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German Pages 386 [409] Year 1927
Linier dem Sachregister befindet fich ein ausführliches Verzeichnis der
Guttentagschen Sammlung
Deutscher Reichs und Preußischer Gesetze — Textausgaben mit Anmerkungen; Taschenformat —,
die alle wichtigeren Gesetze in unbedingtzu verlässigem Abdruck und mit mustergültiger Erläuterung wiedergibt.
Gnttentagsche Sammlung Str. 188 a. Deutscher Reichsgesetze. Str. 138 a. Textausgaben mit Anmerkungen und Sachregister.
Arbeiterschutz und Arbeitsrecht 1. Auflage bearbeitet von
Dr. Adolf Günther.
2. Auflage 1. Teil:
Arbeitszeitschutz DaS Arbeitszeitnotgesetz und die übrige arbeitSzeitrechtliche Gesetzgebung des Reichs seit 9. November 1918
erläutert von
Dr. Richard Schneider, Archivar beim Reichstag unter Mitwirkung von
Dr. Adolf Günther, o. Professor an der Universität Innsbruck.
Berlin und Leipzig 1927.
Walter be Grüg ter L Eo. vormals G. I. Göschen'sche Verlagshandlung — I. Guttentag, Verlags buchhandlung — Georg Reimer — Karl I. Trübner — Veit Sc Comp.
Vorwort. Bon der als Band 138 a der Guttentagschen Sammlung erschienenen Zusammenstellung der seit November 1918 veröffentlichten Gesetze und Ver ordnungen über „Arbeiterschutz und Arbeitsrecht" wird hiermit der erste Teil einer Neuauflage vor gelegt, der die Arbeilszeitgesetzgebung bis Ende Juli 1927 behandelt.
Unterzeichneter war bei Abfassung der 1. Auf lage als Professor an der Universität Berlin und Referent im Reichsarbeitsministerium in der Lage gewesen, den damals übrigens noch ungleich kleineren Stoff selbst zu bearbeiten. Dadurch, daß er nun mehr an einer Universität außerhalb des Reichs lehrt und seit Ausscheiden aus dem Ministerium auch nicht mehr den unmittelbaren Einblick in die gesetzgeberischen Vorgänge besitzt, sah er sich außer stande, die notwendig gewordene Neuauflage selbst bzw. allein mit hinreichender Sachkunde zu be arbeiten. Auf Anregung des Verlags hat sich nun Herr Dr. Richard Schneider, Archivar beim Reichstag, freundlichst bereit erklärt, seine bewährte Kenntnis der einschlägigen Verhältnisse in den Dienst der Neuauflage zu stellen. Indem ihm hier durch bester Dank ausgesprochen wird, sei noch bemerkt, daß diesem ersten Teil der Neuauflage
6
Vorwort,
wettere Bände folgen werden, sodaß tn absehbarer Zett das gesamte neuere Arbeitsrecht, kurz kommenttert, in der Guttentagschen Sammlung vorhanden sein wird. Innsbruck, Im August 1927.
Dr. Adolf «ünther, ordentl. Professor der pol. Ökonomie und Soziologie an der Universität Innsbruck.
Inhaltsverzeichnis. Sette Sozialpolitische Gi»leit«ug...................................................
13
Etnftihrnng In die ArbeitSzeitgesetzgebnng
88
.................
I. »schnitt. Gesetzliche Vorschriften allgemeiner Lrt »der die «egellmg der Arbeitszeit der Arbeiter »nd Angestellte» .....................................................................
49
Anordnung über die Regelung der Arbeits zeit gewerblicher Arbeiter. Bom 23. No vember 1918............................................................
49
Dienstdauervorschriften für daS Betriebs- und Berlehrsperfonal der Deutschen Reichsbahn ....
58
Lohntarisvertrag für die Arbeiter der Reichsbahn. .
61
Tarifvertrag für die Arbeiter im Bereiche der Deut schen ReichSpost............................................................
74
Verordnung über die Regelung der Arbeits zeit der Angestellten während der Zeit der wirtschaftlichen Demobilmachung, vom 18. März 1919...............................................
78
Erlab des Preußischen Ministers für Handel und Ge werbe und deS Preußischen Minister- des Innern betr. Richtlinien für die Behandlung der Bahnhofs wirtschaften und der BahnhofSverlaufSsteNen in gewerbepolizeilicher Beziehung..............................
92
Verordnung über die Arbeitszeit. Bom 21. Dezember 1923 ...............................................
106
ArbeitSzeitnotgesetz (Gesetz zur Abänderung der ArbeitSzeitverordnung). Bom 14. April 1987
106
8
Inhaltsverzeichnis.
Seite über die Arbeit-zeit. (Neue vom 14. April 1927 .................
112
Au-führung-bestim mungen zur Verordnung über die Arbeit-zeit, vom 17. April 1924 ..........................
170
Ergänzung der Au-führung-bestim mungen vom 17. April 1924 zur Verordnung über die Arbeits zeit. vom 29. April 1927 ......................................
177
Ausführung-bestimmungen zu 8 9 der Verordnung über die Arbeit-zeit, vom 29. April 1927 .................
183
Preußische Au-führung-bestimmungen zur ArbeitS-eitverordnung. vom 24. Juni 1924 .................
186
Erlaß des Preußischen Minister- für Handel und Gewerbe vom 26. April 1927 betr. Gesetz zur Ab änderung der Arbeitszeitverordnung vom 14. April 1927 ............................................................................
193
Erlaß des Reichsarbeitsministers betr. Überstunden arbeit. vom 9. November 1926 ..........................
196
Durchführung der Arbeitszettvorschriften (Schreiben des Reichsarbeitsministers vom 10. November 1926)
199
Verordnung Fassung.)
Richtlinien über die Regelung der Dienstzeit der Reichsbeamten................................................................ 202
ReichSangestellten-Tarifvertrag. vom 2. Mai 1924 (24. Mär- 1925)...........................................................
206
Tarifvertrag für die Arbeiter bei den Reichsverwal tungen. vom 8. Juni 1926 (18. Mai 1927) . .
210
II. Abschnitt. Auf Grund des § 120« der Gewerbe ordnung für einzelne Gewerbezweige und Einzelbetriebe erlassene Verordnungen über die Arbeitszeit
223
Verordnung zum Schutze der Preßluft arbeiter. vom 28. Juni 1920 .....................
223
Verordnung über die Einrichtung und den Betrieb von Anlagen zur Herstellung von
Inhalt-verzeichnis.
9 Sette
Bleifarben und anderen Vleiverbindungen. Bom 27.Januar 1920 .................
225
Verordnung über die Ausführung von An streicherarbetten in Schiffsräumen. Bom 2. Februar 1921 .......................................................
228
Verordnung über die Ausführung von An streicherarbeiten in Schiffsräumen. Bom 12. Mai 1927 ...........................................................
230
III. Abschnitt. Auf Grund deS 8 7 der Verordnung über die Arbeitszeit erlassene Verordnungen - .
230
Verordnung über die Arbeitszeit in Koke reien und Hochofenwerken. Bom 20. Ja nuar 1925 ................................................................
230
Durchführung der Verordnung vom 20. Januar 1925 (Erlaß deS ReichSarbeitSministerSvom 2. Mai 1925)
234
Verordnung über die Arbeitszeit in Gas werken. Bom 9. Februar 1927 ......................
237
Verordnung über die Arbeitszeit in Metall hütten. Bom 9. Februar 1927 ......................
239
Verordnung über die Arbeitszeit in Glas hütten und Glasschleifereien. Bom 9. Fe bruar 1927 ................................................................
241
Verordnung über die Arbeitszeit in Stahl werken, Walzwerken und anderen An lagen der Großeisenindustrie. Bom 16. Juli 1927 ............................................................
244
IV. Abschnitt. Sonstige für besondere Gewerbezweige und Einzelbetriebe erlassene gesetzliche Bestim mungen ......................................................................................247
Verordnung über die Arbeitszeit in den Bäckereien und Konditoreien. Bom 23. November 1918.................................................... 247
10
Inhaltsverzeichnis. Sette
Gesetz zur Abänderung der Verordnung über die Arbeit-zeit in den Bäckereien und Konditoreien vom 28. November 1918 («eich-gesetzbl. 6.132 9). vom 16. Juli 1927 262 Verordnung, betreffend eine vorläufige Landarbeit-ordnung, vom 24. Januar 1919 276 Die Arbeit-zeit in den landwirtschaftUchen Tarifver trägen (eine auf Grund de- im Tarifarchiv deReichsarbeitsamts befindlichen Material- ver faßte Abhandlung) ........................................................ 284 Verordnung über die Arbeit-zeit in Krankenpflegeanstalten. vom 13. Februar 1924 . Grundsätze zur Durchführung der Verordnung über die Arbeit-zeit in Krankenpflegeanstalten (Erlaß des ReichSarbeitSministerS vom 17. Mai 1924) . . .
306
312
Erlaß de- Preußischen Minister- für BolkSwohlfahrt und de- Preußischen Minister- für Handel und Gewerbe vom 28. Januar 1927, betr. Durch führung der Verordnung über die Arbeit-zeit in Krankenpflegeanstalten....................................................324 Tarifvertrag für die Krankenschwestern in den Kranken anstalten de- Reichs, vom 25. Juli 1925 . . .
326
V. Abschnitt. Gesetzliche Vorschriften über die Regelung der Arbeit-zeit jugendlicher und weiblicher Arbeiter
329
Verordnung über die Beschäftigung jugend licher Arbeiter auf Steinkohlenberg werken. vom 25. März 1927 ..........................
329
Verordnung über die Beschäftigung von Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern in Walz- und Hammerwerken. vom 25. März 1927 ....................................................... 333 Verordnung über die Beschäftigung von Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern
Jrchalttver-eichntS.
