Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile und Schiedssprüche in der Russischen Föderation [1 ed.] 9783428512201, 9783428112203

Im Jahr 2002 wurden die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Russland neu geregelt. Dabei gab e

125 106 22MB

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Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile und Schiedssprüche in der Russischen Föderation [1 ed.]
 9783428512201, 9783428112203

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Tübinger Schriften zum internationalen und europäischen Recht Band 70

Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile und Schiedssprüche in der Russischen Föderation Von

Johannes Steinbach

Duncker & Humblot · Berlin

JOHANNES STEINBACH

Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile und Schiedssprüche in der Russischen Föderation

Tübinger Schriften

zum internationalen und europäischen Recht Herausgegeben von

Thomas Oppermann in Gemeinschaft mit Heinz-Dieter Assmann, Burkhard Heß Kristian Kühl, Hans v. Mangoldt Wernhard Möschei, Martin Nettesheim Wolfgang Graf Vitzthum, Joachim Vogel

sämtlich in Tübingen

Band 70

Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile und Schiedssprüche in der Russischen Föderation

Von Johannes Steinbach

Duncker & Humblot • Berlin

Die Juristische Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen hat diese Arbeit im Jahre 2002 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

D21

Alle Rechte vorbehalten © 2003 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: WB-Druck GmbH & Co., Rieden im Allgäu Printed in Germany ISSN 0720-7654 ISBN 3-428-11220-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 ®

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Dezember 2002 von der Juristischen Fa­ kultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen als Dissertation angenommen. Das Manuskript wurde im Frühjahr 2002 fertig gestellt; allerdings kam es im Laufe des Jahres 2002 in Russland zu maßgeblichen Änderungen in der prozes­ sualen Gesetzgebung, die das Recht der Anerkennung und Vollstreckung aus­ ländischer Entscheidungen auf eine neue gesetzliche Grundlage stellten. Gleichzeitig hat sich das Oberste Gericht der Russischen Föderation im Som­ mer 2002 in ungewohnter Weise zur Urteilsanerkennung geäußert. All diese Änderungen konnten noch berücksichtigt und die Arbeit somit auf den Stand Februar 2003 gebracht werden.

Herzlich bedanken möchte ich mich bei Herm Professor Dr. Burkhard Heß für die vorzügliche Betreuung der Arbeit als Doktorvater und nicht zuletzt auch für die schöne und interessante Zeit, die ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl verbracht habe. Herm Professor Dr. Rolf A. Schütze danke ich für sein Interesse an meiner Arbeit und für die Erstellung des Zweitgutach­ tens; Herrn Professor Dr. Dr. h.c. Thomas Oppermann danke ich für die Auf­ nahme der Arbeit in diese Schriftenreihe. Herzlicher Dank gilt der großzügigen Unterstützung durch die Reinhold-und-Maria-Teufel-Stiftung Tuttlingen, die diese Arbeit im Juli 2003 mit ihrem Förderpreis ausgezeichnet hat. Besonderer Dank gilt auch Herm Professor Dr. Wladimir W. Jarkow (Uni­ versität Jekaterinburg) für die vielen wertvollen Hinweise und Anregungen so­ wie Herrn Professor Dr. Mark M. Boguslawskij (Universität Kiel), Herrn Pro­ fessor Dr. Wjatscheslaw W. Komarow (Juristische Akademie Charkow), Herm Boris N. Lapin (Interparlamentarische Versammlung der GUS, St. Petersburg), Frau Dr. Marina A. Mitina (Universität St. Petersburg), Alexej Laptew (Blago­ weschtschensk), Alexej Krochaljow (Jekaterinburg) und Ruslan Sidelnikow (Charkow), die mir aktuelle Gesetzentwürfe und zum Teil noch unver­ öffentlichte Gerichtsentscheidungen zugänglich gemacht und mir bei der äu­ ßerst beschwerlichen Literaturrecherche geholfen haben. Kyriaki Kaltzidou, Monika Seibold und meinem Bruder Alexander Steinbach danke ich herzlich für die vielen Abende und Wochenenden, die sie für die Erstellung und Korrek­ tur des Manuskripts aufgewendet haben. Danken möchte ich schließlich allen bisher noch nicht Genannten, die mich auf die eine oder andere Weise unter­ stützt und so zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben.

Johannes Steinbach

Inhaltsübersicht Einleitung............................................................................................................................

23

§1 Historische Entwicklung..........................................................................................

27

I.

Zarenzeit...............................................................................................................

27

II.

Sowjetunion.........................................................................................................

30

HI. Russische Föderation..........................................................................................

38

§ 2 Urteilsanerkennung in Theorie und Praxis.........................................................

43

§ 3 Rechtsquellen und Systematik...............................................................................

47

I.

Autonomes Recht...............................................................................................

47

II.

Völkerrechtliche Verträge.................................................................................

49

ID. Der Begriff der Anerkennung........................................................................... IV. Der Begriff der Vollstreckung...........................................................................

63 65

Systematik des russischen Anerkennungsrechts.............................................

66

V.

§ 4 Voraussetzungen der Anerkennung und Vollstreckung...................................

71

Das „Ob“ der Anerkennung und Vollstreckung..............................................

71

n. Anerkennungs- und vollstreckungsfahige Entscheidungen........................... HI. Versagung der Urteilsanerkennung...................................................................

74 84

IV. Die einzelnen Anerkennungshindemisse im Vergleich.................................

89

I.

V.

Erleichterungen für „unmittelbar anzuerkennende“ Entscheidungen........... 124

VI. Anerkennungsvoraussetzungen innerhalb von Spezialabkommen............... 125

Vn. Folgen der Nichtanerkennung........................................................................... 127 VH!. Zusätzliche Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung....................... 129 IX. Zwischenergebnis............................................................................................... 139

§ 5 Verfahren der Anerkennung und Vollstreckung................................................ 141 I.

Vollstreckbarerklärung....................................................................................... 141

n.

Das Anerkennungsverfahren............................................................................. 162

HI.

Entgegenstehende ausländische Rechtskraft als Verfahrenshindemis......... 174

IV. Zwischenergebnis............................................................................................... 179

§ 6 Anerkennung familien- und insolvenzrechtlicher Entscheidungen................ 181

I. II.

Anerkennung ehe- und familienrechtlicher Entscheidungen.......................... 181 Anerkennung insolvenzrechtlicher Entscheidungen....................................... 189

§7 Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche................... 191

I.

Rechtsquellen...................................................................................................... 191

8

Inhaltsübersicht II.

Begriff des ausländischen Schiedsspruchs....................................................... 198

in.

Anerkennung und Vollstreckung nach autonomem Recht............................. 199

IV. Anerkennung und Vollstreckung nach dem UNÜ.......................................... 215

V.

Anerkennung und Vollstreckung nach dem EuÜ........................................... 216

VI. Bedeutung der staatsvertraglichen Regelungen.............................................. 218 VII. Praktische Bedeutung......................................................................................... 218

§8 Zwangsvollstreckungsrecht.................................................................................... 221 I. II.

Zwangsvollstreckungsorgane............................................................................ 222 Örtliche Zuständigkeit......................................................................................... 223

DI. Vollstreckungsvoraussetzungen......................................................................... 223 IV. Einleitung des Vollstreckungsverfahrens......................................................... 225 V.

Durchführung der Zwangsvollstreckung.......................................................... 226

VI. Aufschub, vorläufige Einstellung und Beendigung der Zwangsvollstre­ ckung............................................................................................................ 236

VH. Rechtsschutz in der Zwangsvollstreckung........................................................ 237 Zusammenfassung.............................................................................................................. 241 Summary.............................................................................................................................. 247

Anhang 1: Normtexte........................................................................................................ 251 Anhang 2: Gerichtssystem............................................................................................... 277 I.

Gerichte der allgemeinen Jurisdiktion.............................................................. 278

II.

Die Arbitrage-Gerichtsbarkeit........................................................................... 281

ID. Schiedsgerichtsbarkeit........................................................................................ 285

Anhang 3: Originalentscheidungen................................................................................ 287 Anhang 4: Entscheidungsregister.................................................................................. 303 Literaturverzeichnis.......................................................................................................... 323 I.

Russischsprachige Literatur................................................................................ 323

II.

Sonstige Literatur................................................................................................ 330

Sachregister......................................................................................................................... 339

Inhaltsverzeichnis Einleitung............................................................................................................................

23

§1 Historische Entwicklung..........................................................................................

27

I.

Zarenzeit................................................................................................................

27

II. Sowjetunion..........................................................................................................

30

in. Russische Föderation...........................................................................................

38

1. Weitergeltung der völkerrechtlichen Verträge nach dem Zerfall der UdSSR.......................................................................................................

38

2. Rechtsverkehr zwischen den postsowjetischen Staaten............................

39

3. Neue bilaterale Abkommen.......................................................................... 40 4. Neuregelung der Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprü­ chen............................................................................................................. 41 5. Neues Zwangsvollstreckungsrecht...............................................................

41

§ 2 Urteilsanerkennung in Theorie und Praxis..........................................................

43

§3 Rechtsquellen und Systematik................................................................................

47

I.

II.

Autonomes Recht................................................................................................ 1. Von Normenmangel zu Normen Vielfalt......................................................

47 47

2. Rechtswegabgrenzung zwischen Arbitrage- und Zivilgerichtsbarkeit.....

47

3. Grundlinien des gewählten Regelungsmodells...........................................

48

Völkerrechtliche Verträge..................................................................................

49

1. Unmittelbare Geltung....................................................................................

50

2. Das Netzwerk von „Rechtshilfeabkommen“...............................................

50

a) Begriff der Rechtshilfe............................................................................

53

b) Rechtshilfeabkommen als „Modellverträge“.........................................

53

c) Verhältnis der Rechtshilfeabkommen zum autonomen Recht............

54

d) Nachteile des gewählten Regelungsmodells..........................................

55

e) Bilaterale Rechtshilfeabkommen der Russischen Föderation..............

56

3. Multilaterale Abkommen...............................................................................

58

a) Internationale Übereinkommen...............................................................

58

b) Anerkennungsübereinkommen innerhalb der GUS..............................

61

4. Zeitlicher Anwendungsbereich....................................................................

63

HL Der Begriff der Anerkennung.............................................................................

63

IV. Der Begriff der Vollstreckung............................................................................

65

V. Systematik des russischen Anerkennungsrechts..............................................

66

10

Inhaltsverzeichnis 1. Vollstreckbarerklärung als Leitbild.............................................................

67

2. Anerkennung als „vereinfachtes Verfahren“...............................................

67

3. Entgegenstehende ausländische Rechtskraft...............................................

68

§ 4 Voraussetzungen der Anerkennung und Vollstreckung...................................

71

I.

Das „Ob“ der Anerkennung und Vollstreckung...............................................

71

II.

Anerkennungs- und vollstreckungsfahige Entscheidungen............................

74

1. Urteile in Zivil- und Wirtschaftssachen......................................................

75

a) Gerichtliche Urteile..................................................................................

75

b) Zivilsachen................................................................................................ aa) Begriff der Zivilsache........................................................................ bb) Abweichender Anwendungsbereich bestimmter Rechtshilfeab­ kommen ...................................................................................... cc) Entscheidungen ausländischer Arbitrage- bzw. Wirtschaftsge­ richte............................................................................................ dd) Vorläufig vollstreckbare Entscheidungen....................................... 2. Adhäsionsentscheidungen...........................................................................

77 77

78 79 80 81

3. Beschränkung der Vollstreckbarkeit auf vermögensrechtliche Ent­ scheidungen...............................................................................................

81

Versagung der Urteilsanerkennung...................................................................

84

1. Verbot der revision au fond..........................................................................

84

2. Prüfung der Anerkennungsvoraussetzungen,Beweislast...........................

86

3. Präklusion........................................................................................................ IV. Die einzelnen Anerkennungshindemisse im Vergleich..................................

88 89

1. Fehlende Rechtskraft nach dem Recht des Erststaats................................

89

a) Autonomes Recht..................................................................................... b) Völkerrechtliche Abkommen..................................................................

89 90

2. Fehlendes rechtliches Gehör des Beklagten im Erstverfahren..................

91

a) Autonomes Recht.....................................................................................

91

b) Völkerrechtliche Abkommen..................................................................

94

3. Internationale Zuständigkeit.........................................................................

97

a) Autonomes Recht..................................................................................... aa) Internationale Zuständigkeit im Anwendungsbereich der ZPO....

