Aristoteles Werke: Band 12 Meteorologie über die Welt [2. berichtigte Auflage. Reprint 2022] 9783112612408


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Aristoteles Werke: Band 12 Meteorologie über die Welt [2. berichtigte Auflage. Reprint 2022]
 9783112612408

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ARISTOTELES METEOROLOGIE / Ü B E R DIE WELT

ARISTOTELES WERKE IN DEUTSCHER

ÜBERSETZUNG

HERAUSGEGEBEN

VON

ERNST GRUMACH FORTGEFÜHRT

HELLMUT

VON

FLASHAR

B A N D 12 TEIL I

METEOROLOGIE

T E I L II

Ü B E R DIE W E L T

AKADEMIE

VERLAG 1979

BERLIN

ARISTOTELES METEOROLOGIE ÜBER DIE WELT ÜBERSETZT

VON

HANS STROHM

2. berichtigte A u f l a g e

AKADEMIE-VERLAG 1979

BERLIN

MITTEILUNG AN DIE LESER

Am 5. Oktober 1967 verstarb unerwartet Prof. Ernst Grumach, dessen der Verlag als des Begründers und Herausgebers der Neuübersetzung des Gesamtwertes des Aristoteles dankbar gedenkt. Dem testamentarischen Wunsch Prof. Grumachs entsprechend wird die Reihe nunmehr von Herrn Prof. Dr. Flashar herausgegeben, der den Band 19, Problemata Physica, in dieser Reihe bearbeitet hat und mit mehreren Aufsätzen zu Aristoteles hervorgetreten ist.

Berlin, den 1.11.70

AKADEMIE-VERLAG

DEM ANDENKEN AN E R N S T GRUMACH IN DANKBARKEIT GEWIDMET HANS STROHM

BUCH I

1. Die ersten Ursachen der Natur, die gesamte natürliche Bewegung, 338 a 20 ferner die Ordnung der am Himmel kreisenden Gestirne, dazu Zahl und Art der Elementarkörper sowie ihr Übergang ineinander, auch das allgemeine Werden und Vergehen sind also früher dargestellt. Nun ist 2s 5 von diesem Lehrgang noch das restliche Teilstück zu betrachten, das alle Früheren Meteorologie nannten. E s | umfaßt alle die Geschehnisse, 338 h 20 die sich auf natürliche Weise, dabei jedoch im Vergleich mit dem ersten Elementarkörper unregelmäßiger vollziehen, und zwar besonders in dem der Gestirnsphäre benachbarten R a u m , z. B . Milchstraße, Ko10 meten und die Phänomene, die auf Entzündung, verbunden mit Bewegung, beruhen; dazu alle, die wir der L u f t und dem Wasser als gemeinsame Vorgänge zuschreiben können; sodann noch im Hinblick 25 auf die Erde ihre Teile, ihre Arten und die Eigenschaften dieser Teile; woran sich die Betrachtung der Ursachen von Winden und Erdbeben 15 schließt, | sowie aller mit deren Bewegungsursachen in Zusammenhang 339 > stehenden Phänomene. Teils finden wir für sie keinen Weg zur Erklärung, teils können wir sie einigermaßen in den Griff bekommen. Schließlich haben wir es zu tun mit Blitzschlag, Wirbelwind, Glutwind und all den anderen immer wieder auftretenden Naturerscheinungen, 20 die als Verhaltensweisen der hier beteiligten Elemente auf Verdichtung 5 beruhen. Nach der Darstellung dieses Sachgebiets wollen wir untersuchen, ob sich auf der gegebenen methodischen Grundlage ein Bericht über Tiere und Pflanzen, allgemein und speziell, geben läßt; ist dies nämlich vor25 getragen, so dürfte unser ursprünglicher Plan seine völlige Verwirklichung gefunden haben. Nach dieser Einleitung wollen wir also unser Thema beginnen. 10 2. Nach unseren früheren Definitionen gibt es einen bestimmten Elementarkörper, aus dem die Natur der im Kreise bewegten Massen 30 besteht, ferner, der vier Elementarprinzipien wegen, vier weitere, für die wir eine doppelte Bewegung behaupten, weg vom Mittelpunkt und is hin zum Mittelpunkt. Von diesen vieren — Feuer L u f t Wasser Erde —

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Buch I

ist das sie alle überlagernde Element das Feuer, das die Unterlage bildende die E r d e . E i n diesen entsprechendes Verhältnis haben die beiden anderen zueinander; von ihnen steht nämlich die L u f t dem Feuer a m nächsten, das Wasser der E r d e . Aus diesen Elementen also 2» setzt sich die irdische (sublunare) Welt z u s a m m e n ; die hier a u f t r e t e n d e n P h ä n o m e n e gilt es, wie wir b e h a u p t e n , zu erfassen. Diese Region m u ß mit den Umschwüngen der Gestirne in kontinuierlicher Verbindung stehen, so daß die ganze in ihr vorhandene Fähigkeit zur Bewegung von dorther gesteuert wird. Denn wo der Ursprung der Bewegung f ü r alles ist, dort m u ß m a n sich die erste Ursache denken. Überdies ist 25 das Himmelselement ewig u n d k o m m t in dem R a u m , wo es sich bewegt, nirgends an ein E n d e , sondern ist immerfort vollendet; diese (irdischen) Elemente aber h a b e n jeweils ihre voneinander getrennten, fest b e s t i m m t e n Regionen. F ü r die Vorgänge in ihrem R a u m m u ß m a n also Feuer, E r d e und die v e r w a n d t e n Körper als die materielle Ursache 30 des Werdens b e t r a c h t e n (so nennen wir j a das zugrunde liegende passive Prinzip); dagegen als Ursache im Sinn des Ursprungs der Bewegung h a t m a n die W i r k u n g der ewig bewegten Himmelskörper anzusehen. 3. I n d e m wir also unsere grundlegenden Sätze u n d die f r ü h e r vorgetragenen Definitionen wieder a u f n e h m e n , wollen wir v o n der Er35 scheinung der Milchstraße sprechen, von K o m e t e n u n d den anderen damit v e r w a n d t e n P h ä n o m e n e n . Wir lehren, daß Feuer L u f t Wasser E r d e auseinander entstehen u n d 339b d a ß jedes Element in j e d e m potentiell v o r | h a n d e n ist, wie es auch bei allen sonstigen Dingen mit ein u n d dem selben S u b s t r a t , in das sie sich letztlich auflösen, der Fall ist. N u n k ö n n t e m a n zunächst eine Schwierigkeit finden hinsichtlich der sogenannten L u f t , wie m a n ihre Wesenheit innerhalb der die E r d e 5 umgebenden Welt fassen soll u n d wie sie sich der Lage nach zu den anderen sogenannten Elementen der Körperwelt verhält. Denn was die Masse der E r d e betrifft, so ist es wohlbekannt, wie es damit, im Vergleich m i t den sie umgebenden Massen, s t e h t ; durch astronomische Forschungen wurde es j a bereits augenscheinlich, d a ß sie viel kleiner sogar als einige Gestirne ist. Wasser aber können wir als konzentrierte io Wesenheit f ü r sich nicht sehen, noch ist es möglich, d a ß es abgesondert von seinem rings auf der E r d e gelagerten Element existiert, ich meine die sichtbaren Wasserflächen — wie Meer u n d Flüsse —, aber auch all die Mengen, die in der E r d t i e f e verborgen sein-mögen. Aber eben n u n

Kapitel 2 - 3

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der K ö r p e r zwischen der E r d e und den äußersten Gestirnen, soll er als einheitlich seiner N a t u r nach gelten, oder aus mehreren bestehend, und is wenn es mehrere K ö r p e r sind, wieviele sind es dann, u n d bis wohin reichen die Grenzen ihrer O r t e ? 5

N u n haben wir früher die Eigenart des ersten E l e m e n t s erörtert, sowie die T a t s a c h e , d a ß der gesamte R a u m der Gestirnbewegungen voll v o n diesem K ö r p e r ist. Und diese A n s c h a u u n g hegen nicht nur wir allein, vielmehr scheint dies ein alter Glaube zu sein, der bereits 20 der früheren Menschheit eigen war. Denn schon vor alters h a t der so10 genannte Ä t h e r seinen N a m e n bekommen, den A n a x a g o r a s , wie ich glaube, als gleichbedeutend a u f g e f a ß t h a t mit Feuer. D e n n die obere W e l t , meinte er, sei voll Feuer und jene A l t e n hätten das E l e m e n t dort Ä t h e r genannt. I n diesem P u n k t h a t t e er r e c h t : sie scheinen den ewig 2s 'laufenden' K ö r p e r (theon) zugleich auch als göttlich (theion) auf15 g e f a ß t zu haben und sie legten für ein derartiges Element den N a m e n Ä t h e r fest, u m auszudrücken, daß es mit keinem der Dinge unserer W e l t identisch sei (nach unserer Lehre kehren j a nicht nur ein- oder zweimal oder ein paarmal die gleichen A n s c h a u u n g e n unter den Menschen wieder, sondern unzählige Male). Die aber b e h a u p t e n , reines 30 20 Feuer mache nicht nur die ziehenden Himmelskörper, sondern auch ihre U m g e b u n g aus, zwischen E r d e und Gestirnen aber befinde sich L u f t , hätten wohl nach dem Studium der mathematischen Nachweise, wie sie j e t z t hinreichend vorliegen, diese kindische A n s c h a u u n g aufgegeben; allzu einfältig ist j a die Meinung, jeder der ziehenden K ö r p e r 25 sei v o n geringer Größe, weil es uns, die wir ihn v o n hier aus betrachten, 3S so erscheint. D a s T h e m a wurde bereits in der früheren A b h a n d l u n g über den oberen R a u m b e h a n d e l t ; doch werde die gleiche Überlegung auch j e t z t noch einmal vorgetragen. | W e n n nämlich einerseits die 34» • Zwischenräume voll Feuer wären, andrerseits die Himmelskörper aus 30 Feuer bestünden, wäre es schon längst aus mit j e d e m anderen Element. Jedoch können die Zwischenräume auch nicht allein mit L u f t gefüllt sein; sie dürften dann nämlich das durch die Analogie zu den Elementen der Reihe geforderte Gleichmaß bei weitem überschreiten, s selbst w e n n der R a u m zwischen E r d e und Himmel v o n zwei E l e m e n t e n 35 erfüllt sein sollte. Denn ein bares Nichts, sozusagen, ist der Erdkörper — auf dem doch auch noch die ganze Wassermenge zusammeng e f a ß t ist —im Vergleich mit dem umgebenden All. W i r sehen j e d o c h , d a ß die elementaren Massen keineswegs so bedeutend überschießen, wenn durch Ausscheidung L u f t aus Wasser entsteht oder Feuer aus 10

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Buch I

L u f t ; es m u ß aber doch jede Wassermenge, sei sie noch so klein, zu der aus ihr entstehenden L u f t m e n g e im selben Verhältnis stehen wie die ganze L u f t zur ganzen Wassermasse. D a r a n ä n d e r t sich auch d a n n nichts, wenn m a n b e h a u p t e t , d a ß diese E l e m e n t e nicht auseinander 15 entstehen, d a ß sie jedoch an W i r k u n g s k r a f t gleich seien; denn so ge- s f a ß t steht die Gleichheit der W i r k u n g s k r a f t notwendigerweise mit ihren Massen in Z u s a m m e n h a n g , nicht anders als wenn sie ( L u f t , Wasser, Feuer) auseinander e n t s t ü n d e n . — D a ß also weder L u f t noch Feuer allein den Zwischenraum erfüllen, ist offensichtlich Wir müssen n u n die Diskussion weiterführen und noch darlegen, 10 20 wie die beiden — L u f t u n d Feuer — im Hinblick auf die Lage des ersten Körpers angeordnet sind, u n d weiter, was die Ursache davon ist, d a ß von den Gestirnen im oberen R a u m die W ä r m e z u m irdischen Bereich gelangt. So wollen wir zunächst, wie in Aussicht gestellt, über die L u f t sprechen u n d in diesem Sinn d a n n auch dies letztere T h e m a is behandeln. 25

W e n n also Wasser aus L u f t u n d L u f t aus Wasser e n t s t e h t , w a r u m bilden sich d a n n a m oberen Ort keine Wolken? E s m ü ß t e dies doch u m so mehr der Fall sein, als er erdferner und kälter i s t ; einerseits ist er j a den heißen Gestirnen, andrerseits den Sonnenstrahlen nicht so 20 nahe, die, von der E r d e zurückgeworfen, Wolkenbildung in E r d n ä h e verhindern, indem sie sie durch ihre W ä r m e auflösen. Wolkenansamm30 lungen gibt es nämlich d o i t , wo die Sonnenstrahlen (zu wirken) aufhören, da sie sich ins Weite verlieren. E n t w e d e r also e n t s t e h t Wasser nicht aus jeder L u f t , oder wenn doch aus jeder gleichermaßen, so ist 25 die Schicht r u n d u m die E r d e nicht n u r L u f t , sondern eine A r t von D a m p f ; sie wandelt sich daher (besonders leicht) wieder zu Waster. 35 Falls aber die L u f t in ihrer ganzen großen Masse D a m p f ist, b e k o m m t m a n doch wohl den E i n d r u c k , d a ß die Elemente L u f t u n d Wasser bedeutend überschießen, wenn anders die R ä u m e zwischen den Him- 30 340 b melskörpern einerseits [ von einem Körper erfüllt sind, u n d andrerseits (feststeht): Feuer k a n n dies unmöglich sein, es wäre sonst alles andere v e r b r a n n t ; es bleibt also d a f ü r n u r die L u f t und das ü b e r die gesamte E r d e verteilte Wasser ü b r i g ; D a m p f ist j a Ausscheidung von Wasser. 35 Soweit also die Darlegung der Schwierigkeiten auf diesem Gebiet; was aber unsere eigene Lehre betrifft, so wollen wir mit ihrer Dar5 legung Begriffsbestimmungen verbinden, die sowohl f ü r das noch Vorzutragende wie f ü r das j e t z t Vorgebrachte gelten. Was sich oben, bis

Kapitel 3

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h e r u n t e r z u m M o n d , b e f i n d e t , ist, so b e h a u p t e n wir, ein v o n F e u e r u n d L u f t v e r s c h i e d e n e r K ö r p e r , d o c h h a t er teils reinere, teils weniger u n v e r m i s c h t e Stellen, er weist U n t e r s c h i e d e a u f , u n d z w a r b e s o n d e r s d o r t , w o er gegen die L u f t u n d die die E r d e u m g e b e n d e R a u m o r d n u n g hin 10 5 e n d e t . Zieht n u n das erste E l e m e n t m i t d e n H i m m e l s k ö r p e r n d a r i n i m Kreise, so e n t z ü n d e t sich die jeweils b e n a c h b a r t e Zone der W e l t u n d des K ö r p e r s u n t e r h a l b , i n d e m sie sich infolge des B e w e g u n g s a n s t o ß e s v e r d ü n n t , u n d s c h a f f t die W ä r m e . Zu dieser V o r s t e l l u n g m ü s s e n wir a u c h v o n f o l g e n d e m A u s g a n g s p u n k t gelangen. D e r K ö r p e r u n t e r h a l b 10 des H i m m e l s u m s c h w u n g s stellt g e w i s s e r m a ß e n eine A r t v o n Materie 's d a r u n d ist p o t e n t i e l l w a r m k a l t t r o c k e n f e u c h t (und w a s a n Q u a l i t ä t e n sonst n o c h in diesen Z u s a m m e n h a n g g e h ö r t ) ; V e r w i r k l i c h u n g i m Sinne dieser Q u a l i t ä t e n e r f ä h r t er u n t e r d e m B e w e g u n g s a n s t o ß (bzw. s e i n e m A u s b l e i b e n ) , v o n dessen U r s a c h e u n d U r s p r u n g wir v o r h i n s p r a c h e n . 15 N u n b e f i n d e t sich in der M i t t e u n d u m sie h e r u m a b g e s o n d e r t das 20 S c h w e r s t e u n d K ä l t e s t e , E r d e u n d W a s s e r ; r u n d h e r u m u m sie schließt sich die L u f t a n u n d d a s v o n u n s g e w o h n h e i t s m ä ß i g so g e n a n n t e F e u e r . E s ist a b e r k e i n F e u e r ; ein E x t r e m v o n W ä r m e , g e w i s s e r m a ß e n ein K o c h e n — das n ä m l i c h ist F e u e r . M a n m u ß sich j e d o c h v o n der v o n 20 u n s so g e n a n n t e n L u f t die u m die E r d e gelagerte S c h i c h t als f e u c h t 25 u n d w a r m vorstellen, weil die E r d e W a s s e r d a m p f u n d ( r a u c h a r t i g e ) A u s d ü n s t u n g e n a u s s c h e i d e t , die Schicht d a r ü b e r a b e r b e r e i t s als w a r m u n d t r o c k e n . D e n n W a s s e r d a m p f ist v o n N a t u r f e u c h t u n d w a r m , die A u s d ü n s t u n g w a r m u n d t r o c k e n ; p o t e n t i e l l ist der D a m p f eine A r t 25 v o n W a s s e r , die A u s d ü n s t u n g eine A r t v o n F e u e r . Als U r s a c h e d a f ü r , d a ß sich i m o b e r e n R a u m keine W o l k e n bilden, m ü s s e n wir also an- 30 n e h m e n , d a ß sich in i h m n i c h t allein L u f t , s o n d e r n e h e r eine A r t v o n F e u e r b e f i n d e t . D e r A n n a h m e s t e h t n i c h t s im Wege, d a ß a u c h d u r c h d e n U m s c h w u n g (des H i m m e l s ) im K r e i s e die W o l k e n b i l d u n g i m 30 o b e r e n R a u m v e r h i n d e r t wird. N o t w e n d i g e r w e i s e b e f i n d e t sich j a die g a n z e L u f t r i n g s u m i m S t r ö m e n , soweit sie n i c h t v o n der Kreislinie i n b e g r i f f e n w i r d , die d e n E r d k ö r p e r zur v o l l k o m m e n e n K u g e l m a c h t . 3s ( A u c h h i e r sei, d e m A u g e n s c h e i n g e m ä ß , b e t o n t : das W e r d e n der W i n d e vollzieht sich in d e n N i e d e r u n g e n der E r d o b e r f l ä c h e , u n d ihr W e h e n 35 g e h t n i c h t | ü b e r die h o h e n Berge h i n a u s . ) I m Kreise s t r ö m t die L u f t , 341 a weil sie d u r c h d e n U m s c h w u n g des Alls mitgerissen w i r d . D e n n das F e u e r s t e h t in k o n t i n u i e r l i c h e r V e r b i n d u n g m i t d e m H i m m e l s e l e m e n t , m i t d e m F e u e r die L u f t ; infolgedessen ist es a u c h die B e w e g u n g , w a s eine V e r d i c h t u n g zu W a s s e r v e r h i n d e r t , v i e l m e h r s i n k t j e d e s Teilchen, i

14

Buch I

das schwer wird, weil seine Wärme hinauf in den oberen R a u m ausgepreßt wird, jeweils nach unten; dafür steigen andere Teile zusammen mit der feurigen Ausdünstung (der Erde) nach oben, die eine Schicht bleibt so beständig von L u f t , die andere von Feuer erfüllt, und diese beiden Schichten erneuern sich fortwährend. 5 10 Soviel also sei vorgetragen über die Fragen, warum keine Wolken entstehen und keine Kondensation zu Wasser vorkommt, wie man den R a u m zwischen den Sternen und der Erde auffassen soll, und welches der Körper ist, der ihn erfüllt. Was aber das Entstehen der Wärme betrifft, die die Sonne spendet, 10 so ist eine gesonderte, genaue Behandlung eher in der Vorlesung über 15 Sinneswahrnehmung am Platze (die Wärme affiziert j a die Sinneswahrnehmung) ; warum sich aber die Wärme einstellt, obwohl doch die Himmelskörper gar nicht von einer solchen Beschaffenheit sind, soll auch hier besprochen werden. Also: wir sehen, daß Bewegung die 15 L u f t zu verdünnen und zu entzünden vermag, so daß oftmals auch geschleuderte Gegenstände augenscheinlich ins Schmelzen geraten. 20 Was nun Tageswärme und Hitze betrifft, so vermag sie auch der Umschwung der Sonne allein zu bewirken. Denn nötig ist eine rasche und nicht ferne Bewegung; nun ist die der Gestirne rasch, aber ferne, die 20 des Mondes zwar tief unten ( = erdnah), aber langsam. Der Sonnenbahn aber sind die beiden notwendigen Merkmale in hinreichendem Maße eigen. Daß die Hitze durch die Gegenwart gerade der Sonne 25 wächst, kann man gut verstehen, wenn man die Entsprechungen in unserem Erfahrungsbereich hernimmt; denn auch hier wird in der un- 25 mittelbaren Umgebung fliegender Geschosse die L u f t besonders heiß. Das hat seinen guten Sinn: die Bewegung des festen Körpers verdünnt hier die Luft besonders. — Aus diesem Grunde also gelangt die Wärme bis zum 30 irdischen Bereich, und auch noch wegen des Umstandes, daß infolge der Himmelsbewegung die die Luft umgebende Feuerschicht an vielen Stellen 30 auseinandersprüht und gewaltsam nach unten gezogen wird.

35

341 b

Ein sicheres Zeichen dafür, daß der obere Ort nicht heiß oder voll Feuersglut ist, bedeuten auch die Sternschnuppen. Denn nicht dort oben, sondern unten entstehen sie; und doch müßte, was sich länger und rascher bewegt, sich auch rascher entzünden. Überdies ist die äs Sonne, die (unter den Himmelskörpern) am heißesten zu sein scheint, augenscheinlich weiß, aber nicht feurig. | 4. Nachdem dies klargestellt ist, wollen wir darlegen, warum die brennenden Flammen am Himmel aufscheinen, die Sternschnuppen

15

Kapitel 3 - 4

u n d die v o n m a n c h e n so g e n a n n t e n ' F a c k e l n ' u n d ' Z i e g e n ' . B e i i h n e n allen h a n d e l t es sich n ä m l i c h u m d a s gleiche, u n d i h r e U r s a c h e ist dieselbe, der U n t e r s c h i e d b e s t e h t bloß i m M e h r oder W e n i g e r .

s

Die U r s a c h e dieser E r s c h e i n u n g e n wie vieler a n d e r e r ist folgende, s W e n n n ä m l i c h d i e E r d e v o n d e r S o n n e e r w ä r m t w i r d , so e n t w i c k e l t sich m i t N o t w e n d i g k e i t n i c h t eine e i n f a c h e A u s d ü n s t u n g , wie m a n c h e g l a u b e n , s o n d e r n eine v o n d o p p e l t e r A r t , die eine m e h r als W a s s e r d a m p f , die a n d e r e m e h r als W i n d h a u c h , als D a m p f die aus d e r F e u c h tigkeit in u n d auf der E r d e , r a u c h a r t i g d a g e g e n die v o n t r o c k e n e r E r d e 10 s t a m m e n d e . V o n i h n e n h ä l t s i c h d i e w i n d a r t i g e A u s s c h e i d u n g wegen ihrer W ä r m e , die feuchtere bleibt u n t e n wegen ihrer

oben

Schwere.

Deswegen weist der R a u m rings u m die E r d e folgende O r d n u n g zuerst u n t e r h a l b des kreisenden H i m m e l s u m s c h w u n g s ist d a s und

Trockene, das wir Feuer nennen

(das, was

10

auf:

Warme

d e n v e r s c h i e d e n e n 15

15 r a u c h a r t i g e n A u s s c h e i d u n g e n g e m e i n s a m i s t , h a t j a k e i n e n

Namen;

gleichwohl ist m a n auf eine solche N a m e n g e b u n g angewiesen, d a dieser Körper

am

meisten v o n allen v o n entzündlicher

N a t u r ist);

diesem Stoff befindet sich L u f t . M a n m u ß sich also, w a s wir

unter soeben

F e u e r n a n n t e n , als e i n e A r t v o n Z u n d e r v o r s t e l l e n , d e r , als Ä u ß e r s t e s d e r 2« E r d s p h ä r e , r i n g s h e r u m a u s g e b r e i t e t i s t , s o d a ß e r u n t e r e i n e m k l e i n e n Bewegungsanstoß

oftmals wie R a u c h a u f b r e n n t ; denn F l a m m e

das K o c h e n eines t r o c k e n e n H a u c h e s . W o einer

so z u s a m m e n g e s e t z t e n

Materie

n u n die Verhältnisse

besonders

günstig

liegen,

20

ist bei da

f l a m m t sie a u f , s o b a l d sie i r g e n d w i e v o n d e m U m s c h w u n g i n B e w e g u n g 2s g e s e t z t w i r d . U n t e r s c h i e d e g i b t e s n u n m e h r j e n a c h d e r L a g e d e s Z u n d e r s o d e r 2s seiner Menge. W e n n er n ä m l i c h breit u n d l a n g ist, sieht m a n oft eine F l a m m e brennen, wie w e n n

Stoppeln brennen

streckt

bloß in die L ä n g e , sieht m a n

sich die E n t z ü n d u n g

auf dem Acker;

er-

die

so-

3« g e n a n n t e n ' F a c k e l n ' , ' Z i e g e n ' u n d ' S t e r n s c h n u p p e n ' . W e n n n u n

der

Z u n d e r beim Brennen F u n k e n sprüht (das geschieht bei E n t z ü n d u n g v o n den Seiten her, zu kleinen Teilen, in V e r b i n d u n g jedoch mit

30

der

H a u p t m a s s -), i s t d e r N a m e ' Z i e g e ' , w e n n d i e s n i c h t a u f t r i t t , ' F a c k e l ' . V e r s p r ü h e n die Teile der D u n s t m a s s e in kleinen S t ü c k e n u n d in viele 35 T e i l e , e b e n s o h o r i z o n t a l w i e v e r t i k a l , e n t s t e h t d e r E i n d r u c k v o r ü b e r s c h i e ß e n d or S t e r n e . S o i s t tis a l s o m a n c h m a l d i e ( H i m m e l s ) b e w e g u n g , d i e d i e A u s d ü n - 35 s t u n g sieb e n t z ü n d e n u n d diese E r s c h e i n u n g e n b e w i r k e n l ä ß t ; m a n c h m a l ist

;s a b e r d i e d u r c h A b k ü h l u n g | v e r u r s a c h t e K o n t r a k t i o n d e r 342»

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Buch I

L u f t , bei der die W ä r m e a u s g e p r e ß t u n d a u s g e s c h i e d e n w i r d ; w e s h a l b d a n n ihre B e w e g u n g m e h r e i n e m G e s c h l e u d e r t w e r d e n als e i n e m A u f f l a m m e n ä h n e l t . M a n k ö n n t e n ä m l i c h (bei d e n S t e r n s c h n u p p e n ) zweif e l n : ist es wie bei d e r B e o b a c h t u n g a n d e n zwei L a m p e n , wo die A u s d ü n s t u n g d e r e i n e n L a m p e , die u n t e r die a n d e r e gestellt ist, be- s w i r k t , d a ß die u n t e r e v o n der F l a m m e o b e n e n t z ü n d e t w i r d ( a u c h h i e r ist die G e s c h w i n d i g k e i t e r s t a u n l i c h u n d so, als w ü r d e e t w a s ges c h l e u d e r t u n d n i c h t eine Stelle n a c h d e r a n d e r e n z u r F l a m m e ) , oder stellen die S t e r n s c h n u p p e n d a s D u r c h s c h i e ß e n ein u n d desselben K ö r p e r s d a r ? O f f e n b a r liegen beide U r s a c h e n v o r : e i n m a l g e h t es z u wie 10 bei der B e w e g u n g v o n d e r L a m p e n f l a m m e aus, m a n c h m a l a b e r s c h i e ß e n die S t e r n s c h n u p p e n infolge der A u s p r e s s u n g d a h i n , wie O b s t k e r n e aus d e n F i n g e r n schnellen. So sieht m a n sie a u f s F e s t l a n d u n d ins Meer fallen, n a c h t s u n d t a g s ü b e r , bei h e i t e r e m H i m m e l . N a c h u n t e n fliegen sie, weil die V e r d i c h t u n g (der L u f t ) , die sie a b s c h n e l l e n l ä ß t , e i n e n 15 Z u g n a c h u n t e n h a t . D e s h a l b fallen a u c h die Blitze n a c h u n t e n . Alle diese N a t u r e r s c h e i n u n g e n b e r u h e n n ä m l i c h n i c h t auf E n t z ü n d u n g , sond e r n auf D r u c k ; v o n N a t u r aus m u ß j a alles W a r m e n a c h o b e n steigen. W a s n u n eher a m o b e r e n O r t sich b i l d e t , h a t eine E n t z ü n d u n g der ( w a r m e n ) A u s d ü n s t u n g , w a s i m u n t e r e n R a u m e n t s t e h t , d e r e n (gewalt- 20 same) A u s s c h e i d u n g z u r U r s a c h e , b e w i r k t d u r c h die V e r d i c h t u n g u n d A b k ü h l u n g der f e u c h t e r e n A u s d ü n s t u n g . D e n n diese ist es, die, k o n d e n s i e r t u n d n a c h u n t e n d r ä n g e n d , d u r c h ihre V e r f e s t i g u n g a b s t o ß e n d w i r k t u n d d e n w a r m e n Stoff h i n a b s c h i e ß e n l ä ß t . Die P o s i t i o n des w a r m e n D u n s t e s — j e n a c h d e m er h o r i z o n t a l oder v e r t i k a l liegt 25 — ist b e s t i m m e n d f ü r die n a c h o b e n , n a c h u n t e n oder s c h r ä g g e r i c h t e t e B e w e g u n g . Die schräge R i c h t u n g ist die h ä u f i g s t e , weil zwei S t r e b u n g e n vorliegen, eine g e w a l t s a m e n a c h u n t e n , eine n a t u r g e m ä ß e n a c h o b e n ; in solchem F a l l schlagen alle K ö r p e r die D i a g o n a l e ein. D e s w e g e n ist a u c h der F l u g d e r S t e r n s c h n u p p e n so m e i s t schräg. U r s a c h e all dieser P h ä n o m e n e also ist stofflich b e t r a c h t e t die w a r m t r o c k e n e A u s s c h e i d u n g , hinsichtlich d e r B e w e g u n g s u r s a c h e a b e r teils der U m s c h w u n g des H i m m e l s , teils die V e r f e s t i g u n g d e r k o n d e n s i e r e n d e n L u f t . Alles a b e r vollzieht sich u n t e r h a l b des Mondes. E i n B e w e i s : 35 m a n k a n n b e o b a c h t e n , wie die G e s c h w i n d i g k e i t dieser P h ä n o m e n e der v o n G e g e n s t ä n d e n gleicht, die v o n M e n s c h e n h a n d g e s c h l e u d e r t w e r d e n u n d die, weil sie u n s n a h e sind, sich viel schneller z u b e w e g e n scheinen als die Gestirne, als Sonne u n d M o n d .

Kapitel 4—6

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6. Manchmal in klaren Nächten hat man den Anblick von mannig- 35 fachen Erscheinungen am Himmel, etwa von 'Klüften', 'Gruben', blutroten Stellen. Sie haben die | gleiche Ursache. E s wurde j a klargestellt, 342 b daß die obere Luftschicht sich verdichten und Feuer fangen kann und 5 daß die Entzündung manchmal den Eindruck einer Feuersbrunst, manchmal fliegender Fackeln und Sterne macht; da ist es gar nicht erstaunlich, wenn eben diese Luft, sich verdichtend, mannigfache s Farben annimmt. Denn einerseits Licht, das durch ein dichteres Medium geschwächt hindurchscheint, andrerseits eine Luftschicht, die 10 reflektiert, sie werden mannigfache Färbungen verursachen, vor allem Rot und Purpur. Diese Farben ergeben sich gewöhnlich aus einer Mischung von Feuerrot und Weiß, nach Maßgabe der vor ihnen lagernden Medien; so sehen z. B . auf- und untergehende Sterne bei 10 Hitze, und durch Rauch hindurch, rot aus. Auch infolge von Licht15 brechung tritt das Phänomen auf, wenn die reflektierende Luftschicht nicht die Form, sondern die Farbe wiedergibt. — Solche Naturerscheinungen dauern nicht lange, weil die zugrundeliegende Luftverdichtung rasch vorübergeht. Mit den 'Klüften' steht es so: wenn Licht aus Schwarzblau und is 20 Dunkel hervorbricht, entsteht der Eindruck einer Vertiefung (am Himmel). Oft fahren auch, nach vorausgegangener Bildung solcher Phänomene, 'Fackeln' herunter, nämlich wenn die Luftverdichtung einen höheren Grad erreicht hat; dagegen während sie sich vollzieht, bleibt der Eindruck einer 'Kluft'. Weiß in Schwarz ruft, ganz all25 gemein, viele Farbtöne hervor, wie etwa F l a m m e in Rauch. Tagsüber wirkt die Sonne hemmend, nachts sieht man nur das Rot, keine an- 20 deren Farben, weil sie die gleiche Tönung (wie der Himmel) haben. Diese Ursachen also muß man sich denken für die Sternschnuppen, die feurigen Stellen am Himmel und die anderen derartigen Erschei30 nungen von kurzer Dauer des Eindrucks. 6. Wir wollen nun von den Kometen und von der Milchstraße 25 sprechen, nachdem wir zunächst die Probleme im Anschluß an die Äußerungen der anderen Forscher behandelt haben. Anaxagoras und Demokrit behaupten, Kometen seien ein 'Gesamtes bild' der Planeten, wenn sie einander nahekommen und sich zu berühren scheinen. Einige der sogenannten Pythagoreer in Italien bezeichnen als Ko- 30 meten einen der Planeten, der aber nur in großen Zeitabständen erscheine und sich nur wenig über den Horizont erhebe (was auch beim Merkur 2 Aristoteles, 12

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z u t r i f f t : weil er n u r eine geringe H ö h e e r r e i c h t , fallen viele seiner 35 P h a s e n aus, so d a ß er n u r in g r o ß e n Z e i t a b s t ä n d e n s i c h t b a r w i r d ) . Dieser L e h r e ä h n e l t die des H i p p o k r a t e s v o n Chios u n d seines 343 a Schülers Ai|schylos, n u r d a ß sie d e n Schweif n i c h t als Teil des K o m e t e n selbst a u f f a s s e n ; er n e h m e diesen auf G r u n d (der b e s o n d e r e n A r t ) einer s Stelle i m R a u m m a n c h m a l a n , w e n n u n s e r Sehen d u r c h die F e u c h t i g k e i t , die d e r K o m e t e m p o r z i e h t , zur S o n n e hin r e f l e k t i e r t w i r d . W e i l s sein Z u r ü c k b l e i b e n ( h i n t e r der Sonne) b e s o n d e r s l a n g s a m ist — so l e h r e n sie —, w i r d er i m G e g e n s a t z zu d e n a n d e r e n S t e r n e n n u r in b e s o n d e r s g r o ß e n I n t e r v a l l e n s i c h t b a r ; u n d e r s c h e i n t er wieder a n derselben Stelle, io so h a t er inzwischen d e n g a n z e n K r e i s seiner R ü c k w ä r t s b e w e g u n g vollzogen. Diese r i c h t e t sich ebenso n a c h N o r d e n wie n a c h S ü d e n . I m B e r e i c h zwischen d e n W e n d e k r e i s e n zieht der K o m e t k e i n W a s s e r a n sich, weil diese Zone d u r c h die S o n n e in i h r e m L a u f e v e r b r a n n t ist. B e w e g t er sich io a b e r n a c h S ü d e n , so findet er d o r t z w a r eine solche F e u c h t i g k e i t in Menge, is d a a b e r n u r ein kleines S t ü c k seiner B a h n o b e r h a l b des H o r i z o n t s verl ä u f t , der g r ö ß t e Teil d a r u n t e r , so k a n n das m e n s c h l i c h e Sehen n i c h t z u r Sonne h i n r e f l e k t i e r t w e r d e n , ob die S o n n e sich n u n i h r e m süd15 l i c h s t e n P u n k t n ä h e r t oder in der P o s i t i o n d e r s o m m e r l i c h e n W e n d e s t e h t . I n diesem Bereich k a n n also d e r S t e r n n i c h t z u m K o m e t e n 20 w e r d e n . G e h t a b e r sein Z u r ü c k b l e i b e n in nördliche R i c h t u n g , d a n n b e k o m m t er einen S c h w e i f , d e n n d a n n ist der ü b e r d e m H o r i z o n t gelegene K r e i s a b s c h n i t t seiner B a h n g r o ß , d e r u n t e r e klein, u n d d e r 0 m e n s c h l i c h e Blick k a n n , r e f l e k t i e r t , l e i c h t z u r S o n n e gelangen. Allen diesen L e h r e n h a f t e n j e d o c h U n m ö g l i c h k e i t e n a n , v o n d e n e n 2s sie teils d u r c h g ä n g i g , teils einzeln b e t r o f f e n w e r d e n . a) D a s gilt z u n ä c h s t f ü r die L e h r e , d a ß der H a a r s t e r n einer d e r W a n d e l s t e r n e sei. Die P l a n e t e n vollziehen n ä m l i c h alle ihre R ü c k w ä r t s b e w e g u n g i n n e r h a l b des T i e r k r e i s e s ; K o m e t e n a b e r h a t m a n schon vielfach a u ß e r h a l b dieses Kreises b e o b a c h t e t . E s sind a u c h o f t 3» m e h r e r e z u s a m m e n a u f g e t r e t e n . F e r n e r : w e n n sie d e n Schweif infolge der Reflexion b e k o m m e n , wie Aischylos u n d H i p p o k r a t e s b e h a u p t e n , d a n n m ü ß t e m a n diesen S t e r n a u c h e i n m a l o h n e Schweif sehen k ö n n e n , d a seine R ü c k w ä r t s b e w e g u n g j a n a c h m e h r e r e n R i c h t u n g e n g e h t , er a b e r n i c h t ü b e r a l l einen Schweif b e k o m m t . N u n a b e r ist a u ß e r d e n 3s 30 f ü n f P l a n e t e n n o c h k e i n w e i t e r e r S t e r n b e o b a c h t e t w o r d e n , u n d diese sind o f t g e m e i n s a m ü b e r d e m H o r i z o n t s i c h t b a r . K o m e t e n e r s c h e i n e n , u n d z w a r o f t , gleichgültig ob m a n alle P l a n e t e n sehen k a n n o d e r o b 35 sie n i c h t alle s i c h t b a r sind, s o n d e r n einige (zu) n a h e bei der S o n n e

Kapitel 6

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s t e h e n . A b e r a u c h d a s s t i m m t n i c h t , d a ß ausschließlich i m n ö r d l i c h e n Bereich ein H a a r s t e r n e r s c h e i n t , gleichzeitig m i t | der s o m m e r l i c h e n 343 b S o n n e n w e n d e . D e n n d e r große K o m e t z u r Zeit des E r d b e b e n s u n d d e r F l u t w e l l e in A c h a i a ging im W e s t e n a u f ; a u c h i m S ü d e n g a b es schon 5 viele K o m e t e n . U n t e r d e m A r c h o n t a t des E u k l e s , Molons S o h n , zu A t h e n 5 erschien u m die W i n t e r s o n n e n w e n d e im M o n a t G a m e l i o n ( J a n . - F e b r . ) ein K o m e t i m N o r d e n ; w o b e i d o c h die Verteidiger dieser L e h r e eine B r e c h u n g der Sehlinie auf solche E n t f e r n u n g selber f ü r u n m ö g l i c h e r k l ä r e n . b) Sowohl i h n e n wie d e n V e r t r e t e r n einer K o n j u n k t i o n v o n P l a n e t e n 10 (als U r s a c h e v o n K o m e t e n ) s t e h t z u n ä c h s t die T a t s a c h e e n t g e g e n , d a ß a u c h m a n c h e F i x s t e r n e einen Schweif a n n e h m e n . D a s b r a u c h t m a n n i c h t n y r d e n Ä g y p t e r n z u g l a u b e n (die es a u c h b e h a u p t e n ) , v i e l m e h r h a b e n 10 a u c h wir es b e o b a c h t e t . E i n S t e r n i m S t e r n b i l d des G r o ß e n H u n d e s , a n d e r Stelle seiner H ü f t e , b e k a m einen Schweif, allerdings e i n e n n u r 15 s c h w a c h s i c h t b a r e n ; s c h a u t e m a n scharf h i n , w u r d e sein Schein t r ü b e , heller erschien er, w e n n m a n e t w a s a n i h m v o r b e i b l i c k t e . A u ß e r d e m : alle in u n s e r e r Zeit b e o b a c h t e t e n K o m e t e n sind, o h n e u n t e r z u g e h e n , 15 o b e r h a l b des H o r i z o n t e s allmählich v e r s c h w u n d e n , o h n e d a ß ein S t e r n oder eine G r u p p e v o n S t e r n e n a m H i m m e l z u r ü c k b l i e b . A u c h der 20 große K o m e t , d e n wir f r ü h e r e r w ä h n t e n , erschien w i n t e r s bei F r o s t u n d k l a r e m H i m m e l im W e s t e n , u n t e r d e m A r c h o n t a t des Asteios. I n der 20 e r s t e n N a c h t sah m a n i h n n i c h t , d a er v o r der S o n n e u n t e r g i n g , a b e r in d e r f o l g e n d e n ; er vollzog die kleinste f ü r die S i c h t b a r k e i t g e r a d e n o c h mögliche R ü c k w ä r t s b e w e g u n g u n d ging d a n n gleich u n t e r . Sein 25 Schein r e i c h t e ü b e r ein D r i t t e l des H i m m e l s wie ein B a n d ( ? ) ; d a r u m erhielt er a u c h d e n N a m e n ' S t r a ß e ' . E r stieg bis z u m G ü r t e l des Orion u n d löste sich d o r t a u f . c) D a b e i h a t a b e r D e m o k r i t seine M e i n u n g eifervoll v e r t e i d i g t ; er 25 b e h a u p t e t n ä m l i c h , es seien n a c h A u f l ö s u n g v o n K o m e t e n einige S t e r n e 30 b e o b a c h t e t w o r d e n . Dies d ü r f t e a b e r n i c h t a b u n d zu der F a l l sein, s o n d e r n m ü ß t e i m m e r geschehen. F e r n e r : die Ä g y p t e r s a g e n , d a ß es K o n j u n k t i o n e n v o n P l a n e t e n u n t e r e i n a n d e r u n d m i t F i x s t e r n e n gebe, u n d a n d r e r s e i t s h a b e n wir selbst d e n P l a n e t e n J u p i t e r in K o n j u n k t i o n 30 m i t einem S t e r n in d e n Zwillingen gesehen, a b e r k e i n K o m e t t r a t a u f . 35 E s ist z u d e m a u c h aus logischem G r u n d k l a r ( d a ß D e m o k r i t u n r e c h t hat). Denn m a n h a t zwar den optischen E i n d r u c k von größeren und kleineren S t e r n e n , a b e r f ü r sich g e n o m m e n scheinen sie d o c h u n t e i l b a r e P u n k t e zu sein. V o r a u s g e s e t z t , sie w ä r e n d a s , so w ü r d e n sie bei 35 einer B e r ü h r u n g m i t e i n a n d e r kein größeres Q u a n t u m e r g e b e n ; u n d so 2.

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ist zu erwarten, daß sie, da sie zwar keine unteilbaren Punkte sind, 344» aber doch als solche erscheinen, | bei einer Konjunktion kein quantitatives Anwachsen sichtbar werden lassen. Daß also die Kometenerklärungen, die man vorbringt, falsch sind, ist, wenn auch nur in Kürze, damit genugsam klar geworden. s s 7. Wenn es sich um Vorgänge handelt, die der Sinneswahrnehmung nicht offenliegen, glauben wir der Forderung einer vernunftgemäßen Erklärung genuggetan zu haben, wenn wir sie auf eine mögliche Ursache zurückführen. Dementsprechend darf man auf Grund dessen, was uns jetzt offenliegt, annehmen, daß diese Phänomene sich wie 10 folgt vollziehen. Unser Ausgangspunkt war j a , daß von der Welt rings um die Erde, soweit sie unterhalb des Kreisumschwungs (des Himmels) liegt, die IO erste Schicht eine warmtrockene Ausdünstung ist. Sie selbst und weithin auch die anschließende Luftschicht wird von dem Umschwung IS und der Kreisbewegung um die Erde herumgeführt und in solcher Bewegung dort, wo die Mischung gerade die richtige ist, vielfach in is Brand gesetzt. Deswegen entstehen auch, nach unserer Lehre, die vereinzelt durchschießenden Sternschnuppen. Wenn nun in eine solche Ballung vom oberen Umschwung her ein Feuerkeim hineinfällt, weder 20 so stark, daß ein rascher und umfassender Brand entsteht, noch so schwach, daß der Brand gleich verlischt, sondern stärker und am20 fassender — : steigt dann zufällig von unten eine Ausdünstung von der rechten Mischung empor, dann wird daraus ein Komet, und zwar entsprechend der Gestalt der Anathymiase ; erstreckt sie sich gleichmäßig 25 nach allen Seiten, so ist es ein Haarstern, erstreckt sie sich nur in der Längsrichtung, so spricht man von einem 'Bartstern'. Wie die Bewegung eines solchen Phänomens der einer Sternschnuppe ähnelt, so 25 gleicht sein Verharren einem stillstehenden Stern. E s geht dabei ähnlich zu, als stieße man in einen großen Spreuhaufen eine Fackel oder 30 schleuderte einen kleinen Feuerfunken hinein. Denn auch das Durchschießen von Sternschnuppen sieht ähnlich aus: weil der Zunder so geeignet dafür ist, ist es ein Flug der Länge nach. Wenn also das 30 Feuer, ohne beim Durchschießen verzehrt zu werden, dort verharrt, wo der Zunder am stärksten verdichtet ist, dann kann gar wohl das 35 Ende einer Sternschnuppe Anfang der Bewegung (eines Kometen) sein. Ein Komet ist also ein solcher 'Stern', wie eine Sternschnuppe es wäre, die Anfang und Ende in sich selber beschlossen trägt.

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Vollzieht sich also der Anfang der Bildung im unteren R a u m selbst, erscheint ein isolierter Haarstern; erhält aber die Ausdünstung unter- 35 halb eines Gestirns — Fixstern oder Planet — infoige seiner Bewegung ihre Gestalt, | dann wird einer dieser Sterne zum Kometen. Der Schweif 5 entsteht j a nicht unmittelbar bei dem Gestirn; vielmehr (ist es so) : wie der Hof um Sonne und Mond scheinbar (bei diesen Gestirnen) bleibt, auch wenn sie fortrücken — dann nämlich, wenn die Luftverdichtung von solcher Art ist, daß das Phänomen unter der Sonnenbahn entstehen 5 kann —, so ist auch der Schweif bei den Gestirnen eine Art Hof. Nur 10 erhält der Hof um die Sonne seine Färbung durch die Lichtbrechung, beim Kometenschweif aber ist, was man sehen kann, die F a r b e des zugrunde liegenden Stoffes selbst. Wenn also eine solche Ballung (der Anathymiase) in Verbindung mit einem Stern auftritt, dann scheint mit Notwendigkeit der Komet die 10 15 Gestirnbewegung mitzumachen; bildet er sich aber isoliert, hat man den Eindruck einer Rückwärtsbewegung. So entspricht es j a dem Umschwung der um die Erde gelagerten Sphäre. Daß ein Komet nicht eine Art Lichtbrechung ist — nicht zur Sonne hin, nach hippokratischer Lehre, sondern zum (jeweiligen) Gestirn is 20 selbst hin (er wäre dann ein Hof im hellen, reinen 'Zunder') —, erhellt vor allem aus der Tatsache, daß ein Komet oft als isolierte Erscheinung entsteht, und zwar häufiger als in Verbindung mit einem der bekannten Sterne. - Uber die Ursache des 'Hofs' (Halo) werden wir später sprechen ( I I I 2). 25 Als ein Kennzeichen für ihre Feuernatur muß man es ansehen, daß das häufigere Auftreten von Kometen Winde und Trockenperioden 20 anzeigt. Es ist j a klar, daß sie deshalb (häufiger) entstehen, weil eine derartige Ausscheidung stark ist, so daß auch die Luft notwendig trockener wird, die verdunstende Feuchtigkeit aber von der Masse der 30 warmen Ausscheidung verdünnt und aufgelöst wird, also nicht leicht zu Wasser kondensieren kann. Auch diese Naturerscheinung werden wir genauer besprechen, wenn es Zeit wird auch für die Behandlung der 25 Winde (114). Wenn also Kometen häufig und zahlreich zu sehen sind, wird, wie 35 gesagt, das J a h r bekanntermaßen trocken und windig; sind sie seltener und von geringerer Größe, kommt es nicht in gleicher Weise dazu, obschon dann gemeinhin ein nach Dauer oder Stärke ungewöhnlicher 30 Wind auftritt. Als z. B . in Aigospotamoi ein Stein aus der Luft fiel, war er vom Wind in die Höhe gehoben und (während des Tages) fallen-

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gelassen 'worden; eben damals erschien im Westen ein Komet. Dann 35 zur Zeit des großen Kometen herrschte trockenes Winterwetter und Nordwind, und die Flutwelle war eine Folge des Gegeneinanderwehens 345 a von Winden; innerhalb des Golfs | herrschte Nordwind, außen wehte starker Südwind. Ferner: es trat unter dem Archon Nikomachos im s Äquinoktialkreis für ein paar Tage ein Komet auf (dieser war nicht im Westen aufgegangen), zu dessen Zeit sich der Sturm über Korinth ereignete. s Daß Kometen nicht zahlreich und nicht oft vorkommen, und eher außerhalb der Wendekreise als innerhalb, hat seine Ursache in der 10 Bewegung der Sonne und der (anderen) Gestirne, die die warme Ausscheidung nicht nur hervorruft, sondern auch ihre Konzentration auflöst. Hauptursache aber ist, daß sich der größte Teil (dieser Anathy10 miase) im Bereich der Milchstraße sammelt. 8. Wie und aus welcher Ursache die Milchstraße entsteht, und was is sie ihrem Wesen nach ist, wollen wir nun darlegen. Auch hier wollen wir zuerst durchgehen, was die anderen dazu gesagt haben. a) Einige der sogenannten Pythagoreer behaupten, sie sei der Weg 15 eines bei dem mythischen Phaethonsturz gefallenen Sterns; andere lehren, die Sonne habe sich einst auf dieser Bahn bewegt; der Ort sei also 20 gleichsam verbrannt oder sei sonstwie von der Wirkung einer Gestirnbewegung betroffen. Unbegreiflich aber, nicht zu bedenken, daß, wäre 20 dies die Ursache, auch der Tierkreis ebenso betroffen sein müßte, und mehr als die Milchstraße, denn alle Planeten, nicht nur die Sonne, kreisen in ihr. Nun liegt uns aber doch der ganze Tierkreis vor Augen (die Hälfte 25 von ihm sehen wir j a jederzeit des Nachts), aber eine solche Einwirkung 25 zeigt er offenbar nicht, außer wenn ein Stück von ihm die Milchstraße überdeckt. b) Anaxagoras, Demokrit und ihre Schüler lehren, die Milchstraße sei das Licht gewisser Sterne. Denn die Sonne, auf ihrer B a h n unter- 30 halb der Erde, beleuchte einige Sterne nicht. Das Licht derer nun, auf die das Sonnenlicht falle, sei für uns nicht sichtbar, die Sonnen30 strahlen verhinderten dies; die Sterne aber, die die Erde vor der Sonne abschirme, deren Eigenlicht sei die Milchstraße. Die Unmöglichkeit auch dieser Annahme liegt auf der Hand. Denn die Milchstraße, als 35 ein größter Kreis, befindet sich immerfort gleichbleibend in der Nachbarschaft der gleichen Gestirne; es sind aber immerfort andere Sterne, die von der Sonne nicht beschienen werden, da sie nicht auf dem35 selben Fleck bleibt. E s müßte also mit dem Fortrücken der Sonne

Kapitel 7 - 8

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auch die Milchstraße sich verschieben; tatsächlich aber ist davon nichts zu bemerken. Ferner: | wie sich jetzt aus den astronomischen For- 345b schungen ergibt, übertrifft die Größe der Sonne die der Erde und ist der Abstand der Fixsterne von der Erde vielfach größer als der der 5 Sonne, so wie die Sonne von der Erde weiter entfernt ist als der Mond: 5 dann kann aber die Spitze des von den Sonnenstrahlen gebildeten Kegels wohl kaum weit von der Erde entfernt sein und der Erdschatten — den wir Nacht nennen — nicht bis zu den Sternen reichen. Naturnotwendig ist das Gegenteil (jener Lehre): die Sonne scheint auf alle 1« Sterne und die Erde schirmt keinen vor der Sonne ab. E s gibt noch eine dritte Theorie des Phänomens: einige nennen die 10 Milchstraße Ergebnis der Brechung unserer Sehlinie zur Sonne hin, so wie es auch der Komet sei. Aber auch dies ist unmöglich. Ruhen nämlich Auge, Spiegel und Sehobjekt in seiner Gesamtheit, dann sieht 15 man an der gleichen iuelle des Spiegels (immer) den gleichen Teil des Bildes; bewegen sich aber Spiegel und Objekt so, daß sie zum ruhenden 15 Auge den gleichen Abstand einhalten, nicht aber zueinander die gleiche Geschwindigkeit und die gleiche Entfernung, dann kann unmöglich dasselbe Bild an derselben Stelle des Spiegels verharren. E s bewegen 20 sich aber doch — während wir ruhen — die Gestirne, die auf dem Kreis der Milchstraße liegen, uüd die Sonne, das Objekt, zu dem unser 20 Sehen reflektiert wird, in gleichbleibendem Abstand zu uns, im Verhältnis zueinander, aber nicht im gleichen; manchmal nämlich geht der Delphin um Mitternacht, manchmal am Morgen auf, die (benach25 barten) Stellen der Milchstraße jedoch bleiben beide Male unverändert. Das ginge aber nicht, wenn es sich um ein Spiegelbild handelte und nicht um eine eben diesen Stellen am Himmel eigentümliche Affizierung. 25 Man kann ferner nachts auf Wasserflächen und ähnlichen Spiegeln das Bild der Milchstraße beobachten — wie könnte es möglich sein, 30 daß (in solchen Fällen) unser Blick zur Sonne reflektiert wird? Hieraus ergibt sich also, daß es sich wedef um die Bahn eines Planeten noch um das Licht von Gestirnen, die die Sonne nicht bescheint, noch um ein Brechungsphänomen handelt. — Das ist so ziemlich alles, 30 was bis jetzt an Lehren anderer Forscher vorliegt. js Nun wollen wir selbst eine Begründung geben und dabei auf das zugrunde gelegte Prinzip zurückgreifen. E s hieß bereits früher, daß die äußerste Schicht der sogenannten L u f t potentiell Feuer ist, so daß, wenn diese L u f t infolge der Bewegung verdünnt wird, ein Stoff von der Art der Kometensubstanz ausgesondert wird. Wir müssen 35

24

Buch I

346 a u n s d a s G e s c h e h e n s o v o r s t e l l e n w i e b e i d e n K o m e t e n , w e n n d i e | ihnen z u g r u n d e liegende A u s s c h e i d u n g nicht isoliert entsteht, s o n d e r n unter der E i n w i r k u n g eines F i x s t e r n e s oder eines Planeten. D a n n n ä m lich erscheinen die letzteren als H a a r s t e r n e , weil ihrer B e w e g u n g eine solche L u f t b a l l u n g folgt, wie es bei der S o n n e der F a l l ist. D o r t r u f t , s nach unserer Ansicht, diese Ballung durch Lichtbrechung

das

n o m e n der H a l o (Hof) hervor, wenn die Mischung der L u f t günstig ist. N u n , was an e i n e m

s

Phä-

hierfür

Stern möglich ist, d a s m u ß

(auch)

als ein G e s c h e h e n des g a n z e n H i m m e l s u n d der K r e i s b e w e g u n g d r o b e n g e l t e n k ö n n e n . D e n n w e n n d i e B e w e g u n g e i n e s e i n z i g e n G e s t i r n s ( d e r - 10 gleichen zur F o l g e hat), ist es wohlbegründet, wenn a u c h der

Um-

s c h w u n g des g a n z e n H i m m e l s so wirkt u n d die L u f t in F l a m m e n setzt i« u n d v e r d ü n n t , w e g e n d e r G r ö ß e d e s H i m m e l s k r e i s e s , v o r a l l e m a n d e r Stelle, wo

die Gestirne besonders

dicht beisammen

stehen und

be-

s o n d e r s z a h l r e i c h u n d g r o ß s i n d . N u n l ö s t d e r T i e r k r e i s i n f o l g e d e s is U m s c h w u n g s der Sonne u n d der Planeten einen Stoff dieser A r t deshalb e n t s t e h e n die m e i s t e n K o m e t e n außerhalb der

auf;

Wendekreise.

15 E s e n t s t e h t a u c h w e d e r u m d i e S o n n e n o c h u m d e n M o n d e i n K o m e t e n s c h w e i f ; d e n n ihre a u f l ö s e n d e K r a f t w i r k t zu schnell, als d a ß ein Stoff d i e s e r A r t s i c h b i l d e n k ö n n t e . D e r K r e i s a b e r , i n d e m s i c h u n s e r e m 20 B l i c k die M i l c h s t r a ß e z e i g t , ist der g r ö ß t e K r e i s , u n d er ist so

an-

g e o r d n e t , d a ß er weit ü b e r die W e n d e k r e i s e h i n a u s r e i c h t . F e r n e r

ist

20 d e r O r t d i c h t b e s e t z t m i t d e n g r ö ß t e n , h e l l s t e n S t e r n e n , a u ß e r d e m m i t den sogenannten verstreuten Sternen (das ist deutlich zu sehen); diesen U r s a c h e n z u f o l g e g e h t d i e s e g a n z e S t o f f a n h ä u f u n g u n a b l ä s s i g w e i t e r . 25 E i n Beweis d a f ü r : innerhalb des Kreises selbst ist das L i c h t in demjenigen H a l b k r e i s stärker, w o sich die G a b e l u n g der Milchstraße be25

findet;

d o r t sind n ä m l i c h die S t e r n e zahlreicher u n d dichter als in der

a n d e r e n H ä l f t e , ein Zeichen d a f ü r , d a ß der L i c h t g l a n z keine

andere

U r s a c h e h a t a l s d i e G e s t i r n b e w e g u n g . D e n n w e n n e r a u f d e m K r e i s 30 m i t d e n m e i s t e n S t e r n e n a u f t r i t t u n d er i n n e r h a l b des K r e i s e s w i e d e r u m dort stärker ist, wo viele große

Sterne besonders dicht

versammelt

30 s i n d , d a n n d a r f m a n w o h l d i e s a l s e i n e d e r S a c h e b e s o n d e r s Begründung

gemäße

ansehen.

D e r K r e i s u n d d i e S t e r n e a u f i h m s i n d i n d e r Z e i c h n u n g z u s e h e n , as Was

die sogenannten

verstreuten

nicht in gleicher Weise a u f d e m

S t e r n e b e t r i f f t , s o kajuii m a n Himmelsglobus

anordnen, weil

sämtlich keinen mit gleichbleibender Deutlichkeit erkennbaren h a b e n ; a b e r sehen k a n n m a n sie, w e n n m a n z u m H i m m e l blickt.

sie sie

Platz Nur

Kapitel 8 - 9

25

in diesem Kreis (der Milchstraße) nämlich sind die Zwischenräume voll 35 von Sternen dieser Art, überall sonst gibt es sie | offensichtlich nicht. 346 b Erkennen wir also die oben vorgetragene Kometenlehre als sachlich richtig an, so muß auch hinsichtlich der Milchstraße die gleiche An5 nähme gelten. Denn das Phänomen, das sich dort an einem einzigen Stern zeigt, ist das gleiche, das hier einen ganzen Kreis (am Himmel) betrifft: die Milchstraße ist, um es definierend zu sagen, der Schweif 5 des größten Himmelskreises, dessen Reibungswirkung hierfür das Material ansammelt. 10 Deshalb entstehen auch, wie früher bemerkt, Kometen nicht in großer Zahl und nur selten, weil der hierfür geeignete Stoff an diesem Ort ( = der Milchstraße) abgesondert ist und bei jedem Umschwung neu abgesondert wird. Hiermit ist über die Vorgänge in derjenigen Zone der irdischen Welt 10 15 gehandelt, die den Sternenbahnen benachbart ist, nämlich über Sternschnuppen, Feuererscheinungen sowie Kometen und die sogenannte Milchstraße; dies sind j a wohl die Phänomene in diesem R a u m . 15 9. Nun wollen wir über den R a u m sprechen, der dem bisher betrachteten als zweiter folgt und sich als erster um die Erde legt. E r 20 stellt die gemeinsame Region dar für L u f t und Wasser, für. alle Naturvorgänge, die das Zustandekommen von Wasser oberhalb der Erde begleiten. Auch von ihnen müssen wir, auf die gleiche Weise wie bisher, die Entstehungsprinzipien und Ursachen erfassen. 2o Die bewirkende, entscheidende und an erster Stelle stehende Ursache 25 ist die Kreisbahn, in der, wie klar zutage liegt, der L a u f der Sonne Auflösung und Zusammenschließen hervorruft und damit das Werden und das Vergehen verursacht. Die Erde ruht, aber das Feuchte auf ihr verdunstet unter der Einwirkung der Sonnenstrahlen und der son- 25 stigen von oben kommenden Wärme und steigt nach oben. Aber wenn -to die Wärme, die es emporsteigen ließ, es verläßt, teils sich zum oberen Ort hin zerstreuend, teils auch verlöschend, weil sie so hoch in die L u f t über der Erde hinaufgeführt wurde, dann kühlt der Wasserdampf ab, kondensiert — eine Folge des Wärmeverlusts wie der hohen Re- 30 gion — und wird aus L u f t zu Wasser; danach strebt er wieder der 35 Erde zu. Die Ausdünstung aus Wasser ist Wasserdampf, L u f t , die sich zu Wasser verdichtet, ist Wolke. Nebel ist, was bei der Kondensation von Luft zu Wasser übrigbleibt; er ist daher eher ein Zeichen von schönem Wetter als von Regen; ist er doch gewissermaßen eine 35 unproduktive Wolke.

26

Buch I

So k o m m t es z u d i e s e m Kreis, der die K r e i s b a h n d e r S o n n e n a c h 347« a h m t ; d e n n wie | die S o n n e sich n a c h dieser o d e r j e n e r Seite (der E k l i p t i k ) b e w e g t , so steigt u n d f ä l l t i m K r e i s e d a s F e u c h t e . W i r m ü s s e n u n s dies v o r s t e l l e n wie einen F l u ß , der, d e r L u f t u n d d e m W a s s e r g l e i c h e r m a ß e n zugehörig, a b w e c h s e l n d steigt u n d f ä l l t . I s t die 5 S o n n e n a h e , so steigt d e r W a s s e r d a m p f s t r o m g l e i c h a u f ; e n t f e r n t sie 5 sich, so s t r ö m t der R e g e n n i e d e r . So pflegt es in ewig gleicher Folge z u geschehen, u j i d z w a r in einer b e s t i m m t e n O r d n u n g . Falls also die A l t e n d e n N a m e n ' O k e a n o s ' als R ä t s e l w o r t m e i n t e n , so h a b e n sie vielleicht a n diesen S t r o m g e d a c h t , der k r e i s e n d u m die 10 Erde geht. E s steigt also f o r t w ä h r e n d das F e u c h t e auf d u r c h die K r a f t des 10 W a r m e n u n d f ä l l t w i e d e r z u r E r d e n i e d e r infolge der A b k ü h l u n g ; d a b e i gibt es B e z e i c h n u n g e n , die speziell auf diese V o r g ä n g e u n d auf bes t i m m t e V a r i a n t e n v o n i h n e n bezogen s i n d : f ä l l t d a s W a s s e r fein- ¡5 teilig, s p r i c h t m a n v o n T r ö p f e l n , sind a b e r die T r o p f e n g r ö ß e r , v o n Regen. 10. Alle F e u c h t i g k e i t i m R a h m e n d e r t ä g l i c h e n V e r d u n s t u n g , die 15 n i c h t in die H ö h e steigt, weil die e m p o r f ü h r e n d e W ä r m e zu s c h w a c h ist f ü r die e m p o r z u f ü h r e n d e F e u c h t e , s i n k t w i e d e r n a c h u n t e n u n d 20 h e i ß t , w e n n sie n a c h t s a b k ü h l t , T a u b z w . R e i f ; Reif, w e n n der W a s s e r d a m p f v o r der V e r d i c h t u n g zu W a s s e r g e f r i e r t , (das t r i t t w i n t e r s ein, 20 u n d e h e r in den n ö r d l i c h e n G e g e n d e n ) , T a u , w e n n diese V e r d i c h t u n g s t a t t f i n d e t u n d es w e d e r so w a r m ist, d a ß die a u f s t e i g e n d e V e r d u n s t u n g s m a s s e t r o c k e n w i r d , n o c h so k a l t , d a ß der W a s s e r d a m p f selbst 25 g e f r i e r t , weil e n t w e d e r die U m g e b u n g oder die J a h r e s z e i t d a f ü r z u w a r m ist. T a u t r i t t n ä m l i c h m e h r bei s c h ö n e m W e t t e r auf u n d in G e g e n d e n m i t 25 m i l d e r T e m p e r a t u r , i m G e g e n s a t z , wie gesagt, z u m Reif. D e n n W a s s e r d a m p f ist d e u t l i c h w ä r m e r als W a s s e r (weil er n o c h d a s F e u e r e n t h ä l t , das i h n a u f s t e i g e n ließ), so d a ß es s t ä r k e r e r K ä l t e b e d a r f , u m i h n g e f r i e r e n 30 zu lassen. — T a u u n d Reif t r e t e n bei k l a r e m H i m m e l u n d W i n d s t i l l e a u f ; w e d e r k o m m t es z u r V e r d u n s t u n g , w e n n es n i c h t a u f k l a r t , n o c h ist eine V e r d i c h t u n g des D a m p f e s möglich, w e n n der W i n d w e h t . F ü r die U r s a c h e dieser P h ä n o m e n e ( d a ß n ä m l i c h d e r W a s s e r d a m p f n u r w e n i g h o c h steigt) ein B e w e i s : auf d e n B e r g e s h ö h e n e n t s t e h t k e i n 35 30 Reif. G r u n d h i e r f ü r ist 1) der U m s t a n d , d a ß die V e r d u n s t u n g a u s f e u c h t e n S e n k e n h e r a u s geschieht, so d a ß die e m p o r f ü h r e n d e W ä r m e die f ü r sie allzu schwere L a s t in keine große H ö h e f ö r d e r n k a n n , sond e r n sie i a E r d n ä h e w i e d e r fallen l ä ß t ; 2) die T a t s a c h e , d a ß auf d e n

Kapitel 9 - 1 1

27

hohen Bergen eine besonders lebhafte Luftbewegung herrscht, die Ver- 35 dichtungen dieser Art auflöst. T a u bildet sich überall nur bei Südwind, nicht bei Nordwind, ausgenommen im Pontusgebiet. Dort geht es umgekehrt zu: T a u bildet 5 sich bei Nordwind, nicht bei Südwind. | Die Ursache ist die gleiche 347 b wie die seines Entstehens bei mildem, nicht bei winterlichem Wetter: der Südwind bringt warmes Wetter, der kalte Nord winterliches; so daß er damit die Wärme der (feuchten) Aushauchung zum Erlöschen bringt. I m Pontusgebiet aber führt der Südwind keine so milde Witte- 5 10 rung herbei, daß sich Wasserdampf bilden könnte; andrerseits sammelt der Nordwind mit seiner K ä l t e mit einer konzentrierenden Wirkung die Wärme, so daß stärkere Verdampfung eher möglich ist. Dieser Vorgang läßt sich oft auch in Gegenden außerhalb (des Pontus) beobachten: aus den Brunnen bildet sich Wasser15 dampf mehr bei Nord- als bei Südwind, aber der Nordwind entzieht dem Dampf die Wärme, bevor er sich kondensieren kann, bei 10 Südwind aber hat die Aushauchung die Möglichkeit zur Konzentration. Die Feuchtigkeit selbst (d. h. im Wasserdampf) gefriert nicht, wie es doch in der Wolkenregion der Fall ist. 20 11. Denn von ihr kommen drei Körper herab, die sich durch Abkühlung bilden, Regenwasser, Schnee, Hagel. Zwei von ihnen entsprechen irdischen Phänomenen und haben auch die gleichen Ursachen, 15 es besteht nur ein Unterschied der Massen. Schnee und Reif sind nämlich das Gleiche, ebenso Regen und Tau, jedoch handelt es sich dort 25 um große, hier um kleine Mengen. Regen entsteht j a durch Abkühlung einer großen Verdunstungsmasse; diese aber hat zur Voraussetzung einen weitgedehnten R a u m , wo sich der Wasserdampf sammelt, und eine lange Zeit, in der sich das vollziehen kann. Die geringe Menge 20 — das ist der T a u ; denn hier ist der Dampf das Ergebnis bloß eines 30 Tages, und die Fläche, wo er sich bildet, ist klein; man sieht es an der Schnelligkeit seiner Entstehung ebenso wie an der Geringfügigkeit der Menge. Gleichermaßen verhalten sich Reif und Schnee: gefriert die Wolke, gibt es Schnee, gefriert der Wasserdampf, entsteht Reif. Darum ist ersterer kennzeichnend für die K ä l t e einer Jahreszeit oder 35 eines Landstrichs; die Wolke, die doch noch viel Wärme enthält, würde 25 nämlich nicht gefrieren, wenn nicht die K ä l t e übermächtig wäre (denn es ist noch viel Wärme in der Wolke: nämlich der Rest der Hitze, die die Verdunstung des Feuchten auf der Erde bewirkte).

28

Buch I

H a g e l e n t s t e h t d o r t o b e n , in der W o l k e n r e g i o n ; f ü r i h n a b e r g i b t es i n d e m d u n s t e r f ü l l t e n R a u m n a h e d e r E r d e k e i n G e g e n s t ü c k . D e r 30 B i l d u n g des Schnees o b e n — so s a g t e n wir j a — e n t s p r i c h t die des R e i f s u n t e n , der des R e g e n s o b e n die des T a u s u n t e n ; d o c h f ü r die E n t s t e h u n g des H a g e l s o b e n g i b t es h i e r u n t e n keine a n a l o g e N a t u r e r s c h e i n u n g . Die U r s a c h e h i e r f ü r w i r d sich aus u n s e r e r D a r l e g u n g ü b e r den Hagel ergeben. 12. W a s die n ä h e r e n U m s t ä n d e seines E n t s t e h e n s a n g e h t , so m u ß 35 m a n die F a k t e n , die keinerlei Zweifel lassen, u n d die u n b e g r e i f l i c h s c h e i n e n d e n in gleicher Weise in B e t r a c h t ziehen. H a g e l ist Eis, W a s s e r gefriert i m W i n t e r zu E i s ; H a g e l s c h l a g a b e r 348» k o m m t v o r allem i m F r ü h j a h r | u n d i m H e r b s t v o r , d a n n a u c h somm e r s , i m W i n t e r a b e r n u r selten, u n d g e r a d e d a n n , w e n n es w e n i g e r k a l t ist. E s h a g e l t , allgemein g e s a g t , in d e n w ä r m e r e n G e g e n d e n , es s c h n e i t in d e n k ä l t e r e n . M e r k w ü r d i g ist a u c h , d a ß (bei d e r H a g e l 5 e n t s t e h u n g ) W a s s e r o b e n in d e r L u f t g e f r i e r t : ein G e f r i e r e n ist j a n i c h t m ö g l i c h , ehe W a s s e r d a i s t , a n d r e r s e i t s v e r m a g sich d o c h W a s s e r k e i n e n A u g e n b l i c k o b e n in d e r S c h w e b e zu h a l t e n . M a n k a n n es sich a b e r a u c h n i c h t so v o r s t e l l e n , d a ß , wie W a s s e r t r ö p f c h e n sich infolge i h r e r K l e i n h e i t o b e n h a l t e n u n d in der L u f t s c h w e b e n k ö n n e n (so s c h w i m m t 10 o f t E r d e u n d Gold in f e i n s t e r V e r t e i l u n g auf einer W a s s e r f l ä c h e ) , d a ß so h i e r d a s W a s s e r auf der L u f t r u h t u n d n a c h d e m Z u s a m m e n t r e t e n vieler kleiner in G e s t a l t g r o ß e r T r o p f e n h e r u n t e r k o m m t . So k a n n es b e i m H a g e l n i c h t d e r F a l l sein, d e n n E i s p a r t i k e l k ö n n e n n i c h t m i t e i n a n d e r z u s a m m e n w a c h s e n wie W a s s e r t e i l c h e n . E s m u ß also wirklich ein solch großes Q u a n t u m W a s s e r sich o b e n g e h a l t e n h a b e n ; sonst w ä r e d a s g e f r o r e n e H a g e l k o r n n i c h t so groß. 15 E i n i g e geben n u n f ü r d a s P h ä n o m e n u n d seine E n t s t e h u n g f o l g e n d e U r s a c h e a n . W e n n eine W o l k e bis in die obere R e g i o n h i n a u f g e d r ä n g t ist, die k a l t ist, weil die v o n der E r d e r e f l e k t i e r t e n S o n n e n s t r a h l e n d o r t n i c h t m e h r w i r k e n , d a n n g e f r i e r t , d o r t a n g e l a n g t , die F e u c h t i g k e i t . D e s h a l b t r i t t H a g e l a u c h e h e r i m S o m m e r u n d in w a r m e n 20 G e g e n d e n a u f , weil d a n n die H i t z e die W o l k e n v o n der E r d e aus h ö h e r steigen l ä ß t . — N u n h a g e l t es a b e r g e r a d e in a u s g e s p r o c h e n e n H ö h e n l a g e n b e s o n d e r s s e l t e n ; es m ü ß t e dies d o c h (nach j e n e r A n s c h a u u n g ) h ä u f i g d e r F a l l sein, wie wir j a a u c h s e h e n , d a ß es auf B e r g e s h ö h e n a m meisten schneit. Ferner hat m a n oftmals Hagelwolken beobachtet, die m i t Getöse u n m i t t e l b a r ü b e r die E r d e d a h i n j a g t e n , so d a ß , w e r 25 es h ö r t e u n d s a h , e r s c h r a k u n d e t w a s n o c h U n h e i m l i c h e r e s e r w a r t e t e .

29

Kapitel 1 1 - 1 2 M a n h a t a u c h schon solche W o l k e n gesehen, o h n e d a ß ein a u f t r a t : d a n n fällt m a n c h m a l

Geräusch

starker Hagel mit unglaublich

großen

K ö r n e r n , die keine r u n d e F o r m aufweisen. I h r Fall dauerte n u r k u r z e Zeit, weil die Eisbildung in E r d n ä h e , 5 wo

es j e n e

Bildung

Naturforscher

großer

annehmen,

Hagelkörner

von

geschah.

der

nämlich

nicht jedoch Es

eigentlichen

muß

dort,

jedoch

Ursache

d i e 30

des

Ge-

frierens h e r s t a m m e n . D e n n H a g e l ist Eis, d a s k a n n j e d e r sehen,

und

g r o ß sind d i e j e n i g e n H a g e l k ö r n e r , die keine r e g e l m ä ß i g r u n d e

Form

h a b e n . D a s ist ein Zeichen f ü r ihre V e r f e s t i g u n g erst in E r d n ä h e ;

denn

io d i e H a g e l s c h l o s s e n , d i e v o n w e i t h e r k o m m e i l , b r ö c k e l n a u f i h r e m l a n g e n 35 Flug ringsum ab und werden dadurch rund von Gestalt und von Es die

kleiner

Umfang. ist

also

klar,

Verdrängung

daß

der

das

Wolke

Gefrieren in

die

(des

obere

Hagels)

kalte

nicht

Zone

d u r c h 348 b

verursacht

15 w i r d . D a w i r a b e r s e h e n , d a ß es z w i s c h e n W a r m u n d K a l t eine seitige r e a k t i v e Räume

Konzentration

bei w a r m e m

Wetter

gibt

— deshalb

sind ja

kalt u n d bei Frost

wechsel-

unterirdische

warm

—, m u ß

man

a n n e h m e n , d a ß sich dies a u c h in der o b e r e n R e g i o n abspielt.

5

Daher

20 r u f t j a a u c h i n d e n w ä r m e r e n J a h r e s z e i t e n d i e s i c h w e g e n d e r r i n g s u m (herrschenden) W ä r m e reaktiv im Innern (der Wolken) Kälte

manchmal

Regentropfen

plötzlichen

an warmen

Regen zu Platzregen;

Regen

Tagen

hervor.

viel g r ö ß e r

konzentrierende

Deshalb als i m

werden

Winter

der Verdichtung.

