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German Pages 308 Year 1972
Analysen zur Unternehmenstheorie Festgabe für Leopold L. Illetschko zum 70. Geburtstag
Herausgegeben von
Karl Lechner
Duncker & Humblot . Berlin
Analysen zur Unternehmenstheorie Festgabe für Leopold L. Illetschko
Analysen zur Unternehmenstheorie Festgabe für Leopold L. Illetschko zum 70. Geburtstag
herausgegeben von
Karl Lechner
DUNCKER
& HUMBLOT
/
BERLIN
Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der photomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 1972 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1972 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin 61 Printed in Germany ISBN 3 428 02701 9
Vorwort Professor Diplomkaufmann Dr. Leopold L. Illetschko vollendet am 22. Oktober 1972 sein 70. Lebensjahr. Dies ist für Freunde und Schüler des Jubilars Anlaß, die vorliegende Festschrift herauszubringen. Den Beiträgen der einzelnen Autoren seien Bemerkungen über den Fachgelehrten vorausgeschickt, den es zu ehren gilt. Illetschkos vielseitiges wissenschaftliches Werk kann überwiegend drei Themenkreisen zugeordnet werden: der Unternehmenstheorie, der Theorie des Rechnungswesens als besonderem Teil der Unternehmenstheorie und der Transportbetriebswirtschaftslehre. Die unternehmenstheoretischen Arbeiten, vor allem die 1967 i n zweiter Auflage erschienene „Unternehmenstheorie", erwuchsen aus der Überzeugung Illetschkos, daß nur ständiges Durchdenken und Neuordnen der Elemente einer Disziplin unter Einfügung des persönlich Erfahrenen den wissenschaftlichen Fortschritt sichern könne. Dabei sei der Fortschritt einer Disziplin wie der Betriebswirtschaftslehre i m Sinne einer sich auf empirisch erhellbare Sachverhalte stützenden Theorienbildung an der Güte der Abbildung der Realität zu beurteilen. Illetschko lehnt jedoch jeden Methodenmonismus ab, hält somit neben der von i h m angewendeten empirischen Theorienbildung auch idealtypische und modellhafte betriebswirtschaftliche Theorien für legitim. Die „Unternehmenstheorie" ist als Höhepunkt des wissenschaftlichen Schaffens von Illetschko zu bezeichnen. Sie bringt tatsächlich eine radikale Neuordnung der Bausteine der Betriebswirtschaftslehre. Illetschko leitet das wirtschaftliche Unternehmen dadurch von der freien Persönlichkeit des Menschen ab, daß er kooperative Personengruppen, die sich durch den Aufbau einer hierarchischen Ordnimg zu Unternehmen entwickeln, als Zwischenglieder einschiebt. Wirtschaftliche Unternehmen heben sich vom Unternehmen schlechthin durch das Merkmal der Derivation ab. Die ökonomisierung des Unternehmens t r i t t durch rechtlich gesicherte Übertragungen i m Rahmen des Geldwesens ein. Die wirtschaftlichen Unternehmen werden charakterisiert durch die beiden konstitutiven Elemente: Träger der Disposition und Prozeß mit Sachapparatur, und durch die beiden konkomitanten Elemente: objektivierte, rechenhafte Rationalität und Markt. Die Betonung der der personellen Hierarchie innewohnenden objektivierten Rationalität vor allem ist es, die der „Unternehmenstheorie" eine spezifische Ausrichtung gibt, die sie von anderen betriebs-
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Vorwort
wirtschaftlichen Theorien unterscheidet. Die Verdrängung der individuellen Zielvorstellungen und Erwartungen i n den vorwirtschaftlichen Bereich bzw. ihre Überhöhung durch die Einführung der objektivierten Rationalität beeinflußt wesentlich die Auffassungen Illetschkos über Entscheidungen, Planungen und Risiko. Sie verschiebt konsequenterweise die Betonung von der „fetischartigen" Unternehmerpersönlichkeit und vom Managertypus auf die strukturierten Personengruppen. Sie führt dazu, daß die Aussagen unabhängig von den persönlichen Zielsetzungen sind und für Unternehmungen i n allen Wirtschaftsordnungen gelten. Die jeweilige Form der Wirtschaftsordnung spiegelt sich allerdings i n dem Grad der strukturellen und dispositiven Autonomie der Unternehmung wider. Unter den sonstigen unternehmenstheoretischen Arbeiten vonllletschko sind seine Untersuchung über den Zusammenhang zwischen der W i r t schaftsentwicklung im 20. Jahrhundert und der Entwicklung der Problembestände der Betriebswirtschaftslehre (in der Festschrift für Hasenack) und die die künftige Entwicklung der betriebswirtschaftlichen Theorie prognostizierende Arbeit über die kybernetische Betrachtungsweise i n der Betriebswirtschaftslehre (in der Festschrift für Käfer) hervorzuheben. Eine besondere unternehmenstheoretische Ausprägung gab Illetschko dem aus der Lehrtätigkeit an der Technischen Hochschule i n Wien i m Rahmen der von ihm mitbegründeten betriebswissenschaftlichen Ausbildung der Ingenieure erwachsenen Buch „Betriebswirtschaftslehre für Ingenieure". Illetschko unternimmt es in diesem Werk, die für den betriebswissenschaftlich geschulten Ingenieur relevanten Teile der Unternehmenstheorie i n einer Form darzustellen, die geeignet ist, Differenzen zwischen ingenieurmäßiger und ökonomischer Betrachtungsweise aufzudecken und Überbrückungshilfen zu bieten. Die theoretischen Ansätze zum betrieblichen Rechnungswesen bilden einen wesentlichen Bestandteil der unternehmenstheoretischen Analysen Illetschkos. M i t Arbeiten zum Rechnungswesen trat Illetschko schon lange vor Beginn seiner akademischen Laufbahn an die Öffentlichkeit, wobei bereits i n den ersten Veröffentlichungen die Fundierung der Rechenverfahren i n originären theoretischen Konzeptionen des Autors offenkundig war. I n w o h l keinem anderen Bereich bewirkte die Theorienbildung Illetschkos, aufbauend unter anderem auf den Unterschieden zwischen Dokumentär- und Instrumentalcharakter des Rechnungswesens und zwischen Mengengerüst und Stellengerüst der Leistungen, einen so großen Einfluß auf Forschung und Praxis. Das Interesse Illetschkos an transportwirtschaftlichen Fragen entstand mit der Berufung an die Hochschule für Welthandel i m Jahre 1950. Die 1957 i n erster und 1966 i n grundsätzlich unveränderter zweiter Auflage
Vorwort
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erschienene „Transport-Betriebswirtschaftslehre" war und blieb bis heute die erste umfassende Monographie über die betriebswirtschaftlichen Probleme der Transportbetriebe, sowohl i m deutschsprachigen als auch i m anglo-amerikanischen Bereich, i n welchem die Lehrbücher zur „Economics of Transportation" nur zu einem geringen Teil die Funktion dieses Werkes von Illetschko übernehmen können. Ausgehend von der Fassung der Transportleistung als Bündel von Wegsicherungs-, Beförderungs-, Abfertigungs- und Hilfsleistungen und von der Nichtspeicherbarkeit der Transportleistung werden Transportverfahren und Verkehrsmittel systematisiert und die Besonderheiten des Rechnungswesens, der Organisation (unter Hervorhebung des Autonomieproblems) und des Marktverhaltens (insbesondere i n bezug auf die Tarifdifferenzierung) der Transportunternehmen i n bisher unübertroffener Weise analysiert. Für die Entwicklung der Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft hat Illetschko auch insofern einen anerkannten Beitrag erbracht, als er vom Beginn seiner akademischen Tätigkeit an die Verbindung zur öffentlichen und privaten Wirtschaft herstellte. Durch einen anerkannten Gelehrten wurde damit betriebswirtschaftliches Gedankengut unmittelbar an die Praxis weitergegeben, andererseits waren die aufgenommenen Kontakte für Illetschko Anlaß, sein theoretisches Lehrgebäude unter Bedachtnahme auf nach wissenschaftlichen Kriterien untersuchte Vorgänge i n der Praxis wirklichkeitsnahe zu gestalten. Professor Illetschko stellte seine Dienste auch verschiedenen internationalen Gremien zur Verfügung. U. a. war er Präsident der „Commission de Droit Comptable" der U.E.C. I n dieser Eigenschaft verfaßte er mehrere wissenschaftliche Analysen. Nicht zuletzt mit diesen Arbeiten zeigte Prof. Illetschko seine Nahbeziehung zur Praxis, welche er aus seiner Position als Theoretiker, die er niemals aufgab, herstellte. Überblickt man den weitgesteckten Arbeitsbereich Illetschkos, dann ist es verständlich, daß die Themenwahl der Autoren der Festschrift entsprechend gestreut ist: sie umfaßt grundlegende Probleme der Unternehmenstheorie, erstreckt sich auf Fragen der betrieblichen Verrechnung und betrifft spezielle Anliegen des Transportwesens. Die große Zahl der Freunde und Schüler wünscht dem Jubilar i n Herzlichkeit und Ergebenheit noch lange Gesundheit und ungebrochene Schaffenskraft.
Inhaltsverzeichnis Prof. Dr. Leopold L. Illetschko Lebenslauf Schriftenverzeichnis
1 3
Z u r Preisberechnung f ü r staatliche Abgeltungsleistungen i m öffentlichen Personennahverkehr V o n Bernhard Bellinger
7
Unternehmenspolitische Konzeptionen V o n Johannes Bidlingmaier
33
Offene Fragen der betriebswirtschaftlichen Ausbildung. P r i m ä r verbale oder mathematische Schulung? V o n W i l h e l m Hasenack
47
Die Unternehmerische Entscheidung und ihre Bedeutung f ü r den m a r k t wirtschaftlichen Prozeß V o n K a r l Hax
83
Theorie u n d Praxis i n der Betriebswirtschaftslehre V o n Franz Jonasch
97
Z u r Bewertung der Unternehmung von begrenzter Dauer V o n K a r l Käfer
115
Z u r Theorie und Systematik des Rechnungswesens V o n Erich Kosiol
133
Elementare Probleme betrieblicher Informationssysteme V o n Herbert Kraus
149
Z u r Theorie der Leistungerstellung i n den Transportbetrieben Von K a r l Lechner
163
Die Unvereinbarkeit der Riegerschen Privatwirtschaftslehre m i t der Gutenbergschen Betriebswirtschaftslehre u n d die Folgen f ü r die Forschimg und Praxis — nach 40 Jahren V o n Hanns L i n h a r d t 175 Die Kalkülauswahl i m Entscheidungsprozeß als Rückkopplungsproblem V o n Erich Loitlsberger
195
Der Verkehr, der Einzelne u n d die Gesellschaft V o n K a r l Oettle
221
Elemente der axiomatischen Entscheidungstheorie und ihre Relevanz f ü r Unternehmensentscheidungen bei Risiko Von Christian Seidl u n d W i l h e l m Weber 237 Z u r Optimierung der Fremdkapitalstruktur und des Fremdkapitalvolumens f ü r Unternehmungen m i t fixiertem Eigenkapital V o n Peter Swoboda 273 Mitarbeiterverzeichnis
295
Prof. Dr. Leopold L. Illetschko Lebenslauf Personaldaten Diplomkaufmann Dr. Leopold L. Illetschko geb. 22. Oktober 1902 i n Wien. Reifeprüfung an der Bundesrealschule i n Wien X V I I I am 21. Oktober 1921. Diplomprüfung an der Hochschule für Welthandel i n Wien am 10. J u l i 1929. Lehrbefähigungsprüfung für das Lehramt an mittleren kaufmännischen Lehranstalten am 9. September 1935. Lehrbefähigungsprüfung für Volkswirtschaftslehre am 12. Mai 1936. Lehrbefähigungsprüfung für kaufmännische Rechtslehre am 11. September 1937. Promotion zum Doktor der Handelswissenschaften am 17. Oktober 1938. Habilitation für allgemeine Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule für Welthandel, Wien, am 2. März 1950. Beruflicher Werdegang I.
Anstellungsverhältnisse 1. 21. September 1922 bis 31. Dezember 1935 i m Verlag Gerlach & Wiedling, Wien. 2. 20. Mai 1929 bis 31. Dezember 1933 Prokurist der Österreichischen Verlags- und Vertriebsges. m. b. H., Wien.
II.
Lehramt 1. 12. Februar 1936 bis 13. März 1938 Professor (Vertragslehrer) an der Handelsakademie Klagenfurt. 2. 22. A p r i l 1938 bis 25. März 1943 Vertragslehrer an den Handelslehranstalten der Wiener Buchkaufmannschaft bzw. W i r t schaftsoberschule Wien I.
III. Freiberufliche Tätigkeit 1. 23. Februar 1943 bis 7. Jänner 1947 Finanz- und Wirtschaftsberater. 2. ab l . J u l i 1945 bis 30. September 1971 Geschäftsführer der Union-Wirtschaftsberatungsges. m. b. H., Wien. 3. ab 15. Mai 1948 Helfer i n Steuersachen. 4. ab 20. Oktober 1950 Steuerberater. 1 Festgabe Illetschko
Prof. Dr. Leopold L. Illetschko
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5. ab 29. März 1957 beeideter Buchprüfer. IV. Funktionen im Berufsstand der Wirtschaftstreuhänder 1. 21. Dezember 1948 bis 6. J u l i 1950 Präsident der Kammer der Wirtschaftstreuhänder. 2. 11. September 1950 bis 10. November 1955 Vorsitzender des Instituts für Betriebswirtschaft, Steuerrecht und Organisation der Kammer der Wirtschaftstreuhänder. 3. ab 17. November 1951 bis 21. September 1961 Präsident der „Commission de Droit Comptable" der U. E. C.. V. Akademische Laufbahn 1. vom 5. September 1950 bis 18. A p r i l 1951 Supplierung der Lehrkanzel für Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule für Welthandel, Wien. 2. vom 18. A p r i l 1951 bis 10. Februar 1956 a.o. Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule für Welthandel. 3. ab 17. November 1951 Vorstand des Instituts für Transportwirtschaft an der Hochschule für Welthandel. 4. ab 19. Mai 1952 Vorstand des Instituts für Organisation und Revisionswesen an der Hochschule für Welthandel (bis SS 1962). 5. ab 11. Februar 1956 ordentlicher Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule für Welthandel. 6. ab 16. Oktober 1958 bis 10. Oktober 1972 Lehrauftrag für „Betriebswirtschaftslehre für Ingenieure" an der Technischen Hochschule i n Wien. 7. ab 27. Juni 1960 bis 10. Oktober 1973 Mitglied der I I . Staatsprüfungskommission für Maschinenbau an der Technischen Hochschule i n Wien. 8. am 4. J u l i 1967 Ernennung zum Honorarprofessor an der Technischen Hochschule i n Wien. 9. am 29. Februar 1968 auf eigenen Wunsch Ubertritt i n den dauernden Ruhestand. VI. öffentliche Ämter: 1. von 1965 bis Oktober 1967 Mitglied des Akademischen Rates i m Auftrage des BMfU. 2. von Juni 1966 bis März 1967 Vorsitzender der Kommission, die vom Bundesminister für Verkehr und verstaatlichte Unternehmen zur Befassung m i t Fragen der Rationalisierung der österreichischen Bundes-Bahnen eingesetzt wurde. VII.
Auszeichnungen: 1. Verleihung des Öst. Ehrenkreuzes für Kunst und Wissenschaft 1. Klasse am 6. J u l i 1966. 2. Verleihung des Ehrendoktorates für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften durch die Universität Graz am 13. Juni 1972.
Schriftenverzeichnis (wichtigste Veröffentlichungen) I. Bücher 1. Der Bildungswert K . Triltsch 1939.
des Wirtschaftsunterrichts.
