Anstiftung und anstiftungsähnliche Handlungen im StGB unter Berücksichtigung linguistischer Aspekte [1 ed.] 9783428541355, 9783428141357

Das StGB enthält eine Vielzahl von Vorschriften, die die psychische Einflussnahme auf andere Personen sanktionieren, wob

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Anstiftung und anstiftungsähnliche Handlungen im StGB unter Berücksichtigung linguistischer Aspekte [1 ed.]
 9783428541355, 9783428141357

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Strafrechtliche Abhandlungen Neue Folge · Band 247

Anstiftung und anstiftungsähnliche Handlungen im StGB unter Berücksichtigung linguistischer Aspekte Von

Michael Redmann

Duncker & Humblot · Berlin

MICHAEL REDMANN

Anstiftung und anstiftungsähnliche Handlungen im StGB unter Berücksichtigung linguistischer Aspekte

Strafrechtliche Abhandlungen · Neue Folge Begründet von Dr. Eberhard Schmidhäuser (†) em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Hamburg

Herausgegeben von Dr. Dres. h. c. Friedrich-Christian Schroeder em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Regensburg

und Dr. Andreas Hoyer ord. Prof. der Rechte an der Universität Kiel

in Zusammenarbeit mit den Strafrechtslehrern der deutschen Universitäten

Band 247

Anstiftung und anstiftungsähnliche Handlungen im StGB unter Berücksichtigung linguistischer Aspekte

Von

Michael Redmann

Duncker & Humblot · Berlin

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungsund Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT

Zur Aufnahme in die Reihe empfohlen von Professor Dr. Detlev Sternberg-Lieben, Dresden

Die Juristische Fakultät der Technischen Universität Dresden hat diese Arbeit im Jahre 2011 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2014 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7271 ISBN 978-3-428-14135-7 (Print) ISBN 978-3-428-54135-5 (E-Book) ISBN 978-3-428-84135-6 (Print & E-Book)

Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Für viele Doktoranden besteht die erste und wohl auch wichtigste Herausforderung in der Themenfindung. Die jeweilige Aufgabenstellung muss zum einen interessant genug erscheinen, um sich über einen längeren Zeitraum vertieft mit ihr auseinanderzusetzen, ohne dabei die notwendige Motivation zu verlieren, und zum anderen genügend Fragestellungen bereit halten, um den gestellten wissenschaftlichen Ansprüchen gerecht zu werden. Mein besonderes Glück war es, dass ich das hochinteressante Konzept der vorliegenden Arbeit lange vor dem eigentlichen Bearbeitungsbeginn gefunden hatte. Bereits als Student war ich daran interessiert, rechtliche Fragestellungen durch interdisziplinäre Denkansätze zu lösen. Als ich im Sommersemester 2003 erfuhr, dass Prof. Dr. Knut Amelung zusammen mit seinem damaligen Assistenten Herrn Dr. Martin Böse ein strafrechtliches Seminar zum „Handlungsunrecht der Anstiftung“ anbot, versuchte ich die Gelegenheit zu ergreifen und eines der angebotenen Themen zu erhalten. Sämtliche Aufgabenstellungen beinhalteten Probleme aus dem Bereich der Täterschaft und Teilnahme unter Berücksichtigung interdisziplinärer Aspekte. Unter den Dresdner Studenten waren die Seminare meines Doktorvaters stets sehr beliebt, so dass ich zunächst abgewiesen wurde, da leider alle Themen bereits vergeben waren. Allerdings hatte ich das besondere Glück, dass das Seminar in der Tagungs- und Gedenkstätte für die Opfer des Nationalsozialismus in Kreisau stattfand, die an die Widerstandsgruppe des „Kreisauer Kreises“ erinnert. Anlässlich des besonderen historischen Rahmens vergab Prof. Dr. Amelung ein weiteres äußerst interessantes Seminarthema, welches mir schließlich zugeteilt wurde und das den gedanklichen Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit bildet. Mein Seminarthema lautete: „Das Handlungsunrecht der Anstiftung in Hitlers Rhetorik“. Um dieses Thema erschöpfend zu bearbeiten war es zunächst nötig, die Reden Adolf Hitlers zu untersuchen und die besondere Bedeutung der darin verwendeten Stilmittel zu analysieren. Die spezielle Gefährlichkeit seiner Reden stellte sich allerdings erst in voller Tiefe heraus, als ich auf sprachwissenschaftliche Literatur zurückgriff. Hierbei entdeckte ich die besondere Bedeutung linguistischer Analysetechniken für die Auslegung juristischer Texte, durch die auch die vorliegende Arbeit auch im besonderen Maße geprägt wurde. Im Rahmen dieser Bearbeitung wurde schnell deutlich, dass die gesteigerte Gefährlichkeit von Hitlers Rhetorik mit dem Handlungs-

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Vorwort

unrecht der Anstiftung nicht korrekt erfasst werden kann. Vielmehr erfüllt die Herangehensweise Hitlers den Tatbestand der Volksverhetzung. Sowohl durch den wachsenden Rechtsextremismus als auch die steigende Präsenz islamistischer Hassprediger gewinnt der Tatbestand der Volksverhetzung zunehmende Bedeutung. Im Ausgangspunkt der Dissertation steht daher die Frage nach der konkreten Abgrenzung zwischen dem Handlungsunrecht der Anstiftung und der besonderen Gefährlichkeit des „Aufstachelns zum Hass“ nach § 130. Nach einer eingehenden Betrachtung weiterer anstiftungsähnlicher Handlungsweisen im Besonderen Teil des StGB wuchs mein Interesse, auch diese Arten der sanktionsbewährten Einflussnahme gegenüber der Anstiftung abzugrenzen. Hierbei erkannte ich, dass die für die Arbeit herangezogene Sprechakttheorie eine Klassifikation anbietet, mit der es möglich ist, sämtliche Handlungsweisen, die mit der Anstiftung verwandt sind (bzw. sein könnten) zu systematisieren. Insofern entstand eine Arbeit, in der die Wortlautauslegung des Gesetzes in besonderer Weise durch die Sprechakttheorie beeinflusst wurde und die sämtliche Arten der sanktionsbewährten Einflussnahme im StGB untersucht. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Knut Amelung. Wie bereits erwähnt, habe ich diesem nicht nur die hochinteressante Grundidee dieser Arbeit zu verdanken, sondern vor allem eine besonders herausragende Betreuung. Dabei nahm er sich stets die Zeit, mir in zahlreichen, äußerst interessanten (Telefon-)Gesprächen, die nicht selten über mehrere Stunden andauerten, einen neuen Blick auf das jeweils zu bearbeitende Problem zu geben und mich mit seinen tiefgründigen Denkansätzen immer von Neuem zu motivieren. An zweiter Stelle möchte ich meinem Schul- und Studienfreund Enrico Anton danken, ohne den die Arbeit ebenfalls nicht in der vorliegenden Form zustande gekommen wäre. Als Germanist stand er mir nicht nur als Lektor in der Abschlussphase der Arbeit zur Seite, sondern er half mir vor allem bei dem Erschließen der sprachwissenschaftlichen Literatur und vermittelte mir ein tieferes Verständnis von der Sprechakttheorie. Darüber hinaus gilt mein ganz besonderer Dank Herrn Prof. Dr. Detlev Sternberg-Lieben für die zeitnahe Anfertigung des sehr detaillierten Zweitgutachtens. Zudem danke ich ihm sowie Frau Martina Schönthier und Herrn Prof. Dr. Horst-Peter Götting (LL.M.) für ihr Engagement in der Abschlussphase des Verfahrens sowie bei der Veröffentlichung der Arbeit. Ferner möchte ich Herrn Prof. Dr. Klaus Rogall danken, an dessen Lehrstuhl ich nach dem Abschluss meines zweiten Staatsexamens als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig war. Im Rahmen meiner Lehrstuhltätigkeit er-

Vorwort

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hielt ich die Möglichkeit, meine wissenschaftliche Arbeitstechnik zu verfeinern. Davon konnte ich nicht zuletzt bei der Anfertigung der Promotion profitieren. Zudem ermöglichten mir die eingeräumten Freiräume nicht nur die zügige Anfertigung der vorliegenden Arbeit, sondern auch den ebenso schnellen Abschluss meines Masterstudiums im Unternehmens- und Steuerrecht. Für die Übernahme der Druckkosten danke ich dem Förder- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT GmbH. In besonderer Weise möchte ich mich bei meinen Eltern bedanken, die mir meine Ausbildung und schließlich auch die vorliegende Promotion ermöglicht haben. Görlitz, den 25.11.2013

Dr. Michael Redmann, LL. M.

Inhaltsübersicht Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Kapitel Das Merkmal des „Bestimmens“ in § 26 A. Teilnahmetheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23 23

B. Die Herausbildung der heutigen Anstiftungstheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

C. Die grammatikalische Auslegung des Bestimmens in § 26 . . . . . . . . . . . . . . . .

91

D. Die systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 E. Die teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 F. Das Ergebnis der Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 G. Die Probleme der Konkretisierung im Rahmen der Anstiftung . . . . . . . . . . . . 156 2. Kapitel Das Merkmal des „Bestimmens“ im Besonderen Teil

174

A. Das Bestimmen im Bereich des Sexualstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 B. Das Bestimmen in § 216 Abs. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 C. Das Bestimmen in § 334 Abs. 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 3. Kapitel Das Merkmal des „Aufforderns“

188

A. Der Wortlaut des § 111 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 B. Die besondere Gefährlichkeit des § 111 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 C. Die Konkretisierungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210

10

Inhaltsübersicht 4. Kapitel Das Merkmal des „Aufstachelns“

215

A. Der Wortlaut des § 130 Abs. 1 Nr. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 B. Die teleologische Auslegung der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 C. Das Merkmal des „Aufstachelns zum Hass“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 D. Die Bestimmtheit des Rezipientenkreises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 E. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265

5. Kapitel Das Merkmal des „Verleitens“

270

A. Der Begriff „Verleiten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 B. Das Verleiten in § 357 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 C. Das „Verleiten“ in § 160 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 D. Das „Verleiten“ in § 120 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 E. Das „Verleiten“ in § 328 Abs. 2 Nr. 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 F. Das „Verleiten“ in § 323b . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 G. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298

6. Kapitel Das Merkmal des „Einwirkens“

300

A. Der Begriff „Einwirken“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 B. Das Merkmal „Einwirken“ in § 176 Abs. 4 Nr. 3 und 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 C. Das Merkmal „Einwirken“ in § 125 Abs. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 D. Das Merkmal „Einwirken“ in § 89 Abs. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313

7. Kapitel Das Merkmal des „Anleitung Gebens“

315

A. Der Begriff des „Anleitens“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 B. Der gesetzliche Kontext des § 130a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319

Inhaltsübersicht

11

8. Kapitel Die Merkmale des „Billigens“ und des „Belohnens“

323

A. Die Begriffe „Billigen und Belohnen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 B. Der gesetzliche Kontext des § 140 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 C. Der gesetzliche Kontext des § 130 Abs. 3 und 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333

Zusammenfassung

336

A. Die historischen Wurzeln der Anstiftungstheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 B. Die dogmatische Herleitung der Anstiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 C. Das Bestimmen im Besonderen Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 D. Das Auffordern in § 111 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 E. Das Aufstacheln zum Hass in § 130 Abs. 1 Nr. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 F. Das Verleiten im Besonderen Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 G. Das Einwirken im Besonderen Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 H. Das Merkmal des Anleitung Gebens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 I. Die Tathandlungen Billigen und Belohnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Kapitel Das Merkmal des „Bestimmens“ in § 26

23

A. Teilnahmetheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Schuld- bzw. Unrechtsteilnahmetheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schuldteilnahmelehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Unrechtsteilnahmelehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Solidarisierungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Verursachungstheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Reine Verursachungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die akzessorische Verursachungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Lehre vom akzessorischen Rechtsgutsangriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die dogmatische Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kritik an der Theorie vom akzessorischen Rechtsgutsangriff . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23 24 24 25 28 30 30 32 35 35 38 41

B. Die Herausbildung der heutigen Anstiftungstheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der moraltheologische Aspekt im Mittelalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Emanzipation der Anstiftung aus Urheberschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Entwicklung der Verursachungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die frühen historischen Wurzeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Weiterentwicklung in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts . . . . . . . 3. Die heutige Verursachungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Entwicklung der Lehre vom geistigen Kontakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die dogmatische Entwicklung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Weiterentwicklung durch die Hegelsche Schule . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Herausbildung der Anstiftung aus der Urheberschaft . . . . . . . . . . a) Die originäre Definition der Anstiftung durch Hepp . . . . . . . . . . . . b) Die Aneignung eines fremden Tatentschlusses nach Luden . . . . . 4. Die dogmatische Entwicklung in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts a) Die Weiterentwicklung nach Langenbeck, Schütze und von Bar . . b) Die Anstiftung nach der Wirksamkeit der Bedingung nach Birkmeyer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42 42 44 48 48 50 53 55 55 61 68 68 69 71 71 75

14

Inhaltsverzeichnis c) Die Anstiftung als „Motivkonflikt“ nach Geyer . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Reform des § 48 a. F. in die heutige Fassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Der Beginn des 20. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Anstiftungstheorie nach Nagler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das kritische System der Täterschaft und Teilnahme nach Binding . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Lehre vom Regressverbot nach Frank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Theorie vom geistigen Kontakt in der Gegenwart . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Die Dominanztheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Die Sanktionierungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

C. Die grammatikalische Auslegung des Bestimmens in § 26 . . . . . . . . . . . . . . . . I. Lexikalische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Lehre vom Sprechakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Bestandteile des Sprechaktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Sprechaktklassifikationen nach Searle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die nonverbale Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Kommunikationsbeziehung des § 26 als direktive Illokution . . . . 5. Die Intensität des direktiven Elements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Vereinbarkeit der Anstiftungstheorien mit dem Ergebnis der Pragmatik . . 1. Der Gesetzeswortlaut und die Verursachungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Gesetzeswortlaut und die Theorie vom geistigen Kontakt . . . . . . 3. Die Sanktionierungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Der Gesetzeswortlaut und die Dominanztheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Das direktive Element zur Begründung der Anstiftung . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der einseitig normative Erwartungsfaktor der Anstiftung . . . . . . . . . . . 2. Die negative Sanktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Bedeutung sozialer Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die sprachlichwissenschaftliche Bedeutung der intendierten Äußerung (sekundäre Illokution) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die psychologischen Wirkmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Commitment und Konsistenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Das Prinzip der Autorität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Das Prinzip der sozialen Bewährtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Reziprozität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die positive Sanktion (Belohnung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der psychologische Wirkmechanismus der Knappheit . . . . . . . . . . b) Die Wirkung im Bereich der Anstiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtlich problematische Konstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Ratschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Gewinnvorhersage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bitten und Wünsche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

76 78 79 79 80 82 83 85 89 91 92 92 92 94 97 99 100 102 103 104 104 105 106 108 111 112 114 115 116 117 118 119 120 121 122 122 123 124 126 127

Inhaltsverzeichnis

15

d) Der Tipp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Der altruistisch handelnde Haupttäter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Die Warnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Die täuschende Warnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Die täuschende Drohung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Die täuschende Belohnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . j) Das scheinbare Abraten von der Tat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . k) Das Angebot der Tatbegehung durch den späteren Haupttäter . . . 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

128 129 130 132 134 135 135 137 138

D. Die systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Abgrenzung zur Beihilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Abgrenzung zur Täterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Abgrenzung zur Mittäterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Abgrenzung zur mittelbaren Täterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die mittelbare Täterschaft kraft Willensherrschaft . . . . . . . . . . . . . . b) Die mittelbare Täterschaft kraft Irrtumsherrschaft . . . . . . . . . . . . . . III. Die Abgrenzung zur versuchten Anstiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Einordnung in den dogmatischen Kontext der Teilnahmelehre . . . . . V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

139 139 142 142 143 144 145 146 147 148

E. Die teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 I. Die tätergleiche Bestrafung des Anstifters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 II. Gesichtspunkte des Opferschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 F. Das Ergebnis der Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 G. Die Probleme der Konkretisierung im Rahmen der Anstiftung . . . . . . . . . . . . I. Die Konkretisierung der Haupttat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Auffassung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Auffassung von Roxin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Auffassung von Herzberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Auffassung von Ingelfinger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Stellungnahme und eigener Lösungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Konkretisierung des Rezipienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die herrschende Literaturmeinung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kritische Stimmen in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Konkretisierung des Problempunkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die gruppendynamischen Effekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Massenpsychologie und Individualpsyche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Konsequenzen für die Anstiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

156 157 157 158 160 161 163 165 165 166 167 168 168 170 172

16

Inhaltsverzeichnis 2. Kapitel Das Merkmal des „Bestimmens“ im Besonderen Teil

A. Das Bestimmen im Bereich des Sexualstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Definition des Bestimmens in Literatur und Rechtsprechung . . . . . . . II. Der eigene Lösungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Bestimmen in den §§ 174 Abs. 2 Nr. 2, 176 Abs. 4 Nr. 2 . . . . . . 2. Das Bestimmen in § 176 Abs. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Bestimmen in § 179 Abs. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Das Bestimmen in §§ 180 Abs. 2, 3, 182 Abs. 1 Nr. 2 . . . . . . . . . . . . . 5. Das Bestimmen in § 182 Abs. 3 Nr. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

174 174 175 176 176 178 178 179 182 183

B. Das Bestimmen in § 216 Abs. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 C. Das Bestimmen in § 334 Abs. 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 3. Kapitel Das Merkmal des „Aufforderns“

188

A. Der Wortlaut des § 111 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Sprachwissenschaftliche Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die normierte Kommunikationsbeziehung als direktive Illokution . . . 2. Die Intensität des Wortlauts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Differenzierung zwischen § 26 und § 111 hinsichtlich des Vollzugsstadiums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Vollzug von Illokutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Vollzugsstadium des Gesetzestextes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Historie der Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Begriff des „Aufforderns“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Genese des Begriffs „Auffordern“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die heutige Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Aufforderung durch die Verbreitung von Schriften . . . . . . . . . . . . . 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

188 188 188 189 190 190 191 193 194 194 195 195 197 198

B. Die besondere Gefährlichkeit des § 111 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die fehlende Vorhersehbarkeit und Steuerungsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . II. Die Gefährlichkeit der gruppendynamischen Effekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die unabsehbare Streubreite der öffentlichen Aufforderung . . . . . . . . . . . . IV. Die besondere Sensibilität des geschützten Rechtsguts . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

199 199 201 202 202 205

C. Die Konkretisierungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 I. Die Konkretisierung der Haupttat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206

Inhaltsverzeichnis

17

1. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der gegenwärtige Diskussionsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der eigene Lösungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Bestimmtheit des Rezipientenkreises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

206 207 208 209

D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Merkmal des „Aufforderns“ in § 130 Abs. 2 Nr. 1, 2. Alt. . . . . . . . III. Konkurrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

210 210 212 213

4. Kapitel Das Merkmal des „Aufstachelns“

215

A. Der Wortlaut des § 130 Abs. 1 Nr. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die lexikalische Bedeutung des Wortes „Aufstacheln“ . . . . . . . . . . . . . . . . II. Sprachwissenschaftliche Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

215 215 216 218

B. Die teleologische Auslegung der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das geschützte Rechtsgut des § 130 Abs. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Menschenwürde als Schutzobjekt des § 130 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Auffassung von Fischer und Junge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kritik an der fehlenden Individualitätsbezogenheit der Menschenwürde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Gesetzessystematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Historie der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Das grundsätzliche Ziel des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Der Fall Nieland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Die Volksverhetzung als privilegium odiosum . . . . . . . . . . . . . ee) Die Umsetzung der Gesetzesinitiativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Deliktsnatur des § 130 Abs. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Konkretes Gefährdungsdelikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abstraktes Gefährdungsdelikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Potentielles Gefährdungsdelikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Konkretes Gefährlichkeitsdelikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Streitentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

218 219 219 221 221 222 224 226 226 228 229 230 230 233 234 235 236 237 238 240 241 243

C. Das Merkmal des „Aufstachelns zum Hass“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 I. Historie und heutige Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244

18

Inhaltsverzeichnis II. Eigener Lösungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Hitlers Rhetorik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Vertrauensbildungs- oder Einstimmungsphase . . . . . . . . . . . . . . b) Die Diffamierungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Aufbauphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Selbsterhöhungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

246 247 248 252 255 257 259 260

D. Die Bestimmtheit des Rezipientenkreises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 E. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das Verhältnis der einzelnen Tathandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Konkurrenzverhältnis der Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das Merkmal des Aufstachelns in § 80a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

265 265 267 268

5. Kapitel Das Merkmal des „Verleitens“

270

A. Der Begriff „Verleiten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 I. Die lexikalische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 II. Die sprachwissenschaftliche Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 B. Das Verleiten in § 357 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Definition des „Verleitens“ in Literatur und Rechtsprechung . . . . . . . II. Der Schutzzweck der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die geschützten Rechtsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Deliktsnatur des § 357 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Anforderungen an das „Verleiten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Vollzugsstadium der Tathandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Definition der herrschenden Meinung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der eigene Lösungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die tatbestandliche Personenkonstellation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die dogmatische Notwendigkeit des korrumpierenden Handlungsdrucks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das Verleiten zu einer unvorsätzlichen Haupttat . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Verhältnis der einzelnen Tathandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Konkurrenzverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

272 272 274 274 275 276 276 277 278 279

C. Das „Verleiten“ in § 160 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Systematik der Aussagedelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Definition des Verleitens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die veränderte sprachwissenschaftliche Einstufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

286 286 287 288

279 282 283 283 284

Inhaltsverzeichnis

19

D. Das „Verleiten“ in § 120 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 I. Die teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 II. Anforderungen an die Tathandlung Verleiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 E. Das „Verleiten“ in § 328 Abs. 2 Nr. 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 I. Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 II. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 F. Das „Verleiten“ in § 323b . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Tathandlungen des § 323b . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die gesetzgeberische Intention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Einordnung in die Sprechaktklasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verleiten als Selbstschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

294 294 295 297 297 297

G. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 6. Kapitel Das Merkmal des „Einwirkens“

300

A. Der Begriff „Einwirken“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 I. Die lexikalische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 II. Die sprachwissenschaftliche Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 B. Das Merkmal „Einwirken“ in § 176 Abs. 4 Nr. 3 und 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das „Einwirken“ in Absatz 4 Nr. 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das „Einwirken“ in Absatz 4 Nr. 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

302 303 305 307

C. Das Merkmal „Einwirken“ in § 125 Abs. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Kontext des § 125 Abs. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Merkmal des „Einwirkens“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

308 308 309 310

D. Das Merkmal „Einwirken“ in § 89 Abs. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Sinn und Zweck des § 89 Abs. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Merkmal des Einwirkens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

311 312 312 313

E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 7. Kapitel Das Merkmal des „Anleitung Gebens“

315

A. Der Begriff des „Anleitens“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 I. Die lexikalische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 II. Die sprachwissenschaftliche Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316

20

Inhaltsverzeichnis

B. Der gesetzliche Kontext des § 130a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das Anleiten durch Schriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das mündliche Anleiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Der Anleitungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

317 317 318 319

C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 8. Kapitel Die Merkmale des „Billigens“ und des „Belohnens“

323

A. Die Begriffe „Billigen und Belohnen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 I. Die lexikalische Begriffsbedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 II. Die sprachwissenschaftliche Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 B. Der gesetzliche Kontext des § 140 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das „Billigen“ im Sinne des § 140 Nr. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Definition von Literatur und Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der eigene Lösungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das „Belohnen“ im Sinne des § 140 Nr. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

327 329 329 330 331 332

C. Der gesetzliche Kontext des § 130 Abs. 3 und 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 Zusammenfassung

336

A. Die historischen Wurzeln der Anstiftungstheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 B. Die dogmatische Herleitung der Anstiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Einfluss der Sprechakttheorie auf die Wortlautauslegung . . . . . . . . . . II. Die weitere Auslegung von § 26 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Konkretisierung der Haupttat sowie des Haupttäters . . . . . . . . . . . . . .

338 339 341 342

C. Das Bestimmen im Besonderen Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 D. Das Auffordern in § 111 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 E. Das Aufstacheln zum Hass in § 130 Abs. 1 Nr. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 F. Das Verleiten im Besonderen Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 G. Das Einwirken im Besonderen Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 H. Das Merkmal des Anleitung Gebens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 I. Die Tathandlungen Billigen und Belohnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368

Einleitung Die Systematik des StGB ist gekennzeichnet durch die Unterteilung in den Allgemeinen sowie den Besonderen Teil. Der Allgemeine Teil regelt die Grundsätze, deren Geltung für die Anwendbarkeit der Normen des Besonderen Teils unerlässlich sind. Einer der wesentlichen Bestandteile des Allgemeinen Teils sind die Vorschriften der Täterschaft und Teilnahme nach den §§ 25 ff.1 In der vorliegenden Arbeit soll im Ausgangspunkt die Untersuchung des Strafgrundes der Anstiftung stehen. Die Anstiftung ist die gesetzlich normierte Grundform der sanktionsbewehrten Einflussnahme auf andere Personen und daher in dem Allgemeinen Teil geregelt. Dennoch enthält das StGB in dem Besonderen Teil zahlreiche Delikte, die mit den Tathandlungen des „Aufforderns“2, „Aufstachelns“3, „Verleitens“4, „Einwirkens“5, „Anleitung Gebens“6, „Belohnens“7 sowie des „Billigens“8 selbständig andere Arten der Einflussnahme sanktionieren, ohne auf § 26 zurückzugreifen. Sowohl die Anstiftung, wie auch die übrigen Formen der Einwirkung zielen darauf ab, das Verhalten der oder des Beeinflussten im Sinne des Täterverlangens zu verändern bzw. dieses sogar zu steuern. Dabei muss das von dem Täter begehrte Verhalten aber nicht immer in der Begehung einer sich anschließenden Straftat liegen. So kann sogar durch die alleinige Verursachung von negativen Emotionen der Rechtsfrieden derartig gestört werden, dass dieses den Tatbestand einer Strafnorm erfüllt, vgl. § 130 Abs. 1 Nr. 1 1. Alt. Insofern drängt sich die Frage auf, inwieweit der Gesetzgeber die bekannte Systematik des StGB durch die Schaffung der Tatbestände durchbrochen hat, die einen eigenständigen „Einwirkungscharakter“ beinhalten. 1 2 3 4 5 6 7 8

§§ ohne Bezeichnung sind solche des StGB. §§ 111 Abs. 1 u. 2 sowie § 130 Abs. Abs. 1 Nr. 1, 2. Alt., Abs. 2 Nr. 1, 2. Alt. §§ 80a, 130 Abs. 1 Nr. 1, 1. Alt., Abs. 2 Nr. 1, 1. Alt. §§ 120, 160, 323b, 328 Abs. 2 Nr. 4, 357. §§ 89, 125 Abs. 1, 176 Abs. 4 Nr. 3 u. 4. § 130a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1. § 140 Nr. 1. §§ 130 Abs. 3 u. 4, 140 Nr. 2.

22

Einleitung

Durch die vorliegende Arbeit soll das Verhältnis der Anstiftung zu diesen Tatbeständen genauer untersucht und abgegrenzt werden. Gerade unter dem Gesichtspunkt des Art. 103 Abs. 2 GG in Verbindung mit § 1 aber auch des Art. 5 Abs. 1 GG, ist eine größtmögliche Präzision in der Bestimmung der aufgezeigten Tathandlungen zu fordern. Darüber hinaus ist eine deutliche Darlegung des Verhältnisses der aufgezeigten Normen zueinander nötig, um die häufig bestehenden Abgrenzungsschwierigkeiten, die sowohl auf Tatbestands- als auch auf Konkurrenzebene bestehen, auszuräumen.9 Das Verhältnis der aufgezeigten Tathandlungen allein durch die juristische Methodik zu klären, birgt die Gefahr, einen nur begrenzten Erkenntnisgewinn zu erzielen. Da die zu untersuchenden Tathandlungen die soziale Interaktion von Menschen betreffen, sollen auch soziologische, psychologische und vor allem linguistische Denkansätze in die Betrachtung einfließen, um eine tiefgründige Begriffsklärung zu erhalten.

9

So auch Rogall, GA 1979 [126], 11.

1. Kapitel

Das Merkmal des „Bestimmens“ in § 26 Im Ausgangspunkt der vorliegenden Untersuchung steht die Anstiftung, welche die „Urform“ des Veranlassens fremder Straftaten darstellt. Um einen Vergleich zu den Tatbeständen des Besonderen Teils ziehen zu können, ist ein tiefgreifendes Verständnis der Anstiftung und ihrer rechtsdogmatischen, sprachwissenschaftlichen, psychologischen und soziologischen Zusammenhänge nötig. Der Strafgrund der Anstiftung ist noch immer heftig umstritten.1 Die Anstiftung als neben der Beihilfe stehende Teilnahmeform kann nicht ohne das grundsätzliche Verständnis des Strafgrundes der Teilnahme erklärt werden. Ausgehend von der übergeordneten Definition der Teilnahme sind weitere Merkmale herauszustellen, welche speziell das Handlungsunrecht der Anstiftung erklären. Derartige eingrenzende Kriterien werden durch die in der Literatur vertretenen Anstiftungstheorien angeboten. Welche der vertretenen Anstiftungslehren tatsächlich mit dem Gesetz vereinbar ist und sich in die übergeordnete Teilnahmetheorie einfügt, ist im Wege einer umfassenden Auslegung zu ermitteln.

A. Teilnahmetheorien Allen Teilnahmetheorien ist gemein, dass sie einen Ansatz finden müssen, der begründet, warum die Strafbarkeit über die täterschaftliche Begehung hinaus auszudehnen ist. Im Ausgangspunkt steht die gesetzgeberische Wertung, wonach nicht bereits jede Form der reinen kausalen strafrechtlichen Erfolgsverursachung eine strafrechtliche Sanktion nach sich zieht.2 1

So auch Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 148; NK/Schild, § 26 Rn. 5 ff.; Schönke/Schröder/Heine, vor § 25 ff. Rn. 16 ff.; Otto, AT, § 22 Rn. 2. 2 SK/Hoyer34, vor § 26 Rn. 12; MüKo/Joecks, vor §§ 26, 27 Rn. 3; LK/Schünemann, vor § 26 Rn. 1; Otto, FS f. Lange 1976, 197, 201 ff., ders., AT, § 22 Rn. 12; Roxin, FS f. Stree/Wessels 1993, 365, 369 ff.; Sánchez Lázaro, GA 2008 [155], 299, 305; Rudolphi, GA 1970 [117], 352, 365; Esser, GA 1958 [105], 321, 321 f. sowie 333; Welzel, Strafrecht, § 16 I 3; Lüderssen, Strafgrund, S. 61 ff.; Geppert, Jura 1997, 299, 300; Lange, JR 1949, 165, 167 f.

24

1. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ in § 26

Im Rahmen der Mittäterschaft sowie der mittelbaren Täterschaft erfolgt die Zurechnung einer fremden Handlung, sofern diese die jeweiligen Mittäter nicht eigenhändig vorgenommen haben.3 Das Vorliegen der Teilnahmevoraussetzungen führt hingegen nicht zu einer Zurechnung der fremden Handlung, sondern zur Zurechnung des fremden Unrechts.4 Die Begründung dieser Zurechnung und damit der Strafbarkeit des Teilnehmers ist allerdings heftig umstritten. In der Literatur existieren hierzu vier grundsätzliche Denkansätze, welche wiederum in differenzierter Ausprägung vertreten werden.

I. Schuld- bzw. Unrechtsteilnahmetheorien Die Schuld- und die Unrechtsteilnahmetheorien sehen als Schutzobjekt der §§ 26 f. die Rechtschaffenheit des Menschen an. Ausschließlich die Verletzung dieses Rechtsguts begründe die Strafbarkeit des Teilnehmers. 1. Schuldteilnahmelehre Die Schuldteilnahmelehre, welche insbesondere von Less und H. Mayer vertreten wurde, sieht den Strafgrund der Teilnahme nicht in der durch den Teilnehmer herbeigeführten Rechtsgutsverletzung, sondern vielmehr in dem Korrumpieren des Täters durch den Teilnehmer, da er ihn in schuldhafte Handlungen verwickelt.5 Indem der Anstifter den Weg zur Tat durch die Seele eines anderen nimmt, verstricke er sich in besondere Schuld und begründe auf diese Weise seine Strafbarkeit.6 Der den Anstifter kennzeichnende Mangel eigener Tatausführung wird durch die Tatsache wettgemacht, dass er der geistige Urheber nicht nur eines Erfolges ist, sondern zwei Erfolge verursacht hat: Er hat nicht nur – 3 SK/Hoyer34, vor § 26 Rn. 3; Bloy, GA 1996 [143], 424 ff.; Krüger, Versuchsbeginn, S. 40 ff.; anders Lampe, ZStW 1994 [106], 683, 688 ff., dieser sieht die Mittäterschaft als ein funktional organisiertes „Unrechtssystem“ an. 4 SK/Hoyer34, vor § 26 Rn. 4; MüKo/Joecks, vor §§ 26, 27 Rn. 3; LK/Schünemann, vor § 26 Rn. 3; Schönke/Schröder/Heine, vor §§ 25 ff. Rn. 17; Jakobs, GA 1996 [143], 253, 259; Kindhäuser, NStZ 1997, 272, 274. 5 Less, ZStW 1957 [69], 43, 46 f.; H. Mayer, FS f. Rittler 1957, 243, 255 f.; ders., AT 1967, S. 155; Schaffstein, ZStW 1937 [57], 295, 323; nicht ganz eindeutig, aber in der Tendenz wohl zustimmend Kohlrausch, FS f. Bumke 1939, 39, 48. Kohlrausch spricht in diesem Zusammenhang einerseits von der Notwendigkeit der Teilnahme an der fremden Schuld (S. 48). Andererseits hebt er die Notwendigkeit des Hervorrufens eines fremden Willensentschlusses hervor, der nicht zwingend an die Schuld gebunden sei (S. 49). 6 Less, ZStW 1957 [69], 43, 45.

A. Teilnahmetheorien

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wie jeder Verbrecher – die Straftat herbeigeführt, sondern auch einen anderen Menschen zum Verbrecher gemacht.7 Begründet wird diese Auffassung in erster Linie mit der Strafwürdigkeit des Anstifters, die einem Täter, insbesondere einem mittelbaren Täter, nicht nachstehen darf.8 Spendel bildet zur Veranschaulichung das Beispiel einer Ehefrau, welche ihren rechtschaffenen Ehemann, der Angestellter und Verwalter über Kassengelder ist, auf raffinierte Art dazu verleitet, Geld zu unterschlagen.9 Eine so raffinierte Herangehensweise stehe im Ergebnis der Verwerflichkeit der Täterschaft gleich.10 Nach der ständigen Rechtsprechung sei allerdings mit einer geringeren Strafe der Ehefrau zu rechnen. In dieser geringeren Sanktion liege eine nicht hinnehmbare Gerechtigkeitslücke.11 Diese Auffassung hat allerdings nur noch rechtshistorische Bedeutung. Nach dem in den §§ 26, 29 niedergelegten Prinzip der limitierten Akzessorietät, wird klargestellt, dass die Bestrafung des Teilnehmers unabhängig von der Schuld des Haupttäters erfolgt. Eine Verstrickung des Haupttäters in Schuld durch den Teilnehmer ist für die Begründung der Strafbarkeit gerade nicht mehr nötig.12 Diese Auffassung kann daher nicht als Erklärung für den Strafgrund der Teilnahme herangezogen werden. 2. Die Unrechtsteilnahmelehre Eine Modifikation der Schuldteilnahmelehre wird durch die Unrechtsteilnahmelehre vorgenommen. Der Teilnehmer wird nach dieser Auffassung bestraft, weil er den Haupttäter zu einem rechtswidrigen Verhalten veranlasst oder ihn dabei zumindest unterstützt hat. Damit übertritt der Teilnehmer, wie auch bei der Schuldteilnahmetheorie, nicht die hinter den Tat7 Less, ZStW 1957 [69], 43, 47; H. Mayer, FS f. Rittler 1957, 243, 255; Spendel, FS f. Lüderssen 2002, 605, 610 f. 8 Spendel, FS f. Lüderssen 2002, 605, 610 f. 9 Spendel, FS f. Lüderssen 2002, 605, 610. 10 Spendel schlägt in diesem Zusammenhang die Brücke zu dem KatzenkönigFall (vgl. BGHSt 35, 347) und meint, dass der Tatanteil des Anstifters oft viel strenger zu beurteilen sei, als der des unmittelbaren Täters. 11 Spendel, FS f. Lüderssen 2002, 605, 610. 12 So auch SK/Hoyer34, vor § 26 Rn. 7; LK/Schünemann, vor § 26 Rn. 9; MüKo/ Joecks, vor §§ 26, 27 Rn. 4; NK/Schild, vor § 26 Rz 15; Schönke/Schröder/Heine, vor §§ 25 ff. Rn. 19; Roxin, AT II, § 26 II 16; ders., FS f. Stree/Wessels 1986, 365, 366; Nikolidakis, Anstiftung, S. 20 f.; Renzikowski, Täterbegriff, S. 43 f.; Otto, AT, § 22 Rn. 4; ders., FS f. Lange 1976, 197, 203; ders., JuS 1982, 557; Jakobs, AT, § 22 Rn. 2; Jescheck/Weigend, AT, § 64 I 1; Nydegger, Zurechnungsfragen, S. 103 f.; Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 12 Rn. 118; Baurmann, JuS 1963, 125, 128.

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1. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ in § 26

beständen des Besonderen Teils stehenden Verbote. Sein Unrecht bestehe vielmehr allein in der Förderung der sozialen Desintegration des Haupttäters, der durch seine Tat den Rechtsfrieden stört.13 Streng genommen ist die Unrechtsteilnahmelehre nur bedingt als Weiterentwicklung der Schuldteilnahmelehre zu verstehen. So sieht die Schuldteilnahmelehre das Unrecht der Anstiftung allein in dem Angriff auf die psychische Welt des Haupttäters (also die rein innere Welt des Täters), während die Unrechtsteilnahmelehre diese Komponente mit der Minderung der sozialen Achtung des Täters in Kombination bringt, also den Angriff auf die äußere Welt des Täters mit in die Betrachtung einbezieht.14 Durch diese doppelte Wertung gelingt es der Unrechtsteilnahmelehre sich von dem Gedanken der Schuldverstrickung zu lösen und dem gesetzlich normierten Prinzip der limitierten Akzessorietät Rechnung zu tragen. Auf diese Weise werden auch diejenigen Einwirkungshandlungen erfasst, die der Anstifter gegenüber einem schuldunfähigen Täter verübt. Ein Anstifter, der einen verkappten Zurechnungsunfähigen, den er für voll verantwortlich hält, zu einer strafbaren Handlung treibt, setzt diesen dem Nachteil der Strafuntersuchung aus; als notwendige Folge werde dessen Verhältnis zu seiner sozialen Umwelt verschlechtert. Eine gewisse soziale Desintegration sei also auch in diesen Fällen die Folge.15 Aber auch diese Theorie ist abzulehnen. Sie scheitert an der mangelnden Differenzierung zwischen Anstiftung und Beihilfe. Auf die Beihilfe ist das Konzept der sozialen Desintegration nicht anwendbar. Ein Täter, der bereits zur Tat entschlossen ist und nur noch den Beitrag des Gehilfen in Anspruch nimmt, wird hierdurch allein wohl kaum sozial desintegriert.16 Zum Zeit13 Trechsel, Strafgrund der Teilnahme, S. 54 ff.; Keller, Rechtliche Grenzen, S. 163. Eine modifizierte Fassung der Unrechtsteilnahmelehre (sog. modifizierte Unrechtsteilnahmelehre) geht auf Welzel (ZStW 1941 [61], 209, 213; Strafrecht, S. 115) sowie auf Stratenwerth (MDR 1953, 717, 720) zurück. Nach deren Verständnis von der Unrechtsteilnahmelehre ist ebenfalls die Mitwirkung an der Entstehung fremden Unrechts das entscheidende Kriterium, da auf diese Weise die Allgemeinheit mit der Begehung einer „sozial unerträglichen“ Straftat belastet wird. Auch hierbei wird das Erfolgsunrecht der Haupttat ignoriert und das Handlungsunrecht des Anstifters in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt. Die Modifikation der Unrechtsteilnahmelehre liegt in der Zielrichtung des durch den Teilnehmer verübten Angriffs. Der Handlungsunwert der Teilnahme liegt hierbei nicht mehr in der sozialen Desintegration des Haupttäters, sondern in der Störung des sozialen Lebens, welches durch die entsprechende Straftat belastet wird. 14 So auch Nikolidakis, Anstiftung, S. 27. 15 Trechsel, Strafgrund der Teilnahme, S. 55. 16 So auch Roxin, AT II, § 26 II Rn. 18; LK11 /ders., vor § 26 Rn. 11; LK/Schünemann, vor § 26 Rn. 10; MüKo/Joecks, vor §§ 26, 27 Rn. 5; Schönke/Schröder/

A. Teilnahmetheorien

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punkt der Inanspruchnahme des Gehilfenbeitrags wäre der Täter in diesem Sinne bereits als desintegriert anzusehen, da bei diesem die Internalisierung der entsprechenden Strafnorm bereits erodiert ist. Einen weiteren berechtigten Kritikpunkt an dieser Lehre zeigt insbesondere Roxin auf. Die Strafe des Anstifters müsse sich bei konsequenter Verfolgung dieser Theorie nicht nach der Schwere der Haupttat, sondern nach dem Ausmaß der Desintegration bestimmen. Danach müsste die Anstiftung eines unbescholtenen Bürgers schwerer bestraft werden, als diejenige eines Berufsverbrechers.17 Dieser Kritikpunkt wird von Stein in ähnlicher Weise aufgegriffen, der hinsichtlich des Strafmaßes der Anstiftung zumindest eine teilweise Anlehnung (Proportionalität) an die Schwere der Haupttat fordert. Da diese Proportionalität von der Schuld- aber auch von der Unrechtsteilnahmetheorie nicht vertreten wird, würde es demnach zu einer willkürlichen Festlegung des Strafrahmens der Anstiftung kommen.18 Für eine verfassungsrechtlich vertretbare Bestimmung des Strafrahmens müsste sie von ihrem grundlegenden Konzept, der Verabsolutierung der sozialen Desintegration abrücken und auf die Schwere der Haupttat abstellen. Im Ergebnis gelangt diese Theorie zu keiner vertretbaren Bestimmung des Strafrahmens ohne einen eigenen Systembruch zu begehen. Auch die rechtspolitisch gewollte Straflosigkeit des agent provocateur lässt sich mit dieser Auffassung nicht begründen. Denn die soziale Desintegration des Täters liegt auch schon bei einem strafbaren Versuch vor.19 Aber das wohl tragende Argument gegen diese Lehre, wie auch gegen die Schuldteilnahmelehre, liegt bereits in ihrem Ansatz selbst. Die rechtlich-moralische Integrität eines mündigen Bürgers ist nicht als taugliches Schutzobjekt des Strafrechts anzusehen. In unserer Rechtsordnung gibt es nun mal keine Sanktionsnorm, welche schlechte Einflüsse bestraft.20 Das Heine, vor §§ 25 ff. Rn. 19; Nikolidakis, Anstiftung, S. 29 f.; diese Schwäche der Unrechtsteilnahmelehre wird von Trechsel selbst eingeräumt: Trechsel, Strafgrund der Teilnahme, S. 107 ff. 17 Roxin, AT II, § 26 II Rn. 19; so auch SK/Hoyer34, vor § 26 Rn. 9; LK/Schünemann, vor § 26 Rn. 10; Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 12 Rn. 120; Stein, Beteiligungsformenlehre, S. 107 ff.; Otto, JuS 1982, 557; in Ergebnis so auch Jakobs, AT, § 22 Rn. 2; Nydegger, Zurechnungsfragen, S. 106. 18 Stein, Beteiligungsformenlehre, S. 107 f.; ähnlich auch Küper, GA 1974 [121], 321, 327; Otto, AT, § 22 Rn. 4; diese kritisieren ebenfalls die vorliegende Theorie, da sie die tatsächliche Begehung der Haupttat außer Betracht lässt. 19 So auch Roxin, FS f. Stree/Wessels 1993, 365, 373; MüKo/Joecks, vor §§ 26, 27 Rn. 6; Küper, GA 1974 [121], 321, 325 f. 20 Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 148; LK11 /Roxin, vor § 26 Rn. 11; ders., AT II, § 26 II Rn. 20; MüKo/Joecks, vor §§ 26, 27 Rn. 6; Nikolidakis, Anstiftung,

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1. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ in § 26

StGB geht von dem Konzept des mündigen Bürgers aus. Die Desintegration des Haupttäters, welche aus der Tatbegehung und damit aus der Befolgung des Anstifterrates resultiert, ist vielmehr als das Ergebnis einer Selbstgefährdung anzusehen.21

II. Solidarisierungstheorie Einen anderen Ansatz, das Handlungsunrecht der Teilnahme zu erfassen, verfolgt die von Schumann vertretene Solidarisierungstheorie.22 Schumann geht im Ausgangspunkt ebenfalls von der Selbständigkeit des Teilnahmeunrechts aus. Dieses enthalte für sich genommen einen besonderen Akt- oder Handlungsunwert, der die Strafbarkeit der Teilnahmehandlung begründet.23 So könne man den Teilnehmer grundsätzlich nicht für die durch die Haupttat verursachte Rechtsgutsverletzung verantwortlich machen, weil der Erfolg im Verantwortungsbereich des Haupttäters liegt. Der Strafgrund der Teilnahme liege daher vielmehr in der Solidarisierung mit dem Haupttäter. Der Teilnehmer solidarisiere sich durch seinen vorsätzlichen Beitrag mit dem vorsätzlichen, fremden Unrecht und mache sich auf diese Weise die fremde Tat gemein.24 Schumann sieht in der Solidarisierung des Teilnehmers mit dem fremden Unrecht einen sozial unerträglichen Handlungsunwert. Dieser sei mit demjenigen identisch, welchen auch die Eindruckstheorie25 heranzieht, um das Handlungsunrecht des (untauglichen) Versuchs zu begründen.26 Durch diese Parallele versucht Schumann aufzuzeigen, dass sich seine Theorie in das bestehende Gesamtkonzept des StGB einfügt und keine völlig neuen Strukturen für ihre Rechtfertigung schaffen muss. Nach Schumann liegt erst dann ein Sichgemeinmachen mit dem fremdem Unrecht und damit eine Solidarisierung mit dem Haupttäter vor, wenn S. 29; Esser, GA 1958 [105], 321, 333; Stein, Beteiligungsformenlehre, S. 115 ff.; Keller, Rechtliche Grenzen, S. 163 f.; Kindhäuser, AT, § 38 Rn. 15; selbes Argument aber auf die Solidarisierungstheorie bezogen Heghmanns, GA 2000 [147], 473, 475. 21 So auch: Roxin, AT II, § 26, Rn. 20. 22 Schumann, Strafrechtliches Handlungsunrecht, S. 49 ff. 23 Schumann, Strafrechtliches Handlungsunrecht, S. 49. 24 Schumann, Strafrechtliches Handlungsunrecht, S. 51. 25 Die Eindruckstheorie begründet die Strafbarkeit des Versuchs mit dem rechtserschütternden Eindruck, den das Verhalten des Täters hervorruft. Auch wenn der Erfolg ausbleibt, so begründe das Verhalten des Täters eine Störung des sozialen Friedens, die einer Ahndung bedürfe. Kritisch zur Eindruckstheorie Roxin, AT II, § 29 Rn. 46. 26 Schumann, Strafrechtliches Handlungsunrecht, S. 50.

A. Teilnahmetheorien

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das vorsätzliche Hervorrufen des fremden Tatentschlusses in einer Intensität geschieht, die geeignet ist, den Rechtsfrieden in unerträglicher Weise zu stören. Für das Vorliegen einer solchen Friedensstörung müsse eine ausdrückliche oder konkludente Erklärung des Teilnehmers gegenüber dem Haupttäter abgegeben werden, durch die die Solidarisierung erkennbar wird.27 Diese Theorie hat den Vorteil, die Strafbarkeit des Teilnehmers an einen nach außen hin messbaren Faktor zu knüpfen. Damit entgeht sie dem Vorwurf, ein verfassungswidriges Gesinnungsstrafrecht zu schaffen. Darüber hinaus wird durch das Erfordernis der Solidarisierung eine Begrenzung der strafbaren Teilnahme herbeigeführt, da gewöhnliche Alltagshandlungen, die ohne eine bewusste Solidarisierung vorgenommen werden, nicht in das Spektrum des strafbaren Verhaltens fallen.28 Ein weiterer Vorteil dieser Lehre ist die Bindung der Teilnahmestrafe an den Strafrahmen der Haupttat. Das als eigenständig verstandene Solidarisierungsunrecht richtet sich nach „Art und Maß nach dem Bezugsobjekt der Solidarisierung“, also der Haupttat. Auf diese Weise stellt die Begründung der Strafbarkeit an der Extranenteilnahme am echten Sonderdelikt kein Problem mehr dar, da sich auch ein Extraneus mit einem delinquierenden Amtsträger solidarisieren kann.29 Allerdings zeigt bereits die Formulierung „geeignet ist, den Rechtsfrieden in unerträglicher Weise zu stören“, mit welcher Schumann die Mindestbedingungen für das Vorliegen der Teilnahme umschreibt, dass die Voraussetzungen der Beteiligung nach dieser Theorie nur sehr schwer zu bestimmen sind.30 Damit unterliegt diese Lehre dem ähnlichen Kritikpunkt wie auch die Unrechtsteilnahmelehre, die mit dem Terminus der „sozialen Desintegration“ einen ähnlich vagen Begriff in den Ausgangspunkt ihrer Überlegungen stellt. Im Übrigen ist auch die dogmatische Herleitung dieser Theorie zu kritisieren. Durch die Heranziehung der Eindruckstheorie stellt Schumann die Strafbarkeit des Versuchstäters in den Ausgangspunkt seiner Überlegungen. Allerdings kann der Strafgrund des Versuchstäters nicht mit dem Strafgrund der Teilnahme verglichen werden. Danach wäre die Teilnahme ähnlich dem 27

Schumann, Strafrechtliches Handlungsunrecht, S. 51. Schumann, Strafrechtliches Handlungsunrecht, S. 52 f. 29 Schumann, Strafrechtliches Handlungsunrecht, S. 51; kritisch dazu Roxin, FS f. Stree/Wessels 1986, 365, 368. 30 So auch Renzikowski, Täterbegriff, S. 46 f.; Ingelfinger, Anstiftervorsatz, S. 119 f.; Niedermair, ZStW 1995 [107], 507, 514 f.; Heghmanns, GA 2000 [147], 473, 475. 28

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1. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ in § 26

Versuch als Friedensstörungsdelikt zu verstehen. Allerdings liegt die Friedensstörung der Teilnahme nicht nach Art des untauglichen Versuchs in einem erfolgsunabhängigen „Abfall von den Grundwerten rechtlicher Gesinnung“ also in dem schlechten Eindruck, den die Solidarisierung mit dem Delinquenten hervorruft, sondern in etwas viel Schlimmerem, nämlich in dem, was der Teilnehmer durch Veranlassung und Unterstützung anrichtet, also bereits dem Erfolg der Teilnahme.31 Auch bleiben bloße Vorbereitungshandlungen beim Versuch, die regelmäßig auch den Rechtsfrieden stören, straflos. Erst Recht müsste dann aber die im Vorbereitungsstadium der Tat vorgenommene Solidarisierung eines Anstifters straflos bleiben.32 Schumann knüpft bei der Schaffung der Solidarisierungstheorie gedanklich an die Schuld- und Unrechtsteilnahmetheorie an und versucht deren Schwächen zu vermeiden. Im Ergebnis führt aber auch die Solidarisierungstheorie zu keinem widerspruchsfreien Ergebnis, da wiederum das Unrecht der Teilnahmehandlung zu stark von der Haupttat gelöst wird.

III. Die Verursachungstheorien Die Verursachungslehren haben einen völlig anderen Ansatzpunkt als die bisher vorgestellten Teilnahmetheorien. Den Anknüpfungspunkt dieser Theorien bildet die Mitverwirklichung des Unrechts der Haupttat durch den Teilnehmer. Dieser müsse zur Begründung seiner eigenen Strafbarkeit zumindest den Taterfolg durch seinen Beitrag mittelbar verursacht haben.33 Die Verursachungstheorien unterfallen in vier verschiedene Strömungen, diese grenzen sich voneinander ab, indem sie differenziert behandeln wem das Unrecht der Haupttat zuzurechnen ist. 1. Reine Verursachungstheorie Die reine Verursachungstheorie geht im Kern von der Eigenständigkeit des Unrechtsgehalts des Teilnahmedelikts aus.34 Diese Theorie, welche vor So auch SK/Hoyer34, vor § 26 Rn. 11; Roxin, FS f. Stree/Wessels 1986, 365, 368; LK11 /ders., vor § 26 Rn. 21; LK/Schünemann, vor § 26 Rn. 16. 32 So auch SK/Hoyer34, vor § 26 Rn. 11. 33 Lüderssen, Strafgrund der Teilnahme, S. 119 f.; ders., FS f. Miyazawa 1995, 449, 457 ff.; SK/Hoyer34, vor § 26 Rn. 12. 34 Lüderssen, Strafgrund der Teilnahme, S. 119 f.; ders., FS f. Miyazawa 1995, 449, 457; Schmidhäuser, AT, 10/16 sowie 107; Dencker, FS f. Lüderssen 2002, 525, 534 ff.; M.-K. Meyer, GA 1979 [126], 252 ff.; Baumann, JuS 1963, 125, 128; in der Tendenz zustimmend und auch der reinen Verursachungslehre zuzuordnen: 31

A. Teilnahmetheorien

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allem auf Lüderssen35, Schmidhäuser36 und Dencker37 zurückgeht, hebt die Akzessorietät der Teilnahme zu der Haupttat als Strafgrund völlig auf. Die Befürworter behaupten, es könne eine „Beteiligung ohne Täter“ geben.38 Sie begründen ihre Auffassung mit dem durch die Teilnahmehandlung selbständig verwirklichten Unrecht. Dieses stelle den alleinigen Strafgrund der Anstiftung dar. Dabei müsse die Teilnehmerhandlung der Anstiftung bzw. Beihilfe, um sie eigenständig bestrafen zu können, ihrerseits auch tatbestandsmäßig, rechtswidrig und schuldhaft sein.39 Die von ihnen trotzdem geforderte Notwendigkeit der Haupttat ist lediglich faktischer Natur. Eine „Beteiligung ohne Tat“ ist nach ihrer Auffassung daher ebenfalls nicht möglich.40 Nach dieser Auffassung wird aber beispielsweise auch die Teilnahme am Selbstmord strafbar, die Teilnahme an der unterlassenen Hilfeleistung durch positives Tun würde sogar zur Teilnahme an einem Tötungsverbrechen.41 Ein anderer Begründungsansatz dieser Lehre geht auf M.-K. Meyer zurück.42 Diese versucht den selbständigen Strafgrund der Anstiftung aus § 30 herzuleiten. Wenn in § 30 die versuchte Anstiftung unter Strafe gestellt ist, dann werde hiermit zum Ausdruck gebracht, dass der rechtsgutsverletzende Charakter der Teilnahme letztlich doch unabhängig von der Existenz der Haupttat ist.43 Dieses Argument wird von Roxin treffend entkräftet. Danach ist die versuchte Anstiftung gerade kein Fall der Teilnahme, sondern nur der Versuch Herzberg, GA 1971 [118], 1, 2; Sax, ZStW 1978 [90], 927, 931 sowie 938 ff.; Maurach, Schuld und Verantwortung, S. 61 f. 35 Lüderssen, Strafgrund der Teilnahme, S. 119 f.; ders., FS f. Miyazawa 1995, 449, 454 ff. 36 Schmidhäuser, AT, 10/16 sowie 107, dieser bezeichnet sie als „Theorie vom Eigenunwert der Teilnahme“. 37 Dencker, FS f. Lüderssen 2002, 525, 531 f. 38 Dencker, FS f. Lüderssen 2002, 525, 534. Wobei Lüderssen, Maurach wie auch Schmidhäuser dieses umschreiben, es jedoch nicht in dieser Deutlichkeit formulieren, vgl. Schmidhäuser, AT, 10/16 sowie 10/107; Lüderssen, Strafgrund der Teilnahme, S. 119 f.; Maurach, Schuld und Verantwortung, S. 61 f. 39 Lüderssen, Strafgrund der Teilnahme, 119; Schmidhäuser, AT, 10/107; Dencker, FS f. Lüderssen 2002, 525, 534; Sax, ZStW 1978 [90], 927, 931 u. 938 ff. 40 Dencker, FS f. Lüderssen 2002, 525, 534; Lüderssen, Strafgrund der Teilnahme, 119; Schmidhäuser, AT, 10/107; im Ergebnis so wohl auch Herzberg, GA 1971 [118], 1, 2. 41 Lüderssen, Strafgrund der Teilnahme, S. 168 und S. 192; kritisch dazu Jescheck/Weigend, AT, § 64 I 3. 42 M.-K. Meyer, GA 1979 [126], 252 ff. 43 M.-K. Meyer, GA 1979 [126], 252, 255.

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1. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ in § 26

einer solchen, der ebenso wenig wie die täterschaftlich versuchte Tat eine tatsächliche Rechtsgutsverletzung bewirkt.44 Im Übrigen ist auch die versuchte Teilnahme auf die nicht verwirklichte Haupttat bezogen, so dass es auch in diesem Fall kein völlig verselbständigtes Teilnahmeunrecht gibt.45 Im Ergebnis wird durch die reine Verursachungstheorie das System des StGB, welches zwischen Allgemeinen und Besonderen Teil differenziert, durchbrochen. Der Gesetzgeber hat im Allgemeinen Teil keine eigenständigen Tatbestände niedergelegt. Die Strafbarkeit der Teilnahme ist immer – nicht nur faktisch – an das Unrecht der Haupttat gekoppelt. Dieses kommt insbesondere durch die Existenz von § 28 zum Ausdruck. Im Übrigen setzen die §§ 26, 27 ganz explizit eine „vorsätzliche und rechtswidrige“ Tat voraus, wodurch die klare Anknüpfung an das Unrecht der Haupttat gesetzlich normiert wird.46 Auch ist nicht ersichtlich woraus sich der Strafrahmen des Anstifters bestimmen soll, wenn die Anstiftung einen eigenständigen Tatbestand darstellt, der nur „faktisch“ an die Haupttat gebunden ist. Durch die Reduktion auf die „faktische Bindung“ zu der Haupttat wird gerade nicht an deren Unrechtsgehalt und damit an deren Strafmaß angeknüpft. Die Unbestimmtheit des Strafmaßes begründet ein nicht zu überbrückendes Spannungsverhältnis zu Art. 103 Abs. 2 GG.47 Augrund dieser Schwächen, ist die reine Verursachungslehre als Ausgangspunkt für die weiteren Vergleichsüberlegungen zu den Tatbeständen des Besonderen Teils mit eigenständigem Veranlassungscharakter nicht zielführend. 2. Die akzessorische Verursachungstheorie Die akzessorische Variante der Verursachungstheorie, welche in der Literatur weite Verbreitung gefunden hat, geht nicht von einem eigenständigen 44

Roxin, FS f. Stree/Wessels 1986, 365, 366; zustimmend MüKo/Joecks, vor §§ 26, 27 Rn. 8. 45 Roxin, FS f. Stree/Wessels 1986, 365, 366. 46 So auch SK/Hoyer34, vor § 26 Rn. 14; LK/Schünemann, vor § 26 Rn. 12; MüKo/Joecks, vor §§ 26, 27 Rn. 9; Schönke/Schröder/Heine, vor §§ 25 ff. Rn. 20; Jescheck/Weigend, AT, § 64 I 3; Baumann/Weber/Mitsch, § 30 Rn. 7; Kindhäuser, AT, § 38 Rn. 13; Bloy, Beteiligungsform, S. 252 ff.; ders., JA 1987, 490, 492; im Ergebnis auch Nydegger, Zurechnungsfragen, S. 112 f. 47 Mit diesem Argument wird in der Literatur vor allem die Unrechtsteilnahmelehre kritisiert, vgl. 1. Kapitel, A.I.2. Indem auch diese Theorie das Teilnahmeunrecht nicht aus der Haupttat ableitet, sondern dieses durch ein eigenständiges Element begründet, ist diese Argumentation auch hier heranzuziehen. Im Ansatz auch Nikolidakis, Anstiftung, S. 41. 4. Kapitel, C.

A. Teilnahmetheorien

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Unrechtsgehalt der Teilnahmehandlung aus. Zwar erwecke der Teilnehmer in ursächlicher Weise den Tatentschluss des Täters, jedoch verletze dieser gerade nicht selbst den Tatbestand der Haupttat. Sein Unrecht bestehe also in der Mitwirkung der Normverletzung des Haupttäters. Mithin sei das Unrecht der Teilnahme abhängig von dem Unrecht der Haupttat, wie es sich auch aus §§ 26 ff. ergibt. Den vom Täter ausgeführten Rechtsgutsangriff müsse sich der Teilnehmer als akzessorischer Mitverursacher zurechnen lassen.48 Der Vorteil dieser Auffassung ist zum einen die Erklärung für die Strafbarkeit der Teilnahme am echten Sonderdelikt bzw. am erfolgsqualifizierten 48 BGHSt 4, 355, 357 f.; RGSt 5, 227, 228; 15, 315, 316 f.; Schönke/Schröder/ Heine, vor §§ 25 ff. Rn. 17; LPK/Kindhäuser, vor §§ 25–31 Rn. 16; ders., AT, § 38 Rn. 19 ff.; Otto, JuS 1982, 558 f.; ders., AT, § 22 Rn. 7 ff.; ders., FS f. Lange 1976, 197, 207 f.; Vogler, FS f. Heinitz 1972, 295, 300 f.; Küper, ZStW 1992 [104], 559, 577; ders., GA 1974 [121], 321, 334 f.; Kudlich, Unterstützung, S. 359 f.; Hirsch, FS f. Schreiber 2003, 153, 162; Rudolphi, ZStW 1966 [78], 67, 92 ff., ders., GA 1970 [117], 353, 365; Langer, Sonderverbrechen, S. 465 ff.; Jescheck/Weigend, AT, § 64 I 2; Kühl, AT, § 20 Rn. 132; Baumann/Weber/Mitsch, § 30 Rn. 3; Freund, AT, § 10 Rn. 10 ff.; Nikolidakis, Anstiftung, S. 50; Theile, Tatkonkretisierung, S. 42; Wessels/Beulke, AT, Rn. 551 f.; Esser, GA 1958 [105], 321, 333; bereits stark an die Lehre vom akzessorischen Rechtsgutsangriff angenähert MüKo/ Joecks, vor §§ 26, 27 Rn. 10 insb. Rn. 16; wohl auch Bloy, Beteiligungsform, S. 252 ff.; ders., JA 1987, 490, 492. Einen Ansatz, der wohl auch in diesen Kontext einzuordnen ist, wird von Nydegger (Zurechnungsfragen, S. 128 ff.) vertreten. Nach diesem besteht das Unrecht der Teilnahme nicht in der Rechtsgutsverletzung des Haupttäters, sondern in seinem Beitrag zur Durchführung der Haupttat (ebd. S. 122). Eine zu enge Anlehnung an den Rechtsgüterschutzgedanken wird von diesem mit der Begründung abgelehnt, da ansonsten die Teilnahme zu Delikten straflos wäre, bei denen kein konkretes Rechtsgut als Schutzobjekt auszumachen ist (ebd. S. 121 f.). Das Unrecht der Teilnahme leitet er in ähnlicher Weise wie Schumann (zur Solidarisierunstheorie vgl. 1. Kapitel, A.II.) aus einer Parallele zur Versuchsstrafbarkeit her. Eine weiter ausdifferenzierte Variante dieser Theorie wird von Heghmanns vertreten (GA 2000 [147], 473). Dieser kombiniert die Unrechtsteilnahmelehre mit der vorliegenden Theorie vom akzessorischen Rechtsgutsangriff. Nach diesem könne es keine vor die Klammer gezogene Theorie geben, welche den Strafgrund der Teilnahme ohne eine eingehende Betrachtung der jeweiligen Teilnahmeform erklärt (ebd. S. 475). Die besondere Gefährlichkeit des Handlungsunrechts der Beihilfe liege in der Durchbrechung der gesellschaftlich verhängten Isolation über den Täter. Durch die Beihilfehandlung werde die Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintritts erhöht und die tatsächliche Rechtsgutsgefährdung konkretisiert. Dem Prinzip der limitierten Akzessorietät werde damit Rechnung getragen (ebd. S. 478). Durch die Kontaktaufnahme durchbreche ebenfalls der Anstifter die strafrechtlich sanktionierte Isolation des Haupttäters. Dadurch werde der Haupttäter weniger desintegriert und zu einer künftigen Gefahr für die Rechtsordnung (ebd. S. 484). Jedenfalls sei eine akzessorische Erfolgszurechnung aufgrund des durch den Anstifter hervorgerufenen Kausalverlaufs zwingend nötig (ebd. S. 482).

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1. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ in § 26

Delikt. Denn das vollständige Unrecht des Haupttäters, welches aus Handlungs- und Erfolgsunrecht besteht, wird auch für die Bestrafung des Teilnehmers ursächlich.49 Zum anderen erklärt dieser Umstand, dass eine Mitwirkung am untauglichen Versuch, der für den Haupttäter strafbar ist, für den Teilnehmer straflos bleibt, wenn er dessen Untauglichkeit kannte, weil es insoweit an seinem Vorsatz und damit an einer Teilnahme am fremden, die Versuchsstrafbarkeit begründenden Handlungsunrecht fehlte.50 Problematisch wird es hingegen im Fall des agent provocateur. Nach der Auffassung der akzessorischen Verursachungstheorie gelangt der agent provocateur zur Straflosigkeit, weil ihm das Unrecht des Haupttäters, welches nur im Handlungsunwert bestehe, nicht zugerechnet werden könne.51 Hierbei wird jedoch die Haftung des agent provocateur für die vollendete Teilnahme am Versuch übersehen, für die er sehr wohl zu bestrafen ist.52 Die Schwäche dieser Theorie ist die Verabsolutierung des Akzessorietätsgedankens. Die Mitwirkung an einer Normverletzung wird soweit in den Mittelpunkt gerückt, dass das geschützte Rechtsgut völlig aus den Augen verloren wird. Allerdings werden Straftatbestände nicht aus reinem Selbstzweck aufgestellt, sondern um ein bestimmtes Rechtsgut zu schützen. Bedarf nun dieses Rechtsgut keines Schutzes gegen den Angriff des Teilnehmers, so kann dessen Mitwirkung an der Normverletzung durch den Haupttäter auch nicht strafbar sein. Dieses ist beispielsweise in den Fällen der straflosen notwendigen Teilnahme oder bei der Aufforderung zur Strafvereitelung zugunsten des Auffordernden der Fall.53 Diese Lehre stellt also zu einseitig auf das Erfolgsunrecht der Haupttat ab und vernachlässigt das Handlungsunrecht des Teilnehmers.54 Überdies erklärt diese Theorie auch nicht, warum für Anstifter und Haupttäter der49 MüKo/Joecks, vor §§ 26, 27 Rn. 10; Schönke/Schröder/Heine, vor §§ 25 ff. Rn. 17; Kindhäuser, AT, § 38 Rn. 12; Baumann/Weber/Mitsch, § 30 Rn. 19 ff. 50 Schönke/Schröder/Heine, vor §§ 25 ff. Rn. 17; MüKo/Joecks, vor §§ 26, 27 Rn. 10; Langer, Sonderverbrechen, S. 466 f.; Baumann/Weber/Mitsch, § 30 Rn. 47. 51 MüKo/Joecks, vor §§ 26, 27 Rn. 11 sowie § 26 Rn. 67; Schönke/Schröder/ Heine, vor §§ 25 ff. Rn. 17; Baumann/Weber/Mitsch, § 30 Rn. 44 ff.; Kühl, AT, § 20 Rn. 201; im Ergebnis so auch Heghmanns, GA 2000 [147], 473, 487. 52 So auch SK/Hoyer34, vor § 26 Rn. 15; LK11 /Roxin, vor § 26 Rn. 18; ders., FS f. Stree/Wessels 1993, 365, 373; hierzu ebenfalls kritisch LK/Schünemann, vor § 26 Rn. 15. 53 So auch SK/Hoyer34, vor § 26 Rn. 16; Roxin, AT II, § 26 Rn. 30 f.; LK11 /ders., vor § 26 Rn. 18; LK/Schünemann, vor § 26 Rn. 15; Renzikowski, Täterbegriff, S. 42. 54 So auch LK/Schünemann, vor § 26 Rn. 15; Roxin, AT II, § 26 Rn. 30 f.; LK11 /ders., vor § 26 Rn. 18; SK/Hoyer34, vor § 26 Rn. 16; Geppert, Jura 1997, 299, 300; ders., Jura 2008, 34, 35; Kretschmer, Jura 2008, 265, 266; Renzikowski, Täterbegriff, S. 41 f.; Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 12 Rn. 122.

A. Teilnahmetheorien

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selbe Strafrahmen anzuwenden ist, obwohl nur der Haupttäter das Rechtsgut unmittelbar gefährdet hat.55 Mit dieser Auffassung ist eine dogmatisch saubere Lösung der Teilnahmeproblematik ebenfalls nicht möglich. Es gelingt zwar die „Standardkonstellationen“ zu erklären, hingegen nicht die aufgezeigten Sonderkonstellationen. 3. Lehre vom akzessorischen Rechtsgutsangriff Die auf Roxin zurückgehende Lehre vom akzessorischen Rechtsgutsangriff ist ebenfalls in den Bereich der Verursachungstheorien einzustufen. Roxin vermeidet hierbei die Schwächen der beiden vorangegangenen Theorien und siedelt seine Auffassung zwischen der „reinen“ und der „akzessorietätsorientierten“ Verursachungslehre an. Für den Teilnahmebegriff im Sinne dieser Lehre wird das Teilnahmeunrecht aus zwei Elementen hergeleitet, nämlich einem selbständigen und einem unselbständigen Teil.56 a) Die dogmatische Begründung Die Begründung der vorliegenden Theorie deutet sich bereits durch die verwendete Terminologie des „akzessorischen Rechtsgutsangriffs“ an.57 Danach ergibt sich das Unrecht der Teilnahme zum einen aus dem abgeleiteten Täterunrecht, welches durch das Adjektiv „akzessorisch“ hervorgehoben wird. Diesen Bestandteil bezeichnet Roxin als das unselbständige Element.58 Das selbständige Element wird durch den Begriff des „Rechtsgutsangriffs“ verdeutlicht. Danach muss die Mit- bzw. Einwirkungshandlung des Teilnehmers eine Intensität erreichen, die der eines „selbständigen“ Rechtsgutsangriffs gleich steht. So auch SK/Hoyer34, vor § 26 Rn. 16. AT II, § 26 Rn. 11; ders., FS f. Stree/Wessels 1993, 365, 380 ff.; LK /ders., vor § 26 Rn. 1 ff. Rn. 22; SK/Hoyer34, vor § 26 Rn. 1 ff.; LK/Schünemann, vor § 26 Rn. 17; SSW/Murmann, vor §§ 25 ff. Rn. 17; Geppert, Jura 1997, 299, 300; ders., Jura 2008, 34, 35; unter Vorbehalten zustimmend Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 148 f.; Satzger, Jura 2008, 514, 517; wohl auch Niedermair, ZStW 1995 [107], 507, 543 f. 57 LK11 /Roxin., vor § 26 Rn. 7; LK/Schünemann, vor § 26 Rn. 7; kritisch dazu Renzikowski, Täterbegriff, S. 43. 58 Roxin, AT II, § 26 Rn. 11; ders. FS f. Stree/Wessels 1993, 365, 380 f.; LK11 /ders., vor § 26 Rn. 4; zustimmend LK/Schünemann, vor § 26 Rn. 4; SK/ Hoyer34, vor § 26 Rn. 17. 55

56 Roxin, 11

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1. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ in § 26

Nur durch die kumulative Verwirklichung beider Elemente seien die Voraussetzungen der Teilnahme erfüllt.59 Da durch das selbständige Element lediglich die Intensität des Angriffs definiert wird, könne die genaue Ausgestaltung von diesem nicht allgemein unter dem Hintergrund des abstrakten Teilnahmeunrechts erläutert werden. Vielmehr müssten die konkreten Anforderungen, die an die selbständige Mitwirkungshandlung zu stellen sind, den jeweiligen Beihilfe- und Anstiftungstheorien überlassen bleiben.60 Hinsichtlich der dogmatischen Herleitung differenziert Roxin konsequenterweise nach dem selbständigen und unselbständigen Element. Das unselbständige Element, also die Akzessorietät der Teilnahme von der Tat des Haupttäters, leitet er aus dem Gesetz ab. Die §§ 26, 27 aber auch § 29 normieren die limitierte Akzessorietät, wonach sich die Zurechnung auf die tatbestandliche rechtswidrige Haupttat beschränkt. Im Ergebnis entspricht das unselbständige Element genau der gesetzlichen Definition von der Haupttat.61 Roxin versteht die Akzessorietät der Teilnahmehandlung als den äußeren Rahmen, der die Teilnehmerhandlung in rechtsstaatlicher Hinsicht konturiert. Da nicht jedes beliebige, für den Erfolg kausale Verhalten eine Teilnahme darstellen kann, verhindere die Bindung an die Tatbestandshandlung, dass die Strafbarkeit mit Hilfe eines vom Tatbestand abgelösten Teilnahmebegriffes ausgedehnt wird.62 Insofern wird die Zurechenbarkeit des unselbständigen Elements durch das selbständige Element beschränkt, da hierdurch die untere Erheblichkeitsgrenze definiert wird. Die Herleitung des selbständigen Elements, also des selbständigen Rechtsgutsangriffs des Teilnehmers, bereitet Roxin größere Schwierigkeiten. Ein solches Element lässt sich im Gegensatz zu der limitierten Akzessorietät nicht aus dem Wortlaut des Gesetzes ableiten. Für die Begründung zieht er daher die allgemeinen Grundsätze der objektiven Zurechnung heran.63 Da59 Roxin, AT II, § 26 Rn. 11; ders. FS f. Stree/Wessels 1993, 365, 380 f.; SK/ Hoyer34, vor § 26 Rn. 17 ff.; Geppert, Jura 1997, 299, 300; Kretschmer, Jura 2008, 265, 266; Satzger, Jura 2008, 514, 517. 60 LK11 /Roxin, vor § 26 Rn. 7; LK/Schünemann, vor § 26 Rn. 7; zustimmend Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 149; zum Teil kritisch SK/Hoyer34, vor § 26 Rn. 17 ff. 61 Roxin, AT II, § 26 Rn. 2; ders., AT II, § 26 Rn. 6 ff.; LK11 /ders., vor § 26 Rn. 2 ff.; LK/Schünemann, vor § 26 Rn. 2 ff. 62 LK11 /Roxin, vor § 26 Rn. 5; ders., FS f. Stree/Wessels 1993, 365, 381; so auch LK/Schünemann, vor § 26 Rn. 5; SK/Hoyer34, vor § 26 Rn. 18; Geppert, Jura 1997, 299, 300; diesbezüglich zustimmend Bloy, JA 1987, 490, 492. 63 Roxin, AT II, § 26 Rn. 9; ders., FS f. Stree/Wessels 1993, 365, 381; LK11 /ders., vor § 26 Rn. 2; LK/Schünemann, vor § 26 Rn. 2; in diesem Sinne auch Kretschmer, Jura 2008, 265, 267; Satzger, Jura 2008, 514, 517.

A. Teilnahmetheorien

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nach könne ein Erfolg nur dann zugerechnet werden, wenn der Teilnehmer vorsätzlich ein unerlaubtes Risiko geschaffen hat, welches sich im konkreten Taterfolg niederschlägt.64 Dabei sei die Verursachung das allgemeine und deren Akzessorietät das teilnahmespezifische Zurechnungskriterium.65 Durch die Kombination dieser beiden Elemente erhält Roxin auch korrekte Ergebnisse an den Stellen, an denen die anderen Theorien in Begründungsschwierigkeiten geraten.66 So kann Roxin die Straflosigkeit des agent provocateur leicht begründen, indem er auf den Vorsatz im Rahmen des selbständigen Elements, d. h. des selbständigen Rechtsgutsangriffs des Teilnehmers abstellt. Denn der agent provocateur hat gerade nicht den Vorsatz, das geschützte Rechtsgut durch seine Teilnahmehandlung anzugreifen, sondern er will gerade dessen Verletzung verhindern.67 Seine Art der Einwirkungshandlung entspricht also keinem selbständigen Rechtsgutsangriff. Ferner gelangt diese Theorie ebenfalls in den Fällen zur rechtspolitisch korrekten Straflosigkeit des Teilnehmers, in denen dieser ein ihm gegenüber nicht geschütztes Rechtsgut durch seine Teilnahmehandlung angreift. Grundsätzlich besteht das Unrecht des selbständigen Elements in der Schaffung eines rechtlich missbilligten Risikos. In den Fällen der Selbstschädigung liegt allerdings kein strafrechtlich relevanter Rechtsgutsangriff vor. Damit entfällt das für die Teilnahme notwendige selbständige Element und schließt die Teilnahmestrafbarkeit aus.68

64 Roxin, AT II, § 26 Rn. 9; ders., AT I, § 11 Rn. 44 ff.; ders., FS f. Stree/Wessels 1993, 365, 381; LK11 /ders., vor § 26 Rn. 2; LK/Schünemann, vor § 26 Rn. 2; so auch Kretschmer, Jura 2008, 265, 267 und 271. 65 Roxin, FS f. Stree/Wessels 1993, 365, 381. 66 Zu den Schwächen der akzessorischen Verursachungstheorie, vgl. 1. Kapitel, A.III.2. 67 Roxin, AT II, § 26 Rn. 8; LK11 /ders., vor § 26 Rn. 2; LK/Schünemann, vor § 26 Rn. 2; wohl zustimmend SK/Hoyer34, vor § 26 Rn. 17; Ingelfinger, Anstiftervorsatz, S. 117. 68 Roxin, AT II, § 26 Rn. 8; LK11 /ders., vor § 26 Rn. 2, 7 sowie 38; LK/Schünemann, vor § 26 Rn. 2, 7 sowie 30; wohl zustimmend SK/Hoyer34, vor § 26 Rn. 17 sowie 73; Ingelfinger, Anstiftervorsatz, S. 117. Roxin (AT II, § 26 Rn. 8) bildet zur Veranschaulichung das folgende Beispiel: Wer sich von einem anderen verstümmeln lässt, um sich auf diese Weise der Wehrpflicht zu entziehen oder zu einer Invalidenrente zu kommen, bewirkt eine strafbare Körperverletzung. Denn der Täter kann sich nicht auf eine Einwilligung des „Opfers“ berufen, weil diese nach § 228 unwirksam ist. Gleichwohl wird man das anstiftende Opfer straflos lassen müssen; denn niemand kann, wie die Straflosigkeit der Selbstverstümmelung (nach §§ 223 ff.) zeigt, seinen eigenen Körper in strafrechtlich relevanter Weise angreifen.

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1. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ in § 26

b) Kritik an der Theorie vom akzessorischen Rechtsgutsangriff Keller kritisiert die dargestellte Theorie Roxins. Nach seiner Auffassung sei der Sinn der Akzessorietätsregelung in der Begründung des Unrechts der Teilnahme zu sehen, welches wiederum durch den Rechtsgutsangriff des Haupttäters hervorgerufen wird. Die geforderte Notwendigkeit eines eigenständigen Rechtsgutsangriffs durch den Teilnehmer, der nach Meinung Roxins zwingend erforderlich ist, wäre demnach überflüssig.69 Die Auffassung Kellers geht von einem falschen Verständnis der Akzessorietät aus. Die Akzessorietät dient dazu, die Teilnahmehandlung zu konturieren. Da jedes beliebige, für den Erfolg kausale Verhalten eine Teilnahme sein kann, verhindert die Bindung an die Tatbestandshandlung, dass die Strafbarkeit mit Hilfe eines vom Tatbestand abgelösten Teilnahmebegriffs ausgedehnt wird.70 Damit dient die Akzessorietät gerade der Begrenzung der Teilnahme und nicht deren Begründung.71 Dieses Ergebnis wird durch die Literatur bestätigt, welche das Akzessorietätserfordernis mit der Wahrung des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots aus Art. 103 Abs. 2 GG und der Schaffung von Rechtssicherheit begründet.72 Im Übrigen ist das selbständige Element entgegen Haas nicht Ausdruck von Gesinnungsstrafrecht, da sich auch die subjektiven Faktoren durch äußere Kriterien konkretisieren müssen. Des Weiteren wird die Darstellung des unselbständigen Elements, d. h. die Begründung der limitierten Akzessorietät, von Hoyer aufgegriffen und als zu formelhaft kritisiert.73 Danach könne die bloße Konturierung der Teilnahmehandlung, wie sie Roxin74 darstellt, nicht der tragende Grund des in §§ 26, 27 festgeschriebenen limitierten Akzessorietätsprinzips sein. Denn hierfür sei eine tatbestandsmäßige oder auch nur objektiv tatbestandsmäßige 69 Keller, Rechtliche Grenzen, S. 172 f. Haas geht hierbei noch einen Schritt weiter, indem er der Auffassung ist, dass dem selbständigen Element der objektive Tatbezug fehlt und diese Theorie eine Form des Gesinnungsstrafrechts darstellt, vgl. Matt/Renzikowski/Haas, Vor §§ 26 Rn. 10 f.; ders., ZStW 2007 [119], 519, 526 ff.; ders., Die Theorie der Tatherrschaft, S. 40 ff. 70 LK11 /Roxin, vor § 26 Rn. 5; ders., FS f. Stree/Wessels 1993, 365, 381; so auch LK/Schünemann, vor § 26 Rn. 5; SK/Hoyer34, vor § 26 Rn. 18; Geppert, Jura 1997, 299, 300; diesbezüglich zustimmend Bloy, JA 1987, 490, 492. 71 So auch MüKo/Freund, vor §§ 13 ff. Rn. 481; Puppe, ZStW 2008 [120], 504, 504; im Ergebnis so auch Schönke/Schröder/Heine, vor §§ 25 ff. Rn. 41. 72 Schönke/Schröder/Heine, vor §§ 25 ff. Rn. 23; Kühl, AT, § 20 Rn. 7; Geppert, Jura 1997, 299, 300. 73 SK/Hoyer34, vor § 26 Rn. 18; kritisch zu Hoyer MüKo/Joecks, vor §§ 26, 27 Rn. 15 f. 74 Vgl. LK11 /Roxin, vor § 26 Rn. 5; ders., FS f. Stree/Wessels 1993, 365, 381.

A. Teilnahmetheorien

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Haupttat ausreichend, obwohl § 26 eine tatbestandsmäßige, rechtswidrige Haupttat voraussetzt.75 Wenn also die Akzessorietät in §§ 26, 27 weiter reicht, so müsse das darauf beruhen, dass die Verursachung einer vorsätzlichen rechtswidrigen Haupttat nach Auffassung des Gesetzgebers ein höheres Unrecht bedeutet, als die Verursachung eines anderen Zwischenerfolges auf dem Wege zur Rechtsgutsverletzung. Im Rahmen der Theorie vom akzessorischen Rechtsgutsangriff dürfe daher das Akzessorietätserfordernis nicht nur als formales Kriterium betrachtet werden, um den unrechtskonstituierenden Rechtsgutsangriff zu fixieren. Vielmehr bedeute eine rechtswidrige Haupttat auch ein zusätzliches Unrecht für den Teilnehmer. Erst dieses zusätzliche Unrecht könne erklären, warum ein bloßer mittelbarer Rechtsgutsangriff trotz des Fehlens täterschaftsbegründender Umstände ausreicht, um den Anstifter gleich einem Täter gem. § 26 zu bestrafen.76 Hoyers Gedankengang ist sehr weitgehend, aber er übersieht einen viel näher liegenden Grund, welcher die Einbeziehung des Merkmals der Rechtswidrigkeit erforderlich macht. So wird durch die Voraussetzung einer rechtswidrigen Haupttat zum Ausdruck gebracht, dass eine strafbare Teilnahme an einer gerechtfertigten Tat nicht möglich ist.77 Roxins Überlegungen hinsichtlich des unselbständigen Elements sind daher keineswegs als lediglich formelhaft anzusehen. Indem Hoyer das erhöhte Unrecht der Anstiftung und die tätergleiche Bestrafung mit dem zusätzlichen Unrecht der Rechtswidrigkeit begründet, gerät seine Abwandlung der vorliegenden Teilnahmelehre in einen systematischen Konflikt, da er die limitierte Akzessorietät der Beihilfe nicht mehr erklären kann. Denn auch die Beihilfe erfordert eine rechtswidrige Vortat, d. h. ein erhöhtes Unrecht im Sinne Hoyers. Mithin müsste auch die Beihilfe eine tätergleiche Bestrafung nach sich ziehen.78 75 SK/Hoyer34, vor 26 Rn. 18; kritisch zu Hoyer MüKo/Joecks, vor §§ 26, 27 Rn. 14 ff. 76 SK/Hoyer34, vor 26 Rn. 18. 77 So auch LK11 /Roxin, vor 26 Rn. 30 f.; LK/Schünemann, vor § 26 Rn. 23; Maurach, Schuld und Verantwortung, S. 71 f. 78 Um diesen Konflikt zu korrigieren nimmt Hoyer eine differenzierte Zurechnung des Handlungs- und Erfolgsunrechts der Haupttat (also des unselbständigen Elements) vor, je nachdem ob ein Fall der Beihilfe oder der Anstiftung vorliegt. Im Rahmen der Anstiftung seien dem Teilnehmer sowohl das Erfolgs- wie auch das Handlungsunrecht der Haupttat zuzurechnen. Hinsichtlich der Beihilfe erfolge nur die Zurechnung des Erfolgsunrechts. Die Beihilfe verkörpere ein geringeres Unrecht, da der Teilnehmer hier nicht das Handlungsunrecht der Haupttat initiiere, dieses sei auch der Grund für den gemilderten Strafrahmen in § 27 Abs. 2 (SK/ Hoyer34, vor § 26 Rn. 20 f.). Der Wegfall des Handlungsunrechts bei der Beihilfe

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1. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ in § 26

Auch Bloy kritisiert die vorliegende Theorie, da sich auf diese Weise das Teilnahmeunrecht aus zwei heterogenen Teilen zusammensetzt und eine Einheit höherer Ordnung nicht erreicht werden könne.79 Nach ihm liegt der Sinn und Zweck der Teilnahmeregelungen allein in der Verhinderung des tatbestandlichen Unrechts der Haupttat. Durch das selbständige Element würde das Unrecht der Haupttat seine konkrete Bedeutung für den Teilnehmer verlieren. Dieser würde aufgrund seiner rechtlich missbilligten Teilnahmehandlung bestraft werden, die jedoch von dem Täterunrecht völlig losgelöst wäre. Nach Bloy muss sich der Angriff des Teilnehmers stets und ausschließlich gegen das Rechtsgut richten, welches auch der Haupttäter angreift. Allerdings darf die Handlung des Teilnehmers nicht zu einer allgemeinen Zurechungsvoraussetzung herabgestuft werden, da ansonsten keine spezielle Kennzeichnung des Teilnahmeunrechts möglich wäre.80 Im Ergebnis ist die Kritik von Bloy ebenfalls nicht zielführend. Auch nach der vorliegenden Theorie vom akzessorischen Rechtsgutsangriff ist der Angriff des Teilnehmers natürlich von der Rechtsgutsverletzung des Haupttäters abhängig und steht nicht losgelöst neben diesem. Diese Verbundenheit ist Ausdruck des unselbständigen Elements, welches die Akzessorietät verdeutlicht.81 Andererseits fordert aber auch Bloy einen eigenständigen nichtakzessorischen Bestandteil, indem er ein die Teilnahme kennzeichnendes Kriterium fordert, damit sie nicht zu einer allgemeinen Zurechnungsvoraussetzung herabgestuft wird. Dieser Bestandteil ist letztlich nichts anderes, als das selbständige Element nach Roxin.82 Eine Kombination beider Bestandteile ist überdies sehr wohl ohne systematische Brüche möglich, da hierdurch lediglich zum Ausdruck gebracht hebe nach Hoyer, die durch das Merkmal der Rechtswidrigkeit indizierte Unrechtssteigerung (im Nachhinein) wieder auf. Hoyers Begründung ist allerdings nicht zu folgen. Zum einen ist der gemilderte Strafrahmen und die andere Art der Verwirklichung des Teilnahmeunrechts kein zwingender Grund, um die Zurechnung auf das Erfolgsunrecht zu beschränken, denn das Handlungsunrecht wird durch Haupttäter noch immer verwirklicht, auch wenn es sich bei der Teilnahmehandlung um einen Fall der Beihilfe handelt. Zum anderen ist es nicht nachvollziehbar, warum der Gesetzgeber durch das Merkmal der Rechtswidrigkeit auch in § 27 eine gesteigerte Unrechtsvoraussetzung normieren wollte, um diese anschließend durch eine partielle Unrechtszurechnung wieder aufzuheben. Sowohl die Anstiftung als auch die Beihilfe gehen im Ausgangspunkt von denselben Anforderungen an die Haupttat aus. Für eine differenzierte Zurechnung der beiden Unrechtsbestandteile enthält der Gesetzestext keine Anhaltspunkte und ist in der Konsequenz abzulehnen. 79 Bloy, Beteiligungsform, S. 253; im Ergebnis auch Nikolidakis, Anstiftung, S. 48. 80 Bloy, Beteiligungsform, S. 252 f. 81 Sich mit der Kritik Bloys auseinandersetzend Roxin, FS f. Stree/Wessels 1993, 365, 382. 82 So auch Roxin, FS f. Stree/Wessels 1993, 365, 382.

A. Teilnahmetheorien

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wird, dass das Teilnahmeunrecht akzessorische und nichtakzessorische Teile in sich vereinigt. Zu diesem Ergebnis gelangt letztendlich auch Bloy nur aufgrund einer Begründung, die sich im Schwerpunkt an der akzessorischen Verursachungstheorie orientiert.83

IV. Zusammenfassung Der aufgezeigte Theorienstreit verdeutlicht die unterschiedlichen Standpunkte, die in dem Bereich der Teilnahmetheorien vertreten werden. In der Vergangenheit bestand der Schwerpunkt des Streits in der Frage, ob das Teilnahmeunrecht aus dem Unrecht der Haupttat abzuleiten ist, oder ob es selbständig für sich steht. In der gegenwärtigen Diskussion hat die Schuldbzw. Unrechtsteilnahmelehre an Einfluss verloren. Insbesondere die herrschende Meinung hat sich nunmehr der akzessorischen Verursachungslehre zugewandt. Der Streit um das Unrecht der Teilnahme beschränkt sich mithin in seinem Schwerpunkt auf den Bereich der Verursachungslehren. In diesem Zusammenhang ist wie aufgezeigt umstritten, ob das Teilnahmeunrecht einen selbständigen Aspekt aufweisen muss oder ob es sich allein aus dem Unrecht der Haupttat herleiten lässt.84 Mit den dargestellten Argumenten ist der Lehre Roxins vom akzessorischen Rechtsgutsangriff zu folgen.85 Hierbei überzeugt die dogmatisch korrekte Lösung der Standard- wie auch der Sonderkonstellationen, da letztere durch die übrigen Lehren nicht ohne Begründungsschwierigkeiten erklärt werden können. Insofern gelingt es nur dieser Theorie diese dogmatisch schwierigen Konstellationen sowohl unter Beachtung der Gesetzessystematik, als auch unter Einhaltung der eigenen Voraussetzungen ohne Systembrüche zu lösen. Im Übrigen ist der Gedanke eines selbständigen Unrechtselements zu begrüßen, auch wenn die dogmatische Begründung von diesem als etwas unbestimmt erscheint, da lediglich die Kriterien der objektiven Zurechnung herangezogen werden und so die exakte Eingrenzung im Einzelfall nur schwer möglich ist.86 Allerdings ist diese gewisse Offenheit als Vorteil anzusehen, da hierdurch eine bewusste Leerstelle geschaffen wird, die durch die näher konkretisierenden Anstiftungs- und Beihilfetheorien ausgefüllt werden kann. 83

So auch Roxin, FS f. Stree/Wessels 1993, 365, 382. Den Schwerpunkt des Streits ebenfalls in diesem Bereich verortend LK11 / Roxin, vor § 26 Rn. 22; ders., AT II, § 26 Rn. 11; LK/Schünemann, vor § 26 Rn. 17. 85 Vgl. 1. Kapitel, A.III.3. 86 Vgl. 1. Kapitel, A.III.3.a). Wobei anzumerken ist, dass die Lehre von der objektiven Zurechnung im Bereich der Teilnahme einen stärker werdenden Einfluss gewinnt. Hierzu insb. Kretschmer, Jura 2008, 265 ff. 84

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1. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ in § 26

Ferner ist in diesem Zusammenhang anzumerken, dass sich die akzessorische Verursachungslehre und die Lehre vom akzessorischen Rechtsgutsangriff immer stärker annähern, da auch die herrschende Meinung in zunehmendem Maße auf das zusätzliche Erfordernis eines nichtakzessorischen, selbständigen Elements abstellt.87 Der Lehre vom akzessorischen Rechtsgutsangriff ist daher zu folgen, wonach sich das Unrecht der Teilnahme sowohl aus dem eigenen Unrecht des Teilnehmers, wie auch aus der Zurechnung des Unrechts des Haupttäters zusammensetzt.

B. Die Herausbildung der heutigen Anstiftungstheorien Wie bereits angedeutet, entsteht durch die Einführung des selbständigen Elements eine Lücke, die genügend Raum lässt, um die spezielleren Anstiftungs- und Beihilfetheorien einfließen zu lassen. Im Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen steht daher, wie das spezielle Handlungsunrecht der Anstiftung zu definieren ist, um diese Leerstelle ohne systematische Verstöße auszufüllen. Die in der Literatur hierzu vertretenen Auffassungen lassen sich in vier Hauptströmungen unterteilen, nämlich die Verursachungstheorie, die Theorie vom geistigen Kontakt, die Sanktionierungstheorie sowie die Dominanztheorien. Die Verursachungstheorie sowie die Theorie vom geistigen Kontakt standen sich während der gesamten Entwicklung der Anstiftung stets gegenüber und beeinflussten so ihre jeweilige Ausformung. Ein tieferes Verständnis der heute vertretenen Meinungen ist daher nur durch einen Blick auf ihre historische Entwicklung möglich.

I. Der moraltheologische Aspekt im Mittelalter In historischer Hinsicht basiert die Strafbarkeit des Anstifters auf den Schuldteilnahme- bzw. Korrumpierungstheorien.88 Dieses traditionelle Bild begründet sich vor allem aus dem mittelalterlichen Zusammenspiel von kanonischem und weltlichem Recht. Nach moraltheologischen Vorstellungen bestand ein nahezu untrennbarer Zusammenhang zwischen dem Verfängnis 87 MüKo/Joecks, vor §§ 26, 27 Rn. 16 f.; Jakobs, AT, 22/9; Kühl, AT, § 20 Rn. 132; Bloy, Beteiligungsform, S. 252 ff.; ders., JA 1987, 490, 492; Otto, JuS 1982, 558 f.; ders., AT, § 22 Rn. 7 ff.; ders., FS f. Lange 1976, 197, 207 f. 88 Trechsel, Strafgrund der Teilnahme, 5 ff.; Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 149.

B. Die Herausbildung der heutigen Anstiftungstheorien

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des Täters in Schuld und der Begründung der Strafe.89 Dabei wurde der Strafgrund der Anstiftung in der „Verführung“ oder auch in dem „Seelenmord“ des Frommen gesehen. Dieses Verständnis beruht in seinem Ursprung auf biblischen Wertvorstellungen, die im Mittelalter fester Bestandteil des alltäglichen Lebens waren und so die Moral der Bevölkerung nachhaltig prägten. Durch die ständige Präsenz christlicher Werte erhielten diese auch bei der Beurteilung rechtlicher Fragen eine erhebliche Bedeutung. Beispielhaft für die moralische Verwerflichkeit der Verleitung eines anderen steht das Zitat: „Wer die Frommen verführt auf einen bösen Weg, wird selbst in seine Grube fallen; aber die Guten werden Gutes ererben.“.90 Die Seelenmordtheorie kann an dem folgenden Beispiel verdeutlicht werden: „. . . jeder, der sündigt, soll sterben.“91 Die Moralvorstellungen des Mittelalters beeinflussen, wenn auch in abgeschwächter Form, noch immer das Wertesystem des abendländischen Kulturkreises. Dieses ist nicht zwingend auf die Glaubenslehre zurückzuführen, da der Einfluss der Kirche in der heutigen Gesellschaft stetig abnimmt. Vielmehr leben diese Wertvorstellungen durch zahlreiche Romane, Filme, Opern etc. fort und führen so zu einer latent geistigen Präsenz in der Gesellschaft.92 Diese noch immer unterschwellig vorherrschenden Moralvorstellungen finden sich nach Amelung im heutigen StGB auch in § 26 wieder. In nahezu jeder Überlieferung wird das Böse durch eine Figur personifiziert, beispielhaft steht hierfür der Teufel in der Bibel, die Schlange im Garten Eden oder Mephisto in Goethes Faust.93 Aus der Sichtweise der kanonischen Strafrechtsdogmatik des Mittelalters war die intensivere Betrachtung des Täters anstelle der eigentlichen Tat nicht verwunderlich. Über die aufgestellten Verhaltensregeln hatte Gott als Richter selbst zu urteilen, also ein Richter, der fähig ist, „in das Herz“ des Täters zu sehen.94 Das Erfolgsunrecht der Tat stand daher nicht im Mittelpunkt der Betrachtung, vielmehr wurde der Strafgrund nahezu allein aus dem Handlungsunrecht geschöpft. Werden diese Vorstellungen auf die Anstiftung übertragen, gelangt man in der Konsequenz zur der Schuldteilnahmetheorie, welche noch heute in Form der Unrechtsteilnahmetheorie vertreten wird.95 Auch der Gesetzgeber 89

Trechsel, Strafgrund der Teilnahme, S. 6 f. Bibel, Sprüche Salomos, 28.10; ähnlich auch Bibel, Offenbarung des Johannes, 2.20; Nydegger, Zurechnungsfragen, S. 100 f. m. w. N. 91 Bibel, Ezechiel (Hesekiel), 18.4. 92 So auch Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 149. 93 Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 149 f. 94 Trechsel, Strafgrund der Teilnahme, S. 8. 95 Vgl. 1. Kapitel, A.I.2. 90

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1. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ in § 26

wurde bei der Schaffung des § 26 bzw. des § 48 a. F. von diesem Personifikationsgedanken geleitet, denn der Wortlaut spricht gerade nicht von der „Anstiftung“, sondern von dem „Anstifter“.96 Die Schuldteilnahme- als auch die Unrechtsteilnahmelehre sind nicht geeignet, das Teilnahmeunrecht in einer Form zu erklären, die mit dem geltenden Recht in Einklang steht.97 Dennoch lassen die aufgezeigten moraltheologischen Betrachtungen wichtige Rückschlüsse zu, um die Anforderungen zu definieren, die eine Anstiftungstheorie erfüllen muss. Nach den Vorstellungen des mittelalterlichen Rechts musste das Verhalten des Anstifters eine gesteigerte Verwerflichkeit aufweisen, da bei Handlungen von geringerem Unrecht das „Seelenverderbnis“ nicht zu rechtfertigen wäre. Eine gesteigerte Unrechtsqualität steht wiederum im Einklang mit den Anforderungen, die die Teilnahmelehre des akzessorischen Rechtsgutsangriffs an das selbständige Element stellt, wonach die Handlung des Teilnehmers die Erheblichkeit eines eigenständigen Rechtsgutsangriffs aufweisen muss. Auch der Gedanke der korrumpierenden Einwirkung findet sich in dem moraltheologischen Aspekt der „Verführung“ wieder. Wenn die mittelalterliche Lehre die „Verführung des Frommen“98 mit der Erheblichkeit des „Seelenverderbnisses“ kombiniert, dann wird hierdurch eine Einwirkung auf den Adressaten beschrieben, welche ein gewisses Maß an Verwerflichkeit erfordert, aber gleichzeitig den Gedanken der Dominanz ausschließt. Das Merkmal der „Verführung“ beschreibt eine Herangehensweise, in der der Adressat aufgrund eines eigenen Entschlusses die gewünschte Handlungsweise des Einwirkenden verübt. Insofern muss die Anstiftung einen Charakter aufweisen, der korrumpierend wirkt, aber gleichzeitig das Prinzip der Selbstverantwortung des Adressaten berücksichtigt.99

II. Die Emanzipation der Anstiftung aus Urheberschaft Bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts hinein existierte die Rechtsfigur der Anstiftung in keiner gesonderten Fassung. Die (intellektuelle) Einwirkung auf eine andere Person mit dem Ziel, diese zur Begehung einer Straftat zu motivieren, wurde unter den Begriff der Urheberschaft gefasst welche die heutige Täterschaft bezeichnet. Die Anstiftung war daher lediglich ein Bestandteil der Täterschaft. Die einzig anerkannte Teilnahmeform war die Beihilfe. Im Ausgangspunkt des 19. Jahrhunderts bestand daher 96 97 98

Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 150. Zu weiterer Kritik an diesen Theorien vgl. 1. Kapitel, A.I. Bibel, Sprüche Salomos, 28.10; ähnlich auch Bibel, Offenbarung des Johannes,

2.20. 99

Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 151.

B. Die Herausbildung der heutigen Anstiftungstheorien

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eine relativ grobe Differenzierung, die zwischen dem „auctor delicti“ und dem „socius delicti“ unterschied, womit der Urherber (also der Täter) und der Gehilfe gemeint waren.100 Diese Unterteilung wurde als erstes von von Feuerbach eingehender hinterfragt, der innerhalb der Urheberschaft zwischen dem intellektuellen und dem physischen Urheber unterschied. Nach diesem war als intellektueller Urheber diejenige Person zu verstehen, die „den Willen eines anderen zur Hervorbringung des rechtswidrigen Effects determinirt hat.“101 Trotz der von von Feuerbach unternommenen Differenzierung zwischen der intellektuellen und der physischen Urheberschaft, wurde die Anstiftung noch immer als Bestandteil der Täterschaft verstanden, welches durch den übergeordneten Begriff der Urheberschaft zum Ausdruck kommt. In der folgenden Entwicklungsphase, die über die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts hinausging, etablierten sich langsam die noch heute verwendeten Begriffe des „Täters“ und des „Anstifters“, wobei der Ausdruck des „Täters“ als terminus technicus vor 1820 kaum Verwendung fand.102 Im Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten vom 5. Februar 1794 taucht der Begriff des „Thäters“ stellenweise auf, jedoch gerade nicht, um die Rechtsfigur der Täterschaft in Abgrenzung von der Teilnahme zu charakterisieren. Als „Thäter“ wird hier vielmehr die tatbestandlich handelnde Person bezeichnet.103 Der erste Autor, der den physischen Urheber als „Thäter“104 und den intellektuellen Urheber als „Anstifter“105 bezeichnete war Mittermaier, wobei er die Gleichstellung beider als „unpsychologisch“ charakterisierte106 und damit den Grundstein für die spätere Ausklammerung der Anstiftung aus dem Bereich der Täterschaft legte. In einem Entwurf eines Strafgesetzbuches für das Königreich Hannover von 1826, der auf Anton Bauer zurückgeht, wird die Terminologie des An100 Grolman, Grundsätze1, § 58 S. 26 f.; ders., Grundsätze2, § 33 S. 37 f. (Auctor) sowie § 35 S. 40 („Gehülfe“); v. Feuerbach, Lehrbuch14, § 44 S. 80; ders., Lehrbuch6, §§ 44 f. S. 47 f.; ders., Revision der Grundsätze, Band 2, S. 244 ff.; Stübel, Ueber die Theilnahme, § 2 S. 1 f. und § 4 S. 3; darstellend Hruschka, ZStW 1998 [110], 581, 595 m. w. N. 101 v. Feuerbach, Revision der Grundsätze, Band 2, S. 252 f.; ders., Lehrbuch6, § 44 S. 47 f.; Grolman, Grundsätze2, § 33 S. 37 f., der zwischen „Auctor“ und „Coauctor“ differenziert aber dasselbe meint. 102 So auch Hruschka, ZStW 1998 [110], 581, 595. 103 So z. B. in §§ 40, 62, 68 f., 164, 169 f., 173, 202 etc. ALR Zweyter Theil, 20. Tietel. 104 Mittermaier, NArchCrimR 1820 [3], 125. 105 Mittermaier, NArchCrimR 1820 [3], 125, 147. 106 Mittermaier, NArchCrimR 1820 [3], 125, 147 ff.

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1. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ in § 26

stifters in Art. 64 Abs. 3 verwendet und damit derjenige Urheber beschrieben, „welcher Andere zur Begehung eines Verbrechens vorsätzlich bewogen hat“.107 Bauer war damit einer der ersten, der die Terminologie Mittermaiers unterstützte und die Bezeichnung des psychischen Urhebers als Anstifter als „bezeichnender und daher besser“108 bzw. als „weit sprechender“109 ansah. Trotzdem die Rezeption der von Mittermaier vorgeschlagenen Begrifflichkeiten nicht mehr aufzuhalten war, wurden die Begriffe der psychischen und der physischen Urheberschaft noch bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts hinein als Synonyme zur Anstiftung und zur Täterschaft verwendet. Noch im Jahr 1846 benutzte Hepp die von Mittermaier begründete Terminologie nur sehr zögerlich, wobei er klarstellt, dass die Bezeichnungen „Anstifter“ und „Thäter“ noch „nicht allgemein angekommen sind“. Wahrscheinlich auch, um Missverständnissen vorzubeugen, setzte Hepp, wie der Großteil der damaligen Autoren, die Begrifflichkeiten des psychischen und der physischen Urhebers neben die des Anstifters und des Täters.110 Dennoch unterstützte Hepp, wie auch Bauer, die Verwendung der vorgeschlagenen Begrifflichkeiten, um eine klare terminologische Trennung zwischen dem intellektuellen und dem physischen Urheber zu erzielen.111 Insbesondere der auf Bauer zurückgehende Gesetzesentwurf für das Königreich Hannover112 diente als Vorbild für eine Reihe weiterer Partikulargesetze, die den intellektuellen Urheber ebenfalls als Anstifter bezeichneten.113 Spätestens durch die Verwendung dieses Terminus in den Strafgesetzen einzelner deutscher Staaten setzte sich die Bezeichnung des Anstifters durch. Interessanterweise umschrieben die meisten Partikulargesetze die an107

Bauer, Entwurf eines Gesetzbuches für das Königreich Hannover, S. 49. Bauer, Abhandlungen aus dem Strafrechte, Band 1, VII § 1 S. 417. 109 Bauer, Entwurf eines Gesetzbuches für das Königreich Hannover, Anm. zu Art. 64 Fn. 2, S. 469. 110 Hepp, ArchCrimR Neue Folge 1846 [3], 313, 336; v. Buri, Theilnahme an dem Verbrechen (1860), insb. S. 29; Hälschner, Das preußische Strafrecht (1858), Band 2, S. 340 ff.; Langenbeck, Theilname am Verbrechen (1868), S. 145 f.; so selbst von Mittermaier (1847) in: Feuerbach, Lehrbuch14, § 46 (4) S. 87. 111 Hepp, ArchCrimR Neue Folge 1846 [3], 313, 336; ähnlich auch Hruschka, ZStW 1998 [110], 581, 595 f. 112 Vgl. Fn. 107. 113 Württembergisches StGB (1839) in Art. 74; Braunschweigisches StGB (1840) in Art. 41. Zitate nach Stenglein, Sammlung deutscher Strafgesetzbücher, 1. Band. Hannoversches StGB (1840) in Art. 53 Abs. 2; Hessisches StGB (1841) in Art. 71; Badisches StGB (1845) Art. 119 f.; StGB für das Herzogtum Nassau (1849) in Art. 67. Zitate nach Stenglein, Sammlung deutscher Strafgesetzbücher, 2. Band. Sächsisches StGB (1855) in Art. 62, zitiert nach Stenglein, Sammlung deutscher Strafgesetzbücher, 3. Band. 108

B. Die Herausbildung der heutigen Anstiftungstheorien

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stiftungsrelevante Verhaltensweise bereits in dieser frühen Phase mit dem Begriff des Bestimmens.114 114

Würtembergisches StGB (1839) in Art. 74: „. . . wer einen Anderen vorsätzlich zu dem Entschlusse, das Verbrechen zu begehen bewogen hat. Anstifter ist namentlich derjenige, welcher absichtlich durch Gewalt, Drohung, Ueberredung, Auftrag, Geben oder Versprechen eines Lohnes u. dgl., den Thäter zur Begehung des Verbrechens bestimmt hat.“, nach Stenglein, Sammlung deutscher Strafgesetzbücher, 1. Band. Braunschweigisches StGB (1840) in Art. 41: „. . . wer durch Gewalt, Drohung, Befehl, Auftrag Versprechen oder Geben eines Lohnes, Ueberredung, absichtliche Erregung oder Benutzung eines Irrthums oder einer Gemüthsbewegung oder andere Weise einen Andereren zur Begehung einer verbrecherischen Handlung bestimmt (der Anstifter) wird ebenso bestraft, als ob er selbst die That begangen hätte.“, nach Stenglein, Sammlung deutscher Strafgesetzbücher, 1. Band. Hannoversches StGB (1840) in Art. 53 Abs. 2: „. . . auch der Anstifter, d. h. derjenige, welcher in dem Andern den Entschluß zur Begehung des Verbrechens vorsätzlich bewirkt hat. Als ein solcher Anstifter ist besonders zu betrachten, wer den Anderen durch Gewalt, Drohung, Befehl, Auftrag, Versprechen oder Geben eines Lohnes; durch Rath, Verführung, Ueberredung oder dringendes Bitten; durch absichtliche Erregung oder Benutzung eines Irrthums, einer Leidenschaft oder Gemütsbewegung zur Begehung des Verbrechens bestimmt hat.“, nach Stenglein, Sammlung deutscher Strafgesetzbücher, 2. Band. Hessisches StGB (1841) in Art. 71 sowie StGB des Herzogtums Nassau (1849) in Art. 67: „(1) Als Urheber des Verbrechens ist nicht nur derjenige zu bestrafen, welcher dasselbe begangen hat, sondern auch der Anstifter (intellecutelle Urheber), welcher Ursache des Verbrechens dadurch geworden ist, daß er den Thäter vorsätzlich zu dem Entschlusse, dasselbe zu begehen bestimmt hat. (2) Dahin gehört, wer absichtlich durch Gewalt, Drohung, Befehl, Auftrag, Geben oder Versprechen eines Lohnes, absichtliche Bewirkung oder Benutzung eines Irrthums und dergleichen, den Urheber zur Begehung des Verbrechens bestimmt hat.“, nach Stenglein, Sammlung deutscher Strafgesetzbücher, 2. Band. Sachsen-Altenburger StGB (1841) in Art. 36: „Diejenigen, welche Andere zu der Ausführung einer strafbaren That durch Gewalt, Drohung, Befehl, Auftrag, Versprechen oder Geben einer Belohnung, Ueberredung, absichtliche Erregung oder Benutzung eines Irrthums bestimmen, sind mit der dieser That gesetzlich angedrohten Strafe gleichfalls zu bestrafen. . . .“, nach Stenglein, Sammlung deutscher Strafgesetzbücher, 1. Band. Badisches StGB (1845) in Art. 119: „Als Urheber eines Verbrechens ist nicht nur Derjenige zu bestrafen, welcher dasselbe begangen hat, sondern auch der Anstifter, welcher dadurch Ursache des Verbrechens geworden ist, daß er den Thäter vorsätzlich zu dem Entschlusse, dasselbe zu begehen, bestimmt hat.“, nach Stenglein, Sammlung deutscher Strafgesetzbücher, 2. Band. Preußisches StGB (1851) in Art. 34: „Als Theilnehmer eines Verbrechens oder Vergehens wird bestraft: (1) wer den Thäter durch Geschenke oder Versprechen, durch Drohungen, Mißbrauchs des Ansehens oder der Gewalt, durch absichtliche Herbeiführung oder Beförderung eines Irrthums oder durch andere Mittel zur Begehung des Verbrechens

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1. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ in § 26

Schließlich wurde der mühsam herausgearbeitete Anstiftungsbegriff auch von der damaligen Rechtsprechung angewendet.115

III. Die Entwicklung der Verursachungstheorie 1. Die frühen historischen Wurzeln Die Ursprünge der Verursachungslehre gehen auf Stübel und von Schirach zurück, durch welche die Kausalitätstheorie in den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts ihre erste Blütezeit erlebte. Beide Vertreter sahen die Kausalität als das maßgebliche Element für die Zurechenbarkeit des tatbestandlichen Erfolgs an und kritisierten damit die im Vorfeld durch von Feuerbach getroffene Definition der Anstiftung, welche verstärkt subjektive Elemente mit in die Betrachtung einbezog. So vertrat von Schirach eine Einheitstäterlehre, die er auf römischrechtliche Grundsätze stützte. Da sich jede Handlung kausal im Taterfolg niederschlägt, sei von der Gleichwertigkeit aller Tatbeiträge auszugehen. Auch eine „nur“ unterstützende Handlung sei mithin in gleicher Weise für den Erfolgseintritt ursächlich. Demzufolge dürfe in der Strafbarkeit keine Differenzierung zwischen dem Gehilfen und dem unmittelbar Handelnden vorgenommen werden.116 Dieser Betrachtung folgte insbesondere Stübel, der die Kausalitätstheorie von Schirachs weiter entwickelte. Auch dieser ging von der Gleichwertigkeit aller Beiträge für den tatbestandlichen Erfolg aus. So ist der Verleitende „. . . Urheber des Verbrechens, wenn auch die Gründe, durch welche ein Anderer zur Verübung desselben sich bestimmen ließ, noch so unerheblich waren. Eine Thatsache, welche eine andere Thatsache hervorgebracht hat, angereizt, verleitet oder bestimmt hat; . . .“, nach Stenglein, Sammlung deutscher Strafgesetzbücher, 3. Band. Thüringisches StGB (1852) in Art. 34 Abs. 1: „Wer einen Anderen durch Gewalt, Drohung, Befehl, Auftrag, Versprechen oder Geben einer Belohnung, Ueberredung, Erregung oder Benutzung eines Irrthums oder einer Gemütsbewegung, oder auf eine andere Weise zu einer strafbaren Handlung bestimmt, ist, wenn es zu deren Ausführung gekommen ist, als gleicher Theilnehmer an derselben zu bestrafen.“, nach Stenglein, Sammlung deutscher Strafgesetzbücher, 3. Band. Abweichend hierzu Sächsisches StGB (1855) in Art. 62: „Anstifter eines Verbrechens ist, wer einen Anderen durch Gewalt, Drohung, Befehl, Auftrag, Versprechen oder Geben einer Belohnung, Ueberredung, oder andere vorsätzliche Einwirkungen auf dessen Willensbestimmung zu dem Verbrechen oder der Ausführung desselben veranlaßt.“, nach Stenglein, Sammlung deutscher Strafgesetzbücher, 3. Band. 115 So z. B. Preußisches Obertribunal, GA 1860 [8], 201, 205 f. 116 v. Schirach, NArchCrimR 1819 [3], 415, 420 ff.; näher dargestellt bei Bloy, Beteiligungsform, S. 72 f.

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bleibt Ursache derselben, wenn jene auch an sich noch so wenig wirksam ist und in anderen Fällen diese Wirkung nicht gehabt haben würde.“117 Allerdings zog er daraus nicht dieselbe Konsequenz wie von Schirach, der eine einheitliche Bestrafung aller Beteiligten forderte. Nach Stübel konnte die gleiche Strafbarkeit unterschiedlicher Tatbeiträge mit den allgemeinen Grundsätzen des Strafrechts nicht gerechtfertigt werden.118 Das Ergebnis einer derartigen Überbetonung der Kausalität bei fast vollständiger Ausklammerung der subjektiven Aspekte119 war die Aufgabe der Differenzierung in Täterschaft und Teilnahme. Erst Recht verblieb für die Anstiftung in Form der intellektuellen Urheberschaft kein eigenständiger Anwendungsbereich.120 Trotz der von Stübel verfolgten Einheitstäterlehre definierte er die Mittel der intellektuellen Einwirkung, indem er die möglichen Handlungsmodalitäten der Willensbestimmung darstellt. Danach sei es durch die folgenden Handlungsformen möglich, den Willen des Adressaten zu beeinflussen: „. . . Drohungen, ein Befehl, das Versprechen eines Lohnes, oder eines anderen Vortheils, ein Auftrag zu dessen Ueberredung sich Jemand durch Bitten eines Anderen aus Freundschaft gegen denselben bewegen lässt, der Rath zu einen bestimmten Verbrechen und die Vorstellung, dass ein gewisses Verbrechen eine erlaubte Handlung sey . . .“.121 Da Stübel die subjektiven Aspekte aus seiner Betrachtung ausklammert, reflektiert er die konkrete Wirkungsweise der einzelnen Einwirkungsmöglichkeiten nicht, denn letztlich stellen alle aufgezeigten Handlungsmodalitäten eine Art der kausalen Einwirkung dar, welche für die Begründung der Urheberschaft geeignet erscheint. Die subjektiven Elemente bezog Stübel nur in zwei Konstellationen in seine Betrachtungen mit ein. Zum einen musste er den subjektiven Teil bei der Beurteilung der Versuchsstrafbarkeit berücksichtigen, da hier die „. . . verbrecherische Absicht ein Theil des Thatbestandes der Begehung ist . . .“.122 Zum anderen muss der Vorsatz des Täters in denjenigen Fällen Beachtung finden, in denen zum „. . . Thatbestande eine gewisse Absicht des Thäters gehört.“123 117

Stübel, Ueber die Theilnahme, S. 79. Stübel, Ueber die Theilnahme, S. 73, 98 ff. (insb. S. 101), 105 ff. (insb. S. 107); näher dargestellt bei Bloy, Beteiligungsform, S. 73. 119 So auch Bloy, Beteiligungsform, S. 73. 120 Begrifflich differenzierte Stübel zwischen Urheberschaft und Täterschaft, wobei er aber keine gesonderten Rechtsfolgen daran knüpfte. Vgl. Stübel, Ueber die Theilnahme, S. 10; darstellend auch Ebrahim-Nesbat, Teilnahmeformen, S. 53. 121 Stübel, Ueber die Theilnahme, S. 78. 122 Stübel, Ueber die Theilnahme, S. 14. 118

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1. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ in § 26

Durch die stärker werdende Akzeptanz des von Mittermaier herausgearbeiteten Anstifterbegriffs124 verlor die reine Kausalitätslehre und der mit ihr einhergehende Einheitstäterbegriff immer mehr an Zustimmung. Dennoch ist es wohl ein Verdienst dieser Epoche, dass sich der heute allgemein anerkannte Kausalitätsbegriff erstmals durchsetzen konnte, wonach jede Bedingung für den Eintritt des Erfolgs gleichwertig ist.125 2. Die Weiterentwicklung in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts In der folgenden Entwicklung ist ein gewisser Sprung zu verzeichnen, denn eine naturalistisch geprägte Anstiftungstheorie wurde erst in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts erneut durch von Buri vertreten. Nach ihm sei eine klare Definition der Urheberschaft bzw. der Beihilfe nicht durch eine Kombination objektiver und subjektiver Kriterien möglich, vielmehr müsse zunächst rein objektiv die Beschaffenheit der Handlung und ihre Wirkung untersucht werden, bevor im Anschluss der in ihr enthaltene Wille betrachtet wird.126 Hinsichtlich der objektiven Seite geht von Buri strikt von der Äquivalenzthese aus, wonach jede Bedingung für den Erfolgseintritt gleichwertig ist.127 In der Konsequenz zu dieser Grundüberlegung ist jeder, der den Erfolg (mit)verursacht hat als Urheber zu betrachten, denn für die Wirksamkeit der Handlung sei es unerheblich, ob der Handelnde die Tat als Urheber oder als Gehilfe verwirklichen wollte.128 Durch dieses Verständnis hebt von Buri die bis dahin entwickelte Emanzipation der Anstiftung wieder auf. Nach dem Vorbild der Theorien vom Beginn des 19. Jahrhunderts differenziert er nur in Urheberschaft und Beihilfe. Die Anstiftung wird neben der mittelbaren Täterschaft erneut als Be123

Stübel, Ueber die Theilnahme, S. 13. Vgl. hierzu 1. Kapitel, B.II. 125 So Ebrahim-Nesbat, Teilnahmeformen, S. 43. 126 von Buri, GA 1864 [12], 505, 506. 127 Die Gleichwertigkeit aller kausalen Faktoren stellt von Buri (GS 1870 [22], 1, 2 f.) anhand des „Mühlenbeispiels“ dar. „Man nehme an, es sei ein bestimmtes Quantum Wasser erforderlich, um ein Mühlrad in Bewegung zu setzen. Dieses Wasser befinde sich in zwei oberhalb der Mühle gelegenen Sammelteichen in dem größeren zu 4/5 in dem kleineren zu 1/5; A öffne die Schleuse des größeren, B diejenige des kleineren Teichs, und die zusammenströmende Wassermasse treibe das Mühlrad herum. Wer hat das Mühlrad in Bewegung gesetzt A oder B? . . . Das Ergebnis ist vielmehr nur die Wirkung der Gesamtwirksamkeit nicht der einzelnen Theile.“ 128 von Buri, GA 1864 [12], 505, 506. 124

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standteil der intellektuellen Urheberschaft verstanden. Grundsätzlich würde der freie Wille des Vordermannes den durch die Einwirkungshandlung des Hintermannes in Gang gesetzten Kausalverlauf unterbrechen. Allerdings wird der Adressat die (intellektuelle oder physische) Einwirkung des Hintermannes bei seinem Willensbildungsprozess berücksichtigen, so dass sie ebenfalls als ein kausaler Bestandteil des Erfolges anzusehen sei.129 Da es nach Äquivalenzgesichtspunkten keinen Unterschied macht, ob der Urheber einen willensbeeinflussenden oder einen willensbrechenden Einfluss ausübt, sieht von Buri auch keine Notwendigkeit zwischen mittelbarer Täterschaft und Anstiftung zu differenzieren.130 Durch die starke Betonung der Kausalität vereinheitlicht von Buri nicht nur sämtliche Formen der Täterschaft einschließlich der Anstiftung, sondern er kommt ferner zur Aufhebung des Akzessorietätsprinzips.131 Die Äquivalenz aller Bedingungen hat die Gleichsetzung aller intellektuellen und physischen Wirkzusammenhänge zur Folge,132 wodurch jede Mitursächlichkeit als selbständige Erfolgsverursachung angesehen wird und es keiner Bindung an eine Haupttat mehr bedarf.133 Erst im Rahmen der Schuld bezieht von Buri die subjektiven Kriterien mit ein, wodurch es ihm gelingt, zwischen Urheberschaft und psychischer Beihilfe zu differenzieren.134 Wenn der Einwirkende die Entscheidung, ob der Erfolg herbeigeführt werden soll, von dem freien Willen des Täters abhängig macht, dann liege ein Fall der psychischen Beihilfe vor. Betrachtet der Handelnde hingegen seinen eigenen Willen als das für die Tatbestandsverwirklichung maßgebliche Kriterium, dann liege ein Fall der Urheberschaft vor.135 129 von Buri, Lehre von der Theilnahme, S. 29, 36 f.; ders., GS 1870 [22], 81, 90; ders., ZStW 1882 [2], 232, 272 f.; darstellend Bloy, Beteiligungsform, S. 89; Noltenius, Kriterien der Abgrenzung, S. 48. 130 von Buri, Lehre von der Theilnahme, S. 29; ders., GA 1869 [17], 305, 311; ders., GS 1870 [22], 1, 28 f.; 81, 93 f.; ders., ZStW 1882 [2], 232, 275; darstellend Bloy, Beteiligungsform, S. 88 f.; Noltenius, Kriterien der Abgrenzung, S. 48 f. 131 von Buri, Lehre von der Theilnahme, S. 67 f.; ders., GS 1870 [22], 1, 36 ff.; ders., ZStW 1882 [2], 232, 270; darstellend Bloy, Beteiligungsform, S. 88; Noltenius, Kriterien der Abgrenzung, S. 47 f. 132 von Buri, GA 1864 [12], 505, 512 ff.; ders., GS 1870 [22], 81, 93. 133 von Buri, Lehre von der Theilnahme, S. 67 f.; ders., GS 1870 [22], 1, 36 ff.; ders., ZStW 1882 [2], 232, 270; darstellend Bloy, Beteiligungsform, S. 88 f. 134 Wobei er dieses allgemein gehaltene Kriterium im Ergebnis auf die gesamte Abgrenzung zwischen Urheberschaft und Beihilfe anwendet, vgl. von Buri, GA 1864 [12], 505, 512 ff.; ders., Lehre von der Theilnahme, S. 74. 135 von Buri, ZStW 1882 [2], 232, 274 f.; ders., GA 1864 [12], 505, 514; ders., Lehre von der Theilnahme, S. 64; näher dazu Bloy, Beteiligungsform, S. 89 f.; Noltenius, Kriterien der Abgrenzung, S. 49.

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Durch seinen naturalistisch geprägten Ansatz war es von Buri nicht möglich, die im Laufe des 19. Jahrhunderts erzielten Fortschritte zu integrieren. Nicht nur die Missachtung des Akzessorietätsprinzips stellt einen dogmatischen Rückschlag dar, sondern auch die Rückführung der Anstiftung in den Bereich der Urheberschaft, wodurch die bis dahin entwickelten Anstiftungstheorien überflüssig wurden.136 Indem der Gesetzgeber im RStGB vom 15.05.1871 in den §§ 47 ff. die Teilnahme nach dem heutigen Verständnis regelte und damit das Akzessorietätsprinzip sowie die Anstiftung als eigenständige Teilnahmeform normierte, wurde von Buris Auffassung eine Absage erteilt. Trotz der Einführung des RStGB und der damit verbundenen Abkehr des Gesetzgebers von der Einheitstäterlehre, wurde diese bis ins 20. Jahrhundert hinein von zahlreichen Vertretern gefordert.137 Insbesondere die Internationale Kriminalistische Vereinigung, der auch zahlreiche deutsche Strafrechtslehrer angehörten, trat vehement für eine Einführung des Einheitstäterprinzips ein.138 Ein maßgeblicher Vertreter, der auch nach der Einführung des RStGB die Einheitstäterlehre forderte, war von Liszt. Da die Theorie von Liszts auf der strikten Anwendung der Äquivalenzformel beruhte, basierte sie im Wesentlichen auf denselben Grundsätzen, wie sie bereits durch von Buri formuliert wurden. Auch hier wird durch die Gleichwertigkeit aller Bedingungen ein extensives Verständnis von der Täterschaft begründet, welches zur Aufhebung der Anstiftung und letztendlich zur Einheitstäterschaft führt.139 Für von Liszt stellt sich das Unrecht der Tat auf einer ersten objektiven Ebene als eine Erscheinung dar, durch die auf die Außenwelt eingewirkt wird. Als Angriff auf ein Rechtsgut sieht er folglich jede Handlung an, die eine Bedingung setzt, welche sich in dem entsprechenden tatbestandlichen Erfolg niederschlägt. Der Bezug zu der handelnden Person bleibt in diesem Zusammenhang unberücksichtigt.140 Ähnlich wie auch von Buri siedelt von Liszt die Frage der strafrechtlichen Zurechnung auf der zweiten Ebene, nämlich der Schuld an.141 136

Ähnlich auch Noltenius, Kriterien der Abgrenzung, S. 50; auch Bloy (Beteiligungsform, S. 87) spricht in diesem Zusammenhang von einem „Rückschlag“. 137 von Liszt, Lehrbuch6, § 49 S. 189 f.; Lehrbuch12, § 49 S. 218 f.; Kohler, GA 1911 [58], 1, 5 ff.; Foinitzky, ZStW 1892 [12], 55, 81; Binding, GS 1908 [71], 1, 2 f.; Heimberger, MittIKV 1904 [11], 534, 538. 138 von Liszt, MittIKV 1894 [4], 125, 137 f.; Nicoladoni, MittIKV 1896 [5], 336, 347; Getz, MittIKV 1896 [5], 348, 353 ff.; Seuffert, MittIKV 1900 [8], 199 f.; Harburger, MittIKV 1904 [11], 512, 512 ff., insb. 527; Heimberger, MittIKV 1904 [11], 534, 536 ff.; Foinizky, ZStW 1892 [12], 55, 74 ff.; Lammasch, ZStW 1894 [14], 505, 511 f. 139 So auch Noltenius, Kriterien der Abgrenzung, S. 44.