97 98

HI.

bb) Internationale Zuständigkeit im Anwendungsbereich der ArbitrageGO....................................................................................... 99 cc) Internationale Zuständigkeit im Anwendungsbereich der Min­ sker Rechtshilfekonvention...................................................... 100 dd) Internationale Zuständigkeit im Anwendungsbereich des Kie­ wer Abkommens........................................................................ 100 b) Völkerrechtliche Abkommen.................................................................. 100

4. Entgegenstehende inländische Rechtskraft oder Rechtshängigkeit.......... 103

Inhaltsverzeichnis

11

a) Autonomes Recht...................................................................................... 103

b) Völkerrechtliche Abkommen.................................................................. 105 5. Verstoß gegen den ordre public................................................................... 106 a) Russisches autonomes Recht................................................................... 106 aa) Öffentliche Ordnung.......................................................................... 107

(1) Extensive Auslegung in der Sowj etzeit................................. (2) Neuere Auslegung.................................................................... bb) Souveränität und Sicherheit............................................................. cc) Anwendungsvoraussetzungen.......................................................... dd) Fallgruppen des ordre public............................................................ (1) „Stadtbildende“ Betriebe......................................................... (2) VeijährungsVorschriften.......................................................... (3) Deliktsrecht............................................................................... (4) Verbraucherrecht...................................................................... (5) Währungs- und Devisenrecht................................................. (6) Börsenrecht...............................................................................

107 108 110 111 112 113 114 114 115 115 116

b) Völkerrechtliche Verträge Russlands..................................................... aa) Ordre public-Verstoß als Versagungsgrund................................... bb) „Allgemeiner“ ordre public-Vorbehalt............................................ cc) Kein ordre public-Vorbehalt............................................................ dd) Zwischenergebnis...............................................................................

117 117 118 119 122

6. Sonstige Anerkennungshindemisse.............................................................. 122

a) Kollisionsrechtliche revision au fond.................................................... 122

V.

b) Fehlende Gerichtsbarkeit des Erststaates............................................... 123 Erleichterungen für „unmittelbar anzuerkennende“ Entscheidungen........... 124

VI. Anerkennungsvoraussetzungen innerhalb von Spezialabkommen................ 125

1. Haager Übereinkommen über den Zivilprozess......................................... 125 2. Übereinkommen über die zivilrechtliche Haftung für Öl Verschmut­ zungsschäden............................................................................................. 126 3. Abkommen über Schäden, welche Dritten auf der Erde durch ausländi sehe Luftfahrzeuge zugefügt werden.................................................. 127 VII. Folgen der Nichtanerkennung............................................................................ 127 1. Bloße Beweiswirkung im Zweitstaat.......................................................... 127

2. Vollstreckung im Ausland und Möglichkeit einesneuen Verfahrens....... 128 3. Teilanerkennung........................................................................................... 128

Vm. Zusätzliche Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung....................... 129 1. Einhaltung der Vollstreckungsfrist.............................................................. 129

a) Begriff der Vollstreckungsfrist, systematische Einordnung................ 129

b) Dauer der Vollstreckungsfrist................................................................. 131 aa) Urteile ausländischer Zivilgerichte.................................................. 131

12

Inhaltsverzeichnis

bb) Urteile ausländischer Arbitrage-Gerichte........................................ 131 cc) Ausländische Schiedssprüche........................................................... 132 c) Berechnung der Vollstreckungsfrist....................................................... 133

d) Vereinbarkeit mit völkerrechtlichenAbkommen................................... 134 2. Vollstreckbarkeit im Erststaat....................................................................... 138 IX. Zwischenergebnis............................................................................................... 139

§ 5 Verfahren der Anerkennung und Vollstreckung................................................ 141

I.

Vollstreckbarerklärung....................................................................................... 141 1. Nach autonomem Recht................................................................................ 141 a) Verfahrensstellung der ausländischen Partei......................................... 141 b) Örtliche und sachliche Zuständigkeit..................................................... 142

c) Internationale Zuständigkeit.................................................................... 144

d) Antrag......................................................................................................... aa) Form.................................................................................................... bb) Adressat............................................................................................... e) Öffentliche Verhandlung.........................................................................

145 145 147 148

f) Entscheidung des Gerichts, Rechtsmittel............................................... 150

g) Konkretisierung des erststaatlichen Vollstreckungstitels.................... 152

h) Gerichtskosten.......................................................................................... 154 2. Vollstreckungsverfahren nach dem Kiewer Abkommen........................... 156

a) Unmittelbare Vollstreckbarkeit............................................................... 156 b) Vollstreckungsantrag................................................................................ 156 c) Einspruchsverfahren................................................................................. 158 d) Vergleich mit dem europäischen Recht................................................. 159

3. Zwischenergebnis.......................................................................................... 161

II.

Das Anerkennungsverfahren............................................................................. 162 1. „Anerkennung ohne weiteresVerfahren“.................................................... 162

a) Anwendungsbereich................................................................................. 162

b) Unmittelbare Anerkennung..................................................................... 163 c) Einspruchsverfahren................................................................................. aa) Antragsberechtigte............................................................................. bb) Antragsfrist......................................................................................... cc) Zuständigkeit..................................................................................... dd) Verfahren............................................................................................ ee) Prüfungsumfang................................................................................. ff) Entscheidung des Gerichts, Rechtsmittel........................................

165 166 166 167 167 168 169

2. Modifikation des Anerkennungsverfahrens durch völkerrechtliche Ab­ kommen...................................................................................................... 169

a) Anerkennung ohne spezielles bzw. zusätzliches Verfahren................ 169

b) Keine explizite Regelung......................................................................... 171

Inhaltsverzeichnis

13

c) Obligatorisches Anerkennungsverfahren............................................... 172 d) Keine Anerkennung vermögensrechtlicher Entscheidungen............... 172

3. Zwischenergebnis.......................................................................................... 173 in. Entgegenstehende ausländische Rechtskraft als Verfahrenshindemis.......... 174 1. Rechtslage nach der ZPO............................................................................ 174

2. Rechtslage nach der ArbitrageGO.............................................................. 175 a) Rechtskraft................................................................................................. 176

b) Keine Anerkennungsversagungsgründe................................................. 176 c) Keine ausschließliche Zuständigkeit eines russischen Arbitrage-Ge­ richts...................................................................................................... 177 3. Verfahren der Anerkennung entgegenstehender ausländischer Rechts­ kraft............................................................................................................. 178

IV. Zwischenergebnis................................................................................................ 179

§ 6 Anerkennung familien- und insolvenzrechtlicher Entscheidungen............... 181

I.

Anerkennung ehe- und familienrechtlicher Entscheidungen.......................... 181

1. Anerkennung ausländischer Scheidungen.................................................. 181 a) Begriff........................................................................................................ 182

b) Anerkennungsvoraussetzungen............................................................... 183 2. Adoptionen.................................................................................................... 185 3. Anerkennung sonstiger Statusentscheidungen.......................................... 186 4. Anerkennung sonstiger ehe- und familienrechtlicher Entscheidungen .... 187 5. Gerichtspraxis................................................................................................ 188

II. Anerkennung insolvenzrechtlicher Entscheidungen......................................... 189 § 7 Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche.................. 191

I.

Rechtsquellen........................................................................................................ 191 1. Multilaterale Abkommen............................................................................. 191 2. Bilaterale Abkommen.................................................................................. 195

3. Autonomes Recht.......................................................................................... 196 4. Verhältnis der verschiedenen Rechtsquellen.............................................. 197 II. Begriff des ausländischen Schiedsspruchs......................................................... 198 in. Anerkennung und Vollstreckung nach autonomem Recht............................... 199

1. Anwendungsvoraussetzungen....................................................................... 200

a) Merkmal „Handel“................................................................................... 201

b) Merkmal „international“.......................................................................... 202 2. Zuständigkeit und Verfahren........................................................................ 204

a) Anerkennung............................................................................................. 204

b) Vollstreckung............................................................................................ 204 3. Anerkennungs-und Vollstreckungsvoraussetzungen................................ 205 a) Absolute Anerkennungshindemisse........................................................ 206

14

Inhaltsverzeichnis

aa) Mangelnde Schiedsfahigkeit............................................................ 206 bb) Verstoß gegen den ordre public........................................................ 208

b) Relative Anerkennungshindemisse......................................................... aa) Ungültigkeit des Schiedsvertrages................................................... bb) Rechtsverweigerung.......................................................................... cc) Überschreitung der schiedsrichterlichen Kompetenz.................... dd) Verfahrensfehler................................................................................. ee) Unverbindlichkeit des Schiedsspruchs............................................ (1) Fehlende Verbindlichkeit......................................................... (2) Aufhebung oder Hemmung des Schiedsspruchs...................

209 209 210 210 211 212 212 213

4. Aussetzung der Entscheidung über die Anerkennung oder Vollstre­ ckung ......................................................................................................... 214

5. Vergleich mit der deutschen Rechtslage..................................................... 214 IV. Anerkennung und Vollstreckung nach demUNÜ............................................ 215

1. Anwendungsbereich....................................................................................... 215 2. Verfahren........................................................................................................ 216 3. Anerkennungs-und VollstreckungsVoraussetzungen................................ 216

4. Zwischenergebnis.......................................................................................... 216

V.

Anerkennung und Vollstreckung nach dem EuÜ............................................ 216

VI. Bedeutung der staatsvertraglichen Regelungen.............................................. 218

VE. Praktische Bedeutung......................................................................................... 218

§8 Zwangsvollstreckungsrecht.................................................................................... 221

I.

Zwangsvollstreckungsorgane............................................................................ 222

II.

Örtliche Zuständigkeit........................................................................................ 223

1H.

Vollstreckungsvoraussetzungen........................................................................ 223 1. Vollstreckungsdokument............................................................................... 224 a) Vollstreckungsurkunden auf der Grundlage ausländischer Entschei­ dungen.................................................................................................. 224

b) Vollstreckungsurkunden auf der Grundlage inländischer Schieds­ sprüche................................................................................................. 225 2. Vollstreckungsfrist......................................................................................... 225 IV. Einleitung des Vollstreckungsverfahrens......................................................... 225 V.

Durchführung der Zwangsvollstreckung.......................................................... 226

1. Vollstreckung vermögensrechtlicher Forderungen.................................... 227

a) Vollstreckung in das Vermögen des Schuldners................................... 227 aa) Vollstreckung wegen Geldforderungen........................................... 228 (1) Vollstreckung in Geldmittel und andere Wertsachen des Schuldners.......................................................................... 229 (a) Vollstreckung in Bankguthaben....................................... 229 (b) Vollstreckung in „andere Wertsachen“.......................... 231

Inhaltsverzeichnis

15

(2) Vollstreckung in das sonstige Vermögen des Schuldners..... 232 (3) Vollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe von beweg­ lichen Sachen.................................................................... 234 bb) Vollstreckung in die regelmäßigen Einkünfte des Schuldners...... 234 2. Vollstreckung nichtvermögensrechtlicher Forderungen.......................... 235

a) Erwirkung von Handlungen oder Unterlassungen................................ 235 b) Überlassung bzw. Räumung von Immobilien........................................ 235

VI. Aufschub, vorläufige Einstellung und Beendigung der Zwangsvollstre­ ckung............................................................................................................ 236 VH Rechtsschutz in der Zwangsvollstreckung........................................................ 237

1. Rechtsschutz gegenüber dem Gerichtsvollzieher..................................... 237 2. Rechtsschutz gegenüber der Bank des Schuldners................................... 238

3. Rechtsschutz Dritter..................................................................................... 238 4. Keine „Vollstreckungsgegenklage“............................................................ 239

5. Einstweiliger Rechtsschutz.......................................................................... 240

Zusammenfassung............................................................................................................. 241 Summary.............................................................................................................................. 247 Anhang 1: Normtexte........................................................................................................ 251 Anhang 2: Gerichtssystem............................................................................................... 277 I.

Gerichte der allgemeinen Jurisdiktion............................................................... 278

1. Rechtsweg....................................................................................................... 278

2. Gerichtsaufbau................................................................................................ 278 3. Instanzenzug................................................................................................... 279 4. Besonderheiten des zivilgerichtlichen Verfahrens...................................... 280

II.