Das

Phänomen

zu der E r k l ä r u n g

des Anaxagoras,

wenn

in

(die Wolke)

und

die

P l a t z r e g e n w e r d e n s i e n ä m l i c h g e n a n n t , w e n n 10

25 s i e g e d r ä n g t e r s i n d , g e d r ä n g t e r a b e r w e r d e n s i e w e g e n d e r keit

auch

entsteht

denn

genau

im

er b e h a u p t e t ,

SchnelligGegensatz

es t r e t e

ein,

die kalte (Region) aufsteigt, wir aber, w e n n

sie

i n d i e w a r m e h i n u n t e r s i n k t , u n d j e m e h r d e s t o m e h r . W e n n a b e r d i e is 30 K ä l t e i n n e r h a l b ( d e r W o l k e n ) - s i c h w e g e n d e r W ä r m e noch

stärker

konzentriert,

dann

verfestigt sich

das

außen

Wasser,

reaktiv das

sie

(die Kälte) g e m a c h t h a t , u n d wird zu H a g e l . Dies t r i t t d a n n ein, w e n n die Verfestigung Regen)

fallen

sich

könnte.

zu

schnell vollzieht,

Wenn

es n ä m l i c h

als eine

daß

das

Wasser

bestimmte

Zeit

(als zum

35 F a l l e n b r a u c h t , d i e s c h l a g a r t i g e A b k ü h l u n g e s a b e r i n e i n e r k ü r z e r e n 20 Zeit v e r f e s t i g t , so h i n d e r t Luft

vollzieht,

rascher

nichts, daß

vorausgesetzt

geschieht

eben,

d e r G e f r i e r p r o z e ß sich in

daß

das

als sein A b w ä r t s f a l l e n . J e

Gefrieren näher

des

der Erde

intensiver die V e r d i c h t u n g des Wassers, desto heftiger fällt der

der

Wassers und

je

Regen,

30

Buch I

d e s t o g r ö ß e r sind R e g e n t r o p f e n u n d H a g e l k ö r n e r , weil sie n u r eine 25 k u r z e S t r e c k e fallen. D a ß die g r o ß e n R e g e n t r o p f e n n i c h t d i c h t fallen, h a t d e n gleichen G r u n d . — I m S o m m e r ist H a g e l seltener als i m F r ü h j a h r u n d i m H e r b s t , h ä u f i g e r indessen als i m W i n t e r , weil i m S o m m e r die L u f t t r o c k e n e r ist. I m F r ü h l i n g ist sie n o c h f e u c h t , i m H e r b s t b e g i n n t sie b e r e i t s w i e d e r f e u c h t z u w e r d e n . M a n c h m a l a b e r t r e t e n , 30 wie g e s a g t , a u c h i m S p ä t s o m m e r H a g e l s c h a u e r a u f , u n d z w a r aus d e m selben G r u n d e . Z u r Schnelligkeit des Gefrierens t r ä g t es a u c h bei, w e n n d a s W a s s e r v o r h e r e r w ä r m t i s t ; d a n n k ü h l t es n ä m l i c h schneller a b . D e s h a l b stellen viele L e u t e W a s s e r , d a s sie r a s c h a b k ü h l e n wollen, erst in die S o n n e , 35 u n d w e n n die R e w o h n e r der P o n t u s g e g e n d e n auf d e m E i s i h r e H ü t t e n f ü r d e n F i s c h f a n g a u f s c h l a g e n (sie schlagen n ä m l i c h ein L o c h in d a s 349 a E i s u n d fischen), d a n n s c h ü t t e n sie heißes W a s s e r | auf ihre Angelr u t e n , u m sie r a s c h e r zu v e r e i s e n ; sie b e n u t z e n n ä m l i c h E i s anstelle v o n Blei, u m die R u t e n r u h i g zu stellen. W a r m a b e r w i r d das W a s s e r , das sich z u s a m m e n z i e h t , gar r a s c h , w e n n es sich u m heiße G e g e n d e n und heiße Jahreszeiten handelt, s A b e r a u c h in A r a b i e n u n d Ä t h i o p i e n t r e t e n die R e g e n i m S o m m e r auf u n d n i c h t i m W i n t e r , u n d z w a r gewaltige R e g e n u n d o f t m a l s a m gleichen T a g e aus e b e n d e m s e l b e n G r u n d e ; d e n n (die L u f t ) k ü h l t sich w e g e n d e r r e a k t i v e n K o n z e n t r a t i o n r a s c h a b , die d e s h a l b e i n t r i t t , weil d a s L a n d sehr heiß ist. Soweit also ü b e r R e g e n , T a u , Schnee, Reif, H a g e l , w a s die U r s a c h e n ihres E n t s t e h e n s u n d i h r W e s e n b e t r i f f t . 13. W i r wollen n u n ü b e r W i n d e u n d alles W e h e n in der L u f t , s o d a n n ü b e r F l ü s s e u n d Meer s p r e c h e n u n d z u n ä c h s t a u c h auf diesem G e b i e t f ü r u n s selber die Schwierigkeiten d u r c h d e n k e n . D e n n a u c h hier ist, 15 wie bei a n d e r e n T h e m e n , uns keine A u s s a g e ü b e r l i e f e r t , die n i c h t d e r Erstbeste hatte äußern können. D a g i b t es die B e h a u p t u n g einiger, die s o g e n a n n t e L u f t sei, b e w e g t u n d s t r ö m e n d , W i n d , v e r d i c h t e t a b e r sei dieselbe L u f t W o l k e u n d W a s s e r , d e n n W a s s e r u n d W i n d seien v o n gleicher N a t u r , u n d d e r 20 W i n d sei b e w e g t e L u f t . M a n c h e , die sich r e c h t k l u g a u s d r ü c k e n wollen, b e h a u p t e n d a r u m , alle W i n d e stellten e i n e n W i n d d a r , weil j a a u c h die b e w e g t e L u f t in i h r e r G e s a m t h e i t ein u n d dasselbe sei; n i c h t wirkliche, n u r s c h e i n b a r e U n t e r s c h i e d e weise sie a u f , w e g e n der V e r s c h i e d e n h e i t der Geg e n d e n , v o n d e n e n sie jeweils h e r w e h e . D a s ist g e r a d e so, als wollte 25 m a n a n n e h m e n , a u c h die Flüsse a l l e s a m t seien wie e i n F l u ß . D a r u m

Kapitel 12-13

31

u r t e i l t die g r o ß e M e n g e , o h n e w i s s e n s c h a f t l i c h e U n t e r s u c h u n g , t r e f f e n d e r als die L e u t e , die d e r g l e i c h e n als U n t e r s u c h u n g s e r g e b n i s a u s s p r e c h e n . W ü r d e n alle F l ü s s e a u s e i n e m U r s p r u n g s t r ö m e n u n d w ä r e E n t s p r e c h e n d e s a u c h h i e r b e i d e n W i n d e n d e r F a l l , d a n n h ä t t e viel5 l e i c h t i h r e M e i n u n g e i n e n g e w i s s e n S i n n ; w e n n a b e r d a s e i n e so w e n i g 30 e i n t r i t t wie d a s a n d e r e , i s t o f f e n b a r i h r g e i s t r e i c h e r E i n f a l l n i c h t i g . D e n n d a r a u f m u ß es d o c h b e i d e r U n t e r s u c h u n g a n k o m m e n : W a s ist d e r W i n d u n d w i e e n t s t e h t e r ? W a s s e t z t die W i n d e i n B e w e g u n g u n d w o h e r s t a m m e n sie? Soll m a n a n n e h m e n , d a ß d e r W i n d gleich 10 s a m a u s e i n e m B e h ä l t e r s t r ö m t , u n d z w a r so l a n g e , bis d e r B e h ä l t e r 35 leer i s t , wie w e n n m a n ( W e i n ) a u s S c h l ä u c h e n g i e ß t , | o d e r ist es so, 349 b w i e es a u c h die M a l e r d a r s t e l l e n , d a ß n ä m l i c h i h r U r s p r u n g a u s i h n e n selbst s t a m m t ? Ä h n l i c h e A n s c h a u u n g e n w e r d e n v o n e i n i g e n a u c h h i n s i c h t l i c h des 15 U r s p r u n g s d e r F l ü s s e v e r t r e t e n . Die v o n d e r S o n n e e m p o r g e f ü h r t e u n d als R e g e n w i e d e r n i e d e r g e h e n d e F e u c h t i g k e i t s a m m l e sich u n t e r d e r E r d e u n d fließe d a n n a u s e i n e r g r o ß e n H ö h l u n g a u s , e n t w e d e r alle F l ü s s e a u s e i n e r o d e r j e d e r a u s e i n e r a n d e r e n ; ein N e u e n t s t e h e n 5 v o n W a s s e r g e b e es n i c h t , s o n d e r n w a s sich i n f o l g e d e r W i n t e r r e g e n 20 i n d e n g e n a n n t e n B e h ä l t e r n s a m m l e , d a s m a c h e die M a s s e d e r F l ü s s e a u s . D e s h a l b sei i h r W a s s e r s t a n d s t e t s i m W i n t e r h ö h e r als i m S o m m e r , d e s h a l b f ü h r t e n a u c h die e i n e n b e s t ä n d i g W a s s e r , die a n d e r e n n i c h t . W o n ä m l i c h i n f o l g e d e r G r ö ß e d e r H ö h l u n g viel g e s p e i c h e r t e s W a s s e r 10 v o r h a n d e n sei, so d a ß es a u s r e i c h e u n d sich n i c h t a u f b r a u c h e v o r d e r 25 W i e d e r k e h r d e r w i n t e r l i c h e n R e g e n f ä l l e , d a sei die W a s s e r f ü h r u n g perennierend; Flüsse mit kleineren Speichern jedoch trockneten wegen W a s s e r m a n g e l s a u s , u n d n o c h e h e d a s R e g e n w a s s e r z u r ü c k k e h r e , sei d e r B e h ä l t e r leer. W i l l m a n sich j e d o c h v o i j d e r M e n g e des t ä g l i c h u n a b l ä s s i g ( a u s 15 30 d e r E r d e ) fließendes W a s s e r s ein Bild m a c h e n u n d s t e l l t sich d a f ü r e i n e n B e h ä l t e r v o r , d a n n l i e g t es k l a r z u t a g e : d e r W a s s e r s p e i c h e r d ü r f t e a n G r ö ß e d e n E r d b a l l ü b e r t r e f f e n o d e r n i c h t viel d a h i n t e r z u r ü c k s t e h e n , sollte er d a s R e g e n w a s s e r eines g a n z e n J a h r e s a u f n e h m e n . N u n g i b t es z w a r o f f e n s i c h t l i c h viele d e r a r t i g e H ö h l u n g e n a n v i e l e n 20 35 Stellen d e r E r d e , g l e i c h w o h l w ä r e es b e f r e m d l i c h , w o l l t e m a n b e z w e i f e l n , d a ß die U m w a n d l u n g v o n L u f t z u W a s s e r i n n e r h a l b des E r d k ö r p e r s die gleiche U r s a c h e h a t wie ü b e r d e r E r d e . W e n n also h i e r u n t e r K ä l t e e i n f l u ß w a s s e r d a m p f h a l t i g e L u f t sich z u W a s s e r z u s a m m e n s c h l i e ß t , d a n n m u ß m a n d e n g l e i c h e n V o r g a n g als F o l g e d e r K ä l t e

32

Buch I

25 a u c h i m E r d i n n e r n a n n e h m e n : das h i e r a b g e s o n d e r t e — u n d d a n n aus der E r d e fließende — W a s s e r v e r d a n k t n i c h t n u r e i n e m N e u e n t s t e h e n seine E x i s t e n z , s o n d e r n a u c h e i n e m k o n t i n u i e r l i c h e n N e u e n t s t e h e n . F e r n e r : a u c h "was d a s n i c h t ( d u r c h K o n d e n s a t i o n ) e n t s t e h e n d e , sond e r n das v o r h a n d e n e u n d sich t ä g l i c h e r g ä n z e n d e W a s s e r b e t r i f f t , s d a r f m a n n i c h t m e i n e n , es stellten b e s t i m m t e u n t e r i r d i s c h e Seen d e n 30 U r s p r u n g der Flüsse d a r (wie einige b e h a u p t e n ) ; v i e l m e h r wie ü b e r der E r d e sich kleine T r o p f e n b i l d e n , die sich w i e d e r zu a n d e r e n gesellen, bis a m E n d e in geschlossener Masse das R e g e n w a s s e r h e r u n t e r k o m m t , so s a m m e l t sich a u c h i m E r d i n n e r n die F e u c h t i g k e i t z u e r s t in in kleinen Mengen u n d stellt, i n d e m sie die E r d e jeweils a n e i n e m 35 P u n k t t r o p f e n w e i s e z u s a m m e n r i n n e n l ä ß t , d e n U r s p r u n g der F l ü s s e 350« d a r . D a s beweist die P r a x i s der B r u n n e n g r ä b e r , | die die F e u c h t i g k e i t m i t Hilfe v o n R ö h r e n u n d K a n ä l e n z u s a m m e n f ü h r e n , da die E r d e sie v o n d e n B o d e n e r h e b u n g e n h e r gleichsam a u s s c h w i t z t . D e s h a l b k o m m t :s a u c h , wie ersichtlich, das Quellwasser der F l ü s s e v o n d e n B e r g e n h e r , u n d die m e i s t e n u n d g r ö ß t e n S t r ö m e fließen v o n d e n h ö c h s t e n G e b i r g e n 5 h e r u n t e r . D e m e n t s p r i c h t es, d a ß die m e i s t e n Quellen sich in der N a c h b a r s c h a f t v o n Gebirge u n d H o c h l a n d b e f i n d e n ; in d e n E b e n e n gibt es, v o n d e n F l ü s s e n abgesehen, n u r ganz wenige Q u e l l e n . Gebirge u n d 20 H o c h l a n d n ä m l i c h , wie ein dicker S c h w a m m ü b e r d e r E b e n e h ä n g e n d , lassen d a s W a s s e r , in kleinen M e n g e n z w a r , a b e r a n vielen Stellen, d u r c h s i c k e r n u n d sich s a m m e l n . D e n n sie n e h m e n einen g r o ß e n Teil 10 des als R e g e n f a l l e n d e n W a s s e r s in sich auf ( d e n n m a g die ä u ß e r e F o r m eines [von d e r E r d e g e b i l d e t e n ] B e h ä l t e r s h o h l u n d n a c h 25 o b e n offen oder g e w ö l b t u n d n a c h u n t e n offen sein, in b e i d e n F ä l l e n wird er die gleiche Menge speichern k ö n n e n ) , sie k ü h l e n d e n a u f s t e i g e n d e n W a s s e r d a m p f a b u n d lassen i h n sich wieder zu W a s s e r verdichten. D e s h a l b s t r ö m e n , wie gesagt, die g r ö ß t e n Flüsse ersichtlich v o n d e n so 15 h ö c h s t e n G e b i r g e n h e r u n t e r . D a s t r i t t z u t a g e , w e n n m a n sich die E r d b e s c h r e i b u n g e n ( m i t i h r e n K a r t e n ) a n s i e h t , die ihre Verfasser j a auf G r u n d v o n E r k u n d i g u n g e n gezeichnet h a b e n , die sie v o n den jeweiligen ( L a n d e s b e w o h n e r n ) eingezogen h a b e n , soweit sie n i c h t selbst Be35 t r a c h t e r (der b e t r e f f e n d e n L ä n d e r ) gewesen sind. W a s Asien b e t r i f f t , so sehen wir, d a ß die m e i s t e n u n d g r ö ß t e n S t r ö m e 20 v o n d e m P a r n a s s o s g e n a n n t e n Gebirge fließen, d a s n a c h a l l g e m e i n e r A n s i c h t in R i c h t u n g O s t s ü d o s t das h ö c h s t e i s t ; h a t m a n es n ä m l i c h ü b e r s t i e g e n , d a n n wird bereits d a s ä u ß e r e Meer s i c h t b a r , dessen G r e n z e

Kapitel 13

33

von unserer Region der bewohnten Erde aus nicht zu erkennen ist. Von diesem Gebirge kommen unter anderen der Baktros, der Choaspes und der Araxes her; als ein Teil des letzteren zweigt sich der Tanais ab hin zum Mäotissee. Auch der Indus kommt von dort, der größte 2s s aller Ströme. Dem Kaukasus entströmt, neben anderen ungewöhnlich zahlreichen und großen Flüssen, der Phasis. Der Kaukasus ist das größte und höchste Gebirge in Richtung Nordost. Ein Anzeichen für 30 seine Höhe aber ist es, daß er sowohl von dem sogenannten (pontischen) Tief aus sichtbar ist wie auch von der Einfahrt in die Mäotis aus, io ferner aber, daß seine Gipfel auch nachts besonnt sind bis zu einem Drittel (der Nacht) von Sonnenaufgang her und auch umgekehrt vom Abend her (gerechnet). Ein Anzeichen für die Ausdehnung des Gebietes: es bietet Platz für viele Siedlungen, wo zahlreiche Volksstämme wohnen und wo sich große Seen befinden sollen [und doch ^ 15 sind alle diese Gegenden, berichtet man, bis zum letzten Gipfel deutlich sichtbar]. Vom Pyrene-Gebirge her | (es liegt gegen Westen, im Keltenland) 350 b fließen der Ister und der Tartessos. Der letztere mündet außerhalb der Säulen des Herakles (in den Ozean), der Ister fließt durch ganz 20 Europa ins Schwarze Meer. Von den übrigen Flüssen ziehen die meisten vom Herkynischen Gebirge nach Norden; dies ist das höchste und 5 ausgedehnteste in der dortigen Gegend. Im höchsten Norden, noch über das äußerste Skythien hinaus, liegen die sogenannten Rhipäen, über deren Ausdehnung man freilich allzu Fabelhaftes erzählt. Von 25 dort kommen, wie man berichtet, die meisten und nach dem Ister größten der anderen (europäischen) Ströme. 10 Dem entspricht es, daß in Libyen (Afrika) der Aigon und der Nyses von den äthiopischen Bergen herkommen, dagegen die größten unter den mit Namen bekannten Flüssen vom sogenannten Silbergebirge, 30 nämlich der Fluß, der Chremetes heißt und in den äußeren Ozean mündet, und der wichtigste Quellfluß des Nil. Von den Flüssen Griechenlands kommt der Acheloos vom Pindos, 15 auch der Inachos kommt von daher, Strymon, Nessos und Hebros, alle drei entströmen dem Skombrosgebirge. Auch aus dem Rhodope35 gebirge kommen viele Flüsse her. Gleiches kann man hinsichtlich des Ursprungs auch der anderen Flüsse feststellen; die genannten sollten nur als Beispiel dienen. Denn auch wo Flüsse aus Sümpfen fließen, da liegen diese Sümpfe zumeist 20 am Fuß von Bergen oder unterhalb ansteigenden Geländes. 3

Aristoteles 12

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Buch I

Es ist also klar, d a ß die Flüsse nicht ihren Ursprung aus abgesonderten (unterirdischen) Höhlungen h a b e n ; denn einmal böte die ganze 25 E r d e nicht genug R a u m — so wenig wie die Wolkenregion —, wenn die Flüsse von einem vorhandenen Wasservorrat gespeist werden m ü ß t e n u n d wenn nicht das Wasser teils verginge, teils sich neu bildete, son- s d e m alles von einem Speicher sich herleitete. Zweitens ist die Tatsache, d a ß die Quellen am Bergfuß liegen, ein Beweis d a f ü r , d a ß das Gelände dort die Feuchtigkeit in kleinen Mengen aus vielen Tropfen allmählich sammelt u n d d a n n weiterleitet u n d daß auf diese Weise 30 sich die Quellen der Flüsse bilden. 10 Es ist jedoch durchaus möglich, d a ß es auch solche (unterirdischen) seenähnlichen Wasseransammlungen gibt, n u r sind sie nicht so groß, daß sie jene Quellenbildung ermöglichen, ebenso wenig, als m a n glauben darf, der sichtbare Ursprung sei die eigentliche Quelle eines Flusses (aus Quellen k o m m e n j a die meisten her). D a ß diese die ganze Wasser- is 35 masse ausmachen oder jene Seen — diese Meinungen sind gleichermaßen unwahrscheinlich. 351 a Solche Schluchten u n d Spalten im E r d i n n e r n gibt es aber, | das wird durch das Verschwinden von Flüssen bewiesen. Es t r i t t an vielen Stellen der Erdoberfläche a u f ; was z. B. die Peloponnes betrifft, am 20 häufigsten in Arkadien. Grund d a f ü r ist, d a ß wegen seiner bergigen N a t u r die Täler keinen Ausfluß zum Meer h a b e n . W e n n diese n u n 5 Wasser erfüllt, das nicht abfließen k a n n , d a n n sucht es sich, unter dem Druck des von oben nachströmenden Wassers, einen Ausweg in die Erdtiefe hinein. I n Griechenland k o m m t diese Naturerscheinung 2s nur in ganz geringem A u s m a ß v o r ; wohl aber gibt es am F u ß des Kaukasus den See, den die Leute dort ein Meer n e n n e n : dieser wird 10 von vielen großen Flüssen gespeist, h a t aber keinen sichtbaren Abfluß; ein solcher t r i t t , nach unterirdischem Lauf, erst im L a n d e der Koraxer, bei dem sogenannten Pontostief wieder zutage. Das ist eine 3» unermeßlich tiefe Stelle des (Schwarzen) Meeres; jedenfalls h a t noch niemand die Tiefe ausloten können. Dort quillt etwa 300 Stadien vom 15 Land entfernt Süßwasser empor, über eine große Fläche hin, die aber nicht z u s a m m e n h ä n g t , sondern in drei Abschnitte zerfällt. Auch in Ligurien versickert ein Fluß, so groß wie die Rhone (die doch ein 3& schiffbarer Strom ist), u n d t r i t t an anderem Ort wieder zutage. 14. Es sind aber nicht fortwährend dieselben Teile der Erdoberfläche 20 wasserreich oder trocken, sondern es t r e t e n an ihnen Veränderungen auf je nach dem E n t s t e h e n u n d Versiegen der Flüsse. So wechseln

Kapitel 13-14

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auch (im ganzeil) Festland und Meer ab, nicht für alle Zeiten bleibt dies hier L a n d und jenes dort See, sondern Meer entsteht, wo jetzt trockener Boden ist, und wo jetzt Meer, dort bildet sich wieder L a n d . 25 Man muß jedoch in diesem Geschehen eine bestimmte periodische Ord5 nung erkennen. Ursprung und Ursache hat es darin, daß auch das Erdinnere — wie die Körper von Pflanzen und Tieren — seine Lebensblüte und sein Altern hat. Nur sind es dort (bei den Organismen) nicht einzelne Teile, an denen sich dies vollzieht, sondern sie blühen und welken mit Notwendigkeit als Ganzes, während beim Erdkörper 30 10 dies nur an einzelnen Teilen der Fall ist, als Folge von Abkühlung und Erwärmung. Diese Zustände werden verursacht von der Sonne auf ihrer Bahn, weswegen auch die einzelnen Teile der Erde ihre besondere Eigenart erhalten: manche Landschaften vermögen eine Zeitlang ihre Feuchtigkeit zu erhalten, dann trocknen sie aus und altern 15 wieder; während andere ihrerseits aufleben und wasserreich werden. 35 Trocknet aber ein Landstrich aus, | dann verschwinden mit Notwen- 351 b digkeit die Quellen; tritt dies ein, dann wandeln sich zuerst große Flüsse zu kleinen, schließlich versiegen sie. Verändern nun die Flüsse ihren Ort und verschwinden hier, um ähnlich anderswo sich wieder 20 zu bilden, dann muß ein Wandel auch des Meeres eintreten. Wo es 5 nämlich unter dem Druck der Flüsse auf das L a n d übergriff, da muß es, wenn es sich zurückzieht, trockenes Land hinter sich lassen; wo aber die See durch die Anschwemmungen hochgehender Flüsse aufgefüllt und zu trockenem Land wurde, da muß wieder Überflutung 25 eintreten. Weil aber das ganze Naturgeschehen sich am Erdkörper nur langsam auswirkt und in Zeiträumen, die unserem Leben gegenüber riesig ¡o sind, kommt es eher zum Untergang und Verderben ganzer Völker, ehe es zu einer Überlieferung von diesen Vorgängen kommt, von ihrem 30 Anfang und ihrem Ende. Das größte und geschwindeste Völkersterben verursachen die Kriege, sodann Seuchen und Hungersnöte. Die letzteren bewirken manchmal e i n großes Verderben, manchmal wirken 15 sie nur allmählich, so daß sogar die Auswanderung solcher Völkerschaften unbemerkt bleibt. Denn die einen verlassen das L a n d , die 35 anderen halten solange aus, bis der Boden überhaupt keine Menschen mehr zu ernähren vermag. Man muß also mit großen Zeiträumen zwischen der ersten und der letzten Auswanderungswelle rechnen, so 20 daß keine zusammenhängende Überlieferung bleibt, sondern noch zu Lebzeiten der letzten Siedler verlorengegangen ist, wegen der Länge 3«

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der Zeit. I m gleichen Sinn sind wir zu der Auffassung genötigt, d a ß auch hinsichtlich der Ansiedelungen die K u n d e verlorengegangen ist, w a n n die einzelnen Völkerschaften z u m ersten Mal den Boden bet r e t e n haben, als er sich gerade wandelte und, eben noch sumpfig u n d 25 f e u c h t , trocken wurde. Denn auch hier vollzieht sich die Entwicklung s in kleinen Schritten, innerhalb eines langen Zeitraums, so daß es keine Überlieferung d a r ü b e r gibt, wer die ersten Siedler waren, w a n n sie k a m e n u n d wie das L a n d damals aussah. So h a t es sich z u m Beispiel in Ägypten ereignet. E s liegt a m Tage, d a ß der Boden dort immerfort trockener wird u n d d a ß das ganze L a n d 10 30 eine A u f s c h ü t t u n g des Nil ist; weil aber die anliegenden Völkerschaften entsprechend der ganz allmählichen Austrocknung der Sümpfe von dem L a n d Besitz n a h m e n , h a t die Länge des Zeitraums die K u n d e vom A n f a n g verschwinden lassen. Man k a n n immerhin sehen, d a ß sämtliche Mündungen — einzig die von Kanopos ausgenommen — is künstlich sind u n d kein Werk des Stromes, u n d d a ß in alter Zeit 35 T h e b e n der N a m e Ägyptens war. Sogar H o m e r , der doch so j u n g ist im Vergleich zu solchen E r d v e r ä n d e r u n g e n , ist d a f ü r ein Zeuge; denn 3 52 a er e r w ä h n t | n u r diesen Ort (Theben), so d a ß m a n m e r k t , es gab Memphis noch nicht, oder jedenfalls noch nicht in der heutigen Größe. 20 U n d so ging es auch wahrscheinlich zu; d e n n das Tiefland w u r d e später besiedelt als das Hochland, weil der Boden desto länger sumpfig war, j e näher er der S c h l a m m a u f s c h ü t t u n g (an der Mündung) lag. Das 5 eben erst gebildete L a n d wies j a besonders feuchte Stellen auf. Aber solcher Boden wandelt seinen Charakter und wird mit der Zeit f r u c h t b a r . 2s D e n n indem sie trocken werden, verbessern sich die Landstriche, w ä h r e n d andrerseits solche, die bis dahin gut ausgeglichene Bewässerungsverhältnisse h a t t e n , austrocknen u n d d a d u r c h an W e r t verlieren. I n n e r h a l b Griechenlands t r a t ein solcher Wandel im Gebiet von Argos 10 u n d von Mykene auf. Zur Zeit des Troischen Krieges nämlich vermochte 30 das argivische L a n d , sumpfig wie es war, n u r wenige Menschen zu ern ä h r e n , das von Mykene aber war f r u c h t b a r (und d a r u m a u c h b e r ü h m t e r ) . J e t z t ist es, aus d e m angegebenen G r u n d , u m g e k e h r t : Mykene ist unf r u c h t b a r geworden u n d völlig trocken, in Argos dagegen sind die damals v e r s u m p f t e n u n d deswegen ertraglosen Gebiete j e t z t a n b a u f ä h i g gewor- 35 is den. Wie es n u n an diesem kleinen Fleck zugegangen ist, m u ß m a n es sich auch vorstellen in großen Gebieten u n d ganzen L ä n d e r n . L e u t e von kurzsichtigem Urteil meinen n u n , die Ursache solcher Naturerscheinungen sei der Wandel des Alls; der ganze Kosmos befinde

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sich im Werden. Deshalb werde auch das Meer kleiner, sagen sie, der 20 Austrocknung wegen; denn es liegt a m Tage, d a ß j e t z t m e h r Stellen solche Yerlandungserscheinungen zeigen als f r ü h e r . I n diesen Behaupt u n g e n ist teils W a h r h e i t , teils I r r t u m . E s gibt zwar m e h r Orte, die 5 f r ü h e r u n t e r Wasser lagen, j e t z t Festland sind, aber auch das Gegenteil k o m m t v o r ; p r ü f t m a n nämlich nach, so wird m a n feststellen, d a ß vielerorts das Meer auf das L a n d übergegriffen h a t . Als Ursache hier- 25 f ü r darf m a n jedoch nicht das Werden der Welt ansehen. E s wäre j a lächerlich, wegen solcher geringfügiger Veränderungen v o n kürzester 10 D a u e r das All in Bewegung zu bringen; ist doch die E r d e nach Masse u n d U m f a n g ein Nichts im Vergleich m i t d e m ganzen Kosmos. Vielmehr m u ß als Grund all dieser P h ä n o m e n e gelten: in schicksalsb c s t i m m t e n Zeitabständen k o m m t , wie im Lauf der Jahreszeiten der 30 Winter, so innerhalb einer bestimmten großen Periode ein großer 15 Winter u n d ein Ü b e r m a ß von Regengüssen. Dies Ereignis t r i t t aber nicht immer in denselben Gegenden ein, sondern ähnelt der sogenannten deukalionischen F l u t ; diese betraf besonders den griechischen R a u m , u n d zwar das Griechenland der Urzeit, das L a n d u m Dodone u n d den 35 Acheloos, | ein Fluß, der oft seinen Lauf v e r ä n d e r t h a t (dort wohnen 352 b 20 die Seiler u n d das damals Graiker genannte Volk, das j e t z t Hellenen heißt). W e n n n u n ein solches Ubermaß von Regengüssen eintritt, h a t m a n als sicher anzunehmen, daß sie f ü r lange Zeit ausreichen. Wir stellten soeben der Begründung des Perennierens oder I n t e r m i t t i e r e n s 5 der Flüsse durch die Größe der unterirdischen Höhlungen unsere An25 sieht entgegen, d a ß es auf umfangreiche, fest a u f g e b a u t e Gebirgsmassen von kühler T e m p e r a t u r a n k o m m t , weil diese besonders viel Wasser a u f n e h m e n , konservieren und produzieren können (während in Gegenden, über denen sich n u r geringe H ö h e n oder locker aus Steinen u n d L e h m aufgeschichtete erheben, das Wasser vorher ver- 10 30 siegt). Dementsprechend ist m a n zu der A n n a h m e genötigt, daß dort, wo so ergiebige Regengüsse fallen, ein geradezu unerschöpflicher Wasserreichtum begründet wird. Jedoch im Lauf der Zeit trocknen Berglandschaften der letztgenannten Art mehr, solche der ersteren A r t weniger aus, bis d a n n wieder der Beginn derselben Periode einsetzt. 15 35 N u n gibt es zwar mit Notwendigkeit eine gewisse Veränderung im Weltall, jedoch kein Werden u n d Vergehen (denn das Universum beh a r r t ewig); dementsprechend sind auch, m i t Notwendigkeit, nicht immer dieselben Gegenden von Meer u n d Flüssen befeuchtet noch i m m e r f o r t trocken. Z u m Beweis eine T a t s a c h e : das L a n d der Ägypter, 20

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die wir die ä l t e s t e n Menschen n e n n e n , ist, wie d e u t l i c h zu sehen, ganz u n d gar E r g e b n i s eines W e r d e n s , n ä m l i c h P r o d u k t seines Flusses. Dies wird j e d e m k l a r , d e r das L a n d , wie es ist, b e t r a c h t e t , u n d ebenso d i e n t , was m a n v o m R o t e n Meer weiß, z u m Zeugnis. E i n e r der K ö n i g e m a c h t e n ä m l i c h den V e r s u c h , es m i t einem K a n a l zu v e r b i n d e n (denn 5 25 die Gegend a n den Schiffsverkehr anzuschließen, h ä t t e i h n e n erhebliche Vorteile g e b r a c h t ; Sesostris, so h e i ß t es, u n t e r n a h m das als erster v o n d e n a l t e n K ö n i g e n ) . E s e r g a b sich j e d o c h , d a ß das R o t e Meer h ö h e r liegt als das L a n d Ä g y p t e n ; d e s h a l b g a b e n Sesostris u n d n a c h i h m Dareios den K a n a l b a u a u f , aus F u r c h t , das Nilwasser k ö n n e d u r c h beigemischtes io 30 Meerwasser leiden. E s liegt also a m Tage, d a ß einst d o r t ein z u s a m m e n h ä n g e n d e s Meer gewesen ist. Dies ist a u c h der G r u n d d a f ü r , d a ß L i b y e n , die G e g e n d u m das A m m o n s h e i l i g t u m , ü b e r r a s c h e n d e r w e i s e eher eine S e n k e d a r s t e l l t u n d tiefer liegt als d a s L a n d nördlich d a v o n ( = z u m M i t t e l m e e r hin). O f f e n b a r e n t s t a n d e n hier einst, infolge v o n is 35 F l u ß a n s c h w e m m u n g e n , Seen u n d (dazwischen) F e s t l a n d , i m L a u f e der 353 a Zeit a b e r t r o c k n e t e das z u r ü c k g e b l i e b e n e s t a g n i e r e n d e W a s s e r | aus u n d ist j e t z t v e r s c h w u n d e n . A b e r a u c h d a s L a n d rings u m die Mäotis ist d u r c h A n s c h w e m m u n g e n d e r Flüsse so s t a r k gewachsen, d a ß j e t z t n u r Handelsschiffe v o n viel geringerer G r ö ß e als v o r 60 J a h r e n hier 20 5 e i n f a h r e n k ö n n e n . D a r a u s l ä ß t sich u n s c h w e r e n t n e h m e n , d a ß a u c h dieser See — wie die m e i s t e n — u r s p r ü n g l i c h d a s P r o d u k t der Flüsse w a r u n d d a ß er schließlich e i n m a l gänzlich v e r t r o c k n e n m u ß . F e r n e r der B o s p o r o s : er h a t eine b e s t ä n d i g e S t r ö m u n g als Folge der Ans c h w e m m u n g e n ; m a n k a n n n o c h m i t eigenen A u g e n b e o b a c h t e n , wie d a s 25 10 vor sich g e h t . J e d e s m a l n ä m l i c h , w e n n a n der asiatischen K ü s t e die S t r ö m u n g eine S a n d b a n k e n t s t e h e n ließ, b i l d e t e sich h i n t e r ihr zuerst ein kleiner See, der d a n n zu v e r t r o c k n e n p f l e g t e ; d a n n b i l d e t e sich v o r ihr eine weitere S a n d b a n k u n d ein w e i t e r e r See, u n d so ging das gleichmäßig w e i t e r . Vollzieht sich das o f t g e n u g , d a n n ist m i t N o t - 30 w e n d i g k e i t d e r B o s p o r o s eines T a g e s n u r n o c h so groß wie ein F l u ß , u n d schließlich m u ß a u c h dieser versiegen. 15 D a die Zeit n i c h t a u f h ö r t u n d das All i m m e r w ä h r e n d ist, so ist also offenbar, d a ß weder T a n a i s n o c h Nil i m m e r flössen, s o n d e r n ihre Quellgegend w a r einst t r o c k e n . D e n n das W e r k d e r Flüsse h a t e i n m a l ein 35 E n d e , die Zeit a b e r n i c h t . E i n e solche F e s t s t e l l u n g wird g l e i c h e r m a ß e n a u c h f ü r die a n d e r e n Flüsse z u t r e f f e n . G i b t es a b e r bei den F l ü s s e n 20 ein W e r d e n u n d V e r g e h e n , u n d sind n i c h t i m m e r die gleichen Stellen d e r E r d o b e r f l ä c h e b e w ä s s e r t , d a n n m u ß sich a u c h d a s Meer in ä h n -

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licher Weise ändern. Wenn aber immerfort das Meer hier verschwindet und dort aufs Land übergreift, dann bleibt offensichtlich die Verteilung von Meer und Festland auf der Erde nicht immer dieselbe, sondern dies alles wandelt sich mit der Zeit, s Daß also dieselben Teile der Erde nicht immerfort entweder Fest- 25 land sind oder schiffbare Flut, wurde dargelegt, und auch der Grund dieses Geschehens; ebenso auch, warum die einen Flüsse beständig strömen, die anderen aber nicht.

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1. Vom Meer wollen wir sprechen, und zwar über die Fragen: was ist seine Natur? Was verursacht den Salzgehalt einer so gewaltigen Wassermenge? Wie ist es entstanden? Was zunächst die Alten mit ihren Götterdichtungen angeht, so lassen 353 b sie es Quellen haben, um | von 'Ursprüngen' und 'Wurzeln' der s Erde und des Meeres reden zu können; sie meinten wohl, so klinge es grandioser und feierlicher und passe zu ihrer Lehre, daß Wasser und Erde ein bedeutender Teil des Alls seien; die ganze übrige Welt habe sich 5 um diesen Bereich herum und ihm zuliebe gebildet, da er das Wertvollste sei und das Uranfängliche. 10 Andere Forscher, die mehr in menschlicher Klugheit hervorragten, lassen das Meer entstanden sein: die irdische Region (sagen sie) war zunächst ganz von Feuchtigkeit erfüllt; ein Teil von ihr verdunstete in der Sonnenwärme und war so die Ursache der Winde und der Umwendungen der Sonnen- und Mondbahn; den restlichen Teil stellt is 10 das Meer dar. Deswegen meinen sie auch, es schrumpfe durch Austrocknung zusammen und werde schließlich einmal ganz trocken sein. Einige von ihnen behaupten, das Meer entstehe, wenn die Erde von der Sonne erwärmt wird, gleichsam wie Schweiß und sei darum auch salzig; es ist j a auch der Schweiß salzig. Andere bezeichnen die Erde 2» 15 als Ursache des Salzgehaltes: wie Wasser beim Filtern durch Asche salzig wird, so sei auch das Meer salzig, weil Erde von solcher Beschaffenheit sich mit ihm vermische. Wir müssen nun die Beweise dafür betrachten, daß es unmöglich Quellen des Meeres geben kann. 25 1) Auf der Erdoberfläche gibt es fließende und stehende Gewässer. 20 Die fließenden kommen alle von Quellen her (hierzu sagten wir früher, daß man sich eine Quelle nicht als einen gleichsam aus einem Behälter gespeisten Ursprung vorstellen darf, sondern als einen ersten Sammelpunkt, wo Wassertropfen, fortwährend neu entstehend und durch die » Erde sickernd, aufeinandertreffen). Stehende Gewässer werden teils von Wasseransammlungen und -rückständen gebildet (z. B . Sumpfwasser 353«

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und alle größeren oder kleineren Teiche), teils haben sie Quellen. Im 25 letzteren Fall sind sie alle künstlich gefaßt (z. B. das Wasser in Brunnen). Überall muß j a die Quelle höher liegen als der Ausfluß. Darum strömt Wasser aus Quellen und in Flüssen von selbst. Brunnenwasser s aber bedarf der technischen Zurüstung. Damit sind sämtliche Gewässerarten aufgezählt. Aus dieser Einteilung aber kann man ersehen, daß 30 Quellen des Meeres unmöglich sind. Es läßt sich nämlich in keiner der beiden Gruppen unterbringen: weder hat es Abflüsse noch ist es künstlich gefaßt, was doch, so oder so, bei allen quellgespeisten Ge10 wässern der Fall ist. Ein frei entstandenes Wasser aber von solcher Größe, das stehendes Wasser ist und doch Quellen hat, kennen wir 35 nicht. 2) Ferner gibt es eine Reihe von Meeren, | die miteinander nirgends 3 5 4 » in Berührung stehen; so hat z. B. das Rote Meer mit dem Ozean außer15 halb der Säulen nur durch eine schmale Straße Verbindung, und Hyrkanisches und Kaspisches Meer sind einerseits vom Weltmeer getrennt, andrerseits ringsum bewohnt; es könnten also ihre Quellen, wenn es 5 irgendwo solche gäbe, nicht verborgen bleiben. 3) In Strömung allerdings befindet sich augenscheinlich das Meer 20 an Engstellen, wo das umgebende Land eine große Wasserfläche auf einen geringen Umfang einengt; diese Strömung beruht aber auf dem ständigen Auf- und Abschwanken des Wassers. Auf einer großen Meeresfläche ist es nicht wahrnehmbar; aber wo es sich auf einer geringen Fläche abspielt, weil das Land das Meer einengt, da scheint 10 25 mit Notwendigkeit die Bewegung, die auf hoher See gering ist, bedeutend. 4) Das ganze Meer innerhalb der Säulen ( = Mittelmeer) befindet sich in einer Strömung, deren Richtung von der Tiefe der Meeresbecken sowie von der Menge der Flüsse abhängt. Der Mäotis-See fließt 30 ins Schwarze Meer, dieses ins Ägäische. Bei den übrigen Teilmeeren liegen die Verhältnisse nicht so klar; hier dagegen ist es der Fall, und 15 zwar wegen der Menge der Flüsse (ins Schwarze Meer und die Mäotis strömen sie zahlreicher als in Meeresflächen, die um ein Vielfaches größer sind), dazu wegen des seichten Seegrundes. Denn dem Augenschein nach 35 wird das Meer immer tiefer, von der Mäotis zum Schwarzen Meer, 20 von diesem zu Ägäischen, von diesem zum Sizilischen; Sardinisches und Tyrrhenisch.es Meer sind die tiefsten von allen. Außerhalb der Säulen ist das Wasser seicht, des Schlammes wegen, andrerseits windstill, weil das Meer in einer Höhlung liegt. — Wie nun die einzelnen

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Flüsse augenscheinlich von den Bergen herkommen, so ist es auch auf 25 der ganzen E r d e : von den höheren — im Norden gelegenen — Gebieten ist der Zufluß a m stärksten. Infolgedessen sind die einen (nördlichen) Meere wenig tief, weil sie sich beständig leeren, die äußeren dagegen sind tiefer. Daß der Norden der Erdoberfläche hochgelegen ist, wird s auch bezeugt durch die Meinung vieler alter Meteorologen, die Sonne senke sich nicht unter die E r d e , sondern kreise um sie, um jene nörd30 liehe Region, sie verschwinde und lasse es Nacht werden, weil im Norden das L a n d gebirgig sei. 2. Soviel also zum Erweis, daß es keine Quellen des Meeres geben 10 354 b kann, und zur Begründung des Strömens, das man beobachtet. | N u n ist über die Entstehung des Meeres (falls es eine gibt) und über seinen Geschmack zu handeln, also warum es so salzig und bitter ist. Die früheren Forscher wurden zu dem Glauben, das Meer sei Ursprung und H a u p t m a s s e des Wassers insgesamt, durch den E i n d r u c k is s veranlaßt, daß es so doch wohl plausibel sei; auch bei den übrigen Elementen gibt es j a eine konzentrierte Masse, die ihres Volumens wegen Ursprung sein kann für die Wandlungen, die das Element bei seiner Weiterleitung erfährt, und für seine Verbindungen mit anderen; so befinden sich in geschlossener Masse Feuer in der oberen Region, 20 L u f t in dem an die Feuerzone anschließenden Bereich, während der Erdkörper die Masse ist, welche alle diese Elemente umgeben, wie j a 10 der Augenschein lehrt. Man muß also eine analoge F r a g e auch für das Wasser stellen. Hier aber bietet der Augenschein keine andere, den übrigen Elementen entsprechende Masse als eben das Meer. Denn was 25 die Flüsse betrifft, so stellen sie weder eine konzentrierte noch eine stehende Wassermasse d a r ; vielmehr zeigt der Augenschein ihr täg15 liches Neuentstehen. Infolge dieser Schwierigkeit k a m es zu der Auffassung, Ursprung des Feuchten und des Wassers insgesamt sei das Meer. D a r u m lehren auch einige, daß die Flüsse nicht nur ins Meer, son- 30 dern auch aus ihm strömen; das Salzwasser werde nämlich durch Filterung trinkbar. Dieser Ansicht steht aber die schwierige F r a g e gegen20 über, warum denn diese Wassermasse, wenn sie wirklich den Ursprung des Wassers insgesamt darstelle, nicht trinkbar sei, sondern salzig. Die Erklärung des Salzgehaltes wird diese Schwierigkeit beheben 35 und zugleich bestätigen, daß unsere G r u n d a u f f a s s u n g v o m Meer richtig ist. U m die E r d e legt sich das Wasser, so wie um dieses die L u f t und s um sie die sogenannte Feuerzone (Feuer ist j a ganz außen, gleichgültig

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ob im üblichen Sinn oder nach unserem Lehrbegriff verstanden). W e n n n u n die S o n n e in i h r e r B a h n k r e i s t ( a u f diese W e i s e k o m m t d e r N a t u r prozeß, Werden u n d Vergehen, zustande), d a n n wird Tag f ü r Tag das l e i c h t e s t e , s ü ß e s t e W a s s e r e m p o r g e f ü h r t u n d s t e i g t , in D a m p f a u f s g e l ö s t , h i n a u f z u r o b e r s t e n R e g i o n ; d o r t v e r d i c h t e t es sich •wieder in- 3° f o l g e d e r A b k ü h l u n g u n d k e h r t z u r E r d e z u r ü c k . So p f l e g t es die N a t u r i m m e r f o r t z u m a c h e n , wie b e r e i t s f r ü h e r d a r g e l e g t . L ä c h e r l i c h s i n d d a h e r alle f r ü h e r e n A n s c h a u u n g e n , d a ß die S o n n e sich v o m F e u c h t e n n ä h r e . M a n | b e h a u p t e t s o g a r , d a ß dies a u c h die 355. xo U r s a c h e d e r S o n n e n w e n d e n s e i : es k ö n n t e n i h r j a n i c h t i m m e r dies e l b e n G e g e n d e n z u r N a h r u n g d i e n e n , a u f N a h r u n g a b e r sei sie a n g e w i e s e n , o d e r sie g e h e z u g r u n d e ; es l e b e j a a u c h d a s b e i u n s s i c h t b a r e F e u e r n u r s o l a n g e , als es N a h r u n g h a b e — F e u c h t i g k e i t a b e r sei s die e i n z i g e N a h r u n g f ü r F e u e r . H i e r w i r d v o r a u s g e s e t z t , d a ß d a s a u f 15 s t e i g e n d e F e u c h t e b i s z u r S o n n e g e l a n g t , o d e r d a ß sein A u f s t e i g e n d e m V o r g a n g b e i m E n t s t e h e n einer F l a m m e e n t s p r i c h t (von hier h a b e n sie w o h l j e n e T h e o r i e b e t r e f f s d e r S o n n e a b g e n o m m e n ) . H i e r l i e g t a b e r n i c h t s V e r g l e i c h b a r e s v o r . D e n n die F l a m m e ist ein P r o z e ß , d e r sich a u s d e m b e s t ä n d i g e n W e c h s e l v o n F e u c h t u n d T r o c k e n e r g i b t , i 0 20 i s t n i c h t e t w a s , w a s e r n ä h r t w i r d (sie b l e i b t j a s o z u s a g e n k e i n e n A u g e n b l i c k d a s s e l b e E t w a s ) . F ü r die S o n n e a b e r k a n n dies u n m ö g l i c h z u t r e f f e n ; d e n n n ä h r t e sie sich a u f e b e n d i e s e W e i s e ( j e n e L e u t e b e h a u p t e n es j a : w i e b e i e i n e r F l a m m e ) , d a n n w ä r e w i r k l i c h die S o n n e nicht nur, nach Heraklits Wort, „jeden Tag neu", sondern fortwährend 25 i n k o n t i n u i e r l i c h e m N e u e n t s t e h e n . F e r n e r : w e n n die S o n n e W a s s e r is z i e h t , d a n n ist d a s d e r E r w ä r m u n g v o n W a s s e r d u r c h F e u e r ä h n l i c h . D a hierbei das F e u e r u n t e r dem Wasser nicht (von letzterem) e r n ä h r t wird, h ä t t e m a n auch von der Sonne nicht Derartiges v e r m u t e n dürfen, u n d w e n n sie d a s g a n z e W a s s e r a u f E r d e n d u r c h E r w ä r m e n z u r V e r se d u n s t u n g b r ä c h t e . A b s u r d a u c h , allein a n die S o n n e z u d e n k e n u n d d a s W o h l u n d W e h e d e r a n d e r e n G e s t i r n e z u v e r a b s ä u m e n , die d o c h 20 so g r o ß u n d z a h l r e i c h s i n d . E s ist h i e r die gleiche U n g e r e i m t h e i t f e s t z u s t e l l e n wie b e i d e r B e h a u p t u n g , d a ß a m A n f a n g d e r D i n g e a u c h die E r d e f e u c h t g e w e s e n , d a ß d a n n bei d e r E r w ä r m u n g des i r d i s c h e n B e 35 r e i c h s die L u f t e n t s t a n d e n sei u n d d a s ' W a c h s t u m ' des g a n z e n H i m m e l s b e g o n n e n h a b e ; die L u f t h a b e die W i n d e u n d die S o n n e n w e n d e n h e r - 2s v o r g e r u f e n . W i r s e h e n a b e r j a g a n z d e u t l i c h , w i e i m m e r f o r t die e m p o r geführte Feuchtigkeit niedersinkend wieder Wasser wird; und wenn a u c h n i c h t in j e d e r J a h r e s z e i t u n d in j e d e r G e g e n d die M e n g e n g e n a u

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e n t s p r e c h e n , so e r s t a t t e t d o c h in b e s t i m m t e n Z e i t r ä u m e n die A t m o s p h ä r e alles E m p f a n g e n e wieder. E s e r h a l t e n also die H i m m e l s k ö r p e r v o n i h r keine N a h r u n g , a u c h ist es n i c h t so, d a ß ein Teil (der Ver30 d u n s t u n g s m a s s e ) L u f t wird u n d bleibt, ein Teil L u f t w i r d u n d gleich wieder in Wasser ü b e r g e h t ; vielmehr löst sich alles in L u f t auf u n d s alles k o n d e n s i e r t wieder zu W a s s e r . D a s t r i n k b a r e süße W a s s e r also wird seiner Leichtigkeit h a l b e r volls t ä n d i g n a c h oben g e f ü h r t , das salzige b l e i b t wegen seiner Schwere 35 u n t e n — a b e r nicht a n seinem eigenen n a t ü r l i c h e n O r t . M a n m u ß dies n ä m l i c h als ein zu R e c h t gestelltes P r o b l e m ansehen (hinsichtlich des 10 355b Ortes — es w ä r e j a widersinnig, | gäbe es i h n n i c h t , wie bei d e n a n d e r e n E l e m e n t e n , a u c h b e i m Wasser) — ebenso m u ß aber a u c h folgendes als L ö s u n g g e l t e n : der P l a t z , d e n wir das Meer e i n n e h m e n sehen, ist eher der O r t des Wassers, n i c h t des Meeres. Letzteres scheint n u r so, weil s das Salzige wegen seiner Schwere u n t e n bleibt, das Süße, T r i n k b a r e a b e r 15 e m p o r s t e i g t , seiner Leichtigkeit wegen — wie in den organischen K ö r p e r n . D e n n a u c h hier ist es so: die a u f g e n o m m e n e N a h r u n g ist süß, a b e r R ü c k s t a n d u n d B o d e n s a t z der flüssigen N a h r u n g m a c h e n den E i n d r u c k des B i t t e r e n u n d Salzigen. Auf das Süße, T r i n k b a r e w i r k t n ä m l i c h die innere 10 W ä r m e , so d a ß es in d a s Fleisch u n d in alle Körperteile, j e n a c h deren 20 besonderer A r t , ü b e r g e h t . N u n w ä r e es a b e r doch u n g e r e i m t , hielte m a n d e n B a u c h nicht f ü r d e n n a t ü r l i c h e n O r t der flüssigen N a h r u n g , weil diese schnell v e r s c h w i n d e t , s o n d e r n f ü r den O r t des R ü c k s t a n d e s , weil m a n diesen b e o b a c h t e n k a n n — d a s w ä r e doch wohl ein Fehlis urteil. Bei u n s e r e m T h e m a ist es ä h n l i c h ; das Meer ist, wie gesagt, 25 der (natürliche) O r t des Wassers. D e s h a l b s t r ö m e n j a a u c h alle Flüsse u n d alles auf der E r d e e n t s t e h e n d e Wasser in dieses; d e n n die Ström u n g g e h t i m m e r in d e n t i e f s t e n H o h l r a u m , u n d d e n e n t s p r e c h e n d e n R a u m der E r d e n i m m t d a s Meer ein. A b e r der eine Teil v o n i h m steigt infolge der S o n n e n w i r k u n g r a s c h u n d vollständig n a c h oben, d e r a n d e r e 30 20 bleibt aus d e n dargelegten G r ü n d e n z u r ü c k . D a s alte P r o b l e m , w a r u m eine so gewaltige Menge W a s s e r sich nirgends b e m e r k b a r m a c h t (es fließen j a täglich unzählige, u n e r m e ß l i c h wasserreiche Flüsse ins Meer, ohne d a ß es größer wird) — begreiflich, d a ß m a n hier eine Schwierigkeit sah, doch ist die L ö s u n g bei n ä h e r e m Zusehen n i c h t schwer z u 35 25 finden. E s t r o c k n e t n ä m l i c h ein u n d dieselbe W a s s e r m e n g e n i c h t in der gleichen Zeit, w e n n m a n sie ü b e r eine Fläche v e r t e i l t u n d w e n n sie b e i s a m m e n bleibt, v i e l m e h r ist d e r U n t e r s c h i e d so groß, d a ß in l e t z t e r e m Fall das W a s s e r u n t e r U m s t ä n d e n einen g a n z e n T a g zu

Kapitel 2

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dauern vermag, in ersterem aber es in Gedankenschnelle verschwinden kann, wie wenn man einen Becher voll Wasser über einen großen Tisch hinschüttet. So also ist es auch bei den Flüssen der F a l l : sie strömen 30 unablässig als konzentrierte Masse, aber sobald diese die grenzenlose, 5 weitgedehnte (Meeres)fläche erreicht, verdampft sie jedesmal rasch und unmerklich. Was im 'Phaidon' über die Flüsse und das Meer geschrieben steht, ist unmöglich. Da wird erzählt, daß unterirdisch alles Wasser durch 35 Kanäle miteinander in Verbindung steht; sein Quellursprung sei | der 356 a 10 sogenannte Tartarus, eine Wassermasse am Erdmittelpunkt, aus der alle Gewässer, die fließenden und die stehenden, herkommen. Dies Quell- und Ursprungswasser bewirkt, nach beiden Seiten hin, den Zufluß für die Ströme, weil es beständig auf und ab schwankt. E s gibt nämlich keinen Ort, wo es ruht, sondern es fluktuiert immerfort um 5 is den Erdmittelpunkt; auf- und abwärts bewegt, läßt es das Wasser in die Flüsse strömen. Diese Gewässer bilden vielfach Seen (von solcher Art ist auch das Meer, an dem wir leben); alle aber kehren nach einem kreisenden L a u f wieder zum Ursprung zurück, dem sie entströmten, in vielen Fällen zum selben Ort, manchmal aber auch entgegengesetzt 10 20 zur Stelle ihres Ausströmens (also wenn sie z. B . von unten her zu fließen begonnen hatten, kehren sie von oben zurück). Nur bis zur Erdmitte kann ihr Weg abwärts führen; denn weiterhin ergibt sich für alle bereits wieder eine Aufwärtsbewegung. — Was Geschmack und Farbe des Wassers betrifft, so erhält es sie jeweils von der Erde, durch 25 die es gerade fließt. Aber nach dieser Theorie laufen die Wasser nicht immer in derselben Richtung. Denn, da sie dem Mittelpunkt zufließen, von dem 15 sie herkommen, können sie ebensogut aufwärts wie abwärts strömen, in die Richtung eben, die jeweils dem Auf und Ab des wogenden Tar30 tarus entspricht. Dann aber haben wir j a wohl die sprichwörtlichen „ a u f w ä r t s fließenden Flüsse", also eine Unmöglichkeit. Ferner: wo ist hier das Wasser, das (als Regen) entsteht und das verdunstend wieder nach oben steigt? Man muß völlig von ihm absehen, 20 wenn ein dauerndes Gleichgewicht erhalten bleiben soll; es fließt j a 35 (nach Piaton) alles Wasser, das nach außen getreten ist, wieder zum Ursprung zurück. Aber man sieht doch klar, daß alle Flüsse, soweit sie nicht ineinander münden, schließlich ins Meer fließen, keiner in die E r d e ; vielmehr treten sie wieder zutage, wenn sie einmal unter der Erdoberfläche ver-

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25 s c h w u n d e n s i n d . Z u g r ö ß e r e n S t r ö m e n a b e r w e r d e n d i e j e n i g e n F l ü s s e , die l a n g e d u r c h B o d e n s e n k e n f l i e ß e n ; sie n e h m e n n ä m l i c h viele N e b e n f l ü s s e a u f , d e r e n W e g e sie a u f G r u n d d e r e i g e n e n L ä n g e u n d d e r L a g e i h r e s F l u ß b e t t e s s c h n e i d e n . D a r u m s i n d I s t e r u n d N i l die g r ö ß t e n der in unser Meer m ü n d e n d e n Flüsse; u n d hinsichtlich ihrer Quellen 30 g i b t es die v e r s c h i e d e n a r t i g s t e n B e g r ü n d u n g e n , weil h i e r so viele N e b e n f l ü s s e d a s gleiche Ziel h a b e n . All dies k ö n n t e u n m ö g l i c h d e r F a l l sein, w e n n es n a c h j e n e r T h e o r i e g i n g e ; b e s o n d e r s d a sie d e m M e e r e i n e n U r s p r u n g a u s d e m T a r t a r o s zuschreibt. Soviel also als N a c h w e i s , d a ß d e r v o m M e e r e i n g e n o m m e n e P l a t z d e r n a t ü r l i c h e O r t des W a s s e r s , n i c h t des Meeres i s t , u n d z u r B e g r ü n 35 d u n g , w a r u m m a n v o m S ü ß w a s s e r n u r d a s fließende w a h r n e h m e n k a n n ( d a s a n d e r e b l e i b t als R ü c k s t a n d ) , f e r n e r d a ß d a s M e e r e h e r die 356 b E n d s t a t i o n | d e r G e w ä s s e r ist als i h r U r s p r u n g ( m a n d e n k e a n d e n R ü c k s t a n d aller N a h r u n g , b e s o n d e r s d e r f l ü s s i g e n , i n d e n o r g a n i s c h e n Körpern). 3. D e r S a l z g e h a l t des M e e r e s ist n u n zu b e h a n d e l n , u n d a u c h die 5 F r a g e , ob es i m m e r als d a s gleiche e x i s t i e r t o d e r o b es in f r ü h e r e r Zeit f e h l t e , i n k ü n f t i g e r n i c h t m e h r d a sein w i r d , o b es also v e r s c h w i n d e n w i r d , wie j a m a n c h e g l a u b e n . D a r i n s c h e i n e n n u n alle ü b e r e i n z u s t i m m e n , d a ß es e n t s t a n d e n ist — w e n n a u c h d e r g a n z e K o s m o s e n t s t a n d e n ist, d e s s e n W e r d e n sie j a m i t d e m des M e e r e s z u s a m m e n f a l l e n l a s s e n . O f f e n b a r m u ß a l s o , w e n n d a s All ewig i s t , die gleiche A n s c h a u u n g a u c h v o m Meere g e l t e n . W e r io a b e r , wie D e m o k r i t , g l a u b t , es s c h r u m p f e z u s a m m e n u n d v e r s i e g e a m E n d e g ä n z l i c h — e i n e solche M e i n u n g e n t s p r i c h t g a n z d e n F a b e l n des Ä s o p ; d e r h a t j a die G e s c h i c h t e v o n d e r C h a r y b d i s e r z ä h l t , wie sie z w e i m a l d a s M e e r e i n s c h l ü r f t e u n d b e i m e r s t e n Z u g die G e b i r g e z u t a g e is t r e t e n ließ, b e i m z w e i t e n die I n s e l n — s c h l ü r f t sie n o c h e i n m a l , d a n n w i r d sie die E r d e g ä n z l i c h t r o c k e n l e g e n . Als sich Ä s o p ü b e r d e n F ä h r m a n n ä r g e r t e , w a r es i h m d u r c h a u s z u z u b i l l i g e n , d a ß er e i n e solche G e s c h i c h t e e r z ä h l t ^ , a b e r f ü r e i n e n , d e r die W a h r h e i t s u c h t , p a ß t sie w e n i g e r . D e n n w a s a u c h i m m e r d a s Meer u r s p r ü n g l i c h z u m R u h e n a n seiner S t ä t t e v e r a n l a ß t h a t — o b es n u n , wie a u c h m a n c h e v o n j e n e r P a r t e i a n n e h m e n , seine S c h w e r e w a r (hier d e n G r u n d z u s e h e n , liegt 20 j a n a h e ) o d e r e t w a s a n d e r e s —, o f f e n b a r m u ß die gleiche U r s a c h e a u c h f ü r alle Z u k u n f t sein R u h e n v e r b ü r g e n . Sie m ü s s e n n ä m l i c h e n t w e d e r b e h a u p t e n , d a ß es k e i n e W i e d e r k e h r des v o n d e r S o n n e e m p o r g e -

Kapitel 2 - 3

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führten Wassers gibt, oder sie müssen, wenn dies doch der Fall sein soll, zugeben, daß das Meer notwendig unverändert bleibt, immerfort oder doch solange jener Prozeß dauert, und daß dann auch wieder die Notwendigkeit der vorhergehenden Verdunstung des süßen Wassers 5 eintritt. Das Meer wird also niemals austrocknen; bevor das geschehen 25 kann, wird j a das verdunstete Wasser wieder in dasselbe Meer zurückkehren (es macht keinen Unterschied, ob man das als einmaliges Geschehen zugibt oder als ständig wiederholtes). Wenn man der Sonne in ihrer Bahn Halt gebietet, wer wird dann jene Aufgabe des Aus10 trocknens übernehmen? Will man sie jedoch weiter kreisen lassen, so wird sie, wie dargelegt, immerfort das süße Wasser bei ihrer Annäherung emporziehen, bei ihrer Entfernung wieder nach unten fallen 30 lassen. — Auf diesen Gedanken vom Versiegen des Meeres k a m man auf Grund der Beobachtung, daß viele Gegenden dem Eindruck nach 15 jetzt trockener sind als früher. Wir haben es schon dargelegt, daß ungewöhnlich heftige, in bestimmten Zeitabständen eintretende Regenfälle der Grund sind, nicht aber ein Werden des Alls und seiner Teile; 35 und es wird auch wieder das gegensätzliche Phänomen eintreten, und | 357 a wenn es eintritt, wird die Erde wieder trocken werden; so muß es 20 zyklisch immerzu fortgehen. Das ist nämlich eine besser begründete Auffassung als die, es sei jener Phänomene wegen der ganze Kosmos in Veränderung begriffen. Jedoch, hiervon ist ungebührlich lang die Rede gewesen. Zurück zum Salzgehalt des Meeres. Die es auf einmal entstanden sein lassen, 5 25 überhaupt sein Werden behaupten, die bringen es nicht fertig, das Meer salzig zu machen. Denn ob nun nach Verdunstung aller irdischen Feuchtigkeit durch die Sonne das Meer als Rest zurückgeblieben ist oder ob dieser starke Salzgeschmack in der großen Menge süßen Wassers als Ergebnis einer entsprechenden Erdbeimischung drin- 10 "> steckte: im ersten Fall muß, wenn das verdunstete Wasser (als Regen) zurückkehrt — und zwar an Masse gleichgeblieben —, auch schon von Anfang an das Salz im Meer gewesen sein; denn wenn nicht von Anfang an, wäre j a sein späterer Salzgehalt unerklärlich. War aber das Meer gleich von Anfang an salzig, so muß man doch den Grund dafür an35 geben und auch die Frage beantworten, warum das Salzwasser, wenn es damals verdunstete, dies heute nicht mehr tut. — Was aber zweitens 15 die Lehre angeht, die als Ursache des Salzgehaltes eine Erdbeimischung angibt (die Erde, so heißt es, enthält Säfte verschiedenen Geschmacks und macht so, von den Flüssen fortgeschwemmt, das Meer salzig) —

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unbegreiflich, daß dann, nicht auch die Flüsse salzig sind. Denn wie sollte es möglich sein, daß die Beimischung einer solchen Erdart sich 20 in einer großen Wassermasse so merklich auswirkt, im einzelnen Fluß aber gar nicht? Dabei stellt nach dieser Auffassung das Meer offenbar das gesamte Flußwasser dar, von dem es sich nur durch seinen Salz- s gehalt unterscheidet; das Salz aber müßte dann in den Flüssen zu dem Sammelpunkt alles Wassers befördert werden. Ebenso lächerlich ist es, wollte es jemand für eine klare Aussage 25 halten, wenn er, wie Empedokles, das Meer 'Schweiß der Erde' nennt. Poetischen Zwecken mag dieser Ausdruck ja wohl entsprechen (die 10 Metapher gehört bekanntlich zu den dichterischen Mitteln), aber der Aufgabe eines Naturforschers ist er nicht gemäß. Denn auch hier ( = beim organischen Körper) ist es nicht (von vornherein) klar, wie die süße flüssige Nahrung den salzigen Schweiß hervorbringt — 30 ob dabei bloß etwas weggeht, etwa der süßeste Teil, oder ob etwas 15 durch Beimischung hinzukommt, wie bei Flüssigkeiten, die man durch Asche filtert. Die Ursache des Vorgangs scheint die gleiche wie bei dem Rückstand, der sich in der Blase sammelt; auch dieser wird ja bitter und salzig, obwohl die von uns getrunkene 357 b und in unserer Nahrung enthaltene Feuchtigkeit | süß ist. Wenn 20 es nun mit diesem Vorgang die gleiche Bewandtnis hat wie bei Wasser, das durch Asche gefiltert bitter wird, d. h. wenn vom Urin eine Substanz mitgeführt wird, von der Art des salzigen Bodensatzes, den man in der Nachtschüssel findet, und ebenso zusammen 5 mit dem Schweiß aus dem Fleisch abgesondert wird (dabei wäscht 25 die austretende Flüssigkeit gewissermaßen den Stoff aus dem Körper heraus) —: dann ist offenbar auch im Meer die Zumischung einer erdigen Substanz zum Wasser die Ursache des Salzgehaltes. Im organischen Körper nun bildet sich ein solcher Stoff als unverdaulicher Rückstand der Nahrung; wie aber kam dergleichen in 30 10 die Erde? Das muß noch dargelegt werden.

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Überhaupt: wie kann bei Erhitzung und Austrocknung der Erde eine solche Menge Wasser wie das Meer ausgeschieden werden? Und dabei kann dies ja nur ein kleiner Teil der Wassermenge in der Erde sein! Ferner: warum schwitzt die Erde nicht auch jetzt, wenn sie, in 35 größeren oder kleineren Teilen, austrocknet? [Denn Feuchtigkeit und Schweiß sind beide bitter]. K a m dies nämlich früher einmal vor, so müßte es ja auch jetzt so sein. Aber wie man sieht, ist dies nicht der Fall, vielmehr zieht die Erde Feuchtigkeit an, wenn sie trocken ist,

Kapitel 3

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in feuchtem Zustand aber sondert sie gewiß keinen'Schweiß'ab. Wie hätte denn dann beim Ursprung der Dinge, als die E r d e noch feucht war, sie während des Trocknens Schweiß absondern können? Mehr Wahrscheinlichkeit hat es, daß nach der Verdunstung des größten 5 Teils der Feuchtigkeit und ihrem Aufsteigen infolge der Sonnenwärme 20 der Rest das Meer ausmacht (so lehren es einige); aber eine Schweißabsonderung der feuchten Erde ist unmöglich. So scheint, was man über den Salzgehalt vorbringt, der vernünftigen Begründung zu entbehren. Nun soll unsere eigene Meinung folgen, 10 wobei wir den gleichen Ausgangspunkt benutzen wie früher. Unsere Grundthese ist, daß es zwei Ausscheidungen (der Erde) gibt, eine feuchte und eine trockene. Da muß nun offenbar die letztere als 25 Ursache der genannten Phänomene gelten. Die Schwierigkeit nun, über die man zunächst handeln muß, ist die: 15 ist die kontinuierliche Existenz des Meeres so zu denken, daß seine Teile individuell identisch bleiben, oder so, daß sich die Teile fortwährend qualitativ und quantitativ wandeln, wie es bei L u f t , trinkbarem Wasser, Feuer der Fall ist? (Jedes dieser Elemente befindet 30 sich j a in beständigem Wandel, wobei aber den jeweiligen Massen 20 ihre charakteristischen Eigenschaften bleiben, z. B . beim Wasser eines Flusses oder einer brennenden Kerze.) Offensichtlich überzeugend ist die letztere Annahme, daß nämlich vom Verhalten aller Elemente das gleiche gelten muß. Ein Unterschied besteht zwischen ihnen bloß in der mehr oder weniger | großen Geschwindigkeit ihres Wandels. 358 > 25 Ferner herrscht bei allen Vergehen und neues Werden, wobei dies aber bei ihnen allen seine feste Ordnung hat. I m Zusammenhang mit diesen Feststellungen soll nun versucht werden, die Ursache des Salzgehaltes zu erklären. Bekanntlich erhellt aus vielen Indizien, daß der Salzgeschmack durch eine bestimmte Bei- 5 30 mischung bedingt ist. In den organischen Körpern ist es nämlich — wie bereits dargelegt — der am wenigsten verdaute Stoff, der salzig und bitter ist. Am wenigsten verdaut ist der Rückstand der feuchten Nahrung; dies gilt von allen Exkrementen, besonders von der Ansammlung in der Blase (Beweis: die ungewöhnliche Leichtigkeit, während 35 der Verdauungsprozeß von Natur konzentrierend wirkt). E s gilt auch 10 vom Schweiß; in beiden Fällen wird derselbe Stoff ausgeschieden, der jenen salzigen Geschmack bewirkt. Ahnliches geschieht beim Verbrennungsprozeß. Was die Hitze nicht bewältigen kann, bleibt bei ihm als Asche zurück, so wie in den organischen Körpern als E x 4

Aristoteles. 12

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krement. D a r u m behaupten auch manche, das M«er sei aus ver15 brannter E r d e entstanden. S o ausgedrückt, ist es a b s u r d ; doch trifft es zu, daß etwas Derartiges den Salzgeschmack verursacht. Wir müssen uns nämlich vorstellen, daß die hier bezeichneten Phänomene ihr Gegenstück in der N a t u r als Ganzem h a b e n : wie es beim Verbrennungs- s prozeß eine solche E r d a r t als R ü c k s t a n d gibt, so gibt es das gleiche beim W a c h s t u m und Entstehen in der Natur, und auch das Erdige 20 in der trockenen Ausscheidung ist ein solcher R ü c k s t a n d (diese Ausscheidung ist es, die die H a u p t m a s s e der erdigen S u b s t a n z liefert). Nun ist, wie gesagt, die wasserdampfartige Ausdünstung mit der io trockenen gemischt; kondensiert erstere dann zu Wolken und Regen, muß jedesmal in gewisser Menge auch dieser Stoff enthalten sein, der 25 im Regen wieder mit herunterkommt; und zwar muß sich dies immerfort in einer bestimmten Ordnung vollziehen, soweit die Phänomene unserer irdischen Welt einer Ordnung teilhaftig sein können. — Damit is ist der Ursprung des Salzgeschmacks im Meer dargelegt. Hier liegt auch der Grund dafür, daß Regen v o m Süden her, dazu die ersten Herbstregen etwas Salzgeschmack haben. Denn der Süd30 wind ist der wärmste Wind und weht von trockenen, heißen Landstrichen her, führt also wenig Wasserdampf mit sich; eben daher 2» k o m m t seine Wärme. Denn wenn er auch am Ursprung seines Wehens nicht warm, sondern kalt sein sollte, so ist er (hier bei uns) gleichwohl warm, weil er während seines Weges aus den benachbarten Landstrichen trockene Erdausscheidungen in großer Menge mitnimmt. Der 35 Nordwind dagegen führt, weil er aus feuchten Gegenden s t a m m t , 2s 358 b Wasserdampf mit sich und ist darum | kalt. Bei uns bringt er Aufklaren, weil er die Wolken zerstreut; im Süden dagegen bringt er Regen. In gleicher Weise bringt der Südwind in Afrika Aufklaren. — I m Regenwasser ist also viel von diesem Stoff enthalten, und die 5 Herbstregen führen brackiges Wasser, weil der schwerste Bestandteil 3» notwendigerweise zuerst niedersinkt. Infolgedessen fällt Regen, der solche erdartige Bestandteile in Menge enthält, besonders schnell. D a r u m ist auch d a s Meer w a r m ; denn alles, was einen Verbrennungsprozeß durchlaufen hat, enthält potentiell Wärme. Sehen kann man 10 das an Asche, Schlacken, an den trockenen und feuchten Exkrementen 3s von Lebewesen; hier ist es so, daß bei den Lebewesen mit der wärmsten Bauchhöhle auch die Ausscheidung a m wärmsten ist. . Aus diesem Grunde wird also (das Meer) immer salziger. Allerdings wird ständig ein Teil des Meerwassers zusammen mit süßem

Kapitel 3

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(Wasser) nach oben geführt, aber doch nur ein Teil, der kleiner ist entsprechend der Tatsache, daß ja auch in d e m (wieder) herabregnenden Wasser der Salzgehalt gegenüber dem Süßen zurücktritt, is D a s Verhältnis v o n Süß und Salzig ist also im großen ganzen (immer) dasselbe. D a ß aber das verdunstete Wasser trinkbar ist und, w e n n es kondensiert, nicht wieder zu Meerwasser wird, das können wir auf Grund unserer Erfahrungen sagen. A u c h andere Flüssigkeiten zeigen das gleiche Verhalten; Wein und alle Säfte, die verdunsten, u m wieder zu kondensieren, werden zu Wasser. D e n n ihre 20 sonstigen Eigenschaften, abgesehen v o n Wasser, beruhen auf Beimischung, und diese beeinflußt je nach ihrer Art den Geschmack. Doch soll dies bei anderer, passenderer Gelegenheit untersucht werden; jetzt sei nur festgestellt: v o m Meer, als einer gegebenen Größe, steigt fortwährend ein bestimmtes Quantum empor, wird zu Süßwasser und 2s kehrt im Regen zur Erde zurück — in verwandelter Gestalt, nicht so, wie es emporgestiegen w a r ; und infolge seines Gewichts sinkt es unter das Süßwasser. Deswegen versiegt das Meer niemals, wie auch die Flüsse nicht (abgesehen v o n bloß lokalen Veränderungen, wie sie das Meer nicht anders als die Flüsse gleichermaßen betreffen); andrerseits bleibt ein und derselbe Ort nicht immerzu Ort des Festlandes oder des Meeres, sondern nur ihre gesamte Masse bleibt sich gleich (von 30 Land u n d Meer m u ß ja das gleiche gelten). Was aber das Meer betrifft, so steigt ein Quantum nach oben, ein anderes sinkt wieder herab, und in ihrem Auf und A b wechseln sie ihre Positionen. D a ß der Salzgeschmack in einer Beimischung besteht, ergibt sich nicht nur aus dem Dargelegten, sondern auch (aus folgendem Versuch): 35 wenn man sich ein Gefäß | aus Wachs fertigt und es in Meerwasser 359« hält — mit verschlossener Öffnung, so daß kein Wasser v o n außen einströmen k a n n —, dann wird die durch die wächserne W a n d u n g eindringende Flüssigkeit trinkbar; es werden nämlich die erdigen Bestandteile, deren Beimischung den Salzgeschmack hervorruft, wie 5 durch ein Sieb zurückgehalten. Dieser Stoff macht auch das Salzwasser schwer (es ist schwerer als Süßwasser) und d i c h t ; letzteres macht so viel aus, daß beladene Schiffe, die in Flüssen beinahe versinken, mit genau der gleichen Last im Meer gerade richtig liegen und seetüchtig sind. Die Unkenntnis dieser Tatsache h a t schon manche 10 Schiffer, die ihr Fahrzeug in Flüssen beluden, zu Schaden gebracht. Ein Beweis dafür, daß die Dichte einer Flüssigkeit durch eine solche Beimischung z u n i m m t : wenn man Wasser durch Zumischen von Salz-

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k ö r n e m stark salzig macht, schwimmen Eier, auch -wenn sie nicht aufgeschlagen sind, auf seiner Oberfläche, denn das Wasser wird dicht 15 wie Schlamm. So reich ist auch das Meerwasser an stofflichen Bestandteilen. — Eine gleiche Salzlösung b r a u c h t m a n auch beim Einpökeln von Fisch. Falls es wirklich, wie m a n fabelt, in Palästina einen solchen (salzhaltigen) See gibt, in dem ein Mensch oder ein Tier, in Fesseln hineingeworfen, oben schwimmen u n d nicht unter das Wasser herunter20 sinken, so wäre das ein Zeugnis f ü r das Gesagte. Man b e h a u p t e t n ä m lich, der See sei so bitter und salzig, d a ß es darin keine Fische gibt u n d d a ß er Kleider reinigt, wenn m a n sie hineinhält und schüttelt. Unsere B e h a u p t u n g , d a ß ein b e s t i m m t e r Stoff das Salzige h e r v o r r u f t u n d d a ß im Salzwasser etwas Erdiges steckt, wird auch durch die 25 folgenden Tatsachen bestätigt. I n Chaonien gibt es eine Quelle mit Brackwasser; sie strömt in einen n a h e n Fluß, der Süßwasser f ü h r t , aber ohne Fische ist. Denn wie m a n dort erzählt, wählten die Einwohner, als Herakles mit den Rindern von E r y t h e i a her bei ihnen vorbeizog u n d ihnen die Wahl freistellte, Salz aus der Quelle a n s t a t t 30 der Fische.. Sie kochen Wasser aus ihr u n d lassen es stehen; ist es abgekühlt und die Feuchtigkeit s a m t der W ä r m e verdunstet, so bleibt Salz übrig, nicht in Körnern, sondern locker u n d fein wie Schnee. Es ist aber nicht so kräftig wie anderes Salz, und m a n m u ß in größeren 35 Dosen damit w ü r z e n ; auch ist es nicht so weiß. E t w a s Ähnliches gibt 359 b es auch in Umbrien. | An einer örtlichkeit dort wachsen Schilfrohr u n d Binsen; m a n v e r b r e n n t sie, wirft die Asche in Wasser und kocht es; ist ein Rest übrig, dann kühlt m a n ihn ab u n d erhält eine Menge Salz. 5

Bei den fließenden Wassern von Flüssen u n d Quellen, die salzig sind, ist anzunehmen, d a ß die meisten einmal w a r m waren und d a ß die Quelle des Feuers d a n n zwar erloschen ist, aber in der Erde, durch die sie gesiebt werden, so etwas wie Asche oder Schlacke zurückblieb. Vielerorts gibt es auch Quellen u n d Flüsse von verschiedenartigen Geschmacksarten, f ü r die alle die in ihnen enthaltene oder neu ent10 stehende F e u e r k r a f t verantwortlich zu machen ist. Setzt m a n nämlich E r d e einem Verbrennungsprozeß aus, so n i m m t sie, je nach dessen Mehr oder Minder, mannigfache Geschmacksarten und -tönungen a n ; sie b e k o m m t eine Fülle von Qualitäten, die von Alaun, Pottasche und so weiter; und wird durch sie Süßwasser durchgeseiht, so ä n d e r t es seinen Geschmack. Manchmal wird auf diese Weise Wasser essigsauer,

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Kapitel 3 - 4

w i e i n S i k a n i e n , e i n e r G e g e n d S i z i l i e n s ; d o r t g i b t e s e i n e s a l z i g - s a u r e 15 Erdart,

die m a n

bei manchen

Mahlzeiten

wie Essig

verwendet.

In

L y n k o s gibt es einen S a u e r b r u n n e n , u n d i m S k y t h e n l a n d einen Bitterq u e l l ; er m a c h t

den

F l u ß , in den er m ü n d e t ,

ganz bitter.

— Diese

s V e r s c h i e d e n h e i t e n w e r d e n v e r s t ä n d l i c h , w e n n m a n w e i ß , w a s f ü r G e - 20 schmacksarten aus was für Mischungen herkommen. anderswo eigens

Darüber

wurde

gehandelt.

S o viel also ü b e r G e w ä s s e r u n d Meer, w a s die U r s a c h e n ihrer fortw ä h r e n d e n E x i s t e n z , ihre W a n d l u n g e n , ihre N a t u r betrifft, sowie ihre 10 n a t ü r l i c h e n a k t i v e n o d e r p a s s i v e n E i g e n s c h a f t e n .

25

4. N u n wollen wir v o n den Winden sprechen, i n d e m wir uns

der

bereits dargestellten Grundlage bedienen. Wir haben j a erklärt,

daß

es zwei A r t e n der A u s d ü n s t u n g (aus der E r d e ) gibt, eine feuchte u n d eine trockene; j e n e heißt W a s s e r d a m p f ,

d i e s e h a t f ü r i h r g e s a m t e s 30

•s W e s e n k e i n e n N a m e n . N o t g e d r u n g e n s p r e c h e n w i r s i e m i t e i n e m

von

Rauch.

das

Dabei

Trockene

nicht

kommt ohne

das das

Feuchte Feuchte

nicht

ohne

das

vor, vielmehr

N a m e n auf den jeweils vorherrschenden 20

nur

teilweise z u t r e f f e n d e n W o r t a n u n d bezeichnen sie als eine A r t Trockene,

beziehen

sich

die

Charakter.

W e n n n u n d i e S o n n e a u f i h r e r K r e i s b a h n s i c h ( d e r E r d e ) n ä h e r t , 35 zieht sie d u r c h ihre W ä r m e

das Feuchte empor, entfernt

| sie sich,

360 a

so kondensiert infolge der A b k ü h l u n g der e m p o r g e f ü h r t e D a m p f wieder zu Wasser (darum fällt im Winter mehr Regen, u n d nachts mehr t a g s ü b e r ; es scheint n u r a n d e r s zu sein, weil m a n es weniger

als

merkt,

25 w e n n e s n a c h t s r e g n e t a l s a m T a g e ) . D a n n f ä l l t d e r R e g e n u n d v e r -

s

teilt sich vollständig in der E r d e . N u n enthält a b e r die E r d e viel F e u e r u n d W ä r m e , u n d die S o n n e zieht nicht nur die F e u c h t i g k e i t der E r d oberfläche e m p o r , sondern trocknet durch ihre W ä r m e a u c h den

Erd-

k ö r p e r selbst a u s ; so m ü s s e n also die b e i d e n A u s d ü n s t u n g e n e n t s t e h e n , 3» d e r e n N e b e n e i n a n d e r w i r l e h r e n , d i e w a s s e r d a m p f a r t i g e u n d d i e r a u c h artige. V o n ihnen ist die m i t d e m größten Q u a n t u m a n

Feuchtigkeit,

wie vorher dargelegt, der Ursprung des Regenwassers,

die

10

trockene

a b e r ist U r s p r u n g u n d W e s e n aller W i n d e . D i e N o t w e n d i g k e i t

dieses

N a t u r g e s c h e h e n s e r g i b t s i c h u n m i t t e l b a r a u s d e n T a t s a c h e n ; d e n n d i e 15 35 V e r s c h i e d e n h e i t d e r A u s d ü n s t u n g e n i s t n o t w e n d i g , u n d d i e d a b e i s i c h t b a r e W i r k u n g der S o n n e u n d der W ä r m e in der E r d e b e r u h t n u r a u f einer Möglichkeit, sondern einer

nicht

Notwendigkeit.

Ihrer g a t t u n g s m ä ß i g e n Geschiedenheit zufolge ist n u n offenbar die W e s e n s n a t u r des W i n d e s eine andere u n d nicht, wie einige b e h a u p t e n ,

54

Buch II

20 dieselbe wie die des Regenwassers; ein und dieselbe L u f t sei nämlich, so erklären sie, W i n d , wenn in Bewegung, und Wasser, wenn wieder verdichtet. W a s nun die L u f t betrifft, so bildet sie sich, wie früher dargestellt, aus diesen beiden F a k t o r e n : der Wasserdampf ist feucht und kalt (kalt s zufolge klarer Definition: s t a m m t er doch von Wasser, das von Natur, 25 wenn es nicht erwärmt wird, k a l t ist), der R a u c h hingegen ist warm und t r o c k e n ; so erfolgt also gleichsam aus aufeinander abgestimmten F a k t o r e n der Zusammenschluß zu der feuchten und warmen L u f t . E s wäre j a absurd, wenn die uns umgebende L u f t einfach durch 10 Bewegung zu Wind würde, und W i n d hieße, gleichgültig woher der Bewegungsanstoß k o m m t , und wenn es nicht ebenso wäre wie bei den 30 F l ü s s e n : für uns ist ein F l u ß nicht irgendein strömendes Wasser, wie groß auch seine Masse sei, sondern es muß eine Quelle haben. So steht es auch mit den W i n d e n ; da könnte j a etwa durch einen mächtigen 15 F a l l eine L u f t m a s s e in Bewegung geraten, ohne eigentlich Ursprung oder Quelle zu haben. Die P h ä n o m e n e bestätigen diese L e h r e : denn weil stetig — bald 35 häufiger, bald seltener, bald in größerer, bald in geringerer Masse — 360 b sich die irdische | Ausscheidung vollzieht, entstehen auch fortwährend, 20 zu der ihrem Wesen entsprechenden J a h r e s z e i t , Wolken und Winde. D a nun m a n c h m a l der Wasserdampf, manchmal die trockene und rauchartige Ausdünstung überwiegt, gibt es bald regenreiche, feuchte 5 J a h r e , bald windige und t r o c k e n e ; und manchesmal treten Trockenheit und Regengüsse gehäuft und über ganze Landstriche hin auf, 25 manchesmal betreffen sie nur Teilgebiete. Oft ist es j a s o : eine ganze L a n d s c h a f t rundum empfängt den jahreszeitlich zu erwartenden Regen oder auch mehr, jedoch in einer einzelnen Gegend von ihr herrscht 10 D ü r r e ; während ein andermal die L a n d s c h a f t im ganzen nur knapp mit F e u c h t i g k e i t versorgt wird oder sogar unter Dürre leidet, in einem 30 Teil dagegen überreichlich Regen fällt. Das h a t seinen Grund darin, daß im allgemeinen sich für eine größere F l ä c h e das gleiche P h ä n o m e n erwarten l ä ß t , weil ein zusammenhängendes Gebiet (außer es liegt eine 15 örtliche Besonderheit vor) die gleiche Lage zur Sonnenbahn h a t ; jedoch fällt m a n c h m a l in einem b e s t i m m t e n Einzelgebiet die trockene 35 Ausscheidung reichlicher aus, in einem anderen die wasserdampfartige — und m a n c h m a l ist es umgekehrt. Und dies wieder h a t seinen Ursprung darin, daß j e d e der beiden umspringen k a n n in die Ausscheidung der Nachbargegend: es strömt z. B . die trockene in ihrem eigenen B e -

Kapitel 4

55

Teich, die feuchte aber wechselt in die Nachbarlandschaft über (sie 20 kann auch von Winden in entfernte Landstriche getrieben werden), ein andermal bleibt diese im Lande, während die entgegengesetzte (trookene) sich entfernt. So geschieht es oft, wie beim mensclilichen s Körper: wenn die inneren Hohlräume oben trocken sind, ist unten das Gegenteil der Fall, und ist das Körperinnere unten trocken, dann ist es oben feucht und kalt. Genauso erfahren die Ausscheidungen der 25 Erde eine Konzentration als Reaktion und wechseln entsprechend ihre Plätze. 10 Weiter: im allgemeinen tritt Wind nach Regen in den Gegenden auf, wo der Regen seinen Ursprung hatte, andrerseits hört der Wind auf, wenn Regen hinzukommt. Das sind notwendige Folgen der dar- 30 gelegten Prinzipien. Wenn es nämlich geregnet hat, dann trocknet die Erde infolge ihrer Wärme und der Hitze von oben, und es steigen von 15 ihr die warmen Dünste auf, also (wie dargelegt) die stoffliche Ursache der Winde. Wenn während dieser Ausdünstung Winde wehen und dann infolge des fortwährenden Abgangs des Warmen und seines Aufstiegs zum oberen Ort aufhören, kühlt sich der Wasserdampf ab, kondensiert und wird zu Wasser. | Schließen sich nun die Wolken zu- 361 a 20 sammen und konzentriert sich, durch Gegenwirkung, in ihnen die Kälte, so bildet sich Wasser, das die warme Ausscheidung abkühlt. So kommt es, daß Regen mit seinem Entstehen dem Wind Einhalt tut und daß (umgekehrt) mit dem Aufhören des Windes Regen einsetzt. Auch das Übergewicht der Winde von Nord und Süd erklärt sich 5 25 so (Nord- und Südwinde sind ja die häufigsten Winde). Denn allein über diese Gegenden zieht die Sonne nicht, sie nähert sich ihnen bloß und entfernt sich von ihnen; wohl aber bewegt sich ihr Lauf stets nach West und Ost. Darum bilden sich die Wolken seitwärts dieser 10 Bahn, und nähert sie sich, so entsteht wässerige Ausdünstung, ent30 fernt sie sich in Gegenrichtung, sind Regengüsse und Stürme die Folge. So also, infolge der Bewegung zu den Punkten der Sonnenwenden und von ihnen weg, entstehen Sommer und Winter, und die Feuchtigkeit steigt dabei und sinkt wieder. Es regnet also am meisten in den 15 Gegenden außerhalb der Wendekreise, d. h. im Norden und im Süden; 35 wo aber die Erde besonders viel Feuchtigkeit empfängt, muß die Ausdünstung besonders stark sein, wie Rauch von brennendem frischen Holz; diese Ausdünstung aber ist eben 'Wind', und so hat es doch wohl seinen guten Grund, daß die meisten und wichtigsten Winde von 20 dorther kommen.