Dissertation.
Würzburg:
2. Neuzeitliches Buchführen. Wien: Ruf-Buchhaltungs-Ges.m.b.H. 8. A u f lage 1961. 3. Praktische Kostenrechnung. Wien: Ruf-Buchhaltungs-Ges.m.b.H. 5. A u f lage 1968. 4. Der Ö K W - K o n t e n r a h m e n . Richtlinien f ü r die Kostenrechnung. Ruf-Buchhaltungs-Ges.m.b.H. 3. Auflage 1953.
Wien:
5. Betriebswirtschaft auf neuen Wegen. Wien: Ruf-Buchhaltungs-Ges.m.b.H. 1949. 6. Die Wirtschaftsrechnung als Leistungsrechnung. Habilitationsschrift. Wien: Manzsche Verlags- u n d Universitätsbuchhandlung 1950. 7. Die Bilanz des Praktikers. Wien: Ruf-Buchhaltungs-Ges.m.b.H. 5. Auflage 1967. 8. Betriebswirtschaftliche Organisationsmittel. Essen: Girardet 1952. 9. Betriebswirtschaftliche Grundfragen. Wien: Manzsche Verlags- u n d U n i versitätsbuchhandlung 1953. B a n d 3 der Veröffentlichungen des Instituts f ü r Organisation u n d Revisionswesen an der Hochschule für Welthandel. 10. Management u n d Betriebswirtschaft. Wien: Manzsche VerlagsUniversitätsbuchhandlung 1955. B a n d 6 der Veröffentlichungen des Instituts f ü r Organisation Revisionswesen an der Hochschule für Welthandel.
und
11. A u t o m a t i o n u n d Betriebswirtschaft. Wein: Manzsche VerlagsUniversitätsbuchhandlung 1957. B a n d 8 der Veröffentlichungen des Instituts für Organisation Revisionswesen an der Hochschule f ü r Welthandel.
und
12. Transportbetriebswirtschaft
und
und
i m G r u n d r i ß / W i e n : Springer-Verlag 1957.
13. Betriebswirtschaftliche Probleme des Verkehrswesens. Wiesbaden: Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Gabler 1958. Die Wirtschaftswissenschaften (Reihe A , Beitrag 43), Hrsg. E. Gutenberg. 14. Innerbetrieblicher Transport u n d betriebliche Nachrichtenübermittlung. Sammlung Poeschel Reihe I I : Funktionslehren. Hrsg. von H. Seischab, Stuttgart 1962. 15. Unternehmenstheorie. Wien: Springer-Verlag. 2. Auflage 1967. 16. Betriebswirtschaftslehre f ü r Ingenieure. Wien: Springer-Verlag 1965.
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Prof. Dr. Leopold L. Illetschko
17. Transport-Betriebswirtschaft i m Grundriß. Wien: Springer-Verlag 1957. 18. Transport-Betriebswirtschaftslehre (2. Auflage von Transport-Betriebswirtschaft i m Grundriß). Wien: Springer-Verlag 1966.
II. Beiträge in Sammelwerken 1. Die handelsrechtlichen Buchführungs- und Bilanzierungsvorschriften. I n : Grundzüge des Buchführungs- u n d Bilanzrechts. Wien: Dr. Orac 1952. S. 9—65. 2. Besteuerung und Betriebswirtschaft. I n : Gewerbliches Jahrbuch 1952. Bern 1952. S. 100—128 (Separatdruck Bern 1953). 3. Gliederungs- u n d Bewertungsregeln europäischer Bilanzen. I n : Einheitliches Rechnungswesen als Beitrag zur europäischen Integration. Düsseldorf: I n s t i t u t der Wirtschaftsprüfer 1955. S. 63—125. 4. Österreich: I. Buchführungs- u n d Bilanzrecht I I . Das Wirtschaftstreuhandwesen I i i . Der Einheitskontenrahmen u n d die Selbstkostenrechnung. I n : L e x i k o n des kaufmännischen Rechnungswesens. 2. Auflage. Hrsg. von K a r l Bott. Stuttgart: Muth'sche Verlagsbuchhandlung 1956. Sp. 2059 bis 2084. 5. Die Behandlung der offenen u n d stillen Reserven. I n : Probleme des Rechnungswesens i n internationaler Betrachtung. Düsseldorf: Institut der Wirtschaftsprüfer G m b H 1957. Bericht v o m Standpunkt des Bilanzrechts S. 113—119 Abschließende Stellungnahme des Sitzungsleiters S. 158 Generalbericht der Commission Droit Comptable S. 211—214 6. Die Bilanz als Rechts- u n d Strukturfigur. I n : Aktuelle Fragen der Unternehmung. Gedenkschrift für A. Walther. Hrsg. von H. Ulrich und F. Trechsel. Bern: Paul Haupt 1957. S.79—89. 7. Buchführung, Grundsätze ordnungsmäßiger Büroorganisation Sp. 1251—1257 Gründungsbilanz Sp. 1329—1332 Prüfungswesen des Auslandes Sp. 2454—2457 I n : Handwörterbuch der Betriebswirtschaft. Stuttgart: C. E. Poeschel. Begründet von Heinrich Nicklisch. 3. völlig neu bearbeitete Auflage. Hrsg. von Hans Seischab u n d K a r l Schwantag. I. Band (Sp. 1—1806) 1956 I I . Band (Sp. 1807—3590) 1958 I I I . Band (Sp. 4498—4506) 1960 8. Verkehrsbetrieb. I n : Handwörterbuch der Sozial Wissenschaften. Hrsg. von E. v. Beckerath u . a . Stuttgart: Gustav Fischer, u n d Tübingen: J . C . B . M o h r (Paul Siebeck), und Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1960. Band V. S. 111—118. 9. Zentralisation u n d Dezentralisation. I n : Organisation, TFB-Handbuchreihe 1. Bd., Berlin—Baden-Baden 1961. Deutscher Betriebswirtschaftlicher Verlag GmbH. S. 167—196. 10. Die rationalen Grundlagen der Führungsentscheidungen i m Betrieb. I n : Führungsentscheidungen u n d Dispositionshilfen. Hrsg.: Deutsche Gesellschaft f ü r Betriebswirtschaft (Vorträge des 11. Betriebswirtschaftstages. Berlin: Betriebswirteverlag GmbH. 1959. S. 20—33.
Schriftenverzeichnis
5
11. Betriebliche Planung i n der europäischen Wirtschaft. I n : Europas Mächte wachsen zusammen, Stuttgart-Degeloh: Forkel-Verlag 1961. S. 235—247. 12. Theorie u n d Praxis einer betrieblichen Verrechnungslehre. I n : Betriebswirtschaftslehre u n d Wirtschaftsforschung. Festschrift f ü r Konrad Mellerowicz. Hrsg. von Horst Schwarz u n d K a r l Heinz Berger. B e r l i n : Walter de Gruyter & Co. 1961. S. 183—199. 13. Neue Wege der Betriebswirtschaftslehre, I n : Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit. Hrsg. Deutsche Gesellschaft f ü r Betriebswirtschaft (Vorträge des 15. Deutschen Betriebswirte-Tages). B e r l i n : Verlag Deutsche Gesellschaft f ü r Betriebswirtschaft 1962. S. 21—32. 14. Z u r K r i t i k der Formel „Kosten u n d Marktverhältnisse" i m Verkehr. I n : Schiene u n d Straße. D o r t m u n d 1965. S. 114—120. 15. Konzeptionen i n der Betriebswirtschaftslehre. I n : Gegenwartsfragen der Unternehmensführung. Festschrift für W. Hasenack. Herne, B e r l i n 1966. S. 15 ff. 16. Z u r kybernetischen Betrachtungsweise i n der Betriebswirtschaftslehre. I n : Festschrift f ü r K . K ä f e r . Zürich 1968. S. 51—61. 17. Das Mengengerüst der Kosten u n d das Stellengerüst des Unternehmens. I n : Betriebswirtschaftliche Forschung i n internationaler Sicht. Festschrift für Erich Kosiol. B e r l i n : Duncker & H u m b l o t 1969. S. 357—370. 18. Management S. 952— 955 Rationales Handeln S. 1385—1393 Transport, innerbetrieblicher S. 1655—1665 Transport, Organisation des S. 1665—1668 I n : Handwörterbuch der Organisation. Hrsg. von E r w i n Grochla. S t u t t gart 1969. C. E. Poeschel Verlag. 19. Theorie der Kostenrechnung S. 957—967 Kontrolle u n d Rechnungswesen S. 864—869 I n : Handwörterbuch des Rechnungswesens. Hrsg. von Erich Kosiol. Stuttgart: C. E. Poeschel-Verlag 1970.
III. Kongreßberichte 1. Bericht über das geltende europäische Bilanzrecht hinsichtlich der Bilanzgliederung u n d der differenzierten Bewertungsvorschriften. Bericht f ü r die Commission de droit comptable f ü r die Kommissionssitzung am 6. Oktober 1953 anläßlich des ersten Kongresses der U. E. C. v o m 5.—10.10.1953 i n Florenz u n d Rom. 2. Bericht über die Gliederungsvorschriften u n d Publizitätspflicht der G e w i n n - u n d Verlustrechnung. Bericht für die Commission de droit comptable f ü r die Kommissionssitzung a m 12. September 1955 anläßlich des zweiten Kongresses der U. E. C. v o m 12.—16.9.1955 i n Brüssel. 3. Bericht über die fünfte internationale Konferenz über die Ausbildung u n d Schulung betrieblicher Führungskräfte v o m 9—12. A p r i l 1958 i n Baden-Baden. 4. Bericht über die wichtigsten Entscheidungen aus der J u d i k a t u r der i n der Commission de droit comptable vertretenen Länder. Bericht f ü r die Commission de droit comptable für die Kommissionssitzung am 25. September 1958 anläßlich des d r i t t e n Kongresses der U. E. C. v o m 23.—26. September 1958 i n Nizza.
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Prof. Dr. Leopold L. Illetschko 5. Einheitliches Rechnungswesen i n Europa als Voraussetzung f ü r europäische Betriebsvergleiche. Bericht f ü r die europäische ManagementKonferenz z u m Thema „Betriebsvergleiche als M i t t e l f ü r die H a r m o n i sierung der europäischen P r o d u k t i v i t ä t " , 3. Okt. 1958, v o m 30. September bis 3. Oktober 1958 i n Berlin. 6. Die Gewinnberechnung bei Unternehmungen. Bericht für den 7. I n t e r nationalen Accounting-Congreß i n Amsterdam a m 13. November 1957, veröffentlicht i n : Gewinnberechnung bei Unternehmungen, 7. I n t e r nationaler Accounting Corgreß 1957 (deutsch-englische Übersetzung i n : Ceylon-Accountancy Journal, Colombo 1958. Ascertainment of profit of business). Ponencies dell V I I , Congreso international de Experto-Contables, Saragoza 1960, S. 155 ff. (La Determinazion des Beleficus de la Empresa).
IV. Z i r k a 80 Abhandlungen u n d Aufsätze i n periodischen Veröffentlichungen u n d 55 (teils ungedruckte) Vorträge sowie mehr als 100 Rezensionen von Erscheinungen aus der betriebswirtschaftlichen Fachliteratur.
Zur Preisberechnung für staatliche Abgeltungsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr Von Bernhard
Bellinger
1. Problem und bisheriger Lösungsansatz 1.1. Das Problem Die Tariferhöhungen verschiedener kommunaler und gemischtwirtschaftlicher Verkehrsbetriebe i n der Bundesrepublik Deutschland haben unter den betroffenen Bevölkerungskreisen zunehmende K r i t i k und Unruhe ausgelöst. Offenbar haben die Nahverkehrstarife die für einen attraktiven Personennahverkehr noch tragbaren Obergrenzen erreicht. Würden die Unternehmungen ihre Tarife weiter erhöhen, so ist zu befürchten, daß sie an A t t r a k t i v i t ä t verlieren und von den Interessenten zunehmend weniger i n Anspruch genommen werden. Solche Auswirkungen würden aber dem Ziel der Verkehrspolitik zuwiderlaufen, den öffentlichen Personennahverkehr — zumindest i n den Ballungsräumen — zu stärken. Die bisherigen Tariferhöhungen hatten ausschließlich ihre Ursache darin, daß die Kostensituation der kommunalen und gemischtwirtschaftlichen Verkehrsbetriebe einen Ausgleich verlangten. Eine Untersuchung des Verfassers von 56 ausgewählten Unternehmungen des öffentlichen Personennahverkehrs ergab beispielsweise für das Jahr 1969, daß i m Durchschnitt die Erlöse je Personenkilometer 9,73 Dpf, die Kosten je Pkm 12,14 Dpf und somit die Verluste je P k m 2,41 betrugen. Demzufolge machten damals bereits die Verluste etwa 25 °/o der Erlöse aus. I m Zeitablauf sah die Entwicklung dieser Größen noch ungünstiger aus. Unterstellte man, daß die Löhne i m öffentlichen Personennahverkehr u m jährlich etwa 10 °/o steigen, daß ein Rückgang der Beschäftigung um etwa jährlich V2 °/o eintritt, und daß die Geldwertverschlechterung jährlich mindestens etwa 3 °/o beträgt, so war schon damals m i t einer jährlichen Steigerung der Gesamtkosten je Pkm von etwa 12 °/o zu rechnen. Hiervon entfielen auf die Löhne 4,7 °/o, den Rückgang der Beschäftigung etwa 6 °/o und die Geldwertverschlechterung etwa 1,3 % der insgesamt 12°/oigen Kostensteigerung. Wenn also die Unternehmungen ihre Preise, sofern sie bereits kostendeckend wären, nicht jährlich
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Bernhard Bellinger
u m etwa 12 °/o erhöhen würden, dann würden ihre jährlichen Verluste je P k m grob geschätzt u m 60 °/o steigen. A u f die Ursachen dieser Entwicklung kann hier nicht i m einzelnen eingegangen werden. Der vorliegende Sachverhalt genügt bereits für die Feststellung, daß die öffentlichen Unternehmungen des Personennahverkehrs ständig und i n steigendem Maße Zuschüsse des Staates benötigen, wenn sie nicht aus finanziellen Gründen zur Einstellung ihres Betriebs gezwungen werden sollen. Unterstellt man einmal, daß öffentliche Nahverkehrsbetriebe i m Durchschnitt ständiger Zuschüsse bedürfen, die eine Höhe von mindestens etwa 25 °/o der Erlöse betragen, so erhebt sich die Frage, nach welchen Prinzipien diese Zuschüsse gezahlt werden sollen. Offenbar konkurrieren hierbei mindestens die Prinzipien, die vom Standpunkt der Verkehrsunternehmungen aus zu setzen sind, m i t denen, die den Interessen der öffentlichen Hand entsprechen. Hierbei darf man unterstellen, daß die staatlichen Zuschüsse ein Entgelt für den Teil der Verkehrsleistungen darstellen, welche die Unternehmungen i m Rahmen der Daseinsvorsorge, also über ihren kommerziellen Bereich hinaus, erbringen. Das Problem der Preisberechnung für staatliche Abgeltungsleistungen liegt daher darin, eine für alle Beteiligten befriedigende Synthese der einander widerstrebenden betriebsindividuellen und überbetrieblichen Interessen herbeizuführen. Hierbei sind die betriebsindividuellen Interessen i m Rahmen des Sachziels der optimalen Verkehrsbedienung auf eine Erhaltung des Betriebs m i t seinen Arbeitsplätzen und der Wettbewerbsfähigkeit gegenüber dem privaten Personennahverkehr gerichtet, während die staatlichen Interessen unmittelbar einer i m Rahmen der verfügbaren M i t t e l maximalen Daseinsvorsorge gelten.