11 Seite
in Glashütten, GlaSschletfereieu und GlaSbetzereien sowie Sandbläsereien. vom 25. März 1927 ........................................... 334
VL Abschuitt. Gesetzliche Vorschriften Wer GonutagS ruhe nutz eiue» allgemeine» Feiertag.........................386 Verordnung über Sonntagsruhe im Handels gewerbe und in Apotheken, vom 5. Fe bruar 1919..................................................................... 335 Richtlinien für die Bewilligung von Ausnahmen vom verbot der Sonntag-arbeit im Handel-gewerbe, vom 21. Februar 1924 ........................................... 339 Ergänzung der Richtlinien vom 21. Februar 1924. vom 27. Juli 1925 .................................................... 343 Erlaß des ReichSarbeit-ministerS Über die behördliche und tarifliche Regelung der Sonntag-arbeit, vom 24. Januar 1925 ........................................................ 343 Gesetz über einen allgemeinen Feiertag, vom 17. April 1919.................................................... 345
VII. Abschnitt. Internationale Regelung der Arbett-zeit
347
Washingtoner Übereinkommen, betreffend Festsetzung der Arbeit-zeit in gewerb lichen Betrieben auf acht Stunden täg lich und achtundvierzig Stunden wöchent lich ...................................................................................... 347 Ergebnisse der Londoner Konferenz der Arbeit-minister von Belgien, Deutschland, Frankreich, Sroßbtttannien und Italien über da- Washingtoner Übereinkommen................................................................. 362
Sachregister.................................................................................. 366
12
Angabe der Abkürzungen. Ang BO. — Verordnung über die Regelung der ArbeitSzeit der Angestellten vom 18. März 1919. ArbAO. — Anordnung über die Regelung der ArbeitSzeit gewerblicher Arbeiter vom 23. No vember 1918/17. Dezember 1918. ASchG. — Entwurf eines Arbeitsschutzgesetzes, 37. Son derheft zum Reichsarbeitsblati. AZNG. — Arbeitszeitnotgesetz — Gesetz zur Abänderung der ArbeitSzeitverordnung v. 14. April 1927. AZBO. — Verordnung über die Arbeitszeit vom 21. De zember 1923. B. — Amtliche Begründung. Back BO. — Verordnung über die Arbeitszeit in den Bäckereien und Konditoreien vom 23. No vember 1918. Drs. — Drucksache. GO. — Gewerbeordnung für daS Deutsche Reich. LG. — Landgericht. OLG. — Oberlandesgericht. RABl. — Reichsarbeitsblatt, amtlicher Teil. RAMinister — Reichsarbeitsminister. RG. — Reichsgericht. RGBl.--- Reichsgesetzblatt, Teil I. RTDrs. — Reichstagsdrucksache. RBO. -- Reichsversicherungsordnung. BO. 5. 2. 19 — Verordnung über Sonntagsruhe im Handels gewerbe undin Apotheken v. 5. Februar 1919. BO. 13. 2. 24 — Verordnung über die Arbeitszeit in Kranken pflegeanstalten vom 13. Februar 1924. WP. — Wahlperiode. Wll. — Washingtoner Übereinkommen über die Fest setzung der Arbeitszeit in gewerblichen Be trieben vom 29. November 1919.
Sozialpolttische Einleitung. Die nachstehende Übersicht über das Zustandekommen deS neuen Arbeitszeitgesetzes wird seinen Zusammenhang
mit dem Arbeitsrecht im allgemeinen und dem Arbeits schutz im besonderen deutlich machen; sie zeigt den Werde
gang der Gesetzgebung auf diesem Gebiete, läßt erkennen, wie chr Rahmen allmählich toeiter gespannt wurde, wie in ihm sich hygienische und kullurpolitische Gesichtspunkte
entfalteten.
In einem knappen Überblick über Zusammen
hänge zwischen Arbeitszeitgesetzgebung und Wirt schaft sollen hier gewisse sozialpolitische Hinweise gegeben So sehr sich auch — und mit vollem Rechte —
werden.
das Gebiet des Arbeitsrechts von dem der allgemeinen Sozialpolitik aus Gründen des arbeitsteiligen Wissenschafts
betriebes gesondert hat, so sehr erfordert es doch eine in so hohem Maße strittige Gesetzgebung, wie die de- Arbeits zeitrechts, daß gewisse wirtschaftlich-soziale Hintergründe,
von denen aus allein der Werdegang der Gesetzgebung, chre Zielsetzung und praktische Wirkung beurtellt werden
können, aufgezeigt werden.
Selbstverständlich kann da-
in einer kommentierten Textausgabe nur in ganz groben
Zügen und allgemeinen Umrissen geschehen.
Indem Bolles
(s.
S. 22)
vom Gesetze
anerkannt
und
damit
die
als die
Arbeitskraft wichtigstes frühere,
des
deutschen
nationales heute
kaum
Gut
noch
verständliche Zurückhaltung des Gesetzgebers auf diesem Gebiete ausgegeben wurde, ist zwar die richtige, wirtschaft-
14
«rbett-zeitschutz.
lich, hygienisch und kulturell befriedigende Verwendung diese- Gute- eingeleitet worden; indes besteht noch längst
keine Einmütigkeit darüber, wa- hier im einzelnen geschehen soll, wieweit in-besondere Eingriffe de- Gesetzgeber- in
den Arbeit-vertrag theoretisch möglich und praktisch wirk sam sind.
Die von Brentano al- erstem scharf gesehenen
Zusammenhänge
-wischen
Arbeit-zeit,
Arbeits
leistung und Arbeitslohn stehen vielmehr heute mehr
denn je im Vordergründe.
Leider sind die großangelegten
Enqueten des ReichSwirtschaftSratS, die vom Verein für Sozialpolittt
angeregt
wurden,
noch
keineswegs abge
schlossen; vielmehr läßt das, was bisher hierüber veröffent licht wurde, ungeahnte Schwierigkeiten aller Feststellungen
auf diesem Gebiete erkennen; kaum, daß über die anzu
wendenden Verfahrensweisen volle Einigung erziett werden konnte.
Soviel wissen wir immerhin negativ, daß die
früheren einschlägigen Ermittlungen mangels unanfecht barer Methode und hinreichenden Umfangs außerstande sind, uns ein wissenschaftlich einwandfreies Bild der Sach lage zu geben.
Man wird deshalb, solange unser Erfahrungsmaterial
begrenzt und eine experimentelle Ergänzung diese- Mate rial- noch kaum ernstlich versucht ist, gewisse mehr oder
weniger theoretische Überlegungen nicht ganz ausschalten können.
Theoretisch sind schließlich notwendigerweise auch
viele der gesetzgeberischen Bemühungen.
Schon der Um
stand, daß sie nach Zweck und Durchführung nicht einheitlich
waren, ja daß wiederhott der Kur- gewechselt wurde, zeigt eine Unsicherheit hinsichtlich der Wirkung gesetzlicher Be
stimmungen über die Arbeitszeit; freilich sind die Richtungs änderungen in der Gesetzgebung auch auf politische Gründe,
16
Sozialpolitische Einleitung.
auf wechselnde Mochtverhältnisse, ungleichen Einfluß der
Anteressentenverbände auf die Gesetzgebung zurückzuführen. Welche Gründe die entscheidenden waren, wird kaum zu ermitteln sein. Im großen ganzen ist, wie auch auf andern Gebieten des Arbeitsrechts, eine gewisse rückläufige Be
wegung seit den Umsturztagen unverkennbar; ob sie, wie
viele meinen, ausschließlich als „sozialpolitische Reaktion"
anzusprechen ist, steht immerhin dahin; jedenfalls mußte die Haltung des Gesetzgeber- von den allgemeinen poli tischen und zumal wirtschaftlichen Verhältnissen beeinflußt sein; während der Inflation konnten schwerlich dieselben
Gesichtspunkte im Vordergrund stehen wie nach der Stabilisierung der Währung, zudem bleibt die Krage, ob nicht neben andern, vor allem wirtschaftspolitischen und — selbst
verständlich — außenpolitischen, auch gewisse sozialpolitische Maßnahmen an dem Ausmaß, das die Geldentwertung
schließlich im^Reich erfuhr, mitgewirkt haben.
War die-
— was hier nicht zu entscheiden ist — der Fall, dann liegt eS nahe, die ArbeitSrechtS- und Arbeiterschutzgesetz gebung nicht zuletzt auch vom währungspolitischen Stand
punkt aus zu beurteilen.
Bei alledem blieb die Gesetz
gebung nicht unberührt von Vorgängen außerhalb Deutsch lands, von der Regebmg derselben Materien in industriell
und kutturell verwandten Ländern, schließlich von den inter nationalen Vorgängen auf diesem Gebiete (f. u. S. 41 f.).
Die Gesetzgebung hat aber auch erkannt, wie schwankend und wechselnd der Tatbestand der „Arbeit" und der „Arbeits
kraft" ist und sein muß. Die zahlreichen, schwer übersehbaren Ausnahmebestimmungen zu
grundlegenden
Sätzen
springen zu einem erheblichen Tell jener Einsicht.
man einmal die
ent
Hat
Sozialgesetzgebung als „Paragraphen-
16
«rbeit-zeitschutz.
gestrüpp" bezeichnet — und das noch vor den Neukodi-
fikationen seit November 1918 —, so war daS eigentlich kein Spott, sondern barg Anerkennung; denn indem die
Gesetzgebungsmaschine sich nicht auf generelle Regelungen beschrüntte, brachte sie eine — wenn auch keineswegs stets
verwirklichte — Tendenz -um Ausdruck, den Einzelfall zu beachten und die Schablone zu vermeiden.
Schablone
war es nicht weniger, wenn vor dem Kriege überhaupt fast jede Regelung der Arbeitszeit erwachsener Männer
verworfen
wie
wenn
hernach
vorbehalllos
Acht
der
stundentag als Allheilmittel proklamiett wurde. Die gegenwättige gesetzgeberische Lage ist der letztgenannten Forde
rung immerhin viel näher wie dem Grundsatz des laisserfaire.
Sie übersieht aber gewisse Zwangsläufigkeiten der
Gegenwatt nicht, denen gegenüber die Einführung des Achtstundentags vor dem Kttege eine recht einfache Sache gewesen wäre.
Wie wenig die Gesetzgebung aus der ersten Zeit der Republik — trotz der Vereinbarung der Spitzenverbände
vom 16. November 1918 — innerlich von Arbeitgeberseite übernommen worden war, zeigte der Zustand, der sich
nach Ablauf der Geltungsdauer der ArbAO. und AngVO. Ende 1923 — d. h. gegen Ausgang der Inflation — ergab.
Der Zustand war in der Tat „unhaltbar (S. 30).
Denn
wenn die Unternehmer auch mit dem Hinweis auf größere
Arbeitsleistung
als
Voraussetzung
der
Beendigung
der
Inflation, der Aufrechterhaltung einer sanietten Währung, der Expottsteigerung usw. vielfach recht behielten, so war auf der andern Seite mit einer für Arbeit-zeitbeschränkung
eingenommenen öffenttichen Meinung und damit zu rechnen, daß gegenüber der Borkttegszeit, ttotz aller rückläufiger
17
SoztalpoMische Einleitung.
Erscheinungen, mindesten- politisch die Kraft der Arbeiter
und ihrer Verbände gewachsen ist.
Auch war die Unter
ernährung de- Krieg- während der Inflation nur teilweise
behoben worden, volle Ausnutzung der Arbeitskraft aber setzte volle Arbeitskraft und ungebrochenen Arbeitswillen voraus. S. 32 sind Einwendungen, die von interessierter Seite
gegen da- Interregnum in der Arbeitszeitregelung geltend gemacht wurden, zusammengestellt. ES ist unmöglich, diese
Bedenken an dieser Stelle im einzelnen auf ihre Richtigkeit
hin zu prüfen.
Nur einige- wenige sei herauSgegrifsen.
