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German Pages 606 [608] Year 2014
ARISTOTELES NIKOMACHISCHE ETHIK
ARISTOTELES WERKE IN DEUTSCHER ÜBERSETZUNG BEGRÜNDET VON ERNST GRUMACH HERAUSGEGEBEN VON H E L L M U T FLASHAR
BAND 6
NIKOMACHISCHE ETHIK
AKADEMIE VERLAG
ARISTOTELES NIKOMACHISCHE ETHIK ÜBERSETZT U N D KOMMENTIERT V O N FRANZ DIRLMEIER
Zehnte, gegenüber der sechsten, durchgesehenen, unveränderte Auflage
AKADEMIE VERLAG
Die Deutsche Bibliothek-CIP-Einheitsaufnahme Aristoteles: Werke in deutsche Ubersetzung / Aristoteles. Begr. von Ernst Grumach. Hrsg. von Hellmut Flashar. - Berlin : Akad. Verl. ISBN 3-05-000011-2 Bd. 6. Nikomachische Ethik / übers, und kommentiert von Franz Dirlmeier. 10. Auflage - 1999 I S B N 3-05-000800-8
© Akademie Verlag G m b H , Berlin 1999 Der Akademie Verlag ist ein Unternehmen der R. Oldenbourg-Gruppe. Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier. Das eingesetzte Papier ist alterungsbeständig nach D I N / I S O 9706. Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung in andere Sprachen, vorbehalten.Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form - durch Photokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren - reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden. Druck und Bindung: Druckhaus „Thomas Müntzer", Bad Langensalza Printed in the Federal Republic of Germany
BUCH I 1. J e d e s 1 praktische K ö n n e n 2 und jede wissenschaftliche Unter- 1094« suchung, ebenso alles Handeln u n d Wählen strebt nach einem Gut, wie allgemein angenommen wird. Daher die richtige Bestimmung von „ G u t " als „das Ziel, zu dem alles s t r e b t " 3 . Dabei zeigt sich aber ein Unterschied zwischen Ziel und Ziel : das einemal ist es das reine Tätigsein, das anderemal darüber hinaus das Ergebnis des Tätig-seins : das Werk. Wo es Ziele über das Tätig-sein hinaus gibt, da ist das Ergebnis n a t u r g e m ä ß wertvoller als das bloße Tätig-sein. Da es aber viele Formen des Handelns, des praktischen Könnens und des Wissens gibt, ergibt sich auch eine Vielzahl von Zielen: Ziel der Heilkunst ist die Gesundheit, der Schiffsbaukunst das Schiff, das Ziel der Kriegskunst : Sieg, der W i r t s c h a f t s f ü h r u n g : Wohlstand. Überall nun, wo solche „ K ü n s t e " einem bestimmten Bereich untergeordnet sind - so ist ζ. B. der Reitkunst untergeordnet das Sattlerhandwerk 4 und andere H a n d werke, die Reitzeug herstellen, während die Reitkunst ihrerseits, wie das gesamte Kriegswesen, unter der Feldherrnkunst steht, und was dergleichen Unterordnungen 5 mehr sind - , da ist durchweg das Ziel der übergeordneten K u n s t höheren Ranges als das der untergeordneten: um des ersteren willen wird j a das letztere verfolgt. Hierbei ist es gleichgültig, ob das Tätig-sein selber Ziel des Handelns ist oder etwas darüber hinaus wie bei den eben aufgezählten Künsten. Wenn es n u n wirklich f ü r die verschiedenen Formen des Handelns ein Endziel gibt, das wir u m seiner selbst willen® erstreben, während das übrige n u r in Richtung auf dieses Endziel gewollt wird, und wir nicht jede W a h l im Hinblick auf ein weiteres Ziel treffen - das gibt nämlich ein Schreiten ins Endlose 7 , somit ein leeres u n d sinnloses Streben - , daqn ist offenbar dieses Endziel „das G u t " und zwar das oberste Gut. H a t n u n nicht auch für die Lebensführung die Erkenntnis dieses Gutes ein entscheidendes Gewicht u n d können wir d a n n nicht wie Bogenschützen 8 , die ihr Ziel haben, leichter das Richtige 9 treffen? Wenn j a , so müssen wir versuchen, wenigstens u m r i ß h a f t das Wesen
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Buch I
des obersten Gutes zu fassen und (zwar zunächst) in welchem Bereich der Wissenschaften oder der praktischen K ü n s t e es zu finden ist. Man wird zugeben : es gehört in den Bereich der K u n s t , welche dies im eigentlichsten u n d souveränsten Sinne ist. Als solche aber erweist sich die S t a a t s k u n s t 1 . Sie nämlich setzt fest, welche Formen praktischen Könnens in den einzelnen Gemeinwesen unbedingt vertreten 1004 b sein sollen, ferner, mit welchen u n d bis zu welchem Grad der einzelne Bürger sich zu beschäftigen h a t . Wir sehen es j a , wie ihr selbst die angesehensten „ K ü n s t e " untergeordnet sind, ζ. B. Kriegs-, Haushaltsu n d Redekunst. Da sie es also ist, die sich der übrigen praktischen K ü n s t e als Mittel bedient und dazu noch gesetzgeberisch bestimmt, was zu t u n u n d was zu lassen sei, so u m f a ß t ihr Endziel die Ziele aller anderen u n d dieses ihr Ziel ist daher f ü r den Menschen das oberste Gut. Wenn auch somit das Ziel für den einzelnen u n d f ü r das Gemeinwesen identisch ist, so t r i t t es doch am Gemeinwesen bedeutender und vollständiger in Erscheinung: im Moment des Erreichens sowohl wie bei seiner Sicherung. Es ist gewiß nicht wenig, wenn der einzelne f ü r sich es erreicht ; schöner noch und erhabener ist es, wenn Völkerschaften oder Polis-Gemeinden so weit kommen. Das also ist der Gegenstand unserer wissenschaftlichen Untersuchung. Wir sind damit, wenn m a n so will, in dem Bereich der Wissenschaft vom Staate. Die Darlegung wird d a n n befriedigen, wenn sie jenen Klarheitsgrad erreicht, den der gegebene Stoff gestattet. Der E x a k t h e i t s a n s p r u c h 2 darf nämlich nicht bei allen wissenschaftlichen Problemen in gleicher Weise erhoben werden, genau so wenig wie bei handwerklich-künstlerischer Produktion. Bei den Erscheinungsformen des Edlen u n d Gerechten, die den Gegenstand der Staatswissenschaft bilden, gibt es so viele Unterschiede u n d Schwankungen, daß die Ansicht a u f k o m m e n konnte, sie beruhten n u r auf Konvention 3 , nicht aber auf natürlicher Notwendigkeit. Ähnliches Schwanken herrscht aber auch bei den Lebensgütern, weil schon so manchem Schaden daraus erwachsen i s t : es ist schon vorgekommen, daß der eine durch Reichtum, der andere durch Tapferkeit zugrunde ging. Man m u ß sich also damit bescheiden, bei einem solchen T h e m a u n d bei solchen Prämissen die W a h r h e i t n u r grob u n d u m r i ß h a f t anzudeuten, sowie bei Gegenständen und Prämissen, die n u r im großen u n d ganzen feststehen, in der Diskussion eben auch n u r zu entsprechenden
Kapitel 1-2
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Schlüssen zu kommen. I m selben Sinne n u n muß auch der Hörer die Einzelheiten der Darstellung entgegennehmen: der logisch geschulte Hörer wird n u r insoweit Genauigkeit auf dem einzelnen Gebiet verlangen, als es die N a t u r des Gegenstandes zuläßt. Es ist nämlich genau so ungereimt, vom Mathematiker Wahrscheinlichkeiten entgegenzunehmen wie vom Rhetor denknotwendige Beweise zu fordern. Jeder beurteilt das zutreffend, wovon er ein Wissen hat, und ist hierin ein guter Richter. Auf einem begrenzten Gebiet urteilt also der iofl5« darin Geschulte richtig, umfassend aber der allseitig Ausgebildete. F ü r Vorträge über Staatswissenschaft ist daher als Hörer nicht geeignet der Jüngling. E r h a t ja noch keine E r f a h r u n g im wirklichen Leben. Gerade von diesem aber gehen die Vorträge aus und dieses haben sie zum Gegenstand. Da der junge Mann ferner noch ganz zu Gefühl und Leidenschaften neigt, k a n n er n u r zweck- und nutzlos zuhören, denn das Ziel ist hier nicht Erkenntnis 1 , sondern Handeln. Dabei ist es ganz gleichgültig, ob er an J a h r e n jung oder dem Charakter nach unfertig ist. Denn nicht an der Zahl der J a h r e hängt das Ungenügen, sondern daran, daß die jungen Leute u n t e r dem Einfluß der Leidenschaft leben und unter diesem Einfluß ihre jeweiligen Ziele verfolgen. Solchen bleibt, wie den haltlosen Menschen, die Erkenntnis ohne F r u c h t . Wer aber sein Streben und Handeln nach klarem Plan einrichtet, dem bringt das Wissen von diesen Gegenständen hohen Nutzen. Soviel als Einleitung über Hörer, Art der Entgegennahme (des Vorgetragenen) u n d Thema. 2. Nachdem also jede Erkenntnis und jeder Entschluß nach einem bestimmten Gut zielt, wollen wir wieder einsetzen mit der Frage : „ W a s ist das Ziel der Staatskunst u n d welches das höchste 2 von allen Gütern, die m a n durch Handeln erreichen k a n n ? " I n seiner Benennung stimmen fast alle überein. „Das G l ü c k " 3 - so sagen die Leute und so sagen die feineren Geister, wobei gutes Leben 4 u n d gutes Handeln in eins gesetzt werden mit Glücklichsein. Aber was das Wesen des Glückes sei, darüber ist m a n unsicher und die Antwort der Menge 5 lautet anders als die des Denkers. Die Menge stellt sich etwas Handgreifliches und Augenfälliges darunter vor, ζ. B. Lust, Wohlstand, E h r e : jeder etwas anderes. Bisweilen wechselt 6 sogar ein und derselbe Mensch seine Meinung: wird er krank, so sieht er das Glück in der Gesundheit, ist er arm, dann im Reichtum. I m Bewußt-
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Buch I
sein aber der eigenen Unwissenheit bestaunen die Leute jene, — τοιαύτα) und wir haben, wenn wir den nächsten Abschnitt aus derselben Rede dazu nehmen (208 e 1-209 e 4), die Parallelisierung von leiblicher und geistiger Urheberschaft: Wer den körperlichen Zeugungstrieb hat, zeugt Kinder - wer den geistigen Trieb hat, zeugt άρετή (209 a 1-4). Daß Platon dabei die Erzeugung in dem Geliebten und nicht in der eigenen Seele meint, ist hier ohne Belang. Auch ohne daß er es ausspricht - wofür an dieser Stelle kein Anlaß bestand - ist klar, daß dieses Erzeugen des sittlich Schönen durch nichts determiniert, sondern freies Schaffen ist. 64,5 „dem Betrunkenen": s. 1110b26, zu 46,4. Im folgenden hebt sich der Ton beinahe zur Anklage, ζ. B. 1114 a 10: „wer das nicht weiß, ist einfach stupide". Es ist als begleite diese Abschnitte das Bewußtsein, das Piaton im Alter einmal ausgesprochen h a t : „Die Geneigtheit ist nicht groß und die Zahl derer ist nicht groß, die beabsichtigen so gut wie möglich und dies so schnell wie möglich zu werden'' (Leges 718 d 7). 66.1 „aus wiederholten": s. 1103b6-25; 1104a 10-26 und zu 32, 5. 66.2 „aus freiem Willen". Damit ist eine Grundanschauung Piatons ausdrücklich widerlegt. Es genügt auf die präzise Darstellung R. Walzers zu verweisen (20-25). „Die Freiwilligkeit der Tugend war auch jedem Akademiker selbstverständlich; die Lehre dagegen, daß der Mensch auch für seine Schlechtigkeit voll verantwortlich ist, widerspricht Piatos Anschauung von den frühesten Dialogen bis zu den Gesetzen" (a. 0 . 20). 56.1 „dem Häßlichen". Dieser Abschnitt, dem in der EE nichts, in MM, in Kurzform, der Absatz I 9, 1187a 23—29 entspricht, ist auch in Einzelheiten, ζ. B. dem Mitgefühl (1114 a 27) so nahe am Protagoras (323 c 3-324 a 6), daß dieser als unmittelbare Quelle gelten darf. Die Humanitas gegenüber dem Häßlichen, in einer Zeit, wo noch so viele prBchtige Gefftße die Widmung trugen : „NN χαλάς", trennt Piaton und Ar. schon sehr weit von der Adelsethik. Immerhin hatte schon Demokrit (immer vorausgesetzt, daß die Fragmente dem echten D. gehören) einen Satz geprägt, wie „Schönheit des Körpers ist etwas Tierisches, wenn nicht Verstand darunter ist" (Vors.* 68 Β105; vgl. auch Β 27). Man denkt daran, wie schlecht es dem einzigen häßlichen Menschen der Ilias, dem buckligen, schiefbeinigen und spitzköpfigen Thersites geht (II. 2, 211-277), aber die Prügel bekommt er nicht wegen seiner Häßlichkeit, sondern weil er frech war, wie sein Name sagt. 66.2 „naturgegeben". Wenn wir statt Natur die Gottheit einsetzen, so beginnt die Problematik: determinierende Naturanlage — eigene Leistung des Menschen schon bei Homer. Nur wenige Andeutungen: Der Sänger Phemios sagt von seiner Kunst: „Ich habe sie selbst gelernt (autodidaktos) und ein Gott hat mir die mannigfaltigen Gänge des Liedes in den Sinn gepflanzt" (Od. 22, 347 ; dazu W. Schadewaldt, Von Homers Welt und Werk, Stuttgart 1951, 78-79). Dieselbe Anschauung liegt, unausgesprochen, dem Argument des Paris-Alexandras zugrunde (II. 3, 64-66): „Man kann die Geschenke der Götter nicht wegwerfen, die sie von selber ( = ungebeten)
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Anmerkungen
geben: von sich aus (έχων) kann sie sich niemand nehmen." Wenn Archilochos sagen will, er sei ein Krieger und ein Sänger, so formuliert er das durchaus im Ton eines Mannes, der sich des eigenen Wertes, der eigenen Leistung bewußt ist (1 D 1 : είμ'ι δ'εγώ) und schon in Distanz zum Iliasdichter steht, der nicht einsetzt: „Ich besinge den Zorn des Achilleus", sondern die Muse auffordert, sie möge ihn besingen. Aber dieses Ego der selbstbewußten Leistuug zieht sich sofort in das Überpersönliche zurück: „und ich verstehe die liebliche Gabe der Musen". In der Sprache der Odyssee würde das heißen: „und die Musen haben mir die Gabe der Dichtung verliehen". Ähnlich ist es bei Pindar. Da vereinigt ζ. B. das 10. Pyth. Lied gleich die drei Faktoren: eigene Leistung - Leistung des Gottes - angeborene Art (8-12). 57.1 „Miturheber" (ανναίτιος). Der Begriff der conditio sine qua non ist (zu 17, 1) auf Piaton zurückgeführt. Wir haben damals ausgespart, daß Ar. von Piaton noch einen zweiten Terminus für dieselbe Sache übernommen hat: το σνναίτιον. Er gebraucht ihn u. a. in der Physik und Psychologie, in der Ethik aber nur ein einziges Mal hier (weder in EE noch in MM zu registrieren). R. D. Hicks, Ar. De anima, Cambridge 1907, 345 hat das Nötige zusammengestellt. Die Belege für Piaton lassen sich bequem dem Lexicon Plat, von Ast entnehmen: der früheste findet sich Gorg. 519b 2, weitere in Polit, und Tim.; im -Staat (6I5b5) steht e i n m a l das dichterische μεταίτιος, das Ar. nicht übernimmt. Das ebenfalls dichterische παραίτιος haben weder Piaton noch Ar. Durchgesetzt hat sich in Prosa eben allgemein ουναίτιος (dichterisch nur e i n m a l : Aischyl. Agam. 1116). Mißverständnisse um Agam. 811 (μεταίτιος) hat E. Fraenkel in seinem Komm., Oxford 1950, durch eine Fülle von Beispielen aus dem 5. Jh. beseitigt. Für uns ergibt sich aus diesen Beispielen: ganz gleich wie im einzelnen der Anteil des Menschen und der der Gottheit abgewogen wird - o h n e Mithilfe des Gottes kommt nichts zustande. Also auch hier: cond. sine qua non. Wenn der Sänger Phemios (s. zu 56, 2) n u r sagte: „Ich allein habe mir meine Kunst beigebracht", so wäre das Hybris. Aber Phemios ist nicht Thamyris, der sich vermaß, selbst die Musen im Agon zu besiegen (II. 2, 597) und dafür bestraft wird. Paradeigmatisch der Aias des Sophokles (767): „Mein Vater, mit der Götter Hilfe kann auch ein Schwächling sich den Sieg erringen, doch ich getrau 1 mir Ruhm zu holen o h n e sie". Das ist für Sophokles ein Sprechen über die menschlichen Grenzen hinaus (777). Weiteres in meinem Aias-Aufsatz, Neue Jahrb. f. Antike 1, 1938, 299. 307. 67.2 „dargestellt": zu dieser Rekapitulation, die also wiederum vom „richtigen logos" spricht, als ob er behandelt worden wäre, s. zu 28, 1. Neu ist, daß dieser logos „Anordnungen gibt"; darüber S. 279; 299. Die Rek. setzt ein mit dem Anfang des 2. Buchs. Die Ausgangsposition des 1. Buchs: Studium der Tugenden, weil sie in der Eudaimonia-Definition enthalten sind, wird also nicht noch einmal zu Bewußtsein gebracht. In der Tat wird bei keiner der Einzeltugenden von I I I 9-VII an die Eudaimonia erinnert. Erst in der 1. Diskussion über die Lust (VII) erscheint sie wieder, verständlich, denn sie war ja für die Eud., wie sie Ar. auffaßte, die stärkste Konkurrentin; sodann in den Freundschaftsbüchern (Vili—IX), aber nirgends zentral und den Gedankengang konstituierend; weiterhin in der 2. Diskussion der Lust, aus demselben eben genannten Grund. Und dann erst, ab X 6, schließt sich der Kreis (s. S. 249). 57.3
„der allmähliche Fortschritt". Ar. gilt als Schöpfer des Entwicklungsgedankens
III 7-9
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(H. Meyer, Der Entw.-Gedanke bei Ar., Bonn 1909: der arist. Entw.-Gedanke bei Piaton ,4m Keime" vorhanden, 40). W. Jaeger beklagt (1923, 2), „daß man das Prinzip der organ. Entwicklung bis heute nicht auf seinen Urheber angewandt" habe. Doch läßt sich Ar. als „erster Erfinder" nicht halten (s. zu 5, 3). Die Entwicklungen, die Piaton im 2. Buch des Staates und im 8. (genet. Entwicklung der Abfolge von Depravationen im Einzelmenschen und den Staatsformen) zeichnet, die Entwicklung im 3. Buch der Gesetze, das μεταβαίνει» ¿ξ άλίήλων, das έπιδιδόναι, das μεταβαίνει* κατά μικρόν (dieser arist. Ausdruck steht im Phaedr. 262 a 2), der Stufenweg der Diotima, schließlich die Skizze einer geistigen Entwicklung, beide Male von der Jugendzeit ausgehend im Phaidon (96 a 6-100 a 8) und am Anfang des 7. Briefe, das scheint mir die Basis zu sein, von der aus die arist. Position zu klaren wäre (s. zu 184, 6). Das moderne Entwicklungsschema, welches Jugend, reife Zeit und Alter mit der Qualität der einzelnen Werke in Verbindung bringt, ist, wenn ich richtig sehe, erstmals im 3. Jh. n. Chr. angewendet worden, von Porphyrios, dem Herausgeber der Plotinschriften und genauen Kenner sowohl des Piaton als auch des Ar., in seiner Plotin-Vita (6, 27-37 Henry-Schwyzer): „ J e nach der Abfassungszeit aber, sei es im frühen Alter, sei es auf der Höhe des Lebens, sei es schon bei siechem Leibe, sind auch Gehalt und Wert dieser Schriften verschieden. Die ersten 21 sind an Gehalt weniger gewichtig, sie haben auch noch nicht den zur rechten Erfülltheit ausreichenden Umfang; die in der Mittelperiode ausgegebenen Schriften zeigen die volle Höhe der Kraft, diese 24 sind, von den kurzen abgesehen, von höchster Vollkommenheit; die letzten 9 jedoch sind bei bereite nachlassender Kraft geschrieben, und zwar die letzten 4 in noch höherem Grade als die voraufgegangenen 5" (Übs. R. Harder). 67.4 „Einzelbetrachtung". Das angekündigte Schema der Betrachtungsweise führt Ar. auch durch, aber nicht mechanisch. Nicht jedes Kapitel beginnt mit der starren Definition, wie ζ. B. die 30 Charaktere des Theophrast. Die Tapferkeit beginnt mit der Definition, kurz; dann folgt das Thema: περί ποία (bis Kap. 11), dann das Thema: πως (Kap. 12). - Was aber soll der Satz: „es wird klar werden, wie viele es sind"? Gewiß will sich Ar. nicht das pedantische Vergnügen verschaffen, am Schluß feststellen zu können, ob es 11 oder 13 sind. Im 1. Buch hatte Ar. gesagt: „das oberste dem Menschen erreichbare Gut ist ein Tätigsein der Seele im Sinne der ihr wesenhaften Tüchtigkeit. Gibt es aber davon m e h r e r e Formen, dann im Sinne der vollendetsten" (1098al7). Also dachte er da schon an eine Zahl, und daß Piatons vier Kardinaltugenden nicht ausreichten, um alle Phänomene zu beschreiben, das wußte er. Unter den vielen mußte er dann die entscheidende bestimmen: das ist die Phronesis. Auch Piaton zählt: „Zwei bleiben noch übrig, die wir ins Auge fassen m ü s s e n . . . " (Rep. 430 d l ) . Und im 6. Buch, wo er die Eigenschaften des philosophischen Mannes aufzählt, vergewissert er sich, natürlich ebenfalls ohne pedantische Nennung einer Zahl, über den nun festgestellten Bestand (485al0-494b3; 487a4-5; 4 9 0 b l 0 ; 494b 1). Der Bestand: die vier Kardinaltugenden; dann: leichtes Lernen, gutes Gedächtnis, Großgeartetheit (μεγαλοπρέπεια) und feines Wesen (εΰχαρις, offenbar eine Tugend des Umgangs mit Menschen; von Piaton nicht weiter behandelt). 67.5 „Tapferkeit". Literatur: Die 1915 von E. Schwartz gehaltene Rede „Über den hellen. Begriff der T." (Ges. Sehr. 1, Berlin 1938, 221-238); v. Arnim 3 , 1927,
338 42-50, 65f.; J . Gerlach, Anër agathos, Dise. München 1932; M. Greindl, kleos, kydos, cuchos, timé, phatis, doxa. Diss. München 1938, 104-119; W. Venete, Plato und der Ruhm, Dies. Kiel 1938; W. Schmid, Gesch. d. griech. Lit. 3, München 1940, 742, Anm. 16 (Tapferkeit, Feigheit usw. bei Euripides); Ν. Hartmann, Ethik, 393-396. Hier, wie weiterhin, sei verwiesen auf die knappe Orientierung über das Vorkommen der einzelnen griech. Termini v o r dem Neuen Testament in W. Bauer, Griech.-dtsch. Wb. zu den Schriften des NT u. der übrigen urchristl. Literatur, Berlin 1952*. Vollständige Monographien über die einzelnen von Ar. beschriebenen „Tugenden" können hier nicht gegeben werden, wenngleich natürlich nur auf diese Weise die geschichtlichen Voraussetzungen, die die Arbeit des Ar. mehr oder weniger „determinierten", zu klaren wären. Wir müssen uns im großen und ganzen auf Piaton beschränken. Ar. selbst wußte, daß er das „Material nicht aufgearbeitet" hatte (1117b22) - so wie auch Piaton, der doch in so vielen Dialogen, vom Protag. bis zu den Leges, die Tapferkeit zum mindesten streift, sich bewußt war, daß noch mehr zu untersuchen gewesen wäre (Rep. 430 c 4). Griechen und Römer sagen „Mannhaftigkeit", aber dieses Monosyllabon mit drei Ableitungssuffixen klingt schlecht. Das Gegenteil ist άνανδρία, als Wort der hohen Sprache von Piaton gern gebraucht, von Ar. fast ganz zurückgestellt. Männliche und weibliche Tüchtigkeit wurde schon vor Piaton, offenbar auf Grund der Spekulationen über die gemeinsame Physis, angenähert ; aber obwohl Piaton auch die Frauen, als Wächterinnen, zum Kriegsdienst bestimmt, vermeidet er es in diesem Abschnitt des Staates völlig, etwa von der Erziehung der Frau zur Mannhaftigkeit zu sprechen. Was Alkestis und Antigone tun, ist nicht Mannhaftigkeit, sondern Philia. Ar.rechnet mit einer der männlichen allerdings unterlegenen Tapferkeit der Frau (ύπηρετιχή â. Pol. I 13,1260a23; I I I 4, 1277b21-25), aber Sätze wie Pol. I 5, 1254b 13; Hist, anim. I X 1, 608b8-18 und Rhet. I 5, 1361 a6 beweisen, daß seine Grundanschauung die ist, die wir in der Poetik lesen: der Dramatiker muß die Charaktere so gestalten, daß sie „passen". Als Bühnentyp wäre z. B. weder „eine tapfere noch eine intellektuell geschickte Frau passend" (15, 1454a22-24). Bywater bemerkt in eeinem Kommentar (Oxford 1909) treffend, Ar. habe offenbar noch gefühlt, daß άνδρεία eben von άνήρ kommt. Wie A~. allerdings die soph. Elektra beurteilt, die (ganz singulär) ihrer Schwester den Ruhm der άνδρεία verheißt, wenn sie mithelfe beim Werk der Rache, wissen wir nicht (V. 975-985). Unter welchem grundsätzlichen Aspekt die arist. Beschreibungen zu sehen sind, sagt Joachim I I I und B!. Langerbeck hat (Gnomon 26, 1954, 3) mit Naehdruck auf D. J . Allan's Philosophy of Ar., Oxford 1952, 174 (S. 170 der Übs.) verwiesen. So wie Sokrates im Laches zwar das Doppelthema stellt: was ist Tapferkeit, und : wie kommt man zur T., aber das zweite Problem auf sich beruhen läßt, so ist dieser phänomenologische Teil der NE keine Antwort auf die Frage, wie man tapfer wird, d. h. wie man zum Treffen der richtigen Mitte kommt. Eine moderne Ethik würde die Betrachtung der „speziellen sittlichen Werte" kaum mit der Tapferkeit beginnen, so wie die 3 Ethiken des Corpus Arist. (Im NT kommt άνδρεία nicht mehr vor.) N. Hartmann beginnt (S. 381) mit den vier Kardinaltugenden in der Reihenfolge: Weisheit, Tapferkeit, Beherrschung, wohl nach Plato, Rep. 4 2 8 b I f f . Platon wechselt im 4. Buch des Staates die Reihenfolge, im Schlußteil des Polit. (306e7-307b2) folgt die Besonnenheit auf die Tapferkeit; bei Xeno· phon (Mem. 3, 9 , 1 - 5 ) steht die Tapferkeit an erster Stelle. Ob das hier und bei Ar.
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darauf zurückgeht, daß die T. als die Tugend der heroischen Zeit soz. chronologisch die älteste war, wage ich nicht zu entscheiden. Ar. selbst sagt zu Beginn des 13. Kap. (1117b 23): „Nach der Tapferkeit wollen wir von der Besonnenheit sprechen, d e n n dieee beiden gelten als Tugenden der irrationalen Seelenteile" ; dazu Stewart I 305. — Dag Älteste Zeugnis für die vier Grundtugenden steht bei Aischylos (Septem 610, wo der άνδρείος einfach der άγαόός schlechthin ist) in einem Vers, dessen Athetese Wilamowitz zurückgenommen hat : Glaube d. Hell .1,15. Weitere Literatur : O. Kunsemiiller, Die Herkunft der plat. Kardinaltugenden, Diss. München 1935; G.F.Bender, Der Begriff des Staatsmannes bei Thucydides, Diss. Erlangen 1938, 34; £. Schwartz, Ethik 52, 230. Die .Ausweitung der vier (Walzer 210 spricht von „Entwertung") ist das Werk des Ar. Die Reihenfolge der ersten vier arist. Tugenden ist vorweggenommen in Rep. 402c2: Besonnenheit, Tapferkeit, Großzügigkeit, Großgeartetheit. Gute Gedanken über den Anordnungsplan des Ar. bei Joachim 115. Die 4 Kap., die der T. gewidmet sind, behandeln nicht sukzessive und starr das Dreierschema von Mitte und zwei Extremen. Die Hauptinhalte sind: 9 : Tapferkeit-Angst-Verwegenheit. Tod in der Schlacht. 10: Letztes Telos: το καλόν. Die beiden Extreme. 11 : Fünf, der in 9 und 10 beschriebenen Ähnliche, Spielarten der T. 12: T.—Lust und Schmerz. Die Einzelthemen innerhalb des Gesamtthemas „Tapferkeit". 1) Nur bei Ar.: 1) Die Systematik der „Mitte". 2) Echte T. nur die im Krieg. 3) Die Systematik der 5 ahnlichen Formen. 4) Das Furchtbare kann die Menschennatur überschreiten. 5) Das Schema ώς δεί, δτε δει usw. 6) Selbstmord nicht T. 7) Der Empfindungslose. 8) Der Betrunkene. 2) Nur bei Platon: 1) Die innere T., καρτερία gegenüber Begierden. 2) T. und άλη&ής δόξα. 3) T. --- die Tugend des mutartigen Seelenteils. 4) Diskussion der T. unter dem Gesichtspunkt : Einzeltugend-Gesamttugend ( δ λ η , σνμπασα άρ. - μέρος Αρετής)
5) Τ. an vierter Stelle. 6) Schnelligkeit, Heftigkeit, Scharfe der T. 7) T. des Kindes. 3) Bei Piaton und Ar. : 1) Die beiden Extreme. 2) T. bei Krankheit und auf dem Meere. 3) Der Sonderfall des άφοβος. 4) Der intellektuelle Faktor. 5) Das Thema LustSchmerz. 6) T. des Bürgerheeres, des Tieres, des Kindes, der Barbaren. 7) T. und εμπειρία. 8) T. u n d ϋυμός, φυσική άρετή. 9) Die T. des Sanguinikers.
Entwicklungsgeschichtliche Analyse: Walzer 205-209. 57.6 „klar geworden": II 7, 1107a33-b4, also Bezugnahme auf die διαγραφή. 57.7 „Übel": Leges 646e7: „Wir fürchten das Übel, indem wir ein Vorgefühl haben". Dazu Prot. 358d6; Laches 198b9 und das Kap. über die Angst Rhet. II-5. 57.8 „schlechter Ruf". Ar. gebraucht das plat. Wort nur in der NE und der Rhet. Gemeint ist die Angst, man könne als κακός angesehen werden (Leges 646e 10; Phaedo 82 c 6). Der Zusammenhang mit der Schamempfindung (αίδώς) zeigt sich in dem entsprechenden Kap. der NE (IV 15, 1128b 12); das ist platonisch (Leges 647 a 2, 10). 58,1 „Armut". Alle diese Einzelheiten stammen ans dem Laches (191d4-5), auch die Krankheit und die Gefahren des Meeres. Wenn Ar. gleich darauf verallgemeinert, man müsse alles fürchten, was von der κακία herkommt, so ist er damit Platoniker, aber er vermeidet eben die positive Wendung, daß Tapferkeit sich auf alles beziehe,
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Anmerkungen
was zum Bereich der sittlichen Minderwertigkeit gehört. Noch bevor er also positiv gesagt h a t , was T. sei, grenzt er sich ab gegen Piaton, gebraucht aber gleichzeitig dauernd p i a t o n . Motive, ζ. B. auch wörtlich den „Geldverlust" aus dem Laches (195 e 1 0 ) . - W i e üblich zitiert Ar. nicht direkt den Laches, sondern „manche sagen.. 58.2 „Auspeitschung". Ar. denkt in diesem Zusammenhang gewiß nicht an die verdiente Peitschung des Verbrechers (öfter in den „Gesetzen"), sondern an das, was u. U. dem Gerechten droht (Rep. 361 e 3—362 a 3 oder Gorg. 473 c 1 - 5 ; dort auch die Gefahr f ü r Weib und Kind). 58.3 „Liebes, Leides". Die Angst kann sich nur darauf beziehen, daß nach dem Tode keine Möglichkeit mehr ist, Liebes zu erfahren, aber Ar. denkt an die Diskussion im 1. Buch. ( 1 1 0 0 a l 8 ) und gebraucht daher beide Ausdrücke. - Zu Phaedo 9 1 b 3 (63c5) vgl. meine Ausgabe 1949, 255. 68.4
„ S e e s t u r m " : gegen Laches 1 9 1 d l - e 7 : Grant, Stewart, Burnet.
58.5 „edelste". Sobald vom Kampf der Männer die Rede ist, gebraucht Ar. zur Bezeichnung des hohen Wertes den alten Begriff des καλόν. Dies ist das Zentrum der Abhandlung über die T. und zugleich die Stelle, wo er sich klar von Piaton entfernt. Natürlich ist auch f ü r den Soldaten des Bürgerheeres das Ziel das καλόν und so verstehen wir zunächst nicht recht, warum Ar. im 11. K a p . dessen Tapferkeit zwar nicht entscheidend, aber immerhin abwertet. Doch ist der Grund klar: im 9. Kap. meint er das „Modell" des Tapferen, die vollendete sittliche Einzelpersönlichkcit, wie wir sagen würden; die T. des 11. K a p . h a t Kollektiv-Charakter, wo dann auch schon das Unvollkommene sich eindrängt : das Handeln aus militärischem Gehorsam, wo die αρχή τοΰ πράττειν außerhalb ist ( E E I I I 1,1229 a 13): „sie halten denselben Gefahren stand, aber nicht aus demselben Grunde". 58.6 „ans Leben". Ar. gebraucht hier einen Ausdruck, der aus einer homerischen Wendung entwickelt, daher hier besonders am Platze und übrigens bei den Prosaikern des 4. J h . beliebt i s t ; auch Piaton gebraucht ihn e i n m a l (Menex. 235 c8). Meine Übs. sucht auszudrücken, daß er sich nicht ganz mit dem Begriff „ j ä h " deckt (1117al8). Auf jeden Fall ist er ein Schmuckmittel: die K a p . 9—12 sind durchweg fein stilisiert. 58.7 „ H o f f n u n g " . Seefahrt gilt in der ganzen Antike als etwas Schreckliches (δεινόν Hesiod, Erga 687), Zeugnisse in der R E „ S c h i f f a h r t " 412-413. Wohl nur der wirkliche Philosoph vermag sich darüber 90 distanziert auszudrücken wie Ar. hier, oder wie Piaton, der die Schaukelbewegung des Schiffes sogar f ü r eine brauchbare Gymnastik hält, freilich der Bewegung, die der Körper durch sich selbst entstehen läßt, weitaus den Vorzug gibt (Tim. 89 a 1—7). Goethe h a t es noch erschüttert, daß die Postillione „ m i t der entsetzlichsten Schnelle" den Brenner hinunterrasten wir sind inzwischen stärker geworden als Goethe; aber, so würde Sokrates fragen, was in uns ist stärker geworden? 59,1 „überschreiten". Die griech. Kommentare nennen als Beispiele: Donner, Blitz, E r d b e b e n , gähnende Abgründe, Sturmfluten, Brände. Wir verstehen, warum wenig später E p i k u r (Lukrez) mit Hilfe der „ P h y s i k " die Angst vor solchen Elementar-Ereignissen zu beseitigen suchte. - Euiip. Hei. 811: „wer Unmögliches (αδύνατα) wagt, h a t keinen Verstand". Der griech. Sinn f ü r das Maß, vernehmbar
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seit Alkman 1, 16, h a t letzten Endes auch jene Tugend, deren Basis das Irrationale ist, gebändigt. 59.2 „ a n o r d n e t " . Dreimal f ü h r t Ar. den bisher von ihm nicht erklärten „richtigen logos" als entscheidende Instanz ein: hier sowie 1115b 19 und 1117a8. Die Nachbarschaft der bekannten Ausdrücke â ώς 8τε δεϊ usw. legt nahe, daß eben dieser intellektuelle Faktor es ist, der die richtige Zeit, die richtigen Umstände usw. erfaßt und dementsprechend „befiehlt". Wir wissen bereits (zu 14, 3; 29, 7), daß dies eine platonische (akademische) Instanz ist, durch die eben auch bei Ar. die sokrat. Position (grob ausgedrückt: Tugend = Wissen) Eingang findet. Der intellektuelle Faktor n u n kommt im Laches klar zum Ausdruck : Tapferkeit „ m i t phronesis", die ein φροιιίμως λογίζεσύαι erfordert (192c8; d l O ; 193a4): das ist der arist. „richtige logos". Die Schwebelage, in der die Argumentationen des Laches wie überhaupt der Frühdialoge gehalten werden, dürfen wir hier als etwas Festes betrachten, denn im „ S t a a t " erfahren wir j a , daß die T. die „richtige Meinung" ist im Hinblick auf furchtbar und nicht-furchtbar (430 b 3). Sie ist also nicht „Wissen", sie ist aber auch nichts bloß Vitales. Piaton f ü g t j a sofort hinzu: sie ist nicht wie die T. der Tiere und Sklaven: dieser fehlt die Paideia, d. h. sie beruht nicht auf fortgesetzten Akten der Übung und Erziehung, wodurch j a bekanntlich der Habitus entsteht. A d a m , ad 1., beobachtet richtig, daß Platone „earlier system of education" (in Buch I I - I V ) die „ethischen" Tugenden, auch die T., auf „richtiger d o x a " und nicht auf „Wissen" beruhen l ä ß t ; erst die „dianoëtischen" = die philosophischen Tugenden in Buch V und V I I beruhen auf „Wissen", was j a notwendig ist, wenn wir an ihr Objekt, den „höchsten Lerngegenstand" denken. — Am deutlichsten h a t Piaton den intellektuellen Faktor der T. ausgesprochen im Timaios (70 a 2-6): „hinhörend a u f " = „gehorsam dem logos". 59.3
, . f r ü h e r " : 1107b2, 1107b30, 1108a5.
