden können, zusammen, so gilt: KB = ƒ (in- und ausländische Zinssätze, Wechselkurserwartungen, Inflationserwartungen, Produktionskostendifferenzen, Absatzstrategien, Protektionistische Gefahren, Aktienpreisentwicklung, …) (2.16) Folgen von Salden der Leistungs- bzw. der Kapitalbilanz Wie in Abschnitt 2.2.3 diskutiert, wird ein Saldo der Leistungsbilanz oft als nicht wünschenswert bezeichnet und eine ausgeglichene Leistungsbilanz als wirtschaftspolitisches Ziel formuliert. Hohe Leistungsbilanzdefizite gelten als Ursache für Beschäftigungsprobleme und werden als Zeichen einer mangelnden internationalen Konkurrenzfähigkeit angesehen. Überschüsse andererseits gelten zwar als Beschäftigungsfördernd und als Wettbewerbsvorteil, dennoch wird aus globalen Gründen ein Ausgleich gefordert, da jedem Überschuss im Rest der Welt ein entsprechendes Defizit gegenübersteht. Auch die mit einem Leistungsbilanzsaldo verbundene Veränderung der externen Vermögenssituation eines Landes wurde oben bereits ausführlich diskutiert. Nun bedeutet aber jede Forderung nach ausgeglichenen Leistungsbilanzsalden automatisch auch die Forderung nach einem Ausgleich der Kapitalbilanzen. Wenn alle Leistungsbilanzsalden Null wären, könnte kein Land mehr netto Kapital ex- oder importieren. Es dürfte zumindest fraglich sein, ob dies mit der ebenfalls erhobenen Forderung nach einer optimalen internationalen Kapitalakkumulation vereinbar ist. Dieser Zusammenhang soll im folgenden Abschnitt etwas ausführlicher diskutiert werden.
26
2 Die Zahlungsbilanz
2.3.2
Intertemporaler Ansatz der Zahlungsbilanztheorie
Leistungsbilanzsaldo als Ergebnis von individuellen Planungen Der Saldo der Leistungsbilanz ist neben seiner Definition als Differenz zwischen dem exportierten und dem importierten Wert von Gütern, Dienstleistungen und Übertragungen auch gleich der Differenz zwischen gesamtwirtschaftlicher Ersparnis und gesamtwirtschaftlicher Nettoinvestition. Wären alle Leistungsbilanzsalden der Welt Null, so würden in allen Ländern Ersparnis und Nettoinvestition übereinstimmen. In der Regel dürften für diesen nationalen Ausgleich von Land zu Land unterschiedliche Zinssätze notwendig sein. Existiert jedoch ein durch keinerlei Restriktionen behinderter internationaler Kapitalverkehr, so würde dies bei einem vollkommenen Markt zu einer Angleichung der Renditen in allen Ländern und zu einer Übereinstimmung von Weltersparnis und Weltnettoinvestition führen. Dabei existierende nationale Differenzen zwischen diesen beiden Größen widersprechen nicht dem Grundsatz einer globalen Optimalität. Die nationalen Salden in den Leistungs- und damit auch Kapitalbilanzen sind aus dieser Sichtweise das Ergebnis einzelwirtschaftlicher Entscheidungen über Sparen und Investieren. Diese beiden Größen haben gemeinsam, dass die Konsequenzen der heutigen Entscheidungen in der Zukunft liegen. Höhere Investitionen bedeuten höhere zukünftige Produktionsmöglichkeiten, und höhere Ersparnisse implizieren zukünftige Konsummöglichkeiten. Eine Analyse des Leistungsbilanzsaldos als Differenz zwischen Sparen und Investieren muss daher auf Erwartungen aufbauen und bedarf einer intertemporalen, d. h. einer über die Gegenwart hinausgehenden Überlegung. Abb. 2.6 zeigt die Entwicklung des deutschen Leistungsbilanzsaldos von 1986 bis 2010 als Differenz zwischen der gesamtwirtschaftlichen Ersparnis und der gesamtwirtschaftlichen Nettoinvestition, beides ausgedrückt in Anteilen am gesamtwirtschaftlichen verfügbaren Einkommen.
16,0 14,0 12,0
S/Y
10,0 8,0 6,0
I/Y
4,0 2,0 0,0
1986198719881989199019911992199319941995199619971998199920002001200220032004200520062007200820092010 Jahr
Abb. 2.6:
Gesamtwirtschaftliche Ersparnis und gesamtwirtschaftliche Nettoinvestition in der Bundesrepublik Deutschland* als Anteile am gesamtwirtschaftlichen verfügbaren Einkommen. Quelle: Deutsche Bundesbank, Monatsberichte, verschiedene Ausgaben und Jahre. (* Bis 1990 Westdeutschland, ab 1991 Gesamtdeutschland)
Man sieht, dass die Verschlechterung der Leistungsbilanz nach dem Rekordüberschuss von 1989 vor allem durch einen Einbruch der Ersparnisse verursacht wurde, während gleichzeitig
2.3 Bestimmungsfaktoren der Zahlungsbilanz
27
die Nettoinvestitionen aufgrund des „Aufbau Ost“ stiegen. Der Übergang zu einem Überschuss im Jahr 2002 ist vor allem auf einen Einbruch bei den Investitionen zurückzuführen. Diese erholten sich nach 2005 wieder, allerdings nahmen gleichzeitig die Ersparnisse deutlich zu, so dass es dadurch zu Rekordüberschüssen in der deutschen Leistungsbilanz kam. Man sieht aus Abb. 2.6 auch deutlich die Spuren der Weltwirtschaftskrise 2007/2008 wo beide Größen eingebrochen sind. Der Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Ersparnis ist dabei vor allem auf die drastisch gestiegene Staatsverschuldung zurückzuführen. Detaillierter kann man die Bestimmungsgründe des Leistungsbilanzsaldos identifizieren, wenn man die gesamtwirtschaftliche Ersparnis und die gesamtwirtschaftliche Nettoinvestition auf sektorale Größen herunter bricht und die sektoralen Finanzierungssalden (Differenz zwischen Ersparnis und Nettoinvestition) untersucht. Aus dem Kreislaufzusammenhang einer offenen Volkswirtschaft in Abschnitt 1 ergab sich aus Gleichung (2.7), dass der Leistungsbilanzsaldo der Summe der sektoralen Finanzierungssalden von privaten Haushalten, privaten Unternehmen und des Staates entspricht. Tabelle 2.2 gibt einen Überblick über die sektoralen Finanzierungssalden in der Bundesrepublik Deutschland in ausgewählten Jahren und damit aus dieser Sicht eine Begründung des deutschen Leistungsbilanzsaldos in diesen Jahren. Bei einer Interpretation dieser Zahlen ist jedoch Vorsicht geboten, weil es sich lediglich um expost Größen handelt, aus denen keine Kausalbeziehungen abgeleitet werden können. Tab. 2.2: Jahr 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1988 1989 1990 1991 2006 2007 2008 2009 2010
Sektorale Finanzierungssalden in Deutschland in Mrd. D-Mark bzw. Euro Private Haushalte 79,9 96,8 87,4 84,8 88,3 101,0 110,7 121,8 141,8 146,7 178,9 213,7 134,3 136,2 138,2 151,0 148,8
Private Unternehmen −42,1 −27,3 −37,3 −45,9 −35,3 −72,1 −90,8 −78,9 −10,2 −45,8 −51,0 −153,1 27,0 43,9 25,6 41,3 63,4
Öffentliche Haushalte −12,7 −59,7 −41,0 −31,0 −35,3 −39,8 −49,7 −62,0 −45,2 4,3 −46,3 −94,7 −37,0 6,3 2,8 −72,7 −82,0
Inland 25,1 9,8 9,1 7,9 17,7 −10,9 −29,8 −19,0 86,4 105,2 81,6 −34,1 124,3 186,4 166,6 119,6 130,2
Ausland −25,1 −9,8 −9,1 −7,9 −17,7 10,9 29,8 19,0 −86,4 −105,2 −81,6 34,1 −134,3 −186,4 −166,6 −119,6 −130,2
Ab 1999 in Euro. Quelle: Deutsche Bundesbank, Monatsberichte verschiedene Ausgaben
Man sieht, dass im Jahr 1975 – das Jahr nach dem ersten Ölpreisschock – die Bundesrepublik Deutschland vor allem deshalb kein Leistungsbilanzdefizit aufwies, weil der private Finanzierungsüberschuss deutlich zunahm. Vor allem das Finanzierungsdefizit der Unternehmen nahm ab, weil im Zuge der wirtschaftlichen Schwierigkeiten nach der Ölpreissteigerung die Investitionstätigkeit sank. Beim Leistungsbilanzdefizit der Jahre 1979 bis 1981 ist dagegen das Finanzierungsdefizit der privaten Unternehmen deutlich gestiegen. Dies war
28
2 Die Zahlungsbilanz
durch steigende Investitionen begründet. Der (damalige) Rekordüberschuss der Leistungsbilanz des Jahres 1989 mit 105,2 Mrd. DM ist zum einen auf die höheren Überschüsse der privaten Haushalte, aber auch auf den Finanzierungsüberschuss des Staates zurückzuführen. Ursache der nach der deutschen Wiedervereinigung deutlich verschlechterten Leistungsbilanz – der Überschuss von 105,2 Mrd. DM verwandelte sich innerhalb von zwei Jahren in ein Defizit von 34,1 Mrd. DM – ist vor allem die drastische Zunahme der Finanzierungsdefizite von Unternehmen und Staat. Der seit 2002 positive und steigende Leistungsbilanzüberschuss ist vor allem durch den Finanzierungssaldo der privaten Unternehmen zu erklären. Dieser weist seit 2002 mit steigender Tendenz einen Überschuss auf, was äußerst ungewöhnlich ist. Das heißt, die Nettoinvestitionen der privaten Unternehmen waren geringer als ihre eigenen Ersparnisse (ihre nicht ausgeschütteten Gewinne). Nach der internationalen Finanzkrise stieg das Finanzierungsdefizit des Staates drastisch an. Gleichzeitig stieg jedoch der private Finanzierungsüberschuss, so dass die Leistungsbilanz weiterhin einen deutlichen Überschuss aufwies. Zur Bestimmung des Leistungsbilanzsaldos aus diesem Blickwinkel sollen im Folgenden die Finanzierungssalden der privaten Haushalte und der privaten Unternehmen durch mikroökonomisch fundierte Optimierungsansätze im Rahmen eines Zwei-Perioden-Planungshorizonts einer kleinen offenen Volkswirtschaft analysiert werden. Periode 1 wird als Gegenwart, Periode 2 als Zukunft bezeichnet. Angebotsseite Es existiert in der Ökonomie ein Gut (Q), das sowohl investiv als auch konsumtiv verwendet werden kann. Der Bestand an Arbeit (A) ist in beiden betrachteten Perioden gegeben und kann bei einem variablen Lohnsatz vollbeschäftigt werden. Der Bestand des Faktors Kapital (K) ist in Periode 1 gegeben. Durch investive Verwendung eines Teils der in Periode 1 verfügbaren Gütermenge kann der Kapitalstock der Periode 2 erhöht werden. Dadurch steigt auch das zukünftig erreichbare Sozialprodukt. Zur Vereinfachung wird von einer Abnutzung des Kapitalstocks in Periode 1 abgesehen, d. h. trotz Güterproduktion ist der zu Beginn der Periode 1 vorhandene Bestand noch in vollem Umfang existent. Damit handelt es sich bei den Investitionen der Periode 1 (I1) gleichzeitig um Brutto- wie um Nettoinvestitionen. Die getätigten Investitionen sollen außerdem sofort und in voller Höhe von den Unternehmen finanziert werden, sie schmälern also den Unternehmensgewinn in Periode 1. Da es sich um ein kleines Land handelt, sind sowohl die Güterpreise in den beiden Perioden als auch der Kapitalmarktzins durch den Weltmarkt gegeben. Für die Unternehmen, die den Gegenwartswert ihres Gesamtgewinns maximieren wollen ergibt sich damit das Optimierungskalkül. Max.
(
)
p1Q1 A1 , K 1 +
u. d. B.
(
)
p2 2 2 2 A2 2 Q A , K − A1 A1 − A − p1 I 1 1+ i 1+ i
A1 = A 1 , A2 = A 2 , K 1 = K 1 , K 2 = K 1 + I 1
mit: p1, p2: Güterpreise in Periode 1 bzw. Periode 2; i: Kapitalmarktzins.
ℓ1,ℓ2: Lohnsatz in Periode 1 bzw. 2;
2.3 Bestimmungsfaktoren der Zahlungsbilanz
29
Die Vollbeschäftigungssichernde Lohnhöhe ergibt sich in beiden Perioden aus der Bedingung der Grenzproduktivitätsentlohnung. Für das optimale Investitionsniveau in Periode 1 gilt: p1 =
p2 2 QK 1+ i
(2.17)
QK2 : Grenzproduktivität des Faktors Kapital in Periode 2 Der Preis (die Kosten) einer (Investitions-)Gütereinheit in Periode 1 entspricht im Optimum dem Gegenwartswert des zukünftigen Grenzprodukts dieser Einheit. Es werden in Periode 2 zusätzliche Kapitaleinheiten eingesetzt, solange die dabei entstehenden Kosten geringer sind als der Gegenwartswert der dadurch zusätzlich zu erzielenden Erträge. Wegen der ZweiPerioden-Restriktion werden Investitionen in Periode 2 nicht berücksichtigt. Das optimale Investitionsniveau ist von den Güterpreisen der beiden Perioden sowie vom Kapitalmarktzins abhängig, also von Größen, die vom Weltmarkt gegeben sind und auf die das betrachtete kleine Land keinen Einfluss hat. Daneben haben alle Faktoren Einfluss auf die Investitionsentscheidung, die die Grenzproduktivität des Faktors Kapital in Periode 2 beeinflussen. Dabei wird unterstellt, dass die Grenzproduktivität des Faktors Kapital mit zunehmendem Kapitaleinsatz abnimmt. Sinkt die Grenzproduktivität durch negative externe Einflüsse wie etwa steigende Rohölpreise, so muss bei gegebenen Güterpreisen und konstantem Zinssatz die Grenzproduktivität durch einen sinkenden Kapitaleinsatz wieder erhöht werden, um die Optimalbedingung (2.17) zu erfüllen. Das Investitionsvolumen in Periode 1 sinkt. Andererseits würde etwa durch technischen Fortschritt oder andere positive Einflussfaktoren auf die zukünftige Grenzproduktivität auch das Investitionsvolumen zunehmen. Private Nachfrage Argumente der Nutzenfunktion der privaten Haushalte sind der Gegenwarts- und der Zukunftskonsum:
(
U = U C 1 ,C 2
)
(2.18)
C1, C2: Konsummengen der Haushalte in Periode 1 bzw. Periode 2. Unterstellt man die üblichen Annahmen der Haushaltstheorie – positiver aber abnehmender Grenznutzen beider Konsumarten –, so kann der aus der Kombination von Gegenwarts- und Zukunftskonsum resultierende Nutzen der Haushalte durch eine Schar intertemporaler Indifferenzkurven dargestellt werden, die den bekannten konvexen Verlauf aufweisen. Die Grenzrate der zeitlichen Substitution – die Steigung der Indifferenzkurven – entspricht dabei dem reziproken Verhältnis der Grenznutzen und gibt an, welche Menge der Haushalt in Zukunft zusätzlich konsumieren möchte, wenn er heute auf eine Konsumeinheit verzichtet und sein Gesamtnutzen konstant bleiben soll. Ist dieser Ausdruck absolut größer als Eins, so liegt Gegenwartspräferenz vor, der Haushalt ist nur dann bereit, heute auf eine Konsumgütereinheit zu verzichten, wenn er dafür in der Zukunft mehr als diese Einheit zurückbekommt. −
dC 2 dC 1
=
U1 U2
(2.19)
Durch die beschriebenen Produktionsbedingungen ist auch das Einkommen der privaten Haushalte in Periode 1 gegeben. Sie haben außerdem subjektiv sichere Erwartungen bezüg-
30
2 Die Zahlungsbilanz
lich ihres Einkommens in Periode 2. Auch die Güterpreise in beiden Perioden sowie der Zinssatz und die Steuerzahlungen an den Staat sind den Haushalten bekannt (Periode 1) bzw. werden als subjektiv sicher erwartet (Periode 2). Unter Abzug der Steuerzahlungen vom Bruttoeinkommen in der jeweiligen Periode ergibt sich der Gegenwartswert des verfügbaren Gesamteinkommens der Haushalte als:
1 2 Yv 1+ i
YvG = Yv1 +
(2.20)
Können die Haushalte ihr verfügbares Gesamteinkommen beliebig über die beiden Perioden hinweg konsumieren, so gilt die Identität:
YvG = C G = p1C 1 +
p2 2 C 1+ i
(2.21)
Löst man (2.21) nach C2 auf, so folgt: C2 =
1+ i p
2
YvG −
p1 p
2
(1 + i )
C1
(2.22)
Dies ist eine intertemporale Konsummöglichkeitsgerade mit der Steigung − p1 : p2/(1 + i). Dieses Preisverhältnis determiniert, welche Mengeneinheiten des Gutes die Haushalte in Periode 2 zusätzlich konsumieren können, wenn sie auf eine Mengeneinheit in Periode 1 verzichten. Es stellt also die intertemporalen Substitutionsmöglichkeiten dar. Versuchen die Haushalte durch eine optimale Aufteilung des Konsums über die beiden Perioden unter Berücksichtigung der Einkommensrestriktion ihren Nutzen zu maximieren, so ergibt sich das Optimierungskalkül: Max
(
U C 1 ,C 2
)
u. d. B.
YvG = p 1C 1 +
p2 2 C 1+ i
Im Haushaltsoptimum gilt: U1 p1 = 2 U2 p (1 + i )
bzw.
−
dC 2 dC 1
=
p1 p 2 (1 + i )
(2.23)
Das Haushaltsoptimum ist also dann erreicht, wenn die Steigung einer intertemporalen Indifferenzkurve und die Steigung der Konsummöglichkeitsgeraden übereinstimmen, wenn also die Grenzrate der zeitlichen Substitution dem Verhältnis der Güterpreise der beiden Perioden entspricht. Staatliche Instanzen Auch die staatlichen Instanzen nehmen einen Teil des gesamtwirtschaftlichen Güterbergs durch Besteuerung der privaten Haushalte für sich in Anspruch und verwenden ihn zur Bereitstellung öffentlicher Güter. Dabei muss der Gegenwartswert der Steuereinnahmen dem Gegenwartswert der Ausgaben entsprechen.
T1 +
1 2 1 2 T = C 1St + C St 1+ i 1+ i
(2.24)
Auf ein Optimierungskonzept zur Bestimmung des Staatsbudgetsaldos in den einzelnen Perioden wird aus Vereinfachungsgründen verzichtet.
2.3 Bestimmungsfaktoren der Zahlungsbilanz
31
In Abb. 2.7 sind die Zusammenhänge graphisch dargestellt. Dabei werden auf der Abszisse die Gegenwartswerte und auf der Ordinaten die Zukunftsgrößen abgetragen. Das mit den vorhandenen Beständen an Kapital und Arbeit bei optimaler Produktion in Periode 1 erzielbare Volkseinkommen beträgt od. Wird in Periode 1 nichts investiert, so erreicht die betrachtete Volkswirtschaft ein zukünftiges Volkseinkommen im Ausmaß od'. Wird dagegen ein Teil des heute vorhandenen Güterberges für investive Zwecke genutzt, so steigt das zukünftig erreichbare Volkseinkommen. Da der Bestand an Arbeit gegeben ist (aber in den beiden Perioden nicht identisch sein muss), nimmt der Grenzertrag des Kapitaleinsatzes in Periode 2 mit zunehmender Investitionstätigkeit ab, und es ergibt sich die intertemporale Transformationskurve NN'. Die in Periode 1 eingesetzten Investitionseinheiten werden auf der Abszisse von d aus nach links abgetragen, da sie von dem vorhandenen Güterberg abgezogen werden; die damit in Periode 2 zusätzlich verfügbaren Güter werden von d' aus nach oben gemessen. Punkt N' kennzeichnet also den Fall, in dem die gesamte, in Periode 1 verfügbare Gütermenge investiv verwendet würde, es ergäbe sich damit das höchstmögliche zukünftige Volkseinkommen. Y2, C2
Y2 (I = Y1) N' P
c' G
a'
T
b'
N
d':Y 2 (I = 0)
C
e'
α 0
a b c
e
Y1= od
T1= bc
SPr1 = (−) (de + bc)
I1= cd
CSt1 = ac
SSt1 = (−) ab
C1= oe Abb. 2.7:
d
α
U (C1 , C2) Y1, C1
LB1 = SPr1 + SSt1 – I1 = −ae
Leistungsbilanzsaldo als Ergebnis intertemporaler Planungen
Da unterstellt wird, dass das betrachtete Land im Rahmen seiner Budgetrestriktionen jede Gläubiger- oder Schuldnerposition in Periode 1 gegenüber dem Ausland eingehen kann, werden die intertemporalen Verbrauchsmöglichkeiten durch die in (2.22) diskutierte intertemporale Konsummöglichkeitsgerade (Kapitalmarktlinie) dargestellt. Das reale Tauschverhältnis zwischen Gegenwart und Zukunft bestimmt die Steigung dieser Budgetlinie und gibt damit die Verbrauchsmöglichkeiten in Gegenwart und Zukunft an, die durch eine Kreditvergabe oder Kreditaufnahme gegenüber dem Rest der Welt erreicht werden können.
32
2 Die Zahlungsbilanz
Ziel ist es nun, unter Berücksichtigung der Faktorausstattung und der Produktionsmöglichkeiten des Landes die größtmögliche Kapitalmarktlinie zu erreichen. Dabei handelt es sich um die Gerade, die die intertemporale Transformationskurve des Landes tangiert. Das optimale Investitionsvolumen ist damit durch den Tangentialpunkt zwischen der intertemporalen Transformationskurve und der Kapitalmarktlinie in Punkt P gegeben und beträgt cd. Dass in diesem Punkt auch die Bedingung der optimalen Investitionshöhe erfüllt ist, ergibt sich aus Gleichung (2.17), die Steigung der Kapitalmarktlinie entspricht der Grenzproduktivität des zukünftigen Kapitaleinsatzes, also der Steigung der intertemporalen Transformationskurve. Damit folgt für Periode 2 ein optimales Volkseinkommensniveau in Höhe von oc'. Durch die Berücksichtigung des Staates liegen die Konsummöglichkeiten privater Güter seitens der Haushalte unterhalb der gesamtwirtschaftlichen Kapitalmarktlinie. Auch die staatlichen Einnahmen und Ausgaben stellen Ansprüche an den vorhandenen Güterberg dar und werden von den noch vorhandenen Gütern ausgehend, also von rechts nach links (Abszisse) bzw. von unten nach oben (Ordinate), gemessen. Wenn die Steuereinnahmen des Staates in Periode 1 bc, in Periode 2 b'c' betragen und seine Ausgaben ac bzw. a'c', so erhält man durch senkrechte und waagrechte Verbindungslinien die Punkte T und G, die die intertemporale Aufteilung von Steuern und Staatsausgaben determinieren. Damit liegt die Konsummöglichkeitsgerade privater Güter parallel unterhalb der Kapitalmarktlinie und verläuft durch die Punkte T und G. Im hier besprochenen Beispiel hat der Staat in Periode 1 ein Defizit in Höhe von ab und in Periode 2 einen entsprechenden Überschuss von a'b'. Das Ausmaß der Differenz zwischen der gesamtwirtschaftlichen Kapitalmarktlinie und der Konsummöglichkeitsgeraden privater Güter wird durch das Ausmaß der Gesamtstaatsaktivität, also vom Gegenwartswert der Gesamtstaatsausgaben, bestimmt, nicht aber davon, ob der Staat in Periode 1 ein Budgetdefizit oder einen Budgetüberschuss aufweist. Das Nutzenmaximum der privaten Haushalte ergibt sich durch den Tangentialpunkt zwischen einer intertemporalen Indifferenzkurve der Haushalte und ihrer Konsummöglichkeitsgeraden. Die optimale intertemporale Aufteilung des Konsums privater Güter durch die Haushalte beträgt in Abb. 2.7 0e bzw. 0e' es ist also eine relativ hohe Gegenwartspräferenz unterstellt. Aus den hier unterstellten Zusammenhängen folgt für Periode 1 eine negative private Ersparnis in Höhe von de + bc4 und eine negative Ersparnis des Staates im Ausmaß ab. Damit ergibt sich als Differenz zwischen der negativen gesamtwirtschaftlichen Ersparnis in Höhe von −(ac + de) und dem optimalen Niveau der Nettoinvestitionen (cd) ein Leistungsbilanzdefizit in Höhe von ae, d. h. im Ausmaß der waagrechten Differenz zwischen den Punkten C und G. Determinanten des Leistungsbilanzsaldos im intertemporalen Kontext Temporärer externer Schock: Alle Veränderungen, die Einfluss auf die Spar- und Investitionsentscheidungen von Haushalten und Unternehmen haben, beeinflussen in diesem Ansatz auch den Leistungsbilanzsaldo. So wird etwa ein negativer Volkseinkommenseffekt in Periode 1, der als temporär, also als nur vorübergehend angesehen wird, die Leistungsbilanz in 4
Dabei muss beachtet werden, dass die Investitionen der Periode 1 in voller Höhe den Ersparnissen der privaten Unternehmen entsprechen und damit die gesamte private Ersparnis aus der Differenz zwischen Y − T auf der einen und C auf der anderen Seite gebildet wird.
2.3 Bestimmungsfaktoren der Zahlungsbilanz
33
Periode 1 negativ beeinflussen, da die privaten Haushalte den notwendigen Konsumverzicht über die Zeit verteilen und in der ersten Periode ihre Ersparnisse reduzieren. In Abb. 2.8 ist ein solcher Effekt dargestellt. Y2, C2
P1 G1
P
G T
T1
N1
N
C C1
0
Abb. 2.8:
a1
a
e1
e
Y1, C1
Negativer externer Schock in Periode 1
Da sich die Erwartungen für Periode 2 nicht ändern, verschiebt sich Punkt N aufgrund der Einkommensreduktion in Periode 1 waagrecht nach links zu N1. Bei Konstanz der Güterpreise, des Zinssatzes und der Staatsaktivität hat dieser negative temporäre Schock keinen Einfluss auf das optimale Investitionsniveau, so dass sich auch Punkt P – und mit ihm die Punkte T und G – waagrecht nach links verschieben. Da der Konsum vom Gegenwartswert des Gesamteinkommens abhängig ist, verschiebt sich Punkt C nach links unten zu C1, d. h. aufgrund des Einkommensrückgangs wird der Konsum in beiden Perioden sinken. Der durch den heutigen Einkommensrückgang erforderliche Konsumverzicht wird also zum Teil in die Zukunft verlagert. Damit sinkt der Konsum in Periode 1 aber um weniger als das Einkommen, die im hier unterstellten Beispiel ohnehin negative Ersparnis der privaten Haushalte weitet sich aus, und die Leistungsbilanz in Periode 1 verschlechtert sich. Die waagrechte Differenz zwischen den Punkten G1 und C1 (a1e1) ist größer als die Differenz zwischen G und C (ae). Y1 ↓ → YG ↓ ↓ 1 C ↓ ← → C2 ↓ ↓ S1 ↓→ LB1 ↓
34
2 Die Zahlungsbilanz
Für die Zukunft erwarteter externer Schock: Umgekehrt wird ein für die Zukunft erwarteter Einkommensrückgang bereits heute durch Konsumenthaltung, d. h. durch höhere Ersparnisse, berücksichtigt und beeinflusst damit die Leistungsbilanz in Periode 1 positiv. Punkt N verschiebt sich in Abb. 2.9 in diesem Fall senkrecht nach unten zu N2, da das Einkommen in Periode 1 noch konstant bleibt. Hat der für die Zukunft erwartete negative Schock auch negative Auswirkungen auf die zukünftige Grenzproduktivität des Faktors Kapital, so wird auch das optimale Niveau der Investitionstätigkeit (waagrechte Differenz zwischen den Punkten N und P) sinken. Punkt P, und mit ihm die Punkte G und T, verschieben sich nicht nur nach unten, sondern auch nach rechts zu P2 bzw. G2. Y2, C2
P P2 G T N G2 N2 T2 C C2
0 Abb. 2.9:
a
a2
e2
e
Y1, C1
Für Periode 2 erwarteter negativer exogener Schock
Y G ↓ ← Y 2 ↓ → Q K2 ↓ ↓ 1 C ↓ ← → C2 ↓ ↓ ↓ S1 ↑ → LB1 ↑ ← I1 ↓ Für die Konsumentscheidungen der Haushalte ist der Gegenwartswert ihres Gesamteinkommens relevant. Dieses sinkt, der Konsum geht damit in beiden Perioden zurück. Ein Teil des für die Zukunft gegenüber der bisherigen Planung erwarteten Einkommensverlustes wird also bereits im heutigen Konsumverhalten berücksichtigt. Die Leistungsbilanz der Periode 1 wird sich aufgrund des für die Zukunft erwarteten negativen Schocks also eindeutig verbessern, zum einen wegen der steigenden Ersparnisse der privaten Haushalte (Konsumrückgang bei konstantem Einkommen), zum anderen wegen des Rückgangs des optimalen Investi-
2.3 Bestimmungsfaktoren der Zahlungsbilanz
35
tionsniveaus. Der waagrechte Abstand zwischen den Punkten G2 und C2 ist gegenüber der Differenz zwischen C und G von beiden Seiten her kleiner geworden. Staatliche Einflüsse: Auch der Einfluss des Staates auf die Leistungsbilanz wird bereits aus dem hier betrachteten Zwei-Perioden-Ansatz deutlich: Grundsätzlich hat jede staatliche Aktivität, sei es in Form von Subventionen, Regulierungen oder steuerlichen Instrumenten, Einfluss auf die privaten Spar- und Investitionsentscheidungen und damit indirekt auf den Leistungsbilanzsaldo. Daneben können staatliche Instanzen aber auch direkt als Teil der gesamtwirtschaftlichen Ersparnis und Nettoinvestition den Leistungsbilanzsaldo beeinflussen. Dabei wird unter Berücksichtigung des in Gleichung (2.7) beschriebenen Zusammenhangs meist ein eindeutiger und enger Zusammenhang unterstellt, d. h. mit steigendem Staatsbudgetdefizit verschlechtere sich auch die Leistungsbilanz. Unterstellt man eine Erhöhung des Staatsbudgetdefizits in Periode 1, das auf einen Anstieg der staatlichen Ausgaben bei Konstanz der Steuereinnahmen zurückzuführen ist, so hat diese Maßnahme zweifellos Auswirkungen auf die Höhe des Leistungsbilanzsaldos. Allerdings sind dabei zahlreiche Modifikationen zu unterscheiden: 1. Neutralisierung der Staatsausgabensteigerung: Die Konsumenten sehen die Ausgabensteigerung als ein temporäres Phänomen an, das seitens des Staates wieder neutralisiert wird, d. h. also etwa durch eine entsprechende Reduzierung der staatlichen Ausgaben in der Zukunft. In diesem Fall bleiben in beiden Perioden ihre Steuerzahlungen konstant und sie sehen keine Auswirkungen des gestiegenen Staatsbudgetdefizits auf den Gegenwartswert ihres Gesamteinkommens. Sie werden deshalb auch nicht ihre Konsum- und Sparentscheidung in Periode 1 verändern. Dies ist in Abb. 2.10 als Fall 1 dargestellt. Sowohl die Konsummöglichkeitskurve als auch der optimale Konsumpunkt bleiben unverändert, Punkt G verschiebt sich auf der Geraden nach links zu G1, und im Ausmaß dieser Verschiebung (a1a) verschlechtert sich die Leistungsbilanz. 2. Anstieg der zukünftigen Steuerbelastung: Wenn die Konsumenten dagegen erwarten, dass sie letztlich die Finanzierung des gestiegenen Staatsbudgetdefizits der Periode 1 übernehmen müssen, etwa durch zukünftige Steuererhöhungen, so verschiebt sich ihre Konsummöglichkeitsgerade im Ausmaß des Gegenwartswerts der zukünftigen Steuererhöhung nach unten. Relevant ist jetzt Punkt G2. Sie werden wegen des für die Zukunft erwarteten Einkommensrückgangs ihre Sparaktivität in Periode 1 erhöhen, der Konsumpunkt verschiebt sich zu C2. Die Einschränkung des Konsums in Periode 1 hat für sich genommen eine positive Leistungsbilanzreaktion, deren Ausmaß von der Zeitpräferenzrate der Haushalte abhängig ist. Insgesamt wird sich die Leistungsbilanz aber auch in diesem Fall verschlechtern, da das Ausmaß des Konsumrückgangs in Periode 1 kleiner ist als die Erhöhung der Staatsausgaben. Die waagrechte Differenz zwischen den Punkten C und G (a2e2) ist gegenüber der Ausgangssituation größer geworden. Das gleiche Resultat (G2, C2) würde sich ergeben, wenn der Staat seine Ausgabensteigerung der Periode 1 sofort durch Steuererhöhungen finanziert hätte. Zusätzliche Staatsausgaben reduzieren das verfügbare permanente Einkommen, und zwar unabhängig davon, ob der Staat sie durch sofortige Steuererhöhung oder durch eine Kreditaufnahme finanziert, falls die Wirtschaftssubjekte den Gegenwartswert der dann in der Zukunft notwendigen Steuererhöhung bereits in ihrem heutigen Verhalten berücksichtigen. Dies ist die Aussage des Ricardianischen Äquivalenztheorems.
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2 Die Zahlungsbilanz
3. Dauerhafte Staatsausgabensteigerung: Wird neben der Ausgabensteigerung in Periode 1 auch ein gegenüber der bisherigen Planung höheres Staatsausgabenvolumen in Periode 2 erwartet, alles finanziert durch Steuererhöhungen in Periode 2, so verschiebt sich die Konsummöglichkeitsgerade weiter nach unten (G3) und der Konsum in Periode 1 wird weiter eingeschränkt (C3). In diesem Fall kann sich mit dem entstandenen Staatsbudgetdefizit in Periode 1 die Leistungsbilanz in Periode 1 sogar verbessern. Dies ist dann der Fall, wenn der Rückgang des privaten Konsums in Periode 1 (ee3) größer ist als der Anstieg des Staatsbudgetdefizits in Periode 1 (aa3), was in Abb. 2.10 unterstellt ist. Bei dieser Situation dreht sich der als Normalfall unterstellte Zusammenhang zwischen dem Staatsbudgetsaldo und dem Leistungsbilanzsaldo um. Das steigende Staatsbudgetdefizit in Periode 1 führt zu einer Verbesserung der Leistungsbilanz in dieser Periode! Y2, C2
G1 P
G G2 T G3
C=C1 C2 C3
0
Abb. 2.10:
a1 =a2 =a3
a
e3
e2
e
Y1, C1
Staatsaktivität im intertemporalen Ansatz
Die mit der Staatsausgabenerhöhung gestiegene Verfügbarkeit öffentlicher Güter in Periode 1 kann natürlich auch Einfluss haben auf die Gestalt der intertemporalen Indifferenzkurven, d. h. man müsste diesen Einfluss auf den Nutzen privater Haushalte berücksichtigen. Es gibt zahlreiche weitere – auch nicht-ökonomische – Einflussfaktoren auf das Spar- und Investitionsverhalten der Wirtschaftssubjekte und damit auch auf den Leistungsbilanzsaldo des Landes. Zu nennen sind hier etwa vielfältige und divergierende Steuern, Subventionen und Regulierungen der verschiedensten Art. Aber auch eine mangelnde Berechenbarkeit der Politik beeinflusst die Spar- und Investitionsentscheidungen der Wirtschaftssubjekte und damit den Leistungsbilanzsaldo. Es wird anhand des hier dargestellten, sehr vereinfachten Modellrahmens auch deutlich, dass der Zusammenhang zwischen Staatsbudget- und Leistungsbilanzsaldo keineswegs so eindeutig gegeben ist, wie dies vielfach unterstellt wird. Belgien etwa, ein Land das immer noch eine der höchsten Gesamtstaatsschuldenquoten in der Euro-
2.3 Bestimmungsfaktoren der Zahlungsbilanz
37
päischen Union aufweist, hatte in der Vergangenheit in aller Regel Leistungsbilanzüberschüsse aufzuweisen. Ursache ist die sehr geringe Gegenwartspräferenz der privaten Haushalte, d. h. die staatliche Budgetpolitik Belgiens „passt“ zum Verhalten der privaten Wirtschaftssubjekte dieses Landes. Ein mit Hilfe des intertemporalen Ansatzes dargestellter Leistungsbilanzsaldo stellt streng genommen eine optimale Größe dar. Man sieht aus dieser Darstellung – selbst wenn man die zahlreichen einschränkenden Annahmen berücksichtigt –, dass ein Leistungsbilanzüberschuss nicht als bloßes Ergebnis einer hohen internationalen Wettbewerbsfähigkeit des Landes interpretiert werden kann, sondern auf verschiedene Ursachen zurückzuführen ist. So ist ein Leistungsbilanzüberschuss von der Gegenwartspräferenz der Konsumenten und von den Investitionsmöglichkeiten des Landes im Vergleich zum Ausland abhängig. Man sieht auch, dass der Saldo allein noch nichts über eine Gleichgewichts- oder Ungleichgewichtssituation aussagt und wirtschaftspolitischen Handlungsbedarf signalisiert. Was allerdings im Rahmen eines intertemporalen Ansatzes – vor allem, wenn man nur zwei Perioden berücksichtigt – sehr elegant aussieht, nämlich der Ausgleich aller Budgets über die Zeit, kann in der Realität schwierige Anpassungsprozesse erfordern. Man muss berücksichtigen, dass mit zunehmender Dauer eines Leistungsbilanzdefizits die externe Verschuldungsposition des Landes als Bestandsgröße ständig zunimmt. Aber auch hier zeigt sich die Notwendigkeit, nicht auf die Schuldnerposition als bloße Zahl zu sehen, sondern die Frage zu stellen, worauf die Leistungsbilanzdefizite der Vergangenheit zurückzuführen waren. Wurden die Kapitalimporte investiv verwendet, so wurden die Voraussetzungen geschaffen, um in der Zukunft zu einem Überschuss zu gelangen. Vorsicht ist allerdings geboten, wenn die Kapitalimporte lediglich der Finanzierung des Konsums aufgrund einer hohen Gegenwartspräferenz der Konsumenten dienten. Zum Abschluss von Kapitel 2 soll noch kurz ein empirisches Ereignis mit Hilfe der verschiedenen Ansätze zur Bestimmung und Interpretation von Leistungsbilanzsalden diskutiert werden. 1970 lag der Preis für ein Barrel Rohöl an den Weltmärkten im Durchschnitt bei knapp 2 US-Dollar. Aufgrund eines OPEC-Beschlusses im Zusammenhang mit dem Yom-Kippur-Krieg stieg er dann innerhalb eines Jahres auf über 12 US-Dollar. Dieser Preisanstieg ging als der 1. Ölpreisschock in die Geschichte ein. Die Folgen des Preisschocks waren gewaltige Leistungsbilanzungleichgewichte. Auf der einen Seite wiesen die Ölexportländer – u. a. wegen ihrer damals noch geringen Absorptionskapazität – hohe Überschüsse auf, denen in den Industrieländern hohe Defizite gegenüberstanden. Diese Leistungsbilanzdefizite sind je nach Blickwinkel völlig unterschiedlich begründbar. Betrachtet man die Leistungsbilanz als Differenz zwischen Ex- und Import von Gütern, Dienstleistungen und Übertragungen, so würde man mit der geringen Preiselastizität der Importnachfrage nach Öl argumentieren. Da die Industrieländer auf den Import von Öl angewiesen sind und weil zumindest kurzfristig keine Substitute zur Verfügung stehen, steigt mit steigendem Weltmarktpreis ihr Importwert und die Leistungsbilanz verschlechtert sich. Sieht man die Leistungsbilanz als Spiegelbild der Kapitalbilanz, so könnte man das sog. Dollar-Recycling als Begründung anführen. Wegen ihrer geringen Absorptionskapazität im Inland legten die Ölexportländer, vor allem die Mitglieder der OPEC, ihre Überschüsse in Form von Beteiligungen und Wertpapieren in den Industrieländern an. Ein solcher Kapitalimport des Industrielandes bedingt jedoch spiegelbildlich ein Leistungsbilanz-
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2 Die Zahlungsbilanz
defizit. Mit Hilfe des intertemporalen Ansatzes wiederum könnte man eine völlig andere Perspektive aufgreifen. Da die Industrieländer keine Substitutionsmöglichkeiten zum Rohöl hatten, starteten sie große Investitionsanstrengungen, zum einen, um Alternativen zum Öleinsatz zu erforschen und zu fördern, zum anderen, um den Ölverbrauch zu drosseln. Dass dies erfolgreich war, sieht man etwa am durchschnittlichen Kraftstoffverbrauch, der heute bei vergleichbarer Leistung noch etwa halb so hoch ist wie Anfang der 1970er Jahre. Bei hohen Investitionen sinkt aber der Finanzierungssaldo der Unternehmen und durch Subventionszahlungen eventuell auch der des Staates. Reichen die gesamtwirtschaftlichen Ersparnisse zur Finanzierung der gestiegenen Investitionen nicht aus, so ergibt sich ein gesamtwirtschaftliches Finanzierungsdefizit, was einem Leistungsbilanzdefizit entspricht.
2.4 1.
2.
3. 4.
5.
6.
7.
Zusammenfassung von Kapitel 2 Im ex-post Gleichgewicht einer offenen Volkswirtschaft stimmen die gesamtwirtschaftlichen Ersparnisse mit der Summe aus Nettoinvestitionen und dem Leistungsbilanzsaldo überein, der Leistungsbilanzsaldo entspricht also der Differenz zwischen der gesamtwirtschaftlichen Ersparnis und den Nettoinvestitionen. In der Zahlungsbilanz eines Landes werden alle ökonomischen Transaktionen zwischen Inländern und Ausländern in einem bestimmten Zeitraum erfasst. Sie gliedert sich im Wesentlichen in die Leistungsbilanz (Güterhandel, Dienstleistungshandel und Übertragungen), und die Kapitalbilanz (Direktinvestitionen, kurz- und langfristiger Kapitalverkehr, Veränderung der Währungsreserven der Zentralbank). Der Leistungsbilanzsaldo (Stromgröße) gibt die Veränderung des Nettoauslandsvermögens (Bestandsgröße) einer Volkswirtschaft an. Dieses steigt bei einem Leistungsbilanzüberschuss und sinkt bei einem Leistungsbilanzdefizit. Ein positiver Leistungsbilanzsaldo impliziert, dass eine Volkswirtschaft in einer bestimmten Periode mehr Leistungen ans Ausland geliefert, als von diesem empfangen hat. Dieser Überschuss drückt sich in der Zunahme der Summe aus privaten Forderungen gegenüber dem Ausland und den Währungsreserven der Zentralbank aus. Es existieren Nettokapitalexporte. Im Falle eines Leistungsbilanzdefizits nimmt diese Summe ab (Nettokapitalimporte). Der gleiche Zusammenhang wird auch aus der Definition des Leistungsbilanzsaldos als Differenz zwischen gesamtwirtschaftlicher Ersparnis und gesamtwirtschaftlicher Nettoinvestition deutlich. In Höhe der privaten Ersparnisse entsteht zusätzliches Volksvermögen, das sich aus einer Erhöhung des Sachvermögens im Inland (Nettoinvestitionen) und einer Veränderung des Nettoauslandsvermögens zusammensetzt. Der Leistungsbilanzsaldo ist vom Wechselkurs abhängig. Dabei wird als Normalfall eine Verbesserung der Leistungsbilanz als Folge einer Abwertung bzw. eine Verschlechterung als Folge einer Aufwertung definiert. Die Normalreaktion ist u. a. umso eher gegeben, je größer der absolute Wert der Importnachfrageelastizität des betrachteten Landes ist. Preissteigerungen im Inland führen im Normalfall zu einer Verschlechterung, Preissteigerungen im Ausland zu einer Verbesserung der inländischen Leistungsbilanz. Auch diese Reaktionen sind vor allem von den Importnachfrageelastizitäten der Länder abhängig.
2.4 Zusammenfassung von Kapitel 2 8.
39
Der Leistungsbilanzsaldo ist auch von allen Größen abhängig, die Einfluss auf die gesamtwirtschaftliche Ersparnis und die gesamtwirtschaftliche Nettoinvestition haben. Diese Einflüsse, zu denen auch die staatlichen Aktivitäten zählen, werden im intertemporalen Ansatz zur Zahlungsbilanztheorie untersucht. Ein Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Ersparnis (Folge eines Einkommensrückgangs, Erhöhung der Gegenwartspräferenz, Konsequenzen eines Staatsbudgetdefizits o. a.) und/oder eine Erhöhung der gesamtwirtschaftlichen Nettoinvestition (Steigerung der Produktivität, Rückgang des Zinssatzes, Verbesserung der Zukunftsaussichten o. a.) verschlechtern dabei die Leistungsbilanz. Analog hierzu folgt eine Verbesserung bei steigenden Ersparnissen und/oder sinkenden Nettoinvestitionen.
Aufgaben zu Kapitel 2 Aufgabe 2.1 a) Verbuchen Sie folgende Vorfälle in der deutschen Zahlungsbilanz: 1. BMW exportiert Fahrzeuge im Wert von 2 Millionen Euro in die USA. Der Importeur in den USA erhält ein Zahlungsziel von einem Jahr. 2. BMW beauftragt eine italienische Werbeagentur mit dem Entwurf einer neuen Werbekampagne in Deutschland. Der Auftrag hat einen Wert von 0,5 Millionen Euro. 3. BMW überweist seinen Jahresbeitrag an den internationalen Automobilverband mit Sitz in Genf in Höhe von 0,2 Millionen Euro. 4. BMW importiert Autositze für die Produktion in München von einem Lieferanten aus Rumänien. Zahlung per Scheck einer Münchener Bank im Wert von 0,3 Millionen Euro. Bestimmen Sie • den Saldo der Außenhandelsbilanz, • den Außenbeitrag, • den Saldo der Leistungsbilanz, • den Saldo der Kapitalbilanz. b) Geben Sie drei Definitionsmöglichkeiten des Leistungsbilanzsaldos. c) Beurteilen Sie einen Leistungsbilanzüberschuss indem Sie auf dessen Vor- und Nachteile eingehen. Benutzen Sie dabei die unterschiedlichen Definitionen der Teilaufgabe b). Aufgabe 2.2 a) Definieren Sie den Begriff Zahlungsbilanz. Erläutern Sie die Teilbilanzen und erklären Sie, weshalb man aus der Zahlungsbilanz nicht den Bestand der Währungsreserven der Notenbank ablesen kann. b) Leiten Sie den Zusammenhang zwischen dem Saldo der Leistungsbilanz und dem Saldo der Kapitalbilanz her und geben Sie hierfür eine ökonomische Begründung. c) Leiten Sie die Zusammenhänge zwischen dem Leistungsbilanzsaldo, der gesamtwirtschaftlichen Ersparnis und der gesamtwirtschaftlichen Nettoinvestition aus der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ab. Welche Aussage kann man dabei über das Nettoauslandsvermögen einer Volkswirtschaft machen?
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2 Die Zahlungsbilanz
d) Im wirtschaftspolitischen Zielkatalog der Bundesrepublik Deutschland ist das Ziel eines „außenwirtschaftlichen Gleichgewichts“ genannt. Was versteht man unter einem außenwirtschaftlichen Gleichgewicht und wie sinnvoll ist ein solches wirtschaftspolitisches Ziel? Aufgabe 2.3 Gegeben ist ein Zwei-Länder-Zwei-Güter-Zusammenhang. Land A (Inland) exportiert Gut 1 und importiert Gut 2. a) Stellen Sie die Weltmarktgleichgewichte der beiden Güter mit Hilfe von Überschussangebots- und Überschussnachfragefunktionen in Abhängigkeit von Preisen in Inlandswährung graphisch dar. Bestimmen Sie graphisch den Exportwert und den Importwert des Inlands in Inlandswährung. b) Unterstellen Sie eine Aufwertung der Inlandswährung. Zeigen Sie in Ihrer Graphik die Veränderung des Export- und des Importwertes des Inlands in Inlandswährung aufgrund der Aufwertung. • Wann spricht man in diesem Zusammenhang von einer anormalen Reaktion der Leistungsbilanz? • Welche Bedeutung hat dabei die Preiselastizität der Importnachfrage des Inlands? • Wann spricht man in diesem Zusammenhang von einem Spazierstockeffekt und was sind die Gründe für das Auftreten eines solchen Effektes? • Wann spricht man in diesem Zusammenhang von einer „pricing to market-Strategie“ und welche Auswirkung hätte eine solche Strategie auf die Veränderung des Export- und des Importwertes des Inlands? Geben Sie jeweils eine ökonomische Erklärung. Aufgabe 2.4 Unterstellen Sie eine Preissteigerung aller Güter auf den ausländischen Märkten. a) Stellen Sie graphisch die Veränderung des Export- und des Importwertes des Inlands in Inlandswährung aufgrund der ausländischen Preissteigerung dar. b) Wann spricht man in diesem Zusammenhang von einer „Normalreaktion“ der inländischen Leistungsbilanz? Aufgabe 2.5 Zur Erklärung eines Leistungsbilanzsaldos wird auch ein intertemporaler Ansatz zur mikroökonomisch fundierten Bestimmung von gesamtwirtschaftlicher Ersparnis und gesamtwirtschaftlicher Nettoinvestition herangezogen. Gehen Sie dabei von einem kleinen Land aus, die Güterpreise und der Zinssatz sind vom Weltmarkt gegeben. Staatliche Aktivität können Sie zur Vereinfachung vernachlässigen. a) Stellen Sie die Situation eines Leistungsbilanzüberschusses in Periode 1 im Rahmen des intertemporalen Ansatzes graphisch dar. Erklären Sie Schritt für Schritt Ihre Konstruktion und gehen Sie dabei auch auf die Grundlagen der Investitionsentscheidung der privaten Unternehmen sowie des Sparverhaltens der Haushalte ein. b) Unterstellen Sie einen Anstieg des heutigen Einkommens, das jedoch als kurzfristig angesehen wird (Die Erwartungen für die Zukunft ändern sich nicht.) Zeigen Sie die Auswirkung
Aufgaben zu Kapitel 2
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dieses Anstiegs auf den heutigen Saldo der Leistungsbilanz graphisch und begründen Sie ihr Ergebnis ökonomisch. c) Zeigen Sie in Ihrer Graphik bei Konstanz des heutigen Einkommens die Wirkung eines erwarteten Anstiegs des zukünftigen Einkommens, der auch mit einem Anstieg der zukünftigen Grenzproduktivität des Kapitals verbunden ist. Wie verändert sich dadurch die heutige Leistungsbilanz? Begründen Sie Ihr Ergebnis ökonomisch. d) Wie verändert sich die heutige Leistungsbilanz, wenn der heutige Einkommensanstieg als dauerhaft angesehen wird, also auch für die Zukunft gilt? (Die Fälle b) und c) treten gemeinsam auf). Von welchen Faktoren ist die Veränderung der heutigen Leistungsbilanz abhängig? Aufgabe 2.6 Im Rahmen des intertemporalen Ansatzes der Zahlungsbilanztheorie bestehen in der Gegenwart (Periode 1) ein Leistungsbilanzdefizit und zugleich ein Budgetdefizit des Staates. a) Stellen Sie die Situation graphisch für einen Zwei-Perioden-Fall dar. b) Angenommen, der Staat erhöhe in der Gegenwart seine Ausgaben und kündige an, die gegenwärtigen und die zukünftigen Steuern unverändert zu lassen. Er möchte stattdessen die Ausgaben in Periode 2 entsprechend senken. • Szenario 1: Die privaten Haushalte gehen davon aus, dass die Ankündigung eingehalten wird, und sie erwarten eine entsprechende Reduktion der staatlichen Ausgaben in der Zukunft. • Szenario 2: Die Konsumenten erwarten zukünftige Steuererhöhungen zur Finanzierung des gestiegenen Staatsbudgetdefizits in Periode 1. Erläutern Sie anhand Ihrer Graphik, wie sich in den beiden Fällen der Leistungsbilanzsaldo in Periode 1 verändert. Wann spricht man in diesem Zusammenhang von „Ricardianischer Äquivalenz“?
3
Die traditionelle Außenhandelstheorie
3.1
Fragestellung
Anliegen der traditionellen Außenhandelstheorie ist es, die Vorteilhaftigkeit von internationalem Güteraustausch zu belegen. Letztendlich geht es also zunächst darum, ob, in welchem Umfang und mit welchen Folgen das Prinzip der Arbeitsteilung, das auf regionaler und auch nationaler Ebene für wirtschaftlich Handelnde eine Selbstverständlichkeit darstellt, auf die internationale Ebene ausgeweitet werden soll. Adam Smith (1723–1790) machte diesen Zusammenhang sehr anschaulich deutlich. Jeder kluge Familienvater befolgt den Grundsatz, niemals etwas zu Hause anzufertigen, was er billiger kaufen kann. Dem Schneider fällt es nicht ein, sich die Schuhe selbst zu machen, sondern er kauft sie vom Schumacher, dem Schumacher andererseits fällt es nicht ein, sich die Kleider selbst herzustellen, sondern er kauft sie beim Schneider, und dem Bauer kommt es nicht in den Sinn, sich dies oder jenes selbst zu machen, sondern auch er beauftragt die einzelnen Handwerker und gibt ihnen dafür ihre Nahrung. Alle sehen den Vorteil darin, ihre Arbeitskraft ganz in der Weise zu betätigen, in der sie etwas vor ihren Nachbarn voraushaben und sich mit einem Teil des Ertrages oder, was dasselbe ist, mit dem Preis dafür, das zu kaufen, was sie darüber hinaus brauchen. Was aber in der Wirtschaftsführung eines Familienhaushalts klug ist, das kann auch im Ganzen einer Volkswirtschaft kaum Torheit sein. Wenn uns nämlich ein anderes Land mit einer Ware billiger versorgen kann als wir sie selbst herzustellen imstande sind, so ist es vorteilhafter, dass wir dem betreffenden Land diese Ware gegen Produkte unseres eigenen Gewerbefleißes, in denen wir vor dem Ausland etwas voraus haben, abkaufen … Der Jahresertrag einer Volkswirtschaft ist höher, wenn sie sich auf die Erzeugung derjenigen Waren beschränkt, in denen sie vor anderen Ländern Kostenvorteile voraus hat und sie ihrerseits von anderen Ländern diejenigen Waren kauft, die dort billiger sind. (SMITH, 1978) Vor diesem Hintergrund soll insbesondere die Frage beantwortet werden, welche Faktoren dafür verantwortlich sind, dass eine Volkswirtschaft ganz bestimmte Güter exportiert und andere Güter importiert. Es geht also um die Fundierung von Richtung und Struktur des internationalen Handels. Dabei soll gezeigt werden, welche Anpassungseffekte in den beteiligten Ländern ausgelöst werden, also insbesondere, wie sich die relativen Preise und die Produktionsstruktur verändern. Schließlich soll belegt werden, dass durch eine Intensivierung der internationalen Arbeitsteilung nicht nur die Welt als Ganzes gewinnt, sondern dass auch die Wohlfahrt in allen beteiligten Ländern steigt. Zunächst wird die einfachste Erklärung, die mangelnde Verfügbarkeit eines Gutes als Handelsursache diskutiert. Auch Konsumentenpräferenzen können eine einfache Erklärung für Güteraustausch darstellen. Aufgrund von Produktdifferenzierungen, die Konsumentenpräferenzen auslösen, werden im Prinzip gleichartige Güter sowohl ex- als auch importiert.
44
3 Die traditionelle Außenhandelstheorie
Eine der wesentlichsten Determinanten für internationalen Güteraustausch sind jedoch nach wie vor Preisunterschiede zwischen den einzelnen Ländern für gleichartige Güter. Nach einer erklärenden Definition von absoluten und relativen Preisvorteilen in Abschnitt 3 werden verschiedene Ursachen dieser Bestimmungsfaktoren diskutiert. Abschnitt 4 geht zunächst auf das traditionelle Theorem von Ricardo ein, der Preisvorteile auf relative Arbeitskostendifferenzen zurückgeführt hatte. In Abschnitt 5 wird die theoretische Fundierung für eine Erweiterung der Betrachtung gelegt und die Abschnitte 6 bis 8 beschäftigen sich mit allgemeinen Produktivitätsdifferenzen, mit Nachfrageunterschieden und mit verschiedenen Faktorausstattungen der Länder als jeweiligen Bestimmungsfaktor für relative Preisvorteile und damit für internationalen Güteraustausch. In den einzelnen Abschnitten wird auch kurz die Anpassung der beteiligten Länder an die Aufnahme von Handel und die sich daraus ergebenden Wohlfahrtsgewinne diskutiert, die in Kapitel 4 noch näher analysiert werden.
3.2
Verfügbarkeit, Konsumentenpräferenzen und multinationale Unternehmen
3.2.1
Natürliche Nicht-Verfügbarkeit, fehlendes technologisches Know-how und räumliche Nähe
Der internationale Austausch von Gütern und Dienstleistungen kann auf verschiedene Ursachen zurückgeführt werden. Die wohl einfachste Erklärung ist eine mangelnde Verfügbarkeit. Ein Land ist auf den Import von Gütern angewiesen, wenn diese im Land nachgefragt werden, aber nicht oder in zu geringem Umfang verfügbar sind. Die Nicht-Verfügbarkeit kann natürliche Ursachen haben wie etwa bei Rohstoffen, sie kann auch auf klimatischen Gründen beruhen wie bei verschiedenen Agrarprodukten. So ist etwa die Bundesrepublik Deutschland bei vielen Rohstoffen wie Bauxit, Chrom oder Nickel zu 100 % auf den Import angewiesen, ebenso ist unser Land für den Anbau tropischer Früchte wie Bananen, Ananas oder etwa Kaffee und Kakao denkbar ungeeignet. Als Gegenleistung für den Import nicht verfügbarer Güter müssen dann im Inland produzierbare Güter exportiert werden. Die Nicht-Verfügbarkeit kann auch auf mangelndem technologischen Know-how eines Landes bzw. auf nicht hinreichend ausgebildeten Arbeitskräften beruhen. Diese Ursache für Außenhandel ist besonders häufig beim Warenaustausch zwischen Industrie- und Entwicklungsländern zu beobachten. Im Gegensatz zu nicht vorhandenen Rohstoffen muss fehlendes technologisches Wissen nicht von Dauer sein, so dass diese Ursache der Handelsrichtung längerfristig abgebaut werden kann. Mangelnde Verfügbarkeit kann auch dann existieren, wenn ein Land zwar grundsätzlich (d. h. längerfristig) in der Lage ist, eine steigende heimische Nachfrage nach einem Gut zu befriedigen, dass das Angebot kurzfristig aber starr ist. Der Grund hierfür kann in einer allgemeinen Hochkonjunktur mit ausgelasteten Produktionskapazitäten liegen, aber auch im Zeitbedarf, durch notwendige Investitionen die eigene Produktionskapazität zu erhöhen. Das Land wird die gestiegene Nachfrage also so lange durch Importe befriedigen müssen, bis die eigenen Kapazitäten ausgebaut sind.
3.2 Verfügbarkeit, Konsumentenpräferenzen und multinationale Unternehmen
45
Eine andere Ursache für Außenhandel wird mit der räumlichen Nähe von Ländern begründet. In Anlehnung an Modelle der Physik spricht man vom Gravitationsansatz. Demnach nimmt die Handelsbeziehung zwischen zwei Ländern mit sinkender Entfernung zu. Ebenfalls Handelsfördernd wirkt eine direkte Grenze oder eine gemeinsame Sprache.
3.2.2
Die Produktlebenszyklustheorie des internationalen Handels
Eine besondere Form der Begründung von Güterhandel durch Unterschiede im technologischen Wissen lehnt sich an die Hypothese des Produktlebenszyklus an. Unterstellt seien zwei Länder. Land 1 (Inland) habe ein großes Potenzial an technologischem Wissen, das immer wieder zur Entwicklung neuer Produkte führt (Hochtechnologieland). Land 2 (Ausland) dagegen habe in großem Umfang billige, nicht besonders gut ausgebildete Arbeitskräfte. Dieses Land ist lediglich in der Lage, bereits vorhandene Produkte zu imitieren und diese dann billiger zu produzieren als das jeweilige Original. Unter dieser Annahme kann man vier Produktlebensphasen und die sich daraus ergebenden Konsequenzen für den internationalen Güterhandel unterscheiden. Abb. 3.1 zeigt die verschiedenen Phasen. Produktionsmenge Exporte Inlandsproduktion Handel Auslandsproduktion
A
B
C
D
Zeit
Importe
Abb. 3.1:
Produktlebenszyklus und internationaler Handel
A: Innovationsphase Das Hochtechnologieland 1 entwickelt ein neues Produkt. Da sich zu Beginn der Produktionsphase die Kundenwünsche noch ändern können oder die Produktionsverfahren noch Anpassungskorrekturen unterworfen sind, bedarf es einer engen Verzahnung zwischen der Entwicklung und der Endfertigung des Gutes. Die Produktion erfolgt in räumlicher Nähe zur Entwicklungsabteilung, es sind hoch qualifizierte Arbeitskräfte zur Anpassung der Produktion an Veränderungen erforderlich. Die Absatzpreise sind wegen der geringen Stückzahlen noch relativ hoch. Zielgruppe ist deshalb zunächst nur der heimische Markt. B: Ausreifungs- bzw. Exportphase Hat das Unternehmen Produktions- und Absatzerfahrungen im heimischen Markt gesammelt, können schrittweise kostengünstigere, standardisierte Produktionsverfahren mit höheren Stückzahlen eingesetzt werden. Die Anforderungen an die Qualifikation der Arbeitskräfte sinken dabei. Das Gut kann aufgrund der höheren Stückzahlen billiger angeboten werden
46
3 Die traditionelle Außenhandelstheorie
und wird jetzt auch exportiert. Einer Produktion durch ausländische Unternehmen steht in dieser Phase u. U. noch ein gültiger Patentschutz entgegen. C: Standardisierungs- bzw. Imitationsphase Der Produktionsprozess hat sich weitgehend zu einer automatisierten, effizienten Massenfertigung entwickelt. Es bedarf keiner Rückkopplung mehr zur Entwicklungsabteilung. Der technologische Vorsprung des Landes 1 geht damit jedoch verloren. Es beginnt die Imitationsphase und damit ein Preiswettbewerb. Das Produkt wird immer häufiger dort hergestellt, wo die erforderliche Produktionstechnologie kostengünstiger zur Verfügung steht. Da die erforderliche Qualifikation der Arbeitskräfte in dieser Phase erheblich geringer ist als zu Beginn der Produktion, erfolgt die Herstellung zunehmend in Land 2, und parallel hierzu geht die Produktion in Land 1 zurück. Neben einer autonomen Produktionsentscheidung von ausländischen Konkurrenten kann die Auslandsproduktion auch durch Lizenzvergabe oder Direktinvestitionen der inländischen Unternehmen erfolgen. Dieser Prozess beginnt umso früher und ist umso dynamischer, je größer die Kostendifferenz zum Ursprungsland, je größer der Heimatmarkt des Imitators und je mehr Transportkosten oder protektionistische Maßnahmen den Handel behindern. D: Importphase Die kostengünstigere Auslandsproduktion setzt sich am Weltmarkt durch und verdrängt das Angebot des Innovationslandes 1. Für das Hochtechnologieland wird das betrachtete Gut von einem Export- zu einem Importgut. Im Rahmen der Produktlebenszyklustheorie sind also in der Innovations- und der Imitationsphase unterschiedliche Verfügbarkeitsvorteile der Länder bzw. der notwendigen Produktionsfaktoren erforderlich. Während zunächst gut ausgebildete, technologisch geschulte Arbeitskräfte benötigt werden, sinken mit zunehmender Standardisierung des Produktionsprozesses auch die Anforderungen an die Qualifikation der Arbeitskräfte, und der Lohn gewinnt zunehmend als Kostenfaktor an Relevanz. Um das Beschäftigungsvolumen im Hochtechnologieland 1 aufrechterhalten zu können, ist dieses Land immer wieder auf die Entwicklung neuer Produkte angewiesen, für die im Ausland zunächst das technologische Wissen zur Herstellung fehlt. Hochentwickelte Industrieländer mit Ausstattungsvorteilen bei wissenschaftlich-technischer Intelligenz müssen diese Vorteile also permanent nutzen, um sich Innovationsvorsprünge zu verschaffen und damit auch Produktionstätigkeiten im eigenen Land zu sichern. Solche „neuen“ Güter werden sie exportieren, während in ihrem Importsortiment ein relativ großer Anteil „alter“ Güter enthalten sein wird, die das Ausland aufgrund seiner Kostenvorteile günstiger herstellen kann. Es kann sich also durch diesen Prozess auch ein wechselseitiger Handel des gleichen Sektors ergeben, wobei sich die Export- und die Importgüter durch einen unterschiedlichen „Neuigkeitsgrad“ unterscheiden. Die empirische Relevanz dieser, am betrieblichen Produktlebenszyklus angelegten Theorie ist jedoch im Rahmen des Globalisierungsprozesses gesunken. Durch die dramatisch gestiegenen Möglichkeiten der Datenverarbeitung und der Telekommunikation in Verbindung mit der zunehmenden internationalen Ausrichtung von Unternehmen ist es heute immer häufiger der Fall, dass die Entwicklung eines neuen Produktes von der Produktion räumlich von Beginn an getrennt wird. Die Entwicklungsabteilung in München kann mit Hilfe von Internetverbindungen oder ähnlicher Technologien ohne Probleme den Produktionsprozess in Kalkutta verfolgen und gegebenenfalls korrigierend eingreifen. Das heißt aber, dass der Ort der Produktion von Anfang an nach Kostengesichtspunkten gewählt werden kann. Welche Faktoren dabei Berücksichtigung finden, wird unten ausführlicher diskutiert.
3.2 Verfügbarkeit, Konsumentenpräferenzen und multinationale Unternehmen
3.2.3
47
Konsumentenpräferenzen und die Strategie multinationaler Unternehmen
Handelt es sich bei den Ex- und Importen um unterschiedliche Produkte, so spricht man von inter-sektoralem Handel. Bei einem relativ großen Teil des internationalen Handels ist jedoch zu beobachten, dass gleichartige Güter von einem Land sowohl ex- als auch importiert werden, dass es sich also um intra-sektoralen Handel handelt. Die Ursachen für diese Art von Außenhandel sind vielschichtig. (Vgl. auch Kapitel 6) Eine sehr einfache Erklärung ist das Vorliegen von Verbraucherpräferenzen. Unabhängig vom Preis können sich etwa viele deutsche Autokäufer nicht dem vermeintlichen Charme eines französischen Wagens entziehen, während viele Franzosen wiederum lieber auf die von ihnen unterstellte Zuverlässigkeit eines deutschen Autos setzen. Auslöser solcher Präferenzen bezüglich der Herkunft der Güter sind oft auch Produktdifferenzierungen, die prinzipiell gleiche Güter in den Augen der Verbraucher unterschiedlich erscheinen lassen. Der so begründbare intra-sektorale Handel nimmt mit steigendem ProKopf-Einkommen der beteiligten Länder zu, da hierdurch in der Regel auch die Bedürfnisse der Verbraucher differenzierter werden. Eine weitere Ursache intra-industriellen Handels ist die wachsende Bedeutung multinationaler Unternehmen. Für einen multinational tätigen Automobilhersteller, der den europäischen Markt mit verschiedenen Modellen beliefert, ist es sicher kostengünstiger, nicht in jedem Land alle Modelle in der vor Ort gewünschten Menge zu produzieren, sondern die Produktion zu konzentrieren. Modell I wird etwa nur in Portugal, Modell II nur in Deutschland und Modell III nur in Großbritannien gebaut. Da in allen Ländern alle Modelle nachgefragt werden, ergibt sich aus der Entscheidung des Autokonzerns, die Herstellung bestimmter Modelle auf bestimmte Standorte zu konzentrieren, ein intra-industrieller Handel. Die Tätigkeit multinationaler Unternehmen hat noch weitere Einflüsse auf den internationalen Güteraustausch. Es ist seit Jahren zu beobachten, dass Produktionsprozesse zunehmend in Einzelkomponenten zerlegt (fragmentieren) und diese nach Kostengesichtspunkten international aufgeteilt werden. Dies impliziert eine Zunahme des Handels mit Vorprodukten, die von dem Land, in dem die Endmontage stattfindet, importiert werden. Ein Beispiel für eine Fragmentation des Produktionsprozesses – das allerdings weniger auf Kostenüberlegungen als auf politischen Ursachen beruht – ist die Produktion eines AirbusFlugzeugs. Die meisten Modelle werden in Toulouse in Frankreich zusammengebaut, während die verschiedensten Vorprodukte, vom Flügel über Turbinen bis zur Inneneinrichtung, aus diversen Ländern importiert werden. Zu den Importen zählen auch die verschiedenen Dienstleistungen wie Konstruktion, Kostenkalkulation, Marketing u. a., die ebenfalls auf verschiedene Länder verteilt sind.
48
3.3
3 Die traditionelle Außenhandelstheorie
Preisunterschiede als Ursache für Außenhandel
Eines der nach wie vor wichtigsten Argumente für internationalen Güteraustausch sind Preisunterschiede zwischen den einzelnen Ländern und die ihnen zugrunde liegenden Faktoren. Sie haben sowohl Einfluss auf die Konsumentscheidungen von Verbrauchern als auch, sofern sie auf Kostendifferenzen beruhen, auf die oben beschriebene Strategie multinationaler Unternehmen. Ein Land wird Produktions- und damit Exportchancen für solche Güter besitzen, die im Vergleich zum Ausland billiger sind, es werden Güter importiert, deren inländische Substitute teurer sind.5 Im Folgenden sollen diese internationalen Preisunterschiede im Mittelpunkt der Untersuchung stehen. Unter Vernachlässigung der oben diskutierten Konsumentenpräferenzen und unter der Annahme, dass alle beteiligten Länder in der Lage sind, alle Güter auch zu produzieren, soll gezeigt werden, welche Ursachen den Preisunterschieden zugrunde liegen können, welche Güter von welchem Land exportiert werden, welche Anpassungsmechanismen auf Güter- und Faktorpreise sowie Produktionsstrukturen sich in den einzelnen Ländern ergeben und welche Wohlfahrtsgewinne aus der Aufnahme von internationalem Handel resultieren.
3.3.1
Absolute Preisvorteile
Um die Frage nach Ursachen und Wirkungen von internationalem Handel möglichst einfach darstellen und die einzelnen Effekte isoliert betrachten zu können, wird in der folgenden Untersuchung von einigen vereinfachenden Annahmen ausgegangen: Dies ist auch deshalb sinnvoll, weil man oft nur auf diese Weise eindeutige und einleuchtende Ergebnisse erzielen kann. Allerdings sollte man bei wirtschaftspolitischen Schlussfolgerungen immer die vereinfachenden Annahmen berücksichtigen. • Die Darstellung beschränkt sich auf einen Zwei-Länder-Zusammenhang, dem Inland (Land 1) und dem Ausland (Land 2), das auch als „Rest der Welt“ interpretiert werden kann. Ausländische Größen werden mit einem * gekennzeichnet. • Die Darstellung umfasst zwei Konsumgüter, die in beiden betrachteten Ländern produziert werden können und auch in beiden Ländern konsumiert werden. Die Güter sind homogen, d. h. es existieren insbesondere keine Präferenzen der Konsumenten bezüglich der Herkunft der Güter. • Bis auf einige Ausnahmefälle wird von der Marktform der vollkommenen Konkurrenz ausgegangen, von Transportkosten und staatlichen Handelshemmnissen (Protektionismus) wird zunächst abgesehen. Die Einflüsse protektionistischer Maßnahmen werden in Kapitel 8 ausführlich analysiert. • Die Währung des Inlands ist der Euro (€), die Währung des Auslands der Dollar ($). Ein absoluter Preisvorteil des Landes 1 für ein bestimmtes Gut liegt dann vor, wenn dieses Gut vor Aufnahme von Handel, also in Autarkie, im Inland billiger ist als im Ausland. Da in verschiedenen Ländern in der Regel unterschiedliche Währungen existieren, muss vor einem direkten Preisvergleich eine Umrechnung mit Hilfe des Wechselkurses erfolgen. Definiert man den Wechselkurs (w) als Preis einer ausländischen Währungseinheit (Dollar), ausge-
5
Zu berücksichtigen sind dabei auch Transportkosten. So kann etwa der Import eines im Ausland billiger angebotenen Gutes auch deshalb scheitern, weil die Transportkosten den Preisvorteil übersteigen. Transportkosten werden im Folgenden jedoch nicht mehr explizit in die Betrachtung einbezogen.
3.3 Preisunterschiede als Ursache für Außenhandel
49
drückt in inländischen Währungseinheiten (Euro), also als Dollarkurs, so gilt für einen absoluten Preisvorteil des Inlands:
p < p∗w
(3.1)
Neben den nationalen Bestimmungsfaktoren von Angebot und Nachfrage ist also auch die Höhe des Wechselkurses eine entscheidende Größe für das Vorliegen eines absoluten Preisvorteils. Durch den Zusammenhang (3.1) werden zwei Euro-Preise verglichen, einmal der Preis des in Land 1 produzierten Gutes (p€L1) und zum anderen der in Euro umgerechnete Preis des in Land 2 produzierten Gutes (p€L2) den man durch Multiplikation des Dollarpreises mit dem Wechselkurs erhält (p€L2 = p$L2w). Der Wechselkurs entspricht hier also dem Verhältnis zwischen Europreis und Dollarpreis des Landes 2.
w = pL€2 pL$ 2
(3.2)
Abb. 3.2 verdeutlicht diese Zusammenhänge. Auf der Abszisse ist der Dollarpreis des Gutes eingezeichnet, der sich in Land 2 durch Angebot und Nachfrage in Autarkie ergibt. Auf der Ordinate findet man den entsprechenden Autarkiepreis des Landes 1 in Euro. Der Tangens eines Strahls aus dem Ursprung stellt wegen (3.2) einen bestimmten Wechselkurs dar. Die 45°-Linie entspricht also einem Wechselkursniveau von Eins. Die Autarkiepreise in Abb. 3.2 sind nun beispielhaft so gewählt, dass der in Euro umgerechnete Preis des in Land 2 produzierten Gutes bei einem Wechselkurs von Eins dem Autarkiepreis des im Inland produzierten Gutes entspricht. In diesem Fall würde kein absoluter Preisvorteil existieren. Ist der Wechselkurs dagegen größer als Eins, d. h. entspricht einem Dollar mehr als ein Euro, so steigt der in Euro umgerechnete Preis des in Land 2 produzierten Gutes, und der absolute Preisvorteil liegt bei Land 1. Ist der Wechselkurs kleiner als Eins, d. h. einem Dollar entspricht weniger als ein Euro, so ist der in Euro umgerechnete Preis des im Ausland produzierten Gutes kleiner als der Inlandspreis, und der absolute Preisvorteil liegt bei Land 2. pL1€A
w>1
pL2€A
w=1
~ ~ pL1€A = pL2€A
w 1
p L€1A
p L$ 2A
> w für w < 1 Da Außenhandel prinzipiell auf Gegenseitigkeit beruht, müssen sich die absoluten Preisvorteile zwischen den beiden Ländern verteilen, d. h. jedes Land muss mindestens bei einem Gut einen absoluten Preisvorteil besitzen. Im Folgenden soll die Betrachtung deshalb auf zwei Güter ausgeweitet werden. Für die Preise vor Aufnahme von internationalem Handel (Autarkiepreise) soll gelten:
p1 = 6 € ,
p2 = 12 € ,
p1∗ = 8 $,
p2∗ = 10 $
Der Wechselkurs sei 1,5, d.h. 1 Dollar entspricht 1,5 Euro. Damit ergeben sich die folgenden Preisverhältnisse:
p1 < p1∗ w ,
6 € < 8 $ 1,5(€ $)
d. h.
6 € < 12 €
p2 < 12 € < 10 $ 1,5(€ $) ; d. h. 12 € < 15 € Land 1 hätte in diesem Beispiel einen absoluten Preisvorteil für beide Güterarten. Damit wäre ein ausgeglichener internationaler Güterhandel nicht möglich, da die Konsumenten des Landes 1 bei keinem der beiden Güter ein Interesse daran hätten, in Land 2 zu kaufen. Land 2 könnte seine preisliche Wettbewerbsfähigkeit allerdings durch eine Verringerung des Wechselkurses erhöhen. Bei einem Sinken des Wechselkurses würde der Dollar, ausgedrückt in Euro, billiger, der Dollar würde abgewertet. Die Konsumenten in Land 1 müssten für einen Dollar weniger Euro bezahlen. In Euro ausgedrückt werden die Produkte des Landes 2 dadurch billiger. p 2∗ w
3.3.2
Die Rolle des Wechselkurses bei der Bestimmung der Preisvorteile
Wird internationaler Handel zugelassen, so wären im obigen Zahlenbeispiel die Konsumenten des Landes 2 daran interessiert, beide Güter zu importieren, während für die Konsumenten in Land 1 kein Anreiz besteht, die teureren Güter des Landes 2 zu kaufen. Da vor einem Kauf ausländischer Güter zunächst die eigene Währung in die des Auslandes umgetauscht werden muss, entsteht in dieser Situation eine Nachfrage nach Euro (bzw. ein Angebot an Dollar), dem kein Euro-Angebot (Dollar-Nachfrage) gegenübersteht. Wegen des Überschussangebots an Dollar sinkt der Preis dieses „Gutes“, ausgedrückt in Euro, der Dollar wird abgewertet, der Wechselkurs sinkt. Sobald sich durch den Rückgang des Wechselkurses bei einem der beiden Güter der absolute Preisvorteil umgekehrt hat, kann internationaler Handel in beiden Richtungen stattfinden Sinkt der Wechselkurs in obigem Zahlenbeispiel etwa auf einen Wert von Eins, so ergeben sich die Preisverhältnisse:
p1 < p1∗ w ;
6 € < 8 $ 1(€ $)
d. h.
6 € p 2∗ w ;
12 € > 10 $ 1(€ $)
d. h.
12 € > 10 €
3.3 Preisunterschiede als Ursache für Außenhandel
51
Land 1 hat jetzt nach wie vor den absoluten Preisvorteil bei Gut 1, während sich der Preisvorteil bei Gut 2 umgekehrt hat, er liegt jetzt bei Land 2. Abb. 3.3 zeigt den „zulässigen“ Bereich des Wechselkurses, in dem sich bei gegebenen Autarkiepreisen die absoluten Preisvorteile zwischen den beiden Ländern verteilen. Diesen Bereich kann man durch die Konstruktion von zwei Wechselkursniveaus bestimmen. Wechselkurs I entspricht einem Wert von 0,75. Das ist der Kurs, bei dem sich bei Gut 1 gerade kein absoluter Preisvorteil ergäbe: Der Autarkiepreis in Land 2 in Höhe von 8 Dollar stimmt, umgerechnet in Euro, mit dem inländischen Autarkiepreis in Höhe von 6 Euro überein. Wechselkurs II beträgt 1,2. Es handelt sich um den Kurs, bei dem der Autarkiepreis des Gutes 2 in Land 2 (10 Dollar), umgerechnet in Euro (12 Euro), genau dem Autarkiepreis des Landes 1 entspricht. Durch die beiden Wechselkurse I und II wird der Bereich möglicher Wechselkurse in die drei Teilbereiche A, B und C aufgeteilt. Wechselkurse im Bereich A liegen über dem Wert von 1,2 Euro pro Dollar. Bei dieser Wechselkurshöhe liegen die absoluten Preisvorteile für beide Güter bei Land 1. Umgekehrt ist es bei Wechselkursen, die niedriger sind als 0,75 (Bereich C). Hier ist der Euro gegenüber dem Dollar so stark, dass Land 1 bei keinem Gut mehr einen preislichen Vorteil besitzt. Nur Bereich B, d. h. Wechselkurse zwischen 0,75 und 1,2, erlauben bei gegebenen Autarkiepreisen eine Verteilung der absoluten Preisvorteile auf die beiden betrachteten Länder. Dieser „zulässige“ Bereich wird bei flexiblen Wechselkursen und freiem Güteraustausch automatisch erreicht, solange man keinen güterunabhängigen Kapitalverkehr berücksichtigt. In einem System fester Wechselkurse muss der Wechselkurs durch politische Entscheidung so festgelegt werden, dass er im Bereich B liegt. p 1, p 2
wII = 1,2 12
A wI = 0,75 B 6
C
8
Abb. 3.3:
10
Zulässiger Bereich des Wechselkurses
p1*, p2*
52
3 Die traditionelle Außenhandelstheorie
3.3.3
Relative Preisvorteile
Unterstellt man im Weiteren, dass der Wechselkurs einen zulässigen Wert annimmt, d. h. er liegt im Bereich B, so verteilen sich die absoluten Preisvorteile auf die beiden Länder. Gilt das obige Zahlenbeispiel weiter, so folgt:
p1 < p1* w
d. h.
w > p1 p1*
(3.3)
p2 > p 2* w
d. h.
w < p 2 p2*
(3.4)
Diese beiden Ungleichungen können nun zu einer Ungleichung zusammengefasst werden, die die relativen Preisvorteile der beiden Länder ausdrückt. Es gilt: p1 p1*
ME 2 ME 2∗
(3.6)
Land 1 hat einen relativen Preisvorteil für Gut 1, wenn die Opportunitätskosten einer Mengeneinheit von Gut 1, ausgedrückt in Mengeneinheiten des Gutes 2, niedriger sind als in Land 2. Gut 1 ist in Land 1, ausgedrückt durch den Verzicht auf Mengeneinheiten des Gutes 2, billiger als in Land 2. Entsprechend ist Gut 2 in Land 2, ausgedrückt in Mengeneinheiten des Gutes 1, billiger. Jedes Land wird nun bei Aufnahme von Handel das Gut exportieren, bei dem es einen relativen Preisvorteil besitzt (der ja, wie oben gezeigt, auch einem absoluten Preisvorteil entspricht). Im hier unterstellen Beispiel exportiert Land 1 Gut 1 und importiert Gut 2, während Land 2 Gut 2 exportiert und Gut 1 importiert. Da die relativen Preisvorteile vor Aufnahme von Handel also die Handelsrichtung determinieren, soll im Folgenden untersucht werden, welche Faktoren die relativen Preisvorteile der betrachteten Länder beeinflussen. Neben dem Wechselkurs, dessen Einfluss bereits diskutiert wurde, sind dies alle Faktoren, die Einfluss auf Angebot und Nachfrage sowie auf den Preisbildungsprozess haben. Beispielhaft sollen in den folgenden Abschnitten der Einfluss der Produktivität sowohl in der spezifischen (Ricardo) wie allgemeinen Form, der Nachfrage sowie der Faktorausstattung (Heckscher-Ohlin) dargestellt werden. Dabei wird zunächst stets von einer Autarkiesituation ausgegangen, es werden also die Bestimmungsfaktoren eines absoluten bzw. eines relativen Preisvorteils vor Aufnahme von Handel herausgearbeitet. Damit ist die Richtung von Außenhandel bestimmt. Im nächsten Schritt wird internationaler Handel zugelassen und untersucht, welche Auswirkungen sich dadurch auf die Produktionsstruktur in den beiden beteiligten Ländern ergeben, wie sich die Güter- und Faktorpreise ändern und welche Folgen dies für die Wohlfahrt der Länder, ausgedrückt durch das erreichbare Konsumniveau, hat.
3.4 Theorie der relativen Kostenvorteile (Ricardo)
53
3.4
Theorie der relativen Kostenvorteile (Ricardo)
3.4.1
Die Vorteilhaftigkeit von internationalem Güteraustausch
Die Theorie der relativen Kostenvorteile ist durch eine Arbeit des Engländers David Ricardo (1772–1823) in die Wirtschaftswissenschaften eingegangen. Ricardo führte relative Preisvorteile unter Verwendung sehr einfacher Annahmen auf relative Kostenvorteile in der Produktion zurück. Diese wiederum begründete er mit unterschiedlichen Produktivitäten des Faktors Arbeit. Er benutzte hierfür ein einfaches Beispiel mit zwei Ländern (England und Portugal) sowie zwei Güter (Tuch und Wein). Die Aussagen der Theorie Ricardos sollen im Folgenden zunächst anhand eines einfachen Zahlenbeispiels verdeutlicht werden. Gegeben sind zwei Länder, England und Portugal, die jeweils die beiden Güter Tuch (T) und Wein (W) produzieren. Der Kapitaleinsatz bei der Produktion sei gegeben und wird vernachlässigt. Das Ausmaß des erforderlichen Arbeitseinsatzes pro Outputeinheit ist gegeben und konstant, es werden also konstante Durchschnitts- und Grenzproduktivitäten des Faktors Arbeit unterstellt. Arbeit sei außerdem homogen, d. h. es ist eine Wanderung von einem zum anderen Sektor ohne Schwierigkeiten möglich. Das Ausmaß des Arbeitseinsatzes pro Outputeinheit (Q) wird durch einen Arbeitseinsatzkoeffizienten (a) gemessen, der definiert ist als:
a T = AT Q T
aW = AW QW
bzw.
(3.7)
Damit ergeben sich die Produktionsfunktionen: 1 1 bzw. Q T = T AT Q W = W AW a a
(3.8)
Der Gesamtbestand des Faktors Arbeit ist in beiden Ländern gegeben und konstant. Es werden beispielhaft folgende Werte der Arbeitseinsatzkoeffizienten unterstellt: Tab. 3.1:
Arbeitseinsatzkoeffizienten der beiden Sektoren
England Portugal
Tuch
Wein
2 3
5 2
Die Gesamtmenge an Arbeitseinheiten betrage in beiden Ländern 120. Es soll von folgender Ausgangsproduktion in Autarkie ausgegangen werden: England: Portugal:
20 Tuch = 40A und 20 Tuch = 60A und ∑
40 Tuch
∑
16 Wein = 80A 30 Wein = 60A
∑ 120A 120A
46 Wein
Die Gesamttuchproduktion beträgt also 40 Einheiten, die Gesamtweinproduktion 46 Einheiten. Der Faktor Arbeit ist in beiden Ländern vollbeschäftigt. Wie ändert sich die Gesamtproduktion, wenn sich jedes der beiden Länder auf die Produktion eines der beiden Güter spezialisiert und anschließend mit dem anderen Land tauscht? Da England bei der Tuchproduktion und Portugal bei der Weinproduktion jeweils weniger
54
3 Die traditionelle Außenhandelstheorie
Arbeitseinheiten einsetzen muss als das andere Land, bietet sich an, dass sich England auf die Produktion von Tuch und Portugal auf die Produktion von Wein spezialisiert. Damit gilt: England: 60 Tuch = 120A; Portugal: 60 Wein = 120A Als Ergebnis der Spezialisierung ist die Gesamtproduktion von Tuch um 20, die Gesamtproduktion von Wein um 14 Einheiten gestiegen. Bei gleich gebliebener Faktorausstattung und unveränderter Technologie haben also die Weltgütermenge und damit das Versorgungsniveau der Konsumenten zugenommen. Obwohl es für die betrachteten Länder möglich ist, alle benötigten Güter selbst zu produzieren, wäre es offensichtlich für beide von Vorteil, die verfügbaren Produktionsfaktoren vor allem für die Herstellung solcher Güter zu verwenden, die sie am kostengünstigsten produzieren können. Durch den internationalen Austausch dieser Güter gegen andere Güter kann jedes Land seine Konsummöglichkeiten bei allen Gütern steigern. Von internationalem Güteraustausch profitieren also alle beteiligten Länder.
3.4.2
Relative Kosten- und relative Preisvorteile
Verteilte absolute Kostenvorteile Im oben diskutierten Beispiel waren die Kostenvorteile zwischen den beiden Ländern verteilt. England musste bei Tuch, Portugal bei Wein weniger Arbeitseinheiten einsetzen als das jeweils andere Land. Die sich daraus ergebenden Zusammenhänge sollen nun in allgemeinerer Form dargestellt werden. Dabei beschränkt sich die Verdeutlichung durch Zahlen auf das Beispiel England. Die Produktionsfunktionen lauten:
Qi =
1 a
i
Ai ,
i = T ,W
(3.9)
Damit existieren konstante Durchschnitts- und Grenzproduktivitäten, die übereinstimmen und dem Kehrwert des Arbeitseinsatzkoeffizienten entsprechen. Qi A
i
=
dQ i dA i
=
1
(3.10)
ai
Der Gesamtbestand des Faktors Arbeit (im Beispiel England 120) ist gegeben und wird vollständig auf die beiden Sektoren aufgeteilt:
120 = AT + AW
A = AT + AW
(3.11)
Löst man die Produktionsfunktionen (3.9) nach A auf und setzt sie in (3.11) ein, so folgt:
A = a T Q T + a W QW
120 = 2QT + 5QW
(3.12)
Damit ergibt sich die Transformationskurve: QT =
A aT
−
aW aT
QW
5 Q T = 60 − Q W 2
(3.13)
Die Transformationskurve ist unter den hier gemachten Annahmen eine Gerade mit negativer Steigung. Sie gibt die Gütermengenkombinationen an, die das betrachtete Land mit der gegebenen Menge an Arbeit und gegebenen Arbeitseinsatzkoeffizienten maximal produzieren kann. Sie ist für England in Abb. 3.4a dargestellt, wo auch die im obigen Beispiel unterstellte Ausgangsversorgung von 20 Einheiten Tuch und 16 Einheiten Wein eingetragen ist.
3.4 Theorie der relativen Kostenvorteile (Ricardo)
55
Die Steigung der Transformationskurve wird durch das Verhältnis der Faktoreinsatzkoeffizienten aW/aT gegeben. Sie entspricht der Grenzrate der Transformation zwischen Tuch und Wein, die wegen den hier unterstellten vereinfachenden Annahmen unabhängig vom Faktoreinsatzniveau konstant ist. Sie gibt an, auf wie viele Einheiten Tuch man verzichten muss, um eine Einheit Wein mehr produzieren zu können. Da der Faktor Arbeit als homogen unterstellt wird, entspricht das Verhältnis der Faktoreinsatzkoeffizienten auch dem reziproken Gütermengenverhältnis.
dQ T aW A QW Q T 5 = = = = dQW a T A Q T QW 2
(3.14)
Unterstellt man vollkommene Konkurrenz und eine Gewinnmaximierungsstrategie der Unternehmen:
( )
Max G = p i Q i Ai − A i Ai
i = T ,W
(3.15)
so folgt die Bedingung der Grenzproduktivitätsentlohnung der Faktoren: Der Nominallohnsatz A entspricht dem mit dem Güterpreis gewichteten Grenzprodukt des Faktors Arbeit. Ai = pi
dQ i
Ai = pi ai
bzw.
dA i
QT
(3.16)
QT*
60
40
20
20
P=C
16
24
QW
a: England Abb. 3.4:
P*=C*
60
30
QW*
b: Portugal
Transformationskurven der beiden Länder bei verteilten Kostenvorteilen
Wenn der Faktor Arbeit, wie angenommen, homogen und zwischen den beiden Sektoren vollkommen mobil ist, so sind die Lohnsätze in den beiden Sektoren identisch und es gilt:
p T a T = A = pW a W
(3.17)
56
3 Die traditionelle Außenhandelstheorie
und damit pW p
T
=
aW a
T
QT
=
=
QW
5 2
(3.18)
Sowohl das Verhältnis der Güterpreise als auch das Verhältnis der Faktoreinsatzkoeffizienten besitzen die Dimension Mengeneinheit Tuch zu Mengeneinheit Wein. Das Verhältnis der Faktoreinsätze beschreibt dieses Tauschverhältnis für den Produktionsbereich: Wie viele Einheiten Tuch müssen weniger produziert werden, um eine Einheit Wein mehr produzieren zu können? Es handelt sich in dieser Interpretation also um die Steigung der Produktionsmöglichkeits- bzw. Transformationskurve. Das Verhältnis der Güterpreise dagegen beschreibt das Tauschverhältnis für die Konsumenten, d. h. auf den Kauf welcher Mengen von Tuch müssen die Verbraucher verzichten, wenn sie eine Einheit Wein mehr konsumieren wollen. Es handelt sich also um die Steigung der Konsummöglichkeitskurve. Da in einer geschlossenen Volkswirtschaft alle Güter, die das Land konsumieren möchte, auch selbst produziert werden müssen, sind Produktions- und Konsummöglichkeitsgerade identisch. Der Konsumpunkt (C) muss dem Produktionspunkt (P) entsprechen. Bei der hier unterstellten Konstanz der Grenzkosten wird das Preisverhältnis in Autarkie nur durch die Kosten, nicht durch die Nachfrage bestimmt. Die Güternachfrage entscheidet lediglich über die Lage des Konsumpunkts auf der Transformationskurve. Die analogen Zusammenhänge gelten auch für Land 2 (Portugal) und sind in Abb. 3.4b dargestellt: pW * p
T*
=
aW * a
T*
=
QT* Q
W*
=
2 3
(3.19)
Auch in Portugal entspricht in Autarkie der Konsum- dem Produktionspunkt (P* = C*). Da im hier unterstellten Beispiel England insgesamt mehr Tuch (60) als Portugal (40) und Portugal insgesamt mehr Wein (60) als England (24) produzieren kann, würden sich die beiden Transformationskurven, in ein Diagramm eingezeichnet, schneiden. Auch dies wird aus Abb. 3.4 deutlich. Da Portugal (Po) bei der Herstellung von Wein und England (Eng) bei der Herstellung von Tuch weniger Arbeitseinheiten einsetzen muss als das jeweils andere Land, ergibt sich für Portugal ein relativer Kosten- und damit ein relativer Preisvorteil für Wein, während England einen relativen Kosten- und damit einen relativen Preisvorteil für Tuch besitzt. Auf diese Güter werden sich die beiden Länder spezialisieren. aW aT
Po
=
2 5 aW < = 3 2 aT
(3.20) Eng
bzw. pW pT
Po
0 . In Abb. 3.11 werden aufgrund dieses Zusammenhangs die beiden Winkel β1 und β2 kleiner. Dieser Rückgang der sektoralen Kapitalintensitäten ist für die Räumung der Faktormärkte notwendig, damit auch nach der Produktionsumschichtung Vollbeschäftigung beider Faktoren gewährleistet bleibt. Der neue Punkt volkswirtschaftlich effizienter Produktion muss also im Dreieck RU02 liegen, da nur in diesem Bereich die Kapitalintensität beider Sektoren gesunken ist. Dies ist in Punkt S erfüllt. Da das Lohn-Zins-Verhältnis zurückgeht, ist in S auch der Tangens des Winkels γ kleiner geworden und auf den Wert γ' gesunken. Mit einfachen Überlegungen kann man zwei weitere Punkte volkswirtschaftlich effizienter Produktion identifizieren. Ist die Produktionsmenge des Gutes 2 mit Null vorgegeben, so spezialisiert sich das betrachtete Land vollständig auf die Produktion des Gutes 1. Hierfür wird die gesamte verfügbare Menge beider Faktoren eingesetzt, der Produktionspunkt entspricht also dem Ursprungspunkt des Sektors 2, 02. Umgekehrt ist auch 01 ein Punkt volkswirtschaftlich effizienter Produktion. Hier wird ausschließlich Gut 2 produziert und dabei die Gesamtmenge beider Faktoren eingesetzt. Verbindet man alle Optimalpunkte, so erhält man die Kurve effizienter Produktion, die von 01 über die Punkte R und S zu Punkt 02 verläuft. Dabei wird das Lohn-Zins-Verhältnis immer mehr abnehmen, je stärker man sich auf die relativ kapitalintensive Produktion von Gut 1
3.5 Modelltheoretische Erweiterung
69
spezialisiert. Es nimmt dagegen immer mehr zu, je mehr sich das betrachtete Land auf die relativ arbeitsintensive Produktion des Gutes 2 spezialisiert. Es gibt also, in Abhängigkeit von der gesamtwirtschaftlichen Faktorausstattung und der Produktionstechnologie, einen Wertebereich für das Lohn-Zins-Verhältnis, in dem Vollbeschäftigung beider Faktoren gewährleistet ist. Wäre die Produktion des Gutes 2 relativ kapitalintensiv und die des Gutes 1 relativ arbeitsintensiv, so würde die Kurve der effizienten Produktion unterhalb der Diagonalen der Edgeworth-Box verlaufen. Auch die Veränderung des Lohn-Zins-Verhältnisses würde sich damit umkehren. Mit zunehmender Produktion des relativ arbeitsintensiven Gutes 1 steigt das Lohn-Zins-Verhältnis, es sinkt, wenn mehr vom relativ kapitalintensiven Gut 2 produziert wird. Die Kurve der effizienten Produktion kann im Sonderfall auch mit der Diagonalen der Edgeworth-Box übereinstimmen, wenn die sektoralen Kapitalintensitäten identisch sind und mit der gesamtwirtschaftlichen Kapitalintensität übereinstimmen. Das Lohn-Zins-Verhältnis bliebe dabei auch bei einer Umstrukturierung der Produktion konstant. Die Kurve der effizienten Produktion ist eine Darstellung im Faktormengendiagramm, der Edgeworth-Box. Um die dabei realisierten Produktionsmengen direkt ablesen zu können, kann man die Kurve der effizienten Produktion in ein Gütermengendiagramm übertragen und erhält hier die Produktionsmöglichkeits- oder Transformationskurve. Eine solche ist in Abb. 3.12 dargestellt. Punkt V entspricht dabei einer vollständigen Spezialisierung auf Gut 1 (Punkt 02 in der Edgeworth-Box), Punkt W einer vollständigen Spezialisierung auf Gut 2 (Punkt 01 in der Edgeworth-Box). Die Steigung der Transformationskurve, die Grenzrate der Transformation (dQ1/dQ2), gibt an, wie viele Mengeneinheiten des Gutes 1 weniger produziert werden müssen, um eine Einheit des Gutes 2 zusätzlich produzieren zu können. Die Grenzrate der Transformation ist also negativ, sie entspricht in Punkt S dem Tangens des Winkels δ1, in Punkt R dem Tangens des Winkels δ2. Im Gegensatz zum Ricardo-Fall mit seinen konstanten Grenzproduktivitäten verläuft die Transformationskurve jetzt nicht mehr linear. Wegen der Annahme abnehmender partieller Grenzproduktivitäten müssen mit zunehmender (abnehmender) Produktion des Gutes 2 (Gutes 1) immer größere Mengen von Gut 1 aufgegeben werden, um eine weitere Einheit von Gut 2 zusätzlich produzieren zu können. Die Steigung der Transformationskurve, die Grenzrate der Transformation, wird also absolut gesehen immer größer, die Transformationskurve verläuft konkav zum Ursprung. In Abb. 3.12 muss also δ2 größer sein als δ1. Bei vollständiger Konkurrenz der Anbieter und Entlohnung der Faktoren nach ihrem Wertgrenzprodukt entspricht die Steigung der Transformationskurve dem umgekehrten Güterpreisverhältnis. Dieser, aus der mikroökonomischen Theorie bekannte Zusammenhang, ergibt sich bei totaler Differentiation der Produktionsfunktion, unter Berücksichtigung der Grenzproduktivitätsentlohnung und der Vollbeschäftigungsbedingung. −
dQ1 P2 = dQ2 P1
Man sieht damit, dass die in den Abb. 3.11 und 3.12 diskutierte Mehrproduktion des Gutes 1 (Bewegung von Punkt R zu Punkt S) auch mit einer Änderung des Güterrelativpreises verbunden ist. p2/p1 entspricht in R dem Tangens des Winkels δ2 und wird mit einer Wanderung auf der Transformationskurve in Richtung des Gutes 1 auf tg δ1 in Punkt S sinken.
70
3 Die traditionelle Außenhandelstheorie
Q1 V
S
•
δ1
•
R
δ2
W 0
Q2
Abb. 3.12:
Transformationskurve
Damit ist auch eine Kausalbeziehung zwischen dem Güterpreisverhältnis und dem Lohn-ZinsVerhältnis gegeben. Verschieben sich, aus welchen Gründen auch immer, die Präferenzen der Konsumenten zugunsten des Gutes 1, so steigt wegen der vermehrten Nachfrage der Preis dieses Gutes, der Relativpreis p2/p1 sinkt. Hierdurch entsteht ein Anreiz für die Anbieter, mehr von Gut 1 und weniger von Gut 2 zu produzieren. Diese Produktionsumschichtung ist mit der oben diskutierten Änderung der Faktorpreisrelation verbunden. Handelt es sich bei dem vermehrt produzierten Gut um das relativ kapitalintensive Gut, so wird das Lohn-Zins-Verhältnis sinken, wird Gut 1 dagegen relativ arbeitsintensiv produziert, so steigt das Lohn-Zins-Verhältnis. p2 A ↓ → (k1 > k 2 ) → ↓ p1 i
d. h.:
⎛A⎞ ⎛ p ⎞ d ⎜ ⎟ / d ⎜⎜ 2 ⎟⎟ > 0 ⎝ i ⎠ ⎝ p1 ⎠
p2 A ↓ → (k 2 > k1 ) → ↑ p1 i
d. h.:
⎛A⎞ ⎛ p ⎞ d ⎜ ⎟ / d ⎜⎜ 2 ⎟⎟ < 0 ⎝ i ⎠ ⎝ p1 ⎠
Den Zusammenhang zwischen der gesamtwirtschaftlichen und den sektoralen Kapitalintensitäten, dem Lohn-Zins-Verhältnis und dem Güterpreisverhältnis kann man auch graphisch mit Hilfe des Harrod-Johnson-Diagramms in Abb. 3.13 verdeutlichen. Im oberen Teil der Abb. 3.13 ist der Zusammenhang zwischen den sektoralen Kapitalintensitäten und dem Lohn-Zins-Verhältnis abgetragen. Stehen die beiden Produktionsfaktoren, wie hier unterstellt, in substitutionaler Beziehung zueinander, so wird die Kapitalintensität der Produktion bei steigendem Lohn-Zins-Verhältnis zunehmen, es besteht also ein positiver Zusammenhang zwischen diesen beiden Größen. In Abb. 3.13 ist auch unterstellt, dass bei jedem zulässigen Lohn-Zins-Verhältnis die Kapitalintensität des Sektors 1 über der von Sektor 2 liegt. Dies ist der oben diskutierte Fall eines relativ kapitalintensiv produzierten Gutes 1 und eines relativ arbeitsintensiv produzierten Gutes 2.
3.5 Modelltheoretische Erweiterung
71
Im oberen Teil der Abb. 3.13 ist auch der bei Vollbeschäftigung zulässige Bereich des LohnZins-Verhältnisses abzulesen. Die durch die Gesamtmenge der Faktoren Kapital und Arbeit gegebene gesamtwirtschaftliche Kapitalintensität ist konstant und wird durch die Waagrechte dargestellt. Stimmt die Kapitalintensität des Sektors 1 mit der gesamtwirtschaftlichen Kapitalintensität überein (Punkt V), so impliziert dies eine vollständige Spezialisierung des Landes auf die Produktion des Gutes 1. In der Edgeworth-Box würde dies dem Eckpunkt 02, auf der Transformationskurve dem Achsenschnittpunkt V entsprechen. Hier ist das Minimum, also die untere Grenze des Lohn-Zins-Verhältnisses für das betrachtete Land erreicht. Mit zunehmender Produktion des relativ arbeitsintensiven Gutes 2 bzw. abnehmender Produktion des relativ kapitalintensiven Gutes 1 steigt, wie oben diskutiert, die Kapitalintensität in beiden Sektoren, man bewegt sich auf den Kurven der sektoralen Kapitalintensitäten nach rechts oben. Mit dieser Bewegung nimmt auch das Lohn-Zins-Verhältnis zu. Das Maximum des Lohn-Zins-Verhältnisses, die obere Grenze, ist erreicht, wenn das Land nur noch das relativ arbeitsintensive Gut 2 produziert. In der Edgeworth-Box wäre dies der Eckpunkt 01, auf der Transformationskurve der Achsenschnittpunkt W. Auch in Abb. 3.13 wird diese vollständige Spezialisierung durch Punkt W gekennzeichnet, in dem die gesamtwirtschaftliche Kapitalintensität der des Sektors 2 entspricht. ki k1 k2 V
k k*
W
W*
V*
* i*
min
i S
min
*
max
i*
T
i
max
i
p2*/p 1* min p2/p 1 min p2*/p 1* max p2/p 1 max
p2/p 1
Abb. 3.13:
Zulässige Bereiche von Lohn-Zins-Verhältnis und Güterrelativpreis
Der Zusammenhang zwischen dem Lohn-Zins-Verhältnis und dem Güterpreisverhältnis wurde bereits diskutiert. Mit einem steigenden Preis für das relativ kapitalintensiv produzierte Gut 1 sinkt das Güterpreisverhältnis p2/p1, gleichzeitig sinkt mit der vermehrten Produktion des Gutes 1 auch das Lohn-Zins-Verhältnis. Zwischen A / i und p2/p1 besteht also der in Abb. 3.13 eingezeichnete positive Zusammenhang. Mit der Eingrenzung eines zulässigen
72
3 Die traditionelle Außenhandelstheorie
Bereichs für das Lohn-Zins-Verhältnis ist auch ein bestimmter Wertebereich für das Güterpreisverhältnis gegeben, der in Abb. 3.13 zwischen p2/p1max und p2/p1min liegt. Dieser Wertebereich des Güterpreisverhältnisses entspricht wiederum dem Schwankungsbereich der Steigung der Transformationskurve in Abb. 3.12, der zwischen V (Minimum) und W (Maximum) liegt. Daraus folgt, dass sich auch das Lohn-Zins-Verhältnis entlang der Transformationskurve zwischen seinem minimalen und seinem maximalen Wert bewegt. Der hier für ein Land dargestellte produktionstheoretische Zusammenhang gilt analog auch für das zweite betrachtete Land. In Abb. 3.13 ist unterstellt, dass bei gleichen produktionstheoretischen Zusammenhängen (die sektoralen Kapitalintensitätsgeraden k1 und k2 gelten auch für Land 2) die gesamtwirtschaftliche Kapitalintensität in Land 2 kleiner ist als in Land 1. Aus diesem Grund liegen auch die zulässigen Bereiche des Lohn-Zins-Verhältnisses und des Güterpreisverhältnisses unter denen von Land 1. Damit wird deutlich, dass es einen Wertebereich des Lohn-Zins-Verhältnisses geben kann, der für beide Länder, trotz ihrer unterschiedlichen physischen Kapitalausstattung, gilt. In Abb. 3.13 ist dies der Bereich zwischen dem minimalen inländischen und dem maximalen ausländischen Lohn-ZinsVerhältnis, also zwischen S und T. Um nun die verschiedenen Ursachen von Außenhandel isoliert darstellen und um ihre Wirkung damit eindeutig klären zu können, wird im Folgenden von zwei identischen Ländern ausgegangen, die sich jeweils nur in einer Eigenschaft unterscheiden. Auf diese Weise kann man den Einfluss dieser einen Divergenz auf die internationale Arbeitsteilung untersuchen. Die Darstellung erfolgt jeweils in zwei Schritten: Zunächst wird die Situation vor Aufnahme von Handel dargestellt, und die dabei herrschenden Relativpreise werden unterschieden. Damit kann die Richtung des Handels bestimmt werden. In einem zweiten Schritt wird Handel zugelassen, und es werden die Anpassungseffekte in den jeweiligen Ländern und die durch sie ausgelösten Wohlfahrtseffekte diskutiert.
3.6
Unterschiede in der allgemeinen Produktionseffizienz
Die Kosten- und damit Preiswirkungen unterschiedlicher Faktorproduktivitäten wurden im Ricardo-Beispiel bereits diskutiert. Diese Darstellung soll hier durch unterschiedliche Produktionseffizienzen allgemeiner, also faktorunspezifischer Art, ergänzt werden. Die allgemeine Produktionseffizienz ist etwa von der Infrastruktur eines Landes, von sozialen Faktoren o. ä. abhängig. Um die Darstellung möglichst einfach zu halten, soll die allgemeine Produktionseffizienz durch einen Effizienzparameter berücksichtigt werden, mit dem die Produktionsfunktionen multipliziert werden. Da von den hier unterstellten Unterschieden in den allgemeinen Produktionsbedingungen die Sektoren in durchaus unterschiedlicher Weise betroffen sein können, werden sektoral unterschiedliche Effizienzparameter betrachtet. Die sektoralen Produktionsfunktionen in den beiden Ländern stimmen bis auf den Effizienzparameter ε überein. Zwischen Sektor 1 und Sektor 2 bestehen natürlich nach wie vor in beiden Ländern Unterschiede. Im Übrigen sind die beiden Länder identisch, d. h. zum einen stimmt die Faktorausstattung überein, zum anderen konsumieren in beiden Ländern die Verbraucher die beiden Güter im gleichen Verhältnis.9 9
Dies impliziert die bisher schon benutzte vereinfachte Annahme, durch die Substitutionseffekte aufgrund von Relativpreisänderungen vernachlässigt werden.
3.6 Unterschiede in der allgemeinen Produktionseffizienz
73
Identitäten: K = K∗,
(
C 1 C 2 = C 1∗ C 2∗
A = A∗ ,
)
Q1 = ε 1 F 1 K 1 , A1 ,
(
(
Q1∗ = ε 1∗ F 1∗ K 1∗ , A1∗
)
(
)
)
Q 2∗ = ε 2∗ F 2∗ K 2∗ , A2∗ ,
Q 2 = ε 2 F 2 K 2 , A2 ,
mit F 1 = F 1* mit F 2 = F 2*
Unterschied:
ε 1 ≠ ε 1* ,
ε 2 ≠ ε 2*
Wären ε 1 = ε 1* sowie ε 2 = ε 2* , so würde kein Unterschied zwischen den beiden Ländern existieren, und die Transformationskurven wären folglich identisch. Damit bestünde unter den hier gemachten Annahmen aber auch keine Grundlage für internationalen Güteraustausch. Es soll jedoch angenommen werden, dass Land 1 in beiden Sektoren effizienter produzieren kann, dass der Effizienzvorsprung in Sektor 1 jedoch größer ist als in Sektor 2:
ε 1 > ε 1∗ ,
ε 2 > ε 2∗ ,
ε 1 ε 1∗ > ε 2 ε 2∗
mit:
Land 1 kann, da die Faktorausstattung identisch ist, von beiden Güterarten mehr produzieren als Land 2, allerdings ist der Vorteil bei Gut 1 relativ größer. Damit ergeben sich die in Abb. 3.14 dargestellten Transformationskurven der beiden Länder. Q1 Q1* γ
α C1 • PH
C2
=
C1* C2*
•· CH c γ α* • C*
• CH*
• PH*
Q2, Q2 *
Abb. 3.14:
Unterschiedliche allgemeine Produktionseffizienz als Handelsursache
Die Güternachfrage kann wegen der Annahme gleicher Konsumstrukturen wie bisher durch einen Strahl aus dem Ursprung dargestellt werden, der für beide Länder Gültigkeit besitzt. Da zunächst wieder von einer Autarkiesituation ausgegangen wird, muss der Konsumpunkt in beiden Ländern dem Produktionspunkt entsprechen, d. h. Land 1 produziert und konsumiert vor Handel in Punkt C, Land 2 in Punkt C*. Aufgrund der oben diskutierten Zusam-
74
3 Die traditionelle Außenhandelstheorie
menhänge ergibt sich bei dieser Situation ein Relativpreisvorteil des Landes 1 für Gut 1. In Punkt C ist die Transformationskurve des Landes 1 steiler als die Transformationskurve des Landes 2 in Punkt C*, tg α ist größer als tg α*. Damit gilt: P2 P2∗ > ∗ P1 P1
P1 P∗ < 1∗ P2 P2
bzw.
Ein Land hat c. p. einen relativen Kosten- und damit Preisvorteil für das Gut, bei dessen Produktion das Land einen relativen Effizienzvorteil in der Produktion besitzt. Das Land wird dieses Gut exportieren, das andere Gut importieren. (Produktivitätstheorem) Wird nun Außenhandel zugelassen und wird dabei von Transportkosten ebenso wie von Handelshemmnissen jeder Art abgesehen, so gleichen sich, wie im Ricardo-Fall diskutiert, die Güterrelativpreise an. Dies impliziert wiederum für beide Länder eine Verbesserung ihrer terms of trade. Mit dem Anstieg des Relativpreisverhältnisses p1/p2 (p2/p1 sinkt) verlagert sich der Produktionspunkt des Landes 1 nach oben zu PH, das Land wird mehr vom Exportgut 1 und weniger vom Importgut 2 produzieren. Land 2 dagegen verlagert seinen Produktionspunkt in Richtung des Gutes 2, da der Relativpreis p2*/p1* steigt. Neuer Produktionspunkt ist PH*. Von den neuen Produktionspunkten ausgehend werden die Güter nun zwischen den beiden Ländern zum neuen Weltmarktpreisverhältnis tg γ getauscht. Da sich die Tauschverhältnisse durch die Angleichung der Güterrelativpreise für beide Länder verbessert haben – jedes Land bekommt für eine Mengeneinheit seines Exportgutes mehr Mengeneinheiten des Importgutes, als dies in Autarkie möglich gewesen wäre –, verbessern sich auch die Konsummöglichkeiten für die Verbraucher in beiden Ländern. Land 1 erreicht den neuen Konsumpunkt CH, Land 2 CH*. Beide Punkte liegen jeweils außerhalb der heimischen Transformationskurve. Die Exportmenge des Landes 1 muss dabei der Importmenge des Landes 2 entsprechen, die Exportmenge des Landes 2 der Importmenge des Landes 1
3.7
Unterschiede in der Nachfrage
Die beiden Länder sind von der Produktionsseite her vollkommen identisch, die sektoralen Produktionsfunktionen stimmen ebenso überein wie die Faktorausstattung. Damit stimmen auch die Transformationskurven der beiden Länder überein. Lediglich die Nachfragestrukturen unterscheiden sich. Dabei wird angenommen, dass in Land 1 Gut 2 relativ stärker nachgefragt wird, in Land 2 dagegen Gut 1. Identitäten: K = K∗,
(
F 1 K 1 , A1
)
Unterschied: C1 C2
2∗ P1 P1
P1 P∗ < 1∗ P2 P2
bzw.
Ein Land hat c. p. einen relativen Preisvorteil für das Gut, das vor Aufnahme von Handel in diesem Land relativ weniger stark nachgefragt wird. Das Land wird dieses Gut exportieren, das andere Gut importieren. Voraussetzung für internationalen Handel ist lediglich, dass die relativen Preise in Autarkie differieren, unabhängig davon, ob Kostenunterschiede bestehen oder nicht. Fehlende Kostendifferenzen machen internationalen Güteraustausch nicht unmöglich, denn die Güterpreisverhältnisse werden durch Kosten- und Nachfragestrukturen bestimmt. Es genügen also Nachfrageunterschiede, um Preisunterschiede zu begründen. Q1
C1*
Q1*
C2* α*
CH* C*
PH=PH* C1 C2
CH C
γ α
Q2, Q2 *
Abb.3.15:
Unterschiede in der Nachfrage als Handelsursache
Auch in diesem Fall gleichen sich die Güterrelativpreise durch die Aufnahme von Handel und wegen der Vernachlässigung von Preisverzerrungen vollständig an (tg γ). Die terms of trade verbessern sich für beide Länder. Land 1 wird mehr von Gut 1 produzieren, für das es einen relativen Preisvorteil besitzt, Land 2 mehr von Gut 2. Da die Produktionsbedin-
76
3 Die traditionelle Außenhandelstheorie
gungen in den beiden Ländern jedoch identisch sind und sich die Relativpreisunterschiede allein durch Nachfragedivergenzen ergeben haben, bewegen sich die Produktionspunkte in Abb. 3.15 aufeinander zu. Im Optimum stimmen die Produktionsstrukturen in beiden Ländern überein, die Produktionspunkte fallen zusammen (PH = PH*). Dies ist auch ökonomisch sinnvoll, da keines der beiden Länder von der Kostenseite her Produktionsvorteile für eines der beiden Güter besitzt. Auch in diesem Beispiel ist aber Außenhandel notwendig, um die unterschiedlichen Konsumentenpräferenzen befriedigen zu können. Dieser Handel findet wieder für beide Länder zu verbesserten Tauschbedingungen statt, so dass die Verbraucher in beiden Ländern ihre Konsumniveaus erhöhen können. Die nachfragegesteuerte Spezialisierung vor Handel wird in diesem Falle also abgebaut. Beide Länder produzieren die gleichen Gütermengen, beliefern damit die Weltmärkte zu verbesserten Tauschbedingungen und verhelfen auf diese Weise ihren Konsumenten zu gestiegenen Konsumniveaus (CH bzw. CH*).
3.8
Unterschiede in der Faktorausstattung (Heckscher-Ohlin-Theorem)
3.8.1
Messung anhand der physischen Ausstattung
Die beiden Länder sind wieder vollkommen identisch. In beiden Ländern ist Gut 1 das relativ kapitalintensiv und Gut 2 das relativ arbeitsintensiv produzierte Gut. Die sektoralen Produktionsfunktionen stimmen ebenso überein wie die Konsumstruktur. Lediglich die gesamtwirtschaftliche Kapitalintensität ist unterschiedlich. Es sei angenommen, dass Land 1 relativ kapitalreich im Vergleich zu Land 2 ist. Identitäten: C1 C2
=
C 1∗ C 2∗
(
F 1 K 1 , A1
)
(
)
= F 1∗ K 1∗ , A1∗ ,
(
)
(
F 2 K 2 , A 2 = F 2∗ K 2∗ , A2∗
)
Unterschied: K K∗ > A A∗
Entscheidend für die Aussage über Handelsvorteile sind nicht die Unterschiede im absoluten Faktorbestand, sondern Unterschiede in den Faktorproportionen. Deshalb wird das Heckscher-Ohlin-Theorem, das zurückgeht auf Eli Heckscher (1919) und Bertil Ohlin (1933), auch das Faktorproportionentheorem genannt. In Abb. 3.16 ist anhand von zwei übereinander gelegten Edgeworth-Boxen der Sonderfall dargestellt, dass beide Länder die gleiche Menge an Arbeit besitzen, Land 1 aber über den höheren Kapitalstock verfügt. Damit ist die gesamtwirtschaftliche Kapitalintensität des Landes 1, gemessen durch tg α, größer als die gesamtwirtschaftliche Kapitalintensität des Landes 2, tg α*. Die beiden Boxen sind so übereinander gelegt, dass die Ursprungspunkte des Sektors 1 übereinstimmen. Es ist, gemessen an der Isoquante des Sektors 1, abzulesen, dass Land 1 mehr
3.8 Unterschiede in der Faktorausstattung (Heckscher-Ohlin-Theorem)
77
Mengeneinheiten des Gutes 1 produzieren kann als Land 2. Würde man die Ursprungspunkte des Sektors 2 übereinander legen, so könnte man analog feststellen, dass Land 1 auch von Gut 2 mehr Mengeneinheiten produzieren kann als Land 2. Die Transformationskurve des Landes 1 liegt also außerhalb von der des Landes 2. Da Gut 1 jedoch das relativ kapitalintensiv und Gut 2 das relativ arbeitsintensiv produzierte Gut darstellt, ist der Produktionsvorteil des kapitalreichen Landes 1 bei Gut 1 größer als bei Gut 210.
O2
Q1|max
O2*
Q1*|max
_ K _ K*
α* α O1= O1* Ā=Ā*
Abb. 3.16:
Unterschiede in der physischen Faktorausstattung
In Abb.3.17 ist die äußere Kurve die Transformationskurve des Landes 1, die innere die des Landes 2. Bei identischer Nachfragestruktur (Strahl aus dem Ursprung) ergibt sich wieder der bereits mehrfach diskutierte Fall eines relativen Preisvorteils des Landes 1 (des Landes 2) für Gut 1 (Gut 2), tg α ist wieder größer als tg α*. p2 p ∗ > 2∗ p1 p1
bzw.
p1 p∗ < 1∗ p2 p2
Damit liegen folgende Gegebenheiten vor: Land 1 ist relativ kapitalreicher als Land 2, Gut 1 wird in beiden Ländern relativ kapitalintensiv produziert, Land 1 hat einen relativen Preisvorteil für Gut 1 und exportiert damit dieses Gut, Land 2 hat einen relativen Preisvorteil für Gut 2 und exportiert damit dieses Gut.
• • •
10
Für linear-homogene Produktionsfunktionen ist dies durch das Rybczynski-Theorem nachzuweisen. Vgl. z. B. Rose/Sauernheimer, 2006
78
3 Die traditionelle Außenhandelstheorie
Dies heißt zusammengefasst: Ein Land hat einen relativen Preisvorteil für das Gut, bei dessen Produktion der im Land relativ reichlich vorhandene Faktor relativ intensiv genutzt wird (Heckscher-OhlinTheorem bzw. Faktorproportionentheorem). Dieses Gut wird bei Aufnahme von Handel exportiert. Die Anpassung nach Aufnahme von Handel erfolgt in der bekannten Weise. Die Relativpreise gleichen sich an, wodurch sich ein für beide Länder identisches Tauschverhältnis (tg γ) ergibt. Das Produktionsoptimum verlagert sich in Land 1 in Richtung des relativ kapitalintensiv produzierten Gutes 1 zu PH, in Land 2 dagegen in Richtung des relativ arbeitsintensiv produzierten Gutes 2 zu PH*. In beiden Ländern können die Konsumenten durch den Tausch der Güter zu höheren Konsumniveaus gelangen. Die neuen Konsumpunkte liegen, wenn man unveränderte Konsumstrukturen unterstellt, auf dem gleichen Strahl in weiter vom Ursprung entfernten Punkten als bisher (CH bzw. CH*). Q1 Q1*
γ
α C1 ● PH
C2
=
C1* C2*
●● CH C γ α*
· CH* ● C* ● PH*
Q2, Q2 * Abb. 3.17:
Unterschiede in der Faktorausstattung als Handelsursache
Man sieht aus Abb. 3.17 auch, dass die Gültigkeit des Heckscher-Ohlin-Theorems bei deutlich unterschiedlichem Nachfrageverhalten in den beiden Ländern in Frage gestellt wird. Wird etwa das relativ kapitalintensiv produzierte Gut 1, für das Land 1 aufgrund seiner Faktorausstattung einen relativen Produktionskostenvorteil besitzt, in Land 1 besonders stark nachgefragt, so stehen sich ein preissenkender Kosteneffekt und ein preissteigender Nachfrageeffekt gegenüber. In Abb. 3.18 ist diese Situation durch den Nachfragestrahl A dargestellt. Solange Gut 1 auch in Land 2 so stark präferiert wird, solange also der Nachfragestrahl A auch in Land 2 Gültigkeit besitzt, ändert sich nichts an der Aussage des Heckscher-OhlinTheorems. Ist die Nachfrage nach Gut 1 in Land 2 jedoch deutlich geringer als in Land 1, so
3.8 Unterschiede in der Faktorausstattung (Heckscher-Ohlin-Theorem)
79
muss die Analyse modifiziert werden. Eine geringere Nachfrage wirkt, wie oben diskutiert, preisdämpfend. Legt man das sich in Land 1 beim Nachfragestrahl A ergebende Preisverhältnis, tg α, an die Transformationskurve des Landes 2, so ergibt sich Punkt T. Würde die Nachfragestruktur des Landes 2 einem Ursprungsstrahl durch diesen Punkt T entsprechen, so ergäbe sich in beiden Ländern das gleiche Güterpreisverhältnis, und keines der beiden Länder würde einen relativen Preisvorteil aufweisen. Die Kostenvorteile des Landes 1 für Gut 1 würden durch die geringere Nachfrage des Landes 2 nach diesem Gut genau kompensiert. Ist die Nachfrage nach Gut 1 in Land 2 noch geringer, wird sie etwa durch Strahl B dargestellt, so hat sich die Heckscher-Ohlin-Aussage umgekehrt. Obwohl Land 1 das relativ kapitalreiche Land ist und es sich bei Gut 1 um das relativ kapitalintensiv produzierte Gut handelt, besitzt Land 2 einen relativen Preisvorteil für Gut 1. Ursache ist die sehr geringe Nachfrage nach diesem Gut, die den Preis dämpft und die den Kostennachteil des Landes bei diesem Gut überkompensiert. C1 A:
Q1
C2
C1 α
α
α
*
B: T
C1* C2*
Q2, C2 Abb. 3.18:
Umkehrung des Heckscher-Ohlin-Theorems durch Nachfrageunterschiede
Es gibt weitere Gründe, die das Heckscher-Ohlin-Theorem in der hier vorgestellten einfachen Form in Frage stellen. So hat Leontief (Leontief, 1953) mit Hilfe einer Input-OutputAnalyse für die 1940er Jahren gezeigt, dass die USA als relativ kapitalreiches Land relativ arbeitsintensive Güter exportieren und relativ kapitalintensive Güter importieren. Dieses, in Kapitel 5 ausführlicher diskutierte Leontief-Paradoxon hat u. a. dokumentiert, dass die Homogenitätsannahme insbesondere beim Faktor Arbeit eine irreführende Vereinfachung darstellt. Man muss vielmehr zwischen verschiedenen Qualitäten der Produktionsfaktoren differenzieren. Insbesondere ist zwischen gering qualifizierter und hochqualifizierter Arbeit – Humankapital – zu unterscheiden. Ein Land, das reichlich mit gut ausgebildeter Arbeit ausgestattet ist, hat dann einen relativen Kostenvorteil für Güter, bei denen gut ausgebildete
80
3 Die traditionelle Außenhandelstheorie
Arbeit in besonderem Umfang benötigt wird, während bei den Importen besonders intensiv gering qualifizierte Arbeit eingesetzt wird.
3.8.2
Messung am Lohn-Zins-Verhältnis
Die Entlohnung eines Faktors wird üblicherweise als Indiz seiner Reichlichkeit interpretiert. Man spricht von einem reichlich vorhandenen Faktor, wenn dieser Faktor billig ist, und von einem knappen Faktor, wenn er teuer ist. Überträgt man dies auf die relative Faktorausstattung, so würde ein niedriges Lohn-Zins-Verhältnis auf einen relativ reichlich vorhandenen Faktor Arbeit schließen lassen, ein hohes Lohn-Zins-Verhältnis dagegen auf eine relative Reichlichkeit des Faktors Kapital. Gemessen am Lohn-Zins-Verhältnis wäre Land 1 also relativ zu Land 2 kapitalreich, wenn gilt:
A A∗ > i i∗ Das Lohn-Zins-Verhältnis ist eine der gesamtwirtschaftlichen Kapitalintensität nachgelagerte Größe, da sie nicht exogen gegeben ist, sondern sich erst im Verlauf des Produktionsprozesses bildet. Dies impliziert aber, dass im Lohn-Zins-Verhältnis Unterschiede in der Nachfrage bereits berücksichtigt sind, da diese in Autarkie auch die Produktionsstrukturen bestimmen. Aus dieser Überlegung folgt, dass die Messung der Faktorreichlichkeit durch das Lohn-ZinsVerhältnis zu anderen Ergebnissen führen kann als die Messung durch die physische Faktorausstattung. Dies ist auch am Harrod-Johnson-Diagramm ersichtlich. Es wurde in Abb. 3.13 bereits diskutiert, dass durch die gesamtwirtschaftliche Kapitalintensität bei gegebener Produktionstechnologie ein bestimmter zulässiger Wertebereich des LohnZins-Verhältnisses gegeben ist. Es sei weiterhin angenommen, dass die Produktionstechnologie in beiden Ländern identisch ist und Gut 1 das relativ kapitalintensiv produzierte Gut darstellt. Die Kurven der sektoralen Kapitalintensitäten gelten also für beide Länder. Land 1 sei weiterhin das relativ kapitalreiche Land, gemessen an der gesamtwirtschaftlichen Kapitalintensität. Aus Abb. 3.13 ist unter diesen Annahmen ersichtlich, dass es einen Bereich geben kann, in dem sich die zulässigen Werte des Lohn-Zins-Verhältnisses der beiden Länder überlappen. Dies ist dann der Fall, wenn der maximal zulässige Wert des Auslands über dem minimalen Wert des Inlands liegt. In Abb. 3.13 ist dies der Bereich ST. Daraus folgt aber: Obwohl Land 1, gemessen an der physischen Ausstattung, das relativ kapitalreiche Land ist und Gut 1 relativ kapitalintensiver produziert wird als Gut 2, kann das Lohn-Zins-Verhältnis in Land 1 kleiner sein als das in Land 2. In diesem Fall ist aber auch das Preisverhältnis p2/p1 in Land 1 kleiner als in Land 2. Land 1 hätte also einen relativen Preisvorteil für Gut 2, was eine Verletzung des Heckscher-Ohlin-Theorems darstellt. Ein solcher Fall kann, wie oben gezeigt, durch eine sehr starke Nachfrage nach dem relativ kapitalintensiv produzierten Gut 1 in Land 1 erklärt werden. Ist aufgrund der starken Nachfrage nach Gut 1 in Land 1 die Produktion des Gutes 1 sehr hoch, so wirkt dies dämpfend auf das LohnZins-Verhältnis. Ist aber das Lohn-Zins-Verhältnis in Land 1 kleiner als in Land 2, so handelt es sich bei dieser Art der Messung bei Land 1 um das relativ arbeitsreiche und bei Land 2 um das relativ kapitalreiche Land. Dann würde aber auch das Heckscher-Ohlin-Theorem wieder Gültigkeit besitzen. Das, gemessen am Lohn-Zins-Verhältnis, relativ arbeitsreiche Land 1 hat einen relativen Preisvorteil für das relativ arbeitsintensiv produzierte Gut 2. Wegen des eindeutigen
3.9 Zusammenfassung von Kapitel 3
81
Zusammenhangs zwischen Lohn-Zins-Verhältnis und Güterpreisverhältnis ist bei dieser Messung der Faktorreichlichkeit das Heckscher-Ohlin-Theorem immer erfüllt. Am Harrod-Johnson-Diagramm der Abb. 3.13 ist auch der Einfluss internationalen Handels auf die relative Faktorentlohnung direkt ablesbar. Gleichen sich durch freien Güteraustausch die Relativpreise an, so impliziert dies auch eine Angleichung des Lohn-Zins-Verhältnisses in den beiden Ländern. Es sei angenommen, Land 1 ist relativ kapitalreich und das LohnZins-Verhältnis vor Aufnahme von Handel sei größer als in Land 2. Wenn sich durch Handel ein einheitliches Lohn-Zins-Verhältnis bildet, so impliziert dies für Land 1 einen Rückgang, für Land 2 dagegen einen Anstieg des Lohn-Zins-Verhältnisses. Dies bedeutet, dass sich durch die stärkere Spezialisierung der Länder auf die Güter, bei denen sie Preisvorteile besitzen, der im Land reichlich vorhandene Faktor besser stellt, während der relativ knappere Faktor verliert. Der vor Handel in Land 1 relativ hoch bezahlte Faktor Arbeit wird also verlieren, weil im Zuge des Güteraustauschprozesses die relativ arbeitsintensiven Güter verstärkt importiert werden und damit die Nachfrage nach Arbeit im Inland relativ zurückgeht. Wäre das Angebot an Arbeit und Kapital in den jeweiligen Ländern von der Faktorentlohnung positiv abhängig, so würden durch diese Veränderung der Faktorentlohnung die Ungleichgewichte der Faktorausstattung zwischen den beiden Ländern noch vergrößert, da durch Handel der reichlich vorhandene Faktor besser entlohnt wird und sein Angebot damit weiter steigt. Welche sonstigen Auswirkungen sich durch freien internationalen Handel in den beteiligten Ländern ergeben, wird im nächsten Kapitel diskutiert.
