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German Pages 222 [256] Year 1968
Allgemeine und physikalische Chemie von
Prof. Dr. Werner Schulze Freie Universität Berlin
Zweiter Teil Sechste, erweiterte Auflage Mit 49 Figuren
Sammlung Göschen Band 698/698 a
Walter de Gruyter & Co · Berlin 1968 vormals G. J. Göschen'sdie Verlagshandlung · J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung · Georg Reimer · Karl J. Triibner · Veit & Comp.
© Copyright 1968 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J . Göschen'sche Verlagshandlung — J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl J . Trübner — Veit & Comp., Berlin 30. — Alle Rechte, einschl. der Rechte der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen, vom Verlag vorbehalten. — Archiv-Nr. 77606 89. — Satz und Drude: Thormann & Goetsdi, Berlin. — Printed in Germany.
Inhaltsverzeichnis Seite I. H E T E R O G E N E 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Umwandlung der Aggregatzustände Energieumsätze bei Phasenumwandlungen Phasengleidigewicht reiner Stoffe Kritischer Punkt Mathematische Analyse der Van der Waalssdien Gleichung Clausius-Clapeyronsche Gleichung
II. H E T E R O G E N E 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20.
EINSTOFFSYSTEME 7 7 9 11 13 15
MEHRSTOFFSYSTEME
Freiheitsgrade eines Systems Gibbs'sche Phasenregel Dampfdrudeerniedrigung Siedepunktserhöhung Gefrierpunktserniedrigung Osmotischer Druck Molekulargewiditsbestimmung Partialdruckkurven Siedediagramme Schmelzdiagramme Chemisches Gleidigewicht bei heterogenen Gasreaktionen Beispiel Heterogene Lösujigsreaktionen Konzentrierte Lösungen und reale Gasmischungen
18 19 20 21 24 28 29 30 32 33 34 35 36 36
III. ELEKTROCHEMIE A. Leitfähigkeit und Überführung 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31.
Grundlegende Erscheinungen Faradaysche Gesetze Atomismus der Elektrizität Bohrsches Atommodell Theorie der Dissoziation Mechanismus der Stromleitung Vorgänge an den Elektroden Spezifische Leitfähigkeit und Äquivalentleitfähigkeit Starke Elektrolyte Wanderungsgesdiwindigkeit der Ionen Uberführungszahl
37 38 38 40 40 41 42 44 46 51 53
Seite Β. Chemische Gleichgewichte mit Elektrolyten 32. 33. 34. 35. 36. 37. 38. 39.
Schwache Elektrolyte Bestimmung des Dissoziationsgrades Dissoziation gleichioniger Elektrolyte Löslichkeitsprodukt Ionenprodukt des Wassers Hydrolyse Pufferlösungen Indikatoren
55 56 58 59 61 61 64 65
40. 41. 42. 43. 44. 45. 46. 47. 48. 49. 50. 51. 52. 53. 54. 55.
C. Elektromotorische Kräfte Galvanische Elemente EMK von Konzentrationsketten Diffusionspotential Membranpotentiale Aktivitätskoeffizienten Wasserstoffelektrode Drudeabhängigkeit der H-Elektrode Andere GaselektToden Normalpotentiale Elektroden II. Art Kalomel-Elektrode Redox-Potentiale Chinhydron-Elektrode Polarisation und Zersetzungsspannung Konzentrationspolarisation Uberspannung
67 68 71 72 73 78 74 75 75 79 79 80 82 84 84 85
IV. GESCHWINDIGKEIT CHEMISCHER 56. 57. 58. 59. 60. 61. 62. 63. 64. 65. 66. 67. 68. 69. 70.
REAKTIONEN
Allgemeine Gesichtspunkte Reaktions-Gesdiwindigkeit Radioaktiver Zerfall Halbwertszeit Weitere Reaktions-Typen Umkehrbare Reaktionen Molekularität und Ordnung einer Reaktion Stufenreaktionen Temperaturabhängigkeit der RG Ermittlung der Stoßzahl Maxwell-Boltzmannscher Verteilungssatz Anregung bei monomolekularen Reaktionen Kettenreaktionen Explosionen Photochemie
:.