56

Buch II

W a s ihre R i c h t u n g b e t r i f f t , so ist sie s c h r ä g ; d e n n steigt a u c h die A n a t h y m i a s e gerade in die H ö h e , so wehen die W i n d e doch r u n d u m die E r d e , weil die ganze E r d e die u m g e b e n d e L u f t s c h i c h t der H i m m e l s 25 b e w e g u n g folgt. Man k ö n n t e d a r u m die F r a g e a u f w e r f e n , ob der Urs p r u n g der W i n d e oben oder u n t e n zu suchen ist. Von o b e n f a n g e n s sie n ä m l i c h a n sich zu regen u n d schon v o r i h r e m W e h e n l ä ß t es die L u f t e r k e n n e n , sogar bei wolkigem oder d u n s t i g e m H i m m e l : ein solches W e t t e r zeigt nämlich, d a ß der W i n d schon b e g o n n e n h a t , b e v o r er u n s erreicht h a t u n d w a h r n e h m b a r geworden ist — ein Beweis, d a ß die W i n d e oben e n t s t e h e n . D a a b e r W i n d ein b e s t i m m t e s Q u a n t u m 10 30 t r o c k e n e r , ü b e r die E r d o b e r f l ä c h e g e f ü h r t e r Ausscheidung ist, so ist es k l a r : sein B e w e g u n g s u r s p r u n g s t a m m t v o n oben, sein Stoff, aus d e m er e n t s t e h t , v o n u n t e n . Die R i c h t u n g n ä m l i c h , die der aufsteigende D u n s t einschlägt, wird v o n d o r t b e s t i m m t , v o n der H i m m e l s b e w e g u n g , 35 die die e r d f e r n e r e n N a t u r p h ä n o m e n e s t e u e r t . Gleichzeitig steigt die is A u s d ü n s t u n g v o n u n t e n gerade n a c h o b e n ; alles h a t j a in d e r N ä h e des U r s p r u n g s größere K r a f t , u n d d a ß die E r d e d e n U r s p r u n g des 36ib P h ä n o m e n s d a r s t e l l t , s t e h t a u ß e r Zweifel. | D a ß die W i n d e aus vielen allmählich sich z u s a m m e n s c h l i e ß e n d e n A u s d ü n s t u n g e n e n t s t e h e n , so wie es m i t d e m U r s p r u n g der Flüsse 20 s t e h t , w e n n das E r d r e i c h d u r c h f e u c h t e t wird, das b e s t ä t i g e n a u c h die F a k t e n . D e n n sämtlich sind die W i n d e a m U r s p r u n g ihres W e h e n s s ganz schwach, in größerer E n t f e r n u n g steigern sie sich d a n n z u k r ä f t i g e r e m W e h e n . F e r n e r ist der h o h e N o r d e n , die L a n d s c h a f t u n m i t t e l b a r u n t e r d e m P o l im W i n t e r r u h i g u n d windstill; aber der H a u c h , 25 der sich d o r t leise e r h e b t u n d u n m e r k l i c h f o r t w e h t , wird a u ß e r h a l b dieser L a n d s c h a f t bereits als k r ä f t i g e r W i n d f ü h l b a r . D a m i t sind also das Wesen des Windes u n d die A r t seiner E n t s t e h u n g b e h a n d e l t , ferner T r o c k e n h e i t u n d Regen sowie das P r o b l e m , 10 w a r u m die W i n d e n a c h Regengüssen sich legen u n d Wiederaufleben 30 u n d w a r u m N o r d - u n d S ü d w i n d die h ä u f i g s t e n sind. A u c h ü b e r die W i n d r i c h t u n g w u r d e gesprochen. 5. Die Sonne v e r h i n d e r t die W i n d e n t s t e h u n g , regt sie a b e r a n d r e r s seits a u c h a n . D e n n gegenüber schwachen, geringfügigen A u s d ü n s t u n g e n b r i n g t sie m i t ihrer größeren H i t z e die geringere, in der 35 irdischen Ausscheidung e n t h a l t e n e z u m Erliegen u n d z e r s t r e u t sie. F e r n e r t r o c k n e t sie die E r d e selbst aus, b e v o r es zu einer A u s s c h e i d u n g in größerer Menge k o m m t , so wie ein geringes Q u a n t u m v o n B r e n n stoff, das m a n in ein großes F e u e r w i r f t , o f t m a l s v e r z e h r t wird, b e v o r

Kapitel 4 - 5

57

es Rauch, entwickeln k a n n . Aus diesen Gründen t u t die Sonne den 20 Winden Einhalt bzw. l ä ß t es von Anfang nicht zu ihrer E n t s t e h u n g k o m m e n : Einhalt t u t sie, indem sie die warme A n a t h y m i a s e schwinden läßt, deren E n t s t e h e n verhindert sie durch die rasche Austrocknung 5 der Erde. Deshalb t r i t t zur Zeit des Orionaufgangs gewöhnlich Windstille ein, die bis zu den Etesien und deren Vorläufern dauert. U b e r h a u p t haben Zeiten der Windstille zwei Ursachen: entweder 25 erlischt die (warme) Ausscheidung infolge von A b k ü h l u n g — etwa beim E i n t r e t e n von starkem Frost — oder sie wird durch drückende Hitze 10 überwältigt. Meistens k o m m t es zu Windstille (dies gilt f ü r die Zwischenzeiten) entweder weil noch keine Ausscheidung da ist oder sie sich bereits erschöpft h a t u n d es an neuem Zustrom fehlt. Der Orion gilt, unter- wie aufgehend, als Zeichen f ü r unbeständiges, 30 unfreundliches W e t t e r , weil sein Auf- und Untergang in den Wechsel 15 der Jahreszeiten (Sommer oder Winter) fällt, u n d weil beides wegen der Größe dieses Sternbildes viele Tage d a u e r t . Jahreszeitliche Übergänge sind eben stets durch unbeständiges W e t t e r gekennzeichnet, weil sie keiner b e s t i m m t e n Gesetzlichkeit unterliegen. Die Etesien (Jahreswinde) wehen nach der Sommersonnenwende u n d 35 20 dem Aufgang des H u n d s t e r n s , weder zum Z e i t p u n k t der größten Nähe der Sonne | noch ihrer größten F e r n e ; u n d zwar wehen sie tagsüber, 362 a nachts hören sie auf. Verursacht wird dies von der Sonne, die bei größerer Nähe austrocknend wirkt, bevor sich neue Ausscheidung bilden k a n n , dagegen stellt sich bei einiger E n t f e r n u n g gerade die 25 richtige A u s h a u c h u n g u n d die richtige W ä r m e ein, so d a ß das Eis 5 schmilzt u n d die Erde, indem sie der eigenen W ä r m e u n d der Sonnenhitze zufolge trocknet, gleichsam Dampf u n d R a u c h von sich gibt. Nachts hören diese Luftbewegungen auf, weil die nächtliche Kälte die Frostschmelze zum Erliegen bringt. Ausdünstungen k o m m e n weder vom Eis 30 noch von Flüssigkeiten ohne j ede Beimischung von Trockenem, vielmehr 10 trockene Stoffe, die Feuchtigkeit enthalten, beginnen bei E r w ä r m u n g auszudünsten. Man wirft das Problem auf, w a r u m es zwar nach der Sonnenwende kontinuierliche Nordwinde gibt (eben die sogenannten Etesien), aber 35 keine entsprechenden Südwinde nach der Wintersonnenwende. Dies h a t aber seinen guten Sinn. Denn zur entsprechenden Winterszeit gibt 15 es wirklich die sogenannten Schönwetterwinde (Leukonotoi), aber sie wehen nicht so regelmäßig, so daß m a n sie nicht b e m e r k t und sie suchen m u ß . Grund d a f ü r ist, daß der Nordwind von den polaren

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Buch II

Gegenden herweht mit ihren Massen von Feuchtigkeit u n d Schnee; schmelzen diese u n t e r der Einwirkung der Sonne, so k o m m t es, eher kurz nach der Sommersonnenwende als zu dieser selbst, zur Bildung 20 der Etesien. Gerade so t r i t t j a die stärkste Hitze auf, nicht wenn die Sonne sich dem Pol am meisten n ä h e r t , sondern wenn sie ihre W ä r m e schon ziemlich lang h a t wirken lassen, zugleich aber noch n a h e ist. Ähnlich geht es zu, wenn nach der Wintersonnenwende die 'Vogelwinde' wehen; auch sie sind nämlich Etesien, n u r eben schwache. Sie folgen mit geringerer K r a f t den Etesien; a m 70. Tag (nach der 25 Sonnenwende) .beginnen sie, weil d a n n die Sonne bereits e n t f e r n t e r ist u n d schwächer wirkt. Gleichermaßen wehen sie auch nicht so beständig, weil d a n n bloß schwache Materialien auf der Erdoberfläche sich lösen; h ä r t e r Gefrorenes bedarf stärkerer Sonnenwärme. D a h e r wehen diese Winde mit Unterbrechungen, bis zur Sommersonnenwende 30 wieder die Etesien einsetzen; von diesem Zeitpunkt an pflegt es j a ziemlich pausenlos windig zu sein. Was aber den Südwind b e t r i f f t , so weht er vom sommerlichen Solstitialpunkt her, nicht vom Südpol. Es gibt j a zwei bewohnbare Erdzonen, eine (die unsrige) gegen den oberen Pol hin, die andere in Richtung auf den anderen Pol, gegen Mittag, so d a ß sich die Gestalt 35 einer Trommel ergibt: dies ist nämlich die Form, die die Radien v o m E r d 362 b m i t t e l p u n k t (auf der Erdoberfläche) aus|heben; sie ergeben dabei zwei Kegel, den einen mit den tropischen Wendekreisen, den anderen m i t dem 5 stets sichtbaren Kreis als Grundfläche u n d dem E r d m i t t e l p u n k t als Spitze. I n gleicher Weise ergeben zwei Kegelkonstruktionen in R i c h t u n g auf den unteren Pol ein entsprechendes Segment auf der Erdoberfläche. Einzig diese Gegenden sind bewohnbar, nicht die Landstriche jenseits der Wendekreise, da es dort nicht immer nach Norden fallende Schatten gibt u n d die Unbewohntheit bereits einsetzt, bevor der S c h a t t e n verschwindet oder nach Süden fällt. Was aber die Gegend 10 u n t e r dem Polarstern betrifft, so ist sie der Kälte wegen u n b e w o h n b a r . [Auch das Sternbild Krone (Corona borealis) zieht über dies Gebiet h i n ; es erscheint j a u n m i t t e l b a r über uns, wenn es auf unserem Meridian ist.] D a r u m ist die Weise, wie m a n gegenwärtig E r d k a r t e n e n t w i r f t , lächerlich; sie zeichnen nämlich die bewohnte E r d e kreisrund, was ebenso n a c h praktischer E r f a h r u n g wie auch theoretisch unmöglich 15 ist. Theoretische Überlegung zeigt nämlich, d a ß die Breitenerstreckung (der bewohnten Zone) jedenfalls begrenzt ist, d a ß aber ihrer E r -

Kapitel 5

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Streckung in geschlossenem Kreise von Seiten des Klimas nichts im Wege s t e h t ; denn e x t r e m e Werte von Hitze und F r o s t zeigen sich nicht auf den Längen-, sondern den Breitengraden, und m a n könnte rund u m die E r d e (durch bewohntes Gebiet) reisen, wäre nicht der 5 Ozean ein Hindernis. P r a k t i s c h zeigen andrerseits Reisen zu See und L a n d , daß die L ä n g e (der Oikumene) viel größer ist als die B r e i t e . 20 Das Verhältnis der Distanzen a) zwischen den Säulen des Herakles und Indien, b) zwischen Äthiopien und der Mäotis bzw. dem äußersten S k y t h i e n ist nämlich größer als 5 : 3 — wenn m a n , soweit es hier eine 10 Genauigkeit gibt, die Seefahrten und Landmärsche zusammenrechnet. 25 Nun kennen wir aber die Oikumene der B r e i t e nach bis hin zu den unbewohnten Gebieten, wo es auf der einen Seite wegen der K ä l t e , auf der anderen wegen der Hitze keine Menschen mehr g i b t ; andrerseits ist jenseits Indiens bzw. der Säulen des Herakles der Zusammen15 hang, der die ganze Oikumene geschlossen sein ließe, des Meeres wegen nicht vorhanden. Nachdem es nun eine Zone geben muß, die zu dem anderen P o l in 30 dem gleichen Verhältnis steht wie die von uns bewohnte zu unserem Pol, so wird offenbar j e n e Zone wie in anderer Hinsicht, so auch in 20 der Ordnung ihrer Winde der unsrigen analog sein, das heißt, wie wir einen Nordwind haben, so h a t auch j e n e Gegend einen ähnlichen Wind v o m dortigen Pol. E r kann nicht bis zu uns reichen; es bestreicht j a 35 auch unser Nordwind nicht die ganze | bewohnte E r d e bei uns, da er 363 > einem Landwind gleichkommt. Aber da unsere H e i m a t gegen Norden 25 zu liegt, sind die meisten unserer Winde Nordwinde. Aber auch hier kommen sie zum Erliegen und vermögen n i c h t in große F e r n e n zu 5 dringen. Denn über dem Südmeer jenseits von L i b y e n lösen sich, so wie hier Nord- und Südwind wehen, fortwährend Ost- und Westwinde ab. 30

K l a r ergibt sich also, daß unser Südwind kein vom Südpol her wehender Wind ist. F e r n e r ist er ebensowenig ein W i n d v o m Ort der Wintersonnenwende; es müßte nämlich sonst, aus Gründen der Analogie, ein anderer v o m Ort der Sommersonnenwende (nach Süden) 10 wehen; aber den gibt es nicht, vielmehr weht nur e i n W i n d aus j e n e n 35 (südlichen) Gegenden. E s ist also mit Notwendigkeit der von der verb r a n n t e n Zone her wehende Wind der Südwind. Infolge ihrer Nähe zur Sonnenbahn ist die dortige Gegend ohne Gewässer und Schnee, der beim T a u e n E t e s i e n hervorrufen könnte. Weil aber diese Land- is striche sehr weit ausgedehnt sind, ist der Südwind kräftiger, um-

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Buch II

fassender und wärmer als der Nordwind und dringt weiter zu uns vor als der letztere dorthin. Dies also unsere Darstellung von der Ursache der Winde und ihrem 2« gegenseitigen Verhältnis. 6. Jetzt wollen wir die Windrose besprechen, also ihre Lage ein- s ander gegenüber (mit dem Problem, welche Winde gleichzeitig wehen können und welche nicht), weiter ihre Namen und ihre Zahl, und dann ihre sonstigen Besonderheiten, soweit sie nicht in unseren 'Einzel25 problemen' behandelt sind. Hinsichtlich der Windrose muß die Erörterung an Hand der vor- 10 liegenden Zeichnung verfolgt werden. Der größeren Deutlichkeit wegen ist der Horizont gezeichnet, also ein Kreis. Man muß aber unter dem Horizont den einen von uns bewohnten Ausschnitt (aus der Erdkugel) 30 verstehen; denn auch den anderen wird man auf gleiche Weise teilen können. Als Grundlage gelte: räumlich entgegengesetzte Punkte sind is die räumlich voneinander am weitesten entfernten (so wie auch formal entgegengesetzte Dinge die voneinander formal am weitesten abstehenden sind); diese Maximalentfernung im Raum aber hat Punkte, die als Endpunkte eines Kreisdurchmessers einander gegenüberliegen. Es sei also A der Untergangspunkt zur Tag- und Nachtgleiche, ihm 20 363 b entgegen | gesetzt der Ort B für den Aufgang zur Tag- und Nachtgleiche; rechtwinklig dazu der Kreisdurchmesser mit dem Punkt H als Norden, ihm diametral entgegengesetzt der Punkt 0 als Süden, s Z bezeichne den Aufgang, E den Untergang beim Sommersolstiz, A den Aufgang, r den Untergang beim Wintersolstiz. Von Z führe der Kreis- 25 durchmesser zu T, von A zu E. Da nun die räumlich maximal entfernten Punkte Gegensatzpunkte im Räume sind, und die Endpunkte eines Kreisdurchmessers maximal voneinander entfernt sind, müssen auch, was die Winde betrifft, die von den E n d p u n k t e n der Kreis10 durchmesser herkommenden einander entgegengesetzt sein. 30 Die Namen der Winde lauten, entsprechend dieser Anordnung, folgendermaßen: Zephyros kommt von A, dem Punkt des Sonnenuntergangs zur Tag- und Nachtgleiche, ihm entgegengesetzt Apeliotes von B, vom Sonnenaufgang zur Tag- und Nachtgleiche. Boreas — der is auch Aparktias heißt — weht von H (dort ist Norden), ihm entgegen- 35 gesetzt Notos, der von Mittag (0) her weht ( 0 und H liegen einander diametral gegenüber). Von Z, wo die Sonne zum Sommersolstiz aufgeht, kommt Kaikias her. Sein. Partner auf der Gegenseite ist nicht der von E wehende Wind, sondern Lips, von T; denn dieser kommt

Kapitel 5—6

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v o n d e m P u n k t h e r , w o die S o n n e z u m W i n t e r s o l s t i z u n t e r g e h t , u n d i s t so, d i a m e t r a l e n t g e g e n g e s e t z t , d a s G e g e n s t ü c k z u K a i k i a s . V o n A 20 k o m m t E u r o s ; er w e h t , als N a c h b a r des N o t o s , v o m S o n n e n a u f g a n g b e i m W i n t e r s o l s t i z h e r ; so s a g t m a n a u c h o f t , es w e h e d e r E u r o n o t o s . 5 S e i n P a r t n e r a u f d e r G e g e n s e i t e ist n i c h t L i p s ( v o n T), s o n d e r n d e r W i n d v o n E , d e r b a l d A r g e s t e s , b a l d O l y m p i a s , b a l d S k i r o n h e i ß t . 2s E r w e h t v o m P u n k t des S o n n e n u n t e r g a n g s b e i m S o m m e r s o l s t i z h e r u n d ist d e r einzige d i a m e t r a l d e m E u r o s e n t g e g e n g e s e t z t e W i n d . D i e s also sind die e i n a n d e r e n t g e g e n g e s e t z t e n , a n d e n E n d e n eines 10 K r e i s d u r c h m e s s e r s a n g e o r d n e t e n W i n d e . E s g i b t a b e r a n d e r e , die k e i n e G e g e n w i n d e h a b e n . So k o m m t v o m P u n k t I d e r s o g e n a n n t e T h r a s k i a s , d . h . er liegt m i t t e n z w i s c h e n A r g e s t e s u n d A p a r k t i a s , u n d v o n K d e r 30 s o g e n a n n t e Meses, d e r z w i s c h e n K a i k i a s u n d A p a r k t i a s die M i t t e einn i m m t (die L i n i e I K e n t s p r i c h t u n g e f ä h r d e m i m m e r s i c h t b a r e n K r e i s , 15 a b e r n i c h t g e n a u ) . D i e g e n a n n t e n W i n d e h a b e n k e i n e g e g e n s ä t z l i c h e n P a r t n e r , w e d e r d e r Meses ^ d a n n m ü ß t e e i n e r v o n M a u s w e h e n , d e m d i a m e t r a l e n G e g e n p u n k t | — n o c h d e r T h r a s k i a s ( v o n I ) — d e n n s o n s t 364« w e h t e einer von d e m diametral gegenüberliegenden P u n k t N aus. E s k ö n n t e h ö c h s t e n s sein, d a ß v o n d o r t a u s , ü b e r e i n e k u r z e S t r e c k e , 20 ein d o r t P h o i n i k i a s g e n a n n t e r W i n d w e h t . D i e s also s i n d , v o n e i n a n d e r g e s o n d e r t , die w i c h t i g s t e n W i n d e , u n d s so ist i h r e A n o r d n u n g . E s w e h e n m e h r W i n d e v o m N o r d e n als v o m S ü d e n h e r , weil die b e w o h n t e n E r d g e g e n d e n m e h r n a c h N o r d e n z u l i e g e n , u n d weil w e i t m e h r 25 M a s s e n v o n R e g e n u n d S c h n e e in diese G e g e n d g e d r ä n g t w e r d e n als i n j e n e e n t f e r n t e , die u n t e r d e r S o n n e u n d i h r e r B a h n l i e g t . D i e M a s s e n 10 d o r t (im N o r d e n ) v e r s i c k e r n als F e u c h t i g k e i t i m B o d e n , w e r d e n v o n d e r S o n n e u n d d e r E r d e e r w ä r m t u n d r u f e n so m i t N o t w e n d i g k e i t eine größere, weiter reichende A u s d ü n s t u n g h e r v o r . 30 V o n d e n h i e r g e n a n n t e n ( n ö r d l i c h e n ) W i n d e n s i n d B o r e a s u n d A p a r k t i a s die h a u p t s ä c h l i c h e n , d a n n T h r a s k i a s u n d M e s e s ; d e r K a i k i a s 15 a b e r g e h ö r t e b e n s o z u O s t wie z u N o r d . S ü d w i n d e s i n d d e r e c h t e v o n Mittag k o m m e n d e Notos u n d Lips, Ostwinde der v o m Sonnenaufgangsp u n k t zur Tagundnachtgleiche k o m m e n d e Apeliotes u n d Euros. Der 35 P h o i n i k i a s ist teils S ü d - , teils O s t w i n d . Als Z e p h y r g e l t e n d e r g e n a u v o n W e s t e n k o m m e n d e W i n d u n d der sogenannte Argestes. I m großen u n d g a n z e n t e i l t m a n diese W i n d e in n ö r d l i c h e u n d s ü d l i c h e ; die w e s t l i c h e n 20 r e c h n e t m a n z u m Boreas (wegen ihrer H e r k u n f t v o m S o n n e n u n t e r g a n g s i n d sie k ä l t e r ) , z u m N o t o s die ö s t l i c h e n ( w e g e n i h r e r H e r k u n f t v o m S o n -

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Buch II

nenaufgang sind sie wärmer). E s war also die Unterscheidung nach K a l t , W a r m und Heiß, was den Winden ihre Namen (Nord-, Südwind) gab. 25 Ostwinde sind deswegen wärmer als Westwinde, weil die von Sonnenaufgang kommenden der Sonne längere Zeit ausgesetzt sind; dagegen wirkt sie auf die von Untergang wehenden weniger lang, erreicht sie 5 auch später. Aus dieser Windrose ergibt sich klar, daß entgegengesetzte Winde nicht gleichzeitig wehen k ö n n e n ; es m ü ß t e j a infolge ihrer diametralen Opposition entweder der eine oder der andere überwältigt werden und 30 aufhören. Wohl aber können diese Winde, die nicht so zueinander 10 geordnet sind, z. B . die von Z und von A kommenden. So wehen manchmal zwei Winde, die gleichzeitig ein Schiff zum selben Ziel fördern, ohne doch aus derselben R i c h t u n g zu kommen und identisch zu sein. I n entgegengesetzten Jahreszeiten wehen gewöhnlich entgegen- 15 364 b gesetzte Winde, z. B . treten um die Zeit der Frühlings-1Tagundnachtgleiche der Kaikias und die ganze Gruppe der Winde auf, die nördlich vom Sommersolstiz e n t s t e h e n ; um die herbstliche Tagundnachtgleiche dagegen herrscht Lips vor, zur Sommersonnenwende Zephyros, zur Wintersonnenwende Euros. 20 Winde, die ganz besonders anderen in den Weg k o m m e n und sie zum Erliegen bringen, sind Aparktias, Thraskias, Argestes; ihr Ursprung ist uns j a so nahe, und so wehen sie besonders häufig und kräftig. Deshalb bringen sie auch Aufklaren, mehr als alle anderen W i n d e ; denn weil sie so aus der Nähe herkommen, überwältigen sie 25 sie ganz besonders und bringen sie zum Erliegen, blasen die Wolken 10 weg und machen den Himmel heiter, wenn sie nicht gleichzeitig auch besonders kalt sind. I n letzterem F a l l bringen sie kein A u f k l a r e n ; wenn nämlich bei ihnen die K ä l t e ihre Heftigkeit überwiegt, verursachen sie eher ein Gefrieren (der Wolken) als deren Wegschieben. W a s den 30 K a i k i a s betrifft, so bringt er kein heiteres W e t t e r , weil er eine K e h r e zurück zum Ursprungsort b e s c h r e i b t ; woher denn auch das Sprichwort s t a m m t 'zu sich selber herziehen wie der Kaikias das Gewölk', is Hört ein Wind auf, so k o m m t die Reihe an den zunächst anschließenden, in der R i c h t u n g der Sonnenbewegung; denn was dem Ursprung 35 zunächst liegt, k o m m t als erstes in Bewegung; der Ursprung der Winde aber m a c h t die Bewegung der Sonne mit. 5

I n ihren Wirkungen sind entgegengesetzte Winde entweder gleich oder entgegengesetzt. Zum Beispiel sind Lips und K a i k i a s (den manche

Kapitel 6—7

63

Hellespontwind nennen) beide feucht, Argestes und Euros beide 20 trocken, d. h. letzterer beginnt als trockener Wind, bringt aber schließlich Regen. — Schnee bringen vorzugsweise Meses und Aparktias; dies sind nämlich die kältesten. Hagel bringen Aparktias, Thraskias und 5 Argestes. Hitze verursachen Notos, Zephyros und Euros. Mit dicken Wolken füllt den Himmel Kaikias, mit dünneren Lips. Beim Kaikias 25 ist der Grund erstens jene seine Umkehrbewegung, zweitens seine Zugehörigkeit zu Boreas und Euros zugleich; so kommt es infolge seiner Kälte zur Konzentrierung des Wasserdampfes und zur Wolkenbildung, 10 andrerseits führt er, seiner Position als Ostwind zufolge, viel Wasserdampf als Material mit sich und treibt es vor sich her. Aparktias, Thraskias, Argestes schaffen heiteren Himmel; die Ursache wurde 30 früher dargelegt. Diese Winde und der Meses sind besonders oft von Blitzen begleitet. Weil sie nämlich aus der Nähe wehen, sind sie 15 kalt, und vom Kalten her entsteht der B l i t z ; er wird j a beim Zusammenschluß der Wolken ausgeschieden. Deshalb bringen auch manche dieser Winde | Hagel, weil sie rasches Gefrieren verursachen. 365 a Sturmböen gibt es besonders im Herbst, dann auch im Frühjahr, und zwar meistens hervorgerufen von Aparktias, Thraskias, Argestes. 20 Der Grund: zu einer Sturmbö kommt es gewöhnlich, wenn ein Wind weht und ein anderer ihm in die Quere kommt. Das tun aber die 5 genannten Winde besonders häufig. Auch dies wurde schon früher begründet. Die Etesien springen u m : für die im Osten Wohnenden wandeln 25 sie sich von Aparktias zu Thraskias, Argestes und Zephyros, beginnen also im Norden und enden weiter südlich; für die im Osten Woh- 10 nenden springen sie um bis zum Apeliotes. Soviel über die Winde, ihren ersten Ursprung, ihr Wesen, ihre allgemeinen und ihre speziellen Eigenschaften. 30 7. J e t z t ist über Beben und Erschütterung des Erdkörpers zu sprechen. Die Ursache dieses Phänomens hängt nämlich mit dem zuletzt- 15 behandelten Sachgebiet zusammen. Uberlieferte Ansichten hierüber gibt es bisher drei, von drei Autoren: Anaxagoras von Klazomenai, vor ihm Anaximenes von Milet haben 35 sich dazu geäußert., und nach ihnen Demokrit von Abdera. Anaxagoras behauptet, daß der Äther, der von Natur nach oben strebt, die Erde 20 bewege, wenn er in die Hohlräume der Erdtiefe hineingerate. Dies tritt — nach Anaxagoras — ein, wenn die obere Schicht der Erde infolge der Regengüsse verstopft werde (während an sich nämlich die

64

Buch II

E r d e g a n z u n d g a r p o r ö s sei). E r s e t z t v o r a u s , d a ß d e r E r d b a l l obere u n d

eine untere

25 w o h n e n , w ä h r e n d d i e u n t e r e d a z u d a s G e g e n s t ü c k Gegen

eine

H ä l f t e habe, wobei die obere die ist, w o

diese E r k l ä r u n g

braucht

man

wir

ist.

wohl kaum

etwas

zu

sagen,

sie ist a l l z u p r i m i t i v . D e n n d e m ' O b e n ' u n d d e m ' U n t e n ' e i n e a n d e r e

s

B e d e u t u n g z u g e b e n als die, d a ß alle s c h w e r e n K ö r p e r sich n a c h u n t e n , alle l e i c h t e n , z. B . d a s F e u e r , sich n a c h o b e n b e w e g e n , ist n a i v .

Dabei

sieht m a n doch, d a ß überall in der uns b e k a n n t e n O i k u m e n e der Hori30 z o n t j e n a c h u n s e r e r O r t s v e r ä n d e r u n g b e w e g l i c h i s t — w e i l e b e n

die

E r d o b e r f l ä c h e k o n v e x , T e i l e i n e r K u g e l i s t . E b e n s o s t e h t e s m i t d e r i« B e h a u p t u n g , die E r d e r u h e wegen ihrer G r ö ß e auf der L u f t , k ö n n e aber andrerseits durch Stöße von unten nach oben durch und durch erschüttert werden. Übrigens erklärt Anaxagoras keines der beim E r d b e b e n auf35 t r e t e n d e n P h ä n o m e n e ; u n d d a b e i s i n d e s k e i n e s w e g s b e l i e b i g e J a h r e s z e i 365 b t e n n o c h b e l i e b i g e G e g e n d e n , d i e v o n i h n e n b e t r o f f e n w e r d e n . |

is

D e m o k r i t l e h r t , die E r d e sei voll W a s s e r , u n d n e h m e sie n o c h Regenwasser

auf,

so

sei

k ö n n e n die v e r m e h r t e

ein

Erdbeben

Wassermenge

die

Folge:

ihre

dazu

Hohlräume

nicht fassen, diese b a h n e n

sich

g e w a l t s a m e i n e n W e g n a c h i n n e n u n d b e w i r k e n so d a s B e b e n .

Und

t r o c k n e t d i e E r d e a u s , s o z i e h t s i e W a s s e r a u s g e f ü l l t e n R ä u m e n i n 20 leere h e r ü b e r , u n d w e c h s e l t es s e i n e n P l a t z , so r u f t es bei s e i n e m bruch Erdbeben

Ein-

hervor.

Anaximenes lehrt, beim Feucht- u n d Trockenwerden b e k o m m e E r d k ö r p e r Risse u n d w e r d e d u r c h die d a b e i a b b r e c h e n d e n H ü g e l schüttert,

die ins E r d i n n e r e

wie gesagt, die E r d e

Regengüssen:

Risse, u n d ebenso

sie a u s e i n a n d e r , w e n n sie d u r c h R e g e n ü b e r m ä ß i g f e u c h t Aber

wäre

dies der

Fall,

er-

s t ü r z e n . D a h e r d a s A u f t r e t e n v o n E r d - 2s

io b e b e n i n P e r i o d e n v o n T r o c k e n h e i t u n d a n d r e r s e i t s v o n bei Dürre b e k o m m t ,

der

dann

müßte

man

an vielen

weicht

wird. Stellen

ein

A b s i n k e n d e r E r d o b e r f l ä c h e b e m e r k e n . F e r n e r : w a r u m k o m m e n E r d - 30 beben

in

gewissen

Gegenden

immer

wieder

vor,

an

is k e i n e s w e g s e i n s o l c h e s Ü b e r m a ß ( v o n T r o c k e n h e i t o d e r

Orten,

für

die

Feuchtigkeit)

charakteristisch ist? Das m ü ß t e d a n n doch der Fall sein!

Überhaupt

m ü ß t e n n a c h dieser A n n a h m e die B e b e n i m m e r weniger w e r d e n

und

s c h l i e ß l i c h e i n m a l g a n z a u f h ö r e n ; d e n n d a s e n t s p r ä c h e d e r N a t u r e i n e s 35 A b t r a g u n g s - u n d A u f s c h ü t t u n g s p r o z e s s e s . I s t a b e r dies u n m ö g l i c h , 20 i s t e s o f f e n b a r a u c h d i e s e 8. N a c h d e m

so

Erklärung.

aber, wie f r ü h e r dargelegt, es ebenso v o m

Feuchten

w i e v o m T r o c k e n e n h e r e i n e A u s s c h e i d u n g g e b e n m u ß , so m ü s s e n

die

Kapitel 7 - 8

65

Erdbeben entstehen, eben weil diese Ausscheidungen sich vollziehen. Denn der Erdkörper, an sich trocken, birgt infolge der Regengüsse viel Feuchtigkeit in sich; wird er nun von der eigenen 25 innewohnenden Wärme und zugleich von der Sonne erhitzt, so bildet s sich außen und innen viel Wind; dieser strömt bald geschlossen nach innen, bald geschlossen nach außen, manchmal teilt er sich auch. Ist dies also ein unabänderlicher Vorgang, dann ist als Nächstes die Frage zu stellen: welcher Körper hat die größte Schubkraft? Not- 30 wendigerweise derjenige, der am weitesten vordringen kann und dabei 10 am wuchtigsten wirkt. Am wuchtigsten muß aber nun das am schnellsten Bewegte sein (denn die Schnelligkeit verleiht ihm die K r a f t des Schlags); am weitesten vorzudringen aber vermag, was alles durchdringen kann — dies aber ist das Feinteiligste. Treffen nun diese Be- 35 Stimmungen auf die Natur des Windes (Pneuma) | zu, so hat Wind 366« 15 die größte Schubkraft unter allen Körpern. Feuer, vereinigt mit Wind, wächst j a zur Flamme und schießt dahin. So kommt also als Ursache für Erdbeben nicht Wasser noch Erde in Betracht, sondern Wind — dann nämlich, wenn die Ausdünstung aus der Erde einmal nach innen 5 strömt. 20 Darum treten die meisten und heftigsten Erdbeben bei Windstille auf. Denn die irdische Ausdünstung, die j a kontinuierlich erfolgt, bleibt in der Regel ihrer ursprünglichen Richtung treu und strömt entweder insgesamt nach innen oder insgesamt nach außen. Daß es manchmal auch Erdbeben bei wehendem Wind gibt, hat seinen guten Sinn; wir 25 erleben es j a manchmal, wie mehrere Winde gleichzeitig wehen, und 10 wenn dann einer davon in die Erde fährt, ist das folgende Erdbeben vom Wind begleitet. Solche Beben sind schwächer, weil die sie verursachende K r a f t geteilt ist. Die meisten Beben und die heftigeren ereignen sich des Nachts, die 30 am Tage treten mittags auf, weil es dann gewöhnlich besonders wind- 15 still ist (denn wenn die Sonne am kräftigsten wirkt — und das tut sie gewöhnlich des Mittags —, schließt sie die Ausdünstung innerhalb der Erde ein); entsprechend sind die Nächte windstiller als die Tage, weil dann die Sonne fehlt. Demzufolge wendet sich dann der Dunststrom 35 nach innen, der Ebbe vergleichbar, als Gegenstück zu der nach außen gewandten Flut. So vollzieht es sich besonders gegen Morgen; dann 20 pflegen sich j a auch die Winde zu erheben. Wenn nun deren Ursprung umschlägt, wie der Euripus, und ins Innere dringt, so wird dieser Masse wegen das Erdbeben heftiger. S Aristoteles, 12

66 25

Bach II

F e r n e r : die heftigsten Beben t r e t e n dort a u f , wo das Meer besonders strömungsreich ist und die E r d e porös und u n t e r h ö h l t ; daher ihr Vork o m m e n am Hellespont, in Achaia, auch auf Sizilien, u n d in den entsprechend beschaffenen Gebieten Euböas (hier h a t m a n den E i n d r u c k , das Meer ströme in K a n ä l e n u n t e r der Erde d u r c h ; die E n t s t e h u n g der warmen Quellen von Aidepsos hängt damit zusammen). I n den so genannten Gegenden sind E r d b e b e n in der Regel eine Folge des engen R a u m s : P n e u m a , stoßkräftig durch die Masse der A n a t h y m i a s e , entwickelt sich, wird aber durch die hereindrängende Meeresflut wieder in die E r d e zurückgepreßt, gegen sein natürliches Streben, aus dem i66b Erdinnern herauszufahren. — L a n d s c h a f t e n mit po|rösem U n t e r g r u n d n e h m e n viel P n e u m a in sich auf u n d werden daher eher e r s c h ü t t e r t . I m Frühling u n d im Herbst, in Regen- und in Trockenperioden ist das P h ä n o m e n besonders häufig, u n d zwar derselben Ursache zufolge; herrscht doch in diesen Zeitabschnitten besonders viel Wind. Denn s Sommer und Winter bringen ruhige L u f t , wegen des Frostes bzw. der H i t z e ; die eine Jahreszeit ist zu kalt, die andere zu w a r m (für die Windentstehung). Andrerseits ist in Trockenperioden viel Wind in der L u f t ; das eben m a c h t j a die Dürre aus, daß die trockene Ausscheidung die feuchte überwiegt. I n Regenzeiten aber wächst die A u s d ü n s t u n g 10 im Erdinnern a n ; u n d wird n u n diese Ausdünstung in enge R ä u m e gezwängt und z u s a m m e n g e p r e ß t , weil sich die H o h l r ä u m e mit Wasser füllen, dann wirkt der Wind, ins Strömen gekommen, m ä c h t i g als Schub und Stoß, sobald das P n e u m a , in seiner Masse auf einen kleinen R a u m verengt, die Oberhand zu gewinnen beginnt. 15 Man m u ß sich das nach Analogie unseres menschlichen Körpers vorstellen: wie hier die K r a f t des eingeschlossenen P n e u m a s Zittern u n d Schüttelkrämpfe verursacht, so wirkt es in der E r d e ähnlich; wie denn manche E r d b e b e n einem Zittern, manche einem Schütteln gleichen. Und wie es nach dem Wasserlassen häufig der Fall ist, d a ß eine A r t 20 von Zittern durch den Körper geht, weil dann nämlich von a u ß e n L u f t u n t e r Druck auf einmal in den Körper eintritt, so m u ß m a n es sich auch als Vorgang im E r d k ö r p e r denken. Was aber die gewaltige K r a f t wirkung dieses Windes betrifft, so l ä ß t sie sich nicht n u r im atmosphärischen Geschehen erkennen, wo m a n ihr dergleichen in A n b e t r a c h t 25 ihrer Größe j a wohl z u t r a u t , sondern auch in den organischen K ö r p e r n . S t a r r k r a m p f u n d Schüttelkrämpfe sind pneumatische Bewegungen, von solcher Gewalt, d a ß die vereinigte K r a f t mehrerer Männer zu scheitern pflegt beim Versuch, die Zuckungen der K r a n k e n zu be-

Kapitel 8

67

meistern. So also muß man sich, soweit man Großes mit Kleinem vergleichen kann, auch das Geschehen in der E r d e vorstellen. 3» Beweise dafür haben sich denn auch tatsächlich im Bereich unserer Beobachtung vielerorts ergeben. In einigen Gegenden gab es bereits 5 ein Erdbeben, das erst aufhörte, als der bewegende Wind deutlich, einer Sturmbö gleich, aus der Erde ausgebrochen und ins Luftreich aufgefahren war. | So geschah es z. B . unlängst im pontischen Hera- 3 6 7 • kleia und früher auf der Heiligen Insel, das ist eine der sogenannten Äolischen Inseln. Auf ihr quoll ein Stück Erde empor und erreichte io unter Getöse das Ausmaß eines kleinen Berges; der zerriß schließlich, viel Wind fuhr heraus, warf Schlacken und Asche empor, bedeckte 5 die Stadt von Lipara, die nicht weit entfernt ist, völlig mit Asche und erreichte sogar einige Städte in Italien. Man kann den Ort der Eruption heute noch deutlich feststellen. — Dies muß man j a auch als 15 Ursache der Feuerentstehung in der E r d e ansehen: wenn L u f t in io kleinste Teile zerstäubt, brennt sie unter Schlagwirkung auf zu Feuer. Daß wirklich Winde unter der Erdoberfläche strömen, beweist ein Phänomen auf den genannten (vulkanischen) Inseln: will ein Südwind wehen, so gibt es vorher ein Zeichen d a f ü r ; es dröhnen nämlich die 20 Stellen, wo die Eruption erfolgt. Denn die See ist bereits von weither 15 im Anrollen und unter ihrer Wirkung wird der ausströmende Wind wieder zurück und nach innen gestoßen, dort, wo das Meer auf ihn trifft. Daß nur ein Getöse, kein Beben die Folge ist, kommt einerseits von der großen Ausdehnung der unterirdischen R ä u m e her, von denen aus 25 der Austritt ins Freie leicht möglich ist; andrerseits ist die Menge der nach innen gedrückten L u f t nicht groß. 20 Die Tatsachen, daß die Sonne verschleiert und trübe wird (ohne Bewölkung des Himmels) und daß vor Erdbeben im Morgengrauen manchmal Windstille und starker Frost einsetzen, beweisen weiterhin 30 die vorgetragene Lehre. Verschleiert und trübe muß j a die Sonne sein, wenn der Wind, der sonst die L u f t löst und verdünnt, sich in die E r d e 25 zu ziehen anfängt; ebenso ist das Auftreten von Windstille und Frost gegen Morgendämmerung und bei Sonnenaufgang verständlich. Was die gewöhnlich einsetzende Windstille betrifft, so wurde sie bereits 35 früher begründet; sie ist eine notwendige Folge davon, daß der Wind, in einer Art von Gegenströmung, in die Erde eintritt. Besonders ist dies vor größeren Beben der F a l l ; denn verteilt sich das Pneuma nicht 30 auf Innen und Außen, sondern wirkt in geschlossener Masse, dann hat das Beben notwendigerweise mehr K r a f t . Was die K ä l t e betrifft, so 5*

68

Buch II

ist sie eine F o l g e d a v o n , d a ß die v o n N a t u r u n d a n sich w a r m e

Aus-

d ü n s t u n g sich n a c h innen w e n d e t (daß die W i n d e w a r m sind, pflegt m a n nicht w a h r z u n e h m e n , weil sie die L u f t m i t ihrer M a s s e

kalten

367 b W a s s e r d a m p f e s i n B e w e g u n g s e t z e n ; e s i s t d a s g l e i c h e | w i e b e i A t e m l u f t a u s u n s e r e m M u n d : in d e r N ä h e ist sie w a r m ,

der

also wenn s

wir m i t offenem M u n d e hauchen, ihrer geringen Menge zufolge m e r k t m a n es a b e r weniger, weiter w e g j e d o c h ist sie k a l t , a u s d e m

gleichen

G r u n d wie die Winde). Diese A u s d ü n s t u n g verschwindet also in

der

5 E r d e , u n d in der Gegend, w o sich d a s vollzieht, kondensiert der feuchte D u n s t s t r o m u n d bewirkt die A b k ü h l u n g .

— D i e g l e i c h e U r s a c h e h a t 10

ein Zeichen ( a m H i m m e l ) , d a s d e m E r d b e b e n v o r a u s z u g e h e n

pflegt.

Bei klarem Wetter, tagsüber oder kurz nach Sonnenuntergang, io e i n e s c h m a l e , l a n g g e s t r e c k t e W o l k e s i c h t b a r , w i e e i n m i t d e m

wird Lineal

gezogener langer Strich — weil e b e n d a s P n e u m a infolge seines tungswechsels

im

Verschwinden

ist.

Das

gleiche

kommt

M e e r e s s t r a n d vor. W e n n n ä m l i c h die See mit hohen Wellen 15

a m is

ankommt,

sind die B r e c h e r m a s s i g u n d g e k r ü m m t , a b e r bei ruhiger S e e sind sie schmal

und

gerade.

Nun

verhält sich d a s Meer zur K ü s t e wie

W i n d zu d e m D u n s t in der L u f t r e g i o n ; wenn also Windstille bleibt

eine

solche

Deswegen

eintritt,

Luftmeers.

tritt auch m a n c h m a l

ein E r d b e b e n

in V e r b i n d u n g

einer Mondfinsternis auf. W e n n sich n ä m l i c h die Verfinsterung vorbereitet u n d L i c h t u n d W ä r m e (die v o n der S o n n e zwar noch nicht

ganz

aus

herstammen)

der Luftregion verschwunden

s i n d , a b e r 25

25 d a n n n ä m l i c h i n d i e E r d e u n d b e w i r k t s o d a s d e r F i n s t e r n i s gehende Erdbeben. E s gibt ja auch oft Wind vor der Nacht

vor solchen u m

mit

schon

bereits schwächer werden, tritt Windstille ein; der Wind zieht

zu Beginn

der

g a n z g e r a d e , s c h m a l e W o l k e ü b r i g , g l e i c h s a m a l s 20

Brandungslinie des 20

Rich-

auch

sich

voraus-

Mondfinsternissen,

Mitternacht,

und u m

Mitter-

n a c h t v o r F i n s t e r n i s s e n a m f r ü h e n M o r g e n . E s i s t d a s e i n e F o l g e d e r 30 A b s c h w ä c h u n g , die die v o m M o n d h e r k o m m e n d e W ä r m e erfährt, w e n n er a u f seiner B a h n sich d e m P u n k t d e r V e r f i n s t e r u n g n ä h e r t .

Wenn

30 n u n d a s M o t i v w e g f ä l l t , d a s d i e L u f t i n R u h e g e b a n n t h i e l t , g e r ä t wieder in B e w e g u n g u n d W i n d erhebt sich, u n d zwar je s p ä t e r

sie die

Mondfinsternis, desto später. B e i einem schweren E r d b e b e n hört die E r s c h ü t t e r u n g nicht sogleich, nicht nach d e m ersten Stoß auf, sondern das erste Auftreten erstreckt 368« s i c h o f t m a l s ü b e r e i n e Z e i t b i s z u v i e r z i g T a g e n , u n d s p ä t e r d a n n | läßt sich, in der gleichen G e g e n d , die N a t u r e r s c h e i n u n g n o c h ein, zwei

35

Kapitel 8

69

J a h r e lang merken. Ursachen solchen Ausmaßes sind die Masse des Windes u n d die F o r m der unterirdischen R ä u m e , d u r c h die er s t r ö m t ; an den Stellen nämlich, wo er auf Widerstand trifft u n d sich nicht leicht freie B a h n schafft, da sind seine Stöße besonders heftig u n d 5 hier bleibt notwendigerweise in den Engstellen P n e u m a eingeschlossen, wie Wasser, das aus einem Gefäß keinen Ausgang findet. Wie also K r ä m p f e im menschlichen Körper nicht plötzlich oder rasch enden, sondern gradweise, mit dem allmählichen Abebben der Erregung, so v e r b r a u c h t auch die Ursprungsquelle der E r d a u s d ü n s t u n g u n d die An10 t r i e b s k r a f t der Druckluft nicht auf einmal den Stoff, aus dem sie den Wind, den wir E r d b e b e n nennen, hervorgehen lassen. Bis der Rest davon v e r b r a u c h t ist, m u ß also das Beben weitergehen, jedoch weniger heftig, bis zu dem Zeitpunkt, wo die A u s d ü n s t u n g nicht mehr kräftig genug ist, u m ein merkliches Erdbeben herbeizuführen. 15 Wind ist auch die Ursache von unterirdischem Getöse, wie es manchmal E r d b e b e n v o r a n g e h t ; doch sind solche Geräusche auch schon ohne Beben vorgekommen. Denn wie es verschiedenartige Geräusche gibt, wenn m a n Hiebe in die L u f t f ü h r t , so ist das Gleiche der Fall, wenn der Schlag von der L u f t selbst h e r r ü h r t . Die W i r k u n g ist dieselbe, 20 denn was da schlägt, wird gleichzeitig selbst v o m Schlag affiziert. Es geht aber der Schall der Bewegung voraus, weil er feinteiliger ist u n d mehr Durchdringungskraft h a t als der Wind. W e n n dieser aber nicht K r a f t genug h a t , ein E r d b e b e n hervorzurufen, und zwar seiner Feinheit wegen, die ihn befähigt, mühelos aus der E r d e 25 auszutreten, so bringt es der Wind zwar zu keinem Bewegungsimpuls, aber beim Auftreffen auf feste Massen und H o h l r ä u m e von mannigfacher Gestalt erzeugt er mannigfache T ö n e ; so h a t m a n manchmal den Eindruck, d a ß (wie es in Wundergeschichten heißt) 'die E r d e brüllt'. 30

Es h a t auch schon Wasserausbrüche bei E r d b e b e n gegeben. Aber deswegen ist nicht Wasser der Grund des Bebens, sondern das P n e u m a ist es, mag es an der Oberfläche des Wassers oder von der Tiefe her seine K r a f t ausüben. So sind die Winde Ursache der Wellen, nicht die Wellen die der Winde — auf diese Weise k ö n n t e m a n ja auch der 35 E r d e die Ursache des Bebens zuschreiben, weil sie durch die Erschütter u n g umgestürzt wird wie das Meerwasser (denn es ist eine Art Umstürzen, wenn es sich als Welle bricht). Ursachen sind sie beide (Erde u n d Wasser), aber stofflicher Art (sie wirken nicht, sondern leiden), der W i n d jedoch ist bewirkende Ursache.

70

Buch II

Fällt einmal eine S t u r m f l u t mit einem E r d b e b e n zusammen, so ist ein Gegeneinander von Winden der Grund d a f ü r . Der Fall t r i t t d a n n 368 b ein, wenn der | den E r d k ö r p e r erschütternde Wind die von einem anderen W i n d in Bewegung gesetzte Meeresflut zwar nicht völlig zurückzuwerfen, wohl aber durch Stoß u n d D r u c k zu einer gewaltigen Masse a u f z u s t a u e n vermag. D a n n m u ß nämlich der Wind aus der 5 E r d e unterliegen, die k o m p a k t e Flutwelle, vom Gegenwind vorangetrieben, bricht ins L a n d herein u n d verursacht die Überschwemmung. So ging es auch damals in Achaia zu: über dem L a n d herrschte Südwind, von See her k a m ein N o r d w i n d ; d a n n t r a t Windstille ein, da der (eine) Wind sich ins Erdinnere zog — so fielen Sturmflut u n d E r d beben zusammen. Letzteres w a r u m so heftiger, als die See das in die io E r d e eingedrungene P n e u m a nicht ausfahren ließ, sondern es blockierte. I n d e m sie so ihre K r ä f t e aneinander maßen, bewirkte der Wind das E r d b e b e n , die F l u t aber, als k o m p a k t e Masse, die Überschwemmung. E r d b e b e n sind örtlich begrenzt, oft sogar auf einen engen R a u m , 15 die Winde aber nicht. Örtlich begrenzt sind sie, wenn die Ausdünstungen eines b e s t i m m t e n Gebietes mit denen der Nachbargegend z u e i n e r M a s s e z u s a m m e n k o m m e n , wie wir es von lokal begrenzten Trockenheiten u n d Regengebieten feststellten. So steht es mit der Genesis der E r d b e b e n , nicht aber der Winde. J e n e P h ä n o m e n e h a b e n ihre bewirkenden Ursachen in der E r d e , so d a ß deren A u s d ü n s t u n g e n sämtlich in e i n e R i c h t u n g 20 strömen k ö n n e n . Dieser W i r k s a m k e i t (der Erde) k o m m t die Sonne nicht gleich, sondern sie ü b t sie mehr ü b e r die D ü n s t e in der L u f t aus u n d l e n k t deren S t r ö m e n in eine b e s t i m m t e R i c h t u n g ; dabei e m p f a n g e n sie ihren I m p u l s von der Sonnenbewegung, differenzieren sich aber entsprechend der Verschiedenheit ihrer Position. So ereignet sich also ein E r d b e b e n , wenn eine (entsprechende) Masse von Wind v o r h a n d e n ist, u n d zwar wirkt es horizontal, als eine A r t von Z i t t e r n ; gelegentlich, in b e s t i m m t e n Gegenden, ä u ß e r t es sich 25 auch wie ein K r a m p f , von u n t e n nach oben. Die letztere A r t des Bebens ist d a r u m auch selten; denn es ist nicht leicht möglich, d a ß eine hinreichend starke U r s p r u n g s k r a f t sich bildet. Das Q u a n t u m der horizontal e r s c h ü t t e r n d e n Ausscheidung ist nämlich vielmals größer als die von u n t e n wirkende. W o ein solches E r d b e b e n a u f t r i t t , k o m m t eine Masse v o n Steinen nach oben, wie die Spreu, die in einer Getreide30 schwinge in die Höhe geworfen wird. Auf diese Weise w u r d e die Gegend von Sipylos v e r w ü s t e t , ebenso die sogenannten phlegräischen Felder u n d der ligurische Landstrich.

Kapitel 8 - 9

71

Auf Inseln mitten im Meer kommen Erdbeben seltener vor als auf solchen in Landnähe. Denn die Masse der Salzflut kühlt die Ausdünstungen ab, tut mit ihrem Schwergewicht ihnen Einhalt und hindert gewaltsam ihr Entstehen; das Meer wird von den Winden zwar s in Strömung erhalten, aber nicht erschüttert. | Auch ist seine Aus- 369 * dehnung so groß, daß die Ausdünstungen nicht zu ihm hinstreben, sondern von ihm herkommen, und ihnen schließen sich die Ausscheidungen des Festlandes an. Was aber die landnahen Inseln betrifft, so sind sie dem Festland als Teil zuzurechnen; denn die geringe daio zwischenliegende Strecke fällt nicht ins Gewicht. Inseln mitten im s Meer aber sind nicht zu erschüttern ohne das Meer als Ganzes, das sie umschließt. Damit sind die Erdbeben, nach ihrem Wesen und nach ihrer Ursache, behandelt, ebenso die wichtigsten ihrer Begleiterscheinungen. 15 9. Wir wollen nun über Blitz und Donner, ferner über Wirbelwind, 10 Glutwind und Donnerkeile sprechen; denn für sie alle muß man den gleichen Ursprung annehmen. Die irdische Ausscheidung ist, wie wir sagten, von doppelter Art, teils trocken, teils feucht; ihre Verbindung enthält also potentiell 20 beides. So kommt es, wie dargelegt, zur Bildung der Wolken, und ihre 15 Dichte ist an ihrer oberen Grenze besonders groß (auf der Seite nämlich, wo die ausgeschiedene Wärme in die obere Region entweicht, wird die Wolkenmasse notwendigerweise fester und kälter, weshalb auch Donnerkeile, Sturmböen und alle verwandten Bildungen nach 20 25 unten fahren, obschon doch von Natur alles Warme nach oben strebt; aber die Auspressung muß eben in Gegenrichtung zu der verdichteten Masse erfolgen — es ist wie bei den Obstkernen, die wir aus den Fingern schnellen; auch sie, die doch Gewicht haben, fliegen oft nach oben). Die ausgeschiedene Wärme verliert sich also im oberen Ort; soweit 25 30 jedoch die trockene Aushauchung während des Abkühlungsprozesses, den die Luft erfährt, von dieser eingeschlossen wird, wird sie beim Kondensieren der Wolken gewaltsam ausgestoßen; bei ihrem Dahinfahren stößt sie an die umgebenden Wolken und verursacht jenen Schlag, der Donner heißt. Der Schlag kommt — um Kleines mit 30 35 Großem zu vergleichen — auf die gleiche Weise zustande wie das Knistern einer Flamme, das man das Lachen des Hephaistos oder der Hera nennt, oder auch ihr Drohen. Es tritt ein, wenn beim Zerbrechen und Trockenwerden des Brennholzes die Ausdünstung in Masse zur Flamme hinströmt; und so ist es auch in den Wolken das ausge- 35

72

Buch II

369 b schiedene P n e u m a , das gegen die Wolkenmasse stößt | u n d den Donner v e r u r s a c h t . Die Geräusche sind dabei von mannigfaltiger A r t , begreiflich bei der Ungleichartigkeit der Wolken u n d den Höhlungen m i t t e n d r i n , wo die feste Wolkenwand Lücken h a t . Dies also ist der Donner, und dies seine Ursache. I n der Regel n u n wird s s der ausgepreßte Wind entzündet und b r e n n t in einem dünnen, feinen Feuer, dem sogenannten Blitz, wo m a n von dem h e r u n t e r f a h r e n d e n Wind gleichsam einen F a r b e i n d r u c k h a t . E r entsteht nach dem Schlag, also später als der Donner, dem Augenschein nach jedoch ist er f r ü h e r , weil unser Sehen rascher ist als unser Hören. Der R u d e r t a k t eines i» 10 Dreiruderers m a c h t das k l a r : wenn sich die R u d e r schon wieder heben, erreicht uns erst der Schall von ihrem Schlag. Allerdings b e h a u p t e n manche, in den Wolken sei Feuer enthalten. Empedokles f a ß t es auf als den von Wolken aufgefangenen Teil der Sonnenstrahlung, Anaxagoras als Teil des oberen Äthers (womit er is 15 Feuer meint), der sich von oben nach u n t e n bewegt habe. Blitz sei demgemäß der durch die Wolken leuchtende Schein dieses Feuers, Donner das zischende Geräusch, wenn es verlösche; sie meinen also, wie es den Anschein habe, so geschehe es auch in Wirklichkeit, u n d der Blitz sei f r ü h e r als der Donner. 2» J e d o c h mit einem Eingeschlossensein des Feuers zu rechnen, h a t 20 keinen Sinn. Das gilt f ü r beide Ansichten, besonders aber f ü r den Gedanken, Feuer werde von oben nach u n t e n gezogen. Man m u ß es doch begründen, wie sich etwas nach u n t e n bewegt, was von N a t u r nach oben strebt, u n d w a r u m dergleichen n u r bei bewölktem H i m m e l 25 geschieht und nicht beständig; bei heiterem Himmel t r i t t es j a nicht ein. Die Lehre m a c h t ganz und gar den Eindruck, aufs Geratewohl 25 entworfen zu sein. Auch im Gewölk eingeschlossene Strahlungswärme der Sonne als Ursache d a f ü r zu nehmen, ist ebenfalls unglaubwürdig. Auch mit dieser B e h a u p t u n g h a t m a n es sich allzu leicht gemacht. E s 30 m u ß doch jedesmal eine b e s t i m m t e , besondere Ursache f ü r einen N a t u r v o r g a n g v o r h a n d e n sein, f ü r D o n n e r , Blitz u n d so weiter. D a r a n 30 aber l ä ß t es diese Lehre völlig fehlen. Mit gleichem Grund k ö n n t e m a n meinen, d a ß Regenwasser, Schnee, Hagel, bevor sie d a n n ausgeschieden werden, vorher fertig in der Wolke bereitliegen, a n s t a t t d a ß 35 sie w e r d e n — so als ob die A t m o s p h ä r e jedes dieser Naturgebilde aus einem Vorrat zur jeweiligen Verfügung stellte. Man m u ß sie genau so 35 als Kondensationsphänomene auffassen wie diese Erscheinungen (Donner, Blitz) als Ausscheidungsphänomene; wenn es also von einer dieser

Kapitel 9

73

beiden Gruppen gilt, daß sie nicht werden, sondern fertig vorhanden sind, so muß das Gleiche von beiden | gelten. Und was weiter das 370, Enthaltensein (des Feuers) betrifft, inwiefern könnte man behaupten, daß es anders wäre als bei den dichteren Stoffen? Denn auch das 5 Wasser wird von der Sonne oder vom Feuer erwärmt, aber wenn es wieder kondensiert, abkühlt und gefriert, erfolgt keineswegs ein solcher Feuer-Ausstoß, wie jene behaupten, obwohl er in der entsprechenden s Größenordnung stattfinden müßte. Den Siedezustand führt das im Wasser unter der Hitzewirkung entstehende Pneuma herbei; er ist be10 stimmt nicht 'vorher darin enthalten'. Andrerseits lassen sie zwar den Donner nicht ein Siedegeräusch sein, sondern ein Zischen, aber Zischen ist ein Siedegeräusch in kleinem Maßstab. Wo nämlich Feuer, mit Wasser in Verbindung gebracht, verlischt, indem es gleichzeitig das Wasser überwältigt, da kommt es zum Kochen und dem entsprechenden Geräusch. 10 15 Einige lehren — zum Beispiel Kleidemos —, der Blitz habe keine reale Existenz, sondern sei bloßer Schein. Sie vergleichen ihn mit dem Sinneseindruck, den man hat, wenn man nachts mit einem Stock ins Meerwasser schlägt; dann scheint das Wasser aufzublitzen. So entstehe in der Wolke, wenn die Feuchtigkeit darin einen Schlag erfährt, 15 20 der Eindruck eines hellen Glanzes — der Blitz. Diese Autoren waren offenbar noch nicht vertraut mit den Anschauungen über Lichtbrechung, der anerkannten Ursache dieses Phänomens. Das Wasser scheint unter dem Schlag aufzublitzen, weil unsere Sehlinif von ihm weg zu einem hellen Gegenstand reflektiert wird. Deshalb tritt auch 25 das Phänomen vor allem nachts ein; tagsüber kommt es nicht dazu, 20 weil das stärkere Tageslicht es nicht sichtbar werden läßt. Dies also sind die Ansichten der anderen über Donner und B l i t z : Blitz als Lichtbrechung, als Aufscheinen von Feuer im Gewölk, Donner das Geräusch bei seinem Verlöschen; dabei wird vorausgesetzt, daß 30 dasFeuer nicht jedesmal neu entstehe, sondern (als Vorrat) vorhanden sei. 25 Wir aber behaupten: ein und dieselbe Wesenheit ist oberhalb der Erde Wind, im Erdinnern Erdbeben, in den Wolken Donner; denn alle diese Naturerscheinungen haben die gleiche Substanz, die trockene Ausdünstung der Erde. Wenn sie in der einen Richtung strömt, ist sie Wind, wenn 35 in der anderen, verursacht sie die E r d b e b e n ; und wenn die Wolken sich zusammenschließen und zu Wasser kondensieren, also eine Umwandlung 30 erfahren, wird sie während dieses Prozesses ausgeschieden und verursacht Donner, Blitz und auch die anderen gleichartigen Phänomene. Die Darstellung von Donner und Blitz ist damit abgeschlossen. |

BUCH III

370 b 3 1. Nun wollen wir die übrigen Wirkungen dieses Ausscheidungsvorgangs besprechen, auf Grund der bereits zur Richtschnur genommenen Methode. 5 Mit diesem Wind steht es nämlich so: wird er in kleinen, weithin verteilten Mengen ausgeschieden, unter vielfacher Unterbrechung seines s Entstehens, rasch durchschießend, weil eben besonders feinteilig, dann erzeugt er Donner und Blitz; vollzieht sich dagegen die Ausscheidung in Masse, mehr kompakt, weniger feinteilig, so entsteht die Sturmbö. So erklärt sich auch deren Heftigkeit: aus der Schnelligio keit, mit der sie sich ablöst, ergibt sich ihre Wucht. 10 Wenn nun die Ausscheidung ununterbrochen in Masse fortgeht, dann nimmt der Vorgang den Charakter eines Wandels zum gegenteiligen Phänomen an, wo Regen und große Feuchtigkeitsmengen die Folge sind. Potentiell sind ja beide Qualitäten im Stoff vorhanden; wenn nun ein Anstoß kommt für die eine oder andere der Möglichkeiten, is 15 folgt als Ausscheidung aus dem Stoff das Quantum, das gerade überwiegt : im einen Fall ergibt sich ein Regenguß, im anderen als Produkt der anderen Anathymiase eine Sturmbö. Wenn aber der im Gewölk durch Ausscheidung gebildete Wind auf einen anderen stößt, kommt es zum gleichen Phänomen, wie wenn 2« der Wind, aus weitem Raum kommend, sich in einer Enge verfängt, in einer Torfahrt oder einer Gasse. In solchen Fällen wird nämlich 20 oft der vordere Teil der strömenden Masse zur Seite gedrängt, weil er auf Widerstand trifft — entweder ist es zu eng oder es gibt Gegenzug —, und das Pneuma gerät ins Kreisen und Wirbeln. Denn sein 25 vorderer Teil hemmt die Bewegung geradeaus, während von hinten die Strömung nachdrängt, so daß der Wind seitwärts, wo kein Hinder25 nis vorliegt, ausweichen muß; so geht es jedesmal dem folgenden Teil des Wehens, bis es zu einem Ganzen wird, d. h. zu einem Kreis. Denn was seine Form e i n e r Bewegung verdankt, muß auch selber eines 30 sein. So also entstehen Wirbelwinde auf der Erde, und in den Wolken ebenso, wenn man den Ursprung ihrer Bildung in Betracht zieht. Nur

Kapitel 1

75

folgt hier, so wie bei der Bildung einer Sturmbö der Wind sich in stetem Prozeß von der Wolke löst, bei einem Wirbelwind die Wolke 30 kontinuierlich dem Strömen des Windes. Dabei kann wegen ihrer Dichtigkeit der Wind sich nicht von ihr befreien und dreht sich erst im Kreise (die Ursache wurde dargelegt), dann fährt er nach unten, weil | jedesmal die Wolkenwand sich da verdichtet, wo die Wärme 371 a austritt. Man nennt die Naturerscheinung, wenn sie keine Farben aufweist, Wirbelwind (Windhose), der sozusagen eine nicht x-eif gewordene Sturmbö darstellt. Herrscht Nordwind, so kommt es nicht zur Bildung eines Wirbelwindes, ebensowenig bei Schneefall zu einer Sturmbö. Denn alle diese Phänomene sind Wind, Wind aber ist warmtrockene 5 Ausscheidung; so üben Frost und Kälte Macht über diese und löschen sie schon beim Entstehen aus. An der Tatsache dieser Überwältigung ist nicht zu zweifeln; sonst gäbe es keinen Schnee noch käme der Regen von Norden — beides Naturerscheinungen, die von übermächtiger K ä l t e herkommen. — E s entsteht also eine Windhose, wenn eine im Entstehen begriffene Sturmbö nicht von der Wolke freikommt — 10 eine Folge des Widerstandes, den der Wirbel darstellt — und wenn dann die Spirale zur Erde niederfährt, wobei sie die Wolke mit sich herabreißt, ohne sich von ihr lösen zu können. Wo dies Stürmen freie Bahn hat, da weht es alles um, und läßt im Kreise wirbeln und reißt gewaltsam nach oben, auf was es nur treffen mag. 15 Entzündet sich der Wind, während er zur E r d e niederfährt (dies geschieht, wenn das Pneuma besonders feinteilig ist), dann heißt er Glutwind; denn er setzt durch die eigene Glut die Luft in Brand und gibt ihr so Farbe. Wird aber in der Wolke selbst viel feinteiliges Pneuma ausgepreßt, 20 so wird es zum Donnerkeil. Bei sehr großer Feinteiligkeit versengt er, eben dieser Eigenschaft wegen, nicht (die Dichter sprechen dann vom Wetter strahl), bei geringerer wirkt er versengend (man spricht dann von rußenden Blitzen). Die eine Art fährt, ihrer Feinteiligkeit wegen, besonders rasch dahin und passiert den Gegenstand schneller, als daß es zur Entzündung kommen kann; auch verweilt der Blitz nicht lange genug in ihm, daß er ihn rußig machen könnte. Die andere Art ist langsamer und färbt den Gegenstand schwarz, ist aber zu schnell, um ihn zu verbrennen. Daher werden zwar widerstandsfähige Objekte be- 25 schädigt, solche, die es nicht sind, dagegen n i c h t ; z. B . schmolz einmal der Metallbeschlag eines Schildes, während das Holz unzerstört blieb; die Filterung des Windes durch das Holz vollzog sich, infolge

76

Buch III

von dessen lockerer Struktur, zu rasch. Ebenso k a m es vor, daß ein Blitz durch ein Kleidungsstück hindurchfuhr und es nicht verbrannte, bloß zerfetzte. Schon diese Feststellungen machen es klar, daß alle diese Phäno3« mene auf Wind zurückzuführen sind. Manchmal zeigt es aber auch 5 der Augenschein, in neuerer Zeit etwa, was wir beim Brand des Tempels zu Ephesos beobachteten. Damals lösten sich in steter Folge einzelne Flammen (vom Brand) los und wurden in alle Richtungen 371 b fortgerissen. Daß Rauch Wind ist, und daß Rauch brennt, liegt | j a zutage (siehe unsere frühere Darstellung); und setzt sich eine 10 solche brennende Masse in Bewegung, dann wird ihre Windnatur offenbar. Was nun bei einer kleinen Feuersbrunst deutlich wird, trat damals, als so viel Material in Brand geraten war, mit weit 5 größerer Gewalt in Erscheinung: die Holzbalken, in denen der Wind seinen Ursprung hatte, brachen, der Wind fuhr an der Austritts- 15 stelle in kompakter Masse heraus und schlug als Feuer nach oben. So konnte man sehen, wie die Flammen dahinschossen und auf die (benachbarten) Häuser fielen. Wir müssen j a annehmen, daß dem Blitzschlag stets Wind nachfolgt und vorausgeht, jedoch 10 unsichtbar, da ohne Farbe. Daher bewegt sich auch noch vor 20 dem Einschlag der Gegenstand, der getroffen werden wird, weil vorher der Wind, dem der Blitz entstammt, auf ihn fällt. — Auch der Donnerschlag vermag einen Gegenstand zu spalten, nicht durch sein Getöse, sondern weil mit einem Male (aus der Wolke) ausgeschieden wird, was den Schlag wie den Donner verursacht, nämlich 25 Wind; trifft der auf ein Objekt, so spaltet er es, verbrennt es aber nicht. 15

Die Behandlung von Donner, Blitz, Sturmbö sowie von Glutwind, Wirbelwind und Blitzschlag ist damit abgeschlossen, ebenso die Darlegung der Einheit aller dieser Phänomene und ihrer verschiedenen 30 Erscheinungsformen. 2. Wir wollen nun über Halo-Erscheinungen und über den Regenbogen sprechen, über ihre Natur und ihre Ursachen, ferner über 20 Nebensonnen und 'Ruten' ('Stäbe'). Alle diese Naturerscheinungen stammen nämlich von derselben Ursache her. 35 Zunächst aber müssen die Eigenschaften dieser Phänomene, und was bei jedem einzelnen vorgeht, bestimmt werden. Ein ' H o f ' (Halo) ist oft als voller Kreis sichtbar, um Sonne und 25 Mond und die lichtstarken Sterne, ebenso oft nachts wie tags, und zur

77

Kapitel 1 - 2 Mittags- wie zur N a c h m i t t a g s z e i t . A m Morgen u n d bei

Sonnenunter-

g a n g k o m m t es seltener v o r . B e i m R e g e n b o g e n gibt es nie einen vollen K r e i s , a u c h keinen B o g e n , der größer ist als der Halbkreis. Bei S o n n e n u n t e r g a n g u n d

-aufgang

5 ist der K r e i s a m kleinsten, das K r e i s s e g m e n t a m größten; steht

die

S o n n e höher, so ist der K r e i s größer, d a s S e g m e n t kleiner. N a c h

der

Herbst-Tagundnachtgleiche,

wenn

die T a g e

kürzer

sind,

kann

d a s 30

P h ä n o m e n zu beliebiger S t u n d e des T a g e s auftreten, im S o m m e r aber nicht u m die Mittagszeit. Mehr als zwei R e g e n b o g e n a u f einmal

gibt

io e s n i c h t . B e i z w e i g l e i c h z e i t i g e n h a t j e d e r d r e i F a r b e n ; d i e s e s i n d b e i j e d e m B o g e n | i d e n t i s c h u n d g l e i c h a n Z a h l , n u r s i n d s i e b e i m ä u ß e r e n 372 a blasser u n d u m g e k e h r t angeordnet. B e i m inneren ist nämlich der erste u n d größte Streifen rot, b e i m äußeren ist dies der kleinste, der diesem roten B a n d (des inneren) b e n a c h b a r t e . E n t s p r e c h e n d steht es m i t d e n s 15 a n d e r e n S t r e i f e n . D i e s e F a r b e n s i n d b e i n a h e d i e e i n z i g e n , d i e e i n M a l e r n i c h t h e r s t e l l e n k a n n . E i n i g e k a n n m a n n ä m l i c h d u r c h M i s c h u n g gewinnen, a b e r bei G r ü n ,

Rot

und Violett

geht das nicht; eben

dies

aber sind die R e g e n b o g e n f a r b e n . D o c h erscheint oft zwischen R o t u n d G r ü n ein gelbes B a n d . 20

Nebensonnen

und

10

'Ruten'

erscheinen

stets

zur

Seite

der

w e d e r ü b e r n o c h u n t e r ihr oder a u f der gegenüberliegenden

Sonne,

Himmels-

seite, natürlich a u c h nicht nachts, sondern stets neben der Sonne, u n d z w a r w ä h r e n d sie auf- o d e r u n t e r g e h t , z u m e i s t b e i

Sonnenuntergang.

K a u m j e k o m m e n sie v o r , w e n n die S o n n e i m Z e n i t h s t e h t . S o

war

25 e s a l l e r d i n g s e i n m a l a m B o s p o r u s , w o z w e i N e b e n s o n n e n m i t d e r S o n n e is aufgingen und den ganzen T a g bis z u m A b e n d Dies

also läßt

sich a n den g e n a n n t e n

dauerten.

Phänomenen

im

einzelnen

b e o b a c h t e n . I h r e U r s a c h e a b e r ist in allen F ä l l e n die gleiche: h a n d e l t es sich u m

überall

Strahlenbrechung. Die Unterschiede beruhen

so d e r b e s o n d e r e n W e i s e d e r B r e c h u n g , a u f d e r A r t d e r

auf

reflektierenden

F l ä c h e , u n d d a r i n , o b d i e S t r a h l e n z u r S o n n e o d e r z u e i n e m a n d e r e n 20 hellgleißenden Gegenstand hin gebrochen

werden.

E i n R e g e n b o g e n wird t a g s ü b e r s i c h t b a r ; a n sein A u f t r e t e n bei N a c h t , vom

Mondlicht

her, glaubten die Alten nicht.

D i e s e r ihr

Eindruck

35 b e r u h t e a u f d e r S e l t e n h e i t d e s P h ä n o m e n s , d a s i h n e n d e s w e g e n borgen blieb. E s k o m m t

schon vor, aber nicht häufig. Die

ver-

Ursache

i s t , d a ß i n d e r D u n k e l h e i t d i e F a r b e n n i c h t z u s e h e n s i n d u n d a u ß e r - 25 d e m noch viele B e d i n g u n g e n des E n t s t e h e n s z u s a m m e n t r e f f e n m ü s s e n — u n d zwar sämtlich an einem einzigen T a g im M o n a t :

ausschließlich

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Buch III

b e i V o l l m o n d i s t ein M o n d r e g e n b o g e n z u e r w a r t e n , u n d a u c h d a n n n u r , w e n n der Mond auf- oder u n t e r g e h t . D a r u m h a b e n wir ihn innerhalb v o n m e h r als f ü n f z i g J a h r e n n u r z w e i m a l e r l e b t . 30 D a ß u n s e r S e h e n v o n d e r L u f t u n d a l l e n O b j e k t e n m i t g l a t t e r O b e r fläche g e b r o c h e n w i r d , so w i e v o n W a s s e r , d a f ü r i s t a u f die i n d e r O p t i k g e l i e f e r t e n B e g r ü n d u n g e n z u v e r w e i s e n , sowie a u f die T a t s a c h e , d a ß in m a n c h e n S p i e g e l n F i g u r e n e r s c h e i n e n , i n m a n c h e n b l o ß d e r e n 372 b F a r b e n . L e t z t e r e s ist b e i allen k l e i | n e n S p i e g e l n d e r F a l l , die k e i n e w a h r n e h m b a r e Untergliederung des Bildes zulassen. Hier k a n n kein U m r i ß einer G e s t a l t s i c h t b a r w e r d e n (denn m i t d e m Begriff Gestalt ist a u c h d a s C h a r a k t e r i s t i k u m d e r T e i l b a r k e i t g e g e b e n ) ; d a a b e r d o c h 5 e i n e S p i e g e l u n g , w e n n s c h o n n i c h t e i n e r G e s t a l t , s t a t t f i n d e n m u ß , so k a n n l e d i g l i c h die F a r b e g e s p i e g e l t w e r d e n . V o n h e l l e n G e g e n s t ä n d e n w i r d die F a r b e m a n c h m a l hell r e f l e k t i e r t , m a n c h m a l j e d o c h h a t m a n d e n E i n d r u c k e i n e r a n d e r e n F a r b e , e n t w e d e r weil die e i g e n e F a r b e d e s Spiegels m i t w i r k t , o d e r weil u n s e r G e s i c h t s s i n n z u s c h w a c h i s t . W i r b i t t e n n u n a b e r u n s e r e A n s i c h t h i e r ü b e r als s c h o n in d e r L e h r e 10 z u r S i n n e s w a h r n e h m u n g n i e d e r g e l e g t z u b e t r a c h t e n . W i r w o l l e n also h i e r n u r einiges d a r l e g e n , d e n R e s t a b e r als b e r e i t s e r w i e s e n ü b e r nehmen. 3 . Z u n ä c h s t w o l l e n w i r , h i n s i c h t l i c h d e r G e s t a l t d e s ' H o f e s ' , seine K r e i s f o r m b e g r ü n d e n , s o d a n n sein A u f t r e t e n u m S o n n e u n d M o n d ( o d e r ä h n l i c h u m ein a n d e r e s G e s t i r n ) . E s wird s i c h n ä m l i c h f ü r alle 15 F r a g e n die gleiche A n t w o r t e r g e b e n . E i n e R e f l e x i o n u n s e r e s S e h e n s t r i t t ein als F o l g e des Z u s a m m e n schlusses von L u f t u n d W a s s e r d a m p f zur W o l k e , falls dieser Zus a m m e n s c h l u ß ein h o m o g e n e s , f e i n t e i l i g e s G e b i l d e e r g i b t . D a r u m ist a u c h ein s o l c h e r ' H o f ' ein R e g e n z e i c h e n ; ist er d a g e g e n a u f g e r i s s e n , 20 so z e i g t d a s W i n d an. v e r b l a ß t er, so ist dies ein S c h ö n w e t t e r z e i c h e n . T r i t t n ä m l i c h w e d e r ein V e r b l a s s e n n o c h ein Z e r r e i ß e n ein, s o d a ß d a s G e b i l d e sich voll e n t f a l t e n k a n n , so d a r f dies als R e g e n z e i c h e n g e n o m m e n w e r d e n ; d e n n d a m i t ist b e r e i t s a n g e z e i g t , d a ß e i n e d e r a r t i g e V e r d i c h t u n g des W a s s e r d a m p f e s sich v o l l z i e h t , wie sie, b e i k o n t i n u i e r l i c h e r F o r t d a u e r , u n b e d i n g t zu R e g e n f ü h r t . E i n s o l c h e r 25 H o f z e i g t d e n n a u c h e i n e b e s o n d e r s d u n k l e F a r b e . I s t e r a u f g e r i s s e n , so b e d e u t e t d a s W i n d ; d e n n s e i n e Z e r t r e n n u n g k o m m t v o n e i n e m W i n d .her, d e r s c h o n ( o b e n ) w i r k t , a b e r n o c h n i c h t b e i u n s u n t e n a n gelangt ist. E i n Beweis d a f ü r : der W i n d k o m m t v o n der Seite h e r , wo der Hof besonders zerrissen ist. E i n verblassender Hof d e u t e t auf

Kapitel 2 - 3

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schönes W e t t e r . D e n n wenn die L u f t ihrer augenblicklichen Beschaffen- 30 heit n a c h die innewohnende W ä r m e nicht überwältigen u n d sich nicht zur Verdichtung des F e u c h t e n entwickeln k a n n , d a n n h a t sich offenbar der Wasserdampf noch nicht von der w a r m t r o c k e n e n Ausscheidung 5 abgetrennt. Dies aber ist die Vorbedingung f ü r schönes W e t t e r . Soviel über den Zustand der L u f t , der zu Brechungserscheinungen f ü h r t . Reflek|tiert wird unser Sehen von dem D u n s t u m Sonne oder 373 a Mond; deswegen sieht m a n den Hof auch nicht auf der (der Sonne) gegenüberliegenden Seite, wie den Regenbogen. Da die Brechung in 10 gleicher Weise von jedem P u n k t her erfolgt, m u ß sich ein Kreis oder ein Kreissegment ergeben. W e n n nämlich die Linien vom selben P u n k t ausgehen, beim selben P u n k t enden u n d gleich lang sind, müssen die 5 P u n k t e , wo sie Scheitel eines Winkels sind, stets auf einer Kreislinie liegen. E s seien nämlich ATB, AZB, AAB Linien, die sämtlich von 15 A nach B gehen u n d die einen Winkel bilden. Die Strecken AT, AZ, AA seien gleich, ebenso die bei B zusammentreffenden TB, ZB, AB. J e t z t ziehe m a n die Linie A E B . D a n n sind die Dreiecke gleich, denn 10 ihre Basis, A E B , ist (für alle) gleich. D a n n fälle m a n von den Winkeln die Senkrechten auf A E B : TE von I~, ZE von Z, AE von A. D a n n 20 sind diese Senkrechten gleich, da sie alle in kongruenten Dreiecken e n t h a l t e n sind u n d auf der gleichen E b e n e stehen. Denn sie stehen alle rechtwinklig auf A E B und treffen sich in dem einen P u n k t E . 15 Zieht m a n also eine Linie (durch TZA), so wird es eine Kreislinie mit dem Mittelpunkt E . N u n ist B die Sonne, A das Auge, u n d die Kreis25 linie durch TZA ist die Wolke, von der die Sehlinie zur Sonne hin gebrochen wird. Die spiegelnden Teilchen m u ß m a n sich als K o n t i n u u m vorstellen, so jedoch, d a ß jedes einzelne u n s i c h t b a r ist, seiner Kleinheit 20 wegen, d a ß aber aus allen zusammen, da sie so dicht aufeinander 30 folgen, sich der E i n d r u c k einer Einheit ergibt. Der helle Glanz, die Sonne, wie sie in jedem einzelnen Spiegel sichtbar wird, erscheint so als kontinuierlicher Ring, ohne irgendeine w a h r n e h m bare Unterteilung. Der an den Hof anschließende Ring ist dun- 25 kel, er erweckt diesen Eindruck besonders, weil der Hof heller 35 schimmert. U m den Mond k o m m t ein Hof häufiger vor als u m die Sonne, weil deren stärkere W ä r m e die Luftgebilde rascher a u f l ö s t ; u n d zwar t r i t t die Erscheinung m e h r in E r d n ä h e auf, weil es hier windstiller i s t ; bei Wind k a n n sie nicht ruhig bestehen. Auf dieselben Entstehungs-

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Buch III

30 Ursachen gehen die Höfe u m die Sterne zurück, doch wirken diese nicht in gleicher Weise als Wetterzeichen; denn sie lassen n u r schwache L u f t v e r d i c h t u n g e n erkennen, aus denen sich noch nichts ergeben k a n n . 4. D a ß der Regenbogen eine Reflektionserscheinung ist, w u r d e f r ü h e r festgestellt; von welcher Art diese ist, wie ihre jeweiligen Besonderheiten Zustandekommen und was deren Ursache ist, dies wollen wir n u n darlegen. 35 Unser Sehen wird, wie der Augenschein zeigt, von jeder glatten 373 b Oberfläche zurückgeworfen, | also auch von L u f t u n d Wasser. L u f t m u ß verdichtet sein, wenn sie so wirken soll; doch t r i t t bei Sehschwäche oftmals die Brechung auf, auch wenn keine Verdichtung der L u f t vorliegt. So ging es regelmäßig einem Mann mit schwachen 5 Augen: er h a t t e stets, wenn er einen Weg machte, den Eindruck, es gehe ihm ein Schattenbild voraus, den Blick auf ihn gerichtet. Die Ursache hiervon war, d a ß sein Sehen zu ihm zurückgeworfen w u r d e ; dies war auf Grund seines Augenleidens so schwach und m a t t , d a ß schon die umgebende L u f t f ü r ihn zum Spiegel wurde und sich nicht durchdringen ließ — zum Spiegel, wie sonst entfernte, verdichtete io Dunstmassen wirken. Deshalb scheinen, vom Meer aus gesehen, Berggipfel ü b e r h ö h t , und ü b e r h a u p t alles wirkt vergrößert, wenn Ostwind w e h t ; den gleichen E i n d r u c k h a t m a n von Objekten im Nebel, wie von der Sonne oder von Gestirnen, die auf- u n d untergehend größer scheinen als im Zenith. Vor allem aber findet Brechung von Wasser her s t a t t , u n d Wasser, ls das eben in Bildung begriffen ist, wirkt in diesem Sinn stärker als L u f t ; denn jedes der Teilchen, die z u s a m m e n t r e t e n d einen Regentropfen ergeben, ist notwendigerweise ein besserer Spiegel als Nebel. N u n lehrt der Augenschein (wie es auch bereits f r ü h e r dargestellt wurde), d a ß in solchen Spiegeln sich bloß die F a r b e zeigt, die F o r m 20 jedoch nicht deutlich wird. Unmittelbar v o r m Regnen, also, wenn die L u f t im Gewölk sich schon zu Tropfen zusammenschließt, aber noch kein Regen fällt, m u ß sich, falls gegenüber die Sonne steht oder eine andere Lichtquelle, die die Wolke z u m Spiegel werden l ä ß t u n d eine Brechung (des Sehens) von der Wolke z u m hellen Objekt hin bewirkt, ein Bild der F a r b e , nicht der F o r m ergeben. J e d e s einzelne der 25 spiegelnden Teilchen ist klein u n d nicht zu sehen, nur das ganze ausgedehnte K o n t i n u u m , das sie zusammensetzen, ist sichtbar: folglich m u ß es das ausgedehnte K o n t i n u u m e i n e r F a r b e sein, was da erscheint. Denn jedes spiegelnde Teilchen bietet die gleiche F a r b e , wie

Kapitel 3 - 4

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sie das zusammenhängende Ganze hat. Diese Bedingungen sind theoretisch möglich; und so kann, wenn Sonne und Wolke die ent- 30 sprechende Position einnehmen und wir (als Beobachter) in der Mitte stehen, damit gerechnet werden, daß die Brechung einen (Farb-)Eins druck hervorruft. E s kommt aber auch noch die Erfahrung des Augenscheins hinzu: wenn genau diese Bedingungen erfüllt sind, entsteht der Regenbogen wirklich. So liegt es also klar zutage, daß der Regenbogen eine Brechung des Sehens hin zur Sonne ist. Darum steht er auch immer der Sonne 10 gegenüber, während der Hof sie umgibt. Brechungserscheinungen sind sie zwar beide, doch heben den Regenbogen die bunten | Farben hervor. 374 • E r beruht nämlich auf einer Brechung vom Wasser, also einem dunklen Objekt her, und aus einer größeren Entfernung, während der Hof eine Reflexion aus der Nähe und von der Luft her darstellt, die von Natur 15 heller ist. Leuchtendes Weiß erscheint hinter Schwarz, oder im Schwarzen (auf den Unterschied kommt es nicht an) r o t ; man kann es an bren- 5 nendem frischen Holz sehen, wie rot es flammt, weil das an sich strahlend weiße Feuer mit viel Rauch vermischt ist. So ist es auch 20 mit der Sonne: durch Dunst und Rauch leuchtet sie rot. Das als Regenbogen sich darstellende Brechungsphänomen hat deshalb, wie man sieht, eben diese Farbe als erstes (äußerstes) B a n d (die Reflexion geschieht j a von winzigen Tropfen aus); im Hof dagegen kommt sie 10 nicht vor. Die anderen Farben besprechen wir später. Ferner: in der 25 Umgebung der Sonne hält sich ein solches Gebilde nicht lange: entweder kommt es zum Regnen oder zur Auflösung des Hofes. Dagegen verstreicht, während sich gegenüber (der Sonne) die Regenentstehung vorbereitet, eine gewisse Zeit. Wäre dies anders, so wären die Halo- 15 phänomene farbig wie der Regenbogen. So aber gibt es keinen ge30 schlossenen oder kreisförmigen Hof, der so ( = farbig) aussieht; im kleinen abeT und partiell kommt es vor, in Form der sogenannten ' S t ä b e ' . Denn wenn eine Dunstmasse, vergleichbar der aus Wasser oder einem anderen dunklen Stoff (dies ist j a unsere Lehre) entstehenden, vorhanden wäre, könnte man einen Regenbogen als Voll- 20 35 kreis sehen, wie er rings um das Licht einer Lampe sich bildet. Hier entsteht nämlich — im Winter, besonders wenn Südwind weht — ein Irisphänomen, vor allem wahrnehmbar für Augen mit viel Feuchtigkeit; seiner Schwäche wegen wird das Sehen bei solchen Menschen leicht reflektiert. Ursachen dieses Irisbogens sind die Luftfeuchtig6

A r i s t o t e l e s , 12

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Buch III

25 k e i t u n d d e r v o n d e r F l a m m e a b s t r ö m e n d e , m i t d i e s e r sich m i s c h e n d e Q u a l m ; dieser w i r k t , seiner Schwärze wegen (der Q u a l m e n t h ä l t j a R a u c h ) als S p i e g e l . D a s L i c h t d e r L e u c h t e e r s c h e i n t n i c h t w e i ß , sond e r n p u r p u r n , u n d z w a r in e i n e m K r e i s u n d r e g e n b o g e n a r t i g (sich a b s t u f e n d ) , d o c h o h n e R o t ; d e n n d a s r e f l e k t i e r t e S e h e n ist (bei L a m - 5 30 p e n l i c h t ) z u s c h w a c h , u n d d e r Spiegel ist d u n k e l . — W a s d a s I r i s i e r e n b e t r i f f t , d a s R u d e r b l ä t t e r e r z e u g e n , w e n n sie sich a u s d e m M e e r w a s s e r h e b e n , so k o m m t es d a b e i zu d e n g l e i c h e n P o s i t i o n e n ( v o n L i c h t quelle u n d Spiegel) wie a m H i m m e l ; h i n s i c h t l i c h d e r F a r b e a b e r s t e h t d a s I r i s p h ä n o m e n des L a m p e n l i c h t s n ä h e r ; es ist n ä m l i c h k e i n R o t , 1» sondern P u r p u r , was wir sehen. Die Spiegelung erfolgt v o n winzigen, m i t e i n a n d e r z u s a m m e n h ä n g e n d e n W a s s e r t r o p f e n a u s , b e i d e n e n die 35 U m s e t z u n g ( v o n D a m p f ) in W a s s e r s c h o n völlig a b g e s c h l o s s e n i s t . 374 b E i n R e g e n b o g e n e n t s t e h t a u c h , w e n n m a n | W a s s e r f e i n v e r s p r ü h e n l ä ß t in e i n e m Z i m m e r , d a s d e r S o n n e z u l i e g t u n d teils v o n i h r be- is s c h i e n e n , teils i m S c h a t t e n g e l a s s e n w i r d . L ä ß t m a n T r o p f e n in e i n e n s o l c h e n R a u m s p r ü h e n , so w i r d i n i h m f ü r e i n e n A u ß e n s t e h e n d e n ein 5 R e g e n b o g e n s i c h t b a r , u n d z w a r a u f d e r L i n i e , w o a u f die S o n n e n e i n s t r a h l u n g d e r S c h a t t e n f o l g t . A r t des Z u s t a n d e k o m m e n s , F a r b e u n d U r s a c h e s i n d die g l e i c h e n wie b e i m I r i s i e r e n d e r R u d e r b l ä t t e r ; 20 h i e r l e i s t e t n ä m l i c h die w a s s e r v e r s p r ü h e n d e H a n d d e n D i e n s t des Ruders. S o w o h l e i n e B e s t ä t i g u n g u n s e r e r F a r b e n l e h r e wie e i n e E r k l ä r u n g d e r a n d e r e n F a r b e n , die d a s P h ä n o m e n n o c h z e i g t , w i r d sich a u s folgendem ergeben. 2» M a n m u ß z u n ä c h s t , w i e b e r e i t s g e s a g t , als G r u n d e r k e n n t n i s s e f e s t 10 h a l t e n , a) d a ß H e l l i m D u n k l e n , o d e r h i n t e r d e m D u n k l e n , R o t h e r v o r r u f t , b) d a ß u n s e r S e h e n m a t t e r u n d k r a f t l o s e r w i r d , w e n n es sich in die F e r n e e r s t r e c k e n m u ß , c) d a ß S c h w a r z g e w i s s e r m a ß e n eine N e g a t i o n i s t ; e r g i b t sich d o c h diese F a r b e a u s d e m V e r s a g e n u n s e r e s 3» G e s i c h t s s i n n s : i n w e i t e r E n t f e r n u n g e r s c h e i n t alles d u n k l e r , weil u n s e r 15 S e h e n es n i c h t e r r e i c h t . D i e s m u ß e i g e n t l i c h i m H i n b l i c k a u f die F u n k t i o n e n des W a h r n e h m u n g s v e r m ö g e n s b e t r a c h t e t w e r d e n ; o b i g e G r u n d sätze gehören nämlich zur Theorie jenes Vermögens. Hier wollen wir n u r d a s N o t w e n d i g s t e b e s p r e c h e n . J e d e n f a l l s l i e g t h i e r d e r G r u n d , 3s w a r u m e n t f e r n t e O b j e k t e dunkler u n d kleiner aussehen u n d glatte 20 K o n t u r e n z e i g e n (wie es a u c h b e i B i l d e r n i n e i n e m Spiegel d e r F a l l ist) u n d w a r u m W o l k e n , i m W a s s e r g e s p i e g e l t , u n s d u n k l e r v o r k o m m e n , als w e n n m a n sie s e l b e r a n s i e h t . H i e r w i r d es b e s o n d e r s

Kapitel 4

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deutlich: der Blick, der sie trifft, wird durch die Brechung geschwächt. E s kommt nicht darauf an, ob das Objekt sich ändert (durch Fortrücken ins Weite) oder unser Sehen (durch die genannte Schwächung); beidemal ist das Ergebnis das gleiche. Ferner darf man auch folgendes s nicht übersehen: blickt man auf eine Wolke in Sonnennähe, so wird 25 an ihr keine Färbung sichtbar, nur helles Weiß; jedoch die gleiche Wolke, im Wasser gespiegelt, irisiert etwas. Offenbar läßt also unser Sehen, durch die Reflexion geschwächt, wie es das Schwarze scheinbar schwärzer macht, auch das Weiße weniger weiß erscheinen, nähert 30 10 es der Farbe Schwarz. Wenn das Sehen ziemlich stark ist, so wandelt sich die Farbe (der Spiegelung) in Rot, ein schwächeres Augenlicht ruft eine Änderung in Grün, ein ganz schwaches in Violett hervor. Eine weitere Farbabtönung erscheint nicht, vielmehr ist es auch hier, wie sonst zumeist: mit der Dreizahl vollendet sich die Reihe. Weitere 35 15 Ubergänge entziehen sich der Wahrnehmung. Darum hat auch der | 375 a Regenbogen drei Farben, und zwar, bei doppeltem Auftreten, jeder, jedoch in umgekehrter Anordnung. Der erste (innere) Regenbogen hat außen das rote Band, denn vom größten Band aus — das ist das äußere — trifft das Sehen die Sonne besonders kräftig. Beim folgenden und beim 20 dritten B a n d verhält es sich entsprechend. Treffen also unsere Sätze aur Farbenlehre zu, so ergibt sich mit Notwendigkeit, daß der Regen- 5 bogen drei Farben hat, und zwar nur diese drei. Daß man noch den Eindruck der orangegelben Farbe hat, kommt von deren Zwischenstellung. Denn Rot erscheint neben Grün als hell. Ein Beweis für diese 25 Kontrastwirkung: je schwärzer die Wolke, desto reiner die Regenbogenfarben, und eben dann erscheint Rot eher als Orängegelb. (Im 10 Regenbogen steht Orangegelb zwischen Rot und Grün.) Die Schwärze der rings umgebenden Wolke läßt das Rot hell erscheinen (verglichen mit der Wolke wirkt es j a hell). Und ebenso, wenn der Regenbogen 30 verblaßt und das Rot sich auflöst — dann tritt das Weiß der Wolke 15 neben das Grün und wandelt sich zu Orangegelb. Am klarsten veranschaulicht dies der Mondregenbogen: er erscheint als völlig weiß. Das kommt daher, daß er auf einer dunklen Wolke und zur Nachtzeit erscheint. Wie nun Feuer das Feuer steigert, so läßt Dunkel neben 20 35 Dunklem eine matthelle Farbe (wie es die Farbe Rot ist) als helles Weiß erscheinen. Die gleiche Farbwirkung ergibt sich auch bei bunten Stoffen; man kann es j a gar nicht ausdrücken, wie sehr der Farbeindruck in Geweben und Stickereien j e nach der Zusammenstellung 25 differiert, z. B . wirkt Purpurrot ganz verschieden auf weißem oder

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Buch III

schwarzem Wollstoff, bei dieser oder jener Beleuchtung. Darum versichern auch die Buntweber, daß sie, wenn sie bei Lampenlicht arbeiten, sich öfter in den Farben irren und die falschen nehmen. Dies also die Begründung dafür, daß der Regenbogen dreifarbig ist und ausschließlich diese Farben hat. Der gleiche Grund gilt für die s Verdoppelung des Regenbogens und für den Umstand, daß der äußere farbenschwächer ist und die Farben in umgekehrter Anordnung enthält. Es geht hier ebenso zu wie in dem Fall, daß ein Objekt weiter weg rückt und unser Sehen sich in die Ferne strecken muß. Vom äußeren Band aus ist die | Brechung schwächer, weil sie in eine weitere 10 Entfernung führt; infolgedessen wirkt sie schwächer und läßt die Farben blasser erscheinen. Was die Umkehr der Abfolge betrifft, so wird sie dadurch erklärt, daß vom kleineren, inneren Band aus sich die Brechung kräftiger zur Sonne wendet; denn die Brechung, die unserem Auge näher ist, geschieht von dem Band aus, das dem ersten is Regenbogen am nächsten ist. Dies aber ist das kleinste Band im äußeren Bogen, das folglich rot ist. Entsprechend steht es dann mit dem anschließenden und dem dritten Band. B sei der äußere, A der innere (erste) Regenbogen ; die Farben seien wie folgt bezeichnet : r Rot, A Grün, E Violett ; Orangegelb erscheint unterà. 20 Zu drei Regenbogen kommt es nicht, auch nicht zu mehr; es ist j a auch schon der zweite schwächer. Infolgedessen ist die dritte Reflexion gänzlich schwach und vermag nicht bis zur Sonne zu gelangen. 5. Die Tatsache, daß ein Regenbogen weder einen Vollkreis bilden kann noch ein Segment, das größer ist als ein Halbkreis, sowie die 25 anderen Eigenheiten des Phänomens lassen sich aus der gezeichneten Figur ersehen. A sei eine Halbkugel über dem Horizontkreis, dessen Mittelpunkt sei K, H ein über dem Horizont aufsteigender Punkt ( = Sonne). Wenn nun von K Geraden so gezogen werden, daß sie gewissermaßen 30 einen Kegelmantel, mit HK als Achse, bilden, und wenn dann die Verbindungslinien KM dort von der Halbkugel zu H abgewinkelt werden (mit HKM als stumpfem Winkel), werden die so gezogenen Geraden auf eine Kreisperipherie fallen. Geschieht diese Abwinkelung dann, wenn das Gestirn gerade auf- oder untergeht, dann ist der Teil 35 des Kreises oberhalb der Erde ( = des Regenbogens), der vom Horizont abgeschnitten wird, ein Halbkreis. Erhebt sich das Gestirn über den Horizont, so wird das Kreissegment immer kleiner, und am kleinsten, wenn das Gestirn seine Mittagshöhe erreicht hat.