3.9 1.
2.
3.
4.
Zusammenfassung von Kapitel 3 Eine einfache Erklärung für internationalen Güteraustausch ist die mangelnde Verfügbarkeit von Gütern, durch die ein Land auf deren Import angewiesen ist. Die NichtVerfügbarkeit kann natürliche Ursachen haben, aber auch auf mangelndem technologischen Know-how beruhen. Im Gegensatz zu natürlichen Ursachen ist Know-how im Verlaufe des Entwicklungsprozesses einer Volkswirtschaft zu erwerben. Im Rahmen des Produktlebenszyklus kann ein Gut von einem Export- zu einem Importgut werden. Ein Hochtechnologieland entwickelt neue Produkte, produziert und exportiert diese. Ist das Produktionsverfahren dann ausgereift und sind die Produkte von Ländern, in denen einfache Arbeit relativ billig ist, kostengünstiger zu produzieren, so werden sie verstärkt dort hergestellt. Das Hochtechnologieland wird damit zu einem Importland und ist auf die Entwicklung neuer Produkte angewiesen. Man unterscheidet inter-sektoralen und intra-sektoralen Handel. Bei letzterem werden gleichartige Güter sowohl ex- als auch importiert. Die Ursachen intra-sektoralen Handels sind vielschichtig. Sie können u. a. in einer zu groben Sektortrennung, in saisonalen Gründen, oder in Konsumentenpräferenzen liegen. Aber auch der Strategie multinationaler Unternehmen kommt besondere Bedeutung zu, denn der internationale Handel von Vorprodukten innerhalb des Netzwerks multinationaler Unternehmen macht mittlerweile einen bedeutenden Anteil am Welthandel aus. Eine der wichtigsten Argumente für internationalen Güteraustausch sind Preisunterschiede zwischen den einzelnen Ländern. Entscheidend sind dabei nicht die absoluten, sondern die relativen Preisunterschiede, die die realen Preisdifferenzen der beiden Güter ausdrücken. Ein relativer Preisvorteil für Gut 1 (Gut 2) liegt dann vor, wenn zur Herstel-
82
3 Die traditionelle Außenhandelstheorie
lung einer Einheit von Gut 1 (Gut 2) auf weniger Mengeneinheiten des Gutes 2 (Gutes 1) verzichtet werden muss. Ein relativer Preisvorteil begründet eine Exportposition, ein relativer Preisnachteil eine Importposition. 5. Ricardo führte relative Preisvorteile auf relative Kostenvorteile in der Produktion zurück, die er mit einer unterschiedlichen Produktivität des Faktors Arbeit begründete. Ein Land hat einen relativen Preisvorteil für das Gut, bei dessen Produktion die Arbeitsproduktivität relativ größer ist als im Ausland. Dieses Gut wird nach Aufnahme von internationalem Handel exportiert. 6. Sind zwei Länder bis auf die allgemeine Produktionseffizienz identisch, so hat ein Land einen relativen Kosten- und damit Preisvorteil für das Gut, für dessen Produktion das Land einen relativen Effizienzvorteil in der Produktion besitzt. Das Land wird dieses Gut exportieren, das andere Gut importieren. 7. Unterscheiden sich zwei Länder allein durch die Nachfrageverhältnisse, so hat ein Land einen relativen Preisvorteil für das Gut, das vor Aufnahme von Handel in diesem Land relativ weniger stark nachgefragt wird. Das Land wird dieses Gut exportieren, das andere Gut importieren. 8. Unterscheiden sich zwei Länder allein durch die Faktorausstattung, so hat ein Land einen relativen Preisvorteil für das Gut, bei dessen Produktion der im Land relativ reichlich vorhandene Faktor relativ intensiv genutzt wird (Heckscher-Ohlin-Theorem, bzw. Faktorproportionentheorem). Dieses Gut wird bei Aufnahme von Handel exportiert, das andere Gut importiert. 9. Misst man die Faktorausstattung eines Landes an der gesamtwirtschaftlichen Kapitalintensität, so können unterschiedliche Nachfrageverhältnisse in den beiden Ländern die Heckscher-Ohlin-Aussage umkehren. Eine sehr starke Nachfrage nach dem relativ kapitalintensiv produzierten Gut kann den Kostenvorteil des kapitalreichen Landes für dieses Gut überkompensieren. 10. Die Faktorreichlichkeit eines Landes kann man auch am Lohn-Zins-Verhältnis messen. Ein reichlich vorhandener Faktor ist billig, ein knapper Faktor teuer. Ein relativ hoher Wert des Lohn-Zins-Verhältnisses kennzeichnet also ein relativ kapitalreiches Land. Bei dieser Art der Messung sind unterschiedliche Nachfrageverhältnisse bereits berücksichtigt, da sich diese in der Produktionsstruktur und diese wiederum im Lohn-ZinsVerhältnis niederschlagen. Allerdings kann man bei der Messung anhand der gesamtwirtschaftlichen Kapitalintensität und bei der Messung anhand des Lohn-ZinsVerhältnisses zu unterschiedlichen Aussagen über die relative Faktorreichlichkeit eines Landes kommen. 11. Durch freien Güteraustausch gleichen sich die Preisverhältnisse zwischen den beiden Ländern an. Dabei wird das jeweilige Importgut billiger, da es günstiger im Ausland gekauft werden kann, das Exportgut wird dagegen durch die gestiegene Auslandsnachfrage teurer. Da dieser Zusammenhang für beide Länder gilt, implizieren die Preisänderungen eine terms of trade-Verbesserung für alle am Handel beteiligten Länder. Jedes Land muss durch die Aufnahme von Handel weniger Mengeneinheiten seines Exportguts für eine Mengeneinheit des Importguts aufwenden als es bei Autarkie der Fall war. Damit erreicht jedes der Länder Konsummöglichkeiten, die über seinen Produktionsmöglichkeiten liegen.
Aufgaben zu Kapitel 3
83
Aufgaben zu Kapitel 3 Aufgabe 3.1 Gegeben sind zwei Länder, die jeweils die zwei gleichen Güter produzieren und zwischen denen zunächst kein Handel stattfindet. In jedem Land bilden sich für die beiden Güter Autarkiepreise. a) Was versteht man unter einem absoluten Preisvorteil? Wann hat Land 1 einen absoluten Preisvorteil für Gut 1? b) Bestimmen Sie unter Verwendung der Autarkiepreise einen Bereich von Wechselkursniveaus, in denen beide Länder für jeweils eines der beiden Güter einen absoluten Preisvorteil besitzen. Muss es immer einen solchen Bereich geben? c) Was ist ein relativer Preisvorteil eines Landes für ein bestimmtes Gut? Leiten Sie den relativen Preisvorteil aus den absoluten Preisvorteilen ab und diskutieren Sie die Aussagekraft des relativen Preisvorteils. d) Definieren Sie, was man unter dem Begriff „terms of trade“ versteht. Welcher Zusammenhang besteht zwischen den terms of trade und dem relativen Preisvorteil eines Landes? Wann spricht man von einer Verbesserung der terms of trade? e) Zeigen Sie an einem von Ihnen gewählten graphischen Beispiel, dass sich mit der Aufnahme von freiem Handel die terms of trade beider Länder verbessern und dass damit die Konsummöglichkeiten in beiden Ländern steigen. Aufgabe 3.2 In einem Ricardo-Modell werden in zwei Ländern (A und B) jeweils zwei Güter (1 und 2) allein unter Verwendung des Faktors Arbeit hergestellt. Die Arbeitseinsatzkoeffizienten sind dabei konstant. Sie betragen: Land A: Gut 1: 10 Gut 2: 20 Land B: Gut 1: 60 Gut 2: 30 a) Leiten Sie die Relativpreise für beide Länder unter den Annahmen des Ricardo-Modells ab und erklären Sie, welches Land für welches Gut einen relativen Preisvorteil besitzt. b) Bestimmen Sie die Transformationskurven der beiden Länder und stellen Sie diese graphisch dar. Gehen Sie dabei davon aus, dass in beiden Ländern 1200 Arbeitseinheiten zur Verfügung stehen. c) Begründen Sie, wieso sich beide Länder nach Aufnahme von Handel besser stellen. Erklären Sie Ihr Ergebnis Schritt für Schritt mit Hilfe der terms of trade-Veränderung und unterscheiden Sie graphisch die Produktions- von der Konsummöglichkeitskurve. d) Kommt es immer in beiden Ländern zu einer vollständigen Spezialisierung? Zeigen Sie graphisch einen Fall, in dem dies nicht so ist. e) Stellen Sie graphisch die Welttransformationskurve dar. Erläutern Sie Schritt für Schritt Ihre Vorgehensweise und begründen Sie den Verlauf der Kurve. Aufgabe 3.3 Gegeben ist ein Zwei-Länder-Zwei Güter-Zwei-Faktoren-Modell. Die beiden Güter 1 und 2 werden in beiden Ländern produziert und konsumiert. Die sektoralen Produktionsfunktionen
84
3 Die traditionelle Außenhandelstheorie
sind in beiden Ländern identisch. Dabei ist Gut 1 das relativ kapitalintensiv produzierte Gut. Der Gesamtbestand an Arbeit ist in beiden Ländern identisch, Land A besitzt jedoch mehr Kapital als Land B. a) Stellen Sie für Land A die Zusammenhänge zwischen dem Güterpreisverhältnis, dem Lohn-Zins-Verhältnis und den sektoralen Kapitalintensitäten graphisch dar und erklären Sie diese. Benutzen Sie dabei • Die Edgeworth-Box • Die Transformationskurve • Das Harrod-Johnson-Diagramm b) Zeigen Sie anhand der Transformationskurven der beiden Länder die Gültigkeit des Heckscher-Ohlin-Theorems. Welche zusätzlich zu den oben genannten Annahmen müssen Sie dabei machen? Zeigen Sie in einer neuen Graphik anhand der Transformationskurven unter Beibehaltung der oben genannten Annahmen einen Fall, in dem das Heckscher-OhlinTheorem nicht gilt. c) Zeigen Sie das Heckscher-Ohlin-Theorem am Harrod-Johnson-Diagramm. Können Sie dabei auch einen Fall konstruieren, bei dem das Heckscher-Ohlin-Theorem nicht gilt? Begründen Sie Ihre Aussage. Aufgabe 3.4 Gegeben ist ein Zwei-Länder-Zwei-Güter-Zwei-Faktoren-Modell. Produktionsfaktoren sind in beiden Ländern Kapital und Arbeit. Sowohl im Sektor 1 als auch im Sektor 2 haben beide Länder identische Produktionsfunktionen, wobei Gut 2 relativ kapitalintensiver produziert wird als Gut 1. Es bestehen auch keine länderspezifischen Effizienzvorteile und beide Länder besitzen die gleiche Menge an Arbeit und die gleiche Menge an Kapital. a) Wann handelt es sich unter diesen Annahmen bei Land 1 um ein relativ kapitalreiches Land? Wie kommt dieser Unterschied zu Land 2 angesichts der gemachten Annahmen zustande? Geben Sie insbesondere eine Begründung, wie dies mit der Annahme gleicher physischer Faktorausstattung vereinbar ist. b) Was besagt die Heckscher-Ohlin-Aussage? Stellen Sie diese Aussage im hier diskutierten Beispiel graphisch dar. Geben Sie eine begründete Interpretation für Ihre Vorgehensweise und ihr Ergebnis. c) Was passiert nach Aufnahme von Außenhandel? Gehen Sie insbesondere auf die Veränderung der Produktionsstrukturen, der Faktorpreisrelation und der Wohlfahrt der beiden Länder ein. Aufgabe 3.5 Gegeben sind zwei Länder (A und B). In jedem der beiden Länder werden zwei Güter (1 und 2) unter Verwendung der Produktionsfaktoren „hochqualifizierte Arbeit“ sowie „einfache Arbeit“ produziert und konsumiert. Bei Gut 1 muss relativ viel hochqualifizierte Arbeit eingesetzt werden, bei Gut 2 dagegen relativ viel einfache Arbeit. Der Lohnsatz für hochqualifizierte Arbeitskräfte sei wq, für einfache Arbeit we. Die Produktionsfunktionen (abnehmende Skalenerträge) und die Nachfragestruktur sind in beiden Ländern identisch. Die Menge an hochqualifizierten Arbeitskräften ist in Land A größer als in Land B, die Menge an Arbeitskräften mit geringer Qualifikation ist dagegen in Land B größer als in Land A.
Aufgaben zu Kapitel 3
85
a) Stellen Sie die Transformationskurven der beiden Länder in einem Diagramm dar und zeigen Sie graphisch und verbal die Aussage des Heckscher-Ohlin-Theorems. Wie verändert sich durch Aufnahme von Handel das Verhältnis der beiden Lohnsätze in den beiden Ländern? Ökonomische Begründung! b) Zeigen Sie den Fall a) anhand des Harrod-Johnson-Diagramms. c) Unterstellen Sie, aufgrund von Tarifabschlüssen entspreche der Lohnsatz für gering qualifizierte Arbeit in Land B nicht dem Gleichgewichtslohn, sondern sei höher. Zeigen Sie anhand des Harrod-Johnson-Diagramms den Fall, dass sich dadurch das Heckscher-OhlinTheorem umkehrt. (Messung der Faktorreichlichkeit anhand des Entlohnungsverhältnisses!) Geben Sie eine ökonomische Begründung für Ihr Ergebnis. d) Gehen Sie wieder von der Ausgangssituation aus. Was ergibt sich, wenn die Löhne in beiden Ländern vor Aufnahme von Handel den Gleichgewichtslöhnen entsprechen, der Lohnsatz für einfache Arbeit in Land A aber nach Aufnahme von Handel nach unten starr ist? Welche allgemeinen Folgerungen ergeben sich daraus?
4
Nationale Wohlfahrt und das Freihandelsgleichgewicht
4.1
Wohlfahrtsgewinne durch Freihandel
4.1.1
Statische Wohlfahrtseffekte
In Kapitel 3 wurden die Ursachen für internationalen Güteraustausch anhand der traditionellen Außenhandelstheorie analysiert. Dabei wurde deutlich, dass eine Öffnung der Grenzen für alle beteiligten Länder Wohlfahrtsgewinne in Form höherer Konsummöglichkeiten implizieren. Diese Vorteile der internationalen Arbeitsteilung kann man in zwei Effekte untergliedern. Zum einen in den Handelsgewinn durch die Realisierung eines neuen Tauschverhältnisses, das als Verbesserung der terms of trade identifiziert wurde. Zum Zweiten in den Spezialisierungsgewinn, der durch die Änderung der Produktionsstruktur in den beteiligten Ländern, also durch eine Umverteilung der Produktionsfaktoren, zustande kommt. In Abb. 4.1 sind die Konsumpunkte und damit die Produktionspunkte der beiden betrachteten Länder in Autarkie dargestellt. CA und CA* liegen auf der jeweils heimischen Transformationskurve, da ohne internationalen Handel jedes Land nur die Gütermengen konsumieren kann, die es auch selbst produziert. Es wird das Nutzenniveau I erreicht. Aufgrund der dabei realisierten Güterpreisverhältnisse wird deutlich, dass es sich um den mehrfach diskutierten Fall handelt, in dem Land 1 einen relativen Preisvorteil für Gut 1, und Land 2 einen relativen Preisvorteil für Gut 2 aufweist, d. h. tg α ist größer als tg α*. Unter der Voraussetzung freien internationalen Handels gleichen sich die Preisverhältnisse an, d. h. Gut 1 wird in Land 1, Gut 2 in Land 2 relativ teurer. Es bildet sich das für beide Länder gültige Weltmarktpreisverhältnis tg β, das für beide eine terms of trade-Verbesserung impliziert. Bleibt die Produktionsstruktur zunächst konstant, d. h. produzieren beide Länder zunächst die gleichen Gütermengen wie in Autarkie, kann aber zum neuen Preisverhältnis getauscht werden, so erreichen die Konsumenten in beiden Ländern eine höhere Indifferenzkurve (II). Hierzu legt man eine Gerade mit dem neuen Weltmarktpreisverhältnis tg β durch den ursprünglichen Produktionsund Konsumpunkt in Autarkie. Die Nutzensteigerung wird dadurch erreicht, dass Land 1 Gut 1 und Land 2 Gut 2 exportiert. Jedes der beiden Länder kann sein Importgut im Ausland zu einem günstigeren Preis kaufen als im eigenen Land und sein Exportgut zu einem höheren Preis verkaufen. Die damit erzielte Nutzensteigerung stellt also den reinen Handelsgewinn internationalen Güteraustausches dar. Es wird aus Abb. 4.1 aber auch deutlich, dass die Beibehaltung der bisherigen Produktionsmengen kein volkswirtschaftliches Optimum darstellt, da eine Gerade mit der Steigung tg β die Transformationskurven in den bisherigen Produktionspunkten nicht tangiert. Zur Realisierung des Produktionsoptimums ist es vielmehr erforderlich, dass jedes Land vermehrt das Gut produziert, für das es einen relativen Preisvorteil besitzt. Land 1 wird also verstärkt das teurer gewordene Exportgut 1, Land 2 verstärkt sein
88
4 Nationale Wohlfahrt und das Freihandelsgleichgewicht
teurer gewordenes Exportgut 2 produzieren. Das volkswirtschaftliche Optimum ist erreicht, wenn in beiden Ländern die Weltmarktpreisgerade die jeweilige Transformationskurve tangiert. Diese Produktionsumschichtung verbessert aber die Konsummöglichkeiten in beiden Ländern weiter, da durch die Reallokation der Produktionsfaktoren die produzierbare Weltgütermenge zunimmt. Die Konsumenten erreichen jetzt das Nutzenniveau III. Dies ist der Spezialisierungsgewinn des internationalen Handels. Während also der reine Handelsgewinn auf einer Umverteilung der vorhandenen Weltgütermenge beruht, kommt der Spezialisierungsgewinn durch eine Vergrößerung dieser Menge zustande. Q1
Q1* α III
β I
II
β
CA* α* CA
III II β
I
Q2*
Q2 a) Land 1 Abb. 4.1.:
β
b) Land 2
Handels- und Spezialisierungseffekt
Der Spezialisierungsgewinn kann auch anhand der Abb. 4.2 verdeutlicht werden, wo die Transformationsblöcke der beiden Länder zunächst so übereinander gelegt sind, dass sich die Produktionspunkte in Autarkie in Punkt A entsprechen. Die Transformationsblöcke müssen sich dabei schneiden (und nicht tangieren), da die Autarkiepreisverhältnisse unterschiedlich sind und die Produktionsblöcke an den Produktionspunkten damit unterschiedliche Steigungen aufweisen. Ergibt sich nun ein einheitliches Weltmarktpreisverhältnis und richten beide Länder ihre Produktionsstruktur an diesem Weltmarktpreisverhältnis aus, so müssen sich, legt man die Produktionspunkte weiterhin übereinander, die beiden Transformationsblöcke in Punkt H tangieren. Der Transformationsblock des Landes 2 hat sich dadurch nach rechts oben verschoben. Man kann durch die Wanderung von A nach H ablesen, dass Land 1 mehr von Gut 1 und Land 2 mehr von Gut 2 produziert. An der Veränderung des Ursprungspunktes des ausländischen Produktionsblocks kann man die sich durch den Spezialisierungsgewinn ergebende Gesamtmehrproduktion der beiden Güter ablesen. Die Verschiebung nach oben stellt die Mehrproduktion des Gutes 1, die Verschiebung nach rechts stellt die Mehrproduktion des Gutes 2 dar. Man kann aus diesen Überlegungen aber noch keine Aussage treffen, wie sich die Mehrproduktion auf die beiden Länder verteilt.
4.1 Wohlfahrtsgewinne durch Freihandel
89 ∆Q2
Q2* Q1
∆Q1
Q2*
H
Q1*
A Q1* Q2 Abb. 4.2.:
4.1.2
Produktionsgewinn durch internationalen Handel
Dynamische Wohlfahrtseffekte
Alle bisherigen Überlegungen bezogen sich auf ein Zwei-Länder-Zwei-Güter-Modell, in dem im Rahmen einer komparativ-statischen Betrachtung die Wohlfahrtsniveaus vor und nach internationalem Handel verglichen wurden. Berücksichtigt wurden weder handelsbedingte Wachstumseffekte noch Inflationsraten noch Veränderungen der Marktstrukturen. Durch internationalen Handel können längerfristig aber auch solche Effekte auftreten. So könnte die Belieferung von Auslandsmärkten die Unternehmensgröße positiv beeinflussen, was u. U. steigende Skalenerträge zur Folge hat. Die Öffnung der Grenzen und die dadurch steigenden Konkurrenzbedingungen könnten einen Abbau monopolistischer Strukturen bewirken und auch dadurch die Güterpreise und das Versorgungsniveau beeinflussen. Die größere internationale Konkurrenz bewirkt auch einen verstärkten Anpassungsdruck auf die nationalen Unternehmen, Kostensenkungspotenziale und Möglichkeiten des technischen Fortschritts auszunutzen. Der Anreiz für Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten steigt. Hierdurch können die Produktionsmöglichkeiten eines Landes zunehmen, die Transformationskurve würde sich nach außen verschieben. Schließlich bedeutet die Öffnung der Grenzen zum einen eine steigende Marktgröße für die Unternehmen, durch die die Erträge von Investitionen in Innovationen steigen und damit Wachstumsimpulse auslösen könnten, zum anderen implizieren die größeren Märkte auch eine größere Produktvielfalt für die Verbraucher, was neben der dadurch induzierten direkten Wohlfahrtswirkung auch Auswirkungen auf deren gesamte Präferenzordnung haben kann. Solche Erweiterungen des Standardmodells der traditionellen Außenhandelstheorie werden im nächsten Kapitel diskutiert.
90
4 Nationale Wohlfahrt und das Freihandelsgleichgewicht
4.2
Das Freihandelsgleichgewicht
4.2.1
Das Konzept der Tauschkurven
Die Vorteile der internationalen Arbeitsteilung wurden letztlich durch eine Verbesserung der terms of trade aller beteiligten Länder beim Übergang von Autarkie zu Freihandel begründet, da hierauf sowohl die verbesserten Tauschbedingungen als auch der Spezialisierungseffekt aufbaut. Wie sich die insgesamt erreichbaren Wohlfahrtsgewinne auf die beiden Länder verteilen, ist dabei vom Ausmaß der länderspezifischen terms of trade-Verbesserung, d. h. von der Differenz zwischen dem neuen Weltmarktpreisverhältnis und dem ursprünglichen Autarkiepreisverhältnis, abhängig. Über die genaue Höhe des Weltmarktpreisverhältnisses und damit über die Veränderung der Relativpreise der einzelnen Länder konnte bisher jedoch noch keine genauere Aussage gemacht werden. Der Wert konnte nur insofern eingegrenzt werden, als er in der Regel zwischen den nationalen Preisverhältnissen in Autarkie liegen muss. Die genaue Lage soll nun durch die Verwendung von Tauschkurven ermittelt werden. Ausgangspunkt der Betrachtung ist die Autarkiesituation eines Landes, die in Abb. 4.3 durch den Tangentialpunkt R zwischen der Transformationskurve AB und einer gesamtwirtschaftlichen Indifferenzkurve I1 gegeben ist. Es soll zunächst gezeigt werden, durch welche internationalen Gütertauschmengen sich das Land nutzenmäßig weder verbessert noch verschlechtert, also das in Autarkie erreichte Nutzenniveau beibehält. Hierzu kann man den gesamten Produktionsmöglichkeiten-Block des Inlands (AB0) entlang der Indifferenzkurve I1 bewegen, wobei stets ein Tangentialpunkt beibehalten werden soll. Die Achsen des Produktionsblocks müssen dabei parallel zur bisherigen Lage verschoben werden. In Abb. 4.3 ist eine Lage des Transformationsblocks eingezeichnet, in der das betrachtete Land gegenüber dem Ausgangszustand mehr von Gut 1 und weniger von Gut 2 produziert (A'B'0'). Dies entspricht Punkt S auf der Transformationskurve. Die Produktionsmengen werden dabei vom Ursprungspunkt des Produktionsblocks 0' aus gemessen. Die Produktion des Gutes 1 beträgt T0', die des Gutes 2 W0'. Da die alte Indifferenzkurve beibehalten wird, werden die Konsummengen unverändert vom Mittelpunkt des ursprünglichen Koordinatensystems aus abgetragen. Von Gut 1 wird in S die Menge U0 und von Gut 2 die Menge V0 konsumiert. Damit stimmen die produzierten und die konsumierten Mengen der beiden Güter nicht mehr überein. Die Differenz zwischen Produktion und Konsum kann man durch die Verschiebung des Ursprungspunktes des Produktionsblocks messen. Im Ausmaß Z0' übersteigt die Inlandsproduktion des Gutes 1 (T0') den Inlandskonsum (U0 = TZ), es handelt sich also um die Exportmenge. Im Ausmaß Z0 übersteigt der Inlandskonsum des Gutes 2 (V0) die im Inland produzierte Menge dieses Gutes (W0' = VZ), es handelt sich also um die Importmenge. Aus den beschriebenen Zusammenhängen wird deutlich, dass die Importmenge des betrachteten Landes der Differenz zwischen dem inländischen Konsum und der inländischen Produktion entspricht. Man nennt diese Differenz die Überschussnachfrage (E), die definiert ist als:
Ei = Ci − Qi ,
i=1,2
(4.1)
Analog hierzu entspricht die Exportmenge dem Überschuss der inländischen Produktion über den inländischen Konsum, es handelt sich also um ein Überschussangebot des betreffenden Gutes. Zur einfacheren Darstellung benutzt man jedoch auch in diesem Fall die Definition
4.2 Das Freihandelsgleichgewicht
91
der Überschussnachfrage, die jetzt allerdings negativ ist. Es gilt also für ein Land, das Gut 1 exportiert und Gut 2 importiert: E2 > 0, E1 < 0. Die positive Überschussnachfrage nach Gut 2 bzw. die negative Überschussnachfrage nach Gut 1 sind auf den Achsen des rechten oberen Quadranten der Abb. 4.3 eingezeichnet, sie werden, wie oben beschrieben, durch die Verschiebung des Ursprungspunktes des Produktionsblocks bestimmt. Die waagrechte Verschiebung des Ursprungpunktes 0' nach rechts misst das Überschussangebot des Gutes 1 bzw. die Exportmenge, sie beträgt 0Y (=Z0'). Die senkrechte Verschiebung nach oben beschreibt die Überschussnachfrage nach Gut 2 bzw. die Importmenge, sie beträgt Z0. Q 2 E2 B'
V
S
W
HIK1
B R I1
A'
T
Z
0'
Q1 E1
A
U
0
Y
−E1
−E2
Abb. 4.3.:
Konstruktion einer Handelsindifferenzkurve
Betrachtet man eine kontinuierliche Verlagerung des Transformationsblocks entlang der Indifferenzkurve I1, so ergeben sich eine Vielzahl möglicher Kombinationen von Export- und Importmengen. Da die Konsumenten dabei stets auf der gleichen Indifferenzkurve I1 bleiben, implizieren diese Import-Exportmengen-Relationen für das betrachtete Land eine nutzenmäßige Indifferenz. Der geometrische Ort aller möglichen Kombinationen von Import- und Exportmengen ist die Verbindungslinie des Ursprungspunktes des Transformationsblocks bei seiner Wanderung entlang der konstanten binnenwirtschaftlichen Indifferenzkurve I1. Diese Kurve nennt man Handelsindifferenzkurve (HIK), weil sie angibt, durch welche ImportExportmengen-Relationen sich das betrachtete Land nutzenmäßig gleich stellt. Die in Abb. 4.3 eingezeichnete Handelsindifferenzkurve HIK1 bezeichnet also ein Nutzenniveau, das dem in Autarkie entspricht. Bewegt man sich vom Ausgangsgleichgewicht R entlang von I1 nach unten, so wird Gut 2 in größerem Umfang produziert und somit exportiert, während Gut 1 das Importgut darstellt. Die Handelsindifferenzkurve verläuft damit nach links unten, wo entsprechend zur bisherigen Darstellung die Kombinationen von Importmengen des Gutes 1 (E1) und Exportmengen des Gutes 2 (−E2) abgetragen sind.
92
4 Nationale Wohlfahrt und das Freihandelsgleichgewicht
Bei der Konstruktion einer Handelsindifferenzkurve wird implizit unterstellt, dass der Wert der inländischen Produktion dem Wert des inländischen Konsums entspricht, dass also die Leistungsbilanz ausgeglichenen ist. Es gilt:
p1Q1 + p 2 Q2 = p1C1 + p 2 C 2
(4.2)
Benutzt man weiterhin den Relativpreis p ≡ p2 / p1 , so gilt:
−(C1 − Q1 ) = p(C 2 − Q2 ) bzw. − E1 = pE 2
(4.3)
Ziel internationalen Güteraustauschs ist eine Wohlfahrtssteigerung, d. h. das Erreichen einer gegenüber Autarkie höheren Indifferenzkurve. In Abb. 4.4 würde eine Nutzensteigerung bei einer Verschiebung der realisierten Indifferenzkurve von I1 aus nach links oben eintreten. Internationaler Handel ist also dann mit einer Nutzensteigerung für das betrachtete Land verbunden, wenn Handelsindifferenzkurven erreicht werden, die links oberhalb von HIK1 liegen. Q2
E2
β
HIK2 α HIK1
V β
R I2
α
I1 O2 Q1 E1
− E1 O1
−E2
Abb. 4.4.:
Handelsindifferenzkurven mit höherem Nutzenniveau
Zu jeder Indifferenzkurve mit höherem Nutzenniveau (auf die man in Autarkie nicht gelangen würde) gehört auch eine Handelsindifferenzkurve, die ein höheres Nutzenniveau impliziert. Wie bei der Konstruktion von HIK1, bewegt man hierzu den Transformationsblock des Landes entlang der höheren Indifferenzkurve, etwa I2, und erhält als Verbindungslinie des Ursprungspunktes des Transformationsblocks die zugehörige Handelsindifferenzkurve HIK2. Aus diesen Überlegungen folgt, dass zu jeder binnenwirtschaftlichen Indifferenzkurve auch eine Handelsindifferenzkurve existiert. Es gibt also eine Schar von Handelsindifferenzkurven, die ein umso höheres Nutzenniveau darstellen, je weiter sie nach links vom Koordinatenmittelpunkt entfernt liegen.
4.2 Das Freihandelsgleichgewicht
93
Zur Bestimmung des Handelsgleichgewichts muss nun der Güterrelativpreis berücksichtigt werden. Im Produktionsoptimum entspricht der Güterrelativpreis der Steigung der Transformationskurve. Mit einer Produktionsumschichtung muss sich also auch der Güterrelativpreis ändern. Soll eine Mehrproduktion des Gutes 1 einen optimalen Zustand kennzeichnen, so ist auch ein Anstieg des Relativpreises p1/p2 notwendig. Ausgangspunkt ist das Autarkiepreisverhältnis PVA, das in Abb. 4.5 der Steigung der Transformationskurve in Punkt R entspricht. Da R das Autarkiegleichgewicht darstellt, entspricht ihm auch die Steigung der Indifferenzkurve in diesem Punkt. Da im Autarkiegleichgewicht kein internationaler Handel stattfindet, muss auch die Handelsindifferenzkurve im Ursprungspunkt des Koordinatensystems (in dem die Handelsmengen Null sind) die Steigung des Autarkiepreisverhältnisses aufweisen. Die Handelsindifferenzkurve tangiert also die Autarkiepreisgerade PVA im Ursprungspunkt 0. Daraus folgt generell, dass die Steigung der Handelsindifferenzkurve im jeweiligen Ursprungspunkt des Transformationsblocks der Steigung des Tangentialpunktes dieses Transformationsblocks mit der binnenwirtschaftlichen Indifferenzkurve entspricht. In Abb. 4.4 entspricht also nicht nur die Steigung von HIK1 in Punkt 01 (tg α) der Steigung der Indifferenzkurve I1 im Tangentialpunkt R, sondern auch die Steigung von HIK2 in Punkt 02 (tg β) der Steigung der Indifferenzkurve I2 im Tangentialpunkt V. Q2 E2
I1
PV 3
PV 2
PV A TK B
R A
PV A
Q1 E1
0
− E1
− E2
Abb. 4.5.:
Konstruktion einer Tauschkurve
Das betrachtete Land wird Gut 1 exportieren, wenn es vor Aufnahme von Handel einen relativen Preisvorteil für dieses Gut besitzt, d. h. das Preisverhältnis p1/p2 muss kleiner sein als im Ausland. Es wurde bereits mehrfach diskutiert, dass dieses Verhältnis die terms of trade des Landes darstellt, die durch die Aufnahme von Handel steigen. Aus diesem Grund sind in Abb. 4.5, vom Koordinatenmittelpunkt 0 ausgehend, zwei höhere Preisverhältnisse (PV2 und
94
4 Nationale Wohlfahrt und das Freihandelsgleichgewicht
PV3) eingezeichnet. Gesucht sind nun die Import- und Exportmengen, bei denen das Land beim jeweiligen Preisverhältnis ein Optimum erreicht. Ein volkswirtschaftliches Optimum ist durch den Tangentialpunkt zwischen der Transformationskurve und einer Indifferenzkurve gegeben und entspricht der Steigung der Preisgeraden in diesem Punkt. Aus der Konstruktion der Handelsindifferenzkurven ergibt sich damit, dass diese Preisgerade auch die zugehörige Handelsindifferenzkurve tangieren muss. Dies ist in den Punkten A auf PV2 und B auf PV3 der Fall. Die Punkte A und B stellen also Export- und Importmengenkombinationen dar, bei denen das betrachtete Land beim jeweils herrschenden Preisverhältnis seinen Nutzen maximiert, also die größtmögliche Handelsindifferenzkurve erreicht. Die Tauschkurve des Inlands ist nun die Verbindungslinie aller optimalen Tauschverhältnisse, also der Tangentialpunkte zwischen Handelsindifferenzkurven und alternativen Preisgeraden. Die Tauschkurve hat zunächst noch nichts mit einem Weltmarktgleichgewicht zu tun, sie gibt lediglich eine Aussage darüber, mit welchen Kombinationen von Export- und Importmengen ein Land bei alternativen Weltmarktpreisverhältnissen seine Wohlfahrt maximieren würde. Im Folgenden soll nun untersucht werden, welche Gestalt eine Tauschkurve aufweist, d. h. wie sich die gewünschten Ex- und Importmengen mit einer Verbesserung der terms of trade verändern. Aus der bisherigen Konstruktion der Tauschkurve ist deutlich geworden, dass es sich bei der Exportmenge um das Überschussangebot des Gutes 1 handelt. Analog hierzu ist die Importmenge die Überschussnachfrage des Gutes 2. Zu fragen ist nun, wie sich die Überschussnachfrage nach Gut 2 und das Überschussangebot an Gut 1 bei einem Anstieg des Güterrelativpreises p1/p2 im Optimum verändern. Veränderung des Überschussangebots an Gut 1 Angebotseffekt: Durch die relative Verteuerung des Exportgutes 1 steigt die Inlandsproduktion dieses Gutes und damit auch das Überschussangebot. Je stärker sich das Land aber bereits auf die Produktion des Gutes 1 spezialisiert hat, umso geringer wird der Produktionszuwachs bei einer weiteren Verteuerung dieses Gutes sein. Ist eine vollständige Spezialisierung auf Gut 1 erreicht, so hat ein weiterer Anstieg des Relativpreises keine Auswirkung mehr auf das Angebot dieses Gutes. Nachfrageeffekt: Die Veränderung der Nachfrage nach Gut 1 setzt sich aus einem Substitutions- und einem Einkommenseffekt zusammen. Durch die relative Verteuerung des Gutes 1 wird dieses Gut durch Gut 2 substituiert, die Nachfrage sinkt. Auch dies hat einen Anstieg des Überschussangebots zur Folge. Wegen des mit sinkendem Konsum steigenden Grenznutzens wird jedoch auch dieser Effekt umso kleiner, je stärker die Nachfrage nach Gut 1 aufgrund des Substitutionseffekts bereits abgenommen hat. Neben dem Substitutionseffekt kommt auch ein Einkommenseffekt zum Tragen. Die Verbesserung der terms of trade impliziert eine Realeinkommenssteigerung, da das Land für jede Mengeneinheit seines Exportguts mehr Mengeneinheiten des Importguts erhält. Durch diese Einkommensverbesserung wird aber der Konsum beider Güter zunehmen. Ein Anstieg der Nachfrage nach Gut 1 bedeutet dabei für sich genommen einen Rückgang des Überschussangebots dieses Gutes. Während der Angebots- und der Substitutionseffekt mit zunehmender terms of tradeVerbesserung kleiner werden, bleibt der Einkommenseffekt unverändert bestehen. Damit ergibt sich die Aussage, dass im Normalfall die Summe aus Substitutions- und Angebotseffekt den Einkommenseffekt zunächst übersteigt und das Überschussangebot, d. h. die ge-
4.2 Das Freihandelsgleichgewicht
95
wünschte Exportmenge, mit einem Anstieg des Relativpreises p1/p2 zunimmt. Da Angebotsund Substitutionseffekt jedoch kleiner werden, wird mit weiter steigenden terms of trade ein Punkt erreicht, ab dem der Einkommenseffekt größer wird als die Summe aus Substitutionsund Angebotseffekt. Ab diesem Punkt wird das Überschussangebot an Gut 1 sinken. Die gewünschte Exportmenge nimmt bei steigenden terms of trade also zunächst zu, erreicht bei einer bestimmten Höhe der terms of trade ihr Maximum und nimmt dann bei weiter steigenden terms of trade wieder ab. Veränderung der Überschussnachfrage nach Gut 2 Angebotseffekt: Im Gegensatz zu Gut 1 ist die Veränderung der Überschussnachfrage nach Gut 2 aufgrund der terms of trade-Verbesserung eindeutig. Gut 2 wird durch die Aufnahme von internationalem Handel relativ billiger. Damit sinkt der Produktionsanreiz, und die im Inland produzierte Menge geht zurück. Nachfrageeffekt: Sowohl der Substitutionseffekt (Gut 2 wird relativ billiger) als auch der Einkommenseffekt (das Realeinkommen steigt) wirkt nachfragesteigernd. Mit einem Anstieg der terms of trade wird also die Überschussnachfrage nach Gut 2 sowohl von der Angebotsseite wie auch von der Nachfrageseite her stets zunehmen. Aufgrund dieser Veränderungen von Überschussangebot und Überschussnachfrage, d. h. von gewünschter Export- und gewünschter Importmenge aufgrund einer terms of tradeVerbesserung, ergibt sich der in den Abb. 4.5 und 4.6 dargestellte Verlauf einer Tauschkurve des betrachteten Landes. Das Ausmaß der Krümmung der Tauschkurve gibt dabei an, wie stark die Veränderung von Ex- und Importmenge auf eine Relativpreisänderung reagiert und ist von den Einzeleffekten abhängig. Analog zur Konstruktion der Tauschkurve des Landes 1 lässt sich eine Tauschkurve für Land 2 bestimmen. Da Gut 1 das Importgut und Gut 2 das Exportgut des Landes 2 darstellt, verläuft die Tauschkurve dieses Landes spiegelbildlich zu der von Land 1. Auch sie ist in Abb. 4.6 mit TK* eingezeichnet.
4.2.2
Bestimmung des gleichgewichtigen Güterpreisverhältnisses
Ein Weltmarktgleichgewicht auf beiden Gütermärkten ist dann erreicht, wenn die Tauschwünsche der beiden Länder übereinstimmen. Dies ist im Schnittpunkt der beiden Tauschkurven, in Punkt R in Abb. 4.6, der Fall. In diesem Punkt sind zum einen Weltproduktion und Weltkonsum für beide Güterarten identisch, zum anderen sind, da jeder Punkt auf der Tauschkurve einem volkswirtschaftlichen Optimum entspricht, auch in beiden Ländern volkswirtschaftliche Optima realisiert. Im Weltmarktgleichgewicht addieren sich die Überschussnachfragen der beiden Länder bei beiden Güterarten zu Null:
E1 + E1* = 0
bzw.
E2 + E2* = 0
bzw.
− E1 = E1* E2 = −E2*
(4.4) (4.5)
Außerdem sind die Leistungsbilanzen beider Länder ausgeglichen. Mit dem Schnittpunkt der beiden Tauschkurven ist auch das gleichgewichtige Weltmarktpreisverhältnis tg β determiniert. Dieses Preisverhältnis bestimmt auch die Produktionspunkte auf den nationalen Trans-
96
4 Nationale Wohlfahrt und das Freihandelsgleichgewicht
formationskurven und damit ein bestimmtes Lohn-Zins-Verhältnis. Somit wird auch die funktionelle Einkommensverteilung durch das Weltmarktgleichgewicht bestimmt. E2
− E2* β TK HIKF HIKF* T R α*
TK*
α
0
Abb. 4.6.:
S
− E1, E1*
Gleichgewichtiges Weltmarktpreisverhältnis
In Abb. 4.6 sind noch einmal die beiden Autarkiepreise tg α und tg α* eingezeichnet. Durch Handel ergibt sich ein Weltmarktpreisverhältnis, das zwischen diesen beiden Autarkiepreisverhältnissen liegt. 0S misst die Handelsmenge des Gutes 1 (Exportmenge des Landes 1, Importmenge des Landes 2) und 0T die Handelsmenge des Gutes 2 (Exportmenge des Landes 2, Importmenge des Landes 1). Da Tauschkurven den geometrischen Ort von Tangentialpunkten zwischen Handelsindifferenzkurven und Preisgeraden darstellen, müssen sich in R auch die Handelsindifferenzkurven der beiden Länder tangieren. Die Handelsindifferenzkurven in R messen dabei das maximale Nutzenniveau, das ein Land durch die Aufnahme von internationalem Handel erreichen kann. Es wird deutlich, dass dieses Nutzenniveau für beide Länder über dem Nutzenniveau liegt, das das Land in Autarkie erreichen kann (Handelsindifferenzkurven durch 0). Da von Transportkosten und von Handelshemmnissen jeder Art abgesehen wurde, handelt es sich bei R also um das Freihandelsgleichgewicht. Die im Freihandelsgleichgewicht realisierten Nutzenniveaus werden durch HIKF und HIKF* gekennzeichnet. In einer Übersicht über die bisher diskutierten Zusammenhänge sind in Abb. 4.7 neben den Tauschkurven der beiden Länder auch noch einmal deren Transformationsblöcke dargestellt, an denen man die jeweiligen Produktions- und Konsummengen bei Freihandel ablesen kann.
4.3 Die Stabilität des Freihandelsgleichgewichts
97
E2 − E2 *
Q2
b PH IH
. .C
. .
A
b
TK
R
B
.
D
.
b −E1 , E 1 *
.E
.
0
Q1
TK*
.
.P
F
Q1 * * H
IH* Q2 *
Abb. 4.7.:
Freihandelsgleichgewicht
Land 1
Land 2
Produktion Gut 1 Konsum Gut 1 Export Gut 1
AR AB BR = OD
Produktion Gut 1 Konsum Gut 1 Import Gut 1
DE 0E 0D
Produktion Gut 2 Konsum Gut 2 Import Gut 2
BC 0C 0B
Produktion Gut 2 Konsum Gut 2 Export Gut 2
RF DF RD = 0B
4.3
Die Stabilität des Freihandelsgleichgewichts
4.3.1
Die Importnachfrageelastizität entlang einer Tauschkurve
Am Beispiel von Land 1 ist die Importnachfrageelastizität, η2, definiert als prozentuale Veränderung der Importmenge, bezogen auf eine prozentuale Veränderung des relativen Preises des Importguts:
η2 =
dE 2 dp 1, 0T1
In R2 :
η2 =
0S 2 = 1, da 0S 2 = 0T2 0T2
In R3 :
η2 =
0S 3 < 1, da 0S 3 < 0T3 0T3
da 0 S1 > 0T1
100
4 Nationale Wohlfahrt und das Freihandelsgleichgewicht
E2 R3
R2
R1
0
T1
S1
S3
S2 = T2
T3
−E1
Abb. 4.10.: Verschiedene Werte der Importnachfrageelastizität
4.3.2
Die Stabilität des Gleichgewichts
In Abb. 4.6 wurde das gleichgewichtige Weltmarktpreisverhältnis bei Freihandel durch den Schnittpunkt von in- und ausländischer Tauschkurve bestimmt. Ungeklärt blieb jedoch, ob man stets zu einem solchen Gleichgewicht gelangt, d. h. ob es sich um ein stabiles Gleichgewicht handelt. Ein stabiles Gleichgewicht liegt dann vor, wenn eine Relativpreisänderung aufgrund von Marktungleichgewichten zum Gleichgewicht hinführt. In Abb. 4.11 ist neben dem Gleichgewichtspreisverhältnis β auch das Preisverhältnis γ eingezeichnet. Bei diesem Preisverhältnis ist die Importnachfrage des Landes 2 nach Gut 1 (0U) größer als das Exportangebot des Landes 1 (0T), es besteht also auf dem Weltmarkt eine Überschussnachfrage nach Gut 1 in Höhe von TU. Der Preis des Gutes 1 wird also steigen. Gleichzeitig ist das Exportangebot des Landes 2 an Gut 2 (0V) größer als die Importnachfrage des Landes 1 (0W), bei Gut 2 besteht also ein Überschussangebot in Höhe von WV, was einen Preisdruck bei diesem Gut auslöst. Aufgrund der Ungleichgewichte wird der Relativpreis p (p2/p1!) also sinken. Das Güterpreisverhältnis bewegt sich von γ in Richtung β. Damit werden die Gütermarktungleichgewichte kleiner, und man gelangt ins Freihandelsgleichgewicht R. Bei der hier unterstellten Form der Tauschkurven handelt es sich bei R also um ein stabiles Gleichgewicht. In der Umgebung eines stabilen Gleichgewichts müssen durch einen Rückgang des Güterrelativpreises eine Überschussnachfrage nach Gut 1 am Weltmarkt und ein Überschussangebot des Gutes 2 am Weltmarkt abgebaut werden. Ein Anstieg des Güterrelativpreises muss die umgekehrten Reaktionen hervorrufen. Beides ist erfüllt bei: dE1W dE 2W > 0, z I ⇒ z eff > z E 14 Der effektive Schutz des betrachteten Sektors 1 ist größer als dies der Nominalzoll widerspiegelt. Dies resultiert daraus, dass der Zollsatz auf der nachgelagerten Produktionsstufe größer ist als auf der vorgelagerten Produktionsstufe. Man spricht in diesem Fall von einer eskalierenden Zollstruktur.
3.
z E < z I ⇒ z eff < z E In diesem Fall ist es sogar möglich, dass der effektive Zollschutz einen negativen Wert annimmt, d. h. ein positiver Nominalzoll entspräche einem negativen Effektivzoll.
Damit folgt das Ergebnis, dass in dem Fall, in dem sämtliche in das Endprodukt eingehenden importierten Vorprodukte einem gleich hohen Zollsatz unterliegen wie das Endprodukt, der Nominalzollschutz den tatsächlichen Zollschutz des betrachteten Produktionszweigs richtig darstellt. Liegt dagegen eine Zolleskalation vor, d. h. werden importierte Vorprodukte niedriger verzollt als das mit ihrem Einsatz produzierte Endprodukt, so genießen die inländischen Unternehmen einen höheren effektiven Zollschutz, als dies durch den Nominalzoll auf das
14
Ist z = az mit a > 1, so gilt für (8.4): z E
I
eff
= zE
1 a und damit: z eff > z E . 1− v
1− v
8.2 Die Wirkungen von Importzöllen
187
Endprodukt zum Ausdruck kommt. Dies ist in den meisten Industrieländern der Fall, da die Zölle auf Rohstoffe durch Zollsenkungsvereinbarungen meist niedriger sind als auf industrielle Fertigwaren. Ist dagegen der Zollsatz auf importierte Vorprodukte höher als beim Endprodukt, so ist der effektive Zollschutz niedriger und kann im Extremfall sogar negativ werden. Wenn also Industrieländer mit dem Argument, den Rohstoffexportierenden Entwicklungsländern helfen zu wollen, den Import von Rohstoffen kaum durch Zölle belasten, dagegen relativ hohe Zölle für Endprodukte installieren, so schaffen sie damit einen besonders hohen effektiven Zollschutz für die inländischen Hersteller, was letztlich auch den Industrialisierungsprozess in Entwicklungsländern behindert. Bei der Interpretation der hier dargestellten Ergebnisse der Effektivzolltheorie sind auch die dabei gemachten restriktiven Annahmen zu berücksichtigen. Insbesondere sollte beachtet werden, dass bei Importzöllen von großen Ländern auch der Weltmarktpreis sinken kann und damit der Zollschutz im Zoll erhebenden Land kleiner wird. Außerdem wurde der Anteil importierter Vorprodukte als konstant unterstellt. Werden solche Vorprodukte jedoch durch einen Zoll verteuert, so werden unter Umständen inländische Alternativen konkurrenzfähiger, und der Anteil v sinkt.
8.2.8
Das Erziehungszollargument
Die Zollanalyse hat gezeigt, dass durch einen Importzoll zwar die Produktion im direkt betroffenen Importsektor erhöht werden kann, dass dies aber mit einem Wohlfahrtsverlust für die Welt als Ganzes verbunden ist. Im Fall großer Länder war es möglich, dass das Zollerhebende Land sich verbessern konnte, allerdings lediglich auf Kosten seiner Handelspartner. Verschiedentlich wurde nun argumentiert, dass es Situationen geben könne, in denen diese Schlussfolgerung nicht zuträfe, in denen vielmehr durch einen Importzoll sowohl die nationale wie auch die Weltwohlfahrt gesteigert werden könne. Es handelt sich dabei um das Erziehungszollargument. Diesem Argument, das in modifizierter Form bereits von List (List, 1841) als Entwicklungsinstrument für unterentwickelte Länder empfohlen wurde, liegt heute in der Regel die Annahme sinkender Durchschnittskosten bzw. steigender Skalenerträge zugrunde. Die inländischen Unternehmen produzieren im Ausgangspunkt zu höheren Durchschnittskosten und damit höheren Angebotspreisen als ihre ausländische Konkurrenz. Können die Unternehmen ihren Absatzmarkt ausweiten, so ist damit über einen längeren Zeitraum betrachtet ein Rückgang der Durchschnittskosten aufgrund der mit organisatorischen und technologischen Lernprozessen induzierten Produktionssteigerung verbunden. Wenn im Ausland der entsprechende Sektor langfristig zwar höhere Stückkosten aufweist, aber schneller ausgereift ist, d. h. das Potenzial an Lern- und Skaleneffekten ist geringer und die Durchschnittskosten erreichen schneller ihr Minimum, so könnte der Fall vorliegen, dass bei Realisierung einer internationalen Arbeitsteilung das momentan teurere Inland langfristig den relativen Preisvorteil für das betrachtete Gut aufweist. Abb. 8.11 verdeutlicht diesen Zusammenhang. Das langfristige Minimum der Durchschnittskosten ist im Inland geringer als im Ausland, obwohl das Ausland im Zeitpunkt t0 die geringeren Durchschnittskosten aufweist. Eine Orientierung an der Situation in t0 würde dazu führen, dass sich das „falsche“ Land auf die Produktion dieses Gutes spezialisiert. Aus diesem Grunde, so wird argumentiert, sollten die inländischen Anbieter für einen begrenzten Zeitraum durch einen Zoll geschützt werden, um sie an Weltmarktbedingungen heranzufüh-
188
8 Theorie des Protektionismus
ren. Wenn die Durchschnittskosten der inländischen Produzenten dann sinken und ein stabiles Niveau unterhalb der ausländischen Durchschnittskosten erreicht haben, so muss der Zollschutz wieder abgebaut werden, da er ja lediglich dazu dienen sollte, das langfristige Optimum, d. h. eine Ausnutzung der tatsächlich vorhandenen komparativen Kostenvorteile, zu erreichen. Der zeitlich befristete Erziehungszoll erweist sich in dieser Argumentationskette als auslösender Impuls für einen Strukturwandel, durch den die tatsächlichen Vorteile der inländischen Arbeitsteilung realisiert werden können. Durchschnittskosten
Min. Ausland
Min. Inland
t0 Abb. 8.11:
t1
Zeit (t) bzw. Menge (Q)
Entwicklung der Durchschnittskosten beim Erziehungszollargument
Wenn die in Abb. 8.11 unterstellte Situation tatsächlich zutrifft, so stellt sich die Frage, weshalb die inländischen Produzenten nicht aus eigener Initiative ihre Entwicklung vorantreiben, d. h. kurzfristig zu nicht kostendeckenden Preisen anbieten, um dadurch Größenvorteile zu erreichen, die ein Sinken der Durchschnittskosten ermöglichen. Der Gegenwartswert der dabei anfallenden Verluste könnte als eine Investition in neue Produktionsverfahren und neues technologisches Wissen angesehen werden. Wenn sie dies nicht tun, so impliziert das geforderte Vorgehen, der Staat habe bessere Kenntnisse über die tatsächliche Entwicklung der Durchschnittskosten in- und ausländischer Unternehmen, als dies bei Privaten der Fall ist, eine Annahme, die nur schwer vorstellbar scheint. Die einzige Rechtfertigung könnte darin liegen, dass die inländischen Unternehmen nicht sicher sein können, die Erträge ihrer Investitionen auch tatsächlich realisieren zu können, weil sie in Form technologischen Wissens oder gut ausgebildeter Arbeitskräfte durch externe Effekte auch solchen Unternehmen zur Verfügung stehen, die selbst keine Investitionsanstrengungen unternommen haben. Solche Unternehmen würden u. U. durch die sinkenden Durchschnittskosten auch erst angelockt werden. In diesem Fall könnte man die Realisierung der Erträge aber auch durch eine Reform der institutionellen Rahmenbedingungen, etwa eines verbesserten Schutzes geistiger Eigentumsrechte oder eines Verkaufs des neuen technologischen Wissen über den Markt sicherstellen. Solche Maßnahmen wären einem Zoll auch deshalb vorzuziehen, weil durch den Zoll alle Anbieter begünstigt werden, auch die, die nicht bereit gewesen wären, Risiken und Kosten einer Investition in Zukunftsinnovationen zu
8.2 Die Wirkungen von Importzöllen
189
tragen. Schließlich sollte berücksichtigt werden, dass auch ein Erziehungszoll ein Handeln privater Anbieter voraussetzt und auch dazu führen könnte, dass die Innovationsbereitschaft im Schatten des Zolls erlahmt. Denn durch eine Politik des Zollschutzes fehlt eine Kostenkontrolle und der ständige Anreiz zur Realisierung der neuesten und effizientesten wirtschaftlichen und technischen Verfahren. In der hier vorgestellten Situation könnte eine direkte Subventionierung der betroffenen Sektoren aus marktwirtschaftlicher Sicht das geringere Übel darstellen. Subventionen haben den Vorteil, dass die Unterstützung der inländischen Unternehmen offen sichtbar ist und dass sie den staatlichen Haushalt belasten, so dass die staatlichen Instanzen ein Interesse daran haben sollten, solche Eingriffe möglichst bald abzubauen, während dies bei den Einnahmesteigernden Zöllen weniger ausgeprägt sein dürfte.
8.2.9
Ergebnisse der Zollanalyse
Wenn man als Ergebnis der bisherigen Untersuchung zum Schluss kommt, Zölle seien für die Welt als Ganzes Wohlfahrtsmindernd, so bleibt als Rechtfertigungsgrund nur noch der Schutzeffekt für die inländischen Importsubstitute. Aber auch dieser Effekt muss hinterfragt werden. Denn selbst wenn kurzfristig die Produktion im Inland steigt, so sinkt hierdurch der Importwert. Dies hat bei flexiblen Wechselkursen eine Aufwertung der Inlandswährung zur Folge, welche einerseits die Exporte und damit die Beschäftigung in diesem Sektor negativ beeinflusst, zum anderen die Importe für die inländischen Konsumenten wieder billiger macht und damit den Schutzeffekt zumindest partiell reduziert. Auch muss berücksichtigt werden, dass ein zollbedingt steigender Importpreis den inländischen Reallohn senkt, was über Lohnforderungen zur Nominallohnsteigerung in allen Sektoren führen dürfte. Dies erhöht aber generell die inländischen Produktionskosten, führt zu einem Rückgang der preislichen Wettbewerbsfähigkeit und damit zu negativen Beschäftigungseffekten. Schließlich muss berücksichtigt werden, dass der Nachfragerückgang nach den vom Zoll betroffenen Importgütern Kaufkraft freisetzt, die sich, wenn man über die enge Zwei-Sektoren-Begrenzung hinausgeht, auch auf andere Importsektoren ausdehnen könnte, was dort Forderungen entstehen lässt, ebenfalls durch protektionistische Maßnahmen geschützt zu werden. Es besteht also die Gefahr, dass Handelsbeschränkende Maßnahmen nicht auf einen Sektor begrenzt bleiben, von der Möglichkeit ausländischer Gegenmaßnahmen ganz abgesehen. Dass es dennoch so schwer fällt, Handelshemmnisse weiter abzubauen, liegt wohl daran, dass durch Freihandel meist wenige Sektoren negativ betroffen werden, die einen Preisnachteil aufweisen und die oft auch noch regional konzentriert sind, so dass sich auch Strukturprobleme ergeben. Die betroffenen Unternehmen und ihre Arbeitnehmer werden politischen Druck ausüben und versuchen, institutionelle Regeln zu ihrem Schutz durchzusetzen. Etwas anders ist die Situation in Entwicklungsländern, wo Zölle oft als einzige Möglichkeit gesehen werden, staatliche Einnahmen zu erzielen. Auch viele der heutigen Industrieländer hatten in früheren Entwicklungsstadien Zölle primär als Einnahmequelle gesehen. Denn Zölle sind wesentlich einfacher zu handhaben als der Aufbau eines umfassenden Steuersystems. Unterstützt wird dieses Vorgehen dadurch, dass die Importgüter meist hochwertige Industriewaren sind, für die im Inland keine Substitutionsmöglichkeiten bestehen und die Importmenge deshalb relativ preisunelastisch ist.
190
8.3
8 Theorie des Protektionismus
Die Wirkung eines Importkontingents
Die Wirkung eines Importzolls ist u. a. vom Verhalten der ausländischen Anbieter abhängig. Je preisunelastischer das ausländische Angebot auf dem Weltmarkt ist, umso stärker sinkt aufgrund der inländischen Nachfrageeinschränkung der Weltmarktpreis, d. h. umso mehr sind die ausländischen Anbieter bereit, die Zolllast zu übernehmen. Im Extremfall eines vollkommen preisunelastischen ausländischen Angebots hätte der Importzoll im Inland – bis auf den Staatseinnahmeneffekt – keine Wirkung mehr, der Inlandspreis bliebe konstant. Um in einem solchen Fall einen Rückgang der Importmenge sicherzustellen, müsste der Staat direkt an dieser Größe ansetzen und den Import mengenmäßig beschränken. Der härteste Eingriff wäre eine Importmenge von Null, d. h. ein Importverbot. Eine Begrenzung kann die Menge oder den Wert des Imports als Bemessungsgrundlage wählen. Bei einem Mengenkontingent erfolgt die Begrenzung des Imports durch Festsetzung der zulässigen Stückzahl oder des maximalen Gewichts. Eine Begrenzung des Importwerts – Wertkontingent – kann in inländischer oder in ausländischer Währung erfolgen. Eine Begrenzung in ausländischer Währung ist oft verbunden mit einem Eingriff in den freien Kapitalverkehr. Dabei steht den Importeuren nur eine bestimmte Devisenmenge zum Import von Gütern zur Verfügung. Schwierigkeiten können auch bei der konkreten Ausgestaltung eines Importkontingents auftreten. Bei einer Globalkontingentierung wird lediglich festgelegt, wie viel von einem Gut in einem bestimmten Zeitraum, etwa einem Jahr, importiert werden darf. Ist das Kontingent erschöpft, wird ein weiterer Import verboten. In diesem Fall kann es zu deutlichen Preisschwankungen kommen. Während das Produkt zu Beginn des Jahres aufgrund des preisgünstigeren Imports billiger wird, wird der Preis nach Schließung der Grenzen deutlich ansteigen. Bei einer Individualkontingentierung erhalten die Importeure dagegen Lizenzen, die sie zum Import des Gutes berechtigen. Eine Zuteilung der Lizenz kann nach Antragseingang erfolgen, was Großunternehmen bevorzugen würde. Werden nur Unternehmen berücksichtigt, die auch in der Vergangenheit Lieferanten waren, kommt es zu einer Erstarrung der Firmenstruktur. Ein weiteres Verzerrungspotenzial liegt in der Auswahl der Lieferländer, was einen Diskriminierungsvorwurf provozieren könnte. Die Wirkungen eines Importkontingents entsprechen im Wesentlichen denen eines Importmengenbegrenzenden Importzolls. Zur Veranschaulichung soll für Abb. 8.12 die partialanalytische Betrachtung der Abb. 8.3 herangezogen werden. Als Ausgangssituation wird Freihandel unterstellt, bei der die Menge QFCF importiert wird. Der Freihandelspreis beträgt pF. Nun führt der Staat ein Importkontingent in Höhe von K ein. Marktgleichgewicht existiert also dann, wenn die inländische Nachfrage der Summe aus inländischem Angebot und zulässiger Importmenge (K) entspricht:
N = A+ K Zur graphischen Konstruktion dieses Gleichgewichts addiert man zum inländischen Angebot die zulässige Importmenge, d. h. die inländische Angebotskurve wird im Ausmaß K parallel nach rechts verschoben. Damit ergibt sich der neue Gleichgewichtspunkt E, der inländische Preis des Importguts erhöht sich auf pKI, die dadurch induzierten Wirkungen – Rückgang der Nachfrage, Erhöhung des inländischen Angebots – entsprechen denen eines Importzolls. Die Erhöhung des Inlandspreises und die dadurch ausgelösten Wirkungen sind c. p. umso größer (kleiner), je preisunelastischer (preiselastischer) die inländische Importnachfrage ist. Die Importmenge sinkt auf QKCK und entspricht damit der zulässigen Menge
8.3 Die Wirkung eines Importkontingents
191
K. Aufgrund der geringeren inländischen Nachfrage sinkt auch der Weltmarktpreis auf pKA, er entspricht dem Preis, zu dem die ausländischen Anbieter bereit sind, die Menge K am Weltmarkt anzubieten. K
p A
A+K
A+ÜA*
E
pKI
G
pF
pKA
N
QF Abb. 8.12:
QK
CK CF
Q, C
Wirkung eines Importkontingents in einem großen Land
Ein Unterschied zum Importzoll besteht bei den Einnahmen des Staates. Beim Importzoll wäre dem Staat das Produkt aus Importmenge und Zollsatz als Einnahme zugeflossen, beim Importkontingent erhält der Staat zunächst keine Einnahmen. Allerdings wären die ausländischen Verkäufer bereit, zum Preis pKA zu verkaufen, sie erhalten aber für ihre Produkte wegen der künstlichen Verknappung des Angebots den am Inlandsmarkt gezahlten Preis pKI. Diese Differenz nennt man die Kontingentrente. Der inländische Staat könnte nun versuchen, die Kontingentrente abzuschöpfen, indem er für die Erlaubnis, eine bestimmte Menge des Gutes zu importieren, eine Lizenzgebühr verlangt. Im Falle einer Versteigerung dieser Lizenzen könnte es ihm gelingen, die gesamte Kontingentrente abzuschöpfen, da diese genau der Summe entspricht, die die ausländischen Anbieter maximal bereit wären, von ihrem Verkaufspreis abzugeben. Die Lizenzeinnahmen des Staates pro importierter Gütereinheit wären damit größer als der Preisanstieg für die inländischen Konsumenten. Gelingt dies, so besteht kein prinzipieller Unterschied mehr zwischen einem Importkontingent und einem entsprechend hohen Importzoll. Da die ausländischen Anbieter nur den geringeren Preis pKA erhalten, steigen die terms of trade des Inlands. Beim Importzoll wird der Preis festgelegt, und der Rückgang der Importmenge ergibt sich endogen, beim Kontingent wird die Importmenge festgelegt, und der hierfür erforderliche Anstieg des Importpreises ist die endogene Variable. Neben dem bereits erwähnten Grund eines preisunelastischen ausländischen Angebots, was etwa bei Agrarprodukten häufig der Fall ist, kann ein Argument für die Wahl eines Kontingents anstelle eines Zolls auch darin liegen, dass die Relation von Angebot und Nachfrage nicht hinreichend bekannt ist und deshalb das Instrument gewählt wird, dessen Ergebnis von
192
8 Theorie des Protektionismus
vornherein bekannt ist. Auch führen stärkere, häufig auftretende Schwankungen der Weltmarktpreise zu Variationen bei der Zollwirkung bzw. dem Zollschutz, was durch ein Kontingent umgangen werden kann. Denn Preisänderungen am Weltmarkt haben im Gegensatz zum Zoll keine Auswirkungen auf den Inlandspreis und die Importmenge, sondern lediglich auf die Höhe der Kontingentrente. Dies bedeutet allerdings auch, dass das Inland nicht von technischem Fortschritt auf den Weltmärkten profitieren kann. Steigt etwa im Ausland die Arbeitsproduktivität und erhöht sich damit das Weltmarktangebot bei sinkenden Preisen, so wird lediglich die Kontingentrente steigen, während der Inlandspreis und der Inlandskonsum davon unbeeinflusst bleiben. Bei einem Importzoll dagegen würde sich der sinkende Weltmarktpreis auch im Inland bemerkbar machen.
8.4
Sonstige handelspolitische Instrumente
8.4.1
Exportselbstbeschränkungsabkommen
Exportselbstbeschränkungsabkommen nennt man die Verpflichtung eines ausländischen Anbieters gegenüber dem Inland, nur eine bestimmte Produktmenge zu liefern. Die Wirkungen dieser „freiwilligen“ Selbstbeschränkungsabkommen entsprechen prinzipiell denen eines Importkontingents. Allerdings fällt die Kontingentrente in diesem Fall dem Ausland zu. Es treten jedoch eine Reihe zum Teil erheblicher Probleme auf: • Selbstbeschränkungen wirken verzerrend, da sie nicht für alle, sondern nur für bestimmte Anbieter in bestimmten Ländern gelten, die sich dazu bereit erklärt haben. • Es ist im Gegensatz zur Kontingentierung keine Kontrolle durch das GATT bzw. die WTO möglich. • Es werden zahlreiche Umgehungsversuche unternommen: Ausländische Anbieter könnten versuchen, in Märkte mit höherer Qualität bzw. einer höheren Verarbeitungsstufe vorzudringen (upgrading), die im Abkommen nicht berührt sind. Sie könnten außerdem versuchen, auf Drittländer auszuweichen, über die sie das eigentliche Zielland beliefern können. Schließlich könnten Direktinvestitionen im Zielland vorgenommen werden, um vor Ort zu produzieren und damit das Exportselbstbeschränkungsabkommen zu umgehen. So begannen japanische Autohersteller nach freiwilligen Selbstbeschränkungsabkommen, direkt in den USA zu produzieren und vertraten den Standpunkt, die vor Ort produzierten Fahrzeuge fielen nicht unter das Abkommen. Der amerikanische Automobilherstellerverband sah dies naturgemäß anders. Solche Überlegungen führen zur generellen Frage nach der Nationalität von Gütern.
8.4.2
Subventionen im Importsubstitutionssektor
Die staatlichen Instanzen können auch versuchen, durch eine direkte Subventionierung den importkonkurrierenden Sektor des Inlands zu schützen. Vergleicht man bei gleicher Schutzwirkung, d. h. gleichem Anstieg der Inlandsproduktion, die Wirkungen eines Zolls und einer Subvention, so ergibt sich bei der Subvention eine geringere Wohlfahrtseinbuße, da die Konsumenten von der Subvention nicht direkt betroffen werden, zumindest, solange man die Frage ihrer Finanzierung vernachlässigt. Abb. 8.13 zeigt den bekannten Fall einer partialanalytischen Betrachtung eines kleinen Landes.
8.4 Sonstige handelspolitische Instrumente p
193 A1 A2
T
R
ÜA*
V
N QF Abb. 8.13:
QSU
CF
Q, C
Wirkung einer Subventionierung des Importsektors in einem kleinen Land
Die inländische Freihandelsproduktion liegt bei QF, die inländische Konsummenge bei CF. Die Importmenge beträgt damit QFCF. Um die Inlandsproduktion bis QSU zu erhöhen, würde bei einem Zoll die (waagrechte) ausländische Überschussangebotskurve bis T nach oben verschoben werden müssen. Damit würde auch der Inlandspreis steigen und der inländische Konsum zurückgehen. Durch eine Subventionierung dagegen produzieren die inländischen Anbieter bei jedem Weltmarktpreis eine größere Gütermenge als bei Freihandel. Die inländische Angebotskurve verschiebt sich damit nach rechts zu A2. In Punkt V ergibt sich dabei der gleiche Anstieg der Inlandsproduktion wie in T, der Konsumpunkt und der Inlandspreis bleiben im Subventionsfall aber konstant. Damit wird auch die Importmenge weniger stark sinken als bei einem Zoll, da nur der Anstieg des inländischen Angebots, nicht aber ein Rückgang der inländischen Nachfrage negativ auf die Importmenge wirkt. Eine Subvention kann aufgrund dieses Ergebnisses als weniger verzerrend interpretiert werden als ein Importzoll, wobei hier jedoch unberücksichtigt bleibt, wie die Subvention finanziert wird und welche Auswirkungen diese Finanzierung auf die inländische Nachfrage nach Importgütern hat. Der Rückgang der Importmenge und der Anstieg der Inlandsproduktion sind bei einem großen Land, ein gleicher Subventionsaufwand unterstellt, geringer als in einem kleinen Land. In Abb. 8.14 weist die Überschussangebotskurve des Auslands gegenüber dem Fall 8.13 eine positive Steigung auf. Weltmarktgleichgewicht besteht in R bei einem Freihandelspreis von pF. Die Inlandsproduktion beträgt Q1, der Inlandskonsum C1, die Differenz zwischen diesen beiden Größen entspricht der Importmenge. Verschiebt sich nun durch die Subventionierung der inländischen Produzenten deren Angebotskurve nach rechts zu A2, so steigt bei zunächst konstantem Weltmarktpreis die Inlandproduktion auf Q2, der Inlandskonsum wird dagegen von der Subvention nicht beeinflusst. Die Importmenge sinkt von SR auf TR.
194
8 Theorie des Protektionismus
p
A1 A2
A1 + ÜA* pF pSU
0 Abb. 8.14:
S
T
R
U
Q1 Q3
A2 + ÜA* V
Q2
C1
C3
Q, C
Wirkung einer Subventionierung des Importsektors in einem großen Land
Punkt R ist jetzt allerdings kein Weltmarktgleichgewicht mehr, durch den Nachfragerückgang des betrachteten Landes am Weltmarkt, sinkt der gleichgewichtige Weltmarktpreis auf pSU, neues Weltmarktgleichgewicht ist in Punkt V erreicht. Der Inlandskonsum steigt durch den Preisrückgang auf C3, die Inlandsproduktion geht auf Q3 zurück. Der Schutzeffekt der Subvention bleibt damit zwar erhalten, er ist jedoch kleiner als in einem kleinen Land, da die Inlandsproduktion preissenkungsbedingt zurückgeht. Da jedoch die terms of trade des betrachteten Landes steigen, werden Gegenmaßnahmen des Auslands wahrscheinlicher. Sowohl wegen des Rückgangs der Inlandsproduktion, als auch wegen des Anstiegs des Inlandskonsums wird die Importmenge wieder steigen, sie beträgt jetzt UV. Je größer die Preiselastizitäten des inländischen Angebots und der inländischen Nachfrage sind, umso größer ist der Anstieg der Importmenge aufgrund des Rückgangs des Weltmarktpreises. Das prinzipiell gleiche Ergebnis folgt bei einer Totalanalyse sowohl im Falle eines kleinen wie im Falle eines großen Landes. In Abb. 8.15 ist das Beispiel eines Zoll erhebenden kleinen Landes dargestellt. Die Wirkung eines Importzolls ist aus Abschnitt 2.4 bekannt. Der Produktionspunkt verschiebt sich durch den Importzoll von R0 bei Freihandel zu R1. Wenn man zur Vereinfachung homothetische Präferenzen unterstellt, liegt der neue Konsumpunkt CZ im Schnittpunkt zwischen der Freihandelspreisgeraden durch R1 und der Ursprungsgeraden durch C0'. Es handelt sich bei CZ um einen Tangentialpunkt zwischen der Preisgeraden pZI und einer (hier nicht eingezeichneten) Indifferenzkurve der inländischen Konsumenten. Wird der Produktionspunkt R1 dagegen durch eine Subventionszahlung erreicht, so muss der optimale Konsumpunkt ein Tangentialpunkt sein zwischen der Weltmarktpreisgeraden und einer inländischen Indifferenzkurve, da im Gegensatz zum Zoll für die Konsumenten jetzt keine Preisverzerrung existiert. Dieser Punkt, CSU, liegt zum einen auf einem Ursprungsstrahl durch C0, da jetzt kein Substitutionseffekt berücksichtigt werden muss. Zum
8.4 Sonstige handelspolitische Instrumente
195
anderen handelt es sich um einen Tangentialpunkt zwischen der Weltmarktpreisgeraden durch R1 und einer inländischen Indifferenzkurve. CSU impliziert für die inländischen Konsumenten ein höheres Nutzenniveau als CZ, da in CZ die gleiche Weltmarktpreisgerade die realisierte inländische Indifferenzkurve schneidet, in CSU dagegen tangiert. Eine Verzerrung besteht also nur auf der Angebotsseite. Dadurch verbleibt bei einer Subvention, bei gleichem Schutzeffekt für die inländischen Anbieter, auch ein höheres Handelsvolumen als beim Zoll. Q2 PF
C2
PF C0'
C0 CSU CZ
PZI
R1
PZI
Q1, C1 Abb. 8.15:
R0
0 Subventionierung des Importsektors in einer totalanalytischen Betrachtung
Auch hier zeigt sich also, dass die Konsumenten auf ein höheres Nutzenniveau gelangen können, wenn ein gegebener Schutzeffekt der inländischen Importkonkurrenten nicht durch einen Zoll, sondern durch eine Subventionszahlung erreicht wird. Allerdings stellt auch eine Subventionierung eine Verzerrung der Freihandelssituation dar, die Nutzensituation der Konsumenten verbessert sich zwar gegenüber der eines Zolls, bleibt aber unter dem bei Freihandel erreichbarem Niveau. Auch die Finanzierungsfrage ist hier nicht berücksichtigt. Im Falle eines großen Landes wird durch den Rückgang der Importmenge auch der Weltmarktpreis des Importgutes wieder sinken und, da keine Zollverzerrung auftritt, mit ihm auch der Inlandspreis. Die terms of trade verbessern sich. Dadurch kommt es jedoch im Inland aufgrund des Preisrückgangs zu einem Produktionsrückgang, der allerdings kleiner ist als der subventionsbedingte Produktionsanstieg. Durch den Rückgang des Weltmarktpreises nimmt allerdings die Gefahr von Gegenmaßnahmen des Auslands zu, da die ausländischen terms of trade sinken. Auch bleibt die Finanzierungsfrage der Subventionen unberücksichtigt. Insgesamt sind Subventionen besser zu verschleiern als Zölle und führen daher zu größerer In-
196
8 Theorie des Protektionismus
transparenz und Ungleichheiten. Andererseits sind Subventionen Staatsausgaben, Zölle dagegen Staatseinnahmen, die schwerer wieder abzubauen sein dürften als Staatsausgaben. Im Zuge der zunehmenden Globalisierung taucht noch ein weiteres Problem auf. Die staatlichen Instanzen können immer weniger darauf bauen, dass eine von ihnen durch Subventionszahlungen geförderte Technologie tatsächlich zur Wertschöpfung im Inland beiträgt. Die subventionierten Unternehmen könnten im Rahmen ihrer globalen Entscheidungsstrategie die neuen Technologien auch zur Produktion im Ausland verwenden. Soll dies verhindert werden, weil damit inländische Steuergelder zweckentfremdet würden, so sind zusätzliche bürokratische Hemmnisse und Überwachungen notwendig, was die Effektivität dieses Instruments weiter reduziert.
8.4.3
Exportförderung
Ist primäres Ziel einer staatlichen Maßnahme eine allgemeine Erhöhung des Produktionsund Beschäftigungsniveaus im Inland, so kommt neben einer Subventionierung der inländischen Importkonkurrenten auch eine Subventionierung der inländischen Exportunternehmen in Betracht, um ihre preisliche Wettbewerbsfähigkeit auf den Weltmärkten zu stärken. Dadurch wird es ihnen u. U. möglich, in neue Märkte einzudringen oder eine bessere Wettbewerbsposition in traditionellen Märkten zu sichern, oft sollen damit auch die negativen Folgen ausländischer protektionistischer Maßnahmen ausgeglichen werden. Da durch die Subventionierung der Preis der Exportgüter gesenkt wird, verschlechtern sich allerdings die terms of trade des subventionierenden Landes. Um mit den Subventionen nicht in Konflikt mit WTO-Statuten zu geraten, erfolgen diese oft auf indirekte Art, etwa in Forschungs- und Entwicklungsbereichen oder durch eine Subventionierung von Vorprodukten. Verliert ein Land im Rahmen des Produktlebenszyklus die preisliche Wettbewerbsfähigkeit an Imitationsländer, so könnte ein Unternehmen auch versuchen, dies durch Patente oder sonstige Schutzrechte geistigen Eigentums zu verhindern. Neben einer Subventionierung existieren weitere Möglichkeiten einer Förderung der inländischen Unternehmen. So gibt es institutionelle Hilfestellungen, etwa durch die Bundesstelle für Außenhandelsinformation, durch die Auslandsvertretungen und durch die vom Bund finanziell unterstützten Auslandshandelskammern. Diese Institutionen bieten umfangreiche Informationen über die ausländischen Gegebenheiten, von Rechtsfragen bis zu Marktanalysen. Daneben kann das gesamte außenhandelsspezifische Risiko über die Hermes Kreditversicherung und die Deutsche Revisions- und Treuhand abgesichert werden. Meist sind solche Risiken durch private Versicherungen nicht oder nur zu wesentlich höheren Kosten abzusichern Ähnliche staatliche Institutionen gibt es in fast allen Industriestaaten. Außerdem sind Exportfinanzierungshilfen möglich.
8.5
Gegenmaßnahmen des Auslands
Das Ergebnis der bisherigen Analyse, dass ein großes Land durch protektionistische Maßnahmen seine Wohlfahrt verbessern kann, wenn auch nur auf Kosten seiner Handelspartner, ist als wirtschaftpolitische Handlungsempfehlung wenig geeignet. Kein Land wird bereit sein, eine Verschlechterung seiner terms of trade hinzunehmen, die durch protektionistische Maßnahmen eines anderen Landes hervorgerufen wurde. Es wird vielmehr versuchen, über
8.5 Gegenmaßnahmen des Auslands
197
die WTO eine Rücknahme der Maßnahmen zu erreichen oder, wenn das andere Land darauf nicht reagiert, selbst Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Damit würde der terms of trade-Effekt für die beteiligten Länder aufgehoben, und es verblieben lediglich die Despezialisierungseffekte, die alle beteiligten Länder schlechter stellen. Beispiel eines solchen „Handelskrieges“ war die Weltwirtschaftskrise in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts. 1930 erhöhten die USA aus beschäftigungspolitischen Gründen ihre Zölle in zahlreichen Industriesektoren, was andere Staaten, vor allem in Europa, dazu veranlasste, Gegenzölle zu erheben. Dies führte zu einem drastischen Rückgang des internationalen Handels, der sich im Verlauf der Weltwirtschaftskrise halbierte. Die Wirkung von Gegenmaßnahmen am Beispiel von Zöllen kann man anhand von Tauschkurven veranschaulichen. Beginnt das Inland mit der Erhebung eines Importzolls, so dreht sich die inländische Tauschkurve in Abb. 8.16 nach links zu TK1, die terms of trade des Inlandes verbessern sich bei sinkendem Handelsvolumen. E2 −E2*
TK1
TK0
TK2
PF TK0*
TK1*
−E1, E1*
Abb. 8.16:
Effekte eines Handelskrieges
Reagiert das Ausland mit einem Gegenzoll, einem so genannten Retorsionszoll, so verschiebt sich auch die Tauschkurve des Auslandes, jetzt entsprechend nach rechts zu TK1*. Dies führt zu einer Verschiebung der terms of trade zugunsten des Auslands – im Sonderfall der Abb. 8.16 werden wieder die terms of trade bei Freihandel erreicht –, während das Handelsvolumen weiter sinkt. Jetzt könnte das Inland erneut seine Zölle anheben, und die inländische Tauschkurve würde sich weiter nach links zu TK2 verschieben. Es wird deutlich, dass sich die terms of trade-Effekte durch Retorsionszölle letztlich neutralisieren, so dass lediglich die Despezialisierungseffekte verbleiben, durch die die Wohlfahrt in allen beteiligten Ländern
198
8 Theorie des Protektionismus
sinkt. Um eine solche Situation des Handelskrieges zu vermeiden, ist ein kooperatives Verhalten der Länder geboten. Die Notwendigkeit eines kooperativen Verhaltens kann man durch das Beispiel eines Gefangenendilemmas bzw. eines Nash-Gleichgewichts aus der Spieltheorie, angewandt auf protektionistische Maßnahmen, verdeutlichen. Betrachtet werden zwei Länder, die jeweils die Handlungsalternative Freihandel oder Protektionismus haben. Die Zahlen in Tabelle 8.2 kennzeichnen die hier angenommenen Wohlfahrtsgewinne gegenüber einer Autarkiesituation, die erste Zahl gilt für das Inland (Land 1), die zweite für das Ausland (Land 2). Außerdem wird von Symmetrie der beteiligten Länder ausgegangen. Tab. 8.2: Nash-Gleichgewicht Inland
Freihandel
Protektionismus
Freihandel
100 / 100
150 / 30
Protektionismus
30 / 150
50 / 50
Ausland
Bei Freihandel erreichen beide Länder einen Handelsgewinn von jeweils 100. Beginnt nun das Inland mit protektionistischen Maßnahmen, während sich das Ausland passiv verhält, so kann es seine Wohlfahrt auf 150 steigern, allerdings auf Kosten des Auslands. In den Zahlen ist berücksichtigt, dass die Wohlfahrt der Welt sinkt, d. h. der Wohlfahrtsgewinn des Inlands ist kleiner als der Wohlfahrtsverlust des Auslands. Umgekehrt verhält es sich, wenn das Ausland zu protektionistischen Maßnahmen greift, während das Inland passiv bleibt. Verhalten sich beide Länder protektionistisch, so können sie noch einen Handelsgewinn von jeweils 50 realisieren. Bei dieser Situation handelt es sich um ein Nash-Gleichgewicht, d. h. kein Land hat einen Anreiz, sein Verhalten zu ändern, da es sich dadurch schlechter stellen würde. Die beidseitige Freihandelssituation wäre nur durch ein kooperatives Verhalten der Handelspartner zu erreichen. Allerdings wird ein kooperatives Verhalten immer dadurch erschwert, dass es bei einem Abbau protektionistischer Maßnahmen Sektoren gibt, die verlieren und deshalb versuchen werden, über politische Einflussnahme das kooperative Verhalten zu verhindern. Unter Umständen müssen sie durch Kompensationszahlungen zu einer Zustimmung bewegt werden. Solche Schwierigkeiten haben sich immer wieder bei den Handelsrunden im Rahmen des GATT gezeigt.
8.6 1.
Zusammenfassung von Kapitel 8 Durch eine freie internationale Arbeitsteilung werden sich in der Regel alle beteiligten Länder besser stellen, es handelt sich also um ein Positivsummenspiel. Allerdings erfordert die Ausnutzung dieser Vorteile wirtschaftliche Strukturänderungen, durch die zunächst Arbeitsplätze verloren gehen können. Auch aufgrund von Befürchtungen, die positiven Gegeneffekte könnten ausbleiben, wird deshalb seit jeher auf vielfältige Weise versucht, den freien Austausch von Gütern und Dienstleistungen zu behindern. Protektionismus ist dabei der Sammelbegriff für alle politischen Maßnahmen, die die freie internationale Arbeitsteilung behindern.
8.6 Zusammenfassung von Kapitel 8 2.
3.
4.
5.
6.
7.
199
Neben dem Schutz der etablierten Industrien wird als Rechtfertigung protektionistischer Maßnahmen oft auch angeführt, junge Industrien, vor allem in Ländern, die noch nicht intensiv in den Prozess der internationalen Arbeitsteilung integriert sind, seien nicht in der Lage, am Weltmarkt zu bestehen und müssten deshalb für eine begrenzte Zeit geschützt werden (Erziehungszoll), um sich entwickeln und international konkurrenzfähig werden zu können (infant-industry-argument). Bei Zöllen handelt es sich um eine Abgabe auf den Warenverkehr, die bei Überschreiten der Staatsgrenze fällig wird. Erhebt ein kleines Land einen Importzoll, so steigt bei gegebenen Weltmarktpreisen der inländische Preis dieses Gutes. Aus diesem Grund wird die Nachfrage sinken, während gleichzeitig die Inlandsproduktion steigt. Beide Reaktionen führen zu einem Rückgang der Importmenge. Die vermehrte Produktion des Gutes, bei dem das Land einen komparativen Nachteil aufweist, wird als Despezialisierungseffekt bezeichnet, durch den die Vorteile der internationalen Arbeitsteilung zurückgehen. Da gleichzeitig die terms of trade unverändert bleiben, wird die Wohlfahrt eines Zollerhebenden kleinen Landes stets sinken. Handelt es sich bei dem Zoll erhebenden Land um ein großes Land, so wirkt der Rückgang der Importmenge auf dem Weltmarkt als Nachfrageausfall, durch den der Weltmarktpreis des durch den Importzoll belasteten Gutes sinkt. Inlandspreis und Weltmarktpreis entwickeln sich also in unterschiedliche Richtung. Da für die terms of trade der Weltmarktpreis relevant ist, werden diese steigen, das Zoll erhebende Land kann also seine terms of trade, allerdings auf Kosten des anderen Landes, verbessern. Die damit verbundene Wohlfahrtssteigerung wirkt dem nach wie vor bestehenden Despezialisierungseffekt entgegen, so dass sich die Wohlfahrt eines Zoll erhebenden großen Landes insgesamt verbessern kann. Dies gilt allerdings nur unter der Annahme, das Ausland verhalte sich passiv, reagiere also nicht auf den Importzoll. Auch im Rahmen einer Totalanalyse, d. h., mit Berücksichtigung des Exportsektors, bleibt es bei der grundsätzlichen Aussage, dass die Wohlfahrt eines kleinen Zollerhebenden Landes stets sinkt. Der Despezialisierungseffekt wirkt jetzt allerdings auch im Exportsektor, wo das Gut, für das das betrachtete Land einen relativen Preisvorteil aufweist, weniger produziert wird. Der internationale Handel wird also sinken. Die terms of trade bleiben dagegen konstant. Ist das Land groß, so werden sich die terms of trade verbessern und die Wohlfahrt des Landes kann insgesamt zunehmen. Bei Passivität des Auslands wird die Wohlfahrt eines Zollerhebenden großen Landes steigen, wenn der terms of trade-Effekt den Despezialisierungseffekt übersteigt. Die Wohlfahrt dieses Landes ist maximiert, wenn die Differenz zwischen diesen beiden Effekten am größten ist. Die Zollhöhe, die zu diesem Zustand führt, nennt man den „Optimalzoll“. Dabei wird jedoch die Wohlfahrt des Auslands in stärkerem Umfang sinken, da auch die Weltwohlfahrt zurückgeht. Dieses Ergebnis folgt aus der Überlegung, dass sich die terms of trade-Effekte zwischen den beiden Ländern mit umgekehrtem Vorzeichen entsprechen, dass in beiden Ländern aber der Wohlfahrtsmindernde Despezialisierungseffekt verbleibt. Berücksichtigt man bei der Produktion importierte Vorprodukte und wird sowohl das Endprodukt als auch der Input beim Import mit einem Zoll belastet, so ist der nominale Zoll auf das Endprodukt kein geeignetes Maß mehr für den tatsächlichen, effektiven Zollschutz dieses Sektors. Der Zoll auf den importierten Input führt vielmehr zu einer Kostenbelastung der Inlandsproduktion und schwächt – für sich genommen – deren preisliche Wettbewerbsfähigkeit. Der effektive Zollsatz misst den Zollschutz der inländi-
200
8 Theorie des Protektionismus
schen Wertschöpfung. Er ist identisch mit dem nominalen Zollsatz, wenn sich die Zollsätze auf End- und Vorprodukte nicht unterscheiden. Ist der Nominalzoll auf das Endprodukt höher als auf die importierten Vorprodukte, so spricht man von einer eskalierenden Zollstruktur. In diesem Fall ist der effektive Zollschutz der inländischen Wertschöpfung größer als dies der nominale Zollsatz zum Ausdruck bringt. Ist dagegen der Nominalzoll beim importierten Input größer als beim Endprodukt, so kann der effektive Zollschutz sogar negativ werden. 8. Ein Importkontingent legt den zulässigen Import – gemessen an der Menge oder am Wert – fest. Es hat im Prinzip die gleiche Wirkung wie ein Importzoll. Auch der Staat kann beim Kontingent Einnahmen erzielen, wenn er den Ausländern Lizenzen, die den Import einer bestimmten Menge oder Werts erlauben, verkauft. Der inländische Preisanstieg ergibt sich jedoch beim Kontingent endogen, er steigt in dem Maße, das notwendig ist, um durch einen Anstieg der Inlandsproduktion und einen Rückgang der Nachfrage den Import auf das zulässige Maß zu senken. Auch die unterschiedlichen Wohlfahrtswirkungen in großen und kleinen Ländern entsprechen prinzipiell denen eines Importzolls. 9. Die Inlandsproduktion im Importsektor kann auch durch eine direkte Subventionierung der inländischen Unternehmen erhöht werden. Da hiervon die Güterpreise nicht direkt beeinflusst werden, bleibt der Inlandskonsum konstant und die Importmenge sinkt nur aufgrund des Anstiegs der Inlandsproduktion. In diesem Sinne ist die direkte Subventionierung des importkonkurrierenden Sektors der gegenüber dem Zoll oder dem Importkontingent weniger verzerrende Markteingriff. Bei dieser Bewertung bleiben jedoch die Finanzierung der Subventionen und die davon ausgehenden Effekte unberücksichtigt. Da ein großes Land durch eine Subventionierung und den dadurch bedingten Importrückgang seine terms of trade auf Kosten des Auslands verbessern kann, besteht auch bei diesem Instrument die Gefahr von Gegenmaßnahmen. 10. Kommt es aufgrund protektionistischer Maßnahmen zu Gegenreaktionen des Auslands, so werden sich bei geeignetem Ausmaß der protektionistischen Instrumente die terms of trade-Effekte neutralisieren, so dass in beiden Ländern allein die Despezialisierungseffekte verbleiben. Der internationale Güteraustausch wird dadurch sinken, die Wohlfahrt aller beteiligten Länder verschlechtert sich. Dabei können sich Situationen ergeben, in denen keines der Länder einen Anreiz hat, sein Verhalten zu ändern, solange das Ausland nicht bereit ist, ebenfalls protektionistische Maßnahmen abzubauen (Nash-Gleichgewicht). Diese Situation kann nur durch kooperatives Verhalten, etwa in Form von Handelsabkommen überwunden werden.
Aufgaben zu Kapitel 8 Aufgabe 8.1 Gegeben ist ein großes Land. In diesem Land werden die beiden Güter 1 und 2 produziert und konsumiert. Das Land hat einen relativen Preisvorteil für Gut 1. Dieses Gut wird bei Freihandel exportiert, Gut 2 wird dagegen importiert. Es liegt unvollständige Spezialisierung vor, d. h. auch bei Freihandel findet im betrachteten Land noch Produktion von Gut 2 statt. a) Stellen Sie die inländische Angebots- und Nachfragekurve des Gutes 2 graphisch dar und vergleichen Sie die Produktions- und Konsummengen bei Autarkie und bei Freihandel.
Aufgaben zu Kapitel 8
201
b) Das betrachtete Land erhebt nun einen Importzoll. Wie verändert sich durch den Importzoll gegenüber der Freihandelssituation (alle Angaben bezogen auf Gut 2) • Der Preis, den die inländischen Konsumenten zahlen müssen. • Die Inlandsproduktion. • Der Inlandskonsum. • Die Importmenge. • Der Weltmarktpreis. Stellen Sie die Erhebung eines Importzolls graphisch dar und kennzeichnen Sie die genannten Größen. c) Bestimmen Sie die Wohlfahrtswirkung des Importzolls im Zollerhebenden Land mit Hilfe der Veränderung von Produzenten- und Konsumentenrente. Welche ökonomischen Effekte begründen Ihr Ergebnis? d) Definieren Sie die terms of trade. Wie haben sich die terms of trade durch die Erhebung eines Importzolls verändert? • Im zollerhebenden Land. • Im anderen Land, das selbst keine Zölle erhebt. e) Begründen Sie verbal, wie sich die Weltwohlfahrt durch den Importzoll verändert. Nennen Sie drei Gründe, weshalb Zölle erhoben werden. Aufgabe 8.2 Gegeben ist ein kleines Land. a) Stellen Sie in einer partialanalytischen Betrachtung die Wirkung eines Importzolls graphisch dar und nennen Sie die auftretenden Effekte. b) Zur Produktion des inländischen Importsubstituts werde auch ein importierter Input verwendet, der ebenfalls mit einem Zoll belastet ist. Berechnen Sie den effektiven Zollsatz (prozentuale Veränderung der inländischen Wertschöpfung) des Gutes 2 bei Konstanz des Anteils des importierten Inputs und unterscheiden Sie bei Ihrem Ergebnis drei mögliche Fälle mit wirtschaftspolitischen Implikationen. Was versteht man in diesem Zusammenhang unter einer „eskalierenden“ Zollstruktur? Aufgabe 8.3 Gegeben sind zwei annähernd gleich große Länder A und B, in denen jeweils zwei identische Güter 1 und 2 produziert und konsumiert werden. a) Stellen Sie das Freihandelsgleichgewicht mit Hilfe der Tauschkurven der beiden Länder graphisch dar. b) Land A erhebt einen Importzoll in Höhe seines „Optimalzolls“. Land B dagegen erhebt keine Zölle. Was versteht man unter einem „Optimalzoll“? Berücksichtigen Sie diesen Zoll in Ihrer Graphik und begründen Sie dabei auch die Wirkung dieses Zolls auf die Güterrelativpreise und auf die Wohlfahrt der beiden Länder. c) Was passiert, wenn beide Länder versuchen, ihren „Optimalzoll“ zu realisieren? Zeigen Sie dies anhand der Tauschkurven und diskutieren Sie, wie die beiden Länder Ihre gemeinsame Wohlfahrt erhöhen könnten.
202
8 Theorie des Protektionismus
Aufgabe 8.4 Gegeben ist ein kleines Land, das zwei Güter produziert und konsumiert. Gut 1 sei das Exportgut, Gut 2 das Importgut des betrachteten Landes. a) Stellen Sie anhand der Transformationskurve des kleinen Landes die Situation von Freihandel dar. Das Land erhebe nun einen Importzoll. Stellen Sie in Ihrer Graphik die Wirkung des Zolls dar und diskutieren Sie die sich ergebenden Effekte einschließlich der Wohlfahrtswirkung. b) Unterstellen Sie, das Land erreiche die in Ihrer Graphik in a) unterstellte Verschiebung der Produktionsstruktur nicht durch einen Importzoll, sondern durch eine Subventionierung der inländischen Produzenten des Importguts. Stellen Sie die Wirkung einer solchen Subventionierung graphisch dar und vergleichen Sie insbesondere die Wohlfahrtswirkung von Zoll und Subvention. Was muss man dabei beachten? Aufgabe 8.5 Gegeben sind zwei annähernd gleich große Länder A und B. In jedem der beiden Länder werden zwei Güter (1 und 2) produziert und konsumiert. Bei Freihandel exportiert Land A Gut 1 und importiert Gut 2. Gehen Sie von einer Situation aus, in der beide Länder Importzölle erheben. Die Zölle seien gerade so groß, dass sich auf dem Weltmarkt das gleiche Preisverhältnis einstellt wie bei Freihandel. a) Stellen Sie die beschriebene Situation anhand der Transformationskurve für Land A graphisch dar und beschreiben Sie die Effekte im Vergleich zu Freihandel. Gehen Sie dabei auch auf das erreichbare Wohlfahrtsniveau ein. b) Unterstellen Sie, Land A baut seinen Importzoll vollständig ab, während Land B seinen Zoll beibehält. Stellen Sie diese Situation für Land A anhand dessen Transformationskurve dar und vergleichen Sie insbesondere die Wohlfahrt gegenüber der Situation a). c) Welche Schlussfolgerungen ergeben sich aus Ihrem Ergebnis hinsichtlich der Bemühungen um einen weltweiten Zollabbau (Argumentieren Sie mit Hilfe spieltheoretischer Argumente). Aufgabe 8.6 Gegeben sei ein großes Land. Stellen Sie in einer partialanalytischen Betrachtung die Angebots- und die Nachfragekurve des Inlands sowie die Überschussangebotskurve des Auslands in einer Graphik dar. Zeigen Sie in Ihrer Graphik die Wirkung • eines Importkontingents, • einer Subventionierung der inländischen Anbieter des Importguts. Diskutieren Sie vergleichend die Wohlfahrtswirkungen der beiden Maßnahmen und gehen Sie dabei auch auf Argumente ein, die in der partialanalytischen Analyse unberücksichtigt bleiben.
9
Integrationstheorie
9.1
Formen wirtschaftlicher Integration
9.1.1
Integrationsräume in der Praxis
Die Nachkriegszeit war nicht nur durch eine starke Ausweitung der internationalen Arbeitsteilung geprägt, auch Zusammenschlüsse selbständiger Staaten zu regionalen wirtschaftlichen Integrationsräumen nahmen, mit immer noch steigender Tendenz, deutlich zu. Nahezu 500 Abkommen sind gegenwärtig bei der WTO gemeldet. Während zunächst meist eine plurilaterale Integration zwischen mehreren Staaten zugrunde lag, geht die Tendenz immer mehr zu rein bilateralen Abkommen, wobei die Partner selbst wiederum Integrationsgebilde sein können. EU (Europäische Union): In Europa hat sich aus der 1957 von Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und den Niederlanden gegründeten Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) mittlerweile eine Wirtschafts- und Währungsunion und damit ein sehr tief gehendes Integrationsgebilde entwickelt. Neben der Europäischen Union existieren eine Reihe weiterer weltwirtschaftlich bedeutender Integrationsräume: NAFTA (North American Free Trade Area), 1994 zwischen den USA, Kanada und Mexiko entstanden. Die NAFTA bietet besonders gute Spezialisierungsmöglichkeiten, weil sich zwei hochentwickelte Industriestaaten mit einem Schwellenland zusammengeschlossen haben, das sich insbesondere auf die arbeitsintensiven Produktionstätigkeiten konzentriert. ASEAN (Association of South East Asian Nations), gegründet 1967. Mitgliedsstaaten sind Brunei, Indonesien, Kambodscha, Laos, Malaysia, Myanmar, Philippinen, Singapur, Thailand und Vietnam. Zwischen den ASEAN-Staaten wurde 1992 die Asiatische Freihandelszone (AFTA) gegründet, innerhalb derer die Zölle bereits deutlich abgebaut wurden. MERCOSUR (Mercado Comun del Sur), 1991 gegründet von Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay. Langfristiges Ziel ist ein gemeinsamer Binnenmarkt nach dem Vorbild der EU. Der Zollabbau ist bereits deutlich vorangekommen, ein gemeinsamer Außenzoll installiert. Es gibt Bestrebungen, den MERCOSUR der NAFTA anzugliedern und zu erweitern, so dass eine den gesamten amerikanischen Kontinent umfassende Freihandelszone entstehen würde.
9.1.2
Stufen der wirtschaftlichen Integration
Unter einer wirtschaftlichen Integration, die unterschiedliche Intensität annehmen kann, versteht man die Vereinbarung selbständig bleibender Volkswirtschaften, Beschränkungen der internationalen Arbeitsteilung untereinander abzubauen. Ziel ist dabei, die durch protektionistische Maßnahmen eingeschränkten ökonomischen Aktivitäten zwischen den Staaten zu intensivieren. Regionale Integrationen verstoßen zwar gegen die Meistbegünstigungsklausel
204
9 Integrationstheorie
des GATT bzw. der WTO, da die vereinbarten Regelungen zwischen den Mitgliedsstaaten und den Outsidern diskriminieren (Vgl. hierzu Kap. 10). Sie sind als Ausnahme dennoch zugelassen, da ein Abbau protektionistischer Maßnahmen auf globaler Ebene aufgrund der Heterogenität der Interessen ungleich schwerer zu erreichen ist und regionale Integrationen daher oft als ein Schritt in Richtung globalen Freihandels angesehen werden. Übergeordnetes Ziel einer wirtschaftlichen Integration ist die Förderung der internationalen Arbeitsteilung innerhalb des Integrationsgebietes, um damit die Wohlfahrt der beteiligten Länder zu steigern. Oft wird die Zusammenarbeit auf wirtschaftlichem Gebiet auch als Vorstufe zu einer weitergehenden, bis hin zu einer politischen Integration gesehen. Je nach Intensität kann man verschiedene Formen der wirtschaftlichen Integration unterscheiden, wobei die Übergänge durchaus fließend sein können. Präferenzzone: Eine Präferenzzone ist die schwächste Form einer handelspolitischen Vereinbarung. Zwischen den selbständig bleibenden Mitgliedsstaaten werden Zölle oder andere Handelsbeschränkende Maßnahmen für bestimmte Produkte abgebaut. Dies kann vollständig oder teilweise und auch einseitig erfolgen. Es wird also kein genereller Freihandel innerhalb der Zone erreicht, ebenso muss kein gemeinsamer Außenzoll existieren. Beispiele sind die AKP-Abkommen der Europäischen Union mit 70 Staaten in Afrika, der Karibik und im Pazifik sowie das Präferenzsystem des Commonwealth. Freihandelszone: Als Erweiterung gegenüber der Präferenzzone werden bei einer Freihandelszone alle Zölle oder sonstigen Handelshemmnisse innerhalb der Gemeinschaft vollständig abgebaut. Es existiert jedoch kein gemeinsamer Außenzoll, vielmehr ist jedes Mitgliedsland souverän in seiner Entscheidung, protektionistische Instrumente gegenüber Drittländern einzusetzen. Da innerhalb der Freihandelszone ein weitgehend freier Güteraustausch existiert, führen unterschiedliche Außenzölle zu strategischem Handeln der Anbieter aus Drittländern. Sie werden versuchen, die divergierenden Außenzölle zu unterlaufen, indem sie in das Land liefern, das für das von ihnen angebotene Produkt den geringsten Außenzoll aufweist, um es dann innerhalb der Zone weiter zu leiten. Um eine solche Umgehung der eigenen Zölle zu verhindern, werden die anderen Mitgliedsländer darauf drängen, dass Güterbewegungen innerhalb der Zone durch Ursprungszertifikate belegt werden müssen. Dies wiederum impliziert einen erheblichen administrativen, mit Kosten verbundenen Aufwand und setzt außerdem generelle Kontrollen der Warenströme bei Überschreiten von Landesgrenzen auch innerhalb der Freihandelszone voraus. Unklar bleibt auch die Frage, wie ein Gut zu behandeln ist, das zwar innerhalb der Freihandelszone hergestellt wurde, für dessen Produktion aber Vorprodukte aus Drittländern importiert wurden. Hier müsste der Wertschöpfungsanteil der Freihandelszone ermittelt werden und nur dieser würde zollfrei bleiben. Beispiele einer Freihandelszone sind die 1960 gegründete Europäische Freihandelszone (EFTA, European Free Trade Association) sowie die Nordamerikanische Freihandelszone (NAFTA). Zollunion: Es gelten die Regelungen einer Freihandelszone, die unterschiedliche Höhe der Außenzölle ist in einer Zollunion jedoch beseitigt. Dabei darf gemäß WTO-Statuten der einheitliche Außenzoll nicht höher sein als der bisherige Durchschnitt der Außenzölle der Teilnehmerstaaten. Für einzelne Länder kann dies allerdings eine Erhöhung ihres Außenzolls implizieren. Der Zusammenschluss zweier oder mehrerer selbständiger Staaten zu einer Zollunion ist also gekennzeichnet durch:
9.2 Ökonomische Wirkungen der Integration
205
den Wegfall aller Zölle zwischen den Mitgliedsstaaten, einen gemeinsamen Außenzolltarif gegenüber Drittländern, die Verteilung der Zolleinnahmen zwischen den Mitgliedsstaaten gemäß einem vereinbarten Schlüssel. Die 1957 gegründete Europäische Wirtschaftsgemeinschaft hatte 1968 den Zustand einer Zollunion erreicht. Gemeinsamer Markt: Zusätzlich zur Zollunion werden im Gemeinsamen Markt durch den Abbau institutioneller Hemmnisse freie Mobilität aller Produktionsfaktoren garantiert. Die vier Freiheiten umfassen neben dem freien Güteraustausch den ungehinderten Kapitalverkehr, die völlige Freizügigkeit der Arbeitskräfte und die Niederlassungsfreiheit für Unternehmen. Darüber hinaus wird ein gemeinsamer wirtschaftspolitischer Ordnungsrahmen, etwa bezüglich der Wettbewerbspolitik vereinbart, um allen Unternehmen gleiche Startbedingungen zu garantieren und um die Faktorbewegungen nicht zu einer Einbahnstraße werden zu lassen. Dies umfasst auch eine gewisse Harmonisierung der Steuer- und Abgabenpolitik. Ein Gemeinsamer Markt wurde in der Europäischen Union durch die Einheitliche Europäische Akte (EEA) 1986 beschlossen und ist, zumindest formal, seit dem 1. Januar 1993 realisiert. Wirtschaftsunion: Eine Vertiefung gegenüber dem Gemeinsamen Markt erfolgt durch eine Koordinierung oder Vereinheitlichung der Wirtschaftspolitik, vor allem der Stabilisierungspolitik. Auch soll das Ziel einer Angleichung der Lebensbedingungen innerhalb der Union im Sinne annähernd gleicher Pro-Kopf-Einkommen durch eine gemeinschaftliche Strukturpolitik erreicht werden, wobei es schwierig ist, diesen Zustand exakt zu definieren. Die Schaffung einer Wirtschaftsunion bis spätestens 1999 wurde in der EU durch den Maastrichter Vertrag 1992 beschlossen. Währungsunion: Umstritten ist, ob eine Wirtschaftsunion stets auch mit einer Währungsunion, d. h. einem Zusammenschluss der nationalen Währungen zu einer Einheitswährung verbunden sein muss. Grundsätzlich kann eine Wirtschaftsunion auch ohne eine gemeinsame Währung funktionieren, es hätte sogar den Vorteil, dass der Wechselkurs als Ausgleichsinstrument bei unterschiedlichen realen Entwicklungen zur Verfügung stünde. Andererseits besteht die Erwartung, dass nur eine gemeinsame Währung die Arbeitsteilung zwischen den Mitgliedsländern optimal ausschöpfen kann. Eine Wirtschafts- und Währungsunion ist in Teilen Europas seit dem 1. Januar 1999 realisiert. • • •
9.2
Ökonomische Wirkungen der Integration
Ziel des Zusammenschlusses mehrerer selbständiger Staaten zu einer Zollunion ist vor allem eine Intensivierung des innergemeinschaftlichen Güteraustauschs, um damit Spezialisierungsvorteile aus internationalem Handel zu erzielen und die Wohlfahrt des eigenen Landes zu erhöhen. Die Voraussetzungen zur Erreichung dieses Ziels sollen im Folgenden überprüft werden. Ebenso wird untersucht, wie durch eine Zollunion Drittländer beeinträchtigt werden. Bei der Untersuchung soll wieder zwischen einer Partial- und einer Totalanalyse unterschieden werden.
206
9 Integrationstheorie
9.2.1
Partialanalytische Wirkung einer Zollunion
Bei einer Zollunion treten grundsätzlich zwei Effekte auf, die man in Anlehnung an Viner (Viner, 1950) als Handelsschaffung und als Handelsumlenkung bezeichnet. Diese Wirkungen einer Zollunion sollen zunächst anhand eines sehr einfachen partialanalytischen Beispiels verdeutlicht werden. Gegeben ist ein kleines Land A, dessen Angebots- und Nachfragefunktionen mit NA und AA in Abb. 9.1 eingezeichnet sind. Der Autarkiepreis bildet sich in Höhe des Schnittpunkts V zwischen diesen beiden Kurven. Neben Land A existieren zwei weitere (große) Länder, B und C, die das betrachtete Gut zu einem vom jeweiligen Land gegebenen Angebotspreis in jeder beliebigen Menge liefern können. Dabei gelte, dass der Angebotspreis des Landes C niedriger ist als der des Landes B. Damit ergeben sich waagrecht verlaufende Angebotskurven, die in Abb. 9.1 als AB (Angebotskurve des Landes B) und AC (Angebotskurve des Landes C) eingezeichnet sind. p
AA
NA
ABZ V T
pZ
pZU
1
2
3
ACZ
4
S
AB
5 pF
R
QF
Abb. 9.1:
QZU
QZ
CZ
CZU
CF
AC
Q, C
Partialanalytische Wirkung einer Zollunion in einem kleinen Land
Bei Freihandel würde Land A das betrachtete Gut aus Land C importieren, da dieses Land den geringsten Angebotspreis aufweist. Es ergäbe sich der Gleichgewichtspunkt R bei einem Freihandelspreis pF, der in diesem Fall dem Angebotspreis des Landes C entspricht. Der Konsum in Land A beträgt CF, die Produktionsmenge QF. Die Importmenge entspricht der Differenz zwischen diesen beiden Mengen. Erhebt Land A einen allgemeinen Importzoll, der sowohl für Land B als auch für Land C gilt, so verschieben sich die vollkommen preiselastischen Angebotsfunktionen dieser beiden Länder um den Zollsatz nach oben. Die Wettbewerbsrelation zwischen B und C wird dadurch nicht beeinflusst. Da beide Länder vom Zoll betroffen sind, kann Land C nach wie vor günstiger anbieten als Land B. Wie aus der Zollanalyse bekannt, ergibt sich jetzt das Gleichge-
9.2 Ökonomische Wirkungen der Integration
207
wicht in Punkt T, dem Schnittpunkt zwischen der vollkommen preiselastischen, aber zollbedingt nach oben verschobenen Angebotskurve von C, ACZ, und der Nachfragefunktion des Inlands. Der Inlandspreis steigt dadurch auf pZ, die Inlandsproduktion nimmt zu und beträgt jetzt QZ. Der Inlandskonsum dagegen sinkt auf CZ. Der Import aus Land C ist von QFCF auf QZCZ gesunken. Es treten auch die sonstigen, aus der Zollanalyse bekannten Effekte auf. Hier soll lediglich noch auf die Zolleinnahmen des Staates verwiesen werden, die dem Produkt aus Zollsatz und Importmenge, also den beiden Vierecken 3 und 5, entsprechen. Schließen sich jetzt die beiden Länder A und B zu einer Zollunion zusammen, so kann Land B ohne Zollbelastung in Land A liefern, während für Land C nach wie vor die Zollbelastung – die in ihrer Höhe unverändert bleiben soll – Gültigkeit besitzt. Es stehen sich damit die Angebotsfunktionen AB und ACZ gegenüber. Man sieht, dass unter den hier gemachten Annahmen Land B ohne Zoll günstiger anbieten kann als Land C mit Zoll. Damit ändert sich für Land A das Bezugsland. Das betrachtete Gut wird jetzt aus Land B importiert, der Inlandspreis sinkt dadurch auf pZU. Durch diesen Rückgang des Inlandspreises impliziert die Zollunion einen Schritt in Richtung einer Intensivierung der internationalen Arbeitsteilung. Die Inlandsproduktion des Importkonkurrenzguts, bei dem Land A keinen relativen Preisvorteil aufweist, wird von QZ auf QZU sinken. Gleichzeitig steigt wegen des gesunkenen Preises die Nachfrage auf CZU und auch die Importmenge nimmt auf QZUCZU zu. Die beobachtete Zunahme des internationalen Handels lässt sich in drei Teileffekte untergliedern. Der Handel zwischen A und B beträgt jetzt QZUCZU. Da vor der Zollunion zwischen diesen beiden Ländern kein Handel stattfand, ist dies in voller Höhe ein Handelsschaffender Effekt zwischen den Mitgliedern der Zollunion. Es wird Tauschpotenzial zwischen A und B ausgenutzt, das vorher wegen des Zolls nicht realisiert werden konnte. Dadurch kommt es auch zu zusätzlichen Spezialisierungsvorteilen. Gleichzeitig wird aber der bisherige Import aus Land C verdrängt, der Import aus C sinkt um QZCZ. Dies ist der Handelsumlenkende Effekt (trade diversion). Man sieht aus Abb. 9.1, dass der Handelsschaffende Effekt größer ist als der Handelsumlenkende Effekt, es verbleibt damit auch netto ein Handelsschaffender Effekt (trade creation) im Umfang QZUQZ + CZCZU bzw. QZUCZU − QZCZ. Die Wohlfahrt des betrachteten Landes wird bei einem Übergang von einem allgemeinen Importzoll zu einer Zollunion zunächst steigen, da dem Anstieg der Konsumentenrente im Umfang der Flächen 1 + 2 + 3 + 4 nur der Rückgang der Produzentenrente im Ausmaß der Fläche 1 gegenübersteht. Allerdings muss man berücksichtigen, dass dem Staat in der Zollunion keine Zolleinnahmen mehr zufließen und damit die Flächen 3 und 5 wegfallen. Es verbleibt ein Nettowohlfahrtsgewinn, sofern die Summe der Dreiecke 2 und 4 größer ist als die Fläche 5. Wenn diese dagegen größer ist, so wird sich Land A durch die Bildung der Zollunion mit dem (großen) Land B schlechter stellen. Es wird umso eher zu einer Wohlfahrtssteigerung kommen, je preiselastischer das inländische Angebot und die inländische Nachfrage, je stärker die Zollsenkung für Land B (umso größer sind die Dreiecke 2 und 4) und je kleiner der Kostenunterschied zwischen den Ländern B und C (umso kleiner ist die Fläche 5) ist. Die hier diskutierten Zusammenhänge sind allerdings keineswegs zwangsläufig. Zum einen kann Land B auch nach dem Fall der Zollschranken einen ungünstigeren Angebotspreis aufweisen als Land C mit Zoll, so dass es zu keiner Änderung der Handelsbewegungen käme. Zum anderen kann es zu einer Handelsschaffung ohne Handelsumlenkung kommen, wenn Land B bereits vor der Zollunion preisgünstiger als Land C anbieten konnte. In diesem Fall entspricht die Wirkung der Zollunion der einer allgemeinen Zollsenkung.
208
9 Integrationstheorie
Im hier diskutierten Beispiel stellt eine Zollunion gegenüber der Freihandelssituation aus globaler Sicht einen schlechteren Zustand dar, da der Import eines mit niedrigeren Kosten produzierten Gutes aus einem Drittland durch ein mit höheren Kosten produziertes Gut aus einem Mitgliedsland ersetzt wird, dessen Preis durch den Wegfall der Zollbelastung allerdings niedriger ist als der des Drittstaats. Die Mitgliedsländer der Zollunion haben jedoch zusammengenommen gewonnen, falls es netto zu einer Handelsschaffung kommt, da sie sich stärker an ihren relativen Kosten- und damit Preisvorteilen orientieren und da die Kosten des importierten Gutes aus dem Mitgliedsland immer noch niedriger sind als die im Importland. Allerdings ist aufgrund des Umlenkungseffekts eine Verschlechterung der Weltwohlfahrt nicht ausgeschlossen, falls der Handelsumlenkende Effekt den Handelsschaffenden Effekt übersteigen sollte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nur der Durchschnitt der bisherigen Außenzölle durch die Bildung einer Zollunion nicht steigen darf, für einzelne Länder kann dies aber durchaus einen Anstieg ihres Außenzolls implizieren. Dass der Handelsumlenkende Effekt ein großes Ausmaß annehmen kann, zeigt ein Beispiel aus der Europäischen Union: Die Aufnahme von Spanien und Portugal in das EG-Außenzollsystem und die damit verbundenen höheren Außenzölle dieser Länder bedeuteten Absatzverluste für Drittländer. So wurde geschätzt, dass US-Farmer Agrarprodukte im Wert von etwa 500 Mill. US-Dollar pro Jahr weniger in die EU exportierten, während die AltEU-Länder ihre Exporte nach Spanien und Portugal steigern konnten. (vgl. KOCH 1997) Das bisherige Beispiel ging zur Vereinfachung davon aus, B und C seien große Ländern, die zu eigenen, unterschiedlichen Preisen das betrachtete Gut anbieten. Es kam daher zu einer vollkommenen Verdrängung des Landes C in dem Moment, in dem B ohne Zollbelastung günstiger anbieten konnte, als C mit Zoll. Berücksichtigt man dagegen für die beiden Länder B und C normale, d. h. positiv verlaufende Überschussangebotskurven sowie einen einheitlichen Weltmarktpreis des betrachteten Gutes, so muss die Verdrängung keineswegs vollständig sein. In Abb. 9.2 ist wieder die Angebots- und Nachfragefunktion des Landes A eingezeichnet. Addiert man zur Angebotsfunktion des Landes A die Überschussangebotsfunktionen der Länder B und C, jeweils ohne Zollbelastung (AA+AB+AC), so gelangt man zum Freihandelsgleichgewicht R. Beim Freihandelspreis pF wird im Inland die Menge QF produziert, die Menge CF konsumiert. Wird ein genereller Importzoll erhoben, so verschieben sich beide ausländischen Kurven nach oben, und man gelangt zum Gleichgewichtspunkt T, dem Schnittpunkt zwischen der Nachfragekurve des Landes A und der Summe der Angebotskurven des Landes A und der zollmodifizierten Angebotskurven der Länder B und C (AA+ABZ+ACZ). Wie in Kapitel 8 ausführlich diskutiert, erhöht sich durch den Importzoll auch der Inlandspreis des Importguts, die Inlandsproduktion steigt auf QZ, der Konsum dagegen sinkt auf CZ. Wird, von dieser Situation ausgehend, der Zoll gegenüber Land B aufgegeben, während er gegenüber C bestehen bleibt, so verschiebt sich die Gesamtangebotskurve nach unten, allerdings nicht bis zur Freihandelssituation, da der Zoll gegenüber Land C nach wie vor gilt (AA+AB+ACZ). Man gelangt zum Zollunionsgleichgewicht S, der Inlandspreis wird gegenüber der allgemeinen Zollbelastung sinken, die Inlandsproduktion geht auf QZU zurück, der Inlandskonsum steigt auf CZU. Die Importmenge ist auch in diesem Beispiel wieder am kleinsten bei einer allgemeinen Zollerhebung, sie steigt in der Zollunion, erreicht allerdings ihren größten Wert bei Freihandel.
9.2 Ökonomische Wirkungen der Integration
209
p NA
AA
AA+ABZ+ACZ
V
pA
T
pZ
AA+AB+ACZ S
pZU
AA+AB+AC R
pF
QF
Abb. 9.2:
QZU QZ
CZ
CZU
CF
Q, C
Preiswirkung von Zoll und Zollunion
Aus Abb. 9.2 ist jedoch nicht erkennbar, wie sich der Gesamtimport des Landes A auf die beiden Länder B und C verteilt, wie groß also der Handelsumlenkende Effekt ist. Dies ist aus Abb. 9.3 ersichtlich, in der die Überschussangebotsfunktionen der beiden Länder B und C – für Land B einmal mit und einmal ohne Zollbelastung – eingezeichnet sind, ebenso ist die Angebotsfunktion des Inlandes A berücksichtigt. Man sieht, dass dabei wieder unterstellt ist, dass Land C zwar günstiger anbieten kann als B, dass dies aber nicht mehr gilt, wenn B von der Zolllast befreit wird. In Abb. 9.3 sind außerdem die beiden Gleichgewichtspreise bei einem allgemeinen Zoll (pZ) und einer Zollunion zwischen den Ländern A und B (pZU) eingezeichnet, wie sie sich aus Abb. 8.2 ergeben. Bei einem allgemeinen Importzoll des Landes A entspricht der Konsum in Land A der Strecke 0Y, die Inlandsproduktion beträgt 0V. Land A wird das hier betrachtete Gut im Umfang 0R aus Land B und im Umfang 0T aus Land C importieren. Die Summe der Strecken OR und OT muss also der Importmenge VY entsprechen. Die relevanten Punkte auf den Angebotskurven sind D, E und F. Wird zwischen A und B eine Zollunion gebildet, so sinkt der Inlandspreis, und damit geht auch die Inlandsproduktion auf 0U zurück. Das inländische Angebot verschiebt sich auf der Angebotskurve AA zum Punkt H. Der Inlandskonsum dagegen steigt auf 0Z. Da Land B jetzt unbelastet durch einen Zoll anbieten kann, beträgt der Import aus diesem Land 0W und ist damit um RW gestiegen, der Angebotspunkt für Land B springt von D zu J auf die zollfreie Angebotskurve. RW ist also der Handelsschaffende Bruttoeffekt. Der Import aus Land C dagegen sinkt um die Strecke ST, der Angebotspunkt verschiebt sich auf der Angebotskurve von E zu G. Dies ist der Handelsumlenkende Effekt. Netto verbleibt damit ein Handelsschaffender Effekt von RW − ST = RS + TW, der bei maßstabsgetreuer Graphik der Summe der Strecke UV (Rückgang der Inlandsproduktion) und YZ (Anstieg des Inlandskonsums) entsprechen muss, da genau in diesem Umfang der Import zugenommen hat.
210
9 Integrationstheorie
p
ABZ ACZ N AA
AB
D
pZ
E
F
pZU G
0
Abb. 9.3:
9.2.2
R S
H
T U
J
V W
Y
Z
Q, C
Handelsschaffung und Handelsumlenkung
Totalanalyse einer Zollunion
Gegeben ist in Abb. 9.4 die bekannte Darstellung der Transformationskurve des Landes A in einem Zwei-Güter-Fall. Ausgangspunkt ist eine Situation mit generellem Importzoll, durch die die Inlandsproduktion des Importgutes erhöht wurde. Der Produktionspunkt liegt bei QZ, dem Tangentialpunkt der Transformationskurve mit dem Binnenmarktpreisverhältnis nach Zoll, pZI. Die Konsumenten realisieren den Konsumpunkt CZ, der durch Güteraustausch mit dem großen Land C zu dem von Land C determinierten Austauschverhältnis pC erreicht wird. Er entspricht einem (nicht eingezeichneten) Tangentialpunkt zwischen dem Binnenmarktpreisverhältnis pZI und der Indifferenzkurve IZ. Im Übrigen gelten die in Kapitel 8 diskutierten Zusammenhänge. Neben Land A und Land C existiert auch jetzt ein großes Land B, das jedoch bei einem generellen Importzoll nicht mit Land C konkurrieren kann und deshalb beim Handel unberücksichtigt bleibt. Wird nun eine Zollunion zwischen Land A und Land B realisiert und ist Land B ohne Zoll konkurrenzfähiger als Land C mit Zoll, so wird das neue Preisverhältnis jetzt von Land B determiniert und entspricht pB. Dies impliziert für die inländischen Produzenten eine Verschiebung zu Ungunsten des Importguts, d. h. das Importgut wird relativ billiger. Damit verlagert sich der Produktionspunkt nach unten zu QZU, d.h. das betrachtete Land produziert wieder mehr von Gut 1, dem Gut, bei dem es einen relativen Preisvorteil aufweist. Da keine Preisverzerrung infolge eines Importzolls mehr existiert, entspricht das für die Konsumenten relevante Preisverhältnis ebenfalls pB, und sie erreichen den Konsumpunkt CZU, der ein höheres Nutzenniveau als CZ impliziert. Dieses wird durch die Indifferenzkurve IZU dargestellt, die die Preisgerade pB tangiert.
9.2 Ökonomische Wirkungen der Integration Q2
211
pB
C2 CZU
IZU
CZ
IZ QZ pC
QZU
pZI
R S
Abb. 9.4:
T
Q1, C1
Totalanalyse einer Zollunion mit Wohlfahrtssteigerung
Auch in Abb. 9.4 kann man den Handelsschaffenden und den Handelsumlenkenden Effekt isolieren. Hierzu zeichnet man zwei Parallelen zur Preisgeraden pB ein, von der eine durch den ursprünglichen Produktionspunkt QZ, die zweite durch den ursprünglichen Konsumpunkt CZ verläuft. Gemessen in Einheiten des Gutes 1 und bewertet zum Preisverhältnis pB, entspricht der Handelsschaffende Effekt in Bruttobetrachtung der Einkommensverbesserung des betrachteten Landes, also der Veränderung des Produktionspunktes im Ausmaß RT. Der Handelsumlenkende Effekt kommt im Wegfall des Handels mit Land C zum Ausdruck und entspricht der Differenz zwischen ursprünglichem Produktions- und ursprünglichem Konsumpunkt, also der Strecke RS. Man sieht, dass in Abb. 9.4 der Handelsschaffende Effekt den Handelsumlenkenden Effekt übersteigt, so dass sich ein positiver Handelsschaffender Nettoeffekt im Ausmaß ST ergibt, der als Maß für die Verbesserung der Wohlfahrt interpretiert werden kann. Diese Wohlfahrtsverbesserung für Land A muss allerdings nicht notwendigerweise eintreten. In Abb. 9.5 ist bei gleicher Ausgangssituation ein Fall dargestellt, in dem durch die Bildung der Zollunion zwischen Land A und Land B im betrachteten Land A ein niedrigeres Nutzenniveau erreicht wird als bei einer allgemeinen Zollerhebung. Dieses Ergebnis kommt dadurch zustande, dass sich der Relativpreis nicht so stark verändert und sich damit auch der neue Produktionspunkt nicht so weit auf der Transformationskurve nach unten verschiebt, wie dies in Abb. 9.4 der Fall war. Der Spezialisierungseffekt, der die Wohlfahrtssteigernde Intensivierung der internationalen Arbeitsteilung ausdrückt, ist also kleiner geworden. Isoliert man auch hier die auftretenden Effekte, so sieht man, dass der Handelsumlenkende Effekt RS größer ist als der Handelsschaffende Effekt in Bruttobetrachtung, RT, so dass der Nettohandelseffekt ST negativ ist und einen Wohlfahrtsverlust impliziert. Als Sonderfall kann auch resultieren, dass sich die Wohlfahrt für das betrachtete Land nicht verändert, weil sich Handelsschaffender und Handelsumlenkender Effekt genau entsprechen.