85 86 87 87 88 90 90 91 92 93 95 97 99 100 102
Seite 71. 72. 73. 74. 75. 76. 77. 78. 79. 80. 81.
Photographischer Prozeß Katalyse Homogene Katalyse Heterogene Katalyse Diffusion Gasreaktionen Adsorption Feste Stoffe Reaktionen nullter Ordnung Mischkatalysatoren Kontaktgifte
104 105 107 108 109 III 113 113 115 115 116
V. ATOMBAU 82. 83. 84. 85. 86. 87. 88. 89. 90. 91. 92. 93. 94. 95. 96. 97.
Allgemeines Periodisches System Physikalische Methoden Ergebnisse Bohrsches Atommodell Atomkern Isotope Abtrennung reiner Isotope Massendefekt Packungsanteil Radioaktivität Kernumwandlungen Positron Künstliche Radioaktivität Radioaktive Indikatoren Transurane
116 119 119 120 121 122 123 126 127 129 130 132 133 133 134 135
VI. DIE ELEKTRONENHÜLLE DES ATOMS 98. 99. 100. 101. 102. 103. 104. 105. 106. 107. 108. 109. 110.
Optische Spektren Linienspektren Elektronenzustände Atomzustände Paulisches Eindeutigkeitsprinzip Eindeutigkeitsprinzip und periodisches System Ionisierungsspannung Röntgenspektrum Schalenbau und periodisches System Atomvolumen Polarisierbarkeit und Molrefraktion Magnetische Eigenschaften Wellenmechanisches Atombild
137 138 139 142 144 145 148 149 151 154 155 156 158
111. 112. 113. 114. 115. 116. 117. 118.
Wellengleichung des ebenen Rotators Elektron im zentralen Kraftfeld (H-Atom) Lösungen f ü r den Winkelanteil Lösungen für den Radialteil Quantenzahlen Geometrische Charakterisierung des Winkelanteils Ladungsdidite und Wahrscheinlichkeit Kompliziertere Atome
VII. CHEMISCHE BINDUNG 119. Bindungstypen 120. Bindungstheorie von Heitler und London 121. Pauli-Prinzip bei Molekülen 122. Uberlappungsprinzip 123. Elektronegativität 124. Gewinkelte Bindüngen 125. Mischzustände (Hybrid-Orbitale) 126. Freie Drehbarkeit um Bindungen 127. Mehrfachbindungen 128. Konjugierte Doppelbindungen 129. Mesomere Grenzformen 130. Aromatische Verbindungen 131. Doppelbindungs-Charakter 132. Bindungsabstände 133. Polare Bindung 134. Bildungsenergie von Ionenmolekeln 135. Gittertypen bei polarer Bindung 136. Koordinationszahl von Ionengittern 137. Schichtengitter 138. Kristallbau unpolarer Verbindungen 139. Metallische Bindung 140. Ubergänge zwischen den Bindungstypen Sachregister
Seite 162 163 166 168 170 171 174 180
183 183 186 187 188 194 195 198 200 201 202 203 205 206 209 209 210 213 215 216 217 218 220
I. Heterogene Einstoffsysteme 1. Umwandlang der Aggregatzustände Alle Stoffe können die drei Aggregatzustände fest, flüssig, gasförmig annehmen. Welcher der drei Zustände vorliegt, richtet sich nach den Werten von Temperatur und Drude, unter denen sich das System befindet. Die normale Reihenfolge ist die oben angegebene, wenn man bei konstantem Drude die Temperatur allmählich steigert. Ein fester Stoff „schmilzt" also erst zu einer Flüssigkeit und beginnt dann zu „sieden", wobei er in den Gaszustand übergeht. Gelegentlich (Jod, As 2 0 3 ) findet auch ein direkter Übergang vom festen in den gasförmigen Zustand statt, es erfolgt eine Sublimation. Kinetisch sind diese Tatsachen leicht deutbar. Das Gittergefüge des Kristalls gerät bei Steigerung der Temperatur infolge der immer heftiger werdenden Schwingungen der Bausteine in Unordnung und bricht zuletzt auseinander. Bei kristallisierten Stoffen erfolgt dies bei einer bestimmten Temperatur, der Schmelztemperatur (Schmelzpunkt, bezeichnet mit Fp.). Geht nach weiterer Temperatursteigerung die entstandene Flüssigkeit in den Gaszustand über, so sind die Schwingungen zwischen den Flüssigkeitsmolekeln derart heftig geworden, daß die zwischenmolekularen Kräfte nicht ausreichen, um die Teilchen zusammenzuhalten. Ihre kinetische Energie wird so groß, daß sie die Flüssigkeitsoberfläche durchstoßen und in den Gasraum übergehen.
