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German Pages 264 Year 1923
Gesammelte Werke von Prinz Emil von Schönaich-Carolath Zweite Auflage
1. Band
Dichtungen
Vereinigung wiffenschaftlicher Verleger Walther de Gruyter & Co. vormals G. I. @6fcbenfche Verlagshandluna - I. Guttentag, Verlags buchhandlung • Georg Reimer • Karl I. Trübner • Veit & Comp.
Berlin und Leipzig 1922
Dichtungen von
Prinz Emil von Schönaich-Carolath
Vereinigung wissenschaftlicher Verleger Walther de Gruyter & Co.
»ormal- G. I. ©Äfcbfnfcbr DerlegShandluna • I. Suttentag, Derla-s« dnchhandlvag • Georg Reimer • Karl Z. Trüdaer • Bett * -o»p.
verlin und Leipjig
1828
Alle Rechte von der Verlag-Handlung vorbehalten
Druck von HerrosS & Ztemsen GmbH. & So., Wittenberg (Bei. Halle).
Inhalt Angelina................................................................................. 7 Die Sphinx......................................................................... 41 Fatthüme............................................................................. 79 Don Juan- Tod..................................................................... 101 Judas in Gethsemane........................................................ 127 Requiem ...................................................................................... 138 Holunderblüten..............................................................................141 Genrebild...................................................................................... 143 Kreuzfahrt....................................................... 144 Merlin .......................................................................................... 146 Sommerfest..................................................................................147 Der schwarze HannS..................................................................... 149 Mittagsgespenst............................................................................. 157 Erscheinung .................................................................................. 159 AuS Juniragen..............................................................................160 Die Einkehr.................................................................................. 161 Verblühter Frühling..................................................................... 162 Nach dem Gewitter..................................................................... 163 Scherben ...................................................................................... 164 Dorüberreitend.............................................................................. 167 Albumblatt....................................................................................... 170 Nebeltag........................................................................................... 172 Der schmale Weg......................................................................... 173 Unvergeßliche Liebe..................................................................... 174 Leben-verneinung......................................................................... 175 Au- alter Zeit............................................................ Etema doglia............................................................
176 179
Mr Die Unbekannte.........................................................................181 Gruß an Deutschland
.................................................................... 188
Ein Bild.......................................................................................... 191 Stella peregrina............................................................................. 197
Asterope............................................................................................... 198
Firnenweg........................................................................................... 199 Derleucktender Tag........................................................................ 200
Der Feldweg...................................................................................... 202 Abendlied...........................................................................................203 Bergpsalm.......................................................................................... 205
Oktobersonne......................................................................................266 Letzter Sonnentag............................................................................. 207 Wanderfahrt................................................................................. 209 Der Taugenicht-.......................................................................
211
Epielmann-lied................................................................................. 213 Böse Heimkehr................................................................................. 214
Lied des Gefangenen.................................................................... 215
Dom Scheiden................................................................................. 217 Earmen......................................................................................... Römische Freske
219
............................................................................. 221
Gretchen im Winde........................................................................ 222
Spätherbst.......................................................................................... 223
......................................................................................225
DeSdemona
Hochmittag.......................................................................................... 226 Auch du! .......................................................................................... 228
An..........................................................................................................229 Altes Bild...........................................................................................230 Lied der Gbawäze
.........................................................................231
Im Sonnenschein............................................................................. 232 Meeresleuchten................................................................................. 233 Künstlerroman
Volkslied
................................................................................. 234
.......................................................................................... 235
Dank................................................................................................... 236
O Deutschland 1 ................................................................................. 237 ................................................................................. 8# Gewitternacht
Letzter Tanz......................................................................................140
Allerseelen.................................................................................
. 241
Und wenn dereinst.........................................................................241 Vüstenweh.......................................................................................... 144 Meerfahrt.......................................................................................... 146
Litte................................................................................................... 247
Die verlassene Villa........................................................................ 248 Hinüber...............................................................................................249 Am Cüdmeer
................................................................................. 250
Dabeim...............................................................................................251 Traum ...............................................................................................252 Letzte- Blüken................................................................................. 254
In der Fremde................................................................................. 256 Herbst am Zürichberg.................................................................... 257
Heimwärt-...............................
259
Herbstreise...........................................................................................260
Abschied . . ......................................................................................... 2G2
Angelina
Die Sonne sinkt, es stirbt im Tiberstrom Ihr letztes Glühen.
Auf das heil'ge Rom
Lagert die Dänimrung sich mit dunklen Flügeln.
Die Vögel schweigen, und ein Rauschen geht Durch die Zypressen, in den Gassen weht
Ein kühler Wind von den Sabinerhügeln. Wo gehn wir hin? — Gleichviel, Ihr habt die Wahl,
Rur möcht' die Norma ich ein zehntes Mal
Nicht wieder hören, schaffet Rat, Signore! JnS Kaffeehaus?
Und später auf den Ball
Des Kunstvereins? Habt Dank, auf keinen Fall; Doch kommt, ein Freund von mir wohnt dicht am Tore.
Er ist ein Künstler, der zu leben weiß. Und abendlich empfängt er einen Kreis
Im Atelier bei seinen Idealen,
Der hoch des Frohsinns buntes Banner hält. Wohl wettet' ich, daß Euch dies HauS gefällt, Denn nicht allein spricht man daselbst vom Malen.
Wir traten ein.
Mit Gruß bot uns die Hand
Der Herr des Hauses, dann von Wand zu Wand Durchmaß mein Blick den Raum, den kerzenhellen. Hier Skizzen, Waffen, eine Staffelei Noch streng verhüllt, dann Stoffe mancherlei.
Kostbar Gerät auf bunten Tigerfellen.
Und zwanglos um den breiten Tisch geschart Saß die Gesellschaft wohlgemuter Art, Und tauschte Scherz mit sprühnden Witzesftammen. Man sprach von MakartS Stil und Kolorit, Don Wagner, von dem Nibelungenlied, Don Schopenhauer und Voltaire zusammen. ES gab ein Streiten, wahrgemeint und derb. Mit scharfen Waffen, ungestüm und herb. Ein ftischer Geist war in dem jungen Volke; Burgunder trank man hier, dort Marsala, Der duftige Tabak von Denderah Zog durch den Raum gleich einer Schleierwolke. ES naht ein Zeitpunkt, wo bei Hochgelag Des Herzens wahre Stimmung tritt zutag: Der Brite schwärmt von Jagd, von TurfeSwirren, Und Frankreichs Sohn spricht unverblümt pikant Don Aventüren, die meist sehr galant — Der Spanier träumt von Mandolinenschwirren.
Zur Wehmut neigt dann meist des Deutschen Sinn. Schon sang der eine leise vor sich hin Das SehnsuchtSritornell ma brunettina; Da sprach der Hausherr: Freunde, ihr vergeßt Der Fröhlichkeit! Zu krönen unser Fest Wird Blumen uns bescheren Angelina! —
Wenn eine Glut, die sich verlöschend quält. Man einem Strome SchiraSöl vermählt. Loht neu sie auf zu stürmisch hellen Flammen.
So riß der Name, als ein Zauberwort, Das Tischgespräch in frischem Schwünge fort.
Der brausend ward, denn alles sprach zusammen. Umwölkte Züge schienen plötzlich jung. Ein Zug von Frohsinn, von Begeisterung
Kam neubelebend über aller Mienen,
Und Beifall hob sich, als sein volles Glas
Der eine hob und kühn das rote Naß Hinuntergoß zum Wohl von Angelinen.
Der Hausherr stand behaglich am Kamin Und lächelte.
Doch ich trat zu ihm hin
Und frug: Vergebt, wem ist der süße Name?
Wohl einer Muse, die noch fremd mir war. Und welche schwärmerisch die Künstlerschar
Verehrt als allgemeine Herzensdame? Und jener: Herr, seit kurzem offenbart, Don Schönheit strahlend, fremd von Tracht und Art, Ein Mädchen sich in RomaS Volksgedränge;
Recht wie ein Lichtstrahl, flüchtig, hier bald dort.
Mit Blumen handelnd und mit klugem Wort
Eilt sie dahin, daß sie die Herzen zwänge. Woher sie stammt — man weiß eS nicht. Sie kam
Gleich Sonnenschein zu guter Zeit, und nahm Die Herzen aller wie im Flug gefangen.
Daher kein Wunder, daß so alt wie jung
Sie offen ansieht mit Begeisterung Und heimlich auch mit brennendem Verlangen.
SSSSSSSSSASS
Doch da« vergeben-.
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Denn ob arm ob reich.
Ob alt ob jung — ein jeder gilt ihr gleich.
Und keiner darf sich je bevorzugt jagen. Nun denkt Euch selber, wie der Widerstand Die Leute reizt, wie oft die linke Hand
Und auch die rechte man ihr angetragenl Da» Köstlichste kam oft dabei zutag; Der spielte kühn va banque auf einen Schlag, Verlor, und wandte sich, stolz wie ein Posa. Der seufzte, schlug die Augen himmelwärts.
Und schrieb Sonette ihr auf „Herz" und „Schmerz" — Sie aber dankte kurz in guter Prosa.
Wer nicht geformt aus allzu grobem Holz, Versteht de» Blickes kindlich reinen Stolz, Der Lippen traurig-spöttisches Verschieben, Der Rede Art, die hübsch und fteundlich klingt
Und doch gar bald um jede Hoffnung bringt: Ich könnte nie, so wie ihr wolltet, lieben.
„Die ihr mich seht, laßt alle Hoffnung sein", — So fiel aufseufzend hier ein zweiter ein, —
Das ist ihr Wahlspruch. Beweisen es.
Diele Anekdoten
Zum Beispiel hat ein Lord
Erst kürzlich ihr mit manchem schönen Wort Für einen Kuß zwei Handvoll Gold geboten.
Sie nahm eS an, dann keck und unverwandt Gab sie zum Kusse ihm — die kleine Hand,
Ließ den Verblüfften, dessen Zechgenossen
Sich kirschrot lachten ob de« kalten Schlag«, Und ging.
Man fand die Münzen andern Tag«
Jn einer Kirche Opferstock geflossen. — Sie ist ein Rätsel! rief begeistrungSvoll Der eine. — Ach, ein süßer Klang au« Moll,
Ein' Rose rot, ein Stern in lichten Schimmern... So schwärmt' ein andrer.
Doch ein tiefer Baß
Rief mit Entrüstung: Blondkopf, lasse da«.
Erspare un« dein lyrisch Sehnsuchtswimmern.
Ihr alle seid auf einer falschen Spur, Ein Diplomat könnt' Auskunft geben nur. Und glaubt e« mir, die schöne Vielgenannte,
Die wenig spricht und doch so viele« hört. Die euch so gründlich nasführt und betört.
Ist auf der Botschaft eine gut Gekannte! —
Ein garstig Lied! Pfui! Ein politisch Lied, So rief ein dritter, dessen Laune schied, Gedanke würdig einer Midasstirne!
Der Lyriker, nachdem er vollgeschenkt Sein leeres Glas, sprach: Torheit, was Ihr denkt,
ES schaffe Gott Erleuchtung Eurem Hirne, Und knet' e« besser um, als Ihr den Ton... Bravo, erscholl eS, bravo, Musensohn,
DaS Schwert heraus! Du willst befrein hienieden
Prinzeß Domröschen! — Dornenrose? Nein — Da« Mädchen au« der Fremde soll sie sein.
Und mit un« allen bleibe lang der Frieden!
DaS täte not, rief laut ein andrer da.
Das schöne Kind ist eine Helena, Die Zwietracht sät, o Helena, moderne! Glaubt mir, dies Auge, das so fromm ihr nennt. Birgt heimlich ein dämonisch Element —
Ich kenn daS Leuchten solcher dunklen Sterne. Und ein Gedanke steigt mir heiß zu Haupt.
Wir alle haben gern und oft geraubt Schuldlose Blumen, unentweihte Herzen; WaS wir getrieben, war meist glattes Spiel —
Auf unsrem Wege liegen schon zu viel
Zerrißne Schleier und bearabne Schmerzen. Gesteht, ihr Herrn: hieß es Vergeltung nicht.
Käm' einst herab zu Strafe, zu Gericht Ein Weib, das irgendwo ihr Herz vergessen.
Die blendend schön, der unsre Qualen Spaß, Und die uns mäße nach demselben Maß, Mit welchem wir einst frevelhaft gemessen? — Beim Himmel, deine mystische Idee,
Rief schnell ein andrer, schafft mir Sorg und Weh, Sie streift an meine! Gebt daS Wort mir Armen, Und dünkt mein Lied bekannt euch in der Tat, So denkt daran, daß oft ein Plagiat
Manch hochberühmtes, vielgepriesnes Carmen. — Heraus damit! erklang's in muntrem Ton,
Heraus mit deiner Improvisation,
Tannhäuser spricht! So ging eS bunt im Chore.
Und frei sich schwingend auf deS Tisches Rand, Blitzenden Aug'S, den Becher in der Hand, Begann sein Lied der lockige Pittore:
MS einst Tannhäuser, mein hoher Ahn,
Au beten kam und zu büßen. Zog er den Weg nach Rom hinan Auf müden, blutenden Füßen. Er war am Appischen Wege schon.
Da grüßte Roma bella. Doch er hielt Rast am Grabe von
Cäcilia Metella. ES schritt vorüber ein blasses Kind,
Und brach sich Rosen vom Zaune,
ES wehte im frischen FrühlingSwind
Ihr Haar, das dunkelbraune, AuS weiter Ferne kam Glockenklang, Das Kornfeld durchlief ein Schimmer, Und in der Luft eine Lerche sang — Tannhäuser rastete nimmer. Er dachte nicht mehr an Acht und Bann,
Und nicht an den Dom Sankt Peter, Es wurde von neuem zum RitterSmann
Der blasse bußfertige Beter. O wollet vergeben, schöne Frau, Daß ich so tief Euch gegrüßet,
Daß ich Euch noch tiefer inS Antlitz schau —
Schon hat es mein Herz gebüßet.
Mir ist es, als säh' ich ein fremdes Licht
In Euern Augen brennen. Da» tragen irdische Frauen nicht —
Doch glaub' ich, eS zu kennen. Es flammt ein weicher, rostger Schein
Auf Euren tiefdunklen Haaren,
Der kann nicht von dieser Erde sein.. Doch sah ich ihn schon vor Jahren. Es liegt mir ein altes Lied im Ohr,
DaS klingt wie Jubel mit Tränen —
Auch sah ich schon einmal Euch zuvor Lachen mit schimmernden Zähnen. O sprecht — seid Ihr die WaldeSfee
Egeria Philomele,
Oder seid Ihr da- Fräulein, da- Fräulein vom See Mit der verlornen Seele?
Seid Ihr ein Engel, der leuchtend kam
In» schmerzende, lastende Leben, Um einer Welt voll Weh und Gram
Die Liebe zurückzugeben? Es neigt sich lächelnd das schöne Kind Und spricht: Der romantische Flitter,
Mit dem Ihr huldvoll mich umspinnt. Geziemt mir gut, Herr Ritter.
Ich trage der Schönheit Kronengeflecht,
Bin Lilith, bin Melusina, Und nur ein entgötterteS Menschengeschlecht
Nennt mich Angelina. Der Sänger schwieg, doch herzhaft schwang im Chor
Sich Beifallswort und Gläserklang empor:
Tannhäuser hoch! Mit siegesstolzer Miene
Stieg er vom Tische, plötzlich blieb gebannt Sein Heller Blick, am Vorhang lächelnd stand,
Im Arm den Korb voll Rosen, Angeline! So sah ich sie.
Die reizende Gestalt
Schien, von des Vorhangs Faltenwurf umwallt.
Ein lichtes Bild auf sammetfinstrem Grunde,
Des wunderfeines, sinnendes Profil Ein großer Künstler schuf in flücht'gem Stil
Zu gottbegnadeter, geweihter Stunde. Wie war sie schön! Ihr Haupt, halb abgewandt.
Erschien mir ftemd und dennoch wohlbekannt.
Fast wie ein Klang aus lieber Kindersage.
Ihr Aug' war dunkel, dabei wunderbar Groß und bettübt, als ob es immerdar Nach etwas Süßem, ewig Fernem ftage.
Das braune Haar umschmiegte voll und weich Die schöne Stirn, und die war seltsam bleich.
Doch wenn die Lippen sich zum Lächeln gaben,
Gchoeoalch-Carolath, Ses.Werke. Sb. L
2
18 Umflog das Köpfchen zarter Heil'genfchein — Den konnte nur ein totes Mütterlein In Angst und Schmerz darum gebetet haben.
Ein Hauch — vorbei — das holde Bild zerrann. Die Gäste drängten stürmisch sich heran. Daß sie ihr Teil an bunten Gaben fänden. Die Angelina freundlich lächelnd bot. Glück bringt ja immer eine Rose rot. Die man empfängt auS schönen Frauenhänden. Ich aber blieb, weil ich ein Träumer bin. Am Fenster stehn. Da trat zu mir sie hin: DaS Körbchen leer! So schnell — wer konnt' eS wissen .. Wie schlimm, Signore! Plötzlich hell und klar Ihr Lachen scholl; auS ihrem dunllen Haar Gab sie mir hin das Sttäußchen Frühnarzissen. Dann aber führte seinen schönen Gast Zu Tisch der Hausherr, übereilig fast, Und bot ihr Früchte dar von unsrem Mahle, Datteln vom Nil und Trauben frisch vom Rhein. Sie nippte leicht auch am Falernerwein, Der glutrot perlte in kristallner Schale.
Und munter scherzte man ohn' Unterlaß, Des Kindes Antlitz, sonst so marmorblaß. Durchzog ein warmer, rosig matter Schimmer; Und zu dem Hausherrn sagte sie leichthin: Ihr ahnt eS nicht, wie sehr ich fröhlich bin. Es ist bei Euch so schön und ttaulich immer.
&&&&&&&&&&&& 19 Doch eine Bitte, nochmals wag' ich sie: Singt mir, Signor, die deutsche Melod>e,
So gerne Hütt' ich wieder sie und wieder.
Ein Meister, sagt Ihr, der die Zeit durchragt. Hat einst in ihr sein Liebesleid geklagt — Sie sind so ttaurig. Eure deutschen Lieder!
Doch jener trat zum Flügel, der lag breit Im Kerzenglanze, prunkend, Kangbereit.
Ein Mollakkord begann emporzuschwellen. Ein großer Heimruf, Schuberts Lied am Meer.
Und machwoll zog daü Meisterwerk einher
Wie Schwanensang hoch über Nordseewellen. Durchs Fenster brach, ein flutend Nebelbild,
Fahlhelles Mondlicht, südwärts jagte wild
Ein Dunstgewölk.
Die murrenden Zypressen
Durchstob der warme, regenfeuchte Wind; Ich aber sah auf jenes fremde Kind;
Sie stand in tiefem, tiefem Selbstvergessen.
Das bleiche Köpfchen wie aus Leidenschaft Gemeißelt.
Regungslos, statuenhaft
Der schlanke Leib; von Tränen und von Flammen Der Blick durchschossen, während unruhvoll Ein de profundia reich an Schmerz und Groll
Die Prachtakkorde schwül vorüberschwammen.
Das Lied vergrollte.
Angelina war
Zuerst gefaßt, jetzt allzu ruhig gar;
Das griff mich an.
Weh, dem das Herz durchschlagen
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Der Sturm de» Schönen bis zum tiefsten Kern!
Es bleibt ihm selbst ein Sturm noch selten fern. Denn wer den Blitz liebt, muß den Schlag ertragen.
Da stand sie auf, mit plötzlichem Entschluß:
Felice nette — einen leichten Gruß — Der Hausherr suchte freundlich sie zu halten; Ich blieb schon lang, fast über die Gebühr...
Da gab Geleit er bis zur Gartentür, Schlug fest um sie des weichen Mantels Falten.
Und die Gesellschaft blieb beisammen noch Bei schwerem Trünke.
Mir erschien eS doch.
Als ob der Frohsinn von dem Kreis gewichen. Als ob gelähmt sei der Gedankenflug, Als ob ein häßlicher, ein bittrer Zug
In das Gespräch sich plötzlich eingeschlichen. Vom Flügel llangen, etwas überftoh. Die Walzerweisen aus Madame Angot,
LecoqS geistreich-salopper Operette;
Herbduftend fleckte reich vergoßner Wein DaS Tafeltuch; die Zecher stimmten ein
Zum Schlußakkord der muntern Chansonette. So rann die Zeit.
Da plötzlich trat zu mir
Ein Maler hin, den am Guadalquivir Ich einst gekannt, und den bei Sttergefechten Ich in Madrid zuweilen wiedersah. Und einmal auch im Dom zu Cordova;
Heut schien er nüchtern, während jene zechten.
Don Gaston war von edler Art, er glich Dem Kämpfer Cid auf altem Kupferstich;
Er galt als Held der tollsten Abenteuer. Mir war er Freund.
Sein leichtgesenktes Haupt,
Dom Lebenszugwind zeitig überstaubt.
Barg des Genies dreimal geheiligt Feuer. Jetzt stand er vor mir, lässig abgewandt Dom Schwarm der andern.
Er erhob die Hand
Und sagte leicht, hindeutend zur Terrasse: Die Schöne ging — gottlob, wir haben Ruh'.
Dann gab er rasch mit scharfem Spott hinzu: Dir folgt, o Kind, der frommen Wünsche Masse.
Mich aber treibt es, seh' ich dein Geschick
Dich überschatten, einen düstem Blick,
Einen entgötterten, dir nachzusenden. Du bist ja schön! Dein Herz ist stolzgeschwellt.
Und du bist gut! Genug — eS hat die Welt Dein LoS besiegelt.
Du wirst elend enden.
O Schönheit, Schönheit, Danaergeschenk! Weh jedem, dem dein leuchtend Stirngehenk
Als blitzend Stigma ward ums Haupt geschlagen! Weh ihm, dem Kind, das ausgesendet ward. Ein reiches Kleinod wunderseltner Art Durch einen Wald, einsam bei Nacht, zu trogen!
Wohl zieht eS aus, singend im Abendrot; Es kehrt nicht heim.
Am Morgen liegt eS tot.
Erwürgt, beraubt, im fröstelnden Gehege.
Auf blassem Mund sein letzte- Seufzen starb: Ihr gabt ein Gut mir, da- mich früh verdarb — So muß ich enden nun seitab vom Wege!
O Schönheit, Schönheit, goldne- Samenkorn Don Gott gestreut, daß über Sand und Dom Die Saat de- Guten segensvoll erstünde; Wie kommt'-, daß Schmerz al- dunllen Keim du hegst. Die Massen nur zu finstrer Gämng regst. Zu Aufruhr, Leidenschaft, Begier und Sünde? Und doch — wa- ist's, das uns so tief bewegt. Wenn Schönheit fach: die goldnen Schwingen regt. Lichtschüttend wandernd über Erdenfluren? Was soll der Schauer, was das süße Weh, Des Herzenssturmes jubelnd Kyrie, Das fort uns reißt, zu folgen deinen Spuren?
O Schönheit, Schönheit, letzter Widerschein, Abglanz des Edens! Ach, du bliebst allein Der Erde treu! Du konntest von dem Weibe, Von Edens blauer Blume lassen nicht. Du folgtest ihr und wardst das Tempellicht, Das ew'ge Licht im staubentkeimten Leibe. Wir aber, der Verdammten blasse Schar, Schlingen nach dir, sinnlos, unwandelbar. Den Totentanz! In schattenhaftem Zuge, Als deine Schatten, treiben wir die Bahn Im Fieberrausch, im ew'gen Sehnsuchtöwahn, Hinstammelnd die uralte Liebesfuge.
Und nicht umsonst. Du wirfst dich vom Altar In unsre Arme, Kind mit blondem Haar, Schön wie einst Eva! Göttin halb, halb Dime, Neigst du das Haupt, in Sehnsucht, glutbedeckt. Wir aber mit den Lippen staubbefleckt Küssen die Gottheit fort dir von der Stirne. Gaston brach ab. Ganz plötzlich zog sein Mund Sich leicht und herb: Seit einer halben Stund' Langweil' ich Euch. Nehmt einen Rat in Gnaden: Falls flücht'ger Reiz Euch wünschenswert erscheint. So trinkt Champagner, es ist wohlgemeint. Nie reinen Rum — dies bringt den Nerven Schaden.
Ich konnt' ihn gut. Das war sein alter Hohn, Sein heller Blick, dabei der Stimme Ton So trostlos müd', so hoffnungslos gelassen... Ich wandte mich und mochte reden nicht, ES schwieg auch er und starrte ttüb ins Licht, Die Tramontana wehte durch die Gassen. Da plötzlich wies, aufhorchend, mit der Hand Er nach den Zechern. Stumm, vom Trunk gebannt. Umlehnten sie den Eichentisch halb wachend; Ein dichter Qualm, blaugelber Kerzenschein, Ein herbes Dusten von vergoßnem Wein — Und einer sprach im Schlaf ingrimmig lachend: He, Angelina! Stör' ich deinen Schatz? Nur aufgetan! Ich weiß, er ist im Platz, Und ich hab's satt, zum Narren Euch zu taugen.
Fort mit dem Schuft — die Reihe ist nun mein. Ich werf' dir sonst die Fensterscheiben ein.
Du Tugendspiegel mit den schwarzen Augen! — Er rief noch mehr.
Gaston ward fiüchtig blaß.
Und sprach bei sich: in vino veritaa.
Zu lange blieben wir, dar ist die Strafe. Er raffte Hut und Mantel vom Kamin, Ein Schütteln traf ihn; leise vor sich hin
Sprach er: Dies Volk, es sündigt selbst im Schlafe. Dann lauter: Freund, Euch hat sich offenbart.
Wie hoch, wie rein, wie ideal, wie zart
ApoNoS Jünger heimlich von Gemüte. Und doch — der Bursche, überschwer bezecht Und widerlich, behält am Ende recht —
Der Wurm sitzt jetzt vielleicht schon in der Blüte.
Ihr Schicksal ist eü.
Daß die Sichel mäht
Dies holde Wesen früher oder spät, Im Lauf von Jahren, Wochen oder Tagen,
Ist vorbestimmt.
Wohl jetzt schon wär' es Zeit,
Mit wenig Aufwand von Geschicklichkeit Und Spürersinn dem Preise nachzuftagen.
Seht, werter Freund, mich nicht.so strafend an —
Ihr glaubt mir nicht? Nun wohl, so käm' eS an Auf den Beweis, und der wär' leicht zu führen. Zwar ist eS Nacht, es regnet und es weht. Doch können wir, wohin die Schöne geht,
Heut' ahenp noch mit Leichtigkeit erspüren.
25 Wie sehr sie eilt — wir kommen ihr zuvor.
Denn unser harrend vor dem Dillentor Steht eine kräftige Kirgisenstute, Die Preise mir ein gutes Teil gewann Und Englands Traber schmählich niederrann;
Sie ist von wlldem, reinem Steppenblute,
Und außerdem ein menschenfeindlich Tier.
Fast hätte jüngst dies Bosheitselirier Mit Haut und Haar mein Knechtlein mir gefressen. Den kleinen Kerl, der kaum zwei Ellen mißt Und obendrein vom Hause Neger ist.
Wie schwärzer ihn kein Jnderprinz besessen. — So gingen wir.
Ein russisches Gespann
Hielt quer am Tor, das Pferd sah wild uns an. Reglosen Hauptes, mit geblähten Nüstern,
Ein böser Satz dann — Gaston aber riß ES rasch herum, da warf's sich ins Gebiß,
Zu traben durch die Gassen hin, die düstern.
Das war kein Trab mehr! Gaston lachte hell.
Als hinter uns gespenstisch, überschnell Die Gärten und die Villen rasch versanken. Hin stoben wir in einem wilden Flug,
Die Schollen flogen um des Tieres Bug,
Schaumstreifen fcheckten feine feuchten Flanken. Da plötzlich halt — ein Iügelruck, ein Pfiff —
Hoch stieg das Pferd, und funkensprühend griff In« Pflaster es mit stahlbeschlagnen Hufen,
Sie ist's, rief Gaston, und die Zügel gab Er aus der Hand» Folgt mir, sie steigt herab. So schnell sie kann, der Piazza Treppenstufen.