212
9 Integrationstheorie
Q2 C2
pB CZ CZU
IZ IZU
QZ pC QZU
pZI
R T
Abb. 9.5:
S
Q1, C1
Totalanalyse einer Zollunion mit Wohlfahrtsverlust
Der mögliche Wohlfahrtseffekt einer Zollunion ist also nicht eindeutig bestimmbar, es lassen sich jedoch Trendaussagen machen. Es kommt umso eher zu einem positiven Wohlfahrtseffekt bzw. dieser ist umso größer, • Je höher vor der Zollunion die Zölle zwischen den Mitgliedsländern waren, da der Handelsschaffende Effekt dann umso größer ausfällt. • Je niedriger der Außenzoll der Zollunion war und ist, da hierdurch der Handelsumlenkende Effekt kleiner wird. • Je mehr Mitgliedsländer die Zollunion hat, da damit auch die Möglichkeiten der Handelsschaffung größer werden. Würde die Zollunion die ganze Welt umfassen, könnte kein Umlenkungseffekt mehr existieren. • Je größer die Kostenunterschiede zwischen den Mitgliedsstaaten der Zollunion sind, da diese durch den Wegfall der Zölle sichtbar werden und zur Spezialisierung genutzt werden können. Damit steigt auch der Handelsschaffende Effekt und der inter-industrielle Handel nimmt zu. • Je ähnlicher die Verbrauchsmuster der Mitgliedsstaaten sind und je enger diese räumlich zusammen liegen, da dies nach Wegfall der Zollbelastung die Möglichkeit des intrasektoralen Handels vergrößert. Im Umkehrschluss folgt daraus, dass der Effekt der Handelsschaffung umso geringer ausfällt, je unterschiedlicher die Länder entwickelt sind, je ähnlicher ihre Angebotsstruktur ist und je geringer der Handel untereinander ausgeprägt ist. Diese Konstellation dürfte für die meisten Entwicklungsländergruppen zutreffen, die auf den Weltmärkten in der Regel Angebotskonkurrenten von Primärgütern sind. Für solche Länder ist also die Wahrscheinlichkeit einer Wohlfahrtssteigerung durch die Ausnutzung der Handelsschaffenden Effekte relativ gering. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass eine Zollunion positive Wohlfahrtseffekte in den Mitgliedsländern auslösen kann, da sie zu einer stärkeren Arbeitsteilung und damit zu einer Ausrichtung der Produktion an den relativen Preisvorteilen führt. Allerdings tritt die Wohlfahrtssteigerung nur dann ein, wenn ein Handelsschaffender Effekt ausgelöst wird und
9.3 Einseitiger Zollabbau versus Zollunion
213
wenn dieser den Handelsumlenkenden Effekt überkompensiert. Drittländer dagegen können, zumindest kurzfristig, von einer Zollunion negativ tangiert werden, da ihre Exporte sinken. Wenn die Wohlfahrtssteigernde Wirkung einer Zollunion jedoch nicht mit Sicherheit eintritt und wenn doch, dann nur aufgrund der stärkeren Ausrichtung der einzelnen Länder an ihren relativen Preisvorteilen, so stellt sich die Frage, ob nicht ein einseitiger Zollabbau eines Landes zu einem wohlfahrtstheoretisch besseren Ergebnis führt als die Bildung einer Zollunion.
9.3
Einseitiger Zollabbau versus Zollunion
9.3.1
Zollfreiheit im Rest der Welt
Die Frage nach der Vorteilhaftigkeit einer Zollunion gegenüber einem einseitigen Zollabbau soll anhand folgender Annahmen diskutiert werden: • Es existieren zwei Güter und drei Länder. Land A und Land B sind relativ klein, Land C dagegen ist ein großes Land, das auch als Rest der Welt interpretiert werden kann. • Land A exportiert Gut 1 und importiert Gut 2, Land B dagegen exportiert Gut 2 und importiert Gut 1. Das große Land C kann beide Güter zu einem von ihm gegebenen Tauschverhältnis sowohl ex- als auch importieren. • In der Ausgangssituation erheben die beiden kleinen Länder A und B jeweils einen Zoll auf ihr Importgut. Land C erhebt zunächst keine Zölle. Die Ausgangssituation ist in Abb. 9.6 dargestellt. Die Kurven TKAZ und TKBZ sind die Tauschkurven der beiden Länder A und B bei Erhebung eines Importzolls. Die Ursprungsgerade C stellt das Preisverhältnis dar, zu dem das große Land C bereit ist, jede beliebige Menge beider Güter zu ex- und zu importieren. Land A hätte nun die Möglichkeit, mit Land B in Punkt T oder mit Land C in Punkt R Handel zu treiben. Da eine Preisgerade durch T für Land A höhere terms of trade darstellt als das Preisverhältnis C, würde Land A den Punkt T dem Punkt R vorziehen. Land B hat die Möglichkeit, mit A in T oder mit C in Punkt S zu handeln. Für B ist das Preisverhältnis C vorteilhafter, da dies höhere terms of trade impliziert. B wird also nicht bereit sein, mit A in T zu handeln, es sei denn, Land A würde Land B eine Kompensationszahlung leisten. Dies würde allerdings voraussetzen, dass der Vorteil von A bei einem Handel mit B größer ist als der Nachteil von B, wenn es auf den Handel mit C verzichtet und stattdessen mit Land A Punkt T realisiert. Sowohl Land A als auch Land B könnten ihre Wohlfahrt steigern, wenn sie einseitig ihre Importzölle beseitigen. Bei einem Abbau des Importzolls verschieben sich die Tauschkurven jeweils nach außen zu TKA bzw. zu TKB. Land A käme dadurch von Punkt R zu Punkt V, es spezialisiert sich stärker auf die Produktion des Gutes, bei dem es einen relativen Kostenvorteil aufweist. Das Handelsvolumen steigt. Gleiches gilt für Land B, das sich von S zu W verbessern würde. Dagegen stellt die Bildung einer Zollunion zwischen A und B keine eindeutig bessere Situation für die beiden Länder dar. Bei einer Zollunion könnte Punkt Z realisiert werden. Dieser Punkt impliziert zwar für B eine Wohlfahrtssteigerung gegenüber W, da sich die terms of trade des Landes B verbessern würden. Allerdings bedeutet Z für Land A gegenüber dem Punkt V einen Wohlfahrtsverlust, da die terms of trade für dieses Land sinken. Eine Zollunion würde bei dieser Konstellation nur dann realisiert, wenn der Vorteil für B so groß wäre, dass er den Nachteil von A überkompensiert.
214
9 Integrationstheorie TKA
E2A − E2B
C V
TKAZ
W
TKB
S
T
Z
R
TKBZ
− E1A, E1B Abb. 9.6:
Zollunionen kleiner Länder bei Zollfreiheit im Rest der Welt
Man sieht aus Abb. 9.6 auch, dass es bei der hier unterstellten Konstellation, in der Land C keine Zölle erhebt, keine Situation geben kann, in der eine Zollunion für beide beteiligten Länder vorteilhafter als der Handel mit C wäre. Denn die Tauschkurven der beiden Länder werden sich immer rechts oder links von der Geraden C schneiden, so dass jeweils für eines der beiden Länder der Handel mit C vorteilhafter wäre als eine Zollunion. Diese Aussage ändert sich jedoch, wenn man unterstellt, auch Land C erhebe Importzölle.
9.3.2
Importzölle im Rest der Welt
Wenn Land C Importzölle erhebt, so müssen die kleinen Länder A und B die Zolllast übernehmen, da sie keine Möglichkeit haben, die Tauschrelation mit dem großen Land zu beeinflussen. Allerdings gelten für diese Länder unterschiedliche Preisrelationen, je nachdem, welches Gut in Land C geliefert wird. Importiert Land C Gut 1 und ist dieser Import mit einem Zoll belegt, so sind die terms of trade für das exportierende kleine Land A geringer als bei Freihandel, d. h. Land A erhält für jede Mengeneinheit des Gutes 1, das es in Land C liefert, weniger Mengeneinheiten des Gutes 2, es gilt in Abb. 9.7 das Preisverhältnis C1. Importiert Land C dagegen Gut 2 aus Land B, so hat Land B verschlechterte terms of trade zu tragen. Land B erhält für jede Mengeneinheit des Gutes 2, das in Land C geliefert wird, weniger Mengeneinheiten des Gutes 1, es gilt das Preisverhältnis C2. Erheben auch die beiden Länder A und B Importzölle, so hat Land A, das Gut 1 exportiert, die Wahl, in Punkt R mit Land C oder in Punkt T mit Land B Handel zu treiben. Aufgrund der höheren terms of trade wird Land A Punkt T und damit den Handel mit B vorziehen. Für Land B, das Gut 2 exportiert, steht der Handel mit Land C in Punkt S und der Handel mit Land A in Punkt T zur Wahl. Auch für Land B wäre es jetzt vorteilhafter, Außenhandel mit Land A abzuwickeln. Im Gegensatz zum Fall der Abb. 9.6 sind es jetzt beide Länder A und B, die den Handel untereinander dem Handel mit C vorziehen. Dies ist immer dann der Fall, wenn sich die Tauschkurven der beiden Länder im Bereich zwischen C1 und C2 schneiden.
9.3 Einseitiger Zollabbau versus Zollunion
215
E2A C2
− E2B TKAZ
W
TKA Z
C1
TKB
V
T S
TKBZ R
− E1A, E1B
Abb. 9.7:
Zollunionen kleiner Länder bei Zöllen im Rest der Welt
Eine analoge Aussage ergibt sich auch für die Vorteilhaftigkeit einer Zollunion. Schneiden sich die Tauschkurven der Länder A und B nach Abbau der Zölle innerhalb des Bereichs zwischen C1 und C2, etwa in Z, so würde jedes der beiden Länder eine Zollunion einem einseitigen Zollabbau vorziehen. Land A käme bei einem einseitigen Zollabbau zu Punkt V, der gegenüber Z wegen der geringeren terms of trade nachteiliger ist. Land B dagegen käme bei einem Handel mit C zum Punkt W, der ebenfalls geringere terms of trade impliziert als Z. Es bedarf in diesem Fall also keiner Kompensationszahlungen, da sich beide Länder durch die Zollunion besser stellen. Da auch im Falle allgemeiner Importzölle mit Land C kein Handel stattfindet, wäre die Bildung einer Zollunion in Abb. 9.7 zwar mit einem Handelsschaffenden Effekt verbunden, da das Handelsvolumen in Z gegenüber T zugenommen hat, es findet jedoch kein Handelsumlenkender Effekt statt. Dieses Ergebnis ändert sich, wenn sich vor dem Zollabbau die Tauschkurven der Länder A und B außerhalb des Bereichs zwischen C1 und C2 geschnitten haben. Eine solche Situation ist in Abb. 9.8 dargestellt. Unter Berücksichtigung der gemachten Annahmen stehen Land A die Alternative R – Handel mit C – und T – Handel mit B – zur Wahl. Da in R die höheren terms of trade realisiert werden können, würde sich Land A für Punkt R entscheiden. Land B dagegen kann in S mit Land C oder in T mit Land A Handel treiben. Hier ist es eindeutig, dass sich die beiden Länder A und B zusammengenommen besser stellen würden, wenn sie untereinander Handel treiben, da hierbei der Vorteil für B eindeutig größer ist als der Nachteil für A. In Abb. 9.8 kann man sich jedoch auch die Situation vorstellen, dass Land A den von ihm präferierten Punkt R realisiert, d. h. die Gesamtexportmenge des Landes A ist durch die waagrechte Differenz des Punktes R vom Ursprung, die Gesamtimportmenge durch die senkrechte Differenz des Punktes R vom Ursprung gegeben. Land A kann diese Handels-
216
9 Integrationstheorie
mengen jedoch, ohne einen Wohlfahrtsverlust zu erleiden, auf die beiden Länder B und C aufteilen. Bis zum Punkt U wird Gut 1 nach Land B exportiert und Gut 2 aus Land B importiert. Im Ausmaß der senkrechten und waagrechten Differenz zwischen den Punkten U und R findet dagegen Handel mit Land C statt. Land A hat dabei seine optimalen terms of trade realisiert, während sich Land B eindeutig besser stellt als bei einem Handel mit Land C. E2A
TKA
C2
− E2B
C1 V
TKAZ W
Y
Z TKB
R
U
T
S TKBZ
− E1A, E1B
Abb. 9.8:
Zollunionen kleiner Länder bei Zöllen im Rest der Welt – Handelsschaffung und Handelsumlenkung
Die Vorteilhaftigkeit einer Zollunion hängt nun wieder davon ab, ob sich die Tauschkurven der beiden Länder A und B nach dem Abbau der Zölle innerhalb des Bereichs zwischen C1 und C2 oder außerhalb dieses Bereichs schneiden. Würden sie sich zwischen C1 und C2 schneiden, so stellen sich, wie in Abb. 9.7 diskutiert, beide Länder durch die Zollunion besser, und der Handel mit Land C würde wegfallen. Es käme also eindeutig zu einem Handelsumlenkenden Effekt. Schneiden sie sich jedoch, wie in Abb. 9.8 dargestellt, außerhalb dieses Bereichs, so treten mehrere Effekte auf. Für Land A wäre der Handel mit Land C in V am vorteilhaftesten, für Land B dagegen die Zollunion mit A in Punkt Z, da ansonsten mit Land C in Punkt W gehandelt werden müsste. Berücksichtigt man wieder die Möglichkeit einer Aufteilung des Handels, so kann Land A Punkt V realisieren, indem es bis zum Punkt Y mit Land B Handel treibt und nur den Rest (YV) mit Land C realisiert. In diesem Fall hätten die beiden Zollunionsländer A und B eindeutig Handelsschaffende Effekte zu verzeichnen – der Handel zwischen diesen beiden Ländern steigt von U auf Y, während der Handel mit C in Abb. 9.8 zurückgeht. Die Strecke UR fällt weg, dafür kommt die Strecke YV hinzu. Der Umlenkungseffekt entspricht also der Differenz zwischen diesen beiden Strecken (UR − YV). Damit können alle Mitgliedsländer von der Zollunion profitieren, sie stellt auch für B eine bessere Situation dar als ein einseitiger Zollabbau, sofern Land A bereit ist, beim Tauschverhältnis C1 einen Teil seines Handels mit Land B abzuwickeln.
9.4 Dynamische Effekte einer Zollunion
217
Ob unter der Bedingung der Abb. 9.8 der völlige Verzicht auf den Handel mit C und die Realisierung des Punktes Z vorteilhafter wäre, ist nicht eindeutig bestimmbar. Z impliziert für B eine weitere terms of trade-Verbesserung, für A dagegen eine terms of tradeVerschlechterung. Existiert also eine Welt mit Zöllen, hier dargestellt durch Land C, so haben Zollunionsländer eine Bandbreite, innerhalb derer sich ihre bilateralen Zollunions-terms of trade so bilden können, dass sie für beide Länder eine Verbesserung darstellen. Die Wahrscheinlichkeit einer solchen eindeutigen Vorteilhaftigkeit einer Zollunion ist umso größer, je höher die Zölle im Rest der Welt sind, d. h je breiter der Bereich zwischen C1 und C2 ist. Theoretisch führt auch ein einseitiger Zollabbau zu einer Wohlfahrtsverbesserung, er wird jedoch fast nie realisiert, weil zwar durch den Zollabbau die Preise für die inländischen Konsumenten sinken und diese ein höheres Wohlfahrtsniveau erreichen, aber andererseits die Inlandsproduktion und damit die Beschäftigung im Importsubstitutionssektor zurückgeht. Dieser Arbeitsplatzabbau würde von der Politik nur dann hingenommen, wenn sichergestellt wäre, dass in anderen Sektoren neue Arbeitsplätze entstehen. Deshalb wird die Politik darauf dringen, dass auch andere Länder ihre Importzölle abbauen und damit ihre Märkte für ausländische Produkte öffnen. Solche reziproken Zollsenkungen sind im globalen Rahmen sehr schwer realisierbar, eher werden reziproke Zollsenkungen in kleinem Rahmen einer regionalen Integration erreicht.
9.4
Dynamische Effekte einer Zollunion
Die im bisherigen Verlauf dieses Kapitels diskutierten Effekte waren rein statischer Natur, nur die unmittelbare Wirkung einer Zollunion wurde berücksichtigt. Nicht betrachtet wurden Folgeeffekte sowie die möglicherweise längerfristig auftretenden dynamischen Effekte, die im Prinzip denen eines Übergangs von Autarkie zu Freihandel entsprechen. Im Folgenden sollen die wichtigsten Effekte stichwortartig genannt werden. • Terms of trade-Effekt: Beim Zusammenschluss mehrerer Länder und dabei auftretenden großen Handelsschaffenden Effekten kann der dadurch bedingte Rückgang der Nachfrage aus Drittländern den Weltmarktpreis verringern, was für die Unionsländer eine terms of trade-Verbesserung impliziert. Dieser positive Wohlfahrtseffekt tritt umso eher ein, je mehr der Selbstversorgungsgrad der Union steigt. • Kostensenkung: Durch den Abbau der Handelsbeschränkungen sinken die Transaktionsund Informationskosten. Auch die mit einer Integration meist einhergehende Vereinheitlichung der Rahmenbedingungen führt zu einer Produktionskostensenkung und damit zu tendenziell sinkenden Güterpreisen. • Wettbewerbseffekt: Durch den Abbau des Zollschutzes steigt für alle Unternehmen in der Zollunion der Wettbewerbsdruck, monopolistische Strukturen werden abgebaut. Dies wird zu einer verstärkten Bemühung der Unternehmen führen, die eigene Produktivität zu steigern, u. U. auch dazu, durch strategische Allianzen die eigene Position am vergrößerten Markt zu behaupten oder neue Produkte und Produktionsverfahren zu entwickeln. Denkbar sind auch Direktinvestitionen ausländischer Unternehmen in der Zollunion, um eine drohende Abschottung des Binnenmarktes zu umgehen. • Größere Produktvielfalt: Durch den verstärkten Wettbewerb und die Vergrößerung des Marktes wird die für Konsumenten verfügbare Produktauswahl steigen und die Preise hierfür werden tendenziell sinken.
218
9 Integrationstheorie
Optimale Ressourcenallokation: Ist die wirtschaftliche Integration auch mit einer Zunahme der Faktormobilität verbunden, so fördert der größere Raum eine effizientere Allokation der knappen Ressourcen. Innerhalb der Zollunion sind die multinationalen Unternehmen nicht mehr gezwungen, aus strategischen Überlegungen Direktinvestitionen durchzuführen um Handelsschranken in den Partnerländern zu überwinden. Investitionen werden vielmehr an den tatsächlichen Standortvor- und -nachteilen ausgerichtet. • Spezialisierungsvorteile: Der Abbau der Handelshemmnisse führt zu einer verstärkten Spezialisierung der Unternehmen auf Güter, bei denen sie auch ohne den Zollschutz einen relativen Kosten- und Preisvorteil aufweisen. Auch dies impliziert eine Verbesserung der Ressourcenallokation. Allerdings impliziert die stärkere Spezialisierung auch eine steigende räumliche Agglomeration der Industrie, wie sich etwa am Beispiel der Europäischen Integration gezeigt hat. (Vgl. Kapitel 15) Damit steigt aber auch die Abhängigkeit der einzelnen Länder von asymmetrischen Schocks. • Steigende Skalenerträge: Die Spezialisierung auf Produkte mit einem relativen Preisvorteil und der größere Absatzmarkt können die Ausnutzung von Größenvorteilen der Produktion erhöhen und zu sinkenden Stückkosten führen. • Wachstumsimpulse: Die sinkenden Stückkosten und die wettbewerbsbedingt sinkenden Preise führen zu einem tendenziell steigenden Wirtschaftswachstum. Das Realeinkommen der Konsumenten wird zunehmen und damit auch die Güternachfrage. Da dies auch die Importe positiv beeinflusst, können durch ein größeres Wirtschaftswachstum auch die Folgen des Handelsumlenkenden Effektes auf die Drittstaaten gemildert werden. • Reaktionen der Drittländer: Werden Drittländer durch die Bildung einer Zollunion diskriminiert, so kann dies ein Anreiz sein, durch Direktinvestitionen in der Zollunion präsent zu bleiben. Dies fördert einerseits den Wettbewerb innerhalb der Zollunion und kann auch dazu führen, dass ein effizienterer Anbieter aus einem Drittland nicht durch den Handelsumlenkenden Effekt vom Inlandsmarkt verdrängt wird. Die Drittländer können aber auch ihrerseits durch Zollsteigerungen auf die Bildung einer Zollunion reagieren, was den positiven Beitrag der Zollunion zur Erreichung weltweiten Freihandels in Frage stellen würde. • Außerökonomische Effekte: Von einer verstärkten Zusammenarbeit auf wirtschaftlichem Gebiet kann auch eine weitergehende Integrationsbewegung ausgehen, was zur Schaffung und Erhaltung politischer Stabilität in dieser Region beiträgt. Außerdem kann das politische Gewicht des Integrationsgebietes im weltpolitischen Rahmen gestärkt werden, sofern es gelingt, auch ohne eine politische Union nach außen gemeinsame Positionen zu vertreten. Zusammengefasst führt eine Zollunion einerseits zu Wohlfahrtsgewinnen, da sie zu einer stärkeren Arbeitsteilung der Mitgliedsländer und damit zu einer stärkeren Ausrichtung der Produktion an den relativen Preisvorteilen führt. Andererseits können Zollunionen Drittländer negativ tangieren, da Exporte aus solchen Staaten eingeschränkt werden. Berücksichtigt man jedoch auch längerfristige dynamische Wirkungen, so kann der Effekt für Drittländer per Saldo auch positiv sein. Für die einzelnen Länder entfällt andererseits die Möglichkeit eines Erziehungszolls. Ein Schutz junger Industrien ist nur noch zollunionsweit möglich. Generell muss abgewogen werden, ob die regionalen Blöcke im Zeitverlauf eine Tendenz zur Erweiterung aufweisen und damit ein Schritt in Richtung generellen Freihandels darstellen oder ob die Gefahr besteht, dass eine Welt mit einer zunehmenden Zahl von Integrationsgebilden zu deren Abschottung und einer Anhebung der Zölle zwischen ihnen führt. Dies •
9.5 Zusammenfassung von Kapitel 9
219
wurde vor allem Anfang der 1990er Jahre erwartet, als nahezu zeitgleich die EU ihre Integration zu einem Gemeinsamen Markt vertiefte, in Nordamerika die NAFTA gegründet wurde und in Asien die ASEAN-Staaten eine Integrationsvertiefung ankündigten. Folge war eine verstärkte Direktinvestitionstätigkeit multinationaler Unternehmen, um in jedem der drei Blöcke präsent zu sein. In der Folgezeit haben sich solche Befürchtungen jedoch nicht bewahrheitet. Allerdings hat diese Strategie der multinationalen Unternehmen dazu geführt, dass die Effekte einer Zollunion, also Handelsschaffung und Handelsumlenkung, an Stärke und Bedeutung verloren haben, da die in allen Blöcken präsenten Unternehmensnetzwerke die Barrieren zumindest partiell überwinden können. Um Abschottungstendenzen auch für die Zukunft möglichst auszuschließen, sollte in multinationalen Handelsrunden darauf gedrängt werden, dass Integrationsräume stets offen sein müssen für den Beitritt neuer Mitgliedsländer. Gleichzeitig sollten auch die Handelsbarrieren nach außen Schritt für Schritt reduziert werden. Unter diesen Voraussetzungen kann ein regionales Integrationsgebilde durchaus als ein Beitrag zur Erreichung globalen Freihandels gewertet werden, selbst wenn kurzfristig handelsumlenkende Effekte auftreten sollten.
9.5 1. 2.
3.
4.
5.
Zusammenfassung von Kapitel 9 Man unterscheidet, je nach Intensität der Vereinbarung, unterschiedliche Stufen der wirtschaftlichen Integration. Diese reichen von der Präferenzzone über die Freihandelszone, die Zollunion, den gemeinsamen Markt bis zur Wirtschafts- und Währungsunion. Im Rahmen der wirtschaftlichen Integration kann man grundsätzlich zwei statische Effekte unterscheiden: die Handelsschaffung und die Handelsumlenkung. Nimmt durch die Bildung einer Zollunion der Handel zwischen den Unionsmitgliedern zu, so spricht man vom Handelsschaffenden Effekt in seiner Bruttobetrachtung. Da der Zoll gegenüber Drittländern bestehen bleibt, kann es zu einem Rückgang des Handels mit diesen Ländern kommen. Dies ist der handelsab- oder -umlenkende Effekt. Übersteigt der Handelsschaffende den Handelsumlenkenden Effekt, so besteht ein positiver Handelsschaffender Nettoeffekt Handelsschaffung und Handelsumlenkung müssen nicht notwendigerweise auftreten. Sind etwa die Unionsmitglieder bei den betrachteten Gütern auch ohne Zollverzerrung die kostengünstigsten Anbieter, so ändert sich durch die Bildung einer Zollunion nichts, es tritt weder Handelsschaffung noch Handelsumlenkung auf. Andererseits könnte das Drittland trotz des weiterhin bestehenden Zolls konkurrenzfähiger anbieten als die Unionsmitglieder. Auch in diesem Fall fände weder eine Handelsschaffung noch eine Handelsumlenkung statt. Ob ein Land durch die Mitgliedschaft in einer Zollunion seine Wohlfahrt steigern kann, ist nicht eindeutig bestimmbar. Es kommt umso eher zu einem positiven Wohlfahrtseffekt bzw. dieser ist umso größer, je höher vor der Zollunion die Zölle zwischen den Mitgliedsländern waren, je niedriger der Außenzoll der Zollunion war und ist, je mehr Mitgliedsländer die Zollunion hat, je größer die Kostenunterschiede zwischen den Mitgliedsstaaten der Zollunion sind, je ähnlicher die Verbrauchsmuster der Mitgliedsstaaten sind und je enger diese räumlich zusammen liegen. Auch ein einseitiger Zollabbau eines Landes kann Wohlfahrtssteigernd wirken, er wird jedoch praktisch nie realisiert, weil zwar durch den Zollabbau die Preise für die inländi-
220
6.
7.
9 Integrationstheorie schen Konsumenten sinken und diese ein höheres Wohlfahrtsniveau erreichen, aber andererseits die Inlandsproduktion und damit die Beschäftigung im Importsubstitutionssektor sinkt. Dieser Arbeitsplatzabbau würde von der Politik nur dann hingenommen, wenn sichergestellt wäre, dass in anderen Sektoren neue Arbeitsplätze entstehen. Deshalb wird die Politik darauf dringen, dass auch andere Länder ihre Importzölle abbauen und damit ihre Märkte für ausländische Produkte öffnen Neben den statischen, können durch eine Zollunion auch dynamische Effekte auftreten. So können sich etwa die terms of trade der Mitgliedsländer gegenüber dem Rest der Welt verbessern, durch steigenden Wettbewerbsdruck und tendenziell sinkende Kosten und Preise können Wachstumsimpulse ausgelöst werden. Spezialisierungsvorteile der Länder werden deutlicher sichtbar, was zu einer Optimierung der Ressourcenallokation führt. Von einer verstärkten Zusammenarbeit auf wirtschaftlichem Gebiet kann schließlich auch eine weitergehende Integrationsbewegung ausgehen, die zu politischer Stabilität der Region beiträgt und ihr politisches Gewicht in der Welt stärkt. Generell muss abgewogen werden, ob die regionalen Blöcke im Zeitverlauf eine Tendenz zur Erweiterung aufweisen und damit ein Schritt in Richtung generellen Freihandels darstellen oder ob die Gefahr besteht, dass eine Welt mit einer zunehmenden Zahl von Integrationsgebilden zu deren Abschottung und einer Anhebung der Zölle zwischen ihnen führt. Um Abschottungstendenzen auch für die Zukunft möglichst auszuschließen, sollte in multinationalen Handelsrunden darauf gedrängt werden, dass Integrationsräume stets offen sein müssen für den Beitritt neuer Mitgliedsländer
Aufgaben zu Kapitel 9 Aufgabe 9.1 a) Nennen Sie die wichtigsten Merkmale folgender Integrationsformen: • Präferenzzone • Freihandelszone • Zollunion • Gemeinsamer Markt b) Betrachten Sie ein kleines Land, das zwei Güter produziert und konsumiert und mit dem Rest der Welt Handel treibt. Gut 1 wird exportiert, Gut 2 wird importiert. Anbieter des Gutes 2 sind die Länder B und C, wobei der Import wegen des günstigeren Preises bei Freihandel aus Land C erfolgt. Das Land A erhebe nun einen allgemeinen Importzoll. Stellen Sie die Wirkung des Importzolls graphisch anhand einer Partialanalyse dar. c) Land A geht nun mit Land B eine Zollunion ein und importiert daraufhin das Importgut nicht mehr aus Land C, sondern allein aus Land B. Diskutieren Sie anhand geeigneter Graphiken die statischen Effekte der Zollunion für Land A • Wenn Sie im Rahmen einer Partialanalyse nur den Markt des Importguts betrachten. • Wenn Sie im Rahmen einer Totalanalyse beide Güter berücksichtigen. Kennzeichnen Sie in Ihren Graphiken jeweils den handelsschaffenden Effekt (brutto), den handelsumlenkenden Effekt und den handelsschaffenden Effekt (netto) d) Nennen Sie drei mögliche dynamische Effekte der Integration.
Aufgaben zu Kapitel 9
221
Aufgabe 9.2 Gegeben ist der Inlandsmarkt des Importgutes des Landes A. Die Angebotsfunktion des Landes A lautet: p = 90 + x Die Nachfragefunktion des Landes A lautet: p = 900 − 2x Auf dem Weltmarkt wird dieses Gut auch von den Ländern B und C angeboten Die Überschussangebotsfunktion des Landes B ist: p = 60 + x Die Überschussangebotsfunktion des Landes C ist: p = 30 + x a) Wie hoch ist der Autarkiepreis in Land A und wie hoch ist in diesem Fall der Konsum? b) Berechnen Sie für Freihandel: Den Weltmarktpreis, die Konsummenge in Land A, die Produktionsmenge in Land A, die Importmenge aus Land B, die Importmenge aus Land C. c) Land A erhebt einen Importzoll von 100 %. Wie hoch ist jetzt: Der Preis in Land A, die Konsummenge in Land A, die Produktionsmenge in Land A, die Importmenge aus Land B, die Importmenge aus Land C? Interpretieren Sie das Ergebnis ökonomisch. d) Land A schließt mit Land B eine Zollunion, gegenüber Land C bleibt der Zoll von 100 % bestehen. Wie hoch ist jetzt: Der Preis in Land A, die Konsummenge in Land A, die Produktionsmenge in Land A, die Importmenge aus Land B, die Importmenge aus Land C? Interpretieren Sie das Ergebnis ökonomisch. e) Vergleichen Sie die Ergebnisse der Teilaufgaben c) und d) und identifizieren Sie: • Den handelsschaffenden Effekt (brutto). • Den handelsumlenkenden Effekt. • Den handelsschaffenden Effekt (netto).
10
Handelspolitik und Welthandelsordnung
10.1
Die Situation vor dem Zweiten Weltkrieg
Die internationalen Handelsbeziehungen wurden seit dem 16. Jahrhundert geprägt durch den Merkantilismus mit seinem Ziel, den nationalen Reichtum zu vergrößern und damit die Macht des Staates zu stärken. Mittel hierzu waren u. a. eine Verbesserung der nationalen Infrastruktur, die Hortung von Edelmetallen sowie ein möglichst großer Außenhandelsüberschuss, zu dessen Verwirklichung auch der Einsatz protektionistischer Maßnahmen als gerechtfertigt angesehen wurde. Hintergrund hierfür war die Annahme, internationaler Handel sei ein Nullsummenspiel, jedes Land könne sich also stets nur auf Kosten anderer Länder besser stellen. Wenn die Exporte größer seien als die Importe, so flössen Gold und Silber ins Land, durch deren Einsatz das Wirtschaftswachstum angeregt und der nationale Reichtum vermehrt werden könne. Importe seien dagegen nur ein lästiger Preis für das Recht, exportieren zu dürfen. Bekannt geworden ist eine Aussage des damaligen amerikanischen Präsidenten Abraham Lincoln, wenn Güter aus dem Ausland gekauft würden, so bekämen die Inländer die Ware und die Ausländer das Geld. Wenn die gleichen Güter dagegen im Inland gekauft würden, so hätten die Inländer die Ware und das Geld. Worin also solle der Vorteil von Außenhandel liegen? Es war das Verdienst der klassischen Nationalökonomen, allen voran Adam Smith (1723– 1790), David Ricardo (1772–1823) und John S. Mill (1806–1873), den Merkantilismus in Frage zu stellen. Sie versuchten zu zeigen, dass Freihandel kein Nullsummenspiel ist, sondern alle beteiligten Nationen davon profitieren können. Die bis heute bekannteste Arbeit aus der damaligen Zeit ist das in Kapitel 3 dargestellte Theorem der relativen Kostenvorteile von David Ricardo, mit dem auf einfache Weise aber sehr anschaulich gezeigt wird, dass alle am internationalen Handel beteiligten Länder gewinnen können. Der Import von Gütern sei nicht ein lästiger Preis für das Recht exportieren zu dürfen, sondern eine Möglichkeit, die eigene Bevölkerung mit günstigeren Gütern zu versorgen. „Der Wert, der beim Austausch einer Handelsware gegen eine andere entsteht, entspringt in sämtlichen Fällen der entgegengenommenen und nicht der abgegebenen Ware“ (J.S. Mill, 1844, Kap. III, Abs. V). Die Schlussfolgerung der Klassiker war, dass die Steigerung der Wohlfahrt durch freien internationalen Handel die beste Gewähr für dauerhaften Frieden sei, da hierdurch die Interessen aller Beteiligten in Einklang gebracht werden könnten. Wer dagegen versuche, sich durch Handelsbeschränkungen Vorteile zu verschaffen, der schade sich letztlich selbst. Freihandel müsse daher das Ordnungsprinzip der Weltwirtschaft werden. Die zunächst äußerst skeptisch aufgenommene klassische Freihandelstheorie gewann im Laufe der Zeit immer mehr Anhänger und konnte sich letztlich durchsetzen. Die Welt erlebte von Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs eine erste Phase der Globalisierung mit – für die damalige Zeit – hohen Zuwachsraten des internationalen Güterhandels. Vorreiter und Motor war Großbritannien im Handel mit seinen Kolonien. Aber auch die anderen Länder verringerten die Handelsschranken, etwa im Rahmen des Deutschen Zollvereins (1834). Unterstützt wurde diese Entwicklung durch die Schaffung stabiler Wäh-
224
10 Handelspolitik und Welthandelsordnung
rungsverhältnisse im Rahmen des Goldstandards, der ab etwa 1880 als erstes Weltwährungssystem bezeichnet werden kann. Bemerkenswert ist jedoch, dass auch die klassische Freihandelslehre in Ausnahmefällen Zölle als gerechtfertigt ansah. So nannte Adam Smith vier Fälle, in denen die ausländischen Importe belastet werden dürften: • in der Verteidigungsindustrie, denn die Verteidigungsbereitschaft eines Landes sei wichtiger als sein Reichtum, • bei unterschiedlichen Steuersätzen, da Zölle einen Ausgleich bewirkten, • bei ausländischen Zöllen als Vergeltung, um sich gegen eine Ausbeutung zu schützen, • zum Schutz neuer inländischer Industrien als vorübergehende Maßnahme, um sie an die Freihandelssituation heranzuführen. Der Erste Weltkrieg und die Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre bedeuteten das vorläufige Ende des freien Handels. Durch die hohe Verschuldung infolge der Kriegslasten und wegen hoher und divergierender Inflationsraten versuchten in der Zwischenkriegszeit viele Länder, ihre Wirtschaft auf Kosten anderer Länder zu sanieren (beggar-my-neigbour-policy). Bekannt ist der Abwertungswettlauf im Zusammenhang mit dem Versuch, den Goldstandard nach dem Ersten Weltkrieg wieder zu reaktivieren. Außerdem wurden in dieser Zeit hohe Außenzölle erhoben und andere Handelshemmende Maßnahmen ergriffen, um die eigene Wirtschaft zu schützen. Multinationale Regelungen zur Vermeidung von Handelskonflikten existierten nicht. In den 1930er Jahren kam im Zuge der Weltwirtschaftskrise der internationale Handel praktisch vollständig zum Erliegen.
10.2
Geschichte und Entwicklung des GATT
10.2.1
Entstehung der GATT-Vereinbarungen
Nach dem Zweiten Weltkrieg befand sich die Weltwirtschaft in einem Zustand weitgehender Desintegration und man stand vor der Frage, wie sie reaktiviert und wie ein Rückfall in die Krisenzeit von 1929/30 vermieden werden könnte. Es bestand Übereinstimmung und auch der politische Wille, dass dies nur durch eine Intensivierung der internationalen Arbeitsteilung bei freiem Güter- und Kapitalverkehr gelingen könne. Dieses Ziel und die dafür erforderlichen Maßnahmen sollten in internationalen Abkommen geregelt werden. Im monetären Bereich gelang ein Neuanfang 1944 durch das Bretton Woods-Abkommen recht schnell. Es wurde ein neues Weltwährungssystem mit dem IWF als Überwachungsinstanz geschaffen. Ähnliches strebte man auch im Bereich des internationalen Handels an. Man wollte im Interesse aller beteiligten Staaten eine am Prinzip des Freihandels orientierte Welthandelsordnung schaffen. Zwar sollten grundsätzlich wirtschaftliche Entscheidungen, wie in einer Marktwirtschaft üblich, dezentral und autonom in den jeweiligen Mitgliedsstaaten erfolgen. Angesichts der negativen Erfahrungen der Weltwirtschaftskrise wurde jedoch im Interesse des Gesamtwohls ein System von Regeln als notwendig erachtet, denen sich die einzelnen Länder unterwerfen sollten. In Anlehnung an den IWF war eine internationale Handelsorganisation zur Überwachung der zu vereinbarenden Regeln geplant. Die Vorbereitungen hierzu fanden auf internationalen Konferenzen in London (1946) und Genf (1947) statt. Es wurde vereinbart, 1948 in Havanna eine „International Conference on Trade and Employment“ zu veranstalten, auf der die sogenannte „Havanna-Charta“ verabschiedet werden sollte. Diese
10.2 Geschichte und Entwicklung des GATT
225
beinhaltete den weltweiten Abbau von Zöllen und Kontingenten sowie die Schaffung der „International Trade Organization (ITO)“ als internationale Organisation und Pendant zum IWF. Daneben war vorgesehen, durch multinationale Beschlüsse nationale Wettbewerbsverzerrungen auszuschließen und Direktinvestitionen zu erleichtern. Die Havanna-Charta trat jedoch nie in Kraft, die ITO blieb eine Illusion. Obwohl zahlreiche Ausnahmeregelungen vorgesehen waren, hätten solche Vereinbarungen die Länder zu einem Zeitpunkt getroffen, in dem – auch mit Hilfe von Zollmauern – erste Wiederaufbauerfolge der nationalen Volkswirtschaften nach dem Zweiten Weltkrieg zu verzeichnen waren. Diese sah man durch eine völlige Freigabe der Importe gefährdet, man befürchtete einen Anstieg der Arbeitslosigkeit. Vor allem der amerikanische Kongress war nicht bereit, einer weit gehenden Freihandelsvereinbarung zuzustimmen. Man sah zwar die Fehlallokationen, die die internationalen Handelsbeschränkungen hervorriefen und die grundsätzliche Notwendigkeit der Reintegration einer desorientierten Weltwirtschaft. Man befürchtete jedoch andererseits die negativen Folgen eines Abbaus dieser Beschränkungen für die eigenen Volkswirtschaften und war nicht bereit, eine autonome, an nationalen Zielen orientierte Beschäftigungs- Struktur- und Wachstumspolitik völlig aufzugeben. Auf den vom „Economic and Social Council“ der Vereinten Nationen veranstalteten Vorbereitungstagungen für die Havanna-Konferenz in London (1946) und Genf (1947) wurde jedoch ein Teil der für Havanna vorgesehenen Vereinbarungen zur Handelspolitik, die Grundsätze gegen Handelsdiskriminierung beinhalteten, vorab in Kraft gesetzt, um möglichst wenig Zeit zu verlieren. Es handelte sich dabei um ein provisorisches Protokoll mit dem Titel „General Agreement on Tariffs and Trade (GATT)“, das am 30. Oktober 1947 von den 23 Teilnehmerstaaten der Vorbereitungskonferenzen in Genf unterzeichnet wurde und am 1. Januar 1948 in Kraft trat. Beim GATT handelte es sich lediglich um ein Handelsabkommen, es hatte nicht den Status einer internationalen Organisation, die ihm mehr Durchsetzungsvermögen eröffnet hätte. Oberstes Entscheidungsgremium des GATT war die Vollversammlung der Vertragsparteien, die laufenden Geschäfte wurden im GATT-Sekretariat in Genf erledigt, wo auch der Sitz der ITO geplant war.
10.2.2
Wesentliche Inhalte des GATT von 1947
Das GATT von 1947 bestand aus 123 Vereinbarungen. Tragendes Prinzip war die Nichtdiskriminierung, die vor allem in der Meistbegünstigungsklausel (Art. I) und im Prinzip der Inländerbehandlung (Art. III) zum Ausdruck kommt. Meistbegünstigungsprinzip: Alle Vereinbarungen über den Abbau protektionistischer Maßnahmen zwischen zwei Ländern sollen auch für alle anderen Mitgliedsstaaten Gültigkeit besitzen. „Alle Vorteile, Vergünstigungen, Vorrechte oder Befreiungen, die eine Vertragspartei im Zusammenhang mit dem Import oder dem Export einer Ware gewährt, welche aus einem anderen Mitgliedsland stammt oder für ein solches bestimmt ist, sollen unverzüglich und bedingungslos für alle gleichartigen Waren gewährt werden, die aus den Gebieten der anderen Vertragsparteien stammen oder für diese bestimmt sind.“ Hinter diesem Prinzip steht die Überzeugung, dass jede Art von Zollabbau meist ihren Anfang in bilateralen Verhandlungen nimmt, etwa zwischen dem wichtigsten Ausfuhrland eines Produkts und dem Haupteinfuhrland. Solche bilateralen Zollsenkungen würden dann durch die Meistbegünstigungsklausel zu einer multilateralen Liberalisierung führen. Diese weit reichenden Konsequenzen können allerdings auch zur Folge haben, dass die Konzessionsbereitschaft der Länder sinkt.
226
10 Handelspolitik und Welthandelsordnung
Inländerbehandlung: Grundsätzlich sollen ausländische Anbieter inländischen Anbietern gleichgestellt werden, eine wettbewerbliche Diskriminierung ist nicht zulässig. Das Prinzip der Inländerbehandlung reicht also weiter als das der Meistbegünstigung, da bei dieser nur die ausländischen Waren untereinander gleichbehandelt werden sollen, während beim Inländerprinzip die ausländischen Produkte auch den inländischen gleichgestellt werden. Reziprozität: Außerdem gilt das Prinzip der Reziprozität (Art. XIX), das bei Verhandlungen über den Abbau protektionistischer Maßnahmen zur Anwendung kommt. Dabei sollen eingeräumte Vergünstigungen gegenseitig sein. Senkt also ein Land seinen Zoll für den Import aus einem anderen Mitgliedsland des GATT, so soll im Gegenzug auch dieses Land gleichwertige Vergünstigungen einräumen. Neben dem Problem, dass kaum feststellbar sein wird, was unter gleichwertig zu verstehen ist, machen sich bei diesem Prinzip wieder merkantilistische Überlegungen bemerkbar, nach denen der Abbau von Zöllen eine Konzession darstellt, die dem eigenen Land prinzipiell schadet und nur dann vorgenommen werden sollte, wenn andere Länder bereit sind, eine Gegenleistung hierfür anbieten. Weitere Vereinbarung war das Verbot nicht-tarifärer Hemmnisse (Art. XI), also mengenmäßiger Ein- und Ausfuhrbeschränkungen, aber auch sonstiger Preisbeeinflussender Maßnahmen wie Subventionen oder technische Handelshemmnisse. Solche Maßnahmen waren das wichtigste Instrument der Diskriminierung im Zweiten Weltkrieg geworden. Handelspolitik sollte vielmehr in Form von Zöllen betrieben werden, da diese den Preismechanismus nicht außer Kraft setzen und transparenter sind. Beim Auftreten von Konflikten sollten Konsultationen stattfinden, um vorschnelle Vergeltungsmaßnahmen zu vermeiden. Schließlich war auch eine aktive Rolle des GATT vorgesehen. Ziel war, Zölle und Handelshemmnisse durch eigene Aktivitäten weltweit abzubauen. Zu diesem Zweck sollte die Vollversammlung der Vertragsparteien in angemessenen Abständen allgemeine Zollverhandlungen (Zollrunden) mit dem Ziel durchführen, eine multilaterale Zollsenkung zu realisieren. Aber auch das GATT-Protokoll hätte wohl keine Realisierungschance besessen, wenn es nicht zahlreiche Ausnahmeregelungen enthalten hätte. • Der Grundsatz der Meistbegünstigung sollte keine Anwendung finden auf Präferenzen, die bei Inkrafttreten des Abkommens bereits existierten. So konnte etwa Großbritannien seine Vorzugsbehandlung für die Länder des Commonwealth beibehalten. • Den Mitgliedsstaaten wurde das Recht eingeräumt, bei unvorhergesehenen Entwicklungen ihre Verpflichtung aus der Meistbegünstigung nicht erfüllen zu müssen oder diese sogar rückgängig zu machen (Escape Clause). Ein Staat konnte also gemachte Importverpflichtungen negieren, wenn ihm dadurch ein ernsthafter Schaden drohte, wobei die Erfüllung dieser Voraussetzung stets umstritten blieb. • Die Bildung von Zollunionen und Freihandelszonen, die ja gegen die Meistbegünstigung verstoßen, wurde erlaubt, d. h. in diesen Gebieten konnte ein Zollabbau stattfinden, ohne dass gleichzeitig alle anderen Länder daran teilhaben mussten. Voraussetzung war, dass die durch die Integration hervorgerufenen Diskriminierungseffekte kleiner sind als die für den Wettbewerb insgesamt erzielten Vorteile und dass der gemeinschaftliche Außenzoll nicht höher ist als der Durchschnitt der bisherigen Einzelzölle. Die Abkommen sollten auch möglichst den gesamten Handel umfassen, um eine gezielte Diskriminierung zu vermeiden. Außerdem sollten sie offen sein gegenüber Drittstaaten, d. h. den Beitritt neuer Mitglieder vorsehen, um eine Weiterentwicklung zu ermöglichen und damit dem Ziel globalen Freihandels näher zu kommen. Die Begründung für die Herausnahme von
10.2 Geschichte und Entwicklung des GATT
•
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227
Freihandelszonen aus dem Prinzip der Meistbegünstigung war die Erwartung, dass dadurch zumindest regional begrenzter Freihandel entsteht, der als Schritt zu einem weltweiten Freihandel angesehen werden könne. Idealerweise könne dabei das Sichtbarwerden der Vorteile des Freihandels innerhalb der Integration eine Initialzündung auslösen und auch einem Abbau des Protektionismus nach außen förderlich sein. Die mengenmäßigen Importbeschränkungen konnten beibehalten oder sogar neu errichtet werden (Art. XII), u. a. – wenn dies unerlässlich ist zur Sicherung der Versorgung des Landes mit lebensnotwendigen Gütern, – zum Schutz der finanziellen Lage eines Landes gegenüber dem Ausland, – zum Schutz der Zahlungsbilanz, d. h. zur Verringerung von Defiziten. Schließlich hatte das GATT keine Sanktionsmöglichkeiten bei Nichteinhaltung der Vereinbarungen. Es waren reine Verhaltensregeln ohne strenge Bindung. Die Mitglieder sollten sie anwenden, soweit bestimmte Artikel des Abkommens nicht im Gegensatz zu nationalen Gesetzen stehen. Es existierte zwar ein GATT-Streitschlichtungsverfahren mit einem Schlichtungsorgan. Allerdings musste dessen Empfehlung einstimmig zustande gekommen sein, um wirksam zu werden. Da die beklagte Partei dabei ein Vetorecht besaß, konnten ungünstige Entscheidungen blockiert werden.
10.2.3
Entwicklung des GATT
Trotz der zahlreichen Ausnahmen und Unvollkommenheiten des GATT-Abkommens hat dieses doch einen wesentlichen Beitrag geleistet zum Abbau von Protektionismus und zu einer Intensivierung des internationalen Güteraustauschs. Dies ist vor allem den in den GATT-Vereinbarungen vorgesehenen regelmäßigen Zollrunden zu verdanken. Solche fanden zunächst regelmäßig statt. Bei den Verhandlungen von Annecy (1949), Torquay (1950/51), Genf (1955/56) und in der Dillon-Runde (1961/62) wurden noch keine wesentlichen Fortschritte erzielt, auch die Mitgliederzahl stagnierte. Es wurden jeweils kleinere Zollsenkungen vereinbart und auch das Prinzip der Meistbegünstigung wurde weitgehend umgesetzt. In diesen ersten Verhandlungsrunden wurde auch eine allgemeine Umstellung vom Mengenzum Wertzoll vereinbart, was viele Länder allerdings zum Anlass nahmen, bei der Umstellung den Zollschutz wieder zu erhöhen. Trotz zahlreicher unverbindlicher Vereinbarungen geriet der Abbau von protektionistischen Maßnahmen stets dann ins Stocken, wenn dadurch mit negativen Konsequenzen für die eigene Volkswirtschaft gerechnet wurde. Dies änderte sich mit der Kennedy-Runde, die von 1964 bis 1967 stattfand und bei der die Mitgliederzahl sprunghaft auf über 60 gestiegen war.15 Ursache für diesen Erfolg war letztlich der Weg Europas hin zu einer stärkeren wirtschaftlichen Integration. Bereits 1948 war die „Organization for European Economic Cooperation“ (OEEC) mit dem Ziel gegründet worden, die Verwendung der Mittel des Marshall-Plans für den Wiederaufbau Europas zu koordinieren. Im Rahmen ihrer Aktivitäten wurde auch der Abbau quantitativer 15
Der auch in der Folge zu verzeichnende starke Anstieg der Mitgliedsstaaten ist nahezu ausschließlich auf den Beitritt von Entwicklungsländern zurückzuführen. 1970 standen im GATT 22 Industrieländer 54 Entwicklungsländern gegenüber. 1990 waren es immer noch 22 Industrieländer, aber mittlerweile 76 Entwicklungsländer und von den 146 Mitgliedsstaaten, die im Jahr 2001 die Doha-Runde begonnen haben, sind 123 Entwicklungsländer. Diese Gewichtsverschiebung erklärt auch, dass in jüngerer Zeit wieder stärker der Nord-Süd-Konflikt im Mittelpunkt von Globalisierungsdebatten steht.
228
10 Handelspolitik und Welthandelsordnung
Einfuhrbeschränkungen im gegenseitigen Warenverkehr der Mitgliedsstaaten angestrebt, die bis zum Jahre 1955 bei Industrieprodukten zu etwa 90 % beseitigt waren. Einen wesentlichen Beitrag zu diesem Erfolg leistete auch die 1950 gegründete Europäische Zahlungsunion, die zwischen den OEEC-Mitgliedern ein multinationales Clearing ermöglichte, d. h. Defizite und Überschüsse wurden gegenseitig verrechnet. Nur bei einem Gesamtsaldo mussten Zahlungen in Gold oder konvertierbarer Währung erfolgen, wobei allerdings die Europäische Zahlungsunion die Defizitländer bei Bedarf durch Kredite unterstützte. Neben der Beseitigung innereuropäischer Hemmnisse gelang es in den 1950er Jahren auch, Kontingente beim Import aus Drittländern weitgehend abzubauen, sofern für ihre Begründung Zahlungsbilanzschwierigkeiten angegeben worden waren. Geringere Fortschritte wurden dagegen in Bereichen erzielt, in denen durch Importkontingente heimische Sektoren geschützt werden sollten, die noch nicht als international wettbewerbsfähig angesehen wurden. In den europäischen Ländern war dies primär der Landwirtschaftssektor. Anfang der 1960er Jahre stagnierten die weiteren Liberalisierungsbemühungen, denn für die Industrieländer begann der weitere Abbau von Handelshemmnissen in dem Maße an Attraktivität zu verlieren, in dem durch den bereits erfolgten Abbau von Zöllen und Kontingenten die Befürchtung immer größer wurde, jeder weitere Abbau habe negative Konsequenzen für die inländischen Sektoren, denen angesichts der gestiegenen internationalen Konkurrenz keine positiven Effekte in anderen Sektoren gegenüberstehen. Ein neuer Impuls ging zu diesem Zeitpunkt von den USA aus, die befürchteten, die EWG könne durch eine Politik der Abschottung und durch die Aufnahme weiterer Länder (gefürchtet wurde u. a. der Beitritt Großbritanniens, das 1961 seinen Aufnahmeantrag gestellt hatte), auch aus den ehemaligen Kolonien, die Exportexpansion der USA gefährden. Ausgangspunkt war die Verabschiedung des Trade Expansion Act im Jahr 1962, der dem amerikanischen Präsidenten das sehr weitgehende Verhandlungsmandat verlieh, bei bestimmten Industrieerzeugnissen auf der Basis der Gegenseitigkeit Zollsenkungen bis zu 50 % zu gewähren und für Fertigwaren, bei denen die EWG (zusammen mit Großbritannien) und die USA gemeinsam einen Anteil von mehr als 80 % des Welthandels besitzen, bis auf null zu senken. Dies war die Voraussetzung für den bis zu diesem Zeitpunkt größten Erfolg des GATT, die Kennedy-Runde, die 1964 in Genf begann und die primär durch die beiden Pole USA und Europa gekennzeichnet war. Die am 30. Juni 1967 abgeschlossene Kennedy-Runde erzielte folgende Ergebnisse: Bei industriellen Erzeugnissen wurden die Zölle in einem Zeitraum von fünf Jahren schrittweise um durchschnittlich etwa 35 % gesenkt. Die USA erklärten sich zum Verzicht auf das American Selling Price System bereit, das ihnen die Möglichkeit geboten hatte, bei bestimmten Erzeugnissen nicht den Wert des importierten, sondern den meist höheren Preis eines im Inland produzierten Gutes als Grundlage der Zollberechnung zu wählen. In einem AntiDumping-Kodex wurde der Versuch unternommen, dieses ständige Streitthema in den Griff zu bekommen, indem man den Tatbestand des Dumping präzisierte und Regeln formulierte, die bei der Anwendung von Antidumpingzöllen und ähnlichen Maßnahmen zu beachten waren. Kaum Erfolg gab es allerdings beim Abbau nicht-tarifärer Handelshemmnisse, die in der Folge häufig sogar wieder ausgeweitet wurden, da sie als Ausgleich für den Abbau tariflichen Protektionismus dienten. Ebenso blieb das Problem des Agrarhandels ungelöst, wovon vor allem die Entwicklungsländer betroffen waren. Allerdings wurde diesen in einem dem GATT eigens angegliederten Teil (Teil IV: Handel und Entwicklung) einige Zugeständnisse gemacht, etwa die Befreiung von der Reziprozitätspflicht.
10.2 Geschichte und Entwicklung des GATT Tab. 10.1:
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
229
Abgeschlossene Zollsenkungsrunden von GATT/WTO Runde
Zeit
Teilnehmer
Durchschnittliche Zollsenkung
Genf Annecy Torquay Genf Dillon Kennedy Tokio Uruguay
1947 1949 1950–1951 1955–1956 1960–1961 1964–1967 1973–1979 1986–1993
23 13 38 26 26 62 102 123
19 % 2% 3% 2% 7% 35 % 34 % 40 %
Die Dominanz der Blöcke USA und Europa in der Kennedy-Runde führte zu der Erwartung, dass auch zukünftige GATT-Runden durch wenige Blöcke dominiert würden. Dies zeigte sich in der Tokio-Runde (1973–1979, 102 Mitglieder) und vor allem in der bisher längsten zum Abschluss gekommenen Zollrunde, der Uruguay-Runde, die 1986 in Uruguay begann und mit der Unterzeichnung des Schlussabkommens am 15. April 1994 in Marrakesch in Marokko zu Ende ging. Sie hatte mit 123 die bis dahin meisten Mitglieder und brachte umfangreiche Vereinbarungen auf dem Wege zu einer umfassenden Welthandelsordnung.
10.2.4
Ergebnisse der Uruguay-Runde
Mit der Uruguay-Runde gelang es erstmals, die Liberalisierung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen über den reinen Warenhandel hinaus auszudehnen. Es wurden neben einer Weiterentwicklung des GATT das GATS Abkommen (General Agreement on Trade in Services) geschlossen, mit dem nun auch Dienstleistungen in Handelsvereinbarungen aufgenommen wurden, sowie das TRIPS Abkommen (Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights), das einen besseren Schutz geistiger Eigentumsrechte zum Inhalt hat. In die Geschichte eingegangen ist die Uruguay-Runde jedoch vor allem durch die Gründung der WTO, der Welthandelsorganisation als institutioneller Rahmen für die Regelungen der Handelsliberalisierung der damals 123 Mitgliedsstaaten. GATT 1994 (Abkommen über den Warenverkehr) Das bisherige multinationale GATT-Abkommen von 1947 wurde ergänzt und aktualisiert. Dabei wurden Zollsenkungen von im Durchschnitt mehr als einem Drittel vereinbart. Die arithmetische durchschnittliche Zollbelastung der Industrienationen sank beim Import von Industrieprodukten von 6,4 % nach der Tokio-Runde auf etwa 4 %. Damit lag die durchschnittliche Zollbelastung für Industriegüter in Europa bei 3,6 %, in den USA bei 3,5 % und in Japan bei 1,7 %. Allerdings gibt es in allen Ländern auch Sektoren die deutlich höher belastet sind. Ausnahme ist der Bereich der Textilwaren, wo der Zollabbau schwächer ausfiel und wo auch nach einem längeren Anpassungszeitraum die Zollbelastung noch bei etwa 12 % liegt und damit das Dreifache des durchschnittlichen Industriegüterzollsatzes beträgt. Vereinbart wurde auch eine Tarifizierung, die die GATT-Mitglieder verpflichtet, sämtliche Einfuhrbeschränkungen in Zölle umzuwandeln. Durch den Anti-Dumping-Kodex (Artikel VI, GATT) wird das Recht zu zeitlich begrenzten Antidumping-Maßnahmen zugestanden, wenn
230
10 Handelspolitik und Welthandelsordnung
inländische Unternehmen durch die Niedrigpreispolitik16 eines ausländischen Anbieters gefährdet sind. Allerdings wird der Tatbestand des Dumpings eingeschränkt, es muss eine unvorhergesehene und übermäßig starke Importsteigerung eingetreten sein, die ursächlich für die Schwächung eines inländischen Anbieters ist. Für Anti-Dumping-Maßnahmen wird ein Beweis verlangt, ob und in welchem Umfang die heimische Industrie durch Dumping eines ausländischen Anbieters tatsächlich geschädigt wurde. Außerdem müssen die Schutzmaßnahmen auf das Maß beschränkt bleiben, das zur Abwehr oder Behebung der ernsthaften Störung erforderlich ist. Die Beweislast trägt das Importland, das außerdem Kompensation leisten muss durch Zollsenkungen bei anderen Produkten. Gegen den Widerstand vieler Entwicklungsländer wurden die Vereinbarungen über handelsbezogene Investitionsmaßnahmen (TRIMs) neu aufgenommen. Es wird nicht gestattet, in Zusammenhang mit Direktinvestitionen die ausländischen Investoren zu verpflichten, einen bestimmten Prozentsatz einheimischer Güter bei der Produktion zu verwenden (Local Content Requirements) oder ein Gleichgewicht zwischen Importen und Exporten einzuhalten (Trade Balancing Requirements). Bestehende TRIMs sollen offengelegt und in Industrieländern in zwei, in Entwicklungsländern in sieben Jahren abgebaut werden. Die Entwicklungsländer können sich jedoch auf Zahlungsbilanzschwierigkeiten berufen, um TRIMs aufrecht zu erhalten. Auf eine Vereinbarung, Auflagen für ausländische Investoren generell zu verbieten, konnte man sich nicht einigen. Das GATT enthält nun ein Subventionsabkommen, das einen begrenzten Subventionsabbau bewirken soll. Dabei wird zwischen verbotenen Subventionen (direkte Exportsubventionen), angreifbaren Subventionen (interne Subventionen, durch die ein Einfluss auf die Exporte ausgeht) und erlaubten Subventionen (z. B. Forschungssubventionen, Umweltsubventionen oder Regionalbeihilfen) unterschieden. Ausnahmen gelten dabei für Entwicklungsländer. Die ärmsten unter ihnen sind ausgenommen, die anderen erhalten eine Übergangsfrist von 8 Jahren. Der Agrarsektor wurde auch in den GATT-Vereinbarungen von 1994 erst ansatzweise berücksichtigt. Es wurde lediglich beschlossen, nicht-tarifäre Handelshemmnisse in Zölle umzuwandeln und in Industrieländern (Entwicklungsländern) innerhalb von 6 (10) Jahren um durchschnittlich 36 % (24 %) abzubauen. General Agreement on Trade in Services (GATS) Rahmenabkommen über den Handel mit Dienstleistungen: Eine Einbeziehung von Dienstleistungen in internationale Vereinbarungen schien angesichts der hohen Wachstumsraten dieses Sektors dringend geboten, sie waren 1992 mit einem Handelsvolumen von 960 Mrd. US-Dollar bereits mehr als doppelt so groß wie der Agrarbereich. Das Dienstleistungsabkommen ist untergliedert in ein Rahmenabkommen, das die berücksichtigten Arten von Dienstleistungen beschreibt, das allgemeine Grundsätze und Verhaltensregeln aufstellt und das den Marktzugang regelt. Daneben besteht das Abkommen vor allem aus Anhängen, in denen die Länder- und branchenspezifischen Zugeständnisse aufgelistet werden. Insgesamt wurden die GATT-Regeln nur ansatzweise und zeitverzögert auf den Dienstleistungsbereich ausgedehnt, es wurden weitgehende Ausnahmeregelungen vom Prinzip der Meistbe16
Der ausländische Anbieter verlangt auf dem Markt einen niedrigeren Preis als auf seinem Heimatmarkt oder auf anderen Exportmärkten. Ersatzweise kann ein Referenzpreis berechnet werden. Der Marktanteil des zu schützenden Inlandssektors muss mindestens 25 % betragen und die Dumpingmenge mindestens 3 % des Gesamtimports der betreffenden Ware
10.2 Geschichte und Entwicklung des GATT
231
günstigung zugelassen. Mit GATS wurde zwar mit der Liberalisierung des Dienstleistungsbereichs begonnen, es bleibt jedoch noch bei einer weitgehenden Beschränkung, gegen deren schnellen Abbau sich vor allem Entwicklungsländer aussprechen. Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights (TRIPS) Rahmenabkommen über den Schutz geistiger Eigentumsrechte: Gegenstand sind die mit geistigem Eigentum, wie etwa dem Patent- oder dem Markenschutz, verbundenen Probleme des internationalen Güteraustauschs, oft auch mit dem Begriff „Produktpiraterie“ bezeichnet. Hier wurden Vereinbarungen getroffen über materielle Mindestnormen für den Schutz aller Formen geistiger Eigentumsrechte, außerdem wurde der entsprechende Rechtsschutz auf bisher nicht verpflichtete Länder ausgedehnt. Alle Vertragsparteien wurden verpflichtet, Strukturen und Gesetze zu schaffen, die geeignet sind, den Schutz von Eigentumsrechten wirksam und rasch zu gewährleisten. Dazu zählt das Prinzip der Inländerbehandlung und der Meistbegünstigung. Die Frist zur Umsetzung dieser Vereinbarungen reicht von einem Jahr bei Industrieländern, bis zu elf Jahren bei den ärmsten Entwicklungsländern. Nicht gelungen ist es, sich in der Uruguay-Runde auf einen verbindlichen SubventionsKodex zu einigen, so dass in einigen Sektoren, wie etwa Agrar oder Luftfahrt, weiterhin finanzielle staatliche Beihilfen erlaubt sind. Damit könnte sich die Tendenz fortsetzen, den vereinbarten Abbau von Zöllen oder Mengenbegrenzungen durch Subventionen zu ersetzen.
10.2.5
Aufbau und Aufgaben der WTO
Die in der Uruguay-Runde beschlossene und 1995 gegründete WTO ist eine internationale Organisation mit eigener Rechtspersönlichkeit. Zu ihren Aufgaben gehören die Erleichterung der Durchsetzung internationaler Handelsabkommen und die Verwaltung der Regeln und Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten. Darüber hinaus soll sie ein Forum bieten für Verhandlungen über gegenwärtige und zukünftige Abkommen, sie soll die Handelspolitik ihrer Mitgliedsländer überwachen und mit IWF und Weltbank zusammenarbeiten. Oberstes Organ der WTO ist die Ministerkonferenz, die sich aus Vertretern aller Mitgliedsstaaten zusammensetzt und sich mindestens alle zwei Jahre trifft. Das wichtigste Entscheidungsorgan ist der Allgemeine Rat, der aus den Delegierten der Mitglieder besteht. Er kann Aufgaben an nachgeordnete Organe übertragen, er kann auch Aufgaben des Streitschlichtungsgremiums und des Gremiums zur Überwachung der Handelspolitiken wahrnehmen. Unterstützt werden Ministerkonferenz und Allgemeiner Rat durch das in Genf angesiedelte Sekretariat mit dem Generaldirektor an seiner Spitze. Hauptaufgabe des Sekretariats sind die Vorbereitung und Durchführung von Verhandlungen zwischen WTO-Mitgliedern, Beratung der Partner, Analyse, Darstellung und Veröffentlichung der Welthandelsentwicklung sowie die Schiedsgerichtsverfahren. Bei der Beschlussfassung innerhalb der WTO gibt es – im Gegensatz etwa zum IWF – keine Gewichtung der Stimmen, vielmehr steht jedem Mitgliedsland eine Stimme zu. Entscheidungen werden im Konsens angestrebt. Kommt dieser nicht zustande, so gilt die Mehrheit der abgegebenen Stimmen. In Sonderfällen kann auch eine Zweidrittelmehrheit (etwa beim Beitritt neuer Staaten) oder Dreiviertelmehrheit (etwa bei strittigen Vertragsauslegungen) erforderlich sein.
232
10 Handelspolitik und Welthandelsordnung Ministerkonferenz Höchstes Beschlussfassendes Organ Tagt mindestens alle 2 Jahre
Generaldirektor/ Sekretariat
Allgemeiner Rat Delegierte der Mitgliedstaaten Tagt mehrmals jährlich in Genf
Allgemeiner Rat in besonderer Funktion Überwachung der Handelspolitik Streitschlichtung
Räte zu Einzelbereichen: Rat für Warenhandel (GATT) Rat für den Handel mit Dienstleistungen (GATS) Rat für handelsbezogene Aspekte der Schutzrechte geistigen Eigentums (TRIPS)
Abb.10.1
10.2.6
Aufbau der Welthandelsorganisation (WTO)
Das Streitschlichtungsverfahren
Das Streitschlichtungsverfahren, das im alten GATT praktisch wirkungslos geblieben war, wurde neu geregelt. Es gilt für alle Bereiche der Handelsregulierung. Als erste Stufe ist der Versuch vorgesehen, durch Konsultationen und bilaterale Verhandlungen das Problem einvernehmlich zu lösen. Dabei kann der Generaldirektor der WTO als Streitschlichter fungieren. Wird innerhalb der vorgesehenen Frist von 60 Tagen keine Einigung erzielt, so kann die klagende Partei die Einrichtung eines Panels beantragen, dessen institutioneller Rahmen das neu eingerichtete ständige Streitschlichtungsorgan (Dispute Settlement Body, DSB) ist. Dabei handelt es sich um drei bis fünf einvernehmlich bestimmte Sachverständige. Das Panel wird innerhalb von 45 Tagen eingesetzt, sofern nicht zuvor das DSB den Antrag der klagenden Partei einstimmig zurückweist. Das Panel legt innerhalb von 6 Monaten eine Streitbeilegungsempfehlung vor, die als angenommen gilt, wenn sie nicht einstimmig vom DSB abgelehnt wird. Kommt der Bericht zu dem Ergebnis, dass eine Verletzung der WTO-Regeln vorliegt, so werden in der Regel auch Hinweise gegeben, durch welche Maßnahmen WTOKonformität hergestellt werden könnte. Beide Streitparteien können den Beschluss anfechten. Hierfür ist ein aus sieben ständigen Mitgliedern bestehendes Berufungsgremium (Appelate Body) vorgesehen. Dieses Gremium kann den Beschluss innerhalb von maximal 90 Tagen bestätigen, aufheben oder verändern. Auch die Entscheidung der Berufungsinstanz gilt als angenommen, wenn sie nicht einstimmig vom DSB innerhalb von 30 Tagen abgelehnt wird. Ist die Schlichtung angenommen so wird dem beschuldigten Land Zeit eingeräumt, die beanstandeten Maßnahmen abzustellen. Hält sich trotz des Verfahrens die beklagte Partei nicht an den Schlichtungsspruch, so kann die geschädigte Partei von der beklagten Partei Kompensationen verlangen. Ist auch dies erfolglos, so darf die geschädigte Partei Handelssanktionen verhängen. Da solche, wenn sie von relativ kleinen Ländern erlassen werden praktisch wirkungslos bleiben, wird auch dem neuen Streitschlichtungs-
10.3 Stand der handelspolitischen Debatte
233
verfahren zum Vorwurf gemacht, dass es bei Klagen von kleinen gegen große Ländern letztlich versagt, solange die großen Länder nicht freiwillig einlenken. Allein in den ersten 10 Jahren des Bestehens der WTO fanden über 300 Streitschlichtungsverfahren statt.
10.2.7
Handelspolitik nach der Uruguay-Runde
Bei der WTO-Ministerkonferenz in Seattle, im Dezember 1999, als Millenniumskonferenz bezeichnet, wurde ein erster Versuch gemacht, eine neue Welthandelsrunde zu installieren. Die Konferenz ging auch deshalb in die Geschichte ein, weil es damals zum ersten Mal zu massiven und gewaltsamen Protesten von Globalisierungsgegnern aus aller Welt kam. Dies war jedoch nicht der Grund für das Nicht-Zustandekommen einer Handelsrunde. Hauptursache hierfür war zum einen der Agrarbereich, auf dessen Liberalisierung die USA drängten, während sich die EU weigerte, deutliche Zugeständnisse bei ihrer protektionistisch ausgerichteten Agrarpolitik in Aussicht zu stellen. Ein weiterer Konflikt war die Forderung von Industrieländern zur Errichtung von Sozial- und Umweltstandards, was von den Entwicklungsländern entschieden abgelehnt wird, da sie hierdurch ihre Wettbewerbsfähigkeit gefährdet sehen. Die Industrieländer versuchten dadurch lediglich, auf indirektem Wege wieder protektionistische Maßnahmen durchzusetzen. Auch machten die Entwicklungsländer den Industrieländern den Vorwurf, die ihnen in der Uruguay-Runde zugestandene Öffnung der Märkte für bestimmte Produkte, vor allem im Textilbereich, zu verzögern. Sie selbst seien auf der anderen Seite mit der Umsetzung der gemachten Zusagen zur Kontrolle von Patent- und Markenrechten überfordert. Erst im Jahr 2001 gelang es nach intensiven Vorverhandlungen im Rahmen der WTOMinisterkonferenz in Doha, die 9. Welthandelsrunde (Doha-Runde) zu starten.
10.3
Stand der handelspolitischen Debatte
10.3.1
Umwelt- und Sozialstandards in Handelsvereinbarungen
Der heutige Stand der Globalisierungsdebatte ist gewissermaßen durch vertauschte Rollen gekennzeichnet. Auf der einen Seite stellen sich viele Entwicklungsländer, das Vorbild ost- und südostasiatischer Staaten einer bedingungslosen internationalen Öffnung der Güter- und Kapitalmärkte vor Augen, den veränderten weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen und suchen ihre Chancen in der Teilnahme an der internationalen Arbeitsteilung. Auf der anderen Seite weckt die Globalisierung in vielen der traditionellen Industrienationen Ängste und wird als Bedrohung empfunden, eine Situation, wie sie in den Entwicklungsländern vor einigen Jahrzehnten die Regel war. Da die sich öffnenden Entwicklungsländer ihren Anteil am Welthandel, vor allem in arbeitsintensiven Niedriglohnbereichen und als Gastländer von Direktinvestitionen, mittlerweile deutlich ausbauen konnten, wird ihnen immer häufiger vorgeworfen, solche komparativen Preisvorteile nur dadurch erzielt zu haben, dass sie ihre Arbeitskräfte ausbeuten und ihnen soziale Rechte vorenthalten. Auch Kinderarbeit wird in diesem Zusammenhang angeprangert. Ähnlich verhalte es sich mit der Umweltpolitik. Auch hier erzielten viele Länder relative Kostenvorteile, indem sie die Umwelt als Produktionsfaktor praktisch kostenlos nutzten ohne die davon ausgehende Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen angemessen zu berücksichtigen. Sie würden also das Verbot bzw. die Einschränkung von Exportsubventionen unterlaufen, indem sie optimale Umweltstandards gezielt unterbieten und diese damit als Instrument einer protektionistischen
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10 Handelspolitik und Welthandelsordnung
Handelspolitik missbrauchen. In internationalen Handelsabkommen müssten also zur Aufrechterhaltung eines „fairen“ Handels Umwelt- und Sozialstandards verankert werden, um bei ökologischem oder sozialem Dumping die Möglichkeit von Gegenmaßnahmen zu besitzen. Die Entwicklungsländer indessen wehren sich gegen solche Vorwürfe. Nur durch eine kostengünstige Produktion sei es ihnen möglich, am Weltmarkt bestehen und damit ihre Entwicklung vorantreiben zu können. Die Vorwürfe der Industriestaaten seinen vielmehr nur ein scheinheiliger Vorwurf, um eine Handhabe für protektionistische Maßnahmen zu haben mit denen sie ihre heimische Wirtschaft vor Importen aus diesen Ländern schützen wollten. In Wirklichkeit ginge es ihnen nicht um eine handelspolitische Intervention zum Schutz der Umwelt, vielmehr wollten sie die Umweltpolitik benutzen, um ihrerseits protektionistische Bestrebungen durchsetzen zu können. Ursprünge der Forderungen nach Umwelt- und Sozialstandards Erster Anwender eines umweltpolitisch begründeten Protektionismus waren die USA, die bereits in den 1980er Jahren ausländische Anbieter von Waren, die nicht nach amerikanischen Umweltstandards hergestellt wurden, mit Strafzöllen oder Importverboten bedrohten. Gerechtfertigt wurde dies mit Art. XX GATT, wo Handelsrestriktionen für zulässig erklärt werden, wenn dies zum Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen notwendig ist und wenn keine weniger GATT-inkonforme Mittel verfügbar sind, mit denen die verfolgten Ziele erreicht werden können. Mit dieser Argumentation sind jedoch Maßnahmen gegen weniger strenge Umweltstandards nicht generell zu rechtfertigen. Angewandt wurde die Drohung gegen den Import mexikanischen Thunfischs, da die mexikanischen Fischer engermaschigere Fangnetze verwendeten als in den USA zugelassen und damit auch Delphine getötet wurden. 1991 entschied das Schiedsgericht des GATT auf Antrag Mexikos, dass die Handelssanktionen der USA nicht zulässig seien. Handelsbeschränkungen, mit denen Änderungen der Umweltpolitik eines anderen Landes erzwungen werden sollen, seien mit der internationalen Handelsordnung nicht vereinbar und daher nicht erlaubt. Dass solche Forderungen dennoch weiter diskutiert werden, geht letztlich auf die NAFTAVerhandlungen zwischen den USA und Mexiko zurück. Auch aufgrund des Thunfisch-DelphinUrteils, war während diesen Verhandlungen in den USA eine neue Anti-Freihandelsbewegung entstanden, deren Kernforderung die Berücksichtigung „angemessener“ Arbeits- und Umweltstandards als eine unverzichtbare Grundlage für einen „fairen“ internationalen Handel war. Freier und fairer Handel wurden damit als unvereinbare Gegensätze konstruiert. Amerikanische Gewerkschaften protestierten gegen die uneingeschränkte Konkurrenz mexikanischer Arbeitskräfte, gleichzeitig prangerten die amerikanischen Umweltverbände die Umweltzerstörung in den Grenzregionen zu Mexiko an, die durch die NAFTA-Vereinbarungen noch an Brisanz gewännen. Die amerikanische Regierung gab den Protesten nach, indem im NAFTA-Vertrag Umwelt- und Sozialstandard in Form von Anhängen (side-agreements) Eingang fanden. Obwohl die Vereinbarungen recht schwach formuliert waren und kaum über Selbstverständlichkeiten hinausgingen, liegt die Bedeutung in dem damit zum ersten Mal begangenen Bruch des Prinzips, Handelsfragen nicht mit anderen Problemfeldern zu vermengen. Sinnhaftigkeit von Standards in handelspolitischen Vereinbarungen Die Ausstattung von Ländern mit Umweltgütern (etwa die Absorptionsfähigkeit von Schadstoffen) ist ebenso unterschiedlich wie die Wertschätzung der Bevölkerung. Die Umwelt ist in diesem Sinne ein immobiler Produktionsfaktor, dessen Preis zwischen Ländern variieren
10.3 Stand der handelspolitischen Debatte
235
kann und sollte. Länder mit stärkerer Umweltpräferenz sollten nicht anderen Ländern vorschreiben, in welchem Maße diese umweltpolitische Maßnahmen installieren, denn identische Umweltstandards in allen Ländern sind ein suboptimaler Zustand. Um dies zu verdeutlichen, soll im Folgenden der optimale Umweltstandard eines Landes bestimmt werden. Gegeben seien zwei Länder, die eine identische Ausstattung mit natürlicher Umwelt aufweisen, die sich aber in ihrem durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommen unterscheiden. In Abb. 10.2 ist die Kurve der Grenzschadenskosten (GSK) eingezeichnet, die mit einer steigenden Schadstoffemissionsmenge (E) zunimmt. Eingezeichnet ist auch die Kurve der Grenzvermeidungskosten (GVK), die mit steigender Schadstoffbeseitigung (d. h. sinkender Emissionsmenge) steigen. Die optimale Emissionsmenge Eopt (Umweltstandard) ergibt sich in einem Optimierungskalkül bei Identität von Grenzschadens- und Grenzvermeidungskosten durch Punkt R. Unterscheidet man zwei Länder, Land A und Land B und unterstellt, die Grenzvermeidungskosten in beiden Ländern seien aufgrund der vorhandenen Technologie und der gleichen Umweltreichlichkeit identisch, so ist die Grenzschadenskurve nur von der Umweltpräferenz im jeweiligen Land und damit vom Pro-Kopf-Einkommen abhängig. In Abb. 10.2 ist unterstellt, dass das Pro-Kopf-Einkommen in Land A höher ist als in Land B, die Grenzschadenskurve des Landes A verläuft also über der des Landes B. Damit ergeben sich auch unterschiedliche optimale Emissionsmengen, es gilt EoptA < EoptB. Definiert man einen höheren Umweltstandard als eine geringere zulässige Emissionsmenge, so impliziert die hier unterstellte Situation, dass Land A einen höheren Umweltstandard realisiert als Land B. Ein niedrigerer Umweltstandard in Land B, der sich etwa in einer geringeren Schadstoffsteuer ausdrückt, ist daher ein optimaler Zustand und hat nichts mit Umweltdumping zu tun. Nur wenn der Standard in Land B so gesetzt würde, dass eine höhere Schadstoffmenge als EoptB zulässig wäre, könnte der Vorwurf der Exportförderung als gerechtfertigt angesehen werden. GVK GSK GVK GSK A
RA
GSK B RB
0
Abb.10.2
E optA
Optimale Umweltstandards
E optB
E
236
10 Handelspolitik und Welthandelsordnung
Gegen die Einführung von Umwelt- und Sozialstandards sprechen jedoch noch eine Reihe weiterer Gründe: Das soziale Niveau und der Umweltstandard eines Landes sind, wie in obigem Beispiel diskutiert, ganz wesentlich von seinem Pro-Kopf-Einkommen abhängig. Die ärmsten Länder können sich solche Standards noch nicht leisten. Gerade durch ihre Teilnahme an der internationalen Arbeitsteilung besteht jedoch die Chance, dass sie ihre Pro-Kopf-Einkommen erhöhen und sich dadurch auch ihre Sozial- und Umweltstandards verbessern. Verfrühte Auflagen unterlaufen die entwicklungspolitischen Chancen der Globalisierung. Außerdem ist bei Sozialstandards sehr fraglich, ob diese die Situation des zu schützenden Personenkreises tatsächlich verbessert. Viele Unternehmen werden wegen der damit verbundenen Mehrkosten und angesichts der geringen Produktivität ihre Aktivität in diesen Ländern einstellen. Eine ähnliche Erfahrung haben auch Industrieländer im Laufe ihrer Entwicklung machen müssen: Ende des 19. Jahrhunderts hätten die führenden Industrienationen Frankreich und England konstatieren können, dass die Löhne in Schweden nur ein Bruchteil ihrer Löhne betrugen, Schweden einen 12- bis 13-Stunden-Arbeitstag und eine Sechs-TageWoche hatte, und dass die Schweden an chronischer Unterernährung litten. Kinderarbeit war verbreitet in Spinnereien, Glashütten, in Streichholz- und Tabakfabriken, und jeder 20. Arbeiter war unter 14 Jahre alt. Wenn sich England und Frankreich demnach geweigert hätten, mit uns Handel zu treiben und ihre Grenzen für schwedisches Getreide, Holz und Eisenerze geschlossen hätten, was wäre aus Schweden geworden? Vermutlich nicht viel, denn man hätte uns unserer Einnahmen beraubt und unserer Industrie die Entwicklung verwehrt. Wir hätten immer noch diese unerträglichen Lebensbedingungen, Kinder, die noch in Fabriken arbeiten müssten, und wir würden vermutlich noch heute bei Missernten Brot aus Baumrinde essen. Aber das ist nicht eingetreten. Der schwedische Handel konnte kontinuierlich wachsen, die Industrialisierung kam in Gang und hat die Wirtschaft revolutioniert. Mit steigendem Wachstum konnten wir langsam, aber sicher die Missstände beseitigen; die Löhne stiegen, die Arbeitstage wurden kürzer, die Kinder konnten morgens in die Schule statt in die Fabrik gehen. (aus: Norberg, 2003, S. 187f.) Ein weiteres Problem ist der Nachweis eines Verstoßes gegen solche Normen. Hier sind Auslegungsschwierigkeiten zu erwarten und einem ungehemmten Protektionismus unter dem Deckmantel der Humanität und Erhaltung unserer natürlichen Lebensgrundlage sind Tür und Tor geöffnet. Auch dies wird die Chancen der Entwicklungsländer verringern. Solange die Umwelt ein nationaler Ausstattungsfaktor darstellt, d. h. keine grenzüberschreitenden Umweltbelastungen auftreten, sollte die Umwelt also grundsätzlich nicht Gegenstand internationaler Regelungen sein. Bei globalen Umweltgütern ist es zwar durchaus gerechtfertigt, internationale Vereinbarungen zum Schutz der Umwelt zu treffen, die Kosten, die dafür entstehen, müssen aber auch auf alle Länder aufgeteilt werden. Dies ist schwierig, weil Länder unterschiedliche Präferenzen aufgrund unterschiedlicher Pro-Kopf-Einkommen haben und auch weil die Vermeidungskosten von Land zu Land unterschiedlich hoch sind. Die Effekte Handelsregulierender Maßnahmen sind außerdem nie vollständig abzuschätzen, so dass nicht sicher ist, ob die Kosten der Handelsregulierung nicht größer sind als die Gewinne aus der eventuellen Vermeidung von Umweltschäden. Zur Lösung der Umweltprobleme und auch zur Sicherstellung eines Mindestmaßes an sozialer Sicherung müssen Problemlösungen gefunden werden. Dabei muss aber die Trennung zwischen der Handelspolitik auf der einen und Sozial- und Umweltpolitik auf der anderen
10.3 Stand der handelspolitischen Debatte
237
Seite eingehalten werden. Für letztere ist die WTO nicht konzipiert. Die internationale Arbeitsorganisation (ILO) und das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP sind hier geeignetere Ansprechpartner. Eine solche Vermengung verstößt aus ordnungspolitischen Aspekten gegen das Prinzip der eindeutigen Zuordnung von Mittel und Ziel, wie es in allen handelspolitischen Vereinbarungen bis zur Uruguay-Runde stets gewahrt wurde. Nicht die grundsätzliche Problematik und die Notwendigkeit sie zu lösen wird in Frage gestellt. Lediglich die Verbindung von Sozial- und Umweltproblemen mit denen internationalen Handels ist problematisch. Man würde das Wohlfahrtsteigernde Instrument der internationalen Arbeitsteilung als Druckmittel heranziehen, um andere Ziele durchsetzen zu wollen.
10.3.2
Perspektiven der Globalisierung
Wirtschaftspolitische Aufgaben Obwohl Globalisierung keine reine Umverteilung, also kein Nullsummenspiel ist, bei dem der eine genau das gewinnt, was der andere verliert, sondern ein Positivsummenspiel, bei dem alle Beteiligten gewinnen können, erfordert die Realisierung eines solchen Gewinns einen erheblichen Strukturwandel. Bei zu starren Strukturen, etwa auf den nationalen Arbeitsmärkten, treten Schwierigkeiten auf, die sehr schnell dem Prozess der Globalisierung angelastet werden. Güter, die bisher im Inland produziert oder sogar exportiert wurden, werden jetzt im Ausland billiger angeboten, während sich die relativen Kostenvorteile auf andere, eventuell neue, technisch hoch stehende Produkte verlagern. Diese Notwendigkeit der ständigen Strukturanpassung ist umso größer, je kleiner und offener das Land ist. Relativ gering ist der Einfluss dagegen in großen und relativ geschlossenen Ländern, wie etwa den USA. Nur bei erfolgreicher Bewältigung dieses Strukturwandels können die Wohlfahrtsgewinne der internationalen Arbeitsteilung von den Ländern genutzt werden. Die Strukturanpassung muss angesichts des weltweit mobilen Kapitals (auch Sachkapitals) notwendigerweise über die Arbeitsmärkte erfolgen. Arbeitskräfte in nicht mehr konkurrenzfähigen Sektoren werden freigesetzt, während in den expandierenden Sektoren die Arbeitsnachfrage steigt. Für die traditionellen Industrieländer bedeutet dies, dass Arbeitsplätze, die hochtechnologisch ausgestattet sind und qualifizierte Arbeitskräfte benötigen, geschaffen werden, während Arbeitsplätze für gering qualifizierte Arbeitskräfte wegfallen. Da unterschiedliche Qualifikationsniveaus, oft noch verbunden mit mangelnder Mobilität, einen Übergang der Arbeitskräfte von einem in den anderen Sektor verhindern, entstehen auch auf den Arbeitsmärkten Strukturprobleme. Es entsteht ein Druck, die Arbeitskosten zu senken, um im internationalen Vergleich konkurrenzfähig bleiben zu können. Da dies nicht durch Lohnsenkungen geschehen kann und sollte, muss die gesamte Performance des immobilen Faktors Arbeit hinterfragt werden. Dazu gehören etwa die Arbeitszeiten, die Arbeitsdisziplin, der Arbeitsfrieden, die Regelungen des Arbeitsablaufs, die Schichtarbeitsquote, die Maschinenlaufzeiten, die Kündigungsschutzbestimmungen, die Mitbestimmungsregelungen, die Belastung durch soziale Regulierungen, das Lohnfindungssystem u. a. m. Es wäre also falsch zu behaupten, durch die Globalisierung und insbesondere durch die vermehrte Teilnahme von Niedriglohnländern gerate auch das Lohnniveau in Industrieländern unter Druck, es ist vielmehr die Lohnstruktur bzw. die Lohneinkommensstruktur, und die gesamten Rahmenbedingungen des Arbeitsmarktes, die sich verändern müssen. Stehen dem institutionelle Hemmnisse und Starrheiten entgegen, so wird es zu Arbeitslosigkeit bei gering qualifizierten Arbeitskräften kommen. Daneben entsteht aber auch ein Druck auf die betref-
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10 Handelspolitik und Welthandelsordnung
fenden Arbeitnehmer, sich zu qualifizieren. Vor allem in Hochlohnländern muss es zu einem Qualifikationsschub kommen, zu Investitionen in Humankapital. Denn die Ausstattung mit Humankapital ist nicht, wie etwa Bodenschätze, exogen gegeben, es handelt sich vielmehr um einen selbst zu schaffenden komparativen Vorteil des Landes. Die Notwendigkeit, sich an veränderte weltwirtschaftliche Rahmenbedingungen anzupassen gilt auch für andere Politikbereiche. Es ist also nicht so, dass die nationale Politik durch die Globalisierung einen Machtverlust erleiden würde, sondern nur durch die Weigerung, sich an die dadurch bedingten Veränderungen mit der erforderlichen Geschwindigkeit anzupassen. Für die Industrieländer bedeutet dieser Wandel andererseits, dass sie sich darauf einstellen müssen, dass die Konkurrenzfähigkeit ihrer Volkswirtschaften nicht mehr identisch ist mit der Konkurrenzfähigkeit von Unternehmen im Besitz von Inländern. Sie ist vielmehr davon abhängig, in welchem Maße die Inländer in der Lage sind, einen Beitrag zum Weltsozialprodukt zu leisten, sei es für Unternehmen im Besitz von Inländern, oder von Ausländern. Elemente einer zukünftigen Welthandelsordnung Die Vorteile einer freien, internationalen Arbeitsteilung wurden in den vorangegangenen Kapiteln ausführlich analysiert. Die wichtigsten Argumente sind: • Die Produktionsfaktoren werden weltweit in die Bereiche gelenkt, in denen sie den größten Nutzen stiften. • Freihandel führt für alle beteiligten Länder zu Nutzenzuwächsen, es handelt sich um ein Positivsummenspiel. • Freihandel ist ein geeignetes Mittel, um der Monopolisierung der Märkte entgegen zu wirken. • Die Globalisierung bietet eine noch nie dagewesene Chance, die noch immer bestehende Unterentwicklung in weiten Teilen der Welt zu überwinden. Die Weltgemeinschaft sollte im Rahmen zukünftiger Welthandelsabkommen also möglichst weitgehend protektionistische Maßnahmen abbauen. Die dabei auftretenden Versuche, Anti-Dumping-Regelungen für protektionistische Zwecke zu nutzen, sollten konsequent unterbunden werden. Auch das Streitschlichtungsverfahren sollte reformiert werden. Es bleibt wirkungslos, wenn bei einem Regelverstoß im schlimmsten Fall handelpolitische Sanktionen anderer Länder befürchtet werden müssen, was große Länder wenig beeinflussen wird. Die Industrieländer müssen den Entwicklungsländern helfen, vom Globalisierungsprozess zu profitieren, insbesondere indem sie ihnen ihre Märkte öffnen und die bestehenden Diskriminierungen abbauen, indem sie etwa im Agrarbereich nicht als subventionierte Konkurrenten auf Drittmärkten auftreten, sondern indem sie umfangreiche technische, institutionelle und personelle Zusammenarbeit und Unterstützung anbieten. Wenn sich andererseits Entwicklungsländer zur Aufnahme protektionistischer Maßnahmen allein auf ihre Zahlungsbilanzsituation stützen können, so ist dies ebenfalls nicht zielführend. Es bedarf letztlich eines globalen, glaubwürdigen und verlässlichen Ordnungsrahmens des Welthandels und internationaler Wettbewerbsregeln, die allerdings auch durchsetzbar sein müssen. Nur auf diese Weise kann die volle Wohlfahrtswirkung der internationalen Arbeitsteilung genutzt werden, an der alle Länder dieser Welt, so sie es wollen, teilhaben können.
10.4 Zusammenfassung von Kapitel 10
10.4 1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
239
Zusammenfassung von Kapitel 10
Die klassische Freihandelstheorie setzte sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gegen den Merkantilismus durch und die Welt erlebte eine erste Welle der Globalisierung. Der Erste Weltkrieg und die danach folgende Weltwirtschaftskrise bedeuteten das vorläufige Ende des freien Welthandels. Nach dem Zweiten Weltkrieg befand sich die Weltwirtschaft in einem Zustand weitgehender Desintegration. Trotz vieler Absichtserklärungen gelang es nicht, eine umfassende, am Freihandel orientierte Welthandelsordnung zu installieren. Lediglich ein provisorisches Protokoll mit dem Titel „General Agreement on Tariffs and Trade (GATT)“ wurde am 30. Oktober 1947 unterzeichnet. Im GATT von 1947 waren grundsätzliche Freihandelsprinzipien verankert, die allerdings zahlreiche Ausnahmeregelungen vorsahen. Außerdem sollten regelmäßig stattfindende Zollrunden den Weg zu globalem Freihandel ebnen. In den ersten 50 Jahren des GATT fanden acht solcher Runden statt. Im Rahmen der Uruguay-Runde, die 1994 zu Ende ging, wurde das GATT dann Teil der neu gegründeten Welthandelsorganisation WTO. Der heutige Stand der Globalisierungsdebatte ist durch wachsende Interessenkonflikte zwischen Industrie- und Entwicklungsländer gekennzeichnet. Da die sich öffnenden Entwicklungsländer ihren Anteil am Welthandel mittlerweile deutlich ausbauen konnten, wird ihnen vorgeworfen, ihre komparativen Preisvorteile nur dadurch erzielen zu können, dass sie ihre Arbeitskräfte ausbeuten und ihnen soziale Rechte vorenthalten. Ähnlich verhalte es sich mit der Umweltpolitik. Auch hier erzielten viele Länder relative Kostenvorteile, indem sie die Umwelt als Produktionsfaktor praktisch kostenlos nutzten ohne die davon ausgehende Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen angemessen zu berücksichtigen. In internationalen Handelsabkommen müssten also zur Aufrechterhaltung eines „fairen“ Handels Umwelt- und Sozialstandards verankert werden, um bei ökologischem oder sozialem Dumping die Möglichkeit von Gegenmaßnahmen zu besitzen. Die Entwicklungsländer wehren sich gegen solche Vorwürfe. Nur durch eine kostengünstige Produktion sei es ihnen möglich, am Weltmarkt bestehen und damit ihre Entwicklung vorantreiben zu können. Die Vorwürfe der Industriestaaten seinen nur der Versuch, eine Handhabe für protektionistische Maßnahmen zu haben mit denen sie ihre heimische Wirtschaft vor Importen aus diesen Ländern schützen wollten. Das soziale Niveau und der Umweltstandard eines Landes sind ganz wesentlich von seinem Pro-Kopf-Einkommen abhängig. Die ärmsten Länder können sich solche Standards noch nicht leisten. Gerade durch ihre Teilnahme an der internationalen Arbeitsteilung besteht jedoch die Chance, dass sie ihre Pro-Kopf-Einkommen erhöhen und sich dadurch auch ihre Sozial- und Umweltstandards verbessern. Verfrühte Auflagen unterlaufen die entwicklungspolitischen Chancen der Globalisierung. Obwohl Globalisierung keine reine Umverteilung ist, erfordert sie vor allem von den Industrieländern einen erheblichen Strukturwandel. Die Notwendigkeit hierfür ist umso größer, je kleiner und offener das Land ist. Die Strukturanpassung muss dabei angesichts des weltweit mobilen Kapitals notwendigerweise über die Arbeitsmärkte erfolgen. Für die traditionellen Industrieländer bedeutet dies, dass Arbeitsplätze, die hochtechnologisch ausgestattet sind und qualifizierte Arbeitskräfte benötigen, geschaffen werden, während Arbeitsplätze für gering qualifizierte Arbeitskräfte wegfallen. Dies macht vor allem in Hochlohnländern einen Qualifikationsschub notwendig, es muss zu Investitio-
240
8.
10 Handelspolitik und Welthandelsordnung nen in Humankapital kommen, zu einer Anhebung der Durchschnittsqualifikation. Denn die Ausstattung mit Humankapital ist nicht, wie etwa Bodenschätze, exogen gegeben, es handelt sich vielmehr um einen selbst zu schaffenden komparativen Vorteil des Landes Die Globalisierung bietet eine noch nie dagewesene Chance, die noch immer bestehende Unterentwicklung in weiten Teilen der Welt zu überwinden. Dazu muss es zu einem Abbau aller noch bestehender protektionistischer Maßnahmen kommen. Es bedarf eines globalen, glaubwürdigen Ordnungsrahmens des Welthandels und internationaler Wettbewerbsregeln, die allerdings auch durchsetzbar sein müssen. Nur auf diese Weise kann die volle Wohlfahrtswirkung der internationalen Arbeitsteilung genutzt werden, an der alle Länder dieser Welt, so sie es wollen, teilhaben können.
Aufgaben zu Kapitel 10 Aufgabe 10.1 a) Skizzieren Sie die wesentlichen Inhalte des GATT-Abkommens von 1944. b) Ist die wirtschaftliche Integration zwischen verschiedenen Ländern, etwa in Form einer Zollunion, mit den Prinzipien des GATT/WTO vereinbar oder widerspricht dies den dort geltenden Grundsätzen? c) Welche wesentlichen Ergebnisse erbrachte die Uruguay Runde? c) Wie ist die WTO aufgebaut? d) Skizzieren Sie das Streitschlichtungsverfahren der WTO. Aufgabe 10.2 In der 2001 begonnenen Doha-Runde sind unter anderem Umwelt- und Sozialstandards ein kontroverses Thema zwischen Industrie- und Entwicklungsländern. a) Was versteht man unter Umwelt- und Sozialstandards und wie begründen sich die unterschiedlichen Positionen? b) Zeigen Sie anhand eines Umweltstandards, dass gleiche Emissionsstandards in allen Ländern kein Optimum darstellen.
11
Devisenmärkte
11.1
Erscheinungsformen des Wechselkurses
11.1.1
Devisen, Devisenmärkte und Wechselkurs
Devisen sind Forderungen verschiedener Art, insbesondere Sichteinlagen bei Banken, die in ausländischen Währungseinheiten fakturiert sind. Oft wird zwischen Devisen und Sorten unterschieden, wobei mit Sorten ausländisches Bargeld bezeichnet wird. Diese Unterscheidung soll hier nicht weiter berücksichtigt werden. Der bilaterale Wechselkurs ist das Umtauschverhältnis zwischen zwei Währungen. Wechselkurse können auf zwei Arten ausgedrückt werden. Zum einen als der Preis einer ausländischen Währungseinheit, ausgedrückt in inländischen Währungseinheiten, also Euro/Dollar, zum anderen als Kehrwert, dem Preis einer inländischen Währungseinheit, ausgedrückt in ausländischen Währungseinheiten, Dollar/Euro. Den Wert des Dollars, ausgedrückt in Euro, bezeichnet man auch als Dollarkurs oder Preisnotierung, der Kehrwert, der Preis eines Euro, ausgedrückt in Dollar, ist demzufolge der Eurokurs oder die Mengennotierung. Ist ein Euro einen halben Dollar wert, so beträgt der Dollarkurs 2, der Eurokurs entsprechend 0,5. Für viele Marktteilnehmer ist es vorteilhafter, den Dollarkurs zu benutzen, etwa wenn man den Dollarpreis eines Gutes in Euro umrechnen will. Im Weiteren wird der Wechselkurs als der Preis einer ausländischen Währungseinheit, ausgedrückt in inländischen Währungseinheiten, definiert, er entspricht aus Sicht Europas also dem Dollarkurs. Wechselkurse werden an Devisenmärkten durch Angebot an und Nachfrage nach Devisen bestimmt, der Kauf oder Verkauf von Devisen ist daher nichts anderes als ein Währungstausch. Da es sehr viele Währungen gibt und grundsätzlich jede Währung mit jeder anderen getauscht werden kann, gibt es auch entsprechend viele Devisenmärkte bzw. bilaterale Wechselkurse. Bei 10 Währungen existieren bereits 45 bilaterale Wechselkurse17. Allgemein gilt, dass bei n Währungen (n2 − n)/2 bilaterale Wechselkurse existieren. Die Deutsche Bundesbank veröffentlichte vor Einführung des Euro als alleiniges gesetzliches Zahlungsmittel in den Euro-Ländern die Wechselkurse von 193 verschiedenen Landeswährungen gegenüber dem US-Dollar und der DMark. Würde man für die 193 Währungen alle bilateralen Wechselkurse berechnen, so käme man auf 18528 Kurse. Zur Vereinfachung, und weil es sich im täglichen Devisengeschäft als Konvention durchgesetzt hat, werden deshalb meist alle Währungen in nur einer Numéraire-Währunglan, in der Regel dem US-Dollar, ausgedrückt. Kennt man den Wert des Dollars, ausgedrückt in Euro, und den Wert des Dollars, ausgedrückt in Yen, so kann man aus diesen beiden Kursen durch einfache Division die cross-rate, d. h. den Kurs des Yen, ausgedrückt in Euro, bestimmen. 17
Bildet man von allen 10 Währungen das Verhältnis zueinander, so käme man auf eine Zahl von 100. Da hierbei auch die Verhältnisse der 10 Währungen zu sich selbst enthalten sind, muss man 10 abziehen. Von den verbleibenden 90 Austauschverhältnissen ist die eine Hälfte lediglich der Kehrwert der anderen Hälfte, so dass 45 unabhängige Wechselkurse verbleiben
242
11 Devisenmärkte
Betragen die Dollarkurse in Euro, Yen und britischem Pfund 120 Yen 1,1 Euro 0,7 Pfund , , , Dollar Dollar Dollar
so ergeben sich u. a. die folgenden cross-rates: Yen Dollar = 109,09 Yen Euro Euro 1,1 Dollar 120
Euro Dollar = 1,57 Euro 0,7 Pfund Pfund Dollar
1,1
bzw.
Weichen die so bestimmten cross-rates von den direkten Wechselkursen zwischen Yen und Euro bzw. zwischen Euro und Pfund ab, so findet Kursarbitrage statt. Händler kaufen eine Währung dort, wo sie billiger ist, und verkaufen sie sofort wieder dort, wo sie teurer ist. Diese risikolosen Arbitragegeschäfte sorgen dafür, dass jederzeit eine annähernde Gleichheit des Wertes einer Währung rund um die Welt gewährleistet ist. Oft ist es für die Marktteilnehmer auch im praktischen Devisenhandel einfacher und kostengünstiger, eine zentrale Währung zu benutzen, also bei einem beabsichtigten Tausch von japanischen Yen in Schweizer Franken zunächst mit Yen Dollar zu kaufen und anschließend die Dollar in Schweizer Franken umzutauschen. Der Grund sind zum einen die sehr niedrigen Transaktionskosten auf Märkten mit großem Marktvolumen und hoher Wettbewerbsintensität wie etwa dem für US-Dollar. Zum anderen erleichtert es das Devisengeschäft von Geschäftsbanken, den Hauptakteuren auf den Devisenmärkten, da sie den Saldenausgleich untereinander in nur einer Währung durchführen können. Der Devisenmarkt ist kein geographisch abgegrenzter Markt, auf dem sich Käufer und Verkäufer von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen. Der Devisenmarkt kann vielmehr als ein virtueller Weltmarkt angesehen werden, auf dem von allen großen Finanzzentren der Welt aus, mit Hilfe elektronischer Medien, rund um die Uhr Devisen gehandelt werden. Das tägliche Handelsvolumen, betrug im Jahr 2010 fast 4 Bill. US-Dollar (1992: 0,82 Bill., 1995: 1,19 Bill., 2004: 1,88 Bill.; BIZ, 2011). Es besteht zum überwiegenden Teil aus kurzfristigen Finanztransaktionen, nur noch einem sehr geringen Teil der Umsätze liegt Güterhandel zugrunde. Zu etwa 43 % ist der US-Dollar an den Umsätzen beteiligt, der Euro mit knapp 20 %. Das heißt, bei fast 90 % der Geschäfte ist eine der beiden Währungen der US-Dollar. Hauptakteure an den Devisenmärkten sind die Geschäftsbanken, die entweder auf eigene Rechnung oder für Kunden aktiv sind. Der Interbankenhandel macht fast die Hälfte des gesamten Devisenhandels aus, zu etwa 40 % sind es Geschäfte zwischen Banken und anderen Finanzinstitutionen. Die von den verschiedenen Marktteilnehmern an verschiedenen Orten vereinbarten Wechselkurse werden sich, wenn keine dirigistischen Einflussnahmen existieren, kaum unterscheiden, da Devisenmärkte weitestgehend die Bedingungen eines homogenen bzw. eines vollkommenen Marktes erfüllen: Das gehandelte Gut ist homogen, die Markttransparenz ist angesichts der zur Verfügung stehenden Kommunikationssysteme praktisch perfekt, und die Zahl der Marktteilnehmer ist sehr groß. Allerdings besteht eine dezentrale Struktur des Marktes, weil der kontinuierliche Handel mit Fremdwährungen nicht wie etwa an einer Börse zentriert ist. Deshalb können sich kurzfristig durchaus kleinere Marktunvollkommenheiten ergeben, die auch für Arbitragegeschäfte ausgenutzt werden. Mit diesem Phänomen beschäftigt sich der Mikrostrukturansatz der Wechselkurstheorie.
11.1 Erscheinungsformen des Wechselkurses
243
Da permanent ökonomische, aber auch nicht-ökonomische Informationen verarbeitet werden, die zu bestimmten Erwartungen der Marktteilnehmer führen und sich in Käufen oder Verkäufen von Währungen niederschlagen, handelt es sich bei offiziell veröffentlichten Wechselkursen um eine bloße Momentaufnahme, die jeden Tag zu einer bestimmten Uhrzeit stattfindet. Notiert wird meist der Geldkurs, zu dem Banken Devisen ankaufen, der Briefkurs, zu dem sie Devisen verkaufen, und ein Mittelwert zwischen Geld- und Briefkurs. Die Differenz zwischen Geld- und Briefkurs ist in der Regel von der Schwankungsbreite und -häufigkeit, der sog. Volatilität des jeweiligen Wechselkurses, abhängig. Bei relativ stabilen Wechselkursen, die kaum Schwankungen aufweisen, ist die Differenz gering, bei stark volatilen Kursen dagegen groß. Geschäftsbanken sind bei ihrem Sortengeschäft jedoch grundsätzlich frei, ihre An- und Verkaufskurse festzulegen. Die Differenz ist in der Regel größer als bei Devisen, was mit „Lagerkosten“, etwa in Form von Zinsverlusten, und mit dem höheren Kursrisiko begründet wird, da sich während eines Tages zwar die Wechselkurse an den Devisenmärkten ändern, von der Bank gegenüber ihren Kunden in der Regel aber keine Kursanpassungen vorgenommen werden. Im Folgenden wird zwischen An- und Verkaufskursen nicht mehr unterschieden.
11.1.2
Kassawechselkurs und Terminwechselkurs
Wenn man von dem Wechselkurs zweier Währungen spricht, so ist in der Regel das Tauschverhältnis auf dem Kassamarkt (spot transactions) gemeint, das vereinbarte Tauschverhältnis ist der Kassawechselkurs, wK. Auf dem Kassamarkt wird ein Kaufvertrag geschlossen zwischen dem Käufer einer bestimmten Menge an Devisen und dem Verkäufer dieser Devisen, der dafür Währungseinheiten des Käufers erhält. Im Kaufvertrag wird das Tauschverhältnis festgelegt, die Erfüllung des Geschäfts, d. h. die Übergabe der Währungen muss spätestens am zweiten Geschäftstag nach Vertragsabschluss erfolgen. Benötigt die Deutsche Bank für einen Geschäftskunden eine Million japanische Yen, so wird sie, etwa mit einer Tokioter Geschäftsbank, einen Kaufvertrag abschließen, in dem ein bestimmter Wechselkurs vereinbart wird. Spätestens am zweiten Arbeitstag nach diesem Geschäftsabschluss müssen die Yen der Deutschen Bank gutgeschrieben sein, die wiederum bis zu diesem Zeitpunkt der japanischen Bank den Gegenwert in Euro überwiesen haben muss. Man kann die Erfüllung eines solchen Devisentauschs auch für einen späteren Zeitpunkt festlegen. In obigem Beispiel könnten die beiden Banken vereinbaren, die jeweiligen Währungseinheiten erst 30, 60 oder 90 Tage nach dem Vertragsabschluss zu übergeben. In diesem Fall spricht man von einem Termingeschäft (forward transactions), das hierfür vereinbarte Tauschverhältnis ist der Terminwechselkurs, wT. Längere Termine als ein Jahr bilden die Ausnahme. Termin- und Kassawechselkurs können sich unterscheiden. Ist der Terminkurs höher als der Kassakurs, so handelt es sich um einen Aufschlag oder Report, ist er niedriger, so erfolgt ein Abschlag oder Deport. Da auf dem Terminmarkt unterschiedliche Laufzeiten möglich sind, gibt es für jede Währung nicht nur einen, sondern für jeden Erfüllungszeitpunkt einen gesonderten Terminkurs. Die Auf- oder Abschläge gegenüber dem Kassakurs können sich also je nach Laufzeit unterscheiden. Die prozentuale Differenz zwischen dem Termin- und dem
244
11 Devisenmärkte
Kassakurs ist der Swapsatz, s. Im praktischen Devisenhandel findet sich auch die Definition des Swapsatzes als absolute Differenz zwischen Termin- und Kassakurs. Hier wird jedoch von der Definition als prozentuale Differenz ausgegangen. Liegt etwa der Dollarkurs am Kassamarkt bei 0,85 Euro und beträgt der Dollarterminkurs 0,8755 Euro, so liegt ein Report in Höhe von 0,0255 vor. Der Swapsatz beträgt in diesem Beispiel: w − wK 0,8755 − 0,85 s= T = = 0,03 wK 0,85
11.1.3
Effektive und reale Wechselkurse
Effektive Wechselkurse sind methodisch einem Preisindex vergleichbar. Es wird die Wertentwicklung der inländischen Währung gegenüber mehreren anderen Ländern, etwa den Haupthandelspartnern, gemessen. Die berücksichtigten Länder werden dabei gewichtet, etwa durch ihren relativen Weltmarktanteil oder den bilateralen Handelsanteilen, anschließend wird ein Durchschnitt gebildet. Der effektive Wechselkurs ist also eine Indexziffer, die anzeigt, um wie viel Prozent sich der Durchschnitt der gewichteten Wechselkurse im Vergleich zu einer Basisperiode verändert hat, er gibt damit die durchschnittlichen Auf- oder Abwertungen der eigenen Währung während eines bestimmten Zeitraums an. Bei vielen ökonomischen Fragestellungen ist es sinnvoll, reale Größen zu benutzen. Ähnliches gilt auch beim Wechselkurs. Mit dem nominellen Wechselkurs ist es lediglich möglich, den Preis ausländischer Güter in inländischen Währungseinheiten darzustellen. Eine bessere Möglichkeit, vor allem im zeitlichen Vergleich, wäre der Realpreis, d. h. der Preis ausländischer Güter, ausgedrückt in inländischen Gütereinheiten. Dieses Maß erhält man, indem man den nominellen Wechselkurs durch einen Preisindex inländischer Güter (p) dividiert und dieses Verhältnis mit einem vergleichbaren Preisindex ausländischer Güter (p*) multipliziert. Dieser Ausdruck, dessen Dimension dem Verhältnis Mengeneinheit Inlandsgüter zu Mengeneinheit Auslandsgüter entspricht, nennt man den realen Wechselkurs (wR): wp * ME (11.1) = wR = p ME * Der reale Wechselkurs gibt also an, was eine Einheit des ausländischen Güterbündels, ausgedrückt in Einheiten des Inlandsgüterbündels, kostet. Wie beim nominalen Wechselkurs kann man aber auch hier die umgekehrte Relation benutzen. Die Güterbündel können sich auf Konsumenten beziehen, wobei jedoch auch Güter enthalten sind, die nicht handelbar, also nicht direkt mit dem Ausland vergleichbar sind. Man könnte auch den Produzentenpreisindex benutzen und hätte damit das Verhältnis der im Inland produzierten Güter zu den im Ausland produzierten Gütern. Den Kehrwert des realen Wechselkurses einer Währung bezeichnet man als den realen Außenwert dieser Währung. Benutzt man statt des ausländischen Preisniveaus einen gewichteten Durchschnitt der Preisindizes verschiedener Länder, so erhält man einen realen Effektivkurs. Ein spezieller realer Effektivwechselkurs ist das Verhältnis zwischen den inländischen Exportgütern und den inländischen Importgütern, die aus verschiedenen Ländern kommen. Dieses Verhältnis
11.1 Erscheinungsformen des Wechselkurses
245
ist der Kehrwert der terms of trade, die der Relation von Export- zu Importpreisen entsprechen. t.o.t. =
p Ex p Im
=
ME Im ME Ex
(11.2)
Auf die Bedeutung der terms of trade wurde in den vergangenen Kapiteln bereits ausführlich eingegangen. Eine andere Definition des realen Wechselkurses bezieht sich auf die Unterscheidung zwischen handel- und nicht-handelbaren Gütern. Als handelbar werden Güter bezeichnet, die exportiert werden oder die als Importsubstitute dienen. Nicht-handelbare Güter sind dagegen dadurch gekennzeichnet, dass Produktion und Konsum räumlich zusammenfallen, dass sie also nicht die Grenzen eines Landes überschreiten können. Hierzu zählen vor allem Dienstleistungen, obwohl aufgrund des Fortschritts in der Telekommunikation auch zahlreiche Dienstleistungen mittlerweile zu den handelbaren Gütern zu zählen sind. Der auf dieser Unterscheidung beruhende reale Wechselkurs ist definiert als: wR =
wp *H pN
(11.3)
p*H ist der vom Weltmarkt gegebene Preis der handelbaren Güter, pN bezeichnet den im Inland determinierten Preis nicht-handelbarer Güter. Der reale Wechselkurs in dieser Definition drückt die relative Wettbewerbsfähigkeit handelbarer in Bezug zu den nicht-handelbaren Gütern aus und ist damit eine Bestimmungsgröße für die Allokation zwischen den Sektoren handel- und nicht-handelbarer Güter sowie für den Leistungsbilanzsaldo. Eine reale Abwertung impliziert einen relativen Anstieg des Preises handelbarer Güter und führt zu steigenden Produktionsanreizen in diesem Sektor bei gleichzeitig sinkendem Konsum, so dass sich die Leistungsbilanz verbessert.
11.1.4
Wechselkursrisiken und Möglichkeiten ihrer Absicherung
Arten von Wechselkursrisiken Währungsrisiken tangieren die finanzwirtschaftliche Sphäre von international tätigen Wirtschaftssubjekten. Es handelt sich dabei um die Gefahr eines finanziellen Verlustes, der sich durch die Aktivität in verschiedenen Währungsgebieten ergibt. Währungsrisiken im weiteren Sinn beinhalten das Konvertierungs- und das Transferrisiko. Dabei handelt es sich um die Gefahr, dass der Währungsumtausch und der zwischenstaatliche Transfer von Geldern durch staatliche Eingriffe in die Devisenmärkte behindert oder verzerrt werden. Diese Art von Risiko kann man auch unter das allgemeine Länderrisiko subsumieren. Unter Währungsrisiko im engeren Sinn versteht man das Wechselkursrisiko, das durch die Unsicherheit über Richtung und Ausmaß der zeitlichen Veränderung des Austauschverhältnisses zwischen der inländischen und der ausländischen Währung besteht. Man kann grundsätzlich ein direktes und ein indirektes Wechselkursrisiko unterscheiden. Ein direktes Wechselkursrisiko besteht, wenn Forderungen oder Verbindlichkeiten als offene Position, d. h. ohne Absicherung bestehen. Ein direktes Wechselkursrisiko tritt auch dann auf, wenn ein Unternehmen Vermögensteile umfasst, die in ausländischer Währung fakturiert sind.
246
11 Devisenmärkte
Sämtliche auf fremde Währung lautenden Finanzströme und Vermögensbestände eines Unternehmens werden als „exposure“ bezeichnet. Besitzt ein Unternehmen solche Positionen, so werden diese durch Auf- oder Abwertungen der eigenen Währung gegenüber der Fremdwährung in ihrem Wert (in inländischer Währung ausgedrückt) verändert. Wird die eigene Währung (Euro) gegenüber der ausländischen Währung (Dollar) aufgewertet, so sinkt der Euro-Wert der auf Dollar lautenden Forderungen und Verbindlichkeiten. Bei Forderungen impliziert dies einen Verlust, bei Verbindlichkeiten einen Gewinn des Unternehmens. Ein deutsches Unternehmen habe ein Warenexportgeschäft mit einem ausländischen Kunden abgeschlossen, aus dem ihm in 6 Monaten eine Million US-Dollar zufließen. Das Unternehmen hat mit dem aktuellen Wechselkurs kalkuliert, der bei einem Euro pro Dollar liegen soll. Bleibt dieser Kurs konstant, so würde das Unternehmen in 6 Monaten eine Million Euro erhalten. Bei einer Aufwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar sinkt der Wert eines US-Dollar, ausgedrückt in Euro, im hier unterstellten Zahlenbeispiel etwa auf 0,9 Euro. Das Unternehmen erhält in 6 Monaten zwar nach wie vor eine Million USDollar, diese entsprechen aber nur noch 0,9 Millionen Euro. Die Aufwertung des Euro gegenüber dem Dollar führt bei dem betrachteten Unternehmen zu einem „Verlust“ in Höhe von 100 000 Euro. Wird der Euro gegenüber dem Dollar abgewertet, so verhält es sich umgekehrt. Hat das Unternehmen sowohl Forderungen als auch Verbindlichkeiten mit gleichem Fälligkeitsdatum, so besteht nur in Höhe der Nettogröße ein Währungsrisiko, da sich ansonsten der Währungsgewinn und der Währungsverlust ausgleichen. Das Ausmaß des direkten Wechselkursrisikos ist vom Ausmaß der Volatilität, d. h. von der Häufigkeit und vom Ausmaß der Wechselkursschwankungen abhängig. Ein indirektes Wechselkursrisiko ergibt sich aus dem Tatbestand, dass eine Wechselkursänderung die allgemeine wirtschaftliche Situation eines Unternehmens negativ beeinflussen kann. Wird die Währung des eigenen Landes aufgewertet, so wird es für die ausländischen Kunden teurer, einen bestimmten Betrag an inländischer Währung zu „kaufen“, d. h. die Absatzchancen an den Weltmärkten würden abnehmen. Die inländischen Unternehmen haben nun zwei Möglichkeiten, auf diese Wechselkursänderung zu reagieren: Zum einen können sie die Wechselkursänderung auf ihre ausländischen Verkaufspreise abwälzen (exchange rate passthrough). Diese werden steigen, so dass die Auslandsnachfrage nach den Produkten des inländischen Unternehmens sinkt. Alternativ hierzu kann das Unternehmen zur Vermeidung von Marktanteilsverlusten die ausländischen Angebotspreise (in Auslandswährung) konstant halten (pricing to market). Dies bedeutet aber letztlich nichts anderes als einen Rückgang der in Inlandswährung ausgedrückten ausländischen Verkaufspreise und damit ein Sinken der Erträge aus dem Auslandsgeschäft. Bei einer als dauerhaft angesehenen Aufwertung der Inlandswährung kann das Unternehmen auch in Erwägung ziehen, die für den Auslandsmarkt vorgesehenen Produkte vor Ort zu produzieren. Hierfür ist eine Direktinvestition notwendig. Wird die eigene Währung nach Realisierung der Direktinvestition doch wieder abgewertet, so kann sich der Aufbau der ausländischen Produktionsstätte nachträglich als ökonomisch falsch erweisen, wenn sich durch die Abwertung der Inlandswährung die Produktion im Inland und der anschließende Export der Güter als kostengünstiger erweist als die Produktion im Ausland. Das Risiko einer Direktinvestition, ebenso wie das, eine Direktinvestition zu unterlassen, resultiert aus der Tatsache, dass bei einem Produktionskostenvergleich zwischen zwei Ländern immer der
11.1 Erscheinungsformen des Wechselkurses
247
Wechselkurs als Umrechnungsfaktor berücksichtigt werden muss, so dass dessen Änderung auch die Kostenrelation zwischen In- und Ausland beeinflusst. Möglichkeiten der Absicherung von Wechselkursrisiken Termingeschäfte Die hier dargestellte Form eines Währungsrisikos kann durch verschiedene Maßnahmen abgesichert werden. Neben dem Versuch, das Risiko durch eine Valutierung in der eigenen Währung auf die Handelspartner abzuwälzen, besteht auch die Möglichkeit der Kursabsicherung auf Terminmärkten.
Ein deutscher Exporteur etwa habe einen Kaufvertrag über die Lieferung von 10 Maschinen an ein US-amerikanisches Unternehmen abgeschlossen, wobei die Lieferung erst nach Fertigstellung der Maschinen in 6 Monaten erfolgen kann. Der Kaufpreis wurde mit 5 Millionen US-Dollar vereinbart. Der Exporteur kann nun bereits heute die 5 Millionen Dollar per Termin in 6 Monaten verkaufen. Er schließt also heute einen Dollar-Verkaufsvertrag zu einem vereinbarten Wechselkurs ab, muss aber erst in 6 Monaten die Dollar seinem Vertragspartner liefern und bekommt auch erst in 6 Monaten den Gegenwert in Euro. Da der Umtauschkurs aber bereits heute vereinbart wird, kann der Exporteur diesen in seinen Verkaufspreisverhandlungen mit einkalkulieren. Der zweite Hauptgrund für Terminmarkttransaktionen ist das Gegenteil des ersten, die Risikopräferenz. Man nennt diese Marktteilnehmer deshalb auch die Spekulanten. Ein Spekulant hat bestimmte Erwartungen über den zukünftigen Kassakurs und vergleicht diesen mit dem für diesen Zeitpunkt geltenden Terminkurs. Ist der Terminkurs des Dollars höher als der erwartete Kassakurs, so lohnt es sich, am Terminmarkt Dollar zu verkaufen. Am Erfüllungstag beschafft man sich die Dollar am Kassamarkt, liefert sie seinem Geschäftspartner und erhält den vereinbarten höheren Gegenwert in Euro. Man kann am Terminmarkt also Währung verkaufen, ohne diese zum Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses zu besitzen. War die Erwartung falsch, so ist der Spekulant dennoch verpflichtet, die Dollar zu liefern, er würde dann einen Verlust realisieren. Haben die Spekulanten im Wesentlichen gleichgerichtete Erwartungen, so werden sie durch ihre Transaktionen letztlich die Terminkurse bestimmen. Besteht die Erwartung, dass der zukünftige Kassakurs des US-Dollar niedriger ist als der heute für diesen Termin geltende Terminkurs, so werden am Terminmarkt Dollar verkauft und der Wert des Dollar am Terminmarkt fällt. Ist der erwartete Kurs dagegen höher als der heutige Terminkurs, so werden die Spekulanten am Terminmarkt Dollar kaufen und dessen Wert steigt. Die Käufe und Verkäufe werden so lange getätigt, bis der Terminkurs dem für diesen Termin erwarteten Kassakurs entspricht. Terminkurse drücken also vor allem Erwartungen über die zukünftigen Kassakurse aus. Besteht seitens des Spekulanten aufgrund der ihm zugänglichen Informationen etwa die Erwartung, dass in 6 Monaten ein Dollar 0,7 Euro wert sein wird und liegt der aktuelle Terminkurs für Geschäftserfüllung in 6 Monaten bei 0,8 Euro für einen Dollar, so würde es sich für den Spekulanten lohnen, am Terminmarkt Dollar zu verkaufen. War seine Erwartung richtig und der Dollarkurs beträgt am Kassamarkt in 6 Monaten tatsächlich 0,7 Euro, so kann er am Erfüllungstermin die Dollar am Kassamarkt für 0,7 Euro pro Dollar kaufen
248
11 Devisenmärkte
und bekommt am gleichen Tag bei Übergabe der Dollar 0,8 Euro pro Dollar. Hatte der Spekulant einen 6-Monats-Verkaufkontrakt über eine Million Dollar abgeschlossen, so bekommt er 800.000 Euro, muss aber gleichzeitig für die Dollar nur 700.000 Euro bezahlen. Er hat also, ohne je einen Dollar besessen zu haben, 100 000 Euro – abzüglich eventueller Transaktionskosten – Gewinn realisiert. Er trägt allerdings das Risiko, dass seine Erwartung falsch war, denn ist der Preis des Dollars nicht gefallen, sondern gestiegen, so muss er sie teurer kaufen als er sie per Termin verkauft hat. Devisenoptionen Eine andere Möglichkeit der Absicherung einer ausstehenden Forderung oder Verbindlichkeit, ist der Kauf einer Devisenoption. Devisenoptionen stellen einen Vertrag dar, der dem Inhaber des Titels (Devisenoptionsschein) das Recht, aber nicht die Verpflichtung zum Kauf (call-option) oder Verkauf (put-option) eines bestimmten Devisenbetrags zu einem bestimmten Termin und zu einem vereinbarten Kurs einräumt. Der Käufer der Option zahlt dem Verkäufer hierfür eine Prämie. Wie beim Termingeschäft bedarf es jeweils eines Handelspartners, der die Erwartung des Spekulanten über die Wechselkursentwicklung nicht teilt, da er sich sonst auf ein solches Geschäft nicht einlassen würde. Das Risiko eines Optionsnehmers bleibt auf den Optionspreis beschränkt, während der Anbieter der Option (Stillhalter) ein unbegrenztes Risiko eingeht. Währungsoptionen dienen auch Außenhändlern zur Absicherung eines Geschäfts, dessen Zustandekommen noch nicht sicher ist. Steht etwa für ein deutsches Unternehmen ein Auftrag in Aussicht, der in US-Dollar fakturiert sein wird, so kann sich das Unternehmen mit einer Dollar-Verkaufsoption gegen Kursschwankungen absichern. Kommt das Geschäft nicht zustande, so muss die Option nicht eingesetzt werden. Umgekehrt kann eine noch nicht sichere Ausgabe in Dollar durch eine Dollar-Kaufoption abgesichert werden. Währungsfutures und Währungsswaps Ein weiteres Instrument sind Währungsfutures. Ein Future-Kontrakt begründet die Lieferung einer bestimmten Währungsmenge zu einem bestimmten Preis an einem bestimmten Termin, ist also vergleichbar einem traditionellen Termingeschäft. Sie werden aber an der Börse gehandelt, so dass Dritte die Futures kaufen können. Motiv ist dabei in der Regel Währungsspekulation. Anders als bei einem Währungstermingeschäft wird nur in einem sehr geringen Teil der abgeschlossenen Futures die Währung nach Ablauf der Frist tatsächlich geliefert, in aller Regel wird eine offene Futureposition durch einen entgegengesetzten Vertrag „glattgestellt“, d. h. bei einem Kaufkontrakt (Verkaufskontrakt) wird ein Verkaufskontrakt (Kaufkontrakt) mit identischem Betrag und gleicher Fälligkeit geschlossen. Währungsfutures bieten nicht nur eine Möglichkeit zur Absicherung von Wechselkursänderungsrisiken (Hedging), sie erlauben es auch, durch sich gegenseitig kompensierende Engagements an Kassa- und Futuremärkten bestehende Preisungleichgewichte zwischen den Märkten auszunutzen. Letzteres erfolgt auch bei einem Devisenswap. Dabei geht es um den gleichzeitigen Kauf und Verkauf einer Fremdwährung zu unterschiedlichen Erfüllungszeitpunkten. Es kann sich dabei um die Kombination zwischen einem Kassa- und einem Termingeschäft handeln (spot/forward swap), es können aber auch zwei Termingeschäfte mit unterschiedlichen Erfüllungszeitpunkten verknüpft werden (forward/forward swap).
11.2 Determinanten von Devisenangebot und -nachfrage
249
Wechselkursrisiko-Versicherung Schließlich kann auch eine Wechselkursrisikoabsicherung bei der staatlichen Exportkreditversicherung Hermes abgeschlossen werden. Dies gilt jedoch nur für Absicherungen über einen längeren Zeitraum als 24 Monate, weil eine so langfristige Absicherung üblicherweise auf privaten Finanzmärkten nicht möglich ist. Abgesichert ist dabei nur das Risiko, das nach Ablauf von 24 Monaten eintritt. Aufgrund des Subsidiaritätsprinzips sind die ersten 24 Monate durch Privatgeschäfte zu sichern.
11.2
Determinanten von Devisenangebot und -nachfrage
11.2.1
Angebot und Nachfrage aus Außenhandelsgeschäften
Bestimmung eines Devisenmarktgleichgewichts Güterexporte und Güterimporte implizieren in der Regel eine Transaktion auf dem Devisenmarkt. Die inländischen Exporteure bekommen für ihre Güter ausländische Währungseinheiten, die sie dann in Inlandswährung umtauschen. Wenn für die Abwicklung des Geschäfts Inlandswährung vereinbart wurde, so müssen die ausländischen Kunden ihre Währung vor dem Kauf in Inlandswährung umtauschen. In beiden Fällen entspricht der Wert der inländischen Exporte, ausgedrückt in Auslandswährung, dem Devisenangebot. Dabei sind der Exportwert und damit das Devisenangebot selbst wiederum vom Wechselkurs abhängig.
