Aktuelle Probleme der Ministerialorganisation: Referate und Diskussionsbeiträge der internationalen Verwaltungswissenschaftlichen Arbeitstagung der ... Speyer 1971 3428027108, 9783428027101


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German Pages [487] Year 1972

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Aktuelle Probleme der Ministerialorganisation: Referate und Diskussionsbeiträge der internationalen Verwaltungswissenschaftlichen Arbeitstagung der ... Speyer 1971
 3428027108, 9783428027101

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Aktuelle Probleme der Ministerialorganisation

Schriften reihe der Hochschule Speyer Band 48

Aktuelle Probleme der Ministerialorganisation

Referate und Diskussionsbeiträge der internationalen verwaltungswisseilschaftlichen Arbeitstagung der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer

1971

DUNCKER & H UMBLOT I BERLIN

Alle Rechte vorbehalten 1972 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1972 bei Buchdruckerei Bruno Luck, Berlin 65 Printed in Germany ~

ISBN 3 428 02710 8

Inhalt Vorwort des Tagungsleiters ..........................................

9

Begrüßungsansprache des Rektors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

13

Eröffnung durch den Chef der Staatskanzlei des Landes Rheinland-Pfalz 19 Erster Teil: Die Organisation der Führung in Ministerien

25

1. Die Organisation der Führung in Ministerien Von Frido Wagener................................................

27

2. Schriftliche Bemerkungen ..........................................

65

a) Aus verfassungsrechtlicher und verfassungspraktischer Sicht. Von Ernst-Wolfgang Böckenförde .................................... 65 b) Die Organisation der Führung. Von Alexandros Stavrianopoulus und Renate Remandas .......................................... 74 c) Aus ungarischer Sicht. Von Otto Bihari ..........................

76

3. Diskussion unter der Leitung von Ulrich Scheuner ... . .... . .........

80

Zweiter Teil: Die Organisation der Fachbereiche in den Ministerien

113

1. Die Organisation der Operational Seetions (Fachbereiche bzw. Referate)

in zentralen Ministerien Von Nevil Johnson ............. ; ......................... ; .... ." ... 115

2. Schriftliche Bemerkungen. Von Ulrich Scheuner

142

3. Diskussion unter der Leitung von Alfred Faude

143

Dritter Teil: Die Organisation der Führungszwischenschicht (Abteilungen usw.) in den Ministerien

169

1. Die Organisation der Führungsschicht (Abteilungen usw.) in den

Ministerien Von Josef Kölble .................................................. 171

2. Diskussion unter der Leitung von Alfred Faude .................... 211

6

Inhalt Vierter Teil: Die Organisation der Querschnittsaufgaben (Organisation, Haushalt, Personal)

245

1. Institutionelle Tätigkeiten: Organisation, Personal, Finanzen und

Haushalt Von Eugen Pusic .................................................. 247

2. Schriftliche Bemerkungen .......................................... 279 a) Personalprobleme in der Organisation der Verwaltungsspitze. Von Georges Langrod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 279 b) Bemerkungen von Ulrich Scheuner .............................. 285 3. Diskussion unter der Leitung von Wilhelm Henle . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 289 Fünfter Teil: Nicht-hierarchische Organisationsformen in den Ministerien

315

1. Nicht-hierarchische Organisationsformen in den Ministerien Von Eberhard Laux ................................................ 317

2. Schriftliche Bemerkungen .......................................... 347 a) Bemerkungen von Alexandros Stavrianopoulus und Renate Remandas ...................................................... 347 b) Bemerkungen von Inge Perko-Separovic ........................ 348 3. Diskussion unter der Leitung von Werner Mohrs .................... 352 Sechster Teil: Die Organisation der Planung in den Ministerien

383

1. Planung in einem Ressort Von Arne F. Leemans .............................................. 385

2. Diskussion unter der Leitung von Hans-Joachim von Oertzen ........ 420 Schlußwort des Tagungsleiters ........................................ 453 Anhang I. Die Neuorganisation der BASF. Von Wolfgang Heintzeler ............ 459 II. Gedanken über französische Verwaltungsprobleme und ihre Lösungsmöglichkeiten. Von Geffroy d'Aumale ................................ 469

Referenten, Redner,

Diskus~ionsleiter,

Diskussionssprecher

Nevil Johnson, Prof. Dr., Nuffield College, Oxford/England Josef Kölble, Dr. Ministerialdirigent, Bundesministerium des Innern, Bonn Eberhard Laux, Prof. Dr., Hochschule für Verwaltungswissenschaft Speyer,

Vorstandsmitglied der Wirtschaftsberatung AG, Düsseldorf

Arne F. Leemans, Prof. Dr., Instituut voor Bestuurskunde, Universiteit van

Amsterdam, Amsterdam/Niederlande

Eugen Pusic, Prof. Dr., Pravni Fakultet u Zagrebu, Zagreb, Vramceva 1,

Zagreb/Jugoslawien

FTido Wagener, Prof. Dr., Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer Franz Knöpfle, Prof. Dr., Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer Willibald Hilf, Staatssekretär, Chef der Staatskanzlei des Landes Rheinland-

Pfalz, Mainz

Geffroy d'Aumale, Conseiller technique, Ministre d'Etat de la Reforme

Administrative, Paris/Frankreich

Christian Autexier, Wiss. Assistent, Centre d'etudes juridiques francaises,

Universität des Saarlandes, Saarbrücken

Otto BihaTi, Prof. Dr., Universität Pecs/Ungarn Ernst-Wolfgang Böckenförde, Prof. Dr. Dr., Universität Bielefeld Sabino Cassese, Prof. Dr., Preside, Facolta Economia in Ancona, Via Pezzana,

nO,Rom

Yehezkel Dror, Prof. Dr., The Hebrew University, Jerusalem/Israel Alfred Faude, Ministerialdirektor, Bundesministerium des Innern, Bonn Michel Fromont, Prof. Dr., Doyen de la Faculte de Droit, Dijon/Frankreich Yvo Hangartner, Dozent Dr., Stellvertretender Leiter des Schweizerischen

Instituts für Verwaltungskurse an der Hochschule St. Gallen/Schweiz

Hans Hegelau, Ministerialdirgent Dr., Bundeskanzleramt, Bonn Wolfgang Heintzeler, Direktor Dr., Vorstandsmitglied der BASF AG, Ludwigs-

hafen

Wilhelm Henle, Ministerialdirigent Prof. Dr., Bayer. Staatsministerium für

Arbeit und Sozialordnung, München

Volker Heydt, Wiss. Assistent, Hochschule für Verwaltungswissenschaften,

Speyer

Otto Hongler, Dr., Direktor der Zentralstelle für Organisationsfragen der

Bundesverwaltung, Bern/Schweiz

Velimir Ivani!evic, Prof. Dr., Rechtswissenschaftliche Fakultät, Universität

Zagreb/Jugoslawien

8

Referenten, Redner, Diskussionsleiter, Diskussionssprecher

Herbert König, Ministerialdirigent Dr., Assistant Secretary-General, O.E.C.D.,

. Paris/Frankreich

Klaus König, Prof. Dr. Dr., Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer Rainer Koch, Dip1..-Pol., Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer Georges Langrod, Prof. Dr., Directeur de Recherches au C.N.R.S., 88, Boulevard

Pereire, Paris/Frankreich

Werner Mohrs, Dr., Direktor, Bundesakademie für öffentliche Verwaltung,

Bonn - Bad Godesberg

Hans-Hermann Oeding, Ministerialrat Dr., Bundesverkehrsministerium, Bonn Hans Joachim von Oertzen, Ministerialrat Dr., Bundesministerium des Innern,

Bonn

Inge Perko-Separovic, Dozentin Dr., Universität Zagreb, Domagojeva 4, Zagreb/

Jugoslawien

Erwin A. Piduch, Regierungsdirektor Dr., Projektgruppe Regierungs- und

Verwaltungsreform beim Bundesminister des Innern, Bonn

Renate Remandas, Dr., OECD-Expertin, Athen/Griechenland Bernd Rombach, Ltd. Ministerialrat Dr., Düsseldorf, Innenministerium Fritz W. Scharpf, Prof. Dr., Fachbereich Politische Wissenschaft, Universität

Konstanz

Hans Walter Scheerbarth, Ministerialrat Dr., Staatskanzlei des Landes Nord-

rhein -Westfalen, Düsseldorf

Ulrich Scheuner, Prof. Dr., Universität Bonn Roman Schnur, Prof. Dr., Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer Heinrich Siedentopf, Prof. Dr., Hochschule für Verwaltungswissenschaften

Speyer

Jerzy Starosciak, Prof. Dr., Universität Warschau/Polen, Warschau Falata

15m.g.

Jacques Stassen, Prof. Dr., Directeur General, Institut international des Scien-

ces administratives, BrüsseIlBelgien

Alexandros StavrianopouZus, Generaldirektor, Präsidialministerium, Athen/

Griechenland

Adolf Theis, Ministerialrat, Bundeskanzleramt und Projektgruppe Regierungs-

und Verwaltungsreform beim Bundesminister des Innern, Bonn

Rainer Wahl, Wiss. Assistent, Dr., Universität Bielefeld Christian Weigeldt, Ministerialrat, Bundesministerium für Verteidigung, Bonn Karl Wenger, Univ.-Prof. DDr., Universität Wien/Österreich A lfred Zauner, Dr., Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer

Vorwort des Tagungsleiters Der Senat der Hochschule hatte im Herbst 1970 beschlossen, in Fortführung der Tradition der internationalen Arbeitstagungen, über welche der damalige Rektor, Prof. Dr. Franz Knöpfle, eingangs dieses Bandes berichtet, vom 14. bis 17. September 1971 eine weitere Tagung dieser Art abzuhalten. Mit der Leitung dieser Tagung beauftragte der Senat den Nachfolger von Fritz Morstein Marx auf dem Lehrstuhl für Vergleichende Verwaltungswissenschaft und Öffentliches Recht. An interessanten, auch international belangvollen Themen war kein Mangel. Der Senat entschied sich, vielleicht gerade deshalb, für ein ziemlich sprödes Thema, für ein Thema allerdings, dessen intensive Diskussion dem Sachkenner wichtige Aufschlüsse versprach: Nicht nur in der Bundesrepublik Deutschland zeichnen sich Bemühungen ab, die Ministerialorganisation (im Bund und in den Ländern) darauf zu überprüfen, inwieweit sie angesichts veränderter Aufgabenstellungen der Reorganisation bedürfe, und zwar unabhängig vom jeweils geltenden politischen Grunddogma. Daß diese Frage aufkam, konnte nicht überraschen, denn in vielen Staaten sind die Grundzüge der derzeitigen Ministerialorganisation vor geraumer Zeit, nämlich vor etlichen Jahrzehnten, entwickelt worden. Hier war wenigstens zu vermuten, daß sich der Wandel der öffentlichen Aufgaben auch auf die Strukturen jener Organisation auswirken mußte, die sich unmittelbar und somit sehr spannungsreich an die eigentliche politische Spitze eines jeden politischen Systems anschließt. Während die Praxis diese Probleme mehr zufällig empfand und den Mängeln in der Ministerialorganisation mit Bordmitteln kaum beizukommen vermochte, tat sich - auch in anderen Staaten die Wissenschaft sehr schwer, hinreichendes Interesse für ein derartiges Thema zu entwickeln: Für Systemträumereien oder für emsiges Aufarbeiten des Vorrats in wohl assortierten, schon nahezu automatisierten Zettelkästen war hier eine denkbar unpassende Thematik. Deshalb sahen sich vor allem die Referenten dieser Tagung einer überaus schwierigen Aufgabe gegenüber, zumal auch im international belangvollen Schrifttum die Ministerialorganisation bislang eher stiefmütterlich behandelt worden ist: Macht geht nicht gerne auf die Straße, auch nicht diejenige der Straße selbst. Die Referenten mußten sich daher weithin auf wissenschaftlich ungesichertem Gelände voranbewegen. Breiter angelegte empirische Unter-

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Vorwort des Tagungsleiters

suchungen fehlen noch (kein Wunder: wenn der dafür maßgebliche begriffliche Bezugsrahmen noch aussteht), so daß die Referenten auch auf eigene einschlägige, freilich umfangreiche Erfahrungen zurückzugreifen hatten. Das mußte zwangsläufig auch die international vergleichende Perspektive auf das Thema der Tagung verkürzen - um so dankbarer mußte man sein, daß international so kundige Gelehrte wie die Professoren J oh nson, Leemans und Pusic in den Kreis der Referenten traten. Eben wegen dieses Standes der Dinge konnte die Tagung einigen Erfolg nur dann versprechen, wenn die Referate die Diskussion durch den mündlichen Vortrag (dem überdies enge zeitliche Grenzen gesetzt gewesen wären) nicht sozusagen autoritär bestimmten, sondern den ersten Teil einer umfassenden Gesamtdiskussion darstellten. Deren Erfolg hing also weithin von den anderen Teilnehmern der Tagung ab. Deshalb wurden die Referate vor Beginn der Tagung an die Teilnehmer verschickt. Daß dies verhältnismäßig spät geschah, lag an mancherlei Umständen, insbesondere an den Schwierigkeiten der übersetzung. Vielleicht war auch manchem Teilnehmer die so sehr auf seine Mitarbeit angelegte Art von Tagung anfangs ungewohnt. Der Leser wird jedoch feststellen, daß diese Schwierigkeiten des Anfangs bald überwunden waren. Es ist vielleicht ein recht subjektiver Eindruck des Tagungsleiters, wenn er meint, daß die Zahl der Perspektiven, unter denen die Themen diskutiert wurden, sehr groß war: Das gilt hinsichtlich der nationalen Verschiedenheiten, der Unterschiede der jeweiligen politischen Systeme, der Verschiedenheiten der beteiligten Wissenschaftsdisziplinen sowie der unterschiedlichen Ansätze, von denen Theorie und Praxis auszugehen pflegen. Es sei aber auch ausdrücklich erwähnt, daß sich nicht nur die Erfahrung in Theorie und Praxis, sondern auch die jüngere Generation, unüberhörbar, zu Wort meldete, wodurch wieder einmal die These widerlegt wurde, Verwaltungswissenschaft sei das Monopol des "establishments" in Theorie und Praxis. Freilich mag es dem Eiferer scheinen, es sei dies kein Vorzug, wenn man so facettenreich, so offen und zugleich so fair diskutiere, wie das hier geschehen ist, weil man damit nicht zur (vermeintlich unumgänglichen) Konsistenz der Theorie, der Weltanschauung oder der Gesinnung zu gelangen vermöge. Wer den Elfenbeinturm oder sein Gegenstück, nämlich die Folterkammer des Psychoterrors heutiger Universität, nicht für einen bevorzugenswerten Ort hält, vielmehr den Realitäten und somit auch seinen Mitmenschen näher sein will, wird den hier geübten Stil der Diskussionen eher zu schätzen wissen. Zu den folgenden Texten darf noch dies bemerkt werden: Die Autoren Prof. Langrod, Paris, und Prof. Bihari, Pecs, waren leider verhindert, an der Tagung teilzunehmen. - Der Vortrag von Dr. Heintzeler wurde am

Vorwort des Tagungsleiters

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16. September gehalten, und zwar anläßlich einer Besichtigung der BASF in Ludwigshafen durch die Teilnehmer der Tagung, die auch etwas über Probleme der Reorganisation von privatwirtschaftlichen Konzernen erfahren wollten. - Der Text von Geffroy d'Aumale ist deshalb im Anhang abgedruckt, weil dieser schriftliche Diskussionsbeitrag sich über mehr oder weniger die gesamte Thematik der Tagung erstreckte (um den französischen Gesamtrahmen zu skizzieren) und weil er daher nicht in die einzelnen Teile des Tagungsthemas zerlegt werden durfte. Für die Mitarbeit bei der Vorbereitung dieses Bandes sei auch hier dem damaligen Assistenten am Lehrstuhl des Tagungsleiters, Herrn Dr. Alfred Zauner, jetzt wieder in Wien, herzlich gedankt. Roman ,Schnur

Begrüfiungsansprache des Rektors Als Rektor der Hochschule kommt mir die angenehme Aufgabe zu, die Gäste unserer Tagung zu begrüßen. Wiederum können wir mit aufrichtiger Freude feststellen, daß unsere Einladung weit über die Grenzen der Bundesrepublik hinaus eine so starke Resonanz gefunden hat. Dies bedeutet für die Hochschule eine Ehre, aber auch nicht weniger eine Verpflichtung. Sie alle, meine Damen und Herren, die Sie den Weg nach Speyer nicht gescheut haben, darf ich hier aufs herzlichste willkommen heißen. Dabei gilt mein Gruß zunächst den Teilnehmern aus dem Ausland, aus den Staaten West-, Mittel- und Osteuropas und des Nahen Ostens. In unserem Kreise befinden sich zahlreiche Kollegen von ausländischen Universitäten. Manche von ihnen kannten bisher Speyer noch nicht, während andere seit langem mit der Hochschule in freundschaftlicher Beziehung stehen. Zu uns gekommen ist auch der Generaldirektor des Institut International des Sciences Administratives in Brüssel, Herr Prof. Dr. Jacques Stassen. Gerade die ausländischen Gäste tragen wesentlich zur Bereicherung der Tagung bei, indem sie uns die Möglichkeit zu dem so erwünschten und notwendigen Informationsaustausch eröffnen. Von den inländischen Gästen darf ich namentlich begrüßen den Finanzminister des Landes Rheinland-Pfalz, Herrn AbgeordnetenGaddum, den Chef der Staatskanzlei dieses Landes und Vorsitzenden des Verwaltungsrats der Hochschule, Herrn Staatssekretär Hilf, der in Vertretung des leider verhinderten Ministerpräsidenten anschließend die Tagung eröffnen wird, den Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft, Herrn Abgeordneten Dr. von Dohnanyi, die Herren Staatssekretäre Dr. Merz von der Staatskanzlei des Saarlandes, Dr. Schmidt vom Innenministerium des Landes SchleswigHolstein und Schreiner vom Innenministerium des Landes Rheinland-Pfalz, den Amtschef des saarländischen Innenministeriums, Herrn Ministerialdirektorvan Recum, den neuen Präsidenten des Bundesrechnungshofs, Herrn Dr. Hans Schäfer, der unserer Hochschule auch schon in seiner früheren Eigen-

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Begrüßungsansprache des Rektors schaft als Staatssekretär im Bundesministerium des Innern verbundenwar. Wir freuen uns weiter, in unserer Mitte zu sehen den Ehrensenator der Hochschule, Herrn Dr. Heintzeler, Mitglied des Vorstands der Badischen Anilin- & Soda-Fabrik AG in Ludwigshafen, dem wir für die Einladung zur BASF am Donnerstag zu großem Dank verpflichtet sind, und den Oberbürgermeister unserer Hochschulstadt, Herrn Dr. Roßkopf, der uns auch bei der äußeren Gestaltung dieser Tagung seine bewährte Hilfe hat zuteil werden lassen. Nicht zuletzt heiße ich willkommen - ich darf wohl hinzufügen: in Ihrer aller Namen die Herren Referenten, denen wir für ihre Mitwirkung aufrichtig dankbar sind. Dies gilt ebenso für die vier Herren, die sich der Mühe einer schriftlichen Stellungnahme zu einzelnen ausgearbeiteten Vorträgen unterzogen und damit für die Diskussion wichtige Gesichtspunkte vorgebracht haben.

Betrachten Sie es bitte nicht als eine höfliche Geste, sondern als ganz nüchterne Feststellung, wenn ich sie alle als hervorragend ausgewiesene Experten bezeichne, die zu dem Thema der Tagung ein gewichtiges Wort beizusteuern berufen sind. Wissenschaftliche Reflexion, die Erfahrung des aktiven Ministerialdienstes, die bei der Ausarbeitung konkreter Reformprojekte gewonnenen Einsichten, die Methoden der Reorganisation im großindustriellen Bereich und vor allem die ausländischen Perspektiven gelangen auf dieser Tagung gemeinsam zum Ausdruck. Dies geschieht in der Intention, uns bei der Erfassung und Lösung der gemeinsam interessierenden Fragen einen Schritt voranzubringen. Diese Konzeption verdanken wir Herrn Prof. Dr. Roman Schnur, dem Inhaber des Lehrstuhls für Vergleichende Verwaltungswissenschaften und Öffentliches Recht an unserer Hochschule - soweit ich sehe, immer noch der einzige Lehrstuhl dieser Art in Deutschland. In seinen Händen liegt die Vorbereitung und wissenschaftliche Leitung dieser Arbeitstagung. Die Hochschule ist Ihnen, Herr Kollege Schnur, sehr dankbar, daß Sie deren Gestaltung übernommen und dabei Ihre weitreichenden wissenschaftlichen Verbindungen zum Ausland in den Dienst der Sache gestellt haben. Um das Hauptgewicht auf die bei einer offenen und komplexen Thematik so wichtigen allseitigen Darlegung der Gedanken und Erfahrungen legen zu können, wurden erstmals auf einer Tagung der Hochschule die Referate den Teilnehmern schon vor deren Beginn zugeleitet. Mag

Begrußungsansprache des Rektors

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sich dieses Verfahren für unsere Staatswissenschaftlichen Fortbildungstagungen in jedem Frühjahr mit Hunderten von Teilnehmern kaum eignen, weil die Mehrzahl zur privaten Durcharbeitung zeitlich kaum in der Lage ist, so dürfte es bei einem wissenschaftlichen Kongreß, der für einen kleinen Kreis interessierter Fachleute veranstaltet wird, eine zumutbare und sachdienliche Form sein. Die durch Wegfall des Vortrags ersparte Zeit kommt voll der Intensivierung der Aussprache zugute. Am Rande sei bemerkt - und dies unterstreicht wohl eindrücklich die Bedeutung des Themas -, daß die Deutsche Sektion des Internationalen Instituts für Verwaltungswissenschaften angeregt hat, die Hochschule möge im nächsten Jahr dasselbe Thema unter Auswertung der in diesen Tagen zu gewinnenden Erfahrungen für einen größeren Kreis interessierter inländischer Teilnehmer nochmals behandeln. Erlauben Sie mir einige einleitende Bemerkungen zum Gegenstand der Tagung aus meiner Sicht, mit denen ich jedoch der Erörterung der Sachfragen nicht vorzugreifen glaube und die Richtung der Aussprache in keiner Weise zu beeinflussen vorhabe. Es hieße Eulen nach Athen tragen, wollte man in dem hier versammelten Kreise darlegen, wie mit der ungeheuren Ausdehnung der Staatsaufgaben - ich erinnere nur an den ganzen Bereich der Daseinsvorsorge, sowie der Planung und globalen Prozeßlenkung auf den verschiedensten Lebensbereichen - eine ebensolche Ausweitung der Tätigkeiten der Regierungs- und Verwaltungsbehörden einhergeht. Auf der Ebene der Ministerien hat diese Entwicklung nicht nur häufig zur Vermehrung ihrer Zahl, sondern auch zu einer wesentlichen Vergrößerung der einzelnen Ressorts selbst geführt, die mit der Auffächerung der Aufgaben und der erforderlichen Spezialisierung zu ihrer sachgerechten Bewältigung Hand in Hand geht. Zur Erhellung dieses Tatbestandes sei nur ein Beispiel aus der Bundesrepublik Deutschland angeführt: Das sowohl für die Förderung der Ausbildung des Nachwuchses auf allen Ebenen wie für die Entwicklung neuer Technologien in einem hochindustrialisierten Staat gleichermaßen unentbehrliche Ministerium für Bildung und Wissenschaft umfaßte vor genau einem Jahrzehnt zwei Abteilungen mit 44 Beamten des höheren Dienstes, während es heute aus fünf Abteilungen mit 247 höheren Beamten besteht. Darin findet - unbeschadet mancher möglichen Auswirkung des "Parkinson'schen Gesetzes" - der Funktionswandel seinen beredten Ausdruck. Ungeachtet dieses stürmischen Wachstums wurde die Organisation der Ministerien, abgesehen von der Einrichtung von Stabsstellen, nicht wesentlich geändert: Das Instrumentarium zur Leitung, die Abgrenzung der Verantwortlichkeiten und insbesondere der alte stufenförmige Aufbau mit seiner Vielzahl von selbständigen Referaten über eine Minderzahl von Abteilungen bis hin zur Führungsebene von Minister und Staatssekretär besteht im allgemeinen noch heute. Dieses Organisationsmodell

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Begrußungsansprache des Rektors

entspricht nicht mehr den Anforderungen, die im Interesse einer bestmöglichen Erfüllung der komplizierteren und komplexeren Aufgaben der öffentlichen Verwaltung zu stellen sind. Das Ressort ist für die personell schmal ausgestattete Führungsebene weithin unüberschaubar und damit in erheblichem Maße unkontrollierbar geworden. Dazu kommen Mängel im Informationsfluß von unten nach oben und umgekehrt, sei es, daß die Spitze des Hauses mit Material überflutet wird, sei es, daß die an der Spitze und im politischen Raum entwickelten Zielvorstellungen nur mangelhaft nach unten durchdringen. Die Exekutive hat die Reformbedürftigkeit seit langem bekanntlich selbst erkannt. In der Bundesrepublik Deutschland wurde durch den schon vor Jahren gebildeten Kabinettsausschuß für die "Reform der Struktur von Bundesregierung und Bundesverwaltung" im Januar 1968 eine gleichnamige Projektgruppe gebildet. Auch die Planungsabteilung des Bundeskanzleramts, die aus dem früheren Planungsstab hervorgegangen ist, befaßt sich mit diesen Fragen. Entsprechende Reformansätze sind in einzelnen Ländern festzustellen. Die Projektgruppe beim Bundesinnenministerium hat einen ersten Bericht im August 1969 vorgelegt. Diese Reformdiskusion konzentriert sich heute, wenn ich recht sehe, vor allem auf drei Punkte: Einmal erscheint es erforderlich, für die Aufgabe der Ausarbeitung von Zielvorstellungen und langfristigen Handlungsprogrammen eine angemessene organisatorische Form zu entwikkeIn. Zum zweiten geht es darum, die Ministerialspitze so auszugestalten, daß sie ihren spezifischen Führungsfunktionen im Ressort wie ihren Aufgaben im umgebenden politischen Raum besser, als es ihr heute vielfach möglich ist, gerecht zu werden vermag und demgemäß die Informationsströme in beiden Richtungen zu kanalisieren. In engem Zusammenhang mit beiden Fragenkreisen steht, drittens, das allgemeine Problem der sachgerechten Nutzbarmachung der Vorzüge des hierarchischen Prinzips und der nichthierarchischen Organisationsformen. Aufgabe der Verwaltungswissenschaft wird es sein, die möglichen Reformansätze zu analysieren, die gesammelten ersten Erfahrungen auszuwerten und der Praxis gegebenenfalls wissenschaftlich fundierte Lösungsvorschläge anzubieten. Lassen Sie mich abschließend noch mit einigen wenigen Worten die Tagung in den Zusammenhang mit den Aufgaben unserer Hochschule und früheren derartigen Veranstaltungen stellen: Neben der verwaltungswissenschaftlichen Ausbildung des Nachwuchses und der berufsbegleitenden Fortbildung obliegt ihr als postuniversitärer wissenschaftlicher Hochschule auch die wissenschaftliche Forschung. Ihr widmet sich, außer den Lehrstühlen, im besonderen das an der Hochschule bestehende Forschungsinstitut: Eigene Forschungsreferenten sind hier unter der Leitung von Professoren ausschließlich mit Forschungsarbeiten

Begrüßungsansprache des Rektors

17

betraut. Die im Institut entstandenen größeren Untersuchungen sind in der Schriftenreihe der Hochschule (Verlag Duncker & Humblot, Berlin) erschienen. In der letzten Zeit hat die Forschungstätigkeit am Institut, das von der Landesregierung in dankenswerter Weise jede mögliche Förderung erfährt, einen beachtlichen Aufschwung genommen. Im Augenblick sind elf größere Projekte in Bearbeitung, unter ihnen: über die Anwendung betriebswirtschaftlicher Erkenntnisse im Bereich der öffentlichen Verwaltung, über Rekrutierung der Verwaltung (Personalauslese und -verwendung), und eines über die Analyse der Funktionen des öffentlichen Dienstes. Die Forschung wird darüber hinaus aber auch durch verwaltungswissenschaftliche Tagungen, jeweils im Herbst, gepflegt. Sie fanden schon mehrmals unter internationaler Beteiligung statt. Schon die erste derartige Tagung im Jahre 1957 unter der Leitung von Herrn Kollegen Ule war einem übernationalen Thema gewidmet, nämlich der gegenwärtigen Lage der Verwaltung und dem Stand der verwaltungswissenschaftlichen Forschung in den europäischen Staaten. Auf die Mitwirkung des Auslandes angelegt war auch die Tagung des Jahres 1968 über "Stand und Tendenzen der Verwaltungswissenschaft in europäischen Ländern"l. Sie stand unter der Leitung unseres unvergessenen Kollegen Fritz Morstein Marx. Dem Abbau von Informationsbarrieren, wie man es heute nennen würde, und dem Ziel, Brücken zu schlagen, war ein Gutteil seiner Lebensarbeit gewidmet. Diese Zusammenkunft machte deutlich - ich darf seine Formulierung gebrauchen - "daß in fast allen europäischen Ländern ein erhebliches Maß an Unkenntnis über Stand und Tendenzen der Verwaltungswissenschaft in den anderen Ländern besteht"; auf ihr wurde auch vielfach der Wunsch laut, europäische Arbeitstagungen dieser Art an verschiedenen Orten mehr oder minder regelmäßig abzuhalten2 • Die Hochschule kommt sowohl diesem Wunsch nach und erfüllt damit zugleich ein Vermächtnis von Fritz Morstein Marx, wenn sie der ersten Arbeitstagung nach der von ihm zustande gebrachten sog. "Speyerer Konferenz"3 von 1968 wiederum einen internationalen Charakter gibt. Eine Beziehung unserer Tagung zu seinem wissenschaftlichen Wirken an der Hochschule besteht auch insofern, als wir das Thema der ebenfalls von ihm geleiteten vorletzten Herbsttagung im Jahre 1966 wieder aufnehmen: sie beschäftigte sich mit den Aufgaben, der Organisation und der Arbeitsweise der Staatskanzleien auf vergleichender Grundlage4, ein 1 Bd. 42 der Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Verlag Duncker & Humblot, Berlin 1968. 2

a.a.O., S. 16 f.

International Review of Administrative Science, Vol. XXXV, 1969, Nr. 4. Bd. 34 der Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Verlag Duncker & Humblot, Berlin 1967. 3

4

2 Speyer 48

Begrüßungsansprache des Rektors

18

Fragenkreis, der bis dahin kaum einer umfassenden wissenschaftlichen Bearbeitung unterzogen worden war. Von diesem wissenschaftlichen Kolloquium gingen bedeutsame Impulse für die in den letzten fünf Jahren allenthalben in Gang gekommenen Reformen der Arbeitsstäbe der politischen Spitze, im besonderen der Ministerien, aus. Man kann die damaligen Vorträge und Diskussionsbeiträge mit Fritz Morstein Marx als "ein erstes Wort zu seinem Gegenstand" bezeichnen'. Die heutige Tagung nimmt unter der Ägide seines Nachfolgers auf dem Lehrstuhl diesen Faden thematisch wieder auf und führt ihn in Richtung einer für die modernen Industriestaaten besonders aktuellen Problematik weiter. Möge auch sie wissenschaftlich fruchtbar werden, und möge der Aufenthalt in der Pfalz und die Begegnung mit den hier versammelten Persönlichkeiten, die gemeinsames Bemühen verbindet, für Sie alle zu einem persönlich bereichernden Erlebnis werden. Die von Hektik noch freie, an geschichtlichem und kulturellem Erbe so reiche Kaiserstadt am Rhein, deren berühmten Dom viele von Ihnen heute Vormittag schon besichtigt haben, und der Reiz der nahen Deutschen Weinstraße schaffen sicherlich eine günstige Atmosphäre für die Erfüllung dieser Wünsche. Prof. Dr. Franz Knöpfle

5

s. a.a.O., S. 11.

Eröffnung durch den Chef der Staatskanzlei des Landes Rheinland-Pfalz Staatssekretär Willibald Hilf Die Tatsache, daß anstelle des angekündigten Herrn Ministerpräsidenten Dr. Kohl ich das Wort zur Eröffnung der Tagung nehme, führt Ihnen "ein aktuelles Problem der Ministerialorganisation" vor Augen: Die Knappheit der Zeit, die Vielfalt der Aufgaben, der Zwang der politischen Spitze, mit jeder Maßnahme, die aufgegriffen wird, ein Dutzend gleichwichtiger Maßnahmen allein aus Zeitgründen unterlassen zu müssen (und das Unbehagen, dies zu wissen), sind belastende, aber leider noch unausweichliche Elemente des Regierungsgeschäfts, die in diesem Kreise sicher keiner näheren Darlegung bedürfen. Im heutigen Falle ist es jedoch nicht die zu Recht viel beklagte Hintanstellung grundsätzlicher Fragen zugunsten des so bezeichneten "Krisen-Managements", die die Abwesenheit des Herrn Ministerpräsidenten erzwungen hat, sondern die Kabinettsberatungen des aufzustellenden Zwei-Jahreshaushalts sind der Entschuldigungsgrund, um dessen Akzeptierung und Verständnis ich Sie bitte. Wenn es daher dem Chef der Staatskanzlei nicht zuletzt auch in seiner Eigenschaft als Verwaltungsratsvorsitzender dieser Hochschule zugefallen ist, die Arbeitstagung über "aktuelle Probleme der Ministerialorganisation" eröffnen zu dürfen, so braucht und möchte er sich gleichwohl mit der Rolle des Vertreters nicht begnügen, denn zu sehr bewegt er sich bei der Thematik dieser Veranstaltung im Feld eigener beruflicher Erfahrungen und spezifischer Reforminteressen. Die Zeit, in der ein Amtschef mit mehr oder weniger freundlichen Anekdoten über diese Erfahrungen und sonst mit persönlichem Schwung zu den Sachgeschäften übergehen konnte, ist sicherlich vorbei. Zu sehr spürbar ist die oft schmerzliche Erkenntnis, daß die herkömmliche Organisation des Ministerialbereiches an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit stößt, und so sind die bevorstehenden wissenschaftlichen Erörterungen für den Politiker im Regierungsgeschäft alles andere als ein Sandkastenspiel, dem er allenfalls als "teilnehmender Beobachter" gegenübersteht. Die Tagungsthematik stellt sich für den Vertreter dieses Bundeslandes Rheinland-Pfalz in dem konkreten Zusammenhang der umfassenden Ver2'

20

Eröffnung

waltungsreform, die über das Stadium der großen politischen Programmatik ein gutes Stück hinausgekommen ist. Wir haben in RheinlandPfalz für die öffentliche Verwaltung wichtige territoriale Veränderungen geschaffen. Seit geraumer Zeit richten wir unsere Arbeitskraft auf das aus, was wir unter dem Stichwort der Funktionalreform zusammenfassen und was insbesondere auch die Reorganisation des Ministerialbereiches einschließt. So sind auch viele Organisationsfragen, die hier behandelt werden, zentrale Themen unserer Reformdiskussion. Ich könnte z. B. etwas zum beliebten Streit um die Unterabteilung aus meiner Sicht beitragen. Desweiteren wird mir natürlich von allen Seiten klargemacht, daß der Staatssekretär selbst zu einem Problem der Ministerialorganisation geworden ist, und wenn ich hier zusichere, daß ich mich darum bemühe, kein "Flaschenhals" - wie es in der Sprache der Experten so sinnfällig heißt - in meinem Hause zu sein, so möchte ich Sie damit doch nicht davon abhalten, mir mit allerlei scharfem Instrumentarium der Organisationsfachleute mehr "Luft" zu verschaffen, auch mehr Zeit zum Nachdenken zu geben (solange Sie nicht zu der Lösung gelangen, den "Flaschenhals" einfach abzuschlagen). Trotz der großen Versuchung durch den eigenen Interessenbezug und durch die Lektüre des umfangreichen vorbereitenden Materials, das der Tagung zugrunde liegt, möchte ich vermeiden, die Erörterungen mit einem vorgezogenen Diskussionsbeitrag zu der Detailfülle systemimmanenter Probleme vorwegzubelasten. Als sogenannter politischer Beamter, der wegen seiner organisatorischen Zwischenstellung auf der der Verwaltung zugekehrten Seite das Politische verkörpert - und umgekehrt -, sei mir stattdessen der Versuch gestattet, etwas von den weiteren Zusammenhängen der Ministerialorganisation anzusprechen, die ich gerne hervorkehren möchte, ohne damit zu unterstellen, diese Zusammenhänge könnten dem hier versammelten Sachverstand andernfalls entgehen. So möchte ich erstens auf die Stellung der Ministerialorganisation im Gesamtprozeß staatlichen HandeIns, zweitens auf die Sachaufgaben als ihre Grundlage und drittens ihre Abhängigkeit von personalen Leistungen und deren weitere Abhängigkeit von Motivationen kurz aufmerksam machen dürfen. Die grundsätzliche Zuordnung von Ministerien im Ablauf staatlicher Willensbildung ist unbezweifeIt, soweit es um den angrenzenden spezifisch politischen Bereich geht, das heißt insbesondere die Beratung und Unterstützung des Ministers und der Regierung. So verstehen wir das Wort Ministerium. Wie schwierig freilich die organisatorische Verwirklichung dieses Prinzips ist, zeigt sich daran, daß viele Reformabsichten, die Sie hier diskutieren werden, gerade der Verbesserung der Zusammenarbeit der politischen Spitze mit ihrem Hause gelten.

Eröffnung

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Diese Erörterungen werden an die grundsätzliche Frage der organisatorischen Verbindungen politischer, d. h. ganz betont auch parteipolitischer Zielvorstellungen und Planungen mit der Verwaltung rühren. Wir haben voll legitimierte Planungskapazitäten außerhalb der Ministerien und wenn wir nach Wegen der Verbesserung der Integration der Planung suchen, so erscheint es mir als eine noch offene Frage, wo und wie derartige Planungen organisatorisch zu gestalten sind. Häufig genug wird die nicht auf die engste Führungsspitze der Ministerien beschränkte "Gemengelage" von Politik und Verwaltung beklagt, auch und gerade unter organisatorischen Aspekten. Ich will die aufgeworfene Frage nicht beantworten, möchte aber dazu ermuntern, sich bei der Diskussion um die sachgerechte Organisation der Planung nicht nur auf die Fachplanung mit politischer Zielvorgabe zu beschränken, sondern auch die Verortung der Zielplanung selbst einzubeziehen, die zu komplex geworden ist, als daß sie gemäß alten Vorstellungen dezisionistisch von einzelnen, wie dem Regierungschef oder Vorständen von Mehrheitsparteien bestimmt werden könnten und nurmehr der Umsetzung in Verwaltungsorganisationen bedürften. Entscheidend scheint mir auch zu sein, daß Planungsund Entscheidungstätigkeit wie -fähigkeit als Informationsproblem verstanden wird und dies wiederum sich als Problem der Organisation darstellt, d. h. der an den Aufgaben der Landesregierung orientierten, systematischen und periodischen Beschaffung und Verarbeitung relevanter Informationen. Ministerialorganisationen sind ebenso wie Verwaltungsorganisationen schlechthin Ausdruck der arbeitsteiligen Erledigung von Sachaufgaben. Dies ist jedenfalls meine Überzeugung, und ich habe mich von dieser Überzeugung durch gelegentliche Hinweise auf Dienstgebäude, in denen angeblich Behörden ohne Aufgaben untergebracht seien, selbst bei großer Raumnot nicht abbringen lassen. Hiervon ausgehend bin ich der Meinung, daß Organisationsprobleme zwar durchaus einen eigenen Charakter haben, der sie zu einem gewissen Grad von der zu bearbeitenden Sache ablösbar macht. Ich möchte aber vor einem zu hohen Abstraktionsgrad warnen. Die Ministerialorganisation muß letzten Endes zusammen mit der Aufgabenerfüllung gesehen werden, und das gilt zwischen wie innerhalb der Ministerien. Wir haben in Rheinland-Pfalz im Rahmen der Verwaltungsreform die eingerichteten Ressorts bestehen gelassen, sie weder vermehrt noch vermindert, indes Umschichtungen in der Aufgabenwahrnehmung vorgenommen, um zu einer sachgemäßen Abgrenzung der Geschäftsbereiche der Staatskanzlei und der Ministerien zu kommen. Damit ist nicht gesagt, daß wir auf die bestehende Ressorteinteilung auf alle Zeit festgelegt sind. Der Bestand öffentlicher Aufgaben wandelt sich. Er erfährt

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immer neue politische Bewertungen. Hieraus sind dann jeweils organisatorische Konsequenzen zu ziehen. Die Dynamik der Aufgaben bedingt wandlungsfähige Organisationsgefüge. Keine ministerielle Organisationsform darf mit einem Alleingeltungs- und Ewigkeitsanspruch versehen sein, was freilich für die herkömmliche rein hierarchische und weitgehend autoritäre Organisation in besonderem Maße gilt. Allerdings sind die einer sinnvollen Organisation zugrundeliegenden Sachzusammenhänge nicht ohne weiteres einsichtig. Es hat bei uns vieler Vorarbeiten bedurft, bis wir das Konzept einer sachgerechten zentralen Organisation der elektronischen Datenverarbeitung entwickelt hatten. Wir haben versucht, den jetzt so vordringlichen Aufgaben des Umweltschutzes eine angemessene organisatorische Lösung auf der Ministerialebene zu geben, und zwar ohne ein besonderes Umweltschutzministerium einzurichten. Es mag durchaus Gründe für eine solche besondere Vorkehrung geben. Aber gerade am Umweltschutz zeigt sich, daß es in Organisationsfragen keine Patentrezepte gibt. Diesen Hinweis kann man auch auf die Problematik der Planungsorganisation - Planungsministerium, Planungs- und Grundsatzabteilung, Planungsstab, Planungs- und Grundsatzreferent - beziehen. Man versucht durch solche Organisationsformen komplexe Sachprobleme insbesondere in verschiedene Zeitdimensionen zu zerlegen. Aber wie wir die Arbeitsergebnisse der Planungs- und Grundsatzabteilungen wieder mit der Arbeit operativer Abteilungen organisatorisch zusammenbringen, ist sicher eine der großen offenen Fragen, die ein besonderes und breites Interesse und Hoffnungen auf die Ergebnisse dieser Tagung weit über den Teilnehmerkreis hinaus erwecken. Die Fragen der Planungsorganisation lassen sich auch auf den Zusammenhang - vielleicht den wichtigsten - beziehen, den ich noch nennen möchte, nämlich die Abhängigkeit von personalen Leistungen: Wollen wir eine längerfristige Planung als Querschnittsaufgabe in einer eigenen Grundsatzabteilung organisieren, dann brauchen wir den hierfür sachverständigen Verwaltungsmann. Sachverstand ist, wie ich meine, nach wie vor eines der hervorragendsten Erfordernisse an jeden Mitarbeiter im öffentlichen Dienst, und an diesem Sachverstand müssen wir auch die verbesserte Ministerialorganisation ausrichten. Freilich setzen wir bei unseren Bemühungen, der öffentlichen Verwaltung unnötig autoritäre Züge zu nehmen, ein breites Band persönlicher Qualitäten des Verwaltungsmannes voraus. Damit sei in loser Verknüpfung auch der Zusammenhang Ihres Themas mit den Ausbildungs- und Laufbahnvoraussetzungen des Verwaltungspersonals, ja mit der Aufgestaltung des öffentlichen Dienstrechts schlechthin angedeutet. Ob seine

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derzeitige Form unter Gesichtspunkten der Leistungsmotivation und der gebotenen Flexibilität der Organisationsformen optimal ist, ist sicher eine noch klärungsbedürftige Frage. Sie weist über das notwendig begrenzte Tagungsthema wohl weit hinaus, doch scheinen mir die personalen Aspekte besonderen Rang zu haben und besondere Beachtung zu verdienen. Wenn wir uns insoweit selbst um Details des Sprachstils bemühen, so meinen wir nicht nur die Umgangsformen der Behörden mit dem Bürger, sondern neue Kooperationsformen in der Verwaltung selbst und damit auch im Ministerialbereich. Da wir uns im Ministerialdienst einen Mitarbeiter wünschen, der eigenverantwortlich mitdenkt und mithandelt, versuchen wir schon in der Sprache Formulierungen zu vermeiden, die solcher Eigenverantwortung zuwiderlaufen. Die "ergebendste" Vorlage, die in meiner Referendarzeit noch sehr gebräuchlich war, ist soweit ich unseren Bereich übersehe - wie selbstverständlich aus der Atmosphäre des Umgangs miteinander und nicht via Erlaß oder Wunsch verschwunden. So darf ich sagen, daß unsere Verwaltungsreform die menschlichen Beziehungen im öffentlichen Dienst allgemein berücksichtigt, wie sich unser täglich konkretisiertes Vertrauen gegenüber unseren Mitarbeitern über das bloße Expertentum hinaus auf vielschichtige persönliche Eigenschaften stützt. Indes bleibt der Sachverstand eine wesentliche Legitimationsgrundlage gegen das einfache hierarchische Organisationsschema der Vorgesetztenautorität. Und ich habe guten Grund, die Bedeutung des Sachwissens gerade anläßlich dieser Arbeitstagung und vor Ihnen zu unterstreichen. Im Rahmen der Verwaltungsreform streben wir auch eine Verbesserung der Fortbildung für den Verwaltungsdienst an. Das Land Rheinland-Pfalz hat in dieser Beziehung ein recht gutes Gewissen: Trägt es doch zu einem wesentlichen Teil die Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, und kann es sich doch einen Hauptanteil an der materiellen und ideellen Förderung des weiteren Ausbaus der Verwaltungswissenschaften in der Bundesrepublik Deutschland zurechnen. Sie werden hiernach verstehen, daß es nicht die Freundlichkeiten eines Eröffnungsredners sind, sondern die Genugtuung über den Erfolg erbrachter Leistungen, wenn ich sehe, daß hier hervorragender internationaler Sachverstand in Fragen der Ministerialorganisation versammelt ist. Ich freue mich insbesondere über die Anwesenheit zahlreicher ausländischer Wissenschaftler, die dieser Tagung einen besonderen Rang verleihen. Gerade die Gleichartigkeit der angeschnittenen Thematik in vielen Ländern und die doch teilweise sehr unterschiedlichen Organisationsformen belegen zwar einerseits die Relativität von Richtigkeits-Annahmen für bestimmte organisatorische Gestaltung, versprechen aber andererseits einen hohen Gewinn an neuen Einsichten. So wenig die Probleme an Staatsgrenzen haltmachen, so wenig sollte es die Diskussion derselben.

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Die Hochschule Speyer hat diesen gedanklichen Austausch durch Tagungen und Besuche schon immer gepflegt. Der Teilnehmerkreis dieser Tagung bestätigt in erfreulicher Weise den Sinn und Erfolg dieser Bemühungen. Ich nehme diesen Eindruck gerne zum Anlaß, gemeinsam mit der Hochschule zu erwägen, wie im Rahmen des weiteren Ausbaues der Hochschule etwa durch Forschungsaufenthalte oder Gastdozenturen ausländischer Wissenschaftler die internationale Kommunikation gestärkt werden kann. Aber Sie sind über die jüngste Entwicklung und die weiteren Pläne der Hochschule informiert. Ich will hier nur unterstreichen, was wir Praktiker der Verwaltungsreform von den folgenden Erörterungen erwarten. Und das ist, daß sich das hier konzentrierte Sachwissen über die Ministerialorganisation nicht nur im kleinen Kreise der versammelten Fachleute auswirkt, sondern daß es durch die Fortbildung im möglichst breiten Umfang weitergegeben wird an Verwaltungsleute in den verschiedenen Ministerialbereichen. Wenn möglichst viele unserer Mitarbeiter von den Bedingungen und besseren Möglichkeiten der Ministerialorganisation wissen, können wir hoffen, daß die einschlägigen Reformen vom Verständnis der betroffenen Personen getragen werden. Angesichts der zweifellos erfahrungsgeprägten Mahnung in einem der vorliegenden Referate, daß es wünschenswert sei, wenn auch Minister und Staatssekretäre sich mit den Erkenntnissen der Organisationswissenschaft vertraut machen würden, darf ich hier versichern, daß ich, wie viele Kollegen, die Erörterungen und Ergebnisse dieser Tagung mit größtem Interesse verfolgen und auswerten werde. Ich habe versucht, etwas von den weiteren Zusammenhängen der Ministerialorganisation zu skizzieren, und zuletzt angedeutet, wie die wissenschaftliche Auseinandersetzung über Organisationsprobleme und ihre Weitervermittlung auch zu diesen Zusammenhängen gehören. Lassen Sie mich nun mit einer Erwartung schließen, die ebenfalls aus den Erfahrungen mit der Verwaltungsreform rührt. In einer unserer Tageszeitungen konnte man zum Thema der Reform der Ministerien die Frage lesen: Henkt man die Kleinen und läßt man die Großen laufen? Ich bin sicher, daß Sie das nicht tun werden. Ich wünsche Ihnen ein wissenschaftlich ergiebiges Gespräch, einen persönlich angenehmen Aufenthalt in Speyer und der Tagung einen guten Verlauf.

ERSTER TEIL

Die Organisation der Führung in Ministerien

1. Die Organisation der Führung in Ministerien Von Frido Wagener I. Abgrenzung des Themas und Methode In den sechziger Jahren ist in Europa ein beträchtliches Potential in staatsrechtliche, politikwissenschaftliche und verwaltungswissenschaftliche Überlegungen zur Verbesserung des Koordinierungs- und Planungssystems der Regierungen gesteckt worden. Praktiker, Politiker und Wissenschaftler haben einzeln und in Kommissionen Vorschläge für ein fein balanciertes Führungsinstrumentarium für die Regierung vorgelegt. Management-, Planungs- und Organisationskonzepte bezogen sich allerdings fast nur auf das Zusammenwirken der Ministerien im Verhältnis zueinander, im Verhältnis zum Regierungschef und im Verhältnis zum Parlament. Es ging um interministerielle Ausschüsse, Politikberatung der Regierung, Frühkoordinierungssysteme als Instrumente der Regierungschefs und um die Möglichkeit oder Verbesserung der Aufstellung ressortübergreifender mittel- oder langfristiger Programme oder Pläne der Regierungen. Bei allen diesen Untersuchungen ist eine eigentümliche Zurückhaltung gegenüber den Organisations-, Planungs-, Führungs- und Koordinierungsproblemen innerhalb der einzelnen Ministerien festzustellen. Die anzustellende Untersuchung über die Organisation der Führung in Ministerien wird daher keine interministeriellen Fragen, sondern grundsätzlich nur intraministerielle 1 Probleme behandeln. Im Rahmen eines Referats kann nicht die aktuelle Führungsproblematik aller denkbaren Ministerien untersucht, sondern sie soll anhand von drei Beispielen, nämlich der Bundesrepublik Deutschland, Großbritannien und Frankreich, behandelt werden. Die Beschränkung auf die Verhältnisse in den drei wichtigsten westeuropäischen Ländern liegt aus mehreren Gründen nahe: -

Die drei Länder haben eine etwa gleich große Bevölkerung2 •

1 Die Unterscheidung zwischen interministerieller und intraministerieller Koordination wird von Heinrich Siedentopf, Regierungsführung und Ressortführung in Frankreich, Zur Organisation und Funktion der Cabinets ministeriels, Speyerer Habilitationsschrift 1970 (Maschinenschrift), S. 269, benutzt. 2 Im Jahre 1969 hatte die Bundesrepublik Deutschland 60,8 Mil!., Großbritannien 55,5 Mil!. und Frankreich 49,9 Mil!. Einwohner.

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Frido Wagener Alle Länder sind hochentwickelte Industrienationen. Die drei Länder haben ein repräsentativ-demokratisches Regierungssystem westlicher Prägung. In jedem der drei Länder ist die Führung der Ministerien nach einem anderen Modell organisiert. In jedem der drei Länder unterscheiden sich die höheren Ränge der Beamtenschaft nach Tradition, Selbstverständnis und rechtlichem Rahmen voneinander.

Im Rahmen der Untersuchung ist u. a. darauf zu achten, welche übereinstimmenden und welche abweichenden Konstellationen bei etwa gleichen Grundvoraussetzungen zu der abweichenden Organisation der Führung in den Ministerien der drei Staaten geführt haben. Bei Organisationsanalysen wird sich unvermeidlich auch der Wunsch nach Reorganisation und Reform einstellen. Dabei sollte man jedoch immer im Auge behalten, daß man es mit einer Gruppe oder Gruppen von längere Zeit miteinander arbeitenden Menschen zu tun hat. Bei jeder Veränderung ist sehr intensiv zu fragen, ob der Veränderungsnutzen ausreicht, ob also die menschlichen und politischen Veränderungsschwierigkeiten jeder Reform mittel- und langfristig eindeutig und nachhaltig durch Vorteile aufgewogen werden. "Ein Ressort kann in theoretischer Hinsicht ein Unding und dennoch ein ,glückliches Schiff' sein, und nur ein solches ist erfahrungsgemäß seetüchtig3 ." Empirische Forschungen über die Organisation der Führung in Ministerien liegen nur bruchstückhaft vor; eigene Erhebungen konnten für diese Untersuchung nicht angestellt werden. Es kann daher lediglich versucht werden, eine möglichst maßstabsgetreue Szenenbeschreibung auf der Grundlage der Literatur, einiger unstrukturierter Befragungen von Beamten und Politikern und eigener Erfahrungen in Ministerien zu geben. Um die holzschnittartige Szene realitätsnaher zu machen, sollen Größenordnungen bestimmt und Trends angedeutet werden. Einige Thesen zur zweckmäßigen Führungsorganisation von Ministerien müßten später auf ihre theoretische und praktische Haltbarkeit überprüft werden. Im einzelnen ist dabei in folgenden Arbeitsschritten vorzugehen: Zunächst sind die gegenwärtige Organisation der Ministerien der drei Länder und die an der Führung beteiligten Personen und Personen gruppen in groben Strichen darzustellen (II.). In einem zweiten Ansatz sind die Führungsorganisationen der Ministerien der drei Länder auf unterschiedliche Grundlagen und übereinstimmende Trends zu untersuchen (III.). 3 W. J. M. Mackenzie, Die Struktur der zentralen Verwaltung, in: Theo Stammen (Hrsg.), Strukturwandel der modernen Regierung, Darmstadt 1967, S. 92.

Die Organisation der Führung in Ministerien

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Nach diesen überblicken über die gegenwärtige Lage sind in einem dritten überlegungsbereich theoretische Ansätze zu suchen, die Hinweise darauf geben, nach welchem Maßstab die Führungs- und Entscheidungsorganisation in Ministerien zu beurteilen ist (IV.). Schließlich sind Thesen aufzustellen, wie die Organisation der Führung in Ministerien verbessert werden kann (V.). 11. Gegenwärtige Organisation der Ministerien

Im Rahmen eines bestehenden Regierungssystems kann ein Ministerium als ein Subsystem verstanden werden. Ein Ministerium kann seinerseits den wesentlichen Bezugsrahmen für den nach Menschen und Mitteln abgrenz baren Führungsbereich des Ministeriums bilden. Die Führung kann also als Subsystem des Systems "Ministerium" angesehen werden. Die Regierungssysteme der Bunderepublik Deutschland, Großbritanniens und Frankreichs brauchen im Rahmen dieser Untersuchung in ihrer ganzen Vielfältigkeit nicht betrachtet zu werden. Aussagekräftige Darstellungen der Subsysteme "Führung" sind jedoch nur möglich, wenn auch eine Vorstellung von den wichtigsten Fakten und der Gesamtorganisation der in den drei Ländern zur Zeit bestehenden Ministerien vermittelt wird. 1. Bundesrepublik Deutschland

In der Bundesrepublik Deutschland können zum obersten Führungsbereich der Ministerien die Minister, die Parlamentarischen und die (beamteten) Staatssekretäre sowie die Führungshilfskräfte, wie z. B. die persönlichen Referenten, Referenten im Ministerbüro, Pressereferenten, Referenten für Öffentlichkeitsarbeit, Planungsstäbe usw., gezählt werden. Die Abteilungsleiter sollen in dieser Untersuchung als nicht zum Führungsbereich gehörig angesehen werden, obwohl sie (besonders gegenüber ihrer Abteilung) Führungsfunktionen haben4 • Neben den allgemeinen Größenordnungen der Ministerien ist die Situation der drei zur Führung gehörenden Personengruppen gesondert darzustellen. a) Größenordnungen Die Bundesrepublik Deutschland hat einen föderalistischen Staatsaufbau. Es bestehen daher Ministerien sowohl beim Bund als auch bei den elf Ländern. In den Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen heißen die Länderminister "Senatoren". Der Bund beschäftigte am 2. 10. 1968 insgesamt 276 560 Beamte, Angestellte und Arbeiter (ohne Bahn, Post, Wirtschaftsunternehmen und 4

Zur "Abteilungsleiterbesprechung" vgl. II 1. d).

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Frido Wagener

Sozialversicherung). Davon gehören rund 1'65 000 Beschäftigte zum zivilen Personal der Bundeswehr und weitere rund 45 000 zur Finanzund Zollverwaltung. Daraus ergibt sich, daß die Ministerien des Bundes außer auf diesen beiden Gebieten im Gegensatz zu Großbritannien und Frankreich so gut wie keine Regional- oder Ortsbehörden und damit auch keinen personellen Unterbau haben. Die großen Personalkörper sind den Ländern und den Gemeinden und Gemeindeverbänden zugeordnet 5• Die Bundesministerien gliedern sich in Abteilungen, die Abteilungen in Referate (Sachgebiete). In größeren Abteilungen sind zwischen Abteilungen und Referaten noch Unterabteilungen gebildet worden; in Unterabteilungen sind mindestens je fünf Referate zusammengefaßt6• Die Zahl der Abteilungen der Ministerien hat in den letzten Jahrzehnten erheblich zugenommen. Nur die größten Ministerien haben allerdings mehr als zehn Abteilungen. Die Länderministerien sind ebenfalls in Abteilungen und die Abteilungen in Referate gegliedert. In einigen Ländern, z. B. in Nordrhein-Westfalen, sind zwischen Abteilungen und Referaten noch Gruppen eingefügt. Die Länderministerien haben meist vier bis acht Abteilungen; in relativ seltenen Fällen kommen auch mehr als zehn Abteilungen vor. Es gibt zur Zeit einschließlich des Bundeskanzleramtes 14 Bundesministerien 7 • Eine Übersicht über das Personal der Bundesministerien gibt folgende Tabelle: Die Regierungen der Länder der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme der Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg haben im allgemeinen acht bis zehn Ministerien. Das Land Nordrhein-Westfalen, das mit rund 17 Mill. Einwohnern das größte Bundesland ist, hat mit 3 568 Bediensteten (wovon 988 dem höheren Dienst angehören) die höchste Personalzahl in den Ministerien. Es fällt auf, daß die Zahl der Ministerien bei den Ländern mit geringerer Einwohnerzahl nicht abnimmt und daß die Zahl der jeweiligen Bediensteten zwar abnimmt, aber nicht proportional geringer ist. 5 Die Länder hatten am 2. 10. 1968 insgesamt 1 071 990 Beschäftigte und die Gemeinden und Gemeindeverbände 624 915 Beschäftigte. 6 § 4 Abs. 1 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien, Allgemeiner Teil in der Fassung vom 1. 10. 1969, abgedruckt in Hans Lechnerl Klaus Hülshoff, Parlament und Regierung, 3. Auf!., München 1971, S. 360 ff. 7 Dabei ist darauf hinzuweisen, daß das Bundesministerium für Wirtschaft und das Bundesministerium der Finanzen erst im Mai 1971 zum Bundesministerium für Wirtschaft und Finanzen zusammengelegt worden ist und daß das Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen bis zu seiner in Kürze vorgesehenen Umwandlung als Hauptverwaltung eines bundeseigenen Wirtschaftsbetriebes in Personalunion vom Bundesminister für Verkehr geführt wird.

Die Organisation der Führung in Ministerien

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Personal der Bundesministerien (Stellenplan 1971)

insgesamt Bedienstete

Bundesministerium 1. Bundeskanzleramt

2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.

10. 11. 12. 13. 14.

........... . Auswärtiges Amt ............. . Inneres ..................... . Justiz ....................... . Wirtschaft und Finanzen ..... . davon Bereich Finanzen ..... . davon Bereich Wirtschaft ... . Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ................. . Arbeit und Sozialordnung ..... . Verteidigung ................. . davon Zivil ................. . davon Militär ............... . Verkehr ..................... . davon Verkehr ............. . davon Post- und Fernmeldewesen (in Personalunion mit Verkehr) ............... . Städtebau und Wohnungswesen Innerdeutsche Beziehungen .... Jugend, Familie und Gesundheit Bildung und Wissenschaft ..... . Wirtschaftliche Zusammenarbeit

Insgesamt ....................... .

396 1563 1348 569 3507 (1801) (1706) 858 840 5563 (3936) (1627) (1877) 1122

höherer Dienst davon 106 295 344 169 910 (473) (437) 258 231 1845 (635) (1 210 Offiziere) (481) 315

755 321 332 462 663 434

166 69 57 135 247 111

18733

5253

b)Minister Die monokratische Spitze eines Bundes- und Landesministeriums ist der Minister. Er ist Mitglied der Bundes- oder Landesregierung und leitet das Ministerium innerhalb der Richtlinien der Politik des Regierungschefs und der Beschlüsse des Kabinetts selbständig und in eigener Verantwortung. Zu Ministern werden ganz überwiegend bewährte und bekannte Parlamentarier bestellt, die bereits eine längere, erfolgreiche "Laufbahn" in der Fraktion der Partei, den Gewerkschaften, als Parlamentarischer Staatssekretär usw. hinter sich gebracht haben. Die Kabinettmitglieder der Regierung Brandt waren beim Amtsantritt 1969 im Durchschnitt etwa 51 Jahre alt. Die Minister der früheren Regierungen waren bei ihrem Amtsantritt im Durchschnitt einige Jahre älter 8 • In der Regierung 1969 spiegelt sich ein Trend zur Verjüngung wider. 8 Das DurchschnittsaIter der Inhaber von politischen Führungspositionen (Kanzler, Bundesminister, Fraktionsvorsitzende, Parteivorsitzende und Parlamentarische Staatssekretäre) beim Eintritt in das höchste erreichte Amt lag bis 1969 bei 53 Jahren, Klaus von Beyme, Die politische Elite in der Bundesrepublik Deutschland, München 1971, S. 123, 218.

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Personal der Ministerien der Länder der Bundesrepublik Deutschland ohne BerUn, Bremen und Hamburg (Stellenplan 1971)

Ministerium

BadenWürt- Bay- Hestem- ern sen berg

Ministerpräsident und Staatskanzleia) Bundesangelegenheitenb) Inneres Justiz Kultus (Unterricht, Volksbildung) Wissenschaft und Forschung Finanzen (Forsten) Wirtschaft (Verkehr, Technik, öffentliche Arbeiten, Mittelstand)c) Ernährung,Landwirtschaft und Forsten (Weinbau, Umwelt) Arbeit und Soziales (Gesundheit, Sport) Landesentwicklung und Umweltfragen Insgesamt Wohnbevölkerung in Millionen am 26. 5. 1970

103 27 690 170

249 56 414 206

357

201

Nie- Nord- RheinSchlesder- rhein- land- Saar- wigsach- West- Pfalz land Holsen falen stein 348

85

72

92

367 162

99 120 342 107

743 219

317 114

662 55

647 76

416

279

260

316

206

173

158

251

437

323

264

286 472

209

148

172

200

404

263

298

539

167

245

283

288

450

287

238

235

276

189

473

325

237

410

155

193

151

2275

3311

2207

1965

3568

1529

1548

1843

9,0

10,6

5,5

7,1

17,2

3,7

1,1

2,6

264

206

a) In Baden-Württemberg Staatsministerium. b) In Hessen, Nordrhein-Westfalen und Saarland Personal bei Ministerpräsident und Staatskanzlei mit enthalten. e) Im Saarland auch Landwirtschaft. Die Minister sind im allgemeinen keine "Fachleute"9 auf dem Aufgabengebiet ihres Ressorts, wenn man etwa vom Justizministerium absieht, wo erwartet wird, daß der Minister Jurist ist. Wenn die Minister im Amt sind, sind sie dort im Durchschnitt wesentlich länger geblieben als etwa britische oder französische Minister 10 • Auch die Ämterrotation war bei den Ministern der Bundesregierungen verhältnismäßig gering. In den letzten zwei Jahrzehnten haben beim Bund nur etwas mehr als 9 Das Aufgabengebiet des Ressorts entspricht zumeist nicht dem erlernten Beruf des Ministers. Die Minister haben sich jedoch auf dem Fachgebiet ihres Ressorts meist viele Jahre als Politiker bewährt und profiliert. 10 Klaus von Beyme, aaO, S. 151, hat errechnet, daß mit 81 neuen Regierungsmitgliedern in 21 Jahren die Regierungen der Bundesrepublik an der obersten Grenze der personalen Stabilität der großen europäischen demokratischen Systeme liegt.

Die Organisation der Führung in Ministerien

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ein Viertel der Minister nacheinander mehrere Ministerien geleitetl l • Die bis 1969 auf Bundesebene ausgeschiedenen Bundespolitiker (Kanzler, Bundesminister, Fraktionsvorsitzende, Parteivorsitzende und Parlamentarische Staatssekretäre) waren durchschnittlich 5,5 Jahre im Amt12 • Ein Durchschnitt von fünf bis sechs Jahren dürfte auch auf die Bundesminister allein zutreffen; bei den Landesministern ist die durchschnittliche Amtszeit eher noch länger als kürzer. Der Anteil der Juristen unter den Ministern auf Bundesebene war bis 1969 unverhältnismäßig hoch. Seither nimmt das Juristenmonopol ab und der Anteil der Fächer der Philosophischen und Naturwissenschaftlichen Fakultäten sowie der Sozialwissenschaften nimmt zu13. Die Minister haben außerordentlich umfangreiche Außenverpflichtungen. Mehr als die Hälfte der Zeit halten sie sich im allgemeinen nicht in ihren Amtsräumen auf. Die Aktivitäten "außerhalb des Hauses" beziehen sich auf Kabinett, Parlament, Länder, untergeordnete Behörden, europäische Dienststellen und Gremien, Partei, Verbände, Presse, Rundfunk, Fernsehen, Vorträge, Repräsentation usw. 14• Die Anwesenheit im Ministerium verringert sich bei manchen Ministern bis auf ein Drittel ihrer Arbeitszeit. Gewöhnlich haben sie einen 10- bis 12-Stunden-Arbeitstag. Zahlreiche Verpflichtungen werden auch an Wochenenden und Feiertagen erfüllt. c) Staatssekretäre

In den Bundesministerien und den früheren Reichsministerien stand an der Spitze der Ministerialverwaltung jeweils der (eine) Staatssekretär, der der oberste Beamte des Ressorts war. Seit 1967 ist der nicht beamtete Parlamentarische Staatssekretär hinzugekommen. Der (beamtete) Staatssekretär leitete den Geschäftsbetrieb des Ministers. Er war Vertreter des Ministers. Er hatte die Stellung eines "Amtschefs". Er hatte die koordinierte, kontinuierliche Aufgabenerfüllung der Abteilungen zu sichern und war Sprecher und Repräsentant des Apparats. Er hatte im Bund (und hat noch in einigen Ländern) das Recht, als Vertreter des Ministers an den Sitzungen des Kabinetts (ohne Stimmrecht) teilzunehmen. Er konnte (besonders in der Fragestunde) im Par11

12

13

14

Klaus von Beyme, aaO, S. 153. Klaus von Beyme, aaO, S. 125 f. Klaus von Beyme, aaO, S. 217.

Eine überprüfung der Arbeitsanteile hat ergeben, daß Bundeskanzler

Brandt in einem Monat durchschnittlich 78 Stunden am Amts-, 15 am heimi-

schen Schreibtisch, 74 bei Besucher-Gesprächen, 36 mit Repräsentation, 29 in und 37 außerhalb von Bonn, 25 im Bundestag, 13 bei Presseterminen, 12 im Kabinett, 11 im Flugzeug verbringt, Der Spiegel, Nr. 11 vom 8. 3. 1971, S. 18. 3 Speyer 48

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lament vortragen. Er war sogenannter politischer Beamter und konnte jederzeit (bei Kürzung der Bezüge) in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden. Der Staatssekretär war "zweiter Mann" und "Vize" des Ministers, der das "Haus" verwaltete, damit der Minister seine zahlreichen Außenverpflichtungen wahrnehmen konnte. Er galt als "Garant" des Rechts und als Träger einer Stabilitätschance gegenüber dem häufiger wechselnden Minister 15 und weithin als parteipolitisch neutral. Durch die Verlagerung der öffentlichen Aufgaben in den leistenden und planenden Bereich und die überdurchschnittliche Ausweitung der ministeriellen Aufgaben und der damit zwangsläufig verbundenen personellen Vergrößerung der Ministerien sowie durch die steigende Komplexität der Aufgaben wandelte sich diese historische Stellung des Staatssekretärs wesentlich. Die Arbeitskraft des einzigen Staatssekretärs war mehr und mehr überfordert. In den größeren Ministerien wurden daher in den letzten Jahren zwei und drei Staatssekretäre berufen. Auch in größeren Landesministerien der größeren Länder war diese Entwicklung zu beobachten. Teilweise wurde zwischen dem "Staatssekretär des Ministeriums" und dem "Staatssekretär im Ministerium" unterschieden. Damit sollte die Stellung eines monokratischen Amtschefs unter dem Minister gerettet werden und die Vertretungs- und Koordinierungsaufgaben dem Staatssekretär des Ministeriums vorbehalten werden. Diese Versuche sind gescheitert. Seither leiten mehrere Staatssekretäre jeweils ihren eigenen Geschäftsbereich und vertreten auch insoweit den Minister. Durch die Bestellung mehrerer Staatssekretäre ist gewöhnlich keine kollegiale Führungsgruppe gemeinsam mit dem Minister entstanden, sondern die Staatssekretäre nehmen ihren Arbeitsbereich oft mit geringer Koordination untereinander in der Form der Zu arbeit für die Spitze des Hauses wahr. Sofern man bei der Organisation der Führung mit nur einem Staatssekretär verblieb, zeigte sich in der Praxis folgende typische Entwicklung: Entweder mußte sich der Staatssekretär auf reine Koordinierungs-, Kontroll- und Vertretungs aufgaben, und zwar bei auch nur selektiver Wahrnehmung, beschränken oder er wurde bei ständiger Überbelastung zu einem Engpaß in der Organisation, insbesondere beim Informationsfluß. Auch bei höchsten persönlichen Leistungen führte diese "Flaschenhals"-Situation nicht zu befriedigenden Ergebnissen, sondern nicht selten zum Verschleiß (Herzinfarkt-Management). Während früher der Staatssekretär nach idealen Vorstellungen und weitgehend auch in der Praxis aus dem Ministerialapparat oder aus dem sonstigen öffentlichen Dienst aufstieg (der jeweils beste Abteilungsleiter), 15 Peter Lerche, Art. Staatssekretär, Staatslexikon, herausgegeben von der Görres-Gesellschaft, Bd. 7, 6. Aufl., Freiburg 1962, Sp. 621.