69.4 „ K e l t e n " . Über die Stellung von Piaton und Ar. zu den Nordvölkern s. Stewart I 289; Adam zu Plato Rep. 435e; Newman I I I 363-366 zu Ar. Pol. V I I 7, 1327b20 bis 33; Isoer. 15, 293—294. I n Griechenland wurden zum erstenmal Kelten 368/7 v. Chr. gesehen (Xenoph. Hell. 7, 1, 20. 31). Piaton erwähnt sie e i n m a l (Leges 637 d 8). 60,1
„dieselben": nämlich Kampf-Situationen (1115a24).
β0,2 „scharf". Der Gegensatz „scharf-ruhig" mag ein Reflex von Piatons Charakterisierung der T. und der Besonnenheit durch die Qualitäten „ s c h a r f " und „ r u h i g " sein (Polit. 3 0 6 e 5 ; 9 - 3 0 7 a 7 ) . 60.3
„ g e s a g t " : Kap. 9 und 10, 1115b 11-24.
60.4 „den Tod suchen". Das Sterben, das „Tot-sein" des Philosophen interpretiert Piaton im Phaidcm als ein „der Sinnlichkeit Ab-sterben". Der Mitunterredner versteht nicht recht und so rückt Sokrates sanft zurecht. Natürlich wird der Philosoph „sein Leben schwerlich mit Gewalt beenden; denn dies, so s a g t m a n , ist nicht r e c h t " (61 c9). I m Symposion figuriert der Tod der Alkestis nicht als Freitod, sondern als Opfertod (179b, c). In den Gesetzen aber läßt er den Selbstmord zu, wenn einer eine unheilbare verbrecherische Neig^lng in sich trägt ( 8 5 4 a 5 - c 5 ) . Desgleichen in folgenden drei Fällen: a) wenn einer einem rechtmäßigen staatlichen Todesurteil zuvorkommen will; b) wenn einer unter dem Druck eines unentrinnbaren, überaus
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Anmerkungen
schmerzvollen Unglücks steht; c) wenn einer von auswegloser, das Leben nicht mehr lebenswert erscheinen lassenden Schande betroffen worden ist (873 c 2-7). Wer sich dagegen aus Schlappheit oder unmännlicher Feigheit tötet, also „ungerechtes Gericht" an sich vollzieht, der soll an einem namenlosen Ort, ohne Grabschrift, verscharrt werden (873c7-d8). Dem letzteren Fall würde Ar. zustimmen. - Massenhafter Selbstmord der verzweifelten Kerkyräer Thuc. 3, 81, 3; eines Spartaners in auswegloser Lage 2, 92, 3, beide Male ohne wertende Bemerkung des Historikers. Der Scholiast aber zu letzterer Stelle: ,,So handelt der S p a r t a n e r : er erträgt es nicht, vom Feind getötet zu werden." - S. auch Walzer 112. Über den Freitod in der Stoa eine Zusammenstellung bei M. Pohlenz, Stoa und Stoiker, Zürich 1950, 145 bis 147. β!),5 „Spielarten". Die fünf sind: 1. T. des Bürgerheeres, 2. des fronterfahrenen Söldners, 3. des Zornmütigen, 4. des Sanguinikers, 5. des Unwissenden. - Nicht nur hier, sondern auch in den linderen Kap. überwiegt die Diskussion dessen, was T. nicht ist. Die positive Seite ist in kurzen, aber eindrucksvollen Formulierungen festgehalten. „Metaphysische" Tiefen deuten sich nirgends an, so wie sie bei manchen Völkern, in Reden etwa, zu ahnen sind, sobald Tapferkeit, Ruhm und Ehre den Gegenstand bilden. Den hohen Ton hören wir in der Leichenrede des Perikles (Thuc. 2, 34-46) oder im plat. Menexenos oder von Diotima im Symposion ( 2 0 8 c l - e l ) ; aber da spricht sie „wie ein vollendeter Sophist" ( c l ) . Immerhin erklingt da noch das alte epische Wort für Ruhm (κλέος), das Piaton auch später noch, in den Gesetzen, Ar. aber nicht einmal mehr im Hermias-Hymnus gebraucht. Ruhm und Ehre sind nicht, wie wir erwarten, bei der T. das unbedingte Zentrum, sondern in dem Porträt des Hochsinnigen (IV 7-9). 60.6 „des Bürgerheeres". Ar. stimmt hier im Grundsätzlichen mit Piaton überein (Stewart I 291: 'Rep. 430 c 3, dort auch der Terminus πολιτική). Hinter dieser Tapferkeit steht nicht, wie bei der eigentlichen, die vollendete sittliche Persönlichkeit, sondern der Nomos. - Für die gleich folgenden Homerzitate gilt ebenfalls das o. zu 42, 5 Bemerkte. 60.7 „Strafbestimmungen". Dieser offizielle Ausdruck' steht wörtlich beim Redner Lykurg 4, dem Zeitgenossen des Ar. 61.1 „ähnlich". Die homer. Beispiele (II. 22, 100; 8, 148-149) erinnern natürlich an das heroische Kriegertum der Ilias. Aber sie stehen nicht im vorhergehenden Abschnitt über die echte und einzige T. Dort hat Ar. zwar auf das Motiv der öffentlichen Anerkennung (s. zu 23, 1) nicht verzichtet, aber die heroischen Verse würden dort nicht passen, weil sie nicht eine völlig autonome T. charakterisieren; sie sprechen gar nicht von der T., sondern von der Schande, die dem Feigen droht, also nicht vom Lob, sondern vom Tadel. Wer tapfer ist, weil er den Tadel fürchtet, handelt nicht ganz frei, sein Verhalten ist nicht von ihm allein verursacht (δι'αντοϋ, 1 1 1 5 a l 8 ; dieses Argument hätten natürlich die Menschen des homer. Zeitalters nicht verstanden). Da aber die T. des Biirgerheeres als Wurzel selbstverständlich die άρετή hat, ist sie der echten T. „am meisten ähnlich". 61.2 „Ehrgefühl" (αΙδώς). So auch Piaton; die Furcht vor übler Nachrede definiert er geradezu als Ehr- oder Schamgefühl, als αίσχύνη = αΙδώς (Leges 646 e 10-647 b l ) . Dieser zentrale Begriff der Adelsethik ist für die Zeit von Homer bis Demokrit gut erforscht von C. E. von Erffa, Aidos = Philol. Suppl. 30, 2, Leipzig 1937. Dort
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auch über das Nebeneinander von αΐόώς und αίαχύνη. - Für das Problem: Furcht, Zwang,und T. verweist Grant auf den Phaidon (68dl 1-13). Dort geht Piaton in der Tat an die Wurzel. „Durch das Sich-fürchten und die Furcht sind alle tapfer - bis auf den philosophischen Mann", d. h. den Mann, dessen T. mit phronesis verbunden ist. 61.3 „Front". Trotz der schlechten Bezeugung und gegen die griech. Kommentare muß hier προ-τάττοντες in den Text, προ- und παρατάττω sind spezielle milit. Termini, wie verschiedene Stellen bei dem hierin wohlerfahrenen Xenophon beweisen. 61.4 „schlagen". Schon der anonyme griech. Kommentar verweist auf Herod. 7, 223 : die Perser wurden bei den Thermopylen in den Kampf gepeitscht. 61.5 „Sokrates". Von Stewart geklärt durch Verweis auf Laches 194 e 11; 199 a 10; Prot. 350 a 6; 360 d 4. Der kurze Abschnitt über die T. in Xenophons Mem. (3, 9, 1-3) ist unergiebig. 62.1 „Hermaion". Hermestempel in Koroneia, Böotien. Gemeint ist ein Ereignis im sog. 3. Heiligen Krieg, wohl 354/3 v. Chr.; RE „Onomarchos" 501-502. Solche histor. Daten zur chronolog. Fixierung eines Literaturwerkes zu benutzen ist z. B. bei Piatons Dialogen wiederholt, erfolglos, versucht worden. Auch eine systemat. Untersuchung aller solcher Daten würde nicht zu kl&ren vermögen, wie Jange nach dem Ereignis noch darauf angespielt werden konnte, so daß auch bei knappster Fassung die Anspielung noch auf Verständnis rechnen durfte. Ar. jedenfalls traut noch im selben Kap. (1117 a 26) dem Hörer zu, daß er sich an ein Ereignis aus dem J . 392 v. Chr. erinnere. - Für die Datierung der NE haben wir keine äußeren Anhaltspunkte. 62.2 „Zorn" (ϋυμός). Auch diese Übs. ist ein Notbehelf, denn es heißt ja in dem ganzen Abschnitt nicht όργή, sondern άυμός. Solange Griechen über Psychisches schrieben, sind sie bei diesem Wort der homer. Psychologie geblieben, während die noch drastischeren φρένες bald schon und fast ganz den Dichtern überlassen wurden. Einmal allerdings gebraucht Ar. in diesem Abschnitt das Verbum όργίζεσ&αι und so mag damit und deshalb, weil Ar. in der Topik sagt, der Zorn (άργή) sitze im ΰνμοεώές, die Übs. gerechtfertigt sein. Bei Piaton würde das ganze Kap. unter dem Stichwort: T. und άνμοεώές abgehandelt sein. Ob er oder Hippokrates oder gar Xenophon der Erfinder dieses Terminus ist, wird, was Hippokr. betrifft, vielleicht durch künftige Forschung geklärt werden, wenn sie das Corpus Hippoer. und seine Beziehungen zur Philosophie noch intensiver untersucht. Wie v. Arnim* 1927, 6 ff. festgestellt hat, benützt Ar. in der Topik noch die piaton. Dreiteilung der Seele, also auch das ϋνμοειδές. Den einzigen Nachklang in den drei Ethiken haben wir hier (1116b26), wozu sich das Zeugnis der „Urpolitik" gesellt (VII 7, 1327b37; darin b29 der großartige Satz, daß die Griechen an beidem teilhaben, der thymos-Bestimmtheit „Europas" und der Geistigkeit „Asiens"). Daß Ar. den thymos im plat. Sinn in seine Lehre von der Tapferkeit eingebaut hat, bedarf keiner Einzelnachweise. Was bei Piaton heißt : T. auf der Basis des thymos, aber mit phronesis, das heißt bei Ar. : der thymos ist in unserer Natur verwurzelt und wenn das intellektuelle Moment der προαίρεαις und ein wertvolles Ziel hinzukommt, so ist das echte T. (1117 a4). Von einer anderen Seite gesehen: der thymos ist nichts absolut Irrationales, bloß Vitales, sondern er enthält ein entwickelbares logos-Element. Es kann hier nur angedeutet werden, daß Piaton und Ar. damit in ihre Ethik etwas aufgenommen haben.
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Anmerkungen
was seit Homer im griech. Denken angelegt ist. Das berühmte „schweigende" Selbstgespräch des Odyssens mit seinem thymos (20, 9—30) würde von Piaton und Ar. folgendermaßen interpretiert werden: „Der thymos wallt in Od. auf, ob er die bösen Mägde nicht augenblicklich töten solle. Aber sein logistikon spricht zum thymos; hin und her geht der innere Kampf und schließlich siegt das logistikon". Die authentische Interpretation Piatons lesen wir Rep. 4 4 1 b 3 - c 2 . Spätere Ausleger (Ar. lehnte allegor. Erklärung ab) hätten dann noch beigefügt: „Natürlich kennt Homer kein logistikon, sondern es ist Athena, die den Zwiespalt beendet, aber Athena ist die Personifikation lenkender Geistigkeit, also . . . " Ar. zieht die Summe: es ist im Menschen ein a-logon, das aber doch teilhat am logos, indem es auf ihn hinhört (EN I 13,1102b31). - So wie Odysseus hat dann auch Archilochos seinen thymos angeredet (67a) und soz. in Auseinandersetzung mit ihm bestimmte Entschlüsse gefaßt. Wenn wir hier an ihn erinnern, so befinden wir uns in der Gefolgschaft des Ar. (Pol. V I I 7, 1328 a 1-5). Wie der thymos in bedeutenden Situationen seine Gewalt entfaltet, ist an der Tragödie zu studieren, am besten jetzt mit W. Schadewaldt, Monolog und Selbstgespräch, Berlin 1926, z. B. S. 189-202. 253 : „Die ¿ ^ - T r a gödien" des Euripides; 198 (zur Medea-Rede 1201-1280): „Das Wesentliche an ihr (dieser Rede) ist, daß zwei polare psychische Potenzen, die Medea selbst als ϋνμόζ und βουλεύματα bezeichnet, gegeneinander wirken und in jähem Wechsel das Handeln des Menschen zu bestimmen suchen." Eine Bemerkung ist notwendig darüber, daß wir wiederholt Homer durch Piaton und Ar., d. h. 8. J h . durch das 4. interpretieren - also das tun, was wir nicht ohne Bedauern bei Ar. und Theophrast feststellen, wenn sie über die Vorsokratiker berichten, was ich selbst einmal an Anaximander zu zeigen versucht habe (Rhein. Museum 87, 1938, 376-382; Hermes 75, 1940, 329-331). R. Pfeiffer hat auf diese Gefahr hingewiesen in seiner Rez. von W. Jaegers Paideia (DLZ 57, 1935, 2131). Aber auf der anderen Seite steht fest, υεϊς) heißen, hielten sie f ü r unglückliche Figuren. Da sieht m a n zum mindesten, daß ein ernster Mann wie Isokrates den Wert einer solchen Gewandtheit zur Zeit des Ar. bestreitet und die Verrottung ursprünglich ethischer Termini wie εύφνής (s. auch 15, 284 und Theophrast 29, 4) beklagt. 15, 296: Athen ist der gegebene Boden f ü r das Blühen der Redekunst. Fördernde Faktoren sind u. a. die Vorzüge der attischen Sprache „ u n d überhaupt ευτραπελία und φιλολογία''' (letzteres = Liebe zum Geist, der sich in Rede offenbart). Hier ist εύτρ. zweifellos positiv gemeint. Aber was? Die feine Wortgewandtheit des Ar., die sich in kleineren Zirkeln entfaltet und natürlich auch einen Gesamt-Habitus bedingt, wohl nicht. Als Ort, wo sich f ü r Isokr. diese Eigenschaft zeigt, kommt wohl vor allem die große, in der Öffentlichkeit wirkende Rede in Betracht. E r sagt j a ausdrücklich: sie t r ä g t bei zur rhetor. Ausbildung, zur isokrat. „Philosophie". Dann aber liegt nahe, jene alte Bedeutung dahinter zu sehen, die bei Aristophanes (a. 0 . ) durch die Windigkeit, die dort gemeint ist, durchschimm e r t : die geistreich-wendige Argumentation, die vor allem das vermeidet, was Theognis 218 als „Unwendigkeit", άτροπίη, bezeichnet h a t t e . Da der Satz des Isokr. aus jenem Abschnitt der Antidosis s t a m m t , der mit dem thukydid. Motiv: Athen = παίδευαις της 'Ελλάδος (2, 41, 1) einsetzt, h a t auch ευτραπελία etwas von dem preisenden Ton des Thuk. Es bezeichnet jenen Athener, der „ f ü r die meisten Formen des Daseins in höchster Gewandtheit, nicht ohne den Reiz der An-
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mut (μετά χαρίτων, cf. Piatons χαριεντισμός und εϋχαρι) seine Person einsetzt... . " (Regenbogen). Klar ist nun, warum Ar. seinen Wortgebrauch durch eine Etymologie rechtfertigt: ευτράπελος = εϋτροπος (von τρέπω). Aber in demselben Wort h a t der Grieche gewiß auch τρόπος empfunden, also το ή&ος εχων εις τό εϋ τετραμμένοι/ (Schol. Od. 1, 1; p. 10, 2). So wird der „ G e w a n d t e " des Ar. unauffällig zum Träger einer αρετή, und darauf k a m es dem Ar. der N E an. Auffällig wäre es gewesen, wenn Ar. gesagt h ä t t e : er ist άγα&ός, ihm also dasselbe Prädikat gegeben h ä t t e wie dem Hochsinnigen (1123b27. 29). Ar. weiß, daß er seinen „ G e w a n d t e n " zwar in die Tugendreihe von IV 8-14 aufnimmt, aber er weiß, daß Besonnenheit, Tapferkeit usw. eine andere Werthaftigkeit darstellen. — S. auch 0 . Lück 1933, und N. H a r t m a n n , Ethik 438-439 („Aristotel. Umgangstugenden"). «2,7 „ g e s a g t " : eben zuvor, 1127b33-28a4. 9-10. !(2,8 „der Sichere" (ίπιδέξιος). Das Adj. geht auf das homer. Adverb επιδέξια, recht shin, glückverheißend, zurück, επιδέξιος ist ein Mann, der secundum n a t u r a m die rechte, d. h. die geschickte H a n d gebraucht (K. Sethe, Die ägypt. Ausdrücke f ü r rechts und links, GGN 1922). ¿πιδεξιάτης ist also Geschicklichkeit; was die Engländer unmittelbar mit dexterity wiedergeben können. Gute Erklärungen im Rhet.Komm. von Cope-Sandys I I 48-49. „ E r versteht es, den Anstand des freien Mannes zu wahren", heißt im Theaet. 175e7: er versteht es, den Mantel επιδέξια ελενάερίως umzuwerfen (so daß die Falten richtig sitzen; erklärt von Wilamowitz, Piaton 1, 529): hier haben wir also bereits die arist. Nuance, d a ß der „Geschickte" freien, feinen ( = adeligen) Wesens ist. Gleichzeitig mit Ar. gebraucht Adj. und Subst. (erstmalig f ü r unser Wissen) der Redner Aischines, aber nicht in der Sonderbedeutung des Ar., 1, 178 (345 v. Chr.) und 2, 47 (343 v. Chr.). Ohne weiteres verwendbar war es f ü r Ar. nicht (außer der E t h i k noch Rhet. I I 4, 1381 a 34-36). E s bezeichnet bei ihm eine Haupteigenschaft des „ G e w a n d t e n " , aber in welcher Richtung, da der Gewandte j a ohne weiteres auch geschickt ist? Ar. macht dieses Zusätzliche klarer, indem er ein neues Bezugssystem hereinbringt: „so wie es zum Wesen eines rechtlichen und freigearteten Mannes s t i m m t " . Während also εντρ. mehr das Intelligente ausdrückt, bezeichnet επιδέξιος, vertiefend, das Gesamtformat. Dabei meint ελευ&έριος nicht die Großzügigkeit in Geldsachen, sondern wie im Theaet. (s. o.) und in der Pol. V I I I 3, 1338b2-3 die freie Art des „adeligen" Mannes. 03.1 „gebildet". Piatons Diskussion der im 4. J h . so oft behandelten Begriffe πεπαιδευμένος und απαίδευτος·. Leges 643 d 7-44 b 2 ( W . J a e g e r , Paideia 3, 301-2). 98.2 „ K o m ö d i e n " : Das Schema der Literaturgeschichte: Alte - Mittlere - Neue Kom. wird erst von der alexandrin. Philologie geschaffen. A. Körte R E X I , 1921, 1256, 45-1267, 60. Zu Ar. 1260, 43-1261, 51 (s. auch F. Wehrli, Motivstudien zur griech. Kom., Zürich 1936, 12 f.). Mit „ n e u " meint also Ar. die Kom. seiner Zeit," die „ausgereifte mittlere K o m . " (Körte). - A. Post, Ar. and Menander, Trans. Proc. Amer. Philo]. Assoc. 69, 1938, 1-44. {»8,3 „das Unanständige". Piatons Stellung Rep. 395 e 7-96 a 6 (Burnet), 606 c 2-9. Zum 3. und 10. Buch des Staats H . Koller, Mimesis, Bern 1954, 15-20. 63-68. Allgemeiner, außer Prächter 99*, 208*: R . G. Collingwood, Plato's philosophy of art, Mind 35, 1925, 154-172; H. G. Gadamer, Plato und die Dichter, F r a n k f u r t 1934; Κ. Glaser, Piatons Stellung zum Kampfe von Philosophie und trag. Dichtung,
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Anmerkungen
Wien. Stud. 58, 1940, 30-73; W. J . Verdenius, Piaton et la poésie, Mnemoe. III 12, 1944, 118f.; J . W. H. Atkins, Literary criticism in antiquity, 1934, 1952*. - Über die „Aischrologie" der Komödie (Stellensammlung) bei W. Schmid, Gr. Lit. IV 1946, 23 Anm. 2) urteilt Schmid a. O. 559-562 scharfer als Ar., sub specie aeternitatis. Übrigens hat Ar. als „Gesetzgeber" die Komödie nicht aus dem Staate verbannt, wie Schmid anzunehmen scheint, Pol. VII 17, 1336b3-23, sondern: die Jugend wird nicht zu den Schauspielen zugelassen und die Alteren sind geschützt durch ihre Erziehung. Über die mildere, jedoch immer noeh vorhandene Aischrologie der Kom. zur Zeit des Ar. Schmid, a. O. 445 Anm. 6 (mit Stellensammlung). 98.4 „Andeutung" (υπόνοια). Diese (wörtlich: den Sinn, der darunter ist) zu verstehen, erforderte natürlich Intelligenz, Bildung. Viele Rhapsoden seien zu dumm, um die „Andeutungen" zu verstehen, sagt Sokrates im Symp. des Xenoph. 3, 6; dazu J. Tate, Eranos 51, 1953, 20. Hier ist aber ύπάνοια = allegorische Dichtererkl&rung, wie sie schon sehr früh an Homer geübt wurde; s. RE Suppl. IV, 1924, 16-22. Ein offenbar verbreiteter griech. Grundsatz - Wilamowitz hatte gesagt: ein Gebot der Volksmoral - lautete: Was man sich scheut zu tun, das spricht man auch nicht aus (Soph. Oed. R. 1409; Herod. 1,138; Demonicea 15). 98.5 „als Zuhörer". Darin dürfen wir eine Reminiszenz aus Piaton sehen (Rep. 606 c 2-9): „Wenn du bei einer Komödienqjifführung oder im privaten Kreis Spaße a n h Ö T S t , die du selber, aus Dezenz, nicht machen würdest; wenn du also großes Vergnügen daran empfindest und nicht Abscheu als vor etwas Schlechtem, dann passiert dir doch dasselbe wie beim Mitleiden (bei Anhören von Tragischem, wovon PL eben zuvor gesprochen hatte): die Anlage nämlich, die du zunächst durch klare Überlegung in dir niedergehalten hattest, als sie drauf und dran war, den Spaß zu produzieren - niedergehalten, weil du nicht als Hanswurst gelten wolltest — die laßt du jetzt frei gewahren; und hast du sie dort in der Öffentlichkeit erst einmal ins Kraut schießen lassen, dann wirst du auf einmal in deinen privaten Kreisen über die StrBnge schlagen: du tust es öfter — und siehe, du bist zum Possenhelden geworden." 98.6 „gewisse Dinge". Schon das dichterische, bei Ar. seltene Wort λοιδορεΐν (nur je einmal EE und EN, nicht MM; zu lat. ludus, "laidos?) verweist uns auf Piaton. In der Tat formuliert er (Leges XI 934 e 2-936 b 2) eingehende Bestimmungen τιερί χακηγορίας, die über attisches Recht hinausreichen; zu letzterem Th. Thalheim RE X, 1524-1525. 98.7 „Gesetz". Das „autonome" Subjekt und dgl. hat bei uns hohen Klang. Piaton kennt das Wort überhaupt nicht, Ar. hat es nur e i n m a l (Pol. V i l , 1315a 6), aber als rein politischen Begriff. Der Chor preist Antigone (821): „Dir selber Gesetz, gehst einzige du / Lebend hinunter zum Hades" (K. Reinhardt 1949): αΰτάνομος. Aber diese „Autonomie" hat auch einen anderen Aspekt: „Dich zerstört eigenen Trachtens / Starrsinn" (875; K. R.): αύτάγνωτος όργά. - An jener Stelle, wo Ar. die Definition der Tugend gibt (1107al), bestimmt der „Einsichtige" (rf φρόνιμος) die richtige Mitte, nicht das „autonome Subjekt". 98.8 „aber": darin liegt: also sollte der Mensch nicht griesgramig sein. Dieses ài ist zweifellos die kürzeste Form einer Protreptik. 94,1 „Scham-Empfindung". Auch diese Übs. ein Notbehelf, da der Moderne un· willkürlich auf den Bereich der pudenda einengt. Dies ist zwar auch griech., s. B,
IV 14-15
39S
Od. 8, 324 (und die pudenda heißen αΙδώς IL 2, 262; 22, 75), aber nur ein ganz kleiner Ausschnitt aus jener Tugend, von der Wilamowits (s. u. 354) sogar sagt, sie sei „die einzige sittliche Kraft in dem Menschen", nämlich in dem homerischen. Für Ar. ist sie ηάάος; daher habe ich den Doppelausdruck für angemessen gehalten. Etymologie nicht ganz klar. H. Frisk, Wörterbuch, 1954, geht nicht über v. Erffa 41 (s. u.) hinaus. - Literatur: Rudolf Schultz, Aidös, Diss. Rostock 1910 (noch nötig, weil auch das 4. Jh. einschließend). Obwohl neue Arbeiten erschienen, sei genannt Wilamowitz, Glaube d. Hell. 1, 1931, 353-356, da sein Andeutungs-Stil gelegentlich volle Ausweitung verhindert hat; Jean Coman, L'idée de la Nëmésis chez Eschyle, Paris 1931; W. Schulze, Kl. Schriften, Göttingen 1943, 205; W. Schmid, Gesch. d. Gr. Lit. II, 1934, 96 Anm. 4. H. Herter, Nemesis (Göttin) in RE XVI, 1935,2338-2380; E. R. Dodds, The „aidös" of Phaedra and the meaning of the Hippolytus, Class. Rev. 39, 1935, 102-104 (nicht bei Erffa). Von Homer bis Demokrit: C. E. von Erffa, Aidös, Philol. Suppl. 30, 2, Leipzig 1937, 206 S. (über Coman: S. 54); W. J . Verdemus, Aidös bei Homer, Mnemos. III 12, 1944; N. Hartmann, Ethik 1949, 407-408; E. Schwartz, Ethik 1951 (s. Index); B. Snell 1955, 233-4. 245. - R. Stark, 1954, 64-76. Auch diese Vorarbeiten gestatten noch keine präzise Aussage darüber, warum die Scham, zeitlich betrachtet der ältesten Schicht des griech. Verhältnisses zu Welt und Wert zugehörig, bei Ar. zum Stiefkind (N. Hartmann) geworden ist, wo sie zudem noch bei Piaton immer wieder in die Diskussion hereinspielt (bei Isoer. nur einmal, 7, 48, in Verbindung mit Besonnenheit, beim Preis der alten Zeit - man könnte Theogn. 291 adaptieren: αΙδώς μέν γάρ δλωλεν). Es laßt sich auch nicht voll klären es sei denn mit der üblichen Annahme von Textausfällen usw. — die Diskrepanz zwischen der Ankündigung der Scham und ihrer Extreme, der „nemesis" und ihrer Extreme im 2.B. der Nif (1108 a30-b7; die Ankündigung ist ausführlicher als ζ. B. die der Hochsinnigkeit) und der Ausführung im 4. B. Nur in der EE steht eine kurze Abhandlung, und zwar quà„Mitte":II 17, 1233bl8-26und26-29; 1234a30-32. Mit großer Ausführlichkeit in der Rhetorik: II 6 (Scham); II 9 („nemesis"; dort auch einmal, 1386b 34, der aus der zeitgenössischen Komödie stammende „Schadenfrohe" von EN 1108bl); II 10 (Neid). Folgende Linie scheint denkbar: Ar. wußte natürlich genau um jene alte Tugend des Sich-schBmens, der Piaton im Prot., anf ältester Tradition fußend, sogar noch einen Mythos gegeben hatte. Es muß nun in akadem. Kreisen, für die uns Klassifizierungsübungen nach dem Typus von Plato, Sophist, und Polit, bezeugt sind, etwas gegeben haben, was Ar. als διαιρέσεις των πα&ημάτων bezeichnet (EE III 7, 1234 a 26; II 4, 1221b 34). Die Untersuchungen von P. Moraux über die im Corp. Arist. aufgeführten Διαιρέσεις konnten aber, bei dem bekannten Qaellenmangel, darüber auch nichts weiteres erkunden; Fritzsche's Meinung, daß in der EE damit die Tabelle von 1221 a Iff. gemeint sei, ist sicher nicht haltbar. In einer solchen Klassifizierung befand sich auch die Scham mit ihren Extremen, und Ar. hat sich das zu eigen gemacht. Im Sinne des arist. Tugendbegriffs war dieser Wert damit aus der Tugendreihe ausgeschieden. In der EE operierte er zwar auch bei den τιά&η noch mit dem Prinzip der Mitte (Nachklang EN II 7,1108a31), aber in der NE verzichtete er, konsequenter geworden, darauf. Einen Satz, so systematisch folgerichtig wie es der erste des Aidöa-Kap. in der NE ist: „es ist nicht hergehörig von der Scham als einer Tugend zn sprechen", gibt es in der EE nicht. Wenn die Scham keine Tugend ( = feste Hai-
Anmerkungen
396
tung) ist, hat es auch keinen Sinn, das Prinzip der Mitte anzuwenden und so fiel also alles, was er in I I angekündigt hatte, dahin. Stehen blieb nur die Scham als specimen „patheticum". So treffen wir also auch hier auf eine Korrektur der EE. Die Scham mußte, anders ausgedrückt, als Tugend ausscheiden, weil sie, da körperverhaftet, nicht „logos-haltig" genug war. Ar. konnte nicht denken: ich beziehe die Scham doch ein, weil sie „eine Art Ersatz für die Stimme des Gewissens" ist oder weil sich hinter ihr schließlich ein „wenn schon unreifes oder indirektes Wertgefühl verbirgt". Das hat N. Hartmann 407 richtig gesehen. In dieser Richtung hat offenbar Demokrit (et ποτ'εην γε) gedacht (fr. 264; gehört hierher etwa auch Antiphon, der Sophist, Vors.4 I I 347, 3-23? Aber bevor man an dies herangeht, empfiehlt sich die Lektüre von H. Langerbeck, Gnomon 21, 1949, 107-108). Für Ar., dessen Tugend logos-gesteuert ist, konnte die Einbeziehung der Scham nichts anderes sein als, modern gesagt, der Einbruch subjektiven Empfindens in die Wertsphäre. Der φρόνιμος, der die Mitte bestimmt, war nicht zu ersetzen durch den αίόήμων. Und schließlich lag für Ar. auch folgende Überlegung nahe: schämen kann man sich praktisch über jede Form von κακία, über Feigheit, Ungerechtigkeit, Zuchtlosigkeit, ' Geiz, Kleinlichkeit usw. (lauter Beispiele aus Rhet. I I 6). Damit aber wurde der ^Rahmen zu weit. Scham über Vergangenes, Gegenwärtiges, Zukünftiges (dem Wechsel des Blickpunkts ist v. Erffa nachgegangen), das wäre eine Art Universalprinzip, darauf ließe sich eine ganze Ethik bauen. Der fundamentale Satz: „Nicht der logos ist, wié die anderen meinen, Prinzip und Führer der Tugend, sondern mehr die •MM II 7, 1206b 17-19) wirkt nur noch nach in EN X 8,1178a 14-16. Siehe u. S. 594 Ϊ33, 2. — Nun zu Einzelheiten des Textes: «)4,2 „Definition" = Leges 646 e 10-647 b l (nach Ramsauer, der dieses Kap. be sonders sorgfältig erläutert. Dort auch das Wichtigste aus Top., Cat. [Kategorie der Qualität], Rhet. und De anima). 94.3 „erbleichen". Erstes Beispiel in der griech. Literatur: Neoptolemos, der jugendliche Sohn des Achilleus erbleicht nicht, trotz der gefahrvollen Situation im Bauche des hölzernen Pferdes (Od. 11, 529). 94.4 „es dürfe nicht vorkommen". Das ist der Kern des Kap. über die Scham. Man kann es an den Wiederholungen ablesen (1128b22. 24. 29-30). Ar. denkt konsequent nur an das Handeln άπ'άρετής, d. h. auf der Basis der erreichten, vollendeten Tugend. Diese ist in der Jugend noch nicht erreicht. Wo aber richtig gehandelt wird, da kann es nicht Rot- oder Blaßwerden als Begleiterscheinung geben, und als Mitte-konstituierendes Prinzip auch nicht. 94.5 „aus freien Stücken". Ar. sagt nicht: niemand tut willentlich Schlechtes, sondern: auf der Höhe der Tugend gibt es kein freiwilliges Tun des Minderwertigen. Zu Rhet. II 6, 1384a 16-22 s. Ramsauer und Cope-Sandys I I 78. 94.6 „Beherrschtheit" (έγκράτειά). Stewart I 372 denkt zögernd an eine Interpolation. Ramsauer 280 hat aber richtig interpretiert. „Mischung" steht zwar nicht wörtlich im 7. Buch, in dem Ar. dieses Phänomen behandelt, aber es trifft den Kern der Sache. Es ist nicht etwa sprachliche Flüchtigkeit, wenn Ar. VII.l, 1145b 5 die Beherrschtheit ein πά&υς nennt. - Walzer 982. 94.7
„später": VU i - i i .