Hinweise auf die Arbeitslosigkeit, die durch verlängerte Arbeit-zeit vermehrt werden könnte, sind nicht ohne weitereschlüssig; denn einmal haben frühere, auf Unterbringung
möglichst zahlreicher Arbeiter oder Angestellter in den
Betrieben hinzielende Bestimmungen keineswegs einwandfrei gewirkt; dann aber ist da- Gegenargument nicht ohne
weiteres von der Hand zu weisen, daß nur auf Grund ge steigerter Gesamtproduktion die Arbeitslosigkeit beseitigt
werden könne und daß wenigstens während einer Über
gangszeit erhöhte Arbeitszeit zur
Produktionssteigerung
unerläßlich sei. Umgekehrt sollen auch die Gründe der Gegen seite nicht unbesehen angenommen werden; gewiß hat sich Überarbeit auch da, wo sie — gegebenenfalls durch Hinzu
nahme neuer Arbeitskräfte — vermieden werden konnte, behauptet. Der Umfang dieser überarbeit muß nach den Feststellungen
deS
Reicharbeitsblattes (s. S. 34) in der
Tat beträchtlich gewesen sein.
Die Umkehr von Inflation
zu Stabllisierung hatte die Gewerkschaftsbewegung zurück
geworfen, mangels Selbsthllse mußte sie um so mehr bemüht sein, die leicht erreichbare Klinke der Gesetzgebung in die Hand zu bekommen. Günther-Schneider, Arbeitszettschutz.
2
18
ArbeitSzettschutz.
Angesichts dieser Verhältnisse ergab sich die Neuregelung
de- Arbeitszeitrechts, wenn auch nur erst provisorisch, als kaum zu umgehende Notwendigkeit. Die bloße Ratifizierung
deS Übereinkommens von Washington, oft gefordert, konnte aus Gründen, die eine Mitteilung des Reichsarbeitsministers vom 30.1.25 klar erkennbar machte, nicht als Lösung in
Betracht kommen. „Unsere Verluste, Lasten und Bindungen",
so heißt es hier einwandfrei, „infolge des Krieges sind so viel schwerer als die aller andern großen Staaten, unsere wirtschaftliche Zukunft ist so ungeklärt, daß niemand von Deutschland ein Borangehen in der Frage der Ratifizierung erwarten kann."
(Siehe auch S. 45).
Hier sei angemerkt,
daß nach Lage der Dinge sehr wohl überlegt werden müßte,
ob internationale Regelungen auf sozialpolitischem Gebiete nicht grundsätzlich von der ganz ungleichen Bedeutung aus gehen müßten, die dem Arbeitskraftfaktor in den einzelnen Industrieländern zukommt. „Arbeitsintensive" und „kapital
intensive" Länder stehen vor prinzipiell ganz andern Lagen; wo die Arbeitskraft teilweise für den fehlenden Boden-
und Kapitalfaktor mit aufkommen muß, muß sie — bei aller selbstverständlichen Schonung und Schätzung — sich
doch unter Umständen freier bewegen können als in Ländern mit Boden- und Kapitalüberschuß.
Der Grundsatz sozialer
Gerechtigkeit, dem alle Sozialpolitik und alles Arbeitsrecht unterworfen bleibt, erfordert dann Lösungen nicht im Sinn
unbedingter Gleichmachung, sondern im Sinn des Aus gleichs:
Waren-,
wobei freilich
freier Weltmarkt hinsichtlich
Kapitalien- und Arbeitskrästeverkehrs
des
Voraus
setzung sein sollte.
Die
unlängst
abgeschlossene
Berufs-
und
Betriebs
zählung zeigt das Deutsche Reich weiterhin aus dem Wege zum Industriestaat und zur großbetrieblichen Wirtschasts-
19
Sozialpolitische Einleitung. weise.
Mag man eS bedauern, man muß damit rechnen;
dem Arbeitsrecht erwachsen damit immer dringlichere Auf gaben, vielleicht 4/s der Gesamtbevölkerung unterliegen
seinen Vorschriften mittelbar oder unmittelbar.
ES ist im
Begriff, „Bürgerliches Recht" zu werden. Im selben Maße aber,
wie
die
großen
Massen
des
deutschen
Volke-
zu Arbeitnehmern werden, ist ihr Einkommen als Lohn ein abgeleitetes, sind sie auf die wittschastlichen Erfolge zumal
der
großen
Unternehmungen
angewiesen.
Ungeheuer
verantwortungsvoll ist die Lage des Gesetzgebers, der auf dieser Grundlage arbeitet, der der Wirtschaft keine Ketten
anlegen darf und doch gegenüber privatwirtschastlichem Denken immer wieder auf soziale Notwendigkeiten Hin
weisen muß.
Manches wird davon abhängen, daß sich in
den Spitzen der großen Unternehmungen privat- mit volkswittschaftlichem und sozialem Geiste und Verständnis paart:
nicht im Sinn eines endgültig überwundenen patriarchali schen Systems mit zwangsweise auferlegten Wohlfahrts-
einrichtungen, sondern im Sinne neuzeitlicher Sozialpolitik, die mit der Formel „konstitutionelle Fabrik" die Schwierig
keiten so wenig lösen will, wie es jene ältere Richtung des Arbeitgebettums mit der Parole „Herr im eignen Haus"
vermochte. Es liegen hinreichend Zeichen dafür vor, daß sich Wandlungen beim Unternehmertum, das sich heute der Gesellschaft für soziale Reform zur Verfügung gestellt hat, vorbereiten; Wandlungen sind auch aus gewerkschaft
licher Seite zu verzeichnen, wenn sie auch nicht eindeutig
sind; Arbeitsgemeinschaften müssen wieder das gemeinsame Ziel sein.
Die in neuer Fassung vorliegende, hier hauptsächlich darzustellende Arbeitszeitverordnung stellt den Grundsatz 2*
ArbeitSzeitschutz.
20
des Achtstundentage- auf. Die zahlreich vorgesehenen Aus nahmen sind teils solche, die das Gesetz selbst trifft (a),
teils
festzulegende (b),
tarifvertrag-mäßig
teils
solche,
welche mit behördlicher Genehmigung stattfinden (c) (s. S. 36). Gegenüber der Regelung, die verwandte Materien vor dem Kriege fanden, sehen wir den Tarifvertrag als neue Rechts
quelle; das entspricht der bedeutenden, wenn auch manchmal
überschätzten Rolle, welche die tarifliche Abmachung im neuen Arbeitsrecht allgemein inne hat. — Dabei ist die
zehnstündige Arbeitszeit überall die Grenze, bis zu der gegangen werden darf.
Der Arbeitstarifvertrag hat eine
neue Bedeutung dadurch gewonnen, daß die in ihm fest
gesetzte Arbeitszeit auch nach seinem Ablauf nicht über
schritten werden darf. Man wird annehmen müssen, daß die Verordnung in sehr
vielen Fällen nur als Rahmen gelten wird, innerhalb dessen die korporative Abmachung beider Gruppen einen erheb
lichen Spielraum besitzt.
Dieser Grundsatz ist richtig.
Er
gibt der Selbsthilfe der Organisationen, was ihnen aus Grund ihrer Macht und Verantwortung gegeben werden
darf, ohne ihnen das ganze Feld zu überantworten. Die Aufgabe, die hierdurch den Praktikern des Arbeits rechts und des Arbeiterschutzes erwächst,
wenig
prinzipiell Neues:
denn
ein
enthält für sie
beträchtlicher
Teil
aller heute gellenden Normen setzt sich aus solchen des
Gesetzes l-uzüglich der Verwaltung) und solchen der vertrag lichen Regelung zusammen.
Selbstverwaltung ist in
sozialpolllischen Dingen schon heute vielfach die Regel, in ihrer Erweiterung llingen die Wünsche vieler Unternehmer
und Arbellnehmergruppen zusammen, wie kürzlich erst aus
der Hamburger Tagung der Gesellschaft für soziale Reform
Gozialpolltifche Einleitung. hervortrat.
21
Zweifellos wird die Verordnung durch die
Erfahrungen, welche auf der neu geschaffenen Grund lage durch die Parteien gesannnell werden, nicht nur er gänzt werden, sondern eS werden sich auch diejenigen Stellen
-eigen, wo Abänderungen notwendig werden.
Daß diese
Erfahrungen in nicht zu ferner Zeit gewertet werden, geht
schon au- dem provisorischen Charatter der ArbeitSzeitverordnung hervor. So wird sich jeder, der mit ihr in der PraxiS
arbeitet, seiner Mission bewußt sein, an der künftigen end gültigen Arbeitszeitgesetzgebung Deutschlands mitzuwirken.
22
Einführung in die Arbeitszettgesetzgebung. Der verlorene Weltkrieg konnte dem deutschen Volke
trotz der unerhört harten Friedensbedingungen sein wert vollstes Gut, die Arbeitskraft, nicht rauben. Verwendung muß dazu
führen, die
Ihre richtige
drückenden Kriegs
schulden zu tilgen, das verlorene Kapital und den verlorenen Kredit wiederzuerlangen und den Wettbewerb mit
Auslande bestehen zu können.
dem
Die Erkenntnis von der
höchsten Wichtigkeit der Arbeitsleistung eines jeden Deut schen kommt bereits in dem Erlaß der Reichsregierung
vom
1. März 1919 (Deutscher Reichsanzeiger Nr. 52
vom 3. März 1919) zum Ausdruck: „Noch größer als die politische Gefahr ist die wirtschaftliche Notlage unseres Volkes.
Da lautet das erste Gebot: An die Arbeit!
Nur sie kann
uns retten. Im neuen Deutschland sott Arbeit sozialpolitische Pflicht sein, Müßiggang und genußsüchtiges Drohnentum mit allen Mitteln unterdrückt und ausgemerzt werden.
Vorwärts
drum auf dem Wege
organisch ausbauender
Arbeit!"
Jeder Deutsche hat also nicht nur das Recht aus Arbeit —
„Recht" bedeutet hier kein juristisches Recht, kein subjektives Recht der Einzelperson, sei es privater, sei es öffentlicher
Natur; denn Art. 163 Abs. 2 der Verfassung, wonach jedem Deutschen
die Möglichkeit
gegeben
werden
soll,
durch
wirtschaftliche Arbeit seinen Unterhalt zu erwerben, enthält
Einführung in die Arbetts-eitgefetzgebung.
23
lediglich ein Programm und wendet sich an den Gesetzgeber (Kaskel) —, sondern auch die Pflicht -urArbeit, wie schon {1
des So-ialisierungsgesetzes vom 23. 3.19 (RGBl. S.
341) ausdrücklich betont: „Jeder Deutsche hat unbeschadet seiner persönlichen Freiheit die sittliche Pflicht, seine geistigen und körperlichen Kräfte so zu betätigen, wie e- das Wohl der Gesamtheit erfordert —"
wörtlich
mit
Art. 163 Abs. 1
(§ 1
Abs. 1
stimmt also
der Verfassung überein).
Das Wort „Pflicht" ist hier nicht gebraucht
im Sinne
des Arbeitszwanges, sondern der starken moralischen Kraft
und des klaren entschiedenen Pflichtbewußtseins der Ge
samtheit gegenüber.
