Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer und internationaler Schiedssprüche [1 ed.] 9783428471973, 9783428071975


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Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer und internationaler Schiedssprüche [1 ed.]
 9783428471973, 9783428071975

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ULRICH HAAS

Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer und internationaler Schiedssprüche

Schriften zum Prozessrecht Band 99

Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer und internationaler Schiedssprüche

Von

Ulrich Haas

Duncker & Humblot . Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Haas, U1rich: Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer und internationaler Schiedssprüche / von Ulrich Haas. Berlin: Duncker & Humblot, 1991 (Schriften zum Prozessrecht; Bd. 99) Zugl.: Regensburg, Univ., Diss., 1990 ISBN 3-428-07197-2 NE:GT

Alle Rechte vorbehalten © 1991 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin 65 Printed in Germany ISSN 0582-0219 ISBN 3-428-07197-2

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit hat der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Regensburg im Wintersemester 1989/90 als Dissertation vorgelegen. Rechtsprechung und Schrifttum wurden bis Herbst 1990 berücksichtigt. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Prof. Dr. Peter Gottwald, der die Arbeit angeregt, betreut und, wo immer möglich, gefördert hat. Das zeitaufwendige Korrekturlesen übernahmen meine Eltern und Herr Rechtsreferendar Fabian Krapoth, denen ich an dieser Stelle nochmals für ihre Bemühungen danken möchte. Bei der technischen Abwicklung, insbesondere im täglichen Kampf gegen den Computer, war mir Christine Scherbaum eine unschätzbare Hilfe. Für zahlreiche inhaltliche und sprachliche Hinweise und für die Unterstützung, die Zeit und Mühe vergessen machen, danke ich meiner Freundin Christa Fleischmann und den Hochschulassistenten Johann Semmelmayer, Harald Müller, Martin Hermann und Klaus Borgmann.

Inhalt A.

Einleitung..........................................................................................................................

19

Kapitell Die GesetzesentwicldulII in den einzelnen Lindern B.

Die nationalen Reformen zur SCbiedsgerichtsbarkeit...............................................

24

Die französische Refonn .................................................................................... . 1. Allgemeines ................................................................................................ 2. Argumente gegen eine Kodifizierung des internationalen Schiedswesens ........................................................................................... . 3. Argumente für eine KodifIZierung des internationalen Schiedswesens.......................................................................................................... 4 Die wesentlichen Punkte der Refonn ................................................... .

24 24

Die Schweizer Refonn ........................................................................................ . 1. Allgemeines ............................................................................................... . 2. Das Konkordat .......................................................................................... . 3. Das Schweizer Bundesgesetz zum internationalen Privatrecht ......... . a) Die Gesetzesentwicklung .............................................................. b) Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes ............................... . c) Das Verhältnis des IPRG zum UNCITRAL modellaw ......... . d) Die wesentlichen Punkte der Refonn ........................................ .

30 30 32 34 34 34 35

Die belgische Refonn ........................................................................................... 1. Allgemeines ................................................................................................ 2. Der napoleonische Code de P~ure Civile ...................................... 3. Die Straß1:>urger Konvention ................................................................... 4. Das Gesetz vom 27.03.1985 ......................................................................

37 37 37 38

Die bundesdeutsche Refonn .............................................................................. .

40

I.

11.

III.

IV.

25

26 28

36

39

10

Inhalt

Kapitel 2 Der Trend: Die Loslösung der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit von der national-rechtlichen Verankerung C_

Das internationale Schiedswesen.................................................................................. I.

11.

III.

D.

E.

Die herkömmliche Unterscheidung zwischen in- und ausländischen Schiedssprüchen und Schiedsverfahren............................................................. Die neuere Unterscheidung zwischen internen und internationalen Schiedssprüchen und Schiedsverfahren............................................................. Kriterien für das Vorliegen eines internationalen Schiedsverfahrens oder Schiedsspruchs ............................................................................................. 1. Der französische Ansatz........................................................................... a) Die Entwicklung des objektiven Kriteriums durch die französische Rechtsprechung............................................................... b) Unterschiede zwischen dem wirtschaftlichen und dem formalen Kriterium ............................................................................ . c) Die Beschränkung auf Handelsschiedssprüche ........................ . Grenzfälle des wirtschaftlichen Kriteriums .............................. .. d) e) Der territoriale Anwendungsbereich des wirtschaftlichen Kriteriums...................................................................................... .. 2. Der Schweizer Ansatz .............................................................................. . a) Sitz des Schiedsgerichtes in der Schweiz .................................... . b) Das personenbezogene Kriterium .............................................. . 3. Das UNcrrRAL-Modellgesetz............................................................. ..

42

43 44

47 47 48

50

51

52 54

56 57 60

62

Die Rechtsnatur der Schiedsgerichtsbarkeit ...............................................................

65

I. II. 111.

65

Die Vertragstheorie.............................................................................................. Die jurisdiktionell-prozeßrechtliche Theorie ................................................... Folgerungen aus dem Theorienstreit.................................................................

67

Das Schiedsvertngsstatut ..............................................................................................

69

I.

11.

III.

IV.

Ermittlung des Schiedsvertragsstatuts bei Vorliegen einer Parteivereinbarung..................................................................................................................... Ermittlung des Schiedsvertragsstatuts bei fehlender Parteivereinbarung..................................................................................................................... Der Entwurf der Internationalen Handelskammer zum UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche ..................................................................................................... Die Kompetenz-Kompetenz................................................................................

66

69 71

72 75

Inhalt

F.

G.

H.

11

Das SChiedSYerlahreasstatut..........................................................................................

n

I. 11. 111.

Das UN-Übereinkommen von 1958................................................................... Das Europäische Abkommen von 1961............................................................. Das französische Dekret von 1981.....................................................................

77 81 82

Das in der Sache aawendbare Recht ............................................................................

84

I.

Die Rechtswahl durch die Parteien.................................................................... 1. Die Wahl eines nationalen Rechts durch die Parteien ....................... . Ursprung und Bedürfnis für ein a-nationales Recht ............................ 2. 3. Rechtsquellen und Inhalt der lex mercatoria ........................................ Die Wahl eines a-nationalen Rechts durch die Parteien..................... 4.

8S 8S 87 90 92

11.

Die Rechtswahl durch den Schiedsrichter ........................................................ 1. Die Bestimmung der vom Schiedsrichter zu beachtenden Kollisionsnorm........................................................................................... 2. Die Bestimmung des anwendbaren Rechts "par voie directe" ........... 3. Die Anwendung der lex mercatoria ohne ausdrückliche Parteiermächtigung ..............................................................................................

92

Schnittstellen zwischen der Schiedsgerichtsbarkeit und der staatlichen Justiz I.

11.

KontrolIe der Schiedsgerichtsbarkeit durch staatliche Gerichte .................. . 1. Die Anerkennung und Vollstreckung.................................................... . 2. KontrolIe außerhalb der Anerkennung und Vollstreckung ............... . Der Trend: Die Lockerung der KontrolIe durch die staatlichen 3. Gerichte ..................................................................................................... . a) Allgemeines..................................................................................... b) Die Entwicklungen in einzelnen Undem................................... aa) Der englische Ansatz ....................................................... '" bb) Der Schweizer Ansatz.......................................................... ce) Der belgische Ansatz ........................................................... dd) Das UNCITRAL-ModelIgesetz......................................... 4. Das Verhältnis von Anfechtungsklage gegen den Schiedsspruch zur Anerkennung und Vollstreckung desselben ...................... a) Das UNÜ......................................................................................... b) Das EÜ und dessen Rückwirkung auf das UNÜ ...................... c) Das französische Dekret von 1981............................................... Hilfestellung durch die Gerichte ........................................................................ 1. Hilfe durch staatliche Gerichte ............................................................... a) A1Igemeines.....................................................................................

93

95 95 98 98 98 101 102 102 104 104 106 108 110 111 111 112 112 113 113

113

12

Inhalt

b) Das Beispiel des Art. 185 IPRO................................................... c) Art. 1493 U franz. NCPC............................................................... d) Das UNClTRAL modellaw......................................................... Hilfe durch supranationale Oerichte ..................................................... .

114 115 116 117

Du a-natiooale Schiedsverfahren...................................................................... 1. Allgemeines................................................................................................ 2. Der Fall Ootaverken ................................................................................. 3. Probleme des a-nationalen SChiedsverfahrens..................................... . a) Keine Hilfe durch staatliche Gerichte während des Verfahrens .............................................................................................. b) Keine Aufhebungsmöglicblteiten für den Schiedsspruch ......... c) A-nationale Schiedssprüche und das UND................................

119 119 121 122

2. UI.

122 123 123

Kapitel 3 Die Anerkennuag und VoUstreckung I.

Schiedssprüche, die der Anerkennung und Vollstreckung unterliegen ..................

128

I.

Allgemeines zur Anerkennung und Vollstreckung..........................................

128

11.

Anerkennungsfähige Entscheidungen ............................................................... 1. Ausländische Schiedssprüche .................................................................. 2. Internationale Schiedssprüche.................................................................

130 130 131

111.

Abgrenzung von anerkennungsfähigen Schiedssprüchen zu anderen Entscheidungsformen .......................................................................................... 1. Allgemeines ................................................................................................ 2. Abgrenzung von Schiedssprüchen zu Schiedsgutachten...................... 3. Der lodo irrituale des italienischen Rechts .......................................... . 4. Das Verhältnis von Schiedssprüchen zu den sie bestätigenden staatlichen Gerichtsurteilen ............................................................. 5. Die kollisionsrechtliche Anknüpfung für das Vorliegen eines Schiedsspruches ........................................................................................ .

142

Arten von Schiedssprüchen................................................................................. 1. TeilIcbiedIIpriIe..................................................................................... 2. Zwischen- und Vorabschiedssprüche ..................................................... a) Allgemeines..................................................................................... b) Das Schweizer Recht...................................................................... c) Das deutsche Recht........................................................................ d) Das belgische Recht.......................................................................

144 145 146 147 147 150 151

IV.

134 134 135 136 138

Inhalt

e) f) g) h)

J.

13

Das französische Recht ................................................................. Die Rechtslage nach dem UNÜ ................................................... Die Rechtslage nach dem UNClTRAL moclellaw ................... Zusammenfassung..........................................................................

152 154 155 156

Gründe, die einer Anerkennung und VoUstreckDng des Schiedsspruchs entgegenstehen .................................................................................................................

157

I.

Allgemeines ...........................................................................................................

157

11.

Die Ungültigkeit des Schiedsvertrages.............................................................. 1. Allgemeines ................................................................................................ 2. Mängel, die dem Schiedsvertragsstatut unterstehen ............................ Die Form des Schiedsvertrages ............................................................... 3. a) Das Formerfordernis nach Art. D (2) UNÜ .............................. aa) Der Anwendungsbereich des Art. 11 (2) UNÜ ............... . bb) Der Inhalt des Art. D (2) UNÜ ........................................ . ce) Das Verhältnis von Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu Art. 11 (2) UNÜ ................................................ . dd) Die Form der Vollmachtscrteilung ................................... ce) Vergleich des Art. 11 (2) UNÜ mit Art. 6 schw. Konk. ff) Vergleich des Art. 11 (2) UNÜ mit Art. 178 I schw. IPRG............................................................................ b) Das Formerfordemis nach Art. 1499 franz. NCPC ...................

159 159

163 164 166 168 171 172 172 178

Die subjektive Schiedsfähigkeit ............................................................... a) Zum Sonderproblem der subjektiven Schiedsfähigkeit von Staaten und staatlichen Unternehmen ....................................... b) Zum Sonderproblem der Staatenimmunität vor SchiedsgeriChten und staatlichen Gerichten............................................

181

Abweichungen vom Schiedsauftrag.................................................................... 1. Allgemeines ................................................................................................ 2. AbwCichungen vom verfahrensrcchtlichen Auftrag ............................ . a) Fehler bei der Konstituierung des Schiedsgerichts .................. . b) Anmaßung der Rechte eines amiable compositeurs durch den Schiedsrichter .......................................................................... c) Nichtgebrauchmachen von der Befugnis des amiable compositeurs .................................................................................. . d) Entscheidungen nach Fristablauf................................................. Abweichungen vom materiellrcchtlichen Auftrag ............................... . 3.

191 191 191 193

4.

III.

162 163

a) b)

Der Schiedsrichter wendet Rechtsvorschriften fehlerhaft an Der Schiedsrichter entscheidet über einen Streitpunkt, den ihm dic Partcien nicht zugewiesen haben...................................

182 185

194

196 196 197 199 201

Inhalt

14

aa)

c) IV.

Abweichen des Schiedsrichters von den Parteianträgen.......................................................................................... bb) Abweichen des Schiedsrichters vom Schiedsvertrag ....... Vertragsanpassungen durch den Schiedsrichter ...................... .

Verstöße gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs ................................ Allgemeines ................................................................................................ 2. Aspekte zum Grundsatz des rechtlichen Gehörs ................................. 3. Folgen der Nichtgewährung des rechtlichen Gehörs ........................... 1.

V.

Verstöße gegen den ordre public....................................................................... 1. Ordre public interne, international und transnational........................ 2. Aspekte zum verfahrensrechtlichen ordre public ................................. a) Verstöße gegen die Begründungspflicht..................................... aa) Begründungspflicht als Bestandteil des ordre public ..... bb) Inhalt der Begründungspflicht ........................................... b) Verstöße gegen das Gebot der Unabhängigkeit der Schiedsrichter.................................................................................. aa) Übergewicht einer Partei bei der Besetzung des Schiedsgerichts...................................................................... bb) Zweifel an der Unabhängigkeit der Person des Schiedsrichters...................................................................... c) Die entgegenstehende Rechtskraft einer staatlichen Entscheidung ......................................................................................... d) Rechtsbeugung und Prozeßbetrug............................................... Aspekte zum materiellrechtlichen ordre public .................................... 3. 4. Das Verhältnis von objektiver Schiedsfähigkeit zum materiellrechtlichen ordre public............................................................................ a) Allgemeines..................................................................................... b) Die verschiedenen nationalen Ansätze zur objektiven Schiedsfähigkeit .............................................................................. aa) Der Schweizer Ansatz.......................................................... bb) Der französische Ansatz...................................................... ce) Der belgische und der deutsche Ansatz............................ s. Die kollisionsrechtliche Anknüpfung der objektiven Schiedsfähigkeit ...................................................................................................... . a) Die objektive Schiedsfähigkeit nach dem UNÜ ....................... . aa) Art. V (2) lit. a UNO ........................................................... bb) Art. V (1) lit. a UNÜ ........................................................... ce) Art. 11 (3) UNÜ ................................................................... . b) Die objektive Schiedsfähigkeit nach autonomem nationalen Recht......................................................................................

202 202 207 209 209 212 218 219 219 223 223 224 226 227 228

230 239 240 241 242 242

244 244 24S 249

251 252 253 2S6 257 259

Inhalt

K.

15

Das Verfahren zur Anerkennung und Vollstrecku....................................................

261

I.

Das Anerkennungsverfahren ............................................................................. . 1. Die inzidente Anerkennung .................................................................... .

261

2.

Die prinzipale Anerkennung. ...................................................................

262

3.

Die Feststellungsklage auf Vorliegen bzw. Nichtvorliegen der

11.

261

Anerkennungsvoraussetzungen ...............................................................

263

Das Vollstreckbarerklärungsverfahren .............................................................

266 267

1.

Das Vollstreckbarerklärungsverfahren in Frankreich ........................ . a) Das Verfahren ............................................................................... . b)

Rechtsmittel gegen Entscheidungen im Exequaturverfahren

aa)

Rechtsmittel gegen die stattgebende Exequaturentscheidung ...............................................................................

267 269 269

bb) Rechtsmittel gegen die ablehnende Exequaturent2.

scheidung ............................................................................... Das Vollstreckbarerklärungsverfahren in der Schweiz....................... . a) Vollstreckung von Schiedssprüchen, die auf Geldzah-

270

lung gerichtet sind ..........................................................................

273

b)

3.

4.

5.

Vollstreckung von Schiedssprüchen, die nicht auf Geldzahlung gerichtet sind ..........................................................................

c) Rechtsmittel gegen Entscheidungen im Exequaturverfahren Das Vollstreckbarerklärungsverfahren in Belgien .............................. . a) Das Verfahren ............................................................................... . b) Rechtsmittel gegen Entscheidungen im Exequaturverfahren Das Vollstreckbarerklärungsverfahren in der Bundesrepublik Deutschland ............................................................................................... . a) Das Verfahren ............................................................................... . b) Rechtsmittel gegen Entscheidungen im Exequaturverfahren Ausblick. ..................................................................................................... .

272

279 280

282 282 283 283 283 28S

286

Kritische Beurteilung der Entwicklung........................................................................

288

Literaturverzeichnis...................................................................................................................

294

Rechtsprechungsverzeichnis.....................................................................................................

316

Sachregister.................................................................................................................................

330

L.

Abkürzungsverzeichnis aA. Abs. AGB AJCL AJIL AlIE.R

Anh. Ann. Suisse

App.Gericht Art. BB Bd. belg. BG BGB BGE BGH BGHZ BJM BIZR Brit. Y.B. Int. 1.. BV BVerfG BVerfGE

bzgl. bzw.

&hiers de dr. europ. CC CEPANI Cf CJ1L

auner

cod. proc. civ. Com. Mark. L.R Corr. Courcass. CPC

D.

ders. dt. ECOSOC engi. etc. EÜ EuGH EWGV

anderer Ansicht Absatz Allgemeine Geschäftsbedingungen Tbe American Journal of Comparative Law American Joumal of International Law All England Law Reports

AnhAnnan~ . . al pnvO; Art. 1693 I belg. Cf; Art. 4 IV lit. d UNCITRAL-Modellgesetz). Dieser Grundsatz gilt aber noch nicht lange. So bestimmte z.B. Art. 16 der ICCSchO von 1955, daß die Schiedsrichter in Ermangelung der Verfahrenswahl durch die Parteien, das Recht am Sitz des Schiedsgerichtes anzuwenden haben. Art. 16 der ICCSchO ist durch Art. ICCSchO im Jahre 1975 reformiert worden, der nun das Verfahrensstatut an die Rechtswahl der Schiedsrichter anknüpft, soweit eine Parteivereinbarung nicht ~rliegt.VJtl. hienu Böckstiegel, in FS Beitzke, S. 445; Paulsson, I.C.LQ. 1981 (30) 358,365; Reiner, s: 194.

78

Kapitel 2: Der Trend: Die Loslösung der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit

staates an, soweit die Parteien überhaupt keine oder nur eine lückenhafte Bestimmung getroffen haben.4 Der Parteiautonomie kommt somit im Rahmen des UNÜ eindeutig der Vorrang zu.5 Die Rechtswahlfreiheit gestattet den Parteien nicht nur die Schiedsordnung eines institutionellen Schiedsgerichts6 oder eigene Regeln für anwendbar zu erklären7, sondern auch auf das Verfahrensrecht eines vom Sitzstaat verschiedenen Landes zu verweisen.8 Aus dieser Vorrangstellung der Parteiautonomie in Art. V (1) lit. d UNÜ ist zu folgern, daß die Anerkennung und Vollstreckung eines Schiedsspruchs nach dem UNÜ auch dann nicht verweigert werden kann, wenn die Parteiabrede mit zwingenden Verfahrensregeln des Sitzstaates im Widerspruch steht. Die Parteiautonomie wird nicht im Rahmen einer nationalen Rechtsordnung gewährt, sondern unmittelbar aufgrund der selbständigen Kollisionsnorm des Art. V (1) lit. d UNÜ.9 Das bedeutet nicht, daß die Parteiautonomie grenzenlos wäre. Verstößt das von den Parteien für anwendbar erklärte Verfahrensrecht gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs oder gegen den verfahrensrechtlichen ordre publiclO, so ist die Anerkennung und Vollstreckung nach Art. V (1) lit. b bzw. nach Art. V (2) lit. b UNÜ zu versagen. Über derartige elementare Verfahrensgrundsätze können die Parteien nicht disponieren. 11 4

Vgl. Fouchard, Rz. 518, 519; SteinjJonasjSchiosser, Anh. § 1044 Rz. 76.

5 Trib. de premiere instance de Geneve (18.03.1986 Maritime Int. Nominees Establishment c/ Rep. of Guinea) YCA 1987 (XII) 514, 522; Goldman, RdC 1963 11 347, 387; Schlosser, 2. Aufl., Rz. 448; von den Berg, YCA 1987 (XII) 405, 460; ders., S. 323/324; Gaja, I.C.3; Klein, SJZ 1961 (57) 229, 247; Fouchard, Rz. 512, 519.

6 American Construction Machinery & ~uiPment Corporation v. Mechanical Construction of Pakistan Ltd., 659 F. Supp. 426, 426 427 (District Court, Southem District of New York, 23.03.1987); Schwab, in PS Luther, S. 16 . Verweisen die Parteien in dem Schiedsvertrag auf die Schiedsordnung eines institutionellen Schiedsgerichts, so wird damit i.d.R. eine dynamische Verweisung (d.h. auf das augenblicklich geltende Recht) gewollt sein; VRl. BGH (OS.12.1985) WM 1986, 688, 689; Engelhardt, JZ 1987, 227, 229; Schloser, 2. Aufl., Rz. D3; a.A. OLG Hamburg (23.09.1982) K.TS 1983,499,503. 7 Sanders, RdC 1975 11 207, 271. 8

Gentinetta, S. 302; Bertheau, S. 87; SteinjJonasjSchiosser, Anh. zu § 1044 Rz. 75.