2. Energieumsätze bei Phasenumwandlungen Die Wärmezufuhr AQ, die notwendig ist, um ein Mol eines Stoffes zu schmelzen, zu sublimieren oder zu verdampfen, wird zum größten Teil (AU) zur Erhöhung der inneren Energie des Stoffes (Überwindung der zwischenmolekularen Anziehungskräfte) verwendet. Ein Teil setzt sich jedoch wegen der Volumänderung des Stoffes in
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Heterogene Einstoffsysteme
Arbeit ΔΑ um. Man unterscheidet daher ζ. B. „Innere" Verdampfungswärme und die Verdampfungsarbeit. Nach dem I. Hauptsatz muß gelten AU = AQ+ ΔΑ Innere Verdampfungswärme = gesamte Verdampfungswärme + Verdampfungsarbeit. Für den Fall der Verdampfung (bei konstantem Druck) kann man die Arbeit schreiben als ΔΑ = - ρ r V Vfi) ^End
^Anfang
und hierin Vfi als sehr klein gegen Vgas vernachlässigen. Ferner darf man meist für den Dampf die ideale Gasgleichung p-V — RT anwenden, so daß sich für Umsatz eines Mols ergibt ΔΑ= — RT Bezeichnen wir die Innere molare Verdampfungswärme als Λ, so folgt für die gesamte Verdampfungswärme Qv Qv = Λ + BT. Beim Schmelzen sind im Gegensatz zum Verdampfen und Sublimieren sowohl Ausdehnung als auch Kontraktion möglich, je nachdem v
fe,t
^
V
flüssig
ist
·
Alle Phasenumwandlungswärmen sind latente Wärmen, d. h. die Wärmezufuhr macht sich nicht als Temperaturerhöhung bemerkbar. So bleibt die Temperatur eines Gemisches aus Eis und F i g . 1. flüssigem Wasser so lange beim Erstarrungskurve Wert der „Schmelztemperatur" mit Haltepunkt 0° C stehen, wie noch Eis vorhanSchmelz. den ist, selbst wenn man Wärme zuführt. Das gleiche gilt für die allmähliche Erstarrung einer flüssigen Schmelze (eines reinen Stoffes!). Man beobachtet einen „Haltepunkt" der Temperatur, wie dies in Fig. 1 am Beispiel einer Dauer der Zeit Erstarrung Erstarrungskurve gezeigt ist.
Phasengleichgewicht reiner Stoffe
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3. Phasengleichgewicht reiner Stoffe Bei welcher Temperatur das Sieden oder Schmelzen stattfindet, wann also flüssige und gasförmige oder feste und flüssige Phase im Gleichgewicht nebeneinander vorhanden sind, hängt (außer vom Stoff) audi von dem herrschenden Druck ab. Wasser siedet bei 100° C nur unter einem Drude von 1 Atm. Bei geringeren Drucken sinkt die Siedetemperatur, was bei der Vakuumdestillation ausge-
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Fig. 2. Dampfdruck des Wassers
nutzt wird. Zersetzliche Substanzen werden durch die zum Destillieren ausreichende tiefere Temperatur dann geschont. Ebenso hängt auch die Schmelztemperatur vom Druck ab, allerdings nur sehr wenig. Deswegen wird der Druck bei Angabe der Schmelztemperatur meist nicht erwähnt.