In der Erkenntnis, daß die Arbeitskraft „das höchste wirtschaftliche Gut" sei (so das Sozialisierungsgesetz §1 Abs. 2; Art. 157 Abs. 1 der Verfassung, der dem §1
Abs. 2 entspricht, betont dies nicht ausdrücklich), wird sie unter den besonderen Schutz des Reichs gestellt (Art. 157
Abs. 1).
Der Grundgedanke der Arbeitsschutzgesetzgebung
ist also, die Arbeitskraft des Arbeitnehmer- nicht nur als
persönliches
Gut bei ihrer Verwendung im ArbeitSver-
HLltnis vor Schaden zu bewahren, sondern sie auch als ein Stück Nationalgut staatlich besonders zu schützen.
Rechtlich blldet der hier zu behandelnde Arbeitszeit schutz den einen Tell des gesamten Arbeitsschutzes, während
der andere Tell den Betriebsgefahrenschutz zum Gegen stände hat. Der Arbeitszellschutz kann hygienischer (sanitärer)
oder kultureller Art sein. Je nachdem der gesetzlich
geregelte Zeitabschnitt im
Arbeitsverhältnis der einzelne Arbeitstag oder die einzelne
Arbeitswoche ist, sprechen wir von einem Tage-- oder Wochen
schutz.
Die Regelung erstreckt sich auf die Höchstdauer
«rbettszeitschutz.
24
(Maximalarbeitstag, Maximalarbeitswoche), die Bertei
lung (Feierstunden, Feiertage) und die Unterbrechung (Pausen, Mindestruhezeiten, Ruhetage) der Beschäftigung
(SaSkel S. 166).
Die geschichtliche Entwicklung deS ArbeitszeitschutzeS zeigt, daß in allen Kulturländern sich schon früh die Einsicht durchgesetzt hat, daß daS System unverhältnis
mäßig langer Arbeitszeiten die Gesundheit und die Leistungs fähigkeit schädige.
AuS dieser Erkenntnis entsprangen die
ersten Anfänge einer Beschränkung der Arbeitszeit aus sozialpolitischen Gründen durch Festlegung eines hygieni
schen Höchstarbeitstages.
Wie in allen anderen Ländern,
wurden auch in Deutschland zuerst Frauen und Jugendliche
geschützt.
So erging unter dem 9. März 1839 daS „Preu
ßische Regulativ über die Beschäftigung jugend licher Arbeiter in Fabriken", das neben dem Verbot der Fabrikarbeit für Kinder unter neun Jahren die Beschrän kung der Arbeitszeit der Jugendlichen unter sechzehn Jahren
aus zehn Tagesstunden brachte.
Eine Erweiterung erfuhr
das Regulativ im Laufe der Zeit insofern, als im Jahre
1855 das Schutzalter auf zwölf Jahre erhöht wurde und die jugendlichen Arbeiter bis zum vollendeten vierzehnten
Lebensjahre nur sechs Stunden täglich zur Arbeit heran gezogen werden dursten.
Arbeiterschutzes,
Diese preußische Regelung deS und
verstärkt
wurde, wurde in die norddeutsche, später die
Reichs
die
allmählich
erweitert
gewerbeordnung vom 21. März 1869 übernommen. Titel VH^dieser Gewerbeordnung ist für die Folgezeit die
Grundlage des gewerblichen Arbeiterschutzes geblieben.
Das Anwachsen der deutschen Industrie und die damit verbundene Zunahme der Zahl der jugendlichen und weib-
26
Einführung in Me ArbettSzettgesetzgebrwg.
lichen Arbeiter führten im Jahre 1878 zur ersten Vorschrift -um Schutze der Arbeiterinnen.
Sie beschränkte sich aller
dings darauf, dem Bundesrat die Befugnis
geben, die
Arbeitszeit der Arbeiterinnen in gewissen Industriezweigen zu verkürzen.
Die häufig al- „Arbeiterschutzgesetz- bezeich
nete Novelle zur Gewerbeordnung vom 1. Juni 1891
brachte dann für Deutschland zum
erstenmal die
Fest
setzung eine- Höchstarbeitstages auch für erwachsene
Arbeiter, wenn auch zunächst nur für die Frauen.
Die
in vielen Betrieben übliche oder notwendige Zusammen
arbeit der Frauen mit Männern führte aber dazu, daß auch
diese vielfach den Vorteil der gesetzlichen Regelung mit genossen.
weitere
DaS Jahr 1908 brachte schließlich durch eine
Novelle
zur
Gewerbeordnung,
insbesondere
durch Einführung des zehnstündigen Höchstarbeitstages für
Frauen und Jugendliche, den Arbeitsschutz auf den Stand,
den er bis zum Kriege einnahm und zum Teil heute noch einnimmt.
Hiernach war die Arbeitszeit der gewerblichen Ar beiter grundsätzlich nur insoweit gesetzlich beschränkt, al-
dies aus Rücksichten der Gesundheit oder Sittlichkeit nötig
erschien.
Die erwähnten Schutzvorschristen, insbesondere
daS Verbot der gewerblichen Kinderarbeit, die Beschränk
kungen der Arbeitszeit der jugendlichen Arbeiter und der Arbeiterinnen und ihr Ausschluß von bestimmten Beschäf tigungen
entsprangen
ausschließlich
oder
überwiegend
solchen Gründen. ArbeitSzeitbeschränkungen für erwachsene
männliche Arbeiter bestanden grundsätzlich nicht.
Nur in
besonders gesundheitsschädlichen Gewerben war für diese Arbeiter eine Höchstarbeitszeit festgesetzt. Sie galt dann nicht nur für Arbeiter, sondern auch für Betriebsbeamte, Werk-
Arbeitszeitschutz.
meister und Techniker. Für Angestellte, und zwar beiderlei
Geschlechts, beschränkte sich im übrigen der Arbeitsschutz aus offene Verkaufsstellen, für die eine ununterbrochene
Mindestruhezeit von zehn bis elf Stunden und eine an
gemessene Mittagspause vorgeschrieben waren; eine mittel bare Arbeilszeitbeschränkung ergab sich außerdem aus den
Vorschriften über den Ladenschluß während gewisser Nacht stunden (Begründung zum ASchG. S. 45/46, an die sich,
wie hier bemerkt sei, die Darstellung der geschichtlichen Entwicklung des Arbeitszeitschutzes tellweise wörtlich anlehnt). Außer den beiden oben erwähnten Novellen zur Ge
werbeordnung sind noch als besonders wichtig zu nennen: die Abänderungsgesetze zur Gewerbeordnung vom 30. Juni
1900 und vom 27. Dezember 1911 sowie das Kinderschutzgeseh vom 30. März 1903 (ergänzt durch Gesetz vom 31. Juli
1925 —RGBl. S. 162), welches eine bedeutende Ergänzung des Schutzes der Gewerbeordnung darstellt. Der Kriegsausbruch verbot vorläufig jede Weiterent
wicklung des Arbeitsrechts und im besonderen des Arbeits
schutzes; das Gesetz vom 4. August 1918 (s. unten) hob fast sämtliche Arbeiterschutzbestimmungen auf, da alle verfüg
baren Arbeitskräfte rücksichtslos für militärische Zwecke frei
gemacht werden mußten. Seit der Staatsumwälzung lebte die alte Forderung der
Arbeiter
Antrag
—
1869:
im Reichstag
Eisenacher
Programm, 1885:
(RT.-Drucks. Nr. 10, II. Session
1885/86), 1891: Erfurter Programm —, den Acht stundentag allgemein einzuführen, wieder mächtig auf
und wurde der Hauptfaktor der politischen und wirt schaftlichen Kämpfe. Der Regierung erwuchs also vor allem die Aufgabe, einen den Bedürfnissen der Zeit und
Einführung in die «rbettszettgesetz-ebung.
genügenden Ar
den Anforderungen der Arbeitnehmer
beitsschutz -u schaffen.
Der
27
während deS Krieges not
wendigerweise betriebene Raubbau an menschlicher Ar beitskraft sollte nicht weiter fortgesetzt werden, die außer
Kraft gesetzten Arbeiterschutzbestimmungen mußten wieder
Gültigkeit vom
erlangen.
(Die BO. über Arbeiterschutz
12. 11. 18 — RGBl. S. 1309 hob das Gesetz
betreffend
Ausnahmen
von
Beschäftigungs
beschränkungen gewerblicher Arbeiter vom4.8.14 — RGBl. S. 333 — auf.)
Bor allem sollte die lange
Ausdehnung der Arbeitszeit eingeschränkt werden.
Entsprechend
der
Ankündigung
de-
Rats
der
Bolksbeauftragten vom 12.11.18 (RGBl. S. 1303), welche die Einführung des achtstündigen Höchstarbeitstages
spätesten- zum 1. Januar 1919 in Aussicht stellte, wurde
durch die Demobilmachungsverordnungen über die Arbeitszeit der gewerblichen Arbeiter vom 23.11./ 17.12.18 (RGBl. S. 1334, 1436) und der Angestellten
vom 13.3.19 (RGBl. S. 315) für alle gewerblichen Ar beiter und für alle Angestellten ohne Unterschied des Alters,
des Geschlechts und der Betriebsgröße die achtstündige Arbeitszeit verbindlich festgelegt. Zum erstenmal in der
deutschen
Gesetzgebung tritt
also hier der Gedanke des kulturellen HöchstarbeitStages
neben den des hygienischen.
Da aber eine völlig schematische Durchführung deS Acht stundentages in einzelnen Fällen aus Gründen der ökono mischen Zweckmäßigkeit und der volkswirtschaftlichen Ent
wicklung nicht möglich ist und zu wirtschaftlichen Schwierig keiten führen muß, wurden Ausnahmen zugelassen (Be fugnis der DemobümachungSkommission).
SS
Arbeitszeitschutz.
Die Einfügung der BO. in das System de- bisher be stehenden Rechts war bei der Art des Entstehen- (Schnellig keit — stark politischer Einschlag) nur in beschränktem Maße möglich. Man mußte sich damit begnügen, die gesetzlichen Bestimmungen, die den Vorschriften der DemobilmachungSB O. zuwiderliefen, als aufgehoben -u erklären. Eine baldige einheitliche Regelung war daher erwünscht, bei der auch die Grundbegriffe besser herausgearbeitet werden und eine wissenschaftliche Vertiefung Platz greifen sollte. Deshalb legte die Reichsregierung im August 1921 den Entwurf eine- Gesetzes über die Arbeitszeit gewerblicher Arbeiter (Drucks, des Reichsrats 223/1921) und im Mai 1922 den Entwurf eines Gesetzes über die Ar beitszeit der Angestellten (Drucks. deS Reichsrats 123/1922 vor (s. hierzu: Verhandlungen und Gutachten des Vorläufigen Reichswirtschastsrats, Vorarbeiten zu den Arbeitszeitgesetzen für Arbeiter und Angestellte, 28. Son-derheft des RABl.). Noch vor der Beratung der Entwürfe im Reichsrat und Reichstag trat im Jahre 1923 eine derartige Verschlech terung der gesamten wirtschaftlichen Lage ein, die eine grundlegende Änderung nötig machte.