Die Arbitrage-Gerichtsbarkeit........................................................................... 281 1. Rechtsweg....................................................................................................... 282 2. Gerichtsaufbau, Instanzenzug....................................................................... 283

3. Besonderheiten des Verfahrens.................................................................... 285

IH. Schiedsgerichtsbarkeit........................................................................................ 285

Anhang 3: Originalentscheidungen................................................................................ 287 Anhang 4: Entscheidungsregister.................................................................................. 303 Literaturverzeichnis.......................................................................................................... 323

I.

Russischsprachige Literatur................................................................................ 323

II.

Sonstige Literatur................................................................................................ 330

Sachregister......................................................................................................................... 339

Abkürzungsverzeichnis I. Abgekürzt zitierte Vorschriften Abkürzung:

Vollständige Bezeichnung:

ArbitrageGO

Arbitrage-Gerichtsordnung der Russi­ CoGpanne 3aKonoschen Föderation vom 24. Juli 2002 narenbCTBa PO 2002 N° 30, Pos. 3012

AVAG

Anerkennungs- und Vollstreckungsausfuhrungsgesetz vom 30. Mai 1988

BGBl. I S. 662

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch vom 18. Aug. 1896

RGBl. S. 195

EGInsO

Einführungsgesetz zur Insolvenzord­ nung vom 5. Okt. 1994

BGBl. IS. 2911

EGV

ABI. (EG) C 340 vom Vertrag zur Gründung der Europäi­ 10. Nov. 1997, schen Gemeinschaft, konsolidierte S. 173 ff. Fassung mit Änderungen durch den Vertrag von Amsterdam vom 2. Okto­ ber 1997

EheVO

Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 des ABI. EG Nr. LI 60 vom Rates vom 29. Mai 2000 über die ge­ 30. Juni 2000, S. 19 ff. richtliche Zuständigkeit und die Aner­ kennung und Vollstreckung von Ent­ scheidungen in Ehesachen und in Ver­ fahren betreffend die elterliche Ver­ antwortung für die gemeinsamen Kin­ der der Ehegatten

EMRK

Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfrei­ heiten vom 4. Nov. 1950

EuGVÜ

Übereinkommen über die gerichtliche BGBl. 1972 D S. 774; BGBl. 1994nS. 519 Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil­ und Handelssachen, unterzeichnet in Brüssel am 27. Sept. 1968, in der Fas­ sung des dritten Beitrittsübereinkom­ mens vom 26. Mai 1989

Fundstelle:

BGBl. 1952 nS. 686, 953

18

Abkürzungsverzeichnis

EuGVVO

Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Ra­ Abi. EG Nr. L 12 vom tes vom 22. Dez. 2000 über die ge­ 16. Jan. 2001, S. 1 ff. richtliche Zuständigkeit und die Aner­ kennung und Vollstreckung von Ent­ scheidungen in Zivil- und Handelssa­ chen

EuÜ

Europäisches Übereinkommen über BGBl. 1964HS. 425 ff. die internationale Handelsschiedsge­ richtsbarkeit, unterzeichnet in Genf am 21. April 1961

FamGB

Familiengesetzbuch der Russischen Föderation vom 29. Dez. 1995

BeaoMocTH Bepxoßnoro CoBera PCeuepaHHH 1997, N° 30, Pos. 3591; Über­ setzung in Breidenbach, Handbuch Wirtschaft und Recht in Osteuropa, RUS 930.

Abkürzungsverzeichnis

21

II. Sonstige Abkürzungen1 ABI.

Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften

BB1.

Bundesblatt (Schweiz)

BDGVR

Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht

DDR-GB1.

Gesetzblatt (DDR)

DZWIR

Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht

gern.

gemäß

GUS

Gemeinschaft Unabhängiger Staaten

ILM

International Legal Materials

IZPR

Internationales Zivilprozessrecht

Pos.

Position

Rec. Cours

Recueil des Cours de F Academie de Droit International de La Haye

RF

Russische Föderation

RSFSR

Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik

SSR

Sozialistische Sowjetrepublik

tir.

Spiegelstrich

WGO-MfOR

Monatshefte für Osteuropäisches Recht

WiRO

Wirtschaft und Recht in Osteuropa

Y.B.

Yearbook Commercial Arbitration

Ziff.

Ziffer

1 Hinsichtlich der üblichen juristischen Abkürzungen wird auf Kirchner, Abkürzun­ gen für Juristen, 2. Auf!., Berlin 1993 verwiesen.

Einleitung Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Russ­ land ist ein Thema, mit dem sich weder die russischsprachige noch die auslän­ dische Literatur bisher hinreichend auseinandergesetzt haben. Dies hängt damit zusammen, dass die Urteilsanerkennung und -Vollstreckung in Russland traditi­ onell das Bestehen eines entsprechenden völkerrechtlichen Abkommens vor­ aussetzt und bisher kaum praktische Bedeutung besaß. Urteile deutscher Ge­ richte werden in Russland mangels eines solchen Übereinkommens grundsätz­ lich nicht anerkannt.

In der letzten Zeit wurde allerdings in Literatur und Rechtsprechung ver­ mehrt eine Liberalisierung dieser als zu streng empfundenen Anerkennungs­ voraussetzungen gefordert. Große Erwartungen wurden insoweit mit der ge­ planten Reformierung der zivilprozessualen Gesetzgebung verbunden. Dabei war zum einen geplant, die in vieler Hinsicht nicht mehr zeitgemäße ZPO von 1964 durch eine Neuregelung zu ersetzen, während andererseits auch die 1992 entstandene und erst 1995 neu erlassene ArbitrageGO erneut reformiert werden sollte. Beide Gesetzentwürfe (Entwurf einer Zivilprozessordnung vom 25. Dez. 20001 sowie Entwurf einer neuen ArbitrageGO vom 31. Juli 20002) sahen die Einführung des auch in Deutschland geltenden Gegenseitigkeitsprinzips vor. Über den Anwendungsbereich bestehender Abkommen hinaus sollte damit auch die Anerkennung gerichtlicher Urteile aus solchen Staaten möglich sein, die ihrerseits die Anerkennung russischer Gerichtsentscheidungen generell zu­ lassen. Diese Änderung hätte, besonders aus deutscher Sicht, eine tiefgreifende Neuerung dargestellt, durch die nicht nur die Anerkennung und Vollstreckung deutscher Urteile in Russland, sondern auch umgekehrt die Anerkennung und Vollstreckung vermögensrechtlicher3 Urteile russischer Gerichte in Deutsch­ 1 Beschluss vom 25. Dez. 2000 (Nr. 37), im Internet veröffentlicht unter www.sup court.ru/solution/plenum/00/2000-37.htm. 2 Beschluss des Plenums des Obersten Arbitrage-Gerichts vom 31. Juli 2000, Nr. 6 (nicht veröffentlicht). 3 Kein Gegenseitigkeitserfordemis besteht nach deutschem Recht für nichtvermö­ gensrechtliche Urteile sowie allgemein für Ehe-, Kindschafts-, FGG- und In­ solvenzsachen; vgl. § 328 II ZPO, Art. 7 § 1 S. 2 FamRÄndG, § 16 a FGG, Art. 102 I EGInsO.

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Einleitung

land erstmals ermöglicht worden wäre, weil damit die Gegenseitigkeit verbürgt gewesen wäre im Sinne von § 128 I Nr. 5 deutsche ZPO. Auch wenn das Ge­ genseitigkeitsprinzip seinerseits einen heute sicherlich fragwürdigen Souve­ ränitätsvorbehalt beinhaltet, hätte seine Einführung rein praktisch zu erhebli­ chen Verbesserungen geführt.

Allerdings wurde nach längerer Debatte von der Einführung des Gegensei­ tigkeitsprinzips und der damit verbundenen Lockerung der Anerkennungs­ voraussetzungen abgesehen. Sowohl die ZPO vom 14. Nov. 20024 als auch die ArbitrageGO vom 24. Juli 20025 haben die bisherigen, untergesetzlichen Vor­ schriften über die Urteilsanerkennung ohne größere Änderungen übernommen;6 ausländische Gerichtsurteile können damit weiterhin nur bei Bestehen eines entsprechenden völkerrechtlichen Abkommens in Russland vollstreckt werden. Die Neuregelung der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Ge­ richtsurteile und Schiedssprüche bekräftigt den Kompetenzanspruch der Arbit­ rage-Gerichtsbarkeit, die sich bereits bisher für die Anerkennung und Vollstre­ ckung ausländischer Entscheidungen in Wirtschaftssachen zuständig sah. Die bisher umstrittene Frage der Zuständigkeit für die Anerkennung und Vollstre­ ckung ausländischer Entscheidungen ist nun gesetzlich geregelt: Wenn das Ausgangsverfahren die Ausübung wirtschaftlicher Tätigkeiten betrifft, ist die Arbitrage-Gerichtsbarkeit zuständig, in allen anderen Fällen dagegen die Zivil­ gerichtsbarkeit. Der Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit stellt jedoch ein re­ lativ ungenaues Abgrenzungskriterium dar, zumal unklar ist, ob dieses Merk­ mal nach dem Recht des Erlassstaates oder nach russischem Recht zu qualifi­ zieren ist.

Gesetzestechnisch hat die Eingliederung der Vorschriften über die Urteilsan­ erkennung und -Vollstreckung sowohl in die ZPO als auch in die ArbitrageGO zu einer fast unübersichtlichen Normenvielfalt geführt, zumal auch die bisher bestehenden Regelungen zum Teil weiter gelten. Bedauerlicherweise wird der Vergleich dieser Vorschriften dadurch erschwert, dass der Reformgesetzgeber bei der Inkorporierung der bisherigen Anerkennungsvoraussetzungen in die ArbitrageGO sowie die ZPO eine Vielzahl sprachlicher Korrekturen vorge­ nommen hat, oft ohne inhaltliche Bedeutung. So wurden vielfach ohne erkenn­ baren Grund neue, gleichbedeutende Formulierungen verwendet (z.B. „sofern44 statt „wenn44), die Reihenfolge von Aufzählungen verändert oder der Satzbau umgestellt. Verweisungsnormen wären daher stellenweise sinnvoller gewesen. Im Anhang zu dieser Arbeit werden die bisher geltenden mit den im Jahre 2002

4 PoccHÄcKaa raaera vom 20. Nov. 2002. 5 Coöpanne 3aKOHonaTenbCTBa P4> 2002, N° 30, Pos. 3012. 6 Siehe Anhang 1.1 (Synopse).

Einleitung

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erlassenen Vorschriften über die Urteilsanerkennung in Form einer Synopse gegenübergestellt.

Wie bereits vor der Prozessrechtsreform des Jahres 2002 spielt die gegensei­ tige Urteilsanerkennung und -Vollstreckung in Russland damit im Wesentlichen nur im Verhältnis zu den nun selbständigen ehemaligen Teilrepubliken der UdSSR eine praktische Rolle. Mit diesen besteht nicht nur eine Vielzahl bilate­ raler Anerkennungsabkommen, sondern es wurde auch auf multilateraler Ebene ein System der erleichterten Urteilsanerkennung geschaffen, das sogar in ge­ wisser Hinsicht mit den Regelungen der Urteilsanerkennung im europäischen Binnenraum vergleichbar ist. Da die Vollstreckung ausländischer Urteile in Russland seit der Zarenzeit auf wenige Ausnahmefalle beschränkt war, wich die Praxis schon früh auf die private Schiedsgerichtsbarkeit aus. Bis heute hat daher das Recht der internati­ onalen Schiedsgerichtsbarkeit, das in Russland inzwischen internationalen Standards entspricht, dort eine besondere praktische Bedeutung. Daher behan­ delt die vorliegende Arbeit auch die Anerkennung und Vollstreckung ausländi­ scher Schiedssprüche.

Eine ausführliche Beschäftigung mit der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen macht jedoch wenig Sinn ohne Kenntnis des Zwangsvollstreckungsrechts, das in Russland ebenfalls erst vor kurzem neu ge­ regelt wurde. Der Blickwinkel der vorliegenden Darstellung erstreckt sich da­ her von der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Entschei­ dungen in Russland bis zur Vollstreckung des durch das russische Exequaturge­ richt ausgestellten Titels. Trotz mehr als spärlicher Quellenlage gelang es, auch die russische Rechtsprechung zu diesem Thema zu berücksichtigen. Im Anhang findet sich eine Sammlung interessanter, teilweise bisher unveröffentlichter Entscheidungen. Neben dieser praktischen Fundierung ist auch der Vergleich mit dem deut­ schen und europäischen Anerkennungsrecht, der sich an mancher Stelle gera­ dezu aufdrängt, ein wichtiger Aspekt dieser Arbeit. Er soll allerdings nicht in Form einer abschließenden Gegenüberstellung, sondern gleichsam nebenbei stattfinden. Aus europäischer Sicht besonders interessant ist dabei sicherlich, wie der Rechtsverkehr in Zivilsachen innerhalb der GUS abgewickelt wird.