Sollen etwa 5 Krafträder exportiert werden, von denen jedes 2000 Euro kostet, so würde sich bei einem Dollarkurs von 0,8 Euro – was einem Eurokurs von 1,25 Dollar entspricht – das Devisenangebot aus dem Exportgeschäft auf 12500 Dollar belaufen. Steigt jedoch der Dollarkurs auf 0,9 Euro – sinkt also der Eurokurs auf 1,11 Dollar –, so wird c. p. auch das Dollarangebot auf 11111 Dollar sinken. Ein Kraftrad kostet nach wie vor 2000 Euro, in Dollar ausgedrückt ist es aber nicht mehr 2500 Dollar, sondern nur noch 2222 Dollar wert. Bei diesem Beispiel ist jedoch nicht berücksichtigt, dass die Preissenkung in Dollar vermutlich zu einer Erhöhung der ausländischen Nachfrage führen wird. Die Frage, wie die Euroabwertung das Devisenangebot, also den Wert der inländischen Exporte in Dollar, verändert, ist dabei nicht eindeutig zu beantworten, da dem gesunkenen Dollarpreis ein vermutlich gestiegenes Exportvolumen gegenübersteht. Analog hierzu entspricht die Devisennachfrage dem Wert der inländischen Importe, ausgedrückt in Auslandswährung. Entweder müssen sich die inländischen Nachfrager vor dem Auslandskauf Dollar besorgen oder sie können die Importgüter in Euro bezahlen, und diese werden dann von den ausländischen Exporteuren auf dem Devisenmarkt gegen Dollar getauscht. Auch hier beeinflusst eine Wechselkursänderung das Handelsvolumen am Devisenmarkt, da durch eine Euro-Abwertung die Importgüter, in Euro ausgedrückt, teurer werden. Das Importvolumen würde dadurch im Normalfall sinken. Um das Devisenangebot und die Devisennachfrage aus Außenhandelsgeschäften genauer analysieren und das sich dabei ergebende Devisenmarktgleichgewicht diskutieren zu können, bietet es sich an, wieder auf den bekannten Zwei-Länder-Zwei-Güter-Fall zurückzugreifen. Gut 1 sei wieder das Exportgut des Landes 1, Gut 2 das Exportgut des Landes 2. In Abb. 11.1 sind die Überschussnachfrage- und die Überschussangebotskurven der beiden
250
11 Devisenmärkte
Länder auf den Weltmärkten der beiden Güter dargestellt. Im Unterschied zu Kapitel 2 werden auf der Ordinate jetzt die Preise in Auslandswährung abgetragen, da der Wert von Ex- und Importen in Auslandswährung bestimmt werden soll. Die Exportmenge im Ausgangsgleichgewicht beträgt also 0A, der gleichgewichtige Dollarpreis OB. Der in Dollar ausgedrückte Exportwert des Inlands, und damit das Dollarangebot auf dem Devisenmarkt, entsprechen der Fläche 0BQA. Entsprechend ergibt sich die Dollarnachfrage aus dem in Dollar ausgedrückten Importwert des Inlands und kann durch die Fläche ODRC dargestellt werden. Es soll nun die Wirkung einer Euroabwertung bzw. einer Dollaraufwertung diskutiert werden. Wie in Kapitel 2 wird auch hier angenommen, dass die Überschussnachfrage und das Überschussangebot am Weltmarkt allein von den heimischen Preisen abhängig sind. Es wird also zur Vereinfachung exchange rate pass-through und kein pricing to market unterstellt. Da auf den Achsen die Dollarpreise abgetragen werden, verschieben sich durch eine Wechselkursänderung die Kurven des Inlands. Auf dem inländischen Importmarkt (Gut 2 in Abb. 11.1b) dreht sich durch eine Euroabwertung die inländische Überschussnachfragekurve nach unten. Wird ein Gut importiert, das 5 Dollar kostet, und beträgt der Dollarkurs 0,8 Euro, so entsprechen den 5 Dollar 4 Euro. Der Europreis ist wiederum die Entscheidungsgröße für die inländische Nachfrage, die bei 4 Euro 100 Mengeneinheiten betragen soll. Steigt der Dollarkurs auf 0,9 Euro, so hat sich das Gut bei noch konstantem Dollarpreis für die Inländer verteuert, da den 5 Dollar jetzt 4,5 Euro entsprechen. Wenn die Inlandsnachfrage nach dem Importgut normal reagiert, so wird die Nachfrage durch die Verteuerung sinken, im Beispiel etwa auf 80 Mengeneinheiten, d. h., beim bisherigen Preis von 4 Dollar ist die Weltmarktnachfrage gesunken. Da das ausländische Weltmarktangebot durch die Wechselkursänderung direkt nicht beeinflusst wird, existiert beim bisherigen Gleichgewichtspreis ein Überschussangebot in Höhe von SR. Das Ausmaß dieses Ungleichgewichts ist von den Preiselastizitäten des Weltmarktangebots und der Weltmarktnachfrage abhängig. Durch das Überschussangebot wird auch der in Dollar ausgedrückte Weltmarktpreis sinken. In Abb. 11.1b ergibt sich also ein neues Importmarktgleichgewicht in R' bei geringerer Importmenge und geringerem Dollarpreis, der Wert der inländischen Importe, ausgedrückt in Dollar (0D'R'C'), ist als Folge der Euroabwertung eindeutig gesunken. Nicht eindeutig ist dagegen die Reaktion des inländischen Exportwerts, ausgedrückt in Dollar. Durch die Euroabwertung dreht sich die inländische Überschussangebotskurve in Abb. 11.1a nach unten, da das Inlandsangebot vom Europreis abhängig ist und bei einer Euro-Abwertung einem bestimmten Europreis ein niedrigerer Dollarpreis entspricht. Beim alten gleichgewichtigen Dollarpreis 0B besteht damit ein Überschussangebot in Höhe von QT, das einen Rückgang des gleichgewichtigen Dollarpreises zur Folge hat. Durch diesen Weltmarktpreisrückgang steigt die ausländische Nachfrage, das Exportvolumen des Inlands nimmt zu. Es ergibt sich ein neues Gleichgewicht bei Q', das durch eine höhere Exportmenge (0A'), aber einen gesunkenen Dollarpreis (0B') charakterisiert ist. Die Veränderung des Exportwerts in Dollar und damit des Devisenangebots ist damit nicht eindeutig bestimmbar, es steht sich ein positiver Mengen- und ein negativer Preiseffekt gegenüber.
11.2 Determinanten von Devisenangebot und -nachfrage
251
− E1(p1) p1*
p 2*
Q
T
B
D
− E2*(p2*)
R
S R'
B'
D'
Q'
E1*(p1*) O A
A'
− E1, E1*
Abb. 11.1a Abb.11.1:
E2(p2) O C'
C
E2, − E2*
Abb. 11.1b
Veränderung von Ex- und Importwert in Dollar bei einer Aufwertung des Euro
Man könnte nun wieder analog zu Kapitel 2 eine Normalreaktion der Leistungsbilanz, hier ausgedrückt in Auslandswährung, aufgrund einer Wechselkursänderung definieren. Eine Abwertung des Euro hätte im Normalfall eine Verbesserung des Außenbeitrags in Auslandswährung zur Folge. Man kann die Erfüllung dieser Normalreaktion auch wieder von den Angebots- und den Nachfrageelastizitäten der beiden Länder auf den Weltmärkten abhängig machen. Hinreichende Bedingung für einen Anstieg des Exportwerts in Dollar, und damit für eine Verbesserung des Außenbeitrags, ist eine Preiselastizität der ausländischen Importnachfrage von absolut größer als Eins. Für das Ziel, ein Devisenmarktgleichgewicht darstellen zu können, sind diese Überlegungen ungeeignet. Man kann sich jedoch einer Hilfsüberlegung bedienen. In Abb. 11.1b wurde gezeigt, dass der Importwert des Inlands, ausgedrückt in Dollar, als Folge einer Euroabwertung eindeutig sinkt. Mit anderen Worten, eine Euroabwertung hat einen Rückgang der Dollarnachfrage am Devisenmarkt zur Folge. Wenn man dieses Ergebnis spiegelbildlich auf das Ausland überträgt, so würde der Importwert des Landes 2, ausgedrückt in Auslandswährung – in diesem Fall also in Euro –, aufgrund einer Dollarabwertung eindeutig sinken. Eine Dollarabwertung hätte also am Devisenmarkt einen Rückgang der Euronachfrage zur Folge. Da die Euronachfrage aber im Zwei-Länder-Beispiel dem Dollarangebot entsprechen muss, könnte man dieses damit eindeutig bestimmen. Man betrachtet hierzu den Weltmarkt des Gutes 1 – Exportgut von Land 1, Importgut von Land 2. Da auf der Ordinate der Preis in Auslandswährung stehen soll, die Untersuchung aber aus Sicht des Landes 2 erfolgt, ist in Abb. 11.2 der Europreis abgetragen. Eine Abwertung des Dollars, 1/w steigt, verschiebt nun die Überschussnachfragekurve des Landes 2 nach unten, da jedem Dollarpreis ein geringerer Europreis entspricht. Beim bisherigen Eurogleichgewichtspreis (0E) impliziert dies ein Überschussangebot in Höhe von VU, wodurch der gleichgewichtige Europreis fällt. Ergebnis ist eine geringere Importmenge des Landes 2 bei ebenfalls gesunkenem gleichgewichtigem Europreis. Der Importwert des Landes 2, ausgedrückt in Euro, und damit die Euronachfrage am Devisenmarkt wird bei einer Abwertung des Dollars also eindeutig von 0EUD auf 0E'U'D' sinken.
252
11 Devisenmärkte
p1 E1*( p1/w ) − E1 (p1)
E E'
0
Abb. 11.2:
U
V U‘
D'
D
− E1, E1*
Veränderung des ausländischen Importwerts in Euro bei einer Abwertung des Dollars
Dieser Zusammenhang zwischen der Euronachfrage und dem Eurokurs – dem Kehrwert des Dollarkurses – ist in Abb. 11.3b abgetragen. Zur Vereinfachung ist dabei ein linearer Verlauf unterstellt. Der ebenfalls eindeutig negative Zusammenhang zwischen der Dollarnachfrage und dem Dollarkurs, der in Abb. 11.1a abgeleitet wurde, ist in Abb. 11.3a eingezeichnet. Um die Zusammenhänge der Abb. 11.3a und 11.3b in ein Devisenmarktdiagramm einzeichnen zu können, muss in einem letzten Schritt die Euronachfrage in Abhängigkeit vom Eurokurs umgerechnet werden in das entsprechende Dollarangebot in Abhängigkeit vom Dollarkurs. In Abb. 11.3b ist die Euronachfrage, die Punkt B entspricht, auf der Abszisse abgetragen, sie beträgt 0C. Um das dieser Nachfrage entsprechende Dollarangebot ablesen zu können, muss die Euronachfrage mit dem Europreis, der auf der Ordinate abgetragen ist, multipliziert werden. Das Dollarangebot entspricht also der Fläche 0ABC. Um die Umrechnung für alle Punkte der Euronachfragekurve durchführen zu können, bietet es sich an, mit dem maximalen Eurokurs zu beginnen, d. h. mit dem Kurs, bei dem die Nachfragekurve die Ordinate schneidet. Diesem maximalen Eurokurs entspricht ein minimaler Dollarkurs (wmin), der auf der Ordinate der Abb. 11.4 abgetragen ist. Betrachtet man nun kleiner werdende Eurokurse, d. h. steigende Dollarkurse, so wird das Dollarangebot zunächst zunehmen. In der Mitte der Euronachfragekurve erreicht die Fläche unter der Kurve, d. h. das Dollarangebot, sein Maximum und nimmt bei dann weiter fallenden Eurokursen ab. Erreicht der Eurokurs den Wert Null, schneidet also die Euronachfragekurve die Abszisse, so erreicht auch das Dollarangebot den Wert Null. Die Annäherung an diese Grenze erfolgt jedoch nicht kontinuierlich, da der Eurokurs den Wert Null erst bei einem unendlich hohen Dollarkurs erreicht. Daraus folgt, dass sich die Dollarangebotskurve der Ordinate asymptotisch annähern muss. Die aus der Euronachfrage der Ausländer abgeleitete Dollarangebotskurve in Abhängigkeit vom Wechselkurs ist in Abb. 11.4 zusammen mit der Dollarnachfragekurve eingezeichnet, um den gleichgewichtigen Wechselkurs zu bestimmen. Existiert die Dollarnachfragekurve N0$, so ergibt sich das stabile Devisenmarktgleichgewicht G0. Angebot- und Nachfragekurve haben einen normalen Verlauf. Verschiebt sich dagegen die Dollarnachfrage nach rechts, etwa zu N1$, so können sich drei Schnittpunkte zwischen den beiden Kurven ergeben. Nicht bei allen Gleichgewichtspunkten handelt es sich jedoch um ein stabiles Gleichgewicht.
11.2 Determinanten von Devisenangebot und -nachfrage
253
1
w
w
1max w
B
A
O
O C
$ -Nachfrage
Abb. 11.3a Abb. 11.3: w
€-Nachfrage
Abb. 11.3b
Dollarnachfrage in Abhängigkeit vom Dollarkurs und Euronachfrage in Abhängigkeit vom Eurokurs
A$ G3
ÜN G2 ÜA
G1 ÜN
G0 wmin N0$ O
Abb. 11.4:
N1$ $ -Angebot $ -Nachfrage
Devisenmarktgleichgewichte
Unter einem stabilen Marktgleichgewicht versteht man eine Situation, in der eine Überschussnachfrage (ein Überschussangebot) durch den dadurch induzierten Preisanstieg (Preisrückgang) abgebaut werden kann. Dies ist offensichtlich in den Gleichgewichten G1 und G3 der Fall. In einem engeren Bereich unterhalb dieser Gleichgewichtspunkte besteht eine Überschussnachfrage nach Dollar. Der Preis des Dollars, d. h. der Wechselkurs, wird dadurch
254
11 Devisenmärkte
steigen. Bei einem Anstieg des Wechselkurses gelangt man aber zum Gleichgewicht. Im engen Bereich oberhalb der Gleichgewichte G1 und G3 gilt das Analoge für ein Überschussangebot an Dollar. Das Überschussangebot löst einen Preisrückgang, in diesem Fall also einen Wechselkursrückgang aus, das Überschussangebot wird dadurch beseitigt und man gelangt in den Gleichgewichtspunkt G1 bzw. G3. Anders verhält es sich jedoch mit dem Gleichgewichtspunkt G2. In einem engeren Bereich unterhalb dieses Gleichgewichts besteht ein Überschussangebot an Dollar. Durch den damit induzierten Wechselkursrückgang bewegt man sich jedoch vom Gleichgewicht weiter weg. Gleiches gilt oberhalb von G2, wo der Wechselkurs steigt. Es handelt sich bei G2 also um ein instabiles Gleichgewicht. Der Grund liegt darin, dass die anormal verlaufende Kurve, in diesem Fall also die Dollarangebotskurve, in G2 eine absolut größere Preiselastizität aufweist, also flacher verläuft als die normal verlaufende Nachfragekurve. Dadurch führt eine „normale“ Preisreaktion zu einer „anormalen“ Mengenreaktion auf dem betrachteten Markt. Stabilität eines Devisenmarktgleichgewichts und Normalreaktion der Leistungsbilanz Es soll nun geprüft werden, ob zwischen der in Kapitel 2 diskutierten Normalreaktion der Leistungsbilanz aufgrund einer Wechselkursänderung und der Stabilität eines Devisenmarktgleichgewichts, bei dem Devisenangebot und Devisennachfrage allein aus Außenhandelsgeschäften stammen, ein Zusammenhang besteht. Eine Normalreaktion der Leistungsbilanz ist als Verbesserung in Folge einer Abwertung und als Verschlechterung in Folge einer Aufwertung der Währung des betrachteten Landes definiert (dLB/dw > 0). Bezeichnet E$ die Überschussnachfrage nach Dollar, d. h. die Differenz zwischen Dollarnachfrage und Dollarangebot, so gilt als Bedingung für ein wie oben definiertes stabiles Devisenmarktgleichgewicht:
dE $ 0) eine Überschussnachfrage nach Dollar durch einen Wechselkursanstieg immer abgebaut wird (dE$/dw < 0). Eine Normalreaktion der Leistungsbilanz impliziert also ein stabiles Devisenmarktgleichgewicht, Instabilität auf dem Devisenmarkt heißt auf der anderen Seite nichts anderes als eine anormal reagierende Leistungsbilanz als Folge einer Wechselkursänderung. w
w0
ÜN nach $
Abb. 11.5:
O
ÜA an $
Nettodollarangebot und -nachfrage aus Außenhandelsgeschäften
Unterstellt man im Folgenden Normalreaktion der Leistungsbilanz und beschränkt sich zur Vereinfachung auf das Devisenmarktgleichgewicht G0 in Abb. 11.4, so kann man dieses Gleichgewicht auch durch die explizite Berücksichtigung von Überschussnachfrage und Überschussangebot an Dollar in einer Nettotransaktionskurve darstellen. In Abb. 11.5 ist der Wechselkurs auf der Ordinate abgetragen, auf der rechten Abszisse steht das Überschussan-
256
11 Devisenmärkte
gebot an Dollar (Nettodollarangebot), auf der linken Seite die Überschussnachfrage (Nettodollarnachfrage). w0 kennzeichnet den gleichgewichtigen Wechselkurs, bei dem die Überschussnachfrage gleich Null ist. Bei höheren Werten des Dollarkurses herrscht ein Überschussangebot an Dollar oder ein entsprechender Leistungsbilanzüberschuss, bei niedrigeren Werten als w0 entsprechend eine Überschussnachfrage nach Dollar bzw. ein Leistungsbilanzdefizit. Die Nettotransaktionskurve verläuft umso flacher, je preiselastischer (wechselkurselastischer) die Devisenangebots- und die Devisennachfragekurve ist. Devisenangebot und -nachfrage von Außenhändlern am Terminmarkt Die bisherigen Aussagen über Devisenangebot und Devisennachfrage aus Außenhandelsgeschäften und die sich daraus ergebenden Devisenmarktgleichgewichte bezogen sich auf den Devisenkassamarkt. Grundsätzlich können Außenhändler aber auch auf den Devisenterminmärkten aktiv werden, wenn sich für sie ein Wechselkursrisiko dadurch ergibt, dass der Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses und der Zahlungstermin auseinander fallen. Dabei gelten im Prinzip die gleichen Zusammenhänge wie am Kassamarkt. Normalreaktion unterstellt, wird mit steigendem Wechselkurs am Terminmarkt das Devisenangebot aus kursgesicherten Exportgeschäften zunehmen. Analoges gilt für den Importmarkt. Auch hier können der Abschluss eines Importgeschäfts und die Bezahlung zeitlich auseinander fallen, so dass als Grundlage des Importgeschäfts der Terminkurs benutzt wird. Die Devisennachfrage aus Importen wird also bei steigendem Terminwechselkurs abnehmen. Die graphische Darstellung dieses Zusammenhangs unterscheidet sich grundsätzlich nicht von der des Kassamarktes, so dass die in Abb. 11.5 dargestellten Zusammenhänge sowohl für den Kassa- als auch für den Terminmarkt Gültigkeit besitzen. Ein Außenhändler kann prinzipiell auch auf eine Kursabsicherung seines Geschäftes verzichten, etwa wenn er zum Fälligkeitstermin seiner Dollarforderungen den gleichen oder einen höheren Kassakurs erwartet als heute oder wenn der von ihm erwartete Kassakurs höher ist als der heutige Terminkurs für diesen Zeitpunkt. Er geht in diesem Fall eine offene Position ein. Ein solches Verhalten lässt sich theoretisch als Kombination aus einer Kurssicherung am Terminmarkt und einer Terminmarktspekulation darstellen. Wenn der Exporteur zu einem Zeitpunkt t einen bestimmten Dollarbetrag erwartet, so verkauft er bei Kursabsicherung diese Dollar bereits heute per Termin Zeitpunkt t. Als Spekulant, der zum Zeitpunkt t einen Kassakurs erwartet, der über dem Terminkurs für diesen Zeitpunkt liegt, wird er heute auf dem Terminmarkt Dollar kaufen und diese zum Zeitpunkt t am Kassamarkt verkaufen. Die beiden Aktionen am Terminmarkt heben sich dabei jedoch auf, so dass als Ergebnis die offene Position des Händlers bzw. der Verkauf der erwarteten Dollar am Kassamarkt im Zeitpunkt t verbleibt. Um die einzelnen Gruppen von Devisenmarktteilnehmern klar trennen zu können, würde die offene Position eines Außenhändlers in der dargestellten Form getrennt. Als kursgesichertes Außenhandelsgeschäft zählt er zur Gruppe der Außenhändler, in der Ergänzung, der Terminmarktspekulation, wird er zur Gruppe der Terminmarktspekulanten gezählt.
11.2.2
Devisenangebot und -nachfrage aus Spekulationsgeschäften
Als Devisenmarktspekulation bezeichnet man den Kauf oder Verkauf von Devisen in der Absicht, durch eine in der Zukunft liegende entgegengerichtete Transaktion Gewinne zu erzielen. Spekulationsgeschäfte sind zwar grundsätzlich sowohl auf dem Kassa- als auch auf dem Terminmarkt möglich, üblich ist jedoch die Terminmarktspekulation, weil man bis zur
11.2 Determinanten von Devisenangebot und -nachfrage
257
Erfüllung des Geschäfts im Prinzip keine Zahlungen leisten muss. Grundlage einer Devisenmarktspekulation ist, wie oben bereits diskutiert, der erwartete Kassakurs. Bei der Erwartungsbildung über zukünftige Wechselkurse gehen zahlreiche ökonomische wie auch nicht-ökonomische Informationen ein, die sich in der Regel – zumindest teilweise – widersprechen dürften, so dass mehrere zukünftige Wechselkursniveaus möglich erscheinen. Zur Fixierung einer bestimmten Erwartung bedarf es daher einer Gewichtung der alternativ erwarteten Ereignisse mit subjektiven Wahrscheinlichkeiten. Der erwartete Wechselkurs ist dann der Mittelwert der mit den subjektiven Wahrscheinlichkeiten gewichteten möglichen Kurse, die dabei auftretende Standardabweichung stellt ein Maß für das mit dem Spekulationsgeschäft verbundene Risiko dar. Kassamarktspekulation Bei einer Kassamarktspekulation kauft der Spekulant im Falle eines erwarteten Anstiegs des Wechselkurses Devisen. Er wartet, bis sich seine Erwartung erfüllt hat und verkauft die Devisen dann wieder am Kassamarkt. Dabei muss der Spekulant aber sofort eigene Mittel einsetzen und bis zur Erfüllung seiner Erwartung ausländische Währung halten. Er wird diese deshalb verzinslich anlegen, weshalb er neben der Wechselkurserwartung auch die Differenz zwischen in- und ausländischem Zinssatz bei seinem Verhalten berücksichtigen wird. Eine solche Strategie hat aber große Ähnlichkeit mit einem Zinsarbitragegeschäft, das im nächsten Abschnitt diskutiert werden wird. Terminmarktspekulation Bei einer Terminmarktspekulation vergleicht der Spekulant den für einen bestimmten Zeitpunkt t erwarteten Kassakurs mit dem heute für den Zeitpunkt t notierten Terminkurs. Ist der erwartete Kassakurs höher als der Terminkurs, so lohnt es sich, am Terminmarkt Devisen zu kaufen und diese bei Erfüllung des Terminkontrakts im Zeitpunkt t wieder zu verkaufen. Auch bei einem erwarteten Kassakurs, der unter dem heutigen Terminkurs liegt, kann ein Geschäft abgeschlossen werden. Der Spekulant verkauft in diesem Fall auf dem Terminmarkt Devisen. Erst im Zeitpunkt der Erfüllung dieses Geschäfts müssen die Devisen geliefert werden, d. h. im Gegensatz zur Kassamarktspekulation können am Terminmarkt Devisen verkauft werden, ohne diese überhaupt zu besitzen. War die Erwartung korrekt, so kann der Spekulant im Zeitpunkt t die Devisen, die er bringen muss, am Kassamarkt günstiger kaufen, als er sie zum früheren Zeitpunkt bereits verkauft hat. Der Spekulant benötigt bei einer Terminmarktspekulation also nur dann Liquidität, wenn seine Erwartung falsch war, da er dann einen Verlust erleidet. Unterstellt man Risikoaversion der Spekulanten, so wird sich das Ausmaß des Risikos im Volumen des getätigten Geschäfts widerspiegeln bzw. der Umfang der Spekulation wird nur mit steigender Risikoprämie zunehmen. Das Ausmaß des Devisenmarktengagements ist also positiv von der Differenz zwischen dem heutigen Terminkurs und dem erwarteten zukünftigen Kassakurs abhängig. Die Höhe der für ein bestimmtes Engagement geforderten Risikoprämie ist von verschiedenen Faktoren abhängig, etwa von der bisherigen Volatilität des betreffenden Wechselkurses, der Bonität der beteiligten Länder, aber auch vom herrschenden Wechselkurssystem. Da der erwartete Kassakurs von den subjektiven Erwartungen der einzelnen Spekulanten abhängig ist, wird sich in der Regel das Ausmaß der Terminmarktspekulation bei jedem gegebenen
258
11 Devisenmärkte
Terminkurs zwischen den einzelnen Spekulanten unterscheiden. Man kann jedoch die Zusammenhänge am Devisenterminmarkt ähnlich denen der Außenhändler durch Aggregation über alle Spekulanten in Form einer Nettotransaktionskurve darstellen. In Abb. 11.6 sind auf der Ordinate der Terminwechselkurs sowie der für den gleichen Zeitpunkt erwartete Kassakurs abgetragen. Auf der rechten Abszisse steht das Überschussangebot an Termindevisen, auf der linken Abszisse die Überschussnachfrage. Entspricht der im Durchschnitt aller Spekulanten für die Zukunft erwartete Kassakurs (wKe) genau dem heutigen Terminwechselkurs für diesen Zeitpunkt, so findet über den Durchschnitt aller Spekulanten kein Nettodevisenmarktengagement dieser Gruppe von Marktteilnehmern statt. Bei höheren Terminkursen existiert eine Differenz zwischen erwartetem Kassakurs und Terminkurs und es werden Devisen am Terminmarkt verkauft. Es entsteht ein Überschussangebot, das mit steigender Differenz zum erwarteten Kassakurs zunimmt. Bei niedrigeren Terminkursen handelt es sich analog um eine Überschussnachfrage. Werden die abgeschlossenen Terminkontrakte fällig, so entsteht auf dem zukünftigen Kassamarkt in diesem Ausmaß ein dem Terminkontrakt entgegen gerichtetes Geschäft, das unabhängig vom dann herrschenden Kassakurs ist. Hat etwa ein Spekulant per Termin 30 Tage Devisen verkauft, so muss er, um seinen vertraglichen Verpflichtungen nachkommen zu können, in 30 Tagen am Kassamarkt diese Devisen kaufen, unabhängig von dem dann herrschenden Kassakurs. Dies müsste man zu den sonstigen Kassageschäften addieren. Davon unabhängig besteht bei einer Kassamarktspekulation ein zu Abb. 11.6 analoger Zusammenhang, so dass diese Abbildung auch für den Kassamarkt Gültigkeit besitzt. wT
wKe
ÜN nach $
Abb. 11.6:
11.2.3
ÜA an $
Nettodollarangebot und -nachfrage aus Spekulationsgeschäften
Devisenangebot und -nachfrage aus kursgesicherten internationalen Anlagegeschäften
Wird zur Ausnutzung internationaler Renditedifferenzen für eine kurze Frist Kapital in einem anderen Land angelegt oder ausgeliehen und das dabei auftretende Wechselkursrisiko am Terminmarkt abgesichert, so spricht man von einem Zinsarbitragegeschäft, da ein solches Verhalten zu einer Angleichung zwischen in- und ausländischen Erträgen führt. Eine Zinsarbitrage beinhal-
11.2 Determinanten von Devisenangebot und -nachfrage
259
tet stets eine gleichzeitige, aber entgegengesetzte Transaktion auf dem Devisenkassa- und dem Devisenterminmarkt. Im Falle eines Inländers, der eine kursgesicherte Anlage im Ausland tätigt, ergibt sich am Kassamarkt eine Devisennachfrage, gleichzeitig wird am Terminmarkt das angelegte Kapital – zuzüglich der Zinserträge – wieder in Inlandswährung zurückgetauscht. Legt ein Ausländer Kapital im Inland an, so bietet er am Kassamarkt seine Währung an und fragt sie gleichzeitig am Terminmarkt wieder nach. Da sich der Kassa- und der Terminkurs in der Regel unterscheiden, muss ein Zinsarbitrageur bei seiner Anlageentscheidung neben den internationalen Zinsdifferenzen auch den Swapsatz berücksichtigen. Im Folgenden soll das konkrete Entscheidungskalkül eines inländischen Zinsarbitrageurs dargestellt werden Der Anlagebetrag des Zinsarbitrageurs, ausgedrückt in Euro, sei N. i ist der inländische, i* der ausländische Zinssatz. Zur Vereinfachung sei angenommen, die Zinssätze beziehen sich auf den Anlagezeitraum, im Beispiel auf einen Monat. wK ist der Kassakurs, wT der heutige Terminkurs für ein 30-Tage-Geschäft. Zur Vereinfachung wird auf die Absicherung des Zinsertrags am Terminmarkt verzichtet, d. h. nur der heute in Dollar umgetauschte Eurobetrag wird am Terminmarkt wieder verkauft. Diese Vernachlässigung fällt umso weniger ins Gewicht, je kurzfristiger der Anlagezeitraum und je niedriger der Auslandszinssatz ist. Bei einer Anlage im Inland beträgt der Erlös (Er): Er = N + iN (11.11) Bei einer Auslandsanlage mit Absicherung des Anlagebetrages wird N zunächst durch Division mit dem Dollarkassakurs in Dollar ausgedrückt und anschließend durch Multiplikation mit dem Dollarterminkurs wieder in Euro umgerechnet: N wT + i ∗ N Er ∗ = wK (11.12) Der Nettoerlös (Ern), definiert als Differenz zwischen dem Erlös einer Auslandsanlage und dem Erlös einer Anlage im Inland, beträgt: ⎞ ⎞ ⎛w ⎛w Er n = N ⎜⎜ T + i ∗ ⎟⎟ − N (1 + i ) N ⎜⎜ T + i ∗ − 1 − i ⎟⎟ w ⎠ ⎠ ⎝ wK = ⎝ K
(11.13)
Ersetzt man die 1 in der rechten Klammer durch den Ausdruck wK/wK, so folgt: ⎛ w − wK Er n = N ⎜⎜ i ∗ − i + T wK ⎝
⎞ ⎟⎟ ⎠
(11.14)
Der letzte Ausdruck in der Klammer von (11.14) entspricht dabei dem bereits bekannten Swapsatz (s). Der Nettoerlös einer Auslandsanlage ist also positiv (negativ), wenn die internationale Zinsdifferenz größer (kleiner) ist als der Swapsatz. Eine Anlage im Inland und Ausland erbringt den gleichen Erlös, d. h. der Nettoerlös ist Null, wenn sich die internationale Zinsdifferenz und der Swapsatz zu Null addieren. Im Einzelnen gilt:
i∗ − i + s > 0 ⇒ Er n > 0,
d. h. Auslandsanlage rentabler
i∗ − i + s < 0 ⇒ Er n < 0,
d. h. Inlandsanlage rentabler
∗
n
i − i + s = 0 ⇒ Er = 0,
d. h. Inlands- und Auslandsanlage gleich rentabel
260
11 Devisenmärkte
Man sieht aus (11.14), dass eine Auslandsanlage auch dann unrentabler sein kann als die Anlage im Inland, wenn der Auslandszins größer ist als der Inlandszins. Dies ist dann der Fall, wenn der Swapsatz negativ und absolut größer ist als die Zinsdifferenz. Ein negativer Swapsatz drückt in der Regel eine erwartete Abwertung der Auslandswährung aus, die sich durch das Verhalten der Spekulanten im Terminkurs widerspiegelt, und induziert für die Anleger im Rahmen des Kurssicherungsgeschäfts einen Umtauschverlust. Bei gegebenen Zinssätzen kann man die Höhe des Swapsatzes bestimmen, bei dem eine Inlands- und eine Auslandsanlage den gleichen Ertrag erbringen. Diesen Swapsatz nennt man den „kritischen Swapsatz“, sk. Aus (11.14) sieht man, dass er der Differenz zwischen Inund Auslandszins entsprechen muss.
Er n = 0 wenn s k = i − i ∗ bzw. i = i ∗ + s k
(11.15)
Ist der tatsächliche Swapsatz größer als sk, so ist eine Auslandsanlage lohnend, es wird Kapital exportiert. Ist der tatsächliche Swapsatz kleiner als der kritische Wert, so besteht ein Vorteil für die Inlandsanlage, es findet ein Kapitalimport statt. Der kursgesicherte Kapitalexport eines Zinsarbitrageurs impliziert eine Devisennachfrage am Kassamarkt und ein gleichzeitiges gleich großes (bei Vernachlässigung der Absicherung des Zinsertrags) Devisenangebot am Terminmarkt. Beim Kapitalimport seitens ausländischer Zinsarbitrageure findet das Devisenangebot am Kassamarkt, die Devisennachfrage am Terminmarkt statt. Durch das Engagement der Zinsarbitrageure wird bei Vernachlässigung sonstiger, eventuell existierender Risikoparameter eine bestehende Ertragsdifferenz zwischen einer in- und einer ausländischen Anlage verschwinden. Ist etwa eine Auslandsanlage lohnend, weil der Swapsatz größer ist als sein „kritischer“ Wert, so führt das zunehmende Kapitalangebot im Ausland dort zu einem tendenziell sinkenden Zinsniveau, die Kapitalabflüsse im Inland hier zu einem tendenziell steigenden Zinsniveau. Diese Anpassung erfolgt solange, bis für die Zinsarbitrageure der Zustand der Indifferenz zwischen einer inländischen und einer ausländischen Anlage erfüllt ist, d. h. bis der tatsächliche Swapsatz der internationalen Zinsdifferenz entspricht. Man spricht dann vom Vorliegen der gesicherten Zinsparität. i = i∗ +
wT − w K wK
(11.16)
Berücksichtigt man, dass sich durch die Terminspekulation der Terminkurs stets dem von den Spekulanten im Durchschnitt erwarteten zukünftigen Kassakurs annähert, so kann man in (11.16) den Terminkurs durch den erwarteten Kassakurs ersetzen, dies ist die ungesicherte Zinsparität. i = i∗ +
w Ke − w K wK
(11.17)
Stellt man den Zusammenhang zwischen den gewünschten Nettokapitalexporten und -importen einerseits und dem Swapsatz andererseits bei gegebener internationaler Zinsdifferenz graphisch dar, so ergibt sich in Abb. 11.7 eine Arbitragewunschkurve (AWK). Auf der Ordinate ist der (positive oder negative) Swapsatz abgetragen, auf der rechten Abszisse sind die kursgesicherten Nettokapitalexporte aller Zinsarbitrageure, auf der linken Abszisse die kursgesicherten Nettokapitalimporte dargestellt. Der kritische Swapsatz entspricht dem tatsächlichen Swapsatz in dem Punkt, in dem die Arbitragewunschkurve die Ordinate schneidet.
11.2 Determinanten von Devisenangebot und -nachfrage
261
Bei AWK0 in Abb. 11.7 ist ein positiver kritischer Swapsatz (sk0) unterstellt. Die Zinsarbitrageure sind in diesem Punkt indifferent, es finden weder ein Nettokapitalex- noch ein Nettokapitalimport statt. Liegt der tatsächliche Swapsatz über (unter) dem kritischen Wert, so lohnt sich die Kapitalanlage im Ausland (Inland), es wird Kapital exportiert (importiert). Unterstellt man den realistischen Fall einer nicht unendlich großen Elastizität der Nettokapitalbewegungen bezüglich des Swapsatzes bzw. der Zinsdifferenz, d. h. nimmt das Ausmaß der Kapitalbewegungen nur bei zunehmend steigender Differenz zwischen tatsächlichem Swapsatz und internationaler Zinsdifferenz zu, so ergibt sich die Darstellung in Abb. 11.7, der Kapitalexport (Kapitalimport) nimmt mit steigendem (sinkendem) Swapsatz zu. Ursache hierfür können u. a. Informationsdefizite oder Liquiditäts- und Risikoüberlegungen, die sich von Zielland zu Zielland unterscheiden, sein. Wäre die Elastizität der Kapitalex- und -importe seitens der Zinsarbitrageure in Bezug auf den Swapsatz unendlich groß, d. h. würde das Risiko einer Auslandsanlage als nicht existent angesehen, so entspräche die Arbitragewunschkurve einer Waagrechten in Höhe des „kritischen“ Swapsatzes. Bei nur marginal höheren oder geringeren Sätzen würde sofort das gesamte verfügbare Kapital ex- oder importiert. In der Realität kann ein Zinsarbitragegeschäft auch ohne Kurssicherung erfolgen. Der Anleger würde im Rahmen seiner Entscheidungsfindung statt des bekannten Terminkurses den von ihm für die Zukunft erwarteten Kassakurs berücksichtigen. Dabei handelt es sich jedoch um eine Kombination aus einer kursgesicherten Zinsarbitrage und einem Spekulationsgeschäft, was hier getrennt zu berücksichtigen wäre. s AWK0 i0 − i0* = sk0
Nettokapitalimporte (NKM)
O
Nettokapitalexporte (NKX) AWK1
i0 − i1* = sk1
−s Abb. 11.7:
Arbitragewunschkurve
Die Lage der Arbitragewunschkurve ist vom Ausmaß der internationalen Zinsdifferenz und damit von der Höhe des kritischen Swapsatzes abhängig. Steigt etwa bei gegebenem Inlandszins der ausländische Zinssatz, so sinkt der kritische Swapsatz, und die Arbitragewunschkurve verschiebt sich nach unten. Bei jedem Swapsatz wird dann c. p. netto mehr Kapital exportiert (weniger netto importiert). Steigt der ausländische Zinssatz so stark, dass er den inländischen Satz übersteigt, so impliziert dies einen negativen kritischen Swapsatz, und es ergibt sich die in Abb. 11.7 als Fall 1 eingezeichnete Arbitragewunschkurve.
262
11 Devisenmärkte
Jedem Nettokapitalexport seitens der Zinsarbitrageure entspricht eine Nachfrage auf dem Devisenkassamarkt und gleichzeitig in gleicher Höhe ein Angebot auf dem Devisenterminmarkt. Bei einem Nettokapitalimport bestehen ein Devisenangebot auf dem Kassamarkt und eine Nachfrage auf dem Terminmarkt. Gleichgewicht auf den Devisenmärkten wäre gegeben, wenn von den anderen Marktteilnehmern, also den Außenhändlern und Spekulanten, in gleicher Höhe eine Gegenposition existiert. Im Falle eines Nettokapitalexports seitens der Zinsarbitrageure in Höhe von 5 Mill. Dollar müssten auf dem Kassamarkt von Außenhändlern und Spekulanten netto diese 5 Mill. Dollar angeboten werden und gleichzeitig müssten sie auf dem Terminmarkt netto Dollar in Höhe von 5 Mill. nachfragen. Da Angebot und Nachfrage auf dem Devisenkassa- und dem Devisenterminmarkt von der Höhe des Kassa- bzw. Terminwechselkurses abhängig sind, muss es also eine gleichgewichtige, d. h. Markträumende Konstellation von Kassa- und Terminkurs geben.
11.3
Gleichgewichtiger Zusammenhang zwischen Kassaund Terminmärkten
11.3.1
Die Arbitragewunschkurve
Zinsarbitragegeschäfte sind vom Swapsatz und damit gleichzeitig vom Kassa- und vom Terminkurs abhängig. Damit besteht eine enge wechselseitige Abhängigkeit der Kursbildung auf diesen beiden Märkten. Da die Nettotransaktionskurven von Außenhändlern und Spekulanten die jeweils gleiche Abhängigkeit vom Kassa- bzw. vom Terminmarkt aufweisen, werden diese beiden Gruppen in der folgenden Darstellung zusammengefasst. Gesucht ist ein gleichgewichtiges Verhältnis von Kassa- und Terminkurs, bei dem einer Kassanachfrage durch die Zinsarbitrageure ein entsprechendes Angebot von Außenhändlern und Spekulanten gegenübersteht und bei dem gleichzeitig auf dem Terminmarkt dem Angebot der Zinsarbitrageure eine Nachfrage der anderen beiden Gruppen entspricht: Gesucht ist also die Kombination von Kassa- und Terminkurs, bei der die Entscheidungen aller drei am Devisenmarkt agierenden Gruppen miteinander vereinbar sind. Im unteren Teil von Abb. 11.8 ist die bekannte Arbitragewunschkurve dargestellt, wobei ein positiver kritischer Swapsatz unterstellt wird. In den beiden oberen Teilen von Abb. 11.8 sind die kumulierten Nettotransaktionskurven von Außenhändlern und Spekulanten für den Kassa- und den Terminmarkt eingezeichnet. Da bei der Arbitragewunschkurve auf der rechten Abszisse kursgesicherte Kapitalexporte abgetragen werden, die einer Kassamarktnachfrage und einem Terminmarktangebot entsprechen, sind die kumulierten Nettotransaktionskurven der übrigen Marktteilnehmer so eingezeichnet, dass auf der rechten Abszisse das Überschussangebot auf dem Kassamarkt und die Überschussnachfrage auf dem Terminmarkt abgetragen sind. Wegen der unterschiedlichen Achsenbezeichnung auf Kassa- und Terminmarkt verlaufen die Nettotransaktionskurven in umgekehrter Richtung, obwohl der gleiche funktionale Zusammenhang besteht. Eine Senkrechte, die durch alle drei Abbildungen verläuft, kennzeichnet also eine gleichgewichtige Situation, da sich sowohl auf dem Kassa- wie auf dem Terminmarkt Angebot und Nachfrage der drei Gruppen entsprechen. Analoges gilt für die linken Abszissen, auf denen ein kursgesicherter Kapitalimport seitens der Zinsarbitrageure abgetragen ist, was ein Devisenangebot auf dem Kassa- und eine Devisennachfrage auf dem Terminmarkt impliziert. Deshalb sind senkrecht über dieser Achse das
11.3 Gleichgewichtiger Zusammenhang zwischen Kassa- und Terminmärkten
263
Überschussangebot von Außenhändlern und Spekulanten auf dem Terminmarkt und ihre Überschussnachfrage auf dem Kassamarkt abgetragen. Auch hier würde eine Senkrechte die Identität von Angebot und Nachfrage auf Kassa- und Terminmarkt implizieren. Auch in den Ordinatenschnittpunkten herrscht Gleichgewicht auf den Devisenmärkten. Die Zinsarbitrageure haben keinen Anlass für Kapitalex- oder -importe und auch bei den anderen beiden Gruppen gleichen sich Devisenangebot und -nachfrage auf beiden Märkten aus. Es stellt sich jetzt allerdings die Frage, welche Gleichgewichte, d. h. Punkte, die senkrecht übereinander liegen, überhaupt möglich sind, da in den ersten beiden Kurven durch eine bestimmte Überschussnachfrage oder ein Überschussangebot ein konkreter Kassa- und ein konkreter Terminkurs festgelegt sind. Damit ist aber auch der Swapsatz determiniert, so dass man aus der Kombination von Kassa- und Terminkurs von Außenhändlern und Spekulanten eine ganz bestimmte Arbitragemöglichkeit für die Zinsarbitrageure ableiten kann. Dies soll anhand von Zahlenbeispielen verdeutlicht werden. wK 0,9 0,8 0,75 0,7
B
C O
ÜN
A
ÜA
A
ÜN
wT 1,05 0,95 0,9 0,72
B
C O
ÜA
s
AWK 0,5
E G
0,267 0,125
NKM B
C
O
A
− 0,2
D
−s
Abb. 11.8:
11.3.2
NKX
AMK
Gleichgewichtiger Zusammenhang zwischen Devisentermin- und Devisenkassamarkt
Die Arbitragemöglichkeitskurve
Kursgesicherter Nettokapitalexport in Höhe 0A Ein kursgesicherter Nettokapitalexport der Zinsarbitrageure in Höhe von 0A, der in dieser Höhe eine Nachfrage auf dem Kassamarkt und ein Angebot auf dem Terminmarkt impliziert,
264
11 Devisenmärkte
erfordert zur Wahrung der Devisenmarktgleichgewichte in gleicher Höhe ein Überschussangebot auf dem Kassamarkt und eine Überschussnachfrage auf dem Terminmarkt seitens der anderen Marktteilnehmer. Aufgrund der Verhaltensfunktionen von Spekulanten und Außenhändlern ist dies bei einem Kassadollarkurs von 0,9 Euro und einem Termindollarkurs von 0,72 Euro erreicht. Diese beiden Kurse entsprechen aber einem Swapsatz von −0,2. Nur bei diesem Satz ist unter Berücksichtigung der Entscheidungen von Außenhändlern und Spekulanten ein kursgesicherter Kapitalexport seitens der Zinsarbitrageure möglich. Das Verhalten von Außenhändlern und Spekulanten ist jedoch im hier gewählten Beispiel nicht mit dem der Zinsarbitrageure vereinbar, da der einem Kapitalexport in Höhe von 0A entsprechende Swapsatz von −0,2 nicht auf der Arbitragewunschkurve liegt. Die Kombination aus s = −0,2 und einem Kapitalexport von 0A stellt deshalb einen Punkt (D) auf der Arbitragemöglichkeitskurve dar Kursgesicherte Nettokapitalimporte in Höhe 0B Nettokapitalimporte der Zinsarbitrageure im Ausmaß 0B erfordern in gleicher Höhe eine Überschussnachfrage auf dem Kassamarkt und ein Überschussangebot auf dem Terminmarkt seitens der anderen Marktteilnehmer, was bei Dollarkursen von 0,70 Euro (Kassamarkt) und 1,05 Euro (Terminmarkt) realisierbar ist. Dies entspricht einem Swapsatz von 0,5, d. h. auch Punkt E (Kombination von s = 0,5 und Kapitalimporten von 0B) ist ein Punkt auf der Arbitragemöglichkeitskurve, der jedoch wiederum nicht auf der Arbitragewunschkurve liegt, d. h. nicht mit dem Kalkül der Zinsarbitrageure vereinbar ist. Bestimmt man in gleicher Weise weitere Kombinationen von Swapsatz, Kassa- und Terminkurs, so erhält man die Arbitragemöglichkeitskurve, die sich aus den Verhaltensfunktionen von Spekulanten und Außenhändlern auf Kassa- und Terminmarkt ableitet. Der Schnittpunkt der Arbitragemöglichkeitskurve mit der Ordinate liegt im hier gewählten Beispiel bei einem Swapsatz von 0,125. Dieser ergibt sich aus den Ordinatenschnittpunkten der Nettotransaktionskurven von Außenhändlern und Spekulanten bei einem Kassadollarkurs von 0,80 Euro und einem Termin-Dollarkurs von 0,90 Euro.
11.3.3
Gleichzeitiges Kassa- und Terminmarktgleichgewicht
Es ist offensichtlich, dass das Verhalten aller Marktteilnehmer nur bei einer bestimmten Kombination von Kassa- und Terminkurs und damit bei einem bestimmten Swapsatz miteinander vereinbar ist. Dieser gleichgewichtige Swapsatz ergibt sich durch den Schnittpunkt von Arbitragewunsch- und Arbitragemöglichkeitskurve in G, er beträgt im gewählten Beispiel 0,267. In diesem Arbitragegleichgewicht wird seitens der Zinsarbitrageure netto Kapital im Ausmaß 0C importiert, d. h. in dieser Höhe bieten sie am Kassamarkt Devisen an und fragen am Terminmarkt Devisen nach. Gleichgewicht auf diesen beiden Märkten wird dadurch sichergestellt, dass Außenhändler und Spekulanten in gleichem Ausmaß am Kassamarkt Devisen nachfragen, was bei einem Kassadollarkurs von 0,75 Euro der Fall ist. Am Terminmarkt besteht ein Überschussangebot von Außenhändlern und Spekulanten in Höhe von 0 C, der dazugehörige Termindollarkurs beträgt 0,95 Euro. Es ist ersichtlich, dass ein Terminkurs von 0,95 Euro und der Kassakurs von 0,75 Euro dem gleichgewichtigen Swapsatz von 0,267 entsprechen. In Punkt G ist, wie beschrieben, das Verhalten aller Teilnehmer auf den Devisenmärkten kompatibel, und es herrscht Identität zwischen Angebot und Nachfrage auf beiden betrachteten Märkten. Dennoch kann dieser Zustand nicht als ein langfristiges Gleichgewicht be-
11.3 Gleichgewichtiger Zusammenhang zwischen Kassa- und Terminmärkten
265
zeichnet werden, da noch ein Nettokapitalimport existiert. Solange dies der Fall ist, ist offensichtlich noch keine Zinsparität erfüllt. Ein langfristiges Gleichgewicht mit Erfüllung der Zinsparität wäre nur dann erreicht, wenn sich Arbitragewunsch- und Arbitragemöglichkeitskurve auf der Ordinate schneiden. Dies kann etwa durch eine Änderung der internationalen Zinsdifferenz erreicht werden. Da im bisherigen Schnittpunkt der beiden Kurven ein Kapitaltransfer vom Ausland ins Inland stattfindet, wird sich der Inlandszins tendenziell verringern, der Auslandszins wegen der Kapitalverknappung dagegen tendenziell erhöhen. Der kritische Swapsatz, der ja der Differenz zwischen Inlands- und Auslandszins entspricht, wird damit sinken, die Arbitragewunschkurve verschiebt sich nach unten. Dieser Zinsanpassungsprozess wird solange erfolgen, bis sich ein Gleichgewicht auf den Devisenmärkten bei gleichzeitiger Erfüllung der Zinsparität einstellt, d. h. bis sich Arbitragewunsch- und Arbitragemöglichkeitskurve auf der Ordinate schneiden. Im unterstellten Zahlenbeispiel wäre dies beim Swapsatz von 0,125 der Fall, der Kassadollarkurs beträgt dann 0,80 Euro, der Termindollarkurs hat einen Wert von 0,90 Euro.
11.3.4
Veränderungen des Gleichgewichts
Das hier abgeleitete Gleichgewicht ist von einer Vielzahl äußerer Einflüsse abhängig. Alle Bestimmungsfaktoren von Außenhandelsströmen, alle Einflüsse der Erwartungsbildung von Spekulanten, aber auch alle Determinanten der nationalen Zinsniveaus haben Einfluss auf die für das Gleichgewicht relevanten Kurven. Änderung der Wechselkurserwartung: Steigt etwa der von den Spekulanten für die Zukunft erwartete Wechselkurs, so werden c. p. Termindevisen gekauft, da mit einem höheren Gewinn gerechnet wird. Die Nettotransaktionskurve auf dem Terminmarkt wird damit nach oben verschoben. Damit verschiebt sich aber auch die Arbitragemöglichkeitskurve nach oben, da mit einem höheren Terminkurs auch der Swapsatz steigt. Dies löst bei Erfüllung der Zinsparität im Ausgangsgleichgewicht Nettokapitalexporte aus, die auch zu einem Anstieg des Kassawechselkurses und zu einem höheren gleichgewichtigen Swapsatz führen. Nachfrageanstieg im Ausland: Steigt exogen die ausländische Nachfrage nach inländischen Gütern, so erhöht sich das Angebot ausländischer Währung am Kassamarkt, die Inlandswährung wird aufgewertet. Damit verschiebt sich die Nettotransaktionskurve der Außenhändler nach unten, was bei unveränderten Terminmarktzusammenhängen ebenfalls eine Verschiebung der Arbitragemöglichkeitskurve nach oben und damit einen höheren gleichgewichtigen Swapsatz zur Folge hat. Geldpolitik: Wird durch geldpolitische Maßnahmen der Notenbanken der Inlandszins gesenkt und/oder der Auslandszins erhöht, so verändert sich damit auch der kritische Swapsatz, er wird sinken. Mit dem Rückgang des kritischen Swapsatzes verschiebt sich die Arbitragewunschkurve nach unten. Der gleichgewichtige Swapsatz sinkt und es kommt zu Nettokapitalexporten, die Inlandswährung wird am Kassamarkt abgewertet, der Terminkurs dagegen sinkt. Eine Vielzahl weiterer Einflussfaktoren ist denkbar. Durch die hier diskutierten Zusammenhänge wurde gezeigt, aus welchen Quellen Angebot und Nachfrage auf dem Devisenkassa- und dem Devisenterminmarkt resultieren und welcher gleichgewichtige Zusammenhang zwischen dem Kassa- und dem Terminkurs existiert. Über die absolute Höhe dieser Kurse und ihrer Veränderungen in der Zeit wurde aber noch nichts ausgesagt, dies soll in Kapitel 12 geschehen.
266
11 Devisenmärkte
11.4 1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
Zusammenfassung von Kapitel 11
Der bilaterale Wechselkurs ist das Umtauschverhältnis zwischen zwei Währungen. Man unterscheidet die Preisnotierung (Preis einer ausländischen Währungseinheit, ausgedrückt in inländischen Währungseinheiten) und die Mengennotierung (Preis einer inländischen Währungseinheit, ausgedrückt in ausländischen Währungseinheiten). Auf dem Kassamarkt wird ein Währungskauf oder ein Währungsverkauf vereinbart. Dieses Geschäft muss innerhalb von 2 Arbeitstagen erfüllt werden. Der dabei geltende Preis ist der Kassawechselkurs. Wird das Währungsgeschäft (Preis und Menge) zwar heute abgeschlossen, seine Erfüllung aber für einen späteren Zeitpunkt vereinbart, so spricht man von einem Terminmarkt. Der Preis ist der Terminwechselkurs. Der Terminkurs kann über dem Kassakurs (Report) oder unter dem Kassakurs (Deport) liegen. Die prozentuale Differenz zwischen dem Termin- und dem Kassakurs (bezogen auf den Kassakurs) ist der Swapsatz. Differenzen zwischen dem Kassa- und dem Terminwechselkurs werden vor allem durch Wechselkurserwartungen begründet, da das Verhalten von Spekulanten dazu führt, dass sich der Terminkurs dem für die Zukunft erwarteten Kassakurs annähert. Devisenoptionen stellen einen Vertrag dar, der dem Inhaber des Titels das Recht – aber nicht die Verpflichtung – zum Kauf oder Verkauf eines bestimmten Devisenbetrags zu einem bestimmten Termin und zu einem vereinbarten Kurs einräumt. Währungsfutures begründen die Lieferung einer bestimmten Währungsmenge zu einem bestimmten Preis und einem bestimmten Termin. Dividiert man den Wechselkurs durch einen Preisindex inländischer Güter und multipliziert dieses Verhältnis mit einem vergleichbaren Preisindex ausländischer Güter, so erhält man den realen Wechselkurs. Der Kehrwert ist der reale Außenwert dieser Währung. Eine andere Definition des realen Wechselkurses ist das Verhältnis der Preise handel- zu nicht-handelbaren Gütern. Dieses Verhältnis drückt die relative Wettbewerbsfähigkeit der beiden Güterarten aus und ist damit eine Bestimmungsgröße für die sektorale Allokation. Bei den Devisenmarktakteuren kann man Außenhändler, Spekulanten und internationale Kapitalanleger unterscheiden. Das Devisenangebot aus Außenhandelsgeschäften entspricht dem Wert der inländischen Exporte, ausgedrückt in Auslandswährung, die Devisennachfrage entsprechend dem Wert der inländischen Importe, ausgedrückt in Auslandswährung. Bleiben sonstige Quellen von Devisenangebot und Devisennachfrage unberücksichtigt, so liegt ein stabiles (instabiles) Devisenmarktgleichgewicht immer dann vor, wenn auch die Leistungsbilanz normal (anormal) auf Wechselkursänderungen reagiert. Grundlage für ein Devisenmarktengagement von Spekulanten ist der für die Zukunft erwartete Kassawechselkurs. Ist dieser höher als der heutige Kassakurs, so wird Fremdwährung am Kassamarkt nachgefragt (Kassamarktspekulation). Ist der für die Zukunft erwartete Kassakurs höher als der heutige Terminkurs für diesen Zeitpunkt, so werden am Terminmarkt Devisen nachgefragt (Terminmarktspekulation). Ist der erwartete Kassakurs niedriger als die heutigen Kurse, so ergeben sich entsprechend Angebote auf den Märkten. Bei einem kursgesicherten internationalen Anlagegeschäft (Zinsarbitrage) wird der Inlandszins mit der Summe aus Auslandszins und Swapsatz verglichen. Ist die Auslands-
11.4 Zusammenfassung von Kapitel 11
267
anlage rentabler, so impliziert dies eine Kassanachfrage nach Devisen und gleichzeitig zur Absicherung ein Terminmarktangebot. Ist die Inlandsanlage rentabler, so folgt entsprechend ein Kassamarktangebot verbunden mit einer Terminmarktnachfrage. 9. Ist der Inlandszins identisch der Summe aus Auslandszins und Swapsatz, so liegt Zinsparität vor. Bezieht sich der Swapsatz dabei auf den Terminkurs, so spricht man von der gesicherten Zinsparität. Wird statt des Terminkurses der für die Zukunft erwartete Kassakurs verwendet, so ist dies die ungesicherte Zinsparität. Terminkurs und erwarteter Kassakurs sind identisch, wenn die Spekulanten gleichgerichtete Erwartungen haben und risikoneutral sind. 10. Ein gleichgewichtiger Zusammenhang zwischen den Wechselkursniveaus auf dem Kassa- und dem Terminmarkt liegt dann vor, wenn die Engagements aller am Devisenmarkt agierenden Gruppen miteinander vereinbar sind. Bei einem kursgesicherten Kapitalexport muss der damit verbundenen Nachfrage am Kassamarkt ein entsprechendes Überschussangebot von Außenhändlern und Spekulanten entsprechen und bei dem gleichzeitig am Terminmarkt realisierten Angebot der Kapitalanleger eine Nachfrage der anderen beiden Gruppen. Bei einem Kapitalimport gelten die umgekehrten Zusammenhänge.
Aufgaben zu Kapitel 11 Aufgabe 11.1 Gegeben ist ein Zwei-Länder-Fall. Die Währung des Inlands ist der Euro (€), die des Auslands der Dollar ($). a) Unterstellen Sie, der Terminkurs des Dollars per Termin in einem Jahr sei 1,02 (1,02 €/$) Es hat sich die Erwartung durchgesetzt, dass in einem Jahr am Kassamarkt der Dollar einen Euro kosten wird (1 €/$) • Wie verhält sich in dieser Situation ein Terminmarktspekulant? • Welche Auswirkung hat das Verhalten des Terminmarktspekulanten auf den Terminkurs des Dollars per Termin in einem Jahr? b) Unterstellen Sie, der heutige Kassakurs des Dollars sei 1 (1 €/$). Der Terminkurs per Termin in einem Jahr liege, wie in Teilaufgabe a), bei 1,02 (1,02 €/$). Der ausländische Zinssatz betrage 2 % p. a. Wie hoch muss der inländische Zins sein, damit gesicherte Zinsparität vorliegt? Stellen Sie die Zinsparität in einer Gleichung dar. c) Wie unterscheidet sich die gesicherte von der ungesicherten Zinsparität? Werden sich die beiden Gleichungen auf Dauer unterscheiden? Berücksichtigen Sie dabei Ihr Ergebnis aus Teilaufgabe a). Aufgabe 11.2 Gegeben ist ein Zwei-Länder-Zwei-Güter-Zusammenhang. Währung des Landes A sei der Euro, Währung des Landes B sei der Dollar. Land A (Inland) exportiert Gut 1 und importiert Gut 2. Devisenangebot und Devisennachfrage resultiere allein aus Außenhandelsgeschäften. a) Stellen Sie die Weltmarktgleichgewichte der beiden Güter mit Hilfe von Überschussangebots- und Überschussnachfragefunktionen in Abhängigkeit von Dollarpreisen graphisch dar. Kennzeichnen Sie in Ihrer Graphik den Exportwert des Landes A, ausgedrückt in Dollar und
268
11 Devisenmärkte
damit das Dollarangebot am Devisenmarkt. Kennzeichnen Sie in Ihrer Graphik den Importwert des Landes A, ausgedrückt in Dollar und damit die Dollarnachfrage am Devisenmarkt. b) Unterstellen Sie eine Abwertung des Euro gegenüber dem Dollar. Zeigen Sie anhand Ihrer Graphik die Veränderung des Export- und des Importwerts des Landes A, ausgedrückt in Dollar und leiten Sie daraus die Dollarangebots- und die Dollarnachfragekurve am Devisenmarkt ab. Zeichnen Sie beide so in ein Devisenmarktdiagramm ein, dass sich drei Schnittpunkte zwischen den beiden Kurven ergeben. Begründen Sie, wie Sie zu den von Ihnen unterstellten Kurvenverläufen kommen. c) Definieren Sie in allgemeiner Form, wann man von einem stabilen Marktgleichgewicht spricht. Begründen Sie aufgrund der Definition anhand Ihrer graphischen Darstellung, bei welchem der drei Schnittpunkte zwischen Dollarangebot und Dollarnachfrage es sich um ein stabiles Gleichgewicht handelt und wo ein instabiles Gleichgewicht vorliegt. d) Wann spricht man von einer Normalreaktion der Leistungsbilanz aufgrund einer Wechselkursänderung? Zeigen Sie algebraisch den Zusammenhang zwischen der Stabilität des Devisenmarktgleichgewichts und der Normalreaktion der Leistungsbilanz aufgrund einer Wechselkursänderung. Aufgabe 11.3 Gegeben ist ein internationaler Kapitalanlegers, dem der Betrag N (in Euro) zur Verfügung steht und der die Möglichkeit hat, diesen Betrag im Inland (Währung Euro) oder im Ausland (Währung Dollar) anzulegen. Der Anleger möchte kein Wechselkursrisiko eingehen, Länderrisiken bestehen keine. a) Wie sind der Kassawechselkurs, der Terminwechselkurs und der Swapsatz definiert? b) Auf welchen Märkten muss der Anleger heute in welcher Weise aktiv werden, wenn er sein Geld ohne Wechselkursrisiko im Ausland anlegen möchte? c) Berechnen Sie aus dem Anlagekalkül des Anlegers den „kritischen“ Swapsatz und erklären Sie, was dieser genau aussagt. d) Stellen Sie die Arbitragewunschkurve graphisch dar. Was genau sagt diese Kurve aus? e) Erklären Sie den Verlauf der Arbitragewunschkurve • im Falle fester Wechselkurse, • im Falle flexibler Wechselkurse. f) Definieren Sie die gesicherte Zinsparität. Ist diese in jedem Punkt auf der Arbitragewunschkurve erfüllt? Begründung. g) Wie verändert sich die Arbitragewunschkurve • wenn der ausländische Zinssatz sinkt, • wenn die allgemeine Risikobereitschaft der Anleger steigt. Begründen Sie Ihre Aussagen. h) Wie ist die Arbitragemöglichkeitskurve definiert? Gehen Sie ausführlich auf die dabei geltenden Annahmen und Zusammenhänge ein. Was sagt der Schnittpunkt zwischen Arbitragemöglichkeits- und Arbitragewunschkurve genau aus? Wo muss dieser Schnittpunkt liegen, wenn die gesicherte Zinsparität erfüllt ist? (Erklärung!)
Aufgaben zu Kapitel 11
269
Aufgabe 11.4 a) • Beschreiben Sie – mit ausführlicher Begründung – das Verhalten von Außenhändlern und Spekulanten auf dem Devisenkassa- und dem Devisenterminmarkt und leiten Sie hieraus eine Arbitragemöglichkeitskurve ab. • Beschreiben Sie – mit ausführlicher Begründung – das Verhalten von Zinsarbitrageuren und leiten Sie hieraus eine Arbitragewunschkurve ab. • Stellen Sie mit Hilfe von Arbitragemöglichkeitskurve und Arbitragewunschkurve den gleichgewichtigen Zusammenhang zwischen Kassa- und Terminkurs dar und geben Sie eine ausführliche Interpretation dieses Gleichgewichts. Was muss für ein langfristiges Gleichgewicht gelten? b) Aufgrund neuerer Informationen wird eine, über die bisherige Erwartung hinausgehende, Abwertung der Inlandswährung erwartet. Stellen Sie die Wirkung dieser Erwartungsänderung auf das oben beschriebene Gleichgewicht graphisch dar und geben Sie eine ausführliche Begründung der Zusammenhänge.
12
Bestimmungsfaktoren des Wechselkurses
Nachdem in Kapitel 11 der gleichgewichtige Zusammenhang zwischen dem Kassa- und dem Terminkurs dargestellt wurde, sollen nun die Bestimmungsfaktoren der Wechselkurshöhe und deren Veränderung diskutiert werden. Grundsätzlich resultiert der Wechselkurs als Preis einer Währung aus dem Marktgleichgewicht von Devisenangebot und Devisennachfrage. Devisenangebot und Devisennachfrage wiederum stammen aus den verschiedensten Quellen, deren Bestimmungsfaktoren so vielfältig und komplex sind, dass es nahezu unmöglich erscheint, sämtliche Zusammenhänge vollständig zu erfassen. Es sollen deshalb beispielhaft solche Faktoren diskutiert werden, die einen dominierenden Einfluss auf die Höhe und die Entwicklung des Wechselkurses haben. Die Darstellung beschränkt sich aus Gründen der Verständlichkeit auf nur einen Wechselkurs. Es handelt sich also wieder um einen ZweiLänder-Zusammenhang, der betrachtete Wechselkurs ist der Kassakurs, der als das Verhältnis von Inlandswährung (Euro) zu Auslandswährung (Dollar) definiert ist.
12.1
Kaufkraftparitätentheorem
12.1.1
Kaufkraftparität in absoluter Form
Die fundamentalsten Erklärungsfaktoren für Höhe und Entwicklung des Wechselkurses sind die Güterpreisniveaus der betrachteten Länder, die in der Kaufkraftparitätentheorie Berücksichtigung finden (Cassel, 1927, ursprünglich 1918). In ihrer absoluten Form erklärt die Kaufkraftparitätentheorie die Wechselkurshöhe durch das Verhältnis von Inlandspreisniveau in Inlandswährung zu Auslandspreisniveau in Auslandswährung.
w = p € p$
bzw.
p € = wp $
(12.1)
Da in (12.1) das Auslandspreisniveau, multipliziert mit dem Wechselkurs, dem Inlandspreisniveau entspricht, ist damit Gleichheit der Kaufkraft des Geldes in beiden Ländern sichergestellt, d. h. man kann mit einem bestimmten Geldbetrag in beiden Ländern das gleiche Güterbündel kaufen. Weicht der Wechselkurs von diesem Gleichgewichtswert ab, so würden auf freien Märkten Güterarbitrageprozesse in Gang gesetzt, die den Wechselkurs langfristig wieder an sein, durch die Güterpreisniveaus gegebenes Gleichgewichtsniveau anpassen. Drückt man (12.1) in prozentualen Veränderungen aus, so gilt:
wˆ = pˆ € − pˆ $
(12.2)
Die prozentuale Veränderung des Wechselkurses entspricht der Differenz der prozentualen Veränderungen der Preisniveaus der beiden Länder. Das Kaufkraftparitätentheorem besagt in dieser absoluten Form nichts anderes als die Konstanz des realen Wechselkurses. Der reale Wechselkurs wurde oben definiert als wR = wp$/p€. Damit folgt für dessen prozentuale Veränderung:
272
12 Bestimmungsfaktoren des Wechselkurses
wˆ R = wˆ + pˆ $ − pˆ €
(12.3)
Es ist offensichtlich, dass bei Erfüllung von (12.2) die Veränderung des realen Wechselkurses Null sein muss. Steigt etwa das ausländische Preisniveau um 5 %, bleibt das inländische Preisniveau konstant, und sinkt dann auch der nominelle Wechselkurs um 5 %, so bleibt die Kaufkraftparität erfüllt. Gleichzeitig implizieren diese Veränderungen aber auch einen konstanten realen Wechselkurs. Die sich als Folge der fünfprozentigen Erhöhung der Auslandspreise ergebenden preislichen Wettbewerbsvorteile der Euro-Güter auf den Weltmärkten werden durch die Aufwertung des Euro um 5 % genau kompensiert, der reale Wechselkurs bleibt unverändert. Dieser Prozess ist durch die oben diskutierte Leistungsbilanzreaktion zu erklären. Bei steigenden Auslandspreisen werden die Importe des Inlands abnehmen, während die Ausländer verstärkt Güter bei uns nachfragen. Dies impliziert im Normalfall eine Verbesserung der inländischen Leistungsbilanz. Auf dem Devisenmarkt entsteht ein Überschussangebot an Devisen, das durch eine Aufwertung der Inlandswährung abgebaut wird. In der hier dargestellten Form setzt das Kaufkraftparitätentheorem voraus, dass kein Hindernis für eine vollkommene Preisangleichung zwischen in- und ausländischen Gütern existiert, es werden also vollkommene Weltmärkte unterstellt. Bei den in den beiden Ländern produzierten Gütern muss es sich um homogene Produkte handeln, es dürfen keine Transportkosten und keine Verzerrungen durch protektionistische Maßnahmen oder sonstige staatliche Eingriffe existieren. Das Kaufkraftparitätentheorem ist in diesem Fall also nichts anderes als das Gesetz der Unterschiedslosigkeit der Preise, das durch Arbitragetätigkeit sichergestellt ist. Sinken im Inland die Preise, so würden Wirtschaftssubjekte in diesem Land Güter kaufen, um sie im anderen Land teurer wieder zu verkaufen. Die damit ausgelösten Nachfragebzw. Angebotseffekte werden zu einer Wiederherstellung der Preisidentität in den beiden Ländern führen. Unklar bleibt aber noch, ob, wie in obigem Beispiel diskutiert, die Güterpreise den Wechselkurs bestimmen oder ob auch der Wechselkurs die Güterpreisniveaus determiniert. Berücksichtigt man etwa auch andere Akteure auf den Devisenmärkten, so wird eine durch exogene Veränderungen ausgelöste Abwertungserwartung der Inlandswährung den Wechselkurs steigen lassen. Da sich die Abwertungserwartung in einem steigenden Terminkurs niederschlägt, wird die kursgesicherte Auslandsanlage rentabler, die Devisennachfrage und mit ihr der Wechselkurs steigt. War Kaufkraftparität erfüllt, so werden durch die Abwertung die in Euro umgerechneten Preise der Auslandsgüter jetzt die Inlandspreise übersteigen (p€ < wp$). Dies löst Arbitragetätigkeit auf den Gütermärkten aus, die für eine Angleichung der Güterpreise an den veränderten Wechselkurs und damit für die Erfüllung von (12.1) sorgt. Eine Überprüfung der Kaufkraftparität in dieser absoluten Form scheitert jedoch bereits an der in der Realität existierenden Inhomogenität der Güter. Nur für sehr wenige, als homogen angesehene international gehandelte Güter, wie etwa Gold, gilt die internationale Preisidentität recht genau. Die den nationalen Preisniveaus zugrunde liegenden Güterbündel sind dagegen von den jeweiligen Verbrauchergewohnheiten abhängig, und selbst wenn gleiche Güter konsumiert würden, werden sie von den Konsumenten als nicht vollkommen identisch mit den entsprechenden ausländischen Gütern angesehen, d. h. es handelt sich in aller Regel um inhomogene Güter.
12.1 Kaufkraftparitätentheorem
273
Die Big Mac-Parität. Es gibt jedoch auch Ausnahmen, wie etwa das weltweit nach dem gleichen Herstellungsrezept vertriebene Erfrischungsgetränk Coca-Cola. Ein anderes Beispiel ist der von McDonalds in über 100 Ländern der Welt angebotene doppelte Hamburger „Big Mac“. Geht man davon aus, dass die Verbraucher das Produkt „Big Mac“ als homogenes Gut ansehen, d. h. es werden keine Qualitätsunterschiede in Abhängigkeit vom Land unterstellt, so müsste bei Erfüllung der Kaufkraftparität der Preis eines „Big Mac“, ausgedrückt in einer Vergleichswährung, überall identisch sein. Dies wird von der Zeitschrift „The Economist“ regelmäßig für Dutzende von Ländern getestet, wobei als Vergleichswährung der US-Dollar benutzt wird. Aber auch bei diesem Gut ist die Kaufkraftparität nicht erfüllt. So kostete etwa 2008 ein Big Mac in den USA 3,57 Dollar, in Dänemark 28 Kronen und in Malaysia 5,5 Ringgit. Dividiert man die Preise in Dänemark und Malaysia durch den Preis in Dollar, so erhält man die Big-Mac-Parität von 7,84 für die Krone und 1,54 für den Ringgit. Bei diesen Wechselkursen müsste man in allen drei Ländern gleich viel für einen Big Mac zahlen. Der tatsächliche Wechselkurs für Dänemark betrug aber 4,7 Kronen pro Dollar, die Krone wäre also im Vergleich zur Big Mac-Parität um 67 % überbewertet. Der tatsächliche Wechselkurs für Malaysia lag bei 3,2 Ringgit pro Dollar, die Malaysische Währung war also um 52 % unterbewertet. Es verwundert nicht, dass die tatsächlichen Wechselkurse in fast allen Ländern von der Big Mac-Parität abweichen. Es gibt nationale Besonderheiten wie unterschiedliche Steuerbelastungen, unterschiedliche Löhne der Beschäftigten, unterschiedliche Ladenmieten u. a. Der Vergleich zeigt auch, dass man bei Aussagen über den Lebensstandard bei Vergleichen des Pro-Kopf-Einkommens, das mit der aktuellen Parität umgerechnet wird, vorsichtig sein muss. So müsste man bei einer Umrechnung des US-Preises des Big Mac mit dem tatsächlichen Wechselkurs in Malaysia über 11 Ringgit bezahlen, für 1100 Ringgit bekäme man also etwa 100 Big Mac. Tatsächlich bekommt man in Malaysia für 1100 Ringgit aber 200 Big Mac. Die Kaufkraft ist also wesentlich höher, als es im tatsächlichen Wechselkurs zum Ausdruck kommt.
12.1.2
Kaufkraftparität in relativer Form
Es gibt weitere Gründe, weshalb in der Realität die Annahme homogener internationaler Gütermärkte nicht aufrechtzuerhalten ist. So existieren protektionistische Maßnahmen ebenso wie Transportkosten. Außerdem gibt es nationale Güter, die nicht handelbar sind oder bei denen ein internationaler Handel an zu hohen Kosten scheitert. Der Preisanstieg für Baugrundstücke wird zwar das nationale Preisniveau, nicht aber den Wechselkurs beeinflussen. Solche Phänomene schränken die Gültigkeit der Kaufkraftparitätentheorie in ihrer absoluten Form erheblich ein. Unterstellt man jedoch Konstanz der Marktinhomogenität, d. h. das Ausmaß des Protektionismus, die Unterschiede in den Steuersystemen, der Anteil nicht-handelbarer Güter am Sozialprodukt, die Höhe der Transportkosten und Ähnliches ändern sich zumindest kurz- bis mittelfristig nicht, so kann man Kaufkraftparität in einer relativen Form definieren.
w=
1
γ
p€ p$
bzw.
p € = γ wp$
(12.4)
γ misst dabei das als konstant unterstellte Ausmaß der Divergenz zwischen den beiden Preisniveaus. Damit folgt bei totaler Differentiation:
274
12 Bestimmungsfaktoren des Wechselkurses
dp € = γ p $ dw + γ wdp $ bzw.
wˆ = pˆ € − pˆ $
(12.5)
Die prozentuale Veränderung des Wechselkurses wird also auch hier durch die Differenz der prozentualen Veränderung der beiden Preisniveaus bestimmt, ohne dass der Wert des Wechselkurses dem Verhältnis der beiden Preisniveaus entsprechen muss. Solange jedoch γ konstant bleibt, würde ein prozentual gleich großer Anstieg der beiden Preisniveaus keine Wechselkursänderung zur Folge haben.
12.1.3
Handel- und nicht-handelbare Güter
Die Zusammenhänge zwischen dem realen Wechselkurs und der Erfüllung der Kaufkraftparität in ihrer relativen Form sollen in diesem Abschnitt noch etwas intensiver diskutiert werden. Es sei angenommen, in beiden betrachteten Ländern werde sowohl ein handel- (H) als auch ein nicht-handelbares (N) Gut produziert. Die handelbaren Güter der beiden Länder sollen für die Konsumenten vollkommene Substitute darstellen. Sieht man von Transportkosten ebenso wie von sonstigen Verzerrungen des internationalen Preiszusammenhangs ab, so ist für diese Güterart Kaufkraftparität in ihrer absoluten Form gegeben. Es gilt:
w = p €H p $ H
(12.6)
Die nicht-handelbaren Güter werden auf rein nationalen Märkten gehandelt, ihr Preis steht daher nicht direkt mit dem Auslandspreisniveau in Beziehung, sondern bildet sich durch Angebot und Nachfrage im jeweiligen Land. Das Preisniveau der beiden Länder ist damit ein gewichteter Durchschnitt der Preise handel- und nicht-handelbarer Güter. Bezeichnet α den Anteil nicht-handelbarer Güter am gesamten Güterbündel, so gilt:
p € = αp €N + (1 − α ) p €H
(12.7)
bzw. für das Ausland:
p $ = α * p $ N + (1 − α *) p $ H
(12.8)
Berücksichtigt man jetzt den in Gleichung (12.3) dargestellten Zusammenhang für die Veränderung des realen Wechselkurses, definiert die Veränderung des nominalen Wechselkurses durch die Kaufkraftparität der handelbaren Güter (12.6) und beachtet die Definitionen der beiden Preisniveaus, so folgt:
(
)
(
)
(12.9)
)
(12.10)
wˆ R = pˆ €H − pˆ $ H + α ∗ pˆ $ N + 1 − α ∗ pˆ $ H − α pˆ €N − (1 − α ) pˆ €H und nach Vereinfachen:
(
)
(
wˆ R = α pˆ €H − pˆ €N − α ∗ pˆ $ H − pˆ $ N
Die Veränderung des realen Wechselkurses ist nur dann Null, d. h. die Kaufkraftparität ist nur dann erfüllt, wenn die rechte Seite von (12.10) Null ist. Geht man zunächst davon aus, die Preise im Ausland bleiben konstant, so ist die Veränderung des realen Wechselkurses Null, wenn sich der Preis handelbarer und der Preis nichthandelbarer Güter im Inland in gleichem prozentualem Ausmaß verändern. Steigt dagegen der Preis handelbarer Güter stärker als der Preis nicht-handelbarer Güter, so nimmt auch der reale Wechselkurs zu, die Inlandswährung wird real abgewertet und dies trotz Gültigkeit der
12.1 Kaufkraftparitätentheorem
275
Kaufkraftparität für handelbare Güter. Steigt dagegen der Preis nicht-handelbarer Güter stärker, so handelt es sich um eine reale Aufwertung der Inlandswährung. Der reale Wechselkurs drückt in diesem Fall also die relative Wettbewerbsfähigkeit der handelbaren zu den nichthandelbaren Gütern aus. Eine reale Abwertung bedeutet, dass der Preis der handelbaren Güter im Verhältnis zum Preis der nicht-handelbaren Güter steigt. Damit würde das Angebot des Landes an handelbaren Gütern zunehmen, da durch den Relativpreisanstieg ein stärkerer Produktionsanreiz für diese Güterart besteht. Da gleichzeitig durch die relative Verteuerung dieses Gutes die Nachfrage sinkt, entsteht ein Überschussangebot an handelbaren Gütern. Berücksichtigt man in (12.10) auch ausländische Preisänderungen, so ist die Veränderung des realen Wechselkurses nur dann Null, wenn sich in beiden Ländern die Preise handel- und die Preise nicht-handelbarer Güter prozentual gleich stark verändern. Ist der Anteil α in beiden Ländern gleich, so realisiert das Inland eine reale Aufwertung – der reale Wechselkurs sinkt – wenn das Preisverhältnis zwischen nicht-handelbaren und handelbaren Gütern im Inland relativ stärker zunimmt als im Ausland. Was bestimmt die Preisrelation zwischen handel- und nicht-handelbaren Gütern? Hierzu gibt es empirisch überprüfte Theorien, nach denen der Produktivitätsentwicklung eine entscheidende Rolle zukommt. Handelbare Güter sind in der Regel Industriegüter, bei den nichthandelbaren Gütern handelt es sich dagegen meist um Dienstleistungen. Steigt, etwa bedingt durch technischen Fortschritt, die Kapitalproduktivität, so erhöht sich auch die Arbeitsproduktivität, und zwar stärker im relativ kapitalintensiven Industriesektor als im relativ weniger kapitalintensiven Dienstleistungssektor. Die Produktionskosten werden damit im Handelssektor relativ zum Nicht-Handelssektor sinken, mit der Folge, dass im Handelssektor die Güterpreise sinken bzw. relativ weniger stark steigen als im Sektor nicht-handelbarer Güter. Je stärker der Produktivitätsfortschritt ausfällt, umso stärker wird gemäß diesem Zusammenhang das Preisverhältnis nicht-handelbarer zu handelbaren Gütern steigen und die Währung damit real aufwerten. Damit ergibt sich die Aussage, dass das Land mit dem relativ größeren Produktivitätsfortschritt eine reale Aufwertung seiner Währung verzeichnen kann. Ein Land mit einer im internationalen Vergleich nur geringen Produktivitätsentwicklung wird dagegen real abwerten. Auch in ihrer relativen Version kann die Kaufkraftparitätentheorie allerdings nur ein unvollkommener und eher langfristiger Bestimmungsfaktor der Wechselkurshöhe sein. Zum einen erscheint es problematisch, das Ausmaß der Inhomogenität des Weltmarktes als konstant zu unterstellen, zum anderen werden die in Kapitel 11 diskutierten Einflüsse von internationalen Kapitalanlegern und Spekulanten auf den Devisenmärkten, die selbstverständlich ebenfalls die Wechselkurshöhe determinieren und deren Verhalten nicht allein durch Inflationsdifferenzen erklärt werden kann, nicht berücksichtigt. Man könnte versuchen, dies dahingehend zu interpretieren, dass die Kaufkraftparität ein spezielles langfristiges Gleichgewicht darstellt. Es finden keine kursgesicherten Kapitalbewegungen statt, weil der Swapsatz dem kritischen Swapsatz und damit der internationalen Zinsdifferenz entspricht. Außerdem ist der Swapsatz Null, d. h. der Terminkurs bzw. der erwartete Kassakurs entspricht dem aktuellen Kassakurs, so dass auch seitens der Spekulanten kein Anreiz besteht, am Devisenmarkt aktiv zu werden. Die Wechselkurse würden in einem solchen Gleichgewicht allein von Außenhändlern bestimmt, und Güterarbitrage könnte dann für die Erfüllung der Kaufkraftparität sorgen.
276
12 Bestimmungsfaktoren des Wechselkurses
Das hier beschriebene fiktive Gleichgewicht wird in der Realität jedoch nie existieren, da von einer dynamischen Weltwirtschaft ständig neue Impulse ausgehen, die das Verhalten der an den Devisenmärkten aktiven Wirtschaftssubjekte beeinflussen. Auch empirische Untersuchungen zeigen, dass Kaufkraftparität zwischen den bedeutenden Weltwährungen zumindest in den letzten Jahrzehnten so gut wie nie erfüllt war. Bevor nach einer Störung ein langfristiges Gleichgewicht im oben definierten Sinne erreicht wird, treten neue Störungen auf, so dass auch in längerer Frist das Geschehen auf den Devisenmärkten eher durch eine Aneinanderreihung kurzfristiger Einflussfaktoren, als durch die Kaufkraftparität erklärt werden kann. Dennoch ist die Kaufkraftparität im langfristigen Vergleich durchaus relevant. Eine Studie der Deutschen Bundesbank (Deutschen Bundesbank, Monatsbericht 11, 1993) kommt für den Vergleichszeitraum 1973 bis 1993 zu dem Ergebnis, dass sich die Wechselkurse und das Preisgefälle sowohl zwischen der D-Mark und dem US-Dollar als auch zwischen der D-Mark und den europäischen Währungen parallel verändert haben, bei den europäischen Währungen unabhängig davon, ob diese Mitglied im EWS waren oder nicht. Kurzfristig traten dagegen erhebliche Abweichungen von der Kaufkraftparität auf, die in Europa bis nahe 20 %, gegenüber dem US-Dollar sogar in Bereichen von 40 bis 50 % lagen. Die starken Abweichungen gegenüber dem US-Dollar konnten nur in Zeiträumen mehrerer Jahre wieder abgebaut werden. Dieses Ergebnis bestätigt, dass die Entwicklung der Inflationsraten durchaus Einfluss auf die Wechselkursentwicklung hat, dass dieser Effekt aber in der Regel von kurzfristigen Impulsen überlagert wird. Zur Erklärung des Wechselkurses und seiner Veränderung bedarf es daher der Berücksichtigung weiterer Faktoren.
12.2
Die monetäre Wechselkurstheorie
12.2.1
Der Fall eines kleinen Landes
Die ebenfalls eher längerfristig ausgerichtete monetäre Wechselkurstheorie stellt einen Zusammenhang zwischen der Wechselkurshöhe und dem Geldmarktgleichgewicht eines Landes her. Dies soll zunächst für den Fall eines kleinen offenen Landes verdeutlicht werden. Nichthandelbare Güter werden vernachlässigt. Das nominelle Geldangebot (G) sei zur Vereinfachung in vollem Umfang von der Zentralbank steuerbar, es stellt also eine exogene Größe dar. Die reale Geldnachfrage ist, wie üblich, vom realen Sozialprodukt positiv und vom inländischen Zinssatz negativ abhängig. Es gilt:
( )
G = p € Lr Y r , i
(12.11)
Langfristig sei Kaufkraftparität in ihrer komparativen Form erfüllt.
w=
1
γ
(p
€
p$
)
(12.12)
Langfristig stimmen auch der erwartete und der aktuelle Kassakurs überein, so dass der Terminkurs dem Kassakurs entspricht. Damit ist gemäß dem Zinsparitätentheorem die internationale Zinsdifferenz Null:
12.2 Die monetäre Wechselkurstheorie
i = i∗
277 (12.13)
Berücksichtigt man die relative Kaufkraftparität im Geldmarktgleichgewicht, so folgt:
( )
G = γ wp $ Lr Y r , i
Damit ergeben sich als Determinanten des Wechselkurses: G w= $ r γ p L Y r ,i
( )
(12.14)
(12.15)
Ist der Parameter γ konstant, so ist der Wechselkurs allein vom Verhältnis des Geldangebots zur Geldnachfrage abhängig. Der Wechselkurs wird also von den Größen determiniert, die auch Angebot und Nachfrage auf dem Geldmarkt bestimmen. Je größer das Geldangebot relativ zur Geldnachfrage, umso höher ist der Wechselkurs. Steigt die Geldnachfrage, etwa durch einen Anstieg des realen Volkseinkommens oder einen Rückgang des Zinssatzes, so sinkt der Wechselkurs, die Inlandswährung wertet auf. Steigt dagegen das Geldangebot, so wird die Inlandswährung c. p. abgewertet. Verdeutlicht wird dieser Zusammenhang, wenn man (12.15) für ein konstantes γ in prozentualen Veränderungen ausdrückt:
wˆ = Gˆ − Lˆr − pˆ $
(12.16)
Bei konstantem Auslandspreisniveau entspricht die prozentuale Veränderung des Wechselkurses der Differenz der prozentualen Veränderung von Geldangebot und Geldnachfrage. Der durch (12.15) beschriebene Zusammenhang zwischen dem Wechselkurs und dem inländischen Zinsniveau ist in Abb. 12.1 in einem Wechselkurs-Zinssatz Diagramm dargestellt. Steigt der Zinssatz, so verringert sich die Geldnachfrage. Bei gegebenem Geldangebot muss der Wechselkurs steigen, um Geldmarktgleichgewicht zu gewährleisten. Es besteht also zur Erfüllung des Geldmarktgleichgewichts ein positiver Zusammenhang zwischen diesen beiden Größen, der durch die Kurve GL dargestellt wird. Die Lage der GL-Kurve ist von der Höhe des ausländischen Preisniveaus, des inländischen Realeinkommens und des Geldangebots abhängig. Ausgangsgleichgewicht sei durch Punkt A auf der Kurve GL0 gegeben, bei dem der inländische und der exogen gegebene ausländische Zinssatz übereinstimmen. Steigt nun das inländische Realeinkommen oder sinkt das inländische Geldangebot, so entsteht auf dem Geldmarkt eine Überschussnachfrage, die Geldmarktgleichgewichtskurve verschiebt sich nach unten zu GL1. Bei gegebenem Zinssatz muss der Wechselkurs sinken. Diese Wechselkursänderung kann man wie folgt begründen: Die Wirtschaftssubjekte stellen nach der unterstellten Störung fest, dass ihre tatsächliche Geldhaltung kleiner ist als ihr optimaler Wert, sie werden deshalb versuchen, diese zu erhöhen. Dies kann durch eine Verringerung ihrer Ausgaben für Güter und Dienstleistungen, durch den Verkauf von Wertpapieren oder durch eine Kreditaufnahme geschehen. Erfolgt die Anpassung durch eine sinkende Güternachfrage, so entsteht auf dem Gütermarkt ein Überschussangebot, das die inländischen Produzenten bei einem für das kleine Land gegebenen Weltmarktpreis im Ausland absetzen können. Die zusätzlichen Güterexporte verbessern die Leistungsbilanz und erhöhen das Angebot an Devisen. Die Inlandswährung wird damit aufgewertet, der Wechselkurs sinkt auf w1. Man gelangt in das neue langfristige Gleichgewicht C.
278
12 Bestimmungsfaktoren des Wechselkurses
w
GL0
GL1
A
w0
B
w1
C
i0 = i* Abb. 12.1:
i2
i
Wechselkursbestimmung gemäß der monetären Wechselkurstheorie
Verkaufen die Wirtschaftssubjekte zur Erhöhung ihrer gewünschten Geldhaltung festverzinsliche Wertpapiere, so wird der Kurs der Wertpapiere sinken, der Inlandszins steigt auf i2. Man kommt zu Punkt B. Die gleiche Zinsreaktion erhält man bei einer Ausweitung der Kreditnachfrage, um auf diese Weise die gewünschte Geldhaltung zu erhöhen. Ein Anstieg des inländischen Zinses wird aber zu einem Kapitalimport führen. Durch das zusätzliche Kapitalangebot wird der Inlandszins wieder sinken und sich im langfristigen Gleichgewicht dem gegebenen ausländischen Zinsniveau anpassen. Der Kapitalzufluss impliziert jedoch ein Überschussangebot auf dem Devisenmarkt, der Wechselkurs wird aus diesem Grund mit dem Rückgang des Zinsniveaus sinken. Man bewegt sich auf der GL1-Kurve nach unten und erreicht auch in diesem Fall als neues langfristiges Gleichgewicht den Punkt C. Entscheidend für die Bestimmung des Wechselkurses im monetären Ansatz ist also die Gleichgewichtssituation auf dem Geldmarkt. Solange Angebot und Nachfrage nach Geld unverändert bleiben, verändert sich auch nicht der Wechselkurs. Jedes Ungleichgewicht auf dem Geldmarkt hat aber ein Ungleichgewicht auf dem Devisenmarkt und damit auch eine Veränderung des Wechselkurses zur Folge.
12.2.2
Zwei-Länder-Betrachtung
Durch die bisherige Annahme eines kleinen Landes und den damit exogen gegebenen Größen Auslandspreisniveau und Auslandszinssatz bleiben die Einflüsse der ausländischen Geldpolitik auf den Wechselkurs unberücksichtigt. Um diese Lücke zu schließen, kann man auch hier die Betrachtung auf einen Zwei-Länder-Zusammenhang erweitern. Hierzu ergänzt man die bisherige Darstellung um die explizite Berücksichtigung des ausländischen Geldmarkts, für den die dem inländischen Geldmarkt analogen Zusammenhänge gelten:
(
G ∗ = p $ Lr∗ Y r∗ , i ∗
)
Löst man das ausländische Geldmarktgleichgewicht nach p$ auf, so gilt:
(12.17)
12.2 Die monetäre Wechselkurstheorie p$ =
G*
(
L Y r* , i ∗ r*
279 (12.18)
)
Setzt man diesen Ausdruck für das ausländische Preisniveau in die Wechselkursdefinition des kleinen Landes (12.15) ein, so ergibt sich: w=
bzw.
( ) L (Y , i )
G Lr ∗ Y r ∗ , i ∗
γG
(
∗
r
) (
(12.19)
r
) (
) (
wˆ = Gˆ − Lˆr − Gˆ ∗ − Lˆr∗ = Gˆ − Gˆ ∗ + Lˆr∗ − Lˆr
)
(12.20)
Auch in dieser Definition des Wechselkurses wird der Grundgedanke der monetären Wechselkurstheorie deutlich: Der Wechselkurs wird determiniert durch das Verhältnis von inländischem zu ausländischem Geldangebot und dem Verhältnis von ausländischer zu inländischer realer Geldnachfrage. Der Wechselkurs ist umso höher, je größer das inländische Geldangebot im Verhältnis zum ausländischen Geldangebot und je geringer die inländische Geldnachfrage im Verhältnis zur ausländischen Geldnachfrage ist. Steigt etwa das inländische Geldangebot stärker als das ausländische Geldangebot und bleibt die reale Geldnachfrage in beiden Ländern konstant, so wird der Wechselkurs steigen. Ursache ist das dann im Inland stärker steigende Preisniveau, was gemäß der Kaufkraftparitätentheorie zu einer Abwertung der Inlandswährung führt. Steigt das inländische Realeinkommen stärker als das ausländische Realeinkommen, während das Geldangebot in beiden Ländern konstant bleibt, so entsteht auf dem inländischen Geldmarkt eine im Vergleich zum Ausland größere Überschussnachfrage nach Geld. Wenn die Wirtschaftssubjekte ihre Güterkäufe reduzieren, um ihre Geldhaltung zu steigern, so entsteht als Folge des Geldmarktungleichgewichts ein stärkerer Güterpreisrückgang im Inland relativ zum Ausland, und damit kommt es gemäß der Kaufkraftparitätentheorie zu einer Aufwertung der Inlandswährung. Aus Gleichung (12.19) wird noch ein weiterer Zusammenhang deutlich. Wenn sich die beiden Länder darauf verständigen, den Wechselkurs zu fixieren, so ist bei gegebener Geldnachfrage nur noch eines der beiden Geldangebote unabhängig. Andererseits sind unterschiedliche Kombinationen von in- und ausländischem Geldangebot mit dem fixierten Wechselkurs vereinbar. Es gibt nur zwei Lösungsmöglichkeiten für dieses Problem: • Eines der beiden Länder übernimmt die Funktion des Leitwährungslandes und gibt die Geldmenge vor. Das andere Land muss dann seine Geldmenge so anpassen, dass Gleichung (12.19) erfüllt ist. • Die beiden Länder vereinbaren eine geldpolitische Kooperation. Dabei besteht jedoch stets die Gefahr, dass im Konfliktfall ein Land nicht bereit sein wird, seine Geldpolitik völlig dem Zwang der Wechselkurstabilisierung zu unterwerfen. Dies ist ein Grund dafür, dass Festkurssysteme, die nicht auf einer Leitwährung aufgebaut sind, zur Instabilität neigen. Diese Zusammenhänge werden an späterer Stelle vertieft.
280
12 Bestimmungsfaktoren des Wechselkurses
12.2.3
Wechselkursbildung im monetären Ansatz
Langfristiges Gleichgewicht Die Wirkungszusammenhänge zwischen Ungleichgewichten auf den Geldmärkten und dem Wechselkurs sollen anhand eines einfachen Zwei-Länder-Beispiels verdeutlicht werden. In beiden Ländern wird das gleiche, international handelbare Gut produziert. Die Geldmarktgleichgewichte entsprechen den Zusammenhängen (12.11) bzw. (12.17). Es sei nun angenommen, ein Geldmarktungleichgewicht führe zu einer Anpassung über Güterkäufe. Besteht ein Überschussangebot an Geld, so werden verstärkt Güter nachgefragt, die inländische Absorption übersteigt dann das inländische Güterangebot. Besteht dagegen eine Überschussnachfrage auf dem Geldmarkt, so resultiert daraus eine sinkende Güternachfrage und die inländische Produktion übersteigt die inländische Absorption. Definiert man die Differenz zwischen Inlandsproduktion und Inlandsabsorption als Horten (H), so gilt: H =Yr − A
(12.21)
Die Hortungsaktivität ist auf ein Geldmarktungleichgewicht zurückzuführen. Unterstellt man keine sofortige vollständige Übertragung des Geldmarktungleichgewichts auf die Gütermärkte, sondern nur im Ausmaß π (π < 1), so folgt für H:
( )
⎛ G⎞ H = π ⎜⎜ Lr Y r , i − ⎟⎟ p⎠ ⎝
(12.22)
Eine reale Überschussnachfrage auf dem Geldmarkt führt im Ausmaß π zu einer positiven Differenz zwischen Inlandsproduktion und realer inländischer Absorption, da die Güternachfrage in diesem Umfang eingeschränkt wurde. Die gleichen Zusammenhänge gelten auch für das Ausland. Da es sich um ein Ein-GüterBeispiel handelt, ist Kaufkraftparität in absoluter Form gegeben und im Geldmarktgleichgewicht des Auslands berücksichtigt: H * = Y r* − A*
(
(12.23)
)
⎛ wG * ⎞ ⎟ H * = π * ⎜⎜ Lr* Y r* , i * − p ⎟⎠ ⎝
(12.24)
Gleichgewicht auf dem Weltgütermarkt ist erfüllt, wenn das Gesamtangebot der Gesamtnachfrage entspricht: Y r + Y r* = A + A*
(12.25)
Damit folgt wegen (12.21) und (12.23): H = −H *
(12.26)
Weltgütermarktgleichgewicht kann also auch bei von Null verschiedenem nationalen Horten erfüllt sein. Da die Differenz zwischen Produktion und Absorption eines Landes dem Leistungsbilanzsaldo entspricht, impliziert (12.26), dass Weltgütermarktgleichgewicht auch bei nicht ausgeglichenen Leistungsbilanzsalden bestehen kann, sie müssen sich lediglich zu Null addieren. Die Geldmarktgleichgewichte sind dagegen nur dann erfüllt, wenn in beiden Län-
12.2 Die monetäre Wechselkurstheorie
281
dern weder gehortet noch enthortet wird, Geldmarktgleichgewicht impliziert also ausgeglichene Leistungsbilanzen. Die Hortungsfunktionen sind in Abb. 12.2 in Abhängigkeit vom Güterpreis in Inlandswährung dargestellt. Steigt der Güterpreis, so impliziert dies einen Rückgang der realen Geldmenge, und es entsteht eine Überschussnachfrage am Geldmarkt. Dies führt zu einem Rückgang der Güternachfrage, H steigt. Der prinzipiell gleiche Zusammenhang besteht auch für die ausländische Hortungsfunktion. p
H0
R Q
P0
S H1* H0*
−H H*
Abb. 12.2:
H −H*
Geld- und Gütermarktgleichgewicht im monetären Ansatz
Um das Weltgütermarktgleichgewicht (12.26) darstellen zu können, sind auf der rechten Abszisse positive Hortungswerte des Inlands und negative Hortungswerte des Auslands abgetragen, auf der linken Abszisse die jeweils entgegengesetzten Vorzeichen. Damit verläuft die inländische Hortungsfunktion von links unten nach rechts oben, die ausländische Funktion dagegen von links oben nach rechts unten. Der Schnittpunkt zwischen beiden Geraden, Punkt Q, kennzeichnet damit ein Weltgütermarktgleichgewicht, bei dem das Inland ein Leistungsbilanzdefizit, das Ausland entsprechend einen Leistungsbilanzüberschuss aufweist. Im Gleichgewichtspunkt Q existiert wegen der Leistungsbilanzsalden jedoch am Devisenmarkt eine Überschussnachfrage nach ausländischer Währung, die Inlandswährung wird abgewertet. Der Anstieg des Wechselkurses erhöht die in Inlandswährung ausgedrückte Geldmenge des Auslands, die ausländische Hortungsfunktion verschiebt sich damit nach oben. Bei unverändertem Güterpreis würde jetzt in beiden Ländern enthortet, d. h. in beiden Ländern wäre die Absorptionsnachfrage größer als die Inlandsproduktion (Punkt Q im Inland bzw. Punkt S im Ausland). Der Güterpreis wird wegen dieser Überschussnachfrage am Gütermarkt steigen. Neues Gleichgewicht ist in Punkt R erreicht, bei dem sich sowohl der Weltgütermarkt als auch die beiden Geldmärkte im Gleichgewicht befinden. Veränderung des Gleichgewichts Zur Verdeutlichung der Wechselkursbildung im monetären Ansatz sollen beispielhaft eine Änderung der inländischen Geldmenge und des inländischen Volkseinkommens diskutiert werden.
282
12 Bestimmungsfaktoren des Wechselkurses
Anstieg der inländischen Geldmenge: In Abb. 12.3 besteht Ausgangsgleichgewicht in Punkt Q. Die inländische Notenbank erhöhe nun die Geldmenge, es entsteht damit ein Überschussangebot auf dem Geldmarkt und die Hortungsfunktion des Inlands verschiebt sich nach oben. Das Überschussangebot auf dem inländischen Geldmarkt führt zu Güterkäufen der Inländer, die den Preis steigen lassen. Neues Weltgütermarktgleichgewicht ist in Punkt R erreicht, bei dem das Inland wieder ein Leistungsbilanzdefizit, das Ausland einen Leistungsbilanzüberschuss, beide im Ausmaß RS, aufweisen. Dies induziert eine Abwertung der Inlandswährung, die ausländische Hortungsfunktion verschiebt sich dadurch ebenfalls nach oben. Der Güterpreis steigt, bis das neue langfristige Gleichgewicht in Punkt T erreicht ist. Die Geldmengenexpansion im Inland hat zu einer Abwertung der Inlandswährung und zu einem Anstieg des inländischen Preisniveaus geführt, das ausländische Preisniveau ist konstant geblieben. p H1
H0 T R
S Q
H2* H0*
−H H*
Abb. 12.3:
H − H*
Wirkung einer Erhöhung des inländischen Geldangebots
Anstieg des inländischen Volkseinkommens: Geht man wieder von einer Gleichgewichtssituation aus und steigt nun das inländische Volkseinkommen, so verschiebt sich in Abb. 12.4 die inländische Hortungsfunktion nach unten. Die gestiegene reale Geldnachfrage würde auch einen Anstieg des realen Geldangebots erforderlich machen, was einen Preisrückgang impliziert. Das neue Weltgütermarktgleichgewicht liegt in Punkt R, das gestiegene Volkseinkommen im Inland hat zu einem Güterpreisrückgang geführt, der im Inland einen Leistungsbilanzüberschuss, im Ausland ein Leistungsbilanzdefizit, beides im Ausmaß RS, zur Folge hat. Auf dem Devisenmarkt entspricht diese Situation einem Überschussangebot an Währung des Landes 2, die Inlandswährung wird aufgewertet. Durch die Aufwertung verschiebt sich die ausländische Hortungsfunktion nach unten, neues Güter- und Geldmarktgleichgewicht wird in Punkt T erreicht. Das gestiegene Volkseinkommen im Inland hat bei konstantem Volkseinkommen im Ausland eine Aufwertung der Inlandswährung zur Folge. Verallgemeinert folgt aus den hier diskutierten Zusammenhängen, dass die Währung des Landes aufwertet, das c. p. einen geringeren Geldmengenanstieg zu verzeichnen hat und das c. p. eine stärkere Wachstumsrate des realen Volkseinkommens aufweist. Der hier vorgestellte Anpassungsprozess hat gezeigt, dass Leistungsbilanzsalden auch ohne Eingriffe von staatlichen Instanzen bei flexiblen Wechselkursen zu einem Ausgleich tendie-
12.3 Finanzmarktansatz
283
ren. Ursache sind die damit verbundenen Ungleichgewichte auf den Geldmärkten und die dadurch ausgelösten Nachfragereaktionen. Allerdings blieben auch hier Kapitalbewegungen und ihr Einfluss auf die Devisenmärkte unberücksichtigt. p H0
H1 Q S
R
T
H0* H2*
H − H*
−H H*
Abb. 12.4:
Wirkung eines Volkseinkommensanstiegs im Inland
12.3
Finanzmarktansatz
12.3.1
Portfoliotheoretische Zusammenhänge
Sowohl bei der Kaufkraftparitätentheorie als auch letztlich beim monetären Ansatz waren Reaktionen auf den Gütermärkten die entscheidenden Bestimmungsfaktoren für die Höhe und die Veränderung des Wechselkurses. Angebot und Nachfrage am Devisenmarkt resultieren aber auch aus internationalen Kapitaltransaktionen, die unabhängig von den Güterströmen durchgeführt werden. Außerdem ist offensichtlich, dass sich die internationalen Güterströme wesentlich langsamer an Veränderungen von Rahmenbedingungen anpassen als der internationale Kapitalverkehr. Den internationalen Kapitalströmen kommt daher vor allem in der kürzeren Frist eine entscheidende Rolle bei der Bestimmung des Wechselkurses und seiner Veränderungen zu. Internationale Kapitalbewegungen wurden bisher lediglich in Form einer kursgesicherten Zinsarbitrage diskutiert. Diese Überlegungen berücksichtigen jedoch nicht, dass internationale Kapitalanleger selbst bei Absicherung des Wechselkursrisikos eine Auslandsanlage in der Regel als ein im Vergleich zum Inland risikoreicheres Engagement ansehen. Das Ausmaß der damit einhergehenden Risikoprämie, die primär von der Bonität des jeweiligen Anlagelandes abhängt, ist sicher eine Erklärung dafür, dass die internationale Zinsdifferenz, vor allem was die nicht sehr kurzfristigen Anlagen angeht, von Null verschieden ist bzw. dass es sich bei in- und ausländischen Wertpapieren nicht um vollkommene Substitute handelt. Dennoch lösen auch in diesem Fall Veränderungen der internationalen Zinsdifferenz oder anderer relevanter Größen grenzüberschreitende Kapitalbewegungen aus. Zur Berücksichtigung solcher Zusammenhänge bietet sich ein Portfolio-Ansatz an, in dem die Wirtschaftssubjekte ihr gegebenes Finanzvermögen nach Risiko- und Ertragsgesichtspunkten auf in- und ausländische Anlagemöglichkeiten aufteilen.
284
12 Bestimmungsfaktoren des Wechselkurses
Es soll hier für ein kleines offenes Land die Anlage in Form von inländischem Geld, von inländischen verzinslichen Wertpapieren und von ausländischen verzinslichen Wertpapieren berücksichtigt werden. Der Kurs der Wertpapiere in der jeweiligen Währung wird dabei als konstant unterstellt, Renditeanpassungen erfolgen über einen variablen Zinssatz. Alle drei Anlageformen sind unvollkommene Substitute, es wird jedoch Bruttosubstitutionalität unterstellt. Diese Annahme impliziert, dass etwa bei einer Erhöhung des ausländischen Zinssatzes die Nachfrage nach ausländischen Wertpapieren aus Ertragsgesichtspunkten steigt, dass dies aber einen Rückgang aller anderen Anlageformen, also auch von Geld impliziert. Die Analyse ist insofern kurzfristig, als keine Anpassungsreaktionen über die Gütermärkte und keine Veränderung der Auslandsposition des betrachteten Landes berücksichtigt werden. Dies scheint aufgrund der gegenüber den güterwirtschaftlichen Zusammenhängen wesentlich schnelleren Anpassungsvorgänge auf den Finanz- und Devisenmärkten gerechtfertigt. Das Finanzvermögen (V) der Wirtschaftssubjekte des Landes setzt sich aus dem wertmäßigen Bestand an inländischem Geld (G), an inländischen Wertpapieren (B) und an ausländischen Wertpapieren (F), die jedoch bei der Zusammenfassung des Vermögens in Inlandswährung umgerechnet werden müssen, zusammen. V = G + B + wF (12.27) Die Wirtschaftssubjekte haben aufgrund von Portfolioüberlegungen eine bestimmte Vorstellung über die Aufteilung ihres Vermögens auf die drei Anlagemöglichkeiten. Diese Aufteilung ist von Risikoüberlegungen, vom Bedarf an Geld für Transaktionszwecke sowie von den im In- und Ausland erzielbaren Renditen abhängig. Bei der Anlage im Ausland wird auch die Wechselkurserwartung wegen eventueller Umtauschverluste oder -gewinne berücksichtigt. Steht das Superscript D für den gewünschten Bestand, so gilt: ⎛+ − − − ⎞ G D = g ⎜ Y , i , i *, w e ⎟V ⎟ ⎜ ⎠ ⎝
(12.28)
⎛−+ − − ⎞ B D = b⎜ Y , i , i *, w e ⎟V ⎟ ⎜ ⎠ ⎝
(12.29)
⎛−− + + ⎞ wF D = f ⎜ Y , i , i *, w e ⎟V (12.30) ⎟ ⎜ ⎠ ⎝ Die Vorzeichen über den einzelnen Einflussgrößen drücken die Richtung der jeweiligen Abhängigkeit aus. Wegen der vollständigen Aufteilung des Vermögens auf die drei Anlageformen addieren sich die drei Anteile g, b und f zu 1.
G B wF + + =1 (12.31) V V V Die partiellen Abhängigkeiten der drei Vermögensanteile addieren sich wegen der Annahme der Bruttosubstitutionalität jeweils zu Null. Die Subskripte kennzeichnen die sich verändernde Variable. g +b + f =1
bzw.
g Y + bY + f Y = g i + bi + f i = g i∗ + bi∗ + f i∗ = g we + bwe + f we = 0
(12.32)
Zur Erfüllung des Portfoliogleichgewichts sowie des Gleichgewichts auf den einzelnen Aktivamärkten muss der Bestand bzw. das jeweilige Angebot mit der gewünschten Haltung übereinstimmen.
12.3 Finanzmarktansatz
G = G D ; B = B D ; wF = wF D ; und damit V = G D + B D + wF D
285 (12.33)
Die Angebote auf den einzelnen Märkten sind, ebenso wie das Volkseinkommen, der ausländische Zinssatz und die Wechselkurserwartung, exogen gegeben. Mit Hilfe des Modellzusammenhangs kann dann die gleichgewichtige Höhe des inländischen Zinssatzes und des Wechselkurses bestimmt werden.18 Die Höhe des Wechselkurses bzw. seine Veränderung ergibt sich im hier unterstellten Zusammenhang ursächlich aus der Nachfrage der Wirtschaftssubjekte nach ausländischen Wertpapieren. Diese Nachfrage verändert sich immer dann, wenn der gewünschte Bestand an ausländischen Wertpapieren nicht mehr mit dem gehaltenen Bestand übereinstimmt. Renditeverschiebungen, erwartete Wechselkursänderungen, Volkseinkommensänderungen sowie Vermögensänderungen oder Vermögensstrukturverschiebungen können Gründe hierfür sein. Da die auftretenden Effekte wesentlich von wechselkursbedingten Vermögensänderungen beeinflusst werden, soll dieser Effekt zunächst isoliert diskutiert werden.
12.3.2
Der wechselkursinduzierte Vermögenseffekt
Ausgangspunkt ist ein Portfoliogleichgewicht. Steigt nun der Wechselkurs, so steigt bei unverändertem Bestand an ausländischen Wertpapieren deren Wert in Inlandswährung und damit auch das Nominalvermögen der Inländer. Bei gegebener Vermögensaufteilung ist der Bestand an ausländischen Wertpapieren, ausgedrückt in Inlandswährung, dann aber zu groß, da der gesamte Vermögensanstieg allein auf einen Wertzuwachs der gehaltenen Auslandspapiere zurückzuführen ist. Die Wirtschaftssubjekte werden deshalb versuchen, ihren Bestand an ausländischen Wertpapieren zu verringern und hierfür inländische Wertpapiere sowie inländisches Geld nachfragen. Portfoliogleichgewicht wäre wieder erreicht, wenn bei gestiegenem Nominalvermögen alle drei Aktiva ihrem optimalen Anteil entsprechen. Steigt etwa das Vermögen durch eine Höherbewertung der ausländischen Finanztitel um 1000 Euro und beträgt der optimale Anteil ausländischer Wertpapiere im Portfolio 40 %, der inländischer Wertpapiere ebenfalls 40 % und der von Geld 20 %, so werden die Wirtschaftssubjekte ausländische Wertpapiere im Wert von 600 Euro verkaufen und hierfür inländische Wertpapiere im Wert von 400 Euro und Geld im Wert von 200 Euro nachfragen. Nach dieser Transaktion verteilt sich der Vermögenszuwachs von 1000 Euro optimal auf die drei Aktivaarten, da auch der Wert ausländischer Wertpapiere trotz des Verkaufs noch um 400 Euro höher ist als vor der Vermögensänderung. Bei dem hier vorgestellten Beispiel wurde von Variabilität des Aktivaangebots ausgegangen, d. h. es wurde nicht berücksichtigt, dass sich wegen des gegebenen Aktivaangebots mit den beabsichtigten Transaktionen der Vermögensbesitzer auch die Renditen der Wertpapiere und der Wechselkurs an die veränderte Marktsituation anpassen. Dies hat aber eine Veränderung der gewünschten Vermögensanteile zur Folge, was bei der Darstellung exogener Einflussgrößen berücksichtigt werden muss. 18
Die Bestimmung einer weiteren endogenen Variablen ist nicht möglich, da wegen der Vermögensrestriktion nur zwei der drei berücksichtigten Finanzmärkte unabhängig voneinander sind. Einer der drei Märkte kann also bei der Bestimmung des Gleichgewichts aufgrund des Walras-Gesetzes vernachlässigt werden. Vgl. zur Herleitung der einzelnen Ergebnisse den Anhang zu diesem Kapitel.
286
12 Bestimmungsfaktoren des Wechselkurses
12.3.3
Graphische Darstellung des Portfoliogleichgewichts
Die Darstellung der Wechselkursdeterminanten im Rahmen eines portfoliotheoretischen Ansatzes wird im Folgenden anhand eines Wechselkurs-Zinssatz-Diagramms erfolgen. Es ist daher zunächst die Gestalt der Gleichgewichtskurven der drei Märkte zu untersuchen. Die algebraische Fundierung der Steigungsgrößen ist im Anhang zu diesem Kapitel dargestellt. Geldmarktgleichgewicht: Ein Anstieg des Wechselkurses impliziert wegen des damit verbundenen positiven Vermögenseffekts auch eine Nachfrageerhöhung nach Geld. Bei konstantem Geldangebot muss daher der Zinssatz steigen, um die gewünschte Geldhaltung zu reduzieren. Die Geldmarktgleichgewichtskurve (GG) hat im Wechselkurs-Zinssatz-Diagramm der Abb. 12.5 also eine positive Steigung. Gleichgewicht auf dem Markt für inländische Wertpapiere: Ein Anstieg des Wechselkurses führt auch bei inländischen Wertpapieren zu einem Nachfrageanstieg. Um bei gegebenem Angebot die Nachfrage wieder zu reduzieren, müsste der inländische Zinssatz sinken, um die Anlage in inländischen Wertpapieren unattraktiver zu machen. Es besteht also ein negativer Zusammenhang zwischen Wechselkurs und Zinssatz, die Gleichgewichtskurve für den inländischen Wertpapiermarkt (BB) hat eine negative Steigung. Gleichgewicht auf dem Markt für ausländische Wertpapiere: Ein Wechselkursanstieg führt, wie oben beschrieben, zu einem Angebot an ausländischen Wertpapieren, da der von den Vermögensbesitzern gehaltene Bestand wegen der Höherbewertung zu groß geworden ist. Es wird nur dann auf einen Verkauf verzichtet, wenn sich die relative Rendite zugunsten von ausländischen Wertpapieren verschiebt, wenn also der inländische Zinssatz sinkt. Auch auf dem Markt für ausländische Wertpapiere besteht damit ein negativer Zusammenhang zwischen dem Wechselkurs und dem inländischen Zinssatz, die Gleichgewichtskurve für den Markt ausländischer Wertpapiere (FF) weist ebenfalls eine negative Steigung auf. Die FF-Kurve ist jedoch eindeutig flacher als die BB-Kurve. Ein gegebener Wechselkursanstieg hat, wie in obigem Beispiel zur Verdeutlichung des Vermögenseffektes beschrieben, auf dem Markt für ausländische Wertpapiere ein Überschussangebot zur Folge, das größer ist als die Überschussnachfrage nach inländischen Wertpapieren. Der Grund liegt in der ebenfalls steigenden Nachfrage nach inländischem Geld. Die Ungleichgewichte auf beiden Wertpapiermärkten können durch einen Rückgang des inländischen Zinssatzes abgebaut werden. Wegen der Bruttosubstitutionsbeziehungen wirkt jedoch eine Zinsänderung auf die Nachfrage nach inländischen Wertpapieren stärker als auf die Nachfrage nach ausländischen Wertpapieren. Dies ergibt sich auch aus (12.32). Da auf dem Markt für ausländische Wertpapiere also zum einen das durch den Zinsrückgang abzubauende Ungleichgewicht größer ist als auf dem Markt inländischer Wertpapiere und zum anderen eine Zinsänderung weniger stark wirkt als auf dem Markt inländischer Wertpapiere, muss der Zinssatz zur Wiederherstellung des Gleichgewichts auf dem Markt für ausländische Wertpapiere eindeutig stärker sinken als bei inländischen Wertpapieren. Dies bedeutet aber nichts anderes als eine im Wechselkurs-Zinssatz-Diagramm flachere Steigung.19
19
Bei Differentiation der Gleichgewichtsbedingungen der beiden Wertpapiermärkte nach i und w ergibt sich:
dw di
=− BB
Vbi bF
0 di gF
Inländische Wertpapiere
Vb dw =− i 0 da bi > g i D
Erhöhung des ausländischen Zinsniveaus (di∗ > 0) : dr di
∗
dw di
∗
=
1 − Vg i∗ D − Vbi∗
=
1 Vg i D Vbi
> gF 1 = (− Vg i∗bF + Vbi∗ gF ) = 0 < bF D
(
)
− Vg i∗ 1 = − V 2 g i bi∗ + V 2 bi g i∗ > 0 − Vbi∗ D
12.7 Zusammenfassung von Kapitel 12
303
Erhöhung des inländischen Volkseinkommens (dY > 0) : 1 − Vg Y di = dY D − VbY dw 1 Vg i = dY D Vbi
gF 1 = (− Vg Y bF + VbY gF ) > 0 bF D − Vg Y 1 = (− Vg iVbY + VbiVg Y ) < 0 − VbY D
da bi > g i , und gY > bY Kauf ausländischer Wertpapiere durch die Notenbank
(dG
S
)
>0, wdF S < 0, dG S = wdF S : di S
dG
dw dG
S
=
1 1 gF 1 = bF < 0 D D 0 bF
=
1 Vg i D Vbi
1 1 = − Vbi > 0 0 D
Kauf ausländischer Wertpapiere und Verkauf inländischer Wertpapiere durch die Notenbank (dBS >0, wdF S < 0, dBS = wdF S ) :
di dB
S
dw dB
S
=
1 0 gF 1 = − gF > 0 D 1 bF D
=
1 Vg i D Vbi
0 1 = Vg i > 0 1 D
Aufgaben zu Kapitel 12 Aufgabe 12.1 a) Was besagt die absolute Form der Kaufkraftparitätentheorie? Welche Annahmen liegen ihr zugrunde und wie erklärt sie das Zustandekommen des Wechselkurses in Systemen flexibler Kurse? b) Was besagt die relative Form der Kaufkraftparitätentheorie? Welche Friktionen werden hier berücksichtigt? In welchem Fall kommt man in der Wechselkursprognose mit beiden Formen der der Kaufkraftparitätentheorie zum gleichen Ergebnis? c) Erläutern Sie den Zusammenhang zwischen Kaufkraftparität und realem Wechselkurs. Wie verändert sich die Kaufkraftparität, wenn der reale Wechselkurs steigt? d) Unterscheiden Sie handelbare und nicht-handelbare Güter. Wie entwickeln sich nominaler und realer Wechselkurs sowie die Kaufkraftparität, wenn c. p. im Inland die Produktivität im Sektor gehandelter Güter stärker ansteigt als im Ausland?
304
12 Bestimmungsfaktoren des Wechselkurses
Aufgabe 12.2 Gegeben ist eine Zwei-Länder Welt, Währung des Inlands ist der Euro, Währung des Auslands ist der Dollar. Unter dem Wechselkurs sei der Dollarkurs verstanden, also w = €/$. Außer dem Wechselkursrisiko sind keine weiteren Risiken zu berücksichtigen. a) Was besagt die gesicherte und was die ungesicherte Zinsparität? Stellen Sie aus Sicht des Inlands den bei Erfüllung der ungesicherten Zinsparität geltenden Zusammenhang zwischen dem Kassakurs und dem inländischen Zinssatz graphisch dar und markieren Sie ein Ausgangsgleichgewicht auf der Zinsparitätenkurve mit dem Punkt A. Begründen Sie Ihr Ergebnis ökonomisch. b) Stellen Sie in Ihrer Graphik dar, wie sich eine Erhöhung des erwarteten Wechselkurses bei unverändertem Auslandszins auswirkt. Geben Sie dabei an, welcher neue Gleichgewichtspunkt – ausgehend vom Punkt A – erreicht wird, wenn die inländische Zentralbank alternativ • den inländischen Zinssatz • den Kassakurs konstant hält und begründen Sie die Anpassungsvorgänge ökonomisch. c) Was ändert sich an Ihrer Darstellung in b), wenn nicht der erwartete Wechselkurs, sondern der Auslandszins steigt? Aufgabe 12.3 a) Wie unterscheidet sich die gesicherte von der ungesicherten Zinsparität? Schreiben Sie beide in Gleichungsform. Stellen Sie die ungesicherte Zinsparität in einem ZinssatzWechselkursdiagramm graphisch dar. b) In einem kleinen Land (Auslandszins gegeben) mit konstantem Realeinkommen steige die Geldmenge. Auch die Güterpreise sind kurzfristig konstant und reagieren erst zeitverzögert. Der Inlandszins und der Wechselkurs reagieren jedoch sofort auf eine Störung. Zeigen Sie anhand Ihrer Darstellung der ungesicherten Zinsparität die kurzfristige und die langfristige Wirkung der Geldmengenerhöhung. Gehen Sie dabei ausführlich auf die Entwicklung des Wechselkurses auf dem Weg vom alten zum neuen langfristigen Gleichgewicht ein und erklären Sie, wieso es zu einem „Überschießen“ des Wechselkurses kommt. Welche Rolle spielen bei Ihrem Ergebnis die Wechselkurserwartungen der Marktteilnehmer? Aufgabe 12.4 Stellen Sie das Portfolio-Gleichgewicht eines kleinen offenen Landes dar, in dem die Vermögensbesitzer neben inländischem Geld auch in- und ausländische Wertpapiere halten, die keine vollkommenen Substitute darstellen. a) Diskutieren Sie die von Ihnen unterstellten Zusammenhänge ausführlich und stellen Sie das Gleichgewicht in einem Wechselkurs-Zinssatz-Diagramm dar. b) Diskutieren Sie anhand der Graphik, algebraisch und verbal die Wirkung eines Rückgangs des inländischen Volkseinkommens auf den Kassakurs und den inländischen Zinssatz. c) Diskutieren Sie anhand der Graphik, algebraisch und verbal die Wirkung einer – über die bisherige Erwartung hinausgehenden – Abwertungserwartung der inländischen Währung auf den Kassakurs und den inländischen Zinssatz.
Aufgaben zu Kapitel 12
305
Aufgabe 12.5 Die monetäre Wechselkurstheorie stellt eine Verbindung zwischen Gleichgewichten auf den Geldmärkten und dem Wechselkurs her. a) Gegeben Sei ein Zwei-Länder-Zusammenhang. Zeigen Sie mit Hilfe von Hortungsfunktionen in einer geeigneten Graphik • eine Situation, bei der Gleichgewicht auf dem Weltgütermarkt, aber Ungleichgewichte auf den nationalen Geldmärkten bestehen, • eine Situation, in der simultanes Gleichgewicht der Geldmärkte in den beiden Ländern und dem Weltgütermarkt existiert. Erläutern Sie die von Ihnen dargestellten Zusammenhänge ausführlich und gehen Sie auch auf die Frage ein, durch welchen Mechanismus Ihre im ersten Fall dargestellte Situation in das zweite Gleichgewicht überführt wird. b) Zeigen Sie anhand Ihrer Graphik Schritt für Schritt die Wirkung eines Anstiegs des ausländischen Zinssatzes auf den Wechselkurs. Geben Sie eine ökonomische Begründung für Ihr Ergebnis.
13
Währungssysteme
13.1
Merkmale von Währungssystemen
Als ein Währungssystem bezeichnet man die Summe aller institutioneller Regelungen über die Funktionsweise der Devisenmärkte sowie der Rahmenbedingungen des internationalen Güter- und Kapitalverkehrs, innerhalb derer die einzelnen Staaten dezentrale Entscheidungen treffen können. Dabei geht es auch um die Frage, auf welche Weise aufgetretene Devisenmarktungleichgewichte beseitigt werden. Gelten die im Rahmen eines Währungssystems vereinbarten Regelungen für alle oder für eine Vielzahl von Ländern, so spricht man von einer Weltwährungsordnung. Eine solche Weltwährungsordnung hat entscheidende Bedeutung für die gesamte weltwirtschaftliche Entwicklung und damit für die Wohlfahrt der beteiligten Länder. Da sie letztlich in fundamentaler Weise auch die gesamte Wirtschaftspolitik eines Landes mit determiniert, gehört die Wahl eines bestimmten Währungssystems zu den wichtigsten wirtschaftspolitischen Entscheidungen. Die Ausgestaltung eines Währungssystems lässt eine Vielzahl von Möglichkeiten zu, welche eine wesentliche Bedeutung für das Verhalten der Teilnehmer und damit deren makroökonomische Entwicklung haben. Daher orientieren sich die Vereinbarungen meist an allgemeinen weltwirtschaftlichen Zielsetzungen wie der optimalen internationalen Allokation der Ressourcen sowie der globalen Vollbeschäftigung. Gleiches gilt für die Geldwertstabilität bzw. für die hierfür erforderliche Geldpolitik. Da es innerhalb eines Währungssystems in der Regel ein dominierendes Land oder eine dominierende Währung gibt, die die Geldpolitik im gesamten Vertragsraum determiniert, sollte sichergestellt sein, dass diese Geldpolitik im Interesse der Mehrheit der Mitgliedsländer liegt. Die Regelungsobjekte eines Währungssystems kann man in drei große Bereiche gliedern: • • •
Regeln für die Bestimmung der Wechselkurse Mechanismen des Zahlungsbilanzausgleichs Art und Umfang von Währungsreserven
13.2
Regeln für die Bestimmung der Wechselkurse
Die möglichen Vereinbarungen über die Art der Wechselkursbildung reichen von der freien Kursbildung bis zur vollkommen starren Fixierung der Austauschrelationen der beteiligten Währungen. Dazwischen gibt es eine Fülle von Abstufungen. Eine besondere Form stellen dabei die Aufgabe der eigenen Währung und ihr Ersatz durch eine Fremdwährung dar. Dies hatten etwa Ecuador und Panama realisiert, die durch einseitigen Beschluss ihre Währungen durch den US-Dollar ersetzt haben. Damit entfallen Spekulationen über eine Änderung der Kursparitäten, für die betroffenen Länder bedeutet es aber die völlige Aufgabe einer eigenständigen Geldpolitik. Die Geschäftsbanken können sich nicht mehr bei der Zentralbank
308
13 Währungssysteme
refinanzieren, und die gesamte umlaufende Geldmenge hängt letztlich von der Entwicklung der Dollar-Reserven des Landes ab. Feste Wechselkurse werden vor allem von Außenhändlern gefordert: Handelsströme, Produktspezialisierungen und Direktinvestitionen sind, wie bereits mehrfach diskutiert, auch von der jeweiligen Wechselkurshöhe abhängig, so dass jede Veränderung des Wechselkurses Anpassungsreaktionen auslöst, die in der Regel mit Kosten verbunden sind. Für Länder mit einer hohen Außenhandelsabhängigkeit bieten sich daher feste Wechselkurse gegenüber den wichtigsten Handelspartnern an. Dabei sollte das Land allerdings nicht zu sehr auf wenige Güter spezialisiert sein, da feste Wechselkurse bei Weltmarktpreisschwankungen die Anpassung erschweren. Feste Wechselkurse sind auch für Länder problematisch, die eine stärkere Präferenz für einen stabilen Geldwert haben als ihre Partner, da eine eigenständige Geldpolitik mit festen Wechselkursen in der Regel unvereinbar ist. Feste Wechselkurse können prinzipiell durch einzelne Länder oder durch internationale Vereinbarungen erreicht werden.
13.2.1
Feste Wechselkurse durch Entscheidung einzelner Länder
Bindung an eine Ankerwährung Ein Land kann durch autonome Entscheidung auf eine eigenständige Geldpolitik verzichten und stattdessen sein geldpolitisches Instrumentarium zur Stabilisierung des Wechselkurses gegenüber einer Ankerwährung nutzen.