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Durch die stärkere Betonung des Indeterminismus geht von Liszt, anders als von Buri, davon aus, dass der freie Wille des Angestifteten mit der kausalen Teilnahmelehre unvereinbar ist. Aufgrund der Willensfreiheit des Angestifteten könne sich der durch den Einwirkenden in Gang gesetzte Kausalverlauf nicht im Erfolg widerspiegeln. Der freie Wille des Adressaten würde die bisherige Kausalkette zum Abbruch bringen und ggf. einen neuen Kausalverlauf in Gang setzen. Da sich durch diese Betrachtung die Einwirkungshandlung des Anstifters nicht mehr im tatbestandlichen Erfolg niederschlägt, müsse dieser in der Konsequenz auch straflos sein. Die gesetzliche Regelung des § 48 RStGB sei daher nicht korrekt.142 3. Die heutige Verursachungstheorie Das heutige Verständnis der Verursachungstheorie entspricht im Wesentlichen dem Grundgedanken, der bereits durch Stübel formuliert und durch von Buri und von Liszt aufgegriffen wurde. Im Gegensatz zu ihren Vorgängern akzeptieren die heutigen Vertreter der Verursachungslehre die gesetzlichen Bestimmungen und treten nicht mehr für eine Einheitstäterlehre ein. Das strenge Kausalitätserfordernis wird vielmehr bei der Begriffsdefinition des Bestimmens herangezogen. Der Anstifter wird bestraft, weil er die Begehung einer Straftat und damit eine Rechtsgutsverletzung verursacht hat. Die Art und Weise des Vorgehens sei dabei völlig unbeachtlich. Insbesondere an die Intensität und das konkrete Ausmaß der Einwirkungshandlung seien keine weitergehenden Anforderungen zu stellen, solange sie als geeigvon Liszt, Lehrbuch6, § 28 S. 102 ff.; Lehrbuch12, § 28 S. 124 ff.; näher dazu Noltenius, Kriterien der Abgrenzung, S. 43 f.; von Bubnoff, Die Entwicklung des strafrechtlichen Handlungsbegriffs, S. 139 ff. 141 von Liszt, Lehrbuch6, § 35 S. 132 f.; Lehrbuch12, § 36 S. 158 ff.; näher dazu Noltenius, Kriterien der Abgrenzung, S. 43 f. 142 von Liszt, Lehrbuch6, § 49 S. 189 f.; Lehrbuch12, § 39 S. 218 f.; darstellend Noltenius, Kriterien der Abgrenzung, S. 44. Trotz dieser Diskrepanz klammert von Liszt die gesetzliche Regelung der Anstiftung in seinem Lehrbuch nicht aus (von Liszt, Lehrbuch6, § 51 S. 196 f.; Lehrbuch12, § 51 S. 225 ff.). Durch die grundsätzliche Ablehnung der gesetzgeberischen Wertung, erscheint seine Darstellung sehr schematisch und auf die wesentlichen Zusammenhänge beschränkt. Bei der Auslegung des § 48 RStGB erkennt von Liszt zu Recht, dass es sich dabei um eine beispielhafte Aufzählung der Anstiftungsmittel handelt und erweitert das Spektrum des anstiftungsrelevanten Verhaltens auf jede Art der Einwirkung, wobei wiederum der Einfluss des Kausalitätsgedankens zum Ausdruck kommt (von Liszt, Lehrbuch6, § 51 S. 196; Lehrbuch12, § 51 S. 226). Die Obergrenze der Einwirkung liege in dem Ausschluss der Willensfreiheit des Adressaten, welches durch die Verwirklichung des Tatbestands der Nötigung erfüllt werde (von Liszt, Lehrbuch6, § 51 S. 196; Lehrbuch12, § 51 S. 226). 140

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net erscheint, den Tatentschluss bei dem Angestifteten zu verursachen. Der entscheidende Grund der Anstiftung liege allein in der Verursachung einer Straftat und damit einer Rechtsgutsverletzung.143 Dabei sei es sogar unerheblich, ob dem Angestifteten die Einflussnahme des Anstifters überhaupt bewusst wird.144 Auch das Schaffen einer tatanreizenden Situation, wie etwa das Bereitlegen von Tatwerkzeugen, Waffen u. ä., würde hiernach ausreichen, um den Tatbestand der Anstiftung zu erfüllen, sofern es geeignet ist, den Tatentschluss des Haupttäters hervorzurufen. Die Vertreter dieser Auffassung meinen, „eine kunstvoll inszenierte Situation“ könne weitaus provozierender wirken als eine zielgerichtete Aufforderung.145 Dieses weite Verständnis von der Anstiftung sei überdies mit dem Gesetzeswortlaut vereinbar bzw. noch von diesem gedeckt. Denn um jede irgendwie geartete Entschlussverursachung unter den Begriff der Anstiftung fassen zu können, sei ein neutrales Wort zu finden, welches die deutsche Sprache nicht zur Verfügung stellt. Da nun mal ein Wort in den Tatbestand aufgenommen werden müsse und dieses „bestimmen“ lautet, stehe die weite Deutung dem Wortlaut nicht entgegen und sei aus Gründen der Gerechtigkeit und der praktischen Notwendigkeit vorzuziehen.146 Insbesondere Bloy versteht auch die Schaffung eines Tatsachenarrangements als einen Fall der psychischen Beeinflussung. Denn aus objektiver Sicht und aus der Perspektive des Anstifters stelle sich jedes Hervorrufen eines Tatentschlusses per definitionem als ein Fall der geistigen Einflussnahme dar, weil der Wille des Angestifteten nur im Wege der psychischen 143 BT-Drs. IV/650, S. 150; BGHSt 45, 373, 374; BGH, GA 1980 [127], 183, 184; SSW/Murmann, § 26 Rn. 3 f.; Herzberg, JuS 1976, 40, 41; ders., Unterlassung im Strafrecht, 120 ff.; ders., Täterschaft, S. 146; Bloy, Beteiligungsform, S. 328 f.; Baumann/Weber/Mitsch, § 30 Rn. 63; Baumann, JuS 1963, 125, 125 und 127; Christmann, Tatsachenarrangement, S. 81; Ambos, Völkerstrafrecht, S. 659; Blei, AT, § 79 II 2; Lackner/Kühl, § 26 Rn. 2; Kühl, AT, § 20 Rn. 169 ff.; Widmaier, JuS 1970, 241, 242 f.; Hillenkamp, JR 1987, 254, 256; Hilgendorf, Jura 1996, 9, 10 ff.; Heghmanns, GA 2000 [147], 473, 487; Scheinfeld, GA 2007 [154], 695, 706 ff.; Kuhlen/Roth, JuS 1995, 711, 712. 144 Herzberg, Unterlassung im Strafrecht, S. 123 f. 145 Hilgendorf, Jura 1996, 9, 9; Herzberg, Täterschaft, S. 146; ders., JuS 1976, 40, 41; Widmaier, JuS 1970, 241, 242 f.; Heghmanns, GA 2000 [147], 473, 487; wohl auch Kühl, AT, § 20 Rn. 171. 146 Herzberg, Unterlassung im Strafrecht, S. 122; ders., Täterschaft, S. 147; Kühl, AT, § 20 Rn. 171; Christmann, S. 20; ähnlich Baumann/Weber/Mitsch, § 30 Rn. 63; Kuhlen/Roth, JuS 1995, 711, 712; Widmaier, JuS 1970, 241, 242 f. nach diesen enthält der Wortlaut keinen Anhaltspunkt, dass nur ein in einer bestimmten Weise erfolgtes Hervorrufen des Tatentschlusses erfasst werden soll.

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und nicht der physischen Realität erreicht werden kann. Ob dieser Kontakt stets über ein physisches Medium hergestellt werden muss, stehe auf einem anderen Blatt.147 Nur indem die Anstiftung als Bewirkungsdelikt begriffen wird, sei es möglich ungewünschte Strafbarkeitslücken zu vermeiden.148 Andererseits wird von den Vertretern dieser Theorie auch die Gefahr einer zu starken Ausdehnung des strafbaren Verhaltensspektrums erkannt. Um diese unsachgemäße Extension zu verhindern, versuchen sie restriktive Kriterien zu finden, um nicht jedes alltägliche Verhalten unter den Tatbestand der Anstiftung fassen zu müssen. In erster Konsequenz begrenzte Herzberg den Begriff des Bestimmens zunächst durch die Einführung des Merkmals der Sozialadäquanz.149 Diesen Gedanken vertiefte er, indem er später die Rechtsfigur des normrelevanten Risikos auf diesen Problemkreis übertrug. Danach könne eine Handlung nur dann unter den Begriff des Bestimmens gefasst werden, wenn sie das rechtlich gebilligte Risiko überschritten habe.150

IV. Die Entwicklung der Lehre vom geistigen Kontakt 1. Die dogmatische Entwicklung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts war dadurch geprägt, dass sich die Anstiftung terminologisch langsam aus der Täterschaft herauslöste. Trotzdem die Anstiftung noch nicht als eigenständige Rechtsfigur verstanden wurde, existierten bereits auch in dieser Zeit erste Ansätze, um das Handlungsunrecht der intellektuellen Urheberschaft zu definieren. Die Notwen147

Bloy, Beteiligungsform, S. 329; zustimmend Kühl, AT, § 20 Rn. 171; Hilgendorf, Jura 1996, 9, 10; Hillenkamp, JR 1987, 254, 256; Christmann, Tatsachenarrangement, S. 32; wohl auch SSW/Murmann, § 26 Rn. 4. 148 Herzberg, Unterlassung im Strafrecht, S. 124. 149 Es ist sozialadäquat, dass der Knecht die Kuh auf ihre einsame Koppel führt, und es ist sozialadäquat, dass die Geliebte des Verschwenders das Liebesverhältnis fortsetzt, mag auch der eine den Diebstahl des Nachbarn vorhersehen und die andere die kriminelle Geldbeschaffung ihres Liebhabers. Innerhalb gewisser Grenzen dürfe man eben, selbst bewusstermaßen, andere in Versuchung führen; Herzberg, Unterlassung im Strafrecht, S. 123; unter Bezugnahme auf H. Mayer, AT 1953, S. 322. 150 Herzberg, JuS 1987, 617, 620 f.; zustimmend Hilgendorf, Jura 1996, 9, 10 ff.; Scheinfeld, GA 2007 [154], 695, 706. Heghmanns (GA 2000 [147], 473, 487) begründet die Begrenzung des strafbaren Verhaltens über das Maß der Konkretisierung des Haupttäters.

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digkeit einer solchen Definition resultiere aus dem Erfordernis, die intellektuelle Urheberschaft von der psychischen Beihilfe abgrenzen zu können.151 Eine Vorreiterrolle nahm auch hier wiederum von Feuerbach aber auch Grolman ein. Diese sahen als Fälle der reinen „intellectuellen Urheberschaft“ die Erteilung eines Auftrags, Befehls, Rats152 oder die Drohung zur Begehung einer Straftat an.153 Hierbei ließ von Feuerbach den subjektiven Aspekt nicht unberücksichtigt, indem er ausführt, dass die intellektuelle Urheberschaft die absichtliche Bestimmung des Willens eines anderen zur Begehung eines Verbrechens sei.154 In diesem Zusammenhang wurde betont, dass die Erteilung eines Auftrags, Befehls oder Rats sowohl als Täterschaft als auch als Beihilfe angesehen werden kann. Für die Abgrenzung sei es entscheidend, worin die „nothwendige Existenz des Verbrechens liegt“.155 Die Erteilung eines Ratschlags, Befehls oder Auftrags sei nur dann als intellektuelle Urheberschaft anzusehen, wenn sich der Grund das Verbrechen aus der Ausführungshandlung sowie der intellektuellen Einwirkung gleichermaßen ergibt. Nimmt die intellektuelle Einwirkung im Vergleich zur Haupttat eine nur untergeordnete Rolle ein, dann sei sie als bloße Beihilfe anzusehen.156 Damit fordert von Feuerbach eine gewisse Erheblichkeit des anstiftungsrelevanten Verhaltens, um eine wirksame Trennlinie zwischen Beihilfe und Anstiftung definieren zu können. Das auch heute noch tragende Differenzierungskriterium, um die Beihilfe von der Anstiftung abzugrenzen, der omnimodo facturus157, wird ebenfalls bereits von von Feuerbach herangezogen. Danach sei die Einwirkung auf eine Person, die sich schon im Vorfeld zu der Tat entschlossen habe, nicht als Urheberschaft sondern als Beihilfe anzusehen.158 In seinen weiteren Überlegungen nimmt von Feuerbach eine Klassifizierung der Anstiftungsmittel hinsichtlich ihrer strafrechtlichen Verwerflichkeit 151 Hierzu vgl. auch Maurach, FS f. Schroeder 2006, 283, 291 ff.; Nydegger, Zurechnungsfragen, S. 31 f. 152 v. Feuerbach, Revision der Grundsätze, Band 2, § 15 S. 253; ders., Lehrbuch6, § 46a S. 49 f.; auch Grolman, Grundsätze1, § 61 S. 27; ders., Grundsätze2, § 33 S. 37 der den intellektuellen Urheber als Coauctor bezeichnet. 153 v. Feuerbach, Lehrbuch6, § 46a S. 50. 154 v. Feuerbach, Lehrbuch6, § 44 S. 47. 155 Grolman, Grundsätze, §§ 58 ff. S. 26 f. 156 Grolman, Grundsätze1, § 61 S. 27; ders., Grundsätze2, § 33 S. 37 f.; so auch v. Feuerbach, Lehrbuch6, § 45 S. 48. 157 Vgl. hierzu 1. Kapitel, D.I. 158 v. Feuerbach, Revision der Grundsätze, Band 2, § 18 S. 256 f.; auch Grolman, Grundsätze2, § 33 S. 39 unter (c).

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vor. Dabei sei dasjenige Vorgehen am Verwerflichsten, welches den höchsten psychologischen Zwang beinhaltet.159 Auf der untersten Ebene siedelt er die intellektuelle Urheberschaft Kraft Auftrags an. Allerdings begibt er sich an dieser Stelle in Widerspruch zu seiner eigenen Theorie, denn nach ihm bediene sich der Auftraggeber gerade keiner psychologischen Zwangsmittel, da der Adressat die vollkommen freie Wahl hat, ob er den Auftrag annimmt oder nicht.160 Jedoch konnte von Feuerbach, aufgrund der noch nicht entwickelten Sozialwissenschaften nicht erkennen, dass auch die Andienung eines Auftrags, einer Bitte etc. dazu geeignet sind, einen psychologischen Zwang aufzubauen, der in der Durchbrechung des kommunikativen Gleichlaufs und der „Schwierigkeit, Nein zu sagen“161 zu sehen ist.162 Die zweite Klassifikationsstufe nimmt nach von Feuerbach der Rat ein. Im Gegensatz zu dem Auftrag transportiere der Ratgebende neben der bloßen Aufforderung auch die Motive für die Tat und wirke auf diese Weise auf die Sinne des Adressaten ein. Durch das Wecken des sinnlichen Interesses an der Tat werde ein psychologischer Zwang begründet.163 Diese Formulierung lässt erkennen, durch welche Kriterien sich der psychologische Zwang der intellektuellen Urheberschaft definiert. Von Feuerbach führt den psychologischen Zwang auf motivierende Elemente zurück, wobei er noch nicht danach differenziert, ob der Anstifter die vorhandene Motivationslage des Haupttäters lediglich vertieft oder ob er den Handlungsdruck durch neue, externe Werte initiiert. Auf der dritten Ebene wird durch von Feuerbach die intellektuelle Urheberschaft Kraft Befehls angesiedelt. Durch einen Befehl werde auf subtile Art Einfluss auf den Willen des Haupttäters genommen, da die Sanktion nicht ausdrücklich, sondern nur konkludent in Aussicht gestellt wird.164 159

v. Feuerbach, Revision der Grundsätze, Band 2, § 19 S. 257 ff. v. Feuerbach, Revision der Grundsätze, Band 2, § 19 S. 257 f. 161 Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 167. 162 Ausführlicher hierzu, vgl. 1. Kapitel, C.IV.4.c). 163 v. Feuerbach, Revision der Grundsätze, Band 2, § 19 S. 258. Erstaunlicherweise differenziert von Feuerbach in diesem Zusammenhang bereits in den allgemeinen und den speziellen Rat, wonach der speziellere eine höhere strafrechtliche Verwerflichkeit aufweist (ebd.). Worin die genaue Differenzierung besteht wird jedoch nicht näher erläutert, jedoch ist anzunehmen, dass er die hier bereits dargestellte Abgrenzung zwischen dem Tipp und dem Ratschlag meint, wonach der Tipp als besonders konkretisierte Form des Ratschlags zu verstehen ist. Da durch die besondere Konkretisierung des Tipps eine erhöhte Erwartungshaltung des Tippgebers zum Ausdruck kommt, ist dieser geeignet, eine anstiftungsrelevante Zwangssituation aufzubauen, vgl. 1. Kapitel, C.IV.4.d). 164 v. Feuerbach, Revision der Grundsätze, Band 2, § 19 S. 258 f. 160

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1. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ in § 26

Aus diesem Grund sei die Verwerflichkeit einer offenen Drohung auf der vierten und letzten Stufe, noch über dem Befehl einzuordnen.165 Allerdings lässt es von Feuerbach offen, wann die Schwelle zur mittelbaren Täterschaft überschritten wird. Für ihn war die Differenzierung zwischen der intellektuellen Urheberschaft und der mittelbaren Täterschaft nicht von tragender Bedeutung, da beide Formen in den Bereich der Urheberschaft fielen und er die strafrechtliche Verwerflichkeit (und auch das Strafmaß) nach der Stärke der psychologischen Zwangslage definierte.166 Der durch von Feuerbach begründete subjektiv geprägte Ansatz167 wurde zunächst durch das erste Aufblühen der Kausalitätstheorie zurückgedrängt.168 Dennoch existierte bereits parallel zur ersten Blütezeit der Kausalitätslehre eine Strömung, die die subjektive Komponente nicht vollständig außer Betracht ließ. So sah auch Mittermaier das „Interesse des Urhebers“ am Verbrechen als notwendigen Bestandteil der Teilnahme an.169 Dennoch konnte sich eine subjektive Anstiftungstheorie erst wieder unter dem Einfluss Bauers durchsetzen.170 Bauer stellte die von Stübel begründete Theorie in den Ausgangspunkt seiner Überlegungen, womit er automatisch den dort verwendeten Kausalitätsbegriff übernahm.171 Nach seiner Ansicht war der aus den objektiven Kriterien resultierende Einheitstäterbegriff nicht zielführend, da die Verschiedenheit der einzelnen Beteiligten nicht herausgearbeitet werden 165

v. Feuerbach, Revision der Grundsätze, Band 2, § 19 S. 259. So lassen auch Mittermaiers Ausführungen (NArchCrimR 1820 [3], 125, 127 ff.) erkennen, dass eine dogmatische Trennung von Anstiftung und mittelbarer Täterschaft zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch nicht stattgefunden hat. So auch Bloy, Beteiligungsform, S. 72. Sogar v. Buri fasst beide Formen noch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts unter den Begriff der intellektuellen Urheberschaft. So in: Theilnahme an dem Verbrechen, S. 29; ders., ZStW 1882 [2], 232, 275; ders., GS 1870 [22], 1, 28 f. Erst 1847 beschreibt Mittermaier (in: v. Feuerbach, Lehrbuch14, § 46 Note I S. 87; auch Hruschka, ZStW 1998 [110], 581, 598) die Differenzierung zwischen der mittelbaren Täterschaft (hier: scheinbare Anstiftung) und der Anstiftung. 167 v. Feuerbach, Lehrbuch6, § 44 S. 47 hier spricht er von der absichtlichen Bestimmung des Willens eines anderen. Dennoch legte er nach eigenem Verständnis verstärkten Wert auf die objektiven Kriterien. So explizit: v. Feuerbach, Revision der Grundsätze, Band 2, S. 251 f. in der Fußnote. 168 Vgl. hierzu 1. Kapitel, B.III.1. 169 NArchCrimR 1820 [3], 125, 132. 170 Bauer, Abhandlungen aus dem Strafrechte, Band 1, VII § 4 S. 429 ff.; ders., Entwurf eines Gesetzbuches für das Königreich Hannover, Anm. zu Art. 64 S. 471 f.; ders., Lehrbuch, § 86 S. 116 f.; näher dargestellt bei Ebrahim-Nesbat, Teilnahmeformen, S. 74 ff.; Bloy, Teilnahmeform, S. 77 f. 171 Bauer, Abhandlungen aus dem Strafrechte, Band 1, VII § 1 S. 414. 166

B. Die Herausbildung der heutigen Anstiftungstheorien

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konnte.172 Nur durch die Heranziehung auch subjektiver Merkmale sei es möglich zu differenzieren, ob der jeweilige Beteiligte auf die „. . . Bewirkung eines Verbrechens selbst, oder nur auf Beförderung des von dem Anderen beabsichtigten Verbrechens . . .“ abzielt.173 Dadurch gelang es Bauer, die von Mittermaier vorgeschlagene Einteilung in Täterschaft, Anstiftung und Beihilfe auf eine dogmatische Grundlage zu stellen, die den Willen des jeweiligen Beteiligten in den Fokus der Betrachtung rückte. In Übereinstimmung zu dieser Feststellung definierte Bauer die Anstiftung mit der „. . . absichtlichen Bestimmung eines Anderen zur Begehung eines Verbrechens.“,174 wodurch die vorsatzlose Einflussnahme sowie die Einwirkung auf einen omnimodo facturus aus dem Anwendungsbereich der Anstiftung herausfiel.175 Ähnlich wie auch bereits von Feuerbach176 stellt Bauer die einzelnen Arten der Anstiftung dar.177 Durch einen Blick auf die Wirkungsweise der verschiedenen Anstiftungsmittel wird ein tieferes Verständnis von seiner Anstiftungstheorie erzielt. Auf der untersten Stufe siedelt er den Auftrag an. Entgegen von von Feuerbach, sei nach Bauer der Auftrag nicht zwangsläufig als taugliches Anstiftungsmittel anzusehen. Nur wenn durch den Auftrag der vornehmliche Wille des Anstifters zur Tatbegehung zum Ausdruck kommt, liege ein Fall der Anstiftung vor. Eine bloße Äußerung, die nicht den nötigen Nachdruck aufweise, sei zu stark dem Wunsch angenähert und aus diesem Grund gerade keine anstiftungsrelevante Verhaltensweise.178 Bauer verlangt damit eine Art der Einflussnahme, die einen erhöhten Aufforderungscharakter aufweist und damit einen gewissen Nachdruck erzeugt. Hierbei übersieht er allerdings, wie bereits auch von Feuerbach, dass der Aufforderungscharakter und damit der psychologische Zwang auch durch subtilere Arten der Einflussnahme begründet werden kann.179 172

Bauer, Abhandlungen aus dem Strafrechte, Band 1, VII § 1 S. 419 f. Bauer, Abhandlungen aus dem Strafrechte, Band 1, VII § 1 S. 412, 419 f., § 3 S. 428, § 4 S. 430. 174 Bauer, Abhandlungen aus dem Strafrechte, Band 1, VII § 4 S. 430; anders formuliert ders., Entwurf eines Gesetzbuches für das Königreich Hannover, Anm. zu Art. 64 S. 471 f. 175 Bauer, Abhandlungen aus dem Strafrechte, Band 1, VII § 4 S. 433. 176 Vgl. 1. Kapitel, B.IV.1. 177 Bauer, Abhandlungen aus dem Strafrechte, Band 1, VII § 5 S. 435; nur als aufzählende Darstellung Bauer, Lehrbuch, § 69 S. 94 f. 178 Bauer, Abhandlungen aus dem Strafrechte, Band 1, VII § 5 S. 436. 179 Nämlich auch durch Bitten und Wünsche, vgl. hierzu 1. Kapitel, C.IV.4.c). 173

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1. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ in § 26

An zweiter Stelle nennt Bauer den Befehl, der neben dem besonderen Gewaltverhältnis180 die Ausdrücklichkeit der Aufforderung beinhalten muss.181 Im Folgenden betrachtet Bauer den Rat, den er im Gegensatz zu von Feuerbach nicht als anstiftungsrelevante Verhaltensweise ansieht und ihn folgerichtig in den Bereich der Beihilfe einordnet.182 Interessanterweise könne aber ein Ratschlag immer dann ein taugliches Anstiftungsmittel darstellen, wenn durch ihn die Tat hinreichend konkretisiert wird.183 Damit folgt Bauer im Ergebnis der Einschätzung von von Feuerbachs, der den speziellen Rat mit einer höheren strafrechtlichen Verwerflichkeit kennzeichnet.184 Darüber hinaus fasst Bauer die Fälle des physischen Zwangs und der „Verheissung einer Belohnung“ als anstiftungsrelevante Verhaltensweisen auf.185 In diesem Zusammenhang deutet er bereits die Abgrenzung zur mittelbaren Täterschaft an, indem er meint: „Wurde hingegen der absolute Zwang so angewendet, dass der Gezwungene nur dass passive Werkzeug der Thätigkeit des Zwingenden war, so ist letzterer nicht Anstifter, sondern Thäter.“186 Ferner sei auch die Erregung eines Irrtums als anstiftungsrelevante Verhaltensweise anzusehen.187 In diesem Zusammenhang spricht Bauer von der „Anstiftung eines culposen Verbrechens.“188, wodurch zum Ausdruck kommt, dass er den Vorsatz nicht als Bestandteil der Schuld ansieht, er jedoch auch die Erregung eines Vorsatzmangels als taugliche Anstiftung versteht. Eine vollständige Trennung zwischen mittelbarer Täterschaft und Anstiftung war zu jener Zeit folglich noch nicht vollzogen. Auch die Fälle der Bitte, Überredung, Aufreizung und Verführung können nach Bauer für sich genommen den Tatbestand der Anstiftung erfüllen, sofern sie „. . . anhaltend, dringend [präsentiert] und durch die persönlichen 180

Die Rechtspflicht zum Gehorsam könne sich aus dem „. . . Verhältnis der Ehefrau, der Kinde und des Gesindes zum Hausvater . . .“ ergeben. Bauer, Abhandlungen aus dem Strafrechte, Band 1, VII § 5 S. 437. 181 Bauer, Abhandlungen aus dem Strafrechte, Band 1, VII § 5 S. 437. 182 Bauer, Abhandlungen aus dem Strafrechte, Band 1, VII § 5 S. 437 f.; ders., Entwurf eines Gesetzbuches für das Königreich Hannover, Anm. zu Art. 64 S. 470. 183 Bauer, Abhandlungen aus dem Strafrechte, Band 1, VII § 5 S. 438. 184 Vgl. 1. Kapitel, B.IV.1. in Fn. 163. Zu dem Problem, ob ein Ratschlag ein taugliches Anstiftungsmittel darstellen kann, vgl. 1. Kapitel, C.IV.4.a). 185 Bauer, Abhandlungen aus dem Strafrechte, Band 1, VII § 5 S. 438 f. 186 Bauer, Abhandlungen aus dem Strafrechte, Band 1, VII § 5 S. 438. 187 Im Gegensatz zu der hier vertretenen Auffassung, vgl. hierzu 1. Kapitel, C.IV.4.g) bis i). 188 Bauer, Abhandlungen aus dem Strafrechte, Band 1, VII § 5 S. 439.

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Verhältnisse unterstützt . . .“ werden.189 Danach könne sogar ein Wunsch „unter ganz besonderen Verhältnissen“ als taugliches Anstiftungsmittel angesehen werden.190 Im Ergebnis muss die anstiftende Einwirkungshandlung nach Bauer im Wege eines auffordernden Kommunikationsaktes vollzogen werden, wofür er jedoch keine konkrete Begründung gibt. Es kann nur vermutet werden, dass er den Aufforderungscharakter der Aussage als Hinweis auf den Vorsatz des Anstifters ansah. Besonders auffällig ist, dass Bauer das Kriterium des psychischen Zwangs beim Angestifteten, welches von Feuerbach entwickelt hatte, unbeachtet lässt und stattdessen die Motivationslage des Anstifters verstärkt betrachtet. Wahrscheinlich ist die besondere Fokussierung auf den Vorsatz des Anstifters mit der bewussten Abkehr von der reinen Kausalitätstheorie zu begründen, wodurch jedoch die Berücksichtigung weiterer wesentlicher Elemente (wie z. B. die Wirkung beim Adressaten) verloren ging. Indem Bauer seine Anstiftungstheorie in den Gesetzesentwurf für das Königreich Hannover einfließen ließ, der als Vorbild für zahlreiche andere deutsche Partikulargesetze diente,191 erreichte sie eine weite Verbreitung und bildet die Basis für die heutige Theorie vom geistigen Kontakt. 2. Die Weiterentwicklung durch die Hegelsche Schule Im Anschluss an die subjektive Lehre Bauers setzte sich zum Ende der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Teilnahmelehre durch, deren dogmatisches Konzept auf der philosophisch geprägten Zurechnungslehre Hegels basierte.192 Die bedeutendsten Vertreter dieser neuen Strömung waren Köstlin, Berner und in der Folgezeit Hälschner.193 Die Zurechnung wurde bis zu jener Zeit durch die Kausalitätstheorie Stübels geprägt, die wie dargestellt, selbst Bauer in seine subjektive Theorie integrierte. Im Gegensatz zu der Zurechnung, die auf dem Kausalurteil beruhte, stellte diese neue Lehre auf die Einheit von Wille und Tat ab. Danach wurde das Geschehen als eine Umgestaltung der Wirklichkeit betrachtet, welche auf die Tätigkeit des Handelnden zurückzuführen ist. Erst aus 189

Bauer, Abhandlungen aus dem Strafrechte, Band 1, VII § 5 S. 438 f. Bauer, Abhandlungen aus dem Strafrechte, Band 1, VII § 5 S. 438 f. 191 Vgl. 1. Kapitel, B.II. in Fn. 114. 192 Ausführlicher dazu Larenz, Hegels Zurechungslehre, S. 60 ff.; Hardwig, Die Zurechnung, S. 53 ff.; von Bubnoff, Die Entwicklung des strafrechtlichen Handlungsbegriffs, S. 43 ff.; Nydegger, Zurechnungsfragen, S. 36 ff. 193 So auch Bloy, Beteiligungsform, S. 78 ff. 190

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1. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ in § 26

dieser Überlegung heraus entstand die Zurechnung im strafrechtlichen Sinn. Die strafrechtlich relevante Handlung, die von dem „boßen Thun“ abgegrenzt wurde,194 bestand demnach in der Vermittlung von Wille und Tat.195 Die Zurechnung ist nach dieser Dogmatik nicht als Kausalurteil, sondern als teleologisches Urteil zu verstehen, wobei die Kausalität nur das relevante Medium darstellt, durch welches sich der Wille des Täters objektiviert.196 In der Konsequenz zu diesen Überlegungen werden die Teilnahmeformen als Zurechnungsformen angesehen, wobei der erste entscheidende Entwurf einer auf der Hegelschen Philosophie basierenden Teilnahmelehre auf Köstlin zurückgeht.197 Als Abgrenzungskriterium zwischen den einzelnen Beteiligungsformen stellt er den Zweck ins Zentrum seiner Betrachtungen. Die Zweckgerichtetheit der Handlung des Urhebers wird von Köstlin als „wahre Kausalität“198 oder „subjektive Kausalität“199 bezeichnet, wodurch er wiederum das beschriebene teleologische Kausalurteil zum Ausdruck bringt, welches durch das Zusammenspiel von Wille und Tat entsteht. Der Urheber verfolge durch die Tat seinen eigenen Zweck,200 wogegen der Gehilfe sich selbst als „bloßes Mittel für einen fremden Zweck“ setze201 und er daher lediglich den fremden Zweck fördere. Um einen fremden Zweck durch eine unterstützende Handlung fördern zu können, muss ein Urheber vorhanden sein, der seinerseits einen eigenen Zweck verfolgt.202 Durch diese Aussage erkennt Köstlin zum einen das Akzessorietätsprinzip für die Beihilfe an. Zum anderen wird eine gewisse Nähe zu der subjek194

Köstlin, Neue Revision, S. 451. Berner, Die Lehre von der Theilnahme, S. 165, 180 f.; Köstlin, Neue Revision, S. 146 ff.; Abegg, Lehrbuch, S. 124 ff. 196 Berner, Die Lehre von der Theilnahme, S. 180; Köstlin, Neue Revision, S. 146 ff.; näher dargestellt bei Ebrahim-Nesbat, Teilnahmeformen, S. 115 ff. zu Köstlin, S. 125 ff. zu Berner; Bloy, Teilnahmeform, S. 79; auch bei Larenz, Hegels Zurechungslehre, S. 67 ff.; von Bubnoff, Die Entwicklung des strafrechtlichen Handlungsbegriffs, S. 45 f. 197 So auch Bloy, Beteiligungsform, S. 79. 198 Köstlin, Neue Revision, S. 448. 199 Köstlin, Neue Revision, S. 460 f. 200 Köstlin, Neue Revision, S. 448, 464, 484; näher dargestellt bei Bloy, Teilnahmeform, S. 80. 201 Köstlin, Neue Revision, S. 449, 465, 509; näher dargestellt bei Ebrahim-Nesbat, Teilnahmeformen, S. 118 ff. 202 Köstlin, Neue Revision, S. 282 ff. Interessanterweise bejaht Köstlin (ebd. S. 470) sogar in denjenigen Fällen die Beihilfe, in denen der Gehilfe die tatbestandliche Handlung selbst ausführt. Er greift damit der extrem subjektiven Theorie vorweg, die z. T. durch die spätere Rechtsprechung (so in RGSt 74, 84) vertreten wurde. 195

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tiven Theorie Bauers deutlich, denn die Trennung zwischen den Beteiligungsformen wird ebenfalls im subjektiven Bereich angesiedelt.203 Die Anstiftung ist nach Köstlin durch die intellektuelle Einwirkung gekennzeichnet, durch die der „. . . Entschluß zum Verbrechen in einem anderen Subjekt geweckt, oder dieses wider sein Wissen zu der verbrecherischen Handlung bestimmt, jedenfalls also zum bloßen Mittel für den intellektuell Einwirkenden, als den geistigen Schöpfer der That gemacht werden soll.“204 Die Anstiftung setzt neben der intellektuellen Einwirkung des Anstifters eine Handlung des Angestifteten voraus, die als verobjektivierter Ausdruck der fremden Subjektivität anzusehen ist und durch den Anstifter für die Verfolgung seines Tatziels ausgenutzt wird. Die auf einem fremden Tatentschluss basierende Handlung bezeichnet Köstlin als „freie Kausalität“.205 Der physisch Handelnde könne dabei entweder selbst Urheber oder Gehilfe sein.206 Die Anstiftung wird im weitesten Sinn akzessorisch an die Handlung einer anderen Person geknüpft.207 Als taugliche Anstiftungsmittel sieht Köstlin den Befehl, Auftrag, Verführung, Bitte, Drohung und das Hervorrufen eines Irrtums an, solange sie mit der Absicht der eigenen Urheberschaft angewendet werden und darauf abzielen, bei dem Adressaten den Entschluss zum Verbrechen zu wecken.208 Hinsichtlich des Ratschlags gelangt auch Köstlin zu dem von Bauer gefundenen Ergebnis, wonach dieser nicht geeignet ist, die intellektuelle Urheberschaft zu begründen. Der Rat sei als „Selbstzweck für die Handlung“ des Ausführenden anzusehen und daher im Grundsatz nur als Fall der Beihilfe zu werten.209 Die „freie Kausalität“ sei immer dann ausgeschlossen, wenn der Angestiftete in einen Irrtum versetzt, „unzurechnungsfähig“ oder mit Gewalt zur Tätigkeit genötigt wird. Diese Fälle seien als „scheinbare Anstiftung“ zu klassifizieren, in denen der Anstifter unmittelbarer Urheber bleibe.210 Insofern sei in den Fällen des Befehls, der Drohung und der Erregung eines Irrtums eine Einzelfallbetrachtung vorzunehmen, ob die Verantwortlichkeit des Angestifteten ausgeschlossen wurde und ein Fall der scheinbaren Anstiftung vorliegt.211 203

Ähnlich auch Bloy, Teilnahmeform, S. 81. Köstlin, Neue Revision, S. 483. 205 Köstlin, Neue Revision, S. 465, 509, 514. 206 Köstlin, Neue Revision, S. 449, 484 und insb. S. 509; näher dargestellt bei Ebrahim-Nesbat, Teilnahmeformen, S. 117 f.; Bloy, Teilnahmeform, S. 80 f. 207 So auch Bloy, Teilnahmeform, S. 81. 208 Köstlin, Neue Revision, S. 483. 209 Köstlin, Neue Revision, S. 482 f. 210 Köstlin, Neue Revision, S. 510. 211 Köstlin, Neue Revision, S. 514 f. 204

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1. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ in § 26

Köstlin bietet damit eine durchaus brauchbare Differenzierung zwischen mittelbarer Täterschaft und Anstiftung an. Durch die Darstellung der tauglichen Anstiftungsmittel verdeutlicht Köstlin sein Verständnis von der intellektuellen Urheberschaft, die auch er als willensbestimmende Einflussnahme ansieht und die das Ergebnis des zwecksetzenden Willens des Anstifters ist.212 Aufgrund der noch nicht etablierten Sozialwissenschaften konnte auch Köstlin den genauen psychologischen Wirkmechanismus seiner Betrachtung nicht zu Grunde legen, dennoch setzt er eine gewissen Erheblichkeitsschwelle voraus, welches durch die Ausklammerung des Ratschlags zum Ausdruck kommt. Im Ergebnis ist daher auch Köstlin zu unterstellen, dass er nur eine Einwirkungshandlung mit auffordernder Wirkung als taugliche Anstiftung ansieht. Im Kern vertrat Berner eine Theorie, die der Lehre Köstlins stark angenähert war.213 Seine Zurechnungslehre ist ebenfalls Ausdruck einer teleologischen Kausalität, wonach weder das bloß Gewollte noch die reine Tat zugerechnet werden kann, sondern nur eine Handlung. Inhalt und Wesen der Zurechnung gehen damit im Handlungsbegriff völlig auf.214 Innerhalb der Handlung dominiert bei Berner das subjektive Element. Zum einen drücke sich das Willensmoment in dolus und culpa aus. Zum anderen stellt er darauf ab, inwieweit sich der innere Willen durch die Handlung objektiviert habe.215 In Übereinstimmung zu seiner Zurechnungslehre216 differenziert er die Urheberschaft von der Beihilfe nach dem Willen zur Tat. Wenn der Handelnde die Tat als seine eigene hervorbringen will, ist er als Urheber anzusehen,217 will er sie lediglich als fremde Angelegenheit fördern, liegt ein Fall der Beihilfe vor.218 212

Köstlin, Neue Revision, S. 509. So auch Bloy, Beteiligungsform, S. 81. 214 Berner, Die Lehre von der Teilnahme, S. 250; darstellend von Bubnoff, Die Entwicklung des strafrechtlichen Handlungsbegriffs, S. 70. 215 Berner, Die Lehre von der Teilnahme, S. 254; darstellend von Bubnoff, Die Entwicklung des strafrechtlichen Handlungsbegriffs, S. 70. 216 Berner definiert das Verbrechen auch als eine dem Handelnden zugehörige Wirklichkeit, die das Ergebnis eines Gestaltungsprozesses ist, deren beherrschende Seele in der Absicht des Urhebers liegt (Berner, Die Lehre von der Theilnahme, S. 8; darstellend Bloy, Beteiligungsform, S. 82; Ebrahim-Nesbat, Teilnahmeformen, S. 126 f.). Ähnlich wie Köstlin stellt er damit den vom Handelnden verfolgten Zweck in den Mittelpunkt seiner Betrachtung (darstellend von Bubnoff, Die Entwicklung des strafrechtlichen Handlungsbegriffs, S. 73 f.), wobei er allerdings stärker das subjektive Element betont und die von Köstlin gefundenen Termini ausdrücklich ablehnt (Berner, Die Lehre von der Theilnahme, S. 178). 217 Berner, Die Lehre von der Theilnahme, S. 171, 173. 218 Berner, Die Lehre von der Theilnahme, S. 207. 213

B. Die Herausbildung der heutigen Anstiftungstheorien

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Ausgehend von diesen Überlegungen sieht er auch die Teilnahmelehre als Problem dieses teleologischen Kausalzusammenhangs. In der Tradition der damaligen Lehre differenzierte auch Berner zwischen der Urheberschaft und der Beihilfe, wobei er unterstreicht, dass es einen „. . . dritten Stammbegriff in der Lehre von der Theilnahme an einem Verbrechen . . .“ nicht gibt.219 Die intellektuelle Urheberschaft sieht Berner als einen Impuls an, durch den der Hintermann auf den Willen des Adressaten einwirkt, um den Tatentschluss hervorzurufen. Dabei komme eine zweifache Willenspotenz zur Tat zum Ausdruck, die Berner als doppelten Rhythmus bezeichnet. Der erste Rhythmus der Handlung stehe unter der Potenz der „Ursache“, wodurch der Einwirkende auf den Willen des Adressaten Einfluss nimmt.220 Der zweite Rhythmus bestehe in der Willensfortbildung des Rezipienten, der nunmehr den Willen des Anstifters in sich trägt und durch die tatbestandliche Handlung in die Objektivität eintrete.221 Damit setzt auch Berner für die intellektuelle Urheberschaft eine gewisse Akzessorietät zur physischen Ausführungshandlung voraus.222 Als mögliche Einwirkungshandlungen nennt Berner die Fälle des Befehls, der Bitte, des Wunsches und der Überredung.223 Da sich der für die Zurechnung relevante Handlungsbegriff aus den Elementen Willen, Tat und Vermittlung beider zusammensetzt, wird die Zurechnung immer dann unterbrochen wenn eines der Elemente fehlt. Demnach lässt Berner die intellektuelle Urheberschaft bei der Anwendung (erheblichen) körperlichen Zwangs224, Zufall (unmittelbarer Zufall und Zufall in den Folgen) und Tatsachenirrtum entfallen, da in diesen Konstellationen die Vermittlung von Wille und Tat beseitigt werde.225 Wie auch Köstlin und Bauer vor ihm, so sieht auch Berner den einfachen Ratschlag nicht als Fall der intellektuellen Urheberschaft an. Nur wenn der Rat die Intention einer Drohung zum Ausdruck bringt, sei er 219 Berner, Die Lehre von der Theilnahme, S. 5 f.; darstellend Ebrahim-Nesbat, Teilnahmeformen, S. 126. 220 Zum ersten Rhythmus, Berner, Die Lehre von der Theilnahme, S. 270 ff. 221 Berner, Die Lehre von der Theilnahme, S. 250 ff. insb. S. 253 ff., speziell zum zweiten Rhythmus S. 291 ff., ausführlich hierzu Ebrahim-Nesbat, Teilnahmeformen, S. 139 f. 222 So auch Ebrahim-Nesbat, Teilnahmeformen, S. 140. 223 Berner, Die Lehre von der Theilnahme, S. 275 ff. 224 Berner, Die Lehre von der Theilnahme, S. 253. 225 Ausführlich hierzu von Bubnoff, Die Entwicklung des strafrechtlichen Handlungsbegriffs, S. 76. Zum Ausschluss der Zurechnung beim Irrtum: Berner, Die Lehre von der Theilnahme, S. 289 f.

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dem Befehl angenähert und als taugliches Mittel der Willensbeeinflussung anzusehen.226 Berner siedelt seine Vermittlung zwischen Einwirkungshandlung und der Willensbeeinflussung des Adressaten stärker als Köstlin im subjektiven Bereich an. Im Ergebnis erzielen jedoch beide Theorien ähnliche Ergebnisse. Dennoch beeinflusst Berners subjektive Idee die Entwicklung der Anstiftung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nachhaltig. Die Betrachtung des subjektiven Elements legte wohl den Grundstein dafür, dass zum Ende des 19. Jahrhunderts erste Vertreter in der Literatur den Willensbildungsprozess genauer untersuchten. Ein weiterer Vertreter der Hegelschen Schule war Hugo Hälschner, der in Abweichung zu Köstlin und Berner die Definition der Teilnahme nicht als bloßes Zusammenspiel von objektiver und subjektiver Tatseite ansah, sondern die Schuld in seine Betrachtungen einbezog.227 Die besondere Betonung des Schuldelements resultiert aus dem Verständnis, die Teilnahme leite sich aus dem Begriff der Verführung ab.228 Aufgrund dieser Überlegungen ist es nicht verwunderlich, dass auch er den Schwerpunkt seiner Betrachtungen im subjektiven Bereich ansiedelte und die Urheberschaft durch den eigenen Willen zur Tat definierte.229 Dagegen sei als Gehilfe derjenige anzusehen, dessen Wille lediglich auf die Verwirklichung einer fremden Tat gerichtet ist.230 226

Berner, Die Lehre von der Theilnahme, S. 286 f. Insofern wird die sprachwissenschaftliche Differenzierung zwischen primärer und sekundärer Illokution erkannt, vgl. hierzu 1. Kapitel, C.IV.2.b). 227 Hälschner, Das preußische Strafrecht, Band 2, S. 298, 316 ff.; darstellend Bloy, Beteiligungsform, S. 83. 228 Hälschner, Das preußische Strafrecht, Band 2, S. 294 ff. 229 Hälschner, Das preußische Strafrecht, Band 2, S. 313 ff. 230 Hälschner, Das preußische Strafrecht, Band 2, S. 313 ff., 324 ff. Ähnlich wie Köstlin und Berner zieht auch Hälschner die durch „den Willen vermittelte Thätigkeit“, (also objektive Kriterien) in seine Betrachtungen mit ein. Der unmittelbare Urheber sei sowohl der Schöpfer der verbrecherischen Absicht, als auch derjenige, der durch die eigene physische Tätigkeit das Verbrechen hervorrufe (Hälschner, Das preußische Strafrecht, Band 2, S. 300). Im Gegensatz dazu verwirkliche der Gehilfe den gesamten Tatbestand niemals allein. Demnach setze die Beihilfe eine durch den Urheber begangene strafbare Handlung voraus (ebd., S. 327 f.), wodurch auch von Hälschner das Akzessorietätsprinzip anerkannt wird (So auch Bloy, Beteiligungsform, S. 83). Dabei bilde die Beihilfe einen geringern Schuldgrad als die Urheberschaft und sei folglich in geringerem Maße strafbar (Hälschner, ebd., S. 332). Das Merkmal der Beihilfe sei nach Hälschner darin zu sehen, dass der Gehilfe durch die „. . . verbrecherische Absicht des Urhebers zu seiner Thätigkeit verleitet wurde . . . hieraus ergibt sich zugleich für die sehr verschieden gestaltete helfende Thätigkeit, daß, wenn sie sich auf eine intellectuelle Einwirkung auf den Urheber

B. Die Herausbildung der heutigen Anstiftungstheorien

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Als intellektuellen Urheber sieht Hälschner denjenigen an, „. . . der einerseits seine verbrecherische Absicht selbständig gestalte, und andererseits zum Zweck der Verwirklichung derselben sich der Thätigkeit eines anderen bedient, den er durch intellectuelle Einwirkung hierzu bestimmt.“231 Wobei der bestimmende Einfluss nicht die Handlungsfreiheit des Adressaten ausschließen darf.232 Auch Hälschner greift damit den bereits von Köstlin entwickelten und von Berner fortgeführten Gedankten auf, dass die Anstiftung als Einwirkung auf den freien Willen des Adressaten zu verstehen ist. In dem Einwirkungsgegner soll eine eigenständige Willensbildung angeregt werden, mit dem Ziel, bei diesem den Entschluss zur Begehung der Haupttat zu wecken.233 Bei der Definition der Mittel der Anstiftung greift Hälschner auf das preußische Strafgesetzbuch zurück, welches „. . . Geschenke, Versprechen, Drohungen, Mißbrauch des Ansehens oder Gewalt, und die absichtliche Herbeiführung eines Irrthums, erwähnt, und die Thätigkeit des Anstifters als ein Auffordern, Anreizen, Verleiten oder Bestimmen bezeichnet.“.234 Insgesamt wirkt sich die besondere Berücksichtigung der Schuld auf die Definition der Teilnahme im Ergebnis nur wenig aus. Ähnlich wie auch bei Köstlin und Berner entsteht der Eindruck, dass dem Angestifteten nur eine gehilfenähnliche Rolle zukommt,235 welches letztendlich das Ergebnis der noch nicht vollzogenen Trennung von Urheberschaft und Anstiftung ist. Das bemerkenswerteste Merkmal der Hegelschen Schule war es, die intellektuelle Urheberschaft als willensbeeinflussende Einwirkungshandlung herauszustellen, die die Motivationslage des Adressaten verändert. Trotzdem von Feuerbach diesen Gedanken schon lange Zeit zuvor niedergelegt hatte,236 setzte sich diese Grundidee erst wieder zu jener Zeit nachhaltig durch.

beschränkt, sie sich doch niemals drauf beziehen darf, im Urheber selbst erst die verbrecherische Absicht hervorzurufen und zu gestalten, weil sie damit in eine andere Form der Theilnahme, die intellektuelle Urheberschaft, übergehen würde.“ (Hälschner, ebd., S. 324 f.). 231 Hälschner, Das preußische Strafrecht, Band 2, S. 340. 232 Hälschner, Das preußische Strafrecht, Band 2, S. 341. Als Fälle, die die Zurechnung ausschließen nennt Hälschner, wie bereits auch Köstlin (vgl. S. 63) und Berner (vgl. S. 64) Konstellationen der Unzurechnungsfähigkeit oder des Ausnutzens bzw. der Erregung eines Irrtums (ebd. S. 341). 233 Hälschner, Das preußische Strafrecht, Band 2, S. 344 f., mit ausdrücklichem Bezug auf Köstlin. Darstellend auch Hruschka, ZStW 1998 [110], 581, 596. 234 Hälschner, Das preußische Strafrecht, Band 2, S. 348 f. 235 So insbesondere Bloy, Beteiligungsform, S. 83. 236 Vgl. hierzu 1. Kapitel, B.IV.1.

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1. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ in § 26

3. Die Herausbildung der Anstiftung aus der Urheberschaft a) Die originäre Definition der Anstiftung durch Hepp In der weiteren Entwicklung ist der Einfluss Hepps zu nennen.237 Dieser kritisiert die bis dahin anerkannte dogmatische Herleitung der Anstiftung aus der Urheberschaft. Die Urheberschaft wurde insbesondere durch die Vertreter der Hegelschule durch das eigene Interesse an der Haupttat von der Beihilfe abgegrenzt. Wenn also die Anstiftung nur eine (emanzipierte) Form der psychischen Urheberschaft sei, dann könne sie immer nur dann vorliegen, wenn der Anstifter durch die Einflussnahme ein eigenes Tatziel verfolge.238 Jedoch würde eine solche Sichtweise zu einer Gerechtigkeitslücke führen, denn der Einwirkende müsste nur behaupten, im fremden Interesse angestiftet zu haben, um Straffreiheit zu erlangen.239 Als Konsequenz fordert Hepp eine originäre Definition der Anstiftung, wodurch diese zwischen Urheberschaft und Gehilfenschaft einzuordnen sei,240 wobei er jede der drei Beteiligungsformen nach eigenständigen (aber im Kern subjektiven) Kriterien definiert. Den Urheber definiert Hepp im Sinne der Hegelschen Schule durch das eigene Interesse an der Tat. Demgegenüber stehe auf der geringsten Stufe der Gehilfe, der sich von dem Urheber durch den Willen differenziere, eine nur fremde Tat zu unterstützen.241 Der Anstifter sei derjenige, der „. . . absichtlich, sey es in eigenem oder in fremdem Interesse, den Willen eines anderen zur Begehung eines gewissen Verbrechens bestimmt hat, ohne an der Ausführung desselben unmittelbar Theil zu nehmen; während der intellektuelle Gehülfe nur den schon Entschlossenen absichtlich in seinem verbrecherischen Vorhaben bestärkt oder befestigt.“242 Obwohl Hepp Bauer für die dogmatische Herleitung der Anstiftung zum Teil erheblich kritisiert, weicht seine Definition von der Anstiftung im Kern nur wenig von dessen Auffassung ab. Hepp verbindet in einer stärkeren Deutlichkeit die subjektiven mit den objektiven Bestandteilen. So spricht er zum einen (wie auch Bauer) ausdrücklich von der Absicht des Anstifters, bezieht aber auch das objektive Merkmal der unmittelbaren Tatausführung als Ausschlusskriterium in seine Definition mit ein. 237 238 239 240 241 242

Ausführlich zu Hepps Theorie Ebrahim-Nesbat, Teilnahmeformen, S. 95 ff. Hepp, ArchCrimR Neue Folge 1846 [3], 313, 342 f. Hepp, ArchCrimR Neue Folge 1846 [3], 313, 343. Hepp, ArchCrimR Neue Folge 1846 [3], 313, 346 f. Hepp, ArchCrimR Neue Folge 1846 [3], 313, 346 f. Hepp, ArchCrimR Neue Folge 1846 [3], 313, 347.

B. Die Herausbildung der heutigen Anstiftungstheorien

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Indem Hepp die Anstiftung vollständig aus der Täterschaft herauslöst und sie dennoch faktisch an die Haupttat koppelte, bestärkte er den fortschreitenden Einfluss des Akzessorietätsprinzips und schuf ein nach heutiger Sicht modernes Verständnis von der Anstiftung. b) Die Aneignung eines fremden Tatentschlusses nach Luden Etwa zur selben Zeit wie Köstlin und Berner entwickelte auch Luden eine eigene Teilnahmetheorie, die sich weder an der naturalistischen Lehre Stübels orientiert, noch der Hegelschen Schule folgt, die aber das Erfordernis der Willensfreiheit und der Zurechnungsfähigkeit in den Handlungsbegriff integriert.243 Luden schließt die Merkmale der Zurechnungsfähigkeit und der Strafbarkeit aus dem allgemeinen Tatbestand aus. Damit ist es ihm möglich, zunächst zu prüfen, ob die fragliche Handlung unter den entsprechenden Tatbestand zu fassen ist (Strafgrund), bevor er feststellt, inwieweit sie dem Täter zurechenbar ist und dessen Strafbarkeit als Rechtsfolge begründet.244 Der Verbrechensbegriff im Rahmen der Urheberschaft setzt sich nach Luden aus der verbrecherischen Erscheinung, der Handlung und dem Kausalzusammenhang zwischen Handlung und Erscheinung zusammen.245 Die Handlung wiederum hat juristisch nur dann Bedeutung, wenn sie zu einer Erscheinung führt, an die das Gesetz gewisse rechtliche Folgen (nämlich die Strafe) knüpft.246 Der Wille, der bei den Hegelianern einen entscheidenden Bestandteil darstellte, wird durch Luden nur beiläufig erwähnt,247 wodurch zum Ausdruck kommt, dass er im Bereich der Urheberschaft dem subjektiven Element keine gesteigerte Bedeutung beimisst. Luden nimmt eine Trennung in „Theilnahme und Urheberschaft“ vor, die sich maßgeblich an der Kausalität orientiert.248 Anders als Hepp geht Luden noch nicht soweit, die Anstiftung als originäre Rechtsfigur anzusehen, 243 Zum Ludenschen Handlungsbegriff von Bubnoff, Die Entwicklung des strafrechtlichen Handlungsbegriffs, S. 90 ff.; Ebrahim-Nesbat, Teilnahmeformen, S. 80 ff.; Bloy, Beteiligungsform, S. 84 ff. 244 Luden, Thatbestand des Verbrechens, S. 72 f.; erläuternd dazu von Bubnoff, Die Entwicklung des strafrechtlichen Handlungsbegriffs, S. 90. 245 Luden, Thatbestand des Verbrechens, S. 116; erläuternd dazu von Bubnoff, Die Entwicklung des strafrechtlichen Handlungsbegriffs, S. 91. 246 Luden, Thatbestand des Verbrechens, S. 110 f., 115. 247 Luden, Thatbestand des Verbrechens, S. 338; so auch von Bubnoff, Die Entwicklung des strafrechtlichen Handlungsbegriffs, S. 93 f. 248 Luden, Thatbestand des Verbrechens, S. 332 ff.; ders., Handbuch I, § 56 S. 348 ff.

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1. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ in § 26

dennoch hält er die Terminologie der intellektuellen Urheberschaft für unzweckmäßig, da durch sie sowohl die Fälle der heutigen mittelbaren Täterschaft als auch der Anstiftung zusammengefasst wurden. Vielmehr tritt er dafür ein, die Bezeichnung der intellektuellen Urheberschaft zu vermeiden und stattdessen die mittelbare Täterschaft als Urheberschaft und die Anstiftung als Teilnahme zu deklarieren.249 Bei der Teilnahme trage der Teilnehmer ebenfalls zur Verwirklichung des Verbrechens bei, doch stehe er außerhalb des Zurechnungszusammenhangs, denn er bewirke lediglich, dass das Verbrechen durch den Urheber realisiert wird.250 So sei in der Ermöglichung einer bestimmten Handlung niemals der Grund derselben zu sehen.251 Aufgrund des veränderten Kausalitätsverständnisses erkennt Luden, dass durch die Einschaltung einer anderen Person kein naturgesetzlich kausaler Zusammenhang zwischen Handlung und Erfolg begründet werden kann, da die Handlungsfreiheit des Einzelnen dazwischentritt. Nur in den Fällen, in denen ein unfreies Werkzeug für die Tatausführung herangezogen wird, könne der bei der Urheberschaft beschriebene Kausalzusammenhang gelten,252 wodurch die mittelbare Täterschaft bereits sehr treffend charakterisiert wird. Da Luden aufgrund des Kausalurteils die Zurechnung der Teilnahme zu der Haupttat ablehnt, entsteht eine Strafbarkeitslücke, die er durch eine eigene Rechtsfigur schließt, welche die Aneignung des fremden verbrecherischen Entschlusses beschreibt.253 Danach begehe der Täter trotz der Teilnahmehandlung (Beihilfe oder Anstiftung im heutigen Sinne) sein eigenes Verbrechen.254 In seinen weiteren Überlegungen ersetzt Luden den fehlenden Kausalzusammenhang zwischen Teilnahmehandlung und Tat durch den „Willen“ des Teilnehmers sich die Tat aneignen zu wollen. Nur durch die Aneignung eines fremden Entschlusses gelingt es ihm die Handlung des Haupttäters auch dem Teilnehmer zuzurechnen. Dabei setzt die Aneignung des Teilnehmers die Kenntnis von dem Tatentschluss des Haupttäters sowie dessen Handlungen voraus.255 249

Luden, Thatbestand des Verbrechens, S. 332 ff., insb. 340. Luden, Thatbestand des Verbrechens, S. 384 f.; erläuternd dazu Bloy, Beteiligungsform, S. 84. 251 Luden, Thatbestand des Verbrechens, S. 384 f. 252 Luden, Thatbestand des Verbrechens, S. 354 ff., 356 f.; erläuternd dazu Bloy, Beteiligungsform, S. 84; von Bubnoff, Die Entwicklung des strafrechtlichen Handlungsbegriffs, S. 94. 253 Luden, Thatbestand des Verbrechens, S. 349 f.; erläuternd dazu Bloy, Beteiligungsform, S. 85; Ebrahim-Nesbat, Teilnahmeformen, S. 83 f. 254 Luden, Thatbestand des Verbrechens, S. 349. 255 Luden, Thatbestand des Verbrechens, S. 349. Im weiteren Verlauf modifiziert Luden (Handbuch I, § 78 S. 462 Fn. 2) seine Theorie. Danach sei es ausreichend, 250

B. Die Herausbildung der heutigen Anstiftungstheorien

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Zwar ordnet Luden die Anstiftung der Teilnahme zu, dennoch nimmt er hinsichtlich der Aneignung des Tatentschlusses keine weitergehende Differenzierung vor,256 so dass eine Einheitsteilnahmeform entsteht.257 Hinsichtlich der Anforderungen an die anstiftungsrelevante Verhaltensweise lassen sich daher keine neuen Erkenntnisse gewinnen. Diese Betrachtung lässt sich nur durch die Überbetonung der Kausalität erklären, durch die es zwangsläufig nur möglich ist, zwischen Urheberschaft und Teilnahme zu differenzieren.258 Der Verdienst Ludens ist einerseits die deutliche Betonung des Akzessorietätsprinzips.259 Anderseits dienten auch seine Überlegungen dazu, die Anstiftung aus der Urheberschaft herauszulösen und sie im weiteren Verlauf als eigenständige Teilnahmeform zu etablieren. Die Reduktion der Teilnahme auf eine subjektivierende und psychologisierende Betrachtung erscheint als weniger gelungen.260 Zwar ist nach modernem Verständnis das Handlungsunrecht der Anstiftung auch im psychologischen Bereich zu finden, dennoch besteht ein erheblicher Unterschied zwischen einer motivierenden Einflussnahme und der Aneignung eines fremden Verbrechensentschlusses nach Luden. 4. Die dogmatische Entwicklung in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts a) Die Weiterentwicklung nach Langenbeck, Schütze und von Bar In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es eine einflussreiche Literaturströmung, deren dogmatischer Kern von der Hegelschen Lehre beeinflusst wurde.261 Insbesondere Langenbeck, Schütze aber auch von Bar gehörten dieser Schule an, welche den Gedanken des indeterminierten Wirkzusammenhangs übernahm.262 Danach wurde die Anstiftung im Sinne der Hegelschen Schule als die Bestimmung zu Selbstbestimmung verstanden. dass für die Begründung der Teilnahme der Teilnehmer „. . . mit dem Willen handelt, daß in Folge davon ein Anderer als Urheber handele.“ 256 Luden, Thatbestand des Verbrechens, S. 353. 257 So auch Bloy, Beteiligungsform, S. 85. 258 Bloy, Beteiligungsform, S. 85. 259 Luden, Thatbestand des Verbrechens, S. 333 ff.; So auch Bloy, Beteiligungsform, S. 85. 260 So auch Bloy, Beteiligungsform, S. 85. 261 Köstlin, Neue Revision, S. 309; Hälschner, Das preußische Strafrecht, Band 2, S. 345; Berner, Die Lehre von der Theilnahme, S. 250 ff. 262 So auch Bloy, Beteiligungsform, S. 86 f.

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Der Anstifter beeinflusst den freien Willen des Adressaten, um diesen zu einem eigenständigen Willensentschluss zu veranlassen, der sich in der anschließenden Tatbegehung realisiert.263 Wobei die Vertreter dieser Auffassung im Gegensatz zu Luden keine Durchbrechung des Kausalverlaufs annahmen.264 Als besonderen Fortschritt dieser Epoche ist die endgültige Ausgliederung der Anstiftung aus dem Bereich der Urheberschaft zu nennen, wodurch es auch gelang, der Anstiftung einen eigenen Anwendungsbereich zuzuweisen und sie so von der mittelbaren Täterschaft abzugrenzen.265 In denjenigen Fällen, in denen die freie Willensbildung des Adressaten etwa durch die Erregung eines Irrtums, durch die Anwendung von vis absoluta, durch Befehl oder aufgrund von Unzurechnungsfähigkeit nicht möglich ist, scheidet die Anstiftung aus.266 Der mittelbare Täter wurde als „scheinbarer Anstifter“ bzw. „fingierter Thäter“ bezeichnet und gerade nicht als Teilnehmer, sondern als Täter verstanden.267 Die bisher so stark betonte Kasuistik der Anstiftungsmittel stand durch die besondere Gewichtung des freien Willens des Adressaten nicht mehr im Mittelpunkt der Betrachtung. Anstelle des eingesetzten Mittels wurde nunmehr verstärkter Wert auf die beim Angestifteten eingetretene Wirkung gelegt.268 Danach musste das jeweilige Mittel geeignet sein, die Willensbildung des Adressaten zu beeinflussen, um ihn zur Tatbegehung zu motivieren. Trotz dieser Gesamtentwicklung stellte Langenbeck mögliche Anstiftungsmittel beispielhaft dar, wobei er auch hier verstärkten Wert auf die eintretende Wirkung legte. Als erstes untersuchte er den Auftrag. Obwohl er diesen nicht explizit definierte, ist davon auszugehen, dass er ihn auch als nachdrückliche Aufforderung verstand. Dabei sei es nicht nötig, dass der Auftrag allgemeinverständlich als solcher angesehen oder entsprechend formuliert wird. Viel263 von Bar, Versuch und Theilnahme, § 13 S. 43 f.; Langenbeck, Theilnahme am Verbrechen, §§ 41 f. S. 145 ff.; Schütze, Die notwendige Theilnahme, S. 247 ff. 264 So explizit von Bar, Gesetz und Schuld, Band II, S. 617; darstellend Noltenius, Kriterien der Abgrenzung, S. 54 f. 265 So auch Bloy, Beteiligungsform, S. 87 f. 266 von Bar, Versuch und Theilnahme, § 13 S. 43 f.; Langenbeck, Theilnahme am Verbrechen, § 43 S. 148 ff.; Schütze, Die notwendige Theilnahme, § 34 S. 196, § 42 S. 247; ders., GA 1873 [21], 137, 164. 267 von Bar, Versuch und Theilnahme, § 13 S. 43 f.; Langenbeck, Theilnahme am Verbrechen, § 43 S. 148 ff.; Schütze, GA 1873 [21], 137, 161 ff. 268 von Bar, Versuch und Theilnahme, § 13 S. 43 f.; Schütze, Die notwendige Theilnahme, § 42 S. 252.

B. Die Herausbildung der heutigen Anstiftungstheorien

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mehr müsse die (soziale) Klasse, zu der der Adressat gehört, die Einwirkungshandlung als nachdrückliches Verlangen verstehen.269 Insofern bezieht Langenbeck die sozialen Normen und deren nonverbale Wirkung auf die jeweilige Aussage in seine Betrachtung mit ein.270 Den Befehl nennt Langenbeck an zweiter Stelle, wobei er ihn als Spezialfall des Auftrags versteht. Solange dem Befehlsempfänger die Möglichkeit der eigenen Willenbildung verbleibt, sei er als Anstiftung zu verstehen. Schließt der Einfluss des Befehlenden die freie Willensbildung aus, dann liege ein Fall der mittelbaren Täterschaft vor,271 wobei er dieselbe Wertung für die Fälle der vis compulsiva trifft.272 Interessanterweise versteht auch Langenbeck die Bitte als anstiftungsrelevante Verhaltensweise.273 Die Bitte sei dem Befehl ähnlich, nur fehlt es an dem entsprechenden Subordinationsverhältnis. Dementsprechend sei die durch eine Bitte veranlasste Anstiftung von geringerer strafrechtlicher Relevanz.274 Im Ergebnis ist die Einschätzung Langenbecks richtig. Dennoch trifft auch er nicht den tatsächlichen Kern der motivierenden Wirkung einer einfachen Bitte, der in der Antizipation ihrer Ablehnung liegt, durch die eine gewisse (wenn auch nur geringe) Sanktionswirkung begründet wird.275 Die Erregung eines Irrtums erfüllt nach Langenbeck ebenfalls den Tatbestand der Anstiftung, wobei er nicht von solcher Erheblichkeit sein darf, dass die Zurechnung aufgehoben werde.276 Selbst die Fälle der Anstiftung durch eine Belohnung werden von Langenbeck erkannt. Hierbei stellt er 269

Langenbeck, Theilnahme am Verbrechen, § 45 S. 151 ff. Vgl. hierzu 1. Kapitel, C.II.4.; 1. Kapitel, C.IV.2.a). 271 Langenbeck, Theilnahme am Verbrechen, § 46 S. 154. 272 Langenbeck, Theilnahme am Verbrechen, § 47 S. 155. 273 Hierbei bezieht sich Langenbeck auf Stübel (vgl. Langenbeck, ebd. S. 156 § 48 in Fn. 1). In der zitierten Fundstelle (Ueber die Theilnahme, S. 78 in Fn. 60) spricht Stübel zwar die Bitte an, jedoch setzt dieser hierbei ein zusätzliches sanktionierendes Element voraus. Er beschreibt die Bitte, die im Zusammenhang einer Freundschaft oder aus Zuneigung heraus geäußert wird. Die Ablehnung einer solchen Bitte würde als Sanktion nicht nur den Gleichlauf der Konversation beenden, sondern vielmehr auch das Risiko des Verlustes der Freundschaft begründen. Insofern geht die Bitte, die Stübel in der von Langenbeck zitierten Fundstelle beschreibt, über die einfache Bitte hinaus. 274 Langenbeck, Theilnahme am Verbrechen, § 48 S. 156. 275 Näher hierzu 1. Kapitel, C.IV.4.c). 276 Langenbeck, Theilnahme am Verbrechen, § 49 S. 156. Nach hier vertretener Auffassung ist die Erregung eines Irrtums keine anstiftungsrelevante Verhaltensweise. Ein Irrtum muss nicht zwingend durch eine sanktionsbewehrte Aufforderung begründet werden. Für den Adressaten stellt sich eine (einfache) täuschende Information ex ante nur als einfacher Ratschlag o. ä. dar, der gerade keine Anstiftungsrelevanz aufweist. Vgl. hierzu 1. Kapitel, C.IV.4.g) bis i). 270

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1. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ in § 26

zwar nicht ausdrücklich auf die Gewährung materieller Vorteile ab, sondern auf Beifall und Lob. Dabei differenziert er sehr genau zwischen psychischer Beihilfe und Anstiftung. Nur wenn sich die Belohnung (positive Sanktion) tatsächlich in der Motivation des Adressaten widerspiegelt, sei sie als Anstiftung zu werten.277 Durch die genaue Betrachtung des Willensbildungsprozesses beim Adressaten erzielt Langenbeck auch im Bereich der positiven Sanktionierung ein überraschend klares Ergebnis.278 Abschließend untersucht Langenbeck den Ratschlag. Im Grundsatz lehnt er auch diesen als anstiftungsrelevante Verhaltensweise ab, da es an der motivierende Einflussnahme fehlt. Der Rat erfülle nur dann den Tatbestand der Anstiftung, wenn Inhalt und Intention der Aussage voneinander abweichen und der Rat als Drohung zu verstehen ist.279 Auch an dieser Stelle bezieht Langenbeck den Motivationsprozess des Rezipienten in seine Betrachtungen ein. Ein alleiniges Abstellen auf die äußere Form wäre nicht zielführend, da die verbale und nonverbale Kommunikation voneinander divergieren können.280 Durch die verstärkte Beachtung des konkreten Motivationsprozess des Adressaten verfolgen die Vertreter dieser Auffassung einen Denkansatz, der gegenwärtig zunehmend an Einfluss gewinnt. Ein weiterer wichtiger Verdienst dieser Epoche war die Anerkennung des Akzessorietätsprinzips. Dieses wurde zwar von der Hegelschen Schule bereits vorausgesetzt, dennoch konnte es sich erst vollständig etablieren, nachdem sich die Anstiftung komplett aus der Täterschaft herausgelöst hatte. Die Akzeptanz des Akzessorietätsprinzips kommt einerseits darin zum Ausdruck, dass für die Anstiftung eine zumindest versuchte Haupttat vorliegen muss281 und dass zum anderen die Anstiftung eines omnimodo facturus keine anstiftungsrelevante Verhaltensweise darstellt.282

277

Langenbeck, Theilnahme am Verbrechen, § 50 S. 156 f. Zur positiven Sanktion, vgl. 1. Kapitel, C.IV.3. 279 Langenbeck, Theilnahme am Verbrechen, § 51 S. 157 ff. 280 Vgl. hierzu die Ausführungen zur primären und sekundären Illokution, S. 114 f. 281 von Bar, Versuch und Theilnahme, § 15 S. 50; Langenbeck, Theilnahme am Verbrechen, § 53 S. 160; Schütze, Die notwendige Theilnahme, § 42 S. 250, § 44 S. 269, § 45 S. 272; so auch Bloy, Beteiligungsform, S. 87. 282 von Bar, Versuch und Theilnahme, § 16 S. 51 ff.; Langenbeck, Theilnahme am Verbrechen, § 54 S. 165; Schütze, Die notwendige Theilnahme, § 19 S. 91, § 43 S. 255; so auch Bloy, Beteiligungsform, S. 87. 278

B. Die Herausbildung der heutigen Anstiftungstheorien

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b) Die Anstiftung nach der Wirksamkeit der Bedingung nach Birkmeyer Ein Vertreter, der die Anstiftung im Sinne einer individualisierenden Kausalitätslehre auslegte, war Birkmeyer. Für die Definition einer tauglichen Teilnahmelehre geht auch er im Grundsatz von der Äquivalenztheorie aus, wonach jede Bedingung für den Erfolgseintritt wirksam ist.283 Allerdings könne diese Einschätzung nur den Ausgangspunkt weiterer Überlegungen darstellen, da ansonsten jeder Teilnehmer den ganzen Erfolg verursachen würde,284 was im Ergebnis die vom Gesetz nicht gewollte Einheitstäterlehre zur Folge hätte. Insofern ist Birkmeyers Theorie als Kritik zu der Auffassung von von Buri zu verstehen, der zur selben Zeit seine Kausalitätslehre vertrat.285 Um eine sachgerechte Lösung für die Differenzierung zwischen Täterschaft und Teilnahme zu finden, müsse die Äquivalenzformel durch individualisierende Kriterien begrenzt werden. Dabei könne nur diejenige Handlung die Täterschaft begründen, „. . . welche als Ursache des gesetzlich verpönten Erfolges zu betrachten ist.“,286 wobei Birkmeyer die wirksamste Bedingung quantitativ bestimmt.287 Diejenigen Handlungsweisen, die für die tatbestandliche Erfolgsverursachung eine nur untergeordnete Rolle spielen und „. . . nur eine Bedingung für den Eintritt des verbrecherischen Erfolgs darstellen . . .“, werden folglich in den Bereich der Teilnahme eingeordnet.288 Durch die Individualisierung des Kausalitätserfordernisses berücksichtigt Birkmeyer verstärkt die freie Willensbildung des Adressaten, welches bei der Definition der Anstiftung zum Ausdruck kommt. Diese könne nicht als die Verursachung einer verbrecherischen Handlung angesehen werden,289 da die Willensfreiheit des Vordermannes die reine Kausalität ausschließe.290 Durch das Merkmal bestimmen meine der Gesetzgeber vielmehr eine Be283

Birkmeyer, Lehre von der Teilnahme, S. 16 f. Birkmeyer, Lehre von der Teilnahme, S. 16. 285 Vgl. 1. Kapitel, B.III.2. 286 Birkmeyer, Lehre von der Teilnahme, S. 95 ff.; darstellend Noltenius, Kriterien der Abgrenzung, S. 51 ff.; Bloy, Beteiligungsform, S. 94. 287 Birkmeyer, Lehre von der Teilnahme, S. 102 f., 112 ff. 288 Birkmeyer, Lehre von der Teilnahme, S. 122 f. 289 Birkmeyer, Lehre von der Teilnahme, S. 121. 290 „Wäre der Wille des Menschen unfrei, so bedürfte es keiner besonderen Schuldform der Anstiftung für die Bestimmung eines Anderen zu einem Verbrechen, die Schuldform der Thäterschaft würde völlig ausreichen, jede Anstiftung wäre mittelbare Thäterschaft und § 48 RStGB wäre überflüssig.“, Birkmeyer, Lehre von der Teilnahme, S. 118 f. 284

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1. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ in § 26

einflussung des Willens, wodurch sich die Mittelsperson selbst bestimme. Auch für Birkmeyer stellt die Anstiftung daher das Setzen einer Bedingung zur Selbstbestimmung dar.291 Insofern übernimmt er den Denkansatz, den bereits Langenbeck, Schütze und von Bar vor ihm aufgegriffen haben292 und der durch die Hegelschule293 seine erste Blütezeit erlebte. Die Abgrenzung zur mittelbaren Täterschaft und damit die Definition der Obergrenze der Anstiftung nimmt Birkmeyer nach der Quantität der gesetzten Bedingung vor. Die intellektuelle Einwirkung des mittelbaren Täters, der bei dem Vordermann einen Defekt auslöst oder diesen ausnutzt, setze eine überwiegende Bedingung, die die (mittelbare) Täterschaft begründet.294 Indem Birkmeyer auch den Ratschlag als anstiftungsrelevante Verhaltensweise ansieht, gerät er bei der Differenzierung zwischen Anstiftung und psychischer Beihilfe in Abgrenzungsschwierigkeiten, da er in diesem Zusammenhang das Kriterium der quantitativen Bedingung nicht nutzen kann. Zur Klärung dieser Frage zieht aber auch er die Rechtsfigur des omnimodo facturus heran.295 War der Adressat bereits zur Tat entschlossen, dann kann die intellektuelle Einwirkung nur noch als Beihilfe gewertet werden. Erfolgt die entsprechende Willensbeeinflussung bevor der Täter zur Tat entschlossen war, dann liege eine anstiftungsrelevante Verhaltensweise vor.296 Birkmeyers Theorie ist als bewusste Abkehr von den rein kausal geprägten Teilnahmelehren zu werten, die etwa zur selben Zeit unter von Buri erneut an Einfluss gewannen. Er verstand die Tathandlung des Bestimmens als Einwirkung auf den Willensbildungsprozess des Adressaten, um diesen zur Begehung einer tatbestandlichen Handlung zu motivieren. Wodurch dieser Motivationsprozess konkret initiiert werden kann, wurde nicht näher untersucht und ist einerseits den mangelnden sozialwissenschaftlichen Erkenntnissen jener Zeit geschuldet, obwohl andererseits bereits schon von Feuerbach den „psychologischen Zwang“ in seiner Theorie integrierte.297 c) Die Anstiftung als „Motivkonflikt“ nach Geyer Eine Auffassung, die die Ursache des willensbeeinflussenden Motivationsprozesses genauer untersucht, wurde von Geyer vertreten.298 291

Birkmeyer, Lehre von der Teilnahme, S. 119. Vgl. 1. Kapitel, B.IV.4.a). 293 Vgl. zur Hegelschule insgesamt vgl. 1. Kapitel, B.IV.2. Konkret zu Köstlin S. 64; zu Berner S. 64; zu Hälschner S. 67. 294 Birkmeyer, Lehre von der Teilnahme, S. 120 f. 295 So auch hier vertreten vgl. 1. Kapitel, D.I. 296 Birkmeyer, Lehre von der Teilnahme, S. 121 f. 297 Vgl. 1. Kapitel, B.IV.1., konkret S. 57. 292

B. Die Herausbildung der heutigen Anstiftungstheorien

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In den Ausgangspunkt seiner dogmatischen Überlegungen stellt er das zwischen Determinismus und Indeterminismus bestehende Spannungsverhältnis. Hierbei lehnt er die strikte These des Indeterminismus ab, wonach der freie Wille des Individuums jegliche Kausalität unterbrechen würde. Er geht davon aus, dass der menschliche Wille stets durch Motive bestimmt wird und daher determiniert ist.299 „Gleichwohl kann dem wollenden Individuum das Wollen zugerechnet werden, wenn jedes im stande war, das Wollen zu beherrschen. Wird nun also auch wie bei dem zu einem Verbrechen Angestifteten das Wollen durch ein ihm von einer anderen Person entgegengebrachtes Motiv hervorgerufen, so ist dennoch für den Wollenden Zurechenbarkeit vorhanden, sobald er mit Aufbietung aller seiner ihm zu Gebote stehenden psychischen Kräfte im Stande gewesen wäre jenem Motive ein mächtigeres Gegenmotiv entgegenzusetzen und so das verbrecherische Wollen zu unterdrücken. Auf diese Weise ergibt sich Zurechenbarkeit des Verbrechens einerseits für den Angestifteten, sofern er eben nicht durch die fremde Einwirkung in einen Zustand versetzt wird, welcher [es] ihm unmöglich macht eine Gegenwirkung gegen den die anstiftende Thätigkeit auszuüben, so daß er also die Möglichkeit der Selbstbeherrschung verliert – Zurechenbarkeit der That andererseits für den Anstifter, welcher durch die gelungene Anstiftung mit der That in Kausalzusammenhang getreten ist.“300

Mit dieser These übernimmt Geyer nicht nur den durch die Hegelsche Schule ausgeformten Gedanken, dass die Anstiftung als Bestimmen zur Selbstbestimmung zu verstehen ist, sondern er arbeitet auch heraus, worin die Ursache dieser Selbstbestimmung liegt. Durch die genauere Betrachtung des Konflikts, der zwischen Indeterminismus und Determinismus besteht, gelingt es ihm, eine Theorie zu entwickeln, die in einem modernen Verständnis den Motivationsprozess des Adressaten beachtet. Er erkennt, dass der Entschluss des Angestifteten auf einem inneren Konflikt basiert, der durch die Einwirkungshandlung des Anstifters in Gang gesetzt wurde. Damit beachtete er sowohl das Kausalitätserfordernis als objektives Kriterium, als auch die freie Willensbildung des Adressaten. Auch die Abgrenzung zur mittelbaren Täterschaft konnte Geyer durch diese Theorie beschreiben. Sobald die Einwirkung von solcher Erheblichkeit war, dass sie die freie Willensbildung des Adressaten ausschloss, wurde die Grenze zur mittelbaren Täterschaft überschritten.301

298 299 300 301

Holtzendorff/Geyer, Holtzendorff/Geyer, Holtzendorff/Geyer, Holtzendorff/Geyer,

Band Band Band Band

2, 2, 2, 2,

S. S. S. S.

339 f. 340. 340. 340.

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1. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ in § 26

5. Die Reform des § 48 a. F. in die heutige Fassung Für die weitere Historie des § 26 ist auf dessen ursprüngliche Fassung im StGB vom 26.02.1876 abzustellen, in welcher die Anstiftung in § 48 geregelt war. Darin wurden beispielhaft die verschiedenen Mittel der Anstiftung aufgezählt, die da waren: Geschenke oder Versprechen, Drohung, Missbrauch des Ansehens, Gewalt, absichtliche Herbeiführung oder Beförderung eines Irrtums.302 Das Reichsgericht hat bereits sehr frühzeitig, im Jahre 1883, zur Auslegung dieser Norm Stellung genommen. Nach dessen Rechtsprechung war der Charakter des § 48 a. F. nicht abschließend. Für eine Anstiftung sei danach jedes Mittel tauglich, welches im Wege der psychischen Beeinflussung geeignet ist, den Tatentschluss bei dem Haupttäter hervorzurufen, ohne jedoch die freie Selbstbestimmung des Täters auszuschließen.303 Diese frühe Einschätzung des Reichsgerichts weist der Anstiftung in dogmatischer Hinsicht einen eigenständigen Anwendungsbereich zu, der gerade zwischen der Täterschaft und der Beihilfe anzusiedeln ist und sich nicht mit diesen überschneiden darf. Nunmehr ist zu untersuchen, welche Motive der Gesetzgeber hatte, § 48 a. F. abzuändern und ihn in die heute gültige Fassung zu übertragen. Der Grund für die beispielhafte Aufzählung der einzelnen Herangehensweisen in § 48 a. F. lag u. a. in der Eigenart der damaligen Gerichtsbarkeit begründet. Damals wurde das Urteil durch Geschworene gefällt. Um den Geschworenen, welche juristische Laien waren, die Anwendung des Gesetzes zu erleichtern, sah der Gesetzgeber die Notwendigkeit, die möglichen Anstiftungsmittel beispielhaft aufzuzählen.304 Da 1969, also zum Zeitpunkt der Neufassung von § 26, nicht mehr ausschließlich Laienrichter an der Entscheidungsfindung beteiligt wurden, war es auch nicht mehr zwingend nötig, die Tatbestände mit möglichen Handlungsvarianten zu beleben, um sie für die Richter anschaulicher zu gestalten. In den Motiven des Gesetzgebers wird ebenfalls betont, dass die Neufassung des Tatbestands der Anstiftung keine Änderungen im Anwendungsbereich bewirken sollte. Die in der bis dahin geltenden Fassung enthaltenen Aufzählungen wurden lediglich als überflüssig und missverständlich empfunden. Zum einen können bei weitem nicht alle Methoden der Anstiftung genannt werden und zum anderen können Fälle auftreten, in denen sich der Einwirkende zwar eines der aufgezählten Mittel bedient, aber trotzdem kein 302 303 304

Gesetzestext des § 48 a. F. vgl. Fn. 333 auf S. 84. RGSt 9, 22, 23. RGSt 9, 22, 24.

B. Die Herausbildung der heutigen Anstiftungstheorien

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Fall der Anstiftung vorliegt, sondern bereits die Schwelle zur mittelbaren Täterschaft überschritten wurde.305 Nach der Auffassung des Gesetzgebers ist es nicht so sehr entscheidend, welchem Mittel sich der Anstifter bedient, sondern welches Verhältnis zwischen Täter und Anstifter besteht.306 Durch diese Aussage wird im Ergebnis die Verursachungstheorie abgelehnt, da diese im Grundsatz keine unmittelbare Beziehung zwischen Anstifter und Adressaten voraussetzt, welches durch das Tatsachenarrangement deutlich wird. 6. Der Beginn des 20. Jahrhunderts a) Die Anstiftungstheorie nach Nagler Die Anstiftungstheorie nach Nagler entspricht im Grundsatz der heute vertretenen Anstiftungstheorie vom geistigen Kontakt. Ähnlich wie Geyer stellt auch Nagler deutlich heraus, dass die Anschauungen des strengen Indeterminismus nicht anwendbar sind, da alle aus der Sinnwelt kommenden Vorstellungen und Reize, verbunden mit der Wirkung des absoluten Zufalls den reinen Anfang der menschlichen Willensbildung darstellen.307 Dennoch respektiert Nagler den Aspekt der Willensfreiheit, da nicht jede Tätigkeit des Anstifters den Entschluss des Täters mit Treffsicherheit hervorrufen kann. Bei der Entstehung eines fremden Willensentschlusses handle es sich nicht um Kräfte des Naturkausalismus, sondern es können vielmehr nur in der Seele des anderen Triebe lebendig werden, die auf den verbrecherischen Erfolg hinwirken.308 „Die Erhöhung eines von außen kommenden Motivs kann nur das fremde ich in freier Selbstbestimmung vollziehen. Der Anstifter kann nur durch Erregung von Begierden und sonstigen, dem Erfolg förderlichen Stimmungen und Strömungen den Dritten veranlassen, sich selbst zu bestimmen.“309 Dabei lehnt auch Nagler das Hervorrufen einer bloßen Tatgeneigtheit als anstiftungsrelevante Verhaltensweise ab, da dieses nur das Verderben einer fremden Psyche wäre, aber gerade keine unmittelbare Beziehung zum Verbrechenserfolg begründen würde.310 Die dabei durch den Anstifter eingesetzten Mittel, durch die er auf den fremden Willen einwirkt, seien der Katalogisierung unfähig. „Die zahlrei305 306 307 308 309 310

BT-Drs. IV/650, S. 150. BT-Drs. IV/650, S. 150. Nagler, Teilname am Sonderverbrechen, Nagler, Teilname am Sonderverbrechen, Nagler, Teilname am Sonderverbrechen, Nagler, Teilname am Sonderverbrechen,

S. S. S. S.

138 f. 139. 139. 140.

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1. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ in § 26

chen Versuche früherer und neuerer Zeit, feste Kategorien dafür aufzustellen, mußten an der Tatsache scheitern, daß sich jede Einflüsterung, die auf die Psyche eines Anderen wirken kann (ohne dessen Zurechnungsfähigkeit zu tilgen), auch in die Reihe der tauglichen Mittel zur Erzeugung des Verbrechensentschlusses stellt.“311 Aber auch die subjektive Komponente bleibt bei Nagler nicht unberücksichtigt. Dabei lässt er den Vorsatz in zwei gleichwertige Teile zerfallen. Einerseits enthalte dieser die Vorstellung vom unmittelbaren Erfolg der eigenen Bemühungen im Seelenleben des Adressaten. Andererseits umfasse der Vorsatz das Motiv, die eigene Tätigkeit als Taterfolg nach außen treten zu lasen, nachdem sie das Willenssystem des Adressaten durchlaufen hat.312 Naglers Theorie beachtet den freien Willen des Adressaten, wobei er in der Tradition der Hegelschen Schule die Anstiftung als Bestimmen zur Selbstbestimmung versteht. Hierbei gelingt es ihm das Spannungsverhältnis zwischen Determinismus und Indeterminismus in einer gesetzeskonformen Weise zu lösen. Zu kritisieren ist allenfalls, dass er die genaue Wirkung des Willensbildungsprozesses nicht weiter aufgreift und den von Geyer entwickelten Vorschlag bei seinen Überlegungen nicht berücksichtigt. Darüber hinaus beachtet Nagler das subjektive Element, wobei sein Verständnis dem heutigen Standard entspricht, da er bereits sehr treffend den doppelten Anstiftervorsatz beschreibt. b) Das kritische System der Täterschaft und Teilnahme nach Binding Wie eine Vielzahl anderer Vertreter war auch Binding mit den gesetzlichen Regelungen der Täterschaft und Teilnahme im RStGB unzufrieden313 und kritisierte diese, indem er ein neues System entwickelte. Hierbei definiert er die bisher verwendeten Termini neu, wobei der jeweiligen Beteiligungsform ein veränderter Anwendungsbereich zugewiesen wird. So differenziert Binding zwischen dem Urheber und dem Täter.314 Zwischen beiden Formen ergebe sich in ihrem kausalen Verhältnis zur Tat kein Unterschied,315 womit er seine Akzeptanz der Äquivalenztheorie zum Ausdruck bringt. Die Abgrenzung beider Begehungsformen könne daher nur über subjektive Kriterien vollzogen werden, wobei er als maßgebliches Differenzierungskriterium den Willen zur Tat heranzieht. 311 312 313 314 315

Nagler, Teilname am Sonderverbrechen, S. 141. Nagler, Teilname am Sonderverbrechen, S. 142 f. Vgl. hierzu S. 52 Fn. 137. Binding, GS 1908 [71], 1, 17 ff. Binding, GS 1908 [71], 1, 18.

B. Die Herausbildung der heutigen Anstiftungstheorien

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So begehe der Täter das Verbrechen als seine individuelle Tat, wodurch sein konkreter Verbrechensentschluss zum Ausdruck kommt und die persönlichen Eigenschaften für die Begehung dieses Verbrechens bei ihm vorhanden sind.316 Im Gegensatz dazu sei unter dem Urheber derjenige zu verstehen, der das begangene Verbrechen lediglich verursacht hat. „Daß sie [die Tat] geschah, entsprach seinem Willen; sie zu begehen, war er nicht gewillt.“317 Die Urheberschaft als selbständige Beteiligungsform sollte insbesondere die Lücken schließen, die entstehen, wenn der Hintermann bei eigenhändigen Delikten und bei Fehlen besonderer persönlicher Eigenschaften kein mittelbarer Täter (nach heutigem Verständnis) sein kann.318 Überdies fasste Binding auch diejenigen Einwirkungshandlungen unter die Urheberschaft, die darauf abzielten, dass der Haupttäter ein Fahrlässigkeitsdelikt verwirklicht. Für ihn war der fahrlässig Handelnde dem Handlungsunfähigen gleichzustellen.319 Zusätzlich führte Binding den Begriff des mittelbaren Täters ein. Im Wesentlichen entspricht diese Rechtsfigur der intellektuellen Urheberschaft, so wie sie im 19. Jahrhundert verwendet wurde. Damit kritisiert er vor allem die Auskopplung der Anstiftung aus dem Bereich der Urheberschaft, wodurch zahlreiche, für ihn besonders verwerfliche Konstellationen in den Bereich der milderen Teilnahme fallen. „So hat das Gesetzbuch zum größten Nachteile der Gerechtigkeit die Täterschaft einer großen Anzahl mittelbarer Täter verleugnet und sie als Anstifter zu akzessorischen Teilnehmern an fremder Tat degradiert.“320 Als mittelbareren Täter versteht Binding denjenigen, der die Tat fremdhändig ausführt.321 Durch diese Rechtsfigur erreicht er eine Reintegration von zahlreichen Konstellationen in den Bereich der Täterschaft (nach heutigem Verständnis), die nach dem RStGB unter die Anstiftung zu fassen waren. Durch die Einführung der Urheberschaft einerseits und der mittelbaren Täterschaft andererseits wurde der Anstiftung der Anwendungsbereich nahezu vollständig entzogen. In der Konsequenz zu dieser Überlegung fordert Binding: „. . . den Anstifterbegriff vollständig aufzugeben und den Anstifter in den mittelbaren Täter und den Urheber zu zerschlagen.“322 316

Binding, Binding, 318 Binding, 319 Binding, 320 Binding, 321 Binding, S. 92 f. 322 Binding, 317

GS 1908 [71], 1, GS 1908 [71], 1, GS 1908 [71], 1, GS 1908 [71], 1, GS 1908 [71], 1, GS 1908 [71],

17. 17. 14; darstellend Bloy, Beteiligungsform, S. 92. 10. 8. 1, 7, 11 ff.; darstellend Bloy, Beteiligungsform,

GS 1908 [71], 1, 20.

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1. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ in § 26

c) Die Lehre vom Regressverbot nach Frank In der Folgezeit begründete Frank die Lehre vom Regressverbot, die zwar dieselben Ergebnisse wie Naglers Theorie erzielt, der aber dennoch ein anderes dogmatisches Konzept zugrunde liegt, welches von der Idee des Indeterminismus geprägt ist. „Das Regreßverbot bedeute, dass Bedingungen, die jenseits einer bestimmten Stelle liegen, nicht als Ursachen angesehen werden dürfen: Keine Ursachen sind die Vorbedingungen einer Bedingung, die frei und bewusst (vorsätzlich und schuldhaft) auf Herbeiführung des Erfolgs gerichtet war. . . . Das Regreßverbot findet seine positivrechtliche Anerkennung in § 48; denn anderenfalls wäre der Anstifter einfach Täter.“323

Insofern ist Franks Auffassung auch als Kritik zu der strengen Kausalitätslehre zu verstehen, die insbesondere durch von Buri und von Liszt auch nach der Einführung des RStGB noch immer Zuspruch erfuhr. Frank unterscheidet daher bei Erfolgsdelikten zwischen Ursache und Bedingung der Handlung. Die physisch vermittelte Kausalität setzt die Ursache und begründe damit die Täterschaft, während eine bloße Bedingung Ausdruck der psychischen Kausalität sei, durch die die Teilnahme begründet wird.324 Dabei sei eine physisch vermittelte Kausalität (und damit die Täterschaft) auch dann anzunehmen, wenn der Hintermann sich einer Person bedient, die nicht frei handelt oder sich ihrer Kausalität nicht bewusst ist. In diesen Fällen findet das Regreßverbot keine Anwendung.325 Demgegenüber mache sich der Anstifter von dem Tatentschluss der Mittelsperson abhängig. Wie es bereits Nagler formulierte, muss auch nach Frank die Anstiftung zwei Erfolge begründen: „. . . die Bestimmung des anderen, d. h. die Hervorrufung des Entschlusses zur Tat, und zum anderen die Begehung der Tat selbst.“326 Franks Theorie ist durch die Beurteilung der Kausalität und deren Begrenzung nach objektiven Bedingungen geprägt. Die stärkere Betonung der psychologischen Komponente seiner Vorgänger wird durch ihn nicht explizit hinterfragt, sondern allenfalls vorausgesetzt.327 Der Willensbildungsprozess, der der Anstiftung zugrunde liegt wird nur insoweit thematisiert, als 323

Frank, Strafgesetzbuch, S. 16. Frank, Strafgesetzbuch, S. 102; „Der Täter setzt eine Ursache, der Anstifter eine Bedingung.“, vgl. S. 115. 325 Frank, Strafgesetzbuch, S. 104. 326 Frank, Strafgesetzbuch, S. 116. 327 Zur Darstellung der Anstiftungsmittel, Frank, Strafgesetzbuch, S. 116. 324

B. Die Herausbildung der heutigen Anstiftungstheorien

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es für das wertende Kausalurteil notwendig erscheint, welches der Lehre vom Regressverbot zugrunde liegt. 7. Theorie vom geistigen Kontakt in der Gegenwart Die heutige Theorie vom geistigen Kontakt beruht also auf den Grundsätzen, die bereits von Feuerbach aufstellte und die im Laufe der aufgezeigten Entwicklung ständig verfeinert wurden. Der Begriff des Bestimmens definiert danach eine Handlungsweise, durch die der Anstifter im Wege des geistigen Kontakts Einfluss auf die Psyche des Haupttäters nimmt, um bei diesem den Entschluss zu der Begehung der Haupttat zu wecken.328 Der geistige Kontakt im Sinne dieser Theorie beschränkt sich nicht ausschließlich auf die verbale Kommunikation, sondern er erfasst gerade auch die Fälle der konkludenten Informationsübertragung,329 welches bereits auch schon von Langenbeck so herausgearbeitet wurde.330 Im Vergleich zu der Verursachungslehre bedeutet das Erfordernis der Willensbeeinflussung eine Restriktion des Merkmals Bestimmen, welche insbesondere mit der tätergleichen Strafandrohung des § 26 begründet wird. Wenn der Anstifter gleich dem Täter bestraft wird, ohne dass es die Möglichkeit einer Strafmilderung gibt, dann müsse der Unwertgehalt seiner Handlung auch der des Haupttäters gleichstehen.331 328 HK-GS/Ingelfinger, § 26 Rn. 8; Schönke/Schröder/Heine, § 26 Rn. 4 f.; MüKo/Joecks, § 26 Rn. 18 ff.; Joecks, § 26 Rn. 9; Fischer, § 26 Rn. 3 ff.; Jescheck/Weigend, AT, § 64 II 1; Schmidhäuser, AT, 10/113; Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 12 Rn. 140 ff.; Rengier, AT, § 45 Rn. 30; Freund, AT, § 10 Rn. 115 ff.; Schumann, Strafrechtliches Handlungsunrecht, S. 51 ff.; Stein, Beteiligungsformenlehre, S. 271; Welzel, Strafrecht, S. 116; H. Mayer, AT 1953, S. 321 f.; ders., AT 1967, S. 160; Wessels/Beulke, AT, Rn. 568; Meier/Loer, Jura 1999, 424, 426; Rutkowsky, NJW 1952, 606, 608; Schlüchter/Duttge, NStZ 1997, 595; Rogall, GA 1979 [126], 9 f.; Otto, JuS 1982, 557, 560; ders., FS f. Amelung 2008, 225, 241; ders., AT, § 22 Rn. 35; Geppert, Jura 1997, 299, 303 f.; Kretschmer, Jura 2008, 265, 266; Ranft, Jura 1994, 660, 661 f.; Krüger, JA 2008, 492, 498; Sowada, Jura 1994, 37, 41; Kelker, Jura 1996, 89, 96; Satzger, Jura 2008, 514, 515; im Ergebnis wohl auch Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 343 f.; darstellend Heinrich, AT, Rn. 1291. 329 Schönke/Schröder/Heine, § 26 Rn. 5; Fischer, § 26 Rn. 3; Rengier, AT, § 45 Rn. 30; Freund, AT, § 10 Rn. 116; Brammsen, StV 1994, 135, 137; Krüger, JA 2008, 492, 498; Schlüchter/Duttge, NStZ 1997, 595. 330 Vgl. 1. Kapitel, B.IV.4.a) Fn. 269. 331 LK11 /Roxin, § 26 Rn. 12, 15; LK/Schünemann, § 26 Rn. 11, 15; Stein, Beteiligungsformenlehre, S. 271; Otto, AT, § 22 Rn. 35; Rengier, AT, § 45 Rn. 30; Schmidhäuser, AT, 10/113; Amelung/Boch, JuS 2000, 261, 263; Ranft, Jura 1994, 660, 662; Kelker, Jura 1996, 89, 95.

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1. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ in § 26

Zum anderen führe die Verursachungstheorie zu einer völligen Ausuferung der Strafbarkeit, indem sogar das erfolglose Schaffen einer verbrechensprovozierenden Situation gem. § 30 Abs. 1 bestraft werden müsste.332 Ein weiteres Argument für die Theorie des geistigen Kontakts sei die historische Herleitung des Begriffs Bestimmen. Die Anstiftung war in § 48 a. F. geregelt und zählte beispielhaft verschiedene Modalitäten der Beeinflussung auf, wie etwa Geschenke, Versprechen, Drohungen oder Irrtumserregungen.333 Die Gemeinsamkeit dieser Arten der Beeinflussung war der geistige Kontakt zwischen Anstifter und Haupttäter. Daran sollte auch die Neufassung des Gesetzestextes in § 26 nichts ändern.334 Diese Theorie übernimmt im Wesentlichen die Feststellungen, die rückblickend wohl zuletzt durch Nagler formuliert wurden. Auch dieser stellte darauf ab, dass die Einwirkungshandlung einen Einfluss auf den Willensbildungsprozess des Adressaten ausübt. Jedoch wurde hierbei gerade nicht die Art der Willensbildung betrachtet, sondern verstärkt die Einwirkungshandlung als solche. Diejenigen Vertreter, welche diese Auffassung gegenwärtig vertreten, betonen, dass das Erfordernis des geistigen Kontakts ein taugliches Kriterium bildet, um die rechtspolitisch ungewünschten Ergebnisse der Verursachungslehre zu korrigieren. Insbesondere das Tatsachenarrangement könne keine taugliche Anstiftungshandlung darstellen.335 Durch diese Negativabgrenzung wird die Art des geistigen Kontakts nicht näher reflektiert und es werden keine speziellen Anforderungen definiert. So sei der Ausspruch eines Wunsches336, einer Bitte, das Mittel der Überredung oder selbst ein scheinLK11 /Roxin, § 26 Rn. 12; LK/Schünemann, § 26 Rn. 11; Kelker, Jura 1996, 89, 95. 333 § 48 a. F. (1) Als Anstifter wird bestraft, wer einen anderen zu der von demselben begangenen mit Strafe bedrohten Handlung durch Geschenke oder Versprechen, durch Drohung, durch Mißbrauch des Ansehens oder durch Gewalt, durch absichtliche Herbeiführung oder Beförderung eines Irrtums oder durch andere Mittel vorsätzlich bestimmt hat. (2) Die Strafe des Anstifters ist nach demjenigen Gesetze festzusetzen, welches auf die Handlung Anwendung findet, zu welcher er wissentlich angestiftet hat. 334 Kelker, Jura 1996, 89, 95; Otto, AT, § 22 Rn. 36; Schmidhäuser, AT, 14/114; D. Meyer, MDR 1975, 982, 984; im Ergebnis auch Jescheck/Weigend, AT, § 64 II 2 a). Nach BT-Drs. IV/650, S. 150 sollte die Neufassung nur den Gesetzeswortlaut verbessern, aber gerade keine inhaltliche Änderung des Rechts bewirken. 335 Rogall, GA 1979 [126], 11 f.; Schönke/Schröder/Heine, § 26 Rn. 4; Welzel, Strafrecht, S. 116; Jescheck/Weigend, AT, § 64 II 1; Schmidhäuser, AT, 10/113; Wessels/Beulke, AT, Rn. 568; Stein, Beteiligungsformenlehre, S. 271; Kelker, Jura 1996, 89, 95; H. Mayer, AT 1953, S. 321; ders., AT 1967, S. 160; Meier/Loer, Jura 1999, 424, 426; Ranft, Jura 1994, 660, 661 f.; so wohl auch Fischer, § 26 Rn. 4, 6. 332

B. Die Herausbildung der heutigen Anstiftungstheorien

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bares Abraten von der Tat ausreichend, um die Anstiftung zu bejahen. Zumindest müsse der wahre Wille des Anstifters, den Haupttäter auf die Vornahme einer deliktischen Handlung aufmerksam zu machen, für diesen erkennbar werden.337

V. Die Dominanztheorien Ein anderer Weg das Handlungsunrecht der Anstiftung zu erfassen, wird durch die „Dominanztheorien“338 beschrieben. Die Gemeinsamkeit dieser Lehren ist ein extrem restriktives Verständnis von der zu untersuchenden Tathandlung. Nach diesen impliziere der Begriff Bestimmen eine zumindest temporäre Dominanz des Anstifters über den Haupttäter. Hinsichtlich der genauen Ausgestaltung dieser Herrschaftsbeziehung werden wiederum verschiedene Ansätze vertreten.339 Im Gegensatz zu den bisher dargestellten Hauptströmungen, beruhen die Dominanztheorien auf keiner tieferen rechtshistorischen Tradition. Dieses resultiert wohl vor allem aus der Tatsache, dass sich die Anstiftung als Teilnahmeform nur langsam aus der Urheberschaft herausgelöst hat. Nachdem sich die Forderungen um von Liszt etc.340 nach der Einheitstäterschaft gelegt hatten, wurde seither versucht, einen besonderen Abstand zwischen der Täterschaft und der Anstiftung als Teilnahmeform zu wahren, um den eigenständigen Anwendungsbereich der Anstiftung nicht einzuschränken. Diesen Abstand zumindest anzutasten und damit das Merkmal des Bestimmens erheblich einzuschränken, wurde erst in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts gewagt. Die Notwendigkeit, das Merkmal Bestimmen derartig restriktiv auszulegen, wird von den Vertretern dieser Lehre mit der tätergleichen Bestrafung des Anstifters begründet. Durch die Gleichstellung des Strafrahmens habe der Gesetzgeber seinen Willen zum Ausdruck gebracht, diese Teilnahmeform der Täterschaft anzunähern. Wenn die Strafe derjenigen des Haupt336

RGSt 36, 402, 405. Rogall, GA 1979 [126], 11 f.; Fischer, § 26 Rn. 6; H. Mayer, AT 1953, S. 321; Welzel, Strafrecht, S. 116; Jescheck/Weigend, AT, § 64 II 1; Rengier, AT, § 45 Rn. 30; Schmidhäuser, AT, 10/113 f.; Stein, Beteiligungsformenlehre, S. 271; Wessels/Beulke, AT, Rn. 568; Sowada, Jura 1994, 37, 41; Kelker, Jura 1996, 89, 96; wohl auch Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 12 Rn. 143. 338 Die Zusammenfassung dieser Theorien soll hier so bezeichnet werden. 339 Die vertretenen Auffassungen lassen sich in folgende drei Hauptströmungen unterteilen: Lehre vom Unrechtspakt nach Puppe (GA 1984 [131], 101 ff.); Planherrschaftslehre nach Schulz (Bestrafung des Ratgebers, S. 140 ff.; JuS 1986, 937 ff.) und die Motivherrschaftslehre nach Hoyer (SK34, § 26 Rn. 13 ff.). 340 Vgl. 1. Kapitel, B.III.2. Fn. 138. 337

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1. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ in § 26

täters entspricht, müsse der Tatbeitrag des Anstifters auch von einer entsprechenden Erheblichkeit sein.341 Die bekannteste Dominanztheorie ist die auf Puppe zurückgehende Lehre vom Unrechtspakt. Danach erfordert die Anstiftung mehr als eine unverbindliche kommunikative Einwirkung auf den Haupttäter. Der Anstifter müsse vielmehr einen Pakt mit dem Täter schließen, in welchem sich dieser gegenüber dem Anstifter einseitig verpflichtet, die Tat zu begehen.342 Dabei sei es gerade nicht ausreichend, den Verpflichteten in einen omnimodo facturus zu verwandeln, denn gefasste Pläne können sich stets ändern, insbesondere wenn deren Umsetzung einer besonderen Überwindung bedarf. Erforderlich sei vielmehr, dass der Anstifter die Täterschaft des Angestifteten begründet. Er muss also genau den Tatentschluss wecken, der sich im Tatzeitpunkt in der konkreten Rechtsgutsschädigung niederschlägt. Um diese Forderung Puppes zu erfüllen, muss die Herrschaftsbeziehung bis zum Beginn der Tatausführung andauern bzw. gerade zu diesem Zeitpunkt vorliegen.343 An diesem Erfordernis grenzt sich die von Schulz begründete Planherrschaftslehre von der Theorie Puppes ab. Nach der Planherrschaftslehre beschränkt sich die Dominanz des Anstifters ausschließlich auf die Planungsund Willenbildungsphase.344 341 Puppe, GA 1984 [131], 101, 110 u. 114; dies., AT I, § 25 Rn. 4 ff.; dies., AT II, § 38 Rn. 4 sowie § 41 Rn. 4; dies., NStZ 2006, 424, 425 f.; dies., ZIS 2007, 234, 246 = FS f. Spinellis 2001, 911; Jakobs, AT, 22/22; Altenhain, Strafbarkeit des Teilnehmers, S. 123; Janß, Kettenteilnahme, S. 170; Letzgus, Vorstufen, S. 128; Schulz, Bestrafung des Ratgebers, S. 141 f.; ders., JuS 1986, 933; SK/Hoyer34, § 26 Rn. 15; Neidlinger, Abgrenzung, S. 118 f. 342 Puppe, GA 1984 [131], 101, 112; dies., AT I, § 25 Rn. 6, 22; AT II, § 38 Rn. 4 ff. sowie § 41 Rn. 3 f.; dies., NStZ 2006, 424, 425 f.; dies., ZIS 2007, 234, 236 ff. insb. 241; Jakobs, AT, 22/22 insb. Fn. 33; Altenhain, Strafbarkeit des Teilnehmers, S. 123; Janß, Kettenteilnahme, S. 170 ff.; Moojer, Diskrepanz, S. 157 ff. Bereits Letzgus (Vorstufen, S. 128) fordert eine Konspiration zwischen Anstifter und Täter und ist daher ebenfalls dieser Auffassung zuzuordnen. Altenhain (Strafbarkeit des Teilnehmers, S. 123 Fn. 430) ordnet auch D. Meyer (Kollusion, S. 30 ff.) dieser Auffassung zu. Dem ist nicht zu folgen, da bereits D. Meyer wie auch Amelung (vgl. 1. Kapitel, B.VI.) die Willensmotivation durch die Entstehung einer Wahlsituation fordert. Durch die Initiierung einer bloßen Wahlsituation wird aber noch keine Herrschaftsbeziehung begründet. 343 Puppe, GA 1984 [131], 101, 117; dies., AT II, § 38 Rn. 6; dies., ZIS 2007, 234, 236 f.; Jakobs, AT, 22/22 in Fn. 33; Altenhain, Strafbarkeit des Teilnehmers, S. 127 ff. 344 Schulz, Bestrafung des Ratgebers, S. 142; ders., JuS 1986, 933, 938. Nur durch diese klare temporäre Restriktion der Herrschaftsbeziehung sei nach Schulz eine klare Trennung zur Täterschaft möglich. Der Einwirkende sei nur solange als Anstifter zu verstehen, wie er die Planungs- und Willenbildungsphase beherrscht;

B. Die Herausbildung der heutigen Anstiftungstheorien

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Schulz zieht für die Begründung seiner Planherrschaftslehre ebenfalls den historischen Kontext heran. Nach seiner Auffassung werde jegliche Form der Subordination des Teilnehmers durch den Begriff des „Hilfeleistens“ in § 27 erfasst. In allen aufgezählten Handlungsvarianten des § 48 a. F. liege eine gewisse Präponderanz des Anstifters. Mithin erscheine der Anstifter nicht als jemand, der sich einem fremden Willen unterordnet, sondern er müsse den Haupttäter zum Zeitpunkt der Anstiftung dominieren.345

geht sein beherrschender Einfluss darüber hinaus, sei er selbst als Täter anzusehen. Bereits die beherrschende Stellung zum Zeitpunkt der Tatplanung gleiche die mangelnde Kontrolle während der Tatbestandsverwirklichung aus. Auf diese Weise werde ein der Täterschaft äquivalentes Maß an Unrecht verwirklicht. Diese Restriktion wird von Jakobs kritisiert (Jakobs, AT, 22/22 Fn. 33). Danach übersehe Schulz, dass die Übernahme eines Planes durch den Ausführenden mehr sein muss als die Übernahme einer guten Idee, die sich allenfalls quantitativ von sonstigen psychischen Beeinflussungen unterscheide. Eine Modifikation der Planherrschaftslehre wird von Neidlinger vertreten. Dieser siedelt seine Auffassung zwischen der Lehre vom Unrechtspakt und der Planherrschaftslehre an. Die Schwachstelle der Planherrschaftslehre liege in dem alleinigen Abstellen auf die intellektuelle Beeinflussung. Aus dem Dominanzgedanken folge, dass nicht jede den Handlungswillen auslösende Bedingung den Tatbestand der Anstiftung verwirklicht. Um die entscheidende Bedingung für die Auslösung des Handlungswillens setzen zu können, müsse der Anstifter eine dominierende Stellung einnehmen, die das „Ob“ der Tat bestimmt. Für die Begründung einer solchen Stellung könne nicht nur auf das intellektuelle Element (also die Tatplanung allein) abgestellt werden, vielmehr müsse ein ebenso starker Einfluss auf das voluntative Element des Angestifteten ausgeübt werden (Neidlinger, Abgrenzung, S. 152 ff.). Anderseits müsse diese Dominanz entgegen der Lehre vom Unrechtspakt zeitlich begrenzt werden, um Überschneidungen zu der Täterschaft zu vermeiden (ebd., S. 152 f.). Im Übrigen könne der (endgültige) Tatentschluss bereits auch zu einem früheren Zeitpunkt gefasst werden, so dass die Dominanzbeziehung nicht bis zum Beginn der Tatausführung andauern muss (ebd., S. 106 f.). 345 Schulz, Bestrafung des Ratgebers, S. 141; ders., JuS 1986, 933, 941. Die historische Herleitung des Dominanzgedankens aus § 48 a. F. erscheint als nicht tragfähig. Die in dieser Norm enthaltenen Beispielhandlungen lassen die Notwendigkeit einer Herrschaftsbeziehung des Anstifters über den Haupttäter gerade nicht als alleinigen Rückschluss zu. Vielmehr beschreiben diese Aufzählungen Einwirkungshandlungen, die auf eine autonome Willensbildung des Adressaten abzielen, um bei ihm eine Konfliktsituation zu verursachen. Diese Überlegung wird besonders am Beispiel eines Geschenks deutlich, welches für die Begehung einer bestimmten Straftat versprochen wird. Durch eine solche Auslobung wird der Adressat gerade nicht beherrscht, sondern es wird nur ein (u. U. besonders intensiver) Einfluss auf seine Motivlage ausgeübt (näher hierzu 1. Kapitel, C.IV.3.). Die aufgezeigte Art der Willensbeeinflussung wird jedoch nicht durch das Merkmal der Dominanz, sondern durch das der Korrumption definiert. Diese Einschätzung wurde bei der Neufassung des § 26 durch den Gesetzgeber bestätigt, wonach die Tatherrschaft im Rahmen der Anstiftung nie bei dem Anstifter liegen darf (BT-Drs. IV/650, S. 150).

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1. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ in § 26

Die Notwendigkeit der Verpflichtung des Haupttäters durch den Anstifter gewinnt Puppe, indem sie den Unwert der einzelnen Täterschaftsformen miteinander vergleicht. So verwirkliche der Alleintäter und der mittelbare Täter das höchste Unrecht, da die Tatplanung sowie die Ausführung auf dieselbe Person zurückzuführen ist. Im Rahmen der Mittäterschaft sei bereits eine erste Abstufung zu erkennen. Jeder Mittäter für sich verwirkliche ein geringeres Unrecht als der Alleintäter. Da sich aber alle Mittäter freiwillig einem übergeordneten Tatplan unterordnen, um das gemeinsame Tatziel zu erreichen, realisieren sie auch gemeinsam ein der Alleintäterschaft vergleichbares Unrecht. Im Ergebnis sei dieser Punkt auf die Anstiftung zu übertragen. Nur wenn sich Anstifter und Täter zu einem Unrechtspakt zusammenschließen, bei dem sich der Angestiftete an die Vorgaben des Anstifters hält, könne das anvisierte Tatziel auch erreicht werden.346 Hoyer knüpft im Rahmen der von ihm begründeten Theorie von der Motivherrschaft an die Theorie vom Unrechtspakt an, wobei er den Grund der Verpflichtung näher konkretisiert.347 Hiernach muss der Anstifter die Tatausführung als eine an ihn zu erbringende Leistung fordern und der Täter muss die Tat begehen, weil er an den Anstifter die geforderte Leitung erbringen will.348 Diese Theorie verlegt den Schwerpunkt der Dominanz nahezu ausschließlich auf den voluntativen Aspekt, wobei sie aber im Übrigen mit der Lehre vom Unrechtspakt übereinstimmt. Darüber hinaus ist eine gewisse Nähe zu der Sanktionierungstheorie zu erkennen. Im Gegensatz zu dieser Lehre 346

Puppe, GA 1984 [131], 101, 112; dies., AT II, § 38 Rn. 7 f.; dies., NStZ 2006, 424, 425 f.; dies., ZIS 2007, 234, 246; Jakobs, AT, 22/22; Altenhain, Strafbarkeit des Teilnehmers, S. 123; Janß, Kettenteilnahme, S. 170; Letzgus, Vorstufen, S. 128; zustimmend SK/Hoyer34, § 26 Rn. 12. Schulz (Bestrafung des Ratgebers, S. 141 f.; JuS 1986, 933, 941) ergänzt diesen Gedanken, indem er die Anstiftung zu der Beihilfe abgrenzt und hierbei wiederum den Dominanzgedanken als maßgebliches Kriterium gewinnt. 347 SK/Hoyer34, § 26 Rn. 13 ff.; so wohl auch Köhler (AT, S. 525 f.), der eine willensbestimmende Macht fordert. 348 SK/Hoyer34, § 26 Rn. 13; diesem folgend Steen, Rechtsfigur des omnimodo facturus, S. 190 ff. Die Auffassung von Ingelfinger ist der Lehre von Hoyer angenähert (Ingelfinger, Anstiftervorsatz, S. 143 ff. und S. 210 ff.). Ähnlich der Auffassung nach Neidlinger (vgl. 1. Kapitel, B.V. in Fn. 344) vertritt auch Ingelfinger eine Form der Dominanztheorie, die das Herrschaftskriterium aus dem Zusammenspiel intellektueller sowie voluntativer Kriterien herleitet (Ingelfinger, Anstiftervorsatz, S. 143 ff. und S. 210 ff.). Hierbei gewichtet Ingelfinger, wie auch Hoyer, verstärkt das voluntative Element, so dass er auch bei der Verbesserung eines bereits gefassten Tatplanes zu dem Vorliegen der Anstiftung kommt, sofern der Anstifter die nötige (voluntative) Dominanz besitzt (Ingelfinger, Anstiftervorsatz, S. 212 f.).

B. Die Herausbildung der heutigen Anstiftungstheorien

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reicht es für Hoyer aber gerade nicht aus, dass nur ein sanktionsbewehrter Einfluss auf das Wertesystem des Angestifteten ausgeübt wird. Eine solch auffordernde Einflussnahme zielt lediglich auf die Verursachung eines inneren Konflikts ab, der die Willensmotivation durch eine Wahlsituation begründet.349 In diesem Fall hat der Angestiftete eine größere Entscheidungsfreiheit, als sie durch eine Herrschaftssituation beschrieben wird. Daher erfordert Hoyers Theorie eine intensivere Einwirkung auf den Haupttäter, als es die Sanktionierungstheorie vorsieht.

VI. Die Sanktionierungstheorie Ein weiterer Weg den Begriff Bestimmen zu definieren, wird durch die Vertreter der Sanktionierungstheorie beschritten. Diese fordern einen zielgerichteten Kommunikationsakt zwischen Anstifter und Haupttäter, der dem bloßen geistigen Kontakt einen sanktionsbewehrten Aufforderungscharakter verleiht.350 Diese Teilströmung hat ihren Ursprung in der Theorie Geyers (1871), der die Anstiftung als Motivkonflikt ansah und damit den Willensbildungsprozess des Adressaten genauer untersuchte.351 Der Gedanke die Anstiftung als korrumpierende Einwirkung zu verstehen, wurde danach erst wieder von Less (1957) aufgegriffen, der die Anstiftung ebenfalls als Eingriff in einen fremden Motivationsprozess beschrieb.352 Die genaue dogmatische Begründung des sanktionierenden Elements, welches den Aufforderungscharakter innerhalb des Kommunikationsaktes begründet, geht in neuerer Zeit auf Joerden und insbesondere auf Amelung zurück.353 349

Vgl. 1. Kapitel, B.VI. Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 152 ff.; NK/Schild, § 26 Rn. 5 ff.; Roxin, FS f. Stree/Wessels 1993, 365, 376 ff.; ders., AT II, § 26 Rn. 74 ff.; LK11 /ders., § 26 Rn. 4; LK/Schünemann, § 26 Rn. 3; Joerden, Verantwortlichkeitsbegriff, S. 119 ff.; ders., FS f. Puppe 2011, 563, 568 ff.; Renzikowski, Täterbegriff, S. 123 f.; Nepomuck, Anstiftung, S. 167 ff.; Krey/Esser, AT, § 31 Rn. 1038 f.; D. Meyer, Kollusion, S. 30 ff.; ders., JuS 1970, 529, 530; ders., MDR 1975, 982, 984; darstellend Heinrich, AT, Rn. 1292. 351 Vgl. 1. Kapitel, B.IV.4.c). 352 Less, ZStW 1957 [69], 43, 51. 353 Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 152 ff.; Joerden, Verantwortlichkeitsbegriff, S. 119 ff.; ders., FS f. Puppe 2011, 563, 568 ff.; so ebenfalls NK/Schild, § 26 Rn. 5 f.; Renzikowski, Täterbegriff, S. 123 f.; Nepomuck, Anstiftung, S. 167 ff.; Nydegger, Zurechnungsfragen, S. 312 ff.; Krey/Esser, AT, § 31 Rn. 1038 f.; im Ergebnis so bereits auch D. Meyer, Kollusion, S. 30 ff.; ders., MDR 1970, 529, 530; im Ansatz bereits auch Roxin, AT II, § 26 Rn. 82. 350

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1. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ in § 26

Danach ist das Bestimmen nicht als bloßes Verursachen, sondern als Korrumpieren zu definieren. Nur diejenige Einflussnahme ist als Anstiftung zu verstehen, die geeignet ist, einen motivierenden Handlungsdruck auszuüben, der auf die Beeinflussung des bestehenden Wertesystems des Adressaten zurückgeht. Um dieses zu erreichen, muss die einfache geistige Einflussnahme durch ein sanktionierendes Element erweitert werden. Die von dem Rhetor angekündigte Sanktion stellt einen neuen Wert dar, der das bestehende Wertegleichgewicht des Adressaten in eine Schräglage bringt, die einer erneuten Austarierung bedarf. Der Angestiftete wird hierbei vor die Wahl gestellt, entweder das Risiko der Realisierung der angedrohten Sanktion zu akzeptieren oder die von ihm geforderte Straftat zu verüben. Beugt sich der Haupttäter der Forderung des Anstifters, so entgeht er der angekündigten Sanktion des Anstifters, aber er riskiert den Verlust seiner Straffreiheit.354 Dabei kann die angedrohte Sanktion positiver oder auch negativer Natur sein. Der typische Fall einer negativen Sanktion ist der Appell, der eine Drohung beinhaltet, wobei die Schwelle des § 35 nicht überschritten werden darf.355 Unter der positiven Sanktion werden Belohnungen und Gewinne verstanden, die der Auffordernde dem Aufgeforderten für den Fall der Befolgung des angedienten Planes in Aussicht stellt.356 Nach dieser Theorie sei es nötig, einen Schritt über die Forderung der Theorie vom geistigen Kontakt hinaus zu gehen. Richtig (an der Theorie vom geistigen Kontakt) sei zunächst, dass der Tatentschluss nur über die Psyche des Täters im Wege der geistigen Beeinflussung erzielt werden kann. Nur einen geistigen Kontakt jedweder Art zu fordern wäre zu weitgehend, denn Informationen und Situationen, die zu strafbaren Handlungen motivieren, gehören zu den Alltagserfahrungen eines jeden Menschen. Für die Verwertung der auf diese Art gewonnenen Informationen trägt jeder für 354 Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 152 ff.; NK/Schild, § 26 Rn. 5 f.; Joerden, Verantwortlichkeitsbegriff, S. 119 ff.; Renzikowski, Täterbegriff, S. 124; Nepomuck, Anstiftung, S. 167; D. Meyer, Kollusion, S. 30 ff.; ders., MDR 1970, 529, 530; wohl auch Krey/Esser, AT, § 31 Rn. 1038 f.; ausführlicher hierzu vgl. 1. Kapitel, C.IV. 355 Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 159 u. 165 ff.; Joerden, Verantwortlichkeitsbegriff, S. 122 f.; ders., FS f. Puppe 2011, 563, 571 f.; Renzikowski, Täterbegriff, S. 124; Nepomuck, Anstiftung, S. 167 ff.; im Ansatz bereits auch Roxin, AT II, § 26 Rn. 82. 356 Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 167 ff.; Joerden, Verantwortlichkeitsbegriff, S. 123 f.; ders., FS f. Puppe 2011, 563, 572 f.; Renzikowski, Täterbegriff, S. 124; Nepomuck, Anstiftung, S. 167 ff.

C. Die grammatikalische Auslegung des Bestimmens in § 26

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sich die Verantwortung. Eine Anstiftung durch das Schaffen eines geistigen Kontakts zu bejahen, sei daher falsch, da es an dem eindeutigen Sinngehalt einer auf die Hervorrufung des deliktischen Entschlusses gerichteten Aktes fehlt.357 Nur eine zielgerichtete kommunikative Aufforderung, die ein nachdrückliches (sanktionierendes) Element beinhaltet, sei daher geeignet, den Tatbestand der Anstiftung zu begründen.358 Nur eine solche selbständige, zielgerichtete Aufforderung, die im Wege des kommunikativen Kontakts erfolgt, stellt einen eigenständigen Rechtsgutsangriff dar, wie er nach der Teilnahmelehre vom akzessorischen Rechtsgutsangriff gerade benötigt wird359 und der in seiner Verwerflichkeit erheblich genug ist, um die tätergleiche Bestrafung des Anstifters zu rechtfertigen.360

C. Die grammatikalische Auslegung des Bestimmens in § 26 Die aufgezeigten Theorien decken jeden nur erdenklichen Standpunkt ab, um das Handlungsunrecht der Anstiftung zu erfassen. Nur im Rahmen einer unfassenden Auslegung lässt sich ermitteln, welche der vertretenen Theorien zutreffend den Strafgrund der Anstiftung erfasst. Aus rechtsmethodischer Sicht hat der Wortlaut den Ausgangspunkt einer jeden Auslegung zu bilden,361 darüber hinaus markiert der Wortsinn auch die äußerste Grenze der zulässigen Auslegung.362 357

Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 154; Roxin, FS f. Stree/Wessels 1993, 365, 377 f.; ders., AT II, § 26 Rn. 76; LK11 /ders., § 26 Rn. 4, 6; LK/Schünemann, § 26 Rn. 3 f.; Joerden, Verantwortlichkeitsbegriff, S. 123 f.; Nydegger, Zurechnungsfragen, S. 338. 358 Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 163 ff. insb. 177; Roxin, FS f. Stree/ Wessels 1993, 365, 377; ders., AT II, § 26 Rn. 74; LK11 /ders., § 26 Rn. 4, 6, 15; LK/Schünemann, § 26 Rn. 3 f.; Joerden, Verantwortlichkeitsbegriff, S. 124; ders., FS f. Puppe 2011, 563, 568 ff.; Renzikowski, Täterbegriff, S. 124; Nepomuck, Anstiftung, S. 167 ff.; Nydegger, Zurechnungsfragen, S. 312 ff. Krey/Esser, AT, § 31 Rn. 1038 f.; D. Meyer, Kollusion, S. 30 ff.; ders., MDR 1970, 529, 530. 359 Roxin, FS f. Stree/Wessels 1993, 365, 378; ders., AT II, § 26 Rn. 76, 84; LK11 /ders., § 26 Rn. 4; LK/Schünemann, § 26 Rn. 3. 360 Joerden, Verantwortlichkeitsbegriff, S. 121 f.; Renzikowski, Täterbegriff, S. 124. Dennoch sehen einige Vertreter dieser Theorie die tätergleiche Bestrafung als zumindest problematisch an: Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 152 sowie 172; LK11 /Roxin, § 26 Rn. 15; LK/Schünemann, § 26 Rn. 15. 361 Larenz/Canaris Methodenlehre, S. 141 ff., 163; Zippelius, Methodenlehre, S. 45 (oben). 362 BVerfGE 71, 108, 115; 73, 206, 235; Larenz/Canaris Methodenlehre, S. 163 f.

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1. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ in § 26

I. Lexikalische Bedeutung Der Begriff des Bestimmens wird in der Alltagssprache sehr vieldeutig verwendet und ist entsprechend schwierig einzuordnen.363 Die Begriffsbedeutungen, die durch die entsprechenden lexikalischen Wörterbücher aufgezeigt werden, spiegeln diese Vielschichtigkeit wider. So zeigt das Deutsche Wörterbuch nach Brockhaus/Wahrig für den Begriff bestimmen gleich fünf Bedeutungen auf. Diejenigen Synonymbedeutungen, die für die vorliegende Auslegung in Betracht kommen, sind die des „Einfluss Ausübens“, die des „stark ausschlaggebenden Beeinflussens“ sowie „ernennen, einsetzen oder auswählen“.364 Wegen der Vielfalt der in Betracht zu ziehenden Alternativen, lässt die lexikalische Analyse keinen eindeutigen Rückschluss auf die Begriffsbedeutung im Zusammenhang des § 26 zu. Die Befürworter der unterschiedlichen Theorien wären in der Auswahl der Bedeutung nahezu frei, um die von ihnen vertretene Theorie entsprechend zu untermauern. Mithin ist allein die rein lexikalische Bedeutung des Begriffs bestimmen für eine objektive Betrachtung nicht zielführend.

II. Die Lehre vom Sprechakt Um die Bedeutung des Gesetzestextes „. . . wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt hat.“ tiefgreifend klären zu können, ist eine sprachwissenschaftliche Analyse erforderlich. 1. Die Bestandteile des Sprechaktes Zunächst ist hierfür zu untersuchen, wie sich ein Sprechakt zwischen Sprecher und Rezipient vollzieht. Die Sprechakttheorie wird in der linguistischen Teildisziplin der Pragmatik untersucht, deren grundlegende Analyse insbesondere auf Searle365 und Austin366 zurückgeht. Ein Sprechakt unterteilt sich in vier Bestandteile, nämlich dem Äußerungsakt (lokutionären Akt), dem propositionalen Akt, der Illokution und 363

So auch Krüger, JA 2008, 492, 494. Brockhaus/Wahrig, Band 1, S. 648 (als 4. Bedeutung aufgelistet). 365 Searle im Rahmen seiner Erstausgabe des Werkes „Speeches Acts“ von 1969. 366 Austin veröffentlichte 1962 sein Werk „Zur Theorie der Sprechakte“, welches eine Zusammenfassung seiner 1955 gehaltenen Harvard-Vorlesungen darstellt. 364

C. Die grammatikalische Auslegung des Bestimmens in § 26

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der Perlokution. Alle vier Schritte werden dabei zeitgleich während des Kommunikationsaktes verwirklicht.367 Der erste Bestandteil wird als Lokution bezeichnet. Diese wird durch die Benutzung der Kommunikationsmittel verwirklicht. Dabei realisiert der Sprecher die abstrakten Muster eines Sprachsystems wie Phoneme, Morpheme/Wörter, Sätze oder/und Texte.368 Das kann z. B. ein in Schwingung versetztes Stimmband sein, der Stift der über das Papier gleitet oder der Einsatz der Hände bei der Zeichensprache. Um eine wirksame Äußerung vornehmen zu können, muss sich der lokutionäre Akt mit der verwendeten Sprache auf Dinge in der Welt (im weitesten Sinne) beziehen und etwas über sie aussagen. D.h. die durch die Lokution zum Ausdruck gebrachten Äußerungen müssen einen Sinngehalt aufweisen. Ob die dabei zum Ausdruck gebrachte Aussage wahr oder falsch ist, ist dabei ohne Belang. Dieser zweite Bestandteil des Sprechaktes wird als Proposition bezeichnet.369 Der dritte Bestandteil ist die Illokution, die den Kern des Sprechaktes bildet und immer dann vorliegt, wenn die durch die Proposition vorgenommene Aussage einer anderen Person mitgeteilt wird. Dabei kann der Sprecher ganz verschiedene Ziele verfolgen, wie z. B. informieren, grüßen, warnen, drohen, versprechen, überzeugen etc.370 Dabei kann die Illokution glücken oder nicht glücken. Das hängt davon ab, ob die oder der Angesprochene die intendierte Funktion des Sprechaktes erkennt oder nicht, ob ihm also klar wird, dass etwas versprochen wird, dass vor etwas gewarnt wird, dass neue Informationen mitgeteilt werden sollen usw.371 Der vierte Bestandteil des Sprechaktes wird als Perlokution bezeichnet. Dabei handelt es sich um bestimmte Wirkungen, die der Sprecher durch den Sprechakt absichtlich hervorruft. Zum Beispiel ist das Ziel des Überredens, dass der Hörer von einer bestimmten Auffassung überzeugt wird.372 367

Linke/Nussbaumer/Portmann, Linguistik, S. 210 f.; zusammenfassend so auch Austin, Theorie der Sprechakte, S. 126. So auch Meibauer, der allerdings die Perlokution nicht mehr als Bestandteil des Sprechaktes begreift und diesen daher aus drei Bestandteilen bestehend versteht (Pragmatik, S. 86). 368 Linke/Nussbaumer/Portmann, Linguistik, S. 210; Meibauer, Pragmatik, S. 87 f. Der lokutionäre Akt im Hinblick auf den strafrechtlichen Handlungsbegriff vgl. Navarrete Polaino/Polaino-Orts, FS f. Schroeder 2006, 99, 110 ff. 369 Linke/Nussbaumer/Portmann, Linguistik, S. 210 f.; Meibauer, Pragmatik, S. 87 f. 370 Linke/Nussbaumer/Portmann, Linguistik, S. 210; Meibauer, Pragmatik, S. 87 f. 371 Linke/Nussbaumer/Portmann, Linguistik, S. 212 ff. Ausführlicher zu den Glückensbedingungen des illokutiven Aktes, Meibauer, Pragmatik, S. 90 ff. 372 Linke/Nussbaumer/Portmann, Linguistik, S. 211.