1.2. Bisheriger Lösungsansatz Der bisherige Lösungsansatz des obigen Problems ging von einer geplant defizitären Betriebsführung aus. Hierbei setzt die Gebietskörperschaft voraus, daß der öffentliche Verkehrsbetrieb nach dem Prinzip der gemeinwirtschaftlich gebundenen Eigenwirtschaftlichkeit handelt. Dies bedeutet, daß die u m die staatlichen Zuschüsse vermehrten Erlöse dafür ausreichen müssen, i n einer Periode sämtliche Kosten zu decken. Dabei gehören zu den Kosten auch die Abschreibungen und die Verzinsung des betriebsnotwendigen Kapitals sowie die Kosten der kalkulatorischen Wagnisse, die sich auf Risiken beziehen, welche nicht über Versicherungen abgedeckt werden können.
Preisberechnung für Abgeltungsleistungen i m Personennahverkehr
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Die öffentlichen Verkehrsbetriebe sind unter dieser Voraussetzung von ihren Geschäftsleitungen nach dem Prinzip der Kostenwirtschaftlichkeit zu führen. Der jährliche Zuschuß w i r d vor Beginn des Geschäftsjahres festgelegt, so daß sich die Unternehmungen i n ihrer Kostenpolitik laufend an dem ihnen gesetzten Rahmen ausrichten können. Damit ist jedoch für sie das Prinzip der gemeinwirtschaftlichen Eigenwirtschaftlichkeit gleichzeitig kein Regulativ, ihre Verkehrsleistungen i m Rahmen der Daseinsvorsorge zu maximieren. W i r d der Zuschußbetrag sogar erst nach Abschluß des Geschäftsjahres anhand des festgestellten Verlustes gezahlt, so würde sogar auch ein etwaiges Fehlverhalten der Unternehmungen nicht bestraft, sondern durch Subventionen belohnt werden. Die zweite Lösung des Problems besteht darin, die Unternehmungen von den sogenannten Infrastrukturkosten zu entlasten. Die A r t und Weise, wie dies geschieht, ist sehr verschieden. Als häufige Form läßt sich die Übernahme bestimmter Investitionen beobachten. Hierbei kann es sich u m die Erstellung des Verkehrsweges, den Bau von Gebäuden, die Übernahme der laufenden Kosten für diese Anlagen, die Übernahme aller Kosten der sogenannten Vorhaltung, die Übernahme von Erneuerungsaufwand für der Abnutzung unterliegende Anlagen und andere handeln. Unter den obigen Voraussetzungen ist es für staatliche Stellen schwierig, die richtige oder gar die gerechte Höhe der notwendigen Zuschüsse zu bestimmen, w e i l ausreichend sichere Vergleichsmöglichkeiten fehlen. Das Problem der Vergabe von Subventionen an Unternehmungen des öffentlichen Personennahverkehrs besteht überdies nicht allein darin, einen betriebsindividuell richtigen Zuschuß zu bestimmen, sondern auch darin, die für Zwecke der Regionalpolitik und andere Zwecke der Daseinsvorsorge verfügbaren Gelder optimal auf die Unternehmungen zu verteilen, welche i n der Daseinsvorsorge tätig sind. Hierbei handelt es sich nicht allein um öffentliche Verkehrsunternehmungen, sondern auch beispielsweise u m Krankenhäuser, Schulen und andere Betriebe. 1.3. Offene Fragen Eine Preispolitikj deren Maßstab letzten Endes das Kostendeckungsprinzip ist, erlaubt die verschiedensten Preissysteme. A u f seiner Grundlage lassen sich jedoch für bestimmte Absatzsituationen optimale A b satzpreise und Absatzmengen nicht eindeutig festlegen. Solange daher die öffentlichen Verkehrsbetriebe nach dem Prinzip der gemeinwirtschaftlich gebundenen Eigenwirtschaftlichkeit geführt werden, läßt sich ohne die Einführung weiterer Bedingungen m i t Hilfe dieses Prinzips
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Bernhard Bellinger
kein eindeutiges Preissystem ermitteln. Es müßte daher eine Handlungsmaxime gefunden werden, die gleichzeitig als Regulativ für höchstmögliche Leistungen i m Rahmen der Daseinsvorsorge w i r k t . Welcher A r t eine solche Handlungsmaxime ist, stellt eine erste offene Frage dar. Die Lösung des Problems defizitärer Unternehmensführung durch Herausnahme bestimmter Funktionen wie die der Vorhaltung oder nur der Wegehaltung stört die Vergleichbarkeit verschiedener Verkehrsunternehmungen und stört auch die laufende Steuerung des gesamten Systems einer Unternehmung nach einheitlichen Grundsätzen. Die Folge hiervon sind kasuistische, einseitige Entscheidungen, die als Teillösungen m i t hoher Wahrscheinlichkeit keine für das Ganze einer betrieblichen Verkehrsbedienung optimale Lösung sein können. I m Hinblick auf eine einheitliche, verantwortliche Unternehmungsführung sollte auch der Betrieb als Ganzes der Entscheidungsgewalt und der Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung unterliegen. Die Gewährleistung einer selbständigen und den gesamten Betrieb erfassenden Unternehmungsführung ist das zweite offene Problem i n dem vorliegenden Zusammenhang. Eine dritte offene Frage richtet sich darauf, wie die Gebietskörperschaften einen öffentlichen Verkehrsbetrieb sowohl i n seiner Existenzfähigkeit und A t t r a k t i v i t ä t erhalten als auch zu höchsten Leistungen i m Rahmen der Daseinsvorsorge anspornen könnte. Da hierzu Regulative i n Form von Preisen erforderlich sind, wäre ein Preissystem notwendig, das die Interessengegensätze zwischen beiden Partnern zum Ausgleich bringen könnte.
2. Determinanten der Preisbildung Als Determinanten der Preisbildung werden die Nachfrage der Gebietskörperschaften, die Nachfrage der unmittelbaren Verkehrsnutzer, das Angebot der Verkehrsunternehmungen und die wirtschaftliche Situation der Anbieter angesehen. Der folgende Abschnitt enthält zu diesen Fragenkreisen verschiedene Ergebnisse empirischer Untersuchungen. 2.1. Nachfrage der Gebietskörperschaften Das Ziel der Gebietskörperschaften i n dem Bereich des Verkehrswesens liegt vor allem i n der Daseinsvorsorge und der Verbesserung der materiellen Infrastruktur. I n dem damit gesetzten Rahmen üben die öffentlichen Personennahverkehrsunternehmungen nicht nur eine Beförderungs-, sondern auch eine Erschließungs- und Straßenent-
Preisberechnung für Abgeltungsleistungen im Personennahverkehr
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lastungsfunktion aus 1 . Insofern sind sie M i t t e l zu gemeinwirtschaftlichen und betriebsfremden Zwecken, die zu entsprechenden außerordentlichen und betriebsfremden gemeinwirtschaftlichen Belastungen führen 2 . Die betriebswirtschaftlichen Nachteile, welche durch diese Belastungen entstehen, werden entweder direkt oder indirekt, häufig jedoch nicht vollständig von staatlichen Stellen abgegolten. Die wertmäßige Höhe dieser unmittelbaren Nachfrage der Gebietskörperschaften ergibt sich aus den übernommenen Infrastrukturkosten und den offenen Abgeltungsleistungen. Man kann die obige Nachfrage der Gebietskörperschaften i n ihrer Höhe ungefähr schätzen. Der Verband öffentlicher Verkehrsbetriebe (VÖV) bezifferte 1969 den jährlichen Gesamtaufwand aller VÖV-Unternehmen für die Erstellung und Erhaltung der Infrastruktur i m Sinne der Daseinsvorsorge auf etwa 1 M r d D M 3 . Zieht man von diesem Betrag die ausgewiesenen Investitionen dieser Unternehmungen i n Höhe von etwa 550 Mio D M ab, so wurden etwa 450 Mio D M oder etwa die Hälfte dieser Ausgaben für die Erstellung und Unterhaltung der materiellen Infrastruktur direkt von den Gebietskörperschaften übernommen. Der weitere Teil der festzustellenden Nachfrage der Gebietskörperschaften besteht i n den direkt übernommenen Verlusten. Anhand einer empirischen Untersuchung des Verfassers kann man den Betrag schätzen, den die Gebietskörperschaften letzten Endes i m Jahre 1969 übernehmen mußten. Unterstellt man, daß die untersuchten 56 Unternehmungen repräsentativ für alle VÖV-Unternehmen waren, so waren etwa 25 °/o der Gesamteinnahmen von etwa 2,1 M r d D M oder 530 Mio D M verlorengegangen und abgegolten worden. Zählt man zu diesem Betrag die für Investitionen ermittelten Zuschüsse i n Höhe von 450 Mio D M hinzu, so ergibt sich eine Gesamtnachfrage der Gebietskörperschaften für Verkehrsleistungen der kommunalen und gemischtwirtschaftlichen Unternehmungen i n der BRD von ca. 980 Mio DM. Dieser öffentlichen Nachfrage steht die Nachfrage der unmittelbaren Verkehrsnutzer i n Höhe von etwa 2,1 M r d D M gegenüber, so daß die Gesamtnachfrage nach Verkehrsleistungen dieser Unternehmungen 1969 eine Höhe von ca. 3,1 M r d D M hatte. Hiervon besaß also die Nachfrage der Gebietskörperschaften einen Anteil von etwa 32 °/o. 1 W. Labs: Finanzierung der öffentlichen Personennahverkehrsunternehmen u n d Deckung ihres Aufwandes, i n : Die öffentliche Wirtschaft, 28. Jg., Heft 3, 1969, S. 93. 2 Vgl. P. Binder: Die gemeinwirtschaftlichen u n d betriebsfremden Belastungen der Betriebe des öffentlichen Personennahverkehrs, B e r l i n 1964. 3 W. Labs: Finanzierung der öffentlichen Personennahverkehrsunternehmen u n d Deckung ihres Aufwandes, i n : Die öffentliche Wirtschaft, 28. Jg., Heft 3, 1969, S. 94.
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Bernhard Bellinger
2.2. Nachfrage der unmittelbaren Verkehrsnutzer Die obengenannte empirische Untersuchung ergab, daß 65,5 °/o der Fahrgäste bei ihren Fahrten den Einzelfahrtausweis bevorzugten. A n zweiter Stelle folgte hinsichtlich der Häufigkeit die Mehrfahrtenkarte mit durchschnittlich 23,2 °/o aller Beförderungsfälle. A u f die übrigen Gruppen von Fahrtausweisen entfielen die verbleibenden 12,3% der Beförderungsfälle. Ein i m Prinzip ähnliches B i l d ergaben die prozentualen Anteile der Einnahmen je Fahrtausweisart. 38,5 °/o der Einnahmen entfielen auf Fahrgäste m i t Einzelfahrtausweisen und 34,4 % aller Einnahmen auf Fahrgäste m i t Mehrfahrtenkarten. Etwa aller Einnahmen wurden demzufolge m i t diesen beiden Fahrtausweisarten erzielt. Eine Besonderheit ergab sich hinsichtlich dieser Anteile bei verschiedenen Unternehmungsgruppen. Bei Großbetrieben hatten die Einzelfahrtausweise m i t 27,2 % den geringsten und bei mittleren bis kleinen Unternehmen m i t überwiegend Landverkehr m i t 55,4 % den höchsten Anteil an den Einnahmen. Demgegenüber erreichte die Mehrfahrtenkarte bei den Großbetrieben einen Anteil von 46,1% und hatte dort gegenüber dem Anteil der Einzelfahrtausweise von 27,2 % ein wesentlich stärkeres Gewicht. Die Mehrfahrtenkarte t r i t t demgegenüber bei mittleren bis Kleinbetrieben m i t überwiegend Landverkehr nur m i t einem Anteil von 12,1 % i n Erscheinung. Neben diesen quantitativen Bestimmungsgründen der Nachfrage von unmittelbaren Verkehrsnutzern ist auch die Frage von Bedeutung, welche qualitativen Bestimmungsgründe diese Nachfrage maßgeblich beeinflussen. Z u der obigen Frage liegen verschiedene Studien vor, über deren Ergebnisse kurz berichtet werden soll. Die Studie über „Berufsweg und Verkehrsmittel aus der Sicht des Verkehrsteilnehmers" 4 kam zu dem Ergebnis, daß für den Verkehrsnutzer die Lage des Arbeitsplatzes, die Qualität der öffentlichen Verkehrsbedienung, die Entfernung Wohnung—Haltestelle, die Frequenz des öffentlichen Verkehrsmittels, das Umsteigen, die Entfernung Haltestelle—Arbeitsplatz, verfügbare Sitzplätze, Zeitverluste mit dem P K W durch Verkehrsstauungen, Parkplatzsuche und Fußweg und schließlich die Verfügbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel die entscheidenden Einflußfaktoren seien. Die Frage nach den Motiven derjenigen PKW-Besitzer, die trotz ungünstiger Voraussetzungen für den Berufsweg ein öffentliches Verkehrsmittel benutzten, blieb aus einer ganzen Reihe 4 I n s t i t u t f ü r Angewandte Sozialwissenschaft: Berufs weg u n d Verkehrsm i t t e l aus der Sicht des Verkehrsteilnehmers, Teil I u n d T e i l I I , Bad Godesberg, September und Dezember 1968.
Preisberechnung für Abgeltungsleistungen im Personennahverkehr
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von statistisch schwer faßbaren Gründen i n dieser Studie unbeantwortet. Teil I der Studie gelangte jedoch unter einsichtigen Prämissen zu dem Ergebnis, daß die sozialen Bestimmungsgründe bei der Wahl des Verkehrsmittels praktisch keine Rolle spielen. „Wer ein Auto besitzt und wer nicht, hängt wesentlich vom beruflichen und ökonomischen Status ab; ob es jemand i m Berufsverkehr benutzt oder nicht, hängt wesentlich von der Konstellation des Verkehrsangebots ab, d. h. von der Qualität der öffentlichen Verkehrsmittel einerseits, den Hindernissen beim Individualverkehr andererseits" 5 . Insgesamt zeigte sich jedoch, daß selbst unter den günstigsten Voraussetzungen nur etwa 13 °/o der PKW-Besitzer gemäß der Befragung bereit gewesen wären, das Angebot der öffentlichen Verkehrsmittel anzunehmen. Bedenkt man, daß beispielsweise von dem Personennahverkehr i n der BRD und Berlin (West) i m Jahre 1968 von insgesamt 242,9 M r d Pkm 192,5 M r d Pkm oder 79,3 °/o auf den Individualverkehr entfielen, und daß die kommunalen und gemischtwirtschaftlichen Unternehmen sowie der Omnibusbetrieb der Deutschen Bundespost hiervon nur 26,1 M r d Pkm oder 10,7 °/o auf sich zu ziehen vermochten, so ändert selbst eine 13°/oige Abnahme des Individualverkehrs und eine entsprechende Zunahme des öffentlichen Personennahverkehrs nichts Entscheidendes an der vorliegenden Situation. Das Ausmaß des Unterschieds zwischen Individualverkehr und dem öffentlichen Personennahverkehr der kommunalen und gemischtwirtschaftlichen Unternehmen sowie der Deutschen Bundespost legt die Vermutung nahe, daß i n gewissen Bereichen ein Sachzwang für den Individualverkehr besteht, und daß der Spielraum, i n dem Individualverkehr durch öffentlichen Personennahverkehr der kommunalen und gemischtwirtschaftlichen Unternehmen ersetzt werden kann, verhältnismäßig gering ist. Erstaunlich war, zu welchem Ergebnis der Teil I I der o.g. Untersuchung gelangte. Als Grund dafür, den Individualverkehr dem öffentlichen Personennahverkehr vorzuziehen, stellte sich m i t besonderem Gewicht das Image des PKW-Fahrers gegenüber demjenigen heraus, das dem Benutzer eines öffentlichen Verkehrsbetriebs zuteil wird. Die Studie schließt m i t folgendem Satz: ••„... Trotzdem bleibt ein etwas zwiespältiger Eindruck. Wer sein A u t o i m Berufsverkehr zu Hause läßt, erhält von sich selbst u n d den anderen kein schlechtes Zeugnis: Betragen gut, Charakter sogar sehr gut. Es sind aber doch A t t r i b u t e des Braven, des eher Zaghaften u n d Schüchternen, die i h n vor den anderen auszeichnen; was i h m so ganz fehlt, ist Schwung u n d Dynamik, 6 I n s t i t u t für Angewandte Sozialwissenschaft: Berufsweg u n d Verkehrsm i t t e l aus der Sicht des Verkehrsteilnehmers, T e i l I, Bad Godesberg, September 1968, S. 54.