Mexiko hatte in den 1980er Jahren seine Währung, den Peso, einseitig an den US-Dollar gebunden. Nach der Ermordung eines Präsidentschaftskandidaten, im März 1994, setzten jedoch Kapitalexporte ein, die durch Zinserhöhungen und durch eine Abwertung gegenüber dem US-Dollar gestoppt werden sollten. Da aber Zweifel am Fortbestand des Peso/Dollar-Wechselkursverbundes bestanden und keine weitere Zinserhöhung vorgenommen wurde, ging die Nachfrage nach langfristigen Staatspapieren deutlich zurück. Es wurden deshalb zunehmend kurzfristige, an den US-Dollar gebundene Wertpapiere, sog. Tesobonos, emittiert. Der Bestand solcher Tesobonos außerhalb des Bankensystems betrug Ende 1994 bereits 21 Mrd. US-Dollar. Nach erneuten politischen Unruhen setzte eine Fluchtwelle aus dem Peso ein. Mexiko verlor innerhalb kurzer Zeit einen erheblichen Teil seiner Währungsreserven. Am 20. Dezember 1994 wurde der Peso um 13 % gegenüber dem US-Dollar abgewertet, zwei Tage später wurde der Kurs ganz freigegeben. Durch umfangreiche ausländische Finanzhilfen, durch ein Stabilisierungsprogramm des IWF sowie eine deutliche Zinserhöhung entspannte sich die Situation im Frühjahr 1995. Eine wechselkursorientierte Geldpolitik verfolgten in Europa zum Beispiel Österreich und die Niederlande, die bis zur Einführung des Euro aus eigener Entscheidung ihre Währung an die Deutsche Mark gekoppelt hatten, indem sie stets die geldpolitischen Entscheidungen der Deutschen Bundesbank nachvollzogen. Ein solches Vorgehen ist immer dann sinnvoll, wenn die Geldpolitik des Ankerwährungslandes als stabilitätsorientiert angesehen wird und man die Vorteile dieser Währungsstabilität für die eigene Währung nutzen. will. Probleme tauchen bei einer einseitigen Wechselkursbindung immer dann auf, wenn es zwischen den Ländern zu einer unterschiedlichen wirtschaftlichen Entwicklung kommt, denn man verzichtet durch die Wechselkursbindung auf ein Sicherungsventil, durch das ein Land in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation seine Konkurrenzfähigkeit erhalten kann.
13.2 Regeln für die Bestimmung der Wechselkurse
309
Currency Board Eine andere Möglichkeit der Wechselkursfixierung ist die Errichtung eines Currency Board. Dabei bindet sich das Land an eine stabile Fremdwährung. Nationales Geld in Form von Banknoten und Münzen wird allein durch Ankauf der Fremdwährung in Umlauf gebracht, es ist also in voller Höhe durch die Fremdwährung gedeckt. Gleichzeitig geht die nationale Notenbank die Verpflichtung ein, jederzeit Banknoten und Münzen der eigenen Währung gegen die Reservewährung zu tauschen. Dies bedeutet, dass die heimische Geldmenge nur in dem Maße steigen kann, wie neue Währungsreserven ins Land fließen. Das Currency Board System wurde bereits in der Kolonialzeit, vor allem in Verbindung mit dem britischen Pfund, praktiziert. Bedeutung erlangte dieses Instrument wieder durch die Verschuldungskrise und den Zusammenbruch des ehemaligen Ostblocks. So wurden Currency Boards z. B. 1991 in Argentinien, 1992 in Estland, 1994 in Litauen und 1997 in Bulgarien installiert. Der Hauptvorteil eines Currency Board Systems liegt in der unmittelbaren Herstellung der Glaubwürdigkeit der Geldpolitik durch die völlige Anlehnung an eine Währung mit einem hohen Stabilitätsstandard. Verbunden mit dieser Glaubwürdigkeit ist der bessere Zugang zum internationalen Kapitalmarkt, wo das Land in der Regel auch bessere Konditionen erhält, als dies ohne Aufgabe einer eigenständigen Geldpolitik möglich gewesen wäre. Wegen des fehlenden Abwertungsrisikos steigt auch die Attraktivität des Landes für Direktinvestitionen. Diesen Vorteilen steht der vollkommene Verzicht auf eine eigenständige Geldpolitik gegenüber. Exogene Störungen können damit nicht geldpolitisch abgefedert werden, was eine größere Flexibilität der nationalen Güter- und Faktormärkte notwendig macht. Außerdem müsste zwischen dem Currency Board-Land und seinem Reserveland eine annähernd gleiche Wirtschaftsentwicklung vorliegen, da sich ansonsten wegen der Konstanz des nominalen Wechselkurses der reale Wechselkurs ändern würde. Das Funktionieren eines Currency Board Systems setzt also voraus, dass Güter- und Faktormärkte eine genügend große Flexibilität aufweisen, dass der Staat Budgetdisziplin bewahrt, um inflationäre Effekte zu vermeiden, und dass die Geldschöpfungskapazität des Geschäftsbankensystems eng an die Entwicklung des Zentralbankgeldes gekoppelt bleibt, da sich ansonsten Geldmengenunterschiede zum Reservewährungsland ergäben, die mit dem absolut festen Wechselkurs letztlich unvereinbar wären. Sehen die Marktteilnehmer die feste Relation als langfristig nicht haltbar an und spekulieren gegen die vermeintliche Schwachwährung, so müssten u. U. die Zinsen erhöht werden, um die Bindung aufrechtzuerhalten. Die feste Bindung ist also nur dann dauerhaft stabil, wenn das Kursverhältnis die tatsächliche ökonomische Relation der beiden Volkswirtschaften widerspiegelt. Trotz dieser potenziellen Schwächen bietet ein solches System bei Erfüllung der notwendigen Voraussetzungen die Chance, den Grundstein für eine stabile eigene Entwicklung zu legen. In der Realität gibt es Beispiele, in denen die Vorteile eines solchen Systems genutzt werden konnten. Es gibt aber auch Beispiele, in denen die Probleme noch stiegen. Dies ist immer dann der Fall, wenn bei Auftreten einer asymmetrischen wirtschaftlichen Entwicklung das Currency Board nicht rechtzeitig beendet wurde.
Ein solches Negativbeispiel ist Argentinien, das deutlich macht, dass wirtschaftliche Stabilität nicht allein durch eine Wechselkursbindung erreicht werden kann. Im Rahmen eines Erneuerungsprogramms der Wirtschaft, das den Abbau protektionistischer Maßnahmen und die Verringerung der Staatsdefizite vorsah, ging Argentinien 1991 ein Currency Board
310
13 Währungssysteme
mit dem US-Dollar ein. Dadurch stieg zunächst das Vertrauen der internationalen Anleger, und die ausländischen Investitionen expandierten. Nach starken Lohn- und Preissteigerungen in den Jahren 1992 und 1993 nahm jedoch die Wettbewerbsfähigkeit Argentiniens durch seine starre Bindung an den US-Dollar deutlich ab. Ein ähnliches Problem hatte auch Brasilien, das 1994 seine Währung ebenfalls an den US-Dollar gebunden hatte, so dass Argentinien seine brasilianischen Absatzmärkte erhalten konnte. Als jedoch Anfang 1999 Brasilien seine Währung gegenüber dem US-Dollar massiv abwertete, brach der Absatzmarkt Brasilien für Argentinien weg. Viele international tätige Unternehmen verlagerten ihre Produktionsstätten von Argentinien nach Brasilien, die Arbeitslosigkeit in Argentinien stieg drastisch an, und das Land geriet in eine Rezession. Kapitalanleger verließen das Land, die Risikoprämien für argentinische Kredite nahmen deutlich zu, da an der Aufrechterhaltung des Currency Board gezweifelt wurde. Das System war letztlich nicht aufrecht zu erhalten. Aufgrund der genannten Probleme hat der IWF Kriterien definiert, die ein Land beim Eingehen eines Currency Board erfüllen sollte: • Eine geringe Einbindung in die internationalen Kapitalmärkte • Ein großer Handelsanteil mit dem Ankerwährungsland • Ähnliche wirtschaftliche Schocks wie das Ankerwährungsland • Die Bereitschaft zur Aufgabe seiner geldpolitischen Unabhängigkeit • Flexibilität der Arbeitsmärkte
13.2.2
Feste Wechselkurse durch institutionelle Vereinbarungen zwischen mehreren Ländern
Die beteiligten Länder einigen sich über die Bildung des Austauschverhältnisses ihrer Währungen, das entweder vollkommen fixiert ist oder bis zu bestimmten Grenzen über- und unterschritten werden kann. Diese Festlegung muss bei freiem Devisenhandel durch Markteingriffe der beteiligten Notenbanken am Devisenmarkt sichergestellt werden. Eine andere Möglichkeit der Wechselkursfixierung ist die Errichtung einer staatlichen Devisenbehörde, über die sämtliche Devisentransaktionen laufen müssen. Dies ist in der Regel mit Einschränkungen der freien Währungskonvertibilität verbunden. Bei der institutionellen Festlegung der Wechselkursbeziehungen zwischen mehreren Ländern taucht eine Reihe von Problemen auf: Das (n – 1)-Problem Existieren in einer Volkswirtschaft n Güter, so gibt es nur n – 1 voneinander unabhängige Tauschverhältnisse. Deshalb muss ein Gut als Numéraire dienen, wofür üblicherweise Geld benutzt wird. Das gleiche gilt in einem System verschiedener Währungen. Bei n Währungen gibt es nur n – 1 voneinander unabhängige Wechselkurse, so dass nicht alle n Länder eine wechselkursorientierte Politik betreiben können. Eine Währung muss vielmehr als Anker für die anderen Währungen fungieren. Die Ankerwährung wird entweder institutionell bestimmt, oder es bildet sich an den Märkten eine Währung als Anker heraus. Hierbei wird es sich in der Regel um die stabilste Währung eines großen Landes handeln.
13.2 Regeln für die Bestimmung der Wechselkurse
311
Bestimmung der Paritäten und der Bandbreiten Aufgrund des (n – 1)-Problems kann eine Währung durch institutionelle Vereinbarung zur Ankerwährung erklärt werden. Für alle anderen Währungen wird dann eine Parität zu dieser Leitwährung festgelegt. Da sich in der Regel auch die Bandbreiten auf die Leitwährungsparität beziehen, ergeben sich für die Nichtleitwährungsländer doppelt so große Bandbreiten.
Ist etwa der US-Dollar die Leitwährung und sind zwischen D-Mark und US-Dollar sowie zwischen französischem Franc und US-Dollar Bandbreiten von jeweils ±1 % festgelegt, so kann der französische Franc am unteren Ende seiner Bandbreite, die D-Mark am oberen Ende ihrer Bandbreite liegen. Kehrt sich dieses Verhältnis um, d. h. der Franc steigt auf das obere Ende, die D-Mark sinkt an das untere Ende, so impliziert dies eine prozentuale Kursänderung zwischen D-Mark und Franc von insgesamt 4 %, d. h. eine doppelt so große Veränderung wie die zulässige Veränderung gegenüber der Leitwährung. Die Kurse und die Bandbreiten können auch gegenüber einem Gut oder einer künstlich geschaffenen Recheneinheit festgelegt werden. Handelt es sich dabei um eine Korbwährung der einzelnen Währungen, so sind die bilateralen Bandbreiten auch von den Anteilen der einzelnen Währungen an der Korbwährung abhängig. Umfang der Bandbreiten: Je enger die Bandbreiten sind, umso öfter werden bei unterschiedlichen wirtschaftlichen Entwicklungen in den beteiligten Ländern Paritätsänderungen notwendig sein. Da sich abzeichnende Paritätsänderungen zu relativ risikolosen Spekulationen einladen, kann hierdurch die Stabilität des ganzen Systems gefährdet werden. Als Nachteil größerer Bandbreiten wird immer wieder auf die Unsicherheiten für die Außenhändler hingewiesen, obwohl es keinen empirischen Beleg für die Abhängigkeit des Außenhandelsvolumens von der Volatilität der Wechselkurse gibt. Stabilisierung der Wechselkurse Werden Wechselkursparitäten vereinbart, so muss im zugrunde liegenden Vertragswerk auch geregelt werden, wie und von wem die Paritäten stabilisiert werden sollen. Dabei kommen grundsätzlich eine Ankaufsregelung, eine Verkaufsregelung und eine beiderseitige Intervention infrage. Ist das Währungssystem auf einer Leitwährung aufgebaut, so ist zu berücksichtigen, dass nie die Leitwährungsnotenbank zu Interventionen verpflichtet sein kann, da ihre Parität ja definitionsgemäß immer gleich Eins ist. Bei einer reinen Ankaufsverpflichtung ist es immer die Starkwährungsnotenbank, die intervenieren muss. Es tritt also stets ein positiver Geldmengeneffekt infolge des Devisenankaufs ein. Damit besteht in einem solchen System eine Tendenz zur Inflationierung. Außerdem wird ein stabilitätswidriges Verhalten einzelner Länder nicht bestraft, da diese Länder nicht verpflichtet werden, ihre Währung durch Verkäufe von Devisenreserven zu stützen. Es kann sogar sein, dass eine Minderheit besonders stabilitätsorientierter Länder durch eine solche Verpflichtung zu einer expansiven Geldpolitik gezwungen wird. Bei einer reinen Ankaufsverpflichtung muss auch geklärt werden, ob die Schwachwährungsländer Guthaben ihrer Währung, die sich bei der Starkwährungsnotenbank durch Interventionen angesammelt haben, umtauschen müssen in nicht selbst zu schaffende Aktiva (Saldenausgleich). Bei einer reinen Verkaufsverpflichtung muss stets die Schwachwährungsnotenbank intervenieren. Sie muss Währungsreserven aus ihrem Bestand verkaufen, um den Wert der eigenen
312
13 Währungssysteme
Währung zu stabilisieren, was mit einem negativen Geldmengeneffekt verbunden ist. Das inflationäre Verhalten eines einzelnen Landes wird also bestraft durch die Verpflichtung, die Geldmenge über das Vehikel der Devisenmarktintervention zu reduzieren. Schließlich ist auch eine beidseitige Verpflichtung möglich, d. h. erreicht ein Wechselkurs seinen oberen oder seinen unteren Interventionspunkt, so sind beide beteiligten Notenbanken zu Interventionen verpflichtet. Auch hierbei ist es möglich, einen Saldenausgleichsmechanismus zu vereinbaren. Im früheren Europäischen Währungssystem etwa war zwischen der D-Mark und dem französischen Franc eine feste Parität vereinbart, von der der tatsächliche Kurs um jeweils 2,25 % (bis 1993) nach oben und nach unten abweichen durfte. Entstand nun, aus welchen Gründen auch immer, eine starke D-Mark-Nachfrage, d. h. ein Franc-Angebot, und drohte der Franc-Kurs dadurch unter die untere Grenze zu fallen, so waren die Deutsche Bundesbank und die Banque de France verpflichtet, einzugreifen. Die Deutsche Bundesbank musste am Devisenmarkt Franc gegen eigene Währung aufkaufen, die französische Notenbank musste D-Mark gegen eigene Währung verkaufen. Damit stieg die Franc-Nachfrage und das D-Mark-Angebot, der Kurs wurde stabilisiert. Bei Interventionsverpflichtungen ist auch zu klären, ob intramarginale Interventionen, d. h. Interventionen, die innerhalb der Bandbreiten durchgeführt werden, erlaubt sein sollen oder sogar eine Verpflichtung hierfür besteht. Der Vorteil liegt darin, dass die Wechselkurse dann nicht das Ende der Bandbreiten erreichen und somit spekulativen Attacken entgegengewirkt wird. Es besteht allerdings die Gefahr, dass dabei Zentralbanken entgegengesetzt intervenieren oder dass auch Drittländer betroffen werden. Regeln für Paritätsänderungen Wenn keine Vereinbarungen über das Prozedere einer Paritätsänderung getroffen wurden, finden in der Regel umfangreiche politische Verhandlungen über mögliche Kursänderungen statt (adjustable peg). Dies birgt die Gefahr von Kosten einer Fehlentwicklung durch unterlassene Kursanpassungen und auch von spekulativen Attacken. Es können aber auch automatische Leitkursanpassungen vereinbart werden (crawling peg). Der Gesamtumfang der Paritätsänderung innerhalb eines bestimmten Zeitraums ist dabei meist beschränkt. Die Kursänderung erfolgt in Abhängigkeit von bestimmten Indizes wie der Änderung des Kurses in der Vergangenheit, der Änderung der Währungsreserven, der Inflationsrate bzw. den Inflationsunterschieden oder der Abweichung von bestimmten Zielwerten. Hauptziele einer automatischen Anpassung sind 1. die Verhinderung von Spekulationswellen, die sehr häufig im Vorfeld diskretionärer Paritätsänderungen auftreten, 2. die Überwindung politischer Hindernisse für eine Paritätsänderung und 3. der Schutz von stabilitätsorientierteren Ländern. Ist bei einer automatischen Kursanpassung eine zusätzliche diskretionäre Änderung nicht mehr möglich, so muss sichergestellt sein, dass in der Änderungsformel alle möglichen Gründe einer Verzerrung berücksichtigt wurden. Da dies so gut wie unmöglich erscheint, sollte eine diskretionäre Änderung nie völlig ausgeschlossen werden. Entscheidet man sich für diskretionäre Änderungen, so muss festgelegt werden, nach welchen Regeln diese erfolgen sollen. Drei Möglichkeiten sind denkbar:
13.3 Mechanismen des Zahlungsbilanzausgleichs
313
Initiativregel: Jedes Land entscheidet selbst, ob es seine Wechselkursparität ändern will. Dabei besteht die Gefahr von Konflikten und von Auf- und Abwertungswettläufen. Konsensregel: Alle Mitglieder müssen mit einer Paritätsänderung einverstanden sein (Einstimmigkeit). Dabei könnte sich ein einzelnes Inflationsland gegen die Abwertung seiner Währung sperren, was negative Folgen für die Gesamtheit hat. Auch dürften bei einer solch strengen Regel stets hohe Verhandlungskosten anfallen. Mehrheitsregel: Dabei kann zwar ein einzelnes Land nicht seine Minderheitsmeinung durchsetzen, es ist auf der anderen Seite aber auch geschützt vor der Minderheitsmeinung anderer Teilnehmer. Ein Mehrheitssystem kann auch mit Ausnahmeregeln ergänzt werden wie etwa dem Anspruch auf eine Wechselkursänderung bei Vorliegen bestimmter Situationen, etwa die Inflationsraten betreffend. Vertragliche Kooperationen zwischen den Notenbanken Besteht in einem vertraglich vereinbarten Währungssystem Interventionsverpflichtung, so ist auch die Frage nach dem Aufbau von Währungsreserven zu klären. Sind keine eigenen Währungsreserven vorhanden, so können Vereinbarungen über Interventionskredite im Vertragswerk aufgenommen sein. Dabei ist zu berücksichtigen, von wem solche Kredite gewährt werden sollen. Infrage kommen andere Notenbanken, Geschäftsbanken oder internationale Organisationen. Geklärt werden muss auch, ob es Obergrenzen für solche Kredite geben und wie die Rückzahlung erfolgen soll. Eng damit verbunden ist auch die Frage nach einer Koordinierung der Geldpolitik, da eine gleiche Zielsetzung in dieser Frage eine der Voraussetzungen für das Vermeiden von Wechselkursverzerrungen ist. Schließlich sind Regelungen für die Überwachung des gesamten Vertragswerks und eventuelle Sanktionsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
13.2.3
Flexible Wechselkurse
Die einzelnen Länder einigen sich darauf, dass sich die Wechselkurse ohne Beeinträchtigungen frei durch privates Angebot und private Nachfrage bilden können. Seit dem Zusammenbruch des Währungssystem von Bretton Woods – vgl. Kapitel 14 – besteht dieses Prinzip grundsätzlich zwischen den wichtigsten Währungen der Welt, dem US-Dollar, dem japanischen Yen und der D-Mark bzw. dem Euro. Dennoch wird immer wieder beobachtet, dass trotz grundsätzlicher Flexibilität die Notenbanken an den Devisenmärkten als Käufer oder Verkäufer von Währungen aktiv sind. Insbesondere war dies unmittelbar nach Ende des Bretton Woods-Systems der Fall. Auf die Motive dieses Verhaltens der Notenbanken soll in Abschnitt 5 näher eingegangen werden. Da bis heute Devisenmarktinterventionen nicht unterlassen werden, wird das derzeit herrschende Wechselkurssystem auch als „kontrolliertes Floaten“ bezeichnet.
13.3
Mechanismen des Zahlungsbilanzausgleichs
Zahlungsbilanzungleichgewichte sind mit Ungleichgewichten auf den Devisenmärkten verbunden. Der Leistungsbilanzsaldo entspricht bei Vernachlässigung von Übertragungen der Differenz zwischen dem Bruttoinlandsprodukt und der inländischen Absorption. LB = Y − A (13.1)
314
13 Währungssysteme
In Kapitel 2 wurde ebenfalls diskutiert, dass die Summe von Leistungsbilanzsaldo und privaten Nettokapitalimporten (NKIpr) der Zunahme der Währungsreserven der Zentralbank (Z) entspricht. LB = NKX
bzw.
LB + NKIpr = Z
(13.2)
Eine Überschussnachfrage am Devisenmarkt entspricht einer Situation, in der beide Seiten von (13.2) negativ sind. Dies kann auf ein Leistungsbilanzdefizit zurückzuführen sein, das größer ist als die privaten Nettokapitalimporte. Ebenso ist die Situation möglich, dass sich die Leistungsbilanz im Überschuss befindet, dass aber in noch größerem Umfang netto privates Kapital exportiert wird. Weitere Kombinationen sind denkbar. Im Folgenden wird von einem Leistungsbilanzdefizit ausgegangen, das durch private Nettokapitalimporte nicht in vollem Umfang ausgeglichen werden kann. Setzt man (13.1) in (13.2) ein, so kann man diese Situation auch so interpretieren, dass die privaten Nettokapitalimporte nicht ausreichen, um die über das Bruttoinlandsprodukt hinausgehende inländische Absorption zu finanzieren. Y − A + NKIpr = Z
(13.3)
Im Devisenmarktdiagramm 13.1 ist eine solche Situation graphisch dargestellt. Beim herrschenden Wechselkurs w0 besteht eine Überschussnachfrage nach Devisen im Umfang AB. Mechanismen zur Beseitigung dieses Ungleichgewichts müssen an dem in Gleichung (13.3) beschriebenen Zusammenhang ansetzen. Entweder müssen die Währungsreserven der Notenbank sinken, d. h. die rechte Seite von (13.3) bleibt negativ. Eine solche Anpassung nennt man „Zahlungsbilanzfinanzierung“. Steigen dagegen die Größen auf der linken Seite bis zum Wert von Null, so handelt es sich um eine Zahlungsbilanzanpassung, die Währungsreserven der Notenbank können dann unverändert bleiben. Welche der infrage kommenden Anpassungsmechanismen letztlich ergriffen werden, ist ebenfalls Teil der vertraglichen Regeln eines Festkurssystems.
13.3.1
Zahlungsbilanzanpassung
Anpassung durch Wechselkursänderung Die Überschussnachfrage nach Devisen kann durch einen Anstieg des Wechselkurses, also durch eine Abwertung der Inlandswährung, abgebaut werden. Dies setzt die Möglichkeit einer Paritätsänderung voraus. Während sich bei flexiblen Wechselkursen der Kurs in Abb. 13.1 auf w1 erhöhen kann und damit Devisenmarktgleichgewicht in Punkt G erreicht wird, setzt Stufenflexibilität vertragsgemäßes politisches Handeln voraus. Dies impliziert die Schwierigkeit, das genaue Ausmaß der erforderlichen Abwertung zu prognostizieren, da nicht bekannt sein dürfte, in welchem Ausmaß sich Angebot und Nachfrage nach Devisen aufgrund einer Wechselkursänderung verändern, d. h. welche Gestalt die Devisenangebotsund die Devisennachfragekurve in Abb. 13.1 haben. Reagiert die Leistungsbilanz normal auf die Abwertung, so wird sie sich verbessern, und die bestehende Überschussnachfrage nach Devisen wird abgebaut. Vor einer Paritätsänderung sollte jedoch überprüft werden, ob der Nachfragesteigernde Effekt der Abwertung mit der allgemeinen konjunkturellen Lage und der Kapazitätsauslastung der inländischen Industrie vereinbar ist und ob von dem mit der Abwertung verbundenen Anstieg der Importgüterpreise inflationäre Gefahren ausgehen. Letztere würden die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der betrachteten Wirtschaft verschlechtern, was durch steigende Importe eine erneute Über-
13.3 Mechanismen des Zahlungsbilanzausgleichs
315
schussnachfrage nach Devisen auslösen könnte. Da eine Abwertung der Inlandswährung für die anderen Länder eine Aufwertung ihrer Währungen impliziert, sind auch dort die Konsequenzen einer solchen Paritätsänderung zu überprüfen. w
G
w1
A
w0
B
DA
DN
A0
Abb. 13.1:
N0
DA,DN
Situation einer Überschussnachfrage am Devisenmarkt
Anpassung bei unverändertem Wechselkurs Soll der Wechselkurs trotz der Überschussnachfrage nach Devisen auf dem bisherigen Niveau gehalten werden, so kann dies durch Mechanismen geschehen, die Angebot und Nachfrage nach Devisen durch politisch induzierte Verhaltensänderungen der Marktteilnehmer wieder in Übereinstimmung bringen. Wie aus Gleichung (13.3) ersichtlich, müsste dabei das inländische Volkseinkommen steigen, und/oder die inländische Absorption sinken und/oder die privaten Nettokapitalimporte zunehmen. In Frage kommen eine expansive Angebotspolitik zur Steigerung des inländischen Volkseinkommens oder kontraktive geld- und fiskalpolitische Maßnahmen zur Dämpfung der inländischen Absorption und zur Ankurbelung der privaten Nettokapitalimporte. Gelingt es, etwa durch eine kontraktive Geldpolitik, die Inflationsrate im Inland zu senken, so verbessert sich c. p. die Leistungsbilanz, die Devisennachfrage sinkt aufgrund sinkender Importe, das Devisenangebot nimmt wegen der infolge der verbesserten preislichen Wettbewerbsfähigkeit steigenden Exporte zu. Dies führt zu einem tendenziellen Abbau des Devisenmarktungleichgewichts, in Abb. 13.1 verschiebt sich die Devisenangebotskurve nach rechts, die Devisennachfragekurve nach links. Ist die kontraktive Geldpolitik mit einem Zinsanstieg im Inland verbunden, so würde dies c. p. Nettokapitalimporte und damit ein zusätzliches Devisenangebot induzieren. Auch hierdurch würde sich die Devisenangebotskurve nach rechts verschieben. Bei allen geld- und fiskalpolitischen Maßnahmen ist zu berücksichtigen, in welcher Weise das externe Ziel des Zahlungsbilanzausgleichs mit binnenwirtschaftlichen Zielen kompatibel ist. Eine weitere Möglichkeit der Anpassung wären direkte staatliche Eingriffe auf den internationalen Güter- und Kapitalmärkten. Durch Importzölle oder andere protektionistische Maß-
316
13 Währungssysteme
nahmen könnte versucht werden, die Güterimporte zu beschränken, was die Devisennachfrage reduziert. Gleichzeitig könnte durch Eingriffe in den freien Kapitalverkehr der Kapitalexport behindert werden, was ebenfalls einen Rückgang der Devisennachfrage zur Folge hätte. Eine solche Politik ist jedoch problematisch. Zum einen lösen protektionistische Handlungen Gegenmaßnahmen des betroffenen Auslands aus, was nicht nur die erhoffte Wirkung auf die Devisenmärkte gefährden würde, sondern auch die Wohlfahrtssteigernde Wirkung des internationalen Handels insgesamt in Frage stellt. Außerdem besteht die Gefahr eines steigenden Preisniveaus im Inland, da, etwa durch die Einführung eines Importzolls, die Inlandspreise der Importgüter zunehmen. Dies könnte, wenn sich die Preissteigerung auf andere Sektoren überträgt, die internationale Wettbewerbsfähigkeit des betrachteten Landes negativ beeinflussen. Ein Eingriff in die freie Bewegungsmöglichkeit von Kapital fördert die Gefahr einer internationalen Fehlallokation dieses Faktors. Außerdem setzen Mechanismen zur Umgehung der Eingriffe ein, was einen aufwendigen Kontrollapparat erforderlich machen würde.
13.3.2
Zahlungsbilanzfinanzierung
Soll der Wechselkurs bei w0 in Abb. 13.1 gehalten werden und ist eine Anpassung – zumindest kurzfristig – nicht möglich, so müssen die Notenbanken die Überschussnachfrage nach Devisen in Höhe von AB durch Interventionen beseitigen. Die Notenbank des Landes, dessen Währung nachgefragt wird, muss fremde Währung gegen eigene Währung ankaufen und/oder die Notenbank des Landes, dessen Währung angeboten wird, muss die Fremdwährung gegen eigene Währung verkaufen. Da die Notenbank des Defizitlandes, d. h. dessen Währung angeboten wird, Devisen verkaufen muss – die Währungsreserven nehmen ab –, spricht man von einer „Finanzierung“ des Leistungsbilanzdefizits. In Abb. 13.1 impliziert eine solche Finanzierung eine Rechtsverschiebung der Devisenangebotskurve, bis ein Gleichgewicht bei unverändertem Wechselkurs w0 in Punkt B erreicht wird. Devisenmarktoperationen von Notenbanken sind stets mit Geldmengenänderungen verbunden. Die Geldmenge des Landes, dessen Notenbank Devisen ankauft, steigt, werden Devisenreserven verkauft, so sinkt die Geldmenge. Die Geldmengenänderungen haben ihrerseits wieder Zahlungsbilanzanpassungen zur Folge, die über Zins- und Einkommensänderungen zum Tragen kommen. Diese Effekte werden an späterer Stelle ausführlich analysiert. Um solche geldmengeninduzierten Änderungen ökonomischer Inlandsgrößen zu vermeiden, können die Notenbanken die Geldmengeneffekte der Devisenmarktinterventionen auch neutralisieren bzw. sterilisieren. Der Ankauf von Devisen müsste dabei mit einem gleich großen Verkauf inländischer Wertpapiere verbunden werden, der Verkauf von Devisen mit einem Ankauf inländischer Wertpapiere. In diesem Fall bliebe die umlaufende Geldmenge unverändert, in der Notenbankbilanz ergäbe sich lediglich ein Aktivtausch. Auch Änderungen der Leitzinsen sind als gegengerichtete Maßnahme denkbar. Eine Zahlungsbilanzfinanzierung durch Devisenmarktinterventionen ändert jedoch nichts an der Ursache eines Leistungsbilanzdefizits, solange mögliche Anpassungseffekte durch Geldmengenänderungen aufgrund von Neutralisierungsoperationen verhindert werden. Beide Seiten von (13.3) blieben negativ. Die Notenbank müsste in diesem Falle permanent am Devisenmarkt intervenieren, um die Nachfrage nach Devisen zu befriedigen. Dies setzt das Vorhandensein von Währungsreserven in genügendem Umfang voraus.
13.4 Art und Umfang von Währungsreserven
317
Einzige Ausnahme ist dabei ein Land, dessen Währung als Devisenreserve für andere Länder dient, wie etwa der US-Dollar. Existiert ein Leistungsbilanzdefizit der USA und soll dieses durch Devisenmarktinterventionen finanziert werden, so können sich die USA Fremdwährungskredite durch Verschuldung in eigener Währung beschaffen, da der USDollar von anderen Ländern als Währungsreserve gehalten wird. Da eine solche Möglichkeit für Nicht-Reservewährungsländer nicht besteht, liegt hier eine Asymmetrie des Währungssystems vor. Die Neutralisation des Geldmengeneffekts einer Devisenmarktintervention ist nur dann zu rechtfertigen, wenn das Devisenmarktungleichgewicht als eine kurzfristige Störung angesehen wird, denn aus der oben diskutierten Systematik der Zahlungsbilanz ist bekannt, dass durch die ständige Finanzierung eines Leistungsbilanzdefizits, ohne dieses selbst zu beseitigen, eine externe Schuldnerposition des betrachteten Landes aufgebaut wird, die den Anpassungsbedarf lediglich in die Zukunft verlagert. Ist das Ungleichgewicht dagegen nur von kurzer Dauer, so brauchen die infrage kommenden Korrekturmaßnahmen nicht schockartig in Kraft gesetzt zu werden, der erforderliche Korrekturbedarf kann vielmehr kontinuierlich, über die Zeit gestreckt, vorgenommen werden. Um aber eine solche Strategie durchführen zu können, werden Devisenreserven in genügendem Umfang benötigt. Zu den Wesensmerkmalen eines Währungssystems gehört daher auch, in welchem Ausmaß und auf welche Weise einem Land Währungsreserven zur Verfügung stehen. Dies kann durch die Schaffung eigener Reserven, durch bilaterale Kreditvergabe, aber auch durch Rückgriff auf den internationalen Währungsfonds erfolgen.
13.4
Art und Umfang von Währungsreserven
13.4.1
Die wichtigsten Arten von Währungsreserven
Will ein Land bei Vorliegen einer Überschussnachfrage am Devisenmarkt eine Wechselkursänderung verhindern und stattdessen das Ungleichgewicht finanzieren, so werden Währungsreserven bzw. internationale Liquidität benötigt. Hierzu zählen alle konvertiblen Währungen, mit denen direkt an den Devisenmärkten interveniert werden kann, sowie alle Aktiva, die ohne Probleme in konvertible Währungen umtauschbar sind. Um eine Aussage über den Umfang der Interventionsmöglichkeiten der Notenbanken zu treffen, bietet es sich an, auch das Ausmaß der internationalen Kreditmöglichkeiten zu berücksichtigen, da sich ein Land auch auf diesem Weg Währungsreserven beschaffen kann. Da dies jedoch fast nie genau zu quantifizieren ist, bleiben solche potenziellen Reserven in der Regel unberücksichtigt. Vor dem Ersten Weltkrieg war Gold das bedeutendste Reservemedium, da nur Gold international in größerem Umfang als Zahlungsmittel akzeptiert wurde. Sein Anteil machte etwa 90 % der Weltwährungsreserven aus. Der nach dem Zweiten Weltkrieg errichtete GoldDevisen-Standard räumte Gold zwar immer noch eine dominierende Stellung ein, daneben wurde dem US-Dollar aber die Funktion einer Weltreservewährung zugestanden. Der USDollar war durch eine feste Parität und eine Umtauschzusage der amerikanischen Notenbank fest an das Gold gebunden. Seit dem Ende des Gold-Devisen-Standards, im Jahr 1973, hat Gold keine offizielle Funktion im Rahmen eines Weltwährungssystems mehr und verliert seitdem immer mehr an Bedeutung. Stattdessen konnte der US-Dollar seine dominierende Stellung als internationale Reservewährung (trotz Einführung des Euro) behaupten, lediglich
318
13 Währungssysteme
die Währungen Deutschlands (bzw. Europas) und Japans als wirtschafts- und handelsstarke Länder hatten und haben nennenswerte Anteile am Bestand der Weltwährungsreserven. Im Jahr 1969 wurde vom Internationalen Währungsfonds eine künstliche Währung, die Sonderziehungsrechte, in der Absicht geschaffen, als Weltwährungsreserve den US-Dollar zu entlasten. Der Wert eines Sonderziehungsrechts wurde mit einem US-Dollar gleichgesetzt. Mit dem Ende des Gold-Devisen-Standards begannen der US-Dollar und mit ihm die Sonderziehungsrechte gegenüber den anderen Währungen frei zu schwanken, d. h. bei einer Abwertung des US-Dollars verloren auch die Sonderziehungsrechte an Wert. Deshalb berechnete man den Wert der Sonderziehungsrechte ab 1974 auf der Basis eines Währungskorbs, in dem zunächst 16 Währungen enthalten waren. Um die Berechnung zu erleichtern, beschränkt man sich seit 1981 auf die Währungen der 5 größten Handelsnationen USA, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Japan. Die Schaffung bzw. Zuteilung von Sonderziehungsrechten erfolgt durch Beschluss des Gouverneursrats des IWF mit 85 % aller Stimmen. Die Zuteilung an die einzelnen Mitglieder richtet sich nach ihrer IWF-Quote. Sonderziehungsrechte sollen nur zugeteilt werden, wenn ein nicht inflationär wirkender langfristiger, weltweiter Bedarf besteht. Da diese Formel auslegungsfähig ist, kam es in den letzten 30 Jahren des Öfteren zu Forderungen nach einer Ausweitung der Sonderziehungsrechte. Unter anderem wurden Stimmen laut, die nach 1980 eskalierende internationale Verschuldungskrise durch die Zuteilung von Sonderziehungsrechten zu entschärfen, was aber wegen der befürchteten inflationären Wirkung nicht realisiert wurde. Mit Hilfe von Sonderziehungsrechten kann ein Land in den Besitz von konvertierbarer Währung gelangen. Ein Defizitland wendet sich an den IWF mit dem Wunsch nach Umtausch seiner Sonderziehungsrechte gegen eine bestimmte Währung. Der IWF benennt dann ein Land, das dem Defizitland die Devisen im Tausch gegen Sonderziehungsrechte zur Verfügung stellt. Allerdings ist jedes Land nur verpflichtet, Sonderziehungsrechte bis zum dreifachen des ihm vom IWF zugeteilten Betrages zu übernehmen. Da die Länder ihre Währungsreserven in der Regel verzinslich anlegen, würde dem Land, das zur Annahme von Sonderziehungsrechten verpflichtet wird, ein Zinsverlust entstehen. Dies wird wie folgt ausgeglichen: Jedes Land hat dem IWF für die ihm zugeteilten Sonderziehungsrechte eine Verzinsung („Gebühr“) zu zahlen und erhält im Gegenzug vom IWF Zinsen auf die gehaltenen Sonderziehungsrechte. Da der Zinssatz identisch ist, ergäbe sich keine Nettoverzinsung. Dies ändert sich jedoch bei Inanspruchnahme der Sonderziehungsrechte. Ein Defizitland, das Sonderziehungsrechte gegen konvertierbare Währung getauscht hat, muss nach wie vor die zugeteilten Sonderziehungsrechte, deren Betrag sich durch die Inanspruchnahme ja nicht verändert hat, verzinsen. Es erhält aber einen geringeren Zinsbetrag zurück, da sich die Menge der gehaltenen Sonderziehungsrechte verringert hat. Umgekehrt erhält das Überschussland mehr Zinsen, als es selbst zahlen muss, da der von ihm gehaltene Bestand größer ist als die ihm zugeteilten Sonderziehungsrechte. Dies entspricht im Prinzip einer Verzinsung des dem anderen Land zur Verfügung gestellten Währungsbetrags. Abb. 13.2 verdeutlicht diese Zusammenhänge für einen Fall, in dem Land A seine Sonderziehungsrechte in Anspruch nimmt, um von Land B Devisenreserven zu erhalten. SRZZ bezeichnet die zugeteilten Sonderziehungsrechte, SRZH die gehaltenen Sonderziehungsrechte. Die Pfeile über den Balken geben die Richtung der Zinszahlungen an. Es wird deutlich, dass Land A nach der Inanspruchnahme Nettozinszahler, Land B Nettozinsempfänger ist.
13.4 Art und Umfang von Währungsreserven
319
Zinsströme
SZRZ SZRH
SZRZ SZRH SZRZ SZRH
Land A
Land B
vor Inanspruchnahme
Abb. 13.2:
13.4.2
Land A
SZRZ SZRH
Land B
nach Inanspruchnahme
Finanzierung eines Leistungsbilanzdefizits durch die Verwendung von Sonderziehungsrechten
Bedarf und Entstehung von Währungsreserven
Bedarf an Währungsreserven besteht zur Finanzierung eines Zahlungsbilanzdefizits entweder durch vertragliche Vereinbarung, wenn zur Aufrechterhaltung der Währungsparität Devisen verkauft werden müssen oder wenn in einem System des kontrollierten Floatens sich durch die Marktkräfte ein Wechselkurs ergeben würde, der den eigenen Zielvorstellungen widerspricht. Es ist auch eine Situation vorstellbar, in der ein Zahlungsbilanzdefizit grundsätzlich durch Anpassungsmaßnahmen abgebaut werden soll, diese Anpassung aber zeitlich gestreckt oder in ihrer Wirkung abgeschwächt werden soll. Der Bedarf an Währungsreserven ist dabei umso größer, je größer die eventuell auftretenden Defizite sind, was wiederum vom Ausmaß des Außenhandelsvolumens des betreffenden Landes abhängig ist. Grundsätzlich bestehen drei Möglichkeiten, wie ein Land in den Besitz von Währungsreserven gelangen kann. a) Durch Leistungsbilanzüberschüsse. Werden c. p. mehr Güter ex- als importiert, so entsteht am Devisenmarkt ein Überschussangebot an Devisen, das die Notenbank bei konstantem Wechselkurs aufkaufen kann. In diesem Fall sind Währungsreserven durch Exportüberschüsse selbst verdient worden. Auf die Zahlungsbilanzzusammenhänge eines solchen Falles wurde oben ausführlich eingegangen. Durch Leistungsbilanzüberschüsse kann sukzessive ein Bestand an Währungsreserven aufgebaut werden. Dies setzt jedoch ein Leistungsbilanzdefizit des Landes voraus, dessen Währung als Reservewährung fungiert. Permanente Leistungsbilanzdefizite lassen jedoch eine internationale Verschuldungsposition entstehen, die letztlich das Vertrauen in diese Währung gefährdet. So ist die USA, deren Währung noch immer die Hauptreservewährung der Welt darstellt, durch permanente Leistungsbilanzdefizite mittlerweile zum höchstverschuldeten Land der Welt geworden. Etwas gemildert wird dieser Zusammenhang durch die Existenz der Eurogeldmärkte. Eurodollar sind kurzfristige, auf USDollar lautende Einlagen bei Banken außerhalb der USA. Werden diese zur multiplen Geldschöpfung genutzt, so können die Dollar-Währungsreserven außerhalb der USA steigen, ohne dass dem ein entsprechendes Defizit der US-Leistungsbilanz entsprechen muss.
320
13 Währungssysteme
b) Durch Kredite. Defizitländer können sich die zur Zahlungsbilanzfinanzierung benötigten Devisen leihen. Dies kann am internationalen Kapitalmarkt oder bei Notenbanken anderer Länder erfolgen. In der Regel setzt diese Art der Kreditaufnahme eine gewisse Bonität des Kreditsuchenden Landes voraus. Allerdings sind es gerade chronische Defizitländer, deren internationale Schuldnerposition durch permanente Leistungsbilanzdefizite bereits ein großes Ausmaß erreicht hat, die auf diesem Weg in den Besitz von Währungsreserven zu gelangen versuchen. Währungskredite können auch beim IWF aufgenommen werden. Hier haben die einzelnen Länder im Rahmen ihrer Ziehungsrechte sogar das Recht, in bestimmter Höhe einen Währungskredit zu erhalten. c) Durch Zuteilung von Reserven bzw. durch Eigenproduktion. Internationale Währungsreserven können auch durch Zuteilung des IWF entstehen, wie es bei den Sonderziehungsrechten der Fall ist. Daneben besteht die Möglichkeit der Eigenproduktion. Zum einen ist es Ländern, deren Währung als internationale Reservewährung akzeptiert wird, wie etwa derzeit dem US-Dollar, möglich, durch Geldschöpfung die eigenen Zahlungsbilanzdefizite zu finanzieren. Allerdings besteht hierbei die Gefahr, dass bei zunehmender Verschuldung dieses Landes auch das Vertrauen in die Währung leidet und ihre Akzeptanz an den Weltmärkten dadurch gefährdet wird. Zum anderen ist es Ländern, die über Goldvorräte verfügen, möglich, Zahlungsbilanzdefizite zu finanzieren. Zwar hat Gold heute nur noch eine untergeordnete Bedeutung als internationales Reservemedium, Gold wird aber immer noch international akzeptiert. Bei der Finanzierung des Zahlungsbilanzdefizits durch Gold handelt es sich allerdings um den gleichen Vorgang wie bei der Finanzierung von Währungsreserven durch Exportüberschüsse. Auch Gold muss, wie ein Gut, exportiert werden, um mit den dafür erhaltenen Erlösen am Devisenmarkt intervenieren zu können.
13.4.3
Optimaler Umfang von Währungsreserven
Nutzen von Währungsreserven: Währungsreserven werden zur Zahlungsbilanzfinanzierung benötigt. Im Falle von Leistungsbilanzdefiziten kann durch Devisenmarktinterventionen eine sofortige Anpassung zumindest zeitlich hinausgezögert werden. Sind keine Währungsreserven vorhanden, so entstünden erhebliche volkswirtschaftliche Kosten der sofortigen Zahlungsbilanzanpassung oder für das Leihen von Währungsreserven. Die Wahrscheinlichkeit, dass solche Kosten entstehen, sowie ihr Ausmaß, ist umso größer, je umfangreicher die Außenhandelsaktivität des Landes ist, sie ist umso kleiner, je mehr Währungsreserven das Land besitzt. Der Nutzen der Währungsreserven drückt sich also aus in der Vermeidung der Kosten einer sofortigen Anpassung. Dabei wird ein abnehmender Grenznutzen unterstellt: Je höher der Bestand an Währungsreserven bereits ist, umso geringer ist der zusätzliche Nutzen einer weiteren Einheit von Währungsreserven. Kosten des Haltens von Währungsreserven: Wie in Kapitel 2 dargestellt, setzt ein Anstieg der Währungsreserven der Notenbank einen Leistungsbilanzüberschuss voraus. Das heißt aber, im Ausmaß des Leistungsbilanzüberschusses werden eigene Ersparnisse nicht im Inland investiv verwendet, sondern dem Ausland zur Verfügung gestellt. Es entstehen also Opportunitätskosten im Ausmaß der entgangenen Investitionsrendite. Als Maß kann man hierfür die Rendite langfristiger Kapitalmarkttitel benutzen (rkap). Andererseits legen die Notenbanken die Währungsreserven, meist in Form von Staatsanleihen anderer Länder an, wofür sie Zinsen bekommen (rst). In aller Regel sind die Zinsen für Staatsanleihen aber ge-
13.5 Feste versus flexible Wechselkurse
321
ringer als die Verzinsung der Investitionen, so dass im Ausmaß dieser Zinsdifferenz (rkap − rst) Nettoopportunitätskosten des Haltens von Währungsreserven entstehen. Optimaler Bestand an Währungsreserven: Da mit steigendem Bestand an Währungsreserven der Grenznutzen jeder weiteren Einheit abnimmt, die Grenznettoopportunitätskosten aber konstant bleiben, ist bei Identität von Grenznutzen und Grenzkosten das optimale Ausmaß an Währungsreserven erreicht. Dies ist in Abb. 13.3 im Schnittpunkt der beiden Kurven der Fall. GN GK
Grenznettoopportunitätskosten
Grenznutzen
WRopt
Abb. 13.3:
WR
Optimaler Bestand an Währungsreserven
Bei steigendem Außenhandel steigt die Wahrscheinlichkeit für das Entstehen und die Größe von Leistungsbilanzdefiziten und damit von Anpassungskosten, die Grenznutzenkurve verschiebt sich nach oben und das optimale Ausmaß von Währungsreserven steigt. Bildet ein Land mit seinen wichtigsten Handelspartnern eine Währungsunion, so entfällt für diesen Teil eine mögliche Devisenmarktintervention, die Grenznutzenkurve verschiebt sich nach unten und das optimale Ausmaß sinkt. Das Optimum verändert sich auch bei einer Änderung der Zinsdifferenz. Sinkt c. p. die Verzinsung von Staatsanleihen, so steigen die Nettoopportunitätskosten und das optimale Ausmaß an Währungsreserven sinkt.
13.5
Feste versus flexible Wechselkurse
13.5.1
Devisenmarktinterventionen und Unabhängigkeit der Geldpolitik
Liegt ein Wechselkurssystem vor, in dem feste Paritäten vereinbart sind, so ist es Aufgabe der beteiligten Notenbanken, den Kurs durch Interventionen am Devisenmarkt zu stabilisieren. Da, wie oben diskutiert, jeder Kauf oder Verkauf von Devisen mit einer Änderung der umlaufenden Geldmenge im Inland verbunden ist, kann es zwischen dem Ziel, ein bestimmtes Wechselkursniveau zu verteidigen, und dem Ziel der Preisniveaustabilität einen Konflikt geben. Dieser Zusammenhang ist anhand des Zinsparitätentheorems in Abschnitt 12.4 und der dortigen Abb. 12.9 erkennbar. Entweder die Notenbank stabilisiert den Wechselkurs, dann ist der Inlandszins festgelegt. Oder sie betreibt eine eigenständige Geldpolitik, dann muss eine Wechselkursänderung hingenommen werden.
322
13 Währungssysteme
Ist eine Notenbank besonders stabilitätsorientiert, so wird das Preisniveau dieses Landes geringere Zuwachsraten aufweisen als das anderer Länder. Dies impliziert zum einen Wettbewerbsvorteile des Landes auf den Gütermärkten, zum anderen macht die mit der größeren Stabilität verbundene Aufwertungserwartung eine Kapitalanlage im betrachteten Land c. p. rentabler. Es kommt also zu steigenden Güterexporten sowie Nettokapitalimporten. Beides führt auf den Devisenmärkten zu einer steigenden Nachfrage nach der Währung dieses Landes, d. h. es entsteht ein Überschussangebot an Devisen. Ist der Wechselkurs vertraglich auf ein bestimmtes Niveau festgelegt, so muss die Notenbank das Überschussangebot vom Markt nehmen, sie muss also Devisen gegen eigene Währung aufkaufen. Der damit verbundene Anstieg der Inlandsgeldmenge gefährdet jedoch die strikte Stabilitätsorientierung der Notenbank. Sie kann zwar versuchen, den expansiven Geldmengeneffekt des Devisenankaufs durch gegengerichtete Offenmarktpolitik, also etwa dem Verkauf inländischer Wertpapiere, zu neutralisieren. In diesem Fall geht von der Geldmenge aber kein Effekt aus, der den Devisenmarkt ins Gleichgewicht brächte. Die Notenbank muss also entweder ihre im Vergleich zu den anderen Teilnehmern des Währungssystems stabilitätsorientiertere Geldpolitik aufgeben, oder die vereinbarten Währungsparitäten müssen verändert werden. Vereinbarungen über Wechselkursparitäten haben also direkten Einfluss auf den geldpolitischen Handlungsspielraum der Notenbanken. Entscheidungen über die Einführung eines Festkurssystems, über Zielzonen für die Wechselkurse oder über Kursvereinbarungen im Rahmen des Europäischen Währungssystems lagen aber auch in den Zeiten der D-Mark nicht bei der Deutschen Bundesbank – trotz ihrer formalen Unabhängigkeit –, sondern beim Bundesfinanzministerium. Eine analoge Regelung wurde auch für die Europäische Zentralbank übernommen. Zwar wird bei der Frage der Zielkonkurrenz zwischen Geld- und Wechselkurspolitik im Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft festgelegt, dass das vorrangige Ziel auch der Wechselkurspolitik die Gewährleistung der Preisstabilität ist. Andererseits wird der Europäischen Notenbank die „grundlegende“ Aufgabe zugewiesen, Devisengeschäfte im Einklang mit Artikel 109 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft durchzuführen. Artikel 109 aber sieht vor, dass nicht die Europäische Notenbank, sondern der Ministerrat – in der Zusammensetzung der Finanzminister – „förmliche Vereinbarungen über ein Wechselkurssystem für den Euro gegenüber Drittlandswährungen“ treffen kann. Ein solcher Beschluss bedarf der Einstimmigkeit. Mit qualifizierter Mehrheit kann der Ministerrat „allgemeine Orientierungen“ für die Wechselkurspolitik der Europäischen Notenbank beschließen. Bei flexiblen Wechselkursen dagegen kann die Notenbank eine eigenständige Geldpolitik betreiben, da sich der Wechselkurs frei durch Angebot und Nachfrage auf dem Devisenmarkt bilden kann. Dennoch wurde beobachtet, dass die Notenbanken auch nach Ende der Interventionsverpflichtung des Bretton-Woods-Systems an den Devisenmärkten intervenierten und dies sogar in einem Ausmaß, das größer war als in Zeiten fester Wechselkurse. Dem können verschiedene Motive zugrunde liegen. Motive von Devisenmarktinterventionen der Notenbanken Glättung sehr kurzfristiger Wechselkursschwankungen: Aufgrund der täglichen Menge an wechselkursrelevanten Informationen kann es zu kurzfristigen erratischen Kursschwankungen kommen. Diese sollen durch gegengerichtete Devisenmarktinterventionen vermieden werden, um die Volatilität zu begrenzen und die damit verbundenen Kurssicherungskosten zu reduzieren. Dabei handelt es sich in der Regel um die Vermeidung einer über ein bestimmtes Maß hinausgehenden Kursänderung innerhalb einer kurzen Periode.
13.5 Feste versus flexible Wechselkurse
323
Leaning-Against-the-Wind-Strategie: Zentralbanken intervenieren, um eine vom Markt ausgehende Kursänderung zu reduzieren, indem sie ausländische Währung immer dann kaufen, wenn diese abwertet, und immer dann verkaufen, wenn sie aufwertet. Die Idee ist, dass es bei freiem Spiel der Marktkräfte zu starken Wechselkursschwankungen kommen kann, die den Kurs von seinem durch Fundamentalfaktoren bestimmten Wert abbringen. Solche Verschiebungen sollen durch die Leaning-Against-the-Wind-Strategie verhindert werden. Die langfristigen Trends bleiben dabei aber durch den Markt bestimmt. Problematisch ist diese Strategie, weil bei einer Veränderung des Wechselkurses nicht von vornherein klar sein kann, ob es sich um einen kurzfristigen Ausschlag oder aber um eine langfristig angelegte Wechselkurskorrektur handelt, denn dies würde die exakte Kenntnis des „richtigen“ Fundamentalkurses seitens der Notenbanken voraussetzen. Damit besteht die Gefahr, dass sich die Notenbank bei einer Leaning-Against-the-Wind-Strategie dauerhaft gegen den Markt stellt, die Wechselkurskorrektur behindert und den Markt damit destabilisiert. Verhinderung einer Wechselkursänderung: Notenbanken könnten trotz einer ökonomisch notwendig erscheinenden Wechselkursänderung versuchen, diese zu verhindern oder zumindest zeitlich zu verschieben. So könnte gegen eine Aufwertung interveniert werden, um die Wettbewerbsfähigkeit der inländischen Industrie zu erhalten. Eine Abwertung zu verhindern, kann durch die steigenden Importpreise und die damit verbundene Inflationsgefahr im Inland begründet werden, was die preisliche Wettbewerbsfähigkeit des Landes schwächen und damit erneute Abwertungen notwendig machen könnte (Abwertungs-Inflations-Spirale). Interventionen bei Vorliegen bestimmter Indikatoren: Die Notenbanken sollen gemäß dieser Strategie automatisch intervenieren, wenn bestimmte Indikatoren vorliegen. Solche Indikatoren können beispielsweise ein Leistungsbilanzdefizit in bestimmter Höhe oder eine Wechselkursänderung in bestimmtem Ausmaß innerhalb eines bestimmten Zeitraums sein. Ebenso könnte eine Notenbank gezwungen werden, Interventionen zu unterlassen, wenn das Ausmaß ihrer bereits realisierten kumulierten Interventionen in einer bestimmten Zeit ein gewisses Ausmaß übersteigt. Solche Indikatorinterventionen wurden auf internationaler Ebene bisher nicht vereinbart, nicht zuletzt deshalb, weil auch hierdurch wieder ein Anreiz für relativ risikolose private Spekulationen entstehen würde. Insgesamt sind Devisenmarktinterventionen von Notenbanken eher kritisch zu bewerten. Verpflichtende Interventionen im Rahmen eines Festkurssystems laden Spekulanten zu risikolosen Engagements ein, wenn klar zu sein scheint, dass die herrschenden Paritäten nicht mehr den Marktbedingungen entsprechen. Hier sind rechtzeitige Paritätsänderungen notwendig. Bei flexiblen Wechselkursen werden fallweise Devisenmarktinterventionen in der Regel nur bei bereits aufgetretenen Wechselkursänderungen stattfinden. Neben der Vielzahl von ökonomischen und nicht-ökonomischen Einflussfaktoren kommen dann noch die Fallweisen Eingriffe der Notenbanken hinzu, die meist unangekündigt stattfinden. Wurde aber einmal interveniert, so kann dies unsichere Erwartungen der Marktteilnehmer bezüglich weiterer Interventionen auslösen, so dass ein solches Verhalten eher als ein weiterer Störfaktor des Marktes, denn als Stabilisierungsinstrument anzusehen ist. Die Bedeutung der Geldmengensterilisation einer Devisenmarktintervention Die Wirkung von Devisenmarktintervention der inländischen Notenbank kann man mit Hilfe des portfoliotheoretischen Ansatzes zur Wechselkursbestimmung, der in Kapitel 12.3 ausführlich dargestellt wurde, verdeutlichen.
324
13 Währungssysteme
Interveniert die inländische Notenbank am Devisenmarkt, indem sie von den Vermögensbesitzern ausländische Wertpapiere kauft, so steigen die Währungsreserven der Notenbank und in gleichem Umfang nimmt die inländische Geldmenge zu. In dem aus Kapitel 12.3 bekannten Wechselkurs-Zinssatz-Diagramm verschiebt sich die Geldmarktgleichgewichtskurve GG nach links, da der inländische Zins sinken müsste, um die Geldnachfrage dem gestiegenen Angebot anzupassen. Die Gleichgewichtskurve auf dem Markt ausländischer Wertpapiere, FF, verschiebt sich dagegen nach rechts, da der inländische Zins steigen müsste, um die Nachfrage nach ausländischen Wertpapieren dem gesunkenen Angebot anzupassen. Diese Verschiebungen sind in Abb. 13.4 dargestellt. Durch den Anstieg der inländischen Geldmenge sinkt der inländische Zinssatz, was sowohl die Geldnachfrage als auch die Nachfrage nach ausländischen Wertpapieren erhöht, die Nachfrage nach inländischen Wertpapieren dagegen wird sinken. Die gestiegene Nachfrage nach ausländischen Wertpapieren verstärkt die Überschussnachfrage nach dieser Aktivaart, die Auslandswährung wertet auf, was mit dem bekannten positiven wechselkursbedingten Vermögenseffekt im Inland verbunden ist. Auf dem Geldmarkt steigt auch hierdurch die Nachfrage, so dass das gestiegene Angebot insgesamt auch nachgefragt wird. Auf dem Markt für inländische Wertpapiere erhöht der Wechselkursanstieg die Nachfrage und gleicht damit den zinsbedingten Nachfragerückgang wieder aus, so dass auf diesem Markt sowohl Angebot als auch Nachfrage konstant bleiben. Auf dem Markt ausländischer Wertpapiere wird das durch die Devisenmarktintervention gesunkene Angebot durch eine wechselkursbedingte Höherbewertung des Restbestandes ausgeglichen. Insgesamt ist durch die Devisenmarktintervention der inländischen Notenbank der Wechselkurs gestiegen, diese Abwertung ist verbunden mit einem Rückgang des inländischen Zinssatzes, da sich das Geldangebot durch die Devisenmarktintervention erhöht hat. Man erreicht in Abb. 13.4 den neuen Gleichgewichtspunkt C. w
B
G F w1
C
A
w0
F
B
G i1
Abb. 13.4:
i0
i
Nicht-sterilisierte Devisenmarktinterventionen
Eine Modifikation der Resultate ergibt sich, wenn die inländische Notenbank den Geldmengeneffekt der Devisenmarktintervention durch einen Verkauf inländischer Wertpapiere neu-
13.5 Feste versus flexible Wechselkurse
325
tralisiert. Für die Vermögensbesitzer hat sich dadurch bei konstanter Geldmenge lediglich die Struktur des Wertpapierangebots verschoben, das Angebot inländischer Wertpapiere ist gestiegen, das zur Verfügung stehende Angebot an ausländischen Wertpapieren dagegen gesunken. Der Effekt dieser sterilisierten Devisenmarktintervention ist in Abb. 13.5 dargestellt. Die FF-Kurve verschiebt sich wieder nach rechts, da das Angebot gesunken ist. Durch die Neutralisation des Geldmengeneffektes bleibt die Geldmarktgleichgewichtskurve jetzt unverändert, dafür verschiebt sich die Gleichgewichtskurve auf dem Markt inländischer Wertpapiere nach rechts, denn der inländische Zinssatz müsste steigen, um eine Wertpapierhaltung attraktiver zu machen und sie dadurch dem gestiegenen Angebot anzupassen. Der Angebotsanstieg inländischer Wertpapiere führt zu einem Anstieg des Zinssatzes, die Nachfrage nach inländischen Wertpapieren wird damit steigen. Gleichzeitig sinkt hierdurch die Nachfrage nach ausländischen Wertpapieren und baut damit die bestehende Überschussnachfrage teilweise ab. Dennoch führt die Nachfrage der Notenbank nach ausländischen Wertpapieren zu einem Wechselkursanstieg und damit verbunden zu einem positiven wechselkursbedingten Vermögenseffekt. Diese Abwertung der Inlandswährung ist jedoch geringer als ohne Neutralisation des Geldmengeneffekts der Devisenmarktintervention, weil die Nachfrage nach ausländischen Wertpapieren bereits wegen des Anstiegs des inländischen Zinssatzes gesunken ist. Auf dem inländischen Geldmarkt bleibt sowohl das Angebot als auch die Nachfrage unverändert, der zinsbedingte Nachfragerückgang wird durch den wechselkursbedingten Nachfrageanstieg wieder ausgeglichen. In Abb. 13.5 erreicht man das neue Gleichgewicht D, in dem sowohl der inländische Zinssatz als auch der Wechselkurs gestiegen sind. Man sieht, dass Punkt D unterhalb von C – dem Gleichgewichtspunkt der Abb. 13.4 – liegt, d. h. die Abwertung der Inlandswährung ist bei einer Sterilisation des Geldmengeneffektes geringer. Damit ergibt sich die Möglichkeit, durch gleichzeitigen Kauf und Verkauf von Wertpapieren unterschiedlicher Herkunft, auch bei Konstanz der Geldmenge Zins und Wechselkurs zu beeinflussen. w
B
G C F D
w2 A
w0
F
B
G i0
Abb. 13.5:
i2
Sterilisierte Devisenmarktinterventionen
i
326
13 Währungssysteme
Was im portfoliotheoretischen Modellzusammenhang nicht berücksichtigt wurde, sind interventionsbedingte Erwartungsänderungen der Marktteilnehmer. Im Idealfall könnte eine Devisenmarktintervention ein Signal für eine bestimmte Kursentwicklung auslösen, dem sich der Markt anschließt, so dass unter Umständen sogar die bloße Ankündigung der Intervention genügen könnte, um den Wechselkurs in die gewünschte Richtung zu verändern. Wenn dagegen die Marktlage als unvereinbar mit der Interventionsrichtung angesehen wird, so kann eine Devisenmarktintervention keinen dauerhaften Erfolg haben. Geldpolitik und Wechselkurserwartungen bei flexiblen Wechselkursen Notenbanken können in der Regel durch geldpolitische Maßnahmen nur den kurzfristigen Zins auf dem Geldmarkt direkt beeinflussen. Es wird jedoch meist eine gleichgerichtete Entwicklung der Kapitalmarktzinsen unterstellt. Dabei wird wie folgt argumentiert: Erhöht die Notenbank ihre Leitzinsen, so steigt unmittelbar der Zins für kurzfristige Anlagen. Da in der Renditestruktur jetzt längerfristige Anlagen an relativer Attraktivität eingebüßt haben, findet eine Umschichtung von lang- zu kurzfristigen Anlagen statt. Durch das sinkende Kapitalangebot am langfristigen Markt steigt auch dort der Zinssatz, so dass sich die kontraktive Geldpolitik auf alle Marktsegmente durchgesetzt hätte. Berücksichtigt man jedoch Wechselkurserwartungen, so kann der Zusammenhang auch negativ sein: Unterstellt sei eine expansive Geldpolitik der inländischen Notenbank, mit der sie versucht, die inländischen Investitionen anzukurbeln, um so einen Beitrag zur wirtschaftlichen Expansion des eigenen Landes zu leisten. Wird aufgrund des gesamtwirtschaftlichen Umfelds diese expansive Geldpolitik als nicht genügend stabilitätsorientiert angesehen, so können Erwartungen ausgelöst werden, die Inflationsrate im betrachteten Land werde in Zukunft steigen. Dies ist umso wahrscheinlicher, je expansiver die geldpolitische Maßnahme ausfällt, und je geringer die Reputation der betreffenden Notenbank ist.
Hätte die Europäische Notenbank in den ersten Jahren ihres Bestehens, als die Märkte noch nicht auf einen Erfahrungswert ihrer Stabilitätsorientierung zurückgreifen konnten, der Forderung vieler Politiker nachgegeben und angesichts hoher Arbeitslosenzahlen eine expansivere Geldpolitik durchgeführt, so wäre die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Erwartung einer steigenden Inflationsrate in Europa durchgesetzt hätte, recht groß gewesen. Entsteht aber die Erwartung steigender Güterpreise, so ist damit bei flexiblen Wechselkursen unmittelbar auch die Erwartung einer Abwertung der betroffenen Währung verbunden. Dieser Zusammenhang kann etwa auf die Kaufkraftparitätentheorie zurückgeführt werden, aber auch die monetäre Wechselkurstheorie liefert eine Begründung hierfür. Übersteigt der für die Zukunft erwartete Kassakurs den für diesen Zeitpunkt geltenden Terminkurs, so werden die Spekulanten sofort am Terminmarkt Fremdwährung kaufen, um sie am Erfüllungstag gewinnbringend wieder verkaufen zu können. Hierdurch steigt unmittelbar mit der Entstehung der Abwertungserwartung auch der Terminkurs. Damit erhöht sich aber der Swapsatz, und gemäß der Zinsparitätentheorie steigt die Attraktivität einer Auslandsanlage. Die damit induzierten Nettokapitalexporte führen am inländischen Kapitalmarkt zu einer Verknappung des Angebots, und der Zinssatz steigt. Der von der Notenbank initiierte Rückgang des Geldmarktzinses hat damit also zu einem Anstieg des Kapitalmarktzinses geführt. Die folgende Wirkungskette gibt einen Überblick über diesen Übertragungsmechanismus.
13.5 Feste versus flexible Wechselkurse
327
Geldmarktzins sinkt wegen der expansiven Notenbankpolitik
iG ↓
Inflationserwartung wegen mangelnder Stabilitätsorientierung
Pe ↑
Abwertungserwartung etwa wegen Kaufkraftparitätentheorie
we ↑
Terminkurs steigt wegen Terminmarktspekulation
wT ↑
Nettokapitalexporte steigen Anstieg des Kapitalmarktzinses wegen des sinkenden Angebots
NKX ↑
iK ↑
Da Investitionen in der Regel am Kapitalmarkt finanziert werden und damit vom langfristigen Zinssatz abhängig sind, hat der Versuch der Geldpolitik, einen Beitrag zur Erhöhung der zinsinduzierten Investitionen zu leisten, das Gegenteil erreicht. Die Investitionen werden wegen des steigenden Kapitalmarktzinses sinken und damit kontraktiv auf das inländische Volkseinkommen wirken. Diese Zusammenhänge wurden auch von der Deutschen Bundesbank immer wieder als Verteidigung für ihre im Durchschnitt eher restriktive Geldpolitik gegenüber politischen Forderungen nach einer deutlich expansiveren Politik vorgebracht. Die beste Möglichkeit, mit der eine Notenbank einen Beitrag zur wirtschaftlichen Expansion leisten kann, ist eine stabilitätsorientierte, glaubhafte, auf Kontinuität angelegte Geldpolitik, mit der sie das Vertrauen der internationalen Anleger gewinnen kann. Fehlende Risikoaufschläge und das Vertrauen in den inneren, aber auch den äußeren Wert einer Währung ziehen ausländisches Kapital an und sorgen damit für dauerhaft niedrige Kapitalmarktzinsen. Sie sind daher der beste Garant für eine Stabilisierung der wirtschaftlichen Aktivitäten.
13.5.2
Devisenmarktspekulationen
Spekulation bei festen Wechselkursen Nähert sich ein Wechselkurs in einem Festkurssystem mit Bandbreiten seinem oberen oder unteren Interventionspunkt und wird diese Entwicklung als kein vorübergehendes Phänomen angesehen, so setzen regelmäßig Spekulationen über eine bevorstehende Paritätsänderung ein. Durch solche Spekulationen wird der Druck auf den Wechselkurs aber weiter erhöht und der Rückkehr zum Gleichgewichtskurs entgegengewirkt. Insofern wirken diese Spekulationen destabilisierend.
Geriet etwa im ehemaligen Europäischen Währungssystem der französische Franc gegenüber der D-Mark unter Abwertungsdruck, so fiel der Franc-Kurs. Erreichte er seinen unteren Interventionspunkt, so waren die Deutsche Bundesbank und die Banque de France zu Interventionen verpflichtet. Die Deutsche Bundesbank musste Franc ankaufen, die Banque de France dagegen Deutsche Mark verkaufen. Entstand auf den Märkten die Erwartung, der Paritätskurs des Franc, ausgedrückt in D-Mark, sei zu hoch, so lohnte es sich, D-Mark gegen Franc zu kaufen und nach der Abwertung des Franc die D-Mark gewinnbringend wieder zu verkaufen. Dieser spekulative Franc-Verkauf erhöhte aber das Franc-Angebot an den Devisenmärkten weiter und zwang die Notenbanken zu noch umfangreicheren Stützungskäufen. (Vgl. hierzu auch Kap. 15)
328
13 Währungssysteme
Diese Art von Währungsspekulation ist relativ risikolos, denn entweder erfolgt die Paritätsänderung in die erwartete Richtung und man kann die erhofften Gewinne realisieren, oder sie unterbleibt, dann sind allenfalls die angefallenen Transaktionskosten zu zahlen. Man spricht deshalb auch von einer „Einbahnstraßenspekulation“. Aus diesem Grund nehmen Spekulationen in einem Festkurssystem sehr schnell sehr große Volumina an, wie dies in der Krise des Europäischen Währungssystems 1992/93 beobachtet werden konnte. Oft werden Spekulationswellen gegen eine Währung auch bewusst deshalb durchgeführt, um das Durchhaltevermögen von Notenbanken und der Wirtschaftspolitik zu testen. Diese Zusammenhänge können in einem stufenflexiblen Wechselkurssystem zu einem wirtschaftspolitischen Klima führen, das generell durch größere Instabilität gekennzeichnet ist. Der Politik bleibt bei einer sich abzeichnenden Erwartungsbildung nur die Wahl, der Erwartung durch sofortiges Handeln zu entsprechen oder öffentlich ihr Vertrauen in die bestehende Parität zu bekunden. Jeder Anschein von Zweifel wird Kapitalbewegungen in einem Ausmaß induzieren, die jeden Versuch, die bestehenden Kursparitäten zu halten, zunichtemacht. Dieses Dilemma führt oft dazu, dass die bestehenden Paritäten auch wider besseren Wissens verbal verteidigt werden. Haben sich öffentliche Bekundungen aber einmal als Unwahrheit erwiesen, so wird die Glaubwürdigkeit der handelnden Personen in der Zukunft sinken, was eine sachorientierte Politik weiter erschwert. Auch aus diesem Grund war des Öfteren zu beobachten, dass Paritätsänderungen in einem System stufenflexibler Wechselkurse so lange wie möglich aufgeschoben wurden in der Hoffnung, die Marktverhältnisse könnten sich drehen und die Paritätsänderung damit vermieden werden. Auch im Bretton Woods-System hat sich dieser Mechanismus gezeigt. Paritätsänderungen fanden vor allem in der letzten Dekade des Systems oft nur noch als Folge regelrechter Währungskrisen statt, die aber immer häufiger und massiver auftraten, je umfangreicher und mobiler die internationalen Kapitalströme wurden. Spekulation bei flexiblen Wechselkursen Etwas anders sind die Zusammenhänge in einem System flexibler Wechselkurse. Hier können Devisenmarktspekulationen durchaus stabilisierend wirken, wobei allerdings die Wechselkurserwartung der Spekulanten richtig und damit profitabel gewesen sein muss. In Abb. 13.6 ist als Ausgangspunkt ein Devisenmarktgleichgewicht in Punkt P unterstellt, das auch der langfristigen Erwartung entspricht. Der tatsächliche Wechselkurs w0 ist identisch mit dem erwarteten Wechselkurs und dieser mit dem Terminkurs. Es sollen jedoch in regelmäßigen Abständen von allen Spekulanten als vorübergehend angesehene Schwankungen der Importnachfrage auftreten. Das Land kann etwa sehr stark auf den Import eines Gutes angewiesen sein, dessen Preis deutlichen zyklischen Veränderungen unterliegt. In Abb. 13.6 verschiebe sich die Devisennachfragekurve zeitweise nach rechts zu N1 und zeitweise nach links zu N2. Der Wechselkurs würde daher zwischen w1 und w2 schwanken. Zunächst sei eine Verschiebung der Nachfragekurve zu N1 unterstellt. Wenn aufgrund der Nachfrageerhöhung der Wechselkurs zu steigen beginnt, so werden die Spekulanten als Anbieter am Markt auftreten, da sie die Dollar zu einem höheren Kurs als dem von ihnen langfristig erwarteten verkaufen können. Durch die Angebotssteigerung auf A1 steigt der Wechselkurs nicht auf w1, sondern nur auf w1', die Abwertung der Inlandswährung wird durch das Dollarangebot der Spekulanten also abgeschwächt.
13.5 Feste versus flexible Wechselkurse
329
w w1
P1
w1'
Q1
we=w0
P
w2'
Q2
w2
P2 A2
N1 A0 A1
N2
N0
DA, DN Abb. 13.6:
Stabilisierende Spekulation
Wenn die Nachfrage aus Außenhandelsgeschäften auf N2 sinkt, so treten die Spekulanten als Nachfrager auf. Berücksichtigt man ihr Verhalten in einer Linksverschiebung der Devisenangebotskurve, so wird diese auf A2 sinken, und der Wechselkurs sinkt nur bis w2'. Insgesamt ist die Wechselkursentwicklung durch das Auftreten der Spekulanten gedämpft worden. Eine andere Situation tritt dann ein, wenn die von den Spekulanten erwartete Devisennachfragesteigerung ausbleibt, sie aber bereits Verkaufskontrakte abgeschlossen haben. In diesem Fall würde der Wechselkurs wegen des zusätzlichen Angebots ohne realen Hintergrund sinken. Bemerken die Spekulanten ihren Irrtum, so können sie die Dollar nur zu einem Kurs, der über dem Gleichgewichtskurs liegt (da sie jetzt als zusätzliche Nachfrager auftreten), zurückkaufen. Ihr Verhalten wäre also verlustbringend, gleichzeitig hätten sie die Kursentwicklung destabilisiert. Ist ein solches destabilisierendes Verhalten nur von einer Gruppe von Spekulanten ausgegangen, so ist für den Rest der Marktteilnehmer der Rückgang des Wechselkurses nicht begründbar. Vermuten sie ein ihnen unbekannt gebliebenes Ereignis, also mangelnde eigene Marktinformation, und handeln sie im Sinne eines noise traders, so werden sie in Erwartung einer weiteren Aufwertung der Inlandswährung auf den Markt aufspringen und ebenfalls Dollar anbieten. Durch ein solches Herdenverhalten wird der Kurs weiter sinken, es kann sogar zu einer spekulativen Blase kommen. Gleichzeitig ermöglicht der weiter sinkende Wechselkurs den ursprünglichen Spekulanten, die diese Kursentwicklung ausgelöst haben, gewinnbringend aus dem Markt auszusteigen. Dies ist solange möglich, solange noch ein Nettodevisenangebot seitens der Spekulanten vorliegt. Dreht sich diese Entwicklung um, d. h. kommt es zu Nettodevisenkäufen, so steigt der Wechselkurs. Wenn alle Marktteilnehmer ihr Engagement ausgleichen wollen, so muss der
330
13 Währungssysteme
Kurs über den ursprünglichen Gleichgewichtskurs hinaus gestiegen sein. Damit bleibt es bei dem grundsätzlichen Ergebnis, dass eine destabilisierende Spekulation, wie sie hier vorliegt, auch Verluste impliziert. Diese Aussage gilt jedoch nur für die Summe aller Spekulanten, während einzelne Marktteilnehmer, und zwar vor allem diejenigen, die den Kursausschlag ausgelöst hatten, durchaus Gewinne realisieren können. Dieses Ergebnis lässt die Vermutung zu, dass große und einflussreiche Devisenmarktteilnehmer ohne realen Hintergrund Spekulationswellen auslösen könnten, wenn sie in ihrem Entscheidungskalkül davon ausgehen, dass eine Vielzahl anderer Marktteilnehmer ihren Vorgaben folgen wird. Ist dies der Fall, so könnten sie aus der bewusst herbeigeführten Wechselkursschwankung auf Kosten der übrigen Marktteilnehmer Gewinne erzielen. Es bleibt dabei jedoch die Frage nach der Lernfähigkeit derer, die verlieren, und nach der langfristigen Reputation derer, die Auslöser einer solchen Spekulationswelle waren. Ein weiterer Grund für Devisenmarktspekulationen bei flexiblen Wechselkursen sind time lags bei der Reaktion des Devisenangebots auf Wechselkursänderungen. So ist es u. U. mit erheblichen Zeitverzögerungen verbunden, bis das Devisenangebot aus dem Verkauf hochwertiger, in einem längeren Produktionsprozess hergestellter Maschinen aufgrund einer Abwertung der eigenen Währung tatsächlich steigt. Diese Problematik wurde oben unter dem Begriff des J-Kurven- und des Spazierstockeffekts diskutiert. In Abb. 13.7 sei im Ausgangsgleichgewicht P der Wechselkurs w0 realisiert. Die Devisennachfragekurve verschiebt sich nun dauerhaft nach rechts zu N1, der neue Gleichgewichtskurs liegt damit bei w1. Dies wird von den Spekulanten antizipiert, d. h. w1 ist der für die Zukunft erwartete Wechselkurs. Bleibt das Devisenangebot nun kurzfristig konstant, da die in der Kurve A0 zum Ausdruck kommende Angebotssteigerung erst langfristig zum Tragen kommt, so würde der Wechselkurs auf w1' steigen, um Angebot und Nachfrage in Übereinstimmung zu bringen. Sobald der Kurs aber über w1 hinaus steigt, liegt der tatsächliche Wechselkurs über dem von den Spekulanten langfristig erwarteten Kursniveau. Sie werden deshalb als Anbieter am Markt auftreten, um die Dollar später wieder zu günstigeren Kursen zurückkaufen zu können. Durch das Angebot der Spekulanten verschiebt sich die kurzfristig senkrechte Devisenangebotskurve Ak nach rechts zu AkS, der tatsächliche Kurs steigt nicht bis w1', sondern nur bis etwa w2. Auch in diesem Fall ist die Devisenmarktspekulation gewinnbringend, gleichzeitig stabilisiert sie die Kursentwicklung. Bei flexiblen Wechselkursen sind Devisenmarktspekulationen also immer dann stabilisierend, wenn sie für die Gesamtheit aller Marktteilnehmer auch gewinnbringend sind. Destabilisierende Spekulationen bedeuten für die Gesamtheit der Marktteilnehmer Verluste. Dies heißt aber nicht, dass nicht auch destabilisierende Spekulationen für einen Teil der Marktteilnehmer gewinnbringend sein können. Dies ist umso eher der Fall, je inhomogener die Informationslage ist, je eher also Devisenmarktakteure ihr Verhalten am Verhalten anderer Marktteilnehmer ausrichten. In einem System fester Wechselkurse sind Spekulationen über eine bevorstehende Paritätsänderung stets destabilisierend, da sie eine unter Druck geratene Währung weiter belasten. Gleichzeitig ist eine solche Spekulation risikolos, da außer den Transaktionskosten keine Verluste anfallen.
13.5 Feste versus flexible Wechselkurse
Ak
w
331
AkS
P'
w1'
P"
w2
P1
w1
w0
P N1 A0 N0 DA, DN
Abb. 13.7:
13.5.3
Kurz- und langfristiges Devisenangebot
Internationale Inflationsübertragung
Direkter Internationaler Preiszusammenhang bei festen Wechselkursen Ausgangspunkt ist ein Zwei-Länder-Zwei-Güter-Modell, in dem das Inland Gut 1 und das Ausland Gut 2 exportiert. Die sich dabei ergebenden Überschussangebots- und Überschussnachfrage auf den Weltmärkten sind aus Kapitel 2 bekannt und in Abb. 13.8 eingezeichnet. Steigen im Ausland aufgrund einer allgemeinen Nachfragesteigerung die Autarkiepreise, so verschiebt sich an den Weltmärkten die ausländische Überschussangebotskurve auf dem Markt des Gutes 2 nach links bzw. oben und die ausländische Überschussnachfragekurve auf dem Markt des Gutes 1 nach rechts bzw. oben. Dies ist in Abb. 13.8 dargestellt. Auf dem Weltmarkt des Gutes 1 ergibt sich beim bisherigen Gleichgewichtspreis eine Überschussnachfrage in Höhe von AB, da die Importnachfrage des Auslands zunimmt. Der Preis in Inlandswährung wird daher ebenfalls steigen. Auf dem Weltmarkt des Gutes 2 schrumpft das ausländische Überschussangebot, so dass auch hier wegen der entstehenden Überschussnachfrage in Höhe von GD der Preis in Inlandswährung steigt. Den Anstieg der beiden Inlandspreise bezeichnet man als den direkten internationalen Preiszusammenhang. Auch die inländische Leistungsbilanz wird sich verändern. Der Exportwert steigt eindeutig, da sowohl die Exportmenge als auch der Preis zunehmen. Auf der Importseite steht der gesunkenen Importnachfrage ein gestiegener Importpreis gegenüber, so dass die Reaktion des Importwerts in Inlandswährung nicht eindeutig gegeben ist. Seine Veränderung ist, wie in Kapitel 2 diskutiert, von der Preiselastizität der inländischen Importnachfrage abhängig. Als Normalreaktion wurde dort eine Verbesserung der inländischen Leistungsbilanz bezeichnet.
332
13 Währungssysteme
p1
p2
−E1
−E2*
F
C p2'
p1' A
B p2
p1
G
D
E1*
−E1, E1*
Abb. 13.8:
E2
−E2*, E2
Reaktion von Export- und Importwert auf einen allgemeinen Preisanstieg im Ausland
Die ausländische Inflation hat im Inland also eine Verbesserung der Leistungsbilanz (Normalfall) sowie steigende Güterpreise zur Folge, zum einen wegen des sinkenden ausländischen Angebots (Gut 2), zum anderen wegen der vermehrten ausländischen Nachfrage (Gut 1). Handelt es sich bei den Importen um Vorprodukte, so steigen die inländischen Produktionskosten und verteuern damit auch andere, im Inland produzierte Güter. Sind die Importe Konsumgüter, so verlagert sich die Nachfrage auf inländische Importsubstitute und erhöht auch dort die Preise. Die inländischen Preissteigerungen führen außerdem zu steigenden Lohnforderungen, die ebenfalls die Produktion verteuern und gegebenenfalls auf die Preise überwälzt werden. Es existieren also verschiedene Kanäle, durch die sich die ausländischen Preissteigerungen auf die Inlandspreise übertragen. Einkommenseffekt bei festen Wechselkursen Wie aus den volkswirtschaftlichen Kreislaufzusammenhängen des Kapitels 2 bekannt, entspricht der Leistungsbilanzsaldo eines Landes der Differenz zwischen dem inländischen Volkseinkommen und der inländischen Absorption. Die inländische Absorption setzt sich aus dem Konsum der privaten Haushalte, den Investitionen und dem Staatsverbrauch zusammen. Sie besteht aus einem autonomen Teil und ist darüber hinaus vom inländischen Volkseinkommen positiv abhängig. Da die inländische Absorption auch importierte Güter enthält, ist diese ebenfalls vom Volkseinkommen positiv abhängig. Berücksichtigt man diese Zusammenhänge, vernachlässigt Übertragungen und die sonstigen Einflussfaktoren auf Absorption und Leistungsbilanzsaldo, so gilt:
Y − A a − A(Y ) = X a − M (Y )
(13.4)
Klammert man auf der linken Seite von (13.4) das inländische Volkseinkommen aus, so folgt:
− Aa + Y (1 − a ) = X a − M (Y )
(13.5)
13.5 Feste versus flexible Wechselkurse
333
a bezeichnet dabei die marginale Absorptionsquote, also die Abhängigkeit des inländischen Verbrauchs vom inländischen Volkseinkommen. Diese ist im Normalfall kleiner als 1 (0 < a < 1). In Abb. 13.9 sind die Differenz zwischen Volkseinkommen und Absorption sowie der Leistungsbilanzsaldo, beide in Abhängigkeit vom inländischen Volkseinkommen, dargestellt. Mit zunehmendem Volkseinkommen nimmt wegen den dann steigenden Importen der Leistungsbilanzsaldo ab, während die Differenz zwischen Volkseinkommen und Absorption zunimmt. Aus Gleichung (13.4) sieht man, dass eine ausgeglichene Leistungsbilanz auch Identität zwischen inländischem Volkseinkommen und inländischer Absorption erfordert, die beiden Geraden schneiden sich in diesem Fall auf der Abszisse. Dies ist im Ausgangszustand der Abb. 13.9 in Y0 unterstellt. Verbessert sich nun aufgrund der ausländischen Preissteigerung die inländische Leistungsbilanz, hier dargestellt durch einen Anstieg der autonomen Exporte, so verschiebt sich die Leistungsbilanzgerade nach oben. Damit erhöht sich das inländische Volkseinkommen. Zwar steigen durch den Volkseinkommensanstieg auch die Importe, was zu einem Nachfrageausfall für das Inland führt, und damit verschlechtert sich die Leistungsbilanz wieder. Im neuen Gleichgewicht Y1 hat sich das Volkseinkommen jedoch eindeutig erhöht, und auch die Leistungsbilanz weist einen Überschuss auf. Durch die ausländischen Preissteigerungen hat also das inländische Sozialprodukt von der Nachfrageseite her zugenommen. In Abb. 13.9 ist jedoch der nominelle Volkseinkommensanstieg abgetragen, der sich aus einem realen Anstieg bei konstantem Preisniveau oder aus einem Preisniveauanstieg bei unveränderter realer Produktion ergeben kann. Je ausgelasteter die inländischen Kapazitäten sind, umso eher führt der durch die ausländische Preiserhöhung ausgelöste Nachfrageanstieg im Inland zu einem Preisniveauanstieg und nicht zu einem realen Effekt. Dadurch hätten sich die ausländischen Preiserhöhungen über einen Einkommenseffekt auf das inländische Preisniveau übertragen. NY − A LB
−X a
−NY − A
Y1 Y Y0
LB
−A
N − (Y − A) −LB
Abb. 13.9:
Y2
Einkommenseffekt einer Leistungsbilanzverbesserung
334
13 Währungssysteme
Geldmengen-Preis-Mechanismus bei festen Wechselkursen Der Leistungsbilanzüberschuss im Inland, der sich aufgrund der ausländischen Preissteigerungen im Normalfall ergibt, impliziert am Devisenmarkt ein Überschussangebot. Wenn die Wechselkurse konstant sind, muss die inländische Notenbank die ausländische Währung ankaufen, die Inlandsgeldmenge wird durch diese Interventionen steigen. Ist das betrachtete Land kein Leitwährungsland, so ist eine Sterilisation dieses Geldmengeneffekts zumindest längerfristig nicht möglich. Die Geldmengenexpansion im Inland bleibt auf Dauer bestehen und bewirkt hier eine monetär induzierte Preissteigerungstendenz. Inflationsimport bei flexiblen Wechselkursen Die hier vorgestellten Effekte eines Inflationsimports bei festen Wechselkursen bestätigten sich im Bretton Woods-System. Insbesondere bei den weltweit hohen Inflationsraten, Anfang der 1970er Jahre, konnten sich stabilitätsbewusste Länder nicht vor einem Inflationsimport schützen. Es entstand damals eine intensive Diskussion darüber, ob sich diese Situation durch die Einführung flexibler Wechselkurse ändern würde, ob also flexible Wechselkurse ein Land vor einem Inflationsimport abschirmen könnten. Zur Beantwortung dieser Frage sollen die einzelnen Übertragungsmechanismen überprüft werden. Geldmengen-Preis-Mechanismus: Die Notenbanken sind bei flexiblen Wechselkursen zu keinen Interventionen verpflichtet, insofern tritt auch der Geldmengen-Preis-Mechanismus nicht mehr auf. Allerdings hat es sich in der Praxis gezeigt, dass die Notenbanken auch nach dem Übergang zu flexiblen Wechselkursen weiterhin am Devisenmarkt interveniert haben. Will eine Notenbank die aufgrund der ausländischen Preissteigerungen resultierenden Wechselkursänderungen nicht hinnehmen und greift deshalb zum Instrument von Devisenmarktinterventionen, so ist ein Geldmengeneffekt auch bei flexiblen Wechselkursen nicht ausgeschlossen. Einkommenseffekt: Flexible Wechselkurse sorgen in der Theorie für einen Ausgleich der Leistungsbilanzen: Bei einem Leistungsbilanzüberschuss und dem damit verbundenen Überschussangebot auf dem Devisenmarkt wertet die inländische Währung auf, der Wechselkurs sinkt. Bei Normalreaktion verschlechtert sich dadurch die Leistungsbilanz, der Saldo verschwindet. Es kann aber auch sein, dass parallel zu einem Leistungsbilanzüberschuss private Nettokapitalexporte realisiert werden. Der Leistungsbilanzüberschuss impliziert ein Überschussangebot, die Nettokapitalexporte eine Überschussnachfrage am Devisenmarkt, so dass sich hier kein Ungleichgewicht einstellen muss. Damit kann der Leistungsbilanzüberschuss auch bei flexiblen Wechselkursen bestehen bleiben, und der Einkommenseffekt einer Inflationsübertragung bleibt in diesem Fall auch bei flexiblen Wechselkursen wirksam. Direkter internationaler Preiszusammenhang: Der als Normalfall resultierende Leistungsbilanzüberschuss hat bei flexiblen Wechselkursen eine Aufwertung der Inlandswährung zur Folge. Die Aufwertung verschiebt aber, wie in Kapitel 2 diskutiert, die ausländische Überschussangebots- und die ausländische Überschussnachfragekurve an den Weltmärkten nach unten und wirkt somit der inflationsbedingten Verschiebung nach oben entgegen. Flexible Wechselkurse verhindern insofern den direkten internationalen Preiszusammenhang. Reagiert die Leistungsbilanz jedoch anormal auf die ausländischen Preissteigerungen, was umso wahrscheinlicher ist, je preisunelastischer die inländische Importnachfrage ist, so ergibt sich im Inland ein Leistungsbilanzdefizit. In diesem Fall kommt es zu einer Abwertung der Inlandswährung, durch die die ausländischen Kurven an den Weltmärkten erneut nach oben
13.6 Zusammenfassung von Kapitel 13
335
verschoben werden. Bei einer anormal reagierenden Leistungsbilanz schirmen flexible Wechselkurse das Inland also nicht vor der Übertragung der ausländischen Preissteigerungen ab, sondern verstärken sogar die Preissteigerungstendenz. Die Frage, ob flexible Wechselkurse einen Schutz vor dem Import einer Auslandsinflation bieten, wurde in der Literatur intensiv und kontrovers diskutiert. Berücksichtigt man lediglich Gütermarktzusammenhänge, unterstellt Normalreaktion der Leistungsbilanz auf eine ausländische Preissteigerung und geht davon aus, dass die Notenbanken bei flexiblen Wechselkursen Devisenmarktinterventionen unterlassen, so ist die Absicherung gegeben. Die flexiblen Wechselkurse sorgen bei Vernachlässigung internationaler Kapitalbewegungen für einen Ausgleich der Leistungsbilanz, so dass der Einkommenseffekt nicht zum Tragen kommt. Orientiert sich die Geldpolitik allein an binnenwirtschaftlichen Zielsetzungen und unterbleiben deshalb Devisenmarktinterventionen, so kann auch kein Geldmengen-PreisMechanismus auftreten. Reagiert schließlich die Leistungsbilanz normal auf eine Auslandsinflation, so bewirkt der Überschuss eine Aufwertung der Inlandswährung, die die in Inlandswährung ausgedrückten Preise wieder reduziert. Ist stets Kaufkraftparität erfüllt, so wird die prozentuale Aufwertung der prozentualen ausländischen Preissteigerung entsprechen, und die Inlandspreise bleiben konstant. Es wurde aber bereits darauf hingewiesen, dass dieser Idealfall einer vollkommenen Abschirmung in der Realität nicht besteht. Internationale Kapitalbewegungen beeinflussen heute in weitaus stärkerem Maße als Güterbewegungen die Devisenmärkte, so dass Leistungsbilanzsalden auch bei flexiblen Wechselkursen dauerhaft bestehen bleiben können, wie gerade das Beispiel der USA deutlich gezeigt hat. Notenbanken intervenieren immer wieder, auch bei flexiblen Wechselkursen, an den Devisenmärkten, um erratische Kursbewegungen zu vermeiden, und schließlich ist auch eine anormale Reaktion der Leistungsbilanz aufgrund einer Auslandsinflation nicht auszuschließen. Flexible Wechselkurse können zwar tendenziell, aber nicht mit Sicherheit, ein Land vor einem Import ausländischer Preissteigerungen abschirmen.
13.6 1.
2.
3.
Zusammenfassung von Kapitel 13
Ein Währungssystem ist die Summe aller institutionellen Regelungen über die Funktionsweise der Devisenmärkte sowie der Rahmenbedingungen des internationalen Güterund Kapitalverkehrs. Insbesondere geht es dabei um Regeln für die Bestimmung der Wechselkurse und ihrer Beeinflussung, um Mechanismen des Zahlungsbilanzausgleichs und um Art und Umfang von Währungsreserven. Die Regelungen über die Art der Wechselkursbildung reichen von der freien Kursbildung über ein System Fallweiser Interventionen (kontrolliertes Floaten), Wechselkurszielzonen oder -referenzwerte, Festkurse mit Schwankungsbreiten bis zu einer starren Fixierung. Wechselkursregelungen können auf einer einseitigen Bindung beruhen, wobei die strengste Form das Currency Board darstellt, sie können aber auch Vereinbarungen zwischen mehreren Ländern darstellen. In einem Festkurssystem mit mehreren beteiligten Ländern muss neben der Bestimmung des Kursniveaus und des Umfangs möglicher Schwankungsbreiten auch festgelegt werden, welche der beteiligten Notenbanken zur Kursstabilisierung verpflichtet ist, wie Paritätsänderungen vorgenommen werden sollen und ob eine der beteiligten Währungen eine Leitfunktion übernehmen soll.
336
13 Währungssysteme
Zahlungsbilanzungleichgewichte sind immer gekoppelt mit Devisenmarktungleichgewichten, deren Beseitigung grundsätzlich durch eine Anpassung oder eine Finanzierung erfolgen kann. Eine Anpassung kann zum einen in einer Wechselkursänderung bestehen, die bei Normalreaktion zu einem Ausgleich der Leistungsbilanz und damit zu einer Beseitigung des Devisenmarktungleichgewichts führt. Eine andere Form der Anpassung sind wirtschaftspolitische Maßnahmen zur Beeinflussung von Volkseinkommen und Absorption. Solche Maßnahmen können auf Anreizen, wie etwa Zins- oder Steueränderungen, beruhen, sie können aber auch Eingriffe in den freien Güter- und Kapitalverkehr, wie Importzölle oder Kapitalverkehrskontrollen, darstellen. 5. Eine Zahlungsbilanzfinanzierung ist ein Eingriff von Notenbanken auf den Devisenmärkten, um das bestehende Ungleichgewicht bei unveränderten Werten von Wechselkurs, Volkseinkommen und Absorption auszugleichen. Ein solcher Eingriff ist nur bei als vorübergehend angesehenen Ungleichgewichten zu rechtfertigen, da nicht an deren Ursachen angesetzt wird. 6. Ein typischer Fall einer Zahlungsbilanzfinanzierung ist ein Leistungsbilanzdefizit, dem kein Nettokapitalimport in genügendem Umfang gegenübersteht. Dies impliziert eine Überschussnachfrage nach Devisen, die die Notenbank aus eigenen Beständen „finanziert“, was allerdings die Existenz von Währungsreserven oder die Möglichkeit, kurzfristig in den Besitz von konvertierbarer Währung zu gelangen, voraussetzt. Währungsreserven müssen durch Leistungsbilanzüberschüsse in der Vergangenheit erwirtschaftet worden sein. Daneben gibt es die Möglichkeit, Währungskredite beim IWF zu erhalten oder Sonderziehungsrechte gegen konvertierbare Währung zu tauschen. 7. Zu den Währungsreserven gehören nach wie vor Gold, Sonderziehungsrechte und Fremdwährung, vor allem US-Dollar. Sonderziehungsrechte wurden 1969 vom IWF geschaffen, um den Dollar als Reservewährung zu entlasten. Sie sind als Währungskorb definiert und werden den einzelnen Ländern vom IWF im Verhältnis ihrer Quote zugeteilt. Sie können im Bedarfsfall mit anderen Ländern gegen konvertierbare Währung getauscht werden. 8. Neben dem Ziel der Zahlungsbilanzfinanzierung werden Devisenmarktinterventionen von Notenbanken auch mit der Motivation durchgeführt, kurzfristige Wechselkursschwankungen zu glätten, eine bestimmte Kursentwicklung zu verhindern oder bestimmte Zielwerte zu erreichen. Devisenmarktinterventionen von Notenbanken sind insgesamt kritisch zu bewerten. Zum einen können die mit Devisenmarktinterventionen verbundenen Geldmengenänderungen zu Konflikten mit binnenwirtschaftlichen Zielen führen. Daneben laden verpflichtende Interventionen im Rahmen eines Festkurssystems Spekulanten zu risikoarmen Engagements ein. Bei flexiblen Wechselkursen werden fallweise Devisenmarktinterventionen in der Regel nur bei bereits aufgetretenen Wechselkursänderungen durchgeführt, denen entgegengewirkt werden soll. Sie können damit aber einen weiteren Störfaktor darstellen. 9. Notenbanken, die nicht Leitwährungsnotenbank eines Festkurssystems sind, haben einen Zielkonflikt zwischen einer autonomen, an inländischen Erfordernissen ausgerichteten Geldpolitik und der Steuerung des Wechselkurses. Jede Devisenmarktintervention impliziert einen Geldmengeneffekt. Dieser kann zwar kurzfristig neutralisiert werden, dadurch ändert sich aber nichts an der zugrundeliegenden Situation am Devisenmarkt. 10. Der Zusammenhang zwischen der Veränderung des kurz- und des langfristigen Zinses ist nicht immer gleichgerichtet. Betreibt die Notenbank eine expansive Geldpolitik und führt dies bei den Marktteilnehmern zu der Erwartung eines stabilitätswidrigen Verhal-
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13.6 Zusammenfassung von Kapitel 13
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337
tens und damit steigenden Güterpreisen in der Zukunft, so entsteht eine Abwertungserwartung der Inlandswährung. Dies führt zu einem Anstieg des Terminkurses und damit zu Kapitelexporten. Am inländischen Kapitalmarkt sinkt das Angebot, und der Kapitalmarktzins steigt. Damit hat der Versuch der Notenbank, durch eine Senkung des Geldmarktzinses die Konjunktur zu stabilisieren, das Gegenteil erreicht. Währungsspekulationen sind in einem System fester Wechselkurse relativ risikolos und nehmen deshalb meist schnell große Volumina an. Sie wirken damit destabilisierend. Sind Wechselkurserwartungen in einem System flexibler Wechselkurse korrekt, so stabilisieren sie die Wechselkursentwicklung und sind für die Spekulanten gewinnbringend. Nur falsche Erwartungen führen zu einer Destabilisierung, sie bedeuten für die Akteure aber Verluste. Diese Überlegung gilt für die Gesamtheit aller Spekulanten. Unterscheidet man einzelne Gruppen von Spekulanten, so kann der Teil, der mit einer falschen Erwartung eine Kursänderung ausgelöst hat, dennoch Gewinne erzielen, wenn der Rest der Spekulanten aufgrund eines Herdenverhaltens auf diese Entwicklung aufspringt. Dennoch gilt auch hier, dass die Summe aller Akteure einen Verlust erleidet, da ihr Verhalten zu einer Destabilisierung des Marktes geführt hat Ausländischen Preissteigerungen werden bei festen Wechselkursen durch mehrere Mechanismen ins Inland übertragen. Für das Inland steigen zum einen die Preise der importierten Güter, zum anderen werden sich auch die Preise der Exportgüter wegen der verstärkten ausländischen Nachfrage erhöhen. (Direkter internationaler Preiszusammenhang). Die sich im Normalfall verbessernde inländische Leistungsbilanz impliziert ein Überschussangebot an ausländischer Währung das die inländische Notenbank aufkaufen muss. Die inländische Geldmenge steigt, und hat eine Preissteigerungstendenz zur Folge (Geldmengen-Preis Mechanismus). Schließlich ist die Leistungsbilanz Teil der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage. Bei einer Verbesserung steigt diese und führt bei ausgelasteten Kapazitäten zu Preissteigerungen (Einkommenseffekt). Im Idealfall treten die Inflationsübertragenden Effekte bei flexiblen Wechselkursen nicht auf. Durch die Aufwertung der Inlandswährung werden die Weltmarktpreise in Inlandswährung nicht steigen, die Notenbank ist nicht verpflichtet, am Devisenmarkt zu intervenieren, so dass auch der Geldmengen-Preis-Mechanismus nicht existiert, und schließlich sorgt im Idealfall der flexible Wechselkurs für eine ausgeglichene Leistungsbilanz, so dass auch kein Einkommenseffekt auftritt. Berücksichtigt man jedoch privaten Kapitalverkehr, so kann ein Leistungsbilanzüberschuss auch bei flexiblen Wechselkursen bestehen bleiben, und der Einkommenseffekt wirkt. Intervenieren Notenbanken auch bei flexiblen Wechselkursen, wie in der Realität beobachtet, so tritt auch ein Geldmengeneffekt auf, und reagiert die Leistungsbilanz anormal auf eine ausländische Preissteigerung, so hat dies eine Abwertung der Inlandswährung zur Folge, die die Übertragung der Preissteigerungen auf die Weltmärkte noch verstärkt. Flexible Wechselkurse können also tendenziell aber nicht mit Sicherheit ein Land vor einem Import ausländischer Preissteigerungen abschirmen.
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13 Währungssysteme
Aufgaben zu Kapitel 13 Aufgabe 13.1 a) Nennen Sie drei Merkmale eines Währungssystems. b) Wie viele Währungsreserven sollte ein Land besitzen? Was ist der Nutzen und was sind die Kosten des Haltens von Währungsreserven? Bestimmen Sie algebraisch den optimalen Bestand an Währungsreserven, stellen Sie diesen graphisch dar und erläutern Sie Ihr Ergebnis ökonomisch. c) Wie ändert sich der optimale Bestand wenn • die Verzinsung von ausländischen Staatsanleihen c. p. fällt, • das betrachtete Land einer Währungsunion beitritt. Stellen Sie die Änderungen auch in Ihrer Graphik dar und geben Sie jeweils eine ökonomische Begründung für Ihre Aussage. Aufgabe 13.2 a) In einem System fester Wechselkurse müssen die Notenbanken an den Devisenmärkten intervenieren, um die Kurse zu stabilisieren. Zeigen Sie anhand eines Devisenmarktdiagramms wie dies funktioniert und erläutern Sie, welche Zielkonflikte für die Notenbanken dabei entstehen. b) Oft wird behauptet, ein System fester Wechselkurse sei deshalb vorteilhafter, weil keine Devisenmarktverzerrungen durch Spekulanten aufträten. Nehmen Sie zu dieser Behauptung Stellung und begründen Sie diese mit Hilfe eines Devisenmarktdiagramms. c) Zeigen Sie für den Fall flexibler Wechselkurse die Wirkung von Devisenmarktspekulation, • die eine stabilisierende Wirkung auf den Devisenmarkt hat, • die eine destabilisierende Wirkung auf den Devisenmarkt hat. Konstruieren Sie dabei für jeden der beiden Fälle ein Beispiel, nennen Sie die Annahmen, die Sie dabei machen und stellen Sie die beiden Fälle jeweils anhand eines Devisenmarktdiagramms dar. d) Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie aus Ihren Ergebnissen bezüglich der Geeignetheit fester versus flexibler Wechselkurse anhand des Kriteriums Währungsspekulation? Aufgabe 13.3 a) Zeigen Sie an zwei von Ihnen gewählten Beispielen die Aussage: Eine gewinnbringende Devisenmarktspekulation wirkt stabilisierend auf die Kursentwicklung (Verbale Begründung mit graphischer Darstellung) b) Diskutieren Sie ein Beispiel, in dem eine destabilisierende Devisenmarktspekulation zumindest einem Teil der Spekulanten Gewinne ermöglicht (verbal-graphische Darstellung). Aufgabe 13.4 Unterstellen Sie ein Land, das ein Leistungsbilanzdefizit aufweist. Was versteht man unter einer • Leistungsbilanzanpassung mit Wechselkursänderung? • Leistungsbilanzanpassung ohne Wechselkursänderung? • Leistungsbilanzfinanzierung?
Aufgaben zu Kapitel 13
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Beschreiben Sie für jeden der drei Fälle jeweils Schritt für Schritt den Wirkungsmechanismus, durch den das Leistungsbilanzdefizit beseitigt werden kann. Verdeutlichen Sie Ihre Antwort jeweils durch eine graphische Darstellung. Aufgabe 13.5 Bei der Frage nach den Vor- und Nachteilen flexibler Wechselkurse wurde auch die Übertragbarkeit eines inflationären Prozesses diskutiert. a) Unterstellen Sie einen Zwei-Länder-Zwei-Güter-Fall. Land A (Inland) exportiere Gut 1 und importiere Gut 2. Im Ausland (Land B) steige nun exogen die Nachfrage, was dort zu einem Anstieg der Preise beider Güter führt. Beschreiben Sie ausführlich den Einfluss der ausländischen Inflation auf den inländischen Leistungsbilanzsaldo. Ergänzen Sie Ihre Ausführungen durch eine graphische Darstellung und definieren Sie, was man in diesem Zusammenhang unter einer „normalen“ Reaktion der inländischen Leistungsbilanz aufgrund einer Inflation im Ausland versteht. b) Diskutieren Sie drei Mechanismen, durch die die ausländische Inflation in einem System fester Wechselkurse ins Inland übertragen wird. Geben Sie jeweils eine genaue ökonomische Begründung. c) Können flexible Wechselkurse das Inland vollkommen vor dem Import der Inflation schützen? Diskutieren Sie auch in diesem Fall die drei Mechanismen. Aufgabe 13.6 Stellen Sie das Portfolio-Gleichgewicht eines kleinen offenen Landes dar, in dem die Vermögensbesitzer neben inländischem Geld auch in- und ausländische Wertpapiere halten, die keine vollkommenen Substitute darstellen. a) Diskutieren Sie die von Ihnen unterstellten Zusammenhänge ausführlich und stellen Sie das Gleichgewicht in einem Wechselkurs-Zinssatz-Diagramm dar. b) Diskutieren Sie graphisch und verbal die Wirkung eines Rückgangs der inländischen Geldmenge, die durch den Verkauf inländischer Wertpapiere seitens der Zentralbank zustande kommt. Geben Sie eine genaue Begründung für die Veränderung von Zinssatz und Wechselkurs. c) Diskutieren Sie graphisch und verbal die Wirkung eines Rückgangs der inländische Geldmenge, die durch den Verkauf ausländischer Wertpapiere seitens der Zentralbank zustande kommt. Geben Sie eine genaue Begründung für die Veränderung von Zinssatz und Wechselkurs. d) Geben Sie eine Begründung, weshalb sich der Zinssatz und der Wechselkurs in Teilaufgabe b) und c) unterschiedlich stark verändern. Welche Optionen ergeben sich dadurch für die Zentralbankpolitik?
14
Weltwährungssysteme in der Praxis
14.1
Der klassische Goldstandard
14.1.1
Institutionelle Regelungen des Goldstandards
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts führten die meisten damaligen Industriestaaten den Goldstandard als nationales Währungssystem ein. Er ersetzte den bis dahin verbreiteten Bimetallismus, ein System umlaufender Gold- und Silbermünzen. Bei einer Goldwährung kann man grundsätzlich die Goldumlaufwährung und die Goldkernwährung unterscheiden. Während bei der Goldumlaufwährung vollwertige Goldmünzen (Kurantmünzen) als Zahlungsmittel dienen, ist bei der Goldkernwährung Papiergeld im Umlauf, das durch Gold im Besitz der nationalen Währungsbehörden in einem bestimmten Verhältnis gedeckt sein muss. Man unterscheidet dabei das Proportionalsystem, bei dem ein bestimmter Anteil des umlaufenden Geldes gedeckt sein muss und das Fiduziärsystem, bei dem ein bestimmter Betrag des umlaufenden Geldes, das Vertrauenskontingent, deckungsfrei bleibt, während bei der darüber hinausgehenden Geldmenge eine 100 %ige Deckung vorgeschrieben ist. Im Deutschen Reich galt seit 1875 das Proportionalsystem mit einer Dritteldeckung, die umlaufende Geldmenge durfte also maximal den dreifachen Wert des Goldbestandes der Notenbank betragen. Die Notenbanken verpflichteten sich dabei, zu einem festen Umtauschverhältnis Gold in unbeschränktem Umfang gegen eigene Währung anzukaufen und zu verkaufen. Wenn in mehreren Ländern eine Goldkernwährung existiert und Gold zwischen diesen Ländern frei bewegt werden darf, so ist durch die Goldannahme- und Goldabgabeverpflichtung der Notenbanken zu einem fixierten Preis auch der Wechselkurs zwischen den Währungen der Länder determiniert. Dies war von 1871 an in fast allen europäischen Industriestaaten und damit in allen weltwirtschaftlich bedeutenden Ländern der Fall. Auch die USA gingen 1861 (de jure erst 1879) zum Goldstandard über, der damit ab 1879 als erstes internationales Währungssystem bezeichnet werden kann, obwohl ihm keine internationale Vereinbarung zugrunde lag. Er hatte sich vielmehr als Konsequenz der einzelnen nationalen Entscheidungen zugunsten der Goldwährung als nationale Währungsverfassung ergeben, Gold war somit der reale Anker dieses Systems. Ebenso waren keine Verfahren vereinbart, wie Paritätsänderungen vorgenommen werden sollten, und es gab keinen gegenseitigen Kreditbeistandsmechanismus. Der Goldstandard war de facto ein Festkurssystem mit uneingeschränkten internationalen Kapitalbewegungen, Gold fungierte als internationales Reservemedium. Die Regeln, die diese Eigenschaften des Goldstandards gewährleisteten, waren sehr einfach: • Gold ist das einzige offizielle Reservemedium der Länder. • Jede der beteiligten Währungsinstanzen legt eine Parität zu einer Gewichtseinheit Gold fest (Goldparität). • Jedes Land verpflichtet sich, zu der festgelegten Parität in beliebiger Höhe Gold gegen eigene Währung zu kaufen oder zu verkaufen.
342 • •
•
14 Weltwährungssysteme in der Praxis Jedes Land verpflichtet sich, die umlaufende Geldmenge in Höhe einer festgelegten Quote durch Goldreserven zu decken. Zwischen den einzelnen Ländern ist die freie Ein- und Ausfuhr von Gold gewährleistet; auch sonst gibt es keine Beschränkungen des internationalen Handels von Gütern und Dienstleistungen sowie des internationalen Kapitalverkehrs. Durch die Bindung jeder Mitgliedswährung zum Gold bestehen auch zwischen den einzelnen Währungen feste Paritäten.
So wurde etwa der Wert der Deutschen Reichsmark (RM) mit 86,58 RM pro Feinunze Gold (31,1 Gramm) festgelegt, der Wert des US-Dollars mit 20,67 Dollar pro Feinunze. Damit existierte ein Dollarkurs in Höhe von 4,19 Mark. Solange Gold frei ex- und importiert werden darf und die Goldbewegungen keine Kosten verursachen, sorgt Goldarbitrage dafür, dass der Wechselkurs zwischen Mark und Dollar bei 4,19 Mark fixiert bleibt. Steigt der Dollarkurs durch eine außenhandelsbedingte Nachfragesteigerung nach Dollar über 4,19, etwa auf 4,39 Mark, so lohnt sich ein Goldexport. Die Arbitrageure kaufen bei der Deutschen Notenbank Gold zu einem Preis von 86,58 Mark pro Feinunze, exportieren das Gold in die USA und verkaufen es dort der amerikanischen Notenbank zu 20,67 Dollar pro Feinunze. Durch dieses Geschäft haben sie praktisch Mark in Dollar zu einem Kurs von 4,19 Mark pro Dollar getauscht. Die Dollar können sie dann am Devisenmarkt zu dem höheren Kurs von 4,39 Mark pro Dollar wieder in Mark zurücktauschen und haben damit an jedem Dollar 0,2 Mark Gewinn erzielt. Das durch das Arbitragegeschäft induzierte Dollarangebot am Devisenmarkt sorgt dann dafür, dass der Dollarkurs wieder auf die Goldparität fällt, da erst dann kein Anreiz mehr für ein Goldarbitragegeschäft besteht. Die analogen Aussagen gelten auch im umgekehrten Fall. Sinkt der Dollarkurs unter 4,19 Mark, so findet aus Sicht Deutschlands ein Goldimport statt, die damit verbundene Dollarnachfrage stabilisiert den Kurs in Höhe der Goldparität von 4,19 Mark. Die bisherigen Ausführungen gingen von dem unrealistischen Fall aus, Goldarbitrage verursache keine Kosten. In der Realität existieren jedoch zum einen die Goldtransportkosten, da das Gold physisch von Land A nach Land B bewegt werden muss. Weiterhin sind Versicherungskosten des Goldtransports, aber auch Opportunitätskosten in Form eines Zinsentgangs des für die Goldarbitrage eingesetzten Kapitals zu berücksichtigen. Zieht man solche Kosten in das Entscheidungskalkül ein, so wird Goldarbitrage nicht bereits bei einer minimalen Differenz zwischen dem sich am Devisenmarkt einstellenden Wechselkurs und dem Goldparitätskurs einsetzen. Erst wenn der Wechselkurs so weit vom Goldparitätskurs abweicht, dass die durch die Goldarbitrage anfallenden Kosten mindestens gedeckt sind, werden Goldexporte und Goldimporte beginnen. Der Goldstandard ist also ein Festkurssystem mit Schwankungsbereichen nach oben und unten. Der Wechselkurs oberhalb des Goldparitätskurses, bei dem die Kosten der Goldarbitrage gerade gedeckt sind, wird als Goldexportkurs (wex), der entsprechende Wert unterhalb des Goldparitätskurses als Goldimportkurs (wim) bezeichnet. Ab dem Goldexportkurs wird das Dollarangebot praktisch vollkommen elastisch, da die Goldexporte ein Dollarangebot am Markt implizieren und damit den Kurs stabilisieren. Entsprechend wird ab dem Goldimportkurs die Dollarnachfrage unendlich elastisch, da die mit einem Goldimport verbundene Dollarnachfrage ein weiteres Absinken des Kurses verhindert. Die Größe der Spanne zwischen dem Goldexport- bzw. dem Goldimportkurs und der Goldparität ist also
14.1 Der klassische Goldstandard
343
von der Höhe der Goldarbitragekosten (k) abhängig. Abb. 14.1 verdeutlicht diese Zusammenhänge. N1
w
C N0
wex
B
D
k
wp
A
E
k
wim A0
Devisenangebot Devisennachfrage Abb. 14.1:
Wechselkursbildung im Goldstandard
In Punkt A besteht ein Devisenmarktgleichgewicht beim Goldparitätskurs wp. Nun steigt die Devisennachfrage exogen von N0 auf N1. Damit würde sich in Punkt C ein Gleichgewichtskurs ergeben, der aber über dem Goldexportkurs liegt. Sobald der Wechselkurs aber wex übersteigt, setzt ein Goldexport ein, das Devisenangebot steigt damit um BD, und der Wechselkurs wird in Höhe von wex fixiert. Das Ausmaß der Bandbreiten, d. h. die Differenz zwischen dem Goldparitätskurs und dem Goldexport- bzw. dem Goldimportkurs, ist von dem jeweiligen Länderpaar abhängig, da die Kosten der Goldarbitrage zwischen verschiedenen Ländern unterschiedlich sein werden. Zum einen sind die Goldtransportkosten von der Entfernung der beiden Länder abhängig, zum anderen können aber auch die Staaten durch eine Besteuerung oder eine Subventionierung der Goldtransporte – was im Goldstandard allerdings nicht erlaubt war – die Spanne beeinflussen.
14.1.2
Ökonomische Wirkungen des Goldstandards
Preisniveaustabilisierung Das Güterpreisniveau ist im Goldstandard immer auch von der Goldproduktion abhängig. Steigt etwa in einem Land die Goldproduktion, verkaufen die Wirtschaftssubjekte einen Teil des zusätzlichen Goldes an die Notenbank und lässt diese den damit verbundenen Geldmen-
344
14 Weltwährungssysteme in der Praxis
genanstieg zu, obwohl dem kein entsprechender Anstieg der übrigen Güterproduktion entspricht, so steigen in diesem Land die Güterpreise. Damit sinkt jedoch die internationale Konkurrenzfähigkeit des Landes, seine Leistungsbilanz verschlechtert sich, und am Devisenmarkt entsteht eine Überschussnachfrage nach ausländischer Währung. Der Wechselkurs wird damit steigen. Sobald der Goldexportkurs erreicht wird, setzt Goldarbitrage ein, die Wirtschaftssubjekte kaufen von der inländischen Notenbank Gold und exportieren dieses. Damit sinkt aber die inländische Geldmenge, was Preisniveaustabilisierend wirkt. Da bei einem Goldverkauf die Deckungsvorschrift beachtet werden muss, wird die inländische Notenbank durch diesen Mechanismus zu einer stabilitätsorientierten Geldpolitik gezwungen. Auch ein durch einen allgemeinen Nachfrageanstieg ausgelöster Preissteigerungseffekt wird gedämpft. Steigen die Preise aller Güter (außer Gold) und Faktoren, so wird, falls das Land ein Goldproduzent ist, die Goldproduktion sinken, da die Produktionsfaktoren jetzt rentabler bei der Herstellung anderer Güter eingesetzt werden können. Andererseits wird die Nachfrage nach dem jetzt – relativ – billigeren Gut Gold steigen, um es für nicht-monetäre Zwecke (z. B. Schmuck) zu verwenden. Beide Effekte führen zu einer verstärkten Goldnachfrage bei der Notenbank, deren Goldreserven damit abnehmen. Wegen der Golddeckungsvorschrift muss dann aber auch die inländische Geldmenge sinken, was der allgemeinen Preissteigerungstendenz entgegenwirkt. Zahlungsbilanzausgleich Durch den Geldmengen-Preis-Mechanismus besteht im Goldstandard ein Automatismus des Leistungsbilanzausgleichs. Es sei angenommen, im Ausgangszustand seien die Leistungsbilanzen ausgeglichen und der Wechselkurs entspreche der Goldparität. Nun steige, etwa weil im Inland die Güterpreise gestiegen sind, die Importnachfrage und damit auch die Nachfrage nach Devisen, wie in Abb. 14.1 dargestellt. Die Überschussnachfrage beträgt beim Goldparitätskurs AE, der Dollarkurs steigt. Übersteigt der neue Gleichgewichtskurs den Goldexportkurs, so setzt ein Goldarbitragegeschäft ein, bei dem die ausländische Geldmenge steigt, da die ausländische Notenbank Gold ankaufen muss, während die inländische Geldmenge sinkt, da die inländische Notenbank den Goldarbitrageuren Gold zum Zwecke des Exports verkaufen muss. Wegen der Golddeckungsvorschriften kann die inländische Notenbank den Geldmengenrückgang nicht verhindern, im Gegenteil, waren vor dem Goldarbitragegeschäft die umlaufenden Banknoten durch Gold gerade im Umfang der erforderlichen Quote gedeckt, so muss die inländische Notenbank die Geldmenge noch stärker als im Ausmaß des Goldverkaufs reduzieren, im Beispiel der Dritteldeckung um das Dreifache. Diese Geldmengenverknappung im Inland führt bei normalen Zusammenhängen zwischen Geldmenge und Gütersektor auch zu einer Verknappung der Güternachfrage und damit zu einem Rückgang der Güterpreise. Im Ausland dagegen steigt mit dem Ankauf von Gold die Geldmenge. Hier hat die Notenbank allerdings die Freiheit, den Geldmengenanstieg zu neutralisieren oder aber die Geldmenge unter Beachtung der Deckungsquote zu erhöhen. Steigt die Geldmenge, so hat dies einen expansiven Nachfrageeffekt und damit einen tendenziellen Preisanstieg im Ausland zur Folge. Die Güterpreisniveaus zwischen In- und Ausland gleichen sich damit wieder an. Da die Goldarbitrage entgegengesetzte Preiseffekte in den beiden Ländern auslöst, wird das Inland im Vergleich zum Ausland wieder konkurrenzfähiger, die inländischen Exporte werden steigen, die inländischen Importe sinken. Der Devisenmarkt und die Leistungsbilanz tendieren damit wieder zum Gleichgewicht. Tabelle 14.1 gibt einen Überblick über die ein-
14.1 Der klassische Goldstandard
345
zelnen Effekte. Der hier beschriebene Geldmengen-Preis-Mechanismus des Leistungsbilanzausgleichs setzt allerdings voraus, dass sowohl die Güterpreisniveaus der beteiligten Länder flexibel auf Geldmengenänderungen als auch die Leistungsbilanz normal auf eine Veränderung der Güterpreisniveaus reagieren. Tab. 14.1:
Automatischer Leistungsbilanzausgleich im Goldstandard Land A
Land B
Anstieg des Preisniveaus ↓ Verschlechterung der Leistungsbilanz ↓ Überschussnachfrage nach B-Währung ↓ Abwertung der A-Währung ↓ Goldabfluss ↓ Rückgang der Geldmenge ↓ Rückgang des Preisniveaus ↓ Verbesserung der Leistungsbilanz
Verbesserung der Leistungsbilanz ↓ Überschussangebot an A-Währung ↓ Aufwertung der B-Währung ↓ Goldzufluss ↓ Anstieg der Geldmenge ↓ Anstieg des Preisniveaus ↓ Verschlechterung der Leistungsbilanz
Die im Geldmengen-Preis-Mechanismus zum Ausdruck kommende monetäre Disziplinierung der Notenbanken versagt allerdings, wenn alle Länder gleichzeitig eine zu expansive Geldpolitik betreiben, indem sie etwa gleichzeitig ihre Deckungsquote reduzieren. Dann würden die Güterpreise in allen Ländern steigen, es ergäbe sich keine Verschiebung der internationalen Konkurrenzfähigkeit und damit auch kein Wechselkurs- und Goldarbitrageeffekt. Auch der Einkommensmechanismus und Kapitalbewegungen führen zu einem Leistungsbilanzausgleich. Sind die Güterpreisniveaus – zumindest nach unten – starr und reagieren damit auch nicht auf Geldmengenänderungen, so treten andere Anpassungseffekte auf. Ausgangspunkt sei wieder ein autonomer Anstieg der Importnachfrage, verbunden mit einem Leistungsbilanzdefizit sowie einer Überschussnachfrage am Devisenmarkt. Die inländische Geldmenge sinkt aufgrund des Goldexports. Der Rückgang der Geldmenge hat, unabhängig von der Reaktion der Güterpreise, einen Anstieg des inländischen Zinsniveaus zur Folge. Der Zinsanstieg wirkt zum einen negativ auf die inländische Investitionstätigkeit, zum anderen verteuert er die private Konsumfinanzierung. Die gesamtwirtschaftliche Güternachfrage und damit das gesamtwirtschaftliche Einkommen gehen zurück. Nimmt man realistischerweise Einkommensabhängigkeit der Güterimporte an, so werden auch diese sinken. Reagiert das Ausland wegen der dort steigenden Geldmenge mit einer Zunahme seiner Güterimporte, so impliziert dies für das Inland steigende Güterexporte. Der Rückgang der Güterimporte bzw. der Anstieg der Güterexporte findet so lange statt, bis die Leistungsbilanz sich wieder im Gleichgewicht befindet, da erst dann kein goldarbitragebedingter Geldmengeneffekt mehr auftritt. Aus Sicht des Inlands ergibt sich damit ein einkommensinduzierter Ausgleich der Leistungsbilanz. Ein weiterer Ausgleichsmechanismus sind die internationalen Kapitalbewegungen. Ist die Geldmengenverknappung im Inland mit einem Zinsanstieg und die Geldmengenexpansion
346
14 Weltwährungssysteme in der Praxis
im Ausland mit einem Zinsrückgang verbunden, so induziert diese Verschiebung der Renditen c. p. einen Nettokapitalimport für das Inland, dessen Ausmaß von der Zinselastizität der internationalen Kapitalbewegungen abhängig ist. Der Nettokapitalimport führt am Devisenmarkt zu einem Angebotsanstieg an Auslandswährung, der die importnachfragebedingte Nachfragesteigerung tendenziell ausgleicht und den Devisenmarkt ins Gleichgewicht bringt. Der Ausgleich der Zahlungsbilanz auf diese Weise erfolgt umso eher, je mobiler und zinsreagibler die internationalen Kapitalbewegungen sind. Internationaler Konjunkturzusammenhang Das mit dem Goldstandard verbundene System fester Wechselkurse impliziert letztlich auch eine gleichgerichtete Konjunkturentwicklung in den beteiligten Ländern. Steigen etwa die autonomen Investitionen und erhöht sich damit das Volkseinkommen im Inland, so löst dies eine einkommensinduzierte Erhöhung der Güterimporte aus. Da die inländischen Importe den ausländischen Exporten entsprechen, wird auch im Ausland ein positiver Impuls auf das Volkseinkommen entstehen. Verstärkt wird diese Konjunkturübertragung durch die Goldarbitrage. Die steigenden Güterimporte des Inlands führen zu einer steigenden Devisennachfrage und in der Folge zu dem oben diskutierten Goldexport. Das Ausland importiert Gold, was eine Erhöhung der Geldmenge und damit einen weiteren positiven Impuls auf das Sozialprodukt impliziert. Analoge Zusammenhänge gelten auch für eine negative Volkseinkommensentwicklung, etwa ausgelöst durch sinkende autonome Investitionen. Der damit verbundene Volkseinkommensrückgang lässt die inländischen Importe und damit die ausländischen Exporte schrumpfen, was im Ausland einen negativen Volkseinkommenseffekt auslöst. Verstärkt wird dieser Effekt durch die sinkende ausländische Geldmenge im Zuge des zahlungsbilanzinduzierten Goldexports.
14.1.3
Beurteilung des Goldstandards
System stabiler Wechselkurse: Die Wechselkurse schwankten nur im Ausmaß der Goldarbitragekosten, was in der damaligen Zeit für die internationale Arbeitsteilung eine sichere Kalkulationsgrundlage darstellte und den Handel positiv beeinflusste. So nahm der Güteraustausch der beteiligten Länder in der Zeit des Goldstandards von 1880 bis 1914 um mehr als das Dreifache zu. Begünstigt wurde diese Entwicklung durch den fast vollkommenen Verzicht auf protektionistische Maßnahmen und Kapitalverkehrskontrollen. Damit konnten die Wohlfahrtssteigernden Wirkungen der internationalen Arbeitsteilung genutzt werden. Preisniveaustabilisierung: Die Spielregeln des Goldstandards zwangen den Notenbanken eine monetäre Disziplin auf, da eine zu starke Geldmengenausweitung zu einem Schrumpfen der Goldvorräte führte und die Geldmenge damit automatisch reduziert werden musste. Die Geldpolitik war somit allein auf außenwirtschaftliche Stabilität, auf die Konstanz der Wechselkurse ausgerichtet und nicht auf binnenwirtschaftliche Ziele. Der damalige Erfolg dieser Politik zeigt sich, wenn man die Inflationsentwicklung über den gesamten Zeitraum von 1880 bis 1913 betrachtet. In diesem Zeitraum existierte praktisch keine Inflation. In Deutschland z. B. betrug die durchschnittliche jährliche Inflationsrate 0,3 %, in den USA 0,1 % und im Vereinigten Königreich sanken die Preise im jährlichen Durchschnitt von 0,7 %. Begünstigt wurde dieses Ergebnis allerdings durch deutliche Produktivitätssteigerungen, infolge der Kostensenkenden Effekte der beginnenden Massenproduktion und durch einen tendenziellen Rückgang der Transportkosten. Auch sanken in dieser Zeit die Nahrungsmittelpreise durch eine Vergrößerung der Anbauflächen in Nordamerika.