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1. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ in § 26

Da diese eintretende Wirkung nur das Ergebnis des Sprechaktes ist und nicht zu dessen Vollzug gehört, wird die Perlokution teilweise nicht mehr als Bestandteil des Sprechaktes angesehen, sondern nur als dessen Effekt.373 Auch der Teilakt der Perlokution kann erfolgreich sein oder nicht, je nachdem ob der Sprecher die intendierte Wirkung beim Adressaten erzielt oder nicht.374 Der zentrale Punkt des Sprechaktes ist daher die Illokution, durch welche der Vollzug einer bestimmten Aussage gegenüber dem Rezipienten begründet wird. Um Rückschlüsse auf die vertretenen Anstiftungstheorien ziehen zu können, ist die aufgezeigte Struktur des Sprechaktes zu allgemein, da jede Aussage diese Teilphasen durchläuft, soweit sich der Sprecher an den Rezipienten wendet, um mit ihm in Interaktion zu treten. Die Illokution sowie die Perlokution bezeichnen jeweils nur den Bestandteil eines Sprechaktes und treffen keine inhaltliche Einstufung. Um eine inhaltliche Zuordnung vornehmen zu können, wird der illokutionäre Akt noch weiter unterteilt. Auch die weitergehende inhaltliche Differenzierung geht auf Searle375 zurück und wird als Sprechaktklassifikation bezeichnet. Erst diese fortführende Einteilung ermöglicht es, die Zielrichtung einer Illokution genau zu bestimmen. Durch die Einordnung des Gesetzestextes in die folgende Klassifikationshierarchie soll versucht werden, entsprechende Rückschlüsse auf die Vereinbarkeit der dargelegten Anstiftungstheorien mit dem Wortlaut zu ziehen. 2. Die Sprechaktklassifikationen nach Searle Um die sprachliche Eigenschaft eines illokutionären Aktes ermitteln zu können, ist es notwendig, bestimmte sprachliche Indikatoren heranzuziehen. Die Pragmatik stellt hierbei auf den propositionalen Gehalt (Anpassungsrichtung), die Aufrichtigkeitsregel (psychischer Zustand) und den illokutionären Witz (Zweck des Sprechaktes) ab.376 Das Kriterium der Anpassungsrichtung lässt sich anhand des folgenden Beispiels verdeutlichen:377 373

Meibauer, Pragmatik, S. 86. Linke/Nussbaumer/Portmann, Linguistik, S. 212. 375 Searle, Ausdruck und Bedeutung, S. 31 ff.; Austin, Theorie der Sprechakte, S. 167 ff.; Meibauer, Pragmatik, S. 95; Linke/Nussbaumer/Portmann, Linguistik, S. 217 f. 376 Meibauer, Pragmatik, S. 95; Staffeldt, Sprechakttheorie, S. 71 ff.; ebenso Hamel, Strafen als Sprechakt, S. 47 ff. 377 Meibauer, Pragmatik, S. 95. 374

C. Die grammatikalische Auslegung des Bestimmens in § 26

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Ein Detektiv beobachtet im Supermarkt einen Mann. Dieser kauft anhand seines Einkaufszettels Bohnen, Butter, Braten und Brot ein. Er passt also die Welt (d. h. das, was sich in seinem Einkaufswagen befindet) seinen auf dem Einkaufszettel befindlichen Worten an. Der Detektiv, der diesem Mann folgt, notiert sich seinerseits auf einem Zettel, was der Mann einkauft. Dieser passt also die Worte (d. h. was er notiert) der real existierenden Welt an. Der propositionale Gehalt kann also „Wort an Welt“ oder „Welt an Wort“ lauten. Durch dieses Beispiel wird überdies veranschaulicht, dass sich die Kommunikation nicht auf die wörtliche Rede als solche beschränkt, sondern auch im Wege konkludenten Handelns, also der nonverbalen Kommunikation, möglich ist. Durch das Heranziehen dieser Kriterien lassen sich die illokutiven Sprechakte in folgende fünf Klassifikationen unterteilen:378 Die erste Klasse wird als assertiv oder auch als repräsentativ bezeichnet (Assertiva bzw. Repräsentativa). Mit den Sprechakten dieser Kategorie wird auf eine Darstellung der Welt abgezielt, die wahr oder falsch sein kann, also einen bestimmten Wahrheitsgehalt aufweist. Durch den Gebrauch dieser Sprechaktklasse wird vornehmlich auf den reinen Informationsaustausch abgezielt. Verben, welche diese Sprechaktklasse andeuten sind: aussagen, erzählen, beschreiben, protokollieren, prophezeien, andeuten etc. Die Anpassungsrichtung ist „Wort an Welt“ und der ausgedrückte psychische Zustand ist der „Glaube“.379 Ein Beispiel hierfür wäre die Aussage: „Der Revolver liegt auf dem Tisch.“ Wenn keine weiteren äußeren Umstände diese Aussage beeinflussen, dann teilt der Rhetor dem Adressaten lediglich mit, wo sich der Revolver gerade befindet. Diese Information kann wahr oder auch falsch sein. Die zweite Sprechaktklasse, die Direktiva, beinhaltet die Absicht des Sprechers, den Hörer auf die Ausführung einer zukünftigen Handlung zu verpflichten, wodurch dieser eine gewisse Erwartungshaltung zum Ausdruck bringt. Typische Verben, welche im Rahmen dieser Sprechaktklasse verwendet werden, sind: auffordern, befehlen, bitten, anordnen, einladen etc. aber auch bestimmen380. Zu dieser Klasse gehören ebenfalls Fragen, da sie als Aufforderung eine Antwort zu geben ebenfalls auf die Vornahme ei378 Searle, Ausdruck und Bedeutung, S. 31 ff.; Austin, Theorie der Sprechakte, S. 167 ff.; Meibauer, Pragmatik, S. 95 f.; Linke/Nussbaumer/Portmann, Linguistik, S. 217 f.; Rolf, Illokutionäre Kräfte, S. 29. 379 Searle, Ausdruck und Bedeutung, S. 31 f.; Meibauer, Pragmatik, S. 95 f.; Linke/Nussbaumer/Portmann, Linguistik, S. 217 f.; Rolf, Illokutionäre Kräfte, S. 29; Austin, Theorie der Sprechakte, S. 170 ff., dieser bezeichnet diese Gruppe als verdikative Äußerungen. 380 Austin, Theorie der Sprechakte, S. 173.

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1. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ in § 26

ner Handlung durch den Rezipienten abzielen und damit eine einseitige Verpflichtung hervorrufen. Die Anpassungsrichtung ist „Welt an Wort“ und der ausgedrückte psychische Zustand ist der „Wunsch“.381 Der psychische Zustand des Wunsches ist in diesem Zusammenhang besonders eindrucksvoll, da hierbei ein Element der Unsicherheit des Erfolgseintritts zum Ausdruck gebracht wird. Denn der Sprecher weiß seinerseits nicht, ob sein Kommunikationspartner der angedienten Verpflichtung nachkommen wird oder nicht. Er kann nur darauf hinwirken, diese zu begründen, d. h. es sich im weitesten Sinne nur „wünschen“. Im Hinblick auf das im Rahmen der Assertiva erläuterte Beispiel, könnte eine direktive Aussage hierzu wie folgt lauten: „Der Revolver liegt auf dem Tisch. Nimm ihn dir!“ Die dritte Sprechaktklasse wird als Kommissiva bezeichnet. Durch einen derartigen Sprechakt verpflichtet sich der Sprecher selbst. Mitglieder dieser Klasse sind die Verben: versprechen, geloben, vereinbaren, anbieten oder sich vertraglich verpflichten. Die Anpassungsrichtung ist auch hier, wie bei den Direktiva, „Welt an Wort“ und der ausgedrückte psychische Zustand ist die „Absicht“.382 Der von Searle herangezogene Indikator des psychischen Zustands ist wiederum sehr instruktiv. Im Gegensatz zu den Direktiva, die auf eine Fremdverpflichtung abzielen und damit ein Element der Unsicherheit beinhalteten, zielen die Kommissiva auf die Selbstverpflichtung des Sprechers ab. Das Element der Unsicherheit besteht bei einer Selbstverpflichtung naturgemäß nicht. Der Sprecher bewirkt den Erfolg i. d. R. durch den Vollzug des Sprechaktes selbst. So wird z. B. durch die Unterschrift unter einen bestimmten Vertrag die Selbstverpflichtung des Rhetors begründet. Der psychische Zustand der Absicht ist nicht mit der Unsicherheit des Erfolgseintritts konnotiert. Zur Veranschaulichung dieser Sprechaktklasse lässt sich das Beispiel wie folgt abwandeln: „Ich verspreche dir, mit diesem Revolver werde ich dich rächen!“ Die vierte Klasse wird durch die expressiven Sprechakte (Expressiva) beschrieben. Durch einen solchen Sprechakt werden soziale Kontakte etabliert oder aufrechterhalten. Der Sprecher bringt einen in der Aufrichtigkeitsregel angegebenen psychischen Zustand mit dem Ziel zum Ausdruck, eine emotionale Stabilisierung bzw. Destabilisierung bei dem Rezipienten hervorzurufen.383 Mitglieder dieser Klasse sind die Verben: danken, gratulieren, 381

Searle, Ausdruck und Bedeutung, S. 32 f.; Meibauer, Pragmatik, S. 95 f.; Linke/Nussbaumer/Portmann, Linguistik, S. 217 f.; Rolf, Illokutionäre Kräfte, S. 29; Austin, Theorie der Sprechakte, S. 173 ff.; dieser bezeichnet diese Gruppe als exerzitive Äußerungen. 382 Searle, Ausdruck und Bedeutung, S. 33 ff.; Meibauer, Pragmatik, S. 95 f.; Linke/Nussbaumer/Portmann, Linguistik, S. 217 f.; Rolf, Illokutionäre Kräfte, S. 29; Austin, Theorie der Sprechakte, S. 176 ff.; dieser bezeichnet diese Gruppe als verdikative Äußerungen.

C. Die grammatikalische Auslegung des Bestimmens in § 26

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entschuldigen, grüßen, willkommen heißen etc. Expressiva haben keine Anpassungsrichtung, da vorausgesetzt wird, dass die zum Ausdruck gebrachte Position wahr ist. Der ausgedrückte psychische Zustand variiert nach dem jeweiligen Expressiv und kann daher nicht abstrakt festgestellt werden.384 Ein Beispiel zur Verdeutlichung dieser Sprechaktklasse wäre: „Der Revolver auf dem Tisch macht mich irgendwie nervös.“ Die Sprechakte der fünften Klasse werden als Deklarativa bezeichnet. Diese Klasse erfordert eine bestimmte Institution, durch welche der fragliche Sprechakt vollzogen wird. Durch die Äußerung einer Deklaration wird ein entsprechender Zustand hergestellt. Verben, welche diese Sprechaktklasse repräsentieren sind: exkommunizieren, taufen, verurteilen, den Krieg erklären etc.385 Im Rahmen dieser Sprechaktklasse findet eine doppelte Anpassung statt. Dieses lässt sich am Besten durch das Beispiel einer Kindstaufe verdeutlichen. Zum einen wird durch den Vollzug des Sprechaktes die Welt verändert. Durch den Ausspruch der Taufworte wird der getaufte Zustand hergestellt. Zum anderen wird versucht, „die Sprache zur Welt passen zu lassen“, denn aufgrund des Taufaktes (benetzen des Kindes mit Wasser) soll das Baby seinen Namen erhalten.386 Die Anpassung erfolgt also in beide Richtungen, wobei der Akt selbst durch die Sprache in gewisser Weise vervollständigt wird. Die Deklarativa haben keine Aufrichtigkeitsbedingung, d. h. es handelt sich hierbei niemals um den Ausdruck eines psychischen Zustands des Sprechers (z. B. des Pfarrers bei der Taufe).387 Beispiel: Der Polizist sagt: „Hiermit ist der Revolver auf dem Tisch beschlagnahmt.“ 3. Die nonverbale Kommunikation In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass der „Inhalt“ jeglicher Kommunikation keineswegs nur Worte sind, sondern auch alle paralinguistischen Phänomene (wie z. B. Tonfall, Schnelligkeit oder Langsamkeit der Sprache, Pausen, Lachen und Seufzen), Körperhaltung, Ausdrucksbewegun383

Rolf, Illokutionäre Kräfte, S. 29 in Fn. 21. Searle, Ausdruck und Bedeutung, S. 34 ff.; Meibauer, Pragmatik, S. 95 f.; Linke/Nussbaumer/Portmann, Linguistik, S. 217 f.; Rolf, Illokutionäre Kräfte, S. 29; Austin, Theorie der Sprechakte, S. 178 ff.; dieser bezeichnet diese Gruppe als konduktive Äußerungen. 385 Searle, Ausdruck und Bedeutung, S. 36 ff.; Meibauer, Pragmatik, S. 95 f.; Rolf, Illokutionäre Kräfte, S. 29; Linke/Nussbaumer/Portmann, Linguistik, S. 217 f.; zur Einordnung des Strafurteils als Deklarativa Hamel, Strafen als Sprechakt, S. 64 ff. 386 Meibauer, Pragmatik, S. 96. 387 Searle, Ausdruck und Bedeutung, S. 36 ff.; Meibauer, Pragmatik, S. 95 f.; Rolf, Illokutionäre Kräfte, S. 29; Linke/Nussbaumer/Portmann, Linguistik, S. 217 f. 384

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gen (also die Körpersprache) usw. innerhalb eines bestimmten Kontextes umfasst – kurz, Verhalten jeder Art.388 Handeln oder Nichthandeln, Worte oder Schweigen haben demnach alle Mitteilungscharakter: Sie beeinflussen andere und diese anderen können ihrerseits nicht nicht auf diese Kommunikation reagieren und kommunizieren damit selbst. Nach Watzlawick kann man sich daher nicht nicht verhalten. Mit dieser These begründet er den Grundsatz von der Unmöglichkeit der Nichtkommunikation.389 Danach hat jegliches Verhalten in einer zwischenmenschlichen Situation einen bestimmten Mitteilungscharakter, der wiederum Einfluss auf den verbal geäußerten Sprechakt nimmt.390 Sozialwissenschaftlichen Studien zufolge nimmt die nonverbale Kommunikation einen erheblichen Stellenwert in der zwischenmenschlichen Informationsübertragung ein, der dem der eigentlichen Sprache überwiegt. Dieses ist mit der evolutionären Entwicklung der Kommunikationsmittel zu erklären. Noch vor der Erfindung der Sprache waren Menschen und deren tierische Vorfahren gezwungen, sich miteinander zu verständigen, um ihre soziale Organisation und das Überleben der jeweiligen Gruppe zu gewährleisten. Da die Sprache erst viel später entwickelt wurde, ist sie in dem menschlichen Bewusstsein weniger tief verankert. Die nonverbalen Kommunikationsmittel nehmen in dem zwischenmenschlichen Informationsaustausch eine entsprechend höhere Bedeutung ein, insbesondere wenn es um die Mitteilung von Emotionen geht.391 So kann eine Aussage, die nach ihrem rein sprachlichen Inhalt auf den bloßen Informationstransport gerichtet ist (Assertiva), einen direktiven Charakter erhalten, wenn ein entsprechend nachdrückliches, nonverbales Verhalten hinzutritt wie z. B. eine drohende Faust.

388

Navarrete Polaino/Polaino-Orts, FS f. Schroeder 2006, 99, 103 f.; Watzlawick/Beavin/Jackson, Menschliche Kommunikation, S. 50 ff.; Forgas, Soziale Interaktion, S. 141 ff., 244; Aronson/Wilson/Akert, Sozialpsychologie, S. 92 ff.; so auch Hamel, Strafen als Sprechakt, S. 46 f. insb. in Fn. 31. 389 Watzlawick/Beavin/Jackson, Menschliche Kommunikation, S. 51, 72 f.; zustimmend Weischede, Soziale Kommunikation, S. 30. 390 Watzlawick/Beavin/Jackson, Menschliche Kommunikation, S. 50 ff.; Forgas, Soziale Interaktion, S. 126 ff., 141 ff. 391 Navarrete Polaino/Polaino-Orts, FS f. Schroeder 2006, 99, 103 m. w. N.; Forgas, Soziale Interaktion, S. 127 ff.; Aronson/Wilson/Akert, Sozialpsychologie, S. 93 ff.; Weischede, Soziale Kommunikation, S. 65 ff.

C. Die grammatikalische Auslegung des Bestimmens in § 26

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4. Die Kommunikationsbeziehung des § 26 als direktive Illokution Um aus dem Wortlaut des Gesetzestextes einen Rückschluss auf dessen Vereinbarkeit mit den vorgestellten Anstiftungstheorien ziehen zu können, ist eine Einstufung hinsichtlich der vorgestellten Sprechaktklassifikationen vorzunehmen. Die Kriterien für die Sprechaktklassifikation sind, wie bereits erläutert, der propositionale Gehalt (Anpassungsrichtung), die Aufrichtigkeitsregel (psychischer Zustand) und der illokutionäre Witz (Zweck des Sprechaktes) der Illokution.392 Zunächst einmal ist der Gesetzestext hinsichtlich seiner intendierten Anpassungsrichtung zu untersuchen. Der Anstifter muss einen anderen Menschen zu einer vorsätzlichen rechtswidrigen Tat bestimmen. Dieses kann nur durch eine noch näher zu definierende Einflussnahme des Anstifters auf den Rezipienten geschehen. Das Ergebnis dieser Einwirkung ist das Vorliegen einer zur Tat entschlossenen Person. Die Realität passt sich also dem Wort bzw. der konkludenten Kommunikation des Anstifters an. Da nur die Sprechaktklassen der Direktiva und Kommissiva die Anpassungsrichtung „Welt an Wort“ zum Gegenstand haben, scheidet eine Einstufung in eine der übrigen Klassifikationsstufen aus. Der zweite Indikator, durch den die Klassifikationsstufe einer Illokution bestimmt wird, ist die Aufrichtigkeitsregel, d. h. der psychische Zustand, auf den der jeweilige Sprechakt abzielt. Der psychische Zustand mit dem eine direktive Illokution verbunden ist, ist der „Wunsch“ bzw. die „Erwartung“.393 Auf der Klassifikationsebene der Kommissiva wird der psychische Zustand des Sprechers als „Absicht“ definiert.394 Im Ergebnis grenzen sich direktive und die kommissive Sprechaktklasse durch die Zielrichtung ihrer Verpflichtung voneinander ab. Die Direktiva beschreiben die Verpflichtung des Rezipienten gegenüber dem Sprecher, während die Kommissiva die Selbstverpflichtung des Rhetors gegenüber dem Empfänger beschreibt. Ein Anstifter, der eine andere Person zu einer vorsätzlichen rechtswidrigen Tat bestimmt, äußert die Erwartung (bzw. den Wunsch) der Realisa392

Vgl. 1. Kapitel, C.II.2. Vgl. 1. Kapitel, C.II.2. 394 Vgl. 1. Kapitel, C.II.2. Da es sich um eine sprachwissenschaftliche Einstufung handelt, entspricht dieser Begriff nicht der rechtlichen Definition des dolus directus 1. Grades. 393

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tion der begehrten Handlung. Wie bereits erläutert,395 kommt durch den Indikator des Wunsches ein gewisses Element der Unsicherheit zum Ausdruck. Der Anstifter kann sich zum Zeitpunkt seiner Einwirkungshandlung nicht sicher sein, ob der Haupttäter auch die angediente Haupttat begehen wird. Diese Unsicherheit, die durch den Wunsch gekennzeichnet wird, findet sich letztendlich auch im Gesetz durch die Existenz von § 30 wieder. Im Ergebnis drückt diese Erwartungshaltung nichts anderes als eine einseitige Verpflichtung des Rezipienten gegenüber dem Rhetor aus. Die von dem Gesetzestext normierte Kommunikationsbeziehung kann daher nur als direktive Illokution verstanden werden. 5. Die Intensität des direktiven Elements Ausgehend von der erzielten Einstufung des Gesetzestextes als direktive Illokution ist zu untersuchen, wodurch direktive Elemente näher ausgestaltet werden und wodurch die Intensität ihrer Verbindlichkeit begründet wird. Die Pragmatik zeigt Verben auf, welche Indikatoren für die Klasse der Direktiva darstellen. Diese Verben müssen eine einseitige Verpflichtung des Rezipienten begründen. Beispiele hierfür sind die bereits aufgezeigten: auffordern, befehlen, bitten, anordnen, einladen etc. aber gerade auch bestimmen.396 Bereits diese Aufzählung verdeutlicht, dass die verschiedenen Verben eine unterschiedlich starke Verpflichtung des Rezipienten nach sich ziehen. Gelingt es diesen Verpflichtungsgrad für den Gesetzeswortlaut und das Verb „Bestimmen“ zu konkretisieren, ist es möglich, einen Rückschluss auf die Vereinbarkeit mit den dargestellten Anstiftungstheorien ziehen zu können. In der Linguistik wird der Verbindlichkeitscharakter des jeweiligen Verbs durch die Intensität der mit ihm verbundenen bzw. angedrohten Sanktion bestimmt.397 Ermert bezeichnet die Verben, welche die untere Grenze des Verbindlichkeitscharakters begründen als „weniger verbindlich“.398 Diese untere Grenze wird durch die Verben Bitten oder Wünschen markiert. Bei diesen ist der Rezipient nahezu vollständig frei, ob er sich der Bitte des Sprechers unterordnen möchte und entsprechend dessen Wunsch handelt oder nicht. Bei der Mitteilung eines solchen Handlungswunsches schwingt keine aus395 396 397 398

Vgl. 1. Kapitel, C.II.2. Vgl. 1. Kapitel, C.II.2. Apeltauer, Drohen, S. 187 ff.; Ermert, Briefsorten, S. 72. Ermert, Briefsorten, S. 72.

C. Die grammatikalische Auslegung des Bestimmens in § 26

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drückliche Sanktionsandrohung mit, da der Sprecher keine Macht besitzt, eine Sanktion zu verhängen oder er weil diese Macht gerade nicht nutzt.399 Dennoch begründen auch diese Verben einen unterschwelligen Handlungsdruck, dem ein gewisser Sanktionscharakter zu unterstellen ist. Durch eine Bitte führt der Sprecher eine neue Interaktionsbedingung ein, welcher der Rezipient entsprechen muss, will er die damit verbundene Erwartung nicht enttäuschen. Der Sprecher erwartet, dass sein Kommunikationspartner seiner Bitte entspricht oder aber begründet, weshalb er sie nicht ausführen möchte.400 Auch Amelung erkennt, dass die Durchbrechung des Gleichlaufs einer Interaktion, also die Ablehnung eines angetragenen Wunsches, einen erhöhten Begründungsaufwand nach sich zieht. Dieser Begründungsaufwand für sich genommen stellt bereits selbst eine sanktionierende Wirkung dar. Amelung bezeichnet die Antizipation des Dissenses als den Grund für die „Schwierigkeit, Nein zu sagen“.401 Dieser Gedanke wird durch die neueren Entwicklungen im Verbraucherschutzrecht unterstützt. Nach § 312 Abs. 1 BGB steht demjenigen Verbraucher ein Widerrufsrecht zu, der mit einem Unternehmer einen Vertrag im Bereich seiner Privatsphäre geschlossen hat. Der Sinn und Zweck einer solchen Vorschrift ist auch hier, dass der Käufer sich einem geschickt agierendem Verkäufer nur schwer widersetzen kann und es zu Situationen kommt, in denen der Adressat die Ware bzw. Dienstleistung nur deshalb kauft, um den Begründungsaufwand einer möglichen Ablehnung zu vermeiden. Verben, welche die obere Intensitätsgrenze markieren, werden nach Ermert als „stark verbindlich“ bezeichnet.402 Der Gebrauch eines solchen Verbs impliziert rein sprachlich bereits die Möglichkeit der Realisation ei399 Ermert, Briefsorten, S. 72. Ermert (Briefsorten, S. 72) bildet hierzu das folgende Beispiel: Ein Kind kann seine Eltern bitten, ihm ein bestimmtes Spielzeug zu kaufen, ohne dass diese der Aufforderung des Kindes Folge leisten müssen und ohne dass die Nichtbefolgung mit nennenswerten Sanktionen bedroht ist, da das Kind keinerlei Sanktionsmöglichkeiten gegenüber den Eltern besitzt. 400 Apeltauer, Drohen, S. 187. 401 Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 166 f. Mit dieser Feststellung trifft Amelung intuitiv die Kernaussage der direktiven Sprechaktklasse im Bereich der weniger verbindlichen Verben. In dieselbe Richtung auch Krey/Esser (AT, § 31 Rn. 1039) und Nydegger (Zurechnungsfragen, S. 316 f., 320), die die Anstiftung als enttäuschungsfeste Erwartung ansehen. Auch Nepomuck sowie Joerden ordnen die einfache Bitte oder den Wunsch der Anstiftung zu. Nach diesen sind Bitten „Spielarten“ der Aufforderung. Jedoch gelingt es ihnen nicht, den von diesen Arten der Einflussnahme ausgehenden Handlungsdruck deutlich herauszustellen (Nepomuck, Anstiftung, S. 182 f.; Joerden, FS f. Puppe 2011, 563, 574). So bereits auch in Langenbeck und Stübel, vgl. 1. Kapitel, B. IV. 4. a) auf S. 73. 402 Ermert, Briefsorten, S. 72.

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1. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ in § 26

ner Sanktion, sollte der Rezipient dem Verhaltenswunsch des Sprechers nicht nachkommen. Als Beispiele für diese obere Intensitätsgrenze werden befehlen und drohen genannt.403 Die zu untersuchende Tathandlung Bestimmen lässt keinen zweifelsfreien Rückschluss auf die Intensität der von ihr ausgehenden Sanktionsandrohung zu. Um den Grad der Verpflichtung tatsächlich einstufen zu können, muss auf die konkrete Aussage sowie auf die sie umgebenden Gesamtumstände abgestellt werden. Auch diese weiteren Umstände (sozialen Normen) beeinflussen den Inhalt nahezu jeder Aussage und sind ebenfalls geeignet, das verpflichtende Element zu begründen.404 Obwohl die Intensität des Verpflichtungscharakters des Verbs Bestimmen nicht abstrakt herausgestellt werden kann, muss dieses im Mindestmaß die Anforderungen der „weniger verbindlichen“ Verben erfüllen, um den Bedingungen der direktiven Sprechaktklasse gerecht zu werden. Die Einwirkungshandlung des Anstifters muss daher so ausgestaltet sein, dass der notwendige Charakter einer einseitigen Verpflichtung, wie auch bei dem Wunsch oder der Bitte, gegenüber dem Empfänger verbal oder nonverbal kommuniziert wird. Im Mindestmaß muss der mit dem Bestimmen zur Tat einhergehende Handlungsdruck auf die beschriebene Antizipation des Dissenses zurückzuführen sein. Ein intensiveres, den Handlungsdruck auslösendes, sanktionierendes Element wird hierdurch aber nicht ausgeschlossen.

III. Vereinbarkeit der Anstiftungstheorien mit dem Ergebnis der Pragmatik Nachdem durch die sprachwissenschaftliche Teildisziplin der Pragmatik die Mindestanforderungen an die Tathandlung des Bestimmens definiert wurden, wonach diese eine einseitige Verpflichtung begründen muss, können nun erste Rückschlüsse auf die Vereinbarkeit mit den eingangs aufgezeigten Anstiftungstheorien gezogen werden.

403 Apeltauer, Drohen, S. 187 ff. Apeltauer grenzt in sprachlicher Hinsicht drohen und befehlen voneinander ab. Bei einer Drohung ist der Drohende für die Ausführung der angekündigten Sanktion stets selbst verantwortlich, während sich bei einer Befehlsverweigerung die Sanktion von allein vollzieht. Damit befindet sich der Befehlende stets in einer Machtposition, während der Drohende diese Position haben kann, er kann aber auch versuchen, durch die Drohung die entsprechende Macht zu gewinnen, um so die Beziehungsstruktur zu verändern (Apeltauer, Drohen, S. 188 ff.). 404 So auch Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 169 f.; in diesem Zusammenhang ist insbesondere auf die nonverbale Kommunikation zu verweisen, vgl. 1. Kapitel, C.II.3.

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1. Der Gesetzeswortlaut und die Verursachungslehre Die Vertreter der reinen Verursachungslehre betonen, ihre Theorie sei mit dem Gesetzeswortlaut vereinbar bzw. noch von diesem gedeckt. Sie behaupten, um jede irgendwie geartete Entschlussverursachung unter den Begriff der Anstiftung fassen zu können, müsste ein neutrales Wort gefunden werden, welches die deutsche Sprache nicht zur Verfügung stellt. Da nun mal ein Wort in den Tatbestand aufgenommen werden muss und dieses „Bestimmen“ lautet, stehe die weite Deutung dem Wortlaut nicht entgegen und sei aus Gründen der Gerechtigkeit und der praktischen Notwendigkeit vorzuziehen.405 Diese Begründung ist mit dem Ergebnis der sprachwissenschaftlichen Untersuchung nicht vereinbar, da durch diese Art der Auslegung das herausgestellte Erfordernis des einseitigen Verpflichtungscharakters nicht beachtet wird. Bloße Tatsachenarrangements können zwar im weitesten Sinn noch als eine Art der konkludenten Kommunikation verstanden werden, jedoch geht von ihnen kein sanktionsbewehrter Handlungsdruck aus. Ein solches Tatsachenarrangement kann daher bestenfalls als assertiver Sprechakt verstanden werden, welcher diejenige Kommunikation beschreibt, die auf einen einfachen Informationstransfer gerichtet ist.406 Wenn es der Wille des Gesetzgebers gewesen wäre, jede wie auch immer geartete Einflussnahme des Anstifters auf den Haupttäter als Anstiftung zu bestrafen, dann hätte er den Wortlaut entsprechend weit fassen müssen. Die Behauptung, die deutsche Sprache stelle für derartige Fälle kein geeignetes Wort zur Verfügung, welches neutral genug wäre und jede Form der Einflussnahme erfassen würde, ist nicht überzeugend. Dem Gesetzgeber stand es natürlich frei, anstelle des Wortes „Bestimmen“ eine umschreibende Redewendung einzufügen, die jede Form der Verursachung des Tatentschlusses erfasst. So könnte der Gesetzestext beispielsweise wie folgt gefasst werden: „. . . eine Handlung, die geeignet ist, bei einem anderen den Entschluss zur Begehung einer vorsätzlichen rechtswidrigen Tat hervorzurufen . . .“. Durch eine solche Formulierung würde der Gesetztext gerade keinen direktiven, sondern vielmehr einen assertiven Charakter aufweisen und jegliche Form der kausalen Einflussnahme, also auch die Schaffung einer tatanreizenden Situation, unter den Tatbestand der Anstiftung fassen. Da aber der Gesetzeswortlaut eindeutig enger formuliert ist, überschreitet die Verursachungstheorie die Grenze der zulässigen grammatikalischen Auslegung 405 406

Vgl. 1. Kapitel, B.III.3., Argument auf S. 54. Vgl. 1. Kapitel, C.II.2.

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1. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ in § 26

und verstößt somit gegen den verfassungsmäßigen Bestimmtheitsgrundsatz nach Art. 103 Abs. 2 GG. 2. Der Gesetzeswortlaut und die Theorie vom geistigen Kontakt Die Theorie vom geistigen Kontakt knüpft gedanklich an die Verursachungslehre an und schränkt diese „nur“ weiter ein. Sie erkennt die Notwendigkeit, den Gesetzeswortlaut restriktiver auszulegen, wobei sie hierfür keine sprachlichen Argumente, sondern allein die hohe Strafandrohung des § 26 heranzieht. Das rechtspolitische Ziel dieser Restriktion ist es, das ungewollte Tatsachenarrangement aus dem tatbestandlichen Anwendungsbereich des § 26 auszuschließen. Ansonsten sei jegliche Art der Kommunikation (geistigen Kontakts) ausreichend, solange sie geeignet ist, den Tatentschluss des Haupttäters zu wecken.407 Diese Lehre versteht die Untergrenze des anstiftungsrelevanten Verhaltens in dem informatorischen Gedankentransfer, mit dem der Anstifter den Haupttäter auf die Vornahme einer deliktischen Handlung „aufmerksam macht“. Ein verpflichtendes bzw. aufforderndes Element wird von dieser Teilströmung nicht vorausgesetzt. Aus sprachwissenschaftlicher Sicht würde nach dieser Lehre auch jede rein assertive Kommunikation ausreichen, um den tatbestandlichen Anwendungsbereich zu eröffnen. Da der durch den Begriff des Bestimmens definierte Kommunikationsakt mehr als das bloße „Hervorrufen des Tatentschlusses“ bedeutet und in die Sprechaktklasse der Direktiva einzuordnen ist, reicht das restriktive Kriterium des geistigen Kontakts allein für sich genommen nicht aus, um die aufgestellten sprachlichen Anforderungen zu erfüllen. 3. Die Sanktionierungstheorie Die Sanktionierungstheorie, welche das Erfordernis des geistigen Kontakts stärker einschränkt, indem sie das zusätzliche Kriterium des sanktionsbewehrten Aufforderungscharakters voraussetzt,408 entspricht den herausgearbeiteten sprachwissenschaftlichen Voraussetzungen. Sofern einem Kommunikationsakt ein aufforderndes Kriterium hinzugefügt wird, entsteht einerseits auf der Seite des Anstifters eine gewisse Erwartungshaltung, die Ausdruck des direktiven Verpflichtungscharakters ist. 407

So insbesondere Welzel, Strafrecht, S. 116; Schmidhäuser 10/113; H. Mayer, AT 1953, S. 321; w. N. vgl. 1. Kapitel, B.IV.7. in Fn. 337; wohl auch Fischer, § 26 Rn. 4, 6. 408 Vgl. 1. Kapitel, B.VI.

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Andererseits entsteht auf der Seite des Angestifteten ein Handlungsdruck. Dieser wird selbst bei einfachen Bitten und Wünschen begründet409 und besteht im Mindestmaß darin, die Erwartungshaltung des Kommunikationspartners nicht zu enttäuschen, um so den antizipierten Begründungsaufwand zu vermeiden.410 Im Rahmen stärker wirkender Aufforderungen, wie z. B. bei Drohungen oder auch bei der Auslobung von Belohungen, wird dieser Handlungsdruck entsprechend intensiviert. Der von dieser Theorie geforderte Aufforderungscharakter entspricht dem direktiven Element der Sprachwissenschaft, welches durch eine einseitige Verpflichtung begründet wird. Dieser Lehre gelingt es daher, die sprachwissenschaftlichen Anforderungen in die Rechtsdogmatik zu integrieren. 4. Der Gesetzeswortlaut und die Dominanztheorien Bei der Auslegung der Tathandlung des Bestimmens, fordern die Dominanztheorien eine noch stärkere Restriktion, indem sie die Einwirkungshandlung des Anstifters als die Begründung einer dominierenden Verpflichtung begreifen.411 Im Gegensatz zu dem, durch den Begriff des Pakts intendierten Verständnis einer gegenseitigen Verpflichtung, fordern auch die Vertreter dieser Theorien lediglich eine einseitige Verpflichtung des Haupttäters gegenüber dem Anstifter.412 Insofern beachten auch diese Lehren, die durch die Sprechaktklasse der Direktiva vorausgesetzte Zielrichtung der Verpflichtung. Während bei der Sanktionierungstheorie lediglich ein verpflichtendes Element gleich welcher Intensität nötig war, um die Voraussetzungen dieser Lehre zu erfüllen, muss dieses Element im Rahmen der Dominanztheorie von stärkerer Intensität sein. Die Mindestintensität dieser Verpflichtung gewinnen die Vertreter der Dominanztheorien durch den Vergleich zu der Mittäterschaft. Genau wie sich Mittäter gegenseitig verpflichten, um ein gemeinsam angestrebtes Tatziel zu erreichen, so müsse sich auch der Haupttäter gegenüber dem Anstifter unterordnen. Die Vertreter dieser Lehren sprechen auch von der „Dominanz“ des Anstifters über den Täter.413 Damit scheiden die „weniger verbindlichen“ Direktiva414 als Auslegungsmaßstab für den Begriff des Bestimmens aus. Bei diesen begründet sich 409 410 411 412 413 414

Vgl. 1. Kapitel, C.IV.4.c). Vgl. 1. Kapitel, C.II.5. Vgl. 1. Kapitel, B.V. Zu den Anforderungen an diese Verpflichtung vgl. 1. Kapitel, B.V. Vgl. 1. Kapitel, B.V. Vgl. 1. Kapitel, C.II.5.

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Handlungsdruck lediglich aus dem antizipierten Begründungsaufwand im Fall der Aufforderungsverweigerung.415 Der Begriff Bestimmen würde demnach einem Charakter entsprechen, der über der einfachen Bitte bzw. dem Wunsch anzusiedeln ist. Da bei der Untersuchung der Intensität des direktiven Elements nur die Untergrenze definiert werden konnte, aber sich in sprachwissenschaftlicher Hinsicht keine Obergrenze beschreiben lässt,416 erfüllen auch die Dominanztheorien die Anforderungen, die mit Hilfe der Pragmatik erarbeitet wurden. Im Ergebnis treffen die Vertreter der Dominanztheorien die richtige Grundüberlegung, da sie dem Wort Bestimmen einen einseitig verpflichtenden Charakter zuschreiben.417 Da sie allerdings die Intensität zu hoch ansiedeln, gelingt es ihnen nicht, die Anforderungen der Sprechakttheorie vollumfänglich in eine taugliche Anstiftungstheorie zu übertragen. Zudem widerstrebt diese besonders restriktive Art der Auslegung dem allgemeinen Sprachgefühl. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch geht von dem Wort verpflichten bzw. dominieren ein höherer Verbindlichkeitscharakter aus, als man ihn mit dem Verb bestimmen verbindet.418 Jedoch soll das allgemeine Sprachgefühl nur als erstes Indiz für die weitere Auslegung dienen, aber nicht über den sprachwissenschaftlichen Fakten stehen.

IV. Das direktive Element zur Begründung der Anstiftung Nachdem durch die Pragmatik bestimmte Mindestanforderungen definiert wurden, um die Tathandlung des Bestimmens einzugrenzen, ist zu klären, durch welche tatsächlichen Faktoren das direktive Element begründet werden kann. Grundsätzlich kann einer Aussage der Aufforderungscharakter durch das Hinzufügen einer negativen Sanktion oder der Auslobung einer Belohung (positiver Sanktion) verliehen werden.419 Dieses auffordernde Element bezeichnet Amelung als die Ursache für die „Korrumpierung“ des 415

Vgl. 1. Kapitel, C.II.5. Vgl. 1. Kapitel, C.II.5. 417 Hierbei darf nicht der Fehlschluss aufkommen, die Sprechaktklasse der Direktiva fordere einen Verpflichtungscharakter im Sinne der Dominanztheorien. Diese Theorien bezeichnen mit der „Verpflichtung“ bzw. der „Dominanz“ die Intensität der zu begründenden Verbindlichkeit, während die Linguistik in diesem Zusammenhang lediglich den Fakt einer irgendwie gearteten Verbindlichkeit meint und dabei ebenfalls das Wort „verpflichten“ benutzt. 418 So auch Roxin, AT II, § 26 II Rn. 73 und § 26 III Rn. 89; LK11 /ders., § 26 Rn. 11; LK/Schünemann, § 26 Rn. 10. 419 So auch Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 155 ff.; Joerden, Verantwortlichkeitsbegriff, S. 119 ff.; ders., FS f. Puppe 2011, 563, 568 ff.; Renzikowski, Tä416

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Angestifteten, welches letztendlich den Grund für das Handlungsunrecht der Anstiftung darstellt.420 Nur durch das Element des Aufforderungscharakters wird das Wertesystem des Angestifteten beeinflusst und ein innerer Konflikt hervorgerufen. Dieser Konflikt besteht darin, dass der Angestiftete die Wahl zwischen zwei begehrten Werten treffen muss, wobei er den einen nur auf Kosten des anderen befriedigen kann.421 Da der Anstifter auf die Durchführung eines deliktischen Verhaltens abzielt, wird der feststehende Korrespondenzwert vorgeben. Diesen sieht Amelung zu Recht in dem Straffreiheitsinteresse des Angestifteten. Das Straffreiheitsinteresse ist in dem Bewusstsein jedes Menschen verankert und braucht nicht mehr ausdrücklich artikuliert zu werden.422 Dieser Wert wird uns Menschen durch den Prozess der Sozialisation anerzogen. Amelung greift hierbei gedanklich auf die Internalisierung der Normgeltung zurück, wonach sich das Straffreiheitsinteresse (und letztlich auch die Achtung vor dem geltenden Recht) aus einer Reihe von externen und auch internen Motiven zusammensetzt. In innerer Hinsicht besitzt jeder Mensch das Bedürfnis nach Selbstachtung und einem ruhigen Gewissen. Nach außen ist wiederum jeder Mensch bestrebt, seinen „guten Ruf“ zu erhalten, der häufig die Grundlage seiner wirtschaftlichen Existenz bildet.423 Darüber hinaus zielen auch die angedrohten strafrechtlichen Konsequenzen auf einer externen sekundären Ebene darauf ab, Normbrüche zu verhindern.424 Durch den Akt der Anstiftung wird eine Wahlsituation begründet. Entweder widersetzt sich der Angestiftete der Aufforderung des Anstifters, indem er das ihm angetragene deliktische Verhalten nicht ausführt, und riskiert terbegriff, S. 124; Nepomuck, Anstiftung, S. 167 ff.; im Ergebnis wohl auch D. Meyer, Kollusion, S. 30 ff.; ders., JuS 1970, 529, 530. 420 Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 155 f. 421 Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 156 f.; weniger deutlich Joerden, Verantwortlichkeitsbegriff, S. 122 ff.; ders., FS f. Puppe 2011, 563, 568, Renzikowski, Täterbegriff, S. 124; Nepomuck, Anstiftung, S. 167 ff.; Nydegger, Zurechnungsfragen, S. 312 ff.; D. Meyer, Kollusion, S. 30 ff.; ders., JuS 1970, 529, 530. 422 Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 156 f. 423 Nach Amelung ist die Unterscheidung von inneren und äußeren Motiven nur eine Akzentuierung des Betrachterstandpunktes. Im Wesentlichen gehe es um dasselbe moralische Phänomen: Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 156 Fn. 32; ähnlich auch ders., Ehre, S. 13 f. Zu dem Prinzip des konformen Verhaltens, um die Akzeptanz anderer zu gewinnen (bzw. zu erhalten): Aronson/Wilson/Akert, Sozialpsychologie, S. 241 f. 424 Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 156 f.; zur Norminternalisierung Baumann, GA 1994 [141], 368, 372 f.

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den Eintritt der ausdrücklich oder konkludent in Aussicht gestellten Sanktion. Durch diese verweigernde Haltung misst er dem konträren Wert, also dem Straffreiheitsinteresse, eine höhere Wertigkeit zu. Oder aber der Angestiftete beugt sich der Aufforderung des Anstifters und verübt die angetragene Straftat, wobei er die Realisierung der gesetzlichen Strafandrohung riskiert. Der Einfluss des Anstifters war also immer dann erfolgreich, wenn er das bestehende Wertesystem des Angestifteten nach seinen Vorstellungen verändern konnte. In diesem Fall misst der Angestiftete dem neu gesetzten Wert des Anstifters einen höheren Stellenwert als der Straffreiheit zu.425 Die Einflussnahme des Anstifters ist daher instrumentalisierender Art, wobei die personelle Kommunikation in den Hintergrund gerückt und zumindest z. T. durch die faktisch lenkende Kommunikation ersetzt wird.426 1. Der einseitig normative Erwartungsfaktor der Anstiftung Die durch die Anstiftung in Konflikt stehenden Werte werden streng genommen durch soziale Normen definiert. Der bei der Anstiftung feststehende Wert des Straffreiheitsinteresses wird durch die Normen des Strafrechts und letztlich durch die Internalisierung des geltenden Rechts durch den Angestifteten definiert. Dem gegenüber treten die von dem Anstifter neu gesetzten Werte, mit denen er das bestehende Wertesystem des Angestifteten korrumpiert. Bei genauerer Betrachtung sind diese neu hinzugefügten Werte als Normen im soziologischen Sinn zu verstehen.427 Die Soziologie versteht unter Normen nicht nur solche im juristischen Sinn, sondern erfasst darunter alle Grundsätze des menschlichen Verhaltens.428 Nach Luhmann handelt es sich bei Normen um vorgefundene, enttäuschungsfeste Erwartungshaltungen.429 Diese Erwartungen beruhen auf einer Vorselektion von möglichen Handlungsalternativen. Innerhalb eines bestimmten sozialen Systems wird nur eine eingeschränkte Anzahl von mögli425 Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 155 ff.; Joerden, Verantwortlichkeitsbegriff, S. 122; Renzikowski, Täterbegriff, S. 124; Nepomuck, Anstiftung, S. 167 ff.; im Ergebnis wohl auch D. Meyer, Kollusion, S. 30 ff.; ders., JuS 1970, 529, 530. 426 So auch Timpe, GA 2013 [160], 145, 160. 427 Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 166; Luhmann, Rechtssoziologie, S. 40 f.; Luhmann greift bei der Definition seines Normenbegriffs maßgeblich auf die Ausführungen von Johan Galtung (Inquiry 1959, 213 ff.) zurück. 428 Luhmann, Rechtssoziologie, S. 40 f.; Aronson/Wilson/Akert, Sozialpsychologie, S. 259 f., 276. 429 Luhmann, Rechtssoziologie, S. 40 f.; ders., Soziale Welt 1969, 28, 30 ff.; darstellend auch Hamel, Strafen als Sprechakt, S. 83 ff.

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chen Verhaltensweisen akzeptiert, auf die der Adressat sozialkonform reagieren kann. Die Vorselektion der möglichen Antwortmöglichkeiten gestaltet die Interaktion in der jeweiligen Gruppe einfacher und effektiver, da nur noch eine vorgefertigte Bandbreite an Reaktionsmöglichkeiten besteht, auf die sich die Gruppe konzentrieren muss.430 Daher handelt es sich bei Normen nicht nur um einseitige Erwartungen des jeweils agierenden Gruppenmitglieds gegenüber seinem Kommunikationspartner, sondern um wechselseitige Erwartungen (Erwartungserwartungen), da jedes Gruppenmitglied nur eine Reaktion in dem vorgegebenen Verhaltensspektrum erwartet.431 Handelt ein Individuum der Gruppe entgegen dieser „Vorprägung“, bricht es die bestehende Regel und die an ihn gestellte Erwartungshaltung wird enttäuscht. Eine Enttäuschung durch eine Reaktion, die außerhalb der festgelegten Bandbreite liegt, stellt damit einen Normbruch dar.432 Für das Normenverständnis nach Luhmann ist die Erwartungshaltung ferner danach zu differenzieren, ob es sich um eine kognitive oder um eine normative handelt. Unter kognitiven Erwartungen werden solche verstanden, die im Fall einer Enttäuschung der Wirklichkeit angepasst werden können. Bei normativen Erwartungen ist eine Wirklichkeitsanpassung nicht möglich, sie sind vielmehr als unveränderliche Größen anzusehen.433 Ein Beispiel Luhmanns zur Verdeutlichung dieser Unterscheidung lautet wie folgt:434 Ein Vorgesetzter der eine neue Sekretärin erwartet, verbindet mit ihr sowohl kognitive als auch normative Erwartungskomponenten. Dass sie jung, hübsch, blond sei, kann man allenfalls kognitiv erwarten; man muss sich in dieser Hinsicht an auftretende Enttäuschungen anpassen und kann also nicht etwa auf blonden Haaren bestehen und ein Umfärben verlangen. Dass sie bestimmte Leistungen erbringt, wird dagegen normativ erwartet. Wird man in Bezug auf ihre Leistungen enttäuscht, hat man als Vorgesetzter nicht das Gefühl einen Fehler in seiner Erwartungshaltung gehabt zu haben. Eine Sekretärin muss die Verwaltung des Büros usw. beherrschen.

Bei kognitiven Normen glaubt derjenige, der die Erwartungshaltung aufstellt selbst nicht enttäuschungsfest an deren Realisation. Sie sind daher eher als Wunsch, Hoffnung bzw. unverbindliche Erwartung anzusehen. Dagegen sind normative Erwartungen nur deshalb enttäuschungsfest, weil der Erwartende zusätzliche Informationen bzw. Erfahrungen besitzt, die seine 430

Luhmann, Rechtssoziologie, S. 40 ff. Luhmann, Rechtssoziologie, S. 40 f.; Luhmann, Soziale Welt 1969, 28, 32 ff. 432 Luhmann, Rechtssoziologie, S. 40 f.; im Ergebnis so auch Kieserling, Kommunikation unter Anwesenden, S. 92 ff. 433 Luhmann, Rechtssoziologie, S. 42. 434 Luhmann, Rechtssoziologie, S. 42. 431

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Erwartung stützen. Eine Sekretärin, welche sich bei ihrem künftigen Arbeitgeber vorstellt, hat die Aufgabe, die anfallenden Büroarbeiten zu erledigen. Das weiß ihr zukünftiger Vorgesetzter und kann diese Eigenschaft auch enttäuschungsfest voraussetzen.435 Kognitive Erwartungen bilden sich durch die soziale Interaktion der Gesellschaft miteinander.436 Dabei reguliert sich eine kognitive Erwartung durch den Kompromiss zwischen der Notwendigkeit der Wirklichkeitsanpassung und der Erwartungskonstanz.437 Kognitive Erwartungen sind durch eine nicht notwendig bewusste Lernbereitschaft ausgezeichnet. Dagegen kennzeichnen normative Erwartungen die Entschlossenheit, aus Enttäuschungen nicht lernen zu wollen.438 Bei diesen handelt es sich vielmehr um unumstößliche Verhaltensgrundsätze. Im Ergebnis treffen auf das sanktionierende Element alle Voraussetzungen der normativen Erwartungshaltung zu, mit welcher Luhmann den Normenbegriff definiert.439 Weicht das Verhalten des Rezipienten von den Vorgaben des Anstifters ab, dann kommt es gerade nicht zu einer Anpassung seiner Erwartungshaltung. Ein gegenseitiger Kompromiss, wie ihn die kognitiven Normen vorsehen, ist hier ausgeschlossen. Aus Sicht des Anstifters besteht eine enttäuschungsfeste Erwartung, die er auch dann nicht aufgibt, wenn der Angestiftete seinem Handlungswunsch nicht nachkommt.440 Das sanktionierende Element der Anstiftung begründet aus Sicht des Anstifters den Charakter einer normativen Erwartungshaltung. Im Gegensatz dazu ist eine enttäuschungsfeste Erwartung aus Sicht des Angestifteten nicht nötig. Das Element, welches den neuen Einfluss auf das bestehendes Wertesystem ausübt und den Antrieb für sein künftiges Verhalten setzt, ist die in Aussicht gestellte Sanktion des Anstifters und nicht die rechtliche oder moralische Bewertung des angedienten Verhaltens bzw. der 435

Luhmann, Rechtssoziologie, S. 42 f. Wobei für die vorliegende Betrachtung auf die jeweilige soziale Gruppe bzw. das jeweilige soziale Umfeld abgestellt werden sollte. 437 Luhmann, Rechtssoziologie, S. 44; ders., Soziale Welt 1969, 28, 36. 438 Luhmann, Rechtssoziologie, S. 43; ders., Soziale Welt 1969, 28, 36. 439 Zur Parallelität der Sprechakttheorie nach Searle und dem Normenverständnis nach Luhmann vgl. auch Hamel, Strafen als Sprechakt, S. 87 ff. Auch Timpe (GA 2013 [160], 145, 157 ff.) versteht die Anstiftung als einseitig normative Erwartung, die zusätzlich einen deliktischen Sinnbezug aufweisen muss. Eine weitergehende Untersuchung der psychologischen Wirkungsweise erfolgt jedoch nicht. Durch den gleichen Grundansatz gelangt Timpe auch zu ähnlichen Ergebnissen, die er beispielhaft aufführt, vgl. ebd. S. 158. 440 Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 166. Amelung geht ebenfalls von der einseitigen enttäuschungsfesten Erwartungshaltung aus, wobei er mit jeder „Einzelne“ den Anstifter meint. So auch Krey/Esser, AT, § 31 Rn. 1038 f. 436

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neu gesetzten Norm. Daher ist es auch unerheblich, ob der Angestiftete den Zweck der neu gesetzten Norm akzeptiert. Vielmehr ist es ausreichend, dass er die Realisation der Sanktion für möglich hält und diese geeignet ist, dessen Verhalten zu beeinflussen. Das Prinzip der einseitigen normativen Erwartung lässt sich durch das folgende Beispiel verdeutlichen: In den Zeiten der innerdeutschen Teilung akzeptierten viele DDR-Bürger das System der DDR nicht. Dennoch waren sie aufgrund der bestehenden Gesetze (normative Erwartungen der Machthaber) „gezwungen“, sich diesen entsprechend zu verhalten. Sie wagten es also beispielsweise nicht, das bestehende System, die Regierung etc. zu kritisieren. Diese Verhaltensweise ist aber nicht auf die Akzeptanz des politischen Systems zurückzuführen, sondern nur auf den möglichen Eintritt der drohenden Sanktionen.

Diese soziologische Einschätzung bestätigt das Ergebnis der linguistischen Analyse, wonach das Bestimmen eine direktive Kommunikationsbeziehung beschreibt, die auf eine einseitige Verpflichtung des Rezipienten abzielt.441 Eine derartige Verpflichtung kann durch eine einseitige Einflussnahme hervorgerufen werden, wobei dies aber nicht zwingend ist. Es ist ebenso möglich die Selbstverpflichtung des Adressaten im Wege eines gemeinsamen Dialogs zwischen Anstifter und späteren Haupttäter zu begründen. In diesem Fall hat der Einwirkende die zusätzliche Möglichkeit die persönlichen Zweifel des Adressaten auszuräumen und den verursachten Wertekonflikt zu vertiefen. 2. Die negative Sanktion Grundsätzlich kann der sanktionsbewehrte Handlungsdruck durch zahlreiche Elemente ausgelöst werden. Die negative Form ist gegeben, wenn der Anstifter mit seiner Einwirkungshandlung eine Wirkung ankündigt, die für den Rezipienten einen Strafcharakter darstellt.442 Die Möglichkeiten der Androhung einer negativen Sanktion sind sehr vielfältig und können materieller oder auch immaterieller Art sein. Der typische Beispielsfall ist die offene Drohung mit negativen Konsequenzen im Falle der Verweigerung des angetragenen Verhaltens, wobei die Grenze des Nötigungsnotstandes noch nicht überschritten sein darf.443

441

Vgl. 1. Kapitel, C.II.4. Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 165 f.; Joerden, Verantwortlichkeitsbegriff, S. 123; ders., FS f. Puppe 2011, 563, 571 f.; Renzikowski, Täterbegriff, S. 124; Nepomuck, Anstiftung, S. 167 ff.; Nydegger, Zurechnungsfragen, S. 314; im Ergebnis wohl auch D. Meyer, Kollusion, S. 30 ff.; ders., JuS 1970, 529, 530. 442

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a) Die Bedeutung sozialer Normen Dieser eindeutige Fall einer negativen Sanktion wird in der Praxis nur selten gegeben sein, da die Anstiftung mit einem negativen Sanktionscharakter häufig subtiler von statten geht. Bei der Wirkung der angedrohten Sanktionen spielen die vorherrschenden sozialen Normen eine tragende Rolle. Hierbei ist zu differenzieren, ob es sich um soziale Normen mit absolutem oder relativem Charakter handelt. Soziale Normen, die eine absolute Geltung für sich beanspruchen, werden von allen Menschen in sämtlichen Kulturkreisen akzeptiert. Diese Normen sind unerlässlich, um das menschliche Zusammenleben zu sichern. In diesem Zusammenhang nennt Amelung das Prinzip der Solidarität. Dieses wird von den Mitgliedern einer Diebesbande akzeptiert bzw. für die Durchführung ihrer Pläne sogar vorausgesetzt. Aber auch die Ordensschwestern eines Nonnenklosters sind auf dieses Prinzip angewiesen, um ihr Zusammenleben zu organisieren.444 Um diese Normen zu nutzen und einer Aussage den appellativen Charakter zu verleihen, muss der Bruch einer solchen Norm eine negative Konsequenz begründen. Würde ein Mitglied einer sozialen Gruppe einem anderen Gruppenmitglied seine Hilfe verweigern, so riskiert er selbst in einem Notfall keine Hilfe mehr zu erhalten. Bereits der antizipierte Verlust der Hilfsbereitschaft der Gruppe kann ein sanktionsbewehrtes Element darstellen. Soziale Normen, die einen relativen Charakter aufweisen, werden nur von den Mitgliedern der jeweiligen Gruppe akzeptiert und haben in einem anderen sozialen Gefüge keine Gütigkeit. So leben Nonnen in einem Ordenskloster nach anderen spezifischen Verhaltensnormen als die Mitglieder einer Jungendgang. Sowohl relativen als auch den absoluten sozialen Normen ist gemein, dass ein Bruch von diesen für das jeweilige Gruppenmitglied zu einer negativen Folge führt. In der Konsequenz sind sowohl relative wie auch allgemeine soziale Normen geeignet, das sanktionierende Kriterium der Anstiftung zu begründen. Um durch eine (soziale) Norm einen bestimmten Handlungsdruck aufzubauen, ist es allerdings unerheblich, ob der jeweilige sanktionsbewehrte 443 Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 159; wohl auch Nydegger, Zurechnungsfragen, S. 314; Joerden, Verantwortlichkeitsbegriff, S. 122; ders., FS f. Puppe 2011, 563, 571 f.; Nepomuck, Anstiftung, S. 175; Renzikowski, Täterbegriff, S. 124. 444 Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 165; zur Allgemeingültigkeit dieses Prinzips vgl. auch Aronson/Wilson/Akert, Sozialpsychologie, S. 353.

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Verhaltensmaßstab durch den Adressaten tatsächlich akzeptiert wird. Vielmehr ist es ausreichend, dass der Rezipient die Realisation der angedrohten Sanktion für möglich hält und sich aufgrund dessen aufforderungskonform verhält.445 Um die jeweilige Gruppennorm für die Begründung des Aufforderungscharakters zu nutzen, muss sich der jeweilige Anstifter nicht explizit darauf berufen. Vielmehr ist es ausreichend, wenn der Adressat mit den Gruppennormen vertraut ist und er die entsprechende Aussage richtig interpretiert. Auf diese Weise kann eine objektiv neutrale Aussage durch das eingeweihte Gruppenmitglied als sanktionsbewehrte Aufforderung verstanden werden. So war es ein sanktionsbewehrter Befehl, wenn Hitler im Kreise seiner Generäle eine bestimmte militärische Operation „anregte“.446 Die unterschwellig mitkommunizierte Drohung war für den außenstehenden Betrachter nicht zu erkennen, daher handelte es sich hier um eine Norm mit relativem Geltungsgehalt. Um die Sanktionsbewehrtheit nicht bei jeder Einsatzbesprechung erneut herausstellen zu müssen, hat sich innerhalb der Gruppe das Selbstverständnis herausgebildet, wonach Hitlers „Vorschläge“ als Befehle anzusehen waren. Ein anderes Beispiel sind alltägliche Höflichkeitsanfragen, die aufgrund ihrer Formulierung keine ausdrücklichen Sanktionen aufweisen, aber aufgrund des sozialen Kontextes eine gewisse Sanktionsandrohung beinhalten. So ist die Frage des Vaters gegenüber seinem Sohn ihm am Frühstückstisch doch „bitte“ das Salz zu reichen, keine „Bitte“ im eigentlichen Sinne. Eine Bitte als solche würde eine völlige Entscheidungsfreiheit des Gebetenen voraussetzen. Sollte der Sohn sich hier der Aufforderung seines Vaters widersetzen, dann weiß er, dass ihm negative Konsequenzen drohen würden.447 In seiner Besprechung des BGH-Urteils zu einer Gruppenvergewaltigung448 erkannte auch Roxin die Notwendigkeit eines sanktionsbewehrten Kriteriums an, um einer einfachen Aussage, den für die Anstiftung nötigen Aufforderungscharakter zu verleihen.449 In diesem Fall hatte der Angeklagte A, nachdem er die Zeugin vergewaltigt hatte, den bis dahin zur Tat noch nicht entschlossenen P mit der Frage 445 Vgl. hierzu das Beispiel zu den normativen Erwartungen der DDR-Bürger und ihrer Akzeptanz des politischen Systems, unter 1. Kapitel, C.IV.1. konkret auf S. 111. 446 Beispiel nach Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 169. 447 Beispiel nach Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 169. 448 BGH, GA 1980 [127], 183 f. 449 Roxin, AT II, § 26 Rn. 82.

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„Willst Du auch noch?“ dazu veranlasst, mit ihr ebenfalls gegen ihren Willen geschlechtlich zu verkehren. Den Sanktionscharakter dieser Frage gewinnt auch Roxin aus den sonstigen Gesamtumständen, also den sozialen Gruppennormen. Nur weil der Aufgeforderte durch die Verneinung der Frage sein Ansehen innerhalb der Gruppe verloren hätte, da die übrigen Gruppenmitglieder ihn sonst als Feigling angesehen hätten, war hier eine Anstiftung zu bejahen.450 b) Die sprachlichwissenschaftliche Bedeutung der intendierten Äußerung (sekundäre Illokution) Das beschriebene Auseinanderfallen der gemeinten und der wörtlich ausgedrückten Äußerung wird ebenfalls von Searle beschrieben. Eine Illokution, deren äußere Form von der beabsichtigten Intention abweicht wird als indirekter Sprechakt definiert, weil der Sprecher seinen Handlungswunsch nicht auf direktem Weg ausdrückt.451 Diese indirekten Sprechakte weisen oft die äußere Form einer Frage oder einer Anregung auf, wobei sie allerdings (bei näherer Kenntnis der sonstigen sozialen Normen) als sanktionsbewehrte Aufforderung zu verstehen sind.452 Darüber hinaus können auch einfache Aussagen bereits einen Aufforderungscharakter aufweisen, soweit sich dieser aus den sonstigen Gesamtumständen ergibt. So kann z. B. der Satz: „Hier zieht es.“ als Aufforderung das Fenster zu schließen verstanden werden.453 Um die gemeinte von der wörtlich ausgedrückten Äußerung differenzieren zu können, hat Searle die Termini der primären und sekundären Illokution entwickelt. Unter der primären Illokution versteht er die tatsächlich gemeinte Intention, also in aller Regel die beabsichtigte Aufforderung. Im Gegensatz dazu beschreibt er durch die sekundäre Illokution die wörtlich ausgedrückte Äußerung.454 Wendet man diese Erkenntnisse auf die von Roxin aufgegriffene BGHEntscheidung an, welche den Fall der Gruppenvergewaltigung zum Gegenstand hatte, so wird die Einschätzung Roxins bestätigt, wonach er in Übereinstimmung mit dem BGH die Frage des A als taugliche Anstiftung ein450 So auch Roxin, AT II, § 26 Rn. 82; sich anschließend Nydegger, Zurechnungsfragen, S. 322. 451 Searle, Ausdruck und Bedeutung, S. 51 ff.; auch Meibauer, Pragmatik, S. 101 ff.; auch Hamel, Strafen als Sprechakt, S. 47 in Fn. 31. 452 Vgl. hierzu die dargestellten Beispiele S. 445 f. 453 Meibauer, Pragmatik, S. 101. 454 Searle, Ausdruck und Bedeutung, S. 54; Meibauer, Pragmatik, S. 101 f.

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stufte. Die sekundäre Illokution, also die äußere Form einer höflichen Frage, war nicht mit der tatsächlichen Intention des A kongruent. Unter Berücksichtigung der sonstigen sozialen Normen musste auf die primäre Illokution, also die tatsächliche Intention des Sprechers abgestellt werden, wonach die Frage als sanktionsbewehrte Aufforderung zu verstehen war. Die primäre Illokution erfüllte demnach die Bedingungen der direktiven Sprechaktklasse. c) Die psychologischen Wirkmechanismen Die Frage, warum spezielle soziale Konstellationen geeignet sind, bei dem Rezipienten einen Handlungsdruck zu erzeugen, der dem verpflichtenden Charakter des direktiven Elements entspricht, kann nur bei genauerer Betrachtung der dahinter stehenden psychologischen Wirkmechanismen beantwortet werden. Cialdini beschreibt in seinem Psychologielehrbuch „Die Psychologie des Überzeugens“ zahlreiche Mechanismen, mit denen Menschen von bestimmten Standpunkten überzeugt werden können. Jedes dieser psychologischen Prinzipien funktioniert letztlich durch die Begründung einer einseitigen Erwartung seitens des Sprechers, durch welche er auf eine Verpflichtung des Rezipienten abzielt. Diese Wirkmechanismen sind im Ergebnis die psychologische Begründung für das tatsächliche Funktionieren der Anstiftung. Exemplarisch für die Begründung des negativen Handlungsdrucks sind in diesem Zusammenhang die Prinzipien „Commitment und Konsistenz“, der Autorität, der sozialen Bewährtheit sowie der Reziprozität zu nennen. Die ersten drei Mechanismen gehen im Kern auf das folgende psychologische Wirkprinzip zurück: Menschen sind gezwungen, sich in einer komplexen Welt zu Recht zu finden. Um dieses möglichst effektiv bewerkstelligen zu können, automatisieren sie bestimmte Denkprozesse, um geistige Kapazitäten sparen und sich den eigentlichen Herausforderungen stellen zu können.455 Diese Automatisierung kann durch eine einmal getroffene Entscheidung oder eine soziale Vorauswahl etc. begründet werden. Das Durchbrechen einer solchen Automatisierung fällt üblicherweise besonders schwer. Zum einen müssen bereits verfestigte Denkstrukturen abgeändert werden und zum anderen erfordert die Änderung einer bereits getroffenen Entscheidung stets einen erhöhten Begründungsaufwand gegenüber der jeweiligen Gruppe. Es besteht also stets ein gewisser Druck, sich konsistent zu bereits getroffenen Ent455 Cialdini, Psychologie, zu Commitment und Konsistenz S. 93; zur sozialen Bewährtheit S. 154; zu dem Autoritätsprinzip S. 269.

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scheidungen zu verhalten bzw. sich den vorherrschenden Gruppennormen anzupassen.456 aa) Commitment und Konsistenz Das Prinzip von Commitment und Konsistenz entspricht im Wesentlichen der von Amelung beschriebenen Vermeidung eines antizipierten Dissenses, also der „Schwierigkeit, Nein zu sagen“.457 Sobald eine Person eine Entscheidung trifft oder eine Position vertritt, entstehen intrapsychologische und interpersonelle Kräfte, die sie dazu drängen, sich „konsistent“ zu der getroffenen Festlegung zu verhalten. Diese Kräfte veranlassen sie sogar dazu, die frühere Entscheidung zu rechtfertigen, auch wenn sie nach einer objektiven Betrachtung falsch ist.458 Neben dem erhöhten Begründungsaufwand nach außen, erzeugt ein widersprüchliches Verhalten ein Gefühl des Scheiterns bzw. des Unbehagens. Nicht zuletzt deshalb, weil die Gesellschaft inkonsistente Menschen zumindest als schwach, wenn nicht sogar als verwirrt, falsch oder gar geisteskrank ansieht.459 Jedoch muss die Kraft der Konsistenz zunächst einmal aktiviert werden. Dies geschieht durch die Bindung auf eine bestimmte Festlegung. Sozialpsychologen bezeichnen diese Festlegung als Commitment.460 Wenn es einer Person gelingt, den Rezipienten dazu zu bewegen, einen bestimmten Standpunkt zu vertreten bzw. sich zu etwas zu bekennen, dann sind die Voraussetzungen dafür geschaffen, sich ohne lange zu überlegen, in Einklang mit dieser Festlegung zu verhalten. Sobald der Standpunkt eingenommen ist, wird die psychologische Triebkraft der Konsistenz aktiviert.461 Ein Anstifter, der eine andere Person zu dem Bekenntnis einer rechtlich verwerflichen Gesinnung bewegen kann, wird im Anschluss nur weniger Schwierigkeiten haben, diese von der Begehung einer bestimmten Straftat zu überzeugen. Die Durchbrechung des gedanklichen Gleichlaufs mit dem Anstifter würde von dem Angestifteten als negativ bzw. als inkonsistent empfunden werden. 456 Cialdini, Psychologie, S. 90; zu diesem Prinzip auch: Aronson/Wilson/Akert, Sozialpsychologie, S. 57 ff. 457 Vgl. 1. Kapitel, C.II.5. konkret hierzu S. 101. 458 Cialdini, Psychologie, S. 90; Zimbardo/Gerrig, Psychologie, S. 652; Forgas, Soziale Interaktion, S. 170 ff. 459 Cialdini, Psychologie, S. 92; Aronson/Wilson/Akert, Sozialpsychologie, S. 163 ff.; Forgas, Soziale Interaktion, S. 172. 460 Cialdini, Psychologie, S. 101. 461 Cialdini, Psychologie, S. 101 f.; Zimbardo/Gerrig, Psychologie, S. 652; Aronson/Wilson/Akert, Sozialpsychologie, S. 163 ff. sowie als Ausfluss der Reziprozitätsnorm S. 352 f.; Forgas, Soziale Interaktion, S. 170 ff.

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bb) Das Prinzip der Autorität Ein weiteres psychologisches Wirkprinzip, welches geeignet ist, einen Handlungsdruck durch eine negative Sanktionierung aufzubauen, ist das Prinzip der Autorität. Menschen haben die angeborene und durch Erziehung verstärkte Neigung, sich Autoritäten unterordnen zu wollen. Durch die Befolgung der Anweisung von Autoritätspersonen spart der einzelne wiederum geistige Kapazitäten, indem er sich nicht mehr mit jedem Problem detailliert auseinandersetzen muss. Im Grundsatz besteht hierbei die Annahme, durch die Befolgung der Anweisung der Autoritätsperson das Richtige zu tun. Damit wird der Handelnde vom Prozess der Entscheidungsfindung entlastet. Darüber hinaus wird die individuelle Verantwortung für den jeweiligen Ausführungsschritt auf den Anweisenden übertragen.462 Das Prinzip des Gehorsams gegenüber Autoritäten begründet sich darüber hinaus auf sozialevolutiven Faktoren. Die Weiterentwicklung des Menschen konnte sich nur durch eine Differenzierung der Strukturen von Produktion, Handel, Verteidigung etc. vollziehen. Da es sich bei den frühen Gesellschaften um Kleingruppen handelte, mussten diese Bereiche zentral gesteuert werden, um eine größtmögliche Effektivität zu erzielen. Die Verweigerung dieses Prinzips, auch in der heutigen Gesellschaft, wäre die Anarchie. Eine Förderung der menschlichen Entwicklung wäre nicht mehr gegeben.463 Dieser genetisch veranlagte Hang, sich Autoritäten unterordnen zu wollen, wird zusätzlich durch die Erziehung in der Kinder- und Jugendzeit verstärkt. Autoritätsfiguren wie Eltern oder Lehrer sind in dieser prägenden Phase nicht nur die hauptsächlichen Quellen der Lebenserfahrung, sie bestimmen auch über den Zugang zu Dingen, die besonders begehrt werden. Zudem wird diesen erziehenden Personengruppen ein besonderer Respekt zugemessen.464 In unserer heutigen vielschichtigen Gesellschaft, kann einer unbekannten Person nicht von vornherein Macht, Status oder besonderer Sachverstand zugemessen werden. Zur Beurteilung der jeweiligen Autorität haben sich daher gewisse Vereinfachungsmechanismen entwickelt. Menschen verbinden 462 Cialdini, Psychologie, S. 269; Zimbardo/Gerrig, Psychologie, S. 696 ff.; Aronson/Wilson/Akert, Sozialpsychologie, S. 261 ff., zum Verlust der persönlichen Verantwortung S. 268; Forgas, Soziale Interaktion, S. 254 ff. Auch Amelung zieht dieses Prinzip für die Begründung der negativen Sanktion heran, vgl. FS f. Schroeder 2006, 147, 165; auch Nepomuck, Anstiftung, S. 186. 463 Cialdini, Psychologie, S. 268; Hartmann, Funktionale Autorität, S. 1 ff. 464 Levine, Psychologie der Manipulation, S. 53.

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das Merkmal der Autorität mit Symbolen, diese zeichnen sich insbesondere durch Kleidung, Luxusartikel oder besondere Titel aus.465 Der Aufforderung einer Autoritätsperson kann sich ein Rezipient nur schwer widersetzen, da er wiederum aus seinem durch die Evolution vorgefertigten Denkschema ausbrechen müsste. Darüber hinaus wird von dem Aufgeforderten eine Begründung erwartet, mit der er seine Entscheidung, sich dem Handlungswunsch der Autoritätsperson zu widersetzen, darlegen muss. Diese zwei (kumulativ wirkenden) Aspekte sind ebenfalls geeignet einen entsprechenden negativen Handlungsdruck zu begründen, der einer bloßen Aussage einen appellativen Charakter verleihen kann. cc) Das Prinzip der sozialen Bewährtheit Ein weiteres psychologisches Prinzip, welches einen Handlungsdruck im Sinne einer negativen Sanktionierung zur Folge hat, ist das der sozialen Bewährtheit.466 Dieses Prinzip, so einfach es auch ist, ist wohl das stärkste der hier vorgestellten negativen psychologischen Wirkmechanismen. Psychologischen Studien zufolge sind 95 Prozent aller Menschen Nachahmer und nur 5 Prozent der Menschen führen Handlungen und Verhaltensweisen unbeeinflusst aus und erreichen damit für die übrigen eine Vorbildfunktion. Dabei lassen sich die Nachahmer unterbewusst mehr durch die Handlungen anderer überzeugen als durch jedes andere Argument.467 Dieses Prinzip basiert auf zwei psychologischen Wirkmechanismen. Zum einen spielt die beschriebene Vorliebe für die Automatisierung von Denkprozessen eine tragende Rolle, da wiederum die geistigen Ressourcen des Einzelnen geschont werden. Wenn viele Personen etwas tun, dann geht der Einzelne davon aus, es sei das Richtige. Da dieses Prinzip in der Mehrheit der Fälle zu richtigen Entscheidungen führt, ist dessen psychologischer Wirkmechanismus so effektiv.468 Zum anderen wird dieses Prinzip durch eine gefühlte Aufteilung der Verantwortlichkeit verstärkt. Die gefühlte Verantwortlichkeit des Einzelnen auch für Entscheidungen, die letztlich nur ihn selbst betreffen, wird reduziert, wenn er glaubt, alle anderen hätten in der konkreten Situation ge465

Cialdini, Psychologie, S. 273; Levine, Psychologie der Manipulation, S. 53 f. Cialdini, Psychologie, S. 151 ff.; Aronson/Wilson/Akert, Sozialpsychologie, S. 233 ff. 467 Cialdini, Psychologie, S. 157. 468 Cialdini, Psychologie, S. 154; zur Automatisierung von Denkprozessen: Aronson/Wilson/Akert, Sozialpsychologie, S. 57 ff. sowie S. 233 ff. 466

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nauso gehandelt. Er sagt sich: „Was andere tun, kann eigentlich nicht falsch sein.“.469 Sich bei einer Entscheidung gegen die Meinung der Masse zu stellen, erzeugt ein Gefühl des Unbehagens sowie einen gewissen Rechtfertigungsaufwand, den der Einzelne vermeiden möchte. Mithin kann auch durch das Prinzip der sozialen Bewährtheit einer bloßen Aussage ein appellativer Charakter verliehen werden. dd) Reziprozität Ein anderer psychologischer Effekt, um den Handlungsdruck im Sinne einer negativen Sanktionierung bei dem Anzustiftenden zu erzeugen, ist das Prinzip der Reziprozität.470 Dieser Mechanismus wird sehr häufig in der Werbung aber auch der Politik eingesetzt, um potentielle Käufer bzw. Verbündete zu gewinnen. Dieses psychologische Prinzip basiert auf dem verpflichtenden Gefühl, welches entsteht, wenn jemandem etwas unerwartet zugewendet wird. Eine Person, die ein Geschenk erhält, fühlt sich automatisch gegenüber dem Schenker verpflichtet. Das Hervorrufen dieser Verpflichtung ist das eigentliche Ziel derartiger (Werbe-)Maßnahmen.471 Insgesamt ist festzuhalten, dass Personen, die normalerweise unbeliebt sind, wie unwillkommene Geschäftemacher, Vertreter etc. ihre Chancen auf einen Geschäftsabschluss drastisch erhöhen, indem sie ihren potentiellen Kunden zunächst einen kleinen Gefallen erweisen, ehe sie ihr Anliegen vortragen.472 469 Cialdini, Psychologie, S. 171; Aronson/Wilson/Akert, Sozialpsychologie, S. 242 ff. 470 Zum Prinzip der Reziprozität: Cialdini, Psychologie, S. 43 ff.; Aronson/Wilson/Akert, Sozialpsychologie, S. 352 ff.; Levine, Psychologie der Manipulation, S. 100 ff. Auch Amelung hat dieses Prinzip für die Begründung der negativen Sanktion erkannt, vgl. FS f. Schroeder 2006, 147, 165. 471 Ein typisches Beispiel aus dem Alltag ist die (oft teuer erkaufte) Gratisprobe im Supermarkt. Diese Methode hat in der Werbung eine sehr lange Tradition und verfolgt im Wesentlichen zwei Ziele. Das vordergründige Ziel, welches natürlich von dem jeweiligen Anbieter auch eingeräumt wird, ist die Produktinformation. Der potentielle Käufer soll dadurch die Gelegenheit bekommen, sich mit dem Produkt vertraut zu machen und dessen Vorzüge kennen zu lernen. Der hintergründige Effekt ist das Ausnutzen der Reziprozitätsregel durch den Verkäufer. Derjenige, der die Gratisprobe annimmt und das Produkt vielleicht sofort verzehrt, fühlt sich dadurch verpflichtet, das entsprechende Produkt zu kaufen. Cialdini, Psychologie, S. 54 f. 472 Cialdini, Psychologie, S. 49; Zimbardo/Gerrig, Psychologie, S. 651; Aronson/ Wilson/Akert, Sozialpsychologie, S. 353.

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Dieses Netz der „gegenseitigen Dankesschuld“ ist, wie nahezu alle vorgestellten psychologischen Wirkmechanismen, ein sozialevolutives Prinzip und daher in allen menschlichen Kulturen zu beobachten. Die Reziprozität ist der Ausgangspunkt unserer arbeitsteiligen Gesellschaft und damit der Kern der sozialen Höherentwicklung. Durch dieses Prinzip konnten Menschen wichtige Ressourcen wie Nahrung, Energie oder Zuwendungen verschenken ohne den Wert des Geschenks wirklich zu verlieren. Durch diesen Effekt wurden hoch koordinierte und entwickelte Systeme der gegenseitigen Hilfeleistung, des Schenkens, der Verteidigung und des Handelns möglich und brachten den Gesellschaften, die über sie verfügten, immense Vorteile. Durch diese Entwicklung wurde das psychologische Prinzip der Reziprozität tief in der genetischen Programmierung des Menschen verankert.473 Zusätzlich wird es durch gesellschaftliche Zwänge verstärkt, die sich aus dieser genetischen Vorgabe heraus entwickelt haben.474 Das negative Gefühl des Verpflichtetseins, welches eine Zuwendung in uns auslöst, entspricht ebenfalls dem negativen Sanktionscharakter, welcher für die Anstiftung nötig ist, um den geforderten Handlungsdruck bei dem Anzustiftenden zu erzeugen. ee) Zwischenergebnis Durch die exemplarische Darstellung der verschiedenen Mechanismen, welche die zwischenmenschliche Interaktion beeinflussen, wurde deutlich, dass es nicht ausreichend ist, auf den reinen verbalen Gehalt einer Aussage abzustellen, um deren tatsächliche Intention zu ergründen. Da die psychologischen Mechanismen derart breit gefächert sind, beeinflussen sie nahezu jede menschliche Kommunikation (zumindest unterschwellig) mit. Letztendlich ist jede kommunikative Einwirkung immer dann als taugliche Anstiftung zu werten, wenn für den Rezipienten der eingangs beschriebene Zwiespalt offenkundig wird. Der Rezipient muss (im Rahmen der negativen Sanktionierung) vor die Wahl zwischen zwei negativen Konsequen473

Cialdini, Psychologie, S. 45 f. Im Ergebnis so auch Cialdini, Psychologie, S. 47. Ein Beispiel für unseren Kulturkreis ist das folgende: Erhalten Personen eine Einladung zu einem Abendessen, dann gehört es zum gesellschaftlich guten Ton, dass sie sich hierfür auch erkenntlich zeigen. Es würde das Ehrgefühl der Besucher kränken und in ihnen ein schlechtes Gefühl erzeugen (negative Sanktionierung), sollten sie zu dieser Einladung mit leeren Händen erscheinen. Die obligatorische Flasche Wein hat der Gast zu einer derartigen Einladung im westlich geprägten Kulturkreis mitzubringen, um das Gefühl der Verpflichtung abzulegen und sein gesellschaftliches Ansehen zu wahren. 474

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zen gestellt werden, von denen die eine durch das Interesse an der Straffreiheit vordefiniert ist. 3. Die positive Sanktion (Belohnung) Der grundlegende Aspekt, der das appellative Element im Rahmen der negativen Sanktionierung begründet, ist die Möglichkeit, das bestehende Wertesystem des Angestifteten zu beeinflussen. Dem Angestifteten wurde die Wahl zwischen zwei negativen Konsequenzen eröffnet. Eine vergleichbare Zwangslage kann aber ebenso durch das Inaussichtstellen einer Belohnung erzeugt werden.475 Das Versprechen einer materiellen oder immateriellen Belohnung, um eine bestimmte Straftat zu begehen, wird von der ganz herrschenden Meinung auch als taugliche Anstiftungshandlung gewertet.476 In diesem Fall wird dem, bei der Anstiftung stets feststehenden Wert des Straffreiheitsinteresses477, eine mögliche Gewinnchance gegenüber gestellt. Eine Anstiftung ist in diesem Fall immer dann erfolgreich, wenn der durch den Anstifter neu gesetzte Wert, nämlich die in Aussicht gestellte Belohung, von dem Angestifteten höher als sein Straffreiheitsinteresse gewichtet wird.478 Im Vergleich zu dem appellativen Charakter, der auf die negative Sanktionierung zurückzuführen ist, erscheint die Auslobung einer Belohnung auf den ersten Blick als die weniger intensive Art der Einwirkung. Der aus einer in Aussicht gestellten Belohnung resultierende psychologische Handlungsdruck kann aber dieselbe Intensität erreichen, wie ihn auch eine nega475 Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 167 f.; im Ergebnis auch Joerden, Verantwortlichkeitsbegriff, S. 122 f.; Nepomuck, Anstiftung, S. 172 ff.; Renzikowski, Täterbegriff, S. 124. 476 BGHSt 37, 214; BGH, NJW 2005, 996; 998; NStZ 1998, 347, 348; RGSt 5, 227, 228; 37, 172; Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 167 ff.; Schönke/Schröder/ Heine, § 26 Rn. 5; Joerden, Verantwortlichkeitsbegriff, S. 122 f.; Nepomuck, Anstiftung, S. 172 ff.; Renzikowski, Täterbegriff, S. 124; Nydegger, Zurechnungsfragen, S. 313 f.; Ingelfinger, Anstiftervorsatz, S. 181, 227; Charalambakis, FS f. Roxin, 625, 635 f.; Jakobs, AT, 22/22; Kühl, AT, § 20 Rn. 176; D. Meyer, JuS 1970, 529, 531; Roxin, AT II, § 26 Rn. 80; Köhler, AT, S. 521; Wessels/Beulke, AT, Rn. 568. 477 Vgl. 1. Kapitel, C.IV. 478 Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 167 f.; im Ergebnis auch Joerden, Verantwortlichkeitsbegriff, S. 122 f.; Nepomuck, Anstiftung, S. 172 ff.; Renzikowski, Täterbegriff, S. 124. Die Einwirkung auf einen bestimmten Rezipienten, um ihn durch die Auslobung eines Vorteils zu einer gewünschten Straftat zu motivieren, bestätigt ebenfalls die sprachwissenschaftliche Einstufung des Wortlauts als direktive Illokution (vgl. 1. Kapitel, C.II.4.), da auch dieses Verhalten auf eine einseitige Verpflichtung des Rezipienten abzielt.

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tive Sanktionierung bewirkt. Dieses wird bei der Betrachtung des psychologischen Wirkmechanismus deutlich, den die Knappheit bestimmter Ressourcen auf das menschliche Handeln ausübt.479 a) Der psychologische Wirkmechanismus der Knappheit Wie alle vorgestellten Wirkmechanismen, wird auch die (künstliche) Verknappung im Bereich des Marketings von Werbepsychologen eingesetzt, um die Nachfrage eines Produkts zu steigern. Das Prinzip der Verknappung wird hierbei in der Regel durch die künstliche Begrenzung der Angebotsmenge oder der Angebotszeit verwirklicht.480 In psychologischer Hinsicht kumulieren sich hierbei zwei Prinzipen. Der erste Mechanismus ist wiederum das Bestreben nach größtmöglicher Selektion der bestehenden Handlungsmöglichkeiten und die menschliche Vorliebe für Handlungsautomatismen.481 Ein menschlicher Erfahrungssatz lautet, dass Dinge, die nur schwer zu bekommen sind, in der Regel besser sind als solche, derer man leicht habhaft werden kann. Damit stellt die Verfügbarkeit einer Sache ein Kriterium für deren Qualität dar.482 Der andere Wirkmechanismus ist Ausdruck der psychologischen Reaktanztheorie. Nach dieser Theorie wird es für den Menschen als besonderer Verlust empfunden, wenn ein einmal besessenes Vorrecht bzw. Freiheit verloren geht. Bereits die Androhung des Verlustes eines bestehenden Status führt zu einer Gegenreaktion, welche die Intensivierung des Interesses an dieser Sache bzw. Freiheit zur Folge hat.483 b) Die Wirkung im Bereich der Anstiftung Im Bereich der Anstiftung wird der Handlungsdruck einer positiven Sanktion durch zwei grundsätzliche Mechanismen erzeugt. Zum einen stellt die ausgelobte Belohnung einen Anreiz dar, der bereits für sich genommen ausreichend groß sein kann, die angetragene Tat zu begehen. Je begehrter und damit wertvoller die Belohnung für den Angestifteten ist, desto intensiver wird der entsprechende Handlungsdruck ausfallen. 479 Zu dem Prinzip der Knappheit Cialdini, Psychologie, S. 293 ff. Auch Amelung (FS f. Schroeder 2006, 147, 168) hat bereits den Zusammenhang zwischen der positiven Sanktionierung und der künstlichen Verknappung beschrieben. 480 Cialdini, Psychologie, S. 297 f.; Zimbardo/Gerrig, Psychologie, S. 652. 481 Hierzu bereits 1. Kapitel, C.IV.2.c)aa). 482 Cialdini, Psychologie, S. 300. 483 Cialdini, Psychologie, S. 302; Forgas, Soziale Interaktion, S. 98 f.; Aronson/ Wilson/Akert, Sozialpsychologie, S. 213 f.

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Der von der Belohnung ausgehende Handlungsdruck kann zusätzlich intensiviert werden, indem das Angebot künstlich verknappt wird. Dieser besondere Druck, also die Angst des Verlusts einer bestehenden Wahlfreiheit (die aus der Reaktanztheorie resultiert), tritt neben die in Aussicht gestellte Gewinnchance. Streng genommen wird das Element der Verknappung im kriminellen Umfeld (zumindest unterschwellig) stets vorhanden sein, da Abmachungen im „Verbrechermilieu“ oftmals keine hinreichend sichere Bindungswirkung entfalten dürften. Darüber hinaus unterliegt jedes Angebot einer gewissen zeitlichen Begrenzung. Der Rezipient wird sich in aller Regel schnell entscheiden müssen, ob er das Angebot für die Tatbegehung annimmt oder nicht. Durch die Möglichkeit das unterbreitete Angebot jederzeit wieder entziehen zu können, wird der Einfluss des Anstifters zusätzlich verstärkt. Der Handlungsdruck im Rahmen der positiven Sanktionierung wird durch die Freude an dem möglichen Gewinn einerseits sowie der gleichzeitig (in aller Regel) vorhandenen Verlustangst andererseits begründet.484 4. Rechtlich problematische Konstellationen Durch die bisherigen Untersuchungen konnte aufgezeigt werden, wodurch das korrumpierende Element im Rahmen der Anstiftung begründet wird. Erforderlich ist immer eine kommunikative Einflussnahme, die geeignet ist, auf das bestehende Wertesystem des Anzustiftenden einzuwirken. Durch das Hinzufügen eines neuen externen Wertes, wird das bisher bestehende Wertegleichgewicht korrumpiert, da dem Straffreiheitsinteresse ein neuer Wert gegenübergestellt wird. Der im Erfolgsfall daraus resultierende Handlungsimpuls beruht auf dem vom Anstifter initiierten Wertekonflikt.485 Diese Wirkung kann aber nur erreicht werden, wenn die Einwirkungshandlung in auffordernder Weise vollzogen wird, um gegenüber dem Erklärungsempfänger einen gewissen Handlungsdruck zu erzeugen. Dieser appellative Charakter entspricht wiederum dem Element, welches in der Sprachwissenschaft die direktive Sprechaktklasse begründet.486 Grundsätzlich ist eine Verschiebung des Wertesystems des Rezipienten in zwei Richtungen möglich. Zum einen kann ihm ein Wertgewinn in Aussicht gestellt werden, zum anderen kann er auch durch die Androhung eines möglichen Wertverlusts zu der beabsichtigen Handlung motiviert werden. Durch diese grobe Unterteilung der Motivationsmöglichkeiten werden je484 485 486

So auch Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 168. Im Ergebnis auch Nydegger, Zurechnungsfragen, S. 310 ff. Vgl. 1. Kapitel, C.II.2. und 4.

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doch nicht alle Konstellationen erfasst, die geeignet sind, einer Aussage den nötigen Handlungsdruck zu verleihen. Im Folgenden sollen besonders problematische Sonderkonstellationen untersucht werden. a) Der Ratschlag Unter dem Rat wird in sprachlicher Hinsicht eine (Verhaltens-)Empfehlung verstanden, die der Ratgebende aufgrund besonderer Kenntnisse, Erfahrungen etc. an den Ratsuchenden vermittelt.487 Bereits diese erste sprachliche Einordnung deutet an, dass der Rat wohl eher als ein Fall der Beihilfe zu verstehen ist. Allerdings kann die sprachliche Einschätzung nicht die rechtliche Auseinandersetzung des vorliegenden Problems ersetzen. Der Ratgeber konkretisiert mehr oder minder präzise die Modalitäten der Tatbegehung. Dabei kann er vorhandene Pläne modifizieren und so z. B. einen möglichen Einbruch für den Täter sicherer gestalten oder auch neue Tatmöglichkeiten aufzeigen. In der Konsequenz zu den bisherigen Ausführungen wird durch einen Ratschlag das bestehende Wertesystem des Haupttäters nicht verändert. Dieses wird besonders deutlich, wenn man den Ratschlag als Information über eine bestimmte Sachlage versteht. Diese Tatsachen liegen immanent vor. Der Einwirkende hätte diese Informationen daher auch selbst erlangen können. Der Hinweis des Ratgebenden ersetzt lediglich eigene Anstrengungen des Einwirkungsempfängers,488 indem er ihm eine Entscheidungshilfe gibt.489 Das Wertegleichgewicht, welches der Haupttäter internalisiert hat, wird nicht durch einen äußeren korrumpierenden Anreiz gestört. Der Einwirkende zeigt „nur“ die konkreten Modalitäten auf, um die Verwirklichung einer bestimmten Tat zu erleichtern, jedoch ohne zusätzliche Werte in das bestehende System einzubringen. Der innere Konflikt, auf eine rechtlich missbilligte Art Vorteile erzielen zu können, ist in jedem Menschen vorhanden. Zwar kann ein Rat dazu beitragen, dass das bisherige Gleichgewicht zugunsten der Tatbegehung ausschlägt und das Straffreiheitsinteresse in der Abwägung unterliegt; da jedoch kein von außen stammender Wert das bestehende Gleichgewicht verändert, basiert der entstehende Handlungsdruck nur auf der Neubewertung 487

Brockhaus/Wahrig, Band 5, S. 289; Duden, Band 5, S. 2099. So Küper zur Warnung in: GA 2006 [153], 439, 465; ders., FS f. Puppe 2011, 1217, 1226 f.; wohl auch Nydegger, Zurechnungsfragen, S. 310 ff. 489 So auch Joerden, Verantwortlichkeitsbegriff, S. 124; ders., FS f. Puppe 2011, 563, 573 f. 488

C. Die grammatikalische Auslegung des Bestimmens in § 26

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des bereits vorherrschenden Wertekonflikts und gerade nicht auf der Einbeziehung von neuen, zusätzlichen Werten.490 Ein weiteres systematisches Element, welches dieses Ergebnis stützt, ist die Vereinbarkeit mit der übergeordneten Teilnahmelehre des akzessorischen Rechtsgutsangriffs. Danach muss die Einwirkungshandlung die Intensität eines eigenständigen Rechtsgutsangriffs aufweisen (selbständiges Element), um als taugliche Teilnahmehandlung angesehen werden zu können.491 Der Hinweis auf einen bereits bestehenden inneren Wertekonflikt verwirklicht kein hinreichend großes Unrecht, um die Erheblichkeit eines eigenständigen Rechtsgutsangriffs zu erreichen. Dieses Ergebnis lässt sich zusätzlich durch die sprachwissenschaftliche Analyse untermauern. Ein Ratschlag vermittelt nur Informationen über eine bestimmte Sachlage, also z. B. eine günstige Tatgelegenheit etc. Sprechakte, die nur auf den reinen Informationstransfer gerichtet sind und gerade nicht auf eine Verpflichtung des Rezipienten abzielen, gehören der assertiven und nicht der direktiven Sprechaktklasse an.492 Der einfache Ratschlag und der Gesetzestext sind jeweils anderen Sprechaktklassen zuzuordnen. Ein Ratschlag ist daher auch in sprachlicher Hinsicht nicht in der Lage, die Voraussetzungen der Anstiftung zu erfüllen.493 490 Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 160 f.; im Ergebnis zustimmend NK/ Schild § 26 Rn. 6 f.; Köhler, AT, S. 522; Nepomuck, Anstiftung, S. 191 f.; Nydegger, Zurechnungsfragen, S. 339; Köstlin, Revision der Grundbegriffe, S. 483; Noltenius, Kriterien der Abgrenzung, S. 283, 285; in der Darstellung wohl auch LPK/ Kindhäuser, § 26 Rn. 12. Die ablehnende Auffassung zählt auch den Ratschlag zu den tauglichen Anstiftungsmitteln, allerdings ohne sich grundlegend mit dem vorliegenden Problem auseinanderzusetzen. BGHSt 19, 339, 340; Fischer, § 26 Rn. 6; M.-K. Meyer, Strafwürdigkeit, S. 124; Stork, Anstiftung, S. 17; Charalambakis, FS f. Roxin 2001, 625, 636; Maurach/Gössel/Zipf, AT II, § 51 Rn. 16; Kudlich/Pragal, JuS 2004, 791, 794; Grünwald, JuS 1965, 311, 313; Baumann, JuS 1963, 125, 130; so auch BGH, StV 2004, 376 f. In dieser Entscheidung nimmt der BGH nicht ausdrücklich zu der Frage des Bestimmens Stellung. Jedoch kritisiert er die Einschätzung der Vorinstanz nicht, die gerade die Raterteilung als Anstiftung wertete. Eine dritte Auffassung nimmt eine Differenzierung hinsichtlich der Kausalität des Rates für die spätere Haupttat vor. Danach könne nicht jeder Rat die Anstiftung begründen, jedoch liege stets dann eine Anstiftung vor, wenn die geistige Beeinflussung eine Anregung zur Begehung der Haupttat in sich berge. So Wessels/Beulke, AT, Rn. 568; wohl auch H. Mayer, AT 1953, S. 321. 491 Vgl. 1. Kapitel, A.III.3.a). 492 Vgl. 1. Kapitel, C.II.2.; von der Intention her auch Joerden, FS f. Puppe 2011, 563, 573 f. 493 Dieses gilt natürlich nur bei direkten Sprechakten, bei denen die primäre und die sekundäre Illokution kongruent sind. In den Fällen indirekter Sprechakte, kann

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b) Die Gewinnvorhersage Im Rahmen der positiven Sanktion stellt sich das Problem, auf welche Weise sich der in Aussicht gestellte Wertgewinn realisiert. Ein Wertgewinn, den der Haupttäter durch die Begehung der Tat selbst realisieren kann, wird von Amelung als bloße Gewinnvorhersage bezeichnet. Derjenige materielle bzw. auch immaterielle Vorteil, der nicht durch die Tat selbst gewonnen, sondern dem Angestifteten für die Begehung der Tat zugewendet wird, bezeichnet Amelung als Belohnung.494 Nach den bisherigen Ausführungen ist nur die Belohnung geeignet, den Haupttäter zu korrumpieren und damit die, an die Anstiftung gestellten Anforderungen zu erfüllen. Durch die Auslobung einer Belohung wird dem bestehenden Wertesystem des Haupttäters ein Wert hinzugefügt, der für ihn bisher nicht erreichbar war. Nur ein neuer, externer Wert verursacht die erforderliche Zwangslage, in der sich der Angestiftete entscheiden muss, ob ihm die Straffreiheit oder die entsprechende Belohnung wichtiger ist.495 Im Gegensatz dazu wird durch eine bloße Gewinnvorhersage kein neuer Wert in das bestehende Wertesystem eingebracht, sondern es wird nur auf eine bereits bestehende Gewinnchance verwiesen. Streng genommen stellt die Gewinnvorhersage einen Sonderfall des Ratschlags dar. Denn auch hierbei konkretisiert der Ratgeber gegenüber dem Täter eine besondere Modalität der Tat, nämlich er weist ihn auf ein besonders lohnenswertes Angriffsziel hin. Die Möglichkeit einen begehrten Vorteil auf deliktischem Weg zu erzielen, steht in immanenter Weise dem Straffreiheisinteresse gegenüber. Da sich diese Tatsache als vorgegebene Größe in dem bestehenden Wertesystem des Rezipienten wiederfindet, übt eine solche Gewinnvorhersage keinen korrumpierenden Einfluss aus. Sie ist lediglich als Hinweis auf den bestehenden Wertkonflikt zu verstehen, den der Angestiftete nochmals überdenken und gegebenenfalls neu gewichten kann.496

auch eine einfache Aussage auf der Ebene der primären Illokution einen Aufforderungscharakter erhalten, vgl. hierzu 1. Kapitel, C.IV.2.b). 494 Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 157. 495 Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 157; im Ergebnis zustimmend MüKo/ Joecks, § 26 Rn. 20; Joerden, Verantwortlichkeitsbegriff, S. 124; ders., FS f. Puppe 2011, 563, 572 f.; Nepomuck, Anstiftung, S. 185 ff.; Jakobs, AT, 22/22; näher zur Belohnung (positive Sanktion) vgl. 1. Kapitel, C.IV.3. 496 Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 157; im Ergebnis zustimmend MüKo/ Joecks, § 26 Rn. 20; Joerden, Verantwortlichkeitsbegriff, S. 124; Nepomuck, Anstiftung, S. 185 ff.; Jakobs, AT, 22/22; Nydegger, Zurechnungsfragen, S. 313.

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c) Bitten und Wünsche Bereits an anderer Stelle wurde die Anstiftungsrelevanz von Bitten und Wünschen angedeutet.497 Diese stellen aus Sicht des mit ihnen einhergehenden Verbindlichkeitscharakters die unterste Stufe der Direktiva dar, da der Einwirkende gerade nicht über die tatsächliche Möglichkeit verfügt, den Rezipienten zu sanktionieren bzw. er sich gerade nicht auf die ihm zustehende Machtposition stützt. Da diese Einwirkungshandlungen aber dennoch auf eine einseitige Verpflichtung des Adressaten abzielen, unterfallen sie der direktiven Sprechaktklasse.498 Aufgrund des augenscheinlichen Fehlens eines externen Verbindlichkeitselements lehnt Nepomuck den Aufforderungscharakter von Bitten und Wünschen ab. Trotzdem gelangt er intuitiv zu dem richtigen Ergebnis, Bitten und Wünsche als taugliche Anstiftungshandlungen einzustufen.499 Entgegen Nepomuck begründet der Einwirkende durch den Ausspruch einer Bitte bzw. eines Wunsches einen einseitigen Handlungsdruck, auch wenn dieser in der Regel nur eine relativ geringe Intensität aufweist. Durch eine Bitte bzw. einen Wunsch fügt der Rhetor eine neue Interaktionsbedingung ein, deren Befolgung er (enttäuschungsfest) erwartet. Enttäuscht der Rezipient diese an ihn gesetzte Erwartung, entsteht in der Kommunikationsbeziehung ein Dissens. Um diese Kommunikationsstörung zu beseitigen, erwartet der Rhetor (zumindest konkludent) eine Begründung seines Kommunikationsgegners.500 Die Antizipation dieser Argumentationslast stellt für sich genommen einen neuen, externen Wert dar, der in das bestehende Wertegleichgewicht des Rezipienten einfließt. Dieser neue Wert, auch wenn er zum Teil nicht besonders intensiv sein mag, stellt ein Element dar, welches den Einwirkenden in die Lage versetzt, gegenüber seinem Kommunikationspartner einen sanktionsbewehrten Handlungsdruck aufzubauen. Bitten und Wünsche sind daher als taugliche Anstiftungshandlungen anzusehen.501 Auch an dieser Stelle stimmt das Ergebnis der rechtlichen Beurteilung und der Sprechaktklassifikation überein. Nach der Sprechaktklassifi497

Vgl. 1. Kapitel, C.II.5. Vgl. 1. Kapitel, C.II.2. und 5.; im Ergebnis auch Joerden, FS f. Puppe 2011, 563, 576 f. 499 Nepomuck, Anstiftung, S. 182. 500 Vgl. 1. Kapitel, C.II.5. konkret S. 100.; ähnlich bereits schon Langenbeck und Schütze, vgl. 1. Kapitel, B. IV. 4. a) auf S. 73. 501 Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 166 f.; im Ergebnis auch RGSt 36, 402, 404 f.; Nepomuck, Anstiftung, S. 182; Joerden, FS f. Puppe 2011, 563, 576; Baumann, JuS 1963, 125, 130; Wessels/Beulke, AT, Rn. 568. 498

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1. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ in § 26

kation beinhalten alle Direktiva einen Aufforderungscharakter, der letztendlich auch die Voraussetzung für das korrumpierende Element der Anstiftung bildet. d) Der Tipp Der Tipp bildet einen Sonderfall, der zwischen dem Rat, der Gewinnvorhersage und den Bitten bzw. Wünschen anzusiedeln ist. Diese besondere Stellung wird erneut durch einen Blick auf die sprachliche Erklärung deutlich. Danach ist der Tipp als „besonderer Hinweis auf eine Erfolgsmöglichkeit“ bzw. als „Vorhersage eines vermuteten Ergebnisses“ zu verstehen.502 Grundsätzlich ist der Tipp daher als Sonderform des Ratschlags zu begreifen, der dem Rezipienten eine konkretere Möglichkeit der Tatbegehung aufzeigt. Nach der Definition der herangezogenen Wörterbücher ist der Tipp als Rat zu verstehen, der stark der Gewinnvorhersage angenähert ist. Allerdings ist diese Annäherung nicht in jedem Fall zwingend. Der wohl wesentliche Unterschied zu dem Ratschlag ist die stärkere Individualität der mitgeteilten Information. Während sich der Rat stärker an allgemeinen Gesetzmäßigkeiten und Erfahrungssätzen orientiert, ist der Tipp eher durch einen klareren situativen Einzelfallbezug gekennzeichnet. Dieser Einzelfallbezug kann sich durch eine genauere Definition des Taterfolgs, also des möglichen Gewinns auszeichnen, zwingend ist dieses jedoch nicht.503 Dieses Verständnis ändert jedoch nichts an seiner rechtlichen Einordnung. Ein Ratschlag, durch den ein Rezipient auf individuelle Tatmodalitäten hingewiesen wird, fügt dem bestehenden Wertesystem keinen externen, neuen Wert hinzu. Durch einen Tipp kommt es allenfalls zu der beschriebenen Situation, in der der Rezipient sein bisheriges Wertesystem neu gewichtet. Der Handlungsimpuls des Täters wird in diesem Fall ebenfalls nicht durch den Aufbau äußeren Drucks begründet.504 Allerdings kann es zu Situationen kommen, in denen der Tipp dem Wunsch oder der Bitte stark angenähert ist bzw. de facto diesen entspricht. In diesen Konstellationen konkretisiert der Tippgeber seinen entsprechenden Vorschlag derartig präzise, dass eine dem Wunsch entsprechende Erwartungshaltung gegenüber dem Rezipienten aufgebaut wird. Der Mitteilungsempfänger müsste in diesen Fällen dem Tippgeber begründen, warum er diese besonders günstige, sichere, aussichtsreiche etc. Tatgelegenheit nicht 502

Brockhaus/Wahrig, Band 6, S. 237; Duden, Band 6, S. 2594. So auch Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 168. 504 Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 168; im Ergebnis zustimmend NK/ Schild, § 26 Rn. 5 ff.; Nepomuck, Anstiftung, S. 196 f.; Joerden, Verantwortlichkeitsbegriff, S. 123 f.; Noltenius, Kriterien der Abgrenzung, S. 283 f. 503

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wahrnehmen möchte. Der mit einem solchen Tipp einhergehende Begründungsaufwand setzt einen externen Wert, der bei der Neugewichtung des Wertesystems durch den Rezipienten berücksichtigt werden muss. In diesen besonders gelagerten Fällen ist der Tipp als taugliche Anstiftungshandlung zu begreifen.505 Ein weiterer Sonderfall des Tipps sind Rechtsauskünfte. Durch die Mitteilung bestimmter rechtlicher Informationen eröffnet der Einwirkende seinem Erklärungsgegner wiederum nur bestimmte Handlungsmöglichkeiten, ohne dem bestehenden Wertesystem einen neuen Wert hinzuzufügen. Das Besondere an Rechtsauskünften dürfte die besondere Offenkundigkeit des bestehenden Wertekonflikts sein. Ein Straftäter, der einen Rechtsanwalt aufsucht, um eine drohende Sanktion abzuwehren, ist sich des bestehenden inneren Konflikts in besonderer Deutlichkeit bewusst. Für ihn geht es vorrangig darum, den Wert der Straffreiheit zu bewahren. Der die Rechts- und Sachlage erläuternde Anwalt, der wiederum nur Informationen vermittelt, greift in das bestehende Wertesystem nicht ein, da er keinen neuen externen Wert hinzufügt. Daher sind Rechtsauskünfte keine tauglichen Anstiftungshandlungen, solange sie nicht durch ein weiteres sanktionierendes Kriterium ergänzt werden.506 e) Der altruistisch handelnde Haupttäter Wirkt ein Anstifter in einer Weise auf einen selbstlos handelnden Vortäter ein, die nach den hier vorgestellten Maßstäben die Anstiftung begründen würde, dann wäre der in Aussicht gestellte Wert nicht geeignet, den maßgeblichen Handlungsimpuls zu setzen. Der durch den Anstifter angekündigte Wert würde keinen Eingang in das Wertesystem des Adressaten finden, dadurch entstünde gerade keine interne Konfliktsituation und demnach auch kein sanktionsbewehrter Handlungsdruck. Das Straffreiheitsinteresse des Haupttäters würde zwar unterliegen, aber nicht aufgrund des durch den Anstifter neu gesetzten Wertes. In diesem Fall wäre eine Anstiftung zu verneinen. Der Anstifter wäre allenfalls nach § 30 Abs. 1 zu bestrafen, sofern es sich bei der Haupttat um ein Verbrechen handelt. Diese Überlegungen bezeichnen eine theoretische Idealkonstellation, die aber nach psychologischen Maßstäben zumindest umstritten ist.507 Auch derjenige, der selbstlos handelt, gewinnt daraus einerseits eine Befriedigung 505 So auch Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 168; Nepomuck, Anstiftung, S. 181 ff., 190 ff. 506 Ebenfalls Rechtsauskünfte nicht als Anstiftung erfassend: Matt/Renzikowski/ Haas, § 26 Rn. 10; NK/Schild, § 26 Rn. 7; Nepomuck, Anstiftung, S. 231; Joerden, FS f. Puppe 2011, 563, 575. 507 Aronson/Wilson/Akert, Sozialpsychologie, S. 355 ff.

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(zumindest) seines Selbstwertgefühls.508 Viele Wohltäter erwarten zum Dank für ihren Altruismus Gegenliebe und Gehorsam. Andererseits kann der Verzicht auf unmittelbar egoistische Befriedigungen aus einem (unbewussten) Schuldgefühl stammen. Er stellt dann eine Art Selbstbestrafung dar und vermittelt die Genugtuung einer Sühne.509 Nach einer wohl recht breiten Auffassung in der Psychologie können Menschen ihrem egoistischen Verhalten daher nie vollständig entrinnen. Bei vermeintlich altruistischen Handlungen werden immer (zumindest unterschwellig) egoistische Motive eine Rolle spielen.510 In Anbetracht dieser Überlegungen entsteht auch bei einem scheinbar altruistisch handelnden Täter ein Wertekonflikt, bei dem jedoch der vom Anstifter neu gesetzte Wert keine Beachtung findet. Der selbstlose Adressat handelt, weil er eigene Motive verfolgt, die sich bereits in seinem Wertesystem befinden. Infolge dessen findet allenfalls eine Neutarierung des bestehenden Wertesystems statt, durch die das Verhältnis der fraglichen Werte (wie Gegenliebe, Gehorsam oder Sühne) zu dem Straffreiheitsinteresse neu bestimmt wird. Dieses reicht allerdings nicht aus, um das Handlungsunrecht der Anstiftung zu begründen, da der vom Anstifter ausgeübte sanktionsbewehrte Handlungsdruck nicht die Ursache für die Begehung der Haupttat ist. f) Die Warnung Bei der Gegenüberstellung von positiven und negativen Sanktionen wird deutlich, dass es sich bei der Warnung um das Spiegelbild des Rates handelt. Während ein Rat dem Empfänger Informationen zur Verfügung stellt, die zu einem möglichen Wertegewinn führen, dessen Realisierung dem Täter überlassen bleibt, beschreibt eine Warnung eine Gefahrenquelle, welche die bestehenden Werte des Rezipienten bedroht. Sowohl auf den Eintritt des Wertegewinns beim Rat, als auch auf die Realisation des Werteverlusts bei der Warnung hat der Erklärende keinen Einfluss. Bei der Warnung wird dem bestehenden Wertesystem des Rezipienten kein externer Wert hinzugefügt. Die Warnung, wie auch der Rat ersetzen lediglich die Selbstinformation des Kommunikationspartners.511 Diese beiden Formen der rein infor508

Aronson/Wilson/Akert, Sozialpsychologie, S. 361 ff. Aronson/Wilson/Akert, Sozialpsychologie, S. 364 (Behebung negativer Zustände). 510 Brockhaus, Psychologie, unter „Altruismus“ m. w. N.; „Es ist eine der schönen Belohnungen dieses Lebens, dass niemand ernsthaft einem anderen Menschen zu helfen versuchen kann, ohne sich dabei selbst zu helfen.“, Charles Dudley Warner, zitiert nach Aronson/Wilson/Akert, Sozialpsychologie, S. 355. 509

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matorischen Einflussnahme transportieren kein korrumpierendes Element und stellen mithin keine tauglichen Anstiftungshandlungen dar. Es fehlt ihnen an dem sanktionsbewehrten Handlungsdruck.512 Ergänzend soll auf das Spiegelbild des konkretisierten Tipps hingewiesen werden. Auch eine Warnung kann durch eine besonders genaue Konkretisierung der Gefahrenlage einen auffordernden Charakter erlangen. Zwar beschreibt der Warnende in diesem speziellen Fall ebenfalls nur rein objektiv die entsprechende Sachlage, allerdings wird durch deren besonders detaillierte Darstellung eine Erwartungshaltung gegenüber dem Adressaten aufgebaut, die wiederum dem Aufforderungscharakter einer einfachen Bitte oder dem eines Wunsches entspricht. Würde in diesem Fall der Gewarnte die angekündigte Gefahr hinnehmen und sein Verhalten nicht entsprechend anpassen, so würde er sich zumindest verpflichtet fühlen, sein abweichendes Verhalten gegenüber dem Warnenden zu begründen. Dieser antizipierte Begründungsaufwand fließt, wie auch bei dem konkretisierten Tipp, in die Neubewertung des internen Wertekonflikts ein. Die konkretisierte Warnung erhält durch die faktische Gleichstellung mit der Bitte bzw. dem Wunsch einen Aufforderungscharakter, der sie als taugliche Anstiftungshandlung qualifiziert. In dem Problemkreis der Warnung, ist ein weiterer Sonderfall, nämlich die drohende Warnung zu erörtern. Diese liegt vor, wenn der Erklärende die äußere Form der Warnung benutzt (sekundäre Illokution), wobei sich die Aussage unter Einbeziehung der weiteren Gesamtumstände als Drohung (primäre Illokution) darstellt.513 Amelung bildet zur Veranschaulichung u. a. das Beispiel eines Mafiabosses, der dem von ihm Erpressten nicht offen droht, einen Schlägertrupp loszuschicken, falls das erwartete Schutzgeld ausbleiben sollte, sondern er „warnt“, dass in einem solchen Fall „etwas passieren“ könnte.514 Insbesondere bei der Darstellung der psychologischen Wirkmechanismen wurde deutlich, dass sich der direktive Charakter einer Aussage nicht zwingend aus der rein verbalen Mitteilung ergeben muss. Der genaue Inhalt einer Aussage ergibt sich durch die Gesamtbetrachtung aller Umstände der entsprechenden Situation, wobei die individuellen Vorkenntnisse und Kom511 Auch Küper, GA 2006 [153], 439, 465; ders., FS f. Puppe 2011, 1217, 1226 f.; in den Ansätzen auch Joerden, Verantwortlichkeitsbegriff, S. 124; ders., FS f. Puppe 2011, 563, 577. 512 Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 157, 162, 165; Nepomuck, Anstiftung, S. 205; Joerden, Verantwortlichkeitsbegriff, S. 124. 513 Zu den Begriffen der primären und sekundären Illokution vgl. 1. Kapitel, C.IV.2.b). 514 Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 169.

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munikationsgewohnheiten der Agierenden besondere Berücksichtigung finden müssen.515 So kennt der von der Mafia Erpresste die wirkliche Macht des „Paten“. Dieser muss in der Kommunikationsbeziehung nicht noch einmal speziell seine Stellung erläutern, sondern es reichen vage Andeutungen, um den sanktionsbewehrten Handlungsdruck aufzubauen. Eine drohende Warnung ist im Ergebnis als Drohung anzusehen.516 Eine Drohung verändert das bestehende Wertesystem des Bedrohten, indem dem ausgeglichenen System ein neuer, negativer Wert hinzugefügt wird. Hierdurch wird die Anstiftung in klassischer Weise verwirklicht, solange die Grenze zur mittelbaren Täterschaft noch nicht überschritten wird.517 g) Die täuschende Warnung Die täuschende Warnung stellt eine besonders interessante Variante der Einflussnahme dar, deren rechtliche Beurteilung zu einigen Problemen führt. Durch die Betrachtung dieser Konstellation wird die exakte Differenzierung zwischen der Einwirkungshandlung und dem daraus resultierenden Wertekonflikt deutlich. In diesem Fall versucht der Einwirkende durch eine verfälschte Tatsachendarstellung den Motivationsprozess des Rezipienten zu beeinflussen, ohne dabei die Schwelle zur mittelbaren Täterschaft zu überschreiten. Wie bei der echten Warnung kündigt dieser gerade nicht an, den Werteverlust selbst herbeizuführen, sondern er zeigt eine lediglich abgeänderte Sachverhaltslage auf, um den Rezipienten auf einen drohenden Werteverlust hinzuweisen. Bei einer echten Warnung besteht die Sachlage tatsächlich, so dass das Wertesystem des Gewarnten von vornherein mit einer negativen Exspektanz belastet ist. Seine bestehenden Freiheiten sind mit einer Handlung vorbelastet, die notwendig ist, um den drohenden Schaden abzuwehren. Das bestehende Wertesystem wurde hierbei durch eine real existierende Sachlage in ein Ungleichgewicht gebracht, auf welches der Warnende nur noch einmal hingewiesen hat.518 Er nimmt wiederum die bloße Selbstinformation des Gewarnten vorweg, indem er ihm eine Entscheidungshilfe an die Hand gibt.519 Der Einwirkende setzt also gerade keinen neuen externen Wert. 515

Vgl. 1. Kapitel, C.II.3. Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 169. 517 Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 169; Nepomuck, Anstiftung, S. 174 ff.; im Ergebnis auch LK/Schünemann, § 26 Rn. 51; LK11 /Roxin, § 26 Rn. 58; Maurach/Gössel/Zipf, AT II, § 51 Rn. 15; Kühl, AT, § 20 Rn. 170; Köhler, AT, S. 521; Joerden, Verantwortlichkeitsbegriff, S. 122. 518 Küper, GA 2006 [153], 439, 465; ders., FS f. Puppe 2011, 1217, 1226 f. 516

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Die täuschende Warnung ersetzt gerade nicht die Selbstinformation des Rezipienten, da die vermittelte Gefahrenlage nicht real existiert. Durch die Einwirkung des Rhetors, also die Darstellung einer vermeintlichen Gefahrenlage, werden die Handlungsfreiheiten des Rezipienten in derselben Weise beschränkt, wie es auch bei der echten Warnung der Fall ist. Er wird mehr oder minder zu einer Reaktion gezwungen, welche darauf abzielt, die vermeintlich drohende Gefahrenlage zu beseitigen. Allerdings basiert diese Abwehrreaktion auf einem Wert, der auf einen externen Einfluss des Einwirkenden, nämlich die Täuschung, zurückzuführen ist. Der innere Wertekonflikt geht gerade nicht auf eine Neubewertung der real bestehenden Handlungsmöglichkeiten zurück, sondern er wird durch die Einbeziehung eines neuen Wertes verursacht, den der Einwirkende setzt.520 Insofern ist der von einer täuschenden Warnung ausgehende Handlungsdruck mit dem vergleichbar, der von einer sanktionsbewehrten Aufforderung ausgeht. Allerdings reicht es nach den bisherigen Ausführungen gerade nicht aus, nur einen inneren Konflikt im Wertesystem des Rezipienten zu verursachen, um alle Bedingungen der Anstiftung zu erfüllen. Vielmehr muss die Störung des Wertesystems kausal auf eine sanktionsbewehrte Aufforderung zurückzuführen sein. Der Aufforderungscharakter der Einwirkungshandlung bildet damit die Ursache des notwendigen Wertekonflikts und darf gerade nicht mit diesem gleichgesetzt werden. Sowohl der echten als auch der fraudulösen Warnung fehlt der auffordernde Charakter, da eine Warnung nur als Tatsachenmitteilung zu verstehen ist. Eine taugliche Anstiftung ist daher durch eine täuschende Warnung ebenso wenig möglich, wie durch eine echte. Ein weiteres Argument, welches gedanklich in diesem Bereich anzusiedeln ist, wird durch die Betrachtung des motivierenden Handlungsimpulses deutlich. Ob eine Handlung als taugliche Anstiftung einzustufen ist, kann immer nur durch eine Beurteilung aller Umstände der subjektiven ex ante Situation erreicht werden. Für den Rezipienten stellt sich die fraudulöse als echte Warnung dar. Selbst wenn das täuschende Element den ausschlaggebenden Handlungsimpuls setzt, ist sich der Einwirkungsempfänger dieses Faktes nicht bewusst. Er bewertet seinen immanent bestehenden Wertekonflikt aufgrund einer Information neu. Da er sich zum Zeitpunkt der Willensbildung der Täuschung nicht bewusst ist, müssen Warnung und fraudulöse Warnung, zumindest im Bereich der Anstiftung, zu demselben Ergebnis führen. Das täuschende Element ist für die Willensbildung insofern unbeachtlich, als es zu derselben Art der Willensbildung führt. 519 520

Vgl. 1. Kapitel, C.IV.4.a) in Fn. 488. Küper, GA 2006 [153], 439, 465; ders., FS f. Puppe 2011, 1217, 1230.

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1. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ in § 26

Diese Schlussfolgerung steht wiederum mit dem Ergebnis in Einklang, welches durch die Sprechakttheorie gefunden wurde, wonach nur direktive Aussagen als taugliche Anstiftungshandlungen zu werten sind. Eine täuschende assertive Aussage bleibt trotz des Täuschungscharakters eine assertive Aussage, da sie eine Mitteilung über die Welt mit einem entsprechenden Wahrheitsgehalt beinhaltet, der in diesem Fall falsch ist.521 Auf eine Fremdverpflichtung zielt diese Aussage jedoch gerade nicht ab. h) Die täuschende Drohung Eine Täuschung kann ebenfalls mit dem Element der Drohung verknüpft werden. Die Drohung stellt den klassischen Fall der Anstiftung im Bereich der negativen Sanktion dar.522 Im Rahmen einer Drohung wird die Sanktionswirkung durch den Einwirkenden besonders offen herausgestellt, wodurch gleichzeitig der Aufforderungscharakter der entsprechenden Aussage kommuniziert wird. Die durch die Drohung angekündigte Sanktionswirkung stellt ebenfalls einen neuen, externen Wert dar, der das im Gleichgewicht befindliche Wertesystem des Rezipienten beeinflusst und ihn im Erfolgsfall zur Vornahme der gewünschten Handlung motiviert. Die den Handlungsimpuls auslösende Sanktionswirkung basiert also auf einer überlegenen Machtposition des Einwirkenden. Verfügt dieser aber nicht über die notwendige Macht, dann kann er versuchen, sie gegenüber dem Adressaten vorzutäuschen. Wie bereits in den Ausführungen zur täuschenden Warnung deutlich wurde, verursacht eine Täuschung einen identischen Wertekonflikt, wie ihn die Anstiftung voraussetzt. Die Täuschung selbst verkörpert einen Wert, der dem internen Wertesystem des Rezipienten hinzugefügt wird und der die Einregulierung eines neuen Wertegleichgewichts erfordert. Im Gegensatz zu der täuschenden Warnung erfolgt der durch die täuschende Drohung ausgeübte Einfluss im Wege einer Aufforderung. Insofern werden in dem Bereich der täuschenden Drohung die erforderlichen zwei Elemente verwirklicht, die eine erfolgreiche Anstiftung voraussetzt. Der eigentliche Handlungsimpuls wird hierbei durch das sanktionierende Element der Drohung ausgelöst, welches wiederum durch die Täuschung ermöglicht wird. Der Schwerpunkt liegt also auf der Sanktion und nicht auf der Täuschung. Denn letztendlich stellt sich aus ex ante Sicht des Bedrohten die täuschende Bedrohung als vermeintlich echte dar. Der Bedrohte nimmt im Fall der täuschenden Bedrohung dieselbe Werteabwägung vor, wie er sie auch bei einer echten Bedrohungslage vornehmen würde. 521 522

Vgl. 1. Kapitel, C.II.2. Vgl. 1. Kapitel, C.IV.2.

C. Die grammatikalische Auslegung des Bestimmens in § 26

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Insofern ist eine täuschende Bedrohung als taugliche Anstiftungshandlung anzusehen.523 Dieser Gedanke findet sich ebenfalls in § 35 Abs. 2 wieder, wonach ein beachtlicher Irrtum über einen Umstand des entschuldigenden Notstands mit der tatsächlichen Bedrohungslage aus § 35 Abs. 1 gleichgesetzt wird und zum Ausschluss der strafrechtlichen Verantwortlichkeit führt. i) Die täuschende Belohnung Nach der Darstellung der täuschenden Drohung soll im Folgenden die täuschende Belohnung betrachtet werden. Da es nunmehr gelungen ist, den Einfluss des täuschenden Elements für die Anstiftung zu definieren, treten bei der dogmatischen Behandlung der täuschenden Belohnung keine erheblichen Probleme mehr auf. Die Belohnung für die Begehung einer künftigen Straftat stellt den klassischen Fall der positiven Sanktionierung dar, denn sie setzt einen positiven Wert, der als externer Einfluss dem Straffreiheitsinteresse des Rezipienten gegenübergestellt wird und so dessen bestehendes Wertegleichgewicht beeinflusst.524 Wie bei der täuschenden Drohung wird im Fall der täuschenden Belohnung die Sanktionswirkung ebenfalls durch das täuschende Element hervorgerufen. Da der Adressat zum Zeitpunkt der Einwirkungshandlung an die Echtheit der ausgelobten Belohnung glaubt, besteht für ihn zwischen täuschender und echter Belohnung kein Unterschied. Da die täuschende wie auch die echte Belohung denselben Einfluss auf das Wertesystem des Rezipienten ausübt und darüber hinaus auch den nötigen direktiven Charakter aufweist, stellt sie eine taugliche Anstiftungshandlung dar.525 j) Das scheinbare Abraten von der Tat Das scheinbare Abraten von der Begehung einer künftigen Tat bildet einen weiteren Sonderfall der kommunikativen Einwirkung. Diese Konstellation wird der Fachliteratur nur vereinzelt auf ihren Anstiftungsgehalt geprüft. Eine Lösungsmöglichkeit bietet Roxin. Dieser differenziert die scheinbare Aufforderung hinsichtlich ihres konkreten Aussagegehalts.526 523

Im Ergebnis so auch Nydegger, Zurechnungsfragen, S. 312. Vgl. 1. Kapitel, C.IV.3. 525 Im Ergebnis so auch Nydegger, Zurechnungsfragen, S. 312. 526 Roxin, AT II, § 26 Rn. 81; LK11 /ders., § 26 Rn. 59; LK/Schünemann, § 26 Rn. 52; wohl auch Schönke/Schröder/Heine, § 26 Rn. 5; das scheinbare Abraten 524

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1. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ in § 26

Rät der Einwirkende dem Haupttäter in einem neutralen bzw. sogar auffordernden Ton von der Tatbegehung ab, wobei er insgeheim hofft, dadurch den Opportunitätsgeist seines Gegenübers zu wecken und bei diesem den Tatentschluss zu der entsprechenden Tatbegehung hervorzurufen, dann liege gerade keine Anstiftung vor. Wirkt hingegen der Rhetor auf eine ironische Art auf den Haupttäter ein, so dass der Adressat die mangelnde Ernsthaftigkeit des Abratens erkennt, dann geht Roxin vom Vorliegen einer Anstiftung aus. Bei näherer Betrachtung kann diese Differenzierung nicht überzeugen. Hinsichtlich der erstgenannten Konstellation ist Roxin zuzustimmen. Eine Aussage, die bei objektiver Betrachtung auf das reine Gegenteil abzielt, also den Adressaten von der Begehung der Tat abhalten will, kann nicht als taugliche Anstiftungshandlung gewertet werden.527 Eine solche Aussage transportiert kein sanktionierendes Element, welches als externer Wert auf das Wertesystem des Adressaten einwirkt. Allerdings erfüllt auch ein ironisches Abraten nicht die Mindestbedingungen der Anstiftung. Von einer ironischen Aussage geht ebenfalls kein sanktionsbewehrter Handlungsdruck aus. Nepomuck bildet zur Veranschaulichung das folgende Beispiel:528 Die Ganoven A, B und C sitzen bei einer Trinkrunde zusammen. B brüstet sich damit, wie viele „Brüche“ er schon begangen hat. Als die Sprache darauf kommt, welche Einbruchsobjekte zukünftig in Betracht kämen, bemerkt C scherzhaft, man müsse sich mal das Haus des Staatsanwalts S vornehmen. A sieht in diesem Moment eine günstige Gelegenheit, sich an S zu rächen. Deshalb sagt er: „Lass bloß die Finger von unseres lieben Staatsanwalts Haus! Nicht auszudenken, in welche Trauer Du mich stürzen würdest, wenn des Herren Heiligtum angetastet werden würde, der mir so viel Gutes getan hat!“. B erkennt die Absicht des A und bricht daraufhin in das Haus des S ein.