9 Bemardini, S. 102; A. Bucher, Rz. 446; von den Berg, S. 327; Sanders, RDIDC 1976, 129, 138; Heller, IPRax 1989, 315, 316; SteinjJonasjSchiosser, Anh. zu § 1044 ZPO Rz. 74; Ememann, Zur Anerke.nnung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche nach § 1044 ZPO, S. 68; a.A. Mann, an PS Flume, S. 603/604.

10 So aehört beispielsweise die Auaetzung eines Verfahrens dun:h das Schiedseericht, für den Fall, daS nach Rechtshlngigteit eine der Parteien in Konbll'l fIllt, zum fraftzö5iachen verfahrensrechtlichen ordre public; vgI. Cour d'appel de Paris (16.02.1989 Soc. AImira Films c/ Pierrei es qual.) Rev. am. 1989, 711, 713; anders die h.M. in der Bundesrepublik Deutschland vgI. Lüer, JIA 1990 (vol. 7 no. 1) 127, 130; LG Bremen (20.01.1983) YCA 1987 (XII) 486,486. 11 von Compernolle, RDIDC 1989, 101, lOS; vgI. auch Art. 1036 des niederl. cpc.

P. Das SchicdsverfabreDlStatut

79

Der Anerkennungsfähigkeit des Schiedsspruchs steht nach Art. V (1) lit. d UNÜ grundsätzlich nicht entgegen, daß die Schiedsrichter das von den Parteien gewählte Verfahrensrecht angewandt haben, auch wenn dieses im Widerspruch zu zwingenden Verfahrensregeln am Sitzort steht. Das UNÜ gewährt im Rahmen der Anerkennung und Vollstreckung der Parteiautonomie den Vorrang gegenüber zwingenden Verfahrensregeln des Sitzstaates. Der Vorrang der Parteiautonomie gegenüber zwingenden Vorschriften des Sitzstaates ist aber nicht unbeschränkt;12 denn das UNÜ ist gemäß Art. I (1) UNÜ nur auf ausländische Schiedsentscheide anwendbar. 13 Inländische Schiedssprüche fallen nicht in den Anwendungsbereich des UNÜ. Stimmt das von den Schiedsrichtern eingehaltene Verfahren nicht mit zwingenden Vorschriften am Sitzort überein, so steht dies zwar zunächst nicht einer Anerkennung und Vollstreckung der Entscheidung im Ausland entgegen. Die im Verfahren unterlegene Partei kann aber den Schiedsspruch erfolgreich am Schiedsort anfechten und damit auch die Vollstreckung des Entscheides im Ausland nach dem UNÜ gemäß Art. V (1) lit. e UNÜ verhindern. Nach Art. V (1) lit. e UNÜ kann ein Schiedsspruch nicht anerkannt und vollstreckt werden, wenn dieser im Heimatstaat aufgehoben worden ist. 14 Damit fmden indirekt auch nach dem UNÜ die Verfahrensvorschriften des Sitzstaates Beachtung. Die Loslösung des UNÜ von den Verfahrensvorschriften des Schiedsortes ist folglich nicht vollkommen. Diese indirekte Bindung im UNÜ an die Verfahrensvorschriften des Sitzstaates kann zu Schwierigkeiten führen, wenn das angewandte Verfahrensrecht im Widerspruch zu den Verfahrensregeln des Sitzstaates steht. Hat z.B. der Schiedsrichter ein von den Parteien bestimmten Verfahrensrecht zu befolgen, welches gegen eine zwingende Vorschrift am Schiedsort verstößt, so befmdet sich der Schiedsrichter in einem Dilemma.15 Hält er sich an den Auftrag der Parteien und beachtet er die lokalen Vorschriften nicht, so läuft er Gefahr, daß eine der Parteien den Schiedsspruch in einem 12 Bertheau, S. 88; GentinetUz, S. 302; vgI. aucb Bemmdini, S. 103; Klein, in Liber amicorum Sanders, S. 199.

13 Eine Ausnabme von diesem Grundsatz bildet Art. I (2) Satz 2 uNO; ansonsten vgI. aber franz. Cour C8SS. (05.05.1987 Commendement des Porces a~riennes de la R~p. islamique d'lran cl Soc. Bendone Derossi Int. Ltd.) Rev. aro. 1988, 137, 138 = Ounet 1987, 964.

14 Anders ist die Rec;.btslage, wenn das autonome Anerkennungs- und Vollstreckungsrecbt liberaler ist als das UNU; denn dann qnn nacb den autonomen Vorschriften anerkannt und vollstreckt werden; vgI. Art. VII (1) UNU. 15 Vgl Gentinetta, S. 302; Klein, SJZ 1961 (57) 229, 248; von den Berg, S. 302.

80

Kapitel 2: Der Trend: Die Loslösung der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit

inländischen Anfechtungsverfahren anfechten wird. Gewährt er aber der lokalen Verfahrensvorschrift den Vorrang, so wird die Anerkennung und Vollstreckung im Ausland nach Art. V (1) Iit. d UNÜ verweigert, weil der Schiedsrichter von dem parteivereinbarten Verfahrensrecht abgewichen ist. Um dieses Problem zu umgehen, wird daher teilweise die Ansicht vertreten, daß ein Verstoß nach Art. V (1) Iit. d UNÜ dann nicht vorliege, wenn der Schiedsrichter vom Parteiwillen abgewichen sei, um die Verfahrensvorschriften am Sitz des Schiedsgerichtes einzuhalten.16 Andere sehen aber in einem A~einanderfallen des vereinbarten vom ~ftewandten Verfahrensrecht stets emen Verstoß gegen Art. V (1) Iit. d UNU. In vielen Fällen wird man dieses Problem durch Auslegung im Sinne der ersten Ansicht lösen können. Dies sei an dem Fall Al Haddad Bros. Enterprises Inc. v. MjS Agapi Diakan Love SA. verdeutlicht: 18 Hier hatten die Parteien in dem Schiedsvertrag vereinbart, daß das Schiedsrichterkollegium aus zwei Schiedsrichtern zu bestehen habe, von denen jede Partei einen ernennen sollte. Darüber hinaus wurde London als Schiedsort vereinbart. Al Haddad unterließ die Bestellung eines "eigenen" Schiedsrichters, so daß allein der von Agapi ernannte Richter den Fall entschied. Dies stand auch im Einklang mit dem englischen Schiedsverfahrensrecht. In der Phase der Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs stellte sich nun die Frage, ob von dem von den Parteien bestimmten Verfahren zur Konstituierung des Schiedsgerichts unzulässig abgewichen worden war. Das Gericht entschied, daß ein Verfahrensfehler nach Art. V (1) Iit. d UNÜ dann nicht vorliege, wenn der Schiedsrichter entgegen dem Parteiwillen die Verfahrensvorschriften am Sitz des Schiedsgerichtes angewandt habe. 19 In dem Schiedsvertrag haben die Parteien zwar ein Zwei-MannSchiedsgericht vorgesehen. Legt man die Parteivereinbarungen aus, so erkennt man, daß der Schiedsvertrag keine Bestimmung für den Fall enthält, 16 AI Haddad B1'06. Enterprises Inc. v. M/S Agapi and Diakan Love SA, YCA 1987 (XII)

549, 551 (District Court, Distriet of Delaware, 08.05.1986):" The Convention allows recognition of an award which a1though not in accordance with the parties agreement, complied with the Iaws of the counttywhere the arbitration occured." ; Corte di appello Venezia (21.05.1976 SA Pando Compania Naviera cl S.a.s. F'dmo) YCA 1978 (llI) 277, 278; Genlineua, S. 302. 17 van den Berg, S. 330; Schlosser, 1. Aufl., Bd. 1 Rz.422; den., 2. Aufl. Rz.448.

18 Vld. AI Haddad B1'06. Enterprises Inc. v. M/S Appi and Diakan Love SA, YCA 1987 (XII) 549' ff., (District Court, District of Delaware, 08.05:1986). 19 Vgl. oben Fn. 16.

F. Das Schiedsverfaluensstatut

81

daß sich eine Partei nicht an der Konstitutierung des Schiedsgerichts beteiligt. Es ist daher gemäß Art. V (1) lit. d UNÜ das Recht am Sitz des Schiedsgerichtes hilfsweise heranzuziehen. Legt man den Parteiwillen aus, dann ergibt sich für den Schiedsentscheid kein Abweichen vom vereinbarten Verfahrensmodus i.S.d. Art. V (1) lit. d UNÜ.20 Durch ergänzende Parteiauslegung lassen sich die meisten Problemfälle lösen. Darüber hinaus führt nicht jede verfahrensrechtliche Abweichung zur Versagung der Anerkennung und Vollstreckung; denn ein etwaiger Verfahrensfehler wird durch die rügelose Einlassung einer Partei im Schiedsverfahren geheilt.21

11. Das Europäische Abkommen von 1961

Das Europäische Abkommen von 1961 geht in Art. IX einen Schritt weiter als das UNÜ.22 Gemäß Art. IX (1) lit. d EÜ kann einem Schiedsspruch die Anerkennung bzw. Vollstreckbarerklärung unter anderem versagt werden, wenn die Bildung des Schiedsgerichts oder das schiedsrichterliche Verfahren der Vereinbarung der Parteien nicht entsprochen hat. Diese Vorschrift stimmt mit Art. V (1) lit. d UNÜ überein. Art. 5 (1) lit. e UNÜ, wonach die Aufhebung eines Schiedsspruchs im Heimatstaat der Anerkennung bzw. Vollstreckung der Entscheidung im Ausland entgegensteht wird jedoch durch Art. IX (1), (2) modifiziert. Danach ist die Aufhebung eines Schiedsspruches in einem Vertragsstaat nur dann im Rahmen der Anerkennung und Vollstreckung zu berücksichtigen, wenn das Schiedsverfahren nicht im Einklang mit dem geäußerten Parteiwillen steht. Hieraus entnimmt man, daß im Rahmen der Anerkennung und Vollstreckung im Anwendungsbereich des EÜ die Aufhebung des Schiedsspruches im Heimatstaat dann nicht zu berücksichtigen ist, wenn die Aufhebung lediglich ein Abweichen der Schiedsrichter von zwingenden Verfahrensvorschriften des Sitzstaates sanktioniert. Hier hat eine wirkliche Loslösung von dem Verfahrensrecht des Sitzstaates stattgefunden.23 Das von den Parteien bzw. von den Schiedsrichtern 20 Im vorliegenden Fall kann aber die Entscheidung durch einen parteiemannten Schiedsrichter gegen den ordre public verstoßen, so daß c!ie Anerkennung und Vollstreckung trotzdem ausgeschlossen sein kann [Art. V (2) Iit. b UNU); vgI. hierzu im einzelnen unten S. 228 CC. 21 Vgl. unten S. 192 Cf.

22 Fouchard, Rev. aro. 1970, 59, 69; Klein, in Festgabe zum Schweizer Juristentag 1963, S. 154; vgI. auch Brotons, RdC 1984 I 173,230. 23 Bernardini, S. 104. 6Haas

82

Kapitel 2: Der Trend: Die Loslösung der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit

gewählte Verfahrensrecht hat absoluten Vorrang vor dem Verfahrensrecht des Sitzstaates.

111. Das französische Dekret von 1981 Die jüngste Entwicklung im Rahmen der allgemein zu beobachtenden Tendenz der Loslösung des Verfahrensrechts vom Recht des Sitzstaates24 stellt Art. 1494 franz. NCPC dar. Nach der französischen Norm bestimmt sich das Schiedsverfahrensrecht primär nach dem Parteiwillen. Die Parteien können sowohl ein nationales Verfahrensrecht, die Schiedsordnung eines institutionellen Schiedsgerichts, als auch selbst aufgestellte Regeln für anwendbar erklären. Soweit die Parteien keine Vereinbarungen getroffen haben, regelt der Schiedsrichter selbst das Verfahren unter Bezugnahme auf ein Gesetz oder eine Schiedsordnung. Weder die Parteien noch der Schiedsrichter müssen sich auf eine nationale oder institutionelle Verfahrensordnung als Ganzes beziehen. Ihnen steht es vielmehr frei, einen Cocktail an Verfahrensregeln zusammenzustellen und daneben noch eigene zu entwerfen.25 In keinem Fall fmden ohne ausdrückliche Vereinbarung der Parteien oder Bestimmung der Schiedsrichter die nationalen französischen Verfahrensregeln Anwendung (Art. 1495 NCPC).26 Diese sind auch dann nicht zu berücksichtigen, wenn sich die Schiedsrichter auf das anzuwendende Verfahrensrecht nicht einigen können?? Diese Gesetzgebung ist durch die französische Rechtsprechung in dem Fall

24 Bernardini, S. 102.

25 Roben, Rz. 316; Perrot, Tr. du C. fr. de dr. int. pr. 1982, 53, 57; Poznanski, JIA 1987 (vol.

4 no. 3) 71, 75.

26 Vgl. Trib. de Grande Instance de Paris (12.07.1989 Soc. La Belle Creole SA. cl Soc. Tbe Gemtel Partnership) Rev. arb. 1990, 176, 180; im krassen Gegensatz hierzu steht das deutsche Recht; vgI. Nagel, Internationales Zivilprozeßrecht, Rz. 1090; Schwab, in PS Kralik, S.322; OLG Frankfurt, (21.12.1983) NJW 1984, 2768, 2768 und OLG Frankfurt (11.03.1981) IPRax 1982, 149, 150: "Die Verfahrensordnung des internationalen Schiedsgerichtshofs der Internationalen Handelskammer, die für das Verfahren maßgebend war, ist kein ausländisches Verfahrensrecht, sondern ein Statut, dessen Geltung die Parteien vereinbaren können, das aber ein nationales Verfahrensrecht..., in das die Verfahrensordnung als eingegliedert zu verstehen ist, nicht überflüsig macht.". 27 Goldman, Rev. arb. 1981, 469, 474; den., in tiber amicorum Sanders, S. 159-161; v. Brdtenstein, in Schiedsgerichtsbarkeit in Frankreich, S. 34; Boissesonj1ug1art/BeUet, S. 413; Audit,

in Resolving transnational disputes through international arbitration, S. 127/128; Roben, D. 1981, 209, 212. Anders z.B. Art. 24 schw. Konkordat, wonach das kantonale Zivilprozeßrecht Anwendung findet, wenn die Schiedsrichter keine Rechtswahl getroffen haben.

F. Das Schiedsverfahrensstatut

83

Gotaverken28 vorbereitet worden. In diesem Fall bestimmte das Pariser Appellationsgericht, daß die Wahl eines Schiedsgerichtssitzes in Frankreich nicht die subsidiäre Anwendbarkeit der französischen Schiedsverfahrensregeln ohne ausdrücklichen Willen der Parteien nach sich ziehen würde. Dieser Ansatz hat z.T. auch in Frankreich Kritik erfahren.29 Für die internationale Schiedsgerichtsbarkeit weist der französische NCPC keine einzige konkrete Verfahrensvorschrift auf. Die Parteien stehen vor einem großen "verfahrensrechtlichen Loch".30 Sie sind zwar frei, dieses nach Belieben zu füllen, treffen sie aber keine detaillierte Vereinbarung, so bleiben viele Fragen offen. Man stelle sich folgenden Fall vor: Die Parteien haben in dem Schiedsvertrag keine Bestimmung über das anzuwendende Verfahrensrecht getroffen. Können sich auch die Schiedsrichter auf kein Recht einigen, so fehlt eine subsidiäre Anknüpfung an die nationalen französischen Verfahrensregeln. Was in einem derartigen Fall zu geschehen hat, bleibt ein Rätsel. Hilfe zur Durchsetzung des Verfahrens kann auch nicht von einem französischen Gericht erwartet werden, weil der französische Gesetzgeber für diesen Fall keine Interventionsmöglichkeit eines staatlichen Gerichts vorgesehen hat. Der französische Gesetzgeber hat damit die Loslösung des Schiedsverfahrens von den Verfahrensvorschriften des Sitzstaates bis zu einer extremen Grenze vorangetrieben. Der Parteiautonomie kommt absoluter Vorrang zu. Der tragende Gedanke hinter einer Loslösung des Schiedsverfahrens von den Verfahrensvorschriften am Schiedsort ist wohl der, die Bedeutung des Schiedsgerichtssitzes für das Schiedsverfahren zu verringern. Dieser kann nämlich rein zufällig gewählt worden sein, ohne daß sich die Parteien damit implizit auf das Verfahrensrecht des Schiedsortes festlegen wollen. In Fällen, in denen die Parteien auf die detailierte Verfahrensordnung eines institutionellen Schiedsgerichts·verweisen, erscheint es sinnvoll, das Verfahrensrecht des Sitzstaates zurücktreten zu lassen. Für die Fälle aber, in denen die Parteien ein ad hoc-Schiedsverfahren vereinbart haben, führt der französische Ansatz zu Schwierigkeiten. Durch die extreme Loslösung vom Recht des Sitzstaates ist in einem solchen Fall keiner Partei gedient. 28 Cour d'appel de Paris (21.02.1980 General Maritime Transport Company Gotaverken Arendal A.B.) Rev. am. 1980,524.

29 Bellet, Rev. am. 1981, 486, 488. 30 Rainer, ZfRV 1986, 162, 206.

t/

Soc.

G. Das in der Sache anwendbare Recht Nicht nur beim Schiedsverfahrensrecht, sondern auch bei dem in der Sache anwendbaren Recht ist das Bestreben zu beobachten, sich von der nationalrechtlichen Verankerung lösen zu wollen. Traditionell unterscheiden die meisten Rechts- und Schiedsordnungen zwischen dem Schiedsrichter, der nach Rechtsregeln und dem, der nach Billigkeitsgesichtspunkten entscheidet (amiable compositeur).1 Letzterer entsprinp dem friedenstiftenden amicabilis compositor des kanonischen Rechts. Diese Rechtsfigur ist gegenüber der staatlichen Gerichtsbarkeit eine Besonderheit, da der staatliche Richter in der Regel verpflichtet ist, eine Wissens- und keine Willensentscheidung zu treffen.3 Im Gegensatz zum staatlichen Richter wird der Schiedsrichter aufgrund eines privaten Auftrags der Parteien tätig. Wendet er Rechtsregeln an, um den Streit zwischen den Parteien beizulegen, so tut er dies, um dem Willen der Parteien zu entsprechen. Aus diesem Grund sehen die meisten Rechtsordnungen vor, daß die Parteien den Schiedsrichter von dieser Pflicht entbinden können.4 Im Zweifel hat der Schiedsrichter stets einen Rechtsentscheid zu treffen. Umstritten ist, ob sich die Befugnis der Parteien, den Schiedsrichter von der 1

Vgl. Art. 1496, 1497 franz. NCPC; Art. 1700 belg. Cf jedoch mit der Besonderheit, daß Parteien erst mit dem Verfahrensbeginn eine derartige Vereinbarung treffen können, vgI. Linsmeaufvan Gelder, Ir 1973, 205, 209 und HuysfKeutgen, Ir 1976, 53, 57; Art. 187 I, 11 schw. IPRG; Art. 28 I, III UNCITRAL-Modellptz; Art. 13 III, IV ICCSchO; Art. 42 I, III Wash~!lgtoner Abkommen von 1965 zur Betlegung von Investitionsstreitildteiten; Art. VII (1), (2) EU; vgI. für das dt. Recht Mann, in PS F1ume, S 604/(J)5; Auch in England ist jetzt wohl eine Billigkeitsentscheidung möglich, siehe Rowland, AIbltration, S. 11; Samuel, JIA 1988 (vol. 5 no. 3) 9, 257 f., Eagle star insurance comp. Ltd. v. Yura Insurance comp. Ltd. (1978) U. Rep. 357: "'The arbitrators and Umpires shall not be bound by strict rules of law but shall settle any difference referred to them accordinf. to an equitable rather than a strictly legal interpretation of the provisions of this agreement. ; vgI. rechtsvergleichend Loquin, L'amiable composition cn droit compare ct international, Rz. 35-38; Sandrock, Jahro. 1988 (2) 120 ff. di~

2 BmIin, Rev. arb. 1984, 259, 260; Hellwig, RIW 1984, 421, 426. 3 Kornblum, S. 109/110, vertritt die Ansicht, daß auch der staatliche Richter in gewissen Grenzen eine Ermessensentscheidung treffen kann; vgI. § 319 I, 11 BGB und § 287 ZPO u.a. 4 Vgl. Goldman, Rev. &Ib. 1983, 379, 405; Bredin, Rev. aro. 1984, 259, 260; Roben, Rz. 351; Loquin, Note Rev. aro. 1982,431,434; ders., Ounet 1983, 293, 314; Hellwig, RIW 1984, 421, 427.

G. Das in der Sache anwendbare Recht

8S

Bindung an Rechtsregeln ZU befreien, aus dem Schiedsverfahrensstatu~ oder der lex causae6 ergibt. Hat der Schiedsrichter einen Rechts- oder einen Billigkeitsentscheid7 ZU treffen, so stellt sich die Frage, welches Recht er in der Sache anzuwenden hat. Hier ist zunächst zu unterscheiden, ob die Parteien eine Vereinbarung über das anzuwendende Recht in der Sache getroffen haben oder nicht.