14.1 Der klassische Goldstandard
347
Die äußerst geringen durchschnittlichen Inflationsraten verdecken jedoch die über kürzere Zeitintervalle durchaus aufgetretenen deutlichen Preisschwankungen. Damit verbunden waren auch kurzfristige Schwankungen des Sozialprodukts und der Beschäftigung. Ursache für diese Gegensätze sind time lags. Zwar existierte im Goldstandard prinzipiell die Tendenz zur Preisniveaustabilisierung, der hierfür erforderliche Anpassungsprozess war jedoch mit zum Teil deutlichen zeitlichen Verzögerungen verbunden. Zahlungsbilanzausgleich: Der Goldstandard stellte ein stabiles Währungssystem mit automatischem Zahlungsbilanzausgleich dar, in dem keine Notwendigkeit internationaler wirtschaftspolitischer Kooperation bestand. Da die „Spielregeln“ bis zum ersten Weltkrieg weitgehend eingehalten wurden, kam es zu keinen nennenswerten Ungleichgewichten in den Zahlungsbilanzen. Allerdings ist der reibungslose Zahlungsbilanzausgleichsmechanismus allein durch den oben dargestellten Geldmengen-Preis-Mechanismus kaum zu erklären, da die dabei infolge eines Leistungsbilanzungleichgewichts wirkenden Effekte erst mittel- bis langfristig zu einem Ausgleich führen. Es ist deshalb zu vermuten, dass in nicht unerheblichem Umfang auch die Einkommenseffekte und vor allem die zinsinduzierten Kapitalbewegungen zu einem reibungslosen Ausgleich beigetragen haben. Eine weitere Erklärung liefert der in dieser Zeit praktizierte Freihandel. Durch die weitgehend freie Weltmarktpreisbildung waren die Preise der handelbaren Güter zwischen den beteiligten Ländern sehr eng verzahnt, so dass sich auftretende asymmetrische Störungen auch direkt über den internationalen Preiszusammenhang ausgleichen konnten. Diese Mechanismen sorgten auch für eine deutliche Parallelität der Konjunkturentwicklung, vor allem in den europäischen Ländern. Abhängigkeit von der Goldproduktion: Das System eines Goldstandards ist auf längere Sicht davon abhängig, dass genügend Gold zufließt. Wenn zur Stabilisierung der Güterpreise die Geldmenge in gleichem Ausmaß wie die Güterproduktion steigen soll, muss, bei Aufrechterhaltung der Deckungsvorschrift, auch die gehaltene Goldmenge entsprechend zunehmen. Da das Reservemedium Gold bei der Produktion einen hohen Ressourceneinsatz erfordert und da die einzelnen Länder sehr unterschiedlich mit Goldvorkommen ausgestattet sind, waren die Notenbanken vieler Länder auf den Import von Gold angewiesen, der aber durch Leistungsbilanzüberschüsse erwirtschaftet werden musste. Die Realisierung dieses Erfordernisses wurde jedoch durch die Mechanismen des automatischen Leistungsbilanzausgleichs erschwert. Umgekehrt genossen Länder mit großen Goldvorkommen Privilegien, etwa dem, eher eine autonome Geldmengenpolitik durchführen zu können. Aktive Notenbankpolitik: Auch im Goldstandard waren Devisenmarktinterventionen zur Vermeidung eines Kursausschlags über die Bandbreiten hinaus üblich, hierzu hielten die Notenbanken Devisenreserven in nicht unerheblichem Umfang. Aus diesem Grund, zur Mehrung des eigenen Reichtums und um sich geldpolitische Spielräume zu verschaffen, strebten die meisten Länder einen möglichst hohen Goldbestand an. Daher war es das Ziel der Notenbanken, Goldexporte möglichst zu vermeiden und Goldimporte zu fördern. Zu diesem Zweck wurde versucht, sowohl den Goldexportkurs als auch den Goldimportkurs bei gegebener Goldparität zu erhöhen, um möglichst frühzeitig Goldimporte und möglichst spät Goldexporte lohnend zu machen. Dies konnte durch eine Manipulation der Goldan- und -verkaufskurse geschehen, da zwischen der offiziellen Goldparität einer Währung und den An- bzw. Verkaufskursen der Notenbanken eine Spanne bestand. Der Goldankaufskurs lag etwas unter, der Goldverkaufskurs etwas über dem Paritätskurs. So betrug die Spanne, bezogen auf den Paritätskurs beim Mark-Dollar-Verhältnis, etwas über 1,2 %. Durch eine Erhöhung des offi-
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14 Weltwährungssysteme in der Praxis
ziellen Goldverkaufskurses bei Konstanz der Goldparität wurde die „Bandbreite“ für eine flexible Wechselkursbildung nach oben erhöht, da der Goldexportkurs stieg. Erhöhte man gleichzeitig auch den offiziellen Ankaufskurs, so erhöhte sich damit auch der Goldimportkurs, die „Bandbreite“ für eine flexible Wechselkursbildung nach unten wurde dadurch kleiner. Eine Förderung des Goldimports, d. h. eine Anhebung des Goldimportkurses, wurde auch dadurch erreicht, dass man den Goldimporteuren zinslose Darlehen zur Finanzierung des Goldarbitragegeschäftes einräumte, was dieses verbilligte. Auch die Transportkosten konnten beeinflusst werden, indem für Goldverkäufe grenzferne Filialen der Notenbank zuständig waren, für Goldankäufe dagegen grenznahe Filialen. Der klassische Goldstandard stellte von 1880 bis 1914 mit relativ einfachen Spielregeln ein System fester Wechselkurse sicher, das eine sehr positive Wirkung auf den internationalen Güteraustausch hatte. Das Preisniveau war zwar über die gesamte Zeit von 1880 bis 1914 gesehen relativ stabil, es traten aber kurzfristig erhebliche Preis-, Einkommens- und Beschäftigungseffekte auf. Die Konjunkturentwicklung verlief vor allem in den europäischen Ländern weitgehend synchron. Trotz dieser Schwierigkeiten traten keine größeren Zahlungsbilanzsalden auf, wofür nicht nur der Geldmengen-Preis-Mechanismus, sondern auch der direkte internationale Preiszusammenhang, der Einkommenseffekt und die zinsinduzierten kurzfristigen Kapitalbewegungen sorgten. Probleme ergaben sich allenfalls durch die in geeignetem Umfang notwendige Goldversorgung aller beteiligten Länder.
14.1.4
Die Zwischenkriegszeit
Nach dem ersten Weltkrieg wurden mehrere Versuche unternommen, den erfolgreichen Goldstandard wieder einzuführen. Die währungspolitischen Bedingungen waren jedoch durch die Kriegsfolgen gekennzeichnet, so dass eine sofortige Rückkehr nicht möglich war. Die am Ersten Weltkrieg beteiligten europäischen Länder hatten durch kriegsbedingten Importbedarf in hohem Maße Gold verloren, Goldzuflüsse infolge von Handelsbilanzüberschüssen wiesen dagegen die Vereinigten Staaten, Japan und die neutral gebliebenen europäischen Länder auf. Der hohe Importbedarf und die damit verbundenen Folgen blieben auch in der Aufbauphase nach dem Krieg bestehen. Durch die Kriegsfinanzierung waren weltweit die Inflationsraten gestiegen, allerdings in deutlich unterschiedlichem Maße, so dass die Rückkehr zu den Vorkriegsparitäten zunächst unmöglich schien. Deutschland hatte hohe, damals im genauen Ausmaß noch nicht exakt zu beziffernde Reparationszahlungen zu leisten, auch die Alliierten waren hoch verschuldet, vor allem gegenüber den USA. Da auch das Ausmaß des Importbedarfs nicht abzuschätzen war, war es kaum möglich, die „richtigen“ neuen Paritäten zu finden. Deshalb ging man zunächst zu flexiblen Wechselkursen über. Nach einer erfolgreichen Deflationierungspolitik zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, die allerdings mit hoher Arbeitslosigkeit verbunden war, kehrte das Vereinigte Königreich 1925 zur Vorkriegsparität zurück, da man eine Abwertung des Pfundes gegenüber dem Gold und damit gegenüber dem Dollar vor allem aus Prestigegründen vermeiden wollte. Das Pfund war mit dieser Paritätssetzung jedoch überbewertet. In Frankreich kam es durch die flexiblen Wechselkurse zu einer deutlichen Abwertung des Francs. Im Deutschen Reich wurde nach einer Hyperinflation 1923 mit der Rentenmark eine neue Währung eingeführt, mit der ein Kursverhältnis gegenüber dem Dollar auf Vorkriegsniveau möglich wurde. Dieser Kurs konnte, unterstützt durch eine stabilitätsorientierte Politik der Notenbank und eine Begrenzung der Staatsverschuldung, gehalten werden. Damit waren die Grundlagen für eine Neu-
14.1 Der klassische Goldstandard
349
auflage des Goldstandards gelegt. Im Verlaufe der 1920er Jahre kehrten praktisch alle wirtschaftlich bedeutenden Länder zu Goldparitäten zurück. Diese Restaurierung des Goldstandards erfolgte aber allein durch nationale Beschlüsse ohne internationale Absprachen und war teilweise mit ökonomisch nicht haltbaren Über- und Unterbewertungen der einzelnen Währungen verbunden, so dass Zahlungsbilanzungleichgewichte vorhersehbar waren. Ein weiteres Problem bestand in der Verknappung der Goldreserven und der damit verbundenen Deflationsgefahr, da die Weltgoldproduktion in der Nachkriegszeit wegen der gegenüber anderen Gütern relativen Verbilligung von Gold stark gesunken war. Deshalb wurden zur Deckung der umlaufenden Geldmenge neben Gold auch Devisenreserven zugelassen. Im Deutschen Reich etwa bestand nach 1923 eine Deckungsvorschrift von 40 % durch Gold und Devisen, wobei Gold mindestens 75 % ausmachen musste. Dies war aber letztlich eine Destabilisierung des Systems. Auch waren die beteiligten Länder zunehmend weniger bereit, ihre Geldpolitik allein an der außenwirtschaftlichen Stabilität zu orientieren, wie dies in der Vorkriegszeit der Fall war. Binnenwirtschaftliche Zielsetzungen erlangten – auch angesichts der Nachkriegssituation – ein immer stärkeres Gewicht. Schwierigkeiten lösten auch die zum Teil erheblichen Reparationszahlungen aus, wovon vor allem das Deutsche Reich betroffen war. Denn diesen Transferzahlungen standen kaum reale Ströme gegenüber. Finanziert wurden die deutschen Reparationszahlungen primär durch private Kapitalimporte, die von dem relativ höheren deutschen Zinsniveau angelockt wurden. Da sich hierdurch die deutsche Auslandsverschuldung immer weiter erhöhte, kam es 1929 zu Zweifeln an der Erfüllung der deutschen Zahlungsverpflichtungen. Dies löste massive Nettokapitalexporte aus, deren negative Folgen die deutsche Regierung mit Devisenbewirtschaftungsmaßnahmen sowie einem befristeten Aussetzen der Schuldentilgung, letzteres in Abstimmung mit den ausländischen Gläubigern, begrenzen wollte. Auch das Vereinigte Königreich war von dieser Entscheidung betroffen. Die u. a. wegen der Überbewertung des britischen Pfundes über lange Jahre hinweg hohen Leistungsbilanzdefizite hatten auch die Auslandsverschuldung dieses Landes steigen lassen. 1931 war die kurzfristige Verschuldung deutlich höher als die Goldreserven. Hinzu kamen Vertrauensverluste in die staatliche Budgetpolitik. Die damit einsetzenden Gold- und Devisenverluste veranlassten die Bank von England, die Goldeinlöseverpflichtung zu suspendieren. In der Folge dieser Entscheidung des damals wirtschaftlich dominierenden Landes sagten sich auch die meisten anderen Staaten von der Goldeinlöseverpflichtung los, so dass die Wiedereinführung des Goldstandards als gescheitert gelten konnte. Nach der faktischen Freigabe des Wechselkurses wertete das Pfund gegenüber Gold und Dollar – und damit gegenüber allen anderen Währungen, solange deren Goldparität noch existierte – stark ab. Obwohl hierzu keine ökonomische Notwendigkeit bestand, folgten diesem Schritt auch Japan und die Vereinigten Staaten. Weitere Länder schlossen sich an. Nach Abschluss dieser Abwertungsrunde, im Jahre 1936, lagen die Dollarkurse der meisten Währungen in etwa wieder auf dem Niveau von 1930, letztlich hatten die Abwertungen den Ländern also keine Wettbewerbsvorteile gebracht. Daher kam es zunehmend zu protektionistischen Tendenzen wie dem Aufbau von Zöllen, Importkontingenten oder Zollpräferenzen in praktisch allen Ländern. Da auch die Wechselkurse keine sichere Kalkulationsgrundlage mehr boten, nahm der Welthandel in der Folge spürbar ab und dies, obwohl die Weltproduktion im gleichen Zeitraum zunahm. Die Gründe des Scheiterns einer Wiedereinführung des Goldstandards lagen letztlich in einer mangelnden internationalen Koordinierung und Kontrolle der Festsetzung und Änderung der
350
14 Weltwährungssysteme in der Praxis
Paritäten, im zeitweise auftretenden Mangel an internationalen Reserven sowie in der Einführung von Devisenkontrollen und Handelsbeschränkungen. Diese Defizite wollte man in einer neuen Weltwährungsordnung vermeiden.
14.2
Der Gold-Devisen-Standard
14.2.1
Die unterschiedlichen Ausgangspunkte
Ein Neuanfang gegen Ende des Zweiten Weltkriegs wurde 1944 in der amerikanischen Kleinstadt Bretton Woods gemacht, wo die Grundzüge einer neuen Weltwährungsordnung von 44 eingeladenen Ländern verabschiedet wurden. Die heute großen Industrienationen Deutschland und Japan nahmen als Kriegsgegner der Alliierten an der Konferenz nicht teil. Von Anfang an bestand unter allen Beteiligten Einigkeit darüber, möglichst bald zu einem neuen Weltwährungssystem zu kommen, bei dem die Schwierigkeiten, die nach dem 1. Weltkrieg aufgetreten waren, vermieden werden sollten. Diese Vorgaben führten zur Formulierung gemeinsamer Zielvorstellungen der USA und Großbritanniens. Wechselkursänderungen sollten in Zukunft nur noch unter internationaler Kontrolle erfolgen, der Aufbau von Währungsreserven sollte durch internationale Hilfen unterstützt, und eine multilaterale Überwachungsinstanz für die Zahlungsbilanzpolitik der einzelnen Länder sollte geschaffen werden. Allerdings gab es erhebliche Meinungsunterschiede, wie diese gemeinsamen Ziele verwirklicht werden sollten. Dies dokumentierte sich in den Planvorlagen von. J.M. Keynes, dem damaligen Berater des britischen Schatzamtes, und von H.D. White, dem Mitglied des amerikanischen Schatzamtes. Keynes schlug eine vertragliche Verknüpfung aller teilnehmenden Länder vor, in der sich diese verpflichten sollten, bei ihren wirtschaftspolitischen Maßnahmen auch die Interessen der anderen Mitglieder angemessen zu berücksichtigen. Er sah offenbar die Gefahr, dass ein Leitwährungsland eine nicht genügend expansive Geldpolitik betreiben könnte und damit auch die anderen Mitgliedsländer in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung einengen würde. Eine neu zu schaffende Clearing-Union sollte die Abrechnung des internationalen Zahlungsverkehrs zwischen den Zentralbanken übernehmen. Hierzu war ein künstliches, von den Zentralbanken als Reservemedium gehaltenes Buchgeld, der „bancor“, vorgesehen. Die durch Mitgliedsbeiträge aller beteiligten Länder finanzierte Clearing-Union sollte auch Währungskredite an die einzelnen Zentralbanken vergeben dürfen. Die einzelnen Währungen sollten fest an den bancor gekoppelt werden, lediglich Abweichungen bis zu 5 % sollten erlaubt sein. White dagegen legte stärkeres Gewicht auf die internationale Geldwertstabilität. Er schlug die Bildung eines Stabilisierungsfonds vor, der den Defizitländern Währungen aus seinem Bestand überlassen, aber kein eigenes Kreditvergaberecht besitzen sollte. Dies impliziert eine eigene, von den Mitgliedsstaaten aufzubringende Kapitalausstattung. Änderungen der Wechselkursparitäten sollten nur bei fundamentalen Zahlungsbilanzungleichgewichten und nur mit Erlaubnis des Fonds bei einer 75 % Zustimmung der Mitglieder möglich sein. Auch wollte White früher und umfassender Devisenkontrollen abschaffen als Keynes. In beiden Vorschlägen fehlte die Forderung, die Geldpolitik der beteiligten Länder direkt zu koordinieren.
14.2 Der Gold-Devisen-Standard
14.2.2
351
Das Vertragswerk von Bretton Woods
In Bretton Woods wurde am 22. Juli 1944 ein Abkommen über die Statuten des Internationalen Währungsfonds und die Errichtung der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (Weltbank) ratifiziert. Die Unterzeichnung des Abkommens erfolgte am 27. Dezember 1945 durch 29 Mitgliedsstaaten. Nach Artikel I des IWF-Abkommens ist das übergeordnete Ziel des IWF darin zu sehen, „die Ausweitung und ein ausgewogenes Wachstum des Welthandels zu erleichtern und dadurch zur Förderung und Aufrechterhaltung eines hohen Beschäftigungsstandes und Realeinkommens sowie zur Entwicklung des Produktionspotentials aller Mitglieder … beizutragen“. Weitere Ziele sind die Wiederherstellung der Konvertibilität der Währungen, die nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gegeben war, die Errichtung eines multilateralen Zahlungssystems, eines stabilen Wechselkurssystems sowie eines finanziellen Beistandssystems für Länder mit Zahlungsbilanzdefiziten. An der Spitze des IWF steht der „Gouverneursrat“, in den jedes Mitgliedsland einen Gouverneur sowie einen Stellvertreter entsendet. In der Regel sind dies der Finanzminister und der Notenbankchef. Die laufenden Geschäfte liegen beim Exekutivdirektorium. Jedes Land hat beim Beitritt einen Beitrag, die sog. „Quote“, zu zahlen. Die Quote richtet sich nach volkswirtschaftlichen Merkmalen wie dem Bruttoinlandsprodukt, der Leistungsbilanz und den Währungsreserven, sie kann je nach Finanzbedarf des IWF erhöht werden. Das Mitspracherecht im IWF bestimmt sich neben den für alle Mitglieder gleichen Basisstimmrechten nach der Höhe der Quote. Die Mitgliedsländer haben bei Zahlungsbilanzschwierigkeiten „Ziehungsrechte“ gegenüber dem IWF: Mitgliedsländer „kaufen“ gegen Zahlung eines entsprechenden Betrags in eigener Währung die Währungen anderer Mitglieder. Es handelt sich dabei um eine Kreditbeziehung. Eine Begrenzung der Ziehungsrechte erfolgt durch die Regelung, dass der Bestand an Währung des ziehenden Landes beim IWF 200 % seiner eingezahlten Quote nicht übersteigen darf. Je nach Kredittranche (100 % bis 125 % der Quote: 1. Kredittranche, über 125 % bis 200 %: 3 weitere Kredittranchen) kann der IWF mit der Kreditgewährung Auflagen verbinden, etwa mit der Forderung nach Einleitung von Maßnahmen zur Zahlungsbilanzkorrektur. Neben den Ziehungsrechten gibt es weitere Kreditmöglichkeiten, die so genannten Kreditfazilitäten. Der IWF begann seine Tätigkeit am 1. März 1947, nachdem die Quoten gezeichnet waren. Seine Hauptaufgabe war in den ersten Jahrzehnten seines Bestehens die Überwachung und aktive Gestaltung des ebenfalls in Bretton Woods vereinbarten Währungssystems eines Gold-DevisenStandards. Daneben war die Sicherung der Konvertibilität der einzelnen Währungen und der Freiheit des internationalen Kapitalverkehrs Aufgabe des IWF, zu der auch die Sicherstellung geordneter Verhältnisse auf den Devisenmärkten durch Koordinierung der Wechselkursziele der einzelnen Länder und die Vermeidung gezielter Abwertungen gehört, durch die die Belange anderer Mitglieder tangiert würden. Hierzu benützt der IWF eine aufeinander aufbauende Strategie. Mit jedem Mitgliedsland berät sich der IWF in regelmäßigen Abständen über die wirtschaftliche Lage des Landes (surveillance), um so möglicherweise auftretende Probleme bereits im Vorfeld erkennen und durch geeignete Maßnahmen unterbinden zu können. Unterstützt wird diese Aktivität durch regelmäßige Analysen über die weltwirtschaftliche Entwicklung. Im Hinblick auf die vereinbarten Wechselkursregelungen war der Vertrag von Bretton Woods zwar ein Kompromiss zwischen den beiden Vorschlägen von Keynes und White, er trug jedoch in stärkerem Maße den Vorstellungen White’s Rechnung. Der US-Dollar wurde fest an das Gold gekoppelt, die Parität lautete: 1 US-Dollar = 0,888671 Gramm Feingold bzw. eine Unze Feingold = 35 US-Dollar. Diese Parität konnte nur mit 85 % der Stimmen des IWF bei einem 10 %igen
352
14 Weltwährungssysteme in der Praxis
Vetorecht geändert werden. Die übrigen Mitglieder des Währungssystems sollten mit dem Internationalen Währungsfonds Paritäten ihrer Währungen gegenüber dem Gold vereinbaren. Nur die amerikanische Notenbank war verpflichtet, Gold gegen Dollar in beliebiger Höhe zum festen Kurs zu kaufen und zu verkaufen. Durch die Bindung der einzelnen Währungen an Gold war damit auch ein fester Kurs der einzelnen Währungen gegenüber dem US-Dollar und damit letztlich auch zwischen den einzelnen Währungen festgelegt. Die Wechselkurse durften von der Parität gegenüber dem Dollar nach oben und unten jeweils um maximal 1 % abweichen. Dies impliziert, dass zwischen den Nicht-Dollar-Währungen eine Schwankungsbreite von ±2 % bestand. Zur Sicherstellung dieser Grenzen waren die Zentralbanken der Mitgliedsländer – mit Ausnahme der USA – verpflichtet, an den Devisenmärkten zu intervenieren. Der Dollar fungierte dabei als Interventionswährung, d. h. die Interventionen erfolgten in aller Regel über den US-Dollar. Der US-Dollar nahm in diesem System also gleichzeitig die Rolle der Leitwährung, der Reservewährung und der Interventionswährung wahr. Abb. 14.2 zeigt den vereinbarten Wechselkursmechanismus. wp kennzeichnet den vereinbarten Paritätskurs zwischen der nationalen Währung und dem Dollar. wo und wu sind die oberen und unteren Grenzen der Bandbreiten. Nimmt die Nachfrage nach Dollar zu, so würde dies eine Abwertung der inländischen Währung implizieren, w steigt. In Abb. 14.2 würde durch die Nachfragesteigerung der obere Interventionspunkt überschritten, neues Gleichgewicht läge in Punkt C. Nun waren die nationalen Notenbanken verpflichtet, bei Erreichen eines Interventionspunktes am Markt einzugreifen, im Falle einer Überschussnachfrage nach Dollar mussten Dollar aus eigenen Beständen verkauft werden. Das Angebot an Dollar am Devisenmarkt nimmt damit zu, die Dollarangebotskurve verschiebt sich nach rechts. Der Anstieg des Dollarangebots stabilisiert den Wechselkurs innerhalb der Bandbreiten. Auf die sonstigen Möglichkeiten zum Abbau eines Leistungsbilanzdefizits wurde oben ausführlich eingegangen. Änderungen der Paritäten durften nur nach Beratungen mit dem IWF erfolgen. Als Grund musste ein fundamentales Zahlungsbilanzungleichgewicht vorliegen, zu dessen Beseitigung eine Paritätsänderung als notwendig erachtet wurde. Es sollte damit vermieden werden, dass kurzfristige Schwankungen der Wechselkurse zu Paritätsänderungen genutzt werden. Allerdings durfte der IWF einer von einem Mitgliedsland beantragten Paritätsänderung nicht widersprechen, wenn die vorgeschlagene und alle bisherigen Änderungen zusammen nicht mehr als 10 % von der ursprünglichen Parität abwichen. Bei einer darüber hinausgehenden Änderung musste der Fonds zustimmen, wenn die Voraussetzung eines fundamentalen Zahlungsbilanzungleichgewichts vorlag und wenn die Wechselkursänderung geeignet erschien, dieses Ungleichgewicht zu beseitigen. Hinsichtlich der freien Konvertibilität von Währungen wurde vereinbart, Devisenbeschränkungen zu vermeiden, wenn die Zahlungen laufende Transaktionen betreffen. Solche Beschränkungen waren ohne Zustimmung des Währungsfonds verboten. Im Umkehrschluss heißt dies aber, dass Kapitalverkehrskontrollen zulässig waren, sofern sie die Finanzierung von Leistungstransaktionen nicht behinderten. Ebenso waren Praktiken der multiplen Wechselkursgestaltung ohne Zustimmung des Fonds untersagt. Hierbei handelt es sich um die Festlegung unterschiedlicher Kurse je nach Verwendungsart der Devisen, wobei oft noch nach Güterarten differenziert wurde. Außerdem wurde sofortige Ausländerkonvertibilitäteingeführt, d. h. Währungsbestände im Besitz eines anderen Mitglieds durften frei gehandelt werden. Neben Übergangsregeln waren Ausnahmen von diesen Vereinbarungen vorgesehen für den Fall, dass es sich um eine „knappe“ Währung handelt, bei der der Währungsfonds die Bereitstellung im Bedarfsfall als gefährdet ansieht. Es dauerte schließlich bis 1959, um in den meisten Industrienationen die Konvertibilität für Leistungstransaktionen wieder in vollem Umfang herzustellen.
14.2 Der Gold-Devisen-Standard
353 N1
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Devisenangebot Devisennachfrage Abb.14..2:
Interventionsmechanismus im Bretton Woods System
Die folgende Übersicht fasst die wichtigsten Regelungen des Gold-Devisenstandards noch einmal zusammen: • Feste Parität US-Dollar – Gold • Jederzeitiger Umtausch US-Dollar – Gold durch die USA • Feste Parität jeder Währung zum US-Dollar • Bandbreiten gegenüber dem US-Dollar von ±1 % • Interventionsverpflichtung zur Stützung der Bandbreiten • Eingeschränkte Möglichkeit der Paritätsänderung • Zahlungsbilanzfinanzierung über den IWF möglich • Kapitalverkehrsbeschränkungen nicht ausgeschlossen
14.2.3
Erfahrungen mit dem System und das Triffin-Dilemma
Das Bretton Woods-System war in den ersten 10 Jahren seines Bestehens sehr erfolgreich, der internationale Handel nahm sprunghaft zu. Mit dem steigenden Handelsvolumen stieg aber auch das Ausmaß des Bedarfs an Währungsreserven wegen der damit steigenden Gefahr eines Leistungsbilanzdefizits. Reservewährung war im System von Bretton Woods aber vor allem der US-Dollar. Wie in Kapitel 2 dargestellt, kann ein Land nur dadurch in den Besitz von US-Dollar kommen, indem es einen Leistungsbilanzüberschuss aufweist, die USA mussten entsprechende Leistungsbilanzdefizite realisieren. In diesem Zusammenhang liegt ein eingebauter Widerspruch des Systems von Bretton Woods, das als Triffin-Dilemma in die Literatur einging: Eine angemessene Versorgung der Welt mit Währungsreserven setzte US-
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14 Weltwährungssysteme in der Praxis
Leistungsbilanzdefizite voraus, die aber notwendigerweise die amerikanische Auslandsverschuldung erhöhen und damit das Vertrauen in den Dollar untergraben mussten. Dem Erfordernis von permanenten US-Leistungsbilanzdefiziten entsprach die Realität der 1950er und 1960er Jahre. Ein Grund für diese Situation war auch die oben diskutierte Tatsache, dass ein Reservewährungsland nicht dem Anpassungszwang seiner Zahlungsbilanz unterliegt, wie dies bei anderen Ländern der Fall ist. Vielmehr steht ein Reservewährungsland ständig in der Versuchung, eine defizitäre Haushaltspolitik zu betreiben, die dann durch eine Verschuldung in eigener Währung vom Ausland finanziert wird. Dieser Zusammenhang traf auf die USA zu, wo durch den Vietnam-Krieg und durch umfangreiche Sozialprogramme erhebliche Defizite im Staatshaushalt entstanden waren. Für die anderen Länder bedeutete der Ankauf von US-Dollar zwar eine erwünschte Erhöhung ihres Bestandes an Währungsreserven, gleichzeitig war der Ankauf aber mit einer Erhöhung der Inlandsgeldmenge verbunden, so dass damals auch die Inflationsraten in den Mitgliedsländern des Festkurssystems stiegen. Eine weitere Ursache für diese Entwicklung lag sicher auch in den unterschiedlichen Ausgangssituationen der einzelnen Länder nach dem Zweiten Weltkrieg. Während Staaten wie Deutschland oder Japan durch den Krieg nahezu völlig zerstört waren, war die USA die unangefochten führende Wirtschaftsnation und das größte Gläubigerland der Welt. Da die Produktivität in den kriegszerstörten Ländern im Laufe der Jahre aber durch die unterschiedlichen Ausgangsniveaus erheblich schneller zunahm als die der USA, war der US-Dollar gegenüber den Währungen dieser Länder bald überbewertet, was zu Wettbewerbsvorteilen und Leistungsbilanzüberschüssen außerhalb der USA führte. Ein permanentes Leistungsbilanzdefizit der USA heißt aber, dass auch die Auslandsverbindlichkeiten der USA ständig zunahmen. Hinzu kam, dass seit Mitte der 1960er Jahre die private Goldpräferenz stieg, so dass das Neuangebot aus der Goldproduktion fast restlos von Privaten erworben wurde. Aus diesen Gründen hatten sich bereits 1961 die Notenbanken der am Bretton Woods-System beteiligten Länder zu einem so genannten Goldpool zusammengeschlossen, um den Goldpreis durch Intervention zu stabilisieren. 1966 etwa waren hierfür umfangreiche Goldverkäufe notwendig. Nach einer Abwertung des britischen Pfundes und der weiteren Verschlechterung der USLeistungsbilanz im Herbst 1967 wuchs an den Märkten die Überzeugung, die USA könnten die Einlöseverpflichtung für Gold nicht auf Dauer aufrechterhalten, und der US-Dollar müsse ebenfalls abgewertet werden. Die permanent steigende Auslandsverschuldung der USA hatte dazu geführt, dass die Bestände an Dollar im Besitz der Notenbanken außerhalb der USA mit der Zeit größer waren als die Goldreserven der USA. Dieser Fall war erstmals 1964 aufgetreten. Die Folge der Abwertungserwartung gegenüber dem Dollar war eine steigende Nachfrage nach Gold, so dass von Ende November 1967 bis Mitte März 1968 die Mitglieder des Goldpools Gold für rund 3 Mrd. US-Dollar aus ihren Reserven abgaben, um den freien Goldpreis am Londoner Markt nicht über 35 Dollar je Unze steigen zu lassen. Dies entsprach etwa einem Achtel ihrer gesamten Goldreserven. Da der gewünschte Erfolg ausblieb, wurde am 17. März der Goldpool aufgelöst, der Goldpreis damit nicht mehr gestützt. Der offizielle Goldpreis von 35 Dollar je Unze galt ab diesem Zeitpunkt nur noch für den Handel der Zentralbanken untereinander. Eine fundamental unterschiedliche wirtschaftspolitische Strategie verschärfte die Ungleichgewichtssituation. Anfang 1970 wechselte das amerikanische Federal Reserve System seine Zinspolitik: Zur Abwehr einer Rezession und zur Verringerung der Arbeitslosigkeit wurden
14.2 Der Gold-Devisen-Standard
355
die Zinssätze deutlich gesenkt. Die europäischen Länder dagegen hielten an ihrer strikten Stabilitätsorientierung und der damit verbundenen Hochzinspolitik fest. In der Bundesrepublik Deutschland etwa stieg der Satz für Dreimonatsgeld von 5,5 % im Juni 1969 auf 7,5 % im März 1971, in den USA fiel dieser Satz von 8 % im Januar 1970 auf 3 % im März 1971. Die Kapitalmärkte reagierten mit zunehmenden Kapitalflüssen nach Europa. Die Währungsreserven der Deutschen Bundesbank nahmen als Folge von erforderlichen Devisenmarktinterventionen allein im Jahr 1970 um 22,7 Mrd. D-Mark (d. h. um 86 %) zu. Die gesamten Weltwährungsreserven verdoppelten sich aus den gleichen Gründen von Ende 1969 bis März 1973. Wie in Kapitel 13 diskutiert, führten die Devisenmarktinterventionen aber zu einer Ausweitung der Geldmenge in Europa und machte die dort verfolgte kontraktive Geldpolitik praktisch unmöglich. Es zeigte sich deutlich, dass eine eigenständige Geldmengenpolitik nur durch die Aufgabe der Wechselkursstützenden Interventionen möglich war. Weitere Ursachen der aufgetretenen Ungleichgewichte waren neben der unterschiedlichen Geldpolitik das stark gestiegene Volumen zinsinduzierter internationaler Kapitalbewegungen, ein ausgeprägter Mangel an Koordination der Wirtschaftspolitik der einzelnen Länder angesichts einer divergierenden Konjunkturentwicklung und die unterschiedliche Rangordnung wirtschaftspolitischer Ziele. Im April 1971 geriet auch die Handelsbilanz der Vereinigten Staaten erstmals ins Defizit und eine Abwertung des US-Dollars wurde damit immer wahrscheinlicher. Als dies bekannt wurde, nahmen die Dollarabflüsse aus den USA extrem zu. Die Verbindlichkeiten der Vereinigten Staaten gegenüber dem Ausland betrugen Mitte August 1971 bereits 56 Mrd. Dollar, ihre Währungsreserven dagegen nur noch 12 Mrd. Dollar. Nachdem die Verpflichtung der Vereinigten Staaten, Dollarguthaben ausländischer Zentralbanken in Gold umzutauschen, seit Jahren nur noch auf dem Papier bestanden hatte, wurde sie von Präsident Nixon am 15. August 1971 auch formell suspendiert. Damit war aber ein, wenn auch in der Praxis nahezu untaugliches, Ventil des Vertrags ausgesetzt, das eine zu expansive Geldpolitik des Leitwährungslandes USA verhindern sollte. Parallel hierzu verabschiedeten die USA ein Programm zur Bekämpfung der Inflation und zur Senkung der Arbeitslosigkeit, in dem auch eine 10 %ige Sondersteuer auf viele Importgüter enthalten war. Dennoch erreichte das Defizit der amerikanischen Devisenbilanz 1971 28 Mrd. Dollar.
14.2.4
Das Scheitern des Gold-Devisen-Standards
Vor diesem Hintergrund und angesichts des seit Anfang der 1950er Jahre zu beobachtenden Rückgangs der Relation des Währungsreservebestands zum Weltimportvolumen – diese Relation verringerte sich von 1952 bis 1968 um mehr als die Hälfte – sowie der Goldreserven machte man sich seit Mitte der 1960er Jahre Gedanken, wie man die dem Währungssystem von Bretton Woods anhaftende Devisenknappheit beseitigen könnte. Einige Länder, allen voran Frankreich, plädierten für eine Rückkehr zum Goldstandard. Man entschloss sich jedoch zu versuchen, unter Beibehaltung des Gold-Devisenstandards, die Reserveknappheit durch die Schaffung einer neuen, künstlichen Währungsreserve, den Sonderziehungsrechten, zu beheben (Vgl. Kap. 13). Eine Anlehnung an den Goldstandard bestand durch die Rekonstitutionspflicht, nach der im Durchschnitt eines Fünfjahreszeitraums 30 % der zugeteilten Sonderziehungsrechte auch gehalten werden mussten, notfalls durch einen Rückkauf bereits verausgabter Sonderziehungsrechte. Diese Verpflichtung wurde jedoch später aufgegeben. Trotz der Schaffung der Sonderziehungsrechte konnte die Suspendierung der Goldeinlöseverpflichtung der USA nicht mehr verhindert werden. Außerdem mehrten sich 1971 die
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14 Weltwährungssysteme in der Praxis
Stimmen, die Wirtschaftspolitik der einzelnen Länder solle ausschließlich zur Lösung binnenwirtschaftlicher Probleme eingesetzt werden und gegenüber Zahlungsbilanzproblemen eine Haltung „wohlwollender Vernachlässigung“ (benign neglect) einnehmen. Im Dezember des gleichen Jahres traten Vertreter der 10 wichtigsten Industrienationen mit dem IWF am Smithonian Institute in Washington zu einer Konferenz zusammen. Ergebnis dieses Treffens (Smithonian Agreement): Der US-Dollar wurde (erstmals seit 1934) um durchschnittlich 10 % abgewertet. Teilweise erfolgte dies durch eine Abwertung des Dollars gegenüber dem Gold von 35 auf 38 Dollar je Feinunze, zum anderen Teil durch Aufwertungen anderer Währungen gegenüber dem Dollar. 8 Länder werteten noch stärker ab, 39 behielten ihre Goldparität bei und 18 Länder werteten auf. (Die stärksten Aufwertungen betrafen die Deutsche Mark, den japanischen Yen und den Schweizer Franken.) Die meisten Länder machten von einer Bandbreitenerweiterung auf ±2,25 % gegenüber dem US-Dollar Gebrauch. Damit ergab sich eine Bandbreite unter den Nicht-Dollar-Währungen von etwa dem Doppelten, nämlich ±4,5 %. Doch auch dieser Versuch, das System von Bretton Woods zu retten, scheiterte. Neben den nach wie vor bestehenden Engpässen in der Reserveversorgung lösten auch immer wieder verzögerte Zahlungsbilanzanpassungen Turbulenzen aus. Ursache waren häufig auftretende unterschiedliche reale wirtschaftliche Entwicklungen und Inflationsdifferenzen in den Mitgliedsländern, u. a. wegen einer unterschiedlich akzentuierten Wirtschaftspolitik. Während die Überschussländer keinen Zwang zur Zahlungsbilanzanpassung hatten, konnten die Defizitländer aufgrund von Ziehungs- und Sonderziehungsrechten sehr lange ein Zahlungsbilanzdefizit finanzieren und eine Anpassung, die eine kontraktive Wirtschaftspolitik impliziert hätte, umgehen. Dadurch verfestigten sich Ungleichgewichte, eine korrigierende Wirtschaftspolitik wurde immer schwieriger. Andererseits wurden bei Spekulanten dadurch aber Erwartungen hinsichtlich einer unumgänglichen Korrektur der Wechselkursparitäten geweckt. Da die Richtung der erwarteten Kurskorrekturen eindeutig war, handelte es sich um relativ risikolose Spekulationen mit entsprechenden Volumina, was den Druck auf eine Paritätsänderung noch verstärkte. Dazu kamen das zur damaligen Zeit sprunghaft steigende Volumen und die zunehmende Mobilität der internationalen Kapitalbewegungen. Neben der immer stärkeren Deregulierung der Devisen- und Kapitalmärkte waren auch die ständig zunehmenden Dollarbestände außerhalb der USA ein Grund hierfür. So entstanden in der damaligen Zeit die sog. Euro-Märkte. So nennt man Finanzgeschäfte in einer Währung außerhalb des Geltungsbereichs dieser Währung. Primär handelte es sich damals also um den Euro-Dollar-Markt. Begünstigt wurde diese Entwicklung durch das in den USA bestehende Verbot einer Verzinsung von Sichteinlagen und die Höchstgrenzen der Verzinsung für Termin- und Spareinlagen. Die Bildung der OPEC und die steigenden Ölpreise waren dann der letzte Auslöser für den endgültigen Zusammenbruch des Bretton Woods-Systems. Durch die Leistungsbilanzüberschüsse der Ölexportierenden Länder und der Fakturierung von Rohöl auf den Weltmärkten in US-Dollar erlangten zum ersten Mal Länder nennenswerte Dollarbestände, deren Loyalität gegenüber den USA anders gelagert war als die Deutschlands oder Japans. Es war nicht davon auszugehen, dass die OPEC-Staaten Rücksicht auf die Devisenmarktprobleme der USA nahmen (Einlöseverpflichtung in Gold bei zu geringen Goldreserven), so dass eine allgemeine Umtauschwelle von Dollar in Gold einsetzte und die Erwartung verstärkt wurde, der US-Dollar müsse erneut abgewertet werden. Parallel dazu gerieten andere Währungen, allen voran die Deutsche Mark, in Aufwertungsspekulationen. Im Verlaufe dieser Entwicklung
14.2 Der Gold-Devisen-Standard
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stiegen die Währungsreserven der Deutschen Bundesbank im Februar/März 1973 um 24 Mrd. D-Mark. Allein am 1. März musste sie beim unteren Interventionspunkt von 2,835 D-Mark pro Dollar 2,7 Mrd. Dollar für über 7,5 Mrd. D-Mark kaufen (dies war bis zum damaligen Zeitpunkt der größte Betrag, den eine Zentralbank an einem Tag aus dem Markt zu nehmen hatte). Daraufhin wurden die Devisenmärkte geschlossen. Am 19. März wurde der D-Mark-Kurs gegenüber dem US-Dollar freigegeben. Andere Länder folgten, so etwa Großbritannien, Italien, Japan und Kanada. Während die meisten lateinamerikanischen Staaten den Wert ihrer Währung weiterhin am US-Dollar ausrichteten, banden ihn andere Staaten an das Pfund Sterling oder den französischen Franc (viele afrikanische Staaten). Es entstand damit eine Welt mit Währungsblöcken, in der die Währungen der wichtigsten Industrieländer gegenüber dem Dollar schwankten. In Europa blieb ein System fester Wechselkurse mit Bandbreiten von ±2,25 % zwischen der Bundesrepublik Deutschland, Belgien, Luxemburg, Dänemark, Frankreich, Niederlande, Norwegen und Schweden bestehen. Mit dem Übergang zum Gruppenfloating gegenüber dem Dollar wurden drei Hoffnungen verbunden: 1. die Vermeidung ständiger Währungskrisen, 2. die bessere Abschirmung gegen ausländische Einflüsse und damit die Möglichkeit einer autonomen Geldpolitik, 3. die Voraussetzung zum weiteren Abbau von Beschränkungen des Güter- und Kapitalverkehrs. Auf die Situation in Europa und deren weitere Entwicklung wird im nächsten Kapitel eingegangen. Mit dem Zusammenbruch des Festkurssystems von Bretton Woods entfiel eine der Hauptaufgaben des IWF, die Überwachung dieses Systems und die Versorgung der Mitgliedsländer mit Interventionswährung. Die Aufgaben verlagerten sich auf die Überwachung der Wechselkurspolitik seiner Mitglieder. Außerdem wird das wechselkurspolitische Verhalten eines Landes durch einen ganzen Katalog von Indikatoren überwacht, zu denen neben dem Ausmaß seiner Interventionstätigkeit u. a. auch der Umfang von Auslandskrediten gehört. Formal trug man dem Wegfall des Festkurssystems – allerdings erst im Jahr 1978 – durch eine Änderung des IWF-Abkommens Rechnung. Danach haben die Mitgliedsländer das in der Praxis bereits realisierte Recht, ihr Währungsregime selbst zu bestimmen. Sie sind jedoch verpflichtet, ihre Wechselkurspolitik vom IWF überwachen zu lassen („firm surveillance“). Allerdings war der IWF auch nach 1973 nicht von seiner Finanzierungsaufgabe entbunden, denn obwohl mit dem Übergang zu prinzipiell flexiblen Wechselkursen keine Interventionspflicht seitens der nationalen Notenbanken mehr bestand, nahmen die Zahlungsbilanzungleichgewichte und die Devisenmarktinterventionen sogar zu. Ursache waren vor allem die Ölpreisschocks der 1970er Jahre. In der Folge stiegen auch die Ziehungen der Mitgliedsländer beim IWF an. Nach den relativ ruhigen 1980er Jahren entstand durch den Zusammenbruch des ehemaligen Ostblocks zu Beginn der 1990er Jahre eine neue Situation. Diese Länder, die relativ schnell Mitglieder des IWF wurden, hatten nicht primär mit kurzfristigen Zahlungsbilanzproblemen, sondern mit allgemeinen wirtschaftlichen Problemen im Zusammenhang mit der Transformation zu marktwirtschaftlichen Ordnungen zu kämpfen. Der IWF ging deshalb dazu über, zunehmend Strukturanpassungsprogramme zu finanzieren. Die Mittel hierfür kamen aus verschiedenen Fazilitäten, unter anderem der Armutsreduzierungs- und Wachstumsfazilität (poverty reduction and growth facility, PRGF). Die Möglichkeiten dieser Fazilitäten, die sprunghafte Zunahme der internationalen Kapitalströme, die Problematik der Transformationsländer und das Auftreten diverser Währungskri-
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14 Weltwährungssysteme in der Praxis
sen ließen die Mittelvergabe des IWF in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre explosionsartig steigen. Problematisch bei diesen Kreditgewährungen war die immer öfter zu beobachtende Abkehr des IWF vom strengen Prinzip der katalytischen Finanzierung, d. h. einer ergänzenden öffentlichen Finanzierung zu ebenfalls fließenden privaten Mitteln. Denn durch die krisenhafte Zuspitzung in einigen Ländern wurden die IWF-Kredite des Öfteren faktisch zu nichts anderem als einem Ausgleich abgezogener Privatmittel. Wenn aufgrund eines solchen Verhaltens private Investoren darauf vertrauen, im Krisenfall ihre Mittel ohne Verlustrisiko abziehen zu können, werden die Lenkungsmechanismen privater Kapitalmärkte verzerrt und das Moral-Hazard-Problem verstärkt.
14.3
Flexible Wechselkurse
14.3.1
Erfahrungen mit flexiblen Wechselkursen
Der Zusammenbruch des Währungssystems von Bretton Woods und die Freigabe der Wechselkurse der wichtigsten Währungen wurden zunächst lediglich als Übergangsphase angesehen. Man wollte so schnell wie möglich zu festen Kursen und damit zu einem verlässlichen System zurückkehren. Damit wurde jedoch nicht das grundsätzliche Ziel, ein System weltweit fester Wechselkurse, aufgegeben. Ein neues Weltwährungssystem kann jederzeit mit der Mehrheit von 85 % aller Stimmen im IWF beschlossen werden, „wenn die internationale Wirtschaftslage die Einführung eines weit verbreiteten Systems von Wechselkursregelungen auf der Grundlage stabiler, aber anpassungsfähiger Paritäten zulässt“ (Art.IV,4 IWF). Daneben wurden die Mitglieder verpflichtet, eine Einflussnahme auf den Wechselkurs zu unterlassen, wenn damit eine Zahlungsbilanzanpassung erschwert oder ein Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Mitgliedern erlangt würde. Allerdings sollen auch bei flexiblen Kursen Interventionen am Devisenmarkt erlaubt sein, um ungeordnete Verhältnisse zu verhindern, wobei stets die Interessen der anderen Mitglieder berücksichtigt werden sollen. Eine Überwachung dieser Regeln erfolgt durch den IWF. Die Stellung des Goldes wurde bei der Satzungsänderung 1978 weiter geschwächt und seine Rolle weitgehend durch Sonderziehungsrechte ersetzt. Die Rückkehr zu einem System fester Wechselkurse scheiterte nicht zuletzt auch an den drastischen Verschiebungen der Leistungsbilanzsalden in der Folge der beiden Ölpreisschocks 1973/74 und 1979–81. Da die Ölexportierenden Länder der OPEC zunächst eine relativ geringe Absorptionskapazität aufwiesen, flossen die Deviseneinnahmen zum großen Teil wieder in die Industriestaaten als Finanzanlagen zurück. Damit stand in diesen Staaten eine Überschussnachfrage nach Devisen aufgrund der Handelsbilanzdefizite einem Devisenangebot aus privaten Kapitalimporten gegenüber, so dass Gleichgewicht auf den Devisenmärkten mit Leistungsbilanzdefiziten vereinbar war. Die flexiblen Wechselkurse sorgten damit in vielen Ländern nicht für einen automatischen Ausgleich der Leistungsbilanz. Infolge der Freigabe traten außerdem zum Teil erhebliche kurzfristige Schwankungen der Wechselkurse auf, die vor allem durch den Einfluss von Erwartungen auf die Wechselkursbildung erklärt werden können. Wenn alle rational handelnden Marktteilnehmer versuchen, die tägliche Flut neuer Informationen zu berücksichtigen, so kann es zu kurzfristigen Kursausschlägen kommen, da sich einige Informationen in ihrer Wirkung auf die Wechselkurse widersprechen, andere sich in der zeitlichen Distanz oft als nicht kursrelevant erweisen.
14.3 Flexible Wechselkurse
359
Folge dieser Schwankungen war, dass die nationalen Notenbanken, die in einem System flexibler Wechselkurse nicht verpflichtet sind, am Devisenmarkt Währungen zu kaufen oder zu verkaufen, zunächst sogar stärker intervenierten als im System fester Wechselkurse mit seinen Interventionsverpflichtungen.
14.3.2
Politische Versuche der Devisenmarktbeeinflussung
Mit als Folge der gestiegenen Volatilität der Wechselkurse nahm Mitte der 1970er Jahre auch die weltwirtschaftliche Desorientierung weiter zu. Neben den starken Wechselkursschwankungen waren Rezessionstendenzen bei steigenden Inflationsraten zu verzeichnen. So betrug 1975 die Wachstumsrate der US-amerikanischen Industrieproduktion −8,8 %, die Inflationsrate 9,1 %. Ähnliche Tendenzen traten auch in Japan (−10,9 %/11,9 %) und in den EG-Staaten (−6,7 %/13,1 %) auf. Aus den Erfahrungen der Probleme, die im Bretton Woods-System durch mangelnde Politikkoordination entstanden waren, regten angesichts dieser Situation der deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt und der französische Präsident Giscard d’Estaing an, dass die Regierungschefs der wichtigsten Industrienationen zu einem Gipfeltreffen zusammenkommen sollten, um Wirtschafts- und Währungsfragen zu erörtern. Diese Konferenz, die vom 15. bis 17.November 1975 im Schloss Rambouillet in Frankreich stattfand, war der erste so genannte „Weltwirtschaftsgipfel“, der in der Folge institutionalisiert und jährlich durchgeführt wurde. Die Veranstaltung in Rambouillet war gleichzeitig das erste multilaterale Treffen der beteiligten Staats- und Regierungschefs seit dem Zweiten Weltkrieg. Teilnehmerländer waren die Bundesrepublik Deutschland, die USA, Frankreich, Großbritannien, Italien und Japan. Man kam überein, flexible Wechselkurse als legitimes Wechselkurssystem anzuerkennen und es unter IWF-Überwachung zu stellen. Es sollten „Eingriffe“ in die Devisenmärkte erfolgen dürfen, um „unberechenbaren“ Wechselkursschwankungen entgegenzuwirken. Dieses Ergebnis war ein Kompromiss zwischen den unterschiedlichen Vorstellungen Europas und den USA. Einige europäische Länder, allen voran Frankreich, wollten die Bedeutung von Gold wieder stärken und forderten deshalb vorbereitende Maßnahmen, um zur Stufenflexibilität zurückzukehren. Die USA auf der anderen Seite wollten Interventionsverpflichtungen möglichst vermeiden und waren auch gegen eine Renaissance des Goldes als internationales Reservemedium. Ein herausragendes Zeichen des damaligen Glaubens an die Machbarkeit und den Erfolg einer international abgestimmten Makropolitik war der Weltwirtschaftsgipfel 1978 in Bonn. Es wurde ein detailliertes Programm verabschiedet, wonach die Bundesrepublik Deutschland, Japan, Italien und Kanada primär Wachstumspolitik betreiben sollten, während den USA als Primärziel die Inflationsbekämpfung sowie Energiesparmaßnahmen angetragen wurden. Frankreich schließlich wurde verpflichtet, sein Staatsbudgetdefizit um 0,5 % zu erhöhen. Die erhofften Erfolge dieser Politikkoordination blieben jedoch weitgehend aus, wohl auch deshalb, weil am 17. Dezember des gleichen Jahres die OPEC eine erneute Erhöhung des Rohölpreises beschloss, worauf der Rohölpreis um 150 % stieg und sich auch die Inflationsraten in den Industrienationen drastisch erhöhten. 1982 machte man einen erneuten Versuch, die unkoordinierten Verhältnisse an den Devisenmärkten mit stark schwankenden Wechselkursen in den Griff zu bekommen. Hintergrund war die Wechselkursentwicklung des US-Dollars gegenüber der D-Mark. Von 1973 bis 1980 war
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14 Weltwährungssysteme in der Praxis
der Wert des US-Dollars gegenüber der D-Mark von 2,75 D-Mark auf etwa 1,70 D-Mark gefallen. Ursache war zum einen eine Inflationswelle in den USA aufgrund der Finanzierung des Vietnamkriegs, zum anderen wollten die OPEC-Staaten nach dem 1. Ölpreisschock ihre Devisenerlöse auch aus politischen Gründen nicht nur in den USA anlegen. Viele dieser Anleger entdeckten die D-Mark als Anlagewährung, was den Wert der D-Mark weit über das fundamental gerechtfertigte Maß hinaus in die Höhe trieb. Durch diese Entwicklung nahm der Anteil der D-Mark an den Weltdevisenreserven von 1973 bis 1980 von 8 % auf knapp 15 % zu. Eine abrupte Umkehr dieser Entwicklung folgte von 1980 bis 1985. Die USA schwenkten auf eine strikte Antiinflationspolitik ein, während die Bundesrepublik Deutschland nach dem 2. Ölpreisschock erstmals Leistungsbilanzdefizite aufwies, was als Beginn einer wirtschaftlichen Schwächeperiode interpretiert wurde. So fiel der Wert der D-Mark allein von Mitte 1980 bis Mitte 1981 um über 40 % gegenüber dem US-Dollar, der Kursverfall konnte erst bei etwa 2,50 D-Mark pro Dollar gestoppt werden. Angesichts dieser Entwicklung legten die Staats- und Regierungschefs 1982 auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Versailles ein Bekenntnis zur gemeinsamen Verantwortung für eine größere Stabilität der Währungen ab. Sie beschlossen eine engere Zusammenarbeit mit dem IWF und die Bereitschaft zu Interventionen auf den Devisenmärkten, um „ungeordneten Marktverhältnissen“ zu begegnen. Aber auch diese Absichtserklärung war von wenig Erfolg gekrönt. Der Höhenflug des US-Dollars gegenüber der D-Mark und dem gesamten Block der europäischen Währungen setzte sich weiter fort. Von vielen Beobachtern wurde diese Kursentwicklung sogar als eine spekulative Blase ohne fundamentalen wirtschaftlichen Hintergrund angesehen. Die Europäischen Notenbanken fuhren damals eine im Hinblick auf die wirtschaftliche Situation recht restriktive Geldpolitik, um durch höhere Zinsen die Aufwertung des Dollars zumindest zu bremsen. Die von dieser Politik ausgehenden negativen Einflüsse auf die europäische Wirtschaft wurden oft als „Eurosklerose“ bezeichnet. Auch die USA, die nach dem Zusammenbruch des Bretton Woods-Systems Interventionen an den Devisenmärkten stets abgelehnt hatten, waren angesichts der Verschlechterung ihrer Konkurrenzfähigkeit aufgrund des hohen Dollarkurses – er erzielte 1985 einen Nachkriegsrekord von 3,47 D-Mark – bereit, sich nicht länger gegen Devisenmarktinterventionen zu sträuben. Die Finanzminister und Notenbankchefs der fünf größten OECD-Länder (USA, Japan, Großbritannien, Bundesrepublik und Frankreich) beschlossen deshalb am 22. September 1985 bei ihrem Treffen im Plaza Hotel in New York zur Stabilisierung der Devisenmärkte Zielzonen für die Wechselkursniveaus einzuführen. Als Grund wurde genannt, dass die gestiegene Wechselkursinstabilität eine Gefahr für die Entwicklung der internationalen Arbeitsteilung sei. Insbesondere der Wert des US-Dollars wurde angesichts der andauernden USLeistungsbilanzdefizite und der hohen Staatsverschuldung als zu hoch angesehen. Deshalb wurden koordinierte Interventionsmaßnahmen vereinbart, um den US-Dollar auf ein intern festgelegtes Kursziel zu drücken. Obwohl ein solches Konzept gerade in der damals instabilen Zeit recht riskant war, da weder die Entwicklung der nationalen Inflationsraten und damit der Kaufkraft bekannt war noch wie oft und in welchem Umfang interveniert werden musste und ob wirklich alle Vertragspartner sich an die Vereinbarung halten würden, schenkten die Märkte der Plaza-Erklärung Vertrauen, und der Dollar begann an Wert zu verlieren. Er sank bis Februar 1987 auf 1,83 D-Mark. Ermuntert von diesem Erfolg, vereinbaren die Finanzminister und Notenbankchefs der führenden westlichen Industrienationen im Februar 1987 im Louvre in Paris eine intensivere Abstimmung auch in der Wirtschaftspolitik u. a. mit dem Ziel, den weltwirtschaftlichen Un-
14.4 Zusammenfassung von Kapitel 14
361
gleichgewichten zu begegnen. Außerdem wurde vereinbart, die Wechselkurse in etwa auf dem erreichten Niveau zu stabilisieren, da sie den Fundamentaldaten entsprächen. Starke Wechselkursverschiebungen sollten grundsätzlich nicht mehr hingenommen, sondern durch eine enge währungspolitische Zusammenarbeit verhindert werden. Solche Zielzonen für nominelle Wechselkurse müssen allerdings regelmäßig überprüft werden, um entstandene Inflationsdifferenzen auszugleichen. Hierzu wurde im Louvre-Abkommen nichts gesagt, man versuchte vielmehr durch politische Stellungnahmen, durch Koordinierungen bei den mehrmals jährlich stattfindenden Treffen der Finanzminister und der Notenbankchefs und durch fallweise Devisenmarktinterventionen, bei denen auch die USA beteiligt waren, die Devisenmärkte zu stabilisieren. Dies war zunächst auch erfolgreich. Angesichts deutlich unterschiedlicher Inflationsraten traten dann aber immer stärker Spekulationen auf, die Inflationsraten in Ländern mit noch relativ niedriger Inflation müssten steigen. Die Zentralbanken dieser Länder versuchten ihrerseits, dies durch eine äußerst kontraktive Geldpolitik zu verhindern, was aber internationale Konflikte auslöste. So wurde die Deutsche Bundesbank im Herbst 1987 von den USA offen kritisiert, sie schädige durch ihre Hochzinspolitik die Weltwirtschaft. Die Vereinbarungen des Louvre-Akkords waren gescheitert. Die bisherigen praktischen Erfahrungen mit Festkurssystemen und Wechselkurszielzonen bestätigen, dass immer wieder Konflikte zwischen binnenwirtschaftlichen Zielen und der außenwirtschaftlichen Stabilität auftreten. Auch angesichts der immer größer werdenden Volumina internationaler Finanzströme ist es den nationalen Notenbanken auch bei koordiniertem Verhalten heute kaum mehr möglich, bestimmte Wechselkursniveaus gegen die Märkte durchzusetzen. Sie haben allenfalls dann Erfolg, wenn sich am Markt noch keine einheitliche Erwartung durchgesetzt hat. Dies ist sicher auch ein Grund dafür, dass es trotz des Fehlens verbindlicher Interventionsregeln nach dem Zusammenbruch des Bretton Woods-Systems noch nicht zu interventionsbedingten Abwertungswettläufen zwischen den einzelnen Ländern gekommen ist.
14.4 1.
2.
Zusammenfassung von Kapitel 14
Der Goldstandard war von 1879 bis zum 1. Weltkrieg das erste so genannte Weltwährungssystem. Es beruhte auf sehr einfachen Regeln. – Gold ist das einzige offizielle Reservemedium der Länder – Jede der beteiligten Währungsinstanzen legt eine Parität zu einer Gewichtseinheit Gold fest (Goldparität). – Jedes Land verpflichtet sich, zu der festgelegten Parität in beliebiger Höhe Gold gegen eigene Währung zu kaufen oder zu verkaufen. – Jedes Land verpflichtet sich, die umlaufende Geldmenge in Höhe einer festgelegten Quote durch Goldreserven zu decken. Zwischen den einzelnen Ländern ist die freie Ein- und Ausfuhr von Gold gewährleistet; auch sonst gibt es keine Beschränkungen des internationalen Handels von Gütern und Dienstleistungen sowie des internationalen Kapitalverkehrs. Der Goldstandard ist letztlich nichts anderes als ein System fester Wechselkurse mit Bandbreiten. Durch die Goldparitäten sind auch die Wechselkurse zwischen den einzelnen Währungen festgelegt. Goldarbitrage sorgt dafür, dass diese Kurse eingehalten werden. Allerdings findet Goldarbitrage erst dann statt, wenn der erwartete Gewinn größer
362
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
14 Weltwährungssysteme in der Praxis ist als die dabei entstehenden Kosten, so dass die Wechselkurse im Ausmaß der Goldarbitragekosten um den Fixkurs schwanken konnten. Der Goldstandard führt in der Theorie zu weltweiter Stabilität. Durch Gold als Anker des Systems kommt es längerfristig in allen Ländern zu Preisniveaustabilität, da die Notenbanken im Konfliktfall durch die Deckungsvorschriften zu einer kontraktiven Geldpolitik gezwungen werden. Bei Normalreaktion der Leistungsbilanz auf Preisänderungen sorgt der Geldmengen-Preis-Mechanismus für einen automatischen Leistungsbilanzausgleich, und auch die Konjunkturentwicklung zwischen den einzelnen Ländern verläuft weitgehend parallel. Durch das Fehlen von Devisenkontrollen und Handelshemmnissen konnte sich die Weltwirtschaft in der Zeit des Goldstandards sehr positiv entwickeln. Auch die erwartete langfristige Preisniveaustabilität, der Zahlungsbilanzausgleich und die parallele Konjunkturentwicklung konnten in der Realität bestätigt werden. Allerdings waren hierfür auch andere Anpassungsmechanismen, wie internationale Kapitalbewegungen, verantwortlich. Der Versuch, nach dem 1. Weltkrieg den Goldstandard wieder einzuführen, scheiterte letztlich an den kriegsbedingt zu großen wirtschaftlichen Divergenzen zwischen den einzelnen Ländern und an der stärkeren binnenwirtschaftlichen Ausrichtung der Wirtschaftspolitik. Nachdem sich zunächst Großbritannien von der Goldeinlöseverpflichtung losgesagt und das Pfund stark abgewertet hatte, folgten diesem Schritt auch andere Länder, es kam zu einer Abwertungsrunde. Da aber praktisch alle Länder abwerteten, profitierte letztlich kein Land von der Neufestsetzung der Kurse. Folge war die Einführung protektionistischer Maßnahmen mit einem Rückgang des Welthandels. 1944 wurden in Bretton Woods die Grundzüge einer neuen Weltwährungsordnung verabschiedet und der Internationale Währungsfonds gegründet. Die Hauptaufgabe des IWF war bis 1973 die Überwachung und aktive Gestaltung des Festkurssystems von Bretton Woods. Daneben gehörte die Schaffung und Sicherung von Währungskonvertibilität und der Freiheit des internationalen Kapitalverkehrs zu seinen Aufgaben. Seit dem Zusammenbruch des Währungssystems von Bretton Woods beschränkt sich der Währungsfonds auf die Überwachung der Wechselkurspolitik seiner Mitglieder und ist daneben in die Finanzierung von Strukturanpassungsprogrammen eingestiegen, was ihm auch Kritik eintrug. Im Rahmen des Wechselkursmechanismus übernahm neben Gold der US-Dollar eine dominierende Stellung. Sein Wert war fest an das Gold gekoppelt (1 Feinunze Gold = 35 Dollar), und die amerikanische Notenbank verpflichtete sich, jederzeit Gold zu diesem Kurs anzukaufen und abzugeben. Gegenüber dem Dollar (und damit gegenüber Gold) waren die anderen Währungen mit einer festen Parität verbunden. Die Wechselkurse durften um diese Parität ±1 % schwanken, bevor die Notenbanken durch Interventionen eingreifen mussten. Änderungen der Paritäten waren nur bei Vorliegen fundamentaler Zahlungsbilanzungleichgewichte erlaubt. Devisenbeschränkungen sollten für laufende Transaktionen vermieden werden, ebenso waren Praktiken der multiplen Wechselkursgestaltung untersagt. Zur Finanzierung des Bedarfs an Währungsreserven hatte jedes Mitglied Ziehungsrechte beim IWF, d. h. Kreditmöglichkeiten, deren Ausmaß insgesamt begrenzt war und die mit steigendem Volumen konditioniert wurden. Das System von Bretton Woods war zunächst sehr erfolgreich, es zeigte sich jedoch im Laufe der Zeit ein eingebauter Widerspruch, das sog. Triffin-Dilemma: Ein mit steigen-
14.4 Zusammenfassung von Kapitel 14
363
dem Welthandel steigender Bedarf an Währungsreserven bedeutete eine Nachfrage der nationalen Notenbanken nach Dollar, was aber ein Leistungsbilanzdefizit und damit eine steigende Auslandsverschuldung der USA voraussetzt. Dies musste das Vertrauen in die jederzeitige Goldeinlöseverpflichtung der USA zu einer festen Parität untergraben, denn bereits 1964 überstiegen die Auslandsschulden der USA ihre Goldreserven. Auch die Einführung von Sonderziehungsrechten zur Entlastung des Dollars konnte die Situation nicht nachhaltig verbessern. 1971 betrug die Auslandsverschuldung der USA 56 Mrd. Dollar, denen lediglich Goldreserven im Wert von etwa 12 Mrd. Dollar gegenüberstanden. Am 15. August 1971 wurde nach mehreren Jahren der Unsicherheit und zum Teil massiven Interventionen die Goldeinlöseverpflichtung aufgehoben. 10. Ende 1971 machte man im Smithonian Agreement einen Versuch, die Grundzüge des Bretton Woods-Systems zu retten. Die Wechselkursparitäten wurden neu festgelegt, die Bandbreiten erhöht. Doch auch dieser Versuch scheiterte, zum einen, weil es nach wie vor zu Versorgungsengpässen bei Währungsreserven kam, zum anderen, weil durch den 1. Ölpreisschock die Zahlungsbilanzungleichgewichte zwischen den Mitgliedsstaaten zunahmen. Im März 1973 gingen deshalb die wichtigsten Währungen der Welt zu frei schwankenden Wechselkursen über. 11. Erst 1978 wurden durch eine Änderung der IWF-Statuten flexible Wechselkurse nachträglich sanktioniert. Auch bei flexiblen Wechselkursen sind Interventionen der Notenbanken erlaubt, allerdings unter Auflagen und nur, um ungeordnete Verhältnisse an den Devisenmärkten zu verhindern. Angesichts sehr starker Kursschwankungen beschlossen die fünf größten OECD-Länder 1985 Zielzonen für Wechselkurse, die durch koordinierte Interventionsmaßnahmen erreicht werden sollten. Da dieses Vorhaben zunächst Erfolg hatte, wurde im Louvre-Abkommen 1987 versucht, die Wechselkurse auf den damals erreichten Niveaus zu stabilisieren. Dem war aber kein längerfristiger Erfolg beschieden, da in den einzelnen Ländern immer wieder Konflikte zwischen binnen- und außenwirtschaftlicher Stabilität auftraten, die von den Märkten genutzt wurden, um die Eingreifbereitschaft der Notenbanken zugunsten eines bestimmten Kursniveaus zu testen. Dazu kommen die immer größeren Volumina an den internationalen Finanzmärkten, die es nationalen Notenbanken selbst bei koordiniertem Verhalten heute kaum mehr möglich macht, Kursniveaus gegen die Märkte durchzusetzen.
Aufgaben zu Kapitel 14 Aufgabe 14.1 Immer wenn es zu Turbulenzen an den internationalen Finanzmärkten kommt, werden Stimmen laut, die die Wiedereinführung eines Goldstandards empfehlen. a) Nennen Sie die Regeln des Klassischen Goldstandards, wie er von etwa 1880 bis 1914 als Weltwährungssystem bestand. Wieso kann man dabei von einem Festkurssystem sprechen und was bestimmte die Wechselkursbandbreiten? b) In einem Zwei-Länder-Beispiel trete eine asymmetrische Entwicklung ein, die zu Ungleichgewichten in der Leistungsbilanz der beiden Länder führt. Zeigen Sie Schritt für Schritt, wieso man dem klassischen Goldstandard einen automatischen Ausgleich der Leistungsbilanzen zuschreibt. Zeigen Sie dies am Beispiel des Geldmengen-Preis-Mechanismus und geben Sie begründende Erläuterungen für Ihre Darstellung.
364
14 Weltwährungssysteme in der Praxis
c) Wieso funktioniert der in b) beschriebene Mechanismus nicht, wenn die beiden Länder die gleiche Währung besitzen? Welche grundsätzlichen Möglichkeiten bestehen in einer Währungsunion, ungleiche Entwicklungen in den beteiligten Ländern abzubauen? Aufgabe 14.2 a) Zählen Sie kurz die wesentlichen Merkmale des Gold-Devisen-Standards (Währungssystems von Bretton Woods) hinsichtlich der Regeln zur Wechselkursbildung auf. Welche Verpflichtung hatte die US-Notenbank und welche die Notenbanken der übrigen Teilnehmerländer? Wieso hatte diese Aufteilung eine Asymmetrie zur Folge und worin bestand diese? b) Wie kann ein Land in den Besitz von Währungsreserven bei der Notenbank gelangen? Erklären Sie dies anhand der Zahlungsbilanzsystematik. c) Was waren die Hauptgründe für das Scheitern dieses Systems? Was versteht man in diesem Zusammenhang unter dem Triffin-Dilemma? d) Was sind Sonderziehungsrechte, wie kommen Sie in den Besitz von Notenbanken und wie können Notenbanken diese verwenden? Zeigen Sie dies am Beispiel von zwei Ländern, wobei Land A ein Leistungsbilanzdefizit besitzt und zur Finanzierung Sonderziehungsrechte verwendet, während Land B vom IWF bestimmt wird, Sonderziehungsrechte von Land A anzunehmen.
15
Währungspolitik in Europa
15.1
Der Europäische Wechselkursverbund
Nachdem 1971 durch die Aussetzung der Goldeinlöseverpflichtung der USA das Ende des Bretton Woods-Systems absehbar und durch das Smithonian Agreement die Bandbreite des US-Dollars gegenüber allen anderen Währungen von ±1 % auf ±2,25 % erhöht worden war – was Bandbreiten zwischen den anderen Währungen von ±4,5 % implizierte –, wollte man in Europa ein Festkurssystem mit engeren Bandbreiten beibehalten. Deshalb gründeten 1972 sechs europäische Länder den Europäischen Wechselkursverbund. Die Bandbreiten zwischen den Währungen wurden auf ±2,25 % festgelegt und damit gegenüber den Regeln des Smithonian Agreement halbiert. Im Gegensatz zur bis dahin im Bretton Woods-System üblichen Regel, Devisenmarktinterventionen in US-Dollar durchzuführen, waren in Europa auch Interventionen in Mitgliedswährung erlaubt. Parallel hierzu wurden Ausgleichs- und Finanzierungsregeln für eventuell durch Interventionen entstehende Salden zwischen den beteiligten Ländern vereinbart. Da die Bandbreiten zwischen den europäischen Währungen nur halb so groß waren wie gegenüber den anderen Währungen, hatte man das Bild der „Schlange im Tunnel“ geprägt. Mit dem endgültigen Zusammenbruch des Währungssystems von Bretton Woods und dem Übergang zu frei schwankenden Wechselkursen gegenüber dem US-Dollar und anderen Währungen „kroch die Schlange aus dem Tunnel“, die Teilnehmer am Europäischen Wechselkursverbund praktizierten ein so genanntes „Gruppenfloaten“ mit festen Wechselkursen untereinander aber flexiblen Kursen nach außen. Trotz zwischenzeitlicher Vergrößerung der Anzahl von Teilnehmerländern konnte durch den Wechselkursverbund keine dauerhafte währungspolitische Stabilität in Europa erreicht werden. Bereits vor Ausbruch der ersten Ölkrise schieden Großbritannien, Italien und Irland aus dem Verbund aus, weil sich ihre wirtschaftliche Entwicklung zu weit von der der anderen Teilnehmerländer entfernt hatte. Unter anderem bedingt durch die Ölpreisschocks der 1970er Jahre kam es dann auch zu deutlichen Ungleichgewichten in der Zahlungsbilanzentwicklung der übrigen europäischen Staaten, die die dauerhafte Aufrechterhaltung der vereinbarten Paritäten unmöglich machte. 1974 verließ deshalb auch Frankreich den Wechselkursverbund. Verschärft wurde die Situation zudem durch unterschiedliche Ausrichtungen der nationalen Wirtschaftspolitik. Nach mehreren Paritätsänderungen sowie Ein- und Austritten waren Ende 1978 nur noch 5 Länder am Europäischen Wechselkursverbund beteiligt. Traditionsreiche europäische Länder wie Frankreich, Großbritannien oder Italien fehlten. Europa hatte sich in einen Hartwährungsblock, bestehend aus Belgien, Luxemburg, Dänemark, Niederlande und Deutschland und in die Gruppe der frei schwankenden Währungen gespalten.
366
15 Währungspolitik in Europa
15.2
Das Europäische Währungssystem
15.2.1
Vertragliche Regelungen des Europäischen Währungssystems
Um eine weitere Desintegration Europas zu verhindern, wurde, vor allem auf Initiative des damaligen deutschen Bundeskanzlers Helmut Schmidt und des französischen Staatspräsidenten Valerie Giscard d’Estaing, im März 1979 mit dem Europäischen Währungssystem (EWS) ein neuer Versuch unternommen, ein System fester Wechselkurse in Europa zu installieren. Beim Start nahmen alle neun damaligen Mitgliedsstaaten der EG an diesem System teil. Das Europäische Währungssystem wollte drei Ziele erreichen: ein höheres Maß an Währungsstabilität innerhalb Europas schaffen, den Prozess wirtschaftlicher Konvergenz erleichtern sowie neue Impulse für den europäischen Integrationsprozess setzen. Das EWS umfasste im Wesentlichen drei Konstruktionsmerkmale: • • •
den Wechselkurs- und Interventionsmechanismus das wechselseitige Beistandssystem die europäische Währungseinheit ECU (European Currency Unit)
Der Wechselkurs- und Interventionsmechanismus Eine Leit- oder Ankerwährung wurde vertraglich nicht bestimmt. Vielmehr wurde zwischen der Währung jedes Mitgliedslandes des EWS und der neu geschaffenen europäischen Währungseinheit ECU eine feste Parität vereinbart, die ECU-Leitkurse. Damit ergaben sich auch feste Wechselkurse zwischen den einzelnen Währungen, das so genannte Paritätengitter. Diese bilateralen Leitkurse durften in Bandbreiten von ±2,25 % schwanken. Bei Erreichen der Bandgrenzen (Interventionspunkte) waren beide beteiligten Notenbanken verpflichtet, in unbegrenzter Höhe zu intervenieren (obligatorische bzw. marginalen Interventionen). Solange sich die Wechselkurse innerhalb der Bandbreiten bewegten, waren freiwillige Interventionen der Notenbanken, sog. intramarginale Interventionen, möglich. Um dabei eventuelle Konflikte zu vermeiden, mussten solche Interventionen bei Überschreiten bestimmter Beträge zwischen den beteiligten Notenbanken abgesprochen werden. In bestimmten Situationen waren intramarginale Interventionen sogar erwünscht. Hierfür wurde ein „Abweichungsindikator“ definiert, um die Entfernung eines Kurses von seinem Leitkurs zu erfassen und zu quantifizieren. Dieser Indikator ist der Quotient zwischen der tatsächlichen prozentualen Differenz zwischen dem aktuellen ECU-Kurs einer Währung und ihrem ECU-Leitkurs und der maximal möglichen Differenz zwischen ihrem ECU-Kurs und dem ECU-Leitkurs. Wenn die tatsächliche Abweichung 75 % der maximal zulässigen Abweichung erreichte, so war das betroffene Land aufgefordert, Maßnahmen zu ergreifen, um den Wechselkurs wieder in Richtung des Leitkurses zu bewegen. Dabei konnten Devisenmarktinterventionen, aber auch andere wirtschafts- oder geldpolitische Aktionen eingesetzt werden, wobei allerdings stets beachtet werden musste, dass es dadurch zu keinen Belastungen der anderen EWS-Länder kam. Da zur Berechnung des Abweichungsindikators nicht die bilateralen Kurse, sondern die ECU-Leitkurse verwendet wurden, war die maximale prozentuale Abweichung nicht konstant, sondern hing vom Anteil der einzelnen Währungen am ECU-Korb ab. Alle Interventionsbeträge wurden in ECU umgerechnet und beim Europäischen Fonds für währungspolitische Zusammenarbeit verbucht. Um die zur Verrechnung von Interventionen notwendigen ECU bereitzustellen, hatten alle am Wechselkursmechanismus teilnehmenden
15.2 Das Europäische Währungssystem
367
Notenbanken 20 % ihrer Gold- und Dollarreserven beim Europäischen Fonds für währungspolitische Zusammenarbeit hinterlegt und dafür ECU-Guthaben erhalten. Dies entsprach 1979 einem Gesamtvolumen von 23,3 Mrd. ECU. Mit der Einführung des Euro zum 1. Januar 1999 löste das Eurosystem seine Bestände an offiziellen ECU, die mittlerweile 60,9 Mrd. ECU betrugen, auf. Sie wurden rücktransferiert und in Gold und US-Dollar umgewandelt. Leitkursänderungen waren grundsätzlich möglich, und zwar immer dann, wenn trotz umfangreicher marginaler Interventionen der Wechselkurs nicht innerhalb der Bandbreiten gehalten werden konnte. Da die am EWS beteiligten Währungen auch in der Korbwährung ECU enthalten waren, implizierte jede Leitkursänderung gegenüber der ECU auch eine Veränderung aller anderen Leitkurse. Deshalb durften solche „Realignments“ nur in gegenseitigem Einvernehmen in einem förmlichen Verfahren durchgeführt werden, in das alle am Wechselkursmechanismus beteiligten Länder sowie die Europäische Kommission einbezogen waren. Am Wechselkursmechanismus des EWS nahmen zunächst alle EG-Staaten mit Ausnahme von Portugal und Griechenland teil. Spanien und Großbritannien wurde allerdings eine erweiterte Bandbreite von ±6 % zugestanden. Sanktionen gegen einzelne Teilnehmerstaaten bei Nichterfüllung der vertraglichen Vereinbarungen waren nicht vorgesehen, man muss das Europäische Währungssystem allerdings im Gesamtrahmen des EG-Vertragswerks sehen, wo weitergehende Verpflichtungen verankert sind. Das wechselseitige Beistandssystem Um dem Problem der Versorgung mit Währungsreserven, an dem letztlich das Bretton Woods-System gescheitert war, zu entgehen, wurde vereinbart, dass die am EWS teilnehmenden Notenbanken grundsätzlich keine Devisenreserven in einer Gemeinschaftswährung halten sollen. Stattdessen wurde ein finanzielles Beistandssystem geschaffen, durch das sich die einzelnen Länder zu gegenseitigen Kreditgewährungen verpflichteten, um die erforderlichen marginalen Devisenmarktinterventionen durchführen zu können. Der Beistandsmechanismus bestand zunächst aus der Vereinbarung, bei Interventionsbedarf kurzfristige Kredite in eigener Währung in unbegrenzter Höhe bereitzustellen. Auch diese Kredite wurden, umgerechnet in ECU, über den Europäischen Fonds für währungspolitische Zusammenarbeit verrechnet und mit einem Durchschnittssatz verzinst. Grundsätzlich mussten die für Interventionen gewährten Kredite bis 45 Tage nach Ende des Interventionsmonats zurückgezahlt werden, eine Verlängerung um drei Monate war auf Wunsch der Schuldnernotenbank möglich, eine nochmalige Verlängerung um drei Monate konnte mit Zustimmung der Gläubigernotenbank gewährt werden. Ab 1987 konnte dieser Kreditmechanismus auch für intramarginale Interventionen verwendet werden. Daneben gab es den kurzfristigen Währungsbeistand zwischen den EG-Ländern. Hierbei verpflichteten sich die europäischen Länder, untereinander Kredite mit einer Laufzeit von 3 Monaten mit Verlängerungsmöglichkeit zu gewähren, um vorübergehende Zahlungsbilanzdefizite finanzieren zu können. Die Kreditvergabe erfolgte ohne Auflagen, wobei für jedes Land die Verpflichtung zur Gewährung eines solchen Kredits begrenzt war. Schließlich gab es einen mittelfristigen finanziellen Beistand, der vom EG-Ministerrat auf Vorschlag der Kommission bei Zahlungsbilanzschwierigkeiten gewährt werden konnte. Diese Kredite hatten eine Laufzeit zwischen zwei und fünf Jahren, ihre Vergabe war an wirtschaftspolitische Auflagen, etwa die Vorlage eines Sanierungsprogramms, gebunden.
368
15 Währungspolitik in Europa
Die europäische Währungseinheit ECU Die ECU (European Currency Unit) war ein künstlich geschaffenes Medium, das sich aus einem Korb der europäischen Währungen zusammensetzte. Jeder der damals 12 Mitgliedsstaaten war mit einem festen Betrag in der jeweiligen Landeswährung beteiligt. Ganz neu war die Einführung einer Korbwährung allerdings nicht. Bereits 1975 hatte man eine europäische Rechnungseinheit (ERE) auf der Basis eines Währungskorbes geschaffen, um in möglichst allen Bereichen der EG eine einheitliche Verrechnungsmöglichkeit zu besitzen. Die Anteile der einzelnen Währungen am Währungskorb der ERE waren entsprechend der wirtschaftlichen Bedeutung jedes Mitgliedstaates festgelegt worden und wurden für die ECU zunächst übernommen. Kriterien waren das Handelsvolumen, das Bruttoinlandsprodukt und die Quoten im Währungsbeistand. Es war vorgesehen, die Anteile alle 5 Jahre zu überprüfen, was auch zwei Mal, 1984 und 1989, geschah. Beide Male kam es zu Veränderungen der Gewichte, zum Teil aufgrund von Verschiebungen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der einzelnen Länder, zum Teil wegen der Aufnahme neuer Währungen. Mit dem 1992 in Kraft getretenen Maastrichter Vertrag wurde die 1989 beschlossene Gewichtsverteilung festgeschrieben, so dass die Währungen der 1995 der EU beigetretenen Länder Österreich, Finnland und Schweden nicht mehr in den ECU-Korb aufgenommen wurden. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Gewichte der einzelnen Währungen. Tab. 15.1:
Anteile der einzelnen Währungen am ECU-Korb
Korbanteil in Landeswährung am 21.09.1989
Ursprünglicher Anteil bei Definition der ERE
Anteil zu Beginn des EWS am 13.03.1979
Anteil ab 17.04.1984
Anteil ab 21.09.1989
0,6242 DM
27,3 %
33,0 %
32,07 %
30,1 %
0,08784 £
17,5 %
13,3 %
14,98 %
13,0 %
1,332 FF
19,5 %
19,8 %
19,06 %
19,0 %
151,8 Lit
14,0 %
9,5 %
9,98 %
10,15 %
0,2198 hfl
9,0 %
10,5 %
10,13 %
9,4 %
3,301 bfrs
7,9 %
9,3 %
8,27 %
7,6 %
0,130 Lfrs
0,3 %
0,3 %
0,3 %
0,3 %
0,1976 dkr
3,0 %
3,1 %
2,69 %
2,45 %
0,008552 Ir£
1,5 %
1,2 %
1,2 %
1,1 %
1,31 %
0,8 %
1,440 Dr
–
–
6,885 Pta
–
–
–
5,3 %
1,393 Esc
–
–
–
0,8 %
Quelle: Deutsche Bundesbank, Devisenmarktstatistik, verschiedene Ausgaben
Den ECU-Wert, ausgedrückt in einer nationalen Währung erhält man, indem man die einzelnen Währungsbeträge im ECU-Korb zum aktuellen Wechselkurs in die betreffende Währung umrechnet und dann summiert. Bei Einführung des EWS hatte eine ECU einen Wert von etwa 2,51 D-Mark, Ende 1983 2,25 D-Mark, Ende 1989 2,02 D-Mark und bei Einführung des Euro 1,95583 D-Mark. Da man, um die ECU-Kurse der einzelnen Währungen festzustellen, dieses Verfahren für alle am EWS beteiligten Länder durchführen müsste, benutzte man in der Praxis als Umrechnungswährung den US-Dollar. Man rechnete also die Korbanteile der einzelnen Währungen in US-Dollar um, addierte diese und erhielt den Dollar-ECU-Kurs.
15.2 Das Europäische Währungssystem
369
Durch Multiplikation mit dem Dollar-Kurs der einzelnen Währungen erhielt man dann direkt den ECU-Wert dieser Währungen. Auf ähnliche Weise hat man am 31. Dezember 1998 auch die Euro-Kurse der einzelnen Währungen bestimmt. Die ECU diente in allen Bereichen der Gemeinschaft als Recheneinheit, daneben wurde sie als Instrument für den Saldenausgleich zwischen den Währungsbehörden der EG sowie als Bezugsgröße für den Wechselkursmechanismus und den Abweichungsindikator verwendet. Zum Teil diente die ECU auch als Grundlage für private Geschäfte, etwa im internationalen Inter-Bankenbereich und bei Außenhandelsgeschäften. Vor allem in Ländern mit stark volatilen Wechselkursen war die Verwendung von ECU interessant, da das Wechselkursrisiko durch ihre Eigenschaft als Korbwährung deutlich reduziert war. Am 1. Januar 1999 ging die ECU im Euro auf.
15.2.2
Entwicklung und Krisen des EWS
Die Rolle der D-Mark als Ankerwährung Die ersten 8 Jahre des EWS waren geprägt durch etwa ein Dutzend Neufestsetzungen der Leitkurse, was wegen der asymmetrischen wirtschaftlichen Entwicklung der Länder auch notwendig erschien. Nur rechtzeitige Leitkursänderungen verhindern das Auftreten spekulativer Attacken, die immer dann zu befürchten sind, wenn die existierenden Leitkurse als nicht mehr vereinbar mit der tatsächlichen wirtschaftlichen Entwicklung angesehen werden. Aufoder Abwertungsspekulationen in einem Festkurssystem sind außerdem relativ risikolos. Ist die Erwartung richtig und der Leitkurs wird verändert, so werden Gewinne erzielt. Werden die Leitkurse entgegen den Erwartungen durch andere wirtschaftspolitische Maßnahmen konstant gehalten, so beschränkt sich das Risiko auf eventuell mit dem Devisenmarktengagement aufgetretene Kosten. Aus diesem Grund erreichen Währungsspekulationen in Festkurssystemen schnell ein sehr großes Ausmaß. Ab Mitte der 1980er Jahre veränderte sich jedoch die Situation. Die D-Mark wurde praktisch für alle am EWS beteiligten Länder zur Ankerwährung. Dies war im Vertrag nicht vorgesehen, die Funktion ergab sich in der Praxis aus einem Stabilitätswettbewerb der einzelnen Währungen. Die Niederlande und Österreich (das erst 1995 Mitglied des EWS aber nicht des ECU wurde) hatten ihre Währung bereits früher fest an die D-Mark gebunden. Nur einmal, im März 1983, erfolgte eine geringe Leitkursanpassung zwischen dem holländischen Gulden und der D-Mark. Dies bedeutete in der Praxis, dass die Notenbanken Österreichs und der Niederlande keine eigenständige Geldpolitik mehr betrieben, sondern das alleinige Ziel der Aufrechterhaltung der Wechselkursparität verfolgten. Die geldpolitischen Maßnahmen der Deutschen Bundesbank wurden also unmittelbar mit vollzogen. Einer solchen Politik schlossen sich ab Mitte der 1980er Jahre fast alle am EWS beteiligten Länder an, die Deutsche Bundesbank wurde damit in der Praxis zur Leitnotenbank des Systems. Sie verfolgte ihre geldpolitischen Ziele autonom, während die Notenbanken der anderen Länder durch geeignete Maßnahmen den Wechselkurs ihrer Währungen gegenüber dem monetären Anker, der D-Mark, stabilisierten. Hierfür waren zum Teil auch intramarginale Devisenmarktinterventionen notwendig, deren Kosten allein das Interventionsland trug. Solche intramarginalen Interventionen machten im EWS fast 90 % der gesamten Interventionstätigkeit aus, um frühzeitig spekulative Wechselkursänderungserwartungen zu verhindern. Anders war allerdings die Situation, wenn es eine marginale Interventionsnotwendigkeit gab. In diesem Fall
370
15 Währungspolitik in Europa
intervenierte, wie es in den EWS-Vereinbarungen vorgesehen war, auch die Deutsche Bundesbank. Allerdings war es nur der Deutschen Bundesbank wegen ihrer Leitfunktion möglich – und wurde von ihr auch praktiziert –, die Geldmengeneffekte der Devisenmarktinterventionen zu sterilisieren, d. h. durch gegengerichtete inländische Offenmarktgeschäfte auszugleichen. Einige Länder, wie etwa Frankreich, wollten zwar ihre Währung an die D-Mark koppeln, ohne jedoch die im Durchschnitt stärker stabilitätsorientierte Geldpolitik der Deutschen Bundesbank voll übernehmen zu müssen. Man nutzte deshalb bis 1990 des Öfteren das Instrument der Kapitalverkehrskontrollen, um die durch niedrigere französische Zinsen induzierten Kapitalexporte aus Frankreich zu verhindern. Da im Vorfeld der Realisierung des gemeinsamen Marktes und des Beginns der ersten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion auch in Frankreich seit 1990 das Instrument der Kapitalverkehrskontrollen nicht mehr existiert, konnte darauf in der Folge nicht mehr zurückgegriffen werden. Die Krisen von 1992/93 In den Jahren 1992 und 1993 kam es zu erheblichen Spannungen im EWS, die auf verschiedene Ursachen zurückgeführt werden können. So waren seit der letzten Paritätsänderung bereits fünf Jahre vergangen, so dass sich zwischen den einzelnen Ländern deutliche Inflationsdifferenzen aufgebaut hatten. Vor allem Italien, Großbritannien, Spanien und Portugal hatten deutlich höhere Inflationsraten, ihre Währungen waren also real überbewertet. Zum Zweiten war das Vertrauen der Märkte in die Stabilitätspolitik der Notenbanken unterschiedlich ausgeprägt. Obwohl fast alle Länder seit Mitte der 1980er Jahre die Deutsche Bundesbank als Leitwährungsnotenbank akzeptiert hatten, wurde am Fortbestand dieser Konstellation angesichts sich abzeichnender Unterschiede in der realen Wirtschaftsentwicklung gezweifelt. Insbesondere den Notenbanken Frankreichs, Belgiens und Dänemarks traute man den Versuch zu, zur Überwindung ihrer wirtschaftlichen Schwierigkeiten auf eine expansivere Geldpolitik umzuschwenken, was aber eine Abwertung dieser Währungen notwendig machen würde. Die Märkte verlangten deshalb trotz kaum höherer Inflationsraten eine Risikoprämie bei Anlagen in diesen Währungen. Der Hauptgrund für die Turbulenzen ist jedoch im Zusammenbruch des ehemaligen Ostblocks und der daraus hervorgegangenen deutschen Wiedervereinigung zu sehen. Durch diese Ereignisse war Anfang der 1990er Jahre eine deutliche Asymmetrie in der wirtschaftlichen Entwicklung der europäischen Länder aufgetreten. Während in Deutschland durch den Nachfrageschub der Vereinigung die Wirtschaft noch florierte, waren in zahlreichen anderen Ländern bereits deutliche Indizien einer Stagnation mit sinkenden Wachstumsraten des Sozialprodukts und steigenden Arbeitslosenzahlen zu beobachten. Außerdem waren deutliche Inflationsdifferenzen zwischen einigen EWS-Ländern aufgetreten. Viele Regierungen und Notenbanken der europäischen Partnerländer, allen voran Frankreich, appellierten deshalb an die Deutsche Bundesbank, ihre gesamteuropäische Verantwortung zu berücksichtigen. Zum einen berief man sich dabei auf die Rolle der Deutschen Bundesbank als Leitwährungsnotenbank. Zum anderen war der Vertrag von Maastricht zur Realisierung einer Wirtschaftsund Währungsunion bereits verabschiedet, der auch den Übergang zu einer einheitlichen europäischen Geldpolitik vorsah. Im Hinblick darauf sollte die Deutsche Bundesbank, so die Forderung, als Leitwährungsnotenbank ihre geldpolitischen Entscheidungen bereits im Vorfeld der Währungsunion auch an der gesamteuropäischen Situation ausrichten. Die Deutsche Bundesbank wies Forderungen dieser Art stets strikt zurück und betonte immer wieder, sie sei dem Deutschen Bundesbankgesetz verpflichtet und trage daher allein für die
15.2 Das Europäische Währungssystem
371
Stabilität der D-Mark Verantwortung. Prüfstein der Auseinandersetzung wurde die Zentralbankratssitzung am 17. Juli 1992, von der sich die wirtschaftlich weniger florierenden Länder ein Einlenken der Bundesbank versprachen und auf eine expansivere Geldpolitik hofften. Stattdessen erhöhte die Deutsche Bundesbank den Diskontsatz von dem bereits hohen Niveau von 8 % auf 8¾ %. Mit dieser Entscheidung sahen viele Marktteilnehmer eine Aufrechterhaltung der Paritäten im europäischen Währungssystem als ausgeschlossen an, es begann eine massive Spekulationswelle, vor allem gegen die italienische Lira, das britische Pfund und den französischen Franc. Verschärft wurde die Situation zusätzlich durch einen sehr schwachen US-Dollar, der am 26. August 1992 mit nur noch 1,404 D-Mark notierte, sowie durch aufkommende Zweifel an dem Projekt der Währungsunion nach einem ablehnenden Votum der dänischen Bevölkerung. Die Kursparitäten im europäischen Währungssystem konnten in dieser Zeit nur durch massive Stützungskäufe und durch Zinserhöhungen einiger europäischer Notenbanken verteidigt werden. Dennoch bekräftigten die EG-Finanzminister noch am 5. September 1992, an den Wechselkursparitäten festhalten zu wollen. Dies löste erneut Spekulationswellen aus. Am 14. September einigte man sich auf eine Abwertung der italienischen Lira, gleichzeitig senkte die Deutsche Bundesbank den erst wenige Wochen zuvor erhöhten Diskontsatz um einen halben Prozentpunkt auf 8⅓ %, um damit etwas Druck aus den Spekulationen zu nehmen. Die Maßnahmen waren jedoch erfolglos. Drei Tage später, am 17. September, schieden die italienische Lira und das britische Pfund, das erst 1990 dem Wechselkursmechanismus beigetreten war, aus. Gleichzeitig erfolgte eine Abwertung der spanischen Peseta um 5 %. Da die französische Regierung in zahlreichen Stellungnahmen eine Abwertung des Franc kategorisch abgelehnt hatte und auch mehrere Versuche, den französischen Zinssatz im Alleingang zu senken, fehlschlugen, versuchte man durch gemeinsame Erklärungen der Regierungen und Notenbanken Deutschlands und Frankreichs (u. a. am 23. September 1992 und am 5. Januar 1993), die Märkte von der Stabilität des Europäischen Währungssystems zu überzeugen. Man betonte, der geltende Leitkurs zwischen französischem Franc und deutscher Mark entspreche den volkswirtschaftlichen Daten der beiden Länder und sei deshalb gerechtfertigt. Trotz dieser Erklärungen kehrte keine Ruhe ein. Es kam zur Neufestsetzung einiger Leitkurse, u. a. bei den Währungen Spaniens, Portugals und Irlands. Schweden und Norwegen gaben die einseitig praktizierte Bindung ihrer Währungen an das Europäische Währungssystem auf. Die Lage spitzte sich Ende Juli 1993 weiter zu, als nur durch massive Stützungskäufe die Währungen Frankreichs, Belgiens, Spaniens, Portugals und Dänemarks innerhalb der Bandbreiten gehalten werden konnten. Auslöser war nach weiter zunehmenden Ungleichgewichten der wirtschaftlichen Entwicklung in den europäischen Ländern erneut eine Zentralbankratssitzung der Deutschen Bundesbank am 29. Juli 1993. Trotz massiver Forderungen, eine expansivere Geldpolitik im Interesse Gesamteuropas zu betreiben, verzichtete die Bundesbank auf die allgemein erwartete Diskontsatzsenkung. Allein am darauf folgenden Tag musste die Deutsche Bundesbank Devisen im Wert von etwa 30 Mrd. D-Mark ankaufen, um das Währungssystem zu halten. Sie hatte 1992/93 aber stets und meist mit Erfolg versucht, die von den Devisenmarktinterventionen ausgehenden Geldmengeneffekte zu neutralisieren, was ihr als Leitwährungsnotenbank auch möglich war. Die europäischen Notenbanken hatten in jenen Tagen zu konstatieren, dass sie durch ihre Interventionen das Festkurssystem nicht länger gegen die Marktkräfte verteidigen konnten, da die geltenden Paritäten, vor allem die des französischen Franc gegenüber der Deutschen
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15 Währungspolitik in Europa
Mark, als unvereinbar mit den tatsächlichen Gegebenheiten angesehen wurden. Man suchte deshalb nach einer Lösung, die es allen Seiten ermöglichen sollte, ihr Gesicht zu wahren. Denn die französische Regierung hatte mittlerweile ihr Verbleiben im Amt von der Vermeidung einer Franc-Abwertung abhängig gemacht, die Deutsche Bundesbank pochte vehement auf ihre Unabhängigkeit und auf ihre alleinige Verantwortung für die Stabilität der deutschen Währung. Um das Europäische Währungssystem wenigstens auf dem Papier als Festkurssystem zu erhalten, beschloss man am 2. August 1993, die Kursparitäten unverändert zu belassen, die Bandbreiten jedoch von ±2,25 % auf ±15 % zu erweitern. Damit hatte die französische Regierung ihr Versprechen, eine Paritätsänderung des Francs nicht zuzulassen, gehalten, aus dem Europäischen Währungssystem wurde bei einer zulässigen Schwankungsbreite von insgesamt 30 % jedoch de facto ein System flexibler Wechselkurse. Lediglich die Niederlande und Deutschland vereinbarten, ihre Währungen weiterhin mit nur ±2,25 % schwanken zu lassen. Abb. 15.1 zeigt diese Bandbreiten am Beispiel des Franc-Kurses.
− 0,343
−0,305 Parität
− 0,298
+/− 2,25% bis 8/93
+/− 15% ab 8/93
− 0,292
− 0,253
FF-Angebot FF-Nachfrage
Abb. 15.1:
Schwankungsbreiten des FF-Kurses im EWS
Die Turbulenzen im EWS aus theoretischer Sicht Bei einem Festkurssystem mit einer Ankerwährung besteht für Nicht-Ankerwährungsländer ein Dilemma. Einerseits profitieren sie vom Ankerwährungsland durch eine gestiegene Stabilität, ihre Inflationsrate sinkt. Andererseits bedeutet es für sie den Verzicht auf eine eigenständige Geldpolitik. Solange die wirtschaftliche Situation symmetrisch verläuft, ist dies kein Problem. Erst wenn eine Asymmetrie auftritt, kommt es zu Konflikten. Hat das NichtAnkerwährungsland wirtschaftliche Probleme, etwa dokumentiert durch steigende Arbeitslosenzahlen, so wirkt eine strikt stabilitätsorientierte Politik des Ankerwährungslandes mit hohen Zinssätzen noch verschärfend auf diese wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Das betroffene Land hätte nun die Möglichkeit, seine Währung gegenüber dem Ankerwährungsland abzuwerten, sich damit Wettbewerbsvorteile zu verschaffen und einen niedrigeren Zinssatz
15.2 Das Europäische Währungssystem
373
zu realisieren. Damit wäre das durch die Bindung an die Ankerwährung gewonnene Vertrauen der Märkte aber erschüttert. Soll eine Abwertung der eigenen Währung deshalb ausgeschlossen bleiben, so ist es auf die Politik des Ankerwährungslandes angewiesen. Im Folgenden soll das Dilemma des Nicht-Ankerwährungslandes anhand der aus Abschnitt 12.4 bekannten ungesicherten Zinsparität verdeutlicht werden. Diese Parität ist im Wechselkurs-Zinssatz-Diagramm der Abb. 15.2 als ZP1-Kurve dargestellt. w
B
w2e = w 2 w0
C
A
w1e = w1p
ZP2 wu ZP1
i2
Abb. 15.2:
iu
i* = i1
io
i3
i
Möglichkeiten eines Nicht-Leitwährungslandes
Es besteht der bekannte negative Zusammenhang zwischen Zinssatz und Wechselkurs. Ausgangspunkt ist A, bei dem der tatsächliche Wechselkurs dem Paritätskurs w1p und dieser auch dem erwarteten Wechselkurs w1e entspricht. Damit sind auch der inländische (i1) und der vom Ankerwährungsland vorgegebene Zins i* identisch. w0 und wu bezeichnen den oberen und den unteren Interventionspunkt im betrachteten Währungssystem, d. h. der zulässige Zinsspielraum für das betrachtete Land liegt zwischen io und iu. Würde das Land versuchen, seinen Zins etwa auf i2 (i2 < iu) zu senken, so würde dies Kapitalexporte auslösen, die den Wechselkurs auf w2 ansteigen lassen. Eine solche Abwertung ist aber nicht zulässig, da dieser Kurs den oberen Interventionspunkt übersteigt. Bei w0 müssen die Notenbanken am Devisenmarkt intervenieren, um den Kurs zu stützen. Die Notenbank des hier betrachteten Nicht-Ankerwährungslandes muss die nachgefragten Devisen aus eigenen Beständen verkaufen, die Notenbank des Ankerwährungslandes muss die Devisen des betrachteten Landes aufkaufen. Nur wenn die Notenbank des Ankerwährungslandes die damit in ihrem Land resultierende Geldmengenerhöhung zuließe und i* sinken würde, wäre auch eine Zinssenkung für das betrachtete Nicht-Ankerwährungsland möglich. Die Zinsparitätenkurve würde sich in diesem Fall nach links verschieben. Ein niedrigerer Zins wäre mit unveränderten Wechselkursparitäten vereinbar. Verhält
374
15 Währungspolitik in Europa
sich die Notenbank des Ankerwährungslandes – wie die Deutsche Bundesbank in den Krisenjahren 1992/93 – aber stabilitätsbewusst und hält ihre Geldmenge konstant, indem sie den Geldmengeneffekt der Devisenmarktintervention neutralisiert, so muss das Nicht-Ankerwährungsland so lange Devisen verkaufen, bis durch die damit induzierte Verknappung der eigenen Geldmenge der Zins wieder mindestens bis auf iu gestiegen ist. Das Land wird also durch den Verkauf von Währungsreserven zu einer restriktiven Geldpolitik gezwungen. Lösen die Devisenmarktinterventionen nun aber Zweifel der Marktteilnehmer über die Richtigkeit der Wechselkursparitäten aus und setzt sich die Erwartung durch, das betrachtete Nicht-Ankerwährungsland müsse im Festkurssystem aufgrund seiner wirtschaftlichen Situation abwerten, so steigt der erwartete Wechselkurs. In Abb. 15.2 ist angenommen, der erwartete Wechselkurs betrage jetzt w2e. Mit einem Anstieg des erwarteten Wechselkurses verschiebt sich aber die Zinsparitätenkurve nach oben zu ZP2, bei der der unveränderte Zinssatz des Ankerwährungslandes und der gestiegene erwartete Wechselkurs in Punkt B der Zinsparität entspricht. Damit hat sich die Situation für das Nicht-Ankerwährungsland aber noch verschärft. Selbst bei Identität der beiden Zinssätze (i = i*) kann der herrschende Paritätskurs nicht aufrechterhalten werden, da sich wegen des Anstiegs des erwarteten Wechselkurses auch der Swapsatz erhöht hat und damit Kapitalexporte ausgelöst werden. Dadurch entsteht ein Überschussangebot an eigener Währung. Das Land müsste also den eigenen Zins sogar auf i3 erhöhen, um den Wechselkurs in Höhe der herrschenden Parität zu halten (Punkt C in Abb. 15.2). Es bezahlt letztlich seinen Versuch, den Zinssatz gegenüber dem Ankerwährungsland zu senken, mit dem Zwang, diesen sogar erhöhen zu müssen. Genau diese Erfahrung musste Frankreich mehrmals machen. Versuche, den eigenen Zins unter das zulässige Niveau zu senken führte dazu, dass aufgrund der dadurch ausgelösten Abwertungserwartung der Zins nach oben schoss und seinen ursprünglichen Wert sogar deutlich überstieg. Es bestünde nach wie vor die Möglichkeit, den Erwartungen der Spekulanten zu entsprechen und den Paritätskurs zu erhöhen oder aber die Interventionspunkte zu beseitigen und ein System flexibler Wechselkurse einzuführen. In diesem Fall wäre eine eigenständige Zinssenkung möglich, die interventionsbedingten Geldmengenänderungen entfielen, allerdings auf Kosten des Vertrauens der Märkte in die Stabilitätspolitik des Nichtankerwährungslandes.
15.3
Die europäische Währungsunion
15.3.1
Der Weg zur europäischen Währungsunion
Auf ihrem Gipfeltreffen im Dezember 1991 im niederländischen Maastricht beschlossen die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union einen konkreten Zeitplan zur Realisierung einer Wirtschafts- und Währungsunion in Europa. Damit vereinbarten souveräne Staaten, ihre nationalen Währungen zugunsten einer Gemeinschaftswährung aufzugeben. Der Vertrag von Maastricht ist allerdings nicht der erste Versuch zur Schaffung einer Europäischen Währungsunion. Schon 1970 sollte durch den Werner-Plan eine Wirtschafts- und Währungsunion in Europa eingeführt werden. Pierre Werner, der damalige Premierminister Luxemburgs, war von den Staats- und Regierungschefs der EG zur Vorlage einer solchen Planstudie beauftragt worden. Der Vorschlag Werners sah die unwiderrufliche Fixierung der Wechselkurse, volle Konvertibilität der Währungen, die Schaffung einer zentralen Währungsbehörde als alleinige geldpolitische Instanz sowie die Vereinheitlichung der Kapitalmärkte vor. Daneben sollte die Fiskalpolitik einschließlich der Besteuerung auf die Gemein-
15.3 Die europäische Währungsunion
375
schaftsebene verlagert werden. Die Realisierung des gesamten Vorhabens war in zwei Stufen innerhalb von etwa 10 Jahren geplant. Schon damals gab es eine kontroverse Diskussion zwischen Monetaristen und Ökonomisten über die geeignete Reihenfolge der einzelnen Schritte. Die Monetaristen waren der Meinung, man solle zuerst die Wechselkurse unwiderruflich fixieren, was dann automatisch zur Koordinierung der Stabilitätspolitik führen werde. Die Ökonomisten vertraten die Auffassung, man solle zunächst durch Koordinierung der Wirtschaftspolitik der einzelnen Staaten die Grundlagen schaffen, um im Endzustand zu unveränderten Wechselkursen überzugehen. Man einigte sich schließlich darauf, in der ersten Stufe die Bandbreiten der Wechselkurse im damaligen Festkurssystem auf ±1,2 % zu verringern und gleichzeitig die Geld- und Fiskalpolitik stärker zu koordinieren, was einem Kompromiss zwischen den beiden Auffassungen entsprach. Der Werner-Plan scheiterte jedoch relativ schnell, zum einen wegen des Zusammenbruchs des Festkurssystems von Bretton Woods und den damit einhergehenden Turbulenzen auf den Devisenmärkten, zum Zweiten wegen der Ölpreisschocks und den damit verbundenen Ungleichgewichten auch innerhalb der EG, und zum Dritten waren damals wohl auch die einzelnen Länder letztlich nicht bereit, ihre Geld- und Fiskalpolitik aus der Hand zu geben und einer zentralen Behörde zu übertragen. Zum einen bestanden erhebliche Meinungsunterschiede über die wirtschaftspolitischen Zielvorstellungen und zum anderen über die geeigneten wirtschaftspolitischen Reaktionen auf die erste Ölkrise. Erst 1987, als in der Einheitlichen Europäischen Akte die Schaffung des Binnenmarkts mit einer vollständigen Liberalisierung des Geld- und Kapitalverkehrs bis Ende 1992 verankert wurde, war wieder von dem Ziel einer schrittweisen Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion die Rede, da nur hierdurch die Vorteile des gemeinsamen Marktes voll genutzt werden könnten. Unter der Präsidentschaft der Bundesrepublik Deutschland wurde beim Treffen der Staats- und Regierungschefs in Hannover im Juni 1988 ein Ausschuss unter dem Vorsitz des damaligen Präsidenten der Europäischen Kommission, Jacques Delors, einberufen, der Vorschläge zur Verwirklichung einer Wirtschafts- und Währungsunion unterbreiten sollte. Es war also nicht Aufgabe des Delors-Ausschusses, dem auch die Notenbankpräsidenten der Mitgliedsstaaten angehörten, die Vor- und Nachteile einer gemeinsamen europäischen Währung zu analysieren, sondern lediglich, deren Realisierung vorzubereiten. Ebenso wurde nicht das Prinzip infrage gestellt, eine Gemeinschaftswährung durch einen politischen Prozess zu schaffen. Eine Alternative wäre etwa ein Parallelwährungskonzept gewesen, bei dem bereits existierende Währungen nebeneinander als Zahlungsmittel dienen und die Marktakzeptanz über die Gemeinschaftswährung entscheidet (Währungswettbewerb). Bereits im April 1989 legte der Delors-Ausschuss seinen Bericht vor, der, ähnlich wie der Werner-Plan, die Realisierung der Währungsunion in Stufen vorsah. Zunächst sollte der Kapitalverkehr liberalisiert und die Geld- und Wirtschaftspolitik der Mitgliedsstaaten harmonisiert werden. In Stufe zwei sollte ein von der Politik unabhängiges Europäisches Systems der Zentralbanken (ESZB) geschaffen werden, außerdem waren eine weitere Vertiefung der Integration sowie die Förderung der wirtschaftlichen und fiskalischen Konvergenz zwischen den einzelnen europäischen Ländern vorgesehen. Die dritte Stufe schließlich sah die unwiderrufliche Fixierung der Wechselkurse, den Übergang der Verantwortlichkeit für die Geldpolitik auf die Europäische Zentralbank und schließlich den Ersatz der einzelnen nationalen Währungen durch eine Einheitswährung vor. Zwar sprach der Delors-Ausschuss auch von der Notwendigkeit einer Koordinierung der europäischen Makropolitik und von Obergrenzen für Budgetdefizite, eine Zentralisierung der
376
15 Währungspolitik in Europa
Fiskalpolitik wie beim Werner-Plan war jedoch nicht vorgesehen. Der Übergang zur jeweils nächsten Stufe war nicht zeitlich fixiert, er sollte vielmehr bei Vorliegen der dafür erforderlichen ökonomischen Bedingungen erfolgen. Entgegen diesem Vorschlag, die Stufenschritte an ökonomische Voraussetzungen zu koppeln, beschlossen die Staats- und Regierungschefs auf ihrem Gipfeltreffen in Maastricht jedoch einen konkreten Zeitplan, um damit die einzelnen Länder unter Druck zu setzen, die notwendigen Konvergenzschritte zu unternehmen. Als Alternative zum Delors-Vorschlag, der die Realisierung der Währungsunion durch die hoheitliche Schaffung einer neuen Währung vorsah, die zu einem bestimmten Zeitpunkt an die Stelle der bisherigen Einzelwährungen treten sollte, setzte Großbritannien auf eine „Hard-ECU“. Die Verbreitung der neuen Währung sollte nach diesem Vorschlag nicht aus einer politischen Entscheidung heraus erfolgen, sie hätte sich vielmehr am Markt in Form eines Währungswettbewerbs durchzusetzen. Zu diesem Zweck sollte die Hard-ECU als Parallelwährung in Europa zirkulieren und ihr die Funktion eines gesetzlichen Zahlungsmittels zuerkannt werden. Zur Wertsicherung sollte sie gegenüber keiner anderen Mitgliedswährung abwerten dürfen. Emittent der Hard-ECU sollte der ebenfalls neu zu schaffende Europäische Währungsfonds werden, dem hierfür von den einzelnen Ländern in gleichem Umfang nationale Währungseinheiten zu übertragen wären. Die hinter diesem Konzept stehende Vorstellung war, dass eine einheitliche europäische Parallelwährung die nationalen währungspolitischen Instanzen zu einer größeren geldpolitischen Disziplin und einer stärkeren Kooperation zwingen würde. Die Einführung der gemeinsamen Währung hätte schrittweise erfolgen können, der Gewöhnungsprozess in der Bevölkerung wäre sichergestellt gewesen. Dieser 1991 gemachte Vorschlag hatte jedoch nie eine Realisierungschance. Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union hatten bereits auf ihrem Gipfeltreffen in Madrid im Juni 1989 den Beginn der ersten Stufe der Währungsunion im Sinne des Delors-Vorschlags auf den 1. Juli 1990 terminiert, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht über die Realisierung der Währungsunion entschieden war. In dieser ersten Stufe war im Wesentlichen die Konsolidierung der Staatshaushalte, die Aufhebung sämtlicher noch bestehender Kapitalverkehrskontrollen, die Einbeziehung aller Mitgliedsländer in den Wechselkursmechanismus des EWS und die Harmonisierung der Geld- und Währungspolitik sowie der Bankenaufsicht vorgesehen. Außerdem sollte die Unabhängigkeit der Zentralbanken von politischer Einflussnahme, soweit dies in Europa noch gegeben war, gewährleistet werden. Der Beginn der zweiten Stufe der Europäischen Wirtschaft- und Währungsunion wurde auf den 1. Januar 1994 festgelegt. In dieser Stufe wurde das Europäische Währungsinstitut, die spätere Europäische Zentralbank, in Frankfurt/Main eingerichtet. Hauptaufgabe während dieser zweiten Stufe war die noch engere Koordinierung der Geldpolitik der Mitgliedsländer mit dem Ziel, die für den Übergang zur Endstufe notwendige Konvergenz auf dem Gebiet der Preisniveaustabilität zu schaffen sowie die rechtlichen, institutionellen und organisatorischen Grundlagen für eine einheitliche europäische Geldpolitik in der Endstufe herzustellen. Außerdem trat zur Sicherstellung der Unabhängigkeit der europäischen Notenbanken das Verbot der Kreditvergabe an staatliche Instanzen in Kraft. Die dritte Stufe und damit die eigentliche Währungsunion sollte 1997, spätestens aber am 1 Januar 1999, beginnen. Dieser Übergang in die dritte Stufe wurde allerdings an bestimmte Voraussetzungen (Konvergenzkriterien) geknüpft. Da in einer Währungsunion die Europäische Zentralbank nur noch eine Geldpolitik für alle beteiligten Länder durchführen kann, unabhängig von eventuell bestehenden wirtschaftlichen
15.3 Die europäische Währungsunion
377
Unterschieden, wurde eine Angleichung der Inflationsraten vor Beginn der Währungsunion als sinnvoll erachtet. Deshalb sollte ein Land nur dann Mitglied der Währungsunion werden können, wenn seine Inflationsrate um höchstens 1,5 Prozentpunkte über dem durchschnittlichen Wert der drei stabilsten EU-Mitgliedsländer liegt. Da sich Inflationserwartungen über die Kapitalmärkte in den langfristigen Zinssätzen der einzelnen Länder widerspiegeln, wurde zusätzlich verlangt, dass das nationale Zinsniveau am Kapitalmarkt um nicht mehr als 2 Prozentpunkte über dem Durchschnitt der drei preisstabilsten Länder liegen darf. Daneben gab es Begrenzungen der Staatsbudgets. Man sah durch die Realisierung einer Gemeinschaftswährung einen potenziellen Konflikt zwischen einer stabilitätsorientierten Geldpolitik der Europäischen Zentralbank und den budgetpolitischen Interessen der einzelnen Länder. Da in der Währungsunion nur noch ein Zinssatz existiere und damit kein Land mehr einen Zinsaufschlag für ein zu hohes Defizit zahlen müsse, werde die bisher existierende länderspezifische Risikoprämie auf die Gemeinschaft verteilt. Man sah darin eine Einladung für zu hohe Budgetdefizite und verlangte deshalb, dass die Nettoneuverschuldung des Staates den Wert von 3 % des Bruttoinlandsprodukts nicht übersteigen und die Gesamtstaatsschuld nicht mehr als 60 % des Bruttoinlandsproduktes betragen dürfe. Außerdem wurde eine No-bail-out-Klausel vereinbart, d. h. die Gemeinschaft haftet nicht für Schulden der einzelnen Mitglieder. Allerdings blieb fraglich, ob dieser Ausschluss von den Märkten als glaubhaft angesehen würde und ob er mit anderen Vereinbarungen der Europäischen Verträge, die ausdrücklich eine gegenseitige Unterstützung vorsehen, vereinbar sei. Schließlich sollte der Wechselkurs der Währung eines potenziellen Mitgliedslandes im Europäischen Währungssystem mindestens zwei Jahre nicht verändert worden sein, ein Kriterium, das mit der Bandbreitenerweiterung von 1993 praktisch bedeutungslos geworden war. Im Überblick lauten die Kriterien: Inflationsrate nicht höher als 1,5 Prozentpunkte über dem durchschnittlichen Wert der drei stabilsten EU-Mitgliedsländer • Langfristiger Zins nicht höher als 2 Prozentpunkte über dem Durchschnitt der drei stabilsten Länder • Staatliche Nettoneuverschuldung nicht höher als 3 % des Bruttoinlandsprodukts • Gesamtstaatsverschuldung nicht höher als 60 % des Bruttoinlandsprodukts • Mindestens zwei Jahre keine Paritätsänderung der eigenen Währung im EWS Diese fünf Kriterien wurden jedoch von Anfang an als nicht absolut bindend angesehen, sie sollten lediglich bei der letztlich politischen Entscheidung über eine Teilnahme „angemessen berücksichtigt“ werden. Eine erste Prüfung der Kriterien war für 1996 vorgesehen. Wenn zu diesem Zeitpunkt die Mehrheit der EU-Mitgliedsländer die Kriterien erfüllt, sollten deren Währungen 1997 unwiderruflich aneinander gekoppelt werden (Wechselkursunion) und schließlich in einer gemeinsamen Währung aufgehen. Der Rat der Wirtschafts- und Finanzminister der EU (ECOFIN-Rat) verzichtete jedoch 1996 auf eine Prüfung, da fast alle Länder die Kriterien mehr oder weniger deutlich verfehlten. Dies war insofern bedauerlich, als man sich von der Prüfung Aufschluss darüber erhofft hatte, wie streng der ECOFIN-Rat die Konvergenzkriterien auslegen würde. Für diesen Fall war im Maastrichter Vertrag vorgesehen, dass die Währungsunion am 1. Januar 1999 beginnen sollte, und zwar auch dann, wenn nur eine Minderheit der europäischen Länder die Konvergenzkriterien erfüllt. Die übrigen Länder sollten nach Erfüllung der Voraussetzungen der Währungsunion zu einem späteren Zeitpunkt beitreten können. •
378
15 Währungspolitik in Europa
Ergänzt wurden die Vereinbarungen von Maastricht 1997 durch den Vertrag von Amsterdam, bei dem ein „Stabilitäts- und Wachstumspakt“ verabschiedet wurde. Die Beschäftigungssituation in Europa wird dabei als Angelegenheit von gemeinsamem Interesse definiert und die Mitgliedsstaaten verpflichteten sich, eine gemeinsame Beschäftigungsstrategie zu entwickeln. Hierfür sollen in regelmäßigen Treffen der Wirtschafts- und Finanzminister der an der Währungsunion beteiligten Länder deren wirtschaftspolitische Positionen abgeklärt und koordiniert werden. Außerdem wurde vereinbart, dass die Verpflichtung auf Obergrenzen für Budgetdefizite, deren Erfüllung ursprünglich nur beim Beitritt der Länder zur Währungsunion überprüft werden sollte, auch in der bestehenden Währungsunion erhalten bleibt. Falls der Ministerrat bei den regelmäßigen Überprüfungen zu dem Ergebnis kommt, dass ein übermäßiges Defizit im Sinne der fiskalischen Konvergenzkriterien vorliegt, so kann er Empfehlungen aussprechen, letztlich aber auch Sanktionen, wie die Hinterlegung einer unverzinslichen Einlage, verhängen. Die Auswahl der Teilnehmer für den Start der Währungsunion erfolgte 1998 auf der Grundlage der Wirtschaftsdaten von 1997. Obwohl zahlreiche Staaten das Defizitkriterium von 60 % des Bruttoinlandsprodukts deutlich verfehlten – Italien und Belgien lagen weit über 100 % –, beschlossen die Staats- und Regierungschefs der EU am 2. Mai 1998 auf Empfehlung des ECOFIN-Rats, dass außer Griechenland alle Länder der Europäischen Union an der Währungsunion teilnehmen können, sofern sie hierzu bereit sind. Da neben Großbritannien auch Dänemark und Schweden auf eine sofortige Teilnahme verzichtet hatten, begann die Europäische Währungsunion am 1. Januar 1999 mit 11 Teilnehmerstaaten. Bereits ein Jahr später, noch vor der Einführung des Euro als alleiniges Zahlungsmittel, wurde auch Griechenland in den Kreis der Teilnehmerländer aufgenommen, weil eine ausreichende Konvergenz mittlerweile vorliege. Die Wechselkurse dieser 12 Länder waren damit unwiderruflich fixiert, am 1. Januar 2002 wurden ihre Währungen durch den Euro ersetzt.
15.3.2
Die Europäische Zentralbank
Mit Beginn der 3. Stufe zur Realisierung einer Wirtschafts- und Währungsunion in Europa ist die Europäische Zentralbank für die Geldpolitik der an der Währungsunion teilnehmenden Staaten zuständig. Vorrangiges Ziel der europäischen Geldpolitik ist dabei die Gewährleistung der Preisstabilität. Nur „soweit dies ohne Beeinträchtigung des Ziels der Preisniveaustabilität möglich ist“ (Art 105(1) EG-Vertrag), soll die Europäische Zentralbank auch die allgemeine Wirtschaftspolitik der Gemeinschaft unterstützen. Eine solch strikte Ausrichtung auf die innere Stabilität der Währung setzt Unabhängigkeit sowohl institutionell als auch finanziell, personell und funktionell voraus. Zur Sicherstellung der finanziellen Unabhängigkeit übertrugen alle Mitgliedsstaaten einen Teil ihrer Währungsreserven an die EZB. Der Anteil der einzelnen Länder setzte sich je zur Hälfte aus dem Gewicht seines Bruttoinlandsprodukts und aus dem Gewicht seiner Bevölkerungszahl zusammen. Institutionelle und personelle Unabhängigkeit sind durch den EG-Vertrag gewährleistet. Allerdings wurde des Öfteren diskutiert, ob die Begrenzung der Amtszeit der Direktoriumsmitglieder auf 8 Jahre ohne Möglichkeit einer Wiederwahl tatsächlich den Erfordernissen der strikten personellen Unabhängigkeit genügt, da man im Hinblick auf eine möglicherweise angestrebte Tätigkeit nach Ausscheiden aus der EZB „wohlwollendes“ Verhalten gegenüber den Regierungen der Herkunftsländer befürchtete. Dabei handelt es sich allerdings um eine rein spekulative Argumentation. Stärker wiegt der Einwand, dass die Notenbankpräsidenten
15.3 Die europäische Währungsunion
379
der einzelnen Länder von den nationalen Regierungen bestimmt werden und dass sie im EZB-Rat gegenüber dem sechsköpfigen Direktorium die Mehrheit stellen. Funktionelle Unabhängigkeit muss gewährleisten, dass die EZB durch nationale Regierungen oder EU-Behörden nicht in der Ausführung der ihr sinnvoll erscheinenden Geldpolitik behindert werden darf. Um dies sicherzustellen, war es bereits seit Beginn der 2. Stufe zur Verwirklichung der Europäischen Währungsunion, also seit dem 1. Januar 1994, den Europäischen Zentralbanken verboten, Kredite an öffentliche Stellen zu gewähren, Gleiches gilt für die EZB. Problematisch ist allerdings die Kompetenzverteilung zur Vereinbarung von Interventionsverpflichtungen. Für Wechselkursregelungen, wie etwa der Teilnahme an einem internationalen Festkurssystem oder für die Festlegung von Wechselkurszielzonen sind die EU-Finanzminister zuständig. Solche Regelungen können aber Interventionsverpflichtungen beinhalten, die notwendigerweise Auswirkungen auf die Geldpolitik haben, wie nicht zuletzt die EWS-Krise von 1992 und 1993 gezeigt hatte. Insofern ist eine vollständige funktionelle Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank nicht gegeben. An der Spitze der EZB steht das Direktorium, das als zentrales Exekutivorgan für die Umsetzung der europäischen Geldpolitik verantwortlich ist. Das Direktorium besteht aus einem Präsidenten, einem Vizepräsidenten und vier weiteren Mitgliedern. Das Direktorium bildet zusammen mit den Notenbankpräsidenten der an der Währungsunion beteiligten Länder den EZB-Rat, der vor allem für geldpolitische Entscheidungen verantwortlich ist. Im EZB-Rat, in dem jedes Mitglied eine Stimme hat, wird grundsätzlich mit einfacher Mehrheit entschieden, bei Stimmengleichheit hat die Stimme des EZB-Präsidenten ein doppeltes Gewicht. DIREKTORIUM Präsident Vizepräsident 4 weitere Mitglieder
Notenbankpräsidenten der Teilnehmerstaaten am Euro
Notenbankpräsidenten der nicht am Euro beteiligten EU-Länder Abb. 15.3:
EZB-RAT
ERWEITERTER EZB-RAT
Struktur der Europäischen Zentralbank
Neben dem EZB-Rat gibt es den erweiterten Rat der EZB, dem auch alle Notenbankpräsidenten angehören, deren Länder zwar Mitglied der EU sind, deren nationale Währung aber nicht der Währungsunion angehört. Bei Beginn der Währungsunion am 1. Januar 1999 waren dies Griechenland, das bei der Prüfung 1998 die Konvergenzkriterien noch nicht erfüllte, sowie die aus eigenem Entschluss zunächst nicht teilnehmenden Länder Großbritannien, Dänemark und
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15 Währungspolitik in Europa
Schweden. Für diese Länder wurde ein dem Europäischen Währungssystem ähnelndes EWS II mit festen Wechselkursen und Bandbreiten geschaffen. Da die dabei erforderlichen obligatorischen Interventionen beidseitig sind, d. h. auch von der EZB durchgeführt werden müssen, besteht hier eine weitere Quelle mangelnder funktioneller Unabhängigkeit der EZB. Bereits am 2. Mai 1998 wurden neben der Festlegung der Teilnehmerstaaten auch die endgültigen bilateralen Wechselkursparitäten vereinbart, so entsprach etwa eine D-Mark 3,35386 französischen Franc. Außerdem kam man überein, dass die ECU 1 : 1 durch den Euro ersetzt werden solle. Zum Jahreswechsel 1998/99 war dann die Geburtsstunde des Euro. Die Festlegung der Euro-Kurse der einzelnen europäischen Währungen erfolgte dabei über den US-Dollar. Zunächst wurde die Parität der D-Mark gegenüber dem US-Dollar zum 31. Dezember 1998 mit 1,6763 DM/Dollar festgestellt. Über diesen Kurs wurden dann mit Hilfe der im Mai 1998 bestimmten bilateralen Kurse auch die Dollar-Kurse der übrigen Währungen errechnet. Den Wert einer ECU, ausgedrückt in Dollar, bestimmte man, indem man die nationalen Währungsbeträge im ECU-Korb durch den Dollarkurs dividierte. Für die D-Mark, die im ECUKorb mit 0,6242 D-Mark enthalten war, ergab sich damit: 0,6242 D-Mark/ECU : 1,6763 D-Mark/Dollar = 0,3723677 Dollar/ECU Nachdem man dies für alle an der ECU beteiligten Währungen durchgeführt hatte, addierte man die einzelnen Beträge und erhielt so den Wert eines ECU, ausgedrückt in US-Dollar mit 1,1667521 Dollar//ECU. Da man zuvor einen Euro mit einer ECU gleichgesetzt hatte, entsprach dieser Kurs auch dem Anfangswert eines Euro, ausgedrückt in US-Dollar. Die EuroKurse der einzelnen Währungen erhielt man dann, indem man den Euro-Kurs in Dollar mit dem Dollar-Kurs der einzelnen Währungen multiplizierte. Dies ergab bei der D-Mark: 1,1667521 Dollar/Euro × 1,6763 D-Mark/Dollar = 1,95583 D-Mark/Euro. Während dieser Umrechnungskurs konstant bleibt, bestimmt sich der Wert des Euro, ausgedrückt in US-Dollar frei durch Angebot und Nachfrage am Devisenmarkt. Tab. 15.2:
Bestimmung der Euro-Kurse der einzelnen Währungen
Deutsche Mark Französischer Franc Englisches Pfund Italienische Lira Niederländischer Gulden Belgischer Franc Luxemburgischer Franc Dänische Krone Spanische Peseta Portugiesischer Escudo Griechische Drachme Irisches Pfund
A Nationaler Währungsbetrag im ECU-Korb
B Dollar-Kurs der einzelnen Währungen am 31.12.1998
0,6242 1,332 0,08784 151,8 0,2198 3,301 0,130 0,1976 6,885 1,393 1,440 0,008552
1,6763 5,6220755 0,6046315 1659,5404 1,888754 34,574526 34,574526 6,3842 142,606529 171,829132 282,57 0,6750058
C Währungsbetrag im ECU-Korb in Dollar (A : B)
E: Wert eines ECU in US-Dollar (= ∑ C): Quelle: Deutsche Bundesbank, Devisenmarktstatistik, verschiedene Ausgaben
0,3723677 0,2369232 0,1452786 0,0914711 0,1163730 0,0954749 0,0037600 0,0309514 0,0482797 0,0081069 0,0050961 0,0126695
D Euro-Kurs der Währungen (B × E) 1,95583 6,55957 0,705455 1936,27 2,20371 40,3399 40,3399 7,44878 166,386 200,482 329,689 0,787564
1,1667521 Dollar/Euro
15.3 Die europäische Währungsunion
15.3.3
381
Die Optimalität Europas als einheitlicher Währungsraum
Bei der Diskussion über die Einführung der Währungsunion standen sich von Anfang an zwei Meinungen gegenüber. Auf der einen Seite gab es die Anhänger der Krönungstheorie, die eine politische Harmonisierung und eine weitgehende wirtschaftliche Konvergenz als Voraussetzung für eine erfolgreiche Währungsunion ansahen. Im Gegensatz dazu argumentierten die Monetaristen, dass gerade von einer monetären Integration Impulse für eine stärkere realwirtschaftliche Konvergenz und eine weitgehende politische Integration ausgingen, sie also eine Vorreiterfunktion spielen sollte. Diese Unterschiede waren Ausgangspunkt einer umfassenden Diskussion über die Geeignetheit Europas als optimaler Währungsraum. Die Frage nach der Optimalität von Währungsräumen geht auf Robert Mundell (Mundell, 1961) zurück und wurde in den 1960er und 1970er Jahren vor dem Hintergrund der Diskussion um feste und flexible Wechselkurse weiterentwickelt. Nach den Maastrichter Beschlüssen zur Verwirklichung einer Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion wurde dieses Thema erneut Gegenstand zahlreicher wissenschaftlicher Untersuchungen. Bei der grundlegenden Frage der ökonomischen Geeignetheit eines Währungszusammenschlusses stehen sich Vor- und Nachteile gegenüber. Vorteile einer Währungsunion Güteraustausch zwischen Ländern setzt in der Regel den Tausch von Währungen voraus, wobei sich das Tauschverhältnis in der Zeit ändern kann. Hierdurch entstehen Kosten des Geldumtauschs, der Informationsbeschaffung über die zukünftige Wechselkursentwicklung und von Kurssicherungsgeschäften. Bei einer einheitlichen Währung fallen diese Kosten weg. Weitere Vorteile werden durch eine Erhöhung der Handelsintensität innerhalb eines Währungsraums und durch die Vermeidung einer Fehlallokation von Kapital, hervorgerufen durch erratische Wechselkursschwankungen, erwartet, was zu mehr Wachstum und damit auch zu höherer Beschäftigung führen könne. Die Europäische Kommission hatte in einer Studie aus dem Jahre 1990 die durch eine Europäische Währungsunion induzierte Kostenersparnis auf jährlich zwischen 13 und 19 Mrd. ECU, das entspricht ca. 0,3–0,5 % des damaligen europäischen Bruttoinlandsprodukts, geschätzt. Die erwartete Verteilung auf die einzelnen EU-Länder war dabei jedoch sehr unterschiedlich. Kleine, offene Volkswirtschaften sollten stärker profitieren als größere, weniger offene Länder. So wurden für die Bundesrepublik Deutschland nur relativ geringe Vorteile von 0,1 % des BIP erwartet, während etwa für Belgien 0,9 % des BIP prognostiziert wurden. Der weitaus größte Teil der erwarteten Ersparnis resultiert aus dem Wegfall von Geldwechsel- und Überweisungskosten (8,2–13,1 Mrd. ECU). Dieser Kostenersparnis müssen allerdings die sehr hohen Umstellungskosten, vom Druck und Ausgabe der Geldscheine bis zur Umrüstung aller Automaten, gegenübergestellt werden. Auch die Vermeidung von Kosten der Wechselkursvolatilität durch eine Währungsunion ist nicht unumstritten. Zum einen können die Risiken von Wechselkursschwankungen durch Kurssicherungsmaßnahmen aufgefangen werden, zum anderen gibt es keinen empirischen Beleg für die Behauptung, das Handelsvolumen und das Wirtschaftswachstum werde von der Volatilität der Wechselkurse negativ beeinflusst. Verschiedene Untersuchungen über das Ausmaß der Auswirkungen von Wechselkursschwankungen auf die Handelsintensität in Europa kamen zu dem Ergebnis, dass ein solcher Zusammenhang nicht besteht oder vernachlässigbar ist, auch hatte sich gezeigt, dass innerhalb des EWS in den 1980er Jahren das In-
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15 Währungspolitik in Europa
vestitionsvolumen sogar niedriger war als in Ländern mit hoher Wechselkursvolatilität (vgl. z. B. DeGrauwe,1989). Nachteile der Währungsunion Hauptnachteil einer Währungsunion ist der Wegfall eines ökonomischen Anpassungsinstruments bei Auftreten asymmetrischer Schocks. Durch exogene Schocks, d. h. durch Weltmarktpreissteigerungen, durch internationale Nachfrageverschiebungen u. a., sind verschiedene Länder in unterschiedlicher Weise betroffen. Wenn in einer Währungsunion weder ein Wechselkurs als Ausgleichsinstrument existiert, noch eine eigenständige Geldpolitik gefahren werden kann, dann bedarf es anderer Ausgleichsmechanismen, die vielfach als nicht gegeben angesehen wurden. Die Bildung einer Europäischen Währungsunion wurde auch in Deutschland skeptisch beurteilt. In zwei Manifesten (FAZ vom 11. Juni 1992 und vom 9. Februar 1998) wurden von deutschen Wirtschaftsprofessoren u. a. folgende Befürchtungen geäußert: • Die zu große Unterschiedlichkeit der wirtschaftlichen Strukturen und wirtschaftspolitischen Präferenzen zwischen den beteiligten Ländern lässt eine gemeinsame Geld- und Währungspolitik ineffizient erscheinen. • Durch die gemeinsame Währung werden sich die wirtschaftlichen Unterschiede weiter verschärfen, da sich die Wettbewerbsfähigkeit der Mitglieder auseinander entwickeln wird. • Die fiskalische Stabilität ist nicht nachhaltig gesichert, der Stabilitäts- und Wachstumspakt ist dazu nicht ausreichend. Stattdessen bestehen Anreize, sich noch mehr zu verschulden.