Die Nacht war still, die Gasten menschenleer, Dom Himmel hingen schwarz und regenschwer Die feuchten Wolken, manchmal scholl von Ferne Ein Wächterrufen.
Um die Ecken zog
Ein kalter Wind, dann flackerte und flog DaS Gaslicht in der ächzenden Laterne. Der Sturm lief weiter an den Häuserreihn, In die Kamine schnob er wild hinein,
Riß am Gebälk in ungestümem Neide,
Dann wieder warf er, recht wie toll und blind. Die bunten Flügel um das flücht'ge Kind, Und wuchtete an ihrem seidnen Kleide.
So stand sie hilflos und auf gutes Glück Ankämpfend still, dann sah sie scheu zurück Und bog rasch ab in eine Seitenstraße, Doch mein Begleiter raunte mir ins Ohr Lautlos und hastig: Jetzt habt acht, Sektor, Es naht der Anfang schon von unsrem Spaße.
Denn jene Gaste, die bedenllich hohl. Führt nach Trastevere. Bald sehn wir wohl
DeS Nachtmotives nächtiges Finale, Wenn anders nicht, wie manchmal es passiert. Wir totgeschlagen oder garrottiert,
WaS eine Sitte, eine sehr banale.
Der heil'gen Stadt. Mir folgt auf Schritt und Tritt Mein bester Helfer stillverschwiegen mit. Denn wir sind Menschen von geringem Werte, Und uns begleitet, zu besonderm Schutz, Den Bösen doch ein Ärgernis und Trutz,
Kein guter Engel mit geschärftem Schwerte. So redend wog in kunsterprobter Hand
Er einen Dolch. Den hielt er fest umspannt. Und prüfte hastig ihn bei einem leisen Refter, der blaß sich in der Klinge brach. War schärfer als der Spott, mit dem er sprach.
Das stoßbereite, hohlgeschliffne Eisen? Wir gingen weiter, langsam, dicht entlang
An dunklen Häusern.
Drinnen tönte Sang
Und lauteü Fluchen. Manchmal wich der Schieber Von einer Tür, ein Weib trat breit ins Licht, So grell geschminkt das knochige Gesicht, Als nage heimlich ihr am Mark das Fieber.
Indessen wichen Lärm wie Lichterschein, Der Weg verlief an Häusern, ländlich klein, Im Dunkel hob sich ein Olivengarten
Mit einem Hüttlein schlichter Art, von Rohr; Doch Angelina schlug ans Gartentor, Das tat sich auf — man schien auf sie zu warten.
Ein Weib erschien, so hastig sie'S vermocht.
In welker Hand ein mühsam qualmend Docht, Sie murmelte gesprächig viele Worte,
Verneigte sich und rief ins HauS hinein:
Madonna kommt!
Dann losch des Lämpchens Schein
Und Sülle ward.
Es schloß sich fest die Pforte,
Seht mein Freund, hier haust
Und Gaston lachte.
Frau Marthe Schwerdtlein.
Und Gretchen kam.
Drinnen sitzt Herr Faust,
Die schönste Mondscheinszene!
Ja, Meister Goethe, großer Realist,
Du weißt, was Wahrheit, weißt, was Leben ist. Du maltest gut! Ich aber. Freund, ich sehne Mich heimwärts nun.
Wenn immer ich entdeckt
Im Schauspielhaus den Kern, den Nutzeffekt Etwelchen Lustspiels, gehe sonder Fragen Ich friedsam schlafen.
Die Gewohnheit blieb.
So hab' ich jetzt seit langem dies Prinzip
Dem vollen Leben praktisch übertragen.
Und dieses Leben bleibt ein Bacchanal, Ein Daseinskampf, der nüchtern und brutal; Hinweg, mein Freund, wir dürfen nicht mehr bleiben. Er trat zum Hause, reglos stand er dort. Dann fiel sein Haupt schwer auf des Fensters Bort...
Ich sprang hinzu und blickte durch die Scheiben.
Auf kargem Lager, spärlich zugedeckt Lag still ein Kind, die Wangen rotgefleckt
Don Fieberglut; die Stirn, drin Schauer rasten.
Hatte zur Stütze mühsam eS gelegt
Ins dürre Händchen.
Bittend, unentwegt
Hingen die großen Augen, die verglasten.
An Angelina.
Sie doch stand im Schein
Des armen Lämpchens.
Weißbrot, Früchte, Wein
Zog sie hervor, des Segens war kein Ende.
Zum Korbgeflechte drängte sich heraus Ein frisch gepflückter Frühlingsblumenstrauß, Als bunte Krone liebevoller Spende.
Das Kind lag lächelnd nun, als hielte Traum Es hold umfangen. An des Lagers Saum
Ließ Angelina still sich niedergleiten. Die Mutter schlief, erschöpft, von Tränen blind. Doch sie blieb wachend, und begann dem Kind Ein Lied zu summen aus vergangnen Zeiten. DaS währte lang, dann ttat ich still beiseit. Bis unsre Blicke, wie von Bann befteit.
Noch einmal voll das holde Wesen ttafen.
Sie saß am Bette, wiegte, sang und sann, DaS Lämpchen flackerte, der Regen rann, DaS kranke Kind war eingeschlafen. — Wir gingen. Plötzlich blieb Don Gaston stehn. Ich hatte niemals ihn wie jetzt gesehn, ES lag solch Weh auf seinen schönen Zügen,
Den früh verlebten, daß mich'S schier gegraust.
Dor seine Augen schlug er wild die Faust Und ließ die müde schwer am Torgriff liegen. Er sprach: Mein Freund — Ihr seid noch gut und jung. Geht heim, und nehmt von hier Begeisterung FürS Leben mit. Mög' sie Euch reichen immer!
Ich doch bin alt. Ich schaue fremd hinein In dieses Leben. Ach, sein Sonnenschein, Er wird dir, Angelina, lächeln nimmer. — Ich wollte gern, daß dieses Lebens Wirr'n Dir ferne wären, daß die Kinderstirn Der Tod dir küßte, M, mit dunklem Flügel, Ich wollte, daß du heimgingst wie ein Kind, Das, müd' vom Spiel, einschläft im Frühlingswind, Vom GraS umflüstert, fern am Saum der Hügel;
Daß du dahingingst, so du'S wüßtest kaum. Daß Engel dich einwiegten in den Traum, Eh' Gram und Weh dein schönes Aug' getrübet. Daß du dich löstest auö dem Erdental Wie Glockenklang, eh' dieses Daseins Qual An dir die plumpe Henkersfaust grübet. Du wirst eS nicht. Eh' Schollen dich und Staub Mitleidig decken, eh' ihr welkes Laub Auf dich hinabwirft eine Kirchhofslinde, Mußt leben du. Dein blumenhafter Leib Muß in die Gosse — dann, verblühtes Weib, Magst du verwehn, vergehn im Erdenwinde.
Auf deinen Scheitel wird den Judaskuß Das Laster pressen, straucheln wird dein Fuß In Schlamm und Asche. Du wirst früh verderben. ES muß der Schönheit buntes NessuStuch Durch Götterneid verkehren sich zum Fluch — Dies LoS erfülle, Kind, dann magst du sterben.
Wie gerne möcht' ich, müd' zwar und verstimmt Im Herzensgründe — wie man Kindern nimmt
Rasch auS der Hand ein scharfgeschliffnes Messer, Dein all dir nehmen, dich nach stillem Rat Ans Herz zu ziehn in rettungsvoller Tat —
Doch ich bin alt; du stürbest einsam besser.
So leb denn wohl.
Rur lasse dann und wann
Dein Kinderauge, das noch lächeln kann, JnS Herz mir gießen einen Traum von Frieden,
Tief in dies Herz, des Pfade, armes Kind, Für dich auf Erden viel zu dunkel sind.
Das nicht mehr beten kann für dich hienieden.
Und doch — ich will's. — Am Weg, an einem Stein Hing des Erlösers mageres Gebein, Verrenkt und blutig.
Gaston kniete nieder,
Zum Haupt des Mannes mit der Dornenkron' Sah er empor... still wandt' er sich davon Und sprach: vergebens — niemals wag' ich'6 wieder. Seht, Freund, wir sind die Kinder einer Zeit, Die welk im Kern. Da gähnt das tiefe Leid. Es gibt Olbäume noch und weiße Tauben,
Noch ruft der Menschheit flammender Trabant,
Der heil'ge Geist — doch wir stehn leer gebrannt Und hoffnungsarm — wir können nicht mehr „glauben" Er schwieg, lächelte trüb und ging dahin. Der Morgen graute überm Aventin,
Versunken war die Nacht mit ihren Schatten.
32 Frisch ging der Wind, der junge Tag brach an.
Zur Arbeit trieb ein Pflüger sein Gespann, Weinberge dehnten sich und grüne Matten. —
Auf, starke Menschheit! Reck dich auf vom Schlaf, Laß ab vom Träumen! Wa- dein Herz auch ttaf An Gram und Weh, wirf- zu den Nachtgestalten! Den Pflug zur Hand — und zieh im Morgenlicht Mit festem Sinn die große Schrift der Pflicht,
Dann wird der Friede sein bei deinem Walten. Und sorgt nicht mehr!
Das Leben sch-n.
Der Himmel ist noch blau.
Sein holder Preis, die Frau,
Lächelt euch zu — noch treibt euch Dichtersage Begeisternd auf zu Taten groß und hehr. Noch brandet weit um eure Brust das Meer In heiligem, urew'gem Wellenschläge —
Glaubt, liebt, seid glücklich! Folgt dem großen Zug Rastlosen SttebenS. Euern Erdenflug Soll Gottes Hauch, soll Tatensturm nur tteiben.
Seid fest, seid wahr, seid ftei und großgesinnt. Dann wird das Leben rauschen in den Wind, Ihr selber aber werdet ewig bleiben. Und du, o Kind, die du durch Zweifels Nacht
Den Morgen mir ins junge Herz gelacht. Nimm diesen Blick, der gläubig, dankbefeuchtet. Du warst die Taube mit dem Olblatt mein — Drum möge stets auf deinem Pfade sein Die Sonne, die den guten Menschen leuchtet.
II. Der Abendschein lag auf der Stadt der Toten Und gen Neapel fuhren wir im Trabe,
Die Sonne ging mit einem schieferroten
Dunstigen Schein bei Ischia zu Grabe; Die Rosse trollten ihren Schaukelgang,
Ein weltverdroßneS, müdes Hufgeschlenker, Indes der braune, schlanke Rosselenker
Halblaut die Bella Sorrentina sang. Hier eine Torfahrt, palmenüberdacht. Und Fensterreihen fiebernd durch die Nacht,
Halt, Vetturin, wir sind vor Villa d'Este —
Windlichter schwelen farbig durch den Park;
Willkommen, Freunde, zum Bacchantenfeste, ES rinnt der Wein, die Rosen duften stark. Hoch leb' die Lust! Zum Saal! Die Paare flogen
Im Walzertakt.
Marietta, Wein vom Rhein ...
Ein schmuckes Kind, und reizend angezogen. Der Atlas kracht bei ihres Busens Wogen,
Die schwarzen Augen schaun verliebt darein. Trinkt aus, Signor, dem Rosenfest zu Ehren!
Stürzt Euern Kelch, daß jeder böse Stern Versinken mög' im dunklen, letheschweren, Rubindurchsonnten Weine von Falern.
Stoßt an mit Lust und lebensfrohem Triebe, Die Welt ist weit — begrabt das alte Weh:
Auf eure böse deutsche Jugendliebe Schoenalch-Carolath, Ges. Werke. Bb. L
3
Ein' Handvoll Rosen und ein Evoe. — Er lachte laut und goß den Wein hinunter.
Dann an den Zöpfen fing er eine Dirne
Und tauchte im Gewühl der Tänzer unter
Lachenden Munde-, mit erhabner Stirne, Bald kam er wieder: Freund, Euch zu belehren Vermag nur eins — ein Mittel nur, ich sag' e-. Kommt mit—Euch frommt ein Mädchen andren Schlages. Die Angelina wird Euch rasch bekehren.
Das ist ein Weib! Ein echtes Kind des Tiber, Blaß, wild und stolz, wenn unter Euren Küssen
Sie Worte stammelt, wild als wie im Fieber, Und mit der Locken dunllen Finsternissen Die Stirn verhüllt und wütend Euch umkrallt.
So küßt den Jäger wohl, der endlich Sieger, Der halberwürgte schmeid'ge Königstiger, Jndeö er röchelnd sich zu Tode lallt. ES gilt ihr Wohl! Was fällt Euch jäh zu Scherben, Freund, Euer Glas? Ihr schaut, daß Gott erbarm'.
So seltsam drein, als schritten wir zum Sterben,
Und nicht in eines schönen Mädchens Arm. Was schautet Ihr? Griff Euch aus alten Tagen Ein Schatten an? Freund, da hilft nur der Wein, Durch Rausch das schale Leben totzuschlagen. Von welkem Reiz zu frischer Lust zu jagen, DaS ist das Heil, das ist der Weisen Stein. Die Welt ist Traum — dem rasch verstobnen Truge Sei Nichtbeachtung, übertäubung Lohn: Die heiße Stirn bekränzt mit kühlem Mohn
35
Und mischt Euch Wein im dunklen Aschenkruge, Daß dieses Lebens Mühsal und Beschwerde Mit Mut verlacht, mit Mut vergessen werde.
ES zog dahin der Zecher wüster Schwarm, Die Nacht erfüllend mit Bacchantenliedern. In ihrer Mitte ging ich selber, stumm. Mit kühlem Haupt und leerer Brust, die Blicke
Forschend und still. Ein Auge, das im Leben Blendende Höhen, große Tiefen maß. Birgt stillen Blick, es richtet unverwandt Sich nach des Glückes sinkenden Gestaden Voll tiefer Wehmut. Jahre kommen, gehn. Die Jugend schwindet, über Bimini, Dem blauen Land, geht rot die Sonne unter.
Auf ewig unter. Auch das Auge wird Dann still auf ewig. Doch ihm blieb ein Strahl, Ein kalter Abglanz früh erstarrter Gluten, Der an Skalpelle mahnt. Und dieser Glanz Durchforscht der Dinge tiefgeheimsten Kern, Erkenntnis suchend, dieser Welt zum Heil. In Rosen dringt er und in tiefe Wunden, Er rastet nicht, bis selbstlos er getan
Der Heilung Werk.
So senkt der Arzt, der bleiche.
Tastend den Stahl, und setzt ihn an die Weiche, Die qualvoll kreißende, der Menschheit an.
Der Weg war endlos und die Nacht war leer. Hin an den Gossen taumelte die Rotte Schwankenden Fußes, hier ein freches Wort
In eine Haustür schleudernd, dort ein Lied Mißtönig singend, oder einen Witz Heiser belachend. Allgemach verschwand Auch einer wohl, wegstolpernd, um die Nacht Würdig zu enden in gemiednen Häusern. Der Regen rann, und eS begann der Wind Naßkalt zu wehen, hin und wieder flog Ein Flackerlicht aus löschenden Laternen, Wankte und starb, sein letzter Schein ertrank In schwarzen Pfützen. Auf die Dächer kam Ein schmaler Streif, der Dunst, der brütend lag. Begann zu brauen, über all dem Wust Von Schmutz und Nebel brach der Morgen an. Der Ostermorgen. Wo die Straße jäh Zum Meere wendet, taumelte die Schar Dicht vor ein HauS. He, munter, Angelina, ES kommt Besuch! Gelächter scholl und Schrei'n, Die Klingel gellte, schrillend riß der Strang, Und Stöße wuchteten schwer an der Pforte. Zum Teufel, drauf! Mit Krachen wich die Tür, Im leeren Raume stand ein Weib. Ihr Haar, Das graugesträhnte, hing zerwirrt umS Haupt, An ihrem Leib, dem knochig-hagren, floß Ein Leintuch nieder. Sachte, schöne Herrn, Gemach, gemach — sie rief's mit einer Stimme, Die blechern llang — ihr sucht wohl Angelina? Ja, die zog aus! Die wohnt da drüben, drüben, Ihr schönen Herren, hinter jener Tür,
Sie wird sich freuen! Wünsch' euch viel Vergnügen, Diel Unterhaltung ... Herren, schöne Herrn,
Ach, schenkt mir was! Ich bin ein altes armes DerlaßneS Weib. — Zwei Handvoll Münzen warf Ihr einer lachend an die magren Beine, Da hockte sie, unstet, mit Gier und Haß Die Münzen sammelnd, plötzlich fielen schlaff Die Arme nieder, und sie sah unS an
Mit bösen Augen, daraus Elend, Hohn
Und Abscheu sprühten. — Macht die Here zahm! Schrie brüllend einer. Laßt, sie hat das Fieber, Satan, ihr Oheim holt sie fiüh genug — Zur Angelina, fort! — Wünsch' viel Vergnügen, Herrn, schöne Herrn! Die Alte rief eS laut
Und schrecklich lachend, dann, am qualm'gen Docht Des Lämpchens stochernd, zählte sie das Geld
Mit finstrer Freude, einü-vier-fünf-sechs-sieben — Da fiel ihr Haupt schief auf die dürre Brust, Und sie begann zu lallen monoton Ein Paternoster. Doch die Rotte stob
Mit Lachen auf die morgenttübe Gaste Dem Endziel zu. Und plötzlich: Gottes Tod! Schrie einer auf, vorS Haupt die Hände schlagend.
Die Vettel log — wir sind am Hospitale,
Ich kenn' eS gut! Zurück, es herrscht das Fieber Bös in der Stadt! Posten — nur auf die Tür, Du selbst hast Fieber. Mit den Schultern warf Er sich ans Tor, es wich, und taumelnd rollte Er auf den Estrich. Weichlich-süßer Duft
Quoll schwül entgegen; eine Kirche war'S, In die sie brachen, an dem Hochaltar Stand breit, von Dämmrung unbestimmt umstossen. Ein offner Sarg. Da griff Entsetzen an Die blaffen Zecher, und verstoben war Der wüste Schwarm. Erbarmend sah herab Der Jungfrau Bild aus goldgeschmücktem Rahmen, Mit Augen, die gar seltsam tief und schön. Echt menschlich klagend. An die stille Brust Don Angelina schmiegte sich ein Strauß Tiefbunter Blumen, und ein Schimmer lag Auf dem geschloßnen blütenroten Munde, Als hab' der Tod mitleidig fortgeküßt Das letzte Zucken und das letzte Weh, Die letzten Schlacken. Doch das Antlitz war Entsetzlich fragend, so wie ein Gebet, Das glücklich anhub und geendet ward In einem Auffchrei, — ein Gedankenstrich, Ein Fragezeichen, angstvoll hingemalt Am Schluß eines gewaltigen Gedichts. Mich zwang eü nieder, und die tote Stirn Mit ihrem Aug von ungelöster Frage Streifte mein Mund. Schlaf wohl in diesem Kusse, Verblühtes Kind. Es müssen Blumen sein, Im Scharlachschmuck der Schönheit aufzustammen Am Straßenrande. Dir wird Gott verzeihn. UnS andre doch, mög' er uns nicht verdammen.
*
*
*
Ich hob daü Haupt.
Der Frühlingsmorgen brach
Hell durch die Scheiben, rote Lichter wanden
Sich um die Säulen, hoch am Kirchendach
Zwitscherten Schwalben.
Eine Kinderschar
In weißen Kleidern nahte, sie umbanden
Mit Frühlingsblumen festlich den Altar. Die Glocken gingen.
Mit gewalt'gen Klängen
Brach aus der Orgel dunllen Tastengängen Das Osterlied: Christus ist auferstanden.
Die Sphinx
In einer Stadt voll Glanz und Sonnenschein
Steht ein Palast, des weiße Marmortreppe Das Meer umschmiegt, wie einen Frauenfuß
Umschließt die wallende blauseidne Schleppe;
Zwei Löwen recken steinern sich empor Und blicken schläfrig nach der Gatterlage Und nach der Zackenkrone überm Tor. Blühende Gärten dehnen sich, die Schatten Der Blutorangen breiten sich vermessen Aufs bunte Gras, und alles überragt Das dunkle Grün der flüsternden Zypressen; Verschwiegen rieseln ihren feinen Staub Tritonen über Grottennacht und Becken, Daß Rauschen nur und Vögelstimmen wecken Ein Echo im tiefkühlen dunklen Laub; Dies Schloß, vom Glanz des Sommertags umbettet. Trägt stolzen Namen, und sein letzter Sproß
Heißt Donna Santa.
Sie ist schön. Es weiß Des Volkes Stimme, daß ein Stamm, der edel. Meist im Verblühen bringt sein bestes Reis.
Ihr Ein Als Ein
Haupt war blond, um ihren Scheitel schmiegte Goldstrahl sich, den ihr herabgesandt
Sonnengruß aus fernem, beßrem Land Liebesengel, der im Licht sich wiegte.
Doch da — sie selbst.
Sie lief im weißen Kleide,
44 Ein fröhlich Kind, sorglos durch Busch und GraS, Frei flog ihr Haar, und au< dem Antlitz blaß Blitzten so selig ihre Augen beide. Wo bist du, Guy? Versteckst du dich? O Schlimmer, Die Hüterin wähnt mich fein still im Zimmer, Und du läßt warten? Schlecht bekomm' dir da«: Ich küß dich nie mehr. Warte! Nie mehr — nie mehr. Hallte das Echo über weiten Wiesen, Und tiefe Stille. Fernhin: nie mehr — nie mehr... Im Sonnenglanze starrten die Zytisen, Der Mittag schwieg; ihr heller Kinderblick Umflorte sich. Dann warf sie zum Genick Die blonde Lockenflut. Daö Waldtal schlief, AuS weiter Ferne nur der Kuckuck rief Wohl hundertmal. Sprich, werd' ich leben lang? Kuckuck, Kuckuck! Sie raffte, plötzlich bang, Ihr Kleid zusammen, und int Sonnenscheine Flog sie dahin. Da löste sich ein Schatten Dom lichten Grün, und aus dem Myrtenhaine Trat rasch ein Jüngling; seine Augen hatten Glückhellen Glanz. Guy, rief sie froh herüber. Was säumst du so? Ich fürchte mich, du lieber. Du böser Guy! Er breitete die Arme Rasch nach ihr aus, sie lachte froh und voll. An seine Brust, die heftig atmend schwoll. Barg sich ihr Haupt, das blonde, sonnenwarme. Hast du mich lieb? — Santtna, wie mein Leben, Und viel mehr noch! Sie sah ihn schelmisch an: Jst'S auch ganz sicher? Nun — so küß mich dann.
45 Wenn du es wagst! Er beugte tief erschrocken
Sich zu ihr hin; doch sie, gleich einer Schlange, Entwand sich rasch, daß nur die blonden Locken
Im Fluge streiften seine heiße Wange.
Dann ward sie ernst: Wann droht uns Trennung? — Heute. — Waü? Heute schon? Sie schwieg, ihr Auge ward
Von Tränen dunkel.
Guy, wie bist du hart,
WaS tat ich dir? Ihn überkam ein Schauer:
Du liebst mich, Santa — glaub, nie lachte blauer
Der Himmel mir im Rausche goldner Tage,
Doch trägt, indes ich Liebesworte sage. Mein Vaterland in Sack und Asche Trauer.
Sähst du mich an, wenn ich's verraten hätte? Du tätest'- nicht — ich hab' es längst erkannt! Des Menschen Herz ist eine Scherbenstätte,
Dem Eigenglück mehr als sein Vaterland.
Und, sollt' es sein, will deiner wert ich fallen — Doch du, mein Lieb, sei stark, sei stark und still. Es lebt ja Gott, der unser Bestes will.
Hoch über uns und unsern Schmerzen allen. Sei stark, Santina! Halb mit Weinen kämpfend.
Sah sie empor.
Ach, Guy, ich hab' dich lieb.
Hauchte sie träumend; dann auf einen Stein Sank leicht sie nieder, müde fiel ihr Haupt
Auf seine Knie.
Sommerfäden zogen
Süll durch das Blau, es kam ein schläftig Wogen
Vom Meere her, gemischt mit Dlütenduft. Wildschwäne segelten fern durch die Luft
Mit leise singendem, fremdhellem Tone;
Da rief er auS: Sieh da, mein Wappen ist
Ein wilder Schwan mit einer Fürstenkrone — Grüßt mir mein Hochland! Und heißflimmernd lag Die Sülle brütend über schwülem Grunde, Es schwieg der Wald, als fürchte sich die Runde, Dein Glück zu stören, heil'ge Jugendstunde,
Die du des Lebens reinster Herzensschlag. Er strich das Haar ihr endlich wie int Traume
Sanft aus der Stirn, sie schlug beglückt empor Die sehnsuchttiefen, blumenhaften Augen Und lächelte. AuS seinem Herzen rang Sich wild ein Wort: Wirst du mir treu sein? — Ewig, Sprach sie ganz ernst, und wunderseltsam klang
AuS ihrem Kindermunde dieses Ewig. Sie schwiegen wieder. Rötlich fiel ein Sttahl Der Spätnachmittagssonne durch die Hecken Auf ihre Stirnen. Er schien aufzuschrecken: Santina, bat er, sing zum letztenmal Mir noch ein Lied! Ich weiß eins, das du sagtest Vor langer Zeit — es spricht von Glück die Weise
Und Wiedersehn — wie geht doch jenes Lied? Und sie, da rot die Abendsonne schied.
Begann zu singen .... Fern im Dufte schwammen Zarthelle Wolken; ihre Hände fanden Sich unbewußt und wie von selbst zusammen;
Der Abend sank, auf dämmerbraunen Landen
AuSblutend lag ein schattenhaftes Rot. Roch einmal hielt der Tag, der glückdurchsonnte. Verzögernd Rast und strahlte letzten Frieden Auf jene Kinder, deren Glück hienieden
Versank am dunklen Lebenshorizonte.
* Herbstnacht.
*
Im Feindesland.
♦ Die Halsterketten
Der Pferde klirren; neben seinem Tiere Schläft der Dragoner. Von den Wachtpiketten Schallt Losungsruf. Es sitzen Offiziere
Am Lagerfeuer, Kinder jeder Zone.
Der lacht und prahlt, der schaut schon schläfrig drein, Rotwein verzapft ein lauernder Wallone; Da plötzlich richtet sich im Feuerschein
Ein Reiter auf, und nestelt am Kollette Rach einem Briefe. LiebeStand, ich wette, Herr Kamerad! Bei tausend Ungewittern!
Ihr liebt eö wohl, die Brust Euch einzugittern Mit Liebesbriefen? Glaubt mir: soll eS sein.
Kehrt keine Kugel sich an Amulette
Und bohrt ein Loch durch all die Faselein. Und jener: Geh, wie ständ' mir Aberglaube? Ich glaub' an nichts. Just ward mir überbracht. Daß eine noch, von der ich'S kaum gedacht.
Durch Trug gewann des EhstandS Perlenhaube. Das schönste Kind in meiner Vaterstadt
Bricht jenem Treu', dem sie verlobt sich hat.
&&&&&&&&&&&& 48 Und freit dafür, der Papst sieht's also gern,
Cesare Balbi, Oberkammerherm, Der zwar bejahrt schon, doch an Gütern reich. Der Glanz bestach die schöne Maid sogleich;
Daü ist der Grund, wie man daS Ding auch wende: Ein jedes Weib hat ihren Preis am Ende,
Selbst Donna Santa; Lauf der Welt ist so — Und wie er's sagte, bäumte sich vom Stroh Ein Schläfer auf: DaS lügst du, Fähnrich, keuchte Er totenfahl — sag, daß du lügst, ich leuchte
Dir sonst zur Hölle! Und die Klinge trieb Er wild hervor, daß einen Lichtstrahl schrieb
Surrend das Eisen.
Doch der andre sprang
Hoch auf vom Feuer: DaS wär' Teufelsdank,
Herr Kamerad! Eh' wir die Klingen wetzen, Dergönnt'S, den Brief vor Augen Euch zu setzen: Er sagt noch mehr, er kündet sonnenklar.
Daß SantaS Hochzeit g'rade heute war.
ES ist kein Irrtum — heute, g'rade heute Führt Cesar Balbi heim die süße Beute:
Nehmt und lest selbst. — Beim Höllenelement, WaS greift Euch an? Welch Schauer überrennt
Euch jäh den Leib? .. So fahlen Angesichts Sahn wir dich nie! Was fehlt dir? — Mir? O, nichts.