Die Vereinbarungen, die -wischen den Parteien der „Großen Koalition" und der Reichsregierung am 5./6. Ok tober 1923 zustande kamen, lauten (wörtlich vom ReichsarbeitSminister in der Begründungsrede zum AZNG. wiederhott — 304. Sitzung, III. WP. 1924/27): „Die schwere Not unsere- Landes läßt eine Steigerung der Gütererzeugung dringend geboten erscheinen. Das wird nur unter restloser Ausnutzung der technischen Errungen schaften bei organisatorischer Verbesserung unserer Wirt-
Einführung in die ArbeitS-eitgesetzge-ung.
29
schäft und emsiger Arbeit jede- einzelnen zu erreichen sein. Reben der Steigerung der Produktion durch diese Mittel wird auch die Neuregelung der ArbeitSzeitgesetze unter
grundsätzlicher Festhaltung des Achtstundentag- als Normal-
arbeitStag nicht zu umgehen sein.
Dabei ist auch die Mög
lichkeit der tariflichen oder gesetzlichen Überschreitung der
jetzigen Arbeitszeit im Interesse einer volttwirtschaftlich
notwendigen Steigerung und Verbilligung der Produktion
vorzusehen. Für die öffentlichen
Verwaltungen finden ähnliche
Grundsätze Anwendung."
Dementsprechend
wurde
in aller Elle der Entwurf
eines vorläufigen Gesetzes über tRT.-Drucks. 6279, I. WP. 1920/23)
die Arbeitszeit aufgestellt, wobei
folgende Gesichtspunkte Beachtung fanden: a) Förderung und Verbilligung der Gütererzeugung,
dabei b) möglichste Berücksichtigung der sozialpolllischen Be lange, dadurch
c) Beseitigung wesentlicher Hemmungen für die Be tätigung des Arbeitswillens.
Deshalb: a) Grundsätzliche Festhaltung am Achtstundentag, dabei
aber b) Ausnahmen, und zwar
1. auf Grund tariflicher Vereinbarungen,
2. auf Grund behördlicher Genehmigung. Der beiden
Entwurf stellte nur ein Abänderungsgesetz der
Demobllmachungsverordnungen
(ArbAO.
23.11.18 und AngBO. vom 18. 3.19) dar.
vom
Er behandelt
30
ArbeitSzettschutz.
Arbeiter und Angestellte, mußte aber davon absehen, den
gesamten Inhalt
der noch dem Reichsrat vorliegenden
Gesetzentwürse für Arbeiter und für Angestellte zu ersassen.
Infolge der inzwischen eingetretenen weiteren Erschwe
rung der
politischen und wirtschaftlichen Lage gelangte
das Gesetz nicht mehr im Reichstag zur Verabschiedung.
Inzwischen lief jedoch die Geltungsdauer der ArbAO.
und AngBO. (letztmalig durch BO. vom 29.10.23 — RGBl. S. 1037 — bis zum 17.11. 23 verlängert) ab, und es
trat ein völlig unhaltbarer Zustand ein.
In Kraft waren
nur noch wieder die bis zum Erlaß der Demobilmachungs
verordnungen gültigen Vorschriften der Gewerbeordnung. Auf Grund des Ermächtigungsgesetzes vom 8. 12. 23
(RGBl. S. 1179) griff die Reichsregierung auf den Entwurf
eines vorläufigen Gesetzes über die Arbeitszeit zurück und
setzte diesen mit geringfügigen Änderungen in Form einer Verordnung über die Arbeitszeit vom 21. 12. 23 (RGBl. S. 1249) in Kraft.
Der Geltungsbereich ist derselbe wie in den beiden
Demobllmachungsverordnungen, d. h. Zisf. I der ArbAO.
und § 11 der AngBO. (Ausdruck gewerblicher Arbeiter im
weiteren Sinne des Tit. VII GO. zu verstehen).
Im ein
zelnen sei folgendes hervorgehoben: Hausgehilsen fallen nicht unter die BO. (der Ent
wurf eines Hausgehilsengesetzes liegt z. Zt. dem Reichsrat vor).
Für
die
in
der
Krankenpflege
beschäftigten
Personen besteht eine besondere BO. (S. 306). Ebenso ist die Arbeitszeit in der Landwirtschaft durch eine besondere Verordnung geregelt geblieben (S. 276).
Dagegen ist der Bergbau wieder eingeschlossen.
Solange
galt das Gesetz über die Arbeitszeit im Bergbau
Einführung in die Arbeitszeitgesetzgebung.
31
unter Tage vom 17. 7. 22 (RGBl. S. 668). Ziff. I ArbAO.
begriff den gesamten Bergbau ein. Durch das Gesetz vom 17.7.22 wurde der Bergbau unter Tage besonders geregelt,
da die zur Zeit des Erlasses nicht ausreichende Kohlenversor gung dazu zwang, in den Kohlenbergwerken Überschichten zu verfahren.
Die Einführung solcher
Überschichten stieß
jedoch aus den Widerstand der BergarbeiterverbLnde, die befürchteten, es möchte hierdurch eine dauernde Verlänge rung der tariflich vereinbarten Arbeitszeit, die der Über
lieferung
dieses
Berufszweiges
entsprechend kürzer
als in den meisten anderen Betrieben, entstehen.
ist,
Das
Gesetz bezweckte, derartig unbegründeten Befürchtungen vorzubeugen, indem es die regelmäßige Arbeitszeit sestlegt.
Der Entwurf beschränkte das Gesetz auf den Steinkohlen
bergbau unter Tage. Im Reichstag drang die vom Sozial politischen Ausschuß des Vorläufigen Reichswirtschaftsrats in seinem Gutachten vom 29.6. 21 gewünschte Ausdehnung
auf den gesamten Bergbau unter Tage durch.
Die hauptsächlichsten Bestimmungen des Gesetzes sind in den §8 der AZBO. ausgenommen.
Für das Berkehrsgewerbe bleibt Ziff. III der ArbAO.
weiter maßgebend. Beamte fallen nicht unter die AZBO. (das Ber-
hättnis des Beamten zum Reiche oder Staate ist ein öffent lich-rechtliches, der Beamte erhält keinen Lohn, sondern eine
Rente), wohl aber Arbeiter und Angestellte in Be trieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts. Hinsichtlich der Arbeitszeit in Bäckereien und Kon
ditoreien besteht eine
besondere BO. vom
23.11.18,
die durch Gesetz vom 16. Juli 1927 (RGBl. S. 183) ab geändert worden ist.
ArbettSzeitschutz.
32
Die Vorschriften des Vetneb-rätegesetze- bleiben uw*
berührt.
Die Uberstundenbezahlung wird nicht einbezogen.
Hingegen regelt die neue AZBO. diese Frage.
gelegte
Arbeitsdauer
ist
grundsätzlich
des Zulässigen zu verstehen.
An
als
Die fest
Obergrenze
den Bestimmungen
des bürgerlichen und des Arbeit-rechts über den Umfang
der Leistungspflicht der Arbeitnehmer wird, soweit die BO.
nichts anderes bestimmt, nichts geändert (§§611,613 BGB., § 121 GO. Arbeitsvertrag, Arbeitsordnung, §§ 60,61 HGB.,
«124b, 134 GO.). Im Laufe der Zeit war die AZBO. vom 21.12. 23 zahlreichen Angriffen sowohl von Arbeitgeber- wie auch
von Arbeitnehmerseite ausgesetzt.
Bon Arbeitnehmer
seite wurde eingewendet:
a) Die nach der AZBO. möglichen und vielfach in An spruch genommenen langen Arbeitszeiten seien sozial
politisch bedenklich und mit der bestehenden Arbeits
losigkeit nicht vereinbar. b) Tarifverträge würden von Arbeitgebern gekündigt, um eine längere, nach § 6 zulässige Arbeitszeit be
willigt zu erhalten. c) Unter der Geltung der AZBO. seien vielfach die
vor ihrem Inkrafttreten üblichen Lohnzuschläge für die über 48 Stunden
wöchenUich
hinausgehende
Arbeitszeit in Fortfall gekommen.
d) Die Mehrarbeit über 10 Stunden müsse stets von der behördlichen Genehmigung abhängig gemacht
werden. e) Die Möglichkeit, eine an sich ungesetzliche, aber von den
Arbeitnehmern
freiwillig
geleistete
Arbeit
unter Umständen straffrei zu lassen, hätte zu großen
Einführung in die Arbeitszettgesetzgebong.
33
Unzuträglichkeiten geführt. (Diese Vorschrift bildete die Hauptursache für die vielfachen Klagen und
Beschwerden über allzu lange Arbeit-zeiten.)
Von Arbeitgeberseite wurde betont: a) Die Überschreitung der Zehnstundengrenze sei für
gewisse Gewerbezweige, für die sie bisher unmöglich wäre, bisweilen erforderlich.
Z. B. Steinkohlen
bergbau. b) Das Bedürfnis, einzelnen Arbeitern gewisse Borund Nacharbeiten auch über zehn Stunden hinaus
zu gestatten, sei unabweisbar. Aus den Erwägungen heraus, zu denen diese Klagen
der Arbeitnehmer und Arbeitgeber anregten, und zugleich auch in der Erkenntnis, daß durch die überhandnehmende Überstundenarbeit ihr Arbeitsbeschaffungsprogramm (RT.-
Drucks. Nr. 2921, III. WP. 1924/27 — und Erlaß des ReichS-
arbeitSministers vom 9.11. 26 — RABl. S. 373, abgedruckt S. 196 unten) gefährdet sei, entschloß sich die ReichSregie-
rung, den Entwurf eines Gesetzes zur Abänderung der AZBO. (RT.-Drucks. Nr. 3245, III. WP. 1924/27) mit folgender Begründung vorzulegen: „Die ungünstigen Verhältnisse aus dem Arbeitsmarkte
haben in letzter Zeit die Klagen immer lauter werden lassen, daß die nach
der gellenden
ArbeitSzellregelung
möglichen und vielfach in Anspruch genommenen langen Arbeitszeiten sozialpolllisch bedenklich und mit
der be
stehenden Arbeitslosigkeit nicht vereinbar seien. Die Reichs
regierung ist bemüht gewesen,
die
Berechtigung dieser
Klagen zu prüfen, indem sie durch eine Erhebung der ReichSarbeitsverwattung die tatsächliche Dauer der ArbeitS-
zeit in einigen wichtigen Industrien seststellen ließ. Günther-Schneider, Arbetts zett schütz.
3
Diese
34
ArbettSzettschutz.
Erhebung konnte bei ihrer Schwierigkeit und bei der Be
schränkung der zur Verfügung stehenden Zeit nur einen
verhältnismäßig kleinen Dell der Industrie umfassen und deshalb kein vollständiges Blld liefern.