BUCH V Zur Einführung in das vergleichende Studium des Piaton und Ar. ist k a u m etwas so instruktiv wie die Lektüre des „ S t a a t e s " vor dem V. Buch der N E . Man kann, wenn m a n den Gesamtaufbau von Staat und N E j e als Ganzes betrachtet, trotz fundamentaler Unterschiede in der Durchführung, eine Parallele feststellen: beide beginnen mit dem Eudaimonia-Thema, beide suspendieren es (Piaton aber nicht so radikal wie Ar.), beide nehmen es, nachdem ein gewaltiger Weg durchmessen ist, gegen Ende wieder auf und bringen es zum Abschluß. Da das Generalthema des Staates die Gerechtigkeit ist, läge es nahe, die 10 Bücher mit dem e i n e n der N E zu vergleichen. Aber das Ergebnis könnte n u r gering sein: die Distanz ist zu groß. Nicht nur ist das Thema der Eudaimonia bei Ar. völlig eliminiert - das ist nicht neu, denn auch bei den elf vorher behandelten Tugenden war dies der Fall - , sondern es ist auch bei Ar. keine Spur mehr (zum Schluß des V. Buches s. S. 435) davon nachweisbar, daß die plat. Position : Gerechtigkeit in der Polis wie im Einzelmenschen auf dem Zusammenwirken der drei Stände und ihrer Tugenden, der drei Seelenteile und ihrer Tugenden beruhend, irgendwie in der arist. Gesamtkonzeption eine tragende Rolle spielt, v. Arnim (s. u.) ist dem nachgegangen, aber ohne Erfolg. Trotzdem setzt, wie wir sehen werden, das V. Buch in Einzelheiten erstaunlich oft plat. Gedanken voraus. — Eine Darstellung der griech. Ideen von Recht und Gerechtigkeit bis auf Ar. ist bei der Weite des Themas nicht möglich. Eine Reihe von guten Vorarbeiten f ü h r t aber in die Forschung ein. - Von den griech. Komment a t o r e n fällt Aspasios aus; seine Erklärungen zu V, VI, I X , X und einem Teil des V I I . Buches sind verloren. „Heliodor" ist erhalten, ebenso, mit Anfangslücke, der Anonymus. Neu hinzu k o m m t der Komm, des Psellos-Schülers Michael von Ephesos (11.-12. J h . ) , hrsg. von M. Hayduck in der Berliner Reihe X X I I 3, 1901. Die Bücher V - V I I der N E stehen auch in der E E als Buch I V - V I . Zu dein Problem, wo ihr ursprünglicher Ort war, zuletzt mit großer Entschiedenheit R . Stark, 1954, 84: die 3 Bücher gehören „zum Habitus der N E " und sind „aus ihr einmal der E E eingefügt" worden. G. Lieberg 1953, 80 (den Stark noch nicht kennt): die 3 Bücher gehören der E E an. Durch mechanische Verderbnis seien die Bücher V - V I I der N E zugrunde gegangen und so habe man E E I V - V I an deren Stelle gesetzt. Literatur (außer Prächter 118*): wegen der Fülle des Materials noch zu nennen: R . Hirzel, Agraphos Nomos, Leipzig 1900, Themis, Dike und Verwandtes Leipzig 1907, und Die Talion, Philol. Suppl. X I 1907, 407-482. - K. Latte, Schuld und Sühne in der griech. Religion, Arch. f. Religionswiss. 20, 1920; F. Pringsheim, Savignv-Zeitschr. 42, 1921, 648f. 661 f. 665f. (über Einflüsse der N E auf die byzant. Aequi tas); V. Ehrenberg, Die Rechtsidee im frühen Griechentum, Leipzig 1921 und Anfänge des griech. Naturrechts, Arch. f. Gesch. d. Philos. 35, 1923, 119-143; P. Vinogradoff, Outlines of historical jurisprudence I I , The jur. "of the Greek city, New York 1924 (dazu P. Shorey in Class. Philol. 19, 1924, 279-280 und Vinogradoff 281); v. Arnim 4 1927, 12-22; E. K a p p , Gnomon 3,
398
Anmerkungen
1927, 76-78; R. Walzer, 1929, 215-217, 255-259; B. Horvith, Die Gérechtigkeitslehre des Ar., Szeged Acta Univ. Hung. IV 1931 ; J . Sauter, Die philos. Grundlagen des Naturrechts, Wien 1932; L. Lachance, Le concept de droit selon Ar. et S.Thomas, Montreal 1933 ; N. Quitadamo, II concetto filosofico di giustizia in Ar. e sua inerenza col diritto, Napoli 1935; F. Wieacker, Societas, Weimar 1936, 268-272 („Byzantinisches Nachspiel"); Κ. Kuypers, Recht und Billigkeit bei Ar., Mnem. 5, 1937, 289-301 (darin auch sehr gut über Rhet. I); H. D. P. Lee, The legal background of two passages in the NE, Class. Quart. 31, 1937, 129-140 (zu EN V 1); M. Salomon, Der Begriff der Gerechtigkeit bei Ar. nebst e. Anhang fiber den Begriff des TauschgeschBftes, Leiden 1937; R. J . Bonner-G. Smith, The administration of justice fom Homer to Aristotle I, II, Chicago 1930-1938; J . B. Schuster, De iustitia. Arist. Ethicor. Nie. liber V, cum comm. S. Mauri illustr., adiecta versione lat. D. Lambini, Rom 1938; E. Bignone 1938, 66f. (über den Sophisten Antiphon; -wichtig die Kritik von O. Regenbogen, Gnomon 16, 1940, 98-102); E. Cassirer, Logos, Dike, Kosmos in der Entw. d. griech. Philosophie, Göteborg 1941; R. Henderickx 1942; W. Siegfried, Der Rechtsgedanke bei Ar., Zürich 1947 (sehr guter Gesamtüberblick aus den Quellen — über E N hinaus — erarbeitet; zu Salomon 1937 s. Siegfriede „Vorbemerkung", die aber wohl zu schroff ablehnt); W. Jaeger, Éloge de la loi. L'origine de la philosophie légale et les Grecs. I n : Interpretations of modem legal philosophy. New York 1947 (Ich kenne nut, durch die Freundlichkeit der Association Budé, die franz. Übs. in Lettres d'Humanité, Paris 1949, 5-42; Überblick bis auf Ar., ausschließlich. Einbeziehung des „Minos"); Ν. Hartmann, Ethik 1949, 318-388; D. Kaufmann-Bühler, Begriff und Funktion der Dike in d. Tragödien d. Aischylos, Diss. Heidelberg 1951; E. Wolf, Griech. Rechtsdenken, Frankfurt a. M. 1950/52. 96,1 „Gerechtigkeit". Inhalt von Kap .1: methodologische Vorbemerkungen. - Die Einleitungssätze zu den einzelnen Tugenden haben in beiden Ethiken formelhaftreihenden Charakter, wie etwa in Xenophons Anabasis. Aber immerhin gleicht keine genau der anderen, wodurch sie sich von Xenophons έττεΰόεν, ¿νταν&α, μετά ταντα unterscheiden. Teilweise sind sie mit einfachen Rekapitulationen verbunden, aber weitere Umschau, etwa auf das Gesamt des Werkes, wird nirgends gehalten. Diese Einleitungen und Rek. wird man sich genauer als bisher ansehen und mit Athetese und Redaktor vorsichtiger sein müssen als Dindorf es bei denen der Anabasis gewesen ist. O. Gigon scheint sehr mit dem Redaktor zu rechnen, doch gilt seine Bemerkung (Gnomon 24, 1952, 319) den Pragmatien im allgemeinen; wie er speziell über die NE urteilt, wissen wir vorerst noch nicht. Jedenfalls ist sicher, daß die Einl. von V nicht dem „Stil" der E E entspricht, sondern genau dem Schema, das Ar. I I I 9,1115 a4, in einer programmât. Weise, die der E E fremd ist, angekündigt hatte: also περί ποία, πως. Warum Ar. statt πως hier ποία sagt, hat Stewart I 375 schön begründet. »5,2
„Methode": I 8, 1098b8-12; VII 1,1145b2-7.
»5,3 „ m a n " (zu 1129 a 7-17). Wer ist „ m a n " (πάντες)? Der Wortlaut dieser ersten begrifflichen Orientierung formuliert, ζ. T. mit Hilfe arist. Neubildungen Platonisches: πρακτικός c. gen. und διχαιΟΊΐραγεΐν (dieses Verbum auch E E ; davon zwei Subst., auf -la und ·ημα, neugebildet, nur NE). Aber ersteres ist einfach das platonische â δίκαιος δίκαια πράττει (Gorg. 460b 8) und aus derselben Quelle stammt auch „Verlangen nach dem Gerechten haben" (460 c 2-5). Genauso wie der erste
399
V 1-2
Sats der NE (1094 a 2) mit Platon beginnt, βο meint anch hier πάντες die Akademie. Auch in der Kleinigkeit „man will verstanden wiesen" zeigt sich dies. In βουλομένονς Xéyetv hat das Partizip jene, ein einfaches λέγοντας leicht umschreibende Bedeutung, die Ar. nur 1126 b 21 und Cat. 9 a 4 anwendet : im Sinne von Leges 892 c 2. Und weiter Rep. 444 c 1-3: Wenn man erfaßt hat, was die Gerechtigkeit ist, dann versteht man auch, was „Unrechtes tun" ist (dazu 445 a 1-3 und, im umgekehrten Richtungssinn EN II 1,1103bl). Aber auch die weitere Argumentation, durch die die Gerechtigkeit als ίξις geschieden wird von einer bloßen δύναμις und prakt. Kunst, ergibt sich aus plat. Erkenntnissen, die Ar. auch in andere Pragmatien (Beispiele bei Stewart I 378-9) einbaut. Schema: δύναμις des Sehens
schwarz
weiß
Tugend
Laster
Ιζις Α
ίξις Β
Quellen bei Platon : Gorg. 460 c 1-«; Rep. 332 d 7-12 ; 334 a 7-8 ; 335d 3-12 ; 436 a 8-c 1 ; 439b3-6 (Topik 114,105bS. 24); Phaedo 97d4-5; Charm. 166e7; Hipp. min. 375 d 8-76 a 6. Und schließlich ist auch die Parallelisierung von Tugend-GesundheitGuter Gesamtzustand (εύεξία) Platon geläufig, z . B . R e p . 4 4 4 d l 3 - e l ; Gorg. 464 a 2 f. 96.4 „Gegebenheiten" (ύποχείμενα) geklärt durch Stewart I 381 ; Joachim 127. εύεχτιχός: diese Wortbildung erstmals Leges 684c8, aber dort: „in gutem Zustand befindlich". 96.5 „Festigkeit" und Schwammigkeit. Das Gegensatzpaar erstmals Leges 812 d 6 (von Tönen). Die Adjektiva, vom Fleisch ausgesagt, imTimaios passim. Bei den Vorsokratikern nirgends in Originalzeugnissen. 96.6 „In der Regel": also nicht immer. Michael 4, 2-9 verweist auf Topik 115, 106bl-4: φιλείν ist mehrdeutig, es entspricht ihm aber kein mehrdeutiges „hassen". Dem φιλείν als seelischer Bewegung ( = lieben) steht gegenüber das Hassen als seelische Bewegung. Aber dem φιλείν ( = küssen, also der körperlichen Bewegung) steht nichts Entsprechendes auf der Seite des Hassens gegenüber. 96.1 „Begriffe". Inhalt von Kap. 2: die beiden Grundformen der Gerechtigkeit: 1. iustitia universalis (τό νόμιμο»). 2. iust. ρ articularía (τό Ισον). 96.2 „Schlüssel". Der Grieche sagt in beiden Fällen ι(λείς. Schon früh beginnt das Sich-wundem über die Synonyma. Wenige Beispiele: Heraklit Vors.* 22 Β 48 (bios-biós). Protagoras über die Richtigkeit des Wortgebrauchs. Prodikos, Synonymik. Euripides, Hippol. 387. Daß die menschliche Sprache ihren Ursprung nicht der Natur, sondern der Konvention verdanke, beweist Demokrit Vors.* 68 Β 26 u. a. mit dem Argument, daß Dinge, die verschieden sind, mit demselben Wort bezeichnet werden; s. auch RE VII, 1912, 1780f. („Grammatik"). 96.3 „ungerecht". Der Grieche hört hier die intransitive Bedeutung von άδικεί mit (Burnet). Die Anklage gegen Sokrates ζ. B. enthielt dieses Verbum als Term, technikus. Σωκράτης άδιχεΐ beißt nicht: S. hat ungerecht gehandelt, sondern: er hat sich gegen das Gesetz der Polis vergangen. „Wider das Gesetz" und „ungerecht" identisch auch Rep. 338e5; vgl. auch Rep. 539a3.
400
Anmerkungen
96.4 „Gleichheit". Das Wesen des ungerechten Mannes ist, daß er „verlangt mehr zu haben als alle a n d e r e n " (Rep. 3 4 9 b 2 - c 9 , bes. c6). Auf die Argumentation im Gorg. 483 c 3 - 8 verweist Stewart; vgl. auch Leges 6 9 4 a 7 . 96.5 „ D a s Gerechte", νόμιμον — δίκαιον Rep. 3 3 9 b 7 ; 3 5 9 a 4 ; 451 a 7 ; Minos 3 1 4 d l ; Theaet. 1 7 2 a 3 ; Rep. 3 5 9 c 5 - 6 : „ D e m Mehr-haben-wollen als der andere, also der Pleonexia, als einem Werte nachzujagen ist tief in der N a t u r des Menschen verankert. Nur durch das Gesetz wird dieses Streben zwangsweise zur Achtung vor der Gleichheit gebracht." Ganz plat.-arist. sind auch die Gedanken, die Xenoph. dem Sokrates zuschreibt (Mem. 4, 4, bes. 4, 4, 12. 13; dazu Cyr. 1, 3, 17; darüber H o r v á t h 1931,18. Α. 20. Η. gibt einen klugen Gesamtüberblick, als Rechtshistoriker. Seiner allgemeinen Wertung Piatons kann ich nicht zustimmen) und 4, 6, 5-6. 96.6 „folglich": wegen des oben gebrauchten Arguments: die eine Haltung ist aus der entgegengesetzten zu erkennen (1129 a 17). 96.7 „ b e t e n " . Der Satz 1129b 4 - 6 wirkt wegen der Knappheit des Vorhergehenden wie ein kleiner Exkurs. Ar. n i m m t hier Rücksicht auf eine offenbar traditionelle Diskussion, die wir bei Xenoph. Mem. 1, 3, 2 feststellen können. Sokrates betete zu den Göttern n u r u m die Güter, die einen Wert schlechthin darstellen; denn die Götter wüßten am besten, was ein wirkliches Gut sei (Leges 931 d 2 : „die Götter sind die gerechten Verteiler der Güter"). Dagegen u m Gold, Silber, Tyrannis usw. zu beten, das sei genauso, wie wenn m a n u m ein Spiel oder eine Schlacht bete, nämlich u m Dinge, wo es völlig ungewiß sei, wie sie „hinausgehen" (dazu 0 . Gigon, Komm, ζ. 1. B. von Xen.s Memor. Basel 1953, 96-98, der u. a. auch auf den sog. 2. Alkibiades verweist; man darf hinzufügen Mem. 4, 2, 36 und Leges 687e 5 - 9 ; 8 0 1 a 8 - c 5 ) . 96.8 „ d a s Weniger". Ar. rechtfertigt hier soz. das Wort πλεον-έκτης = der der m e h r haben will. Es sei richtig, auch wenn das Streben des Menschen gelegentlich auf ein W e n i g e r , nämlich von Unangenehmem geht. Auch ein solches Weniger sei ein W e r t ; da aber das Mehr-haben-wollen sich auf Werte richtet, könne man den Ungerechten auch in diesem Falle als den bezeichnen, der m e h r will. 96.9 „gesehen": 1 1 2 9 a 3 2 - b l . - Inhalt von K a p . 3: die iustitia universalis. Disposition: 1. 1129b 11-25: sie schließt in sich alle Tugenden. 2. 1 1 2 9 b 2 5 - 3 0 a 8 : sie ist vollkommene Tugend, aber nicht soz. als persönlicher Besitz, sondern insofern ihr Träger sie anwendet auf andere. 3. 1130 a 9 - 1 4 : „ T u g e n d " und universale Ger. ist dasselbe, aber es sind zwei Blickpunkte möglich: von „ T u g e n d " spricht m a n , wenn m a n nur an die ίξις des Trägers d e n k t ; von univ., undifferenzierter Ger., insoferne diese έξις die persönliche Sphäre erweitert, sie ausstrahlen läßt „auf andere". 97,1 „ d a s gesamte Volk". Es ist ziemlich müßig zu fragen, welche Verfassung Ar. jeweils genau meine. E r h ä t t e gewiß eine erschöpfende Liste mit den üblichen Bezeichnungen: Oligarchie, Demokratie usw. geben können, denn dieses Thema war von ihm und anderen genugsam behandelt. Das Problem: gibt es auch falsche Gesetze, falsche Staatsverfassungen, spielt hier nicht herein (anders Leges 7 1 4 b 3 f . ) , auch nicht die Frage, ob m a n unter einer falschen Verfassung gerecht leben könne (s. die milde Bemerkung 1129b 25). Dieses Problem ist f ü r jeden Platoniker durch den Kriton gelöst. Ar. denkt hier also auch nicht an die plat. Teilung der Verfassungen nach „richtig" (όρ&αί) und „abweichend vom Richtigen" (παρεκβάσεις). Sein Nomos-Begriff ist hier durchweg der „ideale". Auch dürfen wir bei dem Wort
V 2-3
401
„Gesetz" nicht an das säkularisierte BGB denken. „Gesetze" bedeutet, wie im Kriton, die Gesamttradition der Polis, den Gemeingeist der Polis. 97.2 „in e i n e r Hinsicht": dies deutet bereits voraus auf die zweite Grundform, die iustitia partie, von 1130 a 14 (μέν-δέ, Burnet). 97.3 „Komponenten": diese entnehmen wir besser der Rhetorik (I 5) als der Ethik.— Ob in dem Terminus „Glück" eine Reminiszenz an Piatons Diskussion von Gerechtigkeit u n d Glück im Staat zu erblicken ist, scheint zweifelhaft. Wenn ja, dann jedenfalls sehr „en passant". 97.4 „heißt uns handeln". Zahlreiche Parallelen bei Siegfried 48 Anm. 118. Das enge Verhältnis der Ger. zu den anderen Tugenden: ebendort 5-12. - Da das Gesetz ja eher verbietet als gebietet, sind hier einzelne Tugenden, als Beispiele, durch Ar. von der Gegenseite, von der Ungerechtigkeit her, formuliert: also Übertretungen aufgezählt, die eingeklagt werden konnten, ζ. Β. λιποταξίου γραφή (s. zu 68, 4). „Schlagen" Leges 879b6-882c4. 97.5 „in vollkommener Ausprägung". Piatons Konzeption der Ger., wie er sie im Staat entwickelt ( = Zusammenwirken der Stände des Staats und der Seelenteile im Inneren des Einzelnen) hat Ar. aufgegeben, wie wir schon sagten. Aber wir dürfen uns nicht nur an die Definition Piatons halten, die Ger. verwirkliche sich darin, daß jeder Stand und jeder Seelenteil ausschließlich „das Seine t u t " . Sondern wir müssen, genauso wie Piaton (Rep. 442 e 1), den konkreten Inhalt dieser plat. Ger. betrachten. Um sich nämlich der Richtigkeit seiner Erkenntnis zu vergewissern, tut Piaton, wenn auch widerstrebend, das, was Ar. das Heranziehen der ένδοξα nennt. — Piaton nennt es das „Beiziehen des Gemeinplätzigen", der φορτικά·, denn ihm gelten ja die ένδοξα nicht so viel wie dem Ar. - Und da zeigt es sich, daß sein Gerechter, genauso wie der des Ar., eben nichts Kriminelles tut. Er nennt beispielshalber: Unterschlagung, Tempelraub, Diebstahl, Verrat, Ehebruch usw. (442e 1—443 a 10). Mit anderen Worten: die plat. Gerechtigkeit ist inhaltlich genauso = umfassende Rechtlichkeit, τελεία άρετή, wie die des Ar. Der Punkt, wo Ar. nicht mehr mitgehen kann, ist, wie ich meine, durch Ar. selber genau bezeichnet in der strikten Bestimmung: Ger., auch die universale, ist „Bezogenheit auf den anderen". Dies aber geht gegen Piaton, der in unmittelbarem Anschluß an die eben betrachtete gemeinplätzige Argumentation fortfährt: gewiß, das ist Ger. (Rechtlichkeit), aber in ihrem tiefsten Wesen ist sie nicht εξω πράξις, d. h. nicht ein Hineinwirken in ein „Außerhalb", sondern έντός πράξις, ein innerliches Wirken; es geht dabei um den Menschen selbst, um s e i n e Sache, um die Befreundung mit sich selbst, um die Harmonie im Innern: aus Vielheit wird Einheit. Und von dieser Harmonie her bekommen wir dann den richtigen Aspekt für das Handeln des Gerechten: natürlich lebt er nicht in quietistischer „soledad", sondern er beschäftigt sich mit Gelderwerb, mit der Pflege seines Körpers, mit den Anliegen der Polis, mit persönlichen Geschäften: aber all das ist bezogen auf den personalen Kern; sein Tun ist gerecht, insofern es die innere Harmonie „rettet oder mitbewirken hilft". Nur die Blickrichtung ist verändert, wenn man will: veräußerlicht, wenn Piaton in den Gesetzen die eigentliche Diskussion gleich damit beginnen läßt, daß er die Einengung der Gesetzgebung auf eÌDC einzige Tugend, in Sparta ζ . B. auf die Tapferkeit, ablehnt, diese an die 4. Stelle setzt und als Gegenstand der Gesetze die Gesamttugend (σύμπασα, μεγίστη άρετή) fordert (Leges 630 b 3, 630 c 3). Das ist die
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Anmerkungen
vollkommene Rechtlichkeit (¿«κ. τελέα 630 c 6). Und weiter sehen wir, daß Ar. bei seiner iustitia universalis von Piaton ausging, an folgendem. Piaton fährt fort: Der Gesetzgeber hat in Wirklichkeit seine Gesetze nicht gegeben im Hinblick auf „einen Teil" der Tugend, πρός άρετής τι μόρων βλέπων, sondern im Hinblick auf die Gesamttugend (630 e 1-3; 631 a 3-5). Wie das in den Leges weitergeht, ist hier nicht za verfolgen. Aber klar ist, daß Ar. mit seiner Scheidung von Gesamt und Teil auf plat. Basis steht; ¿ν μέρει άρετής ist ein Leitmotiv schon in der E E . 97.6 „Morgenstern": Enrip. fr. 486 N 1 (zu den Melanippen des Eur. v. Arnim, Suppl. Eur. 25-36). 97.7
„Sprichwort": Theognis 147 (s. den Apparat von Diehl 3 ).
97.8 „Bias". B. Snell, Leben und Meinungen der Sieben Weisen, München 1938. Anf die dichterische Gestaltung des Motivs in der Antigone verweist Burnet: „Unmöglich ist es, eines jeden Seele, Herz und Gedanken zu durchschauen, ehe | Man nicht in Amt und Würden ihn erprobt", sagt Kreon 175-177 (Reinhardt). 97.9 „des anderen": Thrasymachos: „Gerechtigkeit und Recht ist in Wirklichkeit etwas Gutes für den anderen, (ist Nutzen des Stärkeren und des Herrschenden; wer gehorcht und dient, hat nur Schaden als sein eigen)" (Rep. 343c 1-5 Ramsauer; auch 392 b 3). Die Analyse der vorhergegangenen Tugenden hat gezeigt, daß selbstverständlich auch diese einen sozialen Aspekt haben. Weder der Tod im Kampfe f ü r die Polis, noch der großgeartete Aufwand für andere (1123b4!) sind Phänomen« des stillen Kämmerleins. Aber dies hat Ar. in EN I I I und IV nicht in den Vordergrund gerückt. Wollte man die anderen Tugenden ausschließlich unter diesem Blickpunkt beschreiben, so würde sich letzten Endes ergeben, daß sie alle irgendwie Varianten der Gerechtigkeit sind. Umgekehrt läßt Ar. bei der universalen Gerechtigkeit jenes Moment weg, das er beim .Hochsinnigen, der j a auch einen universalen Charakter hat, so scharf herausgearbeitet hatte, daß nBmlich dessen Hilfespenden die Hauptfunktion hat, das Bewußtsein des eigenen Wertes zu steigern - weshalb er das Empfangen von Hilfe gar nicht kennt. Die Frage also, ob der universale Gerechte sich etwa ganz verausgabt für andere, oder ob er durch inneren Wertzuwachs eine Kompensation bekommt, tritt hier nicht auf. Um einer logischen Distinktion willen : „Tugend ohne weitere Bestimmung (άπλως) - Tugend in Relation zu anderen", wird hier, so scheint es, die ethische Wirklichkeit mit einem gewissen Zwang behandelt. Aber wenn man nicht strenge Linien zieht, die u. U. mitten durch das lebendige Gewebe schneiden, gerät die ethische Wissenschaft nur zu leicht an die Grenzsituation des konturlosen Verfließens. — „Tugend πρός ίτερον" bedeutet übrigens bei Ar. nirgends die Selbstaufopferung für das Glück des anderen. In den Freundschaftsbüchern könnte er an diese Grenzsituation kommen. Aber da wird alles abgefangen durch den Satz „Freund = alter ego" und so wird die Diskussion zentral: φιλία-φιλαυτία. 97.10 „Machthaber" und Partner bedeuten einfach: δημοσίφ-Ιδίφ. Zu ersterem Rep. 338 e 6-39 a 2. 98.1 „in ihrem ganzen Umfang". Beispiel: der Tyrann, der „die Ungerechtigkeit in ihrem ganzen Umfang verübt" (Rep. 344c2; 348b9). 98.2
„aus dem Gesagten": 1129b25-30a8.
V 3-5
403
98.3 „Teilerscheinung". Inhalt von Kap. 4: iustitia particalaris. Drei Argumente, die ihre Existenz beweisen. Die Frage: „To what facte of Greek life is Ar. here referring?" beantwortet Joachim 133-134. - S. auch Ar. Ath. pol. 59 mit Komm, von Fritz-Kapp 1950, 136, sowie ausführlich H. D. P. Lee 1937. 98.4 „verdient*': dieselbe Situation im pseudoplat. Eryxias 396e8-11 (μοιχεύειν έτι'άργνρΐφ). Zu illustrieren durch Aristophanes, Thesm. 345; Plut. 981-986, auch Petron 126. 98.5 „Triebhaftigkeit": ENVIO, U34al6-23. - „Geldverlust" heißt wörtlich übersetzt: „er muß noch etwas zusetzen, zulegen". Das ist plat. Gebrauch: Euthyphro 3d9 (Burnet); ebenso Ar. Protr. 12 W, p. 52,1: „wir schauen uns die Dionysien an, nicht um von den Schauspielern einen Gewinn herauszuholen — sondern wir setzen ja noch Geld zu". 99.1 „Kampfgefährte" (παραστάτης). Man sieht zun&chst keinen Grund, warum in dieser, zwar in feinem Stil, aber doch ganz sachlich formulierten Aufz&hlung gerade dieses dichterische Wort verwendet wird, noch dazu mit dem anspruchsvollen Verbum ¿γκαταλείπειν. Aber es wird geklärt durch die Formel im attischen Epheben-Eid: otW' έγχαταλείφω τάν παραστάτην (RE V „Ephebia" 2738, 18). 99.2 „Sammelbegriff". Ar. zögert mit Recht, den gängigen Begriff „äußere Güter" (rd ίχτός) hier anzuwenden, weil zum mindesten σωτηρία nicht dazugehörte, aber auch manches von dem vorher (1130al8-31) Aufgezahlten. - Μ άνόματι περιλάβει* ist platonisch. (Sophist. 226e6; Polit. 288c4, Leges 718c4). 99.3 „Wir müssen nun". H. Rassow hat in seinen „Forschungen" (1874) ein eigenes Kap. den Wiederholungen in der NE gewidmet. Fast alle seine Beobachtungen haben sich in der Folgezeit als wertvoll erwiesen, genauso wie die meisten Anstöße der Analytiker im Homer. Seine Bemerkung indes (S. 17) zu EN V 5,1130b6-20 reicht doch nicht aus für eine Athetese. Das Kap. 4 galt ausschließlich dem Thema, d a ß es eine partik. Gerechtigkeit gebe. Der Beweis wird aus den φαινόμενα geführt, mit Herausarbeitung des Relationscharakters. Daher die konkreten Beispiele. Weil diesee Thema strikte durchgeführt wird, finden wir im Kap. 4 keine Konfrontierung der engeren Ger. mit der universalen; wo letztere vorkommt, dient sie nur zur Formulierung des aus den phainomena gewonnenen Ergebnisses. Aber nur durch eine solche Konfrontierung kann Genus und Differentia bestimmt werden. Eben dies aber leistet Kap. V 5,1130b6-29, mit Hilfe der bloßen Begriffe „Ganzes und Teil". Der Kern des Abschnitts ist somit 1130b 10-18. Die einzelnen Begriffe erscheinen nun, nachdem die phainomena betrachtet sind, in ihrer reinen Form - so empf Tidet es Ar. Wir empfinden es als Gerippe. 100,1 „später". Stewart (I 410-414) bemüht sich sehr, aus diesem Abschnitt die feste Ansicht des Ar. zu gewinnen, daß es die Kunst der Staatsführung und nichts anderes ist, was den Bürger zu einem vollkommenen Menschen macht. Das ist aber eine Über-Interpretation, die mit der Gesamtanschauung Stewarts zusammenhangt (s. o. S. 269). In Wirklichkeit deutet Ar. hier nur, en passant, das Problem an: wie steht es mit der Erreichung der Tugend, wenn die Polis, in der der Bürger lebt, nicht der „Idealstaat" ist. Dies gehört zu jenen Aporien, wo es - auch für die entwicklungsgeschichtliche Analyse - schwer ist, Ar. auf eine eindeutige Aussage festzulegen. Der Vorverweis „spater" geht auf X 10, Il79b20-81bl2. Ross notiert dazu
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Anmerkungen
aus der Politik: I I I 4, 1 2 7 6 b l 6 - 7 7 b 3 2 ; 5, 1 2 7 8 a 4 0 - b 5 ; 18, 1 2 8 8 a 3 2 - b 2 ; V I I 14, 1 3 3 3 a l l - 1 6 ; V I I I 1, 1 3 3 7 a l l - 3 2 . Das sind Schichten, die, nach W. Theiler, zeitlich weit auseinanderliegen, der mit Recht darauf verwiesen h a t , daß Ar. in den späteren Teilen der Politik „den Ausdruck άριστη πολιτεία u. ä. in relativem Sinne gebraucht" (Mus. Helv. 9, 1952, 78). Wer sich aber in diesem P u n k t in einem langdauernden Ringen befand, der m u ß t e auch die Relation zwischen Staatsform und Tugend des Einzelnen in der Schwebe lassen. — S. auch Siegfried 75-77. 100.2 „zwei Grundformen". Der W o r t l a u t zeigt, daß Ar. die partikulare Gerechtigkeit einteilt, nicht in eine Gerechtigkeit (als Gesinnung, feste Haltung, Tugend), die a) richtig verteilt und b) über die Richtigkeit bei Verträgen wacht - also nicht die „Subjektseite", wie wir sagen, betrachtet, sondern allein die „ O b j e k t s e i t e " . „Bei der part. Gerechtigkeit, d a s h e i ß t bei der ihr entsprechenden Rechtssphäre, ist zu unterscheiden a) das Recht auf dem Gebiet der Verteilung, b) auf dem Gebiet der Verträge". Was dabei herauskommt, ist natürlich etwas „Gerechtes", eine Erscheinungsform, eine Gestalt (Eidos) des Gerechten, so daß also δίκαιον je nach dem Blickpunkt übersetzt werden k a n n mit „ G e r e c h t e s " und „ R e c h t " , - so wie άγα&όν mit „das G u t e " und „das G u t " . Aber ausdrücklich ist zu sagen, daß Ar. nirgends scheidet: a) eine δικαιοούνη διανεμητική und b) eine δ. διορ&ωτική (Top. VI 5, 143 a 16 ist keine Gegeninstanz). Die gleich zu verzeichnenden scholast. Ausdrücke wie iustitia distributiva usw. dürfen nur als summarische Wiedergabe der arist. Distinktionen gelten. 100.3 erteilung". Die eine Rechtsgestaltung ist Α) το εν ταίς διανομαϊς δίκαιον = το διανεμητικόν δίκαιον (1131b 27), iustitia distributiva, Herstellung proportionaler, „geometrischer" Gleichheit; Β) το δι- (oder 1132 a 18 : επαν-) ορ&ωτικόν δίκαιον, iustitia directiva (oder, wenn man zum Ausdruck bringen will, daß Ar. dabei nicht nur an gerichtliche Wiedergutmachung d e n k t : iustitia correctiva f ü r obligationes ex delicto und iustitia c o m m u t a t i v a f ü r obi. e contractu), Herstellung „arithmetischer" Gleichheit. Der Vorschlag von Siegfried (15), f ü r B) zu sagen: erwidernde (responsive) Gerechtigkeit ist erwägenswert. 100.4 „ z u m Beispiel". Zur Illustration der einzelnen Begriffe: J . H . Lipsius, Das attische Recht und Rechtsverfahren, Leipzig 1905-1915; H . Hommel, Heliaia = Philol. Suppl. 19, 2, Leipzig 1927 ; R . Maschke, Die Willenslehre im griech. Recht, Berlin 1926; ferner folgende Art. der Realenzyklopädie: Synallagma, IV A (Seidl). Symbolaion, IV A (Latte). Homología, V I I I (Thalheim), ώνή, X V I I I 1 (Hellebrand). Danéion, IV (Thalheim), έγγύη, V (Thalheim). Chresis, I I I (Thalheim). P a r a k a t a t h ë k ë , X V I I I 3 (Hellebrand). Hypothëkë, I X (Thalheim). P f a n d r e c h t , Suppl. V I I (Ziebarth). Misthösis, XV (Schulthess). Klopë, X I (Thalheim). Moicheia, X V (Latte). Gifte, Suppl. V (Morel). Martyria, X I V (Latte), αίκίας δίκη, I (Thalheim). Mord, X V I (Latte), άρπαγής γραφή, V I I (Thalheim), κακηγορίας δίκη, Χ (Thalheim). - Einzelnes auch bei C. Daremberg-E. Saglio, Dictionnaire des antiquités grecques et romaines, Paris 1877-1918. - Joachim 137-141, F. Pringsheim, The Greek law of sale, Weimar 1950 (grundlegend). Zu P. de Francisci, Synallagma. Storia e dottrina dei cosidetti contratti innominati I, I I , Pavia 1913f. siehe J . Partsch, Sav. Ztschr. 35, 1914, 335-342. Wie weit Platon und Ar. bezüglich der verteilenden und der korrigierenden Gerechtigkeit auf gemeinsame Quellen zurückgehen, kann hier nicht verfolgt werden; das
405 liefe hinaus auf eine Geschichte des griech. Rechts. Wir beschränken uns auf Piaton und nehmen als höchstwahrscheinlich an, daß Ar. während seines 20jährigen Aufenthalts bei Piaton auch die Problematik des δίκαιον durch das Prisma der Akademie aufgenommen hat. Die Verteilung der Ehrungen (διανομή τιμών) und der ά-τιμίαι h a t Piaton in ihrer fundamentalen Wichtigkeit f ü r den Zusammenhalt der Polis erk a n n t , z . B . Leges 6 9 5 c l 0 - d 6 , 6 9 7 b 2 , 707 b 2, 738 e 2 - 5 ; 7 4 4 b 2 - c 4 , 8 3 1 a l , 849a3, bis 50 a 5 , 7 5 7 a 5 - d l ; auch Rep. 558c 5 und Gorg. 508 a 6 gehört hierher ( 4 9 0 b l - c 7 zeigt den Zusammenhang mit der Medizin). Die Gerechtigkeit aber in der Sphäre der vertraglichen Beziehungen (erstmals Hesiod, Erga 349-350; 370-372) finden wir im Anfang des „ S t a a t e s " , soz. als die unterste Diskussionsschicht. J e n e Concreta des Lebens, von denen Piaton so bald schon wegstrebt, um zur inneren Gerechtigkeit zu k o m m e n , sie sind es, die wir in der arist. Diskussion wieder antreffen. Nicht ohne Grund beginnt das Suchen nach der Ger. im , , S t a a t " mit dem alten Kephalos u n d seinem Geld. Es wird sich empfehlen, die H a u p t p u n k t e des Anfangsgesprächs, aus der jeweiligen Gesprächslage natürlich herausgenommen, zu notieren (331 b 2-335 e 5): keinem Gott ein Opfer (der H a h n des sterbenden Sokrates f ü r Asklepios), und keinem Menschen Geld schulden - aufrichtig, ehrlich sein und jedem das Geschuldete zurückgeben - anvertrautes Geld (παρακατατί&εα&αι, vgl. Demonicea 22) zurückgeben — das Geschuldete = das Gebührende, το προσήκον - Ger. ist nützlich f ü r vertragliche Beziehungen, συμβόλαια, κοινωνηματα — arist. συναλλάγματα (letzterer Ausdruck nicht bei Piaton, d a f ü r e i n m a l συνάλλαξις Leges 8 5 0 a l ) ; sie ist nützlich προς το χρήσάαι άργυρίω, ζ. Β. bei Kauf oder Verkauf eines Pferdes; sie ist brauchbar f ü r Deponierung u n d Erhaltung des Geldes (παρακατατί&εσάαι; die Gemeinschaft also entsteht, insoferne der eine das Geld deponiert und es dann beim anderen gut aufgehoben ist) - in keinem Fall f ü g t der Gerechte jemandem Schaden zu. Entscheidend aber ist, d a ß Piaton bereits die arist. Zweiteilung: Recht auf Grund arithmetischer, und Recht auf Grund geometrischer Gleichheit der Sache nach, ohne die arist. Termini, entwickelt (Leges 7 5 7 a 5 - d l ; dazu 7 4 4 b 2 - c 4 ) . Die folgende Paraphrase v e r d a n k t , abgesehen von Grants Einl. zu K a p . 6, manches G. Müller, Nomoi 77-78. Piaton f ü h r t in seinem Staat der 5040 Wohnstätten einen Wahlmodus ein ( 7 5 6 b 7 - e 8 ) , der deshalb gut sei, weil er die Mitte hält zwischen monarch und demokr. Verfassung. Herren und K n e c h t e können nämlich nicht Freunde werden; auch nicht Hoch- und Minderwertige, dadurch, daß sie auf der Basis gleicher τιμαί existieren. Denn f ü r die Ungleichen wird die (arithm.) Gleichheit zur Ungleichheit, wenn nicht nach Proportion verfahren wird. Der alte pythagor. Spruch „Gleichheit schafft F r e u n d s c h a f t " (Gorg. 507 e6) ist zwar sehr treffend, aber eigentliche Klärung dieser „Gleichheit" bringt er nicht. Es gibt z w e i Arten von Gleichheit; sie sind synonym, aber de facto Gegensätze. Die eine, die arithm., k a n n ein Gesetzgeber leicht bei der Verteilung der τιμαί einführen: sie verfährt einfach nach Maß, Gewicht u n d ZahL Man bedient sich dabei des Loses. Die echte u n d beste Gleichheit aber, die geometrische, ist nicht leicht in den Blick zu bekommen. Dem Größeren teilt sie mehr, dem Geringeren kleinere Anteile zu; sie gibt jedem von beiden, nach Maßgabe seines „ W u c h s e s " das was μέτριον ist. I n praxi also immer größere Ehren denen, die an άρετή größer sind; den an άρετή und Geformtheit diesen entgegengesetzten aber gibt sie j e das Gebührende (τό πρέπον), nach der Proportion (κατά λόγον). So wird die Gerechtigkeit im Staate gewährleistet. Das Gerechte, so wiederholt Piaton, ist das Gleiche, das jeweils den von N a t u r Ungleichen gegeben wird.