§ 1 Historische Entwicklung I. Zarenzeit

Eine gesetzliche Regelung der Vollstreckung ausländischer Entscheidungen fand sich in Russland erstmals in den Art. 1273- 1281 der Zivilprozessordnung vom 20. Nov. 18641, die dem französischen Code de procedure civile von 1806 nachgebildet war und die die altertümliche, auf der Preußischen Allgemeinen Gerichtsordnung von 1793 fußende Zivilprozessordnung von 1832 ablöste.2 Die insoweit zentrale Vorschrift der ZPO von 1864 lautete: Art. 1273: „Entscheidungen ausländischer Gerichte werden in dem Verfahren vollstreckt, das durch die auf diesem Gebiet abgeschlossenen Staatsverträge und Abkommen vorge­ geben ist. In den Fällen, in denen dadurch das Vollstreckungsverfahren selbst nicht geregelt ist, gilt die Ordnung, die in den folgenden Artikeln dargelegt ist.“

Anerkannt war, dass sich diese Vorschrift sowohl aufUrteile staatlicher Ge­ richte als auch auf Schiedssprüche bezog.3 Es war jedoch umstritten, ob die Vorschrift die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen nur bei Bestehen eines entsprechenden Staatsvertrages bzw. Abkommens er­ laubte, oder ob sie nur das Verfahren der Vollstreckung ausländischer Urteile betraf.4 Letztere, auf den Wortlaut des Art. 1273 abstellende Auslegungsmöglich­ keit, der ein Teil der zeitgenössischen Literatur folgte,5 wurde von einer Ent­ scheidung des russischen Kassationsgerichts gestützt: Danach war die Ent­ scheidung über die Vollstreckbarkeit eines ausländischen Gerichtsurteils in Russland völlig unabhängig davon zu erlassen, in welchem Land letzteres er­ gangen sei, ob ein Staatsvertrag mit diesem Land bestehe oder ob russische Ur­ teile in diesem Land vollstreckt werden könnten. Notwendig sei ausschließlich 1 YcraB rpa^aaHCKoro cynonponBBoucTBa, in: üoiiHoe coöpanne 33kohob II, Bd. 39, S. 306 ff.; dt. Übersetzung in Haeger, Vollstreckung S. 98 f. 2 Schultz, Rechtsgeschichte S. 215.

3 Für alle MGhohkobb, Kypcb S. 174. 4 Überblick in Haeger, Vollstreckung S. 99 f ; ^hohkobb, Kypcb S. 181. 5 Martens, Journal du droit international prive et de la jurisprudence comparee 1878, S. 144 f , ManHineBB, Kypcb Bd. II, S. 353.

28

§ 1 Historische Entwicklung

die Vollstreckbarerklärung durch ein russisches Gericht.6 Das Kassationsge­ richt vertrat wenig später in ständiger Rechtsprechung7 jedoch den Standpunkt, ausländische Entscheidungen könnten in Russland nur bei Bestehen eines ent­ sprechenden Abkommens oder Staatsvertrags anerkannt und vollstreckt wer­ den. Art. 1273 ff. ZPO (1864) regelten nur das Verfahren der Vollstreckung ausländischer Entscheidungen im Falle des Bestehens eines Staatsvertrags oder Abkommens, das die Einzelheiten des Verfahrens offen lasse. Es widerspreche dagegen der Staatssouveränität, ausländische Entscheidungen anzuerkennen und zu vollstrecken, wenn dies weder durch völkerrechtlichen Vertrag, noch durch einen nationalen Rechtsakt vorgesehen sei.8 Da die Art. 1273 ff. ZPO (1864) somit nur bei Vorliegen entsprechender Rechtshilfeabkommen angewandt wurden, erlangten sie keine praktische Be­ deutung, denn Russland hatte kein einziges bilaterales Anerkennungsabkom­ men unterzeichnet. Zwar war es am 19. Dez. 1897 dem Haager Übereinkom­ men über den Zivilprozess vom 4. Nov. 18969 beigetreten und hatte auch das Folgeübereinkommen vom 17. Juli 190510 unterzeichnet. Beide Überein­ kommen sahen jedoch nur die Anerkennung und Vollstreckung der Ent­ scheidung über die Prozesskosten vor. Die einzige weitere Konvention, an der Russland teilnahm und die die gegenseitige Urteilsanerkennung und -Voll­ streckung vorsah, war das Internationale Übereinkommen über den Eisenbahn­ frachtverkehr (CIM) vom 7. Feb. 187011. Deutsche Urteile konnten damit nur anerkannt und vollstreckt werden, so­ fern sie den Eisenbahnfrachtverkehr oder Prozesskosten betrafen. In allen übri­ gen Fällen blieb dem Gläubiger nur die Möglichkeit, einen neuen Prozess vor einem russischen Gericht anzustrengen.12 Auf diesen wenig praktikablen Weg, der grundsätzlich immer offen steht, soll hier nicht weiter eingegangen werden. Dagegen ist ein kurzer Blick auf die Einzelheiten des Verfahrens nach Art. 1273 ff. der ZPO (1864) zu werfen.

6 Kassationsentscheidung 1873/1711. 7 Kassationsentscheidungen 1882/58; 1902/62, 84; 1907/13. 8 Ebenso 3HrenbMaHHb, Hcnojmenie S.

MnoHKOBb, Kypcb S. 184.

9 RGBl. 1899, S. 281.

10 RGBl. 1909, S 409.

11 RGBl. 1892, S. 793 - Weder die Sowjetunion noch die Russische Föderation waren bzw. sind dagegen Mitglieder der Nachfolgeabkommen CIM (vom 7. Feb. 1970) sowie COTIF (Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr vom 9. Mai 1980). Inzwischen sind jedoch Lettland und Litauen beigetreten, die Ukraine hat einen Auf­ nahmeantrag gestellt; aktuelle Informationen im Internet unter www.otif.ch. X2^6noHKOBb, Kypcb S. 184.

I. Zarenzeit

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Aus der Zusammenschau der verschiedenen Vorschriften ist unschwer zu erkennen, dass der Gesetzgeber von der grundsätzlichen Notwendigkeit einer Vollstreckbarerklärung ausging.13 Gleichzeitig bestand in Rechtsprechung und Literatur jedoch Einigkeit darüber, dass Statusentscheidungen ausländischer Gerichte wie Adoption, Vaterschaftsfeststellung oder Scheidung keiner Exe­ quatur bedürften, sondern in Russland auch ohne besondere gesetzliche Rege­ lung unmittelbar Geltung beanspruchten.14 Auf der anderen Seite waren aus­ ländische Urteile, die sich auf das Eigentum an in Russland belegenen Immobi­ lien bezogen, gern. Art. 1281 ZPO (1864) überhaupt nicht anerkennungsfahig.15 Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung einer ausländischen Entscheidung musste gern. Art. 1275 ZPO (1864) bei dem für die Zwangsvollstreckung zu­ ständigen Kreisgericht gestellt werden. Damit wurde auf die Art. 203 ff. ZPO (1864) verwiesen, d.h. die örtliche Zuständigkeit richtete sich nach dem Wohn­ sitz des Beklagten, oder, bei unbeweglichen Sachen, nach deren Belegenheit.16 Gem. Art. 1276 ZPO (1864) waren dem Antrag beizulegen: Eine Kopie der Entscheidung, beglaubigt von dem ausstellenden Gericht, sowie eine Kopie der Vollstreckungsklausel, beglaubigt vom russischen Konsulat; die Unterschrift des Konsularbeamten musste vom Außenministerium bestätigt worden sein. Außerdem musste eine Übersetzung ins Russische sowie Kopien der genannten Dokumente beigefiigt werden. Da der Antrag auf Vollstreckbarerklärung einer ausländischen Entscheidung als Klage aufgefasst wurde, wurden im Übrigen die Vorschriften über das verkürzte Klageverfahren angewandt.17 Dies beinhal­ tete unter anderem die Vorladung und die Anhörung beider Parteien in öffentli­ cher Sitzung; soweit eine oder beide Parteien nicht erschienen, fanden die Vor­ schriften über das Abwesenheitsverfahren Anwendung.18 Da die Feststellung über die Vollstreckbarkeit einer ausländischen Entscheidung als gerichtliches Urteil aufgefasst wurde, wurde auch die Rechtsmittel der Appellation und der Kassation als zulässig angesehen.19

Gem. .Art. 1279 ZPO (1864) war die Prüfimgskompetenz des Gerichts im Verfahren der Vollstreckbarerklärung ausländischer Entscheidungen begrenzt:

n ^hohkobb,

Kypci» S. 186 f.

14 Kassationsentscheidungen 1879/241 (Fall Brunst: hier sah der Senat eine in Meck­ lenburg erfolgte Ehelichkeitserklärung eines außerehelichen Kindes als für russische Ge­ richte verbindlich an); 1881/183; ^hohkobb, Kypci» S. 175. X5H6hohkobb, Kypci» S. 188.

X6U6jiOHKOBb, Kypci» S. 193. 17 Kassationsentscheidung 1881/73; ^öhohkobb, Kypci» S. 194.

x^^6noHKOBB, Kypci» S. 194. 19 Kassationsentscheidung 1882/58.

30

§ 1 Historische Entwicklung

Es durfte nur prüfen, ob ein Verstoß gegen den ordre public oder gegen russi­ sche Gesetze vorlag. Die Richtigkeit der Erstentscheidung durfte dagegen gern. Art. 1274 ZPO (1864) nicht überprüft werden, und noch weniger durfte das Ge­ richt erneut in der Sache entscheiden.20 Auch durfte das Gericht weder die Zu­ ständigkeit des Erstgerichts noch die Rechtskraft der Entscheidung über­ prüfen.21 Verstöße gegen russische Gesetze oder den ordre public waren zudem nicht von Amts wegen festzustellen, sondern der Beklagte hatte diese vorzu­ bringen.22

Insgesamt bestand damit schon vor der Revolution ein relativ modernes An­ erkennungsrecht, das jedoch, wie bereits dargelegt, mangels entsprechender Abkommen keine praktische Bedeutung erlangen konnte.

IL Sowjetunion

Die ZPO (1864) wurde mit Dekret vom 22. Nov. 191723 aufgehoben. Die Folgeregelung, die ZPO der RSFSR vom 7. Juni 192324, enthielt zunächst keine Vorschriften über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entschei­ dungen. Offensichtlich sollte die Urteilsanerkennung jedoch auch weiterhin nur im Rahmen entsprechender völkerrechtlicher Abkommen möglich sein. Da es zu diesem Zeitpunkt keine solchen Abkommen gab, war die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen ausgeschlossen, in Frage kam le­ diglich ein neues Verfahren vor einem sowjetischen Gericht.25 In der am 10. Mai 1931 beigefugten Anmerkung26 Nr. 2 zu Art. 25527 hieß es entsprechend: „Das Verfahren der Vollstreckung ausländischer Gerichtsentscheidungen rich­ tet sich nach den speziellen Abkommen mit den jeweiligen Staaten“. In der Verwaltungsrichtlinie über die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen vom 28. Sept. 193928 waren unter anderem als mögliche Vollstreckungsgrund-

™SI6noHKOBi>, Kypci> S. 188. 21 Kassationsentscheidung 1876/587.

^^SnoHKOBB, Kypci» S. 192. 23 ftcKpc™

cobctckoh

Biracrn 1917, Band I, S. 124 ff.

24 Dt. Übersetzung in Pfuhl, Zivilprozessordnung, S. 9 ff. 25 neperepcKHH, Kypc S. 394 f. 26 Dabei handelte es sich sozusagen um eine offizielle Kommentierung dieser Vor­ schrift.