Die Organisation der Führung in Ministerien

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hat sich auch hierin ein Wandel vollzogen. Der Anteil der Staatssekretäre, die im normalen Beförderungsaufstieg in ihr Amt gekommen sind, ist bereits sehr klein geworden. Überwiegend handelt es sich um parteipolitisch profilierte Außenseiter oder um Persönlichkeiten aus dem Verwaltungsapparat, die parteipolitisch hervorgetreten sind und die in der Form von Sprungbeförderungen in die Staatssekretär-Stellen eingetreten sind. Im Durchschnitt sind die Staatssekretäre beim Eintritt in ihr Amt 53 Jahre alt, also etwa so alt wie die Minister. Staatssekretäre, die Parteimitglieder waren, traten im Durchschnitt drei Jahre früher in ihr Amt ein 16 • Bis 1969 blieben Staatssekretäre durchschnittlich 5,5 Jahre im Amt. Parteimitglieder unter den Staatssekretären kamen nicht nur früher ins Amt, sondern konnten sich auch länger in ihm halten und erreichten einen Durchschnitt von 7,9 Jahren 17 • Nach dem Erlaß des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre vom '6. 4. 1967 (BGBL I S. 396) ergab sich eine weitere tiefgreifende Veränderung der Führungsorganisation der Ministerien. Parlamentarische Staatssekretäre müssen Mitglieder des Bundestages sein, sie können nur im Einvernehmen mit dem Bundesminister ernannt werden, für den sie tätig werden sollen. Im übrigen ist die rechtliche und politische Stellung des Parlamentarischen Staatssekretärs weithin ungeklärt 18 • Bei den Beratungen des Gesetzes war man sich einig darüber, daß der Parlamentarische Staatssekretär nicht in die Amtshierarchie einzugliedern sei; er sollte vornehmlich im politischen Bereich tätig werden, den Minister in seinen politischen Funktionen entlasten, ihn zwar nicht rechtlich, aber politisch vertreten. Tatsächlich hat sich die Position des Parlamentarischen Staatssekretärs anders entwickelt. Nachdem während der Regierung Kiesinger nur in einigen Ressorts Parlamentarische Staatssekretäre berufen wurden, sind in der Regierung Brandt bei gleichzeitiger Auflösung von vier Ministerien Parlamentarische Staatsekretäre für jedes Ministerium berufen worden. Außer ihrer Tätigkeit im Parlament (Anfragenbeantwortung, Verbindung zur Fraktion, Ausschußsitzungen) und als Vertreter bei Kabinett16

17

Klaus von Beyme, aaO, S. 123. Klaus von Beyme, aaO, S. 125 f.

18 Der Parlamentarische Staatssekretär hat daher ein besonderes Interesse in der Literatur gefunden, vgl. z. B. Klaus Fehlig, Die Rechtsstellung des Staatssekretärs im deutschen Staatsrecht, Würzburg 1969 (Dissertation); Volkmar Hopt, Beamteter und Parlamentarischer Staatssekretär, in: Öffentlicher Dienst und politischer Bereich, Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Bd. 37, Berlin 1968, S. 129 ff.; Heinz Lauter, Der Parlamentarische Staatssekretär, München 1969; Hans Schäter, Der Parlamentarische Staatssekretär im deutschen Regierungssystem, DÖV 1969, S. 38 ff.; Ilse Statt, Die Rechtsstellung der Parlamentarischen Staatssekretäre, Frankfurt am Main 1970.

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sitzungen haben sie auch vielfach die Leitung von Fachabteilungen oder bestimmten Angelegenheiten von Fachabteilungen in direkter Konkurrenz zu dem beamteten Staatssekretär übernommen. Der Drang, es in der hierarchischen Ressortarbeit den bisherigen Staatssekretären gleichzutun, war erstaunlich groß. In jüngster Zeit sind Bestrebungen bekannt geworden, den Parlamentarischen Staatsekretären eine Stellung zu geben, die sie mit einem weitgehenden Weisungsrecht gegenüber den beamteten Staatssekretären zu "Vizeministern" machen würde. Dieses Vorhaben ruft verständlicherweise den Widerstand der starken, heute ebenfalls politisch abgesicherten beamteten Staatssekretäre hervor 19 • Das Institut des Parlamentarischen Staatssekretärs hat als positive Ergebnisse eine gewisse Entlastung des Ministers, eine Bewährungsstation jüngerer Politiker für die übernahme des Ministeramtes und eine bessere "Transmission " zwischen Politik und Verwaltung gebracht. Negativ ist anzumerken, daß sich ein "Wildwuchs" im hierarchischen Bereich der Ministerien durch die unterschiedlichsten Leitungsregelungen entwickelt hat. Die Führungsorganisation der Ministerien ist nicht gestärkt worden. Lediglich im Verteidigungsministerium und im Verkehrsministerium sind aus den beamteten Staatssekretären, dem Parlamentarischen Staatssekretär (sowie dem Generalinspekteur der Bundeswehr) und dem Minister Führungskollegien geworden, die regelmäßig mehrmals wöchentlich zusammentreten. Eine gewisse Koordinierungswirkung, auch innerhalb der einzelnen Häuser, entsteht durch die jeweils montags stattfindenden Besprechungen aller beamteten Staatssekretäre mit dem Kanzleramtsminister. Diejenigen Abteilungen oder Unterabteilungen, die unmittelbar von Parlamentarischen Staatssekretären geleitet werden und die häufig eine besondere politische Bedeutung haben, sind von dieser Koordinierungswirkung ausgeschlossen. Eine von den übrigen Regelungen abweichende Stellung haben die Staatssekretäre in den Ländern Baden-Württemberg und Bayern. Dort gibt es nur "parlamentarische" Staatssekretäre. In Baden-Württemberg kann der Ministerpräsident Staatssekretäre bis zu einem Drittel der Zahl der Minister ernennen. Die Staatssekretäre sind zwar Kabinettmitglieder, Stimmrecht erhalten sie jedoch nur durch besonderen Beschluß des Landtags. In Bayern weist der Ministerpräsident jedem Staatsminister 19 Der Spiegel, Nr. 10/1971, S. 41 ff., und Nr. 27/1971, S. 26; Alfred Rapp in der FAZ vom 14.7.1971 schreibt: "Manche der ,Parlamentarischen' gleichen schon Vizeministern, andere hingegen eher Außenseitern im Ministerium, und B- und P-Staatssekretäre arrangieren sich nach ihrem Verhältnis zu ihrem Minister und ihrer persönlichen Autorität. Daß die Parlamentarischen nunmehr sich die Amtsautorität des Vizeministers zusprechen wollen, erweist, daß sie mit dem jetzigen Zustand nicht zufrieden sind. Doch mit dem von ihnen gewünschten neuen Zustand werden die beamteten Staatssekretäre nicht zufrieden sein und um so weniger, je stärkere Persönlichkeiten sie sind."

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einen Staatssekretär als Stellvertreter zu. Der bayerische Staatssekretär hat rechtlich eine eigenartige Doppelstellung: Er ist einerseits Kabinettmitglied mit uneingeschränktem Stimmrecht, andererseits aber bei seiner Tätigkeit im Ministerium an die Weisungen seines Ministers gebunden; nur im Fall der Verhinderung des vorgesetzten Staatsministers kann er dessen Amtsbefugnisse unbeschränkt, dann aber auch in eigener Verantwortung gegenüber dem Landtag ausüben20 • d) Führungshilfskräfte

Zu den Führungshilfskräften in den Ministerien des Bundes und der Länder gehören die persönlichen Referenten der Minister und Staatssekretäre2 1, die Referenten für Öffentlichkeitsarbeit, die Referenten für Presse angelegenheiten und die Referenten für Kabinettangelegenheiten. In einigen Bundesministerien gibt es neben bzw. über den persönlichen Referenten noch ein Ministerbüro mit einem oder mehreren Referenten. Das Ministerbüro koordiniert die Tätigkeiten der Führungshilfskräfte. Die genannten Referate sind gewöhnlich nicht den Abteilungen der Ministerien zugeordnet, sondern arbeiten unmittelbar dem Minister ZU 22 • Sie erfüllen ganz überwiegend Tagesgeschäfte und sind nur selten politische Berater der Führungsspitze. Seit Mitte der sechziger Jahre wurde in den Ministerien ein deutlicher Mangel an mittel- und langfristiger Planung deutlich. Für diese Planungsaufgaben wurden zunächst Planungsstäbe oder Stabsstellen vorgeschlagen, die unmittelbar der Ressortleitung unterstehen sollten23 • 20 Peter Lerche, aaO, Sp. 620; Roman Herzog, Der parlamentarische Staatssekretär nach bayerischem Verfassungsrecht, Bayerische Verwaltungsblätter 1969, S. 225 ff. (229) urteilt, daß die Institution des bayerischen Staatssekretärs nicht einseitig von der verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Regelung her beurteilt werden kann, sondern daß viel davon abhängt, was die einzelnen Amtswalter aus ihrem Amt "machen". 21 Die Staatssekretäre in den Länderministerien haben meist keine persönlichen Referenten. In den Ländern gehören die Referenten für Bundesratsangelegenheiten oft ebenfalls zu den Führungshilfskräften. 22 Josef KöLbLe, Die Ministerialverwaltung im parlamentarisch-demokratischen Regierungssystem des Grundgesetzes, DÖV 1969, S. 25 ff. (34), bestätigt, daß diese Referate nicht in die Organisation der Abteilungen eingegliedert sind. Die hiergegen von ArnoLd Köttgen, Bundesregierung und oberste Bundesbehörden, DÖV 1954, S. 4 f., erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken sind von Ernst- Wolfgang Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, Berlin 1964, S. 213 ff., entkräftet worden. 23 SO Z. B. Bericht der Arbeitsgruppe "Rationalisierung und Modernisierung in Verwaltung und Regierung" - Bundesministerium des Innern - vom 15.2. 1967, S. 17 (nicht veröffentlicht); die Projektgruppe für Regierungs- und Verwaltungsreform beim Bundesminister des Innern, Erster Bericht zur Reform der Struktur von Bundesregierung und Bundesverwaltung, Bonn 1969, mit Anlagenband (nicht veröffentlicht), S. 214 ff., schlug ein abteilungsunabhängi-

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Diese Vorstellung hat sich nicht durchgesetzt24 . Es hat sich vielmehr eine Tendenz ergeben, für die Erarbeitung mittel- und langfristiger politischer Zielvorstellungen und die "Festlegung von Arbeitsprogrammen sowie Schwerpunkten und Zeitplänen für die Tätigkeit"25 der Ministerien eigene Ministerialabteilungen (Grundsatz ab teilungen) einzurichten oder doch Unterabteilungen oder große Referate in der Z-Abteilung mit Planungsaufgaben zu betrauen 26 . Mit der Zurückführung der Planungsstäbe in die übliche Organisation der Abteilung war ein Mißtrauensabbau des übrigen Apparats zu verzeichnen. Die Tendenz, Außenseiter in die Stäbe zu nehmen, ist rückläufig 27 . Es zeigt sich allerdings, daß die Einordnung der Planungsaufgabe in die Hierarchie die Gefahr mit sich bringt, daß die dort tätigen Beamten nur eine begrenzte Neuerungskapazität haben und von der Führungsspitze oder den Abteilungsleitern immer wieder in die Funktion der "Feuerwehr" und des kurzfristigen Krisenmanagements gedrängt werden. Da die Mehrzahl der Mitglieder der Planungsgruppen zudem noch mit einzelnen Referatsaufgaben belastet ist, werden auch diese Aufgaben im Konfliktfalle der Erfüllung längerfristiger Planungsaufgaben vorgezogen. Abteilungsleiterbesprechungen kann man selbst dort, wo sie regelmäßig wöchentlich stattfinden, unter heutigen Bedingungen nicht zur Führungsorganisation rechnen. Wegen der meist zu hohen Zahl der Abteilungsleiter stellen sie lediglich eine Methode des Weisungs- und Informationsaustausches für die Tagesarbeit dar. In den Ministerien heißen sie "Morgenandacht des Chefs". Konzeptionen werden in Abteilungsleiterbesprechungen selten entwickelt. In nicht zu großen Ministerien der Länder mit nicht zu heterogenen Aufgaben kann sich allerdings eine regelmäßige Abteilungsleiterbesprechung mit Anwesenheit des Ministers und Staatssekretärs durchaus zum überwiegend kollegialen Führungsorgan entwickeln. Auch die Z-Abteilung, die gewöhnlich Organisation, Personal, Haushalt und sonstige Service-Aufgaben für das gesamte Ministerium durchges "Planungsbüro" unterhalb des Staatssekretärs vor, das durch seinen Leiter in der Abteilungsleiterbesprechung vertreten und seine Informationen aus Planungsstellen der Abteilungen beziehen sollte. 24 Im Bundesministerium der Verteidigung besteht allerdings seit Dezember 1969 ein vollausgebauter, abteilungsunabhängiger Planungsstab, der der Leitung des Ministeriums unmittelbar unterstellt ist. Zu Einzelheiten vgl. Gerhard W. Wittkämper, Die Bundeswehrplanung im Bundesverteidigungsministerium, Die Verwaltung 1971, S. 78 ff. 25 Projektgruppe "Organisation BMI", Bericht über die Überprüfung der Organisation des Bundesministeriums des Innern, Bonn 1969 (nicht veröffentlicht), S. 43. 28 Eine Auswirkung dieser Tendenz ist z. B. auch die Umwandlung des früheren Planungsstabes im Bundeskanzleramt in eine Planungsabteilung. 27 Außenseiter in Planungsstäben haben trotz gegenteiliger anfänglicher Versicherungen immer wieder versucht, sich "verbeamten" zu lassen.

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führt, ist wohl nicht zum Führungsbereich zu zählen. Der Leiter der Z-Abteilung hat jedoch häufig ein besonders enges Verhältnis zum Minister und zum Staatssekretär. Wenn gleichzeitig Planungs- und Grundsatzaufgaben durch Projektgruppen in Z-Abteilungen erfüllt werden, können sie politisch so interessant sein, daß dem Parlamentarischen Staatssekretär diese Abteilung unterstellt wird 28 • Trotz der Bemühungen um Programmplanung und Durchsetzung konzeptioneller Politik in den Ministerien kann man vOn den Referenten immer wieder die Klage hören, man wisse nicht, was die Führungsspitze wolle. Man müsse sich selbst zurechtfinden und lege deshalb Entscheidungen zur Unterschrift vor, um dadurch eine "Zielvereinbarung" zu erreichen. Da in den meisten Ministerien Reden und Aufsätze der Minister und Staatssekretäre ebenfalls in den Referaten vorbereitet und vom Referat für Öffentlichkeitsarbeit nur zusammengestellt und überarbeitet werden, ist es möglich, auch auf diese Weise die Ziele der politischen Führungsspitze durch den Apparat zu beeinflussen und gleichzeitig damit Ziele zu "produzieren"29. Der Klage des Apparats, nicht über Ziele informiert zu sein, steht die Klage der Politiker gegenüber, die Bürokratie überschwemme die politische Spitze derart mit Einzelentscheidungen, daß sie zu grundsätzlichen und konzeptionellen Überlegungen keine Zeit finde 30 • 2. Großbritannien

In Großbritannien treten die Parlamentarischen Staatssekretäre, die auch Juniorminister genannt werden, in ihren Tätigkeiten weniger als in der Bundesrepublik Deutschland in direkte Konkurrenz zum Ständigen Staatssekretär. Die Parlamentarischen Staatssekretäre sollen daher innerhalb des Abschnitts über Minister behandelt werden. 28 So untersteht z. B. zur Zeit die Z-Abteilung des Bundesinnenministeriums dem Parlamentarischen Staatssekretär. 29 Ein nur begrenzt taugliches Hilfsmittel, die Zielvorstellungen der politischen Spitze in den Apparat zu geben, ist im Bundesministerium des Innern eine Loseblatt-Sammlung aller Reden des Ministers und der Staatssekretäre, die an alle Referenten und Sachbearbeiter geht (BMI-Dokumente). 30 Auf diesen Konflikt weist auch Thomas Ellwein, Regierung und Verwaltung, 1. Teil, Regierung als politische Führung, Stuttgart 1970, S. 195, hin; im Jahre 1966 setzte der damalige Bundesminister des Innern die Arbeitsgruppe "Rationalisierung und Modernisierung in Verwaltung und Regierung" aus folgenden Gründen ein: "a) Unter den Vorlagen des Hauses, die auf seinen Tisch kämen, befänden sich zu viele Vorgänge, die nicht durch ihn entschieden zu werden brauchten; durch den Zwang, sie durchzulesen, werde er rein zeitlich in einem nicht zu vertretendem Ausmaß beansprucht. b) Andererseits lege ihm das Haus nicht genügend politisch gewichtige Vorgänge vor." Bericht der Arbeitsgruppe "Rationalisierung und Modernisierung in Verwaltung und Regierung", aaO, S. 3.

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Frido Wagener a) Größenordnungen

Das britische Regierungssystem kennt im Gegensatz zu den drei deutschen Ebenen (Bund, Länder und Gemeinden) nur zwei Ebenen, nämlich Central Government und Local Government. Das Central Government umfaßt nicht nur die Ministerien in London, sondern dazu gehören auch zahlreiche Zentralbehörden, die nicht Ministerien sind, sowie regionale und örtliche Dienststellen. Am 1. 1. 1968 gehörten zum britischen öffentlichen Dienst (non-industrial home civil servants) ohne die Bediensteten der Post 533158 Personen. Die Bediensteten im Rahmen des Local Government sind hierbei nicht berücksichtigt31 • Von der verhältnismäßig großen Zahl von Ministerien unterscheidet sich als engeres Gremium das K~binett, zu dem nur ein Teil der Minister einschließlich des Premierministers gehört. Nach Nevil Johnson32 hat das Kabinett im Laufe dieses Jahrhunderts durchschnittlich etwa 20 Mitglieder gehabt, zu denen rund 30 nicht zum Kabinett gehörende Minister (bis Anfang des zweiten Weltkrieges meistens Parlamentarische Staatssekretäre) kamen. Nach 1939 setzte sich die Tendenz durch, die Zahl der Minister außerhalb des Kabinetts allmählich zu erhöhen, so daß in den sechziger Jahren eine Regierung ungefähr 90 Mitglieder umfaßte. Anfang 1969 setzte sich die britische Regierung wie folgt zusammen: Kabinettmitglieder (einsch!. des Premierministers) ...................... 23 Ressortminister außerhalb des Kabinetts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Staatsminister ~inisters of State) .................................... 21 Parlamentarische Staatssekretäre (Juniorminister) ...................... 32 Sonstige (Law Officers) ................................................ 6 87

Diese Vergrößerung der politischen Führung erklärt sich aus verschiedenen Gründen, z. B. um die politische Kontrolle in den großen Ministerien zu verstärken, die Ressortchefs zu entlasten und Parlamentsabgeordneten größere Wirkungsmöglichkeiten anzubieten als im Parlament selbst vorhanden sind. Wegen der parteipolitischen Neutralität des britischen Beamtentums einschließlich der Ständigen Staatssekretäre (Permanent Secretaries) ist die Vermehrung der rein politischen Posten in Großbritannien verständlich, obwohl sie offensichtlich zu größeren Koordinierungsproblemen führt. 31 The Civil Service, Report of the Committee 1966 - 68, Chairman: Lord Fulton, Cmnd. 3638, Bd. 4, London 1968 (Fulton-Bericht), S. 12. 32 Nevil Johnson, Stellung und Führungsinstrumentarium der Regierung in

Großbritannien, in: Projektgruppe für Regierungs- und Verwaltungsreform, aaO, Anlagenband, S. 144.

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Zur Zeit bestehen in Großbritannien folgende Ministerien33 : 1. Premierminister (mit der Civil-Service-Abteilung) (Lordkanzler = kein herkömmliches "Ministerium", eher persönlicher Stab des Lordkanzlers) 2. Schatzamt 3. Handel und Industrie 4. Inneres 5. Außen- und Commonwealth-Angelegenheiten 6. Verteidigung 7. Unterricht und Wissenschaft 8. Beschäftigung 9. Landwirtschaft, Fischerei und Ernährung 10. Gesundheit und Sozialwesen 11. Post und Kommunikation (sehr klein) 12. Umwelt (Wohnungsbau, Landesplanung, Verkehr, Kommunalpolitik) 13. Schottland 14. Wales Nach einer viele Jahrzehnte währenden dauernden Steigerung der Zahl der Ministerien ist in allerjüngster Zeit u. a. als Auswirkung des FultonBerichtes eine Herabsetzung zu verzeichnen: 1964 waren es 24 Ministerien, heute gibt es noch 14 Ministerien. Bei der Zusammenlegung wird auf den fachlichen Zusammenhang der in einem Ministerium zu erfüllenden Aufgaben besonderer Wert gelegt. Dadurch sollen die Möglichkeiten strategischer Planung und der Auswahl alternativer Programme erleichtert werden34 • Die Zahl der Regierungsmitglieder ist seit Juni 1970 ebenfalls zurückgegangen. Heute gliedert sich die Regierung folgendermaßen: Kabinettmitglieder (darunter 4 ohne Ressort) ..................... . .... Minister außerhalb des Kabinetts ...................................... ParlamentarisChe Staatssekretäre ...................................... Sonstige (Law Offtcers) ................................................

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Auf der Ministerebene hat sich eine Hierarchie entwickelt. Im Gegensatz zu früher gehört heute eine weit größere Zahl von "Ministern" nicht mehr dem Kabinett an. Gegenwärtig ist eigentlich nur ein Minister (Post und 33 NaCh Central Office of Information (Hrsg.), Der staatsreChtliChe Aufbau Großbritanniens, London, Mai 1967 mit NaChtrag vorn November 1968 und den Änderungen, die durCh das White Paper des Prime Minister and Minister for the Civil Service, The Reorganisation of Central Government, London, Oktober 1970, Cmnd. 4506, mitgeteilt worden sind, sowie persönliChe Auskünfte von Nevil Johns'on. 34 The Reorganisation of Central Government, aaO, S. 5 f.

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Kommunikation) "Ressortminister" im herkömmlichen Sinne, obwohl gerade dieses Ressort verschwindend klein ist. Die übrigen Minister sind den Kabinettministern untergeordnet. Die Parlamentarischen Staatssekretäre spielen heute eine wenig bedeutsame Rolle; ihre Stellung ist als Vorbereitungsetapppe für eine weitere politische Laufbahn anzusehen. Die Zahl des in den britischen Ministerien beschäftigten Personals ist vergleichsweise höher als in der Bundesrepublik. Obwohl ein genauer Vergleich wegen der unterschiedlichen statistischen Grundlage nicht möglich ist, beweist dies bereits die Zahl von 84470 nichtindustriellen Beschäftigten im öffentlichen Dienst am 1. 1. 1971 in den Zentralbehörden von Inner London35 • Bei den Größenordnungen der britischen Ministerien ist im Vergleich zum föderalistischen Aufbau der Bundesrepublik Deutschland zu berücksichtigen, daß die Verwaltung insgesamt viel stärker bei der Zentralregierung in London konzentriert ist. Dies ist der Grund für die Größe vieler Ministerien, die Erledigung vieler Verwaltungsarbeit exekutiver Art durch die ZentralstelIen, die Schwierigkeit, eine Trennungslinie zwischen ministeriellen Aufgaben im deutschen Sinne und Verwaltungsarbeit zu ziehen, die von untergeordneten bzw. unabhängigen Instanzen übernommen werden könnte, und die gesteigerte Unübersichtlichkeit des ganzen Staatsmechanismus36 • Obwohl ihre innere Organisation in Einzelheiten erheblich voneinander abweicht, sind die traditionellen Whitehall-Ministerien in Divisions gegliedert, deren Aufgaben entweder nach Sachzusammenhang (z. B. Distribution of Industry Division, Gas Division) oder nach geografischen Gebieten festgelegt sind. Zusätzlich gibt es gewöhnlich zwei Divisions mit Querschnittaufgaben, nämlich Finance und Establishment. Die Establishment Divisions befassen sich mit der Personalverwaltung sowie mit Organisation und Methoden. Die Divisions sind normalerweise in Branches unterteil t 37 • b) Minister

Die britische Regierung kennt unterschiedliche Formen des Ministeramtes. Man unterscheidet zwischen Kabinettministern, Ressortministern außerhalb des Kabinetts, Staatsministern und Juniorministern 38• Die Kabinettminister tragen unterschiedliche offizielle Bezeichnungen. Die In35 Civil Service Statistics 1971, Table 3, All Non-Industrial Staff at 1 January 1971. 36 Nevil Johnson, aaO, S.156. 37 Fulton-Bericht, Bd. 2, aaO, S. 87. 38 Nach Central Office of Information (Hrsg.), Der staatsrechtliche Aufbau

Großbritanniens, aaO, S. 3 f.

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haber der Führungsposten der in jüngerer Zeit geschaffenen Ministerien werden Minister genannt, während die Inhaber älterer Posten besondere Titel, z. B. Chancellor of the Exchequer, haben. Die Staatsminister sind als zusätzliche Minister in Ressorts mit einem besonders umfangreichen oder schwierigen Aufgabengebiet tätig oder dort, wo häufig Auslandsreisen erforderlich sind. Juniorminister führen gewöhnlich den Titel Parlamentarischer Staatssekretär oder Parlamentarischer Unterstaatssekretär. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, ihre vorgesetzten Minister zu entlasten, indem sie an Parlamentsdebatten teilnehmen, Fragen im Parlament beantworten und ihren Ministern bei der Erfüllung der Ressortaufgaben beistehen. Der Status der Juniorminister liegt, wenn man ihn am Gehalt und dem ministeriellen Weisungsumfang mißt, gewöhnlich erheblich unter dem des leitenden Beamten des Ministeriums, dem Ständigem Staatssekretär; ihr tatsächlicher Einfluß ist häufig ebenfalls begrenzt39 • Die Aufgaben, die von Ministern - besonders von Kabinettministern zu erfüllen sind, sind zahlreich und anspruchsvoll. Formal ist der Minister für alles, was in seinem Ministerium geschieht, verantwortlich. Man erwartet von ihm, daß er über Angelegenheiten des Ministeriums im Unterhaus spricht. Eine dritte Rolle hat er im Rahmen von interministeriellen Besprechungen in Kabinettausschüssen und gelegentlich auf Kabinettebene. Der Minister dient weiter als Gesprächspartner des Ministeriums für Interessengruppen, die von den Maßnahmen des Ministeriums betroffen werden. Er muß das Ministerium in der Presse und im Fernsehen repräsentieren. Theoretisch wird von ihm schließlich erwartet, daß er im Kabinett sich über Angelegenheiten äußert, die nicht direkt mit seinem Ressort zu tun haben. Zusätzlich ist ein Minister noch mit zwei politischen Rollen belastet, nämlich mit der eines Abgeordneten eines Wahlkreises und eines ehrgeizigen Parteipolitikers, der sich um seinen Posten in der Partei zu kümmern hat40 • Alle Rollen zugleich können von einem Minister kaum wahrgenommen werden. Man kann deshalb drei besonders wichtige Rollen von Ministern unterscheiden: Außenrepräsentant des Ministeriums Verwaltungschef des Ministeriums oder Durchsetzer von Schlüsselaufgaben ("key-issues" minister). Selbst sehen sich die Minister besonders häufig in der Rolle desjenigen, der neue Schlüsselaufgaben und -politiken durchsetzt. Tatsächlich ist die 39 Richard Rose, Cabinet Ministers in Britain: Their Selection and Consequences, Vorlage für den 8. Weltkongreß der Internationalen Vereinigung für Politikwissenschaften am 4. 9. 1970 in München, S. 5. 40 Nach Richard Rose, aaO, S. 16.

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Lage anders. Man kann davon ausgehen, daß ein Minister wenigstens drei bis fünf Jahre braucht, um eine neue wichtige öffentliche Aufgabe in seinem Ministerium, im Kabinett und im Parlament in Gang zu bringen. Der Amtswechsel ist jedoch in britischen Ministerien, sei es durch neue Kabinette, durch eine Umbesetzung der Minister oder durch Zusammenlegungen bzw. Teilungen von Ministerien, besonders hoch. Von 1955 bis 1970 wechselten die Kabinettminister im Durchschnitt alle zwei Jahre und zwei Monate. Die Rotation der Minister ist in Großbritannien viel höher als in anderen westlichen Demokratien41 • Brown 42 urteilt deshalb, daß im ganzen gesehen ein Minister mehr dazu neigt, kurzfristige Erfolge für sich zu verbuchen als langfristige Strategien zu entwickeln. Es ist ungewöhnlich, daß er gern Entscheidungen zustimmt, die unpopulär oder schwer zu begründen sind. Im Gegensatz dazu arbeitet der erfahrene Karrierebeamte kontinuierlicher und ist sich der Gefahr eines Scheiterns seiner Politik auf längere Sicht mehr bewußt. c) Ständige Staatssekretäre

Der typische Ständige Staatssekretär als beamteter Leiter eines britischen Ministeriums hat nach Harris 43 drei Hauptaufgaben: Er ist der oberste Berater des Ministers für alle Tätigkeiten des Ministeriums. Er ist verantwortlich für die ordnungsgemäße Abwicklung des Haushalts des Ministeriums und er ist verantwortlich für den inneren Geschäftsbetrieb des Ministeriums einschließlich der Beförderung von Angestellten. In der Idealkarriere tritt der Ständige Staatssekretär im Alter von 22 bis 24 Jahren in den öffentlichen Dienst ein. Er hat sich seinen Weg

durch die Ränge der höchsten Beamtenklasse (administrative class) bis zu seiner Spitzenstellung erkämpft, wenn er 25 bis 35 Jahre im Dienst war. Der Dienst in mehreren Ministerien vor der Ernennung zum Ständigen Staatssekretär ist wünschenswert. Die Ernennung zum ministeriellen Spitzenbeamten im Alter von 50 bis 55 Jahren ist am günstigsten. Die Tätigkeit als Private Secretary eines Ministers hat wiederholt ihren Wert als gutes Training bewiesen; die Dauer einer solchen Tätigkeit sollte jedoch in einem vernünftigen Rahmen bleiben. Der Ständige Staatssekretär sollte zumindest einige Zeit als Leiter (Deputy Secretary) einer Division in einem oder mehreren Ministerien gearbeitet haben. Ein Ständiger Staatssekretär wird wahrscheinlich vier bis neun Jahre im Amt bleiben. Nach Richard Rose, aaO, S. 17 ff. R. G. S. Brown, The Administrative Process in Britain, London 1970, S. 95. 43 John S. Harris, The Permanent Secretaries: Britain's Top Administrators, Public Administration Review 1966, S. 31 f. 41

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Sein Ausscheiden im Alter von '60 Jahren ist von der Verwaltung her gesehen vernünftig 44 • Seit langem wird Klage darüber geführt, daß der Ständige Staatssekretär bei der Fülle seiner Aufgaben überlastet ist und nicht dazu kommt, eine konzeptionelle Politik mit Planungen und Programmen vorzubereiten45 • Als Abhilfe hat man deshalb in einigen größeren Ministerien die Stelle eines zweiten Ständigen Staatssekretärs eingeführt. Nach Ansicht der Fulton-Kommission46 ist die Rolle und die Stellung des zweiten Ständigen Staatssekretärs nie zufrieden stellend definiert worden: "Er steht unter dem Ständigen Staatssekretär, aber nicht weit genug unter ihm, um eine klare Position in der Befehlskette einzunehmen." d) Führungshilfskräfte

Die Fulton-Kommission hat das Bedürfnis bestätigt, daß sowohl die Minister als auch die Ständigen Staatssekretäre in ihren Tagesaufgaben entlastet und in ihren Führungs- und Planungsfunktionen gestärkt werden müssen. Sie hat dafür aber nicht die generelle Einführung von weiteren zweiten Ständigen Staatssekretären, sondern die Ernennung sogenannter Senior Policy Advisers für die Minister empfohlen. Es soll sich dabei überwiegend um jüngere Karrierebeamte 47 handeln, die aber auch Erfahrungen außerhalb des öffentlichen Dienstes haben sollen. Neben dem Senior Policy Adviser sollen in größeren Fachministerien als Führungskräfte und Berater des Ministers für technische und wissenschaftliche Aufgaben leitende Wissenschaftler, Ingenieure und sonstige Spezialisten eingesetzt werden. Nach John S. Harris, aaO, S. 44. In einer journalistischen Darstellung von Anthony Sampson, Wer regiert England?, Deutsche Ausgabe, München 1963, S. 253, heißt es dazu: "Sämtliche Staatssekretäre sind überarbeitet; es scheint schon beinahe zu ihrem Berufsstolz zu gehören, daß sie abends, nach einem arbeitsreichen Tag, mit Papieren beladen nach Hause stolpern. Sie müssen nicht nur den Minister beraten, sondern auch ihr Ressort leiten und überwachen. Wie ihre Meister glauben sie wissen zu müssen, was irgendwo vorgeht, falls die Dinge einmal im Parlament plötzlich zur Sprache kommen. Sie können nicht - wie der Direktor irgendeiner Firma - nach Hause fahren, um dort Tee zu trinken und nachzudenken. Sie sind vielmehr an den Mechanismus ihrer Abteilung gefesselt." "Zu den 3000 Verwaltungsbeamten des Staatsdienstes gehören sehr viele der besten Köpfe, die man im Lande findet. Sie sind ein einmaliges intellektuelles Korps, aber die wenigsten Männer Whitehalls sind in der Lage, sich in ihren Gedanken auch noch mit langfristigen Problemen zu beschäftigen." 46 Fulton-Bericht, Bd. 1, aaO, S. 58. 41 Es wird auf das Durchschnittsalter von 46 Jahren der französischen Directeurs de cabinet und von 45 Jahren der schwedischen Unterstaatssekretäre verwiesen, während das Durchschnittsalter der Ständigen Staatsekretäre in Großbritannien 56 Jahre betrage. Vgl. Fulton-Bericht, Bd.l, aaO, S. 59. 44 45

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Zusammenfassend hat die Fulton-Kommission folgende Empfehlungen gegeben 48 : ,,14. In Ministerien sind Planungsstellen einzurichten. 15. Neben dem Ständigen Staatssekretär ist in den meisten Ministerien ein Senior Policy Adviser zur Unterstützung des Ministers einzusetzen. Der Senior Policy Adviser sollte im allgemeinen gleichzeitig Leiter der Planungsstelle sein. Seine Hauptaufgabe soll darin bestehen, Prognosen aufzustellen und sicherzustellen, daß gegenwärtige politische Entscheidungen soweit wie möglich unter Berücksichtigung wahrscheinlicher zukünftiger Entwicklungen getroffen werden. 16. In einigen der großen Fachministerien ist der Notwendigkeit einer weiteren Führungsposition Rechnung zu tragen: ein leitender Wissenschaftler, Ingenieur oder sonstiger Spezialist. 17. Es wird nicht empfohlen, daß der Senior Policy Adviser und der leitende Spezialist zusammen mit dem Ständigen Staatssekretär ein formales Kollegium bilden. Die Zusammenarbeit ist informell und von Ministerium zu Ministerium und von Zeit zu Zeit unterschiedlich zu gestalten; die verschiedenen individuellen Arbeitsstile der Minister sollten die Organisationsstruktur weitgehend bestimmen. 18. Die Gesamtverantwortung unterhalb des Ministers für alle Angelegenheiten des Ministeriums sollte weiterhin bei einer Person, nämlich beim Ständigen Staatssekretär, bleiben. 19. Dem Minister an der Spitze des Ministeriums sollte es ermöglicht werden, auf der Grundlage von Zeitverträgen eine kleine Anzahl von Experten anzustellen, wenn er dies zu seiner persönlichen Hilfe für notwendig hält." Gegen diese Empfehlungen sind mehrere Einwände erhoben worden, vor allem, daß diese Lösung zu einer Spaltung innerhalb des Ressorts führen könne, die die einheitliche Planung beeinträchtigen und den notwendigen "feedback" von den laufenden Verwaltungs geschäften in die Gestaltung der Zielsetzungen verhindern würde. Ohne Zweifel ist es schwierig, das Konzept eines unmittelbar dem Minister unterstellten Senior Policy Adviser mit der Aufrechterhaltung der umfassenden Verantwortung des Ständigen Staatssekretärs für sein Ressort zu vereinbaren. Es bestünde die Gefahr, daß der Senior Policy Adviser die Stellung des Staatssekretärs schwächen oder selbst durch die in organisatorischer Hinsicht stärkere Position des letzteren auf ein Nebengleis gestellt würde49 • 48

Fulton-Bericht, Bd. 1, aaO, S. 105.

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Die Empfehlung der Fulton-Kommission ist bisher nicht verwirklicht worden. Das White Paper des Premierministers, der seit kurzem zugleich Minister für den öffentlichen Dienst ist, vom Oktober 197050 sieht lediglich vor, daß im Kabinettamt zur Verfügung ein interdisziplinär zusammengesetzter Stab für die Überprüfung politischer und strategischer Gesamtkonzeptionen eingerichtet wird und daß die Bemühungen um eine mittelfristige Ausgabenplanung durch stärkere Einbeziehung von Alternativprogrammen verbessert werden. Ein allgemeinverbindliches Modell für die Entwicklung von Planungs- und Policy-Stellen in den Ressorts will man offenbar nicht ausarbeiten und sich damit zufriedengeben, die Ministerien zur Errichtung verschiedener Arten von Planungsstellen zu ermutigen, die je nach ihren speziellen Verhältnissen in die Hierarchie eingegliedert werden. Man wird es weiterhin vorziehen, eher einen großen Teil der Planungsarbeit in der Koordinierung der Vorhaben und Pläne der einzelnen Abteilungen zu sehen als die Planung als übergeordnete und selbständige Funktion herauszuheben 51 • Von Brown 52 wird hervorgehoben, daß der Fulton-Bericht eine wichtige Lücke in seinen Vorschlägen aufweist: Es werden keine Vorstellungen über die Aufgaben und die Mitglieder eines persönlichen Ministerbüros entwickelt. Traditionell haben die britischen Minister einen Private Secretary. Er ist gewöhnlich ein jüngerer Laufbahnbeamter der Administrative Class, der zusammen mit den Juniorministern des Ressorts dem Minister bei der Aufrechterhaltung der Verbindung zur Partei, zum Parlament und zur Öffentlichkeit behilflich ist. Im persönlichen Stab des Ministers werden Termine abgestimmt, Reden vorbereitet, Analysen der politischen Lage gefertigt und Öffentlichkeitsarbeit betrieben. Diese Büros sind bisher im britischen Regierungssystem sehr klein und werden überwiegend mit jüngeren Beamten besetzt, die hier eine Möglichkeit haben, sich für spätere Führungsstellen zu qualifizieren. In den letzten Jahren ist allerdings eine Tendenz der Minister sichtbar geworden, für sich neben den Private Secretaries Außenseiter als persönliche Berater mit Zeitverträgen einzustellen. Besonders die Labour Party hat angeregt, daß der 49 NeviZ Johnson, aaO, S. 171; R. G. S. Brown, aaO, S. 251, kritisiert die Darstellung und die Empfehlung des Fulton-Berichtes mit folgenden Worten: "The Permanent Secretary appears in the report as a rather dull stick-in-the-mud who cannot be discarded because of his part in securing continuity and financial accountability but who needs to be prevented from fielding the bright new ideas of the young whiz-kids in the planning units. This is a rather unrealistic picture and it is, of course, impracticable to separate the Permanent Secretary's overall responsibility for expenditure from the evaluation, in expenditure terms, of short- or medium-term policy options." 50 Prime Minister and Minister for the Civil Service, The Reorganisation of Central Government, aaO, S. 13 f. 51 NeviZ J ohnson, aaO, S. 171 f. 52 R. G. S. Brown, aaO, S. 266 f.

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Minister sich einen politischen Brain Trust in Form von bis zu vier persönlichen Assistenten für seine Regierungszeit zulegen solle. Auch dieses Modell ist bisher nicht generell eingeführt worden. Gegen diese Organisation der Führung wird vorgebracht, daß sich damit zwischen dem Minister und dem Apparat, vertreten durch den Ständigen Staatssekretär, eine weitere gesonderte politische Koordinationsebene bilde. Es bestehe auch die Gefahr, daß man für einen Posten, der nur für wenige Jahre zu besetzen sei, nicht genügend Personen mit der notwendigen außergewöhnlichen Qualifikation finden würde 53 • Die Fulton-Kommission hat sich zwar gegen die Bildung eines Ministerkabinetts nach französischem Beispiel ausgesprochen, die zeitweise Ernennung einer Gruppe von persönlichen Beratern des Ministers als politische Außenseiter, die besonders als Verbindungsleute zu den zahlreichen interministeriellen Ausschüssen dienen sollen, hat sie aber begrüßt54• 3. Frankreich

Die zur Zeit neueste und umfassendste Darstellung der Organisation der Führung in den französischen Ministerien ist die Speyerer Habilitationsschrift von Heinrich Siedentopf über "Regierungsführung und Ressortführung in Frankreich" vom November 1970. Die nachfolgende Darstellung der französischen Verhältnisse beruht im wesentlichen auf dieser Schrift. a) Größenordnungen Die öffentliche Verwaltung in Frankreich ist noch stärker als in Großbritannien auf eine zentrale Lenkung durch Regierung und Ministerien ausgerichtet. Das Gewicht der Kommunalverwaltung ist vergleichsweise geringer als in Großbritannien und der Bundesrepublik Deutschland. Im Regierungssystem ist die exekutive Gewalt zwischen dem Staatspräsidenten und dem Premierminister als Regierungschef geteilt, wobei der Staatspräsident ein deutliches übergewicht der Führung, insbesondere auf dem Gebiet der Außen- und Verteidigungspolitik, hat. Der Premierminister leitet die "Tätigkeit der Regierung" (Art. 21 der Verfassung von 1958) und ist oberste Instanz der Verwaltung. Ihm obliegt vor allem die Koordinierung der Ressorts. Die dem Premierminister für die Wahrnehmung seiner Aufgaben zur Verfügung stehende Führungsorganisation besteht aus dem Generalsekretariat der Regierung und seinem persönlichen Kabinett. Dem Amt des Premierministers sind eine Reihe von anderen Ämtern angeschlossen, die ihm zahlreiche Koordinierungsmöglichkeiten bieten. 53 54

R. G. S. Brown, aaO, S. 268. Fulton-Bericht, Bd. 1, aaO, S. 285.

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Die amtierende Regierung Chaban-Delmas hatte im März 1971 18 Ressorts. Zu ihr gehören allerdings zusätzlich drei Ministres delE~gues, die mit Aufgaben beauftragt sind, die zum Ressort des Premierministers gehören, wie Planung und Raumordnung, Naturschutz und Umweltschutz sowie Beziehungen zum Parlament. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18.

Premierminister Auswärtiges Inneres Justiz Wirtschaft und Finanzen Landwirtschaft Arbeit, Beschäftigung und Bevölkerung Verteidigung Kriegsteilnehmer Ausrüstung und Wohnungsbau Industrielle und wissenschaftliche Entwicklung Öffentliche Gesundheit und soziale Sicherung Erziehung Kulturelle Angelegenheiten Transport Post- und Fernmeldewesen Departements und überseeische Gebiete Verwaltungsreform

Die Zahl der in den einzelnen Ministerien tätigen Bediensteten ist erheblich höher als vergleichsweise in der Bundesrepublik. Ähnlich wie in Großbritannien ist es allerdings kaum möglich, zwischen der rein ministeriellen Tätigkeit und der Tätigkeit in sonstigen zentralen Dienststellen sowie in nachgeordneten Behörden zu unterscheiden. Die einzelnen Ministerien sind in ihrer Größenordnung verhältnismäßig ungleichgewichtig. Im französischen öffentlichen Dienst waren im Jahre 1970 (ohne Post, Militärbudget und kommunale Verwaltung) insgesamt 1094464 Personen55 tätig, die in einem Zuordnungsverhältnis zu den Ministerien in Paris standen. Die französischen Ministerien gliedern sich gewöhnlich in Direktionen (Generaldirektionen). Die Direktionen gliedern sich ihrerseits in Unterdirektionen. b) Minister und Staatssekretäre

Zu Ministern werden in der V. Republik überwiegend hauts fonctionnaires berufen, die sich in die Nationalversammlung haben wählen las55

Nach Heinrich Siedentopf, aaO, Anlage I, 2.

4 Speyer48

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sen56 • Sie müssen für die Dauer ihres Amtes aus der Nationalversammlung ausscheiden. Ihre lokalen Mandate, z. B. ihre Stellung als Bürgermeister von Städten, behalten sie bei. Ihren Wahlkreis, der in der Nationalversammlung von ihrem "Vertreter" (suppleant) repräsentiert wird, besuchen sie weiterhin regelmäßig57 • Der häufige Wechsel der Minister in der IV. Republik ist in der V. Republik eingeschränkt. Die durchschnittliche auf alle Ressorts bezogene Amtsdauer der Minister betrug in der IV. Republik 1,1 Jahre. Von 1958 bis 1966 betrug die durchschnittliche Amtsdauer der Minister 2,9 Jahre 58 • Die Dauer der Amtszeit eines Ministers ist damit in der V. Republik immer noch erheblich geringer als in der Bundesrepublik Deutschland. Die Regierung Chaban-Delmas hat die Zahl der Secretaires d'Etat auf 20 erhöht und damit im Vergleich zu den vorangegangenen Regierungen nahezu verdoppelt. Fast jedes Ressort hat ein oder zwei Staatssekretäre. Die Vermehrung der Zahl der Staatssekretäre sollte es ermöglichen, junge Abgeordnete auf ihre Fähigkeit zu prüfen, die Minister zu entlasten, und zu verhindern, daß wichtige Bereiche öffentlicher Aufgabenerfüllung in der ausschließlichen Leitung hoher Beamter verblieben. Die französischen Staatssekretäre sind mit den britischen Juniorministern zu vergleichen. Mit der Ernennung zum Staatssekretär gehört man in Frankreich zum Kreis der "ministrablen" Politiker. Obwohl die mangelnde Koordination der relativ zahlreichen Direktionen der französischen Ministerien immer wieder beklagt worden ist, ist den Staatssekretären nur ausnahmsweise und dann gewöhnlich auch nur für einen Teil der Direktionen eines Ministeriums die Koordinatorfunktion gegeben worden. Entscheidungsbefugnisse kann der Staatssekretär nur durch Delegation des Ministers erhalten. Dabei fallen diese Delegationen sehr verschieden in ihrem Umfang und hinsichtlich der Befugnisse aus, je nach den praktischen Notwendigkeiten oder dem Temperament des delegierenden Ministers. Im Gegensatz zu früher nehmen die Staatssekretäre in der Regierung Chaban-Delmas auf Anordnung des Präsidenten Pompidou nicht mehr grundsätzlich an den Sitzungen des Ministerrats teil. Sie werden zur Teilnahme aufgefordert, wenn Fragen ihres speziellen Kompetenzbereiches behandelt werden. Manche Staatssekretäre haben eine allgemeine Assistenzfunktion für ihren Minister, andere nehmen bestimmte Aufgaben oder die Leitung von Behördenteilen unter der Aufsicht des Ministers wahr. Für die ressortCharles Debbasch, L'Administration au pouvoir, Paris 1969, S. 41 ff. Von den 39 Ministern und Staatssekretären der Regierung Chaban-Delmas sind 12 Bürgermeister, 18 Mitglieder des Conseil General eines Departements und 4 Präsident des Conseil General, nach Heinrich Siedentopf, aaO, S. 222. 58 Jeanne Siwek-Pouydesseau, Le Personnel de direction des ministeres, Paris 1969, S. 73. 56

57

Die Organisation der Führung in Ministerien

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interne Koordination und die Ressortführung ist die Wirkung der Secn~­ taires d'Etat in der Regel als wenig wirksam anzusehen. Trotz der übertragung eigener Arbeitsbereiche erhalten sie in diesen Bereichen keine Autonomie; der Minister kontrolliert diesen Bereich ebenfalls durch ein Mitglied seines Cabinet. Das kann zu Reibungen zwischen dem Cabinet des Ministers und dem des Secretaire d'Etat führen, nicht aber zu einer wirksameren Abstimmung der Tätigkeit der verschiedenen Direktionen des Ressorts 59 • Die Notwendigkeit der Koordination der Arbeit der Direktionen, der Zusammenfassung auf dem obersten Niveau der Hierarchie der Ministerialverwaltung und der Durchsetzung einer einheitlichen Politik im Ressort hat nur in Ausnahmefällen zur Schaffung des Postens eines Generalsekretärs geführt, dem nach dem Muster des deutschen beamteten Staatssekretärs alle Direktionen oder Generaldirektionen des Ministeriums unterstellt sind. Ein solcher Fall ist das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten, der Quai d'Orsay, wo der Posten des Generalsekretärs zur Tradition geworden ist. In anderen Ministerien ist eine solche Einrichtung gescheitert. In der Versammlung der Direktoren des Ministeriums führt in der Regel nicht der Generalsekretär, sondern der Directeur de cabinet den Vorsitz 60 • c) Ministerkabinette

Die Koordinations- und Führungsnotwendigkeiten der relativ selbständigen und auseinanderstrebenden Direktionen der französischen Ministerien sowie der häufige Wechsel der Minister bei einem stark traditionell und technokratisch ausgerichteten Beamtenapparat haben eine spezielle Einrichtung der Führungshilfe in französischen Ministerien entstehen lassen: das Cabinet ministeriel 61 • "Zunächst als Hilfsinstrument des Ministers in der Wahrnehmung seiner politischen Außenbeziehungen sich entwickelnd, dann als Kontrollinstrument in der Hand des Ministers für die Beaufsichtigung einer permanenten, potentiell oppositionellen Ministerialbürokratie benutzt und schließlich zunehmend und heute ausschließlich von den Mitgliedern dieser Ministerialbürokratie okkupiert, kann das Cabinet ministeriel als Symbol dafür gesehen werden, daß sich das Administrative zunehmend des Politischen bemächtigt, daß Personen aus dem Verwaltungsbereich ohne Rollenwechsel auf Positionen gelangen und Aufgaben wahrnehmen, die dem politischen Bereich zugehören62 ." 59 80

Heinrich Siedentopf, aaO, S. 289. Heinrich Siedentopf, aaO, S. 297, 302.

61 Vgl. dazu die bereits zitierte Schrift von J. Siwek-Pouydesseau mit ihren Angaben zum Personal der Cabinets sowie die Ausführungen Sur les cabinets, in: Revue Administrative 1971, S. 155 - 158. 62 Heinrich Siedentopf, aaO, S. 4.

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Ursprünglich arbeitete der französische Minister unmittelbar mit den Direktoren seiner Ressortverwaltung zusammen, die damit ohne Zwischenstufe am Entscheidungsvorgang teilhatten. Das Cabinet ministeriel bildete sich als selbständige von dem übrigen Apparat des Ministeriums getrennte Einheit heraus, als die politische Abhängigkeit des Ministers vom Parlament eine Kenntnis der Strömungen und Meinungen in den beiden Kammern, einen ständigen Kontakt mit den Deputierten und eine zuverlässige und schnelle Information des Ministers notwendig machten und sein persönliches Sekretariat mit nur einem Sekretär dazu nicht mehr in der Lage war. Die Instabilität der Regierungen in der IV. Republik begünstigte die Ausweitung der Ministerkabinette. Trotz der häufigen Regierungsneubildungen gab es einen relativ festen Kern von ehemaligen und zukünftigen Ministern, die in jeweils anderer Zusammensetzung und durch Auswechseln einiger Minister die "neue" Regierung bildeten. Um diese Minister und Ministerkandidaten herum bildeten sich Gruppen von Mitarbeitern, die den Minister von Ministerium zu Ministerium begleiteten und ihn in der Führung des Ressorts unterstützten. Diese Equipes sind der Kern der Ministerkabinette. Heute sind die Aufgaben des Cabinet ministeriel mit den Begriffen "Konzeption und Formulierung, Koordination und Verbindung sowie überwachung und Kontrolle" zu beschreiben. Die Ministerkabinette bestehen aus etwa 10 bis 15 Mitgliedern, die überwiegend zwischen 30 und 40 Jahre alt sind. Ganz überwiegend sind sie Angehörige des öffentlichen Dienstes, die bereits höhere Posten der Zentralverwaltung innehatten; nicht wenige stammen aus dem besonders angesehenen Conseil d'Etat oder der Inspection des finances. An der Spitze des Cabinet steht der Directeur de cabinet, der für die Leitung und die Koordination der Tätigkeit der anderen Mitglieder des Cabinet verantwortlich ist. Er teilt die Arbeit unter diesen Mitgliedern entsprechend den Arbeitsbereichen auf und überwacht ihre Ausführung. Er bildet zugleich den Zugang zum Minister, denn die Vorlagen der Direktionen werden nach ihrer überarbeitung durch das zuständige Mitglied des Cabinet über den Directeur de cabinet dem Minister vorgelegt. Da in der Regel ihm das volle Zeichnungs recht des Ministers, mit der Ausnahme der Zeichnung und Gegenzeichnung von Dekreten, übertragen worden ist, kann er selbst entscheiden, welche Vorgänge er dem Minister wegen der politischen Bedeutung der Angelegenheit vorlegen und welche er selbst unterzeichnen will. Nicht nur in diesen Entscheidungen mit Außenwirkung tritt der Directeur de cabinet an die Stelle des Ministers, auch im interministeriellen Kontakt ist er der Vertreter des Ressorts. Die Directeurs de cabinet der verschiedenen Ressorts bilden unter den Ministern die oberste Stufe interministerieller Koordination. Zugleich erfüllt der Directeur de cabinet die intraministerielle Funktion

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eines Generalsekretärs, dem die Koordination der Direktionen des Ressorts anvertraut ist. Unter seiner Leitung, falls nicht unter der Leitung des Ministers selbst, finden die Zusammenkünfte des Ressorts statt63 • In einigen Ressorts erfolgen diese Besprechungen einmal pro Monat, in anderen einmal pro Woche 64 • Die Aufgabe der Ministerkabinette lassen sich in den Bereich der Außenbeziehungen des Ministers und des Ministeriums sowie in den der Innenbeziehungen zwischen dem Minister und der Ministerialverwaltung einteilen. Gewöhnlich hat bei den Außenbeziehungen je ein Mitglied des Ministerkabinetts Kontakt zu halten zu den beiden Häusern des Parlaments, zu der Partei des Ministers, zum Wahlkreis des Ministers und zu Interessengruppen65 • Zu den Außenbeziehungen des Cabinet gehören aber vor allem die Verbindungen zu dem Generalsekretariat des Staatspräsidenten, dem Cabinet des Premierministers und zu den Cabinets der übrigen Ressortminister. Hierdurch ergibt sich ein ganzes Geflecht von Beziehungen und Verbindungen, auf dessen Informations- und Weisungsschienen die leitende und konfliktlösende Koordination des Präsidenten und des Premierministers laufen, so daß die Direktionen der einzelnen Ministerien häufig nicht eingeschaltet zu werden brauchen. Die internen Beziehungen sind gewöhnlich so organisiert, daß je ein Mitglied des Cabinet mit der Kontrolle einer Direktion, der Weiterleitung der Vorladungen der Direktion an den Minister und der Weitergabe von Anregungen und Weisungen des Ministers an die Direktion beauftragt wird. Der Chef de cabinet ist dem Minister für seine tägliche persönliche Arbeit zugeteilt. Einem möglichen Mißverständnis ist zu begegnen: Das Cabinet ist kein Planungsstab. Man erarbeitet keine alle Teile des Ressorts umfassende, langfristig konzeptionelle Aufgaben- und Ausgabenplanung. "Übereinstimmend erklären alle Mitglieder der Cabinets, daß sie keine langfristige politische Ressortplanung betreiben oder an einer solchen der Regierung mitwirken. Teilweise wird dies mit der Überlastung mit dem Tagesgeschäft oder der Permanenz der Eilentscheidungen in den Cabinets begründet, teilweise wird es aber auch als dem Auftrag der Cabinets widersprechend bewußt zurückgewiesen. Der Auftrag der Cabinets läßt sich auf das eine Ziel zurückführen, dem Minister zu helfen. Weiter geht auch der 83 Näher zum Verhältnis von Cabinet und Direktionen Ezva Suleiman, Political versus Administrative Roles in the French Higher Civil Service, Bericht vorgelegt zum VIII. Weltkongreß der Internationalen Vereinigung für Politische Wissenschaft, München 1970. 64 Heinrich Siedentopf, aaO, S. 458 f. 65 Die Verbindung zu der Partei des Ministers kann von einer bloßen Informationstätigkeit bis zu einer Beteiligung an der Parteiführung gehen. Auch im letzteren Fall bleibt das Mitglied des Cabinet Beamter. Heinrich Siedentopf, aaO, S. 425.

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Anspruch der Mitglieder der Cabinets nicht: Wenn es für die politische Überleben des Ministers wichtiger ist, die Ministerialverwaltung bereits kurz nach Antritt seines Amtes fest in die Hand zu bekommen und selbst Einzelentscheidungen seinen Stempel aufzudrücken, dann geht eben dies der Entwicklung eines politischen Planungskonzepts vor66 ." IH. Organisationsvergleich

Die Szenenbeschreibung der Organisation der Führung in den Ministerien der Bundesrepublik Deutschland, Großbritannien und Frankreich zeigt einige unterschiedliche Grundlagen und zahlreiche übereinstimmende Trends. Überragender Eindruck von der Tätigkeit der Führung in Ministerien ist der Vorrang des Kurzfristigen. 1. Unterschiedliche Grundlagen

Die Führungsproblematik in den Ministerien der drei Länder hat weithin ähnliche Ursachen. Es sind jedoch zwei wichtige unterschiedliche Grundlagen erkennbar, mit denen national differenzierte Lösungsversuche erklärt werden können. Es handelt sich um den voneinander abweichenden Gesamtaufbau der Verwaltung und um die unterschiedliche Struktur des öffentlichen Dienstes in den höheren Beamtenkategorien. In der Bundesrepublik Deutschland besteht ein grundsätzlich dreistufiges Verwaltungssystem, bei dem Aufgaben und politische Verantwortung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden geteilt sind. In Großbritannien und Frankreich besteht dagegen nur ein grundsätzlich zweistufiges System. Als Ergebnis zeigt sich eine stärkere Aufgaben- und Verantwortungszentralisation in Großbritannien und Frankreich mit größeren Ministerien und anderen Zentralbehörden sowie mit Regional- und Ortsbehörden, die der Weisung der Ministerien unterliegen. Die Führungsproblematik in diesen Ministerien ist bereits aus diesem Grunde vergleichsweise größer als in Ministerien der Bundesrepublik, die nur in einigen weniger wichtigen Fällen einen eigenen Verwaltungsunterbau besitzen . . Die Struktur des öffentlichen Dienstes in den höheren Beamtenkategorien der drei Länder zeigt unterschiedliche Züge, die sich unmittelbar auf die Möglichkeiten der Gestaltung der Organisation der Führungsspitze in den Ministerien auswirken. Einzelheiten der Tradition und Lage der öffentlichen Dienste sind in der Szenenbeschreibung allerdings nur selten wiedergegeben, so daß in der folgenden Darstellung einige weitere Fakten mitgeteilt werden müssen. 66

Heinrich Siedentopf, aaO, S. 430.

Die Organisation der Führung in Ministerien

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In der Bundesrepublik Deutschland besteht ein nahezu bundeseinheitliches System von Prüfungen, Laufbahnen und Besoldungsregelungen für den höheren Dienst in allen Stufen. Es gibt eine einheitliche Zulage für die Tätigkeit in Ministerien. Die Interessen der Beamten werden bundesweit durch den Beamtenbund und die Gewerkschaft ÖTV vertreten. Fachspezifische Beamtenzusammenschlüsse haben nur einen geringen Einfluß. In technisch und fachlich bestimmten Ministerien gelangen Beamte mit der jeweiligen fachlichen Vorbildung (Volkswirte, Ingenieure, Architekten usw.) als Ministerialräte, Ministerialdirigenten und Ministerialdirektoren auf Leitungs- und Führungsposten. Unterschiede zwischen Posten und Grad sowie zwischen Generalisten und Spezialisten werden der Tendenz nach nicht gemacht. Ein nicht geringer Anteil der Beamten höherer Kategorien gehört einer politischen Partei an; dies ist im Apparat und bei der Führungsspitze auch bekannt. Bei etwa gleichartiger fachlicher Befähigung und ähnlichem Dienstalter wird der Beamte, der zur jeweiligen Partei der Führungsspitze gehört, bei Beförderungen und der Besetzung politisch interessanter Stellen vorgezogen. Ein Wechsel zwischen Beamtenstellen und Stellen in der Wirtschaft ist in beiden Richtungen sehr erschwert. Es gibt keine Zeitbeamtenstellen in Ministerien. In Großbritannien besteht die oberste Beamtenkategorie (etwa 3000 Mitglieder der Administrative Class) ganz überwiegend aus sogenannten Generalisten. Spezialisten (Volkswirte, Ingenieure, Architekten, Juristen usw.) sind häufig in getrennten Organisationseinheiten der Ministerien nur beratend an den Entscheidungen beteiligt. Die Übernahme von Führungsposten durch Spezialisten ist selten. Die Interessen der Beamten werden durch fachspezifisch stark aufgefächerte Beamtenverbände vertreten. Auch für sehr hohe Beamtenstellen können Beamte auf Zeit verwendet werden. Ständige Staatssekretäre scheiden frühzeitig (mit '60 J ahren) aus ihrem Amt aus und stellen ihre Erfahrungen für Tätigkeiten in Kommissionen, Beiräten usw. zur Verfügung. Die Beamten erheben den Anspruch, parteipolitisch neutral zu sein. In Frankreich bestehen im Rahmen des öffentlichen Dienstes in den höheren Beamtenkategorien unterschiedliche Einfluß- und Karriereaussichten, je nach der Zugehörigkeit zu den Grands Corps. In den einzelnen Ministerien gibt es unterschiedliche Zulagensysteme. Es besteht eine größere Beweglichkeit bei der Besetzung von Führungs- und Leitungsstellen mit jüngeren Beamten durch die Unterscheidung zwischen Posten und Grad. Der zeitweise Übergang von Beamten aus Ministerien und sonstigen Behörden in Ministerkabinette wird durch das Institut des "Ausleihens" (mise ä la disposition) unter Fortzahlung der Bezüge durch die bisherige Dienststelle wesentlich erleichtert. Eine partei politische Neutralität der Beamten wird nicht erwartet.

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Frido Wagener 2. 'Obereinstimmende Trends

Aus der Szenenbeschreibung der Führungsorganisation der Ministerien der drei Länder sind zahlreiche übereinstimmende Trends abzuleiten. Diese Entwicklungstendenzen lassen sich überwiegend in allen drei Ländern nachweisen; wo einzelne Trends nur in zwei der Länder zu beobachten sind, soll darauf besonders hingewiesen werden. Der Umfang der in Ministerien zu erfüllenden Aufgaben nimmt seit vielen Jahrzehnten laufend zu. Die Zahl der Ministerien und des in ihnen tätigen Personals ist deshalb seit Beginn des Jahrhunderts ununterbrochen angestiegen. Die Komplexität und die Interdependenz der Aufgaben der Ministerien ist in den letzten Jahrzehnten in noch höherem Ausmaß gestiegen als der Umfang der Aufgaben. Daraus ergaben sich Führungs- und Koordinierungsschwächen der Gesamtregierungen, so daß in den letzten drei Jahren bei der wachsenden Zahl der Ministerien ein Tendenzumschwung zu verzeichnen ist und die Zahl der Ministerien wieder verringert wird. Da die Fülle der komplexen Aufgaben der Ministerien nicht geringer geworden ist, ergibt sich aus der Herabsetzung der Zahl der Ministerien ein Trend zur Vergrößerung der einzelnen Ministerien. Einem Minister unterstehen also mehr Abteilungen (Divisionen, Direktionen) und mehr Personal. Die Führungs- und Koordinierungsschwächen verlagern sich daher tendenziell in die Einzelministerien. Die Ein-Mann-Koordination der Ministerialaufgaben durch den (beamteten) Staatssekretär ist nicht mehr erfolgreich. Die Führungsfähigkeit des Ministeriums durch einen Minister ist in Frage gestellt. Die Umsetzung des politischen Wollens des Ministers in Verwaltungshandeln gelingt nur noch unvollkommen. Zur Lösung der Führungsprobleme wird der Tendenz nach versucht, die an der Führung beteiligten Personen zu "vervielfältigen". Zur Hilfe der Minister werden Staatsminister, Juniorminister und Parlamentarische Staatssekretäre eingesetzt. Zur Entlastung der (beamteten) Staatssekretäre erhält ein Ressort neben- oder untergeordnete weitere Staatssekretäre. Die nicht in die Abteilungen (Divisionen, Direktionen) eingegliederten Ministerbüros werden personell verstärkt und entwickeln sich in Frankreich in der Form der Ministerkabinette zu einer eigenen Koordinierungs- und Umwandlungsebene zwischen dem politischen und administrativen Bereich. Zur Stärkung des politischen Elements in der ministeriellen Aufgabenerfüllung und der politischen Verantwortlichkeit des Ministers wird in der Bundesrepublik Deutschland der Posten des beamteten Staatssekretärs nicht mehr überwiegend von einem Karrierebeamten, sondern vorwiegend von politisch ausgewiesenen Fachleuten mit einem breiteren Berufsspektrum als früher besetzt. Aus der wesentlich vergrößerten Zahl der an der Führung beteiligten Personen ent-

Die Organisation der Führung in Ministerien

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stehen neue Koordinierungsprobleme. Ein sich permanent abstimmendes Führungskollegium nach dem Vorbild eines Vorstandes eines Wirtschaftsunternehmens bildet sich nur in wenigen Ausnahmefällen. Bei der Führung der Ministerien entsteht ein zunehmender Trend, sich nicht mehr von Tagesentscheidung zu Tagesentscheidung treiben zu lassen, sondern wichtige Schlüsselaufgaben nach mittel- und langfristigen Programmen und Planungen durchzusetzen. In der Bundesrepublik Deutschland und in Großbritannien wird dazu zunächst empfohlen, dem Minister unmittelbar zugeordnete interdisziplinäre Planungsstäbe einzurichten, die entsprechende Programme vorbereiten sollen. In der neuesten tatsächlichen Entwicklung wird die Planungsfunktion jedoch stärker in die Abteilungen (Divisionen) integriert. Die französischen Ministerkabinette sind keine Planungsstäbe. Dort werden die Planungsaufgaben tendenziell interministeriell und national im Rahmen besonderer Dienststellen beim Staatspräsidenten und beim Premierminister verstärkt wahrgenommen. 3. Vorrang des Kurzfristigen

Trotz der Bemühungen um die Durchsetzung einer konzeptionellen Politik ist festzustellen, daß die Minister und die sehr angewachsene Zahl der politisch oder administrativ FührungsbeteiIigten weiter überwiegend mit Tagesentscheidungen und Krisenmanagement beschäftigt sind. Minister und Staatssekretäre haben "keine Zeit". Minister sind nur wenige Jahre im Amt und bleiben deshalb geneigt, Angelegenheiten mit kurzfristigem politischen Erfolg voranzutreiben. Da die Amtsdauer der (beamteten) Staatssekretäre tendenziell zurückgeht, werden sie ebenfalls zunehmend an kurzfristigen Erfolgen interessiert sein. Das gleiche gilt für Juniorminister, Parlamentarische Staatssekretäre sowie Ministerbüros und Ministerkabinette, die mit einem neuen Minister kommen und gehen. Diese generelle Erscheinung des Vorrangs des Kurzfristigen ist ein bekanntes Gesetz, nach dem Mitglieder in jeder bürokratischen Großorganisation handeln67 • Wenn Führungskräfte in Ministerien unter heutigen Bedingungen "keine Zeit" haben und nur das scheinbar Vordringliche erledigen, ist es allerdings utopisch zu fordern, daß Minister, Staatssekretäre usw. sich wieder Zeit verschaffen müßten. Man kann hier allenfalls graduelle Verbesserungen erreichen. Die rein physische Leistung eines 67 Niklas Luhmann, Politische Planung, Opladen 1971, S. 143 ff. (auch Die Verwaltung 1968, S. 3 ff.), spricht von der "Vordringlichkeit des Befristeten"; R. G. S. Brown, aaO, S. 150, teilt einen interessanten Versuch mit, der empirisch "Greshams Planungsgesetz" beweist: Die tägliche Routine unter Zeitdruck "drives out planning".