Für die Da-mpfdruckkurve, die die Abhängigkeit des Siededruckes ( = Dampfdruck) von der Siedetemperatur darstellt, hat August experimentell als gute Annäherung (vgl. Fig. 2) die Formel β log ρ = A — rp (Augustsche Formel) gefunden.
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Heterogene Einstoffsysteme
Den Verlauf der Schmelzdruckkurve kann man auf Grund des Le Chatelierschen Prinzips erläutern. Eis und flüssiges Wasser sind bei 0 ° G und 1 Atm. Druck im Gleichgewicht. Erhöht man nun den Druck, so weicht das System diesem äußeren Zwang aus, indem die Phase mit dem größeren spezifischen Volumen (hier Eis; Dichte = 0,91) sich in diejenige mit dem kleineren spezifischen Volumen umwandelt. Eis von 0 0 C schmilzt also bei Drucken größer als 1 Atm. vollΡ kritischer ständig. D. h. sein Schmelzpunkt sinkt, die Verfestigung kann erst bei tieferen Temperaturen einsetzen. Bei Wasser bewirken 100 Atm. Druckerhöhung rd. 1° Gefrierpunktssenkung. Wasser ist eine Ausnahme. Normalerweise ist die Flüssigkeit voluminöser als der Festkörper, daher τ bewirkt im allgemeinen Drucksteigerung eine Erhöhung der Fig. 3. Schema eines Zustandsdiagrammes Gefriertemperatur. Auch die Sublimation kann man durch eine Sublimationsdruckkurve beschreiben. Alle drei Kurven für das Phasengleichgewicht sind schematisch in Fig. 3 dargestellt, die man als Zustandsdiagramm des betreffenden Stoffes bezeichnet. Die drei Kurven schneiden sich in einem Punkt, dem Tripelpunkt. Bei dem Wertepaar von ρ und Τ des Tripelpunktes sind nämlich alle drei Phasen fest, flüssig und gasförmig nebeneinander beständig, denn der Tripelpunkt liegt sowohl auf der Schmelzdruckkurve, der Dampfdruckkurve und der Sublimationsdruckkurve. Die Kurven selbst trennen die einphasigen Gebiete voneinander, wie in der Figur angedeutet ist. Das Zustandsdiagramm zeigt sofort, daß es für das Eintreten einer Sublimation nötig ist, daß das betrachtete System sidi bei einem p-Wert befindet, der unterhalb des Tripelpunkts-Druckes liegt. Dann wird bei einer T-Steigerung das Gebiet der flüssigen Phase gar nicht berührt.
Kritischer Punkt
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4. Kritischer Punkt Die Dampfdruckkurve endet bei einem für jeden Stoff charakteristischen T-Wert, der kritischen Temperatur. Oberhalb dieser Temperatur ist es, auch bei Anwendung noch so hohen Druckes, unmöglich, ein Gas in den flüssigen
Zustand zu überführen. Kinetisch ist dies leicht verständlich, da die kinetische Energie der „Temperaturbewegung" auch bei noch so großer Annäherung der Teilchen dann nicht mehr durch die (durch den gewählten Stoff gegebenen) zwischenmolekularen Anziehungskräfte unwirksam gemacht werden kann.