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Ehrgeiz u n d Selbstvertrauen. Es ist gut, daß es solche Menschen gibt. A b e r so sein wie sie: das w i l l m a n eigentlich nicht 6 ."
Die obigen Erkenntnisse gewonnen und belegt zu haben, war verdienstvoll und läßt die Konkurrenzsituation zwischen Individualverkehr und öffentlichem Personennahverkehr i n einem neuen Licht erscheinen. Vor allem hellt die vorliegende Studie wichtige qualitative K r i terien der Nachfrage auf. U m ein weiteres Urteil über wesentliche qualitative Kriterien zu gewinnen, wurden i m Rahmen einer eigenen Untersuchung 45 Unternehmungen des öffentlichen Personennahverkehrs nach ihren Erfahrungen auf diesem Gebiet befragt. Diese Erfahrungen gründen sich bei den Unternehmen teilweise auf eigene Umfragen. Ansonsten entstammten sie der unmittelbaren Beobachtung und den Ergebnissen gewisser Experimente m i t Einflußnahmen auf die jeweiligen qualitativen Angebotsmerkmale und den Reaktionen der Verkehrsnutzer auf diese Veränderungen. Eine erste Frage richtete sich darauf, welche qualitativen Kriterien als wesentlich angesehen würden. Als erstaunliches Ergebnis stellte sich heraus, daß statt der zu erwartenden großen Zahl von Kriterien überhaupt nur 14 Kriterien angegeben wurden. Diese Kriterien hatten bei den verschiedenen Unternehmungsgruppen das aus Abb. 1 ersichtliche Gewicht. Hierbei handelt es sich bei den Unternehmungsgruppen I — I V um folgende typische Unternehmungsgruppen: 1. Großbetriebe in Städten m i t über 500 000 Einwohnern, 2. Mittelgroße Betriebe i n Städten m i t 100 000—300 000 Einwohnern, 3. Mittlere Betriebe i n Städten m i t unter 100 000 Einwohnern, bei denen der Stadtverkehr überwiegt, und 4. Mittlere Betriebe i n Städten unter 100 000 Einwohnern, i n denen der Landverkehr überwiegt. Ein maßgebliches Gewicht, das von einem prozentualen Anteil an dem Gesamtgewicht von über 5 °/o angenommen werden kann, hatten nur sieben Kriterien. Es waren dies die Reisezeit, die Fahrplanmäßigkeit, der Preis je Fahrt, Service und Komfort, Tarifsystem, Regelmäßigkeit und die Häufigkeit des Umsteigens. Als weitere, aber weniger bedeutende Merkmale traten die Sicherheit, Zugfolgezeit bzw. Häufigkeit, Zu- und Abgänglichkeit, Belastung während der Fahrt, A n gewiesensein des Fahrgastes, A r t der Abfertigung und die Gebundenheit auf. Die zehn ersten Kriterien erreichen bereits einen Anteil von über 92 °/o der insgesamt angegebenen Gewichte. 6 I n s t i t u t für Angewandte Sozialwissenschaft: Berufsweg u n d Verkehrsm i t t e l aus der Sicht des Verkehrsteilnehmers, T e i l I I , Bad Godesberg Dezember 1968, S. 46.
Preisberechnung für Abgeltungsleistungen i m Personennahverkehr
15
Der Preis je Fahrt hatte m i t 7,6 °/o seinen niedrigsten A n t e i l bei den Großbetrieben und m i t 14,2 °/o seinen höchsten Anteil bei den mittleren Betrieben m i t überwiegend Stadtverkehr. Bei den beiden übrigen Unternehmungsgruppen lag sein Gewicht zwischen 12 und 1 3 % des Abb. 1. K r i t e r i e n der unmittelbaren Nachfrager, gewichtet nach den Erfahrungen v o n 45 Betrieben kumuliert
II
III
1. Reisezeit
26,90
19,75
10,50
—
25,3
2. Fahrplanmäßigkeit .
15,70
16,15
19,20
21,67
17,9
43,2
3. Preis j e Fahrt
7,60
12,88
14,20
12,50
10,3
53,5
4. Service u. K o m f o r t .
8,80
5,23
4,10
10,83
8,4
61,9
5. Tarifsystem
4,40
5,83
7,20
12,50
5,9
67,8
14,60
14,20
15,20
5,7
73,5
7. Häufigkeit d. Umsteigens
6,10
5,00
—
—
5,5
79,0
8. Sicherheit
2,70
5,78
10,60
12,50
4,8
83,8
9. Zugfolgezeit bzw. Häufigkeit
6,60
—
—
4,7
88,5
—
3,7
92,2
6. Regelmäßigkeit
—
IV
gewogenes Mittel
I
-
10. Z u - u n d Abgänglichkeit
3,10
4,52
5,30
11. Belastung während der Fahrt
2,90
3,01
1,50
5,00
3,1
95,3
3,09
1,90
25,00
2,5
97,8
2,86
4,40
-
1,4
99,2
1,70
5,90
-
0,8
100,0
100,00
100,00
12. Angewiesensein des Fahrgastes 13. A r t der Abfertigung 14. Gebundenheit
—
0,60 -
100,00
100,00
100,0
Gesamtgewichtes. Hieraus folgt, daß der Höhe des Fahrpreises sicherlich nicht das Gewicht zukommt, das i h m i n der öffentlichen Diskussion zugerechnet wird. Schon das vorliegende Ergebnis reicht für die Feststellung aus, daß ein Nulltarif die gegenwärtige Situation des öffentlichen Personennahverkehrs nicht grundlegend verbessern würde. Aus dem Resultat der obigen Umfrage ergibt sich des weiteren, daß das Problem der Verkehrsbedienung i m öffentlichen Personennahverkehr ein mehrschichtiges Problem ist. Daher kann es für dieses Problem auch keine einfache oder einseitige Lösung wie die des Nulltarifs
16
Bernhard Bellinger
geben. Solche einseitigen Lösungen wären schon aus diesem theoretischen Grunde heraus falsche Lösungen.
2.3. Angebot der Verkehrsunternehmungen I n der Öffentlichkeit besteht weitgehend Unkenntnis darüber, welche Anstrengungen die öffentlichen Verkehrsbetriebe unternehmen müssen, u m überhaupt die bisherige Nachfrage auf sich zu ziehen. Aus den Jahresstatistiken ergibt sich beispielsweise, daß 1969 der durchschnittliche Platznutzungsgrad aller Verbandsmitglieder 20 °/o der angebotenen Platzkm war. Dies bedeutet, daß die Bevölkerung von 100 angebotenen Steh- und Sitzplätzen nur 20 i n Anspruch nahm. Sehr ähnlich lagen die Dinge bei der eigenen Untersuchung. M i t geringen Streuungen betrug i n diesen Fällen der Platzausnutzungsgrad bei den Großbetrieben 20,36%, bei den mittelgroßen Betrieben 19,07%, bei den mittleren Betrieben m i t überwiegend Stadtverkehr 21,8 % und bei den mittleren Betrieben m i t überwiegend Landverkehr 20,0 %. Hierbei wurde der Hamburger Verkehrsbund nicht berücksichtigt, w e i l er mit einem Auslastungsgrad von 41,88 % eine ganz ungewöhnliche Ausnahme darstellte. Vom Standpunkt der Kosten aus ist bei einem Angebot nicht nur von Interesse, inwieweit die angebotenen Plätze der auf die Strecke gebrachten Fahrzeuge i n Anspruch genommen werden, sondern auch, inwieweit die gesamte Fahrzeugkapazität ausgenutzt wird. Über diesen Kapazitätsausnutzungsgrad des gesamten Potentials an Platzkm, der sich aus der Fahrzeugkapazität ergibt, wurden bisher kaum Erhebungen angestellt. Hierzu liegt die Schätzung von Erbe vor, daß dieser Kapazitätsausnutzungsgrad etwa bei 3 3 % läge 7 . Dieser Grad hängt davon ab, wieviel Betriebsstunden je Tag berechnet werden. Unter der A n nahme von 16 Betriebsstunden je Tag gelangten eigene Untersuchungen zu dem Ergebnis, daß die tatsächlichen Platzkm bei 16 Betriebsstunden etwa 38 °/o der möglichen Platzkm und bei 20 Betriebsstunden etwa 30 % der möglichen Platzkm ausmachten. Dieses Ergebnis bedeutet, daß man wohl ohne Bedenken für überschlägige Rechnungen von einem Ausnutzungsgrad der Fahrzeugkapazität i n Höhe von 40 % ausgehen kann. Da der Platzausnutzungsgrad der angebotenen Platzkm i m Durchschnitt etwa 20 % beträgt, ist i m Durchschnitt mit einem Beschäftigungsgrad von (20 % von 40 % = ) 8 % auszugehen. Es ist ohne weiteres ersichtlich, daß bei einem derart 7 E. Erbe: Optimale Preisbildung bei Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs, Diss. Münster 1968.
Preisberechnung für Abgeltungsleistungen i m Personennahverkehr
17
niedrigen Beschäftigungsgrad die unmittelbaren Verkehrsnutzer nicht die Kosten der zu 92 % nicht beschäftigten Kapazität mittragen können. Die obige Feststellung ist von besonderer Bedeutung, w e i l die derzeitige Verlustsituation schon allein aus dem niedrigen Beschäftigungsgrad der öffentlichen Verkehrsbetriebe erklärt werden könnte. Es ist daher zu untersuchen, welche Zusammenhänge zwischen den Kosten je Pkm und dem jeweiligen Beschäftigungsgrad bestehen. Bei derart niedrigen Beschäftigungsgraden liegt die Vermutung nahe, daß eine direkte Einflußnahme auf den Beschäftigungsgrad erhebliche Kostenersparnisse herbeiführen könnte. Unter diesen Umständen wäre ein K a l k ü l vorstellbar, der die zusätzlichen Kosten für eine Verbesserung der Beschäftigungslage den zu erwartenden Kosteneinsparungen gegenüberstellt und daraus Schlüsse über die Nützlichkeit entsprechender Aktivitäten erlaubt. I m folgenden w i r d der Versuch unternommen, die i n Frage stehende Kostenabhängigkeit aufzudecken. Zur Ermittlung der gesuchten Kostenabhängigkeit sind zunächst die Kosten je Pkm festzustellen. Dann ist die Abhängigkeit der Kosten je Pkm i n Dpf von dem Platzausnutzungsgrad abzuleiten. Die Grundlagen für diese Analyse wurden empirisch ermittelt. Die Veröffentlichungen des V Ö V erlauben es überdies, die Abhängigkeit der Gesamtkosten von dem Ausnutzungsgrad der Kapazität zu bestimmen. Ist diese Abhängigkeit bekannt, so läßt sich aus ihr die Abhängigkeit der Kosten je 100 Platzkm von der Kapazitätsausnutzung bestimmen. Sind wiederum diese Zusammenhänge festgestellt, so kann die Untersuchung dazu fortschreiten, die Abhängigkeit der Kosten je P k m i n Dpf von der Beschäftigung festzustellen. Die Kosten je P k m nach Kostenarten und Unternehmungsgruppen hatten gemäß der eigenen empirischen Untersuchung Größenordnungen, wie sie sich aus der beifolgenden Abb. 2 „Kosten je P k m nach Kostenarten und Unternehmungsgruppen i n Dpf" (Seite 18) ergeben. Der Struktur nach entfielen 1969 57 %> der Gesamtkosten auf Personalkosten. Die zweithöchste Gruppe stellten die Kapitalkosten ( = A b schreibungen und Zinsen) dar, die i m Durchschnitt 16,8 °/o der Gesamtkosten ausmachten. A u f diese folgen die Energiekosten m i t 7,4 °/o, die Fremdleistungen m i t 6,8 °/o und die Materialkosten m i t 5,8 °/o. Die übrigen Kosten haben keinen besonderen Umfang. Unter diesen Voraussetzungen läßt sich nunmehr die Abhängigkeit der Kosten je P k m von dem jeweiligen Auslastungsgrad ermitteln. Unter gleichbleibenden Voraussetzungen würde der P k m bei einer Platzausnutzung von 10 %> 24,4 Dpf, bei einer solchen von 2 0 % 12,0 Dpf, bei 3 0 % 8,1 Dpf, bei 4 0 % 6,1 Dpf und bei 5 0 % 4,9 Dpf kosten. Abb. 3 gibt diesen Grundzusammenhang graphisch wieder. 2 Festgabe Illetschko
a (100,0)
0,10
0,56
0,23
2,23
12,30
Fremdleistungen
Mieten und Pachten
Abgaben
Versicherungen und Wagnisse .
Kapitalkosten
2104 719 23,3
65,3
(100,0)
(15,2)
(1,0)
(2,8)
(0,4)
5 905 168
12,25
1,86
0,12
0,34
0,05
(5,3)
(5,5)
(7,3)
(100,0)
(13,2)
(1,4)
(2,0)
(0,2)
(6,9)
(5,9)
(6,9)
(10,5)
(53,0)
5,7
519032
12,99
1,72
0,18
0,26
0,03
0,90
0,77
0,89
1,36
6,88 5,05
(100,0)
5,7
515 227
9,16
0,99
0,16
0,18
0,16
0,34
0,90
0,47
0,91
^or^aJr^oocTPoo*
in Vo
(4.5)
(0,8)
0,65
0,68
0,90
(10,7)
ê
Pkm in 1000
(1,9) (18.2)
0,91 (7.4)
(5,5)
0,68
-
Materialkosten
CM (7,6)
CO
0,94
T
Energiekosten
.3 (51,8)
m
1,31
co
6,34
© .S
(13.1)
(106,0)
(16,8)
(1,6)
(3.9)
(0,7)
(6,8)
(5.8)
(7,4)
(12,2)
(44,8)
100,0
9044146
12,14
2,04
0,20
0,47
0,09
0,82
0,70
0,90
1,48
5,44
X
(41.0)
9
1,61
o>
5,04
o
Löhne und Gehälter
Gruppe I - IV absolut
Gruppe IV absolut
III
t*-
absolut
Gruppe
.s
Sozialkosten
absolut
GruppeII '
absolut
Gruppe I
Kosten je Pkm
Bernhard Bellinger
Preisberechnung für Abgeltungsleistungen i m Personennahverkehr Kosten je
19
^
10
20
30
40
50
Auslastungsgrad in v.H.
Abb. 3. Abhängigkeit der Kosten je Pkm in Dpf von dem Auslastungsgrad ( = Platzausnutzungsgrad). Die nächste Frage richtet sich auf die Abhängigkeit der Kosten je 100 Platzkm von der Kapazitätsausnutzung. Die Gesamtkosten der für diese Analyse untersuchten Unternehmungen betrugen 1 085 297,5 TDM. Unterstellt man einmal, daß hiervon 30°/o variable und 70°/o fixe Kosten waren, so machten die fixen Kosten etwa 759,7 Mio D M und die variablen Kosten ca. 325,6 Mio D M aus. Unter den angenommenen Verhältnissen, daß diese Gesamtkosten bei einer Kapazitätsausnutzung von 40 °/o entstanden sind, würden sich die Gesamtkosten i n Abhängigkeit von dem Ausnutzungsgrad der Kapazität i m vom Hundert gem. Abb. 4 verhalten. Gesamtkosten
Kapazitätsausnutzungsgrad in v.H.