I. Die Rechtswahl durch die Parteien Fast alle Rechts- und Schiedsordnungen stellen für die Frage des anwendbaren Rechts primär auf den Willen der Parteien ab. Der Grundsatz der Parteiautonomie gilt heute als Allgemeingut aller Kollisionsrechte.8 Soweit sich daher die Parteien auf ein Recht in der Sache geeinigt haben, kommt es grundsätzlich nicht auf den Streit an, ob der Schiedsrichter an das Kollisionsrecht des Sitzstaates des Schiedsgerichts gebunden ist oder nicht.

1. Die Wahl eines nationalen Rechts durch die Parteien

Teilweise hat man früher verlangt, daß das von den Parteien gewählte Recht einen sachlichen Bezug zum Streitgegenstand aufweisen muß.9 Von dieser Ansicht ist man aber heute allgemein abgekommen, so daß es im 5 v. Hojfmann, IPRax 1984, 106, 108; Goldman, Rev. arb. 1981, 469, 474; Audit, in Resolving transnational disputes through intemaJional arbitration, S. 131; Gentinena, S. 202, 252; Fouchard, Rz. 490; VJtI. auch Art. VII (2) EU: "Das Schiedsgericht entscheidet nach Bi!liltkeit, wenn dies dem WiIlen der Parteien entspricht und wenn das für das schiedsrichterliche Verfahren maßgebende Recht es gestattet." 6 Sandrock, Jahrb. 1988 (2) 120, 126 ff.

7 Die Ansicht, daß der Schiedrichter, der nach Billigkeit entscheidet, seine Entscheidung völlig unabhängig von Rechtsregeln treffen könne, ist abzulehnen, so aber Calavros, S. 130 f.;

Linsmeaujvan Gelder, Ir 1973, 205, 209; denn auch der Schiedsrichter ex equo ex bono bewegt sich nicht in einem rechtsfreien Raum.

8 GentinetW, S. 198-201; Redfern/Hunter, S. 72/73; &sedaw, Jahrb. 1987 (1) 3, 16; Sanders, RDIDC 1976, 129, 135; ders., RdC 1975 11 2ffl, 256/247. 9 Vgl. David, Rz. 388; lolidon, S. 452/453; Gentinetta, S. 199/200; vgI. auch Cour de

I'arbitrage tchCcoslovaque (01.03.1954 Centrolex, Entreprise tchCcoslovaque de commerce ext6rieur c/ Soc. M.K.) Ounet 1956, 468, 470; so wohl auch die frühere Rspr. des schw. Bundesgerichts, vgI. Nachweise bei 8GE 30.03.1976 (Overterra Espanola SA. cl Kalt) 102 11 143, 145, " besondere Beziehung zwischen dem Schuldverhältnis und dem gewählten Recht".

86

Kapitel 2: Der Trend: Die Loslösung der internationalen SchiecJsgerichtsbarkeit

internationalen Schiedsrecht auf einen Zusammenhang der Streitsache zum gewählten Recht nicht mehr ankommt; denn die Neutralität des anzuwendenden Rechts gilt heute als billigenswertes Argument für eine bestimmte Rechtswah1.10 Grundsätzlich können damit die Parteien ein beliebiges nationales Recht wählen. Darüber hinaus können die Parteien auch einzelne Vertragsteile einem gesonderten nationalen Recht unterstellen.ll Im deutschen Recht ergibt sich dies aus allgemeinen IPR-Grundsätzen (Art. 1:1 EGBGB).12 Im französischen und schweizerischen Recht folgt dies daraus, daß die jeweilige Kollisionsregel (Art. 1496 I franz. NCPC, Art. 1871 schw. IPRG) von ·r~gles de droit" und nicht nur von "droit" sprichtP Aber auch die Zerstückelung des Vertrages (depe~ge) führt immer zur Anwendung eines nationalen Rechts. Verweisen die Parteien auf eine nationale Rechtsordnung, so können sie sowohl eine statische als auch dynamische Verweisung vereinbaren. 14 Haben die Parteien keine ausdrückliche Vereinbarung getroffen, so wird man wohl eine dynamische Verweisung annehmen müssen. Damit sind Gesetzesänderungen des in der Sache anwendbaren Rechts, auch nach Vertragsschluß zu berücksichtigen. Die Zulässigkeit einer statischen Verweisung unterliegt dem Vertragsstatut. 15 Sie hat vor allem bei langfristigen internationalen Verträgen mit Staaten den Sinn, einseitige nachträgliche Rechtsänderungen durch diesen und damit Veränderungen des Vertragsinhalts zu verhindern. 16

10 Bernardini, S.

532. 11

113/114; Schlosser,

1. Aufl., Bel.

1 Rz. 224, S. 216 und 2. Aufl., Rz. 731 S.

Vgl. Art. 3 Abs. 12 EVÜ: "Die Parteien können die Rechtswahl für ihren ganzen Vertrag oder nur für einen Teil desselben treffen.".

12 PalandtjHeldrich, EG 27 Anm. 2 d.

13 Vgl. v. Breitenstein, in Schiedsgerichtsbarkeit in Frankreich, S. 39/40; gleiches gilt auch für Art. 28 I UNCITRAL-Modellgesetz "Nies of law" und Art. 13 III ICC-SchO. 14

Vgl. hierzu N. David, Ounet 1986, 79 Cf.; Bernardini, S. 114; RedfemjHunter, S. 79. 15 N. David, Ounet 1986, 79, 83.

16 N. David, Ounet 1986, 79, 93; Bernardini, S. 115; A. Bucher, in PS Keller, S. 567; Ein Beispiel für eine derartige statische Verweisung fmdet sich in der Klausel 16 des Erdölkonzessi 94 (1981) 117, 141; a.A. Laschet, IPRax 1984, 72, 76. 101 Auch wenn sich die Parteien in einem internationalen Schiedsverfahren auf internes französisches Schiedsverfahrensrecht geeinigt haben, kommt Art. 1485 NCPC nie zur Anwendun~. Nach dieser Vorschrift sind ohne abweichende Vereinbarungen der Parteien staatliche Genchte zur Streiterledigung berufen, wenn der (Teil-, Kompetenz-)Schiedsspruch aufgehoben worden ist. Diese Vorschrift findet auf internationale Schiedsverfahren keine Anwendung, es sei denn die Parteien äußern einen ausdrücklich dahin$Chenden WiUen. Der bloße Verweis der Parteien auf das interne Schiedsverfahrensrecht reIcht hierfür nicht; vgI. Merger, in PS Habscheid S. 189; Beguin, in Etudes offertes a Houin, S. 248. 102 Vgl. oben S. 82 ff. 103 Cour cass. (08.03.1988 Soc. Sofidif et autre cl O.IAE.T.1. et autre) Rev. arb. 1989,481, 481; larrosson, Note Rev. aro. 1989,481,486.

154

Kapitel 3: Die Anerkenung und Vollstreckung

f) Die Rechtslage nach dem UNÜ Auch das UNÜ enthält keine Definition, wann ein Schiedsspruch der selbständigen gerichtlichen Kontrolle unterliegt.11M In Art. I (2) UNÜ wird lediglich darauf hingewiesen, daß der Anwendungsbereich des UNÜ alle Schiedssprüche erfaßt, die von institutionellen oder ad hoc-Schiedsgerichten gefällt werden. In Art. V (1) lit. e UNÜ bestimmt das Abkommen, daß nur "bindende Schiedssprüche" anerkannt und vollstreckt werden können. Mit dem Ausdruck "bindend" wollten die Verfasser des UNÜ sich aber lediglich vom Genfer Abkommen von 1927 abheben. Das Genfer Abkommen setzte in Art. 1 11 lit. b für die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche voraus, daß der Schiedsspruch in seinem Heimatstaat eine endgültige Entscheidung darstellt. 105 Da die Beweislast hierfür die die Anerkennung oder Vollstreckung betreibende Partei trug, war diese praktisch gezwungen, auch im Heimatstaat das Exequatur zu beantragen, um den Beweis im Vollstreckungsstaat führen zu können. Das Genfer Abkommen setzte damit mit dem Begriff "endgültiger Schiedsspruch" ein umständliches doppeltes Exequatur voraus. Mit dem Begriff "bindender Schiedsspruch" sollte für das UNÜ lediglich klargestellt werden, daß ein doppeltes Exequatur nicht mehr Voraussetzung für eine Anerkennung und Vollstreckung istYJ6 Art. V (1) lit. e trifft damit keine Aussage, ob Zwischen-, Vorab- und Teilschiedssprüchen in den Anwendungsbereich des UNÜ fallen. Da das UNÜ lediglich die Anerkennung und Vollstreckung und nicht das Schiedsverfahren selbst regelt, wird man davon ausgehen müssen, daß der Begriff "award" im UNÜ im Sinne des Rechts des Heimatstaates des Schiedsspruches auszulegen ist. 107 Daneben ist zu berücksichtigen, daß wegen der rechtsvereinheitlichen Tendenz des UNÜ der Begriff Schiedsspruch weit zu fassen ist.108 Somit können nach dem UNÜ grundsätzlich auch Zwi104 von den Berg, S. 44; EI-Hakim, JIA 1989 (vol. 6 no. 1) 161, 161/162; A. Bucher, Rz.435.

lOS BGE (26.02.1982 Joseph Müller cl Bergesen) 1081b 85, 88; Bertheau, S. 91.

I06 BGE (26.02.1982 Joseph Müller AG cl Bergesen) 108 Ib 85, 88; Bemardini, S. 149; Minoli, Riv. trim. dir. proc. civile 1958, 954, 960; OjJpetit, Rev. arb. 1971, 97, 100; Schwab, S. 423; Ddkato, Riv. de dir. int. pr. e. p~. 1988 (24). 6S9, 663, 66S; Laschet, DIS-Mitt~ilu~gen 1989/1 S. 19; &rtMtlM, s. 94; Demiiis, 18 Liber IUIIICOIUm Sanders, S. 114; FmQIIU, 18 über amicorum Sanders, S. 136/137.

107Bemardini, S. 134; von den Berg, S. 46. I08 Trib. de Grande Instance de Paris (10.05.1971 Compagnie de Saint-Gobain, Pont-aMousson cl The Fertilizer Corp. of India Ltd. ) Rev. am. 1971, 108, 109.

I. Schiedssprüche, die der Anerkennung und Vollstreckung unterliegen

155

schen- und Vorabentscheidungen anerkannt und vollstreckt werden, soweit diese Schiedssprüche nach dem Verfahrensrecht des Heimatstaates der Rechtskraft fähig sind.

g) Die Rechtslage nach dem UNCITRAL modellaw Ähnlich dem UNÜ definiert auch das UNCITRAL Modellgesetz nicht, welche Schiedssprüche der selbständigen gerichtlichen Kontrolle unterliegen. Teilweise hat UNCITRAL bei den Vorarbeiten zum Modellgesetz mit folgender "working definition" gearbeitet: "Award means a final award, which disposes of all issues submitted to the arbitral tribunal and any other decision of the tribunal, which fmally determines any question of substance or the question of its competence or any other question of procedure but, in the latter case only if the tribunal terms its decision an award."109 Diese Defmition erfaßt unter dem Begriff Schiedsspruch sowohl Zwischenschiedsspruche und Kompetenzentscheide als auch Sachentscheidungen der Schiedsrichter. Nach der Defmition soll ein Zwischenschiedsspruch in Abgrenzung zur prozeßleitenden Verfügung nur vorliegen, wenn der Schiedsrichter für den Beschluß die Form eines Schiedspruches gewählt hat. Inwieweit diese verschiedenen Arten von Schiedssprüchen der selbständigen gerichtlichen Konrtolle unterliegen, bleibt unklar. Das Modellgesetz enthält keine ausdrückliche Vorschrift, wonach dem Schiedsrichter gestattet wäre, selbständige Zwischenentscheide zu erlassen. Soweit es um den Kompetenzentscheid nach Art. 16 III geht, wird dieser im Modellgesetz nicht einem Schiedsentscheid in der Sache gleichgestellt. Der Kompetenzentscheid der Schiedsrichter kann nicht wie ein Sachentscheid nach Art. 34 des model law angefochten werden. Gegen den Kompetenzentscheid kann die Partei nur nach Art. 16 III bei dem in Art. 6 bezeichneten Gericht vorgehen. Hierbei handelt es sich aber um keine Anfechtungsklage. Ob das Modellgesetz damit den Kompetenzentscheid der Schiedsrichter als selbständigen anerkennungsfähigen Schiedsspruch qualifizert, bleibt offen. 109 Broches, ICCA (no. 2) 201, 208.

156

Kapitel 3: Die Anerkenwtg und Vollstreckung

Da das UNCITRAL-Modellgesetz die Anerkennungs- und Vollstreckungsvorschriften wörtlich aus dem UNÜ übernommen hat, wird man wohl zumindest im Rahmen der Anerkennung und Vollstreckung den weiten Begriff des Schiedsspruchs dem modellaw zugrunde legen müssen.

h) Zusammenfassung Die hier untersuchten Rechtsordnungen behandeln die verschieden Arten von Schiedssprüchen unterschiedlich. Teilweise unterliegen nur Sachentscheidungen der Schiedsrichter der selbständigen gerichtlichen Kontrolle (Belgien und die Bundesrepublik Deutschland). In der Schweiz sind auch Kompetenzentscheide der Rechtskraft fähig. Am weitesten geht das französische Recht zur internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, das es der Disposition der Parteien überläßt, inwieweit Zwischen- oder Vorabentscheidungen selbständig durch staatliche Gerichte nachgeprüft werden können. Ob Zwischen- oder Vorabschiedssprüche in einem anderen Land anerkannt werden können, kann somit nicht einheitlich beantwortet werden. Entscheidend ist, ob der Schiedsspruch nach dem Recht des Heimatstaates der Rechtskraft fähig ist. Inwieweit Zwischen- und Vorabschiedssprüche der Rechtskraft fähig sind, ist das Ergebnis einer Abwägung. Hier sind die Vorteile eines nicht durch die Anrufung staatlicher Gerichte unterbrochenen Schiedsverfahrens dem Gebot der Rechtssicherheit der Parteien gegenüberzustellen. Soweit nach dem maßgebenden Recht Zwischen- und Vorabschiedssprüche rechtskraftfähig sind, müssen sie auch in einem anderen Land anerkannt werden können.

J. Gründe, die einer Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs entgegenstehen I. Allgemeines

Die Anerkennungs- und Vollstreckungsversagungsgründe beurteilen sich nach nationalem Recht, soweit nicht bilaterale oder multilaterale Staatsverträge eingreifen.1 Das international wichtigste Übereinkommen zur Anerkennung und Vollstreckung ist das UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.06.1958.2 Zwischen zwei Staaten, die beide diesem Abkommen beigetreten sind, gehen die Regelungen des UNÜ als leges posteriores nationalen Vorschriften und zeitlich früher abgeschlossenen bilateralen Verträgen vor? Nach Art. vn (1) UNÜ ist es den Parteien aber unbenommen, sich auf autonome na-

1 Frankreich: multilaterale Abkommen: UNÜ, EÜ, GA; bilalerale Abkommen: Schweiz, Belgien, Italien, Marokko, Vietnam, Laos, U.SA, Kamerun, MaH, Togo, Algerien und Spanien. Schweiz: multilaterale Abkommen: UNÜ, GA; bilalerale Abkommen: Österreich, Belgien, Tschechoslowakei, Frankreich, Bundesrepublik Deutschland, Italien, Liechtenstein, Spanien, Schweden, Jugostawien. Belgien: multilaterale Abkommen: UNÜ, EÜ, StraßbuTr Übereinkommen von 1966. GA; bilalerale Abkommen: Schweiz, Frankreich, Bundesrepublik Deutschland, Niederlande, Oster-

reich.

Bundesrepublik Deulschland: multilaterale ~bkommen: UNÜ, EÜ, GA; bilalerale Obereinkommen: Italien, Schweiz, U.SA, UdSSR, Osterreich, Griechenland, Niederlande, Belgien,

Tunesien.

Nicht berücksichtigt in dieser Aufzählung sind internationale Verträ~ auf Spezialgebieten wie z.B. das Washingtoner Abkommen über die Beilegung von Invcstitionstreitigkeiten von 1965, das Londoner Schuldenabkommen vom 27.02.1953, das Warschauer Abkommen vom 12.10.1929 etc. 2 Bis zum 17.05.1989 hatten 82 Staaten dieses Abkommen ratiftziert; vgl. UN-Doc. A/CN.9/32S S. 6.

3

Schlosser, 2. Aufl., Rz. 137.

158

Kapitel 3: Die Anerkenung und Vollstreckung

tionale Vorschriften4 oder auf zeitlich vorangehende internationale Verträge zu berufen5, soweit diese anerkennungsfreundlicher sind.6 Nachfolgend sollen nur die nationalen' Anerkennungs- und Vollstreckungsvorschriften sowie die nach dem UNÜ berücksichtigt werden. Grundsätzlich sind die Gründe, wegen denen die Anerkennung bzw. die Vollstreckung eines ausländischen oder internationalen Schiedsspruchs versagt werden kann, identisch.8 Eine Ausnahme von diesem Grundsatz bildet lediglich das belgisehe autonome Recht.9 Soweit keine staatsvertragliche Regelung eingreift, wird in Belgien ein ausländischer Entscheid im Inland nach Art. 1703 CJ anerkannt. lO Voraussetzung für eine Anerkennung ist, daß der Schiedsspruch nicht gegen den ordre public verstößt und daß die Streitsache schiedsfähig ist. Das Exequatur wird dem ausländischen Schiedsspruch nach Art. 1723 CJ erst erteilt, wenn keiner der Anfechtungsgrinde nach Art. 1704 CJ vorliegt. Die Liste der Anfechtungsgrinde in Art. 1704 CJ ist aber viel umfangreicher als die Zahl der Anerkennungsversagungsgründe nach Art. 1703 CJ. Die Voraussetzung für die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs sind damit nach autonomem belgischen Recht sehr viel strenger als für dessen Anerkennung.11 In Belgien kann demnach der Fall eintreten, daß der ausländische Entscheid im Inland zwar Rechtskraft entfaltet, aber nicht

4 In der Schweiz ist die Regelung des Art. 194 IPRG i.V.m. dem UNO abschließend. Daneben ist für ein günstigeres kantopales Anerkennungsrecht kein Raum. Die Meistbegünstigungsklausel des Art. VII UNU läuft in der Schweiz im Verhältnis zum autonomen Anerkennungsrecht leer. VgI.A. Bucher, Rz. 466. 5 Zwar sagt der Wortlaut des Art. VII (1) UNO, daß sich eine Partei auf günstigere Anerkennungsvorschriften berufen kann, doch wird diese Vorschrift dahingehend ausgelegt, daß das um die Anerkennung oder Vollstreckung eines Schiedsspruches nachgesuchte Gericht die günstigeren Vorschriften von Amts wegen berücksichtigen muß. Vld. (ranz. Cour ca5S. (09.10.1984 Pabalk Ticaret Sirketi cl Soc. NOISOlor) Rev. aIb. 1985, 431, 432j Schlosser, 1. Aufl., Bd. 1 Rz. 12Sj tIers., 2. Aufl., Rz. 159j Hans.OLG Hamburg (26.01.1989) DlS-Mitteilungen-90/2 S. 51, 53 . 6 Vgl. Heller, IPRax 1989, 315, 315. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz bildet dll!! GA. Die Berufung auf dieses Abkomm~n ist im Verhältnis der Vertragsstaaten des UNU untereinander gemäß Art. VII (2) UNU ausgeschlossen. , Da die Schweiz nun für die Anerkennung und Vollstreckung das UNÜ erga omnes für anwendbar erklärt hat, gibt es in der Schweiz keine autonomen Anerkennungs- und Volistrekkungsvorschriftcn mehr.

S Vgl. Art. V UNOj Art. 3S UNCITRAlrModelJ&csctz; Art. 1502 NCPCj § 1044 ZPO. 9 Vgl. zur Rechtslage nach dem IPRG oben S. 132 ff. 10 DenninejHorsmans, S. 84. 11 DerminejHorsmans, S. 84.

J. Gründe, die einer Anerkennung/VoUstreckung des Schiedsspruches entgegenstehen

159

vollstreckbar ist. Eine derartige verfahrene Rechtslage hat sachlich keine Rechtfertigung.12 . Nachstehend sollen nun die verschieden VersagungsgrüDde für die Anerkennung und Vollstreckbarerldärung nach autonomem Recht und nach dem UNÜ untersucht werden.13

11. Die Ungültigkeit des Schiedsvertrages 1. Allgemeines

Nach franzäsischem 14 und belgischem15 Recht kann die Anerkennung und Vollstreckung versagt werden, wenn dem Schiedsspruch kein gültiger Schiedsvertrag zugrunde liegt. Auch nach Art. V (1) lit. a UNÜ bildet die Unwirksamkeit des Schiedsvertrages einen Hinderungsgrund für die Anerkennung und Vollstreckung. Lediglich nach deutschem autonomem Recht ist die Unwirksamkeit des Schiedsvertrages kein selbständiger Versagungsgrund. In § 1044 11 Nr. 1 ZPO wird lediglich darauf abgestellt, ob der Schiedsspruch rechtswirksam ist. Ob dies der Fall ist, bestimmt sich nach dem nationalen Recht, das das Schiedsverfahrensrecht beherrscht. Indirekt kann auch im Anwendungsbereich des § 1044 ZPO die Wirksamkeit des Schiedsvertrages eine Rolle spielen. Ist nämlich nach dem anwendbaren ausländischen Recht ein Schiedsspruch fehlerhaft 16, wenn ihm keine wirksame Schiedsabrede zugrunde liegt, so ist dies grundsätzlich auch im Rahmen des § 1044 11 Nr. 1 ZPO zu berücksichtigen. Im Gegensatz zum französischen und belgischen Recht sowie dem UNÜ wird nach § 1044 dt. ZPO die Wirksamkeit des Schiedsvertrages nicht an dem Recht (einschließ12 V g1. oben S. 133 f. 13 Wild nachfolgend auf das belgische, deutsche oder französische Recht verwiesen, sind

damit stets die autonomen Vorschriften zur Anerkennung und VoUstreckung gemeint. 14 Art. 1502 no. 1 NCPC. 15 Art. 1723 no. 3, Art. 1704 11 lit. c CJ.