Nichts, gar nichts mehr.. .glaubt, eS war nur der Name, Der schlimm mich täuschte.
Ich kenn' sie nicht.
Wirklich, jene Dame,
Hochzeit, sagt Ihr, war heut'?
Da wär' ja Brautnacht... Brautnacht jetzt--------Bringt Wein
Und Würfel her! Wir wollen lustig sein,
Ihr Kriegsgenossen! Kommt, wir halten Feier Nach unsrer Art. Wir selber sind die Freier
Im Eisenharnisch, und die Braut heißt Tod. — Den Becher hob er, den ihm einer bot: Aufs Wohl der Brautnacht und aufs Wohl der Braut! Da plötzlich warf, als ob ihm jäh gegraut, DaS volle Glas er in die Lagerflammen, Taumelte, reckte sich und sank zusammen An einerp Pfosten. Pfui, der Wein war schal.
Sprach stöhnend er, bis in die Lippen fahl; Verdorbner Wein, und wie der Wein die Braut —
Da trink' der Teufel! Plötzlich wild und laut: Wo bleibt mein Fähnlein? Von der nassen Erde
Aufreckten sich die Reiter und die Pferde In dunklem Knäul, die Rotten treten an. Hinaus ins Dunkel schnoben laut die Tiere... Wo steht der Feind? Dort seine Nachtquartiere.
Da drüben? Auf — Beim Himmel, Guy, halt an: Wohin? Ins Brautbett! Singt mir Hochzeitslieder —
Auf dieser Welt sehn wir uns nicht mehr wieder.
♦
*
♦
Am Fuß des Stadtwalls, wo Geröll und Scheren, Abfall und Schutt von einem Nesielwald
Umsponnen liegen, steht ein niedres Haus, Darin ein Greis, der in dem Mund des Volkes
Rabbi Jephanja heißt, der „große Arzt", Seit langem wohnt. In seiner Nachbarschaft Schoenakch-Carolath, Ges.Werke. Bb. 1.
4
Haust auch der Henker.
Beide stieß die Stadt,
Den weisen Mann und jenen, des Gemeinschaft Unehrlich macht, gleich scheu aus ihrem Bann.
Nacht ist's, der Jude sitzt bei Lampenschein Im düstren Zimmer.
Vor ihm liegt ein Buch,
DaS prüft er emsig; auf dem Kachelherd
Verglimmt ein Häuflein aufgetürmter Kohlen, Daran ein Tiegel. AuS dem rußgen Bauch DeS lang Durchglühten ballt sich Dampf, der weißlich
Wie Sommernebel nach dem Schlote zieht. Ein feiner Schleier. Hüstelnd wendet sich Der Greis zum Feuer. Bäumst du tückisch noch. Empörter Geist, den ich durch Zwang gebunden. Dich züngelnd auf? Behagt dir'S nicht im Topfe, Drin ich dich fing? Nun wart, ich helft zum Frieden Dir allsogleich; du sprengtest sonst die Wandung,
Die dich umzwingt. Wohl wär' dein Trieb, dein wilder. Jählings gesättigt, doch dem Meister bliebe. Dem großen Meister, der so gern versucht. Ein Häuflein Scherben — und das wäre ihm. Dem großen Meister, wenig angenehm. Denn eitel sind fast immer große Meister. Er kicherte, dann goß er ins Gefäß
Sacht einen Tropfen. Schlucke den — hab Ruh', Kühl fein dich ab. —Du schäumst, wallst auf? Genügt dir Die Gabe nicht? Schwer sättlicheS Gebräu, Nimm diesen noch! Und wisse, meine Kunst Hast bald erschöpft du. Wohl, eS klärt dein Grund
Sich wolkig auf; der Kampf, der dich durchtobte. Wogt aus allmählich.
Siehe, dich bezwang
Ich nach der Regel; in dir trugst du Schaden, Nun wirst du heilsam. Auf, bequeme dich.
Den welken Leib erstärkend mir zu baden. —
Den Raum durchirren Stoffe, die sich wild. Begehrlich suchen.
Blinder Einigung
Gilt ihr Bestreben, stets doch hängen schwer An ihnen Kräfte, die den freien Flug
Zu lähmen trachten.
Dieser Erde saugt
Ein Kitt sie an — denn Nichterfüllung nur, DeS großen Wunsches Nichterreichen bildet Die Lebensmöglichkeit. Der Kitt ist Zwang, Ein Fesselring, der seine Wandung eisern
Um alles preßt, was in gewalt'gem Fluge Zur Freiheit will. Weisheit heißt dieser Kitt In Menschensprache. Wie der Meister ihn Benennen mag — ich weiß eS nicht. Mir scheint
DaS Gleichnis mit dem Tiegel doch bequem. Siegt jener Zug, der große unleugbare. So springt der Topf. Dir aber bliebe nichts. Du großer Meister — und so ganz geheuer Erscheint dir selber keineswegs dies Nichts. Er lachte heiser. Plötzlich zu dem Herd
Lief scheltend er.
Verdammter Kessel, siedest
Du rastloü noch? Schläfert der Trunk Arznei,
Den zweimal ich in deinen Schlund geschüttet. Dich noch nicht ein? Mir trotzt zum ersten Male
4*
Solch starkes Fieber! Beizt dich Höllenglut? Willst du den dritten meiner Tropfen schlucken. Da- letzte Mttel? Sei'- denn — Weh, es hebt
Ein Glutball zischend sich au- deiner Höhle,
Die Wandung bebt... Du ttägst e- nicht.. halt an .. Weh mir! Vernichtung — da! Du liegst in Scherben!
Ich bin bettogen! — Im Kamine fing Sich jäh ein Windstoß. Pfeifend angefaßt Sprühten die Kohlen, eine Flamme lief Schräg drüber hin, und höhnisch knisternd stoben Ium Schlot die Funken. An da- Türgebälk Wuchteten Schläge.
Meister! Aufgetan!
— Wer ruft so spät? — Ein Wandrer, krank und müde. Verirrt im Schoß derNacht. —Wa- sucht Ihr?—Frieden. — Seid Ihr allein? — Ich bin'-. E- wich der Riegel, Ein Mann trat ein. Sein schöne- Antlitz war Frühzeitig alt, um seine hohe Stirne Fiel wirr da- braune regenfeuchte Haar. Er schwieg und harrte. Messerscharfen BlickMaß ihn der Rabbi. Seid Ihr krank? — Ium Tod. — Dies Leiden beichtet. — Einen Sessel bot Er seinem Gaste, und der stützte düster Sich auf die Lehne. Meister, hub er an.
Noch jung bin ich, und doch ein alter Mann, Noch gestern war ich frisch und lebensstark
Und heut' schon nagen Würmer mir am Mark. Reich, vornehm, jung trat ich hinaus in- Leben,
53 Mit festem Sinn, mit Lust an ernstem Streben, Mein Herz war groß, war liebevoll und weich.
An Träumen und an Idealen reich.
Oft schwang sich'S auf vor Sehnsucht und vor Wonne Bei ferner Glocken festlich frommem Klang, Und Tränen fand es, wenn der Abendsonne
Ihr zirpend Lied am Dach die Schwalbe sang. ES wollte nichts, als Gutes tun auf Erden,
In ftemdem Glücke selber glücklich werden. Es wollte glauben ohne Grübelein;
Bewahren wollt' es seinen Schatz an Liebe Für jene Frau, die einst ins Weltgetriebe
Gott senden sollte, alles ihm zu sein — Der erste Kuß, dem ich das Haupt gebogen.
Hat mich nun ftcch belogen und betrogen; Im ersten Lenz, den meine Seele fand. Ward sie verdorrt, vernichtet, leergebrannt;
ES hat die Frau, die meine Treu' besessen.
Um Gold und Perlen ihres Schwurs vergessen.
Ob sie auch war die holdeste von allen. Ob mir auch galt ihr erstes Liebeslallen, Obwohl die Glut, die lodernd uns umflammt.
Ein Liebesfeuer echt und gottentstammt. Ich sah zu ftüh, daß Weib und Liebe narrten..
Nun sage mir: was sendet Gott ein Kind,
DaS durstig ist, in einen weiten Garten,
Darin die Brunnen rings vergiftet sind?
In diesen Tiegel, sprach der Jude rauh.
54 Tat ich drei Tropfen. Dämpfen wollt' ich Den Kampf der Massen, die in ihn gebannt. Beim dritten sprang der Topf. — Mir gelten auch Drei Mittel für jedwede Menschenbrust, Die fiebernd wogt. Der Mittel erste sind Wollust und Macht. Der Menschheit insgemein Genügen sie. Nicht dir. Mein letztes doch. Mein bestes Mittel, man erwägt eS schwer, Erkenntnis heißt es. Sieh, da liegt der Topf, Der Topf in Scherben. Spät ist's, fremder Gast, Zieh deines Weges. Wär' ein mordend Schwert Nur deine Wahrheit! Füllte sie, als Sttom Tilgender Glut, mit berstenden Gewalten Mir Haupt und Herz, die daseinsmüde Form Zu Scherben schmetternd! Könnt' ich schlafen, ruhn Dom Fieberttaum des Lebens, könnt' ich sehn In Nacht begraben alles, waS mein Herz Durchgrollt, durchschüttert! Deckte mich das Nichts, Ein sichres Nichts, das kein Erwachen trübte Und keine Furcht vor neuem Morgenrot... Du siehst es wohl; ich fürchte nicht den Tod, Gib mir die Wahrheit! In deS Juden Auge Stieg fahles Glühen. Wohl, mich reizt der Fall, Sprach er unhörbar. Selten bietet sich Dem Anatom ein Herz, das frei von Schuld Und weich wie dieses. Edel ist's zudem Und stolz im Kem. Laßt unü die Wirkung sehn.
55
Die drauf das beste, schärfste der Skalpelle, Einschneidend bringt sie Tod
Die Wahrheit, übt.
Oder Genesung; spannend ist daher
Der Vorgang immer. — Dann, zum Gast gewandt: Ich will's versuchen.
Siehe, was am Mark
Zunächst dir nagt, ist Selbstverachtung.
Feig
Nennst du dich oft, obwohl des Wortes Klang
Dir in die Schläfe treibt ein fliegend Rot.
Laß ab und schweig! Das Weib, das dich verraten. Das falsch wie Judas dich und sich verkauft.
Du liebst sie dennoch. Ja, sprach eisig der.
Ich liebe sie!
Wohl, so laß ab vom Kampfe,
Der aussichtslos.
Nicht kämpft sein Lieben nieder Man ist nicht Herr im HauS.
Ein Menschenherz.
Und wie vermöchte wohl das Fünkchen Ehre, DaS Körnchen Mut, die Dosis Mannesstolz
Den Krampf, die Liebeszuckung zu bezähmen.
Der Menschheit Veitstanz? Gegen Tod und Liebe
Gibt es kein Mittel.
Nenn mir die Gewalt,
Die mächt'ger als das Weib? Denk an Judith
Und Delila, denk an HerodiaS Und Helena! Noch keiner hat erschlossen DeS WeibeS Wesen; (Salomo erfand
ES fteilich bitter).
Sieh, es ist die Frau
Der Sauerteig im großen Brei der Schöpfung,
Ein Reiz, ein allbelebend Element,
Das, gleich dem Feuer, segensvoll erwärmt
Oder vernichtet.
Jenem ist die Frau
Ein tödlich Gift, dem wieder Arzenei;
Dem Weisen, welcher mäßig von ihr zehrt.
Ein Arkanum; dem wilden LebenSgast, Der hastvoll, fessellos, in einem Zuge
Den Becher leert...
Sein LoS — ich kenn's genau; Zur Sache, Meister.
Wisse, noch verspüre
Ich wenig Beischmack werter Arzenei
In deinem Wort.
An einem Sterbebette
Stehst du als Arzt; gib deine Tropfen her.
Die besten Tropfen: warum ist die Frau Urfalsch und treulos?
Hüstelnd rieb der Jude Die dürren Hände: Wenn sein lechzend Roß Mit Wasser tränkt der Auge Beduine,
Wirft ins Gefäß er eine Handvoll Sand, DaS Naß zu ttüben. Schadet dem Tiere. Der weise Schöpfer.
Allzu tiefer Trunk
Sieh, dasselbe tat
In den klarsten Quell
Der LebenSwüste tat er emsig Schlamm
Mit vollen Händen; in den schönen Leib,
Den süßen, sinnbetörenden des Weibes Goß er Gemeinheit.
Ja, der Schöpfer ist
Ein guter Hirte: allzu tiefer Trunk
Schadet dem Tiere... Aus des Fremden Auge
Brach fahles Leuchten.
Wenn er Gluten gab.
Der weise Hirt, dem abgehetzten Tiere,
Die überheiß, so wird giervollen Auges
Die Kreatur todspottend Schlamm und Trübung
Todachtlos schlingen.
Ist der Sündenpfuhl
Dann leer zu Grunde, mag der Hirt erwägen. Ob klug es war, daß Mammen er erschuf, Die nicht ertragbar.
Eins weiß ich genau:
Daß Qualen mir am Mark verzehrend nagen. Daß nichts mir blieb als aller Bettlerplagen
Verzehrendste: der Durst. Ob ttüb ob lau. Ob schal der Quell, ob immer jene Frau Verdorben bis zum Mark der Seele sei,
Trinken will ich mit dem EmpirungSschrei: Mich dürstet — dürstet! —
Ein Gelächter gellte Laut durch den Raum, scharf wie der Sterbeton Gesprungnen Glases; aus dem Sessel schnellte Der Greis sich auf: Dich dürstet, Erdensohn? Wen dürstet nicht? Des Weltalls dunkler Aug Ist das Derlechzen, und es lechzt, wer lebt. Das Leben ist ein großer Wanderflug Nach der Begierden endlicher Erfüllung,
Und was die Welt erschüttert und durchbebt. Der Notschrei ist's nach tiefer Durstesstillung. Frag du das Meer, warum es schäumt und rollt In schwerbewegtem ew'gen Wogenschlage,
Frag du den Sturm, um was er ringt und grollt Die Riesenhymne niegestillter Klage; Es schwillt und ebbt der dunkle Ozean, Daß Höhn mit Tiefen bräutlich er vermähle;
Daß einer Welt vom Frühling er erzähle. Zieht singend hin der feuchte Märzorkan, BiS er ob rieselnden, erwachten Landen
In schwülem Hauch befruchtend mag verbranden. WaS ist eS, das in mächtigem Bewegen Des Erdballs Adern schwellend, voll durchkreist. Die Ackerkrume auseinanderreißt Und preis sie gibt dem kräft'gen Frühlingöregen? WaS ist eS, das durchs frische Grün der Bäume
Lind und herbduftend wie ein Schauer weht. Das durch der Menschheit tiefste Herzensträume Süßquälend, bang, als junge Liebe geht? — Die Liebe birgt ein brünstig überhasten. Halb Lebenssehnsucht und halb Todeödrang, Denn dieses Leben ist ein Übergang
Voll Schmerz und Schatten; drin nicht gut zu rasten. Rastlose Neugeburt — das ist das Heil, Ist Trieb und Endziel aller Selbsterhaltung,
Drum ist Natur im tiefsten Wesen geil, Drum ringt die Menschheit toll nach Neugestaltung. Daß im Genuß den ew'gen Durst sie stille. Ist all ihr Sinnen, ist ihr einz'ger Wille, Und als ein liebes Schicksal wird sie'S sehn, Im Weiblichen verlodernd aufzugehn.
Dann freilich heißt es, mehr noch als dies Leben Dem großen Kreislauf still zurückzugeben.
Denn, ist verhallt der letzte Wollustschrei, — Hier liegt die Falle — geht der Tod vorbei. Und zwar kein Tod, bedeutend eine Pause
Au kurzer Rast; nein, ein Gedankenstrich, Verlöschend, tilgend, daß zur Sühne dich DaS große Nichts auf ewig überbrause. Denn wie den Leib, so hast in blinder Lust Die Seele du zernichtet unbewußt. Und bist beraubt des Lohnes, welcher wird Den andern all, die nicht gleich dir geirrt. Dich freilich stört das wenig, toller Zecher, Du spürst zu spät den Erdgeschmack im Becher, Und wirst so lange fluchen dem Getränke, Diü Gastwirt Tod dich auSweist aus der Schenke. Dann, in die Grube rollst du abseits eben. Die Grabschrift heißt: „Aum Tod geliebt das Leben." Dir fteilich schuf, o Frevler, kein Behagen DaS große Wort vom Büßen und Entsagen, Die große Botschaft uralt-heil'gen Klanges, Die einst erwacht am Indus und am Ganges, Die durch Jahrtausende ward hingestammelt. Daraus die Menschheit Linderung gesammelt. Die alle Seelen, deren Kern zerschlagen. Durch Nacht und Schmerz zum Frieden hat getragen. Und die dein Herz, durchfiebert und umnachtet, (Obwohl man den Essäer einst geschlachtet,) Nie hat erfüllt mit wunderstarkem Schein: „Es soll dein Reich von dieser Welt nicht sein." — Ich seh' nun zwar, daß schlimm dein Auge blitzet. Daß dir der Trotz im tiefsten Herzen sitzet. Auch höhnst du wohl, daß ich, der ein Rabbiner, Dir christlich predige als Kapuziner,
Und bist bereits im Grunde so verstockt,
Daß frommer Zuspruch dich nur mäßig lockt. Vernimm darum, was ich, der Weise, sage:
ES ist daü Weibliche die dunkle Frage, Die jedem, der hinaus ins Leben stürmt,
MS ernster Prüfstein sich entgegentürmt.
Ob früh ob spät, für jeden wird am Ende DaS Weibliche zur Lebenssonnenwende. DaS ist die Sphinx mit schdngeschwungnem Bug,
Schläfrig enttaucht dem gelben Sand von Theben, Auf deren Mund in einem dunklen Zug Der Tod sich paart mit wildem Drang zum Leben:
Die roten Lippen, leicht von Hohn gebäumt. Neigt sie dir zu; sie beut zur Wahl indessen
AuS weißer Hand dir einen dunklen Strauß,
Den formen: Schmerz, Kampf, Arbeit und Vergessen.
O nimm ihn hin, und wisse, daß Zypressen Auf Erden so recht eigentlich zu HauS. Streifst du den Mund, der dir entgegenträumt,
In wildem Kusse — dann ist's mit dir aus. Auf ewig aus, ohn' Hoffnung, ohn' Erbarmen.. WaS greift dich an?
Meister, dies Gold den Armen,
Euch meinen Dank.
Der Weisheit Tropfenfall,
Den ihr gespendet, schuf dem Glutgefühle, DaS in mir lodert, g'rade so viel Kühle,
Wie Juniregen einem Lavaschwall. Mich quält die Sphinx.
Ich sehe selbst im Traume
DaS weiche Haar die niedre Stirn umfächeln.
Auf ihrer Lippen feuchtem roten Saume Höhnt mich das starre nieentlarvte Lächeln. Ich trag's nicht mehr! Wohl ballt sich Glockenton
Im Herzen mir, und dessen tiefsten Falten Entringen sich bang winkende Gestalten Aus alter Zeit, doch bald sind sie entflohn.
Ich hab' geliebt: in meine reine Flamme Ein Gisthauch blies, Gott trieb ein bittres Spiel,
Ich zögre nicht, daß ich mich nun verdamme: Ich will mich rächen, denn ich litt zuviel. Ein wllder Durst, verdrängend frommes Lieben,
Ist unstillbar im Herzen mir geblieben.
Nun will ich trinken, bis ich übersatt.
Und will genießen, bis ich wollustmatt. Das Rätselbild mit rotem Mund sei mein.
Und nichts soll mehr vor mir verborgen sein. Ich will eS sehn, das holde Bild von SaiS,
In meinem Arm, entblößt gleich einer Lais, An ihren heißen blütenweichen Brüsten
Will atmen ich in rachevollen Lüsten,
Den letzten Glanz vom Haupte ihr zu streifen. Den Schöpfer im Geschöpf durch Staub zu schleifen. Mit kalten Augen tief ins Nichts zu sehn
Und rachesatt zugrunde lachend gehn. —
Meister, lebt wohl... auf, morsche Kerkerpfortel Ein Wind stieß schwül, mit tauber Macht herein.
Die Lampe flackerte, die letzten Motte Deö Fremden hallten nach am Wandgestein.
Der Rabbi lachte und begann allein:
Wie nutzlos, Christus, blasser LiebeShärmer, Daß man ans Kreuz dich grausam einst gereckt. Denn jene Lehre, die du aufgedeckt. Wird, trotz des Opfers, täglich wirkungsärmer, Gut für den Schwachkopf, dessen Hirn nur faßt DaS plumpe Schreckbild ew'ger Höllenstrafe; Ach, ganz besonders zahm sind deine Schafe,
Mein guter Hirt! Wie anders war der Gast, Der eben ging! Der zählt zu Streiterscharen, Die, sturmerfaßt, sich Satan zugesellt. Die einsam gingen, grollend, fern der Welt, Und doch die Größten aller Zeiten waren. In deinem Reiche haben nie gehaust Der Don Juan und nie der Doktor Faust,
Noch alle, die, vom Schmerz zu wild geschlagen, DeS Aufruhrs Brand in deinen Stall getragen. Ja — wahrlich — alles, was dir vorgeschwebt.
Hat sich auf Erden baldig überlebt, Notnagel dann bist du der Welt geblieben. Der zwischen zwei Entwickelungsgeschieben, Vielgötterei und Einheitsglauben, hängt;
Die Menschheit, ungewiß und notgedrängt. Wird ratlos hin zu andern Lehrern fliehen. Den alten Erdball werden überziehen Noch grundverschiedne Glaubensprozessionen — Der Schöpfer aber wird im Himmel thronen,
Um auf den Kampfplatz still hinabzusehn.
Wo mühevoll den Glaubenöbrand, den schwachen, Rabbiner, Bonzen, Popen emsig fachen,
Ihr Werk der Ohnmacht keinem zu gestehn...
Und wird dies Schauspiel mitleidsvoll belachen. — Doch einen Mißgriff, Gott, hast du getan. Du schufst das Weib als Prüfstein, den ins Leben Jedwedes Besseren du hast gegeben; Sie ist die Sphinr mit Marmorbrust, daran
Der Menschheit Strom sich in zwei Rinnen teilet.
Davon die eine spärlich zu dir eilet. Die andre doch dir schrecklich werden kann. Soweit der Sturm braust und die Sonne scheint. Gibt eS kein Plätzchen auf der schönen Erde,
Nicht eines nur, das frei gefunden werde Von Tränen, die um eine Frau geweint.
Für so viel Schmerz, Entsagung, Kampf und Pein
Schufst du die Sphinr, schufst du das Weib zu klein. Denn sie gewährt für der Begierden Sonne
Zu kleines Glück, zu schwache Labungswonne. Vom Abglanz heißer Phantasie umkleidet. Ist unwert sie des Sturms von Groll und Schmerz,
Den oft ein großes, riesenstolzes Herz Voll Manneswert um eine Frau erleidet. Das starre Lächeln deiner Sphinr, darum Die Herzen bluteten, die Dichter sangen Und Völker im Vernichtungskampfe rangen, Im Grund, mein Schöpfer — ist es grausam dumm.
Da liegt dein Fehler.
Sorg, daß nicht auf Erden
Zuviel Geschöpfe seiner innewerden.
Denn kann ein Schlag das Herz der Kreatur Im Kerne spalten, ist es dieser nur:
Bei klarem Sinn und lebensvollem Leibe Verraten werden vom geliebten Weibe.
Denkst du des Tags, da, satt des Lilienstengels, Satan aufschreiend von dir sich gewandt.
Weil auf den Lippen jenes weißen Engels, Der Jugendliebe, Täuschung er erfand? Bettogen ward er, und das hat er, eben
Weil er sehr stolz war, niemals dir vergeben: Seit jenem Tag schürt er den Weltenbrand. —
Und schweigend folgt nun dem EmpörungSgotte Der Gleichbettognen unversöhnte Rotte
AlS schattenhafter, dunller Heereszug. Wer je das Weib »erkämpft, verschmerzt, verwunden.
Steht einsam da, nicht mehr an Gott gebunden. Denn von der Frau führt der Gedankenflug Empor zur Freiheit.
Und zu dieser Schar, Sprach kalt der Jude, zählt der wilde Gast An Christi Krippe, der just bei mir war.
Der Schöpfer hat ihn unrecht angefaßt. Auch hat ihm nicht die Arzenei gepaßt. Mein letzter Tropfen. — Zu der Türe schlich
Rabbi Zephanja, warf den schweren Riegel Wuchtig inS Schloß und sagte leis bei sich: Da geht er hin, der schöne neue Tiegel!
*
♦
*
Don Balbis grauer, massiger Palast Schläft aus vom Fest.
Verstummt ist das Gewitter
Der Ballmusik, der Fackeln Schein verblaßt. Ins Schloß fiel dröhnend schwer das Pfortengitter. Die Gärten schauern, und sein blaues Licht Wirft irr der Mond in leere Säulenhallen; Der Südwind rast, und an den Scheiben bricht Er seine Schwingen, schwül, mit trübem Lallen Von Palmenhainen und vom gelben Nil. Auf Purpurpolstem lehnt im Erkerzimmer Lächelnd ein Weib. Ihr blendendes Profil Schwimmt zart im Spiegelglas, ein Perlenkranz, Rubindurchbrochen, blitzt in ihrem Haare.. Wie bin ich schön! O Fügung, wunderbare, Säh' er mich so ... Ein Schatten überflog Ihr ttüb die ©tim und flüchtig — doch sie bog Das Haupt zurück, und durch das Lichtgeflimmer Der Edelsteine brach ihr Auge blau. Sie lächelte. Die Toten kommen nimmer Und dann bin ich ja Cesar Balbis Frau Und bin so schön — und er ist tot, längst tot. Das Leben lacht — ein fliegend-heißes Rot Trat ihr ins Antlitz. Leise nahm die Spange Sie aus den Locken. Ach, ein Glück verhieß Nur erste Liebe; Jugendparadies, Wie bist du doch versunken schon so lange! Sie schwieg. Im Garten rauschten wild und bang Die Myrtenbäume, von dem Meere drang Ein Grollen her, eö brach sich an den Zinnen Der Südwind sacht, mit kosender Gewalt. Ihr Auge dunkelte. Mein Herz wird alt; Ichoenalch-Carolath, Äes. Werke. Dd. 1.
5
Sie sprach e« leise — könnt' ich schlafen, sterben Mit jedem Traum, mit dir, o Guy! — Da sprang Weit auf die Tür: Du magst dies Glück erwerben! So klang es hohnvoll. Am Balköne stand Ein Mann im Mantel: Schläft Don Balbi, Santa, Schläft er gewiß? Sonst kann zum tiefsten Schlaf Mein Dolch ihm helfen — Wie sein Blick sie traf. Flog sie empor: Erbarmen! nur nicht morden! Nimm meinen Schmuck, nimm hin, nur laß mich leben.. Ihn aber überlief ein flüchtig Beben: Santa, gestehe — bist du feig geworden. Treulos, dann feig? Welch tiefer Fall! Er riß Mit raschem Griff die Sammetmaske nieder. Guy, schrie sie auf, erstehn die Toten wieder? Zurück .. ich war nicht treulos! überbracht Ward mir die Kunde, daß du ftüh, vor allen Den Tod gefunden in der ersten Schlacht. Gott sah die Tränen, die darob gefallen Auf meine Kissen in manch banger Nacht. Betört ward ich .. mit Netzwerk arger List Mein Sinn umsponnen .. arg bestürmt, in Schwächen Fiel dem ich zu, der nun mein Gatte ist... DaS hilf du selbst mir bitter an ihm rächen. Hohnlachte Guy. Dein Auge blitzt und scheint Ja wunderhell! Zuviel hat's nicht geweint. Dies Taubenauge! Hat die Purpurkissen Des Brautbetts kaum mit Tränentau betraust.