Abb. 4. Abhängigkeit der Gesamtkosten von dem Ausnutzungsgrad der Kapazität in v.H. 2*
Bernhard Bellinger
20
Unter diesen Umständen würden die Kosten je 100 Platzkm wie folgt von der jeweiligen Kapazitätsausnutzung abhängen: Kapazitätsausnutzung i n v. H.
Kosten j e 100 Platzkm in D M
Platzkm i n Mrd.
Kosten i n Mio D M
760 (= fix(C
0
+ V) .
I n Wirklichkeit erzielen allerdings die Finanzanlagen häufig nur eine unter dem Kapitalisierungszinsfuß liegende Rendite (vgl. die Beispiele von Cutforth, a. i n Anm. 8 a.O., S. 207 - 212). Ist beim Heimfall das ganze Vermögen dem Konzessionsgeber unentgeltlich zu übertragen, so fällt die letzte Auszahlung d n dahin oder reduziert sich auf eine dem letzten Betriebsgewinn entsprechende D i v i dende. Gewöhnlich sind aber die Verhältnisse wesentlich komplizierter, so daß nicht einfach, wie etwa angegeben wird, der Liquidationserlös L wegfällt 2 1 . Unternehmungswert bei variablen Erfolgen und Auszahlungen Wie gestalten sich nun aber die Verhältnisse i m Normalfall der teilweisen Ausschüttung der Erfolge verbunden m i t Erhöhung des Eigenkapitals durch Selbstfinanzierung? Zur Beantwortung dieser Frage ist 20 Beispiel (vgl. die Beispiele bei Käfer, a. i n A n m . 4 u n d 10 a.O., S. 311 u n d 79). Unternehmungsdauer n = 3 Jahre; Kapitalisierungssatz 100 j = 1 0 % ; K a p i taleinsatz C 0 = 230 bzw. 100); Gewinne (Renten) 40 u n d 60; letzte Rente r 3 + Liquidationsgewinn V = —30 (bzw. -f 100). a) Erfolg = Ausschüttung 40 u n d 60 u n d Liquidationserlös 230—30 = 200 (bzw. 100 + 100 = 200).
^ . ^ 40 , 60 , 200 Unternehmungswert am A n f a n g W 0 = y y - + y-y? + y y r = 236,2. TT
b) Keine periodischen Ausschüttungen. Das K a p i t a l erhöht sich u m (40 • 1,1 -f 60) • 1,1-30 = 84,4 (bzw. u m 40 • 1,12 + 60-1,1 + 100 = 214,4) auf 314,4 (in beiden Fällen); W 0 = 314,4 :1,13 = 236,2 (in beiden Flällen). 21 Nach den üblichen Konzessionsbedingungen fallen n u r die festen Anlagen unentgeltlich heim u n d diese sollten i m Z e i t p u n k t der Übertragung bereits auf den „ W e r t f ü r das Geschäft", d. h. auf N u l l , abgeschrieben sein. Auch die Kapitalrückzahlung f ä l l t nicht weg; die angegebene Formel stimmt weiterhin (di = r t; r n + V vielleicht negativ, u n d letzte Auszahlung d n = C 0 — r n — V ) ; Unternehmungswert gleich Summe der diskontierten künftigen Gewinn- und Kapitalauszahlungen (vgl. Münstermann, a. i n A n m . 17 a.O. S. 48).
128
Karl Käfer
festzustellen, wieweit die Unternehmungswerte durch die kombinierten Wirkungen der künftigen Dividendenpolitik und der Fruchtbarkeit des Zusatzkapitals beeinflußt werden. Die zur Selbstfinanzierung verwendeten Erfolgsteile — i m Jahre i betragen sie d* — wachsen beim konstant angenommenen Ertragssatz jf bis zum Ende des n-ten Jahres, d. h. während n - i Jahren, auf den Betrag v o n ( T j — ( 1 -f j')»-< an.
Endkapital vor der letzten Auszahlung 2 2 = C 0 + ft-dj)
=
(1 + j ' ) * " 1 + (rs-dg) (1 + j ' ) n ~ 2 +
+ ( r w - i - d f l - i ) (1 +i')
+ rn + V .
Dies ist gleich der letzten Auszahlung d n = C 0 + S 1 ( n - d i ) (1 +
+ rw + V .
t=i
Barwert der letzten Auszahlung = n-l
= v» d w = u» C 0 + v» 2 ( ^ - d f ) ( l + j ' ) 7 * - * + v n ( r w + V) . i=l
Barwert aller Ausschüttungen = Unternehmungswert W 0 = "s ty vi + d n vn = 2 diV* i=1
i»l
=
.
Oder, nach Einfügung des zusammengesetzten Barwertes für d n, n-l
W 0 = ' S d f vi + t>» C0 + V + r n + ' s t=l t=i = ^(c t
0
+ V + 2 r, (1 + r ) t=i
n
ft-d,)
(1 + j ' ) * " *
- [ - V di [(1 + j ' ) » - « - ( 1 +;)»-«] 1 • i=i J
Diese komplizierte Formel 2 3 vereinfacht sich stark, wenn die Rentabi22 C 0 hat hier, w i e v o r h i n ausgeführt, die Valuta des letzten Abschlußtages; die Verzinsung während der n Jahre liegt i n den 7> Z u m Betriebserfolg r n gesellt sich der Verkaufs- oder Liquidationsgewinn V. 23 Anwendung auf Beispiel b) von A n m . 20; d j = dg = 0; 100 j' = 15%.
W n = V» C 0 + 2 «=i
( i + ¥ ) n - * + v — 0,7513 [230 + 52,9 + 6 9 - 3 0 ] = 241,9
Zur Bewertung der Unternehmung von begrenzter Dauer
129
lität des Zusatzkapitals und der Kapitalisierungszinsfuß übereinstimmen 2 4 (d. h. j ' = j): W 0 = i* Co +
v
+ .2
r
i d + i)n-i—o J =
= vn (C 0 + V) + 2 r< vi = 2 d t v\ w e n n d n = C 0 + V + S * ^ - » ( ^ - d j ) + r „ . »=i t=i t=i
Wenn die zurückbehaltenen Gewinne innerhalb oder außerhalb der Unternehmung zum Kapitalisierungszinssatz angelegt werden, so ändert sich der Unternehmungswert des Anfangstages nicht. Wieviel vom schließlich als Rest ausbezahlten Liquidationserlös auf Gewinnausschüttung und Kapitalrückzahlung entfällt, ist nicht objektiv, sondern nur i n der Buchhaltung feststellbar, wobei aber jede anfängliche Reinvermögensbewertung Co zum selben Unternehmungswert Wo führt 2 5 . Z u beachten ist, daß es sich bei den Beträgen r\ u m die unter der Voraussetzung der Vollausschüttung mutmaßlich zu erzielenden Erfolge (Renten) handelt.
Unternehmungswert bei gleichbleibender Dividendenpolitik Die eben aufgestellten unbequemen Ansätze können durch einfachere und teilweise oft verwendete Formeln ersetzt werden, wenn die Selbstfinanzierungsquote (b), die Neukapitalrentabilität (j') und der Jahreserfolg des Anfangskapitals (r, also Rentabilität i n % = 100 r : Co) als konstant angenommen bzw. m i t erwarteten Mittelwerten eingesetzt werden 2 6 . 24 A n w e n d u n g dieser vereinfachten Formel auf Beispiel A n m . 20, w e n n jeweils 30 °/o des Gewinns ausgeschüttet werden.
S u m m e der Zähler = Endkapital W
= 0
"
— 1,1
4- J i +
4.
11,2 +
2 3 0
~
3 0
1,13
I +
28-1,12 1,13
4 2 • 1,1 +
1,13
=
40 1,1 +
|
60 1,12 +
_2(M 1,13
w i e bei a) v o n A n m . 20. Wie v o r h i n postuliert, ist das aus Selbstfinanzierung entstandene K a p i t a l entsprechend seinem A u f b a u zu zerlegen u n d die Teübeträge sind valutiert i n die Rechnung aufzunehmen. 25 Vgl. Wolf gang Lücke: Investitionsrechnungen auf der Grundlage v o n Ausgaben oder Kosten? Z f h F 7 (1955), S. 311 - 314; ferner Störrle, a. i n A n m . 19 a.O. S. 111. 2 ® Vgl. Myron J. Gordon: The Investment, Financing, and Valuation of the Corporation, Homewood (Illinois) 1962, S. 365; H. Hax, a. i n A n m . 2 a.O. S. 365; ferner K . Käfer a, i n A n m . 4 a.O. S. 312. 9 Festgabe Illetschko
130
Karl Käfer
U n t e r diesen V o r a u s s e t z u n g e n b e t r a g e n : I m Jahre die Gewinne (Renten): die Selbstfinanzierung:
br
bra 2
br(l-j-j'b)
die Gewinnausschüttung: (1 - b) r
bra n~2
bra n~t
(1 - b) r (1 + j' b) (1 - b) ra? (1 - b) ran - 2 ( i _ &) mn
-1
a Total Selbstfinanzierung = br (1 + a +
+ ... a ^ - 1 ) =
an—l
(l+j'b) n-l
— br
. a—1 / E n d k a p i t a l (wenn Verkaufs- bzw. L i q u i d a t i o n s g e w i n n = V) = dationserlös27 = Zusatzauschüttung i m n - t e n Jahr = =
r
= r
Liqui-
(1 + j ' b ) » - l -j1 + Co + V ;
A n f a n g s w e r t dieses Betrages ( w e n n 1 + j = q) r
an-l
j'
qn
Cq + V qn
_r r j'
(1 + f b ) * - 1 '
B a r w e r t der G e w i n n a u s s c h ü t t u n g e n
= (l-b)r
j)n
+
+ V +
(1 +
j)n
=
1
«
«2
_w-2
1
ci
et
a
n-l
a
a — q -1
i =
(ir-
(l-b)r
(l-b)r—
/ 1 + j' b l
1+ J
/
j-j'b
W e r t d e r U n t e r n e h m u n g = B a r w e r t der G e w i n n a u s s c h ü t t u n g e n u n d des a m E n d e des n - t e n Jahres e r z i e l t e n L i q u i d a t i o n s e r l ö s e s 27 ff. ffax u n d die v o n i h m angegebenen amerikanischen Autoren (u. a. Gordon) berücksichtigen diesen Betrag nicht; obschon er bei zunehmendem n u n begrenzt ansteigt, ist i h r Resultat i n dem von ihnen allein betrachteten F a l l (n oo) korrekt. Beides trifft auch zu f ü r den ersten T e i l der Ausführungen v o n Uwe Zoll: Probleme bei der Anwendung der Barwerttheorie i n der A k t i e n bewertung (Der Betrieb, Jg. 22, 1969, H. 22, S. 933 - 936). Dagegen ist sein V e r such, die W i r k u n g e n der Selbstfinanzierung zu berücksichtigen, v ö l l i g m i ß glückt: Ansatz, Ableitungen u n d Formeln enthalten eine Reihe von Fehlern (Richtiges Resultat seines Beispiels 300 statt 225).
Zur Bewertung der Unternehmung von begrenzter Dauer
« ™ = W lQ = r ( l - b ) w
= v» (Co + V) + r
131
x - • - / ( i + y b ) w — i , c, 0 + v — hr — ; 1 —— j-j b + a+j)n 1 - b _ v» I ( j ' - j ) ( l + j ' b ) " j-j'b i' \ j-j'b
Für unbegrenzte Dauer (n oo) ergeben sich i m Normalfall, auf den Anfangstag diskontiert, endliche Werte für die Ausschüttungen, den Liquidationserlös und den Gesamtwert, und zwar unter der Bedingung j ' b < j , d.h. auch
1
*b
1+5
< 1 . Der Barwert des Liquidationserlöses
verschwindet nämlich und man erhält das einfache Resultat: 1-b W«u = r-r-3 - 3 b
Diese. Ertragswertformel besonderer A r t w i r d i n Amerika auch i n der Praxis verwendet und gelegentlich sogar als „Standard actuarial formula" bezeichnet. Die Entfernung von der Wirklichkeit durch die Annahme einer unbegrenzten Unternehmungsdauer zeigt sich gerade hier wieder deutlich: Bei Annäherung von j'b an j — eine Situation, die bei der üblichen Dividendenpolitik nicht unmöglich ist — steigt der Unternehmungswert über alle Grenzen. Dies gilt, wie sich aus der allgemeinen Formel ableiten läßt, für n oo immer auch dann, wenn j'b > j. Für die begrenzte Dauer ist nämlich diese Bedingung durchaus zulässig 28 . 2f i
F ü r j = y b w i r d W 0 als Differenz zweier unendlicher Größen zunächst unbestimmt. Die Berechnung erfolgt am einfachsten, indem m a n aus dem ebenfalls unbestimmten B a r w e r t der Ausschüttungen I —1 durch Differenziert ' rung den Grenzwert r (1 —b) „ , . ableitet. (Denselben Wert erhält man durch 1 +3 A d d i t i o n der einzelnen Glieder der Barwertreihe der Gewinnauschüttungen, da a = q.) F ü r den B a r w e r t des Endkapitals ( = Liquidationsausschüttung) erhält man v» (C 0 + V) + rba-] .
u
Gesamtwert = v n (C 0 + V) + rb a^ + r (1 — b) ^
.
Beispiel b = 2/3, 100 j = 10 %>, 100 j ' = 15 min! n
(2)
A{ = « ü + e2: „ei wird es vorgezogen"; durch > w i r d also eine vollständige Ordnung 6 auf G definiert; 3 Entschuldigend können w i r allerdings darauf hinweisen, daß gerade dieses w o h l interessanteste Feld der Unternehmensentscheidungen sehr gut bestellt ist; vgl. Hax, Loitlsberger, Schneider, Swoboda. 4 Schneeweiß, 13 f., Menges, K a p i t e l 3. 5 Z u r Definition vgl. Savage, 8 f. • Z u r Definition vgl. Henn/Opitz, 7.
Elemente der axiomatischen Entscheidungstheorie
239
(vi) eine Nutzenfunktion 7 , xp : (£ 3t, welche jedem Ergebnis e € G i n eindeutiger Weise eine reelle Zahl xp (e) £ 31 zuordnet, wobei g i l t : Ci > e2 o xp (e x) > v (e2) , e
i > e 2 ^ V ( e i) > V (e2) >
e
i ~ e 2 ^ V ( e i) = W (e2) •
Da jede monoton steigende Transformation v o n xp diese Ordnung erhält, d. h. ebenfalls eine Nutzenfunktion darstellt, ist die unter (vi) genannte Nutzenfunktion i. a. eine ordinale Nutzenfunktion, welche keinen Vergleich von Nutzendifferenzen (und Grenznutzen, die j a die Möglichkeit der Intervalldefinition voraussetzen) zuläßt. Läßt die Nutzenfunktion den konsistenten Vergleich von Nutzendifferenzen zu, liegt eine kardinale Nutzenfunktion vor, welche bis auf eine positive lineare Transformation (d. h. bis auf Ursprung u n d Maßeinheit) eindeutig bestimmt ist. Je nachdem, w i e der Raum der Zustände der W e l t beschaffen ist, liegt ein unterschiedliches Entscheidungsproblem vor: (i) Entscheidung bei sicheren Erwartungen: Der Raum der Zustände der W e l t degeneriert zu einem einzigen Punkt, dem Zustand, der sicher eintritt, d. h. das Ergebnis hängt allein v o n der gewählten A k t i o n ab: e = 0 (A). (ii) Entscheidung bei Risikoerwartungen: Das Auftreten der Zustände der W e l t folgt einer Wahrscheinlichkeitsverteilung, welche dem Entscheidenden
bekannt
(!) ist.