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Heterogene Einstoffsysteme
Eine quantitative Beschreibung der kritischen Erscheinungen ermöglicht die van der Waalssche Gleichung, die die Charakteristika von Flüssigkeit und Gas berücksichtigt. Zeichnet man in ein (p,V)-Diagramm Isothermen ein, wie dies für CO a in Fig. 4 geschehen ist, so erkennt man, daß für höhere Temperaturen die Hyperbelform des BoyleMariotteschen Gesetzes angenähert wird, während bei tieferen Temperaturen die Isothermen ein Maximum und ein Minimum enthalten. Der steile linke Teil dieser Kurven entspricht dem flüssigen Zustand (kleine Volumänderung bei 1 Atm. Druckänderung = geringe Kompressibilität der Flüssigkeiten), der rechte Teil entspricht dem Gaszustand (stärkere Komprimierbarkeit). Der zwischen Maximum und Minimum liegende Kurventeil ist physikalisch nicht verwirklichbar, da dort einer Drucksteigerung auch eine Volumvergrößerung entsprechen müßte. In diesem Gebiet muß irgendwo das Nebeneinander beider Phasen realisiert sein. Für diesen Fall des Phasengleichgewichts wird experimentell ein k o n s t a n t e r Dampfdruck beobachtet. Die Isotherme muß also (in Fig. 4) waagerecht verlaufen. Bei welchem Drucäc ρ sie für die betr. Isotherme verläuft, kann man aus der Bedingung ermitteln, daß die Arbeit bei Uberführen eines Mols vom flüssigen in den gasförmigen Zustand im realen Fall (Rechteck AB C D) gleich der sein muß, die man aus der durch die van der Waalssche Isotherme, den Senkrechten A D und Β C sowie D C begrenzten Fläche berechnet. Es muß also sein ν
pl — Drude aus der van der Waalsschen Gleichung. Die in der Figur schraffierten Flächen müssen also einander gleich werden. Es ist bisweilen möglich, Teile der van der Waalsschen Kurve zwischen Α und dem Minimum bzw. zwischen dem
Mathematische Analyse
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Maximum und Β infolge von Ü b e r s ä t t i g u n g s e r s c h e i n u n g e n zu verwirklichen. Eine auf die Siedetemperatur erhitzte Flüssigkeit zeigt bisweilen „Siedeverzug" und läßt sich über den Siedepunkt erhitzen, bis dann explosionsartig die Umwandlung in den Gaszustand einsetzt. Alle Kurven der van der Waalsschen Gleichung, welche ein Maximum und Minimum besitzen, enthalten ein der Umwandlung flüssig-gasförmig entsprechendes geradliniges Stück. Je höher nun die Temperatur gewählt wird, um so kleiner fällt dieses Stück aus (vgl. Fig. 4), bis es bei einer Temperatur, der kritischen Temperatur Τ£ gerade ganz verschwunden ist. Die oberhalb Τk liegenden Kurven haben keine Extrema mehr und nähern sich mehr und mehr der Hyperbelform des Boyle-Mariotteschen Gesetzes, stellen also mit zunehmender Genauigkeit den idealen Gaszustand dar. Am k r i t i s c h e n P u n k t gibt es zwischen Flüssigkeit und Gas keine Unterschiede mehr, ζ. B. fallen die das spezifische Volumen der Flüssigkeit fy/ bzw. des Gases ( v g ) charakterisierenden Punkte Α und Β zusammen, d. h. die Dichten von Gas und Flüssigkeit sind gleich geworden. Ebenso gehen die übrigen physikalischen Eigenschaften ineinander über. 5. Mathematische Analyse der van der Waalsschen Gleichung Mathematisch gesprochen entspricht dem kritischen Punkt eine waagerechte Wendetangente. Die van der Waalssche Gleichung stellt eine Gleichung 3. Grades in υ dar; sie läßt sich schreiben
Eine Gleichung dritten Grades hat nun im allgemeinen drei Lösungen, von denen zwei imaginär sein können, was von dem Wert des Koeffizienten b + RT/p, also von der Temperatur abhängt. Es entsprechen den 3 reellen Wurzeln drei Schnittpunkte (ζ. B. der Geraden AB) mit der Kurve, während bei
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Heterogene Einstoffsysteme
großen und kleinen Werten von ρ nur ein reeller Schnittpunkt vorhanden ist. Im kritischen Punkt, bei Vorliegen einer waagerechten Wendetangente, fallen alle drei Wurzeln der Gleichung zusammen, wodurch die allgemeine Form der Gleichung dritten Grades mit den Lösungen u2 und u 3 : (ϋ — υ1)·(υ
übergeht in
— ν2)·(υ
(v — vk)3
— υ8) = 0
=
0.
die Lösung der Gleichung, ist das kritische Volumen. Durch Ausmultiplizieren folgt v3 — 3vk • v2 + 3v\ • ν — v\ = 0. Am kritischen Punkt hat diese Gleichung die gleiche Lösung wie die van der Waalssche Gleichung / vs
—
B T ,
\
δ +
· w2 + Pk
)
α — p
ab —
· ν —
k
= 0.