406 Ισον ist, wie bei Ar., je nach dem Zusammenhang im geometr. oder im arithm. Sinne cu verstehen; hier bedeutet es das erstere, wie das sofort folgende zeigt: Freilich mo8 jede Polis auch von jenen Formen der Rechteverwirklichung Gebrauch machen, die eigentlich nicht so heißen dürften (rd παρωννμια δίκαια geht auf arithm. Gleichheit), weil dabei „die Gleichheit des Loses" verwendet wird. Das ist dann eine an sich ver· werfliche Nachgiebigkeit gegenüber der so leicht murrenden Menge; das ist Billigkeit (¡mentii) und nicht mehr das strenge Recht. Man muß dann schon Gott um Hilfe bitten. Und noch einmal wiederholt Piaton : es laßt sich also nicht vermeiden, b e i d e Formen der Gleichheit zu gebrauchen, aber in möglichst wenig Fallen soll jene ins Spiel kommen, die der Tyche bedarf ( = die arithm.). Die Unterscheidung von Vergehen, die willentlich und die unwillentlich begangen werden, ist fest im attischen Recht verankert. So finden wir sie auch in Piatons Gesetzen (ab 860 dl). Es ist wahrscheinlich, daß diese Unterscheidung zuerst auf Mordtaten angewendet wurde. Wann ¿κούσια άνναλλόγματα („Vertrageobligationen") zum erstenmal als eigene Gruppe ausgesondert wurden, laßt sich nicht feststellen. Die Gruppe der άχσύσια σνναλλ. vollends scheint eine Entdeckung erst des Ar. zu sein. Zu ihrer Würdigung RE IV A 1322, 40-64. Doch ist dort von Seidl übersehen, daß eine Vorstufe dazu schon von Plato, Leges IX formuliert ist. Er sagt nur nicht συναλλάγματα, sondern xotvcovlat und όμιλίαι. Da gebe es innerhalb der Bürgerschaft gegenseitige Schädigung (ßXdßat) und zwar in Menge das willentliche und das unwillentliche Schadigen (860 e 1-4). Der Gesetzgeber müsse wieder den „gesunden" Zustand herstellen (862 b 6), und das, was gefallen ist, wieder „aufrichten" (¿ÍOQ&OVV 862cl). Und schließlich unterscheidet er „gewaltsam" (βίαιος) und offen begangene Taten und solche, die mit Hilfe des Dunkels und der Tauschung „heimlich" (λα&ραίοις) begangen werden (864 c 4-6). Im Anschluß daran behandelt er dann im selben Buch die Mordtaten, dann die Körperverletzung (πήρωσις) und die Realinjurie (alxia). In Buch XI dann die συμβόλαια, Eigentumsdelikte, Kauf-Verkauf (auch den Kleinhandel); dabei die Berücksichtigung des sog. Willensmangels (920 d 3), Giftmischerei, (932 e 1), Diebstahl und schwerer Raub (933 e 6), üble Rede (934 e 3), falsches Zeugnis (937 cl), Bürgschaft (953 e 5), Freiheitsberaubung (954 e 4-55 bl). Über moicheia Leges 8 3 ? a 2 - b l ; 841c 8-42 a 3. 100,5 t „fes stêht fest*'. Ar. geht sofort in medias res. Daß er jetzt die iustitia distributiva behandelt, genauer: die 1130b31 bezeichnete erste „Gestalt des Rechts", sagt er erst 1131b 24, beim Übergang zu der zweiten „Gestalt". Trotz der zwei Gestalten ist die iustitia particularis eben eine Einheit. Dies zeigt sich auch in der Art und Weise, wie er Kap. 9, 1133b 29 die Untersuchung fortsetzt. Die mathematisierende Akribie, mit der Ar. von jetzt an seinen Gegenstand behandelt, berührt nur dann merkwürdig, wenn man übersieht, erstens, daß es sich hier nicht um die Vorgange in der Seele des gerechten Mannes handelt, sondern um die vom handelnden Subjekt ablösbaren äußeren Tatbestande des Rechte, und zweitens, daß Ar. bereite in einer Tradition stand, die das Mathematisieren soz. erzwang, genauso wie sie es in den Unsterblichkeitebeweieen dee Phaidon erzwungen hatte. Dieee Tradition beginnt bei den Pythagoreern, also wohl bei der Musik, irgendwo und irgendwann - außer, wir nehmen an, daß Archytas (Vors.* 47 Β 2-3), der Freund Platone, die „arithmet. und die geometr. Proportion in der Musik" ale erster Pythagorecr gefunden hat. Für unser lückenhaftes Wissen ist er jedenfalle der Fix-
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punkt, da noch niemand ergründet hat, -wie weit Piatons πάλαώς λόγος (Leges 757 a 5 α. a.) in die Vergangenheit zurückreicht. Sowohl das Nomoi-Zitat ( Ιαόνης-φιΧάτης) wie fr. 3 des Archytas (Ισότας, πλεονεξία, συναλλάγματα) zeigen, dal) in den P y t h a · goreérgemeinden, ans denen ja auch das oft zitierte xotvà τά των φίλων stammt, der Übergang von der Musik in das Gemeinschaftsleben gefunden worden ist. So wird die plat. Ισότης aus diesem Kreis stammen (s. S. 405). - Zum Thema Piaton, Ar. und die Mathematik: Ch. Mugler, Platon et la recherche mathématique de son singulär in der Ethik, dagegen sehr häufig in naturwissensch. Schriften. Einige Beispiele im LiddellScott aus dem Corpus Hippoer. erweisen es auch als medizin. Term, technicus.
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147.1 „Schauspieler": er ist „Sprachrohr" für das, was ein anderer gedacht hat! Piatons Ion (535b2-e6). 147.2 „natürlich-seelisch" (φυσικώς). Argument (d) erweist mit Hilfe von Logik und Psychologie, daß an der Position des Sokrates: es gibt keine Unbeherrschtheit, weil es keine Überwältigung des Wiesens gibt, etwas Richtiges ist. Man muß nur den Begriff „Wissen" analysieren, (also herausarbeiten, daß nicht κυρίως έπιστήμη, 47 b 15, bei der U. vorliegt) und — ganz platonisch, wenn auch ohne Einführung des Begriffs Seelenteil, - sich über die innerseelischen Vorgänge beim Zustandekommen der Unbeherrschtheit klar werden. Grob gesagt: man muß das innere Geschehen als einen Kampf zwischen Logos-Element und Pathos auffassen, also mit zwei Seelenteilen rechnen; man muß studieren, wie das Begehren sich des praktischen Syllogismus bedient und so der Akt der U. herauskommt. Durch ein solches Studium menschlichen Verhaltens qua Kombination aus Logos und Strebevermögen findet man die unmittelbare Ursache der U., die Erklärung, warum das sokratische „Wissen" nicht aktualisiert wird. Die Propositio maior, so entwickelt Ar. in (d), ist eine Meinung mit καιΜλου-Charakter. Sie erwächst aus dem Kern der Menschennatur, aus dem Kern eines Menschen, der ein Hellene ist. Eine solche prop, maior ist ζ. B. : „Alles Übermaß ist schädlich." Eine solche prop, aber wird sich oft nicht άνεμποδίατως entfalten können (der Terminus 1153 a 15, blO und auch in nacharist. Ethik). Woher kommt das Hindernis? Das syllog. Verfahren beim theoretischen Denken hat doch zwingenden Charakter, es schreitet zur bindenden Conclusio. Warum nicht auch der praktische Syllogismus? Wir erleben doch, daß auch der prakt. Syll. nicht selten glatt abläuft, so glatt, daß sogar auch einmal eine selbstverständliche Prämisse „unterschlagen" (Kapp a. O. 1062, 69) wird (ζ. B. : „ J e t z t ist eine Situation, wo alle Menschen gehen müssen" - da denkt man nicht lange „ich aber bin ein Mensch" (EN 1147a6), sondern geht eben los, Kapp). Aber: die menschliche Seele hat zwei Teile. Das Begehren kann der prop, maior: Alles Übermaß ist schädlich, eine andere prop, maior entgegenstellen, nämlich: Alles Süße muß man kosten, und die prop, minor: Dieses konkrete Ding ist süß (wobei ja nach arist. Lehre die prop, maior άχίνητυ» ist, die minor aber κινεί, De an. III 10). Dann mag die erstgenapnte prop, maior wohl als Mahnung empfunden werden - durchsetzen wird sich das Begehren, das somit gleichsam zur aktivierenden prop, minor wird. Also ist doch ein intellektueller Faktor, eine prop, "minor, die Ursache davon, daß der Mensch der Unbeherrschtheit verfällt. Wir haben eine Konflikt-Situation_(ob echter Konflikt oder nicht, muß hier außer Betracht bleiben). Dabei stehen nicht im Gegensatz zwei prop, maiores (Alles Übermaß schädlich - Alles Süße kosten): die letztere steht nicht für sich genommen schon im Gegensatz zur ersteren oder ist gar falsch — beide sind wahr; sondern nur akzidentell wird letztere zum Gegensatz: wegen der möglichen Konsequenzen. Der eigentliche Opponent ist die Begierde, nicht eine propositio. Anders: Der Unbeherrschte will (jedenfalls nach dem Willen des Ar.) nicht „blind" handeln, sondern auch er will Rationales tun und bedient sich daher einer rationalen „Mechanik", nämlich s e i n e r propositio, die soz. eine sophistische ist, aber nur zu leicht siegt, weil ihr Motor das Begehren ist. Der moderne Leser sagt sich: das alles hätte man auch einfacher haben können. Aber Ar. ist zeitgebunden und er ist als Hellene gebunden. Der Grieche kapituliert nicht so schnell vor der Macht des Irrationalen, des Triebhaften, wie der moderne
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Anmerkungen
Gerichtspsychiater; er muß sich die Anerkennung dee Irrationalen abringen. Man will — auch in del· Zeit nach Ar. — im Grunde doch immer, in ungeheurem Opti· mismus, den sokratischen „Intellektualismus" retten (vorausgesetzt natürlich, daß Sokrates nicht „Sokrates* 4 = „ x " ist, 0 . Gigon). Daher der Versuch des Ar., auch den Unbeherrschten als einen Syllogistiker zu erweisen, das Irrationale rational zu machen. Er tut es, indem er den Fall des Unbeherrschten studiert unter den Aspekten, die er für das Studium des Irrtums in der Anal, entworfen hatte (II 21, 67a27-b 11). — Grant, Essay IV; Rassow 129; Joachim 226-229; H. Cassirer a. O. 121-140. - Einzelnes: 147.3 „betrachten" (επφλίπειν). Singular, daß das Verbum ohne Präposition konstruiert wird. Das ist platonisch. Einzige Parallele Leges 811dl. Dort feine Abhebung von άποβλέπειν (811 b8, c7). Sinn: es ist schon manches gesagt worden, jetzt kommt eine neue Blickrichtung. Das Neue ist, daß die voraufgegangenen Reden nun in ihrer Gesamtwitkung angeschaut werden, mit prüfendem Blick in neuer Intention, nämlich qu& geeignet für die Erziehung. Das ist genau die Situation in der N E : die Ursache der U. prüfend betrachten, und zwar jetzt, nach den voraufgegangenen dialekt. Versuchen, in neuer Intention: φύαιχώς. 147.4 „hindern" (χωλνειν). Platon entwickelt die Theorie seiner drei Seelenkräfte : Die Seele des Dürstenden will, insofern sie dürstet, nichts anderes als trinken. — Ist nun etwas da, was die dürstende Seele in eine andere Richtung zieht, so kann das nicht das dürstende Element selbst sein (dessen Funktion ist j a nur die, die Seele wie ein Tier zum Trinken zu treiben). — Gibt es nun Leute, die Durst haben, aber doch nicht trinken wollen? Ja. Also ist doch etwas in ihrer Seele, das sie trinken heißt (χελενον), aber es ist auch etwas da, das sie am Trinken hindert (χωλϋον)? J a . Dieses Hindernde kann doch nur aus der reflektierenden Überlegung (έκ λογισμού) stammen, während das Treibende und Ziehende aus der Leidenschaft and dem Ungesunden kommt - also λογκηικόν und έπιόυμητιχόν (Rep. 439a9-d8). - Dazu E E II 8, 1224a31-39. 147.5 „ein Tier". E E I I 8 (also bei dem Thema: willentlicb-unwillentlich-Zwang) 1224 a 23-27 : „Bei den unbelebten Dingen ist das bewegunggebende Prinzip einfach, bei den Lebewesen aber gibt es mehr als eines, denn bei ihnen ist Streben und Überlegen nicht immer im Einklang. Daher ist bei den Tieren das Element des Zwanges einfach: bei ihnen können Überlegen und Streben nicht in Gegensatz kommen, sie leben ja nur nach dem Streben ( = dem Instinkt). Im Menschen aber ist beides . 148.1 „Vertreter d. Naturw.". So zitiert Ar. gewiß nicht sein eigenes Werk, De somno 3. Aach denkt er schwerlich an Heraklit (22Β117), sondern etwa an Forscher wie Diogenes v. Apollonia (Vors.« 64 A 19; I I p. 56, 13-17). - MM I I 6, 1202al-7. 148.2 „im eigentlichen Sinn". Wissen im uneigentlichen Sinn wird erzeugt, wenn die prop, maior nur durch eine δόξα und die minor durch αϊσάησις geliefert wird. — Der Rückgriff auf den Anfang des Kap. 3 (Sokrates — περιέλχειν) zeigt, daß die ganze Gedankenentwicklung, Kap. 3—5, durch die These des S. zusammengehalten wird. Wie Piaton variiert Ar. éveívat (1145 b 23) durch παρείναι (47 b 16) und in dem e i n e n Punkte: das Wissen im eigentlichen Sinn wird nicht hin und hergerissen, identifiziert sich Ar. mit Sokrates (47 b 16 = 45 b 24). 148.3 „die Frage". Das Kap. 6 ist angekündigt VII 4, 1146b9: der Bereich der B(eherrschtheit) und U(nbeherrschtheit). Durch die Zusammenfassung am Anfang
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des Kap. 7 (1149a21-24) ist der Ansatz des Kap. 6 gerechtfertigt. Das Thema: negl ποία ist damit aber, wie sich zeigen wird, noch nicht erledigt. 148.4 „Lust-Unlust". Das fundamentale Thema ist schon gut vorbereitet. Lust (Freude) ist das untrügliche Anzeichen dafür, daß die Übung der Tugend sich zur ίξις verfestigt hat, 112,1104b4. Durch I 9,1099a7-30, ferner durch 1104b21. 27. 34. 05a5 vorbereitet, konnte Ar. bereite 112, l l O S a l l die weitausgreifenden Satze formulieren: „Um Lust und Unlust bewegt sich die ganze Pragmatie", und a 13: „Der Bereich der Tugend ist Lust und Unlust". Dies spielt dann zum erstenmal eine entscheidende Rolle in I I I , bei der Besonnenheit und Zuchtlosigkeit (13, 1117 b 25-26), wo wir ja bereits den Bezirk des jetzt in VII zu behandelnden Themas betreten haben. Dort auch die Teilung in seelische (Beispiele: Ehr- und Wissensliebe) und körperliche Lust, Besonnenheit und Zuchtlosigkeit auf letztere eingegrenzt (darüber s. zu. 64,4). Daß entere dann bei der Behandlung der geistigen Tugenden in VI in Erscheinung träte, wäre zu erwarten gewesen. Aber nicht ein einzigeemal klingt das Thema auch nur von ferne an, das Wort existiert in VI nicht, nicht einmal bei der Weisheit des Philosophen (Andeutung: I 9, 1098b25). Und auch in die Rechenoperationen von V fand es keinen Eingang, nicht einmal bei der aequitas, geschweige denn, dafi das Thema des plat. Staats (der Gerechte ist der Glückliche, s. S. 397) aufgegriffen worden wäre. Erst in X wird die geistige Lust des Philosophen Höhepunkt und Abschluß der Pragmatie bilden. Dies alles muß man im Auge behalten, um den weiteren Gang der NE würdigen zu können. 148.5 „notwendig". Es ist schon von den Engländern notiert, daß dieser Begriff aus Piatons Staat (558 d 5-59 d 2) und dem Phileb. stammt (62 a 9). Er spielt nur hier eine Rolle, nicht in der sog. zweiten Lust-Abhandlung von Χ (X 2,1174 a 6 ist nicht dasselbe). Auch in der E E einmal: I I I 2,1230b 20; sonst ausgedrückt durch έπιόυμείν κατά φύσιν (II 3,1221a22),oder durch άνάγκη κοινωνεΐν (I 5,1216a35, dort άνάγκη zu verstehen nach 1231 a 27). Also die bewußte Anlehnung an Piaton starker in der NE, was sich weiterhin bestätigt durch die Auswahl der Beispiele, worauf man noch nicht geachtet hat. Unter diesen Beispielen fallt nämlich auf, weil aus dem Rahmen, „der Sieg" neben dem „Ansehen", wo doch das Ansehen genügt hätte. Das ist aber keine Flüchtigkeit. Piaton führt die Scheidung: „notwendig - nicht notwendig" ein bei der Analyse des demokratischen Menschen. Notwendige Lust (Begierde) ist das Essen (559 a 11) und der Liebesgenuß (559 c 6 ; aus Piatons Formulierung, xal περί, geht klar hervor, daß er zwar nicht so ohne Einschränkung die Aphrodisia als notwendig erklärt wie Ar., aber daß er innerhalb ihrer Notwendiges, ζ. B. Fortpflanzung, und Nicht-notwendiges unterscheidet). An dem demokrat. Manne exemplifiziert er dann das zuerst theoretisch Festgelegte (559dl, 561a7): als „nicht-notwendige" Genüsse, die er sich verschafft, erscheinen: Prasserei, πολιτεύεσϋαι (651 d3: das ist bei Ar. das Ansehen, 1095 b 23, πολεμικούς ζηλοϋν (d4: bei Ar. Sieg) und χρηματtariκούς ζηλοϋν (d5: bei Ar. Reichtum). Nur von dieser plat. Trias her (Piaton nennt n u r diese 3 Genüsse) ist die arist. zu verstehen. 148.6
„zugewiesen" : EN I I I 13 (EE I I I 2).
149,1 „Anthropos". Nach einem Papyrusfund von 1899 hat ein Boxer dieses Namens 456 v. Chr. in Olympia gesiegt. Ar. selbst hat eine Liste der Olympiasieger redigiert (Diog.-Liste 130). Darüber P. Moraux a. O. 123-125, bes. 124. Trotzdem
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Anmerkungen
bleibt der Name merkwürdig. Skeptischer als früher, namentlich über die frühen Teile solcher Listen, F. Jacoby, Atthis, Oxford 1949, 353 Anm. 3. 149.2 „ w a r " . Das Imperfekt bedeutet nicht: „bei ihm war es seinerzeit, vor 100 J a h r e n so . .", denn der Satz h a t j a zeitlose Gültigkeit, sondern Ar. sagt zu den H ö r e r n : „Vielleicht erinnert ihr euch an jenes Beispiel von dem Olympiasieger Anthropos; damals stellten wir j a schon fest, daß man, u m diesen „Mensch" von dem Begriff Mensch ( = „vernünftiges Lebewesen" oder dgl.) zu unterscheiden, hinzusetzen müsse: „Mensch, der Olympiasieger" (Anonymus 424, 5-14). 149.3 „ W ä r m e — Küble". Dieses Gegensatzpaar wird sonst mit den in der ionischen Naturphilosophie seit alters gebrauchten Wörtern ϋερμόν — ψυχρόν ausgedrückt. Das homerische άλέα f ü r W ä r m e ist auffallend. E s k o m m t in der E E vor ( I I I 1, 1229b5), im K a p . über die Tapferkeit, aber im Zusammenhang mit Weichlichkeit. Burnet gibt Beispiele aus den naturw. Schriften. Aber wichtiger ist, daß es in akad. Diskussion v o r k o m m t : Eryxias 4 0 1 d 3 - e 6 . Zusammenhang: wenn wir nicht gewisse körperliche Begierden h ä t t e n , brauchten wir kein Geld (um sie zu befriedigen). Diese Begierden (Bedürfnisse) sind: Hunger, Durst, W ä r m e , Kühle - also genau die 4 bei Ar. und in derselben Reihenfolge. 149.4 „Zomesäußerung". Bei Thuc. άκρατής spricht Leges 8 6 9 a 2 : α. ΰνμον.
οργής (3, 84, 2), aber genau ent-
149.5 „letztgenannten": Hunger, Durst usw. - „die vorher g e n a n n t e n " : Geld, Ehre, Zorn. 149.6
„auf dieselben", nämlich auf körperliche Lust.
149.7 „die einen - die anderen". Die griech. Komm, verstehen darunter nur den Zuchtlosen und den Unbeherrschten (Anon. 425, 11. Heliod. 143, 14). Der W o r t l a u t : oi μέν-ol 6é würde an sich gestatten, auch den Besonnenen und Beherrschten in dieser Zweiteilung unterzubringen. Aber wie? Rosa teilt so: der Besonnene und der Zuchtlose haben προαίρεαις — der Beherrschte und der Unb. nicht. Aber beim Beherrschten gerät er da in strikten Gegensatz zu I I I 4, l l l l b l 5 und V I I 2 , 1 1 4 5 b 13. Das k a n n also nicht richtig sein. Man wird den K o m m , folgen müssen. 149.8 „ D a h e r " . Weil wir soeben beim Zuchtlosen das Moment der freien E n t scheidung betont haben. - Der Sinn dieser feinen Beobachtung ist: Der Z. ist nicht, wie der Name nahelegen könnte, eine entfesselte vitale N a t u r . Dies würde bedeuten, d a ß das Irrationale, die Begierde bei ihm ausschlaggebend i s t ; dann aber h ä t t e n wir den Typus dessen, der ά-χρατής i s t ; d. h. über die Begierden nicht Herr werden k a n n . Das Moment der elementaren Triebhaftigkeit m u ß also von dem Typus des Z. ferngehalten werden. Also zeichnet Ar. ihn als den, der sich Raffiniertes, aber Temperiertes ausdenkt: eine morbide, im Genuß schon ausgebrannte N a t u r . K ä m e ihm auch noch hemmungslose Vitalität zu, so würde der Begriff zuchtlos nicht mehr ausreichen, u m das dann entstehende P h ä n o m e n zu beschreiben. — Die Frage „was t ä t e er erst, wenn . . . " kennen wir aus der Analyse des Hochsinnigen (IV 7,1123 b 12). Auch dort verhilft sie zu einer feinen Beobachtung. Noch einmal: 1150a30. Vergleichbar Piatons Fragen: „ W a s glaubst du, wird ein solcher t u n . . . " (Rep. 494c4, e 2 ) ; Herod. 6, 138, und schlagend: Antiphanes f r . 232, 6 Kock: δταν εύπορων γαρ αισχρά πράττβ πράγματα, \ τί τούτον άπορήσαντ' äv ονκ οίει ποιείν (R. Kassel). 160,1 „ f r ü h e r " : 1147b23-3J. D a ß dies keine Dubletten sind, h a t Burnet erwiesen.
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Die neue Einteilung widerspricht der früheren nicht, sondern ergänzt sie nur durch das Moment „Gegenteil". Dieses aber lag Ar. jederzeit nahe. Also: 1) Dinge, die der Gattung nach „schön", von N a t u r Gegenstand der Wahl sind (z. B. Geld), 2) Dinge, die im Gegensatz dazu der Gattung nach „häßlich", von N a t u r Gegenstand des Meidens sind (z. B. Armut), 3) die Dinge „dazwischen": das sind die notwendigen von 47b25. D a ß Ar. sagt: das alles gehört zum Bereich von ήδονή und έπι&υμία,. h a t seinen Grund darin, daß wir immer noch auf dem Boden des piaton. „ S t a a t e s " stehen, denn eben dort ist diese Zweiheit (558d5. 9); auch Leges 886a9. 150.2 „richtig". Hier zum erstenmal wieder das aus der Behandlung der eth· Tugenden wohlbekannte, platon.-akad. δει. 150.3 „Niobe". Seit Eurip. sagt m a n Φεομαχεΐν. Der Typus des „theomachos" seit H o m e r : W. Schmid, Gesch. d. griech. Lit. I I 109-110 (109, 7 eine Liste der th.) 265(Homer); 273 (Aischylos); 456 (Soph.); 111712,5. 734,5(Eurip.); 616,6(Herodot). Zu Niobe : R . Oehler, Mythol. Exempla in d. älteren griech. Dichtung, Diss. Basel 1925, 5, 51, 94, 102; W. Nestle, Arch. f. Rei. Wiss. 33, 1937, 246ff. 160.4 „ S a t y r o s " : Aspas. 158, 15-17. Anon. 426, 22-29. Heliod. 144, 3. φιλοπάτωρ seit Eurip. An einen pontischen König dieses Namens ( R E I I A 224-226) denken Stewart und Burnet. 161.1 „Manches". Durch die N E zieht sich die sorgfältige Beobachtung von Verhaltensweisen, die nur „Ähnlichkeit" mit der H a u p t f o r m haben, also von dieser abzuheben sind. So h a t t e Ar. ζ. B. bei der Tapferkeit ausdrücklich 5 ähnliche Formen abgesondert, und wenn er dort ( I I I 11, 1 1 1 6 a l 6 ) auch das Wort δμοιότης (gleichbedeutend κατά μεταφοράν, 1149a23 u n d V 15,1138b6) nicht gebraucht, so ist doch durch E E I I I 1, 1229 a 12 klar, daß es gemeint ist. Nach derselben Methode verfährt Ar. n u n auch bei der Beherrschtheit. Genauer - u n d auch dies ist ein Zug, der durchgeht (s. zu 60, 5) - er verfährt so bei der Unbeherrschtheit u n d das Positive l ä u f t n u r so nebenher. E s wird also im folgenden der Begriff der „Unbeherrschtheit schlechthin" weiter herausgearbeitet durch Beispiele, die zeigen, d a ß es sich nicht u m Unbeherrschtheit schlechthin handelt, sondern u m jene, die noch eines Zusatzes bedarf. - MM I I 6,1202 a 19-29. 151.2 „bestialisch". F ü r uns gehört dies und das folgende nicht zur E t h i k , sondern zur Ethnologie - und auch Ar. m u ß , u m ein Beispiel zu finden, zu den ί&νη gehen. Auf den Anon., der 427, 38 dieses Weib mit dem N a m e n des Vampirs Lamia bezeichnet, weiter einzugehen, lohnt nicht. Zu den Pontos-Stämmen: Pol. V I I I 4, 1338b21 und Herod. 4, 18. 106 (Fritzeche, Burnet). - Der Ausdruck f ü r verwildert (nur hier bei Ar.) ist hoher Stil, Soph, und Plato, Polit. 274 b 7. - Zu Phalaris: den hist. Tyrannen von Agrigent (6. J h . ) n e n n t Ar. in der Pol. V 10,1310b28. Schon 470 v. Chr. ( P y t h . 1, 95) n i m m t Pindar den „erbarmungslosen Brenner i m ehernen Stier" in sein Lied auf. Weiteree Th. Lenschau, R E X I X , 1938, 1649-1652. - Ph. auch MM I I 6, 1203 a 23. 151.3
„ M u t t e r " . Der Anon. (428, 10) weiß als Beispiel Xerxes zu nennen.
151.4 „ P ä d e r a s t i e " . Das ist die Meinung auch des alten Piaton (Leges 636 c 5-7 άχράτεια ήδσνής). I n der Pol. ( I I 10, 1272 a 23-26) h a t Ar. eine Schrift darüber angekündigt, v o n der wir nichts wissen. - W . Kroll, „Knabenliebe" in R E X I , 1921, 897-906.
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Anmerkungen
152.1 „Maus". Schon Giphanius verglich Pol. VIII, 1323a29: Angst vor der vorbeifliegenden Mücke. 162.2 „Phalaris". Jetzt auf einmal einen enthaltsamen Ph. za sehen, überrascht. Aber bei solchen Beispielen ist Ar. häufig an psychologischer Wahrscheinlichkeit nicht interessiert. Früher hat man sogar im Bereiche der hohen Kunst, z. B. von den dramatischen Personen des Sophokles, beweisen zn können geglaubt, daß sie lediglich Figuren sind, die der Dichter, je nach den Erfordernissen der Situation, mit diesen oder jenen Zügen ausstattet - kurz, daß sie gar keinen personalen Kern haben. Burnets Athetese des Namens erledigt sich schon dadurch, daß Ar. in diesem Abschnitt einfach auf schon genannte Beispiele zurückgreift, z. B. die Barbaren. 152.3 „Nun". Hier setzt wieder der Kommentar des Aspas, ein. — MM II 6, 1202b9-28 (zu EN U49a24-b27). MM 1202a23-26 (zu EN 49b8-13). MM 1203al8 -25 (zu EN 49 b 26-50 a 8). Das Kap. 7 behandelt 2 Themen, die mit 1147 b 19-1148 bl4 und 1148b 15-1149a20 zusammenhangen: 1) 49a24-b27: Unbeherrschtheit im „Thymos" ist nicht so schlimm wie die in der Begierde; 2) 49b27-50a8: Tierisches Wesen ist ein geringeres Übel als sittliche Minderwertigkeit. 152.4 „weniger verabscheuenswert". Diese Tieferstellung des Begehrens entspricht genau der piaton. Einschätzung von ύυμός und ίηώνμία. Die beiden Termini, die Ar. hier gebraucht, sind zugleich die Transponierung von όυμοΐΐόίς und έηιθνμητι· χόν in seine Sprache. Hier distanziert er sich nicht einmal durch ein „im übertragenen Sinn" von Platone Seelenlehre, wie er es am Schluß von V getan hatte. Im Gegenteil, er verlebendigt die innerseelischen Vorgänge - genauso wie Piaton. In den MM sind die Termini ersetzt durch die üblichen, also όχρασία neql όργήτ (vgl. Thuc., s. zu 149,4) und ηερϊ ήδονάς (1202b 12). Das Argument (1) beruht ganz auf Piaton - daher auch der Stil - und zwar hauptsächlich auf dem Tim. (69 c 5-71 e 2). Dies ist, zusammen mit den Parallelen aus dem Staat schon untersucht zu I (zu 14,3; 25,3). Daher das Hinhören des όυμός, sein Zusammenhang mit dem Logos-Element, das χαλεηαίνειν und das πολεμεϊν. — Einzelnes: 152.5 „nicht richtig" (παραχούειν). Nur hier im Corp. Ar. und De somno 458b31. Es wird aus Piaton stammen: Theaet. 195a5-8 (157e3). Auch Protag. 330e8. 158.1 „Diener" (διάκονος). Nur hier bei Ar., aber häufig bei Piaton. 168.2 „Hunde" : eine Adaptierung von Rep. 376 a 2-8 ; vgl. auch 469 e 1, Leges 967 c 8. 158.3 „Vergeltung". Dies zeigt an, daß Ar. hier einen Racheakt im Sinne hat, der dann Gegenstand eines Prozesses wird. Die Bedeutung des ϋνμός im Strafrecht aber ist am eindringlichsten von Piaton in den Nomoi gewürdigt (passim). 158.4 „Auftrag" (ίπίταγμα)·. nach Benitz nur hier und Pol. IV 4, 1292 a20. Der Gebrauch hier auffallend, weil es ja genug andere Wörter dafür gab. Aber es war eben Piaton, der genau in dem entsprechenden Zusammenhang (Hinhören des thymos) έκίταγμα sagte: Tim. 70a6. 158.5 „nicht". Eben dies, ausführlich, Tim. 70 d 7-71 a 7. Ebendort sieht man erneut, wieso Ar. auf den Begriff des „Notwendigen" (zum Leben und zur Fortpflanzung) kam (1147 b 25): 70 d 8, e 4-5. Außerdem ist es wahrscheinlich, daß Ar. deshalb zu dem uns zunächst frappierenden Begriff des „tierischen Wesens" kam, weil das Begehren eben bei Piaton ein Φρέμμα άγριο» ist, das angekettet werden muß (Tim. 70 e 4).