16 Im Gesetzeswortlaut des § 1044 11 Nr. 1 ZPO heißt es zwar "rechtsunwirksam". Ein Schiedsspruch gilt jedoch im Sinne dieser Vorschrift schon dann als rechtsunwirksam, wenn er anfechtbar ist, vgl. Raeschke-Kessler, NJW 1988, 3041, 3050; SteinjJonasjSchlosser, § 1044 Rz.

12.

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Kapitel 3: Die Anerkenung und Vollstteckung

lieh Kollisionsrecht) des Exequaturstaates, sondern an dem das Schiedsverfahren beherrschenden ausländischen Recht gemessen. Umstritten ist, ob die Verweisung auf das ausländische Recht in § 1044 11 Nr. 1 ZPO lediglich das ausländische materielle oder auch das ausländische Verfahrensrecht umfaßt. Berücksich~ man im Rahmen des § 1044 ZPO auch das ausländische Verfahrensrecht,17 so kann ein ausländischer Schiedsspruch im Inland nach § 1044 ZPO vollstreckt werden, obwohl diesem kein gültiger Schiedsvertrag zugrunde liegt, soweit die Partei diesen Mangel nicht mit einer fristgebundenen Anfechtungsklage gegen den Schiedsspruch im Ausland geltend gemacht hat. Ist die Partei nach ausländischem Verfahrensrecht mit der Geltendmachung dieses Mangels präkludiert, so soll dieser Fehler auch im deutschen Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren nach §§ 1044, 1042 ff. ZPO nicht mehr berücksichtigt werden. 18 Die Gegenansicht19 will nur ausländisches materielles Recht im Rahmen des § 1044 11 Nr. 1 ZPO heranziehen. Danach sei die Fehlerhaftigkeit des Schiedsvertrages nach ausländischem Recht bei der Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs nach § 1044 ZPO stets zu berücksichtigen. Aus dem Wortlaut des § 1044 n ZPO ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine Unterscheidung zwischen dem materiellen und dem Verfahrensrecht. Eine wörtliche Auslegung spricht daher gegen die Annahme, daß für die Wirksamkeit des ausländischen Schiedsspruchs lediglich auf das materielle ausländische Recht abzustellen sei.20 Auf der anderen Seite spricht die Entwicklungsgeschichte des § 1044 ZPO eher für eine Beschränkung auf das materielle Recht; denn § 1044 ZPO ist dem damaligen Art. 1 Nr. 3 GA nachgebildet worden.21 Nach dem GA stellt aber die Unwirksamkeit des Schiedsvertrages stets einen Anerkennungs- und Vollstreckungsversagungsgrund dar, der nicht durch die Versäumung eines befristeten Rechtsbehelfes 17 B?H (07.01.1971) BGHZ 55, 162 = NJW 1~1, 986, 987; BGH (21.1?1971) BGHZ 57: 153, 156, BGli (10.05.1984) RIW 1984, 644, 646 - NJW 1984, 2763, 2764, Nagel, Rz. 1093, Makr, Rz. 474; Schlosser, 2. Aufl., Rz. 800; ders., "Zll 86 (1973) 46, 57; BaumbachjLauterbach/A1bers, § 1044 Rz. 3 A; Raeschke-Kess1er, N.JW 1988, 3041, 3050; Engelhardt, JZ 1987, 227, 230.

18 Hat die Partei den befristeten ausländischen Rechtsbehelf eingelegt und hat das ausländische Gericht den Schiedsspruch aufgehoben, so kann er in der Bundesrepublik Deutschland nicht anerkannt werden, weil er nicht mehr verbindlich ist. Weist das ausländische Gericht aber die Klage ab, 50 kann dieses Urteil in der Bundesrepublik Deutschland nach Maßgabe des § 328 ZPO anerkannt werden. 19 BüIow, N.JW 1971,486, 490; ders., N.JW 1972, 415,416; ScItiUze/I'schemingfWais, S. 3S2; 125; Habscheid, KTS 1972, 209, 213 ff.; wohl auch Schwab/Walter, S. 256. 20 BGH (07.01.1971) N.JW 1971, 986, 987. 21 Bülow, N.JW 1971, 486, 488.

Ernemann, S.

J. Gründe, die einer Anerkennung/Vollstreckung des Schiedsspruches entgegenstehen

161

gegen den Schiedspruch im Heimatstaat geheilt werden kann. Darüber hinaus wird gegen eine Einbeziehung des ausländischen Verfahrensrechts eingewandt, daß die Parteien mit einer Schiedsvereinbarung auf ihren gesetzlichen Richter verzichten. Die Frage aber, ob dieser Verzicht wirksam sei, könne aus verfassungsrechtlichen Gründen (Art. 20 11, Art. 103 GG) nur nach deutschen Rechtsmaßstäben überprüft werden. Dieser deutsche Prüfungsmaßstab könne den Parteien durch ausländisches Prozeßrecht nicht entzogen werden.22 Andererseits ist zu berücksichtigen, daß auch das deutsche Recht eine Abwägung zwischen dem Gebot der materiellen Gerechtigkeit und dem Prinzip der Rechtssicherheit kennt. So stellt eine Ausschlußfrist für die Geltendmachung bestimmter Rechte oder für die Einlegung von Rechtsmitteln grundsätzlich keinen Verstoß gegen die Rechtsweggarantie des Art. 19 IV GG dar.23 Einer Einbeziehng des ausländischen Verfahrensrechts in Art. 1044 11 Nr. 1 ZPO stehen folglich verfassungsrechtliche Bedenken nicht entgegen. Die Parteien werden auch nicht der Willkür des ausländischen Rechts ausgeliefert; denn die Rechtsprechung schränkt ihren Standpunkt insoweit ein, als eine willkürliche Annahme der Zuständigkeit durch das Schiedsgericht einen ordre public-Verstoß darstellt. Der Einwand eines ordre public-Verstoßes kann aber nicht wegen einer Fristversäum~ ausgeschlossen werden, sO daß die Parteien insoweit geschützt sind.24 Der Einbeziehung des ausländischen Verfahrensrechts im Rahmen des § 1044 11 Nr. 1 ZPO stehen damit keine Bedenken entgegen. Sie hilft im Gegenteil, verzögernde und querulatorische Einwendungen einer Partei auszuschließen.25 22 Ememann, S. 120 ff. 23 BGH (07.01.1971) BGHZ 55, 162, 171/172 = NJW 1971, 986, 988; BGH (26.06.1969) BGHZ52, 184, 189/190. 24 BGH (07.01.1971) BGHZ 55, 162, 170/171 = NJW 1971, 986, 988; BGH (26.06.1969) BGHZ 52, 184, 189/190; BGH (09.03.1978) BGHZ 71, 131, 135-136; vgl. Gottwald, in PS Nagel, S. 67/68. 25 Hat die Partei im Ausland einen Rechtsbehelf gegen den Schiedsspruch eingelegt, und hat das ausländische Gericht die Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage gegen den Schiedsspruch abgewiesen, so ist der deutsche Richter im Rahmen des § 328 ZPO an dieses Urteil gebunden. Fehlt es an der für die Anerkennung ausländischer Urteile notwendigen Gegenseitildceit, so steht einer Nachprüfung der Wirksamkeit des Schiedsspruchs und folglich auch der Wirksamkeit des Schiedsvertrages durch das deutsche Gericht jedoch nichts entgegen; VlI. BGH (07.01.1971) BGHZ 55, 162, 172 = NJW 1971, 986, 987; Schlosser, 1. Aufl., Bd. 1 Rz. 787; BaumbachjLouterbach/AIbers, § 1044 Rz. 3 A; vgI. auch Ememann, S. 122. Damit sind Fälle denkbar, in denen die Fristvetsäumung eines ausländischen Rechtsbehelfs schwerere Folgen auslöst als eine gerichtliche Entscheidun, in der Sache. Teilweise wird daher die Ansicht vertreten, daß der deutsche Anerkennunpnchter auch dann an den ausländischen Gerichtsentsch~jd gebunden ist, wenn es an der für § 328 ZPO notwendigen Gegenseitigkeit mangelt; vgI. MünZberg, ZZP 83 (1970) 327, 334. 11 Hoas

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Kapitel 3: Die Anerkenung und Vollstreckung

Die Unwirksamkeit des dem Schiedsspruch zugrundeliegenden Schiedsvertrages kann folglich im Rahmen des § 1044 ZPO nur begrenzt Berücksichtigung finden. 26

2 MlJngel, die dem Schiedsvertragsstatut unterstehen Das Vorliegen von Willensmängeln bei Abschluß des Schiedsvertrages und deren rechtliche Folgen beurteilen sich nach dem SchiedsvertragsstatutP Haben die Parteien in einem Vertrag sowohl eine Schiedsklausel als auch eine Gerichtsstandsvereinbarung getroffen, so liegt hierin nicht notwendigerweise ein Widerspruch. Es ist vielmehr davon auszugehen, daß den Parteien ein Wahlrecht zusteht. Gerichtsstands- und Schiedsklausel schließen einander grundsätzlich nicht aus.28 Ist der Verweis der Parteien im Schiedsvertrag auf ein institutionelles Schiedsgericht zweideutig und läßt sich die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts auch nicht durch Auslegung ermitteln, so ist der Schiedsvertrag nach deutschem Recht nichtig.29 Stellt der Schiedsvertrag selbst eine "sachlich nicht gerechtfertigte übermäßige Einschränkun~ des Rechtsschutzes vor staatlichen Gerichten dar, so kann er nichtig sein. Die Parteien können vereinbaren, daß ein Schiedsvertrag nach Ablauf einer Frist nichtig wird.31 Nicht alle Vereinbarungen der Parteien im Schiedsvertrag unterstehen dem Schiedsvertragsstatut. Nehmen die Parteien beispielsweise eine Klausel in den Schiedsvertrag auf, wonach das zukünftige Schiedsverfahren nach den Regeln der ICC-Schiedsordnung ablaufen soll, so beurteilt sich die Wirksamkeit einer derartigen Abmachung nach dem Schiedsverfahrens- und nicht dem dem Schiedsvertragsstatut. Umgekehrt können bei der Frage der 26 27

Samuei, s. 299/300. V g1. oben S. 69 ff.

28 Cour commercial de Bruxelles (10.12.1987 SA. Ripi c/ Schumacher GmbH) Europcan Commercial Cases 1989 (XII) SO, 50; BGH (18.12.1975) NJW 1976, 852, 852/853; Walter, JZ 1989, 588, 590. 29 OLG Hamburg (09.01.1981) IPRax 1981, 180, 180/181; BGH (02.12.1982) NJW 1983, 1267,1268. 30 BGH (26.01.1989) JZ 1989, 588, 589.

31 Cour d'appcl de Paris (17.01.1984 Soc. Bloc'h et Fm cl Soc. Delatrae Mockfjaerd) Rev. arb. 1984,498,500/501.

J. Gründe, die einer Anerkennung/Volistrecirung des Schiedsspruches entgegenstehen

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Wirksamkeit des Schiedsvertrages solche Bestimmungen des Schiedsvertragsstatuts nicht herangezogen werden, die gewisse inhaltliche Mindestanforderungen an den Schiedsvertrag stellen.32 So ist z.B. nach Art. 1443 franz. NCPC oder Art. 809 ital. cod. proc. civ. ein Schiedsvertrag nichtig, wenn er nicht die Namen der Schiedsrichter enthält oder ein Verfahren vorsieht, wie diese zu bestimmen sind. Das Verfahren zur Ernennung der Schiedsrichter untersteht dem Schiedsverfahrens- und nicht dem Schiedsvertragsstatut.33 Vorschriften, die derartige inhaltliche Mindestanforderungen an den Schiedsvertrag stellen, sind folglich im Rahmen des Schiedsvertragsstatuts nicht zu berücksichtigen. Ein nach dem Schiedsvertragsstatut unwirksamer Schiedsvertrag kann durch rügeloses Einlassen der Parteien im Schiedsverfahren geheilt werden, soweit das Schiedsverfahrensstatut dies zuläßt.34

3. Die Fonn des Schiedsvertrages Ein Schiedsvertrag kann auch dann unwirksam sein, wenn er nach dem anwendbaren Recht nicht der notwendigen Form entspricht. Fraglich ist, welchem Recht das Formerfordernis untersteht. Soweit für die Form des Schiedsvertrages international vereinheitlichte Sachnormen bestehen, gehen diese den nationalen Formvorschriften vor.

a) Das Formerfordernis nach Art. 11 (2) UNÜ Das UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche von 1958 enthält im Art. 11 (2) UNÜ eine Formvorschrift für Schiedsverträge. Dem Schriftformerfordernis des Art. 11 (2) UNÜ ist genüge getan, wenn das Vertragswerk selbst, in dem die Schiedsklausel enthalten ist oder aber, soweit die Klausel in einem vom Hauptvertrag getrennten Dokument steht, dieses von den Parteien unterschrieben 32 33

Vgl. Helkr, IPRax 1989, 315, 316. Vgl. Art. V (1) lit. d UNÜ; § 577 ÖZPO.

34 BGH (02.12.1982) NJW 1983, 1267, 1269.

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Kapitel 3: Die Anerkenung und Vollstreckung

worden ist. Dem Schriftformerfordernis entspricht auch ein Austausch von Briefen oder Telegrammen, in denen die Schiedsklausel enthalten ist.

aal Der Anwendungsbereich des Art. n (2) UNÜ Die Schriftform des Schiedsvertrages gemäß Art. Stadien zu beachten:

n (2)

UNÜ ist in zwei

Nach Art. 2 I, m UNÜ hat jeder Vertragsstaat des UNÜ einen schriftlichen Schiedsvertrag anzuerkennen, d.h., jedes staatliche Gericht eines Vertragsstaates muß sich, wenn es von einer Partei angerufen wird, für unzuständig erklären, soweit in der Sache zwischen den Parteien ein wirksamer Schiedsvertrag besteht, der den Anforderungen des Art. n (2) UNÜ genügt. Darüber hinaus kann aber ein Schiedsspruch nur anerkannt bzw. vollstreckt werden, wenn der zugrundeliegende Schiedsvertrag der Form des Art. n (2) UNÜ entspricht; denn gemäß Art. IV (1) lit. b UNÜ hat derjenige, der die Vollstreckung aus dem Schiedsspruch betreiben will, bei der zuständigen staatlichen Stelle den Schiedsvertrag "im Sinne des Art. n UNÜ" vorzulegen. Die Anwendbarkeit des Art. 11 (2) UNÜ im Zeitpunkt der Anerkennung und Vollstreckung des ausländischen Schiedsspruches wurde lange Zeit von italienischen Gerichten bestritten.35 Im Stadium der Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsentscheides ginge dem Art. n·(2) UNÜ die Kollisionsnorm des Art. V (1) lit. a UNÜ vor. Nach dieser Vorschrift ist die Anerkennung bzw. Vollstreckung zu versagen, wenn der Schiedsvertrag nach dem Schiedsvertragsstatut unwirksam ist. Das Schiedsvertragsstatut bestimme somit im Stadium der Anerkennung oder Vollstreckung auch die Form, die der Schiedsvertrag erfüllen müsse. Nach dieser Ansicht ist Art. n (2) UNÜ nur im Stadium der Anerkennung des Schiedsvertrages zu berücksichtigen. Diese Ansicht wird heute übereinstimmend abgelehnt, da sie zu widersprüchlichen Ergebnissen führen würde. Gestattet z.B. das Schiedsver35 Corte di cassazione (15.04.1980 l.anificio Walter Band 5 ...5. ~I Bobbie Brooks 1Dc:.) YCA 1981 (VI) 233, 233; Corte di appello Venezia (26.01.1983 Cerealsarda di A. Casillo e Co. 5.A.S. cl Ditta Otello Mantovani) YCA 1987 (Xll) 493, 494; diese Ansicht hat die italienische Rspr. nun ~~geben, vgI. Corte di cassazione (15.03.1986 Orazio Torrisi cl Friedrich Kern) YCA 1987 (XlI) 497, 498.

J. Gründe, die einer Anerltennung/Vollstreckung des Schiedsspruches entgegenstehen

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tragsstatut den mündlichen Abschluß eines Schiedsvertrages,36 so würde die Minderansicht zu dem Ergebnis führen, daß soweit ein Schiedsspruch noch nicht ergangen ist, das staatliche Gericht sich gemäß Art. II (3) UNÜ für zuständig erklären müßte, weil der Vertrag nicht der Schriftform des Art. II (2) UNÜ entspricht. Im Stadium der Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs aber würde ein Verstoß gegen das Schriftformerfordernis nicht mehr vorliegen, da hier das Formerfordernis nach dem Schiedsvertragstatut zu beurteilen wäre. Die Frage nach der Wirksamkeit des Schiedsvertrages würde unterschiedlich ausfallen, je nach dem ob ein Schiedsspruch in der Streitsache schon gefällt worden ist oder nicht. Ein solches Ergebnis ist kaum sachgerecht und wird daher von der herrschenden Meinung zu Recht abgelehnt.37

Es bleibt damit festzuhalten, daß Art. II (2) UNÜ sowohl im Stadium der Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruches als auch bei der Anerkennung des Schiedsvertrages zu beachten ist. Art. II (2) UNÜ stellt unbestritten insofern ein Maximalgebot dar, als die Vertragsstaaten des UNÜ bei der Anerkennung und Vollstreckung keine höheren Schriftformanforderungen an den Schiedsvertrag stellen dürfen. 38 Ob Art. II (2) UNÜ auch einen Rückgriff auf weniger strenge nationale Formvorschriften verbietet, ist umstritten. Nationale Vorschriften zur Anerkennung und Vollstreckung und damit auch nationale Formvorschriften können unstreitig gemäß Art. VII (1) UNÜ "en bloc" zur Anwendung kommen, wenn diese günstiger sind als das UNÜ.39 Es gilt aber keine "Rosinentheorie",40 so daß die nationalen Anerkennungs- und Vollstreckungsvorschriften nur als Ganzes zur Anwendung gelangen können. Eine isolierte

36 Das deutsche Recht in § 1027 11 dt. ZPO [soweit es sich um Kaufleute handelt; beachte aber auch in diesem Fall § 91 11 GWBl oder das englische Recht [~. hierzu Samuel, JJA 1988 (vol. 5 no. 3) 9, 10) z.B. gestatten den Parteien einen formlosen Schiedsvertrag abzuschließen.

37 van den Berg, S. 170, 286; SteinjJonas/Schlosser, Anh. zu § 1044 ZPO Rz. 12; Nolting, IPRax 1987, 349, 3SO; Kkin, in Festgabe zum Schweizerischen Juristentag 1985, S. 161; aA. aber Roben, in Liber amicorum Sanders, S. 279.

38 Obergeric~t Basel-Land (03.06.1971) BJM 1973, 193, 195; BG~ (5.11.1985 Tracomin SA cl S.udan Oil Seeds Co Ltd.) 111 Ib, 253, 2S5; Bertheau, S. 27; Kkin, SJZ 1961 (57), 229 235; Nolting, IPRax 1987, 349, 350.

39 Franz. Cour cass. (09.10.1984 Pabalk TIcaret Sirltcti cl Soc. No,solor) Rev. am. 1985, 431, 432; Chrocziel/Westin, ZVglRWiss 87 (1988) 145, 175; SteinjJonas/Schlosser, Anh. zu § 1044 Rz. 17; Blessing, JJA 1988 (vol. 5 no. 2) 9, 30.

40 OLG Köln (10.06.1976) zn 91 (1978) 318, 320; Chrocziel/Westin, ZVglRWiss 87 (1988) 145, 176; Wa1ter/Wackenhuth, IPRax 1985, 200, 202; SteinjJonas/Schlosser, Anh. zu § 1044 Rz. 89; ders., 2. Aufl., Rz. 136, 158; aA. OLG Hamm (02.11.1983) IPRax 1985, 218, 218.