27 Coßpanne aaKononaTeiibCTBa Pocchückoh Oeaepamni 1931, N° 26, Pos. 238. 28 Abgedruckt in HanypcKHÜ, FpaacnancKoe nponeccyanbnoe aaKoiionarenbCTBo CCCP h COIO3HNX pecnyönHK, Moskau 1957, S. 477 ff.

n. Sowjetunion

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läge genannt (Art. 4 k): Entscheidungen ausländischer Gerichte auf der Grundlage spezieller Abkommen der UdSSR mit den jeweiligen Staaten.“

Mit Deutschland hatte die Sowjetunion bereits 1925 ein Abkommen über Schiedsgerichte in Handelssachen und anderen bürgerlichen Angelegenheiten geschlossen,29 das in Art. 8 die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen vorsah. Daneben regelte das ebenfalls 1925 zwischen Deutschland und der Sowjetunion geschlossene Abkommen über Niederlassung und allgemeinen Rechtsschutz30 in Art. 13 f. die gegenseitige Vollstreckung von Kostenentscheidungen. Dies spielte insofern eine gewisse Rolle, als Russ­ land seit der Revolution nicht mehr als Vertragsstaat des Haager Abkommens über den Zivilprozess anerkannt war.

Es folgten verschiedene weitere bilaterale Handelsabkommen, vor allem mit sozialistischen Staaten, wie z.B. das Handelsabkommen mit Ungarn vom 20. Februar 1947.31 Diese Übereinkommen sahen jedoch nur die Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vor; dagegen gab es lange Zeit keinerlei Ab­ kommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Gerichtsurtei­ le. Allerdings sah Art. 141 des Ehe-, Familien- und Vormundschaftsgesetzes der RSFSR die Anerkennung ausländischer Scheidungsurteile vor. Darüber hinaus war wie bereits vor der Revolution anerkannt, dass Statusentscheidun­ gen wie Scheidung oder Adoption, die ihrem Wesen nach nicht vollstreckbar galten, auch außerhalb entsprechender Abkommen unmittelbar anerkennungs­ fähig seien.32 Ab Ende der 50er Jahre begann die Sowjetunion, mit den übrigen Ostblock­ staaten umfassende, fast gleichlautende bilaterale Rechtshilfeabkommen abzu­ schließen, die größtenteils bis heute Geltung beanspruchen und die unter ande­ rem die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher (und teil­ weise auch behördlicher) Entscheidungen vorsehen (s.u. § 3). Den Anfang machte ein Abkommen mit der Tschechoslowakei, das bis heute zwischen der RF und Tschechien sowie der Slowakei fortgilt.33 Danach wurden beinahe iden­

29 RGBl. 19261141 ff.

30 RGBl. 1926 n 6 ff.

31 Zit. bei Buhkob, ConnaJiBCTmecKaH 3aKOHHocn> 1995, N° 9, S. 44. 32 Bhjjkob, ConnajmcrHHccKaM 3aKOHHOcn> 1995, N° 9, S. 45.

33 Sowjetisch-tschechoslowakisches Rechtshilfeabkommen vom 31. August 1957, Folgeabkommen vom 25. März 1983; zur Forgeltung zwischen Russland sowie der Slowakei und Tschechien vgl. Entscheidung des Obersten Gerichthofs, BronneTeub BepxoBHoro Cyna PO 1995, N° 10, S. 15 f., sowie Skrdlik, Anerkennung S. 17.

32

§ 1 Historische Entwicklung

tische Abkommen mit der DDR34, Bulgarien,35 Nordkorea36, Polen37 und Ru­ mänien38 abgeschlossen. Nachdem diese ersten bilateralen Abkommen unter­ zeichnet worden waren, wurden die Voraussetzungen und das Verfahren der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen im Rahmen dieser sechs Abkommen durch Ukas39 des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR vom 12. Sept. 195840 geregelt (im Folgenden: Ukas 1958). Nachdem wenig später weitere Abkommen mit Albanien41, Ungarn42 sowie der Mongo­ lei43 folgten, wurde am 20 Dez. 195844 ein Ukas erlassen, der hinsichtlich der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidung dieser drei Länder auf den Ukas (1958) verwies. Dieselbe Regelungstechnik wandte man bei dem Rechts­ hilfeabkommen mit Jugoslawien vom 24. Feb. 196245 an: Ein zu diesem Ab­ kommen erlassener Ukas vom 9. Juli 196546 verwies hinsichtlich der Anerken­ nung und Vollstreckung von Entscheidungen jugoslawischer Gerichte ebenfalls 34 Deutsch-sowjetisches Rechtshilfeabkommen vom 28. Nov. 1957. Zwischen der Russischen Föderation und der BRD gilt dieses Abkommen nicht fort; die Bundesrepu­ blik hat sein Erlöschen bekanntgemacht (BGBl. 1991 II S. 991 ff.).

35 Bulgarisch-sowjetisches Rechtshilfeabkommen vom 12. Dez. 1957, Folgeabkom­ men 1975. 36 Koreanisch-sowjetisches Rechtshilfeabkommen vom 16. Dez. 1957.

37 Polnisch-sowjetisches Rechtshilfeabkommen vom 28. Dez. 1957, 1980 geändert; 1996 wurde zwischen Polen und der Russischen Föderation ein neues Abkommen unter­ zeichnet (in Kraft seit 18. Jan. 2002). 38 Rumänisch-sowjetisches Rechtshilfeabkommen vom 3. April 1958. 39 Der Ukas, teilweise als „Erlass“, „Dekret“ oder „Verordnung“ übersetzt, bildet im russischen Recht seit der Zarenzeit bis heute eine eigene Normenkategorie, wobei seine genaue Stellung in der Normenhierarchie umstritten ist, insbesondere ist seine unterge­ setzliche Stellung keinesfalls allgemein anerkannt. Weiterführend dazu Schaich, Osteu­ ropa-Recht 2000, S. 364 ff. 40 BeuoMocTH BepxoBHoro Coßera CCCP 1958, N° 23, Pos. 345.

41 Albanisch-sowjetisches Rechtshilfeabkommen vom 30. Juni 1958; 1995 wurde zwischen Albanien und der Russischen Föderation ein neues Abkommen unterzeichnet. 42 Sowjetisch-ungarisches Rechtshilfeabkommen vom 15. Juli 1958, 1971 geändert. 43 Mongolisch-sowjetisches Rechtshilfeabkommen vom 25. August 1958, Folgeab­ kommen von 1988. Am 20. April 1999 unterzeichneten die Mongolei und die Russische Föderation ein neues Abkommen.

44 Bchomocth BepxoBHoro Coßera CCCP 1959, N° 1, Pos. 2. 45 Das Abkommen besteht zwischen Russland und der BR Jugoslawien fort; ob die übrigen Nachfolgestaaten Jugoslawiens im Wege der Rechtsnachfolge in das Abkom­ men eingetreten sind, ist unklar; vgl. Zimmermann, Staatennachfolge S. 303 ff. m.w.N.

46 BenoMocTH BepxoBHoro Coßera CCCP 1965, N° 28.

H. Sowjetunion

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auf den Ukas (1958). Durch diese Anordnung per Ukas kam erstmals eine aus­ führliche Regelung der Urteilsanerkennung und -Vollstreckung zustande, es handelte aber nur um Ausführungsvorschriften der bis dahin abgeschlossenen Rechtshilfeabkommen.47

Eine gesetzliche Regelung folgte mit Art. 63 der Grundlagen48 für das zivil­ gerichtliche Verfahren vom 1. Mai 196249: „Das Verfahren der Vollstreckung von Entscheidungen ausländischer Gerichte und Schiedsgerichte in der UdSSR wird in den entsprechenden Abkommen der UdSSR mit ausländischen Staaten oder in internationalen Konventionen festgelegt, an denen die UdSSR beteiligt ist. Die Entscheidung eines ausländischen Gerichts oder eines ausländischen Schiedsgerichts kann in der UdSSR innerhalb von drei Jahren nach dem Zeitpunkt der Rechtskraft der Entscheidung vollstreckt werden.“

Während die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Gerichtsurteile damit nur in geringem Umfang vorgesehen war, sah es hinsichtlich der Aner­ kennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche bald anders aus. Die Sowjetunion war Mitunterzeichnerin des UN-Übereinkommens vom 10. Juni 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (im Folgenden: UNÜ)50. Außerdem trat sie am 7. Jan. 196451 dem Europäi­ schen Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21. April 196152 (im Folgenden: EuÜ) bei.

Obwohl beide Abkommen die Besonderheiten des Ost-West-Handelsverkehrs berücksichtigen, fand die nun grundsätzlich mögliche Vollstreckung aus­ ländischer Schiedssprüche in der Sowjetunion praktisch nicht statt.53 Anfangs beharrten die sowjetischen Handelspartner offenbar meist auf einer Schieds­ klausel zugunsten der Außenhandels-Arbitragekommission in Moskau.54 Später wurde es zwar üblich, die Zuständigkeit des Stockholmer Handelsschiedsge­

47 Schulze, WGO-MföR 1990, S. 11. 48 Bei den sog. Grundlagengesetzen handelte es sich sozusagen um Rahmenregelun­ gen auf Unionsebene, die jedoch von den einzelnen Republiken zu einem großen Teil wörtlich umgesetzt wurden. 49 Dt. Übersetzung in Lunz, IPRII S. 358 ff. 50 BGBl. 1961 HS. 121 ff.

51 BGBl. 1965 nS. 107. 52 BGBl. 1964 DS. 425 ff 53 Vgl. Tagungsbericht MocKOBCKaa KOHthepemijM: MexuyHapouHHH apönrpax „Boctok - 3anan“ in: TpeTencKm cyn 2000, N° 3, S. 79.

54 Waehler, Außenhandelsschiedsgerichtsbarkeit S. 439 ff.

34

§ 1 Historische Entwicklung

richts zu vereinbaren;55 im Falle einer Verurteilung leistete die sowjetische Sei­ te jedoch stets freiwillig, um die Geschäftsbeziehungen nicht zu gefährden.56 Schließlich war unklar, ob die für den Außenhandel allein zuständigen staatli­ chen Unternehmen gegen eine Forderungsdurchsetzung im Wege der Zwangs­ vollstreckung den Einwand der Staatenimmunität geltend machen konnten.57 Mit der BRD hatte die UdSSR bereits am 25. April 1958 ein Abkommen fi­ ber allgemeine Fragen des Handels und der Seeschifffahrt58 geschlossen, das zunächst wie alle zwischen der BRD und der UdSSR abgeschlossenen Verträge im Verhältnis zu Russland fortgalt59 und erst am 20. Dez. 2000 außer Kraft ge­ treten ist.60 Art. 8 dieses Abkommens sah die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen vor. Allerdings gab es auch zu diesen Ab­ kommen zunächst kein Ausführungsgesetz, was aber nicht weiter auffiel, da es offenbar bis zum Ende der Sowjetunion kein einziges Verfahren auf An­ erkennung und Vollstreckung eines ausländischen Schiedsspruchs gab.61

Am 11. Juni 1964 wurde eine neue Zivilprozessordnung (Fpa^naHCKun npoueccyanbHMH koackc) der RSFSR62 erlassen, die im Oktober 1995 von der Duma als Föderationsgesetz mit Änderungen neu verkündet wurde63. Dort war

55 Auch heute wird das Stockholmer Schiedsgericht dem Internationalen Schiedsge­ richt im Moskau vorgezogen, vgl. Tagungsbericht MocKOBCKas KOH(j)epeHUM: MexnynapoHEMH apönrpax „Boctok - 3anaa“ in: TpeTencKnn cyn 2000, N° 3, S. 78. 56 Wright, Enforcing Contractual Obligations S. 2; Stumpf, RIW 1987, S. 823, Hintz, RIW 1986, S. 516, die von einer Ausnahme berichtet.

5' So Garnefsky, Osteuropa-Recht 1963, S. 16 f. Allerdings weist Heß, Staaten­ immunität S. 59 zu Recht daraufhin, dass die Sowjetunion in verschiedenen bilateralen Handels- und Freundschaftsverträgen auf die Immunität ihrer Außenhandelsorganisatio­ nen verzichtet hatte, so dass sich die Immunitätsfrage im Bereich des Außenhandels nicht stellte. Die praktische Bedeutung des Problems zeigt jedoch ein Verfahren aus dem Jahre 1993, in dem die Schuldnerin, eine staatliche Außenhandelsorganisation, den Ein­ wand der Staatenimmunität gegen die Vollstreckbarerklärung eines gegen sie gerichte­ ten ausländischen Schiedsspruches geltend machte. Der russische Oberste Gerichtshof entschied jedoch, die Außenhandelsorganisation genieße nicht nur keine Immunität, sondern dieser Einwand hätte darüber hinaus auch nur im Ausgangsverfahren vorge­ bracht werden können (Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 28. April 1993, siehe Anhang 4.14).