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153.6 „beispielsweise". Heliod. 146, 14-22 sieht in beiden Beispielen private Vorkommnisse; A s p a s . 128, 23—28 deutet das erste als Auseinandersetzung vor Gericht; der Anon. 4 3 1 , 1 6 - 2 5 desgleichen: der Angeklagte plädiert auf mildernde Umstände wegen der ererbten Anlage zum Zorn. Der Anon. allein versteht auch das 2. Beispie? Sls ein Schleppen bis zur Gerichtstüre. In der Großen Ethik (1202 a 23—26 wird dei Angeklagte freigesprochen. Die Auffassung der Kommentatoren, wenigstens über das 1. Beispiel, scheint natürlicher als Burnets Rekurs auf „folklore". 158.7 „ j e verschlagener". Die feinere Unterscheidung Platone innerhalb der thymosHandlungen (Leges 8 6 6 d 5 - 8 6 7 c l ) nach imßovXfj und άπροβονλίφ ist hier nicht berücksichtigt. Erstere sind schwerwiegender, weil naher an Freiwilligkeit. Aber in der Gesamtwertung des Verschlagenen stimmt Ar. natürlich mit Piaton überein. 168.8 „ K y p r o s " . Meist der Sappho zugewiesen (1, 2. 156 D * ) ; M. Treu, Sappho, München 1954, 100. 232. - „ H o m e r " : Ilias 14, 214. 217. 154.1 „ F e r n e r " . D a s Verständnis des 4. Arguments bereitet eine kleine Schwierigkeit, weil man nicht gleich sieht, warum ein Handeln aus Begierde ϋβρις sein soll. Die byzantin. Kommentatoren sind gelegentlich zu eifrig in der Aufspürung der Fleischeslust bei Ar. und so setzt der Anon. (nicht Aspas.) υβρίζει = μοιχεΰει (432, 12), wobei der Gürtel der Aphrodite aus Argument (3) seine Assoziation einigermaßen entschuldigt. Aber damit kommt man nicht durch. Sondern: hiér ist eine spezielle Begierde gemeint, nämlich die, den anderen in arroganter Weise zu kränken, ohne daß ein weiteres Ziel damit verfolgt wird (Arroganz wird nur e i n m a l entschuldigt, beim Hochsinnigen, s. zu 84, 3). Darin sieht jedermann ein größeres Vergehen als in der Explosion des Zornigen, denn dieser hat j a selber schon unter seinem Anfall zu leiden (λνπούμενος), ist schon halb gestraft. Beim Arroganten aber merkt m a n die kalte L u s t , sich über den anderen zu erheben. E r handelt aus έπιϋνμία, und d a deren Auswirkung als schmerzlicher, empörender empfunden wird als die des ϋνμός, ergibt sich wieder: Handeln aus Begierde ist schlechter als solches aus Zorn. - Die Belege aus der Rhet. ( I I 3 , 1 3 8 0 a 3 4 - b l ; I I 2, 1378b22-29) bei Burnet. 154.2 „ a n f a n g s " : D a s geht nicht auf den Anfang von V I I , sondern auf 1148b 15-31, also auf den Anfang des im Augenblick behandelten Sinnganzen. 154.3 „ S t ö r u n g e n " , νόσος xal πήρωσις: 1145 a 3 1 und E E 1219b25. νόσημα bei Ar. nur in naturwiss. Schriften, πήρωσις xal νόσημα hier ganz singular. Einzige Parallele: Leges 9 2 5 e 3 . 154.4 „ s a g e n w i r " (TÍVÍ). B y water entfernte die lectio difficilior durch τι. Aber der Zusatz des Pronomens ist gerade d a unerläßlich, wo von Tieren Menschliches ausgesagt wird, noch dazu so etwas Singulares wie αιναμωρία. — Beispiele bei Fritzsche. Daß die ΰβρις όρ&ία bei Pindar (Pyth. 10,36) die ithyphallische N a t u r der Esel bezeichnet, halte ich f ü r gewiß (Wilamowitz, Pindar 127). 154.5 „Ungerechtigkeit". Aus diesem Beispiel, das uns abwegig erscheint, sieht man, wieweit es von Tautologie entfernt ist, wenn Ar. immer wieder Ιξΐζ und ίξιςTräger unterscheidet. Gerechtigkeit als Gestalt; piaton.: als Idee der Gerechtigkeit, ist „ b e s s e r " als das konkrete Vollziehen gerechter Akte, denn diese werden j a erst dadurch gerecht, daß sie an der Idee teilhahen. Oder: das Allgemeine (χαάόλον) steht höher als das Einseigegebene (τά xafi' ίχαστα). So ist Ungerechtigkeit als Gestalt „schlechter" als das Vollziehen ungerechter Akte. Aber es heißt j a : „ j e d e s
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Anmerkungen
v o n beiden ist schlechter". N u n , m a n kann die Sache auch anders herum betrachten (entsprechend der Kritik des Ar. an der Idee): Ungerechtigkeit als Gestalt handelt j a nicht, ist sozusagen harmlos, wohl aber handelt der ungerechte Mensch. Auf den Tierischen (p. a. zum ungerechten Menschen) und die moralische Minderwertigkeit (p. a. zur Ungerechtigkeit) übertragen: letztere ist schlechter, weil die Gestalt der Tugend zerstört ist, Platz gemacht h a t der Gestalt der Schlechtigkeit. Andererseits ist sie weniger schlecht, weil sie qua Gestalt nicht handelt. Daraus ergibt sich wieder, daß der Tierische schlechter ist, weil er eben handelt. 154,6 „ L u s t - Unlust". Während die Untersuchung in K a p . 7 vorwiegend unter dem Aspekt von Lust — Begierde - thymos geführt wurde, auf piaton. Grundlage, steht in K a p . 8. das Regriffspaar L u s t - U n l u s t im Vordergrund, u. zw. stärker die letztere. Übergeordnet noch immer das T h e m a : περί ποία ή άκρασία. Zunächst 1150 a 9-16. Die Grundlage ist spezifisch arist. : das Messen an dem moralischen Durchschnittehabitus, wie 1118b27. Bedeutsam der Satz, d a ß eben dieser Habitus eher zum „Minderen" hin tendiert. Über die historischen Transformationen dieses Satzes in der abendländischen E t h i k zu reflektieren, müssen wir uns versagen. P a r a p h r a s e : Der Kreis, in dem wir uns bewegen, ist abgesteckt durch die Analyse der Besonnenheit in I I I (13, 1117b23-15, 1119b 18), als deren Charakteristikum wir die Reduktion der Besonnenheit, buchstäblich bis auf gewisse Körperteile erkannt h a t t e n (s. zu 66,4). Innerhalb dieses Kreises gilt n u n : 1) Wer der Lust weniger Widerstand leistet als die Vielen, ist άκρατης; 2) Wer mehr, ist έγχρατής; 3) Wer dem Schmerz weniger Widerstand leistet als die Vielen, ist μαλακός; 4) Wer mehr, ist καρτερικός. - Einzelnes : 155.1 „festgelegt": eben I I I 13-15. 155.2 „ Z u g " (ρέπειν): vom Herabgezogenwerden, Ausschlag der einen Waagschale, seit Homer. Erstmals Γ1, 1094a23. Metaphorisch: E N X 1, 1172a31 (πρός); E E I I 5, 1222b3 (επί); Pol. IV 7, 1293b20 (πρός). Bei Piaton mit εις, επί, πρός (Polit. 3 0 8 a 4 : oí πρός άνδρείαν μάλλον ρέποντες). 155.3 „bedauern". Wer eine T a t nachträglich bedauert, bekundet dadurch, daß die Freiwilligkeit eingeschränkt w a r : I I I 2, 1110b 19-23. 1111 a20 (s. zu 46, 2). Der Zuchtlose h a t mit dieser Kategorie nichts zu t u n ; er ist, weil aus freier Entscheidung handelnd, voll verantwortlich. Damit lernen wir nichts Neues; aber das schon Bekannte bekommt eine piaton. Tönung; denn „ R e u e " und „ u n h e i l b a r " (άνίατος) sind piaton. Motive. F ü r letzteres b r a u c h t das wohl nicht nachgewiesen zu werden. F ü r μεταμέλεια·. Leges 866e2. Dort ein Täter, der in plötzlichem, unüberlegtem Zornesanfall tötet, dann aber gleich die T a t bedauert (eben in K a p . 7 h a t t e Ar. denn auch das Handeln im Zorn als das „bessere" erwiesen). Dort auch (866 e 6) das singuläre άμεταμέλητος. Die Bedeutung ist dort freilich passivisch; aber der Auedruck: „ d e m Täter ist die T a t kein Gegenstand des B e d a u e r n s " ist dem Sinne nach = „er bedauert sie nicht". 155.4 „Gegenstück". I n I I und I I I h a t t e Ar. dies, teils zögernd, teile ohne einschränkendes τις als „Gefühllosigkeit" bezeichnet: I I 2, 1104a24; 7, 1107b8; 8, 1108b21. 1109a4; I I I 14, 1119a7. 155.5 „die anderen". Gewiß h a t dieser Abschnitt starke Ähnlichkeit mit 1148 a 17 - 2 2 ; sogar das lebhafte : „was t ä t e er e r s t " (48 a 20) kehrt wieder. Aber der Zusammenhang ist andere. J e t z t ist der Oberbegriff προαίρεσις und Nicht-προαίρεσίς viel
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stärker in den Vordergrund gerückt als im früheren Abschnitt, und der Zweck ist, klar auszusprechen, daß der Zuchtlose schlechter ist. Auch mag, wie Burnet sagt, der Begriff ανίατος zurückgelenkt haben auf das sophistische, bisher nicht gelöste Argument (5): 1146a31-b2 (εύιατότερος, 46a33). Da man den Satz: „Von den genannten Verhaltensweisen" (50 a 31) nur auf 50 a 19-25 bezog, sah man in 50 a 25-31 eine störende Unterbrechung, und auch Ross setzt den Abschnitt in Parenthese. Aber es gehört zusammen 50 a 16-32; ganz klar gegliedert durch διά προαίρεσιν, 50 a 20 und 24 (also zwei Typen von Zuchtlosigkeit, die aus freier Entscheidung handeln: a) um Lust zu haben; b) um dem Schmerz zu entgehen) und μή προαιρονμενοι, 50a25 (wieder zwei Typen: a') getrieben von Lust, b') getrieben vom Meiden des Schmerzes), a) = ακόλαστος, b) eine Art von άκόλαστος, aber eigentlich näher einer gewissen μαλακία, a') — άκρατης, b') = μαλακός im eigentlichen Sinn, b) ist also nicht einfach eine Dublette zu dem άχόλαστος von 1148 a 17-22, dem Typus, der aus Morbidität kalt sein Lustquantum auskalkuliert und dem πλεονέκτης von V 4, 1130a24-28 ähnelt. Erst nachd'em alle 4 Typen besprochen sind, kann der Schluß mit δή gezogen werden: „Von den genannten ist b) eher ein είδος μαλακίας, a) dagegen der echte άχόλαστος". Erst mit αντίκειται 50 a 32 beginnt ein neuer Abschnitt. 156.1 „Ausharren" (καρτερείν). Dieser Begriff in der Ethik nur in VII und E E II 10, 1225b30, obwohl ζ. B. im Kap. über die Tapferkeit genug Anlaß gewesen wäre, diese Haltung zu beschreiben. Auch das Substantiv nur in VII (EE 1221 a 9 in der διαγραφή und MM 1202b29). καρτερικός ebenfalls in VII, sowie E E I I I 1, 1229b 2 (MM 1202b33) und Def. 412a8 (Def. d. Tapferkeit). Das plat, χαρτέρησις hat Ar. nicht übernommen. Die ganze Wortsippe sehr häufig bei Piaton. Der Gegensatz von Weichlichkeit und Ausharren ist bei Piaton nicht diskutiert, aber man lese in der Schilderung der Demokratie: „die Regierenden gewöhnen ihre Söhne an Entnervung (τρυφώντας), nehmen ihnen die Kraft für körperliche und geistige Anstrengung und lassen sie weichlich sein (μαλακούς) im Ausharren (καρτερείν) gegenüber Lust und Unlust" (556b8-c2). Vgl. auch Leges 836 d 9. καρτερία im Mittelpunkt von Laches 192b9-193d7. Auch άντέχειν und τρνφάν zeigen das piaton. Kolorit. Zu τρυφή: Corg. 492 c 4 (nebeneinander τρ. und άκολασία), Rep. 590 b 3 (τρ. und μαλ&ακία). 156.2 „Gewand nachschleifen". Die schlagende Parallele aus dem Gr. Alkibiades (122b8) längst erkannt (Fritzsche; dazu Plutarch, Ale. 1. 16; Demosth. 19, 314). 156.3 „simuliert". Den malade imaginaire spielen gehört auch zu den Zeichen der Entnervtheit. Das folgende will offenbar nur das Verächtliche solchen Tuns betonen: er macht eine erbärmliche Figur, denn Krankheit ist etwas Ernstes, daraus macht man keine Komödie. Fritzsche verweist auf Athenaeus 518 d (Timaios = F Gr Hist 566 F 48), über die Entnervtheit der Sybariten; da habe einer nach seiner eigenen Erzählung vom bloßen Zuschauen bei Feldarbeiten einen Bruch bekommen usw. Das Thema Περί τρυφης ist später von der „Philosophie" ausgeschlachtet worden. Immerhin wollen wir noch von dem vielwissenden Athenaeus hören, was er (sicher aus älterer Quelle) unter der Weichlichkeit der Sybariten verstand: „Die S. waren die eisten, die nicht zuließen, daß Handwerke, die Lärm machen, ihren Sitz in der Stadt hatten, ζ. B. Schmiede, Zimmerleute u. dgl. Sie wollten sich von allen Seiten einen lärmfreien Schlaf sichern; und so durften in der Stadt auch keine Hähne gehalten werden" (518c).
490
Anmerkungen
156.4 „Theodektee". Rhetor und Tragödiendichter (RE V A 1722f., be«. 1728, 17-30, £ . Diehl-F. Solmsen). Schüler des Ar. Anon. 436, 33 : Philoktet soll lange die Schmerzen seiner von der Schlange gebissenen Hand ausgehalteñ, schließlich aber geschrien haben „Schlagt sie mir ab!" (Nauck* p. 803). 156.5 „Karkinos". Tragiker, zeitweise am Hof Dionysios II., also Zeit des alten Platon. RE X, 1951-54 (E. Diehl), bes. 1953, 36-41. Nauck» p. 797. Über den Inhalt des Kerkyon RE XI 314-315 (Κ. Latte). Der wohlorientierte Anon. (437, 1-7) berichtet, daß K., der Vater der Alope, deren Schande zunächst ertragen habe, dann aber dem Schmerz erlegen sei. (Ob er die Tochter oder sich getötet habe, laßt sich dem Wortlaut nicht exakt entnehmen. Nach Hygin, fab. 187, die Tochter, was aber natürlich hier nicht entscheidet.) 156.6 „Xenophantos". Nach Seneca, De ira 2, 2, ein Musiker Alexanders des Gr. (Zell). Dann wären Theodektes, Karkinos und X. drei Beispiele sozusagen aus dem nächsten Lebenskreis des Ar. - άχρατής γέλωτος: Luiden, Pseudologista 7 (Fritzsche), also zu 1145b 19. — „das Lachen zurückhalten": Xenoph., Cyr. 2, 2, 5, aber auch Laches 184a6; bei Ar. nur hier. 156.7 „Skythenkönige". Die seit langem notierten Parallelen : Hippoer., Π. άέρων.., 20-22, Herod. 1,105 illustrieren gut den Begriff der vererbten Weichlichkeit, ganz gleich, wie sie medizinisch interpretiert werden. Unmittelbar treffen sie schon deshalb nicht zu, weil Ar. nur von den Königen spricht; die Hörer waren sicher in den „volkskundlichen" Sammlungen der Schule bewandert. - RE I I A Scythae (H. Kretschmer). 156.8 „das weibliche Geschlecht" = Plato, Rep. 451el; dazu Oecon. I 3, 1343b30 (Xenoph., Oec. 7); De gen. anim. II 3, 737a28; IV 6, 775al4-16. 156.9 „Spaß". In παιδιά ist vor allem auch ein aktives Element: Spaß haben und Spaß machen. Es ist nicht jener moderne Typus gemeint, der sich im Kabarett mit Sp&ßen und Zoten aufpulvern l&ßt, um für Augenblicke seiner Hohlheit überhoben zu sein. Der griech. Typus gehört eigentlich in die nette gesellschaftliche Sphäre von IV 14. Aber der παιδιώδης von VII sucht übermäßige Erholung, nämlich von der Arbeit (Phileb. 30 e 6); d. h. er will sich als der ewig Heiterkeit Erzeugende und Genießende von ihr „drücken". Daher liegt der Nachdruck nicht auf dem Suchen nach Lust, sondern auf dem Meiden der Unlust, die in wirklicher Arbeit (nach griech. Empfinden) steckt. Die volkstümliche Anschauung, daß er άχόλαατος ist, ist also zu korrigieren: er ist weichlich. — παιδιώδης: eine sprachliche Rarität; nur hier und bei Ion (Zeit des Sophokles); piaton. wäre φιλοπαΐσμων Rep. 452e6 (das hatte sich Piaton aus homer, φιλοπαίγμων gebildet, wo es „sportfreudig" bedeutet). 156.10 „überstürzt". Wir sagen „Impulsivität". Die Einteilung a, b nach Anon. 437, 28. 31. 156.11 „Denn". Vorher zu ergänzen: „Die Impulsiven würden aber nicht so leicht überrumpelt, wenn sie ein bißchen Prophylaxe übten; d e n n . . ." Zum folgenden Beispiel pflegt man aus den ps.-arist. Problemata zu zitieren (35, 6, 965 a 11). Dies muß man aber richtig verstehen. Die Frage in den Problemata lautet: „Warum kann man sich nicht selbst kitzeln?" Gemeint ist: so daß derselbe Effekt herauskommt, wie wenn ein anderer uns kitzelt, also ζ. B. hemmungsloses Lachen. Antwort: weil die nötige Unbefangenheit fehlt; wenn man ζ. B. von einem anderen gekitzelt wird,
VII 8-9
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dann ist der Effekt geringer, falls man dies schon voraussieht (und sich darauf einstellen kann). Durch dieses Beispiel wird nicht ausgeschlossen, daß man sich seihst vorher kitzelt; es entsteht nur dabei kein richtiger Kitzel mit allen Folgeerscheinungen - aber man wird immun. Der Anon. (438, 1 ; auch Heliod. ISO, 6) interpretieren diese Art des Vor-kitzels ganz richtig als τρϊιρις. Stewart und Burnet sind nicht auf dem richtigen Weg, wenn sie sich zu προγαργαλίααντες ein άλλους hinzudenken, sondern έαντούς bei τιροεγείραντες ist auch zu προγ. zu ergänzen. Wenn einige Hss. (auch die 3 griech. Komm.) τιρογαργαλισάέντες lesen, so ist das sachlich richtig, aber Konjektur. - Zur Sache: De part. an. III 10, 673a 1-10 mit dem Komm, von I. Düring, Göteborg 1943, 169-171. Zu den Problemata stand mir leider der gewaltige Komm, von Settata (Ludovicus Septalius), Leiden 1632, nicht zur Verfügung. Über ihn R. Seligsohn, Die Übs. d. ps.-arist. Probi, durch Barth, von Messina, Diss. Berlin (Jaeger-Schule) 1934, 134,15. Diese vorzügliche Arbeit an den so vernachlässigten Problemata hat leider keine Nachfolge gefunden. Die feine Beobachtung, daß Begierden abgeleitet werden können und daß es nicht nur Genuß und Schmerz, sondern auch Vor-genuß und Vor-schmerz gibt, stammt von Piaton (Rep. 485d6-8; 584c9-ll). 157.1 „reizbare Naturen' 4 („Melancholiker"). Bester Komm, das großartige Kap. in den Probi. (30, 1, 953 a 10-955 a 40), bereits von Giphanius notiert. Auf die Wandlungen des Begriffs, der hier mit der düsteren Melancholie der späteren Temperamentenlehre (Galen) nichts zu tun hat, kann hier nicht eingegangen werden. Die Probi, geben viele Beispiele, darunter Sokrates und Piaton (953 a 27) und „die meisten Dichter". Trefflich Burnet: „Now-a-days we say ,nervous', but Aristotle had never heard of nerves". Bei Platon gehört der Tyrann zum Typus des „Melancholikers". Er ist φύσει oder durch Gewöhnung darauf angelegt, in ein Übermaß von άκρααία zu verfallen (Rep. 573 c 7-9). Das ist der Melancholiker des Ar. 157.2 „festgestellt": 1150a21. Zu 1150b29-36 vergleichbar MM II 6, 1203a 11-18. 25-29, sowie EE VII 6,1240b21-23: der innerlich gespaltene Unbeherrschte: er „schilt sich" (λοιδορείται ίαυτφ). So nur dort bei Ar. Piaton. Sprachgebrauch: Phaedr. 257d2; Charm. 154a 1; Rep. 395d7. 157.3 „früher": 1146a31-b2. 157.4 „die - jene" : s. Kap. 8 (1150b 19) : „die" = (a). „jene" = (b). - Zu 1151 a 1 -28 (Kap. 9): MM II 6,1203a30-bll. Zu 5U11-20: EE II 11, 1227bl2-1228all (bes. 27 b 28-30 und 27 a 8). 157.5 „nicht ohne Ü." (άπροβούλεντος). Nur hier und in V (1135b 11); nicht EE. Als piaton. nachgewiesen zu 113,2. 157.6 „doch ist". Zum Verständnis dieser zu Unrecht kritisierten Bemerkung: 1149b 19 (κακία πως) und Stewart II 200. 157.7 „Demodokos": vielleicht 6. Jh. Anth. Lyr. p. 61,1 D* (das arist. Prosazitat von Bergk in die Form eines sog. elegischen Distichons gebracht. Typus: Spott auf Städte). 157.8 ,4m selben Sinn": wenn man n&mlich in dem Dem.-Zitat anstatt „Milesier" einsetzt:„die Unbeherrschten". 158,1 „überzeugt": n&mlich, daß sein Handeln richtig ist. Der Zuchtlose dagegen
492
Anmerkungen
h a t das Gefühl, daß ihm sein Handeln, wie wir sagen, zur zweiten N a t u r geworden i s t : durch έϋισμός h a t er sein rjôoç bekommen, und das ist n u n sein Daimon. 158.2 „leicht u m g e s t i m m t " (εύμετάπειστος). Dieser Ausdruck nur hier und 1151b6. άμετάπειστος sagt Ar. in der Top. (s. zu 143,3). P i a t o n : εύπει&ής - δυοπει&ής (Phaedr. 271d6-7). 158.3 „sondern". Von einem Einzelproblem aus (άκρασία) wirft Ar. wieder einmal einen Blick auf die F u n d a m e n t e seiner ganzen Ethik. Erstmale I 2, 1095 b 4 - 8 . 158.4 „Gewöhnung", ίΰιστός nur hier und I 10, 1099b 10, sowie R h e t . I 10, 1369b 16, nicht E E . — Rep. 395d 1 - 3 : „Nachahmungen, die man von J u g e n d an ständig durchhält, stabilisieren sich zur Gewohnheit (iHh¡) und zweiten N a t u r , sei es bei der Körperhaltung, der Stimme oder der διάνοια". 158.5 „richtige Auffassung", όράοδοξείν = την όρ&ήν δόξαν έχειν περί... hier, nicht E E . Diese sagt: όράως κρίνειν (1230a31).
Nur
158.6 „ohne H e m m u n g " , άνέδην nur hier bei Ar. Wiederholt bei Piaton, ζ. B. Leges 9 1 9 c 7 : „Man m u ß Mittel finden, daß nicht ·ήΰη entstehen (gedacht ist an die Händler usw.), die hemmungslos teilhaben an Schamlosigkeit nnd sklavischer Gesinnung." 158.7 „bei jeder A r t " ; nämlich gut oder schlecht (Anon. 440, 24). - Die „Verlängerung" von όποιος durch οΰν scheint seltener zu sein als etwa die von όπόσος. Kühner-Blaß 1, 619 verzeichnet sie gar nicht. I n späterem Griechisch geht das bis zur dreifachen Verlängerung, ζ. Β. Iamblich hei Simplic. in Phys. 639, 30: όποιαδητιναοϋν. Die einfache Verlängerung erstmals nachgewiesen bei Piaton. — Zu K a p . 10 vergleichbar: MM I I 6, 1202a8-18. 158.8
„früher": 1146al6-31.
159.1 „starrsinnig". Vielleicht Neubildung des Ar. - δνσπειστος: Isoer. 4, 18; P i a t o n : δνσπειϋης, Phaedr. 271d7. εϋπειστος (51b 10) nur hier; das piaton. ενπει&ής·. E N I I I 1 5 , 1 1 1 9 b 7 . 12 und X 1 0 , 1 1 8 0 b 7 . 159.2
„zugänglich". Wörtlich: sie nehmen Begierden; so E E I I I 2,1231 a29.
159.3 „die Eigensinnigen" (Ιδιογνώμονες). Hippoer. Π. άίρων..., 24 (die Verdeutschung des Titele durch Pohlenz „ Ü b e r die U m w e l t " sollte sich durchsetzen) bietet das Wort und beschreibt die Umwelt, in der „Eigensinnige" vorkommen. Der K o m i k e r Phrynichos schildert in fr. 18 Kock die Eigenart seines Titelhelden „Monotropos" ( = der Einzelgänger, der Einschichtige; das Stück 414 aufgeführt) mit 7 A d j e k t i v e n ; das letzte davon ist Ιδιογνώμων. Dazu A. Meder (s. zu 76,6) 1938, 101. Eine plastische Schilderung solch einspänniger N a t u r e n gibt Piaton im Theaet. 179 e 2-180 c 6. E r meint die Anhänger des Heraklit. Sie sind so versessen auf ihre Meinungen, daß sie keinem anderen ein Wissen z u t r a u e n ; sie wollen auch nichts voneinander lernen, „sie wachsen von selber a u f " (αυτόματοι 1 8 0 c l ) — wir würden sagen: sie sind starre Autodidakten. 159.4 „bei Volksbeschlüssen"; wenn diese nämlich f ü r nichtig erklärt werden. Der Ausdruck Άκυρος hierfthrist term, technicus : Demosth. 23, 92-93 (Fritzsche). 159.5 „Neoptolemos" : zu 1146 a 18-21 (s. zu 144, 1). Dort handelt N. richtig, weil es ihm ein Schmerz war zu lügen - hier, weil es ihm eine Lust war die Wahrheit zu sagen. D a ß das sittliche Leben ein Zustand vergeistigter Lustempfindung sei, ist ein
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Grundthema des Αγ.. ζ. Β. I 9, 1099a7-21 (s. zu 148,4). Grob E. Renan: auch Christus war ein Epikureer. 159,6 „Nun gibt es". Das Thema des Kap. 11 ist bis 51b32 die Frage πως: Wie stehen die Extreme zur Mitte? In der Mitte steht der Beherrschte. Aus dieser Mittelstellung ist aber nicht zu schließen, daß die Beherrschtheit zum Rang der vollen Tugend erhoben wird. Ar. spricht dies in der Tat nicht aus. Die volle Tugend ist die Besonnenheit, wie wir ja wissen. Dieser Abschnitt ist kein Widerspruch zu IV 15, 1128b33-35. Inwiefern die Beherrschtheit etwas „Gemischtes" ist, wie dort gesagt war, ergibt sich implicite aus der bisherigen Darstellung. Ar. sagt es aber noch ausdrücklich, und dies ist das Thema des 2. Abschn. des Kap. 11 (51b33-52a6), wo die „Zusammenschüttung" der Begriffe „beherrscht" und „besonnen", also das λεγόμενο» von 1145bl6-17, diskutiert wird. - Zu 1151b33-1152a33: MM 116, 1203 b 12—1204 a 18. 160.1 „bei wenigen — selten" (iv όλίγοις και όλιγάκις). Ar. benennt das Extrem hier nicht, weil er wußte, daß ,,άναίσ&ητος", wie er es sonst nennt, eine Verlegenheitslösung war; weil hier auf den Namen nichts ankam; und weil dieser sonst das eine Extrem zur Besonnenheit, nicht zur Beherrschtheit bezeichnete. Im folgenden das Vorkommen des Terminus in E E und EN (bloße Zahlen bedeuten, daß an dieser Stelle keine weitere Beobachtung zu machen ist): 1) E E : 1221a2 (in der „Liste") a 21 - dazu 31 a 39. b l : Benennung unsicher - unaffizierbar wie ein Stein. 1230 b 12-20 (unter Bezug auf 21 a21 : Unsicherheit der Benennung; sich άκινητως gegen die Lust verhalten ; der Zustand nicht sehr - ού πάνυ — bekannt und verbreitet. Typ : άγροικος) ; 1231 a 26 (Benennung unsicher) 1234 b 9 (seltenes Vorkommen, όλιγότης). - το ολίγον, όλίγοι kommt, abgesehen vom άναίσϋητος vor: 1222a41. b3. 2) E N : 1104a24 (Zusatz von τις·, Typ: αγροικος); 1107b6 (in der „Liste"; Benennung unsicher; ού πάνυ). 1108b21. 1109a4. 1119a6 (ού πάνυ). Man sieht: beide Ethiken drücken die Seltenheit eines Typus aus durch ού πάνυ; die E E daneben durch όλιγότης, όλίγον, όλίγοι. Nun, in VII ist, e i n m a l , auch ein solcher Ausdruck gewählt: év ολίγοις και όλιγάκις (1151b30). Dies aber ist eine piaton. Wendung (Rep. 191 b l ) . 160.2 „Einsicht". Thema dieses Abschnitts: Phronesis und Unbeherrschtheit, also zu dem λεγόμενοe (e): 1145b 17-19. 160.3
„dargestellt": VI 1 3 , 1 1 4 4 a l l - b 3 2 .
160.4
„Gewandtheit" : 1145 b 19.
160.5 -15).