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Kapitel 3: Die Anerltenung und Vollstreckung

Anwendung günstigerer nationaler Formvorschriften im Wege des Art. VII UNÜ ist ausgeschlossen. Eines Umweges über Art. VII UNÜ würde es dann nicht bedürfen, wenn Art. n (2) UNÜ vergleichbar der Formvorschrift des EÜ [Art. I (2) lit. a] lediglich Maximal- und keine Minimalanforderungen bezüglich des Schiedsvertrages aufstellen würde. Aus den Motiven zu Art. n (2) UNÜ geht hervor, daß es die Absicht der Verfasser des UNÜ war, die differierenden Vorschriften der nationalen Rechte zu koordinieren und somit auch die formellen Anfordel}Ulgen an den Schiedsvertrag für alle Beitrittsstaaten zu vereinheitlichen.41 Die herrschende Meinung geht daher davon aus, daß Art. n (2) UNÜ sowohl als eine Maximal- als auch Minimalforderung zu verstehen ist. Diese Vorschrift ist eine Sachnorm des internationalen Rechts, die im Rahmen der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche nach dem UNÜ keinen Raum für nationale Formvorschriften läßt.42

bb) Der Inhalt des Art. n (2) UNÜ Art. n (2) UNÜ enthält zwei Alternativen: Zum einen wird der Formvorschrift Genüge getan, wenn beide Parteien das Vertragswerk, in dem die Schiedsklausel enthalten ist bzw. das Schriftstück, das die Klausel enthält, unterschreiben. Diese Variante hat den Vertragsschluß unter Anwesenden im Auge.43 Die zweite Alternative zielt auf den Vertragsschluß unter Abwesenden. Der Form des Art. n (2) UNÜ entspricht danach auch ein Austausch von Briefen oder Telegrammen, wenn darin die Schiedsklausel enthalten ist.44

41 Wackenhuth, 'Zll99 (1986) 445, 452. 42 BGE (05.11.1985 Tracomin S.A. cl Sudan Oil Seeds Co Ltd.) 111 Ib, 253, 255; BG (Shobokshi et GAC cl Saiecom S.A. et R.ivelli) Ann. Suisse 1988, 487, 489; Cour d'appel de Paris (20.01.1987 Bomar Oil cl Entreprise tUDlsienne d'activite petroliere) Ounet 1987, 934, 938; WackenhuIh, 'Zll 99 (1986) 445, 552; tIers., RIW 1985, 568, 569; von den Berg, S. 179; tIers., YCA 1987 (XII) 409, 426; Klein, in Festgabe zum Schweizerischen Juristentag 1985, S. 159; Schlosser, 2. Aufl., Rz. 370; A. Bucher, Rz. 127; tIers., in PS Moser, S. 202; Fouchmd, Rz. 139; Poudm, in MelaDp Flattet, S. 528; Stein/lOnas/SChloSS6, Anh. zu § 1044 Rz. 16/17; JIA 1988 (w!. 5 00. 2) 9, 30;.~. ansclle~nd 1lenhetIu, S. 31, 73; ausdrücklich Loquin, Note Ounet 1987, 934, ~; Bemini, tD LaDer &ID1corum Sanders, S. 55.

lJkssü.tt,

43 Stein/lonas/Schlosser, Anh. zu § 1044 ZPO Rz. 36.

44 Anders ist die Rechtslage z.B. nach §§ 1027 I ZPO, 126 ß BGB. Danach müsscn inhaltsgleiche und unterschriebene Vertragsdokumente zwischen den Parteien ausgetauscht

J. Gründe, die einer Anerkennung/Vollstreckung des Schiedsspruches entgegenstehen

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Die erste Alternative beinhaltet keine großen Schwierigkeiten. Sie verlangt lediglich, daß die Schiedsklausel von allen Beteiligten, die sich der Schiedsvereinbarung unterwerfen, unterschrieben sein muß.45 Die Unterschrift muß sich nicht speziell auf die Schiedsklausel beziehen. Es reicht vielmehr, wenn die Unterschrift den Gesamtvertrag räumlich abdeckt, in dem die Schiedsklausel enthalten ist. Die Auslegung der zweiten Variante bereitet dagegen größere Schwierigkeiten. Erwähnt werden lediglich der Austausch von Briefen und Telegrammen. Nun hat sich aber gerade die Kommunikationstechnik seit dem Jahre 1958 erheblich fortentwickelt. Es stellt sich mithin die Frage, ob andere, neuere Formen der Kommunikationsübertragung von Art. 11 (2) UNÜ erfaßt sein sollen. Art. 7 des modellaw stellt z.B. das Telex den Telegrammen gleich. Der Art. 178 I schw. IPRG geht weiter und läßt auch Telefax für die Schriftform genügen. Allgemein tendieren die staatlichen Gerichte wohl dahin, den Art. 11 (2) UNÜ extensiv auszulegen, um auch diese neueren Formen der Kommunikationsübertragung in Art. 11 (2) UNÜ einzubeziehen.46 Einigkeit besteht insoweit, als die Verfasser des UNÜ auf jeden Fall eine mündliche oder stillschweigende Derogation der staatlichen Gerichtsbarkeit ausschließen wollten.47 Dieser Grundsatz soll nur für den Fall eingeschränkt sein, daß sich eine Partei rügelos auf das Schiedsverfahren einläßt. Nur unter diesen Umständen wird ohne eine schriftliche Erklärung der Parteien die Zuständigkeit des Schiedsgerichts begründet. Diese Einschränkung ergibt sich aus dem Gebot von Treu und Glauben.48 biese Vorschriften werden aber im Anwendungsbereich des UNU von Art. 11 (2) UNU verdrängt. 45 BGE (07.02.1984 Tradax Export SA. cl Amoco Oil Company) 110 11 54, 58; Samuel, S. 82.

we~.en.

46 BGE (05.11.1985 Tracomin SA. cl Sudan Oil Seeds Co Ltd.) 111 Ib 253, 255; so auch Cour de Justice de Geneve (14.04.1983 Carbonim SA. cl Ekton Corp.) YCA 1987 (XII), 502, 504; BG (Shobokshi et GAC cl Saiecom SA. et Rivelli) Ann. Suisse 1988, 487, 489; Cour d'appel de Paris (20.01.1987 Bomar Oil cl Entreprise tunisienne d'activite petroliere) Ounet 1987, 934, 938; Reymond, Rev. Alb. 1989, 385, 397; A. Bucher, Rz. 123; vgI. auch Schlosser, 2. Aufl., Rz. 373; ders., in Stein/lonasjSchiosser Anh., § 1044 ZPO Rz. 37; van den Berg, YCA 1987 (XII) 409, 428. 47 Obergericht Basel-Land (03.06.1971) BJM 1973, 193, 196; BGE (05.11.1985 Tracomin SA cl Sudan Oil Seeds Co Ltd.) 111 Ib 253, 255; Fouchard, Rz. 140; Samuel, S. 97; Klein, in Festgabe zum Schweizerischen Juristentag 1985, S. 162; A. Bucher, Rz. 127; WacJrenhu!h, z:ll> 99 (1986) 445, 463; von den Berg, S. 206i..ders., YCA 1987 (XII) 409, 428; aA. Loptrn, Note Ounet 1987, 934, 945, der Art. 11 (2) UNU "fortschrittlich" auslegen will und auch die Ausführung des Vertrages durch eine Partei als formgültige Annahme gelten lassen will. 48 von den Berg, S. 185; A. Bucher, Rz. 128; ders., in PS Moser, S. 204; Wackenhuth, RIW 1985,568,5691570; Dermine/Horsmans, S. 67; vgI. auch § 1027 I 2 dt. ZPO.

168

Kapitel 3: Die Anerkenung und Vollstreckung

Soweit die Schiedsklausel in einem Austausch von Briefen oder Telegrammen enthalten ist, muß sich jede der Parteien auf die Schiedsklausel beziehen.49 Ob die Briefe von den Parteien unterzeichnet sein müssen, ist nicht eindeutig. Während in der ersten Alternative des Art. n (2) UNÜ eindeutig die Unterschrift beider Parteien verlangt wird, heißt es in der zweiten Variante lediglich or contained in an exchange of letters or telegrams". Aus dem Wortlaut ergibt sich damit, daß die Voraussetzung der Unterschrift sich lediglich auf die erste Variante, dem Vertragsschluß unter Anwesenden, bezieht. Ein formgültiger Schiedsvertrag kommt demnach schon dann zustande, wenn Briefe ausgetauscht worden sind, ohne daß diese von den Parteien unterschrieben zu sein brauchen. Ausreichend ist die schriftlich niedergelegte Äußerung. Hätten die Urheber des UNÜ die Unterschrift für unabdingbar gehalte~ so hätten sie diese für die zweite Variante im Text ausdrücklich erwähnt.so W ..

ce) Das Verhältnis von Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu Art. n (2) UNÜ Fraglich ist, wann die Schiedsklausel als im Briefwechsel oder Vertrag enthalten gilt. Man wird dies sicherlich dann annehmen können, wenn die Schiedsklausel im Schriftwechsel oder in der von heiden Seiten unterzeichneten Vertragsurkunde ausdrücklich erwähnt worden ist. Oftmals ist dies aber nicht der Fall. Die Parteien verweisen häufig .in ihren Verträgen auf andere Sclpiftstücke, insbesondere AGBs.51 Ist aber eine Schiedsklausel auch dann in einem Vertrag oder Briefwechsel enthalten, wenn die Parteien auf Allgemeine Geschäftsbedingungen verweisen, in denen eine Schiedsklausel enthalten ist? Hier sind grundsätzlich zwei Fragen zu trennen. Zum einen, ob durch einen derartigen Verweis auf ein anderes Schriftstück dieses Vertragsinhalt werden kann.52 Zum anderen aber, falls das "außenstehende" Dokument 49 Trib. du Canton de Geneve (08.06.1967 JA. van Walsum N. V. cl Chevalines SA.) SJZ 1968,56,57j zustimmend Schwanz, SJZ 1968, 49, 51j Wackenhuth, ZZJ? 99 (1986) 445, 459.

SO Oberzcricbt Blsel-Lancl (03.06.1971) BJM 1973, 193, 196j BeJ:theau, S. 30; van den llerR, S. 193-195j Schwab,IWaIII!r, S. 383; A. /Juch6, Rz. 122; KDmmeier/Sandrock, § 21 Rz. 90; SteinjJonas/Schloss6, AM. zu § 1044 Rz. 37. 51 Vgl. zu dem Problem Sanwel, S. 86 ffj Oppetil, Rev. arb. 1990,551,552 ff.

52 Vgl. z.B. Tnb. de oommerce de Anvers (08.10.1956) ROJB 1956-65 Bd. 1 S. 276 ra 7, wonach eine Verweisung in einem Vertrag auf ein anderes Schriftstück, das die SchiedsEi'ausel

J. Gründe, die einer Anerkennung/Vollstreckung des Schiedsspruches entgegenstehen

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Vertra~jDbalt geworden ist, ob eine der~e Be~ahme dem Schriftformerfordernis des Art. n (2) 2. Fall UNU genügt. Die erste Frage beurteilt sich nach dem Vertragsstatut und liegt damit hier außerhalb der Erörterung. Die zweite Frage bemißt sich allein nach der internationalen Sachnorm des Art. n (2) UNÜ.

Denkbar sind grundsätzlich zwei Arten der Bezugnahme auf allgemeine Geschäftsbedingungen, in denen eine Schiedsklausel enthalten ist. Die Parteien können eine spezielle Bezugnahme in den ausgetauschten Schriftstücken oder in dem beiderseitig unterzeichneten Vertrag vereinbart haben, z.B. "Für das Schiedsverfahren gelten die allgemeinen Bestimmungen der FOSFA". Für eine derartige spezielle Verweisung besteht weitgehend Einigkeit, daß diese der Form des Art. n (2) UNÜ genügt.54 Strittig ist dagegen, ob eine allgemeine Bezugnahme auf Geschäftsbedingungen, in denen eine Schiedsklausel enthalten ist, für die Schriftform des Art. n (2) UNÜ ausreicht.55 Teilweise wird angenommen, daß jegliche schriftliche Be~ahme auf allgemeine Geschäftsbedingungen für Art. n (2) UNÜ genüge. 6 Teilweise wird hierin stets ein Verstoß gegen Art. n (2) UNÜ gesehen.57 Eine vermittelnde Ansicht erachtet eine allgemeine Verweisung auf AGBs dann im Sinne des Art. n (2) UNÜ für zulässig, wenn diese dem Vertragsangebot enthält, nur dann einen wirksamen Abschluß eines Schiedsvertrages darstellt, wenn ausdrücklich auf die SchiedsklauseI in dem außenstehenden Dokument verwiesen wird. 53 So auch ausdrücklich das UNCITRAL model law in Art. 7 11 3. Die beiden Fragen unzulässiger Weise vermengend Berlingieri, in Eludes offertes ä Rodiere, S. 375 ff.

54 The Maritime Sugar Syndicate and Others v. Black Lion Shipping Co SA. and others, YCA 1979 ~23, 325 (Queen's Bench Division 13.01.1978); LG Zweibrücken (11.01.1978) YCA 1979 ( 262, 263; Corte di appello di Brescia (27.12.1980 Soc. Italo-Belge pour le commerce et I' dustrie cl S.p.a. I.G~O.R) YCA 1983 (VIII) 383, 384/385; von den Berg S. 217; Lindacher, in PS Habscheid, S. 173; Schlosser, 2. Aufl., Rz. 379; ders., in SteinjJonas/Schlosser, Anh. zu § 1044 Rz. 41; Klein, in Festgabe zum Schweizerischen Juristentag 1985, S. 163; A. Bucher, Rz. 124; .

55 So jetzt ausdrücklich Art. 711 3 UNCITRAL modellaw; so auch BG (12.01.1989 G. SA

cl T. Ltd) YCA 1990 (XV) 509, 511; Oppetit, Rev. arb. 1990, 51, 569.

56 Trib. de Grande Instance de Strasbourg (09.10.1970 Animalfeeds Int. Corp. c:1 SAA Decker et eie.) YCA 1977 (11) 244, 244; Lalive/Budin/Henchoz, Note Rev. arb. 1986,589, 594/595; Klein, in Festgabe zum Schweizerischen Junstentag 1985, S. 165 ff; wohl auch Kessedjian, Note Rev. arb. 1990, 134, 140 f. 57 Corte di cassazione (11.02.1982 La Ligna c:/ Antonio Bottiti and Battiti Antonio and Co s.r.l.) YCA 1984 (IX), 421, 423; Corte di cassazione (14.11.1981 S.IAT. c:/ Soc. de navigation Transoceanique SA, Jauch and Hubner GMBH, Alfred C. Toepfer) YCA 1984 (IX) 416, 417; Tribunale di Napoli ~04.1982 Cereali Malozzi Spa c:/ .Agenzia Marittima Albano e Avallone ed altri) YCA 1987 (X!I) 492, 493; Poudret, in Melanges Plattet, S. 533; Mirabelli, YCA 1979 (IV) 362, 367; Bemim, YCA 1988 (XIII) 424, 425.

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Kapitel 3: Die Anerkenung und Vollstreckung

auf einem separaten Dokument beigefügt werden oder auf der Rückseite des Vertragswerkes oder Briefes abgedruckt sind.58 Das Schweizer Bundesgericht war mit diesem Problem in der Sache Tradax Export SA. cl Amoco Oil Company konfrontiert, hat aber hierzu nicht eindeutig Stellung bezogen.59 In dem zu entscheidenden Fall ging es um die W'll'ksamkeit einer allgemeinen Verweisung auf AGBs, in denen eine Schiedsklausel enthalten war. Das Schweizer Gericht hatte in Anwendung des Art. 11 (3) UNÜ zu prüfen, ob es aufgrund einer wirksamen Schiedsklausel die Parteien an das Schiedsgericht verweisen müsse. Ohne die Frage der Formwirksamkeit einer allgemeinen Verweisung auf Geschäftsbedingungen gemäß Art. 11 (2) UNÜ abschließend zu klären, hat das Gericht lediglich für den konkreten Fall eine derartige Verweisung unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Falles für zulässig erachtet.60 Die Tatsache, daß das Gericht die Auslegung einer Formvorschrift von den Umständen des Einzelfalles abhängig macht, ist aber nicht gerade geeignet, zur Rechtssicherheit in dieser wichtigen Frage beizutragen.61 Wie fast jede Formvorschrift umfaßt auch Art. 11 (2) UNÜ eine Beweisund eine Schutzfunktion.62 Diese Funktionen sind bei der Auslegung des Art. 11 (2) UNÜ zu berücksichtigen. Der Vorbehalt in Art. 11 (2) UNÜ, daß die Klausel im Briefwechsel oder in der Vertragsurkunde enthalten sein soll, dient vor allem dem Schutz der Vertragsparteien. Sie sollen die Möglichkeit haben, sich der Tragweite des Ausschlusses der staatlichen Gerichtsbarkeit bewußt zu werden. Auf der anderen Seite muß man berücksichtigen, daß das Gebot einer ausdrücklichen Verweis~ auf eine Schiedsklausel in den AGBs kein sehr praktikables Ergebnis6 wäre; denn die Konvention soll ja gerade die Aner58 van den Berx, S. 220; SchwabjWalter, S. 384; Wackenhuth, 'Z» 99 (1986) 445, 458; Kommeier/Sandroik, § 21 Rz. 91; weitergehend Stein/lonas/Schlosser, Anh. zu § 1044 ZPO

Rz. 41, der bei vorhandenen Geschäftsbeziehungen zwischen den Parteien auch dann eine allgemeine VerweisunJ auf AGBs ausreichen lassen will, wenn die Geschäftsbedingungen nicht an die andere Partei mitgesandt werden; so auch franz. Cour cass. (11.10.1989 Soc. Bomar Oil NY ~/ E.TAP) Rev. arb. 1990, 134, 135. 59 BGE (07.02.1984) 11011 54, 59.

60 Ähnlich unter Abwägung der einzelnen Fallumstände und insb. dem Willen der Parteien will Berlingieri, in Etudes offertes a Radiere, S. 372, 375 ff. verfahren.

61 Poudm, in M~1anp F1attet, S. 535.

62 W~, ZD 99. (1986) 445, 4~2; Stein/lonas/Schlosser, Anh. zu § 1044 Rz. 36; A. Bucher, Rz. 125; Undacher, m PS Habscheld, S. 168. 63 Wackenhuth, 'Z» 99 (1986) 445, 457, 459; Klein, in Festgabe zum Schweizerischen Juristentag 1985, S. 1~j..das gibt auch Poudrel in Melanges Plattet zu, der eine enge Auslegung des Art. 11 (2) UNU favorisiert, vgI. S. 533.

J. Gründe, die einer Anerltennung!VoUstreckung des Scbiedsspruches entgegenstehen

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kennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen und damit den internationalen Rechtsverkehr zwischen Kaufleuten vereinfachen.64 Mit diesem Ziel lassen sich aber strenge Formvorschriften schwer vereinbaren, noch dazu, da allgemeine Verweisungen auf AGBs im. internationalen Handel üblich sind. Dem Schutzzweck des Art. 11 (2) UNÜ wird daher Genüge getan, wenn der Vertragspartner des AGB-Verwenders die Möglichkeit hat, von dem Inhalt der AGBs Kenntnis zu nehmen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die allgemeinen Geschäftsbedingungen dem Vertragspartner übermittelt werden.6S Eine allgemeine Verweisung auf AGBs, in denen eine Schiedsklausel enthalten ist, genügt daher den Anforderungen des Art. 11 (2) UNÜ, wenn der Vertragspartner des Verwenders der AGBs zumutbar Kenntnis von deren Inhalt haben kann. Dies ist der Fall, wenn diese dem Vertragspartner mitübermittelt werden.

dd) Die Form der Vollmachtserteilung Ein weiteres Problem des Art. n (2) UNÜ besteht darin, ob diese Vorschrift sinngemäß auch auf die Erteilung der Vollmacht zum Abschluß einer Schiedsklausel anzuwenden ist.66 Die Ansichten zu dieser Frage sind geteilt. Man wird daher den Parteien raten müssen, im. Zweifel auch eine Vertretungsmacht in der Form des Art. 11 (2) UNÜ zu erteilen, um den Vorwurf einer Umgehung dieser Vorschrift zu vermeiden.67

64 vgl. Bergesen v. Joseph Müller Corp., 710 F. 2d 928, 929 (Court of Appeals, Second Circuit, 17.06.1983). 6S A. Bucher, Rz. 125; Wackenhuth, 'Zll 99 (1986) 445, 458; van den Berg, S. 220; ReithmannjMartiny, Rz. 1331; Lindacher, in PS Habscheid, S. 171, der aber auf S. 172 weiter nach der Art des Geschäftes differenzieren will. 66 V2I. bienu Lüer, JIA 1990 (vol. 7 no. 1) 127, 129; die Frage offenlassend LG Hamburg (10.12.1985) YCA 1987 (XII) 478, 488. Nach Ansicht des Landgerichts reicht jedenfalls eine Anscheins- bzw. Duldungsvollmacht nicht aus.

67 Für eine entsprechende Anwendung der Vorschrift auf die VoUmachtserreilung Kommeier/Sandrock, § 21 F Rz. 90; aA. Stein/lonas/Schlosser Anh. zu § 1044 Rz. 44; van den Berg, S. 223; ReithmannjMartiny, Rz. 1336; Berlingieri, in Etudes offertes a Rodiere, S. 374. Vgl. zu diesem Problem im Zusammenhang mit den Formvorschriften des Konkordats und des schw. IPRGs WaIder, in PS Keller, S. 677 ff.