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Ministers oder Staatssekretärs, die bei Empfängen, Eröffnungen, Sitzungen, Reisen, Ansprachen, Einweihungen, Ehrungen usw. gefordert wird, würde dem Normalbürger, wenn er sie kennen würde, das Fürchten lehren. Wenn ein Minister nur ein Drittel oder die Hälfte der Wochenstundenzahl in "seinem Hause" anzutreffen ist, wird man fragen müssen, welche Möglichkeiten bleiben eigentlich für die intensive, ungestörte Arbeit an der Problematik, was eigentlich zukünftig gewollt ist, welche Ziele es gibt und wie man sie in welchen Etappen erreicht. Wer weiß, wie kurz diese Zeit ist, muß dafür sorgen, sie optimal zu nutzen. Dafür müssen Expertisen, Prognosen und Programme in ihren Zusammenhängen und Widersprüchen aufbereitet, mit Entscheidungsalternativen und Zielkonflikten bewertet und quantifiziert, dem Chef vorgelegt oder ihm vorgetragen werden. Es geht dabei nicht nur um mittelund langfristige Planung, sondern häufig ebenso sehr um das Auffinden und Deutlichmachen von Problemen, was seinerseits nur durch die vollständige und richtige Darstellung der Lage ermöglicht wird. Diese Aufgabe kann nicht von den üblichen Referaten oder Abteilungen der Ministerien gewissermaßen neben ihrem" Tagewerk" geleistet werden. Sie verlangt nach einer gewissen organisatorischen Verselbständigung in der Nähe des "Chefs" und insbesondere nach einer Befreiung der Mitglieder dieser Gruppe von täglicher Aktenbearbeitung. Die Führung eines Ministeriums darf durch den Gang der Dinge nicht überrascht werden. Im Zusammenhang mit dem Aufzeigen von Entscheidungskonsequenzen steht die Notwendigkeit, denkbare Entwicklungen und ihre wahrscheinlichen Anforderungen an Politik und Verwaltung voraus denkend zu erfassen. Großstrukturen wie die Ministerialverwaltungen, zum al unter dem Einfluß der gebotenen Spezialisierung, tendieren zu einem Auseinanderstreben. Effektive Führung setzt größtmögliche Wahrung der inneren Einheit voraus. Die Ziele der Politik müssen formuliert und in die Verwaltungssprache "übersetzt" werden. Solche Programmgestaltung, die auch Prioritäten festlegt, erfordert erhebliche Vorarbeit. Hier gibt es heute noch in fast allen Ministerien einen deutlichen Rückstand hinter den Anforderungen. IV. Theorie der Führung und IEntscheidung

Die bisherige beschreibende und systematisierende Darstellung des heutigen Zustandes der Führung in Ministerien und ihrer Organisation hat zwar einige Unterschiede und mehrere übereinstimmende Trends sowie den generellen Mangel des Vorrangs des Kurzfristigen erkennen lassen, es ist aber kein Maßstab sichtbar geworden, der es ermöglichen würde, die Fülle der Erscheinungen nachvollziehbar zu bewerten und daraus Thesen für Reformen zu entwickeln. Es soll daher versucht wer-

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den, einen solchen Maßstab mit Hilfe der Ergebnisse theoretischer Forschungen über Führung und Entscheidung zu finden. 1. Führungstheorien

In der Organisationstheorie wird die Führung als eine "zielorientierte Beeinflussung von Menschen in einer gegebenen Organisation" verstanden6B • Im einzelnen wird die Führung im Rahmen einer Organisation in folgender Weise beschrieben: "Aufgabe der Führung ist sodann, die unzähligen Einzelleistungen aller Beteiligten durch Koordination bzw. durch organisierte Kooperation zu einer bestmöglichen Gesamtleistung im Hinblick auf die Zielsetzung zu vereinigen. Dieses Führen von Menschen setzt als wesentliches Element Weisungsgewalt und Autorität voraus, denn nur unter diesen Voraussetzungen können Ziele gesetzt, Grundsätze, Richtlinien, Regelungen, denen die Geführten folgen können, verbindlicherweise aufgestellt werden 69 ." Einem politikwissenschaftlichen Modell politischer Verwaltungsführung70 sind drei Führungsfunktionen zugeordnet worden: 1. Die Konzeption und Initiierung von Programmalternativen, 2. die Auswahl unter vorauskalkulierten Programmalternativen und 3. die Kontrolle der Ausführung beschlossener Programme.

In einer betriebswirtschaftlichen Management-Konzeption71 wird unter Führung die Wahrnehmung folgender Funktionen verstanden: Setzung von Zielen und Prioritäten Problemerkenntnis und Problemlösungsinitiative Planung und Entscheidung von Handlungsprogrammen Durchsetzung von Programmentscheidungen mittels Information Instruktion Anweisung Motivation Organisation Kontrolle und koordinierende Steuerung. 88 So Otto HongeleT, Grundzüge der Führungsorganisation, Die Verwaltungspraxis 1969, S. 1. 69 Otto HongeleT, aaO, S. 1. 70 Rolf-RichaTd GTauhan, Modelle politischer Verwaltungsführung, Politische Vierteljahresschrift 1969, S. 269 ff. (279). 71 JÜTgen Wild, Management-Konzeption und Unternehmungsverfassung, in Probleme der Unternehmungsverfassung, Gedanken zum 70. Geburtstag von Martin Lohmann, Tübingen 1971, S. 57 ff. (67).

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Hinzu treten Funktionen wie Personalbeurteilung, Personalförderung und -betreuung usw., die in der neueren amerikanischen ManagementLiteratur stark betont werden. In einem verwaltungswissenschaftlichen Ansatz 72 , der bereits stärker auf die Aufgaben der Führung in einem Ministerium abgestellt ist, sind schließlich folgende zehn Führungsfunktionen herausgearbeitet worden: 1. Zielfindung (Problemerkenntnis)

2. Setzen von Zielen

3.

4. 5.

6. 7. 8. 9. 10.

sachlich (Aufgaben) zeitlich (Prioritäten) Lenken der Zielverwirklichung Rechenschaftlegen Kooperation im größeren Verbund (Regierung, föderales System, Bund) Personalführung Organisation Bereitstellen von Finanz- und Sachmitteln Repräsentation Öffentlichkeitsarbeit

Mit dieser Aufzählung der Aufgaben der Führung in Ministerien kann man sich noch nicht zufrieden geben. Es erscheint eine weitere Beschäftigung mit den ersten beiden genannten Aufgaben, nämlich der Zielfindung und des Setzens von Zielen notwendig. Im Gegensatz zu den übrigen acht Führungsfunktionen ist bei der Zielfindung und Zielsetzung ein sehr hoher Anteil (politischer) Entscheidung zu treffen. Es ist also notwendig, sich auch theoretische Vorstellungen über Entscheidungen im Rahmen von bürokratischen Großorganisationen zu machen. 2. Entscheidungstheorien

Entscheidungen sind als "Alternativen-Wahl mit Willens akzent" definiert worden. Entscheidungen mit hoher Relevanz der Alternativen, undeterminierter Wahlhandlung und großer Intensität des Willensakzentes sind dann "Führungsentscheidungen". Entscheidungen mit Alternativen geringen Relevanzgrades, weitgehend determinierten Wahlakten und mit schwachem Willensakzent sind "programmierte Entscheidungen"73. Sie zu treffen, gehört nicht zu den Aufgaben der Führung. 72 Eberhard Laux, Gutachten zur Führungsorganisation der Baubehörde der Freien und Hansestadt Hamburg, Wirtschaftsberatung Aktiengesellschaft, Düsseldorf 1971 (nicht veröffentlicht), S. 14. 73 Os kar Grün, Art. Entscheidung, in Erwin Grochla (Hrsg.), Handwörterbuch der Organisation, Stuttgart 1969, Sp. 474 ff.

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Bei diesen Definitionen von Entscheidungen ist offenbar vorausgesetzt, daß der Entscheidende bereits ein Ziel hat, das er mit der Entscheidung erreichen oder dem er näher kommen will. Unter den Bedingungen arbeitsteiliger Groß organisationen ist diese Prämisse aber üölicherweise gerade nicht erfüllt. Nach den Ergebnissen neuerer empirischer Forschungen74 kann mit Blick: auf komplexe Entscheidungsprobleme nicht mehr von der Existenz eines "gesetzten" Zieles oder doch von der Setzbarkeit des Zieles im Rahmen der Richtlinienkompetenz von Spitzeninstanzen ausgegangen werden. In arbeitsteiligen Großorganisationen, zu denen auch Ministerien gehören, gibt es keine abschließende Entscheidung der Führungsspitze, mit der man die nicht zu übersehende Zahl der Vorentscheidungen steuern könnte. Zielklarheit und Problemeinsicht werden jeweils in einer zeitlich langen, manchmal Monate und Jahre dauernden Kette geistiger Operationen gefunden. Man muß sich von der Vorstellung trennen, daß eine Entscheidung ein punktueller Wahlakt ist. Im Gegensatz zu der herkömmlichen Vorstellung, daß es bei komplexen politischen Entscheidungen um "Entscheidungen unter unvollkommener Information" geht, ist das Hauptproblem für die Ingangsetzung eines Entscheidungsprozesses, daß die Führung gar nicht geneigt ist, Informationen über den entsprechenden Problembereich aufzunehmen. Zu Beginn des Entscheidungsprozesses besteht fast immer eine Zielunklarheit. Es besteht allenfalls ein unscharfes Bewußtsein, der Status quo müsse verändert werden. Nicht die mangelnde Information der Führung verhindert das Anlaufen von innovativen Entscheidungsprozessen, sondern die zu niedrige Informationsnachfrage der Führung. Je stärker ein Entscheidungsprozeß gestaltet wird, indem die zu vollziehenden geistigen Operationen vorher festgelegt, den Personen und Institutionen zugeordnet und terminiert werden, desto höher ist die Informationsnachfrage der Führenden. Je stärker ein komplexes Entscheidungsproblem in Teilprobleme zerlegt und durch eine Kette von VorEntschlüssen schrittweise gelöst wird, desto höher ist die Informationsnachfrage der Führung75 • Um einer Spitzeninstanz praktischen Einfluß auf den Inhalt des Finalentschlusses eines Entscheidungsprozesses zu sichern, ist "die Kette der Vor-Entschlüsse und überhaupt die Gesamtheit der geistigen Operationen des Prozesses prognostisch zu steuern. Ein gewisser Ansatz dazu findet sich z. B. bereits in der sogenannten mittelfristigen Finanzplanung. Ich meine aber, daß dadurch lediglich ein Steuerungsaspekt berührt ist. Man wird sich nicht damit begnügen können, die Koor74 Eberhard Witte, Organisatorische Barrieren im Entscheidungsprozeß zu Infrastrukturobjekten, in Helmut Arndt, Dieter Swatek (Hrsg.), Grundfragen der Infrastrukturplanung für wachsende Wirtschaften, Schriften des Vereins für Socialpolitik, N. F. Bd. 58, Berlin 1971, S. 381 ff. (386). 75 Eberhard Witte, aaO, S. 393.

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dinierung zukünftiger Entscheidungen über ein mehrjähriges FinanzBudget anzustreben, sondern man wird auch in den Inhalt der objektbezogenen Entscheidungsprozesse durch eine mittel- und langfristige Entschluß-Planung eingreifen müssen"76. 3. Führung durch politische Planung

Zusammenfassend ergeben die bisherigen deskriptiven und theoretischen Überlegungen: Die Führung von Ministerien hegt eine generelle Neigung zum Vorrang des Kurzfristigen. Die Führung leidet normalerweise nicht an mangelnder Information, sondern sie ist in Problembereichen gar nicht geneigt, Informationen anzufordern, weil ihr die Problemeinsicht fehlt. Wenn ein wichtiger innovativer Entscheidungsprozeß nach einer monate- oder jahrelangen Kette von Vor-Entscheidungen zur Schlußbilligung zur Führung gelangt, ist der Entscheidungs-"Berg" bereits überschritten; die Sache kann politisch nicht mehr wesentlich beeinflußt werden. Wenn man diese Ergebnisse mit dem Verfassungsrecht, dem Demokratiegebot und der politischen Verantwortlichkeit der Minister und der Regierung gegenüber dem Parlament und dem Bürger vergleicht, ist der gesuchte Maßstab für die Beurteilung der Organisation der Führung der Ministerien verhältnismäßig leicht zu finden: Die Führung der Ministerien muß so organisiert werden, daß ein möglichst hoher Anteil politischer Bestimmungsgründe des verantwortlichen Ministers, seiner Juniorminister und Parlamentarischen Staatssekretäre in langdauernde innovative Entscheidungsprozesse Eingang findet, daß der Tendenz zum Vorrang des Kurzfristigen entgegengesteuert wird und daß die Führungsspitze zur Informationsnachfrage motiviert wird. Dieser Maßstab läßt sich nur durch eine stärkere Berücksichtigung der politischen Planung in der Führungsorganisation der Ministerien verwirklichen.

V. Thesen zur besseren Führungsorganisation in Ministerien Eine stärkere Berücksichtigung der politischen Planung im Rahmen der Organisation der Führung eines Ministeriums wäre in einem Modell möglich, das nach folgenden Thesen aufgebaut ist: 1. Der Minister bildet mit seinem Juniorminister, seinen Parlamentarischen Staatssekretären und (beamteten) Staatssekretären sowie 76

Eberhard Witte, aaO, S. 394.

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dem Leiter der Planungs abteilung als Gast ein kollegiales Führungsgremium (Führungskonferenz). Die Führungskonferenz besteht aus drei bis sieben Personen. Sie tritt zu festen Zeiten (ohne Einladung) ein- oder mehrmals wöchentlich zusammen. 2. Die Führungskonferenz befaßt sich für eine längere Übergangszeit hauptsächlich mit Koordinierungsproblemen. Sie richtet ihre Tätigkeit aber im Laufe der Zeit hauptsächlich auf Fragen der Zielfindung und der Ausarbeitung von politischen Handlungsprogrammen mit zeitlich, räumlich und finanziell abgestimmten Maßnahmekatalogen aus (mittelfristige Aufgaben- und Ausgabenplanung). Dadurch entsteht ein Informationsnachfragemotiv bei den Führungsbeteiligten. Sie können ihre politischen Präferenzen frühzeitig, mehrmals und an den entscheidenden Stellen im Planungsprozeß in die Handlungsprogramme einfließen lassen. 3. Bei der Vorbereitung und Einführung eines Managements durch (politische) Ziel vorgabe wird die Führungskonferenz mit ausgearbeiteten, alternativen Entwürfen von Handlungsprogrammen durch eine Planungsabteilung (Planungs-Division, -Direktion) unterstützt. 4. Die Planungsabteilung hat weit weniger Personal als die übrigen Abteilungen. Sie muß den Abteilungsstatus wegen des Ranges der Aufgabe haben. Durch die Organisation muß deutlich gemacht werden, daß Planung eine ebenso "normale" Ministerialaufgabe wie Personal, Haushalt, Organisation und Methoden ist. 5. Innerhalb der Planungsabteilung ist im wesentlichen in der Form des interdisziplinären Teamwork zu arbeiten. Diese Arbeitsform ist kein Merkmal, die die Planungs abteilung zum "Planungsstab" macht; die Planungsabteilung gehört zur "Linie". Die Mitglieder der Planungsabteilung sind überwiegend Karrierebeamte; es gehören auch einige relativ hochbezahlte Spezialisten mit Zeitverträgen dazu. Den Mitgliedern der Planungsabteilung darf keine Aktenbearbeitung an Kurzfristangelegenheiten übertragen werden. 6. Zur Weckung des Planungsbewußtseins im Gesamtministerium und zur Erleichterung des Informationsflusses wird in jeder Abteilung als Kontaktmöglichkeit für die Planungs abteilung eine Planungsstelle eingerichtet. Die Planungsbeauftragten der Abteilungen treffen sich regelmäßig mit dem Leiter oder den Mitgliedern der Planungsabteilung. 7. Die Stellen für persönliche Referenten, Öffentlichkeitsarbeit, Presseangelegenheiten, Kabinettangelegenheiten usw. bleiben bestehen. Sie werden organisatorisch zu einem Ministerbüro zusammengefaßt und um ein "Lagezentrum" erweitert. Das Ministerbüro steht außer-

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Frido Wagener halb der Abteilungsgliederung und ist unmittelbar dem Minister zugeordnet. Die Koordination der Tätigkeiten übernimmt ein Leiter des Ministerbüros. Ein Mitglied des Ministerbüros sollte gleichzeitig Mitglied der Planungsabteilung sein.

2. Schriftliche Bemerkungen a) Aus verfassungsrechtlicher und verfassungspraktischer Sicht Von Ernst-Wolfgang Böckenförde 1.

Die ,Führung' des Ministeriums wird im Referat in der Weise bestimmt, daß dazu der Minister, der parlamentarische und der beamtete Staatssekretär sowie die Führungshilfskräfte zählen, nicht aber z. B. die Abteilungsleiter des Ministeriums. Hier erhebt sich die Frage, welche Abgrenzung zwischen ,Führung' und ,Verwaltung' dieser Eingrenzung zugrunde liegt. Diese Frage ist im Referat nicht eigens entfaltet. Man kann die ,Führung' des Ministeriums von verschiedenartigen Leitungsfunktionen her bestimmen. a) Versteht man darunter die politische Oberleitung des Ressorts, so umfaßt sie neben dem Minister und parlamentarischen Staatssekretär nur den beamteten Staatssekretär als die ,Scharniere' zur Verwaltung bzw. dem bürokratischen Apparat; b) Sieht man die Führungsfunktion in den Aufgaben des Ministers als Regierungsmitglied und Repräsentant des Ministeriums gegenüber dem Parlament und der Öffentlichkeit, so umfaßt die Führung neben Minister und parlamentarischem Staatssekretär vor allem die Führungshilfskräfte des Kabinetts-, Öffentlichkeits-, Parlaments- etc. Referats und erst in zweiter Linie den beamteten Staatssekretär; c) Umfaßt die Führung auch die Leitung des Ministeriums qua Ressort, so sind neben Minister und Staatssekretären dazu auch die Abteilungsleiter zu zählen, die erst zusammen mit dem beamteten Staatssekretär die administrative Leitung des Hauses darstellen. Ob der Bereich der Führung nach den Funktionen a) und/oder b) oder nach den Funktionen a) bis c) insgesamt zu umgrenzen ist, wird man unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Stellung und Funktion des Ministers und der Ministerien im jeweiligen Regierungssystem bestimmen müssen. Durch die Art der Abgrenzung fällt hier bereits eine wichtige Vorentscheidung. Zieht man die für das parlamentarische Regierungssystem kennzeichnende Doppelfunktion des Ministers als verantwortlicher Ressortchef 5 Speyer 48

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(nicht nur Ressort,präsident') und der Regierung bzw. des Kabinetts als Organ der politischen Gesamtleitung in Betracht und die darin grundgelegte doppelte Funktion des Ministeriums, nämlich einmal Politik in Verwaltung umzusetzen, zum anderen aber auch, politische Entscheidungen der Regierung bzw. des Parlaments von der Verwaltung her vorzubereiten und zu ermöglichen, so spricht m. E. vieles dafür, die Funktionen a) bis c) insgesamt zum Bereich der ,Führung' zu zählen. Dies gilt insbesondere, seitdem die Vollziehungsaufgaben in den Ministerien nicht mehr beherrschend sind, sondern die Aufgaben der Leistungsgewährung, Krisenverhütung und vorausschauenden Aufgabenplanung gleichrangig danebenstehen, und außerdem jede politische Entscheidung, soll sie sich als tragfähig erweisen, der ,foundation in a expert knowledge' (Johnson) bedarf. Die kritischen Bemerkungen im Referat Kälble zum Verhältnis von Führungsebene und Fachabteilungen (S. 193 ff.) weisen m. E. in die gleiche Richtung.

11. 1. Zur Funktionsbeschreibung der beamteten Staatssekretäre (S. 33 ff. des Referats) ist ergänzend noch darauf hinzuweisen, daß sie in der Bundesrepublik, in der Zeit vor der Einführung der parlamentarischen Staatssekretäre, schon in politische Leitungsfunktionen hineingewachsen waren und hineinwachsen mußten wegen der vielfachen Außentätigkeit der Minister, die das parlamentarische Regierungssystem mit sich bringt, und der Veränderung der Ressortaufgaben. In dem Maße, in dem die Ministerien Stäbe zur Vorbereitung von Regierungsentscheidungen wurden, nicht nur Ausführungsorgane für getroffene Entscheidungen, sowie angesichts der sich verstärkenden Verzahnung von Politik und Verwaltung und umgekehrt von Verwaltung und Politik, bedeutete die ,ständige Vertretung des Ministers im Ressort' nicht allein eine leitende Verwaltungsfunktion, sondern zugleich die Funktion eines politischen Führungsgehilfen des Ministers. Die ,Außen'beanspruchung der Minister mußte diese Tendenz noch verstärken. Daraus ergab sich eine Spannung zu der hergebrachten Funktion des Staatsekretärs als Repräsentant und Sprechers der ,Verwaltung' gegenüber der ,politischen Leitung' des Ministers und wurde die Herausnahme des Staatssekretärs aus der Beamtenkarriere grundgelegt.

Die Staatsekretäre haben diesen Funktionszuwachs idR gerne angenommen und ihn weiter aktualisiert. Er verschaffte ihnen eine große Selbständigkeit, insbesondere sofern sie es verstanden, von Fall zu Fall einmal ihre Funktion als oberster (Fach-)Beamter gegenüber dem (politischen) Minister, zum andern ihre Funktion als Vertreter des (politischen) Ministers gegenüber dem eigenen Haus ins Spiel zu bringen.

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Ausdruck und zugleich Stärkung dieser Selbständigkeit war (und ist) die sog. Staatssekretärsrunde, ein informelles wöchentliches Treffen der Staatssekretäre der einzelnen Ressorts, das schon von Staatssekretär Globke eingerichtet wurde und einerseits der informellen Koordination der Ressortarbeit, zugleich aber auch der Vorbereitung der Kabinettssitzungen auf der Staatssekretärs-Ebene diente. Hinzugenommen werden muß noch die personalpolitische Ambiente, die sich daraus ergab, daß die meisten der Staatssekretäre in den einzelnen Ressorts für einige Jahre im Bundeskanzleramt tätig waren, von dort in die Ressorts gewissermaßen ,entsandt' wurden und so ein enger wechselseitiger Kontakt mit dem Staatsekretär des Bundeskanzleramts bestand!. Der jetzige Übergang der Leitung der Staatssekretärsrunde an den Kanzleramtsminister, der volles Kabinettsmitglied ist, bedeutet daher, vom institutionellen Trend her, eine wesentliche Funktionsveränderung dieses Gremiums; die Instruierung der Staatssekretäre vom Kabinett her, nicht die Instruierung des Kabinetts von den Staatssekretären her tritt jetzt in den Vordergrund. Die Einführung von zwei Staatssekretären in einigen der Großressorts, die sich aus der Vergrößerung der Koordinationsebene durch stetige Zunahme der Abteilungen ergab, ist das typische Beispiel für die Anwendung des falschen organisationsrechtlichen Mittels zur Lösung eines organisatorischen Problems: anstatt eine neue Koordinations- oder Zwischenebene in der Gestalt von Hauptabteilungen zu schaffen, wurde die Zahl der staatssekretäre verdoppelt und damit der Sache nach zu Hauptabteilungsleitern heruntergestuft. Die zentrale Koordination und Leitungsgewalt verblieb damit im Grunde allein beim Minister, was im Ergebnis seine Selbständigkeit nicht erhöhte, sondern verminderte, weil er kaum in der Lage war, diese zentrale Leitungsund Koordinationsfunktion selbst auszuüben. 2. Die derzeit recht ungleichartige und manchmal unbefriedigende organisationsrechtliche Stellung und Funktion der parlamentarischen Staatssekretäre innerhalb der Führung der Ministerien ist nicht unwesentlich durch die unterlassenen eindeutigen Entscheidungen bei Einführung dieser Institution in das Regierungssystem der Bundesrepublik zu erklären. Dieser Umstand verdient allgemeinere Beachtung, weil er 1 Kennzeichnend für das weithin bestehende Amtsverständnis der Staatssekretäre ist das von dem früheren Chef der Staatskanzlei des Landes Rheinland-Pfalz, Duppre, gebrauchte Bild des "Tandems", d. h. des einen Fahrrads, das von zwei Personen gleichzeitig, aber auch von jeder der bei den einzeln, fortbewegt werden kann, für das Verhältnis Minister-Staatssekretär, vgl. ders., in: Öffentlicher Dienst und politischer Bereich, Berlin 1968, S. 23 ff. In den verschiedenen Organogrammen des Bundesverteidigungsministeriums rückte der Staatssekretär, der zunächst zwischen Minister und Haus placiert war, immer näher an den Minister heran, bis er schließlich mit ihm ein einheitliches, nur intern unterteiltes organisatorisches Feld bildete, vgl. Taschenbuch für Wehrfragen 1966/67, Verlag Soldat und Technik im Umschau-Verlag, Frankfurt 1967, S. 76/77.

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symptomatisch die Schwierigkeiten kennzeichnet, die sich in etablierten Institutionen bzw. Organisationen einer nicht nur systemimmanenten Reform entgegenstellen. Gegen die zunächst durchaus bestehende Absicht, die parlamentarischen Staatsekretäre zu Gehilfen in der politischen Leitung des Ressorts zu machen, erhob sich eine breite Gegenwehr von seiten der beamteten Staatsekretäre, die dadurch allerdings in ihrer eigenen politischen Leitungsfunktion, die ihnen inzwischen zugewachsen war, zurückgedrängt worden wären. Sie wollten daher die parlamentarischen Staatssekretäre von vornherein auf die Funktion des parliament secretary i. S. eines politischen Verbindungsmannes zum Parlament beschränken. Der Gegensatz kam zum Austrag bei der Frage des möglichen Weisungsrechts der parlamentarischen Staatsekretäre innerhalb des Ressorts. Sollten diese Gehilfen des Ministers in der politischen Leitung des Ressorts sein und eben diese Leitung verstärken, so war es unerläßlich, daß sie auch je nach dem vom Minister erteilten Auftrag für diesen dem Ressort gegenüber handeln konnten. In der GO der Bundesregierung (§ 14 a) wurde jedoch zunächst festgelegt, daß die übertragung von Weisungsbefugnissen auf die parlamentarischen Staatssekretäre ausgeschlossen sei (Fassung vom 11. 1. 1967)2. Es ist dann der in einem parlamentarischen Regierungssystem bemerkenswerte Fall eingetreten, daß eine vom Innenminister vor dem Rechtsausschuß des Parlaments - bei der Beratung des Gesetzes über die parlamentarischen Staatsekretäre - ausdrücklich gegebene Zusage, eine Ermächtigung zur übertragung von Weisungsbefugnissen an die parlamentarischen Staatsekretäre vorzusehen, nicht ausgeführt wurde; im geänderten § 14a der GO wurde zwar das Verbot der übertragung von Weisungsbefugnissen an den parlamentarischen Staatssekretär gestrichen, eine Ermächtigung zu solcher übertragung aber nicht aufgenommen, so daß insoweit allein die Regelung des § 14, daß der Minister im Ressort vom (beamteten) Staatssekretär vertreten wird, fortbestand3• Inzwischen ist die Notwendigkeit einer organisatorischen Absicherung des Amtes, die auch die jetzt ungeordnete Vielfalt der Funktionen vereinheitlicht, deutlich geworden. Soll die neue Institution ihren Zweck, den Minister in seinen politischen Leitungsaufgaben zu unterstützen, erreichen, so muß sie mehr am englischen ,minister of state' als am ,parliamentary secretary' orientiert werden. Eben dies ist auch die VorausDiese Fassung wurde, soweit ersichtlich, nicht veröffentlicht. Siehe dazu den - nicht veröffentlichten - Bericht des Innenausschusses des Dt. Bundestags zur Drucksache V/1556; die Zusage des Innenministers war der Grund dafür, daß der Ausschuß darauf verzichtete, eine Regelung betr. des Weisungsrechts im Gesetz über die parlamentarischen Staatssekretäre selbst vorzuschlagen. Die Neufassung des § 14 ader GeschO der BReg: GMBl. 1967, S.130. !

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setzung dafür, daß die zunehmende Herausnahme des beamteten Staatssekretärs aus der Beamtenkarriere wieder rückgebildet und er, ungeachtet wechselnder Regierungskoalitionen, der ,permanent secretary' des Ministeriums werden kann. In die gleiche Richtung gehen der 1. Bericht der Reformkommission der Bundesregierung und die Ansichten in der Literatur 4 • 3. Für die Eigenart der Führungsorganisation in Großbritannien erscheint mir neben den vom Referat gebrachten wichtigen Hinweisen noch folgendes erwähnenswert: a) Die zahlreichen Kabinettsausschüsse, die seit dem 1. Weltkrieg ein Kennzeichen der britischen Regierungsorganisation sind (sog. government by comittee)5. Sie dienen der Koordination und Entscheidungsvorbereitung und haben ferner die Funktion, die verschiedenen Ressorts miteinander, auch informationsmäßig, zu verknüpfen. Dieses System der Ausschüsse ermöglicht es, wenn ich recht sehe, daß das Kabinett in Großbritannien in besonderer Weise Organ der politischen Gesamtleitung und weniger ein Gremium der Ressortchefs und der Ressortkoordination ist. Im Hinblick auf die Verhältnisse in Frankreich wäre die Frage zu stellen, wieweit die Aufgaben des dortigen cabinet ministeriel in Großbritannien durch das System der cabinet committees wahrgenommen wird? b) Die Tendenz, daß sich neben dem normalen Kabinett, dem nicht alle, sondern etwa 213 bis 3/4 der Ressortminister angehören, noch ein engeres Kabinett der ,senior-colleges' bildet, gewissermaßen ein informelles politisches Spitzengremium oder der engste Beraterkreis des Premierminister6 • c) Der starke Einbau der Staatsminister als echter politischer Führungsgehilfen in die Regierungsorganisation. Ihnen werden, nach Maßgabe der Übertragung durch den Ressortminister, für bestimmte Aufgabenbereiche die ministeriellen Leitungs- und Entscheidungsbefugnisse übertragen, wobei die Abstimmung mit dem verantwortlichen Ressortminister ihnen selbst obliegt, sie aber dem Beamten gegenüber insoweit für den Minister handeln. Der zahlenmäßige Überblick über die britische 4 Vgl. Erster Bericht zur Reform von Bundesregierung und Bundesverwaltung, vorgelegt von der Projektgruppe für Regierungs- und Verwaltungsreform beim BMJ, 1969, Bd. 1, S. 163 ff. R. Wahl, Die Weiterentwicklung der Institution des parlamentarischen Staatssekretärs, Der Staat 8 (1969), S. 327 ff. (336, 342); Claus Arndt, Zur Reform der Institution des parlamentarischen Staatssekretärs, Der Staat 9 (1970), S. 501 - 507. 5 Dazu D. N. Chester, Development of the Cabinet 1914 - 19, in: British Government since 1918, London 1951, S. 42 ff.; Karl Loewenstein, Staatsrecht und Staatspraxis von Großbritannien, Bd. 1, S. 419. 6 Loewenstein, aaO, S. 420121.

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Regierung im Jahre 1969 zeigt, daß jedem Ministerium mindestens ein parliamentary secretary zugehört, darüber hinaus 3/4 der Ministerien einen eigenen Staatsminister haben (einige Ministerien, z. B. Verteidigung und Äußeres, haben 2 oder mehrere Staatsminister). Eine Frage, die an unsere englischen Kollegen zu richten wäre, ist die, ob durch diese Einrichtungen die politische Leitung und Kontrolle der Arbeit der Ministerien und die politische Inspiration der Verwaltung sich intensiv und zweckmäßig gestaltet, insbesondere auch ob die Koordination zwischen den verschiedenen Ressorts gewissermaßen vor und unterhalb des Kabinetts funktioniert. Eine weitere Frage ist, welche Funktion eigentlich dem Ressortminister zugedacht ist, wenn hier das ,floating' so stark ist, daß er durchschnittlich nur 2 Jahre in einem Ressort bleibt. Die kontinuierliche politische Leitung und Kontrolle des Ressorts kann dann eigentlich nicht seine primäre Funktion sein. Sind es primär Koordinationsaufgaben vom Kabinett her bzw. die Weitergabe der politischen Entscheidungen und Impulse vom Kabinett in das Ressort hinein? Haben die Staatsminister eine längere Amtsdauer im einzelnen Ressort, so daß sie ein Element der Kontinuität in der politischen Leitung darstel· len oder wechseln sie zugleich mit dem Ressortminister? 4. Zur Führungsorganisation in Frankreich. Die im Referat eindrucksvoll geschilderte Entwicklung und Arbeitsweise des cabinet ministeriel legt die Frage nah, ob hier nicht von der Funktion her gesehen ein Ausbau der politischen Leitung des Ministeriums zu einer eigenen Leitungsabteilung stattgefunden hat, die als solche (wenn man will: politische Abteilung) den einzelnen Fachabteilungen übergeordnet und für deren Koordination, politische Kontrolle und Inspiration, zugleich aber auch für die Außenbeziehungen des Ministers und die Abstimmung mit den übrigen Ressorts und dem Kabinett des Ministerpräsidenten verantwortlich ist. Es wäre interessant zu analysieren, inwieweit sich hier innerhalb der Ministerien ein Verhältnis entwickelt hat, das etwa dem Verhältnis des Bundeskanzleramts als politischer Leitungsabteilung des Bundeskanzlers gegenüber den einzelnen Ressorts insgesamt analog ist. Die Erweiterung eines Ministerbüros zur politischen Leitungsabteilung des gesamten Ministeriums wirft einige Fragen auf, die ich den französischen Kollegen wie folgt vorlegen möchte: a) Funktioniert der Informationsfluß von den Directionen in das cabinet ministeriei, oder wird letzteres von den Fachabteilungen (Directionen) des Ministeriums abgetrennt, als ein übergeordnetes Organ betrachtet, das nur nach Maßgabe eigener Strategien und überlegungen mit Informationen versorgt wird? b) Leistet das cabinet ministeriel in sich die notwendige Informationsintegration und Entscheidungsvorbereitung für Minister und Kabinett,

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etwa durch Querkontakte zu den anderen cabinets ministerieis, durch Absprachen der für die einzelnen Direktionen zuständigen Mitglieder untereinander, durch politische Koordination mit den für die Außenbeziehungen zuständigen Mitgliedern? c) Ist der Arbeitsablauf innerhalb des cabinet ministeriel selbst bürokratisch organisiert, am Modell der Fachabteilungen, oder versteht sich das ganze cabinet gewissermaßen als team oder einheitliches Kollegium? Gibt es einen Rundlauf unter den einzelnen Mitgliedern des cabinet bei der Vorbereitung politischer Entscheidungen durch den Minister oder legt das für eine bestimmte direction zuständige Mitglied deren Vorlage allein dem Minister vor bzw. trifft für diesen die Entscheidung? d) Ergeben sich Schwierigkeiten daraus, daß ein Leiter einer Fachabteilung (direction) evtl. Anweisungen von einem rangmäßig unter ihm stehenden Mitglied des cabinet ministeriel erhält, nur weil dieser in einer sachlich übergeordneten Abteilung tätig ist? Normalerweise tauchen in einem solchen Fall ja spezielle Rang- und kollegiale Probleme auf. Aus der Staatspraxis der Bundesrepublik ist in diesem Zusammenhang aufschlußreich, daß es im Bundesverteidigungsministerium erhebliche, z. T. hausinterne Schwierigkeiten gemacht hat, den Führungsstab der Bundeswehr als solchen den Führungsstäben der einzelnen Teilstreitkräfte (Heer, Marine, Luftwaffe) überzuordnen. Lange Zeit war nur der Generalinspekteur persönlich, nicht aber sein Führungsstab gegenüber den Führungsstäben der Teilstreitkräfte anordnungsberechtigt; erst die letzte Organisationsänderung vom '6. 4. 1970 hat die sachliche überordnung des Führungsstabes gebracht, jedoch mit der bemerkenswerten Modifikation, daß bei Dissens nicht der Referent, sondern erst der Unterabteilungsleiter des Führungsstabes der Bundeswehr für Anordnungen an die Führungsstäbe der Teilstreitkräfte zeichnungsbefugt ist7. IH. Zum Organisationsvergleich nur zwei kurze Bemerkungen: a) Der Unterschied zwischen drei stufigem oder zweistufigem Verwaltungssystem erscheint m. E. für die Probleme der Führungsorganisation in den Ministerien nicht so wichtig, wie es im Referat dargestellt wird. In der Bundesrepublik haben einige Ministerien (Finanz, Verteidigung) selbst einen eigenen Unterbau und würden insofern innerhalb eines zweistufigen Systems agieren; gleichwohl ist ihre Führungsproblematik nicht 7 Organisationserlaß v. 6.4. 70, Anlage 2, Abschn. III Nr. 2 und dazu die sachkundige Darstellung von S. Mann, Das Bundesministerium der Verteidigung (Ämter und Organisationen der BRD, 28), Bonn 1971, S. 124 ff.; über die einzelnen Stadien der organisatorischen Entwicklung ebd., S. 62 - 81.

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von denen anderer Ministerien, denen der eigene Verwaltungsunterbau fehlt, wesentlich verschieden. Die strukturellen Probleme des Verhältnisses von ,Politik' und ,Verwaltung' innerhalb des Ministeriums, der politischen Leitung und Kontrolle der administrativen, vorbereitenden und planenden Tätigkeit sind weitgehend unabhängig von dem Ausmaß der Verwaltungszentralisation oder -dezentralisation. b) Neben verwaltungswissenschaftlichen Gegebenheiten spielen bei einem Organisationsvergleich für staatliche Organisationsformen auch die verfassungsrechtlichen Gegebenheiten eine wichtige Rolle; sie stellen eine wesentliche Grundlage für den organisatorischen Ausbau staatlicher Institutionen dar und prägen diesen maßgeblich vor. Es wären daher noch Überlegungen darüber erforderlich, inwieweit die verfassungsrechtliche Stellung und Funktion sowohl der Minister als auch der Ministerien in den drei Staaten gleichgeartet oder verschieden ist. Eine Frage ergibt sich hier insbesondere für die Verhältnisse in Großbritannien, wo, wenn ich recht sehe, die Verbindung von Mehrheitspartei im Parlament und Regierung besonders intensiv ist, das politische Führungspersonal der Regierung gewissermaßen eine Art breiter Spitze der Parlamentsfraktion darstellt oder mit deren Führungsgruppe weitgehend personengleich ist. Liegen hier nicht von vornherein andere Voraussetzungen für die Führungsorganisation in den Ministerien vor als etwa in der Bundesrepublik und in Frankreich, wo für das Verhältnis von Regierung und Parlament ungeachtet des parlamentarischen Regierungssystems doch weitgehend eine dualistische Konstruktion i. S. eines Gegenüber-Verhältnisses maßgebend ist? IV. Zu den Thesen zur besseren Führungsorganisation. 1. Der Einbau der Planung in den politischen Entscheidungsprozeß und ihre Aktivierung für diesen ist m. E. nur ein Problem, das sich für die Führungsorganisation stellt. Daneben steht, gleichgewichtig, das der organisatorischen und funktionellen Zuordnung von politischer Leitung und Verwaltungsstab bzw. bürokratischem Apparat des Ministeriums sowie die Organisation der politischen Leitung in sich. 2. Der Vorschlag, innerhalb der Ministerien eine Führungskonferenz einzurichten, ist unbedingt zu unterstützen. Eine solche Führungskonferenz ist aber nicht nur für mittelfristige Ziel- und Aufgabenplanung erforderlich, sondern ebenso als Organ der politischen Leitung des Ministeriums und der Spitzenentscheidungen. In ihr muß die Abstimmung der politischen Führungsgehilfen des Ministers mit diesem stattfinden, damit die bereichs- oder fallweise übertragenen Leitungsaufgaben im Sinne des Ministers wahrgenommen werden können; hier muß über die notwen-

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digen ministeriellen Entscheidungen beraten werden, um die Ressortführung und -kontrolle effektiv gestalten zu können. Von dieser Funktion her stellt sich die Frage, ob ein Gremium von 3 - 6 Personen dafür ausreichend ist oder nicht vielmehr, insbesondere für die Großressorts, der Ausbau der politischen Leitung zu einer Art Leitungsabteilung mit eigenem Stab nach dem Vorbild der cabinets ministeriels in Frankreich angezeigt ist. Es wäre zu überlegen, wieweit die positiven und negativen Erfahrungen in Frankreich z. B. für die Bundesrepublik nutzbar zu machen sind. Eine besondere Frage ist dabei, wieweit ein solcher Ausbau der politischen Leitung nicht in Absonderung, sondern in Verknüpfung mit den Leitern der Fachabteilungen der Ministerien geschehen muß, damit eine Integration von Ressortwissen und politischer Entscheidungsfindung erreicht wird (vgl. dazu das Referat Kälble, S. 193 ff.). 3. Die politischen Führungsgehilfen des Ministers (Parlamentarische Staatssekretäre) müssen, wenn die politische Leitung des ,Hauses' stärker effektuiert und der Minister wirklich Ressortchef sein soll, Kompetenzen erhalten, die sie in Abstimmung mit und nach Maßgabe der Übertragung durch den Minister zu eigenem Handeln in der ministeriellen Ebene befähigen. Das heißt, sie müssen in den ihm übertragenen Bereichen der Leitung ,für' den Minister Entscheidungen treffen könnens. Es obliegt dann der Entscheidung des parlamentarischen Staatssekretärs, welche Fragen dem Minister selbst vorgelegt werden müssen und welche er selbst entscheiden kann. Diese Verstärkung der politischen Führung des Ressorts erscheint nicht nur vom parlamentarischen Regierungssystem her, sondern ebenso von den Interessen des Verwaltungsstabs im Ministerium sinnvoll. Denn erst sie und m. E. nur sie ermöglicht es, die leitenden Beamten, einschließlich des beamteten Staatssekretärs, weitergehend als bisher aus politischen Proporzüberlegungen und Identifikationsanforderungen, die über die vorauszusetzende Loyalität hinausgehen, herauszunehmen. 4. Die Zielfindung und die Ausarbeitung politischer Handlungsprogramme für das Ministerium kann in der vorgesehenen Führungskonferenz nur insoweit erfolgen, als von ihr evtl. die Zielvorgabe und die abschließende Koordination und Entscheidung ausgeht. Für weitere Aufgaben in diesem Bereich erscheint der "Zeitmangel" der betreffenden S Einwände, die dagegen unter Berufung auf das Prinzip der Gewaltenteilung erhoben werden, stoßen ins Leere, weil gerade das parlamentarische Regierungssystem dadurch gekennzeichnet ist, daß die (politische) Leitung der Exekutive nicht autonom von dieser selbst, sondern durch vom Vertrauen des Parlaments getragene, evtl. ihm angehörende Personen erfolgt, insofern also eine Verknüpfung von Parlament und Regierung stattfindet; die Einwände entstehen daher auch vorwiegend (nur) aus dem Blickwinkel der beamteten Staatssekretäre, vgl. Hans Schäfer, DÖV 1969, S. 44. Siehe dazu Wahl, aaO, S. 348.

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Personen unüberwindbar. Das bedeutet, daß der Planungs abteilung bzw. den Planungs stäben eine sehr weitgehende Vorbereitungs- und Vorarbeitsfunktion zufällt, die ihnen im Rahmen des Ministeriums eine besondere Rolle zuweist. Die entscheidende Frage ist hier, wie solche Planungsabteilungen bzw. -stäbe in ihrer Arbeit sinnvoll zu organisieren sind und wie ihre Planungstätigkeit aufzufassen ist. M. E. kommt es entscheidend darauf an, daß die Arbeit der Planungsinstanzen generalstabsmäßig aufgefaßt und organisiert wird. d. h. daß sie von angenommenen Ziel vorgaben als Planungsgrundlage ausgehen und auf dieser Grundlage dann die Verwirklichungsmöglichkeiten der Zielvorgabe, die dabei entstehenden Koordinations-, Finanzierungs- und sonstigen Probleme, durchspielen. Diese Arbeit muß gewissermaßen im Voraus geschehen, d. h. in dieser Weise durchgespielte Planungen müssen für die Führung abrufbar sein, sie dürfen nicht erst dann in Angriff genommen werden, wenn eine bestimmte Zielentscheidung getroffen ist und es dann um deren Verwirklichung geht. Es erhebt sich dann freilich die Frage, ob eine so aufgefaßte Planungstätigkeit sinnvoll noch als einzelne Ressortplanung organisiert und durchgeführt werden kann oder ob dies nicht nur in enger Verbindung, ja eigentlich im Rahmen einer Gesamtplanung der Regierungsaufgaben schlechthin geschehen kann. Die wachsenden Interdependenzen zwischen den einzelnen Ressortaufgaben machen jede mittelfristige Planung zwangsläufig interministeriell, ja zu Regierungsplanung. Hinzu kommt, daß heute eine Regierung nicht mehr nur Ressortprogramme miteinander koordinieren und abstimmen kann, sondern von ihrer Gesamtzielsetzung und den sich daraus ergebenden Prioritäten her Vorgaben für die Entwicklung der einzelnen Ressortprogramme machen muß. Von daher ergibt sich die Überlegung, ob die Planungsabteilungen der Ministerien nicht auch institutionell mit einer Gesamtplanungsinstanz der Regierung, einem ,zivilen Generalstab' verbunden werden müssen bzw. ob sie als dislozierte Abteilungen dieser einheitlichen Planungsinstanz ausgebaut werden müssen. Diese Frage bedarf noch sorgfältiger Diskussion, doch soll sie an dieser Stelle wenigstens angeschnitten werden.

b) Die Organisation der Führung Von Alexandros Stavrianopoulus und Renate Remandas Das Problem, das Professor Wagener auf den Seiten 37 ff. erörtert, ist von besonderem Interesse. Es behandelt die Frage nach einer optimal funktionierenden Organisation, die den Führungsspitzen, die für Entscheidungen über Zielvorstellungen (policy-decisions) notwendige Information ermöglicht.

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Tatsächlich ist die Rolle der Planungs abteilungen auf höherer Ebene des Regierungsapparates eines der wesentlichen Probleme der Ministerialverwaltung, deren Schlüsselfunktionen in der Planungshilfe für die Entscheidungsträger (policy-makers) liegen. Im Stab-Linien-Modell wird der Planungsprozeß allgemein als eine horizontale Funktion und damit zum Stab gehörend betrachtet (er läuft auf der Expertenebene ab). Die jüngsten Entwicklungen in Deutschland scheinen jedoch das Stab-Linien-Modell umzukehren. Der Planungsprozeß wird oft in die Linie integriert. In seinen Empfehlungen zu einer besseren und effektiveren Organisation des policy making und der ihm zur Verfügung stehenden Hilfsmittel geht Prof. Wagener auf diese Entwicklung besonders ein. Es ist in diesem Zusammenhang vielleicht interessant, die jüngste Entwicklung in Griechenland zu beschreiben, die sich allerdings mehr auf inter-ministerielle und ministerielle Planung bezieht. Dabei soll auch gleichzeitig versucht werden, die bestehende Wechselbeziehung aufzuzeigen. Für ein sich schnell entwickelndes Land wie Griechenland ist Planung und anschließende Unterstützung bei der Durchführung von besonderer Wichtigkeit, da die politischen Lösungen den sich schnell ändernden sozioökonomischen und institutionellen Gegebenheiten entsprechen müssen. Daher wurde der Planungsfunktion mit Beginn der 60er Jahre durch die Gründung eines "Zentrums für Planung und Wirtschaftsforschung" (K. E. P. E.) ein besonderer Status verliehen. Das K. E. P. E. unterstützte als "brain-trust" das Ministerium für Koordination (eigentlich Ministerium für Nationalökonomie), das für die Erstellung der nationalen Entwicklungspläne verantwortlich war. Das K. E. P. E. hatte den Charakter einer öffentlich-rechtlichen Institution und konnte somit je nach Bedarf Spezialisten und Experten zu Rate ziehen. Als die Notwendigkeit eines effektiveren Planungsapparates zur Beratung der Regierung wuchs, regelten die griechischen Behörden durch das Gesetz Nr. 957 vom 25.8. 1971 die Planung wie folgt: 1. Das K. E. P. E. arbeitet unter dem stellvertretenden Minister für Re-

gierungspolitik als übergeordneter wissenschaftlicher Beirat an langfristigen Aufgaben. 2. Das frühere Ministerium des Präsidiums, das inzwischen zum "StabsMinisterium" (eigentlich Ministerium für Regierungspolitik) umgeformt worden ist, erfaßt die nachfolgend genannten Planungs- und Beratungsstäbe: Stab des Generaldirektors für Verwaltung, des Generaldirektors für Regierungspolitik, des Generaldirektors für Planung und des staatlichen Amtes für statistische Fragen. Diese Stellen setzen die von der K. E. P. E. jährlich festgesetzten Planungsziele in konkrete politische Maßnahmen um.

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3. In naher Zukunft werden "Planungs- und Führungsstäbe" in den verschiedenen Ministerien ins Leben gerufen, die als ministerielle Stäbe zwei Aufgaben erfüllen sollen. a) Daten- und Informationssammlung für das K. E. P. E. im Hinblick auf die Ausarbeitung langfristiger Entwicklungsperspektiven. b) Beratung der Führungsspitzen des Ministeriums, Kontrolle der Durchführung jährlicher Programme und deren Anpassung an veränderte Notwendigkeiten.

c) Aus ungarischer Sicht Von Otto Bihari Es ist m. E. verständlich, wenn an einer Arbeitstagung in einem Lande Westeuropas, mit einer großen Mehrheit der Teilnehmer aus westlichen Staaten, die aktuellen Probleme der Ministerialorganisation in erster Linie an den drei Modellen von der Bundesrepublik bzw. von Großbritannien und Frankreich dargestellt werden. Ich hoffe aber, daß auch ein Ziel unserer Erörterungen sein kann, den Horizont unserer Tagung auszubreiten und ein Beispiel der Entwicklung der Ministerialorganisation in einem sozialistischen Staate zu demonstrieren. Ich möchte keineswegs von einem allgemeinen sozialistischen Trend sprechen, sondern vielmehr von einem gewissen Entwicklungsmodell meines Landes, also Ungarns. Die Reform des Leitungsmechanismus in der Volkswirtschaft, die in Ungarn seit 1967 bzw. 1968 eingeleitet wurde, hat die Planung von ihrem ursprünglichen streng zentralisierenden, "zerteilenden" System entfernt und durch ein wissenschaftliches Planungssystem ersetzt, das die Selbständigkeit der Unternehmen und der örtlichen bzw. territorialen Organe stärkt und die Marktverhältnisse in wachsendem Maße in Betracht zieht. Das alles hat aber nicht nur die Verwaltung, die Organisation der Wirtschaftszweige beeinflußt, sondern - natürlich - auch andere Verwaltungen, wie z. B. die der Kultur, des Gesundheitswesens, der Sozialpolitik usw. Es ist aber auffallend, daß diese Entwicklung nicht am konstitutionellen Niveau, auf der verfassungsgesetzlichen Stufe sichtbar geworden ist. Das heißt, daß der Aufbau des Ministerrates sich nicht oder sehr wenig geändert hatte. Nach den letzten Parlamentswahlen und der nachfolgenden Wahl des Ministerrates im Parlament wurden - wie bisher - 4 Stellvertreter des Ministerpräsidenten gewählt, die sich auch mit Wirtschaftsfragen befassen; der eine mit den Problemen der Wissenschaft, der zweite - unter anderen - mit denen der Landwirtschaft, der dritte mit Planungs-, Haushalts-, Finanz- und industriellen Fragen, der vierte mit der sozialistischen Wirtschaftsintegration.

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Die Zahl der wirtschaftlichen Ministerien ist heute 9; der Präsident des Planungsamtes ist auch Mitglied des Ministerrates. Das Ministerium für Arbeitswesen befaßt sich teilweise auch mit wirtschaftlichen Fragen, oder aber mit Problemen im Grenzgebiet der Wirtschaft. Die Zahl der Minister nicht-wirtschaftlicher Zweige ist 6. Das ist also das "konstitutionelle" Bild des Ministerrates. Der Ausdruck ist aber nicht genau, weil - seit 1957 - die Aufzählung der Ministerien aus der Verfassung weggelassen und als reine Organisationsfrage dem Parlament als Gesetzgeber übergeben wurde. Die Zusammenlegung der Regierung, des Ministerrates, ist doch eine offene Sache des Staatsrechts, der verfassungsrechtlichen Regelung. Es existieren aber neben dem Ministerrat Kommissionen, aus Regierungsmitgliedern bestehen, die aus der Kompetenz des Ministerrates ihre Tätigkeitsformen bzw. Kompetenzen ableiten. Die typischste ist die Wirtschaftskommission, die vor der Reform auch existierte (aber als Werkzeug der zentralisierenden Planungstendenzen), heute aber immer mehr ein Organ der Wirtschaftstaktik der Reformbestrebungen, einer operativen Beeinflussung des Marktes, ist, zugleich auch ein Organ der normativen Tätigkeit am Gebiete der Wirtschaft. So verbleibt dem Ministerrat die großzügige strategische Leitung in diesem Bereich, dem Planungsamt die technisch-wissenschaftliche Vorbereitung der Entscheidungen - die meistens von der Wirtschaftskommission angenommen werden. Beide Organe - der Ministerrat und die aus Mitgliedern der Regierung bestehende Wirtschaftskommission - sind in den letzten Jahren verhältnismäßig sehr stabil geworden. Bei der letzten Wahl des Ministerrates wurden 3 neue Mitglieder gewählt; alle waren früher Vizeminister, und ein Mitglied der Regierung hat seine Funktion gewechselt (bisher Finanzminister, jetzt Stellvertreter des Ministerpräsidenten). Das Durchschnittsalter der Regierungsmitglieder ist 52 Jahre; der jüngste (Justizminister) ist 44, der älteste Minister (für Verkehrs- und Postwesen) ist 66 Jahre alt. Wenn ich den Lebenslauf der Regierungsmitglieder charakterisieren möchte, könnte ich sagen, daß heute ungefähr ein Drittel der Personen eine Ministeriumskarriere gemacht hatte, die übrigen eine farbigere politische Laufbahn hinter sich haben. Es wird aber die zuerst erwähnte Karriere immer häufiger. Ich möchte jetzt zu den Ministerien zurückkehren, und zwar in zweierlei Hinsicht: 1. Wie beeinflußt die Reform und die Neugestaltung der Regierungskompetenzen die Lage der Ministerien? 2. Welche neuen Züge charakterisieren die Organisation der Führung der Ministerien von heute? ad 1. Ein Regierungsbeschluß von 1967 hat die Verantwortung der Minister der Wirtschaftszweige für die Ausarbeitung der Wirtschafts-

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politik des Zweiges (Konzeption und Programme der Entwicklungstendenzen, Forschungsobjekte) sowie die Entscheidungen auf dem Gebiete der Investitionen erklärt. Das Ministerium ist also das Zentrum der taktischen Leitung des Wirtschaftszweiges - ohne eine operative Einmischung in die Tätigkeit der Unternehmen oder der territorialen bzw. lokalen Räte. Die Ministerien entwickeln sich so immer mehr als wissenschaftlich-ökonomische Planungsorgane, die die Selbständigkeit der Unternehmen bzw. der lokalen und territorialen Behörden berücksichtigen. Es wird ein wissenschaftlich-technokratisches Zentrum des Zweiges ausgestaltet. Dieser Zug mußte bei uns geklärt werden, da Ungarn ein Einheitsstaat ist - ohne föderalistische Einrichtungen und Neigungen. Deshalb war und ist es auch heute sehr wichtig, die realen Kompetenzen der Ministerialorgane und diejenigen der nicht-nationalen (also territorialen und lokalen bzw. selbständigen wirtschaftlichen) Bereiche festzulegen. Die Verantwortlichkeit des Ministers dem Ministerrat, also dem Parlament verantwortlichen Organ, gegenüber ist heute die Hauptlinie der demokratischen Kontrolle. Es besteht dabei auch das Interpellationsrecht der Abgeordneten, das heißt des Parlamentes den Ministern gegenüber, das in den letzten Jahren immer mehr in Anspruch genommen wurde - als Zeichen der persönlichen Verantwortlichkeit der Minister. ad 2. Ich möchte hier auf die historische Tatsache hinweisen, daß in den ersten Jahren der Sowjetmacht in Rußland (und auch in den Zeiten Sowjetungarns) die Volkskommissariate unter kollektiver Führung (mit mehreren Kommissaren) standen. Nach 1949 wurde bei der Ministerialorganisation die persönliche Verantwortlichkeit der Minister hervorgehoben, doch wurden sog. Kollegien organisiert, deren Mitglieder einerseits Funktionäre des Ministeriums, andererseits Fachleute des Verwaltungszweiges, Direktoren wichtiger Unternehmen usw. waren. Der Minister war der Vorsitzende des Kollegiums, der die Beschlüsse nach der Diskussion des Kollegiums, aber unabhängig von den dort vorgeschlagenen Vorlagen getroffen hat. Es existierten nur sehr schwache Züge der Kontrolle; die Mitglieder des Kollegiums konnten beim Nichteinverstandensein mit dem Beschluß des Ministers einen Protest bei dem Ministerrat erheben; das ist aber praktisch nicht geübt worden. Nach der Reform mußte diese Institution revidiert werden. Die praktische Unfähigkeit der Kollegien, die neuen Pflichten und Kompetenzen der Ministerien, wo die wissenschaftlichen Aufgaben Raum gewonnen haben, haben verlangt, diese pseudo-demokratische Institution durch neue, fähige Institutionen abzulösen. Der Regierungsbeschluß von 1968 hat die Kollegien aufgehoben und es den Ministern ermöglicht, daß sie ratgebende, meinungsäußernde und Koordinationskörperschaften - im Statut des Ministeriums - ins Leben rufen sollen.

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So gibt es als solche Organe sog. Ministerialkonferenzen, Vizeministerkonferenzen, Konferenzen der Hauptabteilungsleiter. Die ständigen Mitglieder dieser Konferenzen sind die leitenden Funktionäre des Ministeriums; andere Personen können jedoch von Zeit zu Zeit eingeladen werden. Die Institution ist aber kein Organ für die sog. demokratische Kontrolle, vielmehr ein Mittel für eine bessere Koordinierung. In den meisten industriellen Ministerien wurden sog. technisch-wirtschaftliche Räte organisiert (z. B. im Ministerium für Schwerindustrie), deren Mitglieder Fachleute aus dem Ministerium und außerhalb dessen sind. Ihre Aufgabe ist die Ausarbeitung technisch-wirtschaftlicher Themen, Entwicklungskonzeptionen und Programme. Die übrigen ratgebenden etc. Körperschaften bieten ein sehr buntes Bild. Die Trendlinie der Weiterentwicklung der Ministerialorganisation in Ungarn zeigt, daß die Wirtschaftsreform notwendigerweise die Ministerien aus operativen, zentralisierenden Organen in wissenschaftlich-planende Organe umgewandelt hatte, die die Taktik der Entwicklung verschiedener Zweige staatlicher Tätigkeit ausarbeiten.

3. Diskussion unter der Leitung von Ulrich Scheuner Seheuner: Die Diskussion wird durch einen kurzen Bericht über das Material eröffnet werden, das uns Herr Wagener vorgelegt hat. Ich möchte dann der Diskussion freien Lauf lassen und von einer Gliederung in bestimmte Fragenbereiche vorerst absehen. Ich darf zunächst einen kurzen Überblick über die Fragen unternehmen, die das Referat von Herrn Wagener aufwirft: Die Probleme an der Spitze, der interministeriellen Koordination liegen außerhalb unserer heutigen Besprechung und ebenso lassen wir die Probleme der Abteilung innerhalb des Ministeriums außer Betracht, weil wir hier das Referat von Herrn Kölble erwarten dürfen. Wir betrachten also den Kreis der Führungs- und Planungstätigkeit, der in der Leitung zentraler Behörden het!te ein so großes Gewicht gewonnen hat. Dabei ist auch die Person des Ministers selbst in einem gewissen Sinne auszuklammern. Herr Wagener hat mit Recht in seinem Referat darauf aufmerksam gemacht, daß der Minister nur einen Teil seiner Kraft und seiner Zeit der Leitung des Ressorts widmen kann. Er ist zum anderen Politiker, Mitglied des Kabinetts. So ist er an Führungsaufgaben jenseits seines Ressorts beteiligt, und es gehört zu seiner Aufgabe, Verbindung zu den politischen Kräften zuhalten. Die Problematik teilt sich in zwei großp. Abschnitte. Einmal ist hier die personelle Organisation der Führungsspitze zu nennen, sodann aber gilt es, die Aufmerksamkeit der spezifischen Organisation der Planung zuzuwenden. Was die Organisation der Führungsspitze angeht, so geht das des Staatssekretärs als Haupt der beamteten Dienste im Ministerium zwar formell fortbesteht, aber doch gewissen Wandlungen unterliegt. In der Bundesrepublik wird der Staatssekretär in einem erheblichen Maße in die Politik hineingezogen. Dem entspricht es, daß in neuerer Zeit die Rekrutierung dieser Stellen sich nur noch teilweise aus dem Beamtenkörper vollzieht, daß hier ein neuer Typ des mit besonderen politischen Aufgaben betrauten Beamten im Entstehen ist. Es kommt hinzu, daß bei der Ausdehnung moderner Zentralbehörden die Aufgabe des Staatssekretärs, jedenfalls eines einzigen Inhabers dieses Amtes, immer schwieriger wird. Ein Staatsekretär allein vermag die Aufgabe der Lenkung eines so großen Körpers wie es etwa das Bundesverteidigungsministerium darstellt, nicht mehr zu leisten. Die Entwicklung hat eher zu einer Vermehrung der Stellen der Staatsekretäre, zur Verdoppelung und darüber

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hinaus, geführt. Das sachliche Bedürfnis für diese Entwicklung, so hat auch Herr Wagener betont, ist anzuerkennen. Daneben nehmen an den Führungsaufgaben auch andere Kräfte des Ministeriums teil, jüngere Beamte, die als persönliche Referenten, im Ministerbüro, in der Presseabteilung die Leitung des Ressorts unterstützen. Das sind gewiß keine eigentlichen Führungsspitzen, sondern vielmehr dem Minister zugeteilte persönliche Hilfskräfte. Besondere Aufmerksamkeit hat Herr Wagener den parlamentarischen Staatssekretären gewidmet. Im Bunde sind sie heute in allen Ministerien vorhanden, in den Ländern noch eine begrenztere Erscheinung, zum Teil wohl auch verfassungsrechtlich dort nicht zulässig. Diese Einrichtung hat noch keinen festen Boden im deutschen Verfassungsrecht gewinnen können. Zuweilen ist sie in den Rang einer Unterministerstelle aufgewachsen, die sich auf die Vertretung des Ministers gegenüber dem Parlamente einrichtet und dadurch eine leitende Position gewinnt. In anderen Fällen hat sich die Stelle stärker in der Richtung einer Staatssekretärsposition bisherigen Stiles entwickelt. Eine befriedigende Lösung hat sich noch nicht herausgebildet. Möglich, daß die englischen Erfahrungen mit dem Einsatz jüngerer Politiker in der Mitarbeit an der Zeitung hier helfen können. Die Frage, wie die Spitzenorganisation im Ministerium gehandhabt wird, hat Herr Wagener auf vergleichender Grundlage behandelt. Dabei wird es interessant sein, von unseren französischen Kollegen mehr über das Cabinet ministeriel zu erfahren. Eine ihm entsprechende Einrichtung gibt es in der Bundesrepublik nicht. Könnte sich diese Einrichtung als Vorbild eines Leitungsteams unter dem Minister darstellen? In der französischen Praxis scheint die Zugehörigkeit zu dieser Gruppe laufbahnmäßig lockerer und beweglicher behandelt zu werden als bei uns. In England geht die Tendenz bei der Stellung der leitenden Beamten des Civil Service in die Richtung einer neutralen Position. Daß der Civil Service freilich sich nicht von dem Dienst an der Politik entbindet, daß er bereit ist, wechselnden politischen Strömungen loyal zu dienen, ist bekannt. In neuerer Zeit haben sich auch hier gewisse Spannungen gezeigt. In seinen "Erinnerungen" hat Mr. Wilson hier auf gewisse Probleme hingewiesen. Jedenfalls aber unterscheidet sich die äußere Zurückhaltung des britischen Beamtenkörpers scharf von der Politisierung der Staatssekretäre in der Bundesrepublik, die aber eine alte Erscheinung darstellt. Wenn ich mich nunmehr dem zweiten Problemkreise zuwende, der Organisation der Planung, so stehen wir hier weit mehr am Anfang einer Entwicklung. Es ist bisher nicht gelungen, eine Form der intraministeriellen Planung zu entwickeln, die reibungslos arbeitet. Teilweise ist der Eindruck entstanden, daß die Planungsstäbe, die meist mit besonderen 6 Speyer 48

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Aufgaben dem Staatssekretär oder dem Minister unterstellt wurden, in ihrer Arbeit nicht genügend unterstützt wurden, daß sie auch zu langsam mit ihren Vorschlägen herauskamen. Zum anderen stellte sich das Problem der Relation zwischen der Planung und den laufenden Aufgaben des Hauses. Fehlte hier nicht oft die notwendige Kommunikation, so daß die Planungen am Ende sich nicht in die Praxis auswirkten? Daß die innerministerielle Planung einer Verstrebung in einer interministeriellen Ebene bedarf, ist selbstverständlich. Herr Wagener hat hierzu den Vorschlag gemacht, daß an der Spitze des Ministeriums eine engere Führungsgruppe geschaffen werden sollte, aus dem Minister, dem oder den Staatssekretären und ggf. weiteren Kräften, der auch die Organisationsprobleme zufallen sollten. Die Möglichkeit, diese Funktion in größeren Häusern durch eine Konferenz der Abteilungsleiter wahrzunehmen, dürfte an der heutigen Realität vorbeigehen. Wichtig ist aber ferner der Gedanke, daß dies Führungsgremium um den Minister eng mit den Planungsorganen zusammenarbeiten solle. Die Planungsabteilung soll herausgehoben und imstande sein, längerfristige Richtlinien zu entwikkeIn. Die laufende Arbeit macht es heute den in der Tagesarbeit stehenden Abteilungen und ihren Leitern nicht möglich, solche Vorhersicht zu entwickeln. Auch die Wissenschaft ist, mangels Sachnähe und administrativer Erfahrung, nur teilweise imstande, hier lückenfüllend einzuwirken. Es ist aber evident, daß für eine moderne Verwaltung die bloße Bewältigung des laufenden Geschäftsandranges nicht mehr zureicht, daß innerhalb der einzelnen Ministerien für die großen Aufgaben und die leitenden Gesichtspunkte längerfristige Planungen notwendig sind, wie dies natürlich ebenso für die gesamte Kabinettspolitik gilt. Diese Aufgabe sollte eine besondere Planungsabteilung übernehmen, die aber nicht isoliert vom ganzen Ministerium aufgebaut werden darf. Sie muß vielmehr mit jeder Abteilung in Kontakt stehen. Der Zusammenhang zwischen ihr und der laufenden Administration muß ein dichter sein. Andererseits wird nur eine Vorausplanung es ermöglichen, rechtzeitig Bedürfnisse zu erkennen, Prioritäten zu setzen oder auf ein Haus zukommende Entscheidungen vorzubereiten und zu erleichtern. Ich darf hiermit meine Einführung beenden und die Diskussion eröffnen. Starosciak: Wenn ich die These annehme, daß die richtige Theorie diejenige Theorie ist, die der Praxis dient, dann muß man den Organisatoren der heutigen Konferenz gratulieren, daß sie diese Fragen über die Ministerialorganisation zur Diskussion stellen. Das ist ein Problem, wie ich glaube, von internationaler Bedeutung. Wenn wir in Jugoslawien z. B. den Umbau von Ministerien in Sekretariate sehen; wenn wir in Rumänien eine Kollegialorganisation an der Spitze der Ministerien haben; wenn wir in Ungarn, in der Tschechoslowakei und in Polen die gesetzliche Begrenzung der Ministergewalt, Verordnungen zu erlassen, ein-

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geführt haben; wenn wir in der Sowjetunion die entstehenden Ministerien auf der Basis der "ökonomischen Verrechnung" haben, wenn wir weiter den Umbau oder die Umstellung der beratenden Kollegien in Polen und in der Sowjetunion sehen, dann sieht man, daß die früheren Organisationsformen nicht mehr ausreichen. Und das bedeutet, daß die Position der Ministerien in der Verwaltung verändert werden muß. Wir glauben, daß diese Probleme des Umbaus der Position der Ministerien in der Verwaltung von einem Gegensatz zwischen den neuen Aufgaben, welche die Verwaltung übernommen hat, und der veralteten Organisation kommen. Die Ministerien - wenn man das so betrachtet sind (oder zu viel geblieben vielleicht) auf der Stufe der sog. letzten Instanz im Verwaltungsverfahren geblieben. Aber wenn Herr Kölble in seinem Referat (S. 204) schreibt, die Grundtendenz scheine dahin zu gehen, die Ministerien soweit wie möglich von Verwaltungsfunktionen zu entlasten, dann ist das eine richtige These für einen ziemlich großen Kreis der Staaten. Die Knappheit an Zeit und der Reichtum der Thematik, den Herr Wagener in seinem so glänzenden Referat entwickelt hat, zwingt mich, nur wenige Punkte zu wählen. Ich habe nur drei gewählt: 1. a) Man muß beachten, daß in den sozialistischen Staaten die Ministerien einen "aufgeworfenen" Plan haben. Sie sind Ausführungsorgane für staatlichen Plan. b) Es ist ein vollkommen neuer Typ des Ministeriums entstanden, und zwar das Industrieministerium oder ökonomische Ministerium, dessen Position einem großen Konzern ähnlich ist. In dieser Situation kann man annehmen, daß diese Umstellung der Position der Ministerien oder die Schaffung der neuen Position für die Ministerien durch irgendein einheitliches Reglement unmöglich ist. Da es zu viele Arten von Ministerien sind und da es zu viel Verschiedenheit in den Ministerien gibt, wäre ein einheitliches Reglement zu schematisch. Es würde als beim Umbau der Position der Ministerien mehr stören als helfen.