Hierbei wird deutlich, dass ein scheinbares Abraten keinen Aufforderungsgehalt aufweist. Eine ironische Aussage stellt im pragmatischen Sinn undifferenziert als tauglich Anstiftung einstufend: Maurach/Gössel/Zipf, AT II, § 51 Rn. 16. Schumann (Strafrechtliches Handlungsunrecht, S. 53) erfasst ebenfalls nur den Fall, bei dem der Einwirkende dem Adressaten von der Tatbegehung abrät, aber insgeheim hofft, dessen Oppositionsgeist zu wecken und ihn so zur Tatbegehung zu bewegen. Hierbei lehnt dieser ebenfalls das Vorliegen einer tauglichen Anstiftungshandlung ab. 527 Roxin, AT II, § 26 Rn. 81; LK11 /ders., § 26 Rn. 59; LK/Schünemann, § 26 Rn. 52; Nepomuck, Anstiftung, S. 213 ff.; Schumann, Strafrechtliches Handlungsunrecht, S. 53. 528 Beispiel leicht abgewandelt: Nepomuck, Anstiftung, S. 213.

C. Die grammatikalische Auslegung des Bestimmens in § 26

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einen indirekten Sprechakt529 dar. Allerdings ist dieser indirekte Sprechakt weder auf der Ebene der primären noch auf der der sekundären Illokution als sanktionsbewehrte Aufforderung zu verstehen. Vielmehr ist das ironische Abraten von einer bestimmten Tatgelegenheit als ein Sonderfall des Ratschlags zu werten. Der Rezipient versteht durch die Art der Kommunikation die wirkliche Intention (primäre Illokution) des Einwirkenden. Allerdings geht von dieser Einwirkungshandlung kein tatsächlicher Handlungsdruck aus. Es wird, wie auch beim Ratschlag, „nur“ eine bestimmte Tatgelegenheit aufgezeigt. Durch den Einwirkenden wird dem internen Wertegleichgewicht des Adressaten kein neuer Wert hinzugefügt, sondern nur auf den bestehenden Konflikt hingewiesen. Das scheinbare Abraten von der Tat stellt daher kein anstiftungsrelevantes Verhalten dar.530 k) Das Angebot der Tatbegehung durch den späteren Haupttäter Im Folgenden soll die Konstellation untersucht werden, in denen sich der spätere Haupttäter selbst gegenüber dem Anstifter zur Tatbegehung anbietet und aufgrund der Zusage des erbetenen Vorteils die Tat begeht. Diese Fälle werden in Literatur und Rechtsprechung zutreffend als taugliche Anstiftung eingestuft.531 Jedoch ist eine intensivere Auseinandersetzung nötig, um den Anstiftungscharakter auch dieser Fallvariante dogmatisch sauber zu erfassen. Zunächst einmal ist der spätere Haupttäter, der sich selbst zur Tat anbietet, aber sein Tätigwerden von der Gegenleistung des Anstifters abhängig macht, nicht als omnimodo facturus zu qualifizieren, sondern als Tatgeneigter, der noch immer angestiftet werden kann.532 Eine andere Ansicht würde dazu führen, dass die Bereitschaft, sich anstiften zu lassen, die Möglichkeit ausschließt, angestiftet zu werden.533 529

Vgl. hierzu 1. Kapitel, C.IV.2.b). Mit anderer Begründung zustimmend Nepomuck, Anstiftung, S. 214 ff. 531 BGHSt 45, 373, 374 f.; RGSt 37, 171, 172; Matt/Renzikowski/Haas, § 26 Rn. 14; MüKo/Joecks, § 26 Rn. 21; LK/Schünemann, § 26 Rn. 17; LK11 /Roxin, § 26 Rn. 17; ders., AT II, § 26 Rn. 66; ders., GS f. Schröder 1978, 145, 154 ff.; Freund, AT, § 10 Rn. 116; Jakobs, AT, 22/22; Welzel, Strafrecht, S. 116; Schulz, Bestrafung des Ratgebers, S. 162; Stork, Anstiftung, S. 14 f.; Nepomuck, Anstiftung, S. 177; Scheinfeld, GA 2007 [154], 695, 699. 532 BGHSt 45, 373, 374; Schönke/Schröder/Heine, § 26 Rn. 7; Roxin, AT II, § 26 Rn. 66; Krey/Esser, AT, § 31 Rn. 1042; Nepomuck, Anstiftung, S. 177; Schulz, Bestrafung des Ratgebers, S. 162; Stork, Anstiftung, S. 14 f. 533 So Roxin, GS f. Schröder 1978, 145, 155. 530

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1. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ in § 26

Das Problem, welches sich in diesem Zusammenhang stellt, ist die Begründung des Aufforderungscharakters. Denn die Annahme des Tatangebots muss diesen aufweisen, um die Voraussetzungen der Anstiftung zu erfüllen.534 Die Annahme eines Angebots beinhaltet rein sprachlich gesehen nur den Aussagegehalt einer einfachen Zustimmung, die als solche gerade keine Aufforderung darstellt. In dieser speziellen Situation ist ein bloßes Abstellen auf die rein verbale Kommunikation nicht zielführend. Wie bereits eingehend erläutert, müssen die sonstigen Gesamtumstände, also die vorherrschenden sozialen Normen, bei der inhaltlichen Beurteilung der entsprechenden Aussage herangezogen werden.535 Im Rahmen der positiven Sanktionierung wurde bereits aufgezeigt, dass das Versprechen einer Belohnung stets eine Sanktion im positiven Sinne darstellt.536 Indem ein Anstifter das Angebot eines potentiell zur Tat geneigten Täters annimmt, verspricht er ihm faktisch einen entsprechenden Vorteil für die Begehung einer Straftat. Auch wenn die Annahme eines Angebots eine bloße Zustimmung darstellt, so ist darin dennoch eine Aufforderung im tatsächlichen Sinne zu verstehen, die gewünschte Straftat zu begehen. Die Zustimmung stellt den sanktionsbewehrten Wunsch (Belohnung) dar, die gewünschte Straftat zu begehen und erfüllt unter Einbeziehung aller Umstände die, an die Direktiva gestellten Voraussetzungen. Diese Sicht wird dadurch untermauert, dass der Täter die Tat nur um des Vorteils Willen begeht; er also allein den vom Anstifter in Aussicht gestellten externen Wert realisieren möchte. Auch wenn in diesen Konstellationen die Initiative von dem späteren Haupttäter ausgeht, so werden hierbei dennoch die nötigen Anstiftungsvoraussetzungen erfüllt. 5. Zusammenfassung Nach Abschluss der grammatikalischen Auslegung erfüllt nur eine appellative Einwirkungshandlung, die durch den Gesetzestext aufgestellten Mindestanforderungen. Eine taugliche Anstiftung kann daher allein durch eine Aussage verwirklicht werden, die auf eine einseitige Verpflichtung des Adressaten abzielt. Dieser Charakter entsteht, indem einer informativen (assertiven) Aussage ein zusätzliches sanktionierendes Kriterium positiver oder negativer Art hinzugefügt wird. Infolge dieses sanktionierenden Kriteriums wird ein korrumpierender Einfluss auf das internalisierte Wertesystem des Rezipienten ausgeübt, weil dem immanenten Wert des Straffreiheitsinteres534 Nach Nepomuck (Anstiftung, S. 185) ist der qualifizierte Aufforderungscharakter bei der Annahme eines Angebots durch den Anstifter nicht immer gegeben. 535 Vgl. 1. Kapitel, C.II.3.; 1. Kapitel, C.IV.2.c); 1. Kapitel, C.IV.3.a) bis b). 536 Vgl. 1. Kapitel, C.IV.3.

D. Die systematische Auslegung

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ses ein bisher noch nicht vorhandener Wert gegenübergestellt wird. Durch dieses Vorgehen entsteht eine Konfliktlage, bei der der Einwirkungsempfänger nur den einen Wert auf Kosten des anderen befriedigen kann. Die korrumpierende Wirkung des sanktionierenden Kriteriums ist umso stärker, je begehrter der in Aussicht gestellte Wert für den Täter ist. Die herausgearbeitete Situation wird in rechtlicher Hinsicht allein von der Sanktionierungstheorie erfasst. Zwar schließen die Dominanztheorien einen Teil der intensiveren Einwirkungshandlungen mit ein, aber sie klammern gerade diejenigen Fälle aus, bei denen die einseitige Verpflichtung aufgrund einer nur geringen Verbindlichkeit begründet wird. Insbesondere der sanktionierende Charakter, der von dem antizipierten Begründungsaufwand einer abgelehnten Bitte ausgeht, ist zu gering, um von den Dominanztheorien erfasst zu werden. Da diese Handlungsweisen nach den bisherigen Ausführungen dennoch taugliche Anstiftungshandlungen darstellen, erfasst allein die Sanktionierungstheorie alle Fälle der Anstiftung.

D. Die systematische Auslegung Durch die systematische Auslegung soll herausgearbeitet werden, wie eine Norm auszulegen ist, um das logische und widerspruchsfreie Einfügen in den gesetzlichen Kontext zu ermöglichen. Hierzu sind die Argumente heranzuziehen, welche sich aus der Norm selbst und ihrer Stellung im Gesetz ergeben.537

I. Die Abgrenzung zur Beihilfe Die Untergrenze der Anstiftung definiert sich durch die Abgrenzung zur Beihilfe. Gemeinhin werden diese beiden Teilnahmeformen durch die Rechtsfigur des omnimodo facturus voneinander differenziert. War der Haupttäter bereits zum Zeitpunkt der Einwirkungshandlung des Teilnehmers zur Tat entschlossen, dann kommt demnach nur noch ein Fall der (psychischen) Beihilfe oder der versuchten Anstiftung in Betracht.538 537

Zippelius, Methodenlehre, S. 53; Krüger, JA 2008, 492, 496; ähnlich auch Herzberg, JuS 2005, 1, 5, wobei Herzberg die Beachtung der Systemstimmigkeit durch die Vermeidung von Unlogik und Wertungswidersprüchen in den absoluten Fokus rückt. 538 RGSt 13, 121, 122; 36, 402, 404; 72, 373, 375; Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 160; SK/Hoyer34, § 26 Rn. 7; Matt/Renzikowski/Haas, § 26 Rn. 14; MüKo/Joecks, § 26 Rn. 28; SSW/Murmann, § 26 Rn. 5; LPK/Kindhäuser, § 26 Rn. 14; LK/Schünemann, § 26 Rn. 17 ff.; LK11 /Roxin, § 26 Rn. 17 ff.; ders., AT II, § 26 Rn. 66 ff.; ders., GS f. Schröder 1978, 145, 154 ff.; Jakobs, AT, 22/24; H. Mayer, AT 1953, S. 321; Joerden, FS f. Puppe 2011, 563, 567 f.; Bloy, Betei-

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1. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ in § 26

Dieser Auffassung ist nicht nur zuzustimmen, sie wird vielmehr durch die vorliegend vertretene Anstiftungstheorie bestätigt. Darüber hinaus ist es durch diese Theorie möglich, die problematische Abgrenzung zwischen der Anstiftung und der psychischen Beihilfe eindeutig zu klären.539 Durch die Beihilfe wird der für die Anstiftung notwendige Wertekonflikt gerade nicht verursacht, vielmehr findet ihn der Gehilfe bereits vor. Sämtliche korrumpierende Einflüsse, die das Wertesystem des Rezipienten durch neue externe Werte beeinflussen, fallen in den Bereich der Anstiftung. Der Einfluss des Gehilfen kann also allenfalls darin liegen, den Haupttäter auf den entsprechenden Wertekonflikt hinzuweisen und diesen gegebenenfalls zu intensivieren. Demzufolge können die, in diesem Grenzbereich viel diskutierten Fälle des einfachen Ratschlags oder des scheinbaren Abratens von der Tat keine tauglichen Anstiftungshandlungen darstellen, da ihnen das notwendige korrumpierende Element fehlt. Bei diesen wird der bereits bestehende Wertekonflikt nur noch einmal durch den Einwirkenden hervorgehoben, allerdings gerade nicht von diesem verursacht. Das Unrecht der Beihilfe wird anhand dieser Konstellationen besonders deutlich. Die Wirkung des Rates bzw. des scheinbaren Abratens liegt maximal darin, dass der Einwirkungsadressat den bestehenden Konflikt innerhalb seines Wertesystems neu überdenkt und gewichtet.540 Ein Tatsachenarrangement kann ebenfalls nur als Beihilfe gewertet werden, obwohl ein alleiniges Abstellen auf die Rechtsfigur des omnimodo ligungsform als Zurechnungstypus, S. 330; in die Figur des omnimodo facturus den gesamten „Motivationshorizont“ des Vortäters einbeziehend NK/Schild, § 26 Rn. 8 f. Insbesondere einige Vertreter der Dominanztheorien lehnen die Figur des omnimodo facturus ab. Nach diesen kann es keinen vollkommen zur Tat Entschlossenen geben, da sich die Motive des Adressaten nach der Einwirkungshandlung und vor der Tatbegehung noch immer ändern können. Auch durch dieses Argument versuchen die Vertreter dieser Meinung die Notwendigkeit des Dominanzgedankens im Rahmen der Anstiftung zu begründen. So Puppe, GA 1984 [131], 101, 117; dies., AT II, § 38 Rn. 6; dies., ZIS 2007, 234, 236 f.; Altenhain, Strafbarkeit des Teilnehmers, S. 127 ff. Sympathisierend aber nicht folgend: Frister, AT, § 28 Rn. 14 f. 539 Näher zur psychischen Beihilfe und der Abgrenzung zur Anstiftung: RGSt 5, 140, 141 f.; 27, 157, 158; 73, 52, 53; MüKo/Joecks, § 27 Rn. 7; SSW/Murmann, § 27 Rn. 5; LPK/Kindhäuser, § 27 Rn. 8 ff.; Schönke/Schröder/Heine, § 27 Rn. 12; LK/Schünemann, § 27 Rn. 11 ff.; LK11 /Roxin, § 27 Rn. 10 ff.; ders., AT II, § 26 Rn. 197 ff.; Jakobs, AT, 22/36; Jescheck/Weigend, AT, § 64 III 2a; Frister, AT, § 28 Rn. 41 f.; Charalambakis, FS f. Roxin 2001, 625 ff.; Welz, Anstiftung, S. 46 ff., 159 ff. 540 Zum Ratschlag vgl. 1. Kapitel, C.IV.4.a); zum scheinbaren Abraten vgl. 1. Kapitel, C.IV.4.j).

D. Die systematische Auslegung

141

facturus nicht ganz zweifelsfrei zu diesem Ergebnis führt. Hat der Einwirkende ein Messer liegen gelassen, weil er hofft der Haupttäter werde es finden und aufgrund dessen den Entschluss fassen, eine verfeindete Person zu erstechen, dann fallen die Unterstützung der Haupttat und die Verursachung des Tatentschlusses zeitlich zusammen.541 Allerdings wird an dieser Konstellation die geringe strafrechtliche Verwerflichkeit besonders deutlich. Der Einwirkende hat hierbei weder das Wertesystem des Adressaten korrumpiert, noch ging von diesem Tatsachenarrangement eine auffordernde Wirkung aus. Eine Anstiftung kann hier trotz des Zusammentreffens von Unterstützung und Verursachung des Tatentschlusses nicht angenommen werden.542 Da diejenigen Anstiftungstheorien, welche unterhalb der hier vertretenen Lehre anzusiedeln sind, auch Konstellationen der Beihilfe in ihre Betrachtung mit einbeziehen, sind sie nicht geeignet, die Grenze zwischen beiden Teilnahmeformen klar zu definieren. Nur der Sanktionierungstheorie gelingt es, diese Grenze dogmatisch sauber festzulegen. In diesem Zusammenhang sollen die kritischen Fälle der täuschenden Warnung und des täuschenden Rates nochmals näher betrachtet werden. Diese Konstellationen sind nach den bisherigen Ausführungen als grenzwertig anzusehen und nur deshalb nicht in den Bereich der Anstiftung anzusiedeln, weil die Art der Einwirkung keinen auffordernden Charakter aufweist. Jedoch wird durch die Täuschung das Wertesystem des Adressaten ebenfalls durch einen externen Wert belastet, der allein auf die Einwirkung des Rhetors zurückgeht. Insofern entfaltet die Täuschung eine der Anstiftung vergleichbare Wirkung.543 Die Einwirkungshandlungen der täuschenden Warnung und des täuschenden Rates sind aufgrund ihrer „äußeren Form“ nicht in den Bereich der Anstiftung anzusiedeln, allerdings üben sie einen korrumpierenden Einfluss auf das Wertesystem des Rezipienten aus, der dem Unrecht der Anstiftung nahezu vergleichbar ist. Insofern ragt das Handlungsunrecht der Beihilfe partiell in dasjenige der Anstiftung hinein, natürlich nur soweit die Täuschung keine Irrtumsherrschaft im Sinne der mittelbaren Täterschaft begründet. Der erhöhte Unrechtsgehalt einer solchen Beihilfehandlung sollte in der Praxis bei der Bemessung des Strafmaßes entsprechende Berücksichtigung finden.

541 542 543

So auch Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 160 f. So auch Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 160 ff. Vgl. 1. Kapitel, C.IV.4.g).

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1. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ in § 26

II. Die Abgrenzung zur Täterschaft Während die Mindestvoraussetzungen der Anstiftung durch die Abgrenzung zur Beihilfe beschrieben werden, lässt sich die Obergrenze durch die Abgrenzung zur Täterschaft definieren. Das Gesetz unterscheidet als Formen der Täterschaft: die Alleintäterschaft, die Mittäterschaft und die mittelbare Täterschaft. Für die Begründung der Täterschaft werden drei Begründungsansätze vertreten,544 wobei die herrschende Lehre die Täterschaft durch das Kriterium der Tatherrschaft, also die beherrschende Steuerung des Geschehensverlaufs definiert.545 1. Die Abgrenzung zur Mittäterschaft Die Tatherrschaft im Bereich der Mittäterschaft wird auch als funktionelle Tatherrschaft bezeichnet, da alle Mittäter das von ihnen angestrebte Tatziel nur durch ein arbeitsteiliges (also funktionelles) Zusammenwirken 544 Nach der engsten Auffassung, der formal-objektiven Theorie ist derjenige Täter, der die Ausführungshandlung ganz oder teilweise selbst vornimmt. Diese Lehre gilt als überholt, da sie durch ihre starke Restriktion nicht in der Lage ist, die mittelbare Täterschaft zu erklären und diese letztlich zu einer Teilnahmeform herabstufen (kritisch auch Freund, FS f. Bockelmann 1979, 389, 391 f.; ders., AT, § 10 Rn. 35 ff.; Matt/Renzikowski/Haas, Vor §§ 26 ff. Rn. 5; Cramer, FS f. Bockelmann 1979, 389, 391 f.; Kühl, AT, § 20 Rn. 24; Wessels/Beulke, AT, Rn. 511). Den Gegenpol der formal-objektiven Theorie stellt die subjektive Theorie dar. Danach ist derjenige als Täter einzustufen, der mit Täterwillen (animus auctoris) handelt und die Tat als eigene will. Teilnehmer hingegen ist derjenige, der lediglich mit Teilnehmerwillen (animus socii) handelt und die Tat als fremde veranlassen oder fördern will (RGSt 74, 84, 85; BGHSt 39, 381, 386; 48, 52, 57 f.; Baumann/ Weber/Misch, AT, § 29, Rn. 59; kritisch Cramer, FS f. Bockelmann 1979, 389, 392 f.). Nach der extrem subjektiven Theorie kann u. U. selbst derjenige noch als Gehilfe eingestuft werden, der alle Tatbestandmerkmale in eigener Person erfüllt (vgl. hierzu insb. RGSt 74, 84). Die dritte Theorie, welche die herrschende Auffassung darstellt, ist die Tatherrschaftslehre. Nach dieser liegt ein Fall der Täterschaft vor, wenn der Täter den tatbestandsmäßigen Geschehensablauf in den Händen hält und er von seinem Vorsatz umfasst ist. Der Täter ist hierbei als Zentralgestalt des Geschehens einzustufen, der die planvoll-lenkende Tatherrschaft besitzt und die Tatbestandsverwirklichung nach seinem Willen steuern kann. Teilnehmer ist hiernach, wer lediglich als „Randfigur“ des zentralen Geschehens einzustufen ist (Amelung/Boch, JuS 2000, 261, 262; LK/ Schünemann, § 25 Rn. 36 ff.; LK11 /Roxin, § 25 Rn. 34 ff.; ders., Täterschaft und Teilnahme, § 4 S. 107 ff.; MüKo/Joecks, § 25 Rn. 32 ff.; Bloy, Beteiligungsform als Zurechnungstypus, S. 313 ff.; Kühl, AT, § 20 Rn. 25 ff.; Jescheck/Weigend, AT, 61 V; Otto, AT, § 21 Rn. 18 ff.). 545 SK/Hoyer34, § 25 Rn. 26; NK/Schild, § 25 Rn. 23; Krey/Esser, AT, § 25 Rn. 829; Kühl, AT, § 20 Rn. 26 f.; Roxin, AT II, § 25 Rn. 38, 45 u. 188; Wessels/ Beulke, AT, Rn. 512 f.; Rudolphi, FS f. Bockelmann 1979, 369, 372 ff.

D. Die systematische Auslegung

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unter Beachtung des Tatplans erzielen können.546 Diesen Gedanken ziehen die Vertreter der Dominanztheorien heran, um die von ihnen geforderte temporäre Dominanz zu begründen. Nach diesen Lehren muss in der Phase, in der der Haupttäter den Tatenschluss fasst,547 eine Dominanz des Anstifters vorliegen, die der Intensität der funktionellen Tatherrschaft entspricht.548 Diese Theorien fordern also ganz bewusst eine temporäre Überschneidung zwischen Anstiftung und Mittäterschaft. Indem das Merkmal der Tatherrschaft, welches das maßgebliche Kriterium der Täterschaft darstellt, in die Anstiftung hineintransportiert wird, kann die Obergrenze der Anstiftung nicht mehr klar definiert werden.549 Die von ihrer Intensität darunter liegende Lehre ist die hier vertretene Sanktionierungstheorie. Diese Auffassung verlangt gerade keine Dominanzbeziehung, sondern sie betont den Gedanken des Korrumpierens aufgrund eines inneren Wertekonflikts. Insofern werden mögliche Überschneidungen zwischen Anstiftung und Täterschaft ausgeschlossen und es gelingt die Obergrenze zur Täterschaft widerspruchsfrei zu definieren. 2. Die Abgrenzung zur mittelbaren Täterschaft Für die Abgrenzung zur Anstiftung ist speziell die Betrachtung des Verhältnisses zur mittelbaren Täterschaft entscheidend. Denn auch in dieser Fallgruppe besteht eine im Vergleich zur Anstiftung sehr ähnliche Personenkonstellation, bei der ein Hintermann auf einen Vortäter einwirkt, um letztlich durch dessen Handlung die angestrebte Rechtsgutsverletzung herbeizuführen.550 Die dominierende Stellung des mittelbaren Täters über den Tatmittler kann zum einen über die Willensherrschaft und zum anderen über die Irrtumsherrschaft begründet werden.

546 SK/Hoyer34, § 25 Rn. 27; NK/Schild, § 25 Rn. 125; Roxin, AT II, § 25 Rn. 188 f.; ders., Täterschaft und Teilnahme, § 27 II S. 277 ff.; Kühl, AT, § 20 Rn. 27; Wessels/Beulke, AT, Rz 512 f.; Rudolphi, FS f. Bockelmann 1979, 369, 374 f. 547 Die Dauer der Dominanzbeziehung richtet sich im Einzelnen nach der Ausprägung der jeweiligen Dominanztheorie. Vgl. hierzu 1. Kapitel, B.V. 548 Vgl. 1. Kapitel, B.V. 549 Joerden, FS f. Puppe 2011, 563, 566 f. 550 So auch Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 158 f.; NK/Schild, § 25 Rn. 59.

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1. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ in § 26

a) Die mittelbare Täterschaft kraft Willensherrschaft Im Bereich der Willensherrschaft übt der mittelbare Täter einen hohen nötigenden Druck auf den Tatmittler aus und zwingt ihn zur Subordination, die wiederum zum Ziel hat, durch den Genötigten den angestrebten Taterfolg herbeizuführen.551 Eine Bedrohung kann aber auch ein Mittel der Anstiftung sein. Denn dadurch setzt der Anstifter einen neuen externen Wert und übt auf diese Weise den erforderlichen Einfluss auf das Wertesystem des Adressaten aus. Die Bedrohung ist der typische Fall der negativen Sanktionierung.552 Die Grenze zwischen mittelbarer Täterschaft und Anstiftung wird durch § 35 gezogen.553 Sobald eine Handlung die Qualität des Nötigungsnotstands erreicht, geht die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Tatmittlers auf den Hintermann über und begründet dessen mittelbare Täterschaft (Verantwortungsprinzip).554 In Übereinstimmung zu der hier vertretenen Dogmatik erfolgt immer dann ein Ausschluss der Anstiftung und die Begründung der mittelbaren 551 SK/Hoyer34, § 25 Rn. 42; MüKo/Joecks, § 25 Rn. 58; NK/Schild, § 25 Rn. 59; LK/Schünemann, § 25 Rn. 69 ff.; LK11 /Roxin, § 25 Rn. 61 ff.; ders., AT II, § 25 Rn. 47; Otto, AT, § 21 Rn. 71 f. 552 Vgl. auch 1. Kapitel, C.IV.2. 553 MüKo/Joecks, § 25 Rn. 62; Joecks, § 25 Rn. 44; LK/Schünemann, § 25 Rn. 70; LK11 /Roxin, § 25 Rn. 61. 554 SK/Hoyer32, § 25 Rn. 51; MüKo/Joecks, § 25 Rn. 52; Schönke/Schröder/ Heine, § 25 Rn. 10; LK/Schünemann, § 25 Rn. 69; LK11 /Roxin, § 25 Rn. 61; ders., AT II, § 26 III Rn. 48; Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 159; Otto, AT, § 21 Rn. 72; Kühl, AT, § 20 Rn. 64; Jescheck/Weigend, AT, § 62 II 6; Stratenwerth/ Kuhlen, AT, § 12 Rn. 143; Joerden, FS f. Puppe 2011, 563, 565 f.; Mañanlich, FS f. Puppe 2011, 709, 716 ff. Die Orientierung an § 35 wird u. a. von Frister (Frister, AT, § 27 Rn. 4 f.; auch SSW/Murmann, § 25 Rn. 9) abgelehnt. Für die Vertreter dieser Auffassung kommt es für die Begrünung der mittelbaren Täterschaft einzig und allein auf das Vorliegen eines Willensmangels an, der auf eine zu § 35 vergleichbare Zwangslage zurückzuführen ist. Hierbei wird verkannt, dass die mittelbare Täterschaft nur durch einen rechtlich relevanten Druck begründet werden kann. Alle Menschen sind aufgrund der sie umgebenden sozialen Geflechte vielfältigen Zwangslagen ausgesetzt (zum Zwang sich seine Ehre zu bewahren, um an der menschlichen Kommunikation beteiligt zu bleiben, Amelung, Ehre, insb. S. 18 ff.; ähnlich auch Aronson/Wilson/ Akert, Sozialpsychologie, S. 241 f.; Forgas, Soziale Interaktion, S. 175). Jeder dieser Zwänge übt einen Einfluss auf das menschliche Verhalten aus und könnte damit geeignet sein, die mittelbare Täterschaft zu begründen. Eine derartige Einschätzung ist allerdings zu weitgehend und unter praktischen Gesichtspunkten untauglich. Druck, der keine rechtliche Relevanz aufweist, kann daher nicht zur Begründung der mittelbaren Täterschaft herangezogen werden, auch wenn dieser u. U. erhebliche Zwangslagen verursachen kann.

D. Die systematische Auslegung

145

Täterschaft, wenn dem Adressaten keine tatsächliche Möglichkeit verbleibt, zwischen zwei Werten abzuwägen. In den Konstellationen der mittelbaren Täterschaft in Form der Willensherrschaft wird dem immanenten Wert der Straffreiheit ein externer, negativer Wert gegenübergestellt, der von einer derartigen Tragweite ist, dass für den Rezipienten keine realistische Wahlmöglichkeit besteht. Dieser Gedanke spiegelt sich in den von § 35 geschützten Rechtsgütern wider, wonach die Schuld nur bei einer Bedrohung der vitalen Rechtsgüter Leben, Leib und Fortbewegungsfreiheit ausgeschlossen wird.555 b) Die mittelbare Täterschaft kraft Irrtumsherrschaft Die Formen der Irrtumsherrschaft haben eine völlig andere Struktur als diejenigen der Willenherrschaft kraft Nötigung. Im Rahmen der Irrtumsherrschaft wird die Herrschaftsposition nicht durch Zwang, sondern durch überlegenes Wissen des Hintermanns verwirklicht. Aufgrund des Wissensdefizits des Tatmittlers kann der Hintermann sein Mehrwissen als Kausalfaktor in seine Planungen einbeziehen und dadurch die Kontrolle, also die Tatherrschaft über das Gesamtgeschehen erlangen.556 Führt die Irrtumskontrolle zu einem Ausschluss des Vorsatzes, dann kommt nur noch ein Fall der mittelbaren Täterschaft in Betracht. Diese Konsequenz ergibt sich bereits aus der Gesetzessystematik, wonach beide Teilnahmeformen eine zumindest tatbestandsmäßige und rechtswidrige Vortat voraussetzen. Nach der vorliegenden Anstiftungstheorie verwirklichen Täuschungen nur dann die Voraussetzungen einer tauglichen Anstiftungshandlung, wenn sie mit einem sanktionierenden Element (z. B. Drohung oder Belohnung) verknüpft werden. Hierbei muss die Täuschung die dargelegte Machtposition des Einwirkenden fingieren. Nur in diesem Fall wird sowohl ein korrumpierender Einfluss auf das Wertesystem des Adressaten ausgeübt, als auch die Notwendigkeit des auffordernden Charakters gewahrt. Allerdings basiert der Handlungsimpuls hierbei im Schwerpunkt auf der Sanktion und nicht auf der Täuschung.557 Daher sind die Konstellationen, in denen das sanktionierende Element durch die Täuschung hervorgerufen wird, in den Bereich der mittelbaren Täterschaft kraft Willensherrschaft einzuordnen und betreffen 555

So auch Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 159. Schönke/Schröder/Heine, § 25 Rn. 11; MüKo/Joecks, § 25 Rn. 76; SK/ Hoyer32, § 25 Rn. 61, LK/Schünemann, § 25 Rn. 78 ff.; LK11 /Roxin, § 25 Rn. 72 ff.; ders., AT II, § 25 Rn. 62; Kühl, AT, § 20 Rn. 48. 557 Vgl. 1. Kapitel, C.IV.4.g) bis i), insb. h). 556

146

1. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ in § 26

nicht die Fälle der reinen Irrtumsherrschaft. Wie bereits aufgezeigt, lässt sich dieser Gedanke aus § 35 Abs. 2 gewinnen.558 Die Fälle, in denen die Motivation des Haupttäters allein auf der Täuschung basiert, von der keine auffordernde Wirkung ausgeht, sind in den Bereich der Abgrenzung zwischen Beihilfe und mittelbarer Täterschaft einzuordnen und tangieren den vorliegenden Problemkreis nicht.559 Diesem Ergebnis stimmt auch Maiwald560 zu, der die Einbeziehung des Irrtums in der alten Fassung des § 26 StGB561 kritisiert und dabei auf Berner verweist. Danach vertrat bereits dieser im Jahr 1847 die Auffassung, dass die Erregung eines Irrtums, der die Zurechnung des Getäuschten ausschließt, zur mittelbaren Täterschaft führen muss.562

III. Die Abgrenzung zur versuchten Anstiftung Im Kontext der systematischen Auslegung soll ergänzend auf § 30 Abs. 1 verwiesen werden. Diese Norm bestraft die versuchte Anstiftung und ist von ihrem Wortlaut her stark an § 26 angelehnt. Dieser Gleichklang ist nicht verwunderlich, da § 30 erst nachträglich in das StGB eingefügt und nach dem Vorbild des § 26 geschaffen wurde.563 Aufgrund dieser entstehungsgeschichtlichen Verwandtschaft sind die für § 26 getroffenen Wertungen auf § 30 zu übertragen. Eine umgekehrte Herangehensweise würde sowohl der Entstehungsgeschichte als auch der Gesetzessystematik widersprechen. Für § 30 gelten daher auch die hier geforderten Voraussetzungen der Anstiftung. Der Einwirkende muss durch eine Aufforderung einen externen Wert setzen, mit dem er auf das internalisierte Wertegleichgewicht des Adressaten Einfluss nimmt. Im Fall der versuchten Anstiftung bleibt die Einwirkungshandlung erfolglos, da der Rezipient den Wert der Straffreiheit höher als die in Aussicht gestellte Sanktion gewichtet. 558 Vgl. 1. Kapitel, C.IV.4.h) am Ende. Zustimmend Schönke/Schröder/Heine, § 25 Rn. 34; LK/Schünemann, § 25 Rn. 94; LK11 /Roxin, § 25 Rn. 93. 559 So bereits 1. Kapitel, D.I. 560 Maiwald, FS f. Schroeder 2006, 283, 292. 561 Gesetzestext des § 48 a. F. vgl. 1. Kapitel, B.IV.7. in Fn. 333. 562 Berner, Die Lehre von der Theilname, S. 289. 563 LK/Schünemann, § 30 Entstehungsgeschichte; LK11 /Roxin, § 30 Entstehungsgeschichte. Wonach der heutige § 30 nachträglich (am 26.02.1876) in das StGB von 1871 aufgenommen wurde, nachdem sich der Kesselschmied Duchesne in drei Briefen gegenüber dem Erzbischof von Paris, d’Affre, erboten hatte, gegen Zahlung von 60.000 Franken den Reichskanzler Otto von Bismarck zu ermorden. Die eingeführte Strafnorm zur versuchten Anstiftung wurde daher auch als „Duchesne-Paragraph“ bezeichnet.

D. Die systematische Auslegung

147

Da nur die versuchte Anstiftung, aber gerade nicht die versuchte Beihilfe von § 30 erfasst wird, wird das zwischen beiden Beteiligungsformen bereits herausgearbeitete Stufenverhältnis unterstrichen, wonach die Anstiftung im Unwertgehalt über der Beihilfe anzusiedeln ist.564 Diejenigen Anstiftungstheorien, die auch Handlungen wie z. B. Tatsachenarrangements oder Ratschläge mit in die Anstiftung einbeziehen, kommen im Hinblick auf § 30 in eine besonders deutliche Konfliktlage. Im Fall der gescheiterten Einwirkung würden sie selbst bei einem Tatsachenarrangement oder einer einfachen informativen Mitteilung zur Versuchsstrafbarkeit gelangen. In Anbetracht einer derartigen Ausdehnung der Strafbarkeit wird die Unvereinbarkeit dieser Theorien mit dem verfassungsrechtlichen Schuldprinzip aus Art. 103 Abs. 2 GG besonders deutlich.

IV. Die Einordnung in den dogmatischen Kontext der Teilnahmelehre Im Rahmen der systematischen Auslegung ist nicht nur die Einordnung in das Gesetz von Bedeutung, sondern es ist insbesondere auch darauf abzustellen, ob sich die hier vertretene Anstiftungstheorie in den Kontext der übergeordneten Teilnahmelehre vom akzessorischen Rechtsgutsangriff einfügt. Die jeweilige Anstiftungstheorie muss danach geeignet sein, das selbständige Element im Sinne dieser Teilnahmelehre auszufüllen. Definitionsgemäß muss die Handlung des Anstifters den Unrechtsgehalt eines eigenständigen Rechtsgutsangriffs aufweisen.565 Die Einwirkung des Anstifters auf den Haupttäter erfüllt nach Roxin nur dann die Voraussetzungen eines eigenständigen Angriffs, wenn sie einer zielgerichteten Aufforderung durch den Anstifter entspricht.566 Diese Definition beschreibt die äußere Komponente der vorliegend vertretenen Anstiftungstheorie, wobei sie jedoch den eigentlichen Kern nicht klar genug herausstellt. Nach der hier vertretenen Theorie stellt die Aufforderung als äußere Einwirkungshandlung nur die Ursache dar, die wiederum auf den beschriebenen inneren Wertekonflikt abzielen muss. Im Ergebnis muss die 564

Vgl. 1. Kapitel, D.I. Nach dieser Theorie setzt sich das Unrecht der Teilnahme aus einem selbständigen und einem unselbständigen Element zusammen. Dabei verwirklicht der Teilnehmer das selbständige Element, wenn seine Einwirkungshandlung dem Unrecht eines eigenständigen Rechtsgutsangriffs entspricht. Als das unselbständige Element bezeichnet Roxin das durch die Haupttat verwirklichte Unrecht, welches dem Teilnehmer durch den Grundsatz der Akzessorietät zugerechnet wird. Näher hierzu S. 35 ff. 566 Roxin, FS f. Stree/Wessels 1993, 365, 377; Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 343 f. 565

148

1. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ in § 26

Aufforderung geeignet sein, den Adressaten zu korrumpieren.567 Eine Einwirkungshandlung, die darauf gerichtet ist, beim Rezipienten einen inneren Wertekonflikt zu verursachen, um ihn dadurch zu einer Straftat zu veranlassen, weist einen Unrechtsgehalt auf, der dem eines eigenständigen Rechtsgutsangriffs gleicht und erfüllt damit die, an das selbständige Element gestellten Bedingungen. Diejenigen Anstiftungstheorien, die von der Erheblichkeit ihrer Einwirkungshandlung unterhalb der Sanktionierungstheorie anzusiedeln sind, erreichen nicht den Unrechtsgehalt eines eigenständigen Rechtsgutsangriffs. Diese Lehren setzen weder den appellativen Charakter der Einwirkungshandlung voraus, noch fordern sie die bei dem Rezipienten eintretende korrumpierende Wirkung. Ein bloßes anonymes Tatsachenarrangement bzw. eine rein informelle Mitteilung kann keinen gesteigerten Handlungsimpuls beim Adressaten hervorrufen und ist daher nicht geeignet, die durch das selbständige Element aufgestellte Bedingung zu erfüllen. Die Dominanztheorien liegen von der Intensität ihrer Einwirkungshandlung über der hier vertreten Lehre. Ihnen gelingt es, eine Handlungsweise zu definieren, die einen gesteigerten Unrechtsgehalt aufweist. Eine einseitige temporäre Dominanz des Anstifters über den Haupttäter ist von einer Erheblichkeit, die der eines eigenständigen Rechtsgutsangriffs entspricht und daher geeignet, das selbständige Element im Sinne der Theorie vom akzessorischen Rechtsgutsangriff auszufüllen.

V. Ergebnis Durch die systematische Auslegung konnten die Grenzen des anstiftungsrelevanten Verhaltens deutlich herausgearbeitet werden. Die Untergrenze der Anstiftung wird durch die Abgrenzung zur Beihilfe markiert, wobei beide Teilnahmeformen im Grundsatz durch die Rechtsfigur des omnimodo facturus voneinander zu differenzieren sind. In Übereinstimmung zu der hier vertretenen Anstiftungstheorie setzt ein Gehilfe keinen neuen Handlungsimpuls. Ein Hilfeleistender kann allenfalls den Handlungswunsch eines zur Tat entschlossenen Haupttäters intensivieren. In diesem Fall baut er einen bestehenden Wertekonflikt weiter aus bzw. er ruft dem Adressaten einen bereits bestehenden Wertekonflikt ins Bewusstsein. Sobald der Teilnehmer einen neuen Wertekonflikt durch eine appellative Einwirkungshandlung und das Setzen eines neuen externen Wertes initiiert, liegt ein Fall der Anstiftung vor. 567 Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 155 f.; so bereits auch Less, ZStW 1957 [69], 43, 48.

E. Die teleologische Auslegung

149

Eine Vermischung von beihilfe- und anstiftungsrelevanten Verhaltensweisen wird durch dieses Verständnis ausgeschlossen. Insofern sind diejenigen Anstiftungstheorien, die von ihrer Einwirkungsintensität unterhalb der hier vertretenen Lehre liegen (also die Verursachungstheorie und die Theorie vom geistigen Kontakt), nicht in der Lage, die Beihilfe dogmatisch sauber von der Anstiftung zu differenzieren. Die Täterschaft, welche die Obergrenze des anstiftungsrelevanten Verhaltens markiert, wird durch das maßgebliche Kriterium der Tatherrschaft definiert. Diese Grenze wurde durch den Gesetzgeber noch einmal deutlich betont, als er die Vorgängernorm der Anstiftung, den § 48 a. F. in den § 26 transformierte. Danach darf die Tatherrschaft nicht bei dem Anstifter liegen, sondern sie muss sich ausschließlich in der Hand des Haupttäters befinden.568 Um diese Trennlinie nicht zu verwischen, ist es notwendig, das Element der Tatherrschaft aus der Anstiftung herauszuhalten. Aufgrund der Forderung einer temporären Dominanz des Anstifters über den Haupttäter sind die Dominanztheorien nicht in der Lage, die Obergrenze der Anstiftung klar zu definieren. Der vorliegend vertretenen Theorie gelingt es diese Grenze eindeutig zu ziehen, da der Gedanke des Korrumpierens und nicht derjenige der Dominanz in den Fokus der Betrachtung gestellt wird. Nach dem Ergebnis der vorgenommenen Abgrenzung ist daher nur die vorliegend vertretene Theorie in der Lage, die Unter- wie auch die Obergrenze der Anstiftung klar zu definieren.

E. Die teleologische Auslegung Die teleologische Auslegung erforscht den Sinn und Zweck der entsprechenden Vorschrift.569 Der Ausgangspunkt der Überlegung, die Frage nach dem Strafgrund der Anstiftung, spiegelt sich am deutlichsten im Rahmen dieser Auslegungsmethode wider.570 Hierbei darf aber nicht in den Zirkelschluss verfallen werden, das Ergebnis der teleologischen Auslegung mit dem Strafgrund der Anstiftung gleichzusetzen. Vielmehr kann die Frage nach dem Strafgrund der Anstiftung nur durch eine Gesamtbetrachtung aller Auslegungsmethoden ermittelt werden, wobei deren klare Trennung nicht immer möglich und oftmals nicht zweckmäßig ist.571

568 569 570 571

BT-Drs. IV/650, S. 150. Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 153 ff.; Schmalz, Methodenlehre, Rn. 272. So auch Krüger, JA 2008, 492, 496. So auch Krüger, JA 2008, 492, 496.

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1. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ in § 26

I. Die tätergleiche Bestrafung des Anstifters Für die Ermittlung des Sinn und Zwecks ist zunächst einmal die hohe Strafandrohung des § 26 zu hinterfragen. So wird der Anstifter gleich dem Haupttäter bestraft, wobei eine Differenzierung hinsichtlich der Strafrahmenhöhe, vor allem zur Mittäterschaft gerade nicht vorliegt. Dennoch hat der Anstifter nicht dieselbe Tatnähe, wie sie der Alleintäter oder der Mittäter in aller Regel aufweist. Eine derartige Strafandrohung kann nur durch eine besonders gravierende rechtliche Verwerflichkeit begründet werden. Das von dem Anstifter verwirklichte Unrecht muss eine Qualität erreichen, welche der Mittäterschaft bzw. der Alleintäterschaft gleichsteht. In diesem Punkt sind sich die Vertreter der eingangs aufgezeigten Anstiftungstheorien einig.572 Für die Begründung der tätergleichen Bestrafung werden zwei Elemente herangezogen. Zum einen ist der Anstifter der geistige Urheber der entsprechenden Tat. Denn durch seine Initiative wird das spätere Unrecht verwirklicht.573 Allerdings zeigt ein erneuter Vergleich zur Mittäterschaft, dass die bloße Urheberschaft des Unrechts nicht allein der tragende Grund für eine derartig hohe Strafandrohung sein kann. Auch unter Mittätern wird in aller Regel zunächst ein Plan ausgearbeitet, den diese darüber hinaus noch (u. U.) arbeitsteilig verwirklichen.574 Um die tätergleiche Bestrafung zu rechtfertigen, muss zum anderen auf den eigentlichen Handlungsunwert der Anstiftungshandlung abgestellt werden. Eine Möglichkeit diesen zu erfassen wird von Herzberg im Rahmen seiner Theorie vom rechtlich relevanten Risiko beschrieben, die er aus den Grundsätzen der objektiven Zurechnung herleitet.575 Danach muss das Unrecht der Einwirkungshandlung das rechtlich gebilligte Risiko überschreiten, um die Voraussetzungen der Anstiftung zu erfüllen. Diese Definition kann aufgrund ihrer Unbestimmtheit nur als Ausgangspunkt für weitere Überlegungen dienen. 572 SK/Hoyer34, § 26 Rn. 1; LK/Schünemann, § 26 Rn. 1; LK11 /Roxin, § 26 Rn. 2; MüKo/Joecks, § 26 Rn. 1; NK/Schild, § 26 Rn. 1; Krey/Esser, AT, § 31 Rn. 1038; Kretschmer, Jura 2008, 265, 266; Kelker, Jura 1996, 89, 95; Hilgendorf, Jura 1996, 9, 9; Krüger, JA 2002, 492, 493; Puppe, GA 1984 [131], 101, 101 und 111; dies., NStZ 2006, 424, 425; Schulz, Bestrafung des Ratgebers, S. 140 f.; ders., JuS 1986, 933. 573 BGHSt 4, 355, 358; RGSt 5, 227, 228; 15, 315, 316; Roxin, FS f. Stree/Wessels 1993, 365, 369. 574 BGH, NStZ 2007, 697; Krüger, JA 2008, 492, 497. 575 Herzberg, JuS 1987, 617, 620 f.; diesem folgend Kretschmer, Jura 2008, 265, 266 ff.; Hilgendorf, Jura 1996, 9, 10 ff.; Scheinfeld, GA 2007 [154], 695, 706.

E. Die teleologische Auslegung

151

Herzbergs Lehre lässt sich aber mit der hier vertretenen Anstiftungstheorie konkretisieren. Danach erreicht das Unrecht der Einwirkungshandlung stets die tätergleiche Verwerflichkeit, wenn durch das Setzen eines neuen Wertes auf das bestehende Wertesystem des Adressaten eingewirkt wird. Da bereits eine einfache Bitte bzw. ein Wunsch das Wertegleichgewicht des Rezipienten beeinflusst,576 markieren diese Verhaltensweisen die unterste Stufe des rechtlich missbilligten Verhaltens im Sinne Herzbergs. Unter diesem Hintergrund können wiederum Rückschlüsse auf die in der Lehre vertretenen Anstiftungstheorien gezogen werden. Gerade in Anbetracht einer erhöhten Unrechtsforderung kann die reine Verursachungstheorie nicht der Intention des Gesetzgebers entsprechen. Ein reines Tatsachenarrangement reicht vom Unrechtsgehalt her nicht aus, um die hohe tätergleiche Bestrafung zu rechtfertigen. Auch wenn die Vertreter der reinen Verursachungslehre behaupten, ein besonders kunstvoll inszeniertes Tatsachenarrangement wirke provozierender als eine tatsächliche Handlungsaufforderung,577 so ist die Art der Willensbildung des Adressaten eine völlig andere, als es bei einer direkten Einwirkung der Fall ist. Durch ein Tatsachenarrangement wirkt der Hintermann immer nur mittelbar auf den Willen des Adressaten ein. Dabei kommt es zu keiner geistigen Beeinflussung, vielmehr wird der Tatentschluss des späteren Täters durch einen autonomen Entschluss gefasst. Das Unrecht, welches von einem derartigen Tatsachenarrangement ausgeht, ist für den von § 26 angedrohten Strafrahmen zu gering und würde zu einer Verletzung des Schuldprinzips führen.578 Dieselbe Wertung gilt für die Theorie des geistigen Kontakts. Da die Vertreter dieser Lehre sämtliche Einwirkungshandlungen unter die Anstiftung fassen, mit denen der Einwirkende durch einen offenen Kontakt auf den Rezipienten einwirkt, fallen auch Handlungsweisen wie z. B. der einfache Rat, einfache Anregungen oder ein scheinbares Abraten in den Bereich der Anstiftung,579 die den beschriebenen Wertekonflikt gerade noch nicht verursachen. Da hierbei die beschriebene Verwerflichkeitsschwelle noch nicht 576

Vgl. 1. Kapitel, C.IV.4.b). Nachweise hierzu vgl. 1. Kapitel, B.III.3. in Fn. 145. 578 So auch Ranft, Jura 1994, 660, 662; Kelker, Jura 1996, 89, 95; wohl auch Wessels/Beulke, AT, Rn. 568; die Verursachungslehre im Ergebnis ebenfalls ablehnend Rogall, GA 1979 [126], 11 f.; Schönke/Schröder/Heine, § 26 Rn. 4; Fischer, § 26 Rn. 4; Welzel, Strafrecht, S. 116; Jescheck/Weigend, AT, § 64 II 1; Schmidhäuser, AT, 10/113; Stein, Beteiligungsformenlehre, S. 271; H. Mayer, AT 1953, S. 321; ders., AT 1967, S. 160. 579 Rogall, GA 1979 [126], 9 f.; Fischer, § 26 Rn. 6; Welzel, Strafrecht, S. 116; Jescheck/Weigend, AT, § 64 II 2; Schmidhäuser, AT, 10/113; Stein, Beteiligungsformenlehre, S. 271 f.; Baumann, JuS 1963, 125, 130. 577

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1. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ in § 26

überschritten wird, ist auch diese Theorie mit dem hohen tätergleichen Strafmaß aus § 26 nicht zu vereinbaren. Die Dominanztheorien legen einen Verwerflichkeitsmaßstab an, der über dem hier geforderten Mindestmaß liegt. Nach dem Verständnis dieser Lehren müssen sich Täterschaft und Anstiftung sogar in partiellen Bereichen überschneiden, um das hohe tätergleiche Strafmaß zu rechtfertigen.580 Im Ergebnis werfen diese Lehren keine Konflikte mit dem Strafmaß der Anstiftung auf. Durch die Sanktionierungstheorie wird also eine untere Erheblichkeitsschwelle deutlich markiert, die geeignet ist, eine Einwirkungshandlung zu beschreiben, die eine Verwerflichkeit aufweist, die erheblich genug ist, um die tätergleiche Bestrafung zu rechtfertigen.

II. Gesichtspunkte des Opferschutzes Ein weiterer Aspekt, der im Rahmen der teleologischen Auslegung Beachtung finden muss, ist der Gedanke des Opferschutzes. Durch die Sanktionierung bestimmter Verhaltensweisen stellt der Staat den Erhalt und den Schutz von Rechtsgütern sicher und dient der Verwirklichung des Gemeinwohls und der Wahrung des Rechtsfriedens.581 Mithin ist es das ureigenste Prinzip des Strafrechts, potentielle Opfer vor Straftätern zu schützen. Dieser Gedanke spiegelt sich am deutlichsten in der Theorie der negativen Generalprävention wider, welche zu allen Zeiten in der Strafrechtsgeschichte eine tragende Rolle spielte und die ihre theoretische Fassung durch Anselm von Feuerbach erhielt.582 Wesentlicher Zweck der Strafe, und zwar der Androhung des in ihr enthaltenen Übels, ist es danach, „dass wer unbürgerliche (rechtswidrige) Neigungen hat, psychologisch verhindert werde, sich nach diesen Neigungen wirklich zu bestimmen“.583 Die Vollstreckung der Strafe findet nach von Feuerbachs Überzeugung nur statt, damit die Drohung des Gesetzes eine wirkliche Drohung darstellt, wobei andere 580

Puppe, GA 1984 [131], 101, 110 u. 114; dies., AT II, § 38 Rn. 4 sowie § 41 Rn. 4; dies., NStZ 2006, 424, 425 f.; dies., ZIS 2007, 234, 246 = FS f. Spinellis 2001, 911; Jakobs, AT, 22/22; Altenhain, Strafbarkeit des Teilnehmers, S. 123; Janß, Kettenteilnahme, S. 170; Letzgus, Vorstufen, S. 128; Schulz, Bestrafung des Ratgebers, S. 141 f.; ders., JuS 1986, 933; SK/Hoyer34, § 26 Rn. 15; Neidlinger, Abgrenzung, S. 118 f. 581 BVerfGE 51, 324, 343; MüKo/Joecks, Einl. Rn. 26; SK/Rudolphi6, Vor § 1 Rn. 2 ff.; LK/Weigend, Einl. Rn. 1; Roxin, AT I, § 2 Rn. 1 ff.; ders., ZStW 2004 [116], 929 ff.; Jescheck/Weigend, AT, § 26 I; Wessels/Beulke, AT, Rn. 6. 582 v. Feuerbach, Revision der Grundsätze, Band 1, S. 43 ff. 583 v. Feuerbach, Revision der Grundsätze, Band 1, S. 43.

E. Die teleologische Auslegung

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wohltätige Zwecke, wie die Besserung des Straftäters, nur zufällig mit der Strafe verknüpft sind.584 In der breiten Öffentlichkeit und auch in der Rechtsprechung ist dieser Gedanke sehr präsent und spielt eine erhebliche Rolle. Jedoch haben sozialwissenschaftliche Forschungen gezeigt, dass die abschreckende Wirkung der Strafe (also die Generalprävention nach v. Feuerbach) das menschliche Verhalten in Bezug auf die Entschlussfassung zur Begehung von Straftaten nur partiell beeinflusst. Nach dem „klassischen“ soziologischen Verhaltensmodell des „Homo sociologicus“ ist Normkonformität vor allem das Ergebnis der Norminternalisierung, die vorwiegend in der Kinder- und Jugendzeit stattfindet. Die staatliche Sanktionsandrohung ist daher eher als externe Verhaltenskontrolle anzusehen, wenn der Aufbau der internen Verhaltenskontrolle versagt hat.585 Im Ergebnis gilt daher als gesichert, dass die Geltung einer Norm davon abhängt, ob ihre Übertretung überhaupt geahndet wird, während Art und Ausmaß der Sanktion innerhalb eines weiten Spielraums offenbar keinen Einfluss haben.586 Nach diesen Erkenntnissen hat die von § 26 angedrohte tätergleiche Strafbarkeit kaum einen Einfluss auf den Opferschutz, da sich potentielle Straftäter weniger an der Sanktion, sondern vielmehr an der tatsächlichen Ahndung der Verstöße orientieren. Auf den ersten Blick erzielen die relativ offenen Theorien, also die Verursachungslehre sowie die Theorie vom geistigen Kontakt, einen umfassenden Opferschutz, da sie das strafrelevante Verhaltensspektrum entsprechend weit ausdehnen. Den geringsten Opferschutz verwirklichen demzufolge die Dominanztheorien, da sie durch ihre eng gefassten Voraussetzungen die Schwelle zur Anstifterstrafbarkeit sehr hoch ansiedeln und eine Vielzahl von Verhaltensweisen nicht unter den Tatbestand der Anstiftung fassen. Die Sanktionierungstheorie steht wiederum zwischen diesen Extrempositionen. Durch die Voraussetzung der Verursachung eines inneren Wertekonflikts stellt diese Theorie eine klare Mindestbedingung für das anstiftungsrelevante Verhalten auf. Da diese Untergrenze nicht in den Bereich der Täterschaft hineinragt, wird der Schutzbereich der Anstiftung angemessen 584

v. Feuerbach, Revision der Grundsätze, Band 1, S. 60 ff. Baurmann, GA 1994 [141], 368, 372 f.; Kuhlen, GA 1994 [141], 347, 365; so auch Eisenberg, Kriminologie, § 5 Rn. 62 ff.; ausführlich zu den soziologischen Hintergründen und der Figur des homo sociologicus: Parsons, Social Action, S. 451 ff., 697 ff.; Opp, Analyse und Kritik, 1 ff.; Münch, Theorie des Handelns, S. 31 ff.; Dahrendorf, Pfade aus Utopia, 127, 146 ff. 586 Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 1 Rn. 24; Kaiser, Kriminologie, S. 65; Aronson/ Wilson/Akert, Sozialpsychologie, S. 543 ff. 585

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1. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ in § 26

weit gezogen. Der Opferschutz findet durch die klare Definition des strafbaren Verhaltens eine hinreichende Berücksichtigung. Die Schaffung klarer Mindestvoraussetzungen ist insbesondere unter dem Aspekt der Normgeltung nötig. Nach den aufgezeigten sozialwissenschaftlichen Erkenntnissen des Strafzwecks ist eine deutliche Definition des strafbaren Verhaltens nötig, um die Normakzeptanz in der Bevölkerung zu erzielen und zu stärken. Ein zu weites Verständnis des anstiftungsrelevanten Spektrums, das nahezu jedes Verhalten unter Strafe stellt, welches kausal für die spätere Haupttat wird, trägt erheblich zur Schaffung von Rechtsunsicherheit bei. Die Normadressaten erhalten auf diese Weise keinen verlässlichen Verhaltensmaßstab. Es wird dem Bürger (insbesondere dem juristischen Laien) nicht hinreichend verdeutlicht, welche Einwirkungshandlungen noch in den Bereich des anstiftungsrelevanten Verhaltens fallen und welche gerade nicht erfasst werden. Eine Norm, deren klarer Anwendungsbereich nicht hinreichend deutlich ist, verliert auf Dauer die Akzeptanz in der Bevölkerung, da sich der beschriebene Internalisierungsprozess nicht mehr vertiefen kann. In diesem Zusammenhang tritt ein weiterer Aspekt auf, der dafür spricht, die Mindestanforderungen der Anstiftung deutlich herauszustellen und nicht jedes alltägliche Verhalten als taugliche Anstiftungshandlung zu werten. Eine zu große Ausweitung des strafrechtlich relevanten Verhaltens würde zu einer Überlastung der Strafverfolgungsorgane führen, wodurch keine adäquate Strafverfolgung in diesem Bereich mehr möglich wäre. Wird aber eine Sanktion für ein bestimmtes Verhalten nicht mehr oder nur noch im ungenügenden Maße verhängt, dann verliert die entsprechende Vorschrift ihre Akzeptanz in der Bevölkerung und wird nicht mehr oder nur noch unzureichend beachtet.587 Die Verursachungstheorie sowie die Theorie vom geistigen Kontakt würden also nur in der theoretischen Überlegung zu einem größeren Opferschutz führen. Durch die damit einhergehende Unsicherheit über die Mindestanforderungen des tatbestandlichen Verhaltens würde es aber auf lange Sicht zu einer Nichtakzeptanz der Norm kommen, welche das Ergebnis einer schleichenden Erosion der Internalisierung der Normgeltung wäre. Die Dominanztheorien stellen entsprechend hohe Anforderungen an die Anstifterstrafbarkeit. Durch die relativ eindeutige Forderung einer temporären Dominanzbeziehung zwischen Haupttäter und Anstifter stellt sich das Problem einer erodierenden Normakzeptanz in der Bevölkerung nicht, da hierdurch die Mindestvoraussetzungen der Anstiftung recht klar umrissen 587 Im Ergebnis so auch Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 1 Rn. 24; Kaiser, Kriminologie, S. 63; Rehbinder, Rechtssoziologie, S. 238 ff.

F. Das Ergebnis der Auslegung

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werden. Allerdings wird durch diese Theorien dem Gedanken des Opferschutzes in nicht genügendem Maße Rechnung getragen. Denn in der rechtlichen Konsequenz würde der Tatbestand der Anstiftung immer nur dann vorliegen, wenn die geforderte hohe Mindestbedingung der dominierenden Herrschaftsbeziehung erfüllt ist. Damit würden erhebliche Strafbarkeitslücken gerissen werden, da zahlreiche objektiv gefährliche Einwirkungshandlungen allenfalls unter den Tatbestand der psychischen Beihilfe zu fassen wären.588 Nach Abschluss dieser Überlegungen wird durch die Sanktionierungstheorie der Gedanke des Opferschutzes am effektivsten verwirklicht. Eine Einwirkungshandlung immer dann als taugliche Anstiftung zu betrachten, wenn sie in appellativer Weise auf die Verursachung eines inneren Wertekonflikts bei dem Adressaten abzielt, beschreibt eine klare Trennlinie, durch die das Mindestmaß des strafbaren Verhaltens deutlich markiert wird. Im Übrigen wird durch die Definition dieser Mindestvoraussetzungen ein Verhaltensspektrum aus dem strafbaren Bereich der Anstiftung ausgeklammert, welches nach dem (laienhaften) Verständnis des Normadressaten ohnehin nur einen Unwert von geringerem Ausmaß darstellt. Durch diese klare Grenzziehung wird die Normakzeptanz und letztlich die Internalisierung der Normgeltung gestärkt, wodurch der Gedanke des Opferschutzes maximale Beachtung findet.

F. Das Ergebnis der Auslegung Im Ausgangspunkt der Auslegung stand der Wortlaut des § 26, wobei durch die Teildisziplin der Linguistik, der Pragmatik, die Klassifikation des Gesetzestextes ermöglicht wurde. Danach ist der Gesetzeswortlaut in die direktive Sprechaktklasse einzuordnen, welche auf eine einseitige Verpflichtung des Rezipienten gegenüber dem Sprecher abzielt. Um die Intention einer einseitigen Verpflichtung und letztendlich den appellativen Charakter begründen zu können, wird in der Linguistik ein sanktionierendes Element gefordert, durch welches eine einfache Aussage verbal oder nonverbal ergänzt werden muss. In tatsächlicher Hinsicht kann der verpflichtende Charakter durch positive wie auch durch negative Sanktionen hervorgerufen werden. Dem Rezipienten wird durch diese Art der Einwirkung ein Werteverlust bzw. -gewinn in Aussicht gestellt, dessen Realisation in der Hand des Einwirkenden liegt. In jedem Menschen existiert eine Vielzahl von Bedürfnissen, deren vollständige Befriedigung unmöglich ist, nicht zuletzt, weil viele dieser Bedürf588

So auch Roxin, AT II, § 26 III Rn. 89.

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1. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ in § 26

nisse zueinander in einem Exklusivitätsverhältnis stehen. Im Normalfall befindet sich das Wertesystem in einem Gleichgewicht, welches von Mensch zu Mensch mehr oder minder stabil ist. Ein feststehender Wert, der für die strafrechtliche Betrachtung von maßgeblicher Bedeutung ist und den sich jeder Mensch bewahren möchte, ist das Straffreiheitsinteresse. Der Anstifter, der durch eine sanktionsbewehrte Aufforderung auf den Adressaten einwirkt, um ihn für die Begehung einer Straftat zu gewinnen, fügt dessen bestehendem Wertesystem einen externen Wert hinzu, der nunmehr dem Straffreiheitsinteresse gegenübersteht und so einen neuen Wertekonflikt initiiert. Der Unrechtsgehalt der Anstiftung ist daher genau in diesem korrumpierenden Einfluss auf das Wertesystem des Rezipienten zu verstehen. Dabei muss die äußere Form der Einwirkungshandlung einen appellativen Charakter aufweisen, um den Anforderungen der direktiven Sprechaktklasse zu entsprechen. Nur die vorliegend vertretene Sanktionierungstheorie ist in der Lage, die beschriebene Situation in rechtlicher Hinsicht umfänglich abzubilden. Dieses Ergebnis erzielte auch die teleologische Auslegung. Dabei wurden die vertretenen Anstiftungstheorien auf ihre Vereinbarkeit mit den Aspekten der tätergleichen Bestrafung sowie des Opferschutzes überprüft. Die systematische Auslegung ermöglichte eine konkrete Definition der Ober- wie auch der Untergrenze des anstiftungsrelevanten Verhaltens, wonach wiederum nur die vorliegend vertretene Theorie in der Lage war, der Anstiftung einen klaren Anwendungsbereich zu eröffnen, der sich nicht mit der Beihilfe oder der Täterschaft überlagert. Abschließend wurden im Rahmen der historischen Auslegung zum einen die Motive des Gesetzgebers und zum anderen der moraltheologische Hintergrund der Anstiftung betrachtet. Auch diese Auslegung bestätigte den, in der vorliegenden Theorie enthaltenen Korruptionsgedanken und die kritisierten Mängel der übrigen Anstiftungstheorien.

G. Die Probleme der Konkretisierung im Rahmen der Anstiftung Für die Einordnung der Anstiftung in den gesetzlichen Kontext, vor allem in Bezug zu den Normen des Besonderen Teils mit Einwirkungscharakter, ist nicht nur das Verständnis von der Tathandlung von Bedeutung, sondern es sind die Problemkreise der Konkretisierung zu klären. Insbesondere die Literatur zieht für diese Abgrenzung nahezu ausschließlich die Bestimmtheitskriterien heran.589 589 SSW/Murmann, § 26 Rn. 9; MüKo/Joecks, § 26 Rn. 57 ff.; Schönke/Schröder/Heine, § 26 Rn. 17 ff.; LK/Schünemann, § 26 Rn. 79 ff.; LK11 /Roxin, § 26

G. Die Probleme der Konkretisierung im Rahmen der Anstiftung

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I. Die Konkretisierung der Haupttat Das Problem der Konkretisierung der Haupttat durch den Anstifter fand bis zu der Entscheidung BGHSt 34, 63 in der Literatur nur wenig Beachtung, wird aber seitdem umso heftiger diskutiert.590 Hierbei geht es um einen Sachverhalt, in welchem sich der spätere Täter ins Ausland absetzen wollte und dafür Geld benötigte. Der Angeklagte hatte dem späteren Täter in Aussicht gestellt, ihm für 10.000 DM falsche Ausweispapiere und eine neue Identität in Südamerika zu beschaffen. In diesem Zusammenhang hatte der Angeklagte dem späteren Täter zunächst geraten, zur Erlangung des Geldes sein Auto oder seine Waffe zu verkaufen. Als dieses nicht durchführbar war, äußerte er: „Dann müsstest du eine Bank oder Tankstelle machen.“. Der spätere Täter antwortete auf den Vorschlag des Angeklagten nicht, beging aber zwei Tage danach einen Überfall auf eine Zweigstelle der Kreissparkasse, wobei er 39.775 DM erbeutete.591 1. Die Auffassung des BGH Die bis zu dieser Entscheidung vorherrschende Rechtsprechung des BGH592, die auf die Judikatur des Reichsgerichts593 zurückzuführen ist, war durch ein weites Verständnis des Konkretisierungserfordernisses gekennzeichnet. Der Anstifter musste danach in laienhafter Weise die wesentlichen Merkmale der künftigen Tat gekannt und in seinen Vorsatz aufgenommen haben. Eine genauere Konkretisierung wurde nicht verlangt und sogar als unzweckmäßig erachtet, da eine in der Zukunft liegende Tat niemals genau bestimmt sein kann. So wurde auch die nähere Präzisierung hinsichtlich Zeit, Ort, Art und Person des Ausführenden als entbehrlich erachtet.594 In der eingangs genannten Entscheidung wich der BGH von dieser bis dahin gefestigten Rechtsprechung ab, indem er das Merkmal des individualisierten Geschehensablaufs einführte und so seine bis dahin geforderten Konkretisierungskriterien erheblich einengte. Danach muss der Anstifter den Geschehensablauf der Haupttat umrisshaft individualisiert in seinen Vorsatz aufgenommen haben. Als Anhaltspunkte für eine präzisere IndividualisieRn. 85 ff.; ders., AT II, § 26 V Rn. 133 ff.; ders., JZ 1986, 908 f.; Kühl, AT, § 20 Rn. 188 ff.; Jescheck/Weigend, § 64 II 2 b); Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 30 Rn. 57 ff.; Herzberg, JuS 1987, 617, 619; Ingelfinger, Anstiftervorsatz, S. 79 f. 590 Ingelfinger, Anstiftervorsatz, S. 31. 591 BGHSt 34, 63, 63 f. 592 BGHSt 6, 359, 361; 15, 276, 277. 593 RGSt 1, 110; 26, 361, 362; 34, 327, 328; OGHSt 2, 23, 32. 594 In dieser Deutlichkeit: BGHSt 6, 359, 362; RGSt 34, 327, 328.

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1. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ in § 26

rung zieht der BGH nunmehr das Tatobjekt, den Ort, die Zeit und die sonstigen Umstände der Tat heran. Diese individualisierte Vorstellung muss er im Rahmen der Einwirkungshandlung nach außen kommunizieren.595 Im Ergebnis zu diesen Anforderungen war dem BGH die Aussage „eine Bank oder eine Tankstelle zu machen“ nicht konkret genug, um eine Anstiftung zu bejahen. Die gattungsmäßige Beschränkung der Tatobjekte auf Banken oder Tankstellen reiche nicht aus, um die Haupttat als individualisierbares Geschehen hervortreten zu lassen. Das Tatbild, wie es nach der Vorstellung des Angeklagten vorlag, war in Ermangelung individualisierender Umstände zu unbestimmt.596 2. Die Auffassung von Roxin Roxin hat bezüglich der Konkretisierung der Haupttat einen eigenen Lösungsansatz entwickelt, der weitaus offener als die Auffassung des BGH ist. Danach muss der Vorsatz des Anstifters neben dem zu verwirklichenden Tatbestand die „wesentlichen Dimensionen des Unrechts“ der Tätertat erfassen. Unter diesen wesentlichen Dimensionen versteht er das ungefähre Ausmaß des Schadens und die Art und Weise des Angriffs.597 Die Einordnung nach der, durch den gesetzlichen Tatbestand umschriebenen Verhaltensweise sei hierbei nicht immer zielführend, um die hinreichende Konkretisierung durch den Anstifter zu ermitteln. Im Rahmen eines Diebstahls, Raubes oder Betruges gebe es qualitative Grenzen, die die entsprechenden Verhaltensweisen nicht mehr als dieselbe Tat erscheinen lassen. Für Schuld und Strafwürdigkeit des Anstifters ist es entscheidend, ob einige Mark oder einige zehntausend Mark geraubt, ob eine Handtasche weggerissen oder eine Bank überfallen werden soll.598 Allerdings gibt es auch gesetzliche Straftatbestände, deren tatbestandlicher Erfolg bereits die wesentlichen Dimensionen des Unrechts festlegt. Eine hinreichende Konkretisierung liege beispielsweise in dem Fall vor, in dem A den B dazu drängt, zum Beweise seines „Mutes“ oder seiner „Männlichkeit“ einen Menschen umzubringen oder eine Frau zu vergewaltigen.599 595

BGHSt 34, 63, 66 f. BGHSt 34, 63, 66. 597 LK11 /Roxin, § 26 Rn. 46 ff.; ders., AT II, § 26 Rn. 136 ff.; ders., JZ 1986, 906, 908; ders., JA 1979, 169, 172; ders., FS f. Salger 1995, 129, 131 ff.; LK/Schünemann, § 26 Rn. 39 ff.; sympathisierend Kretschmer, NStZ 1998, 402 f.; ders., Jura 2008, 265, 267; Rogall, GA 1979 [126], 11, 14. 598 Roxin, AT II, § 26 Rn. 137; ders., JZ 1986, 906, 908; ders., FS f. Salger 1995, 129, 132. 596

G. Die Probleme der Konkretisierung im Rahmen der Anstiftung

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Nach Roxin ist es unerheblich, ob der Täter einen Bankraub heute oder in einigen Tagen begeht und ob er dabei die X- oder die Y-Filiale überfällt. Der Unrechtsgehalt, den der Einwirkende durch seine Handlung in die Welt setzt, ist stets derselbe. Eine Differenzierung hinsichtlich weiterer individualisierender Merkmale kann auf die Strafwürdigkeit des Anstifters keinen Einfluss haben.600 Um aufzuzeigen, zu welch rechtspolitisch untragbaren Ergebnissen die individualisierenden Konkretisierungskriterien des BGH führen, bildet Roxin folgende Fälle: Ein Hehler, der einen Dieb beauftragt, ihm für eine bestimmte Geldsumme Orientteppiche zu stehlen, könne nicht deshalb der Anstifterstrafe entgehen, weil die individualisierenden Umstände der Ausführung, das Wann, Wo und Wie der Tat, dem Dieb überlassen bleiben.601 Entsprechendes gelte ebenso, wenn der Anführer einer Terroristengruppe einzelne Mitglieder beauftragt, das für die Organisation erforderliche Geld durch einen Sparkassenüberfall zu beschaffen. Hier sei es höchst befremdlich, wenn eine Anstiftung nur deshalb abgelehnt würde, weil der Anführer die „individualisierenden Umstände“ der Tat (welche Bank? Wann? Wo?) den beauftragten Mitgliedern überlassen hat.602 Der BGH würde in diesen Beispielsfällen die Anstifterstrafbarkeit ablehnen müssen, da die jeweilige Haupttat nicht näher bestimmt war. Aber nicht nur die, mit diesem Ergebnis verbundenen Strafbarkeitslücken werden von Roxin kritisiert, sondern auch die, mit einer solchen Judikatur einhergehende Rechtsunsicherheit. Der BGH lässt es offen, welche der aufgeworfenen individualisierenden Kriterien im Einzelfall heranzuziehen sind. Die Entscheidung, ob der Anstifter die Haupttat in einem ausreichenden Maße konkretisiert hat, liegt nach der Rechtsprechung des BGH nahezu im freien Ermessen des jeweiligen Gerichts. Da die Strafbarkeit des Teilnehmers zum Zeitpunkt der Tat nicht mehr mit Sicherheit bestimmt werden kann, verstoße die Dogmatik des BGH gegen den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz.603 599

Roxin, AT II, § 26 Rn. 138; ders., FS f. Salger 1995, 129, 132. LK11 /Roxin, § 26 Rn. 48; ders., AT II, § 26 Rn. 136; ders., JZ 1986, 906, 908; ders., FS f. Salger 1995, 129, 133; LK/Schünemann, § 26 Rn. 41. 601 LK11 /Roxin, § 26 Rn. 47; ders., AT II, § 26 Rn. 140; ders., JZ 1986, 906, 909; ders., FS f. Salger 1995, 129, 133; LK/Schünemann, § 26 Rn. 40. 602 LK11 /Roxin, § 26 Rn. 47; ders., AT II, § 26 Rn. 140; ders., JZ 1986, 906, 909; ders., FS f. Salger 1995, 129, 133; LK/Schünemann, § 26 Rn. 40. 603 LK11 /Roxin, § 26 Rn. 50; ders., AT II, § 26 Rn. 141; ders., FS f. Salger 1995, 129, 133; ders., JZ 1986, 906, 909; LK/Schünemann, § 26 Rn. 43; Ingelfinger, Anstiftervorsatz, S. 46; kritisch auch Kretschmer, NStZ 1998, 401, 402. 600

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1. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ in § 26

Wird das von Roxin entworfene Kriterium der „wesentlichen Dimension des Unrechts“ der Tat auf den Sachverhalt der vorliegenden BGH-Entscheidung angewendet, dann genügt die Aussage „eine Bank oder Tankstelle zu machen“, um von einer ausreichend präzisen Konkretisierung auszugehen. Es sollte ein Bank- oder Tankstellenüberfall stattfinden, wodurch die Art und Weise des geplanten Angriffs herausgestellt und damit die wesentliche Dimension des Unrechts klar genug umgrenzt wird.604 Trotz der hinreichend präzisen Konkretisierung lehnt aber auch Roxin die Anstifterstrafbarkeit ab. Dieses Ergebnis begründet er mit dem mangelnden Aufforderungsgehalt der Einwirkungshandlung. Da auch Roxin im Ergebnis mit der hier vertretenen Anstiftungstheorie konform geht, setzt er für die Begründung der Anstiftung ebenfalls eine appellative Einwirkungshandlung voraus. In der vorliegenden BGH-Entscheidung forderte der Angeklagte den späteren Täter nicht auf, sondern er gab ihm allenfalls eine aufforderungsneutrale Handlungsempfehlung, eine solche kann aber das Handlungsunrecht der Anstiftung nicht begründen.605 3. Die Auffassung von Herzberg Ein abweichender Ansatz wird von Herzberg vertreten, der die Frage nach der Konkretisierung der Haupttat nicht in den Fokus seiner Betrachtung rückt. Nach ihm ist bereits die Definition der Anstiftungshandlung als ein Problem der objektiven Zurechnung zu verstehen, wobei er prüft, ob der Anstifter das rechtlich relevante Risiko überschritten hat.606 Bei der Beurteilung dieses Problems lässt er die Frage nach der Tatbestimmtheit automatisch mit einfließen, indem er danach fragt, ob durch die nähere Konkretisierung der Tat das rechtlich relevante Risiko gesteigert wurde. Herzberg verschiebt also das Problem der Konkretisierung, in Abweichung zu den beiden vorherigen Auffassungen, in den objektiven Tatbestand. Infolge dessen besteht für ihn keine Notwendigkeit, die vorliegende Fragestellung in einer eigenständigen Betrachtung zu diskutieren. Das Merkmal der Tatbestimmtheit ist vielmehr Bestandteil der allgemeinen Fragestellung, ob die Einwirkungshandlung geeignet war, den Tatentschluss des Haupttäters in einer rechtlich missbilligten Art zu verursachen.607 LK11 /Roxin, § 26 Rn. 48; ders., AT II, § 26 Rn. 136; ders., JZ 1986, 906, 908 f.; ders., FS f. Salger 1995, 129, 133; LK/Schünemann, § 26 Rn. 41. 605 LK11 /Roxin, § 26 Rn. 51; ders., AT II, § 26 Rn. 134; ders., JZ 1986, 906, 909; ders., FS f. Salger 1995, 129, 131; LK/Schünemann, § 26 Rn. 44. 606 Vgl. 1. Kapitel, B.III.3., konkret S. 55. 607 Herzberg, JuS 1987, 617, 620 f. 604

G. Die Probleme der Konkretisierung im Rahmen der Anstiftung

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Nach Herzberg gibt es Fälle, in denen auch die nähere Konkretisierung der Tat keine rechtlich missbilligte Risikosteigerung begründet. Ob der Einwirkende dem Adressaten sagt: „Überfall’ doch mal eine Bank!“ oder „Geh’ doch heute Nachmittag mit dem Revolver zur Deutschen Bank in der Marktstraße und lass’ dir dort hundert Riesen geben!“ könne für die Begründung der Strafbarkeit keinen Unterschied machen. Zum einen wird in beiden Konstellationen kein rechtlich missbilligtes Risiko geschaffen, da sich der Adressat des Bestehens der entsprechenden Gewinnmöglichkeit auch bereits vor der Einwirkungshandlung bewusst gewesen ist. Zum anderen erhöhte auch die nähere Konkretisierung der zweiten Aussage das rechtlich relevante Risiko nicht, denn auch die Möglichkeit des Überfalls einer bestimmten Bank war dem Adressaten stets bewusst.608 Da Herzberg die Anstiftungshandlung einer Gesamtbetrachtung unterzieht, in der er prüft, ob sie geeignet war das rechtlich missbilligte Risiko zu überschreiten, kommt er auch in der eingangs aufgezeigten Sachverhaltskonstellation dazu, die Voraussetzungen der Anstiftung abzulehnen. Für ihn begründet die zu betrachtende Aussage „eine Bank oder Tankstelle zu machen“ keine rechtlich missbilligte Risikosteigerung, da jedermann weiß, dass er durch einen erfolgreichen Bank- oder Tankstellenüberfall Geld erbeuten kann.609 Insofern erzielt die Auffassung Herzbergs mit der hier vertretenen Anstiftungstheorie einen erstaunlichen Gleichklang, der bereits an anderer Stelle festgestellt wurde.610 Grundsätzlich kann immer davon ausgegangen werden, dass das rechtlich missbilligt Risiko überschritten wird, wenn ein korrumpierender Einfluss auf das Wertesystem des Adressaten ausgeübt wurde, um ihn zur Begehung einer Straftat zu motivieren. 4. Die Auffassung von Ingelfinger Ingelfinger, der sich eingehend mit dem vorliegenden Problemkreis auseinandergesetzt hat, versteht die Frage nach der Tatbestimmtheit als eine objektiv-subjektive Sinneinheit, bei der es maßgeblich auf die innere Seite, also die subjektive Komponente ankommt.611 In den Ausgangspunkt seiner Betrachtung stellt er das der Anstiftung innewohnende Steuerungsmoment, durch welches der Einwirkende den Adressaten auf die konkrete Tatmöglichkeit hinlenkt. Dieses Steuerungs608 609 610 611

Herzberg, JuS 1987, 617, 620. Herzberg, JuS 1987, 617, 620. Vgl. 1. Kapitel, B.III.3., konkret S. 55. Ingelfinger, Anstiftervorsatz, S. 80 f.

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1. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ in § 26

moment sei auch immer dann vorhanden, wenn der Täter auf eine unbestimmte bzw. weniger bestimmte Tat hingelenkt wird.612 Relativ unbestimmt ist eine objektive Lenkung bei indifferenten oder auch konkludenten Verhaltensvorschlägen. Würden diese Einwirkungshandlungen nur anhand objektiver Kriterien näher eingegrenzt, entstünden weitere Konflikte, da unklar wäre, welche objektiven Umstände noch zur Auslegung herangezogen werden können.613 Nur durch eine weitere subjektive Eingrenzung könne das relativ unbestimmte Lenkungskriterium konkretisiert werden. In den Ausgangspunkt seiner weiteren Überlegungen stellt Ingelfinger hierbei § 16, wonach derjenige nicht vorsätzlich handelt, der einen Umstand der Tat, welcher zum „gesetzlichen Tatbestand“ gehört, bei deren Begehung nicht kennt. Im Umkehrschluss daraus lässt sich folgern, dass der Täter, um vorsätzlich zu handeln, all diejenigen Umstände kennen muss, welche zu dem gesetzlichen Tatbestand gehören. Der Vorsatz des Täters muss daher so viele Umstände der bevorstehenden Tat enthalten, dass deren Summe sich unter die Merkmale eines Straftatbestandes subsumieren lässt und diesen ausfüllt.614 Die übrigen Einzelheiten der Tat, welche sich auf den Subsumtionsvorgang nicht auswirken, braucht der Anstifter nicht zu kennen. Eine Konkretisierung des Vorsatzes hinsichtlich der Tathandlung nach Ort und Zeit ist daher nicht notwendig.615 Beinhaltet die Vorstellung des Anstifters mehrere mögliche Tatbestände, dann hängt es von dem Verhältnis der Tatbestände zueinander ab, ob sie noch von dessen Anstiftervorsatz umfasst sind oder nicht. Hierbei bildet Ingelfinger zwei Fallgruppen. Zum einen Delikte die zueinander im Stufenverhältnis stehen, und zum anderen Delikte, die zueinander im Aliudverhältnis stehen. Bei Delikten, die zueinander in einem Stufenverhältnis stehen, stiftet der Einwirkende stets dann auch zu dem schwereren Delikt an, wenn er von der Tat einen derart allgemeinen Vorstellungsrahmen besitzt, dass unter diesen auch das schwerere Delikt subsumiert werden kann. Fehlt dem Einwirkenden die Vorstellung hinsichtlich weiterer qualifizierender Merkmale, dann haftet er nur für die Anstiftung zum Grundtatbestand, auch wenn der Haupttäter eine Qualifikation verwirklicht hat.616 Im Rahmen der Betrachtung von Delikten, die zueinander im Aliudverhältnis stehen, entfällt die Haftung des Einwirkenden, wenn durch den 612 613 614 615 616

Ingelfinger, Ingelfinger, Ingelfinger, Ingelfinger, Ingelfinger,

Anstiftervorsatz, Anstiftervorsatz, Anstiftervorsatz, Anstiftervorsatz, Anstiftervorsatz,

S. S. S. S. S.

79 f. 79 f. 86. 87. 91 f.

G. Die Probleme der Konkretisierung im Rahmen der Anstiftung

163

Haupttäter ein anderes Delikt verwirklicht wurde als dasjenige, worauf sich der Anstiftervorsatz bezog.617 Ingelfinger begründet diese Restriktion mit dem Schuldprinzip. Die Vorsatzschuld, als schwerste Schuldform, liege nur dann vor, wenn dem Anstifter die normativen Tatumstände in laienhafter Weise bewusst sind. Ansonsten würde er für einen Erfolg bestraft werden, welcher nicht von seinem Vorsatz umfasst war. In solchen Fällen könnte den Anstifter die Appellfunktion des jeweiligen Tatbestands nicht erreichen, insbesondere da sich auch dessen Strafrahmen aus dem verwirklichten Delikt bestimmt. Die im Ausgangspunkt der subjektiven Komponente stehende Begrenzungsfunktion des Vorsatzes nach § 16 könnte auf diese Weise nicht mehr erfüllt werden.618 5. Stellungnahme und eigener Lösungsansatz Der aufgezeigte Theorienstreit verdeutlicht das in diesem Zusammenhang bestehende Problem, inwieweit das Konkretisierungserfordernis als Bestandteil des objektiven oder des subjektiven Tatbestands zu verstehen ist. Nach Meinung des BGH ist die Frage der Konkretisierung in den subjektiven Tatbestand einzuordnen. Aus dem Blickwinkel des BGH ist ein solches Vorgehen nachvollziehbar. Dessen Auffassung von der Tathandlung des Bestimmens ist sehr weit gefasst und in den Bereich der Verursachungslehre einzuordnen.619 Um dennoch Ergebnisse zu erhalten, die mit dem Bestimmtheitsgebot in Einklang zu bringen sind, nimmt die Rechtsprechung auf einer zweiten Ebene eine starke Einschränkung vor. Für den BGH stellt das Konkretisierungserfordernis einen weiteren Filter dar, der die Tathandlung des Bestimmens näher präzisiert. Da es sich die Rechtsprechung vorbehält, welche der individualisierenden Konkretisierungskriterien mit welcher Gewichtung heranzuziehen sind, erhält sie einen großen Handlungsspielraum und ist damit in der Lage, den jeweiligen Einzelfall sehr flexibel zu entscheiden. Diese einzelfallorientierte Dogmatik gerät allerdings in ein bedenkliches Spannungsverhältnis mit dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot.620 Indem Roxin die „wesentlichen Dimensionen des Unrechts“ in den Ausgangspunkt seiner Betrachtungen stellt, etabliert er einen zweiten Filter, den er ebenfalls auf der subjektiven Ebene ansiedelt. Auch wenn Roxin versucht, die wesentlichen Dimensionen des Unrechts näher zu konkretisieren, wird durch seine Dogmatik ein relativ unpräziser Begriff in den Fokus der 617 618 619 620

Ingelfinger, Anstiftervorsatz, S. 92 f. Ingelfinger, Anstiftervorsatz, S. 99. Zur Verursachungslehre vgl. 1. Kapitel, B.III. So auch Kretschmer, NStZ 1998, 401, 402.

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1. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ in § 26

Betrachtung gerückt. Trotzdem der Kern seiner Theorie sehr vage erscheint, weist sie dennoch einen Konkretisierungsgehalt auf, der mehr Präzision beinhaltet als die Theorie des BGH. Im Gegensatz zu dem BGH legt Roxin die von ihm vorausgesetzten Kriterien verbindlich fest, ohne deren Erfordernis von den Umständen des Einzelfalls abhängig zu machen. Im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Grundsatz des Bestimmtheitsgebots sowie der Rechtssicherheit ist Roxins Theorie eine höhere Tragfähigkeit als der Auffassung des BGH zu bescheinigen. In Abweichung zu den bisherigen Theorien stellt sich für Herzberg das Konkretisierungserfordernis nicht als eigenständiges Problem dar, sondern vielmehr als ein Bestandteil der Definitionskriterien der Tathandlung des Bestimmens. Allerdings wirkt die von Herzberg entwickelte Dogmatik ebenfalls recht unpräzise. Wann konkret das rechtlich relevante Risiko überschritten wurde, ist je nach Einzelfall unterschiedlich zu beurteilen. Auch Herzbergs Auffassung würde im Ergebnis zu einer Einzelfalljudikatur führen, die mit den Grundsätzen der Rechtssicherheit und dem Bestimmtheitsgebot in einem Spannungsverhältnis steht. Der auf Ingelfinger zurückgehende Ansatz untergliedert das Konkretisierungserfordernis in eine objektive und eine subjektive Komponente. Der objektive Teil liegt hierbei in dem der Anstiftung innewohnenden Lenkungsmoment und der subjektive Teil ist durch die Kenntnis von den subsumtionsrelevanten Tatsachen gekennzeichnet. Diese Auffassung orientiert sich an der Gesetzessystematik und führt aufgrund ihrer relativ hohen Präzision gerade nicht zu den Problemen der Rechtsunsicherheit und der mangelnden Bestimmtheit. Durch die Differenzierung in einen objektiven und einen subjektiven Teil lassen sich die von Roxin und Herzberg vertretenen Ansätze in Ingelfingers Theorie integrieren. Dadurch entsteht eine Konkretisierungstheorie, welche die Vorzüge der vorgestellten Literaturmeinungen in sich vereinigt.621 Im Rahmen der objektiven Komponente stellt Ingelfinger das Lenkungsmoment in den Vordergrund, durch welches der Anstifter einen steuernden Einfluss auf den Haupttäter ausübt. Dieses Lenkungsmoment wird durch die Theorie von Herzberg beschrieben und durch die hier vertretene Anstiftungstheorie näher konkretisiert.622 Nur wenn der Anstifter bei dem Haupttäter einen inneren Wertekonflikt verursacht, um einen motivierenden Handlungsdruck zu erzeugen, der auf die Begehung einer Straftat abzielt, überschreitet er das rechtlich relevante Risiko nach Herzberg und erfüllt die objektive Komponente von Ingelfingers Theorie. 621 Bereits für die Synthese von Roxins und Herzbergs Auffassungen: Kretschmer, NStZ 1998, 401, 402. 622 So bereits unter 1. Kapitel, E.I. konkret unter 1. Kapitel, G.I.3.

G. Die Probleme der Konkretisierung im Rahmen der Anstiftung

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Da die subjektive Komponente durch die Kenntnis von den subsumtionsrelevanten Tatsachen beschrieben wird, deutet sich bereits eine dogmatische Nähe zu der von Roxin entwickelten Konkretisierungstheorie an. Auch wenn Roxin die wesentlichen Dimensionen des Unrechts nicht nur anhand der durch den gesetzlichen Tatbestand umschriebenen Verhaltensweisen ermitteln möchte, stehen die wesentlichen Dimensionen des Unrechts den subsumtionsrelevanten Tatsachen gedanklich dennoch sehr nahe. Die wesentlichen Dimensionen des Unrechts schränken das nach § 16 bestehende Vorsatzerfordernis grundsätzlich stärker ein, da sie einen Kenntnisstand erfordern, der über die (laienhafte) Vorstellung von den gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen hinausgeht. Allerdings ist gerade eine nähere Konkretisierung nach Ort, Zeit und den sonstigen Umständen der Tat nicht erforderlich. Insofern ist die neuere Rechtsprechung des BGH als zu restriktiv anzusehen, denn es ist die ureigenste Aufgabe des Täters, die näheren Gegebenheiten der Tat selbst zu bestimmen.623 Durch die Synthese der vertretenen Literaturmeinungen gelingt es, das Konkretisierungserfordernis in eine objektive sowie in eine subjektive Komponente zu unterteilen.624 Diese Differenzierung orientiert sich an dem Deliktsaufbau und erzielt ein Ergebnis, welches pauschale Wertungen vermeidet und eng an dem Gesetzwortlaut angelehnt ist.

II. Die Konkretisierung des Rezipienten Im Rahmen der Konkretisierungsprobleme stellt die Bestimmtheit des Rezipienten einen zweiten wichtigen Problemkreis dar, der für die Abgrenzung zwischen der Anstiftung und den weiteren Delikten des Besonderen Teils mit eigenständigem Einwirkungscharakter von erheblicher Bedeutung ist. 1. Die herrschende Literaturmeinung Zu der Beurteilung dieser Fragestellung hat sich in der Literatur eine wohl herrschende Meinung herausgebildet. Nach dieser muss nicht zwinSo auch LK11 /Roxin, § 26 Rn. 46 f.; ders., JZ 1986, 906, 908; ders., AT II, § 26 Rn. 134; ders., FS f. Salger 1995, 129, 131; LK/Schünemann, § 26 Rn. 39 f.; Ingelfinger, Anstiftervorsatz, S. 30; Kretschmer, NStZ 1998, 401, 402; ders., Jura 2008, 265, 267. 624 Ebenfalls gegen eine reine Einordnung in den subjektiven Tatbestand: Puppe, AT II, § 41 Rn. 2; Kühl, AT, § 20 Rn. 188; Schmidhäuser, AT, 10/111; Weßlau, ZStW 1992 [104], 105, 128 f.; Kretschmer, NStZ 1998, 401, 402; ders., Jura 2008, 265, 267; Bock, JA 2007, 599, 601. 623

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1. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ in § 26

gend eine ganz bestimmte Person angesprochen werden, sondern es genügt, wenn eine Person aus einem individuell bestimmbaren Personenkreis aufgefordert wird. Wendet sich der Tatveranlasser hingegen an einen völlig unbestimmbaren Personenkreis, so sei kein Fall der Anstiftung, sondern der Tatbestand der Öffentlichen Aufforderung zu Straftaten nach § 111 gegeben.625 Damit fallen insbesondere die Aufforderungen zur Deliktsbegehung durch Rundfunk, Fernsehen, Bücher, Zeitschriften, Flugblätter usw. in den Anwendungsbereich des § 111, da hierbei die Rezipienten nicht mehr durch den Tatveranlasser individualisiert werden können.626 2. Kritische Stimmen in der Literatur Insbesondere Schmidhäuser vertritt hier eine abweichende Auffassung. Er stellt diesbezüglich nicht auf objektive Kriterien ab, um das Merkmal der Öffentlichkeit zu definieren. Vielmehr sei das subjektive Empfinden des Rezipienten entscheidend. Die Aufforderung sei nach diesem immer dann als Anstiftung einzustufen, wenn sich der Einzelne zu dem angesonnenen Verhalten persönlich aufgerufen fühlt.627 Auch Dreher hat zu dem vorliegenden Problemkreis einen eigenen Lösungsansatz entwickelt. Nach diesem kann auch die Bestimmung eines Täters aus einer großen und unbekannten Menschenmenge eine Anstiftung darstellen. In den Ausgangspunkt seiner Überlegungen stellt Dreher den Gesetzeswortlaut. Hierbei wirft er die Frage auf, ob der Begriff des Bestimmens die Einwirkung auf einen konkreten Adressaten erfordere. Nach Dreher gebe es keinen ersichtlichen Grund warum jemand, der einen anderen aus einem unbestimmten Personenkreis heraus zu einer konkreten Tat bestimmt, nicht als Anstifter zu bestrafen sei. Vor allem sei nicht einzusehen, warum eine Anstifterstrafbarkeit ausscheide, wenn es dem Auffordernden gar nicht darauf ankommt, wer aus dem entsprechenden Personenkreis die geforderte Tat begeht. Insbesondere sei in den Fällen eines Schreibtischtäters, der Massenverbrechen anordnet, der Kreis der Ausführenden unübersehbar groß. Auf die korrekte Individualisierbarkeit des Täters dürfe es für die Strafbarkeit dieser Hintermänner nicht ankommen.628 625 LK/Rosenau, § 111 Rn. 29; MüKo/Bosch, § 111 Rn. 11; NK/Paeffgen, § 111 Rn. 21; Schönke/Schröder/Eser, § 111 Rn. 4; SK/Hoyer34, vor § 26 Rn. 54; HKGS/Pflieger, § 111 Rn. 4; LPK/Kindhäuser, § 111 Rn. 5, 8; Rogall, GA 1979 [126], 11, 17; Roxin, AT II, § 26 Rn. 148; Samson, JZ 1969, 258, 259 f.; Schmidhäuser, AT, 10/112; Jescheck/Weigend, AT, § 64 II 2 b). 626 LK/Rosenau, § 111 Rn. 35 ff.; MüKo/Bosch, § 111 Rn. 22 ff.; NK/Paeffgen, § 111 Rn. 25 ff.; Schönke/Schröder/Eser, § 111 Rn. 7–10; LPK/Kindhäuser, § 111 Rn. 10 f.; Roxin, AT II, § 26 Rn. 148; Samson, JZ 1969, 258, 259 f. 627 Schmidhäuser, AT, 10/112.

G. Die Probleme der Konkretisierung im Rahmen der Anstiftung

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3. Die Konkretisierung des Problempunkts Für die Beurteilung der vorliegenden Fragestellung sollte die gesetzessystematische Auslegung, also insbesondere die Abgrenzung zu § 111, nicht in den Ausgangspunkt der Überlegungen gestellt werden. Bereits durch die im Rahmen der Auslegung von § 26 gewonnenen Erkenntnisse können Rückschlüsse auf diesen Problemkreis gezogen werden. Die Anstiftung wurde nach der hier vertretenen Anstiftungstheorie als die korrumpierende Einwirkung definiert, die beim Adressaten einen motivierenden Handlungsdruck erzeugt, der auf die Verursachung eines inneren Wertekonflikts zurückgeht. Der Aufbau eines so intensiven Handlungsdrucks ist aber immer nur möglich, wenn den Adressaten die angedrohte Sanktion auch erreichen kann, er also keine Möglichkeit hat, sich ihr zu entziehen. Dieses setzt eine intensive persönliche Beziehung zwischen Anstifter und Rezipienten voraus. Auch von Dreher wird dieser Aspekt erkannt und als „unmittelbares Band“ beschrieben, welches es dem Anstifter ermöglicht, auf den anderen einzuwirken und einen zumindest psychischen Druck aufzubauen. Allerdings sei nach ihm eine derartige Beziehung zwischen Anstifter und Haupttäter nicht nötig bzw. sei diese nicht das Essentielle der Anstiftung.629 Insofern geht Dreher von einer anderen als der hier vertretenen Anstiftungstheorie aus. Seiner abweichenden Auffassung kann nicht gefolgt werden. Interessanter erscheint die Auffassung von Schmidhäuser630, der für die Definition des Merkmals der Öffentlichkeit verstärkt die subjektive Komponente betrachtet. Insofern stellt auch dieser darauf ab, ob der durch den Einwirkenden aufgebaute Handlungsdruck von dem einzelnen noch als solcher empfunden wird. Erzielt die Einwirkungshandlung aufgrund der Vielzahl der angesprochenen Rezipienten nur noch eine allgemeine Appellfunktion ohne den notwendigen gesteigerten Handlungsdruck, dann scheidet die Anstiftung aus. Diese Auffassung ähnelt der herrschenden Meinung, welche das Kriterium der Individualisierung in den Vordergrund rückt. Nur wenn der Einzelne auch persönlich angesprochen werden kann (er also individualisiert wird), sei das Vorliegen der Anstiftung möglich. Nach der hier vertretenen Anstiftungstheorie ist für die korrekte Einordnung dieses Problems sowohl der objektive als auch der subjektive Bestandteil von Bedeutung. Insofern ist eine Synthese aus der herrschenden Meinung und der subjektiven Auffassung Schmidhäusers zu fordern. Das Vor628 629 630

Dreher, FS f. Gallas 1973, 307, 322 f. Dreher, FS f. Gallas 1973, 307, 323. Schmidhäuser, AT, 10/112.

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1. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ in § 26

liegen der Anstiftung kommt immer nur dann in Betracht, wenn es die objektiven Bedingungen dem Rhetor ermöglichen, gegenüber einer Einzelperson bzw. einer abgrenzbaren Personengruppe einen gesteigerten Handlungsdruck aufzubauen. Wirkt auf die angesprochene Person bzw. die angesprochene Personengruppe der geforderte korrumpierende Einfluss, der sich letztlich in dem motivierenden Handlungsdruck niederschlägt, so liegt ein Fall der Anstiftung vor. 4. Die gruppendynamischen Effekte Um das gefundene Ergebnis in tatsächlicher Hinsicht zu verstehen und schließlich auch untermauern zu können, ist auf das tiefer liegende Differenzierungskriterium zwischen § 26 und § 111 abzustellen, welches in der menschlichen Psyche begründet ist. Im Rahmen von größeren Menschenmengen entsteht der Effekt der Gruppendynamik, der eine gezielte Einwirkung auf den Einzelnen verhindert. Die Wirkmechanismen der Gruppendynamik werden durch die sogenannte Massen- und Sozialpsychologie beschrieben. a) Massenpsychologie und Individualpsyche Im Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen steht die Differenzierung von Massen- und Individualpsyche. Die Sozialpsychologie untersucht, wodurch die Psyche des Einzelnen in einer großen Masse beeinflusst und letztendlich verändert wird. Mit dieser Frage befasste sich insbesondere Le Bonn. Dieser kam zum dem Schluss, dass Menschen in Gruppen anderen psychologischen Denkgesetzen unterliegen als Einzelindividuen. Die aufgeladene Masse an sich sei daher nicht nur die numerische Summe von Individuen und deren Psyche sei gerade nicht gleich der Summe oder dem Durchschnitt der Psychologie der beteiligten Personen. Es liege vielmehr die Bildung eines eigenen Wesens mit eigener Seele und neuen Eigentümlichkeiten vor. Die Eigenschaften der Gruppenpsyche differieren von denen der beteiligten Personen zum Teil vollständig.631 Insofern wird deutlich, dass es weniger auf die quantitative Größe der Masse ankommt, sondern vielmehr auf die Qualität der gruppendynamischen Effekte. Nach Le Bonn sind die Hauptmerkmale der Massepsychologie in dem Schwinden der klaren und bewussten Persönlichkeitssphäre, der Vorherrschaft des Unterbewusstseins und der stärkeren Betonung der Gefühlsebene begründet. Die Gruppendynamik führt zu einem Konformitätsdruck, durch 631 Le Bonn, Psychologie, S. 30 u. 38; Kostaras, Demonstrationsdelikte, S. 42; ähnlich auch Maletzke, Psychologie der Massenkommunikation, S. 83; Aronson/Wilson/Akert, Sozialpsychologie, S. 285 ff.; Forgas, Soziale Interaktion, S. 273 f.

G. Die Probleme der Konkretisierung im Rahmen der Anstiftung

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den die Gedanken und Gefühle der beteiligten Personen in dieselbe Richtung gelenkt werden. Dabei wird insbesondere das Gefühl der Macht auf Kosten des individuellen Verantwortungsgefühls gestärkt. Die Menschen befinden sich in einem Zustand der von Euphorie und Selbsterhöhung geprägt ist und der sie für (z. T. utopische) Suggestionen empfänglicher macht.632 Insbesondere Schumacher hat diese von Le Bonn allgemein beschriebenen Effekte in drei Gruppen kategorisiert. Die erste Gruppe behandelt den Konformitätsdruck. Dieser äußert sich in der Gleichschaltung von Stimmungen und Emotionen. Affektive Regungen wie Hass, Wut, aber auch Begeisterung, Hingabe etc. werden von allen Mitgliedern der Masse geteilt, wodurch die sinnliche Wahrnehmung und die Denkprozesse synchronisiert werden. Diese emotionale Konformität führt im Ergebnis zu einer Gleichschaltung der Motivationsprozesse und des äußeren Verhaltens.633 An zweiter Stelle stellt Schumacher den gruppendynamischen Effekt der „Verstärkungswirkung“ dar. Innerhalb einer Gruppe wird durch das emotionale Potential der Drang zum Aktionismus und zur Umsetzung in motorisches Verhalten hervorgerufen. Die Hemmschwelle, Vorstellungen und Wünsche in motorische Handlungen umzusetzen sinkt. Die jeweiligen gruppenspezifischen Emotionen und Vorstellungen werden oft sturzhaft durch konkretes, auch deliktisches Verhalten realisiert.634 Als drittes nennt Schumacher die hohe Risikobereitschaft, welche die Gruppendynamik verursacht. Diese wird insbesondere durch die Anonymität, welche die Gruppe dem Einzelnen bietet, hervorgerufen.635 Insbesondere Le Bonn zufolge resultiere die Gefährlichkeit der Masse zum einen in der leichten Beeinflussbarkeit, da sie vorrangig emotionalen Einflüssen folgt. Zum anderen bewirke die Ausschaltung der logischen Steuerung einen Abstieg auf der Zivilisationsleiter. Selbst ein kultivierter Mensch werde innerhalb einer gleichgeschalteten Masse zu einem triebhaften Wesen und demzufolge zu einem Barbar. Er habe die Spontaneität, die Gewalttätigkeit und die Rohheit wie auch den Enthusiasmus der primitiven Wesen.636 632

Kostaras, Demonstrationsdelikte, S. 43; Le Bonn, Psychologie, S. 30 u. 38; Maletzke, Psychologie der Massenkommunikation, S. 83; Aronson/Wilson/Akert, Sozialpsychologie, S. 285 ff.; Schumacher, NJW 1980, 1880, 1881 f.; Forgas, Soziale Interaktion, S. 273 f. 633 Schumacher, NJW 1980, 1880, 1881; Aronson/Wilson/Akert, Sozialpsychologie, S. 286 f. 634 Schumacher, NJW 1980, 1880, 1881. 635 Schumacher, NJW 1980, 1880, 1881; so auch Forgas, Soziale Interaktion, S. 273 f.; Aronson/Wilson/Akert, Sozialpsychologie, S. 293 f.

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1. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ in § 26

Der für die vorliegende Untersuchung wohl wichtigste Punkt ist der Einfluss auf das Verantwortungsgefühl des Einzelnen. Das Verantwortungsgefühl schwindet mit der zunehmenden Anonymität, welche die Masse dem Individuum bietet, da der Einzelne glaubt, für verübte Straftaten nicht haften zu müssen.637 An die Stelle des individuellen Verantwortungsgefühls tritt das Gefühl der Macht und Superiorität. b) Konsequenzen für die Anstiftung Sobald der Einzelne Bestandteil einer eigendynamischen Masse geworden ist, kann er von der sanktionsbewehrten Aufforderung des Einwirkenden nicht mehr erreicht werden. Indem sich eine übergeordnete Gruppenpsyche gebildet hat, verliert er seine Individualität und Eigenverantwortlichkeit, wodurch die emotionale Steuerbarkeit durch den Redner begründet wird und die individuelle logische Denkweise (zumindest zum Teil) verloren geht. Dazu tritt das zusätzliche Kriterium der Anonymität, die die Masse dem Einzelnen bietet. Aufgrund dieser Faktoren fühlt sich der Einzelne in einer eigendynamischen Gruppe nicht mehr als Einzelperson angesprochen. Selbst wenn der Sprecher den Versuch unternehmen würde, durch eine sanktionsbewehrte Aufforderung die Gruppe zu einer bestimmten Handlung zu motivieren, käme das die Anstiftung auszeichnende, korrumpierende Element nicht zum Tragen. Der Einzelne würde die Verantwortung für die Durchführung der angedienten Handlung auf die Gruppe übertragen und die in Aussicht gestellte Sanktion nicht mehr als konkret genug empfinden. Da der Einzelne nicht mehr speziell durch den Anstifter erreicht werden kann, ist die Situation mit derjenigen vergleichbar, in der er durch Schriften, Rundfunk- oder Fernsehberichte etc. zu der Begehung einer Straftat aufgefordert wird. Auch bei Aufforderungen, die durch Massenmedien kommuniziert werden, kann sich der Adressat der Sanktionsandrohung entziehen, indem er sich in die Position eines anonymen Beobachters begibt. Er kann die entsprechende sanktionierende Aufforderung als bloße Informationsquelle ansehen, da der Auffordernde keine Möglichkeit der persönlichen Einwirkung auf den Rezipienten besitzt. Dieser kann die Intensität des Handlungsdrucks nicht verstärken bzw. nicht der individuellen Persönlichkeit anpassen. 636

Le Bonn, Psychologie, S. 38; im Ergebnis zustimmend aber weniger drastisch: Kostaras, Demonstrationsdelikte, S. 43; Aronson/Wilson/Akert, Sozialpsychologie, S. 286 ff.; Forgas, Soziale Interaktion, S. 273 f. 637 Kostaras, Demonstrationsdelikte, S. 43; Schumacher, NJW 1980, 1880, 1881; auch Forgas, Soziale Interaktion, S. 273 f.; Aronson/Wilson/Akert, Sozialpsychologie, S. 286 f.

G. Die Probleme der Konkretisierung im Rahmen der Anstiftung

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Im Rahmen einer Versammlung, bei der ein anonymer Personenkreis vorhanden ist und sich die entsprechenden gruppendynamischen Effekte herausgebildet haben, gilt daher § 111. Tritt aber der Einzelne aus der Masse heraus, indem er sich persönlich an den Sprecher wendet und beispielsweise dessen Aussage kritisiert, dann kommt es zu dem Aufbau eines „persönlichen Bandes“ zwischen Sprecher und Rezipienten. Dem Sprecher wird es auf diese Weise ermöglicht, einen persönlichen Handlungsdruck gegenüber dem Einzelnen aufzubauen, indem er speziell die Zweifel des Einzelnen ausräumt. In diesem Fall würde wiederum § 26 Anwendung finden. Zu dem aufgezeigten Verhältnis des § 26 zu § 111 gelangt ebenfalls Bosch, wobei dieser die Gruppendynamik nicht explizit in den Fokus seiner Betrachtungen rückt. Danach wirft der Auffordernde (im Sinne des § 111) die Fackel und weiß nicht, ob sie das Feuer entzünden wird. Der Anstifter hingegen kann infolge seiner engeren Verbindung zum Angestifteten gegebenenfalls noch „Brennholz nachlegen“, um den Brand auch wirklich durch „Weckung von gefährlichen Instinkten“ zu entfachen.638 Daher erfasst § 111 ausschließlich die Fälle der einseitigen Kommunikation, währenddessen auch die zweiseitige Kommunikation von § 26 erfasst wird. Allerdings ist diese wechselbezügliche Kommunikation für das Vorliegen der Anstiftung nicht zwingend nötig.639 Um die Differenzierung zwischen § 26 und § 111 zu verdeutlichen, kann ein Beispielfall aus dem Marketing herangezogen werden. Eine Person, die persönlich durch einen Vertreter auf offener Straße angesprochen wird und die in einem persönlichen Gespräch von den Vorzügen eines bestimmten Produkts überzeugt werden soll, etwa ein neuer Mobilfunkvertrag, wird sich der Einwirkung des Verkäufers schwerer entziehen können, als bei einer Dauerwerbesendung im Fernsehen, in der dasselbe Produkt zu gleichen Konditionen angeboten wird. Der Vertreter kann im persönlichen Gespräch die Bedenken des Kunden individuell beseitigen und ihn so von den Vorteilen des Produkts besser überzeugen. Der Druck, um sich der Situation zu entziehen ist für den persönlich angesprochenen Kunden um ein Vielfaches größer, als wenn er nur anonym durch eine Fernsehsendung erreicht wird. Ein in der Literatur bisher kaum beachteter Problempunkt, welcher das bisherige Ergebnis stützt, ist das Nichtvorliegen einer Rücktrittsmöglichkeit bei § 111. Einer solchen bedarf es nach dem ausgeführten Normverständnis nämlich nicht, da der Täter durch seine unkontrollierbare Einwirkung auf 638 MüKo/Bosch, § 111 Rn. 3; LK/Rosenau, § 111 Rn. 5; je unter Bezugnahme auf Dreher, FS f. Gallas 1973, 307, 313. 639 Zur Anstiftung so auch Joerden, FS f. Puppe 2011, 563, 566.

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1. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ in § 26

eine eigendynamische Gruppe seinen Einfluss nicht mehr rückgängig machen kann. Er hat keine persönliche Einwirkungsmöglichkeit gegenüber dem Einzelnen, da es an dem persönlichen Näheverhältnis fehlt. Würde also die Vorschrift des § 111 auch die Aufforderung gegenüber dem Einzelnen erfassen, wäre eine Rücktrittsvorschrift nicht zu entbehren.640 Besteht also eine persönliche Einwirkungsmöglichkeit, ist im Umkehrschluss vom Vorliegen einer Anstiftung auszugehen. Die im Gesetz angelegte Unterscheidung zwischen öffentlichen und nichtöffentlichen Versammlungen und der damit einhergehenden Unterscheidung zwischen § 111 und § 26, wird nicht allein durch den Wortlaut deutlich. Auch im Rahmen einer (kleinen) öffentlichen Versammlung kann der Einzelne persönlich erreicht und ihm gegenüber ein gesteigerter Handlungsdruck aufgebaut werden. Insbesondere, da er bei kleineren Versammlungen nicht den schützenden Deckmantel der Anonymität für sich beanspruchen kann. Vorherige persönliche Kontakte zwischen dem Tatveranlasser sind für die Annahme des § 26 und die Ablehnung des § 111 nicht notwendig. Wichtig ist allein das Entstehen einer persönlichen Beziehung im Rahmen der Einwirkungshandlung. Erst wenn diese Voraussetzung erfüllt ist, kann es zur Verneinung des Merkmals der Öffentlichkeit kommen. Dieses „unmittelbare Band“ ist stets erforderlich, damit es dem Anstifter gegenüber dem Rezipienten gelingen kann, durch eine sanktionsbewehrte Aufforderung einen entsprechend erhöhten Handlungsdruck zu erzeugen. Die Person des Angestifteten muss also nicht bestimmt, sondern nur bestimmbar sein. Die Bestimmbarkeit als solche richtet sich wiederum danach, ob es dem Tatveranlasser gelingt, eine persönliche Verbindung zu dem Rezipienten zu etablieren. Gelingt ihm dieses nicht, dann bleibt seine Aussage eine allgemein gehaltene Aufforderung, die sich lediglich an den breiten Adressatenkreis der Zuhörerschaft richtet. Hierbei sind die Rezipienten als Öffentlichkeit zu begreifen und die Strafbarkeit des Redners richtet sich nicht nach § 26 sondern nach § 111.

III. Zusammenfassung Auch die in diesem Abschnitt diskutierten Konkretisierungsprobleme konnten mit Hilfe der hier vertretenen Anstiftungstheorie gelöst werden. Die Konkretisierung der Haupttat bestimmt sich durch eine Betrachtung einer objektiven sowie einer subjektiven Komponente. Die objektive Kom640

So auch Dreher, in FS f. Gallas 1973, 307, 313.

G. Die Probleme der Konkretisierung im Rahmen der Anstiftung

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ponente, die Ingelfinger in dem Steuerungselement der Anstiftung sieht, wird bereits durch Herzberg in ähnlicher Weise beschrieben und durch die hier vertretene Anstiftungstheorie konkretisiert. Nur wenn der Anstifter bei dem Adressaten einen inneren Wertekonflikt hervorruft, um ihn zur Begehung einer bestimmten Straftat zu motivieren, überschreitet er das rechtlich missbilligte Risiko nach Herzberg und erfüllt die objektive Komponente der Anstiftung. In subjektiver Hinsicht muss der Anstifter die wesentlichen Dimensionen des Unrechts in seinen Vorsatz aufnehmen. Diese Definition stellt eine gewisse Restriktion zu der von Ingelfinger geforderten Kenntnis von den subsumtionsrelevanten Tatsachen dar. Da hierbei ein Wissen vorausgesetzt wird, welches über die tatbestandsmäßige Umschreibung hinausgeht. Entgegen der Rechtsprechung des BGH ist gerade eine nähere Konkretisierung nach Ort, Zeit und den sonstigen Umständen der Tat nicht erforderlich. Die Person des Angestifteten selbst muss nicht konkret bestimmt sein, sondern es reicht eine Bestimmbarkeit aus. Nur derjenige Adressat ist bestimmbar, zu dem der Tatveranlasser eine Verbindung persönlicher Art geknüpft hat. Andernfalls kann der sanktionsträchtige Appell des Anstifters keinen persönlichen Handlungsdruck beim Rezipienten erzeugen, sondern er wird lediglich als Appell an die breite Masse verstanden. Diesem nur schwach empfundenen Druck kann sich der Einzelne aufgrund der Anonymität innerhalb einer eigendynamischen Masse leicht entziehen.

2. Kapitel

Das Merkmal des „Bestimmens“ im Besonderen Teil In § 26 wird das Merkmal Bestimmen als eine Handlungsweise definiert, welche eine sanktionsbewehrte Einflussnahme des Anstifters gegenüber dem Haupttäter beschreibt. Das StGB enthält darüber hinaus zahlreiche Vorschriften, die neben § 26 die Tathandlung des Bestimmens beinhalten und damit ebenfalls eine Form der Willenssteuerung Dritter unter Strafe stellen.1 Inwieweit sich die im ersten Kapitel getroffenen Wertungen auf die Vorschriften des Besonderen Teils übertragen lassen, soll im Folgenden festgestellt werden. Da es sich bei den zu untersuchenden Delikten um Normen handelt, die völlig verschiedene Schutzzwecke verfolgen, ist es von besonderem Interesse, ob die tatsächlichen Anforderungen an die Tathandlung des Bestimmens auch im Kontext dieser Normen bestätigt werden.

A. Das Bestimmen im Bereich des Sexualstrafrechts Ein Normenkomplex, in dem die Tathandlung des Bestimmens als sanktionsbewehrte Art der Einflussnahme eine weite Verbreitung gefunden hat, ist der Bereich des Sexualstrafrechts. In diesem Zusammenhang wird das zu untersuchende Merkmal in den §§ 174 Abs. 2 Nr. 2, 176 Abs. 2, 4 Nr. 2, 179 Abs. 2, 180 Abs. 2, 3, 182 Abs. 1 Nr. 2, 3 Nr. 2 verwendet. In all diesen Normen zielt das Bestimmen auf sexuelle Handlungen ab, die der Rezipient vorzunehmen oder zu dulden hat. Der erste maßgebliche Unterschied zu der Anstiftung wird durch die tatbestandliche Personenkonstellation herausgestellt. Während bei der Anstiftung auf die Verletzung von Rechtsgütern Dritter abgezielt wird, stellt das Bestimmen in den vorliegenden Normen auf eine Selbstschädigung des 1 Darüber hinaus enthalten zahlreiche weitere Vorschriften des Besonderen Teils den Begriff des Bestimmens. In dem Kontext dieser weiteren Normen definiert das Bestimmen gerade keine Kommunikationsbeziehung, sondern es dient der Konkretisierung der weiteren Tatmodalitäten. So z. B. in §§ 86 Abs. 1 Nr. 4, 89a Abs. 1, 123 Abs. 1, 124, 130 Abs. 2 Nr. 1, 149 Abs. 1 Nr. 2, 181a Abs. 1 Nr. 2, 184e, 184f Nr. 1.

A. Das Bestimmen im Bereich des Sexualstrafrechts

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Adressaten ab, der durch die entsprechende Handlungsweise in seiner ungestörten sexuellen Entwicklung2 bzw. seiner sexuellen Selbstbestimmung3 beeinträchtigt wird.

I. Die Definition des Bestimmens in Literatur und Rechtsprechung Innerhalb der Sexualdelikte wird der Begriff des Bestimmens von den Vertretern der Literatur bzw. der Rechtsprechung einheitlich ausgelegt,4 wobei sich aber auch hier zwei gegensätzliche Auffassungen gegenüberstehen. Die Rechtsprechung und ein Teil der Lehre haben ein offenes Verständnis von dem Begriff des Bestimmens. Danach sei das Bestimmen als das bloße Verursachen zu verstehen, gleich mit welchem Mittel der Entschluss herbeigeführt wird. Diese Ansicht wird mit der besonderen Schutzbedürftigkeit von Kindern, Jugendlichen (§§ 174, 176, 180, 182) bzw. von widerstandsunfähigen Personen (§ 179) begründet. Diese Personengruppen zeichnen sich durch eine noch ungefestigte Persönlichkeit aus, wodurch sie besonders leicht beeinflussbar sind. Das Merkmal des Bestimmens als korrumpierende Einflussnahme zu verstehen, sei daher nicht sachgerecht und stelle zudem eine zu starke Verkürzung des Schutzzwecks dar.5 Die wohl zunehmend an Einfluss gewinnende Gegenansicht legt den Begriff des Bestimmens auch in diesem Normenkomplex restriktiv aus und 2 SK/Wolters124, § 174 Rn. 2, § 176 Rn. 2; § 180 Rn. 27 (hier die Integration der Sexualität in die Persönlichkeit); SSW/ders., § 174 Rn. 2 f., § 176 Rn. 2; § 180 Rn. 2; NK/Frommel, § 176 Rn. 10; LK/Hörnle, § 174 Rn. 1 ff., § 176 Rn. 1 ff.; § 180 Abs. 1 Rn. 1 ff.; Schönke/Schröder/Lenckner/Perron/Eisele, § 174 Rn. 1, § 176 Rn. 1, § 180 Rn. 1, § 182 Rn. 2; LPK/Kindhäuser, § 176 Rn. 1. 3 NK/Frommel, § 174 Rn. 8 f., § 180 Rn. 12, § 182 Rn. 4 ff.; SK/Wolters124, § 182 Rn. 2; SSW/ders., § 182 Rn. 2; LK/Hörnle, § 179 Rn. 2; § 180 Rn. 5 ff.; § 182 Rn. 2 ff.; Schönke/Schröder/Lenckner/Perron/Eisele, § 179 Rn. 1; LPK/ Kindhäuser, § 179 Rn. 1; MüKo/Renzikowski, § 174 Rn. 1, § 176 Rn. 1, § 179 Rn. 1, § 180 Rn. 2, § 182 Rn. 2. Im Rahmen des § 179 wird auch von der Freiheit von Fremdbestimmung gesprochen: SK/Wolters124, § 179 Rn. 2; SSW/ders., § 179 Rn. 3; NK/Frommel, § 179 Rn. 12. 4 So auch Fuhr, Äußerung im Strafgesetzbuch, S. 66; vgl. hierzu beispielhaft BGHSt 41, 241, 245 f.; Schönke/Schröder/Lenckner/Perron/Eisele, § 174 Rn. 17, § 176 Rn. 8, § 179 Rn. 12, § 180 Rn. 20 ff., § 182 Rn. 9; MüKo/Renzikowski, § 174 Rn. 38, § 176 Rn. 25, § 179 Rn. 42 f., § 180 Rn. 54, 60, § 182 Rn. 42 ff., 56; Fischer, § 174 Rn. 13, § 176 Rn. 7; § 182 Rn. 11; Laubenthal, Sexualstraftaten, zu § 174 Rn. 438, zu § 176 Rn. 355 ff., zu § 179 Rn. 233 ff., zu § 180 Rn. 476. 5 BGHSt 41, 241, 245 f.; Schönke/Schröder/Lenckner/Perron/Eisele, § 176 Rn. 8; NK/Frommel, § 174 Rn. 22; Fischer, § 174 Rn. 13, § 176 Rn. 7; HK-GS/ Laue, § 176 Rn. 4; LPK/Kindhäuser, § 174 Rn. 10; Laubenthal, Sexualstraftaten, zu § 174 Rn. 438, zu § 176 Rn. 355 ff., zu § 179 Rn. 233 ff., zu § 180 Rn. 476.

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2. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ im Besonderen Teil

greift gedanklich auf § 26 zurück. Insbesondere Renzikowski zieht hierbei den bereits bei § 26 beschriebenen Korrumpierungsgedanken heran. Danach sei das Bestimmen als eine Einwirkung auf den Willen eines anderen zu verstehen, um ihn zu sexuellen Handlungen zu motivieren. Hierbei sei das angewendete Mittel gleichgültig, solange die Voraussetzung einer unmittelbaren kommunikativen Beziehung gewahrt bleibt, die es ermöglicht, das Verhalten des Opfers durch positive oder negative Sanktionen zu beeinflussen.6 Nach der differenzierenden Ansicht von Hörnle ist das Bestimmen im Rahmen der Sexualdelikte regelmäßig als kommunikative Willensbeeinflussung i. S. d. § 26 zu verstehen.7 Nur in den Fällen des §§ 176 Abs. 2, 179 Abs. 2 sei von diesem Grundsatz abzusehen und eine weite Begriffsbestimmung erforderlich. Ansonsten würden diejenigen Konstellationen aus dem normativen Anwendungsbereich herausfallen, in denen ein Kind bzw. eine widerstandsunfähige Person, welche (noch) keinen eigenen Willen bilden kann, einem Dritten übergeben wird, damit dieser sexuelle Handlungen an dem Opfer vornehmen kann.8

II. Der eigene Lösungsansatz Wie bei der Untersuchung der Anstiftung festgestellt wurde, ist die durch das Merkmal des Bestimmens definierte Kommunikationsbeziehung in die direktive Sprechaktklasse einzuordnen.9 Danach ist eine sanktionsbewehrte Aufforderung nötig, die auf die Verursachung eines inneren Wertekonflikts abzielt, um den Rezipienten zur Durchführung einer bestimmten Verhaltensweise zu motivieren. Das linguistische Begriffsverständnis muss auch innerhalb der Vorschriften des Sexualstrafrechts gelten, es sei denn, der illokutive Witz (also der normative Kontext) erfordert eine abweichende Definition. 1. Das Bestimmen in den §§ 174 Abs. 2 Nr. 2, 176 Abs. 4 Nr. 2 In den Vorschriften §§ 174 Abs. 2 Nr. 2, 176 Abs. 4 Nr. 2 verwendet der Gesetzgeber nahezu dieselbe sprachliche Konstruktion, da die Tathandlung des Bestimmens stets auf die Vornahme sexueller Handlungen abzielt. Im 6 MüKo/Renzikowski, § 174 Rn. 38, § 176 Rn. 25 f.; ähnlich auch SK/Wolters124, § 176 Rn. 7, 19a; SSW/ders., § 176 Rn. 5. 7 LK/Hörnle, § 174 Rn. 46, § 176 Abs. 4 Nr. 2 Rn. 84, § 180 Rn. 50 ff., § 182 Abs. 1 Nr. 2 Rn. 14. 8 LK/Hörnle, § 176 Rn. 17; ähnlich auch dies. bei § 179 Rn. 60 sowie bei § 182 Abs. 3 Rn. 59. 9 Vgl. 1. Kapitel, C.II.4.

A. Das Bestimmen im Bereich des Sexualstrafrechts

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Gegensatz zu anderen Vorschriften aus diesem Normenkomplex, wie z. B. §§ 180 Abs. 2, 3, 182 Abs. 1 Nr. 2, werden die weiteren Modalitäten der Tathandlung des Bestimmens nicht näher ausgestaltet. Das Bestimmen in diesem Zusammenhang mit dem Begriff des Verursachens gleichzusetzen, wäre nicht sachgerecht. Zwar ist die Persönlichkeit eines Kindes noch nicht gefestigt und daher leicht beeinflussbar,10 aber dennoch stellt dies keinen sachlichen Grund dar, um von dem festgestellten begrifflichen Erfordernis abzuweichen, zumal durch den Tatvorwurf eine nicht unerhebliche strafrechtliche Verwerflichkeit indiziert wird. Darüber hinaus konnte bei der Untersuchung der Anstiftung aufgezeigt werden, dass die durch das Bestimmen beschriebene Kommunikationsbeziehung auch durch die Verwendung weniger verbindlicher Direktiva begründet werden kann.11 Insofern entsteht auch durch eine restriktivere Auslegung des Merkmals Bestimmen keine Strafbarkeitslücke. In Anlehnung an das bei der Anstiftung gefundene Ergebnis, ist das Bestimmen in den §§ 174 Abs. 2 Nr. 2, 176 Abs. 4 Nr. 2 ebenfalls als unmittelbare direktive Kommunikationsbeziehung zwischen Täter und Kind zu verstehen, durch die auf dessen Wertesystem eingewirkt wird, um es zu der entsprechenden Sexualhandlung zu motivieren.12 Das tatsächliche Mittel, welches der Täter einsetzt, um das Tatziel zu erreichen, bleibt mithin offen.13 Ähnlich wie bei der Anstiftung können in diesem Zusammenhang ganz verschiedene positive oder negative Sanktionsmechanismen wirken, um einer Aussage den nötigen direktiven Charakter zu verleihen und den korrumpierenden Einfluss auf das Wertesystem des Rezipienten zu begründen.14 Im Gegensatz zu der Anstiftung kann der Wert des Straffreiheitsinteresses nicht als Korrespondenzwert herangezogen werden, da es sich um Selbstschädigungsdelikte handelt. Vielmehr zielt die Einflussnahme des Bestimmenden darauf ab, den Wert der sexuellen Selbstbestimmung bzw. der ungestörten sexuellen Entwicklung des Kindes zu korrumpieren, indem diesen ein externer Wert gegenübergestellt wird, um das im Gleichgewicht befindliche Wertesystem des Kindes zu beeinflussen und es zu den tatbestandlichen Sexualhandlungen zu motivieren. 10

So auch MüKo/Renzikowski, § 174 Rn. 38. So z. B. Bitten oder Wünsche vgl. 1. Kapitel, C.IV.4.c). 12 So auch MüKo/Renzikowski, § 174 Rn. 38, § 176 Rn. 25 f.; SK/Wolters124, § 176 Rn. 7, 19a; SSW/ders., § 176 Rn. 5; LK/Hörnle, § 174 Rn. 46, § 176 Abs. 4 Nr. 2 Rn. 84. 13 So auch MüKo/Renzikowski, § 174 Rn. 38, § 176 Rn. 25; SK/Wolters124, § 176 Rn. 7, 19a; SSW/ders., § 176 Rn. 5; LK/Hörnle, § 174 Rn. 44. 14 Zu den psychologischen Wirkmechanismen vgl. 1. Kapitel, C.IV.2.c). 11

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2. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ im Besonderen Teil

Der gesetzliche Kontext der §§ 174 Abs. 2, 176 Abs. 4 Nr. 2 bestätigt den sprachwissenschaftlichen direktiven Charakter, der durch die Tathandlung des Bestimmens definierten Verhaltensweise. 2. Das Bestimmen in § 176 Abs. 2 Nach § 176 Abs. 2 wird derjenige bestraft, der ein Kind dazu bestimmt, Sexualkontakte an einem Dritten vorzunehmen oder diese zu dulden. Im Gegensatz zu §§ 174 Abs. 2, 176 Abs. 4 Nr. 2 weist § 176 Abs. 2 eine Besonderheit auf, da diese Norm die Duldung sexueller Handlungen durch u. U. zur Willensbildung noch unfähige Kinder einschließt. Nach der aufgezeigten Auffassung von Hörnle muss das Bestimmen in diesem Kontext weiter gefasst werden, um die Strafbarkeitslücke zu vermeiden, die entstehen würde, wenn ein noch zu Willensbildung unfähiges Kind einem Dritten überlassen wird, damit dieser sexuelle Handlungen an ihm vornimmt.15 Der Auffassung von Hörnle ist zuzustimmen nur wenn die Überlassung des Kindes von dem Begriff des Bestimmens gedeckt ist, kann die angesprochene Strafbarkeitslücke vermieden werden. Insofern erfordert der normative juristische Kontext des § 176 Abs. 2 (also der illokutive Witz i. S. d. Linguistik) eine offenere Begriffsbedeutung, als ihn die Pragmatik vorsieht. Die Tathandlung Bestimmen kann hier also nicht mehr als korrumpierende direktive Einflussnahme verstanden werden. In diesem Kontext reicht die Verursachung des Sexualkontaktes zwischen einem Dritten und dem Kind aus. 3. Das Bestimmen in § 179 Abs. 2 Die Parallelvorschrift zu § 176 Abs. 2 findet sich in § 179 Abs. 2 wieder. Nach dieser Norm wird derjenige bestraft, der eine widerstandsunfähige Person bestimmt, Sexualkontakte an einem Dritten vorzunehmen oder diese zu dulden. Hierbei ist nicht nur die Formulierung mit § 176 Abs. 2 nahezu identisch, sondern auch die zu schützende Personengruppe unterliegt einem Defizit, welches sie mit Kindern als vergleichbar erscheinen lässt. Der durch § 176 tatbestandlich geschützte Personenkreis weist geistige oder körperliche Behinderungen auf, aufgrund derer die Tatopfer unfähig sind, sich den Maßnahmen des Täters effektiv zu widersetzen.16 15

Vgl. 2. Kapitel, A.I. in Fn. 8. LK/Hörnle, § 179 Rn. 10 ff., Rn. 61; MüKo/Renzikowski, § 179 Rn. 15 ff.; SK/Wolters124, § 179 Rn. 3 ff.; SSW/ders., § 179 Rn. 4 ff.; Schönke/Schröder/ Lenckner/Perron/Eisele, § 179 Rn. 4 f.; Fischer, § 179 Rn. 8 ff. 16

A. Das Bestimmen im Bereich des Sexualstrafrechts

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Durch eine direktive Definition des Begriffs Bestimmen würde auch hier die im Rahmen des § 176 Abs. 2 aufgezeigte Strafbarkeitslücke entstehen. Es würden diejenigen Fälle aus dem normativen Anwendungsbereich herausfallen, in denen ein zum Widerstand und zur Willensbildung unfähiges Opfer einem Dritten überlassen wird, damit dieser Sexualhandlungen an der betroffenen Person vornehmen kann. Der Begriff Bestimmen muss also auch die Fälle der bloßen Überlassung von widerstandsunfähigen Personen an Dritte abdecken. Dieses kann nur erreicht werden, wenn (wie auch in § 176 Abs. 2) von der linguistischen Definition des Merkmals Bestimmen abgewichen und dieses mit dem Verursachen eines sexuellen Kontakts zwischen einem Dritten und dem widerstandsunfähigen Tatopfer gleichgesetzt wird.17 4. Das Bestimmen in §§ 180 Abs. 2, 3, 182 Abs. 1 Nr. 2 In § 180 sind Absatz 2 und 3 nahezu identisch aufgebaut. Danach wird derjenige bestraft, der eine Person unter achtzehn Jahren dazu bestimmt, gegen Entgelt (in Absatz 2) bzw. unter dem Missbrauch eines Abhängigkeitsverhältnisses (in Absatz 3) sexuelle Handlungen an oder vor einem Dritten vorzunehmen bzw. von einem Dritten an sich vornehmen zu lassen. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt § 182 Abs. 1 Nr. 2. Diese Norm sanktioniert denjenigen, der eine Person unter achtzehn Jahren durch das Ausnutzen einer Zwangslage dazu bestimmt, sexuelle Handlungen an einem Dritten vorzunehmen oder von einem Dritten an sich vornehmen zu lassen. Die Intention dieser Regelungen lässt sich darauf reduzieren, dass eine Bedrängnissituation, in der sich eine unter achtzehnjährige Person befindet, geschaffen bzw. ausgenutzt wird, um sie zur Vornahme bzw. zur Duldung von sexuellen Handlungen mit bzw. durch einen Dritten zu motivieren. Nach einer ersten Lektüre dieser Vorschriften deutet sich an, dass die Tathandlung des Bestimmens auch in diesem Normenkontext eine sanktionsbewehrte Kommunikationsbeziehung beschreibt, die im linguistischen Sinn der direktiven Sprechaktklasse zuzuordnen ist. Die positive bzw. negative Sanktion, die für die Begründung des jeweiligen Verbindlichkeitscharakters erforderlich ist, wird im weitesten Sinne durch den Tatbestand selbst vorgegeben. So beschreibt § 180 Abs. 2 die Grundkonstellation der sanktionsbewehrten positiven Einflussnahme. Durch das Versprechen eines Entgelts (i. S. d. § 11 Abs. 1 Nr. 9), um sexuelle Handlungen an einem Dritten vorzunehmen bzw. diese zu dulden, werden wiederum zwei Werte in exklusiver Weise 17

Im Ergebnis so auch LK/Hörnle, § 179 Rn. 60.