(iii) Entscheidung bei ungewissen Erwartungen: Die Gesetzmäßigkeit des Auftretens der Zustände der W e l t ist dem Entscheidenden unbekannt (bzw. es existiert keine Gesetzmäßigkeit). Praktisch bilden w o h l Mischformen zwischen (ii) u n d (iii) die Regel. F ü r jedes Entscheidungsproblem sind schließlich noch Entscheidungskriterien erforderlich, das „sind Richtlinien, die der Entscheidende bei Auswählen der optimalen A k t i o n befolgt" 8 . Sie zerfallen i n Entscheidungsregeln einerseits u n d Entscheidungsprinzipien andererseits. Entscheidungsprinzipien spezifizieren die Argumentvariablen, welche explizit i n die Nutzenfunktion xp eingehen, oder legen die Prozedur der E r m i t t l u n g der Nutzenfunktion (z. B. v. Neumann-Morgenstern-Nutzen) fest. Sobald n u n über die F o r m der Nutzenfunktion K l a r h e i t herrscht, setzt eine Entscheidungsregel ein, die i n eindeutiger Weise angibt, welche A k tion als die optimale zu betrachten ist u n d daher gewählt werden sollte. (Sind mehrere A k t i o n e n optimal, herrscht unter ihnen Indifferenz.) Die 7 Die Existenz der Nutzenfunktion folgt bereits aus (i) - (v), wenn © eine abzählbare Menge ist; vgl. Fishburn, 14. 8 Schneeweiß, 17.
240
Christian Seidl und Wilhelm Weber
Lösung eines Entscheidungsproblems ist also durch die Adoption eines Entscheidungsprinzips, die Festlegung einer Nutzenfunktion und die W a h l einer Entscheidungsregel determiniert. W i r sehen hier von der illustrativen Aufzählung von Entscheidungsregeln ab, da sie w o h l aus der Literatur 9 genügend bekannt sind. Eine Entscheidungsregel ist m i t verschiedenen Entscheidungsprinzipien kompatibel und umgekehrt, doch ist zu beachten, daß fast alle Entscheidungsregeln bei Risikoerwartungen oder ungewissen Erwartungen (mit Ausnahme der Minimax-Regel oder Waid-Regel) eine kardinale Nutzenfunktion ip voraussetzen. — Bei sicheren Erwartungen w i r d die A k t i o n gewählt, die den maximalen Nutzen (welcher ordinal oder kardinal sein kann) stiftet (Entscheidungsregel); das Entscheidungsprinzip ist aber auch hier nicht a priori festgelegt. Entscheidung bei Risiko Unterstellen w i r , daß uns die Wahrscheinlichkeitsverteilung, m i t der die Zustände der Welt auftreten, bekannt sei, und nehmen w i r vorerst zur Vereinfachung an, daß die Anzahl der Zustände der Welt sowie die Anzahl der verfügbaren Aktionen endlich seien. Dann erhalten w i r nach Anwendung der Ergebnisabbildung 0 auch endlich viele Ergebnisse, von welchen w i r annehmen können, daß N davon untereinander verschieden seien. Diese N verschiedenen Ergebnisse wollen w i r m i t Hilfe der Präferenzrelation > ordnen und durchnumerieren, so daß gilt: e
N > eN-1 > • • • > e2 >
e
i
Bezeichne n die Anzahl der verfügbaren Aktionen, dann läßt sich für jede A k t i o n i = 1, 2, . . . , n eine bedingte Wahrscheinlichkeitsverteilung für die Ergebnisse finden: pu (j = 1, 2, . . . , N). Dabei ist: p f j = Summe der Wahrscheinlichkeiten der Zustände, f ü r welche bei Wahl der A k t i o n i als Ergebnis a u f t r i t t ; 0, w e n n bei der Wahl der A k t i o n i nicht als Ergebnis auftritt.
Die pa bilden eine stochastische Matrix, da sich die Wahrscheinlichkeiten der Zustände der Welt für jede A k t i o n auf 1 summieren. Da sich nun alle Wahrscheinlichkeitsverteilungen auf dieselbe Zufallsvariable m i t den Realisationen (j = 1, 2, . . . , N) beziehen, reduziert sich das Entscheidungsproblem i n dieser Formulierung auf die W a h l zwischen n Wahrscheinlichkeitsverteilungen 10 . ® Z. B. Schneeweiß , 21. 10
M a n k a n n daher auch den Weg gehen, zu postulieren, daß auf der Menge der Wahrscheinlichkeitsverteilungen eine Präferenzrelation existiere ( Schneeweiß , 33), doch w o l l e n w i r diese Voraussetzung vorerst noch nicht machen.
Elemente der axiomatischen Entscheidungstheorie
241
Was daher gesucht wird, ist ein Nutzenfunktional W, welches auf der Menge der Wahrscheinlichkeitsverteilungen definiert ist und diese i n die reellen Zahlen abbildet, so daß W (iü**) ;>
(w*) o w** > w* o A**
>
A*,
wobei w** und w * zwei Wahrscheinlichkeitsverteilungen, A** und A * zwei Aktionen seien. Da jeder A k t i o n eine Wahrscheinlichkeitsverteilung der Ergebnisse entspricht, ist damit gleichzeitig eine Präferenzrelation auf der Menge der Aktionen definiert. Gleichzeitig ist aber auch zu zeigen, wie w i r von der auf der Menge der Ergebnisse definierten Präferenzrelation > zu der auf der Menge der Wahrscheinlichkeitsverteilungen definierten Präferenzrelation gelangen können. Dazu führen w i r den Begriff des binären Prospekts 11 ein: (e*, n, e**); dieses ist einem Spiel äquivalent, bei welchem das Ergebnis e** m i t Wahrscheinlichkeit n und das Ergebnis e* m i t Wahrscheinlichkeit (1—jt) als Preise zu gewinnen sind. Wählen w i r nun speziell e** > ejv und e\> e*, gilt offenbar für beliebiges ej: ej > (e*, 0, e**) bzw. ej < (e* 1, e**). Läßt man daher n das Intervall [0,1] durchlaufen, so ist einleuchtend, daß es genau ein n = 7ij gibt, für welches gilt: ej ~ (e*, nj9 e**) . Das Ergebnis ej w i r d als das Sicherheitsäquivalent von (e*, 7ij, e**) bezeichnet. Man kann n u n alle Ergebnisse einer A k t i o n als Sicherheitsäquivalente ansehen und durch ihre so definierten binären Prospekte ersetzen, so daß g i l t 1 2 : «¿ — {(1
0, . . . , 0,
M. a. W., ein Spiel, bei welchem m i t den Wahrscheinlichkeiten pn die Preise ej gewonnen werden können, w i r d einem Spiel indifferent erachtet, bei welchem m i t Wahrscheinlichkeit (1—2 pij 7ij) der Preis e* j und m i t Wahrscheinlichkeit der Preis e** gewonnen werden 11 Borch , 25 (Der Terminus Prospekt geht auf Marschak zurück; der deutschen Übersetzung des Buches v o n Borch folgend schreiben w i r „das" Prospekt). 12 Streng genommen muß m a n die Ergebnisse e* u n d e** bereits i n den Wahrscheinlichkeitsverteüungen (i = 1,2, . . . , n) m i t den Wahrscheinlichkeiten 0 berücksichtigen, da sich beide zu vergleichende Wahrscheinlichkeitsverteüungen auf dieselbe Zufallsvariable (hier m i t den Realisationein: e*, elf e2, ..., eN, e**) beziehen müssen. Diese Erweiterung sei i m folgenden i m p l i ziert Die Substitution der Ergebnisse einer A k t i o n durch geeignete binäre Prospekte w i r d unten ( A x i o m 3) ausführlicher gezeigt.
16 Festgabe Illetschko
Christian Seidl und Wilhelm Weber
242
kann. Ermitteln w i r für jede A k t i o n das zugehörige binäre Prospekt, (e*, 2j Pij 7tj, e**), so ist klar, daß die A k t i o n gewählt wird, für die 2 Pi*j
j
= m a x 1( 2 PijJij ,
;
i = 1,2, ...,
n J\
ist, denn diese A k t i o n i* zeichnet sich von allen Spielen m i t den beiden Preisen e** und e* durch die höchste Wahrscheinlichkeit aus, den begehrteren der beiden Preise zu gewinnen. Damit haben w i r nicht nur eine Präferenzrelation auf der Menge der Wahrscheinlichkeitsverteilungen abgeleitet, sondern auch gleich ein Funktional gefunden, welches diese Präferenzrelation i n der Menge der reellen Zahlen reflektiert. Da n j offenbar eine monoton steigende Funktion von ej ist, gilt: tü** >
w
* o E«» [n (e)] > E w* [n (e)] ,
wobei E w* der Erwartungsoperator i n Bezug auf die Wahrscheinlichkeitsverteilung w * ist. Da wegen der Konstruktion der n gilt: n (ej) > n (e k) o ej
ek
j = 2, . . . , N ,
k = 1,2, . . . , ff-l
,
können w i r n (c) als Nutzen u (e) des Ergebnisses e auffassen und daher setzen: u(e) = n (e) .
Damit haben w i r das gesuchte Nutzenfunktional W gefunden: *P(w) = E w[u(e)]
.
Allerdings ist festzuhalten, daß der so definierte Nutzen (v. NeumannMorgenstern-Nutzen, Ramsey-Nutzen oder auch Bernoulli-Nutzen genannt) nur bis auf eine positive lineare Transformation bestimmt ist, d. h. ü = au + b a, b € %a>0 , ist ebenfalls eine zulässige Nutzenfunktion, da:
5> (u>**) = E w**
[ü
(c)] >
aE w** [u (e)l + b > aE^
9
(«?•) = E w*
[ü
(e)] o
[u{e)] + b
9 (w**) = E w** [ u (e)] >
A» o E Vj [u(e)]2s Enlute)] Damit ist das Entscheidungsproblem bei Risiko gelöst: Es w i r d die am höchsten präferierte Aktion durchgeführt. W i r haben damit i n heuristischer Weise gezeigt, daß man von einem Entscheidungsproblem m i t endlich vielen Zuständen der Welt und endlich vielen verfügbaren Aktionen zum BernouIIi-Prinzip gelangt, wenn w i r einige Voraussetzungen als plausibel akzeptieren. Diese wollen w i r als Axiome formulieren und aufzeigen, was sie für die Rationalität von Entscheidungen bedeuten und an welchen Stellen w i r von ihnen Gebrauch machten. (A.1) Die binäre Relation > induziert eine schwache Ordnung 13 auf der Menge der Wahrscheinlichkeitsverteilungen Eine schwache Ordnung bedeutet Verbundenheit (d. h. es gilt genau eine der drei Beziehungen: wi > w%, w% > w\ , wi — W2) und Transitivität Dieses Axiom besagt lediglich, daß eine solche Präferenzrelation existiert, nicht jedoch, daß sie dem Entscheidenden a priori auch bewußt sei. W i r haben von diesem Axiom i n unserer Ableitung an mehreren Stellen ausgiebig Gebrauch gemacht. (Dieses Axiom kann i n äquivalenter Weise so formuliert werden, daß eine schwache Ordnung auf der Menge der Aktionen existiere 14 .) I m Falle von überabzählbar unendlich vielen Zuständen der Welt (bzw. Aktionen) m i t nichtleeren Ergebnissen, also i m Falle stetiger Wahrscheinlidikeitsverteilungen, erlangt diese Formulierung besonderes Gewicht, da die auf dem Raum der Wahrscheinlichkeitsverteilungen definierte Präferenzrelation nicht ohne weiteres wie i m demonstrierten Falle diskreter, endlicher Wahrscheinlichkeitsvertei13 Vgl. zur exakten Definition u n d Folgerungen hieraus Fishburn, Arrow, 47. 1*
11 f.
Christian Seidl und Wilhelm Weber
244
lungen von der auf dem (endlichen) Ergebnisraum (wi, n*, ws) < W2 u n d w% < (wi, n**, w%) n*, n** 6 (0,1) (Stetigkeitsaxiom, archimedisches Axiom)
Dieses A x i o m besagt, daß es für drei Wahrscheinlichkeitsverteilungen, zwischen welchen strenge Präferenz herrscht, nichttriviale binäre Prospekte m i t den beiden extrem bewerteten Wahrscheinlichkeitsverteilungen als Preise gibt, welche höher bzw. geringer als die mittlere Wahrscheinlichkeitsverteilung geschätzt werden. Dies bedeutet weiters, daß auch ein nichttriviales binäres Prospekt existiert, welches zu der m i t t leren Wahrscheinlichkeitsverteilung indifferent ist. — W i r haben unter Voraussetzung dieses Axioms ein dem Ergebnis ej indifferentes binäres Prospekt erhalten: ej ~ (e*, Tij, e**), indem w i r die drei ausgearteten Wahrscheinlichkeitsverteilungen Pi
1, wenn e = e* 1, wenn e = P2 (e)= 0 sonst 0 sonst
1, wenn e = e** 0 sonst ,
benutzten. Dieses A x i o m ist heftig umstritten worden, besagt es doch u. a., daß ein Individuum, welches die W a h l hat, (I) nichts zu bekommen, (II) S 1 zu bekommen, doch m i t einer sehr kleinen (aber positiven) Wahrscheinlichkeit damit rechnen zu müssen, sein Leben zu verlieren, die A l t e r native I I der Alternative I vorziehen müßte, wenn Tod < O < S 1. So unglaubwürdig dieses Ergebnis auch klingen mag, so w i r d es doch plausibel, wenn man bedenkt, daß Leute etwa wegen einer Zeitung die Straße queren, w o doch die Wahrscheinlichkeit des Verkehrstodes sicher von N u l l verschieden ist. Dieses A x i o m sichert die Existenz eines nichttrivialen Sicherheitsäquivalents einer Wahrscheinlichkeitsverteilung sowie die Stetigkeit von 7i, welches etwa bei binären Prospekten die reelen Zahlen von 0 bis 1 durchläuft, w e n n ej stetig ist u n d das I n t e r v a l l [e*, e**] durchläuft. (Das A x i o m w i r d daher manchmal i n dieser Form ausgesprochen 15 .) (A.3) wi < w 2 => (wi, 7i, Wz) < {Wz, Tz, Wz) für t z £ ( 0 ,1) (Unabhängigkeitsaociom, Substitutionsaxiom, sure thing principle) Das A x i o m besagt, daß die Präferenzrelation zwischen zwei Wahrscheinlichkeitsverteilungen unverändert bleibt, w e n n eine weitere Wahrscheinlichkeitsverteilung i n Form eines binären Prospekts dazutritt. is Borch, 25 f.
Elemente der axiomatischen Entscheidungstheorie
245
W i r haben dieses A x i o m als Substitutionsaxiom (d. h. m i t Indifferenzzeichen) angewandt. Jede diskrete Wahrscheinlichkeitsverteilung, Wi, kann auch als binäres Prospekt zweier Wahrscheinlichkeitsverteilungen geschrieben werden: (wj, [ 1 — w * i ) , wobei Wj eine ausgeartete Wahrscheinlichkeitsverteilung ist, welche dem Ergebnis ej die Wahrscheinlichkeit 1 und allen anderen Ergebnissen die Wahrscheinlichkeit 0 zugeordnet; w] ordnet allen Ergebnissen eu (Je #= j) die Wahrscheinlichkeit
und dem Ergebnis e, die Wahrscheinlichkeit N u l l zu. Da nun
1 Pij offenbar Wj~ej
— (e* f nj, e**)
können w i r , dem A x i o m folgend, schreiben: w } ~ (e*, uz p e**) => (Wj, [1-Py], wf) ~ {(e*, nj9 e**) t [1 - p y ] , wf}
.