58 BGBl. 1959 ns. 221 ff. 59BGBl. 1992 HS. 1128.

60 Vgl. Bekanntmachung vom 7. Dez. 2001, BGBl. II 2002 S. 40. 61 Komarov, Enforcement S. 27; Waskow, Probleme S. 102.

62 Dt. Übersetzung in Roggemann, Zivilprozessordnung S. 58 ff. 63 Coöpanne aaKonojiaTenbCTBa Poccemckoh Oeaepaunn 1996, N°. 6, Pos. 454, 965.

II. Sowjetunion

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zwar die Urteilsanerkennung nicht geregelt, der Vollstreckung von Entschei­ dungen ausländischer Gerichte und Schiedsgerichte war dagegen ein eigener Artikel gewidmet:

Art. 437 ZPO: „Das Verfahren der Vollstreckung von Entscheidungen ausländischer Gerichte und Schiedsgerichte in der RSFSR wird durch die entsprechenden internationalen Ver­ träge der UdSSR bestimmt. Um Zwangsvollstreckung der Entscheidung eines aus­ ländischen Gerichts oder Schiedsgerichts kann innerhalb von drei Jahren nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung nachgesucht werden.“

Wie man sieht, wurde die Konzeption des Art. 1273 ZPO (1864) übernom­ men. Auch in der Neuregelung war nur vom „Verfahren der Vollstreckung“ die Rede. Sie wurde daher auch als ungenau kritisiert.64 Denn ebenso wie bei Art. 1273 ZPO (1864) stellt sich die Frage, ob die Vollstreckung ausländischer Entscheidungen außerhalb des Anwendungsbereichs entsprechender völker­ rechtlicher Verträge ausgeschlossen oder ob nur das Vollstreckungsverfahren geregelt werden soll. Letztere Auffassung vertrat Boguslawskij65; er argumen­ tierte, nach dem Gesetzeswortlaut richte sich nur das Vollstreckungsverfahren nach völkerrechtlichen Abkommen. Dagegen sei nichts darüber ausgesagt, ob die Vollstreckung ausländischer Entscheidungen nur innerhalb bestehender völkerrechtlicher Abkommen möglich sei. Vielmehr habe der Gesetzgeber die­ se Entscheidungen bewusst offen gelassen, um sich so die Möglichkeit vor­ zubehalten, auch auf der Grundlage der Gegenseitigkeit zu vollstrecken. Wie schon in der Diskussion um Art. 1273 ZPO (1864) stand die ganz herrschende Ansicht aber auch hinsichtlich Art. 437 ZPO auf dem Standpunkt, die Vor­ schrift erlaube die Vollstreckung ausländischer Entscheidungen nur bei Beste­ hen eines entsprechenden völkerrechtlichen Abkommens.66 Über die Urteils­ anerkennung sei dagegen in Art. 437 ZPO nichts ausgesagt, die bloße Anerken­ nung ausländischer Entscheidung bedürfe daher keines völkerrechtlichen Ab­ kommens, sondern sei auch im Rahmen der Gesetze oder sogar nur auf der Grundlage der courtoisie zulässig.67 Die zweite Ungenauigkeit des Art. 437 ZPO bestand in der Aussage, das Verfahren der Vollstreckung ausländischer Entscheidungen richte sich (ausschließlich) nach den entsprechenden internati­ onalen Abkommen. Während nämlich die russische Gesetzgebung hinsichtlich der Frage der Vollstreckbarkeit durchaus auf die entsprechenden inter­ nationalen Abkommen verweist, richtet sich das Verfahren der Vollstreckbar­

64 TpeyinHHKOB, I IIK S. 598 f. 65 SorycnaBCKHÜ, Kypc S. 41.

66 Für alle: Maphnneßa, npaBOBaa noMonib S. 74.

67 Maphnneßa, CoBeTCKoe rocynapcTBo n npaao, 1980, N° 11, S. 116; dagegen BopoHOB, npHsuaHHe S . 71.

36

§ 1 Historische Entwicklung

erklärung vorwiegend und das Verfahren der Zwangsvollstreckung sogar aus­ schließlich nach russischen Gesetzen.68 Am 26. Juli 1967 trat die UdSSR dem Haager Übereinkommen über den Zi­ vilprozess vom 1. März 195469 bei, das allerdings wie die Vorabkommen (s.o.) nur die Vollstreckung der Kostenentscheidungen von Gerichten der Vertrags­ staaten regelt. Durch Verordnung vom 16. Nov. 196770 wurde eine Durchfüh­ rungsbestimmung erlassen. Trotzdem spielte die Anerkennung und Vollstre­ ckung von Kostenentscheidungen keine praktische Rolle; bis heute ist noch keine aufgrund dieses Abkommens vollstreckte Entscheidung bekannt gewor­ den.71 Es folgte ein Rechtshilfeabkommen mit dem Irak72 (1973), zu dem mit Ukas vom 29. Okt. 197573 eine Durchführungsbestimmung erlassen wurde, sowie Rechtshilfeabkommen mit Finnland74 (1978), Italien (1979), Vietnam (1981), Griechenland (1981), Algerien (1982), Kuba (1984), Tunesien (1984), Zypern (1984) und dem Jemen (1985). Angesichts der steigenden Anzahl von Rechts­ hilfeverträgen erwies es sich als umständlich, für jedes Abkommen neue Aus­ führungsbestimmungen zu erlassen. Art. 16 der Instruktion über die Erteilung von Rechtshilfe durch Gerichte und Notariatsbehörden der UdSSR gegenüber den Justizbehörden ausländischer Staaten und über das Verfahren der Über­ mittlung von Rechtshilfeersuchen an diese Behörden75 verwies daher hin­ sichtlich des Verfahrens der Anerkennung und Vollstreckung generell auf den Ukas (1958). Dagegen wurden zu den einzelnen Abkommen keine spezifischen Ausführungsbestimmungen mehr erlassen.

Am 26. Mai 1972 schloss die UdSSR mit den übrigen RGW-Staaten (außer Vietnam) eine Konvention über die schiedsgerichtliche Entscheidung von Zi­ vilrechtsstreitigkeiten, die sich aus den Beziehungen der wirtschaftlichen und wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit ergeben (im Folgenden: Mos­ kauer Konvention) ab.76 Dieses multilaterale Abkommen stellte die Schieds­

68 TpeyiiiHUKOB, FTIK S. 598 f. 69 BGBl. 1958 nS. 576. 70 BenoMocTn BepxoBHoro CoBera CCCP 1967, N° 47, Pos. 632.

71 BopoHOB, IIp03HaHne S. 169. 72 BeaoMocTH BepxoBHoro CoBera CCCP 1975, N° 50, Pos. 793.

73 BeaoMocTH BepxoBHoro CoBera CCCP 1975, N° 45, Pos. 715.

74 Das finnisch-sowjetische Abkommen sah allerdings nur die Anerkennung von Scheidungs-, Trennungs- und Ehenichtigkeitsurteilen vor. 75 3aKOH 1998, N° 7, S. 41 ff. 76 DDR-GB1. 1972, Nr. 13 S. 220 ff.

H. Sowjetunion

37

Sprüche der Außenhandels-Arbitragekommissionen der Mitgliedsstaaten inlän­ dischen Schiedssprüchen gleich, wobei zu beachten ist, dass auch die inländi­ sche (Staats-) Arbitrage von einer Schiedsgerichtsbarkeit im herkömmlichen Sinne weit entfernt war. Die Moskauer Konvention ging damit wesentlich über das UNU von 1958 sowie das EuÜ von 1961 hinaus, da das Exequaturverfah­ ren in ihrem Anwendungsbereich entfiel.77 Die Frage, ob die Moskauer Kon­ vention nach dem Zerfall des RGW heute noch Gültigkeit hat, ist in der russi­ schen Literatur umstritten.78 In der Praxis wird die Moskauer Konvention, die ein obligatorisches Schiedssystem vorsah, jedenfalls nicht mehr angewandt, was zu einer wesentlichen Abnahme der innerosteuropäischen Schiedsverfah­ ren geführt hat.79 Schließlich trat die Sowjetunion zwei weiteren internationalen Abkommen bei, die in engen Teilbereichen die Urteilsanerkennung und -Vollstreckung vor­ sehen. Dabei handelt es sich um das Übereinkommen über die zivilrechtliche Haftung für Ölverschmutzungsschäden vom 29. Nov. 196980, dem die UdSSR 1975 beitrat,81 sowie um das Übereinkommen über Schäden, welche Dritten auf der Erde durch ausländische Luftfahrzeuge zugefugt werden82 vom 7. Okt. 1952, dem die UdSSR 1982 beitrat.83

Durch den Ukas des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR vom 21. Juni 1988 über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen aus­ ländischer Gerichte und Schiedsgerichte in der UdSSR84 wurde eine allgemeine Regelung für alle Fälle der Urteilsanerkennung bzw. -Vollstreckung geschaffen, die auch auf die Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche mit einbezog (im Folgenden: Ukas 1988). Gem. § 2 des Beschlusses des Obersten Sowjets der Russischen Föderation über die Ratifikation des Abkommens über die Schaf­ fung der GUS vom 12. Dez. 199185 galt der Ukas (1988) in Russland bis zu der Prozessrechtsreform im Jahre 2002 fort.

77 Weiterführend Strohbach, Schiedsgerichtsbarkeit S. 105 ff. 78 Für alle Boguslawskij, Anerkennung/RF, S. 17. 79 Heger, RIW 1999, S. 483.

80 BGBl. 1975 n 301.

81 BGBl. 1979 D 299. 82 So die einheitliche Übersetzung für die deutschsprachigen Länder, abgedruckt in Meyer, Luftfahrtabkommen Bd. II S. 81 ff. 83 Convention on damage caused by foreign aircraft to third parties on the surface, UNTS Vol. 310, P. 181. Deutschland ist nicht Vertragsstaat, vgl. die aktuelle Liste der Unterzeichnerstaaten unter http://www.icao.int/icao/en/leb/romel 952.htm. 84 Siehe Anhang 1.1 (Synopse).

85 BenoMocTn BepxoßHoro CoBeTa CCCP 1988, N° 51, S. 1798 f.

38

§ 1 Historische Entwicklung

Der Ukas (1988) zählte die Anerkennungs- und Vollstreckungsvorausset ­ zungen abschließend auf, außerdem regelte er die sachliche, örtliche und inter­ nationale Zuständigkeit, das Verfahren, die Rechtsmittel und den Instanzenzug. In Aufbau und Wortwahl entsprach der Ukas (1988) der osteuropäische Ver­ tragspraxis. Regelungstechnisch konnte man den Ukas (1988)86 mit dem AVAG vergleichen, das auch an die Stelle einzelner Ausfuhrungsbestimmungen trat und sich ebenfalls in Wortlaut und Systematik an der (europäischen) Vertragspraxis orientiert.

Der Ukas (1988) traf eine grundsätzliche Unterscheidung: Gem. Ziff. 1 Satz 1 Ukas (1988) wurden Entscheidungen ausländischer Gerichte in Russland nur anerkannt und vollstreckt, wenn dies durch einen internationalen Vertrag vor­ gesehen war. Entscheidungen ausländischer Gerichte, die „nicht der Zwangs­ vollstreckung unterliegen“, wurden dagegen gem. Nr. 1 S. 2 Ukas (1988) auch dann anerkannt, wenn die russische Gesetzgebung dies vorsah, was sich aller­ dings auf wenige Fälle beschränkte.

Russische Föderation Der Zerfall der UdSSR brachte auch für das Recht der Urteilsanerkennung grundlegende Änderungen mit sich. Zwar galten die gesetzlichen Regelungen der UdSSR und der RSFSR, insbesondere die ZPO und der Ukas (1988), in der Russischen Föderation zunächst fort (s.o.); Neue Fragen stellten sich jedoch vor allem im Zusammenhang mit der Rechtsnachfolge Russlands in die durch die UdSSR abgeschlossenen Verträge sowie hinsichtlich des Rechtsverkehrs zwi­ schen den verschiedenen postsowjetischen Staaten.