15.3.4
Die Problematik asymmetrischer Entwicklungen
Wahrscheinlichkeit für das Auftreten asymmetrischer Entwicklungen In den 1990er Jahren begann aufgrund der Befürchtungen fehlender Anpassungsmechanismen eine intensive Diskussion darüber, ob überhaupt mit asymmetrischen Schocks zu rechnen sei. Wenn dies nicht der Fall ist, dann bestehe auch kein dahingehendes Problem. Die Europäische Kommission vertrat dabei die These, das Auftreten asymmetrischer Schocks in einer bestehenden europäischen Währungsunion sei unwahrscheinlich, da ja nur solche Länder Mitglied der Währungsunion werden dürften, deren Kerndaten sich angeglichen hätten. Der bisherige Integrationsprozess in Europa habe den Unternehmen Möglichkeiten eröffnet, Skalenerträge der Produktion in erheblichem Umfang zu nutzen. Dies habe zu einer umfangreichen Produktdiversifikation und damit zu einem Anstieg des intra-industriellen Handels geführt. Die Wirtschaftsstrukturen der an der europäischen Währungsunion beteiligten Länder seien also so ähnlich, dass die Gefahr asymmetrischer Schocks vernachlässigt werden könne. Bereits Kenen (Kenen, 1969) habe ein hohes Maß an Produktdiversifikation als Kriterium eines optimalen Währungsraums charakterisiert. Der Behauptung, die Wirtschaftsstrukturen der europäischen Länder hätten sich im Verlauf des bisherigen Integrationsprozesses weitgehend angeglichen und asymmetrische Schocks seien deshalb zu vernachlässigen, wurde jedoch widersprochen. So hatte Tichy (Tichy, 1992) anhand verschiedener Kriterien wie den politischen Zielvorstellungen, den Inflationsraten oder den realen Wechselkursen festgestellt, dass die Heterogenität zwischen den EU-
15.3 Die europäische Währungsunion
383
Mitgliedern trotz jahrelanger Mitgliedschaft in einer Zollunion erheblich ist. Dies belegen auch die EWS-Krisen von 1992/93. Die Länder der Europäischen Union haben einen unterschiedlichen Produktmix, sie sind unterschiedlich von Rohstoffimporten abhängig, sie haben unterschiedliche Produktions- und Exportstrukturen sowie unvollkommene Güter- und Faktormärkte. Es sei also mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass auch in Zukunft in einem Gebiet, das so groß, kulturell so stark diversifiziert und geographisch so unterschiedlich ist wie die Europäische Union, mit beträchtlichen asymmetrischen realen Schocks zu rechnen ist. Frankel und Rose (Frankel/Rose, 1998) untersuchten die Auswirkungen einer zunehmenden Handelsintensivierung auf die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten asymmetrischer Schocks. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass die Wahrscheinlichkeit sinke, da eine Handelsausweitung zwischen Industriestaaten primär intra-industrieller Art sei und die Wirtschaftsstrukturen sich damit anglichen. Eine im Verlauf des europäischen Integrationsprozesses steigende Handelsintensität erhöhe also die Geeignetheit der beteiligten Länder zur Bildung einer Währungsunion. Diese Schlussfolgerung versuchten Frankel und Rose empirisch zu belegen, wobei sie allerdings primär Daten aus den 1960er und 1970er Jahren benutzen. Wie aber Greenaway und Hine (Greenaway und Hine, 1991) zeigten, hatte der intra-industrielle Handel in Europa in dieser Zeit tatsächlich stark zugenommen. Seit Ende der 1970er Jahre stagniere er jedoch auf hohem Niveau, so dass eine Zunahme der Handelsintensität nicht mehr mit einer Steigerung der intra-industriellen Verflechtung begründet werden könne. Damit dürfte aber auch nicht die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten asymmetrischer Schocks mit zunehmendem Außenhandel der an einer Währungsunion beteiligten Länder sinken. In einer vergleichenden Schockanalyse der EU-Staaten mit den US-Regionen wurde gezeigt, dass die Stärke und Asymmetrie von Störungen sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite in Europa wesentlich größer sind als in den USA (Bayoumi/Eichengreen, 1993). Schließlich wurde nachgewiesen, dass in Europa asymmetrische Schocks auf regionalem Niveau, d. h. innerhalb eines bereits früher bestehenden Währungsgebietes, häufiger vorkamen als zwischen Ländern mit verschiedenen Währungen (DeGrauwe/Vanhaverbeke, 1993). Dies könne auf den stärkeren Integrationsgrad innerhalb eines Währungsgebietes zurückgeführt werden. Übertrage man diese Tatsache auf eine europäische Währungsunion, so folge daraus, dass durch die Integrationseffekte der gemeinsamen Währung die Häufigkeit asymmetrischer Schocks nicht ab-, sondern sogar zunimmt. Daneben gibt es auch interne Gründe einer ungleichgewichtigen realen Entwicklung. Durch die Liberalisierung der Güter- und Finanzmärkte wurde die Wettbewerbsintensität innerhalb Europas verschärft und ein Strukturwandel ausgelöst. Je mehr die Ausnutzung von Skalenerträgen – ein Hauptargument für den Binnenmarkt – möglich ist und je besser die Infrastruktur innerhalb der Europäischen Union ausgebaut ist, umso attraktiver wird es für die Unternehmen, den gesamten europäischen Markt von wenigen Produktionszentren aus zu bedienen. Diese Entwicklung kann man auch an der Veränderung der industriellen Agglomeration in Europa ablesen (vgl. Klüver/Rübel, 2001). Um dies zu zeigen, wurde die räumliche Konzentration der europäischen Industrie im Zeitraum von 1972 bis 1992 in Anlehnung an eine Untersuchung der USA von Paul Krugman (vgl. Krugman, 1991) mit Hilfe von Ginikoeffizienten für 52 Industriesektoren gemessen. Die Untersuchung ergab, dass die industrielle Agglomeration in Europa im betrachteten Zeitraum kontinuierlich zunahm, von 1972 bis 1992 betrug der durchschnittliche Zuwachs 23,53 %. Diese Zunahme ist jedoch sektoral sehr
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15 Währungspolitik in Europa
unterschiedlich verteilt. Das prozentuale Agglomerationswachstum arbeitsintensiver Industriesektoren, in denen vor allem einfache Arbeit eingesetzt wird, ist mit 73,81 % über dreimal so hoch wie der Durchschnitt. Ebenso legte die Agglomeration forschungsintensiver Sektoren, die auf den Einsatz hoch qualifizierter Arbeit angewiesen sind, mit 51,83 % überdurchschnittlich zu. Tendenziell sind die nördlichen Länder Europas eher reichlich mit dem Faktor „gelernte Arbeit“ ausgestattet, die südlichen Länder Europas eher mit dem Produktionsfaktor „ungelernte bzw. billige Arbeit“. Aufgrund des fortschreitenden europäischen Integrationsprozesses kam es seit 1972 zu einer Verminderung der Handelsbarrieren, zu einer Offenlegung der komparativen Vorteile und damit zu einer Verstärkung der Handelsbeziehungen zwischen den einzelnen Ländern. Relative Produktionsvorteile aufgrund unterschiedlicher Faktorausstattung konnten so ausgenützt werden, d. h. die südlichen Länder haben sich tendenziell auf die Produktion arbeitskostenintensiver Produkte, die nördlichen Länder auf die Produktion forschungsintensiver Produkte spezialisiert. Aufgrund der weiter fortschreitenden Integration Europas, d. h. gemeinsamer Binnenmarkt, Wirtschafts- und Währungsunion, sind weitere Agglomerationsbewegungen dieser Industriesektoren nicht unwahrscheinlich. Tab. 15.3:
Prozentuale Veränderung der industriellen Agglomeration in Europa, 1972–1992
Alle Industriesektoren
23,53 %
Arbeitsintensive Sektoren Forschungsintensive Sektoren Skalenintensive Sektoren Rohstoffintensive Sektoren
73,81 % 51,83 % 9,84 % 3,34 %
Quelle: Klüver/Rübel, 2001
Skalenintensiv produzierende Sektoren wie z. B. die Eisen- und Stahlindustrie weisen dagegen ein Wachstum ihrer Agglomeration von nur 9,84 % auf. Skalenerträge dürften also bei der weiteren Integration Europas in der Regel kein Grund mehr für einen besonders starken Anstieg der Agglomeration sein. Dies bestätigt im Übrigen auch die Aussage, dass der prozentuale Anteil des intra-industriellen Handels seit den siebziger Jahren auf hohem Niveau stagniert. Die Gruppe der rohstoffintensiv produzierenden Industriesektoren hat mit 3,34 % das geringste prozentuale Wachstum aller hier verglichenen Gruppen. Die ungleiche Verteilung der Bodenschätze hat bereits in der Vergangenheit zur Agglomeration der rohstoffintensiven Industriesektoren geführt. Das Ergebnis führt zu der Schlussfolgerung, dass die Ausnutzung von Skalenerträgen und der Ausbau von Produktdiversifikationen und damit des intra-industriellen Handels im Wesentlichen bereits vor 1972 stattfanden. Seit dieser Zeit ist der Grad der industriellen Agglomeration und parallel dazu auch die Inhomogenität der Industriestrukturen der einzelnen europäischen Länder ständig weiter gestiegen und wird im Zuge der Ausnutzung des Binnenmarktprogramms sowie der Wirtschafts- und Währungsunion vermutlich weiter zunehmen. Dieser Prozess wird jedoch primär nicht auf eine weitere Ausnutzung von Skalenerträgen zurückzuführen sein, sondern kann eher durch eine klassische Heckscher-OhlinArgumentation erklärt werden. Durch den Abbau von Hemmnissen jeder Art werden die relativen Vorteile der einzelnen Länder in stärkerem Maße sichtbar. Dies führt zu einer zunehmenden Spezialisierung gemäß der relativen Faktorausstattung. Da Kapital als mobil angesehen werden kann, sind vor allem ungelernte billige sowie gut ausgebildete Arbeit die entscheidenden Faktoren für den weiteren Agglomerationsprozess. Die stärkere sektorale
15.3 Die europäische Währungsunion
385
Spezialisierung impliziert aber eine zunehmende Inhomogenität der einzelnen Länder sowie einen Anstieg des inter-sektoralen Handels. Damit nimmt auch die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten asymmetrischer Schocks zu. Die fortlaufende Vertiefung der Integration hat also die Geeignetheit Europas als optimaler Währungsraum nicht erhöht, sondern, im Gegenteil, vermindert. Als Gesamtergebnis der Diskussion aus den 1990er Jahren steht die Erwartung, dass asymmetrische Schocks innerhalb der Europäischen Währungsunion nicht auszuschließen sind. Aus diesem Grund bedürfe es Überlegungen, welche Instrumente zur Überwindung von Ungleichgewichten in Frage kommen und ob diese in Europa existieren. Abbau von Ungleichheiten Wenn Länder eine asymmetrische wirtschaftliche Entwicklung aufweisen, so entsteht eine Anpassungsnotwendigkeit, für die verschiedene Instrumente zur Verfügung stehen. Eines dieser Instrumente ist der nominale Wechselkurs. Das wirtschaftlich schwächere Land muss zur Verbesserung der Wettbewerbssituation seine Währung gegenüber dem wirtschaftlich stärkeren Land abwerten. Da neben dem Wegfall des nominalen Wechselkurses auch eine unterschiedliche Geldpolitik in einer Währungsunion nicht mehr möglich ist, verbleiben im Wesentlichen folgende Anpassungsmechanismen: Realer Wechselkurs: Ungleiche reale Entwicklungen erfordern eine Veränderung des realen Wechselkurses. Wenn der nominale Wechselkurs als Anpassungsinstrument nicht mehr zur Verfügung steht, ist eine Veränderung des realen Wechselkurses nur durch eine Veränderung der Relation der Güterpreisniveaus zwischen den Ländern möglich. Da aber durch den gemeinsamen Markt die Handelsintensität innerhalb der Europäischen Union gestiegen ist – ein erwünschtes Ergebnis des Binnenmarktprogramms –, hat sich auch der Anteil handelbarer Güter an den Bruttoinlandsprodukten der einzelnen Länder erhöht. Dies und die bessere Vergleichbarkeit der Güterpreise, die zu einer verstärkten Arbitragetätigkeit führt, schränkt die Flexibilität der Güterpreisrelation zweier Länder innerhalb einer Währungsunion erheblich ein. Fiskalpolitik: Eine divergierende Fiskalpolitik zum Ausgleich einer unterschiedlichen realen Entwicklung ist, neben dem generellen Zweifel an der Tauglichkeit dieses Instrumentes zur Konjunktursteuerung, auch aufgrund der Staatsschuldenproblematik und deren dauerhaften Begrenzung so gut wie ausgeschlossen. Transfers: Eine reale Ungleichgewichtsituation ist auch durch einen umfassenden Finanzausgleich im Rahmen eines Systems interregionaler Transfers abzubauen. In der Währungsunion USA, die aber auch eine politische Union darstellt, wie sie es in Europa in absehbarer Zeit nicht geben wird, existiert ein solcher Finanzausgleich. Ein Rückgang des Volkseinkommens in einem Bundesstaat der USA wird zu fast der Hälfte vom Zentralstaat durch sinkende Steuerabführungsverpflichtungen und gleichzeitig steigende Transferleistungen getragen. Ein solch umfassendes Finanzausgleichssystem in einer Währungsunion politisch selbständiger Staaten gefährdet jedoch aufgrund dann fehlender Anreize nicht nur die Anpassungsmöglichkeiten über die Märkte, es macht auch eine glaubhafte Gelddisziplin der Europäischen Notenbank schwieriger. Faktormobilität: Ist durch eine reale Ungleichentwicklung die Arbeitslosenquote im wirtschaftlich schwächeren Land gestiegen, so könnte diese durch eine Zuwanderung von Kapital und/oder durch eine Abwanderung des Faktors Arbeit gesenkt werden. Der Faktor Arbeit
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15 Währungspolitik in Europa
ist jedoch in Europa deutlich weniger mobil als etwa in den USA. Ein Vergleich der regionalen Netto-Wanderungsbewegungen in 64 Regionen der EG mit den 50 Staaten der sprachlich und kulturell integrierten USA in den 1980er Jahren hat gezeigt, dass die innergemeinschaftliche Arbeitsmobilität nur etwa ein Drittel des US-Niveaus erreicht (vgl. Eichengreen, 1990). Unterschiedliche Sprachen, aber auch ein ausgeprägtes Nationalbewusstsein sind Gründe hierfür. Die Mobilität des Produktionsfaktors Kapital ist zwar gegeben, seine Wanderung in wirtschaftlich schwächere Regionen setzt jedoch Anreize voraus. Faktorpreisflexibilität: Der Zins wird sich innerhalb einer Währungsunion zwischen den einzelnen Ländern in normalen Zeiten kaum mehr unterscheiden. Damit ist als Voraussetzung einer Wanderung des Faktors Kapital in wirtschaftlich schwächere Regionen eine ausgeprägte Arbeitskostendifferenzierung erforderlich. Es werden also letztlich die Arbeitsmärkte sein, die durch eine entsprechende Flexibilität den erforderlichen Anpassungsprozess zu übernehmen haben. Auch die deutsche Bundesbank hat in einer Simulationsstudie für Deutschland festgestellt, dass bei asymmetrischen Schocks in einer Währungsunion der Arbeitsmarktflexibilität die entscheidende Bedeutung zukommt. (Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Dezember 2008). Sie kommt zu dem Ergebnis: „Unter den Spielregeln einer einheitlichen Geldpolitik ist insbesondere die Flexibilität am Arbeitsmarkt ein zentraler Faktor, nicht nur für die Stärkung der heimischen Wachstumskräfte, sondern auch für die reibungslose Anpassung an wirtschaftliche Schocks in einem gemeinsamen Währungsraum.“ Implikationen für die europäischen Arbeitsmärkte Auch zur Frage, ob die Arbeitsmärkte der Europäischen Union in der Lage sein werden, ihrer gestiegenen Bedeutung in einer Währungsunion gerecht werden zu können, gab es bereits in den 1990er Jahren eine intensiv und kontrovers geführte Diskussion. Dabei ging es vor allem um das zu erwartende lohnpolitische Verhalten von Arbeitnehmern und Gewerkschaften innerhalb der Währungsunion. Die optimistische Seite baute auf eine gestiegene Einsicht von Arbeitnehmern und ihren Vertretern und sagte eine verantwortungsbewusstere Lohnpolitik voraus. Den Gewerkschaften sei bewusst, dass überhöhte Lohnabschlüsse nicht mehr durch Abwertungen kompensiert werden können, sie bräuchten auf der anderen Seite aber auch nicht zu befürchten, dass lohnpolitische Zurückhaltung durch Aufwertungen bestraft würde. Damit steige die Bereitschaft der Arbeitnehmer in Ländern mit hoher Arbeitslosigkeit oder negativer wirtschaftlicher Entwicklung, auch Lohneinbußen zu akzeptieren. Dies stärke die Wettbewerbsfähigkeit des Landes und schaffe damit die Voraussetzung der wirtschaftlichen Erholung und des Rückgangs der Arbeitslosigkeit. Eine Währungsunion erhöhe also auf diesem Wege die zumindest in den ersten Jahren noch nicht in ausreichendem Maße gegebene Flexibilität der Arbeitsmärkte und gewährleiste so einen Ausgleich unterschiedlicher wirtschaftlicher Entwicklungen. Dieser Erwartung einer höheren lohnpolitischen Disziplin in einer Währungsunion standen jedoch auch gegenteilige Prognosen gegenüber. Vor allem die Vorstellung, die Gewerkschaften würden einer größeren Lohnflexibilität zustimmen, um Produktivitätsunterschiede auszugleichen, wurde bezweifelt. Vielmehr werde durch die infolge der Einheitswährung gestiegene Transparenz der Löhne der Anreiz zu Lohnnivellierenden europaweiten Lohnverhand-
15.3 Die europäische Währungsunion
387
lungen erhöht und führe in den „ärmeren“ Ländern zu dem Wunsch nach rascher Angleichung der Löhne mit dem Argument der gleichen Entlohnung für gleiche Arbeit. Die grundsätzlich erforderliche Lohndifferenzierung wurde damit als unwahrscheinlich angesehen, eher sei mit einer Änderung des wirtschaftspolitischen Verhaltens von Regierungen für den Fall zu rechnen, dass Tarifparteien zu hohe Löhne ausgehandelt hätten und die Arbeitslosigkeit damit über ein gesellschaftlich zu tolerierendes Maß hinaus gestiegen sei. Es werde dann – ungeachtet aller fiskalischen Vereinbarungen – zu einer verstärkten Verschuldung der betroffenen Länder kommen, um damit Beschäftigungsprogramme zu finanzieren. Auch seien verstärkte Forderungen nach Ausgleichszahlungen, also eines europaweiten Transfersystems, zu erwarten. Neben der mangelnden Akzeptanz eines umfangreichen europäischen Finanzausgleichssystems in der Bevölkerung wäre dies aber der Tausch marktkonformer Anpassungsmechanismen wie Wechselkursflexibilität oder divergierende Geldpolitik gegen einen staatlichen Umverteilungsinterventionismus. Auch der Zusammenhang zwischen Löhnen und Beschäftigung würde dadurch verzerrt. Es wurde auch auf bisherige Erfahrungen hingewiesen. In Italien sei es seit der Währungsunion von 1861 nicht gelungen, den Süden des Landes durch Transferzahlungen wirtschaftlich an den Norden heranzuführen. Ähnliche, wenn auch noch nicht abschließend zu beurteilende Erfahrungen mache Deutschland mit den neuen Bundesländern. Der Hauptgrund hierfür liege in der Tatsache, dass durch Fördermaßnahmen vor allem einzelne Unternehmen in weniger entwickelten Regionen finanziert werden, um sie an den Weltstandard heranzuführen. Damit entstünden jedoch keine „vernetzten Industriestrukturen“ in den betreffenden Regionen.
15.3.5
Erfahrungen mit der Europäischen Währungsunion
Außenwert des Euro und Wirtschaftswachstum Bis zum Ausbruch der internationalen Finanzkrise der Jahre 2007/08 hatten sich weder die extremen Befürchtungen der Gegner noch die optimistischen Erwartungen der Befürworter erfüllt. Der Außenwert des Euro musste zunächst einen starken Rückgang gegenüber dem US-Dollar verzeichnen, erlebte aber in der Folge wieder einen deutlichen Anstieg. Nach seiner Einführung am 1. Januar 1999 kam es zunächst zu einer Abwertung, der Wert des Euro sank von seinem Einführungskurs von 1,1667 US-Dollar auf das bisherige Allzeittief von 0,8532 US-Dollar am 26. Oktober 2000. Schon im Herbst 2002 war der Euro wieder mehr wert als ein Dollar. Es kam dann bis 2004 und vor allem von 2006 bis 2008 zu deutlichen Aufwertungen, am 15. Juli 2008 erreichte er den bisherigen Höchstkurs von 1,599 USDollar. In der Folge verlor er dann wieder an Wert. Nach innen war der Euro im ersten Jahrzehnt seines Bestehens eine stabile Währung, Befürchtungen, die Inflation werde zunehmen bewahrheiteten sich nicht. Die durchschnittliche jährliche Inflationsrate im Euroraum lag in den Jahren 1999 bis 2007 bei 2,1 %. In Deutschland betrug sie sogar nur 1,6 %. Das ist weniger, als der Durchschnitt in den Jahrzehnten davor. Der Euroraum wurde nach 2002 bereits mehrfach erweitert. Durch die Osterweiterung der EU am 1. Mai 2004 gewann in diesem Zusammenhang das EWS II wieder an Bedeutung. Nach den weiter geltenden Stabilitätskriterien muss ein beitrittswilliger Staat mit seiner Währung zunächst mindestens zwei Jahre innerhalb der Bandbreiten zum Euro liegen, um seinen Konvergenzstand zu beweisen und um zu zeigen, dass die staatlichen Instanzen die Währung nicht mehr als Instrument der Wirtschaftspolitik benutzen. Allerdings werden die 1993 eingeführten Bandbreiten von insgesamt 30 % benutzt, was kaum mehr als ein Fest-
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15 Währungspolitik in Europa
kurssystem zu bezeichnen ist. Erste Neumitglieder des Euro-Raums aus den Reihen der EUBeitrittsländer waren Slowenien (2007), Malta und Zypern (2008) sowie die Slowakei (2009). Nach und nach sollen auch die anderen Neumitglieder der Europäischen Union folgen. Langsam entwickelte sich auch ein einheitlicher europäischer Zahlungsraum (SEPA = Single Euro Payments Area), zu dessen Verwirklichung sich alle Banken in der EU verpflichtet haben. Alle Überweisungen innerhalb der EU werden dabei im Prinzip wie Inlandsüberweisungen gehandhabt. Dass die Einführung des Euro zu signifikant steigenden Wachstumsraten führe, hat sich nicht bestätigt. Sie wiesen mit etwas über 2 % pro Jahr im Durchschnitt des Euroraums ähnliche Größen auf wie vor der Währungsunion. Allerdings nahmen die innereuropäischen Ex- und Importe in Relation zum BIP von 28 % im Jahr 1999 auf 33 % im Jahr 2007 zu. Dass dies nicht zu Lasten des Handels mit Ländern außerhalb der Währungsunion geschehen ist, zeigt die Tatsache, dass der Handel mit diesen Ländern noch stärker gestiegen ist als der Innereuropäische Handel. Asymmetrische Entwicklungen Mit Beginn der Währungsunion erlebten (neben Irland) vor allem die südlichen europäischen Länder (Portugal, Italien, Griechenland und Spanien (sog. PIGS-Staaten)) eine spürbare wirtschaftliche Expansion. Dies führte dazu, dass sich die Lohnstückkosten deutlich stärker erhöhten als in den übrigen Euro-Ländern, von der prognostizierten Lohnzurückhaltung war also nichts zu spüren. Mit der steigenden Kaufkraft stiegen auch die Importe und die Leistungsbilanzsalden gerieten ins Defizit. Eine Hauptursache für diese divergierende Entwicklung war die Tatsache, dass es in der Währungsunion nur noch eine einheitliche Geldpolitik und einen annähernd einheitlichen Kapitalmarkt geben konnte. Während sich vor Einführung des Euro die Kapitalmarktrenditen aufgrund unterschiedlicher Inflations- und Wechselkurserwartungen deutlich unterschieden, glichen sie sich nach 1999 in den Mitgliedsländern relativ schnell an. Verbleibende kleinere Renditedifferenzen, etwa bei Staatsanleihen, waren im Wesentlichen auf Liquiditätsunterschiede und Home-Bias-Effekte zurückzuführen. Für Deutschland, das aufgrund der stabilitätsorientierten Politik der Bundesbank und der damit existierenden Aufwertungserwartung der D-Mark vor Einführung des Euro mit die niedrigsten Kapitalmarktzinsen in Europa aufwies, änderte sich damit wenig. Die stärksten Gewinner waren die südlichen europäischen Länder, deren Währungen vor Einführung des Euro unter Abwertungsdruck standen, und die damit von der Angleichung der Renditen deutlich profitierten. Das im Euro-Vergleich relativ hohe Inflationsniveau in diesen Ländern führte wegen der Angleichung der nominalen Kapitalmarktzinsen zudem zu einem deutlichen Rückgang der Realzinsen, was das Wachstum weiter nach oben trieb. Gleichzeitig luden die sinkenden Realzinsen auch die staatlichen Instanzen zu einer stärkeren Verschuldung ein, auch die Regelungen des „Stabilitäts- und Wachstumspaktes“ konnte diese Entwicklung nicht verhindern. Damit kam es im Laufe der Jahre zu einer asymmetrischen Entwicklung und zu einer Zweiteilung der Länder des Euroraums, für die letztlich die einheitliche Geldpolitik und die Vereinheitlichung der Kapitalmärkte verantwortlich sind. Auf der einen Seite gab es Länder mit hohen Wachstumsraten, steigenden Preisen und damit sinkender Wettbewerbsfähigkeit, auf der anderen Seite Länder wie Deutschland, deren Binnennachfrage zwar im europäischen Vergleich gering blieb, die aber aufgrund guter Wettbewerbsfähigkeit wegen der nicht mehr existierenden Aufwertungstendenz der D-Mark sehr stark im Auslandsgeschäft aufgestellt
15.3 Die europäische Währungsunion
389
sind. So war Deutschland in dieser Zeit mehrmals so genannter „Exportweltmeister“ von Gütern. Kennzeichen dieser unterschiedlichen wirtschaftlichen Entwicklung sind die sehr großen Ungleichgewichte in den Leistungsbilanzsalden der einzelnen Länder. Im Jahr 2008 lag die Schwankungsbreite zwischen +8,4 % des BIP in den Niederlanden bzw. +7,1 % des BIP in Deutschland und −11,8 % des BIP in Portugal sowie –13,4 % in Griechenland. Insgesamt wiesen etwa die Hälfte der Euro-Länder Überschüsse, die andere Hälfte Defizite auf.
15.3.6
Staatsverschuldung und Krise der Währungsunion
Durch die internationale Finanzkrise 2007/08 und die dadurch ausgelösten staatlichen Stützungsmaßnahmen für den Finanzsektor und Programme zur Ankurbelung der Konjunktur nahm die Staatsverschuldung weiter deutlich zu und weitete sich im Euro-Raum zu einer so genannten Staatsschuldenkrise aus. Ausgangspunkt war Griechenland, aber auch die anderen „PIGS-Staaten“, die nach Einführung des Euro vom Rückgang der Kapitalmarktzinsen besonders profitiert hatten, gerieten in große Schwierigkeiten Die internationale Finanzkrise war dabei nicht die Ursache der Probleme, die Staatsschulden waren auch schon vorher, in Griechenland insbesondere durch eine exzessive Aufblähung des öffentlichen Sektors, stark gestiegen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die eigentliche Problematik in den Leistungsbilanzsalden liegt. Belgien, ein Land das in der Gesamtstaatsverschuldung ebenfalls zur europäischen Spitzengruppe gehört, hatte in den meisten Jahren einen Leistungsbilanzüberschuss, weil die Ersparnisse der Privaten in diesem Land groß genug waren, um das Defizit des Staates zu finanzieren. Anders dagegen in Griechenland, wo nicht nur das Staatsbudgetdefizit sondern auch der Leistungsbilanzsaldo Rekorddefizite erreichte. Die Auslandsverschuldung des griechischen Staates stieg von 22 Mrd. Euro im Jahr 2001 auf über 230 Mrd. Euro im Jahr 2009. Etwa 75 % der griechischen Staatsanleihen wurden von Ausländern gehalten. Da aufgrund der Erfahrungen der internationalen Finanzkrise die Kapitalanleger risikobewusster wurden und sich bei der Finanzierung der hohen Leistungsbilanzdefizite zunehmend zurückhielten, stiegen die Zinsaufschläge in den Risikoländern, die Kapitalmarktzinsen entwickelten sich wieder auseinander, ähnlich wie dies vor Einführung des Euro der Fall war. Zur Abwendung einer Zahlungsunfähigkeit einzelner EU-Staaten begann die EZB deshalb Staatspapiere zu kaufen, obwohl der Maastrichter Vertrag eine Staatsfinanzierung durch die Zentralbank ausdrücklich untersagt. Gleichzeitig begann die Gemeinschaft zusammen mit dem IWF Hilfsprogramme aufzulegen. Im Mai 2010 wurde die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) mit einem Volumen von 440 Mrd. Euro aufgelegt. Es handelt sich dabei um eine Zweckgesellschaft mit Sitz in Luxemburg, die am Kapitalmarkt Geld aufnimmt, wobei die Euroländer als Bürgen auftreten. Die Fazilität war für eine Dauer von 3 Jahren geplant. Aufgrund der Zuspitzung der Situation wurde der Rettungsschirm im Herbst 2011 auf 780 Mrd. Euro aufgestockt. Bereits Mitte 2012 löste der Europäische Stabilisierungsmechanismus (ESM) als dauerhaftes Instrument vorzeitig die EFSF ab. Er basiert auf einem völkerrechtlichen Vertrag der Eurostaaten und hatte zunächst ein Volumen von 500 Mrd. Euro, zuzüglich der noch nicht verbrauchten Gelder des EFSF. Diese Entwicklung löste erneut eine intensive Diskussion über die Moral Hazard Problematik aus, wonach eine Vergemeinschaftung der Schulden zu risikofreudigerem Verhalten verführt. Im Vertrag von Maastricht ist aus diesem Grund ausdrücklich die „no bail out“-Klausel verankert, nach der weder die Gemeinschaft noch ein Mitgliedsstaat für die Verbindlichkei-
390
15 Währungspolitik in Europa
ten des öffentlichen Sektors von Mitgliedsstaaten haften. Dem widersprechen aber die ergriffenen Maßnahmen, die damit gerechtfertigt werden, dass die Zahlungsunfähigkeit eines Mitgliedsstaates die EU in ihrer Gesamtheit gefährde. Die Hilfsmaßnahmen der Euro-Länder, insbesondere für Griechenland, waren mit strikten Sparauflagen verbunden, die aber zu einer weiteren Stagnation der Wirtschaft führte und die Schuldenquote damit wachsen ließ. Es ergibt sich bereits aus der einfachen, in Kapitel 2 dargestellten Zahlungsbilanzsystematik, dass ein Land seine Auslandsverschuldung nur abbauen kann, wenn es einen Überschuss in der Leistungsbilanz erreicht. Der Staat spielt dabei natürlich eine große Rolle, aber nicht die alleinige. Die Länder müssen vor allem ihre Wettbewerbsfähigkeit wieder steigern. Hätten die Problemländer noch eine eigene Währung, so könnten sie abwerten und damit ihre Produkte international konkurrenzfähiger machen. Das geht aber ebenso wenig wie sie eine eigene Geldpolitik fahren können. Also müssen die Produktionskosten, d. h. in erster Linie die Arbeitskosten, gesenkt werden. Mit anderen Worten, wenn eine Abwertung der eigenen Währung nicht möglich ist, muss die Abwertung real durch einen Rückgang von Löhnen und Preisen innerhalb der Währungsunion erfolgen. Das ist ungleich schwieriger und muss vor dem Hintergrund einer ohnehin schwachen Konjunkturlage erfolgen. Wenn dies nicht gelingt, dann bleibt es bei einem Defizit in der Leistungsbilanz, das Jahr für Jahr vom Ausland finanziert werden muss. Die Hilfsprogramme von EU und IWF waren in der Zeit, in der sie beschlossen wurden, sicher unausweichlich, um die Märkte zu beruhigen und die Lage zu entspannen. Grundsätzlich gibt es aber nur drei Möglichkeiten wie eine solche ungleiche Entwicklung innerhalb der Währungsunion beseitigt werden kann: 1. Zahlungsbilanzanpassung: Problemländer verbessern nachhaltig ihre Wettbewerbsfähigkeit und wandeln dadurch das Leistungsbilanzdefizit in einen Überschuss um. Bei dieser Variante handelt sich um eine Gratwanderung. Das Kostensenkungsprogramm birgt die Gefahr, dass sich die ohnehin schwierige wirtschaftliche Lage weiter verschärft und das Land vollends in eine Rezession abrutscht, wie das Beispiel Griechenland zeigt. Die Folgen für den inneren Frieden und vor allem für den weiteren Integrationsprozess in Europa sind dabei nicht absehbar. Auf der anderen Seite ist aber eine Strukturanpassung zwingend notwendig. 2. Transferunion: Es kommt zu einem umfangreichen und dauerhaften Finanzausgleich zwischen den EU-Staaten. Dies wäre vergleichbar der Umverteilung wie sie in Deutschland nach der Deutsch-Deutschen Währungsunion durchgeführt wurde. Allerdings handelt es sich im europäischen Rahmen um ganz andere Dimensionen. Transfers stellen jedoch kein ökonomisches Anpassungsinstrument dar, außerdem wäre es eine Einladung an alle anderen Länder, sich ebenso wie die Defizitländer zu verhalten. 3. Austritt aus der Währungsunion: Es wird die Möglichkeit geschaffen, aus dem EuroRaum austreten zu können. Die Wechselkurse können dann wieder ihre Ausgleichsfunktion übernehmen. Dabei stehen sich zwei Motive gegenüber: (Vgl. Meyer 2009) Überforderungshypothese: Ein überschuldetes Land könnte versuchen, durch die Rückkehr zu einer eigenen Währung Handlungsspielräume wiederzugewinnen. Durch die Abwertung einer eigenen Währung oder eine Inflationierung könnten das Wachstum gefördert und die Staatsschulden real verringert werden. Allerdings wird vermutlich bereits die ernsthafte Ankündigung eines Austritts zu Verkäufen von Staatsanleihen dieses Lan-
15.4 Zusammenfassung von Kapitel 15
391
des führen und die Zinslast damit weiter erhöhen. Auch die Aufnahme neuer Kredite wird damit weiter erschwert. Um diese Probleme zu vermeiden, könnte auch ein einvernehmlicher Ausstieg in Frage kommen, bei dem Hilfen aus gemeinschaftlichen Fonds und zinsgünstige Anschlussfinanzierungen gewährt werden. Frustrationshypothese: In diesem Fall würde ein stabiles Land das Währungsgebiet verlassen, weil es seine Situation durch die Lage in anderen Ländern gefährdet sieht. Die Probleme einzelner Länder können sich auf das Euro-Gebiet insgesamt übertragen und europaweit zu steigenden Zinsen und Inflationsraten sowie zu einer Abwertung des Euro führen. Die steigende Zinsdifferenz zwischen den einzelnen Ländern kann Investitionen in die Länder mit den höheren Renditen lenken und im stabilen Land zu einem crowding out führen. Dazu kommt die Befürchtung, im Rahmen von Hilfszahlungen den in Schwierigkeit gekommenen Ländern in ausuferndem Maße helfen zu müssen. Die Krise der Europäischen Währungsunion war vorhersehbar, wie die beiden Manifeste aus den 1990er Jahren dokumentieren. Man sieht in Europa – wie schon so oft in der Währungsgeschichte –, dass unterschiedliche Währungen einen unschätzbaren ökonomischen Nutzen haben der nur dann aufgegeben werden darf wenn sichergestellt ist, dass es keine ungleichen Entwicklungen geben wird oder wenn andere Ausgleichsinstrumente existieren, die auch kurzfristig greifen. Flexible Wechselkurse würden die Folgen unterschiedlicher WirtschaftsFinanz- und Sozialpolitik in der EU sofort abfedern und es gar nicht erst zu größeren Spannungen kommen lassen. Das muss auch bei einer möglichen Erweiterung der Währungsunion strikt beachtet werden.
15.4 1.
2.
3.
4.
Zusammenfassung von Kapitel 15
1972 wurde der europäische Wechselkursverbund gegründet, um in Europa durch eine Halbierung der Bandbreiten stabilere Wechselkursverhältnisse zu schaffen als dies in der Endphase des Bretton Woods-Systems gegeben war. Durch unterschiedliche wirtschaftliche Entwicklungen sowie den Folgen der Ölpreisschocks der 1970er Jahre stand der Wechselkursverbund Ende 1978 jedoch vor der Auflösung. Um eine weitere Desintegration Europas zu verhindern, wurde 1979 das Europäische Währungssystem (EWS) gegründet. Der Wechselkurs- und Interventionsmechanismus sah feste Paritäten mit Bandbreiten von ±2,25 % vor. Bei Erreichen der Interventionspunkte waren beide beteiligten Notenbanken zu Interventionen verpflichtet. Leitkursänderungen waren nur in gegenseitigem Einvernehmen in einem förmlichen Verfahren möglich. Durch einen Beistandsmechanismus hatten sich die Teilnehmerländer des EWS verpflichtet, den anderen Ländern kurzfristige Kredite in unbegrenzter Höhe zu gewähren, um notwendige Interventionen durchführen zu können. Daneben gab es zur Finanzierung von Zahlungsbilanzdefiziten den kurzfristigen Währungsbeistand sowie einen mittelfristigen finanziellen Beistand. Mit dem EWS wurde auch eine Korbwährung, die ECU, geschaffen, in der die Währungen der Mitgliedsstaaten enthalten waren. Die Anteile der einzelnen Währungen errechneten sich aus dem Handelsvolumen, dem Bruttoinlandsprodukt sowie der Quote im Währungsbeistand der einzelnen Länder. Die ECU diente vor allem als Recheneinheit und als Instrument des Saldenausgleichs. Am 1. Januar 1999 ging die ECU im Euro auf.
392
15 Währungspolitik in Europa
Das EWS geriet in den Jahren 1992/93 in eine existenzielle Krise. Ursache war vor allem eine divergierende wirtschaftliche Entwicklung in den Teilnehmerländern im Gefolge der Deutsch-Deutschen Wiedervereinigung. Nach massiven Spekulationswellen wurde am 2. August 1993 die zulässige Bandbreite auf ±15 % erhöht. Damit wurde zwar eine politisch nicht durchsetzbare Neufestsetzung der Leitkurse vermieden, aus dem EWS war aber de facto ein System flexibler Wechselkurse geworden. 6. 1992 wurde im Maastrichter Vertrag die Schaffung einer Wirtschafts- und Währungsunion in Europa beschlossen. Die Einführung einer Einheitswährung sollte in drei Stufen erfolgen, wobei zunächst die wirtschaftliche Konvergenz der teilnehmenden Länder im Mittelpunkt stand. Hierfür wurden fünf Konvergenzkriterien verabschiedet, deren Erfüllung Voraussetzung für die Teilnahme an der Währungsunion sein sollte. – Inflationsrate nicht höher als 1,5 Prozentpunkte über dem durchschnittlichen Wert der drei stabilsten EU-Mitgliedsländer – Langfristiger Zins nicht höher als 2 Prozentpunkte über dem Durchschnitt der drei stabilsten Länder – Staatliche Nettoneuverschuldung nicht höher als 3 % des Bruttoinlandsprodukts – Gesamtstaatsverschuldung nicht höher als 60 % des Bruttoinlandsprodukts – Mindestens zwei Jahre keine Paritätsänderung der eigenen Währung im EWS Die Währungsunion begann am 1. Januar 1999 mit zunächst elf Teilnehmerländern. 7. Bei der Diskussion über die ökonomische Geeignetheit der Europäischen Währungsunion stehen sich Vor- und Nachteile gegenüber. Auf der einen Seite steht die Kostenersparnis beim Geldumtausch, bei der Informationsbeschaffung über die zukünftige Wechselkursentwicklung und bei Kurssicherungsgeschäften. Daneben werden auch Vorteile durch eine Erhöhung der Handelsintensität und durch die Vermeidung einer Fehlallokation von Kapital erwartet. 8. Dem steht die Problematik der Überwindung asymmetrischer Schocks gegenüber, deren Auftreten als wahrscheinlich angesehen werden muss. Kommt es zu einer asymmetrischen wirtschaftlichen Entwicklung so sind Anpassungsinstrumente erforderlich. Eine Änderung des nominalen Wechselkurses und eine unterschiedliche Geldpolitik scheiden in einer Währungsunion aus. Auch eine unterschiedliche Entwicklung der Güterpreise, eine divergierende Fiskalpolitik und eine Mobilität des Faktors Arbeit sind aus unterschiedlichen Gründen auszuschließen. Ein umfangreiches Finanzausgleichssystem ist ökonomisch zweifelhaft und der Bevölkerung nicht zu vermitteln. Es ist daher vor allem die Flexibilität der Arbeitskosten, die einen Beitrag zu Überwindung einer ungleichen Entwicklung leisten muss. 9. Im ersten Jahrzehnt des Bestehens der Währungsunion blieben die Inflationsraten niedrig und der Außenwert nach einem kurzzeitigen Tief stabil. Signifikante gesamteuropäische Wachstumsimpulse waren nicht zu verzeichnen. Allerdings kam es letztlich durch die Vereinheitlichung der Kapitalmärkte zu asymmetrischen wirtschaftlichen Entwicklungen. Vor allem in den Ländern, die früher relativ hohe Kapitalmarktzinsen zu verzeichnen hatten, expandierte die Wirtschaft und die Leistungsbilanzen gerieten ins Defizit. Dem stehen aber in anderen Ländern hohe Überschüsse gegenüber. Auch die Staatsverschuldung nahm angesichts der gesunkenen Zinsen vor allem in den südlichen Ländern Europas deutlich zu. 10. Ausgelöst durch Stützungsmaßnahmen und Konjunkturprogramme in Folge der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise der Jahre 2007/08 nahm die Staatsverschuldung in
5.
15.4 Zusammenfassung von Kapitel 15
393
den Euro-Ländern weiter zu und löste, ausgehend von Griechenland, eine Staatsschuldenkrise aus. In der Folge versuchte die Gemeinschaft mit Unterstützung des IWF durch Rettungsmaßnahmen die Lage zu entschärfen, was aber gegen die im Maastrichter Vertrag vereinbarte no-bail-out-Klausel verstößt 11. Die Krise der Europäischen Währungsunion war vorhersehbar. Man sieht in Europa wie schon so oft in der Währungsgeschichte, dass unterschiedliche Währungen einen unschätzbaren ökonomischen Nutzen haben der nur dann aufgegeben werden darf wenn sichergestellt ist, dass es keine ungleichen Entwicklungen geben wird oder wenn andere Ausgleichsinstrumente existieren, die auch kurzfristig greifen. Das muss auch bei einer möglichen Erweiterung der Währungsunion strikt beachtet werden.
Aufgaben zu Kapitel 15 Aufgabe 15.1 Betrachten Sie das Länderpaar Deutschland und Frankreich. Die wirtschaftliche Lage Deutschlands unterscheide sich von der in Frankreich, was sich in einem Leistungsbilanzüberschuss Deutschlands und einem Leistungsbilanzdefizit Frankreichs niederschlage. Welche Anpassungsmechanismen bestanden in einer solchen Situation • Am 1.4.1887 • Am 1.4.1967 • Am 1.4.1987 • Am 1.4.1997 • Am 1.4.2007 Beschreiben Sie kurz das zu den genannten Zeitpunkten zwischen Frankreich und Deutschland bestehende Währungssystem. Gehen Sie dabei auch auf den Umfang möglicher Bandbreiten und auf die Aufgaben der Zentralbanken der beiden Länder ein. Skizzieren Sie dann für jeden der Zeitpunkte Schritt für Schritt einen möglichen Mechanismus zum Abbau der Leistungsbilanzungleichgewichte. Aufgabe 15.2 a) Diskutieren Sie kurz, warum es zur Gründung des Europäischen Wechselkursverbundes kam und welche Vereinbarungen dabei bestanden. b) Charakterisieren Sie die Vereinbarungen und Wirkungsweisen des Europäischen Währungssystems (EWS) und gehen Sie dabei auch auf die Bedeutung des ECU ein. c) Welche Rolle war im Laufe der Zeit der Deutschen Bundesbank im EWS zugefallen? Gehen Sie auf die Voraussetzungen der dauerhaften Funktionsfähigkeit eines solchen Systems ein und beschreiben Sie die Hauptursachen der Krisen von 1992/93. d) Beschreiben Sie aus Sicht eines Nicht-Leitwährungslandes das Problem, in einem Festkurssystem wie dem EWS eine eigenständige Geldpolitik betreiben zu wollen. Erläutern Sie die Zusammenhänge theoretisch und benutzen Sie zur graphischen Verdeutlichung ein Wechselkurs-Zinssatz-Diagramm. e) Nennen Sie drei Kriterien zur Bestimmung eines „optimalen Währungsraums“. Erfüllt Ihrer Meinung nach die Europäische Union die Voraussetzungen eines optimalen Währungsraums?
394
15 Währungspolitik in Europa
Aufgabe 15.3 a) Unterstellen Sie, das Land, das ein Leistungsbilanzdefizit aufweist, sei Mitglied der EU mit ihrem Binnenmarkt sowie der Währungsunion. Welche Maßnahmen kann dieses Land zur Beseitigung des Leistungsbilanzdefizits durchführen? Begründen Sie Ihre Antwort, indem Sie die im Binnenmarkt und in der Währungsunion geltenden Regeln für die Teilnehmerstaaten kurz darstellen. b) Wie ist es zu den in der Europäischen Währungsunion zu beobachtenden Leistungsbilanzungleichgewichten gekommen und welche Möglichkeiten des Abbaus würden Sie vorschlagen? Weshalb werden im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts den Mitgliedsstaaten der Währungsunion Höchstgrenzen für ihre Staatsverschuldung gesetzt? Aufgabe 15.4 a) In welchem Jahr trat das Europäische Währungssystem (EWS) in Kraft? b) Die Europäische Währungseinheit (ECU) bestehe aus den drei Währungen Mark (Anteil 50 %), Franc(Anteil 30 %) und Lire (Anteil 20 %). Ein ECU ist zu Beginn einer Mark gleichgesetzt. Eine Mark entspreche 2 Franc und 100 Lire. Stellen Sie die bilateralen Leitkurse sowie die Anteile der drei Währungen am Währungskorb ECU dar. c) Stellen Sie Schritt für Schritt • Eine Aufwertung der Mark um 100 % gegenüber den beiden anderen Währungen • Eine Aufwertung der Lire um 100 % gegenüber den beiden anderen Währungen dar. Wie ändern sich die ECU-Kurse der einzelnen Währungen und welcher Unterschied besteht zwischen einer Aufwertung der Mark und einer Aufwertung der Lire? Wie ist dieser Unterschied zu begründen? Aufgabe 15.5 a) Stellen Sie in Stichworten den Weg zur Europäischen Währungsunion dar. b) Benennen Sie drei Vorteile einer einheitlichen europäischen Währung und erläutern Sie kurz die Hauptproblematik einer Währungsintegration. c) Erläutern Sie Kriterien eines optimalen Währungsraums. d) Nennen Sie die fünf Stabilitätskriterien des Maastrichter Vertrages. Aufgabe 15.6 Die Zahlungsbilanz ist formal immer ausgeglichen. Dabei gilt: Die Summe aus Leistungsbilanzsaldo und privaten Nettokapitalimporten ist Z: LB + NKIpr = Z a) Was ist Z und welche Größe kann Z im Falle eines Leistungsbilanzdefizits annehmen? b) Welche Bedeutung hat Z • In einem System flexibler Wechselkurse? • In einem System fester Wechselkurse? • In der Europäischen Währungsunion? Geben Sie jeweils eine Begründung für Ihre Aussage.
Aufgaben zu Kapitel 15
395
c) Unterstellen Sie ein Leistungsbilanzdefizit sowie private Nettokapitalimporte von Null. Wie kann das Leistungsbilanzdefizit beseitigt werden • Bei flexiblen Wechselkursen? • Bei festen Wechselkursen? • In einer Währungsunion? Geben Sie jeweils eine kurze verbale Antwort.
16
Wirtschaftspolitik in unterschiedlichen Währungssystemen
16.1
Makroökonomischer Modellrahmen
In den folgenden Abschnitten sollen die makroökonomischen Wirkungen geld- und fiskalpolitischer Maßnahmen sowie externer Einflüsse in Abhängigkeit von alternativen Währungssystemen untersucht werden. Hierzu wird eine kleine offene Volkswirtschaft unterstellt, d. h. die wirtschaftliche Entwicklung der betrachteten Ökonomie wird zwar von außenwirtschaftlichen Gegebenheiten beeinflusst, sie selbst hat aber keinen messbaren Einfluss auf die Weltwirtschaft. In einem gesonderten Abschnitt wird diese Annahme aufgegeben, und es werden auch internationale Rückwirkungen berücksichtigt. Die Inlandsproduktion wird zum Teil im Inland konsumiert, zum Teil exportiert. Die Inländer konsumieren darüber hinaus auch ausländische Güter, deren Preise in Auslandswährung gegeben sind. Das makroökonomische Gleichgewicht des betrachteten Landes wird durch Gleichgewichte auf dem Gütermarkt, dem Geldmarkt und in der Zahlungsbilanz charakterisiert.
16.1.1
Internes Gleichgewicht
Gesamtwirtschaftliche Nachfrage Die gesamtwirtschaftliche reale Güternachfrage setzt sich zusammen aus der realen Konsumnachfrage der privaten Haushalte (CH), der realen Investitionsnachfrage (I), dem realen Konsum des Staates (CSt) und dem realen Außenbeitrag (1/p)(X-M), ausgedrückt in inländischen Gütereinheiten. X und M bezeichnen wie bisher den in Inlandswährung ausgedrückten Wert der Ex- und Importe. Wird von Übertragungen abgesehen, so entspricht der nominelle Außenbeitrag als Differenz zwischen dem Export und dem Import von Gütern und Dienstleistungen dem Leistungsbilanzsaldo. Die einzelnen Abhängigkeiten entsprechen den bereits bekannten Zusammenhängen. Die Konsumgüternachfrage der privaten Haushalte besteht aus einem autonomen Teil und ist darüber hinaus vom verfügbaren Volkseinkommen, d. h. von der Differenz zwischen dem Einkommen und den autonomen Steuerzahlungen (Ta), positiv abhängig. Die Nettoinvestitionen werden vom Zinssatz negativ beeinflusst und haben ebenfalls einen autonomen Teil. Der Konsum des Staates wird zur Vereinfachung als exogen gegeben unterstellt. Die Exporte des Inlands sind vom ausländischen Volkseinkommen (Y*) positiv abhängig. Daneben hat die preisliche Wettbewerbsfähigkeit des Inlands Einfluss auf die Leistungsbilanz. Die Wettbewerbsfähigkeit kann durch die terms of trade bzw. durch den realen Wechselkurs (wR = wp*/p) ausgedrückt werden.20 Steigt der reale Wechselkurs (Anstieg des nomi20
Es wird dabei unterstellt, dass das Preisniveau der im Inland produzierten Güter und Dienstleistungen (p) dem Preisniveau der exportierten Güter und Dienstleistungen entspricht, es also zu keinen Relativpreisänderungen bei
398
16 Wirtschaftspolitik in unterschiedlichen Währungssystemen
nalen Wechselkurses und/oder des ausländischen Güterpreisniveaus und/oder Rückgang des inländischen Güterpreisniveaus), so handelt es sich um eine reale Abwertung der Inlandswährung, die die preisliche Wettbewerbsfähigkeit inländischer Anbieter verbessert. Das Exportvolumen steigt. Aus dem gleichen Grund wird bei einer realen Abwertung der Inlandswährung die Importmenge sinken. Im Folgenden sei Normalreaktion der Leistungsbilanz aufgrund einer Änderung des realen Wechselkurses unterstellt, d. h. die Leistungsbilanz verbessert sich als Folge einer realen Abwertung und verschlechtert sich als Folge einer realen Aufwertung. Der Importwert ist darüber hinaus vom inländischen Volkseinkommen positiv abhängig. 1 1 (16.1) Y N = C Ha + C H Y − T a + I a + I (i ) + C Sta + X Y ∗ , w R − M (Y , w R ) p p dC H dI ∂Χ ∂M ∂X ∂M ≡ CY > 0, ≡ I i < 0, ∗ ≡ Χ Υ∗ > 0 ≡ MY > 0 − ≡ Xw −Mw > 0 dY di ∂ Y ∂ w ∂ wR ∂Υ R
(
)
(
)
(16.1) kann man als nachfrageseitiges Gütermarktgleichgewicht interpretieren, wenn man unterstellt, die gesamtwirtschaftliche Nachfrage entspreche stets dem gesamtwirtschaftlichen Realeinkommen (YN = Y). Dies ist dann der Fall, wenn das Güterangebot vollkommen preiselastisch ist, sich also jeder Veränderung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage ohne Preisänderung sofort anpasst. Dies wird hier zunächst angenommen. Fasst man die Differenz zwischen dem Volkseinkommen und dem privaten und staatlichen Konsum zur gesamtwirtschaftlichen Ersparnis zusammen, so ergibt sich das in Kapitel 2 diskutierte Gleichgewicht einer offenen Volkswirtschaft als Identität von Leistungsbilanzsaldo und der Differenz aus gesamtwirtschaftlicher Ersparnis und gesamtwirtschaftlicher Nettoinvestition bzw. als Identität der Summe aus Investitionen und Exporte auf der einen und der Summe aus der gesamtwirtschaftlichen Ersparnis und den Importen auf der anderen Seite. 1 1 (16.2) I a + I (i ) + X Y ∗ , w R = S a + S Y − T a + M (Y , w R ) p p
(
)
(
)
Diese Identität ist in Abb. 16.1 in einem Zinssatz-Volkseinkommens-Diagramm als IXSMKurve graphisch dargestellt. Die Kurve entspricht in ihren Grundzügen der IS-Kurve einer geschlossenen Volkswirtschaft. Der Zusammenhang zwischen inländischem Zinssatz und inländischem Volkseinkommen zur Aufrechterhaltung des Gleichgewichts ist negativ. Dies ergibt sich formal durch die Differentiation von (16.2) nach Y und i. di dY
= IXSM
SY + Μ Y 0 = w dw R SY + M Y
Da der Ausdruck (Xw − Mw) wegen der Annahme der Normalreaktion der Leistungsbilanz positiv ist, wird bei Konstanz aller anderen Einflussgrößen das Volkseinkommen bei einer realen Abwertung der Inlandswährung steigen. Die IXSM-Kurve verschiebt sich also nach rechts. Eine reale Abwertung der Inlandswährung kann durch eine nominale Abwertung bei konstanten Preisniveaus, aber auch durch einen Rückgang des inländischen Preisniveaus (Anstieg des ausländischen Preisniveaus) bei konstantem ausländischen (inländischen) Preisniveau und konstantem nominalen Wechselkurs ausgelöst werden. Die IXSM-Kurve ist also auch von den Preisniveaus der beiden Länder abhängig. Geldmarktgleichgewicht Gleichgewicht auf dem Geldmarkt erfordert die Identität von realem Geldangebot und realer Geldnachfrage. Die reale Geldnachfrage (L) ist wie üblich vom realen Volkseinkommen positiv und vom Zinssatz negativ abhängig. GH bezeichnet das von der Notenbank autonom bestimmbare nominelle Geldangebot, während GZ Geldangebotsänderungen beschreibt, die
400
16 Wirtschaftspolitik in unterschiedlichen Währungssystemen
durch Devisenmarktinterventionen ausgelöst werden, zu denen die Notenbank im Rahmen eines Systems fester Wechselkurse verpflichtet ist.
∂L ∂L GH + GZ ≡ LY > 0, ≡ Li < 0 = L(Y , i ) mit: ∂Y ∂i p
(16.3)
Im Zinssatz-Volkseinkommens-Diagramm 16.1 wird das Geldmarktgleichgewicht durch die LG-Kurve dargestellt. Die Steigung der LG-Kurve ist positiv, bei einer Differentiation von (16.3) nach Y und i folgt: di dY
=− LG
LY >0 Li
Bei einer Einkommenssteigerung steigt der Bedarf an Transaktionskasse. Zur Wiederherstellung des Geldmarktgleichgewichts muss bei Konstanz des Geldangebots die Geldnachfrage sinken. Hierzu ist eine Zinserhöhung notwendig, da die Geldnachfrage vom Zinssatz negativ abhängig ist. Rechts unterhalb der LG-Kurve existiert also eine Überschussnachfrage am Geldmarkt, links oberhalb ein Überschussangebot. Die Lage der LG-Kurve wird durch das nominelle Geldangebot und das Preisniveau determiniert. Eine Erhöhung des nominellen Geldangebots und ein Rückgang des Preisniveaus verschiebt die Kurve nach rechts, da in beiden Fällen die reale Geldmenge steigt. Zur Wiederherstellung des Geldmarktgleichgewichts muss die Geldnachfrage durch einen Anstieg des Volkseinkommens und/oder durch einen Rückgang des Zinssatzes erhöht werden. Wie bereits mehrmals diskutiert, hat jede Devisenmarktintervention einen Geldmengeneffekt zur Folge. Muss die Notenbank, aufgrund eines Überschussangebots am Devisenmarkt, Devisen aufkaufen, so steigen ihre Währungsreserven. Parallel hierzu erhöht sich aber auch die inländische Geldmenge. In (16.3) wird GZ steigen. Versucht die Notenbank, diesen Geldmengeneffekt zu neutralisieren bzw. zu sterilisieren, so müsste GH entsprechend sinken, das Gesamtgeldangebot bliebe dann konstant. Dies kann etwa durch Verkäufe von Wertpapieren an inländische Wirtschaftssubjekte geschehen. Auf die Folgen einer solchen Politik für das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht wird unten näher eingegangen.
16.1.2
Außenwirtschaftliches Gleichgewicht
Aus Kapitel 2 ist bekannt, dass ein positiver Saldo der Leistungsbilanz einem Nettokapitalexport und ein negativer Saldo einem Nettokapitalimport in jeweils gleicher Höhe entspricht. Die Kapitalbilanz beinhaltet dabei auch die Veränderungen der Währungsreserven der Zentralbank. Bezeichnet man mit Z wieder die Zunahme der Währungsreserven der Zentralbank und mit KI die privaten Nettokapitalimporte, so gilt: LB = NKX bzw. LB + KI = Z. Die hier zu berücksichtigenden Determinanten des Leistungsbilanzsaldos wurden in (16.1) dargestellt, Übertragungen bleiben weiterhin unberücksichtigt. Exporte von Gütern und Dienstleistungen entsprechen stets einem Devisenangebot, Importe implizieren eine Devisennachfrage. Auch die Bestimmungsfaktoren der internationalen Kapitalbewegung wurden in den vorhergehenden Kapiteln bereits diskutiert. Die privaten Nettokapitalimporte werden steigen, wenn c. p. der inländische Zinssatz steigt (der ausländische Zinssatz sinkt), sie werden sinken, wenn c. p. der ausländische Zinssatz steigt (der inländische Zinssatz sinkt). Diese Reaktion
16.1 Makroökonomischer Modellrahmen
401
berücksichtigt die jeweilige Verschiebung der Renditerelation. Auch eine Wechselkursänderungserwartung hat die bekannten Auswirkungen auf internationale Anlageentscheidungen. we sei der erwartete Wechselkurs. Ein Anstieg dieser Größe bedeutet also eine erwartete Abwertung der Inlandswährung, d. h. einen gegenüber der bisherigen Erwartung höheren Wechselkurs. Dies erhöht auch den Terminkurs und damit den Swapsatz, so dass c. p. die Kapitalanlage im Ausland rentabler wird. Die privaten Nettokapitalimporte sind von der Wechselkurserwartung also negativ abhängig. Ein Anstieg der privaten Nettokapitalimporte impliziert am Devisenmarkt ein Nettoangebot an Devisen, da für die Anlage im Inland zunächst die ausländische Währung in die inländische getauscht werden muss. Ein Rückgang der Nettokapitalimporte bedeutet analog eine Nettonachfrage nach Devisen. Es gilt:
Z = X ( wR , Y ∗ )− M ( wR , Y ) + KI (i, i∗ , we )
(16.4)
∂KI ∂KI ∂KI ≡ K i > 0, ≡ K i∗ < 0, ≡ K we < 0 ∂i ∂i ∗ ∂we Ist die Summe aus Leistungsbilanzsaldo und privaten Nettokapitalimporten positiv (negativ), so impliziert dies ein Überschussangebot (eine Überschussnachfrage) am Devisenmarkt. Bei festen Wechselkursen ist die Notenbank verpflichtet, dieses Überschussangebot aufzukaufen (die Überschussnachfrage durch Verkauf eigener Reserven abzubauen). Die Währungsreserven der Notenbank nehmen also im Falle eines Überschussangebots am Devisenmarkt zu (Z ist positiv), bei einer Überschussnachfrage nehmen sie ab (Z ist negativ). Bei flexiblen Wechselkursen wird ein Ungleichgewicht am Devisenmarkt dagegen durch eine Anpassung des Wechselkurses ausgeglichen, die Devisenreserven ändern sich nicht. In diesem Falle ist Z Null, und der Leistungsbilanzsaldo muss stets den privaten Nettokapitalexporten entsprechen. (Die Summe aus Leistungsbilanzsaldo und privaten Nettokapitalimporten ist Null.)
(
)
(
X wR , Y ∗ − M (wR , Y ) = − KI i, i ∗ , we
)
(16.5)
Gleichgewicht am Devisenmarkt und damit auch in der Zahlungsbilanz herrscht dann, wenn sich die Devisenreserven der Notenbank nicht verändern, wenn Z also Null ist. Der geometrische Ort aller Zinssatz-Volkseinkommens-Kombinationen, bei denen dies der Fall ist, wird in Abb. 16.2 durch die ZZ-Kurve dargestellt. Die Steigung der ZZ-Kurve ist im Normalfall wie die der LG-Kurve positiv. Steigt der inländische Zinssatz, so nehmen die privaten Nettokapitalimporte zu. Dies impliziert ein Überschussangebot am Devisenmarkt. Um dieses Überschussangebot abzubauen, müssten die Güterimporte steigen, da hierzu Devisen benötigt werden. Ein Anstieg der Güterimporte setzt aber einen Anstieg des Volkseinkommens voraus. Punkte links oberhalb der ZZ-Kurve implizieren also ein Überschussangebot am Devisenmarkt, Punkte rechts unterhalb eine Überschussnachfrage. Differenziert man (16.5) nach i und Y, so gilt: di dY
= ZZ
MY >0 Ki
Das Ausmaß der Steigung der ZZ-Kurve ist neben der Einkommensabhängigkeit der Importe von der Zinsreagibilität der internationalen Kapitalbewegungen abhängig. Ist dieser Wert gering, so muss sich der Zinssatz stark verändern, um eine gegebene Ungleichgewichtssitua-
402
16 Wirtschaftspolitik in unterschiedlichen Währungssystemen
tion abzubauen. Die ZZ-Kurve ist in diesem Fall relativ steil. Im Extremfall vollkommen zinsunelastischer Kapitalbewegungen ist die ZZ-Kurve eine Senkrechte. Je größer die Zinsreagibilität des internationalen Kapitalverkehrs ist, umso flacher ist auch die ZZ-Kurve. Der Extremfall ist dann erreicht, wenn die Wirtschaftssubjekte eine inländische und eine ausländische Kapitalanlage als vollkommen substituierbar ansehen und der Zins im kleinen Inland durch den Auslandszins determiniert wird. In diesem Fall liegt vollkommene Kapitalmobilität vor, Ki geht gegen unendlich und die ZZ-Kurve entspricht einer Waagrechten in Höhe des gegebenen ausländischen Zinssatzes. Dies wird umso eher der Fall sein, je ähnlicher sich die beiden Länder sind und je weniger Kapitalverkehrsbeschränkungen zwischen diesen Ländern existieren. Auch diese beiden Extremfälle sind in Abb. 16.2 eingezeichnet. Ki = 0
i
0 < Ki < ∞
Ki → ∞
ZZ
ZZ ZZ
Y
Abb. 16.2:
Außenwirtschaftliches Gleichgewicht
Da die Geldmarktgleichgewichtskurve von der Abhängigkeit der inländischen Geldnachfrage vom Volkseinkommen und vom Inlandszins determiniert wird, diese Größen aber nicht mit der Zinselastizität der internationalen Kapitalbewegungen bzw. mit der Importneigung korreliert sind, ist ohne Kenntnis der konkreten Werte nicht eindeutig festzustellen, ob die LGoder die ZZ-Kurve eine größere Steigung aufweist. Die Lage der ZZ-Kurve ist von den autonomen Größen ausländisches Volkseinkommen, ausländischer Zinssatz sowie vom Wechselkurs und dessen Änderungserwartung abhängig. Eine reale Abwertung der Inlandswährung, ein Anstieg des ausländischen Volkseinkommens, ein Rückgang des ausländischen Zinssatzes sowie eine erwartete Aufwertung der Inlandswährung führen zu einer Rechtsverschiebung der ZZ-Kurve, da in all diesen Fällen am Devisenmarkt ein Überschussangebot entsteht, zu dessen Abbau das inländische Volkseinkommen steigen müsste. Verändern sich die Größen in umgekehrter Richtung, so verschiebt sich die ZZ-Kurve entsprechend nach links. Beispielhaft soll dies wiederum an
16.1 Makroökonomischer Modellrahmen
403
einer Änderung des realen Wechselkurses gezeigt werden. Differenziert man (16.5) nach Y und wR, so folgt: X − Mw dY = w >0 dw R MY
Die ZZ-Kurve verschiebt sich als Folge eines Wechselkursanstiegs – einer realen Abwertung der Inlandswährung – nach rechts, da bei Normalreaktion der Ausdruck (Xw − Mw) positiv ist. Die reale Abwertung der Inlandswährung führt zu einer Verbesserung der Leistungsbilanz und damit zu einem Überschussangebot an Devisen. Bei konstantem Zinssatz muss dieses Überschussangebot durch einen Anstieg des inländischen Volkseinkommens und die damit induzierten Güterimporte wieder abgebaut werden. Man sieht hier auch, dass die Rechtsverschiebung der ZZ-Kurve als Folge der Änderung des realen Wechselkurses (bei gegebenem Zinssatz) größer ist als die der IXSM-Kurve. Für die Verschiebung der IXSM-Kurve ergab sich der gleiche Zähler, der Nenner war jedoch im Ausmaß SY größer. Ökonomisch ist die geringere Verschiebung der IXSM-Kurve als Folge einer Wechselkursänderung darin begründet, dass zum Abbau des Ungleichgewichts am Gütermarkt nicht nur eine Änderung der Importe, sondern auch der Ersparnis beiträgt, so dass sich das Volkseinkommen in geringerem Umfang ändern muss. Mit der ZZ-Kurve ist das hier benutzte Modell einer kleinen offenen Volkswirtschaft komplettiert. Bei flexiblen Wechselkursen ist das Geldangebot exogen gegeben, da sich GZ nicht verändert. Es kann in diesem Fall das Ausmaß der zur Erfüllung aller Gleichgewichtsbedingungen erforderlichen Wechselkursänderung determiniert werden, w ist eine endogene Größe. Da der Wechselkurs die Lage der IXSM- und der ZZ-Kurve bestimmt, erfolgt der Anpassungsprozess durch eine Verschiebung dieser beiden Kurven bei Konstanz der LGKurve. In einem System fester Wechselkurse ist dagegen der Wechselkurs eine exogene Größe, die nur durch politische Entscheidungen geändert werden kann. Von möglichen Bandbreiten in einem System fester Wechselkurse wird aus Vereinfachungsgründen abgesehen. Es besteht jedoch eine Interventionsverpflichtung der Notenbank, die die inländische Geldmenge verändert. In einem solchen System kann die zur Beseitigung des Devisenmarktungleichgewichts erforderliche Geldmengenänderung (dGZ) endogen bestimmt werden, d. h. das erforderliche Ausmaß der Interventionstätigkeit. Die Anpassung an ein neues Gleichgewicht erfolgt in diesem Fall also durch eine Verschiebung der Geldmarktgleichgewichtskurve. Ein Sonderfall im System fester Wechselkurse ist die Neutralisierung des Geldmengeneffekts einer Devisenmarktintervention durch die Notenbank. In einem solchen Fall bleibt das Geldangebot unverändert, da sich die Veränderungen von GZ und GH stets mit umgekehrten Vorzeichen entsprechen. Andererseits kann aber ohne Geldmengenanpassung oder sonstige Maßnahmen das außenwirtschaftliche Ungleichgewicht nicht beseitigt werden. Die Notenbank müsste ständig intervenieren. Das heißt, dass es nicht zu einem Gleichgewicht auf allen drei Märkten kommt, Zinssatz und Volkseinkommen werden allein aus dem Schnittpunkt von IXSM- und LG-Kurve als rein internes Gleichgewicht determiniert. Endogene Größe ist in diesem Fall Z, die das Ausmaß des außenwirtschaftlichen Ungleichgewichts misst. Auf die Problematik, dass ein solcher Zustand auf Dauer nicht aufrechtzuerhalten ist, wurde in den vorhergehenden Kapiteln bereits eingegangen.
404
16 Wirtschaftspolitik in unterschiedlichen Währungssystemen
Mit Hilfe des hier beschriebenen Modellzusammenhangs sollen nun die Auswirkungen verschiedener wirtschaftspolitischer Maßnahmen und exogener Einflüsse diskutiert werden. Dabei wird stets zwischen der Wirkung in einem System fester und einem System flexibler Wechselkurse unterschieden. Die Darstellung erfolgt hier allein graphisch und verbal, die algebraischen Ergebnisse finden sich im Anhang zu diesem Kapitel.
16.2
Geld- und Fiskalpolitik
Um die Wirkung unterschiedlicher Einflüsse bei unterschiedlichen Währungssystemen genauer analysieren zu können, wird in Abschnitt 2 zunächst unterstellt, das gesamtwirtschaftliche Güterangebot sei unendlich preiselastisch, es passt sich also jeder Nachfrageänderung unendlich schnell an. Das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht wird in diesem Fall allein durch die Nachfrageseite bestimmt, in- und ausländische Güterpreise bleiben konstant. Da Keynes in seiner allgemeinen Theorie für den Fall einer unterbeschäftigten Volkswirtschaft diese Annahme gemacht hatte und Mundell sowie Fleming dieses Modell für den Fall einer offenen Volkswirtschaft erweitert haben, spricht man auch von einem Keynesianischen Festpreismodell einer offenen Volkswirtschaft oder vom Mundell-Fleming-Modell. Obwohl es sich beim hier benutzten Modellzusammenhang um eine rein komparativstatische Betrachtung handelt und dynamische Anpassungsprozesse vernachlässigt werden, sollen fiktiv verschiedene Phasen der Anpassung vom alten zum neuen Gleichgewicht unterschieden werden. Zunächst wird die Wirkung allein auf das interne Gleichgewicht untersucht und das dabei auftretende außenwirtschaftliche Ungleichgewicht dargestellt. Erst dann wird, abhängig vom jeweiligen Währungssystem, die Beseitigung des außenwirtschaftlichen Ungleichgewichts und damit der Weg zum neuen Gesamtgleichgewicht diskutiert.
16.2.1
Expansive Fiskalpolitik
Der Fall flexibler Wechselkurse Ausgangspunkt der Betrachtung ist Punkt A in Abb. 16.3, in dem simultan internes und externes Gleichgewicht erfüllt ist. Die Ausgangslage der Gleichgewichtskurven ist durch den Index 0 gekennzeichnet. In Abb. 16.3a ist der Fall einer relativ geringen Zinselastizität der internationalen Kapitalbewegungen eingezeichnet, die ZZ-Kurve ist steiler als die LG-Kurve. Umgekehrt ist es in Abb. 16.3b, wo eine relativ hohe Zinselastizität der internationalen Kapitalbewegungen unterstellt ist. Erhöht der Staat seine Konsumausgaben, so setzt zunächst der bekannte Multiplikatoreffekt ein, der zu einer Erhöhung des Volkseinkommens führt. Die IXSM-Kurve verschiebt sich in beiden Fällen nach rechts zu IXSM1, es entsteht bei noch konstantem Zinssatz eine Überschussnachfrage auf dem Gütermarkt. Durch den verstärkten Transaktionskassenbedarf wird bei konstantem Geldangebot der Zinssatz steigen. Da die Investitionen vom Zinssatz negativ abhängig sind, wird ein crowding-out-Prozess ausgelöst, das Volkseinkommen geht wieder zurück, man bewegt sich auf der nach rechts verschobenen IXSM-Kurve nach links oben. Der neue Schnittpunkt zwischen IXSM- und unveränderter LG-Kurve, das neue interne Gleichgewicht, liegt in Punkt B, wo gegenüber der Ausgangssituation A sowohl der Zinssatz als auch das Volkseinkommen gestiegen ist.
16.2 Geld- und Fiskalpolitik
405
i
i IXSM2
IXSM1
IXSM1
IXSM2
IXSM0
C
B
IXSM0
B
C
A ZZ2 ZZ0
LG0 ZZ0
LG0 ZZ2
Y0
Y1
Y2
Y
Abb. 16.3a Abb. 16.3:
A
Y0
Y2
Y1
Y
Abb. 16.3b
Staatsausgabenerhöhung bei flexiblen Wechselkursen
Die im neuen internen Gleichgewicht existierende außenwirtschaftliche Situation ist von der Lage der ZZ-Kurve abhängig. Punkt B liegt in Abb. 16.3a rechts unterhalb, in Abb. 16.3b links oberhalb der ZZ0-Kurve; es sind also unterschiedliche Fälle zu unterscheiden. Die Ursache hierfür liegt in der entgegengesetzten Wirkung einer Zins- und einer Einkommenserhöhung auf die Devisenmärkte. Ein inländischer Zinsanstieg erhöht c. p. die Attraktivität der Kapitalanlage im Inland, die Nettokapitalimporte und mit ihnen das Angebot an Devisen wird steigen. Andererseits führt das steigende Volkseinkommen zu steigenden Konsumausgaben, damit zu steigenden Güterimporten und auf diesem Weg zu einer steigenden Nachfrage nach Devisen. Je zinselastischer die internationalen Kapitalbewegungen sind – je flacher also die ZZ-Kurve verläuft –, umso stärker ist die Zunahme des Devisenangebots und umso eher wird sich insgesamt ein Überschussangebot am Devisenmarkt einstellen. Dies ist in Abb. 16.3b unterstellt. Ist die ZZ-Kurve dagegen steiler als die LG-Kurve, so dominiert der Effekt der steigenden Güterimporte, und es entsteht insgesamt eine Überschussnachfrage nach Devisen, wie dies in Abb. 16.3a dargestellt ist. Auch die Veränderung des flexiblen Wechselkurses ist von dieser Marktkonstellation abhängig. Bei genügend großer Zinselastizität der internationalen Kapitalbewegungen und dem sich damit ergebenden Überschussangebot an Devisen wird die Inlandswährung aufgewertet. Eine Aufwertung der Inlandswährung hat jedoch eine negative Wirkung auf den Außenbeitrag. Die IXSM- und die ZZ-Kurve verschieben sich in Abb. 16.3b beide nach links zu IXSM2 bzw. ZZ2, so dass der ursprüngliche Volkseinkommensanstieg abgeschwächt wird. Man erreicht Punkt C. Gegenüber der Ausgangssituation A verbleibt jedoch ein positiver Volkseinkommenseffekt (Y2). Dominiert am Devisenmarkt dagegen der Nachfrageeffekt aufgrund der steigenden Güterimporte, d. h. die zinsinduzierten Kapitalimporte reichen nicht aus, um die Verschlechterung der Leistungsbilanz zu finanzieren, so führt dies zu einer Abwertung der Inlandswährung. In diesem Fall kommt über die damit induzierte Verbesserung der Leistungsbilanz ein positiver Volkseinkommenseffekt hinzu. Die IXSM- als auch die ZZ-Kurve verschieben sich durch
406
16 Wirtschaftspolitik in unterschiedlichen Währungssystemen
den Wechselkursanstieg in Abb. 16.3a nach rechts. Das neue Gleichgewicht liegt in Punkt C bei weiter gestiegenen Werten von Zinssatz und Volkseinkommen. In beiden betrachteten Fällen der Abb. 16.3 liegt der neue Gleichgewichtspunkt C auf der unverändert gebliebenen LG-Kurve. Während man sich jedoch im linken Bild durch die Abwertung der Inlandswährung ein weiteres Stück nach rechts bewegt, führt die Aufwertung der Inlandswährung im rechten Bild zu einer Abschwächung des positiven Volkseinkommenseffekts. Fiskalpolitische Maßnahmen haben also bei flexiblen Wechselkursen eine umso geringere Wirkung auf das Volkseinkommen, je stärker die internationalen Kapitalbewegungen auf Änderungen des inländischen Zinssatzes reagieren. IXSM1 i IXSM0 = IXSM2 B
A=C ZZ0
LG0
Y0 = Y2
Abb. 16.4:
Y1
Y
Staatsausgabenerhöhung bei vollkommen zinselastischen Kapitalbewegungen
Sind die internationalen Kapitalbewegungen vollkommen zinselastisch – in- und ausländische Wertpapiere sind vollkommene Substitute, bei der ZZ-Kurve handelt es sich um eine Waagrechte –, so wird sich die Inlandswährung so stark aufwerten, die IXSM-Kurve verschiebt sich wieder so weit nach links, bis das alte Gleichgewicht A erreicht ist. Dies ist in Abb. 16.4 dargestellt. Bei vollkommen zinselastischen internationalen Kapitalbewegungen bleiben fiskalpolitische Maßnahmen eines kleinen Landes bei flexiblen Wechselkursen also wirkungslos. Der Fall fester Wechselkurse Unabhängig vom Wechselkurssystem hat eine expansive Fiskalpolitik zunächst die oben diskutierte expansive Wirkung auf das inländische Volkseinkommen, auch der inländische Zinssatz wird steigen. Die IXSM-Kurve verschiebt sich in Abb. 16.5 nach rechts zu IXSM1. Es kommt, in Abhängigkeit vom Ausmaß der Zinselastizität der internationalen Kapitalbewegungen, entweder zu einem Überschussangebot an Devisen (hohe Zinsreagibilität, Abb. 16.5b) oder zu einer Überschussnachfrage (geringe Zinsreagibilität, Abb. 16.5a).
16.2 Geld- und Fiskalpolitik
407
i
i
IXSM1
IXSM1 IXSM0 IXSM0
C A
B
B
C
LG2 A LG0 ZZ0 ZZ0
LG0 LG2 Y0
Y2 Y1
Y
Abb. 16.5a Abb. 16.5:
Y0
Y1
Y2
Y
Abb. 16.5b
Staatsausgabenerhöhung bei festen Wechselkursen
Ist die Zinselastizität der internationalen Kapitalbewegungen gering, so dominiert der Effekt der sich verschlechternden Leistungsbilanz, es ergibt sich als Folge der expansiven Fiskalpolitik eine Überschussnachfrage am Devisenmarkt. In diesem Fall muss die Notenbank Devisen verkaufen, um die Nachfrage zu befriedigen. Die Inlandsgeldmenge wird sinken, die LG-Kurve in Abb. 16.5a verschiebt sich nach links zu LG2. Der kontraktive Geldmengeneffekt lässt den Zinssatz im Inland weiter steigen und wirkt damit wegen des Rückgangs der zinsinduzierten Investitionen kontraktiv auf das inländische Volkseinkommen. Es ergibt sich das neue Gesamtgleichgewicht C, in dem das Volkseinkommen gegenüber der Ausgangslage noch gestiegen ist. Dies ist solange der Fall, solange die Zinselastizität der internationalen Kapitalbewegung nicht gegen Null geht – die ZZ-Kurve also eine Senkrechte wäre. In diesem Fall müsste allein die Leistungsbilanz die Anpassungslast übernehmen. Der hierzu notwendige Zinsanstieg ist so groß, dass der positive Einkommenseffekt der expansiven Fiskalpolitik durch sinkende zinsinduzierte Investitionen völlig beseitigt wird. Es fände ein vollkommenes crowding out privater Investitionen statt. Ist die Zinselastizität der internationalen Kapitalbewegungen genügend groß, d. h. verläuft die ZZ-Kurve flacher als die LG-Kurve, so ergibt sich ein Überschussangebot am Devisenmarkt. Das Überschussangebot führt wegen der Interventionsverpflichtung zu einem Kauf von Devisen durch die inländische Notenbank, die Inlandsgeldmenge steigt. Dieser Fall ist in Abb. 16.5.b dargestellt. Durch die Geldmengenausweitung verschiebt sich die LG-Kurve nach rechts zu LG2. Die neue Volkseinkommens-Zinssatz-Kombination, bei der sowohl internes als auch externes Gleichgewicht erfüllt ist, liegt in Punkt C. Der Geldmengeneffekt der Devisenmarktintervention führt zu einem weiteren expansiven Effekt auf das inländische Volkseinkommen; der Zinssatz wird dabei tendenziell sinken. Der größte expansive Effekt auf das Volkseinkommen ergibt sich bei vollkommener Zinselastizität der internationalen Kapitalbewegungen, da sich in diesem Fall die LG-Kurve so-
408
16 Wirtschaftspolitik in unterschiedlichen Währungssystemen
lange nach rechts verschieben muss, bis der Inlandszins auf das Niveau des unverändert gebliebenen Auslandzinses gesunken ist. Dies ist in Abb. 16.6 dargestellt. i
IXSM1
IXSM0
B
A
C
ZZ0
LG0
LG2 Y0
Abb. 16.6:
Y1
Y2
Y
Staatsausgabenerhöhung bei vollkommen zinselastischen Kapitalbewegungen
Die Notenbank des betrachteten Landes könnte auch versuchen, die Geldmengeneffekte der jeweiligen Devisenmarktintervention, etwa durch gegengerichtete Offenmarktpolitik mit inländischen Wertpapieren, zu neutralisieren. In diesem Fall würde sich die LG-Kurve nicht verschieben, es bliebe in den jeweiligen Abbildungen bei den Punkten B. Man sieht, dass damit aber kein Ausgleichsmechanismus zur Beseitigung des Devisenmarktungleichgewichts existiert. Die Notenbank müsste ständig intervenieren, was auf Dauer nicht möglich ist. Entweder muss durch andere Maßnahmen das Ungleichgewicht beseitigt oder die Wechselkursparitäten müssen geändert werden. Vergleich der Ergebnisse Die Wirkung einer expansiven Fiskalpolitik bei vollkommen preiselastischem Güterangebot auf das inländische Volkseinkommen hängt vom existierenden Wechselkurssystem und von der Zinselastizität der internationalen Kapitalbewegungen ab. Handelt es sich bei den inländischen und ausländischen Wertpapieren um vollkommene Substitute, d. h. der Inlandszins orientiert sich stets am Auslandszins, so hat die Fiskalpolitik bei festen Wechselkursen ihre größte Wirkung, bei flexiblen Wechselkursen dagegen wäre sie wirkungslos. Verallgemeinert heißt dies, dass die expansive Wirkung fiskalpolitischer Maßnahmen auf das Volkseinkommen bei festen Wechselkursen umso größer (bei flexiblen Wechselkursen umso kleiner) ist, je zinselastischer die internationalen Kapitalbewegungen sind. Die zunehmende Kapitalverkehrsliberalisierung der letzten Jahrzehnte hat zumindest zwischen den großen Industrienationen die Zinselastizität deutlich ansteigen lassen, so dass von einem hohen Wert auszugehen ist. Da gleichzeitig nach dem Zusammenbruch des Währungs-
16.2 Geld- und Fiskalpolitik
409
systems von Bretton Woods die Wechselkurse der wichtigsten Weltwährungen frei schwanken, muss aufgrund der hier abgeleiteten Ergebnisse die Geeignetheit von Fiskalpolitik als Instrument zur Konjunktursteuerung bezweifelt werden. Eine Modifikation dieser Aussage ergibt sich jedoch, wenn man die Auswirkungen der Volkseinkommensänderung auf die Güterpreise berücksichtigt, was in Abschnitt 4 geschieht.
16.2.2
Expansive Geldpolitik
Der Fall flexibler Wechselkurse Da bei der Geldpolitik die Relation der Steigungen von LG- und ZZ-Kurve keine Bedeutung mehr für das Vorzeichen der Ergebnisse hat, soll der Tatsache der in der Realität deutlich gestiegenen Zinselastizität der internationalen Kapitalbewegungen dadurch Rechnung getragen werden, dass in den meisten Fällen nur noch die Situation einer hohen (ZZ-Kurve flacher als die LG-Kurve) oder einer unendlich hohen (ZZ-Kurve waagrecht) Zinselastizität der internationalen Kapitalbewegung unterstellt wird. Erhöht die inländische Notenbank die nominale Geldmenge, etwa durch den Kauf inländischer Wertpapiere (GH steigt), so verschiebt sich die LG-Kurve in Abb. 16.7 nach rechts zu LG1, da bei gegebenem Zinssatz ein höheres Volkseinkommen zur Aufrechterhaltung des Geldmarktgleichgewichts erforderlich wäre. Durch den Anstieg des Geldangebots entsteht ein Überschussangebot am Geldmarkt. Bei zunächst konstantem Volkseinkommen steigt die Nachfrage nach verzinslichen Anlagen, was zu einem Rückgang des Zinssatzes führt. Der Zinsrückgang stimuliert die Investitionstätigkeit, wodurch das Volkseinkommen und mit ihm auch der Transaktionskassenbedarf zunimmt. Neues internes Gleichgewicht liegt in Punkt B, bei dem gegenüber der Ausgangslage der Zinssatz gesunken und das Volkseinkommen gestiegen ist. Punkt B liegt jedoch rechts von der ZZ-Kurve und dies unabhängig von deren Steigung, denn dies gilt auch dann, wenn die ZZ-Kurve steiler wäre als die LGKurve. Der Rückgang des inländischen Zinssatzes erhöht die relative Attraktivität einer Kapitalanlage im Ausland. Die Devisennachfrage wird dadurch steigen. Der gleiche Devisenmarkteffekt ergibt sich aus dem Anstieg des Volkseinkommens, da hierdurch die Importnachfrage und mit ihr die Devisennachfrage steigt. Lediglich das Ausmaß der Überschussnachfrage nach Devisen ist von der Größe der Zinselastizität der internationalen Kapitalbewegungen abhängig. Als Folge des Devisenmarktungleichgewichts wird die Inlandswährung abwerten, was – bei normaler Reaktion – einen weiteren positiven Effekt auf den Außenbeitrag und damit auf das inländische Volkseinkommen hat. Sowohl die IXSM- als auch die ZZ-Kurve verschieben sich in Abb. 16.7a nach rechts zu IXSM2 bzw. ZZ2. Die Abwertung verstärkt damit die expansive Wirkung der Geldpolitik auf das inländische Volkseinkommen. Der Zinssatz bleibt trotz des expansiven Effekts eindeutig unter seinem Ausgangsniveau, die Kapitalbilanz hat sich damit verschlechtert. Bei flexiblen Wechselkursen hat eine expansive Geldpolitik also über zwei Wirkungskanäle eine expansive Wirkung auf das Volkseinkommen. Zum einen stimuliert der induzierte Zinsrückgang die Investitionstätigkeit, zum anderen verbessert die Abwertung der Inlandswährung die Leistungsbilanz und erhöht damit die Auslandsnachfrage.
410
16 Wirtschaftspolitik in unterschiedlichen Währungssystemen
i
i
IXSM2
IXSM2 IXSM0
IXSM0 A C
A
ZZ0 ZZ0
C B
B
ZZ2 LG0
LG0
LG1
LG1 Y0
Y1 Y2
Y
Abb. 16.7a Abb. 16.7:
Y0
Y1
Y2
Y
Abb. 16.7b
Geldmengenerhöhung bei flexiblen Wechselkursen
Sind die internationalen Kapitalbewegungen vollkommen zinselastisch, so ergibt sich der größte expansive Effekt auf das Volkseinkommen. Mit dem inländischen Zinsrückgang wird sofort Kapital exportiert, was den Wechselkurs nach oben treibt. Die Abwertung der Inlandswährung verbessert die Leistungsbilanz und verschiebt bei Konstanz der ZZ-Kurve die IXSM-Kurve in Abb. 16.7b nach rechts zu IXSM2. Da der Zins letztlich in Höhe des konstant gebliebenen Auslandszinses verharrt, muss der Wechselkurs die volle Anpassungslast der expansiven Geldpolitik tragen. Es kann im Vergleich zur Abb. 16.7a kein Leistungsbilanzüberschuss verbleiben, da sich auch die Kapitalbilanz ausgleichen muss. Damit ergibt sich aber eine größere Zunahme des Volkseinkommens, da die Importe stärker steigen müssen, um diesen Ausgleich zu erzielen. Der Fall fester Wechselkurse Bei festen Wechselkursen muss die am Devisenmarkt entstandene Überschussnachfrage durch Interventionen der Notenbank abgebaut werden. Sie verkauft Devisen aus ihrem Bestand, parallel hierzu nimmt die inländische Geldmenge ab. Dies impliziert eine Rücknahme der ursprünglichen Geldmengenerhöhung. In den Abb. 16.8a und 16.8b hat sich durch die Geldmengenerhöhung die LG-Kurve nach rechts zu LG1 verschoben. Durch die interventionsbedingte Geldmengenreduzierung verschiebt sie sich wieder nach links. Eine Neutralisierung des interventionsbedingten Geldmengenrückgangs würde dabei nichts am Devisenmarktungleichgewicht ändern, weshalb ein solcher Versuch nur über kurze Zeit möglich wäre. Sieht man von solchen Versuchen der Neutralisation des Geldmengeneffektes ab, so erfolgen die Interventionen solange, bis das Devisenmarktungleichgewicht beseitigt ist, bis also Gleichgewicht A wieder erreicht ist. Dies gilt auch dann, wenn beide betroffenen Notenbanken zu Interventionen verpflichtet sind und ein Saldenausgleichsmechanismus besteht. Die ausländische Notenbank kauft in diesem Fall die Inlandswährung und gibt diese an die inländische Notenbank weiter, die dafür konvertierbare Währungsreserven aus ihrem
16.2 Geld- und Fiskalpolitik
411
Bestand an die ausländische Notenbank abgibt. Damit resultiert jedoch der gleiche Effekt wie bei einer alleinigen Intervention der inländischen Notenbank. Der Bestand an Währungsreserven bei der inländischen Notenbank nimmt ab, die Inlandsgeldmenge sinkt. Der Versuch, eine expansive Geldpolitik zu betreiben, ist gescheitert. Bei festen Wechselkursen ist eine eigenständige Geldpolitik also nicht durchführbar. i
i
IXSM0 IXSM0 A=C A=C B
ZZ0 B
ZZ0 LG0 = LG 2
LG0 = LG 2 LG1
LG1 Y0 Y1
Y
=Y2
Abb. 16.8a Abb. 16.8:
Y0
Y1
Y
=Y2
Abb. 16.8b
Geldmengenerhöhung bei festen Wechselkursen
Einzige Ausnahme dieses Ergebnisses ist der oben beschriebene Fall einer Leitwährungsnotenbank. Ist die Währung des betrachteten Landes im System fester Wechselkurse die Leitwährung, so werden sich die Notenbanken der anderen Länder der expansiven Geldpolitik der betrachteten Notenbank anschließen. Dadurch würde sich als Folge der Geldpolitik die Zinsrelation zwischen den einzelnen Ländern nicht ändern, es würde kein Ungleichgewicht am Devisenmarkt entstehen und damit auch keine Interventionsnotwendigkeit. Vergleich der Ergebnisse In Kapitel 15 wurde am Beispiel des EWS diskutiert, dass eine eigenständige Geldpolitik in einem System fester Wechselkurse nicht möglich ist, es sei denn, beim betrachteten Land handelt es sich um ein Leitwährungsland. Dieses, in der praktischen Erfahrung dokumentierte Ergebnis zeigt sich auch in der Theorie. Während bei flexiblen Wechselkursen jedes Land Richtung und Ausmaß seiner Geldpolitik selbst bestimmen kann, und der flexible Wechselkurs den Effekt der geldpolitischen Maßnahmen auf das Volkseinkommen noch verstärkt, ist dies bei festen Wechselkursen nicht möglich. Es bestätigt sich, dass die Notenbanken mit dem Mittel der Geldpolitik nur ein Ziel verfolgen können. Entweder es wird ein bestimmtes Wechselkursniveau angestrebt, dann ist das Geldangebot eine endogene Größe, die sich stets an der Situation am Devisenmarkt orientieren muss. Oder aber der Wechselkurs
412
16 Wirtschaftspolitik in unterschiedlichen Währungssystemen
wird dem freien Spiel von Angebot und Nachfrage am Devisenmarkt überlassen, dann ist es der Notenbank auch möglich, das Geldangebot durch eigene Entscheidungen und nach eigener Motivation zu bestimmen. Dieses Ergebnis ist qualitativ auch unabhängig von der Größe der Zinselastizität der internationalen Kapitalbewegungen. Diese hat lediglich Einfluss auf den Umfang der notwendigen Interventionen bzw. auf das Ausmaß der Wechselkursänderung.
16.2.3
Auslandseinflüsse
In einer integrierten Weltwirtschaft haben Veränderungen gesamtwirtschaftlicher Größen eines Landes auch Auswirkungen auf andere Länder. So wird das hier betrachtete kleine Land auch von Veränderungen im Ausland betroffen. Wirkungskanäle sind die zinsabhängigen internationalen Kapitalbewegungen sowie die einkommens- und wechselkursabhängigen Güterströme. Zur Verdeutlichung des Übertragungsmechanismus sollen die Wirkungen eines Rückgangs des ausländischen Zinsniveaus sowie eines Anstiegs des ausländischen Volkseinkommens, jeweils bei festen und bei flexiblen Wechselkursen, diskutiert werden. Der Fall flexibler Wechselkurse Ausländischer Zinsrückgang: Ein exogener Rückgang des ausländischen Zinssatzes führt im Inland c. p. zu steigenden Nettokapitalimporten. Die ZZ-Kurve verschiebt sich in Abb. 16.9a also nach rechts zu ZZ1. Da die steigenden Nettokapitalimporte c. p. das interne Gleichgewicht zunächst nicht beeinflussen, bleibt die Lage der IXSM- und der LG-Kurve unverändert. Am Devisenmarkt ist jedoch durch die Nachfrage nach Anlagemöglichkeiten im Inland ein Überschussangebot an Devisen entstanden. Die Inlandswährung wird deshalb aufwerten, der Wechselkurs sinkt. Dies führt bei der hier unterstellten Normalreaktion zu einer Verschlechterung der inländischen Leistungsbilanz. Hierdurch verschieben sich sowohl die IXSM- als auch die ZZ-Kurve nach links zu IXSM2 bzw. ZZ2. Das neue Gesamtgleichgewicht C liegt in Abb. 16.9a auf der unveränderten Geldmarkt-Gleichgewichtskurve bei einem auch im Inland gesunkenen Zinssatz sowie einem verringerten Volkseinkommen. Der Rückgang des Volkseinkommens ist auf die Aufwertung der Inlandswährung zurückzuführen und kann auch nicht durch den inländischen Zinsrückgang, der allerdings geringer ist als der ausländische, vermieden werden. Sind die internationalen Kapitalbewegungen vollkommen zinselastisch, so verschiebt sich die waagrechte ZZ-Kurve im Ausmaß der ausländischen Zinssenkung nach unten. Das Überschussangebot am Devisenmarkt als Folge der gestiegenen Attraktivität von Kapitalanlagen im Inland führt zu einer Aufwertung der Inlandswährung, durch die sich die IXSM-Kurve nach links verschiebt. Die ZZ-Kurve verändert wegen der vollkommenen Zinselastizität der Kapitalbewegungen ihre Lage als Folge der Aufwertung nicht. Da sich der Inlandszins im gleichen Ausmaß wie der Auslandszins reduziert, muss die Inlandswährung stärker aufwerten, da von den zinselastischen Investitionen kein Anpassungseffekt ausgeht. Damit ergibt sich auch ein stärkerer Rückgang des inländischen Volkseinkommens als Folge des ausländischen Zinsrückgangs. Die IXSM-Kurve verschiebt sich in Abb. 16.9b nach links zu IXSM2, es resultiert das VolkseinkommenY2.
16.2 Geld- und Fiskalpolitik
413
i
i IXSM0 IXSM2 IXSM0 A=B
ZZ2 ZZ1
IXSM2
C
A=B ZZ0
ZZ0
C
ZZ1
LG0
LG0 Y2 Y0
Y
=Y1
Abb. 16.9a Abb. 16.9:
Y2
Y0
Y
=Y1
Abb. 16.9b
Rückgang des Auslandszinses bei flexiblen Wechselkursen
Anstieg des ausländischen Volkseinkommens: Eine Erhöhung des Auslandseinkommens wirkt positiv auf die ausländischen Importe, was eine Steigerung der inländischen Exporte impliziert. Die damit verbundene exogene Verbesserung der Leistungsbilanz verschiebt die IXSM- und die ZZ-Kurve in Abb. 16.10a nach rechts zu IXSM1 bzw. ZZ1, wobei, wie oben diskutiert, die waagrechte Verschiebung der ZZ-Kurve größer ist als die der IXSM-Kurve. Der Anstieg der Exporte erhöht das inländische Volkseinkommen auf Y1 und führt aufgrund des gestiegenen Transaktionskassenbedarfs bei konstantem Geldangebot zu einem Zinsanstieg. Neues internes Gleichgewicht liegt in Punkt B der Abb. 16.10a. Am Devisenmarkt treten drei Effekte auf. Zum Ersten erhöht sich aufgrund des Anstiegs der Exporte das Devisenangebot. Im Zuge der Volkseinkommenserhöhung steigen auch die inländischen Importe, was eine Devisennachfrage impliziert. Da die Importneigung aber kleiner als Eins ist, ist auch die als Folgewirkung auftretende Devisennachfragesteigerung kleiner als die primär auftretende Devisenangebotserhöhung, so dass von der Leistungsbilanz her ein Überschussangebot am Devisenmarkt verbleibt. Als dritter Effekt führt der gestiegene Inlandszins zu einem Anstieg der Nettokapitalimporte, was ebenfalls ein Devisenangebot auslöst. Insgesamt ergibt sich als Folge des ausländischen Volkseinkommensanstiegs damit eindeutig ein Überschussangebot auf dem Devisenmarkt und dies unabhängig von der Größe der Zinselastizität der internationalen Kapitalbewegungen. Bei flexiblen Wechselkursen hat das Überschussangebot am Devisenmarkt eine Aufwertung der Inlandswährung zur Folge, die bei Normalreaktion den Leistungsbilanzsaldo negativ beeinflusst. Damit verschiebt sich die IXSM- und die ZZ-Kurve wieder nach links. Das Devisenmarktgleichgewicht ist erst wieder beim Ausgangspunkt A erreicht. Eine Volkseinkommenserhöhung im Ausland hat also bei flexiblen Wechselkursen keine Auswirkung auf die betrachtete Volkswirtschaft.
414
16 Wirtschaftspolitik in unterschiedlichen Währungssystemen
i
i
IXSM1
IXSM1
IXSM0
IXSM0 B B A=C A=C ZZ0
ZZ0 ZZ1 LG0
LG0 Y0 Y1 =Y2
Y
Y0
Y1
Y
=Y2
Abb. 16.10a
Abb. 16.10b
Abb. 16.10: Anstieg des ausländischen Volkseinkommens bei flexiblen Wechselkursen
Das prinzipiell gleiche Ergebnis folgt im Fall unendlich zinselastischer internationaler Kapitalbewegungen. Infolge der Exportsteigerung verschiebt sich die IXSM-Kurve nach rechts zu IXSM1, es ergibt sich das interne Gleichgewicht B bei höherem Zins und höherem Volkseinkommen. Die damit induzierte Aufwertung der Inlandswährung verlagert die IXSM-Kurve wieder zurück zu IXSM0, und man erreicht das ursprüngliche Gleichgewicht A. Der Fall fester Wechselkurse Ausländischer Zinsrückgang: Ein Rückgang des ausländischen Zinssatzes hat zunächst die gleiche Wirkung wie bei flexiblen Wechselkursen. Die Attraktivität der Auslandsanlage sinkt und die ZZ-Kurve verschiebt sich nach rechts. Bei zunächst unverändertem internem Gleichgewicht ist auf dem Devisenmarkt ein Überschussangebot entstanden, da die Inlandsanlage für die Kapitalanleger rentabler geworden ist. Bei festen Wechselkursen muss die Notenbank das Überschussangebot durch den Ankauf von Devisen beseitigen, die Inlandsgeldmenge steigt. In den Abb. 16.11a und b verschiebt sich die LG-Kurve nach rechts zu LG2. Im neuen Gesamtgleichgewicht C ist das Volkseinkommen gestiegen, der inländische Zinssatz gesunken. Im Gegensatz zum Fall flexibler Wechselkurse führt die erzwungene expansive Geldpolitik im Inland zu einem Anstieg des inländischen Volkseinkommens. Anstieg des ausländischen Volkseinkommens: Auch bei einem Anstieg des ausländischen Volkseinkommens ergeben sich zunächst die gleichen Wirkungen wie bei flexiblen Wechselkursen. Die Verbesserung der Leistungsbilanz infolge gestiegener Exporte verschiebt die IXSM- und die ZZ-Kurve in Abb. 16.12a nach rechts, im Fall vollkommen zinselastischer internationaler Kapitalbewegungen bleibt die waagerechte ZZ-Kurve unverändert, nur die IXSM-Kurve der Abb. 16.12b weist die Rechtsverschiebung auf. Das neue interne Gleichgewicht liegt in Punkt B bei gestiegenem Volkseinkommen und gestie-
16.2 Geld- und Fiskalpolitik
415
i
i
IXSM0
IXSM0 A=B C
A=B ZZ0
ZZ0
C
ZZ1
ZZ1 LG0
LG0 LG2
LG2 Y0
Y
Y2
Y0
=Y1
Y
Y2
=Y1
Abb. 16.11a
Abb. 16.11b
Abb. 16.11: Rückgang des Auslandszinses bei festen Wechselkursen
i
i
IXSM1
IXSM1
IXSM0 IXSM0
B A
B C A
C
ZZ0 ZZ0 ZZ1
LG0
LG0 LG2
LG2 Y0 Y1
Y2
Y
Abb. 16.12a Abb. 16.12: Anstieg des ausländischen Volkseinkommens bei festen Wechselkursen
Y0
Y1 Y2 Abb. 16.12b
Y
416
16 Wirtschaftspolitik in unterschiedlichen Währungssystemen
genem Zinssatz. Es ergibt sich ein Überschussangebot an Devisen. Im hier unterstellten Fall fester Wechselkurse kauft die Notenbank die Devisen auf und erhöht damit die Inlandsgeldmenge. Die LG-Kurve verschiebt sich nach rechts zu LG2 und verstärkt so den expansiven Volkseinkommenseffekt im Inland. Das neue Gleichgewicht liegt in Punkt C bei einem gegenüber B weiter gestiegenen Volkseinkommen und einem niedrigeren Zinssatz. Sind die internationalen Kapitalbewegungen vollkommen zinselastisch, so muss die Anpassung allein über den Leistungsbilanzeffekt erfolgen. Neuer und alter Gleichgewichtspunkt liegt auf der unveränderten ZZ-Kurve. Vergleich der Ergebnisse Sowohl bei festen als auch bei flexiblen Wechselkursen überträgt sich ein ausländischer Zinsrückgang auf das Inland. Der Zinssatz wird, unabhängig vom Wechselkurssystem, auch im Inland sinken, was die geldpolitische Autonomie der inländischen Notenbank einschränkt. Während bei flexiblen Wechselkursen die Inlandswährung dadurch aber aufgewertet wird und hieraus ein negativer Volkseinkommenseffekt resultiert, muss die Notenbank bei festen Wechselkursen interventionsbedingt auch die Geldmenge erhöhen, was einen expansiven Impuls auf das inländische Volkseinkommen auslöst. Die gleichgerichtete Zinsänderung ist also eindeutig, der Volkseinkommenseffekt und das Ausmaß der außenwirtschaftlichen Abhängigkeit der Geldpolitik hängen vom Wechselkurssystem ab. Die Übertragung eines ausländischen Volkseinkommensanstiegs ist dagegen nicht immer gegeben. Bei festen Wechselkursen überträgt sich der Volkseinkommensanstieg im Ausland auf das Inland, da die Notenbank zum Abbau des Devisenmarktungleichgewichts die Inlandsgeldmenge erhöhen muss. Bei flexiblen Wechselkursen dagegen kommt es durch den expansiven Impuls aus dem Ausland zu einer Aufwertung der Inlandswährung, die das außenwirtschaftliche Ungleichgewicht wieder beseitigt. Die Volkseinkommensänderung überträgt sich nicht auf das Inland. Dies bestätigt die These, dass die wirtschaftspolitische Autonomie auch bei hoher Außenhandelsabhängigkeit des Landes in einem System flexibler Wechselkurse eher erhalten bleibt als bei fixierten Paritäten.
16.3
Internationale Rückwirkungen
In der bisherigen Analyse wurden die Wirkungen von Veränderungen inländischer Größen auf das Ausland und von dort eventuell ausgehende Rückwirkungen durch die Annahme eines kleinen Landes vernachlässigt. Berücksichtigt man solche Effekte, so geht man üblicherweise von gleichgerichteten, die Entwicklung im Inland noch verstärkenden Effekten aus. Die Argumentation lautet wie folgt: Ein expansiver Volkseinkommenseffekt im Inland erhöht die inländischen Importe. Die Importe des Inlands sind aber nichts anderes als die Exporte des Auslands, so dass auch das ausländische Volkseinkommen durch den Exportanstieg positiv beeinflusst wird. Steigt aber das ausländische Volkseinkommen, so nehmen auch die ausländischen Importe zu, die aber identisch sind mit den inländischen Exporten. Damit entsteht im Inland ein weiterer positiver Effekt auf das Volkseinkommen, der diesem grenzüberschreitenden Expansionseffekt einen erneuten Impuls verleiht. Die einzelnen Effekte werden jedoch von Runde zu Runde kleiner, da sich immer nur ein Teil der Volkseinkommensänderung auf die Importe überträgt.
Y ↑→ M ↑= X ∗ ↑→ Y ∗ ↑→ M ∗ ↑= X ↑→ Y ↑→ M ↑= X ∗ ↑→ Y ∗ ↑ ...
16.3 Internationale Rückwirkungen
417
Aufgrund dieses Zusammenhangs wird in Zeiten einer weltweit schwachen Konjunktursituation oft von den wirtschaftlich führenden Ländern eine Vorreiterrolle gefordert. Sie sollen eine Lokomotivfunktion einnehmen und durch einen expansiven Primärimpuls auch die Konjunktur in anderen Ländern positiv beeinflussen. Bei einer genaueren Analyse zeigt sich jedoch, dass dieser Zusammenhang nicht immer zutrifft. Dies soll beispielhaft für eine expansive Fiskalpolitik bei festen Wechselkursen, eine expansive Fiskalpolitik bei flexiblen Wechselkursen und eine expansive Geldpolitik bei flexiblen Wechselkursen dargestellt werden. Trotz der weiterhin benutzten komparativstatischen Betrachtungsweise werden auch hier die auftretenden Effekte in drei fiktiv hintereinander ablaufende Stufen zerlegt. Stufe eins ist die primäre exogene Veränderung. Stufe zwei beschreibt das sich einstellende neue inländische Gleichgewicht, ohne Berücksichtigung von Rückwirkungen, und Stufe drei bringt die Modifikationen des Ergebnisses durch die internationalen Rückwirkungen zum Ausdruck. Wegen des Zwei-Länder Zusammenhangs werden im Ausland lediglich der Güter- und der Geldmarkt berücksichtigt, da die Zahlungsbilanzsituation stets mit umgekehrtem Vorzeichen der des Inlands entspricht. Zur Veranschaulichung sei die Währung des Inlands der Euro, die des Auslands der Dollar.
16.3.1
Expansive Fiskalpolitik
Der Fall fester Wechselkurse In Abb. 16.13a verschiebt sich aufgrund der expansiven inländischen Fiskalpolitik die IXSM-Kurve nach rechts zu IXSM1. Geht man realistischerweise von einer relativ hohen Zinselastizität der internationalen Kapitalbewegungen aus, so führt der Anstieg des inländischen Zinssatzes zu einem Überschussangebot an Dollar. Die inländische Notenbank kauft wegen des vereinbarten Festkurssystems die überschüssigen Dollar auf, die inländische Geldmenge steigt, und die LG-Kurve verschiebt sich nach rechts zu LG2. Es ergibt sich damit das oben diskutierte neue Gleichgewicht C. Ist dagegen durch vertragliche Vereinbarungen auch die ausländische Notenbank zu Interventionen verpflichtet, so muss sie Euro verkaufen, um das Überschussangebot an Dollar vom Markt zu nehmen, die Dollargeldmenge sinkt. Sind keine Saldenausgleichsvereinbarungen getroffen und kann die ausländische Notenbank den Geldmengeneffekt der Devisenmarktintervention – zumindest längerfristig – nicht sterilisieren, so verschiebt sich die ausländische LG*-Kurve nach links. Dies ist in Abb. 16.13b dargestellt. Durch die steigenden inländischen Importe, d. h. durch die Exportexpansion im Ausland, wird sich die IXSM*-Kurve nach rechts verschieben. Beide Verschiebungen bewirken einen Anstieg des ausländischen Zinssatzes, durch den zinsinduzierte Investitionen verdrängt werden. Als Gesamteffekt im Ausland ist der Fall möglich – aber nicht notwendig – dass die externen Einflüsse in ihrer Summe zu einem Rückgang des ausländischen Volkseinkommens führen, wie dies in Abb. 16.13b dargestellt ist. Das neue Gleichgewicht B liegt links vom alten Gleichgewicht A. Damit wären aber auch die Rückwirkungen auf das Inland negativ. Infolge sinkender ausländischer Importe und damit inländischer Exporte würden sich die inländische IXSM- und die ZZ-Kurve nach links verschieben. Der Zinsanstieg im Ausland hat aus Sicht des Inlands außerdem Kapitalexporte zur Folge, die ebenfalls zu einer Linksverschiebung der ZZ-Kurve führen. Neue Lage der IXSM- und ZZ-Kurve ist IXSM3 bzw. ZZ3. Wenn auch die ausländische Notenbank am Devisenmarkt interveniert, fallen die notwendigen Interventionen der
418
16 Wirtschaftspolitik in unterschiedlichen Währungssystemen
inländischen Notenbank geringer aus, die inländische Geldmenge wird also in geringerem Umfange steigen. Damit verschiebt sich die LG-Kurve nicht nach LG2, sondern nur nach LG3. Neues Gleichgewicht ist in Punkt D erreicht, d. h. gegenüber dem Fall ohne internationale Rückwirkungen ergibt sich ein geringeres Volkseinkommen. IXSM1
i
i*
IXSM3 IXSM0
IXSM0* B
C
A
B
ZZ3
D
ZZ0 A
LG1*
LG0
LG0*
LG3 LG2 Y0
Abb. 16.13a
Y3
Y2
Y1* Y0*
Y
Y*
Abb. 16.13b
Abb. 16.13: Negative internationale Rückwirkungen bei expansiver Fiskalpolitik
Wäre die LG-Kurve des Inlands flacher als die ZZ-Kurve, die Zinselastizität des internationalen Kapitalverkehrs wäre also relativ gering, so würde sich auf dem Devisenmarkt insgesamt eine Überschussnachfrage nach Dollar ergeben. Die ausländische Notenbank müsste in diesem Fall Euro ankaufen, die LG*-Kurve verschiebt sich damit, wie auch die IXSM*Kurve, nach rechts, und es ergäbe sich eindeutig ein positiver Übertragungsmechanismus. Bei einer hohen Zinselastizität der internationalen Kapitalbewegungen kann jedoch in einem System fester Wechselkurse nicht ausgeschlossen werden, dass die expansive Fiskalpolitik eines großen Landes die konjunkturelle Entwicklung anderer Länder über einen zinsinduzierten Kapitalsog negativ beeinflusst und sich damit die erhoffte Lokomotivfunktion umkehrt. Der Fall flexibler Wechselkurse Bei flexiblen Wechselkursen hat eine expansive Fiskalpolitik ohne Berücksichtigung internationaler Rückwirkungen einen eindeutig positiven Volkseinkommenseffekt im betrachteten Land, wenn die Zinselastizität der internationalen Kapitalbewegungen relativ gering ist. Mit zunehmender Zinselastizität nehmen jedoch das Überschussangebot am Devisenmarkt und damit die erforderliche Aufwertung der Inlandswährung zu. Die Aufwertung wirkt aber negativ auf das inländische Volkseinkommen. Das Ergebnis dieser Effekte ist in Abb. 16.14a durch Punkt C dargestellt, es entspricht dem Gesamtergebnis der Abb. 16.3b.
16.3 Internationale Rückwirkungen
419
i
i* IXSM1 IXSM3
IXSM1*
IXSM2
IXSM0*
IXSM0
B B D C A
ZZ3 A
ZZ2 ZZ0
LG0
LG0* Y
Abb. 16.14a
Y*
Abb. 16.14b
Abb. 16.14: Positive internationale Rückwirkungen bei expansiver Fiskalpolitik
Auch dieses Ergebnis wird modifiziert, wenn man internationale Rückwirkungen berücksichtigt. Da die Aufwertung der Inlandswährung eine Abwertung der Auslandswährung impliziert, wird dort ein leistungsbilanzbedingter expansiver Volkseinkommenseffekt ausgelöst. Die IXSM*-Kurve in Abb. 16.14b verschiebt sich nach rechts. Die Volkseinkommenserhöhung im Ausland löst steigende Importe und damit auch eine Zunahme der Exporte im Inland aus, die IXSM- und die ZZ-Kurve verschieben sich dadurch nach rechts. Durch den ausländischen Zinsanstieg werden aus Sicht des Inlands Kapitalexporte ausgelöst, die eine Verschiebung der ZZ-Kurve des Inlands nach links zur Folge haben. Damit ergibt sich im Inland ein zusätzlicher positiver Effekt auf das Volkseinkommen, der neue Gleichgewichtspunkt liegt in Punkt D. Die ZZ-Kurve hat sich durch die Rückwirkungen insgesamt nach links zu ZZ3 verschoben, die IXSM-Kurve nach rechts zu IXSM3. In beiden Ländern sind das Zinsniveau und das Volkseinkommen gestiegen.
16.3.2
Expansive Geldpolitik
Der Fall flexibler Wechselkurse Eine expansive Geldpolitik führt im Inland zu einem sinkenden Zinssatz, steigenden Investitionen und damit auch zu einer Erhöhung des Volkseinkommens. In Abb. 16.15a ergibt sich Punkt B. Dies induziert eine Überschussnachfrage am Devisenmarkt und führt zu einer Abwertung der Inlandswährung, die die expansive Wirkung der Geldpolitik auf das inländische Volkseinkommen noch verstärkt, man erreicht durch die Rechtsverschiebung von IXSM- und ZZ-Kurve den Punkt C. Dies entspricht dem Gesamtergebnis der Abb. 16.7a.
420
16 Wirtschaftspolitik in unterschiedlichen Währungssystemen
Die Abwertung der Inlandswährung wird im Ausland aber einen aufwertungsbedingten Rückgang des Volkseinkommens, verbunden mit einer Zinssenkung, zur Folge haben. Die IXSM*-Kurve verschiebt sich nach links. Der Rückgang des ausländischen Volkseinkommens impliziert für das Inland sinkende Exporte, was die IXSM- und die ZZ-Kurve nach links verschiebt. Dabei wird die Linksverschiebung der ZZ-Kurve allerdings durch den Rückgang des ausländischen Zinssatzes in eine Rechtsverschiebung umgewandelt, da dies aus Sicht des Inlandes Nettokapitalimporte auslöst. Man erreicht Punkt D in Abb. 16.15a als Schnittpunkt von IXSM3, ZZ3 und LG1. Insgesamt bleibt es durch die expansive Geldpolitik bei einem positiven Volkseinkommenseffekt im Inland, der jedoch durch die Berücksichtigung internationaler Rückwirkungen abgeschwächt wird. i
i*
LG0
IXSM0* LG1
IXSM2 IXSM3
IXSM1* IXSM0
ZZ0 ZZ2 A
C
ZZ3
D B LG0* Y0
Abb. 16.15a
Y3 Y2
Y1* Y0*
Y
Y*
Abb. 16.15b
Abb. 16.15: Negative internationale Rückwirkungen bei expansiver Geldpolitik
16.4
Geld- und Fiskalpolitik bei flexiblen Güterpreisen
Die in Abschnitt 2 dargestellten Resultate fiskal- und geldpolitischer Maßnahmen sowie exogener Auslandseinflüsse einer kleinen offenen Volkswirtschaft galten unter der Annahme eines vollkommen preiselastischen Güterangebots. Die abgeleiteten Gleichgewichtslösungen waren also rein nachfragebestimmt, das Angebot passte sich der Nachfrage ohne Preisänderung an. Diese restriktive Annahme soll in diesem Abschnitt aufgegeben werden. Es werden Veränderungen des inländischen Preisniveaus zugelassen, das zumindest teilweise durch Angebot und Nachfrage auf dem inländischen Gütermarkt determiniert wird. Hierzu ist es erforderlich, zunächst die gesamtwirtschaftliche Nachfragefunktion und die gesamtwirtschaftliche Angebotsfunktion zu bestimmen.
16.4 Geld- und Fiskalpolitik bei flexiblen Güterpreisen
16.4.1
421
Erweiterung der Modellstruktur
Gesamtwirtschaftliche Nachfragekurve Die gesamtwirtschaftliche Güternachfrage und das Geldmarktgleichgewicht sind vom inländischen Preisniveau abhängig. Damit kann man eine gesamtwirtschaftliche Nachfragekurve ableiten die in Abb. 16.16 dargestellt ist. i IXSM0 IXSM1
LG1 LG0
i1 i0
Y p
p1 p0 N
YN1
YN0
YN
Abb. 16.16: Gesamtwirtschaftliche Nachfragekurve
Steigt das Inlandspreisniveau in Abb. 16.16 von p0 auf p1, so sinkt das reale Geldangebot. Die LG-Kurve verschiebt sich nach links zu LG1, da das reale Volkseinkommen sinken müsste, um die reale Geldnachfrage mit dem gesunkenen Geldangebot in Übereinstimmung zu bringen. Zum Zweiten wird bei Konstanz des Auslandspreisniveaus und des nominalen Wechselkurses der reale Wechselkurs sinken, was eine Verschlechterung der Leistungsbilanz zur Folge hat. Die IXSM-Kurve verschiebt sich daher ebenfalls nach links zu IXSM1. Die Nachfrage nach Inlandsprodukten sinkt also sowohl durch die Geldverknappung (zinselastische Investitionen werden verdrängt) als auch durch die reale Aufwertung der Inlandswährung (die Auslandsnachfrage sinkt). Damit ergibt sich eine negativ verlaufende Nachfragefunktion, die im unteren Teil der Abb. 16.16 dargestellt ist. Diese Kurve verläuft flacher als in einer geschlossenen Volkswirtschaft, da in der offenen Volkswirtschaft der aufwertungsbedingte Nachfrageeffekt hinzutritt. Ihre Lage ist von allen Größen abhängig, die Einfluss auf die IXSM- und die LG-Kurve haben, u. a. also auch vom nominalen Wechselkurs sowie von den ausländischen Größen.
422
16 Wirtschaftspolitik in unterschiedlichen Währungssystemen
Zum besseren Verständnis der folgenden Ergebnisse ist festzuhalten, dass die gesamtwirtschaftliche Nachfrage bei einem Anstieg des realen Wechselkurses, also einer realen Abwertung der Inlandswährung, steigt. Gesamtwirtschaftliches Güterangebot Das gesamtwirtschaftliche Güterangebot wird durch die gesamtwirtschaftliche Produktionsfunktion bestimmt.
Y a = F (K , A)
(16.6)
Der gesamtwirtschaftliche Kapitalstock (K) wird für den betrachteten Zeitraum als konstant unterstellt. Das gesamtwirtschaftliche Beschäftigungsniveau (A) ergibt sich durch Gleichgewicht am Arbeitsmarkt. Sowohl das Arbeitsangebot der Haushalte als auch die Arbeitsnachfrage der Unternehmen seien vom Reallohn abhängig. Die Unternehmen werden bei sinkendem Reallohn gemäß der bekannten Grenzproduktivitätsentlohnung mehr Arbeitskräfte nachfragen, für die Haushalte sei unterstellt, dass sie bei steigendem Reallohn ihr Angebot an Arbeit ausweiten. Es besteht jedoch ein wesentlicher Unterschied zwischen den beiden Seiten des Arbeitsmarktes. Der für die Unternehmen relevante Reallohn ergibt sich aus ihrer Gewinnmaximierungsstrategie und entspricht dem Verhältnis zwischen Nominallohn (ℓ) und dem bisher benutzten Inlandspreisniveau. Damit gilt: ⎛A⎞ A N = A N ⎜⎜ ⎟⎟ ⎝ p⎠
mit
dA N 0
(16.8)
Der Konsumentenreallohn steigt also nur bei konstantem realem Wechselkurs im gleichen Ausmaß wie der Produzentenreallohn. Erhöht sich dagegen der reale Wechselkurs, etwa aufgrund einer nominalen Abwertung der Inlandswährung, so sinken aufgrund der Verteuerung der Importgüter der Konsumentenreallohn und damit auch das Arbeitsangebot der privaten Haushalte. Im linken oberen Teil der Abb. 16.17 sind das Arbeitsangebot und die Arbeitsnachfrage in Abhängigkeit vom Produzentenreallohn dargestellt. Ausgangspunkt ist G. Steigen nun c. p. die Inlandspreise, so sinkt der Produzentenreallohn auf (ℓ/p)2. Die Arbeitsnachfrage wird damit steigen, das Arbeitsangebot sinkt, man bewegt
16.4 Geld- und Fiskalpolitik bei flexiblen Güterpreisen
423
sich auf den beiden Kurven nach unten, und es entsteht eine Überschussnachfrage nach Arbeit in Höhe von BC. In einer geschlossenen Volkswirtschaft würde nun der Nominallohn und mit ihm der Reallohn so weit steigen, bis das alte Gleichgewicht G wieder erreicht wäre, das Arbeitsvolumen bliebe konstant. Mit dem Anstieg des Inlandspreisniveaus sinkt jetzt aber auch der reale Wechselkurs, die Inlandswährung wird real aufgewertet. Dies impliziert eine Rechtsverschiebung der Arbeitsangebotskurve. Die konstanten Preise der Importgüter dämpfen den negativen Effekt der Reallohnsenkung für die privaten Haushalte, der Konsumentenreallohn sinkt weniger als der Produzentenreallohn. Damit ist der Nominallohnanstieg, der zur Wiederherstellung des Arbeitsmarktgleichgewichts erforderlich ist, geringer als in einer geschlossenen Volkswirtschaft. Es ergeben sich im neuen Gleichgewicht D ein gegenüber der Ausgangslage geringerer Produzentenreallohn (ℓ/p)1 und damit ein steigendes Arbeitsvolumen als Folge des Anstiegs des Inlandspreisniveaus. ℓ
(ℓ/p) AN AA0 AA1 G
(ℓ/p)0
(ℓ/p)2
D
ℓ0
D
(ℓ/p)1
ℓ2 ℓ1 ℓ3
B
C
G
AA1 AA0
AN1 AN
A0
A
A1
A0 A1
0
A
p
p1 p0
Y0
Y1
YA
Abb. 16.17: Gesamtwirtschaftliche Angebotskurve
Noch deutlicher wird dieser Effekt im rechten oberen Teil von Abb. 16.17, wo die Arbeitsmarktzusammenhänge in einem Nominallohndiagramm dargestellt sind. Durch die Erhöhung des Inlandspreisniveaus sinkt der Reallohn, was sowohl die Arbeitsangebots- als auch die Arbeitsnachfragekurve nach oben verschiebt. Der Nominallohn, der die Arbeitsnachfrage konstant halten würde, wäre ℓ2, d. h. die Arbeitsnachfragekurve verschiebt sich so weit nach oben, bis das bisherige Arbeitsvolumen A0 einem Nominallohn von ℓ2 entspricht. Da aber die Importpreise konstant bleiben, macht sich die Inlandspreiserhöhung für die Konsumenten nicht so stark bemerkbar, der Nominallohn müsste also nur bis ℓ3 steigen, um den Konsumentenreallohn und damit das Arbeitsangebot konstant zu halten. Damit ergibt sich ein neues Arbeitsmarktgleichgewicht in Punkt D bei einem Nominallohn in Höhe von ℓ1 und einem
424
16 Wirtschaftspolitik in unterschiedlichen Währungssystemen
Arbeitsvolumen von A1. Für die Konsumenten ist der Reallohn also gestiegen, da der gleichgewichtige Nominallohn ℓ1 über ℓ3 liegt, also über dem Nominallohn, der den Konsumentenreallohn konstant gehalten hätte. Dagegen ist der Produzentenreallohn gesunken, da der neue gleichgewichtige Nominallohn ℓ1 unter ℓ2 liegt, also unter dem Nominallohn, der den Produzentenreallohn konstant gehalten hätte. Beides, der Rückgang des Produzentenreallohns und der Anstieg des Konsumentenreallohns, ist aber notwendig, um das gleichgewichtige Arbeitsvolumen zu erhöhen Aufgrund dieser Zusammenhänge ist das gesamtwirtschaftliche Güterangebot vom Inlandspreisniveau positiv abhängig, obwohl hier flexible Nominallöhne unterstellt werden und obwohl die Arbeitsnachfrage der privaten Haushalte vom Reallohn abhängig ist. Dies ist im unteren Teil der Abb. 16.17 dargestellt. Würde jedoch als Folge des gestiegenen Arbeitsvolumens die Inlandswährung nominal abwerten, so würde c. p. auch der reale Wechselkurs steigen, und das Arbeitsangebot und damit das Güterangebot würden wieder sinken. Ursache sind in diesem Fall die gestiegenen Ausgaben der Konsumenten für die importierten Güter, was ihren Reallohn senkt. Umgekehrt würde eine nominale Aufwertung der Inlandswährung das Arbeitsvolumen und damit das gesamtwirtschaftliche Güterangebot erhöhen. Da die Konsumenten weniger für die importierten Güter zahlen müssen, steigen ihr Reallohn und damit auch ihre Arbeitsbereitschaft. Das gesamtwirtschaftliche Güterangebot ist also vom realen Wechselkurs abhängig, der bei festen Wechselkursen durch das endogene inländische Preisniveau, bei flexiblen Wechselkursen durch Preisniveau und nominalen Wechselkurs bestimmt wird. Eine reale Aufwertung der Inlandswährung erhöht das Güterangebot, eine reale Abwertung führt zu einem Rückgang des Güterangebots. Es handelt sich dabei um die genau entgegengesetzte Reaktion wie die der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage bei einer Änderung des realen Wechselkurses. Um die Darstellung zu vereinfachen, wird im Folgenden ausschließlich der Fall einer vollkommenen Zinselastizität der internationalen Kapitalbewegungen unterstellt. Damit kann auch die Möglichkeit einer Sterilisierung der Geldmengeneffekte von Devisenmarktinterventionen außer Acht gelassen werden, da dies aufgrund der Reagibilität der Kapitalbewegungen auf Zinsänderungen nicht möglich wäre. Es zeigt sich, dass durch die Flexibilisierung des Preisniveaus zum Teil deutliche Modifikationen der bisherigen Ergebnisse auftreten.