„ersten": VI 13, 1144a23-b4. Dazu E. Kapp 1912 Anm. 24 (zu EE 1227b 13
160.6 „Gebrauch macht", άεωρων bedeutet hier nicht „und der sein Auge auf eine Wahrheit richtet", sondern genau das, was Ar. 1146b31-35 erklärt hat, nämlich χρήσ&αι. 161,1 „Willensrichtung". Über die besondere Nuance von προαίρεσις s. Stewart I I 215 und Burnet. Daraus ergibt sich auch, daß hier kein Widerspruch ist zu 1150 a 25 u. a., wonach der Unbeherrschte keinen wirklichen προαί'ρεσις-Akt vollzieht. „halb-schlecht" (ήμιπόνηρος): unerschöpflich die Bildungen mit ήμι-, seit Homers ήμί-ΰεος (Ilias 12, 23). „halb-schlecht" aber ist sehr selten. L.-Scott verzeichnet nur noch Pol. V 11,1315 a 10,. so daß also Ar. der Wortschöpfer wäre. Der Gegen-
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Anmerkungen
•atz ist bei Ar. πάγχακος (1099bS), nicht παμπόνηρος, wie Piaton sagt; dazu gehört bei Piaton ήμιμόχ&ηρος (Rep. 352 c 7). 161.2 „nicht gegen das Recht": V 10,1135bl9-25; 11,1136b6. - Die Heimtücke verschärft, weil da über Freiwilligkeit überhaupt kein Zweifel mehr bestehen kann: V 10,1135b33; Leges 867a4. 161.3 „Polis" : Demosth. 20, 91-92 ; Ar., Pol. IV 4, 1292 a 15-28 (Burnet). 161.4 „Anaxandrides". Komödiendichter, Älterer Zeitgenosse des Ar. (fr. 67 Kock). Daß Ar. ihn in Rhet. III mehrfach zitiert, sucht W. Schmid, Gesch. d. griech. Lit. I', 1912, 443* aus der Beliebtheit des Dichters am Makedonenhof zu verstehen. Dazu würde passen, daß der Ar.-Schüler Chamaileon (Athenaeus 374 a-b) ein farbiges „Portrftt" von ihm entwarf (Schmid, a. O.). - Zu Anax. fr. 67 : Der Vers ist parodietisch· Umbiegung von Eurip. fr. 920 Ν 1 : ή φύσις ¿βούλεΡ . . . - nicht ohne eine gewisse Gewaltsamkeit; denn wenn von Gesetzen die Rede ist, liegt der Gedanke an ίβουλεύεΰ' näher: die Stadt ist stark im βονλείitdhu βουλάς, aber an die Gesetze, die dann dabei herauskommen, halt sie sich nicht. Und so schreibt denn auch L b , unbekümmert um das Metrum ¿βουλεύετο: evidente Konjektur eines Denkenden, wie oben 1150b22 (7ΐρογα(>γαλια#έντες). - Das Euripides-Fragment ist bei Nauck noch unter den Incerta gedruckt, jetzt aber durch Menander, Epitr. 765-767 Körte 3 für die „Auge" bezeugt. Der Vers war offenbar berühmt. Die früher bekannte Tradition, samt der Anaxandrides-Parodie, hatte Thomas Gataker, Adversaria postuma p. 490-492 (in seinen Opera critica, Traiecti ad Rhenum 1698) besprochen, παρά zf¡ viç χωμφδίφ in dem von Nauck angeführten Schol. zu Gregor Naz. erklart sich jetzt durch den Menanderfund (R. Kassel). 161.5 „umformen" (μεταχιρείν). Das Verbum ist im Attischen beliebt, um die Änderung der Staatsverfassung zu bezeichnen (Lac. pol. 15, 1 ; Dem. 23, 205). Aber da ist Veränderung zum Schlechteren gemeint. So darf man an De gen. et corr. I 2, 315 b 14 denken und an Leges 894 a 5 (dort unsicher, ob Medium oder Passiv). 161.6 „Euenos" von Paros, fr. 9 D 3 , p. 94. Sophist und Elegiendichter. Kaum durch seine Verse unsterblich geworden, die nicht erster Qualität sind, wie auch diese hier zeigen, sondern weil er durch Piaton in Apol., Phaed. und Phaedr. aufgenommen worden ist, nicht ohne Ironie. Ar. hat diese „Tradition" weitergeführt und selbst sein Kommentator Simplildos wußte am Ausgang der Antike noch einen Vers von ihm (Diehl 10). 161.7 „Lust-Unlust". Diese erste Abhandlung „Über die Lust" (im folg. A): VII 12-15, sowie die zweite (Β): X 1-5 sind in jüngster Zeit dreimal gründlich studiert worden: 1) durch A.-J. Feetugière, 1936; 2) durch J. Léonard, 1948, 64-106, bes. 64—86 (69: die Grundthesen von A : Β — „plaisir - activité, et plaisir = couronnement de l'activité — s'affrontent irréductiblement" was unrichtig ist); 3) durch G. Lieberg 1953 (als Diss, eine erstaunlich reife Leistung). Alle drei (Léonard ist mehr als Philosoph interessiert und geht weniger nahe an den Text heran; außerdem ist d a j keine Spezialarbeit über A und B) bedeuten einen beträchtlichen Fortschritt. Fe. und Li. diskutieren auch das Problem der mittleren Bücher und meinen, daß sie ursprünglich der EE angehörten, also auch A. Obwohl Li. einige Positionen von Fe. wesentlich einschränkt, vermutet er doch (78; S. 80 ist es ihm bereits „sicher"), Fe. habe recht. Dabei wird aber nicht ganz klar, wieso er zu dieser Zustimmung kommt. Li. weiß selbst, daß seine Ansicht, die 3 mittleren Bücher seien in dem vom
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Sohne Nikomachos - was übrigens nicht exakt beweisbar ist - herausgegebenen Exemplar durch „mechan. Verderbnis" zugrunde gegangen (80) und man habe dann die 3 aus der EE herausgenommen, damit die angesehenere NE wieder komplett sei, nur allzu sehr nach einem deus ex machina aussieht. Dagegen ist wertvoll der Überblick über die Vorgeschichte des Lustproblems von den Vorsokratikern über Piaton (Philebos) bis zu Xenokrates und Herakleides Pontikos (2-68); ferner die Interpretation des Lustkap. in Rhet. 1 11, 1369b33-72a3, (88-104, weit über Léonard 81l hinaus den Anteil Piatons und die Art der Benützung durch Ar. erhellend); und schließlich das nüchterne Referat über die leidige platonisierende Phronesis in der EE (man muß es aber mit dem Referat von Greenwood, 1909, 16-18 zusammennehmen, das Li. offenbar nicht kennt, und mit dem bei Léonard, 107-115); hier ist der Interpretation, die natürlich vom Protreptikos nicht absehen kann, eine gute Basis gegeben (81-84). Was A und Β im Speziellen betrifft, so stimmen Li. und Fe. darin überein, daB beide voneinander nnabhftngig seien (W. Jaeger, Studien 1912, 158 hatte formuliert, es seien „zwei getrennt gedachte und geschriebene Methodoi"), beide von Ar. stammten, und daß Β höheren Rang habe als A. Beide sehen im Grunde die NE quA Gesamtwert auf der Basis des von W. Jaeger gelieferten und nicht widerlegten Nachweises, daß die Met. und andere Lehrschiiften aus nebeneinandergestellten (von wem so angeordnet, ist eine schwere Frage der Textgeschichte) Einzelpragmatien bestehen, wonach dann folgerichtig für die Erklärung der nebeneinander verbliebenen Abhandlungen A und Β nur die Pietas des Herausgebers verbleibt. Sie übersehen beide (bei Li. allerdings mehrfach Ansitze zum richtigen Urteil, ζ. B. 69, 87), daß Jaeger (Studien 158) die Ausnahmestellung der NE erkannt hatte. Sie ist schon durch „die Gleichform der Buchvolumina markant unterschieden*' (sc. von den anderen Pragmatieb). K. 0. Brink 1933 hatte der Komposition der NE seine besondere Aufmerksamkeit geschenkt; die Polemik von Li. (81 Anm.) vermag das von Brink Gesehene nicht zu beseitigen. Wie man in der Archäologie ζ. B. die böotische Kunst (für Pindar gilt Ahnliches) erst verstehen lernte, als man sich von dem Eindruck der überragenden, organisch komponierenden attischen Kunst freimachte, so muß durch geduldige Interpretation allmählich -die Komposition der NE verstanden werden, die ein Kunstwerk ist, aber als solches nicht von der Politela des Atheners Piaton her gesehen werden darf. Selbst in der Politela haben wir die Tatsache zweier Abhandlungen über mimetische Poesie (Buch II, III und X) und die Angliederung des Jugenddialoge Thrasymachos als Buch I an den später entstandenen Hauptteil (es genügt hier, daß die These mit starken Gründen durchgefochten worden ist). Man darf vielleicht nicht darauf verzichten, in diesem Zusammenhang die schlichte Tatsache in Erinnerung zu bringen, daß Ar., vSllig singulllr bei der ungeheuren Erfülltheit seines - gegen Piaton gehalten - kurzen Lebens, die Ethik zweimal „geschrieben" hat. Ist es plausibel, daß er auch das zweitemal nicht zum Ganzen bewältigte Teilpragmatien aufgereiht hat? Es wird wahrscheinlich sein, daß er daran „gefeilt" hat, wie nach glaubhafter Überlieferung Piaton an der Politela. De facto sind uns die Kompositionsprinópien der Prosaiker viel weniger bekannt als die der Dichter, und selbst eine so konsequente Analyse wie die des Herodot durch F. Jacoby ist nicht das letzte Wort. Im folgenden wird die These: wohin gehört A, und wohin gehören darüber hinaus die 3 mittleren Bücher, eingeklammert. Man kann über ein Hin- und Herwenden vor-
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Anmerkungen
gebrachter Argumente erst hinauskommen, wenn die E E vollständig durchinteTpretiert ist. Durch die Verfolgung der bisherigen Gedankengänge der NE ist es uns zweifelhaft geworden, ob die Frage: ist A früher oder B? richtig gestellt ist. Die Zusammenstellung der verschiedenen Thesen über die Zugehörigkeit der mittleren Bücher, die Li. (71) gibt, ist lehrreich, weil sie an die Resultate der Einzelliederforschung im Homer erinnert. Man sieht, daß in den Fundamenten etwas nicht in Ordnung ist. Wir hoffen bisher nicht den Eindruck erweckt zu haben, als sei die prinzipielle Durchführung der These beabsichtigt, daß die NE ein einheitliches Werk, aus e i n e m Gusse ist. Immerhin dürfen wir behaupten, daß sich bisher in der NE weder in der Gedankenentfaltung noch in der sprachlichen Form Brüche gezeigt haben, die der Thèse einer vom. Herausgeber besorgten Koordinierung zeitlich vielleicht weit auseinanderliegender und in ihren Zielen unvereinbarer Teilpragmatien günstig wären. Die „Dubletten" aber sind zum größten Teil durch behutsamere Herausarbeitung der jeweiligen besonderen Funktion ähnlich aussehender Gebilde bereits durch die Engländer stark reduziert worden. Im folgenden wird also wie bisher der Gedanken-Entfaltung des Ar. nachgegangen. Der Rückblick auf A erfolgt bei der Betrachtung von B. - Detaillierte Inhaltsübersichten bei Fe. und Li., bei Fe. außerdem (47) eine praktische Zusammenstellung von Aussagen des Ar. zum Thema „ L u s t " in E N I - V I I (vor der Abh. A). 161,8 „Polis". Der Prooemium-artige Abschnitt 52a36-b7 faßt alles zusammen, was Ar. bisher ad rem gesagt h a t : Lust und Unlust als ein Grundthema a) der Politik, b) der Ethik. Zu a) Hier läßt sich exakt nachweisen, daß nicht auf die zwei Andeutungen der E E (1216b37; 1218b 13) angespielt, sondern die Generallinie der NE wieder aufgenommen wird. Fe. gibt eine Zusammenstellung (LXIV A. 5), t u t aber des Guten zu viel, wenn er sogar die Tapferheit des Bürger-Heers und die gelegentliche Erwähnung des Tyrannen als hiehergehörig betrachtet. Beweisend sind nur jene Aussagen des Ar., die den „architektonischen" Charakter der polit. Wissenschaft und die spezielle Verbindung des Gesetzgebers mit dem Thema Lust-Schmerz feststellen, also folgende: 1 1, 1094a27 (άρχιτεχτονιχή; allein dieser Ausdruck erledigt schon das Suchen nach der Quelle; denn die E E kennt ihn in diesem Zusammenhang nicht); 11,1094b 11.14; 1095a2. 16; 1 10, 1099b29-32; 113,1102a8.12 (der echte Politiker studiert die „Tugend", denn er will die Bürger gut machen. Genau dieses meint Ar. in VII, denn das Ziel des architekton ist nicht ein theoret. Traktat über das Lustthema, sondern Tugend und Glück; Glück und Lust gehören zusammen, 52b6); I 13,1102al8. 23 (es ist nur eine Konsequenz aus dem bisher Gesagten, daß der Politiker etwas wissen muß von der Seele); I I 1, 1103b3-6; 2, 1105 a 12 (LustSchmerz sind das Generalthema nicht nur der eth. Tugend, sondern auch der polit. Wissensch.); I I I 1, 1109b34; 7, 1113b'21-26; V 5, 1130b28 (die individ. Erziehungsaufgabe der polit. Kunst wird angekündigt und dadurch V mit X verbunden, wo die Ausführung kommt: 10,1179b20-81bl2). VI 8, 1141b22 (die polit. Phronesis); 13, 1145 a 11 (die befehlende Funktion der „Politik"). - Nachtrag zu E E 1216b37 :die Verbindung von περίεργον mit dem Gen. ist nicht möglich ; also mit Victorius τόν πολιτιχόν. 162,1 „Ergebnis": EN I I 2, 1104b8-05al6 (κακία: 1104b 10. 21. 28. 33; 05a7. 13). Dasselbe auch in E E : 1220a34. 1221b38-22a5. 1222a 10-17. b 9 ; aber das ist, im Gegensatz zum architekton, gerade kein charakteristischer Vergleichspunkt, denn welche Ethik käme an diesem Thema vorbei?
VII 12
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162.2 „Glück": EN I 2, 1094b22; 7, 1098b25. EE 1214a33; vgl. auch Plato, Rep. 354a 1; Gorg. 507c4. Hier gilt dasselbe wie oben. 162.3 „Ansichten". Wie so oft geht Ar. auch hier vom Negativen aus: Lust ist kein Wert. Das „Quellenmaterial" hat er bereits geordnet nach „per se" und „per accidens", d. h. er verfährt -wie z. B. in dem philosophiegeschichtlichen Abschnitt von Met. I. In der Prüfung der These (1) und der dazugehörigen 6 Argumente (a-f)· erzielt Li. insofern einen Fortschritt über Fe. und dessen Vorgänger hinaus, als er die Arbeitsweise des Ar. zutreffender beurteilt. Gewiß können wir auf Grund unserer — vielfach natürlich auf sehr mangelhafte Quellen angewiesenen — historischen Forschung sagen, daß hinter der These (1) Pythagoreisches (?), ferner Antisthenes, Speusipp, Xenokrates (?) stehen und bei den Vertretern der Gegenthese (die Lust ist der Wert) Arietipp, Sophisten wie Kallikles (Gorg. 495d3-4) sowie die „Vielen" (Protag. 351 c3; Phileb. 67b3) in Frage kommen, aber Ar. wollte - und konnte auch gar nicht so schreiben wie wir es gerne hätten: „der Philosoph χ hat in seinem im Jahre y erschienenen Buch folgendes behauptet". Sondern für Ar. war nur die Sache relevant (daher sagt er nicht selten ganz unbekümmert: „alle meinen . ."), und diese war bereits durch den Filter seiner Methodik gegangen. So weist Li. (113) mit Recht die Anschauung von Fe. a. a. zurück, die in These und Argumenten ausschließlich Speusipp zu entdecken vermeinten. Damit entfällt auch die Möglichkeit einer Festlegung bezüglich der zeitlichen Nähe dieses Abschnittes der NE zu Speusipp. (gest. 339; trefflich J. Stenzel, RE III A, 1929, 1636-1669). 162.4 „Hausbau": Phileb. 54b2: Schiff-Schiffsbau. Ob die Ansichten des Phileb., der hier evident „Quelle" ist, die Ansicht Piatons darstellen, ist bei der Komplexität der plat. Diskussionen über die Lust nicht exakt beweisbar. 162,5-6 „Der Besonnene - der Einsichtige". Die beiden so schlicht klingenden Argumente bieten Schwierigkeiten. Zunächst: bei ihrer Widerlegung (53a27-35) haben wir arist. Brachylogie, die zu der Auffassung führt: „daß der Besonnene (die Lust) meidet und (also so wie) der Einsichtige die Freiheit von Unlust erstrebt". So Heliod. 158, 7. Dagegen richtig Aspas. 149, 12 und Anon. 451, 26. 28, nämlich: man darf den Besonnenen und den Einsichtigen nicht in eine Kategorie »zusammenwerfen; vom ersteren ist nur ausgesagt: er meidet die Lust, sonst nichts. Durch das Zusammenwerfen beider Arg. bekommt Burnet die Möglichkeit, das Arg. l'b auf Speusipp. fr. 57 Lang zu beziehen. Das geht aber nicht an, weil der Besonnene hier bei Ar. de facto mit der άλυπία nichts zu tun hat. Ebenso halte ich es für höchst fragwürdig, ob die άλυπία des Einsichtigen (Arg. l'c), was wiederum ßumet wollte, auf Spensippos geht. Denn 1) hieß das Ideal des Sp. άοχλησία (er war also in der Terminologie ein Vorläufer des Epikur), außer wir mißtrauen dem Bericht des Clemens, wozu ich keinen Anlaß sehe. Dann aber ist schwer zu begreifen, daß Ar. diesen auffallenden Ausdruck absichtlich vermieden haben sollte, selbst wenn wir (s. o.) berücksichtigen, daß Ar. nicht in unserem Sinn zitiert. 2) Im Phileb. (43 d 7-8) wird die Lehre von der άλυπία genau so als etwas Bekanntes eingeführt wie von Ar. die λεγόμενα. Soll das etwa der Reflex einer Lehre des Speusipp sein? Dafür gäbe es nur das ganz schwache Argument, daß es zeitlich möglich wäre. Warum also soll Arg. l'c nicht dasselbe λεγόμενοι) meinen, dag der Phileb. bringt? - Mit vorsichtiger Zurückhaltung über die Erkennbarkeit der Lustlehre des Sp. : J. Stenzel a. O. 1666, 36-1667, 31.
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Anmerkungen
162.7 „Hindernis" (εμπόδια/ν). Hier wird man Li. (121) nicht zustimmen können, wenn er das eindeutige Phaidon-Zeugnis (65 a 9-10) mit dem schlagenden sprachlichen Anklang (ίμπόδιον 65a 10; έμηοδίζειν 6 6 c l ) in den Hintergrund schiebt zugunsten von Archytas (Vors.· I ; 424, 10-34 = Cic., Cat. m. 12, 39-41). Wer wollte aus dem hallenden Pathos Gceros, noch dazu bei einem Thema, das doch schon Gemeinplatz war, zu dem Dorischen des 5. Jh. zurückfinden? Die tiefe Beeinflussung des Phaidon aber durch Pythagoreisches ist bekannt. Und wieso handelt es sich im Phaidon „weniger um Lähmung des Denkens"? Dem widerspricht klar 66c5. Aber auch Burnet irrt, wenn er eine akad. Mittelquelle ansetzt. Es ist Haarspalterei, daß im Phaidon nicht die Lust hindere, sondern der Körper. Diese Behauptung wird widerlegt durch 65 a 7 (Lust des Körpers) und 66 c 2-5. Und schließlich : was bei Ar. heißt ούδένα δύνασ&αι vorjoal τι έν avzfj heißt bei Platon vn' αύτοΰ ούδέ φρονησαι ήμίν έγγίγνεται ουδέποτε ουδέν (66 c 5). Und das ist auch für Piaton ein λεγόμενο» (66 c 4). 162.8 „Technik". Zunächst würden wir sagen: selbstverständlich gibt es Künste, die Lust hervorbringen, ζ. B. bildende Künste, Musik. Und wir könnten uns auf Ar. selber berufen, der bei der Abhandlung über die Besonnenheit diese Art des Genießen» zwar zu den körperlichen Lüsten rechnet, aber ihnen doch eine Sonderstellung gibt er engt ja die Besonnenheit ein auf die Empfindungen der niederen Sinne (III 13, 1118a3-ll). Aber man darf nicht übersehen: die Abhandlung über Lust und Unlust wächst heraus aus der über Unbeherrschtheit und Zuchtlosigkeit, die beide aus dem έπιόνμητιχάν, der Lustbegierde stammen. Also fragt es sich: ist das Ziel dieser Begierden, die Lust, selber ein Unwert? Daher erneuert er die Aspekte von I I I nicht bis auf einen bestimmten Punkt, wie wir sehen werden, - sondern arbeitet ganz formalistisch: „es gibt keine techne der energeia, sondern nur der dynamis (1153 a 25). Die rhetorische Techne ζ. B., niedergelegt in einem Lehrbuch, erfüllt nur die Funktion, die im Lernenden vorhandene Anlage (dynamis) zu steuern (zu dynamis : Stewart I I 243). Ist dies geschehen, also der Redner in Aktion, so hat das Lehrbuch keine Funktion mehr; der aktuelle Vortrag der Rede, als Tätig-sein, ένεργεϊν, gefaßt, fällt nicht mehr in die Kompetenz des Lehrbuchs. Lust ist eine energeia, im Sinne von EN I 1, 1094a4, also gibt es auch für sie keine Techne; oder: keine Techne gilt der Lust. Da aber jede Techne ein Gut erstrebt, im Sinne des Eingangesatzes von EN I, ergibt sich : die Lust ist kein Gut. Das Argument wird aber erst wirklich einsichtig, wenn man von dem Schlüssel Gebrauch macht, den Ar. selbst liefert. Er liegt in den beiden Worten: Parfüm — und Kochkunst (53 a 26). Denn die stammen evident aus dem Gorgias (462 b 3—66 a 3). Damit auch das ganze Argument (Verweis auf Gorg. von Burnet). Dort die lange Diskussion: Redekunst und andere Künste zielen auf die Lust, nicht auf einen wertvollen Zweck. Aspas, verrät, auch ohne direktes Zitat, daß er auf der Basis des Gorgkommentiert (148, 26-28): Ιατρική, εύεξία, γυμναστική Gorg. 464a2-6. — Zum Sprachgebrauch: μυρεψιχή sagt Ar., κομμωτική Platon (463 b 5). Letztereeistattisch (Aristoph.), ersteres offenbar (ionischer) Import, sonst hätte Pollux nicht eigens vermerkt, daß Kritias (Vors.* 88 Β 68) so sagte. Lysias fr. 1,2 ist keine Gegeninstanz. Im „reinen" Attisch, in der Kaiserzeit hypostasiert, ist durch die moderne Forschung bei Lysias, Sophokles, Xenophon schon genug Ionisches ermittelt. — Wenn nun Ar., ausgerechnet Parfüm- und Kochkunst (mit dem καίτοι von 52b 19) bestehen läßt*
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als Künste, die Lust hervorbringen, so haben wir hier in der Tat einen Abglanz der Heiterkeit des Gorgias: isoliert betrachtet sind sie wirklich lustschaffend, aber axiologisch gewertet? Und nun sehen wir, wie oben angedeutet, den Rückgriff auf III 13,1118al2: μύρα und δφα sind der Bereich des Zuchtlosen - und für den mag gelten: es gibt Techniken der Lust. 162.9 „Kinder - Tiere". Hier besonders deutlich zu sehen, daß ein solches Argument nicht präzise auf einen ganz bestimmten Philosophen zurückgeführt werden kann. Wer diesen Gedanken formulierte, stand offenbar in Opposition zu Denkern, denen Kinder und Tiere Repräsentanten der unverbildeten, reinen Natur waren. Letztere sind faßbar Phileb. 11 b 4-6, Diog. Laert. 2,87 (τιάσι ζφοις) 88 (ix παίδων φκβιωσϋαι) : Kyrenaiker. Der Unbekannte muß gedacht haben: bei Kindern und Tieren ist der Verstand nicht entwickelt; die Ziele, denen sie nachjagen, können also nicht die richtigen sein. Dazu: Gorg. 464d5-e2 (mit 464d2 und c6). Nicht Ziele im einfachen, echten Sinn sind ζ. B. die Dinge, die dem Verdorbenen als nützlich und die welche den Kindern qu& Kindern als lustvoll erscheinen (EE III 1, 1228b21-22, im Kap. über die Tapferkeit) und ähnlich im Traktat über die Freundschaft (VII 2, 1236 al-S). - Wie sehr wir übrigens bei allen Zuweisungen infolge unserer lückenhaften Kenntnis all dessen, was die Griechen offenbar in reicher Fülle zum Lustproblem gesagt haben, im Unsicheren sind, wird durch folgendes illustriert: im Abschnitt über die Besonnenheit (III 13, 1118a32) nennt Ar. einen Schleinmer, der sich einen Kranichhals wünschte; nach EE III 2, 1231 a 16 war dies Philoxenos, der Sohn des Eryxis (s. zu 66,2). Eine stadtbekannte Persönlichkeit, von Eupolis und Aristophanes aufs Korn genommen; aber er war auch Philosoph, Schüler des Anaxagoras. Als solcher hat er sein bescheidenes Plätzchen auch in den Vors.* I I ; 12, 26. Aber sowohl hier wie in RE XX 190, Nr. 5 ist seine „Telos-formel" übersehen. Diese lautet nach dem oft wohlinformierten Anon. 445, 19-21: „Die Lust ist das Ziel der Ziele (τέλος τελιχώτατον), der eigentliche Wert, nach dem alles strebt". Also Eudoxisches schon im 5. Jh. 162.10 „nicht alle Formen" : vorwiegend aus demPhilebos. Die Einzelheiten bei Li· 122-126, der auch dem anonymen Material nachgeht und mit Recht auf Prodikos (Xenoph. Mem. 2, 1, 30-31) verweist. Vermißt wird: Protag. 351 d 1-5; Gorg. 495a2 -4, 499c7. d l ; Rep. 457b5, 505c6-8, 559b8-cl; Leges 667e5. Außerdem fällt das dichterische und leidenschaftlichere όνειδιζόμενος statt ιρεκτός auf. Fehlt bei Bonitz. Ein Lieblingswort Piatons, als Gegensatz zu επαινεϊν gebraucht: Leges 643d7. 162.11 „kein Endziel". Schwierig von Arg. l'a abzuheben; denn dieselbe Begründung dient zum Beweis, daß die Lust überhaupt kein Wert ist und daß sie nicht der höchste Wert ist. Im Phileb. steht die These des Anonymus, Lust sei ein Werden und kein Sein (53 c 5). Die folgende Argumentation (54 c 1-d 2) zeigt aber deutlich, daß wir Sein (ούσία) mit Telos gleichsetzen dürfen, d. h. mit dyaôdv. Die Lust kann deshalb, weil sie immer auf dem Weg zum Ziel ist, nicht selber das Ziel sein. Hinter den „gescheiten Leuten", die die Lust als ein Werden interpretieren, steckt Arietipp. Und das benützt Piaton zur Widerlegung. Ich halte die Beweisführung von Wilamowitz, Piaton 2, 273 für richtig. - Wertvoll: J. Stenzel „Kyrenaiker" RE XII. 1925. 137-150. 162.12 „Wert an sich" (άπλως-τινί). Inhalt des Arg. I a (das Wesentliche rekapituliert Ar. selbst 1154a31-34): Man muß zwischen absoluten und relativen Werten
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Anmerkungen
unterscheiden. Eine Operation ( τ ο μ α ί , Aspasios 1 4 4 , 1 1 ) igt (a) absolut betrachtet ein Unwert, aber (b) f ü r den Kranken ein Wert. Wenn m a n den Blick nur a u f ( a ) richtet, k o m m t m a n zu der T h e s e : keine L u s t ist ein Wert. Die Argumentation wird Ar. ermöglicht, indem er von der Scheidung άηλως-τινί ausgeht. I n der N E war sie uns begegnet: I 9, 1 0 9 9 a 7 - 1 5 ; I I I 6, 1 1 1 3 a l 4 - 2 4 ; V 2, 1 1 2 9 b 3 . In der E E : I I I 1, 1228b 19-23; V I I I 3, 1 2 4 8 b 2 9 - 3 6 und besonders nahe sich mit E N V I I berührend: V I I 2, 1 2 3 5 b 3 1 - 3 6 a l 5 . I n Pol. V I I 13, 1332a23 nur απλώς. Wir dürfen diese Scheidung im Phileb. vorgebildet sehen. „ I s t die ganze G a t t u n g der L u s t willkommen zu heißen (άβπαατά») oder sind L u s t und Unlust nur bisweilen (τοτέ μέν·τοτέ ôé) willkommen zu beißen (m. à. W. ein άγαύόν), bisweilen aber nicht, als etwas, was keinen Wert darstellt (das ist das arist. άπλ&ς άγα&άν, wie sich aus dem sofort folgenden Gegensatz ergibt:), sondern nur zuweilen und in einigen Erscheinungsformen das Wesen eines Wertes annimmt? 4 ' (32 dl—6). ίνια-ένίοτε = N E ëvtai-ποτέ. 168.1 „Veränderung-Werden 4 4 . Immer wieder von Piaton gebraucht, wenn er das Thema L u s t behandelt, ζ. B . R e p . 583 e 9. 168.2 „ d a u e r n d " (del). Daß es ohne Ergänzung nicht geht, ist k l a r ; m a n sieht aber nicht, wieso άηλως besser durch Aspas, bezeugt sein soll als del (144, 27); Anon. 447, 33, Heliod. 155, 23: M . 168.3 „Ferner 4 4 . Als K o m m e n t a r wichtig MM I I 7, 1 2 0 4 b 2 0 - 0 5 a 6 . Paraphrase von Arg. I b (unter Zuziehung von 1154b 17-20): Nicht nur die Scheidung άπλώς-τινϊ führt zu besserer Erkenntnis, sondern auch die zwischen ίξις und ένέργεια. - Ar. hatte in den früheren Büchern, was wir vermerkt haben, wiederholt bezüglich der Tugend gelehrt: sie ist eine „Haltung 4 4 ( ί ξ ι ς ) , aber nicht quieszierend, sondern von ihr aus (άπ'αύτής) geht immer Bewegung, nämlich wertvolle Einzelakte. D a s Glück ist ψνχής ένέργεια, im Sinne ihrer vollen Trefflichkeit. Die Bewegungen, die zur Tugend h i n f ü h r e n , die Akte des Gewöhnens (έθκχμός) stehen naturgemäß an R a n g tiefer. - Vorausgesetzt, daß die „Haltung 4 4 gut ist, so sind die zu ihr hinführenden Bewegungen wertvoll per accidens. Aber m a n darf die Dinge nicht einseitig betrachten, nämlich nur die Bewegungen h i n zur „Haltung 4 4 . Wenn ζ. B . j e m a n d durch Einwirkung von Heilmitteln in den Zustand der Gesundheit versetzt wird, so ist das so zu verstehen : ein Teil des Organismus ist gesund geblieben und dessen Tätigsein (πράττειν) ist es, was den Heilungsvorgang steuert; hier haben wir also den Verlauf v o n der wertvollen „Haltung 4 4 h e r . Immerhin: dieses Beispiel zeigt die Natür in einem Zustand .des Mangels und immerhin kann da durch das Heilmittel auch ein Q u a n t u m Unlust hereinkommen. E s gibt aber Funktionen unserer höheren Natur, wo von Mangel keine Rede sein kann, ζ. B . unseres Denkens. D a s ist dann ή άπό τον όεωρείν ηδονή. Der K e r n des Arguments s t a m m t aus dem Phileb., wie schon erkannt ist. Ar. deutet es selbst an, wie wir gleich sehen. 31 d 8—10: „ W e n n die Harmonie im Lebewesen aufgelöst wird, entsteht Schmerz; wenn sie wieder zusammengefügt wird und zu ihrer eigenen Wesenheit zurückkehrt, entsteht Lust 4 4 . U n d später drückt Piaton dasselbe, sich auf 31 d zurückbeziehend, so a u s : „ W e n n die Wesensart wieder in die ihr eigentümliche Natur versetzt wird (χα&ιστήται), dann bedeutet diese Versetzung ( χ α χ ά σ τ α σ ί ζ ) Lust 4 4 ( 4 2 d 5 - 6 ) . E b e n dieses Verbum gebraucht Ar. (1152b34). χατάστασις bei Speusipp fr. 57 ist „Zustand 4 4 (gegen Burnet). Neben dem Phileb. ist der T i m . wichtig (dort natürlich L u s t und Unlust nur i m körperlichen Sinn):
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64dl, 65al, 67a6. Darüber ausführlich, mit Einbeziehimg nicht nur des Phileb., sondern auch von Politela, Nomoi usw. Taylor im Komm, von 1928, 447-462; diese kleine Abhandlung ist, soweit ich sehe, wenig beachtet worden. Daneben unentbehrlich H. G. Gadamer, Das Wesen der Lust nach den piaton. Dialogen, Marburg 1922, in glücklicher Vereinigung von Philologie und Philosophie. 168.4 „Mangel": Phileb. 51a2-52a3; Gorg. 474d3-475a4; Rep. 584b 1; Lege« 667c5-6; Rep. 582c7-9, 584e7-588al0; Met. XII 7, 1072b24. 168.5
„im erfüllten Zustand" : Gorg. 496 e 1-497 a 5 ; Theaet. 159 c 11-e 5.
168.6 „Ferner". Zu Arg. Ic: in I b γένεσις-ίξις, jetzt ένέργεια-τέλος, Ersatz des Begriffe des Werdens durch „energeia". D. h. die Thesen der Antihedoniker (hier wiederum faßbar in Phileb. 53c5; 54cl-d2; weiteres bei Fritzsche. Dazu Li. 115-119, mit kühner, aber diskutabler These, daß in 53 a 12-15 Peripatetiker aus der Umgebung des Ar. faßbar seien) werden mit arist. Begrifflichkeit angegangen. In dem Augenblick, wo Ar. „Werden" durch „energeia" ersetzt, kann er seine frühere Formulierung anwenden, daß reine „energeia" genauso ein Telos ist wie jener Endzustand, der sich „über das Tätig-sein hinaus" ergibt. Das aber steht am Anfang der NE: I 1, 1094a4. 16. Dort ist implicite ausgesprochen, daß es Ziele gibt, die einfach „energeia" sind, sonst nichts ( = Met. IX 8, bes. 1050a21-b2). Lust ist.„energeia" und die Eudämonie ist „energeia". Diesen Zusammenhang darf man nie aus dem Auge verlieren, denn daraus erklärt sich die intensive Behandlung des Lustproblems, insbesondere die Wiederaufnahme in X, vor der letzten Wegstrecke: dem Abschluß des Eudämonie-Themas. Met. IX 8, 1050 a 34: „Alle Fähigkeiten, bei denen es nicht über das In-actu-sein hinaus noch ein Werk (Ιργον) gibt, haben die Aktualität in sich selbst: das Sehen ist im Sehenden, die Denkleistung im Denkenden, das Lebendigsein in der Seele — und deshalb ist auch das Glücklichsein in der Seele: es ist ja ein Lebendigsein von besonderer Art". Es geht eine Linie von I über das σοφία-ίίαρ. von VI zum Schluß der NE, der „energeia" des Geistes. Es ist die Linie des Denkers, der Met. XII 7, 1072b 16 geschrieben hat: das Leben des göttlichen Prinzips, an dem Himmel und Erde hängen, ist Denken. Seine A k t i v i t ä t (energeia) alg solche i s t L u s t . Mit Recht notiert Ross im Met.-Komm. II 379, daß Ar. hier die Sprache von EN 1153al4 spricht. Und derselbe Denker hat die von unverkennbarer innerer Bewegtheit getragenen Sätze von Pol. VII geschrieben: 1, 1323b21-26 und 3, 1325bl6 -21 : „Höhere Wirklichkeit haben jene Denkvollzüge und -bewegungen, die ihr Telos in sich tragen und um ihrer selbst willen geschehen". - Zusatz: ob wir in der Vorsokratikerforschung Fortschritte machen werden, hängt zu einem guten Teil davon ab, daß wir noch intensiver jene Behandlung anderer Meinungen durch Ar. studieren, wo wir ihn kontrollieren können, weil die fremde Meinung uns noch erhalten ist, ζ. B. der Philebos oder die Antidosis des Isokrates. Mit den gewonnenen Erkenntnissen kann man sich dann an den schwierigeren Fall heranwagen, wo die Meinung des anderen nur mehr als fragmentierter Text vorliegt. 168.7 „nur dann". Der Sinn wiederum: wir müssen die Blickrichtung ändern: nicht nur immer das Hin zum Ziel im Auge haben, sondern die „energeia" vom voll' endeten Zustand her. Wenn jemand durch Lernen und Üben die Tugend erst entwickelt (wo es bekanntlich Fehlleistungen gibt), kann vielfach die einzelne, ζ. B. von Lust begleitete Handlung ein Ziel haben, das nicht Endziel ist. Aber das alles
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Anmerkungen
iit Vorstadium. Ist die Tugend verfestigt, dann fMlt Wirken άπ'άρβτής mit dem Telos zusammen. 168,8 „Daher". Hier dieselbe Korrektur der Blickrichtung: Lust ist nicht ein Werden hin zur ούσία (piaton. gesagt), dessen lust- oder schmerzvollen Charakter wir „erleben" (αΙσΟητή γένεαις), sondern Aktualität des vollendeten Zustande, und allein der Befestigung dieser Erkenntnis dient der vorgeschlagene Ersatz des Begriffes „erlebbar" durch „ungehindert" (άνεμπόάιστος), was nichts anderes bedeutet als eben „vollendet" (gut Stewart II 236-237). - Wir haben, vom entwicklungsgeschichtlichen Denken ganz beherrscht, lange Zeit - um ein Beispiel außerhalb der Ethik zu nehmen - die Vorstufen der Tragödie erforscht und die Fruchtbarkeitsriten schienen hie und da die Antigone zu überschatten. Und die großen Augen der archaischen Bildnisstatuen zogen uns mehr an als die Klassik des 5. Jh. Auch Ar. studiert die Entwicklung der Tragödie — in 20 Teubnerzeilen, eigentlich nur in 6 (Poet. 1449a9-15); d. h. mit ganz raschen Schritten eilt er zu dem Zustand, wo die Veränderungen aufgehört haben, weil die Tr. die „ihr wesensgem&ße Form" gefunden hatte. Alles übrige ist Studium des vollendeten Zustande. Wir können allgemein sagen: für Ar. ist Entwicklung niemals Selbstwert; noch schärfer : sie ist ihm das Minderwertigere gegenüber der Vollendung. Daher die statische Betrachtungsweise in der Ethik; daher das so oft beklagte Abfangen der Entwicklungsgeschichte durch die Festigkeit der Tragödiendefinition, und daher - in anderem Bereich der Stein des Anstoßes: όράγχη òfj στήναι (Met. XII 3, 1070a4) und daher der Ansatz des obersten Seienden als ούσία άχίνητος (1073 a4). 164.1 „ungehindert" (άτεμηόόκπος). Der Ausdruck sonst nur e i n m a l in der Pol. (IV 11, 1295 a 17) mit Zitierung der Ethik. Der Gedanke Lust = Hindernis ist sicher piaton., ζ. B. Phaed. 65a 10, 66cl und das berühmte Bild: „Weil jede Lust und Unlnst gleichsam mit einem Nagel die Seele an den Leib festnagelt und anheftet.." (83 d 4). Von einer verhinderten γένεσις spricht der Phileb. (63d5-el). Der Jungperipatetiker bei Areios Didymos ( = Stob. II p. 130, 20) hat die Eudaimonia-Formei: χρήσις άρετής h τοις κατά φύση άνεμηόόιστος. 164.2 „gewisse Denker": τισίν Rassow, notwendige Konjektur. Zur Sache Li. 116, doch wäre Auseinandersetzung mit Grant und Burnet nötig. 164.3 „Mehrung". Die griech. Komm, denken an übermäßige Gesundheitspflege, sein ganzes Geld zum Apotheker tragen und dgl. (Aspas. 148, 3; Anon. 450, 25; HeUod. 157, 28). 164.4 „das Denken": das Kopfweh des Philosophen: Rep. 407cl (s. S. 364). 164.5 „von außen". Im Phileb. lBßt Piaton die Phronesis selbst aussprechen, daß ihr äußere Lust Hindernisse ohne Zahl bereite (63d 1-64a5). - Der Gegensatz: fremde - eigene Lust Rep. 587a4-5. 164.6 „Salbenbereiter": s. o. 162, 8 zum ganzen Argument. 164.7 „dargestellt": 1152b26-53a7. 164.8 „für den Besonnenen", β. o. 162, 5-6 zum ganzen Arg. - Ar. kann sich kurz fassen, denn die Stellung des Besonnenen zur Lust war ja in III ausführlich behandelt 13,1117b27-18b7), EE III 2, 1230b21-31a25; auch EN II 2, 1104b5-7. 164.9 „weiterhin". Hauptthema von Kap. 13: Widerlegung des Satzes: Luit ist kein Gut. Hauptthema (ab 53b7) von Kap. 14: Widerlegung des Satzes: Lust kann
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nicht das oberste Gut sein. Ans EN X 2,1172b 18-20 ist zu sehen, daß das vom Gegenteil ausgehende Arg. : Schmerz ein Unwert - also Lost ein Wert, von Eudoxos ist. Zu der entgegengesetzten These des Speasipp: J . Stenzel a. O. 1666, 43-62, sowie Bornet 336. Joachim 237-238 möchte wie Aspas, ούγάρ âv φαίη (53 b 6) übersetzen, wie wenn η ς dabeistünde. Es gibt bei Ar. ein solitfaes φηαί*, aber da ist λόγος das Subjekt. Auf jeden Fall also ist Speus. Subjekt, was keine Schwierigkeit macht; die Lösung liegt in δπερ und das ist durch Benitz (Met.-Komm. 176-177) geklart. Jede akad. Diskussion, die von dem Gegensatz Lust-Schmerz ausgeht, hat als Basis Rep. 583bl-584c7 (in dem großen Beweisgang, daß nur die Lust des Philosophen wirkliche Lust ist); s. auch Tim. 69d2. 166.1 „der oberste Wert". Der Artikel zu Sçurco* eine evidente Verbesserung von Spenge]; auch die griech. Komm, verstehen so. Zum Arg. VI: (bis 53bl9). Mit oidir κωλύει, τί κωλύει führt Platon sehr oft Argumente ein. Ar. hat das von ihm übernommen und natürlich die Nuance: „es spricht nichts dagegen" (ζ. B. Phaedo 77b6: „was spricht denn dagegen, daß die Seele nach der Trennung vom Leibe untergeht?"). Weiter: „genauso wenig spricht dagegen, daß wissensch. Erkenntnis der oberste Wert ist - obwohl manches Wissen (Können) schlecht ist". Man kann sagen: Ar. läßt also mit sich handeln, ob der oberste Wert als ήδονή (τ. - Heraklit: Vors.* 22 Β 8 und 80; dazu Lys. 215e4-9. Die Übe. von B. Snell 1940. - Empedokles: Vors.* 31Β22, 4-5 (bei Empedokl. und Eurip. ist Aphrodite das waltende Prinzip); vgl. auch Β62, 6; 90 und, „erkenntnistheoretisch" Β109 (von Ar. in De an. und Met. zitiert). 171.8
„z. B.". Aus Lys. 214d3-7 (Grant). Antwort des Ar.: VIII 5, 1157a 16-20.