180

2. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ im Besonderen Teil

gegenübergestellt. Das sexuelle Selbstbestimmungsrecht des Opfers wird mit der möglichen Erzielung eines Wertzuwachses in ein Spannungsverhältnis gesetzt. Ein solches Vorgehen ist in der vorliegenden Tatbestandskonstellation als besonders verwerflich anzusehen, da sich unter achtzehnjährige Personen in der Regel noch in einer wirtschaftlich unselbständigen Situation befinden und der in Aussicht gestellte Wertgewinn daher als besonders verlockend empfunden wird. Im Gegensatz dazu beschreibt § 180 Abs. 3 diejenige Situation, in der das Tatopfer unter dem Missbrauch eines Abhängigkeitsverhältnisses zur Vornahme bzw. zur Duldung sexueller Handlungen an einem Dritten motiviert wird. Welche Art der Sanktionierung hierbei zum Tragen kommt, wird durch den Tatbestand nicht konkret festgelegt. In aller Regel dürfte mit dem Missbrauch eines Abhängigkeitsverhältnisses eine negative Sanktion einhergehen. Allerdings sind auch Fälle denkbar, in denen dem Opfer für die tatbestandlichen Sexualhandlungen gewisse Privilegien in Aussicht gestellt werden, die als positive Sanktion zu bewerten wären. Jedenfalls wird auch in diesem Tatbestand als Bestimmen diejenige Handlungsweise sanktioniert, durch die dem Wert der sexuellen Selbstbestimmung ein neuer Wert in exklusiver Weise gegenüber gestellt wird, um das Tatopfer zu den entsprechenden Handlungen zu motivieren. Wie bereits eingangs erwähnt, reiht sich § 182 Abs. 1 Nr. 2 systematisch in diese Vorschriften ein. Danach muss der Täter eine Zwangslage eines unter achtzehnjährigen Opfers ausnutzen, um dieses zur Vornahme bzw. zur Duldung sexueller Handlungen eines Dritten zu bestimmen. Der Begriff der Zwangslage ist weiter gefasst als die Begriffe des Entgelts (§ 11 Abs. 1 Nr. 9) oder des Missbrauchs eines Abhängigkeitsverhältnisses. Unter einer Zwangslage wird aber nicht jede irgendwie geartete Konfliktsituation angesehen, sondern hierbei müssen persönliche oder wirtschaftliche Umstände von einigem Gewicht vorliegen (wie z. B. Drogensucht oder Obdachlosigkeit), denen die Gefahr anhaftet, dass sich der Jugendliche den sexuellen Übergriffen nicht ohne weiteres entziehen kann.18 Der Korrespondenzwert, der dem Wert der sexuellen Selbstbestimmung gegenübergestellt werden muss, wird also auch hier im weitesten Sinne tatbestandlich konkretisiert. Der Täter muss einem Opfer, welches sich in einer entsprechend gewichtigen Notsituation befindet, beispielsweise Unterstützung oder Entlastung anbieten. Dabei muss das Angebot der Hilfe da18 BT-Drs. XII/4584, S. 8; BGHSt 42, 399, 400 f.; BGH, NStZ-RR 2008, 238; SK/Wolters124, § 182 Rn. 6; LK/Hörnle, § 182 Rn. 15 ff.; Schönke/Schröder/Lenckner/Perron/Eisele, § 182 Rn. 5; MüKo/Renzikowski, § 182 Rn. 36; NK/Frommel, § 182 Rn. 8; HK-GS/Laue, § 182 Rn. 2; Kusch/Mössle, NJW 1994, 1504, 1506; Schroeder, NJW 1994, 1501, 1502.

A. Das Bestimmen im Bereich des Sexualstrafrechts

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rauf abzielen, den dazu im Exklusivitätsverhältnis stehenden Wert der sexuellen Selbstbestimmung zu korrumpieren. Ein solches Hilfsangebot fällt in den Bereich der positiven Sanktionierung. Denkbar ist aber auch hier die Motivation durch eine negative Sanktionierung. So kann eine entsprechende Zwangslage des Opfers auch durch die Androhung nachteiliger Konsequenzen begründet werden.19 Der Täter kann den notwendigen Handlungsdruck z. B. mit der Weitergabe von persönlichem Wissen über Handlungen des Opfers an die Erziehungsberechtigten oder die Strafverfolgungsbehörden verursachen.20 Das Merkmal des Bestimmens definiert auch in diesem normativen Kontext eine Art der Einflussnahme, die darauf abzielt, die Motivationslage des Adressaten durch eine Korrumpierung von dessen internen Wertesystem zu verändern. Dabei soll sich das Opfer zu den tatbestandlichen Sexualhandlungen an einem Dritten bereit erklären. Das Ziel ist es daher auch hier, eine einseitig verpflichtende Situation hervorzurufen, wodurch das Ergebnis der linguistischen Analyse durch den juristischen Kontext (also den illokutiven Witz) bestätigt wird. Die Gemeinsamkeit der §§ 180 Abs. 2, 3, 182 Abs. 1 Nr. 2, welche die Nähe dieser Normen zur Anstiftung in besonderer Weise unterstreicht, wird durch die tatbestandliche Personenkonstellation begründet. Ein Dritter, der sexuelle Kontakte mit einer Person zwischen dem 16. und dem 18. Lebensjahr unterhält, ist grundsätzlich straflos, solange er selbst keine entsprechende Bedrängnissituation schafft oder ausnutzt, vgl. § 182 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2. Durch die Straflosigkeit des Dritten ist aufgrund des Akezssorietätserfordernisses eine Teilnahme nach den allgemeinen Grundsätzen ausgeschlossen, auch wenn die Handlung des Einflussnehmenden von einer entsprechenden strafrechtlichen Verwerflichkeit ist. Um die so entstehende Strafbarkeitslücke zu schließen, sanktionieren die §§ 180 Abs. 2, 3, 182 Abs. 1 Nr. 2 eigenständig die korrumpierende Einwirkungshandlung. Diese Normen stellen daher Sonderregelungen der Anstiftung dar. Der maßgebliche Unterschied zur Anstiftung besteht darin, dass in §§ 180 Abs. 2, 3, 182 Abs. 1 Nr. 2 nicht der Täter, sondern das Opfer in die entsprechende Konfliktsituation gebracht wird, um sich letztendlich selbst zu schädigen.

19

BT-Drs. XII/4584, S. 8; LK/Hörnle, § 182 Rn. 15 ff.; MüKo/Renzikowski, § 182 Rn. 36; z. B. auch Angst vor Gewalt des Täters SK/Wolters124, § 182 Rn. 6; SSW/ders., § 182 Rn. 6. 20 LK/Hörnle, § 182 Rn. 18.

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2. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ im Besonderen Teil

5. Das Bestimmen in § 182 Abs. 3 Nr. 2 Als abschließende Norm im Sexualstrafrecht enthält § 182 Abs. 3 Nr. 2 das Merkmal des Bestimmens. Nach dieser Regelung wird eine über einundzwanzigjährige Person bestraft, die eine Person unter sechzehn Jahren dadurch missbraucht, dass sie diese dazu bestimmt, sexuelle Handlungen an einem Dritten vorzunehmen oder von diesem an sich vornehmen zu lassen und dabei die fehlende Fähigkeit des Opfers zur sexuellen Selbstbestimmung ausnutzt. Im Bereich dieser Norm fordert Hörnle wiederum ein Verständnis von dem Begriff des Bestimmens, welches weiter als in § 26 reichen soll.21 Diese offene Definition gewinnt sie insbesondere aus dem Kriterium der fehlenden Selbstbestimmungsfähigkeit, die sich auch in Passivität äußern kann und die nach ihr, selbst die Fälle der vis absoluta umfasst.22 Eine derartige Ausweitung der begrifflichen Definition ist nicht unumstritten. Im Gegensatz zu den § 176 Abs. 2 sowie dem § 179 Abs. 2 handelt es sich bei der tatbestandlichen Opfergruppe des § 182 Abs. 3 Nr. 2 um Jugendliche und nicht um Kinder bzw. widerstandsunfähige Personen, die ihre Fähigkeit zur Willensbildung u. U. (noch) nicht entwickelt haben. Insofern darf hier das Kriterium der Willensbetätigung des Opfers nicht gänzlich entfallen.23 Unter das Merkmal der fehlenden Fähigkeit zur sexuellen Selbstbestimmung zusätzlich die Fälle der vis absoluta zu subsumieren, wäre auch in Anbetracht der tatbestandlichen Personenkonstellation nicht sachgerecht. Der Täter, der das 21. Lebensjahr vollendet hat, verfügt über weitaus mehr Lebenserfahrung als eine wenigstens fünf Jahre jüngere Person. Durch die im Tatbestand angelegte Altersdifferenz soll verhindert werden, dass ältere Personen die Unerfahrenheit des Opfers ausnutzen, um es zu den entsprechen Sexualhandlungen an einem Dritten zu motivieren. Das Merkmal des Ausnutzens der fehlenden sexuellen Selbstbestimmung konkretisiert hierbei die Tathandlung des Bestimmens als wissensbeeinflussende Einwirkung. Auf die Willensbetätigung des Opfers völlig zu verzichten, würde dem besonderen Zweck, der im Tatbestand angelegten Altersdifferenz nicht gerecht werden. Insofern muss das Bestimmen auch im Kontext dieser Norm als eine korrumpierende Einflussnahme verstanden werden, die darauf abzielt, das Ver21

LK/Hörnle, § 182 Rn. 59. LK/Hörnle, § 182 Rn. 59. 23 So auch MüKo/Renzikowski, § 182 Rn. 42; SK/Wolters124, § 182 Rn. 11, 21; SSW/ders., § 182 Rn. 11, 21. 22

B. Das Bestimmen in § 216 Abs. 1

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halten des Opfers durch die Verursachung eines inneren Wertekonflikts zu motivieren, um es zur Vornahme bzw. der Duldung der entsprechenden Sexualhandlungen an einem Dritten zu bewegen. Dabei stellt die sexuelle Selbstbestimmung des Opfers wiederum den Korrespondenzwert dar, der durch die Einflussnahme des Täters korrumpiert wird und dem ein neuer Wert in exklusiver Weise gegenübergestellt werden muss. Die besondere strafrechtliche Verwerflichkeit eines solchen Vorgehens ist mit der noch nicht gefestigten Persönlichkeit des Opfers sowie dessen Unerfahrenheit zu begründen. Ein Täter dürfte relativ leicht eine entsprechende Korrumpierung des Opfers erzielen, wenn er über den tatbestandlich indizierten Erfahrungsvorsprung verfügt und diesen gezielt ausnutzt.

III. Ergebnis Durch die Untersuchung des Bestimmens im Bereich der Sexualdelikte konnte die bei der Anstiftung getroffene Wertung bestätigt werden. Im Grundsatz definiert das Bestimmen auch im Kontext dieser Vorschriften eine Verhaltensweise, die darauf abzielt, das Wertesystem des Adressaten durch die Verursachung eines inneren Wertekonflikts zu korrumpieren, um ihn zu einer bestimmten Handlungsweise zu motivieren.24 Der Wert, der hierbei in ein Spannungsverhältnis gebracht wird ist nicht das Straffreiheitsinteresse, sondern die sexuelle Selbstbestimmung des Adressaten. Im Gegensatz zu der Anstiftung soll der Rezipient hierbei nicht zu einer Fremdsondern zu einer Selbstschädigung veranlasst werden soll.

B. Das Bestimmen in § 216 Abs. 1 Ebenso enthält der Tatbestand der Tötung auf Verlangen gem. § 216 Abs. 1 das Merkmal des Bestimmens. Danach ist derjenige zu bestrafen, der durch das ausdrückliche und ernsthafte Verlangen des Getöteten zu dessen Tötung bestimmt wurde. Nicht nur der gesetzliche Kontext, des ausdrücklichen und ernsthaften Verlangens, in den die Tathandlung des Bestimmens eingebettet ist indiziert eine gesteigerte strafrechtliche Verwerflichkeit des im Raum stehenden Tatbestandsmerkmals, sondern auch das von § 216 geschützte Rechtsgut. Das Leben des Sterbewilligen, erfordert eine Art der Einwirkung, die über der reinen Verursachung des Tatentschlusses anzusiedeln ist. Diese Einschätzung wird von Literatur und Rechtsprechung bestätigt, die das Bestimmen 24 Von diesem Grundsatz weichen § 176 Abs. 2 und § 179 Abs. 2 ab, vgl. 2. Kapitel, A.II.2. und 3.

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2. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ im Besonderen Teil

mit einer handlungsleitenden Einflussnahme des Sterbewilligen definieren25 und es zum Teil sogar mit der Einwirkung nach § 26 vergleichen.26 Wie es die Definition der „handlungsleitenden Einflussnahme“ bereits andeutet, wird das Merkmal des Bestimmens nicht ausgeschlossen, wenn der Täter das Opfer noch aus anderen Beweggründen tötet. So schließen weitere Motive wie z. B. Mitleid oder die Erwartung einer Erbschaft das Bestimmen nicht aus, solange die Einflussnahme des Opfers der dominierende (also handlungsleitende) Beweggrund für die Tötung war.27 Ein Streit, der insbesondere seit der Entscheidung des BGH zu dem „Kannibalen von Rotenburg“28 an Bedeutung gewonnen hat, behandelt die Fragestellung, inwieweit die, durch das Bestimmen definierte handlungsleitende Einflussnahme ausgeschlossen wird, wenn die Initiative zur Tötung von dem Täter selbst ausgeht. In Übereinstimmung zu der Entscheidung des BGH lehnt die wohl herrschende Meinung das Merkmal der handlungsleitenden Einflussnahme ab, wenn der Täter dem Opfer den Tötungsvorschlag unterbreitet.29 Die an Einfluss gewinnende Gegenströmung erweitert das Erfordernis der handlungsleitenden Einflussnahme und erachtet es bereits als ausreichend, wenn die Initiative zur Tötung von dem Täter ausgeht, er die Tat aber nicht ohne die Einwilligung des Opfers ausgeführt hätte. Die Einwilligung des Opfers wird danach lediglich als Bedingung für die Tatausführung angesehen.30 Einige Vertreter dieser Theorie verfolgen einen restriktiveren Ansatz. Danach ist ein Bestimmen auch dann noch möglich, wenn die Initiative zur Tötung von dem Täter ausgeht. Allerdings reiche hierfür eine bloße Einwilligung des Opfers nicht aus. Das Opfer müsse vielmehr eine über die Ein25

BGHSt 50, 81, 92; MüKo/Schneider, § 216 Rn. 25 f.; NK/Neumann, § 216 Rn. 16; LK/Jähnke, § 216 Rn. 8; HK-GS/Rössner/Wenkel, § 216 Rn. 10; LPK/ Kindhäuser, § 216 Rn. 4; ders., BT I, § 3 Rn. 12. 26 So insbesondere SK/Sinn133, § 216 Rn. 5a; SSW/Momsen, § 216 Rn. 6; Schönke/Schröder/Eser, § 216 Rn. 5; Scheinfeld, GA 2007 [154], 695, 697 ff. insb. 709. 27 BGHSt 50, 80, 92; Schönke/Schröder/Eser, § 216 Rn. 8; SK/Sinn133, § 216 Rn. 5a; LK/Jähnke, § 216 Rn. 8; MüKo/Schneider, § 216 Rn. 26; NK/Neumann, § 216 Rn. 16; Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, BT, § 3 Rn. 14. 28 BGHSt 50, 80 ff. 29 BGHSt 50, 81, 92; RGSt 68, 305, 306; MüKo/Schneider, § 216 Rn. 25; NK/ Neumann, § 216 Rn. 10, 16; LK/Jähnke, § 216 Rn. 8; HK-GS/Rössner/Wenkel, § 216 Rn. 10. 30 Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, BT, § 3 Rn. 13; Otto, BT, § 6 Rn. 11; ders., JZ 2005, 799, 800; M.-K. Meyer, Autonomie, S. 223 f.; Scheinfeld, GA 2007 [154], 695, 704 ff.; Kudlich, JR 2005, 342 f.

B. Das Bestimmen in § 216 Abs. 1

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willigung hinausgehende (ernsthafte) Forderung hinsichtlich der eigenen Tötung zum Ausdruck bringen.31 In Übereinstimmung zu der bei der Anstiftung getroffenen Wertung, kann eine handlungsleitende Motivation auch dann noch immer initiiert werden, wenn der Täter bereits tatgeneigt war.32 Wird das Merkmal des Bestimmens zu einschränkend ausgelegt, erzielt man das Ergebnis, dass die Bereitschaft eine andere Person auf Verlangen zu töten, die Anwendbarkeit des § 216 ausschließt.33 An dieser Stelle ist der Teilströmung zu folgen, welche eine Form der Einflussnahme fordert, die über die der reinen Einwilligung des Opfers anzusiedeln ist. Dieses Erfordernis ergibt sich aus der Verknüpfung des Bestimmens mit dem Begriff des „ernsthaften Verlangens“. Danach muss das Opfer den Täter ernsthaft und eindringlich um die Tötung bitten, auch wenn die Anregung zur Tat auf die Initiative des Täters zurückzuführen ist. Eine bloße Einwilligung würde dieses erhöhte Erfordernis nicht erfüllen.34 Dagegen ist das Bestimmen immer dann auszuschließen, wenn es sich bei dem Täter um einen omnimodo facturus handelt, er also zur Tötung fest entschlossen war.35 Die tatbestandliche Intention bestätigt auch hier das Ergebnis der linguistischen Analyse. Das Merkmal des Bestimmens definiert im Kontext des § 216 eine Kommunikationsbeziehung, die der direktiven Sprechaktklasse zugehörig ist. Der Sterbewillige muss eine einseitige Verpflichtung des Handelnden begründen, um diesen durch den Aufbau eines saktionsbewährten Handlungsdrucks zur Tötung zu motivieren. Durch dieses sprachwissenschaftliche Verständnis wird auch das juristische Erfordernis bestätigt, wonach das Verlangen des Opfers eine Intensität erfordert, die über der reinen Einwilligung anzusiedeln ist. Wie bereits herausgestellt, kann eine derartige Verpflichtung auch durch relativ banale sprachliche Mechanismen begründet werden, da sogar der er31 SK/Sinn133, § 216 Rn. 5a, 8; SSW/Momsen, § 216 Rn. 5, 8; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT I, § 2 Rn. 62. So wohl auch Schönke/Schröder/Eser, § 216 Rn. 5, der von der nachdrücklichen Zustimmung des Opfers spricht. 32 Vgl. 1. Kapitel, C.IV.4.k). 33 So Roxin zu § 26 in: GS f. Schröder 1978, 145, 155. 34 So auch SK/Sinn133, § 216 Rn. 5a, 8; Schönke/Schröder/Eser, § 216 Rn. 5; SSW/Momsen, § 216 Rn. 5, 8; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT I, § 2 Rn. 62. 35 Matt/Renzikowski/Safferling, § 216 Rn. 10; SK/Sinn133, § 216 Rn. 5a; SSW/ Momsen, § 216 Rn. 5; MüKo/Schneider, § 216 Rn. 25; Schönke/Schröder/Eser, § 216 Rn. 9; NK/Neumann, § 216 Rn. 16; HK-GS/Rössner/Wenkel, § 216 Rn. 10; Fischer, § 216 Rn. 10.

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2. Kap.: Das Merkmal des „Bestimmens“ im Besonderen Teil

höhte Begründungsaufwand, der mit der Ablehnung einer Bitte einhergeht, einen ausreichend großen Sanktionscharakter nach sich zieht.36

C. Das Bestimmen in § 334 Abs. 3 Der Begriff des Bestimmens im Sinne einer willensbeeinflussenden Einwirkungshandlung, findet sich abschließend in § 334 Abs. 3 wieder. Der Tatbestand der Bestechung sanktioniert in den Absätzen 1 und 2 diejenigen Verhaltensweisen, durch die ein Täter einem Amtsträger eine Gegenleistung für die Vornahme einer Diensthandlung anbietet, durch die der Amtsträger eine ihm obliegende Dienstpflicht verletzt. Dabei erfasst Absatz 3 diejenigen Fälle, in denen der Täter einen Amtsträger unter Versprechen oder Gewährung einer Gegenleistung zur Vornahme einer tatbestandlich näher ausgestalteten pflichtwidrigen bzw. ermessenfehlerhaften Handlung zu bestimmen versucht. In gesetzessystematischer Hinsicht regelt § 334 Abs. 3 eine Sonderkonstellation der versuchten Anstiftung, die nach den allgemeinen Grundsätzen straflos wäre, da es sich bei den Absätzen 1 und 2 lediglich um Vergehen handelt.37 Nicht zuletzt aufgrund dieser Überlegung verweist die Literatur hinsichtlich der Auslegung des Merkmals „zu bestimmen versucht“ auf die versuchte Anstiftung nach § 30 Abs. 138 und hebt hierbei hervor, dass jegliche Formen der verbalen und nonverbalen Kommunikation als taugliche Tathandlungen in Betracht kommen.39 Durch den gesetzlichen Kontext wird die Einwirkungshandlung des Bestimmens mit dem Angebot, dem Versprechen bzw. dem Gewähren einer Gegenleistung verknüpft. Insofern werden die Einflussnahmemöglichkeiten, die der Täter für die Korrumpierung des Opfers einsetzen kann tatbestandlich beschränkt. Der Täter muss dem Opfer stets einen Wertegewinn in Aussicht stellen. Die von § 334 aufgezeigten Formen der Einflussnahme gehören daher ausschließlich in den Bereich der positiven Sanktionierung.40 36

Vgl. vor allem unter 1. Kapitel, C.IV.4.c); hierzu aber auch 1. Kapitel, C.II.5. So auch Joecks, § 334 Rn. 6. 38 Schönke/Schröder/Heine, § 334 Rn. 6; SSW/Rosenau, § 334 Rn. 7; LK/Sowada, § 334 Rn. 10 f. Den Gedanken der (versuchten) Anstiftung heranziehend, aber weniger deutlich auf § 30 verweisend: Joecks, § 334 Rn. 6; SK/Rudolphi/ Stein129, § 334 Rn. 6; MüKo/Korte, § 334 Rn. 20; NK/Kuhlen, § 334 Rn. 6 f.; Lackner/Kühl, § 334 Rn. 3. 39 SSW/Rosenau, § 334 Rn. 7; Schönke/Schröder/Heine, § 334 Rn. 6. 40 Zur positiven Sanktion vgl. 1. Kapitel, C.IV.2. 37

C. Das Bestimmen in § 334 Abs. 3

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Der Täter muss das Wertesystem des Rezipienten korrumpieren, um ihn zu der pflichtwidrigen bzw. ermessenfehlerhaften Handlungsweise zu motivieren. Auch im Kontext dieser Norm beschreibt die Tathandlung des Bestimmens eine Kommunikationsbeziehung, die der direktiven Sprechaktklasse angehört. Die im Rahmen der Anstiftung gefundene Wertung wird daher durch den Kontext des § 334 bestätigt.

3. Kapitel

Das Merkmal des „Aufforderns“ Als Norm des besonderen Teils steht die Öffentliche Aufforderung zu Straftaten gem. § 111 der Anstiftung am nächsten. Nach Dreher handelt es sich bei § 111 um einen janusköpfigen Paragraphen, der mit einem Bein im Allgemeinen Teil und mit dem anderen im Besonderen Teil des StGB steht.1 Die besondere Nähe des § 111 zu § 26 wird vor allem durch die Verwandtschaft der beiden Tathandlungen verdeutlicht, die jeweils auf die Veranlassung fremder Straftaten abzielen. Das genaue Verhältnis beider Tathandlungen sowie die daraus resultierende Beziehung der beiden Tatbestände soll in dem vorliegenden Kapitel untersucht werden.

A. Der Wortlaut des § 111 I. Sprachwissenschaftliche Analyse Der Begriff des Aufforderns wird nach dem Wörterbuch von Brockhaus/ Wahrig als das nachdrückliche Bitten, Ermahnen, Einladen oder Befehlen verstanden. Hierbei stehen die Verben Bitten und Befehlen der gesetzlichen Intention sehr nahe. Bereits anhand dieser Entsprechungen deutet sich der sprachliche Charakter der vorliegenden Tathandlung an, denn auch diese Synonymbedeutungen sind in die Sprechaktklasse der Direktiva einzuordnen, da sie auf eine einseitige Verpflichtung des Rezipienten abzielen. Um den sprachlichen Charakter der zu untersuchenden Tathandlung korrekt bestimmen zu können, ist jedoch eine sprachliche Analyse des Gesetzeswortlauts erforderlich. 1. Die normierte Kommunikationsbeziehung als direktive Illokution Der Wortlaut des § 111 Abs. 1 spricht von: „Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3), zu einer rechtswidrigen Tat auffordert, wird wie ein Anstifter (§ 26) bestraft.“ 1

Dreher, FS f. Gallas 1973, 307, 310.

A. Der Wortlaut des § 111

189

Der Gesetzestext des § 111 stellt eine Illokution im Sinne der Sprechakttheorie dar. Diese Norm beschreibt eine Kommunikationsbeziehung, in der sich der Sprecher an einen Empfänger verbunden mit der Intention wendet, mit diesem in Interaktion zu treten.2 Die von Searle erarbeitete Sprechaktklassifikation ist daher auch auf den Wortlaut des § 111 anwendbar. Die von ihm hierzu entwickelten und an anderer Stelle bereits erläuterten Klassifikationskriterien sind, der propositionale Gehalt (Anpassungsrichtung), die Aufrichtigkeitsregel (psychischer Zustand) und der illokutionäre Witz (Zweck des Sprechaktes).3 Durch eine Aufforderung stellt der Sprecher sein Verlangen auf, welchem der Rezipient im Erfolgsfalle nachkommt. Das Verhalten des Rezipienten passt sich daher dem (Handlungs-)„Wunsch“ des Einwirkenden an, wodurch wiederum der propositionale Gehalt der Illokution begründet wird, der auch hier „Welt an Wort“ lautet. Durch das Vorliegen dieser Kriterien, ist der Wortlaut des § 111 in die Sprechaktklasse der Direktiva einzuordnen. Ohne die Zuhilfenahme der Sprachwissenschaft gelangt insbesondere auch die Literatur zu diesem Ergebnis, wonach eine allgemeine Befürwortung bestimmter Taten, schädlicher Folgen oder nur die psychische Unterstützung eines fremden Tatentschlusses gerade nicht genügen soll, um die Tathandlung des Aufforderns zu erfüllen. Vielmehr ist, in Übereinstimmung zu dem Ergebnis der Sprechaktklassifikation, ein appellativer bzw. imperativer Charakter notwendig.4 2. Die Intensität des Wortlauts Wie bei dem Wort „bestimmen“ ist nunmehr auch das Verb „auffordern“ auf die Stärke seiner Verbindlichkeit zu untersuchen. Diese Intensität bestimmt sich, wie aufgezeigt,5 nach der Nachhaltigkeit, der mit der direktiven Aussage einhergehenden Sanktionsandrohung. Auf der untersten Stufe der Direktiva steht die Bitte, welche zwar auch auf eine einseitige Verpflichtung des Rezipienten abzielt, aber gerade dadurch gekennzeichnet ist, 2 Definition der Illokution: Meibauer, Pragmatik, S. 86 ff.; Linke/Nussbaumer/ Portmann, Linguistik, S. 210 f. 3 Definition der Sprechaktklassifikation und der Kriterien vgl. 1. Kapitel, C.II.2. 4 OLG Köln, JZ 1983, 338, 338; KG, NJW 2001, 2896, 2896; MüKo/Bosch, § 111 Rn. 7; LK/Rosenau, § 111 Rn. 8; Schönke/Schröder/Eser, § 111 Rn. 3; SSW/Fahl, § 111 Rn. 2; NK/Paeffgen, § 111 Rn. 12 f.; ders., FS f. Hanack 1999, 591, 604; LPK/Kindhäuser, § 111 Rn. 3; ders., BT I, § 40 Rn. 3; Bloy, JZ 1985, 206; Stockmann, Aufforderung, S. 37 ff.; Kostaras, Demonstrationsdelikte, S. 147 u. S. 151; KK-OWiG/Rogall, § 116 Rn. 9 f.; ders., GA 1979 [126], 11, 16. 5 Vgl. 1. Kapitel, C.II.5.

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3. Kap.: Das Merkmal des „Aufforderns“

dass der Sprecher gegenüber dem Zuhörer i. d. R. keine tatsächliche Sanktionsmöglichkeit besitzt bzw. er sich nicht auf diese beruft.6 Von seiner Intensität ist das Verb „Auffordern“ über dem Wort „Bitten“ anzusiedeln, da eine Aufforderung die Möglichkeit der Sanktionierung nicht von vornherein ausschließt. Um eine korrekte Einstufung der Intensität vornehmen zu können, darf aber nicht nur auf das einzelne Wort „Auffordern“ abgestellt werden, sondern es ist der gesamte Gesetzestext heranzuziehen.7 Wie bereits im Rahmen der Anstiftung ausgeführt wurde, grenzt sich § 26 u. a. durch die Möglichkeit der persönlichen Einwirkung auf den Rezipienten von § 111 ab.8 Nur der Anstifter hat die tatsächliche Möglichkeit auf eine konkrete Reaktion des Rezipienten zu reagieren und seinen Handlungsdruck nötigenfalls zu erhöhen bzw. seine Art der Einwirkung entsprechend der Reaktion des Rezipienten anzupassen. Im Rahmen des § 111 hat der Täter eine große Menschenmasse vor sich, in der der Einzelne nicht mehr persönlich erreicht werden kann. Aufgrund der breiten Masse und der damit verbundenen geringeren Einwirkungsmöglichkeit auf den Einzelnen, ist auch der durch den Täter erzeugte Handlungsdruck bei § 111 um ein Vielfaches geringer als derjenige, der bei § 26 ausgeübt wird. 3. Differenzierung zwischen § 26 und § 111 hinsichtlich des Vollzugsstadiums a) Der Vollzug von Illokutionen Ein weiteres Kriterium, um die vorliegenden Normen voneinander abzugrenzen, wird durch eine Untersuchung des jeweiligen Vollzugsstadiums ermöglicht. Mit dem Vollzug von Sprechakten hat sich insbesondere Rolf eingehend auseinandergesetzt, indem er die zu untersuchende Illokution hinsichtlich ihres Handlungsergebnisses und ihres Handlungszieles differenziert.9 Der illokutionäre Zweck ist dabei das jeweilige Faktum, auf dessen Schaffung der defektfreie Vollzug eines bestimmten illokutionären Aktes hinausläuft. Wer also einen anderen um etwas bittet oder ihn zum Adressaten einer Aufforderung macht, versucht ihn zur Ausführung einer künftigen Handlung zu bewegen. Dadurch, dass die Bitte bzw. die Aufforderung ausgesprochen wird, wird der Versuch, den anderen zur Ausführung einer be6 7 8 9

Vgl. vor allem 1. Kapitel, C.IV.4.c), ergänzend aber auch 1. Kapitel, C.II.5. Also der illokutionäre Witz im Sinne der Pragmatik. Vgl. 1. Kapitel, G.II. Rolf, Illokutionäre Kräfte, S. 24 ff.

A. Der Wortlaut des § 111

191

stimmten zukünftigen Handlung zu bewegen, realisiert. Den Ausspruch der bloßen Bitte bzw. Aufforderung bezeichnet Rolf als das Handlungsergebnis.10 Dagegen wird durch das Handlungsziel, die durch die Aufforderung beabsichtige Folge, mithin die eintretende Wirkung beschrieben.11 Um diesen Zusammenhang zu verdeutlichen bildet Rolf das folgende Beispiel:12 Der A bittet den B das Fenster zu öffnen. Der B kommt dieser Bitte nach und das Zimmer wird gelüftet. Die Bitte des A ist also nichts anderes als der Vollzug einer direktiven Illokution, also das Handlungsergebnis. Allerdings dürfte dieses Beispiel auch verdeutlichen, dass es nicht das beabsichtigte Ziel des A sein kann, nur den Vollzug der Illokution zu bezwecken. Vielmehr strebt A das Lüften des Zimmers an, worin das von ihm verfolgte Handlungsziel liegt. Im Rahmen der Beurteilung von abstakten Texten muss besonderer Wert auf die Formulierung gelegt werden, um genaue Rückschlüsse auf die Intention des Autors ziehen zu können. Der Gesetzgeber kann zum einen bereits den Ausspruch einer gefährlichen direktiven Illokution und damit das Handlungsergebnis sanktionieren. Damit würde die Norm den Charakter eines abstrakten Gefährdungsdelikts erhalten. Andererseits ist es auch möglich die entsprechende direktive Illokution als straflos zu belassen, solange kein konkreter Schaden eingetreten ist. Die Strafbarkeit wäre hierbei auf der Ebene des Handlungsziels einzustufen, wodurch die Vorschrift den Charakter eines konkreten Gefährdungsdelikts erhalten würde. b) Das Vollzugsstadium des Gesetzestextes Ausgehend von dieser Überlegung können nunmehr Rückschlüsse auf den Gesetzestext von § 26 und § 111 gezogen werden. § 26, welcher von: „. . . wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt hat.“ spricht, verdeutlicht durch seine Formulierung in der Zeitform des Perfekt, dass es gerade auf den Handlungserfolg (also das Handlungsziel im sprachwissenschaftlichen Sinne) ankommt. Es wird nicht der Ausspruch der jeweiligen direktiven Illokution bestraft, sondern gerade die Teilnahme an dem tatsächlich verwirklichten Unrecht, welches kausal auf die Einwirkung des Anstifters zurückgeht. 10 11 12

Rolf, Illokutionäre Kräfte, S. 24 u. 26. Rolf, Illokutionäre Kräfte, S. 26. Angelehnt an das Beispiel von Rolf, Illokutionäre Kräfte, S. 26 f.

192

3. Kap.: Das Merkmal des „Aufforderns“

Dieses sprachliche Ergebnis wird durch die eigenständige Strafbarkeit der versuchten Anstiftung in § 30 bestätigt. Diejenigen Einwirkungshandlungen, welche die im 1. Kapitel aufgezeigten Anforderungen der Anstiftung erfüllen, erachtet der Gesetzgeber in den Konstellationen der Verbrechensanstiftung für abstrakt so gefährlich, dass er sie bereits auch im Fall der Erfolglosigkeit unter Strafe stellt. § 30 bestraft daher das Handlungsergebnis im sprachwissenschaftlichen Sinn. Um dieses zu verdeutlichen verwendet der Gesetzgeber gerade nicht die Zeitform des Perfekt, sondern die des Präsens. Im Gegensatz dazu spricht der Wortlaut des § 111 Abs. 1 von: „Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) zu einer rechtswidrigen Tat auffordert . . .“. Nach den bisherigen Untersuchungen liegt aufgrund der verwendeten Zeitform daher die Vermutung nahe, dass bereits der Vollzug der Aufforderung bestraft werden soll. Der Eintritt des jeweiligen Erfolges, d. h. ob ein Aufforderungsadressat die entsprechende Tat auch begeht, wäre nach der rein sprachlichen Betrachtung unbeachtlich. Das Handlungsziel wird durch § 111 Abs. 1 von seinem reinen Wortlaut nicht angesprochen, die Formulierung ist also diesbezüglich erfolgsneutral. Zu diesem Ergebnis gelangt auch Amelung, wenn er feststellt, dass § 111 Abs. 1 die Anstiftungshandlung in ihrer Reinform erfasst, ohne auf die Kausalfolgen abzustellen.13 Also § 111 Abs. 1 im Gegensatz zu § 26 gerade nicht das Handlungsziel bestraft, sondern nur das Handlungsergebnis. Allerdings muss diese sprachliche Einschätzung in Einklang mit der Gesetzessystematik stehen. § 111 Abs. 2 bestraft die erfolglose Aufforderung und stellt damit die Entsprechung zu § 30 dar, wobei § 111 Abs. 2 gerade keine Einschränkung bezüglich der erfolglosen Verbrechensaufforderung vorsieht. Indem gerade § 111 Abs. 2 die erfolglose Aufforderung bestraft, muss konsequenterweise § 111 Abs. 1 die Aufforderung meinen, welche erfolgreich war. Unter einer erfolgreichen Aufforderung im Sinne des Absatz 1 wird diejenige Einwirkung verstanden, welche kausal die Verwirklichung einer rechtswidrigen Tat bzw. eines strafbaren Versuches zur Folge hatte.14 Der mangelnde sprachliche Gleichlauf zwischen §§ 26, 30 einerseits und § 111 Abs. 1 und 2 andererseits wird also durch die Systematik des § 111 wieder aufgehoben und so gewissermaßen korrigiert. 13

Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 174. MüKo/Bosch, § 111 Rn. 26; LK/Rosenau, § 111 Rn. 60; NK/Paeffgen, § 111 Rn. 29; Schönke/Schröder/Eser, § 111 Rn. 20 f.; SSW/Fahl, § 111 Rn. 8; SK//Wolters134, § 111 Rn. 3 f. 14

A. Der Wortlaut des § 111

193

c) Die Historie der Normen Sowohl in § 26 als auch in § 111 Abs. 1 wird ausschließlich die erfolgreiche Einwirkung auf den Haupttäter bestraft. Die festgestellte Divergenz zwischen der sprachlichen Formulierung und dem angestrebten Gesetzeszweck wird klarer, wenn die Normengenese betrachtet wird. Auch § 48 a. F. wurde bereits in seiner ursprünglichen Fassung im Perfekt formuliert.15 Mithin wurde bereits im Originaltext eine sprachliche Formulierung gewählt, welche den Erfolg der Einwirkungshandlung herausstellte. Heute erscheint die Formulierung im Perfekt als nahezu überflüssig, da sich aus der Abgrenzung zu § 30 die Notwendigkeit des Erfolges der Anstiftungshandlung ergibt. Dennoch wird die Notwendigkeit der ursprünglichen Formulierung im Perfekt verständlich, wenn man sich das Reichsstrafgesetzbuch von 1871 näher betrachtet.16 Die versuchte Anstiftung, der Duchesne-Paragraph § 49a a. F., wurde erst 1876 in das StGB aufgenommen.17 Aufgrund des fehlenden systematischen Gegenstücks konnte die ursprüngliche Gesetzesfassung nicht verdeutlichen, dass § 48 a. F. nur die erfolgreiche Anstiftung bestrafen sollte. Durch die Zeitform des Perfekts wurde daher eine sprachliche Formulierung gewählt, welche die Erfolgsbezogenheit der Tathandlung deutlich herausstellte. Im Gegensatz dazu wurde § 111 Abs. 1 auch in seiner ursprünglichen Fassung von 1871 im Präsens formuliert.18 Die Intention der Erfolgsbezogenheit der Einwirkungshandlung musste in Absatz 1 durch die Wahl der Zeitform nicht besonders hervorgehoben werden, da bereits Absatz 2 die erfolglose Aufforderung unter Strafe stellte. Aus der Gesetzessystematik geht daher hervor, dass Absatz 1 nur den Fall der erfolgreichen Aufforderung erfassen sollte. Trotzdem sich das wohl nahezu unstreitige Ergebnis aus der Systematik erschließt, ist der historische Gesetzgeber für seine sprachliche Divergenz zwischen § 26 und § 111 Abs. 1 zu kritisieren. Auch § 111 Abs. 1 hätte im 15

Vgl. 1. Kapitel, B.IV.7. in Fn. 333. RGBl. 1871, S. 149. 17 Vgl. 1. Kapitel, D.III. Fn. 563. 18 Originaltext des § 111 (RGBl. 1871, S. 149): (1) Wer auf die vorbezeichnete Weise zur Begehung einer strafbaren Handlung auffordert, ist gleich dem Anstifter zu bestrafen, wenn die Aufforderung die strafbare Handlung oder einen strafbaren Versuche derselben zur Folge hat. (2) Ist die Aufforderung ohne Erfolg geblieben, so tritt Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder Gefängnisstrafe bis zu einem Jahre ein. Die Strafe darf jedoch der Art oder dem Maße nach keine schwerere sein, als die auf die Handlung selbst angedrohte. 16

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3. Kap.: Das Merkmal des „Aufforderns“

Perfekt formuliert werden müssen, um Missverständnissen vorzubeugen und um einen gesetzlichen Gleichlauf mit § 26 (bzw. § 48 a. F.) zu erzielen.

II. Der Begriff des „Aufforderns“ 1. Die Genese des Begriffs „Auffordern“ Die Tathandlung des Aufforderns wurde insbesondere durch die Rechtsprechung des Reichsgerichts geprägt, wobei sich dessen ursprüngliche Judikatur an dem damaligen Sprachgebrauch orientierte. Danach wurde: „. . . jede Kundgebung, welche eine Einwirkung auf den Willen anderer bezweckt . . .“ als taugliche Aufforderung verstanden.19 In seiner weiteren Rechtsfortbildung präzisierte das Reichsgericht diese gefundene Definition, indem es den Begriff des Aufforderns von dem des Anreizens aus den §§ 130, 210 a. F. abgrenzte.20 Wer einen anderen anreizt, braucht ihm die Art des verlangten Verhaltens nicht kundzugeben, es reicht vielmehr schon das Hervorrufen von Handlungsreizen, Begierden, Stimmungen oder die Erregung von Wünschen und Leidenschaften aus. In der weiteren Entwicklung bleibt es dem Angereizten überlassen, ob er selbständig den entsprechenden Tatentschluss entwickelt oder ob er sich rechtskonform verhält.21 Im Gegensatz dazu setze der Begriff des Aufforderns eine ausdrückliche oder schlüssige Kundgebung des Willens voraus, die erkennen lässt, dass von dem anderen ein bestimmtes Verhalten gefordert wird. Eine nur mittelbare Beeinflussung reiche anders als beim Anreizen gerade nicht aus.22 Der maßgebliche Unterschied zwischen den beiden Tathandlungen wurde also zum einen in der Konkretisierung des Handlungswunsches und zum 19 RGSt 4, 106, 108; ähnlich auch 9, 71, 72; in dieser Entscheidung betont das RG, dass die Kundgabe des Auffordernden erkennbar darauf abzielen müsse, bei dem anderen den Willen zu einem Tun oder Unterlassen hervorzurufen. 20 § 130 [Anreizung zum Klassenkampf] „Wer in einer den öffentlichen Frieden gefährdender Weise verschiedene Klassen der Bevölkerung zu Gewalttätigkeiten gegeneinander öffentlich anreizt, wird mit Geldstrafe bis zu zweihundert Thalern oder mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft.“ § 210 [Anreizung zum Zweikampf] „Wer einen anderen zum Zweikampf mit einem Dritten absichtlich, insonderheit durch Bezeigung oder Androhung von Verachtung anreizt, wird, falls der Zweikampf stattgefunden hat, mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft.“ 21 RGSt 47, 411, 413 f. 22 RGSt 47, 411, 413 f.

A. Der Wortlaut des § 111

195

anderen in der Art der Verhaltenssteuerung (unbewusste bzw. bewusste) gesehen.23 In einer späteren Entscheidung konkretisierte das Reichsgericht diese getroffenen Differenzierungskriterien, indem es ausführte: „. . . Die Aufforderung will nicht einen Reiz zum Handeln erwecken, sondern sie fordert ein Tun oder Lassen, und deshalb wendet sie sich an den Intellekt, der von der Richtigkeit und Zweckmäßigkeit des geforderten Tuns oder Unterlassens überzeugt werden soll. Auch wenn sie in verschleierter Form auftritt, so müsse immer ihr wahrer Charakter, der Wille, ein Tun oder Lassen zu fordern erkennbar sein. Der Anreizung hingegen eignet eine Beeinflussung, eine Wirkung auf Sinne und Leidenschaften, die einen Reiz zum Handeln weckt und den Angereizten kraft eigenen Entschlusses zum Handeln bringt . . .“.24

Diese Entscheidung betont stärker als die vorangegangenen Urteile die Notwendigkeit einer intellektuellen, zielgerichteten Einwirkung gegenüber dem Adressaten. 2. Die heutige Auffassung In der Literatur und Rechtsprechung hat sich für die Definition des Begriffs „auffordern“ eine einheitliche Auffassung durchgesetzt, welche im Grundsatz mit der letzten Entscheidung des Reichsgerichts konform geht. Danach wird der Begriff des Aufforderns in § 111 als die Kundgabe des Willens seitens des Auffordernden verstanden, um den Adressaten zur Realisierung einer Tat zu veranlassen. Die reine informatorische Mitteilung reiche hierbei nicht aus, sondern sie muss im Wege eines appellativen Charakters erfolgen, um zu erkennen zu geben, dass der Aufgeforderte in eine bestimmte Richtung gelenkt werden soll, die in der Begehung einer bestimmten Straftat liegt.25 3. Stellungnahme Die dargestellte Auffassung beschreibt in zutreffender Weise die Kriterien, welche in objektiver Hinsicht an die Tathandlung des Aufforderns zu stellen sind. Danach muss sie im Wege der intellektuellen Einwirkung geeignet sein, bei dem Adressaten den Tatentschluss zur Begehung einer bestimmten Straftat zu wecken. Allerdings ist für die Abgrenzung zu der Tathandlung des Bestimmens ein tiefer gehendes Begriffsverständnis nötig. 23 24 25

So auch RGSt 47, 411, 413 f. RGSt 63, 170, 173. Nachweise vgl. S. 189 in Fn. 4.

196

3. Kap.: Das Merkmal des „Aufforderns“

Das Verb „auffordern“ ist, wie auch die Tathandlung „bestimmen“, in die Sprechaktklasse der Direktiva einzuordnen, da es ebenfalls auf eine einseitige Verpflichtung des Adressaten gegenüber dem Rhetor abzielt.26 Diese Verpflichtung kann wiederum nur durch eine ausdrückliche oder konkludente Sanktionsandrohung begründet werden.27 Insofern muss sich der appellative Charakter nicht zwingend aus dem Wortlaut der entsprechenden Aufforderung ergeben. Wie auch bei der Anstiftung können die sonstigen Gesamtumstände, also vor allem die in der jeweiligen Gruppe vorherrschenden sozialen Normen den direktiven Charakter der Aussage begründen. In Übereinstimmung zu dem bei der Anstiftung gefundenen Ergebnis muss auch der Verbindlichkeitscharakter der Aufforderung durch die Einwirkung auf das internalisierte Wertesystem des Adressaten begründet werden, indem der Rhetor einen neuen externen Wert setzt, der dem Straffreiheitsinteresse des Rezipienten gegenübergestellt wird. Dieser neue Wert kann, wie auch bei der Anstiftung, positiver oder negativer Art sein. Der Adressat wird auf diese Weise wiederum in eine Wahlsituation gebracht, in der er sich zwischen zwei miteinander kollidierenden Werten entscheiden muss. Die Stärke des Handlungsdrucks, der von einer Aufforderung ausgeht, die gegenüber einer größeren Menschenmenge vorgenommen wird, wurde bereits untersucht.28 Für den Einzelnen entfaltet eine solche Aufforderung einen Handlungsdruck von nur schwacher Intensität, da dieser sich aufgrund seiner Stellung in der Masse auf eine anonyme Beobachterposition zurückziehen kann und das Gefühl der Eigenverantwortlichkeit durch ein übergeordnetes Gruppenbewusstsein ersetzt wird. Die Anstiftung entfaltet aufgrund der persönlichen Einwirkungsmöglichkeit des Adressaten einen wesentlich intensiveren Handlungsdruck als die öffentliche Aufforderung zu Straftaten. Dieses Ergebnis wird insbesondere von Schroeder kritisiert. Nach seiner Auffassung verlangt das Auffordern im Sinne des § 111 die stärkere gedankliche Beziehung als das Bestimmen im Sinne des § 26.29 Zu diesem Ergebnis gelangt er, indem er eine entsprechend weite Anstiftungstheorie in den Ausgangspunkt seiner Betrachtungen rückt. Wenn nahezu jede kausale Einwirkungshandlung als taugliche Bestimmungshandlung angesehen wird und sogar ein Anreizen den Tatbestand der Anstiftung erfüllt, entsteht im 26

Vgl. 3. Kapitel, A.I.1. Vgl. 1. Kapitel, C.IV. 28 Vgl. 1. Kapitel, G.II.4.b) sowie 3. Kapitel, A.I.2. 29 Maurach/Schroeder/Maiwald, BT II, § 93 Rn. 2; zustimmend Lackner/Kühl, § 111 Rn. 3; KK-OWiG/Rogall, § 116 Rn. 8; ders., GA 1979 [126], 11, 16; LK/Rosenau, § 111 Rn. 25. 27

A. Der Wortlaut des § 111

197

Vergleich zu § 111 ein Stufenverhältnis, da auch nach Schroeder eine Aufforderung stets einen appellativen Charakter aufweisen muss. Mit der beschriebenen Argumentation, kann dieser Auffassung nicht gefolgt werden. 4. Die Aufforderung durch die Verbreitung von Schriften Ein interessantes Anschlussproblem ist die Begründung des appellativen Charakters im Rahmen von Schriften. Für die Begründung der Tathandlung des Aufforderns fordert der überwiegende Teil der Rechtssprechung und ein Teil der Lehre, dass sich der appellative Aussagegehalt aus dem Wortlaut der Schrift selbst ergeben muss.30 Die Einbeziehung weiterer Umstände würde das Grundrecht der Meinungsfreiheit zu stark einschränken und zu einer verfassungsrechtlich bedenklichen Ausweitung des strafbaren Verhaltensspektrums führen.31 Die Gegenauffassung bejaht das Merkmal des Aufforderns auch in denjenigen Fällen, in denen durch die sonstigen Begleitumstände die appellative Wirkung begründet wird.32 Eine Beschränkung auf den reinen Inhalt der Schrift würde die tatsächlichen Grundlagen der Auslegung in einer nicht vertretbaren Weise verkürzen. Denn welche Bedeutung eine bestimmte Verhaltensweise hat, kann nur zuverlässig beurteilt werden, wenn in die rechtliche Betrachtung sämtliche Gesamtumstände einbezogen werden.33 Auch dieses Problem lässt sich unter Heranziehung der entwickelten Kriterien lösen. Der appellative Charakter einer Aussage wird durch die korrumpierende Einwirkung auf den Adressaten verursacht. Die Aufforderungswirkung kann hierbei auch durch die sonstigen Gesamtumstände begründet werden.34 Die Schrift stellt ebenfalls eine Kommunikationsform dar, durch welche eine entsprechende Einflussnahme ausgeübt wird. Im Grundsatz müssen für Schriften dieselben Wertungen gelten, wie sie auch für die verbale Kommunikation getroffen wurden. Jedoch besteht zwischen der verbalen und der schriftlichen Kommunikation ein wesentlicher Unterschied, der hier Beachtung finden muss. 30 BVerfG, NJW 1992, 2688, 2689; OLG Koblenz, NJW 1988, 1609, 1610; LG Bremen, StV 1986, 439, 439 f.; LG Berlin, StV 1982, 472; LG Koblenz, NJW 1988, 1609, 1610; LPK/Kindhäuser, § 111 Rn. 10; Schönke/Schröder/Eser, § 111 Rn. 3. 31 In dieser Deutlichkeit LG Bremen, StV 1986, 439, 439 f. 32 BayObLG, NJW 1994, 396, 398; MüKo/Bosch, § 111 Rn. 22; NK/Paeffgen, § 111 Rn. 26aa; KK/Rogall, § 116 OWiG Rn. 23. 33 NK/Paeffgen, § 111 Rn. 26aa; KK/Rogall, § 116 OWiG Rn. 23. 34 Zu den verschiedenen psychologischen Wirkmechanismen vgl. 1. Kapitel, C.IV.2.c).

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3. Kap.: Das Merkmal des „Aufforderns“

Bei der verbalen Kommunikation übermittelt der Sprecher die entsprechende Botschaft. Diese enthält entweder selbst das sanktionierende Kriterium, oder dieses wird durch die sonstigen Gesamtumstände mittransportiert. In diesem Fall ist der Rhetor in die Gesamtsituation eingebunden, so dass ihm die Kenntnis der sonstigen äußeren Umstände zu unterstellen ist. Im weitesten Sinne bedient sich der Sprecher dieser Begleitumstände, um seiner Aufforderung den nötigen Handlungsdruck zu verleihen. Er ist damit der geistige Urheber des Aufrufs und macht sich durch das gezielte Ausnutzen der jeweiligen Situation auch die vorherrschenden Gegebenheiten zu Eigen. Auf die schriftliche Kommunikation ist diese Beurteilung nicht zwingend zu übertragen. Der Erklärende ist auch hier der geistige Urheber des konkreten Inhalts. Die sonstigen Umstände kann er lediglich mittelbar beeinflussen, indem er etwa das Medium der Verbreitung, den Ort oder die Zeit etc. der entsprechenden Veröffentlichung wählt. Diese kann sich der Auffordernde immer nur zu Eigen machen, wenn er sie auch kennt und davon ausgeht, dass sie seiner Botschaft den nötigen Handlungsdruck verleihen. Kennt er diese Gegebenheiten nicht und enthält die Aussage selbst kein sanktionierendes Kriterium, dann dürfen diese Elemente bei der Beurteilung der Strafbarkeit des Auffordernden auch nicht einbezogen werden. Erhält die Aussage durch diese (dem Absender unbekannten) Kriterien ihren sanktionierenden Charakter, dann geschieht das zufällig. Ein solcher Zufall darf allerdings die Strafbarkeit des Sprechers nicht begründen. Die Lösung des in Streit stehenden Problems liegt daher zwischen den beiden Eingangs beschriebenen Ansichten. Ergibt sich der Aufforderungscharakter nicht unmittelbar aus der entsprechenden Schrift, dann ist zu differenzieren, ob der Täter durch die Wahl der Art der Verbreitung (d. h. Verbreitungsmedium, Ort, Zeit, Art der Veranstaltung etc.), Einfluss auf deren sprachlichen Aussagehalt genommen hat. Nur wenn er zumindest billigend in Kauf genommen hat, dass sich durch die hinzutretenden Gesamtumstände, die objektiv informative Aussage in eine sanktionsbewehrte Aufforderung umwandelt, dann hat er sich nach § 111 strafbar gemacht. Wollte er das nicht und lassen die sonstigen Umstände auch keinen Rückschluss auf einen entsprechenden Vorsatz des Auffordernden zu, dann muss die Strafbarkeit nach § 111 konsequenterweise entfallen. 5. Zusammenfassung In sprachlichwissenschaftlicher Hinsicht ist die von § 111 Abs. 1 beschriebene Kommunikationsbeziehung ebenfalls in die direktive Sprechaktklasse einzuordnen, da die Aufforderung des Rhetors auch hier auf eine ein-

B. Die besondere Gefährlichkeit des § 111

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seitige Verpflichtung der Adressaten abzielt. Für die Begründung der verpflichtenden Wirkung muss der Sprecher, wie auch bei der Anstiftung, einen neuen externen Wert setzen, der das bestehende Wertegleichgewicht der Adressaten beeinflusst. Da es dem Rhetor aufgrund des Merkmals der Öffentlichkeit an der persönlichen Einwirkungsmöglichkeit gegenüber dem Einzelnen fehlt, ist der von dieser Einflussnahme ausgehende Handlungsdruck von geringerer Intensität als derjenige, der durch die Anstiftung begründet wird.

B. Die besondere Gefährlichkeit des § 111 Da der durch die Tathandlung des § 111 ausgehende Handlungsdruck weniger intensiv ist, als derjenige, der durch die Anstiftung begründet wird, muss § 111 Abs. 1 zusätzliche Gefährdungselemente beinhalten, um die hohe anstiftergleiche Strafandrohung unter dem Gesichtspunkt des Schuldprinzips rechtfertigen zu können. Diese zusätzlichen Gefährdungselemente sollen im Folgenden untersucht werden.

I. Die fehlende Vorhersehbarkeit und Steuerungsmöglichkeit Hinlänglich wird die erhöhte Gefährlichkeit des § 111 mit der geringeren Steuerungsmöglichkeit und der fehlenden Vorhersehbarkeit der durch den Rhetor veranlassten Taten begründet.35 Nachdem der Sprecher seine Aufforderung gegenüber der Öffentlichkeit mitgeteilt hat, verliert er seinen Einfluss auf den sich anschließenden Kausalverlauf. Der Täter im Sinne des § 111 hat also die „Fackel geworfen und weiß nicht, ob sich das Feuer entzünden wird.“36 Durch die öffentliche Begehungsweise ist diese Unsicherheit in mehrfacher Hinsicht gegeben. Der Auffordernde weiß nicht wie viele Personen seiner Aufforderung nachkommen werden. Ferner ist unklar, ob sich die Aufgeforderten auf die Verletzung derjenigen Rechtsgüter beschränken, auf die der Täter abgezielt hat oder ob es zusätzlich zu der Beeinträchtigung peripherer Rechtsgüter kommt. Darüber hinaus ist auch die Intensität der Rechtsgutsverletzungen durch den Auffordernden nicht mehr steuerbar. 35 BayObLG, JR 1993, 117, 119; NJW 1994, 396; MüKo/Bosch, § 111 Rn. 3; LK/Rosenau, § 111 Rn. 5; Samson, JZ 1969, 258, 260; Dreher, FS f. Gallas 1973, 307, 313. 36 MüKo/Bosch, § 111 Rn. 3; LK/Rosenau, § 111 Rn. 5; je unter Bezugnahme auf Dreher, FS f. Gallas 1973, 307, 313.

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3. Kap.: Das Merkmal des „Aufforderns“

Da die verminderte Steuerungsfähigkeit so vielfältige Auswirkungen hat, wird die von diesem Merkmal ausgehende Gefährlichkeit entsprechend potenziert. Diesen Zusammenhang erkannte auch der Gesetzgeber und verzichtete auf die Schaffung einer Rücktrittsmöglichkeit.37 Mit der Einwirkung auf die Rezipienten hat der Täter die sanktionswürdige Handlung vollendet und sich auch dann nach § 111 Abs. 2 strafbar gemacht, wenn kein Adressat seiner Aufforderung folgt. Der Erfolg der Aufforderung stellt nur noch einen Straferhöhungsgrund dar, da er nicht mehr in dem Machtbereich des Täters liegt.38 Der Einwirkende schafft nur die Gefahr, ob sich diese tatsächlich realisiert, ist ungewiss. Die Öffentliche Aufforderung zu Straftaten ist damit als abstraktes Gefährdungsdelikt anzusehen.39 Die besondere Gefährlichkeit, welche durch die fehlende Steuerungsmöglichkeit des weiteren Kausalverlaufs begründet wird, kommt ebenfalls durch die verschärfte Versuchsstrafbarkeit im Vergleich zu der versuchten Anstiftung zum Ausdruck. § 111 Abs. 2 nimmt im Gegensatz zu § 30 Abs. 1 gerade keine Differenzierung zwischen Vergehen und Verbrechen vor und bestraft die versuchte Aufforderung zu jeder Tat. Der Auffordernde hat es selbst nicht mehr in der Hand, wie intensiv das jeweilige Rechtsgut verletzt wird bzw. ob sich die Adressaten an seine Anweisungen halten. Wenn der Rhetor eine Menschenmasse beispielsweise zur Begehung von Körperverletzungshandlungen aufruft, kann die Schwelle von der einfachen zur schweren Körperverletzung schnell überschritten werden. Die Entscheidung des Gesetzgebers, gerade keinen Gleichlauf zwischen § 30 Abs. 1 und § 111 Abs. 2 vorzunehmen, erscheint unter dem Gesichtspunkt der besonderen Gefährlichkeit, die durch die fehlende Steuerungsmöglichkeit begründet wird, als sinnvoll.

37

Dreher, FS f. Gallas 1973, 307, 313. RGSt 3, 145, 146 f.; Samson, JZ 1969, 258, 260. Vereinzelte Stimmen in der Literatur kritisieren die Argumentation, wonach die besondere Gefährlichkeit des § 111 aus der mangelnden Vorhersehbarkeit bzw. Steuerbarkeit der Aufforderung begründet wird. Der Auffordernde hoffe vielmehr, dass einer der angesprochenen Rezipienten die angesonnene Tat begehen werde. Mehr Einfluss habe dieser gerade nicht. Da die größte Zahl der Aufforderungen erfolglos bleibt, begründe das Prinzip Hoffnung gerade keine gesteigerte Gefährlichkeit (Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, BT, § 44 Rn. 40; Paeffgen, FS f. Hanack 1999, 591, 598 insb. in Fn. 36). 39 BGHSt 29, 258, 267; BayObLG, JR 1993, 117, 119; MüKo/Bosch, § 111 Rn. 3; LK/Rosenau, § 111 Rn. 12; LPK/Kindhäuser, § 111 Rn. 1; SSW/Fahl, § 111 Rn. 1; Samson, JZ 1969, 258, 260; Dreher, FS f. Gallas 1973, 307, 312; a. A. Paeffgen, FS f. Hanack 1999, 591, 616. 38

B. Die besondere Gefährlichkeit des § 111

201

II. Die Gefährlichkeit der gruppendynamischen Effekte Zusätzlich wird die besondere Gefährlichkeit der Öffentlichen Aufforderung zu Straftaten durch gruppendynamische Effekte begründet, die sich im Rahmen einer öffentlichen Versammlung einstellen können.40 Das Vorliegen massenpsychologischer Phänomene wird von § 111 zwar nicht ausdrücklich vorausgesetzt, dennoch beschreibt der Tatbestand eine Situation, die die Entstehung gruppendynamischer Effekte begünstigt. So ist es ein besonderes Kennzeichen einer ungeladenen Menschenmenge, dass sich diese von selbst wieder auflöst, wenn sich die massenpsychologische Wirkung nicht einstellt.41 Jeder Mensch hat eine gewisse innere Hemmschwelle Straftaten tatsächlich zu verüben. Nicht zuletzt, weil Menschen bestrebt sind, sich ihre Straffreiheit zu bewahren und weil sie einen gewissen inneren Widerstand spüren, wenn sie sich entgegen ihrer internalisierten Normgeltung verhalten. Damit ein Täter im Sinne des § 111 im Rahmen einer öffentlichen Versammlung erfolgreich zur Begehung von Straftaten aufrufen kann, muss er zuvor ein Klima schaffen, welches diese Hemmschwellen bei den Adressaten herabsetzt und sie für seine Aufforderungen empfänglicher macht. Dieses Klima wird durch die Mechanismen der Massenpsychologie beschrieben. Sobald die gruppendynamischen Effekte eingreifen, wird die individuelle Fähigkeit zu logischem Denken (zumindest zum Teil) ausgeschaltet und durch die emotionale und triebgesteuerte Denkweise der übergeordneten Masse ersetzt. Darüber hinaus ist die Masse bestrebt, die jeweiligen Emotionen unmittelbar in entsprechende Handlungen umzusetzen.42 Das Vorliegen massenpsychologischer Phänomene ist zwar keine zwingende Tatbestandsvoraussetzung des § 111, dennoch können sich diese Effekte im Rahmen öffentlicher Versammlungen einstellen und damit ein zusätzliches Gefährdungselement begründen.43

40

Näher hierzu vgl. 1. Kapitel, G.II.4. Hofstätter, Gruppendynamik, S. 31. 42 Vgl. 168 ff. 43 Diese Schlussfolgerung wird von Paeffgen kritisiert. Dieser stimmt zwar mit der hier vertretenen Ansicht überein, dass ein geschickter Agitator mit rhetorischen und sonstigen Mittel der Überredungskunst eine Menschenmasse entsprechend steuern kann und sich damit eine zusätzliche Gefahr realisiert. Allerdings sei diese Art der Gefährdung keine Tatbestandsvoraussetzung des § 111. Insbesondere seien die massenpsychologischen Effekte kein notwendiges Kriterium, welches sich dem Merkmal der „Öffentlichen Aufforderung“ entnehmen lasse. Danach dürfte dieser Aspekt bei der Beurteilung der Strafbarkeit des Täters nach § 111 nicht berücksichtigt werden (Paeffgen, FS f. Hanack 1999, 591, 598). 41

202

3. Kap.: Das Merkmal des „Aufforderns“

III. Die unabsehbare Streubreite der öffentlichen Aufforderung Ein weiterer Aspekt, der die besondere Gefährlichkeit des § 111 begründet, ist die erhebliche Streubreite der getätigten Aufforderung. Dem Rhetor ist es möglich, durch eine einzige Aufforderung eine unabsehbar große Anzahl von Adressaten zu erreichen. Innerhalb einer öffentlichen Versammlung kann „nur“ auf den präsenten Rezipientenkreis eingewirkt werden, der aber dennoch erheblich sein kann, bedenkt man beispielsweise die Kapazitäten großer Konzertsäle oder die von Fußballstadien. Dennoch verstärkt das vorliegende Gefährdungselement vorrangig die strafrechtliche Verwerflichkeit der öffentlichen Aufforderung durch Schriften im Sinne des § 11 Abs. 3. Dem Täter, der sich der (modernen) Massenmedien insbesondere des Internet bedient, ist es möglich, eine weitaus größere Anzahl von Rezipienten zu erreichen, als es dem Auffordernden innerhalb einer öffentlichen Versammlung möglich ist. Die besondere Gefährlichkeit des § 111 liegt daher auch in der Breitenwirkung des öffentlich ausgesprochenen Appells. Mit einer solchen Handlung werden unabsehbar viele Menschen erreicht. Es besteht hierbei die potentielle Gefahr, dass selbst ein rhetorisch ungeübter Sprecher bzw. ein sprachlich nicht so versierter Demagoge bei zumindest einer Person den gewünschten Tatentschluss auslöst. Die spezielle Gefährlichkeit des Kriteriums der „großen Streubreite“ ist also die besonders hohe Effektivität „nur“ einer einzigen Handlung.

IV. Die besondere Sensibilität des geschützten Rechtsguts Ein weiterer Aspekt, der zusätzlich die strafrechtliche Verwerflichkeit des § 111 begründet, ist die besondere Sensibilität des von dieser Norm geschützten Rechtsguts, wobei auch dieses nicht unumstritten ist. Dieser Streit resultiert aus der janusköpfigen Natur der Vorschrift, die sowohl Aspekte des Allgemeinen sowie des Besonderen Teils in sich vereinigt.44 Zum einen weist die vorliegende Norm einen gewissen Teilnahmecharakter auf, da sie die Anstiftung ergänzt bzw. erweitert. Die Rechtsgüter, welche durch diesen Aspekt geschützt werden, sind diejenigen, welche auch infolge der Aufforderung konkret gefährdet werden. Ähnlich der Anstiftung 44

Dreher, FS f. Gallas 1973, 307, 310.

B. Die besondere Gefährlichkeit des § 111

203

schützt § 111 daher auch die mittelbar angegriffenen Individualrechtsgüter.45 Durch diesen Aspekt erhält § 111 den Anschein dem Allgemeinen Teil anzugehören. Zum anderen schützt § 111 auch speziell das Rechtsgut des inneren Gemeinschaftsfriedens und stellt hierdurch seine Zugehörigkeit zu dem Besonderen Teil heraus.46 Auf diese Weise vereinigt § 111 sowohl Elemente des Allgemeinen als auch des Besonderen Teils.47 Die wohl herrschende Meinung folgt daher der Auffassung Drehers und stimmt der Doppelnatur von § 111 zu.48 45

BGHSt 29, 258, 267; BayObLG, NJW 1994, 396, 397; OLG Karlsruhe, NStZ 1993, 389, 390; MüKo/Bosch, § 111 Rn. 1; Schönke/Schröder/Eser, § 111 Rn. 1; SSW/Fahl, § 111 Rn. 1; LPK/Kindhäuser, § 111 Rn. 1; LK/Rosenau, § 111 Rn. 3; Dreher, FS f. Gallas 1973, 307, 312; Stockmann, Aufforderung, S. 56. 46 BGHSt 29, 258, 267; BayObLG, NJW 1994, 396, 397; OLG Karlsruhe, NStZ 1993, 389, 390; LK/Rosenau, § 111 Rn. 3; MüKo/Bosch, § 111 Rn. 1; SSW/Fahl, § 111 Rn. 1; Schönke/Schröder/Eser, § 111 Rn. 1; LPK/Kindhäuser, § 111 Rn. 1; Rogall, GA 1979 [126], 11, 16 f.; Dreher, FS f. Gallas 1973, 307, 312; Stockmann, Aufforderung, S. 56. 47 Dreher, FS f. Gallas 1973, 307, 310. 48 BGH 29, 258, 267; BayObLG NJW 1994, 396, 397; OLG Karlsruhe, NStZ 1993, 389, 390; OLG Stuttgart, NJW 1989, 1939, 1940; MüKo/Bosch, § 111 Rn. 1; Schönke/Schröder/Eser, § 111 Rn. 1; SSW/Fahl, § 111 Rn. 1; LPK/Kindhäuser, § 111 Rn. 1; LK/Rosenau, § 111 Rn. 3; Dreher, FS f. Gallas 1973, 307, 312; Nehm, JR 1993, 120, 122; Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, BT, § 44 Rn. 38; Stockmann, Aufforderung, S. 56. Ein Teil der Lehre kritisiert es, den „inneren Gemeinschaftsfrieden“ als das geschützte Rechtsgut des § 111 anzusehen (NK/Paeffgen, § 111 Rn. 3; ders., FS f. Hanack 1999, 591, 594 ff.; SK/Wolters134, § 111 Rn. 2; Lackner/Kühl, § 111 Rn. 1; Kissel, Ungehorsam, S. 131 ff.). Die Vertreter dieser Auffassung sehen in der Formulierung des „Schutzes des Gemeinschaftsfriedens“ nur eine Leerformel, die nicht geeignet ist, das von § 111 geschützte Rechtsgut zu konturieren. Es werde mit dieser Begründung nur ein allgemeiner Erklärungsgrund für die Existenzberechtigung des Strafrechts an sich wiederholt, nämlich der Schutz der Rechtstreue der Normadressaten und die Gewährung des Rechtsfriedens. Indem dieser allgemeine Zweck als geschütztes Rechtsgut des § 111 verstanden wird, verliere der Rechtsgutsbegriff als solcher jegliche begrenzende Wirkung. Daher sei der alleinige Strafzweck des § 111 in dem Strafgrund der Teilnahme als solcher zu sehen, welcher insbesondere Paeffgen zufolge in der fördernden Solidarisierung fremden Unrechts liegt (NK/Paeffgen, § 111 Rn. 3). Zwar werde die Anstiftung in § 26 definiert, jedoch sei es dem Gesetzgeber freigestellt, weitere Formen, mit anderen Kriterien (etwa die Beeinflussung nicht-bestimmter Personen), ebenfalls als „Anstiftungs-Formen“ zu definieren (NK/Paeffgen, § 111 Rn. 4). Im Ergebnis sei diese Norm damit allein in den Allgemeinen Teil zuzuordnen. Die genaue Gegenströmung in der Literatur erhebt gerade den Schutz des „inneren Gemeinschaftsfriedens“ zu dem alleinigen Schutzobjekt des § 111 (Kostaras, Demonstrationsdelikte, S. 145 ff.; Fincke, Das Verhältnis, S. 76 ff.; wohl auch Rogall, GA 1979 [126], 11, 18; Otto, BT, § 63 Rn. 64). Danach sei diese Norm aus-

204

3. Kap.: Das Merkmal des „Aufforderns“

Indem öffentlich zur Begehung von Straftaten aufgefordert wird, findet (zumindest auch) ein Angriff auf das besonders sensible Rechtsgut des inneren Gemeinschaftsfriedens statt, wodurch ein zusätzliches Gefährdungselement des § 111 begründet wird. Der Angriff auf den inneren Gemeinschaftsfrieden konkretisiert sich durch zwei Aspekte. Zum einen wird durch die mangelnde Vorhersehbarkeit und Steuerbarkeit des Angriffs eine Vielzahl von Rechtsgütern angegriffen. Darüber hinaus ist in diesen Fällen die Intensität der jeweiligen Rechtsgutsverletzung nicht steuerbar. Durch einen so breit gefächerten Angriff wird das friedliche Zusammenleben, mithin der innere Gemeinschaftsfrieden gefährdet.49 Zum anderen wird der innere Gemeinschaftsfrieden zusätzlich durch eine Einwirkung auf die internalisierte Normgeltung in der Bevölkerung angegriffen. Wenn die Akzeptanz der Rechtsordnung und das Vertrauen in das staatliche Gewaltmonopol in der Bevölkerung sinken, erhöht sich die Krischließlich in den Besonderen Teil einzuordnen und befinde sich auch nicht an einer Nahtstelle zwischen Allgemeinen und Besonderen Teil (Fincke, Das Verhältnis, S. 76). § 111 erfasse nicht den Schutz, der durch die Aufforderung bedrohten Individualrechtsgüter. Diese seien nicht unmittelbar bestimmt und daher auch nicht konkret gefährdet (Fincke, Das Verhältnis, S. 77 f.; Kostaras, Demonstrationsdelikte, S. 146; Rogall, GA 1979 [126], 11, 18). Ferner werde durch die Unbestimmtheit des Personenkreises in § 111 erkennbar, dass es keine Gemeinsamkeit zu § 26 gibt, der die Bestimmbarkeit des Haupttäters voraussetzt. Damit handle es sich bei § 111 nicht um eine speziell geregelte Form der Teilnahme, sondern ausschließlich um ein eigenständiges Delikt, welches allein in den Besonderen Teil einzuordnen ist (Fincke, Das Verhältnis, S. 77 f.). Mit der herrschenden Meinung ist von der Doppelnatur des § 111 auszugehen. Sein Schutzzweck umfasst sowohl den inneren Gemeinschaftsfrieden, als auch die, durch die Aufforderung angegriffenen Individualrechtsgüter. Der Schutz des inneren Gemeinschaftsfriedens erfolgt nicht nur als allgemeiner Rechtsreflex, sondern er konkretisiert sich durch die Aspekte der mangelnden Steuerungsfähigkeit des Angriffs sowie der Erosion der internalisierten Normgeltung in der Bevölkerung (vgl. hierzu die weiteren obigen Ausführungen). Der von § 111 ebenfalls verfolgte Schutz der angegriffenen Individualrechtsgüter wird insbesondere durch die anstiftergleiche Bestrafung der erfolgreichen Aufforderung in Absatz 1 zum Ausdruck gebracht, wodurch die Akzessorietät zu der verwirklichten Haupttat herausgestellt wird. Wenn durch § 111 ausschließlich der abstrakte Angriff auf den inneren Rechtsfrieden sanktionieren werden sollte, dann wäre ein so dynamisches Strafmaß nicht erforderlich. Dieses wird insbesondere durch einen Vergleich mit § 130 deutlich. Diese Norm schützt vordergründig den „öffentlichen Frieden“, eine Übertragung des Strafmaßes der verwirklichten Einzeldelikte findet hier nicht statt, trotzdem durch § 130 natürlich auch mittelbar die Individualrechtsgüter der einzelnen Bürger geschützt werden. Der Erhalt dieser einzelnen Individualrechtsgüter, ist bei § 130, anders als bei § 111, gerade nicht der Hauptzweck. 49 Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, BT, § 44 Rn. 38.

B. Die besondere Gefährlichkeit des § 111

205

minalitätsrate, wodurch ebenfalls der innere Gemeinschaftsfrieden gefährdet wird.50 Dieser Angriff erfolgt in zweifacher Weise: Durch die Tathandlung des Aufforderns wird bei den Adressaten einerseits der beschriebene korrumpierende Einfluss auf deren Wertesystem hervorgerufen. Dieser innere Konflikt ist darauf gerichtet, die internalisierte Normakzeptanz der Rezipienten herabzusetzen, da sie zu der Begehung einer bestimmten Straftat motiviert werden sollen. Darüber hinaus verstärken die bereits dargestellten weiteren Gefährdungselemente die Erosion der verinnerlichten Normgeltung zusätzlich. Andererseits wird auch auf das Normvertrauen der Außenstehenden eingewirkt, welche zufällige Kenntnis von der Aufforderung im Rahmen der öffentlichen Versammlung oder der jeweiligen Schrift (i. S. d. § 11 Abs. 3) erhalten. Auch wenn sich diese nicht speziell als Aufgeforderte betrachten, also ihnen gegenüber kein Handlungsdruck aufgebaut wird, so erschüttert bereits die Kenntnis einer öffentlichen Aufforderung zu einer bestimmten Straftat ihr Normvertrauen unterschwellig. Für Außenstehende entsteht der Eindruck der Rechtsunsicherheit, da es der staatlichen Gewalt offenbar nicht oder nur schwer möglich ist, derartige Aufforderungen zu unterbinden. Sie sehen damit ihre eigenen Rechtsgüter ebenfalls als potentiell gefährdet an. Auf diese Weise kommt es durch die Tathandlungen des § 111 zu einem Verlust des allgemeinen Normvertrauens in der Bevölkerung bzw. einer Störung des „inneren Rechtsfriedens“.51

V. Zwischenergebnis Die aufgezeigten Kriterien begründen eine zusätzliche strafrechtliche Verwerflichkeit, welche kumulativ neben die Gefährlichkeit der Tathandlung tritt. Der im Vergleich zur Anstiftung geringer wirkende Handlungsdruck, der von der Tathandlung des Aufforderns ausgeht, wird durch die aufgezeigten Aspekte ergänzt. Der strafrechtliche Unwertgehalt beider Delikte ist im Ergebnis als adäquat einzustufen, welches auch der gesetzgeberischen Wertung entspricht. Denn für beide Vorschriften schöpft sich im Fall der erfolgreichen Einwirkung das Strafmaß aus dem Delikt der Haupttat. Nur in Anbetracht einer Gesamtbetrachtung, welche alle Unrechtsbestandteile des § 111 berücksichtigt, stellt die hohe tätergleiche Strafandrohung keinen Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Schuldprinzip dar.52

50 Jakobs, ZStW 1985 [97] 751, 777; Paeffgen, FS f. Hanack 1999, 591, 599 f.; zur Normgeltung vgl. auch 1. Kapitel, E.II. 51 So auch Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, BT, § 44 Rn. 38.

206

3. Kap.: Das Merkmal des „Aufforderns“

C. Die Konkretisierungskriterien Ein weiterer umstrittener Problemkreis, durch den eine Differenzierung zwischen § 26 und § 111 ermöglicht wird, ist die Definition der Konkretisierungskriterien.

I. Die Konkretisierung der Haupttat 1. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts Die ältere Rechtsprechung des Reichsgerichts forderte eine „. . . einzelne konkret vollkommen bestimmte strafbare Handlung . . .“.53 Damit war gemeint, dass die Haupttat nach diesen entsprechend engen Kriterien bestimmt sein muss. Das Reichsgericht hatte für diese restriktive Auslegung des Bestimmtheitsgrundsatzes zwei Argumente. Zum einen wurde die anstiftergleiche Strafbarkeit, welche die erfolgreiche Aufforderung nach § 111 Abs. 1 zur Folge hat, als Begründungsansatz herangezogen. Die Übereinstimmung mit dem Strafmaß der Anstiftung sollte sich auch in dem Gleichlauf der Konkretisierung der Tat widerspiegeln.54 Zum anderen wurde diese besondere Strenge des Reichsgerichts mit der Notwendigkeit der Abgrenzung von § 111 zu § 110 a. F. begründet.55 § 110 a. F. normierte die öffentliche Aufforderung zum Ungehorsam. Darunter wurde die Aufforderung zur Auflehnung gegen das Gesetz bzw. die gesetzliche Ordnung sowie die staatlichen Anordnungen verstanden.56 Damit zielten beide Normen im Ergebnis auf den Schutz desselben Rechtsguts, nämlich der staatlichen Ordnung ab. Die Tathandlung des § 110 war durch die Formulierung der „Aufforderung zum Ungehorsam“ sehr allgemein und unbestimmt gefasst. Um eine deutliche Trennlinie zu § 111 ziehen zu können, 52 Kritisch Paeffgen (FS f. Hanack 1999, 591, 601), nach diesem sei die Verfassungsmäßigkeit des § 111 nur durch eine äußerst restriktive Auslegung der Tatbestandsmerkmale zu gewährleisten. 53 RGSt 4, 106, 108; 21, 192, 196; 355, 357; 23, 172, 173; 36, 417, 422; 39, 387, 387 f.; 50, 146, 148. 54 RGSt 23, 172, 173. 55 § 110 StGB a. F. [Aufforderung zum Ungehorsam] Wer öffentlich vor einer Menschenmenge, oder wer durch Verbreitung oder öffentlichen Anschlag oder öffentliche Ausstellung von Schriften oder anderen Darstellungen zum Ungehorsam gegen Gesetze oder rechtsgültige Verordnungen oder gegen die von der Obrigkeit innerhalb ihrer Zuständigkeit getroffenen Anordnungen auffordert, wird mit Geldstrafe oder mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft. 56 Schönke/Schröder9, § 110 Rn. I und II.

C. Die Konkretisierungskriterien

207

musste das Bestimmtheitserfordernis bei dieser Norm (§ 111) notwendigerweise entsprechend eng gefasst werden.57 2. Der gegenwärtige Diskussionsstand Der Grad der Konkretisierung der Haupttat war lange Zeit umstritten. Im Ausgangspunkt dieses Streits stand die Definition der Konkretisierungsanforderungen nach § 26. Nach der wohl inzwischen herrschenden Meinung muss die Tathandlung des Aufforderns die engen Konkretisierungsanforderungen nicht erfüllen, welche insbesondere die Rechtsprechung an § 26 stellt. Danach erfordere eine öffentliche Aufforderung zu Straftaten lediglich eine grobe Kennzeichnung des Deliktstypus, wodurch die Art und das rechtliche Wesen der jeweiligen Straftat erkennbar werden. Die näheren Tatmodalitäten wie Ort, Zeit sowie die speziellen Tatumstände, die insbesondere die Rechtsprechung für § 26 fordert, werden als entbehrlich erachtet.58 57 RGSt 21, 192, 196; 355, 357; 39, 387, 387 f.; 40, 363, 365; Dreher, FS f. Gallas 1973, 307, 316; Rogall, GA 1979 [126], 11, 17. 58 BGHSt 31, 16, 22; 32, 310, 312; MüKo/Bosch, § 111 Rn. 13; LK/Rosenau, § 111 Rn. 21, 56; NK/Paeffgen, § 111 Rn. 15; SSW/Fahl, § 111 Rn. 3; SK/Wolters134, § 111 Rn. 14b f.; Schönke/Schröder/Eser, § 111 Rn. 13; Ingelfinger, Anstiftervorsatz, S. 154; Dreher, FS f. Gallas 1973, 307, 320 f.; Herzberg, JuS 1987, 617, 618. Insbesondere Rogall geht von demselben Konkretisierungsgrad aus, wie er auch für § 26 notwendig ist (Rogall, GA 1979 [126], 11, 17 f.; KK-OWiG/ders., § 116 Rn. 8). Allerdings gelangt er im Ergebnis zu ähnlich strengen Konkretisierungskriterien. Diese Sichtweise resultiert aus einem offenbar anderen Vorverständnis von den an die Anstiftung zu stellenden Bestimmtheitsanforderungen. Die herrschende Auffassung wird auch durch Kissel kritisiert. Dieser betrachtet § 111 besonders im Spannungsfeld des Art. 5 Abs. 1 GG. Aufgrund der Bedeutung des geschützten Rechtsguts der Meinungsfreiheit dürfe nicht von den für § 26 aufgestellten Bestimmtheitsanforderungen abgewichen werden. Insbesondere da § 111 Abs. 2 durch seine erfolglose Aufforderung auch von Vergehen im Ergebnis geringere Strafbarkeitsanforderungen als § 26 aufstellt. Auch der Aspekt der Strafzumessung werde bei einer Lockerung des Bestimmtheitserfordernisses nicht beachtet. Dieselbe Strafzumessung wie bei § 26 erfordere auch denselben Grad an Bestimmtheit (Kissel, Ungehorsam, S. 172 ff.). Hierbei übersieht Kissel jedoch, dass die strafrechtliche Verwerflichkeit des § 111 der des § 26 gleichsteht, indem die geringeren Bestimmtheitsanforderungen des § 111 durch andere Gefährdungsaspekte (vgl. 3. Kapitel, B.) aufgewogen werden. Nach Kissel müssen die Art und Weise der anvisierten Bezugstat und das tatsächliche Angriffsziel aus der Erklärung heraus erkennbar sein. Vor allem müsse sich aber aus der Äußerung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls ergeben, dass die Aufforderung auf ein Verhalten gerichtet ist, das unzweideutig und allein den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllen soll (Kissel, Ungehorsam, S. 176). Damit weicht Kissel trotz seiner Kritik letztendlich nicht so stark von der herrschen-

208

3. Kap.: Das Merkmal des „Aufforderns“

Danach sind Aufforderungen, Kaufhäuser anzuzünden oder Ausländer zu misshandeln, konkret genug, um den Tatbestand des § 111 zu erfüllen.59 Durch derartige Aufforderungen wird das Normvertrauen der Bevölkerung erschüttert, ohne dass es erforderlich wäre, einzelne Kaufhäuser oder bestimmte Personen zu benennen. 3. Der eigene Lösungsansatz Wie bereits eingangs erläutert, kommt durch das Kriterium der Konkretisierung der Haupttat die besondere Wechselwirkung zwischen § 26 und § 111 zum Ausdruck. Je restriktiver die Anstiftung interpretiert wird, desto höher ist die rechtspolitische Bedeutung des § 111.60 Im Ausgangspunkt der Überlegungen, die den Grad der Konkretisierung bestimmen, muss zunächst wiederum der Wortlaut stehen. Wie § 26 so spricht auch § 111 von einer „rechtswidrigen Tat“. Beide Normen gebrauchen also dieselbe Terminologie.61 Unter einer „rechtswidrigen Tat“ im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 5 ist jede Handlung zu verstehen, deren rechtliche Bewertung zur Verwirklichung eines Straftatbestandes führt.62 Individualisierende Kriterien setzt weder der Wortlaut des § 26 noch der des § 111 voraus. Eine gattungsmäßige Umschreibung des Zielobjekts und der Art bzw. dem rechtlichen Wesen der Haupttat, wie es die herrschende Meinung für § 111 fordert, sind daher ausreichend. Nach diesem Verständnis ist das Maß der Konkretisierung durch den Auffordernden in der gleichen Weise zu treffen, wie es nach der hier vertretenen Auffassung für die Anstiftung gefordert wird.63 In objektiver Hinsicht muss die Aufforderung einen appellativen Charakter aufweisen, um dadurch einen korrumpierenden Handlungsdruck bei den Rezipienten zu erzeugen. Wenn dieser Handlungsdruck auf die Begehung einer Straftat abzielt, wird das objektive Konkretisierungserfordernis erfüllt.64 den Meinung ab. Lediglich mit seiner Forderung der Benennung des „tatsächlichen Angriffsziels“ gelangt er zu einer Einengung der Anforderungen im Vergleich zu der herrschenden Meinung. 59 LK/Rosenau, § 111 Rn. 57; MüKo/Bosch, § 111 Rn. 13; NK/Paeffgen, § 111 Rn. 16; SSW/Fahl, § 111 Rn. 3; Herzberg, JuS 1987, 617, 618. 60 So auch Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, BT, § 44 Rn. 39. 61 Im Ausgangspunkt so auch Rogall, GA 1979 [126], 11, 17. 62 So auch LPK/Kindhäuser, § 11 Rn. 26; MüKo/Radtke, § 11 Rn. 79. 63 Vgl. 1. Kapitel, G.I.5. 64 Vgl. 3. Kapitel, A.II.3.

C. Die Konkretisierungskriterien

209

Die zusätzlich notwendige subjektive Konkretisierungskomponente65 entspricht den Anforderungen, welche auch durch die gegenwärtig herrschende Auffassung aus Literatur und Rechtsprechung gefordert wird. Wenn die Tat, auf die die Aufforderung abzielt, in ihrer Art und ihrem rechtlichen Wesen konkretisiert sein muss, so bedeutet das letztlich nichts anderes, als dass auch hier der Auffordernde alle tatsächlichen Merkmale (der künftigen Tat) kennen und kundgeben muss, um die Subsumtion unter den gesetzlichen Tatbestand zu ermöglichen. Es wird daher auch hier der Vorsatz hinsichtlich der objektiven Tatbestandmerkmale in den Fokus der Betrachtung gestellt. Das zusätzliche Element Roxins, der wesentlichen Dimensionen des Unrechts, durch welches die subsumtionsrelevanten Tatsachen im Rahmen der Anstiftung näher präzisiert wurden, muss auch hier integriert werden. Nur durch die Einbeziehung dieses Kriteriums wird die künftige Tat in ihrer Gattung insoweit konkretisiert, dass auch eine kausale Erfolgszurechnung möglich ist, die dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot standhält. Im Ergebnis entspricht das Kriterium der „wesentlichen Dimensionen des Unrechts“ der Definition der herrschen Meinung, da diese ebenfalls das Konkretisierungserfordernis durch die Terminologie der „Art und des rechtlichen Wesens der Tat“ in einer ähnlichen Weise begrenzt. In Übereinstimmung mit der in Literatur und Lehre vertretenen Auffassung ist von einer näheren Konkretisierung nach Ort, Zeit und den sonstigen Umständen der Tat abzusehen.

II. Die Bestimmtheit des Rezipientenkreises Die Konkretisierung des Rezipientenkreises ist wohl das Merkmal, durch welches die herrschende Meinung die Abgrenzung zwischen § 26 und § 111 nahezu ausschließlich vornimmt.66 Allein eine objektive Betrachtungsweise lässt aber keine tieferen Rückschlüsse zu, warum das Merkmal der Öffentlichkeit zur Begründung des § 111 und zum Ausschluss des § 26 führt. Nur durch ein tieferes Verständnis von den psychologischen Wirkmechanismen lassen sich die Anforderungen an den Rezipientenkreis klar definieren. Hierbei ist es einerseits nötig, den von der jeweiligen Tathandlung ausgehenden motivierenden Handlungsdruck in die Betrachtung mit einzubeziehen. Andererseits muss die Wirkung dieses korrumpierenden Handlungsdrucks unter dem Einfluss gruppendynamischer Effekte beachtet werden. Nur durch ein tieferes Verständnis des Wechselspiels dieser beiden Mecha65 66

Vgl. 3. Kapitel, A.II.3. Vgl. 1. Kapitel, G.II.

210

3. Kap.: Das Merkmal des „Aufforderns“

nismen lassen sich § 26 und § 111 durch die Definition des Rezipientenkreises voneinander abgrenzen. Sobald es dem Rhetor aufgrund der Vielzahl an Rezipienten nicht mehr möglich ist, auf den einzelnen persönlich einzuwirken, ist das Merkmal der Öffentlichkeit im Sinne des § 111 zu bejahen. In den Fällen, in denen es dem Sprecher gelingt, eine persönliche Kommunikationsbeziehung zu dem Adressaten aufzubauen, liegt das Merkmal der Öffentlichkeit gerade nicht vor, da es hier dem Einwirkenden zumindest theoretisch möglich ist, einen korrumpierenden Handlungsdruck von gesteigerter Intensität aufzubauen.67

D. Ergebnis I. Zusammenfassung Nach dem Abschluss der Untersuchung des § 111 sind sowohl Gemeinsamkeiten als auch erhebliche Differenzen zur Anstiftung festzustellen. Den Ausgangspunkt der Auslegung bildete die sprachwissenschaftliche Klassifikation der durch die Tathandlung beschriebenen Verhaltensweise. Die Verben „Bestimmen“ und „Auffordern“ definieren eine Kommunikationsbeziehung, die in die Sprechaktklasse der Direktiva einzuordnen ist, da sie auf eine einseitige Verpflichtung des Rezipienten gegenüber dem Sprecher abzielt. Die Stärke der dabei erzielten Verbindlichkeit entspricht der Intensität der durch die Aussage mittransportierten Sanktionsandrohung. Zwischen den Begriffen „Bestimmen“ und „Auffordern“ ergibt sich eine Differenz hinsichtlich des durch sie begründeten Verbindlichkeitscharakters. Diese ergibt sich weniger aus den Verben selbst, als vielmehr aus dem Sinn und Zweck der beiden Normen. Die Ursache für diese Abweichung ist das in § 111 enthaltene Merkmal der Öffentlichkeit. Diese Tatbestandsvoraussetzung ist gegeben, wenn der vom Rhetor angesprochene Personenkreis so groß ist, dass es diesem nicht mehr möglich ist, eine persönliche Beziehung zu dem einzelnen Rezipienten zu etablieren. Nur durch das Vorliegen einer engen persönlichen Kommunikationsbeziehung kann ein gesteigerter Handlungsdruck gegenüber dem Adressaten aufgebaut und eine einseitige Verpflichtung von erhöhter Intensität etabliert werden, die dem Wesen der Anstiftung entspricht. Diese Intensität wird bei der Aufforderung nach § 111 nicht erreicht. Der Rezipient kann sich bei einer öffentlichen Aufforderung dem Handlungs67 Ausführlicher zu den theoretischen Hintergründen dieses Abgrenzungsproblems, vgl. 1. Kapitel, G.II.3.

D. Ergebnis

211

druck des Sprechers entziehen, indem er die Anonymität der Masse für sich nutzt und sich auf eine externe Beobachterposition zurückzieht. Die geringere Intensität der Sanktionsandrohung in § 111 zieht damit auch eine grundsätzlich geringere Strafwürdigkeit der Handlung nach sich. Da aber die Anstiftung selbst der Intensität eines eigenständigen Rechtsgutsangriffs entsprechen muss,68 ist diese strafrechtliche Verwerflichkeit ebenfalls für § 111 zu fordern, um der Androhung der anstiftergleichen Bestrafung in § 111 Abs. 1 gerecht zu werden. Diese besondere Gefährlichkeit des § 111 wird durch die fehlende Vorhersehbarkeit und Steuerbarkeit des durch den Täter in Gang gesetzten Kausalverlaufs, durch die unabsehbar große Streubreite der Aufforderung sowie durch die besondere Sensibilität des von § 111 geschützten Rechtsguts, des „inneren Gemeinschaftsfriedens“, aufgewogen.69 Die anstiftergleiche Bestrafung des Täters nach § 111 Abs. 1 verstößt daher nicht gegen das Schuldprinzip. Die Elemente, aus denen sich die strafrechtliche Verwerflichkeit des § 26 und des § 111 herleitet, sind daher nur partiell gleich. § 111 sanktioniert neben § 26 ebenfalls die Veranlassung fremder Straftaten. Damit wird der Charakter der Norm als Bestandteil des Allgemeinen Teils unterstrichen. Hierbei weicht aber die Herangehensweise des Täters nach § 26 und nach § 111 erheblich voneinander ab. Bei der Anstiftung hat dieser die Möglichkeit gezielt und mit dem entsprechenden Nachdruck auf den Einzelnen einzuwirken. Dahingegen muss der Handlungswunsch des § 111 stets allgemein gehalten werden, da der Täter nicht individuell auf den Einzelnen einwirken kann. Im Ergebnis handelt es sich daher bei § 111 um einen Fall der einseitigen Kommunikation, während § 26 aufgrund des „persönlichen Bandes“ zwischen Anstifter und Angestifteten auch die Fälle der zweiseitigen Kommunikation erfasst.70 Den Charakter einer Norm des Besonderen Teils erhält § 111 durch den Schutz des speziellen Rechtsguts des „inneren Gemeinschaftsfriedens“. Die bereits von Dreher herausgearbeitete Doppelnatur des § 111 kann damit nur bestätigt werden. Hinsichtlich der Konkretisierung der Haupttat sind bei § 111 dieselben Kriterien zu fordern, wie sie bereits im Rahmen der Anstiftung definiert wurden. Der Täter muss durch seine Aussage und die sie umgebenden Gesamtumstände zu erkennen geben, welche Straftat durch die Adressaten verwirklicht werden soll. Die Aufforderung muss dabei in laienhaften Worten den Deliktstyp umschreiben, auf dessen Verwirklichung der Auffordernde 68 69 70

Vgl. 1. Kapitel, A.III.3. Vgl. 3. Kapitel, B.I. bis IV. Vgl. 1. Kapitel, C.IV.1. konkret auf S. 111.

212

3. Kap.: Das Merkmal des „Aufforderns“

abzielt. Im Ergebnis ist also auch hier auf den verobjektivierten Vorsatz des Täters abzustellen. Sobald der Rhetor auf eine Menschenmenge einwirkt und es ihm aufgrund der Größe der entsprechenden Gruppe nicht mehr möglich ist, gegenüber dem Einzelnen einen gesteigerten Handlungsdruck aufzubauen, liegt das Merkmal der Öffentlichkeit im Sinne des § 111 vor, wodurch der Anwendungsbereich des § 26 ausgeschlossen wird.

II. Das Merkmal des „Aufforderns“ in § 130 Abs. 2 Nr. 1, 2. Alt. Sowohl in § 130 Abs. 1 Nr. 1, 2. Alt., als auch in Absatz 2 Nr. 1, 2. Alt. ist die Tathandlung des Aufforderns enthalten. Anders als bei § 111 ist das Bezugsobjekt des Aufrufs keine rechtswidrige Tat, vielmehr muss sich die Aufforderung des Täters auf Gewalt- oder Willkürmaßnahmen beziehen. Der geänderte Bezug auf Gewalt- oder Willkürmaßnahmen hat jedoch keinen Einfluss auf den direktiven Charakter der vorliegenden Tathandlung. Auch im Kontext dieser Norm zielt die Aufforderung auf eine einseitige Verpflichtung der Rezipienten gegenüber dem Sprecher ab. Die Adressaten sollen sich hierbei, wenn auch nur konkludent, dazu bereit erklären, Gewalt- oder Willkürmaßnahmen zu verüben, zu denen sie durch den Rhetor aufgerufen wurden. Die bei § 111 getroffenen Wertungen sind daher auch auf die Tathandlung des Aufforderns in § 130 zu übertragen. Zu diesem wohl unstreitigen Ergebnis gelangen ebenfalls Literatur und Rechtsprechung.71 Im Gegensatz zu § 111 muss sich die einseitige Verpflichtung nicht auf eine bestimmte Straftat, sondern auf weniger konkretisierte Gewalt- und Willkürmaßnahmen beziehen. Nach dem bei § 111 nötigen Konkretisierungsgrad muss dem Täter in laienhafter Weise bewusst sein, welche möglichen Straftaten seine Aufforderung nach sich ziehen wird.72 Bei der Aufforderung zu Gewalt- und Willkürmaßnahmen nach § 130 ist eine solche Eingrenzung auf bestimmte Tatbestände nicht nötig. Diese Begehungsalternative erweitert damit den Bereich des nach § 111 strafbaren Verhaltens. Dabei kann der Aufforderung zu Gewalt- und Willkürmaßnahmen nur dann eine eigenständige Bedeutung zukommen, wenn die Kon71 BGHSt 32, 310, 313; MüKo/Miebach/Schäfer, § 130 Rn. 34; SSW/Lohse, § 130 Rn. 14; LK/Krauß, § 130 Rn. 43; HK-GS/Rössner/Krupna, § 130 Rn. 5; Schönke/Schröder/Lenckner/Sternberg-Lieben, § 130 Rn. 5b; Rogall, GA 1979 [126], 11, 24; Bloy, JR 1985, 206; Stegbauer, Propaganda, S. 204. 72 Vgl. 3. Kapitel, C.I.3.

D. Ergebnis

213

kretisierung zu den aufgeforderten Maßnahmen unterhalb der Anforderungen des § 111 liegt.73

III. Konkurrenzen Das Konkurrenzverhältnis zwischen § 111 und § 26 ist umstritten. Nach der wohl herrschenden Meinung besteht zwischen beiden Delikten Tateinheit, wenn sich der Auffordernde mit seinem Ansinnen sowohl an einen unbestimmten Adressatenkreis und zugleich im Wege der Anstiftung an einen individuell konkretisierten Personenkreis wendet. Dieses tateinheitliche Verhältnis beider Vorschriften werde durch das von § 111 zusätzlich geschützte Rechtsgut des inneren Gemeinschaftsfriedens begründet.74 Nach einer anderen Auffassung sei hierbei ein Fall der Subsidiarität des § 111 gegeben, wenn der Täter nur zu einer ganz bestimmten Tat auffordert, auch wenn dieses öffentlich geschieht.75 Dieses Verständnis wird mit dem Charakter des § 111 als abstraktes Gefährdungsdelikt begründet. Die konkrete Anstiftung verdränge die gesamte abstrakte Gefährdung, welche von § 111 ausgeht. Dieser Auffassung kann allerdings nicht gefolgt werden, da der Grad der Konkretisierung der Haupttat gerade kein taugliches Differenzierungskriterium zwischen § 111 und § 26 darstellt.76 Otto sieht das Verhältnis zwischen § 111 und § 26 als einen Fall der Konsumtion an, bei dem der Unrechtsgehalt des § 111 von § 26 aufgezehrt wird.77 Nach der hier vertretenen Auffassung stehen die Anstiftung und die öffentliche Aufforderung zu Straftaten in einem Exklusivitätsverhältnis zueinander. Es kann zu keiner tatbestandlichen Überschneidung kommen, da die Einwirkungshandlungen einander ausschließen. Sobald eine individuelle 73

So auch LK/Rosenau, § 111 Rn. 57; Rogall, GA 1979 [126], 11, 25. Schönke/Schröder/Eser, § 111 Rn. 23; MüKo/Bosch, § 111 Rn. 35; HK-GS/ Pflieger, § 111 Rn. 16; SSW/Lohse, § 111 Rn. 14; Fischer, § 111 Rn. 9; Dreher, FS f. Gallas 1973, 307, 324; im Ergebnis wohl auch Fincke, Das Verhältnis, S. 77 f. Differenzierend Blei, BT, § 74 I. Nach diesem könne dieselbe Handlung sowohl § 111 als auch § 26 erfüllen. Wegen der Verschiedenheit der Schutzgüter sei in diesem Fall aber dennoch von Tateinheit auszugehen. Jedoch sei immer dann von einer Subsidiarität der Anstiftung auszugehen, wenn die Tat, zu der angestiftet wurde, den Inhalt der Aufforderung des § 111 voll erschöpft. 75 NK/Paeffgen, § 111 Rn. 47; Lackner/Kühl, § 111 Rn. 10; AK/Zielinski, § 111 Rn. 21; Schroeder, Straftaten, S. 30; Geerds, JR 1988, 435; in Bezug auf § 30 Abs. 1 auch Maurach/Schroeder/Maiwald, BT II, § 93 Rn. 10. 76 Vgl. 3. Kapitel, C.II. 77 Otto, BT, § 63 Rn. 71. 74

214

3. Kap.: Das Merkmal des „Aufforderns“

Einwirkung auf eine bestimmte Person vorliegt, liegt ein Fall der Anstiftung vor. Kann aufgrund der Personenvielzahl nur die Gruppe als solche angesprochen werden und muss sich der Täter aufgrund dessen mit allgemein gehaltenen Aufforderungen begnügen, liegt ein Fall des § 111 vor.78 Allerdings ist der Fall vorstellbar, in dem innerhalb eines kurzen zeitlichen und räumlichen Zusammenhangs sowohl § 111 als auch eine Anstiftung verwirklicht wird.79 Dieses ist denkbar, wenn sich eine Person im Rahmen einer tatbestandlichen öffentlichen Aufforderung aus der Menge hervorhebt und persönlich ein Zwiegespräch mit dem Sprecher sucht. Bei einem solchen persönlichen Gespräch innerhalb einer öffentlichen Versammlung kann es dem Sprecher gelingen, eine persönliche Kommunikationsbeziehung zu der einzelnen Person zu etablieren und ihr gegenüber einen gesteigerten Handlungsdruck aufzubauen. Nur in dieser speziellen Konstellation wäre der herrschenden Meinung zuzustimmen und ein Fall der Tateinheit zu bejahen. Beide Handlungsformen weisen einen unterschiedlichen Unrechtsgehalt auf, den der Täter durch seine jeweilige Einwirkungshandlung verwirklicht.

78

Vgl. 3. Kapitel, C.II. So auch Rogall, GA 1979 [126], 11, 18; LK/Rosenau, § 130 Rn. 75; LPK/ Kindhäuser, § 111 Rn. 21. Hinsichtlich des unterschiedlichen Unrechtsgehalts von Anstiftung und der Öffentlichen Aufforderung zu Straftaten vgl. 3. Kapitel, B.I. bis IV. 79

4. Kapitel

Das Merkmal des „Aufstachelns“ Ein weiteres Delikt, welches in den letzten Jahren zunehmend an rechtspolitischer Bedeutung gewonnen hat und welches ebenfalls die Einwirkung auf einen Rezipientenkreis sanktioniert, ist die Volksverhetzung. Dieser Straftatbestand enthält in Absatz 1 Nr. 1, 1. Alt. das Tatbestandsmerkmal „Aufstacheln zum Hass“. Dieselbe Tathandlung wird nach Absatz 2 Nr. 1, 1. Alt. unter Strafe gestellt, wenn sie durch Schriften vollzogen wird. Auf den ersten Blick ist die enge Verknüpfung zwischen der Tathandlung des „Aufstachelns“ mit der Emotion des Hasses besonders auffällig. Im Gegensatz zu den bisher untersuchten Tatbeständen bezieht sich hier der Anknüpfungspunkt nicht auf eine fremde „Tat“, sondern auf das Hervorrufen negativer, gefährlicher Emotionen. Die besondere Gefährlichkeit der Tathandlung sowie die Voraussetzungen, die notwendig sind, um gezielt den Hass gegen Teile der Bevölkerung zu erzeugen, sollen im Folgenden untersucht werden. Bei dieser Analyse sollen insbesondere die möglichen Gemeinsamkeiten bzw. die bestehenden Unterschiede zu der Anstiftung herausgestellt werden.

A. Der Wortlaut des § 130 Abs. 1 Nr. 1 I. Die lexikalische Bedeutung des Wortes „Aufstacheln“ Um die Tathandlung aufstacheln zu konkretisieren und ihre Voraussetzungen definieren zu können, ist erneut der Gesetzeswortlaut zu untersuchen. Um einen ersten, sprachlichen Eindruck zu gewinnen, ist die lexikalische Bedeutung der Tathandlung zu klären. Die Tathandlung „aufstacheln“ wird nach der Definition des Deutschen Wörterbuchs nach Brockhaus/Wahrig als das Wecken von Gefühlen einer Person oder eines Tieres verstanden. Als Synonyme werden „aufreizen“, „aufhetzen“ und „hetzend anspornen“ genannt. Bereits die genannten Synonyme deuten eine gewisse negative Konnotation an. Dieser Eindruck verstärkt sich durch den weiteren von Brockhaus/Wahrig aufgezeigten Sinnzusammenhang, wonach das Verb aufstacheln typischerweise im Zusam-

216

4. Kap.: Das Merkmal des „Aufstachelns“

menhang mit den Wendungen „zum Aufruhr . . .“ bzw. „zum Widerstand . . .“ benutzt wird.1 Die aufgezeigten Entsprechungen transportieren die Intention des Sprechers, durch eine emotionale Einwirkung die Rezipienten zu einer bestimmten Handlung zu motivieren. Insbesondere die von Brockhaus/Wahrig genannten Handlungsziele „zum Aufruhr aufstacheln“ bzw. „zum Widerstand aufstacheln“ heben hervor, dass der von dem Sprecher beabsichtigte Zweck in einem destruktiven Ziel liegt. Der Gesetzgeber hat die destruktive Intention des Wortes aufstacheln zusätzlich hervorgehoben, indem er die Tathandlung aufstacheln mit der Emotion des Hasses verknüpft hat. Die gefundene Wertung, wonach das Verb aufstacheln einen destruktiven Charakter aufweist, wird zusätzlich durch einen Vergleich mit dem verwandten Verb anstacheln bestätigt. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch sind beide Wörter eng miteinander verwandt und werden zum Teil sogar synonym verwendet. Das Wort „anstacheln“ wird von Brockhaus/Wahrig mit „jemanden zu einer Leistung anstacheln“, „ihn heftig antreiben“, „anspornen“, „ermuntern“, „den Ehrgeiz von jemandem anstacheln“ paraphrasiert.2 Dieses Verb ist daher ebenso wie das Wort aufstacheln auf die kausale Verursachung von Gefühlen gerichtet. Der Unterschied zwischen beiden Wörtern liegt allerdings in der Zielrichtung der verursachten Emotionen. Im Gegensatz zu dem Verb aufstacheln ist das Verb anstacheln ausschließlich auf die Verursachung positiver Emotionen gerichtet. Der Zweck des Anstachelns liegt also in einem produktiven Ziel. Dieses Ergebnis ist mit dem allgemeinen Sprachverständnis vereinbar. Das Wort aufstacheln spielt mit der Vorstellung, dass der Handelnde einer anderen Person einen „Stachel“ einpflanzt und bei ihr Schmerzen, also negative Emotionen hervorruft. Diese negativen Gefühle erwecken beim Adressaten wiederum einen eigenen Handlungsantrieb, der darin liegt, den Stachel zu entfernen, um so die negativen Gefühle zu beseitigen.

II. Sprachwissenschaftliche Analyse Für die klare Abgrenzung zu den bereits untersuchten Tatbeständen ist eine sprachwissenschaftliche Analyse unerlässlich. Insbesondere die Einordnung in die Sprechaktklasse nach Searle ist von erheblicher Bedeutung, da hierdurch ein Vergleichsmaßstab geschaffen wird, durch den die Abgrenzung zu den bisher untersuchten Tathandlungen ermöglicht wird. Darüber 1 2

Brockhaus/Wahrig, Band 1, S. 385. Brockhaus/Wahrig, Band 1, S. 263.

A. Der Wortlaut des § 130 Abs. 1 Nr. 1

217

hinaus lassen sich aus dem sprachlichen Charakter bestimmte Anforderungen ableiten, die für die Verwirklichung der Tathandlung von Bedeutung sind. Der Wortlaut des § 130 Abs. 1 Nr. 1 spricht von: „Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, 1. zum Hass gegen andere Teile der Bevölkerung aufstachelt oder zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert . . .“ Für die Einordnung des Gesetzestextes in die jeweilige Klassifikationsstufe sind als maßgebliche Bestimmungskriterien der propositionale Gehalt (Anpassungsrichtung), die Aufrichtigkeitsregel (psychischer Zustand) und der illokutionäre Witz (Zweck des Sprechaktes) heranzuziehen.3 Zunächst ist zu untersuchen, ob es sich bei dem Wort Aufstacheln um ein Verb handelt, welches eine Verhaltensweise beschreibt, die einen Verbindlichkeitscharakter begründet, wie ihn die kommissive4 oder auch die direktive5 Sprechaktklasse erfordert. Im Rahmen der lexikalischen Analyse6 wurde die Intention des Wortes Aufstacheln herausgearbeitet. Dieses Verb zielt auf die Verursachung negativer Gefühle ab, welches durch den Gesetzgeber zusätzlich unterstrichen wurde, indem er die Tathandlung mit der mit der Emotion des Hasses verknüpfte. Eine ein- oder zweiseitige Verpflichtung wird durch dieses Verb nicht ausgelöst. Eine Einordnung in die Sprechaktklassen der Kommissiva und Direktiva ist daher auszuschließen. Allerdings ist das zu untersuchende Tatbestandsmerkmal nicht nur auf den reinen Informationstransport einer Aussage gerichtet, da der Sprecher eine emotionale Reaktion bei dem Rezipienten hervorrufen möchte. Die Einordnung in die assertive Sprechaktklasse ist daher ebenfalls auszuschließen.7 3 Der Gesetzestext des § 130 stellt ebenfalls eine Illokution dar, weil sich der Sprecher mit der Intention an die Rezipienten wendet, diese zu einer bestimmten Reaktion zu veranlassen, welche in der Verursachung des Gefühls des Hasses liegt (zur Definition der Illokution vgl. 1. Kapitel, C.II.1.). Die von Searle für die Illokution entwickelte Sprechaktklassifikation ist daher ebenfalls auf den Wortlaut des § 130 Abs. 1 Nr. 1 anwendbar. Zur Definition der Sprechaktklassifikation und der Klassifikationskriterien vgl. 1. Kapitel, C.II.2. 4 Definition der Kommissiva vgl. unter 1. Kapitel, C.II.2. Diese setzen eine einseitige Verpflichtung des Sprechers gegenüber dem Rezipienten voraus (also ein Selbstverpflichtung). 5 Definition der Direktiva vgl. unter 1. Kapitel, C.II.2. Danach wird eine einseitige Verpflichtung des Rezipienten gegenüber dem Sprecher vorausgesetzt. 6 Vgl. 4. Kapitel, A.I. 7 Definition der Assertiva vgl. 1. Kapitel, C.II.2. Die Sprechaktklasse der Assertiva setzt lediglich voraus, dass die Illokution eine Aussage über die Welt trifft die wahr oder falsch sein kann.

218

4. Kap.: Das Merkmal des „Aufstachelns“

Illokutionen, die auf die Mitteilung von Gefühlen gerichtet sind, um dadurch eine emotionale Stabilisierung bzw. Destabilisierung bei dem Rezipienten hervorzurufen, fallen unter die Sprechaktklasse der Expressiva.8 Dabei begründen emotionsbezogene Stabilisierungsversuche ein emotionales Gleichgewicht. Emotionsbezogene Destabilisierungsversuche, die gewöhnlich in der Absicht eine Verhaltensänderung herbeizuführen vollzogen werden, führen vom emotionalen Gleichgewicht weg und erfüllen dadurch eine für Verhaltensänderungen entscheidende Voraussetzung.9 Das Tatbestandsmerkmal „Aufstacheln zum Hass“ definiert daher eine Kommunikationsbeziehung, die in die expressive Sprechaktklasse einzuordnen ist. Denn es ist das Ziel des Sprechers bei den Rezipienten negative Emotionen hervorzurufen. Die genauere Einstufung dieses Merkmals ergibt, dass es sich bei dem „Aufstacheln zum Hass“ um einen Fall der emotionsbezogenen Destabilisierung handelt, da die Rezipienten aus ihren bis dahin befindlichen Ist-Zustand in den Zustand des Hasses versetzt werden.

III. Zwischenergebnis Durch die Einstufung des Tatbestandsmerkmals Aufstacheln in die Sprechaktklasse der Expressiva wird deutlich, dass eine direkte Vergleichbarkeit zu den direktiven Verben Auffordern und Bestimmen nicht möglich ist.10 Das verfolgte Ziel des Aufstachelns, also die Veränderung des emotionalen Zustands des Adressaten, ist eine Art der Einflussnahme, die gerade nicht auf die Begründung einer Verbindlichkeit abzielt. Vergleichbar ist daher nur die tatsächliche Herangehensweise, die nötig ist, um das entsprechende Tatbestandsmerkmal zu erfüllen.

B. Die teleologische Auslegung der Norm Um die sprachliche Bedeutung der Tathandlung „Aufstacheln zum Hass“ in Abgrenzung zu dem Merkmal „Bestimmen“ herausstellen zu können, ist zunächst ein klares Verständnis von der Norm des § 130 Abs. 1 erforderlich. Der durch die Norm verfolgte gesetzgeberische Zweck tritt am deutlichsten hervor, indem die Tathandlung in Abhängigkeit zu dem geschützten Rechtsgut sowie der Deliktsnatur betrachtet wird. 8

Definition der Expressiva vgl. 1. Kapitel, C.II.2. Rolf, Illokutionäre Kräfte, S. 29 in Fn. 21. 10 Im Ansatz so bereits auch Endemann (Endemann, Hetze, S. 83), der bei der Definition der Begriffe Hetze bzw. Anreizen in § 130 a. F. zu einem ähnlichen Ergebnis kommt. Anders Weil, Klassenkampf, S. 31 ff. Dieser sieht die Begriffe bestimmen und anreizen (anreizen war die Tathandlung des § 130 a. F.) als Synonyme an. 9

B. Die teleologische Auslegung der Norm

219

I. Das geschützte Rechtsgut des § 130 Abs. 1 Alle Tatbestandsvarianten des Absatzes 1 haben entsprechend dem Wortlaut gemeinsam, dass sie geeignet sein müssen den öffentlichen Frieden zu stören. Ob dieser aber tatsächlich das vorrangige Schutzobjekt des § 130 Abs. 1 darstellt, ist heftig umstritten. In diesem Disput stehen sich im Wesentlichen zwei Positionen gegenüber. Einerseits sieht ein Teil der Lehre die Menschenwürde als das zentrale Schutzobjekt des § 130 Abs. 1 an. Dem gegenüber steht andererseits die Auffassung, welche den öffentlichen Frieden als das primär geschützte Rechtsgut versteht. 1. Die Menschenwürde als Schutzobjekt des § 130 Die Literaturströmung, welche die Menschenwürde der angegriffenen Personen als das zentrale Schutzobjekt des § 130 ansieht,11 lässt sich wiederum in dogmatisch verschiedene Begründungsansätze differenzieren. So soll die Volksverhetzung nach der Auffassung von Streng und Stegbauer schon im Vorfeld unmittelbarer Menschenwürdeverletzungen das „Ingangsetzen“ einer historisch als gefährlich erkannten Eigendynamik verhindern. Da es sich um eine Norm des politischen „Klimaschutzes“ handelt, bedürfe es gerade keines Individuumsbezugs der Tathandlungen, um den Schutz der Menschenwürde des Einzelnen zu begründen.12 Darüber hinaus sei das Rechtsgut des öffentlichen Friedens bzw. der öffentlichen Ordnung selbst nicht klar zu definieren. Im Zuge gesellschaftlicher Entwicklungen sei ein gewisses Maß an Unfrieden und innerer Unordnung regelmäßig gegeben. Nur wenn diese Unordnung ein Maß erreicht, welches andere Rechtsgüter, also die Menschenwürde beeinträchtigt, könne die Sanktionswirkung des § 130 begründet werden. Der öffentliche Friede in § 130 sei also nur eine Umschreibung für das hinter ihm stehende Rechtsgut der Menschenwürde, da diese letztendlich durch die Rahmenbedingungen, in denen der Einzelne lebt, definiert werde.13 Eine an diesem Standpunkt anknüpfende Auffassung geht mit der Grundstruktur der aufgezeigten Meinung konform und entwickelt sie weiter. Der grundlegende Fehler der dargestellten Theorie sei der fehlende Individuali11 Lömker, Die gefährliche Abwertung, S. 118 ff.; Stegbauer, Propaganda, S. 165 ff.; Streng, FS f. Lackner 1987, 501, 508 ff.; zur Altfassung des § 130: Weil, Klassenkampf, S. 10 ff. 12 Stegbauer, Propaganda, S. 166 f.; Streng, FS f. Lackner 1987, 501, 508. 13 Streng, FS f. Lackner 1987, 501, 509 f.; Lömker, Die gefährliche Abwertung, S. 117, 131 f.; Stegbauer, Propaganda, S. 167 ff.

220

4. Kap.: Das Merkmal des „Aufstachelns“

tätsbezug des Schutzgutes der Menschenwürde. Wenn die Menschenwürde als das tragende Rechtsgut des § 130 angesehen werden soll, dann dürfe es keine Loslösung von dem Bezugsobjekt, also dem Menschen geben. Allein auf das politische Klima im Vorfeld von Verletzungen der Menschenwürde abzustellen soll dafür gerade nicht genügen. Ähnlich der Kollektivbeleidigung, müsse es auch bei § 130 darauf ankommen, den individuellen Eigenwert der Person herabzusetzen.14 Diese Auffassung sieht daher ebenso die Menschenwürde als zentrales Rechtsgut des § 130 an. Da der Wortlaut des § 130 Abs. 1 Nr. 1 „Teile der Bevölkerung“ als Angriffsobjekte nennt, müsse sich der Schutz der Menschenwürde auf diesen abgrenzbaren Personenkreis erstrecken. Die Menschenwürde als personenbezogenes Schutzgut schließe nicht aus, dass eine Vielzahl von Menschen in ihrer Würde geschützt werden. Durch die Zusammenfassung einzelner Menschen zu ganzen Bevölkerungsteilen wird die Menschenwürde als quantitative Menschenwürde verstanden.15 Dabei komme dem öffentlichen Frieden als selbständiges Schutzgut nur noch die Bedeutung zu, die hinter jeder Strafnorm steht, also die grundsätzliche Aufrechterhaltung der Freiheit und Ordnung.16 Streng sieht hierbei die Menschenwürde in zweierlei Hinsicht als geschützt an. Zum einen werde der Schutz dieses Rechtsgut durch den von der Norm allgemein bezweckten Klimaschutz verwirklicht.17 Zwar könne zum anderen eine Bevölkerungsgruppe an sich auch nach ihm nicht in ihrer Menschenwürde verletzt werden, allerdings werde der Einzelne als Mitglied der angegriffenen Gruppe in seiner Menschenwürde geschützt. Jedoch, um den Schutz des Einzelnen in seiner individuellen Menschenwürde zu realisieren, müsse die Zugehörigkeit zu der angegriffenen gesellschaftlichen Gruppe ein dominierendes Persönlichkeitsmerkmal dieser einzelnen Person ausmachen.18 14 Wehinger, Kollektivbeleidigung, S. 93; Androulakis, Sammelbeleidigung, S. 96. Dieses grundsätzliche Problem wird auch von Stegbauer (Propaganda, S. 165 f.) so erkannt. Im Ergebnis weicht er auf die Argumentation des allgemeinen politischen „Klimaschutzes“ aus (Propaganda, S. 166 f.) und erreicht eine Loslösung von der Individualität des Einzelnen. Auf diese Weise kann er dennoch die Menschenwürde als Schutzobjekt begreifen. 15 NK/Ostendorf, § 130 Rn. 4; v. Münch/Kunig/Kunig, Art. 1 Rn. 17; Maurach/ Schroeder/Maiwald, BT II, § 60 Rn. 58, diese bezeichnen die Menschenwürde als „überpersönlich“. Ähnlich auch Frommel, KJ 1995, 402, 408 f., die von einem personal vermittelten Universalrechtsgut spricht. 16 NK/Ostendorf, § 130 Rn. 5; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT II, § 60 Rn. 58, der Schutz des öffentlichen Friedens sei hier nur ein „mittelbarer“ Zweck. 17 Streng, FS f. Lackner 1987, 501, 508 ff. 18 Streng, FS f. Lackner 1987, 501, 517 f.

B. Die teleologische Auslegung der Norm

221

Einen ähnlichen Ansatzpunkt vertritt Lömker. Danach könne ein Kollektiv als solches nicht in seiner Menschenwürde verletzt werden. Zum Beispiel begründeten Angriffe gegen den „Jüdischen Weltkongress“ oder den „Zentralrat der Juden in Deutschland“ als Institutionen keine Strafbarkeit nach § 130 auch dann nicht, wenn diese üble und menschenunwürdige Anspielungen enthielten.19 Wenn der Angriff aber zugleich eine Gruppe als solche sowie ihre Mitglieder erfasse, dann werde auch stets die Menschenwürde des Einzelnen verletzt, da sich die entsprechende Bevölkerungsgruppe immer aus der Summe ihrer Mitglieder zusammensetzt.20 So treffe der Ausspruch: „Die Juden sind Untermenschen“ ein ausreichendes Maß an Individualisierung, um einen Angriff auf die Menschenwürde des einzelnen Gruppenmitglieds zu begründen.21 2. Die Auffassung von Fischer und Junge Im Rahmen dieser Diskussion modifizieren Fischer und Junge die dargestellten Auffassungen. Nach diesen sei nicht die Menschenwürde der betreffenden Gruppenmitglieder das primäre Schutzobjekt, sondern vielmehr ihre Rechtsstellung im umfassenden Sinne. Damit werden durch § 130 die gesamten Individualrechtsgüter der betroffenen Bevölkerungsteile wie Leib, Leben, Vermögen, Freiheit, Ehre etc. vorrangig geschützt. Die Menschenwürde werde aufgrund des umfassenden Schutzes der Rechtsstellung des einzelnen Gruppenmitglieds in mittelbarer Weise von diesem Schutz miterfasst. Das Merkmal der Menschenwürde erfüllt in diesem Zusammenhang wiederum „nur“ eine restriktive Funktion zur Begrenzung des Tatbestands.22 3. Stellungnahme Den aufgezeigten Auffassungen, denen allen gemein ist, dass sie das Rechtsgut des öffentlichen Friedens als vorrangiges Schutzobjekt des § 130 Abs. 1 ablehnen, kann nicht gefolgt werden.