172

Kapitel 3: Dic AnCrkcDUDg und Vollstreckung

ee) Vergleich des Art. TI (2) UNÜ mit Art. 6 schw. Konk. Eine nationale Formvorschrift, die höhere Anforderungen an die formelle Wirksamkeit des Schiedsvertrages stellt, ist Art. 6 schw. Konkordat. Danach bedürfen alle Schiedsverträge der "Schriftform", deren Vertragspartner beide in der Schweiz wohnhaft sind, und die einen Schiedsgerichtssitz in der Schweiz vorsehen. Was genau unter der Schriftform des Art. 6 I Konk. zu verstehen ist, bestimmt das Konkordat nicht. Die Formvorschrift wird daher anband der Art. 13 ff OR konkretisiert.68 Danach muß die Schiedsabrede von allen Parteien unterschrieben werden. Die Schiedsklausel muß jedoch nicht getrennt unterschrieben werden. Entsprechend dem Art. 11 (2) UNÜ genügt es, wenn die Unterschrift räumlich das gesamte Vertragswerk abdeckt, in dem die Schiedsklausel enthalten ist. Ein Unterschied der Konkordatsnorm zur Formvorschrift des UNÜ besteht aber darin, daß auch für den Fall eines Vertragsschlusses durch Austausch von Briefen diese von den Parteien unterschrieben sein müssen. Aus diesem Grund entfällt auch die Möglichkeit eines formwirksamen Vertragsschlusses durch Austausch von Telexen, da anders als z.B. bei persönlicher Telegrammaufgabe keine unterzeichnete Aufgabedepesche vorliegt (anders aber bei einer fernmündlichen Telgrammaufgabe). Eine mündliche Erklärung ist nach Art. 6 I Konk. niemals ausreichend und zwar auch dann nicht, wenn eine der Parteien Kaufmann ist.69 Zum Problem von Schiedsklauseln in allgemeinen Geschäftsbedingungen hat die Schweizer Rechtsprechung im Rahmen des Art. 6 I Konk. noch keine Stellung bezogen.

ff) Vergleich des Art. 11 (2) UNÜ mit Art. 178 I schw. IPRG

Der Schweizer Gesetzgeber hat durch Art. 178 I IPRG für internationale Schiedsverträge eine wesentlich liberalere Formvorschrift geschaffen als für interne Schiedsverträge (Art. 6 I Konk.). Nach dieser neuen Vorschrift genügt jeder Nachweis des Abschlusses einer Schiedsvereinbarung durch Text, sei es in Form eines Telegramms, Telefax, Telex oder anderer Kommunikationsübertragungsmittel. Art. 178 I IPRG setzt nicht voraus, daß die Schrift-

~ BG (14.11.197? ~Arabc dc Ubye cl Wctco ~d.) in Ann: Suissc 1981, 446, 447/448; JoUdon, S. 169; Rüede 'adenfeldt, S. 52; Nobel, m PS MClcr-Hayoz, S. 254; Kommeier/Sandrock, § 21 F 111; Samuel, S. 80. 69 RüedejHadenfeldt, S. 52; JoUdon, S. 169.

J. Gründe, die einer Anerkennung/VoUstreckung des Schiedsspruches entgegenstehen

173

stücke von den Parteien unterzeichnet sind. Insoweit ist die Formvorschrift des Art. 178 I IPRG liberaler als Art. 6 I Konk. i.V.m. Art. 13 ff. OR.70 Darüber hinaus verlangt Art. 178 I IPRG im Gegensatz zu Art. 11 (2) UNÜ auch keinen Austausch von Schriftstücken. Es genügt, wenn der schriftliche Nachweis eines Abschlusses eines Schiedsvertrages erbracht werden kann. Blessing71 meint aus dieser Wendung entnehmen zu können, daß nun aus allgemeinen obligationsrechtlichen Gründen auch dort von einem formgültigen Konsens nach Art. 178 I IPRG ausgegangen werden kann, wo eine Berufung auf einen fehlenden Austausch von Schriftstücken rechtsmißbräuchlich erscheine. Eine stillschweigende Annahme eines Schiedsvertrages z.B. durch Beginn der Vertragserfüllung sei somit unter konkreten Umständen ausreichend. Inwieweit sich diese Auslegung durchsetzen wird, ist noch nicht abzusehen. Eines läßt sich jedenfalls feststellen, daß der Wortlaut des Art. 178 I IPRG liberaler als der des Art. 11 (2) UNÜ ist. Welche Bedeutung Art. 178 I IPRG neben Art. 11 (2) UNÜ entfalten kann, ist nicht ganz klar.72 Das sei an dem folgenden Beispiel verdeutlicht: Eine fmnische und eine Schweizer Partei schließen einen Schiedsvertrag, der Zürich als Schiedsgerichtssitz vorsieht. Der Vertrag kommt dadurch zustande, daß der Vertrag, der die Schiedsklausel enthält, von der finnischen Partei unterzeichnet und von der Schweizer Partei mit einem Faksimile abgestempelt wird. Nachdem Streitigkeiten bei der Vertragsabwicklung entstanden sind, ist sich die finnische Partei nicht sicher, ob der Schiedsvertrag wirksam ist oder nicht. Sie klagt deshalb vorsichtshalber vor einem staatlichen Schweizer Gericht gegen die Schweizer Partei. Die Klage ist nur dann zulässig, wenn der Schiedsvertrag unwirksam ist. Als erstes stellt sich hier die Frage, nach welcher Vorschrift das Schweizer Gericht seine Zuständigkeit prüfen muß. Nach Art. 7 IPRG hat das Schweizer Gericht seine Zuständigkeit abzulehnen, wenn die Parteien in einer schiedsfähigen Sache einen wirksamen Schiedsvertrag abgeschlossen haben. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht dann, wenn sich die Beklagte Partei vorbehaltlos auf das staatliche Gerichtsverfahren einläßt.

70 Budin, Rev. 1988, 766, 768.

am. 1988, 51, 54; Blessing, JIA 1988 (vol. 5 no. 2) 9, 30; Habscheid,

RIW

71 JIA 1981t (vol. 5 no. 2) 9, 30; auch Samuel, S. 81 interpretiert Art. 178 I IPRG weiter als Art. II (2) UNU. 72 V gl. Samuel, S. 90 ff.

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Kapitel 3: Die Anerkenung und Vollstreckung

Auch das UNÜ kennt eine vergleichbare Vorschrift. Nach Art. 11 (3) UNÜ hat ein staatliches Gericht eines Vertragsstaates sich für unzuständig zu erklären, wenn es von einer Partei in einer Sache angerufen wird, in der die Parteien einen wirksamen Schiedsvertrag geschlossen haben. Es stellt sich damit die Frage, nach welcher Vorschrift (Art. 11 (3) UNÜ oder Art. 7 IPRG) der Schweizer Richter verfahren muß. Die Frage ist trotz gleichen Inhalts der Normen von Bedeutung, da im Falle der Anwendbarkeit des UNÜ die Formvorschrift des Art. II.J2) UNÜ die nationale Vorschrift des Art. 178 I IPRG verdrängen würde. Je nach dem, welche Formvorschrift für das obengenannte Beispiel zur Anwendung kommt, können die Lösungen divergieren. Dies sei nachfolgend verdeutlicht: Art. 11 (3) UNÜ verpflichtet die staatlichen Gerichte im Falle der wirksam erhobenen Schiedseinrede, die Parteien an das Schiedsgericht zu verweisen und sich für unzuständig zu erklären. Es ist mithin die einzige Vorschrift im New Yorker Übereinkommen, die sich nicht auf die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen bezieht, sondern auf die "Anerkennung von Schiedsverträgen". Im Gegensatz zu den Vorschriften zur Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen, ist für Art. 11 (3) UNÜ der Anwendungsbereich nicht definiert worden. Art. 1(1) UNÜ ist auf die Anerkennung von Schiedsverträgen nicht unmittelbar anwendbar, da diese Vorschrift ihrem Wortlaut nach nur den Anwendungsbereich der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche regelt.74 Der Grund für die "Unvollständigkeit" des Art. II (3) UNÜ liegt wohl darin, daß diese Vorschrift erst am letzten Tag der Konferenz in New York in den endgültigen Konventionstext aufgenommen wurde?5 Der Anwendungsbereich des Art. II (3) UNÜ ist damit ungewiß?6 Man könnte Art. 11 (3) UNÜ im Lichte des Art. I (1) UNÜ auslegen. Nach Art. I (1) UNÜ ist die Konvention nur auf die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche anzuwenden. Eine analoge Anwendung des Art. I (1) UNÜ würde bedeuten, daß Art. 11 (3) UNÜ dann zur Anwendung käme, wenn der zukünftige Schiedsspruch in der Sache als

73

Vgl. oben 5.165 f.

74 V&l. Stein/l_/SchIosser, Vor § 1044 Rz. 22, 23. 75 V gl. Bertheau, S. 37 Pn. 21; vgl. auch Nolting, IPRax 349, 350; Gentinetta, S. 292.

76 Manche Vertragsstaaten haben in ihren Einführun~gesetzen diese Prage geklärt, z.B. England, Australien, USA und Schweden. vgl. dazu Stein/lonas/Schlosser, vor § 1044 Rz. 2830; von den Berg, S. 61-70.

J. Gründe, die einer Anerkennung/VoUstreckung des Schiedsspruches entgegenstehen

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ausländischer im Sinne des Art. I (1) UNÜ zu qualifizieren wäre?7 Für den vorliegenden Fall würde dies bedeuten, daß der Schweizer Richter die formelle Wirksamkeit des Schiedsvertrages an Art. 178 I IPRG messen würde, da ein Schiedsspruch in der Sache zwar ein internationaler, aber dennoch ein Schweizer Schiedsspruch wäre. Der Schiedsvertrag wäre nach Art. 178 I IPRG wirksam. Anderer Ansicht nach ist der Anwendungsbereich des Art. n (3) UNÜ extensiv auszulegen.78 Danach ist Art. n (3) UNÜ auch dann anwendbar, wenn der in einem späteren Schiedsverfahren ergehende Schiedsspruch zwar ein nationaler wäre, aber das Schiedsverfahren selbst einen gewissen Grad des Auslandsbezuges aufweist. Vertreter dieser Ansicht nehmen einen ausreichenden Auslandsbezug für Art. n (3) UNÜ an, wenn z.B. der Wohnsitz einer der Parteien außerhalb des Landes liegt, in dem sich der Sitz des Schiedsgerichtes befindet oder wenn der Streitgegenstand einen Auslandsbezug aufweist. Würde man dieser Meinung folgen, so müßte in dem obengenannten Beispiel der Schweizer Richter die formelle Gültigkeit des Schiedsvertrages an der Sachnorm des Art. n (2) UNÜ messen. Die Schiedsvereinbarung wäre damit unwirksam, da, soweit der Vertrag nicht durch Austausch von Dokumenten zustande kommt, Art. n (2) UNÜ die Unterschrift der beiden Parteien für die formelle Wirksamkeit des Schiedsvertrages voraussetzt. Ein Faksimile ist jedoch keine Unterschrift und kann diese auch nicht ersetzen.79 Eine derartig weite Auslegung des Art. n (3) UNÜ ist aber unhaltbar. Dies sei durch eine Abwandlung des obigen Beispiels verdeutlicht: 77 So z.B. das schwedische Gesetz über ausländische Schiedsverträge und Schiedssprüche von 1976, vgl. dazu van den Berg S. 62 und Stein/lonas/SchkJsser Vor § 1044 Rz. 30; so auch Corte di cassazione (12.10.1982 Air India cl Carlo Avanzo) YCA 1984 (IX) 431, 432; so wohl auch BG (22.05.1985 P. SA cl F. Ltd.) YCA 1987 (XII) 509, 510 = BGB 1'11 11 62, 65; grundsätzlich auch Stein/lonas/Schiosser, Vor § 1044 ZPÖ RZ. 24, 26 aber insoweit etwas weiter, als Art. 11 UNU auch dann zur Anwendun~ kommt, ~nn es wahrscheinlich ist, daß der spätere Schiedsspruch in den AnwendungsbereIch des UNU fällt, so auch Gl/ja, Vol. 1 Part 1 IA.3; Nolting, IpRax 1987, 349, 350. 78 van den Berg, S. 61-67; A. Bucher, Rz. 118, 134-137; öster. Oberster Gerichtshof (17.11.1971) YCA 1976 (I) 183, 183; teilweise wenden Vertreter dieser Ansicht aber auch im Rahmen..des Art. 11 (3) üNü bei d~r Frage der Anerkennung eines Schiedsvertrages den Art. VII UNU analog an. Art. VII UNU gestattet einer Partei im Rahmen der Anerkennung und Vollstreckung von SchiedssJ?rüchen auch innerhalb des Anwendungsbereiches des UNU die Berufung auf günstAgere natIOnale Anerkennungsvorschriften wen bloc". Wird diese Vorschrift auf Art. 11 (3) UNU analog angewandt, so kann sich eine Partei auch auf eine günstigere nationale Formvorschrift für Schiedsverträge berufen; so z.B. van den Berg, S. 86-88. 79 ReithmannjMartiny, Rz.1327.

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Kapitel 3: Die Anerkenung und Vollstreckung

Würde die finnische Partei nicht den staatlichen Richter anrufen, sondern die Schweizer Partei das Schiedsverfahren initiieren, die Schiedsrichter darauthln einen Kompetenzentscheid im Sinne des Art. 186 m schw. IPRG erlassen und die finnische Partei diesen vor dem zuständigen Schweizer Gericht nach Art. 190 m IPRG anfechten, so würde das Gericht nun feststellen, daß der Schiedsvertrag formwirksam geschlossen worden ist; denn in einem Anfec:htuIlpverfahren finden die Vorschriften des UNÜ nach ganz herrschender Ansicht keine Anwendung.80 Prüfungsma&tab für die formelle Wirksamkeit des Schiedsvertrages kann im Anfechtungsverfahren nur Art. 178 I IPRO sein und danach wäre der Vertrag formwirksam. Derartige sich widersprechende Urteile in einem Land bezüglich der Formwirksamkeit eines Schiedsvertrages sind aber kaum tragbar.

Es gibt nur drei Möglichkeiten, diesen Konflikt zwischen nationaler Formvorschrift und Art. 11 (2) UNÜ zu umgehen: Man könnte die Formvorschrift des Art. 11 (2) UNÜ auch außerhalb der Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen bzw. der Anerkennung von Schiedsverträgen anwenden &z.B. im Rahmen eines Anfechtungsverfahren gegen den Schiedsspruch).8 Eine derartige Ansicht würde Art. 178 I IPRO ohne jeglichen Anwendungsbereich lassen und wäre auch kaum mit dem Wortlaut des UNÜ vereinbaren.82 Diese Ansicht ist daher abzulehnen. Eine andere Möglichkeit wäre, Art. 11 (3) und Art. 11 (2) UNÜ auch auf die Anerkennung "internationaler" Schiedsverträge anzuwenden, aber über Art. VII UNÜ analog die Berufung auf eine günstigere nationale Formvorschrift zuzulassen.83 Eine dritte Möglichkeit wäre, den Anwendungsbereich des Art. 11 (3)

UNÜ (und damit auch die Formvorschrift des Art. 11 (2) UNÜ) von vorn-

herein auf die Anerkennung solcher Schiedsverträge zu beschränken, die zu einem ausländischen Schiedsspruch i.S.d. Art. I (1) UNÜ führen werden.

80 Franz. Cour ~. (05.05.1987 Commendement des fortes aeriennes de la Rep. islamique d'Iran cl M Le Griel et Copper-Rover) Ounet 1987, 964, 965 = Rcv. aro. 1988, 137; siehe auch BG (14.11.1979 RCp. Arabe de tibye cl Wetco Ltd.) Ann. Suissc 1981, 446, 447; so auch SteinjJolUJS/Schlosser, Vor § 1044 Rz. 24.

81 Z.B. in einem Anfcchtuna,sverfahren; so anscheinend neuerdings franz. Cour cass. Bomar on NY cl RTAP) Rev. arb. 1990, 134 ff.; mit ablehnender Anmerkung lCessedJran, Rev. arb. 1990, 134, 137; so auch SchwobjWa/Ur, S. 384/38S. 82 A.A.A. Bucher, in PS Moser, S. 202. 83 Vgl. oben S. 17S Fn. 78; v. Hojfmonn, in Die internationale Schiedsgcrichtsbarkeit in (11.10.~989

der Schweiz, Bd. 1/11 S. lSS; aA lQCquet, Note Ounet 1986, 735, 742.

J. Gründe, die einer Anemennung/VoUstrec:kung des Scbiedsspruches entgegenstehen

1n

Welcher der beiden letztgenannten Auffassungen man auch folgt, für die nationale Formvorschrift des Art. 178 I IPRG bliebe in jedem Fall ein eigenständiger Anwendungsbereich im Rahmen der Anerkennung von Schiedsverträgen.84 Gerade dieser eigene Anwendungsbereich der nationalen Formvorschrift im Rahmen der Anerkennung von Schiedsverträgen führt aber zu Problemen bei der Anerkennung und Vollstreckung internationaler Schweizer Schiedsspruche mit Rechtsmittelverzicht in der Schweiz. Dies sei am folgenden Beispiel veranschaulicht: Eine deutsche und eine französische Fuma, beide mit Sitz und Niederlassung außerhalb der Schweiz, schließen einen Schiedsvertrag, in dem sie Genf als Schiedsort bestimmen. Der Vertrag kommt dadurch zustande, daß die französische Partei der deutschen ein Vertragsangebot schickt, das auch ein Angebot zum Abschluß eines Schiedsvertrages enthält. Die deutsche Partei bestätigt die Vertragsannahme gegenüber der anderen Partei telefonisch, nimmt auch auf die Schiedsklausel Bezug und beginnt mit der Vertragserfüllung. Zwischen den Parteien kommt es im Rahmen der Vertragsabwicklung zu Meinungsverschiedenheiten, die die französische Partei in einem Schiedsverfahren klären will. Da für die Bestellung des Schiedsrichterkollegiums im Schiedsvertrag kein Verfahren vorgesehen ist, ruft sie gemäß Art. 179 11, m IPRG den Richter am Sitz des Schiedsgerichtes (im vorliegenden Beispiel Genf) um Hilfe an. Der staatliche Richter kann dem Begehren nur stattgeben, wenn eine summarische Prüfung ergibt, daß zwischen den Parteien ein wirksamer Schiedsvertrag besteht. Der Richter wird, da es sich um ein "Schweizer Verfahren" handelt, die formelle Wirksamkeit des Schiedsvertrages anband des Art. 178 I IPRG und nicht anband des Art. 11 (2) UNÜ überprüfen.8S Da im vorli;jenden Fall der Schiedsvertrag der Form des Art. 178 I IPRG entspricht, wird er, soweit keine anderen Mängel vorliegen, die Schiedsrichterbestellung vornehmen. Vereinbaren die Par· teien im nun laufenden Schiedsverfahren einen Rechtsmittelverzicht gemäß Art. 192 IPRG, so käme, falls der Schiedsspruch in der Schweiz vollstreckt würde das UNÜ zur Anwendung. Greift aber das UNÜ ein, so verdrängt die Formvorschrift des Art. 11 (2) UNÜ die nationale Vorschrift des Art. 178 I IPRG und der Schiedsspruch könnte nicht vollstreckt werden. Dies wäre ein absurdes Ergebnis; denn der Schiedsspruch hätte die Wirkung der res

84 vgl. in diesem Sinne auch für das dt. Recht Lindacher, in FS Habscheid, S. 169. 8S Reytnond, in Die internationale Schiedsgerichtsbarkeit in der Schweiz, Bd. 1/11 S. 166. 86 Blessing, JIA 1988 (vol. 5 no. 2) 9, 30. 12 Haas

178

Kapitel 3: Die Anerkenung und Vollstreckung

judicata, könnte aber wegen fehlender Schriftform in der Schweiz nicht vollstreckt werden. Man sieht an dem vorstehenden Beispiel wohl, daß das Verhältnis zwischen der Formvorschrift des Art. 11 (2) UNÜ zu den nationalen Formvorschriften komplex ist. In dem der Schweizer Gesetzgeber aber für internationale Schiedssprüche mit Rechtsmittelverzicht i.S.d. Art. 192 I IPRG, obwohl diese als Schweizer Entscheide zu qualifizieren sind, das UN-Übereinkommen zur Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche für anwendbar erklärt hat, ist das Zusammenspiel zwischen der nationalen Formvorschrift des Art. 178 I IPRG und Art. 11 (2) UNÜ unentwirrbar geworden. Entgegen der Ansicht von Samuel87 führt der liberalere Art. 178 I IPRG

im Zusammenhang mit dem UNÜ zu mehr Problemen als die alte Konkordatslösung. Man kann daher nur hoffen, daß Art. 178 I IPRG entgegen seinem Wortlaut restriktiv ausgelegt wird, d.h. identisch mit Art. 11 (2)

UNÜ, damit es bei der Vollstreckung von internationalen Schiedssprüchen mit Rechtsmittelverzicht in der Schweiz zu keinen Konflikten zwischen der nationalen und der internationalen Formvorschrift kommt.

b) Das Formerfordernis nach Art. 1499 franz. NCPC Will eine Partei nach Art. 1498 NCPC die Vollstreckbarerklärung für einen ausländischen oder internationalen Schiedsentscheid in Frankreich beantragen, so hat sie dem Exequaturrichter gemäß Art. 1499 NCPC den Schiedsvertrag im Original oder in Kopie vorzulegen. Es stellt sich damit die Frage, ob das französische Recht einen schriftlichen Schiedsvertrag für die Anerkennung und Vollstreckung voraussetzt.88 Ein derartiges Formerfordernis ist in Vorschriften über die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen nicht unüblich. So können z.B. nach dem UNÜ nur solche Schiedssprüche anerkannt und vollstreckt werden, denen ein Schiedsvertrag zugrunde liegt, der der Form des Art. 11 (2) UNÜ

87

Samuel, S. 93. 88 Die gleiche Frage stellt sich auch bei Art. 1719 IV belg. Cf, wonach dem Antrag auf Erteilung des Exequaturs der Originalschiedsvertrag beizufügen ist.