2. Meine nächste Bemerkung ist verbunden mit dem, was Herr Wagener in seinem Referat sehr gut und klar formuliert hat als Vorrang des Kurzfristigen. Die empirischen - oder juristisch-empirischen - Forschungen, die in Polen durchgeführt werden, zeigen, daß die Sache von allgemeiner Bedeutung ist. Und auf diesem Gebiete sind wir zu dem Schluß gekommen, daß wir keinen besseren Ausweg aus dieser Situation haben, als die Ministerien zu zwingen, die Pläne zur Erfüllung der Aufgaben vorzubereiten. Das sind nicht die Pläne der Aktion, des HandeIns; handeln kann man immer, die Handlung ist immer gut, aber die Erfolge sind verschieden. Also sind die Ministerien zu zwingen, die Pläne zur Erfüllung der Ziele vorzubereiten. Man kann sagen, daß das die ministeriellen Pläne zur 6·

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Erfüllung der staatlichen Aufgaben sind. Und hier also bestätigt sich die These von Herrn Wagener, denn was nicht in diesen ministeriellen Plänen enthalten war, wurde auch nicht unternommen. Die ministeriellen Pläne müßten später der Kontrolle staatlicher Organe unterstellt werden. Auch das wird diskutiert. 3. und zum letzten Problem, nämlich zu der von Herrn Wagener sogenannten Informationsnachfrage der Führenden. Auch die Forschungen, die bei uns durchgeführt werden, haben gezeigt, daß die Führung der Ministerien nicht immer strikt vom Apparat informiert wird, der ihm hierarchisch unterstellt ist. Der hierarchisch unterstehende Apparat ist verantwortlich für die Erfüllung der Aufgaben, also können die Informationen über den Stand der Sache - nehmen wir an - zu optimistisch sein. Bei uns ist das Schlagwort "Amtlicher Optimismus" entstanden; es bedeutet, daß die führenden Gestalten zu optimistisch informiert werden. Um das zu beseitigen, also um den führenden Personen objektive Informationen zu beschaffen sowie um diese richtigen Informationen in einen weitgehenden Plan umgestalten zu können, sind bei uns im Entstehen (teilweise schon entstanden) neue interessante Teile der Ministerien, die hierarchisch nicht unterstellt sind. Sie haben den Typ eines Forschungsinstitutes. Aber dieses Forschungsinstitut ist ein Teil des Ministeriums, es wird auch vom Ministerium finanziert, ist aber unabhängig von irgendwelchen anderen Gliederungen der Ministerien und untersteht nur dem Minister unmittelbar. Diese drei von mir angeführten Beispiele zeigen, wie ich glaube, die Bedeutung der Problematik, die Herr Wagener in seinem Referat vorgestellt hat. Sie zeigen die Universalität der Fragen, die dort gestellt sind, auch wenn die Fragen natürlich verschieden beantwortet werden müssen. Aber für die Fragen nach der Lösung ist der Austausch der Meinungen nicht nur nützlich, sondern auch notwendig. Böckenförde: Ich möchte gerade zu Beginn unserer Diskussion eine Frage anschneiden, die für die weiteren Probleme des Themas, was uns hier beschäftigt, von Wichtigkeit ist, nämlich die Frage nach der Umgrenzung der politischen Führung innerhalb der Ministerien. Wenn man von der "Führung" spricht, stellt man meist - ausgesprochen oder unausgesprochen - die Verwaltung des Hauses oder den Verwaltungsstab, die Bürokratie, dem gegenüber. Herr Wagener hat zur politischen Führung der Ministerien gezählt den Minister, den parlamentarischen und beamteten Staatssekretär und dann noch den engen Stab der Führungshilfskräfte. Nun kann man die Frage stellen - und ich meine, wir sollten sie zu Anfang stellen -, warum eigentlich die Abteilungsleiter der Ministerien nicht zur Führung des Ministeriums gehören. Ist diese Abgrenzung gerechtfertigt?

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Um das zu entscheiden, muß man fragen, welche Funktionen der Leitung bzw. Führung des Ministeriums heute zukommen. Das ist einmal die politische Oberleitung des Ressorts. Geht man davon aus, dann gehört in der Tat zur Führung des Ministeriums der Minister, der parlamentarische Staatssekretär als sein politischer Führungsgehilfe und der beamtete Staatssekretär, der gewissermaßen die Scharniere zur Verwaltung, dem Haus, bildet. Eine zweite Leitungsfunktion, die insbesondere in parlamentarisch-demokratischen Staaten von Wichtigkeit ist, ist die, die der Minister als Regierungsmitglied und als Repräsentant des Ministeriums gegenüber dem Parlament und der Öffentlichkeit hat. Von daher gehört neben dem Minister und dem parlamentarischen Staatssekretär auch das Personal, das im Pressereferat, Kabinettsreferat, Referat für Öffentlichkeitsarbeit usf. tätig ist, mit zur Führung des Ministeriums. Die Planung von Aufgaben und die Planung der Durchführung von Aufgaben, die Leitung des Hauses und die Kontrolle, daß die Aufgaben gemäß den erteilten Weisungen erledigt werden, sind nur die eine Seite der Sache. Gerade bei der Umsetzung von Verwaltung in politische Entscheidung, für die Vorbereitung politischer Entscheidungen im Ministerium, ist es entscheidend wichtig, für ein Programm, das der Minister entwickelt und politisch vertritt, den Konsens in der Öffentlichkeit und den Konsens der Fraktion zu gewinnen. Letzteres ist nicht schon damit entschieden, daß der Minister von der Mehrheitsfraktion oder von einer Koalition, die die Mehrheit im Parlament hat, gestützt wird. Versteht man nun als dritte Funktion der Leitung des Ministeriums nicht nur die Oberleitung, sondern die wirkliche Leitung des Ressorts. d. h. daß der Minister nicht nur das Oberhaupt, sondern der Chef des Ressorts ist, dann muß man fragen, ob nicht neben dem beamteten Staatssekretär auch die Abteilungsleiter zur "Führung" gehören. Dies um so mehr, als heute die Aufgabe der Ministerien höchstens zur Hälfte die ist, politische oder gesetzgeberische Entscheidungen auszuführen, in Verwaltungshandlungen und Aktivitäten umzuformen, zur anderen Hälfte indessen die, von dem spezifischen Fachwissen her, das in den Ressorts versammelt ist, politische Entscheidungen vorzubereiten und zu unterbauen. Das stellt dann auch die Aufgabe - es ist schon angedeutet worden - der Information und des Informationsfiusses. Hier ist zu fragen, ob nicht manche Schwierigkeiten im Informationsfiuß gerade daher rühren, daß die politische Leitung vom Haus zu sehr abgekapselt ist. Die Politik erscheint gewissermaßen als das, was "darüber steht", über der neutralen sachlichen Verwaltung. Das ist eine Vorstellung, die sehr bedenklich ist. Politik und Verwaltung lassen sich nicht gegenständlich trennen, vielmehr werden die Richtpunkte und politischen Zielvorstellungen einerseits vorbereitet von der Verwaltungs ebene für die politische Entscheidungsebene und anderseits von der politischen Entscheidungs-

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ebene hineingegeben in die Ausführung und Konkretisierung durch die Verwaltungstätigkeit des Ministeriums. Gehören diese drei Bereiche zur "Führung", so müssen sowohl die Abteilungsleiter als auch die in den verschiedenen Ministerbüros bzw. -referaten versammelten Kräfte vollgültig zur politischen Führung des Ministeriums gezählt werden. Wir werden an einem späteren Punkt, wenn es um Reformvorschläge geht, wie Herr Wagener sie entwickelt hat, sehen, daß hier eine weittragende Vorentscheidung getroffen wird: Bezieht man die Abteilungsleiter mit in die Führung ein, so stellt sich sogleich die weitere Frage, wie die Verknüpfung der Abteilungen mit der Ressortspitze wirklich geschehen, wie der Informationsfluß organisiert und die Kommunikation hergestellt werden kann, damit die politische Spitze ihre Entscheidungen fundiert und mitgetragen von dem Wissen, was in einem Ressort versammelt ist, treffen kann. Ich möchte hiermit jetzt schließen und nur darum bitten, an späterer Stelle unsere französischen Kollegen noch einige Fragen zu den Cabinets ministerieIs in Frankreich stellen zu dürfen. König (Paris): Wir stehen in der Bundesrepublik vor der Frage nach dem Verhältnis von Planung und regulärem, d. h. traditionellem Apparat. Wir müssen uns klar werden über das Zusammenspiel beider Bereiche, d. h. insbesondere die Integration der Planung in den Apparat. Und damit stellt sich eine zweite Frage: Was ist denn unser heutiges Bild vom Apparat? Der Hintergrund dieser Frage wiederum ist die Angst um die Frustration des operationellen Apparates dann, wenn man die Planung falsch organisiert, d. h. ihren Standort zum Apparat, dem Planung bislang ja keineswegs fremd war, falsch bestimmt. Ich habe selbst aus eigener Ministerialpraxis so etwas wie einen Idealbegriff vom Referenten gewonnen. Für mich ist der Referent des Ministeriums das Zentrum der Sachkunde für sein Fachgebiet; er ist der bestinformierte Mann in dem Bereich, den er zu "verwalten" hat, und nach der Geschäftsordnung ist er der Vertreter des Ministers für dieses Aktionsfeld, soweit sich kein Vorgesetzter auf den übergeordneten Leitungs- und Koordinationsebenen seine Mitwirkung vorbehalten hat. Damit ist der Referent zugleich der Mittelpunkt der Entscheidung, und zwar nicht nur in der Umsetzung von Politik in Verwaltung, sondern auch - und zunächst - in der Mitgestaltung der Politik. Eine falsch organisierte Planung könnte den Referenten auf reine Administration abdrängen. Das aber wäre nicht seine Aufgabe, und dafür wäre er schließlich auch viel zu teuer. Er darf sich daher auch niemals in der Rolle des bloßen Exekutors einer anderswo im Hause betriebenen Planung und diese als Teil einer ihm selbst entglittenen Politik sehen. Er muß der souveräne Mann bleiben, der selbst politische Initiativen gibt, der aus der Fülle seiner Sachkunde heraus gestaltet, dies

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wiederum in Loyalität seinem Hause gegenüber, indem er eben auch dessen Leitung informiert, sobald es etwas auf deren Ebene zu entscheiden gibt. Hiermit will ich andererseits keineswegs ein Plädoyer für eine institutionelle Struktur der Verwaltung halten, wie sie heute noch weithin vorgegeben ist. So möchte ich an dieser Stelle den Einfluß der modernen Programmbudgettechniken wie des PPBS (in Frankreich der RCB) auf die institutionelle Struktur nur andeuten. In der Tat mag es eines Tages eine weit größere Zahl von Projektgruppen geben, denen man aus der institutionellen Struktur entlehnte Arbeitskapazitäten auf Zeit beigibt. Damit wird man einer starren Struktur entgegenwirken, die sich an ihren Aufgaben geradezu festhält in einer Zeit, in der es dringendere, jedoch institutionell nicht abgesicherte Aufgaben gibt, für die der Leitung eines Ministeriums ad hoc sachkundige qualifizierte Kräfte fehlen. Hier stellt sich letztlich auch die Frage nach dem team-work. Der Begriff des team-work darf nicht nur für die Leitung eines Ministeriums und die Gruppe um die Leitung herum gelten. Jeder Referent im Apparat ist laut Geschäftsordnung verpflichtet, seine Arbeit optimal mit der anderer Referate zu koordinieren, diese voll zu informieren und mit ihnen - natürlich auch im team-work - zu kooperieren und nicht etwa Angst zu haben, daß durch Information anderer seine eigenen Projekte gefährdet werden. Ein souveräner Referent hat das gar nicht nötig. Er schöpft seinen Fachbereich auch in der Projektgestaltung sachlich aus, ohne beim Nachbarn Anleihen machen zu müssen, und er verfügt über genug Phantasie und Intuition, um originell zu sein und zu bleiben. d' Aumale: Die meisten Funktionen im Ministerkabinett in Frankreich sind heute Mittelpunkt hitziger Diskussionen, und zwar nicht nur in Frankreich, sondern auch in anderen Ländern, wo ich Gelegenheit hatte, darüber zu diskutieren. Ich möchte zunächst kurz erklären, wie ein Ministerkabinett in Frankreich organisiert ist und anschließend, ebenfalls so kurz wie möglich, will ich Ihnen die Vorteile und die Nachteile dieser Organisation darlegen. Also zunächst ein erster beschreibender Teil: Sie haben also oben den Minister, dann das Kabinett und die Direktoren. Eine erste Bemerkung dazu: Das Kabinett hat keine hierarchische Verantwortung. Was die Organisation des Kabinetts betrifft, wird vorgeschlagen, daß ein Kabinettsdirektor, der ein älterer Beamter mit gewissen Erfahrungen, also ein Beamter von 40 - 50 Jahren, der zugleich ein Vertrauensmann des Ministers ist, sein soll. Außerdem haben sie einen Kabinettschef. Der Kabinettschef hat eine wesentliche politische Rolle. Er ist damit beauftragt, die Verbindung zum Parlament aufrecht zu erhalten; ein Abgeordneter, der um irgendetwas bittet, ein Pförtner, der eine Petition einreicht, irgendjemand, der irgendetwas will, wendet sich an den Kabinettschef.

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Seine Rolle ist also außerordentlich politisch. Der zweite Teil dieser Rolle ist praktisch die logistische Unterstützung des Kabinetts. Er ist der Personalberater und hat auch noch andere Aufgaben, die damit in Verbindung stehen, ich brauche darauf nicht einzugehen. Der Kabinettschef hat eine oder mehrere Persönlichkeiten zu seiner Hilfe, mit denen er zusammenarbeitet. Neben dem Kabinettschef befindet sich eine Gruppe von technischen Beratern, und das sind die wesentlichsten Persönlichkeiten nach dem Direktor. Heute sind es zu 98 Ofo Beamte, Beamte entweder des Ministeriums oder von anderen Ministerien. Typisch für sie ist, daß sie für einen ganz bestimmten Bereich zuständig sind. Es sind Fachleute, die entweder auf dem Gebiet von Haushaltsfragen oder für technische Fragen, wie Wohnungsbau, oder auf dem diplomatischen Sektor und auf dem Verteidigungssektor zuständig sind. Es sind wirklich die Säulen, auf die sich der Kabinettsdirektor in seiner Arbeit stützt, und die dafür sorgen, daß wieder andere durch sie angeleitet werden und ihre Arbeit zugeteilt bekommen. Es gibt noch andere, die als Missionsbeauftragte, als Geschäftsbeauftragte bezeichnet werden. Das sind ebenfalls Führungskräfte, aber wesentlich jüngere Führungskräfte, es sind Junioren des Civil Service, sie sind eben, weil sie jung sind, oft das Mädchen für alles, sie müssen Forschungsarbeiten machen, sie müssen die Kontakte zwischen den verschiedenen Dienststellen aufrecht erhalten usw. Das wäre der entscheidende Teil. Die Größe eines solchen Kabinetts ist variabel. Für einen Staatssekretär ist der normale Umfang eines Kabinetts meistens 8 Personen. Für einen Minister, der mit seinem Kabinett gerne zusammenarbeit, kann die Gesamtzahl der Personen 16 oder 17 erreichen. Offiziell ist die Anzahl gar nicht begrenzt, denn es sind auch noch halboffizielle Mitarbeiter möglich. Die erste Arbeit der Geschäftsbeauftragten besteht darin, alle Aufträge, die der Minister erteilt, auszuführen. Die wesentliche Rolle des Kabinetts besteht darin, die Entscheidungen vorzubereiten, die der Minister treffen muß oder die er in seinem Namen dem Parlament oder der Regierung vorschlagen wird. Es handelt sich also vor allem darum, unmittelbare Entscheidungen, die der Minister treffen muß, vorzubereiten. Das ist ein wesentlicher Punkt. Die erste Frage, die man sich stellen muß, ist die, ob das Kabinett eine kurzfristige und eine langfristige politische Aufgabe hat. Die zweite Frage ist die, ob es eher eine politische oder eine administrativ-technokratische Aufgabe hat. Ich möchte nun über diese verschiedenen Aspekte sprechen. Zum ersten Punkt: Es ist eine Tatsache, daß es nicht gut ist, daß das Kabinett sich nur mit kurzfristigen Aufgaben, von Ausnahmen abgesehen, befaßt. Das Kabinett unterliegt ja dem Druck des Ministers, der dem Kabinett im allgemeinen kurzfristige Aufgaben erteilt. Es gibt

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natürlich Ausnahmen, aber im allgemeinen ist es so, wie ich eben definierte. Das schließt nicht aus, daß gelegentlich Stellungnahmen, Studien langfristiger Natur zu bestimmten Fragen möglich sind. Die zweite Frage, ob sie politische oder administrative Aufgaben haben, das wird schon bedeutend schwieriger. Man kann zunächst sagen, daß es sich bei den Mitgliedern des Kabinetts vor allem um Beamte handelt. Ihre Kompetenzen sind also administrativer Natur. Ihre Arbeitsweise ist ebenfalls administrativer Natur, selbst wenn sie sich in einem Kabinett vollzieht. Sie haben also die Aufgabe, das zu beurteilen, was schriftlich vorliegt und werden letzten Endes die Beziehungen zur Öffentlichkeit vernachlässigen, auch die Beziehungen zu diesen oder jenen Interessengruppen. Also die Antwort wäre, daß die Arbeit eines Kabinetts überwiegend administrativer Art ist. Gewisse Mitglieder des Kabinetts haben natürlich überwiegend politische Interessen und folgen ihrem Minister, wenn dieser das Ministerium wechselt. Andere wollen neutral bleiben und auch dann, wenn sie nicht unbedingt die gegenteilige Meinung von der ihres Ministers vertreten können. Das heißt aber nicht. daß man nicht wirklich neutral sein könnte. Einige technische Berater sind neutral und machen das auch in ihren Stellungnahmen deutlich. Dies zur Frage Verwaltungscharakter oder politischer Charakter. Sehr oft stellen sich hinsichtlich des einzelnen Kabinettsmitgliedes wichtige Fragen. Die politische Funktion des einen oder anderen Kabinettsmitgliedes wird oft mißbraucht. Wenn das geschieht, dann fällt es auf den Minister zurück. Im schlimmsten Fall geschieht überhaupt nichts, es wird nicht einmal etwas falsch gemacht, und das fällt dann sogar auf die Regierung zurück. Das ist die erste Folge der politischen Freiheit der Kabinettsmitglieder. Außerdem kann es passieren, daß politische Aufträge schlecht durchgeführt werden, weil sie falsch verstanden wurden, nicht genügend erläutert wurden usw. Die administrative Rolle dieser Kabinettsmitglieder hat in zahlreichen Fällen zum Ergebnis, daß auf Ministerebene Führungsaufgaben minderer Art durchgeführt werden müssen, die an sich auf unteren Stufen erledigt werden könnten. Das führt zu dem, was man in Frankreich die administrative Zentralisierung nennt: Die extreme Zentralisierung der Verwaltung. Das Bild, das ich Ihnen gezeichnet habe, ist vielleicht relativ pessimistisch, und ich möchte mit einem positiven schließen: Die Kabinette haben eine Koordinationsrolle, die nicht zu unterschätzen ist. Und ich glaube, das ist der wesentliche Gewinn, der sog. Mehrwert, der sich aus den Ministerkabinetten ergibt. Dies bedeutet ministerielle Koordinierung bei sehr komplexen Problemen. Ich glaube, und darauf können wir auf diesem Gebiet stolz sein, von Ausnahmen abgesehen gibt es bei uns keine wesentlichen Entscheidungen, die unter sich keinen Zusammenhang hätten. Sie haben sicher andere Nachteile zu verantworten, aber

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diesen Fehler nicht. Hinsichtlich der administrativen Organisation möchte ich noch sagen, daß die Rolle des Kabinetts und dessen Arbeitsweise natürlich weitgehend von der Persönlichkeit des Ministers und von seinem Kabinettsdirektor abhängen. Ein Minister kann sich seines Kabinetts mehr oder weniger bedienen. Er kann einen guten oder schlechten Kabinettsdirektor haben, davon hängt sehr viel ab; das ist oft von entscheidender Bedeutung sowohl für die Rolle des Kabinetts als auch für die Entscheidungen, die im Ministerium getroffen werden. Ich schließe mit dem Punkt der Rolle des Kabinetts und möchte zu einem anderen Punkt noch einige Bemerkungen anschließen. Die Probleme, die sich der französischen Verwaltung im Augenblick stellen, sind oft nicht die gleichen, die heute erwähnt wurden, und zwar vor allem im folgenden Punkt nicht. Man sprach viel von neuen Verwaltungsaufgaben. Das ist nicht das Hauptproblem der französischen Verwaltung. Unser Problem liegt nicht darin, daß wir neue Aufgaben übernehmen müssen. Im Gegenteil, wir müssen die Aufgaben, die die Verwaltung im Augenblick übernimmt, organisieren. Bei der Erwachsenenbildung zum Beispiel muß das Ministerium jetzt wesentlich mehr Aufgaben übernehmen. Also unsere Aufgabe besteht darin, wirksamer und besser zu machen, was der Staat bisher traditionellerweise nicht tun mußte. Der zweite Punkt, zu dem ich hier noch kurz Stellung nehmen möchte, ist das Problem der Souveränität des Staates, und dies auch nicht in politischer, sondern in administrativer Perspektive. Seit drei oder vier Jahren merken die französischen Verwaltungsbeamten, daß ein großer Teil ihres betreffenden Kompetenzbereiches nicht mehr übersichtlich ist und daß er in den Bereich staatlicher Einflußnahme gerät. Ob das nun in der Industrie oder in anderen Bereichen der Fall ist, sie stellen diesen Tatbestand fest. Die letzten Ereignisse in Amerika haben gezeigt, daß sich für gewisse öffentliche Dienste ein bedeutendes Souveränitätsproblem stellt. Nicht ein Problem juristischer Souveränität, sondern der materiellen Kontrolle über die wahrzunehmenden Aufgaben. Und zwar ganz besonders auf steuerpolitischem Gebiet in der Industrie und auf anderen Gebieten. Viele Beamte bei uns merken das, aber bis jetzt wird auf internationaler Ebene überhaupt nichts getan, um die Sachlage zu bessern, und viele Beamte bei uns merken es natürlich noch gar nicht. Unser Problem liegt also vor allem darin, die traditionellen Aufgaben besser wahrzunehmen und das Problem der Souveränität zu lösen. Hilf: Entschuldigen Sie, daß ich mich schon zu Beginn dieser Diskussion melde, weil ich glaube, daß vielleicht noch einige praktische Erfahrungen einfließen sollten, die ich natürlich nur eingeschränkt bringen kann aus der Erfahrung einer Landesregierung und die deshalb nicht unbedingt übertragbar sind auf die Erfahrungen aus Bundesministerien und deren

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Organisation. Aber vielleicht gewinnen Sie doch einige Aspekte daraus, und zwar zu dem Problem, das im Mittelpunkt auch der Ausführungen von Herrn Böckenförde und der Fragestellung von Herrn König gestanden hat, inwieweit Abteilungsleiter, oder man kann es vielleicht auch so sagen, inwieweit der "Linienverkehr" mit der Planung kooperieren kann oder überhaupt kooperieren muß. Und daneben möchte ich auch gleich von unseren Erfahrungen mit Ministerbüros oder mit persönlichen Stäben des Ministers - zumindest aus der Sicht des Staatssekretärs berichten. (Die Minister schätzen dies häufig anders ein als die Staatssekretäre.) Meine Damen und Herren! Ich teile die These, die insbesondere Herr König sehr prononciert vorgetragen hat, ebenso auch Herr Böckenförde, daß wir heute keine Trennung mehr zwischen Politik und Verwaltung vollziehen können, sondern daß heute Verwaltung auch Politik oder - wenn Sie so wollen - Politik auch Verwaltung ist. Und deshalb möchte ich unbedingt dafür plädieren, daß wir nicht nur die Abteilungsleiter, sondern alle operativen Abteilungen an der Planung beteiligen und damit an dem Problem und an der Aufgabe, die uns allen gestellt ist, teilnehmen und ihren Sachverstand einbringen lassen. Ich darf dies vielleicht besonders exemplifizieren an dem Problem der Ministerbüros, die in unserem Lande beispielsweise die Entwicklung genommen haben, daß sie so etwas wie ein politisches Führungsteam geworden sind. Herr Wagener, ich würde hier völlig Ihrem Vorschlag widerraten, Ministerbüros nur dem Minister zu unterstellen und sie nicht etwa in der Form einer Gruppe einzuordnen ins gesamte Ministerium. Natürlich gibt es gewisse sehr persönliche Aufgaben und Aufträge des Ministers, die nur in einem geschlossenen Kreis mit seinem persönlichen Stab erledigt werden können. Wir machen aber die Erfahrung, daß gerade dadurch, daß man in der Form des Ministerbüros sozusagen eine Trennung von Politik und Verwaltung oder von politischer Spitze und Haus deutlich macht, eine Frustration eintritt und daß insbesondere auch die Rolle des Staatssekretärs als der Verwaltungsspitze des Hauses dabei zu kurz kommt. Auf Grund der sehr personalen und auch lokalen Nähe der persönlichen Referenten und Pressereferenten zu ihrem Minister ist die Gefahr gegeben, daß qua Ministerbüro ins Haus hineinregiert wird und so der an sich geschäftsmäßige Gang ständig unterbrochen wird und es dann auch an der notwendigen Information des Hauses über politische Maßnahmen fehlt. Ich möchte hier noch einmal betonen - wie ich es auch bei der Begrüßungsrede tat -, daß mir das Problem der gesamten Planung zuerst ein Informationsproblem zu sein scheint. Ein Informationsproblem deshalb, weil wir heute weder innerhalb eines Ressorts noch innerhalb der Ressorts bei der Landesregierung mit gleichen Daten oder mit gleichen Informationen arbeiten und insoweit häufig schon eine verschiedene

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Perspektive der Beurteilung eine gemeinsame Planung scheitern läßt. Aus diesem Grunde würde ich aus unserer Erfahrung sagen und hier Herrn Böckenförde folgen, die Abteilungsleiter müssen unbedingt zum Führungsstab eines Ministeriums - zumindest eines kleinen Ministeriums - gehören. Ich weiß nicht, ob dieser Vorschlag übertragbar ist auf ein Bundesministerium mit sehr vielen Abteilungen, aber ich glaube, daß es sehr wichtig ist, daß die Abteilungsleiter an der politischen Führung des Hauses beteiligt werden, etwa in der Form der Abteilungsleiterkonferenz beim Minister oder beim Staatssekretär und daß die Abteilungsleiter dann auch im Stande sind, ihren Abteilungen und Referenten die politische Meinung weiterzugeben. Nur auf diese Weise wird erfüllt werden können, was Herr Böckenförde die zweite Aufgabe oder die zweite Funktion des Ministeriums genannt hat: Den Konsens mit der Politik herzustellen, mit dem Parlament oder mit den Mehrheitsfraktionen. "Das Verkaufen der Politik" eines Hauses muß mit dem gesamten Haus abgestimmt werden, und insoweit ist es auch notwendig, daß die public relations-Abteilung wie auch die Pressereferenten nicht irgendwo anhängen, sondern daß sie unbedingt integriert sind ins Haus, so daß nicht etwa durch Presseveröffentlichungen die Politik des Hauses präjudiziert wird oder umgekehrt die Tätigkeit eines Referenten in einer operativen Abteilung die Öffentlichkeitsarbeit des Ministerbüros oder des Pressereferenten konterkariert. Das kommt häufiger vor, als man denkt, und deshalb ist es notwendig, daß sowohl die Planungs- oder die politischen Abteilungen mit den operativen Abteilungen irgendwie - sei es in der Abteilungsleiterkonferenz, sei es insbesondere durch einen Referenten in der jeweiligen Abteilung, der Zugang hat zu der Planungsabteilung, koordiniert sind. Es wird damit m. E. auch einer anderen Gefahr, die ja bedauerlicherweise jetzt mit den Planungsstäben gemacht worden ist, begegnet, daß die Planung - sei sie kurzfristig, mittelfristig oder langfristig - allzu theoretisch, ja utopisch wird und die übersetzbarkeit in die Praxis dadurch kaum noch möglich ist, weil häufig einfach den Planungsstäben dieser unmittelbare Kontakt zu den operativen Abteilungen, damit zu der übersetzbarkeit in die Praxis der Verwaltung nicht gegeben ist. Ein weiteres scheint mir wichtig zu sein und ich lege hier wie bei meiner Begrüßungsrede noch einmal Wert darauf, es zu betonen, das ist der personale Aspekt. Wenn wir einen Gegensatz oder einen Widerspruch oder eine Polarität zwischen Politik und Verwaltung schaffen, die schon deutlich wird, wenn Ministerbüros eine exeptionelle Stellung erhalten, wenn Planungsabteilungen eine starke, zumindest eine herausgehobene oder nicht integrierte Stellung bekommen, dann tritt in einem Haus - meine Damen und Herren, das hat die Erfahrung gezeigt eine gewisse Friktion und Frustration auf. Und keiner kann leugnen, daß es sowohl der Referent als auch der möglicherweise nicht beteiligte Ab-

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teilungsleiter durchaus in der Hand haben, große Politik zu konterkarieren oder die Politiker ganz schön reinfallen zu lassen, um es deutlich zu sagen. Dies muß dadurch verhindert werden, daß einmal zwischen Planungen, zwischen politischer Führung und den operativen Abteilungen ein lebendiger und auch gegenseitiger Informationsfluß besteht und daß nicht gegenseitiges Mißtrauen, sondern daß Vertrauen geschaffen wird. Es ist noch einmal zu betonen: Es ist keine saubere Trennung möglich, und deshalb sollten Sie, wenn Sie neue Organisationsvorschläge machen, darauf Bedacht nehmen, daß die Planung nicht sehr weit weg von den operativen Abteilungen etabliert wird, daß auch Ministerbüros nicht eine sehr elitäre, von den anderen Abteilungen losgelöste, durch die direkte Unterstellung unter den Minister exzeptionelle Stellung erhalten, sondern daß möglichst ein lebendiger Kontakt zwischen allen Abteilungen und, insbesondere, ein persönliches Vertrauen besteht. Ich kann Ihnen sagen, daß, wenn Politik gemacht wird und sie nicht gerade Top-Politik ist, sie sowieso im Hause bekannt ist, denn die Abteilungen oder letztlich die Referenten haben die Entscheidung zumindest vorzubereiten. Der Referent hat beispielsweise parlamentarische Anfragen im Entwurf zu beantworten und wird so in vielen Dingen Politik machen. Man unterschätze im übrigen nicht die vielen Informationsflüsse eines Hauses, die nicht auf Akten, sondern auf mündlicher Überlieferung beruhen. Wenn es sich indessen um Top-Politik handelt, dann geschieht sie sowieso nicht im Hause, sondern dann geschieht sie in Gremien, die in einer parlamentarisch repräsentativen Demokratie dazu legitimiert sind und von denen ich meine, daß auch die politische Ziel vorgabe dort zu erfolgen habe, das heißt in den politischen Parteien. Und das ist vielleicht eine Frage, die nicht in den unmittelbaren Zusammenhang gehört, aber ein Problem, das sich auch immer wieder stellt: Inwieweit die politischen Parteien kraft ihrer personellen und sachlichen Ausstattung überhaupt in der Lage sind, diese Arbeit, die nun eigentlich kraft Verfassung - sowohl geschriebener als auch gelebter Verfassung - gegeben ist, erfüllen können, und insbesondere, ob die Parlamente noch gegenüber den immer weiter wachsenden Planungsstäben und EDV-Anlagen in den Ministerien überhaupt noch in der Lage sind, auch ihre Aufgabe der Gesetzgebung zu erfüllen. Ich will das nur am Rande streifen. Wir versuchen beispielsweise jetzt in Rheinland-Pfalz ein integriertes Informations- und Planungssystem aufzubauen, das nicht nur etwa dem Kabinett zur Verfügung steht, sondern durchaus auch den Ressorts eine ständige Rückkoppelung möglich macht, aber auch dem Parlament, den Fraktionen, ganz zur Verfügung stehen wird, so daß gerade in der Diskussion politischer Probleme oder Aufgaben oder Planungen man zumindest von dem gleichen Informationsstand ausgehen kann. Und ich glaube, dies erleichtert für alle Seiten die Diskussion. Ich bedanke mich.

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Wagener: Wir stehen in der Gefahr, die Diskussion über ein späteres Referat vorwegzunehmen, nämlich über das Referat zur Planungsorganisation. Dem sollten wir nach Möglichkeit entgehen. Wenn ich im Rahmen meiner Ausarbeitung zur Organisation der Führung auch zu Fragen der Planungsorganisation Stellung genommen und einen Vorschlag gemacht habe, so nur, weil ich der Ansicht bin, daß man unter heutigen Bedingungen Ministerien von Industrienationen ohne Planung nicht mehr führen kann. Daher diese Verbindung.

Auf die Frage, warum Abteilungsleiter nicht zur Führung gerechnet werden sollen, könnte ich leicht antworten: aus tagungsökonomischen Gründen, da Abteilungen uns noch gesondert beschäftigen werden. Herr Kölble hat dazu ja eine eigene, sehr umfangreiche Ausarbeitung vorgelegt. Ganz so einfach ist es natürlich nicht. Ich bin der Ansicht, daß in Ministerien, wie sie unter heutigen Bedingungen und Größenordnungen bestehen, Abteilungsleiter tatsächlich nicht zur obersten Führungsebene zu zählen sind. Herr Kölble hat überzeugend dargelegt, wie Abteilungsleiterbesprechungen heute üblicherweise vor sich gehen. Ich habe in den Ministerien die Bezeichnung "Morgenandacht des Chefs" gehört. Es ist offenbar so, daß die Minister, nach Wochenstunden gezählt, allenfalls drei Tage im Ministerium sein können und daß die Staatssekretäre zum Teil ähnlich belastet sind. Im Rahmen relativ kurzer Abteilungsleiterbesprechungen, an denen etwa 10 bis 15 Personen teilnehmen, weil die Führungshilfkräfte um den Minister auch noch dabei sind, können in kooperativer Form Führungsentscheidungen nicht mehr getroffen und Konzeptionen nicht mehr gebildet werden. Es ist eine "Befehlsausgabe" , eine Ansichtsverkündung oder ein Informationsaustausch. In solchen Abteilungsleiterbesprechungen werden zum Teil "Rücksprachen" erledigt. Dies alles bedeutet aber nicht, daß die Abteilungen und die Abteilungsleiter, also die Linie, aus der Führung und der Planung ausgeschaltet werden sollen. Einige von Ihnen werden wissen, daß ich einmal eine Gruppe von "Spinnern" in einem Ministerium zweieinhalb Jahre lang geleitet habe. Ich weiß genau, wie gefährlich es ist, sich abzukapseln und freundlichen, letztlich unverbindlichen abstrakten Vorstellungen nachzujagen. Ich möchte sogar behaupten, daß das, was Landespolitik und weithin auch Bundespolitik ist oder was als solche ausgegeben wird, zu 80 bis 90 Ufo im Apparat, in der Verwaltung entsteht und entschieden wird. Das, was man "politische Top-Entscheidung" nennen könnte, was die Gesamtrichtung ausmacht, wohin ein Ministerium steuert, das sind vielleicht die anderen 10 oder 20 Ufo. Ich bin deshalb mit Ihnen der Meinung, daß man eine Trennung von Politik und Verwaltung (diese Gefahr wurde hier genannt) nicht machen kann, daß vielmehr unter heutigen Bedingungen die Verwaltung selber Politik macht. Es besteht vielmehr die

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andere Gefahr, daß nämlich die Selbststeuerung der Verwaltung durch Planung dem politisch-parlamentarischen System davonläuft. Sehr plastisch fand ich den Ausdruck: "Wenn man plant, dann frustriert der Referent." Das ist ausgezeichnet beobachtet, und das bedeutet eigentlich, daß unsere Referenten an Planung nicht gewöhnt sind. Die deutsche Verwaltung und, ich glaube, auch zum Teil die ausländische Verwaltung, sind soeben dabei, die Planung als Normalaufgabe zu erkennen. Unsere Bemühungen in den sechziger Jahren gingen dahin, diese Planung als "exotische Pflanze", als etwas Besonderes irgendwo zwischen dem Minister und dem Staatssekretär, aber um Gottes willen nicht in oder zwischen den Abteilungen anzusiedeln. Es war ja etwas Irreguläres. Mein Organisationsvorschlag für die Zukunft geht nun gerade dahin, und die tatsächliche Entwicklung läuft offenbar auch dahin, die Planungsaufgabe als eine Hauptaufgabe der normalen Ministerialverwaltung ebenso wie Personal und Haushalt - also mit Querschnittscharakter - zu betrachten. Dazu wäre dann eine neue normale Abteilung notwendig. Diese Abteilung wird nicht wie die übrigen Abteilungen mit einer gleich hohen Zahl von Referenten ausgestattet sein müssen. Der Leiter der Planungsabteilung muß aber mit seinen Kollegen im gleichen Rang stehen. Er muß an den Abteilungsleiterbesprechungen automatisch teilnehmen und nicht immer als ein "anderer" gelten. Er muß sozusagen für Planung "zuständig" sein. Die Voraussetzungen für eine Führungskonferenz, zu der wegen ihrer Zahl die Abteilungsleiter normalerweise nicht gehören können, sind erst noch zu schaffen. Zunächst wird in dieser Führungskonferenz die Koordination der Tages- und Wochenprobleme versucht werden. Man muß zwei- oder dreimal in der Woche zusammenkommen. Jeder kennt dann langsam die Ansichten jedes anderen Beteiligten. In einem langen Prozeß wird es dazu kommen, daß in der Führungskonferenz besprochen und festgelegt werden kann, welche mittel- und langfristigen Ziele vom Ministerium angestrebt werden sollen. Dabei geht es gewöhnlich nicht um Ziele für das Jahr 2000. Diese sind im parlamentarischen Regierungssystem nur sehr schwer anzusteuern und auch eigentlich unverbindlich, weil um 2000 niemand mehr zur Rechenschaft gezogen wird. Wie könnte nun die Verbindung zwischen dieser politischen Zielvorgabe, die in der Führungskonferenz erarbeitet werden muß, und der Tagesarbeit des Referenten hergestellt werden? Ich meine, daß hier Vorstellungen, wie sie im Rahmen des Modells des Management by Objectives entwickelt worden sind, Möglichkeiten eröffnen. Es geht dabei eigentlich nicht darum, Ziele vorzugeben, sondern es muß eine "Zielvereinbarung" eingeführt werden. Der Referent muß vorschlagen, was er in den nächsten fünf Jahren erreichen will. Dann wird sein Vorschlag in der Führungskonferenz besprochen, und es wird geprüft, ob er dem ent-

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spricht, was politisch gewollt ist. Dann geht es wieder herunter, und es wird gesagt: "Jawohl, aber ... " Darauf wird der Referent seinen Vorschlag ändern. So gehen die Vorschläge dann herauf und herunter, selbstverständlich über den Abteilungsleiter. Aus diesem Dauergespräch miteinander kann man einen Handlungsplan für das Ministerium machen, der mittelfristig gültig ist. Je eher man einen solchen Handlungsplan hat, den alle kennen, desto weniger wird es notwendig sein, durch politische Top-Entscheidungen von Fall zu Fall "in die Zukunft zu taumeln". Das ist nämlich das, was wir heute weithin Politik nennen. Ohne daß man die jeweilige Einzelentscheidung auf ein Gesamtkonzept abstützen könnte, wird jeweils auf der Grundlage einer mehr oder weniger unbewußten Vorstellung über eine politische Gesamtrichtung entschieden. Es ist sehr wichtig, zwischen der Planungsabteilung auf der einen Seite und den Führungshilfskräften, den persönlichen Zuarbeitern des Ministers, den persönlichen Referenten, den Referenten für Öffentlichkeitsarbeit, für Presseangelegenheiten und Kabinettsangelegenheiten zu unterscheiden. In diesen Referaten können junge, begabte Leute einen sehr interessanten "Job" finden. Es soll ja inzwischen eine besonders günstige "Laufbahn" für persönliche Referenten geben. Diese Stellen sollten mit der Frage der Einrichtung einer Planungs ab teilung nicht vermischt werden. Wenn sich Ministerbüros manchmal so gerieren, als seien sie für die Planung zuständig, so muß dies bekämpft werden. Tatsächlich haben sie kurzfristige Aufgaben zu erledigen, die mit Takt und großem Einfühlungsvermögen anzufassen sind. Sie müssen sozusagen die "Schäferhunde" des Ministers und des Staatssekretärs sein, mit denen sie ihr Ministerium auf die politisch "grüne Wiese" treiben. Diese Führungshilfskräfte müssen Akten bearbeiten. Sie müssen schreiben. Sie müssen Informationen weitertragen. Ganz anders die Planungsabteilung. In der Planungsabteilung sollten keine Akten bearbeitet werden. Es darf keine Pflicht entstehen, den Aktenbock "leerzuschaufeln". Den Planern muß die Freiheit gegeben werden, auch an einem Tag einmal nichts zu bearbeiten. Man sollte sie nicht beauftragen, zwischendurch schnell einmal eine Rede für den Minister zu schreiben. Sie dürfen nicht vom Vorrang des Kurzfristigen überwältigt werden. Diese Freiheit von der täglichen Routine ist die einzige Chance, zu zusammenhängenden "objectives" zu kommen, Alternativen aufzustellen und zu erwägen, mit diesen Alternativen in die Führungskonferenz zu gehen und die hier fallenden Entscheidungen wieder in den Apparat zu geben. Die Führungsspitze des Ministeriums muß dazu motiviert werden, Informationen über problematische Bereiche der Aufgaben anzufordern. Die Motive dazu fehlen weithin. Dies muß durch eine Planungsabteilung vorbereitet werden. Durch eingängige Konzepte alternativer Art muß der Chef gereizt werden, dazu Stellung zu nehmen, und nicht jeweils aus der

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letzten Stimmung eines ihn beeinflussenden Mannes oder Gremiums zu verkünden: "So, dies machen wir von jetzt ab anders!" Knöpfle: Der Beitrag von Professor Wagener läßt deutlich eine bestimmte Sicht der Ministerialaufgaben erkennen: das Ministerium und seine Organisation werden gesehen von der Warte des Planungsexponenten aus; darin spiegelt sich wohl die Berufserfahrung des Referenten als Leiter des Planungsstabs der Düsseldorfer Staatskanzlei. So sehr die Erfordernisse der politischen Programmatik bei der Organisation zu beachten sind, so zeigt eine Analyse der Aufgaben der Ministerien, daß sie sich nicht im Konzeptionellen erschöpfen. Der Bewertung des "Vorrangs des Kurzfristigen" als "generellem Mangel" (Abschnitt III 3) kann nur insoweit zugestimmt werden, als diese Erscheinung ihren Grund in der behaupteten Neigung der Minister und Staatssekretäre sowie der Ministerbüros haben sollte, "Angelegenheiten mit kurzfristigem politischen Erfolg voranzutreiben" (Abschnitt III 3, erster Absatz). Daß die Führungsspitze eines Ministeriums in der Praxis ihre Arbeitskraft zu einem Gutteil nicht der Gewinnung von Zielklarheit und Problemeinsicht in einer zeitlich langen Kette geistiger Operationen (Abschnitt IV 2) widmen kann, dürfte jedoch seine Hauptursache nicht in jener Neigung haben, sondern in der - potentiellen - politischen Relevanz des sogenannten "Kurzfristigen", oder richtiger gesagt: der laufenden heteronomen Vorkommnisse, die zu einer Reaktion nötigen. Es wäre m. E. verfehlt, nur konzeptionelles Arbeiten als angemessene Aufgabe für die Führungsgremien zu erachten und die Ministerialorganisation allein an ihr auszurichten. Eine ad hoc-Entscheidung kann bei entsprechendem Gewicht durchaus ein weittragendes Politikum darstellen, dem Ministerien oder der Regierung Sympathien einbringen oder kosten, unter Umständen einen Umschwung der öffentlichen Meinung auslösen und im Hinblick auf diese Auswirkungen gegebenenfalls sogar Gegenstand der Richtlinienkompetenz des Regierungschefs sein. Wie ein Blick auf die Regierungspraxis lehrt, nötigt die politische Bedeutung des Einmaligen, Unvorhergesehenen, Heteronomen die politische Spitze, ihm laufend ihre Aufmerksamkeit zuzuwenden. In einem Einzelfall, der sich zum Politikum entwickelt, können der Referent und seine Hilfskräfte zu unersetzlichen Beratern der politischen Spitze aufrücken. Ob der mittel- und langfristigen Planungsaufgaben darf bei einer Reform der Organisation der übrige Aufgabenbereich der Ministerien nicht aus dem Blickfeld geraten. Darf ich diese überlegungen münden lassen in die Frage an den Referenten, ob er es für notwendig oder möglich hält, die Organisation der Ministerien auch insoweit zu verbessern, als es um die Erfüllung ihrer Aufgaben außerhalb des Bereichs der politischen Planung geht, oder ob man aus seinem Schweigen zu diesem Sektor den Schluß ziehen darf, daß 7 Speyer 48

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nach seiner Auffassung die bisherige Organisation insoweit nicht verbesserungsbedürftig ist. Piduch: Herr Professor Wagen er hat auf Seite 39 seines Referates eine Erscheinung dargestellt, die wir - glaube ich - jeden Tag erleben, nämlich ein Unbehagen auf Seiten der politischen Führung, weil sie vom Apparat mit Informationen und Entscheidungen überschwemmt wird. Auf der anderen Seite klagt der Apparat darüber, daß er nicht ausreichend informiert darüber sei, was der Minister nun eigentlich wolle.

Ich glaube, daß dieses Problem sich in größeren Ressorts deutlicher stellt als in kleineren. Wenn aber ein Ressort sehr groß ist, unterliegt der Minister leicht dem Trend, das Ministerbüro zu vergrößern, und damit wollte ich das ansprechen, was Herr Staatssekretär Hilf eben sagte, daß sich dann dort möglicherweise ein "Wasserkopf" bilden kann, der über den Apparat hinwegfegt oder sich über ihn ausgießt. An der "Nahtstelle zwischen Minister und Ministerium" habe ich zweimal in meinem Leben gestanden: Einmal als persönlicher Referent eines Staatssekretärs; insofern kann ich mir vorstellen, was ein Staatssekretär empfindet, wenn bestimmte Dinge an ihm vorbeigehen oder wenn er nur durch Abdrucke infomiert wird und er keine Möglichkeit hatte, dem Minister seine Meinung auf dem Papier kundzutun. In einem anderen Ministerium habe ich später als Kabinettreferent im Ministerbüro wiederum die andere Erfahrung gemacht, daß bestimmte Dinge oft nicht schnell genug vorankommen. Aus dieser Situation, die ich mehr beschreibend habe einleitend darstellen wollen, ergibt sich m. E. die Frage, ob es möglich ist, die Organisation so auszurichten, daß es eben zu Wasserkopferscheinungen um die Führungsspitze herum nicht kommt und der Abteilungsleiterkreis das Beratungsgremium des Ministers sein wird. Eine Lösungsmöglichkeit könnte sein, den Ministerialapparat dadurch zu verkleinern, daß man die Zahl der Ministerien vergrößert. Aber ich glaube, man würde dann auch die Koordinierungsprobleme vergrößern. Wenn man aber die Zahl der Ministerien entsprechend klein halten oder jedenfalls nicht zu groß werden lassen will, um anderweitige Probleme zu vermeiden, dann trit doch die Frage auf: Wie kann man es schaffen, den Personalbestand in einem Ministerium so zu begrenzen, daß er lenkungsfähig ist, daß er geführt werden kann? In dieser Hinsicht ist zunächst einmal folgende Lösung denkbar: Alle Aufgaben, die nicht unbedingt im Ministerium erledigt werden müssen, sind mit dem dazugehörigen Personal auf nachgeordnete Behörden zu verlagern. Eine solChe Delegation von Aufgaben wäre geeignet, die Gesamtorganisation der Ministerialverwaltung und somit auch die Führungsmöglichkeiten zu verbessern. Ich bin jedoch nicht der Meinung, daß damit bereits die Probleme der inneren Ministerialverwaltung gelöst wären. Eines dieser Probleme

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liegt m. E. darin, daß der "Instanzenzug" unter dem Gesichtspunkt des Informationsflusses zu lang ist. So läuft doch eine Vorlage des Referenten an den Minister, bis sie bei ihm ankommt, im Normalfall über den Unterabteilungsleiter, über den Abteilungsleiter, über den Hauptabteilungsleiter - wenn es einen solchen gibt - sowie ferner über den beamteten Staatssekretär und den Parlamentarischen Staatssekretär. Dieser Weg ergibt sich zwar aus der Begrenzung der Leitungsspanne, erscheint mir aber dennoch zu lang. Ich meine, daß insoweit nach einer Organisationsform gesucht werden müßte, die es ermöglicht, den "Flaschenhals" zu verkürzen. Einen Lösungsvorschlag kann ich allerdings nicht anbieten. Johnson: Es gibt nur zwei Aspekte des Referates von Herrn Wagener, die ich aufnehmen möchte. 1. Ich erlaube mir, das Kurzfristige in Schutz zu nehmen und 2. will ich eben diesen Punkt aufgreifen, der vorhin in der Diskussion erwähnt wurde, nämlich daß die Führung eine politische Führung ist oder jedenfalls daß wir in demokratisch regierten Ländern diesen Aspekt des Problems nicht vermeiden können. Diese zwei Punkte kann ich parallel behandeln.

Wenn man behauptet, daß Führung eine politische Aufgabe ist, man muß ja in Betracht ziehen, daß dies zur Folge hat, daß die Aufgaben der Führung sehr vielschichtig sind. Die politische Spitze bzw. die Minister, Parlamentarischen Staatssekretäre usw. haben die Politik ihres Ministeriums bzw. ihrer Regierung vor der Öffentlichkeit zu vertreten, sie müssen einzelne Entscheidungen verteidigen, sie müssen einzelne Entscheidungen in der Erwartung treffen, daß sie nachher diese Entscheidungen zu verteidigen haben. Das ist die eminent politische Qualität der Führung. Natürlich gibt es demgegenüber diese anderen längerfristigen Aufgaben der Führung, die heutzutage von viel größerer Bedeutung sind, wie man nämlich die mittel- oder längerfristige Zielsetzung einer Regierung oder eines Ministers in das Verwaltungs geschehen eigentlich einbringen kann. Ich glaube, je nach diesen verschiedenen Aspekten der Führungsaufgaben müssen wir die Führungsspitzen etwas differenziert begreifen. Natürlich, wo die Politik einer Regierung vor der Öffentlichkeit, vor dem Parlament, den pressure groups vertreten und verteidigt wird, konzentriert sich diese Aufgabe auf die politischen Spitzen, die eben in dem Referat von Herrn Wagener geschildert worden sind. Aber dafür braucht die Führung eine mit den Tagesgeschäften vertraute Unterstützung, so daß man die effektive Führungsspitze viel breiter fassen muß, wie eben Herr Böckenförde vorgeschlagen hat. Es scheint mir, man muß nach der Erfahrung der britischen Verwaltung diese Ebenen, die ungefähr den deutschen Abteilungsleitern entsprechen, zu der Führungsspitze eines Ministeriums zählen. Denn hier geht es um die unmittelbare Unterstützung der politischen Spitze bei den laufenden Geschäften, bei den täglichen Entscheidungen. Und es scheint mir weiter,

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wenn man diese Differenzierung der Führungsaufgaben in Betracht zieht, daß es verschiedene Lösungen für die Beziehungen zwischen den heutzutage sehr groß gewordenen Apparaten der Verwaltung und der eng gefaßten politischen Spitze gibt. Für seine Unterstützung in den laufenden Geschäften braucht ein Minister einen Apparat, der ziemlich schnell reagiert und ihm die nötigen Informationen usw. in brauchbarer Form liefert. Dafür ist nicht unbedingt eine Politisierung der höheren Ebene der Verwaltung notwendig, sondern die Pflege einer politischen Reaktionsfähigkeit, einer Kapazität, die politischen Bedürfnisse des jeweiligen Ministers zu verstehen. Der politisch neutrale Beamte, allerdings nach der britischen Erfahrung, kann diese Fähigkeit in vollem Maße besitzen, bzw. entwickeln. Aber es scheint mir, daß das Problem etwas anders aussieht, wenn es sich um die Führungsaufgabe eines Ministers in bezug auf die längerfristige Planung handelt. Hier habe ich den Eindruck - und ich spreche jetzt aus der britischen Erfahrung -, daß die politische Spitze sich in zunehmendem Maße dem großen Verwaltungsapparat gegenüber isoliert empfindet. Und eben aus diesem Grund merke ich in Großbritannien eine Neigung - und es ist sicher bis jetzt nicht mehr als eine vorsichtige Neigung -, die Planungsaufgaben im engeren Sinne als diejenigen zu betrachten, die sozusagen allmählich politisiert werden können, damit eben auf diese Weise die ministerielle Spitze gewisse Hoffnungen haben kann, daß ihre Vorstellungen in diese längerfristige Planung eingebracht werden können. Ich muß betonen, daß die vorläufige britische Erfahrung mit "policy staffs" und "planning units" keine rasche Hinwendung zum Aufbau von politisch engagierten Stäben zeigt. Meistens begnügte sich die Führung mit Personal aus dem Apparat. Aber diese erwähnte Isolierung der politischen Spitze dem Apparat gegenüber wird immer stärker hervortreten, und es gibt schon Zeichen für die Suche nach Außenseitern, die bereit sind, eben im Bereich der Umsetzung von politischen Zielvorstellungen in der Verwaltung tätig zu sein. Dadurch gewinnt das Problem der Führung einen neuen Aspekt, jedenfalls im Rahmen der britischen Praxis. Wahl: Ich möchte zum heutigen Thema der Organisation der Führungsspitze einen Beitrag von einem Aspekt her geben, der zunächst technisch aussehen mag, nämlich von dem Aspekt der Vertretung des Ministers her. Die Vertretungsregelung für den Minister ist aber ein Indikator für die Klarheit der Gliederung der ministeriellen Leitungsebene; an ihr läßt sich zugleich die Entwicklung der Ministerialorganisation an der Spitze in den letzten Jahren ablesen, nämlich die Entwicklung von einer klaren und einfachen Gliederung in den Minister als Spitze und in den beamteten Staatssekretär als ständigen Vertreter zu einer komplizierteren organisatorischen Form, die heute allein durch den Einbau der Parlamentarischen Staatssekretäre eingetreten ist, ohne daß aber diese

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kompliziertere Form eine neue klare Gliederung und Strukturierung erhalten hätte, wie der bekannte Streit zwischen den beamteten Staatssekretären und den Parlamentarischen Staatssekretären um Kompetenzen und um die Vertretungsbefugnis beweist. Im ursprünglichen Modell, das vor einigen Jahren an dieser Stelle Staatssekretär Duppre idealisierend als "Tandem-Modell" vorgestellt hat, wurde der Minister als der politische Leiter durch den beamteten Staatssekretär als "Amtschef" vertreten. Als ständiger Vertreter wurde der Staatssekretär aber nicht nur in Abwesenheit des Ministers für diesen tätig, sondern gemäß der organisatorisch-institutionellen Bedeutung der Figur der ständigen Vertretung war er der zweite Mann der Behörde, das alter ego des Ministers. Außerdem hat die Figur des ständigen Vertreters in der Ministerialinstanz noch die Funktion gehabt, in der strukturell inhomogenen Organisation des Ministeriums - strukturell inhomogen deswegen, weil es einen politisch auswechselbaren Minister als Leiter und einen ständigen Ministerialkörper hat - die Vermittlung zwischen dem Bereich des Kabinetts und dem ständigen Ministerialkörper zu leisten. Es ist bekannt, daß dieses Modell an den Bedingungen der Praxis, an der Aufgabenfülle der Spitze des Ministeriums gescheitert ist. Es ist weiterhin daran gescheitert - und dies ist ein zweiter Punkt -, daß es die Tendenz zur weiteren stärkeren Akzentuierung der politischen Betätigung der beamteten Staatssekretäre forcierte. Politisierung der Staatssekretäre bedeutet hier, daß für sie das gilt, was für die Minister in einer Demokratie üblich ist, nämlich Auswechselbarkeit. Die Einführung der Parlamentarischen Staatssekretäre hatte demgegenüber auch den Sinn, dieser Tendenz entgegenzuwirken und die beamteten Staatssekretäre auf ihre wichtigste Funktion zurückzubringen, nämlich auf die Rolle als permanenter Staatssekretär, als ständige beamtete Spitze des Ministerialkörpers. Durch die Hinzunahme der Parlamentarischen Staatssekretäre ist nun die Spitze des Ministeriums komplizierter geworden, eine Folge, die jedoch nicht gegen die Institution des Parlamentarischen Staatssekretärs gewendet werden kann, sondern die sich aus der Aufgabenfülle der Leitungsebene und dem Zwang zur Differenzierung ergibt. Wegen dieser vorhandenen und weiter zunehmenden Aufgabenfülle muß das Subsystem Führungsspitze auch in Zukunft komplex bleiben und eher noch komplexer werden. In der Führungsebene müssen die in der Diskussion schon mehrfach angesprochenen Funktionen - der Planungschef, das Kabinettsreferat, Referat für Öffentlichkeitsarbeit, Referate für die Verbindung zu den Planungsausschüssen der Gemeinschaftsaufgaben, Stellen zur Aufnahme von wissenschaftlicher Beratung - angesiedelt sein; nur so kann das Subsystem Führung eine genügend große Eigenkomplexität erhalten, die es erst in die Lage versetzt, ein großes Haus zu leiten.

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Diese differenzierte politische Leitungsebene erfordert nun aber und daran mangelt es zur Zeit - eine neue und klare organisatorische Strukturierung. Das mehrfach vorgeschlagene Leitungsgremium erfüllt zwar zu einem Teil die gesteigerten Informations- und Kommunikationsbedürfnisse, es ermöglicht auch eine Steigerung der Leitungskapazität; eine klare und sachgemäße Gliederung ist jedoch bei Beibehaltung der ständigen Vertretung des Ministers durch den beamteten Staatssekretär nicht zu erreichen. Die bestehende Vertretungsregelung reduziert die Leitungsebene in den formalisierten Entscheidungsprozessen auf die zwei Gliederungselemente Minister und den beamteten Staatssekretär, sie zeichnet eine hierarchisch geprägte organisatorische Hauptlinie und ihr entsprechende Informationslinien vom Minister über den beamteten Staatssekretär zu den Abteilungen und umgekehrt vor. Durch die Beibehaltung des undifferenzierten Hierarchiemodells werden aber die erwähnten anderen Führungsstellen organisatorisch an die Seite und aus dem Informationsstrom hinausgedrängt. Eine klare Strukturierung setzt statt dessen die organisatorische Verselbständigung der Ministervertretung im Amt des Parlamentarischen Staatssekretärs voraus, als ständiger Vertreter und als politischer Ministergehilfe wird der Parlamentarische Staatssekretär dann zugleich Richtungs- und Orientierungspunkt für die erwähnten anderen Führungspersonen. Die Vermittlung zum Ministerialkörper ergibt sich durch das und im Leitungsgremium, dem der beamteten Staatssekretär angehört. Pusic: Nach der bisherigen Diskussion, glaube ich, sind wir uns darüber einig, daß das Hauptproblem, das durch das Referat eigentlich initiert wurde, das Problem des Verhältnisses des Politischen zum Verwaltungstechnischen ist, die Rolle des politischen Elements in der Ministerialverwaltung.

Es wäre natürlich das Einfachste, uns zufriedenzugeben mit der Einsicht, daß eine Konvergenz besteht und daß es allmählich immer schwerer wird, das Politische vom Verwaltungstechnischen zu scheiden. Das ist wohl eine Tendenz, die uns irgendwie in allen Ländern zu Bewußtsein gekommen ist. Nehmen wir als Beispiel nur die Planungstätigkeit, besonders meine ich dabei die Wirtschaftsplanung, wo politische und technische Elemente miteinander fast unzertrennbar verknüpft sind. Trotzdem glaube ich, daß einige grundlegende Probleme der Ministerialorganisation und der Führungsschicht, wie sie im Referat angeschnitten wurden, nicht aufgegriffen werden können, ohne daß man sich irgendwie mit dem Problem des Verhältnisses vom Politischen zum Verwaltungstechnischen auseinandersetzt. Ich möchte hier daher eine etwas unorthodoxe Definition der Politik vertreten. Was meinen wir, wenn wir von Politik sprechen? Was ist das politische Element? Gewöhnlich geben wir uns mit einer formellen Be-

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griffsbestimmung zufrieden; wir meinen, das sind die Entscheidungen, die durch verfassungsrechtlich designierte politische Körperschaften getroffen werden. Natürlich verläßt uns diese formelle Definition eben in dem Problem, das wir behandeln, nämlich beim politischen Element in der Ministerialorganisation. Daher würde ich vorerst vorschlagen, das Politische negativ zu definieren als einen vergrößerten Manövrierungsraum. Ich würde sagen: Der politische Bereich fängt dort an, wo in der Verwaltungstätigkeit objektive Handlungsgrundlagen fehlen. Objektive Handlungsgrundlagen, glaube ich, können auf zwei Arten verstanden werden. Eins ist die verwaltungstechnische Produktion - lassen Sie mich das versuchsweise so nennen -, wo es bestimmte technisch definierte und auf technischer Grundlage zu vollziehende Aufgaben gibt. Da bestehen objektive produktionstechnische Handlungsgrundlagen, die jeder Willkür und jeder Entscheidung ganz bestimmte Grenzen setzen. Im industriellen Betrieb z. B. sind diese Handlungsgrenzen relativ eng bestimmt, während sie in der Staatsverwaltung so viel Spielraum lassen, daß man eigentlich nicht gen au weiß, was man mit diesem Spielraum anfangen soll; denn in den Bereich, wo objektive produktionstechnische Grundlagen fehlen, dringen die Interessen ein. Interessen gibt es natürlich sehr verschiedene. Welche Interessen sind legitimiert und welche unlegitimierten Interessen finden die Möglichkeit, in das Verwaltungsbenehmen, in das Verwaltungsgeschehen einzudringen? Wir können wenigstens, glaube ich, vier Niveaus dieser Interessen unterscheiden. Vor allem die Interessen der Wähler, die eigentlich zur Legitimation des ganzen politischen Betriebes als Institution dienen; dann die Interessen der politischen Partei, die durch die Wählerinteressen legitimiert werden, aber keineswegs mit ihnen identisch sein müssen; dann die Interessen des Führungsgremiums - wie immer verstanden - und viertens die Interessen des Ministeriums als Verwaltungsassoziation, als Assoziation von Menschen, die ihre Interessen persönlich und auch als Kollektiv haben und sie vorzubringen trachten. In dieser ganzen Spannweite zwischen den Interessen der Wähler und den Interessen der Verwaltung als Menschenkollektiv gibt es einen ganz signifikanten Unterschied. Die Interessen der Wähler sind am weitesten entfernt vom Verwaltungsgeschehen, werden aber am öftesten erwähnt und dienen als Grundlage der Legitimierung dessen, was vorgeht; hingegen kommen die Interessen des Ministerium-Kollektivs, des Verwaltungskollektivs, der Leute, die im Ministerium arbeiten, sehr oft direkt zum Ausdruck, während sie aber keine Legitimierungsmöglichkeit haben und daher niemals in die Diskussion eingeführt werden. Daher ist die ganze Diskussion über dieses Element des Politischen eigentlich von einem Mißverständnis geplagt. Die Interessen, die man am öftesten als politische unterstreicht, haben am wenigsten Möglichkeit, wirklich zum Vorschein

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zu kommen. Hingegen sind die Interessen, die sehr lebendig im täglichen Betrieb des Ministeriums anwesend sind, nicht legitimiert und werden daher überhaupt nicht besprochen. Natürlich läßt sich das Problem dadurch nicht aus der Welt schaffen. Es kommt im Referat vor in der interessanten Gegenüberstellung des beamteten Staatssekretärs und des parlamentarischen Staatssekretärs, des permanent secretary und des parliamentary secretary in England, das Problem der Rolle des Chef de Cabinet in der französischen Verwaltung. Aus der jugoslawischen Verwaltung kann ich dazu ein besonders extremes Beispiel beitragen. Seit dem Jahre 1953 hat die jugoslawische Verwaltung vier Reformen durchgemacht, in welchen das Verhältnis zwischen dem politischen und dem verwaltungs technischen Element in der Führungsschicht der Zentralressorts zweimal in entgegengesetzter Richtung geändert wurde. Zweimal hat man den Standpunkt eingenommen, daß das verantwortliche Mitglied der Regierung gleichzeitig auch an der Spitze des Ressorts stehen soll. Zweimal hingegen hat man den gegenteiligen Standpunkt eingenommen, daß die Regierung nur als Kollektiv funktioniert, während die Ressorts von beamteten Chefs geleitet werden sollen. Das Dilemma ist klar: Soll man die Verbindung zwischen der Regierung und der Verwaltung opfern, um durch dieses Opfer eine Isolierung der Regierungsinteressen gegen Verwaltungsinteressen, gegen bürokratische Einflüsse zu sichern? Oder soll man hingegen die bürokratischen Einflüsse, die durch die Regierungsmitglieder, die zugleich Ressortchefs sind, auf die Regierung einströmen, in Kauf nehmen, um eine sichere Koordination des Verwaltungssystems zu gewährleisten? Ich glaube, dieses Problem läßt sich nicht einheitlich für alle Zweige der Verwaltung beantworten. Ich würde einfach eine Hypothese aufstellen, obwohl ich - wie ich gleich sagen muß - überhaupt kein komparatives Material besitze. Vor allem, glaube ich, es ist irgendwie plausibel, daß das Sachgebiet des Verwaltungszweiges dabei eine Rolle spielt. Ist es ein überwiegend technisches Sachgebiet, wird das technische Element einen Vorrang haben und das politische, also dieses ohne objektive Handlungsgrundlagen vor sich gehende Entschließen, zurückschieben. Hingegen in Sachgebieten, die nicht so technisch definiert sind, z. B. im Ressort des Innern usw., wird oft das Gegenteil vorkommen. Zweitens, würde ich erwarten, daß die Größe des Ressorts auf die politischen Einflüsse und die Rolle des politischen Elements einen ziemlichen Einfluß haben dürfte. Es würde interessant sein, wenn jemand unserer deutschen Kollegen uns sagen könnte, ob die Zusammenlegung des Wirtschaftsministeriums mit dem Finanzministerium in der Bundesrepublik die Folge gehabt hat, daß das politische Element in diesem jetzt vergrößerten Ministerium stärker zum Vorschein gekommen ist. Die Größe, glaube ich, würde da eine Rolle spielen. Drittens besteht die Frage der Einheit; wo Einheit notwendiger

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ist, würde ich voraussichtlich mehr politischen Einfluß erwarten, wo hingegen eine "konföderative" Organisation eines Ressorts annehmbar ist, glaube ich, würde der politische Einfluß weniger bemerkbar sein. Und endlich viertens dürfte das Tempo der Veränderungen in einem Verwaltungszweig auch eine Rolle spielen. Wenn Veränderungen zu erwarten sind und ein Ressort in seinem Aufgabenkreis einer schnellen Entwicklung entgegensieht, dürfte die das politische Element in seiner Führung stärken, dieses diskretionäre, ohne objektive Handlungsgrundlagen vor sich gehende Handeln. Diese vier Hypothesen sind einfach in die Diskussion geworfen, um Gegenargumente zu hören. Wie ich gesagt habe, habe ich kein empirisches Material, um darauf eine Antwort zu geben. Böckenförde: Ich möchte im Anschluß an die Voten von Magnifizenz Knöpfle und Herrn Johnson noch einmal auf das Problem der Führung zurückkommen. Mir scheint, es ist wichtig zu sehen, daß die politische Führung des Ministeriums eine Doppelaufgabe hat. Herr Wagener hat in seinen Thesen die Planungsaufgabe, die Zielfindungsaufgabe in den Vordergrund gestellt und dafür die Führungskonferenz gefordert. Daneben steht aber die Aufgabe der Ressortleitung. Dafür ist eine Führungskonferenz sicher ebenso erforderlich, aber sie reicht hier in der Besetzung, die Herr Wagener ihr gegeben hat, wohl nicht aus. Es entsteht das Problem der Einschaltung der Abteilungsleiter und überhaupt der Verwaltung des Hauses in die politische Führung. Wenn gegenwärtig Abteilungsleiterkonferenzen "Morgenandachten" sind, dann besagt das ja noch nicht, daß das von der Struktur her nicht geändert werden könnte, um Informations- und Kommunikationsdefizite zu beseitigen. Im Hinblick auf die erste Funktion dieser Führungskonferenz, die politische Zielplanung, habe ich allerdings einige Bedenken gegen Ihren Vorschlag, Herr Wagener. Sie werden bei diesem Gremium, so wie Sie es konzipiert haben, die Zeitknappheit nie überwinden. Die ist darin strukturell. Sie werden dieses Gremium allenfalls dazu bekommen, daß es mal seine Meinung sagt, in den Planungsprozeß hinein gewisse Vorgaben macht und dann die abschließende Koordination und Entscheidung trifft. Dazwischen muß ihm zugearbeitet werden. Das haben Sie ja auch durch die relative Verselbständigung des Planungsstabs berücksichtigt. Aber es kommt noch etwas hinzu. Jede mittelfristige Planung von Aufgaben des Ministeriums wird ja heute notwendig eine interministerielle Planung; sie überschreitet die Grenzen des Ressorts, und das Problem ist, wie das mit der Gesamtplanung der Regierung koordiniert werden kann. Wir werden, meine ich, immer schärfer vor die Frage geführt, wieweit die Ressortselbständigkeit im bisherigen Sinn noch aufrechtzuerhalten ist. Die Planung muß, genau besehen, in der Weise stattfinden, daß bestimmte Zielvorgaben von der Gesamtregierung kommen, die Rahmen und Daten

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sind für die Planung in den Ressorts, so daß nicht von den Ressorts her koordiniert wird im Sinne eines Ausgleichs von Widersprüchen, sondern umgekehrt, daß eine Vorgabe da ist, zu deren Rahmen erst die Planung der Ressorts einsetzt. Diese Vorgaben müssen natürlich auch geplant werden. Zu überlegen wäre daher, wie man diesen Planungsstab einerseits als Regierungsstab, der aber nicht über den Ministerien schwebt, sondern mit ihnen verknüpft ist, organisieren kann. Ich möchte jetzt nicht weiter darauf eingehen, weil wir darüber ja noch zu sprechen haben werden!. Hinsichtlich der Ressortleitung, der zweiten Aufgabe der Führungskonferenz, wäre zu überlegen, ob man hier nicht flexibel vorgehen kann. Es müssen ja nicht jedesmal alle Abteilungsleiter dabei sein. Natürlich ist ein Gremium von 15 - 20 Leuten als wirkliches Führungsgremium zu groß. Aber die Heranziehung kann doch von Fall zu Fall erfolgen, je nachdem, worum es sich handelt. Gleichwohl kann aber diese Heranziehung institutionalisiert werden. Man kann auch insofern beweglich sein, als sich, wenn es um Entscheidungen über Zielplanung geht, ein kleineres Gremium versammelt, hingegen wenn es um die Ressortleitung geht, ein größeres Gremium. Im letzteren Fall stellt sich allerdings das weitere Problem, ob es eigentlich mit der Hinzuziehung von Abteilungsleitern getan ist. Das konkrete Fachwissen ist ja oft einige Hierarchiestufen darunter, beim Referenten, versammelt. Soll dieses Fachwissen eingebracht werden, so ist es gar nicht immer günstig, wenn es erst durch die verschiedenen Hierarchie-Filter läuft. Auch in dieser Hinsicht müßte dieses Führungsgremium flexibel zusammengesetzt werden können. Das setzt freilich voraus, daß man in der innerministeriellen Organisation etwas von der strengen Hierarchie wegkommt, also daß es unmittelbare Zugangsmöglichkeiten auch für Referenten gibt und daß daraus nicht ein "kollegiales" und Rangproblem wird. Henle: Gestatten Sie einem alten Ministerialbürokraten einige Bemerkungen. Zunächst die, daß er sich freuen würde, wenn er seine Ausführungen so formulieren könnte, daß sie fugenlos mit denen seiner beiden Vorredner, denen er vollkommen zustimmt, übereinstimmen würden. Insbesondere war es mein Vorvorredner, der den Unterschied, den wie ich meine - eigentlichen Unterschied zwischen dem Politischen und dem Bürokratischen hervorgehoben hat. Wir waren in dieser Diskussion zu der Auffassung gelangt, daß in den Ministerialapparaten diese beiden Elemente des Politischen und des Bürokratischen in eine Gemengelage geraten sind, die unentwirrbar ist, in eine Gemengelage, die zu entwirren man sich gar nicht mehr bemühen sollte. Und in der Tat, es ist zweifellos richtig, daß ein Tatbestand, der heute rein administrativ ist, morgen 1

Vgl. den Diskussionsbeitrag zum Referat Leemans, unten S. 440 ff.