19

Lömker, Die gefährliche Abwertung, S. 134. Lömker, Die gefährliche Abwertung, S. 134 ff. 21 Lömker, Die gefährliche Abwertung, S. 134. 22 Fischer, GA 1989 [136], 445, 455 f.; ders., § 130 Rn. 2 f.; ders., FS f. Puppe 2011, 1119, 1127 ff.; Junge, Das Schutzgut des § 130, S. 35, 74 f. und 199; so auch Kargl, Jura 2001, 176, 179 f. 20

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4. Kap.: Das Merkmal des „Aufstachelns“

a) Kritik an der fehlenden Individualitätsbezogenheit der Menschenwürde Die Auffassung, welche aus Gründen des politischen Klimaschutzes eine Loslösung der Menschenwürde vom Bezugsobjekt, also dem einzelnen Individuum fordert, geht fehl. Eine aufgeladene Menschenmasse kann eine sehr gefährliche Eigendynamik entwickeln.23 Wird diese in krimineller Weise ausgenutzt, so kann es im Anschluss daran zu Verletzungen von Individualrechtsgütern, einschließlich der Menschenwürde Dritter kommen. Diese sich anschließenden Rechtsgutsverletzungen zu verhindern, ist aber nicht der von § 130 beabsichtigte Hauptzweck, sondern eher eine periphere Fernwirkung. Letztlich wird dieser sekundäre Zweck ebenso gut durch § 111 realisiert, der durch seine besondere Nähe zur Anstiftung einen größeren Bezug zu den verübten Vortaten aufweist.24 In erster Linie soll durch die Bestrafung des „Aufstachelns zum Hass“ verhindert werden, dass eine negative bzw. aggressive Grundstimmung gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen hervorgerufen wird.25 Erst als Ausfluss von diesem Hauptzweck werden diejenigen Rechtsverletzungen sanktioniert, die auf der Hassverursachung basieren. Damit muss sich die Tathandlung des „Aufstachelnden“ selbst gegen das zu schützende Rechtsgut richten. Wenn also das „Aufstacheln“ nur den Nährboden für spätere Verletzungen von Individualrechtsgütern legt, dann kann dieses keine Strafbarkeit nach § 130 Abs. 1 begründen. Eine Vorverlagerung wie sie von Streng und Stegbauer gefordert wird, ist nicht vertretbar. Aus dem gleichen Grund ist ebenfalls die Ansicht von Fischer und Junge abzulehnen. Auch diese sehen den Schutzzweck des § 130 in denen sich an die Tathandlung anschließenden Individualrechtsgutverletzungen, welche durch die Rezipienten (aufgrund des entfachten Hasses) verursacht werden. Dadurch vermengen sie einerseits die Schutzfunktion des § 111 mit der des § 130. Andererseits verkennen diese das Grundanliegen der Vorschrift, nämlich die Verhinderung von Feindseligkeiten gegenüber einzelnen Teilen der Bevölkerung. Sie präferieren damit die bereits kritisierte Vorverlagerung der sich anschließenden Rechtsgutsverletzungen. Ferner ist die Menschenwürde als solche gerade kein Rechtsgut, welches einer ganzen Personengruppe bzw. einer Personenmehrheit zukommen 23

Vgl. 1. Kapitel, G.II.4. Nicht zuletzt da § 111 mit einer „janusköpfigen Natur“ umschrieben wird, vgl. Dreher, FS f. Gallas 1973, 307, 310. Hierzu Kapitel 3. 25 Vgl. hierzu 4. Kapitel, A.II. 24

B. Die teleologische Auslegung der Norm

223

kann. Denn das Wertesystem der Grundrechte geht von „der Würde und Freiheit des einzelnen Menschen als natürlicher Person“ aus.26 Das Rechtsgut der Menschenwürde ist also immer an die Person als Individuum gekoppelt.27 Der Einzelne muss sich nach diesen Ausführungen als solcher immer individuell angesprochen fühlen. Eine Zusammenfassung der Menschenwürde einzelner Bevölkerungsteile und die Schaffung einer quantitativen Menschenwürde ist damit abzulehnen. Ein Angriff gegen eine bestimmte Bevölkerungsgruppe kann nur dann die Menschenwürde des Einzelnen verletzen, wenn diese Äußerung eine Individuumsbezogenheit aufweist, d. h. der Eigenwert des einzelnen Gruppenangehörigen muss durch die entsprechende Handlung verletzt worden sein. Erschöpft sich die Äußerung allerdings in einer generalisierenden Bewertung der angegriffenen Personenmehrheit, ohne den nötigen individuellen Bezug aufzuweisen, so kann kein Gruppenmitglied in seiner Menschenwürde verletzt sein.28 Die in diesem Zusammenhang von Streng vertretene Ansicht ist ebenfalls abzulehnen. Dieser behauptet, dass durch einen Angriff auf die Menschenwürde der Gruppe, die Menschenwürde des Einzelnen immer dann verletzt sei, wenn die Zugehörigkeit zu dieser ein dominierendes Persönlichkeitsmerkmal ist.29 Obwohl er versucht die Menschenwürde der Gruppe auf den Einzelnen zu reduzieren und damit der verfassungsrechtlichen Forderung nach einem individuellen Angriff näher rückt, ist sein Ansatz nicht zielführend. Im Ergebnis zu dieser Auffassung müsste durch das Gericht stets geprüft werden, welchen Stellenwert für den Einzelnen die Zugehörigkeit zu der jeweiligen Gruppe hat. Dieses kann in dem jeweiligen Einzelfall äußerst unterschiedlich sein. Diese Lösung ist daher äußerst unpraktikabel.30 Außerdem wird auf diese Weise wiederum ein Angriff, der eigentlich speziell gegen die jeweilige Gruppe gerichtet war, durch Wertungsgesichtspunkte als ein Angriff auf die Menschenwürde des Einzelnen umgedeutet, denn der geforderte Individualitätsbezug des Angriffs wird durch Streng nur auf einer zweiten (subjektiven) Ebene begründet. Auch die Ansicht von Lömker ist nicht geeignet, das Individualisierungsproblem zu lösen. Nach diesem ist ein Angriff auf die Menschenwürde ei26 BVerfGE 21, 362, 369; zustimmend Wehinger, Kollektivbeleidigung, S. 91 in Fn. 88. 27 Wehinger, Kollektivbeleidigung, S. 90 ff.; Lömker, Die gefährliche Abwertung, S. 133 ff.; Androulakis, Sammelbeleidigung, S. 96; im Ergebnis so auch Schafheutle, JZ 1960, 470, 473. 28 So auch Wehinger, Kollektivbeleidigung, S. 93 ff. 29 Vgl. 4. Kapitel, B.I.1. 30 Im Ergebnis so auch Wehinger, Kollektivbeleidigung, S. 92 f. und 50 f.

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4. Kap.: Das Merkmal des „Aufstachelns“

ner bestimmten Personengruppe stets als ein Angriff auf die individuelle Menschenwürde des einzelnen Gruppenmitglieds zu begreifen, wenn nicht nur eine Institution als solche angegriffen wird.31 Zwar hat seine Auffassung den Vorteil, dass er die Kollektivangehörigen nach einem objektiven Maßstab bestimmen kann. Jedoch ermöglicht die Tatsache der Abgrenzbarkeit der angegriffenen Personenmehrheit von der übrigen Bevölkerung nur die Feststellung, welche Personen der angegriffenen Gruppe angehören. Allerdings ermöglicht diese Abgrenzung gerade keine Aussage darüber, ob dieser Angriff auch das einzelne Mitglied dieser Bevölkerungsgruppe individuell in seiner Menschenwürde verletzt hat.32 Wenn daher zum Hass gegen einen Bevölkerungsteil aufgestachelt, dieser beschimpft bzw. verächtlich gemacht wird, so werden die Mitglieder dieser Bevölkerungsgruppe zwar pauschal als unterwertige Wesen dargestellt, in ihrer persönlichen Würde werden sie allerdings nicht verletzt. Um die jeweilige Person treffen und verletzen zu können, fehlt der individuelle Bezug. In diesem Zusammenhang stellt sich dasselbe Problem, welches auch im Bereich der Kollektivbeleidigungen diskutiert wird. Durch eine Verunehrung, die durch eine Sammelbezeichnung begangen wird, entsteht gerade keine Entwürdigung einer einzelnen Person, da diese gerade nicht in dem Kernbereich ihrer Persönlichkeit betroffen wird.33 Werden also durch das Aufstacheln zum Hass keine konkreten Personen in ihrer Menschenwürde verletzt, so kann § 130 auch nicht dem speziellen Schutz der Menschenwürde vor verletzenden Äußerungen dienen. Die tatbestandliche Handlungsweise des „Aufstachelns zum Hass“ kann daher nur zur Beeinträchtigung überindividueller Rechtsgüter führen.34 b) Die Gesetzessystematik Der vorrangige Schutz des öffentlichen Friedens wird auch in systematischer Hinsicht aus der Stellung der Norm deutlich. § 130 wurde durch den Gesetzgeber ganz bewusst nicht im vierzehnten Abschnitt des StGB, also im Rahmen der Beleidigungsdelikte angesiedelt, sondern im siebenten Abschnitt, der den Zweck verfolgt, die öffentliche Ordnung zu schützen.35 31

Vgl. 4. Kapitel, B.I.1. So auch Wehinger, Kollektivbeleidigung, S. 92 f. 33 So auch BGH, NJW 1994, 1421, 1421 f.; OLG Stuttgart, Die Justiz, 1992, 186, 187; OLG München, NJW 1985, 2430, 2431; Matt/Renzikowski/Altenhain, § 130 Rn. 2; Wehinger, Kollektivbeleidigung, S. 94 f.; Androulakis, Sammelbeleidigung, S. 94 f. 34 So auch Wehinger, Kollektivbeleidigung, S. 95. 35 BT-Drs. III/1746, S. 4; BT-Drs. III/1143, S. 2. 32

B. Die teleologische Auslegung der Norm

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Bereits in der Begründung eines vorherigen Regierungsentwurfs von 1950, der die Änderung des StGB zum Inhalt hatte, wurde der Zweck eines künftigen § 130 in der Sicherung der „Grundlagen der deutschen Lebensgemeinschaft“ vor Erschütterungen durch Spannungen und Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen gesehen.36 Im Ergebnis zielte der Gesetzgeber in Absatz 1 Nr. 1 daher nicht auf den Schutz der individuellen Ehre und damit nicht der Menschenwürde ab, sondern vielmehr auf den Schutz des übergeordneten Rechtsguts des öffentlichen Friedens.37 In der heute gültigen Fassung des Absatz 1 wird nunmehr ausschließlich der öffentliche Frieden als übergeordnetes Rechtsgut ausdrücklich genannt. Dahingegen wird die Menschenwürde nur in Absatz 1 Nr. 2 erwähnt. Soweit ein Aufstacheln zum Hass geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, aber noch keinen Angriff auf die Menschenwürde darstellt, wird nach der Gesetzessystematik trotzdem die Strafbarkeit nach § 130 begründet. Die Menschenwürde per se kann daher nicht das von § 130 Abs. 1 Nr. 1 vordergründig geschützte Rechtsgut sein.38 Jedoch wird durch das Rechtgut des öffentlichen Friedens auch die Menschenwürde mittelbar geschützt.39 Insoweit ist der bereits dargestellten Ansicht40 von Streng, Stegbauer und Lömker zuzustimmen, die behaupten, der öffentliche Frieden setze die Rahmenbedingungen, die es dem Einzelnen erlauben seine individuelle Menschenwürde zu entwickeln, denn ein peripherer Schutz des Einzelnen wird durch die Wahrung des öffentlichen Friedens stets mitverwirklicht.

36

BT-Drs. I/1307, S. 43 f.; Wehinger, Kollektivbeleidigung, S. 98. OLG München, NJW 1985, 2430, 2431; OLG Stuttgart, Die Justiz, 1992, 186, 186; OLG Celle, JR 1988, 79, 79; Lohse, NJW 1985, 1677, 1678; LK/Krauß, § 130 Rn. 6; Schönke/Schröder/Lenckner/Sternberg-Lieben, § 130 Rn. 1a; MüKo/Miebach/Schäfer, § 130 Rn. 2; Wehinger, Kollektivbeleidigung, S. 98 f. 38 SK/Rudolphi/Stein64, § 130 Rn. 1e. 39 BGHSt 16, 49, 56 = BGH, NJW 1961, 1364, 1365; OLG Köln, NJW 1981, 1280, 1281; LK/Krauß, § 130 Rn. 2, 8; Schönke/Schröder/Lenckner/Sternberg-Lieben, § 130 Rn. 1a; SSW/Lohse, § 130 Rn. 2; Matt/Renzikowski/Altenhain, § 130 Rn. 3; MüKo/Miebach/Schäfer, § 130 Rn. 3; Beisel, NJW 1985, 997, 998; Foerstner, Kollektivbeleidigung, S. 171; a. A. OLG Stuttgart, Die Justiz 1992, 186, 187; OLG München, NJW 1985, 2430, 2431; Endemann, Hetze, S. 83 f.; kritisch auch Neumann, StV 1994, 273, 274. Nach Neumann ist die Reform des § 130 Abs. 1 darauf zurückzuführen, dass gerade nicht jede Straftat gegen den öffentlichen Frieden gleichzeitig einen Angriff gegen die Menschenwürde beinhaltet. Denn wäre dem so, dann sei es nicht verständlich, warum die Menschenwürde nach der heutigen Fassung kein allen Tatalternativen übergeordnetes Rechtsgut mehr darstelle. 40 Vgl. 4. Kapitel, B.I.1. 37

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4. Kap.: Das Merkmal des „Aufstachelns“

Allerdings muss in diesem Zusammenhang betont werden, dass es gerade auch Angriffe gegen den öffentlichen Frieden geben kann, die von einer so geringen Intensität sind, dass sie die Menschenwürde noch nicht tangieren.41 So war es ein Hauptanliegen des Gesetzgebers, auch die einfache Holocaustlüge unter die Strafbarkeit des § 130 fassen zu können.42 Derartige Fälle konnten bis zu der Änderung des Gesetzestextes im Jahre 1994 nur mit erheblichem und oft fragwürdigem Begründungsaufwand unter die Beleidigungstatbestände gefasst werden, da das restriktive Kriterium der Menschenwürde in § 130 die Mindestanforderungen an eine Strafbarkeit zu hoch ansetzte. c) Die Historie der Norm Zusätzlich kann diese Auffassung mit der historischen Entwicklung des Volksverhetzungsparagraphen begründet werden. Die Motive, die in der Zeit bis 1960 den Gesetzgeber bewogen haben, den Tatbestand neu zu fassen, lassen Rückschlüsse darauf zu, welche Rolle der öffentliche Frieden bzw. die Menschwürde als Tatbestandvoraussetzung des § 130 spielen sollten. aa) Der Ausgangspunkt Im Ausgangspunkt der Entwicklung stand der Klassenkampfparagraph. Diese Norm bestand seit dem Inkrafttreten des Reichsstrafgesetzbuches von 1871 in unveränderter Fassung bis 1960 fort. Das darin ausdrücklich geschützte Rechtsgut war der öffentliche Frieden. Durch diese Vorschrift wurde das öffentliche Anreizen bestraft, wenn es das Ziel verfolgte, verschiedene gesellschaftliche Klassen zu gegeneinander gerichteten Gewalttätigkeiten zu veranlassen.43 Bereits ab 1948 kam es in Deutschland erneut zu einem anwachsenden Antisemitismus, der sich insbesondere in der Schändung jüdischer Friedhöfe und der massiven Zunahme antisemitischer Äußerungen in Wort und Schrift äußerte.44 Diese Tendenzen veranlassten die Bundestagsfraktion der SPD 41

So auch Neumann, StV 1994, 273, 274; Wehinger, Kollektivbeleidigung, S. 90. BT-Drs. XII/8411, S. 6; BT-Drs. XII/6853, S. 24; BT-Drs. XII/7960, S. 6; Schönke/Schröder/Lenckner/Sternberg-Lieben, § 130 Rn. 1a; Beisel, NJW 1995, 997, 997 f. 43 [Anreizung zum Klassenkampf] „Wer in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise verschiedene Klassen der Bevölkerung zu Gewalttätigkeiten gegeneinander öffentlich anreizt, wird mit Geldstrafe oder mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft.“ 44 Wehinger, Kollektivbeleidigung, S. 95 f.; Krone, Volksverhetzung, S. 20. 42

B. Die teleologische Auslegung der Norm

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dem Bundestag am 2. Februar 1950 einen Entwurf eines „Gesetz[es] gegen die Feinde der Demokratie“ vorzulegen. Von diesem enthielt § 9 Abs. 1 einen Straftatbestand, der den Angriff auf die Menschenwürde anderer Bevölkerungsteile oder einzelner Personen sanktionierte.45 Auffällig an diesem Entwurf ist zum einen, dass die Verletzung der Menschenwürde ganzer Bevölkerungsgruppen für möglich gehalten wurde. Zum anderen wurde ein Menschenwürdeangriff als notwendige Bedingung für eine Störung des Rechtsfriedens angesehen. Der heutigen Norm liegt nach den obigen Ausführungen gerade die gegenteilige Sichtweise zugrunde.46 Nachdem der Entwurf der Fraktion der SPD nach seiner ersten Lesung im Bundestag am 16. März 1950 auf dogmatische Bedenken stieß und das Gesetzgebungsverfahren diesbezüglich zum Erliegen kam, legte die Bundesregierung ihrerseits am 4. September 1950 einen Entwurf für das erste Strafrechtsänderungsgesetz vor.47 Dieser Entwurf enthielt erstmalig eine Neufassung des § 130, welche der 1960 in Kraft getretenen bereits sehr ähnelte. Der Gesetzgeber sprach in der Begründung dieses Entwurfs von der „Notwendigkeit“ einer derartigen Regelung, um Spannungen innerhalb der Bevölkerung zu vermeiden und sicherzustellen, dass diese nicht zu Auseinandersetzungen führen, die die „Grundlagen der deutschen Lebensgemeinschaft schwer erschüttern“ könnten.48 Mithin war es das vordergründige Ziel dieses frühen Entwurfs, den öffentlichen Frieden innerhalb der Bevölkerung zu sichern. Auffällig hierbei 45

BT-Drs. I/563 S. 1 ff. Der Text des Entwurfs lautet wie folgt: „Wer öffentlich eine durch ihre Rasse, ihren Glauben oder ihre Weltanschauung gebildete Gruppe von Menschen in Deutschland als solche oder einen ihr angehörenden Einzelnen durch Verletzung der Menschenwürde oder der Menschenrechte angreift, wird wegen Bruch des Rechtsfriedens mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft. Gleiches gilt, wenn sich die Handlung gegen Bräuche der Gruppe oder solche Sachen, die ihren Bräuchen dienen, richtet.“ 46 Vgl. 4. Kapitel, B.I.3.b), danach kann eine Störung des öffentlichen Friedens auch dann vorliegen, wenn die Menschenwürde als solche noch nicht verletzt ist. 47 BT-Drs. I/1307, Entwurfstext S. 13, Begründung S. 43 f. Der Text des Entwurfs lautete wie folgt: „Wegen Volksverhetzung wird mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft, 1. wer gegen eine Bevölkerungsgruppe hetzt, die durch Abstammung, Herkunft, Religion oder Weltanschauung ihrer Mitglieder bestimmt ist, 2. wer eine nicht erweisliche Tatsache behauptet oder verbreitet, die geeignet ist, eine solche Bevölkerungsgruppe verächtlich zu machen, oder 3. wer eine solche Bevölkerungsgruppe beschimpft. Für den Antrag auf Feststellung der Unwahrheit einer Behauptung gilt § 100 Abs. 4 und für die öffentliche Bekanntmachung der Feststellung § 104 Abs. 3 entsprechend.“ 48 BT-Drs. I/1307, S. 43.

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4. Kap.: Das Merkmal des „Aufstachelns“

ist die fehlende Benennung der zu schützenden Rechtsgüter, denn bereits der Entwurf der SPD erwähnte in seinem Wortlaut die „Menschenwürde“ sowie den „Rechtsfrieden“. bb) Das grundsätzliche Ziel des Gesetzgebers Im Grundsatz sollten durch § 130 vorwiegend rechtsextremistische Bestrebungen unterbunden werden. Wahrscheinlich war dieses (nahezu ausschließlich) gegen das rechte politische Lager gerichtete Hauptziel auch der ausschlaggebende Punkt, weshalb dieser Entwurf nicht bereits im Rahmen des ersten Strafrechtsänderungsgesetzes umgesetzt wurde. So wuchs in dieser Zeit die politische Angst vor zunehmenden kommunistischen Aktivitäten in verstärktem Maße. Diese Befürchtungen wurden durch die politischen Ereignisse jener Zeit hervorgerufen, die durch die Gründung zweier deutscher Staaten im Jahr 1949, die Berlin-Krise der Jahre 1948/49, den am 25.06.1950 ausgebrochenen Koreakrieg sowie den sich abzeichnenden „Kalten Krieg“ gekennzeichnet war. Die Besorgnis vor einem möglichen kommunistischen Umsturz veranlasste den Gesetzgeber vordergründig strafrechtliche Vorschriften zu erlassen, die den linken „Verfassungsfeind“ bekämpfen sollten.49 Die Umsetzung des Entwurfs zur Neufassung des § 130 wurde dadurch vernachlässigt. Erst sieben Jahre später wurde am 09. Januar 1957 von der Fraktion der CDU/CSU der Entwurf eines fünften Strafrechtsänderungsgesetzes in den Bundestag eingebracht, der die Neufassung des § 130 wieder aufgriff.50 Dieser Entwurf nennt in Absatz 1, ähnlich wie die heute gültige Fassung, ausschließlich das Schutzgut des „inneren Friedens“ und bezieht dieses sowohl auf Ziffer 1 als auch auf Ziffer 2. Das Rechtsgut der Menschwürde wird in dieser Fassung nicht genannt. Wenn es mitgeschützt werden sollte, wurde dieser Schutz nur mittelbar durch das Rechtsgut des inneren Friedens realisiert. Aber auch dieser Entwurf wurde letztendlich nicht umgesetzt.

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Krone, Volksverhetzung, S. 20; weniger drastisch BT-Drs. III/918, S. 2. BT-Drs. II/3067, Der Text des Entwurfs lautete wie folgt: „(1) Wer in einer den inneren Frieden gefährdenden Weise 1. gegen eine Bevölkerungsgruppe, die durch, Abstammung, Herkunft oder Glauben ihrer Mitglieder bestimmt wird, hetzt oder sie oder eines ihrer Mitglieder wegen seiner Zugehörigkeit zu ihr beschimpft oder 2. vorsätzlich unwahre oder gröblich entstellte Behauptungen tatsächlicher Art aufstellt oder verbreitet, die geeignet sind, eine solche Bevölkerungsgruppe verächtlich zu machen, . . .“. 50

B. Die teleologische Auslegung der Norm

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cc) Der Fall Nieland Das Ende der 50er Jahre war erneut durch einen zunehmenden Antisemitismus gekennzeichnet, wobei der Fall des Holzkaufmanns „Nieland“ besonderes Aufsehen erregte und eine Lücke in dem damaligen Strafrecht offenbarte. In diesem Fall ließ der besagte Holzhändler Nieland ein selbst verfasstes Manuskript in einer Anzahl von 2.000 Stück drucken und sendete es insbesondere Parlamentariern zu.51 Darin stellte er seine Theorie dar, die den Ausbruch des 2. Weltkrieges, den Holocaust u. ä. Ereignisse der deutschen Geschichte einer bestimmter „Clique“ von „international agierenden Juden“ zuschrieb.52 Dieses Manuskript hatte insgesamt den Charakter einer nationalsozialistischen Propagandaschrift und gipfelte in der Forderung, jüdischen Bürgern den Zugang zu leitenden Positionen zu verwehren, um weitere Schäden von Deutschland zu fernzuhalten. Die 1. Strafkammer des Landgerichts Hamburg lehnte die Eröffnung des Hauptverfahrens ab, da der Sachverhalt unter keine Strafnorm subsumiert werden konnte.53 Ebenso wurde die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft54 gegen den Beschluss des Landgerichts als unbegründet verworfen.55 Bereits wenige Tage nach der ablehnenden Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg leitete die Bundesregierung dem Bundesrat im Vorgriff auf die beabsichtige große Strafrechtsreform den Entwurf einer Neufassung des Volksverhetzungsparagraphen zu.56 Dieser Entwurf wurde durch den Rechtsausschuss des Bundestages nach geringfügigen Änderungen im Juni 1959 gebilligt.57 Erstmalig enthielt diese Fassung das Tat51 BGH, JZ 1959, 414, dieses Urteil beschäftigt sich mit der Frage der Rechtmäßigkeit der Einziehung der Exemplare. 52 Ausführliche Darstellung des Sachverhalts: BGH, JZ 1959, 414 f. 53 LG Hamburg, JZ 1959, 176. 54 Die Beschwerde des Leitenden Oberstaatsanwalts sowie deren Begründung: JZ 1959, 176, 176 ff. 55 OLG Hamburg, JZ 1959, 178. 56 Krone, Volksverhetzung, S. 35; BT-Drs. III/918, S. 2, Der Text des Entwurfs lautete wie folgt: „Wer in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise 1. zum Haß gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihr Volkstum bestimmte Gruppe aufstachelt, sie beschimpft oder böswillig verächtlich macht oder 2. wider besseres Wissen verunglimpfende Behauptungen tatsächlicher Art über sie aufstellt oder verbreitet, . . .“ 57 BT-Drs. III/1143, S. 1, Der abgeänderte Text lautete wie folgt: „Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, 1. zum Haß gegen andere aufstachelt, die er als nationale, rassische, religiöse oder durch ihr Volkstum bestimmte Gruppe treffen will,

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4. Kap.: Das Merkmal des „Aufstachelns“

bestandsmerkmal des „Aufstachelns zum Hass“ und ersetzte den früher genutzten Begriff des „Hetzens“. Darüber hinaus wurde in diesem Zusammenhang ausschließlich das Schutzobjekt des öffentlichen Friedens genannt, nicht jedoch die Menschenwürde. Durch die zusätzlichen Änderungen des Rechtsausschusses wurde klargestellt, dass es ausreicht, wenn der Täter in einer Weise handelt, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. Diese Fassung ist daher weiter als diejenige des Kabinetts, da sie gerade nicht das tatsächliche Vorliegen einer Friedensstörung voraussetzt.58 dd) Die Volksverhetzung als privilegium odiosum Der gesetzgeberische Vorschlag verfolgte das vorrangige Ziel, das friedliche Zusammenleben verschiedener Bevölkerungsgruppen in Deutschland zu sichern. Hierbei sollte insbesondere der Schutz der jüdischen Bevölkerungsteile sichergestellt werden. Gegen dieses Hauptziel kamen aber im weiteren Verlauf Bedenken auf. So wurde behauptet, allein durch § 130 könne kein Antisemitismus bekämpft werden,59 auch wurde die Neufassung des § 130 als Privilegierung der jüdischen Mitbürger verstanden, die den Antisemitismus zusätzlich begünstigen könnte (privilegium odiosum).60 Ferner wurde befürchtet, die Fassung sei zu unbestimmt und könne deshalb Art. 5 verletzen;61 aber auch die Abstraktheit des Rechtsguts des öffentlichen Friedens wurde kritisiert.62 Im Ergebnis scheiterte daher auch diese Gesetzesinitiative, da der Bundestag aufgrund der aufgezeigten Bedenken seine Schlussabstimmung aussetzte.63 ee) Die Umsetzung der Gesetzesinitiativen Kurze Zeit nach dem Scheitern dieser Gesetzesinitiative wurde nahezu ganz Europa von einer antisemitischen Welle erfasst. Diese war u. a. durch zahlreiche Beschädigungen jüdischer Einrichtungen gekennzeichnet, wobei insbesondere Synagogen und Friedhöfe im Fokus der Übergriffe standen. In Deutschland setzte die Schändung der Synagoge und des Gedenksteins der 1a. sie beschimpft oder böswillig verächtlich macht oder 2. unverändert . . .“ 58 So auch Schafheutle, JZ 1960, 470, 472. 59 Krone, Volksverhetzung, S. 39 f. 60 Krone, Volksverhetzung, S. 37 f.; Maurach, BT4, § 45 (S. 366); Lömker, Die gefährliche Abwertung, S. 37 ähnlich auch S. 45. 61 Krone, Volksverhetzung, S. 40 f. 62 Krone, Volksverhetzung, S. 41 f. 63 Wehinger, Kollektivbeleidigung, S. 97; Krone, Volksverhetzung, S. 44 f.; Schafheutle, JZ 1960, 470, 471.

B. Die teleologische Auslegung der Norm

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Opfer des Nationalsozialismus in Köln in der Weihnachtsnacht 1959 eine antisemitische Kettenreaktion in Gang.64 In anderen europäischen Ländern führten die dortigen Vorfälle zu Gesetzesinitiativen, die derartige Ausschreitungen, aber auch bereits die rassische oder religiöse Verunglimpfung anderer Bevölkerungsteile bestraften sollten.65 Sogar die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen befasste sich im März 1960 mit dem neu entflammten Antisemitismus in Europa und forderte die Einzelstaaten auf, derartige Ausschreitungen in Zukunft zu unterbinden.66 Aufgrund dieser Ereignisse wurden bereits am 13.67 und am 19. Januar68 1960 Entwürfe zur Änderung des Strafgesetzbuches in den Bundestag eingebracht. Diese beiden Vorschläge, als auch der bereits diskutierte Regierungsentwurf des Volksverhetzungsparagraphen wurde dem Rechtsausschuss zur Überprüfung übersendet. Der Rechtsausschuss setzte sich in seinen Beratungen ausführlich mit den Bedenken auseinander, die zum Scheitern der vorherigen Gesetzesinitiative im Jahre 1959 führten.69 Ferner wurde versucht, die verschiedenen Vorschläge zu einem einheitlichen Ganzen zusammenzufassen. Aufgrund des besonderen öffentlichen (hauptsächlich internationalen) Drucks, aber auch aufgrund der interfraktionellen Zusammenarbeit 64 Schafheutle, JZ 1960, 470, 471; Krone, Volksverhetzung, S. 45 f.; Lömker, Die gefährliche Abwertung, S. 39 ff.; Wehinger, Kollektivbeleidigung, S. 97; Sammlung von Presseberichten zu dieser Tat, DRiZ 1960, 91 f. 65 Schafheutle, JZ 1960, 470, 471; Krone, Volksverhetzung, S. 46, beispielhaft werden hierfür Großbritannien, Schweden und Belgien genannt. 66 Schafheutle, JZ 1960, 470, 471; Krone, Volksverhetzung, S. 46 f. 67 BT-Drs. III/1527, S. 1. Dieser Entwurf geht auf die Bundestagsfraktion der FDP zurück. Danach sollte durch eine Änderung des § 194 eine Einschränkung des Strafantragserfordernisses bei den Beleidigungstatbeständen erzielt werden. Im Fall einer Beleidigung, die gleichzeitig den öffentlichen Frieden gefährdet und bei der die Strafverfolgungsbehörde ein Einschreiten von Amts wegen für geboten erachtet, sollte für die Strafverfolgung nunmehr kein Strafantrag des Geschädigten mehr nötig sein. 68 BT-Drs. III/1551, S. 1. Dieser Entwurf geht auf die Bundestagsfraktion der SPD zurück und sah eine wesentlich umfassendere Änderung des Strafgesetzbuches vor. Zum einen sollte das im Versammlungsgesetz niedergelegte Verbot von Kennzeichen nationalsozialistischer Organisationen in das Strafgesetzbuch übernommen und zusätzlich erweitert werden. Zum anderen sollte bei einer Beschimpfung des Andenkens Verstorbener das Strafantragserfordernis dann entfallen, wenn sich die Tat gegen das Andenken einer Mehrheit von Personen richtete, die einem Verbrechen zum Opfer gefallen waren. Darüber hinaus sollte ebenfalls das Strafantragserfordernis bei den Beleidigungsdelikten entfallen, wenn sich die Beleidigung gegen eine Mehrheit von Personen richtet und sie geeignet war, den öffentlichen Frieden zu gefährden. 69 BT-Drs. III/1143, S. 1 ff.

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4. Kap.: Das Merkmal des „Aufstachelns“

konnte der Rechtsausschuss seinen Vorschlag am 22.03.1960 vorlegen,70 der schließlich durch das Plenum einstimmig angenommen wurde und am 04.08.1960 in Kraft trat.71 Diese Fassung nannte erstmals, neben dem Schutzobjekt des öffentlichen Friedens, auch die Menschenwürde. Um die Einbeziehung des Rechtsgutes der Menschenwürde in diesem Zusammenhang nicht falsch zu verstehen, sind erneut die bis dahin durchgeführten Beratungen zu betrachten. Der Rechtsausschuss des Bundestages begründete seine Entscheidung, auch die Menschenwürde in den Tatbestand mit einzubeziehen, mit der Notwendigkeit der Begrenzung des strafrechtlich relevanten Verhaltens.72 Die Notwendigkeit der Beschränkung des Geltungsbereichs dieser Vorschrift wird unter Berücksichtigung der Zweifel deutlich, welche die Umsetzung der Norm im Jahre 1959 verhinderten. So sollte gerade ein übertriebener Schutz der jüdischen Bevölkerung vermieden werden, um nicht dadurch den unterschwellig vorhandenen Antisemitismus zu fördern.73 Aus demselben Grund wurde in dieser Fassung auch die vorher sehr umstrittene Beschreibung der zu schützenden Bevölkerungsgruppe nicht mehr anhand nationaler, religiöser oder rassischer Merkmale74 begründet, sondern es wurde die neutral klingende Terminologie „Teile der Bevölkerung“ gefunden. Darüber hinaus wurde deutlich hervorgehoben, dass der neu geschaffene § 130 nicht Handlungen erfassen soll, die auf den Angriff der persönlichen Ehre abzielen. Vielmehr war es das vorrangige Ziel, den öffentlichen Frieden zu sichern.75 Der persönliche Ehrschutz des Einzelnen sei ausreichend durch die Beleidigungsdelikte geschützt.76 Hierbei wurde sogar die Gefahr gesehen, dass es bei einem vordergründigen Schutz der Menschenwürde durch § 130 zu ungewollten Überschneidungen mit den Beleidigungsdelikten kommen kann.77

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BT-Drs. III/1143, S. 6, Der Text lautet wie folgt: „Wer in ein Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, die Menschenwürde anderer dadurch angreift, daß er 1. zum Haß gegen Teile der Bevölkerung aufstachelt, 2. zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordert oder 3. sie beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet, . . .“ 71 Verkündet am 04.07.1960 in BGBl S. 478. 72 BT-Drs. III/1746, S. 3. 73 Vgl. 4. Kapitel, B.I.3.c)dd). 74 Zum Text dieses Entwurfs vgl. 4. Kapitel, B.I.3.c)cc) in Fn. 57. 75 BT-Drs. III/1746, S. 3. 76 BT-Drs. III/1746, S. 3; BT-Drs. III/918, S. 3. 77 BT-Drs. III/918, S. 3.

B. Die teleologische Auslegung der Norm

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ff) Resümee Insgesamt war das tragende gesetzgeberische Motiv bei der Neufassung der Volksverhetzung der Schutz des öffentlichen Friedens. Das Rechtsgut der Menschenwürde sollte nur zu einer Limitierung des Tatbestandes führen. Allerdings kann diese gerade nicht durch einen rhetorischen Angriff auf eine ganze Bevölkerungsgruppe verletzt werden.78 Da ein solcher Angriff aber die typische Handlungsweise des „Aufstachelns zum Hass“ ist, war das Merkmal der Menschenwürde an dieser Stelle des Wortlauts nicht zielführend. Vielmehr trat der gegenteilige Fall ein. Das Merkmal der Menschenwürde schränkte den Tatbestand des Absatz 1 Nr. 1 zu stark ein. Insbesondere konnte die einfache Holocaustlüge nicht durch diese Norm sanktioniert werden, da sie durch den mangelnden Individualitätsbezug keinen Angriff auf die Menschenwürde darstellt. Um Strafbarkeitslücken zu vermeiden, waren die Gerichte gezwungen, derartige Handlungsweisen unter die Beleidigungsdelikte zu fassen.79 Diesen Mangel abzustellen, war das Hauptanliegen der Reform des § 130 im Jahre 1994,80 durch welche der Absatz 1 seine noch heute gültige Fassung erhielt. Im Rahmen dieser Neuregelung wurden die Nummern 1 und 2 zusammengefasst. Weiterhin ist nur noch der Schutz des öffentlichen Friedens allen in Absatz 1 genannten Ziffern übergeordnet. Die Menschenwürde wird nunmehr ausschließlich in Nummer 2 genannt.

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Vgl. 4. Kapitel, B.I.3.a). BGH, NStZ 1981, 258; NJW 1982, 1545; NJW 1994, 1421 f.; BVerfG, NJW 1994, 1779, 1781. Das BVerfG lässt hierbei die Frage des § 130 offen. Der Eingriff in die Meinungsfreiheit durch das Verbot der Auschwitzlüge sei durch § 185 gerechtfertigt, so dass es auf die Anwendbarkeit des § 130 nicht mehr ankomme. Anders BGH, NStZ 1994, 140. Dieser Fall behandelt die sog. qualifizierte Auschwitzlüge. Bei dieser wird die Holocaustleugnung mit einem Erpressungsversuch seitens der jüdischen Bevölkerungsteile dargestellt. Hierbei sei eine Subsumtion unter § 130 möglich. 80 BT-Drs. XII/8411, S. 6; BT-Drs. XII/6853, S. 24; BT-Drs. XII/7960, S. 6; Schönke/Schröder/Lenckner/Sternberg-Lieben, § 130 Rn. 1a; Beisel, NJW 1995, 997 f. Der entscheidende Punkt für die Neufassung von § 130 Abs. 1 war das „Deckert-Urteil“ des BGH (NJW 1994, 1421), welches heftig kritisiert wurde, sich aber im Einklang mit der bis dahin gefestigten Rechtsprechung befand, wonach die einfache Auschwitzlüge gerade keinen Fall des § 130 darstellte, sondern nur unter § 185 gefasst wurde. Kritische Stimmen in der Literatur zu dem Deckert-Urteil: Bertram NJW 1994, 2002 f.; 2397, 2398; eher eine politische Stellungnahme: Sendler, ZRP 1994, 377 ff. 79

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4. Kap.: Das Merkmal des „Aufstachelns“

Nach der aktuellen Fassung des Wortlauts ist das primäre Schutzobjekt des Absatzes 1 Nr. 1 der öffentliche Frieden.81 Die späteren Reformen des § 130 in den Jahren 2002 und 2004 ließen Absatz 1 unangetastet. 4. Ergebnis Durch die aufgezeigte Erörterung wurde untersucht, welches das von § 130 Absatz 1 maßgeblich geschützte Rechtsgut ist. In Literatur und Rechtsprechung herrscht diesbezüglich Uneinigkeit, bei der sich die zwei dargestellten Extrempositionen gegenüberstehen. Auch durch die Neufassung des § 130 Abs. 1 hat sich dieser Streit nicht erledigt.82 Nach m. A. kann der primäre Schutzzweck des Absatz 1 Nr. 1 nicht in der Menschenwürde der angegriffenen Bevölkerungsteile gesehen werden. Für diese Sichtweise spricht in systematischer Hinsicht die Stellung der Norm gerade im siebenten Abschnitt des StGB, der den Schutz der öffentlichen Ordnung zum Inhalt hat.83 Darüber hinaus ist eine Verletzung des Individualrechtsguts der Menschenwürde nicht durch ein „Aufstacheln zum Hass“ möglich, denn ein Angriff gegen die Menschenwürde liegt nur dann vor, wenn durch die Tathandlung eine individuell konkretisierte Person angegriffen wird. Dem Gesetzestext zufolge muss sich das „Aufstacheln zum Hass“ aber „gegen Teile der Bevölkerung“ richten. Ein Angriff gegen eine individualisierte Person ist bereits nach dem Wortlaut des Absatz 1 Nr. 1 ausgeschlossen.84 Ferner konnte durch die Betrachtung der Genese der Norm die Intention des Gesetzgebers herausgestellt werden. Dieser wollte durch die Neufassung des § 130 im Jahre 1960 das friedliche Zusammenleben innerhalb der Gesellschaft sicherstellen. Durch die Verletzung der Menschenwürde einer einzelnen Person geht aber gerade keine Gefahr für das übergeordnete Rechtsgut des öffentlichen Friedens aus. Trotz dieser von dem Gesetzgeber verfolgten Absicht wurde die Menschenwürde in die Gesetzesfassung von 1960 mit einbezogen. Jedoch sollte dadurch lediglich eine Begrenzung vorgenommen werden, um nicht jeden (kleineren) Verstoß gegen den öffentlichen Frieden, der im Wege des „Auf81 Trotz des nunmehr relativ eindeutigen Wortlauts, wurde der aufgeführten Diskussion der Boden nicht entzogen. So auch: LK/Krauß § 130 Rn. 7. 82 So auch LK/Krauß § 130 Rn. 7 f. Nach Frommel (in: KJ 1995, 402, 409) müsse die Menschenwürde in Absatz 1 Nr. 1 nicht ausdrücklich genannt werden. Diese sei vielmehr immer verletzt, wenn durch die Tathandlung des Aufstachelns zum Hass der öffentliche Frieden gefährdet wird. 83 Vgl. 4. Kapitel, B.I.3.b). 84 Vgl. 4. Kapitel, B.I.3.a).

B. Die teleologische Auslegung der Norm

235

stachelns zum Hass“ stattfindet, unter den Tatbestand des § 130 fallen zu lassen.85 Die weitere gesellschaftliche Entwicklung verdeutlichte, dass eine derartige Limitierung kontraproduktiv war. Zum einen ist es kaum möglich, durch ein „Aufstacheln zum Hass“, dass sich gegen Teile der Bevölkerung richtet, die individuelle Menschenwürde eines Einzelnen zu verletzen. Zum anderen führte diese Einschränkung zu rechtspolitisch untragbaren Ergebnissen.86 Daher korrigierte der Gesetzgeber diesen unbefriedigenden Zustand durch die Reform des § 130 im Jahre 1994, indem das Merkmal der Menschenwürde auf Absatz 1 Nr. 2 beschränkt wurde. Mithilfe der aufgezeigten Analyse wurde dargestellt, dass das von § 130 primär geschützte Rechtsgut der öffentliche Frieden ist.87 Durch dieses Rechtsgut wird das allgemeine Gefühl der Bevölkerung geschützt, in Rechtssicherheit und einer funktionierenden Rechtsordnung zu leben.88 Aber nicht nur das Gefühl der Bevölkerung ist entscheidend, sondern auch der objektive Zustand eines bestehenden gegenwärtigen Friedens.89 Der öffentliche Frieden in § 130 ist insoweit weitestgehend identisch mit dem von § 111 beschriebenen Rechtsgut des inneren Gemeinschaftsfriedens. Durch den Schutz des öffentlichen Friedens findet sicherlich ein nicht abzusprechender Schutz der Menschenwürde in mittelbarer Weise statt, da dieses Rechtsgut die Rahmenbedingungen setzt, unter denen es dem Einzelnen möglich ist, seine persönliche Würde zu entwickeln.90

II. Die Deliktsnatur des § 130 Abs. 1 Um das Merkmal „Aufstacheln zum Hass“ korrekt definieren zu können, ist die Deliktsnatur des § 130 Abs. 1 zu hinterfragen. Nur wenn die Art der Gefährdung des geschützten Rechtsguts des öffentlichen Friedens feststeht, 85

Zu der gesetzgeberischen Intention der Begrenzung des Tatbestands vgl. 4. Kapitel, B.I.3.c)ee). 86 Vgl. 4. Kapitel, B.I.3.c)ff). 87 BT-Drs. III/1746, S. 3 f.; OLG München, NJW 1985, 2430, 2431; OLG Stuttgart, Die Justiz, 1992, 186; OLG Celle, JR 1988, 79; Lohse, NJW 1985, 1677, 1678; LK/Krauß, § 130 Rn. 6 u. 8; Schönke/Schröder/Lenckner/Sternberg-Lieben, § 130 Rn. 1a; MüKo/Miebach/Schäfer, § 130 Rn. 2; Wandres, Strafbarkeit des AuschwitzLeugnens, S. 213 f.; zur Altfassung des § 130: Weil, Klassenkampf, S. 10 ff. 88 BGHSt 16, 49, 56; 29, 26 f.; MüKo/Miebach/Schäfer, § 130 Rn. 16; LK/ Krauß, § 130 Rn. 6; Schönke/Schröder/Lenckner/Sternberg-Lieben, § 130 Rn. 10; Lömker, Die gefährliche Abwertung, S. 184; von der Horst, ZUM 1993, 508, 511; so auch Weil zu § 130 a. F. Weil, Aufreizung, S. 10 ff. 89 Lömker, Die gefährliche Abwertung, S. 184 f. 90 Nachweise hierzu vgl. 4. Kapitel, B.I.3.b) in Fn. 39.

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4. Kap.: Das Merkmal des „Aufstachelns“

kann die Tathandlung entsprechend untersucht werden. Auch bei der Einordnung der Deliktsnatur des § 130 herrscht ein intensiver Theorienstreit, in dem die folgenden Positionen vertreten werden: 1. Konkretes Gefährdungsdelikt Eine Ansicht in der Literatur sieht Delikte, die sich gegen den öffentlichen Frieden richten bzw. das Merkmal der „Geeignetheit“ einer bestimmten Rechtsgutsverletzung beinhalten, als konkrete Gefährdungsdelikte an.91 Konsequenterweise müssen die Vertreter dieser Lehre auch bei § 130 Abs. 1 zu diesem Ergebnis kommen. Die Begründungsansätze für diese Auffassung sind sehr vielfältig. Frommel argumentiert mit der Intensität, der von dem Tatbestand beschriebenen Handlung in Abhängigkeit zu dem Rechtsgut des öffentlichen Friedens. Das Gesetz impliziere vielmehr immer dann ein konkretes Gefährdungsdelikt, wenn die Handlung so gravierend ist, dass sie die tatbestandliche Umschreibung erfüllt und darüber hinaus geeignet ist, den „öffentlichen Frieden“ zu stören.92 Mit einer ähnlichen Argumentation fordert auch Weil die Einstufung des § 130 a. F. als konkretes Gefährdungsdelikt. Nach diesem komme durch das Merkmal der Anreizung zu Gewalttätigkeiten zum Ausdruck, dass durch den Täter die nahe Möglichkeit geschaffen wurde, den öffentlichen Friedenszustand zu stören.93 Gallas kommt ebenfalls dazu, den § 130 als ein konkretes Gefährdungsdelikt zu definieren. Zu diesem Ergebnis gelangt er, indem er den Gedankten in den Mittelpunkt seiner Betrachtung stellt, nur die Gefährdung eines individuell konkretisierten Rechtsguts könne eine konkrete Gefahr begründen.94 Nach Gallas werde durch den „öffentlichen Frieden“ keine überindividuelle Rechtsgutsart, sondern vielmehr die Verletzung eines individuellen Rechtsguts beschrieben. Er sieht in der Nennung des öffentlichen Friedens in § 130 Abs. 1 nur die tatbestandliche Aufzählung der geschützten Rechtsgutsart, die im Vergleich dazu im Rahmen der Körperverletzungsdelikte mit 91

Ausdrücklich zu § 130: Frommel, KJ 1995, 402, 409; Gallas, FS f. Heinitz 1972, 171, 182 f.; Schmidhäuser, BT, 12/5; Lohse, NJW 1971, 1245, 1247 (anders aber in NJW 1985, 1677, 1679); zu § 130 a. F. Weil, Aufreizung, S. 65 ff.; zu § 166: Zipf, NJW 1969, 1944, 1944; Sieghart, NStZ 1986, 365, 366; so wohl auch Rudolphi zu § 140 in: ZRP 1979, 214, 220. 92 Frommel, KJ 1995, 402, 408. 93 Weil, Aufreizung, S. 65 ff., insb. S. 67. 94 Gallas, FS f. Heinitz 1972, 171, 181 f.; so auch: Hoyer, Eignungsdelikte, S. 136; Fischer, GA 1989 [136], 445, 453; Ostendorf, JuS 1982, 426, 428.

B. Die teleologische Auslegung der Norm

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der „menschlichen Gesundheit“ umschrieben wird. Konkretisiere sich eine Körperverletzungshandlung, dann komme es erst dann zur Verletzung der individuellen Gesundheit. Ähnlich sei es bei der Störung des öffentlichen Friedens. § 130 bestrafe also nicht die generelle Gefährlichkeit einer Handlung, sondern die von den besonderen Tatumständen abhängige konkrete Gefährdung des öffentlichen Friedens. Der Wortlaut „. . . in einer Weise . . ., die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören“ bedeute danach das Gleiche wie „. . . in einer Weise . . ., die den öffentlichen Frieden gefährdet“.95 Zipf hingegen argumentiert mit der Auslegung des Merkmals „. . . geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören . . .“. Dieses Tatbestandsmerkmal könne immer nur dann erfüllt sein, wenn eine Untersuchung der näheren tatsächlichen Umstände eine konkrete Friedensstörung ergebe. Ist diese zu verneinen, so müsse die Tatbestandsmäßigkeit entfallen.96 2. Abstraktes Gefährdungsdelikt Die dazu im Gegensatz stehende Auffassung stuft die Delikte, die sich gegen den öffentlichen Frieden richten, als abstrakte Gefährdungsdelikte ein.97 Die Vertreter dieser Auffassung argumentieren vorrangig mit dem Wortlaut der Norm. Durch die Formulierung „. . . geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören . . .“ werde klargestellt, dass eine Friedensstörung gerade noch nicht eingetreten zu sein braucht, um die Strafbarkeit zu begründen. Es genüge vielmehr, wenn durch die Tathandlung ein Angriff stattfindet, der geeignet ist, den Friedenszustand als solchen oder das Vertrauen der Bevölkerung in dessen Fortdauer zu erschüttern.98 Der Wortlaut zwinge also zur Annahme, dass der Gesetzgeber die entsprechende Art und Weise der jeweiligen Äußerung bestrafen wolle und der entsprechende Erfolg gerade nicht aus der Äußerung erwachsen muss.99 95

Gallas, FS f. Heinitz 1972, 171, 182. Zu § 166: Zipf, ZRP 1969, 1944. 97 Ausdrücklich zu § 130: NK/Ostendorf, § 130 Rn. 5; Matt/Renzikowski/Altenhain, § 130 Rn. 4; SK/Rudolphi/Stein64, § 130 Rn. 1 f.; Fischer, GA 1989 [136], 445, 453, 463 u. 466; Hoyer, Eignungsdelikte, S. 135 ff.; Junge, Das Schutzgut des § 130, S. 78 ff.; Streng, FS f. Lackner 1987, 501, 513; Lohse, NJW 1985, 1677, 1679 (anders aber in NJW 1971, 1245, 1247); Lömker, Die gefährliche Abwertung, S. 203 ff.; Otto, BT, § 63 Rn. 28; zu § 140: Rogall, GA 1979 [126], 11, 23 u. 26. 98 Otto, BT, § 63 Rn. 24; Lohse, NJW 1985, 1677, 1679; Junge, Das Schutzgut des § 130, S. 76 f.; so auch bereits RGSt 34, 268, 269; 71, 248, 249; zur Altfassung des § 130: Weil, Klassenkampf, S. 20 f. 99 Hoyer, Eignungsdelikte, S. 138. 96

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4. Kap.: Das Merkmal des „Aufstachelns“

Insbesondere Fischer100 aber im Ergebnis wohl auch Lömker101 begründen den abstrakten Gefährdungscharakter des § 130 durch ein Ausschlussverfahren. Indem sie dessen konkreten Gefährdungscharakter ablehnen, stufen sie diese Norm in der Konsequenz als abstraktes Gefährdungsdelikt ein. Danach liege das Wesen der konkreten Gefährdungsdelikte in ihrem Erfolgscharakter begründet. Der Eintritt der konkreten Gefahr setze die effektive Betroffenheit eines individuell in Mitleidenschaft gezogenen Objektes voraus.102 Der öffentliche Frieden sei aber, entgegen der Auffassung von Gallas, nicht als Individualrechtsgut zu definieren,103 daher könne es sich bei § 130 Abs. 1 Nr. 1 nur um ein abstraktes Gefährdungsdelikt handeln. 3. Potentielles Gefährdungsdelikt Eine nach eigener Definition zwischen diesen beiden Positionen liegende Meinung wird insbesondere von der Rechtsprechung vertreten, wonach § 130 als potentielles Gefährdungsdelikt eingestuft wird.104 Diese Auffassung stellt ebenfalls den Gesetzeswortlaut in den Ausgangspunkt ihrer Betrachtung. Danach müsse die Handlung grundsätzlich „nur“ geeignet sein, den öffentlichen Frieden zu stören, d. h. eine tatsächliche Gefährdung dieses Rechtsguts wird nicht voraus gesetzt.105 Jedoch habe eine 100 Fischer, GA 1989 [136], 445, 453. Für Fischer kommt es für die Klassifizierung als abstraktes Gefährdungsdelikt weniger auf die „Eignung“ der Handlung zur Friedensstörung an, sondern vielmehr auf die fehlende Individualisierung des Angriffsobjekts durch den Täter. In FS f. Puppe 2011 (1119, 1132) neigt er dazu die Friedensstörungsdelikte in kritischer Würdigung als potentielle Gefährdungsdelikte einzustufen. Jedoch sei es sinnvoller auf die relativ unbestimmte Friedensschutzklausel zu verzichten und diese Delikte in abstrakte Gefährdungsdelikte umzuwandeln, vgl. wie vor S. 1141. 101 Lömker, Die gefährliche Abwertung, S. 196 ff.; Lömker lässt in seine Betrachtung zusätzlich eine Vielzahl historischer Elemente mit einfließen. 102 Hoyer, Eignungsdelikte, S. 136; Fischer, GA 1989 [136], 445, 453; Ostendorf, JuS 1982, 426, 428. 103 Fischer, GA 1989 [136], 445, 453; Lömker, Die gefährliche Abwertung, S. 196 ff.; Junge, Das Schutzgut des § 130, S. 77. 104 BGHSt 16, 49, 56 f.; 29, 26 f.; 34, 329, 331 f.; OLG Köln, NJW 1981, 1280, 1281; OLG Koblenz, MDR 1977, 334 f.; StV 1985, 15, 16; OLG Hamburg, NJW 1975, 1088, 1089; MDR 1981, 71; OLG Celle, NJW 1970, 2257; AG Linz, NStZ-RR 1996, 358, 359; Giehring, StV 1985, 30, 35; Wagner, JR 1980, 120, 121; zu § 140: BGH, NJW 1978, 59 f.; zu § 126: Stree, NJW 1976, 1177, 1180; zu § 166: OLG Köln, NJW 1982, 657; OLG Karlsruhe, NStZ 1986, 363, 365; nunmehr auch Fischer, FS f. Puppe 2011, 1119, 1132 ff. 105 BGHSt 16, 49, 56 f.; 29, 26 f.; OLG Köln, NJW 1981, 1280, 1281; OLG Celle, NJW 1970, 2257; OLG Hamburg, MDR 1981, 71; AG Linz, NStZ-RR 1996, 358, 359; zu § 166: OLG Köln, NJW 1982, 657.

B. Die teleologische Auslegung der Norm

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Konkretisierung zu erfolgen, indem die näheren Begleitumstände der Tat in die Betrachtung mit einbezogen werden.106 Im Ergebnis genüge für die Eignung, den öffentlichen Frieden zu stören, eine begründete Besorgnis, es werde zu einer Störung dieses Rechtsgutes kommen.107 Diese öffentliche Friedensstörung schlage sich in zweifacher Weise nieder. Zum einen werde dadurch das Vertrauen der Bevölkerung in die Rechtssicherheit erschüttert und zum anderen werde durch die Tathandlung ein psychisches Klima geschaffen, welches den Eindruck vermittle, Exzesse gegenüber der angegriffenen Bevölkerungsgruppe würden gedeihen. Auf diese Weise komme es zu einer gefährlichen Ermutigung von potentiellen Tätern.108 Bei genauerer Betrachtung stellt sich diese Einstufung gerade nicht als zwischen den abstrakten und den konkreten Gefährdungsdelikten stehend dar, sondern vielmehr als eine Untergruppe der abstrakten Gefährdungsdelikte.109 So gehen auch die Vertreter der potentiellen Gefährdungsdelikte von dem Gesetzeswortlaut aus und fordern ebenfalls nur eine abstrakte Gefährdung des öffentlichen Friedens, indem sie behaupten, die Friedensstörung müsse gerade noch nicht tatsächlich eingetreten sein. Um die Weitläufigkeit dieser Formulierung einzugrenzen, fordern sie in einem zweiten Schritt eine „Teilkonkretisierung“. Diese dient in rechtlicher Hinsicht insbesondere dazu, dem Schuldprinzip Rechnung zu tragen.110 Damit wird die nur schwer definierbare Weitläufigkeit der abstrakten Gefährdungsdelikte greifbarer gestaltet und es gelingt verfassungskonforme Ergebnisse zu erzielen. Da es aber im Ergebnis gerade noch nicht zu einer konkreten Friedensstörung gekommen sein muss, stellt sich diese Auffassung ebenfalls nur als eine näher definierte Form der abstrakten Gefährdungsdelikte dar. 106 BGHSt 29, 26 f.; 34, 329, 331 f.; OLG Celle, NJW 1970, 2257; OLG Hamburg, MDR 1971, 71; OLG Koblenz, MDR 1977, 334; AG Linz, NStZ-RR 1996, 358, 359; zu § 166: OLG Karlsruhe, NStZ 1986, 363, 365; OLG Köln, NJW 1982, 657; OVG Koblenz, NJW 1997, 1174, 1175. 107 BGHSt 16, 49, 56; 29, 26 f.; 34, 329, 332; OLG Hamburg, MDR 1981, 71; OLG Koblenz, MDR 1977, 334, 335; AG Linz, NStZ-RR, 1996, 358, 359; Stree, NJW 1976, 1177, 1180; Giehring, StV, 1985, 30, 35; Lohse, NJW 1985, 1677, 1679; zu § 166: OLG Karlsruhe, NStZ 1986, 363, 365; OVG Köln, NJW 1982, 657; zu § 140: BGH, NJW 1978, 58, 59; OGL Braunschweig, NJW 1978, 2044, 2046; Laufhütte, MDR 1976, 441, 445; zu § 126: Schönke/Schröder/Lenckner/ Sternberg-Lieben, § 126 Rn. 9. 108 BGHSt 34, 329, 332; BGH, NJW 1978, 58, 59; OLG Hamburg, MDR 1981, 71; NJW 1975, 1088, 1089; Giehring, StV 1985, 30, 35. 109 So auch: Ostendorf, JuS 1982, 426, 433; Wandres, Strafbarkeit des AuschwitzLeugnens, S. 225 f. 110 Zu der Problematik der Vereinbarkeit der abstrakten Gefährdungsdelikte mit dem Schuldprinzip vgl. Bohnert, JuS 1984, 182, 183 f.

240

4. Kap.: Das Merkmal des „Aufstachelns“

4. Konkretes Gefährlichkeitsdelikt Nach der Auffassung von Hirsch111 und Zieschang112 handelt es sich bei § 130 Abs. 1 um ein konkretes Gefährlichkeitsdelikt. Dieser Theorie liegt die Unterscheidung zwischen Gefahr und Gefährlichkeit zugrunde, wobei Zieschang die auf Hirsch zurückgehende Differenzierung heranzieht.113 Demnach sei Gefahr allein der Zustand, in dem sich ein bestimmtes Rechtsgut befindet.114 Dagegen sei unter dem Begriff der Gefährlichkeit, die Herbeiführung der Gefahrenlage für das entsprechende Rechtsgut zu subsumieren.115 Unter Gefahr sei also stets die zustandsbezogene und unter Gefährlichkeit stets die handlungsbezogene Terminologie zu verstehen.116 Im Ergebnis zu dieser Ansicht seien nur die konkreten Gefährdungsdelikte als echte Gefährdungsdelikte anzusehen, da sich ausschließlich diese auf den Handlungserfolg beziehen.117 Zieschang ist ferner der Ansicht, die Tathandlung „Aufstachen zum Hass“ in § 130 dürfe nicht nur als abstrakt gefährlich angesehen werden, sondern es müssten auch die jeweiligen Einzelfallumstände beachtet werden. Nur durch die Einbeziehung von diesen könne die jeweilige Gefährlichkeit der Handlung bestimmt werden. Die Notwendigkeit der näheren Konkretisierung sei aus der Formulierung „. . . in einer Weise . . .“ zu entnehmen.118 Im Ergebnis kommen damit Hirsch und Zieschang zu dem Schluss, § 130 bestrafe ein konkret gefährliches Verhalten. Dabei sei die Handlung hinreichend konkretisiert, wenn man aus der Sicht (ex ante) eines objektiven Betrachters unter Berücksichtigung der konkreten Umstände zu dem Ergebnis gelangen würde, dass durch das „Aufstacheln zum Hass“ eine Störung des öffentlichen Friedens möglich sei.119

111

Hirsch, FS f. Kaufmann 1993, 545, 562. Zieschang, Die Gefährdungsdelikte, S. 279 f. 113 Zieschang, Die Gefährdungsdelikte, S. 53 ff. mit Verweis auf Hirsch, FS f. Kaufmann 1993, 545 ff. 114 Hirsch, FS f. Kaufmann 1993, 545, 549. 115 Hirsch, FS f. Kaufmann 1993, 545, 550. 116 Hirsch, FS f. Kaufmann 1993, 545, 550 f. und 558. 117 Hirsch, FS f. Kaufmann 1993, 545, 550. 118 Zieschang, Die Gefährdungsdelikte, S. 280 f. 119 Zieschang, Die Gefährdungsdelikte, S. 281. 112

B. Die teleologische Auslegung der Norm

241

5. Streitentscheidung Für die korrekte Einstufung der Deliktsnatur des § 130 ist zunächst zu untersuchen, welches Vollzugsstadium der Gesetzgeber mit dem Wortlaut normieren wollte.120 Der Gesetzestext des § 130 spricht sowohl in Absatz 1 als auch in 2 von einem „Aufstacheln zum Hass“. Diese Formulierung liegt in der Zeitform des Präsens vor und gibt so einen ersten Hinweis auf die Intention des Gesetzgebers, dass er den Vollzug der tatbestandlichen Handlung bestrafen wollte. Dieses Ergebnis wird untermauert, indem der Gesetzestext zusätzlich die Geeignetheit der Handlung hervorhebt. In sprachlicher Hinsicht ist die „Geeignetheit“ einer Handlung nicht mit ihrem Ergebnis gleichzusetzen. Es wird lediglich die Tauglichkeit vorausgesetzt, um einen bestimmten Erfolg herbeizuführen. Den Vertretern, welche § 130 als abstraktes Gefährdungsdelikt einstufen, ist insoweit zuzustimmen.121 Der Argumentation von Frommel ist nicht zu folgen. Nach diesem ist § 130 als konkretes Gefährdungsdelikt einzustufen, weil bei der Erfüllung der Tathandlung und einer zusätzlichen Geeignetheit der Störung des öffentlichen Friedens immer eine konkrete Gefährdung eintrete.122 Diese These ähnelt dem von Zipf und Weil aufgezeigten Standpunkt. Nach diesen könne eine Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens immer nur dann vorliegen, wenn die Untersuchung der tatsächlichen Umstände eine konkrete Friedensgefährdung begründet.123 Sowohl Frommel als auch Zipf und Weil versuchen das Merkmal der Geeignetheit der Friedensstörung in ihre Argumentation zu integrieren. Durch dieses zusätzliche Tatbestandmerkmal wird aber lediglich die Modalität der entsprechenden Tathandlung definiert.124 Ob sich im Anschluss an diese Handlung auch der entsprechende Erfolg (also die konkrete Friedensstörung) realisiert, wird durch das Wort der Geeignetheit sprachlich nicht transportiert und bleibt daher offen. Denn gerade die Unsicherheit der Realisierung des möglichen Erfolgseintritts bei einer grundsätzlich gefährlichen Handlung stellt das typische Unrecht der abstrakten Gefährdungsdelikte dar.125 120 In sprachwissenschaftlicher Sicht wird zwischen dem Handlungsergebnis und dem Handlungsziel unterschieden. Zur sprachwissenschaftlichen Definition des Vollzugsstadiums vgl. 3. Kapitel, A.I.3.a). 121 Vgl. 4. Kapitel, B.II.2. 122 Vgl. 4. Kapitel, B.II.1. 123 Vgl. 4. Kapitel, B.II.1. 124 So auch Lömker, Die gefährliche Abwertung, S. 192; Zieschang, Die Gefährdungsdelikte, S. 279.

242

4. Kap.: Das Merkmal des „Aufstachelns“

Durch das Wort der Geeignetheit soll mithin „nur“ verdeutlicht werden, dass es sich dabei um eine gefährliche Verhaltensweise handeln muss, damit eine Erheblichkeitsschwelle für die Strafbarkeit der jeweiligen Tathandlung gezogen und damit ein Konflikt mit dem Schuldprinzip vermieden wird. Auch die von Gallas aufgezeigte Begründung, § 130 als konkretes Gefährdungsdelikt einzustufen, ist nicht zielführend. Nach diesem sei der öffentliche Friede als individuelles Rechtsgut zu verstehen, wodurch es auch möglich sei, dieses konkret zu gefährden.126 Im Kern spiegelt die Auffassung von Gallas den bereits dargestellten Streitpunkt um das Rechtsgut des § 130 in anderer Gestalt wider. Auch die Literaturstimmen, die die Menschenwürde als Schutzgut des § 130 ansehen, vertreten die Auffassung, durch Absatz 1 Nr. 1 werde ein individuelles Rechtsgut geschützt.127 Mit den ähnlichen Argumenten ist daher auch die Auffassung von Gallas abzulehnen. In systematischer Hinsicht kann es sich bei dem öffentlichen Frieden gerade nicht um ein Individualrechtsgut handeln, da § 130 im siebenten Abschnitt des StGB angesiedelt ist, der den Schutz der öffentlichen Ordnung, also eines überindividuellen Rechtsguts zum Inhalt hat. Ferner wird der öffentliche Frieden gemeinhin als das allgemeine Gefühl der Bevölkerung in Rechtssicherheit und einer funktionierenden Rechtsordnung zu leben definiert.128 Auf den individuellen Rechtsschutz des Einzelnen kommt es daher nicht primär an, vielmehr soll das friedliche Zusammenleben, das Funktionieren des gesellschaftlichen Lebens und der Rechtsordnung sichergestellt werden. Insoweit weist das Rechtsgut des öffentlichen Friedens auch nur in mittelbarer Weise einen individuellen Rechtsschutz auf. Wie es auch für die Menschenwürde bereits festgestellt wurde, setzt der öffentliche Frieden nur die Rahmenbedingungen, die notwendig sind, um die individuellen Rechte des Einzelnen zu sichern. Gegen die von Hirsch und Zieschang vorgenommene Einordnung des § 130 als konkretes Gefährlichkeitsdelikt spricht die fehlende Notwendigkeit einer solchen weitergehenden Differenzierung. 125 So auch Schröder, ZStW 1969 [81], 7, 14; ders., JZ 1967, 522, 522; Ostendorf, JuS, 1982, 426, 429. Nach Ostendorf sind die abstrakten Gefährdungsdelikte reine Tätigkeitsdelikte. 126 Vgl. 4. Kapitel, B.II.1. 127 Vgl. 4. Kapitel, B.I.1. 128 BGHSt 16, 49, 56; 29, 26, 26 f.; MüKo/Miebach/Schäfer, § 130 Rn. 16; LK/ Krauß, § 130 Rn. 3; Schönke/Schröder/Lenckner/Sternberg-Lieben, § 130 Rn. 10.

B. Die teleologische Auslegung der Norm

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Die fortführende Unterscheidung in Gefährdungs- und Gefährlichkeitsdelikte ist nachvollziehbar. Insbesondere kommt es dadurch bereits zu einer sprachlichen Differenzierung zwischen der Gefährlichkeit der Handlung und der des Erfolgs. Jedoch ist diese weitergehende Terminologie nicht notwendig, um die bestehenden Delikte des StGB zu kategorisieren. Delikte, die ausschließlich ein Verhalten bestrafen, von dem eine derartig hohe Gefahr ausgeht, dass es sich jederzeit in einer konkreten Rechtsgutsverletzung niederschlagen kann, werden als abstrakte Gefährdungsdelikte bezeichnet.129 Nur um die Teilkonkretisierung einer abstrakt gefährlichen Handlung auch sprachlich erfassen zu können (konkrete Gefährlichkeitsdelikte), ist eine weitergehende Kategorisierung nicht erforderlich.130 Durch die Verwirklichung der Tathandlung des Aufstachelns zum Hass und deren Eignung zur Störung des nichtindividualisierbaren Rechtsguts, des öffentlichen Friedens, wird eine abstrakt gefährliche Handlungsweise bestraft. Gekennzeichnet ist diese durch die grundsätzliche Gefährlichkeit der Handlung, die sich stets in dem Erfolg, d. h. der Schädigung des Rechtsguts niederschlagen kann, wobei sich dieses der Kontrolle des Täters entzieht. Im Ergebnis handelt es sich daher bei § 130 Abs. 1 um ein abstraktes Gefährdungsdelikt.

III. Ergebnis Durch die teleologische Auslegung des § 130 konnte das geschützte Rechtsgut des Absatz 1 Nr. 1 sowie die Deliktsnatur dieser Norm ermittelt werden. Das geschützte Rechtsgut ist trotz der Neufassung des Wortlauts im Jahre 1994 noch immer sehr umstritten. Dieser Streit hat seine Wurzeln in der Nachkriegszeit und ist daher stark politisch motiviert. In dieser Phase war Deutschland sehr darauf bedacht, seinen Ruf in der Welt wieder herzustellen und konnte sich die Duldung rassistisch motivierter Straftaten nicht leisten. Durch die Erörterung des langwierigen Gesetzgebungsverfahrens, welches letztendlich zu der Neufassung des § 130 im Jahre 1960 führte, konnten die rechtspolitischen Motive näher beleuchtet werden. Da diese Vorschrift insbesondere das friedliche Zusammenleben innerhalb der deut129 Schröder, ZStW 1969 [81], 7, 14; ders., JZ 1967, 522, 522; Weber, Beiheft ZStW 1987, 1, 21; Ostendorf, JuS, 1982, 426, 429. Nach Ostendorf sind die abstrakten Gefährdungsdelikte reine Tätigkeitsdelikte. 130 Im Ergebnis so auch Ostendorf (JuS 1982, 426, 427). Dieser lehnt grundsätzlich „Zwittergebilde“ in der Deliktskategorisierung ab.

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4. Kap.: Das Merkmal des „Aufstachelns“

schen Bevölkerung sichern sollte, war und ist der Schutz von Individualinteressen nicht das vorrangige Ziel des § 130. Diese Vorschrift wurde geschaffen, um das überindividuelle Rechtsgut des öffentlichen Friedens zu sichern.

C. Das Merkmal des „Aufstachelns zum Hass“ I. Historie und heutige Definition Das Tatbestandsmerkmal Aufstacheln zum Hass wurde erst durch die Neufassung der Vorschrift im Jahre 1960 in deren Wortlaut aufgenommen. Der bis dahin geltende Klassenkampfparagraph enthielt das Merkmal des „Anreizens“.131 Darunter wurde eine mittelbare Beeinflussung des Willens anderer verstanden, eine Einwirkung auf Sinne und Leidenschaften, die einen Reiz zum Handeln weckt und den Angereizten kraft eigenen Entschlusses zum Handeln bringen soll.132 In einem der ersten Gesetzesentwürfe zur Neufassung des § 130 im Jahre 1950 wurde das „Anreizen“ durch das Wort des „Hetzens“ ersetzt.133 Dabei sollte es allerdings zu keiner Abweichung von der bisherigen Definition des „Anreizens“ kommen. Die damalige Bundesregierung, auf die dieser erste Entwurf zurückgeht, sah die beiden Begriffe in ihrer rechtlichen Bedeutung als Synonyme an.134 Die Wahl dieser neuen Terminologie geht auf die damals neu geschaffene schwedische Norm zurück, an der sich der damalige Gesetzgeber orientierte und die die amtliche Überschrift der „Volksgruppenhetze“ trug.135 Da es bereits in dieser Zeit vermehrt zu antisemitischen Straftaten kam,136 konnte es sich Deutschland nicht leisten, im Schutz von nationalen Minderheiten hinter dem Standard anderer europäischer Staaten zurück zu stehen. Die besondere Orientierung an den gesetzgeberischen Vorhaben anderer Staaten ist deshalb nicht verwunderlich. In sprachlicher Hinsicht wird durch die Verwendung des Wortes Aufhetzen stärker deutlich, dass es dem Gesetzgeber um die Bestrafung der Verursachung von negativen Emotionen ging, da diese Tathandlung negativ ko131 Zum Text vgl. 4. Kapitel, B.I.3.c)aa) Fn. 43. Diese Norm bestand seit dem Inkrafttreten des Reichsstrafgesetzbuches von 1871 in unveränderter Fassung bis 1960 fort. 132 RGSt 63, 170, 173; Endemann, Hetze, S. 3 f.; Schönke/Schröder9, § 130 III 1. 133 Zum Text des Entwurfs vgl. 4. Kapitel, B.I.3.c)aa) in Fn. 47. 134 BT-Drs. I/1307, S. 44. 135 BT-Drs. I/1307, S. 43. 136 Vgl. 4. Kapitel, B.I.3.c)aa); Wehinger, Kollektivbeleidigung, S. 95 f.; Krone, Volksverhetzung, S. 20.

C. Das Merkmal des „Aufstachelns zum Hass“

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notiert ist. Die negative Zielrichtung kommt durch das Wort des Anreizens weniger präzise zum Ausdruck, da dieser Begriff neutral bis positiv konotiert ist. Erst die im Jahre 1959 ausgearbeiteten Entwürfe ersetzten die Tathandlung hetzen durch das Merkmal „Aufstacheln zum Hass“.137 Dabei sollte es allerdings wiederum nicht zu einem veränderten juristischen Verständnis von der Tathandlung kommen.138 Nach Ansicht des Gesetzgebers erschien die Begrifflichkeit des Aufstachelns zum Hass als diejenige, welche die zu sanktionierende Handlungsweise „schärfer umreißen“ würde als der bisher verwendete Begriff des Hetzens.139 Die heutige, nahezu unumstrittene Definition von Literatur und Rechtsprechung für die zu untersuchende Tathandlung des Aufstachelns zum Hass entspricht im Wesentlichen derjenigen, welche bereits das Reichsgericht für den Begriff des Anreizens entwickelte.140 Hinlänglich wird damit die Einwirkung auf die Sinne und Leidenschaften, aber auch auf den Intellekt verstanden, die objektiv geeignet und subjektiv im Sinne eines zielgerichteten Handelns dazu bestimmt ist, eine gesteigerte, über die bloße Ablehnung hinausgehende feindselige Haltung gegen den betroffenen Bevölkerungsteil zu erzeugen oder zu steigern.141 Der einzige Unterschied zu dem alten Klassenkampfparagraphen liegt in dem Bezugsobjekt. Während die bis dahin gültige Fassung das Anreizen zu Gewalttätigkeiten bestrafte, genügt für die Begründung der Strafbarkeit bereits ein Aufstacheln zum Hass. Dadurch ist eine gewisse Erweiterung des tatbestandlichen Verhaltensspektrums zu sehen, denn die noch immer in Absatz 1 Nr. 1 enthaltenen Gewalt- oder Willkürmaßnahmen beziehen sich 137

BT-Drs. III/1143, S. 6, zum Text 4. Kapitel, B.I.3.c)ee) in Fn. 70. BT-Drs. III/918, S. 3; Maurach, BT4, § 45 (S. 367). 139 BT-Drs. III/918, S. 3. 140 Vgl. in Fn. 132. 141 BGHSt 21, 371, 372; 40, 97, 102 = NJW 1994, 1421, 1422; 46, 212, 217; NStZ 1981, 258; BayObLG, NJW 1990, 2479, 2480 = JZ 1991, 82, 83; OLG Frankfurt, NJW 1995, 142, 143; KG, JR 1998, 213, 215; LG Mannheim, NJW 1994, 2494, 2497; LG Hannover, NdsRpfl, 1995, 110; AG Linz, NStZ-RR, 1996, 358; Schönke/Schröder/Lenckner/Sternberg-Lieben, § 130 Rn. 5a; NK/Ostendorf, § 130 Rn. 11; MüKo/Miebach/Schäfer, § 130 Rn. 28; LK/Krauß, § 130 Rn. 38; SK/Rudolphi/Stein64, § 130 Rn. 4a; Fischer, § 130 Rn. 8; v. Dewitz, NS-Gedankengut und Strafrecht, S. 185; von der Horst, ZUM 1993, 508, 511; Römer, NJW 1971, 1735; weniger präzise Lömker, Die gefährliche Abwertung, S. 68 und 74; Baumann, NStZ 1994, 392; zu § 80a: LG Köln, NStZ 1981, 261, 261; Klug, FS f. Jescheck, 1985, 583, 588. Hingegen muss für Kargl (Jura 2001, 176, 177) die Äußerung nur objektiv geeignet sein, einen Reiz zu setzen, der die Emotionen weckt und den Angereizten per eigenen Entschluss zum Handeln treibt. 138

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nur auf die Tathandlung des Aufforderns, nicht aber auf die des Aufstachelns. Die heute herrschende Definition beschreibt recht präzise die zu untersuchende Tathandlung, allerdings wird durch den aufgezeigten Gleichlauf mit der alten Definition des Reichsgerichts deutlich, dass sich die Lehre wie auch die Rechtsprechung in ihrer Dogmatik nicht fortentwickelt haben. Durch die Darstellung des deliktsrelevanten Verhaltens erhält man gerade noch keinen Einblick in die psychologischen Vorgänge, welche nötig sind, um die entsprechenden Emotionen bei den Rezipienten zu wecken. Es erfolgt lediglich eine abstrakte Beschreibung der Handlungsweise, nämlich das Einwirken auf Sinne und Leidenschaften, um das tatbestandliche Ziel zu erreichen, welches in der Verursachung eines eigenständigen Handlungsentschlusses der Rezipienten liegt. Für ein tiefgreifendes Verständnis dieses Tatbestandsmerkmals ist eine Analyse der psychologischen Wirkmechanismen unverzichtbar, die für den Aufbau und die Steuerung der menschlichen Emotionen nötig sind. Nur so kann eine klare Abgrenzung zu den übrigen Normen gefunden werden, die ihrerseits ebenfalls die Einflussnahme sanktionieren.

II. Eigener Lösungsansatz Bei der Untersuchung dieser emotionsauslösenden, psychologischen Mechanismen ist ein Rückgriff auf historische Reden sowie deren Analyse hilfreich. Besonders eindrucksvoll verstand es Hitler durch seine Ansprachen die Massen in seinen Bann zu ziehen. In seinen Reden gelang es ihm einerseits, seine politischen Gegner zu verunglimpfen und in Misskredit zu bringen. Andererseits war es ihm möglich, bei den Menschen eine euphorische Begeisterung hervorzurufen, so dass sie sich seinen Plänen nahezu bedingungslos unterordneten. Er beherrschte es, die Emotionen seiner Zuhörer in der von ihm gewünschten Weise zu steuern und sich dadurch zum „Führer“ über sie zu erheben. Durch die Analyse von Hitlers Rhetorik wird es ermöglicht, den Grund dieser besonderen Eindringlichkeit zu beleuchten und die Technik herauszuarbeiten, mit der es diesem Demagogen gelang, die Massen in eine euphorische Begeisterung zu versetzen und sie anschließend für seine Ziele zu missbrauchen. Die Gefährlichkeit dieser Handlungsweise dürfte auch einer der Gründe gewesen sein, der den Gesetzgeber dazu bewogen hat, bereits das Aufstacheln zum Hass zu sanktionieren.

C. Das Merkmal des „Aufstachelns zum Hass“

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1. Hitlers Rhetorik Betrachtet man oberflächlich Bild- oder Tonaufzeichnungen von Hitlers Reden, erscheint er häufig als „tobender, schimpfender Wüterich“142 und es ist kaum nachvollziehbar, wie er durch diese Form der Einflussnahme Millionen in seinen Bann ziehen konnte. Allerdings stellt sich bei näherer Betrachtung seiner Ansprachen die Faszination, die von seinem rhetorischen Genie ausging heraus. Der Zuhörer wurde in das erzeugte „seelische Klima“ seiner Reden hineingesogen, das nicht ein Irgendwer, ein von Interessengruppen getragener Parteichef erzeugte, sondern einer, der sich als von der Vorsehung geführter Stifter einer fanatischen Glaubensbewegung des breiten Volkes begriff.143 Dieses gelang ihm, indem er das Prinzip der emotionalen Kommunikation intuitiv verstand und in beispielloser Weise für seine Zwecke missbrauchte. Er strebte nicht danach den Intellekt seiner Hörer anzusprechen, sondern er zielte auf die Auslöschung sachlicher Argumente, um diese durch emotionale Zustände zu ersetzen. Doch konnte er sein angestrebtes Ziel nicht vorwegnehmen, es galt vielmehr die Menschen auf einen Weg zu bringen, auf dem sie ihn während seiner Rede begleiteten. Dadurch war es ihm möglich, am Ende seine Pläne und Forderungen einer begeisterten Menschenmenge zu präsentieren. Der Rezipient sollte zwar denken, aber dieses war eher ein Mitdenken, bei dem er in den vorgegebenen Bahnen mitläuft, die der Redner vor ihm und für ihn durchläuft.144 Dieses Prinzip wurde bereits in der griechischen Polis, in den italienischen Stadtstaaten, in schweizerischen Kantonen, im englischen Parlament, im französischen Nationalkonvent während der Revolution, als auch in der Paulskirche angewendet.145 Das Durchleben und Mitgehen seiner Rede wurde dem Auditorium durch ständige Wiederholungen und eine grobe Derbheit und Einfachheit der Sprache ermöglicht. Damit stellte Hitler seine Rhetorik auf das Niveau der Massen ein.146 Dafür baute er einen Kommunikationsprozess auf, in dem er seine eigene Person als die tragende Wirkungsvariable darstellte. Denn Menschen neigen eher dazu, sich von einer Argumentation überzeugen zu lassen und provokanten Thesen zuzustimmen, wenn ihnen der Sprecher sympathisch erscheint.147 142 143 144 145 146

So Ulonska, Suggestion, S. 124. Grieswelle, Propaganda, S. 43. Grieswelle, Propaganda, S. 149; Hans Mayer, FS f. Lukácz 1965, 119, 122. Grieswelle, Propaganda, S. 149; Hans Mayer, FS f. Lukácz 1965, 119 ff. Grieswelle, Propaganda, S. 155.

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4. Kap.: Das Merkmal des „Aufstachelns“

Wie im Folgenden verdeutlicht wird, nutzte Hitler auch die psychologischen Wirkmechanismen, die bereits im Rahmen der Anstiftung den Aufbau des Handlungsdrucks begünstigten. Die besondere Wirkung von Hitlers Rhetorik geht aber nicht allein auf den Einsatz dieser psychologischen Mechanismen zurück. Hitler musste vielmehr die Emotionen seiner Zuhörer gewinnen und schließlich beherrschen, um sie für seine Pläne zu begeistern. Durch die intuitive Kombination dieser psychologischen Mechanismen mit der „emotionalen Rhetorik“ gelang es ihm, seine legendär gewordene Überzeugungskraft zu erlangen. Seinen sämtlichen Reden liegt ein immanentes rhetorisches System zugrunde, durch welches es ihm gelang, dieses Ziel zu erreichen. Während seiner Reden musste sein Publikum das gesamte Spektrum menschlicher Emotionen in vier Phasen durchlaufen. Wobei Hitler zunächst mit der Initiierung negativer Gefühle wie Angst, Sorge und Trauer begann, um sein Publikum emotional zu aktivieren. In der zweiten Phase ging er dazu über, diese Emotionen auf bestimmte Ziele zu richten und so die aktivierte emotionale Energie zu kanalisieren. Erst daran anschließend wurden Lösungsmöglichkeiten für die dargelegten Probleme aufgezeigt und langsam positive Emotionen aufgebaut. In der vierten und letzten Phase erhöhte sich Hitler häufig selbst, wobei der emotionale Zenit seiner Reden erreicht wurde, der durch eine Vielzahl positiver Emotionen gekennzeichnet ist.148 Um die Parallele zwischen Hitlers Rhetorik und dem Tatbestandsmerkmal des Aufstachelns zum Hass besser verdeutlichen zu können, sollen im Folgenden die vier Phasen von Hitlers Reden und die darin verwendeten psychologischen Wirkmechanismen eingehender betrachtet werden. a) Die Vertrauensbildungs- oder Einstimmungsphase Die erste Phase kann als Vertrauensbildungs- oder Einstimmungsphase bezeichnet werden. Diese war durch neutral gehaltene sachliche Schilderungen gekennzeichnet, die die politische und wirtschaftlich schlechte Lage widerspiegelten. Dadurch gelang es ihn, seine Wunsch- und Wertvorstellungen mit denen seiner Rezipienten abzugleichen. Das Ziel dieses Vorgehens war es, ein Gefühl der Zugehörigkeit und des Vertrauens zu erwecken. 147

So auch Ulonska, Suggestion, S. 59. Das Prinzip der Sympathie beschreibt auch Cialdini (Psychologie, S. 211) als hochwirksame Methode der Werbepsychologie. 148 Die Veranschaulichung der Erlebten Emotionen in Hitlers Reden wird instruktiv durch ein Kreisdiagramm von Ulonska verdeutlicht. Vgl. Ulonska, Suggestion, S. 281; ders., Rhetorik 1997, S. 9.

C. Das Merkmal des „Aufstachelns zum Hass“

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Durch diese, als auch durch die zweite Phase, sollte in dem Auditorium genügend Spannung aufgebaut werden, damit Hitler in der dritten und vierten Phase seine Ideen einer aufnahmewilligen und dankbaren Masse präsentieren konnte. Hitler begann mit dem Spannungsaufbau häufig bereits im Vorfeld seiner Reden. Durch sein rhetorisches Talent erlangte Hitler bereits in den 20er Jahren rasche Popularität. Die Bevölkerung war sehr daran interessiert, die Faszination, die von seinen Reden ausging, selbst zu erleben. Dieses nutzte Hitler, indem er vor seinen Ansprachen weniger bedeutendere Parteiredner auftreten ließ, die an seine rhetorischen Fähigkeiten nicht heranreichten. Hatten diese ihre Ansprachen schließlich beendet, war in dem Publikum eine erhöhte Spannung aufgebaut und es war dankbar, nun endlich Hitlers Ansprache hören zu dürfen. Zum anderen erhielt sein rhetorischer Ruf, durch den direkten Vergleich mit weniger talentierten Rednern eine zusätzliche Steigerung. Darüber hinaus zögerte Hitler oft sein erstes Wort hinaus. Er betrat das Podium und richtete seinen Blick andächtig auf den Boden. In dieser Pose verweilte er oft sogar einige Minuten bevor er schließlich mit seiner Rede begann. Bereits jetzt war das Auditorium aufnahmegeneigter, als wenn er sofort am Beginn des Abends und ohne weitere Umschweife mit seiner Rede begonnen hätte. Durch diese Art des Spannungsaufbaus nutzte Hitler das sehr wirksame psychologische Prinzip der künstlichen Verknappung.149 Indem er seine Person und seine sehnlich erwartete Rede für eine gewisse Zeit dem Publikum vorenthielt, erzeugte Hitler eine Intensivierung des Verlangens. Wie im Folgenden verdeutlicht werden soll, unterstützte zusätzlich auch das innere System von Hitlers Reden diesen psychologischen Wirkmechanismus. In dieser Phase bleiben Hitlers Darstellungen ruhig, sachlich und neutral.150 Dominierend war die Verdeutlichung der allgemeinen Not in der Bevölkerung. Es wurde herausgestellt, dass die menschlichen Grundbedürfnisse nicht erfüllt seien. So dominierten Anspielungen auf die fehlende soziale Sicherheit, die Ungerechtigkeit des Weimarer Systems in Bezug auf die Verteilung des Wohlstands, die hohe Arbeitslosigkeit etc.151 Dadurch erweckte Hitler in besonderer Weise die negativen Emotionen seiner Zuhörerschaft,152 da er gerade auf den Mangel derjenigen Bedürfnisse anspielte, die nach Maslow auf unterster Stufe stehen und demnach 149

Zu dem Prinzip der künstlichen Verknappung vgl. 1. Kapitel, C.IV.3.a). Ulonska, Suggestion, S. 126. 151 Ulonska, Suggestion, S. 281; ders., Rhetorik 1997, 9, 10; für den Verlauf der Häufigkeit der Anspielungen auf die soziale Gerechtigkeit vgl. Ulonska, Suggestion, S. 160. 152 Vgl. linker oberer Quadrant in der Abbildung, vgl. Grafik in: Klonska, Suggestion, S. 281; ders., Rhetorik 1997, S. 9. 150

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4. Kap.: Das Merkmal des „Aufstachelns“

immer als erstes erfüllt werden müssen, um die darüber stehenden Bedürfnisse decken zu können und um einen Zustand der Zufriedenheit zu erreichen.153 Die Anspielungen auf die wirtschaftliche Notlage sollten nicht nur dazu dienen, negative Gefühle bei den Rezipienten zu wecken, fast noch wichtiger war es, dadurch ein Vertrauensverhältnis zu etablieren. Dieses gelang Hitler zum einen, indem er mit neutralen persönlichen Erzählungen begann, in denen er sich als einen Mann des Volkes präsentierte, der unter derselben schwierigen wirtschaftlichen und politischen Situation litt, wie seine Zuhörer auch.154 Er nahm also einen latenten Wertabgleich vor, der ein erstes Vertrauensverhältnis zwischen ihm und dem Auditorium etablierte.155 Zum anderen zitierte er in dieser Phase verstärkt Zeugenaussagen, um die Objektivität und damit die Glaubwürdigkeit seiner Rede zu erhöhen.156 Auf diese Weise gelang es ihm zusätzlich das Vertrauen des Auditoriums zu gewinnen. Das Zitieren von Zeugenaussagen ist ein besonders eindringliches Mittel, um das Auditorium zu überzeugen und die Glaubwürdigkeit des Redners hervorzuheben. In psychologischer Hinsicht kommt hier das besonders wirkungsvolle Prinzip der sozialen Bewährtheit157 zum tragen. Bei den Zuhörern wird dabei der Denkprozess initiiert, der besagt, wenn ein anderer bereits diese Aussage ebenso getroffen hat bzw. in einer ähnlichen Situationen auch so gehandelt hat, dann kann das geforderte Vorgehen nicht falsch sein.158 Der anfängliche Wertabgleich mit dem Publikum sowie die offensichtliche Bekundung des Respekts vor den zitierten Zeugen lösen zusätzlich das 153 Ulonska, Suggestion, S. 231; hierbei verweist Ulonska auf die „Bedürfnispyramide“ nach Maslow. 154 Verlauf der persönlichen Erzählungen in Hitlers Reden vgl. Ulonska, Suggestion, S. 92. 155 So auch Ulonska, Suggestion, S. 126. 156 Ulonska, Suggestion, S. 120 ff.; zur Wirkungsweise der Zeugenaussagen vgl. ebd. S. 57 f. 157 Vgl. 1. Kapitel, C.IV.2.c)cc). 158 Hitler bediente sich in diesem Zusammenhang stets sehr offener Aussagen von angesehenen politischen und militärischen Größen, wie von Bismarck oder von Molkte (Ulonska, Suggestion, S. 120 f.; Grieswelle, Propaganda, S. 174). Diese Zitate waren dabei so offen, dass durch sie nahezu alles belegt werden konnte. Die gesteigerte Glaubwürdigkeit, die von zitierten Zeugenaussagen ausgeht wird zusätzlich durch die Bekundung des Respekts vor der Person des Zeugen selbst unterstrichen (Ulonska, Suggestion, S. 57 f.). Indem also Hitler die Vertrauenswürdigkeit, Redlichkeit und politische Größe der zitierten Zeugen direkt oder auch nur indirekt hervorhob, signalisierte er damit deren Wertmaßstäbe zu akzeptieren und persönlich ebenso zu handeln. Auf diese Weise steigerte Hitler nochmals das ihm entgegengebrachte Vertrauen seiner Zuhörer.

C. Das Merkmal des „Aufstachelns zum Hass“

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psychologische Prinzip der Sympathie aus.159 Danach lassen sich Menschen leichter von den Ansichten und Standpunkten anderer überzeugen, wenn der Sprecher mit ihnen ähnliche Interessen oder Wertvorstellungen aufweist.160 Dieses Prinzip wird wiederum in der Werbung und von Verkäufern zielgerichtet und mit großem Erfolg eingesetzt.161 Insgesamt bewirkt die so aufgebaute Vertrautheit eine unbewusste Zuneigung, die dazu führt, sich leichter von den vorgebrachten Argumenten überzeugen zu lassen.162 In rhetorischer Hinsicht bediente sich Hitler häufig der Eltern-Kind-Kommunikation. Er stellte allgemeingültige Aussagen auf, die für jedermann nachvollziehbar und einfach verständlich waren.163 Damit gelang es ihm wiederum ein gewisses Wir-Gefühl im Auditorium zu erzeugen, da alle Zuhörer zur Zustimmung zu diesen einfachen Thesen gezwungen waren. Überdies bestärkte dieses Mittel wiederum das ihm entgegengebrachte Vertrauen, denn der Redner war eine Person, der das Auditorium einfach Recht geben musste. Außerdem gelang es ihm auf diese Weise einer tatsächlichen Diskussion, die sich in Pro und Kontra unterteilt, zu umgehen. Durch dieses Vorgehen sprach Hitler das Prinzip der Autorität an. Wie bereits aufgezeigt, besteht bei jedem Menschen die innere, unbewusste Neigung, sich Autoritäten unterordnen zu wollen.164 Indem er die Form der Eltern-Kind-Kommunikation wählte, sprach er dieses unbewusste Bedürfnis an und erreichte damit ein gesteigertes Vertrauen, welches eine erhöhte Zustimmungsbereitschaft zu seinen Forderungen bewirkte, die er den Zuhörern im weiteren Verlauf präsentierte. Aber auch das psychologische Prinzip Commitment und Konsistenz165 wird in dieser Phase von Hitler begründet. Indem er allgemeingültige Aussagen aufstellte, denen die Zuhörer aufgrund ihrer Allgemeingültigkeit zustimmen mussten, erfüllte er die Stufe des Commitments. Er erzielte also einen Gleichlauf mit dem Auditorium. Diesem psychologischen Prinzip zufolge, sind die Rezipienten im Anschluss an eine solche Übereinstimmung eher geneigt, den sich anschließenden Forderung des Sprechers zu folgen (Konsistenz). Auch das folgende von Hitler genutzte rhetorische Stilmittel unterstützt das Prinzip von Commitment und Konsistenz. Um einem Auditorium seine 159

Zu dem Prinzip der Sympathie vgl. Cialdini, Psychologie, S. 211 ff. Cialdini, Psychologie, S. 221 ff. 161 Cialdini, Psychologie, S. 221 ff. 162 Zu dem Prinzip der Vertrautheit und der damit einhergehenden erhöhten Zuneigung: Cialdini, Psychologie, S. 226. 163 Ulonska, Suggestion, S. 99 ff. 164 Vgl. 1. Kapitel, C.IV.2.c)bb). 165 Vgl. 1. Kapitel, C.IV.2.c)aa). 160

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Ziele zu präsentieren, kann ein Redner zwischen der deduktiven oder der induktiven Methode wählen. Die induktive Methode stellt die Zielaussage an den Anfang und bietet den Vorteil eines klaren Einsiegs. Sie beinhaltet aber auch die Gefahr, dass der Zuhörer die eigentliche Argumentation nicht mehr ausreichend würdigt, da er bereits durch die Kenntnis des Aussageziels weniger an den weiteren Ausführungen interessiert ist.166 Hitler wählte daher auch die deduktive Methode, die auch als „deduktive Denkrinne“ bezeichnet wird. Der Rezipient wird durch die Argumentation der Rede zu dem eigentlichen Ziel hingeleitet. Wie bereits dargestellt, zwang Hitler durch seine steten und einfachen Thesen, die vor allem Aussagen der wirtschaftlichen Not enthielten, sein Auditorium zur Zustimmung. Dadurch erzielte er das Vertrauen, das nötig war, um am Ende der Reden seine radikalen Ziele zu präsentieren. Die Zuhörer waren bei der Präsentation seiner Pläne nicht mehr überrascht, da sie die Lösung bereits unterschwellig kannten und sie von ihnen bereits akzeptiert wurde (Konsistenz). Auch noch so radikale Ziele wurden für die Rezipienten so zumindest zustimmungsfähig.167 Diese Phase nahm einen überdurchschnittlich großen Anteil in seinen Reden ein. Damit sollte eine Spannung bei den Zuhörern aufgebaut werden, um ihr Interesse an seinen Ideen noch weiter zu verstärken.168 Dieses Prinzip des Spannungsaufbaus geht auf Aristoteles zurück. Auch dieser beschrieb bereits das Prinzip der Erregung von „Gemütsbewegungen“ um Spannung aufzubauen und sie anschließend wieder zu lösen.169 Aristoteles bezeichnete den gezielten Wechsel von Schmerz und Lust als Affekt und erkannte die besonders eindringliche Wirkung dieses Prinzips.170 b) Die Diffamierungsphase Während die erste Phase durch neutrale und sachliche Schilderungen sowie von persönlichen Erzählungen gekennzeichnet war, dominierte in der zweiten Phase eine eher aggressive und drastische Sprache, die sich durch umgangssprachliche Wendungen und einen Vulgärjargon auszeichnete.171 166

Ulonska, Suggestion, S. 122. Ulonska, Suggestion, S. 122 f. 168 Ulonska, Suggestion, S. 271. 169 Aristoteles, Rhetorik, II 1, S. 84; Ulonska, Suggestion, S. 268 ff. 170 Aristoteles, Rhetorik, II 1, S. 84; Ulonska, Suggestion, S. 268. 171 Grieswelle, Propaganda, S. 155. Verlaufsdiagramm der Häufigkeit der verwendeten Diffamierungen von Hitler, vgl. Ulonska, Suggestion, S. 96. 167

C. Das Merkmal des „Aufstachelns zum Hass“

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Die negativen Gefühle, welche in der ersten Phase verursacht wurden, basierten im Wesentlichen auf der Darstellung des Mangels an sozialer Sicherheit und der schlechten politischen Lage. Die dominierenden Gefühle der ersten Phase waren daher auch Hoffnungslosigkeit, Sorge und Apathie. Diese Gefühle konnten nur schwer sofort in positive Gefühle umgewandelt werden, da sich die Rezipienten in einem Zustand der Antriebslosigkeit befanden. Indem Hitler im weiteren Verlauf dazu überging, seine politischen Gegner und das Judentum als die Schuldigen herauszustellen, kündigt sich für den Rezipienten die Spannungslösung bereits vage an.172 So verfolgte er das Prinzip der deduktiven Denkrinne konsequent fort. Die Lösung des Problems, nämlich die Beseitigung des politischen Systems, der politischen Gegner etc. kündigte sich in dieser Phase indirekt an, da diese als die wahren Verursacher für die schlechte Lage verantwortlich gemacht wurden. Durch die Demonstration der Intoleranz gegenüber seinen politischen Gegnern und der gleichzeitigen Überlegenheit der eigenen Ideen demonstrierte Hitler seine Entschlossenheit zum Handeln.173 Rhetorisch unterstreicht er dieses, indem er die verwendeten Satzgefüge in direkter Rede aufbaut und Worte wie „planmäßig, notwendig, das heißt, damit, wegen . . . dann, also folglich, entweder . . . oder“ verwendete. Ein solches sprachliches Konzept vermittelt den Eindruck des Gesetzmäßigen und Unabwendbaren.174 Noch stärker als in den anderen Phasen vermeidet er hier die sachliche Auseinandersetzung mit den tatsächlichen Fakten. Argumente nannte Hitler an dieser Stelle nur, um die Ausschließlichkeit der eigenen Behauptung zu belegen.175 In der Diffamierungsphase wurde dem in der Aufbauphase dargestellten Übel ein Gesicht gegeben. Die apathische und verzweifelte Masse wurde aufgeladen, indem Hitler ihre negativen Emotionen auf bestimmte Ziele fokussierte. Es dominierten nunmehr drastische, negative Gefühle wie Ärger, Widerwillen, Abscheu aber gerade auch Hass.176 Der Affektaufbau im Sinne von Aristoteles, mit dem in der ersten Phase begonnen wurde, wird hier fortgesetzt und noch um ein Vielfaches verstärkt. In dieser Phase hatte Hitler ausreichend Gelegenheit, seine ideologischen Anschauungen zu präsentieren. So waren u. a. die Ablehnung des Weimarer 172 173 174 175 176

Ulonska, Rhetorik 1997, 9, 12. Grieswelle, Propaganda, S. 161. Grieswelle, Propaganda, S. 160. Grieswelle, Propaganda, S. 154. Ulonska, Rhetorik 1997, 9, 10.

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4. Kap.: Das Merkmal des „Aufstachelns“

Systems177 sowie der Antisemitismus (Die jüdische Verschwörung)178 die immer wiederkehrenden Elemente, die an dieser Stelle vorherrschten, um die langsam aufkommende Aggressivität der Massen entsprechend seinen Vorstellungen zu kanalisieren. Auf die nähere Erörterung der ideologischen Inhalte wird vorliegend verzichtet, da sich aus ihnen keine allgemeinen Rückschlüsse auf das Tatbestandsmerkmal Aufstacheln zum Hass ziehen lassen. Die Ideologie kann von dem jeweiligen Demagogen stets seinen politischen Zielen entsprechend angepasst werden und ist daher, im Gegensatz zu dem rhetorischen und psychologischen Gesamtkonzept, eine eher variable Größe. Die psychologischen Wirkmechanismen, die in dieser Phase dominieren, sind wiederum Commitment und Konsistenz sowie das Prinzip der Autorität. Zum einen werden die Rezipienten erneut durch die sich selbst bestätigenden Thesen zu einer Zustimmung gezwungen. Dadurch kam es zusätzlich zu einer intensiveren Bindung an die Person Hitlers und zu einer erhöhten Akzeptanz seiner im weiteren Verlauf gestellten Forderungen. Diese Zustimmung an sich stellt wiederum die Stufe des Commitment dar. Ferner wird aber auch bereits in diesem Stadium die Konsistenzregel angewendet. Die in der zweiten Phase aufgestellten Behauptungen Hitlers waren oft von außerordentlich radikaler Natur. Ein Redner, der nicht vorher bereits die Zustimmung seiner Rezipienten erlangt hat, würde für derartig gewagte Behauptungen keine Bestätigung erhalten. Da die Zuhörer aber auch diesen radikaleren Forderungen (mehrheitlich) zustimmten, vertiefte sich der Wirkmechanismus von Commitment und Konsistenz in dieser Phase von selbst. Ferner bediente sich Hitler auch des Prinzips der Autorität. Durch die kompromisslose Art seiner „Quasiargumentation“, seiner drastischen Ausdrucksweise, seiner heftigen und dominanten Gesten, der gehobene Lautstärke und der Verwendung der vorgefertigten, deduktiven Denkstruktur, herrschten hier dozierende und dominierende Elemente vor. Betrachtete Hitler sich selbst in der ersten Phase noch als Person aus der Mitte des Auditoriums, so begann er nun, sich mehr und mehr über dieses zu stellen. Die psychologische Folge war die unbewusste und immer stärker werdende Subordination seiner Zuhörer. Nach Abschluss der zweiten Phase befanden sich die Rezipienten in dem Zustand eines engagierten Kampfeswillens. Die anfängliche Apathie wich 177 178

Grieswelle, Propaganda, S. 64 ff. Grieswelle, Propaganda, S. 91 ff.

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einer Aggressivität, die sich, wie von Hitler gewollt, gegen seine politischen und ideologischen Gegner richtete. Spätestens mit dem Abschluss der zweiten Phase kontrollierte und lenkte er die Emotionen der Masse. Unbewusst erkannten die Menschen bereits das durch die deduktive Denkrinne anvisierte Ziel Hitlers. Um die zu Beginn seiner Rede geschilderten Missstände abzuschaffen, war es nötig, die in der zweiten Phase diffamierten Gegner und das dazugehörige politische System, also die Weimarer Republik, abzuschaffen. c) Die Aufbauphase Hitler wusste, dass es nicht ausreicht bei einer Menschenmasse negative Emotionen hervorzurufen, um sie endgültig für seine Pläne zu gewinnen. Die durch die ersten beiden Phasen erzeugte Spannung musste nun in positiver Weise gelöst werden. Dazu schilderte er dem Auditorium zahlreiche Zukunftsphantasien in einem Ton übersteigerter Aggressivität.179 Im Mittelpunkt dieser Visionen stand seine Vorstellung von der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft.180 In dieser Phase zeichnete Hitler seine Phantasien von der Volksgemeinschaft und dem künftigen florierenden Deutschland in zahlreichen Metaphern und betonte dabei die verschiedenen Aspekte unterschiedlich stark, je 179

Ulonska, Suggestion, S. 282. Nach der Argumentation Hitlers war die Situation simpel; Deutschland war gespalten in Klassen, Parteien, Stände und Konfessionen, die alle gegeneinander arbeiteten. Folglich musste nur diese „Zersetzung“ aufgehoben und eine geeinte Nation geschaffen werden, in der sich der Einzelne und die verschiedenen Gruppen dem übergeordneten Gemeinschaftsinteresse zu widmen hätten (Grieswelle, Propaganda, S. 134). Diese ideologische Figur brachte für Hitler zahlreiche Vorteile. Durch die Fiktion der Volksgemeinschaft konnten die Bedürfnisse aller Bevölkerungsschichten miteinander gekoppelt werden, auch wenn sich diese bei einer näheren Betrachtung zueinander im Widerspruch befanden (Grieswelle, Propaganda, S. 143). Durch die Idee der Volksgemeinschaft brauchte er auch keine konkreten Ziele zu definieren und folglich auch keine präzisen Lösungen zu präsentieren (so auch ebd., S. 132 f.). Die Überzeugungskraft dieser Fiktion ist nur bei näherer Betrachtung der damaligen politischen und historischen Situation verständlich. Die Weimarer Republik war durch eine Desintegration der Bevölkerung gekennzeichnet (Ulonska, Suggestion, S. 287). Das nationale Selbstbewusstsein der Menschen war nach der Kriegsniederlage, der Inflation, der politischen Instabilität und der wirtschaftlichen Krise stark erschüttert. Dementsprechend hoch war das Bedürfnis nach der Wiederherstellung des Nationalgefühls und der Festigung der sozialen Ordnung (Grieswelle, Propaganda, S. 133 f.). Durch den festen und wertorientierten Rahmen, der scheinbar ethisch vollkommenen Facette der Volksgemeinschaft, gelang es ihm, diese Sehnsüchte für sich zu nutzen (so auch Ulonska, Suggestion, S. 287). 180

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4. Kap.: Das Merkmal des „Aufstachelns“

nachdem welcher Bevölkerungsschicht das jeweilige Publikum angehörte.181 Hierbei dominierte die Darstellung von allgemein anerkannten (nationalen) Tugenden und Zielen, wie Patriotismus, Fleiß und Tapferkeit.182 Darüber hinaus verwendete Hitler an dieser Stelle oft volkstümliche Metaphern des Wachsens, Reifens und Bauens, aber auch solche aus dem militärischen Bereich.183 Dadurch kam es wiederum zu einem Wertabgleich zwischen ihm und dem Publikum, durch welchen das psychologische Prinzip der Sympathie (Vertrautheit) und die damit einhergehende erhöhte Glaubwürdigkeit intensiviert wurde.184 Indem Hitler die Zerstückelung der Gesellschaft in verschiedene Interessengruppen als die Ursache der eingangs geschilderten Probleme aufzeigte, legitimierte er sein eigentliches Ziel. Er konnte die Beseitigung der politischen und ideologischen Gegner in einem aggressiven Ton offen fordern und diesen Plan mit dem angestrebten Erfolg, der Verwirklichung der Volksgemeinschaft und eines blühenden Deutschlands rechtfertigen.185 Am Ende dieser Phase befanden sich die Hörer in einem Gefühl der Aggressionslust. Sie hatten das Bedürfnis den aufgezeigten Plänen nicht nur zustimmen, sondern bei deren Verwirklichung auch unmittelbar mitwirken zu müssen. Das vorhandene gesteigerte „Wir-Gefühl“ wurde zum einen durch die ständige Beschwörung der Volksgemeinschaft erreicht, zum anderen durch die Fokussierung auf die gemeinsamen Feindbilder. Diese Aggressionslust wurde von dem handlungsbereiten Auditorium positiv empfunden, da die vorherrschenden Emotionen Stolz und Triumph waren. Die Zuhörer hatten das Gefühl, einem Kreis von Auserkorenen anzugehören, denen die Augen geöffnet wurden. Der in dieser Phase wirkende psychologische Mechanismus war wiederum Commitment und Konsistenz, wobei der Schwerpunkt nunmehr auf der Konsistenzregel beruhte. Hitler hatte zu diesem Zeitpunkt genügend Zustimmung erhalten und konnte daher mit der Präsentation seiner Ziele beginnen ohne befürchten zu müssen, dass diese auf Ablehnung stoßen wür181 Grieswelle, Propaganda, S. 139 ff. So betonte Hitler bei Ansprachen vor Arbeitern Werte wie Gleichheit, Aufhebung der Klassenschranken, gerechten Lohn usw., hingegen wurden vor dem Bürgertum die Werte eines geordneten Staates und des inneren Friedens hervorgehoben. 182 Ulonska, Suggestion, S. 179 ff. Die zusammenfassende Darstellung dieser Werte in Diagrammform, vgl. Ulonska, Suggestion, S. 328 f. 183 Grieswelle, Propaganda, S. 156. 184 Zur Sympathie vgl. 4. Kapitel, C.II.1.a) in Fn. 159. Sehr anschaulich die grafische Darstellung zur anteiligen Gewichtung von Diffamierungen und Zielen, Taten etc., vgl. Ulonska, Rhetorik 1997, 9, 11; ders., Suggestion, S. 129. 185 So auch Ulonska, Rhetorik 1997, 9, 10.

C. Das Merkmal des „Aufstachelns zum Hass“

257

den. Wie die ideologische Figur der Volksgemeinschaft zeigt, verpackte er diese Pläne zusätzlich noch in ein Commitment. Einer blühenden Zukunft, in der alle Bevölkerungsteile gleich sind und alle dasselbe Ziel verfolgen, konnte keiner widersprechen. Die Konsequenz hierzu war aber das Einvernehmen zu der „Beseitigung“ der ideologischen und politischen Gegner. Die Zustimmung zu diesem Mittel verweigerte ihm die aufgeladene Masse natürlich nicht. Aber auch das Prinzip der Knappheit spielte erneut eine tragende Rolle.186 Hitler hatte bis zum Beginn dieser Phase nur negative Gefühle aufgebaut, indem er den Menschen die Gegenwart als ausweglose Situation beschrieb. Nicht ohne Grund nahmen die ersten beiden Phasen einen überdurchschnittlich langen Anteil an seinen Reden ein. Dieses diente dem Spannungsaufbau, der seinen Reden immanent war. Ab dieser Phase präsentierte Hitler seine Pläne und löste die so aufgebaute Spannung, wodurch er eine erhöhte Zustimmungsbereitschaft zu seinen Forderungen erreichte. d) Die Selbsterhöhungsphase Den Abschluss von Hitlers Reden bildete die Selbsterhöhungsphase. Darin verband er seine Person mit den in der Aufbauphase dargestellten Werten wie Tapferkeit, Gerechtigkeit, Patriotismus, Fleiß etc. und vermittelte den Eindruck eines engagierten, unermüdlichen Kämpfers für Deutschland.187 Diese Phase war, wie auch die Aufbauphase, von einem aggressiven und kämpferischen Ton gekennzeichnet, der das Handlungsbedürfnis der angesprochenen Masse noch stärker intensivierte. Hitler vermittelte seinen Zuhörern den Eindruck, nur er sei in der Lage gewesen, die Verstrickungen, die Deutschland in diese politisch und wirtschaftlich schwierige Lage gebracht hatten, aufzudecken.188 Die Selbstdarstellung seiner Person gipfelte in den von ihm oft genutzten Christusvergleichen. Dabei stellte er seine eigene Vergangenheit, die von Armut und Entbehrungen gekennzeichnet war, neben die von Jesus, der ebenfalls als armer Zimmermann in Not lebte, bevor er zu einem Propheten aufstieg, der die Welt veränderte.189 Auch die ständige Kritik an seiner Person, der er insbesondere in der Weimarer Zeit ausgesetzt war, nutzte er, um 186

Zu dem Prinzip der künstlichen Verknappung vgl. 1. Kapitel, C.IV.3.a). Ulonska, Rhetorik 1997, 9, 11; ders., Suggestion, S. 130 ff. 188 Zur anteilmäßigen Gewichtung der Selbstdarstellung im Verhältnis zum Wert der Tapferkeit im Verlauf von Hitlers Reden, vgl. Grafiken in Ulonska, Rhetorik 1997, 9, 14; ders., Suggestion, zu dem „Ich-Verlauf“ S. 255; zu dem Merkmal der „Tapferkeit“ S. 148. 189 Grieswelle, Propaganda, S. 46. 187

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4. Kap.: Das Merkmal des „Aufstachelns“

Parallelen mit Jesus aufzustellen, da dieser zu seinen Lebzeiten ebenfalls das Volk polarisierte und von den Machthabern bekämpft wurde.190 Dieser Abschnitt, wie auch die vorhergehende Aufbauphase, bildeten ungefähr das letzte Drittel von Hitlers Reden. Die Betonung der angestrebten Ziele, der nationalen Tugenden, aber auch die entstandene Euphorie der Masse war an dieser Stelle von zusätzlicher Bedeutung. So ist die Schlussphase einer Rede stets von besonderer Einprägsamkeit für den Rezipienten. Teilweise wird sogar behauptet, das einzige, was die Hörer aus der Redewelt mit ins Leben hinüber nehmen, sei der Schluss.191 Wenn sich also die Menschen an Hitlers Reden erinnerten, brachten sie diese vor allem mit seinen phantastischen Zukunftsvisionen und dessen patriotisch gefärbter Tugendhaftigkeit in Verbindung. Aber viel wichtiger war, dass sie die ausgelösten Gefühle des Stolzes, der Freude, des Triumphes etc. mit seiner Person verbanden. Die nachhaltige Beliebtheit Hitlers und der um ihn gefeierte Personenkult gehen zu einem erheblichen Teil auf dieses Phänomen zurück, welches letztendlich im besonderen Maße Ausdruck des psychologischen Prinzips der Sympathie ist.192 Die Selbsterhöhung Hitlers wurde zusätzlich durch das bereits dargestellte psychologische Prinzip der Reziprozität verstärkt.193 In dieser Phase schloss er den vorgegebenen Denkzirkel, indem er den Menschen den eigentlichen Grund für ihre gegenwärtig schlechte Lage präsentierte. Dabei betonte er oft in direkter Weise (teilweise aber auch nur indirekt), dass nur er den Mut und die Fähigkeiten hatte, die Verstrickungen und Widersprüche des Systems aufzudecken und die wirklich Schuldigen zu nennen bzw. öffentlich anzuprangern. Indem er seine bereits erbrachten Leistungen an dieser Stelle ebenfalls immer wieder betonte, entstand der Eindruck der vollkommenen Aufopferung für eine bessere Zukunft Deutschlands.194 Er hatte also den „Geberteil“ erfüllt und löste damit Emotionen der Dankbarkeit und der Verbundenheit bei seinen Zuhörern aus. Die Zustimmung zu seinen Forderungen und die Subordination unter seine Person waren daher die konsequente Folge, um das bei den Rezipienten entstandene Gefühl der Verpflichtung zu beseitigen. 190

Ulonska, Rhetorik 1997, 9, 13. Ulonska, Suggestion, S. 116. 192 Zu dem Prinzip der Sympathie vgl. 4. Kapitel, C.II.1., konkret auf S. 247 f. 193 Vgl. 1. Kapitel, C.IV.2.c)dd). Dieser Wirkmechanismus meint das Gefühl zu einer Gegenleistung verpflichtet zu sein, wenn jemandem ein unerwartetes Geschenk gemacht wird. 194 Der Mythos seiner vollkommenen Selbstaufopferung für Deutschland wurde durch die Proklamation seiner asketischen Lebensweise unterstützt. Hitler mied Alkohol, aß kein Fleisch und lebte ehelos in bescheidenen Verhältnissen (Grieswelle, Propaganda, S. 43). 191

C. Das Merkmal des „Aufstachelns zum Hass“

259

e) Zusammenfassung Hitler schaffte es durch das gezielte Spiel mit den menschlichen Emotionen die Massen nicht nur in einen Zustand der Aggressionslust hinein zu versetzen, sondern auch das so entfachte Aggressionspotential auf die von ihm gewünschten Ziele zu fokussieren. Das von Hitler verwendete Prinzip des Spannungsaufbaus und der sich anschließenden Spannungslösung wurde schon von Aristoteles erkannt.195 Dieser beschrieb ebenfalls das besondere Potential, welches von der Verursachung von Hass ausgeht und definierte Zorn als ein mit Schmerz verbundenes Trachten nach Rache. Daraus ergebe sich wiederum, dass der Zürnende immer gegenüber einer bestimmten Person oder Personengruppe zornig sein muss, da sonst das mit dem Zorn einhergehende Rachegefühl leer liefe. Hierbei sei die Emotion des Zorns stets mit einem gewissen Lustgefühl verbunden, welches aus der Hoffnung resultiere, sich rächen zu können. So sei es für jedermann angenehm, sich vorzustellen, man werde das, wonach man strebt, erreichen. Niemand aber strebt nach dem, was unerreichbar erscheint. Nur der Zürnende strebe nach dem ihm „scheinbar“ Erreichbaren.196 Mit dieser Formulierung beschreibt Aristoteles das von Hitler verfolgte System der Hassverursachung und dem sich anschließenden Emotionsaufbau. Das Hervorrufen von negativen Gefühlen dient ausschließlich dazu, die emotionale Denkweise der Menschen zu initiieren und sie von einer logischen Argumentation abzuhalten. Von dieser so aufgeladenen Menschenmenge geht, wie am Beispiel von Hitlers Rhetorik aufgezeigt wurde, eine erhebliche Gefahr aus. Zum einen war die Masse unfähig, die an sie gestellten Forderungen logisch zu hinterfragen. Zum anderen war das Auditorium am Ende seiner Reden nicht mehr in der Lage, sich den Forderungen Hitlers zu widersetzen. Er hatte durch die von ihm entwickelte Systematik die vollkommene Unterwerfung seiner Zuhörer erreicht und missbrauchte diese in beispielloser Weise für seine politischen Pläne. Am Ende von Hitlers Reden waren die Menschen aus diesen zwei Gründen bereit, nahezu alles für die Verwirklichung seiner Pläne zu tun. Diese besondere Gefährlichkeit dürfte auch der tiefere gesetzgeberische Grund für die Bestrafung der Tathandlung des Aufstachelns zum Hass sein, da das Hervorrufen negativer Emotionen stets die Gefahr der Verursachung von Aggressionen beinhaltet, die von einem geübten Demagogen kontrolliert und sogar zielgerichtet gelenkt werden können. 195 196

Aristoteles, Rhetorik, II 1, S. 84. Aristoteles, Rhetorik, II 1, S. 85.

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4. Kap.: Das Merkmal des „Aufstachelns“

2. Ergebnis Durch die eingehende Betrachtung von Hitlers Rhetorik ist es möglich, die strafrechtliche Verwerflichkeit der vorliegenden Tathandlung zu bestimmen. Der direkte verbale Angriff auf Teile der Bevölkerung, so moralisch verwerflich er auch sein mag, ist für den Sprecher nicht mehr als ein rhetorisches Mittel. Insofern liegt in der vordergründigen, primären Ebene, die sich in Diskriminierungen und eventuellen Ehrverletzungen äußert, gerade nicht die besondere Gefährlichkeit und damit auch nicht die besondere Sanktionswürdigkeit dieser Tathandlung.197 Das eigentliche Ziel der Hassverursachung ist es, die Emotionen der Masse zu aktivieren. Im Anschluss daran ist es dem Sprecher möglich, die Gefühle in jede gewünschte Richtung zu lenken und damit die Menschen nahezu widerspruchslos zu kontrollieren. Nur dieses Ziel, welches erst durch eine eingehende Betrachtung erkennbar wird, kann die Strafbarkeit des Aufstachelns zum Hass begründen.198 197 Die unsystematische Diffamierung von z. B. politischen Gegnern kann bei einer entsprechenden Erheblichkeit auch den öffentlichen Frieden stören. Dennoch werden diese Fälle eher die Ausnahme darstellen. Bei ziellosen und unkontrollierten Beschimpfungen von „Teilen der Bevölkerung“ wird ein Auditorium in aller Regel unbeeinflusst bleiben und sich nicht überzeugen lassen. Eine potentielle Gefahr für den öffentlichen Frieden kann auf diese Weise grundsätzlich nicht begründet werden. Dieses wird deutlich, wenn man sich Parodien vergegenwärtigt, die sich auf Hitlers Reden beziehen. Hierbei wird häufig die zweite Phase seiner Reden isoliert herausgegriffen, welche im Grunde nichts anderes zum Inhalt hatte als eine Aneinanderreihung von wilden Diffamierungen und Beschimpfungen, die durch seine heftig gestikulierende Körpersprache unterstrichen wurden. Da die ausschließliche Betrachtung dieser Phase sogar eine gewisse Komik beinhaltet, wird dadurch umso deutlicher, dass es zumindest sehr schwer sein dürfte, allein durch Diffamierungen nachhaltig zu überzeugen. So werden Diffamierungen, die grundsätzlich auch keine weitergehende (überzeugende) Wirkung entfalten, nicht tatbestandlich erfasst. 198 Diesen tieferen Grund verkennt auch der Disput um die Strafbarkeit der so genannten „Hate Speeches“. Dieser Problemkreis erschöpft sich in der Diskussion, inwieweit die in den USA sehr umfassend geschützte Meinungsfreiheit durch die Bestrafung von „Hassreden“ eingeschränkt werden darf. Da dieser Streit nahezu ausschließlich auf der Ebene des Staatsrechts geführt wird und die sich dabei entgegenstehenden Grundrechtspositionen im Mittelpunkt der Betrachtung stehen, erfasst die in diesem Zusammenhang verwendete Definition der Hassrede nicht den aufgezeigten Problemkern. Danach sind „Hate Speeches“ allgemeine Äußerungen, die geeignet sind, eine Person oder eine Gruppe zu beschimpfen, einzuschüchtern oder zu belästigen sowie solche, die geeignet sind zu Gewalt, Hass oder Diskriminierungen aufzurufen (Zimmer, Hate Speech, S. 17; Brugger, JA 2006, 687). Der eigentliche Grund der Gefährlichkeit des Hasses wird leider nicht hinterfragt. Die Problematik der „Hate Speeches“ kann für die Erörterung dieses Tatbestandsmerkmals daher nicht herangezogen werden.

C. Das Merkmal des „Aufstachelns zum Hass“

261

Insofern ist die Definition des Reichsgerichts, welche für das Merkmal des Anreizens entwickelt wurde und noch heute in ähnlicher Form von der Literatur und der Rechtsprechung für das Aufstacheln zum Hass vertreten wird, bereits erstaunlich präzise. Ein Aufstacheln zum Hass ist demnach die Einwirkung auf die Sinne und Leidenschaften, aber auch auf den Intellekt anderer, die objektiv geeignet und subjektiv im Sinne eines zielgerichteten Handelns dazu bestimmt ist, eine gesteigerte, über die bloße Ablehnung hinausgehende feindselige Haltung gegen den betroffenen Bevölkerungsteil zu erzeugen oder zu steigern.199 Die Einwirkung auf die Sinne und Leidenschaften in den Ausgangspunkt der Betrachtung zu stellen, ist die korrekte Herangehensweise, da es sich bei dieser Tathandlung ausschließlich um eine emotionale Einflussnahme und Steuerung handelt. Jedoch erscheint es problematisch, die Einwirkung auf den Intellekt als gleichberechtigte Größe daneben zu nennen. Eine Einwirkung auf den Intellekt steht für eine logische Beeinflussung und bewirkt im Grundsatz das genaue Gegenteil von der emotionalen Steuerung. Die Analyse von Hitlers Rhetorik hat gezeigt, dass durch das besonders zielgerichtete Auslösen von Emotionen vor allem das logische Denkvermögen (also der Intellekt) ausgeschaltet werden soll, um so jede rationale Kritik zu vermeiden. Die Einwirkung auf den Intellekt darf in diesem Fall also gerade nicht als die gewollte Entwicklung eigener logischer Gedanken aufgefasst werden, die sich ein Hörer in objektiver Weise bildet, da ein solches Verständnis im Widerspruch zu der obigen Analyse stehen würde. Die Anregung des Intellekts kann daher nur im Sinne eines Mitdenkens verstanden werden, bei dem sich der Hörer genau auf der vorgegebenen deduktiven Denkrinne befindet und wodurch er die vorgefertigten Gedanken des Redners in der von diesem gewollten Weise zu Ende denkt.200 Das von der aufgezeigten Definition der herrschenden Meinung vorgegebene Handlungsziel, die Erzeugung einer über die bloße Ablehnung hinausgehenden feindseligen Haltung, steht ebenfalls im Einklang mit dem Verständnis, welches sich durch die Analyse von Hitlers Rhetorik herausgestellt hat. Am Ende seiner Reden versetzte Hitler die Menschen in ein Gefühl der Aggressionslust, das aus den Emotionen des Stolzes, Triumphs und der Überlegenheit resultierte. Dabei richteten sich die Aggressionen gegen diejenigen Gegner, die Hitler als die Schuldigen für die schlechte gegenwärtige Situation seiner Rezipienten verantwortlich machte. Der anfängliche, 199 200

Vgl. 4. Kapitel, C.I. in Fn. 141. Vgl. bei S. 247 Fn. 145 und S. 252 Fn. 166.

262

4. Kap.: Das Merkmal des „Aufstachelns“

durch die Tathandlung initiierte Hass schlägt sich also am Ende in der Aggressionslust nieder. Damit wurde in dem Auditorium eine feinselige Haltung geschaffen, die eindeutig über die bloße Ablehnung hinausgeht. Die tief greifenden und komplexen Vorgänge, die nötig sind, um bei den Rezipienten Emotionen hervorzurufen und diese in der gewollten Art und Weise zu steuern, konnte an dem Beispiel des Aufbaus von Hitlers Reden verdeutlicht werden. Die bereits von dem Reichsgericht201 gefundene und noch immer verwendete Definition für das Merkmal Aufstacheln zum Hass deckt sich im Wesentlichen mit den Erkenntnissen, die durch die sprachliche und psychologische Analyse am Beispiel von Hitlers Rhetorik erarbeitet wurden. Nur hinsichtlich des Merkmals der „Einwirkung auf den Intellekt“ des Auditoriums war eine geringfügige Anpassung in der näheren Begriffsbestimmung nötig.

D. Die Bestimmtheit des Rezipientenkreises Um eine genaue Abgrenzung des § 130 Abs. 1 Nr. 1 zu der Anstiftung und der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten vornehmen zu können, ist zu klären, wie konkret der Rezipientenkreis bei der Einwirkungshandlung des Aufstachelns zum Hass bestimmt sein muss. Im Ausgangspunkt dieser Überlegungen hat wiederum der Wortlaut zu stehen. § 130 Abs. 1 spricht von der Störung des öffentlichen Friedens. Auf den ersten Blick deutet sich hierbei eine Parallele zu § 111 an, welcher ebenfalls das Merkmal der Öffentlichkeit enthält. Allerdings verbietet sich eine grundsätzliche Übertragung der dort getroffenen Wertungen, da sich diese beiden Tatbestände erheblich voneinander unterscheiden.202 In Literatur und Rechtsprechung herrscht bezüglich der Auslegung des Merkmals der Öffentlichkeit Einigkeit. Die Gefährdung des öffentlichen Friedens lasse danach keinen zwingenden Rückschluss auf eine öffentliche Begehungsweise zu,203 dieses Verständnis entspricht ebenfalls dem Willen 201 Das Reichsgericht definierte damit das Merkmal des „Anreizens“, vgl. 4. Kapitel, C.I. in Fn. 132. 202 Zu der Auslegung des Merkmals der Öffentlichkeit bei § 111 vgl. 1. Kapitel, G.II. sowie 3. Kapitel, C.II. 203 BGHSt 29, 26, 27; 34, 329, 332; OLG Koblenz, StV 1985, 15, 16; OLG Hamburg, MDR 1981, 71; OLG Celle, NJW 1070, 2257; MüKo/Miebach/Schäfer, § 130 Rn. 19; LK/Krauß, § 130 Rn. 68; Schönke/Schröder/Lenckner/Sternberg-Lieben, § 130 Rn. 11; Stegbauer, Propaganda, S. 216; Streng, FS f. Lackner 1987, 501, 516 f.; Sturm, JZ 1976, 347, 350; Schafheutle, JZ 1960, 470, 472; Wagner, JR 1980, 120.