J. Gründe, die einer Anerkennung/Vollstreckung des Schiedsspruches entgegenstehen

179

entspricht.89 Diese Formvorschrift im UNÜ ist zwingend.90 Auch nach Art. 36 I (a) (i) UNCITRAL model law können nur solche Schiedssprüche anekannt werden, denen ein formwirksamer Schiedsvertrag nach Art. 7 des model law zugrunde liegt. Ob Art. 1499 NCPC ebenfalls im Sinne einer Sachnorm auszulegen ist, ist fraglich. 91 Eine derartige zwingende Formvorschrift wäre nur schwer mit der liberalen Grundhaltung des französischen Gesetzgebers gegenüber ausländischen und internationalen Schiedssprüchen zu vereinbaren. Die Vorschriften zum internationalen Schiedswesen im NCPC gestatten den Parteien, das auf den Schiedsvertrag und das Schiedsverfahren anzuwendende Recht frei zu wählen. Für das internationale Schiedswesen ist im V. Titel des NCPC keine ausdrückliche Formvorschrift enthalten. Dagegen enthält das interne französische Schiedsverfahrensrecht eine Formvorschrift in Art. 1443 I NCPC. Danach ist der Schiedsvertrag unwirksam, wenn der Vertrag, in dem die Schiedsklausel enthalten ist oder in dem auf diese verwiesen wird, nicht schriftlich abgefaßt ist. Selbst wenn sich die Parteien dazu entschließen, auf ein internationales Schiedsverfahren die Vorschriften zum internen französischen Schiedsverfahrensrecht anzuwenden, erlaubt ihnen Art. 1495 NCPC, zwingende interne Verfahrensvorschriften abzubedingen. Damit könnten die Parteien in einem internationalen Schiedsverfahren das Schriftformerfordernis des Art 1443 I NCPC ausschließen. Es fragt sich, ob diese im V. Titel des NCPC zum internationalen Schiedswesen zum Ausdruck kommende Freiheit der Parteien bezüglich der Form des Schiedsvertrages durch das Hintertürchen des Art. 1499 NCPC im Zeitpunkt der Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsentscheides wieder eingeengt wird. Teilweise wird Art. 1499 NCPC dahingehend ausgelegt, daß der Exequaturrichter sich mit der Vorlage eines Minimums an Dokumenten begnügen muß. Kann aber ein schriftlicher Schiedsvertrag nicht vorgelegt werden, so muß die die Anerkennung und/oder Vollstreckung betreibende Partei in dem Antrag eine plausible Erklärung für das Fehlen der Schrift89 Vgl. hierzu oben S. 163 Cf. 90 Vgl. RDbert, in Liber amicorum Sanders, S. 279; und oben unter S. 165 f. 91 Vgl. Reymond, Rev. arb. 1989,385,400; BelletjMezger, Rev. crit. 1981,611, 639; lacquet, Note Ounet 1986, 735, 742; Mezger, in Schiedsgerichtsbarkeit in Frankreich, S. 51; ders., Rev. arb. 1981,543,S44;f1ouchard,Ounet 1982,374,385.

180

Kapitel 3: Die Anerkenung und Vollstreckung

form geben.92 Haben die Parteien somit einen mündlichen Schiedsvertrag abgeschlossen oder ist dieser durch Schweigen auf ein Bestätigungsschreiben zustande gekommen, so schließt dies die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruches nicht grundsätzlich aus, soweit eine derartiger Vertragsabschluß im internationalen Handel usus oder nach dem anwendbaren Recht möglich wäre.93 Teilweise wird vertreten, Art. 1499 NCPC sei lediglich eine Beweisnorm und keine Formvorschrift. Art. 1499 NCPC setze lediglich voraus, daß der Antragsteller den Abschluß des Schiedsvertrages irgendwie schriftlich nachweise. Ob der Schiedsvertrag selbst schriftlich abgefaßt ist oder nicht, sei nicht entscheidend.94 Für diese Auslegung des Art. 1499 NCPC spricht, daß vor der Gesetzesänderung von 1981 für die vergleichbare Vorschrift des Art. 1005 CPC allgemein anerkannt war, daß der Abschluß eines Schiedsvertrages lediglich schriftlich nachzuweisen sei.9S 92 Mezger, in Schiedsgerichtsbarkeit in Frankreich, S. 52; tIers., Rev. arb. 1981, 543, 544;

Derains, YCA 1981 (VI) 1, 15.

93 So hat z.B. die Cour d'appel de Paris (30.11.1988 Soc. Korsnas Marma c/ Soc. Durand Auzias) Rev. arb. 1989, 691, 694 entschieden, daß ein Schiedsvertrag auch eine solche Partei bindet, die diesen nicht unterschrieben hat. Ausreichend sei vielmehr, daß die Partei bei der Abwicklung der die Schiedsklausel enthaltenen Verträge beteiligt war und sie von der Schiedsldausel und deren Tragweite wuSte; im selben Sinne Cour d'appel de Paris (28.11.1989 Compagnie tunisienne de navigation (Contunov) c/ Soc. Comptoir oommercial Andre) Rev. arb. 1990, 675, 6n f. 94 Goldman, in Uber amioorum Sanders, S. 168; Fouchard, aunet 1982, 374, 386; Audit, in Resolving transnational disputes through intt;ptational arbitration, S. 137; Mezger, Rev. arb. 1981,543,544; Derains, YCA 1981 (VI) 1, 15. AhnIich ist die Rechtslage auch für Art. 1719 IV belg. CJ; denn selbst die für inländische belgische Schiedsverträge erforderliche Schriftform in Art. 16n belg. CJ wird nicht als materielle Wirksamkeitsvoraussetzung des Schiedsvertrages gesehen, sondern lediglich als Bewcisvorschrift aufgefaßt. Vgl. Dermine, Note Ir 1978 137, 137; Derminejllorsmans, S. 23; VEI. für die Rechtslage vor 1972 schon Bemard, S. 60; DA. Linsmeaujvan Gelder, Ir 1973, 203, 208; Trib. civil de Liege (10.11.1976 Brisy c/ Dignolfe) Ir 1978, 137, 137. Dann kann aber für ausländische Schi~rüche nichts anderes gelten. Art. 1719 IV belg. CJ ist damit keine Formvorschrift für ausländISChe Schiedsverträge.

95 VId. Cour d'appel de Paris (30.03.1990 Soc. Abilio Rodriguez cl Soc. Vigelor) Rev. arb. 1990, 69f, 692, wonach ein einseitiges Bestätigungsschreiben ausreichend ist; Vgl. auch Cour d'appel de Paris (25.03.1983 Soc. Sorvia c/ Weinstein International Disc. Corp.) Rev. arb. 1984, 363, 365. Die Gerichtsentscheidung erging zwar nach der Gesetzesänderung von 1981, hatte aber einen Schiedsspruch zum Gegenstand, der noch vor der Reform gefällt worden war, so daß der V. und VI. Titel des NCPC nicht zur Anwendung kamen. In dem Fall hatte die Cour d'appel einen wirbamen Schiedsvertrag angenommen, obwohl dieser zwischen den Parteien nur ~iFnd Z\IItande kam. Ausreichend für die Exequaturerteilung war, daS der Beweis durch zeitlich wrberpbencle Sc:hriftwechIeI zwischen den Parteien erbracht werden konnte, in denen die Parteien bei allen vorangehenden Vertilgen stets eine Schiedsklausel vereinbart hatten. Die Entscheidung des App.Gerichts hatte damals allgemein Zustimmung erfahren; VEI. Roben, Note Rev. arb. 1984, 363, 367 ff.; vgI. auch Leppoittevin, Note Rev. arb. 1982, 283, der aber nicht nur den Urkunden-, sondern auch den Zeugenbeweis für ausreichend erachtet.

m,

J. Gründe, die einer AnerkennungfVoUstreckung des Schiedsspruches entgegenstehen

181

Da Art. 1499 NCPC keine materielle Sachnorm ist, richtet sich die Schriftform des Schiedsvertrages in Frankreich nach den allgemeinen IPRGrundsätzen. Danach gilt für die Formerfordernisse eines Vertrages der Grundsatz "locus regit actum".96 Kann nach dem so ermittelten Recht ein Schiedsvertrag mündlich abgeschlossen werden,97 so steht dies einer Vollstreckung des Schiedsspruchs in Frankreich grundsätzlich nicht entgegen.98 Der Einwand der mangelhaften Form des Schiedsvertrages wird häufig von der im Schiedsverfahren unterlegenen Partei im Stadium der Anerkenung und Vollstreckung erhoben.99 Die Unterschiede zwischen den einzelnen nationalen Formvorschriften sind groß. Im Anwendungsbereich des UNÜ hat Art. II (2) UNÜ wesentlich zur Vereinheitlichung dieser Frage beigetragen. Soweit Schiedsprüche nach autonomem Recht anerkannt bzw. vollstreckt werden, führt der Einwand der mangelhaften Form des Schiedsvertrages nur selten zur Versagung der Anerkennung und Vollstreckung, da der Trend zunehmend hin zu einer Lockerung der Formvorschriften geht.

4. Die subjektive Schiedsfähigkeit Der Schiedsvertrag kann auch dann unwirksam sein, wenn eine der Parteien nicht subjektiv schiedsfähig ist. lOO Die mangelnde subjektive Schiedsfähigkeit stellt auch nach dem UNÜ einen Versagungsgrund dar.

96 BatiffplfLagarde, Bd.

n Rz. 599; Roben, Rz. 269; Loquin, Note Ounet 1987, 934, 949;

Begum, in -EtUdes offertes a Houin, S.

253. Abweichend von diesem Grundsatz können die Parteien die Form des Vertrages durch ausdrückliche Vereinbarung auch dem Schiedsvertragsstatut oder dem PersonalStatut unterstellen. Vgl. hierzu franz. Cour cass. (28.05.1963 Pierucci cl Harnay) D. 1963, 677, 677; franz. Cour cass. (10.12.1974 Soc. les ftlms Roger Richebi cl Soc. Roy Export Cy Est et Cbarlie Cbaplin) Gazette du Palais 1975.1, 178, 178.

97 Nach franz. internen Recht kann der Schiedsvertra~ nicht mündlich abgeschlossen werden. Es ist nicht ausreichend, wenn das Bestätigungsscbrelben einer Partei die Schiedsklausel enthält und die andere Partei hiergegen nicht protestiert; vgl. Cour cass. (15.07.1987 Soc. Brittania cl Soc. Jtequal et Maury) Rev. arb. 1990, 627, 628. 98 Vgl. auch Klein, in Festgabe zum Schweizerischen Juristentag 1985, S. 163; ist französisches Recht maßgebend, so ist Schriftform nicht Voraussetzung für die Wirksamkeit des Schiedsvertrages, wenn es sich um ein internationales Schiedsverfahren handelt; vgl. Bourdin, in Droit et Pratique de I'Arbitrage International en France, S. 21.

99 Vgl. von den Berg, YCA 1989 (XIV) 528, 546. 100 Vgl. so ausdrücklich Art. 1723 no. 3 i.V.m. Art. 1704 IIlit. b, Art. 1676 Cf; vgl. dazu Krings, RDIDC 1976, 181, 187.

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Kapitel 3: Die Anerkenung und Vollstreckung

Nach Art. V (1) lit. a UNÜ ist einem ausländischen Schiedsspruch die Vollstreckbarerklärung zu versagen, wenn die PaTteien zum Abschluß einer derartigen Vereinbarung nicht fähig waren. Zwar heißt es im Text der Konvention, daß ein Versagungsgrund nur dann vorliegt, wenn die PaTteien nach dem jeweiligen Recht nicht zum Abschluß einer derartigen Vereinbarung fähig waren. Der Text ist aber insoweit mißverständlich, als schon die mangelnde subjektive Schiedsfähigkeit einer Partei einen Versagungsgrund darstellt. Dies hat jetzt auch das model law in Art. 36 I (a) (i) klargestellt, das sich ansonsten im Rahmen der Anerkennung und Vollstreckung wörtlich an das UNÜ anlehnt. In der Vorschrift des modellaw heißt es "Recognition or enforcement ... may be refused only ...[ if the party can proof that] ... a party to the arbitration agreement referred to in Art. 7 was under some incapacity; .. .". Die subjektive Schiedsfähigkeit der Parteien fällt grundsätzlich nicht unter das Schiedsvertragsstatut. Das UNÜ verweist in Art. V (1) lit. a UNÜ für die subjektive Schiedsfähigkeit vielmehr auf das "anwendbare Recht", das vom Schiedsvertragsstatut verschieden ist. Wie dieses aber zu bestimmen ist, läßt das UNÜ offen. Man wird daher auf die Kollisionsnormen des Landes zurückgreifen müssen, in dem um die Anerkenn~ oder Vollstreckung des ausländischen Schiedsspruchs nachgesucht wird.10 Damit ergeben sich für die Anerkennung und Vollstreckung nach dem UNÜ und nach nationalen Vorschriften keine Unterschiede bezüglich der Anknüpfung für die subjektive Schiedsfähigkeit.

a) Zum Sonderproblem der subjektiven Schiedsfähigkeit von Staaten und staatlichen Unternehmen Mit dem zunehmenden Handel der westlichen Industriestaaten mit Ostblock- und Entwicklungsländern und damit auch der zunehmenden Anzahl von Schiedsverfahren, an denen juristische Personen des öffentlichen Rechts

101 Fouchmd, Rz. 152-154; BrolOns, RdC 1984 I 173, 222; von den Berg, S. 276; Schlosser, 2. Aufl., Rz. 325/326; Gaja, I.C.2; a.A. A. Bucher, Rz. 439 und Gentinetta, S. 306, sie woll~ für die subjektive Schiedsfähigkeit am Recht des Landes anknüpfen, in dem die Parteien ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.

J. Gründe, die einer Anerkennung/Vollstreckung des Schiedsspruches entgegenstehen

183

beteiligt sind, gewinnt das Problem der subjektiven Schiedsfähigkeit von Staaten und staatlichen Unternehmen mehr und mehr an Bedeutung. l02 Das UNÜ und die meisten nationalen Rechtsordnungen enthalten zu diesem Problem keine besonderen Regelungen. In Art. I (1) Satz 1 UNÜ z.B. heißt es lediglich, daß sowohl natürliche als auch juristische Personen Parteien in einem Schiedsverfahren sein können. Die Verfasser des UNÜ hatten bei dieser Definition auch Staaten und staatliche Unternehmen im Auge.103 Da Staaten und staatliche Unternehmen aus dem Anwendungsbereich des UNÜ nicht ausdrücklich ausgeschlossen sind, richtet sich deren subjektive Schiedsfähigkeit genauso wie die privater Rechtssubjekte gemäß Art. V (1) lit. a UNÜ nach den Kollisionsnormen der lex fori des Anerkennungsrichters.104 Diese Kollisionsnormen werden für die Frage der subjektiven Schiedsfähigkeit in der Regel auf das Recht des Landes verweisen, dessen Nationalität eine Partei besitzt, bzw. bei juristischen Personen wird auf das Recht am Sitz der juristischen Person abgestellt. Einige Länder schränken in ihren Rechtsordnungen die subjektive Schiedsfähigkeit sowohl für den Staat selbst als auch für staatliche Unternehmen ein. lOS Zwar wird die Bereitschaft, mit einem öffentlich-rechtlichen Rechtssubjekt Handel zu treiben, nicht gerade dadurch gesteigert, daß dieses sich im Falle des Streits auf seine subjektive Schiedsunfähigkeit beruft. In vielen Fällen sind diese Staaten und staatlichen Unternehmen auf die auswärtige Finanzierung ihrer Projekte angewiesen, so daß auf diesen oftmals ein massiver wirtschaftlicher Druck lastet, der ihnen eine Berufung auf ~s~ere nationale Vorschriften zur subjektiven Schiedsfähigkeit verbietet.106 Sollte sich ein öffentlich-rechtliches Rechtssubjekt trotzdem auf seine eigene fehlende subjektive Schiedsfähigkeit berufen, so stellt sich die Frage, 102 Vgl. hierzu die von Jarvin, in Rev. aro. 1985,58S angegebene Statistik; Delaume, Dunet 1984, 521, 523; Carabiber, in Uber amicorum Domke, S. 23; Roben, S.252 Rz. 287. 103 David, S. 249 Rz. 196; A. Bucher, Rz. 476. 104 Vgl. oben S.182. lOS Nach Art. 395 11 CCP von Costa Rica können öffentliche Unternehmen und juristische Personen des öffentlichen Rechts nur dann Schiedsverträge abschließen, wenn sie zuvor vom Nationalkongress oder der Exekutive hierzu ermächtigt worden sind; Art. 442 11 des algerischen CCP von 1966 verbietet den staatlichen Unternehmen und dem Staat schlechthin derartige Verträge abzuschließen; vgI. auch Art. 2060 franz. CC und Art. 167611 belg. CJ; Art. 2160 tunesischer CPC; seit einer Entscheidung des Ministerrates vom 25.06.1963 no. 53 gelten solche Einschränkungen auch in Saudi Arabien. Vgl. rechtsvergleichend zu den nordafrikanischen Staaten Terki, RDIDC 1989, 124 ff. 106 Vgl. Terki, RDIDC 1989, 124, 132.

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Kapitel 3: Die Anerkenung und Vollstreckung

ob es hierdurch den Ablauf des Schiedsverfahrens oder die spätere Durchsetzung des Schiedsspruchs verhindern kann. Sowohl die Schiedsgerichte als auch die staatlichen Gerichte tendieren dahin, eine Berufung eines Staates oder eines staatlichen Unternehmens auf die eigene fehlende Schiedsfähigkeit für unzulässig zu erachten, wenn das Rechtssubjekt im internationalen Handel wie eine Privatperson aufgetreten ist. 107 Begründet wird dieses Ergebnis unterschiedlich: So hat z.B. der französische Kassationshof in dem Fall "Galakis" entschieden, daß der Art. 1004 CPC Getzt Art. 2060 CC), der die subjektive Schiedsfähigkeit von öffentlich-rechtlichen Rechtssubjekten und staatlichen Unternehmen beschränkt, auf internationale Handelsstreitigkeiten keine Anwendung findet. lOS Andere wiederum unterscheiden nicht zwischen internen und internationalen Schiedsverfahren, sondern halten die Berufung eines Staates oder staatlichen Unternehmens auf die eigene fehlende subjektive Schiedsfähigkeit schlechthin für einen Verstoß gegen das Prinzip von Treu und Glauben bzw. pacta sunt servanda;l09 denn die Gründe, die im internationalen Rechtsverkehr zur Schiedsgerichtsbarkeit ~en, gelten für öffentliche und private Unternehmen im gleichen Maßepo 107 Court of flISt instance of Tunis (22.03.1976 Soc. Tunisienne d'Etectricitc! et de Gaz cl Soc. Entrepose) YCA 1978 (III) 238, 238; franz. Cour cass. (02.05.1966 Galakis cl Agent judJciaire du uesor) Rev. am. 1966, 99; Cour d'appel de Paris (10.04.1957 amt Myrtoon Steamship) aunet 1958, 1002; VJd. zu diesem letzten Fall Carbonneau, T.L.R vol. 55 (1980) 1, 52; Goldman, Note aunet 1981; 638, 642; HuysjKeutgen, Ir 1988, 417, 418 para 7; vgI. auch ICC-Schiedsspruch in der Sache no. 4381 in aunet 1986, 1103, 1106.

lOS Franz. Cour cass. (02.05.1966) D. 1966, 533 = Rev. arb. 1966, 99; VJd. im selben Sinne schon die Entscheidung der Cour d'appel de Paris (10.04.1957) aunet 1958, 1002. Obwohl die Gesetzeslage in Belgien der französischen lange Zeit sehr ähnlich war (vgl. oben S. 37), hat BeltPen die franz. Rspr. nicht nachvollzogen. Belgien hat sogar mit der neuen Regelung zur Schledsgeric:htsbarkeit im CJ ausdrücklicli an der alten Rechtslage festgehalten (Art. 1676 11 CJ). Danach können öffentlich-rechtliche Rechtssubjekte grundsätzlich keine Schiedsverträge abschließen. Eine Ausnahme besteht für den belgischen Staat, wenn ein Staatsvertrag ihn zum Abschluß eines Schiedswrtrages ausdrücklich ermächtigt. Vgl. hierzu Linsmeaujvan Gelder, Ir 1973, 205, 207; Keutgen/HUfS' 1976, 53, 55 para 12. Ein Staatsvertrag, der Z\tm Abschluß eines Schiedswrtrages eImlichtigt, ist z.B. Art. U (2) i.V.m. Art. I (1) Iit. a EU. Eine weitere Ausnahme besteht zugunstep der Socic!tc! nationale de crc!dit 1 I'industrie durch das Gesetz vom 16.03.1919. Vgl. zum EU den Schiedsentscheid, der in der Sache Benteler et crts. cl Etat beIge am 18.11.191f3 unter dem Vorsitz von M. Reymond ergangen ist Ir 1984, 230, 230 ff. = Rev. arb. 1989, 339.