Das letztere binäre Prospekt läßt sich nun wieder als Wahrscheinlichkeitsverteilung {¡j'i schreiben, für deren Wahrscheinlichkeiten, p ^ , gilt:
I
pik, für alle ek 4= ejf e», e** , 0, für ek = ej , Pik + Pijd-Jtj), Pik + Pij ™j>
für ek = e* für
e
k = i ~ (e*, j
2 Pij 7tj, e**) = {(1 - 2 Pij Wj), 0, . . . , 0,2 Pij i
.
3
Dieses A x i o m drückt auch das Fehlen der Lust am Spiel aus, welches ja das rationale Handeln bei Risiko kennzeichnet: Der Entscheidende ist indifferent, ob er die Ergebnisse als Resultat eines einfachen oder eines zusammengesetzten Spiels erhält, solange ihnen nur die gleichen Wahrscheinlichkeiten zugeordnet sind. (A.4) F W l (e) > F W 2 wobei F die Verteilungsfunktion
(e)Ve=$w 2>w 1, bezeichne (Dominanzaxiom)
Dieses A x i o m ist unmittelbar evident; da F (e0) == Wahrscheinlichkeit {e < eo} , w i r d offenbar ein beliebiges scheinlichkeit wird, was w i r
die Wahrscheinlichkeitsverteilung vorgezogen, welche für Ergebnis eo dem Ergebnis {e < eo} die geringere Wahrzuordnet (sofern natürlich steigendes e mehr geschätzt stets unterstellt haben).
Christian Seidl und Wilhelm Weber
246
W i r haben das A x i o m bei det Auswahl der optimalen A k t i o n benutzt, als w i r von allen binären Prospekten (e*, 2 pa nj, e**) dasjenige auswähli ten, für welches ( 1 — d a s M i n i m u m darstellte. j W i r können also zusammenfassend das Bernouüi-Prinzip folgendermaßen formulieren 1 6 : Ai > Ak o E w. [u (e)] > E W k [u (e)]
AitA k^l, Es kann bewiesen werden, daß das Bernoulli-Prinzip für stetige und diskrete Wahrscheinlichkeitsverteilungen g i l t 1 7 und — soferne die o. a. Axiome akzeptiert werden — Maßstab für rationales Handeln bei Risikoerwartungen ist: Die Entscheidenden handeln so, als ob sie den Erwartungswert ihres Nutzens (im v. Neumann-Mor gensternschen Sinne) maximieren würden. W i r haben bisher das Gründmodell der Entscheidungstheorie kennengelernt sowie ein fundamentales Entscheidungsprinzip, das Bernoulli Prinzip, und dessen Axiome erläutert. Ehe w i r uns nun, auf dieser Basis aufbauend, zwei wichtigen Gebieten der Entscheidungstheorie, nämlich der Theorie der Risikoaversion und den einfacheren Entscheidungsprinzipien, zuwenden, seien zuvor noch einige Ergänzungen angebracht. Eine der Detailfragen, die w i r noch zu klären haben, ist die nach der Ermittlung der Funktion u (e) für stetige Wahrscheinlichkeitsverteilungen , da es hier vielfach keine endlichen Extremwerte e* und e** gibt. I n diesem Fall kann man experimentell so vorgehen, daß man für beliebige e**, e*, e** > e* f w i l l k ü r l i c h setzt: u (e**) ==l,u (e*) == 0 (Festlegung eines Nutzenmaßstabs und eines Ursprungs der Nutzenskala). Es gibt dann offenbar für jedes der folgenden binären Prospekte ein n € (0,1), woraus schließlich folgt: (i)
e < e* < e**
e* — (e, n (e), e**)
=>0 = u(e) [ l - j r ( e ) ] + 1 • w(e) (ü)
u (e*) = u (e) [ l - n (e)] + u (**•) n (e) t i (e) u(e) = — 1 _ J t { e ) .
e* < e < e** => e — (e*, n (e), e**)
u (e) = u (e*) [1 - n (c)] + u (e**) n (e)
u (e) = n (e) ; (Diesen F a l l haben w i r bisher allein betrachtet.) (iii)
e* < e** < e
e** ~ (e*, n (e), e)
1 = u (e) ti (e)
u (e) =
1
u (e**) = u (e*) [1 -n
(e)] + u (e) n (e)
.
i« Arrow , 53. 17 F ü r einen elementaren, doch langwierigen Beweis siehe Arrow , 5 3 1 ; vollendete Stringenz u n d Eleganz der Beweisführung bei Fishburn, 137 f.
Elemente der axiomatischen Entscheidungstheorie
247
Man kann nun den Nutzen einiger Punkte ermitteln und aus dem Streudiagramm auf die Form der Nutzenfunktion schließen, welche man schließlich durch Regression ermittelt. Dabei ist darauf zu achten, daß die Nutzenfunktion sowohl von oben als auch von unten beschränkt ist, u m das Auftreten des St. Petersburg-Paradoxons auszuschließen 18 . W i r haben bisher ausschließlich von Ergebnissen gesprochen, u m die Universalität der Entscheidungstheorie zu dokumentieren; für w i r t schaftliche Anwendungen sind aber vornehmlich Geldmengen von I n teresse, mögen sie zur Kategorie Einkommen, Gewinn, Erlös, cash-flow, Vermögen, usw., gehören. W i r beschränken uns daher i m weiteren auf Geldmengen und ersetzen fortan e durch x, u m dies entsprechend auszudrücken. Jede A k t i o n entspricht k ü n f t i g i n eindeutiger Weise einer Wahrscheinlichkeitsverteilung von Geldmengen. Es muß betont werden, daß der v . Neumann-Morgenstern-Nutzen keineswegs die einzig denkbare Form des Nutzens ist, auch nicht die einzig denkbare Form eines kardinalen Nutzens; insbesondere braucht er nicht (bis auf eine positive lineare Transformation) m i t dem psychologischen Nutzen (Grad subjektiver Befriedigung) ident zu sein. Der fundamentale Unterschied liegt darin, daß der psychologische Nutzen den subjektiven Wert, etwa des Einkommens, bei Sicherheit indiziert, während der v. Neumann-Morgenstern-Nutzen „vielmehr den subjektiven Wert eines Einkommens und das Verhalten bei Risiko oder nur in Hinblick auf das Verhalten bei Risiko" 1 9 mißt. Allerdings ist der v. Neumann-Morgenstern-Nutzen die einzige kardinale Nutzenfunktion, für welche der Erwartungswert des Nutzens i n jedem Falle die Präferenzrelation zwischen den Aktionen getreu reflektiert. Der v. Neumann-Morgenstern-Nutzen hat aber insoferne fundamentale Bedeutung für alle kardinalen Nutzenfunktionen, als sich bei Adoption des Postulats, daß der Erwartungswert des v. Neumann-Morgenstern-Nutzens u m 6 steigt, wenn der Nutzen jedes Ergebnisses u m O steigt, zeigen läßt 2 0 , daß folgende Abschätzung gilt: ü—u(x 2) u' (x t) y' (Xi) u(X2)—u u ' ( x t ) Ü — U (Xj) u' (x 2 ) ^ TP' (x 2 ) u (x^ — u u' (x 2 ) 18
Diese Notwendigkeit wurde v o n Menger
1® Schneeweiß , 70.
erkannt.
E i n Beispiel möge dies verdeutlichen: Nehmen w i r an, e i n mittelloser M a n n benötige S 500,—, u m ein bestimmtes Medikament f ü r sein erkranktes K i n d zu besorgen. Bietet man i h m n u n ein Spiel m i t den Preisen 0 u n d S 1 000,— an und befragt i h n nach der Wahrscheinlichkeit a, bei welcher er dieses binäre Prospekt als zu dem sicheren Betrag v o n S 500,— indifferent erachten würde, bekäme m a n wahrscheinlich als Ergebnis n « 1 . Dies k a n n n u n keineswegs so interpretiert werden, daß der (psychologische) Nutzen v o n sicheren S 500,— und sicheren S 1 000,— fast gleich hoch sei, also sichere zusätzliche S 500,— n u r mehr einen vernachlässigbar geringen (psychologischen) Nutzenzuwachs brächten. 20 Der Beweis ist ziemlich kompliziert u n d w i r d z. B. v o n Champernowne , 32 f., gegeben.
Christian Seidl und Wilhelm Weber
248 wobei: x t
< x2 ;
tp sei eine kardinale Nutzenfunktion (des psychologischen Nutzens); ü
bezeichne den Wert des v. Neumann-Morgenstern-Nutzens sehr hohes Einkommen;
f ü r ein
u
bezeichne den W e r t des v. Neumann-Morgenstern-Nutzens sehr niedriges Einkommen;
f ü r ein
u
1.
(Da kardinale Nutzenfunktionen nur bis auf lineare Transformationen eindeutig bestimmt sind, besteht der Ausdruck nur aus Ableitungen bzw. Differenzen, wodurch der Ursprung uninteressant wird, und aus Quotienten, wodurch vom Maßstab abstrahiert wird.) Die Grenznutzenrelation des psychologischen Nutzens läßt sich daher durch den (experimentell leichter zu ermittelnden) v. Neumann-Morgenstern-Nutzen gut abschätzen. (Je höhere Werte ü und — u annehmen, desto genauer w i r d die Abschätzung.) Risikoaversion Eines der interessantesten Gebiete der Entscheidungstheorie, welches sich für wirtschaftliche Entscheidungen von größter Wichtigkeit erweist, ist die Theorie der Risikoaversion. Da diese u. E. i n der betriebswirtschaftlichen Forschung noch nicht die gebührende Beachtung erfahren hat, wollen w i r ihr hier größere Aufmerksamkeit schenken und ihre Aussagen stringenter formulieren, u m ihre Postulate exakt herauszuarbeiten. Risikoaversion liegt vor, wenn das Sicherheitsäquivalent kleiner als der Erwartungswert einer Wahrscheinlichkeitsverteilung ist; andernfalls liegt Risikosympathie vor. Satz: Sei u (a?) konkav zum Ursprung und zweimal stetig differenzierbar [d. h. u! (x) > 0, u" (ar) < 0], liegt Risikoaversion vor. Beweis: u (x) w i r d i n eine Taylor-Reihe (mit Restglied i n integralloser Form) u m ¡u, = E (x) entwickelt, welche beim quadratischen Glied abbricht: u' (u) u" (&) U(X)=U
(P) + -JFT-
(X-FIL)
+ -YY-
(X-^)2
;
(0 ist dabei eine bestimmte Zwischenstelle zwischen fi und x). Die A n wendung des Erwartungsoperators ergibt: E [u (x)] = u Gu) + -y E [u" (&)] < u Qu) ,
Elemente der axiomatischen Entscheidungstheorie
249
2
o da — > 0 (wenn die Wahrscheinlichkeitsverteilung nicht ausgeartet ist) ¿t und u" (0) < 0 V & € 9t. Da u (x) streng monoton steigend ist [Voraussetzung: u (x) > 0], existiert eine ebenfalls streng monoton steigende Umkehrfunktion w 1 auf 5t. Wenden w i r w 1 auf beide Seiten der Ungleichung an, so bleibt die Richtung des Ungleichheitszeichens erhalten und es gilt: U " 1 {E [u (x)]} < [x , da w 1
{E [u (x)]} ja bekanntlich das Sicherheitsäquivalent 21 ist.
Gilt umgekehrt {E [u (x)]} < fx und ist u streng monoton steigend, erhalten w i r nach Anwendung von u auf beide Seiten der Ungleichung E [u (x)] < u (fX)
,
was Konkavität der u-Funktion bedeutet, da // eine Linearkombination der x ist. Satz: Sei u (x) konvex zum Ursprung und zweimal stetig differenzierbar, liegt Risikosympathie vor. Der Beweis erfolgt analog zum obigen. Die Voraussetzung der zweimaligen Differenzierbarkeit erleichtert die Beweisführung ganz erheblich, ist jedoch keine notwendige Bedingung für die allgemeinere Gültigkeit der Sätze. Da bei u " (x) = 0 Risikoindifferenz vorliegt, steigt die Risikoscheu (Risikosympathie) offenbar m i t dem Grad der Konkavität (Konvexität) der Funktion u (x). Zur Messung der Risikoaversion wurden daher zwei Maße vorgeschlagen 22 , die den Grad der Konkavität (Konvexität) der Funktion u (x) i m Punkte x messen. Es handelt sich daher u m Maße der lokalen Risikoaversion.
r a (x) ist das Maß für die absolute Risikoaversion, r T (x) für die relative Risikoaversion i m Punkte x. (Wenn u (x) > 0 handelt es sich u m Maße für den Grad der Konvexität und damit für die Risikosympathie.) Die relative Risikoaversion ist die Elastizität des (v. Neumann-Morgensternschen) Grenznutzens des Geldes (Einkommen, Vermögen, usw.). Beide Maße sind gegenüber linearen Transformationen der u-Funktion invariant, gelten m i t h i n für alle v. Neumann-Morgensternschen Nutzenfunktionen, da Nullpunkt und Maßstab des Nutzens irrelevant 21 Schneeweiß, 62. (Siehe ebendort auch eine graphische Verdeutlichung des bewiesenen Satzes f ü r den F a l l einer Zweipunktverteüung.)
22
Arrow, 94.
Christian Seidl und Wilhelm Weber
250
sind. Das Maß der relativen Risikoaversion ist darüber hinaus auch gegenüber Änderungen i n der Wahl der Geldeinheiten invariant. Wenn 2 3 r\ (X) > (x) V x, liegt für u\ global größere Risikoaversion als für U2 vor; globale Risikoaversion bezieht sich daher auf den gesamten Verlauf der Nutzenfunktion. Die Risikoaversion läßt sich auch noch auf andere Weise zum Ausdruck bringen: (i) Risikoprämie: Die Risikoprämie, P (x, z), ist definiert als der Betrag, u m den vermindert der Erwartungswert einer zusätzlichen, m i t Risiko behafteten Einkommensmöglichkeit dieser Chance gleich hoch gewertet w i r d 2 4 , d. h.: u [x + E Cz)-P (x, z)] =E[u(x
+ z)] .
P (x, z) ist ein Funktional, welches von dem sicheren Einkommen x und der Wahrscheinlichkeitsverteilung der Zufallsvariablen z abhängt. — Je höher die Risikoprämie ist, desto größer ist ceteris paribus die Risikoaversion; ist sie positiv, liegt Risikosympathie vor. (ii) Wahrscheinlichkeitsprämie: Die Wahrscheinlichkeitsprämie, p (x, h), ist definiert als das Ausmaß, u m welches n die Zahl J übersteigen muß, damit das binäre Prospekt (x— h, n, x + h) dem sicheren Einkommen x indifferent ist, wenn W (—h) = W (h) = wobei h nur kleine Werte annimmt. p (x, h) ist eine Funktion von x und h; ceteris paribus steigt p (x, h) m i t steigender Risikoaversion. Man w i r d w o h l sofort vermuten, daß zwischen diesen verschiedenen Ausdrucksmöglichkeiten der Risikoaversion Zusammenhänge bestehen, und solche sind i n der Tat aufgezeigt worden. Satz 25: p (x, h) =
t (x)
r (x)
h + 0 (h); bzw. p (x, nx)
n + 0 (n).
Beweis 2*: x ~ (x—h, n, x + h) u (x) = n u (x + h) + (1 — n) u (x— h); Entwicklung i n eine Taylor-Reihe u m x ergibt: u (x 4- Ji) = u (x) + hu' (x) + - y - u" (x) + 0 (M) ,
u (x — h) — u ( x ) - h u / (X) +
23 r (x) steht für beide Risikomaße. 24 Pratty 124. 25 Nach Arrow, 95. 26 Arrow, 110.
u" (X) + 0 (W) .