D. Die Bestimmtheit des Rezipientenkreises

263

des Gesetzgebers.204 Demnach reiche auch bereits eine Kundgabe gegenüber einer einzelnen Person aus, wenn nach den konkreten Umständen damit zu rechnen ist, dass die entsprechende Äußerung einer breiten Öffentlichkeit bekannt wird und dieses vom Willen des Täters umfasst war.205 Ein solcher Zugang der breiten Öffentlichkeit sei insbesondere bei Zuschriften an eine Zeitungsredaktion206 oder an einen nicht näher eingegrenzten Kreis von Privatpersonen geben, bei denen von einer Diskretion nicht auszugehen sei.207 Sogar die Weitergabe der entsprechenden Äußerung im Wege der Flüsterpropaganda sei dafür ausreichend, soweit der Täter wiederum mit der Übermittlung an eine breite Öffentlichkeit rechnet.208 Nach Auffassung des OLG Celle seien auch Äußerungen, die in einem Gastzimmer oder einem Eisenbahnabteil vorgenommen werden, von diesem Tatbestand erfasst.209 Diese Definition des Öffentlichkeitsmerkmals ist kritisch zu hinterfragen. Im Fokus der Betrachtung muss immer das geschützte Rechtsgut, nämlich der öffentliche Frieden stehen.210 Zum einen muss die Tathandlung in der aufgezeigten Art und Weise vollzogen werden, um die Geeignetheit einer möglichen Friedensstörung begründen zu können. Zum anderen muss aber die Handlung auch eine Außenwirkung von einiger Relevanz entfalten, ohne die eine Einwirkung auf den öffentlichen Frieden nicht möglich ist.211 Die von Literatur und Rechtsprechung aufgezeigte Definition schließt ebenfalls von dem angegriffenen Rechtsgut auf die Tathandlung zurück. Al204

BT-Drs. III/918, S. 3. OLG Hamburg, MDR 1981, 71; OLG Koblenz, MDR 1977, 334, 335; MüKo/ Miebach/Schäfer, § 130 Rn. 19; LK/Krauß, § 130 Rn. 68; Schönke/Schröder/ Lenckner/Sternberg-Lieben, § 130 Rn. 11; Stegbauer, Propaganda, S. 216; Sturm, JZ 1976, 347. 206 BGHSt 29, 26, 27; OLG Hamburg, NJW 1975, 1088. 207 BGHSt 34, 329, 332. 208 OLG Celle, NJW 1970, 2257; MüKo/Miebach/Schäfer, § 130 Rn. 19; LK/ Krauß, § 130 Rn. 68; Schafheutle, JZ 1960, 470, 472. 209 OLG Celle, NJW 1970, 2257. Diese Auslegung ist die konsequente Weiterentwicklung der aufgezeigten Auffassung. 210 Das von § 130 primär geschützte Rechtsgut ist der öffentliche Frieden. BTDrs. III/1746, S. 3 f.; OLG München, NJW 1985, 2430, 2431; OLG Stuttgart, Die Justiz, 1992, 186; OLG Celle, JR 1988, 79, 79; LK/Kauß, § 130 Rn. 3; Schönke/ Schröder/Lenckner/Sternberg-Lieben, § 130 Rn. 1a; MüKo/Miebach/Schäfer, § 130 Rn. 2; Wandres, Die Strafbarkeit des Auschwitz-Leugnens, S. 213 f.; Lohse, NJW 1985, 1677, 1678; zur Altfassung des § 130: Weil, Klassenkampf, S. 10 ff. Nach einer anderen Auffassung sei allein die Menschenwürde, der betroffenen Personen das geschützte Rechtsgut des § 130. Lömker, Die gefährliche Abwertung, S. 118 ff.; Stegbauer, Propaganda, S. 165 ff.; Streng, FS f. Lackner 1987, 501, 508 ff.; zur Altfassung des § 130: Weil, Klassenkampf, S. 10 ff. 211 So auch Hörnle, NStZ 2002, 113, 117. 205

264

4. Kap.: Das Merkmal des „Aufstachelns“

lerdings dürfte ein Sachverhalt nur schwer zu finden sein, bei dem die nichtöffentliche Begehung der Tat mit der Störung des öffentlichen Friedens in Einklang zu bringen ist.212 Insofern ist dieser Rückschluss nur bedingt tauglich, um in dogmatischer Hinsicht den Rezipientenkreis näher zu bestimmen. Auch die Auffassung des OLG Celle, welche wohl in Übereinstimmung zu der aufgezeigten Definition in Literatur und Rechtsprechung steht, ist nicht ganz unproblematisch. Bei der Äußerung in einer Gaststube oder einem Eisenbahnabteil (also im Rahmen einer begrenzten Öffentlichkeit) das Merkmal der Öffentlichkeit zu bejahen, wenn nach den konkreten Umständen damit zu rechnen ist, dass eine Vielzahl von Personen davon erfahren könnte, zeigt die gefährliche Neigung einer zu großzügigen Handhabung auf. Besonders Wagner sieht in dieser weiten Auslegung des Merkmals der Öffentlichkeit eine gefährliche Tendenz, die ihn an die vom Volksgerichtshof geschaffene Figur der Ersatzöffentlichkeit erinnert, welcher durch eine derartig weite Auslegung den Tatbestand der Wehrkraftzersetzung leichter bejahen konnte.213 Die Kritik von Wagner ist nicht von der Hand zu weisen. Bei der Äußerung in einem kleinen Rahmen bereits immer dann das Merkmal der Gefährdung des öffentlichen Friedens zu bejahen, wenn die Möglichkeit der Kenntnisnahme einer breiten (sekundären) Öffentlichkeit besteht, führt zu einer gewissen Uferlosigkeit dieses Tatbestandsmerkmals, auch wenn sich die weitere Verbreitung durch konkrete Umstände ankündigen muss. Hörnle fordert daher ebenfalls einen kritischen Wert von Personen, demgegenüber die sich der Rhetor zur äußern hat.214 Die Lösung dieses Problems kann sich nur aus einer Kombination des geschützten Rechtsguts mit der dargestellten Handlungsmodalität ergeben. Das Aufstacheln zum Hass zielt ausschließlich darauf ab, eine emotionale Denkweise bei den Menschen in Gang zu setzen, damit der Täter anschließend seine eigentlichen Ziele und Forderungen einer aggressiven und empfangsbereiten Menschenmasse präsentieren kann. Spricht ein Täter nur wenige Personen an und geht er ferner davon aus, dass diese wenigen Rezipienten ihrerseits seine Ideen anderen mitteilen, so kann das Tatbestandsmerkmal des Aufstachelns zum Hass auf der sekundären Ebene nicht verwirklicht werden. Die besondere Gefährlichkeit dieser Tathandlung, die emotionale Steuerung der Rezipienten, wird sich in aller Regel nicht auf der sekundären Ebene fortsetzen. 212 213 214

So auch Wagner, JR 1980, 120. Wagner, JR 1980, 120. Hörnle, NStZ 2002, 113, 117.

E. Ergebnis

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Wie auch im Kontext von Hitlers Rhetorik betont wurde, bleibt der breiten Mehrheit der Zuhörer vornehmlich nur das Ergebnis der Rede in Erinnerung.215 Die sekundäre Mitteilung gegenüber weiteren Personen wird sich also im Grundsatz auf das vom Redner formulierte Ergebnis beziehen und daher gerade nicht mehr geeignet sein, die Emotionen der sekundären Zielgruppe zu verändern. Sie werden vielmehr mit einer (häufig radikalen) Feststellung konfrontiert, der sie aufgrund denklogischer Schlüsse zustimmen oder welche sie ablehnen können. Von derartig präsentierten Thesen geht nicht mehr die gesteigerte Gefahr aus, die das Tatbestandsmerkmal des Aufstachelns zum Hass erfassen soll.216 In diesem Fall verhält es sich ähnlich, als wenn ein Redner sein Publikum allein mit den Diskriminierungen der zweiten Phase aus Hitlers Reden überzeugen will,217 der Tatbestand des § 130 Abs. 1 Nr. 1, 1. Alt. erfasst dieses Verhalten gerade nicht. Ein Aufstacheln zum Hass, muss daher gegenüber einer größeren Menschenmenge vollzogen werden, um das Rechtsgut des öffentlichen Friedens auch gefährden zu können. Die Weiterverbreitung auf einer sekundären Ebene muss in Übereinstimmung zu der Ansicht Wagners außer Betracht bleiben, da sich dort die besondere Gefährlichkeit der Tathandlung nicht mehr niederschlägt und eine derartige Auslegung mit dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot nicht vereinbar wäre.218

E. Ergebnis Nach der vorstehenden Analyse des Merkmals Aufstacheln zum Hass ist eine klare Abgrenzung zu den eingangs untersuchten Einwirkungshandlungen des Bestimmens und des Aufforderns möglich. Im Ergebnis wird dadurch ebenfalls ein Rückschluss auf das Verhältnis der drei Tatbestände zueinander gestattet.

I. Das Verhältnis der einzelnen Tathandlungen Im Ausgangspunkt der Betrachtung stand auch in diesem Kapitel die sprachwissenschaftliche Analyse des Gesetzeswortlauts und insbesondere der Tathandlung. Während die Begriffe Bestimmen und Auffordern auf eine einseitige Verpflichtung des Rezipienten abzielen, ist das Aufstacheln zum Hass darauf gerichtet, den emotionalen Zustand des Hörers in negati215

Vgl. 4. Kapitel, C.II.1.d). Eine Strafbarkeit könnte sich eventuell nach § 130 Abs. 1 Nr. 2 ergeben. 217 Ein solches Vorgehen dürfte in aller Regel scheitern, vgl. 4. Kapitel, C.II.2. hierzu insb. S. 260 in Fn. 197. 218 Im Ergebnis auch Wagner, JR 1980, 120. 216

266

4. Kap.: Das Merkmal des „Aufstachelns“

ver Weise zu verändern. Aus sprachwissenschaftlichen Gesichtspunkten gehört die durch die Begriffe Bestimmen und Auffordern beschriebene Kommunikationsbeziehung der Sprechaktklasse der Direktiva an.219 Demgegenüber definiert das Merkmal Aufstacheln zum Hass eine Handlungsweise, die in die Sprechaktklasse der Expressiva einzuordnen ist.220 Durch dieses Ergebnis sind auch andere tatsächliche Anforderungen an die Verwirklichung der Tathandlung zu stellen. Der von den Verben Bestimmen und Auffordern ausgehende einseitige Verpflichtungscharakter wird von dem Merkmal Aufstacheln zum Hass gerade nicht vorausgesetzt. Daher finden die bei der Anstiftung und der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten aufgezeigten psychologischen Wirkmechanismen bei dieser Tathandlung keine direkte Anwendung. Diese Prinzipien können, wie aufgezeigt, die entsprechende Emotionsverursachung unterstützen, wenn sie von dem Rhetor an der richtigen Stelle eingebaut werden. Die besondere Gefährdung, die von der Tathandlung Aufstacheln zum Hass ausgeht, liegt aber nicht in einer verpflichtenden Wirkung, sondern in der emotionalen Steuerung der Rezipienten. Der Einflussnehmende muss das Gefühl des Hasses in den Ausgangspunkt stellen, um die emotionale Denkweise der Menschen zu initiieren. Von da ausgehend, kann er die Gefühle der Menschen in einer bestimmten Weise leiten, um sie schließlich auf das anvisierte Ziel zu lenken. Der grundsätzliche Unterschied der Tathandlungen Bestimmen und Auffordern zu dem Aufstacheln zum Hass ist die angesprochene Bewusstseinsebene. Beeinflusst der Täter den Rezipienten auf eine direkte, logische Art, die dessen Intellekt anspricht, um ihn von der Richtigkeit und Zweckmäßigkeit der aufgeforderten Handlung zu überzeugen, dann kann nur § 26 bzw. § 111 vorliegen, sofern die weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt wurden.221 Wird hingegen der Weg der mittelbaren Beeinflussung gewählt, um durch die Steuerung der Emotionen den Beeinflussten zu einer (quasi-)selbständigen Handlung zu bewegen, dann liegt ein Fall des Aufstachelns zum Hass vor,222 sofern auch hier wiederum die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt wurden.223 219

Zum Bestimmen vgl. 1. Kapitel, C.II.4. und zum Auffordern vgl. 3. Kapitel,

A.I.1. 220

Vgl. 4. Kapitel, A.II. Zu einem ähnlichen Ergebnis in der Beurteilung der tatsächlichen Herangehensweise kommt auch Rahmlow (Die Auslegung von Äußerungen, S. 93), wobei er allerdings die Volksverhetzung als eine „abgemilderte“ Form der Anstiftung beschreibt. 221 Im Ergebnis so auch bereits RGSt 63, 170, 173; im Ansatz ebenfalls Endemann, Hetze, S. 18 ff.

E. Ergebnis

267

Ebenso wie bei dem Tatbestandsmerkmal des Aufforderns224 handelt es sich bei dem Aufstacheln um einen zwingenden Fall der einseitigen Kommunikation.225 Der Sprecher leitet die Gefühle der Menschen in einem vorgegebenen Rahmen. Etwaige bestehende Bedenken gegen die Pläne und Forderungen des Sprechers werden nicht durch eine wechselseitige Diskussion beseitigt, sondern allenfalls durch eine verstärkte Einwirkung des Rhetors auf die Rezipienten. Aufgrund der unüberschaubaren Größe des Auditoriums ist eine gezielte wechselseitige Kommunikation zwischen Rhetor und Rezipienten nicht möglich. Auch insofern differenziert sich die Tathandlung Aufstacheln zum Hass von der des Bestimmens.

II. Das Konkurrenzverhältnis der Normen Nach den dargestellten Anforderungen, die an die Tathandlung des Aufstachelns zum Hass zu stellen sind, lässt sich das Konkurrenzverhältnis zu § 26 als auch zu § 111 definieren. Grundsätzlich können die Anstiftung bzw. die Öffentliche Aufforderung zu Straftaten nicht gleichzeitig durch die Tathandlung des Aufstachelns zum Hass verwirklicht werden, da die direktiven Begriffe Bestimmen und Auffordern auf die bewusste rationale Überzeugung hinarbeiten, während das Aufstacheln zum Hass nur unterschwellig wirkt und gerade darauf abzielt, das rationale Denkvermögen auszuschalten. Daher werden durch direktive bzw. expressive Äußerungen jeweils andere Bewusstseinsebenen angesprochen, die sich gegenseitig ausschließen.226 Der § 130 Abs. 1 Nr. 1, 1. Alt., Abs. 2 Nr. 1, 1. Alt. steht folglich zu § 26 bzw. zu § 111 in einem Exklusivitätsverhältnis. Verwirklicht der Rhetor in einem engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang sowohl die emotionale Tathandlung des Aufstachelns zum Hass, als auch das Merkmal des Aufforderns nach § 111, so ist zu differenzieren, aufgrund welcher Einwirkungshandlung die spätere Tat verübt wurde. Folgen beide Einwirkungshandlungen einander in einem engen zeitlichen Zusammenhang, ist eine tateineinheitliche Begehungsweise zu § 111 dennoch möglich.227 222 Im Ergebnis so auch bereits RGSt 63, 170, 173; im Ansatz ebenfalls Endemann, Hetze, S. 18 ff. 223 Diese liegen darin, dass sich der entfachte Hass gegen andere Bevölkerungsteile richtet und dabei die Eignung zu einer Störung des öffentlichen Friedens nach sich zieht. 224 Vgl. 3. Kapitel, B.I. und 3. Kapitel, D.I. 225 Es konnte aufgezeigt werden, dass die Anstiftung die zweiseitige Kommunikation nicht ausschließt, vgl. 1. Kapitel, C.IV.1. 226 Vgl. 4. Kapitel, E.I.

268

4. Kap.: Das Merkmal des „Aufstachelns“

So kann es vorkommen, dass der Täter zunächst einmal den Hass der Menschen in der aufgezeigten Weise verursacht und diesen gegen eine bestimmte Bevölkerungsgruppe fokussiert, um im Anschluss daran die Rezipienten in einer logischen und direktiven Weise zur Begehung bestimmter Straftaten aufzufordern. Nach dem System von Hitlers Rhetorik würde damit die letzte Phase, die der Selbsterhöhung des Sprechers vorbehalten ist, zumindest teilweise ersetzt werden. Anstatt der eigenen Selbsterhöhung würde der Rhetor zu bestimmten Straftaten auffordern und die Notwendigkeit ihrer Verwirklichung mit den im Vorfeld ausgebreiteten emotionalen Argumenten begründen. Bei einer Kombination der emotionalen Hassverursachung mit einer sich anschließenden direktiven Aufforderung zu einer im Sinne des § 111 konkretisierten Tat liegt zwischen beiden Tatbeständen ein Fall der Tateinheit vor. Gegenüber der Anstiftung ist ebenfalls die tateinheitliche Begehung möglich. Auch im Anschluss an eine emotionale Einwirkung kann der Täter in direktiver Weise eine einzelne Person aus dem Auditorium korrumpieren, sofern sich diese aus der Menge abgrenzt und dadurch eine individuelle Beeinflussung ermöglicht wird.228

III. Das Merkmal des Aufstachelns in § 80a Neben dem Tatbestand der Volksverhetzung enthält auch § 80a das Tatbestandsmerkmal des Aufstachelns. Bei dieser Norm bezieht sich die Tathandlung allerdings auf das Merkmal des Angriffskrieges. Daraus ergibt sich bereits die erste Abweichung zu § 130, bei dem das Aufstacheln nach dem Gesetzeswortlaut direkt mit einer Emotion, nämlich dem Hass verknüpft ist. Trotz des abweichenden Bezugsobjekts lassen sich die für § 130 gefundenen Wertungen auch auf diese Vorschrift übertragen. Dies resultiert bereits aus der Historie des § 80a, welcher durch das 8. Strafrechtsänderungsgesetz vom 25.06.1968 in das StGB aufgenommen wurde,229 wobei die bereits bekannte Formulierung des „Aufstachelns“ aus § 130 als Vorbild diente.230 Die Literatur aber auch die vorhandene Rechtsprechung folgen dieser gesetzgeberischen Intention und greifen hinsichtlich der Auslegung des Merkmals des Aufstachelns auf die für § 130 entwickelte Definition zurück und passen diese entsprechend den tatbestandlichen Erfordernissen an. 227 Für die Möglichkeit der tateinheitlichen Begehung zwischen § 130 und § 111: MüKo/Bosch, § 111 Rn. 36; Schönke/Schröder/Lenckner/Sternberg-Lieben, § 130 Rn. 27; LK/Krauß, § 130 Rn. 141; NK/Ostendorf, § 130 Rn. 42. 228 Ähnlich bereits auch zu § 111 vgl. 3. Kapitel, D.III. 229 BT-Drs. V/2860 S. 2 f. 230 AK/Sonnen, § 80a Rn. 2; LK/Laufhütte/Kuschel, § 80a Rn. 4; MüKo/Classen, § 80a Rn. 6; Frank, Abwehr, S. 93.

E. Ergebnis

269

Danach soll das Aufstacheln zum Angriffskrieg die gefährliche Erhöhung der Kriegsbereitschaft und der Angriffslust der Bevölkerung durch eine psychologische Einwirkung sowie durch hetzerische als auch aufwieglerische Propaganda verhindern.231 Aufgrund der besonderen Betonung der „psychologischen Einwirkung der aufwieglerischen Propaganda“ ist auch hier der expressive Charakter des Merkmals des Aufstachelns zu bejahen. Einige Vertreter lehnen ihr Verständnis von dem Aufstacheln noch stärker an die in § 130 vertretene Definition an, indem sie diese ohne Modifikationen auch im Rahmen des § 80a anwenden.232 Damit erhalten sie noch deutlicher ein expressives Verständnis von dieser Tathandlung. Klug kritisiert die Auslegung des Aufstachelns als emotionsauslösende Wendung. Um zu beweisen, dass es sich bei dem Merkmal des Aufstachelns in § 80a gerade nicht um einen Akt handelt, welcher darauf gerichtet ist, Emotionen zu verursachen, stellt er § 130 in den Ausgangspunkt seiner Überlegungen. Dabei versteht er die Begriffe Auffordern und Aufstacheln als Synonyme. Um diese These zu untermauern tauscht er in einer theoretischen Überlegung die beiden Tathandlungen aus, wodurch er zu dem Ergebnis kommt, dass ein Wechsel der Ausführungsmodalität zu keiner abweichenden rechtlichen Bewertung führen würde.233 In der Konsequenz müsse das Merkmal Aufstacheln in § 80a als eine emotionslose Einwirkungshandlung verstanden werden, die in ihrer rechtlichen Bedeutung dem Merkmal des Aufforderns entspricht.234 Danach liege bereits immer schon dann der Tatbestand des § 80a vor, wenn eine kriegerische Konfliktlösung mit rationalen Mitteln angeregt wird.235 Dieser Auffassung kann nach der hier vertretenen Auslegung des Merkmals Aufstacheln nicht gefolgt werden. Der Gesetzgeber wollte in den Tatbeständen des § 130 als auch in § 80a eine Handlungsweise sanktionieren, welche eine emotionale Art der Willensbeeinflussung erfasst. Diese Sichtweise entspricht sowohl der Intention des Gesetzgebers, als auch der sprachwissenschaftlichen Klassifikation der Tathandlung. 231 NK/Paeffgen, § 80a Rn. 2; LK/Laufhütte/Kuschel, § 80a Rn. 4; weniger deutlich, aber im Ergebnis so auch: Schönke/Schröder/Lenckner/Sternberg-Lieben, § 80a Rn. 1; SK/Rudolphi53, § 80a Rn. 1; AK/Sonnen, § 80a Rn. 10; Fischer, § 80a Rn. 3; Frank, Abwehr, S. 94 ff. 232 LG Köln, NStZ 1981, 261; MüKo/Classen, § 80a Rn. 6. Diese vertreten auch hier die auf S. 140 f. bereits dargestellte Definition des Aufstachelns. 233 Klug, FS f. Jescheck, 1985, 583, 598. 234 Klug, FS f. Jescheck, 1985, 583, 597 ff. 235 Klug, FS f. Jescheck, 1985, 583, 595 ff. sowie 599.

5. Kapitel

Das Merkmal des „Verleitens“ Eine weitere Handlung, die die Einwirkung auf andere Personen normiert, wird durch den Begriff verleiten beschrieben. Dieses Tatbestandsmerkmal findet sich innerhalb des StGB in den §§ 120, 160, 323b, 328 Abs. 2 Nr. 4 sowie in § 357 wieder. Da diese Vorschriften die unterschiedlichsten Rechtsgüter schützen, dürfte es bei diesem Merkmal schwieriger sein, eine allgemeingültige Definition zu finden, da eine zu große Abstraktion stets auch immer die Gefahr der normativen Weite in sich birgt1 und diese stets ein gefährliches Spannungsverhältnis zu Art. 103 Abs. 2 GG aufwirft. Trotzdem soll im Folgenden versucht werden, diesen Begriff eingehender zu analysieren und letztlich auch zu definieren, um ihn zu den bisher untersuchten Tathandlungen in ein Verhältnis setzen zu können.

A. Der Begriff „Verleiten“ I. Die lexikalische Bedeutung Um die konkrete Bedeutung im Rahmen der einzelnen Tatbestände klären zu können, ist zunächst die allgemeine sprachliche Bedeutung des zu untersuchenden Begriffs zu hinterfragen. Das Wörterbuch der deutschen Sprache (Duden) definiert Verleiten mit „ jemanden zu etwas bringen, was er für unklug oder unerlaubt hält bzw. was er von sich aus nicht getan hätte“.2 Das Wörterbuch nach Brockhaus/Wahrig stellt Verleiten zunächst einmal mit Verführen gleich.3 Verführen wird hierbei auch mit dem „Verleiten bzw. Verlocken zu einer ursprünglich nicht gewollten Handlung“ beschrieben.4 Beide Wörterbücher gelangen im Ergebnis daher zu derselben Definition, die darin besteht, jemanden von der Verwirklichung einer eigentlich nicht gewollten Handlung zu überzeugen. 1 2 3 4

So auch Andrews, Verleitung, S. 44. Duden, Band 6, S. 2759. Brockhaus/Wahrig, Band 6, S. 516. Brockhaus/Wahrig, Band 6, S. 493.

A. Der Begriff „Verleiten“

271

Insofern lässt das allgemeine Sprachverständnis bereits erste Rückschlüsse auf die rechtlichen Anforderungen an die Tathandlung zu. Es muss also auch hier eine motivierende Einflussnahme auf den Willen des Auszuführenden stattfinden, da er sonst dem Verhaltensvorschlag des Einwirkenden nicht folgen würde. Bereits diese erste Einordnung deutet daher eine gewisse Nähe zu dem untersuchten Begriff des Bestimmens aus § 26 an.

II. Die sprachwissenschaftliche Analyse Um das konkrete Verhältnis des Verleitens zu den bisher untersuchten Tathandlungen in sprachwissenschaftlicher Weise beurteilen zu können, ist die von dem Merkmal verleiten beschriebene Kommunikationsbeziehung ebenfalls in die entsprechende Sprechaktklasse nach Searle einzuordnen. Die konkrete Einstufung des illokutionären Aktes wird, wie bereits aufgezeigt, durch die Analyse des propositionalen Gehalts (Anpassungsrichtung), der Aufrichtigkeitsregel (psychischer Zustand) und des illokutionären Witzes (Zweck des Sprechaktes) erreicht.5 Bereits die lexikalische Untersuchung des Wortes Verleiten ergab, dass auch diese Form der Einflussnahme darauf abzielt, den Kommunikationspartner zu einer Handlung zu veranlassen, die er eigentlich nicht wollte. Der Adressat wird hier ebenfalls durch den Rhetor zu einem Verhalten motiviert, welches durch die entsprechende Strafnorm näher definiert wird. Der propositionale Gehalt ist also auch hier „Welt an Wort“. Damit beschränkt sich die mögliche Einordnung des Gesetzestextes ebenfalls auf die Klassen der Direktiva und der Kommissiva. Nunmehr ist die Zielrichtung zu untersuchen, die durch das Wort verleiten intendiert wird. Durch eine verleitende Einflussnahme soll der Adressat und nicht der Sprecher zur Durchführung einer bestimmten Verhaltensweise veranlasst werden. Aufgrund dieser Kommunikationsrichtung ist die durch das Verb verleiten definierte Kommunikationsbeziehung ebenfalls in die Sprechaktklasse der Direktiva einzuordnen. Die dadurch begründete einseitige Verpflichtung basiert auf einer mittransportierten Sanktion, deren Stärke wiederum die Intensität der Verpflichtung kennzeichnet.6 Um die näheren Anforderungen zu klären, die an die Tathandlung des Verleitens zu stellen sind, ist auf den jeweiligen Normenkontext abzustellen. Insofern bilden die juristischen Vorgaben des entsprechenden Delikts den illokutionären Witz im Sinne der Sprachwissenschaft. So können die Syste5 Zur genauen Definition der Sprechaktklassen und der Klassifikationskriterien vgl. 1. Kapitel, C.II.2. 6 Vgl. 1. Kapitel, C.II.5.

272

5. Kap.: Das Merkmal des „Verleitens“

matik, der Sinn und Zweck etc. der jeweiligen Vorschrift die Bedeutung der Tathandlung beeinflussen und unter Umständen sogar ihren sprachwissenschaftlichen Charakter verändern.

B. Das Verleiten in § 357 Von den Normen, die die Tathandlung des Verleitens beinhalten, steht § 357 der Anstiftung am nächsten. Dieser Tatbestand stellt die Verleitung eines untergebenen bzw. zu kontrollierenden Amtsträgers zu einer rechtswidrigen Tat durch den jeweiligen Vorgesetzten unter Strafe. Damit sanktioniert auch diese Norm die Einwirkungshandlung eines Hintermannes, die auf die Begehung einer Straftat durch den Beeinflussten abzielt. Die Vorschrift beinhaltet im Gegensatz zu der Anstiftung nicht nur eine Tathandlung. Neben der Begehungsvariante des Verleitens, sanktioniert § 357 Abs. 1 auch das „zu verleiten unternehmen“ sowie das „Geschehenlassen“ einer rechtswidrigen Tat. Diese Norm erweitert und überlagert als lex specialis die allgemeinen Teilnahmeregeln, indem der Vorgesetzte auch dann gleich dem Täter bestraft wird, wenn dieser die Voraussetzungen der Beteiligungsnormen des Allgemeinen Teils nicht erfüllt. So wird über § 357 ebenfalls die versuchte Einwirkung („zu verleiten unternimmt“) zu einem Vergehen sanktioniert. Auch der Rückgriff auf die Strafmilderungsmöglichkeiten der §§ 13 Abs. 2, 27, 30 Abs. 1 S. 2 wird durch die Spezialregelung des § 357 verhindert.7 Trotz dieser tatbestandlichen Weite ist die praktische und kriminalpolitische Bedeutung dieser Vorschrift äußerst gering.8

I. Die Definition des „Verleitens“ in Literatur und Rechtsprechung Die Ähnlichkeit des § 357 zur Anstiftung wird durch die vergleichbare Tatbestandskonstellation zum Ausdruck gebracht. Diese Verwandtschaft wird von Literatur und Rechtsprechung bei der Definition der zu untersuchenden Tathandlung aufgegriffen. 7 BGHSt 5, 155, 165 f.; OGHSt 2, 23, 30; RGSt 68, 90, 92; RGSt 68, 90, 92; SK/Rogall128, § 357 Rn. 1; MüKo/Schmitz, § 357 Rn. 1; LK/Zieschang, § 357 Rn. 17; Joecks, § 357 Rn. 1; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT II, § 97 Rn. 3; Arzt/ Weber/Heinrich/Hilgendorf, § 49 Rn. 105 u. 107; Fincke, Das Verhältnis, S. 75; Andrews, Verleitung, S. 148; Jerouschek, GA 1999 [146], 416, 432; Schmidhäuser, BT, 24/32; Otto, BT, § 100 Rn. 1; Welzel, Strafrecht, S. 538; Geppert, Jura 1981, 78, 84; Holtzendorff/Meves, Band 3, Strafrecht, S. 1012 f.; a. A. für § 13 Abs. 2: Sangenstedt, Garantenstellung, S. 476 f. insb. Fn. 35. 8 MüKo/Schmitz, § 357 Rn. 6 f.; NK/Kuhlen, § 357 Rn. 2.

B. Das Verleiten in § 357

273

Ein beachtlicher Teil der Lehre sowie die Rechtsprechung verweisen hinsichtlich der Definition des Verleitens unmittelbar auf den Tatbestand des § 26 und übertragen die dort getroffenen Wertungen. Verleiten bedeute danach nichts anderes als Anstiften.9 Einige Stimmen in der Literatur teilen diese grundsätzliche Haltung und gehen sogar darüber hinaus. Verleiten erfasse nach diesen aber nicht nur die Anstiftung, sondern ebenfalls die mittelbare Täterschaft. Also auch derjenige Untergebene, dem die erforderliche Täterqualität fehlt, könne im Sinne der Norm verleitet werden.10 Ein anderer Teil der Lehre berücksichtigt, dass das Merkmal des Verleitens lediglich eine Tathandlung des § 357 darstellt. Ein völliger Rückgriff auf den gesamten Tatbestand der Anstiftung sei demnach unangemessen. Die Entsprechung des Verleitens in § 357 könne sich nur auf die Tathandlung des § 26, also das Bestimmen beziehen.11 Wieder andere Vertreter in der Literatur meiden den direkten Bezug auf § 26 bzw. auf die Tathandlung des Bestimmens und definieren das Merkmal des Verleitens als die erfolgreiche Einwirkung zur Begehung des entsprechenden Delikts.12 Bereits nach Abschluss der sprachlichen Analyse konnte eine gewisse Verwandtschaft zwischen den Tathandlungen Bestimmen und Verleiten bestätigt werden. Eine Heranziehung des gesamten § 26, um ihn auf eine einzelne Tathandlung zu übertragen, erscheint als zu pauschal. Auch Andrews kritisiert die vollständige Projektion des gesamten Anstiftungstatbestands auf dieses Tatbestandsmerkmal. Seine Kritik basiert im Wesentlichen auf der unterschiedlichen Weite beider Tatbestände. Er, wie ein nicht unbedeutender Teil der Literatur ist der Ansicht, § 357 erfasse auch das Verleiten zu einer vorsatzlosen Vortat des Untergebenen, da der Wortlaut nur von einer rechtswidrigen Tat spricht.13 Damit sei § 357 weiter 9 BGHSt 5, 155, 165; OGHSt 2, 23, 32; RGSt 68, 90, 92; NK/Kuhlen, § 357 Rn. 6; Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, BT, § 49 Rn. 105; Krause/Thoma, BT, S. 90 Rn. 743; Kohlrausch/Lange, § 357 III; Hälschner, BT 2, S. 1062; Welzel, Strafrecht, S. 538; Nivera, Strafrechtslehrbuch, S. 206; Richard Schmidt, Strafrecht, S. 317; Kern, BT, S. 246; Mühlmann/Bommel, § 357 Anm. 2a; Fincke, Das Verhältnis, S. 74 Fn. 294; Neumeyer, VDB IX, 517, 518 f.; Binding, BT 2, S. 736; wohl auch Geppert, Jura 1981, 78, 84. 10 MüKo/Schmitz, § 357 Rn. 17 f.; Schönke/Schröder/Cramer/Heine, § 357 Rn. 5; NK/Kuhlen, § 357 Rn. 6; wohl auch Maurach/Schroeder/Maiwald, § 97 Rn. 6. 11 SK/Rogall128, § 357 Rn. 14; LK/Zieschang, § 357 Rn. 9; Andrews, Verleitung, S. 45 f.; Otto, BT, § 100 Rn. 7; Wieczorek/Brodag, BT, S. 375. 12 Schönke/Schröder/Cramer/Heine, § 357 Rn. 5; Schmidhäuser, BT, 24/33. 13 So auch BGHSt 2, 169, 171; SK/Rogall128, § 357 Rn. 14; NK/Kuhlen, § 357 Rn. 6; Schönke/Schröder/Cramer/Heine, § 357 Rn. 5; LK11 /Jescheck, § 357 Rn. 8;

274

5. Kap.: Das Merkmal des „Verleitens“

gefasst als § 26, der zusätzlich den Vorsatz der Vortat fordert. Eine Übertragung der engeren Anstiftungsnorm auf das Tatbestandsmerkmal des Verleitens wäre demnach ein dogmatischer Bruch, da so § 357 durch die Hintertür wiederum eingeengt werden würde. Dieser grundsätzlichen Wertung ist zu folgen. Die gesamten Anforderungen einer Norm können rein dogmatisch nicht auf eine einzelne Tathandlung übertragen werden. Allerdings soll im weiteren Verlauf aufgezeigt werden, dass die vermeintliche Erweiterung des § 357 auch auf vorsatzlose Vortaten keine praktischen Auswirkungen hat und der hierzu ausgetragene Streit grundsätzlich obsolet ist.14 Im Ergebnis kann sich die Tathandlung des Verleitens nur an dem Begriff des Bestimmens und nicht an der gesamten Norm des § 26 orientieren. Allerdings konnte durch die in der Literatur und Rechtsprechung vertretenen Definitionen nicht hinreichend geklärt werden, welche genauen Anforderungen an dieses Tatbestandsmerkmal zu stellen sind. Die Bedingungen, die die Tathandlung Verleiten in dem konkreten Normenkontext erfüllen muss, sollen im Folgenden herausgearbeitet werden.

II. Der Schutzzweck der Norm Um die konkreten Anforderung an die zu untersuchende Tathandlung herausstellen zu können, ist der genaue Schutzzweck der Norm zu hinterfragen. 1. Die geschützten Rechtsgüter Der zu untersuchende Tatbestand verfolgt grundsätzlich zwei Schutzrichtungen. Durch § 357 sollen natürlich, wie auch bei § 26 oder bei § 111, diejenigen Rechtsgüter geschützt werden, die der Einflussnehmende durch seine Einwirkungshandlung zumindest mittelbar angreift.15 Dieses geht aus dem Gedanken der Akzessorietät hervor, welcher in § 357 ebenso wie in § 26 bzw. in § 111 enthalten ist und der auch in dieser Norm durch die angedrohte Sanktion, d. h. die tätergleiche Bestrafung zum Ausdruck kommt. So wird auch bei § 357 der einwirkende Hintermann gleich dem Vortäter bestraft. Joecks, § 357 Rn. 3; Andrews, Verleitung, S. 46; Geppert, Jura 1981, 78, 84; Wieczorek/Brodag, BT, S. 375. 14 Vgl. 5. Kapitel, B.III.3.c). 15 SK/Rogall128, § 357 Rn. 4; NK/Kuhlen, § 357 Rn. 3; Schönke/Schröder/Cramer/Heine, § 357 Rn. 1; LPK/Kindhäuser, § 357 Rn. 1; Otto, BT, § 100 Rn. 3.

B. Das Verleiten in § 357

275

Das zweite von § 357 geschützte Rechtsgut ergibt sich aus der tatbestandlichen Personenkonstellation. Danach kommt diese Norm immer nur dann zur Anwendung, wenn ein vorgesetzter Amtsträger auf seinen Untergebenen einwirkt bzw. bestimmte rechtswidrige Verhaltensweisen duldet. Das Unrecht, welches sich aus dieser Konstellation herleitet, setzt sich aus zwei Elementen zusammen. Zum einen missbraucht der Vorgesetzte durch die Tathandlung seine Amtstellung. Zum anderen wird das besondere Vertrauen der Bevölkerung in die Rechtmäßigkeit des staatlichen Handelns, welches das Rückgrad aller staatlichen Autorität darstellt, erschüttert. Der Verleitende nach § 357 verwirklicht damit ein höheres Unrecht als der einfache Anstifter im Sinne des § 26. Dieses erhöhte Unrecht ist auch die dogmatische Begründung für den Ausschluss der Strafmilderungsmöglichkeiten und die Erweiterung des deliktischen Verhaltensspektrums, welches auch die versuchte Verleitung zu Vergehen erfasst.16 Mithin wird durch § 357 zusätzlich das Vertrauen der Bevölkerung in die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns und in die ordnungsgemäße Kontrolle der Untergebenen durch Vorgesetzte und Aufsichtspflichtige geschützt.17 2. Die Deliktsnatur des § 357 Aufgrund des doppelten Schutzcharakters des § 357 lässt sich eine Parallele zu § 111 erkennen. Der Tatbestand der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten wurde als janusköpfig eingestuft, da er sowohl Elemente des Allgemeinen sowie solche des Besonderen Teils in sich vereinigt. Diese Doppelnatur gilt ebenso für § 357. Sowohl von § 111 als auch von § 357 werden die durch die Einwirkungshandlung des Hintermannes mittelbar angegriffenen Individualrechtsgüter geschützt. Dieser Schutz kommt insbesondere durch die von beiden Tatbeständen angeordnete tätergleiche Bestrafung zum Ausdruck. Aufgrund dieses Elements wird die (zumindest partielle) Zugehörigkeit zu dem Allgemeinen Teil begründet. Andererseits verfolgen sowohl § 111 als auch § 357 den Schutz eines eigenständigen Rechtsguts. So schützt § 111 seinerseits den inneren Gemeinschaftsfrieden, während von § 357 das Vertrauen der Bevölkerung in die Rechtmäßigkeit der Verwaltung geschützt wird. Durch den jeweiligen 16

Vgl. Nachweise S. 8 Fn. 7. SK/Rogall128, § 357 Rn. 4; NK/Kuhlen, § 357 Rn. 3; LK/Zieschang, § 357 Rn. 1; Schönke/Schröder/Cramer/Heine, § 357 Rn. 1; LPK/Kindhäuser, § 357 Rn. 1; Otto, BT, § 100 Rn. 3; Will, Verantwortlichkeit, S. 45. 17

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5. Kap.: Das Merkmal des „Verleitens“

Schutz eines eigenständigen Rechtsguts unterstreichen beiden Normen ihre Zugehörigkeit zu dem Besonderen Teil. Da § 357 ein eigenständiges Rechtgut schützt, handelt es sich bei dieser Norm nicht nur um eine bloße Sonderregelung der Teilnahme, sondern um ein eigenständiges Delikt (echtes Amtsdelikt).18 Diese Sichtweise wird durch die Stellung der Norm im StGB verdeutlicht. Der Gesetzgeber ordnete diese Vorschrift gerade nicht in den Kontext der Teilnahmeregelungen ein, sondern in den der Amtsdelikte, wodurch er den eigenständigen Charakter dieser Vorschrift unterstreicht. Bei § 357 handelt es sich dabei ebenfalls um ein Delikt, welches wie auch der § 111, an der Nahtstelle zwischen dem Allgemeinem und dem Besonderem Teil des StGB steht.

III. Die Anforderungen an das „Verleiten“ Ausgehend von diesen Feststellungen können Rückschlüsse auf die Tathandlung des Verleitens gezogen werden. 1. Das Vollzugsstadium der Tathandlung Wie der Begriff des Bestimmens, so setzt auch das Verleiten eine bereits erfolgte, erfolgreiche Einwirkung auf den Rezipienten voraus. Im Rahmen von § 26 wurde dieses durch die Wahl der Zeitform des Perfekt verdeutlicht.19 In § 357 kommt das Erfolgserfordernis, ähnlich wie bei § 111,20 durch die Gesetzessystematik zum Ausdruck. Neben der Tathandlung des Verleitens wird durch § 357 ebenfalls der Versuch des Verleitens sanktioniert, welches durch die Wendung „zu verleiten unternimmt“ zum Ausdruck ge18 LK11 /Jescheck, § 357 Rn. 1; NK/Kuhlen, § 357 Rn. 10; Schönke/Schröder/ Cramer/Heine, § 357 Rn. 10; Otto, BT, § 100 Rn. 4; Andrews, Verleitung, S. 138 ff. insb. S. 142; Will, Verantwortlichkeit, S. 45; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT, § 97 Rn. 4; Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, BT, § 49 Rn. 109; Welzel, Strafrecht, S. 538. Eine andere Auffassung betrachtet die Deliktsnatur differenzierend. Danach handle es sich bei § 357 nur dann um ein echtes Amtsdelikt, wenn der Vorgesetzte nicht zugleich die Voraussetzungen der allg. Teilnahmevorschriften verwirklicht. SK/Rogall128, § 357 Rn. 1; LK/Zieschang, § 357 Rn. 2; MüKo/ Schmitz, § 357 Rn. 3; Fischer, § 357 Rn. 2; LPK/Kindhäuser, § 357 Rn. 3. Eine dritte (ältere) Auffassung begreift diese Norm immer als Sonderregelung zu der einfachen Teilnahme und nie als eigenständiges Delikt. BGHSt 3, 349, 352 f.; 5, 157, 165; RGSt 68, 90, 92; Kohlrausch/Lange, § 357 IV. 19 Vgl. 3. Kapitel, A.I.3.b). 20 Vgl. 3. Kapitel, A.I.3.b).

B. Das Verleiten in § 357

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bracht wird. In Abgrenzung dazu kann unter Verleiten nur die bereits abgeschlossene, erfolgreiche Einwirkungshandlung verstanden werden.21 2. Die Definition der herrschenden Meinung Die in diesem Zusammenhang bestehende herrschende Meinung lässt für die Begründung der Tathandlung Verleiten jede Form der kausalen Beeinflussung ausreichen. Die dabei eingesetzten Mittel der Einflussnahme bzw. deren Art und Weise seien unerheblich.22 Allerdings wird für diese weitläufige Definition nur selten eine Begründung angeboten. Einen möglichen Begründungsansatz zeigt Andrews auf, zu dem er sich aber selbst nicht klar positioniert.23 Danach liege die begriffliche Weite des Verleitens in der Historie des § 357 begründet. Ein Gleichlauf mit dem Begriff des Bestimmens sei nicht möglich, da § 48 a. F.24 bestimmte Formen der Einflussnahme beispielhaft aufzeigte, um die Tathandlung selbst zu begrenzen. Eine derartige Konkretisierung habe die Tathandlung Verleiten nie erfahren und könne demnach nicht in sie hineingelesen werden.25 Die so entstehende Konturlosigkeit, die im Ergebnis zur Bestrafung der bloßen Urheberschaft kommt,26 ist zu kritisieren. Zunächst einmal setzt sich die herrschende Meinung hierdurch in einen Widerspruch zu sich selbst. So wird einerseits bei der Definition des Verleitens ein Rückgriff auf den Tatbestand der Anstiftung bzw. die Tathandlung des Bestimmens gefordert. Anderseits sei eine begriffliche Offenheit notwendig, die der Verursachung gleich steht. Auf diese Weise wird die vorgenommene Bezugnahme auf die Anstiftung bzw. das Bestimmen entwertet, da die bei § 26 getroffenen Anforderungen nachträglich aufgehoben werden SK/Rogall128, § 357 Rn. 14 f.; Schönke/Schröder/Cramer/Heine, § 357 Rn. 1 u. 5 f.; MüKo/Schmitz, § 357 Rn. 19; NK/Kuhlen, § 357 Rn. 7; LPK/Kindhäuser, § 357 Rn. 8; Andrews, Verleitung, S. 53; Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, § 49 Rn. 105; Otto, BT, § 100 Rn. 7. 22 OGHSt 2, 23, 30 f. u. 37; SK/Rogall128, § 357 Rn. 14; Schönke/Schröder/Cramer/Heine, § 357 Rn. 5; MüKo/Schmitz, § 357 Rn. 17; NK/Kuhlen, § 357 Rn. 6; LPK/Kindhäuser, § 357 Rn. 8; Andrews, Verleitung, S. 55; Holtzendorff/Meves, S. 1013. 23 Unentschlossen Andrews, Verleitung, S. 55 ff. Dieser vermeidet eine Definition hinsichtlich der genauen Anforderungen an das Verleiten, da hierbei die Gefahr bestehe, die bei dem spezielleren Delikt des § 357 getroffenen Wertungen auf den allgemeineren Tatbestand des § 26 zu übertragen (Andrews, Verleitung, S. 59). 24 Gesetzestext des § 48 a. F. vgl. 1. Kapitel, B.IV.7. in Fn. 333. 25 Andrews, Verleitung, S. 55. 26 In dieser Deutlichkeit: Schönke/Schröder/Cramer/Heine, § 357 Rn. 1; NK/ Kuhlen, § 357 Rn. 6. 21

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5. Kap.: Das Merkmal des „Verleitens“

und bei § 357 nicht mehr zum Tragen kommen. Es wäre vielmehr ausreichend und dogmatisch sauberer den Begriff des Verleitens originär und ohne Rückbezug auf § 26 zu definieren, so wie es Heine und Schmidhäuser vorschlagen.27 Ferner steht ein derartig weites Verständnis in einem Spannungsverhältnis zu dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz und dem Schuldprinzip. Gerade da das strafbare Verhalten bei § 357 im Vergleich zu der Anstiftung zusätzlich erweitert wird und überdies die Strafmilderungsmöglichkeiten keine Anwendung finden, ist eine Gleichsetzung von Verleiten und Verursachen äußerst bedenklich, da es hierdurch zu einer nochmaligen Erweiterung des strafbaren Verhaltensspektrums kommt. Gerade bei dem Strafrahmen der tätergleichen Bestrafung sind klare Anforderungen an die Mindestvoraussetzungen des strafbaren Verhaltens zu fordern. Darüber hinaus besteht für ein derartig weites Verständnis des Verleitens auch keine praktische Notwendigkeit. Die zwei weiteren Tathandlungen des „Geschehenlassens“ und des „zu verleiten Unternehmens“ erfassen ein weiteres breites Spektrum deliktischen Verhaltens, so dass die von § 357 geschützten Rechtsgüter auch bei einer restriktiveren Definition des Verleitens immer noch ausreichend geschützt wären. Außerdem ist auch die von Andrews aufgezeigte Argumentation nicht korrekt. § 48 a. F. enthielt Aufzählungen, die das Merkmal des Bestimmens näher erläuterten; allerdings waren diese lediglich exemplarisch und keinesfalls als abschließend zu verstehen. Eine begriffliche Eingrenzung des Bestimmens wollte der Gesetzgeber dadurch gerade nicht erreichen. Vielmehr sollten die beispielhaften Aufzählungen als Orientierungshilfe für die damaligen Geschworenen dienen, die Laienrichter waren. Eine über die genannten Beispiele hinausgehende, offenere Bedeutung des Merkmals Bestimmen hielt auch das Reichsgericht für möglich.28 Die unterschiedliche Historie des § 26 und des § 357 kann eine abweichende Definition der beiden Tathandlungen nicht rechtfertigen. 3. Der eigene Lösungsansatz Im Ausgangspunkt einer fundierten Definition des Merkmals verleiten sind sowohl die juristischen Anforderungen an den Tatbestand, wie auch das Ergebnis der sprachwissenschaftlichen Analyse zu beachten. Verleiten wird nach dem allgemeinen Sprachverständnis mit jemand erfolgreich zu etwas bringen, was er für unklug oder unerlaubt hält bzw. was 27 28

Vgl. 5. Kapitel, B.I. in Fn. 12. Vgl. Nachweis 1. Kapitel, B.IV.5. in Fn. 304.

B. Das Verleiten in § 357

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er von sich aus nicht getan hätte, definiert.29 Um eine Person zu einer Handlung zu motivieren, die sie ursprünglich nicht wollte, muss sie sich einem korrumpierenden Druck ausgesetzt sehen. Wie bereits erläutert, wird ein solcher Handlungsdruck durch einen externen Einfluss auf das internalisierte Wertesystem des Rezipienten begründet, der seinerseits auf einer positiven oder negativen Sanktion beruht.30 Durch eine eingehende Betrachtung des § 357 soll aufgezeigt werden, dass diese Anforderungen durch den juristischen Kontext der Norm bestätigt werden. a) Die tatbestandliche Personenkonstellation Ein gesteigerter Handlungsdruck kann gegenüber einem Adressaten immer nur dann aufgebaut werden, wenn der Einwirkende die Möglichkeit hat, das „Feuer zu fördern, indem er stets Brennholz nachlegt“.31 Der Täter muss also eine persönliche Kommunikationsbeziehung zu dem Rezipienten aufbauen, um gezielt und mit dem nötigen Nachdruck auf diesen einzuwirken zu können.32 Die Möglichkeit des Täters gegenüber dem Adressaten einen korrumpierenden Handlungsdruck aufzubauen, ergibt sich aus der tatbestandlichen Personenkonstellation des § 357. Ein Vorgesetzter hat stets die Möglichkeit auf den jeweiligen (ihm untergebenen) Haupttäter individuell einzuwirken, um dessen persönliche Zweifel zu zerstreuen und so den Aufbau des Handlungsdrucks nach den jeweiligen Gegebenheiten zu steuern und zu intensivieren. Hinsichtlich der Konkretisierung des Rezipientenkreises werden durch die tatbestandlichen Anforderungen des § 357 automatisch diejenigen Konkretisierungsanforderungen erfüllt, wie sie bereits für § 26 definiert wurden.33 b) Die dogmatische Notwendigkeit des korrumpierenden Handlungsdrucks Die gefundenen sprachwissenschaftlichen Anforderungen können nur dann auf die rechtliche Ebene übertragen werden, wenn die dogmatische Notwendigkeit für eine derartige Restriktion der Tathandlung besteht. 29 30 31 32 33

Vgl. 5. Kapitel, A.I. Ausführlicher zu der Begründung des Handlungsdrucks, vgl. 1. Kapitel, C.IV. Vgl. 1. Kapitel, G.II.4.b). Vgl. 1. Kapitel, C.IV. sowie 1. Kapitel, G.II.4.a). Vgl. 1. Kapitel, G.II.4.b).

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5. Kap.: Das Merkmal des „Verleitens“

Eine gewisse Erheblichkeitsschwelle in die vorliegende Tathandlung hineinzulesen, kann sich aus dem besonders hohen Strafmaß der tätergleichen Bestrafung ergeben, welches eine gewisse strafrechtliche Verwerflichkeit des normativen Verhaltens voraussetzt. Der Aspekt der tätergleichen Strafbarkeit sowie die zu der Anstiftung vergleichbare Personenkonstellation legen den Schluss nahe, dass sich die strafrechtliche Verwerflichkeit des Verleitens aus denselben Unrechtselementen zusammensetzt wie die Tathandlung des Bestimmens in § 26. Allerdings sind die Unrechtsbestandteile des Verleitens in § 357 nur auf den ersten Blick mit denen des Bestimmens aus § 26 vergleichbar. Der Unrechtsgehalt der Anstiftung besteht aus zwei Elementen.34 Zum einen ist der Hintermann der geistige Urheber der sich anschließenden Haupttat, da er durch seine Einwirkung auf den Rezipienten das Unrecht in die Welt setzt (selbständiges Element). Zum anderen wird ihm aber auch, das durch die Haupttat tatsächlich verwirklichte Unrecht über den Strafrahmen der tätergleichen Bestrafung zugerechnet (unselbständiges Element). Eine Übertragung dieser Wertung ergibt sich aber nur bei dem erfolgreichen Verleiten, da es bei dem versuchten Verleiten kein zurechenbares Erfolgsunrecht gibt. Indem der Gesetzgeber bei § 357 das versuchte mit dem erfolgreichen Verleiten gleichstellt geht er von derselben strafrechtlichen Verwerflichkeit beider Tathandlungen aus. In der Konsequenz zu dieser Gleichstellung kann das unselbständige Element, also die tatsächliche Verwirklichung der anvisierten Rechtsgutsverletzung, keine erheblichen Auswirkungen auf das strafrechtliche Unrecht haben. Die strafrechtliche Verwerflichkeit liegt bei § 357 nahezu ausschließlich in dem selbständigen Element, welches durch die Einwirkungshandlung des Vorgesetzen auf den Adressaten verwirklicht wird. Der sich anschließende Rechtsgutsangriff des Vortäters, der das unselbständige Element begründet, steht mithin nicht im Fokus des Schutzzwecks dieser Norm. Indem der Gesetzgeber bei § 357 ein Unrechtselement der Teilnahme bei der strafrechtlichen Würdigung vernachlässigt, er aber denselben Strafrahmen wie in § 26 normiert, muss er die Tathandlung des § 357 in Abhängigkeit zu den geschützten Rechtsgütern als besonders verwerflich ansehen. Dieser Gedanke wird zusätzlich durch den Ausschluss der Strafmilderungsmöglichkeiten des Allgemeinen Teils hervorgehoben.35 Das speziell von § 357 geschützte Rechtsgut ist das Vertrauen der Bevölkerung in die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns und in die ord34 Nach der hier vertretenen Theorie vom akzessorischen Rechtsgutsangriff, vgl. 1. Kapitel, A.III.3. 35 So bereits unter 5. Kapitel, B., Nachweise vgl. 5. Kapitel, B. in Fn. 7.

B. Das Verleiten in § 357

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nungsgemäße Kontrolle der Untergebenen durch Aufsichtspflichtige und Vorgesetzte.36 Wie bereits erläutert, steht der Schutz von diesem Rechtsgut im Vordergrund des § 357 und wird durch die Stellung dieser Norm im gesetzlichen Kontext, dem 30. Abschnitt des StGB verdeutlicht, der sich mit den Straftaten im Amt beschäftigt. Würde der Schwerpunkt dieser Vorschrift auf der Teilnahme liegen, so hätte ihn der Gesetzgeber in dem Kontext der §§ 25 ff. angesiedelt.37 Nur wenn die Tathandlung ebenfalls eine gesteigerte Verwerflichkeit aufweist, lässt sich die angeordnete, tätergleiche Bestrafung unter Verzicht auf das unselbständige Unrechtselement rechtfertigen. Diese gesteigerte Verwerflichkeit ergibt sich bei dem Verleiten aus der Notwendigkeit eines korrumpierenden Einflusses auf den Rezipienten, der darauf abzielt, diesen gegenüber dem Sprecher zu verpflichten. Damit bestätigt sich die sprachwissenschaftliche Forderung, welche das Verleiten in die Sprechaktklasse der Direktiva einordnet. Der gesetzliche Kontext und die sprachwissenschaftlichen Anforderungen stimmen also überein. Eine Einflussnahme jedweder Art, wie sie die wohl herrschende Meinung fordert, ist abzulehnen. Das sanktionierende Element, welches die Tathandlung des Verleitens voraussetzt, begründet sich auf denselben psychologischen Wirkmechanismen wie sie auch bei der Anstiftung herausgestellt wurden.38 Insbesondere das psychologische Prinzip der Autorität erhält im Rahmen dieser Norm eine tragende Bedeutung.39 Ein Untergebener kann sich aufgrund dieses Prinzips nur schwer eines Handlungswunsches einer ihm übergeordneten Autoritätsperson entziehen. Bereits die übergeordnete Position des Beeinflussenden transportiert regelmäßig einen gewissen Handlungsdruck, der auf der menschlichen Programmierung beruht. Grundsätzlich haben Menschen die Neigung, sich den Weisungen augenscheinlich übergeordneter Personen unterzuordnen, wobei dieses Verhalten wiederum auf die menschliche Präferenz für die Automatisierung von Handlungsprozessen zurückzuführen ist.40 Tatbestandlich ist es hierbei jedoch nicht nötig, dass der Einwirkende das Gewicht seiner amtlichen Stellung in diese Einwirkungshandlung mit einfließen lässt.41

36

Vgl. 5. Kapitel, B.II.1. So auch Geppert, Jura 1981, 78, 83. 38 Zu den psychologischen Wirkmechanismen der negativen Sanktionen vgl. 1. Kapitel, C.IV.2 sowie der positiven Sanktionen vgl. 1. Kapitel, C.IV.3. 39 Zum Wirkmechanismus der Autorität vgl. 1. Kapitel, C.IV.2.c)bb). 40 Zum Wirkmechanismus der sozialen Bewährtheit vgl. 1. Kapitel, C.IV.2.c)cc). 41 So auch Andrews, Verleitung, S. 56; Holtzendorff/Meves, Strafrecht, S. 1013. 37

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5. Kap.: Das Merkmal des „Verleitens“

c) Das Verleiten zu einer unvorsätzlichen Haupttat Ein sich hierbei anschließendes Problem ist das Verleiten zu einer unvorsätzlichen Haupttat. Der Tatbestand des § 357 spricht von einer rechtswidrigen Tat, wohingegen § 26 eine vorsätzliche, rechtswidrige Tat voraussetzt. Daraus leiteten einige Stimmen in Literatur und Rechtssprechung die Notwendigkeit ab, auch das Verleiten zu einer unvorsätzlichen Tat in den Anwendungsbereich des § 357 einzubeziehen.42 Aus rechtspolitischen Gründen ist allerdings eine derartige Erweiterung des tatbestandlichen Handlungsspektrums nicht nötig, da die Beschränkung auf vorsätzliche Vortaten zu keinen Strafbarkeitslücken führen würde. Es entsteht der Eindruck, die hier definierten Anforderungen an die Tathandlung seien nur dann vertretbar, wenn sich das Verleiten auf eine vorsätzliche Vortat bezieht, da der durch den Einflussnehmenden ausgeübte Handlungsdruck immer auf ein vorsätzliches Verhalten des Vordermannes abzielt. In der Konsequenz zu dieser Überlegung wäre der verpflichtende Charakter des Verleitens mit einer fahrlässigen Vortat unvereinbar. Bei näherer Betrachtung gilt diese Schlussfolgerung gerade nicht. Differenziert man die Fahrlässigkeitsdelikte in die Kategorien der bewussten und der unbewussten Fahrlässigkeit, so wird deutlich, dass ein Verleiten nicht auf eine unbewusst fahrlässige Haupttat abzielen kann, ohne gegen das verfassungsrechtliche Schuldprinzip zu verstoßen. Hierbei überschreitet der Vortäter den zu beachtenden Sorgfaltspflichtmaßstab nicht mit Wissen und Wollen. Die Einwirkungshandlung des Hintermannes findet dabei nur auf einer unterschwelligen, unbewussten Ebene statt, die durch die Anstiftungslehren der Verursachungstheorie bzw. der Theorie vom geistigen Kontakt beschrieben wird.43 Durch eine derartige Einwirkungshandlung wird lediglich ein Unrecht von untergeordneter Art verwirklicht, welches mit der tätergleichen Bestrafung nicht vereinbar ist.44 Dieses Missverhältnis wird bei § 357 zusätzlich durch den Ausschluss der Strafmilderungsmöglichkeiten sowie die Ausdehnung des Tatbestands auch auf das versuchte Verleiten erhöht.45 Eine Einwirkungshandlung, der es an dem korrumpierenden Einfluss fehlt, ist nicht geeignet, die tatbestandliche Erheblichkeitsschwelle des § 357 zu überschreiten und das Tatbestandsmerkmal des Verleitens aus42

Vgl. 5. Kapitel, B.I. in Fn. 13. Derartige Fälle zeigt Andrews (Verleitung, S. 71 f.) auf. Die Möglichkeit einer Zurechnung lässt dieser auch hier offen, um keine Rückschlüsse von der spezielleren Norm des § 357 auf den § 26 ziehen zu müssen. 44 Zur Anstiftung vgl. 1. Kapitel, E.I. 45 So bereits unter 5. Kapitel, B. 43

B. Das Verleiten in § 357

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zufüllen. Die Fälle, in denen der Adressat auf Veranlassung des Hintermanns unbewusst fahrlässig handelt, weisen daher einen zu geringen Unrechtsgehalt auf, der mit der tätergleichen Strafbarkeit des § 357 nicht vereinbar ist. Eine andere Wertung ergibt sich im Fall der bewussten Fahrlässigkeit des Vordermannes. Sobald der Hintermann den Rezipienten durch die hier geforderte Art zu einem bestimmten Verhalten motiviert, liegt eine Art der Einflussnahme vor, die eine bloße unterbewusste Verhaltenssteuerung ausschließt. Der Adressat wird durch eine derartige Einwirkung zu der gezielten Überschreitung des Sorgfaltspflichtmaßstabes verpflichtet. Durch die sanktionsbewehrte Verhaltenssteuerung des Vordermannes, welche auf die Missachtung bestimmter Sorgfaltspflichten abzielt, handelt der Hintermann seinerseits ebenfalls sorgfaltspflichtwidrig. Realisiert sich der Sorgfaltspflichtverstoß des Adressaten in der Verwirklichung des entsprechenden Fahrlässigkeitsdelikts, dann wurde die entsprechende Norm sowohl von dem Hintermann, als auch von dem Vortäter verletzt. Die tätergleiche Bestrafung, welche das rechtspolitische Ziel des § 357 ist, wird in diesem Fall auch ohne dessen Anwendung erzielt.46 Die hier beschriebene Art der korrumpierenden Einflussnahme ist daher auch im Bereich der bewussten Fahrlässigkeit möglich. Die Erweiterung des tatbestandlichen Anwendungsbereichs von § 357 auch auf unvorsätzliche Vortaten ist aber aufgrund der mangelnden praktischen Relevanz abzulehnen.47

IV. Ergebnis 1. Das Verhältnis der einzelnen Tathandlungen Durch die eingangs aufgezeigte sprachliche Analyse konnte der Begriff Verleiten auch in die Sprechaktklasse der Direktiva eingeordnet werden, wonach er auf eine einseitige Verpflichtung des Adressaten gegenüber dem Rhetor abzielt. Dieses sprachliche Erfordernis konnte durch die rechtliche Analyse von § 357 bestätigt werden, der zwei Schutzzwecke verfolgt. Zum einen werden, wie auch bei der Anstiftung, die durch die korrumpierende Einwirkung mittelbar angegriffenen Rechtsgüter geschützt. Zum anderen sichert § 357 46 Dieses übersieht offenbar Andrews. Nach ihm sei die Einbeziehung auch der fahrlässigen Haupttat zur umfassenden Abdeckung des strafbaren Verhaltens des Vorgesetzten erforderlich. Vgl. Andrews, Verleitung, S. 34. 47 So auch MüKo/Schmitz, § 357 Rn. 12 u. 18; Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, BT, § 49 Rn. 106; Otto, BT, § 100 Rn. 5; Welzel, Strafrecht, S. 538.

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5. Kap.: Das Merkmal des „Verleitens“

das Vertrauen der Bevölkerung in die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns. Dieser, im Vergleich zu der Anstiftung erweiterte Schutzzweck, erhöht den Unrechtsgehalt des tatbestandlichen Verhaltens. Trotz des erweiterten Schutzzwecks sind die Parallelen zwischen § 357 und § 26 beachtlich. So sind an die Tathandlung des Verleitens dieselben Anforderungen zu stellen, wie an das Bestimmen im Sinne der Anstiftung. Beide Tatbestandsmerkmale setzen voraus, dass der Einwirkende gegenüber dem Adressaten einen gesteigerten Handlungsdruck aufbaut, der auf eine korrumpierende Einwirkung auf dessen Wertesystem zurückzuführen ist. Eine Gleichstellung von Verleiten und Verursachen wäre zu weit gefasst und würde bei dem angedrohten tätergleichen Strafrahmen zu Konflikten mit dem Schuldprinzip führen.48 Insofern unterscheiden sich § 26 und § 357 von § 111. Die dort verwendete Tathandlung des Aufforderns beschreibt zwar ebenfalls eine Kommunikationsbeziehung, die der Sprechaktklasse der Direktiva angehört, wobei sie aber aufgrund der angesprochenen Personenvielzahl nur eine Verpflichtung von geringerer Intensität begründen kann.49 Durch die Notwendigkeit des gesteigerten Handlungsdrucks, der eine hinreichend gefestigte Bindung zwischen Rhetor und Rezipient erfordert, erfasst § 357 wie auch § 26 die Fälle der ein- wie auch der zweiseitigen Kommunikation.50 In Abweichung dazu regeln die §§ 111, 130 nur Fälle der einseitigen Kommunikation,51 da der hierbei angesprochene große Rezipientenkreis den Aufbau einer intensiven wechselseitigen Interaktion verhindert. Hinsichtlich der Bestimmtheit der Vortat ergeben sich bei § 357 keinerlei Abweichungen zu den bei § 26 getroffenen Wertungen. Der Hintermann muss die Kenntnis von den tragenden Umständen der Vortat besitzen, so dass unter dem Gesichtspunkt einer juristischen Würdigung eine Subsumtion unter das entsprechende Delikt möglich wäre.52 2. Das Konkurrenzverhältnis Aus der aufgezeigten Analyse des § 357 sowie der Tathandlung des Verleitens können Rückschlüsse auf das Konkurrenzverhältnis zu den bereits untersuchten Normen gezogen werden. 48 49 50 51 52

Hierzu bereits unter 5. Kapitel, B.III.2. Vgl. 3. Kapitel, A.I.2. Zu 1. Kapitel, C.IV.1. Zu § 111 vgl. 3. Kapitel, D.I.; zu § 130 vgl. 4. Kapitel, E.I. Zur Konkretisierung der Haupttat vgl. 1. Kapitel, G.I.5.

B. Das Verleiten in § 357

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Gegenüber § 26 wird § 357 als lex specialis angesehen.53 Dieser Feststellung ist zuzustimmen, da § 357 alle Voraussetzungen der Anstiftung beinhaltet und darüber hinaus eine Reihe von Spezialregelungen enthält. So setzt § 357 die beschriebene tatbestandliche Personenkonstellation voraus, er schließt die Anwendung der Strafmilderungsmöglichkeiten des Allgemeinen Teils aus und er setzt die erfolgreiche mit der erfolglosen (versuchten) Verleitung gleich. Darüber hinaus konnte herausgearbeitet werden, dass durch die faktische Gleichstellung der versuchten mit der erfolgreichen Verleitung auf ein Unrechtselement (unselbständiges Element) verzichtet wurde, welches einen wesentlichen Bestandteil des Teilnahmeunrechts darstellt.54 Zu § 111 steht § 357 in einem Exklusivitätsverhältnis, da die Einwirkungshandlung immer nur individual- oder gruppenbezogen erfolgen kann. Das Verhältnis der Tateinheit ist aber auch in denjenigen Sonderfällen denkbar, in denen die eine Art der Einwirkung der anderen unmittelbar folgt, also beide Handlungsweisen innerhalb des von § 52 gesetzten, engen zeitlichen Rahmens liegen.55 Allerdings dürfte diese Sonderkonstellation in der Praxis nahezu ausgeschlossen sein. Hinsichtlich des § 130 Abs. 1 Nr. 1, 1. Alt. ist wiederum von einer tatbestandlichen Exklusivität auszugehen. Dieses Verhältnis ergibt sich aus den Anforderungen, die an die verschiedenen Tathandlungen Aufstacheln und Verleiten zu stellen sind. Ebenso wie Bestimmen spricht auch Verleiten die rationale Bewusstseinsebene an, dahingegen zielt das Aufstacheln zum Hass gerade auf die Ausschaltung dieser logischen Denkprozesse ab.56 Aber auch in diesem Zusammenhang ist die bereits aufgezeigte Sonderkonstellation zumindest theoretisch denkbar, bei der beide Tatbestände in einem engen zeitlichen Rahmen nacheinander erfüllt werden. Auch hier wäre ein Fall der Tateinheit gegeben.57 Dieser Fall wäre beispielsweise denkbar, wenn der Täter eine Hassrede hält und sich in deren Anschluss an eine bestimmte Person richtet, um sie zur Verwirklichung einer bestimmten Tat aufzufordern. Bei dieser Person müsste es sich allerdings um einen Amtsträger handeln, der dem Sprecher dienstlich untergeordnet ist. Diese Konstellation dürfte aber von nur geringer praktischer Relevanz sein. 53

Nachweise hierzu vgl. 5. Kapitel, B. in Fn. 7. Vgl. 5. Kapitel, B.III.3.b). 55 Vgl. hierzu die Ausführungen zu dem Verhältnis § 26 zu § 111, vgl. 3. Kapitel, D.III. 56 Vgl. hierzu die weiteren Ausführungen zu dem Exklusivitätsverhältnis zwischen § 26 und § 130, vgl. 4. Kapitel, E.II. 57 Dasselbe Problem wurde auch bereits im Rahmen der Anstiftung erörtert, vgl. 4. Kapitel, E.II. 54

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5. Kap.: Das Merkmal des „Verleitens“

C. Das „Verleiten“ in § 160 Die wohl bekannteste Norm, welche die Tathandlung des Verleitens beinhaltet, ist § 160. Nach dieser Vorschrift wird derjenige bestraft, der eine andere Person zur Ableistung eines falschen Eides, einer falschen Versicherung an Eides Statt oder einer falschen uneidlichen Aussage verleitet. Die Bedeutung des Begriffs Verleiten im Kontext dieser Vorschrift ist von besonderem Interesse. Bereits bei einer ersten Betrachtung der Aussagedelikte deutet sich die Sonderstellung des § 160 an. Diese Norm verfolgt offensichtlich einen anderen Zweck als die Bestrafung einer sanktionsbewehrten Aufforderung gegenüber einer anderen Person. Die Aussagedelikte schließen die einfache Anstiftung zu den §§ 153 f., 156 nicht explizit aus, welches sich auch aus der Existenz des § 159 entnehmen lässt. Der Regelungsgehalt des § 160 muss sich in der Konsequenz auf die Sanktionierung einer anderen Art des Einwirkens beziehen. Nur durch eine eingehende Untersuchung des von diesem Delikt verfolgten Regelungszwecks kann festgestellt werden, ob sich die direktiven Anforderungen an den Akt des Verleitens, welche die Sprachwissenschaft fordert, auch im Kontext dieser Norm aufrecht erhalten lassen.

I. Die Systematik der Aussagedelikte Die falsche uneidliche Aussage, der Meineid sowie die falsche Versicherung an Eides Statt werden in den §§ 153 f., 156 geregelt, wobei § 160 zu diesen Delikten eine Sonderregelung darstellt. Diese Notwendigkeit ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der Aussagedelikte. So trifft den Aussagenden stets eine persönlich zu erbringende Wahrheitspflicht, die er durch eine falsche (eidliche oder auch uneidliche) Aussage oder eine falsche Versicherung an Eides Statt verletzt. Bei den Aussagedelikten handelt es sich also um eigenhändige Delikte, wodurch sowohl eine Mittäterschaft als auch eine mittelbare Täterschaft entfällt.58 Die Möglichkeit der Anstiftung zu einer falschen uneidlichen Aussage gem. § 153, einer falschen Versicherung an Eides Statt nach § 156 oder einer falschen eidlichen Aussage nach § 154

58 RGSt 61, 199, 201; SK/Rudolphi48, § 160 Rn. 1; LK/Ruß, § 160 Rn. 1; MüKo/Müller, § 160 Rn. 1; ders., Falsche Zeugenaussage, S. 126; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT II, § 75 Rn. 80, 96; Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, BT, § 47 Rn. 15 f.; Schmidhäuser, BT, 23/22; Otto, BT, § 97 Rn. 85; ders., JuS 1984, 161, 166; Heinrich, JuS 1995, 1115, 1116; Voigt, GA 1880 [28], 222, 226; Kretschmar, Jura 2003, 535, 537; Eschenbach, Jura 1993, 407; Kudlich/Henn, JA 2008, 510; Krischer, Die innerprozessuale Teilnahme, S. 249.

C. Das „Verleiten“ in § 160

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wird hierdurch aber nicht ausgeschlossen, da die Eigenhändigkeit des Aussagenden auch in diesen Fällen bestehen bleibt.59 Das maßgebliche Differenzierungskriterium zwischen der Anstiftung zu §§ 153 f., 156 und § 160 ist also das Merkmal der Eigenhändigkeit. Durch dieses Merkmal wird die mittelbare Täterschaft zu den §§ 153 f., 156 ausgeschlossen. Die so entstandene Strafbarkeitslücke muss daher durch eine Sonderregelung geschlossen werden. § 160 erfasst diejenigen Fälle, in denen der Täter auf den Aussagenden einwirkt, damit dieser als dessen Werkzeug unvorsätzlich und gutgläubig einen falschen Eid leistet, eine falsche Versicherung an Eides Statt abgibt oder eine falsche uneidliche Aussage trifft.60 Damit zielt die Tathandlung des Verleitens in § 160 ausschließlich auf die Verursachung einer unvorsätzlichen Falschaussage ab. Alle Fälle in denen die Einwirkung des Täters zu einer vorsätzlichen Falschaussage des Aussagenden führt, werden bereits durch die Anstiftung sanktioniert und können nicht mehr von § 160 erfasst werden.61 Durch diese Differenzierung wird eine klare Abgrenzung zwischen Anstiftung und mittelbarer Täterschaft erreicht.

II. Die Definition des Verleitens Durch das zwischen den §§ 153 f., 156, 26 und § 160 herausgearbeitete eindeutige Aliudverhältnis ist der bereits angedeutete Rückschluss auf das Merkmal des Verleitens möglich. Unter der Tathandlung des Verleitens im Sinne des § 160 wird in Literatur und Rechtsprechung jede Einwirkung auf die Aussageperson verstanden, damit diese eine falsche Aussage bzw. falsche Versicherung an Eides Statt abgibt, ohne sich der Unwahrheit der Aussage bewusst zu sein.62 59 RGSt 61, 199, 201; MüKo/Müller, § 160 Rn. 3; ders., Falsche Zeugenaussage, S. 126; Hruschka/Kässer, JuS 1972, 709, 713; Voigt, GA 1880 [28], 222, 231; Heinrich, JuS 1995, 1115, 1116; Kretschmar, Jura 2003, 535, 537; Eschenbach, Jura 1993, 407, 408; Otto, BT, § 97 Rn. 71; ders., JuS 1984, 161, 169; Kudlich/Henn, JA 2008, 510. 60 SK/Rudolphi48, § 160 Rn. 1; Schönke/Schröder/Lenckner/Bosch, § 160 Rn. 1; LK/Ruß, § 160 Rn. 2; MüKo/Müller, § 160 Rn. 2; Krey/Hellmann/Heinrich, BT I, § 8 Rn. 765; Otto, BT, § 97 Rn. 85; ders., JuS 1984, 161, 170; Eschenbach, Jura 1993, 407; Heinrich, JuS 1995, 1115, 1118, Kudlich/Henn, JA 2008, 510, 513; Voigt, GA 1880 [28], 222, 231 f.; Kretschmar, Jura 2003, 535, 538; Krischer, Die innerprozessuale Teilnahme, S. 249 f. 61 MüKo/Müller, § 160 Rn. 3 und 16 f.; Otto, BT, § 97 Rn. 85; ders., JuS 1984, 161, 170; Kudlich/Henn, JA 2008, 510, 513. 62 So auch RGSt 15, 149, 150 f.; 25, 213 f.; 64, 223, 225; OLG Karlsruhe, Justiz 1982, 141, 142; OLG Köln, NJW 1957, 553; SK/Rudolphi48, § 160 Rn. 6; MüKo/ Müller, § 160 Rn. 11; LK/Ruß, § 160 Rn. 5; Schönke/Schröder/Lenckner/Bosch,

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5. Kap.: Das Merkmal des „Verleitens“

Dieser Definition ist zuzustimmen. Um bei einer Person eine falsche Erinnerung an ein bestimmtes Geschehen zu wecken bzw. deren Erinnerungen zu verfälschen, sind viele Einflussnahmemöglichkeiten denkbar. Grundsätzlich meint Verleiten in § 160 eine zielgerichtete Mitteilung von verfälschten Informationen durch den Hintermann, um einen Irrtum bei dem Aussagenden hervorzurufen. Damit ist der Begriff des Verleitens im Kontext dieser Norm weiter zu fassen, da für die Begründung der mittelbaren Täterschaft kein sanktionsbewehrter Handlungsdruck nötig ist. Dieses ergibt sich bereits aus der Tatsache, dass der Hintermann seine beherrschende Position auch durch das Hervorrufen eines Irrtums begründen kann.63 Eine weitergehende begriffliche Restriktion kann dem Merkmal Verleiten in diesem Kontext nicht unterstellt werden, ohne die gesetzgeberische Intention zu verzerren.

III. Die veränderte sprachwissenschaftliche Einstufung Der gesetzliche Kontext des § 160, also der illokutive Witz im Sinne der Linguistik, erfordert ein weites Verständnis von der Tathandlung Verleiten. Diese offene Definition weicht von der eingangs aufgezeigten sprachlichen Analyse ab, wonach die durch das Verleiten definierte Kommunikationsbeziehung in die Sprechaktklasse der Direktiva einzuordnen ist. Da bereits eine zielgerichtete Informationsmitteilung ausreicht, um die Erinnerung einer Person zu verfälschen, muss die in diesem Zusammenhang verwendete Entsprechung des Wortes Verleiten einer weniger restriktiven Sprechaktklasse zugeordnet werden. Die Sprechaktklasse, welche den einfachen Informationstransfer zwischen Rhetor und Rezipienten erfasst, wird als Assertiva64 bezeichnet. Die von dieser Sprechaktklasse geforderte Anpassungsrichtung ist „Wort an Welt“. Ferner ist der durch diese Klasse transportierte psychische Zustand der „Glauben“.65 Bei näherer Betrachtung lassen sich all diese Indikatoren auf die Tathandlung Verleiten im Kontext des § 160 übertragen. § 160 Rn. 7; Krey/Hellmann/Heinrich, BT I, § 8 Rn. 762, 765; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT II, § 97 Rn. 99; Rengier, BT II, § 49 Rn. 57; Otto, JuS 1984, 161, 170; ders., BT, § 97 Rn. 88; Schmidhäuser, BT, 23/22; Kudlich/Henn, JA 2008, 510, 513. 63 Schönke/Schröder/Heine, § 25 Rn. 6a; LPK/Kindhäuser, § 25 Rn. 34 ff.; Kretschmar, Jura 2003, 535. Zum Einfluss der täuschenden Einwirkung im Rahmen der Anstiftung, vgl. 1. Kapitel, C.IV.4.g) bis i). 64 Vgl. 1. Kapitel, C.II.2. 65 Vgl. 1. Kapitel, C.II.2.

D. Das „Verleiten“ in § 120

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Der Sprecher möchte erreichen, dass bei dem Rezipienten ein fiktives Bild der Wirklichkeit entsteht bzw. gefestigt wird. Dazu präsentiert er dem Aussagenden einen veränderten Sachverhalt, indem er seine Worte dem fiktiven Weltbild anpasst. Diese Art der Mitteilung basiert auf einer rein informativen und nachdrucklosen Art der Einwirkung. Das Ziel dieser Mitteilung ist die Überzeugung des Rezipienten, dieser soll an die, von dem Sprecher veränderte Tatsachendarstellung „glauben“. Der gesetzliche Kontext des § 160 verändert das Verständnis von der vorliegenden Tathandlung und beeinflusst auf diese Art dessen sprachwissenschaftliche Klassifikation. Die Veränderung des illokutiven Witzes (Zweck des Sprechaktes) begründet daher eine Einstufung in die Sprechaktklasse der Assertiva.

D. Das „Verleiten“ in § 120 Die Tathandlung des Verleitens ist darüber hinaus in § 120 Abs. 1 enthalten. Diese Norm regelt die Gefangenenbefreiung und bestraft denjenigen, der einen Gefangenen befreit, ihn zum Entweichen verleitet oder dieses Ziel fördert. Ob das zu untersuchende Tatbestandsmerkmal im Kontext dieser Norm mit dem sprachwissenschaftlichen Ergebnis im Einklang steht und es damit einen Sonderfall der Anstiftung regelt, soll im Folgenden untersucht werden.

I. Die teleologische Auslegung Da die sprachliche Bedeutung des Verleitens bereits analysiert wurde, schließt sich die teleologische Auslegung des normativen Kontextes an. Für die vorliegende Untersuchung kann es dahinstehen, ob das von dieser Norm geschützte Rechtsgut in dem „formell ordnungsgemäß angeordneten staatlichen Gewahrsam“66 oder in der „staatlichen Hoheits- und Verwahrungsgewalt“67 über den Gefangenen zu sehen ist.68 Beide Auffassungen zielen jedenfalls im Ergebnis darauf ab, den ungestörten Strafvollzug bzw. KG JR 1980, 513; SK/Wolters134, § 120 Rn. 2; LK/Rosenau, § 120 Rn. 8; Ostendorf, JZ 1987, 335, 336; NK/ders., § 120 Rn. 3; Schmidhäuser, BT, 22/17. 67 BGHSt 9, 62, 64; RGSt 39, 189, 191; Schönke/Schröder/Eser, § 120 Rn. 1; LPK/Kindhäuser, § 120 Rn. 1; Otto, BT, § 92 Rn. 1; Welzel, Strafrecht, S. 506; Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, BT, § 45 Rn. 55; Rengier, BT II, § 54 Rn. 1; Wessels/Hettinger, BT I, Rn. 649; Krey/Hellmann/Heinrich, BT I, § 7 Rn. 708; Britz/Müller-Dietz, JuS 1998, 237, 241; Peglau, NJW 2003, 3256 f.; Herrlein/Werner, JA 1994, 561. 68 Ebenfalls unentschieden MüKo/Bosch, § 120 Rn. 1. 66

290

5. Kap.: Das Merkmal des „Verleitens“

die Feststellung des Bestehens eines staatlichen Strafanspruches (in den Fällen der Untersuchungshaft) oder den Schutz der Allgemeinheit (in den Fällen des Maßregelvollzugs) sicherzustellen.69 Dieses Ziel steht in Konflikt zu dem natürlichen menschlichen Freiheitsdrang. Aus diesem Grund entschied sich der Gesetzgeber zu einer bewussten Nachsicht und stellte die Selbstbefreiung von Gefangenen nicht unter Strafe.70 In der Lehre wird die Straflosigkeit des fliehenden Gefangenen mit der Notstandsähnlichkeit seiner Situation begründet, wodurch die Schuldhaftigkeit seines Verhaltens ausgeschlossen werde.71 Das Argument der Liberalität des Strafrechts steht allerdings in einem merkwürdigen Spannungsverhältnis zu dem Strafvollzugsrecht.72 Nach § 100 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StVollzG dürfen gegen Gefangene auch „Schusswaffen gebraucht werden, um ihre Flucht zu vereiteln oder um sie wieder zu ergreifen“. Aufgrund der tatbestandslosen Haupttat scheidet die Teilnahme an der Gefangenenbefreiung nach den allgemeinen Regeln aus. Um das eingangs aufgezeigte Rechtsgut nicht völlig ungeschützt zu lassen, war der Gesetzgeber gezwungen, die Teilnahmehandlungen eigenständig zu regeln. Nach unumstrittener Auffassung werden daher Verleiten als auch Fördern in § 120 Abs. 1 als Entsprechungen für die Anstiftung und die Beihilfe verstanden.73 Auch in dieser Norm kommt es zu keiner Überschneidung zwischen Anstiftung und der mittelbaren Täterschaft, da die letzteren Fälle von der ersten tatbestandlichen Begehungsvariante, also dem Befreien erfasst werden.74 SK/Wolters134, § 120 Rn. 2; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT II, § 72 Rn. 7. BT-Drs. IV/650, S. 610; BGHSt 4, 396, 400 f.; 17, 369, 374; RGSt 3, 140, 141; LK/Rosenau, § 120 Rn. 3; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT II, § 72 Rn. 8; Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, BT, § 45 Rn. 55; Welzel, Strafrecht, S. 507; Otto, BT, § 92 Rn. 1, 10; Rengier, BT II, § 54 Rn. 7; Herrlein/Werner, JA 1994, 561. 71 MüKo/Bosch, § 120 Rn. 17; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT II, § 72 Rn. 11; Schmidhäuser, BT, 22/17; Herzberg, JuS 1975, 792, 794; Wolter, JuS 1982, 343, 346; Schröder, JZ 1961, 264, 265; Miehe, JuS 1996, 1000, 1007. Unzutreffend in diesem Zusammenhang Ostendorf (NK, § 120 Rn. 1), der die Straflosigkeit auf den nemo tenetur-Grundsatz stützt. 72 So auch Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, BT, § 45 Rn. 55. 73 BT-Drs. IV/650, S. 611; VII/550, S. 220; SK/Wolter134, § 120 Rn. 9; LK/Rosenau, § 120 Rn. 3, 40 f.; MüKo/Bosch, § 120 Rn. 16, 21 f.; Schönke/Schröder/ Eser, § 120 Rn. 10 f.; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT II, § 72 Rn. 11; Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, BT, § 45 Rn. 58; Otto, BT, § 92 Rn. 5; Schmidhäuser, BT, 22/19; Rengier, BT II, § 54 Rn. 8; Wessels/Hettinger, BT I, Rn. 654; Siegert, JZ 1973, 308, 309. 74 LK/Rosenau, § 120 Rn. 56; MüKo/Bosch, § 120 Rn. 21; NK/Ostendorf, § 120 Rn. 11; Siegert, JZ 1973, 308, 309; Weber, Jura 1984, 367, 380. 69 70

D. Das „Verleiten“ in § 120

291

II. Anforderungen an die Tathandlung Verleiten Indem die Tathandlung Verleiten als eine verselbständigte Form der Teilnahme aufzufassen ist, die der Anstiftung entspricht, wird das Ergebnis der sprachwissenschaftlichen Analyse bestätigt. Die durch das Verleiten beschriebene tatsächliche Verhaltensweise, ist auch in diesem gesetzlichen Kontext in die Sprechaktklasse der Direktiva einzuordnen. Die Einwirkung des Täters muss also auch hier darauf gerichtet sein, einen Handlungsdruck beim Rezipienten aufzubauen. Die Besonderheit der Haftsituation sowie die Straflosigkeit der Selbstbefreiung des Gefangenen haben einen erheblichen Einfluss auf den sanktionsauslösenden Mechanismus, welcher das verpflichtende direktive Element begründet. Der Wertekonflikt, der bei der Anstiftung den sanktionsbewehrten Handlungsdruck verursacht, basiert grundsätzlich auf dem Spannungsverhältnis zwischen dem Straffreiheitsinteresse und dem durch den Anstifter neu gesetzten korrespondierenden Wert. Hierbei müssen beide Werte in einem Exklusivitätsverhältnis stehen, um den motivierenden Handlungsdruck zu verursachen.75 Wirkt ein Außenstehender auf einen Gefangenen ein, damit dieser sich selbst befreit, entsteht auf den ersten Blick dieser Wertekonflikt gerade nicht, da die Selbstbefreiung nicht strafbedroht ist, also das Straffreiheitsinteresse des Adressaten nicht berührt wird. Es hat vielmehr den Anschein, als würde der durch den Anstifter neu gesetzte Wert das Freiheitsbestreben des Gefangenen nur bestärken, aber gerade keinen Wertekonflikt verursachen. Dennoch entsteht auch in dieser speziellen Situation ein korrumpierender Wertekonflikt. Der bei der Anstiftung feststehende Wert der Straffreiheit steht aufgrund der besonderen Tatbestandskonstellation jedoch nicht im Ausgangspunkt dieses Konflikts. Trotzdem existieren auch hier bestimmte Werte, die den Gefangenen davon abhalten, einen Fluchtversuch zu riskieren. So erfordert die Flucht aus einer JVA o. ä. Einrichtung regelmäßig einen gewissen Mut, da der Gefangene hierbei eventuell seine Gesundheit bzw. sogar sein Leben riskieren muss, vgl. § 100 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StVollzG.76 Auch das erwartete Leben in Freiheit wäre durch die ständige Angst geprägt, letztendlich doch wieder von der Polizei aufgegriffen und inhaftiert zu werden. Der entflohene Gefangene müsste sich also auf ein Leben im Untergrund einstellen. 75

Vgl. 1. Kapitel, C.IV. Zum Recht von JVA Beamten u. U. sogar Schusswaffen einsetzen zu dürfen, vgl. 5. Kapitel, D.I. 76

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5. Kap.: Das Merkmal des „Verleitens“

Darüber hinaus bestehen aber auch gesetzliche Normen, die eine Flucht für den Gefangenen unattraktiv erscheinen lassen. Sollte sein Fluchtversuch scheitern, so käme eine vorzeitige Entlassung nach § 57 nicht mehr in Frage, da für eine solche Entscheidung das ordnungsgemäße Verhalten („gute Führung“) des Gefangenen während des Vollzugs von entscheidender Bedeutung ist, vgl. § 57 Abs. 1 S. 2. Durch die Einwirkungshandlung muss auch der Verleitende einen neuen Wert setzen, der mit den aufgezeigten Interessen des Gefangenen kollidiert und auf diese Art eine Konfliktsituation verursacht. Dieser neue Wert kann aber nicht allein in der Freiheit liegen. Die Möglichkeit durch einen Fluchtversuch die Freiheit zurück zu erlangen, ist jedem Gefangenen bewusst. Ein Hinweis auf diese Möglichkeit wäre ein bloßer Rat, der aber gerade nicht geeignet ist, einen korrumpierenden Handlungsdruck zu erzeugen.77 Vielmehr muss der Verleitende, wie auch bei der Anstiftung, einen zusätzlichen externen Wert setzen, der durch eine positive oder auch negative Sanktion begründet wird und darauf abzielt, den Gefangenen zur Flucht zu veranlassen.

E. Das „Verleiten“ in § 328 Abs. 2 Nr. 4 Ein weiterer Tatbestand, der die Tathandlung des Verleitens enthält, ist § 328 Abs. 2 Nr. 4. Die Norm des § 328 regelt den unerlaubten Umgang mit radioaktiven Stoffen und anderen gefährlichen Stoffen und Gütern. Nach § 328 Abs. 2 Nr. 4 wird derjenige bestraft, der einen anderen zur Verursachung einer nuklearen Explosion verleitet oder ihn dabei fördert.

I. Teleologische Auslegung Neben der Tathandlung Verleiten, wird durch § 328 Abs. 2 Nr. 4 auch das Merkmal Fördern genannt. Ob der Gesetzgeber durch die Aufzählung dieser beiden Tathandlungen, wie auch in § 120, die Teilnahme eigenständig regeln wollte und das Merkmal Verleiten auch hier als Entsprechung zur Anstiftung zu werten ist, kann nur im Wege einer umfassenden Auslegung herausgestellt werden. Da Absatz 2 Nr. 3 und 4 am 23.07.1998 nachträglich in § 328 eingefügt wurden,78 ist in diesem Zusammenhang die Historie der Norm von besonderer Bedeutung. Durch die Erweiterung des § 328 erfüllte die BRD ihre 77 78

Vgl. 1. Kapitel, C.IV.4.a). BGBl. I 1998, S. 1882.

E. Das „Verleiten“ in § 328 Abs. 2 Nr. 4

293

vertragliche Verpflichtung aus dem am 24.09.1996 geschlossenen Vertrag über das umfassende Verbot von Nuklearwaffen. Die daraus resultierende vertragliche Verpflichtung lag in einem umfassenden Verbot eines jeden Teilnehmerstaates, Nuklearexplosionen an Orten, die seiner Hoheitsgewalt unterliegen zuzulassen. Ebenso wurde durch diesen Vertrag jeder Teilnehmerstaat verpflichtet, seinen Staatsangehörigen zu verbieten, derartige Explosionen zu veranlassen oder sich an deren Durchführung zu beteiligen.79 Die zügige Neufassung des § 328 im Mai 1998 war schließlich die Reaktion des Gesetzgebers auf Atomtests, welche zu jener Zeit von Indien und Pakistan durchgeführt wurden.80 Aufgrund des Vertrages über das umfassende Verbot von Nuklearwaffen war Deutschland gezwungen, die Beteiligung seiner Staatsbürger an der Durchführung von Nuklearexplosionen unter Strafe zu stellen. Die Teilnahme war bis zu diesem Zeitpunkt straflos, wenn die entsprechende Beteiligungshandlung in einem ausländischen Staat erfolgte, der selbst die Verursachung einer Nuklearexplosion nicht sanktionierte, wie etwa Pakistan oder Indien. In diesem Fall fehlte es an der teilnahmefähigen Haupttat.81

II. Ergebnis Durch die Kodifizierung der Teilnahmehandlungen Verleiten und Fördern wollte der Gesetzgeber keine Bedeutungsänderung zu der Anstiftung bzw. Beihilfe normieren, sondern lediglich die Teilnahme eigenständig regeln, um sie von dem Akzessorietätserfordernis zu lösen.82 Der Zweck dieser Sonderregelung ist daher mit dem in § 120 Abs. 1 vergleichbar. Damit bestätigt der gesetzliche Kontext den sprachwissenschaftlichen Charakter der vorliegenden Tathandlung, wonach die durch das Verleiten beschriebene Kommunikationsbeziehung, in die direktive Sprechaktklasse einzuordnen ist. Um die hier aufgestellten Voraussetzungen zu erfüllen, muss der Rhetor einen korrumpierenden Einfluss auf das Wertesystem des Adressaten ausüben, der auf dem beschriebenen Wertekonflikt beruht, um ihn zur Verursachung einer nuklearen Explosion zu motivieren. Diese Ein79 BT-Drs. XIII/10076, S. 10 f.; Zustimmungsgesetz des Bundesrates zu dem Vertrag einschließlich des Vertragstextes, vgl. BGBl. II 1998, S. 1210; Schönke/ Schröder/Heine, § 328 Rn. 1. 80 BT-Drs. XIII/10872; XIII/10869; MüKo/Alt, § 328 Rn. 7. 81 Dazu musste zusätzlich § 5, durch das Einfügen von Nr. 11a, entsprechend ergänzt werden. 82 MüKo/Alt, § 328 Rn. 34; Schönke/Schröder/Heine, § 328 Rn. 13d; Fischer, § 328 Rn. 11.

294

5. Kap.: Das Merkmal des „Verleitens“

schätzung wird zusätzlich durch § 328 Abs. 6 untermauert, der die fahrlässige Beteiligung ausschließt und so das Erfordernis einer bewussten und nachdrücklichen Einwirkungshandlung bestätigt.

F. Das „Verleiten“ in § 323b Abschließend soll die Bedeutung der Tathandlung Verleiten in § 323b untersucht werden. Dieses Delikt sanktioniert die Gefährdung einer Entziehungskur. Danach ist derjenige als Täter anzusehen, der einer Person, welche zur Durchführung einer Entziehungskur in einer Anstalt untergebracht ist, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel verschafft, überlässt oder ihn zum Genuss solcher Mittel verleitet.

I. Die Tathandlungen des § 323b Auch im Rahmen dieser Vorschrift ist zu untersuchen, ob der sprachliche Charakter des Verleitens durch den Kontext der Norm (also den illokutiven Witz) bestätigt oder durch diesen verändert wird. Im vorliegenden Fall erschließt sich die Bedeutung des Merkmals Verleiten durch eine Abgrenzung zu den weiteren zwei Tathandlungen, Verschaffen und Überlassen. Unter Verschaffen wird das Zugänglichmachen des Rauschmittels in der Weise verstanden, durch die der Untergebrachte die tatsächliche Verfügungsgewalt darüber erlangt und wie ein Eigentümer über die Sache verfügen kann.83 Mit dieser Tathandlung sollen vor allem die Fälle erfasst werden, in denen der Täter die Mittel als Bote in die Anstalt einschleust und die Untergebrachten entsprechend versorgt. In Abgrenzung dazu nennt das Gesetz die Tathandlung des Überlassens. Dieses liegt vor, wenn der Täter ein Rauschmittel aus seinem Herrschaftsbereich heraus dem Untergebrachten zugänglich macht. Der Begriff es Überlassens setzt in Abgrenzung zu dem Verschaffen einerseits voraus, dass der Täter zuvor die eigentümerähnliche Herrschaftsgewalt über die Sache innehaben muss, wodurch eine reine Vermittlertätigkeit als Tathandlung ausscheidet. Andererseits ist für die Erfüllung dieser Tathandlung nicht er83 LK/Spendel, § 323b Rn. 17; MüKo/v. Gemmeren, § 323b Rn. 13; NK/Paeffgen, § 323b Rn. 15; Schönke/Schröder/Cramer/Sternberg-Lieben/Hecker, § 323b Rn. 9; SK/Wolters129, § 323b Rn. 8 f.; zum Verschaffen in § 29 Abs. 1 Nr. 10 BtMG: Slotty, NStZ 1981, 321, 323.

F. Das „Verleiten“ in § 323b

295

forderlich, dass der Untergebrachte eine eigentümerähnliche Stellung erzielt.84 Das „Kreisenlassen“ einer dem Täter gehörenden Flasche Alkohol bzw. einer Haschischzigarette zum gemeinsamen Konsum reicht für die Begründung dieses Tatbestandsmerkmals aus. Diesen beiden Tathandlungen ist jeweils die Eröffnung des Zugangs zu dem Rauschmittel und die damit verbundene Möglichkeit des Konsums gemein. Die Gemeinsamkeit der ersten beiden Tathandlungen zeigt bereits das maßgebliche Abgrenzungskriterium zu der Verleitensalternative auf. Um jemanden zum Konsum von Rauschmitteln oder Alkohol verleiten zu können, muss der Süchtige selbst den Zugang zu diesen Mitteln bereits haben.85 Unter Verleiten im Sinne des § 323b versteht die Literatur die willentliche Beeinflussung des Untergebrachten, die darauf abzielt, ihn zum Konsum des entsprechenden Rauschmittels zu bewegen. Für diese Art der Beeinflussung ist nach Ansicht der Literatur, jedes beliebige Mittel ausreichend. Eine verbale Einflussnahme sei hierfür nicht nötig, sogar das verführerische Bereitlegen des Rauschmittels erfülle die Voraussetzungen dieser Tathandlung.86 Im Ergebnis zu dieser Auffassung müsste die, durch die Tathandlung des Verleitens beschriebene Handlungsweise im Kontext dieser Norm, wie auch in § 160,87 in die Sprechaktklasse der Assertiva eingeordnet werden. Da bereits jede Art der Kommunikation, also auch jede Art der konkludenten Beeinflussung ausreichend wäre, um die Tathandlung des Verleitens zu bejahen.

II. Die gesetzgeberische Intention Um die Definition der Literatur überprüfen zu können, ist zunächst einmal die gesetzgeberische Intention für die Einführung dieser Tathandlung zu hinterfragen. 84

LK/Spendel, § 323b Rn. 20 ff.; MüKo/v. Gemmeren, § 323b Rn. 13; NK/ Paeffgen, § 323b Rn. 16; SK/Wolters129, § 323b Rn. 8 f.; auch Schönke/Schröder/ Cramer/Sternberg-Lieben/Hecker, § 323b Rn. 9; zu § 11 Abs. 1 Nr. 6b, 7 BtMG vgl. OLG Köln, NStZ 1981, 104, 105. 85 SK/Wolters129, § 323b Rn. 10. 86 LK/Spendel, § 323b Rn. 24; MüKo/v. Gemmeren, § 323b Rn. 15; NK/Paeffgen, § 323b Rn. 17; SK/Wolters129, § 323b Rn. 10; auch Schönke/Schröder/Cramer/Sternberg-Lieben/Hecker, § 323b Rn. 9 mit Verweis auf § 357; zum Verleiten in § 29 Abs. 1 Nr. 10 BtMG: Slotty, NStZ 1981, 321, 323 f. 87 Vgl. 5. Kapitel, C.II.; hinsichtlich der Definition der assertiven Sprechaktklasse vgl. 1. Kapitel, C.II.2.

296

5. Kap.: Das Merkmal des „Verleitens“

Die Neufassung dieser Norm trat am 01.01.1975 in Kraft88 und beruhte auf einem Gesetzesentwurf aus dem Jahre 1962.89 Der frühere § 330b hatte ebenfalls die Gefährdung der Anstaltsunterbringung zum Inhalt, sanktionierte aber nur das Verschaffen der entsprechenden Mittel.90 Die dadurch entstehenden Strafbarkeitslücken sollten durch eine Ausdehnung des zu sanktionierenden Verhaltens geschlossen werden.91 Das grundsätzliche Problem, auch im Zusammenhang dieser Norm, ist die Straflosigkeit der Haupttat. So ist der Konsum von Alkohol oder anderer berauschender Mittel auch für denjenigen (im Sinne des StGB) sanktionslos, der in einer Anstalt zur Durchführung einer Entziehungskur untergebracht ist. Eine Anstiftung zur Konsumierung der entsprechenden Getränke bzw. Mittel ist daher auch hier nicht möglich.92 Allerdings kann aus diesem gesetzgeberischen Anliegen nicht zwingend der Schluss gezogen werden, dass nur Verhaltensweisen im Sinne des § 26 unter den Begriff des Verleitens zu fassen seien. Vielmehr muss der gesetzliche Gesamtkontext in diese Betrachtung mit einfließen. Das von § 323b geschützte Rechtsgut ist die ordnungsgemäße Durchführung der entsprechenden Entziehungskur, um die Allgemeinheit vor den Folgen der Rauschmittelsucht und den Gefahren, die von Rauschmittelsüchtigen ausgehen, effektiv schützen zu können.93 Daneben steht aber auch das Interesse des Süchtigen, der in seinen Bemühungen seine Sucht zu bekämpfen, geschützt werden soll.94 Durch den Konsum entsprechender Rauschmittel bzw. von Alkohol kann die erfolgreiche Durchführung der Entziehungskur leicht vereitelt werden. Hierbei muss insbesondere die spezielle Situation betrachtet werden, in der sich der Süchtige befindet. Dieser leidet in aller Regel an psychischen und physischen Entzugserscheinungen. Von außen wirkenden Anreizen bzw. 88 Die Neufassung erfolgte durch die Neufassung des EGStGB vom 02.03.1974, BGBl. I, S. 469, 496 und trat gem. § 326 Abs. 1 am 01.01.1975 in Kraft. 89 BT-Drs. IV/650 S. 69, Begründung S. 539. 90 § 330b a. F. [Gefährdung einer Anstaltsunterbringung] Wer wissentlich einer Person, die in einer Trinkerheilanstalt oder einer Entziehungsanstalt untergebracht ist, ohne Erlaubnis des Leiters der Anstalt geistige Getränke oder andere berauschende Mittel verschafft, wird mit Gefängnis bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bestraft. 91 BT-Drs. IV/650 S. 539; VII/550, S. 269. 92 MüKo/v. Gemmeren, § 323b Rn. 15. 93 LK/Spendel, § 323b Rn. 1 sowie 4; MüKo/v. Gemmeren, § 323b Rn. 1; NK/ Paeffgen, § 323b Rn. 2; SK/Wolters129, § 323b Rn. 10; Schönke/Schröder/Cramer/ Sternberg-Lieben/Hecker, § 323b Rn. 1. 94 NK/Paeffgen, § 323b Rn. 2.

F. Das „Verleiten“ in § 323b

297

Verlockungen, die entsprechenden Mittel zu konsumieren, erliegt der Betroffene in einer solchen Ausnahmesituation besonders leicht.

III. Ergebnis 1. Die Einordnung in die Sprechaktklasse Da der Gesetzgeber die erfolgreiche Durchführung einer Entziehungskur durch die tatbestandliche Neufassung umfassender schützen wollte, kann die durch das Merkmal Verleiten beschriebene Kommunikation nicht in die Sprechaktklasse der Direktiva eingeordnet werden. Der Auffassung der Literatur ist daher zuzustimmen. Jede Art der Beeinflussung ist ausreichend um das Merkmal des Verleitens zu begründen. Selbst ein geschicktes Tatsachenarrangement kann geeignet sein, den Süchtigen zur erneuten Einnahme der entsprechenden Rauschmittel zu bewegen und so den Therapieerfolg zu vereiteln. Die durch das Merkmal verleiten, im Kontext dieser Norm beschriebene Kommunikationsbeziehung, ist daher in die assertive Sprechaktklasse einzuordnen, wonach jegliche Art der Kommunikation ausreichend ist. Also auch diejenige, die keinen Aufforderungscharakter aufweist und damit nur auf den reinen Informationstransfer gerichtet ist.95 Für die Begründung der Verleitenstäterschaft nach § 323b genügt demnach bereits eine beschreibende Schilderung oder ein geschicktes Tatsachenarrangement. 2. Verleiten als Selbstschädigung Eine sprachliche Besonderheit des Wortes Verleiten tritt in dem Kontext dieser Norm hervor. Durch diese gelingt es, das maßgebliche Differenzierungskriterium zu der Anstiftung herauszustellen. Nach dem Wörterbuch von Brockhaus/Wahrig ist Verleiten als Synonym zu dem Begriff Verführen anzusehen.96 Diese Gleichstellung gibt einen ersten Hinweis auf die angedeutete Differenzierung. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch werden die Begriffe Verführen und Anstiften nicht als Synonyme behandelt, da das Wort Anstiften bereits den Anklang des strafbaren Verhaltens beinhaltet und Verführen als unterschwellige und listige Art der Beeinflussung gerade noch als erlaubte Form der Einflussnahme angesehen wird. 95 96

Vgl. 1. Kapitel, C.II.2. Vgl. hierzu 5. Kapitel, A.I.

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5. Kap.: Das Merkmal des „Verleitens“

Der maßgebliche Unterschied zwischen beiden Handlungsformen wird deutlich, indem auf ältere Moralvorstellungen abgestellt wird. Die Verführung einer Frau durch einen Mann hatte zur Folge, dass diese ihre Unschuld verlor und sie damit ihr gesellschaftliches Ansehen (zumindest) riskierte. Ein weiteres Beispiel ist die „Versuchung Jesu“.97 Der Teufel trat dabei an Jesus heran und versuchte ihn zum Sprung von der Tempelmauer zu bewegen. Diese Art der Einflussnahme würde nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nicht unter den Begriff der Anstiftung fallen; vielmehr wollte der Teufel Jesus durch seine listige Herangehensweise zu dem Sprung „verführen“.98 Der Schwerpunkt der Verführung liegt daher in der Absicht, das Opfer zu einer Selbstschädigung zu veranlassen. Im Gegensatz dazu zielt die Anstiftung auf die Herbeiführung eines Tatentschlusses ab, der auf die Schädigung fremder Rechtsgüter gerichtet ist. Indem zumindest auch die substantielle Eigenschädigung des Betroffenen als Schutzgut des § 323b anzusehen ist, wird hierdurch auch die strukturelle Differenzierung zur Anstiftung verdeutlicht. Der Selbstschädigungscharakter, welcher dieser Tathandlung innewohnt, bedingt letztlich die Lockerung der Einwirkungsintensität durch den Einflussnehmenden und die Einstufung in die Sprechaktklasse der Assertiva.

G. Zusammenfassung Im Ausgangspunkt der Überlegungen stand auch hier die grammatikalische Auslegung der vorliegenden Tathandlung. Der Akt des Verleitens ist, wie auch die Einwirkungsakte, die durch das Bestimmen und Auffordern beschrieben werden, in die Sprechaktklasse der Direktiva einzuordnen. Der Beeinflussende muss daher auf das Wertesystem den Rezipienten einwirken und dieses korrumpieren, um so eine einseitige Verpflichtung zu erzeugen. Im Anschluss an die grammatikalische Auslegung wurde der rechtliche Kontext der jeweiligen Normen untersucht, da dieser in einer ständigen Wechselwirkung zu dem sprachlichen Charakter der entsprechenden Tathandlung steht und diesen u. U. sogar verändern kann.99 97

Bibel, Matthäus, 4.1 ff. Amelung, FS f. Schroeder 2006, 147, 149; auch dieser spricht in diesem Zusammenhang von der „Verführung“ Jesu. 99 Im sprachwissenschaftlichen Sinn, wird dieser Kontext als illokutiver Witz bezeichnet, vgl. 1. Kapitel, C.II.2. 98

G. Zusammenfassung

299

Die rechtliche Intention der §§ 357, 120, 328 Abs. 2 Nr. 4 bestätigte die aufgezeigte sprachwissenschaftliche Einstufung. Im Kontext dieser Vorschriften ist daher eine Einwirkungshandlung erforderlich, welche die Voraussetzungen erfüllt, die bereits im Rahmen der Anstiftung definiert wurden.100 Zu einem anderen Ergebnis führte die Auslegung der §§ 160 Abs. 1, 323b, da diese Normen eine andere rechtliche Zielrichtung verfolgen. Durch die Ermittlung des von den §§ 153 ff. geschützten Rechtsguts konnte die dogmatische Bedeutung des § 160 herausgestellt werden. Diese liegt gerade nicht in einer nachdrücklichen Einwirkung auf eine Person, um deren Wertesystem bewusst zu verändern. Das Verleiten zur Falschaussage zielt auf die Erzeugung eines Irrtums ab, um die Herrschaft über einen Zeugen zu gewinnen und so dessen Glaubwürdigkeit ausnutzen zu können. Ähnlich verhält es sich bei § 323b, der die Gefährdung einer Entziehungskur zum Inhalt hat. Aufgrund der oft sehr labilen Psyche von rauschgift- bzw. alkoholabhängigen Personen ist auch hier der Begriff des Verleitens weiter zu fassen. Diesen auf eine nachdrückliche, sanktionsbewehrte Einwirkung zu beschränken, würde den Gesetzeszweck konterkarieren. In diesen beiden Sonderfällen ist die durch die Tathandlung des Verleitens beschriebene Handlungsweise daher in die Sprechaktklasse der Assertiva einzuordnen.101

100 101

Vgl. hierzu 1. Kapitel, C.IV. Zur Definition der Assertiva vgl. 1. Kapitel, C.II.2.

6. Kapitel

Das Merkmal des „Einwirkens“ Eine weitere im Gesetz normierte Tathandlung, welche die Beeinflussung anderer Personen sanktioniert, ist die des Einwirkens. Dieses Tatbestandsmerkmal findet sich im StGB in den §§ 125 Abs. 1, 89 Abs. 1 sowie in § 176 Abs. 3 und 4 wieder. Diese Normen stammen aus den unterschiedlichsten Abschnitten des StGB und verfolgen den Schutz völlig verschiedener Rechtsgüter. Es ist daher auch hier von besonderem Interesse, ob sich ebenfalls für dieses Tatbestandsmerkmal eine grundsätzliche sprachwissenschaftliche Intention herausarbeiten lässt und wie sich diese, im rechtsdogmatischen Kontext der aufgezeigten Normen verhält. Jedoch soll es das Hauptziel auch dieses Kapitels sein, die Tathandlung des Einwirkens von der des Bestimmens aus § 26 abzugrenzen.

A. Der Begriff „Einwirken“ I. Die lexikalische Bedeutung Im Ausgangspunkt dieser Auslegung ist zunächst die allgemeine sprachliche Bedeutung der zu untersuchenden Tathandlung zu klären. Einen ersten Anhaltspunkt stellt hierbei die allgemeine lexikalische Definition dar, welche sich aus den bereits mehrfach herangezogenen Wörterbüchern Brockhaus/Wahrig und Duden entnehmen lässt. Das Wörterbuch von Brockhaus/Wahrig bietet für den Begriff des Einwirkens zwei Erklärungen an. Die erste ist für die folgende Untersuchung nicht relevant, da sie sich von dem „wirken“ im Sinne des Webens ableitet. Demgegenüber ist die zweite aufgezeigte Begriffsdefinition äußerst bedeutsam. Danach ist Einwirken als „auf jemanden eine Wirkung ausüben“ oder auch als „jemanden beeinflussen“ zu verstehen.1 Ähnlich zielführend sind die Definitionen, die das Wörterbuch der deutschen Sprache (Duden) anbietet. Nach diesem wird der Begriff einwirken 1

Brockhaus/Wahrig, Band 2, S. 436.

A. Der Begriff „Einwirken“

301

als „jemanden gezielt beeinflussen; Einfluss nehmen“ bzw. „eine bestimmte, die Veränderung von etwas herbeiführende Wirkung ausüben“ verstanden.2 Beide Wörterbücher gelangen im Ergebnis zu derselben Definition, wonach eine Bedeutungsangleichung von Einwirken und der zielgerichteten Einflussnahme zu erkennen ist. Die vorgenommene grammatikalische Auslegung, im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs lässt daher bereits einen ersten Rückschluss auf die Anforderungen zu, welche an diese Tathandlung zu stellen sind. Es muss sich um eine konkrete Art der geistigen Beeinflussung handeln, die darauf abzielt, den Willen des Rezipienten in eine bestimmte Richtung zu lenken. Eine sprachliche Gemeinsamkeit zu den bereits untersuchten direktiven Tathandlungen bestimmen, auffordern und verleiten drängt sich hierbei nicht auf, da unter dem Begriff beeinflussen gemeinhin eine subtilere Art der Einwirkung verstanden wird.

II. Die sprachwissenschaftliche Analyse Der erste Anknüpfungspunkt für die pragmatische Analyse ist das Ergebnis des allgemeinen Sprachverständnisses, wonach Einwirken und Beeinflussen gleichbedeutend sind. Beide Begriffe setzen eine unterschwellige Art der Einflussnahme voraus. Rein begrifflich hat der Sprecher keine Möglichkeit gegenüber dem Rezipienten einen Handlungsdruck aufzubauen, da der Begriff Einwirken die Möglichkeit einer Sanktionierung gerade nicht mittransportiert. Ein Einwirken stellt vielmehr ein Überzeugen dar, welches unterschwellig oder auch durch offene Argumente stattfinden kann. Die einzige Voraussetzung ist die aktive geistige Beeinflussung des Rezipienten durch den potentiellen Täter. Das exakte Verhältnis der einzelnen Tathandlungen erschließt sich allerdings erst durch die Einordnung des vorliegenden Merkmals in die Sprachaktklasse nach Searle.3 Der Rhetor präsentiert dem Empfänger seine Weltsicht mit dem Ziel, diesen in die von ihm gewollte gedankliche Richtung zu lenken. Die Art der Einflussnahme kann dabei von verbaler oder nonverbaler Natur sein, da sich diesbezüglich aus dem Begriff Einwirken keine Restriktionen entnehmen lassen. 2

Duden, Band 2, S. 662 f. Wie bereits aufgezeigt, sind die hierfür maßgeblichen Indikatoren die Analyse des positionalen Gehalts (Anpassungsrichtung), die Aufrichtigkeitsregel (psychische Zustand) und der illokutionäre Witz (also der Zweck des entsprechenden Sprechaktes). Zu der genauen Definition der Sprechaktklassen und der Klassifikationskriterien vgl. 1. Kapitel, C.II.2. 3

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6. Kap.: Das Merkmal des „Einwirkens“

Der propositionale Gehalt (also die Anpassungsrichtung) dieser Art der Einflussnahme ist daher Wort an Welt, auch wenn es sich u. U. um eine von dem Täter verfälschte Weltsicht handelt. Das Opfer soll durch die Beeinflussung des Täters an dessen Tatsachendarstellung „glauben“, wodurch auch die entsprechende Aufrichtigkeitsregel beschrieben wird. Der festgestellte propositionale Gehalt Wort an Welt sowie die Aufrichtigkeitsregel des Glaubens sind Indikatoren für die Sprechaktklasse der Assertiva, die immer dann vorliegt, wenn zwischen Rhetor und Rezipienten ein einfacher Informationstransfer stattfindet. Der tatsächliche Akt, der durch die Tathandlung des Einwirkens beschrieben wird, ist damit in die Sprechaktklasse der Assertiva einzuordnen. Ob der illokutionäre Witz, d. h. der Kontext der Norm, in welchen die vorliegende Tathandlung eingebettet ist, diesen sprachlichen Charakter verändert, soll im Folgenden untersucht werden. Im Ergebnis an die sprachwissenschaftliche Analyse ist eine grundsätzliche Differenz zwischen dem Merkmal Einwirken einerseits und Bestimmen, Auffordern, Verleiten als auch Aufstacheln andererseits festzustellen. Da all diese Tathandlungen Kommunikationsbeziehungen beschreiben die anderen Sprechaktklassen angehören, sanktionieren sie auch grundsätzlich andere tatsächliche Herangehensweisen der Einflussnahme. Dennoch ist zu untersuchen, ob es trotz dieser grundsätzlichen Unterschiede eventuelle Überschneidungen auf Tatbestands- oder Konkurrenzebene gibt.

B. Das Merkmal „Einwirken“ in § 176 Abs. 4 Nr. 3 und 4 Zunächst soll das Merkmal Einwirken in dem normativen Kontext des § 176 untersucht werden. Diese Norm regelt den sexuellen Missbrauch von Kindern. Sie ist als abstraktes Gefährdungsdelikt ausgestaltet und sanktioniert jegliche Aktivität, die Kinder als Sexualobjekte instrumentalisiert und beweckt damit den Schutz der ungestörten sexuellen Entwicklung.4 Im Rahmen dieses Delikts wird die sprachwissenschaftliche, assertive Klassifikation der vorliegenden Tathandlung verdeutlicht, da sich der Charakter einer zielgerichteten aber nachdruckslosen Beeinflussung bereits nach einer ersten Gesetzeslektüre andeutet. Nach Absatz 4 Nr. 3 wird derjenige 4 BT-Drs. VI/3521, S. 35; BGHSt 29, 336, 340; SK/Wolters124, § 176 Rn. 2; NK/Frommel, § 176 Rn. 10; LK/Hörnle, § 176 Rn. 1 ff.; Schönke/Schröder/Perron/Eisele, § 176 Rn. 1; LPK/Kindhäuser, § 176 Rn. 1; Hörnle, NStZ 2000, 310; a. A. MüKo/Renzikowski, § 176 Rn. 1; nach diesem sei die sexuelle Selbstbestimmung von Kindern das alleinige Schutzgut dieser Norm.

B. Das Merkmal „Einwirken“ in § 176 Abs. 4 Nr. 3 und 4

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bestraft, der durch Schriften (im Sinne des § 11 Abs. 3) auf ein Kind einwirkt, um es zu sexuellen Handlungen an oder vor dem Täter oder einem Dritten oder zur Duldung sexueller Handlungen zu bringen. Absatz 4 Nr. 4 enthält ebenfalls die Tathandlung Einwirken, aber ist von seinen sonstigen Voraussetzungen augenscheinlich enger gefasst als Nummer 3, da nach dieser Tatbestandsalternative derjenige als Täter bestraft wird, der durch pornographische Abbildungen oder Darstellungen etc. auf das jeweilige Opfer einwirkt.

I. Das „Einwirken“ in Absatz 4 Nr. 3 Das Merkmal des Einwirkens ist im Rahmen dieser Tatbestandsalternative von besonderem Interesse, da für die Begründung der Strafbarkeit noch keinerlei körperlicher Kontakt erforderlich ist. Es handelt sich daher um die Strafbarkeit einer reinen Vorbereitungshandlung, die zeitlich noch vor dem Versuchsstadium anzusiedeln ist.5 Der Zweck dieses ausgedehnten Strafbarkeitsspektrums erschließt sich durch die Heranziehung der Gesetzesbegründung. Die Neufassung dieser Tatbestandsalternative geht auf eine Gesetzesinitiative aus dem Jahre 2003 zurück. Hierdurch sollte ein Vorgehen bestraft werden, welches bereits in den USA zu zahlreichen Missbrauchsfällen geführt hatte. Dort hatten Pädophile die Anonymität des Internet genutzt, um sich in „Chaträumen“ zunächst selbst als Kinder zu tarnen und sich mit den dabei Kontaktierten zu verabreden. Im Anschluss an diese Treffen kam es zu den entsprechenden Missbrauchshandlungen. Aufgrund der zunehmenden Präsenz des Internets und der damit einhergehenden Gefahren, wie vor allem der Anonymität der Benutzer, bestand die Befürchtung, dass es auch in Deutschland zu solchen Missbrausfällen kommen könnte. Da eine derartige Handlungsweise bis dahin strafrechtlich nicht erfasst werden konnte, wurde die vorliegende Tatbestandsalternative eingefügt.6 Die in diesem Zusammenhang an die Tathandlung des Einwirkens zu stellenden Anforderungen sind nicht völlig unumstritten. Dabei besteht die besondere Schwierigkeit, inwieweit die Einwirkung durch die entsprechende Schrift bereits einen Sexualbezug aufweisen muss. Grundsätzlich 5 So auch LK/Hörnle, § 176 Rn. 87; SK/Wolters124, § 176 Rn. 24; MüKo/Renzikowski, § 176 Rn. 37; NK/Frommel, § 176 Rn. 23; Fischer, § 176 Rn. 14 f.; kritisch D. Amelung/Funcke-Auffermann, StraFo 2004, 265, 267; ähnlich kritisch Duttge/Hörnle/Renzikowski, NJW 2004, 1065, 1067. 6 BT-Drs. XV/350, S. 17 f.

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6. Kap.: Das Merkmal des „Einwirkens“

ist der Schriftenbegriff durch den Verweis auf § 11 Abs. 3 weit auszulegen. In Abgrenzung zu Absatz 4 Nummer 4, der ausdrücklich Schriften pornographischen Inhalts nennt, darf diesbezüglich bei Nummer 3 keine Einschränkung vorgenommen werden; erfasst werden damit Schriften jeglichen Inhalts,7 wobei natürlich insbesondere der Kontakt via Internet erfasst werden soll. Die Einwirkung durch die entsprechende Schrift muss daher geeignet sein, das Kind zu den tatbestandlichen Sexualhandlungen zu bewegen. Diese sexuelle Tendenz wird durch die Formulierung „um es . . . zu bringen“ zum Ausdruck gebracht.8 Um nicht jegliches, auch sozialadäquates Verhalten, unter diesen Tatbestand fallen zu lassen, fordert vor allem Wolters zusätzlich das Hervorrufen eines objektiv sexualisierten Klimas.9 Allerdings findet diese Sichtweise im Wortlaut der Norm keinen konkreten Anhaltspunkt. Insbesondere die Begründung des Gesetzgebers deutet auf eine weite Auslegung hin. Danach wollte dieser gerade auch solche Verhaltensweisen erfassen, bei denen die Kinder durch Tricks oder sonstige Verführungskünste zu einem Treffen verleitet werden.10 Die sexuelle Zielrichtung der entsprechenden Einwirkungshandlung ist daher allein als subjektives Tatbestandsmerkmal aufzufassen und muss sich nicht zwingend durch objektive Kriterien aufdrängen.11 Insofern handelt es sich bei der vorliegenden Tatbestandsalternative um ein Delikt mit überschießender Innentendenz.12 Die unterschwellige Kommunikation, die durch die entsprechenden Medien im Sinne des § 11 Abs. 313 auf eine entsprechende Gedankensteuerung abzielt, ist daher als ausreichend anzusehen. So auch SK/Wolters124, § 176 Rn. 24b; NK/Frommel, § 176 Rn. 23; Schönke/ Schröder/Perron/Eisele, § 176 Rn. 14; MüKo/Renzikowski, § 176 Rn. 38. 8 SK/Wolters124, § 176 Rn. 26; mit ähnlicher Begründung zustimmend LK/ Hörnle, § 176 Rn. 89 f. 9 SK/Wolters124, § 176 Rn. 24b. Nach diesem sei die Begründung eines objektiv sexualisierten Klimas nötig, um einen Bezug zu dem von § 176 geschützten Rechtsgut herzustellen. Auch der Kontext von Absatz 4 Nr. 3 lasse keinen anderen Schluss als einen objektiv sichtbaren Sexualbezug zu. Werde die sexuelle Absicht des Täters rein auf den subjektiven Tatbestand beschränkt, so bestehe die Gefahr, dass diese Norm zu reinem Gesinnungsstrafrecht verkommt. 10 BT-Drs. XV/350, S. 17. 11 NK/Frommel, § 176 Rn. 22; Schönke/Schröder/Perron/Eisele, § 176 Rn. 14; MüKo/Renzikowski, § 176 Rn. 36; Fischer, § 176 Rn. 14 f.; LPK/Kindhäuser, § 176 Rn. 8; Duttge/Hörnle/Renzikowski, NJW 2004, 1065, 1067. 12 MüKo/Renzikowski, § 176 Rn. 36. 13 An dieser Stelle wird die Neufassung des Absatzes 4 Nr. 3 seitens der Literatur stark kritisiert. Denn es entsteht eine merkwürdige Schräglage. Der Täter der durch Micky Maus-Hefte, Hörspielkassetten oder andere kindgerechte Medien auf dieses einwirkt, um es entsprechend geneigt zu stimmen, macht sich strafbar. Aller7

B. Das Merkmal „Einwirken“ in § 176 Abs. 4 Nr. 3 und 4

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Hinsichtlich der Definition des Einwirkens wird in der Gesetzesbegründung auf den nunmehr weggefallenen § 180b Abs. 1 S. 2 verwiesen.14 Danach werden unter Einwirken alle Formen der unmittelbaren psychischen Beeinflussung verstanden, die ein gesteigertes Maß an Intensität beinhalten, welches über einfache Fragen, Vorschläge etc. hinausgeht.15 Dazu gehören auch Täuschungen, mittels derer sich der Täter das Vertrauen des Kindes erschleicht, um sich mit diesem zu einem Treffen zu verabreden,16 in dessen Rahmen er die Realisierung der tatbestandlichen Sexualhandlungen bezweckt. Da es sich hierbei um ein abstraktes Gefährdungsdelikt handelt, kommt es bei dieser Tatbestandsalternative nicht darauf an, ob die Einwirkung in dem Kind ein sexuelles Interesse oder sonstige sexuelle Impulse ausgelöst hat.17 Die von der Lehre gefundene Definition für die Tathandlung des Einwirkens entspricht derjenigen, welche bereits durch die sprachwissenschaftliche Analyse herausgearbeitet wurde. Zwischen dem Rhetor und dem Rezipienten muss es zu einem geistigen Kontakt kommen, durch den der Rezipient bewusst oder unbewusst in eine bestimmte Denkrichtung geleitet wird. Die Erheblichkeit eines sanktionierenden Handlungsdrucks darf bei dieser Kommunikationsform nicht erreicht werden, da gerade auch die Fälle einer trickreichen Verführung erfasst werden sollen. Das Ergebnis der sprachwissenschaftlichen Analyse wird daher durch den gesetzlichen Kontext des § 176 Abs. 4 Nr. 3 bestätigt.

II. Das „Einwirken“ in Absatz 4 Nr. 4 Die Tatbestandsalternative des Absatzes 4 Nr. 4 erfasst diejenigen Fälle, in denen der Täter durch pornographische Abbildungen oder Darstellungen, durch das Abspielen von Tonträgern pornographischen Inhalts oder durch entsprechende Reden auf das Kind einwirkt. dings nicht derjenige, der dasselbe Ziel durch die Gabe von Geld oder Süßigkeiten verfolgt, da diese Dinge nicht unter den Schriftenbegriff des § 11 Abs. 3 fallen. So auch kritisch auch SK/Wolters124, § 176 Rn. 24b; Duttge/Hörnle/Renzikowski, NJW 2004, 1065, 1067 f. Nur die Tatsache feststellend und weniger kritisch Schönke/ Schröder/Perron/Eisele, § 176 Rn. 14; MüKo/Renzikowski, § 176 Rn. 38. 14 BT-Drs. XV/350, S. 18. 15 SK/Wolters124, § 176 Rn. 24; MüKo/Renzikowski, § 176 Rn. 37; vgl. auch zu § 180b a. F. Rn. 25; NK/Frommel, § 176 Rn. 22; Fischer, § 176 Rn. 14 f. 16 BT-Drs. XV/350, S. 17 f.; MüKo/Renzikowski, 176 Rn. 37. 17 So auch SK/Wolters124, § 176 Rn. 24; MüKo/Renzikowski, § 176 Rn. 37; NK/ Frommel, § 176 Rn. 22; Fischer, § 176 Rn. 14 f.; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT I, § 20 Rn. 12; kritisch D. Amelung/Funcke-Auffermann, NStZ 2000, 265, 267.

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6. Kap.: Das Merkmal des „Einwirkens“

Die Besonderheit dieser Art der Einflussnahme ist die Beschränkung auf die Vermittlung rein pornographischer Inhalte. Dieses dient zum einen dem aufgezeigten Schutzzweck der Norm, die ungestörte sexuelle Entwicklung des Kindes sicherzustellen. Zum anderen wird dadurch die tatbestandlich notwendige sexuelle Motivation des Täters indiziert.18 Wie auch bei Nummer 3 braucht es für die Verwirklichung der vorliegenden Tatbestandsalternative noch nicht zu körperlichem Kontakten gekommen zu sein. Insofern handelt es sich auch hierbei wohl (noch) um eine Vorbereitungshandlung.19 Allerdings wird durch die Vermittlung pornographischer Inhalte das geschützte Rechtsgut, also die ungestörte sexuelle Entwicklung, bereits konkret gefährdet.20 Im Ergebnis bedeutet Einwirken im Kontext dieser Norm die Vermittlung von Gedanken, welche pornographischen Inhalts sein müssen.21 Insofern wird ebenfalls die rein zielgerichtete Einflussnahme als solche bestraft. Der Vorsatz des Täters muss sich hierbei nur auf den Vollzug dieses Gedankentransfers beschränken. Ein darüber hinausgehendes subjektives Ziel des Täters ist nicht erforderlich. Dieses wird insbesondere aus einem Vergleich zu der Altfassung des § 176 Abs. 5 deutlich, welcher zusätzlich die Erregungsabsicht forderte.22 Auch im Kontext dieser Tatbestandsvariante wird die vorgenommene sprachwissenschaftliche Einstufung bestätigt. Die Kommunikationsbeziehung, die durch das Merkmal Einwirken beschrieben wird, gehört der assertiven Sprechaktklasse an, da der reine Informationstransfer bestimmter Gedanken für die Begründung der Strafbarkeit ausreichend ist.

So auch SK/Wolters124, § 176 Rn. 26. So auch SK/Wolters124, § 176 Rn. 24. 20 Wobei sich an dieser Stelle die Streitfrage um das tatbestandliche Rechtsgut stellt, vgl. 6. Kapitel, B. Fn. 4. Denn nach u. a. MüKo/Renzikowski, § 176 Rn. 3 (die Überlegungen finden sich auch in BT-Drs. VI/3521, S. 34 f. wieder) sei unklar, ob sexuelle Handlungen überhaupt eine Fehlentwicklung bewirken können. Nach diesem sei es daher zweckmäßiger, die sexuelle Selbstbestimmung als Rechtsgut des § 176 anzusehen. Allerdings kommt es für die vorliegende Untersuchung auf die Klärung dieser Streitfrage nicht an. 21 SK/Wolters124, § 176 Rn. 25 ff.; MüKo/Renzikowski, § 176 Rn. 39 ff.; Schönke/Schröder/Lenckner/Eisele, § 176 Rn. 17; Fischer, § 176 Rn. 16. 22 SK/Wolters124, § 176 Rn. 24; MüKo/Renzikowski, § 176 Rn. 46; NK/Frommel, § 176 Rn. 22; Fischer, § 176 Rn. 16; a. A. Schönke/Schröder/Perron/Eisele, § 176 Rn. 17. 18 19

B. Das Merkmal „Einwirken“ in § 176 Abs. 4 Nr. 3 und 4

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III. Ergebnis Die besondere Gefahr, die in dieser Art des einfachen Informationstransfers zu sehen ist, wird besonders deutlich, wenn erneut auf die Zielrichtung der Rechtsgutsverletzung abgestellt wird. Durch die Anstiftung wird der Adressat zur Schädigung fremder Rechtsgüter veranlasst. Wie § 323b23 sanktioniert auch die vorliegende Norm diejenige Einwirkungshandlung, die auf eine Selbstschädigung des Opfers hinwirkt. Sowohl die listige Einwirkung in Absatz 4 Nr. 3, deren Hauptzweck es ist, zu verhindern, dass ein Kind zu einem Treffen mit einem Pädophilen verleitet wird, als auch die reine Einwirkung durch pornographische Informationen nach Absatz 4 Nr. 4 sind grundsätzlich nur Vorbereitungshandlungen. Beide Formen der Einwirkung zielen darauf ab, dem Täter einen späteren Missbrauch zu erleichtern, indem die tatsächliche bzw. psychische Abwehr des Opfers herabgesetzt wird. Das Ziel einer solchen Beeinflussung ist es, die innere Hemmschwelle des Opfers herabzusetzen und es empfänglicher für die Forderungen des Täters zu machen. Insbesondere durch die Einwirkung nach Absatz 4 Nr. 4 besteht die Gefahr einer inneren Akzeptanz des bevorstehenden Missbrauchs durch das Opfer. Hierdurch tritt der Selbstschädigungscharakter des Einwirkens am Deutlichsten hervor. Im Ergebnis wird das Merkmal des Einwirkens durch die Intention des § 176 in seiner sprachwissenschaftlichen Bedeutung nicht verändert. Auch im Kontext dieser Norm bezeichnet die vorliegende Tathandlung nur den einfachen Informationstransfer zwischen Rhetor und Rezipient, der auf eine zielgerichtete Beeinflussung des Letzteren gerichtet ist. Dadurch ist eine Vergleichbarkeit zu den bereits untersuchten Tathandlungen, die ebenfalls die Einflussnahme auf andere Personen sanktionieren, grundsätzlich nicht möglich. Das Merkmal Einwirken in § 176 Abs. 4 Nr. 3 und 4 beschreibt eine nachdrucklose Form24 der Beeinflussung, die überdies nicht speziell auf eine Veränderung des emotionalen Zustandes25 des Rezipienten abzielt. Eine Überschneidung auf Tatbestands- oder Konkurrenzebene zu den bereits untersuchten Tatbeständen ist daher nicht möglich.