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politisch sein kann. Aber wenngleich man die Dinge nicht chemisch rein voneinander trennen kann und deshalb auch nicht organisatorisch, so können sie trotzdem nebeneinander existent sein. Meiner Meinung nach baut die Organisation und die tagtägliche Arbeit der Ministerien auf diesem Konflikt zwischen dem Politischen und dem Administrativen auf. Man kann diesen Konflikt nur überbrücken. Ich komme zu dem Ergebnis, daß gerade die Spitzenleute der Bürokratie so etwas wie die gentlemen negotiators sein sollten. Es ist ihre Aufgabe, die Brücke zwischen dem einen und dem anderen herzustellen. Bevor ich aber auf diesen Tatbestand noch einmal zurückkomme, gestatten Sie mir, daß ich auf etwas eingehe, was mir in den ausgezeichneten Ausführungen unseres Freundes Professor Wagener aufgefallen ist. Er hat sich die Mühe gemacht, die Zahl der Menschen zusammenzustellen, die in den Bonner Ministerien arbeiten und er ist auf eine Zahl von 18 000 gekommen. Er hat angefügt die Zahl der Menschen, die in den Ministerien des Landes Nordrhein-Westfalen arbeiten; es sind über 3000. Ich darf ergänzen: in Bayern sind es ebenfalls 3300 Leute. Die Zahlen sind also wesentlich kleiner als in Bonn. Aber wenn wir die Länderzahlen addieren und die Bundeszahlen noch dazunehmen, so kommen wir zu einer gewaltigen Bürokratenmasse, die in den Ministerien arbeitet, und ganz spontan ist bei mir die Erinnerung an ein Wort von Churchill aufgetaucht. Sie kennen es vielleicht: In einer schweren Stunde Englands erklärte er, noch nie und nirgends hätten so wenige Leute so viel geleistet. Ich habe mich gefragt, ob man dieses Wort über die Türen der Ministerien schreiben könnte. Und ich habe dieses Fragezeichen in meinem Geiste nicht beseitigen können. Ich bin nicht davon überzeugt, daß unsere Ministerien wirklich das an Effektivität leisten, was so viele tüchtige und ehrgeizige Menschen vielleicht produzieren könnten oder produzieren sollten. Vielleicht liegt das an Fragen der Organisation. Es sind also gewaltige Apparate, die hier tätig sind, und wenn ich mir nun die Rolle des Mannes vorstelle, wenn ich mich einzufühlen versuche in den Mann, der als Politiker an die Spitze eines solchen Apparats gestellt wird, so glaube ich, daß man hier zu Erklärungen kommen kann, warum die Dinge so laufen wie sie laufen. Es ist die Doppelfunktion des Politikers, der nun, plötzlich vom Parlament herkommend, mit der Bürokratie in Berührung tritt, der Amtschef eines gewaltigen Apparats wird. Und es ist nicht jedermann gegeben, einem solchen Apparat vorzustehen, einen solchen Apparat zu leiten und mit dem Klavier zu spielen. Wer vom Parlament herkommt, hat ein anderes Informationsbild, er sieht mit einer anderen Optik als die Leute, mit denen er nun zusammenstößt. Die Wissens bereiche sind verschieden, und es kommt dann oft zu den Transmissionsschwierigkeiten. Zu den Transmissionsschwierigkeiten kommt es ganz besonders dort, wo die Bürokratie sich nicht in der Lage findet,

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Gefälligkeiten zu erweisen, die jeder Politiker gerne erweisen möchte. Und damit komme ich - glaube ich - zu dem Anfang eines außerordentlich wichtigen Moments. Der Minister als Politiker steht in einem außerordentlich harten Existenzkampf. Es wird von ihm kolossal viel verlangt. Das darf man keinen Moment verkennen. Und infolgedessen sind seine Forderungen - und das halte ich für ein außerordentlich wichtiges Moment -, die Forderungen an den Apparat, an die Unterstützung durch den Apparat, Maximalforderungen. Maximalforderungen, die oft die Leistungsfähigkeit des Hauses übersteigen, die oft auch, was ihre Verwirklichung anlangt, sowohl von dem Menschenpotential wie vor allem von dem Finanzpotential her illusionär sind. Es wird durch den Minister nicht nur Maximales verlangt, es werden durch ihn in ununterbrochener Folge multa verlangt, inkohärente multa und leider oft nicht multum. Und in dem Augenblick kommt nun dieses Moment der Kurzfristigkeit herein. Die Politik fragt nach Zeit und Stunde nicht. Wir werden unvorhersehbar mit vielen Wünschen und Anforderungen überschwemmt. Dadurch entsteht sehr leicht der Eindruck der mangelnden Planung und der Planungslosigkeit überhaupt. Nun, wir sind wieder angelangt bei dem Planungsmoment und ich möchte die Formulierung wagen: "Planung ist die Kunst des Möglichen." Es scheint mir nicht ratsam, "Planungsgruppen" zu bilden und sie mit der Planung "gemeinhin" zu beauftragen. Ich habe solche Planungsgruppen erlebt und scheitern gesehen. Man kann nicht in einem Faradayschen Käfig planen. Man kann nur planen dort, wo die Arbeit geleistet wird, die geplant werden soll: die konkrete Arbeit im Krankenhauswesen, im Straßenbau, an der Steuer. Nur dort kann man etwa Steuerreform machen. Man kann nicht von der Universität kommen mit dem besten Assesorenexamen und dem besten politischen Parteiausweis und Steuerreform machen, meine Herren, und man kann auch etwa Währungspläne nicht machen, wenn man nicht Experte auf diesem Gebiet geworden ist. Planung setzt Erfahrung mit der Materie voraus. Infolgedessen: es muß meiner Ansicht nach geplant werden in den Abteilungen und in den Referaten, was allerdings "Projektgruppen" keinen Abtrag tut. Im Gegenteil: Projektgruppen mit konkreten Aufträgen innerhalb des Ministeriums und interministeriell scheinen mir sehr gute Arbeit zu leisten. Und das, wo Sie gearbeitet haben, Herr Kollege Wagener, war ja wohl eher eine solche Projektgruppe als eine Planungsgruppe. Damit, meine Herren, bin ich eigentlich am Ende meiner Ausführungen angelangt. Darf ich zusammenfassen: es wäre m. E. gerade Aufgabe des Amtschefs und seiner Abteilungsleiter, miteinander zu koordinieren auf der einen Seite das, was an Administration passiert und es in Einklang zu bringen mit dem, was politisch gefordert wird, sozusagen die Nahtstelle zwischen Politik und Verwaltungs technik zu bilden, den gentlemen negotiator,

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wenn ich dieses Wort wiederholen darf, zwischen beiden. Herr Böckenförde hat - das ist mein letztes Wort - noch die Notwendigkeit der Generalstabsplanung angeschnitten. Ich möchte sagen: es ist außerordentlich schade, daß wir zu unserer Studienzeit mit den Methoden der Planung und mit den Methoden der Organisation in keiner Weise vertraut gemacht worden sind. Die Ausbildung der jungen Leute, die in den Staatsdienst gehen, ob das nun in Zukunft Juristen sein werden oder nicht, sollte gerade diese Dinge in ihr Kalkül sehr wesentlich einbeziehen. Ich bedanke mich sehr für Ihre Aufmerksamkeit. Heydt: Mehrfach ist hier die Stellung des parlamentarischen Staatssekretärs angesprochen worden. Ich habe den Eindruck, daß man viel zu sehr davon ausgeht, dabei handele es sich bereits um eine fest umrissene Institution. Demgegenüber möchte ich auf eine Antwort hinweisen, die der Bundesminister des Innern im April 1970 auf eine kleine Anfrage der eDU-Fraktion im Bundestag gegeben hat und in der die parlamentarischen Staatssekretäre der damals 15 Ministerien - einschließlich des Bundeskanzleramtes - recht deutlich charakterisiert worden sind (BTDrs. VI(642). Danach handelt es sich wohl mehr um eine Position, die auf den jeweiligen Amtsinhaber zugeschnitten ist. Das wird besonders deutlich, wenn ich den kürzesten Passus zitieren darf, der den parlamentarischen Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz betrifft: "Von einer Regelung über die Stellung des parlamentarischen Staatssekretärs ist bisher abgesehen worden, weil der parlamentarische Staatssekretär seit längerer Zeit erkrankt ist." Im übrigen sind auch die Regelungen, die über das Gesetz über die parlamentarischen Staatssekretäre hinaus die Stellung des einzelnen gefunden hat, von Ministerium zu Ministerium höchst unterschiedlich. Es gibt nur zwei Ministerien - vom Justizministerium abgesehen -, in denen eine nähere Regelung nicht getroffen wurde, und zwar sind dieses das Städtebauministerium und bezeichnenderweise das Verteidigungsministerium mit seinem doch immerhin recht großen Apparat. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von Regelungen, die insbesondere auch den Verkehr "mit dem Ministerium" - wie es so schön darin heißt - betreffen. Insbesondere geht in sechs Ministerien wie ich hier sehe - der Verkehr mit dem Ministerium stets über den beamteten Staatssekretär. Dann ist hier geäußert worden, ob nicht der parlamentarische Staatssekretär möglicherweise in der Hierarchie eine weitere Ebene darstellt. Ich darf Ihnen dazu ein Organigramm des Auswärtigen Amtes kurz vorführen, soweit die Staatssekretäre betroffen sind. Unter dem Bundesaußenminister finden sich in schöner Eintracht nebeneinander zwei. beamtete Staatssekretäre und ein parlamentarischer Staatssekretär. Kein Unterschied irgendeiner Form ist zu sehen, was noch mehr dadurch verdeutlicht wird, daß auch dem parlamentarischen Staatssekretär unmittel-

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bar einige Referate zugeordnet sind, denen gegenüber er unmittelbar weisungsbefugt ist. Laux: Ich möchte nicht die Diskussion kritisieren, aber wir sollten anhand dieses Referates über einen Teil eines Gesamtprozesses diskutieren, d. h. über den Führungsprozeß in seiner Gesamtheit, nicht nur in der oberen Führung. Das gleiche gilt für die Planung. Der Planungsprozeß vollzieht sich überall dort, wo politische und administrative ManagementFunktionen feststellbar sind. Wir dürfen den Aspekt auf das Ganze nicht verlieren. Das zeigt sich deutlich an den kritischen Bemerkungen zur Aufgabe der sog. Führungskonferenz. Diese Führungskonferenz soll nicht planen, indem sie Entwürfe aufstellt, sondern sie hat innerhalb des Planungsprozesses ganz bestimmte Funktionen. Diese Funktionen liegen in der Planungsinitiative, in koordinierenden Aufgaben, in der Auswahl von vorgelegten Alternativen. Hier kann der Beschluß über vorgelegte planerische Konzeptionen liegen.

Nur durch solche differenzierende Betrachtung des Planungsproblems werden wir überhaupt die Frage nach den Organisationsformen beantworten können. Nun haben wir nicht beliebig viele Organisationsformen für die Gestaltung der Struktur der oberen Führung zur Verfügung. Es wird immer darauf ankommen, welche Rolle bzw. Rollenfunktion von einem Einzelnen dargestellt werden kann und sollte oder wo ein kollektiver Prozeß und damit eine kollektive Organisationsform zweckmäßiger ist. In der amerikanischen Konzernorganisation ist man in diesen Überlegungen zur Funktionsverteilung innerhalb des Führungsgremiums wesentlich weiter als in Deutschland. Bei uns wird für die oberen Führungskräfte unterstellt, daß sie alles können und damit alle Führungsfunktionen in sich vereinigen können. In amerikanischen Großkonzernen findet man gelegentlich ein dreiköpfiges Spitzengremium: einen Chairman, der außer' seinen repräsentativen Funktionen für die Integration der Geschäftspolitik verantwortlich ist, einen Vize-Chairman, der Kontrollfunktionen (Erfolgskontrolle) ausübt und der meist unmittelbaren Kontakt zum sog. Controller hat, und den President, der Chef der Exekutive ist. Sie bilden ein Führungsgremium unter Hinzuziehung weiterer Führungskräfte (executive vice presidents). Auch wenn dieses Beispiel nicht unmittelbar übertragbar ist, könnte es trotz der verfassungsrechtlichen Bestimmungen zum Nachdenken über die Verbesserung des Führungsprozesses durch Funktionsteilung anregen. Schlußwort Wagener: Wir haben in einer erstaunlichen Präzision die Zeit, die uns zur Verfügung stand, ausgefüllt. Ich will daher das Notwendige dazu tun, daß wir pünktlich fertig werden. Das bedeutet, daß ich nicht auf alle interessanten Fragen und Ausführungen eingehen kann. Einiges darf ich doch aufgreifen. Weiteres wird sich im Laufe der nächsten Tage sicher noch erörtern lassen.

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Zunächst muß ich gestehen, daß in meiner Ausarbeitung die Frage der Tagesgeschäfte, der effektiven Erledigung dessen, was kurzfristig auf die Führung in einem Ministerium zukommt, vernachlässigt ist. Ich meinte das tun zu können, weil ich der Ansicht bin, daß sowohl in der Bundesrepublik als auch in Frankreich und in Großbritannien dieses Tagesgeschäft im Durchschnitt ordnungsgemäß und effektiv erledigt wird. Die bisherige gestufte Organisation in Verantwortungsbereiche für den Referenten, den Unterabteilungsleiter, den Abteilungsleiter und den Staatssekretär (übertrieben: die "Kästchenzuständigkeit in einer hierarchischen Struktur") ist zur Erledigung der Tagesgeschäfte offenbar das Richtige und das relativ am besten arbeitende Organisationsschema. Sehr viel besser als es in diesem Bereich heute funktioniert (unter den Bedingungen der laufend wachsenden Fülle von Aufgaben) können wir es nicht organisieren. Es ist klar, daß man die Kenntnisse, die Reaktionsfähigkeit und die Schnelligkeit der beteiligten Personen verbessern kann. Aber ob man die Organisation grundlegend verbessern kann, das möchte ich bezweifeln. Der Minister und der Staatssekretär müssen in einer Krisensituation, bei einer schnellen Entscheidung über den Einzelfall wissen, an wen sie sich zu halten haben, und sei es der Hilfsreferent oder der Sachbearbeiter. Der "zuständige" Mann ist dann verantwortlich dafür, daß er das Entscheidungsmaterial sofort vorlegen kann. Herr Kollege J ohnson hat darauf hingewiesen, daß das "Kurzfristige in Schutz zu nehmen" sei. In einem Punkte gibt es tatsächlich für das Kurzfristige noch eine wesentliche Verbesserungsmöglichkeit. Ich möchte sie dort sehen, wo unser heutiger Normalapparat der Ministerien für die Tagesarbeit, für politische Ziele und für mittelfristige Führungsplanung stärker "sensibilisiert" werden muß. Der Normalbeamte, der sein Referat ordnungsgemäß verwaltet, muß immer, sozusagen im Hinterkopf, bei jeder Einzelentscheidung berücksichtigen: Wohin geht denn die Planungsrichtung des Ministeriums und der Regierung? Er sollte sich selbst jeweils fragen: Was würde der Chef jetzt wohl entscheiden? Zur Problematik der mittelfristigen Aufgabenplanung darf ich ein Beispiel aus einem Landesministerium bringen: Der Referent für Kindergärten hat eine ganz bestimmte Vorstellung, wie die Kindergärten in Zukunft aussehen sollen. Er hat auch etwas gelesen darüber, daß Fünfjährige besonders bildungsfähig sind. Er meint aber, diese Bildungsfähigkeit müßte im Kindergarten "ausgenutzt" werden. Der Referent für Grundschulfragen sagt zur gleichen Zeit: "Wir müssen die Fünf jährigen in einer Vorschule haben." Hier beginnt die Planungsfrage. Heute wird der Konflikt entweder so ausgetragen, daß gleichzeitig Vorschulversuche und Kindergartenerziehung eingeführt wird, oder derjenige, der in dieser Frage "vorprescht" wird "zurück-koordiniert", so daß gar nichts mehr geschieht. Helfen kann nur eine vorweggenommene Koordinierung, näm-

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lich Planung, die unverträgliches Handeln mehrerer Beteiligter selten macht. Das Interesse des Ministers und der Staatssekretäre für diesen Bereich muß motiviert werden. Hier müßten sie nachfragen. Deshalb brauchen wir eine Gruppe von Leuten, die hauptamtlich nichts anderes tun, als über solche Zukunftskonfiikte nachzudenken. Diese Nachdenkzeit ist im Endergebnis gut angelegt für das gesamtgesellschaftliche Wohl. Es wurde gefragt, was muß denn die Führungskonferenz tun, wenn ihr Ergebnisse dieser Denkarbeit vorgelegt werden. In der Führungskonferenz wird der Minister mit den Staatssekretären einschließlich der parlamentarischen Staatssekretäre nicht mehr in der Form der Hierarchie überlegen können. Hier sind sie Kollegen und jeder muß jeden anderen überzeugen. Es wird quasi mit Mehrheit, nach Möglichkeit einstimmig über die mittelfristige Richtung entschieden. Das kann man aber nur, wenn man eine Dauereinrichtung für eine solche Konferenz hat. Diese mittelfristige Motivierung für das Sehen von Problemen, das möchte ich hier in der vorgeschlagenen Führungskonferenz angesiedelt wissen. Fasziniert hat mich die Frage, die Herr Kollege Pusic gestellt hat: ist der Anteil des Politischen nicht stärker bei den nichttechnischen Aufgaben und kann das Technische nicht überwiegend bürokratisch-sachgesetzlich erledigt werden? Ist das Politische nicht in den Bereichen zu suchen, die besonders zukunftsträchtig sind, wo noch Entscheidungsbreiten offen sind? Wo man einen vergrößerten Manövrierrahmen hat, dort ist typisch Politik angesiedelt. Ich würde das auch unterstreichen. Ich sehe jedoch - jedenfalls unter den Bedingungen, wie ich sie in der Bundesrepublik kenne - kaum Ressorts, bei denen eindeutig technische Fragen überwiegen. Selbst wenn die Probleme vordergründig technisch sind, sind sie tatsächlich in hohem Maße zukunftsträchtig und schon deshalb politisch. Denken Sie an das Beispiel der Konkurrenz zwischen dem Straßenbau und den schienengebundenen Schnellverkehrssystemen. Der Straßenbauer sagt: "Meine Ressortaufgabe ist technisch zu sehen, ich muß möglichst viele Kilometer Straße bauen." Dennoch würde ich dies für eine hoch politische Frage, die schließlich politisch-planerisch entschieden werden muß, ansehen. Ich befürchte, daß jedenfalls unter unseren Verhältnissen kaum ein Ressort denkbar ist, das technisch und deshalb unpolitisch ist. Alle größeren Ressorts dürften jedenfalls genügend mittelfristiges Problemmaterial haben, um eine Planungsabteilung mit Nachdenkstoff mittelfristiger Art tragen und ausfüllen zu können.

ZWEITER TEIL

Die Organisation der Fachbereiche in den Ministerien

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I. Die Organisation der Operational Sections (Fachbereiche bzw. Referate) in zentralen Ministerien Von N evil J ohnson Einleitung Die Darstellung und Analyse dieses Themas bietet in mancherlei Hinsicht ernstliche Schwierigkeiten. Eine von ihnen besteht in dem fast völligen Fehlen an Veröffentlichungen, die sich mit derartigen Organisationsfragen beschäftigen. Eine weitere ergibt sich aus dem Mangel an empirischem Material über die innere Struktur staatlicher Ministerien. Untersuchungen sind bisher entweder überhaupt nicht durchgeführt worden, oder aber ihre Ergebnisse sind in den meisten Fällen einer öffentlichen Auswertung und Diskussion nicht zugänglich. Darüber hinaus leben wir in einer Periode der Veränderungen; dies vergrößert die Schwierigkeiten noch, endgültige Schlußfolgerungen hinsichtlich der Zweckdienlichkeit bestimmter organisatorischer Formen und ihrer Relevanz für zukünftige Bedürfnisse zu ziehen. Aus diesen Gründen ist das folgende weitgehend in nur sehr vorläufiger Form abgefaßt. Es dient mehr dazu, Fragen und Probleme anzudeuten, als daß gründlich erforschte Schlußfolgerungen über die Aufgabe der "operational sections" (Fachbereich bzw. Referat) gegeben werden können oder über die Form (bzw. Formen), die sie unter den gegenwärtigen Bedingungen annehmen sollte. 1. Der Begriff der Operational Section Während der meisten Zeit dieses Jahrhunderts wies die Organisation der Ministerien in Westeuropa und anderen Teilen der Welt, die von europäischen Methoden unmittelbar beeinflußt wurden, gewisse strukturelle Gleichartigkeiten auf. Dazu gehört die Einteilung der Ministerien in "operational sections", wie sie hier genannt werden sollen (Referate; bureaux). Diese Einheiten waren und sind häufig noch in vieler Hinsicht die Basiseinheiten oder "Zellen" der Organisation von Ministerien. Heutzutage findet man zwar in wachsendem Maße Zusammenfassungen von operational sections zu Abteilungen (divisions; directions) und Unterabteilungen, die ihrerseits die Gestalt von grundlegenden und notwendigen organisatorischen Formen annehmen. Man muß jedoch im Auge behalten, daß im allgemeinen zunächst die operational section die Basis8·

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Nevil Johnson

einheit des Verwaltungshandelns war, deren sich die Leitung der staatlichen Ministerien bediente, und daß die Abteilung erst später folgte. Die wesentlichen Merkmale der operational section waren folgende: sie stellte in der Struktur der Bürokratie in Ministerien die unterste Ebene dar, auf der politische Entscheidungen von Bedeutung (policy decisions) vorformuliert und teilweise auch gefällt wurden. Sie handelte im Namen der politischen und administrativen Lenkungsorgane als das anerkannte Zentrum in einem Ministerium an Autorität und an Fachwissen für verschiedene Aufgabenbereiche. Aus dem Blickwinkel der meistens ausführenden Dienststellen eines Ministeriums war sie die höchste Stelle der Hierarchie, von der man üblicherweise Instruktionen erhielt. Dadurch hatte die operational section eine entscheidende Mittlerrolle zwischen der Lenkung der Organisation und der Hauptmasse routinemäßigen Verwaltungshandeins. Die Bedeutung, die ihr zukam, läßt sich kaum treffender zusammenfassen, als es in der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien geschieht, in der es ausdrücklich heißt: "Die tragende Einheit im organisatorischen Aufbau des Ministeriums ist das Referat!." Die Beschreibung der operational section nach ihrer Stellung in der Organisationshierarchie wechselte von Land zu Land. Wie das obige Zitat zeigt, war und ist noch immer in Deutschland das Referat innerhalb der Struktur der Ministerien diejenige Stelle, die in allen bedeutenden Fragen einzuschalten ist. Der leitende Beamte eines Referates hatte deshalb eine relativ hohe Stellung und steht jetzt im allgemeinen im Rang eines Ministerialrats. In Großbritannien ist die operation al section hinsichtlich ihrer Position in der Struktur der Ministerien niemals derart genau definiert gewesen. Aber in früheren Jahrzehnten war sie eindeutig ein Dezernat (section), das mit einem Principal der Administrative Class besetzt wurde 2 • Auf der nächst höheren Ebene stand der Assistant Secretary, der mehr oder weniger dem gegenwärtigen Leiter einer division oder dem Under-Secretary entsprach. In den letzten 25 Jahren ist die operational section in der Hierarchie nach oben gewandert und umfaßt heutzutage sowohl die Stufen des Assistant Secretary wie des Principal, wobei die Betonung weit mehr auf dem ersten als auf dem zweiten liegt3 • In Frankreich lag die operation al section auf der Ebene GGO, Teil!, § 4 Abs. 2. Es gibt keinen allgemein anerkannten Begriff, der dem des Referats entspricht: einige Ministerien bezeichnen diese Ebene als "section" (Dezernat) andere als "branch" (Unterabteilung). 3 Der Versuch, die operational seetion mit bestimmten Diensträngen in Verbindung zu bringen, wird voraussichtlich als Folge der gegenwärtigen Strukturveränderungen des Civil Service, die eine Folge der Verwirklichung des Fulton Report sind, schwieriger werden: siehe unten. 1 2

Die Organisation der Operational Seetions

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des chef de bureau, tendiert heute aber ebenfalls zu der der sous-directions. In den größeren Federal agencies in den USA existiert kein organisatorisches Gegenstück; hinsichtlich ihres Ranges und ihrer Funktionen kommen aber Beamte des G. S. grades 16, 17 und 18 denjenigen am nächsten, mit denen in Europa die operation al sections besetzt sind. In der operational section haben wir ein Element der Ministerialorganisation vor uns, das eine bestimmte Methode der Auffächerung von Funktionen und Aufgaben im Ministerium widerspiegelt. Obwohl Variationen bestehen in der gen auen Bezeichnung der operation al sections, in den Dienstgraden der Beamten, mit denen sie besetzt sind, und im Grad der Genauigkeit, mit dem ihre Stellung in der Struktur der Ministerien definiert ist, ist das Grundschema ziemlich eindeutig. Ihrem Wesen nach repräsentiert die operational section einen Teilbereich des materiellen Aufgabenkatalogs des Ministeriums: Sie ist eine Methode, die Arbeit nach dem Gegenstand dergestalt zuzuteilen, daß einerseits im Interesse einer effektiven Aufgabenerfüllung eine thematische Spezialisierung ermöglicht und andererseits verhindert wird, daß die Arbeit in derart kleine oder zufällig umschriebene Teilbereiche aufgegliedert wird, die eine Gesamtschau der Aufgaben unmöglich machen würde. Die operational section hat in der Struktur der Ministerien in sehr erheblichem Umfang eine Schlüsselstellung als "Denkeinheit" inne gehabt. Dies beruht nicht so sehr darauf, daß etwa von dieser Ebene üblicherweise die politischen Grundsatzentscheidungen ausgegangen wären (obwohl dies häufig durchaus der Fall gewesen sein mag) oder daß sie die Quelle neuer Ideen gewesen wäre. Der Grund liegt vielmehr darin, daß hier die Ebene war, auf der Vorschläge und Konzeptionen, die von der politischen Führung genehmigt oder akzeptiert wurden, in konkrete legislative und administrative Maßnahmen umgesetzt wurden. Die operation al section war aus diesen Gründen eines der grundlegenden organisatorischen Mittel in der Zentralverwaltung, um sicher zu stellen, daß ein Ministerium seine Aufgaben wirksam erfüllen kann. Dieses Modell ist eher im Zusammenhang mit einer statischen als mit einer dynamischen Situation gesehen worden, wenn es auch zweifelhaft ist, ob sie in Wirklichkeit jemals so statisch war, wie einige Autoren letzthin gemeint haben. Wenn man sich das organisatorische Schema, innerhalb dessen die Idee der operation al section verwirklicht wurde, in groben Zügen klarmacht, kann man als seine Wesensmerkmale erkennen: (a) die Erwartung, daß das Schema im wesentlichen stabil bleiben werde (d. h. die Organisation werde grundsätzlich die gleiche Form behalten, auch falls das Ministerium als ganzes sich ausdehnen oder verkleinern sollte), und (b) eine verhältnismäßig geringe Zuwachsrate der staatlichen Funktionen. Der zweite Faktor war natürlich eine entscheidende Voraussetzung für die Erwartung einer Stabilität der Organisation. Im Gegen-

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satz dazu zeichnen sich die letzten beiden Jahrzehnte (in einigen Ländern eine noch längere Zeit) durch eine rapide Expansion der Aufgaben im öffentlichen Bereich und durch eine bemerkenswerte Entwicklung der Techniken aus, die zur Gestaltung der sozialen und ökonomischen Umwelt eingesetzt werden können. Eine wesentliche Konsequenz hieraus ist eine wachsende Herausforderung der herkömmlichen Organisationsmodelle: das System der Verwaltung hat gleichsam die Schmetterlingspuppe gesprengt, in die man es zu einem gewissen Zeitpunkt fein säuberlich eingefügt hatte. Wenn auch die Konsolidierung der operational section als einer wesentlichen Ebene in der Organisation von Ministerien eine bestimmte Ansicht über die rationale Auf teilung von Verwaltungstätigkeit zum Ausdruck brachte und insoweit eine technische Lösung einer Vielzahl praktischer Organisationsprobleme darstellt, darf andererseits nicht übersehen werden, daß sie auch eine politische Daseinsberechtigung hatte. Sie bestand darin, eine Lokalisierung der Verantwortlichkeit zu erleichtern, d. h. einerseits war es der obersten Lenkung des Ministeriums möglich zu erkennen, wer für was zuständig war, und andererseits konnte den auf der Hierarchie Tieferstehenden klargemacht werden, worin ihre Pflichten bestanden. Die Verwendung dieser relativ stabilen und klar definierten Organisationseinheiten diente somit einer Vielzahl von Zwecken neben dem umfassenden Zweck, die Effizienz der Verwaltung zu vergrößern: sie sollte dazu beitragen, daß die Ministerien intern den Erfordernissen der Zielvorstellungen seitens der politischen Führungsspitze entsprechen konnten, sie präzisierte die Befugnisse und Pflichten einzelner Beamter und machte es weiterhin möglich, das einzelne Verwaltungshandeln einer externen rechtlichen und politischen Kontrolle zu unterwerfen, indem sie zur Erhaltung eines überschaubaren Handlungsgefüges beitrug. 2. Der problematische Charakter der Operational Section in der gegenwärtigen öffentlichen Verwaltung Wie bereits angedeutet, haben sich die Bedingungen, die eine stabile und im ganzen einfache Struktur der Ministerialorganisation erlaubten, grundlegend verändert und könnten durchaus vollständig entfallen. Nunmehr müssen einige der wichtigsten Entwicklungen aufgeführt werden, die die traditionellen Vorstellungen über die Organisation von Ministerien in Frage stellen. Daran anschließend wird sich das Ausmaß abschätzen lassen, in dem diese Veränderungen die herkömmlichen Organisationsmuster tatsächlich beeinflußt haben und nicht nur eine Herausforderung darstellen, die bisher nicht aufgegriffen worden ist.

Die Organisation der Operational Sections

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a) Ausweitung der Funktionen Die öffentliche Verwaltung aller hochentwickelten Industrienationen ist gekennzeichnet durch die Abkehr von einem primär negativen Verständnis der Staatsaufgaben hin zu der Postulierung eines ständig wachsenden Kataloges öffentlicher Aufgaben zur Gestaltung der sozialen und ökonomischen Umwelt. Kurz gesagt haben wir uns im Verständnis der Staatsfunktionen von einem mehr minimalistischen zu einem mehr maximalistischen Standpunkt bewegt. Im weiteren wird nochmals auf die organisatorischen Auswirkungen einer Vervielfachung der Funktionen zurückzukommen sein. An dieser Stelle muß unterstrichen werden, daß die Erweiterung des Tätigkeitsbereiches der öffentlichen Hand qualitative Veränderungen darin bewirkt hat, was getan wird, wie es getan werden kann und wie das Personal eingesetzt wird. Es fiele nicht schwer, eine Vielzahl neuer Funktionen aufzuführen, die für die Behörden von wesentlicher Bedeutung geworden sind. Hier genügt es als Beispiele zu erwähnen: die übernahme einer umfassenden Verantwortung für die ökonomische Prosperität sowie die Akzeptierung weitreichender Vollmachten zur Kontrolle der Nutzungsrechte an Grund und Boden4• Beide Funktionen zeichnen sich durch einen Umfang ihres Anwendungsbereiches und eine Intensität des Eingriffs in das soziale und wirtschaftliche Leben aus, die völlig neu sind; um private Aktivitäten zu einem positiven Ergebnis zu bringen, bedingen beide eine neue Dimension an öffentlicher Steuerungstätigkeit, die durch die alten und einfacheren Verwaltungsmethoden nicht effektiv genug gesichert werden kann. Eine genaue Bestimmung der Probleme selbst, wie auch die Formulierung der Zielvorstellungen verlangt eine neuartige Breite an Informationen und die Anwendung von Techniken und Fähigkeiten, von denen viele sich erst im Stadium der Entwicklung befinden. Auch kann das Personal nicht in derselben Weise wie bisher eingesetzt werden: viele der gegenwärtigen Regierungsaufgaben lassen sich nicht mehr in sauber abgrenzbare, verhältnismäßig eigenständige Teile gliedern und an scharf umrissene Operationseinheiten alten Stils zuweisen. b) Größere Organisationen

Eine der offensichtlichen Folgen dieses Aufgabenzuwachses im öffentlichen Bereich ist eine Expansion der Größe und Komplexität der erforderlichen Verwaltungsorganisationen. Ein grober Maßstab für die Kon4 Hierbei handelt es sich insofern um gegensätzliche Beispiele als das erste eine breit angelegte und alle sozialen Schichten umfassende Funktion, das zweite dagegen eine wesentlich speziellere ist, da sie sich nur auf eine bestimmte Kategorie der Naturschätze bezieht. Zugleich sind die beiden Beispiele aber auch eng miteinander verbunden; so wird das zweite häufig lediglich als eine Konsequenz des ersten verstanden.

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sequenzen dieser Ausweitung der Aufgabenbereiche ist die Zahl der im öffentlichen Dienst Beschäftigten. Die nachfolgende Tabelle gibt einige Anhaltspunkte für diese Trends in Großbritannien. a) Gesamtzahl der Beamten und Angestellten, ohne Postverwaltung

Tsd. 1939 1950 1960 1965 1967 1969

.......................................... .......................................... .......................................... .......................................... .......................................... ..........................................

191,0 434,9 382,4 419,4 448,0 472,9

b) In ausgewählten Personalgruppen

1950

1955

1960

1965

1969

Administrative Class* (Horne) 3170 Executive Class 40771 Professional, Technichal & Scientific Grades 1. 23101

2766 37466

2449 37689

2553 39595

2694 48751

22305

22225

22746

25105

* Die Leiter der Operational Sections stammen (und stammen noch) vor allem aus dieser Gruppe. Quelle: Returns of Civil Service Manpower, H. M. Treasury & C.S.D. Trends der Beschäftigungszahlen für die britische Zentralverwaltung

Von größerer Bedeutung für das Thema dieses Referates als der Zuwachs der Beschäftigungszahl im gesamten Zentralverwaltungssystem ist jedoch die Tendenz, daß einzelne Bestandteile des Systems, und zwar besonders die Ministerien, sich wesentlich vergrößern und intern an Komplexität zunehmen. Dies war in Großbritannien vor allem während der 60er Jahre stark ausgeprägt, als ein Trend bestand, durch Zusammenlegung zentrale Ministerien von bisher nicht dagewesener Größe zu schaffens. Die Vorliebe für größere Organisationen beschränkt sich natürlich nicht auf die Ministerien: sie ergreift viele andere Gebiete der öffentlichen Verwaltung (vgl. den Zug zu größeren Einheiten der Lokalverwaltung) und ist auch in der Privatindustrie ausgeprägt (z. B. übernahme kleiner Betriebe durch große Gesellschaften und das Wachsen transnationaler Gesellschaften). Hier beschäftigen uns nicht die Gründe dieses Zuges zur zunehmenden Größe, vielmehr seine Begleiterscheinungen in bezug auf die internen Organisationsstrukturen und darauf, auf welcher Ebene im Verwaltungs5 Eine jüngste Bestätigung dieses Trends befindet sich im White Paper, "The Reorganisation of Central Government", Cmnd. 4506, October 1970.

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aufbau bedeutende Entscheidungen über den Verfahrensablauf getroffen werden. Man braucht sich nicht allzu sehr auf die Lehren von Professor Parkinson zu stützen, um zu erkennen, daß nach den Erfahrungen auf dem Gebiet der Organisation von Ministerien der Effekt des Größenzuwachses darin zu bestehen scheint, daß sich die Verantwortlichkeiten nach oben verlagern. Eine größere Zahl an Aufgaben muß erfüllt werden, Entscheidungen bedürfen in größerem Umfang als bisher der Genehmigung durch Vorgesetzte, und natürlich muß eine größere Zahl einzelner Organisationseinheiten überwacht und gelenkt werden. Unausweichlich setzt ein, was man als "Aufwärtsströmung" bezeichnen kann. Die Organisation wird größer, innerhalb der Hierarchie entwickeln sich neue Stufen, und die Entscheidungs- und Überwachungsfunktionen streben auf eine höhere Ebene als die, auf der sie sich bisher befanden. Die Entwicklung in Großbritannien zeigt dies sehr treffend. Vor 1939 hatte die übliche Verwaltungshierarchie in den zentralen Ministerien vier Stufen - Principal, Assistant Secretary, Principal Assistant Secretary und Permanent Secretary. Die dritte der Stufen lag ungefähr etwas über derjenigen des gegenwärtigen Abteilungsleiters, ihr kam im Arbeitsablauf des Systems nur eine recht bescheidene Rolle zu. Die heutige Abteilung (division) hatte überhaupt noch keine endgültige Gestalt gefunden, und ein beträchtliches Maß an Verantwortlichkeit lag bei den niedrigeren Stufen der Hierarchie. Zwischen dem Assisant Secretary und dem Permanent Secretary bestanden unmittelbare Beziehungen, und die operation al section lag letzten Endes in den Händen des Principal. Heute umfaßt die Hierarchie mindestens fünf Stufen, eine sechste wird gerade eingeführt, und unter dem Rang des Permanent Secretary werden derartige Unterscheidungen gemacht, daß es fast gerechtfertigt ist, von einer siebenten Stufe zu sprechen. Die Stufenfolge ist üblicherweise: Principal, Assistant Secretary, Under-Secretary, Deputy Secretary, Permanent Secretary, wobei in Kürze die neue Stufe eines Senior Principal zwischen die beiden ersten eingefügt werden soll. In einigen Ministerien ist zwischen dem allerhöchsten Posten und dem Deputy Secretary noch ein Second Permanent Secretary eingefügt worden. Die Zahl der Deputy Secretaries steigt langsam an (in großen Ministerien gibt es mindestens vier), und es läßt sich bereits absehen, daß die gegenwärtigen Abteilungsleiter, die Under-Secretaries, ihre Selbständigkeit und Vorrangstellung als Leiter großer Abteilungen an die Stufe über sich werden abgeben müssen. Von besonderer Bedeutung für den Gegenstand dieses Referates ist es, daß der Bereich des Principal aufgehört hat, die tatsächliche operational unit zu sein. Er wurde vielmehr so etwas wie eine Sektion in dem Arbeitskreis des assistant secretary, der seinerseits einen engeren Tätigkeitsbereich hat als in früheren Jahren. Demgemäß umspannt die operational section im britischen System der Zentralverwaltung heut-

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zutage die Ebene des principal und des assistant secretary, die bisher ihrerseits die operational section und Vorläufer der heutigen Abteilung (division) einschlossen. Auf diese Weise ist die Hierarchie länger geworden und haben sich Verantwortlichkeiten nach oben verlagert. Darüber hinaus entwickelt dieser Trend eine Eigendynamik, die eine Intensivierung der "Aufwärtsströmung" begünstigt. Da sich die Aussichten auf eine Erfüllung der Karriereerwartungen auf den unteren Rangstufen in einem relativ jungen Alter verringern, ist es verständlich, daß die Beschäftigten solche Entwicklungen begrüßen, die die Zahl der "Spitzen" oder Beförderungspositionen vermehren und damit die Chance erhöhen, solche Positionen zu erreichen. c) Heterogenität des Personals und Verschiedenheit der Dienstposten

Die Entwicklung der modernen Organisation der Ministerien war in vielen Ländern ursprünglich von dem Versuch gekennzeichnet, genauestens festzulegen, welcher Art das Personal sein mußte, das für die Posten der verschiedenen Ebenen ausgewählt wurde, und welche Qualifikationen zu erfüllen waren. Pari passu nahm man an, daß in weiten Bereichen des Verwaltungshandelns sämtliche Dienstposten auf bestimmten Ebenen in bezug auf Grade der Verantwortlichkeit, Arbeitsbelastung, Komplexität der Verfahrensabläufe und notwendige Grundausbildung gleichgesetzt werden konnten. Dies gab den Hintergrund für die klassischen Bürokratiemodelle Westeuropas ab, in denen das Personal in große Gruppen eingeteilt wurde, die gemeinhin Bezug auf das Niveau und die Art der Erziehung und Ausbildung nahmen. Man ging davon aus, daß dieses Personal dann für den Einsatz auf einer breiten Palette von Dienstposten geeignet war. Diese Bedingungen haben sich nunmehr in beträchtlichem Maße geändert. Sowohl aus Gründen der Effizienz, d. h. um die Leistungsfähigkeit zu verbessern, als auch als Ergebnis tiefgreifender sozialer und bildungsmäßiger Wandlungen besteht heute das Bedürfnis, dem öffentlichen Dienst eine breitere Skala an Fähigkeiten und Qualifikationen zuzuführen. Daneben tritt der Ruf nach größerer Flexibilität per se bei der Einstellung von Personal mit unterschiedlichsten Werdegängen. Gleichzeitig ist man eher bereit zu akzeptieren, daß viele Verwaltungsaufgaben nunmehr ein derartiges Maß an beruflichem Fachwissen, spezieller Erfahrung und Kenntnis von technischen Durchführungsmöglichkeiten erfordern, daß die Hoffnung zunehmend unrealistischer geworden ist, man könne diesen Anforderungen mit einer großen Gruppe relativ unspezialisierter Beamter in dem jeweiligen höheren Dienst des Staats gerecht werden. Alle diese Faktoren unterminieren fortlaufend das traditionelle Schema der Corps, Klassen, Kader, Grup-

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pen etc., die sich auf gleiche Ausbildung und gleiche Eintrittsvoraussetzungen gründen. Zwar bleibt ein Bedarf nach Personal mit umfassenden und nicht nur engen Qualifikationen bestehen, und die zunehmende Spezialisierung der Verwaltung schafft ihrerseits eine Nachfrage nach Beamten, die globale Zusammenhänge herstellen und verständlich machen können. Dennoch scheinen wir uns auf eine Situation hinzubewegen, in der das Personal sich durch ein breites Spektrum von auf den jeweiligen Dienstplatz bezogenem Fachwissen charakterisieren läßt und in der es, als Gruppe betrachtet, weitaus heterogener und intern differenzierter sein wird als in der Vergangenheit. Alles dieses bringt wichtige Folgerungen für die Karrieremuster, für eine Dienstpostenbewertung bzw. -analyse und für die Formen von operational sections, die praktikabel sind. d) Die Wechselbeziehungen von Funktionen und ihre Wirkungen

Es war eines der Hauptverdienste der Organisationstheorie seit den 3Der Jahren dieses Jahrhunderts, die Bedeutung zu betonen, die der Koordination zukommt. Die Ausweitung der staatlichen Aufgaben wurde zur Unterstreichung dieser Notwendigkeit zur Koordination herangezogen. Man hat inzwischen erkannt, daß in sich abgeschlossene operation al sections auf vielen Gebieten der Verwaltung in keiner Weise mehr praktikabel sind: im Gegenteil, man sieht, daß der Erfolg der administrativen Bemühungen in zunehmendem Maße davon abhängt, in welchem Umfang man die Wechselbeziehungen zwischen mehreren Funktionen versteht. Diese Sensitivität für Wechselbeziehungen ist in manchen Ländern bereits so ausgeprägt, daß man - vielleicht viel zu optimistisch die Schaffung immer größerer Verwaltungseinheiten, die die bisher getrennten Funktionen zusammenfassen, als selbstverständliche Antwort auf das Koordinationsproblem ansieht. Die vorrangige Beschäftigung mit den gegenseitigen Zusammenhängen zwischen den meisten Aspekten des Verwaltungshandelns setzt ein deutliches Fragezeichen hinter die scharfen Abgrenzungslinien, durch die operation al sections herkömmlicher Art abgegrenzt wurden. In ihren Routineangelegenheiten hängen die operational sections heutzutage fast immer gegenseitig voneinander ab. Sie können endgültige oder erschöpfende Vorschläge seltener allein aus sich heraus machen. Vielmehr sind gemeinsame Beratungen und Bemühungen in großem Umfang zur Selbstverständlichkeit geworden. Tatsächlich werden manche operational sections heutzutage oft durch die Umstände gezwungen, in enger Kooperation, fast als Team zusammen zu arbeiten, wenn sie verhindern wollen, daß sie ihre Bemühungen gegenseitig vereiteln. Auf diese Weise bildet sich innerhalb der Bürokratie ein neu es Schema der Beziehungen heraus, das in manchen Fällen offizielle Zustimmung erhält und zu formalen organisatorischen Verände-

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rungen führt, die die bis dahin eigenständigen und isolierten Operationseinheiten verdrängen. e) Die Argumente der wissenschaftlichen Betriebsführung und ihr Mangel an Bestimmtheit

Eng verbunden mit diesem Problem der Wechselbezüglichkeit der Funktionen ist die Erkenntnis, daß viele der früheren Theorien der wissenschaftlichen Betriebsführung darüber, wie man Organisationen unter dem Gesichtspunkt optimaler Leistung zu errichten und in Organisationskarteien umzusetzen hat, eher kluge Maximen (die H. A. Simon "Verwaltungssprichwörter" genannt hat) statt wissenschaftliche Schlußfolgerungen darstellen. Sie liefern keine objektiven und abschließenden Maßstäbe für den Aufbau von Organisationen, wenn damit auch ihr praktischer Wert für viele Einzelheiten nicht abgeleugnet werden soll. Die für die Organisationsplanung im öffentlichen Dienst Verantwortlichen sind jetzt häufig bereit, die Frage, welche Verteilung von Personal und Arbeit möglich und wünschenswert ist, experimentierfreudiger und pragmatischer anzugehen. In dieser Einstellung zeigt sich weitaus mehr als bloßer Skeptizismus gegenüber dem Erbe der Theorie der wissenschaftlichen Betriebsführung und der formalen Organisation. In ihr drückt sich weiterhin die Tatsache aus, daß auf der Ebene der operational sections eine solche Verschiedenheit hinsichtlich der ausgeführten Tätigkeiten und des erforderlichen Mitarbeiterpotentials besteht, daß es keinen Sinn mehr hat, sections mit einheitlicher interner Struktur oder mit Bezug zu ihrer Abteilung bzw. dem restlichen Ministerium nach einem standardisierten Muster zu suchen.

f) Überlegungen zum Linie kontra Stab-Problem Das traditionelle Konzept der operation section spiegelte in beträchtlichem Umfang eine durchgängige Anwendung des Prinzips der Linie wider, d. h. man ging davon aus, daß sich praktisch die ganze Skala der Organisationsaufgaben in Fachbereiche einteilen ließ, von denen jeder einzelne zur Lenkungsspitze in einer Linienbeziehung stand (und de facto daneben auch seine eigenen Stabsfunktionen wahrnahm). Bereits in einem recht frühen Stadium erkannte man, daß einige Teile der Ministerialorganisation Funktionen in sich vereinigen mußten, die die gesamte Organisation betrafen und zu einem gewissen Teil Stabscharakter hatten, z. B. Personalwesen, Organisation und Finanzen. In den letzten Jahren ist diesen globalen Stabsfunktionen immer größere Bedeutung zugemessen und ihre Zahl vergrößert worden. Personalführung, Organisationsmethoden (organisation and methods), Ausgabenpolitik und -kontrolle, Planung und Vorhersage, Forschung, Systemanalysen, Verfahrensfor-

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schung (operational research) und Leistungsbewertung werden heute zumeis~ als selbständige und getrennte Funktionen behandelt, die den Anspruch auf einen getrennten organisatorischen Status innerhalb der Struktur eines Ministeriums erheben. Als Ergebnis läßt sich feststellen, daß "Linien"-operational sections immer mehr an Autonomie verlieren, wenn auch das Schema nirgendwo eindeutig und gefestigt ist. In immer größerem Umfang müssen sie die "Stab"-sections um Information angehen und dafür sorgen, daß ihre Vorschläge diesen "Stab"-sections bekannt werden und in deren Planung integriert werden können. Sie müssen außerdem sicherstellen, daß eine ständige Datenrückkoppelung über Fortgang und Ausführung erfolgt, damit die zuständigen Stabs-Einheiten die Relevanz der Vorgänge in einem Teilbereich für die anderen Aspekte des laufenden Programms des Ministeriums beurteilen können. Kurz gesagt, Verwaltung wird als ein dynamisches Gefüge sich gegenseitig beeinflussender Aktivitäten verstanden, die mittels allgemeiner Managementtechniken koordiniert und kontrolliert werden müssen, und nicht so sehr als eine Anordnung eigenständiger und getrennter Dienste, die nur ihren eigenen Bedingungen unterworfen sind6 •

3. Müßte man die operational section erfinden, falls es sie nicht gäbe? Die bisherige Diskussion galt hauptsächlich der Art und Weise, in der die Grundlagen, auf denen die traditionelle Organisation der Ministerien beruhte, angegriffen worden sind. Damit sind natürlich keine Alternativlösungen gewonnen. Aber ebensowenig ist damit widerlegt, daß die herkömmliche, mit einem bestimmten Aufgabenbereich aus dem breiten Rahmen der Aktivitäten befaßte operational section nicht noch immer häufig ein wichtiges Bedürfnis der Verwaltungsorganisation erfüllen kann. In der Tat spricht einiges dafür, daß auf der operationalen Ebene auf eine aufgabenbezogene section nicht verzichtet werden kann. Dies liegt zum Teil in der einfachen Tatsache begründet, daß, gleichgültig wie sehr auch einige Funktionen als "Ganzheit" erfaßt werden mögen7 und abgesehen davon wie schwierig unter den gegenwärtigen Bedingungen die Probleme der Koordination sind, fast alle Fragen, mit denen sich die Verwaltung zu beschäftigen hat, zunächst in ihre Bestandteile zerlegt werden müssen, 6 Dies stellt den Versuch dar, das gegenwärtige Verständnis der Natur des Verwaltungshandelns zu charakterisieren: er bedeutet keineswegs eine volle übereinstimmung mit dieser Diagnose. 7 Der Hang zur "Ganzheit" oder "Vollständigkeit" ist heutzutage sehr ausgeprägt. Zum Beweis hierfür sei auf den Wunsch hingewiesen, die "Umwelt" als eine allumfassende Aufgabe des Staates zu behandeln und dies in der Organisation der Ministerien zu verkörpern, z. B. in Großbritannien seit Oktober 1970 und in Frankreich.

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damit man sie verstehen und mit ihnen umgehen kann. Selbst wenn das Endziel in der Synthese von Zielvorstellungen oder Verfahren besteht, muß zunächst eine Analyse der zu klärenden Kernfragen vorangehen. Die operational section ist eine organisatorische Ausprägung dieses Merkmals menschlicher Denkmechanismen in einer Welt komplexer Beziehungen: sie symbolisiert die Notwendigkeit, Phänomene in überschaubare Einheiten aufzuteilen, die ein Verständnis ihrer spezifischen Merkmale ermöglichen. Pragmatisch betrachtet hängt die Einstellung zur operation al section von der tatsächlichen Mannigfaltigkeit und dem Umfang der staatlichen Aufgaben ab. Betrachtet man bestimmte Gruppen der Funktionen der öffentlichen Hand, z. B. Wohnungswesen, Altersversorgung, Strafvollzug oder Erziehung, ist es offensichtlich, daß diese wiederum jeweils in Gebiete aufgeteilt werden müssen, die gesonderte Formen des administrativen HandeIns umschreiben. Das Wohnungswesen, um bei diesem Beispiel zu bleiben, könnte man etwa untergliedern in Beseitigung der Elendsviertel und Stadtsanierung, Mietfragen, Mindestanforderungen für Unterkünfte und Bauvorschriften, Entwürfe für Unterkünfte, Unterbringung spezieller Gruppen, etwa Körperbehinderter oder Gebrechlicher. In Ergänzung hierzu treten allgemeine Aspekte des Wohnungswesens wie Finanzierung von Wohnraumbeschaffungsprogrammen, Wohnraumstatistiken und ihre Auswertung, Vorhersage der Bedürfnisse und der Nachfrage hinsichtlich Wohnraums. Praktisch jeder Bereich des modernen Sozialstaates zeigt eine vergleichbare interne Komplexität. Es ist deshalb schwierig, in der zentralen Verwaltung für die Ebene der Entwicklung von Zielvorstellungen eine brauchbare Alternative zur Gliederung der Ministerien in fachorientierte operationale Gruppen zu erkennen. Erkennt man die Notwendigkeit von operational sections an, hat man damit aber noch keine Kriterien für ihre Konstruktion. Wichtige Probleme bleiben ungelöst: gibt es irgendwelche Grundsätze, nach denen sich die Funktionen in Themenkreise aufteilen lassen? Läßt sich etwas über die maximale oder minimale Größe von operation al seetions sagen? In welchem Ausmaß müssen die operation al sections durch organisatorische Einheiten ergänzt werden, die sich auf "globale" Stabsfunktionen spezialisieren? Wie wird die Lebensfähigkeit der operation al sections durch die Gesamtgröße von Ministerien und durch den Grad beeinfiußt, in dem die zentrale Verwaltung auf Funktionen der Normsetzung und der Formulierung von Richtlinien beschränkt ist, ihre Ausführung aber an untergeordnete oder autonome Dienststellen delegiert wird? Läßt sich etwas über die Notwendigkeit einer formalen Festlegung der Kompetenzen der operational seetions sagen, oder kann man bei der Gestaltung der Struktur weitestgehend auf informelle Verhaltensmuster vertrauen?

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Es ist sehr unwahrscheinlich, daß sich allgemein gültige Antworten auf diese Fragen geben lassen. Der Regierungsaufbau in den verschiedenen Ländern hat jeweils seine spezifischen Merkmale und Schwierigkeiten, und die zentrale Verwaltung muß notwendigerweise deren Einflüsse widerspiegeln und durch sie beschränkt werden. In dem Stadium allgemeiner theoretischer Betrachtungen über die operational sections und ihre Stellung im Aufbau der Ministerien können nur höchst abstrakte Kriterien angeboten werden in der Form einer Anleitung zur weiteren Ausarbeitung eines Musters der operational sections. Doch vor ihrer Erörterung sollten einige weitere Grundzüge der öffentlichen Verwaltung herausgestellt werden, die erwarten lassen, daß die Aussichten auf Entwicklung allgemeiner Organisationsprinzipien weniger günstig sind als auf anderen Gebieten, z. B. im Geschäftsleben. Hierbei handelt es sich zunächst um den Aspekt der Komplexität, auf den bereits hingewiesen wurde, zweitens um die Existenz von Erwägungen, die außerhalb des öffentlichen Bereiches normalerweise nicht vorkommen, und drittens um die unterschiedlichen Erwartungen in verschiedenen Gesellschaften hinsichtlich dessen, was der Staat zu leisten habe und auf welche Art und Weise. Auf die erste Frage, die der Komplexität, wurde gerade eingegangen. Dem braucht nur noch hinzugefügt zu werden, daß es wesentlich einfacher ist, die Funktionen selbst der größten privaten Organisationen auf ein Aufgabenbündel zu reduzieren, daß sich mit einiger Genauigkeit nach Verfahren und Ergebnissen definieren läßt, als dies jemals bei der öffentlichen Verwaltung denkbar ist. Weiterhin stehen der Effektivitätskontrolle des HandeIns im Geschäftsleben weit weniger Hindernisse entgegen als im öffentlichen Dienst. So machen es die unterschiedlichen Ziele, die durch öffentliche Maßnahmen befolgt werden, und die unterschiedlichen Methoden, mit denen die Dienstleistungen erbracht werden können, praktisch unmöglich, allgemein anwendbare Prinzipien zu formulieren, mit denen sich definieren ließe, wie und mit welchen Zielen die öffentliche Verwaltung intern strukturiert sein sollte. Die Antworten auf solche Fragen hängen von in der Gesellschaft und in der Verwaltung selbst verankerten Wertvorstellungen ab, die sich in einem dauernden Wandel befinden. Im übrigen bestehen Faktoren, die für den öffentlichen Bereich eigentümlich sind. Obwohl daneben auch andere existierenden und ihren Einfluß ausüben, sollen hier nur drei von ihnen herausgestellt werden: Gesetzmäßigkeit, Verpflichtung zur politischen Rechenschaftslegung, das Fehlen eines Marktes. Gesetzmäßigkeit ist eindeutig: politische Gremien dürfen die Grenzen ihrer Befugnisse nicht überschreiten. Die Verpflichtung zu politischer Rechenschaftslegung erlegt den staatlichen Entscheidungen Beschränkungen auf, die oft erheblich und im allgemeinen unvorhersehbar sind. Sie bedeutet, daß in die Aktivitäten der Verwaltung eine

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Prioritätskala eingefügt wird, die anderenorts fehlt. Das Fehlen eines Marktes, die Tatsache, daß der Staat kein auf Profit gerichtetes Unternehmen ist, beraubt die öffentliche Verwaltung einiger Maßstäbe, die andere Organisationen auf ihre organisatorischen Bedürfnisse wie auch zur Beurteilung ihrer Leistung anwenden können. Der dritte Faktor kann in anderer Form auch formuliert werden als internationale Unterschiedlichkeit in den Erwartungen, die an die staatliche Tätigkeit gerichtet werden. Dort, wo der Staat gegen Kritik abgeschirmt ist, und seine Aufgaben verhältnismäßig restriktiv versteht, kann man sicherlich erwarten, daß er ein größeres Ermessen in seiner organisatorischen Gestaltung hat, als dort, wo er sich einer Vielfalt entschieden vorgebrachter Ansprüche hinsichtlich des administrativen Vorgehens gegenüber sieht. Zudem bestehen ziemlich ausgeprägte substanzielle Unterschiede zwischen einzelnen Gesellschaften über das Ausmaß und die Art der für wünschenswert erachteten staatlichen Tätigkeit, die auch auf die Strukturierung der Verwaltung erheblichen Einfluß ausüben können. Diese Umstände gelten in verschiedenen Gesellschaften mit unterschiedlicher Intensität. Es überrascht daher nicht, daß die öffentliche Verwaltung auf das Problem ihrer maximalen Struktur eine breitgestreute Skala organisatorischer Antworten entwickelt hat. Wenn sich auch wichtige Ähnlichkeiten finden, so z. B. die Tatsache, daß in den meisten bürokratischen Systemen Westeuropas in der einen oder anderen Form eine grundlegende operation al section erkennbar ist, sind dennoch die Unterschiede im tatsächlichen Arbeitsablauf der Verwaltungssysteme erheblich. Die Strukturen der Regierungen variieren beträchtlich; Beispiele dafür sind etwa die Zentralisierung weiter Teile des Vollzuges in Großbritannien und seine Dezentralisierung in der Bundesrepublik und in Schweden, oder die Betonung, die man in der Bundesrepublik auf rechtlich durchsetzbare Normen als Basis des Verwaltungshandelns legt und das weite Ermessen, das den Ministern und den zentralen Ministerien in Großbritannien eingeräumt wird. Der institutionelle Pluralismus des amerikanischen Regierungssystems stellt eine weitere einmalige Konstellation von Bedingungen dar. Solche Unterschiede der politischen Struktur und der Werte haben einen großen Einfluß darauf, welche Gestalt die öffentliche Verwaltung zur Erfüllung ihrer Aufgaben angenommen hat. Sie verringern damit um ein weiteres die Aussichten, eine einzelne Lösung für das Problem zu finden, wie die operation al section unter bestimmten administrativen Gegebenheiten zu strukturieren ist. Man muß sich mit sehr beschränkten Hinweisen begnügen.