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Kapitel 4 - 5

Zunächst sei die Position des Aufgangs, im Punkt H, gegeben, und 30 KM werde zu H abgewinkelt; es sei die Ebene A angelegt, so wie sie durch das Dreieck HKM bestimmt ist. Ihre Schnittebene mit der Halbkugel wird ein großer Kreis sein, A — dabei kommt es nicht s darauf an, welche durch das Dreieck | KMH angelegte Ebene es ist 376« von den verschiedenen, die durch HK gehen. F ü r alle Geraden nun, die von den Punkten H und K gezogen werden und die zueinander in einem bestimmten (gegebenen) Verhältnis stehen, gilt, daß sie nur zu e i n e m Punkt des Halbkreises A konstruiert werden können. Denn 10 da die Punkte K und H und die Gerade HK gegeben sind, muß auch MH gegeben sein, also auch das Verhältnis MH zu MK. Dann wird s M auf einer gegebenen Kreisperipherie liegen, die durch NM bezeichnet sei. Damit ist der Schnittpunkt der beiden Kreise gegeben. Keine zwei Geraden lassen sich, mit demselben Verhältnis zueinander 15 und in derselben Fläche, zu einem anderen Punkt konstruieren als zu einem, der auf der Peripherie NM liegt. Nun zeichne man eine Strecke AB und lasse sie so geteilt sein, daß

20

(außerhalb der obigen Figur) io

A . B = MH : MK.

MH ist größer als KM, weil die abgewinkelte Linie, die den Kegelmantel (mit)bildet, den stumpfen Winkel des Dreiecks KMH überspannt. [Also ist A größer als B.] Nun werde B um die Strecke Z so verlängert, daß

B -j- Z: A — A : B.

25

30

15

Weiter lasse man die Strecke B zu einer anderen, KIT, sich verhalten wie Z zu KH, und zwischen 77 und M ziehe man die Linie M / 7 . Dann wird 77 der Pol ( = Mittelpunkt) des Kreises sein, auf dessen Peripherie die von K gezogenen Geraden fallen; denn wie Z : KH, so B : KIT, und so A : IJM.

20

Angenommen, A verhalte sich nicht so zu 77M, sondern stehe in diesem gegebenen Verhältnis zu einer Strecke, die kleiner oder größer ist als 77M (es kommt nicht darauf an, welche) — es sei dies die Strecke TIP. Also müssen HK, Kn, 77 P zueinander in dem Verhältnis stehen, 35 das Z, B, A aufweisen. Nun galten aber für Z, B, A die Proportionen

A: B = (Z+ B):A,

25

folglich auch 7777 [ = ITK + KH] -.IIP

= nP:

TTK.

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Buch III

Z i e h t m a n n u n v o n 77 u n d v o n K die V e r b i n d u n g s l i n i e n z u P, d a n n w e r d e n sie sich z u e i n a n d e r v e r h a l t e n w i e HP: IIP, d e n n die ( S e i t e n 30 der) D r e i e c k e HIIP, KPII ü b e r d e m g l e i c h e n W i n k e l b e i II s i n d p r o portional. Folglich ist

HP:KP

= HII-.IIP.

s

A b e r es s t e h t a u c h MH i n d i e s e m V e r h ä l t n i s z u KM; beide Pro376b p o r t i o n e n s i n d j a i d e n t i s c h m i t | A : B. E s w ü r d e n also v o n d e n P u n k t e n 77, K i m g l e i c h e n V e r h ä l t n i s z u e i n a n d e r G e r a d e n k o n s t r u i e r t w e r d e n n i c h t n u r z u r K r e i s l i n i e MN, s o n d e r n a u c h z u i r g e n d e i n e m a n d e r e n P u n k t (d. h. nicht auf MiV): was unmöglich ist. io N a c h d e m also A i n d e m g e n a n n t e n V e r h ä l t n i s w e d e r z u e i n e r S t r e c k e , die g r ö ß e r , n o c h z u e i n e r , die k l e i n e r ist als MlI, stehen 5 k a n n ( d e r B e w e i s w ä r e i n b e i d e n F ä l l e n d e r gleiche), ist es k l a r , d a ß A in d e m g e n a n n t e n Verhältnis eben zu M / 7 steht. Also gilt

15

MÜ-.IIK

= IIH: M/7

[ u n d s c h l i e ß l i c h a u c h MH: MK]. W i r d d a r u m ein K r e i s m i t II als M i t t e l p u n k t ( ' P o l ' ) u n d M / 7 als R a d i u s b e s c h r i e b e n , so m ü s s e n a u f i h m die S c h e i t e l aller W i n k e l liegen, io die d u r c h die A b w i n k e l u n g d e r L i n i e n v o n H u n d K h e r e n t s t e h e n . 20 S o n s t l i e ß e sich i n d e r s e l b e n W e i s e (wie e b e n ) z e i g e n , d a ß G e r a d e mit einem bestimmten Verhältnis zueinander hin zu verschiedenen P u n k t e n a u f d e m H a l b k r e i s A k o n s t r u i e r t w e r d e n k ö n n e n ; w a s sich als u n m ö g l i c h e r g a b . L ä ß t m a n n u n d e n H a l b k r e i s A u m HKII als A c h s e r o t i e r e n , d a n n 25 15 m ü s s e n die v o n H, K z u M g e b r o c h e n e n G e r a d e n i n s ä m t l i c h e n E b e n e n [, die die r o t i e r e n d e F i g u r n a c h e i n a n d e r e i n n i m m t , ] gleiche P o s i t i o n e n h a b e n u n d [durchweg] d e n gleichen W i n k e l b i l d e n ; u n d der Winkel, d e n HM u n d M / 7 m i t Hü b i l d e n , m u ß sich i m m e r f o r t g l e i c h b l e i b e n . So e n t s t e h t ü b e r 7777 u n d KII e i n e R e i h e v o n D r e i e c k e n , die s ä m t l i c h 30 d e n D r e i e c k e n J 7 M / 7 u n d KMII gleich s i n d . I h r e H ö h e n m ü s s e n a u f 20 d e n s e l b e n P u n k t d e r S t r e c k e 7777 f a l l e n u n d gleich sein. D i e s e r F u ß p u n k t sei 0 . 0 ist d e r M i t t e l p u n k t des K r e i s e s , v o n d e m ein H a l b k r e i s ( = als R e g e n b o g e n ) v o m H o r i z o n t a b g e s c h n i t t e n w i r d . [ d e n n d e n o b e r e n R a u m v e r m a g die S o n n e n s t r a h l u n g n i c h t z u 35 b e m e i s t e r n , w o h l a b e r . . ( d a s e r d n a h e G e b i e t ? ) . . u n d sie b r i n g t die L u f t ins S t r ö m e n . D e s w e g e n b i l d e t a u c h d e r R e g e n b o g e n k e i n e n v o l l e n 25 K r e i s . E i n M o n d r e g e n b o g e n , z u r N a c h t z e i t , k o m m t s e l t e n v o r . E s ist

Kapitel 5—6

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j a nicht immer Vollmond, und dann ist der Mond überhaupt von Natur zu schwach, um kräftig auf die Luft zu wirken. Der Regenbogen steht dann besonders fest, wenn die Sonnenwirkung besonders behindert ist; dann nämlich bleibt am meisten Feuchtigkeit in ihm . . . . ] s Weiter sei A K r der Horizont, über den sich die Sonne (H) erhoben hat; die Achse (der rotierenden Figur) sei jetzt 7777. Dann wiederholen sich alle früheren Beweise, jedoch wird der Pol des Kreises (77) unter dem Horizont AT liegen, weil | H sich über ihn erhoben hat. E s liegen 377« dann auf derselben Geraden die Kreismittelpunkte 77 und 0 sowie der 10 Mittelpunkt (K) des Kreises, der jetzt die Höhe des aufgestiegenen Himmelskörpers bestimmen läßt; es ist dies der Kreis (mit dem Durchmesser) 7777. Nachdem aber KH sich oberhalb des Durchmessers AT befindet, muß der Mittelpunkt — nämlich 0 (des Regenbogenkreises) — s unterhalb des früheren Horizonts Ar liegen, auf der Strecke KI7. 15 Folglich muß das Kreissegment WY, oberhalb des Horizonts, kleiner sein ala ein Halbkreis; denn das Segment WYZ war (im vorigen Fall) ein Halbkreis, der aber jetzt (teilweise) vom Horizont A r abgeschnitten ist. Das andere Segment Q (des Regenbogenkreises) muß dann un- 10 sichtbar sein, da die Sonne über dem Horizont steht. Der sichtbare 20 Teil wird mittags am kleinsten sein; denn je höher H steht, desto tiefer stehen die Kreismittelpunkte 77 und 0 ( = Regenbogenkreis). An den kürzeren Tagen nach der herbstlichen Tagundnachtgleiche kann es jederzeit zu einem Regenbogen kommen, aber an den längeren zwischen der Tagundnachtgleiche im Frühling und Herbst kommt am 25 Mittag ein solcher nicht vor. Der Grund ist folgender: wenn die Sonne 15 nördlich vom Äquator steht, ist ihr Tagesbogen stets größer als ein Halbkreis und wird fortwährend größer, während der unsichtbare Teil der Sonnenbahn klein ist; steht sie südlich vom Äquator, so ist der sichtbare Bogen klein, der unsichtbare groß, und zwar desto größer, 30 je ferner die Sonne rückt. Infolgedessen ist an den Tagen um die 20 Sommersonnenwende der sichtbare Bogen so groß, daß, bevor der Punkt H die Mitte (dieses Bogens), also den Meridian, erreicht, der Punkt 77 sich schon weit unterhalb (des Horizonts) befindet, weil wegen der Größe des Bogens der Meridian weit von der Erde entfernt ist. 35 In den Tagen um die Wintersonnenwende muß das Gegenteil der Fall 25 sein, denn der Tagesbogen ist klein; die Sonne steht j a dann, wenn der Punkt H erst eine geringe Höhe erreicht hat, bereits im Meridian. 6. Die dargelegten Ursachen muß man auch für Nebensonnen und 'Stäbe' als gültig erachten. 30

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Buch III

Eine Nebensonne entsteht, wenn unser Sehen zur Sonne hin reflektiert wird, dagegen erscheinen 'Stäbe' jedesmal, wenn der Blick unter den früher dargelegten Umständen die Sonne trifft: nämlich wenn Gewölk in der Nähe der Sonne steht und zu ihm hin von einer Wasserfläche eine Reflexion stattfindet. Dann zeigen nämlich die s 377 b Wolken selbst, | wenn man sie direkt betrachtet, keine Färbung, aber ihr Spiegelbild im Wasser hat lauter farbige Streifen. Nur hat man in letzterem Fall den Eindruck, daß die Färbung der Wolke am Wasser liegt, bei den 'Stäben' (am Himmel) aber auf der Wolke selbst vorhanden ist. Zu diesem (Farbeindruck) kommt es bei einer Wolke 10 5 von ungleichmäßiger Beschaffenheit, die hier dicht, dort locker, hier mehr, dort weniger wässerig ist. Wird (in diesem Fall) unser Sehen zur Sonne hin gebrochen, so wird von dieser, wegen der Kleinheit der spiegelnden Teilchen, nicht die Form, sondern nur die Farbe sichtbar; diese aber, das strahlende Weiß der Sonne — zu der die Sehlinie is io reflektiert ist —, erscheint auf einem unebenen Spiegel und ruft den Eindruck teils von Rot, teils von Grün oder Gelb hervor. E s macht keinen Unterschied, ob das Sehen durch ein Medium von solcher Beschaffenheit hindurchgeht oder von einem solchen Spiegel zurückgeworfen wird; die Farbe ist beidemal die gleiche: ist es Rot im ersten 20 Fall, dann auch im zweiten. 'Stäbe' also haben, was ihre Farbe (nicht ihre Form) betrifft, ihren 15 Ursprung in der Unebenheit des Spiegels. Eine Nebensonne dagegen entsteht, wenn die Luft besonders einheitlich und durchweg von gleicher Dichtigkeit ist. Daher kommt die weiße Farbe des Phäno- 25 mens: einerseits ruft die Ebenmäßigkeit des Spiegels ein einfarbiges Bild hervor, andrerseits, weil unser Sehen als Ganzes reflektiert wird, als Ganzes die Sonne trifft, und zwar von einer konzentrierten Dunst20 masse aus, die fast schon Wasser ist, erscheint die der Sonne eigene Farbe, wie bei der Brechung durch eine dichte, glatte Metallfläche. 3» Da nun die Farbe der Sonne weiß ist, erscheint auch die Nebensonne weiß. Aus dem gleichen Grund ist auch die Nebensonne eher ein 25 Regenzeichen als das Phänomen der 'Stäbe'; die Luft ist dann eher zur Entstehung von Regen geeignet. Dazu zeigt eine Nebensonne im Süden eher Regen an als eine im Norden, weil die Luft im Süden sich 35 leichter als die im Norden in Wasser wandelt. Sie kommen, wie dargelegt, um Sonnenuntergang und -aufgang vor, nicht über noch unter der Sonne, sondern neben ihr; das gilt für 30 'Stäbe' wie für Nebensonnen. Und zwar sieht man sie weder allzu nahe

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der Sonne noch in weiter E n t f e r n u n g ; ein allzu nahes Luftgebilde •wird nämlich von der Sonne aufgelöst, ist es aber sehr e n t f e r n t , so findet keine Brechung des Sehens s t a t t : von einer kleinen Spiegelfläche reflektiert, wird es bei großer E n t f e r n u n g des Objekts zu schwach; 5 weswegen j a auch kein Hof der Sonne gegenüber v o r k o m m t . Oberhalb| der Sonne und in ihrer Nähe wird das Luftgebilde aufgelöst; ist es 378 a zu weit von ihr entfernt, so k o m m t es zu keiner Reflexion; das Sehen ist zu schwach, es erreicht die Sonne nicht. Aber neben ihr k a n n die spiegelnde Fläche gerade den Abstand haben, d a ß einerseits die Sonne io nicht auflösend wirkt, andrerseits das Sehen in voller Stärke sein 5 Ziel erreicht, weil es in E r d n ä h e bleibt u n d sich nicht im Grenzenlosen verliert. U n t e r h a l b der Sonne aber k o m m t Reflexion nicht vor, weil in der Nachbarschaft der E r d e das spiegelnde Luftgebilde von der Sonne zerstreut werden würde, entsteht es aber oben im Zenit, so verliert 15 sich das Sehen im R ä u m e . I n Zenitstellung gibt es das P h ä n o m e n auch nicht neben der Sonne, denn dann bleibt die Sehlinie nicht in E r d n ä h e , io so d a ß sie die spiegelnde Fläche bereits geschwächt erreicht, reflektiert aber erst recht kraftlos wird. D a m i t sind die Wirkungen der Ausdünstung im R a u m über der 20 Erdoberfläche so ziemlich erfaßt. J e t z t ist noch darzulegen, was sie 15 in der E r d e selbst, in den unterirdischen R ä u m e n eingeschlossen, hervorbringt. Auf die Wirkungen der irdischen A u s d ü n s t u n g gehen nämlich zwei verschiedene Arten von Stoffen zurück, da sie selber zweifach ist, wie 25 j a auch in der Atmosphäre. Wir unterscheiden eine wasserdampfartige und eine rauchartige Ausscheidung; dementsprechend gibt es zwei Arten von Stoßen in der Erde, Mineralien u n d Metalle. Die trockene 20 A n a t h y m i a s e ist es, die durch ihre Hitze die Mineralien schafft, die verschiedenen Arten unschmelzbarer Steine, sowie Schwefelarsen, 30 Ocker, Mennig, Schwefel und die sonstigen derartigen Substanzen. Die meisten Mineralien sind teils gefärbter Staub, teils, wie z. B. Zin- 25 nober, aus solchem Stoff bestehender Stein. Von der wasserdampfartigen Ausscheidung kommen alle Metalle her, also Stoffe, die m a n gießen oder h ä m m e r n k a n n , wie Eisen, Gold, K u p f e r . Sie alle verur35 sacht die wasserdampfartige Ausscheidung, die in der E r d e eingeschlossen ist, vor allem im Gestein, wo dessen Trockenheit sie zu- 30 s a m m e n p r e ß t u n d verfestigt, so wie sich bei T a u oder Rauhreif die Ausscheidung konzentriert; n u r daß hier die Metalle entstehen, bevor eine solche Konzentration vollzogen ist. So sind sie in gewissem Sinn

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Buch III

Wasser, anders b e t r a c h t e t , sind sie es n i c h t : ihr Stoff h a t t e die Möglichkeit, zu W a s s e r z u werden, besitzt sie aber nicht mehr. A u c h sind 378 b die Metalle nicht, wie die S ä f t e verschiedenen G e s c h m a c k s , das E r g e b nis einer bereits vollzogenen irgendwie q u a l i t a t i v b e s t i m m t e n U m w a n d l u n g in Wasser, dies t r i f f t f ü r das W e r d e n v o n K u p f e r oder Gold s nicht zu. Vielmehr ist es die Verfestigung der A n a t h y m i a s e v o r ihrem Ü b e r g a n g in Wasser, w a s j e d e n dieser Stoffe v e r u r s a c h t . Dies ist auch der Grund, w a r u m a u f sie alle F e u e r w i r k t u n d w a r u m sie E r d e enthalten — sie enthalten nämlich w a r m t r o c k e n e A n a t h y m i a s e . Gold m a c h t eine A u s n a h m e : es wird v o m F e u e r nicht affiziert. 10 s

Allgemein ist damit über all diese Stoffe g e h a n d e l t ; die weitere Prüf u n g soll erfolgen, indem wir ihre A r t e n einzeln v o r n e h m e n .

BUCH IV

1. Es wurden f ü r die Elemente vier verursachende Qualitäten s t a t u - 378 >>i® iert, deren Z u s a m m e n o r d n u n g zu Paaren eine Vierzahl von Elementen ergibt; zwei Qualitäten sind aktiv, W a r m u n d K a l t , zwei passiv, Trocken u n d F e u c h t . Dessen k a n n m a n sich auf dem Wege der metho5 dischen E r f a h r u n g versichern: überall sind es offensichtlich W ä r m e u n d is Kälte, die die F o r m der Dinge bestimmen, sie zusammenwachsen u n d sich wandeln lassen, u n d zwar sowohl gleichartige wie ungleichartige Körper, indem sie sie feucht und trocken, h a r t u n d weich machen. Dagegen sind es Trocken u n d Feucht, die eine B e s t i m m u n g ihrer l« F o r m erfahren und die anderen genannten Wirkungen erleiden, sowohl einzeln f ü r sich wie in der Verbindung miteinander in einem Körper. 20 Ferner ergibt sich das Gleiche auf Grund der theoretischen Überlegungen, mit denen wir das Wesen jener E l e m e n t a r q u a l i t ä t e n b e s t i m m e n ; wir bezeichnen j a W a r m u n d Kalt als aktiv (Konzentrieren ist etwas 15 Aktives), F e u c h t u n d Trocken als passiv (denn was leicht bzw. schwer formbar ist, heißt in Beziehung auf eine b e s t i m m t e Passivität seiner Wesensart so). Es ist somit deutlich, d a ß das eine P a a r aktiv, das 25 andere passiv ist. Nach diesen Feststellungen sind die Tätigkeiten zu erfassen, die die 20 aktiven Qualitäten ausüben, u n d ebenso die F o r m e n der passiven. Zunächst n u n gilt allgemein: das Werden im absoluten Sinn u n d die natürliche (chemische) Veränderung sind das W e r k dieser (aktiven) Qualitäten, wie auf der Gegenseite das natürliche Vergehen. Diese 30 Wirkungen finden in den Pflanzen und Lebewesen sowie in ihren 25 Teilen s t a t t ; das natürliche Werden im absoluten Sinn ist nichts anderes als eine Veränderung, die die genannten Qualitäten in der jedem N a t u r d i n g zugrundeliegenden Materie (d. s. die genannten passiven Qualitäten) bewerkstelligen, u n d zwar d a n n , wenn sie zu dieser Materie in einem b e s t i m m t e n richtigen Verhältnis stehen. | 379, 30 W a r m u n d K a l t werden p r o d u k t i v , indem sie sich in der Materie durchsetzen; gelingt dies nicht, u n d das Versagen betrifft n u r einen Teil, so ergibt sich unvollkommen Gestaltetes, Halbgares. Der allge-

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meinste Gegensatz zum Werden (im absoluten Sinn) ist F ä u l n i s ; alles natürliche Vergehen ist nämlich eine E n t w i c k l u n g dazu, wie Altern s u n d Welken. Verwesung ist das E n d e all dieser Dinge (Organismen), es sei denn, 'daß es von äußerer Gewalt herbeigeführt wird. Man k a n n j a Fleisch, Knochen usw. — alles, was sonst natürlicherweise d u r c h Zerfallen vergeht — verbrennen. D r u m sind alle faulenden K ö r p e r erst feucht, d a n n schließlich t r o c k e n ; k r a f t dieser Qualitäten sind sie 10 j a e n t s t a n d e n : das Trockene erhielt seine F o r m durch das F e u c h t e , ein Vorgang, den die aktiven Qualitäten bewirken. Vergehen t r i t t d a n n ein, wenn das der F o r m b e s t i m m u n g Unterworfene Ubergewicht b e k o m m t über das Formende, u n d zwar mit Hilfe der Umgebung. Indessen spricht m a n von Fäulnis (Verfall) im engeren Sinne, wenn ein organischer Körper Stück f ü r Stück vergeht, sobald er sich vom Lebenszusammenhang gelöst h a t . D a r u m zerfällt 15 j a auch alles andere bis auf das F e u e r ; denn auch E r d e u n d Wasser u n d L u f t zerfallen; denn all dieses ist j a im Verhältnis zum Feuer (nur) Stoff. Fäulnis aber ist das Vergehen der dem F e u c h t e n eigenen W ä r m e durch eine (ihm) f r e m d e W ä r m e von außen, das heißt die W ä r m e der Umgebung. Da (der betreffende Körper) dies infolge Mangels an W ä r m e erleidet, jedes Ding aber, soweit es dieser ermangelt, kalt ist, 20 so d ü r f t e n also beide zusammen die Ursache sein und Fäulnis also eine gemeinsame W i r k u n g der körpereigenen Kälte u n d der f r e m d e n (körperumgebenden) W ä r m e . D a r u m werden auch alle Körper beim Verfaulen trockener, u n d schließlich zu E r d e u n d Mist; denn verläßt sie die innewohnende W ä r m e , so dünstet zugleich die natürliche 25 Feuchtigkeit aus, ein Einsaugen des F e u c h t e n findet nicht mehr s t a t t (dies leistet j a eben die innewohnende Wärme). Bei K ä l t e t r i t t Fäulnis weniger leicht ein als in der Sonnenhitze; denn winters ist so wenig W ä r m e in der umgebenden L u f t u n d Feuchtigkeit, d a ß sie u n w i r k s a m bleibt, sommers aber ist es mehr. Ferner fault nicht, was gefroren ist, da seine K ä l t e größer ist als die W ä r m e der L u f t , es also nicht über30 wältigt wird (und qualitatives Verändern eines Dings k o m m t seinem Überwältigen gleich); ebenso wenig f a u l t , was kocht oder heiß ist, da die W ä r m e in der L u f t geringer ist als die im Gegenstand u n d somit keine übermächtige Wirkung, ü b e r h a u p t keine Veränderung hervorzurufen vermag. Ebenso fault auch Bewegtes, Strömendes weniger als 35 Bewegungsloses. Die Bewegung nämlich, die von der W ä r m e in der 379 b L u f t s t a m m t , steht dabei an K r a f t der von vornherein | im Objekt vorhandenen nach u n d k a n n somit keine Veränderung bewirken. Den

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gleichen Grund hat es, wenn große Massen weniger faulen als geringe Quanten; denn jene enthalten zuviel wesenseigene Hitze und Kälte, als daß die Qualitäten der umgebenden Atmosphäre sie überwältigen könnten. Darum geht Meerwasser, als kleines Quantum abgesondert, 5 rasch in Fäulnis über, beim Meer als Ganzem ist dies nicht der Fall, und bei sonstigen Gewässern steht es genau so. — E s entstehen auch Lebewesen aus faulenden Körpern, weil die aus letzteren ausgeschiedene Lebenswärme sie aus den Fäulnisprodukten aufbaut. Soviel über das Wesen von Werden und Vergehen. 2. Nun sind als Nächstes die Arten der Wirkungen zu besprechen, 10 die die genannten (aktiven) Qualitäten auf bereits konstituierte organische Körper ausüben. Die (Wirkung) der Hitze ist das Garmachen (Verdauen), von dem es drei Arten gibt, Reifmachen, Sieden, Rösten; die (Wirkung) der K ä l t e aber ist das Unverdautsein, also der Zustand des Rohen, Halbgaren, Angesengten. — Man darf diese Namen nicht als eigentlich bezeichnend 15 für die Vorgänge nehmen, aber es gibt eben keine allgemein anerkannten, die für die so oder ähnlich beschaffenen Phänomene zu verwenden wären; folglich muß man bei diesen Bezeichnungen nicht genau an diese, sondern an derartige Prozesse denken. Wir wollen ihre Eigenart im einzelnen besprechen. Als Garmachen soll gelten die völlige Uberführung einer Substanz vermittelst der ihr innewohnenden natürlichen Wärme aus einem durch die entgegengesetzten Qualitäten charakterisierten Zustand in den des Fertigseins; die genannten Qualitäten stellen die einer jeden 20 Substanz wesenseigene Materie dar. Wenn sie nämlich gargeworden ist, ist sie fertiggeworden und hat ihr Werden abgeschlossen. Den Anstoß zu diesem Fertigwerden bewirkt die innewohnende Wärme, wenn auch eine Hilfe von außen mitwirken m a g ; so helfen zum Verdauen von Speisen auch Bäder oder ähnliche Maßnahmen mit. Den Anstoß zu Beginn stellt jedenfalls die im Organismus vorhandene Wärme dar. Das Ziel dieses Garwerdens ist a) das Erreichen seiner 25 (chemischen) Natur, d. h., in unserem Sinn, seiner Gestalt und seines Wesens, b) die Verwirklichung einer zugrundeliegenden ('physikalischen') Form, mit bestimmten Qualitäten, mit einer bestimmten Größe, wennz. B . die Feuchtigkeit des Körpers die Einwirkung des Garmachens, Siedens, Reifens erfährt, oder von welcher Art sonst die Erwärmung sein mag. Dann ist das Feuchte brauchbar, ausgegoren, 30 wie wir es vom jungen Wein sagen, vom Eiter, der sich in Abszessen

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sammelt, von. Tränen, wenn sie in Schleim übergehen, und in ähnlichen Fällen. Solches Garwerden tritt immer ein, wenn d a s feuchte S u b s t r a t in einem Körper überwältigt w i r d ; denn dies S u b s t r a t ist es, was seine Formbestimmung von der in der S u b s t a n z vorhandenen Wärme 5 35 empfängt. Solange nämlich das richtige Verhältnis (der Elementarqualitäten) vorhanden ist, bleibt der Körper im Besitz seiner N a t u r . | 380 a D a r u m sind Urinieren und Stuhlgang ein Zeichen der Gesundheit, überh a u p t alle Ausscheidungen des K ö r p e r s ; wir sprechen dann von guter Verdauung, weil sich zeigt, daß die innewohnende Wärme der unge- 10 stalteten Materie überlegen ist. — Was gar wird, erfährt mit Notwendigkeit Verdichtung und E r w ä r m u n g ; so wirkt j a die W ä r m e : sie schafft 5 das richtige Volumen, dazu Dichtigkeit und Trockenheit. D a s also ist Garmachen (Verdauen); halbgarer Zustand ist ein unvollkommener infolge des Mangels an innewohnender Wärme (und Mangel is an Wärme ist Kälte). E s ist dies eine Unvollkommenheit (im Verhältnis) der passiven Qualitäten, die für jeden Körper die Materie darstellen. 10 Soweit unsere Feststellungen zum vollständigen bzw. unvollständigen Garwerden. 3. Reifen ist eine Art des Garwerdens; denn das Garwerden des 20 Nährstoffs in der Fruchthülle nennt man so. D a das Garwerden einen Zustand des Fertig- und Vollkommenseins ergibt, ist die Reife dann vollkommen, wenn die Samen in der Frucht eine andere von gleicher 15 Art hervorzubringen vermögen (in diesem Sinn verwenden wir das Wort 'vollkommen fertig' j a auch sonst). Neben der Anwendung auf 25 eine Frucht braucht man noch in vielen anderen Fällen, wo etwas 'fertiggekocht' ist, das Wort Reife, im Hinblick auf einen gleichartigen Vorgang, jedoch in einem übertragenen Sinn; es liegen j a , wie bereits früher bemerkt, keine Bezeichnungen vor für jede einzelne Art des 20 Fertigwerdens, dort wo Materie durch natürliche Wärme und K ä l t e 30 eine Formung erfährt. Bei Abszessen, Entzündungen und dergleichen ist 'Reifen' das Garwerden der innewohnenden Feuchtigkeit infolge der natürlichen Wärme im K ö r p e r ; denn nur was die Materie überwältigt, kann ihr F o r m geben. So wird beim Reifen von etwas aus L u f t i g e m Wässeriges, und aus diesem Zustand wird es dann in den 35 erdigen ü b e r f ü h r t ; überhaupt wird dabei jedesmal alles, was locker 25 war, fest und dicht. Bei diesem Prozeß eignet sich die N a t u r von dem Material das eine an, das andere scheidet sie aus. — Soviel über das Wesen des Reifens.

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Rohzustand ist das Gegenteil davon: der Reife ist entgegengesetzt der unvollkommen gare Zustand des in der Fruchthülle enthaltenen Nährstoffes (d. i. der Feuchtigkeit, die noch keine bestimmte Form erhalten hat). E r ist, in solchem Zustand, entweder von luftiger oder von 5 wässeriger Art, oder aus beidem gemischt. Ist also'Reife' ein Zustand 30 der Vollkommenheit, so ist mit 'roh' ein unvollkommener gemeint. Letzterer ergibt sich aus einem Mangel an natürlicher Wärme und deren Mißverhältnis zu der innewohnenden Feuchtigkeit, die 'reifen' (Form erhalten) soll. [Es 'reift' aber nichts Flüssiges — im eigentlichen 10 Sinn —, ohne daß Trockenes dabei ist; denn Wasser läßt sich als einzige feuchte Substanz nicht verdicken.] Zu | dem genannten Mißverhältnis 380 b kommt es bei (zu) wenig Wärme oder (zu) viel formbarer Materie. Deshalb ist auch der Saft unreifer Früchte dünn, eher kalt als warm, und ungenießbar für Speise und Trank. Von 'rohem' Zustand spricht 15 man, wie vom 'reifen', ebenfalls in verschiedenem Sinn. So heißen Urin, Exkremente, Schleimabsonderungen 'roh', alle aus dem gleichen 5 Grund: man bezeichnet sie als 'roh', weil in ihnen die Wärme nicht die Oberhand gewonnen hat, weil sie nicht zu kompakter Form gelangt sind. Weiterhin heißen Töpferton, Milch und viele andere Substanzen 20 'roh', wenn sie keine Einwirkung von Hitze erfahren, obwohl sie, dieser Wirkung ausgesetzt, sich zur Kompaktheit zu wandeln vermögen. 10 Deshalb sprechen wir nie von 'rohem' Wasser, nur von gekochtem, weil es nicht dicht und fest wird. Was Reifen und Rohzustand, und welches die Ursache von beiden ist, darüber ist nun gehandelt worden. 25 Sieden ist, allgemein ausgedrückt, ein Garmachen mit Wasser und Hitze, welches die unbestimmte, in der Feuchtigkeit eines Körpers repräsentierte Materie erfährt; in eigentlichem Sinn aber braucht man das Wort bloß von Dingen, die durch Sieden gekocht werden. 15 Das ergibt, wie gesagt, eine Bildung von Gasen oder von Flüssigkeiten. 30 Das Garwerden wird durch die Hitze des siedenden Wassers bewirkt. Denn das, was man in einer Pfanne garmacht, wird geröstet (dies kommt von der äußeren Hitze her; was die umgebende Flüssigkeit betrifft, so wird sie von dem gerösteten Stück aufgezehrt und absorbiert); dagegen verhält sich Siedendes ganz anders: in ihm wird 35 die innewohnende Feuchtigkeit infolge der Hitze der umgebenden 20 Flüssigkeit ausgeschieden. Darum ist Gesottenes trockener als Geröstetes, weil es während des Siedens keine Flüssigkeit in sich zieht; die Wärme von außen siegt über die eigene, innere. Würde letztere die Oberhand gewinnen, so käme es zum Absorbieren der Feuchtigkeit.

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N i c h t j e d e r K ö r p e r l ä ß t sich sieden, weder solche, die gar n i c h t s F e u c h t e s e n t h a l t e n , wie Steine, n o c h solche, in d e n e n es zwar vorh a n d e n ist, sich a b e r wegen der D i c h t e des Stoffes n i c h t b e w ä l t i g e n l ä ß t , wie bei (frischem) Holz. Vielmehr lassen sich n u r solche S u b s t a n zen sieden, deren i n n e w o h n e n d e F e u c h t i g k e i t v o n der H i t z e des u m g e b e n d e n Wassers beeinflußt w e r d e n k a n n . M a n spricht z w a r v o n Sieden a u c h bei Gold, Holz u n d vielen a n d e r e n D i n g e n ; doch liegt 30 hier ein m e t a p h o r i s c h e r S p r a c h g e b r a u c h vor, die A r t des V o r g a n g s ist nicht die gleiche. E s gibt eben keine speziellen N a m e n f ü r die jeweiligen U n t e r s c h i e d e (solcher Prozesse). — Von Sieden sprechen wir a u c h bei Flüssigkeiten, wie Milch u n d j u n g e m Wein, w e n n ihr G e s c h m a c k eine a r t v e r ä n d e r n d e E i n w i r k u n g e r f ä h r t v o n Seiten der ä u ß e r e n u m g e b e n d e n H i t z e ; es vollzieht sich dabei e t w a s Ähnliches wie das 38ia i n R e d e s t e h e n d e ' S i e d e n ' . | Der Zweck ist nicht in allen F ä l l e n der gleiche, weder bei S u b s t a n z e n , die gesotten, n o c h solchen, die gargek o c h t w e r d e n , vielmehr k a n n m a n das eine essen, das a n d e r e t r i n k e n , weiteres dient sonstigen Z w e c k e n ; wir sprechen j a a u c h v o m K o c h e n 5 v o n Arzneien. Alles, w a s sich eindicken l ä ß t , was schwerer w e r d e n , was schwinden k a n n , oder was zu einem Teil diese V e r ä n d e r u n g e n , z u m a n d e r e n die e n t g e g e n g e s e t z t e n zu e r f a h r e n v e r m a g (d. h . die Stoffe scheiden sich, i n d e m der eine Teil dick-, der a n d e r e dünnflüssig wird, wie Milch zu Molke einerseits, zu Q u a r k andrerseits wird) — all dies k a n n gesotten w e r d e n . Olivenöl, f ü r sich g e n o m m e n , l ä ß t sich solchen Prozessen nicht u n t e r w e r f e n u n d d a r u m auch n i c h t sieden. — Dies 10 also ist die als ' S i e d e n ' bezeichnete F o r m des G a r w e r d e n s . Der U n t e r schied, ob es sich in k ü n s t l i c h e n Gefäßen oder in organischen K ö r p e r n vollzieht, spielt keine Rolle; es h a n d e l t sich s t e t s u m dieselbe Ursache. U n v o l l s t ä n d i g e s K o c h e n f ü h r t zu einem h a l b g a r e n , d e m Sieden entgegengesetzten Z u s t a n d ; wobei entgegengesetzt sind a) der zu B e g i n n g e n a n n t e u n g a r e Z u s t a n d (380 a 6), b) derjenige der u n g e f o r m t e n Materie i m K ö r p e r , d e n der Mangel a n Hitze in der u m g e b e n d e n Flüs15 sigkeit verschuldet (Mangel a n W ä r m e geht, wie b e t o n t , einem Vorh a n d e n s e i n v o n K ä l t e parallel, v e r u r s a c h t d u r c h einen a n d e r e n Beweg u n g s a n s t o ß , der die z u m G a r k o c h e n nötige W ä r m e v e r d r ä n g t ) . D e n Mangel a n W ä r m e v e r u r s a c h t zuviel K ä l t e e n t w e d e r in der u m g e b e n d e n Flüssigkeit oder in d e m K ö r p e r , d e n m a n sieden will, selbst. E s k a n n d a n n die W ä r m e der u m g e b e n d e n Flüssigkeit groß genug sein, u m die 20 E r w ä r m u n g in G a n g zu setzen, a b e r sie reicht nicht aus, u m gleich-

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mäßiges Garkochen zu bewirken. Darum sind halbgare Körper härter als gargekochte, und was die Flüssigkeit in ihnen betrifft, so ist in ihr das Klare und das Feste deutlicher geschieden. — So viel über Wesen und Ursachen des Siedens und Garmachens. 5 Rösten ist Garmachen durch trockene Hitze von außen. Auch wenn wir etwas auf dem Wege des Siedens einer Umwandlung unterziehen 25 und garmachen, nicht durch die Hitze des Wassers, sondern des Feuers, so ist es am Ende geröstet, nicht gekocht, und geschieht das im Übermaß, so sprechen wir von 'verbraten'; Ursache ist die trockene Hitze, 10 dann, wenn am Ende der Körper trockener geworden ist. Deshalb ist hier die Außenseite trockener als das Innere, während es bei Gesottenem umgekehrt ist. Die Arbeit mit den Küchengeräten ist beim Rösten 30 schwieriger als beim Sieden; es ist nämlich nicht leicht, das Innere und das Äußere gleichmäßig zu erhitzen. Stets dörrt j a , was dem Feuer 15 näher ist, | schneller, also auch vollständiger. So kann, wenn sich die 38i b Poren außen zusammenziehen, die innewohnende Flüssigkeit nicht ausgeschieden werden, sondern bleibt drinnen gefangen, wenn die Poren sich schließen. — Rösten und Sieden sind zwar künstlich herbeigeführte Prozesse, doch sind auch die entsprechenden natürlichen Vor20 gänge, wie dargelegt, von wesentlich gleicher Art: die Phänomene sind 5 ähnlich, wir haben bloß keine Namen für sie. Denn die Kunst ahmt die Natur nach: E s ist j a im organischen Körper die Verdauung der Nahrung einem Kochen gleich, da sie in einer feuchten und warmen Umgebung und unter dem Einfluß der Körperwärme stattfindet. Manche 25 Verdauungsstörungen ähneln j a auch einem unvollständigen Garwerden. I m Zusammenhang mit der Verdauung entwickelt sich kein Lebewesen 10 (wie manche behaupten), vielmehr nur in dem Exkrement, das im Unterleib einen Fäulnisprozeß erfährt; von dort steigen die Lebewesen nach oben. Denn die Verdauung vollzieht sich im oberen, die Fäulnis so des Exkrements im unteren Teil des Bauches; über die Ursache ist andernorts gehandelt. Halbgarmachen ist also dem Sieden entgegengesetzt; für das als Rösten bezeichnete Garmachen gibt es zwar auch ein Gegenstück, doch 15 findet sich weniger leicht ein Name dafür. Man könnte es so fassen, daß 35 sich dabei ein Versengen, aber kein Rösten vollzieht, und zwar entweder wegen der Geringfügigkeit der von außen wirkenden Hitze oder wegen der Menge der Feuchtigkeit in dem Körper, der geröstet werden soll. Dann ist nämlich die Hitze groß genug, um eine Erwärmung in Gang zu setzen, aber sie reicht nicht aus zum Garmachen. 20 7

Aristoteles, 12

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Dies also ist unsere D a r l e g u n g ü b e r g a r e n u n d u n g a r e n Z u s t a n d , ü b e r R e i f e u n d R o h z u s t a n d , Sieden u n d R ö s t e n , sowie ü b e r die e n t s p r e c h e n d e n e n t g e g e n g e s e t z t e n Prozesse. 4. J e t z t sind die F o r m e n d e r p a s s i v e n Q u a l i t ä t e n , des F e u c h t e n u n d Trockenen, darzulegen. 5 F e u c h t u n d T r o c k e n sind die e l e m e n t a r e n p a s s i v e n F a k t o r e n der 20 n a t ü r l i c h e n K ö r p e r . Diese selbst sind Z u s a m m e n s e t z u n g e n a u s i h n e n ; j e m e h r v o n einer Q u a l i t ä t v o r h a n d e n ist, d e s t o m e h r b e e i n f l u ß t diese die N a t u r des K ö r p e r s ; bei d e m einen h e r r s c h t das T r o c k e n e v o r , bei d e m a n d e r e n d a s F e u c h t e . Diese Q u a l i t ä t e n m ü s s e n d u r c h w e g teils 1» a k t u a l i s i e r t , teils in e n t g e g e n g e s e t z t e r Weise (potenziell) v o r h a n d e n sein; in diesem Sinn s t e h t z. B . der Begriff ' S c h m e l z e n ' d e m Begriff ' s c h m e l z b a r ' g e g e n ü b e r . D a n u n in e i n e m K ö r p e r das F e u c h t e leicht, 30 das T r o c k e n e schwer zu b e s t i m m e n ist, so v e r h a l t e n sie sich z u e i n a n d e r ä h n l i c h wie ein Gericht u n d seine W ü r z e n : das F e u c h t e e r m ö g l i c h t es, is d a ß m a n d e m T r o c k e n e n F o r m u n d B e s t i m m u n g geben k a n n ; sie 382 a dienen e i n a n d e r als V e r b i n d u n g s s t o f f , als L e i m — so sagt | E m p e d o k l e s in seinem N a t u r g e d i c h t : ' W e i z e n m e h l m i t W a s s e r zu L e i m v e r b i n d e n d ' . So ist ein K ö r p e r in seiner b e s t i m m t e n F o r m eine Z u s a m m e n s e t z u n g a u s b e i d e n . — V o n d e n E l e m e n t e n gilt als a u s g e p r ä g t t r o c k e n 20 die E r d e , als a u s g e p r ä g t f e u c h t das W a s s e r . D a r u m e n t h a l t e n in unse5 rer W e l t alle K ö r p e r m i t b e s t i m m t e r F o r m E r d e u n d W a s s e r (das ü b e r wiegende E l e m e n t v e r r ä t sich jeweils in der b e s o n d e r e n A r t des K ö r pers) ; d a r u m gibt es L e b e w e s e n allein auf der E r d e u n d i m W a s s e r — d e n n diese E l e m e n t e stellen d e n G r u n d s t o f f ihrer K ö r p e r d a r —, n i c h t 2s a b e r in L u f t oder F e u e r . V o n d e n E i g e n s c h a f t e n a b e r , die ein b e s t i m m t g e f o r m t e r K ö r p e r a u f w e i s t , m ü s s e n dies die p r i m ä r e n sein, H ä r t e oder 10 W e i c h h e i t ; d e n n ein Gebilde aus F e u c h t u n d T r o c k e n m u ß e n t w e d e r h a r t oder weich sein. H a r t ist, w a s u n t e r D r u c k m i t seiner F l ä c h e n i c h t n a c h i n n e n n a c h g i b t , weich, w a s n a c h g i b t , u n d zwar o h n e auszuwei- 3» chen, (was F l ü s s i g k e i t e n t u n ) , d e n n W a s s e r ist n i c h t w e i c h ; es gibt einem D r u c k n i c h t n a c h i n n e n n a c h , s o n d e r n r e a g i e r t d u r c h P l a t z 15 Wechsel. D i n g e , die sich in a b s o l u t e m Sinn so v e r h a l t e n , sind a b s o l u t h a r t oder w e i c h ; in r e l a t i v e m Sinn sind es die, d e r e n V e r h a l t e n wir in b e z u g auf einen a n d e r e n K ö r p e r b e u r t e i l e n . E i n M e h r oder W e n i g e r 3& (hinsichtlich v o n H a r t u n d Weich) l ä ß t sich n i c h t b e s t i m m e n , w e n n m a n (zwei K ö r p e r ) e i n a n d e r g e g e n ü b e r s t e l l t . D a wir a b e r alles W a h r n e h m b a r e d u r c h W a h r n e h m u n g b e u r t e i l e n , so ist es k l a r , d a ß w i r H a r t u n d W e i c h in a b s o l u t e m Sinn b e s t i m m e n im H i n b l i c k auf u n s e r

Kapitel 3—5

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Gefühl — wir benutzen den Tastsinn als Mittel und nennen daher, was 20 ihn überfordert, hart, was dazu zu schwach ist, weich. 5. Ein Körper, der durch eine ihm eigene Form bestimmt ist, muß hart oder weich sein, — da er entweder nachgibt oder nicht, ferner kon5 kret, — dadurch hat er j a bestimmte Form. Also: da jedes Gebilde mit fester Form hart oder weich ist, diese Eigenschaften aber aus einer 25 Verfestigung resultieren, so kann nichts Zusammengesetztes, bestimmt Geformtes ohne Verfestigung existieren. Über diese ist also zu handeln. Außer der Materie gibt es zwei Ursachen, das aktive und das passive 10 Prinzip; wobei ersteres als Ursprung der Bewegung, letzteres als Form und Gestalt der Materie zu fassen ist. Diese Ursachen gelten auch für Verfestigung und Auflösung, für Trocknen und Befeuchten. Tätig ist 30 das aktive Prinzip kraft zweier Qualitäten, das passive zeigt seine Beeinflußbarkeit ebenfalls in zwei Qualitäten, wie dargelegt: Tätigkeit 15 vollzieht sich vermittelst des Warmen und des Kalten, Beeinflussung zeigt sich gemäß dem Vorhandensein oder Nichtvorhandensein von Wärme oder | Kälte. 382 b Nachdem Verfestigung eine Art von Austrocknung ist, wollen wir zunächst über die letztere sprechen. Ein Körper, der eine Einwirkung 20 erfährt, ist bekanntlich entweder feucht, oder trocken, oder eine Verbindung aus beidem. Nach unserer Anschauung verkörpert Wasser das Feuchte, Erde das Trockene; denn diese Elemente sind unter den Stoffen, die feucht und trocken sein können, von passiver Natur. Daher gehört auch das Kalte eher zu den passiven Qualitäten; es ist j a in s 25 Erde und Wasser enthalten: und beide gelten uns j a als kalt. Eine aktive Qualität ist das Kalte, insofern es (wie früher dargestellt) Leben zerstören kann, oder indem es als Nebenwirkung eintritt. Manchmal spricht man auch von einer verbrennenden oder erwärmenden Wirkung des Kalten, wobei es aber nicht in der selben Weise wie 30 das Warme tätig ist, sondern dadurch, daß es das Warme zusammenführt, durch Reaktion sich konzentrieren läßt. Auftrocknen können 10 Wasser und alle wässerigen Flüssigkeiten, ebenso trocknet alles, was von außen hinzugekommene Feuchtigkeit enthält, — z. B . Wolle— oder von Natur innewohnende, — z. B. Milch. Die Arten des Wässerig35 Flüssigen: z. B . Wein, Urin, Molke, überhaupt alle Flüssigkeiten, bei denen es keinen, oder nur einen sehr geringen Bodensatz gibt, obwohl sie nicht klebrig sind, denn manche Stoffe haben aus diesem Grund, 15 weil sie klebrig sind, keinen Bodensatz, wie Öl oder Pech. — F ü r alle Körper gilt, daß sie sowohl durch Wärme- wie Kälteeinwirkung

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t r o c k n e n k ö n n e n ; b e i d e m a l i s t d i e i n n e r e W ä r m e o d e r eine s o l c h e v o n a u ß e n das Bewirkende. D e n n a u c h w e n n Dinge, wie etwa ein Kleid, w o die F e u c h t i g k e i t als e t w a s Ä u ß e r l i c h e s h a f t e t , d u r c h K ä l t e t r o c k 20 n e n , w i r d dies d u r c h die i n n e w o h n e n d e W ä r m e b e w i r k t ; sie w i r d d u r c h die u m g e b e n d e K ä l t e h e r a u s g e p r e ß t u n d l ä ß t d a b e i d a s F e u c h t e als 5 D a m p f m i t a u s t r e t e n , w e n n es i n n i c h t z u g r o ß e r M e n g e v o r h a n d e n i s t . — Also, w i e g e s a g t , alles k a n n e n t w e d e r d u r c h E r w ä r m u n g o d e r A b k ü h l u n g t r o c k e n w e r d e n , j e d e s m a l d u r c h W i r k u n g des W a r m e n — e n t w e d e r v o n i n n e n o d e r v o n a u ß e n —, w e l c h e s die F e u c h t i g k e i t als 25 D a m p f m i t a u s t r e t e n l ä ß t . B e i W ä r m e v o n a u ß e n d e n k e ich z. B . a n 10 d e n V o r g a n g des S i e d e n s ; u n t e r i n n e r e r W ä r m e v e r s t e h e ich d e n ( e b e n g e n a n n t e n ) P r o z e ß : b e i m W e g f a l l e i n e r ä u ß e r e n W ä r m e q u e l l e w i r d die F e u c h t i g k e i t a u f g e z e h r t u n t e r d e r W i r k u n g d e r e i g e n e n W ä r m e des D i n g s , die d a b e i m i t f o r t g e w e h t w i r d . D a m i t ist d e r T r o c k n u n g s v o r g a n g b e h a n d e l t .

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6. V e r f l ü s s i g u n g ist e i n m a l K o n d e n s a t i o n z u W a s s e r , z u m a n d e r n d a s 30 S c h m e l z e n eines f e s t e n K ö r p e r s . D a b e i w i r d K o n d e n s a t i o n d u r c h A b k ü h l u n g v o n L u f t ( P n e u m a ) bewirkt. W a s den Schmelzvorgang bet r i f f t , so w i r d er sich d u r c h B e t r a c h t u n g d e r V e r f e s t i g u n g k l ä r e n . Alles, w a s sich v e r f e s t i g t , ist e n t w e d e r W a s s e r o d e r ein G e m i s c h a u s 20 E r d e u n d Wasser, u n d bewirkt wird der Vorgang entweder durch 383» t r o c k e n e H i t z e o d e r d u r c h K ä l t e . D a r u m l ö s e n sich | d i e j e n i g e n d u r c h H e i ß o d e r K a l t v e r f e s t i g t e n S u b s t a n z e n , die ü b e r h a u p t l ö s b a r s i n d , durch E i n w i r k u n g der entgegengesetzten Qualitäten a u f : was trockene H i t z e v e r f e s t i g t h a t , löst sich in W a s s e r ( = F e u c h t - K a l t ) , w a s K ä l t e 25 v e r f e s t i g t h a t , l ö s t sich in F e u e r ( = W a r m ) . B e i e i n i g e n S t o f f e n k ö n n t e 5 m a n z w a r m e i n e n , d a ß sie W a s s e r v e r f e s t i g t , z. B . g e k o c h t e r H o n i g ; a b e r w a s h i e r v e r f e s t i g e n d w i r k t , ist n i c h t d a s W a s s e r , s o n d e r n die K ä l t e in i h m . F l ü s s i g k e i t e n l a s s e n sich n i e m a l s d u r c h F e u e r v e r f e s t i g e n . Sie v e r f l ü c h - 30 t i g e n sich j a i m F e u e r , u n d die gleiche U r s a c h e k a n n , a u f d i e gleiche Weise wirkend, bei d e m gleichen O b j e k t keine e n t g e g e n g e s e t z t e n Wirk u n g e n h e r v o r r u f e n . F e r n e r k o m m t es z u r V e r f e s t i g u n g , weil W ä r m e 10 w e g g e h t ; f o l g l i c h i s t , w e n n sich d a s O b j s k t w i e d e r v e r f l ü s s i g t , o f f e n b a r d e r G r u n d , d a ß W ä r m e h i n e i n k o m m t ; so d a ß es also die K ä l t e i s t , w a s die 35 V e r f e s t i g u n g h e r v o r r u f t . D e s h a l b b e d e u t e t diese a u c h k e i n D i c k w e r d e n s o l c h e r F l ü s s i g k e i t e n . D i c k w e r d e n sie n ä m l i c h , w e n n d a s F e u c h t e in i h n e n s c h w i n d e t , d a s T r o c k e n e ( F e s t e ) sich k o n z e n t r i e r t . R e i n e s W a s s e r d a g e g e n l ä ß t sich, allein u n t e r a l l e m F l ü s s i g e n , n i c h t v e r d i c k e n .

Kapitel 5—6

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Stoffe, a n d e n e n E r d e u n d W a s s e r g e m e i n s a m t e i l h a b e n , lassen sich sowohl d u r c h F e u e r wie K ä l t e verfestigen, u n d d u r c h beide W i r k u n g e n a u c h v e r d i c k e n . Die W i r k u n g e n v o n H e i ß u n d K a l t sind m a n c h m a l 15 i d e n t i s c h , m a n c h m a l v e r s c h i e d e n : ist H i t z e w i r k s a m , v e r f l ü c h t i g t 5 sich d a s F e u c h t e , d. h . b e i m V e r d a m p f e n des F e u c h t e n wird d a s T r o c k e n e fest u n d k o n z e n t r i e r t sich; ist K ä l t e w i r k s a m , w i r d das W a r m e v e r d r ä n g t ; gleichzeitig g e h t das F e u c h t e in D a m p f auf u n d v e r f l ü c h t i g t sich. Also e r f a h r e n alle Stoffe, die weich, a b e r n i c h t f e u c h t 20 sind, keine V e r d i c k u n g , s o n d e r n eine H ä r t u n g , w e n n ihre F e u c h t i g k e i t 10 s c h w i n d e t , z. B . g e b r a n n t e r T o n ; z u s a m m e n g e s e t z t e Stoffe d a g e g e n , die F e u c h t i g k e i t e n t h a l t e n , v e r d i c k e n sich, z. B . Milch. O f t w e r d e n a u c h K ö r p e r , die d u r c h K ä l t e v e r d i c k t oder g e h ä r t e t w a r e n , z u n ä c h s t f e u c h t ( w e n n m a n sie e r h i t z t ) ; so l ä ß t T o n b e i m B r e n n e n z u n ä c h s t W a s s e r d a m p f a u s t r e t e n u n d wird w e i c h e r ; d a r u m d e f o r m i e r t er sich 25 15 a u c h m a n c h m a l in d e n T ö p f e r ö f e n . V o n d e n aus E r d e u n d W a s s e r zugleich, j e d o c h m i t Ü b e r g e w i c h t d e r E r d e , z u s a m m e n g e s e t z t e n Stoffen, soweit sie d u r c h K ä l t e verf e s t i g t sind, schmelzen diejenigen, die der W e g g a n g des W a r m e n verf e s t i g t h a t , u n t e r der W i r k u n g v o n W ä r m e , w e n n sie w i e d e r z u r ü c k 20 k e h r t , z. B. ( d u r c h F r o s t ) f e s t g e w o r d e n e r S c h l a m m ; die K ö r p e r a b e r , die K ä l t e v o n a u ß e n v e r f e s t i g t h a t — wobei gleichzeitig alle i n n e r e F e u c h - 30 t i g k e i t m i t der W ä r m e v e r d a m p f t e , — lassen sich n i c h t a u f l ö s e n — es sei d e n n d u r c h e n o r m e H i t z e —, wohl a b e r w e i c h m a c h e n , z. B . E i s e n u n d H o r n . A u c h Schmiedeeisen l ä ß t sich s c h m e l z e n , so d a ß es flüssig 25 u n d w i e d e r f e s t w i r d . E n t s p r e c h e n d m a c h t m a n es bei der S t a h l b e r e i t u n g : hier bildet | die E i s e n s c h l a c k e einen B o d e n s a t z , d e r v o n u n t e n 383 b w e g g e r ä u m t w i r d ; h a t d a s Eisen diesen P r o z e ß m e h r m a l s d u r c h l a u f e n , so ist es d u r c h diese R e i n i g u n g zu S t a h l g e w o r d e n . O f t l ä ß t m a n a b e r diesen R e i n i g u n g s p r o z e ß n i c h t s t a t t f i n d e n , d e n n der V e r l u s t a n Mate30 rial u n d a n G e w i c h t ist d a b e i groß. J e weniger m a n es reinigen m u ß , d e s t o besser ist d a s E i s e n . A u c h der Stein P y r i m a c h o s l ä ß t sich schmel- 5 zen, so d a ß er T r o p f e n b i l d e t u n d flüssig w i r d ; v e r f e s t i g t er sich d a n n wieder, so wird er w i e d e r h a r t wie z u v o r . E b e n s o k ö n n e n M ü h l s t e i n e s c h m e l z e n u n d flüssig w e r d e n . V e r f e s t i g t sich die flüssige Masse wieder, 35 so ist ihre F a r b e s c h w a r z , der Z u s a m m e n s e t z u n g n a c h gleicht sie d e m K a l k . [Auch S c h l a m m u n d E r d e sind löslich.] Stoffe, die t r o c k e n e H i t z e v e r f e s t i g t h a t , sind teils unlöslich, teils 10 i m W a s s e r löslich. So sind T ö p f e r t o n u n d einige S t e i n a r t e n — diejenigen, die aus E r d e b e s t e h e n , die v o n F e u e r v e r b r a n n t ist — (in W a s s e r )

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Buch IV

u n l ö s l i c h , wie d a s ( v u l k a n i s c h e ) M y l i a s g e s t e i n , S o d a d a g e g e n u n d a n d e r e S a l z e s i n d i n F l ü s s i g k e i t e n löslich, n i c h t in a l l e n , s o n d e r n n u r in k a l t e n . So l ö s t sich Salz i n W a s s e r u n d a l l e n w ä s s e r i g e n F l ü s s i g k e i t e n , 15 a b e r n i c h t i n ö l ; d e n n F e u c h t - K a l t ist d e r G e g e n p o l v o n t r o c k e n e r H i t z e . H a t d a s e i n e Q u a l i t ä t e n p a a r z u r V e r f e s t i g u n g g e f ü h r t , so m u ß 5 d a s a n d e r e a u f l ö s e n d w i r k e n . So b e w a h r h e i t e t sich d e r S a t z : e n t g e g e n gesetzte Ursachen erzeugen entgegengesetzte Wirkungen. 7. Alle S t o f f e , in d e r e n Z u s a m m e n s e t z u n g W a s s e r g e g e n ü b e r E r d e ü b e r w i e g t , l a s s e n sich d u r c h F e u e r b l o ß v e r d i c k e n , w o E r d e ü b e r w i e g t , k o m m t es d a g e g e n ( d u r c h F e u e r ) z u r V e r f e s t i g u n g . D a r u m s i n d 10 20 S o d a u n d Salz m e h r v o n e r d i g e r A r t , e b e n s o G e s t e i n u n d T ö p f e r t o n . S e h r s c h w i e r i g s t e h t es m i t d e r W e s e n s b e s t i m m u n g des O l i v e n ö l s . W ä r e es v o r w i e g e n d W a s s e r , so m ü ß t e K ä l t e es v e r f e s t i g e n , w ä r e es v o r w i e g e n d E r d e , d a n n F e u e r ; n u n a b e r w i r d es v o n k e i n e m d e r b e i d e n v e r f e s t i g t , w o h l a b e r v o n b e i d e n v e r d i c k t . D i e U r s a c h e : Öl ist v o n 15 25 L u f t e r f ü l l t ; d e s w e g e n s c h w i m m t es i m W a s s e r o b e n a u f ; es s t r e b t j a a u c h d a s E l e m e n t L u f t n a c h o b e n . K ä l t e v e r d i c k t d a s ö l , i n d e m sie die i h m innewohnende L u f t in Wasser w a n d e l t ; mischt m a n nämlich W a s s e r u n d Öl, so h a t die V e r b i n d u n g s t e t s e i n e g r ö ß e r e D i c h t i g k e i t als die b e i d e n F a k t o r e n . F e u e r u n d l a n g e s S t e h e n l a s s e n m a c h e n d a s 20 30 ö l d i c k u n d w e i ß : w e i ß , weil alle i n i h m e n t h a l t e n e F e u c h t i g k e i t v e r d u n s t e t , d i c k , weil m i t d e m S c h w i n d e n seiner W ä r m e die i n n e w o h n e n d e L u f t sich in W a s s e r w a n d e l t . B e i d e m a l e r g i b t sich also d a s gleiche, s o g a r d u r c h die g l e i c h e n U r s a c h e n , a b e r n i c h t a u f die gleiche W e i s e . D i c k w i r d d a s Öl also d u r c h b e i d e U r s a c h e n ( W ä r m e — A b k ü h l u n g ) , 25 a b e r k e i n e d e r b e i d e n t r o c k n e t es a u f , d a s t u t w e d e r die S o n n e n o c h 38t a die K ä l t e , n i c h t n u r weil es k l e b r i g ist, | s o n d e r n a u c h , weil es L u f t e n t h ä l t . Öl l ä ß t sich a b e r a u c h d u r c h die E i n w i r k u n g v o n F e u e r n i c h t a u f t r o c k n e n u n d n i c h t v e r k o c h e n , weil seine K l e b r i g k e i t die V e r dunstung verhindert. Alle M i s c h u n g e n a u s W a s s e r u n d E r d e o r d n e t m a n r i c h t i g ein, w e n n 30 m a n sie n a c h d e m U b e r g e w i c h t des e i n e n o d e r des a n d e r e n Teils b e n e n n t . Z u m Beispiel g i b t es W e i n a r t e n (wie M o s t ) , die sich v e r d i c k e n 5 u n d v e r k o c h e n l a s s e n . Alle solche S u b s t a n z e n v e r l i e r e n w ä h r e n d des T r o c k n u n g s v o r g a n g s W a s s e r . E s ist w i r k l i c h i h r e i n n e w o h n e n d e F e u c h t i g k e i t ; B e w e i s : l ä ß t m a n d e n v o n i h n e n a u s g e h e n d e n D a m p f sich 3s v e r d i c h t e n , so w i r d e r z u W a s s e r . W a s v o n s o l c h e n S t o f f e n d a n n v e r b l e i b t , ist also E r d e . B e i e i n i g e n v o n i h n e n ist es, wie g e s a g t , a u c h die K ä l t e , w a s sie sich v e r d i c k e n u n d t r o c k e n w e r d e n l ä ß t . K ä l t e v e r -

Kapitel 6—7

103

festigt j a nicht allein Wasser, sondern trocknet es auch auf, und ver- 10 dickend wirkt sie, indem sie die innewohnende Luft in Wasser wandelt (Verfestigung ist, wie dargelegt, eine Art des Trocknens). Alle Stoffe, die unter Kälteeinwirkung nicht dick werden, sondern gefrieren, ge5 hören eher zum Wasser, wie Wein, Urin, Essig, Lauge (aus Holzasche), Molke; alles dagegen, was (durch Kälte) dick wird (also ohne durch Feuereinwirkung seine Feuchtigkeit zu verlieren), ist teils erdig, teils is ein Gemisch aus Wasser und L u f t ; so enth^Jt Honig mehr Erde, ö l mehr Luft. Sowohl Milch wie Blut gehören zu beiden, zu Wasser wie 10 Erde, wobei aber meistens Erde überwiegt; das gleiche gilt für alle Flüssigkeiten, aus denen man Soda und Salze gewinnt (aus bestimmten Flüssigkeiten dieser Art.entstehen auch Steine). Darum läßt sich auch Molke, sondert man sie nicht vorher ab, über Feuer verkochen. Das 20 Erdige (in der Milch) konzentriert sich auch unter der Einwirkung von 15 Feigenlab, wenn man sie in bestimmter Weise k o c h t ; so stellen die Ärzte mit Feigenlab geronnene Milch her. Auf diese Weise lassen sich Molke und Käse (Rahm) trennen. Molke läßt sich, einmal abgetrennt, nicht mehr verdicken, sondern verkocht wie Wasser. Hat die Milch keinen Käse oder nur wenig, dann ist sie wässerig und vermag nicht 25 20 mehr zu gerinnen. Mit dem Blut steht es ebenso: unter Kälteeinwirkung trocknet es und wird fest. Soweit es sich nicht verfestigt - was z . B . bei Hirschblut der Fall ist —, so ist es mehr von wässeriger Art und dabei kalt. Darum ist es dann auch nicht faserig, — Fasern sind erdig und hart. Nimmt man aus (normalem) B l u t die Fasern heraus, so ver25 festigt es sich infolgedessen nicht, und zwar, weil es nicht trocknen 30 kann. Denn übriggeblieben ist dann bloß Wasser, wie bei Milch, der man den R a h m weggenommen hat. Beweis: krankes Blut verfestigt sich gewöhnlich nicht, da es Serum enthält, d. h. Schleim und Wasser, als ein nicht gar gewordenes, von der Natur nicht fertig gestaltetes 30 Produkt. Weiterhin sind manche Verbindungen (vo,p Erde und Wasser) löslich, z . B . S o d a , manche unlöslich, z. B . Töpferton; | von letzteren 384 b lassen sich manche weich machen, wie Horn, manche nicht, wie Töpferware und Stein. Der Grund davon: entgegengesetzte Ursachen 35 erzeugen entgegengesetzte Wirkungen; verfestigt sich also ein Stoff durch die beiden Qualitäten K a l t und Trocken, so muß er sich durch Warm-Feucht auflösen, d. h. durch Feuer und Wasser (zwei Gegen- 5 sätze): durch Wasser alles, was allein durch Feuer sich verfestigte, durch Feuer alles, was allein durch K ä l t e sich verfestigte. Folglich

104

Buch IV

sind Stoffe, die u n t e r b e i d e n W i r k u n g e n sich v e r f e s t i g e n , b e s o n d e r s schwer löslich. Dies ist der F a l l bei e i n e m K ö r p e r , der e r h i t z t w i r d u n d d a n n u n t e r K ä l t e e i n w i r k u n g sich v e r f e s t i g t . V e r l ä ß t i h n n ä m l i c h die H i t z e — die d a b e i die F e u c h t i g k e i t g r ö ß t e n t e i l s m i t v e r d u n s t e n l ä ß t —, d a n n p r e ß t i h n die K ä l t e wieder so z u s a m m e n , d a ß n i c h t s , a u c h keine F e u c h t i g k e i t , m e h r in i h n e i n d r i n g e n k a n n . D e s w e g e n löst 10 einen solchen K ö r p e r a u c h keine H i t z e auf (sie v e r m a g , allein f ü r sich, dies n u r bei S t o f f e n , die^allein d u r c h K ä l t e sich v e r f e s t i g e n ) , a u c h kein W a s s e r : es löst d u r c h K ä l t e V e r f e s t i g t e s n i c h t a u f , n u r Stoffe, die t r o c k e n e H i t z e v e r f e s t i g t h a t . Mit E i s e n a b e r s t e h t es so: d u r c h H i t z e 15 geschmolzen, v e r f e s t i g t es sich d u r c h K ä l t e . — W a s Holz b e t r i f f t , so e n t h ä l t es E r d e u n d L u f t ; deswegen k a n n m a n es v e r b r e n n e n (aber n i c h t s c h m e l z e n oder w e i c h m a c h e n ) , deswegen s c h w i m m t es in W a s s e r o b e n a u f , a u s g e n o m m e n E b e n h o l z . Dies v e r m a g dergleichen n i c h t , d e n n w ä h r e n d die a n d e r e n H o l z a r t e n m e h r L u f t e n t h a l t e n , ist a u s d e m s c h w a r z e n E b e n h o l z die L u f t e n t w i c h e n , d a f ü r ist der erdige A n t e i l 20 größer. — T ö p f e r w a r e ist ganz v o n erdiger A r t , weil sie b e i m B r e n n e n a l l m ä h l i c h h a r t g e w o r d e n i s t ; w e d e r findet W a s s e r Stellen z u m E i n d r i n g e n — d u r c h sie k o n n t e b l o ß die L u f t e n t w e i c h e n — n o c h F e u e r ; l e t z t e r e s h a t j a die H ä r t u n g h e r b e i g e f ü h r t ( u n d die P o r e n verschlossen). D a m i t ist ü b e r V e r f e s t i g u n g u n d S c h m e l z e n g e h a n d e l t , ebenso ü b e r die U r s a c h e n dieser V o r g ä n g e u n d die d a v o n b e t r o f f e n e n K ö r p e r . 25 8. So e r g i b t sich d e u t l i c h , d a ß W ä r m e u n d K ä l t e die K ö r p e r a u f b a u e n , u n d z w a r i n d e m sie v e r d i c k e n d u n d v e r f e s t i g e n d w i r k e n . D a r u m ist in allen K ö r p e r n , weil sie d u r c h diese Q u a l i t ä t e n g e f o r m t sind, W ä r m e e n t h a l t e n , in einigen a u c h K ä l t e , weil W ä r m e f e h l t . D a W a r m u n d K a l t als a k t i v e , F e u c h t u n d T r o c k e n als p a s s i v e Q u a l i t ä t e n vor30 h a n d e n sind, h a b e n folglich z u s a m m e n g e s e t z t e K ö r p e r a n allenn Qualit ä t e n A n t e i l . A u s W a s s e r u n d E r d e n u n b e s t e h e n die h o m o g e n e n K ö r p e r , n ä m l i c h (die Gewebe) in P f l a n z e n u n d a n i m a l i s c h e n W e s e n ; a u c h die Metalle g e h ö r e n d a z u , Gold, Silber u n d w a s es alles dergleichen gibt [aus W a s s e r u n d E r d e sowie der in b e i d e n eingeschlossenen Aus385 a d ü n s t u n g , wie a n d e r s w o d a r g e l e g t ist]. Alle diese S u b s t a n z e n | u n t e r scheiden sich v o n e i n a n d e r 1) d a d u r c h , d a ß j e d e v o n d e n S i n n e s w e r k zeugen als e t w a s E i g e n e s w a h r g e n o m m e n w i r d u n d auf diese eine besondere W i r k u n g a u s ü b t , — e t w a s ist weiß, w o h l r i e c h e n d , t ö n e n d , s ü ß , w a r m , k a l t e n t s p r e c h e n d der A r t , wie es auf die W a h r n e h m u n g w i r k t , s 2) d u r c h speziellere E i g e n t ü m l i c h k e i t e n ihres p a s s i v e n V e r h a l t e n s , z. B . die F ä h i g k e i t zu s c h m e l z e n , sich zu v e r f e s t i g e n , sich b i e g e n zu

105

Kapitel 7 - 8 lassen

und

deren

Hauptbegriffe

dergleichen

mehr.

Das

wir F e u c h t

sind

alles p a s s i v e

und Trocken

Qualitäten,

kennen.

Diese

als

Quali-

t ä t e n sind es, d u r c h die K n o c h e n , F l e i s c h , S e h n e n , Holz,

Baumrinde,

Stein

h o m o g e n e n 10

sich unterscheiden

sowie

alle

anderen

natürlichen

5 Körper. Zunächst

wollen

wir

eine Aufzählung

darüber

vorlegen,

ihre Affizierbarkeit bzw. Nichtaffizierbarkeit sprachlich E s h a n d e l t sich u m folgende Eine Substanz

wie

man

unterscheidet.

Qualitäten:

ist

10

zu verfestigen / nicht zu

verfestigen

zu schmelzen / nicht zu

schmelzen

d u r c h H i t z e zu erweichen / n i c h t zu Feuchtigkeit

aufnehmend / nicht

zu biegen / nicht zu 15

erweichen

aufnehmend

biegen

zu brechen / nicht zu

brechen

zu zersplittern / nicht zu

zersplittern

einer Einprägung fähig / nicht fähig zu f o r m e n / nicht zu

formen

zu pressen / nicht zu

pressen

elastisch zu dehnen / nicht zu

20

zu schmieden / nicht zu zu spalten / nicht zu

25

schmieden schneiden

(körnig)

zu k n e t e n / nicht zu

kneten

zu verbrennen / nicht zu

verbrennen

z u v e r d a m p f e n /' n i c h t z u Diese

Verhaltensweisen

meisten

Körper

30 e i n z e l n e n Uber dieser

Körper,

35 u n t e r

der

hart

die

Wärme wegen

Wärme;

wurde

wir k e h r e n

Alle

die

Sichverfestigen

Prozesse

indem

unterscheiden;

es,

durch

wir

wollen

verdampfen. die

sich

nun

so

ihre

ziemlich

Bedeutung

die i m 20

beschreiben.

das

gegeben;

sind

dehnen

spalten

zu schneiden / nicht zu klebrig / pulverig

15

die

verfestigen

Einwirkung

entweder

die

verdrängt. Mangels

letzteres

eine

trifft

einmal

und von

Feuchtigkeit Es

an

Schmelzen allgemein

aber doch noch

sich

Wärme

und das

bereits

werden

für

werden,

Wärme

bzw.

manche manche aus

von die

Körper

wegen Wasser

zurück.

erleiden

oder

trocknet

die v o r w i e g e n d

Gegenteil

Darstellung

zu d e m T h e m a

hart

also

Feuchtigkeit,

sowie das

gehaltene

dies Kälte, K ä l t e 25

fest

Mangels

und an

bestehenden

106

30

85 b

5

10

Buch IV

K ö r p e r z u , e r s t e r e s f ü r die v o r w i e g e n d a u s E r d e b e s t e h e n d e n . W o M a n g e l a n F e u c h t i g k e i t so w i r k t , d a t r i t t ein S i c h a u f l ö s e n d u r c h F e u c h t i g k e i t ein, es sei d e n n , d e r K ö r p e r h a b e sich d e r a r t v e r f e s t i g t , d a ß s e i n e P o r e n z u k l e i n s i n d , u m W a s s e r t e i l c h e n e i n t r e t e n zu l a s s e n , w i e z . B . b e i m g e b r a n n t e n T ö p f e r t o n . I n allen a n d e r e n F ä l l e n l ö s e n 5 sich die S t o f f e in F e u c h t i g k e i t , wie S o d a , Salze, S c h l a m m b r o c k e n . W a s d u r c h W ä r m e v e r l u s t sich v e r f e s t i g t e , s c h m i l z t d u r c h W ä r m e , w i e E i s , Blei, B r o n z e . — S o w e i t also ü b e r K ö r p e r , die sich v e r f e s t i g e n b z w . s c h m e l z e n (lösen) l a s s e n , sowie ü b e r die | u n s c h m e l z b a r e n ( u n l ö s l i c h e n ) U n t a u g l i c h z u r V e r f e s t i g u n g s i n d alle S u b s t a n z e n , die k e i n e w ä s s e r i g e 10 F e u c h t i g k e i t e n t h a l t e n , die n i c h t W a s s e r s i n d , s o n d e r n e h e r w a r m u n d e r d i g , w i e H o n i g , M o s t , — d i e s e F l ü s s i g k e i t e n b e f i n d e n sich s o z u s a g e n i n e i n e m G ä r z u s t a n d ; f e r n e r alle, die z w a r W a s s e r e n t h a l t e n , a b e r i n h ö h e r e m Grade L u f t , wie ö l , Quecksilber u n d klebrige Flüssigkeiten, z. B . P e c h o d e r V o g e l l e i m . 15 9 . D u r c h H i t z e z u e r w e i c h e n s i n d v e r f e s t i g t e S t o f f e d a n n , w e n n sie n i c h t a u s W a s s e r b e s t e h e n , w i e es z. B . b e i E i s d e r F a l l i s t , s o n d e r n v o r w i e g e n d a u s E r d e , u n d w o die F e u c h t i g k e i t w e d e r g a n z v e r d a m p f t i s t , wie b e i S o d a u n d Salz, n o c h u n v e r h ä l t n i s m ä ß i g g e r i n g i s t , wie b e i g e b r a n n t e m T ö p f e r t o n . S o l c h e S t o f f e l a s s e n sich d e h n e n , o h n e b e - 20 f e u c h t e t z u w e r d e n , o d e r h ä m m e r n , falls sie k e i n W a s s e r e n t h a l t e n , o d e r s i n d s o n s t d u r c h H i t z e z u b e a r b e i t e n , wie E i s e n u n d H o r n [ u n d H o l z ] .

U n t e r d e n s c h m e l z b a r e n b z w . u n s c h m e l z b a r e n S t o f f e n g i b t es solche, die F l ü s s i g k e i t a u f n e h m e n ( u n d d a b e i e r w e i c h e n ) , u n d solche, bei d e n e n dies n i c h t d e r F a l l i s t . So l ä ß t sich B r o n z e s c h m e l z e n , a b e r n a t ü r l i c h 25 nicht durch Flüssigkeitsaufnahme auflösen, dagegen absorbieren Wolle 15 u n d E r d e W a s s e r ; sie l a s s e n sich e i n w e i c h e n . D a g e g e n ist E r z b e k a n n t lich s c h m e l z b a r , a b e r n i c h t in W a s s e r löslich. J e d o c h g i b t es a u c h in W a s s e r lösliche S t o f f e , die in W a s s e r n i c h t w e i c h w e r d e n , wie S o d a u n d S a l z ; z u m B e g r i f f ' a b s o r b i e r e n d ' g e h ö r t n ä m l i c h , d a ß solche 30 Stoffe im Wasser weicher werden. Manche absorbieren Flüssigk e i t , o h n e in W a s s e r löslich zu sein, wie W o l l e u n d G e t r e i d e k ö r n e r . F l ü s s i g k e i t a u f n e h m e n d e S t o f f e s i n d solche, die v o n e r d i g e r 20 N a t u r s i n d u n d d e r e n P o r e n g r ö ß e r sind als die W a s s e r t e i l c h e n , d a b e i a b e r zu f e s t , u m v o m W a s s e r a n g e g r i f f e n z u w e r d e n . 35 Alles a b e r , w a s i n W a s s e r s c h m i l z t (sich l ö s t ) , m u ß d u r c h u n d d u r c h porös sein. W a r u m l ö s t sich E r d e in W a s s e r , n i m m t a b e r a u c h W a s s e r a u f , w ä h r e n d S o d a sich z w a r a u f l ö s t , a b e r in W a s s e r n i c h t w e i c h w i r d ?

Kapitel 8 - 9

107

Weil in Soda die Poren ganz durchgehen, so daß die Teile des Stoffs in Wasser sofort zerfallen, während in Erde die Poren sowohl längs 25 wie quer laufen. So kommt es zu dem Unterschied des Vorgangs bei den beiden Substanzen: er variiert je nach der Art, wie sie Wasser 5 aufnehmen. Manche Körper kann man biegen und wieder gerade strecken, wie Binsen oder Weidenruten, andere lassen sich nicht biegen, wie gebrannter Töpferton und Stein. Nicht zu biegen und wieder gerade zu strecken sind diejenigen, die von einer rund gebogenen Gestalt aus 30 10 nicht eine gerade, von einer geraden aus nicht eine gebogene annehmen können. Biegen und Strecken sind Vorgänge, bei denen sich ein Gestaltwandel, eine Bewegung zu Gerade oder K r u m m vollzieht, wobei, wenn man etwas biegt, es gleich ist, ob nach innen oder | außen. Eine 386a Bewegung zum Konkaven oder Konvexen hin, wobei die Länge gleich15 bleibt, ist also Biegen. Das Geradestrecken ist etwas anderes, sonst wäre j a Gebogensein und Geradesein dasselbe; was doch unmöglich ist — ein gebogenes Gerades! Und wenn alles Gebogene eine Biegung nach innen oder außen erfahren hat, einen Übergang teils 5 zu konvexer, teils zu konkaver Gestalt, so kann es doch wohl 20 unmöglich ein Biegen auch zum Geraden hin geben; vielmehr sind Biegen und Geradestrecken zwei verschiedene Vorgänge. — Dies also über biegungs- und streckfähige, nicht biegsame und nicht 10 streckfähige Körper. Manche Körper lassen sich zerbrechen, aber auch zertrümmern, 25 andere lassen nur das eine oder andere zu; Holz zum Beispiel kann man zerbrechen, aber nicht zertrümmern, dagegen kann man dies mit Eis oder Stein tun, die man nicht zerbrechen kann. Gebrannter Töpferton läßt sich ebenso zertrümmern wie zerbrechen. Zerbrechen ist — darin besteht der Unterschied — eine Zerlegung und Zertrennung 30 in große Stücke, Zertrümmern eine solche in beliebig viele, mehr als zwei. Stoffe, die in der Weise verfestigt sind, daß ihre Poren kreuz 15 und quer laufen, lassen sich zertrümmern, denn durch diese Lage der Poren ist ihre Spaltbarkeit gegeben; wo lange, durchgehende Poren vorhanden sind, lassen sie sich bloß zerbrechen; Körper, die die einen 35 wie die anderen Poren aufweisen, kann man sowohl brechen wie zertrümmern. Dann gibt es Körper, die einer Einprägung fähig sind, wie Erz und Wachs, oder nicht — wie gebrannter Töpferton und Wasser. Einprägung sei gemeint als Eintiefung einer Oberfläche durch Druck oder

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Buch IV

20 Schlag, allgemein gesagt also durch Berührung. Dabei sind solche Stoffe teils weich (elastisch) wie Wachs, das an einer Stelle nachgibt, während im übrigen die Fläche fest bleibt, teils hart wie E r z . Keiner Einprägung fähig ist Hartes, wie gebrannter Töpferton — wo die Oberfläche j a keine Eintiefung zuläßt—, und Feuchtes, z. B . Wasser, das s 2s zwar nachgibt, aber nicht an einer bestimmten Stelle, vielmehr weicht es, in Reaktion auf den Druck, seitwärts aus. Unter den einprägungsfähigen Stoffen gibt es solche, bei denen der Eindruck bleibt und die sich leicht eindrücken l a s s e n : die nennt man f o r m b a r ; andere lassen entweder keine Eintiefung zu — z. B . Stein, Holz — oder m a n kann sie 10 zwar eindrücken, aber die Eintiefung bleibt nicht — z. B . Wolle, Schwamm —: diese sind nicht formbar, wohl aber einer Kompression 30 fähig. — Zusammenpressen kann man solche Körper, die unter Druck nach innen nachgeben, wobei die Oberfläche einsinkt, ohne daß sich etwas ablöst und ohne daß ein Teil des Ganzen einem anderen Teil is ausweicht, wie bei Wasser, wo dies j a der Fall ist. ' D r u c k ' ist eine Bewegung, bei der der bewegende Körper mit dem Objekt in Be386 briihrung bleibt; | ein ' S c h l a g ' wird durch die Ortsveränderung des bewegenden Körpers verursacht. Zusammendrücken kann man Körper mit Poren, die leer sind, d. h. den Stoff nicht aufweisen, aus dem der 20 Körper selbst b e s t e h t ; daher ist kompressionsfähig, was in die inneren Hohlräume einsinken kann oder in die eigenen Poren. Manchmal sind nämlich diese Hohlstellen, in die der Körper sich eindrücken läßt, nicht 5 leer, z. B . bei einem feuchten Schwamm, dessen Poren gefüllt sind; aber dann müssen die Poren mit einem Stoff gefüllt sein, der weicher 2s ist als der kompressionsfähige Körper selbst. Schwämme, Wachs, Fleisch, all das kann man zusammendrücken. Nicht zusammenpressen kann man Stoffe, deren N a t u r ein Einsinken in die eigenen Poren unter Druck nicht zuläßt, entweder weil sie keine Poren haben, 10 oder weil ihre Poren mit einer zu harten S u b s t a n z gefüllt sind. So 30 sind Eisen, Stein, Wasser (wie alle Flüssigkeiten) nicht kompressionsfähig. Dehnbar sind alle Körper, deren Oberfläche sich seitlich verschieben l ä ß t ; von Dehnbarkeit spricht man j a bei einer Fläche, die, ohne ihren Zusammenhang einzubüßen, einer bewegenden K r a f t folgt. Dehnbar 35 15 sind etwa H a a r , Leder, Sehne, Teig, Vogelleim, nicht dehnbar z. B . Wasser und Stein. Manche Stoffe kann man ebenso dehnen wie zusammendrücken, z. B . Wolle, andere dagegen nicht; so ist Schleim nur dehnbar, ein S c h w a m m nur kompressionsfähig, aber nicht dehnbar.