16.4.2
Expansive Fiskalpolitik
Der Fall flexibler Wechselkurse Bei konstantem Güterpreisniveau und vollkommen zinselastischen internationalen Kapitalbewegungen führte eine expansive Fiskalpolitik zu Zinssteigerungstendenzen, die eine Aufwertung der Inlandswährung auslösten. Diese Aufwertung führte zu einer Verdrängung der Auslandsnachfrage genau in dem Umfang, in dem die Ausgaben des Staates gestiegen waren, so dass das reale Volkseinkommen unverändert blieb. Es fand ein vollständiger wechselkursinduzierter crowding-out-Effekt statt. Dieses Ergebnis wurde in Abb. 16.4 dargestellt. Bei festen Wechselkursen ist in einem Nicht-Leitwährungsland die Fiskalpolitik dagegen wirksam, da die Notenbank durch die Verpflichtung zum Ankauf der Fremdwährung zu einer expansiven Geldpolitik gezwungen wird und die Nachfrage damit monetär alimentiert. Auch bei flexiblen Güterpreisen hat die expansive Fiskalpolitik zunächst einen positiven Impuls auf das Volkseinkommen, in Abb. 16.18 verschiebt sich die IXSM-Kurve nach rechts
16.4 Geld- und Fiskalpolitik bei flexiblen Güterpreisen
425
zu IXSM1 und mit ihr die gesamtwirtschaftliche Nachfragekurve in der unteren Graphik ebenfalls nach rechts zu N1 Bei konstantem Preisniveau und unverändertem Wechselkurs würde man das Volkseinkommen Y1 erreichen. Die durch die zinsinduzierten Kapitalimporte verursachte Aufwertung der Inlandswährung verschiebt jedoch beide Kurven wieder nach links. Die nominelle Aufwertung der Inlandswährung hat aber c. p. auch einen Rückgang des realen Wechselkurses zur Folge. Dies führt zu einer Erhöhung des gesamtwirtschaftlichen Güterangebots, da die wechselkursbedingte Verbilligung der Güterimporte das Konsumentenpreisniveau reduziert und den Konsumentenreallohn damit erhöht. Die Güterangebotskurve verschiebt sich nach rechts zu A2. Aufgrund dieses Angebotseffekts verschiebt sich die gesamtwirtschaftliche Nachfragekurve nicht zurück in ihre Ausgangslage, sondern nur bis N2, das neue Gleichgewicht liegt in D bei einem Volkseinkommen von Y2. Es verbleibt damit ein positiver Effekt auf das reale Volkseinkommen bei gesunkenem Güterpreisniveau. Dies impliziert, dass auch die IXSM-Kurve sich nicht wieder – wie in Abschnitt 2 – zurück zu IXSM0, sondern nur bis IXSM2 verschiebt. Das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht wird letztlich durch eine Rechtsverschiebung der LG-Kurve zu LG2 erreicht, da der Rückgang des inländischen Preisniveaus einen Anstieg der realen Geldmenge impliziert. i
IXSM1
IXSM2
B
IXSM0
A
D
ZZ0
LG0 LG2 Y
p
A D A0 N1 N2
A2
N0 Y0
Y2
Y1
Y
Abb. 16.18: Expansive Fiskalpolitik bei flexiblem Preisniveau – flexible Wechselkurse
Durch den aufwertungsbedingten positiven Angebotseffekt findet bei flexiblen Güterpreisen kein vollständiges, sondern nur ein teilweises wechselkursbedingtes crowding out statt, so
426
16 Wirtschaftspolitik in unterschiedlichen Währungssystemen
dass Fiskalpolitik im Gegensatz zum Fall konstanter Güterpreise auch bei flexiblen Wechselkursen und vollkommen zinselastischen internationalen Kapitalbewegungen nicht völlig ohne Wirkung auf das Volkseinkommen bleibt. Der reale Wechselkurs ist im neuen Gleichgewicht, ebenso wie das Güterpreisniveau, gesunken. Dieses Ergebnis zeigt auch, dass eine kontraktive Fiskalpolitik bei flexiblen Wechselkursen kein geeignetes Instrument zur Inflationsbekämpfung ist. Eine aus diesen Gründen durchgeführte Ausgabensenkung des Staates würde zu kontraproduktiven Ergebnissen führen. Nicht nur das Volkseinkommen würde sinken, bedingt durch die damit einhergehende Abwertung der Inlandswährung würden die Preise der Importgüter und damit auch das inländische Preisniveau steigen. Der Fall fester Wechselkurse Auch bei festen Wechselkursen hat die expansive Fiskalpolitik zunächst eine Rechtsverschiebung der IXSM-Kurve zu IXSM1 und damit eine Nachfrageexpansion zur Folge. Das sich jetzt ergebende zinsinduzierte Überschussangebot am Devisenmarkt muss wegen der Konstanz der Wechselkurse von der Notenbank aufgekauft werden, und die inländische Geldmenge steigt. Die LG-Kurve in Abb. 16.19 verschiebt sich nach rechts zu LG1, die Nachfrageexpansion wird also monetär zugelassen. Man erreicht das Volkseinkommen Y1 in Punkt C. In diesem Umfang verschiebt sich bei noch konstanten Güterpreisen auch die gesamtwirtschaftliche Nachfragefunktion nach rechts. IXSM1
i
IXSM2 IXSM0 B A
ZZ0
LG0
LG2
D
C
LG1 Y
p D
A N1 N0
Y0
Y2
Y1
Y
Abb. 16.19: Expansive Fiskalpolitik bei flexiblem Preisniveau – feste Wechselkurse
16.4 Geld- und Fiskalpolitik bei flexiblen Güterpreisen
427
Da sich die Güterangebotsfunktion bei unverändertem nominalen Wechselkurs und unverändertem ausländischen Preisniveau nicht verschiebt, ergibt sich eine Überschussnachfrage am Gütermarkt und damit eine Erhöhung des Inlandspreisniveaus. Die inländische Preissteigerung führt zu einem Angebotsanstieg, man bewegt sich auf der Güterangebotskurve A0 nach rechts oben zum neuen Gleichgewichtspunkt D. Grund der Angebotserhöhung ist die reale Aufwertung der Inlandswährung, also der Rückgang des realen Wechselkurses. Da die Importpreise konstant bleiben, steigt das Konsumentenpreisniveau weniger als das Produzentenpreisniveau. Damit sinkt der Produzentenreallohn, während gleichzeitig der Konsumentenreallohn steigt und damit resultiert ein höheres gleichgewichtiges Arbeitsvolumen. Die inländische Preissteigerung führt auch zu einem negativen Nachfrageeffekt, man bewegt sich auf der nach rechts verschobenen Nachfragekurve N1 nach links. Im oberen Teil der Abb. 16.19 macht sich der Anstieg des Inlandspreisniveaus in einer Linksverschiebung der LG-Kurve zu LG2 bemerkbar, da die reale Geldmenge durch die Preissteigerung sinkt. Auch die IXSM-Kurve verschiebt sich aufgrund des Rückgangs des realen Wechselkurses und der damit induzierten Verschlechterung der Leistungsbilanz nach links zu IXSM2. Auch hier ergibt sich das neue Gleichgewicht D bei einem gegenüber der Ausgangslage gestiegenem Volkseinkommen. Dieser expansive Volkseinkommenseffekt ist jedoch geringer als bei konstantem Preisniveau.21 Vergleich der Ergebnisse Während bei konstanten Güterpreisen im Falle vollkommen zinselastischer Kapitalbewegungen ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Wirkung fiskalpolitischer Maßnahmen und dem herrschenden Wechselkurssystem möglich war – Wirkung bei festen Wechselkursen, wirkungslos bei flexiblen Wechselkursen –, werden bei flexiblen Güterpreisen beide Ergebnisse modifiziert. Bei festen Wechselkursen bleibt expansive Fiskalpolitik zwar wirksam, durch die Güterpreissteigerung fällt die Volkseinkommenserhöhung jedoch geringer aus. Im Gegensatz zur geschlossenen Volkswirtschaft dämpfen dabei die konstant gebliebenen Preise der importierten Güter den auftretenden Preiseffekt, so dass der reale Wechselkurs sinkt und eine Angebotsausweitung ermöglicht. Das prinzipiell gleiche Ergebnis erfolgt auch bei flexiblen Wechselkursen, wo durch die flexiblen Güterpreise ein positiver Volkseinkommenseffekt erst ermöglicht wird. Ein wesentlicher Unterschied ergibt sich jedoch hinsichtlich des Preiseffekts einer expansiven Fiskalpolitik. Bei festen Wechselkursen geht die Volkseinkommenserhöhung mit einer Erhöhung des inländischen Güterpreisniveaus einhergeht, bei flexiblen Wechselkursen ist die Volkseinkommenserhöhung mit einem Rückgang des inländischen Preisniveaus verbunden.
16.4.3
Expansive Geldpolitik
Der Fall flexibler Wechselkurse Während bei festen Wechselkursen geldpolitische Maßnahmen stets wirkungslos bleiben, erreichen sie bei flexiblen Wechselkursen und konstanten Güterpreisen ihren größten Ein21
In einer geschlossenen Volkswirtschaft würde bei flexiblen Güterpreisen und Nominallöhnen das Volkseinkommen letztlich unverändert bleiben. Grundlage des im Gegensatz hierzu verbleibenden expansiven Effekts auf das Volkseinkommen ist der nur unvollständige preisbedingte crowding-out-Effekt, da die konstanten Importpreise dämpfend auf den Anstieg des Konsumentenpreisniveaus wirken
428
16 Wirtschaftspolitik in unterschiedlichen Währungssystemen
fluss auf das Volkseinkommen, wenn die internationalen Kapitalbewegungen vollkommen zinselastisch sind. Im oberen Teil der Abb. 16.20 verschiebt sich die LG-Kurve infolge der Geldmengenausweitung nach rechts zu LG1. Die damit induzierte Abwertung der Inlandswährung löst einen expansiven Impuls auf die Leistungsbilanz aus, der die IXSM-Kurve nach rechts zu IXSM1 verschiebt. Die Gesamtnachfrage ist im Gleichgewichtspunkt C von Y0 auf Y1 gestiegen. Dies drückt sich auch in einer Verschiebung der Nachfragekurve im unteren Bild – bei konstantem Preisniveau im Ausmaß Y0Y1 – nach rechts zu N1 aus. Durch die Abwertung der Inlandswährung steigt c. p. auch der reale Wechselkurs, was einen kontraktiven Angebotseffekt auf dem Gütermarkt zur Folge hat. Grund ist der Rückgang des Konsumentenreallohns, da die Abwertung die importierten Güter verteuert und das Konsumentenpreisniveau damit erhöht. Die Güterangebotskurve im unteren Teil der Abb. 16.20 verschiebt sich also nach links zu A1. Sowohl der Rückgang des Güterangebots als auch der Anstieg der gesamtwirtschaftlichen Güternachfrage führt zu einem Preisanstieg im Inland. Dies hat einen Rückgang der realen Geldmenge zur Folge, die LG-Kurve verschiebt sich wieder nach links. Durch den kontraktiven Geldmengeneffekt entstehen Zinssteigerungstendenzen, die unmittelbar zu einer Aufwertung der Inlandswährung führen, wodurch sich auch die IXSM-Kurve wieder nach links verschiebt. Damit sinkt auch die gesamtwirtschaftliche Güternachfrage, die Nachfragefunktion verschiebt sich von N1 aus nach links. Auf der anderen Seite steigt durch die Aufwertung der Inlandswährung auch wieder das Güterangebot, die Güterangebotskurve verschiebt sich von A1 aus nach rechts. i IXSM0
IXSM1
A=D
C
ZZ0 B LG0 LG1
Y
p D A A1 A2
N2
A0
N1
N0 Y0=Y2
Y1
Y
Abb. 16.20: Expansive Geldpolitik bei flexiblem Preisniveau – flexible Wechselkurse
Ein neues Gütermarktgleichgewicht kann sich nur senkrecht über dem bisherigen Gleichgewichtspunkt A bei unverändertem Volkseinkommen Y0 einstellen. Eine Erhöhung der gesamtwirtschaftlichen Güternachfrage aufgrund einer Preis- und einer nominalen Wechsel-
16.5 Wirtschaftspolitische Implikationen
429
kursänderung setzt, wie oben diskutiert, eine reale Abwertung voraus. Ein Anstieg des gesamtwirtschaftlichen Güterangebots dagegen hat eine reale Aufwertung zur Voraussetzung. Ändern sich lediglich der inländische Güterpreis und der nominale Wechselkurs, so kann Gütermarktgleichgewicht nur bei unverändertem realem Wechselkurs zustande kommen. Die expansive Geldpolitik führt also auch bei flexiblen Wechselkursen letztendlich nur zu einem Anstieg des Preisniveaus und zu einer Abwertung der Inlandswährung, während das reale Volkseinkommen, ebenso wie der reale Wechselkurs, unverändert bleibt. Dies ist ein Widerspruch zum Ergebnis einer expansiven Geldpolitik bei flexiblen Wechselkursen und konstanten Güterpreisen, wo eine realwirtschaftliche Wirksamkeit gezeigt werden konnte. Der Fall fester Wechselkurse Ein kleines offenes Land, dessen Währung keine Ankerfunktion im System einnimmt, kann keine eigenständige Geldpolitik betreiben. Der Versuch der Notenbank, die Geldmenge zu erhöhen, führt bei vollkommen zinselastischen internationalen Kapitalbewegungen unmittelbar zur Notwendigkeit, Währungsreserven zu verkaufen und damit die Geldmenge wieder zu reduzieren. Die geldpolitischen Impulse erreichen nicht den Gütermarkt, so dass sich an diesem Ergebnis auch unter Berücksichtigung von flexiblen Güterpreisen nichts ändert. Der Versuch, eine expansive Geldpolitik zu betreiben, führt lediglich zu einem Verlust an Währungsreserven. Vergleich der Ergebnisse Unter Berücksichtigung von flexiblen Güterpreisen hat Geldpolitik weder bei festen noch bei flexiblen Wechselkursen Einfluss auf das reale Volkseinkommen. Das heißt aber nicht, dass Geldpolitik in beiden Systemen wirkungslos wäre. Nur bei festen Wechselkursen ist Geldpolitik wirkungslos, da sie insbesondere bei hoher Zinselastizität internationaler Kapitalbewegungen unmittelbar Devisenmarktinterventionen zur Folge hat, die den Geldmengeneffekt wieder neutralisieren, so dass von diesem keine Effekte ausgehen. Bei flexiblen Wechselkursen dagegen hat eine expansive Geldpolitik lediglich auf reale Größen, wie das reale Volkseinkommen oder den realen Wechselkurs, keinen Einfluss, während das Preisniveau und der nominale Wechselkurs steigen. Im Umkehrschluss folgt aus dem hier gewonnenen Ergebnis, dass Geldpolitik bei flexiblen Wechselkursen ein geeignetes Instrument zur Preisniveaustabilisierung darstellt, da eine kontraktive Geldpolitik das Güterpreisniveau reduziert, ohne negative Auswirkungen auf das reale Volkseinkommen zu haben. Die hier beschriebenen Folgeeffekte einer Veränderung des inländischen Preisniveaus und des realen Wechselkurses gelten analog auch für die in Abschnitt 2 diskutierten Auslandseinflüsse, die deshalb nicht noch einmal gesondert diskutiert werden sollen.
16.5
Wirtschaftspolitische Implikationen
Die dargestellten Ergebnisse zeigen durchgehend, dass eine einfache und eindeutige Erklärung über die Wirkung bestimmter Maßnahmen in einer offenen Volkswirtschaft kaum möglich ist. Bestätigt hat sich lediglich, dass in einem System fester Wechselkurse eine eigenständige Geldpolitik für ein Nicht-Leitwährungsland nicht möglich ist. Aber auch bei flexiblen Wechselkursen tritt eine Volkseinkommensänderung nur bei konstanten Güterpreisen auf,
430
16 Wirtschaftspolitik in unterschiedlichen Währungssystemen
während bei flexiblen Güterpreisen lediglich monetäre Größen beeinflusst werden. Dieses Ergebnis widerspricht zum einen der These, Geldpolitik könne einen Beitrag zum Abbau von Unterbeschäftigung leisten, zum anderen wird deutlich, dass bei flexiblen Wechselkursen eine kontraktive Geldpolitik geeignet ist Preisniveaustabilität zu erreichen, ohne dabei Beschäftigungsprobleme in Kauf nehmen zu müssen. Die Wirkung expansiver Fiskalpolitik auf das inländische Volkseinkommen ist nicht eindeutig. Während bei konstanten Güterpreisen die Wirkung in Abhängigkeit vom Wechselkurssystem und der Zinselastizität der internationalen Kapitelbewegungen von höchst effizient bis vollkommen unwirksam reicht, werden die Ergebnisse durch flexible Güterpreise nivelliert. Positive Volkseinkommenseffekte werden abgeschwächt, geringe Volkseinkommenseffekte gesteigert. Schließlich konnte gezeigt werden, dass internationale Übertragungsmöglichkeiten in alle Richtungen möglich sind, d. h. die These der Lokomotivfunktion einer großen Volkswirtschaft zur Ankurbelung der Weltkonjunktur ist nicht eindeutig. Durch die Vielzahl und die Unterschiedlichkeit der Wirkungen bestimmter politischer Maßnahmen in Abhängigkeit von Zins- und Güterpreiselastizitäten wird auch die Strategie eines Policy-Mix infrage gestellt. Die relativ eindeutigen Ergebnisse des Mundell-Fleming-Modells einer kleinen offenen Volkswirtschaft mit festen Güterpreisen und Vernachlässigung von Rückwirkungen legte die Vermutung nahe, man könne durch eine geeignete Kombination aus Wechselkurs-, Geld- und Fiskalpolitik jede gewünschte politische Zielkonstellation erreichen. Insbesondere sei es durch eine geschickte Mittelkombination auch möglich, gleichzeitig Ziele zu verfolgen, zwischen denen aus dem Blickwinkel nur eines Instruments ein Zielkonflikt bestünde. Neben der Unsicherheit über den erforderlichen Umfang der Einflüsse und den time-lags bis zur Erreichung der neuen Gleichgewichte stellen die hier berücksichtigten flexiblen Güterpreise und die Unsicherheit über die Richtung möglicher Rückwirkungen eine solche Strategie grundsätzlich in Frage. Es gibt noch weitere Unsicherheiten einer solchen Politik, etwa die Auswirkungen auf die Erwartungen der Marktteilnehmer, so dass heute die gezielte Beeinflussung der internationalen Marktprozesse durch eine Kombination politischer Maßnahmen kaum noch ernsthaft diskutiert wird.
16.6 1.
2.
Zusammenfassung von Kapitel 16
Bei konstanten Güterpreisen ist die Wirkung von Fiskalpolitik auf das Volkseinkommen vom Wechselkurssystem und von der Zinselastizität der internationalen Kapitalbewegungen abhängig. Bei festen Wechselkursen hat Fiskalpolitik eine umso größere Wirkung, je zinselastischer die internationalen Kapitalbewegungen sind. Bei flexiblen Wechselkursen wird die Wirkung dagegen umso geringer, je stärker die internationalen Kapitalbewegungen auf Zinsänderungen reagieren. Da zwischen den großen Industrienationen die Wechselkurse flexibel sind und die Zinselastizität relativ hohe Werte erreicht, bestätigen diese Ergebnisse die Zweifel an der Wirksamkeit fiskalpolitischer Maßnahmen zur Konjunktursteuerung. Geldpolitik ist bei festen Wechselkursen wirkungslos, es sei denn, es handelt sich um ein Leitwährungsland. Bei konstanten Güterpreisen und flexiblen Wechselkursen hat Geldpolitik Wirkung auf das Volkseinkommen. Der gleichgewichtige Zinssatz wird bei einer expansiven (kontraktiven) Geldpolitik sinken (steigen), nur im Falle voll-
16.7 Anhang zu Kapitel 16
3.
4.
5.
6.
431
kommen zinselastischer internationaler Kapitalbewegungen bleibt der Zins konstant. Das Ergebnis bestätigt die Unvereinbarkeit von autonomer Geldpolitik und Wechselkursstabilisierung. Sowohl bei festen als auch bei flexiblen Wechselkursen überträgt sich eine ausländische Zinssenkung gleichgerichtet auf das Inland. Bei flexiblen Wechselkursen wird dabei aufwertungsbedingt das Volkseinkommen sinken, bei festen Wechselkursen durch die interventionsbedingte Geldmengenausweitung steigen. Ein ausländischer Volkseinkommensanstieg überträgt sich dagegen nur bei festen Wechselkursen auf das inländische Volkseinkommen weil die Notenbank interventionsbedingt die Geldmenge ausweiten muss. Flexible Wechselkurse schirmen dagegen, solange die Güterpreise konstant sind, das inländische Volkseinkommen vor einer Übertragung des ausländischen Volkseinkommensanstiegs ab. Berücksichtigt man internationale Rückwirkungen, so geht man üblicherweise von einer Verstärkung des im Inland wirkenden Effektes aus. Steigt das inländische Volkseinkommen, so werden auch die Importe steigen, was im Ausland ebenfalls zu einem positiven Volkseinkommenseffekt führt. Da somit auch die ausländischen Importe zunehmen, überträgt sich der ausländische Volkseinkommensanstieg wieder positiv auf das Inland. Daraus folgt, dass ein großes Land mit einer expansiven Volkseinkommenspolitik eine „Lokomotivfunktion“ übernehmen könnte. Es kann jedoch auch gezeigt werden, dass der gleichgerichtete Verstärkungseffekt durch internationale Rückwirkungen nicht immer eintritt, er kann sich unter bestimmten Umständen sogar umkehren Die Aussagen über die Wirkung geld- und fiskalpolitischer Maßnahmen werden modifiziert, wenn man explizit Angebotseffekte in die Betrachtung einbezieht und die Güterpreise endogenisiert. Die Wirkung einer expansiven Fiskalpolitik auf das Volkseinkommen nivelliert sich. Der expansive Effekt im Falle fester Wechselkurse wird durch einen Anstieg der Güterpreise kleiner, bei flexiblen Wechselkursen wird im Falle vollkommen zinselastischer Kapitalbewegungen ein positiver Volkseinkommenseffekt erst möglich, da das Güterpreisniveau sinkt. Während bei festen Wechselkursen Geldpolitik auch im Falle flexibler Güterpreise wirkungslos bleibt, hat sie bei flexiblen Wechselkursen und vollkommen zinselastischen Kapitalbewegungen auf nominelle Größen Wirkung, während reale Größen unverändert bleiben. So führt eine kontraktive Geldpolitik zu einem Rückgang des Preisniveaus und einer nominellen Aufwertung der Inlandswährung, während der reale Wechselkurs unverändert bleibt. Dies unterstreicht die Wirksamkeit geldpolitischer Maßnahmen als Instrument der Preisniveaustabilisierung.
16.7
Anhang zu Kapitel 16
Internes und externes Gleichgewicht Gütermarktgleichgewicht: 1 1 I a + I (i ) + X Y * , w R = S a + S Υ − T a + M (Υ , w R ) p p
(
(
mit: S a = − C Ha + C Sta
)
)
(
)
432
16 Wirtschaftspolitik in unterschiedlichen Währungssystemen
Geldmarktgleichgewicht: GH + GZ = L(Υ , i ) p
Außenwirtschaftliches Gleichgewicht:
(
)
(
Z = X Y ∗ , wR − M (Y , wR ) + KI i, i ∗ we
)
Bei unverändertem Preisniveau und p = 1 in der Ausgangslage folgt nach totaler Differentiation:
(
)
− dCHa + dCSta + SY dY + M Y dY − I i di = dI a + ( X w − M w )dwR + X Y ∗ dY * LY dY + Li di = dG H + dG Z
dZ + M Y dY − K i di = ( X w − M w )dwR + X Y ∗ dY * + K i∗ di ∗ + K we dw Fall 1: Feste Wechselkurse
Wird der Geldmengeneffekt einer Devisenmarktintervention nicht neutralisiert, so ist neben dem Volkseinkommen und dem Zinssatz der Geldmengeneffekt der Devisenmarktintervention (GZ) die dritte endogene Variable. Es gilt: SY + M Y LY MY
− Ii Li − Ki
0 −1 0
dI a + dC Ha + dC Sta + ( X w − M w )dw R + X Y ∗ dY ∗ dY di = dG H ( X w − M w )dw R + X Y ∗ dY * + K i* di * + K we dw e dG Z
mit: Δ1 = I r M Y − K i (SY + M Y ) < 0 a) Staatsausgabenänderung dY 1 di 1 = Ki > 0 ; =− MY > 0 a a Δ Δ dC St dC St 1 1 b) Geldmengenänderung dY di =0 ; =0 H dG dG H c) Ausländische Zinsänderung dY 1 di 1 = K i∗ I i < 0 . = K i∗ (S Y + M Y ) > 0 di * Δ1 di ∗ Δ1
d) Ausländische Volkseinkommensänderung dY 1 dr 1 = X Y ∗ (I i − K i ) > 0 , = X Y ∗ SY < 0 ∗ ∗ Δ1 Δ1 dY dY
16.7 Anhang zu Kapitel 16
433
Fall 2: Flexible Wechselkurse
Bei flexiblen Wechselkursen ist der Wechselkurs die dritte endogene Variable. Z ist stets Null und das Geldangebot ist exogen bestimmbar. Es ergibt sich das Gleichungssystem:
(SY
+ MY )
LY MY
− Ii
− (X w − M w )
dY
Li − Ki
0 − (X w − M w )
di = dw
dI a + dC Ha + dC Sta + X Y ∗ dY * dG H X Y ∗ dY * + K i∗ di ∗ + K we dw e
mit Δ 2 = −( X w − M w )[SY Lr + LY (I i − K i )] > 0 a) Staatsausgabenänderung: dY 1 = (− Li ( X w − M w )) > 0 , Δ2 dC Sta dw
=−
dC Sta
di dC Sta
=
1 (LY ( X w − M w )) > 0 Δ2
> 1 (LY K i + M Y Li ) = 0 < Δ2
Die Veränderung des Wechselkurses ist abhängig von dem Verhältnis der Steigungen von LG- und ZZ-Kurve. Wenn z. B. Li < LY und M Y < K i , ist die ZZ-Kurve flacher und das Vorzeichen ist negativ. b) Geldmengenänderung: dY 1 = ((K i − I i )(X w − M w )) > 0 H Δ dG 2
dw dG
=
H
di dG
H
di
∗
=
1 (− SY ( X w − M w )) < 0 Δ2
1 [K r (SY + M Y ) − M Y I i ] > 0 Δ2
c) Änderung des ausländischen Zinssatzes: dY 1 = (Li K i∗ ( X w − M w )) > 0 ∗ Δ di 2
dw
=
di di
∗
=
1 (− LY K i∗ ( X w − M w )) > 0 Δ2
1 K i∗ (LY I i + Li (S Y + M Y )) > 0 Δ2
d) Änderung des ausländischen Volkseinkommens:
dY dY
∗
=0;
di dY
∗
=0
dw dY
∗
=
1 X Y ∗ (Li S Y + LY (I i − K i )) < 0 Δ2
Eine Wechselkursänderungserwartung hat die prinzipiell gleichen Ergebnisse wie eine Änderung des ausländischen Zinssatzes.
434
16 Wirtschaftspolitik in unterschiedlichen Währungssystemen
Aufgaben zu Kapitel 16 Aufgabe 16.1 Gegeben ist eine kleine offene Volkswirtschaft. Die Güterpreise sind konstant. a) Diskutieren Sie die Abhängigkeit des internationalen Kapitalverkehrs vom inländischen Zinssatz, vom ausländischen Zinssatz und von der Erwartung über die zukünftige Wechselkursentwicklung. Gehen Sie von einer endlichen Zinselastizität der internationalen Kapitalbewegungen aus. Geben Sie jeweils kurze ökonomische Begründungen. b) Stellen Sie • das volkswirtschaftliche Gleichgewicht, • das Geldmarktgleichgewicht, • das außenwirtschaftliche Gleichgewicht, in einem Zinssatz-Volkseinkommensdiagramm dar. Erläutern Sie kurz die von Ihnen gemachten Annahmen, Verhaltensfunktionen und Gleichgewichtsbedingungen. Diskutieren Sie auch die Verläufe der von Ihnen dargestellten Kurven. c) Ausgangszustand sei ein allgemeines Gleichgewicht. Unterstellen Sie dann, die inländische Notenbank betreibe eine kontraktive Geldpolitik. Stellen Sie die Wirkung dieser Geldpolitik in Ihrer Graphik aus Teilaufgabe b) dar und diskutieren Sie ihr Ergebnis ökonomisch • für ein System fester Wechselkurse, • für ein System flexibler Wechselkurse. d) Welche wirtschaftspolitischen Implikationen ergeben sich aus Ihrem Ergebnis für die geldpolitische Autonomie einer Notenbank? Aufgabe 16.2 a) Stellen Sie in einem Zinssatz-Volkseinkommens-Diagramm eine Situation dar, in der simultan internes und externes Gleichgewicht einer offenen Volkswirtschaft erfüllt ist. Beschreiben Sie die von Ihnen gemachten Zusammenhänge und geben Sie hierfür ausführliche ökonomische Begründungen. b) Unter Berücksichtigung internationaler Rückwirkungen wird in der Regel ein gleichgerichteter Zusammenhang zwischen den Ländern unterstellt, d. h. eine expansive Politik in Land 1 führt auch in Land 2 zu einer expansiven Wirkung. Beschreiben Sie eine solche Wirkungskette im Detail für einen 2-Länder-Fall und dem Beispiel einer expansiven Fiskalpolitik in Land 1. Was versteht man in diesem Zusammenhang unter einer Lokomotivfunktion? c) Ein stets geltender gleichgerichteter Zusammenhang wird aber auch bezweifelt. Stellen Sie graphisch einen Fall negativer internationaler Rückwirkungen dar. Erläutern Sie detailliert die von Ihnen gemachten Annahmen und interpretieren Sie Ihr Ergebnis ökonomisch. Aufgabe 16.3 Unterstellen Sie eine offene Volkswirtschaft, die Güter- und Kapitalverkehr mit dem Ausland unterhält. Das Güterangebot sei vollkommen preiselastisch, es existiere ein System flexibler Wechselkurse. a) Stellen Sie das volkswirtschaftliche Gleichgewicht, das Geldmarktgleichgewicht und das außenwirtschaftliche Gleichgewicht in Gleichungsform dar. Begründen Sie ausführlich die
Aufgaben zu Kapitel 16
435
Zusammenhänge und stellen Sie die Gleichgewichte in einem Zinssatz-VolkseinkommensDiagramm auch graphisch dar. b) Diskutieren Sie die Wirkung einer kontraktiven Fiskalpolitik (Rückgang der autonomen Investitionen) auf das Volkseinkommen, den inländischen Zinssatz und die Leistungsbilanz. Stellen Sie die Ergebnisse algebraisch und graphisch dar und unterscheiden Sie dabei Werte der Zinselastizität des Nettokapitalimports von Null bis Unendlich. c) Wie verändern sich Ihre Ergebnisse der Aufgabe b), wenn Sie • internationale Rückwirkungen, • ein nicht vollkommen preiselastisches Güterangebot unterstellen. Er reicht hier eine gut begründende verbale Darstellung.
17
Zukunft der internationalen Finanzmärkte
17.1
Das magische Dreieck der Finanzarchitektur
Die in den letzten Jahren verstärkt geführte Diskussion um die Notwendigkeit einer neuen internationalen Finanzarchitektur begann nicht erst mit der internationalen Finanzkrise der Jahre 2007/08. Mit der dramatischen Zunahme des freien internationalen Kapitalverkehrs kam es bereits in der Vergangenheit zu einer Reihe gefährlicher Krisen, insbesondere in den Schwellen- und Transformationsländern, deren Kapitalmärkte noch relativ instabil sind und in denen die bestehenden Marktstrukturen auf eine sehr schnelle Liberalisierung noch nicht vorbereitet waren. Indizien für eine bevorstehende Problemsituation waren meist eine systematische Überbewertung der Währung, relativ geringe Währungsreserven und hohe Leistungsbilanzdefizite, oft verbunden mit einer starken Expansion der Auslandsverschuldung. Die Diskussion begann spätestens nach der Mexiko-Krise im Jahr 2005, und hat im Zuge der folgenden Krisen an Dynamik gewonnen. Die bisher schwerste Krise ging allerdings vom US-amerikanischen Immobilienmarkt aus, wo es im Jahr 2007 zur so genannten „SubprimeKrise“ kam. Der jahrelang boomende amerikanische Immobilienmarkt war zusammengebrochen. Da die amerikanischen Banken ihre Immobilienkredite zu Paketen zusammengefasst und verbrieft weltweit weitergereicht hatten, um ihre Risiken damit zu begrenzen, kam es in den darauf folgenden Jahren zu einer internationalen, vom Bankensektor ausgehenden Finanzkrise, die auch auf den realen Sektor übergriff. Zwar ist es auch früher des Öfteren zu kritischen Zuspitzungen gekommen, die in der letzten Zeit zu beobachtenden Finanzkrisen unterscheiden sich jedoch wesentlich von früher aufgetretenen Schwierigkeiten, man spricht mittlerweile von mehreren Generationen von Krisenmodellen, wobei eine strikte Ursachentrennung sicher nicht möglich ist. Bei den Krisen der ersten Generation waren in der Regel verschlechterte makroökonomische Rahmenbedingungen der betroffenen Länder im Umfeld eines Systems fester Wechselkurse zu konstatieren. Oft wurde der unrealistisch gewordene Wechselkurs nicht oder zu spät angepasst. Auslöser der zweiten Generation von Währungskrisen waren meist Spekulationswellen gegen bestimmte Währungen, die primär auf einem mangelnden Vertrauen in die Glaubwürdigkeit der Politik des betroffenen Landes beruhten. Bei den jüngeren Währungskrisen stehen dagegen vor allem mikroökonomische Defizite im Vordergrund. Auslöser war meist eine übermäßige Verschuldung, hervorgerufen durch eine zu risikoreiche Kreditvergabe ausländischer Gläubiger, sowie Unzulänglichkeiten des Finanzsystems der betroffenen Länder, wie etwa ein mangelhafter institutioneller Rahmen zur Überwachung der Finanzmarktakteure. Neu ist auch, dass sich die Finanzkrise eines Landes sehr schnell auf andere Länder überträgt, die von den Märkten als gleichgelagerte Fälle angesehen wurden. Bei der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise der Jahre nach 2007 diskutierte man neben Unzulänglichkeiten im Bankensystem auch die Frage, ob die riesigen weltweiten Ungleichgewichte in den Leistungsbilanzsalden eine Rolle gespielt haben. Zum Teil wird sogar die Forderung erhoben, das Ausmaß des Leistungsbilanzungleichgewichts eines Landes müsse durch Auflagen begrenzt
438
17 Zukunft der internationalen Finanzmärkte
werden. Auf die Frage nach der Bedeutung der weltweiten Leistungsbilanzungleichgewichte und den Forderungen, einen Ausgleich zu erzwingen wird in Abschnitt 3 eingegangen. Eine Mitursache für die jüngeren Krisen könnten auch die zunehmende Verwendung von elektronischen Medien und das Handeln von Fondsmanagern sein, die sich immer weniger an fundamentalen ökonomischen Daten orientieren, da deren Erfassung und Kontrolle einen erheblichen Aufwand verursacht. Vielmehr dominieren technische Maßstäbe wie etwa die Chart-Analyse, und die Orientierung am Erfolg von Vergleichsgruppen. Zu diesem Herdenverhalten kommt das principal-agent-Problem, da die Fonds-Manager zwar am Gewinn beteiligt sind, aber in der Regel nicht das Risiko eines Verlustes tragen müssen. All dies hat die Risikobereitschaft der Marktteilnehmer systematisch erhöht. Allerdings darf man diese Entwicklung keinesfalls als alleinige Ursache der entstandenen Krisen interpretieren. Keine der aufgetretenen Problemfälle war ein reines Zufallsprodukt orientierungsloser Spekulanten. Es waren immer auch Probleme im gesamtwirtschaftlichen Umfeld der betroffenen Länder zu konstatieren. Zu dieser Entwicklung kommt, dass der IWF mit dem Zusammenbruch des ehemaligen Ostblocks eine Vielzahl neuer Mitglieder und damit Probleme bekommen hat, durch die seine Entscheidungsstrukturen nicht leichter geworden sind. Daher sind Forderungen nach einer Reform des IWF auch immer öfter mit Vorschlägen zu einer völligen Neuordnung der internationalen Finanzmärkte verbunden. Die internationalen Finanzmärkte, und hierzu zählen insbesondere auch die Devisenmärkte, stehen heute vor einem Dilemma. Zum Ersten existiert der Wunsch vieler Marktteilnehmer nach der sicheren Kalkulationsgrundlage fester Wechselkurse und nach Stabilität des gesamten internationalen Finanzsystems. Zum Zweiten besteht das Ziel der nationalen politischen Instanzen, ihre Wirtschafts-, Finanz- und Geldpolitik möglichst autonom gestalten zu können. Auf der anderen Seite haben aber die Industriestaaten seit Anfang der 1980er Jahre ihren Kapitalverkehr weitestgehend liberalisiert. Parallel dazu kam es zu einer technischen Revolution bei der Telekommunikation, so dass die Marktvolumina an den internationalen Finanzmärkten in den letzten Jahren geradezu explodiert sind. Man kann die derzeitigen Situation der Weltfinanzmärkte – in Anlehnung an das magische Viereck der Wirtschaftspolitik – als ein magisches Dreieck der internationalen Finanzarchitektur bezeichnen (vgl. Frenkel/Menkhoff, 2000). Die drei Ecken werden gebildet durch: Feste Wechselkurse und stabile Finanzmarktverhältnisse, Autonome Geld- Wirtschafts- und Finanzpolitik, Freier und ungestörter internationaler Kapitalverkehr. Von den drei Ecken des magischen Dreiecks sind immer nur zwei miteinander vereinbar. Kombination A: Stabile Finanzmarktverhältnisse mit festen Wechselkursen und autonome Geld- Wirtschafts- und Finanzpolitik der einzelnen Staaten. Diese Welt ist mit freiem internationalem Kapitalverkehr unvereinbar. So ist etwa keine autonome stabilitätsorientierte Geldpolitik möglich, wenn diese im Dienst der Wechselkursstabilisierung steht. Deshalb müssten die Wechselkurse durch Beschränkungen des freien Devisenhandels kontrolliert werden, um eine autonome Geldpolitik sicherstellen zu können. Auch im Festkurssystem von Bretton Woods erkannte man dieses Dilemma. Die Regulierung des internationalen Kapitalverkehrs war deshalb allein Angelegenheit der nationalen Instanzen und der international vereinbarte Abbau von Beschränkungen bezog sich nur auf leistungsbilanzrelevante Zahlungen. Kombination B: Freie internationale Kapitalbewegungen und nationale Autonomie der Geld-, Wirtschafts- und Finanzpolitik. Eine solche Kombination führt immer dann zu In• • •
17.2 Erhöhung der internationalen Finanzmarktstabilität
439
stabilitäten auf den Finanz- und Devisenmärkten, wenn es zu einer asymmetrischen wirtschaftlichen Entwicklung in den einzelnen Ländern kommt, sie ist also mit festen Wechselkursen unvereinbar. Dies haben die EWS-Krisen von 1992/93 deutlich belegt. Ähnliches gilt bei Unterschieden in den wirtschafts- und geldpolitischen Zielsetzungen der einzelnen Staaten.
Feste Wechselkurse Stabile Finanzmarktverhältnisse A
C
Autonome GeldWirtschafts- und Finanzpolitik
B
Freier internationaler Kapitalverkehr
Kombination C: Freier internationaler Kapitalverkehr und stabile internationale Finanz- und Devisenmärkte. Angesichts der Schnelligkeit, mit der sich Kapital in einer vernetzten Welt bewegt und angesichts der globalen Perspektiven der Marktteilnehmer kann eine solche Kombination nur dann aufrechterhalten werden, wenn die nationalen Instanzen auf eine Verfolgung eigenständiger Ziele verzichten und ihre Politik an der Stabilität des Finanzmarktsystems ausrichten. Die Vorschläge zur Lösung dieses magischen Dreiecks und damit zur Neuordnung der internationalen Finanzarchitektur sind mittlerweile so vielfältig und zum Teil auch widersprüchlich, dass hier nur einige Aspekte diskutiert werden können.
17.2
Erhöhung der internationalen Finanzmarktstabilität
Die Vorschläge, das internationale Finanzsystem im Sinne einer mehr oder weniger strengen Regulierung zu ordnen, richten sich zum einen auf neu zu schaffende oder zu reformierende internationale Institutionen, zum anderen auf Beschränkungen der Freiheiten der internationalen Finanzmärkte, wobei der Bogen von einer grundsätzlich beizubehaltenden Liberalität unter zu setzenden Rahmenbedingungen bis zu massiven Eingriffen reicht. Einige dieser Vorschläge sollen im Folgenden kurz diskutiert werden
17.2.1
Institutionelle Überwachung der Märkte
Es gibt schon bisher eine ganze Reihe international agierender Institutionen, zu deren Aufgaben auch die Überwachung des internationalen Finanzsystems gehört. Zu nennen sind insbesondere der Internationale Währungsfonds, aber auch dessen Schwesterorganisation, die Weltbank, die primär in Entwicklungsländern zum Aufbau funktionsfähiger Finanzsysteme beiträgt. Die Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel unterstützt vor allem öffentliche Gremien bei der Stärkung des internationalen Finanzsystems durch die Übernahme analytischer und statistischer Aufgaben. Auch die OECD, die Organisation für wirt-
440
17 Zukunft der internationalen Finanzmärkte
schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, beteiligt sich an der makroökonomischen Überwachung der Weltwirtschaft und der Finanzmärkte. Daneben existieren noch eine Vielzahl international agierender Regulierungs- und Aufsichtsinstanzen für Finanzakteure und zur Beobachtung der Funktionsweise der internationalen Märkte. Für Regeln auf dem Gebiet der Bankenaufsicht ist etwa der „Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht“ zuständig. Daneben gibt es die internationale Vereinigung der Wertpapieraufseher (IOSCO), deren Aufgabe die Förderung der Integrität von Wertpapier- und Terminmärkten ist, und die internationale Versicherungsaufsicht (IAIS), die für Standards auf dem Gebiet der Versicherungsaufsicht zuständig ist. Schließlich liefern der Ausschuss für Zahlungsverkehr und Abrechnungssysteme und der Ausschuss für das globale Finanzsystem Analysen über die Lage der internationalen Finanzmärkte und geben Empfehlungen zur Verbesserung ihrer Funktionsweise. Zur Beendigung dieses Nebeneinanders der verschiedensten Organisationen, das sicher nicht den Erfordernissen zunehmend integrierter Märkte Rechnung trägt, und zur Verbesserung ihrer Effizienz wurde auf Vorschlag des ehemaligen Präsidenten der Deutschen Bundesbank, Hans Tietmeyer, von den G7-Staaten das Forum für Finanzmarktstabilität (Financial Stability Forum) gegründet, das im Jahre 1999 seine Arbeit aufnahm. Es dient als Koordinierungsstelle für aufsichtsrechtliche Fragen im Rahmen der internationalen Finanzmarktregulierung und soll vor allem auch die Interessen von Schwellenländern stärker berücksichtigen. Das Forum hat allerdings keine Möglichkeiten, seine Empfehlungen auch durchzusetzen. Neben der besseren Koordinierung der bereits bestehenden Institutionen existieren auch zahlreiche Vorschläge zur Schaffung neuer Finanzorganisationen. Diese reichen von der Vorstellung einer Weltzentralbank als Emittent einer Weltwährung, einer Weltfinanzorganisation, die analog zur WTO unter dem Dach der Vereinten Nationen tätig werden sollte, um das als ungerecht empfundene Stimmengewicht des IWF zu umgehen, bis zu global agierenden Finanzaufsichtsbehörden, denen nationale Kompetenzen im Bereich der Kapitalmärkte übertragen werden sollen. Um eine stärkere Finanzmarktregulierung zu erreichen, wurde auch eine strengere Bankenaufsicht auf internationaler Ebene ins Auge gefasst. Hierzu wurde vorgeschlagen, die bei der BIZ in Basel angesiedelte Arbeitsgruppe für Bankenaufsicht aufzuwerten und stärker zu institutionalisieren. Bei all diesen Vorschlägen muss jedoch berücksichtigt werden, dass es nie möglich sein wird ein Regelwerk zu erstellen, das alle Eventualitäten abdeckt, da die Akteure an den internationalen Finanz- und Devisenmärkten stets versuchen werden, bestehende Regelungen zu umgehen.
17.2.2
Regulierung der Märkte
Wechselkurszielzonen Neben Forderungen nach Neuinstallierung eines weltweiten Festkurssystems tauchen immer wieder Vorschläge zur Schaffung von Wechselkurszielzonen auf, die entweder veröffentlicht oder reine interne Absprache bleiben sollen. Dahinter steht die Vorstellung, dass die Marktteilnehmer die Verteidigung der Bandbreiten durch die Notenbanken in ihrem Verhalten antizipieren und sich deshalb stabilitätsbewusst verhalten. Je mehr sich ein Wechselkurs von seinem Zielkurs entfernt und sich seinem Zonenrand nähert, umso eher rechneten die Marktteilnehmer mit einer Bewegung in Richtung des Zielkurses, die durch Devisenmarktinterventionen ausgelöst wird. Diese Erwartung führe zu Engagements der Spekulanten, die den Wechselkurs in Richtung des Zielkurses bewegen, ohne dass die Devisenmarktinterventionen tatsächlich stattgefunden hätten. Nach dieser These könnte also bereits die bloße Ankündi-
17.2 Erhöhung der internationalen Finanzmarktstabilität
441
gung von Zielzonen, sofern diese Ankündigung glaubhaft ist, zu einer Stabilisierung der Wechselkursentwicklung beitragen. Entscheidend für die beschriebene Wirkung von Wechselkurszielzonen ist die Glaubwürdigkeit der Bänder, denn die Marktteilnehmer müssen der Überzeugung sein, dass diese tatsächlich unbegrenzt verteidigt werden. Sobald hieran Zweifel bestehen und eine Verschiebung der ganzen Bandbreiten für möglich gehalten wird, existiert ein Anreiz zur Spekulation gegen das Bandende, was dann sogar eine Krise auslösen kann. Allerdings sind die Erfahrungen der im Rahmen der Weltwirtschaftsgipfel in der Vergangenheit vereinbarten stärkeren währungspolitischen Kooperation eher ernüchternd. Auch ergibt sich das prinzipiell gleiche Problem wie bei festen Wechselkursen: Nach welchen Kriterien und Erkenntnissen sollen die Wechselkurszielzonen festgelegt werden und wie sollen sie bei asymmetrischen Entwicklungen verändert werden können? Feste Wechselkurse, ebenso wie Wechselkurszielzonen, setzen eine koordinierte Geldpolitik, nach Möglichkeit auch eine abgestimmte Wirtschafts- und Finanzpolitik voraus. Entweder dies funktioniert über einen realen Anker wie beim Goldstandard, oder eine Währung setzt sich als Ankerwährung durch und bestimmt die Geldpolitik des gesamten Systems. Beides ist im Falle eines neu zu schaffenden Festkurssystems, an dem alle großen Weltwährungen beteiligt wären, unrealistisch, aber auch ineffizient. Zum einen wäre weder Europa noch Japan bereit, sich einseitig der Geldpolitik der USA zu unterwerfen, zum anderen sind asymmetrische Entwicklungen zwischen diesen Blöcken eher wahrscheinlich. Man würde durch eine Kursfestschreibung aber auf einen marktmäßigen Anpassungsmechanismus freiwillig verzichten. Insgesamt sollten Wechselkurszielzonen, ebenso wie Festkurssysteme, daher eher als Gefahrenquelle einer stärkeren Instabilität, denn als Instrument zur Vermeidung solcher Instabilitäten angesehen werden. Gespaltene Devisenmärkte Die gleichen Einwände gelten für gespaltene Devisenmärkte. Je nach Verwendungsart – Warenverkehr, Kapitalverkehr oder andere Unterscheidungen – gelten andere Kurse oder andere Kursfindungsregeln. Meist wird dabei vorgeschlagen, für Güter- und Leistungstransaktionen einen festen (offiziellen) Wechselkurs zu installieren, den die Notenbanken durch Interventionen zu verteidigen hätten. Ziel ist ein ungestörter internationaler Leistungsaustausch. Für die sonstigen Devisentransaktionen gilt dagegen ein frei schwankender Wechselkurs. Wenn aufgrund von Erwartungsänderungen eine Währung stärker nachgefragt wird, so führt dies zu einer Aufwertung auf dem freien Teil des Devisenmarktes. Die Leistungstransaktionen sind davon nicht betroffen, und auch für die Notenbanken existiert in diesem Fall keine Interventionsverpflichtung, die zu Geldmengenänderungen führen würde. Problematisch wird eine Devisenmarktspaltung allerdings dann, wenn sich der freie Kurs deutlich vom fixen Kurs entfernt, da dies Anreize schafft, die Spaltung des Devisenmarkts zu umgehen. Dies kann etwa durch verzerrte Verrechnungspreise multinationaler Unternehmen oder durch Verschleierung der Motive einer Devisentransaktion geschehen, denn oft ist eine strikte Trennung in Leistungs- und Kapitaltransaktionen nicht möglich. Gespaltene Devisenmärkte erfordern daher in der Praxis umfangreiche Kontrollmechanismen, oder sogar Kapitalverkehrsbeschränkungen. Gespaltene Wechselkurse wurden bereits praktiziert, in Europa etwa in Frankreich und in Italien. Sie hatten jedoch nie längeren Bestand und es kam in dieser Zeit zu keinen größeren Abweichungen zwischen freiem und offiziellem Kurs.
442
17 Zukunft der internationalen Finanzmärkte
Devisenumsatzsteuer Aufgrund der in den letzten Jahren aufgetretenen Währungskrisen wird immer stärker die Forderung erhoben, zumindest die kurzfristigen internationalen Kapitalströme zu regulieren, da eine plötzliche Umkehr dieser Ströme aufgrund ihres Umfangs Auslöser einer Krise sein könnte. Eine Möglichkeit hierzu ist der keineswegs neue Vorschlag einer proportionalen Steuer auf alle Devisenmarkttransaktionen, die sog. Tobin-Steuer (vgl. Tobin, 1978). Ziel einer solchen steuerlichen Belastung ist die Einschränkung kurzfristiger Währungsengagements, um den langfristigen Fundamentalfaktoren wieder stärkere Geltung zu verschaffen. Ein kleines Beispiel zeigt die Wirkung einer solchen Steuer. t sei der prozentuale Steuersatz, der auf einen Kauf oder Verkauf von Devisen erhoben wird. Geht ein Anleger nur für eine gewisse Zeit in eine Fremdwährung, so fällt die Steuer zweimal, sowohl beim Kauf als auch beim Verkauf der Devisen an. n sei die Dauer des Auslandsengagements, gemessen in Tagen, i, i* und s ist der in- bzw. der ausländische Zinssatz sowie der Swapsatz, alle Größen bezogen auf Jahresbasis zu 360 Tagen. Damit gilt für das Entscheidungskalkül eines Anlegers:
i
n n n ⇔ i∗ +s − 2t 360 360 360
Die folgende Tabelle zeigt die Kombinationen von inländischem Zins, ausländischem Zins und Anlagedauer in Tagen bei einer Devisenumsatzsteuer von 1 % und einem Swapsatz von Null, wenn der Ertrag im Inland und im Ausland identisch ist. Tab. 17.1:
Kombinationen von In- und Auslandszinssätzen für einen Nettoertrag von Null n
i
i*
180
6%
10 %
60
6%
18 %
30
6%
30 %
10
6%
78 %
5
6%
150 %
1
6%
726 %
Man sieht, dass die prozentuale Kostenbelastung durch die Devisenumsatzsteuer umso größer wird, je kürzer der Anlagezeitraum ist. Bei einer 5-tägigen Anlagedauer müsste der Auslandszins 150 % betragen, um bei einem Inlandszins von 6 % den gleichen Ertrag zu erbringen. Es wären durch eine solche Steuer also vor allem die kürzerfristigen Kapitalströme betroffen, was im Idealfall zu einer Reduzierung der Volatilität der Wechselkurse führen würde. Ähnliche Vorschläge beziehen sich auf eine unverzinsliche Zwangseinlage bei den Notenbanken für Devisenkäufe oder eine Steuer in Höhe der Realzinsdifferenz zwischen den beteiligten Ländern. Letzteres Instrument hatten die USA im Jahre 1963 für mehrere Jahre eingeführt, um zinsinduzierte Kapitalexporte zu bremsen. Alle Versuche, durch staatliche Eingriffe auf den Devisenmärkten die Umsätze zu beeinflussen, treffen jedoch prinzipiell auch die nicht-spekulativen internationalen Transaktionen wie Außenhandel, Direktinvestitionen oder Portfolioinvestitionen, so dass die Vorteile aus der internationalen Arbeitsteilung zu sinken drohen. Außerdem erfordern die Maßnahmen einen erheblichen Kontrollaufwand zur Ausschaltung von Umgehungsmöglichkeiten.
17.2 Erhöhung der internationalen Finanzmarktstabilität
443
Internationale Koordination der Geldpolitik Eine weitere Ursache für Wechselkursschwankungen wird in plötzlich auftretenden Veränderungen der Währungspräferenzen gesehen. Durch eine solche Währungssubstitution treten Verschiebungen der Geldnachfrage zwischen Ländern auf und lösen dadurch Zins- und Wechselkurseffekte aus. Verhalten sich die betroffenen Länder asymmetrisch, d. h. orientiert sich Land 1 in seiner Geldpolitik allein an binnenwirtschaftlichen Zielen und überlässt den Außenwert seiner Währung dem freien Markt, während das andere Land versucht, den Wechselkurs zu stabilisieren, so hat dies je nach Richtung der Währungssubstitution einen expansiven oder einen kontraktiven Effekt auf die Weltgeldmenge mit entsprechenden inflationären Folgen. Nur ein koordiniertes Verhalten der Notenbanken und eine Ausrichtung der Geldmengenpolitik an den Erfordernissen der Devisenmärkte könnten in diesen Fällen die Wechselkursschwankungen vermeiden. Hintergrund der Theorie der Währungssubstitution sind Verschiebungen der internationalen Nachfrage nach US-Dollar, dem Land, das traditionell dem Außenwert seiner Währung keine dominierende Bedeutung beimisst, die in den 1970er und 1980er Jahren zu beobachten waren. In den 1970er Jahren kam es zu einer Bewegung weg vom Dollar – vgl. Kapitel 14 –, die verbunden war mit einer Abwertung dieser Währung sowie einer Expansion der Weltgeldmenge und einem Anstieg der Inflationsraten. In den 1980er Jahren dagegen wurde der USDollar sehr stark präferiert, sein Wert stieg, während gleichzeitig die Wachstumsrate der Weltgeldmenge sank und die Inflationsraten zurückgingen. Die mit einer Währungssubstitution verbundenen Verschiebungen der Weltgeldmenge sollen an einem einfachen Zwei-Länder Beispiel verdeutlicht werden. Land 1 sei das Land, das seine Geldmenge aufgrund der Währungsnachfrageverschiebung nicht ändert, Land 2 orientiert sich dagegen am Außenwert seiner Währung. In den beiden Graphiken der Abb. 17.1 sind das Geldangebot und die Geldnachfrage der beiden Länder in Abhängigkeit vom jeweiligen Zinssatz dargestellt. L bzw. L* beschreiben den negativen Zusammenhang zwischen Geldnachfrage und Zinssatz, G bzw. G* kennzeichnen das autonom bestimmbare Geldangebot der beiden Länder. Im Ausgangsgleichgewicht A stimmen In- und Auslandszins in Höhe von i0 überein, die Geldmärkte in beiden Ländern befinden sich im Gleichgewicht. Verändert sich nun die internationale Liquiditätspräferenz zugunsten der Währung des Landes 1, so verschiebt sich in Abb. 17.1 die Geldnachfragefunktion des Landes 1 nach rechts, die Geldnachfragefunktion des Landes 2 dagegen nach links. Hält Land 1 sein Geldangebot konstant, so wird der Zinssatz auf i1 steigen, neues Geldmarktgleichgewicht wird in Punkt C erreicht. In Land 2 dagegen würde der Zinssatz bei unveränderter Geldmenge auf i2* sinken, Geldmarktgleichgewicht wäre in Punkt B erfüllt. Diese Zinsdifferenz löst jedoch internationale Kapitalströme in Richtung des Landes 1 aus, die Währung des Landes 2 würde weiter abwerten. Will Land 2 diese Abwertung verhindern, so müsste die Geldmenge auf G1* sinken, so dass Geldmarktgleichgewicht bei einem Zinssatz von i1 in Punkt C erreicht wird. Die Weltgeldmenge wäre damit gesunken. Der umgekehrte Fall ist in Abb. 17.2 dargestellt. Die Verringerung der Geldnachfrage in Land 1 führt zu einem Rückgang des Zinssatzes auf i1, das neue Geldmarktgleichgewicht liegt bei unverändertem Geldangebot in Punkt C. Land 2, das sich einer gestiegenen Geldnachfrage gegenübersieht, müsste nun, um einen Zinsanstieg auf i2* und eine Aufwertung seiner Währung zu verhindern, das Geldangebot auf G1* erhöhen, um bei i1 Geldmarktgleichgewicht in Punkt C zu gewährleisten. Die Weltgeldmenge würde damit bei sinkendem Zinssatz steigen, die weltweite Inflationsgefahr nimmt zu.
444
17 Zukunft der internationalen Finanzmärkte i*
i G0
G1*
C
C
i1
i0
G0*
A A L1 i 2*
B
L0 L1*
G*, L*
G, L
Abb. 17.1: i
Währungssubstitution zugunsten von Land 1 i*
G0
i1
G1*
G0*
i 2*
i0
L0*
A
B
A
C
C L0
L0*
L1*
L1 G, L
Abb. 17.2:
G*, L*
Währungssubstitution zugunsten von Land 2
Zur Vermeidung solcher Schwankungen wird vorgeschlagen, die Notenbanken der bedeutendsten Währungen der Welt sollten beim Auftreten von Währungssubstitutionseffekten koordiniert handeln, um Wechselkursschwankungen zu unterbinden und das Wachstum der Weltgeldmenge in stabilitätsorientiertem Umfang zu garantieren. Im Falle einer Währungssubstitution zu Gunsten des Landes 1 müsste dieses Land sein Geldangebot erhöhen, während gleichzeitig das Ausland sein Geldangebot verknappt. Damit könnten die Geldmarktgleichgewichte in beiden Ländern bei unverändertem Zinssatz bestehen bleiben. Dieser Fall ist in Abb. 17.3 dargestellt. Konkret heißt dies, dass Land 1 die verstärkte Nachfrage nach seiner Währung am Devisenmarkt durch den Kauf von Währung des Landes 2 befriedigt und den dadurch entstehenden expansiven Geldmengeneffekt nicht neutralisiert, während Land 2 das Überschussangebot seiner Währung
17.2 Erhöhung der internationalen Finanzmarktstabilität
445
vom Markt nimmt und gehaltene Währung des Landes 1 verkauft. Auch in Land 2 darf der damit verbundene kontraktive Geldmengeneffekt nicht neutralisiert werden. Beide Länder erreichen bei unverändertem Zinssatz den neuen Gleichgewichtspunkt C. i*
i G0
i0
A
G1*
G1
C C
G0*
A
L1
L0 L1* G, L
Abb. 17.3:
L0*
G*, L*
Internationale Koordination der Geldpolitik
Dabei handelt es sich jedoch um nichts anderes als um die Vereinbarung eines Festkurssystems mit Interventionsverpflichtung aller beteiligten Länder. Die Geldpolitik soll dabei allein in den Dienst der Stabilisierung der Wechselkurse gestellt werden. Damit existiert bei diesem Vorschlag aber die gleiche Problematik wie bei jedem Festkurssystem. Hinzu kommt, dass Einigung über das langfristige Wachstum der Weltgeldmenge erzielt werden muss, dass empirisch kaum hinreichend belegt werden kann, dass zu beobachtende Wechselkursschwankungen auf einen generellen Währungssubstitutionseffekt zurückzuführen sind und dass eine internationale geldpolitische Koordination mit strikter Ausrichtung am Wechselkurs wohl kaum durchsetzbar sein wird. Kapitalverkehrskontrollen Durch Beschränkungen des Erwerbs oder Verkaufs ausländischer Aktiva, oder des Umfangs von Bankgeschäften mit dem Ausland sollen die internationalen Kapitalströme gelenkt werden. Neben der auch hier bestehenden Problematik der Umgehungsmöglichkeiten, besteht für jedes Land, das zu diesen Maßnahmen greift, für die Zukunft eine erhöhte Risikoeinschätzung, was es ihm schwieriger macht, an internationalen Kapitalmärkten aktiv zu werden. Hauptkritikpunkt an einer Beschränkung des freien internationalen Kapitalverkehrs ist aber die Verhinderung einer optimalen internationalen Allokation des Faktors Kapital.
446
17 Zukunft der internationalen Finanzmärkte
17.3
Kapitalmobilität und globale Ungleichgewichte
17.3.1
Optimale internationale Kapitalakkumulation
Beim internationalen Kapitalverkehr geht es, wie beim Güterhandel, um die internationale Angleichung von Knappheitsverhältnissen. Hohe Renditen sind dort zu erzielen, wo die Investitionen produktiver sind oder wo es den Menschen schwerer fällt, auf Gegenwartskonsum zu verzichten. Beides ist eher in weniger entwickelten Ländern gegeben, weshalb der internationale Kapitalverkehr auch eine wichtige Funktion beim wirtschaftlichen Angleichungsprozess einnimmt. Nur durch freien Kapitalverkehr kann eine optimale internationale Allokation von Kapital erreicht werden, und können Finanzmärkte ihre Allokationsfunktion bei der internationalen Verwendung der gesamtwirtschaftlichen Ersparnisse optimal erfüllen. Dies soll anhand eines einfachen Zwei-Länder-Beispiels belegt werden. Die Strecke 00* in Abb. 17.4 entspreche dem Gesamtkapitalbestand, der den beiden Ländern zur Verfügung steht. Unter der Annahme abnehmender Grenzproduktivitäten kennzeichnen die beiden Geraden GP und GP* die Grenzproduktivitätsgeraden des Inlands und des Auslands. Ein steigender Kapitaleinsatz im Inland wird also von links nach rechts, ein steigender Kapitaleinsatz im Ausland von rechts nach links abgetragen i
i* B C
GP Q* P
iw
D
i0
i 0* iw
Q GP*
0
Abb. 17.4:
E
A
0*
Optimale internationale Kapitalakkumulation
Der Kapitalbesitz ist jedoch zwischen den beiden Ländern nicht gleich verteilt, das Inland besitzt die Menge 0A, das Ausland entsprechend die Menge 0*A. Wird in jedem Land der im eigenen Besitz befindliche Kapitalbestand auch eingesetzt, so erreicht das Inland die Grenzproduktivität im Punkt Q, die durch i0 gemessen wird. Das Ausland realisiert analog dazu den Punkt Q* mit der Grenzproduktivität i0*. Da die Ausbringungsmenge der Fläche unter den Grenzproduktivitätsgeraden des Faktors Kapital entspricht, beträgt die inländische Produktion 0BQA, die ausländische Produktion entsprechend 0*AQ*C, die Weltproduktion kann durch die Punkte 0BQQ*C0* umfasst werden. Lässt man nun freie Mobilität des Faktors Kapital zwischen den beiden Ländern zu – die Besitzverhältnisse bleiben davon unberührt –, so wird, durch die höhere Rendite angelockt,
17.3 Kapitalmobilität und globale Ungleichgewichte
447
Kapital aus dem Inland ins Ausland wandern. Damit steigt die Grenzproduktivität in Land 1, während sie in Land 2 sinkt. Vernachlässigt man Kapitalverkehrsbeschränkungen jeder Art sowie länderspezifische Risikoaspekte, so werden die Kapitalbewegungen solange stattfinden, bis sich die Renditen im In- und Ausland in Punkt P angeglichen haben. Die einheitliche Weltgrenzproduktivität beträgt iw. Die Inlandsproduktion ist durch die Verringerung des Kapitalstocks um die Fläche EPQA gesunken, während die Produktion in Land 2 um EPQ*A gestiegen ist. Damit ist der Umfang der Weltproduktion also um das Dreieck PQ*Q größer geworden. Das Inland wird jedoch für den Produktionsausfall entschädigt, denn es erhält die Rendite aus seinem im Ausland eingesetzten Kapital. Diese beträgt EPDA – Grenzproduktivität multipliziert mit der im Ausland eingesetzten Kapitalmenge – und ist damit um das Dreieck PDQ größer als der Produktionsausfall im eigenen Land, d. h. Land 1 stellt sich insgesamt besser. Aber auch für Land 2 lohnt sich der Kapitalimport. Zwar fließt die Rendite in Land 1 zurück, diese ist aber kleiner als der in Land 2 zu verzeichnende Produktionszuwachs, es verbleibt für Land 2 ein Gewinn von PQ*D. Damit ist als Ergebnis der freien Bewegungsmöglichkeit des Faktors Kapital die Weltwohlfahrt eindeutig gestiegen. Man kann bereits anhand dieses sehr einfachen Beispiels zeigen, dass ein staatlicher Eingriff in die freie Kapitalmobilität zu suboptimalen Ergebnissen führt. Hierbei werden politische oder sonstige Risiken einer Kapitalanlage im Ausland vernachlässigt. Versucht das Inland, den Kapitalexport zu behindern, etwa durch eine Kapitalexportabgabe, so verschiebt sich in Abb. 17.5 die Grenzproduktivitätsgerade des Inlands um die Abgabe nach oben, da die Rendite nach Abzug der Abgabe die gleiche bleiben muss. Lässt man nun unter Berücksichtigung dieser Restriktion Kapitalbewegungen zu, so erreicht man den Gleichgewichtspunkt P'. Man sieht, dass sich jetzt die Renditen auch nach dem Kapitalexport des Landes 1 unterscheiden, die Rendite des Auslands ist nur bis iw' gesunken und ist damit genau um die Kapitalverkehrsabgabe größer als die im Inland erzielte Rendite von i1. Der Kapitalexport aus dem Inland ist jetzt geringer, er beträgt nur AE' gegenüber AE ohne Kapitalverkehrsbeschränkungen. Man sieht auch, dass die Weltproduktion jetzt nur um FP'Q*Q zunimmt und damit um PP'F weniger als bei freiem Kapitalverkehr. Auch der Gewinn, den das Inland aus den Kapitalexporten erzielen kann, ist gesunken. Sein Produktionsrückgang beträgt E'FQA, dafür erzielt es eine Rendite für das exportierte Kapital in Höhe von E'FDA. Sein Gewinn ist also auf FDQ gesunken. Die Suboptimalität, zu der die Kapitalverkehrsbeschränkung führt, ist aus Abb. 17.5 offensichtlich. Eine zunehmende internationale Finanzmarktintegration hat noch weitere positive Effekte. Sie trägt dazu bei, dass sich in den beteiligten Volkswirtschaften die Einkommens- und Konsumentwicklung stabilisiert. In den Entwicklungsländern ermöglicht der Kapitalzufluss eine Diversifikation der meist auf Primärgüter beschränkten Produktionsbasis und trägt dadurch zur Verringerung der makroökonomischen Volatilität in diesen Ländern bei. Auch werden die Möglichkeiten der intertemporalen Konsumglättung steigen, wodurch die Konsumausgaben weniger stark vom laufenden Einkommen abhängen. Ausgeglichene Leistungsbilanzen, ebenso wie bestimmte Wechselkursniveaus, erscheinen als wirtschaftspolitische Zielvorgaben zumindest problematisch. Die Leistungsbilanz und damit die Nettoauslandsposition des Landes wird durch Spar- und Investitionsentscheidungen bestimmt, wie dies in Kapitel 2 anhand des intertemporalen Ansatzes zur Zahlungsbilanztheorie verdeutlicht wurde. Gesamtwirtschaftliche Ersparnis und gesamtwirtschaftliche Nettoinvesti-
448
17 Zukunft der internationalen Finanzmärkte
tion sind das Ergebnis von individuellen Entscheidungen der Wirtschaftssubjekte, in denen sich auch aktuelle und erwartete politische Maßnahmen, von der Steuerpolitik über umweltpolitische Ankündigungen bis zu Regulierungen oder Deregulierungen widerspiegeln. i
i*
B'
B GP Q* P'
D'
P D F
i 0* i w' iw i1
Q' i0
Q GP*
0
Abb. 17.5:
17.3.2
E
E'
A
0*
Beschränkung des freien Kapitalverkehrs
Erzwungener Leistungsbilanzausgleich
Wie man aus der Zahlungsbilanzarithmetik entnehmen kann, sind Forderungen nach dem Abbau von Leistungsbilanzsalden stets identisch mit der Forderung nach einem Ausgleich der Kapitalbilanzen. Das hieße im Falle eines Leistungsbilanzüberschusses, die gesamte inländische Ersparnis sollte auch im Inland investiv verwendet werden. Und auf ein Leistungsbilanzdefizit bezogen, die inländischen Investitionen sollten allein aus inländischen Ersparnissen finanziert werden. Handelt es sich dabei um ein Gleichgewicht? Ein durch Restriktionen nicht behinderter internationaler Kapitalverkehr führt, wie oben gezeigt, zur Gleichheit der Renditen in allen Ländern und zum Ausgleich von Sparen und Investieren – allerdings global und nicht nationalstaatlich. Salden in den nationalen Kapital- und Leistungsbilanzen sind folglich das Ergebnis von Entscheidungen über Konsumieren, Sparen und Investieren im globalen Wirtschaftsraum. Diese Größen basieren auf zukunftsgerichteten Planungen und Ansätze, sie zu erklären, dürfen daher den Zeitaspekt nicht außer Acht lassen. Dies geschieht im intertemporalen Ansatz zur Zahlungsbilanztheorie. In Abb. 17.6 ist die Situation eines Leistungsbilanzüberschusses dargestellt, die dabei zugrunde gelegten Zusammenhänge wurden in Abschnitt 2.4 diskutiert. In Periode 1 existiert eine positive private Ersparnis in Höhe von 0e1 − c1d1 − 0a1 = a1e1 − c1d1 = a1c1 + d1e1 und eine negative Ersparnis des Staates im Ausmaß b1c1. Damit ergibt sich als Differenz zwischen der gesamtwirtschaftlichen Ersparnis in Höhe von a1b1 + d1e1 und dem optimalen Niveau der Nettoinvestitionen (d1e1) ein Leistungsbilanzüberschuss von a1b1, d. h. im Ausmaß der waagrechten Differenz zwischen den Punkten C und G.
17.3 Kapitalmobilität und globale Ungleichgewichte
449
Y2 , C2
I
N' a2 d2
P'
C II
P C'=G'
b2 c2 e2
G T N
a1 a1' d1' b1 c1 d1 e1 = b1'
Abb. 17.6:
Y1, C1
Leistungsbilanzsaldo und Kapitalverkehrsbeschränkungen
Dieser Leistungsbilanzüberschuss wurde hier aus einer Optimalitätsplanung von Unternehmen und Haushalten bei gegebener Staatsaktivität abgeleitet und stellt damit streng genommen eine optimale Größe dar. Optimal natürlich nur dann, wenn keine verzerrenden Einflüsse, etwa durch den Staat, vorliegen. Man sieht aus dieser Darstellung – selbst wenn man die zahlreichen Einschränkungen des dabei benutzten einfachen Zwei-Perioden-Zusammenhangs berücksichtigt –, dass ein Leistungsbilanzüberschuss nicht als bloßes Ergebnis der hohen internationalen Wettbewerbsfähigkeit eines Landes interpretiert werden kann, sondern auf verschiedene Ursachen zurückzuführen ist. Man sieht auch, dass der Saldo als bloße Zahl nichts über eine Gleichgewichts- oder Ungleichgewichtssituation aussagt und wirtschaftspolitischen Handlungsbedarf signalisiert. Würde man dennoch versuchen, Leistungsbilanzsalden, etwa durch eine Beschränkung des freien internationalen Kapitalverkehrs, abzubauen, so bedeutet dies im hier diskutierten Beispiel, dass das Land bei konstanten staatlichen Einnahmen- und Ausgabengrößen den inländischen Realzins gegenüber dem Weltmarkt reduzieren muss, um zum einen die Investitionstätigkeit, zum anderen den Gegenwartskonsum zu erhöhen. Die für das Inland relevante Kapitalmarktlinie weist dann eine geringere absolute Steigung auf. Graphisch verschiebt sich Punkt P auf der unveränderten intertemporalen Transformationskurve nach links zu P'. Da sich das staatliche Ausgabenniveau nicht ändert, bleibt der senkrechte und waagerechte Abstand zwischen P' und G' der gleiche wie zwischen P und G. Punkt C wandert nach rechts zu C', der jetzt wegen der unterstellten Forderung nach einer ausgeglichenen Leistungsbilanz mit Punkt G' zusammenfallen muss. Die Steigung der Indifferenzkurve in C' und die Stei-
450
17 Zukunft der internationalen Finanzmärkte
gung der intertemporalen Transformationskurve in P' müssen übereinstimmen. Es wird deutlich, dass der erzwungene Leistungsbilanzausgleich mit einem niedrigeren Nutzenniveau verbunden ist (II < I) sowie mit einer internationalen Fehlallokation des Faktors Kapital. Nun sind in den letzten Jahrzehnten keine Kapitalverkehrskontrollen geschaffen, sondern, im Gegenteil, abgebaut worden. Man kann die obige Argumentation auch umdrehen und von einem Zustand ausgehen, in dem Kapitalverkehrskontrollen existieren und in dem als Sonderfall die Leistungsbilanz ausgeglichen ist (P' und C'). Ein vollkommener Abbau von Kapitalverkehrskontrollen führt dann zu dem zunächst als Ausgangssituation beschriebenen Zustand eines Leistungsbilanzüberschusses (P und C). Das heißt also, der Abbau von Hindernissen des freien Kapitalverkehrs kann gerade Salden der Kapital- bzw. der Leistungsbilanz schaffen oder vergrößern. Den Abbau der Kapitalverkehrskontrollen kann man aber sicher nicht als einen Schritt von einem ökonomischen Gleichgewicht zu einem ökonomischen Ungleichgewicht interpretieren. Lediglich die Gleichheit von nationaler Ersparnis und nationaler Nettoinvestition wird dadurch gestört. Obwohl man aufgrund der Restriktionen eines Zwei-Perioden-Zusammenhangs bei der Übertragung des Ergebnisses auf die Realität vorsichtig sein muss, wird doch deutlich, dass die strikte Vorgabe ausgeglichener Leistungsbilanzsalden nicht immer zu einem weltwirtschaftlichen Optimum führt. Vor allem dann nicht, wenn man die angestrebten Ziele durch Beschränkungen der freien Märkte erreichen will. Man sieht anhand des intertemporalen Ansatzes, selbst in der hier benutzten vereinfachten Version, dass man auch auf andere Weise zu einem Ausgleich kommen kann. Ein höheres Investitionsvolumen ist auch durch entsprechende Anreize bzw. durch den Abbau politischer Investitionshemmnisse zu erreichen. In diesem Fall bräuchte man nicht die intertemporale Kapitalmarktlinie zu manipulieren, vielmehr würde sich die inländische intertemporale Transformationskurve nach oben verschieben, und das Investitionsvolumen würde dadurch steigen.
17.3.3
Internationale Ungleichgewichte und Finanzkrisen
Was im Zwei-Perioden-Fall des intertemporalen Ansatzes sehr einfach aussieht, der Ausgleich aller Salden am Ende des Betrachtungszeitraums, entspricht nicht der Realität. Es hat vielmehr immer wieder längere Zeithorizonte gegeben, in denen sich erhebliche weltweite Ungleichgewichte in den Leistungsbilanzsalden aufgebaut haben. Dies war auch nach dem Jahrtausendwechsel der Fall. Die Summe der globalen Leistungsbilanzsalden hatte sich von 2000 bis 2006 von ca. 2 % auf etwa 6 % des Welt-BIP verdreifacht. Bemerkenswert war allerdings die Rolle, die die USA dabei spielten, denn das Defizit allein dieses Landes entsprach etwa 75 % der zusammengefassten Nettoleistungsbilanz der Überschussregionen, während der Anteil der USA an der Weltproduktion bei knapp 30 % liegt. Im Jahr 2006 betrug das Leistungsbilanzdefizit der USA über 800 Mrd. US-Dollar oder etwa 6 % des USBIP. Das war der höchste Wert seit der Weltwirtschaftskrise im Jahr 1929. Auch die Bundesrepublik Deutschland erreichte in diesen Jahren Rekordwerte ihres Leistungsbilanzüberschusses, allerdings standen dem annähernd gleich hohe Defizite in anderen europäischen Ländern gegenüber, so dass die Leistungsbilanz des gesamten Euro-Gebiets annähernd ausgeglichen war. Besonderheit an der globalen Leistungsbilanzsituation war auch, dass die Hauptüberschussländer nicht wie früher Industrieländer, sondern Volkswirtschaften vor allem in Ostasien, sowie Ölexportländer waren. So wies China im Jahr 2007 einen Rekordleistungsbilanzüberschuss von über 11 % seines BIP auf, andere Schwellenländer Asiens 3,4 %
17.3 Kapitalmobilität und globale Ungleichgewichte
451
und die Ölexportierenden Länder 15 %. In den Folgejahren waren die Salden leicht rückläufig. Dies bedeutet eine sehr ungewöhnliche Richtung der weltweiten Kapitalströme, nämlich von Schwellenländern zu Industrieländern, oder anders ausgedrückt, ärmere Länder finanzieren reichere Länder, sogar Afrika trug zur Finanzierung des US-Defizits bei. Diese oft als „Lucas-Paradoxon“ (Lucas, 1990) bezeichnete Situation stellt sicher eine Verzerrung der globalen Kapitalakkumulation dar und wird mit verantwortlich für die weltweite Finanzkrise nach 2007 gemacht. Außerdem führen immer größere Ungleichgewichte zu der steigenden Gefahr einer ungeordneten Korrektur, was die gesamte Weltwirtschaft belasten könnte. Allerdings gilt das Paradoxon nicht für die Direktinvestitionsströme, hier liegen seit Jahrzehnten die Durchschnittseinkommen der Länder, die netto Direktinvestitionen im Ausland tätigen über dem der Empfängerländer. Hauptgrund für das Entstehen der oben beschriebenen globalen Ungleichgewichte in diesem Ausmaß war vor allem die Ausweitung der Nettoersparnisse in Asien und den Ölexportierenden Ländern. Dabei gab es allerdings zum Teil erhebliche Eingriffe in den freien Kapitalverkehr, die mit zum Aufbau der Ungleichgewichte beitrugen, indem sie die Funktionsfähigkeit freier Wechselkurse behinderten. Letztlich hat also die gegenwärtige Weltwährungsordnung mit zum Ausbruch der weltweiten Finanzkrise beigetragen. Folgende Ursachen kann man dabei identifizieren: a) Devisenmarktinterventionen: Es kam zu umfangreichen Devisenmarktinterventionen von asiatischen Ländern, vor allem der chinesischen Notenbank. Da sie eine Aufwertung ihrer Währung verhindern wollte, kaufte sie in erheblichem Umfang US-Dollar auf. Diese Eingriffe in die Devisenmärkte verhindern, dass sich die globalen Waren- und Kapitalströme in Richtung Gleichgewicht bewegen. In China belief sich die Summe der Währungsreserven Anfang 2009 auf fast 2 Billionen US-Dollar, sie sind das Spiegelbild der amerikanischen Verschuldung. Mit ihrem Konsum, auch getrieben vom überbewerteten Dollar, haben die amerikanischen Haushalte den chinesischen Wirtschaftsaufschwung erst möglich gemacht, während die Chinesen zum großen Teil die Verschuldung der USA finanzierten. b) Einseitige Wechselkursbindungen: In vielen Staaten existieren einseitige Bindungen der eigenen Währung, wobei oft der US-Dollar als Ankerwährung dient. Kommt es zu ungleichen Entwicklungen, so sind die Kurse nur durch umfangreiche Interventionen aufrechtzuerhalten. c) Unzureichende Liberalisierung der Finanzmärkte: In einer ganzen Reihe von Schwellenländern sind die Finanzmärkte unzureichend liberalisiert, was zum einen eine geringere Zufuhr von Portfoliokapital erklärt, als auch zu Kapitalexporten aus diesen Ländern führen kann. Eine latent wahrgenommene Gefahr von Schuldenkrisen und Enteignungen verstärken diese Entwicklung. Auch die fehlende Tiefe der nationalen Finanzmärkte in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern trägt zur relativ höheren Attraktivität des amerikanischen Finanzplatzes bei. d) Überregulierung der Arbeits- und Gütermärkte: In einer Reihe von Industrieländern wirken Überregulierungen auf Güter- und Arbeitsmärkten wachstumshemmend, verzerren die internationalen Kapitalmärkte und verhindern eine optimale Allokation von Kapital. So wiesen die USA im letzten Jahrzehnt vor der Wirtschaftskrise einen steigenden Anteil an der gesamtwirtschaftlichen Produktion aller Industrieländer auf, was vor allem auf eine gestiegene Produktivität zurückzuführen war. Die Erwartung eines weiterhin überdurchschnittlichen Wachstums kann ebenfalls zur Attraktivität des US-Dollars und damit zum USLeistungsbilanzdefizit beigetragen haben.
452
17 Zukunft der internationalen Finanzmärkte
e) Die Rolle der USA: Die steigenden Ersparnisse, vor allem in Asien, gingen in den USA mit sinkenden inländischen Nettoersparnissen der privaten Haushalte einher, was zum Anstieg des Leistungsbilanzdefizits beitrug. Vielfach wird hierfür die Eigenheimförderung der US-Regierung in Verbindung mit einer extremen Niedrigzinspolitik der Federal Reserve Bank in Folge der Rezession der Jahre 2001 bis 2003 verantwortlich gemacht. Auslöser waren das Platzen der Blase am neuen Markt, die Terroranschläge sowie Bilanzskandale. Dies führte zu verbilligten Krediten des US-Bankensystems (teils unterhalb der Inflationsrate). Die amerikanischen Hauskäufer trugen dabei kaum Risiken, da sie auch FestzinsHypotheken jederzeit ohne Zahlung von Strafzinsen kündigen durften. Bei den sinkenden Zinsen schuldeten zudem viele um, verringerten dadurch ihre Belastung und verfügten somit über ein höheres verfügbares Einkommen, das sie zum Kauf von Konsumgütern nutzten. Es kam zu einem regelrechten kreditfinanzierten Konsumrausch. Die Sparquote der privaten Haushalte ging in dieser Zeit gegen Null, unter anderem auch wegen des Verzichts auf Vorsichtsmotive. Auch die beteiligten Banken blieben nicht auf den mit der ungehemmten Kreditvergabe verbundenen Risiken sitzen. Es entstand unter Beteiligung von Investmentbanken und Ratingagenturen ein weltweit florierendes Geschäft mit Kreditderivaten außerhalb der Börsen zwischen den Banken, was als wesentliche Ursache für die weltweite Ausbreitung der „Subprime-Krise“ angesehen werden kann, denn irgendwann konnten die Käufer solcher Anlageprodukte aufgrund unvollkommener Information das damit verbundene Risiko nicht mehr einschätzen. Es war also letztlich eine unzureichende Transparenz, verbunden mit mangelnder Marktaufsicht und fehlleitenden Anreizsystemen, die zu dieser Situation geführt hatten. Durch diese Praxis hatte sich der Einfluss der kurzfristigen Zinsen an den Finanzmärkten aber deutlich erhöht. Als die amerikanische Notenbank aufgrund der Inflationsgefahr in den Jahren 2004 bis 2007 die Leitzinsen deutlich erhöhte, kam es zum Platzen der Immobilienblase, was sich dann aufgrund der beschriebenen Verbriefungspraxis zu einer weltweiten Finanzkrise ausweitete. Diese Entwicklung kann jedoch nicht allein einer mangelnden Funktionsfähigkeit von Märkten angelastet werden, etwa den falschen Anreizsystemen in den beteiligten Investmentbanken, die deren Risikobereitschaft ständig erhöhte. In mindestens gleich hohem Maß handelte es sich um Politikversagen, etwa wegen der massiven Eingriffe in die freie Wechselkursbildung. Auch die strikten Dollaranbindungen vieler Schwellenländer trugen dazu bei, dass die amerikanischen Leitzinssenkungen auch in anderen Ländern Geldmengen- und Kreditexpansionen induzierten. Dies hatte nicht nur Auswirkungen auf die bereits einsetzenden Preissteigerungen bei Nahrungsmittel und Rohstoffen sondern verstärkte auch die internationale Preisblase bei Vermögenswerten. Im System von Bretton Woods gab es vom IWF überwachte Regeln zum Abbau von globalen Ungleichgewichten. Auch ein wirklich flexibler Wechselkurs würde für einen Abbau sorgen. Bei Marktbeeinflussungen in Form von Devisenmarktinterventionen oder bei einseitigen Wechselkursbindungen gibt es aber weder ein allgemeines Regelwerk, noch können die Devisenmärkte ihre Anpassungsfunktion erfüllen. Bei globalisierten Finanzmärkten und den beschriebenen Marktbeeinflussungen ist die Finanzierung auch sehr großer Leistungsbilanzdefizite über längere Zeit möglich. Geschah dies in der Vergangenheit in Entwicklungs- und Schwellenländern, finanziert durch privates Kapital, so kam es zu Währungskrisen, die zu deutlichen Abwertungen führten und in der Folge Finanzkrisen oder Rezessionen auslösten. Allerdings haben die USA im Gegensatz zu Entwicklungsländern die Möglichkeit, sich in eigener Währung zu verschulden, die als Weltwährungsreserve von den anderen Ländern
17.4 Vorschläge für eine „neue Finanzarchitektur“
453
gehalten wird. Würde dies plötzlich in Zweifel gezogen und es erfolgt eine Abkehr vom Dollar, so wären abrupte Erschütterungen der Wechselkurse wie auch der Weltwirtschaft nicht auszuschließen. Umso wichtiger ist es dafür zu sorgen, dass die Wechselkurse ihre Aufgabe als Ausgleichsinstrument wahrnehmen können.
17.4
Vorschläge für eine „neue Finanzarchitektur“
Eine Beschränkung des freien internationalen Kapitalverkehrs sollte möglichst vermieden werden, da der ungehinderte Austausch von Kapital zur jeweils produktivsten Verwendung beiträgt und so einen wichtigen Beitrag leistet für die Entwicklung der internationalen Arbeitsteilung und damit zum Anstieg des weltweiten Wohlstands. Allerdings ist eine verstärkte Kooperation der für die Überwachung und Organisation der internationalen Finanzmärkte zuständigen Instanzen sicher sinnvoll. Allerdings nicht im Sinne einer strengen Finanzmarktregulierung, sondern lediglich zur Setzung von Rahmenbedingungen im Sinne einer internationalen Ordnungspolitik. Es geht darum, verbesserte Verkehrsregeln für die internationalen Kapitalströme zu installieren, um die Vorteile freier internationaler Kapitalmärkte zu sichern. Das Forum für Finanzmarktstabilität ist ein Schritt in diese Richtung. Zwischen diesem Forum, das den öffentlichen Sektor vertritt, und den privaten Finanzorganisationen sollte es einen regelmäßigen Austausch geben, denn eine der Hauptforderungen ist ja die Beteiligung der Privaten an der Bewältigung von Finanzkrisen, da es meist eine zu risikobehaftete Kreditvergabe von privater Seite ist, die solche Krisen mit verursacht haben. Die verstärkte Kooperation der internationalen Aufsichtsgremien könnte durchaus zu einer verbesserten Funktionsweise der internationalen Finanzmärkte und damit zu einer möglichst vollen Nutzung der Vorteile eines freien internationalen Kapitalverkehrs beitragen. Auch die international tätigen Banken sollten zusammenarbeiten und Handlungsnormen einhalten. Hier könnte die BIZ eine Koordinierungsaufgabe übernehmen. Schwachstellen in den nationalen und internationalen Finanzsystemen müssen leichter erkennbar werden, eventuell auch durch die Vorgabe von Orientierungsmaßstäben. Die Notenbanken, ebenso wie die Finanzmarktpolitik, müssen ihr Handeln transparenter und verständlicher machen, um damit berechenbarer zu werden. Daneben können auch internationale Organisationen zur Erhöhung der Transparenz beitragen. Um die Gefahr von Währungs- und Finanzkrisen möglichst bereits in der Entstehungsphase zu erkennen, könnte neben den bisher verfügbaren Informationen über Wachstumsraten, Inflation und Staatsbudgets auch das Ausmaß der vorhandenen Devisenreserven und die Rolle des Finanzsektors sowie die Qualität seiner Überwachung durch staatliche Instanzen offen gelegt werden. Offen bleibt natürlich, wie diese zusätzlichen Informationen von den Marktteilnehmern interpretiert würden. Denn gerade die zeitnahe Bereitstellung umfangreicher Daten, die vor allem bei einer instabilen Situation schwierig sein dürfte, könnte die Marktteilnehmer, in der Überzeugung, ein zuverlässiges Instrument zur Früherkennung von Währungsturbulenzen zu besitzen, dazu veranlassen, ihr Verhalten zu ändern und eine Währung so frühzeitig zu attackieren, dass dadurch eine ansonsten vermeidbare Krise erst ausgelöst wird. Ziel einer neuen Finanzarchitektur muss sein, die Märkte dauerhaft funktionsfähig zu machen. Forderungen nach einer Regulierung sind zweifelhaft, denn wie sollte man zwischen guten und schlechten Kapitalbewegungen unterscheiden können? Wie sollte eine Weltfinanzbehörde Risiken bewerten, die nicht einmal die beteiligten Banken im Griff haben. Außer-
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17 Zukunft der internationalen Finanzmärkte
dem sind solche Vorschläge in der heute vernetzten Welt unrealistisch. Wie sollten sie überwacht, wie sollten Verzerrungen vermieden werden? Regierungen und Zentralbanken würden sich damit dem Wettbewerb entziehen, Fehlallokation von Kapital wäre die Folge. Die Wechselkurse sollten nicht mehr als ein politisches Prestigeobjekt angesehen werden, wie dies Anfang der 1990er Jahre in der EWS-Krise häufig der Fall war. Wechselkursfixierungen sind problematisch, da sie die Verwundbarkeit eines Landes durch eine sich verschlechternde Wettbewerbsfähigkeit oder volatile Kapitalimporte erhöhen können. Auch müsste in diesem Fall die gesamte Politik der Fixierung des Wechselkurses untergeordnet werden. Die Problematik fester Wechselkurse zeigte sich auch bei der Asienkrise Ende der 1990er Jahre. Viele asiatische Schwellenländer hatten ihre Währungen eng an den US-Dollar gebunden, was zu Überbewertungen führte und die Wettbewerbspositionen dieser Länder bereits seit 1995 verschlechterte. Die Paritäten konnten nur durch relativ hohe Inlandszinsen aufrechterhalten werden, was Anreiz für starke, auch kurzfristige Kapitalimporte war. Das damit einhergehende Wechselkursrisiko wurde von den Investoren wegen der bereits länger existierenden Bindung an den US-Dollar systematisch vernachlässigt. Die Konsequenz dieser Problematik zeigt sich heute auch in einer Bewegung hin zu Rändern des Spektrums möglicher Kursbildungssysteme. Innerhalb der großen Wirtschaftsblöcke gibt es eine Tendenz zu Währungszusammenschlüssen, zwischen den großen Währungen der Welt zu frei beweglichen Wechselkursen. So haben in Europa die meisten Länder ihre Währungen zunächst unverändert aneinandergebunden und dann durch eine gemeinsame Währung ersetzt. Zwischen den großen Wirtschaftsblöcken USA, Europa und Asien sind und sollten die Wechselkurse dagegen möglichst flexibel bleiben. Auch China, der gesamte ostasiatische Raum sowie die Ölexportländer sollten eine größere Wechselkursflexibilität zulassen. Einerseits ermöglicht dies freie, unbeschränkte Kapitalmärkte, denn es ist kaum davon auszugehen, dass die großen Wirtschaftsblöcke ihre interne Politik dem Ziel der internationalen Wechselkursstabilisierung unterordnen würden. Zum anderen können flexible Wechselkurse zwischen den großen Blöcken unterschiedliche Entwicklungen ausgleichen und zur Erreichung einer optimalen internationalen Kapitalakkumulation beitragen. Jede Wechselkursbeeinflussung, die von den Märkten als Scheinlösung angesehen würde, löst dagegen spekulative Attacken aus, denn kein Kursniveau ist gegen die Märkte durchsetzbar. Deshalb ist auch die Vermeidung von moral-hazard-Problemen so zentral. Für die privaten Marktteilnehmer muss die Balance zwischen Gewinn- und Verlustrisiko gewährleistet bleiben. Gerade die staatlichen Instanzen aufstrebender Länder sollten lernen, vorsichtig zu sein mit der leichtfertigen Vergabe von Staatsgarantien, die Risikoprämien würden dadurch sinken, (zu) hohe Kapitalzuflüsse in Form unzureichend abgesicherter Kredite wären die Folge. Bei Krisensignalen würden diese Gelder das Land sehr schnell verlassen und Verwerfungen auslösen. In der Vergangenheit wurde ein solches Verhalten u. a. durch den IWF noch unterstützt. So wurden in der Mexiko-Krise 1994/95, in Asien 1997, in Russland 1998 und in Brasilien 1999 öffentliche Finanzhilfen z. T. zur Finanzierung von Kapitalexporten privater Anleger benutzt, die sich möglichst ohne Verluste von ihren Risiken trennen wollten. Wenn ein solches Verhalten öffentlicher Institutionen antizipiert wird, so führt dies zu einer tendenziellen Unterschätzung des Risikos einer Auslandsanlage. Die zukünftigen Aufgaben des IWF müssen vor allem in einer umfassenden makroökonomischen Kontrolle der einzelnen Länder liegen, um mögliche Krisen frühzeitig erkennen und die betroffenen Länder politisch beraten zu können. Eine besondere Bedeutung kommt dabei der Lage des Finanzsektors zu. Allerdings reicht eine Beschränkung auf die Beobachtung der
17.5 Zusammenfassung von Kapitel 17
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Leistungsbilanzsituation und der Geld- und Finanzmärkte alleine nicht aus. Auch sollte die Situation der einzelnen Länder möglichst transparent gemacht werden, um Unsicherheiten der Finanzmärkte und das Entstehen von Spekulationswellen zu verhindern. Damit könnte auch ein Anreiz oder Druck für die nationalen Behörden entstehen, im Sinne der IWFVorschläge tätig zu werden. Insgesamt könnte die Zusammenarbeit zwischen dem IWF und den anderen nationalen und internationalen Institutionen, etwa auch dem Forum für Finanzmarktstabilität erhöht werden, um ein verbessertes Frühwarnsystem gegen zukünftige Finanzkrisen zu entwickeln. Ziel sollte dabei auch bleiben, die Bonität der Mitglieder zu erhöhen, um ihnen den Zugang zu privaten Kapitalmärkten zu ermöglichen. Ist dies erreicht, so ist eine Finanzierung durch den IWF, die über kurzfristige Finanzhilfen zur Überwindung von Zahlungsbilanzschwierigkeiten hinausgeht, schwer zu rechtfertigen. Es sollten nicht private Geldgeber durch öffentliche Institutionen verdrängt werden. Außerdem sollte das früher geltende Prinzip der katalytischen Finanzierung, also der Beteiligung privater Investoren auch bei Finanzkrisen strikt beibehalten werden, um das „falsche“ Signal zu vermeiden, Finanzlücken von Schuldnerländern würden letztlich durch öffentliche Stellen gedeckt.
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Zusammenfassung von Kapitel 17
Die Situation auf den Weltfinanzmärkten kann als ein magisches Dreieck der internationalen Finanzarchitektur gekennzeichnet werden. Es stehen sich die drei Alternativen – Feste Wechselkurse und stabile Finanzmarktverhältnisse, – Autonome Geld- Wirtschafts- und Finanzpolitik, – Freier und ungestörter internationaler Kapitalverkehr gegenüber, von denen immer nur zwei miteinander vereinbar sind. Dies hat zu einer Fülle von Vorschlägen zur grundsätzlichen Erneuerung der internationalen Finanzarchitektur geführt. Vorschläge zur stärkeren institutionellen Überwachung der Finanzmärkte zielen vor allem auf eine stärkere Koordinierung der bereits zahlreich existierenden Institutionen. Hierzu dient etwa das Forums für Finanzmarktstabilität, das 1999 seine Arbeit aufnahm. Vorschläge zur stärkeren Regulierung der Märkte sollten dagegen kritisch bewertet werden. Wechselkurszielzonen beinhalten die gleichen Probleme wie feste Wechselkurse, es muss ein ökonomisch sinnvoller Zielwert gefunden und spekulative Attacken verhindert werden. Gespaltene Devisenmärkte erfordern einen umfangreichen Kontrollmechanismus, da sie zur Suche von Umgehungsmöglichkeiten einladen. Eine Devisenmarktsteuer trifft immer auch die nichtspekulativen internationalen Transaktionen und gefährdet damit die Vorteile der internationalen Arbeitsteilung. Stabilisiert eine Notenbank den Außenwert ihrer Währung während die andere Notenbank bei ihrer Geldpolitik allein binnenwirtschaftliche Zielsetzungen verfolgt, so kommt es bei einer Verschiebung der Nachfrage nach den beiden Währungen (Währungssubstitution) zu Schwankungen der Weltgeldmenge und damit zu Instabilitäten. Um dies zu vermeiden wird beim Auftreten von Währungssubstitution eine internationale Koordinierung der Geldpolitik vorgeschlagen. Letztlich ist dieser Vorschlag nichts anderes als ein Festkurssystem mit geldpolitischer Ausrichtung auf die Außenwertstabilisierung. Nur durch freien Kapitalverkehr kann eine optimale internationale Allokation von Kapital erreicht werden. Jeder Eingriff in die freie Bewegungsmöglichkeit von Kapital führt
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17 Zukunft der internationalen Finanzmärkte zu einem Rückgang der Weltproduktion und damit zu negativen Wohlfahrtseffekten. Außerdem hat ein Land, das zum Mittel von Kapitalverkehrskontrollen greift mit Bonitätsverlusten an den internationalen Kapitalmärkten zu rechnen. Auch der Versuch, durch Kapitalmarkteingriffe eine ausgeglichene Leistungsbilanz zu erzwingen, führt zu Suboptimalitäten. Dies kann mit Hilfe des intertemporalen Ansatzes der Zahlungsbilanztheorie verdeutlicht werden. Auch Leistungsbilanzsalden können, wenn sie auf freiem Verhalten der Wirtschaftssubjekte beruhen, als ein „optimaler“ Zustand interpretiert werden, Ersparnis und Nettoinvestition stimmen überein, allerdings global und nicht nationalstaatlich. Unter anderem aufgrund von hohen Devisenmarktinterventionen, einseitigen Wechselkursbindungen und Unterschieden in der nationalen Geldpolitik entstanden in den Jahren nach 2001 sehr hohe globale Leistungsbilanzungleichgewichte, allein das Defizit der USA lag im Jahr 2006 bei etwa 800 Mrd. Dollar (6 % des US-BIP) und entsprach ca. 75 % der Weltleistungsbilanzüberschüsse. In den USA kam es zu einem Immobilienboom, der auch durch die hohen Kapitalimporte dieses Landes finanziert wurde. Der Zusammenbruch dieses Marktes (Subprime-Krise) führte, auch aufgrund einer intransparenten Verbriefungspraxis der Banken zu einer weltweiten Finanzkrise, die auch auf die Realwirtschaft übergriff. Diese Entwicklung zeigt, dass dafür Sorge getragen werden muss, dass die Wechselkurse ihre Aufgabe als Ausgleichsinstrument wahrnehmen können. Ziel einer neuen Architektur der Weltfinanzmärkte muss sein, die Märkte dauerhaft funktionsfähig zu machen. Dies kann letztlich nur durch eine auf Stabilität ausgerichtete nationale Wirtschafts- Finanz- und Geldpolitik geschehen, die von den Marktteilnehmern als glaubhaft angesehen wird. Eine stärkere Koordination der Instanzen zur Überwachung der Rahmenbedingungen freier internationaler Finanzmärkte erscheint dabei durchaus sinnvoll. Dagegen ist jeder Versuch, durch interventionistische Maßnahmen die Märkte zu stabilisieren mit der Gefahr verbunden, spekulative Attacken auszulösen und damit selbst Ursache von Instabilitäten zu sein.
Aufgaben zu Kapitel 17 Aufgabe 17.1 Was versteht man unter dem „Magischen Dreieck“ der internationalen Finanzarchitektur? Stellen Sie dieses dar und diskutieren Sie die verschiedenen Zielkonflikte, die dabei auftreten. Aufgabe 17.2 Unterstellen Sie, Land A orientiere seine Geldpolitik an einem konstanten Außenwert seiner Währung, während Land B dem Außenwert keine Bedeutung schenkt. a) Unterstellen Sie eine Währungssubstitution hin zu Land A. Welche Folgen hat dies für die Weltgeldmenge und die Inflation? Begründen Sie Ihre Ergebnisse. b) Unterstellen Sie eine Währungssubstitution hin zu Land B. Welche Folgen hat dies für die Weltgeldmenge und die Inflation? Begründen Sie Ihre Ergebnisse. Aufgabe 17.3 Unterstellen Sie ein Zwei-Länder Modell. Die Länder sind unterschiedlich mit Kapital ausgestattet, wobei Land A mehr Kapital besitzt als Land B.
17.5 Zusammenfassung von Kapitel 17
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a) Stellen Sie ein internationales Kapitalmarktgleichgewicht für den Fall dar, dass der Faktor Kapital international vollkommen mobil ist. Erläutern Sie die dabei geltenden Zusammenhänge. b) Welches Ergebnis würde sich ergeben, wenn der Faktor Kapital international immobil wäre? c) Gehen Sie von vollkommener Kapitalmobilität aus und zeigen Sie, welche Wirkung eine von Land A erhobene Kapitalexportabgebe hat. Aufgabe 17.4 Wie funktioniert eine Devisenmarktumsatzsteuer im Idealfall? Erklären Sie, weshalb dabei vor allem kurzfristige Auslandsengagements betroffen sind und nehmen Sie kritisch zu diesem Instrument Stellung.
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Register A absoluter Preisvorteil 15, 48, 50, 52, 108, 127 Absorption 23, 280, 281, 313, 314, 315, 332, 333 Abweichungsindikator 366 Abwertungs-Inflations-Spirale 323 adjustable peg 312 Agglomeration 218, 383 AKP-Abkommen 204 American Selling Price System 228 Ankerwährung 308, 310, 366, 369, 372, 373, 374 Anti-Dumping-Kodex 228, 229 Anti-Dumping-Regelungen 238 Appelate Body 232 Arbeitseinsatzkoeffizient 53, 54 Arbeitsproduktivität 57, 58 Arbitragemöglichkeitskurve 264, 265 Arbitragewunschkurve 260, 261, 262, 264, 265 Armutsreduzierungsfazilität 357 ASEAN 203, 219 Asienkrise 454 Asymmetrische Informationen 298 Ausländerkonvertibilität 352 Ausreifungsphase 45 Außenbeitrag 5, 9 Außenhandel zwischen zwei Länder 121 Außenhandelstheorie neue 117, 134 traditionell 43 Außenwert 244, 266 Außenwirtschaftliches Gleichgewicht 400 Autarkie 56, 59 Autarkiegleichgewicht 93, 169 Autarkiepreis 17, 331 Autarkiepreisverhältnis 61, 88, 90, 93, 103 B Balance of Payments Manual 7 Bancor 350 Bandbreiten 311 Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) 439, 453 Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht 440 beggar-my-neigbour-policy 14, 224
Benchmark 299, 301 benign neglect 356 Big Mac-Parität 273 Billiglohnländer 159 Bimetallismus 341 Binnenmarkt 383 Boykott 167, 168 Bretton Woods 313, 328, 334, 350, 351, 353, 358, 361, 365, 375, 409, 438, 452 Briefkurs 243 Bruttoinlandsprodukt 9, 313 Bruttosubstitutionalität 284, 289, 290 C call-option 248 Chartanalyse 299 Charts 299 Clearing-Union 350 cost, insurance, freight (cif) 8 crawling peg 312 cross-rate 241 Currency Board 309, 335 D Deindustrialisierung 112 Delors-Ausschuss 375 Demonopolisierungseffekt 123 Deport 243, 266 Despezialisierungseffekt 170, 172, 173, 174, 181, 182, 197, 199 Deutsche Revisions- und Treuhand 196 Deutscher Zollverein 223 Devisenkontrolle 350 Devisenmarktintervention 13, 313, 320, 321, 322, 335, 355, 371, 451, 452 Devisenmarktspekulation 327, 328, 330 Devisenoptionen 248, 266 Devisenreserve 13, 347 Devisenswap 248 Devisenumsatzsteuer 442 Diamant-Ansatz 129, 134 Dienstleistungsbilanz 8 direkter internationaler Preiszusammenhang 331, 334, 337 direktes Wechselkursrisiko 245 Direktinvestition 10, 11, 14, 25, 126, 131, 137, 138, 160, 161, 308, 442
476 Direktinvestitionen 10, 139 Dispute Settlement Body 232 Distanzkosten 144 Doha-Runde 233 Dollar-Recycling 37 Durchfuhrzoll 168 E ECOFIN-Rat 377 ECU-Korb 366, 368 ECU-Leitkurs 366 Edgeworth-Box 66, 67, 76 Effektivzollbelastung 169 Effektivzolltheorie 184ff. effizienter Markt 296, 301 EFTA 204 Einbahnstraßenspekulation 328 Einheitliche Europäische Akte 205, 375 eklektisches Paradigma 142, 160 Emissionsmenge optimale 235 Entwicklungspotenzial 108 erratische Wechselkursschwankung 381 Erziehungszoll 120, 124, 167, 187, 188, 189, 199 Escape Clause 226 eskalierenden Zollstruktur 186 EU 203, 219 Euro-Dollar-Markt 356 Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) 389 Europäische Kommission 382 Europäische Rechnungseinheit (ERE) 368 Europäische Stabilisierungsmechanismus (ESM) 389 Europäische Währungsunion 374ff. europäische Wechselkursverbund 391 Europäische Zahlungsunion 228 Europäische Zentralbank (EZB) 322, 376, 378ff. Europäischer Fond für währungspolitische Zusammenarbeit 367 Europäischer Währungsfond 376 europäischer Wechselkursverbund 365 Europäisches Systems der Zentralbanken (ESZB) 375 Europäisches Währungssystem (EWS) 312, 366, 371, 372, 376, 391 Europäisches Wahrungssystem II 387 European Currency Unit (ECU) 366, 368, 391 Eurosklerose 360 EWG 203 EWS II 380 EWS-Kriesen 370ff. EWS-Krisen 383, 439, 454 exchange rate pass-through 20, 246, 250
Register Exekutivdirektorium 351 Exportförderung 124, 168, 196 Exportkartell 124 Exportkreditversicherung 249 Exportmonopol 124 Exportselbstbeschränkungsabkommen 192 Exportsubventionen 233 Exportweltmeister 389 exposure 246 EZB-Rat 379 F Fairer Handel 234, 239 Faktorausstattung 76f., 82 Faktorgehaltsthese 106 Faktorproportionalität 106 Faktorproportionentheorem 76, 82 Faktorproportionsunterschiede 107 Federal Reserve System 354 Feinunze 342 Festkurssystem 322 Finanzarchitektur 437, 453 finanzielles Beistandssystem 367 Finanzierungssaldo 5, 6, 7, 28 Sektoral 27 Finanzkrise 28, 387, 389, 437, 450, 451 Finanzmarktansatz 283 firm surveillance 357 Forum für Finanzmarktstabilität 440, 453, 455 Forward-forward swap 248 Fragmentation V, IX, 47, 109, 126, 137, 139, 148, 149, 150, 151, 152, 153, 154, 155, 156, 157, 158, 159, 160, 161, 162, 163, 459, 467 geographische 150, 161 organisatorische 150 organische 161 free on board 8 Freihandelsgleichgewicht 90ff., 100, 165 Stabilität des 97ff. Freihandelszone 204, 219 freiwilliges Selbstbeschäftigungsabkommen 167 freiwilliges Selbstbeschränkungsabkommen 138, 168 Frustrationshypothese 391 Fundamentalkurs 323 G GATS 229, 230 GATT 192, 198, 224, 229, 239 GATT-Runde 138 Gefangenendilemma 198 Gegenwartspräferenz 29, 32 Geldkurs 243
Register Geldmarktgleichgewicht 276 Geldmengeneffekt Neutralisierung 316, 325 Sterilisierung 316 Geldmengen-Preis-Mechanismus 334, 337, 344, 345, 347 Geldschöpfungskapazität 309 Gemeinsamer Markt 205, 219 gesamtwirtschaftliche Nachfrage 397, 422 gesamtwirtschaftliche Nachfragekurve 425 gesamtwirtschaftliches Güterangebot 422 gespaltene Devisenmärkte 441, 455 Ginikoeffizienten 383 Gleitzoll 168 globale Ungleichgewichte 446 Globalkontingentierung 190 Gold 317, 336 Goldarbitrage 342, 343, 346, 361 Goldarbitragekosten 343, 362 Golddeckungsvorschrift 344 Gold-Devisen-Standard 318, 350 Goldexport 342, 347 Goldimport 342, 347 Goldkernwährung 341 Goldparität 341, 342, 361 Goldpool 354 Goldpräferenz 354 Goldstandard 224, 341 Restaurierung 349 Goldumlaufwährung 341 Gouverneursrat 351 Gravitationsansatz 45 Grenznutzenkurve 321 Grenzschadenskosten 235 Grenzvermeidungskosten 235 Größenvorteil 126 Grubel-Lloyd-Index 127 Gruppenfloaten 365 Gruppenfloating 357 Güter handelbare 245, 274f., 275 nicht-handelbare 245, 274f., 275 H Handelsblock 140 Handelsgewinn 87, 102 Handelsindifferenzkurve 91, 92, 102, 179, 183 Handelskrieg 145, 197, 198 Handelspolitik 223ff. Handelsregulierung 236 Handelsschaffung 206, 207, 208, 210, 219 Handelsumlenkung 206, 207, 210, 219 Hard-ECU 376 Harrod-Johnson-Diagramm 70, 81, 111 Havanna-Charta 224
477 Heckscher-Ohlin-Theorem 106, 107, 109, 111, 126, 127, 128, 143, 156, 158, 171, 384 Hedging 248 Herdenverhalten 299, 337, 438 Hermes Kreditversicherung 196, 249 Hicks’sche Einheitswertisoquante 153 Hinterlandstrategie 149 Hochtechnologieländern 131 holländische Krankheit 112 Home-Bias-Effekt 388 homothetische Präferenzen 177, 180, 194 horizontale Produktdifferenzierung 121 Horten 280 Hortungsfunktionen 281 Hyperinflation 348 Hysterese-Effekt 22 I ILO 237 Imitationsländer 196 Imitationsphase 46 Immobilienblase 452 Importkontingent 167, 168, 190, 191, 200, 228, 349 Importnachfrageelastizität 97, 98 Importphase 46 Importsubstitution 105 Importverbot 168, 190 Importzoll 168, 169, 214, 215, 316, 336 Indifferenzkurve intertemporal 29, 30 Indikatorinterventionen 323 Individualkontingentierung 190 industrielle Struktur 157 infant-industry-argument 166, 199 Inflationsdifferenzen 275 Inflationsimport bei festen Wechselkursen 331, 332 bei flexiblen Wechselkursen 334 Inländerbehandlung 226 Innovationsphase 45 Innovationswettbewerb 132 Input-Output-Modell 106 Integrationsräume 203 Integrationstheorie 203ff. Interbankenhandel 242, 298 International Conference on Trade and Employment 224 International Trade Organization 225 internationale Finanzmarktstabilität 439f. internationale Inflationsübertragung 331ff. internationale Versicherungsaufsicht (IAIS) 440 internationale Wettbewerbsfähigkeit 111, 127, 128, 134
478
Register
internationale Zinsdifferenz 283 Internationaler Konjunkturzusammenhang 346 Internationaler Währungsfond 7, 11, 317, 318 internes Gleichgewicht 397, 404, 409 inter-sektoral 81 inter-sektoraler Handel 47 Interventionsmechanismus 366 Interventionswährung 352 intra-industrieller Handel 384 intramarginale Intervention 312, 366, 367, 369 intra-Produkt-Handel 148 intra-sektoraler Handel 47, 81, 122, 125, 126, 134, 161 Intra-sektoraler Handel 125 IWF 336, 351, 357, 358, 438, 440, 452, 454 IWF-Quote 318
Konvergenzkriterien 376, 392 Korbwährung 311, 367, 369, 391 Kostenvorteil absoluter 54 Kostenvorteile absolute 57 relative 53 Kreditbeistandsmechanismus 341 Kreditfazilitäten 351 Kreislaufanalyse 7 Krisenmodelle Generationen 437 kritischen Swapsatz 260 Krönungstheorie 381 Kurantmünzen 341 Kurssicherungsgeschäft 260 Kurve der effizienten Produktion 68 kurzfristiger Währungsbeistand 367, 391
J J-Kurven Effekt 21, 330
L Länderrisiko 287 Leaning against the wind 323 Leistungsbilanz anornale Reaktion 20, 266 normale Reaktion 20, 23, 251, 266 Leistungsbilanzausgleich 13 erzwungener 448 Leistungsbilanzsaldo 6, 7 Leitwährung 352 Leitwährungsland 279, 355, 411, 424, 429, 430 Leitwährungsnotenbank 336, 370, 371, 411 Leontief-Paradoxon 79, 106, 111, 114 Linder-These 121 Lizenzvergabe 147 Local Content Requirement 230 Lohnveredelung 149 Lokomotivfunktion 417, 418, 430, 431 Louvre-Akkord 361 Lucas-Paradoxon 451
K Kapitalakkumulation optimale internationale 446 Kapitalbilanz 8, 10 Kapitalexportabgabe 447 Kapitalexporte 6 Kapitalintensität 70, 76, 154, 155 Kapitalmobilität 402 Kapitalverkehrskontrolle 336, 346, 352, 370, 445, 450 Kapitalverkehrsliberalisierung 291, 408 Kartell 124 Kassamarktspekulation 257, 266 Kassawechselkurs 243ff. katalytische Finanzierung 358, 455 Kaufkraftparität 272, 273, 276, 293, 327 absolute 271 relative 273, 277 Kaufkraftparitätentheorie 283 Kennedy-Runde 228 Keynes, J.M. 350 Komponentenhandel 148, 161 Konkurrenzfähigkeit eines Landes 131 internationale 112 Konsumentenpräferenzen 44, 47, 48, 126, 134 Konsumentenpreisniveau 425, 427 Konsumentenreallohn 422, 428 Konsumentenrente 113, 171, 172, 207 Konsummöglichkeitsgerade intertemporal 30 Konsummöglichkeitskurve 56, 59 Kontingentrente 191 kontrolliertes Floaten 313, 335
M Maastrichter Vertrag 368, 370, 374, 389, 392 magisches Dreieck der internationalen Finanzarchitektur 438, 455 marginale Interventionsnotwendigkeit 369 marginalen Interventionen 366 Market Maker 298 Markteintrittsschwierigkeiten 142 Marktorientierung 139, 160 Marshall-Lerner-Bedingung 20 Massenfertigungsverfahren 117 Meistbegünstigungsklausel 203, 225, 231 Mengenkontingent 190 Mengennotierung 241, 266 Mengenzoll 168
Register MERCOSUR 203 Merkantilismus 223, 239 Mexiko-Krise 437 Mikrostrukturansatz 242, 298 Millenniumskonferenz 233 mittelfristiger finanzieller Beistand 367, 391 monetäre Wechselkurstheorie 276, 300, 326 Monetaristen 375, 381 Monopolisierungsgrad 118, 122, 123, 134 monopolistische Strukturen 112 Moral-Hazard-Problem 358, 389, 454 multinationale Unternehmen 44, 47, 81, 126, 130, 137f., 160 Mundell-Fleming-Modell 404, 430 N N-1-Problem 310 NAFTA 203, 219, 234 Nash-Gleichgewicht 198, 200 Nettoauslandsposition 9, 12 Nettoauslandsvermögen 6, 7 Nettodevisenmarktengagement 258 Nettoinlandsprodukt 5 Nettoopportunitätskosten 321 Nettotransaktionskurve 256, 262, 264 Nicht-tarifäre Handelshemmnisse 129, 228 No-bail-out-Klausel 377, 393 Noise Trade 299 Nominalzoll 169 Nullsummenspiel 223, 237 Numéraire-Währung 241 O OECD 360, 363, 439 OEEC 227 offshoring 161 Ökonomisten 375 Ölpreisschock 37, 357, 358, 360, 375, 391 OPEC 356, 359 Optimale Unternehmensgröße 124 Optimale volkswirtschaftliche Produktion 65 Optimaler Währungsraum 381 Optimalzoll 182, 183, 184, 199 Osterweiterung 387 Outsourcing 148, 149, 150, 161 P Parallelwährungskonzept 375 Pareto-Optimalität 66 Parität 311 Paritätengitter 366 Paritätsänderung 341 Partialanalyse 169, 172 PIGS-Staaten 388, 389 Plaza-Erklärung 360 Porter 129
479 Portfoliogleichgewicht 284, 285 Portfolioinvestition 10, 442 Portfoliotheorie 283, 286, 323 Positivsummenspiel 165, 237, 238 Präferenzzone 204, 219 Preisdifferenzierung 124 Preiselastizität der Importnachfrage 19, 23, 331 preisliche Wettbewerbsfähigkeit 127, 189, 314, 323, 398 von Ländern 127 Preisnotierung 241, 266 pricing to market 21, 246, 250 Primärgüter 104, 212 principal-agent-Problem 438 Produktdifferenzierung 47, 118, 120 Produktionseffizienz 72, 73, 82 Produktionsmöglichkeitskurve 59 Produktionsoptimums 87 Produktivitätstheorem 74 Produktleben Zyklustheorie 45, 81, 109 Produktpiraterie 231 Produktvariante 121, 122, 134 Produktvielfalt 89, 134, 217 Produzentenreallohn 422 Produzentenrente 113, 171, 172, 207 Proportionalsystem 341 Protektionismus 48, 165, 166, 198, 273 administrativer 168 Instrumente 165, 167 Motive 165 nicht-tarifärer 168 nicht-traifärer 167 tarifärer 168 protektionistische Maßnahme 145, 161, 189, 346 put-option 248 Q Qualifikationsunterschiede 108 R random walk 296, 299 räumliche Konzentration 120 Raumüberwindungskosten 148 RCA-Index 128 realer Wechselkurs 266 Realignments 367 Rekonstitutionspflicht 355 relativer Kostenvorteil VII, 53, 58, 65, 74, 82, 223, 237 relativer Preisvorteil 44, 52, 54, 57, 58, 110, 127 Relativpreisverschiebung 111 Renditedifferenzen 258
480 Rentenmark 348 Reparationszahlung 348 Report 243, 266 Reservewährung 309, 317, 336 Reservewährungsland 317, 354 Restposten 11f. Retorsionszoll 197 reziproke Zollsenkung 217 Ricardianischen Äquivalenz 35 Ricardo 44, 52, 82, 118 Risikoaversion 257, 297 Risikoprämie 283 Robinson-Bedingung 20 S Saldenausgleichsmechanismus 410 Saldenausgleichsvereinbarungen 417 Schutzeffekt 189, 195 Segmentierung 111 sektoraler Preisvorteil 127 Single Euro Payments Area (SEPA) 388 Skalenerträge 89, 117, 118, 133, 143, 161, 187, 218 Smithonian Agreement 356, 363, 365 Sonderziehungsrecht 11, 320, 336, 355, 356, 363 Sorten 241 Sozialstandard 233ff., 239 Spazierstockeffekt 21, 330 Spekulation destabilisierend 330, 337 stabilisierend 330, 337 Spekulationswellen 330, 392, 437 spekulative Blase 297, 301, 329 Spezialisierungseffekt 211 Spezialisierungsgewinn 102 Spezialisierungsmuster 119 Spot-forward swap 248 Staatsschuldenkrise 389, 393 stabiles Devisenmarktgleichgewicht 252, 254, 255, 266 Stabilisierungsfond 350 Stabilität des Weltmarktgleichgewichts 101 Stabilitäts- und Wachstumspakt 378, 388 Stabilitätskriterien 387 Stabilitätsorientierung 327 Standard-International-Trade-Classification 125 Standardisierungsphase 46 Standortvorteil 57 Standortwettbewerb von Staaten 130 strategische Handelspolitik 123, 124 strategische Überlegung 140f., 160 Streitschlichtungsverfahren 227, 232, 233, 238 Stufenflexibilität 314, 328 Subprime-Krise 437, 452, 456
Register Subventionen 192 Subventionierung 168, 189, 200 surveillance 351 Swapsatz 244, 259, 260, 261, 262, 264, 265, 266, 275, 292, 295 gleichgewichtiger 264, 265 kritischer 261, 265, 275 T Tauschgleichgewicht 62 Tauschkurve 90ff., 102, 178, 183, 197, 213, 214 Tauschverhältnis 56 technische Analyse 299, 301 technischer Fortschritt 161 nicht neutraler 104 technological gap 130, 131 Terminmarktspekulation 257, 266 Terminwechselkurs 243, 266 Tesobono 308 Thunfisch-Delphin-Urteil 234 Tobin-Steuer 442 Tokio-Runde 229 Totalanalyse 176ff. Trade Balancing Requirements 230 Trade Expansion Act 228 Transferunion 390 Transformationsblock 62, 64 Transformationskurve 54, 55, 56, 69, 70, 71 intertemporal 31, 32, 450 Triffin-Dilemma 353, 362 TRIMs 230 TRIPS 229, 231 Tulpomania 297 U Überforderungshypothese 390 Überschießende Wechselkursreaktion 293, 296, 301 Überschussangebotskurve 19 Umweltstandards 233, 234, 235, 236, 239 Unabhängigkeit der Zentralbank finanziell 376 funktionell 376 institutionell 376 personell 376 UNEP 237 Unternehmenszusammenschlüsse 137 unvollständige Spezialisierung 63 upgrading 192 Uruguay-Runde 229, 231, 233, 237, 239 V Vereinigung der Wertpapieraufseher (IOSCO) 440 Verelendungswachstum 104, 105, 114
Register Verfügbarkeitsthese 108, 159 Vermögenseffekt wechselkursinduziert 285, 289, 324, 325 vertikale Integration 142 vertikale Produktdifferenzierung 121 Viner 206 vollständige Spezialisierung 61, 62 W Wachstumsfazilität 357 Währungsblöcke 357 Währungsfutures 248, 266 Währungskorb 318, 336 Währungsoptionen 248 Währungsreserve 11, 12, 13, 312, 336, 353, 362, 400, 401, 429, 451 Art 307, 317, 335 Bedarf 319 Entstehung 319 Kosten 320 Nutzen 320 optimaler Bestand 321 Umfang 307, 317, 320, 335 Währungsrisiko 247 Währungsspekulation 337 Währungssubstitution 443, 444, 455 Währungsswaps 248 Währungssystem 307ff., 335, 397 Währungsunion 205, 219, 321, 370, 374, 392 Währungswettbewerb 375 Wchselkurszielzonen 321 Wechselkurs effektiver 244 realer 244 Wechselkurs- und Interventionsmechanismus 370, 391 Wechselkursbindung 451 Wechselkurserwartung 25, 265 Wechselkursmechanismus 366 Wechselkursrisiken 245ff. Wechselkursrisiko-Versicherung 249 Wechselkursverbund 308 Wechselkurszielzone 335, 361, 440, 441, 455 wechselseitiges Beistandssystem 366, 367, 391 Weltbank 351, 439 Weltfinanzorganisation 440 Welthandelsabkommen 238 Welthandelsordnung 223ff., 238 Weltmarktgleichgewicht 61, 62, 63, 96, 101 Weltmarktpreisverhältnis 61, 87, 88, 100, 103, 179
481 Weltreservewährung 317 Welttransformationskurve 64 Weltwährung 440, 441 Weltwährungsordnung 307 Weltwährungsreserve 317, 452 Weltwirtschaftsgipfel 360, 441 Weltwirtschaftskrise 197, 224, 450 Weltzentralbank 440 Werner-Plan 374 Wertkontingent 190 Wertschöpfungskette 130, 135, 148, 158, 161 Wertzoll 168, 169 Wettbewerbsfähigkeit 266, 386, 388, 397 Wettbewerbsfähigkeit eines Landes 117, 449 White, H.D. 350 Wirtschaftsunion 205, 219, 374, 392 Wohlfahrtseffekte dynamische 89 statistische 87f. WTO 192, 203, 231, 232, 233, 239 Z Zahlungsbilanz 5, 7 formaler Ausgleich 12 intertemporaler Ansatz 26, 447, 456 materieller Ausgleich 13 Zahlungsbilanzanpassung 314, 316, 356, 390 Zahlungsbilanzfinanzierung 314, 316, 320, 336 Ziehungsrechte 351, 355, 362 Zielzonen 322, 360, 363 Zinsarbitragegeschäft 257, 258, 261 Zinsarbitrageure 261, 262, 263, 264, 292 Zinselastizität der internationalen Kapitalbewegungen 346, 404, 405, 407, 409, 412, 413, 417, 418, 424 Zinsparität 265, 292, 293, 301 gesicherte 260, 267 ungesicherte 260, 267, 373 Zinsparitätenkurve 292, 295, 374 Zinsparitätentheorem 292, 293, 321 Zölle 165, 199, 349 Zollerhebungstechnik 167 Zollpräferenzen 349 Zollrunden 226, 239 Zollschutz effektiver 184, 185, 186, 187, 200 Zollunion 204, 205, 206, 207, 208, 209, 210, 213, 217, 218 dynamische Effekte 217, 220 Zwischenprodukthandel 156