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4. Mögliche Kriterien für die Ausgestaltung der operational section Nunmehr sollen einige Leitlinien und Kriterien untersucht werden, die sich möglicherweise für die Bestimmung von Größe und Umfang der operational sections, des Grades ihrer Verantwortlichkeit und ihrer Stellung in der Organisation der Ministerien anwenden lassen. Zum größten Teil wird die Betonung auf Kriterien allgemeiner Art liegen, daran werden sich jedoch einige Hinweise auf konkrete Faktoren anschließen, die das Resultat in bestimmten Systemen beeinflussen. Auf einen Punkt muß in Form eines einführenden Hinweises aufmerksam gemacht werden, daß es nämlich einen Unterschied macht, ob man Verantwortungsbereiche abgrenzt, die sich für ein System von operational sections eignen, oder ob man über die Einstufung bestimmter Dienstposten auf der Ebene der operational section entscheidet. Die Einstufung ist ein Verfahren, mit dem man die Ansprüche, die der Dienstposten stellt, bestimmt, um den Dienstposteninhaber angemessen besolden zu können. Man kann ermitteln, wie viele operational sections in einer Organisation gebraucht werden und gleichzeitig feststellen, daß einige von ihnen eine höhere Einstufung erforderlich machen als andere, daß sie mit anderen Worten höhere Ansprüche an ihre Inhaber stellen. Folglich ist die operational section durchaus in der Form denkbar, daß sie eine einzige Ebene in der Hierarchie der Ministerien darstellt, bei ihr aber einige Posten in der Skala der Besoldung und der Dienstränge höher eingestuft sind als andere. Selbstverständlich gibt es inhärente Widerstände gegen Entwicklungen dieser Art: im allgemeinen geht man von einer festen Korrelation zwischen Gehalt und Dienstrang aus; dies macht es schwierig, beide auseinanderfallen zu lassen. Unten wird darauf hingewiesen werden, daß die Dienstpostenanalyse in Großbritannien dabei ist, mögliche Unterschiede zwischen Status und Besoldung auf der Ebene der operational section sichtbar werden zu lassen, die letzthin Einwirkungen auf das Schema organisatorischer Strukturen und auf individuelle Karrieremuster haben werden. a) Das Bedürfnis nach MinimaZisierung der KoordinationsprobZeme

In allen komplexen Organisationen gibt es inhärente und beständige Koordinationsschwierigkeiten. Innerhalb eines Ministeriums besteht die Notwendigkeit von Kommunikation und Kooperation; die meiste Zeit muß eine Koordination mit anderen öffentlichen Organisationen und einer Vielzahl privater Gremien und Gruppen erfolgen. Dabei erstreckt sich das Bedürfnis nach Koordination weit über die Stufen der Konzipierung und Planung hinaus bis hin zur Durchführung der Zielsetzungen 9 Speyer 48

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und der Bereitstellung von Dienstleistungen. Bei der Abgrenzung von Tätigkeitsbereichen wird man die Aufmerksamkeit mehr als bisher darauf richten müssen, zum einen intern kohärente operation al sections zu erhalten und zum anderen die Grenzlinien so zu ziehen, daß sie eine Kooperation zwischen verwandten Bereichen erleichtern. Man muß hinnehmen, daß sich die notwendige Koordination oftmals nur dadurch optimal verwirklichen läßt, daß man häufiger als bisher üblich bei den operational sections unterschiedliche Größen in Kauf nimmt. Die Variationen in Größe und interner Komplexität der Strukturen werden natürlich zum großen Teil von der Art der zu erfüllenden Funktionen abhängig sein. In vielen Bereichen der traditionellen Entwicklung legislativer Zielvorstellungen und der Lenkung durch Normsetzung wird sich die herkömmliche kleine operation al section halten können, die das Zentrum zusammengefaßten Fachwissens und spezieller Fähigkeiten bildet, und die häufig relativ eigenständig arbeitet. Dort aber, wo die Aufgaben eine breite Skala an Untersuchungen und Analysen oder beträchtliche Lenkungsbegabungen erfordern, muß akzeptiert werden, daß man unter Umständen wesentlich größere Einheiten braucht, die gegebenenfalls ihrerseits mit anderen sections in verwandten Tätigkeitsbereichen verzahnt werden müssen. Dann benötigt man wiederum sections mit globalen Aufgaben, z. B. der Finanzschätzung und -kontrolle, die in der Lage sein müssen, zahlreiche Verbindungen mit praktisch jedem Teil des Ministeriums zu unterhalten. Sie müssen deshalb hauptsächlich als reine Koordinierungsstellen fungieren, die die Ergebnisse ihrer Arbeit an höhere Ebene der Organisationen weiterleiten, die ermächtigt sind, über die unausweichlichen Interessen- und Zielkonflikte zu entscheiden. b) Die Lenkungs- und Lebensfähigkeit von1operational sections

Wir erinnern uns an Simon's Sprichwörterkatalog, auf den vieles in der Verwaltungslehre reduziert werden kann, und wenden uns nunmehr vom Sprichwort über die Verbesserung der Koordination einem anderen zu, nämlich demjenigen über das Bedürfnis, die einzelnen Arbeitseinheiten in die Lage zu versetzen, effektiv zu operieren. Selbstverständlich können diese beiden Sprichwörter manchmal in Konflikt miteinander geraten. Es leuchtet ohne weiteres ein, daß eine operational section nicht derart mit Arbeit überladen werden sollte, daß sie von ihrem leitenden Beamten nicht mehr gelenkt werden kann. Ebensowenig kann im allgemeinen eine operation section einen brauchbaren und effektiven Beitrag zur Arbeit der Gesamtorganisation leisten, wenn sie ein zu enges Aufgabenfeld hat oder insofern unzulänglich besetzt ist, als ihre Aufgaben keine Besetzung mit Beamten mit verschiedenen Fähigkeiten erforderlich macht. An dem einen Ende der Skala steht das Risiko der Unlenkbarkeit

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durch den Leiter der section; am anderen Ende droht die Unfähigkeit, den Umfang der Probleme zu erkennen, die die auszuführenden Tätigkeiten mit sich bringen. Wie bereits bemerkt, wird man jedoch keine einheitliche Skala für alle Aufgabenbereiche, die sich einer section übertragen lassen, aufstellen können. Dies hängt sehr von der Art der betreffenden Arbeit ab, von den effektiven Formen ihrer Erledigung und davon, bis zu welchem Ausmaß Delegationsmöglichkeiten innerhalb der section bestehen. Falls sich die Funktionen z. B. darauf konzentrieren, Gesetzesvorlagen zu erstellen, sie mit Interessengruppen auszuhandeln und sie der Legislative zu präsentieren, dürfte eine ins Gewicht fallende Delegation kaum möglich sein: das Problem wird dann vielmehr darin liegen, eine Überlastung der section in Zeiten zu vermeiden, in denen ein besonders starker Ruf nach einem Tätigwerden in ihrem Arbeitsbereich besteht. Im Gegensatz dazu läßt sich eine section, die für die Regelung von Beschaffungsverträge zuständig ist, leicht in eine große Zahl von subsections aufteilen, nur eine relativ geringe Anzahl an Einzelfragen wird eine Entscheidung durch den Leiter der section notwendig machen. Dieser wird in einem solchen section-Typ vielmehr einen Großteil seiner Zeit auf Fragen der Arbeitsorganisation und der Personalführung verwenden müssen. Da sich der Arbeitsanfall ebenso wie die Verwaltungsmethoden im Laufe der Zeit verändern, wird man den Anforderungen der Lenkungsund Lebensfähigkeit nur dann gerecht werden können, wenn man häufiger und regelmäßig von Techniken der Dienstpostenuntersuchungen Gebrauch macht, um festzustellen, wie sich Arbeitsanfall und -steuerung verändern, welche Ansprüche ans Personal sich daraus ergeben und welche organisetorischen Änderungen notwendig sind. Folgende Aspekte der Stellung der section unter den gegenwärtigen Bedingungen müssen besonders hervorgehoben werden, nämlich, daß eine Spezialisierung wichtig und die Fähigkeit erwünscht ist, an die Lösung vieler Probleme mit einem größeren Spektrum von Erfahrungen und Wissen herangehen zu können, als dies herkömmlicherweise möglich ist. Dies kann häufig bedeuten, daß die operation al section an Größe zunimmt. Aber es kann auch zu einer größeren strukturellen Unbeständigkeit führen, je nach Art der zu behandelnden Probleme; es kann außerdem zu einer größeren Abhängigkeit von Gruppen außerhalb der formalen Grenzen der öffentlichen Verwaltung führen. Kurz gesagt wäre es unrealistisch, auf eine Rückkehr zum Ideal der kleinen intimen Gruppe zu hoffen, die typischerweise aus dem Leiter der section, zwei oder drei Mitarbeitern und Bürohilfskräften besteht. Man wird sich wahrscheinlich stattdessen auf sections zubewegen, in denen es mehrere Leiter von sub-sections gibt, die ihrerseits Mitarbeiter haben und durch den Leiter der section koordiniert und gelenkt werden. Wenn diese Vorhersage zutrifft, folgt weiterhin, daß die 9·

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Personalführungsfunktionen der section-Leiter wichtiger werden, als sie es herkömmlicherweise waren. c) Die Bedeutung der Team-Arbeit

Hier soll nicht in das Thema eines anderen Referates eingegriffen werden. Dennoch erscheint es unmöglich, die weitere Entwicklung der operationalen Einheiten zu diskutieren, ohne auf die wachsende Bedeutung zumindest hinzuweisen, die der Team-Arbeit und den kollegialen Organisationsformen zukommt. In den letzten Jahren gab es eine deutliche Verlagerung weg von der passiven Hinnahme hierarchischer Organisationsformen hin zu einer aktiven Suche nach Organisationseinheiten, in denen Personen unterschiedlicher Rangstufen und mit verschiedensten Fähigkeiten oder Erfahrungen miteinander zusammenarbeiten. Diese Haltung spiegelt nicht nur den Wunsch wieder, um unterschiedliche menschliche Beiträge effektiver zusammenzuschmelzen und auf Forschungs- und technische Entwicklungsprojekte die im akademischen Bereich vertrauten Methoden anzuwenden. In ihr drückt sich häufig zusätzlich das Verlangen aus, die Autoritätsverhältnisse zu verändern und an die Stelle einer Hierarchie mit Vorgesetzten und Untergebenen ein Schema frei zusammenarbeitender Gruppen zu setzen. Angemerkt sei nur, daß auf vielen Gebieten ein effektives Verwaltungshandeln offensichtlich noch immer erheblich von einer stabilen hierarchischen Struktur abhängig ist. Im übrigen soll hier nicht versucht werden, die schwierige Frage zu klären, ob und inwieweit eine Verwaltungsstruktur tatsächlich ihre Merkmale der hierarchischen Autorität abschütteln kann. Man muß jedoch anerkennen, daß pragmatische Gründe für eine größere Team-Arbeit auf einigen Gebieten der heutigen Verwaltung sprechen: sie stellt eine Methode dar, durch die neue Personalgruppen besser integriert werden können und die unter gewissen Bedingungen eine Lösung der anstehenden Fragen besser vorantreibt. Die Umorientierung zur Team-Arbeit hat jedoch Konsequenzen für die operation al section. In einigen Tätigkeitsbereichen wird sie in einer größeren und weniger klar abgegrenzten operationalen Einheit aufgehen müssen, und zwar sicherlich in einer, deren interne Struktur durch informelle Beziehungen gekennzeichnet sein wird, statt durch formale Festlegungen von Vollmachten und Pflichten. Für das Personal eines Ministeriums kann die Einführung von eher als Team organisierten Einheiten eine Ermutigung zu kooperativen Beziehungen zwischen Personen mit unterschiedlicher Herkunft und Erfahrung bedeuten: auf eine derartige Notwendigkeit ist bereits oben in den Bemerkungen über die Heterogenität des Personals hingewiesen worden. Vom Standpunkt der Lenkungsspitze aus macht dieser Trend die Akzeptierung einer internen organisatorischen Vielgestaltigkeit notwendig; man darf nicht erwarten, daß sich für die gesamte Organisation eine einheitliche Struktur

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oder auch nur ein einheitlicher Verwaltungsstil finden läßt. Ein Vorzug des Konzepts der Team-Arbeit besteht darin, daß es gerade unterstreicht, wie wünschenswert es ist, Organisationen an ihre Aufgaben anzupassen und sowohl die Idee der statischen Struktur wie auch den Glauben ablehnt, daß alle Funktionen am besten mittels eines organisatorischen Modelles erfüllt werden können. Umgekehrt sollte man natürlich nicht versuchen, das Konzept der Team-Arbeit überall anwenden zu wollen: auch weiterhin sind die traditionellen Methoden in weitem Umfang notwendig, und wo dem so ist, sollte man die straffer strukturierte operational section beibehalten.

d) Die operational section als wichtige Entscheidungsebene Die Bedeutung der operation al section als Schlüsselelement der Verwaltungsorganisation beruht in erheblichem Umfang auf der Notwendigkeit, die Lenkungsebenen von allzu vieler Detailarbeit zu befreien und eine Struktur der Verantwortlichkeit zu entwickeln, die einerseits einfach überschaubar ist und andererseits Arbeitszufriedenheit in hinreichendem Maße vermittelt, um die Attraktivität einer Karriere im öffentlichen Dienst zu sichern. Doch muß nach dieser allgemeinen Behauptung eingeräumt werden, daß eS unmöglich ist, abstrakt und allgemein gültig zu definieren, was derartige "Detailarbeit" darstellt, die nicht über die Ebene der operational section hinaus gelangen sollte. Viel hängt von dem Arbeitsanfall selbst ab, von der Art der durch das jeweilige Ministerium wahrgenommenen Funktionen, von den Interessen und Prioritäten der Lenkungsspitze und von der politischen Landschaft. In Demokratien mit einer zentralistischen Regierungsform, ist es z. B. eine allbekannte Erscheinung, daß die politischen Spitzen der Ministerien mit sehr vielen, politisch wichtigen Fragen betreffenden Einzelfällen vertraut sein müssen, die in einem autoritären oder auch dezentralisierten System für sie überhaupt nicht von Belang wären. Diese Unterschiede in den politischen Bedingungen beeinflussen selbstverständlich den Aufgabenkatalog der operation al section, den ihr eingeräumten Ermessensspielraum, Probleme selbständig zu lösen, und das Ausmaß ihrer Verbindungen zur Lenkungsspitze. In der britischen zentralistischen Verwaltung müssen noch in ungewöhnlich großem Umfang Einzelfälle mit nur sehr enger und spezifischer Problemstellung nach oben an die Lenkungsebenen der Hierarchie abgegeben werden. Es folgt daraus, daß man die operation al section allgemein als diejenige Ebene in der Struktur ansieht, die geeignet ist, derartige Fälle zur endgültigen Beschlußfassung vorzubereiten, und daß man die Bedeutung der section häufig daran mißt, in welchem Umfang sie mit Fällen beschäftigt wird, die der Zustimmung des Ministers bedürfen. Jedoch ist diese Betrachtungsweise der operation al section offensichtlich

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in starkem Maße beeinflußt von bestimmten Verwaltungserfahrungen und vom Fehlen einer scharfen Trennung zwischen ministeriellen "Kabinetts"-Funktionen und Linien-Verwaltung innerhalb der Ministerien. Betrachtet man das französische System, wird deutlich, daß dem "Kabinett" viele der Aufgaben übertragen sind, die in Großbritannien immer noch der operational section zufallen. Man kann deshalb die Funktionen dieser Ebene in Frankreich wahrscheinlich eher mit Bezug auf die technischen Notwendigkeiten der ausgeführten Tätigkeiten beurteilen als nach der Hauptbeschäftigung der politischen Lenkungsspitze. Weitere Überlegungen stützen das Argument für eine operationale Ebene, die mit einem beträchtlichen Maß an delegierter Verantwortlichkeit und Ermessensfreiheit ausgestattet ist. Ein Großteil der gegenwärtigen Verwaltung beschäftigt sich mit der Verfügung über Finanzmittel für eine breite Skala von Aufgaben, wobei häufig erhebliche materielle Investitionen notwendig sind. Dies erfordert wirkungsvolle organisatorische Maßnahmen zur Planung und Kontrolle solcher Ausgaben. In der Planungsphase mag eine Organisation in Teams oder Projektgruppen angebracht sein, aber zur fortlaufenden Überwachung und Kontrolle der Abwicklung von Ausgabenprogrammen und zur Koordination eines Programmes (oder Teilprogrammes) mit einem anderen braucht man einflußreiche operationale Einheiten, denen umfangreiche Entscheidungsgewalt übertragen ist. Nur auf diese Weise läßt sich eine gewisse Annäherung an die Praxis des verantwortlichen Managements in der Privatindustrie erreichen, und zwar in dem Sinne, daß es leichter wird, festzustellen, wer für welchen Ausgabenblock verantwortlich ist, und wie sich Ablauf und Vorhersage zueinander verhalten. Diese Überlegungen führen zu dem Schluß, daß der operation al section dort ein relativ breites Aufgabenspektrum und eine angemessene Ermessensfreiheit übertragen werden muß, wo sie sowohl die Anforderungen der übergeordneten Lenkungsebenen befriedigen wie auch als mit Weisungsbefugnis ausgestatteter Vertreter gegenüber den unteren Verwaltungsebenen auftreten muß. Wo aber die Grenzen zu ziehen sind, hängt von den spezifischen Faktoren des jeweiligen Verwaltungssystems ab. Wenden wir uns nun dem Kriterium der Arbeitsplatzzufriedenheit zu. Es wird manchmal aus der Überlegung mißverstanden oder unterschätzt, die Verwaltung habe den öffentlichen Belangen und nicht den Interessen der Bürokraten selbst zu dienen. Das ist zwar insoweit richtig, jedoch ist der Standpunkt in einer solchen Umschreibung unrealistisch. Die Effektivität einer Organisation hängt entscheidend von den Anreizen und Möglichkeiten ab, die sich dem Personal bieten: Sie haben Anspruch darauf, in derselben Weise berücksichtigt zu werden wie andere Gruppen der Gesellschaft. Dies ist natürlich ein Grundsatz der Personalführung, der

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innerhalb der gesamten Verwaltung gilt. Aber er ist für die operational section vielleicht von besonderer Bedeutung. Alle Strukturen öffentlicher Verwaltung bedürfen besonders gut ausgebildeter Beamten, die in der Lage sind, über ihre Aufgaben kritisch zu reflektieren und Verantwortung zu übernehmen. Solchen Personen müssen neben materiellen Vorteilen auch gewisse immaterielle Anreize geboten werden, z. B. daß ihre Karriereaussichten die Chance bieten, schon in verhältnismäßig frühen Jahren persönliche Arbeitsplatzzufriedenheit zu erreichen. Auf vielen Gebieten der Verwaltung muß die operational section als diejenige Stufe der "Karriere" angesehen werden, die jeder innerhalb der in Frage kommenden Beamtengruppe, der durchschnittlich befähigt ist, erreichen wird. Ein Vordringen über diese Ebene hinaus ist mehr eine Frage des freien Wettbewerbs. Die operational section muß jedoch so gestaltet werden, daß sie ein angemessenes Karriereziel darstellt, sei es als Durchgangsoder als endgültige Stufe. Dies macht unter den heutigen Bedingungen ein ständiges Bemühen darum notwendig, den Zwängen entgegenzuwirken, die zu einer Entwertung der auf der operationalen Ebene zu leistenden Aufgaben führen, und darum, die von der Arbeit ausgehenden Ansprüche mit den Fähigkeiten des Personals in Einklang zu bringen, daß diese Ebene erreichen möchte. Nur zu oft werden die individuellen Fähigkeiten in großen Organisationen nicht hinreichend genutzt und den Beschäftigten die Herausforderung und der Anreiz vorenthalten, die sie begrüßen würden. Ohne Zweifel ist es für die öffentliche Verwaltung von besonderer Vordringlichkeit, diesen Tendenzen entgegenzuarbeiten, indem regelmäßig Analysen über die Arbeitsverteilung innerhalb der Hierarchie angestellt und, was wesentlich schwieriger ist, die notwendigen Korrekturen vorgenommen werden. Nunmehr soll eine Zusammenfassung dieser allgemeinen Kriterien versucht werden, die zur Abgrenzung des Verantwortungsbereiches der operational section und ihrer Stellung im Verhältnis zur übrigen Organisation eines Ministeriums herangezogen werden können. (a) Die Aufgaben müssen dergestalt aufgeteilt und den operational sections zugewiesen werden, daß der zur Koordination zwischen den sections benötigte Aufwand verringert wird; ebenso bedeutend ist das Bedürfnis nach Aufgabenbereichen, die eine Koordination der Maßnahmen innerhalb der sections erlauben. Die Idee der eigenständigen section ist für die meisten Gebiete der Verwaltung hinfällig geworden. (b) Zwar müssen die operation al sections in der Größe variieren, jedoch

nur innerhalb gewisser Grenzen. Die eine liegt darin, daß eine ausweichende Lenkungsmöglichkeit durch den Leiter der section bestehen muß. Auf der anderen Seite gilt es zu sichern, daß die entstehende organisatorische Einheit alle Begabungen zur Entfaltung kommen

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(c) Die operation al section kann nicht überall als Modell verwendet werden: unter manchen Bedingungen bieten kooperierende Gruppen oder Teams eine befriedigendere Lösung. Im übrigen läßt sich erwarten, daß die Beziehungen innerhalb der oeprational sections in zunehmendem Maße dahin tendieren werden, Merkmale des typischen informellen Verhaltens in Teams anzunehmen. Die operational section sollte deshalb weniger starre Formen als bisher annehmen. (d) Wo eindeutig die operation al section benötigt wird - und dies betrifft einen großen Teil der öffentlichen Verwaltung -, sollten ihre Verantwortlichkeiten auf einer entsprechend hohen Ebene angesetzt und ausreichend deutlich definiert werden, um sicher zu stellen, daß die operational section sowohl die an sie gestellten Anforderungen der Lenkungsspitze, wie auch die Erwartungen des betroffenen Personals erfüllen kann. 5. Unterschiede in den spezifischen Bedingungen die die operational seetion beeinflussen

Die bisherigen Erörterungen waren recht allgemein gehalten. In diesem abschließenden Teil wird es hilfreich sein, auf eine Reihe spezifischer Faktoren einzugehen, d. h. solche, die spezifisch für bestimmte Verwaltungssysteme sind und die es so schwierig machen, allgemeine Konzepte über Verwaltungsorganisation zu entwickeln, die dann auf jede Situation anwendbar sind. Der erste Faktor, auf den hingewiesen werden muß, ist die Gesamtgröße der Ministerien. Diese hängt wiederum von dem Umfang der Aufgaben der zentralen Verwaltung ab sowie von den Entscheidungen über die Verteilung dieser Funktionen. Innerhalb einer relativ kleinen Organisation lassen sich Verantwortlichkeiten exakter definieren: vor allem haben die Bestandteile den Vorzug der "Übersichtlichkeit". Unter diesen Umständen läßt sich die operational section durchaus als eine Schlüsseleinheit verstehen, die unmittelbar für die Lenkungsebenen der Organisation arbeitet. Nimmt man das Bundeswirtschaftsministerium als Beispiel, so gab es dort im Mai 1966 acht Abteilungen und 210 operation al sections (Fachbereiche bzw. Referate). Damit hatte es im Durchschnitt pro Abteilung 15 operational sections, obwohl tatsächlich einige Abteilungen die Zahl bei weitem überschritten und andere darunter lagen. Die Zahl von 120 Referaten mag groß erscheinen; das Ministerium hatte gleichzeitig jedoch insgesamt 1712 Beschäftigte, und davon fielen vermutlich nur 450 in die Kategorie der mit der Entwicklung von Zielvorstellungen betrauten

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Beamten. Geht man von der Zahl der auf der Ebene der operational sections Tätigen aus, hatte diese somit nur eine mittlere Größe 8 • Wenn man sich der Lage in Großbritannien zuwendet, zeigen sich einige scharfe Kontraste in den Größenverhältnissen. In den vergangenen Jahren bestand die Tendenz, Ministerien zu immer größeren Einheiten zusammenzulegen. Das Ministerium für Umweltsfragen (Department of Environment) z. B., das im Oktober 1970 gebildet wurde, hat eine Gesamtbeschäftigungszahl von 71 000 (einschließlich der AußendienststeIlen). Am Hauptsitz ist die Organisation, die drei vorher selbständige Ministerien umfaßt, von gewaltigen Ausmaßen. Auf der Ebene der Abteilungsleiter existieren ca. 90 Stellen, von denen knapp weniger als die Hälfte zu den herkömmlichen (administrativen) under-secretary Positionen zählen. Darunter befinden sich ca. 140 assistant secretary Stellen, neben die eine zumindest gleich große Stellenzahl für technische Beamte gleichen Ranges tritt. Wenn wir davon ausgehen, daß diese Stufe die Leiter von operational sections umfaßt, gibt es in der Organisation ungefähr 300 solcher sections. Unterhalb der Leiter der operational sections findet sich eine weitere Gruppe von Positionen, ca. 1000 an der Zahl, die heute das voll ausgebildete Personal der sections umfaßt; noch vor wenigen Jahrzehnten wären diese Positionen als die operation al sections selbst angesehen worden. Die Zahl der leitenden Beamten ist derart angewachsen, daß man sich genötigt sah, für sie eine eigene Personalabteilung einzurichten. Eine ähnliche Lage ergibt sich im Ministerium für Handel und Industrie (Department of Trade and Industry), wenn auch hier der Umfang der technischen Stellen nicht ganz so groß ist. Eine Folge der Größe ist natürlich, daß die operational sections in sehr großen Organisationen weniger Kontakt mit den Lenkungsebenen bzw. der Führungsspitze haben und vermutlich auch nur einen geringeren Einfluß auf diese ausüben können. Ihre Arbeit muß mindestens eine, evtl. 2 oder gar 3 höhere Stufen der Hierarchie durchlaufen, bis endgültige Entscheidungen gefällt werden. Schließlich betont die Vervielfachung der operationalen Einheiten die Probleme der Koordination und Kommunikation, wenn man auch im allgemeinen davon ausgeht, daß diese Schwierigkeiten durch die Vorteile aufgehoben werden, die die Verringerung der Zahl der zwischen den Ministerien bestehenden Schranken mit sich bringt. Des weiteren ist es schwer vorstellbar, daß die Personen, die in solchen großen Organisationen auf der operationalen Ebene arbeiten, den Frustrationen und Unsicherheiten entgehen können, die 8 Die Situation hat sich inzwischen durch die Zusammenlegung von Bundesfinanzministerium und Wirtschaftsministerium verändert; dieser Größenzuwachs muß im Laufe der Zeit die Brauchbarkeit der Referatestruktur für die politische Lenkungsspitze in Frage stellen.

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dem Gefühl entspringen, immer mehr nur noch ein kleines Rad im Getriebe zu sein. Als allgemeine Folgerung ergibt sich, daß die Gesamtgröße eines Ministeriums einen entscheidenden Einfluß darauf hat, in welchem Umfang man in der operation al section eine Schlüssel einheit der Verwaltungsstruktur sieht. Je größer das gesamte Ministerium ist, um so eher verliert die operational section ihre Entscheidungsfunktionen an neue Organisationsschichten über sich, die noch nicht zu zahlreich sind, um durch die Beamten der höchsten Lenkungsebenen durch die Organe der politischen Führung kontrolliert werden zu können. Als zweites ist auf den Einfluß hinzuweisen, den die Art der ausgeübten Funktionen hat. Im traditionellen ordnenden, rechtssetzenden Ministerium konnte man sich die operational section als die Basiseinheit für die Entwicklung und Formung der Zielvorstellungen in jedem der Haupttätigkeitsbereiche des Ministeriums vorstellen. Selbst in Bereichen der Verwaltung, in denen die Methoden sich nicht drastisch verändert haben, hat die Ausweitung der Tätigkeiten der öffentlichen Hand eine gewisse Vergrößerung der betreffenden Organisationen auf der operationalen Ebene notwendig gemacht. Diese Vergrößerung war jedoch dort geradezu explosiv, wo die Funktionen des zentralen Regierungsapparates über die Entwicklung ordnender Zielvorstellungen hinausreichen und einen breiten Rahmen von Tätigkeiten ausführender Natur mitumfassen. Diese Situation läßt sich vielleicht am deutlichsten an der britischen Zentralverwaltung erkennen, in der die meisten der zentralen Ministerien Tätigkeiten ausüben, die in der Bundesrepublik den Ländern zufallen bzw. an der französischen Verwaltung, wo die zentralen Ministerien ebenfalls weitreichende Ausführungsaufgaben haben, wenn sie auch häufig an Außenstellen oder an ad hoc aufgegliederte Behörden delegiert werden. Diese Vervielfachung der verschiedenen Funktionen bedeutet für die operation al section hauptsächlich, daß man sie kaum noch einheitlich beschreiben kann; es wird schwierig, in ihr diejenige Einheit zu erkennen, die primär an der Entwicklung von Zielvorstellungen beratend mitwirkt und Informationen liefert. Stattdessen muß ein hoher Grad interner Unterschiedlichkeit hingenommen werden. Viele Fragen können nur durch eine Gruppe von sections behandelt werden, die sich auf verschiedene technische Aspekte des Stoffes und auf verschiedene funktionale Bereiche der Verwaltungskontrolle spezialisiert haben. Die Entwicklung von Richtlinien über die Organisation und die Stellenbesetzung wird notwendigerweise, drittens, von der augenblicklichen Tendenz (z. B. in Großbritannien) beeinflußt, Dienstpostenanalysen als eine Methode zur Erreichung bessere Einstufungsschemata zu empfnhlen, einfacherer Gestaltsstrukturen und eines wirkungsvolleren Personaleinsatzes. Jedoch sind es nicht die langfristigen Resultate der Dienst-

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postenanalyse, die in diesem Zusammenhang relevant sind. Von unmittelbarer Bedeutung ist vielmehr, daß dieses Verfahren ohne Zweifel hilft, Unterschiede in der Arbeitsbelastung und in der Art der Beschaffenheit der tatsächlich geleisteten Arbeit aufzudecken. Die Ergebnisse solcher Analyse können dazu benutzt werden, eine klarere Definition der Rolle der operational sections zu entwickeln; gleichzeitig machen sie es unter Umständen schwerer, die relative Statik organisatorischer Hierarchien hinzunehmen, die man vorher für unvermeidlich hielt. Der britische Civil Service hat unmittelbar nach dem Fulton-Report mit einer Dienstpostenanalyse großen Stils begonnen, um die Basis für ein vereinfachtes und einheitliches Einstufungsschema zu schaffen. Das Civil Service Department (Ministerium für den öffentlichen Dienst) ist 1971 mit der Bewertung der Ergebnisse dieser Analyse auf der Ebene der oprational sections beschäftigt. Dabei wird die gesamte Skala vom Museumswächter hin bis zu den Principals in traditionellen Verwaltungspositionen erfaßt. Die Kriterien, die bei der Bewertung verwendet werden, sind: Problemlösung, Entscheidungstätigkeit, Außenkontakte, Management und Wissen bzw. Fähigkeiten. Die Dienstpostenanalyse soll eine Eingruppierung der Posten nach Punkten ermöglichen, entsprechend der Punktzahl, die sie in den genannten Rubriken erreichen. Natürlich löst die Einordnung eines Dienstpostens in eine Skala noch nicht das Problem, wie er rangmäßig einzustufen ist und welche Bezahlung er beanspruchen kann. Es gibt allerdings notwendigerweise viele dem öffentlichen Dienst anhaftenden Faktoren, die es notwendig machen werden, die Ergebnisse der Dienstpostenbewertung flexibel zu handhaben. Aber die wichtigste Bedeutung, die einer derartigen Analyse für das Thema dieses Referates zukommt, liegt in dem Licht, das sie auf Verschiedenheiten bei Dienstposten wirft. Es unterstreicht die Tatsache, daß die Funktionen und Rollen der operational section auf verschiedenen Gebieten der Verwaltung enorm differieren. Dies kann Unterschiede in der Dienststellung und/oder in der Besoldung der Beamtenschaft rechtfertigen, die vorher für undurchführbar gehalten wurden. Die weitere Entwicklung der operation al section muß, viertens, notwendigerweise auch davon abhängen, in welchem Umfang man die Aufmerksamkeit auf die Gesamtstruktur der Ministerien richtet. Dies wiederum wird durch die Intensität der Selbständigkeit beeinflußt, die die Ministerien haben. Sofern man auf die generelle Struktur achtet, wie es z. B. in dem 1969 erschienen Bericht der Projektgruppe im Bundesinnenministerium geschieht, ist es zumindest im Prinzip möglich, die Probleme der operation al section mit Bezug auf die anderen Ebenen zu sehen, auch wenn dies wegen der inhärenten Schwierigkeiten beim Entwurf einer völlig neuen Struktur eine relativ "konservative" Einstellung gegenüber Veränderungen ermutigen mag. Wenn aber die Tendenz besteht, Ebenen

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in der Hierarchie des Personals jeweils isoliert voneinander zu betrachten, ist es schwierig, zu Folgerungen zu kommen, die die Teile der Organisation zueinander in Beziehungen setzen. Dieses Problem taucht in Großbritannien auf, wo die gegenwärtigen Analysen des Civil Service Department sich vornehmlich auf getrennte Ebenen in der Struktur der Beamtenschaft konzentrieren und damit den Wert einer übergreifenden Würdigung der Organisation unterschätzen. Da die einzelnen Ministerien einen ziemlich weiten Ermessensspielraum behalten haben, wie sie jedes für sich ihre interne Struktur nach ihrer Beurteilung der Bedürfnisse gestalten wollen, bleiben Geschwindigkeit und Richtung der Veränderungen ungewiß, wenn auch für bestimmte Ebenen der Civil Service Hierarchie recht erhebliche Änderungen entweder bereits vorgenommen wurden oder noch geplant sind. In der Tat ist es wegen der Bedeutung, die der überprüfung personeller Anforderungen und Charakteristika beigemessen wird, schwierig, überhaupt grundlegende Strukturfragen aufzuwerfen, einschließlich derjenigen nach der Eignung des gegenwärtigen Typs der operational section. Die Behandlung der operation al section wird, fünftens, davon beeinflußt, in welchem Ausmaß man die Verwaltungsmethoden, die im privaten Bereich oder zumindest außerhalb des Gebietes der öffentlichen Verwaltung gebräuchlich sind, bei der Strukturierung der öffentlichen Verwaltung für verwertbar hält. Insoweit als die Praxis auf dem privaten Sektor im allgemeinen einer langgestreckten und komplexen Hierarchie wenig positiv gegenüber steht, könnten sich übernahmen aus dieser Quelle im Prinzip zugunsten einer breiteren und flacheren Struktur auswirken, wobei sich vielleicht eine erneute Betonung der operational section als einer strategischen Ebene in der Struktur der Ministerien ergeben könnte. Gleichzeitig unterstützt die Bedeutung, die in vielen privaten Verwaltungsbereichen der Verantwortungsfähigkeit für die Lenkung und der Delegation beigemessen wird, die Versuche, der operational section eine klarere Abgrenzung zu geben und ihre Verantwortung zu unterstreichen, die sie für die ihr übertragenen Tätigkeiten hat. Gegebenenfallskönnte die weitere Verfolgung dieses Modells zu einer Situation führen, in der Ministerien einige operational seetions völlig abtrennen und sie als autonome Verwaltungseinheiten frei umhertreiben lassen könnten. Die politischen Widerstände gegen einen derartigen Trend sind in manchen Ländern erheblich. Aber es ist schwierig, die Art des Einflusses gen au einzuschätzen, der sich durch Vergleiche mit dem privaten Bereich und seinen Organisationsmethoden ausüben läßt. Die Unterschiede in den Funktionen, den Arbeitsbedingungen und den Maßstäben der Leistungsbewertung zwischen der Privatwirtschaft und der öffentlichen Verwaltung bleiben so wesentlich, daß es unwahrscheinlich ist, daß zwischen den Verwaltungsmethoden in beiden Bereichen tatsächlich eine

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so enge Entsprechung herrscht, wie sie einige Kritiker der öffentlichen Verwaltung in der letzten Zeit für möglich gehalten haben. Ein Erfahrungsaustausch ist nützlich, aber eine vollständige Angleichung der beiden Bereiche ist sehr unwahrscheinlich. Nunmehr können wir zu den im dritten Abschnitt erwähnten Fragen zurückkehren. Diese kurze Erörterung hat hoffentlich eine Rechtfertigung für die Überzeugung gebracht, daß sie nicht abschließend beantwortet werden können, zumindest nicht, wenn man allgemein gültige Antworten erwartet. Unter den Faktoren, die es vor einer Entscheidung über eine bestimmte Aufgabenverteilung unter operation al sections abzuwägen gilt, sind viele, die spezifisch für ein bestimmtes Verwaltungssystem sind. Man muß erkennen, daß heute "Stabs"-Funktionen einen weiten Anwendungsbereich haben, was notwendigerweise den Ermessensspielraum einschränkt, der aufgabenbezogenen sections eingeräumt werden kann, die spezialisiert und oft hinsichtlich der ihnen zur Verfügung stehenden Techniken eingeengt sind. Die Größe eines Ministeriums - oder genauer, der Grad, bis zu dem Ministerien groß sind, weil sie neben den Funktionen der Formulierueng von Zielvorstellungen, der Normsetzung und der Überwachung auch extensive Ausführungsfunktionen haben - hat einen entscheidenden Einfluß auf die Bedeutung, die der operational section anhaftet. Zunehmende Größe führt dazu, größere Komplexität und Unterschiedlichkeit in der Organisation zu unterstützen, und dieses arbeitet seinerseits der traditionellen Vorherrschaft der operational section entgegen. In bezug auf letzte Frage, die nach der förmlichen Definition der Zuständigkeiten bzw. Befugnisse der operational section, wird bereits deutlich geworden sein, daß sie keine Angelegenheit von entscheidender Bedeutung ist. Die förmliche Regelung der Position der operation al section in einem bestimmten Verwaltungssystem kann lediglich das Verständnis ihrer Rolle in diesem System wiedergeben. Sie hilft zu erkennen, wie die operational section in diesem System definiert ist und welche Leistungen man von ihr erwartet. Aber weder liefert sie ein Modell, das anderswo angewendet werden könnte, noch befreit sie von der Notwendigkeit, jedes Muster der operation al section auf sein Verhältnis zur eigenen administrativen und politischen Umgebung hin zu analysieren. (Autorisierte übersetzung aus dem Englischen von Gerhard Pütter)

2. Schriftliche Bemerkungen Von Ulrich Scheuner 1. Es scheint mir richtig und bedeutsam zu sein, wenn Prof. Johnson S. 118 ff. hervorhebt, daß sich die Tätigkeit der Zentralbehörden von einer mehr negativen, überwachenden Funktion zu einer aktiven gestaltenden Tätigkeit im gesellschaftlichen Bereich verschoben hat. Dies gilt nicht in gleichem Maße für alle Zentralbehörden, bestimmt aber heute die Bereiche des Inneren, der Arbeit und Sozialordnung, der Wirtschaft und (schwächer) der Erziehung. Das Ergebnis ist, daß von diesen Behörden ein höherer Grad an Unterrichtung (Information), vorausschauender Planung und Aktion erfordert wird. Organisatorisch kommt dies, wenn auch unvollkommen, in der Heranziehung von Beratungsgremien, Einsetzung von Ausschüssen für die Erarbeitung langfristiger Konzepte (Bildungsrat, Wissenschaftsrat) und ggf. in der Einsetzung von Planungsabteilungen zum Ausdruck.

2. Prof. Johnson weist S. 120 ff. darauf hin, daß mit dem Anwachsen des Umfangs zentraler Behörden die Funktion der politischen Zielsetzung und Entscheidung dahin tendiert, sich auf höhere Ebenen zu verlagern. Das ist auch für die deutsche Situation sicherlich richtig. Der Referatsleiter hat in den großen Ministerien nur mehr eine begrenzte Entscheidungsmöglichkeit, sofern er nicht sehr spezialisiert ist oder der Gegenstand keine höhere Aufmerksamkeit findet, den er bearbeitet. Es sind die Abteilungsleiter (Ministerialdirektoren und -dirigenten), denen die eigentliche Direktion weithin zufällt. Diese Entwicklung führt bereits dahin, daß in etwas größeren Zusammenhängen als dem einzelnen Referat gedacht wird. Mr. Johnson kommt S. 137 ff. zu ähnlichen Ergebnissen und Vorschlägen. 3. Ich würde - was gewiß nicht streng zum Thema gehört - in dem Bericht gern etwas mehr über die Verbindung zwischen den einzelnen Abteilungen und Referaten und der Spitze der politischen Entscheidung im Ministerium gehört haben. Hier liegen heute wichtige Probleme. Inwieweit ist es technisch möglich, die einheitliche Leitung großer Ressorts zu gewährleisten:? Wie kann der zentrale Stab des Ministers beschaffen sein, um diese Leitungsaufgabe zu bewältigen? Das sind Fragen, die schon außerhalb der eigentlichen Fragestellung des Berichts von Prof. Johnson liegen, die aber doch auch für' seine Resultate von Bedeutung sind.

3. Diskussion unter der Leitung von Alfred Faude Faude: Gestatten Sie mir als Diskussionsleiter dieses Tages eine kurze Einführung und haben Sie auch Verständnis dafür, daß ich diese mit einer kritischen Bemerkung zur gestrigen Diskussion beginne. Der Verlauf dieser Diskussion hat ein Dilemma sichtbar werden lassen, das sich zwangsläufig aus der horizontalen Aufteilung unseres Gesamtthemas ergibt. Im Grunde ist eine Betrachtung der Ebenen eines Ministeriums jede für sich allein apriori unzulänglich, weil alle diese Ebenen füreinander da sind und die Effektivität der Arbeit von der Effektivität des Zusammenwirkens der verschiedenen Ebenen abhängt. Es kommt nicht von ungefähr, daß wir uns gestern über die Führungsorganisation unterhielten und dabei von einigen wenigen Beiträgen abgesehen im wesentlichen bei Fragen der Aufbauorganisation stehenblieben. Dies wohl auch, weil wir zu wenig von den Funktionen der verschiedenen Ebenen ausgegangen sind. Ich glaube, daß dies im Ergebnis dazu geführt hat, daß die Problematik eher verdunkelt als aufgehellt worden ist, was die Führungsorganisation, das Zusammenwirken an der Führungsspitze und mit der Führungsspitze angeht. Wir sollten heute versuchen, diesen Fehler nach Möglichkeit zu vermeiden. Lassen Sie mich auch hinzufügen: das Dilemma, das große Problem, vor dem wir heute in der Praxis stehen, ist bei aller Bedeutung der Aufbauorganisation die Ablauforganisation, und wenn ich noch einmal auf die Führungsorganisation zu sprechen kommen darf, dann sind es in dieser Ablauforganisation vor allem die häufig anzutreffenden Mängel im Zusammenspiel zwischen Leitung und Linie, im Zusammenspiel auch zwischen Linie und den besonderen Einrichtungen, die heute in den Ministerien entstehen: Stäbe usw. Vielleicht wird es aber heute, meine Damen und Herren, wenn wir jetzt von der Führungsorganisation sozusagen auf die Basis springen, in der Diskussion leichter, weil es sich hier um eine Ebene handelt, bei der im Grunde alle operativen Aufgaben liegen und bei der eigentlich der Ablauf in aller Regel einsetzt, wenn es nicht ausnahmsweise mal umgekehrt läuft von oben nach unten. Ich glaube auch, daß eine Untersuchung der Basis, und das zeigt auch das Referat von Mr. Johnson, daß eine Untersuchung der Basis des Verwaltungshandelns unweigerlich über die Aufbauprobleme auch zu den Ablaufproblemen führt. Wir haben es bei der Betrachtung der Basis mit der Auffächerung von Funktionen und Aufgaben zu tun, wie dies Mr. Johnson in seinem Referat nennt, und

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diese Auffächerung wirft wegen der Komplexität der Aufgaben notwendig Koordinierungsprobleme auf, und zwar schon auf dieser Ebene selbst, gleichviel ob hier Entscheidungen abschließend getroffen oder für die Leitung vorbereitet werden. Professor Johnson hat in seinem Referat eine Reihe von Ablaufproblemen bereits andiskutiert. Ich möchte davon absehen, jetzt vorweg einen Abriß aller Probleme zur Basisorganisation, wie sie von Mr. Johnson aufgeworfen worden sind, zu geben, sondern sogleich die Diskussion eröffnen. Dror: Ich möchte sechs allgemeine Bemerkungen machen und sie dann auf die spezifischen Fragen der Fachreferate anwenden. Punkt 1: Lassen Sie mich betonen, daß das Thema dieser Tagung von großer internationaler Bedeutung ist. Man kann in den USA Tagungen besuchen, in Japan, in Venezuela, in Kanada, in vielen Ländern, und man wird sehen, daß dort ähnliche Fragen aufkommen und daß ähnliche Vorschläge und Ergebnisse diskutiert werden. Es scheint, daß, allgemein gesprochen, die Strukturen der Verwaltung und der Regierung revidiert werden müssen, um sie den Notwendigkeiten und dem neuen Wissensstand anzupassen. Ich glaube auch, daß diese Tagung dazu beitragen wird. In all diesen Tagungen besteht nun die Schwierigkeit, daß es wenig Fortschritte gibt. Es sind im wesentlichen also Probleme, weil kaum Ergebnisse erzielt werden. Oftmals gibt es auch einen Informationsmangel, Wissensmangel; nehmen wir zum Beispiel das Beispiel von Schweden oder Holland: Man weiß nichts über Holland, und auch die Struktur der Verwaltung und die Führungseinheiten in Schweden sind einmalig. Was ist nun wichtiger, das zu wissen, was anscheinend, oder das, was eben wirklich wichtig ist? Zur Zeit haben wir noch keine grundlegenden Fachkenntnisse. Vielleicht haben wir immer noch kein richtiges Konzept, um diese Probleme zu analysieren, um sie zu verstehen und um sie zu lösen. Deshalb ist ein Ergebnis dieser überlegungen, daß man in den Verwaltungsverfahren und Verwaltungs gebieten mehr Forschung betreiben muß. Eine Randbemerkung: Ich schlage vor, nicht den Ausdruck "optimal" zu gebrauchen. Wir haben nämlich nicht genug Wissen, um etwas zu optimieren. Wir sollten Lösungen suchen, die besser sind als die Situation, mit der wir konfrontiert sind. Man muß also Präferenzen setzen. Der zweite allgemeine Punkt: Ich glaube, daß wir einen intellektuellen Rahmen haben, der es uns erlaubt, die Probleme, die vor dieser Tagung stehen, zu beleuchten. Das ist der Rahmen einer allgemeinen Systemanalyse. Dieser ist ein Charakteristikum dieser Konferenz, und ich glaube, wir sind in der Lage, den Rahmen auszufüllen. Wir werden besonders beleuchten, daß wir in unserem Verwaltungssystem keine Analyse vornehmen, nichts verbessern können, ohne uns sofort mit dem ganzen Ausmaß, wie Struktur, Personal, in-put, Ausrichtung usw., zu beschäfti-

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gen. Und ich bin sicher, daß der Name dieser Konferenz, Aktuelle Probleme der Ministerialorganisation, nicht nur die Struktur bedeutet, denn es geht hier um den ganzen Prozeß. Die gestrige Diskussion und auch die heutige Diskussion haben gezeigt, daß die Betonung des strukturellen Aspektes wichtig ist, aber nicht alleine genügt. Nehmen wir z. B. den Planungspunkt. Hier sollte die Frage aufgeworfen werden, welcher output vorliegt. Vielleicht ist der Ausdruck Planung falsch, vielleicht sollten wir nicht den Ausdruck einer langfristigeren Planung gebrauchen. Wenn wir den Begriff out-put verwenden, meinen wir, daß wir ihn fordern. Hier müssen wir uns nun fragen: Was wollen wir durch das Planen erreichen? Was erwarten wir von diesem Ergebnis, wie soll dieses Ergebnis interpretiert werden, damit wir unser Verwaltungssystem neu gestalten können? Der Ausdruck Planung ist vielleicht nützlich oder nicht. Aber das Ergebnis ist wichtig, und wir müssen ein Kriterium finden, das es uns erlaubt, Veränderungen durchzuführen. Vielleicht liegt eine Möglichkeit, langfristige Erwägungen anzustellen, im besseren Training unseres Beamten. Vielleicht auch, wenn wir Planungseinheiten in unseren Ministerien aufbauen wollen, ist die Frage, wer diese Funktion erfüllen solle. Wir haben den Begriff Planungsreferent, aber dieser Begriff ist nicht ausreichend. Wir müssen diesem Ausdruck einen Inhalt verleihen, wir müssen eine neue Idee finden, eine neue Planungsstruktur. Diese wird aber scheitern, wenn wir dieselben Personen in diese Planungsstruktur einsetzen. Aus diesem Grunde würde ein Bumerangeffekt entstehen. Es ist unmöglich, Planungsstrukturen zu erörtern, ohne Planungsvorgänge zu diskutieren, um zu zeigen, daß die Planung eng mit dem Budget zusammenhängt und daß die Planungs einheiten eng mit der Haushaltsplanung zusammenhängen. Ich möchte das amerikanische Beispiel ganz kurz andeuten, aber nicht weiter erwähnen. Dann müssen wir mögliche Alternativlösungen finden, wir müssen einen background finden, der es uns erlaubt, die Diskussion effizient durchzuführen. All dies zeigt, daß es wichtig ist, all diese komplexen Probleme zu erörtern, um eine Analyse des Verwaltungsapparates durchzuführen. Wir dürfen uns nicht nur auf strukturelle Probleme festlegen, um uns in unserer Diskussion nicht zu sehr zu begrenzen. Dann möchte ich hier einen weiteren Punkt erwähnen. Wenn man so ein Problem erörtert, dann darf man nicht nur den Aspekt der Ministerien erörtern. Wir können bessere Regierungsplanung erreichen, wir können neue Organisationstypen erreichen, wenn wir alle Aspekte in unseren Überlegungen einschließen. Ich möchte das amerikanische Beispiel und das jugoslawische Beispiel erwähnen, das hier nicht auf unser Thema zutrifft. Aber noch einmal: Wir müssen einen möglichst weiten Rahmen stecken, der uns erlaubt, die Themen dieser Konferenz zu definieren. 10 Speyer 48

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Der dritte Hauptpunkt nun, der eng mit dem zweiten zusammenhängt, ist der folgende: Es ist wichtig, die Gefahr einer Sub optimierung zu vermeiden. Ich möchte es anders ausdrücken: Wir können effektiver arbeiten, wenn wir einige Dinge ganz weglassen. Wir können einige Dinge beiseite schieben, um so ganz schnell zu den Hauptpunkten, die hier wichtig sind, zu kommen. Ich werde auf diesen Punkt aber noch später eingehen. Der vierte Punkt nun: Wir müssen uns in einem längeren Zeitraum bewegen. Wir müssen länger vorausdenken. Wir können z. B. zu Recht in Anspruch nehmen, daß eines der wesentlichen Probleme der Verwaltung nicht das ist, sich zu reorganisieren. Vielmehr müssen wir die Ausbildung organisieren, wir müssen die Fähigkeit der Ministerien organisieren, sich den neuen Gegebenheiten anzupassen. Die Ministerien müsen neue Erfahrungen in sich aufnehmen, sie müssen sich ständig neuen Situationen anpassen und so in einer dynamischen Weise arbeiten. Dies kann bedeuten, daß die gegenwärtigen Verwaltungsstrukturen radikal verändert werden müssen. Der fünfte Punkt: Wenn wir Verwaltungsverbesserungen erörtern, sollten wir vielleicht einen Unterschied machen zwischen der strukturellen Lösung von Aufgaben und dem neuen Entwurf von Ministerien. Wir starten bei diesem Punkt von 0, wir haben praktisch kein Wissen. Eine wesentliche Bedeutung, eine wesentliche Verbesserung würde sein, das zu erreichen, was wir gegenwärtig tun können. Wenn wir nun die Probleme analysieren, müssen wir uns fragen, was kann geschehen, um einen Verwaltungsapparat für die verschiedenen Länder zu schaffen, der auf neuen Grundlagen basiert. Wir mögen vielleicht auch hier optimale Lösungen finden, Lösungen, die einen ganz anderen Charakter haben als die traditionellen Lösungen. Wenn wir z. B. Lösungen finden, müssen wir ministerielle Funktionen überdenken, die wir neu ordnen. Dies mag bedeuten, daß wir Richtlinien benötigen, um unsere Verwaltungsstruktur verbessern zu können. Der nächste Punkt nun: Für all diese Erörterungen benötigen wir neu es Wissen, über das wir im Augenblick noch nicht verfügen. Aber ohne dieses Wissen, so fürchte ich, können wir keine Neuerungen erreichen und unseren Verwaltungsapparat nicht verbessern. Diese Bemerkung möchte ich nun ganz kurz in Bezug stellen zu dem Referat von J ohnson. Ich möchte zwei Punkte besonders erörtern. Zuerst möchte ich im besonderen die Frage der Gefahren einer Suboptimierung erörtern. Vielleicht wird es uns möglich sein, das Referat zu verbessern, indem wir besondere Aspekte berücksichtigen. Aber ich zweifle, daß wir dadurch auch die Koordinierung verbessern können. Die Probleme sind so eng miteinander verbunden, sie wechseln so schnell, daß

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die Hoffnung auf eine unabhängigere Arbeitsweise dieser Referate falsch ist. Des weiteren: Die Frage, wie man professionals bekommt, die für die neuen Posten geeignet sind, ist in einem Augenblick gestellt, wo wir eine größere Elastizität benötigen, um die Dienstposten den sich ständig verändernden Notwendigkeiten anzupassen. Besonders geht es darum, die Fachreferenten, die Ausbildung der Fachreferenten zu verbessern, das bedeutet, sie müssen aus ihren engen Grenzen des Professionalismus herausgehen und über die Grenzen ihres Referates blicken. Ich möchte normative Folgen hier andeuten, die auch von unserem Kollegen Johnson angedeutet wurden. Ein besseres Fachreferat ist nötig und nützlich. Dazu benötigen wir aber eine bessere Gesamtpolitik und Gesamtentscheidungsgewalt. Wir vermeiden dadurch die Gefahr, daß wir Einzelentscheidungen treffen, die nicht notwendig sind, die nicht produktiv und der Situation nicht angemessen sind. Aus diesem Grunde wird mit der Verbesserung der Fachreferate eine Verbesserung der Stabseinheiten vor sich gehen, die sich im weitesten Sinne spezialisiert haben. Wir brauchen einen neuen Typus des Fachreferates, z. B. eine policy-Analyse-Einheit. Eine interdisziplinäre Einheit wird nötig sein, die das Fachreferat kritisieren kann und die eine Arbeitsteilung mit ihm vornimmt. Ich möchte sagen, daß jedes Ministerium eine Stabseinheit haben sollte, welcher ein Soziologe, ein Systemanalytiker, ein Wirtschaftswissenschaftler angehören sollte. Und alle diese Personen sind in der Lage, ein allgemeines Bild zu entwerfen, und sie würden sicherstellen, daß wir eine überspezialisierung vermeiden. Eine Rotation zwischen den einzelnen Fachreferaten ist wichtig, damit die Personen einen weiten überblick bekommen. Ich weiß, daß dies sehr schwierig ist, es ist auch teuer. Aber man erreicht dadurch, daß die Referenten ein weiteres Wissen erreichen. Vielleicht werden wir eine Reihe permanenter Reorganisationen erleben, besonders auf dem Sektor der Forschung und der Evolution in den Ministerien. In den Vereinigten Staaten ist diese Reorganisation zum Teil schon vonstatten gegangen, die Grundsatzdiskussionen haben stattgefunden. Wie sollen wir Fachreferate organisieren? Die Antwort wird sein: Wir reorganisieren sie erst, wenn wir die Grundlagen dafür haben. Wir brauchen Elastizität, um eine Stabilisierung zu erreichen, um eine Stabilisierung vor allem des Lernens und der Weiterbildung der Beamten zu erreichen. Dies sind nur einige Punkte, die auch in dem Bericht von Herrn J ohnson erwähnt wurden. Die Hauptidee ist, daß das Referat nicht nur nützlich sein kann, sondern daß es durch seine Arbeit eine effektive Verwaltung auch verhindern kann. Ich möchte diesen Punkt später noch erörtern. Fromont: Ich möchte eine Vorbemerkung machen, die Sie übrigens auch schon im Bericht unseres Kollegen Wagener finden. Es handelt sich um den Größenunterschied zwischen den französischen und den deutschen 10·

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Ministerien. Die französischen und englischen Ministerien beschäftigen eine riesige Anzahl von Personen. Aufgrund der Tatsache, daß es sich hier um zentralisierte Staaten handelt, frage ich mich nun, ob die zu lösenden Probleme hier die gleichen sind wie bei einem deutschen (Bundes- oder Landes-)Ministerium. In einem zentralisierten Staat stellen sich ja nicht nur Probleme der Konzeption hinsichtlich einer Gesamtpolitik, sondern auch Durchführungsprobleme. Ich kenne nicht im einzelnen die Aufgaben eines deutschen Ministeriums, aber ich glaube doch, daß ein deutsches Ministerium nur mit recht allgemeinen Problemen zu tun hat. Ich könnte z. B. zum französischen Erziehungsministerium sagen, daß zahlreiche Durchführungsmaßnahmen in Paris getroffen werden. Wenn ein Ausländer eine AssistentensteIle in Dijon bekommen soll, dann muß er in Paris den Antrag stellen. Und wenn ein Dekan gewisse Angestellte befördern will, muß er auch Anträge in Paris stellen. Sie wissen, daß in Frankreich im Augenblick Bemühungen unternommen werden, um eine gewisse Dekonzentrierung zu erreichen; aber trotzdem ist der französische Staat noch sehr zentralisiert aufgebaut. Es ging früher z. B. so weit, daß eine bestimmte Anzahl von Bäumen auf einer Nationalstraße nur dann gefällt werden durften, wenn Paris seine Zustimmung gegeben hatte. Ich glaube deshalb, daß in einem zentralisierten Staat die Probleme sich ganz anders stellen als in Deutschland. Um auf das französische Erziehungsministerium zurückzukommen: Dieses Ministerium beschäftigt 850000 Leute. Diese 850000 sind natürlich bei weitem nicht alle in Paris tätig. Der jetzige Erziehungsminister schreibt, daß beim neuen Schulanfang jetzt viel mehr Leute in Bewegung gesetzt werden als am 6. Juni 1944 und daß er mehr Personal beschäftigt als die General Motors. Die erste Schwierigkeit bei einem Ministerium solchen Ausmaßes ist also das Problem des Gigantismus. Ein anderes Problem, das Sie bereits gestern Nachmittag diskutiert haben, ist die Überschwemmung mit kurzfristigen Problemen. Was Frankreich betrifft, so sind es oftmals nicht nur kurzfristige, sondern auch einfach alltägliche Probleme, die uns zu schaffen machen. Der französische Erziehungsminister hat versucht, diese Probleme zu lösen, indem er eine tiefgehende Reform seines Ministeriums entwarf, die am 19. März 1970 in Kraft getreten ist. In dieser Reform fällt folgendes auf: Man hat zwei verschiedene Kategorien von Direktoren geschaffen. Abgesehen von der "Direktion für Vorausschätzung" (Direction de la prevision), die die Aufgabe hat, die künftigen Bedürfnisse des Ministeriums festzulegen, gibt es zuerst die sog. delegierten Direktoren (directeurs delegues): diese sind grundsätzlich nicht mit Verwaltungsaufgaben belastet und sollen sich vor allem damit befassen, Programme aufzustellen. Einer von diesen delegierten Direktoren ist für Forschung und Hochschulausbildung zuständig; dann gibt es noch einen delegierten Direktor für die höhere

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Schulbildung und einen delegierten Direktor für die Erwachsenenausbildung. Diese drei Direktoren haben die Aufgabe, Ziele auszuarbeiten und in Form von Jahresprogrammen zu konkretisieren. Die Programme müssen natürlich vom Minister genehmigt werden, und die anderen Direktionen des Ministeriums sind damit beauftragt, sie dann auszuführen. Diese anderen Ministerialdirektionen bilden die zweite Kategorie; sie sind traditioneller Art, sie haben die Aufgabe, die nötigen Durchführungsmaßnahmen zu ergreifen. Da gibt es eine Direktion für die Hochschulen, eine andere Direktion für die höheren Schulen, eine weitere für Lehrpersonal, eine andere für Unterrichtsmaterial und eine Direktion für Bibliotheken, um nur die wichtigsten zu erwähnen. Die Reform ist reizvoll und erweckt den Eindruck, daß man das Problem am Schreibtisch mit einem Mal gelöst hat. Wir haben ja gestern bereits gesagt, daß es darum geht, Mittel und Wege zu finden, damit eine allzu kurzfristige, eine allzu improvisierte Politik vermieden wird, vor allem in einem Ministerium, das, wie das französische Erziehungsministerium, von alltäglichen Dingen überschwemmt wird und ein so ungeheures Personal zu verwalten hat. In der Praxis jedoch funktioniert dieses neue System nicht so harmonisch, wie man es sich erhofft hatte. Dieses Problem wurde ebenfalls schon gestern erwähnt: es gibt leider eine gewisse Spannung zwischen den delegierten Direktoren und den Direktoren, die die Mittel in der Hand haben. Die delegierten Direktoren sehen es nicht gern, daß ein von ihnen aufgestelltes Programm, auch wenn es vom Minister verabschiedet wurde, nicht ganz ihrem Wunsch gemäß ausgeführt wird. Diese Organisation, die nun seit etwa einem Jahr besteht, wird vielleicht nicht immer weiterbestehen. Das muß sich erst noch klären. Immerhin handelt es sich um eine Bemühung, wie sie auch in anderen Ministerien unternommen wurde, die ganze Verwaltungsarbeit, vor allem aber die Haushaltsentscheidungen zu rationalisieren. Ich danke Ihnen. Theis: Ich glaube, bevor wir die vielfältigen Anregungen, die wir sowohl im Referat von Professor Johnson wie in geradezu klassischer Klarheit im Einführungsreferat des Diskussionsleiters erhalten haben, diskutieren, sollten wir uns noch einmal Gedanken darüber machen, welche tatsächlichen Veränderungen in den Aufgaben der staatlichen Exekutive auf dem Hintergrund der neuen Strukturen der industriellen und nachindustriellen Gesellschaft eingetreten sind. 1. Ich meine, wir befinden uns in der fatalen Situation, im politischen System organisatorische Veränderungen vornehmen zu wollen, ohne daß wir die Produktionsfunktionen dieses Systems - dessen Leistungsfähigkeit wir zu verbessern uns bemühen -, definieren können, es sei denn, wir begnügten uns mit der Aussage, daß die Aufgaben des modernen Staates nicht mehr nur in der Aufrechterhaltung der öffentlichen

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Ordnung und Sicherheit bestehen, weil er zusätzlich auch die "Daseinsvorsorge" in seinen Tätigkeitsbereich einzubeziehen hat. 2. Bei einigen Diskussionsbeiträgen des gestrigen Tages konnte ich mich manchmal des Eindrucks nicht erwehren, als ob häufig der Versuch gemacht würde, dasjenige, was an Veränderungen sich in den letzten Jahrzehnten vollzogen zu haben scheint, wieder einzubinden in das, wa::. wir alle kennen, nämlich in die formale organisatorische Regelung de!" öffentlichen Aufgaben. Die Frage wurde gar nicht gestellt, ob und in welchem Umfange wir es mit andersartigen Qualitäten öffentlicher Aufgaben zu tun haben und welche Funktionen des gesellschaftlichen und politischen Systems wir eigentlich organisieren wollen. Ich meine, daß wir die Schwierigkeiten, mit denen sich Mr. Johnson auseinandersetzt und die heute noch einmal Mr. Dror dargestellt hat, am besten damit kennzeichnen, daß wir uns auch organisatorisch im Bereich des "DurchwursteIns" oder des "muddling through" befinden. Da wir im Augenblick in der Generaldebatte sind, lassen Sie mich noch einen weiteren Gedanken anführen. Wir sollten uns - und insofern stimme ich mit dem ganz überein, was der Vorredner darstellte - nach den jüngsten Erfahrungen davor hüten zu glauben, daß wir das, was wir heute auch vom organisatorischen her nicht mehr bewältigen können, mit den Input-Output-Modellen in den Griff bekommen können, wenn wir dabei übersehen, daß die organisatorischen Probleme vorwiegend in der Konversionsphase liegen. 3. Auch die Systemanalyse kann uns eine Reihe von Anregungen bieten; ihre Grenze liegt aber darin, daß wir es im staatlichen Bereich nicht mit hypothetischen geschlossenen Systemen zu tun haben, daß wir also - methodisch immer angreifbar - in der Regel nur heuristisch versuchen können, gewisse Systemteile abzutrennen um zu versuchen, für sie adäquate Funktionen empirisch oder normativ zu fixieren um dafür dann häufig im Wege des "trial and error" die notwendige Aufbau- und Ablauforganisation zu entwickeln. 4. Wir können nicht mehr davon ausgehen, daß wir in der Lage sind, wieder das an stabiler Organisation zu Wege zu bringen, was wir aus den letzten 150 Jahren westeuropäischer Staatstradition kennen. Wir müssen wohl lernen, in der Zukunft mit der "instabilen" Organisation zu leben und das dauernde Infragestellen der organisatorischen Formen zur Erledigung öffentlicher Aufgaben zu ertragen. 5. Nach der überwindung der materiellen Folgen des 2. Weltkrieges stehen alle kontinentaleuropäischen Staaten vor der Schwierigkeit, Institutionen entwickeln zu müssen, deren wesentliche Funktion die Neudefinition von Zielen politischen HandeIns auf den verschiedenen Ebenen ist. Diesen Schwierigkeiten können wir nicht dadurch begegnen, daß wir die politischen Entscheidungsträger in der staatlichen Exekutive als

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Institutionen zur Zielvorgabe bestimmen. Diese Aufgabe kann von ihnen schon deshalb nicht mehr wahrgenommen werden, weil die gesellschaftliche Entwicklung wesentlich komplexer geworden ist. Wir können nicht nur davon reden, daß die Zahl der öffentlichen Aufgaben quantitativ zugenommen hat, sie hat es auch qualitativ mit der Folge, daß selbst in den Referaten häufig die Arbeitserledigung nur noch interdisziplinär erfolgen kann. Vor allem die Ausdifferenzierung der öffentlichen Aufgaben aber auch die zunehmende Arbeitsteilung im Problemlösungswissen bringt die allseits erkennbaren Leitungsschwierigkeiten, mit denen der staatliche Apparat heute zu tun hat. Sie liegen darin, daß die Staatssekretäre wie die Abteilungsleiter, in Großreferaten auch die Referenten, häufig nicht mehr in der Lage sind, aus eigenem Wissen zu bestimmen, was an konkreten Arbeitsergebnissen in den ihnen nachgeordneten Bereichen erzielt werden müßte. So werden als Beurteilungskriterien häufig Hilfsgrößen wie "keine Beschwerden" verwendet. Häufig stehen Staatssekretäre und Abteilungsleiter vor dem Problem, Leitungssysteme entwickeln zu müssen für Arbeitseinheiten, deren Leistungen sie aufgrund der eigenen Vorbildung unmittelbar nicht bewerten können, ohne daß ihnen anstelle des Fachwissens andere erprobte Führungsmethoden zur Verfügung gestanden hätten, in denen auch ihre eigene Stellung definiert gewesen wäre. Diese Schwierigkeiten mußten sich überall dort noch verstärken, wo für die Auswahl des Leitungspersonals in erster Linie die Eigenschaften eines guten Untergebenen, nicht aber etwa die Fähigkeit zur Motivation von Mitarbeitern maßgebend waren. Die Probleme, die sich uns heute stellen, beziehen sich also nicht nur auf die quantitative Ausdehnung der Aufgaben, sondern auch auf deren qualitative Veränderung, zumindest aber ebenso auf den Abbau der traditionellen Führungsmodelle. Dies alles können wir nicht mit einer Umgestaltung der formalen Aufbau- und Ablauforganisation wieder reparieren wollen. Cassese: Ich glaube, um die Situation heute zu erklären, muß man auch das bürokratische Phänomen berücksichtigen, nämlich die Notwendigkeit erst einmal das Verwaltungspersonal zu schützen, weil wir nämlich zur Zeit noch eine Leistungsstruktur haben, wenn wir die Organisation des öffentlichen Dienstes zusammen mit den operation al sections, dann kann dies als Art und Weise erklärt werden, um eine Konfrontierung und politischen Druck und Intervention von höherer Stelle zu vermeiden. Meine zweite Bemerkung bezieht sich auf die Koordination innerhalb der Verwaltung. Herr d' Aumale sagte gestern, daß das Cabinet ministeriel immer weniger ein Mittel zur Koordinierung von Verwaltung und Politik ist. Es ist immer weniger eine Brücke zwischen diesen beiden Gebieten. Es wird immer mehr ein Mittel, um die Arbeit zwischen den Ministerien zu koordinieren. Wenn dies zutrifft, und ich glaube es trifft

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für Italien und Frankreich zu, dann bedeutet es, daß das cabinet ministE~riel nicht nur hinsichtlich der ministeriellen Koordination, sondern daß es auch als eine Art der vertikalen Koordination betrachtet werden muß. Das kann bewirkt werden durch eine Delegierung und durch eine Spezialisierung des Personals. Dies trifft jedenfalls für Italien und Frankreich zu, wo die Mitglieder des Kabinetts in erster Linie von hohen Gremien gewählt werden. Das heißt also, die cabinets ministerieIs sind ein Mittel, um auf der einen Seite die Referate zu erhalten und auf der anderen Seite Koordinierung zu gewährleisten. Wenn wir dies beachten und wenn wir auch die politische Seite der Probleme berücksichtigen, sehen wir, daß die Richtlinien für eine operational section, für ein Referat, sich verändern werden. Wo sie sich verändern werden oder wie kann ich nicht sagen, ich kann nur zweierlei Forschungsmöglichkeiten vorschlagen. Herr Johnson weist darauf hin, daß es schwer ist, die Organisation zur Ergänzung des Referates zu finden. Wenn wir einmal diese Probleme überdenken, können wir vielleicht versuchen, eine neue Dimension, diese politische Dimension, einführen. Scheerbarth: Ich möchte zu dem schriftlich vorliegenden Referat von Professor Johnson sprechen. Auf S. 121 geht Herr Johnson davon aus, daß man in den Ministerien einen ,Aufwärtstrend' der Verantwortung, und auf S. 124 spricht er davon, daß eine stärkere Funktion der Referate heute in der technischen Durchführung schon vorprogrammierter Normen oder Gesetze läge. Und in dem Beitrag von Herrn Professor Scheuner ist dann unterstrichen, daß die Referate nur dann noch selbständige Entscheidungen träfen, wenn sie entweder hochspezialisiert seien oder wenn ihr Referatsgebiet keine Aufmerksamkeit mehr im Hause finde. Nun könnte darin allerdings bereits ein erster Ansatz liegen, von der Behauptung sinkender Bedeutung der Referate wieder abzurücken; denn es ist eine Ausnahmesituation, wenn ein Referat Aufmerksamkeit im Hause findet. Das liegt schon an der großen Zahl der Referate, aber auch am schnellen Verfall des Öffentlichkeitsinteresses, z. B. Lebensmittelüberwachung, davon redet heute niemand mehr; sie stand jedoch einmal im Zentrum der Aufmerksamkeit im Jahre 1957. Ich meine nun, diesem Trend der Aufwärtsbewegung einen Gegentrend entgegensetzen zu müssen. Ein Gegentrend, der nicht etwa besagt, daß es den Aufwärtstrend nicht gäbe, sondern daß es auch einen Abwärtstrend gibt. Wir haben zu überlegen, welcher dieser bei den Trends den Vorrang verdient und welcher gewichtiger ist. Nun also zum Abwärtstrend. Ich möchte ihn in zwei Teilen begründen: Im ersten mehr zur exekutiven Seite, im zweiten mehr zur planenden Seite. Zum ersten: Rolf-Richard Grauhan hat wohl am schärfsten akzentuiert, daß das Politische heute weitgehend einfach die Wahl zwischen mehreren Alternativen sei. Daher sei das Politische nicht mehr nur da

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angesiedelt, wo man an sich üblicherweise von Herrschaftsausübung spricht, sondern überall in der Verwaltung. Er sagt, in den großen Zielen bestehe ja heute fast immer Einigkeit, etwa Wirtschaftswachstum, Umweltschutzverbesserung, Ordnung und Sicherheit, sozialer Strafvollzug oder Integration von ausländischen Arbeitnehmern. Überall bestehe völlige Einigkeit. Aber wenn es darum geht, daß die Ziele nun auch in der Praxis umgesetzt werden, dann und im konkreten Einzelfall erst ergäbe sich, daß man nunmehr Alternativen wählen müßte. Wenn man die Ansiedlung einer riesigen chemischen Firma westlich des Ruhrgebiets, also in der Winddrift auf das Hauptwohnsiedlungsgebiet des Ruhrgebiets, dann geht es einerseits um Wirtschaftswachstum und andererseits um Umweltschutz. Hier bei der konkreten Entscheidung, ob ich nun ansiedle oder nicht, wird die eigentliche Politik gemacht. Die erste Entscheidung ist in diesem Fall etwa getroffen worden durch die Finanzierungshilfe für die Ansiedlung im Jahre 1968 durch einen Referenten. Niemand von der ,Hausspitze' ist beteiligt worden. Es gibt Beispiele in Hülle und Fülle. Das aber bedeutet, daß die wahren Entscheidungen sich immer mehr nach unten verlagern und nicht nach oben. Das Problem würde dann hier eher sein: wie kann ich die Referenten, die die wahren Entscheidungen treffen, kontrollieren und anbinden an die Zielvorstellung, wie sie mir allgemein vorschwebt. Und nun zu der zweiten Seite: Alle Welt spricht von Innovation, d. h. schnellere Umsetzung neuen Wissens in die Praxis. Das ist offenkundig bei der technischen Entwicklung. Es kann aber nicht nur für technisches Wissen gelten. Auch auf den übrigen Gebieten vermehrt sich der Weltwissensstand ebenso schnell oder doch angemessen schnell. Dazu gehören auch die sogenannten Managementstechniken. Sie sind bis hinein in die unteren Führungsebenen erforderlich. Managementsproblem besteht ja gerade darin, daß an immer mehr Arbeitsplätzen zielangemessene Einzelentscheidungen getroffen und koordiniert werden müssen. Es genügt nicht, daß neues Wissen und neue Managementstechniken allein von einem Führungsgremium, sei es eine Führungskonferenz, sei es ein Stab, verfolgt werden. Das Wissen fächert sich ja mit der Vermehrung immer weiter aus. Verfolgt werden kann es für den Bereich der öffentlichen Verwaltung also nur in den Referaten. Damit werden aber Innovationsanstöße von unten nach oben notwendig. Es reicht nicht, daß Führungskonferenzen Anstöße geben und Projektgruppen von oben her eingerichtet werden; denn das setzt ja bereits voraus, daß die Probleme bereits erkannt sind. Aus diesem Grunde habe ich Bedenken, nur den ,Aufwärtstrend der Verantwortung' und die Verbesserung in der Führungsspitze für wesentlich zu halten. Ich meine vielmehr, wir müßten gerade den Abwärtstrend mit beleuchten.

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Drei Folgen möchte ich daraus ziehen: 1. Die Referate müssen gestärkt werden. 2. Es sollten keine weiteren Zwischenglieder eingefügt werden; denn sie sind zur Kontrolle nicht tauglich und zum Durchlaufen von Innovationsanstößen nur hinderlich. 3. Die intraministeriellen Führungskonferenzen führen nicht weiter. Wenn wirklich eine Referentenidee verwirklicht werden soll, kann das nur auf der Referentenebene zwischen den Ministerien durchgesprochen werden und wir müssen stärker die Möglichkeit interministerieller Referentenanstöße zulassen.

Faude: Der bisherige Verlauf der Diskussion hat in mir die Assoziation an ein berühmtes Wort geweckt: Je mehr wir wissen, desto mehr wissen wir, daß wir nichts wissen. Nur meine ich, daß uns das nicht zu Ratlosigkeit führen darf, denn irgendwann müssen wir anfangen, müssen schrittweise mit den notwendigen Reformen beginnen und sie durchführen. Daran sollten wir bei allen Bedenken, die wir zu vielen Problemen in uns tragen, denken. Ein Wort noch zu den letzten Beiträgen über den Aufwärts- und den Abwärtstrend: Mir persönlich - wenn Sie mir dies als Diskussionsleiter überhaupt gestatten -, mir persönlich ist dies zu absolut gesehen. Ich glaube, daß die Wahrheit in der Mitte liegt, daß alle diese Organisationseinheiten, Referate, Abteilungen etc. ihren Stellenwert haben und daß es eine Überfülle von Aufgaben gibt, die sowohl hier als auch dort wahrgenommen werden können. Laux: Einige Bemerkungen zu einem Aspekt, der bisher noch nicht angesprochen wurde: Wenn wir über Organisation reden, machen wir meistens die Rechnung ohne den Mitarbeiter in der Verwaltung. Sicher geht der Trend immer weiter zur Spezialisierung. Unstreitig müssen sozialpsychologische Ansätze stärker bei organisatorischen Regelungen berücksichtigt werden. Aber es ist gleichfalls wichtig zu sehen, daß der gleiche Mitarbeiter trotz seines steigenden Selbstbewußtseins eine klare Fixierung seiner Rolle braucht, die er innerhalb der Organisation einnehmen soll und daß die Forderung nach sozialer Gerechtigkeit bei der Vergütung der Mitarbeiter wiederum in eine stärkere Verfestigung der Organisation führt. Natürlich brauchen wir auch den teamfähigen Mitarbeiter. Aber nach der Team-Theorie soll das ein Mann von einer solchen Vorzüglichkeit, von einer sich selbst entäußernden Objektivität sein, kontaktfreudig, innovationsbegierig - ich weiß nicht, ob wir solchen Ansprüchen allgemein genügen können bzw. das anstreben müssen. Der gruppendynamisch manipulierte Intellektuelle kann auch in den Ministerien kaum zum Standardtyp werden. Ich kritisiere nicht die Notwendigkeit neuer Kooperationsformen, sondern nur eine gewisse Manier.