Elemente der axiomatischen Entscheidungstheorie
251
Dies, eingesetzt i n obige Formel, ergibt: U (X) = U (X)
+ (2
7 T - 1 ) U' (X) + - y - U"
(x) + 0 (W) ,
und hieraus: ?r = l/2 + | r
f l
(x) + 0 W => P (x, h) =
1/2 = A r a (x) + 0 (h) .
Setzen w i r h = n x (n ist der A n t e i l des Einkommens, welcher m i t Risiko behaftet ist), folgt auch der zweite Teil des Satzes unmittelbar, was zu beweisen war. Für P (x, z) gilt ein ähnlicher Zusammenhang 27 . Ganz allgemein g i l t 2 8 : Satz: Tal (X) > Ta2 (x) Pi (x, z) > P2 (x, z) o p i (x, h) > P2 (x, h)\ gilt für alle x, 2; g 31, h > 0, für eine Aussage das strenge Ungleichheitszeichen, gilt es auch für die anderen Aussagen. Satz: Folgende Aussagen sind äquivalent: (a) Das Maß der lokalen Risikoaversion, ton fallende Funktion von x.
r a (x), ist eine [streng]
mono-
(b) Die Risikoprämie, P (x, z), ist für eine beliebige Wahrscheinlichkeitsverteilung von z eine [streng] monoton fallende Funktion von x. (c) Die Wahrscheinlichkeitsprämie, p (x, z), ist eine [streng] fallende Funktion von x für alle h > 0.
monoton
Der erstere Satz besagt, daß alle drei Ausdrucksmöglichkeiten der Risikoaversion äquivalent sind; sie sind monoton i n dem Sinne, daß, wenn eines von ihnen eine höhere Risikoaversion (etwa i m Vergleich zwischen zwei Individuen) zum Ausdruck bringt, dies durch die beiden anderen Alternativen ebenfalls zum Ausdruck gebracht wird. Der letztere Satz besagt, daß, wenn die Risikoaversion m i t steigendem x sinkt, dies von allen drei Ausdrucksmöglichkeiten der Risikoaversion entsprechend reflektiert wird. Da w i r dies jedoch nicht a priori annehmen können, und es auch nicht aus unseren bisherigen Annahmen hervorgeht, müssen w i r zur weiteren 27 Pratt, 125, zeigt, daß w e n n der Betrag des d r i t t e n zentralen Moments i m Vergleich zur Varianz genügend k l e i n ist, gilt:
P(x,z)=-^-r a(x)
+ 0(a z2) .
28 Die folgenden beiden Sätze w u r d e n v o n Pratt, 128 bzw. 130 f., formuliert und bewiesen. W i r verzichten hier auf die Reproduktion der Beweise.
252
Christian Seidl und Wilhelm Weber
Analyse eine Beobachtung der Einstellung der Individuen zur Risikoaversion einfließen lassen, welche w i r i n zwei Postulaten formulieren 2 9 . (P.l) Die absolute Risikoaversion, von x.
r a (x), ist eine sinkende
Funktion
(P.2) Die relative von x.
r r (x), ist eine steigende
Funktion
Risikoaversion,
(P.l) ist plausibel, da für eine gegebene Wahrscheinlichkeitsverteilung von z bzw. gegebenes h > 0 die Risiko- bzw. Wahrscheinlichkeitsprämie empirisch beobachtbar m i t wachsendem x (Einkommen, Vermögen) sinken (falls natürlich überhaupt Risikoaversion vorliegt), so daß schließlich, wenn x sehr groß wird, der Erwartungswert des Geldes m i t guter Approximation an die Stelle des Erwartungswertes des (v. NeumannMorgenstern-^Nutzens gesetzt werden kann. Sinkende absolute Risikoaversion ist auch m i t Hilfe eines anderen Modells erklärbar. Sei P (x, z) der höchste Betrag, welchen ein Individuum m i t sicherem Einkommen x für ein m i t Risiko behaftetes zusätzliches Einkommen z (mit bekannter Wahrscheinlichkeitsverteilung) zu bezahlen bereit ist, dann ist P (x, z) offenbar definiert aus 30 : u (x) = E {u [x -f z-P
(x, z)]} .
Je höher die Risikoaversion des Individuums, desto geringer w i r d P (x, z) ausfallen. Andererseits steigt aber bekanntlich der Nachfragepreis für ein nicht inferiores Gut m i t steigendem Einkommen. Da ein ertragbringendes Investitionsobjekt zweifellos als nicht inferiores Gut anzusehen ist, steigt ceteris paribus dessen Nachfragepreis m i t steigendem Einkommen, was a fortiori sinkende Risikoaversion bei steigendem Einkommen bedeutet 31 . (P.2) besagt, daß die Risikoaversion bei steigendem x sinkt, wenn ein gleichbleibender Anteil von x auf dem Spiel steht 3 2 . Dies würde bedeuten, daß, wenn etwa die Wahrscheinlichkeitsprämie für ein Individuum, welches S 10 000,— i m Monat verdient, für S 100,— 0,1 beträgt, sie bei einer Einkommenssteigerung auf S 15000,— für einen unsicheren Teil von S 150,— mehr als 0,1 betragen müßte. Da bestimmt nicht wenige Indivi29 Nach Arrow, 96. so Pratt, 124. 3* Dieser Aspekt w i r d besonders v o n Hirshleifer, 227, herausgearbeitet. Allerdings unterscheidet dieser nicht zwischen P(x,z) und [E (z)—P (x, z)], deren Gleichsetzung i m allgemeinen falsch ist. [ I n der Regel gilt: E (z) — —P(x Jz)
0. Beweis: Dieser folgt unmittelbar aus: u" (x) vf (x)
< 0
r
,,
< 0
u'" (x) > ———— > 0 ,
[u'(x)]2
u
(X)
analog: x u" (x) U' (X)
< 0
u'" (x) > ——— u' (x)
—— = ———- H r a (x) > 0 , x u' (x) u (x) x av '
was zu beweisen war. Eine u-Funktion, welche (P.l) erfüllt, muß also eine positive dritte A b leitung besitzen (sofern sie überhaupt dreimal stetig differenzierbar ist) [notwendige Bedingung, daß (P.l) erfüllt ist]. Dasselbe gilt, wenn die relative Risikoaversion für positives Argument eine sinkende Funktion von x ist, und überhaupt Risikoaversion vorliegt (d. h. das entsprechende Maß positiv ist). Wie man leicht nachrechnet, kann eine u-Funktion, die (P.2) erfüllt, eine positive dritte Ableitung besitzen, sie muß aber nicht. Besitzt sie keine positive dritte Ableitung, verstößt sie gegen (P.l) und wäre daher abzulehnen. Unser Mißtrauen gegen (P.2) bestätigt sich also. Was bedeutet nun eine positive dritte Ableitung für die Gestalt der Wahrscheinlichkeitsverteilung? U m dies zu zeigen, entwickeln w i r u (x) i n eine Taylor-Reihe u m den Punkt ¡i\ U(X)=U
(lA + tt' W
u" (ju)
( X - f O + - y P " Ix-p) 2
u" f (uS
+ - j
P
(X-fA) 3 + 0 [(x-m
Bei Anwendung des Erwartungsoperators ergibt dies:
E [U (X) ] = u Cu) +
u" (u)
u"' (u) o2 + - y P E Ux-I*m
+
.
254
Christian Seidl und Wilhelm Weber
Bei sonst gleichen zentralen Momenten w i r d die Wahrscheinlichkeitsverteilung bevorzugt, welche positiv schief (rechtsschief) ist, bzw. welche die größere positive Schiefe besitzt, da das dritte zentrale Moment i m wesentlichen die Schiefe mißt (o3 w i r d ja als ident unterstellt). Dies läßt sich heuristisch am besten anhand eines einfachen Beispiels klar machen: „Suppose he [ein Entscheidender, d. V.] were offered his choice of two gambles: X offers 0,999 probability of losing $ 1 and 0,001 probability of gaining $ 999, while Y offers 0,999 probability of gaining $ 1 and 0,001 probability of losing $ 999. X and Y have the same mean and variance, but X is positively skewed and Y negatively skewed. Almost all commerical lotteries and games of chance are of form X , thus suggesting that individuals tend to have a preference for positive skewness 88 ." Die Bevorzugung positiv schiefer Verteilungen ist sowohl von der Intuition her durchaus plausibel, wie sie audi eine notwendige Bedingung für sinkende absolute Risikoaversion darstellt, welche ebenfalls recht plausibel i s t E i n Faktum, welches beträchtliche Verwirrung gestiftet hat, ist die Tatsache, daß Risikoaversion und Risikosympathie nebeneinander, oft sogar bei demselben Individuum, zu finden sind. Es handelt sich hier vorwiegend u m die Bereitschaft sonst ausgeprägt risikoscheuer Individuen, [im statistischen Sinn] unfaire Spiele einzugehen. Es hat nicht an Versuchen gefehlt, u-Funktionen m i t einem oder mehreren Wendepunkten, welche schließlich i n einen konkaven Ast auslaufen, zu konstruieren, doch setzen sie meist nicht sehr überzeugende Verhaltenshypothesen voraus, weshalb w i r nicht näher auf sie eingehen wollen. Vielmehr scheinen uns andere Faktoren bedeutsamer zu sein: (i) Unterschreiten
der
Nutzen-Fühlbarkeitsschwelle;
(ii) Schmälerung des Nutzens kleiner Geldbeträge durch Unteilbarkeiten; (iii) Tendenz zur Überschätzung sehr kleiner Wahrscheinlichkeiten. U m diese Fälle zu illustrieren, knüpfen w i r an das Beispiel von Hirshleifer an. Bei Vorliegen von Risikoaversion müßte gelten: 0,999 u ( x - 1 ) + 0,001 u (x + 999) < u (x) ,
und hieraus, da u (x) = 0,001 u (x) + 0,999 u (x): 0,001 [u (x + 999)—ii (x)] < 0,999 [u (x)-u
(x-1)] ,
bzw. u (x + 9 9 9 ) - u (x) < 999 [u (x)-u «3 Hirshleifer,
282.
(x-1)] .
Elemente der axiomatischen Entscheidungstheorie
255
Tatsächlich ist aber oft zu beobachten: u (x + 9 9 9 ) - u (x) > 999 [u (x)-u
(x- 1)]
.
Wie kann es dazu kommen? Einmal, indem u(x)^u(x— 1) gesetzt wird, also der Betrag von 1 nicht ausreicht, die Nutzen-Fühlbarkeitsschwelle zu überspringen. Z u m anderen dadurch, indem sich das Individuum zwar der Nutzendifferenz [u (x)—u (x— 1)] bewußt ist, diese aber geringer ansetzt, da u m den Betrag 1 keines der begehrten Güter gekauft werden kann bzw. auf keines der begehrten Güter verzichtet werden muß; die „nutzenrelevanten" Geldeinheiten sind i n diesem Fall größer. Denselben Effekt zeitigt die Überschätzung sehr kleiner Wahrscheinlichkeiten. Wenn das Individuum nur anstelle der Wahrscheinlichkeit 0,001 die Wahrscheinlichkeit 0,002 unterstellt, kann bereits sehr wohl gelten: u (x + 999)—u (x) > 499 [u (x)-u
(x-1)] .
Die Überschätzung sehr kleiner Wahrscheinlichkeiten kann i n Unkenntnis, Schätzfehlern (optimistischer bias) oder „Vertrauen auf das eigene Glück" (i. S. einer überirdischen Macht, die zu eigenen Gunsten eingreift) begründet liegen 34 . Manchmal mag auch aus der wiederholten Nennung hoher Preise die Uberschätzung der Wahrscheinlichkeit resultieren. Alle hier angeführten Punkte sprechen umgekehrt dafür, daß eine negativ schiefe Verteilung abgelehnt wird. Aus der bei Risikoaversion gegebenen Ungleichung: 0,999 u (x + 1) + 0,001 u (x—999) < u (x)
folgt: 0,999 [u (x + l ) - u (x)] < 0,001 [u ( x ) - u ( x - 9 9 9 ) ] ,
bzw. 999 [ u ( x + 1)—u (x)] < u (x)—u (x—999) .
Die Berücksichtigung jedes dieser drei Aspekte verkleinert die linke Seite der Ungleichung, wodurch diese umso mehr gilt. Sie verstärken also die Aversion gegen negativ schiefe (linksschiefe) Wahrscheinlichkeitsverteilungen. Dies ist ein zusätzlicher Grund für die Ablehnung solcher Verteilungen. Menger , 471 f. meint demgegenüber, daß sehr kleine Wahrscheinlichkeiten gleich N u l l gesetzt würden, ist jedoch selbst hierüber etwas skeptisch (472): „Eine der Erfahrung ganz entsprechende Beschreibimg des Verhaltens n o r maler Menschen gegenüber Glücksspielen hingegen w i r d auch durch das N u l l setzen kleiner Wahrscheinlichkeiten nicht g e l i e f e r t . .
Christian Seidl und Wilhelm Weber
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M i t diesen Hypothesen kann das gleichzeitige Bestehen von Risikoaversion und Risikosympathie für sehr kleine Wahrscheinlichkeiten und/ oder kleine Nutzendifferenzen (auch bei demselben Individuum) erklärt werden; für den allgemeinen F a l l (sofern er tatsächlich auftritt) ist diese Erklärung allerdings nicht befriedigend. Abschließend sei der Zusammenhang zwischen u (x) und r 0 (x) gezeigt. Satz 3 5 ; r * -f u(x) = a fe~°°
r a(i)di
d$* + b, a, b € %
a>0
—oo
Beweis: u" (£) =
r -J r a(i)d§ e
—oo
x -/ a je
r ~
r
/
=lfltt'tf*)+C
wobei — = ec > 0 a
r
a(i)df d £* + b = u (x) .
— 00
Ist also r a (x) gegeben, läßt sich auch u (x) leicht ableiten. Zur Rationalität einfacherer Entscheidungsprinzipien Die theoretischen Meriten desBernoulli-Prinzips sind gleichzeitig seine praktischen Nachteile. Es gestattet die Ableitung einer auf dem Aktionsraum definierten Präferenzrelation, wobei die Wahrscheinlichkeitsverteilungen der m i t den einzelnen Aktionen verbundenen Ergebnisse beliebige Gestalt annehmen können. Die Funktionsweise des BernoulliPrinzips ist aber einerseits an die exakte Kenntnis aller Wahrscheinlichkeitsverteilungen der Ergebnisse, andererseits an die eindeutige Spezifizierung einer für die Entscheidungsinstanz maßgeblichen v. NeumannMore/enstern-Nutzenfunktion geknüpft. Beide Voraussetzungen sind i n den meisten praktisch relevanten Entscheidungssituationen nicht gegeben. Allenfalls liegen mehr oder minder genaue Mutmaßungen über bestimmte Parameter der Wahrscheinlichkeitsverteilungen der Ergebnisse vor. Setzt sich die Entscheidungsinstanz aus einem Kollegium autonomer 35 Pratt , 126.
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Individuen zusammen, ist es unwahrscheinlich, daß sie dieselbe (bis auf eine positiv lineare Transformation eindeutige) v. Neumann-Morgenstern-Nutzenfunktion besitzen, bzw. sich auf eine solche einigen und sie explizit formulieren. Dies alles hat dazu geführt, daß einfachere Entscheidungsprinzipien 86 auch nach Entdeckung und Beweis des Nutzenerwartungstheorems ihre praktische Bedeutung wohl kaum eingebüßt haben. Das Nutzenfunktional, T, hängt dann nur mehr von einer bestimmten Anzahl von Verteilungsparametern ab, welche stellvertretend für die zugrundeliegende Wahrscheinlichkeitsverteilung stehen: W(w)=