Kapitel 9

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M a n c h e Stoffe, wie E r z , k a n n m a n m i t d e m H a m m e r b e a r b e i t e n , a n d e r e n i c h t , z. B . S t e i n u n d H o l z . Stoffe d e r e r s t g e n a n n t e n A r t sind solche, d e r e n Oberfläche zu e i n e m Teil sich u n t e r der W i r k u n g ein u n d desselben 20 Schlages gleichzeitig n a c h i n n e n u n d seitlich v e r s c h i e b t , w ä h r e n d dies bei s d e n a n d e r e n u n m ö g l i c h ist. Alles, w a s sich h ä m m e r n l ä ß t , ist a u c h einer E i n p r ä g u n g f ä h i g , d o c h n i c h t alles, w a s einer E i n p r ä g u n g f ä h i g ist, l ä ß t sich a u c h h ä m m e r n . Dies gilt z . B . f ü r H o l z . I m g a n z e n a b e r sind diese b e i d e n Begriffe r e z i p r o k . M a n c h e k o m p r e s s i o n s f ä h i g e n K ö r p e r lasseli sich h ä m m e r n , wie W a c h s u n d S c h l a m m , a n d e r e n i c h t , z. B . Wolle. 25 10 E s g i b t s p a l t b a r e K ö r p e r , z. B . Holz, u n d n i c h t s p a l t b a r e , z. B . T ö p f e r t o n . S p a l t b a r ist der Stoff, bei d e m sich die T r e n n u n g (der Oberfläche) ü b e r d e n u n m i t t e l b a r e n Eingriff des t r e n n e n d e n K ö r p e r s h i n a u s f o r t s e t z e n k a n n ; d. h . ein D i n g wird gespalten, w e n n es sich ü b e r d e n E n d p u n k t des Eingriffs h i n a u s z e r t r e n n e n l ä ß t , also die 15 T r e n n u n g sich f o r t s e t z t ; b e i m Schneiden ist es a n d e r s . N i c h t spaltb a r ist alles, w a s sich n i c h t so v e r h a l t e n k a n n . W e i c h e K ö r p e r sind 30 n i e m a l s s p a l t b a r (gemeint ist a b s o l u t e , n i c h t r e l a t i v e W e i c h h e i t ; in l e t z t e r e m Sinn k a n n z. B. a u c h E i s e n weich sein), e b e n s o w e n i g ist es die G e s a m t h e i t der h a r t e n K ö r p e r , | s o n d e r n b l o ß solche, die n i c h t 387 « 20 f e u c h t sind u n d sich n i c h t p r ä g e n , a u c h n i c h t z e r t r ü m m e r n lassen. D a s sind solche S u b s t a n z e n , bei d e n e n die P o r e n , n a c h d e n e n sich ihr Z u s a m m e n h a n g u n t e r e i n a n d e r r i c h t e t , längs, n i c h t q u e r , l a u f e n . Z e r s c h n e i d b a r sind diejenigen ( h a r t e n oder weichen) f e s t e n K ö r p e r , die die E i g e n s c h a f t h a b e n , n i c h t n o t w e n d i g ü b e r den t r e n n e n d e n E i n 25 griff h i n a u s a u f z u r e i ß e n oder, auf G r u n d des Eingriffs, zu zerfallen, s W a s k e i n e F e u c h t i g k e i t e n t h ä l t , l ä ß t sich n i c h t z e r s c h n e i d e n . M a n c h e K ö r p e r k a n n m a n ebenso schneiden wie s p a l t e n , z. B . Holz, m e i s t e n s a b e r s p a l t e t ein Stoff der L ä n g e n a c h u n d l ä ß t sich in die Q u e r e zers c h n e i d e n . E s l ä ß t sich j a j e d e r solcher Stoff in viele Teile z e r l e g e n ; wo 30 n u n d a s G a n z e a u s l ä n g s g e r i c h t e t e n Teilen b e s t e h t , ist es s p a l t b a r , 10 z e f s c h n e i d b a r d a g e g e n , wo es aus q u e r l i e g e n d e n Teilen b e s t e h t . K l e b r i g ist eine f e u c h t e oder weiche S u b s t a n z , die sich d e h n e n l ä ß t . Dies geschieht infolge des I n e i n a n d e r g r e i f e n s ihrer Teile, u n d z w a r bei d e n K ö r p e r n , d e r e n i n n e r e S t r u k t u r einer K e t t e ä h n e l t ; diese k a n n 35 m a n n ä m l i c h l a n g ausziehen u n d z u r f r ü h e r e n L a g e z u r ü c k k e h r e n lassen. Stoffe v o n a n d e r e r S t r u k t u r z e r b r ö c k e l n leicht. 15 K n e t b a r sind d i e j e n i g e n k o m p r e s s i o n s f ä h i g e n Stoffe, bei d e n e n d e r E i n d r u c k b l e i b t , n i c h t k n e t b a r alle, die e n t w e d e r sich ü b e r h a u p t n i c h t z u s a m m e n d r ü c k e n lassen oder bei d e n e n der E i n d r u c k n i c h t b l e i b t .

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Buch IV

Es gibt brennbare und nichtbrennbare Substanzen; so sind Holz, Wolle, Knochen brennbar, Stein und Eis nicht. Brennbar ist, was 20 Poren hat, in die Feuer eindringen kann, und bei denen die Feuchtigkeit in ihren längsgerichteten Poren von Feuer überwältigt werden kann. Wo keine Poren vorhanden sind oder der Körper zu viel Feuchtigkeit enthält, handelt es sich um nichtbrennbare Stoffe, z. B . Eis und sehr frisches Holz. Rauch entwickeln kann eine Substanz, wenn sie Feuchtigkeit enthält, jedoch in der Weise, daß unter Hitzeeinwirkung nicht das Feuchte 25 allein für sich verdampft. Dampf ist eine Feuchtigkeitsausscheidung in Luft und Wind, wie sie eine Flüssigkeit unter Hitzeeinwirkung von sich gibt. Rauchentwickelnde Stoffe dagegen verrauchen von selbst im Laufe der Zeit in die L u f t : ein Teil wird trocken und schwindet, ein Teil wird Erde. Das Besondere bei dieser Ausscheidung besteht darin, daß sie nicht feucht ist und doch nicht zu (trockenem) Wind i (Pneuma) wird. Wind ist kontinuierliches Strömen der Luft in eine 30 bestimmte Richtung; Rauchentwicklung (von Räucherwerk) ist gemeinsame Ausscheidung von Trocken und Feucht auf einmal, hervorgerufen durch brennende Hitze. Unter der Einwirkung einer solchen Dampfausscheidung werden Gegenstände nicht feucht, sondern sie verfärben sich eher. W a s in solcher Art aus Holz und holzartigem Stoff ver387 b dampft, heißt | Rauch. Ebenfalls dazu rechne ich Knochen, Haare und dergleichen; einen gemeinsamen Namen gibt es j a nicht, doch kann man diese Stoffe alle als analog zusammenstellen. So sagt Empedokles (31 B 82 D.-Kr.): 'Das gleiche sind Haare und Blätter 5 und dichtes Vogelgefieder und Schuppen, wie sie auf kräftigen Gliedern wachsen'. Fett erzeugt Qualm, ölige Substanzen erzeugen rußigen Dunst. Deswegen läßt sich Öl nicht verkochen, auch nicht verdicken, weil es zwar rauchigen Dunst, aber nicht (Wasser-)Dampf ausscheiden k a n n ; wogegen Wasser nicht rauchigen Dunst, aber Dampf ausscheidet. Süßwein (Traubenmost) d a m p f t ; er ist io fett und verhält sich wie ö l . Kälte kann ihn nicht verfestigen, wohl aber kann er brennen. Er ist nur dem Namen nach Wein, nicht wirklich; er schmeckt nicht wie Wein und berauscht nicht, wie der gewöhnliche. Er enthält wenig Stoff für R a u c h ; deshalb kann er Flamme entwickeln. Verbrennen kann man solche Körper, die in Asche zerfallen. So ver15 halten sich alle Stoffe, die entweder Hitze oder Kälte, oder beides, Heiß und Kalt, verfestigt h a t ; denn bei ihnen läßt sich die Uber-

Kapitel 9-10

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wältigung d u r c h das Feuer beobachten. U n t e r den Steinen wirkt auf den Edelstein, der R u b i n heißt, Feuer a m wenigsten. — Von den brennb a r e n S t o f f e n s i n d die e i n e n e n t z ü n d l i c h , die a n d e r e n n i c h t ; v o n d e n ersteren ergeben m a n c h e Stoffe Kohlen. Die entzündlichen k ö n n e n 5 F l a m m e n e r z e u g e n , die a n d e r e n n i c h t . E n t z ü n d l i c h s i n d d i e j e n i g e n 20 K ö r p e r , die R a u c h e r z e u g e n , o h n e F e u c h t i g k e i t z u e n t h a l t e n . P e c h , Öl o d e r W a c h s e r g e b e n e i n e F l a m m e e h e r in V e r b i n d u n g m i t a n d e r e n S t o f f e n als allein. V o r a l l e m e n t z ü n d l i c h s i n d r a u c h e r z e u g e n d e S t o f f e . U n t e r d e n h i e r e i n s c h l ä g i g e n S u b s t a n z e n v e r w a n d e l n sich in K o h l e n v o r a l l e m d i e j e n i g e n , die m e h r E r d e als R a u c h e n t h a l t e n . — S o d a n n s i n d einige s c h m e l z b a r e K ö r p e r n i c h t e n t z ü n d l i c h , wie E r z , 25 b z w . e n t z ü n d l i c h , a b e r n i c h t s c h m e l z b a r , w i e H o l z ; v o n e i n i g e n , z. B . W e i h r a u c h , gilt d a g e g e n b e i d e s . Die U r s a c h e : H o l z e n t h ä l t g e s a m m e l t e , d a s G a n z e (in seinen P o r e n ) d u r c h z i e h e n d e F e u c h t i g k e i t , so d a ß es g a n z v e r b r e n n e n k a n n ; E r z d a g e g e n e n t h ä l t z w a r F e u c h t i g k e i t in j e d e r P a r t i k e l , a b e r n i c h t f r e i ( z u s a m m e n h ä n g e n d ) , u n d a u c h z u w e n i g , als d a ß es e i n e F l a m m e g e b e n k ö n n t e . Bei W e i h r a u c h d a g e g e n sind b e i d e 30 Bedingungen v o r h a n d e n . Raucherzeugende S u b s t a n z e n sind d a n n entz ü n d l i c h , w e n n sie i n f o l g e des U b e r g e w i c h t s des E r d i g e n in i h n e n u n s c h m e l z b a r s i n d . D e n n m i t i h r e r T r o c k e n h e i t s t e h e n sie d e m | F e u e r 388 a n a h e ; w e n n n u n T r o c k e n e s h e i ß w i r d , e n t s t e h t F e u e r . D a r u m ist F l a m m e ein b r e n n e n d e r L u f t h a u c h ( P n e u m a ) o d e r R a u c h . D i e A u s d ü n s t u n g v o n H o l z h e i ß t also R a u c h , Q u a l m die v o n W a c h s , W e i h r a u c h u n d d e r g l e i c h e n , v o n P e c h sowie v o n p e c h h a l t i g e n u n d ä h n l i c h e n S u b s t a n z e n , r u ß i g e r D u n s t die v o n Ol u n d a l l e n ö l h a l t i g e n 5 S t o f f e n , sowie v o n s o l c h e n , die allein n u r s c h w e r b r e n n e n (weil w e n i g T r o c k e n e s i n i h n e n ist, w o d u r c h j a d e r Ü b e r g a n g z u F e u e r s i c h vollz i e h t ) , d a g e g e n in V e r b i n d u n g m i t e i n e m a n d e r e n K ö r p e r s c h n e l l in B r a n d g e r a t e n . Dies ist d e r F a l l bei F e t t , w o T r o c k e n e s u n d Öliges beisammen sind. — Ausdünstende S t o f f e , wie ö l u n d Pech, g e h ö r e n e h e r z u d e r Q u a l i t ä t F e u c h t , s o l c h e die b r e n n e n , e h e r zu d e r Qualität Trocken. 10. D i e s also sind die V e r h a l t e n s w e i s e n , d u r c h die sich, wie g e s a g t , 10 die g l e i c h t e i l i g e n K ö r p e r v o n e i n a n d e r u n t e r s c h e i d e n , u n d z w a r bei B e r ü h r u n g ; sie u n t e r s c h e i d e n sich a u c h d u r c h G e s c h m a c k , G e r u c h u n d F a r b e . U n t e r g l e i c h t e i l i g e n S t o f f e n v e r s t e h e ich B e r g w e r k s p r o d u k t e — E r z , G o l d , Silber, Z i n n , E i s e n , S t e i n u s w . , s o w i e S u b s t a n z e n , 15 die v o n i h n e n h e r s t a m m e n —, f e r n e r alles, w a s (als G e w e b e ) in L e b e w e s e n u n d P f l a n z e n v o r h a n d e n ist, z. B . F l e i s c h , K n o c h e n , S e h n e n ,

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Buch IV

H a u t , E i n g e w e i d e , H a a r , M u s k e l f a s e r n , A d e r n — w o r a u s d a n n die n i c h t h o m o g e n e n K ö r p e r b e s t e h e n , w i e G e s i c h t , H a n d , F u ß u s w . —, i n P f l a n z e n Holz, Rinde, B l a t t , W u r z e l usw. Die Z u s a m m e n s e t z u n g der 20 l e t z t g e n a n n t e n K ö r p e r (Blatt, Wurzel) h a t eine a n d e r e — hier n i c h t z u b e s p r e c h e n d e — U r s a c h e ; bei d e n g l e i c h t e i l i g e n a b e r ist 5 die s t o f f l i c h e U r s a c h e T r o c k e n u n d F e u c h t — also e t w a W a s s e r u n d E r d e , die die g e n a n n t e n Q u a l i t ä t e n a m k l a r s t e n h e r v o r t r e t e n l a s s e n —, die b e w i r k e n d e U r s a c h e W a r m u n d K a l t ; sie s i n d es, 25 die a u s W a s s e r u n d E r d e j e n e K ö r p e r sich b i l d e n l a s s e n u n d v e r f e s t i g e n . V o n d e n g l e i c h t e i l i g e n K ö r p e r n n u n w o l l e n w i r f e s t s t e l l e n , w e l c h e 10 aus Erde, welche aus Wasser bestehen, u n d welche beiden gemeinsam angehören. D i e f e r t i g d u r c h g e s t a l t e t e n (gleichteiligen) K ö r p e r s i n d teils f e u c h t , teils w e i c h , teils h a r t ; d a ß die h a r t e n o d e r w e i c h e n E r g e b n i s s e einer Verfestigung sind, w u r d e f r ü h e r dargelegt. is 30 a) F l ü s s i g e K ö r p e r : w a s v e r d a m p f e n k a n n , g e h ö r t zu W a s s e r , w a s n i c h t , zu [ E r d e , o d e r ] E r d e u n d W a s s e r g e m e i n s a m , z. B . Milch, o d e r z u E r d e u n d L u f t g e m e i n s a m , z. B . H o n i g ( ? ) , o d e r z u W a s s e r u n d L u f t g e m e i n s a m , z. B . Ol. F l ü s s i g k e i t e n , die d u r c h H i t z e sich v e r d i c k e n , g e h ö r e n zwei E l e m e n t e n a n . U n t e r d e n F l ü s s i g k e i t e n k ö n n t e 20 388 h m a n b e i m W e i n ein P r o b l e m finden: | er v e r d u n s t e t , er w i r d a b e r a u c h d i c k , wie es b e i j u n g e m W e i n g e s c h i e h t . Mit ' W e i n ' ist e b e n — dies ist d e r G r u n d — m e h r als n u r e i n e G a t t u n g g e m e i n t , d e r e i n e v e r h ä l t sich so, d e r a n d e r e a n d e r s . J u n g e r W e i n ist e r d i g e r als a l t e r ; d e s w e g e n s v e r d i c k t i h n W ä r m e b e s o n d e r s , u n d K ä l t e v e r f e s t i g t i h n w e n i g e r ; er 25 e n t h ä l t viel W ä r m e u n d E r d e . D a s s i e h t m a n a m a r k a d i s c h e n W e i n : R a u c h m a c h t i h n i n d e n W e i n s c h l ä u c h e n so t r o c k e n , d a ß m a n i h n a b k r a t z e n m u ß , b e v o r m a n i h n t r i n k e n k a n n . J e d e r W e i n h a t , wie b e k a n n t , e i n e n B o d e n s a t z ; d i e s e r b e s t i m m t sich n a c h d e m Ü b e r g e w i c h t des e i n e n o d e r a n d e r e n K ö r p e r s , d e r E r d e o d e r des W a s s e r s . — Z u r ü c k 30 10 z u r V e r d i c k u n g : w o K ä l t e sie h e r v o r r u f t , h a n d e l t es sich u m e r d i g e S u b s t a n z e n , w o H i t z e u n d K ä l t e es t u n , g e h ö r e n die S u b s t a n z e n zwei E l e m e n t e n a n , so z. B . bei Öl, H o n i g , S ü ß w e i n . b) F e s t e K ö r p e r : s o w e i t K ä l t e sie v e r f e s t i g t h a t , g e h ö r e n sie d e m W a s s e r a n , z. B . E i s , S c h n e e , H a g e l , R e i f ; s o w e i t H i t z e , d e r E r d e , 35 z. B . g e b r a n n t e r T o n , K ä s e , S o d a , Salz. M a n c h e v e r d a n k e n i h r e V e r f e s t i g u n g b e i d e n Q u a l i t ä t e n ; v o n d e r A r t sind die g e f r o r e n e n S t o f f e , die d u r c h E n t z u g s o w o h l des W a r m e n wie des F e u c h t e n e n t s t a n d e n 15 s i n d , l e t z t e r e s e n t w i c h z u s a m m e n m i t d e r W ä r m e ; Salz n ä m l i c h v e r -

Kapitel 10

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festigt sich bloß durch Entzug des Feuchten, ebenso die allein aus E r d e bestehenden Substanzen, Eis dagegen bloß bei Entzug von Wärme. Diese Körper also gehören beiden, dem Wasser wie der Erde an, sie sind aus beiden zusammengesetzt und enthalten beides. — s Stoffe, deren Feuchtigkeit völlig verdunstet ist, sind sämtlich erdiger Natur, wie gebrannter Ton oder Bernstein. Denn auch Bernstein ist durch Abkühlung entstanden, sowie alle Substanzen, bei denen man von 'Tränen' spricht, wie Myrrhe, Weihrauch, Gummi. Bernstein 2» scheint zu dieser Gruppe zu gehören und auf Verfestigung zurück10 zugehen; jedenfalls sieht man in ihm kleine Lebewesen eingeschlossen. Das (kalte) Wasser des Bernsteinflusses verdrängt die innere Wärme des Bernsteins und gleichzeitig mit dieser verdunstet die Feuchtigkeit — Gleiches geschieht beim Honig, wenn man ihn kocht und dann in Wasser taucht. — Manche festen Körper lassen sich nicht schmelzen 15 und nicht weichmachen, z. B . Bernstein und manche Steinarten, wie 25 die Marmorart in Höhlen ( = Stalaktiten). Auch diese letzteren entstehen auf gleiche Weise, nicht unter Einwirkung von Feuer, sondern von K ä l t e (verfestigt): dann entweicht die Wärme, und dadurch veranlaßt geht gleichzeitig die Feuchtigkeit weg. Bei den anderen Sub20 stanzen ist Hitze von außen die Ursache (der Verfestigung). — Stoffe, so deren Feuchtigkeit nicht völlig verdunstet ist, sind mehr von erdiger Natur, jedoch noch zu erweichen, wie Eisen und Horn. [Die Ausdünstung von Weihrauch und verwandten Stoffen ist der von Holz ähnlich.] 25 Unter die schmelzbaren Körper ist natürlich auch alles zu rechnen, was durch Feuer schmilzt; diese Stoffe gehören mehr zum Wasser, einige | allerdings zu Wasser und Erde gemeinsam, wie z. B . Wachs. 389« Was aber durch Wasser schmilzt, gehört zu E r d e ; was sich von keinem der beiden schmelzen läßt, gehört entweder zu Erde oder zu beiden so Elementen. Wenn nun alle Dinge entweder flüssig oder fest sind und ihre dargelegten Verhaltensweisen nur in diesen beiden Zuständen möglich sind, es also einen dritten, mittleren nicht gibt, dann dürften jetzt wohl sämtliche Merkmale aufgezählt sein, um die Körper nach ihrer 5 3 5 Zugehörigkeit zu Erde, zu Wasser oder zu beiden zu unterscheiden, auch nach ihrer Formung durch Feuer, durch Kälte oder durch beides. Die Natur des Wassers besitzen also: Gold, Silber, Erz, Zinn, Blei, Glas und viele Steinarten ohne eigene Bezeichnung; sie alle schmelzen durch Hitze. Ferner gehören noch einige Weinsorten, Urin, Essig, 10 8

A r i s t o t e l e s , 12

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Buch IV

L a u g e , Molke u n d B l u t w a s s e r zu W a s s e r , d a sie alle d u r c h K ä l t e v e r festigt werden. Dagegen Eisen, Horn, Fingernägel, Knochen, Sehnen, H o l z , H a a r , B l ä t t e r , R i n d e r e c h n e n eher zu E r d e , f e r n e r B e r n s t e i n , M y r r h e , W e i h r a u c h — also alles, bei d e m m a n v o n ' T r ä n e n ' s p r i c h t —, 15 P o r o s - M a r m o r ( = S t a l a k t i t e n ) sowie B o d e n p r o d u k t e , z. B . H ü l s e n - s f r ü c h t e u n d G e t r e i d e — dergleichen ist erdiger N a t u r , o b s c h o n i m einzelnen m e h r oder weniger, d e n n diese Stoffe lassen sich teils weichm a c h e n , teils sind sie v e r d a m p f u n g s f ä h i g u n d v e r d a n k e n ihre E n t s t e h u n g e i n e m A b k ü h l u n g s p r o z e ß . D a z u k o m m e n n o c h S o d a , Salz, die v e r s c h i e d e n e n S t e i n a r t e n , soweit sie w e d e r auf A b k ü h l u n g z u r ü c k - 1» gehen n o c h s c h m e l z b a r sind. B l u t u n d S a m e n gehören zu E r d e , W a s s e r , 20 L u f t g e m e i n s a m , w o b e i B l u t , d a s F a s e r n e n t h ä l t , m e h r zu E r d e r e c h n e t — d e s w e g e n v e r f e s t i g t es sich d u r c h K ä l t e u n d löst sich i n F l ü s s i g k e i t auf —, w ä h r e n d B l u t o h n e F a s e r n zu W a s s e r g e h ö r t ; d a r u m v e r f e s t i g t es sich a u c h n i c h t . S a m e n v e r f e s t i g t sich d u r c h K ä l t e , w o b e i d a s is F e u c h t e z u s a m m e n m i t der W ä r m e e n t w e i c h t . 11. W e l c h e f e s t e n bzw..flüssigen Stoffe w a r m oder k a l t sind, soll 25 auf G r u n d des bisher D a r g e l e g t e n w e i t e r v e r f o l g t w e r d e n . Die z u r N a t u r des W a s s e r s gehörigen sind m e i s t e n s k a l t , falls sie n i c h t v o n a u ß e n s t a m m e n d e W ä r m e e n t h a l t e n , z . B . L a u g e , U r i n , W e i n ; w a s v o n erdiger 2» N a t u r ist, ist m e i s t e n s w a r m , d a es j a d u r c h W ä r m e gebildet w u r d e , wie z. B . K a l k u n d Asche. M a n m u ß , in gewissem Sinn, K ä l t e als die Materie a u f f a s s e n . D e n n 30 d a T r o c k e n u n d F e u c h t M a t e r i e s i n d — s i e sind j a passiv — u n d sich v o r allem in E r d e u n d W a s s e r v e r k ö r p e r n , die j a d u r c h K ä l t e i h r e F o r m 25 389 b g e w ö h n e n h a b e n , so ist k l a r , d a ß alle K ö r p e r , die rein | aus e i n e m der b e i d e n E l e m e n t e b e s t e h e n , e h e r k a l t sind, es sei d e n n , sie b e s i t z e n W ä r m e v o n a u ß e n , wie es z. B . bei k o c h e n d e m oder d u r c h heiße Asche g e s e i h t e m W a s s e r der F a l l ist. L e t z t e r e m eignet j a die W ä r m e v o n der Asche h e r , wie d e n n in allen Stoffen, die einen V e r b r e n n u n g s - 3» 5 p r o z e ß d u r c h g e m a c h t h a b e n , m e h r oder weniger W ä r m e v o r h a n d e n ist. D a r u m e n t s t e h e n a u c h L e b e w e s e n in f a u l e n d e n K ö r p e r n , d. h . aus der W ä r m e in i h n e n , die die n a t ü r l i c h e W ä r m e der einzelnen B e s t a n d teile des K ö r p e r s v e r n i c h t e t h a t . Alle Stoffe, die sowohl aus E r d e wie W a s s e r b e s t e h e n , e n t h a l t e n 3s W ä r m e ; die E n t s t e h u n g d e r m e i s t e n ist n ä m l i c h ein d u r c h H i t z e bew i r k t e s G a r w e r d e n . E i n i g e j e d o c h sind F ä u l n i s p r o d u k t e , wie b e s t i m m t e S e k r e t e in O r g a n i s m e n . So sind, solange sie ihre eigene N a t u r be10 w a h r e n , B l u t , S a m e n , M a r k , L a b u n d alles dergleichen w a r m , j e d o c h

Kapitel 10-12

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nicht mehr, wenn sie ihre Natur verlieren und zugrunde gehen. Denn dann bleibt bloß noch die Materie, Erde und Wasser, übrig. Deswegen werden zwei Ansichten vertreten: die einen halten solche Stoffe für kalt, die anderen für warm, auf Grund der Beobachtung, daß sie im Normals zustand warm sind, sich aber (abkühlen und) verfestigen, sobald sie seiner verlustig gehen. Das trifft zu; gleichwohl gilt unsere Unter- 15 Scheidung: kalt sind die Stoffe, wo Wasser als Materie vorherrscht — als Gegensatz zu Feuer —, wärmer dagegen sind die, bei denen Erde oder Luft überwiegt. 10 Manchmal wird ein und dieselbe Substanz sehr kalt und sehr warm — unter der Wirkung äußerer W ä r m e ; ganz besonders feste und harte Körper sind besonders kalt, wenn sie ihrer Wärme verlustig gehen, 20 und brennen besonders heiß, wenn sie dem Feuer ausgesetzt werden; so entwickelt Wasser mehr Hitze als (brennender) Rauch, ein Stein 15 mehr als (heißes) Wasser. 12. Nach dieser Darlegung wollen wir im einzelnen bestimmen, was Fleisch oder Knochen oder ein anderer der gleichteiligen Körper sei; wir wissen j a auf Grund ihres Werdens, woraus sie sich zusammen- 25 setzen, wir kennen ihre Gruppierung und wissen auch, zu welcher 20 Gruppe jeder einzelne Körper gehört. Denn die Elemente sind es, aus denen die gleichteiligen Körper gebildet sind, und diese sind es, aus denen, als Materie, alle Werke der Natur stammen. Nun bestehen zwar materiell alle Dinge aus den genannten (gleichteiligen) Körpern, doch hinsichtlich ihres Wesens bestehen sie in ihrem 25 Begriff, ihrer geistigen Form. Das ist desto klarer, j e höher jeweils ein Naturding steht, allgemein gesagt, es ist überall deutlich, wo etwas 30 Werkzeug ist und einem Zweck dient. So ist es klar genug, daß ein toter Mensch nur dem Namen nach 'Mensch' ist; so ist auch die Hand eines Toten nur dem Namen nach eine Hand, in gleichem Sinn wie | 390« 30 eine in Stein gebildete Flöte so heißen könnte; auch sie ist j a gewissermaßen Werkzeug. Bei Fleisch und Knochen ist dies weniger deutlich, noch weniger bei Feuer und Wasser; der Zweck tritt nämlich da am wenigsten hervor, wo das meiste Materie ist. Denn um die beiden E x t r e m e in den Blick zu nehmen: wie 'Materie' nichts anderes ist als eben dies, wie 5 35 'Wesen' nichts anderes ist als unser Begriff von einem Ding, seine geistige Form, so ordnen sich die dazwischenliegenden Dinge j e nach ihrer Nähe zu diesen Extremen. E s haben j a auch diese Dinge einen Zweck, sie sind nicht schlechthin bloß Wasser und Feuer, auch nicht bloß Fleisch und Eingeweide. Das gilt in noch höherem Maße von Gesicht und Hand. 8«

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Alle Dinge sind b e s t i m m t durch ihre F u n k t i o n ; denn nur, was seine F u n k t i o n erfüllen k a n n , h a t in W a h r h e i t eigenes Sein, z. B. ein Auge nur, wenn es sieht, dagegen ein dazu unfähiges h a t mit dem Auge n u r den N a m e n gemein, wie ein t o t e r oder ein steinerner 'Mensch'; die Säge aus Holz ist keine, sondern n u r etwa eine Nachbildung. Das 5 gilt auch f ü r Fleisch; doch ist seine F u n k t i o n weniger deutlich als die is der Zunge. Ebenso steht es mit dem F e u e r ; aber hier ist die F u n k t i o n naturwissenschaftlich vielleicht noch schwieriger klarzulegen als beim Fleisch. Gleiches trifft zu f ü r die Teile der Pflanzen und f ü r die anorganischen Stoffe, wie Erz u n d Silber: sie alle s i n d k r a f t einer inne- 10 wohnenden Fähigkeit zu leiden oder zu wirken, z. B.Fleisch, Sehnen; 20 jedoch sind die Gesetze ihrer inneren F o r m nicht klar. Man k a n n d a r u m nicht e x a k t erkennen, w a n n die eine oder die andere Fähigkeit in ihnen v o r h a n d e n ist, wann nicht, es sei denn, solche Substanzen sind in deutlichem Verfall begriffen u n d zeigen bloß noch die äußere is Gestalt. So werden Leichen, über die viel Zeit hingegangen ist, in ihren Särgen plötzlich zu Asche; F r ü c h t e sind bloß noch an ihrem 390b Äu|ßeren, nicht mehr an ihrem Geschmack zu erkennen, wenn sie sehr alt sind. Gleiches läßt sich an Milchprodukten beobachten. Alle diese Teile der natürlichen Welt verdanken also Hitze u n d Kälte 20 ihre Entstehungsmöglichkeit sowie den durch diese K r ä f t e vermittelten Bewegungsanstößen; sie verfestigen sich durch W a r m und K a l t ; ich meine dabei die homogenen Körper, wie Fleisch, Knochen, H a a r e , s Sehnen u n d dergleichen. Sie alle unterscheiden sich durch die f r ü h e r aufgezählten Charakteristika, die Fähigkeit, sich dehnen, ziehen, zer- 25 splittern zu lassen, sie sind h a r t , weich usw. I h r e E n t s t e h u n g wird bedingt durch W a r m u n d Kalt sowie durch die K o m b i n a t i o n der ent10 sprechenden Bewegungsanstöße. Als P r o d u k t e dieser Qualitäten wird aber wohl niemand die nichthomogenen Körper, z. B. Kopf H a n d F u ß , auffassen wollen, die aus den bisher genannten Körpern a u f g e b a u t sind. 30 Vielmehr sind Kälte, Hitze u n d die entsprechenden elementaren Bewegungen zwar Entstehungsursachen f ü r Erz oder Silber, aber nicht f ü r das Werden einer Säge, einer Trinkschale, einer Kiste. Hier ist menschliche Kunstfertigkeit die Ursache, dort die N a t u r oder ein anderer E n t s t e h u n g s g r u n d . 35 15 W e n n wir also n u n wissen, zu welcher Elementgruppe jeder einzelne gleichteilige K ö r p e r gehört, so gilt es j e t z t zu erfassen, was ein jeder einzelne f ü r sich ist, also zu f r a g e n : ' W a s ist eigentlich Fleisch, Blut, Samen usw. je f ü r sich g e n o m m e n ? ' Denn Kenntnis über ein Ding,

Kapitel 12

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w a r u m es ist und was es ist, gewinnen wir, wenn wir entweder seine Materie oder seine innere F o r m im Griff haben, a m besten wenn wir, im Hinblick auf sein Werden und Vergehen, über beides Bescheid wissen, und ebenso über den bei ihm zugrundeliegenden Bewegungsanstoß. — s I s t dies dargelegt, so sind in gleicher Weise die ungleichteiligen K ö r p e r 20 zu betrachten und schließlich die aus diesen aufgebauten Gebilde, wie Mensch, Pflanze und dergleichen.

EINLEITUNG

l Der Teil der hellenischen N a t u r k u n d e , 'den alle Früheren Meteorologie n a n n t e n ' , wie Ar. im Proömium sagt, u m f a ß t viel mehr als die heutige Spezialwissenschaft, nämlich alle Naturerscheinungen, die sich 'in der Schwebe' (fieriwQOs), also in der Atmosphäre u n d a m Himmel abspielen. Sie regten schon das f r ü h e Griechentum zu glücklichen Einzelbeobachtungen an, wie sie das homerische E p o s bezeugt (Ch. Mugler, Les Origines de la Science grecque chez Homere, 1963). Das stete Bedürfnis nach einer praktisch brauchbaren Wetterkunde hielt solche Beobachtungen vor und während der Ausbildung einer wissenschaftlichen Meteorologie in Gang. Entscheidend f ü r diese letztere wurde der U m s t a n d , d a ß bereits die ersten großen philosophischen Systeme die K u n d e von diesen Phänomenen zu einem H a u p t s t ü c k ihrer Physik machten. So t r a t die Meteorologie sogleich in Verbindung mit den ersten E n t w ü r f e n zur Kosmologie, Elementtheorie, aber auch Klimatologie, Ethnographie und Medizin; sie wurde zu einem Experimentierfeld der neuen rationalen Welterklärung, und zwar Erscheinungen gegenüber, die bisher in besonderem Maße v o n göttlicher Einwirkung zu zeugen schienen (Regen, Gewitter, E r d b e b e n , Regenbogen). E s ist also kein Zufall, d a ß in der Überlieferung der griechischen Philosophie Hypothesen über den physischen Kosmos und gerade auch ü b e r die Vorgänge im L u f t r a u m und am Himmel eine überraschend große Rolle spielen. D a s m o n u m e n t a l e Werk, in dem H e r m a n n Diels diese Überlieferung aufgearbeitet h a t (Doxographi Graeci, 1879), stellt dies klar vor Augen. Angesichts des Trümmerfelds, als welches sich die Tradition der vorsokratischen Philosophie darstellt, v e r s t i m m t es u n s manchmal geradezu, d a ß uns die Kenntnis entscheidender P u n k t e eines Systems versagt bleibt, d a ß wir aber pünktlich belehrt werden über die dort vertretenen Theorien zu Donner u n d Blitz, zum regelmäßigen Ansteigen des Nil u n d zum Salzgehalt des Meeres. Doch h a t der Reichtum dieser Überlieferung (der angesichts der Fülle, wie sie einmal vorhanden gewesen sein m u ß , freilich n u r ein relativer zu nennen ist) noch einen anderen Grund. Eine bestimmte Forscherleistung der aristotelischen Schule h a t hier eingegriffen, das Buch des Theophrast ' Ü b e r die Lehren der Physiker', das Diels in dem genannten Werk in Grundzügen rekonstruierte. Gewiß müssen wir stets auf der H u t sein, die Wirkung eines uns als wichtig b e k a n n t e n antiken Buches zu überschätzen, da uns j a Wichtigstes e n t g e h t ; aber hier täuschen wir uns wohl nicht: Theophrasts Doxographie h a t f ü r die g e n a n n t e n Sachgebiete das Material bereitgestellt, das dem Hellenismus die Kenntnis der Vorsokratiker vermittelte, sie h a t auch die Frageweisen suggeriert, die m a n den originalen T e x t e n gegenüber a n w a n d t e — soweit m a n sie noch las. E s sind natürlich die Frageweisen, die des Aristoteles eigene Lektüre bestimmten. Sie haben über die Doxographi von 1879 die moderne Erforschung der Vorsokratiker erheblich beeinflußt. Deren Denkleistung wurde von der großartigen Generation eines H e r m a n n Diels und seiner

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Einleitung

u n m i t t e l b a r e n Schüler vorwiegend als eine n a t u r w i s s e n s c h a f t l i c h orientierte A u f k l ä r u n g i n t e r p r e t i e r t , wobei der gleichzeitige A u f s c h w u n g der m o d e r n e n P h y s i k u n d T e c h n i k diese Gelehrten offensichtlich a n r e g t e u n d b e s t ä t i g t e . D e m philosophischen Anliegen der frühgriechischen Zeit w u r d e m a n d a b e i n i c h t voll gerecht. — N e b e n d e n R e f e r a t e n der Einzellehren charakterisieren die Meteorologie a u c h die S p u r e n des E i n d r u c k s , d e n die traditionskritische U r s a c h e n f o r s c h u n g auf die Zeitgenossen m a c h t e . Die B e d e u t u n g s e n t w i c k l u n g der W o r t e /jEreaiQOt;, fiETecoQöioyoq, wie sie W . Capelle erforscht h a t (Philol. 1912, H e r m e s 1913), l ä ß t d a s B e f r e m d e n u n d das M i ß t r a u e n erkennen, d a s der n e u e n N a t u r w i s s e n s c h a f t e n t g e g e n g e b r a c h t w u r d e ; deren V e r h ö h n u n g z. B. bei Aristoph. W o l k e n (376ff., 404ff.) zeigt freilich d u r c h P l a s t i k u n d Präzision, m i t welchem Interesse die U m g e s t a l t u n g des W e l t bilds a u c h bei d e n Gegnern begleitet wurde.

2 I n n e r h a l b der Problemgeschichte der Meteorologie k ö n n e n vier E p o c h e n u n t e r schieden werden. a) Die Grundlinien w u r d e n , wie a n g e d e u t e t , bereits v o n d e n alten J o n i e r n gezogen, was f ü r die Problemstellungen noch m e h r gilt als f ü r die L e h r i n h a l t e . A n a x i m a n d e r , A n a x i m e n e s , D e m o k r i t , Diogenes v o n Apollonia t r e t e n d a b e i besonders h e r v o r . Die Leistung dieser schöpferischsten aller E p o c h e n b e s t e h t einmal in d e r V e r k n ü p f u n g der einzelnen Erscheinungen m i t d e m W e r d e n des Kosmos, s o d a n n in der S t a t u i e r u n g d e r E i n h e i t des Geschehens zwischen E r d e u n d F i x s t e r n s p h ä r e u n d d e m E n t w u r f eines e n t s p r e c h e n d e n E r k l ä r u n g s z u s a m m e n h a n g s . Schon A n a x i m a n d e r vers t a n d es, alltägliche N a t u r b e o b a c h t u n g e n systematisch zu n u t z e n ; so d i e n t e i h m d a s Motiv v o n der s o n n e n b e w i r k t e n A u s d ü n s t u n g des F e u c h t e n auf der E r d e d a z u , Wolken, Regen, W ind, aber a u c h d a s organische Leben einheitlich zu erklären. D u r c h A n n a h m e der Differenzierung eines einheitlichen S u b s t r a t s ein einziges Aition d e n verschiedenen N a t u r e r s c h e i n u n g e n anzupassen, w a r — folgenreich f ü r die ganze griechische Meteorologie — ein Anliegen besonders des Anaximenes, in dessen P h y s i k der A t m o s p h ä r e die V e r d i c h t u n g bzw. V e r d ü n n u n g der L u f t eine H a u p t r o l l e spielte. I n d e m m a n i n n e r h a l b der L u f t einen besonders fein v e r d ü n n t e n , s t o ß k r ä f t i g e n Teil unterschied, g e w a n n m a n die Möglichkeit, sich atmosphärische K r ä f t e wie Blitzfeuer u n d D o n n e r ( A u s b r u c h des Feuers aus der Wolke) k l a r z u m a c h e n . I n A n a x a goras gipfelt die voraristotelische Meteorologie. Sie stellt sich f u r c h t l o s allen n a t u r wissenschaftlichen F r a g e n , v o m E r d b e b e n u n d G r u n d w a s s e r p r o b l e m bis z u r Genese des Regenbogens u n d der N e b e n s o n n e n . Die beherrschende Rolle d e r S o n n e i m m e t e o r e n Geschehen h a t A n a x a g o r a s klarer als alle Vorgänger e r k a n n t . — D a s n e u e Wissen finden wir gegen E n d e des 5. J h . n i c h t n u r in d e n engeren Kreisen d e r P h y s i k e r , sondern auch bei d e n Ärzten w i r k s a m ; j a die vorzüglichen B e o b a c h t u n g e n u n d Theorien, wie sie im Corpus H i p p o c r a t i c u m zu erheben sind (s. A n m e r k u n g e n Z. 347 a 12), lassen die jonischen Ärzte als selbständig, n i c h t im B a n n der f r ü h e n N a t u r p h i l o s o p h e n erscheinen. b ) Die Meteorologie des Aristoteles, wie sie in d e n B ü c h e r n I—III vorliegt, ist d e m Material der Vorgänger sehr v e r p f l i c h t e t ; seine systematischen G e s i c h t s p u n k t e

Einleitung

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sind jedoch den vorsokratischen Gedanken diametral entgegengesetzt. Er tritt der Tradition mit betontem Neuakzentuieren entgegen. Wenn Charles H. Kahn in seinem schönen Buch erklärt (99), ganze Seiten der Meteor, hätten von Anaxagoras oder Demokrit geschrieben werden können, so ließe sich von Seiten, wie sie dabei gemeint sind, unschwer zeigen, daß mit den Vorsokratikern koinzidierende Aussagen doch jedesmal auf dem neuen System, mit Dualismus und Weltewigkeitsdogma, fußen. Die eigentliche Dramatik der griechischen Entwicklung dürfte verkannt sein, wenn die gesamte antike Meteorologie ausdrücklich (ebd.) als bloße Reihe von Variationen zum Werk des großen Anaximander gefaßt wird. Die dramatische Wendung brachte Aristoteles: indem er den Gestirnraum, der ihm der Ort des ungewordenen, unvergänglichen 'Ersten Körpers' war, der irdischen Stofflichkeit entrückte, engte er den Raum der Meteorologie erheblich ein; sie beschränkt sich fortan auf die Physik der Welt unter dem Monde. Veranlaßt hatten dies neue astronomische Forschungen, die die riesigen Abstände der Sternwelt von der Erde erkennen ließen (Meteor. 339 b 32u. ö.); aber ein Motiv war auch das religiöse Anliegen der platonischen Akademie, der die Gestirne als göttlich galten. Dementsprechend stuft Ar. Phänomene wie Sternschnuppen, Kometen, Milchstraße aus dem siderischen Raum, wo sie von Früheren richtig lokalisiert worden waren, herab in die sublunare Welt; was zu ebenso scharfsinnigen wie gezwungenen Erklärungen führt. Diese spekulativ überformte, dualistische Physik, die keinerlei Veränderungen am Himmel und noch nicht einmal die Feurigkeit der Sonne anerkennt, hat bis zu Galileis Kampf mit der Spätscholastik beherrschend gewirkt. Ihr teleologischer Charakter bedeutete den Bruch mit der — uns leider viel zu wenig kenntlichen — Meteorologie, die im 5. Jh. der Atomismus erarbeitet hatte. — In der Naturdeutung dieser einzigen uns aus griechischer Zeit ganz erhaltenen Lehrschrift des Fachgebietes tritt scharf der Grundsatz heraus, die Faktoren der Vorgänge genau zu bestimmen und sie mit dem ewigen, weil in sich geschlossenen Kreis des Naturlebens zu verknüpfen, also jeden Gedanken an eine Kosmogenese abzuweisen. Das führt zu einer großzügigen Theorie, die klare Erkenntnisse über den Kreislauf des Wassers in der Atmosphäre und auf der Erde vermittelt (in diesen Zusammenhang treten auch Kapitel ein, die das wichtigste Dokument der arist. Geographie darstellen). Charakteristischer noch ist die Lehre von der warmtrockenen tellurischen Ausscheidung, die im Luftraum wie in der Erdtiefe wirksam gedacht ist; sogar der Salzgehalt des Meeres wird mit ihrer Hilfe erklärt. Die Pragmatie steht fest innerhalb des allgemeinen physikalischen Systems, das dem Philosophen eine durchdachte, sehr praktikable Elementenlehre an die Hand gab. c) In hellenistischer Zeit gewann die Meteorologie des Peripatos, wie überhaupt seine Naturwissenschaft, die Führung, zwar stark befehdet von der atomistischen Physik Epikurs, die aber doch der gegnerischen Lösungsgedanken selber nicht entraten konnte. Die Erklärungsprinzipien des Schulgründers wurden damals differenziert, von spekulativen Tendenzen teilweise befreit (so gab man das übernatürliche Himmelselement preis) und den Formen des in Griechenland besonders dramatischen atmosphärischen und seismischen Geschehens noch stärker angepaßt — eine Leistung des Theophrastos, von der uns neuerdings einige wesentliche Züge kenntlich geworden sind. Seine Windlehre, seine Auffassung von Schnee und Hagel zeigen Beobachtung und Theorie in bewundernswürdigem Gleichgewicht. — Die antike Meteorologie vollendet sich im Werk des Jungstoikers Poseidonios. Er ist den Vor-

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sokratikern nicht weniger verpflichtet als dem Peripatos, weiß aber in schöpferischer Aneignung Teile u n d Ganzes eines seit Ar. gewaltig erweiterten Wissensgebietes als Einheit zu fassen. Dabei h a t eigene Beobachtung des weitgereisten Forschers offenb a r eine weit größere Rolle gespielt als bei seinem Vorgänger. Die vier E l e m e n t e erscheinen bei Poseidonios als Träger einer eigenständigen Lebenskraft (Sen. n a t . quaest. I I ) ; der Theorie des R a u m s ihrer gemeinsamen Wirkungen, eben der Meteora, m u ß t e dies besonders zugute kommen. Die Reflexe seiner einschlägigen Schriften zeigen denn auch, d a ß gerade Schilderungen des Ineinandergreifens elementarischer K r ä f t e (etwa bei den Gezeiten des Meeres, bei Erd- und Seebeben, Strab. I 57 ff.) stark gewirkt haben Diese Meteorologie war Teilstück einer umfassenden Kosmostheologie, die über die nüchterne Wissenschaftlichkeit des Peripatos u n v e r k e n n b a r hinausgeht. — Die Poseidonios-Forschungen, die Karl Reinhardt zwischen 1921 u n d 1953 vorlegte, stellen eine der genialsten Rekonstruktionsleistungen unserer Wissenschaft d a r ; aber die Art, wie die gesamte griechische Tradition heruntergestuft wird, u m die Bedeutung des Einen zu erhöhen, zeigt den schwachen P u n k t des gewaltigen B a u s an. Ein Fehlurteil wie das über die arist. Meteorologie, Poseidonios, 1921, 175, steht nicht allein. d) Wir können noch erkennen, wie im Späthellenismus die Theorie der meteoren Vorgänge auch schriftstellerisch ins Breite wirkt, wie Historiker (etwa Polybios, Diodor) und Dichter (Vergil, Lucan, Manilius) gelegentlich Wert darauf legen, ihre Kenntnis der modernen peripatetisch-jungstoischen Physik sichtbar werden za lassen. Jedoch vollzog sich in der Kaiserzeit rasch ein Verfall der forscherlichen Gesinnung. Der theologisch zu erhellende Hintergrund der Welt zog das Nachdenken a n ; die naturwissenschaftlichen Texte wurde noch eine Zeitlang verwertet, u m die b u n t e Schauseite des Kosmos vor Augen zu f ü h r e n (charakteristisch dafür die Schrift 'Von der Welt', K a p . 4). In Senecas 'Naturales Quaestiones' herrscht über weite Strecken noch echte N a t u r k u n d e ; doch ist seine Meinung v o m Wert solchen B e m ü h e n s durchaus nicht eindeutig. Wenn er, benef. V I I 1,5, einige klassische meteorologische Probleme n e n n t u n d ihnen gegenüber einen weihevollen Agnostizismus v e r t r i t t (non m u l t u m tibi nocebit transisse, quae nec licet scire Aec prodest. I n v o l u t a veritas in alto latet — dies Zitat aus Demokrit B 117), dann ist d a m i t die Gesinnung wieder erreicht, gegen die die Vorsokratiker g e k ä m p f t hatten. Plinius d. Ä. h a t noch viel Fachliteratur gelesen, ist aber weit mehr an dem „immerfort auf neue Weise im Naturleben hervorbrechenden N u m e n " interessiert (Nat. Hist. I I 208). Der Kaiser Marcus ist dem Schicksal d a n k b a r , daß er Philosoph wurde, nicht auf meteorologische Studien geriet (der Zusammenhang, I 17,22, zeigt, daß nach seiner Meinung derlei gänzlich im Irrationalen blieb). — I n wachsendem Maße t r a t schließlich in die Meteorologie eine Betrachtungsweise ein, der die Atmosphäre als v o n den Bewegungen der Gestirne beherrscht galt (Astrometeorologie). Die Meteorologie des Aristoteles u n d die Diskussionen der antiken K o m m e n t a t o r e n zu seiner Physik des Himmels, der Atmosphäre u n d (in gewissem Maße) des E r d innern sind es gewesen, in denen sich das auf diesen Gebieten entfaltete wissenschaftliche Denken der Griechen durch die J a h r h u n d e r t e erhielt. Die zehn Discours, in denen sich René Descartes mit den Mitteln der aufstrebenden mathematischen Naturwissenschaft der Meteorologie zuwandte (Les Météores, 1637), sind ein eindrucksvolles Zeugnis f ü r die K r a f t der arist. Konzeption, als Mittler zwischen den Zeiten zu wirken.

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3 Dem heutigen Bemühen um die Meteorologie kommen die vorzügliche Herstellung ihres Textes durch F. H. Fobes (1919) und die großzügige Gesamtschau zugute, die in den Aristotelesbüchern Solmsens und Dürings vorliegt. Aber der Einzelerklärung der schwierigen Pragmatie wurde seit langem nur wenig Hilfe zuteil, während den noch schwierigeren Büchern Über den Himmel sich neuerdings ein außerordentliches Interesse der Forscher zugewandt hat. Man ist etwas betroffen, bei dem verdienstvollen neuesten Herausgeber, H. D. P. Lee (1952), als Begründung hierfür 'the intrinsical lack of interest of its Contents' angegeben zu finden (p. xxv). Seine Frage nach dem, was denn, nach modernen Maßstäben, in dieser Naturkunde überhaupt richtig sei, ist legitim, aber ihr gegenüber schneidet das kosmologische Werk weit schlechter ab. Der einseitige, aber kraftvoll und scharfsinnig unternommene Versuch, mit Hilfe der Anathymiasenlehre die sublunare Welt einer einheitlichen Physik einzufügen, ist im Altertum differenziert, aber anscheinend nie übertroffen worden. Überdies berechtigt die geschichtliche Stellung dieser Meteorologica zu dem Urteil, daß ihre Erhaltung wichtiger ist als der Verlust irgendeiner der themengleichen hellenistischen Schriften, die des Poseidonios ausgenommen. Die unter folgenschweren Opfern errungene Überwindung der vorsokratischen Kosmos-Konzeptionen durch die athenische Klassik spiegelt sich hier womöglich noch deutlicher ab als in De caelo; wobei wir in den Besitz wichtiger Nachrichten über die alten Physiker kommen. Für die Kenntnis des Philosophiehistorikers Aristoteles sind diese Bücher unentbehrlich. Bis zum Ausgang des Altertums und, durch das Interesse der Araber und Syrer weitergetragen, darüber hinaus, steht alles, was als Meteorologie bezeichnet werden kann, auf dem aristotelischen Fundament. — Es ist wohl die verwirrende Vielseitigkeit der behandelten Stoffe, was uns die rechte Auffassung des merkwürdigen Ganzen erschwert. Desto mehr muß man sich der vereinheitlichenden Prinzipien zu bemächtigen suchen, die durchzusetzen der Philosoph sich fortwährend bemüht. Dies Bemühen muß sich polemisch äußern, denn sein Erfolg hängt von der Widerlegung des Prinzips ab, auf das die alten Physiker die Einheit der Welt gründeten — der Kosmogenese. An den Spuren des Bahnbrechers Anaximander fasziniert uns Heutige, wie er das Vorhandene als Gewordenes versteht. Der Eindruck des Aristoteles war ein völlig anderer. Wir sehen es an der spöttischen Schärfe, mit der er die Auffassung abwehrt, das Weltmeer sei einmal entstanden (II 1, 353 b 6)., werde einmal austrocknen (II 3, 356 b 7). Für ihn ist es ein völliges Verkennen der Natur, irgendeine ihrer Erscheinungen als Relikt einer früheren Phase des Weltenwerdens zu nehmen, etwa die Winde vom Austrocknen des Urmeers herstammen zu lassen (II 1, 353 b 8) oder mit dessen Überrest die heutige Salzflut gleichzusetzen. Das Bild eines Kosmos, der aus einer fernen Werdestunde stammt und seinem fernen, aber gewissen Untergang entgegeneilt, scheint ihm nicht großartig, sondern leichtfertig entworfen (353 b 2, Phys. III 6, 207 a 19: auf die Feierlichkeit gewisser vorsokratischer Aussagen reagiert er gereizt). Aristoteles lehrt, Piaton treu, die Ewigkeit der Welt. Dabei sieht er die Naturdinge nicht aus einer Zeittiefe hervorkommen, sondern er trägt sie, wie sie sich im ewigen Werden und Vergehen die Waage halten, auf einem hell beleuchteten Vordergrund ein, während

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f ü r Demokrit das wahre Wesen der Dinge, 'die Atome und das Leere', hinter der Sichtbarkeit liegt. Die bekannte, von Solmsen (420 ff.) f ü r den meteorologischen Bereich feinsinnig gewürdigte Grundtatsache, d a ß des Stagiriten Begriff v o m Werden zyklisch ist, stellt das F u n d a m e n t dieser Lehrschrift dar. Nicht als ob den Kreislauf des Feuchten im Naturleben erst Aristoteles entdeckt h ä t t e ; aber erst er h a t den Mut gehabt, dem absoluten Werden und Vergehen abzusagen und dem Physiker die Aufgabe zu stellen, das stete Neuentstehen jedes N a t u r p h ä n o m e n s zu begründen. Eine E r k l ä r u n g des Salzgehalts im Meer überzeugt nicht, wenn er nur einmal so produziert werden k o n n t e ( I I 3, 357 b 15); die Aitiologie der Winde gelingt n u r , wenn m a n sie mit einer kontinuierlichen Erscheinung, der A u s d ü n s t u n g der L a n d massen verknüpfen k a n n (II 4, 359 b 34ff.); u n d die Gewitterphänomene verlangen es nicht minder; d a ß man sie nicht als ein Abströmen latenten Feuers aus der Wolke, sondern wiederum als Folge eines ewigen Prozesses, eben jener irdischen Wärmestrahlung, a u f f a ß t (II 9, 369 b 19ff.). Dies ist f ü r unseren Meteorologen u n a b d i n g b a r : was heute entsteht, ist einst so geworden u n d wird künftig auf gleiche Weise entstehen. E s ist unverkennbar, wie hier das Naturgemäße als das Rechte u n d Richtige charakterisiert ist (vgl. H . Diller, Der griechische Naturbegriff, N. J b b . 1939, 253), wie hinter der scheinbar nüchternen Ursachenforschung ein inniges 'Vertrauen auf die N a t u r ' (F. Solmsen) deutlich wird. — E r s t der Naturforscher, der im Erweis der ewigen Wiederholung seine Aufgabe erkannt h a t , k a n n zu wirklicher E x a k t h e i t vordringen. E s ist oberflächlich, sich mit der Definition zu begnügen, Wind sei bewegte L u f t (I 13, 349 a 14); es hält nicht der einfachsten Überlegung stand, wenn man sich die Flüsse aus einem unterirdischen Reservoir h e r s t a m m e n denkt. Den Sinneseindruck m u ß das begründende Denken vertiefen; dann gelangt m a n — so überraschend dies zunächst klingen mag — nicht zum nur ewig Gleichen, sondern auch zum Individuellen — weil die Frage diä ri auf die S t r u k t u r zielt (vgl. Düring 99). „ J e d e Naturerscheinung m u ß ihre spezielle, klar abgegrenzte Erklärung finden" heißt es 369 b 28. Mag auch materiell die Ursache zahlloser Vorgänge die gleiche sein, so werden diese doch durch Antriebskraft, Richtung, Zeit und Ort des Auftretens differenziert. So t r e n n t Aristoteles die Physis von Wind und Regen, (360 a 18 ff.), u m sie d a n n durch das übergreifende Motiv der Jahreszeiten wieder zu verbinden, so werden die bei Gewitter und Sturmwind a u f t r e t e n d e n P n e u m a p h ä n o m e n e (370 b 4ff.) u n t e r einer ganzen Reihe von Gesichtspunkten modifiziert, so daß sich eine lebensvolle, sachnahe Witterungskunde ergibt. — Neben dem Weltewigkeitsdogma beeinflußt auch die Lehre von dem übernatürlichen Ersten Körper die Anlage der Aitiologien. Zwar erhalten wir über das Wie der Beeinflussung unserer Erdenwelt von den b e n a c h b a r t e n Gestirnsphären her nur wenige — u n d durchweg sehr problematische — D e t a i l a u s k ü n f t e ; aber allein schon die Neuerung, d a ß das Himmelselement aus dem Erklärungszusammenhang herausgenommen ist, also nicht mehr wie bei Anaxagoras mit der Feuerzone identifiziert wird, ist folgenreich genug. Der R a u m der Meteora ist j e t z t der Dunstkreis der Erde, fortwährend durchzogen von den beiden mächtigen Strömen des Warmtrockenen und des Feuchten. An ihrer Grenze endet die N a t u r , beginnt das Reich des Wandellosen; und Aristoteles ist durchaus nicht der Meinung, daß mit einer solchen Grenzziehung der Physiker gewissermaßen aus der Rolle gefallen sei. Er hält eine solche Gliederung der Elementbereiche f ü r eine notwendige Folge „der neuen mathematischen Nachweise" (339 b 32), die auf eine bisher ungeahnte Ausdehnung des Gestirnraumes f ü h r t e n . —

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Der in den Meteorologica stark spürbaren methodischen Bewußtheit des Autors mögen noch einige Beobachtungen dienen. Wer von der arist. Physik oder den Büchern Über den Himmel herkommt und sich dort über Ordnung und Ungeordnetes belehren ließ (vgl. Decael. 301 a 4 f.), kann eigentlich im sublunaren Bereichkeine Regel, also auch keine Methode erwarten; weist doch der Meteorologe selbst darauf hin, daß er es hier mit einer Physis zu tun habe, „die ungeordneter ist als die des Ersten Körpers" (338 b 20). K a n n es denn, strenggenommen, ein Mehr oder Weniger an Ordnung geben? Das Problem löst sich durch den in der peripatetischen Naturlehre so wichtigen Rekurs vom Teil aufs Ganze. I m ganzen stellt sich der Wechsel zwischen Verlandungserscheinungen und Einbrüchen des Merees als zriS-ig rig xal neQÌoòog (351 a 25) dar; im ganzen stehen hinter dem Wettergeschehen — gemeinhin Inbegriff des Irrationalen — strenge Gesetze; Ar. wird nicht müde, die Notwendigkeit der atmosphärischen Vorgänge, wie er sie seiner Windlehre zugrunde legt, einzuschärfen (360 a 8ff. ; zu àvayxalov s. G. Patzig, Abh. Ak. d. Wiss. Göttingen I I I 42, 1959, 25f.). Das Notwendige aber ist „das, was sich nicht anders verhalten k a n n " , weil es — und damit übersetzen wir die Metaphysikstelle ( I I I 5, 1015 a 34) sozusagen ins Meteorologische — auf der Ewigkeit des Naturlaufs ruht. Erklärungen, die diesen Ankergrund nicht erreichen, sind 'zufällig' (vgl. 349 a 16). — Zwei gleichwertige Hilfen führen den Meteorologen zur notwendigen Erklärung, Aóyog und aia&t]aig (vgl. Düring, 1943, 22). E s entspricht ganz unserer Erwartung, daß wir den Vorwurf des äXoyov gegen die alten Physiker genau bei den beiden Brennpunkten des Kampfes erhoben sehen, anläßlich der Kosmogenese (355 a 21) und der überholten, weil statischen Auffassung des Feuerelements (369 b 19). Überlegung und schlichte Feststellung der F a k t e n lassen z. B . Piatons Theorie über Flüsse und Weltmeere (Phaid. 111C) als bare Unmöglichkeit erkennen (356 a 15ff.); «arò r à (paivoßwa xaì «arò TÒV Aóyov kann man die alte Lehre von der kreisrunden Oikumene nicht mehr ernstnehmen (362 b 12 ff.). Der Augenschein vermag auch zu richtigem Urteil über rà àipavrj anzuleiten (344 a 5), er verleitet freilich auch manchmal zu vorschnell geäußerten, der Prüfung nicht standhaltenden Sätzen — so hält es der Kritiker seinen Vorgängern vor (354 b 33 ff.), ohne zu bedenken, daß ihm an vitalen Punkten seiner Lehre das Gleiche widerfährt (das ominöse ÓQW/IEV 341 a 17!). — Prüft man diese zahlreichen Berufungen auf das, was jedermann an alltäglichen Naturvorgängen vor Augen hat, so fallen die Bezugnahmen auf Dinge des organischen Lebens auf. Das ist nun ein wohlbekanntes vorsokratisches Motiv; aber seine Verwendung bei den Vorgängern — wir müssen wohl vor allem an Empedokles tlnd Diogenes von Apollonia denken — befriedigt den Philosophen nicht. Es dient der Klärung nicht, wenn Empedokles den Salzgehalt im Meer als 'Schweiß der Erde' bezeichnete (357 a 25ff.); man ist zunächst betroffen, da Ar., wie sich sogleich ergibt, die nach seiner Meinung wahre Ursache, die warmtrockene Erdausdünstung, als salzigen R ü c k s t a n d auffaßt, wie es auch der Schweiß ist (vgl. 358 a 8 ff.). Aber auch hier ist es nicht der Lösungsgedanke als solcher, was für den Meteorologen zählt, sondern seine Funktion innerhalb einer geschlossenen Theorie des Naturlebens. Das Empedokleswort ist bloß eine Metapher (für die Naturforscherleistung in solcher Metaphorik, wie sie Bruno Snell gewürdigt h a t , Entdeckung des Geistes, 1946, 186ff., besaß Ar. keine Einstellung); Naturerkenntnis wird daraus, wenn man den Sachverhalt aitiologisch durchdenkt. Dann ergibt sich, daß das Meersalz Ausscheidungsprodukt eines organischen Prozesses ist, ebenso wie Asche, Schweiß, Urin. E s han-

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delt sich also nicht u m Vergleiche, Analogien, die dem Forscher von einem anderen Fachgebiet, etwa der Zoologie, her einfallen; vielmehr manifestiert sich in den verschiedenen Phänomenen hier u n d dort das eine ewige Werden und Vergehen. So können Großes und Kleines (z. B. 369 a 30 — Lieblingsausdruck) nebeneinandert r e t e n u n d sich gegenseitig erhellen. Der Donner m u ß auf dieselbe Weise erklärt werden wie das Knistern eines Holzfeuers (369 a 31); die Pneumawirkungen, die der Mensch v o m eigenen Organismus her kennt, zeigen sich im großen beim Beben und Zittern des Erdkörpers (366 b 15); und die Teile der Erde haben, nicht bildlich, sondern real, ihre verschiedenen Lebensaltersstufen, „wie die Pflanzen und Lebewesen" (351 a 27). — Die Fülle der in den Meteor, verarbeiteten D a t e n — eigene Beobachtungen und, wohl weit überwiegend, Lesefrüchte — h a t die Meinung aufkommen lassen, es übernehme hier der reine Empiriker, v o n seinen spekulativen Voraussetzungen weitgehend gelöst, das Wort (in diesem Sinn übertreibend auch Verf., 1935). Hier m u ß t e n wir, vor allem auf Grund der Mahnungen Ingemar Dürings und F r a n z Dirlmeiers, umlernen. Unser Durchblick h a t es wohl gezeigt, daß die naturphilosophischen Grundthesen f ü r alle und jede Einzelerklärung richtungweisend bleiben. Andererseits geht m a n offensichtlich einen falschen Weg, wenn m a n neuerdings den Entwicklungsbegriff in der Ar.-Forschung geradezu verpönt. I n den Meteor, sind auf einzelnen besonders intensiv durchgearbeiteten Sachgebieten Erklärungen mehr spekulativer Art, die auf dem übernatürlichen Himmelselement und seiner Kreisbewegung a u f b a u e n , zu unterscheiden von solchen, die der Eigenart des P h ä n o m e n s angepaßt sind, ohne unmittelbar einer transzendenten Ursache zu bedürfen (lehrreiches Nebeneinander in der Sternschnuppenbeschreibung, I 4, 341 b 35 ff.). Aitiologien der letzteren Art drängen sich in der Physik der Atmosphäre in den Vordergrund; daß sie genau auf die P u n k t e abzielen, an denen Theophrast mit einer noch betonteren empirischen Haltung ansetzte (vgl. die gute Charakteristik bei Gottschalk, 81), läßt die Richtung erkennen, in der sich Ar.s H a l t u n g als Meteorologe nicht augenfällig, aber doch bedeutsam gewandelt h a t . W e n n Theophrast, wie bekannt, es liebt, das Zustandekommen eines P h ä n o m e n s an ein, wie er es n e n n t , „symmetrisches" Übereinkommen von Ursachen zu binden, so lassen sich hierfür in den Meteor. — wir dürfen sagen, in ihren späten Teilen — deutlich Vorstufen finden.

4 Einige Beobachtungen zur F o r m der Pragmatie, so wie sie uns vorliegt, u n d zu einschlägigen chronologischen Fragen mögen diese Erwägungen abschließen. E s ist wohl noch nicht allgemein erkannt, was f ü r ein kostbares Stück arist. Geistesarbeit uns in den Meteor, vorliegt. Ein formal verwirrender Text, der fast alle Möglichkeiten wissenschaftlicher Aufzeichnung zeigt: den sorgfältig auf lange Sicht angelegten Beweisgang, das ' S t e n o g r a m m ' der sich allmählich entwickelnden Gedankenarbeit (vgl. Dürings Beschreibung des 'note-book-style', 1943, 68), die rasche Niederschrift von Aporien ohne Lösung, die ' F u ß n o t e ' , die Randnotiz — u n d dazwischen Stücke fein ausgearbeiteter Vorträge. Wohl verspricht der Autor in dem b e r ü h m t e n Proömium sich an eine bestimmte Abfolge der Materien zu binden; aber

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die Durchführung wächst über das Gerüst hinaus, auf die Schlußkapitel war der Leser nicht vorbereitet, so wenig wie auf die breit ausgebaute Hydrologie der E r d oberfläche, die sich in I 13 unversehens aus den Anfängen der sorgfältig vorbereiteten Windlehre ergibt. Eindringlich wird die Welt des Hörsaals deutlich — gegen die überraschende These Dürings, der ausgerechnet dieses typische Gelehrtenmanuskript zu den wenigen Schriften zählt, die „direkt f ü r Leser" (33, vgl. 352), nicht f ü r die Vorlesung bestimmt seien, spricht so g u t wie alles — wobei wir freilich (wie lange bekannt) nicht an einen Kollegentwurf denken dürfen. Mit größter Geduld wird immer wieder von neuem das leitende Prinzip — die doppelte tellurische Ausscheidung — eingeprägt. Der Professor h a t sich erstaunlicherweise wörtlich aufgeschrieben, was er zu den astronomischen Tafeln in seinem Hörsaal zu sagen h a t (346 a 31, 362 a 26 — allein schon diese Stellen scheinen mir übrigens den 'Leser' fernzuhalten); und die nette äsopische Geschichte, die er am Anfang von I I 3 als Bosheit gegenüber dem b e r ü h m t e n Kollegen Demokrit erzählt, ist zwar gewiß akademischer Sphäre gemäß, aber dergleichen k a n n m a n sich eher improvisiert denken als f ü r die Vorlesung ausführlich niedergelegt. Viele Hilfen gelten in diesem W e r k dem Anfänger (reizend I I 6, 363 a 28: „Der Deutlichkeit wegen ist hier der Horizontkreis gezeichnet — deswegen ist er auch rund"!), aber anderswo wird offenbar der eingeweihte Kenner als Hörer gedacht. Das Kapitel I I I 5 enthält die schwerste Mathematik im Corpus Aristotelicum, deren erst der große Sir T h o m a s H e a t h (1949) völlig Herr geworden ist, und die Anlage mancher sorgfältig bearbeiteter P a r t i e (z. B. I I 2/3: Salzgehalt des Meeres) ist derart, d a ß nach einer ausführlichen, u m sichtig angeordneten Doxographie die eigene Lehre in einen einzigen Satz förmlich chiffriert wird (358 a 21 ff.). U n d wiederum bei einer Materie, von der wir b e s t i m m t wissen, d a ß die voraristotelische Zeit ihr lebhaftes Interesse entgegenbrachte (Regen, Schnee, Reif, Hagel), fehlt fast jeder Hinweis auf die Arbeit der Vorgänger — offenbar wird deren Kenntnis vorausgesetzt. K. v. Fritz d u r f t e durchaus mit Recht in diesem Sinn die Pragmatien doch wieder als esoterisch bezeichnen ( S B München, 1964, H . 3, 21; vgl. auch die vortrefflichen Bemerkungen Olof Gigons, Mus. Helv. 23, 1966, 132). — N u n m u ß aber auch noch bedacht werden, d a ß diese reiche, auch disparate Vielfalt der schriftstellerischen F o r m nicht abzulösen ist v o n der Geschichte dieses Textes. Von ihr haben sich unverkennbare Spuren erhalten. Die gänzlich sachfremde Abteilung zwischen den Büchern 1 u n d 2, 2 u n d 3 beweist einen Eingriff in nacharist. Zeit, spätestens bei der Eingliederung in das Corpus Aristotelicum des Andronikos. Noch sprechender ist der B e f u n d a m Schluß der Meteor.: hier bereitet der Autor auf eine ganz andere Fortsetzung vor, als sie im folgenden T r a k t a t (dem sog. Buch Meteor. IV) geboten wird. Die Verbindung mit dieser Schrift — deren Unechtheit nicht bewiesen, deren A u t h e n t i z i t ä t nicht gesichert ist — s t a m m t gewiß nicht vom Verfasser der ersten drei B ü c h e r her. D a ß sich gelegentlich, neben nicht ganz wenigen Doppelfassungen, ganz isolierte Stücke von E n t w ü r f e n finden (z. B. 376 b 22—28), läßt auf die Tätigkeit eines 'pietätvollen Redaktors' schließen, wie sie Düring, 1966, 35 geschildert h a t . Wichtiger noch ist die zeitliche Stellung der Lehrstücke zueinander. Die Meteor, sind, wie bereits angedeutet, keinesfalls in einem Zuge in der uns vorliegenden Gestalt niedergeschrieben worden. Das betrifft nicht nur die erhebliche Anzahl erkennbarer nachträglicher Zusätze (zu denen ich auch den großen Exkurs I 13—11 3 rechnen möchte), sondern auch die in I 3 erhaltenen aufregenden Aporien, in denen nichts Geringeres als 9

A r i s t o t e l e s , 12

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eine Grundlagenkrisis, das Feuerelement angehend, angedeutet ist. Das führt in recht frühe Zeit; scheint es doch sogar, als schwebe dem Meteorologen vorübergehend eine andere Beschaffenheit der Himmelsregion vor, als sie De cael. 12 programmatisch vorgetragen wird (s. S. 140). Der Zeitpunkt der Niederschrift der Meteorologie (daß die chronologische Frage für I—III und IV getrennt zu stellen ist, mahnt Solmsen, Gnomon 133, mit Recht), dem gewiß Jahre des Sammeins vorausgegangen sind (Düring 51. 351), ist nicht zu fixieren. Daß nach der Rückkehr nach Athen im Proömium des I. Buches die Revision des gesammelten Materials überschaut wird, ist eine plausible Vermutung Dürings (351). Es führt natürlich nicht zu chronologischen Aussagen, wenn dort der Lehrschrift nach Phys, De cael., De gen. et corr. ihr systematischer Platz angewiesen wird. Zitate in anderen» Schriften (außer Meteor. IV) liegen nicht vor. Zwei Fixpunkte (Tempelbrand zu Ephesos J. 356, Komet vom J . 341/40) lassen sich nicht schlüssig als Termini verwerten (das letztere Datum wird übrigens von Düring 44 und 351 verschieden beurteilt). Wichtig ist, daß die von Alexander erschlossene Kenntnis Vorderasiens in der arist. Geographie (I 13) keine Spuren hinterlassen h a t ; an diesem längst statuierten terminus ante quem möchte ich mit Düring (der die Einwendungen Jaegers und Capelles mit Recht zurückweist) festhalten. Übrigens verliert die Datierungsfrage erheblich an Bedeutung, wenn man sich die Tatsache vor Augen hält, daß wir hier ein Dokument gelehrter Arbeit vor uns haben, das offensichtlich mehrere Revisionen erfahren hat und nie eigentlich fertig geworden ist. Nicht mit Glück erneuert H. D. P. Lee (XXVII) die alte Antithese zwischen dem antiken Naturphilosophen und dem modernen Naturwissenschaftler, um der arist. Meteorologie die wissenschaftliche Relevanz abzusprechen. Vergegenwärtigt man sich, welchem geistigen Aufschwung diese rationale Physik des Raums 'unter dem Monde' verdankt wurde, welcher Agnostizismus, welcher Aberglaube sie sehr bald wieder ablöste, dann wird man den Autor jedenfalls „auf der Suche nach der Wahrheit" finden, dort, wo er sich selber finden lassen wollte (II 3, 356 b 17: ol rijv äMföeiav &lTOVVT£g). Mit diesen Erwägungen ist auch die Absicht bezeichnet, mit der der folgende Grundriß eines Kommentars angelegt wurde. Neben der sachlichen Erläuterung, wie sie die Besonderheit der Meteorologie notwendig macht, wird versucht, den Denkstil des naturkundlichen Forschers und Lehrers zu erhellen und der Entstehungsgeschichte dieses seines Handexemplars (vgl. Düring, 1966, 36) nachzugehen.

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5

Inhaltsübersicht BUCH I 1—2 Einleitung 1 Vorwort: Themen; Stellung der Meteor, innerhalb der Naturlehre 2 Die fünf Elemente 3—8 Phänomene des oberen sublunaren Raums 3 Vorerwägungen 4—5 Sternschnuppen und Verwandtes 6—7 Kometen 8 Milchstraße 9—13 Phänomene der Atmosphäre 9—12 Wolke, Regen, Schnee, Hagel 13 Wind (Themastellung); Hydrologie der Erdoberfläche 14 Wechsel von Trocken und Feucht auf der Erde BUCH II 1—3 Natur des Meeres 1 Problem seiner 'Quellen' 2—3 Salzgehalt 4—6 Windlehre (Durchführung) 4 Ursachen 5 Einzelwinde 6 Windrose 7 - 8 Erdbeben 9 Gewitterphänomene: Donner und Blitz BUCH III 1 Gewitterphänomene: Fortsetzung 2—6 Spiegelungserscheinungen 2 Allgemeine Überschau 3 Halo 4—5 Regenbogen 6 Nebensonnen. — Übergang zur Behandlung von Metallen und Mineralien

9'

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6 Zu Text, Ausgaben,

Erklärung

Die hier vorgelegte Ubersetzung h a t die vortreffliche Textausgabe von F. H . Fobes (Cambridge/Mass. 1919) — 'one of t h e best editions of a Greek a u t h o r existing', Düring, 1944, 27 —, sowie deren kompetente R e t r a c t a t i o durch H. D. P. Lee (Loeb Library 1952) zur Grundlage. Hinsichtlich der Verläßlichkeit der von Fobes musterh a f t aufgearbeiteten Überlieferung (vgl. auch Cl. Phil. X , 1915, 188ff.) sind wir recht gut gestellt. F ü h r e n d ist der b e r ü h m t e (älteste) Ar. Codex Parisinus Bibl. N a t . 1853 (E), der von erster H a n d (10. Jh.) die Vorlesungsreihe Phys. De cael. De gen. et corr. Meteor. D e a n , enthält. Ebenfalls von hoher Autorität ist der Wiener Codex Vindob. phil. 100 (J), den Bekker in seiner grundlegenden Ar.-Ausgabe (Berlin 1831) noch nicht herangezogen h a t t e . Die weiteren von Fobes benutzten 8 Handschriften s t a m m e n aus dem 12.—15. J h . Der Editor h a t die griechischen K o m m e n t a t o r e n der Meteor, genau verglichen, es sind dies (im R a h m e n der Berliner Commentaria in Ar. Graeca) : Alexandros von Aphrodisias, I n Ar. Meteora commentaria, ed. M. H a y d u c k , Bln. 1899 (vol. I I I 2); zit. Alex. Olympiodoros, I n Ar. Meteora Commentaria, ed. Guil. Stüve, Bln. 1900 (vol. X I I 2); zit. Ol. J o a n n e s Philoponos, I n Ar. Meteor, librum p r i m u m Commentaria, ed. M. H a y d u c k , Bln. 1901 (vol. X I V 1); zit. Phil. Hinzuzunehmen ist (für Meteor. IV) Alex. De mixtione, ed. I. Bruns, S u p p l e m e n t u m Arist., Bln. 1892. U n t e r ihnen ragt der b e r ü h m t e Aphrodisier (einflußreicher Aristoteliker u n t e r Kaiser Septimius Severus) hervor; obschon dies K o m m e n t a r w e r k nicht ganz auf der Höhe seiner anderen steht, k a n n sich der heutige Erklärer seiner oft m i t Nutzen bedienen. Phil, (christlicher Gelehrter des 6. J h . ) und der sehr breit abhandelnde Ol. (5. J h . ) sind streckenweise f ü r die Traditionsgeschichte der arist. Problemstellungen und Lösungen ergiebig. Das Interesse der F r ü h - und der Hochscholastik (Albertus Magnus, Thomas v. Aquino, Roger Bacon) an den Meteor, wird durch Übersetzungen (erstmals Gerard von Cremona, gest. 1187, nach einer arabischen Vorlage des 9. J h . ) , im 12. J h . auch durch Erklärungen bekundet (vgl. F. H . Fobes, Cl. Phil. X , 1915, 297 ff.). Albert verfaßte den ersten lateinischen K o m m e n t a r ; aus der Lyoner Ausgabe von 1551 (seitdem Opera omnia, ed. A. Bourget, Paris 1890) teilt Ideler (II 536 ff.) Exzerpte mit. Von der Editio princeps, der Aldina v o n 1498, an h a t sich der H u m a n i s m u s der Lehrschrift angenommen; bis zum J a h r 1619 verzeichnet Fobes noch 10 Neuausgaben (darunter von Erasmus, Sylburg, Casaubonus). Wichtiger noch sind die der italienischen Renaissancephilologie v e r d a n k t e n Beiträge zur Erklärung, wobei (vor Patrizzi, Zabarellà) der scharfsinnige, urteilsklare Milanese Francesco Vimercati (Vicomercatus) an der Spitze steht; mit Recht läßt ihn Ideler immer wieder an entscheidenden Stellen zu Wort kommen. Den H ö h e p u n k t der älteren Meteor.-Interpretation stellt ohne jeden Zweifel der mächtige K o m m e n t a r dieses hochverdienten Thüringer Gelehrten dar (Jul. Ludw. Ideler, I. II., Lips. 1834—1836), von dessen souveräner Sach- und Literaturkenntnis auch der heutige Erklärer bedeutenden Gewinn ziehen k a n n .

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Von neueren Übersetzungen mit Anmerkungen seien folgende g e n a n n t : E. W. Webster, Meteorologica (in: The Works of Aristotle, translated into English, ed. W. D. Ross), Oxford 1931 (vorzüglich) H . D. P. Lee, Ar. Meteor., London 1952 (Loeb Library); s. o. J . Tricot, Les Météorologiques, Paris 2 1955 P. Cohlke, Meteorologie, Paderborn 1955

7 Literatur (Im K o m m e n t a r werden nur die Verfassernamen, gegebenenfalls dazu auch die J a h r e des Erscheinens, zitiert) Berger, i f . , Geschichte der wissenschaftlichen E r d k u n d e der Griechen, Leipzig 2 1903 Böker, R., u. a., 'Winde', Realenzyklopädie V I I I A 2 (1958) Sp. 2i'15ff. Böker, R., 'Wetterzeichen', Realenzyklopädie, Suppl. I X (1962), Sp. 1609 ff. Bonitz, H., Aristotelische Untersuchungen, Wien 1862—63 Burkert, W., Weisheit und Wissenschaft, Studien zu P y t h a g o r a s , Philolaos u n d Piaton, Nürnberg 1962 Capelle, W., Das Proömium der Meteorologie, Hermes 47, 1912, 514ff. Capelle, W., fierétooog, ¡uerecoooXoyía, Philol. 71, 1912, 414ff. Capelle, W., Zur Geschichte der meteorologischen Literatur, Hermes 48, 1913, 321 fF. Capelle, W., Berges- und Wolkenhöhen bei griechischen Physikern, Leipzig 1916 Capelle, W., Anaxagoras, Neue J a h r b ü c h e r usw., 22, 1919, 98 ff. Capelle, W., 'Erdbebenforschung', Realenzyklopädie, Suppl. IV (1924), Sp. 344 ff. Cherniss, H., Aristotle's Criticism of Presocratic Philosophy, Baltimore 1935 Capelle, W., 'Meteorologie', Realenzyklopädie, Suppl. VI (1935), Sp. 315 ff. Diels, H.,Kranz, W„ Die F r a g m e n t e der Vorsokratiker, I—III, «1951/52 (zit. D.-Kr.) Diiring, I., Aristotle's De partibus animalium, Critical and Literary Commentaries, Göteborg 1943 Düring, / . , Aristotle's Chemical Treatise, Göteborg 1944 Diiring, I., Aristoteles, Darstellung und I n t e r p r e t a t i o n seines Denkens, Heidelberg 1966 (zit.Düring) Eichholz, D. E., Ar.s Theory of t h e Formation of Metals and Minerals; Class. Quart. 43, 19; 49, 141 ff. Flashar, H., Ar., P r o b l e m a t a Physika (Ar., Werke in deutscher Übersetzung, hrsg. von E . Grumach, Bd. 19), Berlin 1962 Gilbert, W., Die meteorologischen Theorien des griechischen Altertums, Leipzig 1907 Gisinger, F., Die Erdbeschreibung des Eudoxos v o n Knidos, Leipzig 1921 Gottschalk, H. B., The Authorship of Meteor. Bk. I V ; Class. Quart. 55, 1961, 67ff. Gottschalk, H. B., The De coloribus; Hermes 92, 1964, 59ff. Gundel, W., ' K o m e t e n ' , Realenzyklopädie X X I (1921), Sp. 1143 ff. Guthrie, W. K. C., A History of Greek Philosophy, Cambridge I 1965, I I 1966

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Einleitung

Hammer-Jensen, I., D a s sog. IV. B u c h der Meteorologie des A r . ; Hermes 50, 1915, 113 ff. Happ, H., Der chemische T r a k t a t des Ar. I n : S y n u s i a ( F e s t g a b e für W. Schadewaldt), Pfullingen 1965, 289 ff. Heath, Sir Thomas, Mathematics in Aristotle, Oxford 1949 Jaeger, W., Aristoteles, Grundlegung einer Geschichte seiner Entwicklung, Berlin 1923 Kahn, Ch. H., Anaximander and the Origin of Greek Cosmology, New Y o r k 1960 Oder, E., E i n angebliches Bruchstück Demokrits usw. (Philol. Suppl. 7), Leipzig 1899, 229 ff. Rehm, A., 'Etesien', Realenzyklopädie V I 1 (1907), S p . 713 ff. Rehm, A., Griechische Windrosen, Sitz.-Ber. München 1916 Rehm, A., D a s siebente B u c h der N a t . quaest. des Seneca usw., Sitz.-Ber. München 1922 Rehm, A., 'Nilschwelle', Realenzyklopädie X V I I i (1936), Sp. 571 ff. Rehm, A., 'Episemasiai', Realenzyklopädie, Suppl. V I I (1940), Sp. 183ff. Reinhardt, K., Poseidonios, München 1921 Solmsen, F., Aristotle's S y s t e m of the Physical World, I t h a c a , N.-Y., 1960 (zit. Solmsen) Soimsen, F., Besprechung der Meteor.-Ausgabe von H . D. P. L e e ; Gnomon 29, 1957, 130 ff. (Zit. Gnomon) Steinmetz, P., Die Physik des Theophrastos von Eresos, B a d Homburg-BerlinZürich 1964 Strohm, H., Studien z. Entwicklungsgeschichte der arist. Meteor. (Philol. Suppl. 28), Leipzig 1935 (zit. Verf.) Strohm, H., Zur Meteorologie des Theophrast, Philol. 92, 1937, 249ff., 403ff. Thurot, F. G. C., Observations critiques sur les Météor. d'Aristote; R e v . archéol. 20, 1869, 4 1 5 f f . ; 21, 1870, 8 7 f f „ 249ff., 339ff., 396ÉF. Zahlfleisch, J., Zur Meteorologie des Aristoteles, Wiener Studien 26, 1904, 43 ff. Weitere Literatur ist in den Anmerkungen genannt. Grundlegend f ü r das Verständnis der Meteor, sind die Gesamtdarstellungen Solmsens und Dürings.