171.9 „mehr - weniger". Dazn Aspas. 160, 33-161, 21. Ar. sagt, darüber habe er •chon gesprochen. Aspas. 161,10: das müsse wohl in den „ausgefallenen" Büchern
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Anmerkungen
dei N E gestanden haben. Darüber zuletzt Lieberg 1953, 81. — Wag meint Ar. mit dem Argument? Wenn wir an irgendeinem Phänomen Graddifferenzen beobachten, so bedeutet dies, daß ein Substrat da sein muß, an dem sie sich sozusagen abspielen und zwar ein Substrat, nicht mehr. Dies stammt (Burnet) aus dem Phileb. 24 e 7 - 2 5 a 4 und wird von Ar. auch in De part. an. I 4, 644a 12-23 (dazu die gründliche Analyse von J.Düring a. O. 104-118) diskutiert, wo Ar. ja auch Klassifikationsschwierigkeiten hatte und sich mit der spätplaton. dichotomischen Methode beschäftigte. Das Phänomen der Freundschaft zeigt a u c h Graddifferenzen, also gibt es nur eine Gestalt der F . Wer so argumentiert hat, wissen wir nicht, aber daß es in piaton. Kreisen geschehen sein muß, ergibt sich aus dem Phileb. Außerdem ist piaton. Lehre: es gibt nur eine wahre Lust, die des philos. Mannes (Rep.), und es gibt nur eine wahre F., die der Guten (Lysis). Warum bekämpft Ar. dies, wo er doch mit beidem prinzipiell übereinstimmte? Offenbar weil es der Fülle îles Lebens nicht gerecht wird, weil dann die F.-Abhandlung schon gleich am Anfang ihr Ende erreicht hätte. Nun notiert Burnet auch Pol. I 13, 1249b36-38. Zusammenhang: Kann der Sklave nur e i n e Tugend haben? Sollen Regierende und Regierte beide zusammen nur eine haben? Wenn ja, wie soll dann der Artunterschied zwischen Regierenden und Regierten noch aufrechterhalten werden können? Wenn nein, soll dann der regierende Teil ein Mehr, der regierte ein Weniger an Tugend haben? Nein, so einfach geht es nicht. Gradunterschied begründet nicht Artunterschied. Man kann aber auch nicht (κατά- und άπόφααις) sagen: die Regierenden sollen Tugend haben, die Regierten nicht. „Nein, beide müssen sie haben, aber man muß die διαφοραί der Tugend studieren, p. a. zu denen der Seelenteile. Dann sieht man: beide, Regierende und Regierte, müssen an eth. Tugend teilhaben, aber nicht auf dieselbe Weise. Es gibt also für jeden Teil besondere Tugenden, wie für Mann und Weib: die Tapferkeit. Besonnenheit usw. des Mannes ist eine andere als die des Weibes. Also: nicht eine Tugend, sondern διαφοραί. So in E N V I I I : nicht eine Philia, sondern διαφοραί. Dieselbe Argumentation nun mit dem Begriffspaar „mehr — weniger" gebraucht Ar., wiederum Phileb. 24e voraussetzend, in der 2. Lustabhandlung, X 2, 1173a 15-28 (die spezielle Form der Anwendung dort kann hier unberücksichtigt bleiben). Im Grunde dasselbe Problem haben wir auch in E N II 8 und E N VII 14, 1153b4-7. So kann man sagen: Ar. hat wiederholt, in der Zoologie, Ethik und Politik, mit dem Topos des Gradunterschiede gearbeitet, um die aus einer piaton. Position (Phileb.) sich ergebende Konsequenz auszuschalten, daß von Gradunterschieden jeweils auf einen einzigen Träger dieser Unterschiede geschlossen werden darf. Wir können εϊρηται auf N E II oder VII beziehen und werden die Unbestimmtheit des Rückverweises um so eher in Kauf nehmen können, als die Hörer ja wußten: das ist bekanntes Gebiet. Die Athetese des Rückverweises, wozu Stewart neigt, dürfte jedenfalls nicht mit dem Gebrauch von νπέρ begründet werden. Denn ύπέρ, wo wir περί erwarten, ist schon piaton., ζ. B. Leges 776 e 7, aber auch schon Apol. 39 e 1. An letzterer Stelle kann man die Präp. noch begründen: „Ich will zugunsten des über mich gefällten Urteils etwas sagen: daß der Tod ein Gutes ist' 1 . Zur Sache: Kuhner-Gerth 1, 487. Etwas anderes ist die (inschriftlich ab 300 zu beobachtende) Zusammenwerfung der beiden Präp. Dies spielt ζ. B. für die MM eine Rolle. Hier ti der NE folgt in der nächsten Zeile περί. Siehe Band 8 zu I 1, Anfang.
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171.10 „das Liebenswerte". Übe. von φιλητόν ein Notbehelf. Über die Schwierigkeiten, den Begriff φιλία im Deutschen wiederzugeben, igt schon viel geschrieben. Am besten führt ein die Lektüre eben des Lysis, φιλητόν ist der Gegenstand des Liebens oder Sich-befreundens. Piaton sagte noch τό φιλούμενον. Ar. bildet offenbar als erster τό φιλητόν nach τό βουλητόν und τό βουλεντόν. In der Politik: το άγαπητόν, II 4, 1262 b 23. 171.11 „gilt": II 2, 1104b31 (s. zu 32,1). 171.12 „und dasselbe". Wenn wir oben (zu 1155b 13-16) richtig eine Bezugnahme des Ar. auf die Lustabhandlung erkannt haben, dann wäre dies die zweite, nämlich: άχλως - τι vi - φαινόμενον (VII 13, 1152b26-32; s. zu 162,12). 172.1 „keinen Unterschied", nämlich für die Darstellung im folgenden. Siehe III 6, 1113al6; 7, 1114b7. Natürlich meint Ar. nicht: es ist gleichgültig, ob einer Scheinwerte oder echte liebt. Ar. meint nur, er brauche nicht jedesmal bei der Beschreibung des φιλητόν hinzuzusetzen, daß das άγα&όν jeweils als φαινόμενον άγαϋόν gegeben ist. 172.2 „leblose". Der unmittelbare Grund, weshalb das „Unbeseelte" (δφνχον) in die F.-Abhandlung hereinkommt, sind die vielen Adjektiva nach dem Typ ζ. B. von φίλ-οινος. Auch wir sagen ja: er ist ein Freund (Liebhaber) des Weins. So spielt auch der Lysis damit (212d5-e4) und aus dem Lys. stammt der Begriff der Gegenliebe (dort nur als Verbum; das Subst. nur hier in der NE, von Ar. gebildet). Es lag aber dem su gegenstandsfrohen Griechen überhaupt nahe, die Dinge stärker an sich heranzuziehen. Wie viele Dinge sind bei Homer „lieb"! Wir, die wir so viele Dinge produzieren, haben eher Freude daran, das viele Blech wegzuwerfen - oder, was dem Griechen als Hanswurstiade erschiene, die Distanz ganz zu verlieren und den von uns selbst geschaffenen Auto-Motor zu „pflegen". Pflege des Werkzeugs kennt auch der Grieche: EE 1242al5, EN 1161a35, aber unsere Hingabe an das Ding ist die des Sklaven, während für den Griechen das Werkzeug Sklave ist (1161 b4). Von Ar. und Piaton werden die άψυχα sogar in die Rechtssphäre einbezogen (vielleicht macht der Moderne das „Magische" dafür verantwortlich): V 12, 1136b30 (s. zu 116,7), und es gab άφύχων δίκαι (die Rechtssphäre auch in dem Begriff άντυιεπον&ός, 1155b33: V 8, 1133all. 15). Den Sklaven ein κτήμα εμψνχον zu nennen, war nicht frivoler Hochmut der Freien, sondern, nachdem schon das ΐψνχον dem Besitzer nahestand, war es eine Intensivierung der Nähe, ihn zum εμρυχον zu „ernennen - '. Nach alledem wird es nicht mehr überraschen, daß Aristotele in MM in einem Atemzug saet, er wolle weder von der F. zu Gott noch von der zi
den leblosen Dingen reden, denn es sei absurd, wenn einer sagen wolle, er liebe den Zeus (II 11, 1208b27-35). 172.3 „sichtbares". Hinter der schlichten Formulierung steckt der „energeia"Begriff (I 9, 1098 b 31-1099 a 3). Es ist wohl schon ausgesprochen, daß Philia nicht die Gefühlsseligkeit des Göttinger Hainbundes ist („.. . wir riefen den Mond und die Sterne als Zeugen unseres Bundes an und versprachen uns eine ewige Freundschaft", J. H. Voß 1772. 1773 verbrannten die Jünglinge bei der Geburtstagsfeier für Klopstock als Symbol des kalten Rationalismus Wielanden, in effigie). 172.4 „die Formen". Inhalt von Kap. 3: 3 Arten der F. entsprechend den in Kap. 2 unterschiedenen 3 Objekten. Behandelt werden 2: F. um des Nutzens und um der Lust willen. Entsprechung: 1156a6-b6: EE 1236al5-bl. 172.5 „sie entsprechen": Ιπάριύμος erstmals bei Plato, Tim. 41 dB.
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Anmerkungen
172.6 ,.lieben". Zum Stil: Variatio. In 5 Zeilen die 3 Verba für „lieben", φιλεϊν, αγαπάν, στέργειν. 1157al4-16 in 3 aufeinanderfolgenden Zeilen die 3 Adjektive für „nützlich" : χρήσιμον, συμφίρον, λυσιτελές. 172.7 „den Gewandten". Je nach dem Blickpunkt gehört er zum F.-Thema oder zum Thema „Lust". In IV (1128 a 10, s. zu 92, 6) gehört er in das Kap. „Erholung, Scherz", und das ist dasselbe wie Lust; ebenso X 6, 1176b 14. 173.1 „leicht auseinander", εύώάλυτος Neubildung des Ar. Ein wichtiges Teilthema der F., wie wir noch sehen werden, genauso wie das Thema „Beschwerden, Vorwürfe", διαλύειν ist bei Piaton der Ausdruck für das Auflösen eines Beisammenseins in Freundschaft. Laches und Lysis enden mit diesem Wort (201c 3. 223 b 3. 173.2 „Alter- Jugend": Rhet. II 13,1389b37 und II 12, 1389a7. 21-22. 37-b2, zwei Kap., die uns schon wiederholt wegen ihres Reichtum« an Erfahrungsmaterial wichtig waren. Daß Ar. sich im Emgangsteil von VIII fast durchweg auf Überliefertes und Beobachtetes stützt, zeigt in Kap. 1-3 der fortwährende Gebrauch von δοχεί (achtmal), ίοιχεν (dreimal), οίονται (zweimal), lôot äv τις, φασί, λέγονσι, φαίνονται (je einmal). 178.3 „Gastfreundschaft". Ein Thema, dem Ar. merkwürdig zurückhaltend gegenübersteht. Hier und mit gleichem Anfang (είς ταύτας δέ) 1161 b 15 (über ξενία: 1170b 21) so en passant genannt, daß Kapp 1927, 31 vermutete, jemand habe diese F.-Form in der NE vermißt und sie zweimal unterzubringen versucht (in EE fehlt sie, MM II 11,1211a8-14 fällt ganz aus dem Rahmen). Aber wer will bei diesem pointillistischen Stil mit Sicherheit einen Zusatz erkennen? Es bleibt das Uberraschende, daß die viel gepriesene heilige Gastfreundschaft (Zeus Xenios) so utilitaristisch gesehen wird. Oder ist das das wirkliche Leben? Es erklärt ja schon der junge Telemach dem Menelaos ganz sachlich, daß er die als Geschenk gedachten Pferde auf Ithaka nicht brauchen könne (Od. 4, 601-608). Jedenfalls aber sind wir hier bei Ar. von der religiösen Wärme weit entfernt, mit der Piaton in den Gesetzen die Pflichten gegenüber dem Gastfreund einschärft (729 e 2-730 a 4). Aber da spricht der Gesetzgeber und als solcher hätte Ar. schwerlich anderes verfügt. 178.4 „der Leidenschaft": erstmals I 1, 1095a4. 8. Der rasche Wechsel der Lust: VII 15,1154b28-31. 178.5 „Sinnenliebe" (έρωτιχοί). Eros bei Piaton und im Peripatos : W. Jaeger 1923, 109 und, entwicklungsgeschichtlich alles Wesentliche klar herausarbeitend : R. Walzer 241-2, 251. Eine Eros-Abhandlung hat in der NE keinen Plate. Über die verlorenen Werke: P. Moraux, Les listes anciennes . . 1 9 5 1 : S. 32, 262 über den Erotikos (von ihm allein sind Fragmente erhalten, Rose 95-98). S. 95 über die Φίσεις ¿ρωτιχαί (auch & φιλιxat). S. 262, 280T, 281 über die 6 Bücher Erotika. Wir sind auf dem Weg tur Knabenliebe der Delphine usw. (Hist. an. IX 48, 631al0). 174,1 „Vollkommene F.". Diese ist der Inhalt von Kap. 4. Entsprechungen: EN 1156b7-32: EE 1236b26-32; 1237b8-20: MM 1209a3-10; 1209b 11-20. Ein Entwicklungsgang: πρώτον ψιλυν (Lysis) — πρώτος, άλΐ/ϋινύζ φίλος, rrijc'jTi, φιλία (EE) - τελεία φιλία (EN, MM) ist νοι> W. Jaeger 1923, 254, Kapp 1927, 27, und im einzelnen von Walzer 205, 249-250 gezeigt. Doch, kann ich nicht zugeben, daß die δντως xal αλη&ως φιλία des Kleitophon (409e 4, Walzer 205) etwas mit der Ethik des Ar. zu tun habe. Der wahre Freund des Lysis und des Ar. ist der Gute;
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die wahre F. des Kleitophon ist Eintracht, und sie wird nicht mit der schlechten kontrastiert, sondern mit der der Tiere und Kinder. In der NE ein Anklang an piaton. Terminologie nur noch 1157a30 (πρώτως). Auf das πρώτον δίκαιον (V 12, 1136b 34) haben wir zu 117,1 hingewiesen. Mit dem Begriff der vollkommenen F. hat Ar. wieder jene Statik erreicht, der wir von Anfang an in der Tugendlehre begegnet sind. Es interessiert ihn nicht die Entwicklung der ersten Instinkte des Kindes bis hin cum Sozialen: der Tribut an das Entwicklungsmoment ist im 3. Kap. gezollt (Jünglinge und Alter). 174.2 „wünschen", βονλεσ&αί τινί τι ist arist. Brachylogie; zu ergftnzen γενέσθαι. Die E E sagt sogar βονλονται φίλοι, sc. είναι (1237 b 17. 20), was die N E nicht wagt (1156b30). 174.3 „dauert" = I 11, 1100b 12-17. - 1156b 17 dasselbe von der F. gesagt. Walzer verweist (247) auf Thuc. 3 , 1 0 , 1 . 174.4 „von Nutzen": wieder die bekannte Unterscheidung: άπλώς - τινί. Dementsprechend erwarten wir: sie sind gut an sich und für einander; nicht ωφέλιμοι, sondern áyadoi (oder ohne Wiederholung von άγαβοί). Daß so zu verstehen ist, zeigt gleich das folgende (1156b 15). Warum bringt dann Ar. durch ώφίλιμοι in die oberste F. den Utilitarismus herein? Er tut es nur scheinbar, für uns n&mlich, wenn wir vergessen, daß ωφέλιμος und àyaâôç in der Populaiethik, bei den Sophisten und bei Sokrates (Xenophon) identisch sind (auch im Gorg. passim; Phaedr. 239e 1 u. a.). 174.5 „diesen". Die Handlungen der Freunde sind uns angenehm, weil sie den u n s r i g e n ähnlich sind. Wieder jenes Ausgehen vom „Ich", das dann splter der Selbstliebe (φιλαυτία) eine so zentrale Stelle verschaffen wird. 174.6 „und". Aus der Übs. sieht man, daß ich Burnets (362) Tilgung des Kommas nach φιλοΰντι nicht für richtig halte, und zwar deshalb, weil für Ar. die auf Gleichheit beruhende F. von vornherein ganz im Vordergrund steht, so daß er es auch jetzt schon aussprechen kann, wo der Grund noch nicht ganz gelegt ist (dies erst 1157bl-5). Lys. 214d5 schlagt einfach durch. Außerdem ist 1156b20 nur die Konsequenz des ersten Satzes von Kap. 4. 174.7 „Salz". Früheste Bezeugung dieses Dictums (auch E E 1238a2). Cic., Lael. 67: multos modios salis simul edendos esse. Weiteres R E Ι Α , 1920, 2092, 24f. (Blümner). 17ö,l „das übrige": wie oben 1156b22: a) άγαόοι άπλώς, b) τινί; c) ήδεις όπλώς, d) τινί. Inhalt von Kap. 5 : Vergleich der 3 F.-Formen, insbesondere Kontrastierung der zwei niedrigeren mit der vollkommenen. Entsprechungen : 170.2 „dem gleichen". Das ist nicht dasselbe wie oben „gleiche Gegengabe". Der Bezirk der Lust ist ja sehr differenziert. Die Partner bleiben aber dann am ehesten beisammen, wenn nicht etwa geistige Lust durch ein opulentes Mahl erwidert wird, sondern geistige durch geistige. 175.3 „bei den Gewandten". Schon bei der Aufstellung der 3 F.-Formen war der Gewandte (ευτράπελος) als Beispiel für eine lustvolle Beziehung genommen. Ar. wählt also eine höhere unter den möglichen Formen von Lust: das intellektuelle Vergnügen geistreicher Konversation. So ist der Abstand zur vollkommenen F. zunächst nicht so groß, und die Dreiteilung kann hingenommen werden. Hier in Kap. 5,
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Anmerkungen
wo der besondere Charakter der F. der Guten eben durch Kontrastierung allmählich schärfer heraustreten soll, läßt Ar. dann auch auf die geistige eine körperliche Lust folgen. 175.4 „Jugendblüte". Bei der reichen Topik über das Aufhören der erotischen F. nimmt Ar. nicht ein Argument etwa aus der Lysias-Rede des Phaidros oder aus den Nomoi, sondern aus dem Symposion (Zell): 183el-3. - ΰεοαπεία, ein Wort vielseitiger Verwendung, gehört auch zum erotischen Vokabular (Phaedr. 255al). όμοηύης nur E N VIII und Gorg. 510 c 8. 175.5 „und nun". Daß dieser Weg: vom Körperlichen zum Geistigen, d e r Weg in Piatons erotischer Pädagogik ist, braucht wohl nicht eigens belegt zu werden. 176.1 „Kinder".'Auch die E E lehrt: unter Kindern und Tieren kommen die niedrigeren F.-Arten vor (1238 a 32). Hier, in der NE, nennt Ar. nicht Kinder und Tiere zusammen (daß dies übrigens eine bereits verfestigte Verbindung ist, werden wir gleich sehen). Aber die Tiere hatte er ja schon im einleitenden Kap. 1 mit einbezogen (1155al8). Weiteres aus der N E : Kinder u n d Tiere haben natürliche Voraussetzungen für die „Tugend" (VI 13, 1144b8). Kinder u n d Tiere jagen nach Lust (VIII 12,1152b 19; 1153a28. 31). Ferner: kann ein Kind zuchtlos oder besonnen sein, ist ein ζητούμενο» (Pol. I 13, 1259b31). Das Kind hat die Fähigkeit des Überlegens, nur eben unentwickelt (ατελές, Pol. I 13, 1260al3. 31). Das meiste ist so gesagt, daß man sieht, die einzelnen Elemente sind schon vor Ar. diskutiert. Und auch dies findet er schon vor, daß Kind und Tier zu e i n e r Gattung zusammengefaßt werden, weil ihnen der Verstand fehlt. Die Frage nach den natürlichen, instinkthaften Vorstufen wird wohl zuerst da gestellt worden sein, wo man eben das Walten der Physis studiert hat: bei den Sophisten. Einen direkten Beweis dafür haben wir nicht. Aber man kann feststellen, daß bereits Piaton die Diskussion kannte. 1) Lach. 1 9 7 a l - b 2 : Kinder und Tiere sind infolge ihres Unverstands zwar furchtlos, aber nicht tapfer. 2) Rep. 441a7-b3: Kinder sind voll ϋυμός, Überlegung haben sie nicht, und auch bei den Tieren kann man das konstatieren. 3) Es muß auch in der Akademie schon eine Diskussion gegeben haben, ob man von einer F. bei Kindern und Tieren sprechen könne: Kleitophon 409d6—e4. Sokrates habe es verneint. Der Schluß wird erlaubt sein, daß „Sokrates" oder wer dahinter steckt, damit eine sophistische These verneint. Ar. dagegen bejaht die Möglichkeit der F. bei Kindern, nur daß sie eben nicht die wahre ist. Damit bestätigt sich das von Walzer wiederholt beobachtete Zurückgehen des Ar. hinter Piaton auf Positionen der Sophistik. Nur daß man dabei nicht übersehen darf: die E E läßt diese F. nicht im Ernste gelten. Beweis: 1240b33. Und die NE führt den Gedanken ein mit: die Menschen sagen — also müssen vielleicht auch wir . . . Das aber heißt, daß die im Kleitophon faßbare akademische Diskussion durclischlägt. 176.2 „Freund der Lust": φιληδής. Eine sprachliche Rarität; nur hier. Doch schon Aristoph. hat Verbuin und Substantiv: φιληόέω, -ηδία. 176.3 „verschmilzt" (συνδυάζεται): s. zu 74, 1. 176.4 „minderwertige*'. Inhalt von Kap. 6: F. als „energeia" betrachtet; die entscheidende Funktion des Zusammenlebens. — Keine unmittelbare Entsprechung in E E oder MM. Der rein deskriptive Charakter des Ansatzes der 3 F.-Arten im Anfang von Kap. 3 wird jetzt klar durch das Werturteil. Dieses wird in zwei Etappen, mit Steigerung,
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gegeben, a) die beiden niederen Arten werden im Negativen zu einer einzigen zusammengeschlossen: die Partner passen untereinander nicht zusammen. Damit entbehren sie des Begriffs der Ähnlichkeit, der f ü r Ar. in der F.-Abhandlung grundlegend ist. Wenn sie doch zusammenfinden, so ist das ein Zufall, wie wenn einer den Boden u m g r ä b t und dabei einen Schatz findet (dies ist der Sinn von σνμβεβηκός 1157a35, nach Met. V 3 0 Fritzsche; nur die subtile Begriffsbildung des Ar. macht es verständlich, daß er hier nicht sagt: τα κατά τύχην, was u n s das nächstliegende wäre), b) es sind die Naturen minderen Ranges (φαύλος nicht immer mit „schlecht" zu übersetzen), bei denen es zum Zusammenschluß auf der Basis der Lust oder des Nutzens k o m m t . 176.5 „ m a n spricht": I 3, 1095b32-33; 9, 1098b31-1099a3; X 6, 1176a34-b2. In X Bezugnahme auf I 3 und 9. An allen drei Stellen auch die Versinnlidhung des Begriffe der Latenz durch das Schlafmotiv. Auch dies ein Teil der Brücke von I zu X . 176.6 „Vergessenheit". Das ist nicht nur praktische Lebenserfahrung, sondern dahinter steckt auch die arist. Vorstellung des συνεχώς ένεογεϊν, die ebenfalls I und X v e r k n ü p f t . Kontinuierliche Aktualität gibt es nur bei der „energeia" der Tugend. Die F. aber ist nur αρετή τις, wie wir als erstes in V I I I gehört haben. Die Klimax der dem Menschen vergönnten kontinuierlichen „energeia" ist bei Ar.: a) bei speziellen wissenschaftlichen Kenntnissen (da ist Vergessen möglich — Examenswissen). b) bei den ethischen Tugenden (da gibt es kein Vergessen; die Steigerung ist darin begründet, daß a) nur Aktivierung einer menschlichen Teilkraft bedeutet, b) dagegen die Gesamtnatur erfaßt, Intellekt und Charakter), c) bei der höchsten geistigen Funktion, der des Nus, weil dieser unser eigentliches Selbst ist. a, b, c: I 11, 1 1 0 0 b l 2 - 1 7 und X 7 , 1 1 7 7 a l 9 - 2 5 + 1178a6-7. 176.7 „ h e i ß t es". Autor unbekannt, auch den griech. Komm. Nach Plutarch zerstört die Unmöglichkeit Konversation zu machen - weil zu viel Gäste da sind - ein Symposion. Eher, meint er, könne man den Wein wegnehmen als die κοινωνία λόγου : Quaest. conviv. 679 a. 176.8 „alte L e u t e " . Energeia, das Thema von K a p . 6, involviert, nach V I I , das Thema der Lust. W e n n n u n Ar. zum zweitenmal die F. der alten Leute analysiert, so entsteht keine Dublette und auch kein Widerspruch zu Kap. 3 (1156 a 24-30), wo in der kleinen Bemerkung: „ u n t e r U m s t ä n d e n finden sie sich nicht einmal angenehm" auf das 6. vorgedeutet wird. D o r t : alte Leute schließen N u t z - F . ; hier: alte Leute gehen keine F . ein. Damit ist, wie der nächste Satz zeigt, Lust-F. gemeint. D o r t : N u t z - F . hört leicht a u f ; hier: Lust-F. fangen sie gar nicht erst an. Dort waren zusammengestellt alte Leute und jüngere, die — was an sich nicht zur Jugend p a ß t (Rhetorik !) — auf Nutzen aus sind ; hier : alte Leute und solche, f ü r die es einen speziellen Namen gibt: στρυφνοί (aus der Komödie; ein Griesgram in der Kyrupädie: 2, 2,11), also Menschen ohne Charme und Nettigkeit. Nun der Gedanke 1157b 14-24: Luststreben ist Naturgesetz. W e n n zwei Partner voneinander Lust haben wollen, müssen sie sich angenehm sein und an) Gleichen Freude haben. Alte Leute haben keinen Charme; da aber natürlich auch sie noch Lust haben wollen, diese aber nicht finden können, sind sie von vornherein nicht freundschaftsfreudig (φιλικοί). Man sieht: nach dem Dichterzitat wird nicht etwa in „zwangloser" Gedankenf ü h r u n g der Topos von den alten Leuten eingeführt, sondern es ist eine konsequente
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Anmerkungen
Entfaltung vom ,,energeia"-Begriff aus, von der Aktualität des Zusammenlebens· Zugleich ist in Kap. 6 eine Wertreduktion der Lust-F. erreicht. 177.1
„Ich". Darüber in X. Zugleich Rückblick auf I 5, 1097 b 9 und 9, 1099 b 4.
177.2 „Kameradschaft". Darüber 1161a2S. b l 2 , 35. 1162al0 und X 10, 1171al4. Wegen der andeutenden Kürze (diese auch in EE) hat Ramsauer dies ebenso für eine Interpolation gehalten wie die Andeutung der Gastfreundschaft. Dazu bei VIII 14. 177.3 „gesagt": 1156b7. 24. 34; U57a30. b4. - Kap. 7 (1157b25-58a36) hat in den anderen Ethiken keine Entsprechung. Burnet druckt zu 1157 b 25 als Parallele E E 1238a 11-29; zu 1108al E E 1238a30-bl4. Beides ist nicht zu rechtfertigen, außer man beschränkt sich auf die Ähnlichkeit des einen oder anderen Teilstückchens. Zu dem Kern des 7. Kap. gibt es keine Parallele. Was aber ist dieser Kern? Im Susemihltext ist viermal der „Gedankenstrich" gesetzt, d. h. er sieht da keinen rechten Znsammenhang. Verfolgen wir also den Ablauf der Gedanken. Das Oberthema des 7. Kap. ist, den Rang der vollkommenen F. von immer wieder anderen Seiten herauszuarbeiten. A) 1157b25-58al : Im 6. Kap. war sie durch Einführung des ,,energeia"-Begriffs naher an den Tugendbegriff herangebracht worden (das άρετή τις des 1. Kap. wirkt dauernd nach). Jetzt geschieht dasselbe durch Einführung der Begriffe Ιξις und άγαάύν. Dem Tugendcharakter steht entgegen der Begriff des πάφος; also muß dieser diskutiert werden und zwar zum Zwecke der Eliminierung. Das geschieht nicht mit neuen Argumenten, sondern nach I I 4, 1106 a 2-6 : πά&ος ist χίνησις, φιλία aber ist nicht φίληαις, nicht κίνηαις, nicht πά&ος, sondern ein ίιαχεϊαΰαι (1106a6), also διά&εσις, Ιξις. Das ist untrennbar verbunden mit προαίρεσις, Entscheidung für wirklichen Wert. Aber auch der für die Tugend wesentliche Begriff der βούλησις spielt herein. Diese ist nicht identisch mit ίΐροαίρεσις, aber nahe verwandt (III 4, U l i b20). Nun, die βούλησις ist bei der F. auf das Wohl nicht der eigenen Person, sondern primär des Freundes gerichtet. Eine solche Haltung aber ist nicht πά&ος. Da der Freund, wie sich später zeigen wird, ein zweites Ich ist, richtet sich die βούληαις zweitens auch auf uns selbst. Das Ergreifen eines solchen Wertes (bei der vollkommenen F. ist der Freund ja άγηόός) ist aber Ergreifen eines wirklichen Gutes. Und dies kann wiederum nicht auf der Basis des πά&ος erfolgen, sondern nur von der ίξις her. B) 1158 a 1-10. Aus πάόος kann aber, da es auf das Angenehme gerichtet ist, immerhin F. werden (1158al8) - wenn es überhaupt vorhanden ist. Aber in den alten Leuten ist es nicht vorhanden. Nun sehen wir — das Verbum γίνεται, dreimal in diesem Abschnitt gebraucht, deutet es ebenfalls an - : hinter φίληαις steckt, wie die Wortbildung allein schon anzeigt, γένεσις. Und von der γένεσις her werden nun die alten Leute betrachtet. Im 6. Kap. war die Perspektive: sie sind keine angenehmen. Streben erzeugenden Objekte (das ήδύ ist nicht i n ihnen); jetzt: sie sind keine „fühlenden" Subjekte. Es kommt zu keiner γένεσις der F., weil das ποιητιχόν φιλίας fehlt, das, was das Entstehen von F. anregen könnte, nämlich eben das πά&ος, welches Vorstufe zur ίξις ist. Und obwohl auch in alten Leuten der Wille zum Helfen ist (1158a8) — wir dürfen gewiß ergänzen: obwohl es durchaus möglich ist, daß die Partner „ g u t " sind — vollkommene F. ist das nicht, weil die Freude fehlt (man kann es in den Bürgerspitälern studieren). Ç) 1158 a 10-18. Der Eingang des Abschnitts (πολλοί) sieht so aus als wolle Ar. jetzt das Thema der πολνφιλία behandeln. Wenn dies wirklich das Hauptthema wäre,
Vili 6-7
519
könnte m a s «agen : was soll das hier? Aber At. braucht den Topos (den er später behandeln wird) um etwas durchaus hierher Gehöriges zu demonstrieren. Er will nämlich das πάόος wieder von einer neuen Seite her eliminieren. Die vollkommene F. kann keinen πάβος-Charakter haben. Das kommt am besten heraus durch einen Blick auf die „übersteigerte" F., den Eros, bei dem es keine Pluralität der Objekte gibt. Um wie viel weniger bei der nd#o{-fieien F. ! D) Es ist konsequent im Sinne der arist. Lustlehre von VII, wenn er nun die Lust-F. doch über die Nutz-F. erhebt und sie der vollkommenen F. wenigstens annähert, ja sie zum Ingrediens der vollkommenen erklärt. Und auch ohne diesen Bezug zum vollkommenen Leben der vollkommenen Freunde wird sie ähnlich der obersten F. dem Tugendcharakter angenähert, weil „etwas Großzügiges" bei der Lust-F. in Erscheinung tritt: das ist die έλενύεριότης von IV 1-3. E) Und schlieBlich zeigt sich an einem historischen Beispiel das Überragende der vollkommenen F. Nur in den sittlich Guten und in deren F. fallen das Gute, das Lustvolle und das Nützliche zusammen. Die Tyrannen aber (diese sind nach Aspas. 174,18 gemeint), scheitern in ihren Freundschaften daran, daß dieses Zusammenfallen selten ist. Sie bieten also das Zerrbild der echten F., indem sie zwei getrennte Kreise um sich scharen: 1) angenehme (noch einmal X 6, 1176b 13-16), 2) nützliche Leute. - Einzelnes: 177.4 „Gleichheit". Ein „alter Spruch" nach Leges 757 a 5. Auch E E VII 6,1240 b 2 ; EN V i l i 10, l l S 9 b 2 ; 1 X 8 , 1 1 6 8 b 8 . Nach Diog. L. 8, 1, 10 von Pythagoras (ah Quelle dort bezeichnet: Timaios, der Historiker). 177.5 „bei ältlichen". Eine feine Beobachtung von Victorius, daß Ar. hier πρεαβντιχός sagt, nicht das πρεσβύτης von 1157 b 14 wiederholt. Dort kommt es auf die Jahre an, hier auf die Fähigkeit des „Gefühlslebens" und hier war es am Platze zu sagen, daß es auch jüngere Menschen gibt, die ältlich und grämlich wirken. - Der erste übrigens, der in den Fehler verfiel, hier eine Dublette zu Kap. 6 zu sehen, war Aspas. 173, 5. 178.1 „Idee". Grant: „Wenn Ar. eines Spaßes fähig gewesen wäre, dann dürften wir ihn aus dieser Stelle heraushören". Burnet: „Ich verstehe den Zweifel von G. nicht; Ar. t u t sich z w a r s c h w e r mit dem Spaß machen, aber über eine kleine Neckerei war er nicht erhaben - wenn es der Akademie galt". Bemerkenswert für Burnet, der doch das Porträt des Hochsinnigen als half-ironical empfunden hatte. Sollen wir hier Aspasios zum Schiederichter machen? „Was ist αυτό τό àyaâôv anderes als die Eudaimonia?" (174, 4). Aufgefallen ist ihm der Ausdruck, sonst hätte er sich nicht ausdrücklich die Frage gestellt, was damit gemeint ist. Aber vielleicht wollte er die respektlose Äußerung des Schülers über die Lehre des Meisters weginterpretieren. Gefühlsmäßig gibt man Burnet recht. Des Gefühles aber enthebt uns Ar. selbst. An. post. I 22, 83 a 33: „Die Ideen mögen dahinfahren! Sie sind Grillengezirp" (τερετίσματα). 178.2 „hochgestellte". Der Ausdruck = 1 3, 1095 b 21. Burnet denkt an die Erfahrungen des Ar. am makedonischen Hof; mag sein, aber der Tyrann und seine Umgebung war schon länget Topos geworden. Das Motiv in den Scblußteil von X eingebaut (6, 1176b 12-16). 179,1 ,,iiber ihm". Dion und Piaton versuchten es mit dem jungen Dionysios; sie scheiterten (VII. Brief).