Sie ist im RABl.
Nr. 5 vom 10. 2. 27 veröffentlicht. Auch diese Teilerhebung bestätigt die Klage über den großen Umfang der über
arbeit in gewissen Industrien, wenngleich Mißbrauche nicht in dem Umfang sestgesteltt wurden, wie vielfach angenommen worden war.
Der schon im Laufe des letzten Jahres unternommene Versuch, im Verwaltungsweg eine Einschränkung der über arbeit und eine strengere Durchführung der ArbeitSzeit-
vorschristen zu erreichen, hat sich nicht als ausreichend er wiesen. Auch die weitere Durchführung des § 7 der Arbeits zeitverordnung, auf Grund dessen in letzter Zeit für einige besonders gesundheitsgefährliche Gewerbezweige verschiedene
neue Ausführungsverordnungen ergangen sind, genügt nicht, da sich die Verordnungen nur in den beteiligten Industrie zweigen auswirken.
Unter diesen Umständen hat sich die Reichsregierung, entsprechend der von ihr kürzlich in der Regierungserklärung
gegebenen Zusage, zu einer sofortigen Abänderung der Arbeitszeitverordnung
entschlossen.
Sie
war sich
von
vornherein darüber klar, daß diese Abänderung nicht so weit gehen könne, wie sie der neuerdings im Reichstag
von
einer
Fraktion
eingebrachte
Jnitativgesetzentwurf
fordert, der, von den sonstigen erhobenen Forderungen ganz abgesehen, jede produktive Mehrarbeit mit einem
Schlage rechUich beseitigen würde.
Eine derartig starre
Durchführung des Achtstundentags würde der deutschen Wirtschaft Lasten auserlegen, die sie heute nicht zu tragen
Einführung in die ArvettSzettgefetzgebuug.
36
vermag. Sie ginge nicht nur weit über die Regelung hinaus, die da- Washingtoner Übereinkommen über die Arbeit-zeit
vorsieht, sondern auch über alle-, waS, soweit bekannt, in
irgendeinem Lande der Welt bisher gesetzlich verwirklicht worden ist.
Eine Notregelung — und um sie allein kann
e- sich hier handeln — darf nicht das geltende ArbeitSzeit-
recht völlig umstürzen und die endgültige Regelung vorweg
nehmen, die das bereit- dem Reichsrat vorliegende ArbeitSschutzgesetz bringen soll.
Sie muß sich vielmehr auf die
dringlichsten Abänderungen der Arbeitszeitverordnung be
schränken, besonder- auf die Beseitigung derjenigen Vor schriften, die in den besonderen, bei Erlaß der Arbeitszeit verordnung bestehenden Ausnahmeverhältnissen ihren Grund
hatten, unter den heutigen veränderten Verhältnissen aber nicht mehr berechtigt oder erforderlich erscheinen.
Zugleich
muß die strenge Durchführung des geltenden Rechte stärker als bisher gesichert werden. Da- sind die Absichten, die der vorliegende Gesetzentwurf verfolgt.
Fall- sie er
reicht werden, wird das ausreichen, um bestehende Miß
stände zu beseitigen und einen bis zum Inkrafttreten einer endgültigen gesetzlichen Regelung erträglichen Zustand zu schaffen."
Wegen der Dringlichkeit der Vorlage wartete die Reichs regierung eine Begutachtung durch den Reichswirtschaftsrat
vor Weitergabe an den Reichsrat nicht erst ab. Da- Gesetz löste bereüs im Reich-rat die heftigsten Kämpfe aus, die am 2.4.27 bei der 1. Beratung im Plenum
de- Reichstags (304. Sitzung) fortgesetzt wurden, wo der Reichsarbeitsminister die Vorlage nochmals eingehend be
gründete. Vom Ausschuß wurde das Gesetz am 6. und 7.4. beraten und zunächst nur ein mündlicher Bericht erstattet
y
36
«rbett-zettfchutz
(RT.-Drucks. Nr. 3338, III. WP. 1924/27). — Später er-
folgte schriftlicher Bericht (RT.-Drucks. Nr. 3392). — Nach lebhaftesten Auseinandersetzungen wurde das Gesetz vom Reichstag am 8. 4. 27 (309. Sitzung) gegen die Stimmen der Sozialdemokraten, Demokraten, Kommunisten und der
Wirtschaftlichen Bereinigung verabschiedet.
DaS Gesetz will der endgültigen Regelung durch das ASchG. nicht vorgreifen, sondern stellt lediglich eine Not
regelung dar, daher heißt es allgemein Arbeitszeitnotgesetz. Mit den durch dieses Gesetz erfolgten Änderungen
wurde die AZBO. neugefaßt und als Verordnung über die
Arbeitszeit vom 14. 4. 27 im RGBl. S. HO ver
öffentlicht.
Inhalt der neuen AZBO. A. Grundsatz: Achtstundentag. B. Ausnahmen: a) kraft Gesetzes:
1. Umlegung ausgefallener Arbeitsstunden ($ 1), 2. Mehrarbeit nach Wahl des Arbeitgebers an 30 Tagen
(§3),
3. Jnstandhaltungs- und Reinigungsarbeiten u. a. (§ 4), — 1 bis 3: Arbeitszeit bis 10 Stunden, zu l ev. auch über 10 Stunden —
4. Notfälle, außerordentliche Fälle, Gefährdung des Arbeitsergebnisses,
unverhältniSmäßiger
Schaden
(§ 10), 6. Vorbereitung--und ErgänzungSarbeiten (außer §7); — 4 und 6: zulässige Arbeitszeit über 10 Stunden —
Einführung in die ArbettS-eUgesetzgebung.
37
b) kraft Tarifvertrag- ($ 6): Arbeit-zeit über 10 Stunden nicht zulässig;
c) mit behördlicher Genehmigung:
1. Mehrarbeit für einzelne Betriebe (§ 6): a) au- betriebstechnischen Gründen, ß) aus allgemein wirtschaftlichen Gründen; — Arbeitszeit bis zu 10 Stunden — 2. Mehrarbeit über 10 Stunden: aus dringenden Gründen des Gemeinwohls tauch $7); zu a) und c):
für Gewerbezweige oder Gruppen von beitern, die unter besonderen Gefahren Leben und Gesundheit arbeiten ($ 7):
Ar für
1. auS dringenden Gründen des Gemeinwohl-, — Arbeitszeit 10 ev. über 10 Stunden (dann behörd liche Genehmigung) — 2. falls die Überschreitung in langjähriger Übung sich als unbedenklich erwiesen hat, — Arbeitszeit bis zu 8% Stunden —. C, Nach Ablaus einer tarifvertraglichen Regelung der Arbeitszeit ist innerhalb der nächsten 3 Monate keine längere Arbeitszeit als im Tarifvertrag zugelassen (§ 6). D. Für Mehrarbeit ist als angemessene Vergütung grundsätzlich ein Ausschlag von 25% zu zahlen (§ 6a).
Diese Verpflichtung besteht nicht: a) wenn 48-Stunden-Woche nicht überschritten, b) bei Arbeitsbereitschaft (§ 2), c) bei Borbereitungs- und ErgänzungSarbeiten (§4),
38
«rbett-zeitschntz.
d) sofern e- sich um Notfälle ober Naturereignisse u. a.
($ 10, j 6 Abs. 1 Satz 1, L. Teil) handelt,
e) bei Saisonarbeiten, sofern Ausgleich stattfindet. E. Befreiung
der weiblichen Arbeitnehmer während
der Schwangerschaft und der Stillzeit auf Wunsch ijetzt
Muß-Borschrift, früher „tunlichst-). F. Strafbestimmungen: Auch die Zulassung der freiwillig geleisteten Mehr arbeit ist jetzt strafbar (§ 11).
Das
ist
die
wichtigste
Änderung
durch
da-
AZNG.
G. Die AZBO. ist ein Schutzgesetz für die Arbeit nehmer, sie regelt nur die öffentlich-rechtliche Seite deArbeitszeitschutzes, greift in das VertragsverhältniS nicht ein. Es ist kein Arbeitszwanggesetz, an sich ist niemand zur Arbeitsleistung verpflichtet.
Ohne Zweifel bringt die durch das AZNG. geänderte AZBO. gegenüber der alten Fassung sozialpolitische Ver
besserungen, indem bestehende Mißstände beseitigt worden sind und ein erträglicher Zustand bis zur endgültigen Rege lung durch das ASchG. Platz greift. Zur größeren Über sichtlichkeit der geltenden Arbeitszeitbestimmungen hat die
neue BO. keineswegs geführt; sie trägt durchaus den Cha rakter einer im Wege des Kompromisses erzielten Gesetzes maßnahme.
Aber das mag hingenommen werden, da,
wie bereits oben erwähnt, es sich um eine Notregelung handelt, die der endgültigen Lösung durch das neue ASchG.
harrt, von dem die Arbeitgeber und Arbeitnehmer da-
Beste erhoffen, damit endlich einmal der Kampf um die Arbeitszeit,
daS umstrittenste Problem
der Sozialpolitik,
Einführung in die «rdettS-eUgesetzge-ung. abgeschlossen werden kann.
39
Der zurzeit dem Vorläufige«
Reichswirtschaftsrat vorliegende Entwurf des Arbeitsschutz
gesetzes, aus dem bereits mehrere Bestimmungen in der neuen AZBO. Ausnahme gefunden haben, besteht aus fünf Ab schnitten, von
denen
der erste
allgemeine Vorschriften
enthüll, der zwette den BetriebSgesahrenschutz -um Gegen
stände hat, während der dritte die ArbeitSzett, der viette die Sonntagsruhe, der fünfte den Ladenschluß behandelt.
Im sechsten Abschnitt ist die Arbeitsaufsicht, im siebenten
die Durchführung des Gesetzes geregelt.
Der hier vor»
nehmlich in Bettacht kommende dritte Abschnitt über die
ArbellSzeit enthält Vorschriften a) allgemeiner Art, b) über
erhöhten Schutz für weibliche und jugendliche Arbeitnehmer, c) über das Nachtbackverbot, d) über die Durchführung der
arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen.
Die Grundgedanken der Neuregelung sind nach der amt lichen Begründung folgende: „Anlaß, eine Neuordnung des Arbeitsschutzes im gegen wärtigen Zeitpunkt in Angriff zu nehmen, bot die not
wendig gewordene endgültige Regelung der ArbellSzeit.
Die Arbeitszeitverordnung vom 21. Dezember 1923 hat,
wie es die Verordnung selbst in ihrer Einleitung zum Aus druck bringt und auch die Reichsregierung seitdem mehrfach
anerkannt hat, nur eine vorläufige Regelung getroffen. Eine endgülttge Regelung im Wege der ordentlichen Gesetz
gebung sollte diese die Arbeitnehmerschaft im besonderen
Maße berührende Frage erfahren, sobald eine hinreichende Klärung der wittschaftlichen Verhältnisse eingetreten wäre. Die mit der Neuordnung der Währung eingeleitete Be festigung der Wirtschastsverhättnisse in den letzten drei Jahren läßt die Inangriffnahme der Arbell geboten er-
40
«rbettSzettschutz.
scheinen.