67 Denn Donna Santa hat sich, will man wissen. An einen Greis für Sündensold verkauft. Das Grafenkind mit der Madonnenstirne Für Gold verkauft! Verkauft! Nun, welsche Dirne, Wie teuer bist du? Sie blieb stumm, halboffen Die blassen Lippen. Unter ihren Brauen Standen die Augen gläsern, starr vor Grauen, Indessen sie, durchschaut, entlarvt, erkannt, Augrund gerichtet, lehnte an der Wand. Doch plötzlich reckte sie, inS Herz getroffen. Sich trotzig auf, und ihr zu Häupten schoß Das Grafenblut. Verkauft?! Nein, Spielgenoß, Spiel meiner Laune! Wähnst du, schwacher Tor, Daß mir dein Wort in flücht'ger Abendstunde Mehr galt, als eines Vogels Ruf im Rohr? Und wähnst du noch, daß mich ein Schwur gebunden. Den tändelnd ich am SpäMachmittag gab Und treulich nach Gebühr gehalten hab'. Bis daß die Sonne überm Park geschwunden? Vernimm's: in meiner Schönheit Dienergruppe Warst du mir nichts als eine Lieblingspuppe, Ein Bär aus Nordland, den ich zahm gemacht Und, als er tanzen konnte, ausgelacht — Ium Zeitvertreibe mochtest knapp du taugen, Jur Liebe — nie. Es ging die Kunst dir aus. Und nun: fort aus Don Cesar Balbis Haus Und Donna SantaS Augen! Nein. — 5*
Er sprach's
Ernst und gelassen.
Deinem Wort gebrach'S
Ob dein schöner Mund
An Wahrheit, Santa.
Sich trotzig zieht, ob du die schweren Locken Sieghaft zum Nacken wirfst — aus Herzensgrund
Siehst du mich dennoch an, zum Tod erschrocken;
Dein stolzes Auge dunkelt, tränennah: Reckt doch dem Sturm die wilde Heiderose
Den Dom entgegen, herb, bis sein Gekose
Sie mit sich reißt, eh' sie sich des versah: Du liebtest mich und liebst mich noch — sag ja — Ja, sprach sie tonlos, ja. —
Seltsames Kind, Begann er sanft, so sag mir denn, welch Wind
Gespielt mit deiner Seele Blütenzweigen, Daß sie so sehr, so früh entblättert sind? Ich hötte einst, daß Menschen dazu neigen.
In einen Abgrund, der sie füllt mit Grauen, Tiefer und länger stets hineinzuschauen. Bis dunkle Nacht sie lockend zwingt hinab.
In welchem Abgrund fandest du dein Grab? Was schuf's, daß dich der letzte Halt verließ. Was war's, das dich mit jugendblonden Haaren
In eines Greises welke Arme stieß? Sein Reichtum nur? Sein väterlich Gebaren,
Sein Puffenwams? Sein Bart? Sein goldneS Vlies? Sprich ohne Furcht — Sie starrte stumm ins Licht, Hilflosen Mundes, und: „Ich weiß es nicht".
Sprach sie tiefschauernd. Auf ihr lag, großoffen. Bestürzt, sein Auge.
Todeöstille zog
Schwer durch den Raum; vom Silberleuchter flog
Ein trübe« Knistern, und die Kerzen troffen.
Da plötzlich tat er einen Findetschrei:
Santa — ich glaube dir und sprech' dich frei! Du wußtest nicht, wie weh du mir getan. Der schwersten Fehle klagt' ich falsch dich an.
Nicht du warst schuldig, wie ich'« einst geglaubt: Die Erde doch trägt solch Medusenhaupt,
Daß alle«, wa« ihr nahen muß, erstarrt: Wer bei dem Weibe Glück sucht, wird genarrt. Ich sprech' die Frau von jeder Fehle Io«,
Weil Gott mit Stein ihr leuchtend Herz umschloß. Weil um da« Licht, da« in ihr loht, sein Neid
Al« Hülle schlug ein kalte« Marmorkleid, Damit die Menschheit vor der Tempelhalle
Im Staub gebückt Entsagungsworte lalle — Ich aber bin au« wildem Blut entstammt.
Die« Ampellicht, da« matt und rosig flammt
In deines Leibe« marmorweißem Bau, Ich will'« besitzen, wunderschöne Frau, Küffend ersticken, jubelnd löschen au«
Da« rote Licht, entweihn da« Gotteshaus, Auf die zerrißnen schweren Altardecken Zu langem Schlafe wunschlos dann mich recken
Und sterbend, al« ein satter Rächer sagen:
Im schönsten Weib, de« Auge je geblaut.
Neidvoller Gott, hab' ich die Sphinx erschaut.
Und hab' dein Werk — dich selbst in ihr — zerschlagen. Auflachend löste er von Santa» Hals Die Perlenbänder, daß sie matten Falls
Au Boden glitten. Guy, was sinnst du? Sprich, Was flammt dein Blick? Was willst du? Ich will dich — Und blitzschnell, wild umfangend ihre Glieder,
Riß er sie an sich, lachend, schluchzend wieder, Zur Ruhe kämpfend, stark, voll wilder Regung, Des schönen Leibes schmeidige Bewegung. Ich liebe dich, sprach er verzückt, o lasse
Mir all dein Sein, daß ich dich besser hasse! Laß Küsse, wie kein Weib sie je getrunken.
Mich auf dich streun wie roter Brände Funken, In jedem will, erschöpfend, ich dir geben
Ein volles Jahr aus meinem reichen Leben, Laß uns vergehn, zerfließen eins im andern.
So wie zwei Wellen, die im Weltmeer wandern.
Vom Südsturmhauch der Sehnsucht fortgetragen. Tobend, beseligt ineinanderschlagen. — Dem Weib, das irr, berauscht von LiebeSfülle
Im Arm ihm hing, hat bebend er gerissen Vom weißen Leib die starre Atlashülle Und es geschleudert in des PrunkbettS Kissen.
Ein Laut, ein Klagwott, girrend, wundersacht.. In einer Flut fahlblonder Lockenhaare
Versanken sie; rings herrschte wunderbare
JaSmindurchhauchte, purpurfinstre Nacht. — Warum sie nachgab, ohne Halt? Vielleicht Weil jede Kraft dem Fallgesetze weicht. Weil ihr ein Blitzstrahl überflammt das Herz,
DaS Rüstzeug schmelzend und das Panzererz, Die Fesseln sprengend. EinS sei uns genug:
Um große Flammen geht ein großer Zug Mitzuverlodern.
ES war Morgenzeit, Um ihren Mund, den schönen, vielgeküßten.
Lag stumpfes Lächeln satter Seligkeit. Sein Haupt, drin der Begierde Sturm »erbraust. Sah trotzig-fahl; es ruhte seine Faust,
Im Schlaf geballt, auf ihren heißen Brüsten. So läßt der Löwe wohl, den in Gedanken Der Schlaf befiel an einer Beutestelle, Schwergriffig liegen seine mächt'gen Pranken Auf der erwürgten, röchelnden Gazelle. Und beide träumten.
Sie von Sternen droben.
Die gut und golden, daß ihr eigen sei
Ein Leben nun, dem jedes Weh verstoben. Doch seine Brust ging schwer, eS brach ein Schrei Daraus hervor, der klang: Leb wohl — vorüber. Du Schloß mit dem steinernen Wappentor
Und den dunklen Eiben darüber;
Ihr wellenden Seen, windwogender Tann, Lebt wohl, ihr Hochlandöheiden,
Es segnet im letzten Scheiden Euch ein verlorner Mann. Scheiden — kein Traum ... verstört empor er schrak.
Mit offnen Augen.
Hingegossen lag
An seinem müden, fieberheißen Leib
Lächelnd das weiche, sein gewordene Weib.
Da griff ihn tiefer Schauder, und er bog Ihr Haupt zum Lichte, während unstet flog
Sein Funkelblick durch SantaS schöne Züge... Dann sprach er rauh: Dein Zauber wich! Betrüge So bitter nicht! Schlag auf die schweren Lider,
Sieh voll mich an, gib mir die Jugend wieder!
Dor langer Zeit, es blühten die Syringen, Wir liebten uns — auf deine Lippen, leise. Kam eine süße, langvergeßne Weise... Erbarme dich .. das Lied .. wie geht das Lied? Und sie, wie damals, als die Sonne schied.
Begann zu singen-------Schweig, das klingt ja blechern Wie falsches Geld, sprach tonlos er. Bei Bechern Und Würfelspiel hört' ich derlei. Die Stunde, Das Lied, dich selbst — hast du zu gut vergessen. Schlaftrunken suchte sie mit rotem Munde
Achtlos den seinen .. doch die Purpurdecken Warf breit er über sie; blaß zum Erschrecken
Trat er ans Fenster. Hinter den Zypressen, Die dunkel brauten, murrte dumpf das Meer; Der Tag brach an, streifige Wolken hingen Blutrot im Osten über Tiefen leer
Und nebelbrauend.
Meiner Seele Schwingen
Lähmt Ekel, stöhnte Guy, es bricht mein Herz
Vor schalem Abscheu: nun, da Stillung hätte
Der wilde Wunsch, verlor ich meinen Schmerz, Das Diadem! Ich schritt auf hoher Spur Des Luzifer — doch was ich aufbeschworen An Racheschrei, an Groll der Kreatur, Im Liebesrausche gab ich's feig verloren...
Zerplatzte Form — fort auf die Scherbenstätte! Er griff zum Dolch mit Inbrunst.
Plötzlich trafen Ihn fremde Laute. Von dem Purpurpfühl Hob Santa sich; ihr Haupt, nach Ost gewendet.
Trug, vom Gewirr des GoldhaarS überblendet.
Den Zug der Sphinx — das Lächeln fremd und kühl.
Die sprach: ES soll dies Wunder um dich sein. Daß unbewußt sich meine Seele wendet Zu deiner, die den Erdenflug beendet In einer Nacht, darin kein Sternenschein. Ihr eignes Rätselwort — erriet's die Frau,
So fiel in Trümmer unser Weltenbau, Denn bebend ließe ihre schwache Hand
Die Ampel fallen, drin den großen Brand Der Liebe sie von hohem Warteturm Arglos ins Weltall hält, in Nacht und Sturm. Es streut die Frau der Liebe heißen Strahl Durchs dunkle Leben, reich — doch ohne Wahl,
Sie geht und liebt, voll, harmlos — aber blind. Wie Sterbelieder spielend lallt ein Kind,
Mit blühndem Mund.
Du hast in wildem Drange Das Glück am Busen einer Frau gesucht.
Hast's nicht gefunden — und hast Gott verflucht.
Was du gesucht so sehnsuchtsvoll, so bange. Dies tiefe Etwas ist ein Sttahl von Licht, Den Gott ihr gab, daß man ihn heiß verlange
Und doch auf Erden finde nicht. Wenn eine Frau die dunklen Augensterne Scheu zu dir aufschlug, hast du nie mit Schmerzen Gefühlt ein Heimweh nach verlomer Ferne? .. In jeder Frau liegt der tiefsüße Zug,
Der unbeschreibliche, ein ew'geS Sehnen In uns zu wecken, daß wir aufwärts dehnen
Zu Gott empor des Lebens Probeflug. Doch wen erfaßt's, daß von der Welt er lasse? ES schreit nach Lust und Sinnenreiz die Masse, Die sucht und findet AlltagSglück beim Weib, Denn an des Rätsels schönem Bollwerk: Leib Bleibt stocken sie, gesättigt, zu gesunden — Nur wenigen schlägt Liebe tiefe Wunden, Doch jede Wunde wird zum Ritterschlag. Heil dem, der Glück beim Weibe nie gefunden Und auS der Tiefe dafür segnen mag.
Das ewig Weibliche ist Schmerz ohn' Ende:
Wer allsogroß, daß ohne Groll und Spott Er schweigend sich von Erdensonnen wende. Steht freilich einsam da — doch eins mit Gott. —
Und große Schmerzen müssen heilig sein.
Unselig, wer das SaiSbild von Stein
Nach einer Seele ungestüm befrägt. Nach Lust schreit — und die schöne Form zerschlägt. Ihm wird aus Trümmern, aus verstreuten, grauen. Die leere Nacht lichtlos entgegenschauen. In jeder Frau schläft, glanzverhüllt, ein Grab,
Es heißt das Nichts — und wer es je gemessen. Muß zu den Schatten, bleichen HauptS, hinab, Müd' vor der Zeit, ftüh welk und ftüh vergessen. Die Form vergeht, doch ist kein Grab so klein,
AuS seiner Tiefe zwingen sich Zypressen Mit dunklen Flügeln auf zum Sonnenschein. DaS Leben ist ein starker Wanderflug,
Zu Gott gerichtet, und auf allen Wegen
Trägt uns des Schmerzes großer Atemzug Der Heimat zu, dem ew'gen Lenz entgegen.
Vieltausend Jahre werden gehen, kommen. Wenn über alles, was aus Stein erbaut. Wenn ob der Sphinr, die stolz auf Theben schaut.
Wenn über alle, die gedacht, gedichtet Und des Gedankens Säulen aufgerichtet. Der Staub verschüttend seinen Flug genommen,
— Der Streusand zu der großen Schrift der Zeit, Der trübende Bodensatz der Ewigkeit — Wird stets ob allen Leidenschaftsdämonen Daü Weib am höchsten Opfersteine thronen. Allewig wird sie, aus des Daseins Wüste
Emporgereckt, hinbieten ihre Brüste,
Daß bittern Seim betört die Menschen saugen Im Glanz der hohnvoll-heil'gen Götteraugen,
Daß sie, vom Bom des Weiblichen zu schöpfen. Das Hirn sich fiebern aus den müden Köpfen,
Daß sie, dies Rätsel schaudernd zu erfassen.
Von Wahrheit, Frieden, Gott und Leben lassen.
Sie küssen, hassen, schlachten nach Gefallen,
Anbeten, lästern, schluchzen, lachen, lallen.
Das Herz von Stein zu rühren, zu erweichen.
In jeden Abgrund, jede Tiefe reichen — Sie aber wird, hoch überm Erdenflug, Im warmen Staube sonnen ihren Bug,
Mit finst'rer Stirn, das Auge unerhellt.
Die Löwentatze stemmend auf die Welt, Und stumm ihr Antlitz, das vernichtend schöne,
Gen Morgen wendend, bis Posaunentöne
Die Gräber spalten, bis den Tod verschlang Ein Jubelruf, bis jede Hülle sprang. Und über Fügung, Formen, Rätselfragen Der Freiheit Flammen ttiumphierend schlagen —
Dann wird die Sphinx, erlöst, gebenedeit. Gleich Memnonösteinen, die tiefbebend klingen. Das Hohelied versöhnter Ewigkeit,
Ein großes Liebeshalleluja singen. Santa schwieg, lächelte.
Wich jäh der Schimmer.
Don ihrem Haupt
Müde, sinnberaubt
Sank sie zur Seite.
AuS der Ampel stob
Schwelender Rauch.
Als Guy die ©tim erhob,
Fiel ins Gemach fahlgraues Morgendämmern,
Zur Weide zog mit roten Wolkenlämmern Der Sieger Tag; ein Stern schoß in die See — . Mein Los, sprach Guy; wart, bis ich mit dir geh'. Zur Seite warf er Santa» Haar, das blonde. Und führte tastend, ohne Laut noch Wort, Den Dolch ins Herz; so senkt sich eine Sonde
Langsam und still in einen leeren Ort.
Farthüme
I. Die Wüste, die vom Samum heiß geküßte.
Die Wüste, die vom Morgen überglühte.
Gebar einst dich in schmerzlichem Gelüste Als wunderseltne herbe Lieblingsblüte.
Ich sah dich spielen, wildes Kind der Tropen,
In Wind und Sand mit deinen Milchgeschwistern, Den zierlich scheuen, klugen Antilopen, Ich sah um dich die Bmssaseide knistern.
Und sah die Sklaven knieend dich umfächeln
Mit Pfauenwedeln, die von Salben troffen. Und sah dich träumen, übersatt von Lächeln,
Mit dunklen Augen, die gleich Pforten offen. Da plötzlich sprangst du mit gesträubtem Munde Und peitschtest wach dein Lenktier von Mahara Und sprengtest fort.
Seit jener flücht'gen Stunde
Hab' ich geliebt dich, Tochter der Sansara.
15 S.cho'enalch-Carolath, Ges. Werke. Sb. 1.
6
Ost, wenn im Sande schliefen unsre Stuten, Wenn unser Feuer, daü die Nacht erhellte.
Verloschen war, glaubt' ich, daß im Gezelte
Nur deine Glieder süß bewußtlos ruhten. Daß deine Seele flog nach einem Sterne,
Um Erdenweh und wilder Gräser Rauschen Und Herzen, die dich lieben, zu belauschen.
Wie mitleidsvoll, aus einer großen Feme, Daß sie geschwommen durch die düsterblaue Unendlichkeit, sich eisig anzufeuchten. Um hier auf Erden unter deiner Braue
Mir hoffnungslos und ewig stemd zu leuchten.
III. Das Mondlicht flutet voll und bleich Durch dunkle Wolkensäume;
ES liegt im fernen Mondenreich Ein See —der See der Träume. Und alle Tränen, welche je
Um Frauenliebe vergossen. Sind leuchtend und still in jenen See,
Den See der Träume, geflossen.
Z
IV.
Wenn Toren sich mit deinem Tun befassen.
Sollst du des Wegs gehn und sie schelten lassen. Sieh: eS ist Nacht, die Geisterstunde schlug,
ES schläft daS Dorf, da naht ein Kaufherrnzug,
Im Sande waten sacht die Dromedare. Da plötzlich wittern eine seltne Ware Die Hunde ringS, und hämisch von den Schwellen Auffahren sie mit Heulen, Schnappen, Bellen,
Und eifern grimmig kläffend, bis sie schwach Und heiser sind, dem ftemden Gute nach. Doch still im Sattel wiegen sich die Reiter, Die Tiere schwanken hochbeladen weiter.
Nicht Stock noch Steinwurf lohnt dem Geiferzahne. Hund bleibt stets Hund.
Was tut eS, daß er bellt.
Wenn schweigend deines Lebens Karawane Nach Mekka zieht durch Staub und Lust der Welt?
&&&&&&&&&&&& 85
V. Nun will ich dich tragen, mein Glück, mein Traum,
Mein Lieb, hoch über das Weltenall,
Wie einst der Adler die Nachtigall Barg unter weichem Schwingenflaum.
Ich will dich wiegen im Sonnenschein,
In goldnem Frieden, weltentrückt. Und du sollst singen, tiefbeglückt.
Dein Liebeslied für mich allein.
Der Herr der Gläubigen gab mir ein Band
Nebst einem Stern von reich gezacktem Schliffe —
Wo wär' ein Narr von Fez bis Damarkand, Der solche Huld, mir zugedacht, begriffe? Dem Großherrn lastete sein Prachtgezelt
Am Bosporus, dieweil Traumdeuter schoben Vor ihn den Spiegel unsrer Tropenwelt:
Denn er sah dich, wie du von Licht umstoben An meiner Seite rittest stolz einher.
Der Karawane schlanke Wünschelrute...
Sein Stern, sein Band — sie flattern bunt und quer Am Schweife, Herrin, deiner Lieblingsstute.
VII. Ein Derwisch, den an Ghasal- HLHenrand Verschmachtend ich und wegeSmüde fand. Den ich zum Lager leitete und pflegte. Sprach, eh' den Kopf er auf die Polster legte: Kein Ding, o Freund, ist des Besitzens wert.
Und frei nur ist, wer nichts ersehnt, entbehrt, Macht, Ehre, Ruhm, ja selbst der Frauenkuß Verbergen Täuschung, Trübsal, Überdruß; Im Sand drückt flücht'ge Kreise dein Gezelt,
Du selber bist ein Fremdling auf der Welt,
Begier, Gedanken, Wunsch in Menschenköpfen Sind, wie des Reisigs Knattern unter Töpfen, Ein nichtig Prasseln; und dem Wölklein Rauch, Dem Funkenblitz gleicht unser Leben auch. WaS unvergänglich, herrlich schien und teuer, ES wird zu nichts — doch selig, wenn zur Rast
An deines Lebens kurzem Hirtenfeuer Der Armut du das Heim bereitet hast.
Dann wird dein Leben zwar wie Rauch vertreiben. Du selber doch wirst ewig sein und bleiben.
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Ich glaube gern zu jenes Derwischs Ruhme, Daß nie sein Herz der Liebe Blütenlast,
Daß, niemals er gekannt hat dich, Fatthüme.
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VIII. Das Feuer loht; die Karawane blieb Am Hügel lagem, fremden, sandverwehten. Groß deckt und ftifi die Schläfer im Propheten Das Firmament, ein golddurchbrochneS Sieb. Was ist es, das im Strahl der Sterne rinnt Zu Tiefen nieder, dunklen, unerl-sten — 3fP8 stilles Mahnen, heiliges Vertrösten, Das niederwärts die goldnen Fäden spinnt?
Sind's Blicke nur, die aus dem Freudensaal Fremd und erstaunt auf uns Hemiedertauen, So fremd, wie dunkle Frauenaugen schauen Verständnislos auf eine Herzenüqual?
Was sind sie selbst, die über Bann und Fem' Der Todesschatten ihre Flugbahn tteiben? Verkünden sie von Sein und ew'gem Bleiben UnS Sterblichen ein flammend Glückpoem?
Wird einst enthüllt, daß alle Hoffnung Wahn, Daß Sterne, die gleich Liebesfackeln brannten, Die wir mit Inbrunst gut und ewig nannten. Ein letzter Tmg, den Götter uns getan? Sie lügen nicht. Doch Erdenglück zerfließt, Und Liebe weicht aus Frauenaugenstemen So qualvoll jäh, wie lautlos hinter Fernen Ein Meteor verleuchtend abwärts schießt.
Ja, du bist schön! Dein Lächeln scheucht die Sorgen
So sieghaft fort, als unsre Heermacht fegt Speenverfend Volk an einem Siegesmorgen.
Und du bist stolz! Der Scheich, der rings gebeut.
Wirft sich vom Nacken seiner besten Stute Und kniet im Staub, wenn ihn dein Gmß erfteut. Und deinen Schmuck — den schleppt ein Lastkamel,
Zwölf Sklaven spähn den Willen dir vom Munde, Schön bist du, Herrin, stolz und ohne Fehl —
Allein dein Herz ? ? ! Da gähnt die tiefe Wunde.
Am Hihenrand, der kreidig, sturmgeschlagen.
Gebleicht vom Samum, ohne Pfad noch Schatten,
Hielt unsre Schar, betäubt von wildem Jagen, Vor einer Löwin, die gefällt wir hatten. Die Löwin lag, gelähmt im wildgewagten
Vernichtungssprunge.
Am fahlbraunen Buge
Die dünnen Pfeile schiefgebogen hakten. Das Schaftgefieder zitternd noch vom Fluge.
Die Löwin hatte sterbend sich errissen Ein Purpurbett; sie lag auf ihren Treibern
Und wälzte sich auf einem Sterbekissen Von atlaüweichen, heißen Menschenleibern. ES deuchte mir, wie sie die Flanken streckte
Und, durstgequält, mit fächelnd mattem Schlagen Des Löwenschweifes ihre Opfer leckte.
Als ob sie zögernd stürbe, mit Behagen. Ihr letzter Blick hat schillernd mich gemessen; Tod lag nebst Wollust in dem Blick, dem einen. Und jenen Blick, ich hab' ihn nie vergessen: Der toten Löwin Auge glich dem deinen.
XL Auf einem Grat, der wollenüberjagt
Ins Leere reckt fein Haupt, sein schieferblasses. Wo Stürmen nur der Riese Atlas klagt
Die Last der Welt und jene seines Hasses, Da hab' erbaut ich einen Opferstein, Um aufzutrennen deine Brust, die weiße.
Daß ich den Ursprung aller Erdenpein, Des Weibes Wesen, an das Taglicht reiße. DaS Werk gelang.
Es barg der heil'ge Raum
Ein wenig Spreu, zwei Handvoll goldner Litzen,
Ein buntes Traumbuch, einen Kleidersaum, Ein großes Knäuel abgewelkter Spitzen Und einen Stein.
Der trug in Lettern starr:
Fatthüme birgt im Guten und im Bösen Ein Rätselwort.
Kein Weiser wird eS lösen.
Doch darum leiden kann allein ein Narr.
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XII. Der Pascha, Herrin, dessen Dampffregatte Vor Tunis liegt, bewimpelt und bewehrt. Der dich ersehn, der deine Huld begehrt Und goldnen Ringschmuck in den Ohren hatte. Er gab — ich weiß eS — jüngst dir als Geschenk
Den ersten Ring mit Lächeln und verstohlen. Daß du bei Nacht das zweite Ohrgehenk Von seinem Schiffe heimlich mögest holen...
Der Weg nach Tunis, Herrin, ist nun weit, DeS Fremden Schiff mit Eisen dicht beschlagen. Du bangtest dich — und siehe, deine Zeit Ist auSgefüllt mit Schlafen, Plaudern, Jagen.
Ich bringe nun, die Rrise dir zu sparen. Den Kopf des Pascha. Fest im Ohre sitzt
Der zweite Ring. Schau, Herrin, wie er blitzt Ium Angedenken magst du ihn bewahren.
XIII. Atlas, zum Himmel stürmender! Du hast
Ein Glück gewollt, das allzu hoch bemessen.
Nun muß den starren Riesennacken preßen Zum Staube dir des Erdballs Schmerzenslast.
Ach, grolldurchschüttert rauscht dein tiefes Klagen Durch Welt und Zeit. Doch schwerer ist die Pein: Ein gottgeborner stolzer Mensch zu sein
Und heißer Sünde Sklavenjoch zu tragen.
Du lagst gelangweilt in den Seidenkissen,
Ringschillernd, eine halb erstarrte Schlange; Um dich zu wärmen, im Erlöserdrange, Hab' ich ans Herz dich mitleidsvoll gerissen. Du sahst die Beute lange hohnvoll an
Und wärmtest dich und hast hineingebissen — Ich war ein Tor, du hattest recht getan. Ich hob die Faust, dich schmetternd zu verderben. Und senkte sie — du warst nicht wert, zu sterben.
Wir sind am Ziele.
Laßt die Sänfte nieder.
Entsteige, Herrin, deinem Purpurbette,
ES wartet dein und deiner schönen Glieder Kostbarer Last der Teppich von Damiette. Leb wohl, mein Lieb.
Du rissest meinen Glauben
Gleich Unkraut auS; der Hoffnung breite Gassen
Stehn öde da — doch keine Friedenstauben Sind die Gedanken, die du mir gelassen.
Siehst du die Stadt? Die schönste ist's. Im Bogen Reckt sich an Wasser, blauem, salzig klarem,
Ihr Kuppelwirrsal, fahnenüberflogen. Und der Palast dort ist des Sultans Harem.
Dort sollst du leben, hinter goldnen Stangen, Schön — doch unschädlich. Mit verblümtem Spruche
Wird dich der Großherr als Gemahl empfangen. Wird eure Kissen glätten ein Eunuche. Ich aber will an wandermüden Füßen Die Reue schleppen, will der Welt entfliehen
Und, deiner Liebe Gisthauch abzubüßen.
Einsam, als Bettler, gen Balsora ziehen.
XVI.
Sang des Türmers. Ihr Schläfer! Wollt ihr meiden Schmerz und Spott, So bindet eure Stuten an.
Erst dann
Befehlt sie Gott. Wer sich den Mund verbrüht hat, bläst zur Not Auf kalte Milch. Schlaf birgt mehr Glück denn Wachen. Dein bester Freund heißt Tod.
Vemehmt, ihr Gläubigen, was ich zur Stunde Verkünden soll vom Rand des Minaretes: Nach Allahs unerforfchlichem Befunde
Ward gestern, um die Zeit des Nachtgebetes, Der Welt entrückt die Sultanin Fatthüme,
Des Großherrn Stolz, des Harems Lieblingöblume. Wär' euch bekannt, was mir an Wissenssachen Geoffenbatt, enthüllt und angestammet,
Ihr würdet weinen und gar wenig lachen;
Mög' Allah segnen euch.
So spricht Mohammed. —
Ein müdes Schiff, das seine Segel dehnt.
Ein Menschenherz, das sich nach Frieden sehnt. Ob sie das Ziel verfehlten oder fanden.
Im gleichen Hafen werben stets sie landen. In jedem Herzen zittert ein Magnet,
Der rastlos sich zur ew'gen Heimat dreht. Ein Weg, daran mit kurzer Pause
Der Schmerz als Meilenzeiger steht.