109 VgI. Scbiedsspnach in der SIebe Bentcler et crtL cl Etat bcl&e vom 18.11 1983 Ir 1984, 230,232 - Rev. adJ. 1989, 339; FoudIoTd7: Rz. 177; LoIive, Rev. arb. 1986, 239, 244/245; A. Bucher, Rz. 113; den., in FS Moser, S. 200 201; Reymond, Rcv. arb. 1989, 385, 397; Blessing, in Die internationale Schicdsgerichtsbarkeit in der Schweiz, Bd. 1/11 S. 37; Budin, Rcv. am. 1988, 51, 53; Goldman, Rcv. arb. 1980, 323, 334. . . ilo Huys/Keutgen, Ir 1976, 53, 55 para 12.

J. Gründe, die einer Anertennung/Vollstleckung des Schiedsspruches entgegenstehen

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Der international anerkannte Grundsatz, daß ein Staat oder ein staatliches Unternehmen sich nicht auf die mangelnde Schiedsfähigkeit berufen kann, hat der Schweizer Gesetzgeber als erster in Art. 177 n IPRG positivrechtlich normiert. Die Vorschrift bestimmt: " Ist eine Partei ein Staat, ein staatlich beherrschtes Unternehmen oder eine staatlich kontrollierte Organisation, so kann sie nicht unter Berufung auf ihr eigenes Recht ihre Parteifähigkeit im Schiedsverfahren oder die Schiedsfähigkeit einer Streitsache in Frage stellen, die Gegenstand einer Schiedsvereinbarung geworden ist."111 In der Schweiz ist das Problem der subjektiven Schiedsfähigkeit staatlicher Unternehmen damit klar gelöst.

b) Zum Sonderproblem der Staatenimmunität vor Schiedsgerichten und staatlichen Gerichten Von der Frage der subjektiven Schiedsfähigkeit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts ist das Problem der Immunität derartiger Rechtssubjekte vor staatlichen und privaten Gerichten zu trennen.n 2 Bei der Berufung auf die mangelnde subjektive Schiedsfähigkeit macht eine Partei die Ungültigkeit einer Schiedsvereinbarung geltend. Beruft sie sich dagegen auf ihre Immunität, so zweifelt sie die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung nicht an.n 3 Oft werden aber beide Argumente gleichzeitig geltend gemacht, so daß an dieser Stelle auch auf die Frage der Immunität kurz eingegangen werden soll. Das Problem der Immunität kann auf zwei Ebenen eine Rolle spielen. Zum einen können sich Staaten oder staatliche Unternehmen, die durch eine Schiedsvereinbarung gebunden sind, im Schiedsverfahren hierauf berufen. Zum anderen können diese juristischen Personen des öffentlichen Rechts ihre Immunität in einem staatlichen Gerichtsverfahren geltend machen. 111 Entgegen der Ansicht von Habscheid, KTS 1987, 177, 182 ist diese Vorschrift wegen ihres ausdrücklichen Wortlauts nicht auf Privatpersonen entsprechend anwendbar. 112 Vgl. van den Berg, S. 280. 113 Blessing, in Die internationale Schiedgerichtsbarkeit in der Schweiz, Bd. 1/11 S. 37; BlessingjBurckhardJ, in Schweizer Beiträge zur internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, S. 118/119 und Budin, Rev. am. 1988, 51, 53 vermischen daher die beiden Fragen, wenn sie Art. 177 I auch auf das Irnmunitätsproblem anwenden wollen, obwohl die Vorschrift ausdrücklich nur von der subjektiven Schiedsfähigkeit spricht. A. Bucher, Rz. 114, will Art. 177 11 IPRG auf das Problem der staatlichen Immunität entsprechend anwenden, soweit es um die Immunität im Erkenntnisverfahren geht.

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Kapitel 3: Die Anerkenung und Vollstreckung

Es ist allgemein anerkannt, daß sich ein öffentlich-rechtliches Rechtssubjekt, das durch eine Schiedsvereinbarung mit einer privaten Rechtsperson im Privatrechtsverkehr gebunden ist, im Schiedsverfahren nicht auf seine Immunität berufen kann. Der Einwand der Immunität verstößt gegen die Grundsätze von pacta sunt servanda und venire contra factum proprium. Mit dem Abschluß des Schiedsvertrages verzichtet die staatliche Partei auf den Einwand der Immunität vor dem Schiedsgericht.114 Die Schiedsrichter werden aufgrund einer privaten Parteivereinbarung tätig. Ein Staat unterwirft sich in einem privaten Schiedsverfahren nicht einer andersstaatlichen Jurisdiktion oder fremden Hoheitsgewalt. Aus diesem Grunde können keine Souveränitätskonf1ikte auftreten. l15 Steht aber der vertragliche Charakter bei der Schiedsgerichtsbarkeit im Vordergrund, so ist nicht einsichtig, warum ein Staat weniger zu seinem Wort stehen muß als eine Privatperson. Oftmals wird im Laufe des Schiedsverfahrens auch ein staatliches Gericht am Sitz des Schiedsgerichtes angerufen.116 Dies kann den Zweck haben, der Schiedsvereinbarung zum Durchbruch zu verhelfen, in dem z.B. eine Schiedsrichterbestellung durch ein staatliches Gericht vorgenommen wird. Es ist aber auch denkbar, daß ein staatliches Gericht tätig wird, um ein Schiedsverfahren zu unterbinden. Auch in der post-arbitralen Phase werden staatliche Gerichte angerufen, wenn es um die Anerkennung oder Vollstreckung von Schiedssprüchen geht. Es stellt sich mithin die Frage, ob ein Staat oder ein staatliches Unternehmen mit dem Abschluß einer Schiedsklausel konkludent auf eine Berufung auf die Immunität vor einem staatlichen Gericht verzichtet. Einen derar~en globalen konkludenten Verzicht wird man kaum annehmen können. 11 Oftmals sind es nicht die Parteien, die den Sitz des Schieds-

114 Pranz. Cour C8SS. (18.11.1986 Soc. EuropUne d'etudes et d'entreprises, Banque international pour la reconstruction et le developpement cl Etat francais, Rep. socialiste fed. de Youplavie) Ounet 1987, 120, 121/122; Bourel, Rcv. arb. 1982, 119, 130; Blessingjl1urckhardt, in Schweizer Beiträge zur internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, S. 109; Reymond, Rcv. am. 1985,517,522; von den Berg, S. 280; Carabiber, in Liber amicorum Domke, S. 39; Rl!dfem/H~, S. 319,; LaIive, Note Ounet 1987, 1000, 1004; ders. Rev. arb. 1986, 239, 346/347; 1Jerilardini, S. ISO,151; S. 220/221; Delaume, JIA 1987 (vol. 4 no. 3) 25, 36/37; Op~, Note Ounet 1987, 120, 123. Botnl, Rev. ub. 1982, 119, 125; Reymond, Rev. arb. 1985, 517, 521; A. BucheT, Rz. 114; Loquin, Ounet 1983, 293, 298.

116 Vgl. hierzu allgemein oben S. 98 Cf. insb. 113 ff.

117 Vgl. Cour d'~1 de Paris (5.12.1989 Etat du SCnegal cl Sentin, es-qual de liquidateur de la Soc. S.OAB.I) Rev. am. 1990, 164, 165; OppeJit, Note Ounet 198'1, 120, 124; BouTet,

J. Gründe, die einer Anerkennung/Volistreckung des Schiedsspruches entgegenstehen

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gerichtes und damit den Ort des Verfahrens bestimmen, sondern die Schiedsrichter. Diese können ein beliebiges Land wählen. Bestimmen diese z.B. ein Land, nach dessen Rechtsordnung die Schiedsvereinbarung aus irgendeinem Grund nicht durchführbar ist, könnten nun die Gerichte dieses Landes für die Streitentscheidung zuständig sein und der Staat, der sich durch die Schiedsldausel gebunden wähnte, hätte sich nun in der Sache vor einem fremden staatlichen Gericht zu verantworten. Man wird daher differenzieren müssen, welchen Zweck das Gerichtsverfahren verfolgt. Wird das staatliche Gericht am Sitz des Schiedsgerichts im Verlauf des Schiedsverfahrens von dem Schiedsgericht oder den Parteien um Hilfe nachgesucht, so wird man einen Verzicht auf den Einwand der Immunität annehmen können.l18 Führt aber das Gerichtsverfahren zu einer Entscheidung in der Sache selbst, so kann ein derartiger weiter Verzicht nicht gewollt sein. Für die Frage der Immunität in der Zwangsvollstreckung wird man zu berücksichtigen haben, daß ein Schiedsspruch grundsätzlich in jedem Land der Welt vollstreckt werden kann. Die vielfältigen politischen Interessenkonflikte, die somit auftreten könnten, werden wohl kaum von dem Willen zum Abschluß eines Schiedsvertrages gedeckt sein. Es ist daher ganz herrschende Ansicht, daß mit der Schiedsklausel ein Staat oder ein staatliches Unternehmen nicht auf die vollstreckungsrechtliche Immunität verzichtet. 119 In den Ländern, in denen das Verfahren auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs der eigentlichen Zwangsvollstreckung vorgelagert ist, beginnt die Zwangsvollstreckung noch nicht mit der Erteilung des Exequaturs. Die vollstreckungsrechtliche Immunität kann daher in diesem Stadium nicht geltend gemacht werden. l20 Anders ist jedoch die Rechtslage in den Ländern, in denen das Exequatur in der Zwangsvollstreckung verliehen wird.

~ev. arb. 1982, 119, 137; E. Bucher, IPRax 1982, 161, 164; beachte auch das Basler Europäische Ubereinkommen über die Staatenimmunität vom 16.05.1972.

118 Vgl. hierzu z.B. den eng1ischen State Immunity Act von 1978 sec. 9, wonach ein Staat für den Fall eines schriftlichen Abschlusses eines Schiedsvertrages auf den Einwand der staatlichen Immunität in allen Verfahren vor staatlichen englischen Gerichten verzichtet, soweit dieses Verfahren sich auf den Schiedsvertrag bezieht. 119 Reynwnd, Rev. arb. 1985, 517, 526; van den Berg, S. 280; Carabiber, in Liber amicorum Domke, S. 38/39; Fox, I.C.L.Q. 1988 (37) 1, 29; RedfemlHunter, S. 320, der aber diesen Rechtszustand bedauert; A. Bucher, Rz. 116 ; Trooboff, Rdc 1986 V 235, 388, 391; vgI. auch sec. 3 (4) des engl. State Immunity Act von 1978.

120 Anders nun aber entgegen seiner früheren Rspr. Cour d'appel de Paris (5.12.1989 Etat du SCnegal cl Scntin ~ual de Iiquidateur de la Soc. S.OA.B.IfRev. arb. 1990, 164, 165; ablehnend Broches, Note Rev. arb. 1990, 164, 168 ff.; 173; Gaülard, Note Ounet 1990, 141, 145.

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Kapitel 3: Die Anerkenung und VolIstIeckung

Auf die vollstreckungsrechtliche Immunität können sich nur Staaten und staatliche Unternehmen berufen. Ob es sich bei den Unternehmen, um selbständige oder staatliche Unternehmen handelt, ist nach dem Recht des Staates zu beurteilen, dem diese Unternehmen zuzuordnen ist.121 Die vollstreckungsrechtliche Immunität wird in den meisten Ländern nur eingeschränkt gewährt. 122 Volle Immunität genießt ein Staat im Vollstreckungsverfahren, der wegen einer hoheitlichen Tätigkeit verurteilt worden ist (iure imperii). Tritt der Staat aber im Rechtsverkehr wie eine private Rechtsperson auf (iure gestionis), was im Rahmen der internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit stets der Fall sein wird, so ist weiter zu differenzieren: In Frankreich wird z.B. danach unterschieden, welche Bedeutung das Objekt, in das vollstreckt werden soll, für den staatlichen Spruchschuldner hat. Dient dieses Objekt dazu, hoheitliche Aufgaben wahrzunehmen, so unterliegen Vollstreckungshandlungen gegen diese Güter dem Vorbehalt der staatlichen Immunität. Auf diesen Vorbehalt kann selbstverständlich verzichtet werden. l23 Dienen aber die in Frankreich belegenen Güter eines anderen Staates oder eines fremden staatlichen Unternehmens ausschließlich wirtschaftlichen Zwecken, so kann in diese vollstreckt werden. Der fremde Staat kann sich dann nicht im Vollstreckungsverfahren auf seine Immunität berufen. l24 Ähnlich wie in Frankreich wird auch in den USA nach dem Foreign Sovereign Immunities Act von 1976 nach dem Objekt der Zwangsvollstreckung differenziert. Darüber hinaus muß aber in den Fällen, in denen in die Güter eines Staates vollstreckt werden soll, die einem wirtschaftlichen Zweck dienen und die für die Erfüllung der staatlichen Aufgaben nicht le121

Vgl. BG 19.07.1988 I.LM. 687, 692 (1989).

122 Geimer, IZPR, Rz. 558 ff., 588 ff. 123 BlessinlllBurckhardt, in Schweizer Beiträge zur internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, S. 109 Fn. 8, "S. 121; Bourel, Rev. arb. 1982, 119, 137; Delaume, Ounet 1984, 521, 523; Roben, Rz. 289 S. 254; Chrocziel/Westin, ZVglRWiss 87 (1988) 145, 181. Für die Schweiz ist dies nicht so eindeutig vgI. Lalive, Note Ounet 1987, 1000, 1004/1005.

124 Franz. Cour cass. (14.03.1984 Soc. Eurodif et autres cl Rep. islamique d'Iran) Rev. arb. 1985,69,70; Trib. de Grande Instance de Paris (03.07.1985 R~:p. de Yougoslavie c/ Soc. europUnne d'etudes et entreprises (SEEE), Air France et aut~) Rev. arb. 1985,715,717; vgI. 1lounl, Rev. ab. l!il82, 119, 139; Roben, Rz. 189 S. 254; Lalive, Note Ounet 1987, 1000, 1005; vgl. fIlr - Schweiz auch BOE (24.04.1985 Sazialistische Libyscbe VoIb-Jamahiriyaat: Actimon SA 111 Ia 62, 65. Ähnlich ist die Rechtslage in der ~ DeIIlschkuul • BVerfG (13.12.1977) NJW 1978, 485,492/493; ChroczieljWestin, ZVJdRWiss 87 (1988) 1 S, 180/181; Geimer, IZPR Rz. S88 ff.; für Belgien vgI. im selben Sinne Trib. civil de Bruxelles (30.04.19S1 SocobeIge et Etat beIge c/ Etat hellenique, Banque de Grece et Banque de Bruxelles) Ounet 1952, 244, 254 f.

J. Gründe, die einer Anerkennung/Vollstreckung des Schiedsspruches entgegenstehen

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bensnotwendig sind, ein Bezug der Streitsache zu den USA bestehen. Für einen derartigen Bezug ist aber ausreichend, wenn die Streitsache oder das Schiedsverfahren die Interessen oder Belange der USA berühren. l25 Im Gegensatz zu den USA verlangt die Schweizer Rechtsprechung eine engere Binnenbeziehung, um in das im Inland belegene Vermögen eines anderen Staates vollstrecken zu können. l26 Auf diese Weise soll eine Belastung des Schweizer Gerichtsapparates mit Streitigkeiten, die keinerlei Bezug zur Schweiz aufweisen, vermieden werden. Ausreichend für einen Binnenbezug ist nach Schweizer Rechtsauffassung, wenn die Schiedsvereinbarung in der Schweiz geschlossen worden oder der Vertrag in der Schweiz zu erfüllen ist. Nicht ausreichend ist die bloße Tatsache, daß der fremde Staat oder das staatliche Unternehmen Vermögen in der Schweiz hat oder daß der Schiedsgerichtssitz durch die Schiedsrichter in der Schweiz fixiert wird. 127 Um einen gegen einen Staat oder staatliches Unternehmen ergangenen Schiedsspruch zu vollstrecken, bedarf es nach der Schweizer Rechtsprechung kumulativ zweier Voraussetzungen. l28 Zum einen muß die Streitsache einen Binnenbezug zur Schweiz aufweisen. Diese Voraussetzung hat das Gericht von Amts wegen zu prüfen. Zum anderen kann die Entscheidung nur vollstreckt werden, wenn kein Fall der (eingeschränkten) vollstreckungsrechtlichen Immunität vorliegt. Fehlt eine der beiden Voraussetzungen, darf der Schiedsspruch in der Schweiz nicht vollstreckt werden. Folglich kann entgegen der Rechtslage in Frankreich oder der Bundesrepublik Deutschland ein Schiedsspruch in der Schweiz auch dann nicht vollstreckt werden, wenn der staatliche Vollstreckungsschuldner auf seine vollstreckungsrechtliche Immunität verzichtet und die Streitsache keinen Binnenbezug aufweist. 125 Vgl. Crawford, Rev. arb. 1985,689,691; ChroczieljWestin, ZVglRWiss 87 (1988) 145, 181/182. 126 BG (19.06.1980 Sozialistische Libysche Volks-Jamahiriya c/ Libyan American Oil Company) IPRax 1982, 155, 157 = BGE 106 la 142-151; ~rochen von E. Bucher IPRax 1982, 161 ff; Trib. de premiere instance (13.03.1986 Mantime International Nominees Establishment (MINE) c/ Re:p. of Guinea) YCA 1987 (XII) 514, 519; BG (20.07.1979 R6p. Arabe d'E$)'Pte c/ Cin6t616vislon Int. Registered Trust) Ounet 1987, 993, 994; v. Hof(mann, in Die Internationale Schiedsgerichtsbarkeit in der Schweiz, Bd. 1/11 S. 154; Blessing/Burckhardt, in Schwe~er Beiträge zur internationalen Sch~edsgerichtsb~rkeit, S: 110/111;A. Bucher, Rz. 474; Lalive, Note Ounet 1987, 1000, 1003; Caj1isch, Ann. SU1SSC 1986, 41,69 ff; Trooboff, RdC 1986 V 235,388-390; Brotlms, RdC 1984 I 173, 254. 127 BG (19.06.1980 Sozialistische Libysche Volks-Jamahiriya c/ Libyan American Oil Company) i'PRax 1982, 155, 157 = BGE 106 la 142-151; Blessing/Burckhardt, in Schweizer Beiträge zur internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, S. 112; E. Bucher, IPRax 1982, 161, 164; Lalive, Note Ounet 1987, 1000, 1004; Park, T.L.R 63 (1989) 647, 667 Fn. 73. 128 BG (19.06.1980 Sozialistische Libysche Volks-Jamahiriya c/ Libyan American Oil Company) IPRax 1982, 155, 157 = BGE 106 la 142-151.

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Kapitel 3: Die Anerkenung und Vollstreckung

Betrachtet man nunmehr das Problem der subjektiven Schiedsfähigkeit und der staatlichen Immunität im Zusammenhang, so ergibt sich, daß Art. 177 11 schw. IPRG die Rechtslage in der Schweiz kaum ändern wird; denn ein ausländischer Schiedsspruch gegen einen Staat oder ein staatliches Unternehmen wird im Prinzip nach wie vor in der Schweiz wertlos sein, da es meist an einer Binnenbeziehung fehlen wird. Desgleichen wird selbst ein internationaler Schiedsspruch nach dem IPRG gegen eine ausländische staatliche juristische Person, die in der Schweiz Konten besitzt, wertlos sein, da die Schweiz als neutraler Schiedsort von den Parteien gewählt nur in den seltensten Fällen einen Bezug zum Streitgegenstand aufweisen wird und das bloße Abhalten des Schiedsverfahrens auf Schweizer Boden nicht ausreicht, um einen Binnenbezug zu begründen.l29 Erweist sich ein Vertrag oder ein Schiedsspruch für eine Partei als ungünstig, so wird sie versuchen, von der im Vertrag oder im Schiedsspruch ausgesprochenen Verpflichtung loszukommen. Dabei wird der Partei in vielen Fällen jedes Mittel lieb sein. Diese Erkenntnis gilt für private und staatliche Vertragspartner in gleichem Maße. Eine höhere Vertragsmoral sollte von staatlichen Vertragspartnern nicht erwartet werden. Auch wäre es verfehlt, zwischen der Staatsform und der Vertragstreue eines Landes in wirtschaftlichen Angelegenheit irgend ein Zusammenhang anzunehmen. Die Beteiligung von Staaten und staatlichen Unternehmen an internationalen Schiedsverfahren hat lange Zeit die zusätzliche Gefahr in sich geborgen, daß sich diese im Schieds- oder Exequaturverfahren auf ihre Immunität bzw auf ihre fehlende subjektive Schiedsfähigkeit berufen und damit die bestehenden Vereinbarungen zu Fall bringen. Die Entwicklung in Rechtsprechung und Literatur läuft nun dahin, dem Staat oder dem staatliches Unternehmen diese vertragswidrigen Einwendungen abzuschneiden und öffenliche Rechtssubjekte wie private Vertragspartner zu behandeln.

129 Diese Ansicht müßte man für den Fall einschränken, wenn man mit E. BucheT, IPRax 1982, 161, 164 und A. Bucher, Rz. 476 annimmt, daß ein Binnenbezug vorliegt, wenn nicht der Schiedsrichter sondern die Parteien den Schie