Eine Reihe von Gewerbezweigen hat -war noch
mit erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen.
Der Entwurf sucht jedoch auch den Bedürfnissen dieser
Gewerbezweige Rechnung zu tragen und die gesamte Rege lung so auszugestalten, daß sie auch in wirtschaftlich un
günstigen Zeiten die nötige Bewegungsfreiheit gibt.
Die
gesetzliche Regelung wird eine Reihe von Streitfragen aus
dem Gebiet der Arbeitszeit beseitigen, die sonst kaum ohne
schwere Erschütterung des Wirtschaftslebens zwischen den
Beteiligten ausgetragen werden würde.
Sie wird eS
schließlich ermöglichen, von der Durchführung des $ 7 der
Arbeitszeitverordnung für alle in Frage kommenden Ge
werbezweige mit den daraus erwachsenden großen Schwie
rigkeiten abzusehen.
Hinzu kommt, daß die Arbeitszeit
regelung auch in den Vordergrund internationaler Erörte
rungen gerückt ist, die eine Nachprüfung erforderlich machen,
ob die deutsche Wirtschaftslage eine dem Washingtoner Übereinkommen über die Arbeitszeit entsprechende gesetz liche Regelung der Arbeitszeit gestattet."
(S. 34.)
„Die Arbeitszeitverordnung von 1923 war von vorn herein nur als eine vorläufige Regelung gedacht und als solche gekennzeichnet.
Sie ist auch in ihrer engen An
lehnung an die von ihr wieder in Kraft gesetzten Demobil
machungsverordnungen in keiner Weise geeignet, die deut schen Arbeitszeitverhältnisse
endgültig zu
regeln.
Ab
gesehen von der unbefriedigenden Tatsache, daß eines der wichtigsten Gebiete des Arbeitsrechts nicht im Wege der ordentlichen Gesetzgebung geregelt ist, hat die Arbeitszeit verordnung insbesondere auch die Undurchsichtigkeit des
bisherigen Zustandes aufrecht erhalten, die sich aus dem Nebeneinanderbestehen
der
Vorschriften
der
Gewerbe-
Einführung in bie Arbeitszeitgesetzgebung.
41
Ordnung und der Bestimmungen der Demobilmachungs-
verordnungen ergibt.
Diese Undurchsichtigkeit ist durch die
neue Arbeitszeitverordnung sogar noch
erhöht
worden,
indem sie neben die wieder in Kraft gesetzten früheren Be
stimmungen ihre eigenen Vorschriften setzt, ohne dabei das Verhältnis der sich häufig widersprechenden Bestimm
mungen zueinander klar zu regeln. ArbeitSzeitverordnung auch
auf.
Daneben weist die
erhebliche Mängel
inhaltlich
Sie gibt auf Grund der Demobilmachungsverord-
nungen sehr weitgehende, jetzt den obersten Landesbehörden
zustehende Ausnahmebefugnisse, die zwar in einer Zeit
größter Umwälzungen notwendig waren, die aber aus die Dauer unerträglich erscheinen.
Außerdem erscheint es,
wie schon oben ausgesührt ist, auf die Dauer nicht angängig, daß über den Arbeitsschutz, der in erster Linie Sache der öffentlich-rechtlichen Regelung ist, die Tarifvertragsparteien
nach fast unbegrenztem Belieben entscheiden."
(S. 47.)
„Bei der Aufstellung des vorliegenden Entwurfs ist von dem Grundgedanken ausgegangen, daß bei der Neuregelung
der Arbeitszeit auf der einen Seite den Bedürfnissen des deutschen Wirtschaftslebens Rechnung zu tragen
ist, daß diese aber mit den schon bisher weitgehend ver wirklichten
Anforderungen
Einklang zu bringen sind. einer
Ratifizierung
im Auge behalten.
des
der
Sozialpolitik
in
Dabei wurde die Möglichkeit
Washingtoner
Übereinkommens
Das Ergebnis ist der vorliegende Ent
wurf, der in Anknüpfung an den bisherigen Rechtszustand den berechtigten Bedürfnissen der Wirtschaft weitgehend
entgegenkommt, zugleich aber auch die Arbeitnehmerschaft vor einer zu weitgehenden Ausnutzung der Arbeitskraft schützt und den mit der Einführung des Achtstundentags
42
ArbeitSzettschutz.
erreichten Kulturfortschritt innerhalb der möglichen Grenzen sichert." (©. 49.) DaS eben erwähnte Washingtoner Übereinkom men ist daS erste von den sechs Übereinkommen, welche die allgemeine Konferenz der durch Tell XIII des Vertrags von Versailles begründeten Internationalen Arbeitsorganisation auf ihrer ersten Tagung in Washington im November 1919 neben sechs Vorschlägen über Arbeits schutzmaßnahmen angenommen hat. Die Übereinkommen sind:
1. Entwurf eines Übereinkommens, betreffend die Fest setzung der Arbeitszeit in gewerblichen Betrieben auf 8 Stunden täglich und 48 Stunden wöchentlich. 2. Entwurf eines Arbeitslosigkeit.
Übereinkommens,
betreffend
die
3. Entwurf eines Übereinkommens, betreffend die Be schäftigung der Frauen vor und nach der Niederkunft.
4. Entwurf eines Übereinkommens, Nachtarbeit der Frauen.
betreffend
die
6. Entwurf eines Übereinkommens, betreffend daMindestalter für die Zulassung von Kindern zur gewerblichen Arbeit.
6. Entwurf eines Übereinkommens, Nachtarbeit der Jugendlichen.
betreffend
die
Bon den sechs Übereinkommen sind hier außer Nr. 1 die unter Nr. 3, 4 und 6 aufgeführten von besonderer Bedeu tung; hiervon hat Deutschland dem unter 3 genannten durch Gesetz vom 16. Juli 1927 -»gestimmt (RGBl. II S. 497). Vgl. auch das entsprechende Gesetz über die Beschäf tigung vor und nach der Niederkunft, ebenfalls
Einführung in die ArVettS-eitgesetzgÄuvg.
vom 16. Juli 1927 (RGBl. 6.184).
43
Da- Übereinkommen
über den Achtstundentag (Nr. 1) ist alS wichtigste- 6.347 abgedruckt.
Der Stand der Ratifizierung diese- Übereinkommens in den anderen beteiligten Ländern ist zurzeit folgender: In England ist die Frage der Ratifikation noch nicht
geklärt, Frankreich totU erst ratifizieren, fall- Deutschland eS tut,
Belgien
hat
auf
Grund
de-
Gesetze- vom
14. Juni 1921 ohne Vorbehalt am 4. August 1926 ratifi ziert, während Italien im Jahre 1924 unter dem Vor
behalt ratifiziert hat, daß die Ratifikation erst in -rast
tritt, sobald Belgien, Frankreich, Deutschland, die Schweiz
und Großbritannien ratifizieren. Unter ähnlichem Borbehalt hat Österreich ratifiziert. Die Schweiz hat bi-her eine Rattfikatton abgelehnt, die Tschechoslowakei hat im
August 1921 ratifiziert ohne Vorbehalt.
In Schweden
für die nächste Zeit kaum zu
ist eine Rattfikatton
er
matten; auch für Amerika kommt eine Rattfikatton zurzeit nicht in Frage, da diese- Land der Internationalen ArbeitS-
organisatton bisher
nicht angehött. (S. die Begründung
-um ASchG. S. 101 f.)
Was zunächst Deutschlands frühere Stellung zur Schaf
fung eines internattonalen Arbeit-rechts anlangt, so hatte bereit- am 5. Oktober 1918 der damalige Reichskanzler in seiner
Programmrede
erklätt,
die
Deutsche
Regierung
werde bei den Fttedensverhandlungen dahin Witten, daß in die Verträge Borschttften über Arbeiterschutz und Arbeiter
versicherung ausgenommen werden, welche die vettragschliehenden Regierungen verpflichten, in ihren Ländern binnen einer gemessenen Fttst ein Mindestmaß gleichattiger
oder doch gleichwettiger Einttchtungen zur Sicherung von
44
ArbeitSzettschutz.
Leben und Gesundheit sowie zur Versorgung der Arbeiter
bei Krankheit, Unfall und Invalidität zu treffen.
Bald
darauf begannen im ReichSarbeitSamt unter Mitwirkung des Auswärtigen Amts und des
Preußischen Handels
ministeriums Beratungen über die Aufstellung eines sozial politischen Programms für den Weltfriedensvertrag.
Den
Beratungen, an denen Vertreter der Arbeitgeber und der
Gewerkschaften sowie bekannte Sozialreformer tellnahmen, lag ein Entwurf der Deutschen Gesellschaft für Bötterrecht zugrunde.
Unter Berücksichtigung der Beschlüsse der Ge-
werkschastskonferenzen in Leeds (Juli 1916) und in Bern (Oktober 1917) — diese Beschlüsse sind in dem Werke von
Stefan
Bauer
„Arbeiterschutz
und
Völkergemeinschaft",
Zürich 1918, Druck und Verlag von Orell Füßli, zusammen
gestellt — kam ein in 27 Punkte gegliedertes Programm zustande, das nicht nur, wie die Ankündigung des Reichs kanzlers vom 5. Oktober 1918 erwarten ließ, Sozialver sicherung und Arbeiterschutz umfaßt, sondern auch für das Arbeitsrecht — im engeren Sinne — gewisse Grundsätze
ausspricht.
Besonders eingehend beschäftigt sich das Programm
mit dem Arbeiterschutze.
Der
Achtstundentag
wird
für alle Arbeiter in gewerblichen Betrieben fest gelegt; die Nachtarbeit zwischen 8 Uhr abends und 6 Uhr
morgens wird grundsätzlich verboten.
Den Arbeitern ist
wöchentlich eine zusammenhängende Ruhepause von min
destens 32 Stunden zu gewähren. Weitere Punkte betreffen den Schutz der weiblichen Arbeiter, insbesondere der Wöch
nerinnen und das Alter für die Zulassung von Kindern zur Lohnarbeit (Drucks, der Nationalversammlung Nr. 215, S. 35).
Einführung in die ArbeitSzeitgesetzgebung.
46
Dieser grundsätzlichen Bejahung der Berechtigung deS AchtftundentageS entspricht auch die jetzige Haltung der
deutschen Reichsregierung gegenüber der Ratifikation deS Washingtoner Übereinkommens, die in der RT.-Drucks.
Nr. 442, III. WP. 1924/26 klar zum Ausdruck kommt. Der Text dieser Drucksache sei im folgenden wiedergegeben.
Der Reichsarbeitsminister. IIIB 600/25.
Berlin, den 30. Januar 1925.
An das Bureau des Reichstags Berlin. Betrifft:
Reichsregierung
Übereinkommen übex
und
den
Washingtoner
Achtstundentag.