Führt rasch nach Hause.
Echoenalch-Larolath, Les. Lerke. 8b. 1.
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xvn. Aus eine- Kerkers schwülen Finstemissen Zur Freiheit, die kein Goldgeflecht ummauert.
Hob sich dein Herz und hat den Strick durchrissen; Der Vogler stumm am leeren Käsig trauert. Du riefst den Tod.
So flieht vertraute Stätten
Im Trotz ein Kind, gelockt von Abenteuern. Ach, daß dich Engel sanft geleitet hätten
Zu ferner Heimat hellen Wirten feuern! Wo weilst du jetzt? Von welchem Flammensterne Blickst erdenwäris du, zwischen Traum und Wachen, Auf mich herab? In welcher Sonnenfeme
Wiegt sich dein goldnes, schwermutvolles Lachen?
Vorbei — dich bringt kein Erdenfrühling wieder. Doch folgen wird dir bis zur Sttahlengrenze
Der tiefe Nachhall meiner Liebeslieder,
Sich zu vermählen deinem neuen Lenze. Uns trennt kein Tod.
Wenn im Posaunenstoße
Des Weltgerichts die Gräber sich bewegen. Wird auch dein Auge, das verweinte, große.
Neu auf mich schütten seinen Sttahlenregen.
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Dem Dichter ist ein leuchtend Los gefallen: Wer Großes schuf, reißt au< der Nacht der Zeiten
Ein sterblich Weib, das er geliebt vor allen. Zum Sonnenstrom versöhnter Seligkeiten.
So will auch ich in Liebem ew'ger Dauer, Du stolze Tochter der Abencerragen,
Das Weh um dich, die Weltlast meiner Trauer, Als Büßer Atlas zu den Stemen tragen.
§
r
XVIII. Zuweilen zeigt mir ein schwüler Traum
Mit ihren Türmen und Toren Die Stadt der Kalifen am Wüstensaum,
In Sand und Ferne verloren. Ich meine zu hören fremd und wirr Da- Brausen der Basare, Der Kesselpauken dumpfe- Geklirr, Da- Röhren der Dromedare.
Au- gelbem Staube, windgerafft. Flattern die grünen Fahnen, Fernab, auf ewige Wanderschaft Schleichen Karawanen —
Auf Wanderschaft von trüber Art Zwang auch ich durch- Leben
Ein büßend Herz, de- Wahlspruch ward: Geben und Vergeben.
Nun ragt das Schloß der Tempelherrn Au- regennassen Landen, Mit dumpfem Donner schwer und fern Der Ostsee Wogen stranden,
Und über Sturm und Möwenschrei Wandett die Karawane Meiner letzten Liebe vorbei. Meine Fata Morgane.
Don Juans Tod
Es ragt der Kaukasus, ein Scheidewall
Don wllder Art, gebettet zwischen Meeren, Darein er schleudert seiner Ströme Fall. Die Lenden gürtet eine Wolkenwand
Dem Unbesiegten, und zur blauen, leeren Unendlichkeit reckt er den starren Nacken, Mit seiner Sttme weißen Gletscherzacken
Hinüberlachend in das Morgenland. Als Gott die Menschen aus dem Eden stieß.
Da fachten, heimatlos, sie Lagerfeuer, Die, kaum verglüht, ihr müder Fuß verließ. Sie trieben hin unsteten Wanderflug Heimwehgefoltert, bis ein Lenz, ein neuer. Jubelnd hereinbrach.
An dem Höhenzug,
Draus Quellen stürzen, brausend, waldumgrünt. Fanden die Müden, neu beglückt, entsühnt. Ein frisches Land, ein neues Paradies.
Und Friede ward.
Jahttausende vergingen.
Des Christentumes großer Flügelschlag Stieß durch das Land. Der Berge ttotz'ge Zwingen Erllommen Burgen, breit und schiffbar lag Der wilde Kur. Dort, wo den Waldkoloß Umbrach die Art, ragt schimmernd jetzt das Schloß Der Grusenfürsten.
Schlank hebt sich der Bau AuS breiten Höfen; in den Gärten rauschen Der Bäume Kronen, überm Labyrinth Der Kuppeldächer fegt und flappt im Wind Das Grusenbanner, und wo Decken, blau. Purpurgestrählt sich vom Balköne bauschen. Schaut (Hfl ins Land der Grusenfürsten Kind. Diava träumt, doch ist nicht froh zu nennen Dies Angesicht; ihr dunkles Auge mahnt An Lampen, die durch Alabaster brennen. Wann, spricht sie, Schicksal, das ich lang geahnt. Erfüllst du dich? Wann wird von mir genommen Der Seele Bann? Gestalt fremddüstrer Art, Wann endlich wirst du, finstrer Buhle, kommen? Sie wendet sich, schreckt auf. Zum Saale zieht Der Patriarch, ein Greis. Die Kirchenfahnen Neigen sich tief, das Volk andächtig kniet. Gib einen König deinen Untertanen, Murrt dumpf die Menge. Doch die Fürstin schweigt Und weist zur Pforte. Ihren Ärmelsaum Berührt der Priester; ihres Kleides Schleppe Küßt scheu das Volk. Leer wird es; auf die Treppe Setzt sich ein Schmetterling im Sonnentraum.
Und draußen liegt die Ferne brütend heiß. Es klagen unablässig die Zikaden, 5m Süden ballt Gewölk sich hohl und weiß.
Was hält, mein Herz, dich ew'ger Gram beladen.
Spricht trübt die Fürstin.
Unter Purpurhüllen
Wogt zwischen Furcht und Ungeduld dein Schlag, Und deiner Schwermut tiefen Schoß vermag
Kein Glanz, kein Erdenfrühling auszufüllen. In schwülem Traume banger Jugendnacht
Geschah es mir, daß aufwärts, aus dem Leben
Gelöst, ich schwebte.
Tief, in letzter Pracht
Der Abendsonne grüßten Tal und Matten Purpurgesättigt aus dem Ozean. Auf Engelsflügeln fühlt' ich rauschend heben Mit weichem Fittichschlag mich himmelan.
Mein Haupt umbrauste frischer Morgenwind, Da plötzlich drang ein Ruf aus Erdenschatten: Erbarm dich meiner, lichtumstobneS Kind.
Ach, Gott und Engel haben mich verlassen. Bleischwer zieht niederwärts zum ew'gen Leid Mich das Gericht! O laß dein weißes Kleid Am Saum die Hand des Fluchbeladnen fassen.
Und rettend hilf aus Qual und ew'ger Pein
Dem Reuigen zum Lebenssonnenschein. So hallt der Ruf, den ich entsetzt gehött. Und meine Hand erfaßt mit wildem Griffe
Ein bleicher Mann. So, da beim Sturm zum Schiffe Der Heiland hot, hielt Petrus sich, verstört. Grabtief sein Auge, drüber spannt die Braue
Sich schwarz und schmal. Wie jenen ich erschaue. Flammt auf in mir als jähes Machtgebot:
Du rettest ihn au- Untergang und Tod.
An deine Hand, in dein Gebet, dahin An deine Brust — kein Himmel ohne ihn! Schon türmt sich auf, lichttriefend, riesengroß
Da» goldne Tor, doch eh' die- Ziel erreicht. Der Sünder, strauchelnd, in die Leere weicht. Und stürzend, klammernd, aus der Engel Armen Zieht er mich abwättS. Ein Posaunenstoß Zerreißt die Luft; Nacht deckt deü Himmels Tor. Und Nacht umfängt mich, doch ein Engelchor Singt in der Höhe feierlich: Erbarmen.
Seit jener Traum, prophetisch, mit Gewalt Und Schrecknis kam, das Herz mir zu belasten. Verfolgt mich des Verfemten Nachtgestalt. Ich fühle, daß sein Schatten um mich lebt,
Ost, nebelhaft, an meiner Seite schwebt. Nur flüchtig bannen ihn Gebet und Fasten. Er kehrt zurück nach traurig langer Pause, Bei Prunk und Fest, im lauten DolkSgewühl Folgt er mir nach; im dunkeln Chorgestühl Der Kirche nickt er, geisterhaft und stumm.
Streift mir das Haar mit seiner Spitzenkrause,
Und blättert sacht das bunte Meßbuch um. Er nickt mir zu; wenn er ins Herz mir schaut Mit seinen Augen, seinen qualvoll tiefen.
Ist mir, als ob viel tausend Stimmen riefen: Er bleibt dein Herr, du bist ihm angetraut. Finstres Gebild, mit Ängsten, heißen, großen,
Enthüllt sich mir: du bist von Gott verstoßen.
Du bist kein Lichtgeist, und vom Paradies
Treibst du stromabwärts ohne Kampf, noch Hoffen. Wohlan — dein Sturz hat meine Bahn getroffen,
Ich will umfassen dich mit voller Kraft Gläubigen HerzenS; deine Schuld bekennen Will ich dereinst und sie die meine nennen.
Mein Heil für deines geb' ich voll in Haft.
Ja, fesselt an die Höllenmacht des Bisen Gelübde dich, Trieb und Blutsbrüderschaft, Ich will dich retten, werde dich erlösen. —
Wie heiß die Sonne sticht. Der Südwind biegt DaS Gras der Steppe. Spätnachmittag liegt In weißer Glut auf Mauern und Arkaden.
Brütende Stille; fchläftig müden Klanges Der Wache Schritt im Grund des Bogenganges, Fern auf den Wegen ballt sich Staub in Schwaden. Und aus dem Staub — die Wachen stehn entsetzt —
Ein Reiter austaucht, jäh. Zum Sprunge jetzt Zwingt er sein Pferd. Im Flug ein Schatten spannt Sich durch die Luft, und landend mit den Hufen Pflügt schrill der Hengst das Pflaster vor den Stufen. Die Wachen taumeln, blutend, überrannt. Ein Schritt, enteilend. Klirren, wildes Rufen,
Auffchreiend aus der Fürstin Vorgemach Stieben die Frauen, und Diava, wach. In starrer Spannung vor dem Bild des Christes Steht aufgereckt.
Ihr Auge lacht und brennt.
Ein bleicher Mann den Vorhang keuchend trennt; Da bricht von ihren Lippen roilb: Er ist es. Sie stehn und blicken sich hochatmend an: Dein Name, Fremder — Ich bin Don Juan, Don Juan de Marana. Spaniens Damen Bekreuzen sich in Andacht vor dem Namen, Und sprich' nur eine zu der andern leicht: Der Bise hol' ihn, eh' der Tag entweicht. So riefen alle: Segne Gott es, Amen.
Die Tür springt auf. Rasch, mit entschloßnem Schritt Und tiefem Gruß ins Königszimmer tritt, DaS Schwert im Arm, der Kommandant der Garden. Die Fürstin winkt; er geht, gehorcht dem Zwang, Doch vor der Tür, die Don Juan durchdrang. Kreuzt sein Befehl der Wachen Hellebarden.
Noch hüllt DiavaS schwarzer Augenstrahl Den Fremden ein; Glut liegt auf ihren Mienen. Nun bist du, spricht sie, leiblich mir erschienen. Wer sandte dich? Kamst du nach eigner Wahl? Wie fandest du von Spaniens Glutgestade DeS bunten Ostens weltentfernte Pfade? Wenn von zerklafftem, ödem Hochgelände Der starke Wolf, den Beutedurst versucht.
Mählich hinabsteigt, daß er Stillung fände. Lugt er ins Land von einer Höhenflucht. Und witternd prüft er, ob der Wind der Nächte
Ersehnter Beute Vorgefühl ihm brächte. Mir trieb der Ost ums Haupt mit Adlerkraft
Sein Schwingenpaar, da fühlt' ich, fern erblühe
Mir eine große, neue Leidenschaft. Wem je der Schönheit süßer Sonnenstich DaS Haupt versengt, durch Nacht und Morgenfrühe Eilt er zum Ziel, ihn hemmt kein Länderstrich — So, schöne Beute, suchte, fand ich dich.
Sie zuckt empor, entsetzt, doch Überwindung
Hilft ihr zum Wort. So trachtet deine Bahn Der meinen nach in sündiger Empfindung? Was kettet uns? Was hab' ich dir getan? Wer gab dir, rede, über mich Gewalt, In meiner Seele Obdach, Aufenthalt?
Taucht niemals dir, wenn du des Rätsels sinnst, Erkenntnis auf? Wer schürzte dies Gespinst, Wer schuf die tiefe, seelische Verbindung?
Was ist's, das uns geheimnisvoll verwebt?
Verkünde mir, ob aus der Kindheit lebt Dir ein Erinnern...
Königin, vergebt. Sprach jener rauh; sollt' ich den Kopf verlieren, Zwei Dinge gibt's, die meiner Eigenart Entgegenstehn als schroffer Widerpart:
Hochzeitsgefasel und Philosophieren.
Wie dort er stand, den Bart keck zugespitzt,
DaS Auge hart, den Rotmund frech geschlitzt.
Auf finstrer Stim der schwersten Sünden Stempel,
Brach ihr zu Schutt der keusche Herzenstempel Bräutlicher Hoffnung.
Ihn, den schönen Wicht,
Der vor ihr stand, beachtete sie nicht.
Nur angstvoll sucht' ihr Auge seinem Denken Sich, seiner Seele, forschend einzusenken.
So irrt des Steigers schwankend Grubenlicht Zum tauben Schacht, ob es im Schuttgewände
Nicht eine lautte, reine Ader fände.
Vergebens, spricht sie; ausgestorben klafft Und leer dein Herz.
Ich möcht' dich von mir stoßen.
Doch siegend ruft ttefinnre Glaubenskraft:
Nicht irrt dein Herz, er zählt doch zu den Großen! Welch Pulsschlag treibt dich und welch Lebensplan
In deines Sommers reifen Manneötagen, Nach welchem Eiland segelt sturmgetragen Dein klopfend Herz dahin im Lenzorkan? Ob du ein Held aus König Artus' Hain, Ob irrend du, landflüchtig feist wie Kain, Welch Los dich ttaf, welch Lebensziel du hast.
Ich will es wissen, rede, bleicher Gast. Im Lebenslenz, in Lebensungewittern,
Ob Sonnen stächen, ob mich Sturm umnachtet.
Ist eines nur, danach mein Wesen ttachtet
In ew'gem Durst, in Bangnis, Gier und Jittern. Ein Erdenziel erkenn' ich nur: das Weib —
Am Weibe nur ein Göttliche-: den Leib.
Dich, die der Rausch verlornen ParadieseGreifbar durchflammt, ttotz Sündenfall und Fem',
Die du im Staube sonnst dein Diadem,
Die rauhe Fülle deine- Lockenvlieses; Dich Leben-mutter, nie gefüllter Born,
Die sorglos du, in eines Baume- Schatten,
Halb Tier, halb Göttin, schläfst im Hagedorn Mit frischen Lippen, roten, Nimmersatten, Dich hetzt mein Fuß, dir folg' ich brünstig nach,
Un< wird die Welt ein weite- Brautgemach. Ich zwing' da- Weib mit ungefüger Kraft
Iu jubelnder Alltag-leibeigenschaft; Und weh der Macht, die meinen Weg verstellt,
Ich werd' zerschmettett, oder sie zerschellt. Wenn mir ein Weib da- steinern Herz bezwänge.
Ich zög' mir selbst der Totenglocke Sttänge, Dom Sockel stieg für immer ich hinab
Und schaufelte mit eigner Hand mein Grab. Daß dürstend ich de< Weibe- Dürsten stille. Bin ich gesandt, Mithelfer rauher Paarung, Ich bin die Kraft, ich bin der Lebenswille,
Dies sei dir Beichte, Herrin, Offenbarung. Die Fürstin schwieg.
Ihr feines Köpfchen.
Gesenkt war, glutdurchflossen
In den Scheiben blaute
Ein jäher Blitz, durchleuchtend das Gemach. Ein Wetter kam auf fahlen Wolkenrossen Au- Süd geritten, doch Diava sprach
Mit weichem Blick und mitleidvollem Laute:
So hast du niemals betend und bewegt In Mutterhände deine Stim gelegt? Und hast du nie — des Sonntags müßt' es fein —
Zur Junizeit, wenn weit die Felder wogen.
Bei Orgelklang im Sommersonnenschein Ein Weib auf ewig an dein Herz gezogen? ES hat der Mann, sein müdes Haupt zu betten,
Zwei Otte nur, die ihn vor Stürmen retten. Dahin er still nach jedem Schiffbruch kehtt:
Der Mutter Herz, die beten ihn gelehtt. Das Herz der Frau, die M im Jugendschimmer
Und Jugendliebe sein ward, sein für immer.
Die Liebe beut mit läutemder Gewalt AuS weißer Frauenhand den Kelch der Gnaden...
Mich dürstet, Herrin, sprach der Fremdling kalt. Nie, beim Geschwirr verbuhlter Serenaden, Bon Hütern und Duenas arg verflucht. Hab' Liebe je begehtt ich, noch gesucht. Mich zwingt der Durst, der ungestüme Treiber,
Nicht ein Weib will ich, sondern alle Weiber, Nicht kann die Frau durch Gnadenwerk mich blenden. Nein, Lust allein und Durstesstillung spenden.
Ich bin ein Gast im Lebensbacchanal,
Mein Leitstern ist, danach den Weg ich lenke. Mein Weiser ist zur vollen Lebensschenke Der ew'gen Schönheit flammendes Fanal.
Ein neuer Blitz zündenden Scheins durchriß
Des Sommerabends frühe Finsternis, Und als verstorben feine fahle Helle, Da mischten dumpf sich in des Donners Krachen Stimmengewirr und schwerer Tritt der Wachen. Die Fürstin sah erbleichend nach der Schwelle: Werkzeug der Freude, Eintagsglücksgestalten Nennst Frauen du, nach deines Irrwahns Schlüssen; Daß Frauen Wunder, Rettungüwunder walten. Du wirst es, fürcht' ich, früh erfahren müssen.
Die Tür klafft auf. Den dämmergrauen Saal Füllt Kerzenglanz und roter Fackelstrahl, Goldwerk und Stoffe, schwer durchwirkt, erblitzen. Mattleuchtend starren Hellebardenspitzen, Ein Greis tritt ein, der Oberste vom Rat, Archimandrit. Ein Purpurbaldachin Spannt schwankend sich, goldstarrend, über ihn. Die Kirchenfahnen flammen bunt vom Schaft. Komture schreiten, Priester im Ornat, ES scharen sich die Großen vom Palaste, Soldaten folgen, und zu Knäul gerafft Drängt nach das Volk. Auftecht im Fackelglaste Mit finstrem Blick steht drohend der Prälat.
Ein Friedensbruch, ein schwerer, ward verübt. Tollwütend hat ein Frevler, blind vermessen DeS Rittersinns nach Räuberart vergessen Und unsres Landes Ehrenschild gettübt. Das Brückentor, vergittert und umtürmt, Schoenaich-Carolath, Ges. Werke. Bd. 1.
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Hat jählings er durch Überfall erstürmt,
Zur Frauenburg, der Fürstin Aufenthalt,
Brach, blutvergießend, Bahn er mit Gewalt. Ob Königssohn, ob Ritter oder Knecht,
Ob er Vasall, ob lehenSpflichtig sei. Wir walten seiner, unS verfallen, frei. Und sprechen ihm am Ort der Tat sein Recht. Still wird eS rings, die Menge harrt in Schweigen.
Der Inquisitor löst vom Pergament Ein Siegel, grüßt die Fürstin mit Verneigen, Und liest im Licht, das rötlich knisternd brennt: Wer, landfremd, Eintritt in die Burg erzwingt
Und waffenttagend in ihr Weichbild dringt. Sei listend es, sei's kraft des Überfalls, Er hat ohn' Gnade nach dem Recht der Väter
Den Tod erwirkt, und wird gestraft am Hals. Wachen, herbei. Hand an den Hochverräter. Haßvollen Blicks, die Lippen schlimm geklemmt Vernahm eS jener; tückisch und verdrossen Hielt er die Hand ins Dolchgehenk gestemmt.
Diava doch, die Königsstirn erhellt Von Glück und Hochsinn, eine Liebeswelt
Im dunkeln Auge, hob die Stirn, entschlossen. Vieledle Herrn, euch sag' ich Dank in Huld.
Wohl ehrt eS euch, ohn' Ansehn Recht zu wahren.
115 Dem Ritter doch, und trug er volle Schuld, Kann nicht Gesetz noch Blutbann widerfahren. Als Fremdling nicht, mir lang verttaut, bekannt Seit Jahresfrist, grüßt er des Berglands Söhne, Daß fein Erscheinen holde Wünsche kröne, Hat ihn die Ferne meinem Volk gesandt. Den Ritter, der an Spaniens Litorale Don Juan de Marana wird genannt. Erhebt mein Wort zum Fürsten und Gemahle.
Die stolze Mär, als sie dem Mund entflohn. Schlug in die Menge, die zum Thron gestaute. Die Großen stehen fassungslos, bestürmt. Allein, das Volk, im Vorsaal aufgetürmt. Ruft Beifall zu mit Hellem Jubellaute. Don Juan doch stürzt wehrend vor den Thron, Erhobner Faust, als gält' es ihm, zu rütteln An Eisengittern, während Schmerz und Hohn Keuchend die Brust, die wild erregte, schütteln. Diava, ruft er qualvoll, schmerzentbrannt. Du kennst mich nicht, du hast mich nie gekannt. In Blumen wohl, in Sternen magst du lesen. Allein dein Auge, fromm und wunderblau. Ergründet nicht Don Juans Ziel und Wesen. Armsel'ge Beute wär' ihm eine Frau, Ein Tropfen nur in wildem Becherschwunge, Ein Salz, ein Reiz, wie Schaumgold auf der Zunge, Im Wechsel nur der ew'ge Wunsch entbrennt. Wo Sinnenlust mir zulacht vom Geschöpfe,
Häuf' ich Las heiße Lebenselement
In Weiberherzen, Danaidentöpfe. Der Wechsel ist Bedingung mir, Gebot,
Ewig verjüngt in stets erneuten Wonnen,
Wie sich in Mammen BasiliSke sonnen.
Mär' Ehepflicht mir Selbstmord, Nichtsein, Tod.
Ja Tod! Tod dir! DaS Wort, erfaßt, gerafft Dom Mund des Frevlers, ward auf jeder Lippe
Zum Wutgeheul; so bricht mit Donnerkraft
Die Staublawine von der Felsenklippe. Daß, wuchtend, er der Wachen Zaun durchzwänge,
Dordrang der Haufe, bis ins Mark empört. Bleich wie der Tod starrt über das Gedränge
Die Königsjungfrau.
Plötzlich, wutverstört
Tut Don Juan in die todschwangre Masse
So wilden Sprung, daß, weichend, eine Bucht,
Raum vor ihm klaffte.
Mordend auf der Flucht
Strafft er den Arm, im Heben, Niederblitzen DeS breiten Dolches der Befreiung Gasse Sich durch der Feinde Leiberwall zu schlitzen.
Umsonst.
Wie den ergrimmten Leoparden
DeS Käfiggitters spitzes Stabwerk hemmt. Faßt hakend ihn, zum Doppelwall gestemmt. Ein Gattertor gefällter Hellebarden. Ein kurzer Kampf, ein aussichtsloser, toller. Dann, waffenlos, die Fäuste strickverschnürt.
Zerfetzt das Wams, zerklafft den Elenkoller,
Wird Don Juan dem Throne zugefühtt.
Zurückgetrieben drängt sich auS dem Saal Polternd das Volk, und vor dem Treppenhause
Sich wälzend, schließt eS Brücke wie Portal Gleich Meerflut ein mit hohlem Stimmgebrause. Um Don Juan, der in der Krieger Haufen
Schwer keuchend steht, das Auge blutdurchlaufen. Schließt sich ein Kreis. Der Inquisitor spricht: Wie dieser Stab jetzt über dir zerbricht.
Verfällt dein Haupt dem schwarzgedeckten Blocke. Mit schwerem Schritt, breitspurig naht ein Mann Don Riesenwuchs, barfuß, in rotem Rocke. Nicht uns gehörst du, sondern jenem an.
Und tiefe Sülle.
Der weiße Stab.
Scharfen Tones knickt Diava doch, erbleichend
Bis in die Lippen, zum Prälaten blickt Mit leisem Wink.
Die Großen überstammt
Düster ihr Auge. Jene geben, weichend. Dem Greise Raum zur Beichte hohem Amt.
Ehrwürd'ger Vater! Dich, Archimandrit, Flehn meine Lippen, meine gramesvollen. Für ihn um Rettung, den sie töten wollen.
Er, dem mich Bande, nieerllärte, paaren, Ist meines Lebens finstrer Satellit.
Nun mög' vor Gott mein Wort dir offenbaren: So wahr der Seele letzten Flor ich lichte Dor deinem Blick — wenn jenem, der da kam.
Der Gatte mir und Seelenbräutigam, Das Sünderglöcklein schrillt im Morgenwind,
Ich folge barfuß ihm zum Hochgerichte, Entehtt mit ihm in einem Grab zu ruhn... Doch jener sprach: Du würdest Sünde tun. Ein Wort, ein schweres, weiß ich nur — verzichte. Jur Hülle kehrt, was aus der Hölle stammt.
Sieh, jener Mann, der Mitleid dir entflammt.
Der dir erschien als finstrer Traumergründer, Er ist's, der einst vom Baum des Lebens brach Die Fleischesfrucht, und den mit grimmem Bisse
Der Sinnenlust rotschillernd Schlänglein stach. Nun schleppt er, wandernd, seiner Bisse Schmach Ansteckend fort, der Wollust ew'ger Sünder,
Und wer ihn retten will, der sinkt ihm nach. Vergeblich ist dein unschuldvolles Flehn, Sein Maß ist voll — er muß zum Tode gehn.
Das Wort verhallt.
Und wie Diava neigt
Ihr Haupt, aufschluchzend, zu der Stola Falten, Malt sacht das Kreuz er über ihr und schweigt. Doch sie spricht still: So laßt mich seiner walten Bis Morgengrauen; löst ihm seine Ketten, Nicht seines Lebens nachtgeweihten Flug,
Doch seiner Seele Heil laßt mich erretten.
Ium Saal sich wendend kündet der Prälat: Führt den Gefangnen, bis der Morgen naht, Iu Mer Einkehr in die Schloßkapelle.
Der Pforten wacht, doch schafft, nach Brauch und Fug, Ihm Brot und Wein als letztes Mahl zur Stelle.
Langsam und schweigend wallt der kleine Aug Durch Gitterpforten, welche dröhnend klingen Im Angelwerk. Qualmtrüber Fackelglanz Sttahlt düsterrot auf Säulen von Byzanz, Dumpf Hingt der Mönche psalmodierend Singen. Fürwahr, spricht Don Juan, mein Totenamt. Wie Spaniens Wein mir in die Nüstern flammt! Du Feuerttopfen von Malagas Klippen Birgst nur Vergessen, bringst Gedankentausch. Der einzig wahre, beste Lebensrausch Blüht auf gesträubten roten Frauenlippen. An diesem Ort, wo jedes Wünschen schweigt. Spricht der Prälat, erwarten der Geschlechter Edelste Söhne Waffenweihe. Steigt Empor der Morgen, adelt Ritterschlag Den Neophyt zum Mann und Glaubensfechter. Ins Leben stürmen ihre Frohgestalten, Deü Rechts, der Pflicht, des Rittersinns zu walten — Dir dämmert auf des Lebens letzter Tag. WaS jenen, adelnd, lieh die goldnen Sporen, Hast du geschändet, ftevelnd, ehrverloren. Der Waisen Schutz, die Zucht, der Schwachen Rechte Aerttat dein Fuß. Du, der zu Spott gekehrt Gottes Gebot, mußt enden nun, entehrt. Und gehst den Weg der ungetreuen Knechte.
Prälat! die Zunge schone zum Gebet, Sprach Don Juan.
Ein jede- Leben geht
Beschlossen hin nach vorbedachtem Ziele.
Das Holzschiff bringt in Sicherheit den Leib,
Mein die Nägel aus dem Lebenskiele Reißt jeder Eisenfracht Magnetberg Weib.
Doch h-r mich weiter, Greis im Heil'genschein
(Daß Don Juan mit dir philosophiere. Muß er, fürwahr, schon nah dem Tode sein);
Mich, der ich heiß nach Lebensquellen giere.