ANMERKUNGEN

BUCH I Kapitel 1 9,4 (338 a 25) „früher dargestellt". Die die Meteor, einleitende, innerhalb der Lehrschriften singulare Übersicht über die Naturlehre galt dem antiken wie dem neueren Aristotelismus (bis zu Ideler I 317) als schlagender Beweis f ü r Ar.s systematisches D e n k e n ; wird doch hier, wie es scheint, der Pragmatie innerhalb der bereits verf a ß t e n Werke (Phys., De cael., De gen. et corr.) u n d der noch zu schreibenden (s. zu 339 a 7) deutlich ihr Platz angewiesen. Vertiefte Einsicht in das Wesen der arist. Lehrschriften, wie sie vor allem W. Jaegers Erstlingsarbeit (Studien z. Entstehungsgeschichte d. arist. Metaphysik, Bln. 1912) v e r d a n k t wird, läßt uns heute überzeugt sein, daß solche Übersichten bestenfalls den A u f b a u des beabsichtigten Vortragskursus, nicht aber die Folge der E n t s t e h u n g kennen lehren. Das alte Mißverständnis wurde geradezu drastisch erneuert von P. Thielscher, Philol. 97, 1948, 229ff. (speziell zu Meteor.: 240f., wo W. Capelles bekannte Nachweisungen ignoriert werden). — Daß Wendungen wie EtQtjTai, el^tjaerai wirklich auf den mündlichen Vortrag gehen, h a t F. Dirlmeier, Merkwürdige Zitate in der Eudemischen E t h i k des Ar., S. B. Heidelberg 1962, 14ff. klärend bemerkt. 9,6 (a 26) „Alle F r ü h e r e n " : ungenau, insofern die Vorgänger mit einem anderen Begriff von meteoren Erscheinungen arbeiteten als Ar. (s. Einl. 122 ff.); auch können wir die hier behauptete Ausdehnung des Wortgebrauchs nicht nachprüfen. Daß deswegen nicht an Athetese des Kapitels zu denken ist, bewies Capelle, Hermes 1912. — „ E s u m f a ß t . . .": die Gliederung des Arbeitsgebiets entspricht im ganzen (ausdrückliche Nennung der atmosphärischen Spiegelung I I I 2—6 fehlt) der nachher im Werk (I—III) gebotenen; sie wirkt befremdlich und h a t Verdächtigungen des Proömiums mitveranlaßt. Ar. h a t offenbar die Scheidung dreier von oben nach u n t e n sich folgender sublunarer Räume im Sinn (a gestirnnahe Zone, b R a u m von L u f t und Wasser, c yfjg oaa fi£Qi])\ aber d a n n schießen die Gewitterphänomene 339 a 3 ff. über. Mit deren Umstellung verwischt Capelle (a. O. 533) die Tatsache, daß hier eben die Abfolge der Aitiologien, so wie sie uns überliefert sind, abgebildet wird; e'f OJV, 338 b 25, geht auf diese Abfolge, nicht auf einen Kausalnexus, der zwischen Erdveränderungen und Pneuma-Erscheinungen völlig fehlt; anders freilich Solmsen, 399, n. 27. Aus der Gliederung nach R ä u m e n t r i t t mit den Begriffen ' E n t z ü n d u n g ' und 'Verdichtung' ein anderes Prinzip, die Zusammenfassung nach der bewirkenden Ursache, hervor. 'Verdichtung' (des Gewölks) aber, 339 a 4, geht auf das bei der Blitzgenese entscheidende Moment (vgl. 369 a 23). — Das wichtigste Erklärungsprinzip, die feuchte bzw. trockene Ausdünstung aus der Erde, bleibt allerdings u n g e n a n n t .

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Anmerkungen

9 , 1 2 (b 24) „gemeinsame Vorgänge". Düring (der bei seiner Paraphrase des Proömiums 350 f. leider seine Auffassung von dessen Komposition nicht mitteilt) lehnt diese allgemein übliche Übersetzung a b : „unter xoivai nod^eig, xoivä egya oder nd&t] versteht er Prozesse oder Phänomene . . . hier also Luftphänomene wie die Winde, Wasserphänomene wie Regen, strömendes Wasser usw." (Anm. 41). Abgesehen von Bedenken gegen die Gleichsetzung der Termini egya und nd&rj wäre doch wohl darauf hinzuweisen, daß hier eine Nennung der Winde, die j a nachher, b 26, genau am 'richtigen' Ort aufgeführt werden, die ohnehin nicht einfache Gliederung des Ganzen aus den Fugen geraten ließe. L ä ß t man dagegen den Grundsatz gelten, daß dieses Vorwort die uns vorliegende Folge der Lehrstücke fast durchweg getreu wiedergibt, dann wird man die Beziehung der 'gemeinsamen Vorgänge' in der Atmosphäre auf die ar/v äo^at, vgl. Charles H. K a h n 25.

Kapitel 2 9,29 (a 11) „Elementarkörper". E s ist der von Ar. gründlich durchgearbeitete «Tcüjua-Begriff zugrunde zu legen, wie er z. B . De cael. 1 1 mit dem Moment der stetigen Teilbarkeit, also des Kontinuums der Natur, und mit der Ablehnung des Leeren verknüpft i s t ; auch sein nach Ar.s eigenen Worten (Phys. I I 2, 201 b 33) nicht leicht zu fassender xivrjaig-Begriff ist hinzuzunehmen, für den die Physik, vor allem das großartige V I I I . Buch, das Hauptdokument darstellt (zu xivrjaig erhellend H. Herter, der, Bonner J b b . 158, 1958, 113, bei Wege bemerkt, daß für die Griechen dieser Zeit „ein Körper mit einem ersten Anstoß nicht für immer in Gang gesetzt (sei), sondern nur so lange, wie die ihm mitgeteilte K r a f t vorhielt, und so bedurfte er eines stets erneuten Impulses"). Die Ewigkeit des Naturprozesses, von der der Philosoph überzeugt ist, bedingt eine ewig vorhaltende Bewegungsquelle, für die es zwischen Körpern grundsätzlich nur eine körperliche Übertragung gibt. Für die — in neuerer Zeit von Vimercato, Ideler erkannten, aber harmonisierten — Schwierigkeiten, in die sich Ar. mit der Annahme einer awe^eta zwischen himmlischer und irdischer W e l t hineinbegibt, ist bezeichnend, daß Alex, und Ol. die abschwächende La. owexr/i (a 22) aufnehmen (so noch B e k k e r ) ; ovve%t)s Fobes.

I 1-3

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9,30 (a 13) „der vier Elementarprinzipien wegen": athfiara u n d dgxai so» wie hier übersetzt, zu t r e n n e n , r ä t F . Solmsen, G n o m o n 2 9 , 1 3 0 (gegen Lee, der u n t e r ägxai die G r u n d q u a l i t ä t e n Heiß K a l t Trocken F e u c h t versteht). 10,11 (a 25) „ D a s Himmelselement ewig". Zu Ar.s sog. Ä t h e r h y p o t h e s e vgl. P . Mor a u x , R E X X I V 1963, Sp. 1196 ff., s. v. q u i n t a essentia. Ü b e r die philosophischen Konsequenzen der A b t r e n n u n g einer eigenen Himmelsphysik zuletzt H . H a p p , i n : Parusia, F e s t g a b e f. J . Hirschberger, 1965, 155flf. 10,11 f. (a 25) „ k o m m t . . . nirgends an ein E n d e " . Die i m irdischen R a u m vorfindbare geradlinige Bewegung k o m m t im reinen Oben bzw. im reinen U n t e n an ein E n d e . U n ü b e r s e t z b a r e s Wortspiel: TEAOQ ' E n d e , Vollendung, Ziel', aber auch 'Vollzug eines Dienstes', ev T¿Xei 'im Dienst, im A m t ' ; ein hohes W o r t (Soph. Ai. 1352, Phil. 385) — vortreffliche Monographie von D. Holwerda, Mnemosyne, 16, 1963, 337 ff. — wie d a s ebenfalls f ü r das Himmelselement gebrauchte ' s t e u e r n ' {xvßegväv, 339 a 23, im echten Ar. — Phys. I I I 4, 203 b 11 ist A n a x i m a n d e r - Z i t a t — singulär). I n T h e o p h r a s t s R e f e r a t über Philolaos 44 A 16 Diels-Kranz 2 ist der Gegensatz 'vollendet' — 'nirgends ein E n d e ' mit d e m f r ü h e r e n (Meteor. I 1, 338 b 20) 'Ordn u n g ' — 'gestörte O r d n u n g ' v e r k n ü p f t , d. h. Philolaos wird v o m P r o ö m i u m der Meteor, u n d von D e cael. I I 1, 284 a 2 ff. aus interpretiert. 10,15 (a29) „materielle Ursache". Die klassische Darstellung der Ursachenlehre findet sich in der Physik, I I 3.

Kapitel 3 10,24 (a 36) „ F e u e r L u f t Wasser E r d e " —: hier reißt der glatte Verlauf der Darlegung ab. N a c h der A n k ü n d i g u n g des speziellen T h e m a s k o m m e n diese Überlegungen zur E l e m e n t t h e o r i e u n e r w a r t e t ; es w a r j a soeben in K a p . 2 ü b e r die E l e m e n t e k n a p p u n d schlüssig gehandelt worden. U n d dieser N e u a n s a t z greift weit a u s ; was a m A n f a n g v o n 3 e r w a r t e t wird, n i m m t der Autor erst in 4 in Angriff; dort wird zu Beginn als n e u erklärt, was im 3. K a p . als selbstverständlich bei Wege b e r ü h r t worden war. Den Thesenstil der ersten Kapitel lösen m ü h s a m e U n t e r s u c h u n g e n ab, die nicht d a v o r zurückschrecken, das Himmelselement von n e u e m in F r a g e zu stellen, m i t so erstaunlichen E r w ä g u n g e n wie 340 a 28 (wo unterstellt wird, d a ß die Gestirne heiß seien) u n d 340 b 8 (wo Ar. feststellt, d a ß in den G e s t i r n r a u m irdische ndc&r} hineinreichen). E i n e r der interessantesten T e x t e aus Ar.s naturwissenschaftlicher Zetematik. 10,29 (b 3) „sogenannte L u f t " : gleich nachher die ' s o g e n a n n t e n E l e m e n t e ' ; der z u r ü c k h a l t e n d e Ausdruck n u r in Meteor, und De cael. I I 7), weil Ar. eine neue Auffassung v o n diesen K ö r p e r n im Sinn h a t . Der Meteorologe findet sich u n t e r einem gewissen Zwang von Seiten seines kosmologischen Systems, a) Alle Bewegung s t a m m t letztlich v o n der des Himmelselements her, b) die vier sublunaren E l e m e n t e vermögen sich ineinander zu w a n d e l n : wie ist der R a u m zwischen H i m m e l u n d E r d e konkret-stofflich zu denken, wenn bei der E r k l ä r u n g der meteoren Erschein u n g e n in i h m diesen beiden Systemgedanken R e c h n u n g getragen werden soll? W a s den G e s t i r n r a u m betrifft, so erreicht die temperamentvolle Darlegung ihr Ziel;

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Anmerkungen

340 a 18 betrachtet Ar. die Lehre des Anaxagoras von der Feuernatur dieses Raumes als erledigt. Aber mit der Gliederung des Zwischenraumes zwischen Erde und Sternenwelt geht es nicht rein auf; ein Stratum realen Feuers würde sich zerstörend auf den ganzen Bau auswirken, hingegen den Raum sich mit Luft erfüllt vorzustellen, widerspräche der 'Gleichheit' (340 a 15) der elementaren Körper — ein Grundsatz, ohne den ihre Umwandlung ineinander nicht denkbar wäre. Die ganze Untersuchung, in mehreren, keineswegs aufeinander abgestimmten Ansätzen geführt, endet (340 b 4), ohne daß die Fragen gelöst sind. 10,33 (b 8) „durch astronomische Forschungen" — des Eudoxos von Knidos und des Philippos von Opus (auf sie auch 345 b 1 bezüglich); vgl. Jaeger 157f., Burkert 308f. u. Anm. 11,8 (b 20) „ein alter Glaube". Die Hochschätzung uralter Überlieferung und das Ausdeuten von Worten, in denen sich Erkenntnisse früherer Epochen konzentriert haben, sind für Ar. charakteristisch, Jaeger 130 ff., der die thematisch verwandte Äußerung De cael. I 10, 279 b 4 ff. für den Dialog 'Über die Philosophie' in Anspruch nimmt. An der vorliegenden Stelle hebt sich die gewählte Sprache ohne Bruch aus der Umgebung heraus. — Ar. braucht hier so wenig wie sonst — was immer wieder behauptet wird — für sein eigenes Himmelselement den Namen Äther (Phys. IV 5, 212 b 21 heißt dies Feuer, vgl. Solmsen 301); wohl aber ist dieser Name, recht verstanden (Anaxagoras machte es falsch: De cael. I 3, 270 b 24), ein Beweis für das uralte Recht seiner eigenen Auffassung. — Zur Lehre von der in Intervallen wiederkehrenden Wahrheit s. Jaeger 138 f. und namentlich Solmsen 431 ff., Düring 218f. 11.25 (b 34) „von geringer Größe". Daß der Augenschein sich durch Beweise widerlegen läßt, betont auch der Verfasser der Epinomis, 983 A. — Wenn gleich anschließend die Kleinheit der Erde betont wird (340 a 6), so ist dies eine Spitze gegen Piaton, der im 'Phaidon' das Bild einer gewaltig großen Erdkugel entwirft, 109 A 9. 11.26 (b 36) „Abhandlung über den oberen Raum". Die Parallele in De cael. II 7 (mit Guthries Bemerkungen) zeigt, daß die J t ] T r ¡ f i a r a a) ob die Gestirne gleichen Stoffes seien wie ihre Umgebung, und b) wie die Tageswärme von der Sonne herabkommt, in der Diskussion miteinander verbunden sind. Ar. ist immer noch mit der Sonderstellung des Himmelselements und der riesigen Ausdehnung des Gestirnraums beschäftigt; letztere verbietet es, auf Grund der zu fordernden Analogie der vier Elemente, eines von diesen für den Stoff des 'Himmels' anzusetzen (die Widerlegung wird für 'Feuer' und 'Luft' durchgeführt). Das Beweisziel des ganzen Abschnitts aber (von 339 b 13 an) ist, nachdem der Gestirnbereich den irdischen Elementen entzogen ist, die Gliederung des sublunaren /xezaSv tÓTioQ, für den Vorgänger die Luft als Stoff beansprucht hatten, b 31. Am Ende wird dies zurückgewiesen; als 'Zwischenraum' ist 340 a 18 der sublunare Raum gemeint, wie auch die unmittelbare Fortsetzung zeigt. 12,5 (340 a 15) „an Wirkungskraft gleich". Den Vergleich von Elementen nicht hinsichtlich ihres Quantums, sondern ihrer Wirkungskraft zieht Ar. auch in De gen. et corr. II 6, 333 a 16ff., im Zusammenhang einer Polemik gegen Empedokles.

13

139

12,17 (a 25) „Warum bilden sich . . . keine W o l k e n ? " An die noch offene Frage der Raumgliederung tritt Ar. mit einer Hilfsfrage heran: die Grenze der Luft muß da gesucht werden, wo sie die Fähigkeit der Wolkenbildung verliert. Das ,rein aporetische' Stück (Webster z. St.), das den Forscher im Ringen mit den Problemen zeigt (was die Kommentatoren verwischen wollen, Alex. 12, 3 1 , 0 1 . 23,30), mutet befremdlich an. Dieser erdferne, aber auch gestirnferne ,obere Ort' ist doch wohl der obere L u f t r a u m ; aber dann müßte er entweder mit der Feuerzone identisch oder dieser benachbart sein und könnte auf keinen Fall ,relativ k a l t ' genannt werden. Die ganze Partie scheint ein Fragment zu sein, das auf einer den Meteor, sonst fremden Kosmologie basiert. 13,2 (b 8) „reinere und weniger unvermischte Stellen". E i n überraschendes Zugeständnis und, wie so manches in diesen einleitenden Kapiteln, singulär innerhalb der arist. Kosmologie. "/treue; . . . ovde ndvTr] anadiq tö fielen* owfiaräumt Alex, ein (18,28), und Philop. zieht die Konsequenz, daß dann eben auch am Himmel Werden und Vergehen herrscht, 'c5q xal iv rolg rjfiereQoii; ad>fiaaiv'' (50,29). Diese Feststellung nimmt voraus, was Galilei und Scheiner im J a h r 1610 mit der Entdeckung der Sonnenflecken durch Beobachtung bewiesen. — Das Lehrstück bringt zwar die lange erwartete Lösung, aber in befremdlicher Kürze () und b 34 (ai Òè fiera/JoAai) schließen fugenlos aneinander an. 57,19 (b 35) „ E t e s i e n " : „eine Strömung, die ihre Entstehung den oft tagelang über dem zentralen Mittelmeer gelegenen Hochdruckgebieten v e r d a n k t " (G. Schmidt, R E V i l i A2,1958 s. v.Winde, 2214), die eindrucksvollen 'Sonnenstürme' aus Norden, die v o m Juli bis September wehen. Als jährlich wiederkehrende Winde repräsentieren sie Taxis — soweit sie in der Atmosphäre zu verwirklichen ist — und sind d a r u m ein Schulfall f ü r den Aitiologen, der hier noch einmal der Zusammengehörigkeit der beiden Anathymiasen kräftig Ausdruck verleiht (362 a 9—11). W e n n zwischen Anathymiase u n d Straher dabei das Motiv einer notwendigen avfifiEXQÌa lungswärme der Sonne (auf ihrem Jahreslauf) einführt (362 a 4), so ist dies, wie man im Sinn Solmsens (412) sagen könnte, eine 'auxiliary hypothesis', die bei Theophrast geradezu systemtragend geworden ist. — Zum Etesienproblem (und zu den 'Vorläufern', noóòoofioi) s. Rehm, R E VI 1 1907,713-717; Böker 2258 ff. (zu 362a 1 f.) 57,33 (362 a l l ) „warum". Flashar bemerkt treffend, daß hier die typische Frageform der Problemata vorliege, 690 f. Bei Ar.s Lösung schwebt wieder ein 'symmetrischer' Zusammenhang zwischen der Wärmeenergie und ihrem Objekt, Eis und Schnee, vor. Der Erklärer will b e t o n e n : es gibt tatsächlich von Süden wehende winterliche Etesien, die aber schwächer und weniger regelmäßig sind (zu owexrfs in dieser Bedeutung Flashar 678), die Schönwetterwinde, eigtl. „weiße Südwinde", 15 Tage nach der Wintersonnenwende auftretend (Probi. X X V I 32, dazu Flashar 686). Alex. 93,11 u n d Ol. 177,23 fassen die 'Vogelwinde', a 23, ebenfalls als solche Südwinde auf, wozu die Ausdrucksweise Ar.s (ófioiwq öé) verleiten k ö n n t e ; ihren Nordwindcharakter h a t Rehm, Etesien, a. 0 . 7 1 6 , sichergestellt; vgl. auch Böker 2311f. Zu ihrer Zeit (beginnendes F r ü h j a h r ) kehren die Zugvögel zurück. 57,89 (a 16) zu a 2 ff.

„ G r u n d dafür". Die Stelle ist, bis

iyyvg

a 22, eine klare Doppelfassung

58,17 (a 31) „Südwind". Die hier abgewiesene Anschauung, er k o m m e vom Südpol (dem jonischen Erdbild entsprechend, vgl. Hipp. De vict. 38, Z. 30 Jones) h a t t e überraschenderweise sich Ar. kurz vorher selbst zu eigen gemacht, 361 a 5 (hierzu Berger 280,2). Zu der folgenden Lehre von der zwischen den Wendekreisen unbewohnbaren Zone (unbewohnbar, weil es dort keinen Schatten gibt, b 6ff.) p a ß t ein in unserer Oikumene fühlbarer Wind der Südhalbkugel nicht. 58,19 (a 32) „Erdzonen". Man wird das W o r t Zone (für arist. bczjirjtid) brauchen dürfen (fcórjj erst bei Autolykos, dem Lehrer des Arkesilaos, I I 5, p. 114,10 Hultsch). „Die Zoneneinteilung der Erde geht sicher auf Eudoxos zurück", Düring 398; zurückhaltender Böker 2345. Auf der von Ar.-benutzten K a r t e waren also die zwei bewohnbaren Zonen als Kegelschnitte gezeichnet.

II 4-5

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58,24 (b 3) „stets sichtbar". Der Ausdruck führt auf die zirkumpolaren Sterne, die sich doch für eine Fixierung von Zonen keineswegs eignen (Webster). Daß Ar. nicht den Polarkreis in unserem Sinn gemeint haben kann, zeigt Rehm, Windrosen, 38,1. „Ar. und noch Polybios (Strab. I I p. 97) begnügen sich eben inkonsequenterweise mit einem sozusagen an den Himmel und von da wieder auf die Erde zurückprojizierten Polarkreis, der . . . nur konventionell ist." Berechtigte Kritik des Poseidonios an der arist. Auffassung bei Strab. I I p. 94f. 58,32 (b 9) „Sternbild". Wenn schon diese 'gelehrte Interpolation' (Webster) Ar. selbst zum Autor haben könnte (Düring 351, Anm. 46), so entspricht doch gewiß die Stelle, die die Bemerkung hier einnimmt, nicht der Absicht, die Ar. verfolgt. Man wird einen redaktionellen Einschub anzunehmen haben. 58,35 (b 12) „Erdkarten". Mit der 'gegenwärtigen' Kartographie sind die immer noch im Gebrauch befindlichen jonischen Entwürfe in der Nachfolge Anaximanders gemeint, bei denen noch nicht mit der Kugelgestalt der Erde gerechnet wurde. Für Ar. ist die neue Lehre (zu deren Zentren bekanntlich die Akademie gehörte) eine Selbstverständlichkeit; wenn er I 13, 350 b 1 unbefangen die alte Horizontteilung zu Orientierungszwecken benutzt ((fj IJvQrjvrj) iojiv ogog jiqöq övc/ifjv iatj/icQivrjv ev r j j KeXrmfi), so muß ihm dies nicht (mit Rehm 40) als Rückfall in die hier geringschätzig abgewiesene alte Theorie angekreidet werden. Böker zeigt (a. O. 2346), daß Ar. die jonischen termini technici ävaTO?.fj und dvaig, im besonderen die &EQivfj und XEiiieQivfi, „zur Definierung der Schnittpunkte der auf dem Welthorizont senkrecht stehenden Wendekreise mit diesem" beibehält. „Wir dürfen uns durch eine schon zu seiner Zeit konventionell gewordene Beschriftungsform der Horizontteilung bei einer rein geometrischen Konstruktion nicht irre machen lassen: die Ausdrücke avaroXf) und övaig sind durchaus vorstellungsleer". Diese Beurteilung ist auch für die Interpretation von I I 6 wichtig. 59,9 (b 23) „5 : 3". Mit einer solchen Schätzung der Oikumene soll sich zuerst Demokrit gegen die runde Erdkarte gewandt haben; seine Proportion 3 : 2 nahm später Dikaiarchos wieder auf, fr. 109 Wehrli. Vgl. Berger 325 f. (über das erstaunlich lange Nachwirken des alten Kartenbildes). 59,15 (b 28) „des Meeres wegen". E s ist also nicht das Klima, was eine Besiedlung rund um die Erdkugel verhindert (Webster). An der berühmten geographischen Stelle De cael. I I 14, 298 a 6 ff. (wo die direkte Seeverbindung zwischen Gibraltar und Indien als plausibel bezeichnet wird, was zu den bahnbrechenden Entdeckungsfahrten ermutigte), spricht Ar. von einer ayaioa ov /¿tydÄTj. 5 9 , 1 8 (b 30) „gleiches Verhältnis". Wie die jonische Erdkarte durch ihren Schematismus gekennzeichnet war, so entwickelte sich auch in der Erdkugelgeographie eine auf Symmetrien abzielende Betrachtungsweise. „Der Äquator ist . . . eine Art Spiegelungsachse der geophysischen Vorgänge", Böker 2349. 5 9 , 2 4 (363 a 1) „Landwind" (änoyetov nveifia), hat keine große Eindringtiefe (Alex. 106,12; sachlich nicht richtig, s. Böker 2261). fj änoyeia (avga) bei Theophrast, der

186

Anmerkungen

solche lokalen Winde genau studiert hat. a 1 ist eazlv mit E , , Webster, Lee zu tilgen; leicht kann die%et oder dirjxei (Sitjxeiv Nebenüberlieferung b 35) auch zum Satzschluß bezogen werden. In der Glosse a 2 eco? o ßOQEAG OVTOQ DG RFJV IVRAV&A oixov/xevrjv nvei (getilgt von Fobes, Webster, Lee) ist der Sinn von 'Landwind' nicht verstanden. 69,38 (a 15) „beim Tauen". So die codd. (jrj^ig); 7ifj^ig nahm Fobes aus den Kommentatoren auf, nicht mit Recht, 'coctt«: rct nenrfyora vörna Trjxe.adai362 a 4 (in der Etesien-Genese). I m gleichen Satz ist vofiaq a 14 durch ^tovag zu ersetzen (mit Webster, nach Partsch; vgl. 362 a 18, 364 a 8ff.).

Kapitel 6 60,5 (a 21) „Windrose". F ü r die Kenntnis des arist. Windsystems bedeuteten die tiefschürfenden Untersuchungen Rehms und die sehr kompetente Retractatio durch Böker einen großen Gewinn. — Ar. setzt bei seinem Vortrag eine bildliche Veranschaulichung voraus (a 26 vnoyQcupr/, wozu Dirlmeier, S . B . Heidelberg 1962, 18); ebenso verfuhren die antiken Kommentatoren (eine der beiden Zeichnungen in cod. V bei Ol. 186). — Zu Kap. 6 ist außer Problem. X X V I die kleine pseudo-arist. Schrift Über Lage und Benennung der Winde zu vergleichen (ein Auszug aus Ps. Theophrast De signis: Steinmetz 353f., der aber die sorgfältige Behandlung durch Rehm, Windrosen, 94ff., übersah: kein Peripateticum). 60,8 (a 24) „Einzelprobleme". Dieser Hinweis auf die (verlorenen) Problemata physica ist, wie Flashar 303 ff. zeigt, für die Beurteilung des (im ganzen nachtheophrastischen) 26. Problembuches wichtig. 60,12 (a 28) „Man m u ß " . Übersetzung des Satzes nach Rehm, Windrosen, 37, der a 28 avröv codd. F j HN (avrov cett.) sichert; so auch Lee. „der andere Ausschnitt": vgl. 362 a 32 ff. Ar. will dem Leser mitteilen, „daß der Horizontkreis, den er nun mit Winden ausstattet, nur für die nördliche gemäßigte Zone g i l t " ; aber natürlich ist der Ausdruck, dieser Kreis sei die Zone (unklar das Sei de voeiv), schief ( R e h m 40). 6 0 , 2 0 (a 34) „Es sei". Bei der folgenden Horizontteilung nach den Solstitialpunkten wird eindringlich (und in einer in den Meteor, seltenen syllogistischen F o r m ) betont, daß die Gegenwinde einander xarä öidßeTQOV entgegenwehen müssen. „ E r kannte wohl eine Theorie, welche Euros und Lips, Kaikias und Argestes als Gegenwinde bezeichnete", Rehm, Windrosen, 41, Anm. 2 (vgl. Böker 2342). 6 0 , 3 1 (b 11) „Namen". Acht als Solstitial- bzw. Nord- und Südpunkte systematisierte Ausgangsorte am Horizont (b 12—27) werden einer jüngeren Namensgruppe (b 27—364 a 4) vorangestellt. Die erste Reihe geht hoch ins 5. J h . hinauf; bereits die Vorlage des Verf. 77. eßSo/idöcov im Corpus Hippocraticum wird so ausgesehen haben (ed. W. H. Roscher 1913). Den Argestes hat der Hebdomadiker wohl dem System zuliebe gestrichen (so Boll, R e h m ) ; der Boreas ist bei ihm nach Osten versetzt) (hiezu R e h m , Windrosen, 33f.). — b 14 ß. o xal änaQxziaQ (nur in F r e c ) gebilligt von Rehm 41. Zu agxzog in der Theorie der Himmelsrichtungen Böker 2340.

II 5 - 6

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60,88 (b 17) „Kaikias". Ein Schlechtwetterwind aus Nordost (Ursprung des Namens vom Kaikostal in Mysien nicht zu trennen), dessen Eigentümlichkeit (s. 364 b 12 ff.) im Altertum viel Interesse gefunden hat. Vgl. Rehm, R E X 2 1919, 1498 f. s. v.; Böker 2252f. — Kaikias, Apeliotes, Aparktias alte jonische Namen: Rehm, Windrosen, 23f. 61,6 (b 24) „Olympias" — „Skiron". Wir finden mit Ol. verschiedene Winde aus Nordwesten bezeichnet, natürlich nach dem häufigen Bergnamen, Böker 2309 f. Skiron ein Lokalname f ü r einen von den Skironischen Felsen kommenden Nordwest, Strab. I X , c. 391. 61.10 (b 27) „andere". Die Zufügung eines NNO- und eines NNW-Windes (und ihrer Gegenwinde) läßt die charakteristische arist. Rose entstehen. Rehm bringt (36ff.) das Hinzutreten des Meses und des Thraskias mit der von ihm angenommenen Inhomogenität der arist. Windrose in Verbindung: neben die älteren Namen, die noch mit der jonischen Erdkarte und ihren geographisch gemeinten Horizontteilungen zusammenhingen, seien unorganisch vier 'neue' Bezeichnungen gestellt; diese Ansetzung entstamme der Meridianprojektion, als einer Leistung der neuen Erdkugelgeographie. So scharfsinnig dies dargelegt wird, kann doch die Belastung Ar.s mit einer so starken Anomalie seines Systems nicht als wahrscheinlich gelten. Böker (2346) folgt Ideler (I 575f.) und Müllenhoff (Deutsche Altertumskunde I 257), indem er den Abstand der Solstitialpunkte vom Ost- bzw. Westpunkt mit 24° ansetzt (nicht 30°: Rehm u. a.) und annimmt, daß Ar. durch Halbierung der Bogenweiten zwischen Solstitialpunkten und Polen (also z. B. in der genauen Mitte zwischen Aparktias und Kaikias) die vier neuen Kreisteilungspunkte fand, welche zwei — als 'konventionell' zu nehmenden (vgl. die Bemerkung 363 b 31 f.) — 'Polarkreisen' von 66 Bogengrad entsprechen. 61.11 ff. (b 29) „Thraskias" — „Meses". Der erstere dieser Lokalnamen (bisher unerklärt) war nach dem Fragment N. äve/J.. &EO. (fr. 250 Rose) so weit verbreitet, daß Bökers Vermutung viel f ü r sich hat (2251), es sei ein böenartig einfallender nördlicher Wind an vielen Hafenorten der Oikumene so genannt worden. In Kaunos (Karien) heiße der Nordwind Meses, lehrt das gen. Fg. äv. ftsa. 1. Schifferjargon f ü r ävefiog ex fieaov'EÄX?](T7Z6VTOV? so Böker 2309. Von den Gegenwinden des Thraskias und Meses, mit denen Ar. seine Rose bereichert hat, ist nur zu einem (SSO) ein — ausdrücklich als ortsgebunden zitierter — Name beigegeben (364 a 3): ov xaÄcrvaiv oi negl TOV Tonern ixelvov (poivtxiav. Vermutungen zum Sinn des Namens bei Böker 2315f. 61,23 (364 a 5) „Es wehen". Eine Gruppe recht locker zusammengestellter Notizen füllt, so scheint es, die zweite Kapitelhälfte, die Temperatur der einzelnen Winde, ihre Bindung an die Jahreszeiten, ihre Wirkungen auf die Wetterlage betreffend. Doch entbehrt das Ganze nicht eines zusammenhaltenden Moments; es ist eben das Studium der Windrose, das den Autor zu seinen Feststellungen veranlaßt. Zunächst regt die Zeichnung (vnoyQaqrf, 363 a 26) eine Vereinfachung a n ; aus der Zwölfzahl treten wieder, den vier Hauptwinden entsprechend, einzelne Windgruppen hervor (zu ihrer Unterscheidung nach der Temperatur s. u. S. 188), 364 a 13 ff. Dann liest er aus der Windrose Gesetze ab, die er mit der praktischen Wetterkunde in Übereinstimmung bringt: entgegengesetzte Winde können nicht gleichzeitig wehen (a 27 ff.) — in entgegengesetzten Jahreszeiten treten entgegengesetzte Winde

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Anmerkungen

auf (a 32) — die Winde lösen einander gewöhnlich im Uhrzeigersinn a b (b 14ff. ; B ö k e r 2263 findet g u t e meteorologische B e o b a c h t u n g zugrunde liegend). B e s o n d e r s charakteristisch, wie die Wirkung gewisser nördlicher Winde beschrieben wird, b 30 ff. Sie k o m m e n f ü r uns, in der nördlichgemäßigten Zone, „ a u s der N ä h e " ; d a r u m s i n d sie k a l t , „ u n d v o m K a l t e n her entsteht der B l i t z " ; so sind sie besonders o f t v o n B l i t z e n begleitet. Dies wäre in sich stimmig, auch ohne daß der Aitiologe einen Blick in die N a t u r hinaus täte. — Während bei T h e o p h r a s t (De vent. fin.), S e n e c a ( N a t . q u a e s t . V 16f.) die fìéaiQ àvé/iiov nur im A n h a n g notiert wird, gehört die hier sich ausdrückende T a x i s in den Mittelpunkt v o n Ar.s N a t u r a u f f a s s u n g . 6 1 , 3 0 (a 13) „ B o r e a s " . Wenn m a n ihn allgemein als Nord und A p a r k t i a s genauer als 'the true north w i n d ' (Webster, zu 363 b 15) faßt, wird m a n wohl Ar.s e t w a s schillerndem S p r a c h g e b r a u c h gerecht. 6 2 , 1 f . (a 22) „ K a l t , W a r m und Heiß". Hier muß auf den problemgeschichtlich interessantesten A s p e k t des 6. K a p . a u f m e r k s a m g e m a c h t werden. 'Wind' war bisher nach allgemeiner E n t s t e h u n g und R i c h t u n g betrachtet worden ; eben mit dieser B e t r a c h t u n g s w e i s e war Ar. zu einer klaren begrifflichen F a s s u n g des P h ä n o m e n s g e k o m m e n . E r h a t es gewiß vorher nicht absichtlich vermieden, von der T e m p e r a t u r der W i n d e zu sprechen; vielmehr war die A u f g a b e , letztere zu erklären, gegeben, sobald ihre H e r k u n f t a u s den verschiedenen Himmelsrichtungen bzw. K l i m a z o n e n in den B l i c k g e k o m m e n war. Wird m a n auf d a s fraglose Auseinanderklaffen jener B e s t i m m u n g des Windes als einer Masse warmtrockenen H a u c h e s (361 a 30) u n d des A p a r k t i a s als k a l t (364 b 21 u. ö.), des L i p s als feucht (b 18) a u f m e r k s a m , so liegt es n a t ü r l i c h nahe, hieraus eben die selbstverständliche Anerkennung des täglich W a h r g e n o m m e n e n a b z u l e s e n : es gibt viele einzelne Winde, und sie m a c h e n sich in sehr verschiedener Weise f ü h l b a r ; gerade solches Differenzieren entspricht j a d e m G r u n d s a t z , d a ß 'alles, w a s s t r ö m t , eine Q u e l l e haben muß' (360 a 31). W i e solche E m p i r i e mit der von Ar. statuierten systematischen Stellung des Windes zu vereinen ist, ist gleichwohl eine legitime F r a g e . Der Meteorologe weicht ihr nicht a u s , er bringt während des Einzelreferats ausdrücklich seine allgemeine W i n d a u f f a s s u n g in Erinnerung (vgl. 364 a 10 z. B . mit 362 a 3 ff.). Wir sind also berechtigt, die Auss a g e n , die er als E m p i r i k e r m a c h t , nicht nur i m Sinn 'jonischer' Deskription zu fassen, sondern sie s y s t e m a t i s c h ernstzunehmen. P r a k t i s c h heißt das, nach der R o l l e des s y s t e m t r a g e n d e n F a k t o r s , der fjypà àva&vfiiaatg, zu f r a g e n . Die A n t w o r t , die K a p . 6 g i b t , ist überraschend genug. Der K a i k i a s , soweit er als Ostwind a u f z u f a s s e n ist, „ f ü h r t viel W a s s e r d a m p f als Material (jtoXXrjv vArjV xai àx/iida, 364 b 28) m i t sich und treibt es vor sich h e r " (noow&éi, auch 364 b 11). vXr] und in gleichem S i n n aä>fia des 'Windes' war bisher die warmtrockene Ausscheidung gewesen« 361 a 32, 360 b 32. Hierhergehörig sind die- (bisher v o n u n s a u s g e s p a r t e n ) Beschreibungen i m Schlußkapitel der Hydrologie ( I I 3). Der B o r e a s ist reich a n W a s s e r d a m p f (dr/ii's) u n d d a r u m k a l t ; „in unserer Zone m a c h t er den H i m m e l heiter, weil er (die Wolken) w e g s c h i e b t " (àmjj&sl), 358 a 35. Die warmtrockene A n a t h y m i a s e scheint v e r d r ä n g t ; wir lernen, daß es F ä l l e gibt, wo Winde w a r m sind nicht k r a f t der &EQßt] àva&vfiiaaig, sondern weil die S o n n e die L u f t erwärmt, 364 a 24. Der r a u c h a r t i g e n A u s s c h e i d u n g wird bloß noch die Rolle eines 'Motors' der L u f t m a s s e n belassen. D a s ibiüj&elv, ngooj&eiv in diesem Sinn zu interpretieren, wird gesichert durch I I 8,

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367 a 34 (aus der Seismologie); die wichtige Stelle muß hier vorweg interpretiert werden. Die Anathymiase sammelt sich vor gewissen Erdbeben im Erdinnern; „den Winden aber" (zum Anschluß dieses Gedankens s. die Anm. z. S t . ) „merkt man es nicht an, daß sie warm sind, weil sie die Luft in Bewegung setzen müssen, die mit viel kaltem Wasserdampf erfüllt ist". Das in der Winddefinition genannte Aition wird hier also nicht etwa eines Einzelphänomens wegen beiseite gestellt, sondern es wird mit methodischer Bewußtheit zum Träger einer im System neuen Aufgabe gemacht. Ar. hat eigens eine Exemplifizierung erdacht, deren Nachwirkung in der peripatetischen Naturwissenschaft wir noch beobachten können (Theophr. De vent. 19; vgl. Verf., Philol. 92 1937, 252): bei der ausgehauchten Atemluft ist die Wärme nur unmittelbar am Munde, nicht mehr in weiterer Entfernung fühlbar (367 b 1—4). E s ist dem Meteorologen beim Durcharbeiten der empirischen Daten entgangen, daß ein solches Gleichnis die Pneumatologie in bedenkliche Nähe zu der früher ( 1 1 3 ) so lebhaft bekämpften Gleichsetzung von Wind und Luft rückt. Wie stark Ar. durch das Eingehen auf die Einzelwinde über seine prinzipiellen Voraussetzungen hinausgedrängt wird, ersieht man aus der Notos-Beschreibung in der Hydrologie. Hier (358 a 31 ff.) wird die Möglichkeit unterstellt, daß der Südwind in seinem Ursprungsland kalt beginnt; aber schließlich ist er doch warm, „weil er im Fortwehen viel trockene Anathymiase aus den benachbarten Gegenden in sich aufnimmt". Die Auffassung, die in ihr die v?.rj des Windes sah, scheint hier denkbar weit entfernt. Der problemgeschichtliche Abstand betrifft vor allem die Doppelnatur der tellurischen Ausscheidung; mit der energisch betonten (vgl. 360 a 9) wechselseitigen Abhängigkeit des Feuchten und des Trockenen in ihr — wie es in Kap. 4 entwickelt worden war — ist das Auseinanderklaffen dieser Qualitäten und der eindeutige Vorrang der arfiig nicht zu vereinbaren, jedenfalls nicht in d e m Sinn, daß man meinen könnte, diese beiden Positionen seien gleichzeitig erdacht. E s ist 'späte' Lehre, was uns K a p . 6 vor Augen stellt. Daß es um einen geschichtlichen Verlauf geht, beweist die T a t sache, daß hier Theophrast, dessen Position von Kap. 4 weit entfernt ist, unmittelbar an Ar.s Lehre von den wasserdampfhaltigen Winden anknüpfen konnte (z. B . seine Etesien-Aitiologie, De vent. 11 f . : Wasserdampf, der Schneeschmelze im Norden entstammend, iit Stoff dieser Winde). 'Spät' also auch, und damit den großen Exkurs relativ datierend, sind die Bemerkungen über Boreas und Notos am Schluß der Hydrologie ( I I 3). Man überblicke noch einmal die Abfolge: in I 13 werden Anstalten zur Gewinnung eines neuen Windbegriffs getroffen; vorbereitend soll der Gleichsetzung von Wind und Luft umfassend begegnet werden, was sich dann aber als weitausgreifende Lehre vom Feuchten fortsetzt. An ihren Schluß, die Theorie der Salinität, hängt Ar. Notizen über einige Einzelwinde, in denen die populäre Rede vom 'kalten', 'feuchten', 'warmen', von der Landesnatur und -temperatur abhängigen Wind wiederholt wird, als habe es jenen Neuansatz nie gegeben (schlagend, wie verschieden mit dem Begriff TOTZOI 349 a 24 und 358 a 30 argumentiert wird). Und ohne jede Beziehung auf diese Windlehre im Vorgriff wird dann in I I 4 der klassische arist. Windbegriff entwickelt, von dem sich die Einzelwindtheorie wieder im Sinn jener Boreas-Aitiologie entfernt. Diesem Befund kann nur eine problemgeschichtliche Betrachtungsweise gerecht werden. 62,4 (a 25) „längere Zeit". Die für einen Vertreter der Erdkugellehre primitiv anmutende Wendung ('deplorable', Webster) zeigt, wie Ar. manchmal in Formu-

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Anmerkungen

lierungsweisen b e f a n g e n ist, die e i n e m v o n i h m ü b e r h o l t e n W e l t b i l d z u g e h ö r e n ; m i t diesem U r t e i l h a b e n R e h m , W i n d r o s e n , 41,1 u. ö., (der 25,2 die T h e o r i e , Ostw i n d e seien w ä r m e r als W e s t w i n d e , m i t T h r a s y a l k e s v o n T h a s o s in Z u s a m m e n h a n g b r i n g t ) , u n d K a h n 91 n . 2 d u r c h a u s r e c h t . Als m e r k w ü r d i g s t e s Beispiel darf w o h l 361 a 5 gelten, wo v o m N o t o s „ u n b e s t r e i t b a r u n d allen E r n s t e s als v o n e i n e m W i n d e d e r südlichen H e m i s p h ä r e " g e r e d e t wird, Berger 280,2. I n t e r e s s a n t , wie Alex., der die Sache n a t ü r l i c h d u r c h s c h a u t , v o r s i c h t i g m i t d e r Möglichkeit r e c h n e t , el xai ìoov ynóvov TIS '''no&olxo rjfaovo&ai rd TE àvaroXixà xai r à Svopixa, 111,22. Bei seinem B e s c h w i c h t i g u n g s v e r s u c h s c h e i n t er m i t d e m N e i g u n g s w i n k e l des S o n n e n e i n f a l l s zu r e c h n e n , w a s d e m ä l t e r e n P e r i p a t o s f r e m d ist (posidonianisch : S t e i n m e t z 48,3 A n m . 3).

6 3 , 1 5 (b 32) „ B l i t z " . N o c h k n a p p e r als hier, m i t d e m S t i c h w o r t nfj^is, w i r d seine E n t s t e h u n g i m P r o ö m i u m , 339 a 4, b e z e i c h n e t . Z u r B l i t z l e h r e s. u . I I 9. ' S t u r m b ö e n ' (eigtl. ' W i n d a u s W o l k e n ' ) , 365 a 1, w e r d e n s p ä t e r , 369 a 19, n e b e n B l i t z s c h l a g (xEQavvós) g e n a n n t ; sie sind ein P n e u m a - u n d zugleich F e u e r p h ä n o m e n ; w a s hier zu i h r e r Genesis a n g e g e b e n w i r d , will also keineswegs e r s c h ö p f e n d sein. 6 3 , 2 5 (365 a 8) „ Z e p h y r o s " . D e r T e x t ist d u r c h die Glosse ó yàq änaoxriag £éTa.Tov so stark hervorhebt (365 b 3 0 ) , a n d a s noom&üv

a n , d a s xiveiv

róv áéga

7iXr¡Qr¡ yivxQÖs ovra

xai noXkrjg

axfiidog

— 367 a 33 —, Wendungen, in denen sich diejenige Form der arist. Windlehre zu erkennen gab, wo die Anathymiase als Motor hinter den Luftmassen erschien und der Begriff von Wind stärker, als es die klassische Definition sichtbar machte, den empirischen Phänomenen angepaßt war. In diesem Sinn fortentwickelt mutet es (beim Besprechen des Zusammenhangs von Erdbeben und Finsternissen) an, wie 367 b 30 ein Übergang von Luft zu Wind statuiert wird (ó ár¡g . . . yíyvezat nvev/ia). Der Unterschied gegenüber der in I 13 so temperamentvoll behaupteten Position ist groß; es drängt sich auf, daß sie sich bei der Vertiefüng in die Einzelphänomene gewandelt hat. 65^20 (a 5) „bei Windstille". Erster Punkt einer bis 366 b 30 reichenden wohlüberlegten Gruppierung; es schließt sich, vom Aition des Windes her eng verbunden, die tageszeitliche Bindung der Beben an (vr¡v£/KX>TaTov ydg lanv . . . r¡ fieotjfißQia, a 14), es folgt — um sie mit arist. Ausdrücken zu bestimmen (365 a 35) — die Betrachtung der %ä>Qai und t&gat, d. h. der Erdbebenzonen und der Jahreszeiten (Witterungsperioden). Eine in ihrem Typus dem Leser bereits vertraute Analogie aus dem organischen Leben schließt ab. Den Beginn des nächsten Abschnittes (b 30) zeigt das Stichwort orj/ieia („auf Beobachtung beruhende Belege der Theorie") an; das Ende ist nicht mit gleicher Sicherheit anzugeben, doch ist die Tatsache, daß die Beschreibung der historischen Beben und ihre Interpretation an einer Stelle beendet wird, wo ein neuer Zusammenhang beginnt, der ein neues orj/xeíov Trjg EIQT¡/¿évrjg ahíag liefern soll (367 a 22), ein deutlicher Hinweis. Die folgende, zweite Hälfte des Kapitels bringt Bestätigungen und Erweiterungen, so für das Thema 'Tageszeit der Erdbeben' (a 27 mit ausdrücklichem Zitat zu vr/ve/iia 366 a 14). Die Parallele zu krampfhaften Erschütterungen des menschlichen Körpers taucht nochmals auf, 368 a 6, vgl. 366 b 25; die Mitteilungen über unterirdische Geräusche 368 a 14 ff. ergänzen die Schilderung des Seebebens ¡ISTÁ Y>óV (a 19f.), also als axEQtjau;, d u r c h a u s als positiv v o r g e s t e l l t w e r d e n ; D ü r i n g (1943, 136) h a t festgestellt, d a ß in D e p a r t . a n i m . 649 a 18 diese A n s i c h t a u s d r ü c k l i c h r e v i d i e r t w i r d : To tpv/nov . . . ov aregr/atg.

Kapitel 2 9 3 . 1 0 (b 10) „ A r t e n d e r W i r k u n g e n " . D a s T h e m a w a r in K a p . 1 gestellt u n d a u c h b e r e i t s b e g o n n e n w o r d e n , w e n n es 379 a 2 hieß, d a ß d a s V e r s a g e n der a k t i v e n Q u a l i t ä t e n zu aTzeytia f ü h . e n k ö n n e (wie {WjXvaiq — n i c h t /¿¿Ävvoiq: D ü r i n g z. St. — ein z u n ä c h s t r ä t s e l h a f t e s W o r t ) . D o r t a b e r war dies teilweise N i c h t d u r c h d r i n g e n (in Lees Ü b e r s e t z u n g ist d a s wichtige XGLTCL FIEQOI übergangen) nur nebenbei berührt w o r d e n , weil es d e m A u t o r d o r t u m äjiÄrj yevEOit; ~~ ofppii; (ebenfalls als u m f a s s e n d e r Begriff g e n o m m e n ) g e g a n g e n war. W i r m ü s s e n also die j e t z t a u f g e f ü h r t e n , m i t ' P e p s i s ' ü b e r s c h r i e b e n e n Einzelerfolge des F a k t o r s ' W a r m ' als U n t e r g l i e d e r u n g des ' W e r d e n s i m a b s o l u t e n S i n n ' a u f f a s s e n . I n diesem S i n n Alex. 185,32. 9 3 , 1 6 (b 14)

„diese N a m e n " .

Garmachen (Garzustand) Reifmachen Sieden Rösten

Roh

Ungarer Zustand Halbgar Angesengt

' S t a r r e s S c h e m a ' : D ü r i n g 69, H a p p 311 (u. A n m . 166) — richtig, a b e r d e r V e r f a s s e r d u r f t e a n n e h m e n , d a ß er d a m i t G r a d e auf einer d u r c h die S a c h e selbst — die Meister u n g der H y l e d u r c h d a s W a r m e , 380 a 3 — a n g e d e u t e t e n Skala bezeichne. Auf eine solche g e n a u e begriffliche Differenzierung sind freilich d i e A u s d r ü c k e der U m g a n g s s p r a c h e ' a u s K ü c h e u n d G a r t e n ' (Lee, I n t r o d . p. x x v i i ) n i c h t a n g e l e g t ; in i h n e n f i n d e t der n a t u r w i s s e n s c h a f t l i c h e Sinn n u r einen u n g e f ä h r e n A u s d r u c k (ov zavra, äXXä TOiavra b 16). Ar. e m p f i n d e t es ö f t e r s (z. B. Meteor. 341 b 15, 359 b 3 0 ; in I V n o c h 381 b 6. 15), d a ß i h m die S p r a c h e f ü r einen im S y s t e m d e f i n i e r t e n S a c h v e r h a l t kein W o r t liefert. D a ß diese H a l t u n g speziell arist., n i c h t a l l g e m e i n p e r i p a t e t i s c h ist, h a t H a p p 368ff. h e r a u s g e s t e l l t . D e r Ü b e r s e t z e r s t e h t v o r einer ä h n l i c h e n S c h w i e r i g k e i t ; u n g e r n m ö c h t e m a n ( m i t D ü r i n g ) sich ihr d u r c h B e l a s s u n g des griechischen W o r t e s e n t z i e h e n . Pepsis eigtl. ' V e r d a u u n g ' ; u n s e r ' G a r m a c h e n ' will auf d i e hier v o r w a l t e n d e Zielgerichtetheit (s. u.) f ü h r e n . D e r Leser möge — z. B. bei rekeiioai; — d e n Blick gleichzeitig auf d e n V o r g a n g u n d den Z u s t a n d r i c h t e n . 9 3 , 2 5 (b 18) „ F e r t i g s e i n " . Gleich d r e i m a l noch w i r d die F i n a l i t ä t h e r v o r g e h o b e n , die freilich schwer zu e r f a s s e n ist (die A u s f ü h r u n g e n ü b e r ' R e i f e n ' , a m B e g i n n v o n

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Anmerkungen

K a p . 3, h e l f e n z u m Verständnis). D a s vielangestrengte W o r t Physis, die richtige Mischung der Q u a l i t ä t e n bezeichnend u n d gleichzeitig Aoyog als F o r m e l h i e r f ü r , b 35, erscheint hier als Ziel eines ' G a r w e r d e n s ' , als Telos, mit d e m das Fertigsein einer neuen chemischen N a t u r (Düring) angesprochen werden k a n n . W e n n z. B. ein Lebewesen v e r d a u t (vgl. b 23), d a n n ist A u s d r u c k des d a b e i erreichten 'Ziels' die Gesundheit des Organismus, wie sie u. a. a n d e n n a t ü r l i c h e n Ausscheidungen deutlich wird (örjXol 380 a 2 u n p e r s . , D ü r i n g 76); diese selbst sind andererseits ein Zeichen, d a ß die wirkende W ä r m e — wie an der Parallelstelle Meteor. 358 a 12 f. f o r m u l i e r t — mit ihnen nicht 'fertiggeworden' ist (TIETTEIV e n t s p r i c h t j a a u c h u n s e r e m J a r g o n wort ' e t w a s v e r k r a f t e n ' ; der P h y s i k e r u n t e r s t r e i c h t das m i t seinem xqaxüv). — Die b 2'6ff. b e r ü h r t e n Prozesse sind als final insofern verständlich, als sie ein ' B r a u c h b a r e s ' verwirklichen (b 29)* aber dies t r i f f t f ü r nvov u n d M](irj gewiß n i c h t zu. D ü r i n g wird recht h a b e n , wenn er die U m w a n d l u n g des F e u c h t e n in R i c h t u n g auf neue 'physikalische' E i g e n s c h a f t e n bezeichnet findet (65; die V e r w e n d u n g dieser m o d e r n e n T e r m i n i , in definierter I n t e r p r e t a t i o n , k a n n nicht getadelt w e r d e n ; anders H a p p A n m . 69). 93,23 (b 19) „ i n n e w o h n e n d e W ä r m e " . Sepsis u n d Pepsis k o n k u r r i e r e n in gewisser Weise (mit XQareiv rfjQvh^g wird ihrer beider W i r k e n beschrieben); d a r u m ist Ar. bestrebt, f ü r erstere die W ä r m e v o n a u ß e n , f ü r letztere die innere als Agens einzusetzen (aus dieser b e t o n t e n T r e n n u n g ergibt sich zwingend, d a ß arjJioßEvov b 28 codd. nicht gehalten werden k a n n ; nenmvo/ievov T h u r o t ) . I n der relativ s p ä t e n Schrift D e gen. anim. wird das Verhältnis der beiden Vorgänge e x a k t definiert: rj daiovaa vyQOTtjg . . . rrjg otxeiaq &EQ[ioTrjTog döwaxcrvarjg nerreiv arpiexai, 784 b 4 f . Das trifft die Lehre in Meteor. I V ; der folgende, diese Beziehung geflissentlich einschärfende S a t z w u r d e — wahrscheinlich zu U n r e c h t — als redaktioneller E i n s c h u b verdächtigt.

Kapitel 3 94,23 f. (380 a 14) „ v o n gleicher A r t " . D e an. 416 b 24 spricht Ar. v o n d e m Ziel (Telos) aller Lebewesen, ' e t w a s hervorzubringen, was ihnen gleich sei'; vgl. Pol. 1252 a 29f. D a h i n t e r s t e h t platonische Unsterblichkeitslehre ( S y m p . 207 Dff.), u n d n a t ü r l i c h Ar.s zyklisch gefaßte Weltewigkeit, vgl. D e gen. et corr. I I 11. Alle Belege h a t bereits Ideler ( I I 425) zusammengestellt, a u c h d e n speziell b o t a n i s c h e n zu unserer Stelle, T h e o p h r . De caus. pl. I 16,1. 94,33 (a 22) „ w a s die Materie ü b e r w ä l t i g t " . E s h a n d e l t sich u m n i c h t s Geringeres als u m d e n eigentlichen N a t u r p r o z e ß , wie er d u r c h yewäv/yiyveo&ai (379 a 1—3) b*w. 9T&oqä (a 11) r e p r ä s e n t i e r t ist. D a ß dies W i r k e n / E r l e i d e n d u r c h xqaxeiv/xQareio&at beschrieben wird, v e r d i e n t A u f m e r k s a m k e i t . D a s ' Ü b e r w ä l t i g e n ' wird eindeutig m i t H a u p t b e g r i f f e n der arist. Lehre v o m W i r k e n u n t e r n a t ü r l i c h e n K ö r p e r n in Beziehung gesetzt, m i t xiveiv (rd de xtvovv xoaxEi 379 a 30 (Lee richtig ' w h a t causes change', also qualitatives V e r ä n d e r n ) ) u n d fiExaßdXXeiv (379 b 1, n e b e n xiveiv). Dabei m u ß n u n aber sogleich festgestellt werden, d a ß in der H a u p t u r k u n d e f ü r

IV 3

223

das Aufeinanderwirken der Dinge dies XQCneiv so gut wie keine Rolle spielt, so wenig wie ogi^eiv, das in Meteor. I V oft mit xgazsiv verbunden wird. G. A. Seeck hat scharfsinnig gezeigt (Über die Elemente in der Kosmologie des Ar., 1964, 47 ff.), daß das Gegensatzpaar Wirken/Leiden, mit dem realistischen 'besiegen' und 'überwältigt werden' im Grunde der arist. Physik ungemäß ist. Die Zentralstellung des Hylebegriffs in dieser Physik ist bekannt; in Meteor. I V fehlt sie, wie längst gesehen, zugleich werden hier die Elemente weitgehend durch die vier Qualitäten bzw. ihre Paare (av^vyiai 378 b 11: vgl. av^ev^eig, De gen. et corr. 330 a 30. 34) ersetzt. Das 'victory-motif', wie es Solmsen dargestellt hat (356 ff.), ist ein klares Platonicum (Tim. 56 C 8—57 C 6 : /J,ä-/Ed&ai, vixäa&ai, xgareiv); dahinter die Vorstellungsweise der alten Ärzte (mit Solmsen ist besonders 'De prisca medicina', Kap. 22ff., heranzuziehen). Die Nähe von Meteor. I V zu einer medizinisch-biologischen Ausdrucksweise wird von Happ 292ff. gebührend hervorgehoben. Hier hat auch XQaretv im bekannten althellenischen Sinn des 'Überwiegens' vielfache Verwendung gefunden (besonders sprechend De gen. anim. 766 a 14—21, neben nerreiv und xivslv), wie auch in der meteorologischen Sprache, wo es z. B . die Übermacht der Sonne, des Kalten, des Pneuma bezeichnet (Meteor. 366 a 15—17, 371 a 6—9 u. ö., ein ganzes Nest bei Theophr. De vent. 18). xgarEtv ist in der Sprache der Naturkunde zu Hause; aber dem anspruchsvollen Begriff der 'chemical transformation', wie er in De gen. et corr. tiefgründig und vielseitig entwickelt ist, vermag das Wort nicht entfernt Genüge zu tun, so wenig wie der im 4. Buch stark verkümmerte Begriff der Materie, die hier durch die zwei passiven Qualitäten repräsentiert ist. 95.8 (a 32) „Mißverhältnis". Das Gegenstück ist die richtige Proportion zwischen aktiven und passiven Qualitäten, die eine Formbestimmung der letzteren durch die ersteren ermöglicht. ov/i/iErQia ist hier also im Sinn eines Herrschaftsverhältnisses (vgl. ogi&iv als xgaTeiv) gemeint, anders an Stellen, wo eine harmonische Verbindung vorschwebt (von Warm und K a l t : Phys. 246 b 5 ; Männlich und Weiblich: De gen. anim. 723 a 29). — Zu b 33 „ E s reift aber nichts . . . " : der Satz gehört gewiß nicht an diese Stelle (vgl. unten b 10 f.), wird aber eine arist. Notiz sein, „im eigentlichen S i n n " : amo xaff' avro synonym mit xvgiwt; (Bonitz Ind. 416 b 4), dies gleich b 14. 9 5 , 1 4 f. (b 3) „spricht man". Gehäuftes Mycrai in diesem Kapitel; der Autor läßt sich seine Differenzierungen vom Sprachgebrauch bestätigen, findet ihn freilich für diesen Zweck nicht ausreichend (b 3 0 ! ) ; vor allem muß er, der allgemeinen Formel zustrebend, immer wieder die Enge des usuellen Bedeutungsumfangs bemängeln (b 14). 9 5 , 2 9 (b 15) „das ergibt". Nur Dürings Auffassung, daß sich TOVTO summarisch auf den Prozeß des 'Siedens' und sein Ergebnis bezieht, kann richtig sein. 96,8 (b 30) „metaphorischer Sprachgebrauch". ' E s gibt bei den Pepsis-Phänomenen viele Fälle, wo man von 'Reifen' spricht, im Hinblick auf einen gleichartigen Vorgang, jedoch in einem übertragenen Sinn': so 380 a 17 (xarä ftev TTJV avrrjv iöeav, fieraipogaiq de); so wörtlich auch hier, bloß schießt die Verneinung über; Thurot, Webster, Düring waren sich ihrer Tilgung sicher (Lee hält das ov). Aber die beiden Gedankengänge sind verschieden aufgebaut. 380 a 17: Vom Reifen der Frucht

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Anmerkungen

her — einem xvQiwg Xeyo/ievov — das 'Reifen' eines Abszesses anzusprechen, verfehlt nicht die löea solcher Prozesse, denn tatsächlich ist die Formel beidemal die gleiche (fj . . . jisxpig, b 21 f . ) ; aber die Ausdrucksweise ist 'metaphorisch' (gut vergleicht Ideler I I 412 ff. die Gegenüberstellung von xvgicog und xarä fieratpogdv Top. 154b 11). 380 b 3 0 : hier steht die Formel (in diesem Fall für Siedeprozesse) am Anfang, dann heißt es 'man verwendet mit übertragenem Ausdruck auch bei vielen anderen Vorgängen das Wort 'Sieden', aber die Art (iSea) des Prozesses ist nicht die gleiche ('nicht unter dem gleichen Gesichtspunkt', Gohlke, akzeptabel); der Sprachgebrauch läßt den Fehler nicht erkennen, den man mit-der Bezeichnung 'Sieden von Gold' macht. Denn es ist j a keine Rede davon, daß man dem Gold im Sinn der Siedeformel durch Hitze Feuchtigkeit (wie sie in Metallen latent ist, 378 b 2, 389 a 9) zu entziehen vermag; man kann es weich machen, 389 a 9, und ebenso Holz: was die Leute 'Sieden' nennen, ist das bekannte 'Dämpfen' (von Schiffsbjuholz: Düring zu 384 b 16). — I n den Ausführungen Happs zu 'eigentlicher' und 'uneigentlicher' Bedeutung scheint der vom T e x t gewiesene Blickpunkt nicht getroffen zu sein. E s ist keineswegs so, daß unser Physiker „für OTirrjaig (s. u.) und etprjaig genaue Entsprechungen in der Natur ausgrenzen . . . und sie onrrjaig (iytrjOig) benennen darf" (309). Umgekehrt, er ist im Grunde ein Opfer 'of the fatal power of language' (Düring, mit Hinweis auf seine wichtige Note 1943, 105); „er versucht zu erklären, warum eine bestimmte Gruppe von Vorgängen eiprjOig heißt (und verfehlt dabei völlig ihre wirkliche Natur)". Bei dieser Prüfung des Wortschatzes — die sich, echt arist., nicht weniger im B a n n der eigenen Grundthese als der Sprache vollzieht — kann ein Vorgang, konventionell und uneigentlich als 'Reifwerden', 'Sieden' bezeichnet, der Auffassung des Physikers unterstellt oder von diesem (z. B . bei Gold) als falsch erkannt werden. In beiden Fällen ist der konventionelle Name 'metaphorisch'. — Zur 'Ähnlichkeit' zwischen 'eigentlich' und 'uneigentlich' benannten Prozessen s. u. (zu 381 b 3ff.). 9 6 , 1 4 (381 a 1) „der Zweck". Ar. hat die Differenz zwischen dem e i n e n Namen 'sieden' und der Vielheit der so bezeichneten Vorgänge entdeckt und erweitert — mit, Rückblick auch auf die Pepsis-Phänomene — diese Beobachtung: es gibt auch eine Vielheit von Anwendungen der 'gesottenen' Dinge. Mit Recht beläßt Düring den angefochtenen Satz an seiner Stelle. 96,29 (a 12) „unvollständiges Kochen "(fiMvaig). Der Gegenbegriff zu 'Sieden' erinnert uns daran, daß wir aus letzterem Ausdruck ein Fertig-, Vollkommensein heraushören sollen (aus'Verbrühen', Düring, 1966,384, Anm. 251 hören wir das Unvollständig sein wohl kaum heraus). Die künstlich anmutenden Unvollkommenheits-Begriffe ficoAvois und ard&evaig (b 16) werden von der Vorstellung einer Symmetrie (zu 380 a 32) zwischen Innen- und Außentemperatur getragen. D a fiwkvaig ein Unterbegriff von cmeytia ist, trifft für sie grundsätzlich die Kennzeichnung der letzteren zu; speziell kann ferner Halbgarkochen durch Fehlen der Hitze im Kochwasser verschuldet sein. Dürings Textbehandlung macht den Passus verständlicher ( f j TS TIQOJTT] Aex&EIOA aneyiia (xal rj ÄNEYIA) . . .;die Wortfolge rj awfia (382 a 2) v o r g e g e b e n i s t ; a n i h m sind d a n n t a t s ä c h l i c h W e i c h / H a r t TiQWTa, a 8, die a b s o l u t g e n o m m e n n a t ü r l i c h s e k u n d ä r sind. Ü b r i g e n s ist d e r A u s d r u c k Q u a l i t ä t e n — a u c h die Ü b e r s e t z u n g d u r c h ' F e u c h t ' , ' T r o c k e n ' , ' W a r m ' usf., wie J o a c h i m a n wichtiger Stelle (zu D e gen. et corr. 329 b 7 ff.) d a r t u t — i m G r u n d e u n z u l ä n g l i c h ; a u c h bei d e n ' p a s s i v e n ' soll m a n h e r a u s h ö r e n , d a ß Ar. sie a l s 6vvdtfiEii; b e z e i c h n e n k a n n , 378 b 29. 34, 379 b 11 u. ö. 98,32 (a 14) „ P l a t z w e c h s e l " . A n der Parallelstelle D e gen. et corr. 330 a 8ff. f e h l t der F a c h a u s d r u c k avTinegicraaig, doch gibt das d o r t v e r w a n d t e fie&tOTaa&at g e n a u wieder, w a s a n unserer Stelle b e z e i c h n e t w e r d e n soll. D a s h e i ß t also, d a ß ävrmeQiaraaig hier n i c h t i m Vollsinn des f ü r M e t e o r . I — I I I w i c h t i g e n L ö s u n g s g e d a n k e n s s t e h t , s o n d e r n der ä l t e r e n p l a t o n i s c h e n A u f f a s s u n g g e m ä ß ( T i m . 79 B— E ; vgl. o. S. 152). 9 9 , 1 (a 19) „ T a s t s i n n " . ' W i r f o r s c h e n n a c h d e n U r s p r ü n g e n des w a h r n e h m b a r e n K ö r p e r s , d. h. also des t a s t b a r e n ' (De gen. e t corr. I I 2, A n f . ) : so k ö n n t e a u c h dies 4. K a p i t e l e r ö f f n e t w e r d e n . E i n Vergleich des A u f b a u s hier u n d d o r t (wo J o a c h i m s K o m m e n t a r f ü r Meteor. I V wertvolle Fingerzeige g i b t ) ist lehrreich. Z u B e g i n n des 2. B u c h e s v o m W e r d e n u n d V e r g e h e n h a t Ar. seine G e g e n s a t z l e h r e i n s Feld g e f ü h r t . E s k ö n n e n n u n diejenigen G e g e n s ä t z l i c h k e i t e n e r m i t t e l t w e r d e n , die die t a s t b a r e n K ö r p e r k o n s t i t u i e r e n ; es e r g i b t sich ein S y s t e m p r i m ä r e r (in sich w i e d e r als a k t i v p a s s i v geschiedener) Und a b g e l e i t e t e r Q u a l i t ä t e n , wobei a u c h W e i c h u n d H a r t — als v o n F e u c h t bzw. T r o c k e n a b g e l e i t e t — ihre E i n o r d n u n g f i n d e n . A m S c h l u ß v e r s i c h e r t sich der A u t o r n o c h m a l s des p r i m ä r e n C h a r a k t e r s j e n e r V i e r e r g r u p p e W a r m K a l t F e u c h t T r o c k e n . — I n M e t e o r . I V g e h t d e r V e r f a s s e r — d e r die a k t i v e n Q u a l i t ä t e n v o r h e r bereits in A k t i o n v o r g e f ü h r t h a t — m i t e n g e r e m Ausblick, in

IV 4 - 5

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weniger geformter, ruckweise vorgehender Darlegung dem Auf weis e i n e r Linie n a c h : Feucht u n d Trocken konstituieren die Körper, u n d sie 'müssen' (ävayxt], 382 a 10) hart oder weich sein. Was 330 a 8 ff. a l s sinnreiche Zuordnung gegeben ist (Weich abgeleitet von Feucht/Flüssig, H a r t v o n Trocken), wird definitorisch festgestellt: ' H a r t ist, was Antiperistasis erkennen l ä ß t . . .' (a 12 m u ß m a n eine Gedankenlücke geradezu aus 330 a 9 ergänzen: IEQ TIOIÜ t O tiygov'). — Der Kapitelschluß erhält Licht von De an. 424 a 2 ff., wo — nach einem Hinweis auf De gen. et corr. — die Bedeutung von ßeaoTTjQ erläutert wird: „Die W a h r n e h m u n g ist gleichsam die Mitte zwischen den Gegensätzlichkeiten im W a h r n e h m b a r e n " („zwischen denen die W a h r n e h m u n g oszilliert", Theiler z. St.).

Kapitel

5

99,4 (a 22) „ h a r t oder weich". Bei diesem Gegensatzpaar war am Kapitelschluß die Darlegung auf einen Seitenweg geraten (Überlegungen zur ala&T]aig); jetzt greift Verf. auf a 8 f. zurück und strebt in robuster Zusammenraffung dem nfjgig — Begriff zu. De gen. et corr. a. O. spielte diese Größe innerhalb des Nachweises des sekundären Charakters bestimmter Qualitäten eine untergeordnete Rolle; jetzt wird 'Verfestigung', ' K o n k r e t i o n ' und ihr Partner 'Auflösung', 'Schmelzen' auf eine weite Strecke hin der R i c h t p u n k t des T r a k t a t s . Man k a n n sich mit dem weitausholenden Anfang 382 a 27 einen eigenen Lehrvortrag eröffnet denken (Kap. 5—7), dem zur Herstellung des Zusammenhangs der Satz a 22 ff. vorgeschaltet ist (amüsant, wie sich in ihm der Gedanke pseudosyllogistisch gravitätisch im Kreise dreht!), a 23 olxeitp ogw: der Fachausdruck ist durch nichts vorbereitet, n u r durch De gen. et corr. 329 b 31 zu erhellen. I n der Chiffre 381 b 29 war das Gemeinte a n g e d e u t e t : Wasser läßt sich g u t in irgend eine F o r m fassen, weil es eben keine 'ihm eigene' hat. 99,14(a 32) „wie dargelegt". Das IV. Buch ist von zahlreichen Rückverweisen durchzogen (zusammengestellt bei Düring 26, der dieses Zitat — wie auch das b 7 folgende — summarisch auf K a p . 1 bezieht). So geordnet, wie es danach scheinen k ö n n t e , ist der T r a k t a t freilich nicht. Die Beobachtungen des unbefangen urteilenden Webster sollten nicht beiseite gelassen werden; es sind vielmehr ihre Folgen zu entwickeln. Die im doppelten inert (a 31/2) — die vier Grundqualitäten betreffend — b e h a u p t e t e Symmetrie wird durch die unerwartete Wortfolge a 33—b 2 (ro de Jia&og — ngäizov) gestört; der zweite Satz, mit seiner deplacierten Ankündigung (382 b 1), befremdet an sich schon. Mit Websters Umstellung (INCI . . . TIQCJTOV nach vyoaivea&ai, a 31) ist dem im ganzen ungeordneten, fahrigen Gedankengang nicht abgeholfen. Verteidigt wird er von Düring 81. 99,18 (b 1) „Verfestigung eine Art von Austrocknung". Innerhalb der Systematik, wie sie De gen. et corr. 329 b 32 ff. entwickelt wird, ist die Verbindung zwischen 'Fest' (nenrjyot;), ' H a r t ' (axlr/nov) und 'Trocken' (¡tjqöv) eindeutig; Verfestigung ist nur eine Hilfsvorstellung, u m Trocken und H a r t in die richtige Beziehung zu setzen. Hier in K a p . 5 soll dagegen Tiefte den Orientierungspunkt darstellen, a 27, u n d 'Trockenwerden' ist die Hilfsvorstellung. Da m u ß es zu einer Schiefheit führen, 15*

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Anmerkungen

wenn b 10 ff. reine Verdunstungsprozesse, bei denen nichts Festes (Hartes) als Rest bleibt, b 13 f., subsumiert werden. D a f ü r r ü c k t bei dem Autor das aktive P a a r W a r m / K a l t und seine trocknende Wirkung in den Vordergrund (b 16 ff.). Düring d u r f t e wohl k a u m Pexis als eine ' F o r m des Verdunstens oder Auftrocknens' paraphrasieren, 42. 99,25 (b 6) „gelten uns als k a l t " . D a m i t wird die Charakterisierung der beiden Elemente als trocken bzw. feucht ergänzt; vgl. De gen. et corr. I I 3, wo entwickelt wird, wie die d e m Augenschein nach einfachen Elementarkörper j e durch ein P a a r v o n Eigenschaften gekennzeichnet sind. 100,12 (b 26) „Wegfall", dtpaige^eircog — seil, rov ixrog degfiov, Düring, der dem vertrackten Satz mit Recht 'Condensed note-book Style' zuspricht.

Kapitel 6 100,16 (b 28) „Kondensation zu Wasser". Regen; in ymxöftevov steckt der meteorologische Fachausdruck f ü r Verdichtung des Wasserdampfs durch Abkühlung, yv$tt; (vgl. 347 b 13, u. ö.). „ P n e u r a a " (b 30) m u ß jedoch überraschen. De sens. 443 b 3 wird von Düring (82) als Parallele beigebracht; sie s t i m m t nicht ganz. Dort ist P n e u m a die als H a u c h fühlbare L u f t ( „ m a n schmeckt im Wehen die F e u c h t e " , es ist dabei an salzig schmeckende Meereswinde gedacht); hier im 6. K a p . verblüfft der Ausdruck deswegen, weil er völlig mit der Vorstufe des Regens, also Wasserd u n s t , gleichgesetzt wird (Dürings Beleg Jivev/iarova&ai, De gen. anim. 755 a 19, steht ferne, weil dort, umgekehrt, Verdunstung gemeint ist). I n De sens. a. O. ist dagegen är/xig mit aller Deutlichkeit (von 443 a 24 an liegt bereits die ausgebildete Anathymiasenlehre vor) von L u f t u n d ' R a u c h ' getrennt gehalten. — Die lexikalische Einzelheit bezeichnet den Abstand v o n Meteor. IV gegenüber den Meteorologica. 100,20 (b 31) „alles, was sich verfestigt". Die Phänomene der 'Verfestigung', wie sie in Meteor. IV begriffen wird, sind so verschiedenartig, daß sie v o m Trocknungsprozeß aus nicht vollständig zu erfassen waren. Weiteres k o m m t v o m Korrelat, dem 'Schmelzen' oder 'Flüssigwerden' (beides in xr]xea&ai) aus, in Sicht. Jirj^iQ und rijSig erhellen sich gegenseitig (z. B. bei der 'Verflüssigung' von Wasserdampf und dessen'Verfestigung' im Hagel); sie sind j a konvertierbar. Was verbindet sie überh a u p t mit jenen Trocknungsvorgängen? Ar. beantwortet dies im folgenden mit dem Hinweis auf die bewirkenden Qualitäten W a r m u n d Kalt, die ihm eine beängstigend spekulative Aitiologie an die H a n d geben. Die Ausführungen Piatons über Schmelzen, Gefrieren, H a r t b r e n n e n u n d Verwandtes, Tim. 58 D— 61 B (die auch eine F u n d g r u b e der einschlägigen Fachsprache darstellen), sind demgegenüber trotz hochspekulativer Grundlage anschauungsgesättigt (so auch Ar.: 'Das Wesen vieler Naturdinge f ü h r t (den Betrachter) zurück auf diese beiden ursprünglichen Quellen: W a r m u n d Kalt', De p a r t . anim. 648 a 23; es folgt eine Fülle feinsinnig differenzierender Beobachtungen). — Die vorsichtige Erwägung Theophrasts deutet eine neue, nacharist. Epoche der Forschung a n : „ N i m m t m a n ' W a r m ' und ' K a l t ' so, d a n n scheinen sie

IV 5 - 6

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bloß die Affiziertheit b e s t i m m t e r K ö r p e r zu b e d e u t e n , nicht ' u r s p r ü n g l i c h e Quellen' (áQxai) u n d 'wirkende Q u a l i t ä t e n ' " (De igne 8). 100,38 (383 a 12) „reines W a s s e r " . 'Wässerige Flüssigkeiten n e h m e n n i c h t a n Konsistenz zu', W e b s t e r - L e e , u m d e m v e r w u n d e r l i c h e n T e x t einen Sinn abzugewinnen (dabei fldcoQ = vöaros E!ST¡, 382 b 13). Richtiger wohl D ü r i n g : reines Wasser h i n t e r l ä ß t keinen B o d e n s a t z . Hiebei wäre also wieder nqyvva&ai = frjQaivea&ai: u n d ' t ó £r¡Qov ovtvíozaxaC, a 12. 1 0 1 , 2 4 1 . ( 3 33) „Schmiedeeisen — S t a h l b e r e i t u n g " . Besonders hilfreich f ü r diese vielbehandelte Stelle ist Lee, p. 324—329 (vgl. a u c h R . J . Forbes, Metallurgy in A n t i q u i t y , Leiden 1950). Die A n p a s s u n g unserer F a c h a u s d r ü c k e a n die V e r f a h r e n des A l t e r t u m s , d e m die Herstellung reinen S t a h l s (also f a s t ganz k a r b o n f r e i e n Eisens) aus technischen G r ü n d e n f r e m d bleiben m u ß t e , k a n n nicht ganz gelingen. E i n e völlige Verflüssigung des Erzes war in den griechischen E i s e n h ü t t e n m i t i h r e n Holzkohlenfeuern nicht möglich; vygóg wird 'geschmeidig', ' f o r m b a r ' meinen. oró/Mofla b e d e u t e t wohl d e n Vorgang des E i s e n h ä r t e n s , genauer des Erzielens einer ' s t ä h l e r n e n ' Schneide d u r c h A b k ü h l e n (letztere M a ß n a h m e wird allerdings hier nicht e r w ä h n t ) , {xpixnao&ai zu vnóazaaiQ: in d e n u n v o l l k o m m e n a r b e i t e n d e n a n t i k e n Schmelzen bildete die Schlacke tatsächlich d e n ' B o d e n s a t z ' . 101,33 (b 7) „Mühlsteine", m i t der schwarzen F a r b e , b 8, w e r d e n L a v a s t e i n e sein, vgl. P l a t . Tim. 60 D ( m i t Cornfords A n m e r k u n g ) u n d T h e o p h r . D e lapid. 11 f. L a v a g e s t e i n u n d der ' f e u e r f e s t e ' P y r i m a c h o s scheinen als Bodenbelag im Schmelzofen g e b r a u c h t worden zu sein. — b 9 : Tíjxera . . .yf¡ wird v o n d e n I n t e r p r e t e n seit T h u r o t getilgt (auch v o n D ü r i n g ) ; es sei i m m e r h i n darauf hingewiesen, d a ß in d e m parallelen Z u s a m m e n h a n g des 'Timaios' die Löslichkeit v o n E r d e k n a p p u n d präzise besprochen wird ( S c h l a m m k ä m e der ' n i c h t k o m p r i m i e r t e n E r d e ' , 61A 1, gleich); möglich, d a ß die W o r t e d e n R e s t einer solchen B e h a n d l u n g e n t h a l t e n . 102,7 (b 16) „ U r s a c h e n — W i r k u n g e n " . D a m i t wird auf d e n A n f a n g des K a p i t e l s verwiesen (rot? evavrioig, 382 b 33). Von seiner S y s t e m a t i k sich r ü c k b l i c k e n d ein Bild zu m a c h e n , ist a u c h f ü r das V e r s t ä n d n i s des Folgenden wichtig. Z u n ä c h s t wird — fivhai b 7 u n d fivXicu b 12 sind, der verschieden b e g r ü n d e t e n nfjStg wegen, nicht gleichzusetzen (Lee)—eine strenge u n d scheinbar eindeutige O r d n u n g a n g e g e b e n : Verf e s t i g e n von Wasser Wasser/Erde durch trockene Hitze 4> Kälte Wasser jHitze durch Verflüssigen E s folgt eine Reihe präzisierender bzw. einschränkender B e s t i m m u n g e n 1): nicht alle so wie oben angegeben verfestigten K ö r p e r sind löslich (382 b 33 f.) — 2) Flüssig-

230

Anmerkungen

keiten sind nie durch Feuer zu verfestigen, 383 a 6 (die Begriffe 'Wasser' und ' K ä l t e ' sind also — s. ob. — übers Kreuz zu verbinden) — 3) Stoffe der rechten Kolumne (Wasser/Erde) lassen sich sowohl durch Hitze wie Kälte verfestigen, a 13 — 4) Stoffe der rechten Kolumne sind z. T . löslich, z. T . unlöslich, a 28 ff. — Eine wichtige weitere Differenzierung wird durch die Unterscheidung von 'Verfestigen' und 'Verdicken' geschaffen.

Kapitel 7 102,12 (b 21) „Olivenöl". Das Erfassen seiner Wesensart war ein berühmtes t,r\xr\jia der antjken Physiker; vgl. Ar. De gen. anim. 735 b 13ff.; Plut. quaest. Symp. V I 9. ö l paßt nicht in das bisher skizzierte System, auch nicht an der für klebrige Stoffe vorgesehenen Stelle (vgl. 382 b 16), weil es Luft enthält (b 24, 384 a 1). 102.28 (384 a 1) „ ö l " : als S u b j e k t des Satzes ist T O VÖCÜQ überliefert, was Webster, Lee als Glossem tilgten; Dürings Bemühungen (86) entkräften dies m. E . nicht, rö elatov F H N . 1 0 2 . 3 0 (a 4) „ordnet man richtig ein". Die im Folgenden aufgebotene Fülle von Einzeldaten war bereits besprochen und eingeordnet worden; auch die systematischen Gesichtspunkte sind wohlbekannt (Verdicken — Verfestigen: 383 a 10ff.; Übergewicht einer Qualität: 383 a 2 7 ; doppelte Wirkung der K ä l t e : 384 a 9 f.). Am überraschendsten wohl, daß die Rolle der svavria, die als Ziel von K a p . 6 formuliert worden war, völlig neu gelehrt wird, 384 b 2. Gelegentlich wird auf das Frühere verwiesen, oder ein Einzelpunkt neu beigebracht (das Thema ' B l u t ' , 384 a 16. 25ff.); das Ganze läßt sich weder als Retractatio fassen noch aus der Neigung des Autors zu Wiederholungen begründen; es liegt uns eine Doppelfassung vor (besonders deutlich die Gleichläufigkeit bei dem Thema Trjxrd — äXvra, 383 a 26 ff. bzw. 384 a 33 ff.). 103.31 f. (a 34) „löslich — unlöslich". Der Timaios'-Parallelen hat man sich zu wenig bedient. Der Schluß des vorigen Kapitels hatte sich bereits der platonischen Darlegung der yfjg eiöt] (60 B ff.) — Salze, Soda, bestimmte Steine betreffend — genähert; hier am Ende von Kap. 7 berührt sich nicht nur das allgemeine Thema, 'Verbindungen von Erde und Wasser', mit Piaton (xoivä e( ä/ntpolv, 60 E 2), sondern auch der spezielle Lösungsgedanke: der zusammengepreßte Körper — etwa bei gebranntem Ton (aw&Mßea&ai 384 b 9, vgl. ov/inemfai/ieva 61 B 1) — bietet dem Wasser keinen Zutritt (öioöos b 10. 21 — elaoöog 61 A 2. B 2). Daß von hier der Porenbegriff in Meteor. I V herstammt, ist mir nicht zweifelhaft. — Wenn Düring unter den 'Steinen' 384 a 18, b 2 Kristalle versteht, so wird dies durch Tim. 6 0 C 5 f f . (mit Cornfords Note) bekräftigt.