In der Anlage übersende ich ergebenst einen Sonder
abdruck „Achtstundentag" auS dem Reichsarbeitsblatt 1924 Nr. 17 mit der Bitte, den letzten fettgedruckten Absatz
des Sonderabdrucks über die Erklärung der Reichsregie rung zur Ratifikation de- Washingtoner Übereinkommen-
über den Achtstundentag als Reichstagsdrucksache ver
vielfältigen und in der Vollsitzung des Reichstags, in der der HauShall 1925 des ReichSarbeitSministeriumS zur Beratung steht, an die Herren Mitglieder des ReichStagS
verteilen zu lassen.
Im Auftrage gez. Dr. Sitzler.
Auszug: Die Reichsregierung hat die Ratifikation de- Über einkommens von Washington über den Achtstundentag
niemals grundsätzlich abgelehnt.
Die jetzige deutsche Ge
setzgebung über die ArbeitSzett ist von der Reich-regierung
46
ArbeitSzettfchatz.
stets als eine Notgesetzgebung betrachtet und gekennzeich
net worden, an der sie von vornherein nicht länger fest halten wollte, als e- die ganz außerordentlich schwierige
Lage Deutschlands erfordert.
Unsere Verluste, Lasten
und Bindungen infolge des Kriege- sind so viel schwerer
als die aller anderen großen Staaten, unsere wirtschaft liche Zukunft ist so ungeklärt, daß niemand von Deutsch land ein Borangehen in der Frage der Ratifizierung er
warten kann. Das gilt um so mehr, als der Jnhatt des Übereinkommens und demnach auch daS Maß der Bin dung bisher in Gesetz und Praxis der einzelnen Lander
eine
sehr
verschiedene
Auslegung
gefunden
haben.
Deutschland ist gern bereit, mit den übrigen in Betracht
kommenden Staaten eine Verständigung hierüber herbeizuführen und würde sich in diesem Falle zu einer Ratifi
kation des Washingtoner Übereinkommen- bereitfinden. Dabei muß die Reichsregierung als selbstverständlich voraussetzen, daß zur Verhütung außerordenllicher Ge
fährdung deutscher LebenSnotwendigkeiten der Artikel 14 des Washingtoner Abkommens Anwendung findet.
Die in der obigen Äußerung des Reichsarbeitsministers angedeuteten,
der
Ratifikation
sich
entgegenstellenden
Schwierigkeiten, die hauptsächlich darin bestehen, daß das Übereinkommen nicht alle Besonderheiten des wirtschaft
lichen
Lebens
der
verschiedenen
Länder
berücksichtigen
konnte und die Auslegung bei vielen Fragen bestritten war,
hatten bereits im September 1924 zu einer Besprechung der Arbeit-minister Deutschlands, Englands, Frankreichs und
Belgien- unter Tellnahme des Direktors de- Internationalen
Arbeitsamts in Bern geführt. Da e- in dieser Besprechung
noch nicht gelang, alle AuSlegungSzweifel zu beseitigen, kam
Einführung in die ArbettSzettgesetzgeLung.
47
es auf Anregung England- -u einer zweiten Besprechung der Arbeit-minister unter Zuziehung Italien- im März 1926
in London, deren Ergebnisse schriftlich niedergelegt sind. Sie sind S. 362 unten abgedruckt. Die Londoner Konferenz hat bei allen betelligten Regierungen den Eindruck hinter
lassen, daß bei vernunftgemäßer und nicht zu enger Aus legung de- Übereinkommen- seine Ratifikation durchau-
Der Entwurf de- ASchG. ist denn auch
möglich erscheint.
nach Ansicht der Reich-regierung mit den Bestimmungen de- Übereinkommen- vereinbar, so daß bei seiner Annahme
Ratifizierung
der
Schwierigkeiten
nicht
entgegenstehen
würden (Begründung S. 48/49).
In den Rahmen der internationalen Regelung der Arbeitszeit gehören außer den erwähnten Übereinkommen da- Übereinkommen betreffend den wöchentlichen Ruhe tag
in
gewerblichen
Betrieben (angenommen auf
der dritten Jahrestagung in Genf 1921) und das auf der siebenten Tagung (Genf 1925) beschlossene Übereinkommen über die Nachtarbeit in Bäckereien. Dieses letztere Über
einkommen,
daS
dem Reichstag mit Drucks. Nr. 2723,
III. WP. 1924/26 am 26. November 1926 zur Kenntnis vorgelegt ist, bedarf zu seiner Durchführung in Deutsch
land
keinerlei
BäckBO. vom
gesetzgeberischer
Maßnahmen,
23. 11. 18 (S. 247)
da
die
allen seinen Anfor
derungen gerecht wird. Die Reichsregierung beabsichtigt, auch an dieser Regelung
festzuhalten. Wenn im November 1926 von der Vorlegung eines Gesetzentwurfes zur Ratifizierung des Überein
kommens abgesehen wurde, so geschah dies lediglich auS
dem Grunde, well die in der Verordnung über die Arbeits
zeit in den Bäckereien und Konditoreien enthaltenen Be-
48
Ar-eUSzeitschutz.
stimmungen in den Entwurf des ASchG. mitübernommen
worden sind.
Da dieser neben dem Übereinkommen über
die Nachtarbeit in Bäckereien auch noch andere inter
nationale Übereinkommen zur Durchführung bringen soll,
wird beabsichtigt, Übereinkommen
vorzuschlagen.
gemäß
die in
Ratifizierung
einem
der
gemeinsamen
entsprechenden
Gesetzentwurf
Die Vorlage erfolgte lediglich, um die Frist
Art. 405,
Abs. 5
9.12. 26) zu wahren.
des
Friedensvertrages (Ablauf
Unter diesen Umständen hatte der
Reichsarbeitsminister den Reichstag gebeten, die Be ratung des Übereinkommens nicht vorwegzunehmen, sondern mit derjenigen des Entwurfs des ASchG. seinerzeit
zu verbinden (RTDrs. Nr. 2723, III. WP. 1924/26).
Mwrdmmg über die Regel««- -er Arbeitszeit gewerblicher Arbeiter.
Vom 23. November 1918 (RGBl. S. 1334)'. (Die
durch (]
gekennzeichneten Bestimmungen bleiben
gemäst $ 14 der Verordnung über die Arbeitszeit vom 21. De» zember 1923/14. April 1927 — s. unten @.166 — aufgehoben.)
Auf Grund des Erlasses des Rates der Volks beauftragten über die Errichtung des Retchsamts für die wirtschaftliche Demobilmachung (Demobil machungsamt) vom 12. November 1918 (Reich-« Gesetzbl. S. 1304) ergeht hiermit folgende An ordnung über die Regelung der Arbeitszeit' gewerblicher Arbeiter: I. Die Regelung umfaßt die gewerblichen Arbeiter' in allen gewerblichen Betrieben' ein schließlich des Bergbaus, in den Betrieben des Reichs, des Staates, der Gemeinden und Gemeinde verbände, auch wenn sie nicht zur Gewinnerzielung betrieben werden', sowie in landwirtschaftlichen Nebenbetrieben gewerblicher Art'. 1. Ergänzt und abgeändert durch BO. v. 17.12.18 (RGBl. @. 1436); der Text ist in der dadurch hergestellten Fassung
wiedergegeben. 2. Bgl. auch Aufruf v. 12.11.18 (RGBl. S. 1303). 3. Gewerblicher Arbeiter ist, wer auf Grund eines Dienst vertrags in einem
Gewerbebetriebe der in
Günther-Schneider, Arbeit-,eitichutz.
l. bezeichneten
4
L0
Lrbetts-eitschutz.
Art alS Geselle, Sehllfe, Lehrling, Werkmeister, Techniker, Fabrikarbeiter usw. sür Zwecke deS Gewerbebetriebs beschäftigt wird (Syrup: „Die Regelung der Arbeit-zeit, Einstellung, Entlassung und Entlohnung gewerblicher Arbeiter"; aus Ver anlassung des Reich-ministerium- für wirtschaftliche Demobil machung; Heymann 1919). S. aber auch Begriffsbestimmung in j 11 BetriebSrätegesetz. Die Vorschriften gelten nicht für Handel-angestellte, auch nicht für Perfonen, die eine wissen schaftliche oder künstlerische Tätigkeit auSüben. Eine Regelung der Arbeit-zeit für bestimmte Berufe er folgte noch durch 80. v. 23.11.18 (unten S. 247 ff.); für Angestellte durch 80. v. 18. 3. 19 (S. 78); für das Pflegepersonal in Krankenpflegeanstalten durch 8- v. 13.2.24 (S. 306). 4. Für die Landwirtschaft kommt die vorläufige Land arbeit-ordnung (unten S. 276) in Betracht. Auch eine Bahnhofswirtschaft stellt einen gewerblichen Betrieb dar (Urteil des Kammergerichts v. 6. 2. 23 — IW. 1924, S. 220).
Für Gärtnereien besteht eine zweifelsfreie gesetzgeberische Regelung nicht. Unter Umständen kann also die Frage der Arbeit-zeit in Gärtnereien auch durch die 8LAO. ihre Regelung erhalten (s. unten S. 276).
5. Bgl die Begriffsbestimmungen de- Betriebsrätegesetzes in 5$ 66, 67. 6. Bgl. auch 5 2 der Borläufigen Landarbeitsordnung (unten S. 280). Bisher fanden Arbeiterschutzbestimmungen in der Regel keine Anwendung auf landwirtschaftliche Nebenbetriebe.
[II.1 Die regelmäßige tägliche Arbeitszeit aus schließlich der Pausen darf die Dauer von acht Stunden nicht überschreiten. Wenn in Abweichung hiervon durch Vereinbarung eine Verkürzung der Arbeitszeit an Vorabenden der Sonn- und Fest tage herbeigeführt wird, kann der Ausfall der
Regelung der AÄeitSzett gewerblicher Arbeiter.
51
Arbeitsstunden an diesen Tagen auf die übrigen Werktage verteilt werden. I 1. S. jetzt § 1 der AZVO. 6. 118.
III. Für die in verkehrsgewerben, einschließlich der Eisenbahn«, Post- und Telegraphenverwaltung' erforderlichen, durch die Zettverhältntsse bedingten, allgemeinen Ausnahmen von vorstehenden Vor schriften sind alsbald Vereinbarungen zwischen Be triebsleitungen und den Arbeitnehmerverbänden zu treffen. Sollten die Vereinbarungen nicht inner hall» zweier Wochen zustandekommen, bleiben weitere Anordnungen Vorbehalten. 1. Die deutschen Eisenbahnen werden jetzt in Vollzug des Art. 98 der Reich-verfassung durch ein selbständige-, eine juristische Person darstellende» wirtschaftliche» Unternehmen betrieben und verwaltet. Diese» Unternehmen ist eine Gesell-
schast mit der Firma .Deutsche Reichsbahn.Gesellschaft''