Dich, Patriarch, mich, Ausbund, Höllenbrand,
Der du zur rechten, ich zur linken Hand,
UnS trennt ein Stein, der auf der Menschheit Herzen Gebettet liegt als Anstoß ew'ger Schmerzen,
Er nennt sich Weib.
Ich nah' ihr, lustbereit.
Als Zuchtstier breiter Lebensfähigkeit,
Des erdgeborne, stets erneute Kraft Das Fleisch der großen Lebenöschlachtbank schafft; So soll dem Weib mich ew'ge Paarung einen. Ich will den Grund zu geilen Ernten schlämmen.
Du willst entsagen, willst beschneiden, dämmen. Dem Lebensbaum, des Adern saftend tropfen,
Willst du das Reis der Weltentfagung pfropfen, Ich will bejahen, und du willst verneinen.
So wirken wir, der Menschheit Antithesen,
Zwei Kräfte, die zum Widerstreit erlesen.
In derem Druck der Erdball seufzend grollt Und, fortbewegt, in ihrer Mitte rollt.
So schaffen treu die beiden Arbeitsknechte
Und haben beide gleiche Lebensrechte. Du tütest mich, allein auch du wirst sterben. Fort, Patriarch! Den Kampf, mein Testament, AuSfechten werden unser beider Erben.
Für dich, des Spuren rühmlos, früh vergehn. Spricht streng der Priester, will ich beten gehn. Und dafür auch, daß deiner Erben Pfade Austilgen mög' des Schöpfers Rat und Gnade. Wie sinnbetörend deine Lippe brennt, Süße Diava, sprach mit heißem Schimmern Der Tigeraugen Don Juan entzückt. Doch sie, zur Stirn die Hände wild gedrückt: Laß ab, erbarm dich! Hörst du nichts? Sie zimmern Bei Fackelschein im Burghof dein Schafott! Eh' dich der Tod von meiner Seite reißt. Enthülle mir, beim dreimal heil'gen Gott, WeS deine Herkunft und weS Art du seist.
Don Juan stieß der Kirchenfenster Flügel Wildblickend auf. Die Nacht war schwarz und heiß. Ein Wetter stand am fernen Kamm der Hügel, Die Steppe lag blitzüberflackert, weiß. Die Bäume murrten bange, schwül durchhaucht, Am Himmel schimmerten verstörte Sterne. Zuweilen hob sich Südwind in der Ferne Gleich einem Tier, das Nagend, zornig faucht. Der Burghof flammte; rötlich angeglänzt
Hob sich Gebälk aus Fackeln pechbekränzt. Die Säge schrie, dumpf scholl der Bretter Dröhnen. Don Juan warf vom Fenster sich mit Stöhnen. Vernimm es denn, sprach heisem ToneS er.
Es zeugte mich in Qualen Ahasver. Irrend ohn' Rast durch Länder, unbekannte. Sah er ein Weib. Sie schritt im Sommenvind
Am Rain der Felder, stolz, ein Götterkind;
Staub zog am Weg, Gewittersonne brannte. Ihr Blondkopf sich auf edlem Nacken hob
Gebräunt und herrisch, ihren Mund, den roten, Ihr starkes Haar, geschürzt zu straffem Knoten, Des Spätnachmittags Flimmergold umstob. Dies fremde Weib, gleich einer Königin
Lüftend den Staub mit leichten Goldsandalen, Trug göttlich Zeichen auf der Stirn, der schmalen, VenuS war es, die holde Lesbierin. Don Christenzom aus ihrem Reich verttieben.
War ihr kein Heim, kein Tempeldach geblieben. Nun schritt sie hin, verstoßen, sorgenschwer. In Götteraugen unerfüllte Träume, Im Haar den feinen frischen Ambrahauch
Attischer Luft und weißer Meeresschäume. Öd' war der Weg, die Heide heiß und leer.
Und plötzlich hob, am Weg, aus Schutt und Strauch, Sich Ahasver. Er sprach: ich möchte ruh'n. Mich einmal noch am Weibe gütlich tun,
Dom Fluch gehetzt in allen Erdenwinden Mag ich vielleicht am Herzen einer Frau
Erbarmen, Labung, kurze Ruhe finden.
So zwang der Bettler ungefüg' und rauh
Mit wilder Lust die marmorkühlen Glieder Des weißen schlanken Götterleibes nieder
Am Sttaßenrain auf einem Nesselbette.
Kein Auge sah den jäh vollbrachten Raub, Von fern nur krochen, über Hügelländern, Gewitterwolken, schwere, violette. Mit dunstgeballten, gelbgezackten Rändern.
Und als die Göttin aus Gestrüpp und Ranken Entsetzt sich hob, sah fernhin sie durch Staub Im Abendrot den Bettler weiter schwanken.
Sie selbst, auf irrem Wanderzug, gebar. Als eü die Zeit, ein starkes Zwillingspaar, Das ward von ihr, im Kampf mit Weh und Haffen,
An eines Grabens braunem Rand verlassen. Ein Wandersmann, des Saumtier Waren trug. In Linnen mild die früh Verwaisten schlug. Und nahm sie mit sich für ein Gottvergelt.
Bald zogen sie, zwei Herrscher, in die Welt. Das Priestertum der Lust, des Sangs, der Dirnen Schuf Don Juan, fein Zwillingöbruder Faust
AIS Fürst weltferner Hochgedanken haust In deutschen Herzen, deutschen Dichterstirnen.
Dies, Königin, ist meine Lebenssage.
Nun rinnt im ttüben Stundenglas der Sand, Und ob mein Herz auch Mitleid nur erfand An deiner Stuft, es bebt in stillem Schlage.
124 Der wilde Wunsch, der mir im Mut getobt Dor jedem Weib, das ich noch nicht besessen. Dein frommer Blick macht schmerzlos ihn vergessen ...
O, dafür sei, barmherz'ger Gott, gelobt!
Diava sprach'-, beseligt, glückdurchdrungen.
Bald ist gesprengt die Fessel, abgerungen,
Im Herzen ihm der letzte Schnee getaut. Vernahmst du nichts, Diava, meine Braut? Und beide lauschten. Ein schaurig Brausen.
Auü den Höfen scholl An den Pfortengittern.
Erdrückte sich da- Volk, erregt, in Groll. Zertretne Feuer sprühten Funkenlohen,
Getümmel, Fluchen wuchs zum Lärm, dem rohen.
Der Pöbelmassen, welche Blut erwittern. Ich höre nichts, nur ferner Donner tönt.
Und im Gebälk der schwarze Nachtwind stöhnt.
Ach, sprach er schaudernd, wende dich nicht ab,
Furcht lähmt mein Herz, mein leere-, gramdurchtosteS, Wie finster ist, wie schaurig tief das Grab.
Wie reut die Lust, wie schrecklich trog die Welt, Wie gähnt die Nacht ohn' Hoffen, unerhellt. Wie stirbt'S sich schwer, wie bin ich bar des Trostes. Die Totenuhr .. horch, wie sie pocht und tickt..
Sei still — ein Wurm im Holzgetäfel pickt. Die Zeit läuft ab, der Tag durchs Fenster bricht.. Die Lampe schwelt, noch graut der Morgen nicht. Die Hähne krähn .. nun stehe Gott mir bei..
Das Käuzchen rief, noch tönt kein Hahnenschrei. Doch er, vom Kopf abschültelnd kurze Ruhe, Den Nacken steifend, rief verstört und fahl: Fahr denn zum Ende, Lebensbacchanal!
Ein Faustschlag bricht des Chorwerks Eichentruhe,
Und wühlend wirft die schweren Meßgewänder Er auf der Kirche bräunliches Gestühl.
Aufleuchten Seide, golddurchwirkte Bänder. Ha, stöhnt er dumpf, zur Brautnacht welches Pfühl! Ins Schloß das Tor, kein Fremder soll uns stören. Der Südwind singt im Turm das Hochzeitsamt.
Doch sie, bang forschend, zitternd, glutdurchflammt: Begehrst du mich, soll dir mein Leib gehören? Jetzt wäge wohl. Leib oder Seele. Sprich — Die Seele, rief er, denn ich liebe dich
Und will dir folgen durch die Seligkeiten.
An seine Brust zog der verlorne Sohn Diava sacht, dann hob er den geweihten Kelch ew'gen Lichtes schweigend vom Ikon. Die Flammen züngelten, die jäh befteiten; Am Seidenstoff die Lohe gierig ftaß, Qualm stieg empor, den rote Zungen scheuchten. Lichtbrechend starrten Saphir, Chrysopras Lasurgetränkt in märchenhaftem Leuchten. Im Flammenreiche stand das Menschenpaar,
Diava rief mit letztem Liebesworte: Und harrte deiner an der Himmelspforte Um deiner Sünden der Dämonen Schar,
Und wenn dich tausend Mutterflüche bänden. Zurück scheucht' ich sie mit erhobnen Händen,
ES wird erfüllt, was LebenStraum mir war. —
Geborsten sank das Chorgestühl mit Knattern,
Die Lohe hob sich aus den Fenstergattern, Auf wüdem Roß der Sturm, ihr Buhle, kam.
Es sank die Burg, durchs Land die Glocken klangen.
Und als die Flammen Halleluja sangen. Ist mit dem finstern Seelenbräutigam,
Erlöst, Diava himmelwärts gegangen. Wen LiebeSmacht in feurigem Gefährt Auf Flammenspeichen rettet vom Gemeinen, Dem werden Sonnen der Vergebung scheinen
Im Heimatland, des Frühling ewig währt.
§
Judas in Gethsemane
Durch jenen Garten, welcher vor den Toren
Gethsemanes versteckt in Trümmern sinnt. Durch jenes letzte Lebenslabyrinth,
Darin sich der gehetzte Fuß verloren. Wandelte Christus.
Seine Seele rang
Den Abschiedskampf.
Am Kreuzeüstamm verschlang
Der Tod das Leben.
Fern aus Atherblau
Sieht er im Geiste Iions Tempel ragen.
Sich selbst als Knabe in dem beil'gen Bau Die Schriftgelehrten, die bestürzten, fragen.
Der Jüngling dann, im Elternhaus, dem schlichten. Lebt, treu im Kleinen, harten Werktagspflichten,
Die Iiegen grast er und bebaut das Land, Oer Hobel knirscht in seiner Schwielenhand; Dann naht sein Reich.
Auf braunem Höhenkamme
Wacht er allein, und wie zu Gott er fleht.
Senkt sich auf ihn des heil'gen Geistes Flamme. Am Strome tauft Johannes der Prophet, Und als gerieselt durch des Heilands Locken Im Sonnenblitz des Jordans Wellenschaum, Jauchzt auf das Volk, halb gläubig, halb erschrocken.
Erlöst aufatmend wie aus Bann und Traum.
Den Heiland deckt ein schlichtes Wanderzelt, Umsonst beut der Versucher ihm die Welt, Arm und verfolgt verleugnet er sein Leben. Schoenalch'Tarolath, Ges. Werke. Bb. 1.
Er heilt und predigt, Siegespalmen weben
Sich ihm zu Häupten, seinen Fischerzug
Hält er an Galiläas Meergestaden, Und alle, die bedürftig, schmerzbeladen.
Lassen von Welt, von Heimat, Haus und Pflug.
Die Menschheit drängt, daß sie versöhnt sich dehne
Au Gott empor, im Osterjubel liegt
Die Welt, und an des Heilands Füße schmiegt Aufschluchzend sich Maria-Magdalene —
Und nun der Tod! So lag der Herr zerschlagen! Und wehumfangen; ihn, den Todesmatten,
Griff tiefer Schauder vor des Grabes Schatten.
Ach, mir ist bang.
Darf, Vater, eS geschehen.
Laß diesen Kelch an mir vorübergehen — So rief der Menschenheiland mit Verzagen.
Doch auf zu Trost half ihm der beste Stolz,
Abscheu vor Sünde.
Heiß griff ihn das Fluten
Göttlicher Lust, für andre zu verbluten.
Aus Gräberstaub den Lebenskeim zu raffen.
Der Todeswelt ein ew'ges Sein zu schaffen. Und doch — der Tod, der Tod am Matterholz,
Das bittre Sterben! Durch die Bäume drang
Ein hohles Sausen, in den kahlen Aweigen Der Sturm sein großes de profundis sang. Das Erdenlied der Qual, der Abschiedsnot,
Und plötzlich, an des Hügels schroffsten Steigen
Stand vor dem Herrn Judas Jschariot.
131 Judas begann: Dir, welchem die Gewalt, Dem Erde, Himmel, Ewigkeit ward eigen.
Ich rufe dir für diese Welt ein Halt. DaS war die Nacht, drin Abgrundgeister rangen. Die Schreckensnacht, aus deren Bacchanal
Das Heil der Welt still über Tod und Qual
Als Stern, durch Tränen schimmernd, aufgegangen. Der Südsturm schmetternd in die Aste brach. Schnaubend und schwül, gleich einem Riesenfächer Schwankte, gebeugt, der Olhain; Judas sprach:
Du bist der Herr, ich aber bin der Rächer. — Geschöpf bin ich, und du — bist Gottes Sohn.
Don jener Zwölfschar, die den Siegeswagen Dir schleppen half, die den Prophetenthron Dir aufgebaut und in des Glückes Tagen Verzückt dir folgte, kränzemüd', bestaubt.
Hab' deiner Gottschaft ich zumeist geglaubt. Heut wardst nun du, der Herrscher aller Dinge, Don mir verkauft um dreißig Silberlinge.
Das Leben, sprich, was ist's ein Todeskampf? Wamm der Erdball eine Scherbenstätte,
Von Tränen ttiefend, starr von Blutesglätte, Brandig umschwelt von schwerem Opferdampf? Wozu der Menschheit, die nach Leben wachtet.
Die Spanne Zeit, dem Lebensdrang ein Spott, Dies Dasein als ein ewiges Schafott,
Darauf alltäglich sie gewürgt, geschlachtet?
Sprich, was verbrach die Welt? Ein karges Grün Treibt sie zur Lenzzeit fröstelnd und mit Mühn,
Wie Fieberaussatz, und die Trauerweide Beschattet trüb, Wahrzeichen dieser Welt, Der Menschheit Sttaße, die kein Glück erhellt.
Die Pendelwandrung von Begier zum Leide. Der Säugling, der ins Leben ward gesetzt
AuS Nacht und Nichts, er klammert sich, entsetzt Bor seinem Schicksal, an die bleiche Mutter, Und Blut wie Tränen sind sein erstes Futter. Es schlägt um ihn als erstes Windelmch
Der Väter Schuld den angestammten Fluch, Und oft geschieht's, daß noch vor Nachtgebet
Grinsend der Tod am Wiegenrande steht. Wer zählt die Blüten alle, kaum erschlossen.
Die Lebenshoffnung, Liebesmacht erweckten Und morgens welk der Hoffnung Hügel deckten?
Wer zählt die Tränen, welche heiß geflossen
In langer Nacht, wer zählt die wilden Stunden Der Raserei, wenn in das finstre Grab Ein Weib, aufschluchzend. Glück und Hoffen gab?
Wer zählt das Tröpfeln aus viel tausend Wunden? Das schwache Flämmchen, das sich Bahn gesucht.
Verglimmt, verschwelt, der Triebsand weht darüber. Im Morgendämmern zieht, ein Rauch, hinüber DeS KindleinS Seele, sacht, wie auf der Flucht. Weh aber dem, von dessen Wurzel glitt
Ohnmächtig ab deS Todes Sensenschnitt! Gleich einem Rohr, daS mattgestoßen trauert.
Wenn es der Nachtwind wuchtend überrennt.
Lebt hin der Mensch, von allem überschauert,
Waü Täuschung, Qual und Herzensangst sich nennt. ES toben sich an ihrem Opfer satt
Begier und Sünde rastlos, ohn' Erbarmen
Und zeitig brechen mit den Knochenarmen Ihm Zweifel grinsend jedes grüne Blatt. Ach, ob sie schier in Bitternis ertrank.
Ob jeder Wunsch, ob jedes Ziel vergebens. Die Menschheit lechzt nach Frieden, Opfern, Dank.
Wer zögerte, Gewißheit ew'gen Lebens
Blind einzukaufen, sei's durch ärgste Pein?
Wer würde nicht sein Grauen niederzwingen
Und still gefaßt, ergeben, muterprobt
In einen Abgrund voller Messer springen. Daraus die HöNe selbst entgegentobt?
Nur müßte kurz dies Schreckensopfer sein! Ach, eitler Wunsch.
So wie versteckt vom Ast
Ein Tiger hält die Herden unter Lauer,
Bleibt über uns, sprungfertig, ohne Rast Die Todesfurcht verhängt auf Lebensdauer. Wir schleppen hin auf einem Berg von Scherben
Ein sterbend Leben,
ein lebend'ges Sterben,
Wir spüren ihn, wir schmecken ihn, den Tod,
In jedem Trünke, jedem Bissen Brot, In jeden Laut, in jedes Liebeslallen Läßt er sein Röcheln als Begleitung fallen.
So hetzen uns durch dieser Erde Gründe
Die Herzensangst, der Zeugungstrieb, die Sünde.
Wollust, Brandstifterin! Weh ewiglich Dem Leibe, den dein Skorpionenstich
Vergiftet hat mit Bissen, heimlich ftühen. Kein Wasser kühlt des Blutes ärgste Pest, Und Teufel feiern, wenn die Adern glühen.
Der roten Sünde grimmstes Freudenfest. Weh ihm, dem Menschen, den versengt dein Fluch! Sein Leben bleibt ein flammend NessuStuch, Sein Fleisch ein Dom, das innerste Verderben Als ftessend Feuer schleichend zu vererben. Denn er, den Wollust ftüh inü Grab gebracht,
Geschlechter reißt er mit in Schuld und Nacht. Unstet und abgekehrt der Lüstling schwankt. Dem Raubtier gleich, das scheu, von Gier getrieben. Den Schleudern trotzend und den Knüttelhieben,
Blut wittemd nächtlich um die Hürden wankt. Geiz, Seelenmörder! Ehrbegier, Kumpan
Der LebenSnächte, da wir schlaflos spannen Ein Purpurlleid dem eignen Größenwahn, Dem Manne Weh, dem ihr euch aufgedrängt! In eurer Mitte, taumelnd eingehängt
Gleich einem Trunknen, schleift ihr ihn von dannen. Ihr leitet ihn, daß ihm kein Sträuben nütze. Zur Selbstsucht hin, der trübsten Lebenüpfütze,
Dort schläft er dann so wohlig hingestreckt. Daß ihn kein Trieb, kein Anruf mehr erweckt. So wirkt der Fluch; gepaart mit Adams Stamme: Wer einmal trank der Sünde herben Seim, Läßt schwer vom Faß und kehrt gar selten heim —
Dem Trunk folgt Tod, Gericht und Tilgungsflamme. Was ist's, das unö mit Klammern, tausend zähen. Ergreift und hinzieht zur verbotnen Tat, Zu Sündenfällen, nie geahnten, jähen? Was frommt, wenn uns Versuchung flüsternd naht. Das Wachs im Ohr, der Vorsatz obzusiegen. Da wandellos, dem Lauf des Schicksals nach. Vorausbeschlossen unser Unterliegen? Was frommt die Reue, denn waü soll die Schmach? Wie auf den Palmkern knirscht des Stößels Holz, Zermalmt die Sünde täglich unsern Stolz, Und täglich strecken nach der Taborhelle Die Hände wir, verlangend und entzückt. Da täglich doch die Last des Fleisches drückt Uns tiefer in des Lebens trübe Welle. Es ist kein Glück, das nicht verwelkt im Kern, Kein Liebestraum, der nicht gelogen hätte. Kein sichres Gut und keine Friedensstätte, Kein Erdenttost, kein guter Lebensstem. Baumeister Gott! So herrlich deine Welt, Ein Fehler ist's, der ihren Bau entstellt: Den Treppengang, den Weg zu Licht und Heil, Für Menschenkraft schufst du, Gott, ihn zu steil. So schleppt die Welt, zur eignen Sündenlast, Ein Schicksal, das du miwerschuldet hast. Im Kern gespalten, lahmt der Gang der Erde, Wohin das Auge flüchtet, klafft die Spur Don Willkür, Mord; es ächzt die Kreatur — Ich aber will, daß ihr ein Rächer werde.
136 Nun du gesandt hast in der Menschheit Mitte,
Wo nur der Tod verbürgt und sicher haust.
Den eignen Sohn, soll helfen meine Faust, Daß er den Riß mit seinem Blute kitte. Well ich in ihm, in seine- Mantel- Falten Gott selbst zur Erde niederreißen kann.
So will ich greifen ihn und klammernd halten.
Daß Rache mir sein Mattertod gewähre — Herbei, Soldaten! Knechte, faßt ihn an.
Den Judenkönig greift, Legionäre! So durch den Sturm, bekämpfend dessen Wucht,
Lief der Verruchte mit erhabnen Händen, Nach Knechten schreiend, daß sie Jesum bänden.
Schon sprühten Fackeln, durch den Olhain drangen
Bewaffnete, sie trugen Spieße, Stangen; Da wandte der Verräter sich zur Flucht.
Doch Jesu- schwieg, von seinem Auge brach Ein Leiden-blick, e- folgten in die Feme
Dem irrenden, verlomen Kinde nach Des HellandS dunkle, stille Augensterne. Dereinst, wenn uns die letzte Stunde tagt,
Wenn uferlos der große Abgrund offen. Darin versinkt jedwede- Erdenhoffen, Daraus errettend keine Insel ragt.
Wenn Todesschauer foltern unsre Seelen,
Um unser Sterbebett die Kerzen schwelen.
Und ruft uns blutend das Gewissen zu: WaS Judas tat, daü hast getan auch du.
Auch du hast oft, wenn nicht durch Wort und Taten, So in Gedanken deinen Herm verraten —
Dann soll der Blick, der voller Mitleid galt
Der Kreatur, die in der Nachtgestalt Jschariotü empört zu Gott geschrieen Und all ihr Leiden, ihren Haß und Groll
Durch eine Fluchtat, groß und schrecken-voll.
Dem Menschensohn inS Angesicht gespieen —
Dann soll der Blick uns Sterbenden auf Erden Ium hellen Stab, zur Himmelsleiter werden. Und brausen soll durch unsre Sterben-nacht
Wie Jubelruf der Botschaft Donnergrollen, Daß droben wir mit beßren Waffen sollen
Noch einmal au-ziehn zur Entscheidungsschlacht. Wohl ob durchmeßner, finstrer Lebensbahn
Türmt Sünde sich, verllagend, himmelan Und will die Schatten bi- in- Jenseit- tteiben.
De- Heilands Blick auf Judaü aber spricht: Ob groß die Schuld, ob groß auch da- Gericht, Die Liebe wird am allergrößten bleiben.
Requiem. Die Nacht ist weich.
ES duften stark
Im Glas die Rosen.
Verschwelend knistem
Die Kerzen.
ES murrt der Wind im Park
Gleich Orgelton aus tiefen Registem.
Wir sitzen allein.
Es rinnt dahin
Der Atem der Nacht. Wie Geistersprache Verklang das Vorspiel zu Lohengrin, Ein Heimruf, im schwülen Prunkgemache. Tief auS dem Garten, in Zickzackflucht,
Ein Falter naht, um von den Scheiben
Zum Kerzenglanze, mit störrischer Wucht, Geblendet die zirkelnde Bahn zu treiben. Er hat den sengenden Tod erwählt. Sich sehnend, sein kurzes Sommerleben Lichttrunknen Herzens, wunschgequält. Der Schönheit opfemd, hinzugeben. Ihn treibt zu Flammen ein dunkler Zug,
Und schweigend will er in Licht begraben DeS Lebens fröstelnden Eintagsflug, Er will nicht Rettung noch Mitleid haben —
&&&&&&&&&&&& 139
Du lächelst: Er war ein armer Narr;
In Spott aufblitzen deine Zähne, Und dennoch wandert seltsam starr Dein Auge zu der toten Phaläne. Fühlst du der Schönheit uralten Fluch,
Vererbt aus verschollenen Sündentagen? Ward plötzlich das kühle ByssuStuch Des TodeSahnenS um dich geschlagen?
Erwägt es heimlich vielleicht dein Sinn, Es werde mein Stolz in Trümmer brechen Und ich, zu Füßen dir stürzend hin. Aufschreiend von heißer Liebe sprechen?
Wohl möcht' ich deinen betörenden Leib Umschlingen, ein Spielball düstrer Gewalten,
Doch wenn ich erwachte, würd' ich ein Weib, Ein müdes, am leeren Herzen halten. Wohl möcht' ich, verlachend dein Machtgebot, Mit Küssen bedecken dich, sinnverloren.
Und schlüge tausendmal siegend der Tod Aus deiner Augen Sehnsuchtstoren.
Doch über der Schönheit, die lodernd lebt In dir, gleich einem vemichtenden Steme, Ein dunller, verhallender Hornruf schwebt. Er ruft an dir vorbei, zur Ferne.
Er ruft von Schönheit und Glück abseit. Von kurzen, schmerzenden Erdenwegen Hinauf in die Hochluft der Ewigkeit, Dem brausenden, neuen Lenz entgegen. So breche auch ich mit fester Hand
Den knirschenden Stab vom Eschenstamme, Und preise, daß ich den Heimweg fand Don dir, du süße, lachende Flamme. Ich gehe hinaus in die rauschende Nacht,
Zu scheiden, als Fremdling, unverstanden.
Gleichviel, ob deine Lippen gelacht. Ob sie ein Wort des Mitleids fanden. Ich halte dem Glücke das Totenamt
Und trage die Weltlast meiner Schmerzen Jur Freiheit, die hinter Bergen flammt,
Jur Heimatsonne der Dichterherzen.
Holunderblüten. Es ist ein Apriltag im Süden,
Ein Tag, gar süß zu verträumen. Die Blüten, die weißen, müden, Gleiten still von den Bäumen. Das will mich an Herzen gemahnen. Die in der Jugend Mitten Schieden von Erdenbahnen, Eh' sie geliebt und gelitten. Das mahnt mich an Freudenlesen, Als Jugend und Himmel einst offen.
An Träume, die groß gewesen
Und nun versunken ohn' Hoffen, An alles, was einst mit Schimmer Das Leben durchstrahlt und verhüllet. An alles, was leuchtend immer Und doch blieb unerfüllet. An erster Liebe Schauer,
Die uns das Herz gewendet Zu Gott, und doch in Trauer So früh, so früh geendet —
Die Blüten, die uns lachten. Die uns der Frühling genommen.
Eh' sie Erfüllung brachten.
Sind nicht vergebens gekommen. Damit ein Sehnsuchtsschimmer
Geheiligt unser Lieben, Und weil am Süßesten immer.
Was unerreicht geblieben. Hieß Gott vorbei sie schweben.
Die Scheidestunde verfrühend. Dereinst im bessern Leben
Sie uns zurückzugeben Rein, ewig blühend.
Genrebild. Herr Holger am Kamine sitzt.
Sein Brackhund bei ihm wacht, Nacht ist's, die Flamme knistert, blitzt
Und der Klotz in der Lohe kracht. Herr Holger in Sinnen versunken ist. Er wirrt des Bartes Flaum.
ES streckt die Bracke den Widerrist, Und beide sinken in Traum. Es denkt der Hund an einen Tag, Da die Heide hilfefem.
Da der Keiler über Henn Holger lag Und er befreit den Henn —
Hen Holger doch martert seine ©tim
In Sinnen schwer und stumm: Wie er zu Willen einer Dirn
Den Blutöfreund brächte um.
Kreuzfahrt. Noch glaub' ich im Traum zu fühlen Den Druck sanft und verzagt De» Händchen», de» schmalen kühlen,
Al» sie mir Abschied gesagt;
Noch flattert beim Schimmer de» Monde» Fem über finstrem Moor
Gleißend ihr dunkelblonde»
Leuchtendes Haar empor. Noch oft beim Rauschen de» Winde»
Klingt der Widerhall Fremd wie da» Wort jene» Kinde»,
Süß und verttäumt von Schall; Noch ist e» mir oft, al» riefe Ihr Lachen silberklar
Au» murrender Gärten Tiefe Herüber wunderbar...