520
Anmerkungen
179.2 „Proportion". Sehr elegant gewinnt Ar. durch die Einführung der seit I I (5, 1106a34) und V (passim, ζ. Β. 7,1132b4) nicht mehr gehörten Begriffe ύπερέχειν und ύπερέχεσόαι den Übergang zum 8. Kap. 179.3 „Jedenfalls". Inhalt des 8. Kap. : Rückblick und Neues zugleich (Ισότης). Zunächst der Rückblick 1158b 1-11, dann abgehoben von Ιοότης: die F., bei der die Partner ungleich sind: 1158bll-28. Entsprechungen: 1158b 1-4 : E E 1238b 15-17 : MM 1211b4~8 b 11-28 : E E 1238b 18-30 : MM 1211b8-17 + 1239 a 6-12 Zusammenfassung: VIII 15,1162a34-36. 179.4
„festgestellt": 1156al6-24. 1157a20-33.
179.5 „Überlegenheit" (ύπεροχή). Wörtlich „ F . gemäß einem Überschuß". Leute, die êv νπεροχΑ sind, haben einen Überschuß an Wert (ζ. B. Reichtum) gegenüber anderen, sie sind „Prominente" (IV 8, 1124 a 22). Der Ausdruck zum erstenmal I 6, 1098 a 11, wo man sieht, daß er aus der Arithmetik stammt. Das können wir in der Übs. nicht ausdrücken und müssen daher eine Ungenauigkeit in Kauf nehmen, weil wir bei „Überlegenheit" gewiß nicht an Addition denken. Wir betreten damit wieder die Sphäre des Rechnerischen (V) und Burnet stellt mit Recht in Parallele : F. unter Gleichen: διορΰωτιχόν δίκαιον·, F. unter Ungleichen: διανεμητικύν δίκαιον. Und so werden in VIII die Freundschafteformen zwischen Vater-Sohn, Mann-Frau behandelt wie in V die Rechtsverhältnisse zwischen ihnen behandelt worden waren (παχρικόν und οίχονομιχόν δίκαιον, 1134b9, 17), und wie in Pol. I 13 die Tugenden differenziert worden waren nach dem Gesichtspunkt: gebietend - gehorchend. Natürlich ist ein wesentlicher Unterschied zu V der, daß das Austauschen der Freundschaftsleistungen von etwas Irrationalem durchwoben ist: dem Affekt. — Walzer 227 unterscheidet gut: eine „horizontale Gliederung" der F.-Formen nach den 3 Objekten und eine „vertikale nach dem Gesichtspunkt gleichen oder ungleichen Wertes der Freunde". 179.6 „nicht dasselbe". Im Lys. (207d5f.) i s t es dasselbe. Aber da ist es bedingt durch die dialektische Bewegung des Eingangsteile. 180.1 „Indes". Inhalt des 9. Kap.: a) 1158b29-59al2: Probleme um den Begriff der Gleichheit, b) 1159a 13-33: F. ist eher φιλεϊν als φιλείσ&αι. Entsprechungen : EN 1158 b 29-35 : EE : MM EN 1158b35-59a5 : E E 1239al9 : MM 1208b26-35 EN 1159a5-12 :EE: MMEN 1159 a 13-33 : E E 1239a21-b2 : MM 1210b3-20. 180.2 „aber". Ich bin nicht sicher, ob man aus diesem Satz ablesen kann, wie Walzer 227 es tut, daß die Beziehung der F. zu Recht und Gerechtigkeit sich offenbar „zu lockern" beginne — gemeint ist, sie sei nicht mehr so eng wie in der EE. Jedenfalls offenbart dieses „aber" eine große Einsicht in den besonderen Charakter der Beziehung von Mensch zu Mensch. S. Burnet 376. Der folgende Satz: „dies tritt klar hervor" scheint unmittelbare Lebenserfahrung wiederzugeben, aber das darauf folgende Beispiel „ G o t t " zeigt voraufgegangene Schuldebatte, was durch MM 1208 b 26-35 und E E 1239 a 19 bewiesen wird. 180.3
„bei den Göttern". Diesen Satz (zusammen mit 59 a 5, ούχέτι) hat Walzer
V i l i 7-9
521
227 entwicklungsgeschichtlich interpretiert. Die NE denke „weniger zuversichtlich" über die Möglichkeit einer Freundschaft mit Göttern als die E E (1238b 18+27). Das überzeugt nicht; denn 1) lehnt die E E ausdrücklich ab, daß Gott einen Freund brauche (VII 12, 1244b8 und 1245bl4), und es ist auch so ohne weiteres klar, daß ein Grieche nicht die Vermessenheit haben konnte zu sagen: ich liebe Gott und er liebt mich. Der Weise ist θεοφιλής (EN X 9, 1179a24). Aber dies ist ausschließlich von Gott her gesehen und hat mit einem wechselseitigen Verhältnis p. a. zu einer Beziehung von Mensch zu Mensch nichts zu tun. Es ist von der Basis der piaton. όμοίωσις ΰεφ her gesehen und Ar. »teilt sich da auf den gleichen Standpunkt wie Piaton in den Nomoi (716cl-d3, darüber Näheres in Χ), φιλά&εος in der Rhet. (II 17, 1391b 2) bedeutet nicht mehr als εύσεβής (oder δεισιδαίμων, im Sinne Xenophone, nicht des Theophrast): Leute, die Erfolg, Glück im Leben haben, werden im allgemeinen arrogant. Doch haben sie wenigstens e i n e n guten Zug: sie sind φιλόΦεοι und Ιχονοι πρός τό &εϊόν πως, und zwar wegen des Erfolgs, den ihnen τύχη geschenkt hat. D. h. aber: der Erfolg stammt von der τύχη, aber man schreibt ihn den Göttern zu und hat dabei eine gewisse religiöse Ergriffenheit. Mehr steckt nicht dahinter. Ar. gibt dort eine rationalistische Interpretation des alten ΰεοφιλής-Begiìffe, dessen Inhalt war: ich bin mit Glück gesegnet und daraus sehe ich, daß die Götter mir gewogen sind. Erst Kyrillos von Alexandrien bildet φιλούεία - aber so denkt der Christ. 2) Was steht in der E E ? a) 1238b 18: „Es gibt noch eine andere Klassifizierung der F.-Formen, nämlich die nach dem Überschuß - „Überschuß" haben wir uns dabei so zu denken wie die Tugend Gottes überschießt über menschliche Tugend - denn dies ist eine andere Art von F . " „Dies" geht nicht auf die Parenthese, sondern auf das, was vor der Parenthese steht, b) 1238b27: „Es wäre lächerlich. Gott mangelnde Gegenliebe vorzuwerfen." Nie würde Ar. sagen: es wäre lächerlich, wenn ein Gehorchender dem Gebietenden mangelnde Gegenliebe vorwerfen wollte. Der Gebrauch von „lächerlich" zeigt eben, daß die anthropomorphe Vorstellung einer wechselseitigen F. mit Gott abstrus ist. Damit aber entfällt praktisch jeder Unterschied zwischen den 3 Ethiken. Das γελοϊον der E E ist dem άτοπον der MM (1208 b 30) gleichwertig. Demgegenüber fällt die Nuance, daß die E E wenigstens noch ein φιλεϊν offenzulassen scheint (ώς φιλείτat, sc. δ &εός, 1238 b 28), während die MM auch dies noch verneinen (oiû' δλως τό φιλεϊν, 1208b30), nicht ins Gewicht. — S. zu 188,4. 180.4 „Götter". Der alte Topos περί άδννάτων. Vielleicht ältestes Beispiel : Alkmans Partheneion 17: „man versuche nicht Aphrodite zu heiraten". E. Dutoit, Le thème de l'adynaton dans la poësie antique, Diss. Fribourg 1936. Noch zu Lebzeiten des Ar. (324) hat Alexander von den Griechen göttliche Ehren verlangt und schon vorher hatte es sich gezeigt, daß der Abstand {διάστημα) zu groß geworden war, als daß ihm noch ein Mensch hätte Freund sein können: es starben Philotas, Parmenion, Kleitos und Kallisthenes; Kall, deshalb, weil er sich weigerte, die Göttlichkeit durch die Proskynese anzuerkennen. Über das hellenistische Gottmenschentum: M. P. Nilsson, Gesch. d. griech. Religion 2, München 1950, 128-146.-J. Fink, Hermes 83, 1955, 502-8. 180.5
„ w a r " : 1155 b 31.
181,1 „für sich selbst". Schon Aspas, glaubte diesen Egoismus entschuldigen zu müssen: Ar. habe das nicht von der höchsten Freundschaftsform gesagt, sondern die sekundären F.-Formen damit gemeint (179, 16-18). Aber er irrt, denn gerade in
522
Anmerktingen
der höchsten F.-Form ist der Freund „alter ego" im höchsten Sinn und die Relation προς έτερον ist aufgehoben. 181.2 „Schmeichler"? E r ist hier von zwei Seiten b e t r a c h t e t : a) vom Überlegenen h e r : dieser wird sich durch die Anwesenheit des Sch. seiner eigenen Überlegenheit bewußt, νπερεχόμενος heißt daher nicht: inferiores Subjekt, b) in seinem eigenständigen Sein: er versucht die ungleiche F . zu einer auf Gleichheit beruhenden zu machen, indem er die mangelnde soziale Gleichstellung durch größeren Affekt auszugleichen sich bemüht. I n der Sprache von V : sein Geschäftsbeitrag besteht, in E r mangelung ζ. E. von Geld, in der Einbringung eines größeren Q u a n t u m s „Liebe". 181.3 „ a b e r " . E r s t jetzt erfolgt die Kritik an der Vorliebe des Durchschnittsmenschen f ü r jene F., wo der P a r t n e r höher steht. Sie wird gegeben mit dem Argument, das in I der rangmäßigen Einordnung des „politischen Lebens" gedient h a t t e (3, 1095 b 26-30): Das Ziel solcher Menschen ist Ehre, diese aber k a n n kein End-Ziel sein, weil sie abhängt vom Ehrenden. Auch in dem F.-Bedürfnis der Vielen ist Ehre kein Endziel, weil über ihr die Erwartung des Nutzens steht. 181.4 „ W o h l t a t " . Man müßte eigentlich einen Doppelausdruck gebrauchen, etwa „ W o h l t a t und Wohlsein"; denn εύπάόεια ist nicht einfach εύεργεσία. Das Wort ist wohl ionisch (Herodot); auch Piaton h a t es, mit großer Anwendungsbreite, ζ. B. Rep. 4 0 4 d 9 + 615a3, Ar. n u r hier und 1171b24. 181.5 „geistig". Auch diese höhere Form der F. ist unvollkommen und wird nach E N I 3 (s. o.) beurteilt. Freude an geistiger Überlegenheit des anderen: das ist etwa die Freude der sizilischen und makedonischen Tyrannen, wenn sie sich einen Aischylos oder Eurípides an den Hof holten u m die Genugtuung zu erleben: ,.Auch das kann ich mir leisten". Bestätigung ethischen Wertes durch ethisch Höherstehende ist davon allerdings verschieden, auch wenn Ar. es nicht ausspricht. Lob und Tadel ist j a ein wesentlicher Faktor auch in seiner Ethik (s. zu 23,1), und wenn der Lobende gar der φρόνιμος ist, dann stehen wir sogar an der Wurzel seiner Ethik. 181.6 „Schenken". Das ist zur Zeit des Ar. nahezu schon eine gemeingriechische Überzeugung. Bei der Analyse der Hochsinnigkeit (IV 7) war die überragende Funktion des aktiven Verhaltens besonders eindrucksvoll herausgearbeitet. Aber bei Ar. k o m m t noch hinzu die Lehre von der „energeia". Freund-sein heißt von der verfestigten Haltung der Philia her - nicht F.-Beweise genießen, sondern selbst verwirklichen. 181.7 „ M ü t t e r " . I n beiden Ethiken (EN 1161b27. 6 6 a 5 . 9. 6 8 a 2 S ; E E 1235a33. 40 a 35. 41b 5-9. 45 b 30) schöne Beobachtungen über Mutterliebe. In der E E noch differenzierter : der Mutter wäre es sogar am ehesten zuzutrauen, daß sie ihrem Sohne (Alkmene-Herakles) wünscht, er möge ein Gott werden, um vor Unglück bewahrt zu sein - obwohl dadurch das Höchste aufgehoben würde, nämlich die Gemeinschaft mit dem Kinde ( E E 1245b29-31; s. zu 180,3). Aus dem Schweigen Piatons über seine Mutter schließt Wilamowitz, Platon 1, 37 folgendes: „Von den Eltern spürt man nichts bei i h m ; auch nicht die leiseste Hindeutung auf ein herzliches Verhältnis zu der Mutter, so daß es scheint, als h ä t t e schon der Kindheit Piatons jedes weibliche Element gefehlt" usw. Demnach müßte Ar. sehr ' viel Mutterliebe erfahren haben. Beide Schlüsse sind falsch. Es ist eine unmögliche Vorstellung, daß der Epiker Piaton so weit ins Persönliche, Vergängliche - hier m u ß man schon sagen
V i l i 9-10
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herabgestiegen sein sollte, daß er irgendwo, direkt oder andeutend, seiner Mutter ein Denkmal setzte (auf Epistel 13, 361 e einzugehen bestellt kein Anlaß). Dieser Schluß ist genau so zwingend wie der: weil er im Staat die entscheidende Wende bei den obersten Wächtern auf das 50. Jahr festsetzte, müsse er, als er dies schrieb, SO Jahre alt gewesen sein. Ar. aber ist hier einfach Empiriker (auf die literar. Gestaltung des Topos „Mutterliebe" kann ich nicht eingehen): er und Piaton haben bezüglich Mann und Frau „Differentialpsychologie" getrieben; daher bei Ar. (1161 b27. 68 a 25): die Mutter kinderliebender als der Vater (s. auch Hist. an. IX 1, 608a21-b 18). 181.8 „Da nun". Inhalt von Kap. 10: a) 1159a33-bl2: F. der gleichen Guten davon abgehoben die der gleichen Minderwertigen, b) 1159 b 12-23: nachdem durch a) die bisher alles beherrschende These: F. = F. der Gleichen zusammengefaßt ist, kann jetzt, unter Rückgriff auf 1155a35 die F. der Gegensätzlichen charakterisiert werden. Entsprechung: EE 1239b6-40a4. (Wenn bei Apelt zu 1159bl notiert ist: „Isqq. - MM 1211a6sqq.", so ist dies einfach unzutreffend; es verbleibt der Rekurs auf einen Druckfehler). 181.9 „preist". Hier ist zum erstenmal im Sinne der Lehre von den eth. Tugenden gesagt: φιλεϊν = ένεργείν — Wirken von einer festen Haltung her. Nicht jedes Wirken und nicht jede feste Haltung ist aber „Tugend", sondern nur dann, wenn sie uns zum Lob veranlassen, nach I 12, 1101b31 und 13, 1103a9. Nachdem wir aber nicht den loben, der sich lieben laßt, sondern den, der liebt, so ist hiermit das aktive Lieben als „Tugend" der Freunde erwiesen. 182.1 „Unrechtes". Für den Freund gilt dasselbe wie für den Gerechten: er fügt in keinem Fall Schaden zu (Rep. 335 e 5). Er tate es aber (von der Tagend her gesehen), wenn er ζ. B. den Freund bei einem unrechten Beginnen unterstützte, anstatt zu widerraten; dies hatte ja zur Folge, daß der Freund „an der Seele" Schaden nBhme. 182.2 „sich selbst gleich". Ein Gedanke Piatons, ζ. B. Rep. 554d9: oint άατασίαστος έ» έαντφ; er ist nicht ein εϊς, sondern διπλούς. 182.3 „Aus Gegensätzen" : über die Einfügung des neuen Themas und die Art der Behandlung, verglichen mit der EE, Walzer 253 unten und 254. - Lys. 215c3-216b9. 182.4 „Das Mittlere44. Auch wenn diese Formulierung an die Tugendlehre erinnert (II 5, 1106 b 8-16), so beabsichtigt Ar. deswegen doch nicht die F. der Gegensatzlichen zur „Tugend44 zu erheben. Die ¿vaprfov-These des Lysis bleibt doxa. 182.5 „Diese Dinge44. Bezieht sich nur auf die Beispiele aus der Natur, die auf dieselbe Weise verabschiedet werden wie im 2. Kap. (1155 b 8). Warum nennt sie dann Ar., wo er doch gar nichts damit anfangen will? Ist das eine Dublette? Wir müssen etwas weiter ausholen und den Lysis einbeziehen. Bereits Piaton, nicht erst Ar., gibt die physikalischen Thesen als λεγόμενα; genau: nur die These vom Gegensatzlichen, aber das ist wohl rein künstlerisch zu bewerten: er wollte nicht zweimal das Gleiche sagen. Daß Piaton wirklich diesen Teil der F.-Spekulation etwa schon als Buch eines Anonymus (Archelaos?) vor sich gehabt habe, wird man nicht behaupten, wird man vor allem nicht beweisen können. Wenn Sokrates sich hinter einen Gewahrsmann (215c4) versteckt, so ist darin das bekannte wirkungsvolle Darstellungsmittel Piatons (Diotima!) zu sehen. Das heißt: aus Einzelstücken der Überlieferung
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Anmerkungen
(Heeiod, Euripides usw.) h a t erstmals Platon ein Ganzes gemacht. Damit war eine feste Form geschaffen. An diese hält sich Ar., das beweist die Fülle der Übereinstimmungen. £ r schafft die Zusammenstellung der Elemente nicht neu. Aber er variiert und leistet somit ganz im Sinne der Tradition sein darstellerisches Werk, indem er an der einmal geprägten Form festhält, aber noch etwas dazutut (z. B. Zitate : Empedokles, Heraklit) und an der Reihenfolge ändert. Das mag ein Schema zeigen ( „ G l " bedeutet die These: F. = Gleich zu Gleich; , , G s " : F. = Gegensätzliches zu Gegensätzlichem): A) Lysis: 1) Gl-These a) menschliche Beispiele (Homer) b) physikalische Beispiele 2) Gs-These a) menschliche Beispiele (Hesiod) b) physikalische Beispiele (trocken, feucht usw.) B) Ar.:
1) Gl-These a) menschliche Beispiele (Homer) 2) Gs-These . a) menschliche Beispiele (Hesiod) b) physikalische Beispiele (Eur., trocken - feucht usw.) 1') Gl-These b) physikalisches Beispiel (Emp.)
Verabschiedet wird, zum mindesten der Wirkung nach, sofort Gruppe l ' b (άφεία&ω). Die Gl-These setzt sich so durch, daß in den langen Erörterungen Empedokles etc. überhaupt nicht mehr auftaucht. Aber es fehlt noch die Verabschiedung der Gruppe 2 b . Diese erfolgt jetzt, 1159b24 (άφείσ&ω), indem das Beispiel „trocken-feucht" nochmals ins Bewußtsein gehoben wird. Dabei verrät sich noch einmal die Nachwirkung des Lysis, denn im 2. K a p . h a t t e Ar., von Heraklit abgesehen, nur von dem Gegensatz „trocken-feucht" gesprochen. J e t z t f ü g t er noch bei: „heiß-kalt". Das aber ist genau die Reihenfolge im Lys. (215 e 5), u n d auch der drei weiteren Gegensatzpaare des Lys. gedenkt er noch mit τοις άλλοις ομοίως. — W e n n ich recht sehe, sieht m a n in der Ausschaltung physikalischer Betrachtungsweise aus der E t h i k die besondere Leistung des Ar. (ζ. B. Walzer 110), sein Methodenbewußtsein. Das ist aber nicht richtig. So wie Piaton im Phaed. (in der berühmten Entwicklungsgeschichte ab 96 a 6) mit großer Ironie die Naturphilosophie systematisch ausschaltet, t u t er es auch schon im Lysis. Ich sehe keinen Unterschied zwischen der Art und Weise, wie im Lys. die Schriften der „Weisesten" eingeführt werden zu der Art und Weise, wie er im Phaed. den Anaxagoras einführt (97 b 8). Aber noch belehrender ist die zweite Einführung der naturphilosophischen Weisheit im Lys. ( 2 1 5 e l ) : „ J a " , sagt Sokrates, „sogar noch weiter ging mein Gewährsmann an den Logos heran, prächtiger noch: nicht Gleiches befreunde sich, sondern Gegensätzliches, denn es verlange das Trockene nach dem F e u c h t e n " usw. I n „prächtiger" steckt dieselbe Distanzierung wie in dem άνώτερον des Ar. Übrigens wird durch das zweite άφείσάω des Ar. der ganze Komplex vom 2. bis zum 11. K a p . zur Einheit zusammengeschlossen und es beginnt eine nene Einheit, K a p . 11—14: F . innerhalb anderer Gemeinschafteformen (χοινωνίαι), besonders innerhalb der Polis.
V i l i 10-11
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182.6 „eingangs": U55a22-28. Inhalt des 11. Kap.: a) 1159b2S-60a8: Sphäre der F.;Sphäre von Recht und Unrecht, b) 1160 a 8-30: die Gemeinschaftsfonnen Teile der Polis. - Entsprechungen: EN 1159b25-60a8 : E E 1241bl2-17 : MM 1211a6-12 EN 1160a8-60a30 : E E 1241b24-26: 182.7
„ein Recht": Rep. 351b7-9, c7-10, d4-6.
182.8 „Kriegsgefährten": Isaios 6 , 1 : „Als Ch. nach Sizilien fuhr, da war ich mir klar über die kommenden Gefahren. Trotzdem fuhr ich mit und teilte Unglück und Kriegsgefangenschaft. Ich sah in ihm eben meinen Freund". Thucyd. 1, 60, 2. Isaios 9, 3; 7, 8. 182.9 „Sprichwort". Hauptquelle: Scholion zu Lys. 207c 10 (G. Ch. Greene, Scholia Platonica, Haverford 1938, 120). Soll aus der Gemeinde des Pythagoras stammen. 188.1 „die anderen": Burnet vermutet implicite Kritik an Piatons „Kommuniemus" im Staat. 183.2 „Nutzen". Die Entstehung des Staates war, als Ar. dies vortrug, schon längst diskutiert. Um von noch früheren Theorien abzusehen: Piaton jedenfalls und Ar. selbst hatten den Staat aus der mangelnden Autarkie des einzelnen, also aus dem „Bedürfnis" (χρεία) erwachsen lassen: Rep. 369cl0, Pol. 12, 1252b29. Die eben bezeichnete Stelle der Pol. lautet nun: „Der Staat e n t s t e h t aus dem Bedürfnis des bloßen Lebens, er b e s t e h t aber, damit ein gutes Leben erreicht werde (γινομένηοΰσα τον ε$ ζην). Was „ g u t " hier bedeutet, ist schwierig zu präzisieren, weil „ g u t " doppeldeutig ist (s. zu 7, 4). Aber selbst wenn man substituiert: er besteht, damit ein Leben der άρετή erreicht werde, ist man nicht berechtigt zu fordern, Ar. hätte hier in der NE sagen müssen: „Der Staat hat sich gebildet um des Nutzens willen u n d wegen des εΰ ζην. Die folgenden Beispiele zeigen, daß Ar. im Augenblick nichts anderes (s. u. zu 183, 7) im Sinne hatte als das unmittelbare Gemeinwohl, nicht die Erweiterung zu höheren Lebensformen. Außerdem ist der Begriff συμφέρον weit, jedenfalls so weit, daß Ar. nicht befürchten mußte, von den Hörern so verstanden zu werden als habe er eine nackte Utilitäts-Doktrin verkündet. 188.3 „Ziel": V 3,1129b 14-15: „Die Gesetze treffen Bestimmungen über den ganzen Lebenebereich. Ihr Ziel (στοχαζόμενοί) dabei ist das Gemeinwohl". 183.4 „die anderen": die neben der staatlichen, umfassenden Gemeinschaft bestehenden. 183.5 „Gelderwerb": έργααία, nicht κτήαις. Lieblingswort Piatons, ζ. B. Protag. 353d8: i. ήδονης. 188.6 „Kult-, Schmaus-" R E VI, 1909, „Eranos" (Ziebarth); E. Ziebarth, Das griech. Vereinswesen, Leipzig 1896; F. Poland, Geschichte d. griech. Vereinswesens, Leipzig 1909. - R E X X , 1941, „Phyle" (Latte), bes. S. 1009-1011. - R E IV A, „Synodos" Nr. 2 (Poland). - Weiterhin: M. San Nicolò, Ägypt. Vereinswesen z. Zeit d. Ptolemäer u. Römer I, 1913, I I 1, 1915; M. P. Nilsson, Gesch. d. gr. Rei. I 672. 765. I I 111-113. 188.7 „alle diese". Oben (zu 183,2) hatte man das nach der Politik geforderte εδ ζην vermißt. Jetzt zeigt sich der Grund, warum Ar. zunächst nur vom Nützlichen
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Anmerkungen
spricht. Der ganse Abschnitt (1160 a 9-30) ist an der auch bisher verwandten Einteilung orientiert: a) nützlich, b) lustvoll. - Dieselbe Einteilung gibt den beiden ersten Kap. von Met. I ihre Spannung. Dort heißt das Begriffspaar: a) τα άναγχαϊα, b) r d πρός όιαγωγήν. Erst nachdem beides vorhanden war, „suchte man die Philosophie" (I 2, 982 b 22) und -deren oberster Rang ergibt sich daraus, daß bei ihr das Moment der χρεία gänzlich wegfällt; „denn sie allein besteht u m ihrer selbst willen". Vom Nützlichen handelt 1160a9-18; vom Angenehmen 1160a 19-30. Weil Burnet dies nicht sah, h a t er gerade Jen entscheidenden Satz athetiert (60a21-23, ßlov)', gerade in diesem vollzieht sich j a die Erweiterung des Staates zur höheren Form: nichr nur Nutzen des Augenblicks (zu παρόν: VII 4, 1146b23), sondern εΰ ζην, Förderung der Gesamtheit des Lebens; dafür ist ήδονή unerläßlich (VII 14, 1153 b 14-17), weshalb auchThukyd. die athenischen Wettspiele und Opfer, die sich durch das ganze J a h r hinziehen, besonders preist (2, 38). Im Rückblick auf Pol. 1252b29 (zu 183,2) verstehen wir, daß cd ζην nicht unter dem speziell ethischen Aspekt gesehen ist, sondern so wie I 6, 1098a 1 2 , 1 4 . 1 5 ; die volle Entfaltung der in einem Wesen liegenden Möglichkeiten (s. auch Pol. I I I 9, 1280a31-34). - Syntaktisch: 60a21 näaai - 23 ßlov ist Parenthese; ποιοϋντες seit Fritzsche, Burnet geklärt. Zu TAP xotvòv ßlov ώφελεΐν: E. Skard, Symb. Osi. 27, 1949, 11. 184.1 „drei Arten" usw. Inhalt des 12. Kap. Seit Kap. 11 ist das Thema: F. in den verschiedenen Gemeinschafteformen. Ihre genauere Behandlung: Kap. 13-14. Zuvor müssen die Staateformen betrachtet werden: Kap. 12. Dieses ist dreigeteilt: a) 116031-b9: statische Betrachtung, b) 1 1 6 0 b l 0 - 2 2 : entwicklungstheoretieche Betrachtung (Verschlechterung), c) 1160b22-61a6: analoge „Verfassungs"-Formen in der Familie. - Entsprechungen: E E 1241b33-40. 1241b27-32. 1241al-18. Eine grundsätzliche Behandlung der platon.-ariet. Lehre von den Verfaseangsformen kann hier nicht gegeben werden; auch die Frage, welche Ar. für die beste gehalten habe, muß ausscheiden, sowie der Versuch, etwa das zeitliche Verhältnis der Darstellung in der Ethik zu der in der Politik zu bestimmen. Hauptquellen: Rep. 338d7. 445c9-e3. 449a 1 - 5 ; dann V I I I und I X , 1-6 = 571 a l - 5 8 0 c 4 ; Polit. 2 9 1 d l - 2 9 2 a 8 . 2£>3e2-5; Leges 680d7-681d9. 683a7. 6 9 3 d 2 - 6 9 4 a l . 712 c 2-5; Ar. Pol. I I I 6-7, IV 2-11 ; Rhet. 1 8 . - F. und Gerechtigkeit in den 3 Ethiken: Walzer 255-260. 184.2 „Abarten" (παρεκβάσεις). Platon scheidet richtige und verfehlte Verfassungen (Rep. 449a3: ήμαρτημέναι). Von Stewart II 307 und Burnet ist nachgewiesen, daß der Ausdruck „von der Musik" genommen ist. Man muß richtiger sagen: Ar. hat ihn a u c h auf die Musik angewendet (gewisse Harmonien entsprechen der Natur, andere sind Entartungen); denn d a ß er ursprünglich in ethischer Sphäre seine Funktion hatte, ist gewiß: Hesiod Erga 226 (gerades Recht und παρεχβαίνειν τον δικαίου sind kontrastiert). So EN I I 9, 1109b 19: τον έϋ παρεκβαίνων; Pol. VII 3, 1325b6: της άρετήςπ. Die Anwendung auf Harmonien: E E VII 9, 1241 b28; Pol. IV 3, 1290a 13-29 und VIII 7, 1342a22-28. An letzterer Stelle unterscheidet Ar. zweierlei Theaterbesucher, gebildete und grobschlächtige (Handwerker und Taglöhner). Auch diese sollen Musik haben, Musik, die zu ihrem Wesen paßt. Nun sind aber ihre Seelen, mit der natürlichen Verfassung verglichen, verdreht, verwachsen (Plato, Rep. 495 e 1 : fragmentiert, ganz zerrieben). Darum haben sie ihre Freude an entsprechenden Tönen, die mit dem guten, natürlichen Klang verglichen παρεχβάαεκ
V i l i 11-12
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aind: gellend und „verfärbt" (παραχεχρωσμένα, soc. von, .unnatürlicher Chromstik") : solche Murile sollen sie denn auch bekommen. 184.3 „Timokratie". Burnet macht et. höchst wahrscheinlich, daß Ar. damit, in Abweichung von Rep. 545b6 und 550c 11 die Demokratie als Gemeinschaft der Waffentragenden meint. Dann gehört er selbst zu den „meisten", die diese Form einfach als „Politeia" bezeichnen (Pol. III 7, 1279a39). Ar. spielt aber natürlich an auf den allgemeinen Sprachgebraach, den er selbst an der bezeichneten Stelle tibernimmt: Isoer. 4,125; Demosth. 1, 5; 15, 20 u. a. 184.4 „die schlechteste": gemessen am sittlichen Maßstab, weil umfassende Tugend nur bei wenigen ist und in der waffentragenden Demokratie eigentlich nur die e i n e Massentugend vorkommt: die Tapferkeit. Man sieht, wie die Begriffe ineinandergehen: wenn man diese Demokratie unter dem Gesichtspunkt betrachtet, daß der Reichere einer höheren Kriegerkaste angehört, weil er die Ausrüstung bezahlen kann, dann kann man sie genauso gut Oligarchie oder Timokratie (τιμή = τίμημα --- census) nennen. S. auch 1160b 18: „auch die Timokratie will ihrem Wesen nach Herrschaft der Menge sein". 184.5 „erlöster König". Ein König per accidens. In der Demokratie blieb der Name bewahrt für jenen der 9 erlosten Archonten, der die Beziehung der Polis zn den Göttern, den Kult, als Amt hatte (Kultus-Minister). Ein solcher Mann mußte wenigstens dem Namen nach „König" sein. In Rom: rex sacrorum, rez sacrificulus. Ar. hat wohl Plato, Polit. 290d5-291 a2 (Ramsauer) im Auge: κληρωτός βασιλεύς (291 a l ) ; dieser ist „König und Priester in einer Person". 184.6 „Entwicklung", μετaßabeiv ist der ständige Ausdruck Piatons: Rep. 449b 1. 547 c 5. 9. 550 d 3. 596 c 7 u. a., auch μβταβάλ^ειν Rep. 553 a 7 u. a. Es mag noch einmal ausdrücklich gesagt werden (s. zu 57,3): nicht Ar. ist der „Erfinder" des evolutionistischen Denkens, sondern Piaton. Eine Entwicklungslehre wie er sie in Nomoi I I I vorträgt (Sintfluten und Robinson-artiger Neuanfang) sucht ihresgleichen. Die Wirkung auf Ar. und damit auf Theophrast war gewaltig. Dies ist gezeigt in der klassischen Schrift von J . Bernays, Theophrastos' Schrift über Frömmigkeit, Berlin 1866, 35-52. S. 49: „Für eigentümlich arist. darf nun in der Lehre (nämlich : wiederholter Untergang, wiederholter Anfang) nur die systematische Abrundung und die dogmatische Verwendung angesehen werden; alle einzelnen Sätze fand Ar. für diesen wie für so viele andere Teile seines Lehrgebäudes bei Piaton" (gemeint ist Nomoi I I I ; dazu G. Rohr, Piatons Stellung zur Geschichte, Berlin 1932, 9f. 59f.). - Hier, in der NE, ist auch der Blickpunkt identisch mit dem Piatons: nicht Entwickinngen aus einfachen Urformen, sondern depravatio. 184.7
„grenzen": σύνορος, hoher Stil: Aeschyl. Agam. 495. Auch E E 1241b 16.
184.8 „Am wenigsten" = Pol. IV 2, 1289 b 4 ,wo Ar. auf Plato, Polit. 303a2-b5 anspielt. Man übersieht es am besten in Prächters Schema (Phil. d. Alt. 299). 186.1 „Homer". In der (Pol. I 12, 1259b 13) zitiert Ar. voller: „Vater der Götter und Menschen". Ilias 1, 544 u. a. 186.2 „die Söhne". Griech. Auffassung: der Sohn ist ein Bürger, nur eben άτελής, noch nicht voll dazu entwickelt (Pol. III 5, 1278 a 5). 186.3 „Erbe", ή έπίκληρος (immer fem.) ist die Erbtochter. Die Merkwürdigkeiten des attischen Rechte, über die Thalheim R E VI 1909, 115 bestens orientiert.
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Anmerkungen
führten oft zu Tragikomödien. Daher die Erbtochter oft Gegenstand der K o m ö d i e , z. B . Aristoph. Vesp. 583-589. 186.4 „ B r ü d e r " . Panegyricus auf die brüderliche F . : Xenoph. Cyr. 8, 7, 13-16; Mem. 2, 3 u. a. Aber lange vorher schon Hesiod E r g a 707: „ S t e l l e den Freund nicht dem Bruder gleich!" 185.5 „ s c h w a c h " . Die schwache Demokratie ist ein Motiv aus Plato, Polit. 303 a 4 : κατά πάντα άσ&ενής. 186.6 „ I n j e d e r " . Inhalt des 13. K a p . S. zu K a p . 12 ; im einzelnen : K ö n i g t u m - Vater : Sohn. Aristokratie - Mann : F r a u . Timokratie - Bruder : Bruder. Tyrannis - Mensch : Werkzeug. Demokratie - viele F . - Entsprechungen : E N 1161 a l 0 - 3 0 : - . E N 1161a30 - b l O : E E 1241b 1 7 - 2 4 + 1 2 4 2 a 13-19. 185.7 „ w i e das R e c h t " : V 10, 1 1 3 4 a 2 5 - 3 1 : „ D a s πολιτιχόν δίκαιον ist d a s verbindende Element, wo immer sich Menschen zu gemeinsamer Lebensform mit dem Ziel der Autarkie zusammengeschlossen haben, und zwar freie und gleiche Menschen, wobei die Gleichheit entweder proportional oder rein zahlenmäßig sein kann. Überall, wo dies nicht gegeben ist, d a ist kein verbindendes P o l i s - R e c h t . . " 185.8 „ f a l l s " . Hier ist