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Es wird nämlich der Fokus immer nur auf die Kooperation in freien Gruppen gerichtet und nicht auf die Notwendigkeit, die institutionelle Organisation den Bedingungen anzupassen. Man braucht z. B. in jeder großen Organisation eine relativ präzise Vorstellung über die Basiseinheit und ihre Funktionen. überall ist die Frage der span of control zu beantworten. Weiter müssen die Permanenz und die Gleichmäßigkeit der Leistungsdarbietung gesichert werden ebenso wie die Beachtung der Rechtmäßigkeit. Und etwas anderes muß die ständige Organisation leisten: die Langfristigkeit der Trendbeobachtung zur permanenten Sicherung der Aufgabenentwicklung. Ich gebe Herrn Theis zu, daß es in der Organisation der Ministerien nicht mehr so relevant ist, ob in den Basiseinheiten Entscheidungen getroffen werden. Entscheidungsprozesse können von einer so differenzierten Struktur sein, daß das Erkennen des Notwendigen und die Auswahl von Alternativen organisatorisch wichtiger sind als die Frage, in welcher Ebene eigentlich die Entscheidung fixiert bzw. der Beschluß ge faßt wird. Nur muß die Basiseinheit imstande sein, Entscheidungen treffen zu können, falls eine andere Ebene für die Alternativenauswahl nicht in Betracht kommen kann, weil das Objekt viel zu konkret ist. Bei den Versuchen Referatsgrößen zu bestimmen, wird man verschiedene Typen herausarbeiten müssen, die man vielleicht in drei Gruppen teilen kann: Referate oder Sachgebiete mit Routineaufgaben größeren Umfanges, wo die Frage der span of control sich anders stellt als bei Referaten mit Bündelung von mehreren qualifizierten Aufgaben oder solchen mit sehr spezialisierten Aufgaben, in denen man schon von der Seltenheit der Aufgabe her kaum mehr als einen oder zwei qualifizierte Mitarbeiter wird beschäftigen können. Aufgrund einer Vielzahl von Beobachtungen und systematischen Analysen könnte man die Aussage wagen, daß aus dem Gesichtspunkt der span of control, der Permanenz der Leistungsdarbietung, der Verteilung der Aufgabenwahrnehmung nach planerischen überlegungen und der Sicherung von Daueraufgaben man zu einer Mindestgröße zwischen fünf und zehn qualifizierten sachbearbeitenden Mitarbeitern kommen kann. Unter dieser Grenze wird man nur bleiben können, wo eine hohe Spezialisierung es nicht möglich macht, eine Vielzahl von zusammenhängenden Aufgaben in einer Basiseinheit zu bündeln. Das Referat als Entscheidungsebene ist bei diesen überlegungen nicht ausschlaggebendes Kriterium. Leemans: Internationale Tagungen dieser Art sind nützlich für die Erreichung eines Fortschrittes und für das Aufzeigen der unterschiedlichen Regierungsorganisationen in den einzelnen Ländern. Wagener und Johnson haben die Notwendigkeit und diese Möglichkeit klar unterstrichen. Auf alle Fälle kann man sagen, daß es wesentliche Unterschiede in den Regierungsformen der einzelnen Länder gibt. Wenn Sie heute mor-

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gen den verschiedenen Beiträgen bewußt zugehört haben, dann werden Sie dies ebenfalls erkannt haben. Die Situation, die heute morgen beschrieben wurde, ist in Holland nicht bekannt. Und das veranlaßt mich, einige Bemerkungen über diese Situation zu machen und zweitens eine Differenzierung vorzunehmen, die in unserem Land gemacht werden muß. Der Zentralismus, wie er in Frankreich besteht, ist dem niederländischen System fremd. Ministerien sind sehr unabhängig in ihrer Arbeitsweise. Die politischen Gründe dafür möchte ich hier erwähnen. Ich möchte nur sagen, daß es mit unserem politischen System zusammenhängt. Das politische System in unserem Lande ist wichtig für das Verständnis der Funktion einer Regierung als Ganzes gesehen und der Funktion verschiedener Ministerien. Zu der Dezentralisierung nun der einzelnen Ministerien kann man sagen, daß sie sich fortsetzt in unserem ganzen Regierungsaufbau. Dies trifft zu für alle Ministerien und Abteilungen in unserem Regierungsapparat. Die einzelnen Einheiten der Ministerien sind in ihrer Arbeitsweise und ihrer Entscheidungsgewalt und Entscheidungsvorbereitung relativ unabhängig. Ich glaube, dies rührt von der Natur der Ministerien her. In einigen Ministerien kennt man einen höheren Zentralisierungsgrad als in anderen. Das fortschrittlichste, unabhängigste Ministerium ist in einem der jüngsten Ministerien zu sehen. In diesem Falle können die Abteilungsleiter relativ unabhängig arbeiten. Um den Gedanken noch einmal zu wiederholen, die Abteilungsleiter in unserem Lande arbeiten unabhängig, sie beraten sich wöchentlich mit ihrem Minister. Sie sind verantwortlich für die Formulierung der Politik. Daher können sie im Rahmen der Gesamtpolitik eines Ministeriums eine wesentliche Verantwortung übernehmen und sie können durch diese Konsultierung gewährleisten, daß ihre Standpunkte in die Regierungarbeit eingebracht werden. Ich bin der Meinung, daß dies ein sehr wesentliches Merkmal ist, denn es zeigt auch, daß in besonderen Situationen Abteilungen und Unterabteilungen in einer Regierung eine wesentliche Rolle bei der Formulierung der Politik spielen können. Das hängt natürlich wieder davon ab, wie die Struktur des Ministeriums gestaltet ist, und es hängt auch von den Personen, die im Ministerium arbeiten, ab. Dies unterstreicht einen Punkt, der hier schon betont wurde, nämlich daß die Mitarbeiter in bestimmten Positionen entscheidend sind für das Funktionieren eines Ministeriums. Ich habe diesen Punkt unterstrichen, weil eine Reihe interessanter Aspekte im Vortrag von Herrn Johnson dargelegt wurde. Ich möchte nun zum zweiten Punkt Stellung nehmen. Im Bericht heißt es, daß das Referat auch eine politische Daseinsberechtigung hat. Dies ist, wie ich glaube, sehr berechtigt. Ich weiß nun nicht, ob es richtig ist zu sagen, daß die Lokalisierung politischer Verantwortung beim Referat liegen kann.

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Ein anderer Aspekt berührt die Rolle des Referates bei den Entscheidungen. Johnson hat zu diesem Punkt Stellung genommen. Er ist der Meinung, daß das Referat bei den Entscheidungen ein Wort mitsprechen sollte. Aus vielen Beiträgen heute morgen geht hervor, daß man dies für wenig begrüßenswert hält, wenn man es z. B. aus der deutschen Perspektive sieht. Da zeigt sich eine ganz andere Struktur. Es ist nicht möglich, daß die Referate diese Funktion ausüben. Es hängt natürlich wieder mit dem Gesamtaufbau der Verwaltung zusammen, es hängt mit technischen Fragen zusammen, vielleicht hängt es auch damit zusammen, daß die Referate einfach nicht in der Lage sind, an den Entscheidungen mitzuwirken. Ich glaube, daß unterstrichen werden muß, daß die Referate, Abteilungen und Unterabteilungen eines Ministeriums eine wesentliche Rolle bei den Entscheidungen spielen sollten und können. In meinem Land sind die Referate daraufhin ausgerichtet; sie haben ein Kommunikationssystem, das es ihnen erlaubt, diese Funktion zu erfüllen. Dies sollte auch in Deutschland der Fall sein. Es ist in vielen Fällen wichtig zu sehen, daß die Erklärungen, wie sie von Johnson gemacht wurden, sich auf einen weiten Funktionsbereich beziehen. Ich habe dies gesagt, um die Wichtigkeit der Referate, der Abteilungen und Unterabteilungen einer Regierung als .Einheiten für die Entwicklung von Kräften, die bei den Entscheidungen mitwirken, zu unterstreichen. Ich wollte die Rolle der Referate nicht herabsetzen, wie das hier teilweise heute morgen geschah. Scheuner: Ich möchte einige Bemerkungen machen, die nötige Differenzierungen betreffen. 1. Wir müssen in der bundesdeutschen Szene scharf zwischen den Bundes- und Länderministerien unterscheiden. Der Anteil der traditionellen Aufgaben in den Länderministerien ist höher, ihre Verbindung mit der unmittelbaren Administration enger und umgekehrt haben die meisten Bundesministerien, nicht alle - manche haben ja auch eine eigene Verwaltung - vorwiegend Aufgaben der Gesetzgebung und Gestaltung, so daß hier das Vorausplanen eine größere Rolle spielt. Daß diese Dinge sich verschärft haben gegenüber etwa dem Zustand der Weimarer Zeit, ist sicher. In jener Zeit waren auch die Reichsministerien enger mit der Verwaltung verbunden, schon durch ihre starke Fühlung mit der preußischen Verwaltung. 2. Ich habe in meiner kleinen Note zu dem Bericht von Mr. Johnson etwas unglücklich von Abteilungen gesprochen, die nicht die Aufmerksamkeit der Führung finden und habe damit nicht gemeint, daß das unbedeutende Abteilungen sind, sondern ich wollte somit sagen: In der Frage der Planung und Neugestaltung haben wir es mit einem Zustand zu tun, der einem Scheinwerfer gleicht, der in einem dunklen Raum arbeitet und immer nur Gruppen erfaßt. Größere Teile der Verwaltung werden von Planungen und erst recht von Planungsabteilungen über-

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haupt nicht erfaßt, weil sie entweder nicht interessant erscheinen, zu spezialisiert sind oder im Augenblick politisch zu schwierig oder politisch nicht bedeutsam genug erscheinen. Planungs abteilungen werden daher und hier komme ich auf die Bemerkung von Herrn Faude zu sprechen, daß der Informationsfluß sowohl von oben nach unten wie von unten nach oben geht - werden immer nur partielle Punkte erfassen, nämlich solche, die im Augenblick als besonders politisch bedeutsam oder wichtig erscheinen. Ganze Gebiete werden von ihnen nicht erfaßt. Nehmen Sie etwa das Verkehrsministerium. Hier sind Entwicklungen wie die Seeschiffahrt, der Hafenausbau, die Rheinschiffahrt oder Binnenschiffahrt ziemlich selbständig. Sie machen ihre Politik ohne daß eine sehr große Übereinstimmung erfolgt, die vielleicht eher auf der europäischen Ebene dann eintritt, wo man das Verkehrsproblem etwas umfassender überschaut. Das ist zum Teil nicht ungefährlich und hier ergibt sich eine besondere Schwierigkeit. Diejenigen Probleme, die noch nicht erkannt sind, auch von Planungsabteilungen nicht erkannt werden, werden in der Form behandelt, wie sie Herr Scheerbarth gekennzeichnet hat. Sie werden den letzten Entscheidungsträgern zugeschoben. Das Beispiel, das er gebracht hat, war dafür sehr richtig. Das Problem der Gastarbeiter ist in Wirklichkeit ein Einwanderungsproblem. Das wird noch nicht erkannt oder nicht voll erkannt. Die Referenten wissen das schon. Es ist auch ein Erziehungsproblem. Das Problem kann sich stellen: Sollen wir italienische und jugoslawische Schulen einrichten oder wie ist hier eine Erziehungspolitik zu führen? Solche Probleme sind meist interministeriell verzahnt und sind noch nicht erfaßt. Infolgedessen werden hier planlose oder sagen wir richtiger nicht koordinierte Entscheidungen einzelner Stellen getroffen. Welche Folgerungen ergeben sich daraus? Für die Planung ist es nicht nur wichtig, an jene Objekte und Ziele zu denken, die eine Planstelle in einem Ministerium oder eine überministerielle Planstelle als vordringlich und wichtig ins Auge faßt. Diese Dinge werden dann im allgemeinen auch politisch durchgezogen. Es ist sehr viel wichtiger, die in den einzelnen Abteilungen liegenden Probleme, die noch nicht in ihrer vollen Bedeutung erfaßt und gesehen sind, rechtzeitig zur Kenntnis der zentralen Stellen zu bringen, d. h. schlafende Probleme, die erst heranwachsen. 3. Notwendig ist es - und hier komme ich zu Fragen, die naturgemäß dem Wissenschaftler liegen -, die Ausbildung unserer Beamten neu zu gestalten und ständig fortzubilden. Ich glaube, eine der Erkenntnisse, die wir heute mitnehmen sollten, wäre die, daß nicht nur organisatorische Probleme in den Ministerien vorliegen, sondern auch Probleme der Ausbildung und Fortbildung der Beamten. Unsere heutige Ausbildung etwa im juristischen Fach an den Universitäten ist für das, was wir besprechen, unzulänglich und unsere Justizministerien - wieder ein Fall fehlender Pla-

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nung- sind dabei, es noch unzulänglicher zu gestalten. Die hier angeschnittenen Fragen zeigen, daß auch die Zusammenarbeit der Referate schon in einem gewissen Umfang auf interministerieller Ebene notwendig ist. Das braucht nicht immer von Zentral stellen gesteuert zu werden. Vielleicht liegen Möglichkeiten vor, schon auf unterer Ebene Zusammenarbeiten herzustellen; denn die meisten Entscheidungen, die heute nicht erfaßt werden und liegen bleiben, tragen überministeriellen Charakter. Umweltschutz und Industrieentwicklung liegen in verschiedenen Ministerien. Die Einwanderungsfrage, die ich eben behandelte, gleichfalls. Theis: Herr Professor Scheuner, ich glaube, die von Ihnen dargestellte Funktion der Referate kann von diesen häufig nicht mehr erfüllt werden. Wenn man in einem technischen Ressort als Referent oder Unterabteilungsleiter Mitarbeiter hat, deren technische Ausbildung vor Jahrzehnten abgeschlossen wurde, so habe ich angesichts des derzeitigen Fortbildungssystems große Bedenken, ob es richtig ist, in diesen Referaten noch bestimmen zu lassen, welche Entwicklungslinien bei technischen Systemen gefördert werden sollen. Auch bei Verbesserungen der Fortbildungseinrichtungen glaube ich, daß sich in der Ministerialorganisation noch erhebliche Veränderungen vollziehen müssen. Wenn Sie erlauben, möchte ich einmal sehr ketzerisch formulieren und sagen: Wenn wir nicht lernen, daß die Ressorts in der Zukunft nach der meiner Meinung nach unumgänglichen Delegation der Verwaltungsbereiche nichts anderes sein können als spezielle Organisationseinheiten, deren Aufgabe es ist, daß in der Gesellschaft vorhandene dezentrale Wissen der politischen Entscheidung zuzuordnen, so verfehlen wir für die nächsten Jahrzehnte das Ziel der Reform der Ministerialorganisation. Das Referat oder die Unterabteilung, aber auch die Abteilung kann aus eigenem Wissen heraus - zumindest in den hochtechnisierten Bereichen - nur noch versuchen, der politischen Entscheidung das in der Gesellschaft vorhandene dezentrale Fachwissen für die politische Entscheidung aufzubereiten. Wir müssen auch für die staatliche Organisation zur Kenntnis nehmen, daß wir nicht dauernd behaupten können, wir hätten eine plurale Gesellschaft, und daß wir nicht laufend neue Ausbildungsgänge schaffen können, also ständig das Wissen weiter dezentralisieren, um dann aber mit Organisationseinheiten zu arbeiten, die im Grunde in den letzten 100 Jahren, wenn Sie mir die überspitzte Formulierung gestatten, nur an der Oberfläche verändert wurden. König (Paris): Wir stehen in der Tat vor dem Problem der Aufgabenanalyse. Diese Frage wird offenkundig, wenn wir die neuen Entwicklungen auf dem Gebiet des Programmbudgets beobachten. Das Dilemma ist, daß wir zwar ein Regierungsprogramm haben und daß wir heute sehr wohl in der Lage sind, eine Fülle von Einzelprojekten aus sich heraus zu gestalten. Das gap, das es zu überbrücken gilt, ist jedoch die begriffliche

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und substantielle Entwicklung des generellen Regierungsprogramms bis hinunter zu dem einzelnen Projekt, d. h. die Definition konkreter Ziele auf der Zwischenebene. In diesem Zusammenhang stellt sich das Problem der Formulierung von Kriterien zur Auswahl von Prioritäten zwischen den Regierungsaufgaben. Wir sehen in der Verwaltung zu wenig die wissenschaftliche Grundlegung, die uns dabei von seiten der Finanzwissenschaft zuteil wird. Ich meine vor allem die Vorarbeiten zur National Goals Analysis, d. h. zur Analyse der Aufgabengebiete unterschiedlicher Priorität. Diese Arbeiten sind andererseits noch keineswegs abgeschlossen - ich verweise nur auf die neuesten Bemühungen auf dem Gebiet der Social Indicators. In diesen makro ökonomischen Bereichen sind die Schwierigkeiten wohl noch viel größer als in der Mikroökonomik, die sich - ebenfalls für die Verwaltung - heute um die Ausgestaltung der cost-benefit-Analyse und ihrer Verwandten zu einem brauchbaren Instrument zur Darstellung von Alternativen innerhalb der gleichen Priorität müht. Beide Forschungsansätze stehen jedoch letztlich vor dem gleichen Grundproblem, der Quantifizierung qualitativer Aspekte. Zum zweiten möchte ich eingehen auf die institutionelle Gliederung, wie wir sie heute kennen. Wir sind dabei konfrontiert mit dem Begriff des Landesfürstentums, d. h. der operationellen Organisationseinheit, die sich als geschlossene Einheit ohne Blick auf das Ganze sieht, und ohne Blick auf die zentralen Funktionen wie Organisation, Haushalt und Personal. Das gilt für die Fachabteilungen in Ministerien; das gilt ebenso für Departments in internationalen Organisationen. Und wenn wir uns nur zu Reparaturen im bestehenden System aufraffen, werden wir zwar Fronten auflockern können, aber es führt doch zu keiner glaubhaften Alternative. Suchen wir aber eine solche Alternative, so ist nach meiner Übersicht über derzeitige Ansätze in Theorie und Praxis die einzige Quelle einer Hoffnung die Bewegung um PPBS und RCB. Erst von daher werden wir in der Lage sein, in größerem Umfang arbeitsfähige operationelle Einheiten auf Projektdauer unabhängig von der institutionellen Struktur und mit Elementen aus den verschiedensten Bereichen dieser Struktur zu gewinnen. Hier deutet sich in der Tat eine Art Revolution der Verwaltungsstruktur an. Wir würden dann von einer relativen Statik zu einer sehr dynamischen Funktionsform der Verwaltung gelangen. Ich behaupte, es ist die letzte Chance der Verwaltung, die letzte Chance der Regierung und des Parlaments, der sonst drohenden Aufblähung der Verwaltung Herr zu werden. Wir müssen andererseits sehen, daß PPBS und RCB nur eine Teillösung des Gesamtproblems darstellen, weil sie sich primär mit der Aufstellung des Arbeitsprogramms und eines outputorientierten Haushalts befassen. Hinzutreten muß - für die Ausführung und Kontrolle der Projekte - eine weitere Entwicklung etwa unter Anwendung von Elementen der Netzplantechnik auf die Projektbeschreibung und -kontrolle.

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Ich möchte mich - drittens - wenden gegen jede Bestimmung der Mindestgröße eines Referats. Für mich ist das Kriterium für den Umfang des Referats die Leistungsfähigkeit des Referenten, dessen Rang und Funktion wir verstehen sollten als Antwort auf die Anforderung von Leistung auf einem bestimmten Qualitätslevel. Sobald er ausgelastet ist, ist das Referat voll. Der Referent kann einen Apparat von Hunderten von Menschen verwalten, wenn nur relativ wenige Entscheidungen auf seiner Ehene gefragt sind; er kann aber auch z. B. der alleinige Vertreter der Bundesrepublik bei einem internationalen Gerichtshof sein ohne jeden Mitarbeiter; es genügt eine Sekretärin. Wir haben es leider nötig, für bestimmte Regierungsfunktionen Beamte gegen das System zu suchen. Das System des Beamtenrechts bietet uns primär doch den Typ an, der auf Laufbahngerechtigkeit und Versorgungssicherheit schaut, d. h. der schon früh - oftmals bereits bei seiner Einstellung - wissen will, wie seine Laufbahn geordnet ist und welche Ruhestandsbezüge er bekommt. Was wir jedoch vor allem in Ministerien brauchen, ist ein ganz anderer Typ, und wir sind stolz darauf, daß wir ihn oft gefunden haben, auch bei sehr hohen Anforderungen, nämlich den Typ des Beamten mit Intuition, mit Einfallsreichtum, mit Gestaltungsfähigkeit, mit hoher geistiger Flexibilität und vor allem mit der Fähigkeit, Sachverhalte zu analysieren und Probleme und Querschnittsbezüge zu erkennen. Wir begegnen damit zugleich dem Beamten, der ein ganz klein bißchen Freude am Abenteuer seines eigenen Berufes hat. Rombach: Darf ich kurz drei Punkte konkretisieren: 1. Gestern wurden eine Reihe theoretischer Gegensatzpaare aufgebaut, die in der Praxis so gar nicht wirksam sind. Da war z. B. von "hierarchisch" die Rede und - als Gegensatz - von" Teamwork". Hierarchisch wurde sogar mit "autoritär" gleichgesetzt, wahrscheinlich weil das Wort "bürokratisch" in Deutschland fast ein Synonym für "verknöchert" ist.

Hier liegt eine unklare Begriffsbildung vor und ein Mißverständnis: Hierarchie bedeutet in der Verwaltung nicht einen Befehls-, sondern einen Entscheidungsmechanismus, der sich aus dem parlamentarischen System und der parlamentarischen Verantwortlichkeit des Ministers ergibt, "Teamwork" hingegen kann in diesem System nicht "kollegiale Entscheidung" bedeuten, sondern nur Koordination und Kooperation unter Fachleuten. Wer die Verwaltung kennt, weiß, daß dort intern viel weniger befohlen wird, als viele meinen. Entschieden wird allerdings; denn entschieden werden muß, wenn eine Sache nach Abwägung der Gründe und Gegengründe zum Abschluß gebracht werden soll. 2. Professor Johnson legt in seinem Referat dar, daß die Referatseinteilung statisch und daher von großer Stabilität sei. Ich bezweifle, daß unsere derzeitige Ministerialorganisation eine derart stabile und statische 11 Speyer 48

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ist. Wir stehen weit eher in einem pausenlosen Reorganisationsprozeß, weil Verwaltung nun mal ein dynamischer Vorgang ist. Vor allem möchte ich vor einer Überschätzung der Referats-"Kästchen" warnen. Wer Organisation aufgrund eines Organigramms beurteilt, begreift nicht ihren Zusammenhang. Die Spinne ist nur ein Hilfsmittel. 3. Deshalb möchte ich ein kleines Plädoyer halten für das, was ich das "offene Referat" nennen möchte. Dieses Referat hat nicht nur die Aufgabe, auf grund seiner Spezialisierung isoliert konkrete Pläne in Maßnahmen legislativer oder administrativer Art umzusetzen; es hat vielmehr darüber hinaus eine enorme Aufgabe der Beobachtung, Information und Reaktion. Dieses Referat darf nicht "abgeschottet" sein gegenüber den Parallel- und Berührungsreferaten im eigenen Haus. Darüber hinaus besteht seine große Aufgabe in der interministeriellen Zusammenarbeit, in der Teilnahme an Referentenbesprechungen z. B., in denen der Referent eigenverantwortlich sein Haus vertritt. Dabei muß er nicht nur sein Spezialgebiet kennen, sondern auch Berührungspunkte zu anderen Referaten seines Hauses erfassen und eventuell mitvertreten. Diese wesentliche Aufgabe kann nur geleistet werden bei einem starken Informationsfluß zwischen den verschiedenen Arbeitsbereichen. Einem in der Besprechung nicht vertreten gewesenen Kollegen seines Hauses muß unser Referent also mitteilen, daß dieser oder jener Aspekt aufgetreten sei, damit der andere seinerseits das Nötige veranlaßt. Desgleichen muß unser Referent von seinen Kollegen unterrichtet werden, was sich in einer ganz anderen Besprechung getan hat. Das so verstandene "offene Referat" setzt in der Person des Referenten eine Kombination voraus: Er muß Spezialist sein, zugleich aber auch in einem enorm hohen Maße - nach Wissen und Erfahrung - Generalist, damit er dieser Informations- und Kooperationsfunktion, die er für sein Haus und im Rahmen des ganzen Regierungssystems hat, gerecht werden kann. Organisatorisch haben sich für dieses "offene Referat" außerhalb aller Geschäftsordnungen gewisse "nicht-formale" Kommunikationsmethoden eingebürgert, das Telefon und so manches, was man scherzhaft den "Obergefreitendienstweg", die "Buschtrommel" oder die "Referenten-Kaffeerunde" nennt. Diese Dinge, die nirgendwo stehen, sind für den Informationsfluß in einer Behörde und für das "Wachsein" des Referenten von eminenter Bedeutung. Sie charakterisieren ein wenig das, was ich mit dem nicht abgeschotteten "offenen Referat" meine, und zwar durchaus als eine Art teamwork in einer an sich bürokratischen Organisationsstruktur. Perko-Separovic: So wie jedes System funktioniert, um seine eigenen Ziele zu erreichen, so auch das Regierungssystem. Wenn wir nun über eine Verbesserung der Systeme sprechen, so bin ich der Meinung, daß

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man unterscheiden sollte zwischen einer Mikro- und Makrowelt. Ich stimme mit den Zielen, wie sie von Prof. Dror hier geäußert wurden, überein. Es hieß, wenn wir auf der Mikroebene Verbesserungen durchführen, dann bedeutet dies, daß auf der anderen Ebene auch Verbesserungen durchgeführt werden müssen. Aber man muß sich dessen bewußt sein: Wenn auf der obersten Stufe Verbesserungen durchgeführt werden, dann bedeutet dies andererseits, daß diese Verbesserungen irgendwie beschränkt sind. Jedes System hat nämlich gewisse Elastizitätsgrenzen. Jedes System hat Grenzen, innerhalb deren es sich bewegen muß. Die Elastizitätsgrenzen beschränken auch Verbesserungsmöglichkeiten. Man kann nun aus der Erfahrung der Regierungssysteme sehen, daß eine neue komplexe Aufgabe eine komplexere Struktur hervorruft. Und diese komplexere Aufgabe, deren Lösung mehrere Spezialisten erfordert, muß hier behandelt werden. Was nun geschehen ist, kann man auf der Grundlage empirischer Forschungen von Prof. Blau in den Vereinigten Staaten sehen, wo es sich um die Organisation der Finanzämter und Personalämter als ganzes ging. Obwohl man weniger Kontrolle über die Gebiete erreicht hat, hat man mehr koordinierende Tätigkeit gebraucht. Das resultierte in einer größeren Anzahl von hierarchischen Stufen: statt niedrigen haben wir hohe Pyramiden erreicht. Wie wir gehört haben, wurden im britischen Regierungssystem z. B. 6 Stufen statt 5 Stufen eingeführt. Was bedeutet das nun? Bedeutet es, daß es ein Teufelskreis ist, in dem wir uns befinden? Gibt es hier einen Ausweg? Es ist nichts möglich ohne Loslösung von einer hierarchischen Koordination. Geschieht dies, dann wenden wir uns wahrscheinlich von dem ganzen System ab. In der Natur eines Regierungssystems liegt begründet, daß es von hierarchischen Methoden koordiniert wird. Das bedeutet, daß wir nicht mehr in dem Maße von Verbesserungen sprechen können, wie wir es wollen; wir müssen nicht nur von einer Evolution, sondern von einer radikalen Transformation (Umformung) des bestehenden Systems sprechen. Pusic: Die Grundlage der Einteilung von Ministerien in Fachbereiche oder Referate ist das Prinzip der Arbeitsteilung. In der klassischen Organisationstheorie sind diese Arbeitsteilungsprinzipien in die berühmte Vierteilung klassifiziert: die Arbeitsteilung nach Sachinhalten, nach Arbeitsmethoden, nach Territorium und nach Klientenkreisen. Ich habe den Eindruck, daß im Referat Professor Johnsons die Relativität des Arbeitsteilungsprinzips hervorgehoben wurde. Ich stimme darin mit ihm vollkommen überein und würde seine Position noch ein wenig in der Diskussion radikalisieren. Ich möchte die Behauptung verteidigen, daß Organisationsprinzipien überhaupt und daß Arbeitsleitungsprinzipien im besonderen wenigstens teilweise Formen von Pseudorationalisierung vorstellen. Nehmen wir das Beispiel des Finanzbereiches: Man kann sozusagen ex abrupto einige

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Alternativ-Begriffspaare aufzählen, die als weitere Aufteilung des Finanzbereiches in Frage kommen. Wahrscheinlich am öftesten haben wir die Einteilung in die Ausgaben und Einnahmenseite des Budgets. Aber es gibt auch Einteilungen z. B. in Budget und Steuern, was ähnlich, aber nicht gleichbedeutend ist. Der Finanzbereich kann weiter in Planung und Ausführung aufgeteilt werden, in finanzielle Operative und finanzielle Kontrolle, in Gelder, die durch das Budget umfaßt werden und Gelder, die in Außer-Budget-Fonds erfaßt werden, und daher nicht im Budget erscheinen. Alle diese Beispiele sind tatsächlich in der Auf teilung des Finanzbereiches in verschiedenen Ländern angewendet. Das heißt aber m. E., daß jede mögliche Alternative in Betracht kommt, daß daher jedes Prinzip der Arbeitsteilung prinzipiell gleichwertig mit jedem anderen Prinzip der Arbeitsteilung ist und daß deshalb das Prinzip der Arbeitsteilung überhaupt eine relative Leerformel vorstellt, die mit jedem möglichen Inhalt zu erfüllen ist. Der Wert von Leerformeln ist nicht nur in der Philosophie und Politik, sondern auch in der Verwaltung auf der gleichen Grundlage zu verstehen. Eine Leerformel hat eben den Vorteil, daß man in allen Situationen das Gefühl einer sicheren, objektiven Aktionsbasis erwecken kann, ohne dabei an irgendwelche wirklich objektiven Grundlagen der Einteilung gebunden zu sein. Man kann also irgendeine Grundlage, die manchmal durch persönliche Interessen, durch politische Einflüsse, durch irgendwelche Einflüsse zustandekommt, präsentieren und selbst als objektive, festgesetzte, sicherstellende Aktionsbasis erleben. Ich glaube, daß das Vorkommen solcher Strukturprinzipien und Organisationsprinzipien in der Verwaltung kein Zufall ist, besonders in der öffentlichen Verwaltung, wo meines Erachtens - ich habe dieser Meinung schon Ausdruck gegeben - die objektive Handlungsgrundlage relativ schmal ist. Daher besteht das Bedürfnis, erstens einmal die Unsicherheit, die so ein Fehlen von objektiven Handlungsgrundlagen hervorruft, in psychologisch erträglichen Grenzen zu halten, und zweitens besteht das Bedürfnis, den Einbruch massiver bereichsfremder Interessen in das Verwaltungshandeln einzudämmen. Eine der Methoden, um das zu erzielen, sind eben diese künstlichen Strukturmythen - ich würde sie so nennen -, die wir in der Verwaltung als Orientierungsrahmen gebrauchen. "Künstlich" ist für mich in diesem Falle ganz und gar nicht pejorativ. Trotzdem würde ich in der Zukunft eine Entwicklung in zwei Richtungen voraussehen: Erstens sollten die Strukturmythen, unter ihnen die Arbeitsteilung, nicht als objektiv in der Natur der Sache gegebene Invarianten behandelt werden. Wir sollten nicht auf die Idee verfallen, ihnen wissenschaftlich nachzugehen, um zu sehen, welche Handlungsgrundlagen besser als andere seien. Und zweitens könnte man erwarten, daß die Entwicklung in der Richtung fortschreiten wird, daß wir alle in

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der Verwaltung und vielleicht jeder von uns persönlich eine größere Toleranz für mehrdeutige Situationen entwickeln, für Unsicherheit, eigentlich für das menschliche Leben als ein überraschungsfeld. von Oertzen: In der Diskussion des heutigen Vormittags hatte man zeitweilig den Eindruck, als wäre es an der Zeit, die bestehende Struktur der Ministerien in einem einzigen gewaltigen Anlauf hinwegzufegen. Ich glaube, daß solche Appelle gut sind, um das Problembewußtsein zu steigern, nämlich daß auf diesem Gebiet viel zu tun ist. Doch bin ich der Auffassung, daß man die Veränderung an dem, was ist, ansetzen muß, weil die Chance, das Ist völlig auszuwechseln, wahrscheinlich gleich Null ist. Nun ist die Ausgestaltung der Grundorganisationseinheiten der Ministerien bereits heute weitaus vielfältiger, als man in den Geschäftsordnungen nachlesen kann, die von dem Einheitstyp "Referat" ausgehen. Ich glaube, daß es in der Zukunft notwendig sein wird - wie es auch Herr Laux angedeutet hat -, eine Skala verschiedener Grundorganisationseinheiten anzubieten. Diese Skala sollte im Ressort selbst bis zum Projektmanager reichen, aber auch interministerielle Formen einschließen. Die Arbeit des einzelnen Ministeriums darf nicht nur isoliert, sie muß vor allem in ihrer Verflechtung mit der Arbeit anderer Ministerien gesehen werden.

Aber auch eine solche Skala von Organisationsgrundformen wird nicht ausreichen, um das bestehende Dilemma zu beseitigen. Man darf nicht nur in Organisationsformen denken, sondern man muß, nach meiner Auffassung, primär im Personalen denken. Die beste Organisationsform hilft nichts, wenn nicht im Personal bereich günstige Lösungen gefunden werden können. Für den Bund sind die Schwierigkeiten im Personalbereich besonders groß. Und zwar sind es drei Dinge, die hier vor allem ein Problem darstellen: Einmal haben die Bundesministerien regelmäßig keinen Unterbau und sind nicht in der Lage, einen permanenten Austausch mit Behörden unterhalb der Ministerialebene zu betreiben. Damit wird sowohl die Auswahlmöglichkeit für die Ministerien beschränkt als auch die Rückversetzung in den außerministeriellen Bereich abgeschnitten. Zum anderen fehlen dem Beamtenrecht Instrumente, die eine flexible Personalwirtschaft erleichtern könnten, wie etwa Funktionszulagen, durch die ein frühzeitiges Zementieren in Besoldungsgruppen vermieden werden könnte. Schließlich läßt die Ressortzuständigkeit für die Personalwirtschaft allenfalls eine Flexibilität innerhalb des jeweiligen Geschäftsbereiches zu, sie steht aber einem Personalaustausch über den Bereich des Ressorts hinaus entgegen. Das Angebot auf dem Organisationssektor muß durch weitere, flankierende überlegungen ergänzt werden. Ich erwähnte die Personalwirtschaft, das gilt aber genauso für den Bereich der Leistungsmotivation

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des einzelnen Beamten oder für die Art des im Ministerialbereich geübten Führungsstiles. Scharpf: Ich möchte anknüpfen an die Bemerkungen von Herrn Dr. König zur deduktiven Strukturierung der Programme der Ressorts ausgehend von der Regierungserklärung, die weiter gegliedert werden soll in Mittelziele und Unterziele und aus der dann die Programme der Ressorts abgeleitet werden sollen. Ich halte eine solche Vorstellung für problematisch. Der Staat gehört zu jenen Organisationen, die sich ihre Aufgaben und ihre Probleme nur in einem sehr begrenzten Maße aussuchen können. Im Hinblick: auf die sehr umfassenden Anforderungen und Probleme, die abgeladen werden vor der Türe staatlicher Organisationen, muß jedes Regierungsprogramm notwendigerweise viel zu selektiv sein. Es muß Akzente setzen, es muß in der Weise, wie Herr Professor Scheuner das vorhin skizziert hat, als Scheinwerfer besondere Bereiche beleuchten. Es kann nicht umfassend sein im Hinblick: auf die Totalität der Anforderungen, die an Regierung und Verwaltung gestellt werden. Deswegen ist die staatliche Organisation notwendigerweise angewiesen auf dezentrale Initiativen, die von ihren eigenen Basiseinheiten ausgehen. Sie ist angewiesen darauf, daß von diesen Basiseinheiten mit zuverlässiger Aufmerksamkeit Probleme in den einzelnen Umweltsektoren erkannt und verarbeitet werden, auch dann, wenn sie im Regierungsprogramm noch nicht erfaßt werden und wenn sie noch nicht die Aufmerksamkeit des Ministers gefunden haben. Wir müssen also im Hinblick: auf die AufgabensteIlung von Regierung und Verwaltung immer davon ausgehen, daß die Basiseinheiten diese Initiativfunktion wahrnehmen müssen, und wir müssen deswegen auch ausgehen von der Notwendigkeit einer relativ dauerhaften Spezialisierung dieser Basiseinheiten, die erst diese zuverlässige Aufmerksamkeit für einzelne Umweltbereiche sicherstellt. Daraus folgt auch, daß das resultierende Koordiniationsproblem, wie denn nun übergreifende Probleme von diesen spezialisierten Basiseinheiten verarbeitet werden können, daß dieses Koordinationsproblem nicht durch die Hoffnung auf eine leistungsfähige, deduktive Planung, die vom Regierungsprogramm ausgeht, gelöst werden kann, jedenfalls nicht in sehr wesentlichem Maße. Oeding: Ich habe nur zwei kurze Äuße~ungen zu machen, und zwar je eine zu den Ausführungen des Herrn Professor Scheuner und zu denen des Herrn von Oertzen. Herr Professor Scheuner hat ausgeführt, daß die Seehäfen isoliert geplant wurden, die Rheinschiffahrt - also Teil der Binnenschiffahrt plane auch isoliert. Das ist richtig. Es werden bei uns auch noch andere Suppen gekocht, die Luftfahrt kocht ihre eigene Suppe, der Straßenverkehr und die Eisenbahn. Soweit Herr Professor Scheuner damit einen tatsächlichen Zustand feststellt, trifft dieser leider zum größten Teil zu.

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Das ist allerdings nicht Ziel der Verkehrspolitik, sondern ausschließlich eine Folge ihrer Unzulänglichkeit. Wir im Hause bemühen uns, die Dinge in den Griff zu bekommen unter der Bezeichnung "Verkehrspolitik aus einem Guß". Bis es soweit ist, wird jedoch noch eine geraume Zeit vergehen. Ob die Frage von der Organisation her zu lösen ist, ist schwierig zu beantworten. Wir sind nach Sparten organisiert; jeder Verkehrsträger hat "seine Abteilung", in der Juristen, Ökonomen, verkehrspolitisch orientierte Leute und Techniker zusammenarbeiten. Es stellt sich dabei die Frage, ob man nicht die Organisation ändern und sagen soll: die Juristen bilden eine Rechtsabteilung, die Ökonomen eine Abteilung für Tarife, andere Leute eine Abteilung Verkehrspolitik, und zwar jeweils quer durch die Verkehrsträger. Dadurch würde man zwar manches Problem lösen, aber eine ganze Reihe von neuen Problemen aufwerfen und Koordinierungsschwierigkeiten heraufbeschwören, die man noch gar nicht übersieht. Ein endgültiges Urteil kann ich mir noch nicht bilden. Vielleicht kann uns die Projektgruppe "Regierungs- und Verwaltungsreform" ein Rezept anbieten. Ich wage dies allerdings zu bezweifeln. Das wäre der Punkt. Der andere Punkt: Was Herr von Oertzen zur Frage des Beamtenrechts und zur Personallage sagte, kann ich nur unterstreichen. Die gleichen Schwierigkeiten hat man aber auch mit dem Angestellten- und Arbeiterrecht des Bundes; denn die Tarifnormen fördern die Immobilität noch stärker als das Beamtenrecht. Versetzungsbereitschaft und Versetzungsfähigkeit der Angestellten und der Arbeiter sind zumindest genauso gering wie die der Beamten. Das sei nur am Rande bemerkt. Piduch: Ich fühle mich in der erfreulichen Lage, gleich anschließen zu können an das, was eben ein spezielles Ressort anging und wollte die Diskussion anregen durch zwei Extrembemerkungen:

Die erste Bemerkung bezieht sich darauf, daß es bestimmte unstrukturierte Probleme gibt, die im Normalapparat nicht zu bewältigen sind. Dann errichtet man eine Projektgruppe, die sich dieser Dinge annimmt, oder man wählt eine andere Form intraministerieller oder interministerieller Zusammenarbeit. Dann kann man - und darin soll das Extrem liegen - ein Verschieben des "Schwarzen Peters" beobachten und daraus ein neues Managementsystem entwickeln, was ich hier bezeichnen möchte als "Management by black Peter" . Das wäre also die erste extreme Bemerkung. Die zweite Extrembemerkung, die das laufende Geschäft angeht: Hier ist ein Problem strukturiert, wir haben es mit einem Normalfall zu tun, der nicht gerade im Scheinwerferlicht des Ministers, des Kabinetts oder sonstiger politischer Instanzen liegt. Und nun arbeitet der Referent einen Gesetzentwurf oder ein Programm aus, in intensiver Zusammenarbeit

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mit den Interessenverbänden. Diese Sache kann, wenn sie nicht im Scheinwerferlicht steht und eine im Moment nicht sehr bedeutsame Angelegenheit angeht, dazu führen, daß bereits auf der Referentenebene diese Sache festgezurrt ist. Sie geht dann auf dem Dienstweg nach oben, und der Minister oder zunächst der Staatssekretär haben dann womöglich nur noch "Notarfunktionen" zu erfüllen. Was ich daraus schließen möchte, ist, daß es mir äußerst gefährlich erschiene, zwischen Tagesgeschäft und dem Grundsatzgeschäft zu trennen.

DRITTER TEIL

Die Organisation der Führungszwischenschicht (Abteilungen usw.) in den Ministerien

1. Die Organisation der Führungszwischenschicht (Abteilungen usw.) in den Ministerien Von J osef Kölble I. Zum Gegenstand der Untersuchung 1. Die nachstehende Untersuchung - nach dem Stande von Mitte 1971 - beschränkt sich auf einen Teil der Ministerialverwaltung des Bundes. Nicht einbezogen wurden die Bundestags- und die Bundesratsverwaltung sowie das Bundespräsidialamt, das Bundeskanzleramt und das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung; die Untersuchung wurde auch nicht auf das Bundesministerium der Verteidigung erstreckt, da sich dessen Organisation wegen der Besonderheit ihrer Aufgabenstellung weitgehend einem nützlichen Vergleich mit derjenigen anderer Bundesressorts entzieht. Untersuchungsgegenstand waren somit lediglich das Auswärtige Amt das Bundesministerium des Innern das Bundesministerium der Justiz das Bundesministerium für Wirtschaft und Finanzen das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten das Bundesministerium für Verkehr das Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit das Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft das Bundesministerium für Städtebau und Wohnungswesen das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit sowie das Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen1 • 2. Innerhalb dieser Bundesressorts wurde nur die Führungszwischenschicht betrachtet. 1 Vgl. Organisationserlaß des Bundeskanzlers vom 11. November 1969 (Bundesanzeiger Nr. 214 vom 15. November 1969, S. 4). Danach (Nr. 1) werden das Bundesministerium für Verkehr und das Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen vom Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen in Personalunion geleitet. Das frühere Bundesministerium der Finanzen und das frühere Bundesministerium für Wirtschaft sind durch Anordnung des Bundeskanzlers vom 13. Mai 1971 zu einem Bundesministerium für Wirtschaft und Finanzen vereinigt worden.

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Sie grenzt sich nach oben von der Führungsebene ab, zu der die Minister sowie die Parlamentarischen und beamteten Staatsekretäre mitsamt den ihnen zugeordneten Führungshilfseinrichtungen wie Ministerbüro, Planungs- und Leitungsstäben, Lage- und Informationszentren, Persönlichen Referenten und dgl. gehören. Zur Führungsebene zu zählen sind ggf. auch etwaige Hauptabteilungsleiter, wie sie innerhalb der Ministerialverwaltung des Bundes zur Zeit lediglich in dem - hier nicht behandelten Bundesministerium der Verteidigung bestehen. Nach unten ist die Führungszwischenschicht gegenüber den Referaten als den kleinsten selbständigen organisatorischen Einheiten des Ministeriums abzugrenzen. Die Führungszwischenschicht umfaßt somit die Abteilungs- und Unterabteilungsebene. 3. Die Untersuchung erstreckt sich lediglich auf einen Teil der Führungszwischenschicht, und zwar nur auf den Bereich der spezifischen Fachabteilungen. Nicht zu diesen gehören die Abteilungen mit Querschnittcharakter. Als solche sind vor allem die Zentralabteilungen anzusehen, und zwar auch soweit sie neben ihren typischen Funktionen auf den Gebieten des Personal-, Organisations-, Haushalts- und internen Verwaltungswesens auch noch andere Aufgaben wahrnehmen. Abteilungen mit Querschnittcharakter stellen außerdem die Grundsatz- und Planungsabteilungen dar, die in verschiedenen Bundesressorts bestehen. Nicht zu den spezifischen Fachabteilungen zählen ferner für ad hocAufgaben gebildete Organisationseinheiten also Projektgruppen und dgl. Nicht einbezogen wurden schließlich auch solche Abteilungen, die wegen der Besonderheit der von ihnen zu erfüllenden Aufgaben mit anderen Fachabteilungen nur schwer vergleichbar wären, wie z. B. die Protokollabteilung des Auswärtigen Amtes, die Abteilungen VII (Bauwesen) und VIII (Industrielles Bundesvermögen) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Finanzen sowie die Abteilung V (Bauwesen) des Bundesministeriums für das Post- und Fernmeldewesen. 4. In der vorliegenden Arbeit fehlt eine Untersuchung über die Zielvorstellungen von der Aufgabe und den Funktionen der Führungszwischenschicht sowie - nach Herausarbeitung geeigneter Indikatoren eine exakte Messung des Ist-Standes an diesen Vorstellungen. Der Verfasser ist sich dieses Mangels bewußt. Vorbehaltlich abweichender Ergebnisse einer eigenen Untersuchung ist in etwa von den folgenden Ausführungen über Aufgabe und Funktion der Führungszwischenschicht aus-

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gegangen worden, die sich im Bericht der Projektgruppe beim Bayerischen Staatsministerium des Innern 2 finden: "Die Abteilungen der Ministerien werden dadurch gekennzeichnet, daß sie die fachliche Arbeit der Basiseinheiten steuern und überwachen und die notwendige Verbindung zwischen der Führungsspitze des Ressorts und den Fachbereichen herstellen. Danach hat die Abteilung folgende Funktionen: Sie ist die maßgebliche Informationsebene zwischen Führungsspitze und Basiseinheiten und den Basiseinheiten untereinander; sie hat die besonders wichtige Aufgabe, Informationen auszuwählen und zu verdichten. Sie ist berufen, die Arbeit der Basiseinheiten zu initiieren, zu steuern und zu koordinieren. Sie ist die eigentliche fachliche Planungsebene, auf der die verschiedenartigen Interessen der Basiseinheiten abgestimmt werden. Sie ist im hierarchischen Aufbau im allgemeinen die abschließende fachliche Entscheidungsebene ohne Rücksicht auf die formale Zeichnungsbefugnis innerhalb der ministeriellen Rangordnung. Sie ist Kontrollstufe für die fachliche Arbeit der Basiseinheiten." Schon jetzt kann gesagt werden, daß diese Zielvorstellungen von den Aufgaben und der Funktion der Führungszwischenschicht voraussichtlich einer gewissen Korrektur bzw. Ergänzung im Hinblick auf die Notwendigkeit einer integrierten politischen Planung auf Regierungsebene bedürfen. 5. Im folgenden werden unter H zunächst die Zahl und Stärke sowie die Binnenstruktur der Fachabteilungen behandelt. Anschließend wird kurz auf drei besondere Problembereiche eingegangen, und zwar auf das Verhältnis zwischen Planung und Fachabteilungen (IH), auf das Verhältnis der Fachabteilungen zur Führungsebene (IV) sowie auf die Delegations- und Partizipationsformen innerhalb der Fachabteilungen (V). Dabei ist jeweils so verfahren worden, daß zunächst eine Bestandsaufnahme geliefert wurde, an die sich kritische Bemerkungen mit gewissen systemimmanenten Reformvorschlägen anschließen. Der Schlußteil (VI) enthält einen kurzen Ausblick auf etwaige grundsätzliche Veränderungen der Organisation der Führungszwischenschicht im Falle einer systemverändernden Reform der Ministerialverwaltung im ganzen.

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Reform des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, München, Oktober

1970, S. 37/38.

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11. Zahl, Stärke und Binnenstruktur der Fachabteilungen 1. Die Zahl der Fachabteilungen in dem oben entwickelten Sinne beläuft sich in den hier behandelten 12 Bundesressorts zur Zeit auf insgesamt·67. Die Zahl der Fachabteilungen in den einzelnen hier behandelten Bundesressorts differiert zwischen 2 und 11. Die größte Zahl von - je 11 Fachabteilungen weisen das Bundesministerium für Wirtschaft und Finanzen auf. Ihm folgt mit 9 Fachabteilungen das Bundesministerium des Innern. Die geringste Zahl von - lediglich 2 - Fachabteilungen hat das Bundesministerium für Städtebau und Wohnungswesen. Die Stärke der Fachabteilungen ist sehr unterschiedlich. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Zahl der Referate als auch hinsichtlich derjenigen der Bediensteten. Die Zahl der Referate differiert zwischen 6 und 23. Die Höchstzahl von 23 Referaten wird lediglich von 2 Fachabteilungen, und zwar den Abteilungen II (Bundeshaushalt) und IV (Besitz- und Verkehrssteuern) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Finanzen erreicht. Die geringste Zahl von je 6 Referaten weisen nur 3 Fachabteilungen auf, und zwar die Abteilungen B (Berufsbildung) und VI (Internationale Sozialpolitik) des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung sowie die Abteilung B (Binnenschiffahrt) des Bundesministeriums für Verkehr auf. 20 und mehr Referate besitzen insgesamt lediglich 6 Fachabteilungen. Bei der Mehrzahl der Abteilungen liegt die Zahl der Referate zwischen 10 und 20. Die Zahl der Bediensteten - ohne Kanzlei- und Registraturkräfte usw. - der einzelnen Fachabteilungen im Untersuchungsbereich liegt etwa zwischen ca. 20 im Minimal- und ca. 150 Personen im HöchstfalP. a) Der Einteilung in Fachabteilungen liegt, ihrem Wesen entsprechend, das Prinzip der Zusammenfassung größerer sachlich zusammenhängender Aufgabengebiete zugrunde. Diese erweisen sich im allgemeinen als um so gleichartiger, je homogener und als um so verschiedenartiger, je heterogener der Gesamtgeschäftsbereich des betreffenden Ministeriums ist. So spiegelt sich z. B. der aus historischen Gründen sehr heterogene Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern deutlich in den folgenden, sehr verschiedenartigen, zum Teil fast beziehungslos nebeneinanderstehenden Aufgabengebieten seiner einzelnen Fachabteilungen wieder: Verfassung, Staatsrecht und Verwaltung - Öffentliche Sicherheit - Bundesgrenzschutz - Sport, Angelegenheiten der Kulturpflege Zivile Verteidigung - Beamtenrecht und sonstiges Personalrecht des 3 Die Angaben beruhen auf einer von der Projektgruppe für Regierungsund Verwaltungsrefonn beim BMI durchgeführten Umfrage bei den Ressorts nach dem Stand vom 1. 4. 1971.

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öffentlichen Dienstes - Raumordnung, Komunalwesen - Umweltschutz - Angelegenheiten der Vertriebenen, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigten. Viel verwandter erscheinen demgegenüber die folgenden Aufgabengebiete der Fachabteilungen des Bundesministeriums der Justiz: Rechtspflege - Bürgerliches Recht - Strafrecht - Handels- und Wirtschaftsrecht - Öffentliches Recht. Dasselbe gilt für das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung mit seinen Fachabteilungen: Arbeitsmarktpolitik und Arbeitslosenversicherung, Ziviler Ersatzdienst - Berufsbildung - Arbeitsrecht, Löhne, Arbeitsschutz - Sozialversicherung, Sozialbeirat - Kriegsopferversorgung, Versorgungs-, Sozial- und Arbeitsmedizin - Internationale Sozialpolitik. b) Die Aufgabengebiete der Fachabteilungen der Bundesressorts überschneiden sich zum Teil 4• So werden z. B. Angelegenheiten des Veterinärwesens und der Lebensmittelkontrolle sowohl im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten als auch im Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit, Verbraucherangelegenheiten sowohl im Bundesministerium für Wirtschaft und Finanzen als auch im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und im Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit und Ausbildungsfragen sowohl im Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft als auch im Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit sowie im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung behandelt abgesehen von den Überschneidungen im Bereiche der Außenwirtschaftspolitik namentlich im europäischen Raum zwischen dem Auswärtigen Amt und den jeweils beteiligten Fachressorts. Gelegentlich ist es sogar das Ziel der Geschäftsverteilung zwischen den Bundesressorts, eine und dieselbe Aufgabe von zwei verschiedenen Ressorts gewissermaßen konkurrierend wahrnehmen zu lassen, wie dies insbesondere hinsichtlich der Bearbeitung von Verfassungsangelegenheiten sowohl durch die Verfassungsabteilung des Bundesministeriums des Innern als auch durch die Abteilung Öffentliches Recht des Bundesministeriums der Justiz zutrifft. c) Innerhalb der einzelnen Bundesressorts sollen gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien Teil I _5 selbständige Stellen, Ämter, Sonderreferate und dgl. außerhalb der Abteilungen und Unterabteilungen nicht eingerichtet werden. Unterhalb der Führungsebene und den zu ihr gehörenden Einrichtungen mit Querschnittaufgaben sollen die Abteilungen also in ihrer Gesamtheit bezogen auf den ganzen Geschäftsbereich des jeweiligen Ressorts gewissermaßen "flächendeckend" sein. 4 Vgl. hierzu den Ersten Bericht der Projektgruppe für Regierungs- und Verwaltungsreform beim BMI vom August 1969, insbesondere S. 47 ff. S Inzwischen in eine reguläre Unterabteilung umgewandelt.

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Die Organisationswirklichkeit der Bundesministerien entspricht dem zwar weitgehend aber keineswegs ausnahmslos. Soweit es sich um den Aufgabenbereich der hier allein interessierenden Fachabteilungen handelt, sind vor allem die folgenden Referate und dgl. nicht in die jeweils zugehörige Fachabteilung integriert, sondern auf die eine oder andere Weise unmittelbar der Führungsebene unterstellt bzw. zugeordnet: Im Auswärtigen Amt: Im Bundesministerium des Innern: Im Bundesministerium der Justiz: Im Bundesministerium für Verkehr: Im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung:

Koordinator für die deutsch-französische Zusammenarbeit Referat IF - Innerdeutsche Fragen Beauftragter für Menschenrechtsfragen Beauftragter für den Innerdeutschen und Berlinverkehr Verbindungsreferat zu den Gewerkschaften Verbindungsreferat zu den Arbeitgeberverbänden und zum Handwerk; Freie Berufe Bundesbeauftragter für den zivilen Ersatzdienst

Im Bundesministerium für Wirtschaft und Finanzen ist die Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei den Europäischen Gemeinschaften keiner Fachabteilung zugeordnet, sondern unmittelbar dem zuständigen beamteten Staatssekretär unterstellt. In mehreren Bundesressorts sind außerdem die Vorprüfungsstellen sowie die jeweiligen Berlinvertretungen keiner Abteilung eingeordnet. 2. Die überwiegende Mehrzahl der hier interessierenden Fachabteilungen gliedert sich in Unterabteilungen, während die restlichen unmittelbar in Referate aufgeteilt sind. Die Gesamtzahl dieser Unterabteilungen, von denen einige als "Gruppen" bezeichnet sind, beläuft sich auf 124. Die Zahl der Unterabteilungen in den einzelnen Fachabteilungen differiert zwischen 1 und 4. 3 Fachabteilungen weisen jeweils nur eine Unterabteilung auf. Es sind dies die Abteilungen E - Europa - des Bundesministeriums für Wirtschaft und Finanzen sowie die Abteilungen 11 - Forschungsplanung, Technologische Forschung und Entwicklung - und V - Weltraumforschung und Technik -, Luftfahrtforschung - des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft. Die Höchstzahl von 4 Unterabteilungen haben nur 5 Fachabteilungen. Es sind dies die Politische Abteilung des Auswärtigen Amtes, die Abteilung D - Beamtenrecht usw. - des Bundesministeriums des Innern

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sowie die Abteilungen II - Bundeshaushalt -, IV - Besitz- und Verkehrssteuern - und III - Energiepolitik und Grundstoffe - des Bundesministeriums für Wirtschaft und Finanzen. Die meisten der in Unterabteilungen gegliederten Fachabteilungen setzen sich aus 2 Unterabteilungen zusammen. Die restlichen Fachabteilungen gliedern sich in jeweils 3 Unterabteilungen (Gruppen). Bie den Unterabteilungen differiert die Zahl der Referate weniger stark als bei den Abteilungen, denn sie liegt lediglich zwischen 2 und 9. über 9 Referate verfügen nur 2 Unterabteilungen. Es handelt sich um eine Unterabteilung der Abteilung "Straßenbau" des Bundesministeriums für Verkehr und um eine Unterabteilung der Abteilung "Bildungsplanung. Hochschulen" des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft. über nur 2 Referate verfügen lediglich die zur Politischen Abteilung gehörende Gruppe 1. C, die Fragen der Vereinten Nationen und anderer weltweiter Organisationen, die Koordinierung humanitärer Hilfsmaßnahmen u. a. bearbeitet sowie die Gruppe III E (Europäische wirtschaftliche Integration) innerhalb der Abteilung III (Handelspolitik usw.) beide im Auswärtigen Amt. Die meisten Unterabteilungen weisen zwischen 4 und 7 Referaten auf. a) Der Einteilung in Unterabteilungen liegt im allgemeinen das Prinzip der Zusammenfassung gewisser sachlich zusammenhängender Teilkomplexe des Gesamtaufgabenbereichs der betreffenden Fachabteilung zugrunde. Nach außen ist das zugrundeliegende Prinzip allerdings nicht immer klar erkennbar bzw. nicht immer konsequent durchgeführt. In mehreren Fällen werden in einer Unterabteilung Grundsatzangelegenheiten der Gesamtabteilung im Rahmen eines Grundsatzreferates bearbeitet, ohne daß deshalb die betreffende Unterabteilung als Grundsatzunterabteilung im eigentlichen Sinne angesprochen werden könnte. Dies trifft lediglich in gewissem Sinne für die vor kurzem neu geschaffene Gruppe UK5 der Abteilung Umweltschutz des Bundesministeriums des Innern zu, in der u. a. Fragen der Gesamtplanung, der Planungsmethodik und der wirtschaftlichen Auswirkung des Umweltschutzes sowie die internationale Zusammenarbeit auf diesem Gebiete bearbeitet werden. In einem Fall - und zwar bei der Abteilung IV - Besitz- und Verkehrssteuern - des Bundesministeriums für Wirtschaft und Finanzen ist die Steuerreform in einer der vier Unterabteilungen zusammengefaßt. Dem vergleichbar ist die Arbeitsgruppe Reform des öffentlichen Dienstes innerhalb der Abteilung D - Beamtenrecht usw. - des Bundesministeriums des Innern. 12 Speyer 48

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b) Von den oben behandelten - insgesamt 124 Unterabteilungen führen z. Z. 10 6 die Bezeichnung "Gruppe". Es sind dies im Auswärtigen Amt die zur Politischen Abteilung gehörende Gruppe I. C mit einem Referat für die Vereinten Nationen usw. sowie einem Informationsreferat Ausland, und die Gruppe III E (Europäische wirtschaftliche Integration) der Abteilung III (Handelspolitik usw.) mit 2 Referaten, innerhalb des Bundesministeriums des Innern die Gruppe D IV - Reform des öffentlichen Dienstes - mit 4 Untergruppen und die Gruppe UK (Grunds atz angelegenheiten des Umweltschutzes) mit 4 Referaten, die aus je 3 Referaten bestehenden Gruppen "Wehrstrafrecht" und "Völkerrecht" in den Abteilungen II und IV des Bundesministeriums der Justiz sowie je 2 Gruppen in den beiden Abteilungen "Städtebau" und "Wohnungswesen" des Bundesministeriums für Städtebau und Wohnungswesen. Bei den 4 zuletzt genannten Gruppen handelt es sich um Mischformen. Sie stellen teils hierarchisch strukturierte Unterabteilungen des herkömmlichen Typus dar, in denen jeweils mehrere Referate mit bestimmten Aufgabenbereichen zusammengefaßt sind; außerdem umfassen sie aber jeweils ein nach dem Team-Prinzip arbeitendes Gruppenelement unter Leitung des Unterabteilungsleiters, dem jeweils referatsmäßig nicht aufgegliederte Aufgaben zugewiesen werden. Als eine Mischform läßt sich auch die Gruppe D IV - Reform des öffentlichen Dienstes - bezeichnen, da sie zwar formal hierarchisch strukturiert ist, praktisch aber weitgehend nach dem Team-Prinzip arbeitet. In den übrigen Fällen handelt es sich zumeist um kleine Unterabteilungen herkömmlicher Art, die - z. T. vorübergehend - mit Rücksicht darauf als "Gruppen" bezeichnet werden, daß nach § 4 Abs. 1 Satz 2 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien I bei der Bildung von Unterabteilungen mindestens je 5 Referate zusammen ge faßt werden sollen. 3. Die Binnenstruktur der Fachabteilungen ist im allgemeinen starr. Das bedeutet, daß sie sowohl in personeller als auch in organisatorischer Hinsicht grundsätzlich nur unter Beteiligung der Zentralabteilung und in allen wichtigen Angelegenheiten sogar nur auf Grund einer Entscheidung der Leitung des Ministeriums verändert werden kann. In zahlreichen Bundesressorts wird es von der Zentralabteilung sogar nicht einmal für zulässig gehalten, daß der Abteilungsleiter vorübergehend Sachbearbeiter oder Hilfsreferenten zur Erledigung von Schwerpunktaufgaben oder vordringlichen Arbeiten einem anderen Referat zu6

Inzwischen auf 9 zurückgegangen. Siehe Fußnote 5.

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teilt oder daß er für derartige Zwecke vorübergehend ad hoc-Arbeitsgruppen innerhalb seiner Abteilung zusammenstellt. In anderen Ressorts wird von den Zentral abteilungen geduldet, daß die Abteilungsleiter im Bedarfsfalle so verfahren. Dabei scheint die Neigung, die vorübergehende Bildung von ad hoc-Arbeitsgruppen durch die Leiter der Fachabteilungen zuzulassen, im allgemeinen größer zu sein als die Bereitschaft, ihnen auch die Befugnis zur vorübergehenden Zuteilung von Sachbearbeitern oder Hilfsreferenten an andere Referate zuzubilligen. Soweit ersichtlich, scheinen die Abteilungsleiter von der Möglichkeit zu flexibler Gestaltung der Binnenstruktur der Abteilung in personeller oder organisatorischer Hinsicht praktisch nur in verhältnismäßig geringem Maße Gebrauch zu machen. 4. Was die Institution eines Ständigen Vertreters des Abteilungsleiters angeht, so sind drei verschiedene Formen einer solchen zu unterscheiden: a) die regelmäßige abschließende Wahrnehmung - also nicht nur Vorbereitung! - bestimmter Abteilungsleiterfunktionen auch bei Anwesenheit des Abteilungsleiters an dessen Stelle durch einen anderen Beamten - in der Regel einen Ministerialdirigenten -, aa) der daneben keine andere Funktion erfüllt, insbesondere also keine Unterabteilung bzw. kein Referat leitet; bb) der daneben noch eine andere Funktion erfüllt, insbesondere eine Unterabteilung bzw. ein Referat leitet; b) die regelmäßige Wahrnehmung aller in einem bestimmten Zeitraum anfallenden Abteilungsleiterfunktionen in Abwesenheit des Abteilungsleiters durch einen generell dazu bestimmten Angehörigen der Abteilung, in der Regel den dienstältesten Unterabteilungsleiter bzw. Referenten. Die Institution eines Ständigen Vertreters des Abteilungsleiters in dem Sinne von a) ist z. Z. ausdrücklich nur im Organisationsplan des Bundesministeriums des Innern7 vorgesehen, und zwar für die drei Abteilungen, die nicht in Unterabteilungen untergliedert sind. In zwei Fällen - und zwar bei den Abteilungen R - Raumordnung usw. - und ÖS - Öffentliche Sicherheit - nimmt der Vertreter des Abteilungsleiters daneben keine andere Funktion wahr. In dem dritten Fall, bei der Abteilung ZV - Zivile Verteidigung - leitet der Ständige Vertreter des Abteilungsleiters gleichzeitig das Grundsatzreferat. In den übrigen Abteilungen des BMI sowie in den anderen Bundesressorts wird im allgemeinen eine ständige Vertretung des Abteilungs7 Dies schließt nicht aus, daß auch in anderen Bundesressorts ohne ausdrückliche Erwähnung in der sogenannten "Spinne" die Institution des Ständigen Vertreters des Abteilungsleiters hier und da praktiziert wird.

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leiters nur im Sinne von b) - also als Abwesenheitsvertretung - praktiziert. Dies schließt nicht aus, daß derjenige Beamte, der den Abteilungsleiter im Abwesenheitsfalle zu vertreten pflegt, auch bei dessen Anwesenheit von diesem gewisse Funktionen generell oder im Einzelfall zur abschließenden Erledigung übertragen erhält. Im ganzen ergibt sich, daß von der Institution des Ständigen Vertreters des Abteilungsleiters in dem oben zu a) unter aa) entwickelten Sinne nur in verhältnismäßig sehr geringem Umfange Gebrauch gemacht wird. 5. Kritisch läßt sich auf Grund der vorstehenden Bestandsaufnahme folgendes feststellen. a) Die Beantwortung der Frage, wie die Aufgabengebiete der einzelnen Fachabteilungen eines Ministeriums am zweckmäßigsten voneinander abgegrenzt werden sollten, hängt in hohem Maße davon ab, wie der gesamte Geschäftsbereich des betreffenden Ressorts zugeschnitten ist. Geht man von der gegenwärtigen Geschäftsverteilung zwischen den Bundesressorts aus, so läßt sich schwer sagen, in welcher Weise die Aufgabenbereiche der Fachabteilungen generell zweckmäßiger voneinander abgegrenzt werden könnten, als dies zur Zeit der Fall ist. Von grundsätzlicher Bedeutung ist die Frage, ob es sich empfiehlt und ggf. inwieweit es durchführbar ist, in Fachressorts besondere Rechtsabteilungen zu bilden, in denen - ähnlich wie dies schon heute im Auswärtigen Amt in Gestalt der Rechtsabteilung praktiziert wird - sämtliche das Ressort betreffenden Rechtsfragen zusammengefaßt werden. Generell läßt sich hierzu wohl nur sagen, daß die Bildung solcher Rechtsabteilungen um so schwieriger sein dürfte, je heterogener der Geschäftsbereich des betreffenden Ressorts zusammengesetz ist. Außerdem sei darauf hingewiesen, daß im Bereich des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit auf der Unterabteilungsebene im Rahmen der Abteilung H - Humanmedizin usw. - mit der Aufteilung in ärztliche und pharmazeutische Angelegenheiten einerseits und Rechts- und Verwaltungsangelegenheiten andererseits offenbar keine günstigen Erfahrungen gemacht worden sind, so daß sich die Leitung des Hauses veranlaßt gesehen hat, den Aufgabenbereich nunmehr nach bestimmten Sachgebieten auf die Unterabteilungen aufzuteilen. b) Überschneidungen der Aufgabengebiete von Fachabteilungen sollten grundsätzlich vermieden und nur insoweit in Kauf genommen werden, als dies praktisch unvermeidbar ist. Dies gilt auch von gewollten Doppelfunktionen, wie sie etwa die Bearbeitung von Verfassungsangelegenheiten sowohl durch die Verfassungs abteilung des Bundesministeriums des Innern als auch durch die Abteilung "Öffentliches Recht" des Bundesministeriums der Justiz darstellt. In diesem speziellen Fall sollte

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geprüft werden, ob der - offiziell - intendierte Zweck - die Gewährleistung einer exakten unabhängigen Prüfung verfassungsrechtlicher Fragen - nicht besser auf andere Weise erreicht werden könnte - z. B. durch Herausnahme der Verfassungsabteilung aus der hierarchischen Struktur des Ministeriums bei entsprechend qualifizierter, nicht parteipolitisch beeinflußter persönlicher Besetzung und - soweit nötig - Einführung kollegialer Prüfungsverfahren mit der Möglichkeit abweichenderVoten 8• Von der Überschneidung bzw. Doppelwahrnehmung von Aufgaben wohl zu unterscheiden ist die Verteilung verschiedener Teilkomplexe einer Gesamtaufgabe auf Fachabteilungen mehrerer Bundesressorts unter dem Gesichtspunkt der Spezialisierung und der Wahrung der Sachnähe mit den übrigen Ressortaufgaben. Die Projektgruppe Regierungs- und Verwaltungsreform beim Bundesministerium des Innern hat daher in ihrem Ersten Bericht im August 1969 9 zu Recht davon abgesehen, die Konzentration sämtlicher Bundesbauaufgaben bei einer entsprechenden Fachabteilung eines einschlägigen Bundesressorts vorzuschlagen, sondern nur gewisse Zusammenlegungen empfohlen. Die zweckmäßige Organisation der staatlichen Bauangelegenheiten hängt allerdings weitgehend von den jeweils gegebenen besonderen Verhältnissen ab, wie das Beispiel der bayerischen Obersten Baubehörde und die entsprechenden Vorschläge der Projektgruppe beim Bayerischen Staatsministerium des Innern in ihrem Bericht vom Oktober 1970 10 zeigen. Im ganzen dürfte sich eine befriedigende Lösung des Problems der Überschneidung von Aufgabenbereichen und etwaiger Doppelfunktionen wohl nur im Zuge einer generellen Neuabgrenzung der Geschäftsbereiche aller Bundesressorts erreichen lassen. Falls es dabei, wie die Projektgruppe Regierungs- und Verwaltungs reform beim Bundesministerium des Innern in ihrem Ersten Bericht im August 1969 vorgeschlagen hat, zur Neubildung von Bundesressorts, wie etwa eines Strukturministe8 Die folgenden einschlägigen Ausführungen im Ersten Bericht der Projektgruppe für Regierungs- und Verwaltungsreform beim BMI, S. 52, erscheinen wenig überzeugend. "Für Fragen des Verfassungsrechts sind sowohl das BMJ wie das BMI als Verfassungsministerium zuständig. Daraus ergibt sich zum Teil Doppelarbeit. Durch den Dualismus auf diesem äußerst wichtigen Gebiet wird jedoch gewährleistet, daß - vom Sachzusammenhang jedes der beiden Ressorts her gesehen die verschiedenen Gesichtspunkte in die Diskussion einfließen." Was insbesondere den Hinweis auf den Sachzusammenhang mit Ressortaufgaben angeht, so bestehen solche Zusammenhänge zwischen dem Verfassungsrecht und den Geschäftsbereichen nahezu in sämtlichen Bundesressorts. 9 a.a.O., S. 47 ff. 10 Projektgruppe beim Bayerischen Staatsministerium des Innern, Reform des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, München, Oktober 1970, S. 76 ff.