Ich schrecke empor; die Wüste
Dehnt sich, verblaßt und leer. Hoch über die staubfahle Küste Donnert da» Syrische Meer,
Ich reite hinaus in die Fremde,
Und meine zuckende Hand Zieht überm Kettenhemde Fester da» Büßergewand.
Merlin. Wir sitzen im keltischen Eichenhag
Und schauen südwärts über die Wellen Dorthin, wo rastlos, Schlag auf Schlag, Die immerwandernden Wasser zerschellen.
Sie rauschten wie heute, da einst Merlin In verschollenen Frühlingstagen Aus dem Königsschlosse sein Lieb dahin
Zum Zaubereiland getragen.
Er hatte von ihrem Munde kaum Den ersten Kuß genommen. Da kamen durch gälischen Meeresschaum Wikingsschiffe geschwommen.
Sie segelten im Dreikant an.
Ein schwarzes Riesengeschwader, Drauf starrte von Eisen Mann für Mann
Und von Haß jedwede Ader. Merlin entwich in die Wälder tief Und hat mit Jauberspruche
Sein schauerndes Lieb, das im Arm ihm schlief.
Verwandelt in eine Buche. Doch als der Zauberspruch vertint. Nach Streitern rief der Skalde,
Die brachen, in Fellen und stahlgekrönt. Mit Gleißen hervor aus dem Walde. Lchoenatch-Larolath, Ses. Werke. 8b. L
10
Und als die Schnitter ihr Werk getan Im grünen Jnselreiche,
Trieb vom Solent zum Ozean Die letzte Wikingsleiche.
Merlin doch ging in den Aauberwald Von Kampf und Siegen zurücke. Daß er seiner Liebe Huldgestalt
Wachküsse zu neuem Glücke.
Doch mochte den Mund er fort und fort An den rauschenden Waldbaum pressen;
Er hatte des Zaubers Erlösungswort Im Schlachtgetümmel vergessen. —
Merlin blieb ein glückloser Mann Bis an sein spätes Ende, Um seine Taten und Lieder spann
Ranken die Legende.
Nun rauscht im Lenze der keltische Hag, Und die tausendjährigen Wellen lachen,
UnS aber wird kein leuchtender Tag Verlorner Liebe vergessen machen.
Es wird kein Kronenreif Erins, Kem brausender Sieg im Leben
UnS das versunkene Glück Merlins, Die Jugend, wiedergeben.
147
Sommerfest. Ins Helle Land das Bergschloß droht. Es rauschen von seinen Jinnen Die Seidenfahnen leuchtend rot, Trompeten schmettern drinnen.
Die schöne Braut am Söller steht: „Hilf, Mutter, spähn in die Runde" —
»Mein Kind, der Staub in Schwaden geht,
Im Dorfe bellen die Hunde.' „Ach Mutter, ich sah den Tod als Gast! Er kam um Festesmitten,
Dom roten, flatternden Fahnendamast Gelockt, herbeigeritten.
Die knöchernen Glieder erzumstarrt Und wölfisch witternd nach Beute" ...
»Mein Kind, dich hat ein Traum genarrt.
Genieße das lachende Heute. Den Toten ginne das finstre Reich, Sie fordem Seelenmetten,
Dich aber umschlingen voll und weich Des Lebens Rosenketten.'
„Siehst, Mutter, den Reiter du sprengen im Hag, Gefolgt von schnappenden Doggen?"
Lkch sehe nur flimmem den Nachmittag, Und im Windstoß wogen den Roggen.' „Ach, Mutter, der grinsende Tod sprengt an Auf klappernden Rosseshufen" ...
«Mein Kind, dich täuscht ein Brausen im Tann
Und des Türmers Stundenrufen.' Es stürzen die Gäste den Goldpokal, Die Blicke lachen und flammen; Da flieht die schöne Braut zum Saal, Erbleicht und bricht zusammen.
Aufschreien Herren wie Gesind', Zum Tor die Gäste drängen,
DaS Schloß wird leer; der Sommerwind Singt in den öden Gängen.
Es ragt, von brütender Schreckenslast Erstarrt, das Schloß aus den Eiben;
Die Fahnen senken sich halbmast. Der Abend brennt in den Scheiben.
Der schwarze HannS. Ein Försterhaus.
Herbstabend.
Um die Giebel
Stößt der Novemberwind. Im niedern Saal, Dem rauchgeschwärzten, saßen am Kamine Mein Freund und ich. DaS derbe Jägermahl War just beendet, durch das Zimmer zog Schon blauer Duft, und in den Gläsem blinkte DaS Kirschenwasser. Am Getäfel stand Der alte Förster, auS dem Maserkopfe
Ingrimmig dampfend, dann und wann ein Wort Lächelnd schob mein Freund DaS GlaS ihm hin: „Trink, Alter, laß die Grillen Still vor sich brummend.
Für heute ruhn! Du hast kein Recht zu schmollen Nach solchem Jagdglück. G'rad' im letzten Triebe Den starken Wolf! Er blieb im Feuer, nicht?
Ja, Mattschuß — Grabschuß. Kam er durchs Gehege Dir flüchtig an? Nun, Kunde gib unü endlich. Wie war's damit?" „Womit? Ah — mit dem Wolf? — Ach, gnäd'ger Herr, den hat die Kugel leider Zu gut gefaßt, denn gerne hätt' das Vieh
Ich erst gewürgt und ihm mit meinem Messer Rasch ein paar Löcher in den Balg gemacht — So war'S zu spät. Der Teufelsbraten rollte Im Knall kopfüber, schnellte sich durchs Laub
Blutübergossen, sah mich nahen, heulte Zehn Worte noch und streckte sich und starb. Eh' ich herankam." „Waü? Ein Wolf... zehn Worte? Vernehm' ich recht? Plagt, Mter, dich das Fieber? Ein Wolf — zehn Worte!" — „Gnädiger Herr, verzeiht, ES ist die Wahrheit." — „Gut, so laß uns misten: WaS sprach der Wolf?"--------
Der Greis griff nach der ©time Und schwieg und sann. Sein wetterbraun Gesicht Durchlief ein Schimmer. „Als einst jung ich war," Begann er leise, „stand im Waldrevier Noch eine Mühle. Wo der Glimmerbach Ium Teich sich breitet, war's. Jetzt wuchert Schilf Und Unkraut drüber. An der Mühle lag Ein Blumengärtchen, frisch von Wasserstaub Und Ouellgeriesel. In dem Gärtchen blühte Manch Rosenstrauch, doch schöner blühte noch Des Müllers Gretchen ... Ja, das war ein Kind, Fromm, brav und herzig! Iöpfe hatte sie Dick wie mein Arm, und was für Augen! Tief, Ganz voller Sonne. Und wie lachte sie So herzlich gern, wie klang ihr Lachen silbern Und glücklich-hell! Kurzum — sie war mir gut. Denn, gnäd'ger Herr, nicht immer war ich mürrisch
Und krumm wie jetzt! 'S gab eine Zeit, da schauten
Die Mädchen mich nicht eben ungern an; Ich aber lachte, denn int Herzen hielt Ich Müllers Gretchen. Damals lag ein Krug Hart an der Straße, die den Wald durchschneidet.
Ein Krug, wo Grenzer, Händler, fahrend Volk Oft Einkehr suchten. Ein verrufnes Weib
Führte die Wirtschaft, in der Schenke half Ein Sohn ihr aus.
Man nannte ihn im Lande
Den.schwarzen Hanns'. Herr, einen schlimmren Wildrer Gab es noch nie. Schlau wie die Wildkatz, tückisch Wie hundert Marder, grausam, feig, ohn' Ehre
Und ohn' Gewissen. In der grünm Saat Fing er das Rebhuhn samt der Brut, der jungen.
Die noch nicht flügge.
Auf die Wechsel warf
Er Draht und Schlingen, daß sich elend würgte Zu Tod das Rehwild, sei es Bock, sei's Geiß; DaS Muttertier, das hochbeschlagne, knallte
Er ruhig nieder, beutegierig, einzig Auf Geld bedacht. Dabei unfaßbar, listig.
Den Jägem Freund, die eignen Raubgenossen, Wenn'S immer ging, für guten Sold verratend. Den Burschen fing ich nun, als einen Bock
Im Morgengraun er aus der Schlinge löste. Und lieferte, wie'S meine Schuldigkeit, Ihn ohne Mitleid auf das Landgericht.
So weit war's gut, doch in den Städten sitzen
Am grünen Tische Herren, die da» Recht
Aus Büchern lesen; die den größten Schuft
Oft schuldlos sprechen, und den Armen, der Dor Hunger stiehlt, im Zuchthaus faulen lassen; Die so viel ftagen, daß ein klares Ding Zuletzt zum Wirrsal wird voll Kniffen, Pfiffen;
Die'S so weit bringen, daß zum 3E daS U Und zum Maulesel eine MüllerSkuh — Die schickten richtig auch nach ein paar Wochen
Seit jenem Tag begann
Den HannS zurück.
Da fand ich meine Hunde
Ein stummer Krieg.
Im Stall vergiftet; da die Roggensaat Auf meinem Acker über Nacht zertreten! Da glimmte Zündschwamm im Gebälk am HauS; Da pfiff durchs Fenster einmal eine Kugel Mir hart vorbei, daß ich den warmen Hauch
Zu spüren meinte.
Und dann endlich kam.
Was ich geahnt — im eigenen Reviere Ein Hinterhalt.
Die Hunde schnürten mich
An Kiefemäste so, daß wie ein Kreuz Gestreckt ich schwebte.
Tage gingen hin,
BiS man mich fand, doch lange Wochen schwanden.
Eh' ich erwacht.
Ein Glutball zuckte kreisend
Mir im Gehim, in den verrenkten Adem
Doch ich war jung und nervig.
Kochte daS Blut. Kurz, ich genas.
An einem Nachmittag,
ES war schon Herbst, schlich mühsam ich am Stabe Hinab zur Mühle. Rotgelb das Laub.
Don den Bäumen fiel
DaS Gärtchen, drin so oft
Ich glücklich war, sah mich verwildert an,
DaS Hau« war still — kein Laut — die Rüder standen Am Tore kauerte
Schlafend im Bach.
Der Müller selbst.
Ein Lodenrock umfloß Stumpf sah er mich an.
Die hagren Glieder.
Ich aber lallte: .Gretchen — wo ist Gretchen — T Da sprang er auf: »Verflucht! mein einzig Kind...
Der schwarze Hann« ... geh weiter. Fremder, weiter Und bet für sie...'
So, gnäd'ger Herr, so hat
Wo einst die Mühle ragte.
Sich Hann« gerächt.
Liegt jetzt ein Teich. Ist, wa« ich liebte.
Verdorben und gestorben Ich ward zeitig alt
Griesgrämig und langweilig
Und mürrisch drum.
Ward ich dazu.
Verzeiht mir, gnäd'ger Herr,
Haltet'« zu Gnaden."
In dem Schlote fing Sich jäh ein Windstoß.
„Alter, laß die Sorgen
Begraben sein.
Nicht wußt' ich, daß dein Leben
So trübe war.
Doch komme weiter nun.
Besinne dich — du wolltest von dem Wolf Un« ja erzählen.
Hier, trink noch einmal
Und komm zur Sache." — „Herr, ich blieb dabei.
Laßt mich nur reden.
Seht, ich glaub' daran.
Daß jeder Mensch gewisser Art von Tieren Genau entspricht.
E« herrscht geheime« Band,
Herrscht Bluwerwandtschast, die sich nie verleugnet.
So glaub' ich fest an Seelenwanderung
Und an Vergeltung.
Kühne Menschen waren
Wohl Löwen einst.
Feiglinge wurden Mäuse,
Die sich verkriechen.
Schlaue Winkelschreiber
Werden zu Füchsen.
Keiner macht mir weis.
Daß unser Propst, der fett auf seiner Pfründe,
Nicht einst ein Dachs war.
Kommt der Beitel mir,
Der Betteljude, furchtsam greinend an.
So ruf ich: .Hase!' Hase — ja, fürwahr Ich wär' kein Jäger, kennt' ich nicht den Blick
Auf Schrotschußweite, den gehetzten Blick Des Vagabunden! Keine Ruhe hat
Der Heimatlose.
Stündlich frischgehetzt
Von groß und klein, verhöhnt, verjagt, verschrieen
Ohn' Rast, ohn' Obdach, ist die beste Wehr, Sich M zu ducken.
Doch umsonst — die Ohren,
Die schlotternden,, ttübselig großen Ohren
Verraten ihn.
Seht euch den Veite! an.
Gnädiger Herr, und sagt..." „Beim Himmel, Alter,
Kommt nun zum Ziel! Vom Wolfe sprachen wir.
Hört Ihr, vom Wolf! WaS tat er, als die Kugel Das Fell ihm schlitzte? Fürder wollt vom Weg
Nicht nutzlos schweifen." — „Gott behüte, Herr,
Das tat ich nimmer. Ich angelangt.
Just bin bei dem Wolfe
Fürwahr, es gibt kein Tier,
DaS feig, so elend feig trotz seiner Stärke
Als solch ein Wolf.
Tags schleicht er durch den Wald,
Blinzelnd und scheu, kaum daß an eine Ratte
Was tut das Teufelsvieh?
Er frei sich wagt.
Es spioniert! Wohin zur Rast sich setzte Ein müdeS Reh, das merkt er sich — wo immer Ein wehrlos Wesen weilt, da kreist im Bogen
Er rastlos hin.
Und ist die Nacht gekommen.
Wird er zum Mörder.
Lautlos hingestreckt
Am nassen Boden, kriecht er, schweißbegossen
Vor Angst und Gier, bis arglos er, im Bette,
Sein Opfer findet.
Und er tötet still,
Der schmutz'ge Würger! Kommt eS, daß der Schrei
Der wunden Hinde jäh den Platzhirsch weckt. Den braven Wächter, klemmt er scheu die Rute
Und läuft davon. Und wehrlos ist.
Er mordet nur, waS schüchtern Hat er sich mal verritten
In blinder Gier, und droht ihm die Gefahr, Wird seine Feigheit kläglich offenbar.
So ging es heut'; nach einer langen Hetze
Saß unser Wolf gefangen wie im Netze, Ich sah ihn ratlos auf und nieder schleichen.
Das Haar gesträubt auf seinen magren Weichen, Ich sah, wie er ins Heidegras sich drückte Und wie verzweiflungsvoll er um sich blickte.
Dicht hinter ihm mit Knütteln alle Treiber, Er wagte nicht, sich über ihre Leiber
Den Weg zu bahnen, und nach meiner Buche Nahm er den Weg, als ob er Gnade suche;
Er sah mich an, so demutSvoll, so fragend. Mit trüben Augen, die ganz menschlich klagend. Und wedelnd wies er, wie ein Hund, die Junge —
Ich aber schoß ihn mitten durch die Lunge,
Und warf mich auf ihn mit gezücktem Messer, Damit er rascher stürbe, nur nicht besser.
Doch kam zu spät mein ungestillter Eifer,
Kopfüber ging er, ganz voll Blut und Geifer, Und starb und sprach zehn Worte, zehn an Zahl:
Zch bin der schwarze HannS, der dir die Grete stahl.'"
§
Mittagsgespenst. Die graue Stadt im Norden An.flimmernden Watten liegt.
Darüber herb von den Fjorden Der salzige Seewind fliegt.
Die Türme, die Schlote ragen. Es hütet der finstre Platz Aus meinen Jugendtagen Mir einen verborgnen Schatz.
Oft taucht im Kranze der Myrte, O Liebste, dein Bild empor. Noch klingt mir das süß verminte
Wort deiner Treue im Ohr,
Dann sannest du kalten Ermessens
Und wähltest Ehren und Gold... Die Sturmflut des Selbstvergessens Ist über dich hingerollt.
Nun lebst du, beneidet, umworben.
Dein Rotmund flüstert und lacht. Und doch bist du längst gestorben In schauriger Frühlingsnacht,
Du bist versunken, verloren.
Und über den schimmernden Hort Wie zu Julin und Stavoren
Wandern die Wellen fort.
Mich aber faßt jäh im bunten Leben ein fremder Klang, Der aus der Tiefe dort unten
Lähmend ans Herz mir drang. Oft bleib' ich am heißen Strande
Erblassend, ein Träumer, stehn. Denn tief im versunkenen Lande Hör' ich die Glocken gehn.
Und fern, ein Schemen verschwebend. Ragt glitzernd, von Wellen umwiegt.
Die Stadt, wo lachend und lebend Mein Lieb begraben liegt.
Erscheinung. Zum Fenster drängen sich erschrocken
Die dünken Bäume bei Iwielichtschimmer; Die tote Braut schwebt still durchs Jimmer, Im Sterbekleide, mit dunllen Locken.
Im Glase duftet Kirchhofsflieder; Sie spricht: Ich habe nicht Ruh' im Grabe Und muß allnächtlich kehren wieder.
Weil ich dich einst verraten habe.
&&&&&&&&&&&& 160
Aus Junitagen. Zwei Rosen leuchtend frische
Trug sie im dunklen Haar, Ihr Blick, der träumerische. Doll Glanz und Jugend war.
DaS Korn durchlief ein Wogen,
Am Himmel weiß und weit Die Federwolken zogen, ES war zur Junizeit.
Die Lande küßte leise
Ein Glockenklang im Wind, Und mein zur LebenSreise Gab sich ein glückliches Kind, Sie träumte von Glück und Frieden, Bon Lenzen, die nicht vergehn — Und doch durft' ich hienieden Sie nur noch einmal sehn.
Da schlang ein Kranz von Myrten
Sich durch ihr dunkles Haar, Buntdüstre Schatten irrten Um Chorstuhl und Altar, Die Kerzen schwelten finster. Der Tauwind sang am Dach, Als man für sie im Münster DaS de profundis sprach.
9
161 Die Einkehr. Kein Stern vor Heller Schenke, Kein Kranz von Birkenlaub Am blanken Schildgehenke; Nur Sonnenglut und Staub. Auch trägt nicht nach den Frohen Mein müdes Herz Begehr, Nur ihre Lust bedrohen Würd' meine Wiederkehr.
Dort oben auf dem Bühle Ein Kirchlein lacht ins Land, Mit dunklem Chorgestühle Und Bildwerk allerhand. Davor im Lindenschatten Ein Gottesacker liegt. Um Kreuz und Gräberplatten DaS dürre FeldgraS fliegt. Und zwischen den Ruinen Des Mittags Laut verstummt. Ein Heer von wilden Bienen Im Sonnenglanze summt, ES rauschen still die Linden Dem müden LebenSgast: Hoch über Staub und Winden Wirst früh du wiederfinden. Was du verloren hast.
8 Schoenalch'Tarolath, Ges. Werke.
Bb. L
11
Verblühter Frühling. Es ist ein trüber Junitag,
Der Nebel rinnt durch feuchtes Grün, Der Pirol fingt mit süßem Schlag Und taubeschwert die Rosen blühn.
Tief in des Parkes Blätternacht
Ein Rauschen schläft, ein trüber Schall, Ms würd' ein Glück zu Grab gebracht
Bei leisem FrühlingSregenfall.
Noch träumt verschollen in der Luft Ein Lachen, das im Park verstob.
Noch schwimmt im jungen Grün der Duft, Der einst ihr blondes Haar umwob.
Sie selbst, zog längst die Silberspur Dotthin, wo keiner bangt noch irrt — Jetzt schläft der Park, ein Windstoß nur
Die ttopfenschweren Bäume wirrt.
Und leise strebt in heil'ger Ruh Vom Lenz, des Blütenttaum zerbrach.
Mein Herz der großen Heimat zu. Ewig geliebtes Lieb, dir nach.
Nach dem Gewitter. Nun zucken verlodemd, versunken
Die Blitze vom Waldesrand, ES regnet, sattgetrunken Hat sich daS brünstige Land.
Ein Eichbaum am Hügelkamme Derknistert im Wetterschein; Um Höhen buhlt die glömme,
DaS Tal nur birgt Gedeihn.
Den goldnen Weizenschobern Schuf kein Gewitter Harm —
Schon bricht in frohem Erobern Vom Dorf ein Schnitterschwarm. ES muß, ein Brand im Regen,
Auch der Poet verglühn. Der Dichtung Feuersegen
Durchs dunkle Land zu sprühn.
d
Scherben. Durch die Gassen, er eilt nicht sehr.
Schiebt ein TrLdler den Karren her; Diele Leute wandern vorbei,
Fragen, was wohl zu haben sei. Scherben — kauft Scherben! Und sie wenden sich murrend dann:
Dieser seltsame Handelsmann
Wird kein Gut sich erwerben. Scherben verkaufen ist Brauch nicht noch Fug, Scherben hat jeder selbst genug. Rufen wir rasch die Polizei,
Denn uns stört des Bettlers Schrei:
Scherben. Aus dem Dickicht vor dem Tor
Ziehr der Bettler die Karre hervor. Spannt sich ein vor den Scherbenschund;
Treulich folgt ihm nur sein Hund
In des Hungers Verderben. Ach, ihr Reichen seid gut daran. Kauft euch ein neues Porzellan;
Doch des Ganzen ist keiner wert. Der nicht schweigend die Scherben ehrt.
Seht, euer Haus bis zum Turmesknauf Baut sich aus Scherben der Armut auf.
Fremdes Bemühen und fremde Kraft
Haben euch alles herbeigeschafft; Was an Trümmern das Leben weist. Habt ihr Reichen verschuldet zumeist.
Glaubt mir, vergeßt nicht höhnisch und satt, WaS euch die Armut erworben hat.
Raubt dem Volke zu keiner Zeit Glauben an Gott und Gerechtigkeit.
Nehmt ihr dem Volke dies Osterei, Hilft euch dereinst kein Eiapopei, Und kein Glockenläuten versöhnt. Wenn die Carmagnole tönt.
Eure blutttunknen Erben. Ihr doch, die arm und beladen seid. Wisset: Reichtum schafft Sünd' und Leid.
WaS auf prunkendem Sockel steht. Morgen leichtlich zum Kehricht geht. Ja, der Menschheit Entwicklungsgang Schiebt durch Schutt sich und Scherbenllang. Jenes ist stets das größte Gedicht, DrauS der Schrei um Zerschlagnes bricht. Menschenglück ist zerbrechlich Ding,
Aber du, dem's zu brechen ging. Willst als ein Held du sterben, Schlage dir selbst entzwei beizeit Alles, was unwett der Ewigkeit, Fürstengunst und Patteientum, Huld der Massen und lauten Ruhm.
Wenn du den Plunder hast eingesargt. Setze dich an den Lebensmarkt,
Und den Narren des Glücks zulieb Zeige, was dir im Sacke blieb.
Schutt, der blitzend noch Leben lügt. Heilige Trümmer, die Gott nur fügt,
Träume, begraben in tiefster Brust, Kämpfe, davon kein Freund gewußt, Brechende Hoffnung, einst stolz gehegt.
Aussaat, der Ewigkeit gelegt,
Qualen und Freuden, vergangen wie Rauch, Deine, Freund Lefer, die meinen auch —
Scherben.
Vorüberreitend. Dort, wo die Wiesen abwärts gehn
Zur blauen Bergeskette, Mag tief im rauschenden Walde stehn Die kleine verlaßne Gloriette.
ES liegt das Schlößchen bis an den Hals Im Efeu verstrickt und verloren.
Die steinernen Wappen von Mainz und Kurpfalz Bröckeln über den Toren.
Es klettern über den Erker stumm Wildwein und Feuerbohnen, Dom lecken Brunnen starren dumm Pausbäckige Tritonen. Einst in den Tannen sank der Wind, ES schwatzten süß die Staare, Im Sonnenscheine stand ein Kind
Mit weichem, goldleuchtendem Haare. ES blühten würzig düsterbunt
Die Nelken an den Wegen, Doch heißer schwoll der Liebsten Mund Dem jungen Glück entgegen.
DeS Hirsches Brunstruf schnob vorbei. Es war zur Mittagsstunde,
Von ferne nur scholl ein Häherschrei über dem schwülen Grunde,
Auweilen die brütende gtur entlang Zog eS wie Taubengirren, Zuweilen murrten die Bäume bang.
Rauschend in TraumeSwirren. Und um uns schloß im Dämmerschein Der Wald sein goldgrünes Gitter;
Da brach ein Windstoß jäh herein, ES kam ein Lenzgewitter...
Ich habe verlassen mein Heiligtum,
Um ttügendeS Glück zu jagen —
O goldneS Vlies, o finstrer Ruhm, Wie seid ihr schwer zu ttagen!
Mag lachen das Leben königlich
AuS allen Türen und Toren, Ich tröge Reue und Leid um dich. Die ich verkannt und verloren.
Nun decken die Wälder in Ewigkeit
Ein Glück, das ich verscherzte; O Jugend, wie bist du so weltenweit. Du Heilige, nie verschmerzte!
Bald küßt die schauernde Heimatflur Der Lenz, der lachende neue.
Doch krächzend um meiner Schritte Spur Nattern die Raben der Reue.
Der Tag bricht an, ein Sturm aus West Wälzt sich über die Hügel,
Mit Schüttern und Gleißen, in Stahl gepreßt, Traben Heeresflügel,
Wir ziehn des Wegs zum letztenmal.
Und auf dem Schild mit Beschwerde Trag' ich ein Kreuz von schwarzem Stahl
Zur gelobten Erde.
Albumblatt. Wer nicht genährt der Dichtung heil'ge Flamme Dom eignen Mark; vom eignen Lebensstamme
Die Sparren brechend, daß die Lohe wehe.
Ist unwert, daß sein Dichterwerk bestehe. Denn Dichter, die Gott hergesandt als Große,
Daß Helle Spur sie zögen durch die Nacht, Die haben stets, auf einem Scheiterstoße,
Ihr eignes Herz als Opfer dargebracht.
Es sühnt ihr Lied die Lebenüschuld der Zeit, Ihr Opfer schafft versöhnte Seligkeit. *
♦
*
Hab nicht zu lieb die knospende Rose: Es flöge gar bald
Ohn' Heimat, ohn' Halt
Ihr Duft dir vorüber ins Uferlose. Unsterblich ist Schmerz allein. Was nie du besessen,
Ersehnt, nie vergessen, Wird deines Himmels Grundbau sein. ♦
♦
♦
Den Daseinsfrohen, den emsig Lebenden, Am AlltagSlleide rüstig Webenden
Gehört die Welt mit goldnen Halmen.
Doch jene, die fröstelnd in Lebensmitten An Sehnsucht, an Schwermut, an Heimweh gelitten. Krönt erst der Tod mit Friedenspalmen.
*
*
*
Menschlein plagen sich viel Mit nichtigem Stteben; Ruhm, Ehren, Fürstengunst Sind fliegender Dunst, Lichtlein, irrend vom Ziel. Ewig sind Glaube, Hoffnung, Vergeben, Arbeit und Wohltun. Der Rest vom Leben Ist Puppenspiel.
♦
♦
*
Ein tiefes Leuchten zuckt im Edelstein. So bricht aus Herzen, die von edlem Stamme, Rastlos der Liebe gottgeborne Flamme, Der finstern Welt ihr Sttahlengut zu leihn.
172
Nebeltag. Vorbei nun ist es mit den blauen Tagen, ES senkt der Herbst die graue Schlußgardine;
Dom Garten, der einst Rosenpracht getragen. Dringt Grabesduft verblühter Balsamine. Ein letztes Ideal ward mir zerschlaegn,
Brief zuckt auf Brief verflammend im Kamine;
Indessen Schauer überm Parke jagen.
Pfeift hell der Sturm die Abschiedskavatine. Mir ahnt es trüb: wer um das Glück der Erden
Sein Herzblut gab, den trösten nur hinferne Noch Arbeitslämpchen und Kamingefunkel. Denn alle Wonnen, die begehret werden.
Die Welt, der Ruhm, die Frauen und die Sterne, Sie wärmen nicht, und find im Grunde dunkel.
Der schmale Weg. Zwei Pfade sind eS, die zur Wahl auf Erden.
Der breite frommt den Lebensfrohen, Satten,
Des andern Bahn umdüstern Höhenschatten; Ihn wandern jene, die das Sternenzelt
Zum Obdach wollen, die an Feuerherden Als Flammenhüter lagern, fern der Welt.