Kapitel 8 104.29 (b 30) „die homogenen Körper". So darf man mit Düring Ar.'s ¿fiotOfieQ/ij umschreiben, organische Gewebe (dies steht voran, doch sind auch Knochen, Steine

IV 6 - 9

231

zugehörig, 385 a 9, 389 b 24), bei d e n e n auch d e r kleinste Teil d e n C h a r a k t e r des Ganzen r e p r ä s e n t i e r t . Vgl. Solmsen 403, D ü r i n g 14 ( u n d 1943, 125f.), H a p p 2 9 5 ; lichtvoll h a n d e l t ü b e r sie J o a c h i m im K o m m e n t a r zu De gen. et corr., passim. Sie sind f ü r Ar. der eigentliche S c h a u p l a t z des W e r d e n s u n d Vergehens, d a sie die K o m b i n a t i o n e n der vier E i n f a c h e n K ö r p e r bzw. der vier E l e m e n t a r q u a l i t ä t e n d a r s t e l l e n ; so r ü c k e n sie d e n n a u c h gleich im 1. K a p i t e l dieses T r a k t a t s in d e n V o r d e r g r u n d (vgl. J o a c h i m p. 64 f.). D a s Besondere des hier gebotenen A s p e k t s der H o m o e m e r i e n l e h r e b e s t e h t darin, d a ß die Unterschiede der einschlägigen S u b s t a n z e n mit besonderer Beziehung auf d e n T a s t s i n n entwickelt werden. 104,321. (b 33) „eingeschlossene A u s d ü n s t u n g " . Die N e n n u n g der A n a t h y m i a s e ist in Meteor. I V ganz isoliert; auch Düring b e t r a c h t e t die auf I I I 6, 378 a 15ff. bezogenen W o r t e m i t Solmsen j e t z t (1966, 386, A n m . 272) als redaktionellen Z u s a t z . 105,28 (385 a 19) „Verhaltensweisen". Sie zeigen ein noch u n m i t t e l b a r sinnenh a f t e s , nicht d u r c h A p p a r a t e v o m O b j e k t distanziertes E r f a h r e n der A u ß e n w e l t a n . Der B e d e u t u n g s b e r e i c h dieser W o r t e k a n n d u r c h e i n e Vokabel n i c h t getroffen werden, z. B. b e d e u t e t TEyyeo&cu ' b e n e t z t w e r d e n ' , aber auch ' d u r c h F e u c h t i g k e i t weich werden' (Düring). 1 0 6 , 3 (a 28) „ v e r f e s t i g t " . I m m e r wieder k e h r t der A u t o r zu d e n P e x i s - P h ä n o m e n e n zurück, diesmal m i t der seit d e m Schluß v o n K a p . 7 nicht m e h r ü b e r r a s c h e n d e n Abzweckung, d a ß die Verfestigung — die j a v o m V e r h a l t e n der passiven Q u a l i t ä t e n F e u c h t / T r o c k e n b e s t i m m t ist, — m i t der porösen S t r u k t u r der K ö r p e r (nöooi a 29, f r ü h e r diodog, EtooSog) in Z u s a m m e n h a n g g e b r a c h t wird. Die ' P o r e n ' w e r d e n als ganz selbstverständlich unterstellt, weder b e g r ü n d e t noch gegen a n d e r e A u f f a s s u n g e n verteidigt. D a ß die H a u t P o r e n h a t , bedarf allerdings f ü r d e n Biologen keiner B e g r ü n d u n g ; wie d e n n j a das W o r t ein breites S t r a t u m seiner Sprache bezeichnet (vgl. Bonitz Ind. 622 a 19ff.). Aber hier, in K a p . 8/9, h a b e n wir es m i t einem f ü r das W i r k e n und Leiden der Q u a l i t ä t e n schlechthin t r a g e n d e n Begriff zu t u n , es geht u m tiefgreifende, also 'chemische' V e r ä n d e r u n g e n (so bereits K a p . 3, 381 b l f f . ; die Auffassung der K a p p . 8/9 als eines herauslösbaren F r e m d k ö r p e r s ist m . E . abwegig). Hier d e n u n s a u s Ar. b e k a n n t e n Porenbegriff einzusetzen, s t e h t d e m f u n d a m e n t a l e n Satz, d a ß der natürliche K ö r p e r ein K o n t i n u u m sei (avvexig), s t r i k t entgegen ( G o t t schalk 68ff.). — „ P o r e n zu klein" . . . Tim. 60E wird beschrieben, wie die F e u e r t e i l chen ohne S c h a d e n f ü r die S t r u k t u r eines Q u a n t u m s E r d e d u r c h deren Leerstellen (öiaxeva) h i n d u r c h g e h e n k ö n n e n , w ä h r e n d die größeren W a s s e r p a r t i k e l diese P o r e n sprengen u n d so die E r d e auflösen. Genau das Gleiche schwebt n a c h h e r , 385 b 19, v o r . Von d o r t wird auch der hier, a 30, v e r w a n d t e Begriff von TTjxea&ai erhellt.

Kapitel 9 106,181. (b 8) „weder — noch". Die Möglichkeit des ' E r w e i c h e n s ' wird d u r c h Bedingungen eingekreist, die auf die jeweilige I n n e n s t r u k t u r der K ö r p e r ( E r d e / W a s s e r , bzw. F e u c h t / T r o c k e n ) bezogen s i n d ; die P r o p o r t i o n e n der Q u a l i t ä t e n s. zu 378 b33) differenzieren die Homoiomere. E i n solches U n t e r s c h e i d u n g s s t r e b e n wird bei einer

232

Anmerkungen

ganzen Reihe der in K a p . 9 besprochenen P a a r e deutlich; und jedesmal, wo 'chemische* Veränderung im Spiel ist (es stehen j a auch mechanische Vorgänge auf dem Programm), bedient sich der Autor der Porentheorie (beim Schmelzen, Aufweichen, Pressen, Verbrennen), aber auch beim Spalten (ßgaveiv) h ä n g t die E r k l ä r u n g an der supponierten I n n e n s t r u k t u r . 108,20 (386 b 2) „Poren, die leer s i n d " : m a n soll sie sich mit L u f t gefüllt vorstellen, Düring z. St., so wie die Löcher des nassen Schwamms voll Wasser sind, b 5. „ E s handelt sich nicht u m den leeren R a u m der Atomisten", Düring, 1966, 350; aber mit der heute von niemand mehr bestrittenen Feststellung, daß in Meteor. IV der arist. Ablehnung der Atomisten (Phys. 217 a 20ff., De gen. et corr. 326 b 25 u. ö.) nicht widersprochen wird, sind die Poren hier in K a p . 3, K a p . 8, 9 noch nicht aristotelisch geworden. — Vgl. die Definitionen von axXrjQ&v und ßaXaxov, 382 a 11 ff.; f ü r das dortige avxmeQuaxao&ai steht hier fieftiaxao&at. Es finden sich hier also zwei f ü r den nacharist. Peripatos wichtig gewordene ätiologische Gedanken zusammen, Poren und Antiperistasis; insofern lag die Theophrast-Hypothese nahe. Angesichts der durchgehenden schematisch-spekulativen Denkweise ist sie freilich doch wieder schwer begreiflich (richtig H a p p 306) — m a n denke an die absurde Haarspalterei 385 b 29 ff. 110,1 (387 a 17) „brennbar — nicht brennbar". Bis zum Kapitelschluß wird ein verwirrendes Netz ineinandergreifender definitorischer Bestimmungen ausgebreitet, das doch zu keinem geschlossenem System führen kann, obwohl der Verfasser unermüdlich u m Gruppenbildung b e m ü h t ist. Die 'Definitionen' gehen bald von dem supponierten Erklärungsgedanken aus („brennbar ist, was Poren h a t . . ."), bald von einzelnen Beobachtungen („entzündlich ist, was a) R a u c h erzeugt, b) nicht feucht i s t . . ."). Dazu steht der Physiker natürlich im Banne der Sprache, die ihm ( z . B . bei Rauch und Verw. 387 a 23 ff.) entsprechende Begriffsbestimmungen suggeriert. Das F u n d a m e n t der Erklärungen liefern einmal die Grundbegriffe Erde/Wasser bzw. Trocken/Feucht, sodann der bekannte ' S y m m e t r i e ' - G e d a n k e (Erz 387 b 28: genug Feuchtigkeit f ü r den Verbrennungsprozeß, zu wenig f ü r Flammenbildung). 110,4 (a 21) „von Feuer überwältigt". Hier wird deutlich, d a ß f ü r d i e zu 380 a 22 gekennzeichnete Vorstellung 'jigarciv' — die hier in äa&eveaxegav nvgög anklingt —, die Porentheorie das zu erwartende Korrelat darstellt (es wird kein Zufall sein, daß im Paralleltext, Tim. 60 E—61 B, die Ausdrücke ßia, ßid£eo&at gehäuft stehen). 110,16 (a 29) „Wind i s t . . .". Die Begriffsbestimmung ist geradezu alarmierend, wenn m a n sich an ihre temperamentvoll bemühte Widerlegung durch Ar. in Meteor. I 13 erinnert. Dürings Abwehr ('hat nichts mit der Lehre vom Wind zu t u n ' , 1966, 350, Anm. 37) ist nicht leicht zu verstehen. Auf eben dieser Seite läßt unser Chemiker erkennen, daß i h m an einer klaren Scheidung der atmosphärischen Strömungen liegt, er definiert, so präzise er nur k a n n , äx/ilg, xajivoq, övßiaatt; (von Duftstoffen aller Art aufsteigend); so ist denn auch dies eine richtige Winddefinition (die bei Sen., N a t . quaest. V 1, 1 wörtlich wiederkehrt). Bei der Wichtigkeit, die die Frage

IV 9-10

233

für den Meteorologen Ar. hatte, ist die Stelle für die 'Echtheitsfrage' nicht ohne Bedeutung.

K a p i t e l 10 112,1 f. (388 a 18) „nichthomogen". E s sind die Organe (Auge, Hand), oder auch organische Ganzheiten, die jeweils einen Komplex von Homoiomeren darstellen. Vgl. Düring, 1943, 126; 1944, 97. In dieser Partie a 13 - a 2 0 scheint mit der Einordnung von Holz und Rinde als ävo/ioio/iegrj ein flagranter Widerspruch zu 385 a 9 vorzuliegen, wo die selben Stoffe als ¿fioiofieofj geführt werden. Hilfreich war hier der Beitrag von H. J . Drossaart Lulofs (Mnemos. S. I V , vol. I , 1948, 2 9 4 - 2 9 6 ) ; er erkannte, daß der Autor ¿v qwrotc (a 19) eine Zweiteilung vornimmt: homogen sind Holz und Rinde, nichthomogen B l a t t , Wurzel usw. Ohne Kenntnis des Vorgängers kam Lee auf den gleichen Lösungsgedanken (z. St.). 112,10 (a 25) „wir wollen feststellen". Man hat den Eindruck, daß mit der Vorstellung der homogenen Körper — mit denen sich der Autor eben erst ausführlich befaßt hatte— ihre erstmalige Behandlung vorbereitet werden soll. Die Tatsache der verblüffenden Iterationen in Kap. 10 wird allzu geduldig hingenommen. Der seit Kap. 8 verfügbare Titel 'Homoiomere' ändert nichts daran, daß hier die folgende Statistik über yrjg, vdwtog sldt] xotvd Altbekanntes aus der Pexis-Texis-Lehre wiederholt, unter gelegentlichem Rückgriff auf die in K a p . 9 beschriebenen Verhaltensweisen (388 a 29 ~ 387 b 8); Verfestigen und Verdicken stellen ebenso wie früher das Leitwort dar, und die Beispiele kehren zum Teil wieder. E s sind sozusagen lediglich die Glieder der Gleichung umgestellt. „Was sich von festen Körpern unter der Einwirkung von Kälte verfestigt hat, gehört stofflich zu 'Wasser", 388 b 10; „was stofflich zu 'Wasser' gehört, wird nicht durch Hitze verfestigt" (sondern durch K ä l t e : 383 a 3); die selbe Gleichläufigkeit, mit identischen Beispielen, zeigen 389 a 11 und 384 a 12. „Was von beiden (Wasser, Feuer) verfestigt wurde, gehört stofflich zu beiden", 388 b 13 ~ 383 a 14 — usf. Der Verfestigungsprozeß, bei dem mit der Wärme auch die Feuchtigkeit den Körper verläßt, 388 b 27, ist längst vorher eingeprägt worden, 383 a 18. 30. F ü r die Theorie der Körper ergibt sich, wenn man vom Extensiven absieht (es wird mehr Material vorgelegt als sonst) nichts — wenn man nicht die Aufteilung von Naturdingen und -Vorgängen auf die Elementbereiche Erde, Wasser und deren Mischung bereits als einen Gewinn an Lehre ansehen will. Daß kein einziges Beispiel einer tatsächlich entwickelten 'Mischungsformel' geboten wird, gibt auch Happ zu. Gewiß hängt der Unterschied des Verdichtens vom Verdicken von der Andersartigkeit der Struktur ab (ersteres beruht auf dem Übergewicht des erdigen Bestandteils im gemischten Körper) — nur war dieser Unterschied bereits zu Beginn des 7. Kapitels bezeichnet, wo von Homöomeren noch nicht die Rede war. 112,17 (a 30) „zu Erde und Wasser". Sehr glücklich Dürings Tilgung von tj yijg rj. — a 31 ist fiEÄt statt §vXov zu lesen, mit Vimercati, Ideler. 113,28 (b 31) „Weihrauch". I n der Anzweiflung dieser auf jeden Fall an falscher Stelle eingereihten Notiz stimmen die Kritiker überein.

234

Anmerkungen

113,37 (389 a 9) „die Natur des Wassers". K a u m durfte Lee diese abschließende Liste als 'Bestimmung der Proportionen' der homogenen Körper überschreiben. Die z. T. ganz vage Zurechnung ('rechnen eher zur Erde . . .') liefert eben keine Proportion.

K a p i t e l 11 114.23 (a 29) „in gewissem Sinn als k a l t " . ' K a l t ' gehört zu den aktiven Qualitäten, wie gleich zu Beginn des T r a k t a t s gelehrt wird. Aber mit dieser Auffassung des aktiven Prinzips K a l t stößt sich, wie Düring 15 treffend ausführt, seine Rolle als passive Qualität, ein Widerstreit, der aus dem bedenklichen Dualismus von Element und Qualität im arist. System resultiert.

K a p i t e l 12 115,16 f. (b 24) „was . . . ein gleichteiliger Körper sei". E s ist die Frage, die der Leser bisher mit einiger Ungeduld zu stellen hatte. Letztere wird nicht von dem 'Chemiker' Ar. befriedigt, sondern von dem teleologisch orientierten Naturphilosophen. F ü r die Erkenntnis dieses Aspekts ist in Happs an wertvollen Gesichtspunkten reichem Aufsatz viel getan (bes. 299ff.); ich kann mich allerdings des Eindrucks nicht erwehren, daß die in Meteor. I V repräsentierte geistige Leistung stark überschätzt ist. 115.24 (b 29) „hinsichtlich ihres Wesens". Düring zeigt (13—15) meisterhaft ,aus welchen logischen und materiellen Elementen sich ein Naturding in Ar.s System zusammensetzt. Für einen Teil dieser Begrifflichkeit ist dies 12. Kapitel ein gutes kleines Kompendium; mit Nutzen zieht man Metaph. V I I 1 heran (Düring). 115.25 (b 29) „desto klarer, j e höher". Der Philosoph spricht mit gewohnter Terminologie von den 'späteren' (Naturdingen), 'VOZEQO. r f j yeveoei, aber 'TÖ5 eiSei xal zfj ovaiq. nQOTEQa; Metaph. 1050 a 5. Die Abstufung des Telos in den einzelnen (sogleich aufgeführten) Schichten und deren deswegen graduell verschiedene Erkennbarkeit stehen im folgenden gleichzeitig im Vordergrund (Happ 300) — was die Gedankenführung etwas verunklärt. Höher steht, was das Ziel (evexä rot), b 30) klarei erkennen läßt. Völliger Wegfall der Funktionsfähigkeit besagt nichts anderes als daß der Körper überhaupt nicht mehr ' i s t ' ; zu Ar.s Beispiel von der Hand eines Toten, die bloß noch homonym 'Hand' 'ist' (b 31), finden sich Parallelen in der großen Abrechnung mit der telosfeindlichen Naturerklärung der Alten im Eingangskapitel von De part. anim. — Dem anderen E n d e der Skala stehen die einzelnen konkreten Gegenstände der Naturforschung nahe (Homoiomere: 390 a 2 ; Elemente: a 3), die teleologisch schwer zu durchschauen sind, a 4— a 20. TCI ioxara a 5 für die beiden Skalenenden: 'pure matter and pure teleological coneeption', Düring 104. 1 1 6 , 2 0 (390 b 3) „Hitze und K ä l t e " . Hinsichtlich der besonderen Weise, wie hier die 'aktiven Qualitäten' als curia auftreten, besteht zwischen Düring und

IV 10-12

235

Happ eine Differenz der Auffassungen, desgleichen hinsichtlich der Steuerung der inhomogenen Körper (s. u.). Ersterer unterstreicht, daß diese beiden Faktoren bei all ihrer Wichtigkeit doch 'auxiliary forces' seien, insofern sie ef ävdyxrjS wirken; die causa efficiens und causa finalis treten dabei zurück. Happ, dem es sehr um die Finalität als gedankliche Basis des ganzen Traktats zu tun ist, sucht für die noitjTtxd die bewirkende Verursachung zu retten. Dabei steht ihm freilich die Tatsache im Wege, daß der Wortlaut des knappen Kapitels hiefür nur wenige Andeutungen (wie b 10ff.) hergibt. — „Bewegungsanstöße": Feuer strebt von Natur nach oben, Erde nach unten. Es ist darauf hinzuweisen, daß das Manuskript dieser Bearbeitung der Meteorologica im Jahr 1967 abgeschlossen wurde; Literatur der folgenden Jahre konnte nur gelegentlich eingearbeitet werden. Genannt sei hier die Monographie, die Ingemar Düring in R E Suppl. XI, 1968, 149 — 336 s. v. Ar. vorlegt, sowie der von dem gleichen Gelehrten edierte Sammelband 'Naturphilosophie bei Aristoteles und Theophrast' (Verhandl. des 4. Symposium Aristotelicum, veranstaltet in Göteborg, August 1966), Heidelberg 1969. Hier untersucht P. Steinmetz einige Aspekte der arist. Elementtheorie in verschiedenen Pragmatien, u. a. in Meteor. I —III (233ff.). Seiner Beurteilung insbes. des Kap. I 3 kann ich nicht zustimmen.

TEIL II ÜBER DIE WELT

Ü B E R

1.

Oft

k a m

Göttliches wo

sie

u m

die

mir

und

allein

der

D I E

Gedanke,

Übernatürliches

sich

Alexander,

u m

aufgeschwungen

Erkenntnis

der

W E L T

die hat

Wahrheit

in

es

sei

etwas

Philosophie, zur

ihm

w a h r h a f t 391

besonders

Schau

des

Alls

gemüht

hat.

dort,

und

sieh

W ä h r e n d

die

anderen (Wissenschaften) zurückwichen vor der H ö h e u n d Größe dieser Wahrheitserforschung, sich gar

nicht sehr

jener

zu

für unwürdig verwandt

Dinge.

lischen

erschrak

Ort

Denn

zu

unternahm

wie

da

die

es

nicht

es

nicht

und,

einst

vor

Herrlichsten,

besonders

gelangen

beschauen,

des

und

sie

die E r d e

Seele, i n d e m

sei

war,

Geist

und

glaubte ihr

als F ü h r e r

Erkundung

an

jene

Aloaden

den

Stätte

Sinn

hatten,

nahm,

mit

Hilfe

sie so

einen

W e g g e f u n d e n , d e r sie n i c h t e r m a t t e n ließ. W a s r ä u m l i c h a m

leicht,

absteht,

meine

Seelenauge

ich,

n a h m

das

sie

im

Verwandte

Denken

zusammen,

erkannte

das Göttliche erfaßte, u m

und

es d e n

mit

lassen

an

den

ihr

eigenen

Kostbarkeiten

und

sie

sie

gar

dem

göttlichen

zu

offenbaren.

Menschen

10

weitesten

weil

D i e s e r f u h r sie, weil sie w i l l e n s w a r , s o w e i t als m ö g l i c h alle zu

himm-

heilige

im

der Philosophie die Ü b e r f a h r t u n d w a n d e r t e aus, n a c h d e m

voneinander

5

hielt

vielmehr,

die

leiblich

verlassend,

unsinnigen

sie d e n

Aufgabe

sondern

geziemend

möglich

die

der

15

teilnehmen

ihnen

nicht

zu

mißgönnen. Daher

möchte

einer einzigen eines

Flusses,

manche die

m a n

auch

die

getan

Schönheit

haben,

korykische

die u n s

Zufälligen

eines

indem

Grotte

s c h r i e b e n —, b e d a u e r n vom

die,

Landschaft, die Anlage

oder ob

die

Berges

einen

irgend

ihrer

die

die

sonst

Ossa, ein

andere

Nysa,

zufälliges

andere

sie sich

bedoch

ein

bei

einem

des

Höhe-

ren

Weltall

so w ü r d e n alles

das

ist. H ä t t e n

sie d e m

sie nie e t w a s

andere

klein

und

meine

ich

einmal

anderes wertlos

und

das,

Großes

Größe s c h o n 20

Einzelnes

Seele; lassen sich

die

— wie

So g e h t es i h n e n , weil sie n i c h t die S c h a u

kennen,

bilden

Beschaffenheit

Stadt,

abschildern

kleinlichen und

Eifer

geringen Anblick.

Größte

beeindrucken

mit

einer einzigen

was

im

echte Aufmerksamkeit

bewundern, vor

dem

vielmehr

Weltall

erschiene

überragenden

d a s 25

g e s c h e n k t , | 391 b

Rang

ihnen jener

240

Über die Welt

Dinge. So wollen w i r denn reden und, soweit erreichbar, als Theologen über diese Dinge in ihrer Gesamtheit sprechen, wie sich ein jedes ver5 hält nach Wesenheit, Lage und Bewegung. Ich denke doch, es ziemt sich auch für dich, der du der Edelste der Fürsten bist, der Kunde des Größten nachzugehen, wie es sich auch für die Philosophie geziemt, s auf nichts Geringes den Sinn zu richten, sondern mit solchen Geschenken die Edelsten zu grüßen. 2. Welt ist nun ein Gefüge aus Himmel und Erde und den Wesen10 heiten, die in ihnen umfaßt werden. Welt wird aber auch noch auf andere Weise verstanden, als Ordnung und Einrichtung des Alls, die 10 von Gott und durch Gott bewahrt wird. Ihren Mittelpunkt nimmt, unbeweglich und ruhend, die lebenspendende Erde ein, für Wesen von vielfältiger Art Herdstatt und Mutter. Der oberste Raum im All ist 15 völlig und allseitig abgeschlossen; seine höchste Region, der Götter Wohnung, wird Himmel genannt. Erfüllt mit göttlichen Körpern, die is wir Gestirne zu nennen pflegen, sich bewegend in ewiger Bewegung, tanzt er zusammen mit ihnen allen in e i n e m kreisenden Umschwung, rastlos in Ewigkeit. Da aber der gesamte Himmel wie auch das Weltall 20 kugelförmig ist und sich, wie gesagt, unablässig bewegt, muß es zwei unbewegliche Punkte geben, die einander entgegengesetzt sind, wie 20 bei der im Drechslereisen sich drehenden Kugel, Fixpunkte, die die Kugel zusammenhalten und um die sich der ganze Weltkörper im 25 Kreise dreht; man nennt sie Pole. Denken wir uns durch sie eine Gerade gezogen — von einigen Achse genannt —, so wird diese den Durchmesser 92 a des Weltalls bilden, der die Erde | als Mittelpunkt hat, die beiden 25 Pole aber als Enden. Von diesen beiden unbeweglichen Polen ist der eine immerfort sichtbar, da er uns zu Häupten in der nördlichen Himmelsgegend steht; er heißt der arktische. Der andere aber birgt sich immerfort unter der Erde, in südlicher Richtung; er heißt der 5 antarktische. 30 Der Substanz des Himmels und der Sterne geben wir den Namen Äther, nicht weil er 'feurig' glüht (aithesthai), wie einige meinen, die seine dem Feuer gänzlich fernstehende Natur verkennen, sondern weil er, im Kreis umgeschwungen, 'immerfortläuft' (aei thein), ein Element, das von anderer Art ist als die vier (bekannten), nämlich unvergäng- 35 10 lieh und göttlich. Von den in ihm rings umfangenen Gestirnen aber kreisen die einen als Fixsterne gemeinsam mit dem ganzen Himmel und nehmen immer den nämlichen Platz ein; in ihrer Mitte ist der sogenannte Tierkreis schräg durch die Wendekreise als Gürtel gespannt,

Kapitel 1 - 2

241

in Teile gegliedert nach den Orten der zwölf Tiere des Kreises. Die anderen, die Irrsterne, sind von Natur an Schnelligkeit der Bewegung weder den vorhergenannten noch untereinander gleich, sondern jeder 15 bewegt sich in einer eigenen Kreisbahn, sodaß sie der Erde teils näher 5 sind, teils ferner. Was nun die Fixsterne betrifft, so ist ihre Menge für die Menschen unausforschlich, obwohl sie sich auf einer einzigen Oberfläche, der des gesamten Himmelsgewölbes, bewegen. Die Planeten hingegen, im ganzen sieben an der Zahl, sind in ebenso vielen Kreisbahnen angeordnet, in der Weise, daß jeweils die obere größer ist als die 20 10 untere und die sieben Sphären (konzentrisch) ineinander liegen, alle zusammen aber von der Fixsternsphäre umschlossen sind. Folgende Positionen, jeweils nacheinander, haben die Planeten inne: zuerst kommt der nach dem 'Leuchtenden' und zugleich nach Kronos benannte Kreis, anschließend der mit dem Namen des Phaethon und des 35 15 Zeus, dann der 'Feurige', nach Herakles wie auch nach Ares zubenannt, hierauf der 'Glänzende', den manche dem Hermes heilig nennen, andere dem Appllon; nach ihm kommt die Kreisbahn des 'Lichtbringers', von den einen mit Aphrodites, von den anderen mit Heras Namen bezeichn e t ; sodann die Bahn der Sonne, und schließlich die des Mondes, bis zu 20 der der Äther reicht, der die göttlichen Körper in sich faßt und auch 30 die Ordnung ihrer Bewegung. An die ätherische und göttliche Natur, die wir für geordnet, ferner für unwandelbar, unveränderlich, unbeeinflußbar erklären, schließt sich die durch und durch wandelbare und veränderliche — um es kurz zu sagen, die 25 vergängliche und todgeweihte. Das erste in ihr ist die feinteilige, feurige 25 Wesenheit, die | von der ätherischen Substanz infolge deren Aus- 392 b dehnung und reißendschnellen Bewegung entzündet wird. I n der Region, die man die feurige, der Ordnung bare nennt, schießen die bekannten glänzenden Lichter vorbei, werden 'Fackeln' geschleudert, und 30 sogenannte 'Balken', 'Gruben' und 'Haarsterne' richten sich oftmals 5 auf und verlöschen dann wieder. Dieser Region zunächst, unterhalb, ist die Luft ausgegossen, dunkel und eisig ihrer Natur n a c h ; jedoch von jener Sphäre her durchleuchtet zugleich und durchglüht, wird sie hell und warm. I n der Luft, die ebenfalls dem wandelbaren Wesen 35 zugehört und vielfältig veränderlich ist, bilden sich Wolken, prasseln 10 Regengüsse herab, gibt es Schnee, Reif und Hagel, sausende Winde und Wirbelstürme, dazu Donner, Blitzschein, Niederfahren von Wetterstrahlen und unermeßlichen Dunkelgewölks schmetterndes Zusammenschlagen. 16

Aristoteles, 12

242

Über die Welt

3. D e m L u f t e l e m e n t b e n a c h b a r t sind, f e s t g e g r ü n d e t , E r d e u n d 15 Meer, in F ü l l e h e r v o r sprießen lassend P f l a n z e n u n d Tiere, Quellen u n d Flüsse, die teils in W i n d u n g e n d u r c h s L a n d ziehen, teils sich ins Meer ergießen. D a z u ist die E r d e b u n t g e s c h m ü c k t m i t t a u s e n d f ä l t i g e m G r ü n , m i t h o h e n B e r g e n u n d d i c h t e m Gehölz, m i t S t ä d t e n , die das 5 k l u g e Geschöpf, der Mensch, g e b a u t h a t , m i t I n s e l n in d e r Salzflut 20 u n d F e s t l ä n d e r n . N u n scheidet d e r gemeine V e r s t a n d die b e w o h n t e E r d e in I n s e l n u n d F e s t l ä n d e r , o h n e A h n u n g d a v o n , d a ß a u c h sie j a ganz u n d gar eine einzige Insel ist, v o m s o g e n a n n t e n A t l a n t i s c h e n Meer umflossen. W a h r s c h e i n l i c h liegen ihr a b e r in der F e r n e n o c h viele 10 a n d e r e g e g e n ü b e r , die teils größer sind als sie, teils kleiner, a b e r alle25 s a m t m i t A u s n a h m e u n s e r e r L a n d f e s t e u n s e r e n Blicken e n t z o g e n . I n d e m V e r h ä l t n i s u n s e r e r I n s e l n zu d e n b e k a n n t e n einzelnen Meeren s t e h t n ä m l i c h die b e w o h n t e E r d e z u m A t l a n t i s c h e n Meer u n d viele a n d e r e K o n t i n e n t e z u m Meer als G a n z e m ; d e n n a u c h diese sind ge- is w i s s e r m a ß e n große I n s e l n , u m r a u s c h t v o n g r o ß e n Meeren. D a s f e u c h t e 30 E l e m e n t als Ganzes, das die O b e r f l ä c h e der K u g e l b e d e c k t u n d hier als k l i p p e n a r t i g e E r d e r h e b u n g e n die s o g e n a n n t e n ' b e w o h n t e n E r d teile' h e r v o r t r e t e n l ä ß t , m a g der N a c h b a r v o r allem des L u f t e l e m e n t s g e n a n n t w e r d e n . N a c h der R e g i o n des F e u c h t e n r u h t in d e n T i e f e n , in der 2» M i t t e des Weltalls, geballt u n d f e s t die E r d m a s s e , u n b e w e g l i c h u n d u n e r 35 s c h ü t t e r l i c h . Dies ist der Inbegriff all dessen, w a s i m W e l t a l l ' U n t e n ' h e i ß t . 393

«

Diese f ü n f G r u n d e l e m e n t e also, | die in f ü n f Ö r t e r n s p h ä r i s c h gel a g e r t sind, w o b e i der jeweils kleinere R i n g v o m g r ö ß e r e n u m f a ß t wird — ich m e i n e : E r d e v o m W a s s e r , W a s s e r v o n L u f t , L u f t v o m 25. F e u e r , F e u e r v o m Ä t h e r — h a b e n das W e l t a l l a u f e r b a u t u n d d e n 5 g a n z e n o b e r e n Bereich f ü r G ö t t e r zur W o h n u n g g e m a c h t , d e n u n t e r e n f ü r E i n t a g s w e s e n . V o n e b e n diesem U n t e n a b e r ist ein Teil f e u c h t , d e n wir Flüsse Quellen Meere zu n e n n e n g e w o h n t sind, einer t r o c k e n , den wir E r d e F e s t l ä n d e r I n s e l n h e i ß e n . 30

Die I n s e l n sind z u m Teil groß, wie dies v o n unserer b e w o h n t e n E r d e 10 als G a n z e m gesagt w u r d e u n d v o n vielen a n d e r e n ( K o n t i n e n t e n ) , die v o n g r o ß e n Meeren u m s t r ö m t w e r d e n , teils sind sie kleiner u n d in u n s e r e m Gesichtskreis, i m i n n e r e n Meer gelegen. Die b e m e r k e n s w e r t e n u n t e r diesen sind Sizilien, S a r d i n i e n , K o r s i k a , K r e t a , E u b ö a , Z y p e r n 35u n d L e s b o s ; zu den weniger b e d e u t e n d e n gehören die S p o r a d e n , die is K y k l a d e n u n d I n s e l n m i t sonstigen N a m e n . D a s Meer a u ß e r h a l b der b e w o h n t e n E r d e h e i ß t das A t l a n t i s c h e , oder der O k e a n o s , der u n s rings u m f l i e ß t . E r ö f f n e t i m W e s t e n sich n a c h

Kapitel 3

243

innen zu in einer schmalen Wasserstraße und strömt bei den sogenannten Säulen des Herakles ins innere Meer wie in einen Hafen. 20 Allmählich verbreitert er sich und ergießt sich weithin, indem er große miteinander zusammenhängende Buchten umfaßt, bald in schmale 5 Meeresstraßen einmündend, bald sich wiederum weitend. Zunächst nun buchtet sich das Meer, wie man erzählt, zur Rechten für den, der durch die Heraklessäulen hereinfährt, doppelt aus, zu den sogenannten Syrten, von denen man eine große und eine kleine unter- 25 scheidet. Auf der anderen Seite bildet es nicht in gleicher Weise 10 Buchten, sondern drei Meere, das sardinische und das keltische, dazu die Adria. Dann kommen, quer zu ihnen sich erstreckend, das sizilische Meer, nach ihm das kretische und mit ihm verbunden auf der einen Seite das ägyptische, pamphylische und syrische, auf der anderen das 30 ägäische und myrtoische. Den genannten Einzelmeeren entgegeö er15 streckt sich der starkgegliederte Pontus, dessen innerster Winkel Mäotis heißt, während er außen [ zum Hellespont hin mündet, zusammen 393 b mit der sogenannten Propontis (Marmarameer). In der Gegend des Sonnenaufgangs jedoch strömt wieder der Ozean herein, eröffnet den Indischen und den Persischen Golf und läßt ihren Zusammenhang mit 20 dem Roten Meer deutlich werden, indem er sie (alle drei) umfaßt. Am anderen (nördlichen) Landvorsprung (Asiens) reicht er durch einen s schmalen, langen Meeresarm herein und verbreitert sich dann wieder, indem er Hyrkanien und Kaspien begrenzt; jenseits davon aber nimmt er den weiten R a u m nördlich des Mäotissumpfes ein. Dann, jenseits 25 der Skythen und des Keltenlandes, schnürt das Weltmeer allmählich die bewohnte Erde ein, wo es mit dem Keltischen Golf und bei den 10 vorerwähnten Säulen des Herakles an sie herantritt. Außerhalb der Säulen umfließt der Ozean die Erde. — Zwei sehr große Inseln liegen in ihm, die britannischen genannt, Albion und lerne, größer als die, 30 von denen früher erzählt wurde; sie liegen jenseits des Keltenlandes. Nicht kleiner als sie sind Taprobane, über Indien hinaus, schräg zur bewohnten Erde gelegen, und die Phebol genannte Insel im Arabischen is Golf. Viele andere kleine Inseln in der Umgebung der Britannischen und des Iberischen Landes liegen wie im Kranze um die bewohnte 35 Erde, die nach unserer Bezeichnung selbst schon eine Insel ist. Ihre Breite beträgt, über die Hauptmasse des Festlandes gemessen, nach der Behauptung guter Geographen knapp vierzigtausend Stadien, die 20 Länge höchstens siebzigtausend. Eingeteilt wird sie in Europa, Asien, Libyen. 16»

244

Über die Welt

Europa nun ist das Land, dessen Grenzen ringsherum bestimmt werden einerseits durch die Säulen des Herakles, andrerseits durch die innersten Buchten des Pontus und das Hyrkanische Meer, dort 25 wo die Landbrücke zum Pontus herüber am schmälsten ist. Einige haben jedoch an ihrer Stelle den Fluß Tanais (als Grenze) genannt. 5 Asien aber ist das Land, das sich von dem genannten Isthmus zwischen dem Schwarzen und dem Hyrkanischen Meer bis zu der anderen Landenge erstreckt, die zwischen dem Arabischen Golf und dem Inneren 30 Meer liegt, umfangen von diesem und dem Ozean ringsum. Einige ziehen jedoch die Grenze Asiens vom Tanais bis zu den Nilmündungen. 10 Libyen dagegen reicht von der arabischen Landenge bis zu den Säulen 394 a des Herakles, oder von diesen bis | zum Nil, wie es andere annehmen. Ägypten aber, soweit es von den Nilmündungen umströmt wird, rechnen die einen zu Asien, die anderen zu L i b y e n ; dabei nimmt man teils die Inseln aus, teils weist man sie den jeweils benachbarten Ge- is bieten zu. Von der Art etwa sind also nach unserer Erkundung Natur und s Lage von Land und Meer beschaffen, die wir die bewohnte Welt zu nennen pflegen. 4. J e t z t wollen wir von den bemerkenswertesten Naturerscheinungen 2» auf der Erde und um sie herum sprechen, indem wir nur die notwendigsten Dinge zusammenfassen. Da gibt es nun zwei bestimmte Ausdünstungen, die unablässig von 10 ihr in den über uns liegenden Luftraum emporsteigen, feinteilig und völlig unsichtbar, nur daß sie manchmal am frühen Morgen beobachtet 25 werden können, wenn sie von Flüssen und Quellen aufsteigen. Von ihnen ist die eine rauchartig-trocken, weil sie der Erde entströmt; die andere ist Wasserdampf, der aus dem feuchten Element empordünstet, is Aus ihm entstehen Nebel, Tau, die verschiedenen Arten der Frostphänomene, Wolken, Regen, Schnee und Hagel; aus der trockenen 30 dagegen Winde und die verschiedenen Arten des Wehens, Donner, Bfttzleuchten, Glutwinde, Blitzschläge und alle anderen damit verwandten Erscheinungen. 20 Was nun den Nebel betrifft, so ist er eine dampfartige Ausscheidung, aus der kein Wasser hervorgeht, dicker als Luft, aber dünner als Wolke; 3S er entsteht entweder aus einer beginnenden Wolke oder aus deren Überrest. Das Gegenstück zu ihm heißt und ist 'klarer Himmel', d. h. nichts anderes als Luft ohne Wolken und Nebel. Tau ist ein fein25 teiliger, feuchter Niederschlag aus klarem Himmel. Eis ist Wasser,

Kapitel 3 - 4

245

das als Masse nach Aufklaren gefroren i s t ; Reif ist gefrorener, ' T a u reif' halbgefrorener T a u . Wolke ist eine zusammengeballte D u n s t masse, die Wasser erzeugt. Regen aber e n t s t e h t d a n n , wenn eine sehr fest geballte Wolke ausgepreßt wird. Seine A r t e n variieren entspres chend den Graden der Wolkenverdichtung; ist diese sanft, so s p r ü h t 30 er n u r weiche Tropfen, ist die Verdichtung stark, fallen die Tropfen in dichterer Folge; wir sprechen dann von einem Platzregen, der kräftiger als ein Regen ist und Wasserballungen in u n u n t e r b r o c h e n e m Zusammenhang auf die E r d e schüttet. Schnee aber e n t s t e h t beim Zer10 springen festgeballter Wolken, die vor ihrem völligen Übergang in Wasser schlagartig gehemmt werden; es bewirkt dieser plötzliche Gegenschlag das Schaumige u n d die hellweiße F a r b e , während das 35 Gefrieren der Feuchtigkeit innen, die noch nicht ausgetreten u n d verteilt ist, die K ä l t e des Schnees zur Folge h a t . Fällt er s t a r k | u n d 394 b 15 massenhaft, so heißt er Schneesturm. Hagel aber e n t s t e h t , wenn dichtfallende Schneeflocken sich ballen und infolge der Verdichtung Schwere zu schnellerem Fall gewinnen. J e nach der Größe der abgesprungenen Bruchstücke (der Wolke) ist ihr Gewicht erheblicher u n d ihr Fall gewaltsamer. 5 20

Dies also sind die Naturerscheinungen, die sich aus der f e u c h t e n Ausdünstung ergeben. Aus der trockenen aber, wenn sie durch den Anstoß von K ä l t e ins Strömen gebracht wird, entsteht der Wind. Denn dieser ist nichts anderes als L u f t , die in konzentrierter Masse s t r ö m t ; er wird a u c h 25 gespannter H a u c h (Pneuma) genannt. I n anderem Sinn n e n n t m a n 10 P n e u m a die in Pflanzen und lebendigen Wesen v o r h a n d e n e alldurchdringende, beseelte und zeugungskräftige Wesenheit, über die j e t z t nicht gesprochen zu werden b r a u c h t . Die P n e u m a s t r ö m u n g e n im L u f t reich nennen wir Winde, Brisen dagegen die vom F e u c h t e n aufstei30 genden Dünste. Von den Brisen heißen die von angefeuchteter E r d e her wehenden Landwinde, die von B u c h t e n herströmenden B u c h t - 15 winde; diesen entsprechen etwa die Winde von Flüssen u n d Seen. Winde, die beim Platzen einer Wolke entstehen u n d deren Ballung in die eigene Masse auflösen, heißen Wolkenwinde (Windhosen); stürzen 35 sie zusammen mit einem starken Wasserausbruch (aus der Wolke), so spricht m a n von einer Wasserhose. Die beständig von Sonnenaufgang k o m m e n d e n Winde heißen Ost- 20 winde (Euros), Boreas die Nordwinde, Zephyr die Westwinde, Notos die Winde von Mittag her. Unter den Ostwinden heißt Kaikias der

246

Über die Welt

vom Ort des hochsommerlichen Sonnenaufgangs herwehende, Apeliotes der vom Ort der Tagundnachtgleiche, Euros der v o m winterlichen Auf2s gang herkommende Wind. U n t e r den entgegengesetzten, westlichen Winden weht der Argestes vom sommerlichen Untergang h e r ; manche nennen ihn Olympias, andere l a p y x . Zephyr heißt der vom Untergangsort zur Tagundnachtgleiche, Lips der vom winterlichen Untergang herkommende Wind. U n t e r den Nordwinden heißt speziell Boreas der auf den Kaikias folgende, anschließend k o m m t Aparktias, der v o m Pol 30 nach Süden weht, d a n n als N a c h b a r des Argestes der Thraskias, den einige Kirkias nennen. U n t e r den Südwinden heißt der als Gegenstück des Aparktias v o m unsichtbaren Pol herkommende Wind Notos, Euronotos der Wind zwischen Euros u n d Notos. Den entsprechenden auf der anderen Seite, zwischen Lips und Notos, nennen die einen Libo35 notos, andere Libophoinix. Die Winde sind teils Geradausweher — alle, die in gerader B a h n nach « v o r n wehen—teils Kehrwinde, wie | der K a i k i a s ; die einen f ü h r e n winters ihr Regiment, wie die Südwinde, die anderen sommers, wie die sogenannten Jahreswinde (Passatwinde), die eine Mischung zwischen den von Norden k o m m e n d e n u n d den Westwinden darstellen. Die sogenannten Vogelwinde, eine Art von Frühlingswinden, gehören 5 zur G a t t u n g des Boreas. U n t e r den gewaltsamen L u f t s t r ö m u n g e n ist der Fallwind ein plötzlich aus der Höhe h e r u n t e r f a h r e n d e r Windstoß, Bö ein mit W u c h t unversehens anspringender W i n d ; Wirbelwind u n d 'Kreisel' sind L u f t massen, die sich drehend von u n t e n nach oben bewegen. E r d w i n d heißt der L u f t s t r o m , wie er an der Öffnung eines tiefen Loches oder io einer Erdspalte n a c h oben zieht; k o m m t er als wirbelnde Masse, d a n n ist es ein unterirdischer S t u r m . W e n n aber P n e u m a , in einer dichten, feuchten Wolke wirbelnd, von dieser gewaltsam ausgestoßen wird, so bewirkt es beim Zerreißen der zusammenhängenden Wolkenmasse gewaltiges K r a c h e n u n d Tosen, welches Donner genannt wird, ähnlich der W i r k u n g von P n e u m a , das is in Wasser gewaltsam umgetrieben wird. Gerät es a n der Rißstelle der Wolke ins Glühen u n d Leuchten, heißt es Blitz. Bekanntlich wird er eher w a h r n e h m b a r als der Donner, obwohl der Blitz später e n t s t e h t . D e n n n a t u r g e m ä ß wird das H ö r b a r e vom Sichtbaren überholt, da das letztere schon v o n ferne wahrgenommen wird, das erstere dagegen erst, n a c h d e m es sich d e m Gehör genähert h a t . Besonders gilt das, 20 wenn es sich einerseits u m das rascheste der seienden Dinge, das

95

Kapitel 4

247

Feurige, handelt, andrerseits um das langsamere Luftartigere, das erst im Auftreffen zum Gehör gelangt. Das als Blitz entzündete Pneuma wird, wenn es gewaltsam bis zur Erde durchfährt, Wetterstrahl, 'Einschlagen' genannt; ist es nur halbfeurig, sonst aber wuchtig und dicht 5 geballt, heißt es Glutwind, ist es überhaupt nicht feurig, hat man dafür den Namen 'Qualmer' (Typhon). Alle diese Phänomene aber nennt 25 man, wenn es zu einem Herunterschlagen auf die Erde kommt, Wetterschläge. Von den Blitzen wirken manche rußend und heißen 'Schwelblitze', andere zucken rasch vorbei, die 'Gleißer', 'Schlängler' sind die 10 in Wellenlinien dahinfahrenden. Alle aber, die auf die Erde herunterschlagen, heißen Wetterschläge. Die Erscheinungen im Luftbereich sind, zusammenfassend gesagt, teils bloße Spiegelung, teils haben sie wirkliches Wesen. Spiegelungen 30 sind Regenbogen, ' S t ä b e ' und dergleichen, wirklich hingegen sind 15 Himmelsleuchten, Sternschnuppen, Kometen und verwandte Phänomene am Himmel. Der Regenbogen nun (Iris) ist die Reflektion eines Abschnitts der Sonne oder des Mondes, gesehen wie in einem Spiegel auf einer feuchten, konkaven und dem Augenschein nach zusammen- 35 hängenden Wolke, und zwar als Kreislinie gesehen. E i n ' S t a b ' ist eine 20 geradlinige Irisspiegelung, ein ' H o f ' ist der optische Eindruck von Glanz rings um ein | Gestirn; er unterscheidet sich vom Regenbogen 39s b darin, daß dieser der Sonne und dem Mond gegenüber sichtbar wird, der Hof aber im Kreise um jedes Gestirn erscheinen kann. Himmelsleuchten ist die Entzündung einer feurigen Masse im Luftraum. Solche 2s Lichter werden teils wie Geschosse geschleudert, teils sind sie auf ihrem Platz fest. Der Wurfbewegung liegt Feuerentstehung auf Grund s von Reibung zugrunde; das Feuer bewegt sich rasch durch die Luft und erweckt durch die Schnelligkeit den Eindruck gestreckter Länge. Dagegen entspricht das Stillstehen des Lichtes einer langgestreckten Feuer 30 bahn, ohne daß Ortsbewegung vorliegt; es sieht aus wie das Sichergießen eines Sterns. Verbreitert sich die Erscheinung auf der einen Seite, so heißt sie Haarstern (Komet). Von diesen Himmelslichtern dauern die einen oftmals längere Zeit, andere erlöschen augenblicklich. Man kann 10 auch noch viele andere Arten von Lichtphänomenen (am Himmel) be35 trachten, sogenannte Fackeln, Balken, Fässer, Gruben, die nach der Ähnlichkeit mit diesen Gegenständen so heißen. Sie lassen sich teils im Westen, teils im Osten schauen, auch gleichzeitig in beiden Him- is melsrichtungen, selten aber im Norden und Süden. Allesamt aber haben sie keinen festen B e s t a n d ; keine Überlieferung liegt vor, es sei

248

Über die Welt

j e m a l s eines dieser P h ä n o m e n e i m m e r f o r t an einem festen P l a t z sichtbar

gewesen.

V o n solcher A r t also sind die E r s c h e i n u n g e n i m L u f t r a u m . I n i h r e m Inneren umschließt

a b e r a u c h die E r d e zahlreiche Quellen wie

von

W a s s e r , so v o n W i n d u n d F e u e r . V o n l e t z t e r e n b e f i n d e n s i c h m a n c h e 20 u n t e r d e r E r d o b e r f l ä c h e , d e n B l i c k e n e n t z o g e n , v i e l e a b e r h a b e n V e n tile u n d A u s b r u c h s s t e l l e n , wie (die V u l k a n e ) L i p a r a , Ä t n a u n d die a u f den äolischen Inseln;

sie

fließen,

wie bekannt, oftmals

stromgleich,

w e r f e n a u c h feurig g l ü h e n d e M a s s e n in die H ö h e . M a n c h e F e u e r finden

be-

sich u n t e r der E r d e in der N a c h b a r s c h a f t v o n Quellen u n d er-

2s w ä r m e n d i e s e G e w ä s s e r ; so l a s s e n s i e Q u e l l e n t e i l s l a u w a r m sprudeln, teils kochendheiß,

teils a n g e n e h m temperiert.

empor-

In

gleicher

W e i s e gibt es a b e r a u c h für die W i n d e (Gase) vielfach a u f der viele Öffnungen. M a n c h e lassen die sich N ä h e r n d e n in einen

Erde eksta-

t i s c h e n Z u s t a n d g e r a t e n , m a n c h e b e w i r k e n , d a ß sie h i n s i e c h e n , a n d e r e r e g e n z u m W a h r s a g e n a n , wie es i n D e l p h i u n d 30 w i e d e r

andere

wirken

auch

schlechthin

Lebadeia

tödlich,

geschieht,

wie

die

in

Phrygien. Oft

bringt

auch

im

Erdinnern

entstandene

komprimierte

( P n e u m a ) , die die gehörige M i s c h u n g e r r e i c h t e u n d d a n n in gänge abgedrängt wurde, infolge der T r e n n u n g v o m

Luft

Höhlen-

Entstehungsort

viele Teile (der Erdoberfläche) in E r s c h ü t t e r u n g . O f t m a l s v e r f ä n g t sich a u c h eine Masse solchen P n e u m a s v o n a u ß e n in den H ö h l u n g e n

der

35 E r d e , w i r d a b g e s c h n i t t e n u n d e r s c h ü t t e r t s i e b e i d e r S u c h e n a c h e i n e m A u s g a n g m i t G e w a l t ; s i e r u f t so d i e E r s c h e i n u n g h e r v o r , d i e m a n E r d b e b e n zu n e n n e n pflegt. 396 a

V o n den E r d | b e b e n werden diejenigen, die in Q u e r r i c h t u n g spitzem rechte

Winkel

wirken,

Bewegungen

Absacken

in

Neigungsbeben

genannt;

auf und ab vollführen, heißen

Hohlräume

verursachen,

solche,

Rüttler,

Einsturzbeben;

unter

die

senk-

die

ein

eröffnen

sie

s S p a l t e n u n d r e i ß e n sie die E r d e a u f , n e n n t m a n sie Z e r r e i ß e r . M a n c h e dieser B e b e n führen auch k o m p r i m i e r t e L u f t mit n a c h oben, aber

andere

Steine oder S c h l a m m ; wieder andere lassen Quellen ans

Licht

t r e t e n , die es v o r h e r n i c h t g a b . M a n c h e s t ü r z e n m i t e i n e m S t o ß

um;

S t o ß b e b e n h e i ß e n sie. B e b e n , die e i n e n R ü c k p r a l l h e r v o r r u f e n , d. h . das v o n ihnen betroffene O b j e k t durch Neigung nach einer Seite und io Z u r ü c k s c h w i n g e n f o r t w ä h r e n d i n s e i n e r L a g e h a l t e n , b e z e i c h n e t

man

als S c h w i n g b e b e n ; ihre W i r k u n g ist eine A r t v o n Z i t t e r n . E s g i b t a u c h 'Brüller' unter den E r d b e b e n ,

die die E r d e u n t e r D o n n e r g e t ö s e

er-

Kapitel 4 - 5

249

schüttern. Oft gibt es auch ohne Erdbeben ein unterirdisches Brüllen, wenn die gespannte L u f t zwar zu Erschütterungen keine ausreichende K r a f t besitzt, jedoch, in der Erde eingesperrt, sich mit dröhnender Gewalt bricht. — Übrigens werden die eindringenden Pneumamassen 15 s auch von den in der Erde verborgenen Gewässern her in ihrer Substanz verstärkt. Vergleichbares vollzieht sich auch im Meere: es kommt oft vor, daß sich in ihm Schlünde öffnen, daß das Meer sich vom L a n d zurückzieht und sich andererseits Sturmfluten ereignen, die manchmal zu- 20 10 rückprallen, manchmal bloß einen Vorstoß vollführen, wie es von Helike und Bura berichtet wird. Oftmals gibt es auch Feuereruptionen im Meer, Quellen sprudeln auf, Flüsse ergießen sich (in Mündungen), B ä u m e entsprießen aus den Fluten, Strömungen und Wirbel entstehen, die denen der Winde vergleichbar sind, teils auf hoher See, teils in 25 15 engen Meeresstraßen und Kanälen. Vielfach auch, so heißt es, ereignen sich E b b e und Flut, stets im Einklang mit dem Umlauf des Mondes zu gewissen bemessenen Zeiten. Mit dem Blick auf das Ganze gesagt: da die Elemente miteinander vermischt sind, so entspricht es der Erwartung, daß die Naturvorgänge 20 in der Luft, auf der Erde und im Meer einander ähnlich sind. I m 30 einzelnen bringen sie Werden und Vergehen, das Ganze aber bewahren sie als etwas Unvergängliches und Ungewordenes. 5. Nun hat sich freilich mancher schon darüber verwundert, wie denn die Welt, die doch aus den bekannten gegensätzlichen Prinzipien 25 — Trocken und Feucht, K a l t und Warm — zusammengefügt ist, nicht 35 schon längst zerstört und | zugrunde gegangen sei; wie man wohl auch 396 b über eine Stadt sich verwundern mag, daß sie Bestand hat, obwohl sie aus den entgegengesetztesten Menschengruppen zusammengefügt ist, aus Arm und Reich, J u n g und Alt, Schwach und Stark, Böse und 30 Gut. Die Leute ahnen eben nicht, daß dies (immer schon) das größte Wunder der bürgerlichen Eintracht war: die Vielheit ist es, aus der 5 sie einen einheitlichen, die Ungleichmäßigkeit, aus der sie einen gleichmäßigen Zustand schafft, der ein Fundament bietet für jegliche Wesensart und jegliche Lebenslage. Die Gegensätze sind es doch wohl, wonach 35 die Natur strebt, aus ihnen schafft sie den Einklang, nicht aus dem Gleichartigen, wie sie j a fraglos das Männliche zum Weiblichen geführt hat und nicht jedes Geschlecht zu seinesgleichen, und also die ursprüng- 10 liehe Einung durch Gegensätzliches zusammengeknüpft hat, nicht durch Gleichartiges. So scheint es auch die Kunst (Techne) zu machen,

250

Über die Welt

die j a die Natur nachahmt. Indem nämlich die Malerei die Eigenschaften der schwarzen und weißen, gelben und roten Farbe inein15 andermengt, erreicht sie die Ubereinstimmung mit der Vorlage. Die Musik mischt hohe und tiefe, lange und kurze Töne innerhalb verschiedener Stimmen und bewirkt so eine einzige Harmonie, und die 5 Schreibkunst stellt ihren ganzen Aufbau zusammen, indem sie eine Mischung von Vokalen und Konsonanten herbeiführt. Genau dies war 20 auch der Sinn des Ausspruchs bei dem dunklen Heraklit: „Zusammenfassungen: — Ganzes und Nichtganzes, Einträchtig-Zwieträchtiges, Einklang Mißklang — aus allem Eins und aus Einem alles." 10 So ordnet nun auch den A u f b a u des Ganzen, des Himmels, der Erde und der gesamten Welt vermittelst der Mischung der gegensätzlichsten 25 Prinzipien eine einzige Harmonie. E s sind j a Trocken mit Feucht, Warm mit Kalt, Leicht mit Schwer, Gerade mit K r u m m gemischt; so durchwaltet offenbar den gesamten Erdkreis und das Meer, Äther, 15 Sonne und Mond und den ganzen Himmel ordnend eine einzige alldurchdringende K r a f t . Aus dem Gesonderten und Verschiedenartigen, 30 Luft Erde Feuer Wasser, hat sie das Weltganze erbaut; sie umschließt sie durch eine einzige Kugelschale, sie nötigt die einander feindlichsten im Weltall vorhandenen Wesenheiten, miteinander übereinzukommen 20 und erwirkt so dem Ganzen Heil und Dauer. Ursache dafür ist die 35 Ubereinstimmung der Elemente, Ursache der Übereinstimmung aber ist, daß sie zueinander in gleichem Verhältnis stehen und kein Ele397 a ment | das andere überwiegt. Denn Schwer und Leicht, Warm und sein Widerpart halten einander die Waage: so zeigt die Natur am 25 Beispiel der großen Dinge in der Welt, daß, in gewissem Sinn, vom Gleichen die Erhaltung der Eintracht abhängt und von dieser die 5 Erhaltung des alles erzeugenden, herrlich schönen Kosmos. Welche Wesenheit gäbe es denn, die ihm überlegen wäre? Was man auch nennen mag, es ist nur ein Teil von ihm. Alles Schöne hat seinen 30 Namen von ihm und alles Geordnete; kommt doch von „ K o s m o s " der Ausdruck „kekosmesthai" („Geschmückt-, Geordnetsein") her. Welches Einzelding aber vermöchte sich der Ordnung am Himmel zu ver10 gleichen, dem L a u f der Gestirne, der Sonne und des Mondes, wie sie sich nach den genauesten Maßen bewegen von einer Weltzeit zur 35 anderen? Wo gäbe es eine solche Untrüglichkeit, wie sie die schönen Jahreszeiten bewahren, die alle Dinge hervorbringen, die Sommer und Winter geordnet heraufführen, die Tage und die Nächte bis zur Vollendung des Monats und des J a h r e s ? Vollends ist seine Größe über-

Kapitel 5—6

251

ragend, seine Bewegung die rascheste, sein Glanz der lichteste, seine is K r a f t alterslos u n d unvergänglich. E r ists, der die N a t u r e n der Lebewesen im Wasser, auf der E r d e u n d in der L u f t geschieden u n d ihre Lebensdauer nach seinen Bewegungen bemessen h a t . E r ists, von dem 5 alle Lebewesen den Odem ziehen und Seele h a b e n . E r ists, in dem auch die überraschendsten Seltsamkeiten sich nach einer O r d n u n g voll- 20 ziehen: beim Zusammenprall mannigfacher Winde, beim Niederfahren von Blitzstrahlen aus dem Himmel, beim Losbrechen ungeheurer Unwetter. Durch diese Vorgänge wird das Feuchte ausgepreßt 10 u n d das Feurige durchweht, sodaß das Ganze zu E i n t r a c h t u n d festgegründeter R u h e gelangt. Und die E r d e , in ihrem mannigfachen Pflanzenkleid, rings übersprudelt von Quellen u n d beschritten von 25 Tieren, wie sie alles zu seiner Zeit aufsprießen läßt, n ä h r t u n d wieder in sich birgt, u n d unzählige F o r m e n und W a n d l u n g e n h e r a u f f ü h r t — 15 sie bewahrt in gleicher Weise ihre alterslose N a t u r , ob auch von E r d beben erschüttert u n d von Sturmfluten überschwemmt oder zu Teilen von Feuersbrünsten in F l a m m e n gesetzt. Dies alles scheint der E r d e 30 doch n u r z u m Besten zu dienen u n d ihre B e h ü t u n g auf ewig zu sichern. D e n n wenn sie b e b t , so entweichen, wie f r ü h e r dargestellt, die einge20 drungenen Gase durch die Spalten nach oben, wenn Regengüsse sie reinigen, so werden ihr alle KrankheitsstofFe abgewaschen, u n d wehen die Morgenbrisen über sie hin, so klärt sich die Region u n t e r u n d über 35 ihr. Und | weiter: die F l a m m e n lindern das Eisige, die Fröste mildern 397 b die F l a m m e n . W a s die Einzelwesen betrifft, so entstehen die einen, 25 die anderen sind reif, wieder andere vergehen. Das Werden t u t dem Vergehen E i n h a l t und gleicht es aus, das Vergehen erleichtert neues Werden. E i n Heil aber erwirkt sich aus allem, indem beständig die s Dinge einander ablösen u n d bald obsiegen, bald unterliegen; so bleibt das Ganze b e h ü t e t in Ewigkeit. 30 6. Es bleibt n u n noch die Aufgabe, über die das All zusammenhaltende Ursache zu sprechen, in großen -Umrissen, wie über die bis- 10 herigen T h e m e n ; es wäre j a verkehrt, vom Weltall zu reden — wenn schon nicht im einzelnen, so doch als Belehrung über die Grundzüge — und dabei das Wichtigste des Weltalls beiseite zu lassen. 35 N u n gibt es bei allen Menschen ein uraltes, aus Väterzeiten stammendes W o r t , d a ß alles von Gott her und durch Gott besteht u n d d a ß is kein Wesen f ü r sich allein, sich selbst genügend, existieren k a n n , wenn es der erhaltenden K r a f t b e r a u b t ist, die v o n der Gottheit ausgeht. D a r u m f ü h l t e n sich auch einige der Alten bewogen zu lehren, d a ß all

252

Über die Welt

dies voll von Göttern sei, was uns sichtbar vor Augen steht, wie auch das, was wir durchs Gehör und jeglichen Sinn wahrnehmen. Aber was 20 sie so als These aufstellten, entspricht zwar der göttlichen Kraft, nicht aber dem göttlichen Wesen. Denn es ist zwar wirklich Gott der Erhalter von allem und der Erzeuger all dessen, was, wie auch immer, in diesem unserem Kosmos zur Vollendung gebracht wird; jedoch ist es nicht so, daß er die Mühsal eines selber werkenden, geplagten Wesens auf sich nehmen muß, vielmehr kann er sich einer unermüdlichen Kraft bedienen, mit der er auch, was ferne von ihm zu sein 25 scheint, beherrscht. Der oberste und der erste Platz ist ihm zuteil geworden und er heißt deswegen der Höchste, nach dem Dichterwort „auf dem ragendsten Gipfel" des gesamten Himmels thronend. Am meisten lebt wohl das ihm benachbarte Element von seiner Kraft, dann das anschließende, und so immer weiter bis zu unserer Region. 30 Deshalb scheinen die Erde und die Dinge auf ihr, weil ihr Abstand von der erhaltenden Kraft Gottes so sehr groß ist, kraftlos zu sein und nicht zu einander stimmend und voll von vieler Wirrnis. Nichtsdestoweniger, insofern es in der Natur des Göttlichen liegt, zu a l l e m hindurchzudringen, wirkt es auch bei uns gleichermaßen wie in der 35 Region über uns, die je nach ihrer Nähe oder Entfernung von Gott 398 a mehr oder weniger seine | Hilfe erfährt. Besser also ist's, anzunehmen — wie es sich auch geziemt und am meisten zu Gott paßt —, daß die Kraft, die im Himmel ihren Sitz hat, auch für die am fernsten von ihr wohnenden Wesen, man darf sagen, für alle Wesen Erhaltung schafft, s besser jedenfalls, als zu glauben, daß sie, dorthin kommend und dort verkehrend, wo es für sie weder schön noch geziemend ist, selber die Dinge auf Erden besorgt. Das steht ja auch den Herrschern über Menschen nicht an — z. B. einem Heerführer oder dem Oberhaupt einer Stadt oder eines Hauswesens —, daß sie jeder beliebigen Verrichtung persönlich vorstehen, wenn es etwa gilt, Bettzeug zu verpacken und einen womöglich noch geringeren Dienst zu verrichten, 10 den auch der erstbeste Sklave tun könnte. Vielmehr (muß man sich Gottes Walten nach dem vorstellen), was vom Großkönig berichtet wird. Denn des Kambyses, des Xerxes und Darius Hofhaltung war einer feierlichen und überragenden Erhabenheit zuliebe prächtig ausgeschmückt; er selbst, so lautet die Kunde, thronte zu Susa oder 15 Ekbatana, für jedermann unsichtbar, in einem wunderbaren, von Gold, Elektron und Elfenbein strahlenden Königsschloß und Palastbezirk; viele aufeinanderfolgende Torwege und Vorhallen, die eine Ent-

Kapitel 6

253

fernung von vielen Stadien trennte, waren durch eherne Türen und mächtige Mauern gesichert. Außerhalb aber standen geschmückt bereit die ersten und angesehensten Männer, teils für den Dienst um den 20 König selbst bestimmt, als Leibgarde und Gefolge, teils als Wächter 5 der einzelnen Höfe sogenannte Türhüter und Horcher, damit der König selbst, den man als Herrn und Gott anredete, alles sehe, alles höre. Außer ihnen waren andere aufgestellt als Verwalter der Einkünfte, als Heerführer in Kriegen und bei Jagdzügen, als Empfänger 25 von Geschenken und als Besorger der jeweils notwendigen sonstigen 10 Dienste. Das ganze Reich Asien aber, wie es begrenzt war vom Hellespont im Westen, vom Indus im Osten, hatten Feldherren, Satrapen und Fürsten nach Völkerschaften eingeteilt, Knechte des Großkönigs, (denen wiederum gehorchten) Tagläufer, Kundschafter, Boten und 30 Beobachter von Feuersignalen. So umfassend war die kunstvolle Ord15 nung, am meisten bei den Posten der Feuersignale, die abwechselnd einander Feuerzeichen gaben von den Enden des Reiches bis nach Susa und E k b a t a n a , daß der König alles, was sich in Asien an Neuem 35 begab, noch am selben T a g erfahren konnte. | Man muß es sich dabei so vorstellen, daß der R a n g des Großkönigs 398 b 20 dem der weltdurchwaltenden Gottheit um so viel nachsteht, wie dem seinigen der R a n g des geringsten und schwächsten Lebewesens. Folglich, wenn es ein unwürdiger Gedanke war, daß Xerxes alles selber in die Hand genommen, selber seinen Willen verwirklicht und an jedem 5 Ort selbst die Aufsicht und Leitung gehabt habe, ist das doch wohl 25 für Gott noch viel unangemessener. Würdiger und geziemender ist die Vorstellung, daß er selbst zwar an höchster Stelle thront, daß seine K r a f t aber, die durch den ganzen Kosmos dringt, Sonne und Mond bewegt, den ganzen Himmel herumführt und für alles auf Erden Ur- 10 sache der Erhaltung wird. Denn es bedarf bei ihm keiner künstlichen 30 Zurüstung und Dienstleistung von Seiten anderer, so wie es bei unseren Herrschern der Fall ist, die wegen ihrer Schwäche einer Menge von Händen bedürfen; vielmehr ist dies an ihm das Göttlichste, daß er mit Leichtigkeit und mit einer einfachen Bewegung die verschiedensten Arten von Arbeit verrichten kann, so wie die Ingenieure durch einen 15 35 einzigen Seilzug an einer Maschine vielfältige Kraftwirkungen auslösen. In gleicher Weise bringen es auch die Marionettenkünstler fertig, indem sie einen einzigen Faden ziehen, daß sich Nacken und Hand, Schulter und Auge der Figur, manchmal auch alle Glieder zusammen, wohlabgestimmt aufeinander bewegen. So also leitet auch die gött-

254

Über die Welt

20 liehe W e s e n h e i t d u r c h e i n f a c h e B e w e g u n g der n ä c h s t l i e g e n d e n R e g i o n ihre K r a f t weiter zur anschließenden u n d von da wiederum zur entf e r n t e r e n , bis sie d u r c h alle Bereiche h i n d u r c h g e d r u n g e n ist. D e n n eins v o m a n d e r e n in B e w e g u n g g e s e t z t , b e w e g t a u c h selbst w i e d e r ein a n d e r e s g e m ä ß seiner O r d n u n g . D a b e i w i r k e n alle Teile auf i n d i v i d u e l l e 5 25 Weise, e n t s p r e c h e n d ihrer E i g e n a r t , o b w o h l die B a h n n i c h t f ü r alle ein u n d dieselbe ist, s o n d e r n f ü r j e d e n v e r s c h i e d e n u n d a b w e i c h e n d , m a n c h m a l sogar gegensätzlich, w ä h r e n d d o c h die B e w e g u n g , die gleichs a m d e n e r s t e n A u f t a k t d a r s t e l l t e , f ü r sie alle e i n m a l dieselbe gewesen ist. E s ist, wie w e n n m a n a u s e i n e m G e f ä ß m i t e i n a n d e r eine K u g e l , 10 e i n e n W ü r f e l , einen Kegel u n d e i n e n Z y l i n d e r w e r f e n wollte — es w i r d sich d a n n n ä m l i c h j e d e r K ö r p e r e n t s p r e c h e n d seiner b e s o n d e r e n Ge30 s t a l t b e w e g e n — oder w e n n j e m a n d ein W a s s e r - , ein L a n d t i e r u n d einen Vogel i m G e w a n d b a u s c h b e i s a m m e n h ä t t e u n d losließe; k l a r ist n ä m lich, d a ß das z u m S c h w i m m e n g e b o r e n e Tier in das i h m eigene E l e m e n t 15 springen u n d d a v o n s c h w i m m e n , d a s L a n d t i e r zu seinen ' W o h n u n g e n u n d W e i d e p l ä t z e n ' d a v o n k r i e c h e n wird, der B e w o h n e r des L u f t r e i c h s a b e r sich v o n der E r d e h o c h s c h w i n g e n u n d davonfliegen w i r d , u n d 35 d o c h ist es e i n e erste U r s a c h e , die i h n e n allen die individuelle Beweg399 a l i c h k e i t f r e i g e g e b e n h a t . So | ist es a u c h in der W e l t . D e n n d u r c h des 20 H i m m e l s g a n z e n e i n f a c h e U m d r e h u n g , die sich in einem T a g u n d einer N a c h t v o l l e n d e t , k o m m t es zu d e n v e r s c h i e d e n e n B a h n u m l ä u f e n aller H i m m e l s k ö r p e r , v o n d e n e n sich, o b w o h l sie v o n e i n e r K u g e l s c h a l e u m schlossen w e r d e n , die einen r a s c h e r , die a n d e r e n g e m ä c h l i c h e r b e w e g e n , 5 e n t s p r e c h e n d der Größe ihrer A b s t ä n d e u n d i h r e n spezifischen Be- 25 Sonderheiten. D e n n der Mond d u r c h l ä u f t in einem M o n a t seine K r e i s b a h n , wobei er w ä c h s t u n d w i e d e r kleiner wird u n d d a h i n s c h w i n d e t ; die Sonne ( t u t es) in einem J a h r , wie die m i t ihr g l e i c h l a u f e n d e n S t e r n e P h o s p h o r o s (Venus) u n d H e r m e s g e s t i r n ( M e r k u r ) ; der F e u e r 10 s t e r n (Mars) b r a u c h t die d o p p e l t e Zeit, das Zeusgestirn ( J u p i t e r ) eine 30 sechsmal so lange wie er, u n d als l e t z t e s d u r c h m i ß t das s o g e n a n n t e K r o n o s g e s t i r n ( S a t u r n ) seine B a h n in der z w e i e i n h a l b f a c h e n Zeit des H i m m e l s k ö r p e r s u n t e r i h m . A u s i h n e n allen a b e r , wie sie g e m e i n s a m singen u n d ü b e r d e n H i m m e l t a n z e n , ergibt sich e i n e H a r m o n i e , die a u s e i n e r U r s a c h e s t a m m t , e i n e m Z w e c k z u s t r e b t u n d d e s h a l b d e m 35 All in W a h r h e i t d e n N a m e n K o s m o s ( s c h m u c k v o l l e O r d n u n g ) , a b e r , 15 n i c h t A k o s m i a ( U n o r d n u n g ) , gegeben h a t . W i e a b e r bei e i n e m Chor, n a c h d e m der C h o r f ü h r e r a n g e s t i m m t h a t , die ganze S c h a r v o n M ä n n e r n , m a n c h m a l a u c h v o n F r a u e n , m i t g e m e i n s a m e m G e s a n g einfällt u n d

Kapitel 6

255

durch Mischung der verschiedenen, hohen und tiefen, Stimmen e i n e wohlklingende Harmonie entstehen läßt, so verhält es sich auch mit der Gottheit, die das All durchwaltet. Denn dem Auftakt entsprechend, der von oben stammt, von dem doch wohl treffend so genannten Chor- 20 5 führer her, bewegen sich die Gestirne immerfort und der gesamte Himmel, es zieht die alles erleuchtende Sonne ihre zwiefache Bahn, wobei sie auf der einen Tag und Nacht scheidet durch ihren Aufgang und Untergang, auf der anderen die vier Jahreszeiten heraufführt, vorwärts gegen Norden und rückwärts gegen Süden wandelnd. Dabei 10 treten zu ihrer Zeit Regengüsse auf, Winde und Tau und überhaupt 25 die Naturerscheinungen der Atmosphäre, alle auf Grund der ersten, uranfänglichen Ursache. Ihnen folgend vollziehen sich das Strömen von Flüssen, das regelmäßige Anschwellen des Meeres, Aufwachsen von Bäumen, Reifen von Früchten, Geburten von Lebewesen — Wachs15 tum, Lebensblüte und Hinschwinden von Allem; wobei jeweils, wie ich schon sagte, auch die besondere Beschaffenheit eines jeden Wesens 30 mitbestimmend ist. Wenn also nun der Führer und Erzeuger aller Wesen, der unsichtbar ist und nur im Denken zu schauen, seinen Weckruf erschallen läßt 20 für jegliche Wesenheit, die sich zwischen Himmel und Erde regt, so bewegt sich eine jede unablässig in ihren eigenen Kreisbahnen und Grenzen, bald verschwindend, bald wieder aufscheinend, unzählige Gestalten sichtbar machend und sie wieder bergend, aus e i n e m Ur- 3s grund her. E s gleicht | das Geschehen so recht dem, was sich besonders 399 b 25 in Kriegszeiten begibt, wenn die Trompete das Lager wachruft. Dann nämlich nimmt, wenn ein jeder die Stimme vernommen, der eine Soldat den Schild auf, dort zieht ein anderer den Brustharnisch an, der legt Beinschienen oder Helm oder Gürtel u m ; der zäumt sein Roß, 5 der besteigt den Streitwagen, der gibt die Parole weiter. Rasch tritt 30 der Zugführer zu seinem Zug, der Hauptmann zu seiner Abteilung, der Reiter eilt auf den Flügel, der Leichtbewaffnete auf seinen besonderen Platz — alles aber beeifert sich, unter e i n e n Befehl zu treten, nach dem Gebot des Führers, der die höchste Gewalt hat. Ebenso muß 10 man sich's auch beim All vorstellen. Denn zufolge einer einzigen Kraft 35 wirkung geschieht bei allen Wesen das ihnen Gemäße, obwohl doch diese K r a f t unsichtbar und verborgen ist. Diese Verborgenheit hindert sie nicht daran, zu wirken, und uns ebensowenig, an sie zu glauben; es ist j a auch die K r a f t der Seele, durch die wir leben, durch die wir in Häusern und Städten wohnen, unsichtbar und nur in ihren Wir- 15

256

Über die Welt

k u n g e n anschaulich, n ä m l i c h in der g a n z e n O r d n u n g des Lebens,

die v o n ihr e r f u n d e n u n d

sammengehalten

wird:

das

durchgeformt

Pflügen

und

menschlichen

ist u n d

Bepflanzen

v o n ihr

des

die technischen E r f i n d u n g e n , der G e b r a u c h der Gesetze, die

Ordnung

des Staates, H a n d e l u n d W a n d e l i m Innern, dazu im auswärtigen reich K r i e g u n d

S o m u ß m a n sich a u c h d a s W i r k e n der Gottheit vorstellen, die Leben,

von

Denn im

höchster

unsichtbar alles, w a s

Wasser,

Be-

Friede.

20 g e w a l t i g e r K r a f t i s t , v o n m a j e s t ä t i s c h e r S c h ö n h e i t , v o n Wesen

zu-

Erdbodens,

Wertfülle,

und

(im

eben

25 G o t t e s n e n n e n . A u s

man ihm

auch

sie

für jedes zu

sterbliche

erschauen

geschieht, in der L u f t , a u f E r d e n

Kosmos)

möchte

weil

n u r in ihren W e r k e n

von

unsterblichem

wahrlich

Werke

des

ist. und

weltüberwaltenden

stammt, nach dem Naturphilosophen

Empe-

dokles, „alles, w a s Bäume Tiere Er

der

ähnelt

30 s e i n

war,

— den ganze

alles, w a s

durch

Erde,

— mag

sogenannten und

Gebilde

ihn

die Vögel

wirklich

ihre Mittellage das

und

wuchsen

der

Luft

es auch ihrer

Bogens

was

künftighin

Menschen, und

Männer

die

in

sein

und

Fische

ein Vergleich

Schlußsteinen

dank des

ist u n d

und

mit

im

nach

in seiner F ü g u n g

Wasser".

Geringfügigem

Gewölbebögen,

Verbindung

wird,

Frauen,

beiden halten,

die

durch

Seiten in

hin

Ordnung

u n d U n e r s c h ü t t e r l i c h k e i t . V o m B i l d h a u e r P h i d i a s erzählt m a n , er h a b e 35 b e i d e r A r b e i t a n d e r A t h e n a s t a t u e oa i h r e s

Schildes

Götterbild

— sein

durch

eigenes

eine

auf der Akropolis

Porträt

geheime

angebracht

Vorrichtung

— in der

und

es

verbunden,

mit so

Mitte dem

daß

|

der,

der es hätte beseitigen wollen, notwendigerweise das ganze

Standbild

z u m völligen Einsturz gebracht hätte. Dies entspricht d e m

Verhältnis

G o t t e s z u r W e l t : er sichert die H a r m o n i e u n d die D a u e r des

Ganzen.

5 N u r n i m m t er nicht die M i t t e ein, w o die E r d e u n d diese u n s e r e trübe dem

S t ä t t e ist, sondern w o h n t Wortsinn

'Grenze'

(horos)

gemäß

'Himmel'

bildet,

und

finster-

droben, rein an reinem Ort, den (uranos)

'Olymp',

nennen,

weil

er

weil

'ganz

er

und

die gar

wir

obere durch-

leuchtet' (hololampe) ist u n d fern v o n j e g l i c h e m D u n k e l u n d aller ung e o r d n e t e n B e w e g u n g , wie sie bei u n s herrscht d u r c h die G e w a l t io S t u r m u n d W i n d e n .

So sagt ja auch der

„ A u f z u m hohen O l y m p , der Götter ewigem S a g e n sie, d e n kein

von

Dichter: Wohnsitz,

S t u r m erschüttert, n i m m e r ein

F e u c h t e t , nie der S c h n e e b e d e c k t ; b e s t ä n d i g e

Regen

Heitre

W ö l b t sich ohne G e w ö l k u n d deckt ihn mit s c h i m m e r n d e r

Helle".

Kapitel 6

257

Gleiches Zeugnis legt auch das tägliche Leben ab, wo m a n den oberen 15 Ort Gott z u e r k e n n t ; denn wir Menschen alle strecken beim Beten die H ä n d e z u m Himmel. I n diesem Sinn klingt denn auch das W o r t gar wohl: 5 „Zeus w a r d der Himmel, der weite, zuteil, in Äther und Wolken". Deshalb nehmen auch von den sichtbaren K ö r p e r n die köstlichsten 20 den gleichen Platz ein, Sterne, Sonne u n d Mond; u n d deswegen sind auch allein die Himmelskörper so schön gefügt, daß sie ewig den gleichen Platz innehalten und, wandellos, niemals eine Veränderung 10 ihres Laufs erfahren haben, wie die irdischen Dinge, die w a n d e l b a r sind u n d mannigfache Veränderungen u n d Schicksale h a b e n erleiden müssen. D e n n gewaltsame E r d b e b e n h a b e n schon viele Teile des E r d - 25 körpers aufgerissen, ungeheure Regengüsse haben ihn herabstürzend ü b e r s c h w e m m t , herandringende u n d zurückweichende Meeresfluten 15 haben oftmals festes Land in Meer u n d Meere in Festland verwandelt, die Gewalt eines Sturmes, einer Windhose h a t m a n c h m a l ganze S t ä d t e zerstört, Feuersbrünste und F l a m m e n , die vom Himmel k a m e n , h a b e n 30 der Sage nach vor alters, in P h a e t h o n s Zeit, die östlichen Landstriche in B r a n d gesetzt und es ebenso im Westen getan, wo sie aus der E r d e 20 aufsprudelten u n d aushauchten, wie die Feuer, die aus den K r a t e r n des Ä t n a a u f b r a c h e n und sich, einem Wildbach gleich, über das E r d reich ergossen. Dort erfuhr auch das Geschlecht der F r o m m e n | eine 400 b außergewöhnliche E h r u n g durch die Gottheit. Denn als sie von dem L a v a s t r o m eingeschlossen wurden, weil sie ihre greisen E l t e r n auf den 25 Schultern trugen, u m sie zu retten, da teilte sich der feurige F l u ß , wie er nahe herangekommen war, die Glut wurde zu beiden Seiten abge- 5 lenkt u n d ließ die Jünglinge m i t s a m t den E l t e r n unbeschädigt. Zusammenfassend also: was auf dem Schiff der S t e u e r m a n n , auf dem Wagen der Lenker, im Chor der Chorführer, im S t a a t der Gesetz3» geber, im Lager der Heerführer, das ist Gott in der Welt, n u r m i t dem Unterschied, daß f ü r jene das F ü h r u n g s a m t eine Mühsal ist u n d viele Bewegung u n d Sorgen erfordert, f ü r ihn aber etwas Leid- u n d Mühe- 10 loses, etwas, was b a r ist aller körperlichen Schwäche, D e n n an unbeweglicher S t ä t t e t h r o n e n d , bewegt er alles durch seine K r a f t u n d 35 f ü h r t es im Kreise, wo u n d wie er will, in verschiedenen A r t e n u n d Wesenheiten, wie j a auch das Staatsgesetz, in den Seelen derer, die sich seiner bedienen, unbeweglich r u h e n d , das ganze öffentliche Leben is steuert. Denn offenbar in seiner Befolgung gehen die B e a m t e n zu ihren A m t s r ä u m e n , die Thesmotheten in ihre besonderen Gerichtssäle, die 17

Aristoteles, 12

258

Über die Welt

R a t s h e r r e n u n d die B e s u c h e r d e r V o l k s v e r s a m m l u n g e n i n die e n t s p r e c h e n d e n S i t z u n g e n , u n d m a n c h e r m a c h t sich a u f d e n W e g z u m P r y t a n e i o n , u m d o r t ein E h r e n m a h l e i n z u n e h m e n , m a n c h e r z u m G e r i c h t , 20 u m sich zu v e r t e i d i g e n , u n d ein a n d e r e r ins G e f ä n g n i s , u m d o r t d e n T o d zu e r l e i d e n . E s finden a u c h d e m G e s e t z g e m ä ß s t a t t ö f f e n t l i c h e Spei- s s u n g e n , a l l j ä h r l i c h e F e s t v e r s a m m l u n g e n , O p f e r f ü r die G ö t t e r , H e r o e n dienste und Trankspenden für Verstorbene. U n d indem immer wieder anderes auf verschiedene Weise vollzogen wird, e n t s p r e c h e n d e i n e r V o r s c h r i f t o d e r g e s e t z l i c h e n M a c h t a u s ü b u n g , b e w a h r h e i t e t sich d a s W o r t des D i c h t e r s : 10 „ E s i s t die S t a d t v o n W e i h r a u c h d ü f t e n voll, zugleich v o n B i t t g e s ä n g e n u n d v o n K l a g e l a u t e n . " So m u ß m a n ' s sich a u c h bei d e r g r ö ß e r e n S t a d t v o r s t e l l e n , ich m e i n e b e i d e r W e l t . D e n n ein G e s e t z , u n d z w a r ein g l e i c h m ä ß i g a u s g e w o g e n e s , ist f ü r u n s G o t t , ein G e s e t z , d a s k e i n e V e r b e s s e r u n g o d e r V e r ä n d e r u n g is 30 a n n i m m t , d a s a b e r , wie ich g l a u b e , t r e f f l i c h e r ist u n d z u v e r l ä s s i g e r als alles, w a s a u f u n s e r e n G e s e t z e s t a f e l n s t e h t . D a d u r c h a b e r , d a ß er in u n e r s c h ü t t e r l i c h e r R u h e u n d H a r m o n i e sein F ü h r u n g s a m t a u s ü b t , w i r d d e r g a n z e a u s E r d e u n d H i m m e l b e s t e h e n d e W e l t b a u r e g i e r t , d e r geg l i e d e r t ist g e m ä ß d e r F ü l l e v o n W e s e n h e i t e n , v e r m i t t e l s t d e r j e w e i l s 20 401 a e i g e n e n K e i m e , in P f l a n z e n u n d T i e r e n a c h G a t t u n g u n d A r t . D e n n Wein|stöcke, Dattelpalmen und Pfirsichbäume, 25

„Feigenbäume mit süßer Frucht, und Oliven", wie d e r D i c h t e r s a g t ; f e r n e r solche, die z w a r n i c h t F r ü c h t e t r a g e n , a b e r s o n s t i g e m G e b r a u c h d i e n e n , wie P l a t a n e n , F i c h t e n , B u c h s b ä u m e , die 2s „Pappelweide und Erle und düftereiche Zypresse", 0 d a z u B ä u m e , die z u r E r n t e z e i t s ü ß e , a b e r s c h w e r a u f z u b e w a h r e n d e Frucht bringen, „Birnenbäume, Granaten und Bäume mit herrlichen Äpfeln"; d a n n v o n d e n T i e r e n die w i l d e n u n d z a h m e n A r t e n , solche, die i n d e r 3» L u f t , a u f d e r E r d e u n d i m W a s s e r l e b e n —: sie alle e n t s t e h e n , r e i f e n 10 u n d v e r g e h e n G o t t e s S a t z u n g e n g e h o r s a m ; w i r d d o c h „alles, w a s d a k r e u c h t , v o n s e i n e m G e i ß e l s c h l a g g e h ü t e t " , wie H e r a k l i t s a g t . 7 . E I N E R ist er, u n d t r ä g t d o c h viele N a m e n , d a er b e n a n n t w i r d n a c h all d e m G e s c h e h e n , d a s er selbst i m m e r f o r t e r n e u t . D e n n w i r 35 n e n n e n i h n „ Z e u s " u n d ' Z e n ' ( = l e b e n ) , w o b e i w i r die N a m e n n e b e n 15 e i n a n d e r g e b r a u c h e n , als w o l l t e n w i r s a g e n : „ d e r , d u r c h d e n w i r l e b e n . " D e s K r o n o s S o h n , d . h . des C h r o n o s (Zeit) h e i ß t er, d a er sich h i n durcherstreckt v o n einer grenzenlosen Ewigkeit zu a n d e r e n . 'Blitz-

Kapitel 6—7

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sender' und 'Donnerer', 'Herr der Himmelsklarheit', 'Herr des Äthers', 'der mit dem Donnerkeil', 'Regenspender' wird er genannt, nach den Regengüssen, Blitzschlägen und den anderen Naturerscheinungen. Und außerdem trägt er den Namen 'Fruchtspender' von den Feldfrüchten, 5 'Stadtschützer' von den Stadtgemeinden her, 'Sippenhort', 'Haus- 20 umfriediger', 'Familienschützer', 'Vätergott', weil er an den so benannten Gemeinschaften Anteil hat, 'Bundes- und Freundschaftsschützer', 'Herr des Gastrechts', 'Heeresschützer', 'Siegesherr', 'Reiniger', 'Bluträcher', 'Hort der Schutzflehenden', 'Herr der Sühneopfer', wie die 10 Dichter sagen, 'Retter' und 'Befreier' in Wahrheit; um es zusammen- 25 fassend zu sagen, 'Herr des Himmels' ist er und 'Herr der Erde', namengebend für jegliche Wesenheit und jegliche Lebenslage, da er von Allem der Urheber ist. Darum heißt es auch in den Orphischen Gedichten gar wohl: 15 „Zeus ist der erste und Zeus ist der letzte, der Herrscher des Blitzes, Zeus ist Haupt, Zeus Mitte, aus Zeus ist alles geschaffen. | Zeus ist der E r d e Grund und auch des sternfunkelnden Himmels, 4011> Zeus ist Mann und Zeus ist auch unsterbliches Mädchen, Zeus ist der Windhauch durchs All, Zeus Andrang rastlosen Feuers, 20 Zeus ist Wurzel des Meers, Zeus Sonne und Leuchte des Mondes. Zeus ist Fürst, Zeus König des Alls, im Glänze des Blitzstrahles; 5 Alles j a birgt er in sich und bringt es zum heiteren Lichte Wieder empor aus der Reine des Hauptes, wundersam wirkend". Ich glaube aber, auch die Ananke (Notwendigkeit) bezeichnet nichts 25 anderes als ihn, der den unbesieglichen (aniketon) Ursprung darstellt, ebenso die Heimarmene (Schicksal), weil er alles aneinanderreiht (eirein) und unaufhaltsam vorwärtsschreitet, die Pepromene (Bestim- 10 mung), weil innerhalb des Seienden alles fest begrenzt ist (peperatosthai) und nichts unbegrenzt, und Moira, vom Eingeteiltsein (memeri30 sthai) in der Welt, Nemesis, von der Zuteilung (dianemesis) an jeden, Adrasteia, weil diese naturgemäß die unetitfliehbare (anapodraston) Ursache ist, und Aisa, die ewig Seiende (aei ousa). Die Geschichte von den Moiren und ihrer Spindel deutet wohl in die gleiche Richtung; 15 denn die Moiren sind ihrer drei, gemäß den Zeitstufen, auf die sie 35 verteilt sind, der Faden der Spindel aber ist teils aufgearbeitet, teils steht er (für die Zukunft) heran, teils rollt er eben jetzt ab. Gesetzt über das Geschehene aber ist eine der Moiren, nämlich Atropos, weil alles Vergangene unwandelbar (atrepta) ist, über das Künftige La- 20 chesis — denn auf alle wartet, was ihnen der Natur gemäß zugelost 17»

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Über die Welt

ist (lexis) — und über das Gegenwärtige Klotho, die einem jeden sein Eigenes vollendet und zuspinnt (klothusa). So hat denn auch die Geschichte ihre wohlgeordnete Vollendung. Dies alles aber ist nichts anderes als Gott; wie denn auch der edle 25 Piaton spricht: „Der Gott also, der, wie das alte Wort lautet, Anfang, 5 Ende und Mitte alles Seienden in sich schließt, schafft Vollendung auf geradem Wege, da sein Weg der der Natur ist; ihm folgt immerfort nach das Recht, das die bestraft, die dem göttlichen Gesetz untreu werden. An dieses Recht möge sich, wer glückselig werden will, gleich von Anfang an halten." 10

EINLEITUNG

i Die kleine Schrift V o n der Welt ist u n t e r d e m N a m e n des Aristoteles überliefert u n d g e w a n n u n t e r i h m i m 2. J h . n. Chr. beträchtliches Ansehen. Die Ü b e r s e t z u n g des Apuleius — „rectius erat p a r a p h r a s i s vel i m i t a t i o n u n c u p a n d a " , W . L. Lorimer, Ausg. p. 20 — ist d a f ü r ein Beleg (der die Mitte des g e n a n n t e n J a h r h u n d e r t s als t e r m i n u s a n t e q u e m f ü r die E n t s t e h u n g des T r a k t a t s ergibt), ebenso die B e n u t z u n g d u r c h d e n P l a t o n i k e r Máximos v. T y r o s (literarische T ä t i g k e i t u n t e r Kaiser Cominod u s , 180—192) Zweifel a n der Verfasserschaft des Stagiriten w e r d e n bei Proklos (gest. 485) l a u t (Comm. in P l a t . T i m . 3 2 2 E ) ; doch gilt den f r ü h - u n d h o c h m i t t e l alterlichen Ü b e r s e t z e r n (s. u.) das W e r k c h e n als aristotelisch. N a c h d e m E r a s m u s v o n R o t t e r d a m auf A t h e t e s e e r k a n n t h a t t e , ergab sich erst d u r c h die Diskussionen des 19. J h . eine gegründetere Beurteilung der hellenistisch-kaiserzeitlichen Philosophie, in der fiktive Philosophenbriefe, wie v o n De m u n d o r e p r ä s e n t i e r t , n i c h t ganz selten sind. D a s E r g e b n i s f ü r d a s P s e u d e p i g r a p h o n stellte E d . Zeller in der g e n a n n t e n Spezialschrift u n d in seinem großen historischen W e r k ( P h . d. Gr. I I I l 3 , 631 ff.) f e s t : Der A n o n y m u s , ein E k l e k t i k e r , der m i t seiner Lehre v o m weltfernen u n d doch in gewissem Sinn zugleich w e l t d u r c h d r i n g e n d e n G o t t zwischen Aristoteles — d e m er sich zugehörig f ü h l t — u n d der S t o a vermitteln will. Dies ließe als t e r m i n u s post einerseits das W i r k e n des J u n g s t o i k e r s Poseidonios (gest. gegen 51 v. Chr.), andererseits die E r n e u e r u n g der aristotelischen Schule nach der W e r k a u s g a b e des Andronikos ( u m 40 v. Chr.) v e r m u t e n . Die literaturgeschichtliche Stellung der Schrift w u r d e d u r c h die These v o n Bernays, Über die fälschlich d e m Ar. beigelegte Schrift Tiegl xóofiov, Ges. A b h a n d l . I I 278—282 (nach einer Anregung d u r c h Bergk) b e r ü h r t , d a ß Ps.-Ar. sich nicht a n den Makedonenkönig, sondern a n einen Zeitgenossen Tib. J u l i u s Alexander, einen h o h e n R e i c h s b e a m t e n u n t e r Kaiser Nero, wende. Diese v o n Zeller abgelehnte D e u t u n g w u r d e v o n M. Pohlenz energisch, aber ohne überzeugende G r ü n d e erneuert 2 . — Die E p o c h e der B e r ü h m t h e i t b e g a n n f ü r Ps.-Ar. u m die J a h r h u n d e r t w e n d e im Z u s a m m e n h a n g m i t der Poseidoniosfrage, die j a h r z e h n t e l a n g einen erheblichen Teil der E r f o r s c h u n g der nachklassischen Philosophie auf d e n großen 1

2

Die v o n E d . Zeller, Ü b e r d e n U r s p r u n g der S c h r i f t V o n der W e l t , Sitz.-Ber. Berlin 1885, 399—415, b e g r ü n d e t e Ansicht, d a ß De m u n d o Máximos b e k a n n t w a r , wird v o n Lorimer, N o t e s 141 f., u n d Pohlenz, Philon 480, ü b e r z e u g e n d u n t e r s t ü t z t . Zu L u k i a n s. u . S. 265, A n m . 4. tfye/ióvtov aQiOTOS (c. 1 fin.) „ b l a ß u n d nicht b e z e i c h n e n d " ( P h i l o n 480) — aber gerade wenn der E i n d r u c k eines a u t h e n t i s c h e n 'Aristoteles a n A l e x a n d e r ' erweckt w e r d e n soll, ist solche K n a p p h e i t ganz a m P l a t z e . Z u d e m e n t s p r e c h e n die beiden d a s P r o ö m i u m u m r a h m e n d e n A n r e d e n der G e d a n k e n b e w e g u n g d e s K a p i t e l s : d a s h ö c h s t e Wissen geziemt d e m g r ö ß t e n König. E s ist mir n i c h t zweifelhaft, d a ß d e r A u t o r — dessen P i a t o n k e n n t n i s sich herausstellen wird — a n die Philosophenkönige des ' S t a a t e s ' (473D) erinnern will.