1. Weitergeltung der völkerrechtlichen Verträge nach dem Zerfall der UdSSR Angesichts des Zerfalls der Sowjetunion stellt sich zunächst die Frage, ob deren völkerrechtliche Abkommen in Bezug auf Russland weiter gelten. Dies ist im Ergebnis unstrittig zu bejahen, nicht völlig klar ist dagegen, ob es sich um einen Fall der Staatensukzession oder um Subjektidentität handelt.87 Gegen eine Subjektidentität Russlands mit der ehemaligen Sowjetunion spricht, dass Russland in Form der RSFSR nur eine unter mehreren Unionsrepubliken bilde­ te. Auch proklamierten die ehemaligen Sowjetrepubliken in der Erklärung von

80 Siehe Anhang 1.1 (Synopse). 87 Zimmermann, Staatennachfolge S. 85 ff. m.w.N.

DI. Russische Föderation

39

Alma-Ata88 nicht etwa die Sezession von Russland, sondern die Auflösung der UdSSR.89 Für die Subjektidentität der Sowjetunion mit Russland spricht aller­ dings, dass diese aus dem Russischen Reich hervorging und dass die RSFSR nicht nur den mit Abstand größten Teil der UdSSR bildete, sondern diese auch politisch, militärisch, wirtschaftlich und kulturell dominierte.90 Im internationa­ len Verkehr wird Russland teilweise als Nachfolgestaat, teilweise als Fortset­ zerstaat der UdSSR bezeichnet.91 Im gegebenen Kontext ist diese Unterschei­ dung jedoch irrelevant, da die völkerrechtlichen Abkommen der UdSSR jeden­ falls in Bezug auf Russland weiter gelten, sofern sie nicht ausdrücklich aufge­ hoben wurden.92

2. Rechtsverkehr zwischen den postsowjetischen Staaten Auf der anderen Seite wurde nun auch im Binnenverhältnis der postsowjeti­ schen Staaten eine Regelung der gegenseitigen Urteilsanerkennung und -Vollstreckung notwendig. Innerhalb des vor kurzem noch völlig homogenen Rechtsraums der UdSSR mit seinen vielfältigen sozialen und wirtschaftlichen Verknüpfungen entstand die paradoxe Situation, dass eine gegenseitige Aner­ kennung sowohl gerichtlicher Entscheidungen als auch amtlicher Urkunden mangels irgendeiner Regelung völlig ausschied, während mit Drittstaaten wie Zypern oder Kuba ausführliche Übereinkommen über die Urteilsanerkennung bestanden. Um die so entstandenen Probleme zu lösen, wurden innerhalb der GUS zwei multilaterale Verträge abgeschlossen, die u.a. die gegenseitige Ur­ teilsanerkennung und -Vollstreckung gewährleisten: Erstens das Abkommen über das Verfahren der Entscheidung von Streitigkeiten, die mit der Ausübung wirtschaftlicher Tätigkeiten verbunden sind93, unterzeichnet am 20. März 1992 in Kiew von Armenien, Kasachstan, Kirgisien, Moldawien, Russland, Tadschi­ kistan, der Ukraine und Weißrussland94 (im Folgenden: Kiewer Abkommen). Am 6. März 1998 wurde in Moskau ein Zusatzabkommen abgeschlossen. 95

88 Engi. Übersetzung in ILM 1992, S. 147. ff. 89 Schweisfurth, BDGVR Bd. 35, S. 172 ff. 90 Zimmermann, Staatennachfolge S. 85 f.

91 Nachweise bei Zimmermann, Staatennachfolge S. 90 f. 92 Ausführlich zur internationalen Staatenpraxis Zimmermann, Staatennachfolge S. 380 ff.

93 Abgedruckt in KpaineHHHHUKOB/KpyxKOB, CöopnnK S. 53 ff. 94 Jakovlev, Schiedsgerichte S. 9. 95 Bccthmk Bwcmero ApönrpaxHoro Cyna Pocchückoh OenepaiiHn 1999, cneiinajibHoe npHnojKenne k N° 3, S. 192.

40

§ 1 Historische Entwicklung

Zweitens die Konvention über Rechtshilfe und Rechtsbeziehungen in Zivil-, Familien- und Strafsachen, unterzeichnet in Minsk am 22. Januar 199396, mit Änderungen durch Protokoll vom 28. Jan. 199797 (im Folgenden: Minsker Rechtshilfekonvention). Teilnehmer sind 11 der ehemaligen Sowjetrepubliken: Armenien, Georgien (bisher nicht in Kraft), Kasachstan, Kirgisien (bisher nicht in Kraft), Moldawien (bisher nicht in Kraft), Russland, Turkmenistan (bisher nicht in Kraft), Tadschikistan, Usbekistan, die Ukraine und Weißrussland.98

3. Neue bilaterale Abkommen

Allerdings wurden diese Abkommen weder von allen GUS-Mitgliedem, noch von den baltischen Staaten, die nicht zur GUS gehören, unterzeichnet. Russland schloss daher identische bilaterale Rechtshilfeabkommen mit Aser­ baidschan (1992), Kirgisien (1992), Estland, Lettland, Litauen und Moldawien (jeweils 1993) sowie Georgien (1995). Außerdem wurden Abkommen gleichen Typs mit Spanien (1990)", China (1992), dem Iran100 (1996) und Ägypten (1997) eingegangen. Weitere Abkommen mit Argentinien (2000) und Indien (2000) sind z.Zt. noch nicht in Kraft. Obwohl die Anzahl bilateraler Anerkennungsabkommen damit erheblich ge­ stiegen ist, fällt doch auf, dass es sich bei den Vertragsstaaten größtenteils um ehemals sozialistische Staaten handelt. Es ist daher zu vermuten, dass bei dem Abschluss einiger dieser Abkommen die politische Signalwirkung wichtiger war als die praktische Bedeutung.101 Mit Staaten wie z.B. Israel, Deutschland

96 BronneTem» Me^cnyHapojmwx noroBopoß 1995, N° 2, S. 3 ff.; dt. Übersetzung in Brunner, VSO 4.3.a.

97 BecTHHK Bwcmero ApönrpaxHoro Cyna Pocchmckoh Oeaq^aimH 1999, cnennanbHoe npHnoxenne k N° 3, S. 110; ratifiziert von Russland am 8. Okt. 2000, C3 Pd> 2000, N°41,Pos. 4036. 98 Übersicht in BecTHHK Bwcmero ApönrpajKHoro Cyna PoccmicKoii OenepaimH 1999, cneimanbHoe uprnioxeHue k N° 3, S. 110. 99 Das Abkommen wurde noch von der Sowjetunion unterzeichnet, aber von der Rus­ sischen Föderation ratifiziert (s.u.). 100 Vom 5. März 1996, Coöpanne 3aKonoiiaTern>cTBa Poccmhckoh Oeaepannn 2000, N° 47, Pos. 4579.

101 So auch angedeutet bei Majoros, Rechtshilfeabkommen der RGW-Staaten, Band I, S. 30 ff. Allerdings bestehen dabei zwischen den verschiedenen Abkommen trotz ihres fast gleichen Wortlauts erhebliche Unterschiede, denn während einige davon, etwa mit Ländern wie dem Irak oder dem Jemen, in der Tat rein symbolischen Wert ge­ habt haben dürften, spielten die innerhalb Osteuropas abgeschlossenen Rechtshilfeab­

IH. Russische Föderation

41

oder den USA, in denen viele (ehemals) russische Bürger leben, so dass wirk­ lich ein Bedarf für ein Rechtshilfeabkommen bestünde, gibt es dagegen keine Anerkennungsübereinkommen. Die Anerkennung und Vollstreckung ausländi­ scher Gerichtsurteile ist daher bis heute in weiten Bereichen ausgeschlossen.

4. Neuregelung der Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen Anders sieht es bei der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche aus: Bereits das UNÜ vom 10. Juni 1958 ermöglichte diese in weitem Umfang, eine weitere Verbesserung brachte das Gesetz über die inter­ nationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit (im Folgenden: IHSGG) vom 7. Juli 1993102, das weitgehend auf dem UNCITRAL-Modellgesetz über die inter­ nationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit von 1985103 (im Folgenden: UNCIT­ RAL-Modellgesetz) basiert.104 Art. 35 IHSGG sieht die Anerkennung und Voll­ streckung ausländischer Schiedssprüche unabhängig vom Bestehen eines Staatsvertrages oder der Verbürgung der Gegenseitigkeit vor.

Mit der neuen ArbitrageGO vom 24. Juli 2002105 sowie der neuen Zivilpro­ zessordnung vom 14. Nov. 2002106 wurde nicht nur das Zivil- und Wirtschafts­ prozessrecht umfassend reformiert, sondern es wurden auch die bisher in dem Ukas (1988) enthaltenen Vorschriften über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen mit kleinen Änderungen in beide Gesetze über­ nommen.

5. Neues Zwangsvollstreckungsrecht Am 28. Juli 1997 wurde ein eigenständiges Zwangsvollstreckungsgesetz107 (im Folgenden: ZVG) erlassen. Die bisherige Regelung des Zwangsvollstre­ ckungsrechts im V. Teil der ZPO wurde jedoch nicht außer Kraft gesetzt, so kommen von Anfang an durchaus eine praktische Rolle, vgl. etwa nyHu/KannncrpaToBa, Onepicn S. 25 ff

102 Bchomocth BepxoBHoro CoBera Pocchmckoh Oeaepaunn 1993, N° 32, Pos. 1240, dt. Übersetzung in Breidenbach, Handbuch, RUS 916. 103 Im Internet unter http://www.uncitral.org/en-index.htm. 104 Steininger, Osteuropa-Recht 1997, S. 295.

105 Coöpanne 3aKonoiiaTenbCTBa PO 2002, N° 30, Pos. 3012. 106 PoccnncKaa raaeTa vom 20. Nov. 2002. 107 CoGpanne aaKOHonarenhCTBa Pocchhckoä dJenepannn 1997, N° 30, Pos. 3591, Übersetzung in: Breidenbach, Handbuch Wirtschaft und Recht in Osteuropa, RUS 930.

42

§ 1 Historische Entwicklung

dass schwierige Konkurrenzfragen entstanden. Mit dem In-Kraft-Treten der neuen ZPO und der neuen ArbitrageGO traten diese Probleme erneut auf, da auch dort Teile des Zwangsvollstreckungsrechts geregelt sind. In Art. 7 ZVG108 sowie Art. 80 ZVG109 wurde auch die Vollstreckung ausländischer Ent­ scheidungen neu geregelt. In der folgenden Darstellung ist daher auch auf das Zwangsvollstreckungsrecht einzugehen. Das Recht der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidun­ gen stellt sich damit heute als Querschnittsmaterie dar, neben neuen Gesetzen finden sich Regelungen aus vorrevolutionärer und sowjetischer Tradition; mul­ tilaterale Abkommen westlicher Prägung stehen neben Staatsverträgen mit den ehemals sozialistischen Nachbarstaaten. Das Zusammenspiel dieser verschie­ denen Normen ist im Folgenden darzustellen.

108 Siehe Anhang 1.2.2. 109 Siehe Anhang 1.2.4.1.

§ 2 Urteilsanerkennung in Theorie und Praxis In der russischen Fachliteratur nimmt die Urteilsanerkennung wie auch das internationale Zivilprozessrecht insgesamt keinen großen Platz ein.1 Ausführli­ che Darstellungen finden sich bei Jablotschkow, der im Jahre 1909 ein Lehr­ buch des internationalen Zivilprozessrechts verfasste, sowie in dem auch in deutscher Sprache erschienen Lehrbuch von Lunz (Internationaler Zivilprozess, Berlin 1968). In der neueren Literatur wird die Urteilsanerkennung dagegen oft nur sehr oberflächlich behandelt.2 Bei den interessantesten Beiträgen aus jünge­ rer Zeit handelt es sich zudem um Dissertationen, die nur an der jeweiligen Heimatuniversität aufbewahrt werden, während auswärtige Universitätsbiblio­ theken allenfalls eine wenig aussagekräftige Kurzfassung, das sog. Autoreferat, besitzen. Dazu kommt, dass keine ausgeprägte juristische Diskussionskultur besteht; meist wird nur die Sicht des jeweiligen Autors dargestellt, ohne über­ haupt auf andere Ansichten zu verweisen. Der Leser ist daher dazu aufgerufen, die verschiedenen Beiträge genau zu vergleichen, um überhaupt umstrittene Fragen zu entdecken. Wird dagegen ausnahmsweise ein Meinungsstreit aufge­ worfen, so wird der Vertreter der Gegenansicht i. d. R. nicht namentlich ge­ nannt, die Diskussion findet gleichsam anonym statt.3 Auch kritische Urteilsan­ merkungen sind noch unüblich.4

Auch die gerichtliche Praxis hat eine geringere Bedeutung als hierzulande; Gerichtsurteilen wird in Russland generell keine rechtsfortbildende Funktion zuerkannt.5 Zwar zeigt sich in den letzten Jahren die Tendenz, Richterrecht in engen Grenzen anzuerkennen, etwa bei der Analogiebildung.6 Dabei wird aber der Rahmen der möglichen Wortlautinterpretation viel enger gezogen als in Deutschland. Im Übrigen kann richterliche Rechtsfortbildung nach russischem

1 Allerdings sind im Jahr 2001 zwei neue Lehrbücher zum internationalen Zivilpro­ zess erschienen, die in der vorliegenden Arbeit berücksichtigt werden konnten. 2 So auch Mouranov/Toupkina-Hom, Stockholm Arbitration Report, 1999:2, S. 171 sowie im Internet unter www.muranov.ru/research/files/Enforcement_in_Russia.doc. 3 Grasmann/David, Einführung S. 309. 4 Nußberger, Recht in Ost und West 1998, S. 85 f. 5 Boguslawskij, Private International Law S. 43; ebenso Grasmann/David, Einfüh­ rung S. 302. 6 Hcinaracßa, MeacnyHapouHbin rpaacaaHCKMÄ npouecc S. 66.