23

Vgl. 5. Kapitel, G. In Abgrenzung zu der Sprechaktklasse der Direktiva, vgl. hierzu die exemplarisch die Einstufung des Merkmals Bestimmen, vgl. 1. Kapitel, C.II.4. 25 In Abgrenzung zu der Sprechaktklasse der Expressiva; vgl. hierzu die Einstufung des Merkmals „Aufstacheln zum Hass“, vgl. 4. Kapitel, A.II. 24

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6. Kap.: Das Merkmal des „Einwirkens“

C. Das Merkmal „Einwirken“ in § 125 Abs. 1 Die Tathandlung Einwirken ist ferner in § 125 Abs. 1 enthalten, der den Landfriedensbruch regelt. Nach dieser Vorschrift wird derjenige bestraft, der auf eine Menschenmenge einwirkt, um ihre Bereitschaft zu Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Sachen bzw. Bedrohungen von Menschen mit Gewalttätigkeiten zu fördern.

I. Der Kontext des § 125 Abs. 1 Um festzustellen, ob sich der assertive Charakter der durch das Merkmal des Einwirkens beschriebenen Verhaltensweise auch durch den Kontext dieser Norm bestätigt, muss dessen Verhältnis zu den übrigen Tatbestandsvoraussetzungen geklärt werden. Von besonderem Interesse ist hierbei der gesetzlich normierte Rezipientenkreis, nämlich die Menschenmenge. Das Tatbestandsmerkmal der Menschenmenge wird im Rahmen dieser Norm von Literatur und Rechtsprechung als eine Ansammlung von Personen verstanden, die dem Außenstehenden als räumlich verbundenes Ganzes erscheint und die so groß ist, dass das Hinkommen oder Weggehen Einzelner für den äußeren Eindruck unwesentlich ist.26 Dabei sei es unerheblich, ob die Menschenmenge bereits zum Zeitpunkt der Einwirkungshandlung feindselig war oder ob die Feindseligkeit erst durch die Tathandlung geweckt wurde, da der Begriff des Förderns auch (noch) die Erzeugung der feindlichen Stimmung selbst erfasst.27 Die aufgezeigte Definition umschreibt zwar die maßgeblichen Voraussetzungen, ohne jedoch den tieferen Sinn genauer zu konkretisieren, der die besondere Gefährlichkeit einer (u. U. eigendynamischen) Menschenmasse hervorruft. Die besonderen Gefährdungsmomente, die die Einflussnahme auf eine Menschenmasse begründen, wurden im Rahmen des § 111 herausgestellt 26 OGHSt 1, 244, 245; 2, 249, 250; 364, 366; BGHSt 33, 306, 308; BGH NStZ 1986, 70; NStZ 1993, 538; OLG Köln, NStZ-RR 1997, 234, 235; LG Berlin, StV 1983, 308; LG Frankfurt, NStZ 1993, 25, 26; LG Fürth, StV 1984, 207; AG Tiergarten, StV 1988, 344; 345; SK/Rudolphi/Stein61, § 125 Rn. 7; LK/Krauß, § 125 Rn. 39; MüKo/Schäfer, § 125 Rn. 10 f.; Schönke/Schröder/Lenckner/Sternberg-Lieben, § 125 Rn. 8/9; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT II, § 60 Rn. 22; weniger konkret Otto, BT, § 63 Rn. 2 ff.; Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, BT, § 44 Rn. 23. 27 SK/Rudolphi/Stein61, § 125 Rn. 18; LK/Krauß, § 125 Rn. 89; MüKo/Schäfer, § 125 Rn. 36; Schönke/Schröder/Lenckner/Sternberg-Lieben, § 125 Rn. 23; Arzt/ Weber/Heinrich/Hilgendorf, BT, § 44 Rn. 32; Rogall, GA 1979 [126], 11, 25; a. A. Dreher, NJW 1970, 1153, 1160; Schmidhäuser, BT, 12/23.

C. Das Merkmal „Einwirken“ in § 125 Abs. 1

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und liegen in der fehlenden Vorhersehbarkeit und Steuerbarkeit des durch den Täter in Gang gesetzten Kausalverlaufs, durch die unabsehbar große Streubreite der Einwirkungshandlung sowie in der besonderen Sensibilität des geschützten Rechtsguts, des „inneren Gemeinschaftsfriedens“.28 Darüber hinaus ist es stets möglich, dass sich innerhalb der angesprochenen Menschenmasse gruppendynamische Effekte einstellen, welche die Psyche des Einzelnen durch die übergeordnete Psyche der Masse (zumindest teilweise) ersetzen, das logische Denkvermögen vermindern und die Aktionsbereitschaft des Einzelnen verstärken.29 Nur die gesteigerte Gefährlichkeit, die von einer (u. U. eigendynamischen) Menschenmasse ausgeht, kann die extensive Ausweitung der Täterbegriffs im Sinne des § 125 Abs. 1 erklären. Danach ist zunächst derjenige als Täter anzusehen, der die tatbestandlichen Gewalttätigkeiten oder Bedrohungen selbst verübt. Diesem Täterkreis werden sowohl die Teilnehmer als auch diejenigen Personen gleichgestellt, die auf die Menschenmenge einwirken, um die tatbestandlichen Ausschreitungen zu fördern. Indem das Gesetz drei Tätertypen nennt und den Einwirkenden mit denjenigen gleichstellt, die die tatbestandlichen Ausschreitungen eigenhändig oder in der Form der Teilnahme verwirklichen, wird die besondere Gefährlichkeit dieser Tathandlung zum Ausdruck gebracht.

II. Das Merkmal des „Einwirkens“ In Übereinstimmung zu dieser Überlegung definiert die Literatur sowie die Rechtsprechung das Merkmal Einwirken als jede Form der Beeinflussung, durch die auf den Willen einer Menschenmenge Einfluss genommen wird und die objektiv geeignet ist, die Bereitschaft zu den tatbestandlichen Ausschreitungen hervorzurufen bzw. zu verstärken.30 Die Beeinflussung 28

Vgl. 3. Kapitel, B. Näher zu den gruppendynamischen Effekten vgl. 1. Kapitel, G.II.4.a). Die Notwendigkeit von gruppendynamischen Effekten andeutend LG Frankfurt, NStZ 1993, 25, 26; LG Fürth, StV 1984, 207; NK/Ostendorf, § 125 Rn. 21; wohl auch Otto, NStZ 1986, 70, 71. Wird das Merkmal der Gruppendynamik herangezogen, erübrigt sich auch die Diskussion, ab wie vielen Personen von dem Vorliegen einer Menschenmenge auszugehen ist. 12 Personen: Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, BT, § 44 Rn. 23; 10 Personen: BGH, NStZ 1994, 483; 15 bis 20 Personen: SK/Rudolphi/Stein61, § 125 Rn. 7; BGHSt 33, 306, 308, wohl auch BGH NStZ 2002, 538; Otto, NStZ 1986, 70, 71; 25 Personen: OLG Naumburg, NJW 2001, 2034; 70 Personen: BGH, NStZ-RR 2001, 239, 240; 80 Personen: OLG Köln, NStZ-RR 1997, 234, 235. 30 BT-Drs. VI/502, S. 9; OLG Braunschweig, NStZ 1991, 492 f.; Rogall, GA 1979 [126], 11, 25; SK/Rudolphi/Stein61, § 125 Rn. 19; MüKo/Schäfer, § 125 29

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6. Kap.: Das Merkmal des „Einwirkens“

kann sowohl durch verbale sowie durch nonverbale Kommunikation erfolgen, wobei es aber auf die Möglichkeit einer wechselseitigen Kommunikation mit der Masse nicht ankommt.31 Dieser Definition ist zuzustimmen. Durch das weite Verständnis der Einwirkungshandlung ist es möglich, auch diejenigen Fälle zu erfassen, die zwar die tatbestandlichen Ausschreitungen noch fördern, aber die gerade nicht mehr als Teilnahmehandlungen eingestuft werden können. Ein derartiges Verständnis entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, der jede Form der Förderung einer Friedensstörung sanktionieren wollte.32

III. Ergebnis Eine zielgerichtete kommunikative Beeinflussung verbaler oder nonverbaler Art ist daher auch im Rahmen dieses Delikts ausreichend, um die tatbestandlichen Anforderungen zu erfüllen. Das rechtsdogmatische Verständnis des Einwirkens im Sinne des § 125 Abs. 1 bestätigt die festgestellte sprachwissenschaftliche Natur der vorliegenden Tathandlung, die eine Kommunikationsbeziehung beschreibt, welche in die Sprechaktklasse der Assertiva einzuordnen ist.33 Für die Abgrenzung von § 26 und § 125 Abs. 1 sind dieselben Kriterien heranzuziehen, wie sie bereits bei der Differenzierung zwischen § 111 und § 26 entwickelt wurden. Denn auch bei dem Tatbestand der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten liegt das Merkmal der Öffentlichkeit vor, wenn die Menschenmasse so groß ist, dass der Einzelne nicht mehr speziell durch den Rhetor erreicht werden kann.34 Sobald durch den Täter nicht die gesamte Menschenmasse als solche, sondern eine einzelne Person in der Masse oder auch außerhalb der Masse in appellativer Weise angesprochen wird, scheidet § 125 aus und es kommt § 26 zur Anwendung.35 Die Abgrenzung zu § 111 kann nur durch die Tathandlung selbst erfolgen, da sowohl § 111 als auch § 125 Abs. 1 dieselben Anforderungen an den Rezipientenkreis stellen, also eine Menschenmasse voraussetzen. Erfolgt die Rn. 34; LK/Krauß, § 125 Rn. 85; Schönke/Schröder/Lenckner/Sternberg-Lieben, § 125 Rn. 21; Fischer, § 125 Rn. 14; Otto, BT, § 63 Rn. 11; Dreher, NJW 1970, 1153, 1160 f.; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT II, § 60 Rn. 31 f.; weniger deutlich Kostaras, Demonstrationsdelikt, S. 149 f. 31 So auch SK/Rudolphi/Stein61, § 125 Rn. 19. 32 BT-Drs. VI/139, S. 4; VI/502, S. 8 f. 33 Vgl. 6. Kapitel, A.II. 34 Vgl. 1. Kapitel, G.II.4.b) sowie 3. Kapitel, D.I. 35 So auch LK/Krauß, § 125 Rn. 85; MüKo/Schäfer, § 125 Rn. 35; Schönke/ Schröder/Lenckner/Sternberg-Lieben, § 125 Rn. 20.

D. Das Merkmal „Einwirken“ in § 89 Abs. 1

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Einflussnahme in einer appellativen Weise, dann liegt ein Fall des § 111 vor. Handelt es sich bei der Einflussnahme auf die Menschenmasse „nur“ um eine zielgerichtete Beeinflussung, um deren Bereitschaft zu der Begehung der tatbestandlichen Ausschreitungen bewusst oder auch nur unbewusst zu fördern, dann liegt ein Fall der Einwirkung im Sinne des § 125 Abs. 1 3. Alt. vor. Insofern ist die Gefährlichkeit des Einwirkens in § 125 als geringer anzusehen, als die des Aufforderns in § 111. Diese Wertung kommt auch durch die Subsidiaritätsklausel in § 125 Abs. 1 zum Ausdruck. Die Konkretisierung der Haupttat stellt hierbei kein taugliches Differenzierungskriterium dar. Die Bestimmtheit der Tat ist bei § 111 relativ weit zu fassen.36 Der Einwirkende im Sinne des § 125 Abs. 1, der zur Förderung von Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Sachen bzw. der Bedrohung von Menschen mit Gewalttätigkeiten aufruft, weiß in laienhafter Weise, welche Deliktstypen durch seinen Aufruf verwirklicht werden können. Insofern ist der an die Konkretisierung der Haupttat anzulegende Maßstab in beiden Tatbeständen identisch. Sollte der Täter im Rahmen seiner Einflussnahme auf die Menschenmasse sowohl eine tatbestandliche Einwirkung (im Sinne des § 125 Abs. 1 3. Alt.) als auch eine tatbestandliche Aufforderung (im Sinne des § 111) verwirklichen, dann wird § 125 aufgrund der Subsidiaritätsregel des Absatz 1 von § 111 verdrängt.

D. Das Merkmal „Einwirken“ in § 89 Abs. 1 Darüber hinaus ist die Tathandlung des Einwirkens in § 89 Abs. 1 enthalten, der die verfassungsfeindliche Einwirkung auf die Bundeswehr und auf öffentliche Sicherheitsorgane zum Inhalt hat. Die erste Lektüre dieser Vorschrift deutet darauf hin, dass der sprachwissenschaftliche, assertive Charakter der zu untersuchenden Tathandlung auch durch den Kontext dieser Norm bestätigt wird. Nach diesem Delikt wird derjenige bestraft, der auf Angehörige der Bundeswehr oder eines öffentlichen Sicherheitsorgans planmäßig einwirkt, um deren pflichtgemäße Bereitschaft zum Schutz der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder der verfassungsmäßigen Ordnung zu untergraben. Ob sich dieser erste Eindruck bestätigt und die Tathandlung des Einwirkens auch im Rahmen dieses Delikts die aufgezeigten Voraussetzungen beinhaltet, kann nur durch eine eingehende Auseinandersetzung mit der vorliegenden Norm geklärt werden. 36

Vgl. 3. Kapitel, C.I.3.

312

6. Kap.: Das Merkmal des „Einwirkens“

I. Der Sinn und Zweck des § 89 Abs. 1 § 89 zielt darauf ab, die Verlässlichkeit der Bundeswehr und der öffentlichen Sicherheitsorgane zu gewährleisten, um dadurch die Sicherheit der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland zu schützen.37 Um dieses besonders wichtige Rechtsgut effektiv schützen zu können, wurde auch hier das Strafbarkeitsspektrum erweitert. Bei der Tathandlung des Einwirkens handelt es sich, wie auch in den Fällen des § 176 Abs. 4 sowie des § 125 Abs. 1, um die Kriminalisierung einer Handlung im Vorfeld der eigentlichen Rechtsgutsverletzung. Denn erst im Anschluss an die erfolgreiche Einwirkung auf die tatbestandlichen Personengruppen kann sich die Gefährdung der verfassungsmäßigen Ordnung tatsächlich realisieren. Die wohl herrschende Meinung geht daher davon aus, dass es sich bei § 89 Abs. 1 um ein abstraktes Gefährdungsdelikt handelt, welches einen Sonderfall der versuchten Anstiftung sanktioniert.38

II. Das Merkmal des Einwirkens Die Einwirkung als einen Fall der versuchten Anstiftung zu begreifen würde allerdings zu einer Durchbrechung der vorgestellten Systematik führen. Es bleibt daher zu untersuchen, welche konkreten Anforderungen in diesem Zusammenhang an das Merkmal des Einwirkens zu stellen sind und ob die systematische Gleichstellung zu der versuchten Anstiftung tatsächlich begründet ist. Unter dem Merkmal Einwirken wird jede Tätigkeit zur Beeinflussung der tatbestandlichen Personengruppen verstanden, durch welche deren Wille in eine bestimmte Richtung gelenkt werden soll.39 Die Zielrichtung dieser Gedankensteuerung wird aus dem subjektiven Element, der Untergrabungs37 SK/Rudolphi53, § 89 Rn. 1; MüKo/Steinmetz, § 89 Rn. 1; Schönke/Schröder/ Sternberg-Lieben, § 89 Rn. 1; NK/Paeffgen, § 89 Rn. 2; LK/Laufhütte/Kuschel, § 89 Rn. 1; Fischer, § 89 Rn. 2; AK/Sonnen, § 89 Rn. 7; Backes, Rechtsstaatsgefährdungsdelikte, S. 177 f.; Beck, Unrechtsbegründung, S. 197 f. 38 SK/Rudolphi53, § 89 Rn. 4; MüKo/Steinmetz, § 89 Rn. 2; Schönke/Schröder/ Sternberg-Lieben, § 89 Rn. 6; NK/Paeffgen, § 89 Rn. 5. 39 BGHSt 4, 291, 292; SK/Rudolphi53, § 89 Rn. 4; MüKo/Steinmetz, § 89 Rn. 9; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, § 89 Rn. 6; LK/Laufhütte/Kuschel, § 89 Rn. 4 f.; AK/Sonnen, § 89 Rn. 21; Fischer, § 89 Rn. 3. Nur Paeffgen (NK, § 89 Rn. 5) fordert in diesem Zusammenhang auch die Notwendigkeit eines gewissen Drucks bzw. einer gewissen Hartnäckigkeit, die mit der Einwirkungshandlung einhergeht. Damit nähert er die Einwirkungshandlung der Anstiftung an.

E. Zusammenfassung

313

absicht in Kombination mit dem geschützten Rechtsgut hergeleitet. Danach muss die Einwirkungshandlung geeignet sein, die pflichtgemäße Bereitschaft der Sicherheitsorgane zum Schutz der Bundesrepublik Deutschland oder ihrer verfassungsmäßigen Ordnung zu untergraben.40 Diese Definition der Literatur stimmt mit derjenigen überein, welche bereits durch die sprachwissenschaftlichte Analyse herausgearbeitet wurde. So ist auch im Rahmen dieser Norm eine zielgerichtete Beeinflussung des Rezipienten nötig, um dessen Gedanken in eine bestimmte Richtung zu lenken.

III. Ergebnis Die vorliegende Tathandlung begründet auch in diesem normativen Kontext nicht die Notwendigkeit gegenüber dem Rezipienten einen sanktionsbewehrten Handlungsdruck aufzubauen, um diesen zu einer bestimmten Handlung zu veranlassen.41 Ein Sonderfall der versuchten Anstiftung wird durch das Merkmal des Einwirkens bzw. die Vorschrift des § 89 Abs. 1 nicht normiert. Im Ergebnis bestätigt auch hier der normative Kontext des § 89 das sprachwissenschaftliche Verständnis von der vorliegenden Tathandlung, wonach das Einwirken der Sprechaktklasse der Assertiva angehört.

E. Zusammenfassung Um die Tathandlung des Einwirkens korrekt einordnen zu können, stand auch in diesem Kapitel die sprachwissenschaftliche Analyse im Ausgangspunkt der Überlegungen. Nach der Sprechaktklassifikation nach Searle repräsentiert das Merkmal Einwirken eine Kommunikationsbeziehung, die der Sprechaktklasse der Assertiva angehört. Diese Klassifikationsstufe fordert lediglich einen Informationstransfer zwischen Rhetor und Rezipient, der einen bestimmten Wahrheitsgehalt aufweist. Da der Sprecher hierbei die von ihm verwendeten Worte seiner Weltsicht anpasst, vermittelt er dem Zuhörer ein u. U. verzerrtes Bild der Wirklichkeit. Durch die Darstellung einer so verfälschten Sichtweise sollen die Gedanken des Rezipienten bewusst oder unbewusst in eine bestimmte Richtung gelenkt werden. Insofern unterschei40 BGHSt 6, 65, 66; BGH, MDR 1988, 215; SK/Rudolphi53, § 89 Rn. 6; LK/ Laufhütte/Kuschel, § 89 Rn. 7 ff.; MüKo/Steinmetz, § 89 Rn. 10 ff.; Schönke/ Schröder/Sternberg-Lieben, § 89 Rn. 9; NK/Paeffgen, § 89 Rn. 12 ff.; AK/Sonnen, § 89 Rn. 21; Fischer, § 89 Rn. 5; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT II, § 84 Rn. 59. 41 So auch MüKo/Steinmetz, § 89 Rn. 6. Steinmetz kritisiert in diesem Zusammenhang Paeffgen, der die Notwendigkeit eines gewissen Drucks bzw. einer gewissen Hartnäckigkeit fordert, vgl. in Fn. 39.

314

6. Kap.: Das Merkmal des „Einwirkens“

det sich diese Art der Beeinflussung von den bisher untersuchten Tathandlungen, die im Grundsatz Verhaltensweisen beschreiben, die den Sprechaktklassen der Direktiva und Expressiva angehören. Dieser assertive Charakter wurde durch den rechtlichen Kontext der untersuchten Delikte bestätigt. Damit wird durch die betrachteten Normen ein sehr weites Handlungsspektrum strafrechtlich sanktioniert, da bereits eine einfache Einflussnahme bestraft wird, mit der die Gedanken des jeweiligen Rezipienten in eine bestimmte Richtung gelenkt werden sollen. Die drei untersuchten Normen zielen darauf ab, eine Verhaltensweise zu sanktionieren, um die eigentlich befürchtete Rechtsgutsverletzung bereits im Vorfeld auszuschließen. Das weite Strafbarkeitsspektrum kann im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 GG nur mit der besonderen Sensibilität der jeweils geschützten Rechtsgüter begründet werden. Wohl auch aufgrund dieses Spannungsverhältnisses wurde die vorliegende Tathandlung nur an den drei Stellen im StGB kodifiziert. Insgesamt kann festgehalten werden, dass die Art der Einflussnahme, welche durch das Merkmal des Einwirkens beschrieben wird, von den bisher untersuchten Tathandlungen stark differiert. Die gravierenden Unterschiede zwischen den einzelnen Tathandlungen ziehen entsprechende Differenzen zwischen den dazugehörigen Vorschriften nach sich. Hierdurch kann eine tatbestandliche oder konkurrenzrechtliche Überschneidung zu den bereits dargestellten Delikten ausgeschlossen werden.42

42

Exemplarisch zu § 125 Abs. 1, vgl. 6. Kapitel, D.III.

7. Kapitel

Das Merkmal des „Anleitung Gebens“ Im Folgenden soll das Merkmal des Anleitung Gebens untersucht werden, welches im StGB allein in der Norm des § 130a Abs. 1 und 2 enthalten ist. Genau wie die bereits untersuchten Tathandlungen sanktioniert auch dieses Merkmal die Einflussnahme auf andere Personen. In diesem Kapitel soll herausgestellt werden, welche konkreten Anforderungen an die Handlung des Anleitens zu stellen sind und worin der eigentliche Strafzweck einer solchen Verhaltensweise liegt. Durch diese Analyse soll die vorliegende Tathandlung zu den bereits untersuchten Verhaltensweisen abgegrenzt werden, um so eine konkrete Aussage über das Verhältnis aller Normen mit Einflussnahmecharakter treffen zu können.

A. Der Begriff des „Anleitens“ I. Die lexikalische Bedeutung Im Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen steht auch hier die Erforschung des Wortsinns der vorliegenden Tathandlung. Die lexikalische Bedeutung soll dabei erneut einen ersten Anhaltspunkt bieten, von dem ausgehend die Einordnung in die entsprechende Sprechaktklasse vorgenommen wird. Das Merkmal des Anleitung Gebens oder des Anleitens wird sowohl nach dem Wörterbuch von Brockhaus/Wahrig als auch von dem Wörterbuch der deutschen Sprache (Duden) einheitlich beschrieben. Nach diesen wird der Begriff Anleiten mit den Handlungen unterweisen, lehren oder anlernen beschrieben.1 Beide Wörterbücher gelangen zu derselben Definition, welche das allgemeine Sprachgefühl bestätigt. Der Begriff Anleiten bedeutet die Vermittlung von bestimmten Kenntnissen und Fähigkeiten. Es handelt sich um eine Art der geistigen Beeinflussung, die darauf abzielt, die bewussten Gedanken des Rezipienten in eine bestimmte Richtung zu lenken. Indem der Zuhörer bestimmte Fähigkeiten vermittelt bekommt, besteht stets die Gefahr, dass er 1

Brockhaus/Wahrig, Band 1, S. 241; Duden, Band 1, S. 145.

316

7. Kap.: Das Merkmal des „Anleitung Gebens“

zumindest nach Abschluss der Unterweisung die neu gewonnenen Erkenntnisse auch anwenden möchte. Insofern beinhaltet jede bewusste Gedankensteuerung, die in der Unterweisung bestimmter, unter Umständen gefährlicher Fähigkeiten liegt, immer auch ein unterschwelliges Steuerungselement.

II. Die sprachwissenschaftliche Analyse Um das genaue Verhältnis der Tathandlung des Anleitens zu den bisher untersuchten Arten der Einflussnahme bestimmen zu können, ist erneut die Einordnung in die Sprechaktklasse nach Searle erforderlich.2 Im Ausgangspunkt dieser sprachwissenschaftlichen Analyse steht zunächst wiederum die Bedeutung des allgemeinen Sprachgebrauchs, wonach die vorliegende Tathandlung als Unterweisen, Lehren oder Anlernen zu verstehen ist. Im Fall der Wissensvermittlung präsentiert der Rhetor dem Empfänger seine Weltsicht mit dem Ziel, die Gedanken des Rezipienten in eine bestimmte Richtung zu lenken. Das Merkmal des Anleitung Gebens ist, wie auch das Merkmal des Einwirkens, nicht auf die verbale Einflussnahme beschränkt. Die Vermittlung bloßen Wissens ist vielmehr auch durch ein konkludentes Handeln, also die nonverbale Kommunikation möglich. Der Anleitende verfügt über ein Wissen, welches einen bestimmten Wahrheitsgehalt im sprachwissenschaftlichen Sinn aufweist und eine Aussage über die Welt enthält. Mit seinen Worten bzw. seinen konkludenten Handlungen beschreibt der Rhetor einen bestimmten Kenntnisstand, den er von der Welt besitzt. Der propositionale Gehalt (also die Anpassungsrichtung) des Anleitung Gebens ist auch hier Wort an Welt. Der Rezipient soll dabei das vermittelte Wissen verstehen, wofür dieser zunächst einmal von der Richtigkeit der Aussage des Rhetors überzeugt sein muss. Das Element des Glaubens ist im erweiterten Sinn auch im Kontext dieser Norm erforderlich. Die Vermittlung von Wissen bzw. von bestimmten Fähigkeiten setzt zunächst einmal eine bewusste und offene Beeinflussung des Rezipienten voraus. Auch bei dieser Art der Einflussnahme fehlt dem Rhetor die Möglichkeit, gegenüber dem Rezipienten einen korrumpierenden Handlungsdruck aufzubauen, da die reine Wissensvermittlung kein sanktionierendes Krite2 Wie bereits aufgezeigt, sind die hierfür maßgeblichen Indikatoren die Analyse des positionalen Gehalts (Anpassungsrichtung), die Aufrichtigkeitsregel (psychischer Zustand) und der illokutionäre Witz (also der Zweck des entsprechenden Sprechaktes). Zu der genauen Definition der Sprechaktklassen und der Klassifikationskriterien vgl. 1. Kapitel, C.II.2.

B. Der gesetzliche Kontext des § 130a

317

rium beinhaltet. Die vorliegende Art der Einwirkung ist lediglich auf den reinen Informationstransfer gerichtet, daher scheidet eine Einordnung in die Sprechaktklasse der Direktiva aus. Der festgestellte propositionale Gehalt Wort an Welt sowie die Aufrichtigkeitsregel des Glaubens sind Indikatoren für die Sprechaktklasse der Assertiva, die immer dann vorliegt, wenn zwischen Rhetor und Rezipienten ein einfacher Informationstransfer stattfindet. Die Tathandlung des Anleitung Gebens ist damit ebenfalls in die Sprechaktklasse der Assertiva einzuordnen. Aufgrund dieser sprachwissenschaftlichen Einstufung muss wie bereits im Rahmen der Tathandlung des Einwirkens festgestellt werden, dass eine grundsätzliche Differenz zu den bereits untersuchten Beeinflussungsmöglichkeiten Bestimmen, Auffordern, Verleiten sowie Aufstacheln besteht. Da diese Merkmale Kommunikationsbeziehungen beschreiben, die anderen Sprechaktklassen angehören, sanktionieren sie im Grundsatz auch andere Handlungsweisen der Einflussnahme. Nur das Merkmal Einwirken beschreibt ebenfalls eine Kommunikationsbeziehung, die der Sprechaktklasse der Assertiva angehört. Inwieweit sich diese beiden assertiven Tathandlungen voneinander abgrenzen lassen und wie der rechtliche Kontext des § 130a die vorliegende sprachwissenschaftliche Einstufung beeinflusst, soll im Folgenden untersucht werden. Überdies ist zu klären, ob die zwischen den einzelnen Tathandlungen bestehenden sprachlichen Differenzen auch auf die gesamten Tatbestände zu übertragen sind und ob es trotz dieser grundsätzlichen Unterschiede zu eventuellen Überschneidungen auf Tatbestands- oder Konkurrenzebene kommen kann.

B. Der gesetzliche Kontext des § 130a Das durchgängige Tatbestandsmerkmal des § 130a ist das Geben einer Anleitung zu einer rechtswidrigen Katalogtat im Sinne des § 126 Abs. 1. Dabei sanktioniert die Norm nach Absatz 1 und nach Absatz 2 Nr. 1 das schriftliche sowie in Absatz 2 Nr. 2 das mündliche Geben einer Anleitung zu einer rechtswidrigen Tat nach § 126 Abs. 1.

I. Das Anleiten durch Schriften Eine entsprechende Schrift muss nach beiden genannten Tatbestandsalternativen geeignet sein, als Anleitung für eine rechtswidrige Tat nach § 126 Abs. 1 zu dienen. Zur Geeignetheit muss der inhaltliche Zweck treten, der in dem Wecken oder Fördern der Bereitschaft zu der Verwirklichung einer

318

7. Kap.: Das Merkmal des „Anleitung Gebens“

rechtswidrigen Katalogtat liegt. Mit dieser zusätzlichen Restriktion wollte der Gesetzgeber wissenschaftliche Schriften, Patentschriften etc., durch die etwa die Herstellung von Sprengstoffen o. ä. beschrieben wird, aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift ausschließen, um Konflikte mit Art. 5 Abs. 3 GG zu vermeiden.3 Der maßgebliche Unterschied zwischen Absatz 1 und 2 Nr. 1 ist die Art, wie die inhaltliche Zielrichtung der Anleitung nach außen tritt. Dieser inhaltliche Zweck muss bei einer Schrift nach Absatz 1 bereits aus dieser selbst (zumindest ansatzweise) hervorgehen. Insofern stellt dieses Erfordernis eine objektive Bedingung dar.4 Die weiteren Verbreitungsumstände bleiben bei der Beurteilung dieses Zwecks unbeachtet.5 Anders verhält es sich bei Absatz 2 Nr. 1. Durch das Schaffen dieser Alternative wollte der Gesetzgeber die Lücke schließen, die entsteht, wenn eine an sich neutrale Schrift durch die Art ihrer Verbreitung „umfunktioniert“ wird.6 Der über die bloße Geeignetheit hinausgehende Zweck, die Bereitschaft des Rezipienten zur Begehung einer Tat nach § 126 Abs. 1 zu fördern oder zu wecken, muss sich aus den weiteren Gesamtumständen der Präsentation ergeben und auf einen entsprechenden Vorsatz des Täters schließen lassen. Insofern handelt es sich hierbei, im Gegensatz zu Absatz 1, um ein subjektives Merkmal.7

II. Das mündliche Anleiten Nach Absatz 2 Nr. 2 wird das mündliche Anleiten zu einer rechtswidrigen Katalogtat im Sinne des § 126 Abs. 1 bestraft. Dabei kann die jeweilige Anleitung öffentlich oder im Rahmen einer Versammlung erfolgen. Wichtig ist hierbei allein die mündliche Vermittlung des tatbestandlich konkretisierten Wissens gegenüber einer Vielzahl von Personen.8 3

BT-Drs. X/6286, S. 8; X/6635, S. 13. SK/Rudolphi/Stein65, § 130a Rn. 8; LK/Krauß, § 130a Rn. 17 f.; MüKo/Miebach/Schäfer, § 130a Rn. 22; NK/Ostendorf, § 130a Rn. 9; Schönke/Schröder/ Lenckner/Sternberg-Lieben, § 130a Rn. 5. 5 SK/Rudolphi/Stein65, § 130a Rn. 8; LK/Krauß, § 130a Rn. 18; MüKo/Miebach/Schäfer, § 130a Rn. 22; NK/Ostendorf, § 130a Rn. 9; Zieschang, Gefährdungsdelikte, S. 308. 6 So auch BT-Drs. X/6286, S. 8 f.; X/6635, S. 13; LK/Krauß, § 130a Rn. 24; Schönke/Schröder/Lenckner/Sternberg-Lieben, § 130a Rn. 7; Maurach/Schroeder/ Maiwald, BT II, § 93 Rn. 15. 7 BT-Drs. X/6286, S. 9; SK/Rudolphi/Stein65, § 130a Rn. 14; LK/Krauß, § 130a Rn. 36; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT II, § 93 Rn. 12; kritisch Dencker, NStZ 1987, 117, 121. Dieser sieht die rein subjektive Komponente als Gefahr der Praktizierung von Gesinnungsstrafrecht an. 4

C. Ergebnis

319

Anders als in den beiden schriftlichen Anleitungsvarianten sind in diesem Zusammenhang die zusätzlichen Merkmale der Förderung oder des Weckens einer Katalogtat nach § 126 Abs. 1 augenscheinlich nicht erforderlich. Die grundsätzlich verwerfliche Zielrichtung des Anleitung Gebens ist bei der mündlichen Tatbestandsvariante ebenfalls erforderlich, letztlich auch um Konflikte mit Art. 5 Abs. 1 und 3 GG zu vermeiden. Die Bereitschaft anderer, die Motivation zur Begehung bestimmter Gewalttaten hervorzurufen oder zu stärken, ist in diesem Zusammenhang allerdings allein als subjektives Merkmal zu verstehen.9 Bei dessen Auslegung fordert der Gesetzgeber aber eine großzügigere Handhabung, da mündliche Äußerungen im Vorfeld häufig nicht genauso intensiv durchdacht werden als Äußerungen schriftlicher Art.10

III. Der Anleitungsbegriff In Übereinstimmung zu diesen Tatbestandserfordernissen ist das Geben einer Anleitung als die unterweisende Darlegung zu verstehen, die konkrete Kenntnisse darüber vermittelt, wie eine bestimmte Straftat vorbereitet oder ausgeführt werden kann. Ausreichend ist die informierende, allgemein verständliche mündliche oder schriftliche Darstellung, die insbesondere durch die Vermittlung von technischen oder taktischen Hinweisen mittelbar und anreizend auf den oder die Adressaten einwirkt.11 In der Konsequenz ist das rechtliche Verständnis des Anleitung Gebens mit der sprachwissenschaftlichen Begriffsdefinition kongruent.

C. Ergebnis Die durch das Merkmal des Anleitung Gebens beschriebene Kommunikationsbeziehung ist, wie auch diejenige, die durch die Tathandlung des Einwirkens beschrieben wird, in die Sprechaktklasse der Assertiva einzuordnen, welches durch den normativen Kontext des § 130a bestätigt wird. SK/Rudolphi/Stein65, § 130a Rn. 16 f.; MüKo/Miebach/Schäfer, § 130a Rn. 30; LK/Krauß, § 130a Rn. 29, 32; Schönke/Schröder/Lenckner/Sternberg-Lieben, § 130a Rn. 8. 9 BT-Drs. X/6286, S. 9; SK/Rudolphi/Stein65, § 130a Rn. 16; LK/Krauß, § 130a Rn. 37; MüKo/Miebach/Schäfer, § 130a Rn. 40; Schönke/Schröder/Lecker/Sternberg-Lieben, § 130a Rn. 8; LPK/Kindhäuser, § 130a Rn. 10. 10 BT-Drs. X/6286, S. 9. 11 So auch BT-Drs. VII/3030, S. 8; X/6635, S. 13; Rogall, GA 1979 [126], 11, 19; SK/Rudolphi/Stein65, § 130a Rn. 5 f.; MüKo/Miebach/Schäfer, § 130a Rn. 14; LK/Krauß, § 130a Rn. 10; Schönke/Schröder/Lecker/Sternberg-Lieben, § 130a Rn. 8; LPK/Kindhäuser, § 130a Rn. 4. 8

320

7. Kap.: Das Merkmal des „Anleitung Gebens“

Grundsätzlich ist die besondere Verwerflichkeit des Anleitung Gebens in der Vermittlung von Wissen zu sehen, welches die Durchführung einer bestimmten Straftat beschreibt. Damit drängt sich die Vermutung auf, die besondere Sanktionsträchtigkeit dieser Beeinflussungsmöglichkeit liege vor allem in der bewussten Gedankensteuerung des Rezipienten.12 Die Vermittlung von Wissen spricht zwar stets das aktive Bewusstsein an und ist bereits für sich genommen sehr gefährlich. Wie aber bereits im Rahmen der sprachlichen Analyse festgestellt wurde,13 enthält jede aktive Einwirkung auf den Rezipienten, welche die Vermittlung von Wissen zur Verwirklichung einer bestimmten Straftat enthält, ein Element, welches eine unterschwellige Art der Gedankensteuerung nach sich zieht. Dem Rezipienten wird suggeriert, die gewaltsame Lösung bestimmter Ziele sei sozialadäquat bzw. zumindest eine in Betracht zu ziehende Alternative. Im Ergebnis wird hierdurch die Internalisierung der geltenden Normen angegriffen. Die Gefährlichkeit dieses Merkmals liegt daher in dem gleichzeitigen Ansprechen beider Bewusstseinsebenen. Mithin ist das Geben einer Anleitung geeignet, den Tatentschluss zur Begehung bestimmter Straftaten zu wecken. In konkurrenzrechtlicher Hinsicht kann es zu Überschneidungen mit §§ 111, 125 sowie § 130 kommen, da all diese Normen, wie auch § 130a, als Rechtsgut den öffentlichen Frieden schützen.14 Der maßgebliche Unterschied zwischen dem vorliegenden Merkmal und der direktiven Tathandlung des Aufforderns in § 111 wird bereits von Teilen der Literatur aufgezeigt. Danach setzt das Merkmal Auffordern einen appellativen Charakter voraus, den das Merkmal des Anleitung Gebens gerade nicht beinhaltet.15 Insofern wird bereits intuitiv erkannt, dass diese Tatbestandsmerkmale verschiedenen Sprechaktklassen angehören. Aus demselben Grund ist eine konkurrenzrechtliche Überlagerung mit § 26 nicht möglich. Werden sowohl § 130a als auch § 111 in einem engen zeitlichen Rahmen verwirklicht, so ist konsequenterweise § 130a als subsidiär anzusehen, da § 111 den intensiveren Angriff auf dasselbe Rechtsgut, nämlich den öffentlichen Frieden, normiert.16 12 So auch LK/Krauß, § 130a Rn. 11; MüKo/Miebach/Schäfer, § 130a Rn. 2 und 15; Schönke/Schröder/Lecker/Sternberg-Lieben, § 130a Rn. 1; Rogall, GA 1979 [126], 11, 19; Schnarr, NStZ 1990, 257, 258. 13 Vgl. 6. Kapitel, A.II. 14 BT-Drs. VII/3030, S. 8; X/6635, S. 13; LK/Krauß, § 130a Rn. 1; MüKo/Miebach/Schäfer, § 130a Rn. 1; NK/Ostendorf, § 130a Rn. 4; Schönke/Schröder/Lenckner/Sternberg-Lieben, § 130a Rn. 1; LPK/Kindhäuser, § 130a Rn. 1. 15 LK/Krauß, § 130a Rn. 11; MüKo/Miebach/Schäfer, § 130a Rn. 2; Schönke/ Schröder/Lenckner/Sternberg-Lieben, § 130a Rn. 8; LPK/Kindhäuser, § 130a Rn. 4; Rogall, GA 1979 [126], 11, 21; Beck, Unrechtsbegründung, S. 199.

C. Ergebnis

321

Hinsichtlich des Aufstachelns zum Hass nach § 130 und dem Merkmal des Anleitung Gebens kann es grundsätzlich zu keiner Überschneidung kommen, da beide Tathandlungen verschiedene Bewusstseinsebenen ansprechen. Die Erzeugung von negativen Emotionen und das reine Vermitteln von Wissen kann nur durch eine gesonderte bzw. gestaffelte Beeinflussung erfolgen.17 In den Fällen, in denen der zeitliche Abstand zwischen beiden Einwirkungshandlungen gering ist, ist Idealkonkurrenz zwischen § 130 und § 130a möglich.18 Nach dem vorliegenden Auslegungsergebnis gehören die Kommunikationsbeziehungen, die durch die Tathandlungen des Einwirkens und des Anleitung Gebens beschrieben werden, der assertiven Sprechaktklasse an. Partielle Überschneidungen beider Merkmale sind aufgrund der sprachlichen Einstufung nicht von vornherein ausgeschlossen. Bei einer eingehenden Betrachtung ist es allerdings möglich, das genaue Verhältnis zwischen beiden Tatbestandsmerkmalen und damit auch zwischen den beiden Delikten herauszustellen. Die Tathandlung des Einwirkens erfasst grundsätzlich jede Art der bewussten und unbewussten Einflussnahme, um den Willen der Rezipienten in eine bestimmte Richtung zu lenken. Im Fall des § 125 muss die Einflussnahme objektiv geeignet sein, die Bereitschaft zu den tatbestandlichen Ausschreitungen hervorzurufen bzw. zu verstärken.19 Auch das Merkmal des Anleitung Gebens beinhaltet die zielgerichtete Gedankensteuerung des Rezipienten. Dabei wird allerdings nicht jede Form der Einflussnahme erfasst, sondern nur diejenige, die durch die Wissensvermittlung vollzogen wird. Diese Art der Beeinflussung beinhaltet damit alle Voraussetzungen des Einwirkens, wobei zusätzliche Kriterien hinzutreten. Das Merkmal des Anleitung Gebens ist daher im Vergleich zu dem Einwirken die speziellere Tathandlung. Durch das Geben einer Anleitung nach § 130a, welche eine der in § 126 Abs. 1 aufgezeigten Gewalttaten zum Inhalt hat, wird faktisch zeitgleich ein Einwirken nach § 125 Abs. 1 verwirklicht. Da beide Delikte auch denselben Strafrahmen androhen, gilt die Subsidiaritätsregel des § 125 Abs. 1 SK/Rudolphi/Stein65, § 130a Rn. 21; LK/Krauß, § 130a Rn. 41; MüKo/Miebach/Schäfer, § 130a Rn. 48; Schönke/Schröder/Lecker/Sternberg-Lieben, § 130a Rn. 12; NK/Ostendorf, § 130a Rn. 15; Fischer, § 130a Rn. 24; LPK/Kindhäuser, § 130a Rn. 16; Rogall, GA 1979 [126], 11, 21; a. A. Lackner/Kühl, § 130a Rn. 13. 17 So auch BT-Drs. VII/3030, S. 8. 18 Undifferenziert von Tateinheit ausgehend: SK/Rudolphi/Stein65, § 130a Rn. 21; LK/Krauß, § 130a Rn. 41; MüKo/Miebach/Schäfer, § 130a Rn. 48; Fischer, § 130a Rn. 24. 19 Vgl. 6. Kapitel, C.III. 16

322

7. Kap.: Das Merkmal des „Anleitung Gebens“

nicht. Das Spezialitätsverhältnis beider Tathandlungen setzt sich in dem Verhältnis beider Normen zueinander fort. § 130a ist in diesem Fall als lex specialis zu § 125 Abs. 1 zu verstehen. In allen übrigen Varianten, in denen das Anleitung Geben nicht gleichzeitig ein Einwirken zu den tatbestandlichen Ausschreitungen nach § 125 beinhaltet, ist von einem Fall der Tateinheit auszugehen.20

Die h. L. geht undifferenziert stets von Tateinheit aus: SK/Rudolphi/Stein65, § 130a Rn. 21; LK/Krauß, § 130a Rn. 41; MüKo/Miebach/Schäfer, § 130a Rn. 48; Schönke/Schröder/Lenckner/Sternberg-Lieben, § 130a Rn. 12; LPK/Kindhäuser, § 130a Rn. 16. 20

8. Kapitel

Die Merkmale des „Billigens“ und des „Belohnens“ Abschließend sollen die Tathandlungen des Billigens und des Belohnens betrachtet werden. Diese Merkmale beziehen sich auf diejenige Einflussnahme, die nach Abschluss der Straftat des Haupttäters stattfindet. Auf den ersten Blick erscheint eine Vergleichbarkeit zu den bisher untersuchten Verhaltensweisen nicht gegeben zu sein, da eine nachträgliche Einwirkung keine neue Straftat hervorrufen kann. Dennoch wird durch das Billigen bzw. das Belohnen einer bereits abgeschlossenen Vortat ein Klima geschaffen, in welchem neue Delikte der gleichen Art gedeihen können.1 Indem die zustimmende Haltung nach Abschluss der eigentlichen Tat sanktioniert wird, um dadurch gleichwertige Taten zu verhindern, handelt es sich hierbei ebenfalls um Konstellationen der Vorfeldkriminalisierung. Insofern stehen die vorliegenden Tathandlungen des Billigens und des Belohnens an der äußersten Grenze der strafbaren Verbrechensveranlassung.2 Da die vorliegenden Merkmale ebenfalls eine Form der Veranlassung fremder Straftaten normieren, ist es notwendig, eine klare Abgrenzung zu den bereits untersuchten Tathandlungen zu treffen. Nur durch eine eindeutige Definition dieser Beeinflussungsmöglichkeiten ist es möglich, Abgrenzungsschwierigkeiten zu den übrigen Normen, die ebenfalls die Veranlassung fremder Straftaten sanktionieren, zu vermeiden.

1

BGHSt 22, 282, 286; 28, 312, 314; BGH, NJW 1978, 58, 59; OLG Karlsruhe, NStZ-RR 1996, 58, 59; OLG Hamm, MDR 1980, 159, 160; SK/Rudolphi/Stein68, § 140 Rn. 2 sowie 11; LK/Hanack, § 140 Rn. 1; MüKo/Hohmann, § 140 Rn. 1; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, § 140 Rn. 1; Otto, BT, § 63 Rn. 40; Ebert, FS f. Spendel 1992, 115, 118; Rogall, GA 1979 [126], 11, 23; Laufhütte, MDR 1976, 441, 444; kritisch Bemmann, Meinungsfreiheit, S. 16. 2 So auch Rogall, GA 1979 [126], 11, 23; wohl auch Bemmann, Meinungsfreiheit, S. 17.

324

8. Kap.: Die Merkmale des „Billigens“ und des „Belohnens“

A. Die Begriffe „Billigen und Belohnen“ I. Die lexikalische Begriffsbedeutung Hinsichtlich des Begriffs Billigen bestätigen die Wörterbücher Brockhaus/Wahrig sowie Duden das allgemeine Sprachverständnis. Danach bedeutet billigen soviel wie „gutheißen, genehmigen“ oder „mit etwas einverstanden sein“.3 Der Begriff belohnen wird von den aufgezeigten Wörterbüchern mit „zum Dank für etwas beschenken“ oder „auszeichnen“ bzw. „eine Leistung anerkennen“ oder „vergelten“ definiert.4 Durch eine Abgrenzung zu dem verwandten Begriff des Entlohnens gelingt es, die vorliegende Tathandlung noch exakter zu bestimmen.5 Unter dem Begriff Entlohnen wird die „Zahlung einer Vergütung für geleistete Dienst verstanden“.6 Aus diesem Vergleich lassen sich im Wesentlichen zwei Schlüsse ziehen. Zum einen stellt eine Entlohnung die wertneutrale Bezeichnung für eine (eventuell vertraglich) vereinbarte Gegenleistung dar. Ein belohnendes Element, welches über den tatsächlichen Werttransfer hinausgeht, kommt bei dem Begriff der Entlohnung nicht zum Tragen. Diese honorierende Komponente ist aber dem Begriff der Belohnung immanent.7 Zum anderen setzt der Begriff des Entlohnens voraus, dass die entsprechende Leistung ausschließlich aufgrund der vereinbarten Gegenleistung erbracht wurde. Das ist bei einer Belohnung nicht zwingend der Fall. So kann auch eine Leistung belohnt werden, die gerade nicht in Erwartung eines bestimmten Vorteils erbracht wurde. Die Merkmale Billigen und Belohnen stellen nach dem allgemeinen Sprachgebrauch Handlungsweisen dar, die geeignet sind, ein psychisches Klima der Zustimmung hervorzurufen, um auf diese Weise die Gedanken des Adressaten in eine bestimmte Richtung zu lenken. Die dabei verwendete Art der Kommunikation beschränkt sich nicht allein auf die verbale Einflussnahme, sondern erfasst auch die Formen der nonverbalen Kommunikation. Dieses wird insbesondere durch das Merkmal Belohnen verdeutlicht. So kann z. B. die Verleihung einer Auszeichnung völlig nonverbal vollzogen 3 4 5 6 7

Brockhaus/Wahrig, Band 1, S. 693; Duden, Band 1, S. 392. Brockhaus/Wahrig, Band 1, S. 597; Duden, Band 1, S. 347. So auch SK/Rudolphi/Stein68, § 140 Rn. 6. Brockhaus/Wahrig, Band 2, S. 510; Duden, Band 2, S. 702. So auch SK/Rudolphi/Stein68, § 140 Rn. 6.

A. Die Begriffe „Billigen und Belohnen“

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werden und dennoch die Anerkennung für eine bestimmte Leitung zum Ausdruck bringen. Ebenso verhält es sich bei dem Merkmal Billigen. Die Zustimmung zu einer verübten Handlung kann auf vielfältige Arten erfolgen und ist nicht zwingend auf die verbale Kommunikation beschränkt. So kann z. B. die unterlassene Kritik bei Kenntnis einer deliktischen Verhaltensweise eine zustimmende Wirkung entwickeln, die mit dem Sinn des Billigens vereinbar ist.

II. Die sprachwissenschaftliche Analyse Für die exakte Abgrenzung zu den bereits untersuchten Tathandlungen sind die vorliegenden Kommunikationsarten ebenfalls in die entsprechende Sprechaktklasse nach Searle einzuordnen.8 Beide Merkmale beschreiben Verhaltensweisen, die nicht auf die Begründung eines Verbindlichkeitscharakters abzielen. Weder der Sprecher noch der Rezipient werden durch das Billigen oder das Belohnen einer Straftat in einer bestimmten Weise verpflichtet. Die vorliegenden Tathandlungen beschreiben daher Verhaltensweisen, die nicht der direktiven9 oder der kommissiven10 Sprechaktklasse angehören. Mithin ist zu untersuchen, ob die Tathandlungen Billigen und Belohnen auf eine rein wertneutrale Äußerung abzielen und sie damit eine Verhaltensweise beschreiben, die der assertiven Sprechaktklasse angehört, oder ob sie vielmehr ein zusätzliches Element enthalten, welches den emotionalen Zustand des Sprechers ausdrückt und sie somit darauf abzielen, ein psychisches Klima der Zustimmung zu erzeugen, wodurch sie in die expressive Sprechaktklasse einzuordnen wären. Insbesondere durch die lexikalische Analyse des Begriffs Belohnen wurde deutlich, dass hierdurch nicht nur ein materieller bzw. immaterieller Vorteil ausgekehrt wird, sondern dass darüber hinaus auch ein anerkennendes Element mittransportiert wird. Die Tathandlung Belohnen bringt damit 8 Wie bereits aufgezeigt, sind die hierfür maßgeblichen Indikatoren die Analyse des positionalen Gehalts (Anpassungsrichtung), die Aufrichtigkeitsregel (psychische Zustand) und der illokutionäre Witz (also der Zweck des entsprechenden Sprechaktes). Zu der genauen Definition der Sprechaktklassen und der Klassifikationskriterien vgl. 1. Kapitel, C.II.2. 9 Definition der Direktiva unter 1. Kapitel, C.II.2. Danach wird eine einseitige Verpflichtung des Rezipienten gegenüber dem Sprecher vorausgesetzt. 10 Definition der Kommissiva unter 1. Kapitel, C.II.2. Diese setzen eine einseitige Verpflichtung des Sprechers gegenüber dem Rezipienten voraus (also ein Selbstverpflichtung).

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8. Kap.: Die Merkmale des „Billigens“ und des „Belohnens“

den psychischen Zustand des Sprechers zum Ausdruck, der die Zustimmung zu der Tat auf einer emotionalen Ebene kennzeichnet, um hierdurch ein psychisches (emotionales) Klima zu erzeugen, welches die vorangegangene Handlung des Täters honoriert. Das Merkmal Belohnen zielt auf die emotionale Stabilisierung des Täters ab, um dessen Vortat zu bestätigen und ihn zur Begehung weiterer, gleichartiger Taten zu motivieren. Das Merkmal Belohnen beschreibt daher eine Verhaltensweise, die der expressiven Sprechaktklasse angehört.11 Problematischer erscheint die Klassifikation des Merkmals Billigen. Ob diese Tathandlung ein wertendes Element mittransportiert, oder ob sie auf eine rein informative Mitteilung gerichtet ist, erscheint auf den ersten Blick nicht völlig eindeutig zu sein. Nach dem allgemeinen Sprachverständnis wurde Billigen mit gutheißen, genehmigen oder mit etwas einverstanden sein definiert. Diese Synonyme kennzeichnen die grundsätzliche Zustimmung des Sprechers. Indem die zustimmende Kommunikation des Sprechers ein Klima schafft, welches die Handlung des Täters bestätigt, wird dessen emotionaler Zustand stabilisiert. Es wird bei dem Täter eine Gesinnung hervorgerufen, welche ihn zur Begehung gleichartiger Taten motiviert. In abgeschwächter Form nimmt der Einwirkende durch die Billigung einer vorangegangenen Tat auch Einfluss auf die Emotionen des Vortäters. Das Merkmal Billigen ist danach auch in die expressive Sprechaktklasse einzuordnen. Deutlicher lässt sich die Klassifikation herausstellen, wenn neben dem allgemeinen Sprachverständnis der Indikator der Anpassungsrichtung herangezogen wird. Durch das Billigen einer Handlung wird weder das Wort an die Welt, noch die Welt das Wort angepasst. Es wird vielmehr die (wertende) Meinung des Sprechers zu der verübten Tat kundgegeben und dadurch ein allgemeiner Zustand (Klima) geschaffen, welcher die Motivationslage des Täters beeinflusst. Das Fehlen einer entsprechenden Anpassungsrichtung spricht ebenfalls für die Einordnung in die Klassifikationsstufe der Expressiva. Infolge dieser Einstufung liegt eine sprachwissenschaftliche Vergleichbarkeit zu den direktiven Beeinflussungsmöglichkeiten Bestimmen, Auffordern und Verleiten sowie den assertiven Merkmalen des Anleitung Gebens und des Einwirkens nicht vor. Diese Tathandlungen beschreiben Verhaltensweisen, die anderen Sprechaktklassen angehören und sanktionieren damit regelmäßig auch andere tatsächliche Handlungsweisen der Einflussnahme. Nach dieser ersten Einschätzung dürfte es zu den aufgezeigten Tathandlungen zu keinen Überschneidungen kommen. 11

Definition der Expressiva unter 1. Kapitel, C.II.2.

B. Der gesetzliche Kontext des § 140

327

Im Gegensatz dazu definiert das Tatbestandsmerkmal Aufstacheln zum Hass eine Handlungsweise, die ebenfalls der expressiven Sprechaktklasse angehört. Allerdings beschreiben die Tathandlungen Billigen und Belohnen eine völlig andere Art der emotionalen Verhaltenssteuerung, als wie sie durch die Handlungsweise des Aufstachelns zum Hass formuliert wird. So ist das Merkmal Aufstacheln zum Hass negativ konnotiert, d. h. die Emotionen der Zuhörer sollen in einer bestimmten negativen Weise beeinflusst werden, um sie anschließend für entsprechend gefährliche Suggestionen empfänglicher zu machen. Im Gegensatz dazu sind die Merkmale des Billigens und des Belohnens positiv konnotiert. Der Rezipient soll in eine positive Stimmung versetzt werden, um ihn zur Wiederholung entsprechender Taten zu motivieren. Bereits durch die gegensätzliche Zielrichtung der expressiven Handlungen kann es zwischen dem Aufstacheln zum Hass und dem Billigen bzw. Belohnen von Straftaten zu keinen tatbestandlichen Überschneidungen kommen. Im weitern Verlauf ist zu klären, inwieweit der rechtliche Kontext des § 140 sowie der des § 130 Abs. 3, 4 den sprachlichen Charakter der vorliegenden Tathandlungen beeinflusst bzw. ihn sogar verändert. Insofern sind Überschneidungen in der tatsächlichen Herangehensweise zu den bereits untersuchten Tathandlungen, welche ebenfalls die Veranlassung fremder Straftaten beschreiben, nicht von vornherein ausgeschlossen, nur weil sie im Grundsatz Handlungsweisen beschreiben, die anderen Sprechaktklassen angehören.

B. Der gesetzliche Kontext des § 140 Wie bereits angedeutet, sanktioniert § 140 die zustimmende Einwirkungshandlung nach Abschluss einer tatbestandlichen Katalogtat des Haupttäters, um dadurch die Entstehung eines psychischen Klimas zu verhindern, welches die Begehung weiterer gleichartiger Taten begünstigt.12 Bei den von § 140 aufgezeigten Katalogtaten handelt es sich in erster Linie um Delikte, die das gesellschaftliche Leben schützen (§§ 138 Abs. 1 Nr. 1–4, 126 Abs. 1) sowie um Straftaten, die sich gegen die sexuelle Selbstbestimmung richten. Insofern verfolgt § 140 zwei Zielrichtungen. Einerseits schützt diese Norm den öffentlichen Frieden in Gestalt des Vertrauens der Bevölkerung in die Rechtssicherheit.13 Andererseits werden durch den tatbestandlichen 12

So bereits unter 8. Kapitel, A.I. BGHSt 22, 282, 285; BGH, NJW 1978, 58, 59; OLG Karlsruhe, NStZ-RR 1996, 58, 59; SK/Rudolphi/Stein68, § 140 Rn. 2 f.; Schönke/Schröder/SternbergLieben, § 140 Rn. 1; Otto, BT, § 63 Rn. 40; Laufhütte, MDR 1976, 441, 444 f.; 13

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8. Kap.: Die Merkmale des „Billigens“ und des „Belohnens“

Verweis auf die aufgezeigten Straftatbestände auch diejenigen Rechtsgüter zumindest mittelbar geschützt, die Gegenstand der jeweiligen Verweisnormen sind.14 Wie alle Delikte, die den öffentlichen Frieden durch eine Form der geistigen Beeinflussung schützen, steht auch § 140 in einem starken Spannungsverhältnis zu dem Grundrecht der Meinungsfreiheit.15 Auch die Normen der §§ 86, 86a, 130a sowie des § 131 stellen im weitesten Sinne Delikte dar, die bestimmte Äußerungen sanktionieren, um den öffentlichen Frieden zu sichern. Im Gegensatz zu § 140 enthalten diese Vorschriften jeweils in Absatz 3 eine Sozialadäquanzklausel, um verfassungsrechtliche Konflikte zu vermeiden. Insbesondere Voß sieht aufgrund der tatbestandlichen Weite des § 140 und der fehlenden Sozialadäquanzklausel einen Fall des strafbaren Gesinnungsunrechts.16 Der Vorwurf des Gesinnungsstrafrechts lässt sich zum einen durch die Konkretisierung des Rechtsgutsangriffs entkräften, der sich auf eine entsprechende Katalogtat beziehen muss. Zum anderen muss der Angriff für die Außenstehenden erkennbar werden. Insofern ist zu klären, welche tatsächlichen Anforderungen an die Tathandlungen Billigen und Belohnen in diesem Kontext zu stellen sind, um die aufgezeigten verfassungsrechtlichen Bedenken auszuräumen.

Stree, NJW 1976, 1177, 1181; Sturm, JZ 1976, 347, 350; ähnlich auch Ebert, FS f. Spendel 1991, 115, 118 f.; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT II, § 102 Rn. 2; Arzt/ Weber/Heinrich/Hilgendorf, BT, § 44 Rn. 35, die die Wertauffassung der Gemeinschaft in den Fokus des Schutzzwecks rücken. 14 NK/Ostendorf, § 140 Rn. 3; SK/Rudolphi/Stein68, § 140 Rn. 2a; Schönke/ Schröder/Sternberg-Lieben, § 140 Rn. 1; wohl im Schutz der mittelbar angegriffenen Rechtsgüter die alleinige Schutzfunktion des § 140 sehend: MüKo/Hohmann, § 140 Rn. 2; Fischer, § 140 Rn. 2; Schroeder, Straftaten, S. 10 f., 15. 15 So auch Klughardt, Terrorismus, S. 134 ff.; Kühl, NJW 1987, 737, 745; Dencker, StV 1987, 117, 120; aus diesem Grund fordert Bemmann (Meinungsfreiheit, S. 17) die Abschaffung dieser Norm. Kritisch auch Voß, Symbolische Gesetzgebung, S. 146. Grünwald kritisiert diese Norm als besonders konturlos und wenig berechenbar (Grünwald, Billigung von Straftaten, 489, 502). 16 Voß, Symbolische Gesetzgebung, S. 146; wohl auch Beck, Unrechtsbegründung, S. 195 f.

B. Der gesetzliche Kontext des § 140

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I. Das „Billigen“ im Sinne des § 140 Nr. 2 1. Die Definition von Literatur und Rechtsprechung Eine Straftat billigt, wer seine Zustimmung dazu kundgibt, dass die Tat begangen worden ist und sich damit moralisch hinter den Täter stellt, sie z. B. als praktisch nötig, als moralisch gerechtfertigt oder als sittlich einwandfrei darstellt.17 Da es sich bei § 140 um ein persönliches Äußerungsdelikt handelt, muss das zustimmende Verhalten Elemente einer persönlichen Stellungnahme des Täters beinhalten.18 Diese von Literatur und Rechtsprechung verwendete Definition stimmt mit derjenigen des allgemeinen Sprachgebrauchs überein. Das Element der Nachträglichkeit wird hierbei weniger durch die Tathandlung, sondern vielmehr durch den gesetzlichen Kontext gem. § 140 Abs. 1 zum Ausdruck gebracht, der wie folgt formuliert ist: „. . . nachdem sie [die Tat] begangen oder in strafbarer Weise versucht worden ist . . . belohnt oder . . . billigt, . . .“. Eine Zustimmung für eine vollendete Verhaltensweise, die Elemente einer persönlichen Meinungskundgabe enthält, ist relativ unbestimmt. Da der sprachliche Charakter des zu untersuchenden Merkmals weitläufig ist und die Norm keine Sozialadäquanzklausel enthält, ist eine restriktive Auslegung nötig, um nicht gegen das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot oder Art. 5 GG zu verstoßen.19 Nicht zuletzt aufgrund der begrifflichen Offenheit bezeichnet Hanack die Definition der vorliegenden Tathandlung als eines der Kernprobleme des § 140.20 Um den Begriff des Billigens zu konkretisieren fordern Literatur und Rechtsprechung, dass das zustimmende Element gegenüber dem Adressaten 17 BGHSt 22, 282, 286 f.; OLG Karlsruhe, NJW 2003, 1200, 1201; OLG Braunschweig, NJW 1978, 2044, 2045; BayObLG NStZ 1999, 90; SK/Rudolphi/Stein68, § 140 Rn. 7; LK/Hanack, § 140 Rn. 14; MüKo/Hohmann, § 140 Rn. 14; NK/Ostendorf, § 140 Rn. 8; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, § 140 Rn. 5; LPK/Kindhäuser, § 140 Rn. 4; Otto, BT, § 63 Rn. 41; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT II, § 102 Rn. 5; Rogall, GA 1979 [126], 11, 23; Laufhütte, MDR 1976, 441, 444 f. 18 SK/Rudolphi/Stein68, § 140 Rn. 7; LK/Hanack, § 140 Rn. 14; MüKo/Hohmann, § 140 Rn. 14; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, § 140 Rn. 5; Maurach/ Schroeder/Maiwald, BT II, § 102 Rn. 5. 19 BGHSt 22, 282, 286 f.; BGH, NJW 1978, 58; OLG Karlsruhe, NJW 2003, 1200, 1201; OLG Braunschweig, NJW 1978, 2044, 2045; LK/Hanack, § 140 Rn. 19; LPK/Kindhäuser, § 140 Rn. 4; Rudolphi, ZRP 1979, 214, 219; Hoffmann GA 2002 [149], 385, 390 f. 20 LK/Hanack, § 140 Rn. 18.

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8. Kap.: Die Merkmale des „Billigens“ und des „Belohnens“

eine gewisse Außenwirkung entfalten muss.21 Die Verständlichkeit sowie der geforderte Zustimmungscharakter müssen sich auf eine im Vorfeld konkret verwirklichte oder versuchte rechtswidrige Katalogtat beziehen. Diese Verknüpfung muss für einen Rezipienten mit durchschnittlichem Verständnishorizont und ohne weitere Zusatzkenntnisse erkennbar sein.22 2. Der eigene Lösungsansatz Der von Literatur und Rechtsprechung vertretenen Definition sowie den von ihnen geforderten näheren Konkretisierungskriterien ist im Grundsatz zuzustimmen. Dadurch werden in einer hinreichend bestimmten Art und Weise die tatsächlichen Voraussetzungen, welche an die Kundgabe und die Deutlichkeit der Billigung zu stellen sind, beschrieben. Ebenso wird durch die aufgezeigte Definition der durch die Sprechaktklasse der Expressiva vorausgesetzte emotionale Aspekt der Billigung betont, da sich der Täter moralisch hinter den Vortäter stellen muss. Die Verständlichkeit der Billigung wird dabei nach dem Empfängerhorizont beurteilt. Dadurch erfährt das Merkmal eine ausreichende Objektivierung, die wiederum dazu dient, den Vorwurf des Gesinnungsstrafrechts zu entkräften. Ein wesentliches Kriterium, welches die Wirkung und das Verständnis einer solchen Kundgabe prägt, sind die Umstände, die außerhalb der Erklärung liegen. Von dem allgemeinen Sprachverständnis ausgehend, beeinflussen die äußeren Umstände (also die sozialen Normen) den Inhalt einer jeden Aussage. Da das Merkmal Billigen insbesondere durch das Element der subjektiven Meinungskundgabe gekennzeichnet ist, sind die äußeren Einflüsse von besonderer Bedeutung, um die korrekte Intention und die sittliche Einstellung des Rhetors ermitteln zu können.23 Gerade objektiv neutrale Mitteilun21 BGHSt 22, 282, 287; SK/Rudolphi/Stein68, § 140 Rn. 8 f.; LK/Hanack, § 140 Rn. 18; MüKo/Hohmann, § 140 Rn. 15; NK/Ostendorf, § 140 Rn. 8; Maurach/ Schroeder/Maiwald, BT II, § 102 Rn. 5. 22 BGHSt 22, 282, 287; BGH, NJW 1990, 2828, 2829; OLG Braunschweig, NJW 1978, 2044, 2045; SK/Rudolphi/Stein68, § 140 Rn. 8; LK/Hanack, § 140 Rn. 18; MüKo/Hohmann, § 140 Rn. 15; NK/Ostendorf, § 140 Rn. 8; Maurach/Schroeder/ Maiwald, BT II, § 102 Rn. 5; Klughardt, Terrorismus, S. 132. 23 Diese Bewertung wurde bereits im Rahmen der Anstiftung so getroffen, vgl. 1. Kapitel, C.IV.2.a). Für die Einbeziehung der äußeren Umstände in das Merkmal des Billigens auch: BGH, NJW 1990, 2828, 2829; NJW 1978, 58; LK9 /HeimannTrosien, § 140 Rn. 7. Auch das OLG Braunschweig (NJW 1978, 2044, 2046) bejahte bei einem Abdruck eines von Dritten verfassten „Buback-Nachrufs“ das Merk-

B. Der gesetzliche Kontext des § 140

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gen können durch eine geschickte Positionierung z. B. dem Ort der Verbreitung, das Motto der Veranstaltung (bzw. der entsprechenden Schrift), die Themenwahl anderer Redner usw. eine völlig andere Intention erhalten. Ein ähnliches Problem stellte sich bei der Auslegung des Merkmals auffordern durch Schriften gem. § 111. Auch bei der Definition dieser Tathandlung ist es umstritten, ob die Begleitumstände den Inhalt einer schriftlichen Äußerung beeinflussen und inwieweit diese äußeren Einflüsse dem Täter zuzurechnen sind. Zur Lösung dieses Problems wurden die subjektiven Kriterien herangezogen, um zu ermitteln, ob dem Täter der Einfluss der äußeren Kriterien bekannt war und ob er diese bewusst für die Wirkung seiner Aussage ausgenutzt hat. Ein Täter, der das Bestehen äußerer Faktoren nicht kannte bzw. der deren Wirkungen falsch abgeschätzt hat, verwirklicht nicht die Tathandlung des Billigens, da es an dem dafür notwendigen Element der Stellungnahme fehlt.24 Durch den rechtlichen Kontext des § 140 wird das Ergebnis der sprachwissenschaftlichen Klassifikation bestätigt, wonach die durch die Tathandlung Billigen beschriebene Kommunikationsbeziehung in die kommissive Sprechaktklasse eingeordnet wurde, welche darauf abzielt, den emotionalen Zustand des Rezipienten zu stabilisieren bzw. zu destabilisieren.

II. Das „Belohnen“ im Sinne des § 140 Nr. 1 Für die Auslegung der Tathandlung Belohnen wird in der Literatur eine Definition vertreten, die mit der lexikalischen Begriffsbedeutung übereinstimmt und der zu folgen ist. Danach ist unter Belohnen die nachträgliche Gewährung eines materiellen oder immateriellen Vorteils für eine begangene oder versuchte rechtswidrige Vortat zu verstehen.25 mal billigen aufgrund der fehlenden Distanzierung des Autors. Insofern wird eine vermeintlich objektive Berichterstattung, durch die weiteren Begleitumstände zu einer subjektiv gefärbten Stellungnahme. Diese Rechtsprechung kritisierend: SK/Rudolphi/Stein68, § 140 Rn. 9; LK/Hanack, § 140 Rn. 25 f.; NK/Ostendorf, § 140 Rn. 8; Schönke/Schröder/SternbergLieben, § 140 Rn. 5; Fischer, § 140 Rn. 7; Rudolphi, ZRP 1979, 214, 219 f. Danach liege in der bloßen Veröffentlichung einer Straftaten billigenden Äußerung eines Dritten noch keine eigene (konkludente) Billigung, und zwar selbst dann nicht, wenn der Veröffentlichende sich nicht ausdrücklich vom Inhalt der Erklärung distanziert. 24 Vgl. 3. Kapitel, A.II.4. 25 MüKo/Hohmann, § 140 Rn. 11; SK/Rudolphi/Stein68, § 140 Rn. 6; LK/Hanack, § 140 Rn. 11; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, § 140 Rn. 4; Fischer, § 140 Rn. 6; LPK/Kindhäuser, § 140 Rn. 3; Sturm, JZ 1976, 347, 350.

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8. Kap.: Die Merkmale des „Billigens“ und des „Belohnens“

Im Gegensatz zu dem Merkmal Billigen wird der rückbezügliche Charakter nicht vordergründig durch den gesetzlichen Kontext,26 sondern bereits durch den Begriff des Belohnens selbst zum Ausdruck gebracht.27 Das allgemeine Sprachverständnis verstärkt damit die gesetzgeberische Intention. Das genaue Verhältnis zwischen Billigen und Belohnen wird durch eine eingehende Betrachtung des Begriffs Belohnen deutlich. Diese Tathandlung lässt sich in zwei Bestandteile aufgliedern. Zum einen setzt die Vergabe einer Belohnung die Gewährung eines Vorteils materieller oder immaterieller Art voraus. Zum anderen wird durch diese Art der Vorteilsgewährung die grundsätzliche Zustimmung zu der verübten Tat zum Ausdruck gebracht. Gerade dieser zweite Bestandteil entspricht der Tathandlung Billigen. Insofern beinhaltet der Begriff des Belohnens stets das Merkmal des Billigens.28 Die Tathandlungen Billigen und Belohnen stehen daher in einem Spezialitätsverhältnis zueinander, da der Begriff Belohnen alle Voraussetzungen des Billigens beinhaltet und die Vergabe eines Vorteils zusätzlich hinzutreten muss. Aus dem festgestellten Spezialitätsverhältnis lässt sich zugleich auf die Intensität der jeweiligen Tathandlung schließen. Der Begriff Belohnen stellt die intensivere Art des bestätigenden Verhaltens dar, da durch die zusätzliche Gewährung eines materiellen oder immateriellen Vorteils der Ansporn, eine vergleichbare Tat zu begehen, erheblich intensiviert wird, mehr als durch die alleinige Kundgabe der Zustimmung.

III. Ergebnis Durch die Belohnung bzw. die Billigung einer verübten Tat wird keine Verpflichtung begründet, eine vergleichbare Tat nochmals zu begehen, sondern es wird durch eine emotionale Einwirkung ein Klima geschaffen, durch welches der Motivationsprozess des Vortäters beeinflusst wird. Der gesetzliche Kontext bestätigt auch bei diesen Merkmalen das Ergebnis der Sprechaktklassifikation, wonach die durch die Tathandlungen Belohnen und Billigen beschriebenen Verhaltensweisen, in die kommissive Sprechaktklasse einzustufen sind. Da § 140 ebenso wie die untersuchten Normen §§ 111, 125, 130 und § 130a den öffentlichen Frieden schützt, ist das konkurrenzrechtliche Verhältnis zu diesen Tatbeständen von besonderem Interesse. 26

Vgl. 8. Kapitel, B.I.1. Vgl. 8. Kapitel, A.I. 28 So auch SK/Rudolphi/Stein68, § 140 Rn. 6; a. A. LK/Hanack, § 140 Rn. 11; MüKo/Hohmann, § 140 Rn. 11. 27

C. Der gesetzliche Kontext des § 130 Abs. 3 und 4

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Das maßgebliche Differenzierungskriterium ist wiederum die Sprechaktklasse der jeweiligen Tathandlungen. Insofern unterscheidet sich § 140 am deutlichsten von § 111 sowie von §§ 125, 130a. Die Kommunikationsbeziehungen, welche durch die Tathandlungen (Auffordern29, eine Anleitung Geben und Einwirken30) beschrieben werden, gehören anderen Sprechaktklassen an und sind mit denjenigen Handlungsweisen grundsätzlich nicht vergleichbar, die durch die Merkmale Billigen und Belohnen definiert werden. Durch diese Diskrepanz wird in tatsächlicher Hinsicht ein anderes deliktisches Verhaltensspektrum bestraft, welches Überschneidungen auf Tatbestandsebene ausschließt. So wird durch die emotionale Bestätigung einer bestimmten Verhaltensweise weder eine einseitige Verpflichtung begründet (Direktiva) noch ein rein informativer Gedankenaustausch beschrieben (Assertiva). In konkurrenzrechtlicher Hinsicht kann es dennoch zu Fällen der Tateinheit kommen, wenn § 140 sowie § 11131 bzw. §§ 125 Abs. 1, 130a32 innerhalb eines engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhangs verwirklicht werden. Das Verhältnis zwischen den Merkmalen Billigen, Belohnen einerseits und Aufstacheln zum Hass andererseits wurde bereits in der vorangestellten sprachwissenschaftlichen Analyse dargelegt. Zwar gehören all diese Tathandlungen der kommissiven Sprechaktklasse an, allerdings verfolgen die Merkmale Billigen und Belohnen eine Konnotation, die der des Aufstachelns zum Hass entgegengesetzt ist. Mithin stehen diese Handlungsformen in einem Exklusivitätsverhältnis zueinander. Zwischen § 140 und § 130 Abs. 1 Nr. 1 kann es daher zu keinen Überschneidungen auf Tatbestandsbzw. auf Konkurrenzebene kommen.

C. Der gesetzliche Kontext des § 130 Abs. 3 und 4 Die Tathandlung Billigen findet sich ebenfalls in § 130 Abs. 3, 1. Alt., als auch in Absatz 4, 1. Alt. wieder. Durch die Verharmlosung und die Zustimmung zu den entsprechenden Gewalttaten bzw. zu dem politischen System des Nationalsozialismus soll ebenfalls die Vergiftung des politischen 29 Diese Tathandlung gehört der Sprechaktklasse der Direktiva an, vgl. 3. Kapitel, A.I.1. 30 Diese Tathandlungen gehören der Sprechaktklasse der Assertiva an, zum Anleitung Geben vgl. 7. Kapitel, A.II.; zum Einwirken vgl. 6. Kapitel, A.II. 31 LK/Hanack, § 140 Rn. 40; NK/Ostendorf, § 140 Rn. 16. 32 SK/Rudolphi/Stein68, § 140 Rn. 19; LK/Hanack, § 140 Rn. 40; MüKo/Hohmann, § 140 Rn. 24; NK/Ostendorf, § 140 Rn. 16; Schönke/Schröder/SternbergLieben, § 140 Rn. 9; LPK/Kindhäuser, § 140 Rn. 5; Fischer, § 140 Rn. 12.

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8. Kap.: Die Merkmale des „Billigens“ und des „Belohnens“

Klimas verhindert werden.33 Daher setzen beide Absätze, wie auch § 140 Nr. 2, eine öffentliche Friedensstörung voraus. Dabei bestraft § 130 Abs. 3 die sog. Auschwitzlüge, indem das Billigen, Leugnen oder Verharmlosen einer unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangenen Handlung im Sinne des § 6 Abs. 1 VStGB sanktioniert wird. § 130 Abs. 4 ist demgegenüber weiter gefasst. Dieser stellt bereits die öffentliche Friedensstörung unter Strafe, die geeignet ist, die Würde der Opfer zu verletzen, indem allein die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft gebilligt, verherrlicht oder gerechtfertigt wird. Diese Tatbestände sollen verhindern, dass durch die Zustimmung bzw. das Gutheißen der entsprechenden nationalsozialistischen Gewalttaten bzw. des politischen Systems des Nationalsozialismus ein Klima geschaffen wird, welches geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören und die Menschenwürde der Opfer des Nationalsozialismus zu verletzen. Hierbei ist der Anknüpfungspunkt der Tathandlung ebenfalls auf ein in der Vergangenheit liegendes Ereignis gerichtet. Der Kontext dieser beiden Absätze bestätigt erneut die sprachwissenschaftliche Einstufung des Wortes Billigen. Darunter ist in diesem Zusammenhang wiederum die weit gefasste, ausdrückliche oder konkludente Zustimmung bzw. das Gutheißen zu den näher bezeichneten Tathandlungen zu verstehen.34 Auch in der Gesetzesbegründung stellte der Gesetzgeber heraus, dass die Bedeutung dieses Merkmals im Rahmen des § 130 derjenigen aus § 140 Nr. 2 entspricht.35 Da der gesetzliche Kontext des § 130 Abs. 3 und 4 dieselben Anforderungen an die Tathandlung des Billigens stellt wie auch § 140 Nr. 2, wird hierdurch die Einstufung in die Sprechaktklasse der Kommissiva bestätigt, wonach im Wege einer emotionalen Beeinflussung eine emotionale Stabilisierung bzw. Destabilisierung des Rezipienten erreicht werden soll. Da die untersuchten Absätze des § 130 ebenfalls das Rechtsgut des öffentlichen Friedens schützen und sich die Tathandlung des Billigens auf ein in der Vergangenheit liegendes Ereignis bezieht, steht § 130 Abs. 3 und 4 zu den §§ 111, 125, 130a in demselben Verhältnis wie es bereits für § 140 aufgezeigt wurde. Durch die differenzierten tatsächlichen Anforderungen, 33 BT-Drs. XII/8588, S. 8; XII/6853, S. 23 f.; OLG Rostock, StraFo 2007, 426; BVerwG, JZ 2008, 1102, 1103; LK/Krauß, § 130 Rn. 12; MüKo/Miebach/Schäfer, § 130 Rn. 63; Beisel, NJW 1995, 997, 999. 34 OLG Rostock, StraFo 2007, 426; BVerwG, JZ 2008, 1102, 1104; SK/Rudolphi/Stein64, § 130 Rn. 23 u. 30; LK/Krauß, § 130 Rn. 105 u. 115; MüKo/Miebach/ Schäfer, § 130 Rn. 67; Schönke/Schröder/Lenckner/Sternberg-Lieben, § 130 Rn. 22b; Fischer, § 130 Rn. 29; Stegbauer, NStZ 2000, 281, 285; Beisel, NJW 1995, 997, 999 f.; v. Dewitz, NS-Gedankengut und Strafrecht, S. 201. 35 BT-Drs. XV/5051, S. 5.

C. Der gesetzliche Kontext des § 130 Abs. 3 und 4

335

die für die Verwirklichung der unterschiedlichen Tathandlungen notwendig sind, kann es auch hier zu keinen Überschneidungen auf Tatbestandsebene kommen.36 Eine tateinheitliche Begehung zu §§ 111, 125, 130a ist dennoch möglich, sofern die entsprechenden Delikte in einem engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang verwirklicht werden.37 Die Absätze 1, 3 und 4 können ebenfalls in Tateinheit zueinander stehen, wenn innerhalb derselben Handlung sowohl zum Hass gegen einen Bevölkerungsteil i. S. d. Absatz 1 aufgestachelt wird, als auch eine Gewalttat nach Absatz 3 und/oder die nationalsozialistische Willkürherrschaft nach Absatz 4 gebilligt wird.38 Sofern eine den öffentlichen Frieden gefährdende Billigung den Tatbestand des § 140 Nr. 2 erfüllt und darüber hinaus auch die zusätzlichen Voraussetzungen des § 130 Abs. 3 bzw. 4 verwirklicht wurden, tritt § 140 Nr. 2 im Wege der Subsidiarität zurück.39

36

Vgl. 8. Kapitel, B.III. So auch SK/Rudolphi/Stein64, § 130 Rn. 37; LK/Krauß, § 130 Rn. 141; MüKo/Miebach/Schäfer, § 130 Rn. 92 f.; NK/Ostendorf, § 140 Rn. 42; Fischer, § 130 Rn. 48; explizit nur § 111 nennend: Schönke/Schröder/Lenckner/SternbergLieben, § 130 Rn. 27. 38 BGHSt 46, 212, 217; SK/Rudolphi/Stein64, § 130 Rn. 37; LK/Krauß, § 130 Rn. 140; MüKo/Miebach/Schäfer, § 130 Rn. 91; LPK/Kindhäuser, § 130 Rn. 31; König/Seitz, NStZ 1995, 1, 3. 39 BGH, NJW 1999, 1561; SK/Rudolphi/Stein64, § 130 Rn. 37; LK/Krauß, § 130 Rn. 141; MüKo/Miebach/Schäfer, § 130 Rn. 93; Schönke/Schröder/Lenckner/Sternberg-Lieben, § 130 Rn. 27; LPK/Kindhäuser, § 130 Rn. 32; für Spezialität Maurach/Schroeder/Maiwald, BT II, § 60 Rn. 65. 37

Zusammenfassung Im Ausgangspunkt der Betrachtung wurden die der Anstiftung übergeordneten Teilnahmelehren dargestellt und auf ihre Vereinbarkeit mit der gesetzlichen Systematik überprüft. Hierbei stellte sich heraus, dass einzig die Theorie vom akzessorischen Rechtsgutsangriff tauglich ist, das Unrecht der Teilnahme in einer gesetzeskonformen Art zu beschreiben und dabei die problematischen Sonderkonstellationen1 ohne innere Systemwidersprüche zu lösen. Diese Theorie setzt ein selbständiges und ein unselbständiges Element voraus, wobei unter dem selbständigen Element die Handlung des Teilnehmers verstanden wird, die die Erheblichkeit eines eigenständigen Rechtsgutsangriffs aufweisen muss. Die genaue Definition des selbständigen Elements wird den weiteren Anstiftungs- und Beihilfetheorien überlassen.

A. Die historischen Wurzeln der Anstiftungstheorien Um ein tiefgreifendes Verständnis von den gegenwärtig vertretenen Anstiftungstheorien zu erzielen, wurde im Folgenden die historische Entwicklung der Anstiftung betrachtet. Der moraltheologische Aspekt der Anstiftung reicht bis ins Mittelalter zurück und wurde nach den damaligen Wertungen in der „Verführung des Frommen“ gesehen.2 Bis ins 19. Jahrhundert hinein existierte die Anstiftung nicht in Form einer eigenständigen Rechtsfigur, sondern sie war Bestandteil der Urheberschaft, welche die damalige Täterschaft bezeichnete. Die ersten Schritte, um die Anstiftung aus der Täterschaft herauszulösen gehen auf von Feuerbach zurück, der die Einteilung in eine physische und eine psychische Urheberschaft vornahm.3 Den psychischen Urheber bezeichnete Mittermaier erstmals als Anstifter und den physischen Urheber als Täter.4 Die Entwicklung der noch heute vertretenen Anstiftungstheorien nimmt ihren Ursprung ebenfalls bei von Feuerbach, der bereits zum Beginn des 1 Vgl. 1. Kapitel, A.III.3.a). Mit Sonderkonstellationen ist der agent provocateur sowie derjenige Teilnehmer gemeint, der ein ihm gegenüber nicht geschütztes Rechtsguts durch seine Teilnahmehandlung angreift. 2 Vgl. 1. Kapitel, B.I. 3 Vgl. 1. Kapitel, B.II. 4 Vgl. 1. Kapitel, B.II.

A. Die historischen Wurzeln der Anstiftungstheorien

337

19. Jahrhunderts einen ersten Ansatz für die Definition der intellektuellen Urheberschaft präsentierte. Dieser betrachtete die beim Adressaten eintretende Wirkung und charakterisierte die intellektuelle Urheberschaft mit dem Element des psychischen Zwangs.5 Diese subjektive Sichtweise wurde in der Folgezeit insbesondere durch Stübel kritisiert, der eine reine Kausalitätstheorie vertrat, die eine Einheitstäterschaft zur Folge hatte.6 Gegen Ende der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts konnte sich schließlich eine subjektiv geprägte Anstiftungstheorie unter dem Einfluss Anton Bauers durchsetzen. Dieser besondere Erfolg einer subjektiven Theorie geht auf die führende Rolle Bauers zurück, welcher 1826 den Entwurf eines Strafgesetzbuches für das Königreich Hannover veröffentlichte, der als Vorbild für zahlreiche weitere deutsche Partikulargesetze diente.7 Dieser subjektiv geprägte Ansatz wurde von zahlreichen anderen Autoren aufgegriffen und zum Teil modifiziert. Insbesondere die Vertreter der Hegelschen Schule passten die Theorie Bauers ihrem veränderten Kausalitätsverständnis an, wobei sie aber im Kern noch immer die Anstiftung als willensbeeinflussende Handlungsweise verstanden.8 Trotz der nunmehr vorherrschenden Grundtendenz, das subjektive Element der Willensbildung des Adressaten bei der Definition der Anstiftung zu berücksichtigen, erlebte die Kausalitätstheorie unter dem Einfluss von von Buri in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine erneute Blütezeit. Dieser knüpfte an die bereits von Stübel entwickelten Grundsätze an und stellte die Äquivalenzformel in den Ausgangspunkt seiner Betrachtungen. Dadurch wurde die Anstiftung erneut neben der mittelbaren Täterschaft als Bestandteil der intellektuellen Urheberschaft verstanden. Die bis dahin entwickelten Anstiftungstheorien wurden überflüssig, da nach Kausalitätsgesichtspunkten jede Mitursächlichkeit als selbständige Erfolgsverursachung angesehen wurde und damit auch die intellektuelle Einwirkung als Form der Urheberschaft zu verstehen war. Einer Bindung an die Haupttat bedurfte es damit ebenfalls nicht mehr.9 Obwohl die Anstiftung im RStGB geregelt wurde und einen von der Täterschaft abgegrenzten Anwendungsbereich erhielt, verfolgten die Vertreter der Kausalitätstheorien ihre Sichtweise bis ins 20. Jahrhunderts hinein.10 Die heutige Verursachungslehre ist als modifizierter Ausfluss dieser Teilströmung anzusehen, wobei die Vertreter dieser heutigen Theorie die An5

Vgl. 1. Kapitel, B.IV.1. Vgl. 1. Kapitel, B.III.1. 7 Vgl. 1. Kapitel, B.II. sowie 1. Kapitel, B.IV.1. 8 Vgl. 1. Kapitel, B.IV.2. 9 Vgl. 1. Kapitel, B.III.2. 10 Vgl. 1. Kapitel, B.III.2. und 3. 6

338

Zusammenfassung

wendung der Äquivalenzformel auf die Auslegung des Bestimmensbegriffs beschränken, wodurch die Anstiftung einen extensiven Anwendungsbereich erhält.11 Trotz der starken Präsenz der Kausalitätslehre durch von Buri entwickelte sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine an Einfluss zunehmende Strömung, die an die Tradition Bauers sowie der Hegelschen Schule anknüpfte und Anstiftung als Bestimmen zur Selbstbestimmung ansah.12 Hierbei wurde die Anstiftung endgültig aus der Urheberschaft herausgelöst und ihr ein eigenständiger Anwendungsbereich zugewiesen, der zwischen der Täterschaft und der Beihilfe liegt. Hervorzuheben ist hier die Theorie Geyers,13 der die psychologischen Auswirkungen beim Rezipienten besonders beachtete und die Anstiftung als Motivkonflikt des Adressaten verstand, wodurch er bereits den auch hier vertretenen Gedanken der korrumpierenden Einwirkung dem Grunde nach erkannte. In der neueren Entwicklung bildeten sich die Dominanztheorien heraus, die insbesondere unter dem Einfluss Puppes zahlreiche Anhänger gefunden haben. Danach muss der Anstifter eine temporäre Dominanz über den Haupttäter ausüben, um die Voraussetzungen der Anstiftung zu erfüllen, wobei diese Theorien in verschiedenen Modifikationsformen vertreten werden.14 In historischer Hinsicht basiert dieser Denkansatz auf keiner tieferen rechtshistorischen Tradition. Die Anstiftung konnte sich nur langsam aus der Urheberschaft herauslösen und erhielt durch die gesetzliche Regelung im RStGB einen eigenständigen Anwendungsbereich, der zwischen der Täterschaft und der Beihilfe liegt. Diesen Anwendungsbereich anzutasten und die Anstiftung erneut der Täterschaft anzunähern, wurde erst durch die Vertreter der Dominanztheorien unter der Schirmherrschaft Puppes gewagt.

B. Die dogmatische Herleitung der Anstiftung Um das Handlungsunrecht der Anstiftung besteht ein Theorienstreit, der sich in die vier aufgezeigten Hauptströmungen unterteilen lässt und der zum Teil auf der historischen Entwicklung beruht. Um diesen Streit tiefgreifend zu klären, ist ein alleiniger Rückgriff auf die juristische Dogmatik nicht ausreichend. Durch eine ausschließlich rechtliche Argumentation gelingt es den Vertretern der verschiedenen Anstiftungstheorien, jeden beliebigen Standpunkt zu begründen. Daher wurde in der vorliegenden Arbeit ver11 12 13 14

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

1. 1. 1. 1.

Kapitel, Kapitel, Kapitel, Kapitel,

B.III.3. B.IV.4. B.IV.4.c). B.V.

B. Die dogmatische Herleitung der Anstiftung

339

sucht, die Bedeutung des Merkmals „bestimmen zur Tat“ durch eine umfassende Auslegung zu konkretisieren, in die neben rechtlichen Erwägungen auch Erkenntnisse der Linguistik, der Psychologie sowie der Soziologie mit eingeflossen sind.

I. Der Einfluss der Sprechakttheorie auf die Wortlautauslegung Im Rahmen der grammatikalischen Auslegung wurde der Gesetzeswortlaut in die von Searle begründete Sprechaktklassifikation eingeordnet. Danach gehört die, durch das „Bestimmen“ in § 26 beschriebene Kommunikationsbeziehung der direktiven Sprechaktklasse an, welche auf eine einseitige Verpflichtung des Rezipienten gegenüber dem Adressaten abzielt.15 Im Anschluss an dieses Ergebnis wurde untersucht, durch welche Umstände eine einseitige (Selbst-)Verpflichtung des Rezipienten in tatsächlicher Hinsicht begründet werden kann, denn die Ursache dieser verpflichtenden Wirkung stellt auch den tieferen Grund für das Handlungsunrecht der Anstiftung dar. Der Anstiftungserfolg wird durch einen korrumpierenden Handlungsdruck ausgelöst, der wiederum auf einem Konflikt im Wertesystem des Anzustiftenden beruht. Grundsätzlich haben Menschen zahlreiche Bedürfnisse nach deren Befriedigung sie streben. Dabei stehen die verschiedenen Ziele in einem gegenseitigen Spannungsverhältnis, d. h. es gibt bestimmte Werte, die nur auf Kosten eines anderen Wertes realisiert werden können. Bei jedem Menschen befindet sich das verinnerlichte Wertesystem in einem mehr oder minder stabilen Gleichgewicht.16 Ein Wert, den jeder Mensch internalisiert hat und dessen Erhalt angestrebt wird, ist das Straffreiheitsinteresse. Damit wird nicht nur das Interesse an der Abwehr von Sanktionen verstanden, sondern hierdurch wird auch der „gute Ruf“ geschützt, der im Ergebnis die Grundlage der sozialen und wirtschaftlichen Existenz darstellt. Da die Anstiftung auf die Verursachung einer Straftat abzielt, bildet das Straffreiheitsinteresse den Korrespondenzwert, den der Anstifter durch seine Art der Einflussnahme angreifen muss.17 Um das bestehende Wertesystem des Adressaten in tatsächlicher Weise zu korrumpieren, reicht es nicht aus, auf einen bereits bestehenden Wertekonflikt hinzuweisen bzw. diesen zu vertiefen, sondern der Anstifter muss 15 16 17

Vgl. 1. Kapitel, C.II.4. Vgl. 1. Kapitel, C.IV. Vgl. 1. Kapitel, C.IV.

340

Zusammenfassung

einen neuen Wert in das bestehende Wertesystem des Rezipienten einfügen. Dieser neue, externe Wert muss dabei dem Straffreiheitsinteresse in exklusiver Weise gegenübergestellt werden. Um durch diese Gegenüberstellung auch einen sanktionsbewehrten Handlungsdruck aufbauen zu können, der für den einseitig verpflichtenden Charakter nötig ist, muss der Handlungswunsch des Anstifters im Wege einer sanktionsbewehrten Aufforderung kommuniziert werden. Der Begriff der Sanktion ist in diesem Zusammenhang weit zu verstehen und kann sowohl einen Wertgewinn als auch einen Wertverlust ankündigen, der in der Hand des Anstifters liegt und dessen Realisation von dem Adressaten zumindest für möglich gehalten wird. In der weiteren Bearbeitung wurden beispielhaft einige der psychologischen Wirkmechanismen dargestellt, welche für den Aufbau eines sanktionsbewehrten Handlungsdrucks verantwortlich sind.18 Hierdurch konnte verdeutlicht werden, dass sanktionierende Einflüsse sowohl durch die verbale als auch durch die nonverbale Kommunikation begründet werden können. Das Handlungsunrecht der Anstiftung besteht also darin, den Adressaten durch die korrumpierende Einflussnahme in eine Wahlsituation zu versetzen, die auf einem Ungleichgewicht im individuellen Wertesystem basiert. Der Adressat hat die Wahl zwischen dem Wert der Straffreiheit und dem Risiko der Realisation, der durch den Anstifter angedrohten Sanktion. Wenn bei dieser Abwägung der Wert der Straffreiheit unterliegt, dann war die Einflussnahme erfolgreich und es liegt ein Fall der Anstiftung vor. Nach Abschluss der grammatikalischen Auslegung konnte nur die Sanktionierungstheorie die aufgezeigten Anforderungen voll erfüllen. Die Dominanztheorien fordern zwar ebenfalls den Charakter einer einseitigen Verpflichtung, jedoch muss dieser eine gesteigerte Intensität aufweisen.19 Allerdings ist eine korrumpierende Einflussnahme bereits durch eine einfache Bitte oder einen Wunsch möglich.20 Indem die Dominanztheorien diese einfachen Formen der Einflussnahme ausklammern, sind sie nicht geeignet, das Spektrum des anstiftungsrelevanten Verhaltens vollumfänglich abzubilden. Darüber hinaus sind die übrigen Anstiftungstheorien nicht in der Lage zu klären, warum eine bestimmte Einwirkungshandlung geeignet ist, den aus18 Zu den negativen Sanktionen vgl. 1. Kapitel, C.IV.2; zu den positiven Sanktionen vgl. 1. Kapitel, C.IV.3. 19 Diese Theorien leiten die Intensität ihrer Verpflichtung aus dem Tatplan ab, durch den sich auch Mittäter untereinander verpflichten, um ein bestimmtes Tatziel zu erreichen. Vgl. hierzu 1. Kapitel, B.V sowie 1. Kapitel, C.III.4. 20 Vgl. 1. Kapitel, C.IV.4.c).

B. Die dogmatische Herleitung der Anstiftung

341

schlaggebenden Handlungsimpuls zu setzen. Allein eine widerspruchsfreie Integration in das dogmatische Konzept des StGB ist nicht ausreichend, um das Handlungsunrecht der Anstiftung zu erfassen. Da durch die Anstiftung eine tatsächliche Verhaltensweise sanktioniert wird, müssen die tatsächlichen Voraussetzungen in einer tauglichen Anstiftungstheorie ebenso Beachtung finden, wie das dogmatische Konzept.

II. Die weitere Auslegung von § 26 Der Schwerpunkt der systematischen Auslegung bestand darin, die Untergrenze der Anstiftung durch die Abgrenzung zur Beihilfe und die Obergrenze durch die Abgrenzung zur Täterschaft zu bestimmen. Die reine Verursachungslehre sowie die Theorie vom geistigen Kontakt beziehen auch Handlungen in den Anwendungsbereich der Anstiftung mit ein, die Aspekte der Beihilfe aufweisen. Ob die entsprechende Einwirkungshandlung eine nur unterstützende oder eine initiierende Wirkung hatte, lässt sich auf diese Weise nicht hinreichend konkret klären.21 Andererseits fordern die Dominanztheorien eine temporäre Herrschaftsbeziehung des Anstifters über den Haupttäter. Indem diese Lehren den Aspekt der Tatherrschaft in den Anwendungsbereich der Anstiftung hineintransportieren, gelingt es ihnen nicht, die Obergrenze des anstiftungsrelevanten Verhaltens deutlich zu definieren.22 Hierbei konnte nur die vorliegende Theorie der Anstiftung einen eigenständigen Anwendungsbereich eröffnen, bei dem es weder zu Überschneidungen zur Beihilfe noch zur Täterschaft kommt. In der weiteren Bearbeitung schloss sich die teleologische Auslegung an. Hierbei wurden insbesondere die tätergleiche Bestrafung sowie die Gesichtspunkte des Opferschutzes eingehender betrachtet und auf ihre Vereinbarkeit mit den vertretenen Anstiftungstheorien überprüft. Durch das von § 26 angedrohte Strafmaß, der tätergleichen Bestrafung des Anstifters, wird ein gewisses Mindestmaß an strafrechtlicher Verwerflichkeit vorausgesetzt. Diese Erheblichkeitsschwelle wird durch die hier vertretene Anstiftungstheorie markiert. Die Theorien, welche die Anstiftung bereits bei einem geringeren Unrechtsgehalt bejahen, dehnen das Spektrum des anstiftungsrelevanten Verhaltens zu stark aus und geraten so in Konflikt mit dem verfassungsrechtlichen Schuldprinzip sowie dem Bestimmtheitsgrundsatz.23 21 22 23

Vgl. 1. Kapitel, D. Vgl. 1. Kapitel, D.II. Vgl. 1. Kapitel, E.I.

342

Zusammenfassung

Die vorliegend vertretene Anstiftungstheorie wurde ebenfalls durch die Untersuchung der Aspekte des Opferschutzes bestätigt.24 Danach führen die extensiven Anstiftungstheorien dazu, ein weit gefasstes Verhaltensspektrum unter den Tatbestand der Anstiftung zu subsumieren. Eine derart ausgedehnte Definition des anstiftungsrelevanten Verhaltens führt aber nur auf den ersten Blick zu einem besonders intensiven Opferschutz. Indem auch informative Mitteilungen bzw. sogar Tatsachenarrangements in den Bereich des strafbaren Verhaltens mit einbezogen werden, wird für den juristischen Laien der Anwendungsbereich der Norm nicht deutlich. Im Ergebnis kann die von dem Tatbestand ausgehende Signalwirkung nicht mehr hinreichend verdeutlicht werden, wodurch die Norm langsam an Akzeptanz verliert. Dem Opferschutz wäre damit kaum gedient. Andererseits schränken die Dominanztheorien das Spektrum des anstiftungsrelevanten Verhaltens zu stark ein. Dadurch werden die Aspekte des Opferschutzes nicht genügend gewürdigt, da ein erheblicher Teil gefährlicher Verhaltensweisen aus dem Anwendungsbereich der Anstiftung ausgeklammert werden würde. Zwischen diesen Extrempositionen liegt die vorliegend vertretene Theorie. Diese stellt den Anwendungsbereich der Anstiftung deutlich heraus und gibt dem Rechtsanwender zu erkennen, wann die Grenze des deliktischen Verhaltens überschritten wird. Die von dieser Theorie aufgestellte Mindestschwelle ist darüber hinaus geeignet, gefährliche Verhaltensweisen, die über der rein informativen Kommunikation anzusiedeln sind, dogmatisch sauber zu erfassen.

III. Die Konkretisierung der Haupttat sowie des Haupttäters Um die Abgrenzung der Anstiftung zu den Normen des Besonderen Teils mit eigenständigem Einwirkungscharakter vornehmen zu können, wurde in der weiteren Bearbeitung erörtert, wie konkret die Haupttat bzw. der Adressat durch den Anstifter bestimmt sein muss. Die Konkretisierung der Haupttat lässt sich durch eine Synthese der vertretenen Literaturansichten korrekt beschreiben.25 In objektiver Hinsicht ist, wie von Ingelfinger vorgeschlagen, das der Anstiftung inne wohnende Lenkungsmoment in den Fokus der Betrachtung zu stellen, welches nach Herzberg erst durch die Überschreitung des rechtlich relevanten Risikos verwirklicht wird. Dieses wird konkret immer dann überschritten, wenn der Anstif24 25

Vgl. 1. Kapitel, E.II. Vgl. 1. Kapitel, G.I.5.

C. Das Bestimmen im Besonderen Teil

343

ter in appellativer Weise auf den Adressaten einwirkt und dem bestehenden Wert des Straffreiheitsinteresses einen korrumpierenden Wert in exklusiver Weise gegenüberstellt, um ihn zu einer bestimmten Handlung aufzufordern. Diese Handlung wird durch die subjektive Komponente näher konkretisiert und ist durch die Kenntnis von den subsumtionsrelevanten Tatsachen gekennzeichnet. Dieses Kriterium ist im Sinne Roxins weiter einzuschränken, der für die nähere Konkretisierung das Wissen um die wesentlichen Dimensionen des Unrechts hervorhebt.26 Die wesentlichen Dimensionen des Unrechts schränken das nach § 16 bestehende Vorsatzerfordernis grundsätzlich stärker ein, da sie einen Kenntnisstand erfordern, der über die (laienhafte) Vorstellung der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale hinausgeht. Allerdings ist gerade eine noch intensivere Konkretisierung nach Ort, Zeit und den sonstigen Umständen der Tat nicht erforderlich. Insofern ist die neuere Rechtsprechung des BGH als zu restriktiv anzusehen, denn es ist die ureigenste Aufgabe des Täters und nicht des Anstifters, die näheren Gegebenheiten der Tat selbst zu bestimmen. Auch die Konkretisierung des Rezipientenkreises lässt sich durch die Anwendung der hier vertretenen Anstiftungstheorie lösen. Soweit ein Auditorium eine Größe überschritten hat, durch die es dem Rhetor nicht mehr möglich ist, den Einzelnen persönlich zu erreichen, kann er dessen Wertesystem auch nicht mehr durch eine gezielte, sanktionierende Einflussnahme von höherer Intensität korrumpieren. In der Folge wird die Anstiftung ausgeschlossen und es liegt ein Fall des § 111 vor.27

C. Das Bestimmen im Besonderen Teil Die Tathandlung des Bestimmens findet sich darüber hinaus in zahlreichen Normen des Besonderen Teils wieder. Als Form der Willenssteuerung anderer Personen28 verwendet der Gesetzgeber das Merkmal Bestimmen in den §§ 174 Abs. 2 Nr. 2, 176 Abs. 2, 4 Nr. 2, 179 Abs. 2, 180 Abs. 2, 3, 182 Abs. 1 Nr. 2, 3 Nr. 2, 216 Abs. 1 sowie in § 334 Abs. 3. Durch die Untersuchung des jeweiligen Normkontextes wurde die im Rahmen der Anstiftung gefundene Wertung auch im Bereich dieser Delikte bestätigt. 26

Vgl. 1. Kapitel, G.I.2. Vgl. 1. Kapitel, G.II.4.b). 28 Das Merkmal des Bestimmens ist in zahlreichen weiteren Vorschriften des Besonderen Teils enthalten. Im Rahmen dieser Delikte ist es allerdings nicht als Form der Willenssteuerung zu verstehen. So z. B. in §§ 86 Abs. 1 Nr. 4, 89a Abs. 1, 123 Abs. 1, 124, 130 Abs. 2 Nr. 1, 149 Abs. 1 Nr. 2, 181a Abs. 1 Nr. 2, 184e, 184f Nr. 1. 27

344

Zusammenfassung

Allein das rechtspolitische Ziel der §§ 176 Abs. 2,29 179 Abs. 230 erfordert eine Abweichung von der gefundenen sprachwissenschaftlichen Wertung, wonach im Kontext dieser Delikte das Merkmal des Bestimmens mit dem Begriff des Verursachens gleichzusetzen ist, da in diesem Zusammenhang die durch diese Tathandlung definierte Kommunikationsbeziehung nicht nur auf eine einseitige Verpflichtung des Rezipienten abzielt.

D. Das Auffordern in § 111 In der weiteren Bearbeitung wurde § 111 untersucht, der als Norm des Besonderen Teils der Anstiftung am ähnlichsten ist. Die darin enthaltene Tathandlung „Auffordern“ beschreibt ebenfalls eine Kommunikationsbeziehung, die der direktiven Sprechaktklasse zuzuordnen ist, da sie auch auf eine einseitige Verpflichtung des Rezipienten abzielt. Diese verpflichtende Wirkung kann wiederum nur mit der beschriebenen korrumpierenden Einflussnahme auf das Wertesystem des Rezipienten begründet werden.31 Da die Aufforderung im Sinne des § 111 aufgrund der tatbestandlichen Bedingungen gegenüber einer größeren Menschenmenge vollzogen werden muss, entfaltet die verpflichtende Wirkung gegenüber dem Einzelnen nur eine geringe Intensität. Der Einzelne kann sich u. a. aufgrund der Anonymität, die ihm die breite Masse bietet, des sanktionsbewehrten Appells entziehen und die Position eines neutralen Beobachters einnehmen.32 Trotzdem die Tathandlung gegenüber dem Einzelnen eine geringere Intensität entfaltet, droht § 111 Abs. 1 ebenfalls die anstiftergleiche Bestrafung an. Das tatbestandliche Unrecht muss daher durch zusätzliche andere Faktoren ergänzt werden, die außerhalb der Gefährlichkeit der Tathandlung liegen und zu einer Gleichstellung mit dem Unrecht der Anstiftung führen. Diese besondere Gefährlichkeit des § 111 wird durch die fehlende Vorhersehbarkeit und Steuerbarkeit des durch den Täter in Gang gesetzten Kausalverlaufs, durch die unabsehbar große Streubreite der Aufforderung sowie durch die besondere Sensibilität des von § 111 geschützten Rechtsguts, des „inneren Gemeinschaftsfriedens“, aufgewogen.33 Die anstiftergleiche Bestrafung des Täters nach § 111 Abs. 1 verstößt daher nicht gegen das Schuldprinzip. Die Elemente, aus denen sich die strafrechtliche Verwerflichkeit des § 26 und des § 111 herleitet, sind daher nur partiell miteinander vergleichbar. 29 30 31 32 33

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

2. 2. 3. 3. 3.

Kapitel, Kapitel, Kapitel, Kapitel, Kapitel,

A.II.2. A.II.3. A.I.1. A.I.2. B.I. bis IV.

F. Das Verleiten im Besonderen Teil

345

E. Das Aufstacheln zum Hass in § 130 Abs. 1 Nr. 1 Im Anschluss wurde das Tatbestandsmerkmal Aufstacheln zum Hass in § 130 untersucht. Bereits das allgemeine Sprachgefühl deutet an, dass hierbei eine abweichende Art der Einflussnahme sanktioniert wird, die gerade nicht darauf abzielt, eine einseitige Verpflichtung des Rezipienten zu begründen. Dieser erste Eindruck wird durch die sprachwissenschaftliche Analyse bestätigt, wonach die Tathandlung Aufstacheln eine Art der Kommunikation beschreibt, welche in die expressive Sprechaktklasse einzuordnen ist, die auf eine Veränderung des emotionalen Zustands des Rezipienten abzielt.34 Die besondere strafrechtliche Verwerflichkeit, die in der Verursachung der Emotion des Hasses liegt, wurde durch die Analyse von Hitlers Rhetorik herausgestellt.35 Ein Rhetor initiiert durch die Verursachung des Hasses die emotionale Denkweise, wodurch die Fähigkeit der angesprochenen Menschen zur logischen Kritik stark eingeschränkt bzw. sogar ausgeschaltet wird. Durch einen geschickten Aufbau der emotionalen Folgereaktionen kann der Rhetor die Menschen für seine Ziele einsetzen. So kann er beispielsweise bestimmte andere Personengruppen mit der Emotion des Hasses in Verbindung bringen und so die Menschen zur Bekämpfung dieser Gruppen veranlassen. An die Verwirklichung dieser Tathandlung sind daher völlig andere Anforderungen zu stellen, als an die direktiven Merkmale Bestimmen und Auffordern.

F. Das Verleiten im Besonderen Teil Eine weitere Tathandlung, die die kommunikative Einwirkung auf andere Personen beschreibt, wird durch den Begriff Verleiten definiert. Dieses Tatbestandsmerkmal findet sich innerhalb des StGB in den §§ 120, 160, 323b, 328 Abs. 2 Nr. 4 sowie in § 357 wieder. Grundsätzlich ist auch die durch diese Tathandlung beschriebene Kommunikationsbeziehung in die Sprechaktklasse der Direktiva einzuordnen, da der Verleitete sich zu einer Handlung bereit erklärt, die er eigentlich nicht ausführen wollte. Um einen Menschen zu etwas zu veranlassen, was dieser eigentlich nicht wollte, muss eine korrumpierende Einflussnahme stattfinden, die wiederum auf dem beschriebenen inneren Wertekonflikt basiert.36

34 35 36

Vgl. 4. Kapitel, A.II. Vgl. 4. Kapitel, C.II. Vgl. 5. Kapitel, A.II.

346

Zusammenfassung

Diese sprachliche Einschätzung wird durch den gesetzlichen Kontext der §§ 120, 328 Abs. 2 Nr. 4 und 357 bestätigt, die jeweils Sonderregelungen der Anstiftung beinhalten. Die Notwendigkeit, das anstiftungsrelevante Verhalten in diesen Normen eigenständig zu regeln, wird durch die rechtspolitische Zielsetzung der jeweiligen Vorschriften bedingt. Der gesetzliche Kontext der §§ 160, 323b stellt allerdings weitergehende Anforderungen an die Tathandlung Verleiten. Um dem Schutzzweck dieser beiden Normen vollständig entsprechen zu können, ist das Merkmal Verleiten in diesem Zusammenhang extensiver auszulegen. Danach genügt bereits der reine Informationstransfer, der den tatbestandlichen Anforderungen entsprechen muss.37 Insofern zwingt der gesetzliche Rahmen zu einem abweichenden sprachlichen Verständnis. Diese erweiterten Erfordernisse führen auch zu einer differenzierten sprachwissenschaftlichen Beurteilung. Diejenige Kommunikation, die auf den reinen Informationstransfer gerichtet ist, gehört der assertiven Sprechaktklasse an. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung handelt es sich bei den §§ 160, 323b um die einzigen Normen, deren Kontext das grundsätzliche sprachwissenschaftliche Verständnis von der durch die Tathandlung des Verleitens definierten Kommunikationsbeziehung verändert.

G. Das Einwirken im Besonderen Teil Eine weitere im Gesetz normierte Tathandlung, welche die Beeinflussung auf andere Personen beschreibt, ist die des Einwirkens. Dieses Tatbestandsmerkmal findet sich im StGB in den §§ 125 Abs. 1, 89 Abs. 1 sowie in § 176 Abs. 3 und 4 wieder. Ein Einwirken stellt nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ein Überzeugen dar, welches unterschwellig oder auch durch offene Argumente stattfinden kann. Die einzige Voraussetzung ist die aktive geistige Beeinflussung des Rezipienten durch den potentiellen Täter. Eine nachdrückliche Beeinflussung des Adressaten wird hierbei nicht vorausgesetzt. Die durch das Tatbestandsmerkmal des Einwirkens beschriebene Verhaltensweise ist in die Sprechaktklasse der Assertiva einzuordnen.38 Diese Klassifikationsstufe fordert lediglich einen Informationstransfer zwischen Rhetor und Rezipient, der einen bestimmten Wahrheitsgehalt aufweist. Da der Sprecher hierbei die von ihm verwendeten Worte seiner Weltsicht an37 38

Zu § 160 vgl. 5. Kapitel, C.III., zu § 323b vgl. 5. Kapitel, F.III.1. Vgl. 6. Kapitel, A.II.

H. Das Merkmal des Anleitung Gebens

347

passt, vermittelt er dem Zuhörer ein u. U. verzerrtes Weltbild. Durch die Darstellung des so eventuell veränderten Weltbilds sollen die Gedanken des Rezipienten bewusst oder unbewusst in eine bestimmte Richtung gelenkt werden. Insofern unterscheidet sich diese Art der Beeinflussung von den bisher untersuchten Tathandlungen, die im Grundsatz den Sprechaktklassen der Direktiva und Expressiva angehörten. Der normative Kontext der aufgezeigten Vorschriften bestätigt die vorliegende sprachwissenschaftliche Einstufung. Das weite Strafbarkeitsspektrum kann im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 GG nur mit der besonderen Sensibilität der jeweils geschützten Rechtsgüter begründet werden. Wohl auch aufgrund dieses Spannungsverhältnisses wurde die vorliegende Tathandlung auch nur innerhalb der drei genannten Normen im StGB kodifiziert.

H. Das Merkmal des Anleitung Gebens Im Folgenden wurde das Merkmal des Anleitung Gebens untersucht, welches im StGB allein in der Norm des § 130a Abs. 1 und 2 enthalten ist. Durch die Wissensvermittlung präsentiert der Rhetor dem Empfänger seine Weltsicht mit dem Ziel, die Gedanken des Rezipienten in eine bestimmte Richtung zu lenken. Indem der Zuhörer bestimmte Fähigkeiten vermittelt bekommt, besteht stets die Gefahr, dass er zumindest nach Abschluss der Unterweisung die neu gewonnen Erkenntnisse auch anwenden möchte. Insofern beinhaltet jede bewusste Gedankensteuerung, die in der Unterweisung bestimmter (u. U. gefährlicher) Fähigkeiten liegt, immer auch ein unterschwelliges Steuerungselement.39 Die Kombination der bewussten und der unbewussten Verhaltenssteuerung begründet die besondere strafrechtliche Verwerflichkeit der vorliegenden Tathandlung. Die Wissensvermittlung stellt also eine Handlung dar, die auf den reinen Informationstransfer gerichtet ist und einen Wahrheitsgehalt über die Welt aufweist. Insofern ist die durch die Tathandlung des Anleitung Gebens definierte Verhaltensweise ebenfalls in die assertive Sprechaktklasse einzuordnen,40 welches durch den gesetzlichen Kontext bestätigt wird.41 Eine Vergleichbarkeit zu der Anstiftung liegt daher nicht vor, da eine völlig andere Art der Einflussnahme beschrieben wird.

39 40 41

Vgl. 7. Kapitel, A.I. Vgl. 7. Kapitel, A.II. Vgl. 7. Kapitel, B.I. bis III.

348

Zusammenfassung

I. Die Tathandlungen Billigen und Belohnen Abschließend wurden die Tathandlungen Billigen in den §§ 130 Abs. 3, 4, 140 Nr. 2 und Belohnen in § 140 Nr. 1 betrachtet. Diese Merkmale beziehen sich auf die Einflussnahme, die im Anschluss an eine verübte Straftat stattfindet. Auf den ersten Blick erscheint eine Vergleichbarkeit zu den bisher untersuchten Verhaltensweisen nicht gegeben zu sein, da eine nachträgliche Einwirkung keine neue Straftat hervorrufen kann. Dennoch wird durch das Billigen bzw. das Belohnen einer bereits abgeschlossenen Vortat ein Klima geschaffen, in welchem neue Delikte der gleichen Art gedeihen können. Indem die zustimmende Haltung nach Abschluss der eigentlichen Tat sanktioniert wird, um dadurch gleichwertige Taten zu verhindern, handelt es sich hierbei ebenfalls um Konstellationen der Vorfeldkriminalisierung. Insofern stehen die vorliegenden Tathandlungen des Billigens und des Belohnens an der äußersten Grenze der strafbaren Verbrechensveranlassung.42 Sowohl Billigen als auch Belohnen beschreiben eine Art der Einwirkung, die eine zustimmende Stellungnahme des Äußernden zum Ausdruck bringt. Im Ergebnis zielen beide Tathandlungen darauf ab, den emotionalen Zustand des Angesprochenen zu stabilisieren, indem sich dieser durch das hervorgerufene honorierende Klima zu weiteren gleichartigen Taten aufgerufen fühlt. Damit handelt es sich bei diesen Merkmalen um relativ schwache Formen der Einflussnahme, da der Täter keine appellative Forderung aufstellt, um den Adressaten zur Begehung einer Tat zu motivieren. Aufgrund dieser Überlegungen definieren diese Tathandlungen ebenfalls eine Kommunikationsbeziehung, die in die Sprechaktklasse der Kommissiva einzuordnen ist.43 Diese Einschätzung wird durch den jeweiligen normativen Kontext bestätigt. Tatbestandliche Überschneidungen zu dem direktiven Merkmal des Bestimmens sind daher auszuschließen. In die vorliegende Arbeit wurden Erkenntnisse weiterer Wissenschaften einbezogen. Hierdurch konnte bei der Auslegung der verschiedenen Tathandlungen der juristische Sach- und Streitstand auf einer zusätzlichen Ebene kritisch hinterfragt werden. Im Mittelpunkt dieser Prüfung stand die Sprechaktklassifikation nach Searle. Hierdurch ist es gelungen die verschiedenen Formen der sanktionsbewehrten Einflussnahme in ein Verhältnis zueinander zu setzen und sie zu kategorisieren.

42 43

So bereits Rogall vgl. Kapitel 8. Kapitel, in Fn. 1 f. Vgl. 8. Kapitel, A.II.

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Sachwortverzeichnis Akzessorietät 26, 36 Akzessorischer Rechtsgutsangriff 35 – Selbständiges Element 36, 125, 280 – Unselbständiges Element 35, 38, 280 Altruismus 129 Angebot der Tatbegehung 137 Anleitung geben – Allgemeine Begriffsbedeutung 315 – Durch Schriften 317 – in § 130a 317 – Mündliches Anleiten 318 Anonyme Betrachterposition 196 Anreizen 194 Anstiftung – Abgrenzung zur Beihilfe 139 – Abgrenzung zur Täterschaft 142 – Konkretisierung der Haupttat 157 – Konkretisierung des Rezipienten 165 – Opferschutzgedanke 152 – Tätergleiche Bestrafung 150 – Versuch 146 Anstiftungstheorien – Dominanztheorien 85 – Sanktionierungstheorie 89 – Theorie vom geistigen Kontakt 83 – Verursachungstheorie 53 Antizipation des Dissenses 101, 127 Appellativer Charakter 100 Argumentationslast 127 Assertive Sprechakte 95 Auffordern – Allgemeine Begriffsbestimmung 194

– Bestimmtheit d. Rezipientenkreises 209 – Durch Schriften 197 Aufrichtigkeitsregel 95 Aufstacheln zum Hass – Allgemeine Begriffsbedeutung 215 – Besondere Verwerflichkeit 260 Ausschluss der Eigenveranwortlichkeit bei § 160 288 Begründungsaufwand 101, 127 Beihilfe, Psychische Beihilfe 139 Belohnung 121 Bestechung 186 Bestimmen – Ergebnis zu § 26 155 – Im Sexualstrafrecht 174 – In § 216 Abs. 1 183 – In § 334 Abs. 3 186 Bewusstseinsebene 266, 285, 321 Billigen und Belohnen – Allgemeine Begriffsbedeutung 324 – In § 130 (Auschwitzlüge) 333 – In § 140 329 Bitten und Wünsche 127 Deklarativa 97 Direktiva 95 Eigenhändigkeit des Aussagenden 287 Eigenverantwortlichkeit und Gruppenpsyche 170 Einfacher Informationstransfer 95, 103, 288, 307

Sachwortverzeichnis Einheitstäterschaft 53, 85, 337 Einseitige Verpflichtung 95, 99, 111, 127, 138, 155, 185, 189, 196, 210, 271, 283, 298 Einwirken – Allgemeine Begriffsbedeutung 300 – In § 89 311 – In § 125 308 – In § 176 302 Emotionen – Aktivierung durch Hass 260 – Allgemein zum Aufstacheln 215 – Durch billigen und belohnen 324 – Expressive Sprechakte 96 – Gruppenpsyche 168 – Nonverbale Kommunikation 97 Empfängerhorizont 330 Enttäuschungsfeste Erwartungshaltung 108 Erfolgsunrecht 34, 43, 280 Expressive Sprechakte 96, 218, 330 Fahrlässigkeit in § 357 – Bewusste 283 – Unbewusste 283 Falsche Aussage 287 Falsche Versicherung an Eides Statt 286 Fehlende Vorhersehbarkeit und Steuerbarkeit 199, 211, 344 Feinseligkeit einer Menschenmenge 308 Freiheitsdrang 290 Funktionelle Tatherrschaft 142 Gefährdung einer Entziehungskur 294 Gefährdungselemente des § 111 – Fehlende Vorhersehbarkeit 199 – Gruppendynamische Effekte 201 – Sensibilität des Rechtsguts 202

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– Unabsehbare Streubreite 202 Gefangenenbefreiung 289 Geschütztes Rechtsgut – In den Sexualdelikten 174 – Von § 89 312 – Von § 111 202 – Von § 120 289 – Von § 130 Abs. 1 219 – Von § 140 327 – Von § 323b 296 – Von § 357 274 Gesinnungsstrafrecht 29, 328 Gewinnchance 121, 126 Gewinnvorhersage 126 Gruppendynamische Effekte 168, 201 Gruppenpsyche 168 Handlungsdruck 90, 102, 115, 127, 132, 291 Handlungsunrecht 28, 34, 43, 107, 160, 338 Handlungsziel 190, 216, 261 Herrschaftsbeziehung 85, 155, 341 Historie der Anstiftung – Entwicklung d. Verursachungslehre 48 – Lehre vom geistigen Kontakt 55 – Moraltheologischer Aspekt 42 Historie von § 130 226 Historie von § 323b 296 Hitlers Rhetorik 247 – Aufbauphase 255 – Ausschluss logischer Denkprozesse 250, 258 – Commitment und Konsistenz 251 – Deduktive Denkrinne 252 – Diffamierungsphase 252 – Glaubwürdigkeit 252, 256 – Selbsterhöhungsphase 257 – Spannungsaufbau 249, 252, 257, 259 – Vertrauensbildungs- oder Einstimmungsphase 248

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Sachwortverzeichnis

– Wertabgleich mit Auditorium 250, 256 – Zitieren von Zeugenaussagen 250 Homo sociologicus 153 Illokution – Definition 93 – Handlungsergebnis und -ziel 190 – Primäre und sekundäre 114 Indikatoren der Sprechaktklassifikation – Aufrichtigkeitsregel (psychischer Zustand) 94 – Illokutionärer Witz (Zweck) 94 – Proportionaler Gehalt (Anpassungsrichtung) 94 Individuell bestimmbarer Personenkreis 166, 210, 213 Innere Hemmschwelle, (Gruppendynamik) 201 Innerer Gemeinschaftsfrieden 203, 213 Interaktionsbedingung 101, 127 Komissive Sprechakte 96 Kommunikation – Bestandteile des Sprechaktes 92 – Nonverbale 97 Konkretisierung des Adressaten – Bei § 26 170 – Bei § 111 208 – Bei § 357 279 Konkurrenzen – § 111 213 – § 125 310 – § 130 267 – § 130a 320 – § 140 332 – § 357 284 Korrumpieren 24, 90, 123, 138, 181, 279 Lenkungsmoment 164, 342

Massenmedien 170, 202 Massenpsychologie 168, 201 Meinungsfreiheit 197, 328 Menschenmenge 166, 168, 196, 201, 247, 259, 265, 308 Missbrauch 302 Normakzeptanz 154, 205 Normative Erwartungshaltung der Anstiftung 108 Normen – Kognitive 109 – Normative 110 Norminternalisierung 153 Nuklearwaffen 293 Öffentliche Aufforderung zu Straftaten 188 – Besondere Gefährlichkeit 199 – Doppelnatur von § 111 203, 211 – Konkretisierung der Haupttat 206 – Konkretisierung des Rezipientenkreises 209 Öffentlichkeit 167, 199, 210, 262 Omnimodo facturus 56, 76, 86, 137, 139, 185 Opferschutz 152 Pragmatik 92 Propositionaler Gehalt 94 – Bei § 111 189 – Der Anstiftung 99 – Verleiten 271 Psychisches Klima 201, 239, 247, 323 Psychologische Wirkmechanismen – Autorität 117, 251, 254, 281 – Commitment und Konsistenz 116, 251, 254, 256 – Knappheit 122, 249 – Reaktanztheorie 122 – Reziprozität 119, 258

Sachwortverzeichnis – Solidarität 112 – Sympathie 247, 251, 256 Ratschlag 124, 140 Rechtlich missbilligtes Risiko 55, 150, 160, 164 Rechtsauskünfte 129 Sanktion – negative 111 – positive 121 Sanktionierungstheorie 89 Scheinbares Abraten von der Tat 135 Schuldprinzip 147, 151, 163, 205, 278, 284 Seelenmordtheorie 43 Selbstbestimmung – Bestimmen zur 71, 76–77, 80 – Freie 78 – Sexuelle 175, 177, 180–181 Selbstinformation 130, 132 Selbstschädigung 37, 174, 177, 297, 307 Selbstverantwortung 44 Sexualisiertes Klima 304 Sorgfaltspflichtmaßstab 282 Sozialadäquanzklausel in § 140 Abs. 3 328 Soziale Normen 108, 112 Sprechakte Bestandteile 92 Straffreiheitsinteresse 107, 121, 156 Subsidiaritätsklausel in § 125 Abs. 1 311 Subsumtionsrelevante Tatsache 164, 209 Systematik der Aussagedelikte 286 Tatbestandliche Personenkonstellation – In den Sexualdelikten 174 – In § 357 279 Tätergleiche Bestrafung – In § 26 39, 85, 150

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– In § 111 199 – In § 357 275, 280 Täterschaft – Mittäterschaft 142 – Mittelbare Täterschaft 144 Tatherrschaft 142, 149, 341 Tatsachenarrangement 54, 84, 103, 140, 147, 297 Täuschung – Täuschende Belohnung 135 – Täuschende Drohung 134 – Täuschende Warnung 132 Teilnahmetheorien – Akz. Verursachungstheorie 32 – Lehre v. akz. Rechtsgutsangriff 35 – Reine Verursachungstheorie 30 – Schuldteilnahmelehre 24 – Solidarisierungstheorie 28 – Unrechtsteilnahmelehre 25 Tipp 128 Überlassen des Opfers 178 Ungestörte sexuelle Entwicklung 177, 306 Verbindlichkeitscharakter 100, 106, 127, 179, 196, 325 Verführung – Als Selbstschädigung 297 – Als Tathandlung von § 26 60, 66 – Der Frommen 43 Verleiten – Allg. Bedeutung 270 – In § 120 289 – In § 160 286 – In § 323b 294 – In § 328 Abs. 2 Nr. 4 292 – In § 357 272 – Selbstschädigung 297 – Unvorsätzliche Haupttat 282 Verminderte Steuerungsfähigkeit 199

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Sachwortverzeichnis

Verschaffen 294 Vertrauen, Rechtmäßigkeit der Verwaltung 275, 280, 284 Verwerflichkeitsschwelle 151 Volksverhetzung 215 Vollzug von Illokutionen 190 Vollzugsstadium der Tathandlung – In § 26 und § 111 190 – In § 357 276 Vorbereitungshandlung 30, 303, 306 Vorselektion von Handlungsalternativen 108

Wahrheitsgehalt – Assertive Sprechakte 95 – Täuschende Warnung 134 Wahrheitspflicht des Aussagenden 286 Warnung 130 Wertegleichgewicht 134–135, 146, 199 Wunsch – Anstiftungsmittel 65, 84, 100, 127 – Sprechaktindikator 96, 100 Zurechnung 36, 70, 146, 160