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Einleitung

Rhodier konzentrierte; sein N a m e m u ß t e dabei nachgerade den Schlüssel f ü r eine unwahrscheinliche Fülle von Quellenproblemen, von Cicero bis zur Spätantike, darstellen. F ü r Physik und Theologie des Poseidonios galt das Buch Von der Welt als eine Hauptquelle, besonders nachdem v. Wilamowitz in Begleitung eines neuen Auswahltextes (Griech. Lesebuch I I , 1902) diese D e u t u n g fixiert h a t t e . Sie f a n d in W. Capelles Studie (N. J b b . 1905) ein durch die reiche Dokumentierung bestechendes F u n d a m e n t , dessen Brüchigkeit freilich bei jedem Neuansatz auf dem Gebiet der einschlägigen Quellenanalyse zutage t r a t 3 . D a ß es zu einem Neubeginn der kritischen Bemühungen k a m , wird Karl Reinhardt v e r d a n k t , der in den bisherigen Rekonstruktionen zu dem Stoiker — von dem wir j a keine einzige Schrift besitzen — eine Fülle von Fragwürdigkeiten aufdeckte und neue Kriterien aufstellte (1921). F ü r den Interpreten von De mundo ergab dies eine schwierige Lage. Das Opusculum schien zu zerfallen; f ü r Poseidonios wurde nur noch ein Teil beansprucht, der Rest einer eklektisch gestimmten, neuperipatetischen Richtung zugeschrieben; auch der Neupythagoreismus meldete seine Ansprüche an (Maguire 1939). Nur im 4. (meteorologischen) Kapitel erkannte Reinhardt (a. a. O. 174) Geist u n d Lehre seines Philosophen — obschon doch auch dieses fachwissenschaftlich fundierte Werkstück sich weder stilistisch noch in der Kosmosauffassung von der U m r a h m u n g unterscheidet. Daran, daß der Übersetzer Apuleius im Vorwort seines Liber de mundo neben Aristoteles auch Theophrast als seinen ' a u c t o r ' nennt (p. 137,2 Thom.), dachte niemand. Ein Kenner wie M. Pohlenz sah in den K a p i t e l n 2—4 „im ganzen . . . Poseidonios' Weltbild" (Philon 481), aber der Zusatz „allerdings durch Vermittlung von H a n d b ü c h e r n " berechtigt uns, Reinhardts eingedenk zu bleiben, zu dessen sichersten Ergebnissen die Erkenntnis gehört, kein 'Weltbild' könne durch H a n d bücher tradiert werden. In dem imponierenden, ebenso großzügig entworfenen wie im Detail genauen Textbuch zur antiken Kosmostheologie von R . P. Festugiere (1949) h a t unser Pseudaristotelicum eine vom Plan des Gesamtwerkes bestimmte Stelle; es wird auf sein Genos hin befragt und in das „genre d'Eisagoge" (486), des einführenden Schulwerks, eingeordnet; was zur Folge h a t , daß De m u n d o i m ganzen nur als Vermittler von Topoi f ü r den großen, auf die spätantiken Hermetica abzielenden Zusammenhang in Frage k o m m t . Der Bruch mit dem Panposidonismus ist vollkommen. Dabei k o m m t die Schrift zwischen Cicero und Philon zu stehen; die Dimension des frühkaiserzeitlichen, vor allem durch Plutarch vertretenen Platonismus bleibt gänzlich fern, wie Ps.-Ar. auch — in dieser bisher umfänglichsten Behandlung des Pseudepigraphons — „als Individuum" (wie es Capelle 533 ausdrückte) nicht ernstgenommen wird. Die von Festugiere u n t e r n o m m e n e ausführliche Vergleichung mit der xvxfaxrj ftewoia des Kleomedes ergibt f ü r das Besondere von Ps.-Ar. nichts Wesentliches. 3

Der große Kritiker, der sich u m die Erforschung der griechischen @votxd bleibende Verdienste erworben h a t , eröffnete in dieser einflußreichen J u g e n d a r b e i t mehr als einen Irrweg. Die Zahl der petitiones principii in seiner I n t e r p r e t a t i o n ist erstaunlich hoch, beunruhigend ist die innere Widersprüchlichkeit, mit der einerseits große Teile als echter Poseidonios bewundert werden, während das Ganze doch in die Geschichte der 'Popularphilosophie' gehört, bzw. mit der dem Autor „philosophische Unwissenheit" (537) vorgeworfen, gleichzeitig aber die enorme Leistung zugetraut wird, aus posidonianischen Riesenwerken wie Ilegi &eww und liegt 'Qxeavov eine „durchaus planvolle" (564) Summula hergestellt zu haben.

Einleitung

265

2 Eben hier dürfte anzusetzen sein. Die Formung des Ganzen ist individuell; sie verdient ein unbefangenes Studium, dem der Autor im Proömium den entscheidenden Orientierungspunkt liefert. Dort erhält ein Lobpreis der Philosophie die Pointe, daß es auf die Antithese von 'Teil' und 'Ganzem' gestellt wird. Auf das Große, Ganze, Überragende muß der Blick gerichtet werden (wtegoxtf 391 b 3 wird später auf die Gottheit angewandt, 398 b 1). Es ist kein Widerspruch hierzu, wenn dann in den Kapiteln 2—4 der Autor auf das Detail eingeht (Kosmologie, Geographie, Meteorologie). Auch über diesen Teilen der Schrift steht das Programmwort &eoÄoywftev (391 b 4), d. h. der Weltvordergrund wird so betrachtet, daß immer wieder das Ganze in den Blick kommt. So ist das kosmologische Kapitel in der Weise angelegt, daß am Ende der Gegensatz des Ruhenden und des Ewigbewegten herauskommt, das meteorologische so, daß das Ruhende genauer als das Ganze und zugleich Heilbringende erkannt wird, das Bewegte als die Summe der vergänglichen Einzelheiten (vgl. 396 a 27 ff.). Das 3. Kapitel, der Beschreibung des Wasser-Erd-Körpers gewidmet, lehrt eine Betrachtungsweise kennen, die mit diesem Streben, das Detail zu beleuchten und zugleich zu überhöhen, zusammenhängt; man kann sie den „Blick von oben" nennen. Der Autor faßt das Gewimmel auf der Erde, zugleich ihre fruchtbare Fülle in markante Naturbilder. Man hat an ihrer Wiederholung (392 b 14ff., 397 a 24ff., 399 a 26ff., vgl. Verf., Mus. Helv. 9, 1952, 143f.) Anstoß genommen, aber gerade sie dient dem Autor; er macht an ihnen — wie im Kommentar gezeigt werden kann — verschiedene Stufen des Gedankengangs sichtbar. Diese Bilder entwirft er gleichsam Ttrrjvog yevo/xevog wie es in einem der für diese Kosmosschau 4 fundamentalen Texte (Plat. Phaed. 109E, vgl. Theaet. 173E) heißt. Am nächsten steht den Naturbildern unseres Anonymus die schwungvolle Schilderung, die Philon (De aet. mund. 63f.) nach dem Peripatetiker Kritolaos entwirft. Was dabei Ps.-Ar. dem Leser vor allem vermitteln will, ist der Eindruck des 'Wunderbaren'. Wie bereits in c. 1 das vermeintliche &av/tdoiov mit dem wahren kontrastiert wurde (391 b 1), so wird in c. 2 die wahre Großartigkeit der Welt gegenüber der ayvoia des Laien erwiesen; im Harmoniekapitel (5) setzt sich dies, bereits fiera rä cpvaixd, fort (396 b 4). In die hier skizzierten Formgedanken ordnet sich auch die Meteorologie ein. Die Phänomene im (Feuer-)Luftraum sind für das Anliegen des Verfassers besonders geeignet; er exzerpiert ein wertvolles fachwissenschaftliches Referat 5 , um 4

5

R. M. Jones' Prüfung der reichen Belege führt zu der überzeugenden Feststellung (Cl. Phil. 21, 1926), daß überall "strong Piatonic colouring" — und nicht Poseidonios — vorliege, wenn schon der philosophische Sinn, der dem Motiv in den platonischen Mythen eignet und auch im kaiserzeitlichen Piatonismus noch faßbar ist (Plut., De fac. orb. lun. 940 E; Max. Tyr. 11,9f.; 16,6; auf stoischer Seite: Kaiser Marcus 12,24,3), vielfach zur baren Floskel verblaßt. Auch Philons einschlägige Texte (bes. De opif. mund. 69 ff.) beurteilt Jones als sachlich und sprachlich überwiegend platonisch. Lukian travestiert den „Blick von oben" im „Ikaromenippos" (passim), wo Berührungen mit De mundo 5 (Themen der concordia discors), 6 (HcxpoxXeiog jiöfag, s. zu 400 b 25) den Schluß nahelegen, daß der Verfasser unser Pseudaristotelicum kannte. Daß es Lehren Theophrasts wiedergibt, läßt sich, wie ich hoffe, nun endgültig zeigen. Die Verteidiger der Poseidonioshypothese konnten schließlich nur noch

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Einleitung

die naQaäo^oi veoxftwoeig (397 a 20) in dieser kosmischen Zone mit den dahinterstehenden ewigen Gesetzen zu kontrastieren. Dieser rein peripatetisch gestimmte Kapitelschluß bezeichnet die Mitte des Buches und eine entscheidende Gelenkstelle. Denn mit c. 5 geht die Darstellung vom sichtbaren Kosmos zur bloß in Gedanken zu erfassenden Weltstruktur über — in einer ersten Annäherung, bei der aber doch schon die Integrierung der verwirrenden Gegensätzlichkeiten (die sichtbaren Naturvorgänge erscheinen hier abstrakt als ivavriorrjreg, seil, von Elementen und Qualitäten) in eine umgreifende Harmonie (396 b 25) gelingt. W a s am Ende des 4. Kapitels nur erst anklang (mit dem Schlußwort tpvhinovacu), wird j e t z t (397 a 30ff.) entf a l t e t : Das Weltganze ist auf das Wohl, die Erhaltung seiner Glieder angelegt. Waren dort, am Ende der yivaixd, die Phänomene noch genannt, so wird dies nun (c. 5 a. E . ) von den Formeln yivBaiQ / (pdoQai / ü(aTr)Qia überhöht. Wenn der Philosoph, der das 'Prophetenamt' übt (vgl. 391 a 16), nun den letzten Schritt tut, dann führt dieser vollends ins Unsichtbare hinein, zugleich aber an den eigentlichen Quellpunkt des kosmischen Lebens heran. Die Gotteslehre (c. 6) läßt den Gedanken der Welterhaltung voll hervortreten, indem sie die acorrjQia einem amzriQ unterstellt (397 b 20). Die reiche hier eingesetzte Bildlichkeit beleuchtet von verschiedenen, sich ergänzenden Gesichtspunkten das größte ftav/idoiov in der W e l t : wie der Eine in seiner „ragenden H ö h e " (397 b 26) in alle Bereiche dieses gestuften Kosmos mit seiner Dynamis einwirkt (auch die Spannung zwischen Oben und Unten gehört, schon zu Beginn des 2. Kapitels als Thema gebracht, in dieses Weltbild). Von dieser Höhe aus gesehen, erscheint alles Irdische als egyov &EOV, die unzähligen Differenzierungen der Erscheinungswelt sind ebenso viele Individualisierungen der einen Kraftwirkung. Schließlich konzentriert sich die Theologie in einem Hymnus (c 7) r , a ; sinnreich wird die durchgehende Spannung zwischen 'Teil' und 'Ganzem' in die Gottheit selbst verlegt und damit gelöst: ¿lg de IJJV noXvo'jvvfiot;. — Der Durchblick auf Stoff und F o r m der Schrift sollte vor allem auf die Kunst des Transponierens aufmerksam machen, die der Autor bewährt. Dreimal tauchen jene laudes terrae (o. S. 265) auf, viermal eine Veranschaulichung des meteoren Raums (392 b 2 ff., 397 a 19ff., 399 a 24ff., 400 a 25ff.); jedesmal ist der 'Stellenwert' etwas verändert. E s liegt ein eigentümliches Denken vor, das seine Positionen nicht argumentierend erreicht, sondern von Blickpunkt zu Blickpunkt, überraschend, fortschreitet. So weit der Autor von der methodischen Haltung Piatons entfernt ist, so genau trifft er mit dem berühmten Programm in den „Gesetzen" überein: „Der Logos muß gehen, bis er bei dem Gott angelangt i s t " (643 A). Plutarch wird dies im Sinn haben, wenn er zu Beginn des Dialogs Über das Aufhören der Orakel die interessante Figur eines philosophischen Weltwanderers vorstellt: avvrjyev iarogiav olov iiAr/v V övrmv) und an den Schluß von P l u t a r c h s Schrift liegt £v{h>/xtag (f/ rwv ovrwv äXrj&Eia) erinnert sei (recht formelhaft dagegen die Verwendung Kleomed. II 1, p. 158,10 Ziegl.). Aber die Tatsache, d a ß das ganze Kapitel — und in dem S. 265 erörterten Sinn die ganze Schrift — auf den Wertgegensatz Ganzes—Teil gestellt ist, wird stärker ins Gewicht fallen müssen, als es Lorimer, Notes 36, zugesteht, zumal r a o'Aa = 'Kosmos 1 natürlich ebenfalls klassisch ist, Plat., Legg. X 9 0 3 B ; Ar., De part. an. II 10, 656 a 12; auch Kaiser Marcus bringt rj Ttbv oXwv (pvoiQ und äXri&Eia zusammen, 9,1,3. Wichtig, daß der Autor an bedeutsamer Stelle des 5. K a p . rrjv rwv öXoiv avaraaiv ins Spiel bringt, 396 b 23. — „aufgeschwungen": zu Siaga/tEvr] vgl. Ps.-Plat., Axioch. 370 B 3, auch Herakl. D. Hr. I ' 22 A 1, §7. 239.4 (a 4) „die Wahrheit". Im hier vorliegenden kosmischen Sinn ausführlicher dargelegt 5, 397 a l l (äyevÖEia der Gestirnbewegungen, die die Jahreszeiten hervorbringen; Wilamowitz, Leseb. II 2, 129 verweist auf Pindars Zeushymnus, fr. 30 Sn. aXa&iaQ "Qqoq: „die Hören halten immer Wort"). Wo Piaton den Philosophen als äXrj&Eiaq QOVVZA TTJV Tötv oXtov äXrj&eiav xai r d f i v . 239.5 (a 4) „zurückwichen". Ethos und Vokabular s t a m m e n a u s Plat., Tim. 25C, wo Alt-Athen allein, fwvco&sioa, rcöv äXXwv äjioOTdvTcav eine Leistung hoher Arete 18

Aristoteles, 12

274

Anmerkungen

(Kampf gegen die Atlantiden) vollbringt, um die Früchte des Sieges âqr&àvœç den Hellenen zukommen zu lassen (vgl. unten a 17). 289,8 (a 6) „verwandt . . . geziemend". E s wird gut sein, das T h e m a 'Himmelsverwandtschaft der Seele' nicht nur als den bekannten Gemeinplatz zu fassen. Der Zusammenhang mit Piaton, bei dem dies 'Verwandtsein', das ôiavoiaç Äoyio/iw erfahren, Phaed. 79A (De mundo a 14). ovyyéveia &ETA erscheint in der Theologie der 'Gesetze' als Ursache des Gottesglaubens, 899 D, 900 A, ebenso im Mythos Prot. 322 A. Bei Ar. E N 1179 a 23 ist in den Augen der Gottheit der Nus rö ägtarov xai avyytvéararov in uns Menschen. — I n der von E d . Des Places S. J . vorgelegten Begriffsgeschichte (Syngeneia, La Parenté de l'Homme avec Dieu etc., 1964) ist außer De mundo auch das Theophrasteum nicht berücksichtigt, TÜ> #eiotcîtoj ye râiv iv fjulv -//ligovra ¡xdhoTa rov ßeöv ôiaxeifiévœ xa'daçwç are avyyemeï 7i£i$), u n d s t a t u i e r t i m R a h m e n d e r E r k e n n t n i s l e h r e d e s 7. P o l i t e i a - B u c h e s oyng, ofifia, avyrj d e r Seele, 5 1 9 B , 5 3 3 D , 540 A . O c u l i a n i m i als e p i k u r e i s c h e s S p o t t w o r t g e g e n P i a t o n : Cic., D e n a t . d e o r . I 1 9 ; a n d e r s L u c r . Y 149 ( m i t B e z u g auf d i e s e d e s d e o r u m ) . — P o s e i d o n i o s b e i S e x t . , a d v . m a t h . V I I 92, P l o t i n . I V 4 , 2 5 B r . - W e i t e r e s z u 399 a 31.

2 3 9 . 1 7 ( a 16) „ z u o f f e n b a r e n " . A u s a l t e r P o e s i e , n i c h t h ä u f i g ( e t w a P i n d . , P a e . 6 , 6 ; f r . 150 S e h r . , u n d d a n a c h T h e o k r i t , w o er d e r C h o r l y r i k b e s o n d e r s v e r p f l i c h t e t i s t , 16,29). B e i M a x . T y r . 11, p . 135,6 H o b . i s t P i a t o n vnoqnrfirjQ. P h y s i c o r u m o r a c u l a f u n d o , s a g t d e r S k e p t i k e r C o t t a i r o n i s c h , Cic., D e n a t . d e o r . I 6 6 ; P l u t a r c h l ä ß t s p ö t t i s c h 'rovg roü 'Emxovoov nQoqufjxaq' a n r e d e n , P y t h . o r . 397 C ; d a z u v g l . D i o v . P r . 1 2 , 4 7 ; 7 , 1 0 0 f . ; 3 6 / 4 2 . E r n s t wie S c h e r z findet sich b e i m A r c h e g e t e n s e l b s t , Phil. 28B - C; Pol. 617D, 619B.

2 3 9 , 1 9 (a 17) „ n i c h t z u m i ß g ö n n e n " , ätp&ovcug t r ä g t s t a r k e n T o n . Die s c h l i c h t e a t t i s c h e R e d e w e n d u n g firj rjaa.vxes b 20 Geographie im ursprünglichen Sinn des Terminus als Kartographie. Dieser Ursprung d ü r f t e bei Eratosthenes liegen (F. Gisinger, s. v. Geographie, R E Suppl. I V , 1924, Sp. 523), der d a r u m auch Anaximander als den „ersten Geographen" bezeichnen konnte (bei Strab. I 1, p. 11,17). F ü r die alte, reichentwickelte beschreibende Länderund Völkerkunde liegt erstmals bei Polybios (34,1. 5) der Ausdruck -¿wQoyQarpia vor. Den N a m e n yecoygaipia dieser universalen Auffassung seiner Wissenschaft dienstbar zu machen, war das Anliegen Strabons, der damit schon im Titel seines Werkes gegen des Eratosthenes recaygcupixd ( = Kartenwerk mit K o m m e n t a r ) protestierte.

243,38 (b 21) „eingeteilt". Der Dreiteilung der bewohnten Welt ging eine Zweiteilung voraus und lange Zeit zur Seite (z. B. Soph.,, Trach. 101). Die Teilung in Europa Asien Libyen — von Herodot innerhalb der ausführlichen Diskussion I I 15 ff. den Joniern, wohl Hekataios, zugeschrieben — wurde die herrschende, seit Eudoxos auch im R a h m e n der Erdkugelgeographie; rr]v ovaav öiaioeoiv nennt sie Strab. II 3, p. 207,6 ((vvv) ovaav Aly). Die wissenschaftliche Erdmessung legte natürlich eine Bestimmung der Oikumene-Regionen und ihrer Völkerschaften durch die Längen- und Breitengrade nahe. Poseidonios h a t dies vorgeschlagen, aber nach dem Bericht Strabons (an der eben zit. Stelle) praktisch sich doch der Vulgata angeschlossen. 244,1 (b 23 ff.) „Grenzen". Eratosthenes überblickte „viel Diskussion über die E r d teilfrage", wie Strab. I 4, p. 135,8 erzählt; er gibt auch die beiden üblichen Begrenzungsweisen, durch Flüsse oder durch Landengen, an. Wenn als Grenzflüsse (zwischen Asien/Libyen bzw. Europa/Asien) der Nil und der ins Schwarze Meer m ü n -

Kapitel 3—4

295

dende Kaukasusstrom Phasis — den später der noch nördlichere Tanais-Don als Grenze verdrängte — wohl schon auf Anaximanders E r d k a r t e zu finden waren, so h ä n g t dies, nach plausibler Vermutung, mit ihrer f r ü h behaupteten H e r k u n f t aus dem Okeanos zusammen (anders allerdings Berger 2 93 f.). Trotz der prinzipiellen Unzulänglichkeit von Flußgrenzen galt diese Rolle des Tanais noch zu Alexanders Zeit als völlig ausgemacht (Strab. X I 7,4), so wie f ü r die West-Ost-Erstreckung der bewohnten E r d e die Wendung 'von den Säulen bis zum Phasis' geläufig blieb (Plat. Phaed. 109B). In De mundo wird diese ältere Markierungsweise nur noch nebenbei erwähnt (nvég, b 25. 30. 32). Hier steht die Begrenzung nach Landengen im Vordergrund (schwer zu datieren; schon auf den alten jonischen K a r t e n ? Bergers Vermutung, 96f., der jedenfalls richtig erkennt, daß die These, die Enge zwischen Schwarzem u n d Kaspischem Meer stelle die nordöstliche Grenze zwischen E u r o p a und Asien dar (b 27), dem Glauben an des letzteren ozeanischen Ursprung entspreche). Die zweite klassisch gewordene Marke ist die Landenge von Suez (b 28 f.) als Grenze zwischen Asien und Afrika. — Beim Begriff 'Isthmos' m u ß m a n sich vergegenwärtigen, daß der antike Geograph ihn in weiterem Sinn braucht als heute üblich; die Landmasse z. B. zwischen der äußeren und inneren Galatischen B u c h t (Biarritz—Perpignan) bzw. zwischen Tarent und P ä s t u m , oder die Nord-Süd-Erstrekkung zwischen Issos und dem Schwarzen Meer bei Amisos galten ihm als 'Landengen' (Strab. IV 1,14; vgl. V 1,3; Ps.-Skymn. 961 Diller). 244,13 (394 a 1) „Ägypten". Der Streit darüber, ob es Asien oder Libyen zuzuteilen sei, ist a l t ; das Prinzip der Flußgrenze, auf das Nilland angewandt, zerstörte j a seine Geschlossenheit. Es war konsequent, daß manche das Nilland als vierten Erdteil rechneten (so noch Timosthenes, nach den Berner Lucanscholien zu 1 X 4 1 1 ) . Aber das Thema, über das Herodot noch lebhaft polemisiert ( I I 16), findet bei Strabon nur noch mäßiges Interesse, I 2, p. 64,9; gerade in Ägypten lag der Vorteil des Landengen-Prinzips zutage. 244,15 (a 3) „die Inseln". Mit Inseln, Festländern und Meer h a t t e die Darstellung begonnen, 392 b 20 ff., ebenso geht sie zu Ende. Dabei lenkt der Autor v o n der Oikumene, von „Land und Meer" (a 4) geschickt zur Erde als physikalischer Größe ü b e r ; sie stellt im folgenden Kapitel den Ansatzpunkt der Meteorologie dar.

Kapitel 4 244,21 (a 7) „auf der Erde und u m sie herum". Die Phänomene, die behandelt werden sollen, waren am Schluß des 2. K a p . bereits von oben her, im Abstieg von der Gestirnsphäre, kurz überschaut worden (392 b 8—13); jetzt t r i t t der Autor sozusagen von u n t e n her an die Geschehnisse der Atmosphäre heran (bis 395 b 17), die der hellenistische Fachausdruck TO Ttegiexov nennt. Das W o r t steht so nicht bei Aristoteles (dem n. als „Umgebung", „Umhüllung" v e r t r a u t ist; iv rv%ovs áicr&ela'' àvé/iovg è/inotel, ixmmovaa òè SiánvQOS yevo/iévr) xegavvovg, xxk. 246,23 f. (b 8) „nichts anderes als Luft". Ar. bekämpft die in seinen Augen unwissenschaftliche Ansicht, Wind sei bewegte Luft, mit Leidenschaft (Meteor. 349 a 20 ff., 360 b 17 ff. ) ; doch kehrte Theophrast, maßgebend für die Tradition, zu ihr zurück, De vent. 29 (und die Gesamthaltung dieser Schrift!); Ps.-Ar., Probi. 26,5; 30 (atipa) 33 init., 34 init. mit Flashars Kommentar (Bd. X I X 687); dazu die arabische Tradition). 245,25 (b 10) „in an deremSinn". Zu dieser von den Interpreten seit langem mit Stillschweigen übergangenen Absage nicht nur an den posidonianischen 'Vitalismus', sondern an die stoische Pneumalehre überhaupt vgl. Einl. 267. TZEQÌ d>v vvw Áéyeiv ovx àvayxalov zufällig bei Kleom. I 1,5. 245.28 f. (b 12f.) „Pneumaströmungen—Brisen". Die Zweiteilung der Windentstehung — die als Theophrasteum übrigens an Hand der antiken Aristoteleserklärer ermittelt wurde — auch bei Plin., Nat. hist. II 114f. (aurae), 131 ff. (flatus); sie liegt ebenso im 5. Buch von Senecas Naturales Quaestiones zugrunde, wenn schon die eigenwillige Art des Autors, die Themen und Lehrmeinungen ineinander zu verschachteln, die Analyse sehr erschwert. — Für ausgeschlossen muß es gelten, daß die soeben aufgestellte Gruppierung im nächsten Satz wieder zunichte gemacht wird. Nachdem die feuchten Land- und Buchtwinde klärlich zu den aÜQai gehören, ist b 14 ävE/ioi schwer tragbar; die armenische Übersetzung (zu ihr s. Lorimer, praef. 20ff.) scheint das einzig mögliche avQWW zu beglaubigen. In der Überlieferung ist allerdings der Text bis b 16 auf àvéfi ¿noirjoev, Theophr.). 246,28f. (a 6f.) „Bö, Wirbelwind, 'Kreisel'". N i m m t m a n den Fallwind hinzu, so repräsentieren diese Naturvorgänge eine K l i m a x hinsichtlich ihrer Intensität, so wie später (a 21—25) die elektrischen E n t l a d u n g e n in der Atmosphäre in einer Antiklimax vorgeführt werden, von hoher Feurigkeit bis hin zu deren völligem Schwund. So können Tvtpimi (eine heftige P n e u m a - E n t l a d u n g , QJIVQOV JiavreXiüQ a 24) und xaratyig zusammenrücken; TU. ein xaraiyidcodrjg äve/iog, Schol. Soph. Ant. 418 (Papageorg. 239,1), wo es ü m die Erklärung der sophokleischen Ausdrücke rvtpcog und axr)7irog geht; letzteres Wort (vgl. De mundo a 25) erscheint beim Scholiasten als Doppelname f ü r den argößikog und wird als Oberbegriff verwandt f ü r näv 7tvev/j.a ^vekXcödeg, OTav avvegetSr] TFJ y f j xal ndXiv ävcu algr). Die Ähnlichkeit der Lehre ist unverkennbar, aber die feine Differenzierung der Aitia-Reihen, wie wir sie in De mundo als typisch theophrastisch trafen, ist verwischt; so auch bei Plin., Nat. hist. I I 131f., wo als repentini flatus ( = a 5) ecnephias, typhon, prester, Blitz erschienen. — Diese hellenistischen Fachwörter (nicht bei Ar.) e n t s t a m m e n bemerkenswerterweise dem Vokabular der alten Poesie, vgl. Aesch., Sept. 63 (xaraiyi^eiv); Ag. 819 (dueV.Aa; Hik. 34); (Xa'day>) Horn. II. IV 278; (AaUay, wie X I 306; Od. X X I V 42 u. ö.; zumeist ist ein Regensturm gemeint). Ü b e r h a u p t müssen die so knappen wie großartigen Vergegenwärtigungen von S t u r m und Gewitterwind im alten Epos verglichen werden, z. B. Horn. II. X I 296 ff. (xa&a^^o/xEvt]: vgl. jigoaaÄXo/nevov De m u n d o a 7); 305 ff. (xvTixcov: vgl. a 6); X I I I 795. — Die metrischen Etymologien des Johannes Mauropus von E u c h a i t a zu xaraiyis, XalXay), frvekAa u. a. (bei R. Reitzenstein, Geschichte d. gr. Etymologika, 1907, 179f.), auf die Wendland bei Capelle 547 aufmerksam machte, geben nichts aus. 246,25 (a 8) „Erdwind". E r ist zwischen den atmosphärischen Vorgängen eingeschoben wie bei Ar., Meteor. 366 b 31. R. B ö k e r setzt ihn irrtümlich mit dem

Kapitel 4

309

kilXaip gleich, den er infolgedessen als Vertikalwind aus Schluchten und Tälern auffaßte, Sp. 2307; d a n n m u ß t e ihm freilich die Verbindung von XalXaip und azQoßiÄog als „sachlich irreführend" erscheinen (Sp. 2326). — „nach oben zieht": ävav, 7iQT}GTrjQ schon bei Ar., Meteor. 339 a 3f.; 369 a 10; 371 a 16; b 15, mit der gleichen Abstufung wie hier (rv. Wirbelwind, TiQi]. entzündeter Wirbel) und wie bei Ps.-Ar. Gewittererscheinungen. Aber bei diesem tragen jvqxov und 7zorj1

Abb. 8 248,6 (b 20f.) „Ventile — Ausbruchstellen". Zum Terminus àvaqwarjatg u. Verw. s. o. 309. Auf zwei hier einschlägigen Gebieten, dem Vulkanismus und der Hydrologie, war Theophrast der anerkannte Klassiker der hellenistischen Physik (vgl. die gründliche Aufarbeitung bei Steinmetz 211 ff., 217ff.). Auf diese Bedeutung des Ar.-Schülers \*ar bereits Hermes 1953, 284 hinzuweisen; in seiner Lehre wirkt jene Elementendreiheit im Erdinnern besonders innig zusammen. Über vulkanische nagdSoia des hier in De mundo bezeichneten Gebietes handelt ein fesselndes Strabonkapitel, V 4,9 (z. T. nach dem Historiker Timaios); zwei Splitter theophrastischer Lehre berichten ausdrücklich von den Äolischen Inseln (Frag. 164; 165 Wi.). Man h ä t t e nie vergessen sollen — während man „das Groß-Systematische, das Ineinanderwirken zwischen Himmlischem und Irdischem" bei Poseidonios feierte (Reinhardt, Pos. 156) —, daß der Peripatetiker in seiner Spezialschrift Über das Feuer gleich zu Beginn (§§ 1. 3) das Irdische, Über- und Unterirdische als e i n zusammenhängendes Forschungsgebiet deklariert, und daß Senecas markanter Satz crede infra, quicquid vides supra (Nat. quaest. I I I 16,4) in unmittelbarem Zusammenhang mit einem weittragenden Theophrastzitat steht (die Parallelstelle, I I 22,1, legt eben die theophrastische Feuergenese dar!). 248.8 (b 22) „fließen stromgleich". Theophrast war (nach Diog. L. V 49) Verfasser einer Studie „Über die Lava in Sizilien". Daß seine vulkanologischen Anschauungen hinter der Ätna-Schilderung bei Lukrez (VI 680—702) stehen, hat E . Reitzenstein 61 ff. gut gezeigt und Steinmetz erhärtet (213f.). 2 4 8 , 1 0 f. (b 24) „erwärmen diese Gewässer". Das riesige Material der griechischen Naturkunde verfiel, wie bekannt, in späterer Zeit vorwiegend paradoxographischem Interesse; dies gilt in erheblichem Ausmaß für die merkwürdigen und wunderbaren Wirkungen, die man vielerorts in der Alten Welt Gewässern zuschrieb. Was Ovid im letzten Metamorphosenbuch in beredten Versen vorüberziehen läßt (308ff.), findet sich in mehr oder weniger gelehrter Manier z. B . bei Seneca, Nat. quaest. I I I 20ff., Vitruv V I I I 2,8ff., in den umfänglichen Sammlungen des Plinius, Nat. Hist. X X X I l f f . , und einer Partie des Athenaios, I I 13—25. Die arabische Kosmographie hat sich besonders für dergleichen interessiert, vgl. Kazwinis umfängliche Berichte 384 ff. (eingeleitet von der gut peripatetischen Feststellung, „daß es im Bauch der Erde Durchzugskanäle gibt, und in diesen befindet sich entweder Wasser

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Anmerkungen

oder Luft"). Der Hintergrund der kurzen Bemerkung in De mundo ist also sehr reich. Vgl. Steinmetz 247 ff., der die überall fundierenden Hydrologien des Theophrast und des Poseidonios zu sondern versucht. 248,13 (b 26) „Winde (Gase)". Die fravßdata über solche Wirkungen gehören zu der eben genannten Literatur; vgl. etwa über spiritus letales aus Erdhöhlen Plin., Nat. hist. II 95 (207f.), wo auch die berühmte Grotte aus im phrygischen Hierapolis (vgl. b 30) genannt ist, s. Strab. X I I I 4,14. Im Adyton der delphischen Priesterin strömten, wie wir heute wissen (vgl. H. Berve, Gestalten und Kräfte der Antike, 2 1966, 23),. niemals jene in Ekstase versetzenden Erdausdünstungen, wie es sich schon seit frühhellenistischer Zeit eine physikalisch-theologische Interpretation zurechtlegte, die wir einigermaßen aus Plutarchs Pythischen Dialogen kennen (s. u. 339). — Der Ruf des böotischen Lebadeia am Helikon beruhte auf der Orakelgrotte des Trophonios (vgl. Pausan. IX 39,5). 248,19 (b 31) „komprimierte Luft (Pneuma)". Ar.s Seismologie zeigt dqn Meteorologen auf der Höhe seines Könnens; mag uns auch das Fundament recht spekulativ anmuten, so wird doch in jenem Kapitel (II 8) vielseitig und scharfsinnig versucht, das Prinzip der allgegenwärtigen warmtrockenen Erdausdünstung* den Naturvorgängen anzupassen, deren Formen und Ereigniszeiten mit der Eigenart der seismischen Zonen in Verbindung zu bringen und zu Prognosen vorzustoßen. Aber das Ensemble der vorarist. Lösungsgedanken — der „eigentlich schöpferischen Zeit" (W. Capelle), des 5. Jh. — müssen wir uns viel reicher vorstellen; vieles hat der streng auslesende Kritiker verworfen; auf manches griff die peripatetisch-stoische Physik später wieder zurück. — Die wenigen Sätze, die in De mundo die Erdbeben beschreiben, haben, obwohl nur eine der vielen pneumatologischen Definitionen darstellend, die wir kennen, doch ein eigenes Gepräge. Die Grundvoraussetzung allerdings, die Anschauung vom porösen Charakter des Erdkörpers (vgl. Piatons — von Ar., Meteor. 355 b 32ff. kritisierten — Entwurf Phaed. lllCff.), gehört zum althellenischen Bestand; Theophrast hat übrigens in seiner anti-aristotelischen Grundwassertheorie von einem weitverzweigten subterranen Kanalsystem besonders starken Gebrauch gemacht. Die b 30—36 skizzierte Genese ist — grundsätzlich wie bei Ar. — auf das Nebeneinander eines im Innern entstandenen und eines von außen eindringenden 'Windes' gestellt. Daß damit diese Seismologie für den Reinhardtschen Poseidonios, dem nur „Gewachsenes", nicht mechanisch „Hereingeführtes" (158 u. ö.) ziemt, verloren ist, wurde im Rekonstruktionsversuch von 1921 überraschenderweise übersehen. Es war ein befremdliches Unterfangen, hier den 'Vitalisten' retten zu wollen, wenn Reinhardt, mit der Angabe bei Diog. L. VII 154 konfrontiert, daß Poseidonios „im achten Physikbuch" die Erdbeben auf von außen einströmendes (p. 262, 20 Long ist sichere Ergänzung aus der Suda) oder im Inneren eingeschlossenes Pneuma gründe, das Zitat nur auf das letzte Wort XA&EIQX&EVROG TIVEV/MTOQ beziehen wollte; dagegen spricht a) für die bloße Binnenentstehung des 'Windes', also die communis opinio, brauchte Diogenes kein Zitat; b) die anschließende Einteilung der Erdbeben bezieht sich natürlich auf die ganze vorhergehende Definition. Die Konsequenzen dieses Sachverhalts werden unten zu ziehen sein. — Wie denkt sich der Autor die Entstehung des unterirdischen Windes? Dies beantwortet klar der als Nachtrag gegebene Schlußsatz des Abschnittes, 396 a 14—16: Wasserdampf bildet

Kapitel 4

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die S u b s t a n z , u n d seine P o t e n z i e r u n g zu P n e u m a l ä ß t ihn v o n einer b e s t i m m t e n S p a n n u n g s s t u f e a n (das wird u n t e r svxgaTog b 31 zu v e r s t e h e n sein) w i r k u n g s m ä c h t i g werden. So klar dies auf T h e o p h r a s t d e u t e t , bei d e m äva&vfiiaaig, aT/nig, dr/Q, wie in f r ü h e r e n S t u d i e n gezeigt, weitgehend s y n o n y m werden, so antiaristotelisch dies klingt (ist doch bei d e m Archegeten die w a r m t r o c k e n e E r d a u s s c h e i d u n g ävefiov aöj/xa), so ist doch in d e n MexeiOQoXoyacd bereits v o r g e a r b e i t e t ; wie Ar. die weitere Steigerung des unterirdischen W i n d e s zu F e u e r beschreibt, b r a u c h t er — eine s p ä t e S t u f e seines meteorologischen Nachforschens — den bezeichnenden A u s d r u c k eig fiiXQfi xaTaxeQfiaTwftevTog rov äegog, 367 a 10 f. D a ß wir auf der richtigen S p u r sind, beweist der A r a b e r Bergsträssers (der bereits unsere De m u n d o - S t e l l e heranzog), § 65, u n d S t e i n m e t z ' I n t e r p r e t a t i o n 206; wir m ü s s e n n u r die W o r t e ev y f j naQE^oja&iv XTX. scharf f a s s e n : d u r c h enge K a n ä l e — von einem H o h l r a u m in den a n d e r e n (Steinm e t z ) — g e p r e ß t (arjQayyeg: so P l a t . , Tim. 70C; in a n d e r e m Sinn P h a e d . 110A; die E r d e ist arjQayycöörjf, porös, bei E p i k u r , Aet. I I I 15,11), gewinnt d a s P n e u m a a n K r a f t u n d verteilt sich gleichzeitig so, d a ß es auf 'viele Teile' der E r d o b e r f l ä c h e wirken k a n n . TiaQE^oadev u n d etjeögov yevöfievov ergänzen also einander.

248,23 (b 33) P n e u m a v o n a u ß e n " . D a ß eine solche Alternative zu T h e o p h r a s t s geophysikalischem S y s t e m p a ß t , e r k e n n t S t e i n m e t z — noch ohne Berücksichtigung des ps.-arist. T r a k t a t s — an, 208. A b e r so m e i n t es j a a u c h Ar., der m i t e i n s t r ö m e n d e m W i n d ganz u n p r o b l e m a t i s c h r e c h n e t , Meteor. 366 a 3 ff. Man sollte a b e r a u c h a n Sen., N a t . quaest. V I 14,3 f. d e n k e n (die Stelle h a t m i t d e m v o r a u f g e h e n d e n v i t a listischen Vergleich — den aber R e i n h a r d t diesmal v o n seinem P h i l o s o p h e n fernh ä l t , 160ff. — n i c h t s zu t u n , R e i n h a r d t selbst setzt vorher eine L ü c k e a n ) : vide ergo, ne quid i n t r e t in illam (sc. t e r r a m ) ex circumfuso aere, q u i q u a m d i u h a b e t e x i t u m , sine iniuria l a b i t u r — es folgt die K o m p r e s s i o n der L u f t d u r c h E n g e n u n d entgegenstehende Hindernisse, m i t d e n Folgen, wie sie unsere D e m u n d o - S t e l l e wiedergibt. F ü r die g e n a u e Parallele N a t . q u a e s t . V I 13,1 h a t der A r a b e r d a s r e t r o ferri e t in se revolvi des P n e u m a s als theophrastisch erwiesen. Ob d a b e i Senecas u n m i t t e l b a r e Vorlage Asklepiodot, der von den Quellenforschern nicht wenig s t r a p a zierte Poseidoniosschüler, war, ist f ü r unser Untersuchungsziel unerheblich.

248,27 (b 36) „ v o n d e n E r d b e b e n " . Wir stehen vor der b e r ü c h t i g t e n F r a g e der E r d bebenklassifizierung — problematisch deshalb, weil solche S c h e m a t a , quellenkritisch b e t r a c h t e t , begreiflicherweise in besonderem Maße eine 'recensione a p e r t a ' e r f a h r e n h a b e n . Hier bedarf es keiner u m f a s s e n d e n B e s t a n d a u f n a h m e ; a n z u k n ü p f e n i s t a n Maguire 130 ff. ( m i t verständiger Epikrise der nützlichen Münchener Dissertation K . W . R i n g s h a u s e n s , Poseidonios, Asklepiodot, Seneca u n d ihre A n s c h a u u n g e n ü b e r E r d b e b e n u n d Vulkane, 1929), v o r allem aber a n Lorimers A u f a r b e i t u n g der Hss. u n d der z. T . wörtlich ü b e r e i n s t i m m e n d e n Parallelfassung bei J o h . L y d u s , D e ost. 54 (gemeinsame Quelle?), dessen Akribie wieder einmal zu ü b e r z e u g e n d e n Ergebnissen g e f ü h r t h a t ( N o t e s 53ff.). D a s wichtigste ist z u n ä c h s t , d a ß 396 a 4 iCt]fiariai ( n i c h t Xaa/jaricu; Maguire wie S t e i n m e t z — in der gleich zu zitierenden Studie — ignorieren Lorimers Beweisführung) zu lesen ist. D a s hier folgende D i a g r a m m soll n i c h t (wie d a s bei R i n g s h a u s e n 26) der Quellenkritik dienen, sondern die in D e m u n d o b 36— a 5 gegebene Übersicht deutlich m a c h e n .

320

Anmerkungen Erdoberfläche

ÈmxXivrai

ßgäarai

iÇrjftaTtat

V" âfjxrai

Abb. 9 Der Autor h a t es m. E. auf eine Zweiteilung abgesehen: auf eine die Oberfläche bloß erschütternde und eine sie aufbrechende seismische W i r k u n g ; im Hinblick auf Richtung und D y n a m i k sind die Gruppen benannt. Von ihnen h a b e n die ßgaarai in der Forschung ein seltsames Schicksal gehabt (zu den ¿mxÄhrtai s. u.), obwohl Ar. alles so deutlich wie möglich gemacht h a t . „Wo ein solches (sc. vertikales) Beben eingetreten ist, liegt eine Menge von Steinen a n der Erdoberfläche, wie bei Gegenständen, die in einer Getreideschwinge emporgeschüttelt werden", Meteor. 368 b 28; gemeint ist ein wohlbekanntes Naturschauspiel, RÄ neql TTJV AiyvARTXTJV %O>QO.V. Der Peripatetiker ist nicht schwer zu erraten, der das Nomen ßgdarau für diese seismische Wirkung hergestellt haben mag. Aber die Meteor.-Stelle wurde vergessen, v. Wilamowitz sah bei Strab. IV 1,7 das Steinfeld v o n Crau d'Arles als Wirkung einer E r u p t i o n geschildert (gerade dies wollte Ar. mit seiner Beschreibung vermeiden), Leseb. Erl. I I 2, 142; und Karl R e i n h a r d t widerfuhr es, das Strabozeugnis als Poseidonianum zu buchen („der unaristotelische, dem Pos. geläufige Terminus", s. v. Poseidonios, R E X X I I 1, 1953, Sp. 684 — geläufig, weil in De m u n d o stehend?). Dabei werden al xaXov/ievai ßgaarai bei Strabon ausdrücklich als arist. Lehre (!) bezeichnet, u n d der Jungstoiker k o m m t unmittelbar anschließend mit einer ganz anderen, nichtseismischen Lösung zu Wort. Auch P. Steinmetz ließ sich täuschen, R h . Mus. 105, 1962, 263. 248.30 (396 a 4) „Einsturzbeben". I h r Auftauchen beim Araber (§ 67) war eine der großen Überraschungen, die der N e u f u n d brachte („die einen (Beben) sind E r schütterungen, wenn etwas von dem H o h l r a u m der Erde einstürzt" (dazu § 62, wo Bergsträsser die Parallele Sen., N a t . quaest. VI 10,1 fand). Hinterher ist m a n klüger; wir h a t t e n alle übersehen, daß bei Sen., Nat. quaest. I I I 16,4 — u n m i t t e l b a r vor Theophr. 171,7 Wi. — von a b r u p t i in infinitum hiatus die Rede ist, qui saepe illapsds urbesreceperunt. An eine seismische Wirkung denkt hier Seneca offenbar nicht, wenn er auch erzählt, daß jene Erdschlüfte windig und wasserreich seien (§5). Andererseits sind in De m u n d o jene it,rjfiariai dem Gesamttitel ' P n e u m a p h ä n o m e n e ' nicht ausdrücklich entnommen, doch trifft das Wesensbild mit den Einsturzbeben des Arabers eindeutig überein. 248.31 ( a 5) „manche dieser Beben". Die Parallelstelle bei J o . Lydus (s. zu b36) bezieht sich mit den d a n n genannten Eruptionen allein auf die 'Zerreißer'; so wird es richtig sein. Eröffnen neuer Quellen(a6): schlagender Beleg Sen., Nat. quaest. I I I 11,2: hoc ait accidisse Theophrastus in Coryco monte, in quo post t e r r a r u m t r e m o r e m nova vis fontium e m e r s i t . — D a ß f ü r R e i n h a r d t R E s. v. Poseidonios684 T h e o p h r a s t

Kapitel 4

321

immer noch (1953!) „eine Unbekannte in unserer R e c h n u n g " war, ist schwer begreiflich. 248,34 (a 7) „ m a n c h e stürzen um 1 '. Die E r d b e b e n (sämtlicher T y p e n ) werden nunmehr unter einem neuen Gesichtspunkt betrachtet, nämlich nach der Zahl der Stöße (Ringshausen); es ist ein Ordnungsgedanke Ttoog rrjv rj/iereoav aia&tjaiv, wie Ar. sagen würde (vgl. Meteor. 366 b 30). Sowohl 'Umstürzen' wie 'Zittern' k o m m e n bereits bei Ar. vor (368 a 31, b 23). Die als eyx^iaig bezeichnete seismische Wirkung, die d a s Objekt sich bald nach der einen, bald nach der anderen Seite 'neigen' läßt (a 9), wird m a n mit jenen schräg wirkenden emxXivrai (a 1) in Zusammenhang bringen dürfen. 248,38 (a 11) „es gibt auch ' B r ü l l e r ' " . Eine im Hinblick auf besondere Begleiterscheinungen gebildete Gruppe schließt ab, gut theophrastisch, wie m a n in Erinnerung etwa an die Blitze (395 a 25 ff.) sagen möchte. Beben mit Getöse, unterirdisches Rollen ohne B e b e n : so schon Ar., Meteor. 368 a 1 4 f . ; wie überhaupt auch auf diesem Sachgebiet die Grundlinien in jener erstaunlichen Pragmatie gezogen sind (Quer- und Yertikalbeben: 368 b 22 ff.; Erschütterungen, die die Oberfläche nicht sprengen: 368 a 3 ; dagegen exgijfa? 366 b 32). — E s wird sich ergeben haben, daß wir beim Durchmustern dieser Seismologie nirgends aus dem peripatetischen Bereich heraustreten müssen, daß sich andererseits unverkennbare Theophrastea als Richtpunkte zeigen. Unser Bild von Theophrasts Lehre hat Steinmetz glücklich durch eine sorgfältige Prüfung des Peripatetiker- Berichts bei Areios D i d y m o s ergänzt (208 ff.). — Z u m Schluß mag noch einmal der Anfang des Berichts (395 b 19 ff.: Vulkanismus) in den Blick kommen. Ich glaube, daß nun auch beim Ätna-Gedicht die Poseidonioshypothese fragwürdig geworden ist, wofür hier freilich nur ein Hinweis gegeben werden kann. Die hundert vor allem dem P n e u m a als Antriebskraft gewidmeten Verse (283ff., a m Anfang T e x t l ü c k e ; ich lege Will Richters Ausgabe, Bln. 1963, zugrunde) stellen eine typisch hellenistische F a s sung der Lehre dar. Wind/Luft — das ist ein wohlbekanntes, auch praktisch-technisch nutzbares (Vergleich mit der Wasserorgel, 294 ff.) WirkungsgefUge. Die arist. warmtrockene Ausscheidung ist völlig verschwunden; an ihrer Stelle regiert kein 'Vitalismus', sondern d a s von Theophrast inaugurierte 'mechanistische' Denken, dem L u f t z u g , L u f t d r u c k wichtig sind, und letzteren k a n n auch feuchter Wasserdampf (dies war Theophrasts Neuerung) vermitteln, 312 ff. E s stimmt dazu, daß subterrane Einstürze zu Luftverdichtungen zu führen vermögen ( = ventos intendere, 281, animas impellere 311), 309ff. credendum est etiam ventorum exsistere causas / sub terra similis h a r u m q u a s cernimus extra (302): dies Prinzip ist dem Autor so gut bekannt wie Seneca und unserem Anonymus De m u n d o ; es sei d a r a n erinnert, daß d e m Aristoteles die Leugnung dieses Gesetzes als ärojiov gilt, Meteor. 349 b 20 ff. — Mit ungewöhnlicher E m p h a s e wird die Kontinuierlichkeit der Pneumabildung betont. D a s Prinzip wird uns im Zusammennang des Ps.-Arisiotelicums alsbald begegnen. 249,7 (a 17) „ a u c h im Meere". E s bedeutet auch schriftstellerisch eine Steigerung, daß die bisher im Subterranen aufgesuchte Elementendreiheit E r d e Wind Feuer nun ins Sichtbare tritt, in den Seebeben, über die bereits zu 395 b 19 f. Informationen zu geben waren. Ihren Zusammenhang mit den E r d b e b e n erkannte bereits T h u k y 21

Aristoteles. 12

322

Anmerkungen

dides, I I I 89,5 (Hinweis W. Capelles, s. v. Erdbebenforschung, R E , Suppl. IV, 1924, Sp. 366f.). Die Eruptionen im Mittelmeer, die Theophrast interessierten, regten die naturforscherliche Phantasie und die Schilderungskunst des Poseidonios an (vgl. zu Strab. I 3, p. I I 7,19ff. u n d VI 2,11 R e i n h a r d t , Pos. 95ff., aber auch W. Capelle, N J b b 1920, 318 ff.). - (a 21) Der Untergang der achäischen S t ä d t e Helike und Bura im J . 373 v. Chr. war in der antiken Literatur das Standardbeispiel f ü r das unberechenbare W i r k e n der N a t u r k r ä f t e , vgl. Ar., Meteor. 368 b 6 ff. 249,12 (a 22) „Quellen sprudeln auf". Die Übersetzung k a n n den wuchtigen Nominalstil nicht n a c h a h m e n , den die hellenistische Kunstprosa letztlich einem platonischen — z. B. bereits im Axiochos (370 B E) nachgeahmten — Stilmuster v e r d a n k t : ävayvarjfxara yivsrai TIVQOQ ev r f j •daMaarj xai mjywv ävaßfa>aeig xai noTa/iwv exßoXai xai divÖQtov ¿xvaeig qoai re xai ölvai Tat? rtüv nvevfidzwv ävdXoyov xxX. 249,16 (a 26) „ E b b e und F l u t " . Die Entdeckung ihres Zusammenhangs mit dem U m lauf des Mondes gebührt auf jeden Fall dem großartigen Massalioten P y t h e a s (vgl. die von H. J . Mette, Bln. 1952 vorgelegten Testimonia); die eigenartige Aneignung dieses F a k t u m s im Weltbild des Poseidonios, dem wohl die ersten umfassenden Messungen v e r d a n k t werden, schildert Reinhardt Pos. 121 ff. Das frühperipatetische Zeugnis „Die F l u t im Meeresarm zwischen Sizilien u n d Italien steigt und fällt m i t dem Mondumlauf" (Ps.-Ar., Mir. 55) ist wenig b e k a n n t . Wichtiger ist eine beiläufige Feststellung b. Theophr. De caus. plant. I I 19,4: „deutlich ist jedenfalls, d a ß nicht nur die Gewässer auf der Erde, sondern auch die subterranen mit ihren Bahnwendungen u n d Aufgängen (vorher war von tfÄiot; xai äoTQa die Rede) in Sympathie stehen" — merkwürdig, daß Capelle, der auf die Stelle hinwies (s. v. Gezeiten R E , Suppl. V I I . 1940 Sp. 211) nicht die Verbindung zu dem gleich darauf ausführlich gewürdigten b e r ü h m t e n Strabonbericht herstellte, der die Mereesbewegung nach Poseidonios av/xjiadwQ r f j oeÄrjvrj schildert, I I I 5,8. Der Theophrastbeleg m u ß zu den Hermes 81,1953, 294f. a u f g e f ü h r t e n gestellt werden, in denen sich peripatetische Vorstufen f ü r den großen stoischen Vitalisten erkennen ließen. —*Die Bemerkung über E b b e u n d F l u t ist keineswegs — wie man geurteilt h a t — ungeschickt aus einem anderen Z u s a m m e n h a n g ü b e r n o m m e n ; vielmehr ist der Autor im Begriff, die Rolle des Meteorologen wieder mit der des philosophischen Weltbetrachters zu vertauschen, der den Lesern v o m 2. zum 3. Kapitel hinübergeführt h a t t e . Wie dort in raschem Überblick die erregend bunte, vielgestaltige Schauseite der Welt, zumal des E r d Wasserkörpers und seiner Atmosphäre, vorgestellt war (392 b 5—20), so wird hier, in b e w u ß t e m Hinüberblicken zu jenem Anfang, die nunmehr zu E n d e betrachtete Elemententrias als ein vielfältiges Wechselspiel immer reger &avftdaia gesehen. E s wird kein Zufall sein, d a ß die für den Verfasser charakteristischen Reihen mit noXÄdxig, noXXoi bereits die letzten Teile der Meteorologie durchsetzten, s. 395 b 9ff.; b 18ff.; b 30ff.; 396 a 19ff. - Will m a n noch einmal die Reihenfolge der in K a p . 4 behandelten Materien überblicken, so bietet dazu die Zusammenstellung bei E. Reitzenstein 34 f. eine Hilfe, wo die Anordnung bei Bergsträssers Theophrast mit der Abfolge bei Lukrez VI, den Vetusta Placita des Aetius, dem epikureischen P y t h o kles-Brief u n d der arist. Lehrschrift verglichen wird (letztere scheidet aber angesichts ihrer besonderen, andernorts untersuchten Problementwicklung besser aus)*

Kapitel 4—5

323

Es ergibt sich, d a ß in De m u n d o 4 die Materien genau so aufeinander folgen wie bei dem arabischen Theophrast, nur daß bei letzterem die Gewitterphänomene vor dem Komplex Regen/Wind zu stehen kommen, in De m u n d o nachher. 249,18 (a 27) „Blick auf das Ganze". Mit bewußter K u n s t (wie m a n doch wohl sagen darf) bringt der Autor das aus dem Proömium b e k a n n t e Motiv 'Teil — Ganzes' gerade hier, als Abschluß und als Überleitung; ebenso b e w u ß t wird er mit demselben, jedoch in einem wichtigen P u n k t weiterentwickelten Gedanken das folgende K a p i t e l beenden. Es lag nahe, eine solche Peroratio jedesmal als unverbindliche Topik zu fassen — aber doch nur, wenn m a n von vornherein nichts anderes zu finden erwartet. Gewiß k a n n die Krasis der Elemente in verschiedenen Zusammenhängen vorkommen, auch außerhalb der Stoa, an die man natürlich zuerst d e n k t ; m a n fand sie bei Empedokles B 21,13f.; B 22,7; dazu der theophrastische Bericht A 30 (p. 288,23), während die Ärzte Hippokrates f ü r den Archegeten der Mischung der Stoicheia hielten, Galen., in Hipp. De nat. hom., CMG V 9,1 (p. 19,7). Aber daß hier am Schluß von K a p . 4 peripatetisch gesprochen wird, beweist das antistoisch die Weltewigkeit bezeugende Leitwort äva>Ae&(>6v re xai äyevt]rov (Ar. selbst setzt dyeVT]TOV und äip&aQTOV nebeneinander, De cael. 270 a 13; 284 a 13; P h y s . 192 a 28 u. ö.) eindeutig. Innerhalb der Weltewigkeitskontroverse, die Theophrast gleichzeitig gegen Stoiker und E p i k u r zu f ü h r e n h a t t e (Philo, De aet. mund. 143—149, dazu E. Bignone, L'Aristotele perduto etc., 1936, I I 458 ff.), bezeichnet es die peripatetische Position, daß der Untergang der Teile gleichzeitig geschehen m ü ß t e , wenn er zur Vernichtung des Alls f ü h r e n sollte (Näheres s. Mus. Helv. 9,1952, 148). Wie es genauer zu verstehen ist, daß die Krasis zum Heil des Ganzen dient, wird der nächste Kapitelschluß lehren. — Der peripatetische Charakter von c. 4 fin. ist Maguire 132 f. nicht entgangen.

Kapitel 5 249,23 (a 33) „verwundert". Die Naturvorgänge, die zuletzt zu schildern waren trugen zumeist den Charakter des Überraschenden, j a Gefährlichen. Demgegenüber war das Positive im allerletzten Wort (pvÄdnovoai nur erst ganz leise angeklungen. So kann der Autor dahinter zurückgreifen u n d ein E r s t a u n e n darüber suggerieren, daß die Welt, obwohl aus gegensätzlichen Prinzipien zusammengesetzt, immer noch besteht. An die Stelle der Stoicheia sind die G r u n d q u a l i t ä t e n getreten (a 34f.), und ihr Verhältnis zueinander ist das von Gegensätzen. Eine solche Verschiebung würde jeder dem Verfasser konzedieren, aber sie scheint in der Sache zu liegen; in Piatons Gesetzen — deren X . Buch uns noch häufig beschäftigen wird — wehrt sich der Athener leidenschaftlich gegen den fragwürdigen Weltzusammenhang, den Pseudophilosophen aus Feuer Wasser E r d e L u f t , aus W a r m K a l t , Trocken Feucht Weif i H a r t usw. stiften wollen — rmv ivavrimv XQDAEI (889 BC). Unser A n o n y m u s will — gerade im Sinne Piatons — der xgäatg TCJV ¿vavTiatTrirojv (396 b 24) einen positiven Sinn geben. 249,27 (b 1) „eine S t a d t " . „The real root of t h e comparison is in Aristotle, Pol. 1261 a 24 (ov yaQ yiverat T i o / i g ¿ f ofioiwv); 1277 a ¡ f f . ( e | ävo/iolcov f j noAj?)", Maguire 134, der dahinter auch Piatons Nachsinnen über das Problem dieser Ungleichheit 21»

324

Anmerkungen

erkennt, Politic. 308 C. Dem feinen, um den ps.-arist. Traktat sehr verdienten Gelehrten ergab sich leider nicht die Erkenntnis, daß die von ihm zitierten hellenistischen neupythagoreischen Texte von nichts anderem als von der akademischen Tradition herstammen. — b 2 e&vo; „Stand", „Bevölkerungsgruppe": vgl. Ar., Metaph. 981 b 25; Plat., Leg. 776 D ; Gorg. 455 B. 249,30 (b 4) „die Leute ahnen eben nicht". Zum dritten Mal die Geste gegen die Ahnungslosigkeit der Menge, nach 391 a 25; 392 b 21; an der Stelle im Proömium erscheint auch, wie hier, das &avij,6£eiv. Auch der Leser soll hier noch nicht wissen, daß es bei dem abstrakten Subjekt TIOAITIXT) o/xovoia nicht bleiben wird. 249,32 (b 6) „einheitlicher, gleichmäßiger Zustand". Wilamowitz, Leseb. Erl. I I 2,128 schlägt „gleiche Stimmung' 1 vor, die alles „vertragen" kann. Hier wird vielleicht doch der kosmische Aspekt verkannt, der hinter dem ganzen Kapitel zu denken ist. „Lebenslage": b 7 möchte ich als 'Stand', 'Lebensstellung' deuten, wie es bei Okellos 23,1 steht (wozu Härder 'Kallikratidas' bei Stob. I V 28,18 zitiert: ya/iioxovra de öei yafiev noxi rdv avjoj Tv%av). 249.34 (b 7) „die Gegensätze sind es". Wir haben bereits von der Tatsache Kenntnis genommen, daß am Ende (c. 5 fin.) wesentlich das Gleiche herauskommen wird wie zu Beginn (c. 4 fin.); man muß mit einer Darlegung rechnen, die nicht recht 'vorankommt'; sie zu verfolgen, ist auch deswegen nicht ganz leicht, weil sie sich einer langen Reihe traditionsbelasteter, weitgehend abgeschliffener Begriffe bedient. Trotz dieser Schwierigkeiten kann nur der Sinn der Gesamt-Anordnung das Untersuchungsziel sein, nicht die Häufung von Parallelen, die sich fast an jedes Wort anschließen ließen. Ein erster Durchblick ergibt, daß die heilsame, förderliche Wirkung der Gegensätzlichkeit nacheinander auf dem Gebiet der Natur, der TE%vai, des Kosmos (b 28 zum ersten Mal der bedeutsam nach vorn weisende Kraftbegriff!) aufgewiesen wird; genau in der Mitte des Ganzen geht die Belehrung über die evavria in die entscheidende Formel to laov oaxrzixov 397 a 3, über, die in einem schwungvollen Lobpreis des Kosmos ausgebreitet wird. Der Schluß lenkt mit wörtlicher Wiederholung zum Ausgangspunkt zurück (397 b 7 ~ 396 a 31f.). Aus der verwunderten Feststellung, daß die Welt trotz ihrer Gegensätze bestehe, geht also die weitere hervor, daß dies eben kraft dieser Gegensätze der Fall ist; aus der Aporie wird am Ende eine Eulogie. 249.35 (b 8) ,nicht aus dem Gleichartigen". Das aus diesen Aufweisen hervorgehende Heraklitzitat ( B 10 ist hier überliefert, b 20) bezeichnete für Wilamowitz den Kern dei Ganzen: „das ganze Kapitel ist eine Ausführung seines Grundgedankens; die Stoiker haben ihn als den Ahnherrn ihrer Lehre betrachtet", Leseb. Er. I I 2,129. Mit einem Schlage schienen damit Analyse sowohl wie Quellenkritik geleistet; tatsächlich waren sie durch diesen Machtspruch blockiert und zur Poseidonioshypothese hin abgelenkt (Capelle 554). E s war W. Theilers Verdienst, daß die Interpreten wieder nachdrücklich an den Mutterboden einer Gegensatzlehre, wie sie sich in De mundo dartut, erinnert wurden, an den Peripatos (vgl. seine Rezension von Härders Okellos, Gnomon 2, 1926, 585 ff.), den man für diese Aufgabe hätte nie vergessen dürfen. Der Schulgründer hat einen Teil seiner Lebensarbeit für den Nachweis jidvra fiezaßdXXet ¿S ¿vavjiov eis ¿vavriov (Pliys. 205 a 6) eingesetzt, wofür

Kapitel 5

325

m a n als Beleg etwa De gen. et corr. I I 4 vergleichen mag (wie denn auch z. B. das Naturleben in der Atmosphäre von dem stets präsenten Gegensatz der beiden tellurischen Ausscheidungen abhängt, Meteor. 369 a 12 ff.). Der peripatetischen, auf evavrla gestellten Weltewigkeitslehre können wir zufällig weit in den Hellenismus hinein nachgehen, weil uns, etwa aus der Mitte des 2. J h . v. Chr., die Schrift des 'Ocellus Lucanus' zur Verfügung steht (hervorragend ediert u n d kommentiert von R . Härder, Bln. 1926) u n d später Philon gelegentlich wertvolle peripatetische Vorlagen wiedergibt (s. o. zu a 27; ferner Opif. mund. 43f.; Quis. rer. div. her. 149ff.). Theiler ermittelte aus diesen Schriften — sowie Partien im letzten Metamorphosenbuch Ovids — einen ziemlich geschlossenen Zusammenhang jungperipatetischer Kosmosphysik, mit dem die Auffassung unseres Anonymus von Werden und Vergehen in Verbindung steht. 249.36 (b 9) „das Männliche zum Weiblichen". Ar., E E 1235 a 27 paraphrasiert Heraklit: es gebe keine Harmonie f i f j OVTOQ ¿ieog xal ßageog ( = b 15), ovöe rct fTT]oiag zeigt, d a ß die nunmehr in Angriff genommene Theologie auf das Harmoniekapitel bezogen i s t . Die dort herausgearbeitete ' E r h a l t u n g der W e l t ' h a t j e t z t ihren Urheber, nach P l a t . , Legg. 9 0 3 B 5 ( G o t t h a t alles auf die OWRRJQTA TOV OXOV eingerichtet); zu der zitierten P l u t . Stelle D e prim. frig. 946 F t r i t t De fac. in orb. lun. 926 E F , eine

Kapitel 6

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I m i t a t i o n jenes Z u s a m m e n h a n g s aus den Gesetzen, m i t einem T i m a i o s z i t a t (53 B ) e n d e n d : die Kosmosteile verfielen ohne Gottes Hilfe einem Chaos, cof e%ei Jiäv, oü&edg änean xatä Ilkdxatva. So k a n n n u n der Begri ff acorrjQia d u r c h aoiTrjQ ersetzt werden, b 20, wie yevhwg b 21 an die Stelle v o n yeveiTjo ndvxatv xäofiot; t r i t t , a 4. 251,89 (b 17) „all dies voll v o n G ö t t e r n " . Das b e r ü h m t e , auf Thaies z u r ü c k g e f ü h r t e W o r t b. P l a t . , Legg. 899 B (ohne den N a m e n ) , m e h r m a l s b. Ar., vgl. Y S 11 A 22 u n d 23; die T h a i e s i n t e r p r e t a t i o n an dieser Stelle ( = A e t . I 7,11) ist posidonianisch, s. Diels z. St. u n d K . B e i n h a r d t , K o s m o s u n d S y m p a t h i e 209. 252,1 (b 18) „ w a s u n s sichtbar vor Augen s t e h t " usw. Man k ö n n t e geradezu v o n einem Z i t a t a u s Poseidonios sprechen, der bei Dio v. P r u s a im „ O l y m p i k o s " vorliegt: „Wie h ä t t e n sie (seil, oi naXaioi) Gottes u n k u n d i g sein k ö n n e n , d a sie doch d u r c h Auge u n d Ohr v o m göttlichen Wesen erfüllt w a r e n ? " D a ß diese G o t t e s a u f f a s s u n g — der Ps.-Ar. sogleich energisch widerspricht — i n n e r h a l b einer Y o r s o k r a t i k e r d e u t u n g erschien, h a t R e i n h a r d t a. O. wahrscheinlich g e m a c h t . — Ivdakköfieva: w o h l posidonianisches W o r t (Dio 12,35.61), aber, ebenfalls in theologischem Z u s a m m e n h a n g , auch b. P l a t . Pol. 381 E . Der allgegenwärtige, sichtbare, t a s t b a r e G o t t b o t sich vielen glänzenden F o r m u l i e r u n g e n in der Geschichte des P a n t h e i s m u s a n ; e r i n n e r t sei an das A r a t p r o ö m i u m (wo v. 7 der owTTjgia-, wipeÄeia-Gedanke h e r a u s t r i t t ) ; Act. a p o s t . 17,27 b ( G o t t - ' n i c h t f e r n ' — m i t u m g e p r ä g t e m S i n n ) ; Philo, D e post. Cain. 20, D e confus. ling. 136 ( G o t t n a h e u n d fern zugleich), der H e r m e t i k e r X I 21 ( G o t t auf allen S t r a ß e n ) . A m k ü h n s t e n vielleicht L u c a n . I X 580 J u p p i t e r est, q u o d e u m q u e vides, q u o d e u m q u e moveris. 252,3 f. (b 19f.) „göttliche K r a f t — göttliches Wesen". Das Schema ovaia—dvvafiig, auf die G ö t t e r a n g e w a n d t (exemplarisch b. X e n . , Mem. I V 3, 13, aber a u c h e t w a der R e d e A g a t h o n s im Symposion u n d a n der p r o g r a m m a t i s c h e n Stelle Legg. 885 B zugrundegelegt), wird v o n P l u t a r c h m i t der S p a n n u n g zwischen der U n s i c h t b a r k e i t Gottes u n d seiner Sichtbarkeit (in seinen W e r k e n , vgl. u n t . zu 399 a 31) parallelisiert; s p r e c h e n d D e P y t h . or. 400 D (v); f ü r d e n P l a t o n i k e r s t a n d d e r Ged a n k e a n die in die Sichtbarkeit bineinwirkende Güte Gottes, n a c h Tim. 29E, n a h e , aber a u c h d a s Höhlengleichnis. Auf Ar.s zu b 9 zitiertes, D e m u n d o 6 so n a h e s t e h e n d e s W o r t sei nochmals hingewiesen. P i a t o n s eigene R e d e v o n 'göttlicher K r a f t ' ist b e k a n n t l i c h stets s p ü r b a r reserviert (zu d e m m a r k a n t e n W o r t Legg. 906 B l f . s. zu 398 b 8 f.) — D a s ganze T h e m a wird in K a p . 6 breit e n t f a l t e t . 252,6 (b 22) „ j e d o c h ist es n i c h t so". Dieser W i d e r s p r u c h gegen die stoische I m m a nenzlehre (wiederholt 398 b 9 ; 400 b 4) gibt der G o t t e s a n s c h a u u n g des A n o n y m u s Relief, die d a s H a u p t m e r k m a l der OE/IVOTTIQ entwickelt u n d diese in Gottes Distanz v o n d e n irdischen Dingen findet, ohne d a ß d a d u r c h seine F ü r s o r g e f ü r die W e l t leidet. Der G e d a n k e wird weiterhin a u s g e b r e i t e t ; doch sei j e t z t schon — d a u n s die P y t h i s c h e n Dialoge, m i t ihrer v o n d e m delphischen Priester P l u t a r c h so persönlich d u r c h l e b t e n P r o b l e m a t i k , i m m e r wieder n a h e t r e t e n w e r d e n — die schlagende P a r a l l e D e def. or. 414 E (vor d e m Kapitelschluß größere L ü c k e ) z i t i e r t : (ö yog &edv iy)>eara/iiyvvg (suppl. T u r n e b u s ) ävdoomivaig j(Qeiaig ov tpeiöerai rtjg aEßvorrjTog ovöe TT]Qti To ä£liofia xai ro fidye&os a&RÄ> rrjg äQerijg.

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Anmerkungen

252,7 (b 23) „Mühsal": die kaiserzeitliche, einem Deus exsuperantissimus zugewandte Religiosität — zu deren D o k u m e n t e n unsere Schrift gehört (vgl. Pohlenz, Philon, 483) — m u ß t e sich durch den eindrucksvoll formulierten Widerspruch Ar.s gegen das 'Ixionsschicksal' der platonischen Weltseele (De cael. 284 a 34, aus dem Zusammenhang — zu ihm Jaeger, a. a. O., 320 ff.—wurde o. zu 397 b l 3 zitiert) bestätigt fühlen, èmnóvov (b 22) bei Ar. a. a. O. a 17, dort (a 15) der Gegensatz änovov, der in De mundo 400 b 10 erscheint, b 23 ärgmog hochdichterisch, Aesch., E u m . 403; Soph., Ai. 788, und eben Ar., a. a. O. a 35.! I n Ar.s das I I . Buch von De cael. eröffnendem Kapitel wird auf „den Himmel und den oberen O r t " abgehoben, den „die Alten den Göttern zugewiesen h a b e n " (284 a 12). Genau so f ä h r t Ps.-Ar. fort (die Wendung 391 b 14—16 war also keine bloße Floskel). 252,10 (b 24) „der oberste und der erste Platz". Die homerische Rede (II. I 499) von dem Gott „auf dem höchsten Gipfel des Himmels" ist nicht einfach „volkstümlich" (Capelle 556). E s steht die Lehre vom göttlichen Ersten Körper dahinter (s. letzte Anm. a. E . ) ; der Beiname vnarog (b 25) h a t theologisches Gewicht. Vgl. Plut., Quaest. Plat. 9, 1007 F rò yào ävo> xai TIQWTOV vnazov (!) oi naXaiol (!) TIQOOrjyógevov• f j xai SevoxgdTr]Q ( = fr. 165 Heinze) Aia ròv fièv èv TOIQ xarà rà avrà xai cboavrax; éxovoiv vnarov xakei. 252,13 (b 28) „das ihm benachbarte Element". Der wichtige Abstufungsgedanke — dem m. E. Maguire, Pohlenz und Festugière nicht gerecht werden — ist in einem der schönsten Dokumente der arist. Kosmosphilosophie formuliert, dessen Anfang bereits zu b 22 zu zitieren w a r ; am Ende (De cael. 279 a 28) heißt es v o n der ' E n d grenze des ganzen Kosmos', dem Aion, der vom àei elvai seinen N a m e n h a t , d a ß an ihm „hängt Sein und Leben aller Wesen, das der einen in genauerer Verbindung, das der anderen nur noch dunkel s p ü r b a r " (deutsch v o n W. Jaeger). Von einer solchen Abstufung wird im arist. Corpus selten gesprochen; das häufig in Erinnerung gerufene Wertgefälle zwischen der oberen u n d der sublunaren Welt (De cael. I I 4, 286 b 20f.; Meteor. 338 b 20f.) ist nicht identisch. Die physikalische Aporie Meteor. 340 b 6 ff. (Unreinheiten im Ersten Körper, die einen Übergang zur Feuer-Luft-Region ergeben) ist hier fernzuhalten. Eine A b s t u f u n g v o n der R u h e des Göttlichen herab zur Betriebsamkeit im irdischen Bereich wird De cael. 292 a 18 geschildert (eudoxisch? W. Schadewaldt, in: S a t u r a , F e s t s c h r i f t O. Weinreich, Baden-Baden 1952, 120 ( = Hellas u. Hesperien 464); auf jeden Fall steht Plat.s Kinesistheorie Tim. 89A—E dahinter). Eine Raumgliederung von u n t e n nach oben, bis zur &EIOXDRR] ÀQ%R], h a t Ar., De cael. 292 b 20 ff. i m Sinn. — b 28 àjzoAaveiv : die Menschen dürfen leben ànoXavovriq ye rov àetov rov tpiXav&Qumov navraxóae vcvefirjfiévov xai /¿rjda/iov nookeinovrog èv yoeiaig (Gegensatz: ÈQr\jxia xrjöefióvog vgl. b 16), P l u t . , A m a t . 758 A, wo durch gehäufte Ausdrücke wie : kaum ein Beleg steht De mundo 6 näher). Vgl. De ser. num. vind. 549 B : das Säumen der göttlichen Fürsorge raubt dem unphilosophischen Menschen den Glauben; dagegen das Credo dgxet rf jiazgiog xai naXaià niaxig, Amat. 756 B ; daß Logos und Apodeixis für unnötig erachtet werden, zeigt an, daß an Tim. 40E gedacht wird. Hierher ge-

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hört Senecas bekannter, auf die vis caelestis ( = &eia dvva/iig) gestellter 41. Brief; das Erleben eines uralten Hochwaldes fidem tibi numinis faciet, § 3. 255,38 (b 14f.) „die Seele, durch die wir leben". Die Unsichtbarkeit der Seele, die doch durch ihre Tätigkeit sich zu erkennen gibt, wird in mantischem Zusammenhang hervorgehoben bei Xen., Mem. 1 4 , 9 ; IV 3,14; Cyrup. V I I I 7,17. Phronesis auch durch das schärfste Sinnesorgan nicht zu erkennen, nach Plat., Phdr. 250 D 3, dazu Legg. 897 D 10. Vgl. Ps.-Plat., Axioch. 370BC; Cic., T W . I 67 ff. (zu den der Schrift Von der Welt nahestehenden Themen dieses Buches s. Mus. Helv. 9, 1952, 175); Max. Tyr. 143,16 ff. Hob. 256,1 (b 16) „Ordnung des menschlichen Lebens". Wie in.der Natur, so wird auch im Bios gottgesteuerte Mannigfaltigkeit sichtbar; der Verfasser greift damit einen Gedanken aus dem Anfang des 5. Kap. auf. Doch hat sich inzwischen die sinnvolle Ordnung der Gegensätze herausgestellt (b 16 ötareraxTau. erinnert an die kosmische Taxis 397 a 9, natürlich auch an den militärischen Vergleich 399 b l f f . ) ; die großen Ordnungsbegriffe des Buchschlusses werden vorbereitet. 256.9 (b 21) „von höchster Wertfülle". An den Lobpreis des Kosmos 397 al4ff. wird erinnert, nicht in dem Sinn, daß nun die Welt vergöttlicht würde, sondern mit der Absicht, sie als 'Werk Gottes' einsichtig zu machen, b 22. aQExrj des göttlichen Kosmos bei Plat., Tim. 34 B 6, der Weltseele 34 C 4 ; Legg. 897 C 1; AQETR/ der für die Welt sorgenden Götter Legg. 900 D 2; 903 B 5, der Gestirnseelen 899 B 6. Es steht in De mundo aber doch auch schon die Auffassung des Hermetikers nahe, der es als ägerrj Gottes ('Wunderkraft') feiert, TO avrov avqs dr¡/iiovQyía, 400 a 1, tauglich. Die Geschichte vom Selbstporträt des Bildhauers ist weitverbreitet; vgl. Plut., Perikl. 31; Cic., Tuse. I 34; Orat. 234; Val. Max. 8, 14, 16; Dion 12,6. 256.28 (400 a 4) „Harmonie und Dauer". Die Auflösung des Rätsels der Harmonie (vgl. 396 b 4) durch ihre Unterstellung unter die Gottheit war bereits 399 a 12 erfolgt und wird nochmals eingeprägt. Plutarchs &eÖQ áQftovtxág (s. ob. zu 397 b 7) wird von Horaz vorausgenommen, carm. I 12,13 ff., inmitten feierlicher laudes Jovis. 256.29 (a 4) „nicht die Mitte". Die, wie bereits bemerkt, nicht 'volkstümliche', sondern spekulative Flage nach dem 'Ort' des Göttlichen hat ihre Stelle in Ar.s Vortrag über den himmlischen Körper, De cael. I 2. Die Natur hat ihn aus dem Werden und Vergehen 'herausgenommen' (270 a 21); seine Ranghöhe ist Folge

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seiner Distanz vom Irdischen (269 b 13 ff.), was seine Entfernung von der Mitte und die Lokalisierung ' a m obersten Ort' (270 b 6) zur Folge hat. 256,29 (a 5) „finstertrübe S t ä t t e " , ftohegög Plat., Tim. 58 D 2 (Gegensatz wie hier der strahlende Äther), Phaed. 113 B 1 (Unterweltstrom); eine besonders minderwertige Kosmosregion auch Tim. 92 B 5. Wenn aber Festugiere (514) in De mundo eine Ankündigung des künftigen gnostischen, weltfeindlichen Dualismus sehen will, so wird verkannt, daß in diesem Stufenkosmos auch der Weltvordergrund, die fruchtbare Fülle d e r Erde etwa, an seiner Stelle voll bejaht wird. 256,31 (a 7) „'Himmel' (uranos) . . . 'Olymp'". „Stoische Etymologie" bemerkt Capelle kurz, unter Hinweis auf Achill. Isag. p. 36,13 ff. Maaß; Philo De opif. mund. 3 7 ; Cornut. 1. Aber die gelehrte Beschäftigung mit diesen Begriffen ist nicht an diese Schulgrenze gebunden. Aristarch, II. 5, 749 (und 1, 497) auslegend, hat offenbar die Vorstellung 'Grenze', vor Augen: nvXai ovgavov ra virprj . . . o yäq vneg zavra TOTZOQ ¿FTMVVFIMG t, eine Andeutung darüber, wie es in Wahrheit einst war und wieder sein wird, Plat., Tim. 22C D. Auch Mythen &ei