44

§ 2 Urteilsanerkennung in Theorie und Praxis

Verständnis keinesfalls durch konkrete Entscheidungen erfolgen. Diese Aufga­ ben übernehmen alleine die vom Plenum des Obersten Zivil- bzw. ArbitrageGerichts veröffentlichten Beschlüsse, die lehrbuchhaften Charakter tragen, aber in der Regel nur den knapp gefassten Gesetzestext kommentarartig erläutern.7 Im äußersten Falle weisen diese Beschlüsse auf eine notwendige Gesetzesände­ rung hin, ohne diese aber vorweg zu nehmen.8

Entsprechend wenig ausgeprägt ist auch die Publikationspraxis. Eine Statis­ tik über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen wurde bislang nicht geführt,9 und auch durch private Recherche lässt sich kaum ein Überblick gewinnen, da nur wenige Exequaturentscheidungen veröffent­ licht werden. Der Oberste Gerichtshof sowie das Oberste Arbitragegericht ge­ ben zwar jeweils ein Mitteilungsblatt10 heraus, in dem deren wichtigste Ent­ scheidungen veröffentlicht11 werden. Urteile der beiden Eingangsinstanzen werden dagegen nicht regelmäßig publiziert, sondern nur bei besonderem Inte­ resse in Fachzeitschriften oder nichtamtlichen Sammlungen veröffentlicht. Auch dann wird allerdings oft nur von der Entscheidung berichtet, ohne das Datum und den Gerichtsort zu nennen. Dies betrifft insbesondere auch Ent­ scheidungen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entschei­ dungen, da diese nur selten in die oberste Instanz gelangen. Hinzu kommt, dass die Urteilsbegründung zumeist nur aus wenigen Sätzen besteht und dass es un­ üblich ist, dabei Präzedenzfalle oder Literaturansichten zu erwähnen.12

Insgesamt ist daher schwer zu sagen, welche praktische Bedeutung die An­ erkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen heute hat. So muss man sich auf Angaben aus der Literatur verlassen, wonach zur Zeit des Sozia­ lismus kaum ein einziger ausländischer Schiedsspruch für vollstreckbar erklärt worden sein soll,13 während die Vertragsbestimmungen über die Anerkennung

7 So gibt es etwa einen Beschluss des Plenums des Obersten Arbitrage-Gerichts über die Anwendung internationaler Abkommen im Arbitrageprozess (IIocTaHOBneHHe N° 8 vom 11. Juni 1999, abrufbar unter www.arbitr.ru) der auch die Urteilsanerkennung be­ trifft, dabei aber nur die gesetzlichen Regelungen zusammenfasst. 8 HeinaraeBa, Mexcuyuapoumm rpaxuancKHM npouecc S. 67 f. 9 /IpKOB, ApönrpajKHHÜ npouecc S. 436. 10 BronneTeni» BepxoBHoro Cyna P0 (http://www.supcourt.rU/l/frames.htm); BecrBwcmei o ApömpaJKHoro Cyua P 1995, N° 21, Pos. 1932. 65 EiojuieTeHb MejKaynapoanbix aoroßopoB Poccemckoh Oeaepannn 1997, N° 3. 66 C3 P

enepaiiHH 2002, N° 5, Pos. 379). 75 Pligin, Vollstreckung S. 43 f; MapuineBa, IIpaBOBa^noMonjb S. 87; HemaTaeBa, BecTHHK Bbicmero ApßnrpaxHoro Cyna Pocchhckoh OenepanuH 1999, cnennaHbHoe npHJioxeHHe k N° 3, S. 14. 76 Das Luganer Übereinkommen steht als Parallelabkommen zum EuGVÜ gern. Art. 621 b LugÜ grundsätzlich auch Drittstaaten offen, allerdings ist die Zustimmung al­

II. Völkerrechtliche Verträge

59

tive relativiert sich zudem, wenn man bedenkt, dass das in viel stärkerem Maße west-orientierte Polen erst nach zehnjährigen Verhandlungen in den Kreis der Lugano-Staaten aufgenommen wurde. Tabelle 4 Übersicht: Internationale Übereinkommen

Internationale Anerkennungs- und Vollstreckungsübereinkommen

Unterzeichnung

Beitritt der UdSSR

Haager Übereinkommen über den Zivil­ prozess

l.Märzl95477

26. Juli 196778

Übereinkommen über die zivilrechtliche Haftung für Ölverschmutzungsschäden, geändert durch Protokoll vom 27. Nov. 199279

29. Nov. 196980

197581, Unterzeich­ nung des Protokolls von 1992 am 20. März 200182

Übereinkommen über Schäden, welche Dritten auf der Erde durch ausländische Luftfahrzeuge zugefügt werden83

7. Okt. 1952

21. April 198284

Als Zukunftsperspektive könnte sich dagegen eine Beteiligung an dem ge­ planten Haager Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und aus­ ländische Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen85 erweisen. Regelungs­

ler Vertragsstaaten notwendig; zu berücksichtigen ist auch, dass das Luganer Überein­ kommen ursprünglich auf die EFTA-Staaten zugeschnitten war.

77 BGBl. 1958 DS. 576. 78 Nachweise unter http://www.hcch.net/e/status/stat02e.html. 79 BGBl. 1994 DS. 1150. 80 BGBl. 1975 n 301. 81 BGBl. 1979 U 299.

82 BGBl. 2001 H S. 84; Föderales Gesetz der RF vom 2. Jan. 2000 Nr. 27 über den Beitritt der Russischen Föderation zum Protokoll von 1992 über die Änderung des Inter­ nationalen Übereinkommens von 1969 über die zivilrechtliche Haftung für Ölver­ schmutzungsschäden und über die Kündigung des Internationalen Übereinkommens von 1969 über die zivilrechtliche Haftung für Verschmutzungsschäden.

83 So die einheitliche Übersetzung für die deutschsprachigen Länder, abgedruckt in Meyer, Luftfahrtabkommen Bd. US. 81 ff.

84 Convention on damage caused by foreign aircraft to third parties on the surface, UNTS Vol. 310, P. 181. Deutschland ist nicht Vertragsstaat, vgl. die aktuelle Liste der Unterzeichnerstaaten unter http://www.icao.int/icao/en/leb/romel 952.htm. 85 Geänderter Entwurf abrufbar unter ftp://hcch.net/doc/jdgm2001draft_ e.doc.

60

§ 3 Rechtsquellen und Systematik

technisch erscheint der Konventionsentwurf aus russischer Sicht durchaus ver­ traut, denn sowohl im Aufbau als auch hinsichtlich der möglichen Versagungs­ gründe entspricht er im Wesentlichen der russischen Vertragspraxis. Dagegen ist auch für Russland die Unterscheidung zwischen „weißen“, „grauen“ und „schwarzen“ Gerichtsständen neu. In der russischen Literatur finden sich aller­ dings bisher keine Stellungnahmen zu der Frage einer möglichen Beteiligung, lediglich Neschatajewa erwähnt das geplante Übereinkommen, ohne dabei auf einen möglichen Beitritt Russlands einzugehen.86 Allerdings sind die Erfolgs­ aussichten des jüngsten Projekts der Haager Konferenz noch unsicher.87 Wäh­ rend das Vorgängerabkommen vom 1. Feb. 197188 faktisch an mangelnder Nachfrage gescheitert ist,89 besteht heute ein weit größeres Interesse an einem solchen Übereinkommen, sowohl seitens europäischer Staaten als auch der USA.90 Allerdings haben die USA gegenüber dem vorläufigen Konventionsent­ wurf vom 30. Okt. 199991 erhebliche Vorbehalte geltend gemacht.92 Seitens der europäischen Staaten stellt sich zudem auch die Frage, ob die Abschluss­ zuständigkeit nicht auf die EU übergegangen ist.93 Die Zukunft des Konventi­ onsentwurfs ist damit im Ergebnis völlig offen.94

Sinnvoll wäre es daher, die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen auch außerhalb völkerrechtlicher Abkommen zuzulassen, wenn auch evtl, wie in Deutschland unter dem Vorbehalt der Gegenseitigkeit. Dieser Standpunkt wurde jedoch in Russland bisher von der traditionellen Lehrmei­ nung kaum vertreten, die Zukunft wird immer noch in internationalen Anerkennungs- und Vollstreckungsübereinkommen gesehen.95

86 Heinaraeßa, MejKjiyHapojiHHM rpa^QiaHCKnn npouecc S. 173. 87 So bereits Wagner, IPRax 2001, S. 533 ff

88 Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen in Zivil- und Handelssachen, abrufbar unter www.hcch.net/e/conventions/menul 6e.html. 89 Das Übereinkommen wurde nur von den Niederlanden, Portugal und Zypern unter­ zeichnet. 90 Wagner, IPRax 2001, S. 534.

91 Future Hague Convention on International Jurisdiction and Foreign Judgements in Civil and Commercial Matters, preliminary draft, adopted by the special commission, http ://www. hcch. net/e/conventions/draft3 6e. html.

92 Dazu Heß IPRax 2000, S. 342. 93 Vgl. EuGH vorn 31. März 1971, RS. 22/70, Sig. 1971/263 (275) - AETR. 94 Wagner, IPRax 2001, S. 546 f. 95 Etwa MapMincBa, IIpasoBas noMomb S. 85. Anderer Ansicht Xacas, npEBHanne S. 15, der die Beschränkung auf völkerrechtliche Abkommen als typisch für die Epoche des „Eisernen Vorhangs“ kritisiert.

n. Völkerrechtliche Verträge

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b) Anerkennungsübereinkommen innerhalb der GUS Tabelle 5 Übersicht: Anerkennungsübereinkommen/GUS

Multilaterale Abkommen innerhalb der GUS

Unterzeichnung

Abkommen über das Ver­ Kiew, 20. März fahren der Entscheidung 1992 von Streitigkeiten, die mit der Ausübung wirtschaftli­ cher Tätigkeiten verbunden sind96 (Kiewer Abkom­ men)

Konvention über Rechts­ hilfe und Rechtsbe­ ziehungen in Zivil-, Fami­ lien- und Strafsachen99 (Minsker Rechts­ hilfekonvention)

Teilnehmer­ staaten

Zusatz­ abkommen

Armenien, Ka­ Moskau, 6. März 1998’8 (Moskausachstan, Kirgi­ sien, Molda­ er Abkommen) wien,97 Russland, Tadschikistan, Turkmenistan, Ukraine, Usbekistan, Weißrussland

Minsk, 22. Januar Armenien, Geor­ gien100, Kasachs­ 1993 tan, Kirgisien101, Moldawien102, Russland, Turkmenistan , Tadschikistan, Us­ bekistan, Ukrai­ ne, Weiß­ russland104

Moskau, 28. Jan.

1997105(Moskauer Protokoll)

96 Abgedruckt in KpaineHHHHHKOB/KpyiKKOB, CßopnnK S. 53 ff. 97 Allerdings hat Moldawien das Abkommen bislang noch nicht ratifiziert; vgl. Heinaraeßa, MexmynapouHHH rpaxjiaHCKHH nponecc S. 143, Fn. 1.

98 BecTHHK Bwcmero ApönrpaJKHoro Cyna Pocchhckoh