Pk
Beide Gleichungen müssen aber identisch sein, d. h. die Koeffizienten von ü2, υ und das absolute Glied müssen bzw. einander gleich sein. Das ergibt die Beziehungen ο
3Vk
=
τ . b +
_
2
;
3Vk
Pk
ζ
a = — ;
ab
Vk =
—
Pk
Pk
Aus diesen Beziehungen kann man entweder die kritischen Größen durch a, b und R oder aber α, b und R durch die kritischen Größen ausdrücken. Man erhält α
8 a
1
bzw. „ —
ου*
p
8
vkPk
Setzt man an Stelle der Konstanten a, b und R die kritischen Größen in die van der Waalssche Gleichung ein, so folgt
Durch die kritischen Größen ist also das Verhalten des Stoffes im gesamten Bereich von p, t) und Γ bestimmt, vorausgesetzt, daß die van der Waalssche Gleichung für den betrachteten Stoff gilt
Clausius-Clapeyronsche Gleichung
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Rechnet man ρ, ν und Τ nicht in absoluten Zahlenangaben, sondern gibt auf den kritischen Punkt bezogene relative GröO = u / e k ' ßen V~P/Pk' ^ = 1 Ί k an> s o er hält die obige Gleichung eine wesentlich einfachere Form
In dieser geänderten Schreibweise hat man alle Besonderheiten der einzelnen Stoffe in die Maßeinheiten für ρ, ν und Τ hineingesteckt; denn die Bezeichnung t> = p/p k heißt ja: ρ gemessen in Einheiten von p k . Es sollte also diese sogenannte r e d u z i e r t e Zustandsgleic h u η g für alle Flüssigkeiten bzw. Gase gelten und Stoffe, die gleiche Werte von p, t> und Ζ besitzen, müssen sich in übereinstimmenden Zuständen befinden (Theorem der übereinstimmenden Zustände). Das ist näherungsweise für eine ganze Reihe von Flüssigkeiten der Fall, gilt beispielsweise jedoch nicht für die Flüssigkeiten Wasser und Alkohol. Diese zeigen audi sonst in ihrem Verhalten Unterschiede gegenüber den normalen Flüssigkeiten, was auf die Art der zwischen ihren Molekeln wirkenden Kräfte zurückzuführen ist (assoziierte Flüssigkeiten). 6. Clausius-Clapeyronsche Gleichung Die thermodynamische Behandlung des Phasengleichgewichts reiner Stoffe knüpft am einfachsten an 21 an, denn wir können den Phasenübergang von ein Mol des Stoffes A aus dem flüssigen in den gasförmigen Zustand auch als chemischen Umsatz ansehen gemäß dfer Reaktionsformel A
flüssig
—>A
gas"
Die Reaktionsarbeit 21 dieser Reaktion ist im allgemeinen eine Funktion von ρ und T. Dies gilt sowohl für Ubergänge außerhalb des Gleichgewichts wie auch im Gleichgewicht. Wir betrachten nun einmal den Phasenübergang bei benachbarten Temperaturen Τ und T + dT und nehmen an, daß die zugehörigen Drucke ρ und ρ + dp gerade so ausgesucht sind, daß in beiden Fällen Gleich-
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Heterogene Einstoffsysteme
gewicht vorliegt. (Das sind dann benachbarte Punkte ζ. B. der Dampfdruckkurve im Zustandsdiagramm.) Beide Male hat 21 den gleichen, konstanten Wert, nämlich 21 = 0. Wegen dieser K o n s t a n z von 21 (nicht, weil 21 zufällig Null ist!) muß sein dW==-Q^dp + ~0ψάΤ = 0. Aus dem G-Stammbaum ersetzen wir die partiellen Differentialquotienten dieser Gleichung durch SS bzw. —