Und wenn im Tal zu lähmend weilt die Nacht, So schleudern von des Felsens schroffster Gabel
Ein brennend Scheit sie niederwärts mit Macht. Das stürzt ins Leere, funkensprühend zieht Eö seiner Flugbahn blitzende Parabel;
Dem Flammenscheit gleicht jedes große Lied.
Die Wachefeuer, deren Flackerlichter
Auf fernen Höhenzügen lodernd stehen Rotflammend, ewig einsam, sind Ideen, Und ihres Brandes Hüter nennt man Dichter.
&£&&&&&&&&&& 174
Unvergeßliche Liebe. Die abgebrochne Rose liegt
Im Sand, und auf dem Kelch, dem roten. Ein Falter im Genuß sich wiegt.
Nimmt Duft und Glanz von einer Toten. Selbst toter Liebe wohnt die Macht Geheimnisvollen Glückes inne. Und keine späte Sommerpracht
Entthront des Herzen erste Minne.
Z
175
LebenSvemeinung. In grünen Wassern schillert kühl der Schnee Don Felsenwänden, die sich schroff erheben. Daran buntschaurig Martertafeln kleben.
Als Schlußbild mancher Lebensodyssee. Ein Nebeltag will auf den Wassern schweben
Wie Trennungsleid, des Daseins Grundidee; Sieh, Frauen gibt es, die gleich jenem See
Entsagung hauchen allem warmen Leben. Zu diesen zwingt ein angestammter Fluch
Den Dichter hin, der, wie vom Tod getrieben Dort Glück gesucht, wo nur ein Abgrund war.
Schwermütig webt der Herbst ein Schleiertuch Um Martertäflein, und kein Dichterl'eben, Kein Dichtergrab bleibt solchen TäflelnS bar.
Aus alter Zeit. Ms Großmütterlein am Leben war
Und Dämmerung kam geschritten. Begann der Enkel muntte Schar,
Um Märchen sie zu bitten. ES war so wohlig im Erkergemach,
Die Alte sann und nickte. Der Wind fuhr klappernd überS Dach, Die Wanduhr leise ttckte.
Da stiegen auS dem Dunkel empor
Viel schaurige süße Sagen, Wir sahen Falada hangen am Tor
Und hötten LindagullS Klagen,
Wir sahen in blauer, mondblitzender Flut Spielen die Wasserfeien,
Wir sahen manchen Ritter gut Gen Drachengezücht turneien.
Wir sahen die Zwerge schürfen Gold In gleißenden Gängen und Adem,
Wir fochten um hoher Minne Sold
Mit Riesen und Mohrengeschwadern.
ES war ein geliebtes Königskind, Ein blondes, mit blassen Wangen, Doch floß der Strom zu tief und geschwind. Konnt' keiner hingelangen...
Bald trug man Großmutter zur letzten Ruh', Das Elternhaus ward leerer. Und das goldne Märchenbuch klappte zu; Die Jugend ward ernster und schwerer. Bald nahte der Sorgen zwerghaft Pack Auf glatten, schlüpfenden Sohlen, Da ward mir früh der Märchensack Voll goldner Nüsse gestohlen; Und ach, die glänzendsten Ritter zumeist. Mit buntbefiedertem Helme, Sie blieben selten Ritter vom Geist, Sie waren verkappte Schelme.
Und Königin Berta spinnt nicht mehr Den Faden mit goldner Spule, Und hoher Liebe zu Preis und Ehr' Versinkt kein Becher auf Thule, ES wurden im klugen Alltagsschein Iu Schatten der Sage Gestalten, In einem doch, lieb Großmütterlein, Hast unrecht du behalten. Schoenaich-Tarolath, Ges. Werke. Sb. 1.
&&&&&&&&&&&& 178
Das Königskind, eS blieb kein Traum, ES ward der Strom durchschwommen —
Nun ist des Glückeü Lindenbaum
Au voller Blüte gekommen. Gesegnet seist du, Liederpracht Du tiefe, du deutsche, du holde.
Du Schatz, der unserm Volke lacht
In unvergänglichem Golde, Dich werden hüten und lassen nicht Die Herzen von deutschem Schlage,
Auf daß ihr Leben bei ernster Pflicht Stets lachende Rosen trage.
Daß unsern Enkeln als fester Hort Der Wunderglaube bliebe
An jenes wahrste Märchenwort, Das Märchen treuer Liebe.
&&&&&&&&&&&& 179
Etema doglia. Die blasse Rose starb in deinen Händen,
Mit schwarzen Augen sahst du tief ins Leere,
Des Abendrotes schräge Fkammenspeere Verglühten hinter dunklen TaruSwänden. Der Sommer wich, rot starrt die bittre Beere Dom Lebensbaum, und mit erloschnen Bränden
Verfärbt sich über fröstelnden Geländen Der Tag in Flucht vor fernem Wolkenheere.
Auch unS ergreift deS Abschieds großer Aug,
Denn keine Liebe sättigt bis zum Grunde
Ein Herz, das Gott mit ew'ger Sehnsucht schlug. Dies Herz begräbt zu kalter Abendstunde
Jedweden Wunsch, den unerfüllt eS trug, Tief in deS Himmels roter Sonnenwunde.
Die Unbekannte
Es war zu Rom.
Des Pincios Terrasse,
Die lorbeerdunkle, strenge, marmorblasse.
Durchzog im Korso buntgeschart die Menge, Und Wagenreihen teilten das Gedränge. Den Frühlingstag genoß das Volk zu Rom; Durchs Stimmgewirre schlug vom Petersdom Und San Onofrio bald dumpf, bald Helle
Das Abendläuten, und dazwischen klang Ein Walzertakt, den die Musikkapelle Mit Geigenstrichen melancholisch sang.
Die Abendsonne ruhte rot und schräge Auf allen Wipfeln, und mir war, als läge Ein Abschiedsblick, den sonst ich nie gesehn. In ihrem schönen, frühen Niedergehn, Denn jener Tag, der hinter dunkeln Bäumen Zögernd versank, Glutwolken im Geleit,
Der letzte war er meiner Wanderzeit, Die mir vergangen flüchtig bunt, wie Träumen.
Drei Jahre lang war ich in Rom geblieben. Nun sangen deutlich mir die fernen Lieben
DeS alten Liedes altbekannte Weise, Wie's Zeit nun sei, daß ich zur Heimat reise, Daß ich die tolle Wanderfahrt beende. Mein Augenmerk auf eine Jungfrau wende. Auf eine sittsam-ruhige Cousine,
Die still und häuslich fei gleich einer Biene, Und mir das Glück, das wahre Glück der Erde, Mit vollen Scheffeln treulich messen werde...
Ich aber dachte: „Schönes Rom, ade.
Nun geht's hinein in deutschen Winterschnee, Ich trank zu viel von dir, Fontana Trevi, Das wird sich rächen, fürcht' ich, manu brevi.
Ewige Stadt, nimm meinen letzten Gruß; Du hast beschirmt mein Dichten und mein Streben, Und einen Schmerz nur hast du mir gegeben. Der eine ist's, daß ich dich lassen muß. Hab Dank, hab Dank!"
Und wie zum Korso jetzt, Zerstreut und traurig, einen Blick ich sandte. Starrte mein Blut, denn ich ersah, entsetzt. Mit süßem Grauen, eine Unbekannte. Ihr Wagen hielt, gehemmt auf staub'ger Spur, Durch Menschenwogen; reglos in den Kissen
Lag sie, geschmiegt in schwarze Seide, nur
Am Schultersaum schneeweiße Frühnarzissen. Sie lag wie sinnend, der Aprilwind trieb Ihr küssend aus der Stirn die krausen, weichen
Tiefbraunen Locken ... ich doch schwieg und blieb Stehn wie gebannt und fühlte mich erbleichen. Sie sah mich an — und wie mich überflammet Ihr dunkles Auge, sengend, streifend kaum.
Da wußte ich: dies Auge voller Sammet
Und Sonnenschein, ich sah es schon im Traum; Die schmale Hand, die dort mit müdem Regen
Den Fächer senkt, auch sie hat schon bei Nacht
Auf meiner Slime weich und kühl gelegen, Und auch dies Lächeln hat mir schon gelacht! Ich sah's, als Kind vielleicht, in einer Quelle,
Vielleicht als Jüngling, in der Stemenbelle Römischer Nächte, wenn ich hab' gedacht An gute Freunde, die Valet geschrieben. An blonde Liebchen, die nicht lieb geblieben. An Erdenfreuden, die verweht, verstoben.
Und an das große Wiedersehn dort oben — Stets war das Lächeln innig, gut und herzlich.
Wenn ich dem Leben Hohes abgestritten. Wenn ich gefehlt, gezweifelt und gelitten. Wie war es mild, vergebungsvoll und schmerzlich; D halte stets an meinem Herzen Rast,
Du holde Fee, die du dies Lächeln hast, Du guter Engel, den mir Gott gegeben. Du Silberschnur, gewoben durch mein Leben,
O bleib bei mir, du Himmelsabgesandte------------Ein Windstoß kam. In Wirbeln flog dahin
Der Staub am Weg... und wo die Sonne brannte Rot und verglühend überm Aventin, Verschwand auf ewig meine Unbekannte. Wohl folgte lang und irrend ihr mein Schritt In Sehnsucht nach — ich sah sie nicht mehr wieder. Der Traum war auS; in meinem Herzen glitt
Lautlos und still ein dunkler Vorhang nieder.
185 Und als betrübt gen Deutschland ich gefahren. Fand ich die Heimat farblos wie vor Jahren,
ES regnete just recht beharrlich-leise In altgewohnter, hergebrachter Weise,
ES nickten steif die Pappeln, die bekannten. Und steifer noch die Settern und die Tanten; Sie wünschten sehr, daß endlich Platz ich nehme
Und, seßhaft, mich zu Brot und Amt bequeme, Daß die Cousine dann ans Herz ich zöge, — Gesetzt, beiläufig, wenn sie mich noch möge — Ich solle hasten, daß mein Nest ich mache.
Ein Spatz zur Hand sei mehr als zehn am Dache, Dem deutschen Bürger sei die Fremde schädlich. Er bleib' im Land und nähr' sich still und redlich. — Ich zog die Flügel achselzuckend krumm Und wanderte ins Ministerium, Ich lernte sparen, ordnen, arrondieren. Auch instribieren, kon- und rezipieren. Doch fegten mir die zugestutzten Schwingen
Den Blütenstaub unmerklich von den Dingen. Trank Rheinwein ich, wie manchmal es geschah.
Befiel mich Wehmut inter pocula, Mein LebenSfazit, oft ergab es Brüche
Und salzdurchtränkt schien mir des Daseins Küche, Ich schritt allabendlich zum Goldnen Leuen, An Politik und Whistspiel mich zu freuen. Und pries dabei mit hohem Selbstgefühle, Daß ich ein Werkrad in des Staates Mühle.
Im Rate sprach ich und im Landtag mit
Und tappte vorwärts meinen Bürgerschritt, DaS hohe Gut, danach sich still verzehrt
Manch deutsche- Herz, ward zeittg mir beschert: AuS heitrer Luft fiel mir aufs Haupt ein Orden,
Und deren Zahl ist größer stets geworden. Der Würden Sttom, wohl floß er täglich reicher.
Doch ach, mein Haar, auch täglich ward eS bleicher. Als Trost dafür — ein schlechter freilich ist er —
Ward eines Tages endlich ich Minister...
Nun sitz' ich alt und einsam am Kamine,
Es fehlt mir die beglückende Cousine; Die Scheite seh' ich in der Lohe schwitzen. Ich hör' sie krachen, seh' die Funken blitzen
Und seh' den Rauch gar krauö geballt sich heben Zum Schornstein Tod, der, leitend aus dem Leben
Die Handvoll Staub, die wir in Lieben, Hasten,
In Wollen, Stteben, Tun und Unterlasten, Auf dieser Welt mühselig aufgesäuselt. Ins Atherblau als Opferwölllein kräuselt... Ich denke gern, seh' ich den Dampf verschweben.
An alles, was ich liebgehabt im Leben — O meine süße, unbekannte Dame! Welch Rätsel bärgest du? Wie ist dein Name?
Wo magst du sein, wo magst du weilen, wandern? Im Süden wohl... am Herzen eines andern —
O bleib ihm treu! Doch Augen wie die deinen. Sie werden mir auf Erden nicht mehr scheinen.
187 Wohin fortab auch meine Pfade gehn. Dich werd' ich niemals, niemals wiederfehn.
So leb denn wohl — auch dich muß ich verschmerzen. Doch nur mit schwerem, bitter schwerem Herzen, Und hart bedrängt mach' ich die Not zur Tugend: Denn du, das weiß ich jetzt, warst — meine Jugend.
Z
Gruß an Deutschland. ES liegt ein Märztag trüb und weich
Auf mitteldeutschen Hügellanden, Zur Rüste geht des Winters Reich, ES bricht das Eis, die Schollen stranden, Im Tropfenfall steht windgeneigt
Der Wald, des Winterschlafs cntraten, Und auf den nassen Ackern zeigt Sich zarter Schimmer junger Saaten.
Wildgänse ziehn mit schnellem Flug Und hellgestimmter Wanderweise, Auch unser Herz erfaßt ein Zug, Daß eS dem Lenz entgegenreise.
Ein Wind auS Süden kommt mit Kraft
Und löscht den Schnee von Furt und Brücke, Er tteibt auch uns zur Wanderschaft Nach unbekanntem, großem Glücke. Mein Deutschland, du bist stark und groß, Und doch ist eigen deinen Söhnen
Ein weicher Kern, ein SehnsuchtSloS Nach allem Fernen, allem Schönen; In deutschen Liedern lockt und llingt, ES wohnt in deutschen Herzensträumen Der Circe Lachen goldbeschwingt.
Des Griechenmeeres weiches Schäumen.
Im schwarzen Schachte gleißt das Erz, Der Hammer dröhnt, die Funken springen. Doch heimlich hört das deutsche Herz
Im Hörselberg die Geigen klingen; Dom Zug der Esse scharf umbraust.
Der Meister läßt kein Säumen merken. Doch immer lebt als Sohn des Faust Er über seinen Erdenwerken.
O sei gesegnet, dunkler Ruf
Vom Nertushaine, der uns Zeiten Der Sehnsucht nach dem Schönen schuf. Nach langen Lenzen, gottgeweihten!
Heil unserm Volke, das mit Wucht Die Scholle pflügt, der wir entstammen. Und dennoch Lebensgipfel sucht.
Drauf ew'ge Wachefeuer flammen.
O Deutschland, was dich herrlich macht.
Sind deines Herzens starke Triebe
Zu Dichtung, Frauen, Liederpracht; Dein bestes Teil ist deine Liebe.
Und wie um ttotz'ger Eichen Schaft
Sich wilde Rosen blühend ranken. So schlingt um deutsche Reckenkraft Die Schönheit ihre Lenzgedanken. Die deutsche ManneStteue hoch!
Wohl hat sie herrlich Gut erkoren. Doch höher steht ihr, heil'ger noch
DaS Vaterland, dem sie geboren. Um unsre Münstertürme saust
Der Freiheit Geist in heil'gem Grimme, Durch unsre Eichenwälder braust
DeS Schlachtengottes Donnerstimme. Solang' noch unsre Wange brennt
Beim holden Gruße schöner Frauen,
Solang' man Arbeit heilig nennt
Und Treue gilt in deutschen Gauen, Solang' vom WaSgau bis zum Belt Wir treu zu Gott und Kaiser halten.
So lang' wird keine Macht der Welt Der deutschen Marken Grundwerk spalten.
DeS hohen Erbteils walte frei.
Mein Volk, daß deinem Schwert, dem scharfen.
Geeint des Friedens Pflugschar sei. Und Liederfrühling deinen Harfen;
Ein tiefet Lied, ein Heller Schlag Und ein Gebet voran den beiden —
So darfst du, grüßend neuen Tag,
Vom stürzenden Jahrhundert scheiden.
Z
Ein Bild
In schwerem Rahmen, massig, goldgezackt. Ein Frauenkopf mit Augen, traumhaft starren.
Die tief im Herzen, das ihr Bann gepackt.
Gleich Pfeilen, weichbefiederten, verharren. Der braunen Haarflut golddurchstrählte Wirrn Wie küssend flutend um die schmale Stirn,
Der feine Mund lichtrot, doch herb verschlossen.
Seltsam der Ausdruck.
Sinnend, lichtdurchschossen.
Fremd, vornehm, süß des Angesichts Oval, Darüber wie durch Sturmgewölk geflossen
Ein herbstlicher, gequälter Sonnenstrahl —
Was ist's, daß sich um Erdenschönheit schmiegt Ein tiefer Schatten, den kein Glanz besiegt? Was ist's, daß sie mit schwermutvoller Frage
Geheim gepaart, daß in ihr mit Gewalt
Als tiefverletzte goldne Saite hallt Ein Weh um Edens längstverblühte Tage?
Was ist's, daß mitten aus der Schönheit Schoß
Ein Menschenherz, das sich gesonnt in Pracht, Urplötzlich auflchreckt, einsam, heimatlos? Was ist's, daß Schönheit Herzen traurig macht? Jst's, weil sie schnell und kaum gegrüßt verglommen
Gleich Alpenleuchten über Bergesferne? Ach, alle Schönheit trägt den Tod im Kerne Schoenalch-Larolath, Ges. Werke.
Dd. L
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Und füllt kein Herz, das Leben sucht, vollkommen.
Wohl darf der Menschheit wonnedurst'ger Mund Dies Erdenglück durch tausend Lieder tragen. Daß auS des Daseins tränensattem Grund Die Schönheit still den Scharlachkelch geschlagen. Daß über Wust, von Sodoms Schutt umstaubt. Dem Trümmerberg von Sünde, Schuld und Kummer
Fremdartig, traumhaft im Vollendungsschlummer Die Schönheit hebt ihr goldgesäumtes Haupt — Doch höher zielt des Schöpfers Lebensplan.
Nicht sänftiglich, nein, als ein Schwert, das schneidet.
Beschreibt die Schönheit ihre Flammenbahn.
Vieltausend sind es, die, zum Staub gewendet. Klanglos den Lauf in Sättigung beendet; Wohl dem, der Schmerz im Schönheitskusse leidet. Dies ew'ge Weh, mit dem durchs Leben geht
Einsam und unverstanden der Poet, Er führt zu Gott, und alle Schönheitstrauer, Die unser Haupt als Kranz der Schwermut trug. Sie tilgt dereinst im Auferstehungsftug Des Wiederfindens großer Freudenschauer; WaS Schönheit hier von Schmerz und Abschied sprach.
Das klingt — wie bald — gleich fernen goldnen Stimmen,
Die rufend über breitem Strome schwimmen. In der Unendlichkeit als Liebe nach.
Ich aber will, bleibt auch im Erdenwind
Nach Glück gestimmt die Harfe des Propheten,
&&&&&&&&&&&& 195 Nicht leichten Sinn- vor deine Schönheit treten. Noch frohen Herzens, wie ein Sonntagskind.
Du schüttest nicht mit heißem Augenstrahle
Ms höchste» Glück, das Sterblichen erlaubt. Den Rosenregen auf mein ttunknes Haupt,
Du reichst mir M die dunkle Schierlingsschale;
Und deine Augen wie verweinte Sterne Hinbrütend starren in verhüllte Ferne. Du ziehst vorüber, und im Flüstetton
Spricht süß dein Mund von Lassen und Entsagen — O Lieb, ich will ja grollen nicht noch klagen, ES muß mit sanften dämmerweichen Schwingen
Die Poesie den Leidenükelch umschlingen Versöhnungsvoll mit dunkelrotem Mohn.
Wo sah ich dich mit deinen düstren Brauen Verhängnisschwer inS Alltagsleben schauen? Am Gnechenmeer, umkost von Wellenschaum, Auf Ithaka, an einem Mandelbaum? In einem Park, der weltfern, goldumgMert,
Wo Nelken flammen an verschlungnen Gängen, Wo sich durch schwarze TaruShecken drängen Marmorgestalten weißlich und verwittert.
Wo über Treppen, die verrenkt, verwildert, DaS Schloß sich hebt, gegiebelt, buntbeschildert?
Sah ich dich dort auf hohem Postament Im Ahnensaal, durch dessen Fensterscheiben
Septembersonnenstrahl verglühend brennt? Zogst leibhaft du durch Lärm und ANtagStteiben
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An mir vorbei die dustdurchwogte Spur? Sah ich dich winken lässig auf dem Balle Dem schwer besternten Oberhofmarschalle?
Sah ich dich einst — war eS im Traume nur — Verschleiert durch die Gassen gehn im Regen, Und einem Bettler in die Zitterhand
Mit leisem Motte rasch ein Goldstück legen? Gleichviel, gleichviel — mich hast du nie gekannt. Und sähst du mich, du würdest sonder Staunen
Bettachten mich mit Augen, dämmerbraunen. Und sonder Leid vergessen jenen Tag.
Ich aber will, wie man bekränzen mag
Ein Götterbild zur Maienzeit mit Ranken,
Umschlingen dich mit Liedern und Gedanken, Die welken nicht, den Blumen gleich, im Wind. Laß sie durch Schicksal, Trennung, Zeit und Räume
Dich an mich ketten, wenn du weißt, daß Träume
Der Dichter letztes, bestes Erbtell sind.
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Stella peregrina. So wie man Sterne findet, deren Bahn
Den Erdkreis streift auf Nimmerwiedersehen,
Wohl deshalb nur, daß ihr Dorübergehen Uns habe Schmerz und Heimweh angetan.
Zog deiner Liebe tiefe Melodie An mir vorbei, zu Gott zurückzuschweben,
Und in der ewigen Melancholie
Meiner Gedanken ewig fortzuleben.
Asterope. Ein Frauenbild in fremder Galerie, Ein Bild so schön, daß sein Geheimnisschauer
DaS Herz getränkt mit Sehnsucht ew'ger Dauer, Sprach geisterhaft: Geh, doch vergiß mich nie.
Mein Name? Nichts und alles.
Frag nicht, neige
Dich meiner Schwermut rätseltiefer Macht,
Und war's ein Wunsch, den dir mein Blick entfacht. Für diese Welt gebiete, daß er schweige.
Vergeblich ist es, daß du mich beweinst.
Nenn mich: Im Strom ertrunken. Nenn mich: Umsonst.
Verloren.
Nenn mich: Einst. Unerreicht.
Doch wenn du beten kannst, nenn mich: Dereinst. Vielleicht.
Firnenweg. Einsam durchs Leben geht
In Sehnsuchtsschauer Und sanfter Trauer SM der Poet,
Suchend im Kuß der Frau
Nicht Alltagssterne, Doch Traum und Tau Verlorner Feme.
Gast, der beim Frohgelag
Becherreste Darbringt dem großen Tag
Ewiger Feste;
Hirsch, der am Waldteich trinkt über den Fluten Das große Verbluten Der Sonne, die sinkt.
Verleuchtender Tag.
Im blühenden Gartenlands Liegt einsam, von Meder umbuscht. Ein Brunnen mit leckem Rande, Um dessen Steingirlande Der Blätterschatten huscht. In heiliger Jugendstunde, Als glühend und ohne Laut Die brütende Gartenrunde, Hab' dort mit bebendem Munde Ich meine Liebe vertraut Und Stille. Im Glutgeflimmer Des Mittags erstarb mein Wort Ich wandte mich ab für immer. Zu wandern durch Staub und Schimmer Weit über die Heide fort
Nun hab' ich den Schritt gewendet Zur Heimat, müde und alt. Und keine Sonne mehr blendet Die Liebe hat nie geendet. Sie wurde nimmer kalt.
Noch rieselt mit lecken Seiten, Geborsten, der Marmottrog, Darüber aus Parkesweiten In süßen verschollnen Zeiten Der Liebsten Lachen flog.
Und wieder, wo einst wir gesessen.
Umspinnt mich heißstrahlender Tag;
O Jugendglück, nicht ermessen, O Liebste, niemals besessen.
Kommt, daß ich danken mag. Ich will nicht grollend vergeben.
Doch segnen dich, tiefgerührt.
Daß einst du mit Widerstreben Durch ein verworrenes Leben
Den Pflug des Schmerzes geführt. Es hat sich dem Greise gelichtet
Vergangnes, von Hüllen befreit; Was ihm versagt und vernichtet An Glück, war Aussaat, gerichtet
Der rauschenden reifenden Zeit.
Wohl hab' ich verträumt in Gedanken,
Vertrauert manch Lebensziel.. Vorüber — durch neue Ranken
Treibt wechselnd, mit Jittern und Schwanken Die Sonne ihr ewiges Spiel.
Und traumhaft plätschert der Bronnen — DaS klingt wie süße Mär, Als ob das Leben verronnen Und ewiges Glück begonnen
Im Himmel wär'.
Der Feldweg. Dom Ulmenwald, dem dunklen, schwermutvollen. Der Schierlingdust und ew'ge Kühlung haucht.
Dehnt flammengelb, in Sommerluft getaucht. Das Kornfeld sich, glutzitternd, weltverschollen.
Am Wegrain dort — es war zum letztenmal —,
VerlomeS Lieb, schritt ich an deiner Seite, Viel Engel gaben freundlich uns Geleite, Sie blieben dir — mein Weg sank rasch zu Tal.
Nun geh' ich einsam durch die Mittagsstunde Dein denkend hin, und mir am Wege blüht So reich der Mohn, als hab' mein Herz versprüht Achtlos das Blut aus tiefgeheimer Wunde. Ach, bringen wird kein künst'ger Sommertag Zurück mir je, was folgend deinen Schritten
Still mit dir selbst zur Dämmerung geglitten — Nachtwandelnd geh' ich durch den heißen Hag. Das Leben lacht, auf fremden Feldern schimmert
Halmschwer das Kom; Gott geb' ihm gut Gedeihn. Bald bringen sie den Erntesegen ein. Durch goldnen Staub schon fern die Sichel flimmert.
Ich aber will mit leergebliebner Hand Dich segnen. Glück, das einem andem reifte, Und will die Stirn, die finstre, blitzgestreifte, Ausrichten still zum ew'gen Emteland.
Abendlied. Der Sonne nach, die sinkend scheint.
Zieh' ich verlassen, unbeweint.
Von meines Glückes Stätte; Was Gott mir lieh an Gut und Wert,
Liegt leergebrannt, ach, daß geehrt
Und treu gewahrt ich's hätte! Ich wies vorbei
Die heiligen Drei,
Den Glauben, die Liebe, das Hoffen; Ich habe gestürzt den Goldpokal
Der flammenden Lust — nun dehnt sich fahl Die Heide, braun und offen. Ich gehe fort Vom zerstörten Ort;
Am Wegrand in schwarzen Lachen Ertrinkt mißfarbiges Abendrot, Und blechern wimmert in Todesnot
Ein Glöcklein über den Brachen.
Das ist mein Herz, das, aus der Welt Sich lösend, bang um Hülfe gellt. So wie verirrt im Lande
Ein Kind, verlassen, todgeweiht.
Um Hülfe schwach und schaurig schreit
Seitab am Hügelrande.
Ach, Herr, nimm hin mein Lebensgut,
Zerbrich mir Ehre, Stolz und Mut, Doch neig dich meinem Bangen,
Verzinne, daß mein letzter Schrei Ein Dennoch, Herr, dir glaub' ich" sei; Mehr will ich nicht erlangen. Komm Hirt, allew'ger, führe du
Dein Kind der großen Heimat zu. Durch Kreuz und Sterbestunden;
Halt über allen Sündern Wacht, Bis sie sich dir zurückgebracht Und selig heimgefunden.
d
Bergpsalm. Ein Schneeberg ragt ins heiße Land, Der seine Schroffen leuchtend zückt,
Tief unten wogt im Sonnenbrand
Die Fläche goldschwer, halmerdrückt. Dort hasten Menschen, ohne Ruhn,
Der Scholle nah, der Fron gewöhnt.
Nach Gut und Geld in hartem Tun;
Die Sichel klingt, die Kelter dröhnt.
Doch mahnend rauscht vom Borg ein Duft, Der kühl daS Haar des Schnitters wirrt.
Und leise durch die Flimmerluft Ein Ahnen ew'ger Ernten irrt.
So sendet weltfern der Poet Zum Volke, das in heißem Streit
Arm und gebückt am Pfluge geht, Die Boffchaft großer Feierzeit.
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