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riums oder eines Ministeriums für soziale Fragen kommen sollte, können sich dabei auch grundsätzlich neue Prinzipien für die Abgrenzung der Fachabteilungen innerhalb der einzelnen Bundesressorts ergeben. Dasselbe würde sich im Falle der Bildung eines Bundesministeriums für Umweltschutz oder für Industrie und Technologie gelten. c) Bei der Beantwortung der Frage, ob es zweckmäßig ist, gewisse Referate keiner Fachabteilung einzugliedern, sondern auf die eine oder andere Weise unmittelbar der Führungsebene zuzuordnen, dürften vor allem zwei Gesichtspunkte zu berücksichtigen sein. Einmal sollten alle sachlich zusammengehörenden Fachfragen nach Möglichkeit in einer Organisationseinheit zusammengefaßt werden, da auf diese Weise die notwendige übersicht des Abteilungsleiters über den gesamten Fachbereich und die erwünschte Einheitlichkeit der Bearbeitung gleichliegender Fragen am besten sichergestellt werden kann. Außerdem sollte die Führungsebene nach Möglichkeit von allen Funktionen und Einrichtungen freigehalten werden, deren Wahrnehmung bzw. Vorhandensein auf dieser Ebene nicht unbedingt erforderlich ist, um die Führungsaufgaben sachgerecht wahrnehmen zu können. Bevor ein Referat der Führungsebene unmittelbar zugeordnet wird, sollte daher geprüft werden, ob nicht die Direktunterstellung unter den zuständigen Fachabteilungsleiter oder die Einordnung in eine Zentraloder Grundsatzabteilung vorzuziehen ist. Andererseits ist nicht zu verkennen, daß es in besonders gelagerten Einzelfällen zwingende Gründe verschiedener Art geben kann, die eine unmittelbare Zuordnung zur Führungsebene rechtfertigen. Legt man diese Maßstäbe an, so ergeben sich gewisse Zweifel, ob in allen der oben zu H. unter 1. c) erwähnten Fälle die unmittelbare Zuordnung zur Führungsebene sachlich hinreichend gerechtfertigt ist. Insbesondere bestehen solche Zweifel m. E. hinsichtlich der gegenwärtigen Zuordnung des Referates IF - Innerdeutsche Fragen - im Bundesministerium des Innern. d) Die Unterabteilung. aal Die Frage, ob Fachabteilungen in Unterabteilungen untergliedert werden sollten, stellt eines der kardinalen Organisationsprobleme im Bereich der Führungszwischenschicht dar. Im Bericht der Projektgruppe "Organisation Bundesministerium des Innern" vom 1. Juli 196911 wird die Unterabteilung als solche zu Recht als eine "umstrittene Institution" bezeichnet. Schon im Jahre 1932 habe der damalige Reichssparkommissar in seinem Gutachten über das Reichsministerium des Innern eine Auflösung der erst nach dem Ersten Weltkrieg in der Reichsministerial11 Projektgruppe "Organisation BMI", Bericht über die überprüfung der Organisation des Bundesministeriums des Innern vom 1. Juli 1969, S. 50 ff.

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verwaltung eingerichteten Unterabteilungen vorgeschlagen. Im Jahre 1967 habe die Arbeitsgruppe "Rationalisierung und Modernisierung in Verwaltung und Regierung" empfohlen, zu prüfen, inwieweit eine Notwendigkeit für die Beibehaltung der damals 12 Unterabteilungen des BMI bestehe und dies für 8 von ihnen verneint. Die Institution der Unterabteilungen ist in der Tat problematisch, da es bisweilen - mitunter weniger aus sachlichen als aus persönlichen Gründen - an echten Leitungsfunktionen für die Unterabteilungsleiter fehlt, so daß sich in der Praxis Abgrenzungsschwierigkeiten gegenüber den Abteilungsleitern ergeben und der Dienstweg ohne zwingende Notwendigkeit um eine weitere Stufe verlängert wird. Als wichtigste unter den Aufgaben des Unterabteilungsleiters wird vielfach die der fachkundigen sach- und person-nahen Beratung der Referenten und Hilfsreferenten auf Grund der übersicht über ein größeres Sachgebiet und längerer Erfahrung angesehen. Diese Funktion kann nur unter günstigen personellen Voraussetzungen, die nicht immer vorliegen, optimal erfüllt werden. Es erscheint daher angebracht, die bestehenden Unterabteilungen einer kritischen überprüfung daraufhin zu unterziehen, inwieweit es auf die Dauer ihrer Beibehaltung bedarf. Dies gilt um so mehr, als § 4 Abs. 1 Satz 2 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien I ohnehin bestimmt, daß Unterabteilungen nur dann gebildet werden sollen, "wenn es sachlich nötig ist und dabei mindestens je fünf Referate zusammengefaßt werden". Besteht innerhalb einer Fachabteilung lediglich eine Unterabteilung, so spricht eine gewisse Vermutung dafür, daß es einer solchen nicht unbedingt bedarf und daß hier u. U. die Einrichtung eines echten Ständigen Vertreters des Abteilungsleiters - etwa vom Typ oben zu 4a - bb besser am Platze wäre. Diese Lösung hätte gegenüber der Unterabteilung den Vorteil, daß keine zusätzliche Hierarchie-Stufe geschaffen wird, da der Ständige Vertreter des Abteilungsleiters keine Durchgangsstufe darstellt, sondern in seinem Funktionsbereich an Stelle des Abteilungsleiters - also für die Abteilung - abschließend entscheidet. Umgekehrt deutet das Vorhandensein von 4 oder ggf. noch mehr Unterabteilungen darauf hin, daß hier möglicherweise eine Teilung der Abteilung in zwei selbständige Abteilungen die organisatorisch bessere Lösung wäre. Dies läßt sich aber selbstverständlich nicht generell sagen. Außerdem sind bei der Bildung neuer Abteilungen stets auch die möglichen Folgen auf das Verhältnis zwischen Fachabteilungen und Führungsebene zu berücksichtigen, dessen Regelung um so problematischer wird, je größer die Zahl der Abteilungen ist. Die Projektgruppe "Organisation Bundesministerium des Innern" hat sich daher in ihrem Bericht vom 1. Juli 19'69 zu Recht dazu veranlaßt gesehen, bei ihrem Modellvorschlag I, der eine Vermeh-

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rung der Zahl der Abteilungen des Bundesministeriums des Innern vorsah, diese wiederum zu Hauptabteilungen zusammenzufassen, um die Zusammenarbeit mit der Führungsebene zu erleichtern 12 • Auf diese Problematik wird auch noch bei der Behandlung des Verhältnisses zwischen Führungsebene und Fachabteilungen einzugehen sein 13 • bb) Hinsichtlich der Abgrenzung der Aujgabengebiete der einzelnen Unterabteilungen voneinander läßt sich generell nicht viel mehr sagen, als daß selbstverständlich versucht werden sollte, aus dem Gesamtaufgabenbereich der Abteilung sachlich zusammengehörende Teilgebiete möglichst geschlossen der einen oder anderen Unterabteilung zuzuweisen. Wie die bereits an anderer Stelle erwähnten Erfahrungen im Bereich des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit gezeigt haben, ist die Zusammenfassung der Rechtsangelegenheiten in einer Unterabteilung anscheinend nicht unproblematisch. Inwieweit es sich empfiehlt, innerhalb einer Abteilung eine Unterabteilung für Grundsatzangelegenheiten zu schaffen, läßt sich auf Grund der bisher vorliegenden Erfahrungen noch nicht mit Sicherheit beantworten, da die Schaffung einer solchen Gruppe innerhalb der Abteilung U - Umweltschutz - des Bundesministeriums des Innern erst wenige Wochen zurückliegt. Dagegen scheinen die Erfahrungen mit einer Unterabteilung Steuerreform, die das Bundesministerium für Wirtschaft und Finanzen gemacht hat, positiv zu sein. Das gleiche dürfte hinsichtlich der Gruppe "Reform des öffentlichen Dienstes" gesagt werden können. Im übrigen wird auf diesen Problembereich auch noch bei Behandlung des Verhältnisses zwischen Planung und Tätigkeit der Fachabteilungen einzugehen sein14 • ce) Auch zu der Frage, inwieweit es sich empfiehlt, an die Stelle von Unterabteilungen mit traditioneller d. h. hierarchischer Struktur mittlere Organisationseinheiten zu setzen, die ganz oder teilweise anders strukturiert sind, liegen in der Staatspraxis bisher noch keine ausreichenden Erfahrungen vor. Dagegen läßt sich auf Grund der Erfahrungen in der Unterabteilung "Steuerreform" bereits sagen, daß die traditionelle Unterabteilungsstruktur auch für Reformvorhaben jedenfalls nicht schlechthin ungeeignet ist. Im übrigen wird auch auf diesen Problembereich noch in anderem Zusammenhang - und zwar bei der Behandlung der Möglichkeiten einer stärkeren Delegation und Partizipation im Rahmen der Fachabteilungen 15 - einzugehen sein. Auf jeden Fall sollte jedoch vermieden werden, Unterabteilungen, die traditionell, also hierarchisch, strukturiert sind, nicht als solche, sondern 12

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Ebd., S. 36 ff. Siehe unten, S. 193 ff. Siehe unten, S. 186 ff. Siehe unten, S. 198 ff.

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als Gruppen zu bezeichnen. Diese Bezeichnung sollte im Interesse der Klarheit des Organisationsbildes solchen mittleren Organisationseinheiten vorbehalten bleiben, die ganz oder teilweise nach dem Team-Prinzip arbeiten. dd) Die Direktunterstellung von Referaten unter den Abteilungsleiter in Abteilungen, die in Unterabteilungen untergliedert sind. stellt eine Anomalie dar, die ihren Grund offenbar zum Teil in besonderen, meist persönlich bedingten Verhältnissen hat. Soweit es sich um Fachabteilungen mit nur einer Unterabteilung handelt, sollte - wie schon in anderem Zusammenhang angedeutet wurde geprüft werden, ob es sich nicht empfiehlt, die Organisationsform einer nicht in Unterabteilungen gegliederten Abteilung mit einem Ständigen Vertreter des Abteilungsleiters zu wählen. Diese Regelung würde es dem Abteilungsleiter erlauben, auf diejenigen Referate, bei denen er dies für erforderlich hält, selbst unmittelbar einzuwirken. Auch sonst dürfte es sich wohl empfehlen, die Fälle der Direktunterstellung von Referaten unter den Abteilungsleiter kritisch daraufhin durchzusehen, inwieweit sie sachlich auf die Dauer hinreichend gerechtfertigt erscheinen und ob nicht die Einordnung in die eine oder andere der bestehenden Unterabteilungen vorzuziehen ist. Von der Frage nach der Zweckmäßigkeit der Direktunterstellung einzelner Referate unter den Abteilungsleiter zu unterscheiden ist die ganz anders geartete Problematik, ob es sich empfiehlt, dem Abteilungsleiter einen oder mehrere Mitarbeiter für besondere Querschnittaufgaben, die sich auf den Arbeitsbereich der ganzen Abteilung beziehen, unmittelbar zuzuteilen. Dabei ist nicht an die in jeder Abteilung anfallenden personellen, organisatorischen, haushaltsrechtlichen usw. Generalia zu denken, die erfahrungsgemäß im allgemeinen von geeigneten Angehörigen des einen oder anderen Referats für den Abteilungsleiter erledigt bzw. vorbereitet werden. Gemeint sind vielmehr in erster Linie Planungsund Reformaufgaben, die eine Zusammenarbeit mit mehreren Referaten voraussetzen und deren Erfüllung oft dadurch erleichtert wird, daß für sie ein Mitarbeiter zur Verfügung steht, der selbst nicht in eines der Referate integriert und dort auch mit Routinearbeiten belastet ist. Auch auf diese Frage wird im Zusammenhang mit der Behandlung der Problematik Planung und Tätigkeit der Fachabteilungen noch weiter einzugehen sein. e) Das soeben behandelte Problem steht zumindest zum Teil in einem engen Zusammenhang mit dem Problem der personellen und organisatorischen Flexibilität, also mit der Frage, inwieweit es sich empfiehlt, dem Abteilungsleiter die Befugnisse einzuräumen, die personellen und organisatorischen Verhältnisse innerhalb seiner Abteilung vorübergehend

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dem jeweiligen Stand der zu erfüllenden Aufgaben anzupassen. Diese Befugnis sollte auf die Dauer in der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien ausdrücklich vorgesehen werden, wobei es sich wohl empfehlen würde, ihre Voraussetzungen und ihre Grenzen etwas näher - jedoch nicht zu eng - zu bestimmen. Auf diese Weise würde nicht nur eine elastische Anpassung der Binnenstruktur der Abteilung an die jeweils zu erfüllenden Aufgaben erleichtert, sondern auch eine Möglichkeit geschaffen werden, neue Struktur- und Funktionsprinzipien praktisch zu erproben. f) Die Institution eines - echten - Stellvertretenden Abteilungsleiters in dem oben zu II 4 a) entwickelten Sinn erscheint geeignet, einerseits den Abteilungsleiter von Funktionen zu entlasten, die zwar auf Abteilungsebene ausgeübt, aber nicht unbedingt in jedem Falle durch den Abteilungsleiter selbst wahrgenommen werden müssen, wobei es ihm überlassen bleiben sollte, den Umfang und die Art und Weise seiner Orientierung über das Veranlaßte selbst zu bestimmen 16 • Die dadurch eintretende Entlastung des Abteilungsleiters kommt nicht nur den allgemeinen Führungsaufgaben zugute, sondern ermöglicht es dem Abteilungsleiter auch, sich bestimmten Schwerpunktaufgaben selbst mit besonderem Nachdruck zu widmen. Von der Institution des - echten - stellvertretenden Abteilungsleiters sollte daher in der Ministerialverwaltung mehr als bisher Gebrauch gemacht werden. Dabei ist selbstverständlich in erster Linie nicht an die in Unterabteilungen gegliederten Fachabteilungen zu denken. 111. Planungsorganisation und FachabteiIungen Bei der Untersuchung des Verhältnisses zwischen Planungsorganisation und Fachabteilungen erscheint es zweckmäßig, zwischen den Bereichen der Aufgabenplanung und der Ressourcenplanung zu unterscheiden. Dabei ist jeweils zunächst die Planungsorganisation kurz darzustellen. 1. Aufgabenplanung

a) Planungseinrichtungen aa) Innerhalb der Ressorts 1. Sieben der hier behandelten Bundesressorts verfügen über zentrale Planungseinheiten, die im einzelnen die Form von Planungs- bzw. Grund16 Vgl. Bericht der Projektgruppe beim Bayerischen Staatsministerium des Innern (s. oben Fußnote 10), S. 39: "Die Stellvertretung des Abteilungsleiters ist in der Praxis meist unzureichend geregelt."

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satzabteilungen, von Planungsstäben bzw. -gruppen, von Gruppen für Grundsatzfragen oder von Planungsreferaten haben. Im einzelnen ergibt sich dabei folgendes Bild: Auswärtiges Amt: Bundesministerium des Innern:

Bundesministerium für Wirtschaft und Finanzen:

Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung: Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Bundesministerium für Verkehr:

Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft: Bundesministerium für Städtebau und Wohnungswesen:

v-k Planungsstab (Zuteilung der beiden Grundsatz-Referate an Parlamentarischen Staatssekretär) Arbeitsgruppe Innerpolitische Grundsatzfragen Referat für allgemeine Planungsangelegenheiten Sowohl die Arbeitsgruppe als auch das Referat gehören zu einer Unterabteilung der Zentralabteilung, die dem Parlamentarischen Staatssekretär unterstellt ist. Abteilung für Grundsatzfragen der Finanzpolitik (Unterstellung unter beamteten Staatssekretär) Abteilung Wirtschaftspolitik (Unterstellung unter beamteten Staatssekretär) Grundsatz- und Planungs abteilung (Unterstellung unter beamteten Staatssekretär) Planungsgruppe (Unterstellung unter beamteten Staatssekretär) Abteilung allgemeine Verkehrspolitik, Verkehrswirtschaft und Planung (Unterstellung unter beamteten Staatssekretär) Planungsstab (Unterstellung unter Parlamentarischen Staatssekretär) Referat für Planungsangelegenheiten im Rahmen einer Stabsgruppe (Unterstellung unter Minister)

2. In allen Ressorts sind Planungsbeauftragte bestellt worden, die in den meisten Fällen einem beamteten Staatssekretär, vereinzelt auch dem Parlamentarischen Staatssekretär oder dem Minister unterstehen. Sie nehmen sämtlich neben dieser Funktion auch noch die Leitung bestehender Organisationseinheiten wahr, und zwar leiten sie teils Fachabteilungen oder Unterabteilungen von solchen, teils Planungs- oder Leitungsstäbe. bb) Auf Regierungsebene Die Planungsbeauftragten der Bundesressorts treten regelmäßig jeden 1. und 3. Donnerstag im Monat zusammen. Die Geschäftsführung liegt

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beim Bundeskanzleramt (Abteilung V - Planung). Der Kreis der Planungsbeauftragten ist dem jeden Montag unter Vorsitz des Chefs des Bundeskanzleramtes zusammentretenden Kreis der beamteten Staatssekretäre zugeordnet. ce) Bund/Länder-Verhältnis Hier sind vor allem die für die Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91 a GG auf Grund der entsprechenden Gesetze gebildeten Planungsausschüsse für den Hochschulbau, für die regionale Wirtschaftsstruktur und für die Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes sowie die auf der Grundlage des Art. 91 b GG gebildete Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung zu nennen17 • dd) Längerfristige Aufgabenplanung Seit kurzem bestehen - vorerst noch im Erprobungsstadium - insgesamt 7 interministerielle Sachverständigengruppen für längerfristige Aufgabenplanung, an denen auch Vertreter der Länder beteiligt sind. b) Zusammenarbeit mit den Fachabteilungen

In den Fachabteilungen hat seit jeher eine Fachplanung für den Abteilungsbereich stattgefunden. In zahlreichen Fachabteilungen bestehen auch seit längerer oder kürzerer Zeit besondere Grundsatz- bzw. Planungsreferate. Soweit ein Vorhaben den Bereich einer Fachabteilung überschritt, traten schon früher die in den betreffenden Ressorts etwa vorhandenen zentralen Planungseinheiten in Funktion. Im übrigen wurden regelmäßig bei Vorhaben, die über den Bereich einer Fachabteilung hinausreichten, die anderen betroffenen Fachabteilungen des eigenen und anderer Ressorts in Ressortbesprechungen - nötigenfalls auf verschiedenen Ebenen - beteiligt und auf diese Weise eine Koordination bis zur Kabinettsreife erzielt. Dabei wurde ferner versucht, durch Hinzuziehung von Vertretern des Bundeskanzleramtes rechtzeitig auch übergeordnete politische Gesichtspunkte zu berücksichtigen. In Fällen, die dies erforderten, fand auch eine Beteiligung von Vertretern der Länder statt. Soweit es sich um immer wiederkehrende Probleme handelte, hat sich diese Zusammenarbeit bereits früher zu ständigen interministeriellen Gremien, zum Teil unter Länderbeteiligung, verdichtet. Als Beispiel sei hier nur der seit längerer Zeit bestehende IMARO (Interministerieller Aus17 Vgl. Kälble, Entwicklung der Bundesaufgaben und ihrer Finanzierung im Hinblick auf das Grundgesetz, in: Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Band 47,1971, S. 41 ff., insbes. S. 54 ff.

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schuß für Raumordnung) genannt, der dem Kabinettsausschuß für Raumordnung, Regionalplanung und Städtebau zugeordnet ist. Die Abstimmung mit den Ländern erfolgt dabei im Rahmen der Ministerkonferenz für Raumordnung 18 sowie in ihrem Hauptausschuß und der ihr zugeordneten Arbeitsgruppe. Diese gewissermaßen traditionelle Form der Koordination besteht auch heute weiter. Hinzugekommen ist vor allem die Funktion der Planungsbeauftragten, deren Aufgabe darin besteht, im Wege einer Frühkoordinierung alle relevanten Vorhaben der Fachabteilungen unter Berücksichtigung der sachlichen Interdependenzen, der zeitlichen Dimension, der vorhandenen Ressourcen und der politischen Bedeutung zu einem Arbeitsprogramm der Bundesregierung zu verdichten und nach ihrer Verabschiedung durch das Bundeskabinett darauf zu achten, daß bei der Durchführung die auf Regierungsebene gesetzten Prioritäten eingehalten werden. Zur Erleichterung dieser Funktion ist ein neuartiges Informationssystem in Gestalt eines Datenblattverfahrens eingeführt worden. Für die Durchführung sind in den Fachabteilungen Kontaktstellen eingerichtet worden. Dabei wurden teils Referate als solche, teils bestimmte Beamte ad personam bestellt. In einzelnen Ressorts finden außerdem in mehr oder weniger großen zeitlichen Abständen Besprechungen der Planungsbeauftragten mit Vertretern der Fachabteilungen statt. Besonderes Interesse verdient die im Bundesministerium für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen geschaffene Arbeitseinheit für die Aufstellung des Verkehrswegeprogramms. Sie steht unter Leitung des Planungsbeauftragten und umfaßt außer Mitgliedern der von ihm geleiteten Grundsatzunterabteilung auch solche der Fachabteilungen. Im Bereich der Gemeinschaftsaufgaben existieren zum Teil ständige Einrichtungen für die Koordinierung auf Bundesebene unter Beteiligung der Fachabteilungen. Es sind dies insbesondere der Interministerielle Ausschuß für Wissenschaft und Forschung sowie der IMNOS (Interministerieller Ausschuß für regionale Wirtschaftspolitik). Die genannten Ausschüsse sind den jeweils zuständigen Kabinettsausschüssen zugeordnet. Soweit die Koordinierung nicht auf dem üblichen Wege - d. h. durch Ressortbesprechungen, ggf. auf verschiedenen Ebenen - sichergestellt wird, fehlt es zur Zeit noch an einer rechtzeitigen, ausreichend institutionalisierten Koordinierung auf Bundesebene im Bereich der Gemeinschaftsaufgaben. Dies gilt insbesondere für die Gemeindeverkehrsfinanzierung und die Städtebauförderung.

18 Vgl. Ministerkonferenz für Raumordnung - Entschließungen, Empfehlungen und zustimmende Kenntnisnahmen - Öffentlichkeitsarbeit des Bundesinnenministeriums, Heft 11 (1971).

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J osef Kölble 2. Ressourcenplanung (Finanzplanung)

Die Finanzplanung wird in den Ressorts im allgemeinen von den Haushaltsreferaten getragen. Nur in der Haushaltsabteilung des - hier nicht behandelten - Bundesministeriums der Verteidigung besteht ein besonderes Finanzplanungsreferat. In mehreren Ressorts existieren in den Fachabteilungen Kontaktstellen für die Finanzplanung, zu denen entweder Referate oder Beamte ad personam bestimmt worden sind. Bemerkenswert ist, daß nur in einem Teil der Ressorts eine Sammlung und Koordinierung der Bedarfsanmeldungen auf der Ebene der Fachabteilungen vorgenommen wird. Die Zusammenfassung der Bedarfsmeldungen für das gesamte Ressort erfolgt regelmäßig im Haushaltsreferat. Im Ministerium vorhandene zentrale Planungseinheiten werden in der Regel an der Aufstellung des Voranschlags für die Finanzplanung beteiligt. Die Planungsbeauftragten als solche wirken daran nur im Bundesministerium für Wirtschaft und Finanzen sowie im Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft mit; im übrigen können sie die Finanzplanung nur in ihrer Eigenschaft als Leiter der einen oder anderen Abteilung bzw. sonstigen Organisationseinheit des betreffenden Ministeriums beeinflussen. Der Ressortleitung wird der gesamte Voranschlag zur Finanzplanung zum Teil noch vor, zum Teil erst nach der Referentenbesprechung im Bundesministerium für Wirtschaft und Finanzen vorgelegt. Die fünf jährige, jährlich fortzuschreibende Finanzplanung, die nach § 9 des Stabilitätsgesetzes der Haushaltswirtschaft des Bundes zugrundezulegen ist, wird - in der Praxis nach Vorbereitung auf Abteilungsleiterebene im "Arbeitsausschuß für mehrjährige Finanzplanung" - von dem zuständigen Kabinettsausschuß, dem sog. Finanzkabinett, aufgestellt, von der Bundesregierung beschlossen und alsdann dem Bundestag und dem Bundesrat vorgelegt. Eine Beschlußfassung des Bundestages oder des Bundesrates über den Finanzplan ist nicht vorgesehen. Die Entscheidung des Bundestages beschränkt sich vielmehr auf den jährlichen Haushaltsplan, dessen Entwurf von der Bundesregierung auf der Grundlage des Finanzplans vorzulegen ist l9 • Die Aufgabe des nach § 51 des Haushaltsgrundsätzegesetzes gebildeten Finanzplanungsrates besteht darin, dahin zu wirken, daß die Finanzplanung des Bundes, der Länder und der Gemeinden entsprechend den gesamtwirtschaftlichen Bedürfnissen aufeinander abgestimmt und auf die am Gesamtwohl orientierten allgemeinen wirtschaftlichen Zielsetzungen ausgerichtet wird 20 • Der gemäß § 18 des Stabilitätsgesetzes gebildete Kon19 Vgl. Zavelberg, Die mehrjährige Finanzplanung Ein notwendiges Instrument moderner Politik, Die Verwaltung, 1970, S. 283 ff. 20 Vgl. Piduch, Erläuterungen zum Haushaltsgrundsätzegesetz, in: Kölble (Hrsg.), Das Deutsche Bundesrecht, VII, F 9, S. 19 ff.

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junkturrat für die öffentliche Hand hat in regelmäßigen Abständen darüber zu beraten, wie die Haushaltswirtschaft des Bundes, der Länder und der Gemeinden auf Grund der laufenden Haushalte - entsprechend den Zielen des Stabilitätsgesetzes - mit der kurzfristigen Wirtschaftsentwicklung in Einklang gebracht bzw. gehalten werden kann21 • 3. Kritik

Das Verhältnis zwischen Planungsorganisation und Fachabteilungen kann im ganzen gesehen noch nicht als befriedigend geregelt angesehen werden 22 • Dies hängt zunächst damit zusammen, daß sowohl die Aufbau- als auch die Ablauforganisation der Planung in verschiedener Hinsicht noch nicht zufriedenstellend geordnet ist. Das gilt insbesondere hinsichtlich der Verbindung zwischen Aufgabenplanung und Finanzplanung und politischer Führung, namentlich soweit es sich um die längerfristige Planung handelt. Ob sich die Planungsbeauftragten in ihrer gegenwärtigen Erscheinungsform auf die Dauer als eine geeignete zentrale Planungsinstitution erweisen werden, läßt sich zur Zeit noch nicht abschließend beurteilen. M. E. ist dies zu bezweifeln, solange den Planungsbeauftragnicht ein größeres Eigengewicht und in ihrer Gesamtheit eine entsprechende Position auch gegenüber dem Bundesministerium für Wirtschaft und Finanzen verschafft wird. Dabei bedarf es einer klaren Entscheidung darüber, ob - und ggf. wie - die Planungsbeauftragten - unbeschadet ihrer weiteren Zugehörigkeit zum Ressort - dem Bundeskanzler - nicht dem Bundeskanzleramt! - oder dem Bundeskabinett als Kollegialorgan - also nicht nur den einzelnen Ressorts - zuzuordnen sind. Erst auf einer so geschaffenen Basis dürften sich auf die Dauer auch die mannigfachen Koordinierungsfunktionen im Bereich der Gemeinschaftsaufgaben befriedigend wahrnehmen und darüber hinaus die Probleme des Verhältnisses zwischen planender Exekutive und Legislative sowie der Planung in der europäischen Dimension zufriedenstellend lösen lassen. Möglicherweise wird sich jedoch herausstellen, daß dieser ganze Problemkreis mittels systemimmanenter Maßnahmen überhaupt nicht 21 Vgl. Möller u. a., Kommentar zum Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft, 2. Auflage 1969; Stern-Münch, Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft, 1967; Stachels, Das Stabilitätsgesetz im System des Regierungshandeins, Neue Kölner Rechtswissenschaftliche Abhandlungen, Heft 69, 1970. 22 Vgl. hierzu Jochimsen, Zum Aufbau und Ausbau eines integrierten Aufgabenplanungssystems und Koordinationssystems der Bundesregierung, sowie ders., Planung im staatlichen Bereich, Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung Nr. 97 vom 16.7.1970, S. 949 und Nr. 113 vom 23.7. 1971, S. 1236. Den Ausführungen J.'s vermag ich allerdings im einzelnen nur mit erheblichen Einschränkungen zuzustimmen.

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vollständig bewältigt werden kann, sondern daß dies nur im Rahmen einer systemverändernden Gesamtreform der Regierungsorganisation möglich ist 23 • Was insbesondere das Verhältnis zu den Fachabteilungen angeht, so wird zunächst prinzipiell klarzustellen sein, wie sich die Planungen innerhalb der Fachabteilungen zu der Planungstätigkeit sowohl von Grundsatz- und Planungsabteilungen als auch von sonstigen im Ressort bestehenden zentralen Planungseinheiten, insbesondere also Planungsstäben, verhält - d. h. wie die beiden Planungsbereiche einerseits gegeneinander abgegrenzt und andererseits miteinander verzahnt werden sollen. Entsprechendes gilt für das Verhältnis zwischen der Planung der Fachabteilungen zu der Tätigkeit der Planungsbeauftragten in ihrer Eigenschaft als Garanten des Zustandekommens einer an übergeordneten Gesichtspunkten orientierten ressortübergreifenden Planung und ihrer Einhaltung. Als Grundregel wird man davon auszugehen haben, daß die eigentliche Programmplanung als Fachplanung den Fachabteilungen vorbehalten bleiben sollte. Aufgabe der zentralen Planungseinheiten in den Ressorts sollte es sein, Methoden und allgemeine Grundlagen für die Fachplanung zu erarbeiten, die Fachplanungen der Fachabteilungen - soweit dies nicht durch diese selbst geschieht - aufeinander abzustimmen und die Behandlung herausgehobener Fragen, die mehrere Fachabteilungen in bezug auf Planungsprobleme gleichermaßen berühren, in geeigneter Weise zu koordinieren. Ganz ähnlich dürfte auch das Verhältnis der Tätigkeit der Planungsbeauftragten gegenüber der Programmplanung der Fachabteilungen zu sehen sein, wobei der wesentliche Unterschied gegenüber den zentralen Planungseinheiten der Ressorts in der ressortübergreifenden Funktion der Institution der Planungsbeauftragten in ihrer Gesamtheit zu erblicken sein dürfte. Legt man diese Überlegungen zugrunde, so ergibt sich die Notwendigkeit einer engeren institutionell verfestigten Form der Zusammenarbeit zwischen den Fachabteilungen und den zentralen Planungseinheiten der Ressorts sowie der Institution der Planungsbeauftragten. Die bereits bestehenden KontaktsteIlen in den Fachabteilungen, die in einzelnen Häusern in gewissen Zeitabständen stattfindenden Besprechungen zwischen Planungsbeauftragten und Fachabteilungen sowie der im Bereich des Bundesministeriums für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen auf dem Gebiete der Erstellung des Bundesverkehrswegeprogramms gemachte Anfang einer Mitglieder der Fachabteilung mitumfassenden integrierten Planungseinheit stellen interessante Ansätze in der Richtung auf eine voll befriedigende Regelung des Zusammenarbeitproblems dar. 23

V gl. unten, S. 204 ff.

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Auf Grund der vorstehenden Überlegungen ergibt sich weiter die Notwendigkeit, das wissenschaftliche Potential der Fachabteilungen und damit zugleich auch ihrer Kapazität zur Erfüllung von Aufgaben der Fachplanung und zur Bearbeitung von Grundsatzangelegenheiten in geeigneter Weise zu erhöhen. Dies kann sowohl durch eine entsprechende Ausbildung der Angehörigen der Fachabteilung bzw. durch Einstellung wissenschaftlich qualifizierter Spezialkräfte in die Fachabteilungen als auch durch eine institutionalisierte Zusammenarbeit zwischen Fachabteilungen und geeigneten wissenschaftlichen Einrichtungen im gesellschaftlichen Bereich geschehen24 • Hinsichtlich der inneren Organisation der Fachabteilungen wird zu prüfen sein, ob auch dort, wo bisher noch keine Grundsatz- bzw. Planungsreferate bestehen, solche eingerichtet werden sollten. Zu denken wäre daran, aus Vertretern dieser Referate unter Hinzunahme anderer nur mit Querschnittaufgaben der Planung befaßter Beamter jeweils eine integrierte Planungseinheit des Ressorts mit Stabs- oder Gruppencharakter zu schaffen. Dies bedeutet allerdings nicht, daß in allen Fällen schematisch so verfahren werden sollte. In den Ressorts, in denen zur Zeit bereits funktionierende zentrale Planungseinheiten in Gestalt von Planungsbzw. Grundsatzabteilungen oder anders strukturierten Planungsstäben bzw. -gruppen bestehen, sprechen möglicherweise gewichtige Gründe dafür, diese Organisationsformen, soweit sie sich bewährt haben, beizubehalten. Auf jeden Fall bedarf es eines geeigneten Informationssystems als Grundlage eines funktionierenden, ressortübergreifenden Verbundsystems zwischen der Programmplanung der Fachabteilungen und der planerischen Arbeit der jeweiligen zentralen Planungseinheiten der Ressorts bzw. der Institution der Planungsbeauftragten und einer Projektion dieser Zusammenarbeit in eine längerfristige sowie eine europäische Dimension. Das bereits bestehende Datenblattverfahren sowie die vor kurzem gebildeten interministeriellen Arbeitsgruppen für die längerfristige Aufgabenplanung stellen Ansätze in dieser Richtung dar, aber zur Zeit auch noch nicht viel mehr als solche. IV. Führungsebene und Fachabteilungen 1. Unterstellungsverhältnisse

Die Fachabteilungen unterstehen im allgemeinen unmittelbar dem beamteten Staatssekretär. Sind in einem Ressort mehrere beamtete Staats24 Soweit nicht ressorteigene wissenschaftliche Hilfseinrichtungen geschaffen werden, ist vor allem an eine ständige institutionalisierte Kooperation mit geeigneten wissenschaftlichen Einrichtungen an den Hochschulen sowie öffentlicher und privater Forschungsinstituten, ggf. im Verbundsystem, zu denken.

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sekretäre vorhanden, so untersteht jedem von ihnen jeweils nur eine Gruppe von Fachabteilungen. In einigen Bundesressorts sind einzelne Fachabteilungen unmittelbar dem Parlamentarischen Staatssekretär unterstellt. Dies ist im Bundesministerium des Innern und im Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit der Fall, wo dem Parlamentarischen Staatssekretär außer der Zentralabteilung jeweils 2 Fachabteilungen unmittelbar unterstehen. Es sind dies im Bundesministerium des Innern die Fachabteilungen Sport und Kultur sowie Zivile Verteidigung und im Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit die Fachabteilungen Jugend und Familie. Im Auswärtigen Amt unterstehen dem Parlamentarischen Staatssekretär unmittelbar einzelne Referate der Kulturabteilung. 2. Dienst- bzw. Arbeitsbesprechungen

§ 55 Abs. 1 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien Teil I bestimmt hierzu wörtlich: "Zur gemeinsamen Beratung wichtiger Fragen, die für das Ministerium als ganzes bedeutsam sind, oder die über den Bereich einer Abteilung hinausgehen, beraumt der Minister (Staatssekretär) nach Bedarf Dienst(Arbeits-)besprechungen an. Er bestimmt, wie sie vorzubereiten und durchzuführen sind. Förmliche Beschlüsse werden nicht gefaßt. Die Entscheidung trifft der Minister (Staatssekretär) in der Besprechung oder später. Wird nichts anderes bestimmt, ist keine Niederschrift aufzunehmen." In welchem Umfang und in welcher Weise der Minister oder Staatssekretär von der Möglichkeit Gebrauch macht, Dienst- bzw. Arbeitsbesprechungen durchzuführen, hängt in der Staatspraxis weitgehend von seinem persönlichen Führungsstil ab. Eine systematische Auswertung und Nutzbarmachung der in den verschiedenen Bundesressorts mit der Durchführung derartiger Besprechungen gesammelten praktischen Erfahrungen und der einschlägigen Erkenntnisse der Organisationswissenschaften findet bisher nichtiStatt. 3. Regelmäßige Abteilungsleiterbesprechungen

Als solche werden hier nur Zusammenkünfte der Abteilungsleiter mit dem Minister und den Staatssekretären verstanden, die ohne besonderen Anlaß routinemäßig in einem bestimmten zeitlichen Turnus stattfinden. Über derartige Abteilungsleiterbesprechungen sagt die Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien nichts aus.

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Im ganzen läßt sich feststellen, daß in den Bundesressorts regelmäßig Abteilungsleiterbesprechungen durchgeführt werden. Der zeitliche Turnus, die Handhabung des Vorsitzes sowie der Teilnehmerkreis sind unterschiedlich. Täglich finden Abteilungsleiterbesprechungen nur im Auswärtigen Amt statt. Die dortige sogenannte Direktorenkonferenz hat eine lange Tradition. In den übrigen Bundesressorts werden Abteilungsleiterbesprechungen in der Regel entweder einmal in der Woche oder einmal im Monat durchgeführt, wobei die tatsächliche Regelmäßigkeit unterschiedlich ist. Den Vorsitz führt prinzipiell in einigen Ressorts der Minister, in anderen der beamtete Staatssekretär. Soweit der Minister verhindert ist, wird er offenbar entweder durch den beamteten oder durch den Parlamentarischen Staatssekretär vertreten, ohne daß sich bisher eine einheitliche Praxis feststellen ließ. Auch der Teilnehmerkreis der Abteilungsleiterbesprechungen ist unterschiedlich. In einigen Bundesressorts nehmen von der Führungsschicht sowohl die Minister als auch die beamteten und die Parlamentarischen Staatssekretäre, in anderen Ressorts nur die bea"mteten Staatssekretäre, teil. Außerdem sind neben allen Abteilungsleitern (vereinzelt auch den Unterabteilungsleitern) in der Regel Beamte beteiligt, die auf der Führungsebene tätig sind, also Persönliche Referenten, Kabinettsreferenten, ggf. Parlamentsreferenten, Pressereferenten, Referenten für Öffentlichkeitsarbeit usw., ohne daß sich hierüber generell Einheitliches aussagen läßt. Vereinzelt nimmt der Personalreferent, der Haushaltsreferent sowie der Vorsitzende des Personalrats teil. Tagesordnungen werden im allgemeinen, aber nicht überall, aufgestellt. Das gleiche gilt für die Führung von Protokollen. Die Abteilungsleiterbesprechungen dienen zumeist der Auftragserteilung, der Berichterstattung sowie dem Informationsaustausch sowohl zwischen der Führungsebene und den Fachabteilungen als auch zwischen diesen - also in vertikaler und horizontaler Richtung. Mitunter werden in der Abteilungsleiterbesprechung auch Rücksprachen erledigt. In gewissem Umfang findet auch ein Meinungsaustausch statt. Als echte Führungskonferenzen, in denen eine kollektive Meinungsoder gar Willensbildung stattfindet, können die Abteilungsleitersbesprechungen wohl in keinem Falle gelten. In welcher Weise die Abteilungsleiterbesprechung gehandhabt wird, hängt in der Staatspraxis maßgeblich vom Führungsstil des leitenden Ministers oder Staatssekretärs ab. Eine systematische Auswertung der praktischen Erfahrungen unter Einbeziehung einschlägiger organisations13·

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wissenschaftlicher Erkenntnisse und eine Nutzbarmachung der gewonnenen Ergebnisse findet bisher im allgemeinen nicht statt. 4. Schriftliche Entscheidungen

Soweit Entscheidungen des Ministers oder der zuständigen Staatssekretäre nicht in einer Arbeits- bzw. Dienstbesprechung oder im Rahmen einer Abteilungsleiterbesprechung getroffen werden, ergehen sie schriftlich aufgrund der Vorlagen der Abteilungen. Minister und Staatssekretäre haben entsprechend der allgemeinen Regel des § 35 Abs. 5 Satz 1 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien, Teil I, das Recht, jeden ihnen zur "Zeichnung vorgelegten Entwurf" förmlich und sachlich zu ändern. Das Zeichnungsrecht ist dahingehend geregelt, daß der Minister alle Vorlagen und wichtigen Mitteilungen an den Bundespräsidenten, den Bundestag, den Bundesrat, den Bundeskanzler oder die Bundesregierung sowie Schreiben und Erlasse "von grundsätzlicher politischer Bedeutung" zeichnet (§ 37 Abs. 1 Buchst. a und b der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien, Teil I). Der Parlamentarische Staatssekretär zeichnet nach § 37 a Buchst. ader erwähnten Geschäftsordnung abschließend, und zwar "In Vertretung", alle Entwürfe "wichtigen politischen Inhalts". Das Zeichnungsrecht der beamteten Staatssekretäre ist in § 38 der Geschäftsordnung dahingehend geregelt, daß er, und zwar ebenfalls "In Vertretung", alle Entwürfe "besonders wichtigen Inhalts" zeichnet. Die Regelung der Zeichnungsbefugnis hat zur Folge, daß auf der Führungsebene eine Konzentration von Entscheidungsbefugnissen auch insoweit eintritt, als es sich um Funktionen der Ministerien als obersten Verwaltungsbehörden handelt. Während aus verfassungsrechtlichen Gründen Funktionen, die dem Minister als Mitglied der Regierung obliegen, ihm selbst vorbehalten bleiben müssen und auch über die sonstigen Angelegenheiten, die das Ministerium als Regierungsbehörde zu erledigen hat, in der Regel auf der Führungsebene zu entscheiden ist, besteht keine zwingende rechtliche oder politische Notwendigkeit, auch die Funktionen des Ministeriums als oberster Verwaltungsbehörde weitgehend auf der Führungsebene zu konzentrieren. Die gegenwärtige Parlamentspraxis der zahlreichen den Geschäftsbereich des Ressorts betreffenden Mündlichen, Kleinen und Großen Anfragen sowie die Überdehnung des Prinzips der ministeriellen Verantwortlichkeit für alle administrativen Vorgänge in seinem Geschäftsbereich rechtfertigen eine solche Konzentration administrativer Entscheidungsbefugnisse auf der Führungsebene nicht - abgesehen davon, daß es an der Zeit sein dürfte, sowohl die Effektivität

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als auch die Notwendigkeit der erwähnten Parlamentspraxis kritisch zu überprüfen. Dies würde voraussetzen, eine neue Form der Verantwortlichkeit der Träger administrativer Entscheidungsbefugnisse zu schaffen. Eine andere als die bisherige Form der parlamentarischen Verantwortlichkeit des Ministers kommt allerdings nur für solche administrativen Entscheidung in Betracht, die nicht ihres Inhalts wegen eine politische Verantwortung erfordern, weil sie nicht ausschließlich von der zutreffenden Berücksichtigung rechtlicher oder sonstiger fachlicher Gesichtspunkte abhängen, sondern eine politische Wertentscheidung oder Zielsetzung implizieren. 5. Informationssystem Abgesehen von den oben unter 1- 4 geschilderten Fällen findet ein Informationsaustausch zwischen der Führungsebene und der Führungszwischenschicht in verschiedenen Formen statt. Eine institutionalisiertes Informationssystem im eigentlichen Sinne existiert nicht. Es bestehen lediglich gewisse Regeln darüber, was aus den Fachabteilungen "nach oben" vorzulegen ist. In einzelnen Bundesressorts sind besondere Formen für eine routinemäßige Information der Führungsebene entwickelt worden. Dies gilt insbesondere für die Wochenberichte der Abteilungen im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Fortsen, die sich bewährt zu haben scheinen; sie dienen auch der Information zwischen den Abteilungen. Die Entscheidung darüber, was von der Führungsebene an Information "nach unten" gegeben wird, hängt praktisch fast ausschließlich von der persönlichen Entscheidung im Einzelfall ab und ist daher oft rein zufällig. Offen ist auch, ob überhaupt und ggf. inwieweit die Leiter der Fachabteilungen an der Willensbildung der Führungsebene vor Minister- und Kabinettsentscheidungen beteiligt werden, die nicht unmittelbar den Aufgabenbereich der betreffenden Abetilungen berühren. 6. Kritik

a) Das Verhältnis zwischen Führungsebene und Fachabteilungen kann bisher im allgemeinen noch nicht als befriedigend geregelt angesehen werden. Es stellt daher auch eine der wichtigsten Aufgaben der Projektgruppe für die Reform von Bundesregierung und Bundesverwaltung dar, Vorschläge für eine Verbesserung des Verhältnisses zwischen Ressortleitung und Ressort vorzulegen, wobei, wenn auch nicht allein, so doch in erster Linie, an das Verhältnis zwischen Führungsebene und Fachabteilungen zu denken ist. Im Verhältnis zwischen Führungsebene und Fachabteilungen sind vor allem zwei Grundprobleme zu lösen. Dies hängt mit der doppelten Natur

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der Bundesministerien zusammen, die sich ihren Aufgaben und Befugnissen nach teils als Regierungsbehörden, teils als oberste Verwaltungsbehörden darstellen25 • aal Soweit das Ministerium die Funktion einer Regierungsbehörde erfüllt, also den Minister in seiner Eigenschaft als Regierungsmitglied berät und unterstützt, erscheint das gegenwärtige Verhältnis zwischen Führungsebene und Fachabteilungen vor allem deshalb als nicht befriedigend geordnet, weil es an Institutionen und Verfahren fehlt, durch die gewährleistet wird, daß die politischen Zielsetzungen der Regierung mit den von den Fachabteilungen zu vertretenden fachlichen Gesichtspunkten auf hoher Ebene in einer Weise konfrontiert werden, die eine gegenseitige Abstimmung der "Interessen" und einen Austrag der sich ergebenden "Konflikte" sowie eine Integration von "Politik" und "Sachverstand" ermöglicht. Die Tatsache des Fehlens entsprechender Institutionen und Verfahren findet ihren subjektiven Ausdruck darin, daß sich der Minister vielfach von den Sachverständigen in den Fachabteilungen nicht hinreichend unterstützt, mitunter sogar nicht einmal verstanden fühlt, daß er das Fehlen von Alternativvorschlägen bemängelt und daß er letztlich eine ausreichende in öffentlichkeitswirksame politische Aktionsprogramme umsetz bare Kreativität der Fachabteilungen vermißt. Auf der anderen Seite führen die Angehörigen der Fachabteilungen vielfach Klage darüber, daß sie die politischen Zielvorstellungen des Ministers sowie etwaige strategische oder taktische Erwägungen der Führungsebene nicht kennen, daß sie keine Gelegenheit haben, ihre fachlichen Gesichtspunkte im politischen Entscheidungsprozeß mit dem nötigen Nachdruck zur Geltung zu bringen und daß die politischen Entscheidungen daher vielfach als "einsame Entschlüsse" ohne ausreichende Kenntnisse von Tatsachenkomplexen, Sachgesetzlichkeiten und Interdependenzen, also letztlich ohne ausreichende wissenschaftliche Vorbereitung, ergehen. Die hier bestehenden Probleme hängen eng mit der Frage nach einer sachgerechten Organisation der politischen Planung und des Verhältnisses zwischen Planungsorganisation und Fachabteilungen26 zusammen. Soweit diese Probleme ihre Ursachen nicht ganz oder überwiegend im politischen Bereich außerhalb der Ministerialorganisation haben, dürften Verbesserungen eintreten, sobald es gelungen sein wird, für die Planung in den Ministerien und auf der Regierungsebene eine geeignete Aufbauund Ablauforganisation zu schaffen, in der insbesondere das Verhältnis zwischen politischer Führung und Planung sowie das zwischen Planungsorganisation und Fachabteilungen befriedigend geordnet ist. 25 Vgl. hierzu Kölble, Die Ministerialverwaltung im parlamentarisch-demokratischen Regierungssystem des Grundgesetzes, DÖV 1969, S. 25 ff. 26 Vgl. oben, S. 186 ff.

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bb) Soweit das Ministerium Funktionen einer obersten Verwaltungsbehörde wahrnimmt, dürfte das Kardinalproblem des Verhältnisses zwischen Führungsebene und Fachabteilungen darin bestehen, zu bestimmen, inwieweit es möglich und zweckmäßig ist, den Entscheidungsspielraum - und dementsprechend auch die persönliche Verantwortung - der Abteilungsleiter - oder anderer Angehöriger der Abteilung - durch eine Delegation bisher bei der Führungsebene konzentrierter Entscheidungsbefugnisse zu erweitern. Angesichts der engen Vermaschung zwischen den Funktionen des Ministeriums als Regierungsbehörde und denen als oberster Verwaltungsbehörde wird dieses Problem sich möglicherweise nur im Rahmen einer systemverändernden Reform der Regierungsund Ministerialorganisation befriedigend lösen lassen27 • b) Was die Unterstellungsverhältnisse angeht, so erscheint die gegenwärtig hier und da praktizierte Unterstellung von Fachabteilungen unter Parlamentarische Staatssekretäre - abgesehen von der hier nicht zu erörternden verfassungsrechtlichen Problematik einer solchen28 - nicht zweckmäßig. Denn es ist zu befürchten, daß bei einer solchen Organisation die fachlichen Gesichtspunkte gegenüber dem Minister nicht mit der wünschenswerten Unmittelbarkeit, sondern erst nach Absolvierung eines politischen Vorfilters zur Geltung gebracht werden. Dabei muß allerdings eingeräumt werden, daß angesichts der zunehmenden "Politisierung" auch der beamteten Staatssekretäre der essentielle Unterschied zwischen den beiden Arten von Staatssekretären einem Einebnungsprozeß unterliegt, der auch in institutioneller Hinsicht nicht als wünschenswert angesehen werden kann. Erwähnt sei in diesem Zusammenhang noch, daß die Leiter der Rechtsabteilungen grundsätzlich keinem Staatssekretär unterstellt werden, sondern über ein jederzeitiges direktes Vortragsrecht beim Minister verfügen und in der Sache weisungsfrei sein sollten, da nur eine solche organisatorische Stellung der Rechtsabteilungen den von ihnen wahrzunehmenden Funktionen einer rechtlichen Selbstkontrolle der Regierung voll adäquat erscheint. Unter Umständen wird eine ähnliche organisatorische Einordnung auch für einzelne andere Fachabteilungen in Betracht kommen. Auch die sich hier ergebenden Probleme werden sich möglicherweise nur im Rahmen einer systemverändernden Reform der Regierungsund Ministerialorganisation befriedigend lösen lassen29 • Vgl. unten, S. 204 ff. Eine solche Problematik besteht vor allem im Hinblick auf das Verfassungsprinzip der Gewaltenteilung, auf die in Art. 38 Abs. 1, Satz 2 GG statuierte Weisungsunabhängigkeit der Abgeordneten, auf den FunktionsvorbehaIt zugunsten des Bundesbeamtentums in Art. 33, Abs. 4 GG sowie auf den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (verschiedenartiger Rechtsstatus bei gleichartigen Aufgaben im Einzelfall). 29 Vgl. unten, S. 204 ff. 27

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c) Die Erfahrungen mit den Abteilungsleiterbesprechungen in den einzelnen Bundesministerien sind offenbar unterschiedlich. Während die Institution in einigen Ressorts ein funktionierendes Mittel gegenseitiger Kommunikation zwischen Führungsebene und Fachabteilungen darstellt, scheint dies in anderen Ministerien keineswegs der Fall zu sein. Eine generelle Aussage darüber, wie diese Institution im einzelnen verbessert werden könnte und ob es sich ggf. empfiehlt, sie zu einer echten Führungskonferenz weiter zu entwickeln, kann erst gemacht werden, nachdem während eines längeren Zeitraumes eine systematische Auswertung der Erfahrungen der einzelnen Ministerien und ein Vergleich mit entsprechenden Beobachtungen im Bereich größerer Wirtschaftsunternehmen sowie mit den einschlägigen Erkenntnissen der Organisationswissenschaften stattgefunden haben. Schon jetzt kann jedoch gesagt werden, daß es wünschenswert wäre, wenn sich auch die Leiter der Abteilungsleiterbesprechungen - also Minister und Staatssekretäre - mit den einschlägigen Erkenntnissen der Organisationswissenschaft vertraut machen würden, die im Rahmen der berufsbegleitenden Fortbildung den Angehörigen der mittleren und unteren Ebene der Ministerien durch Lehrgänge und dgl. in zunehmendem Maße zugänglich gemacht werden. In diesem Zusammenhang erscheint folgende Äußerung des früheren französischen Staatspräsidenten de Gaulle bemerkenswert: "Zur Berichterstattung über ihr Handeln und ihre Schwierigkeiten rufe ich die Männer zu mir, die in vorderster Reihe der Beamtenschaft für die Durchführung öffentlicher Aufgaben zuständig sind. Das sind die wichtigsten Abteilungsleiter in den Ministerien: Ihre Aufgabe wächst unablässig, je mehr sich der Verwaltungsbereich ausweitet3°. " Vielleicht sollte erwogen werden, ob es nicht zweckmäßig wäre, daß auch der Bundeskanzler oder der Bundespräsident gelegentlich Besprechungen mit Abteilungsleitern der Bundesressorts abhält. Eine derartige Institution könnte sowohl der besseren Information des Staats- und Regierungschefs dienen als auch einen wesentlichen Motivationsansporn für die Abteilungsleiter darstellen. d) Was endlich das Informationssystem angeht, so könnte es zu einer nicht unwesentlichen Verbesserung des Verhältnisses zwischen Führungsebene und Fachabteilungen führen, wenn es gelänge, gewisse Regeln auch darüber aufzustellen, was in jedem Falle an Informationen von der Führungsebene in die Fachabteilungen gegeben werden und in welcher Weise dies geschehen sollte. Dies gilt insbesondere für die die betreffen30 eh. de GauHe, Memoiren der Hoffnung Die Wiedergeburt 1958 - 1962, Deutsche Ausgabe 1971, S. 344.

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den Fachabteilungen jeweils interessierenden Ergebnisse von Kabinettbzw. Kabinettausschußsitzungen, Staatssekretärbesprechungen, Koalitionsgesprächen, Beschlüssen von Parteigremien usw.

VI. "Enthierarchisierung" der Fachabteilungen? 1. Bestandsaufnahme

a) Die Fachabteilungen sind, wie schon aus der allgemeinen Darstellung ihrer Binnenstruktur ersichtlich ist3 1, bis hinunter zur Referatsstufe fast ausnahmslos hierarchisch organisiert. Dies kommt z. B. in der schon in anderem Zusammenhang32 erwähnten, auch für den inneren Abteilungsbereich geltenden Vorschrift des § 35 Abs. 5 Satz 1 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien, Teil I, zum Ausdruck. Danach kann jeder Vorgesetzte "einen ihm zur Zeichnung vorgelegten Entwurf förmlich und sachlich ändern". Dem hierarchischen Prinzip entspricht auch die Regelung der Zeichnungsbefugnis in § 39 Abs. 2 und 3 a.a.O. Nach dieser Vorschrift zeichnet der Abteilungsleiter bzw. Unterabteilungsleiter abschließend - "Im Auftrag" - die nicht von übergeordneten Stellen zu zeichnenden wichtigeren Entwürfe der Abteilung". Der Referent zeichnet gemäß § 40 Abs. 2 a.a.O. abschließend "Im Auftrag" Entwürfe des Referats, "deren Zeichnung nicht vorgesetzten Stellen vorbehalten ist". Hilfsreferenten und Sachbearbeiter haben gemäß §§ 40 Abs. 3 und 41 Abs. 2 a.a.O. die Befugnis zur abschließenden Zeichnung nur, soweit ihnen diese durch besondere Anordnung übertragen ist. Im Bundesministerium des Innern ist durch Hausordnung - vorbehaltlich eines Zeichnungsvorbehalts eines Vorgesetzten - generell allen Hilfsreferenten, die sich in einem Amt der Besoldungsgruppe A 15 oder A 14 befinden, die Zeichnungsbefugnis verliehen worden. Außerdem ist der Leiter der Zentralabteilung ermächtigt worden, anderen Hilfsreferenten und ausnahmsweise auch Sachbearbeitern die Zeichnungsbefugnis zu übertragen. Für den hausinternen Schriftverkehr kann dies auch der Referent tun, soweit es sich um die Hilfsreferenten oder Sachbearbeiter seines Referates handelt. Die prinzipiell hierarchische Struktur der Fachabteilungen schließt es nicht aus, daß auch dort, wo nach dem Organisationsplan keine echten Gruppen existieren, in der Praxis nach den Methoden der Teamarbeit verfahren wird. In welchem Umfange dies geschieht, läßt sich nur schwer übersehen. Es dürfte im wesentlichen von dem persönlichen Führungs-

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Vgl. oben, S. 174 ff. Vgl. oben, S. 196 ff.

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stil des jeweiligen Abteilungsleiters, Unterabteilungsleiters oder Referenten abhängen. b) Regelmäßige Besprechungen der Abteilungsleiter mit den Unterabteilungsleitern, Referenten usw. finden in den meisten, aber keineswegs in allen, Bundesressorts statt. Soweit keine Abteilungsbesprechungen durchgeführt werden, hat dies offenbar verschiedene Gründe. So wird z. B. darauf hingewiesen, daß im Einzelfall kein Bedürfnis nach der Abhaltung regelmäßiger Abteilungsbesprechungen bestehe, weil häufig Dienst- oder Arbeitsbesprechungen durchgeführt würden oder weil regelmäßige Besprechungen im Rahmen der Unterabteilungen stattfänden. Der zeitliche Turnus der Abteilungsbesprechungen ist unterschiedlich. Zumeist werden sie entweder einmal im Monat oder einmal in der Woche abgehalten, wobei sich der monatliche und der wöchentliche Turnus etwa die Waage zu halten scheinen. Mitunter wird auch ein 14tägiger Turnus praktiziert. In einzelnen Abteilungen führt der Abteilungsleiter die Besprechungen nicht mit der ganzen Abteilung, sondern jeweils nur mit dem einen oder anderen Teil derselben durch. Als Grund wird die zu starke Differenzierung der Aufgaben der einzelnen Unterabteilungen angegeben. Der Teilnehmerkreis ist vereinzelt auf die Unterabteilungsleiter beschränkt. Zumeist umfaßt er aber auch die Referenten, mitunter auch die Hilfsreferenten sowie die Sachbearbeiter. Als Zweck der Abteilungsbesprechung wird im allgemeinen der vertikale und horizontale Informationsaustausch sowie der Meinungsaustausch bzw. die Meinungsbildung und die zusätzliche Pflege persönlicher Kontakte angegeben. Die Frage, welcher dieser Zwecke den Vorrang hat und auf welche Funktion daher bei den Abteilungsbesprechungen das Hauptgewicht zu legen ist, wird unterschiedlich beantwortet. 2. Entwicklungsmöglichkeiten

Eine Fortentwicklung der internen Organisation der Fachabteilungen wird vornehmlich in zwei Richtungen angestrebt werden müssen. a) Soweit in den Fachabteilungen Funktionen des Ministeriums als oberster Verwaltungsbehörde wahrgenommen werden, wird geprüft werden müssen, inwieweit nach dem Vorbild Hamburgs 33 verfahren werden kann. Das würde bedeuten, daß das bisher in den Bundesressorts geltende Prinzip, nach dem der Sachbearbeiter bzw. Hilfsreferent nur in 33 Mitteilungen für die Verwaltung der Freien und Hansestadt Hamburg 1970, Nr. 19, S. 269 ff.

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Ausnahmefällen schlußzeichnet, dahingehend umgekehrt wird, daß prinzipiell derjenige Beamte - und zwar ohne den Zusatz "Im Auftrag" - schlußzeichnet, der den Entwurf angefertigt hat und die Schlußzeichnung durch einen Vorgesetzten die besonders zu begründende Ausnahme darstellt. Die Durchführung dieses Prinzips würde wohl voraussetzen, daß, ähnlich wie dies bereits im Bundesministerium der Verteidigung eingeleitet worden ist, auch nach außen - durch eine andere Behördenbezeichnung - also Bundesministerium an Stelle von Der Bundesminister etwa nach bayerischem Vorbild - kenntlich gemacht wird, ob der Bundesminister als Mitglied der Bundesregierung tätig geworden ist oder ob es sich um eine Funktion seines Ministeriums als oberster Verwaltungsbehörde handelt. Soweit der Minister als Regierungsmitglied handelt, wobei das Ministerium in Beratung und Unterstützung des Ministers in dieser seiner Eigenschaft als Mitglied der Bundesregierung tätig wird, kommt zum Teil schon aus verfassungsrechtlichen Gründen eine Delegation weder von der Führungsebene auf die Führungszwischenschicht noch von dieser weiter nach unten in Betracht. Da es sich bei diesen Funktionen in einem weiteren Sinne um Stabsaufgaben handelt, wird zu prüfen sein, inwieweit es zweckmäßig erscheint, für die Wahrnehmung dieser Funktionen die bisherige hierarchische Aufbau- und Ablauforganisation durch die Einrichtung echter Gruppen zu ersetzen, die nach Methoden der Teamarbeit tätig werden. Möglicherweise wird sich dabei herausstellen, daß eine kombinierte Organisationsform, die gewisse Prinzipien der hierarchischen Struktur mit Gruppenelementen verbindet, sowohl vor einer rein hierarchischen als auch vor einer rein gruppenmäßigen Struktur den Vorzug verdient. b) In jedem Falle wird angestrebt werden müssen, die Institution der Abteilungsbesprechungen weiter zu entwickeln und, soweit dies noch nicht geschehen sein sollte, zu einer in vertikaler und horizontaler Richtung funktionierenden Clearingstelle für Informationen sowie zu einer Stätte nach Möglichkeit nicht nur des gegenseitigen Meinungsaustausches, sondern auch der gemeinsamen Meinungsbildung auszubauen. Gute Erfahrungen scheinen z. T. auch mit der Erörterung grundsätzlicher den Abteilungsbereich betreffender Probleme im Rahmen der Abteilungsbesprechungen gemacht worden zu sein.

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VII. Mögliche Auswirkungen einer system ändernden Reform der Regierungs- und Ministerialorganisation auf die Organisation der Fachabteilungen Welches Ergebnis die angestrebte umfassende Reform der Regierungsund Ministerialorganisation haben wird, läßt sich im gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht übersehen. Es sind lediglich gewisse Grundtendenzen und mögliche Entwicklungslinien einer solchen Reform erkennbar. Die Grundtendenz scheint dahin zu gehen, die Ministerien soweit wie möglich von Verwaltungsfunktionen zu entlasten, um auf diese Weise zu erreichen, daß der Apparat sich mehr als bisher der Beratung und Unterstützung des Ministers als Regierungsmitglied widmen kann und daß der Minister nicht mehr durch andere als Regierungsaufgaben in Anspruch genommen wird. Um zu diesem Ziel zu gelangen, eröffnen sich verschiedene Wege. Zunächst wäre daran zu denken, Verwaltungsfunktionen, die bisher ohne zwingenden Grund auf der Ministerialebene wahrgenommen worden sind, auf Oberbehörden zu delegieren und die Ressorts damit, abgesehen von den verbleibenden Aufsichtsfunktionen und der damit verbundenen Verantwortung, dementsprechend zu entlasten. Des weiteren kommt nach dem Vorbild Hamburgs eine Konzentration von Verwaltungsfunktionen mit Querschnittcharakter, wie sie auf den Gebieten Personalwesen, Organisationswesen, innerer Dienstbetrieb und evtl. auch Haushaltswesen zu erfüllen sind, bei besonderen zentralen Dienststellen der Regierung in Betracht34 • Selbstverständlich wäre es notwendig, dabei besonders sorgfältig abzuwägen, inwieweit die Vorteile einer solchen Neuordnung gegenüber den mit ihr zwangsläufig verbundenen Nachteilen hinreichend überwiegen (Vorteile: Erleichterung einer Mobilität evtl. sogar einer routinemäßigen Rotation des Personals zwischen den Ressorts, breitere Basis für längerfristige Personalplanung, leichtere Kontrollierbarkeit sachfremder Einflüsse auf Personalentscheidungen, Einsparungen im Verwaltungsapparat. Nachteile: Gefahr zu großer Person- und Sachfeme der Entscheidungsträger? Unverminderte, wenn nicht sogar verstärkte, Gefahr sachfremder Einflüsse auf Personalentscheidungen? Geringere Elastizität?). Während die bisher erwähnten Möglichkeiten einer Dekonzentration zwar zum Teil gesetzgeberische aber keine verfassungsrechtlichen Probleme aufwerfen, wäre dies der Fall, wenn angestrebt würde, nach dem sog. schwedischen Modell Verwaltungsfunktionen nicht nur auf die Ebene der Oberbehörden hinunter zu verlagern und damit letztlich in 34 Vgl. Becker, Das strukturelle Instrumentarium der Regierung und Verwaltungsführung der Freien und Hansestadt Hamburg, Die Verwaltung, 1969, S. 212 ff. und S. 346 ff.

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der Verantwortung des Ministers zu belassen, sondern bei neu zu bildenden Zentralbehörden zusammenzufassen, die auf derselben Ebene stehen wie die Ministerien. Auf das gleiche würde wohl der schon vor längerer Zeit gemachte Vorschlag 35 hinauslaufen, zwischen einem "Politischen Kabinett" und einem "Verwaltungskabinett" zu unterscheiden. Würde auf die eine oder andere Weise so verfahren, so würde sich ergeben, daß die Ministerien nur noch die Funktionen von Regierungsbehörden zu erfüllen hätten. Die Reform der Regierungs- und Ministerialorganisation könnte aber noch weitergehen und die verbleibenden Funktionen der Ministerien als Regierungsbehörden noch mehr reduzieren36 • Auch dies wäre in verschiedener Weise möglich. Es wäre so z. B. vorstellbar, die Rechtsfragen evtl. auch die Ausarbeitung von Gesetzentwürfen auf der Grundlage vorher von der Regierung gefaßter Grundsatzbeschlüsse in einem besonderen mit einer gewissen Unabhängigkeit ausgestatteten Zentralamt zusammenzufassen. Das gleiche wäre hinsichtlich bestimmter Planungsangelegenheiten in Gestalt eines Planungsamtes vorstellbar. Dies würde voraussetzen, daß klar zwischen den verschiedenen planerischen Aufgaben unterschieden wird, als da sind: Zielplanung, Erarbeitung allgemeiner Planungsunterlagen, Entwicklung von Planungsmethoden, Entwicklung von Grundsatzprogrammen, Ausarbeitung von Alternativplanungen, Maßnahmen planungen auf verschiedenen Stufen u. a. Selbstverständlich müssen einzelne dieser Planungsaufgaben - vor allem die Zielplanung und die Entwicklung von Grundsatzprogrammen - evtl. unter Zuhilfenahme der vorher von zentralen Fachämtern erarbeiteten tatsächlichen oder methodischen Unterlagen und Alternativüberlegungen - politischen Organen - insbesondere Parteien oder Regierungen - und deren speziellen Planungseinrichtungen - also etwa Parteiplanungsstäben oder Ministerien neuer Art - vorbehalten bleiben. Denkbar wäre auch, noch einen Schritt weiterzugehen und nicht nur ein zentrales Planungsamt für die allgemeinen, insbesonderen methodischen Planungsangelegenheiten, sondern mehrere zentrale Planungsämter für größere zusammenhängende Fachbereiche zu errichten, deren Aufgabe es wäre, zwar keine Entscheidungen zu treffen, aber vorgelegte politische Konzeptionen unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Tatsachen, Sachgesetzlichkeiten, Interdependenzen und zeitlichen bzw. räumlichen Dimensionen in die Form operationalisierter Planungen umzusetzen sowie ggf. Alternativpläne für die Durchführung zu entwickeln. 35 Vgl. Guilleaume, Reorganisation von Regierung und Verwaltungsführung, Politik und Verwaltung, Heft 3, 1966. 36 Vgl. Kölble, Grundprobleme einer Reform der Ministerialverwaltung, Zeitschrift für Politik, 1970, S. 118 ff.

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Während sich die bisher skizzierten Maßnahmen im Rahmen des geltenden Verfassungsrechts halten würden, wäre dies nicht mehr der Fall, wenn darüber hinaus auch Entscheidungsbefugnisse, die bisher bei der Regierung als solcher oder einzelnen Regierungsmitgliedern liegen, auf besondere unabhängige Zentralämter verlagert würden, ähnlich etwa wie dies schon heute bei der Deutschen Bundesbank der Fall ist37 • Würde auf die eine oder andere Weise so verfahren, so würde sich ergeben, daß die Ministerien schließlich als reine Arbeitsstäbe der Minister erschienen und ausschließlich mit Aufgaben der politischen Planung, der unmittelbaren wissenschaftlichen Beratung der Politik auf hoher Ebene, der Ziel-Artikulation und -propagierung sowie der politischen Aktion befaßt wären. Geht man von einer solchen Vorstellung der Ministerien der Zukunft aus, so würde sich die Problematik der Organisation der Fachabteilungen, die dann folgerichtig einen wesentlich anderen Charakter hätten als heute, z. T. wesentlich verändern und vereinfachen. Während sich die Zahl der Fachabteilungen neuer Art nicht unbedingt entscheidend zu vermindern brauchte, würde ihre Stärke voraussichtlich erheblich geringer sein können als gegenwärtig. Einer Unterteilung in Unterabteilungen würde es kaum noch bedürfen. Die Problematik des Verhältnisses zwischen Planungsorganisation und Fachabteilungen würde zwar voraussichtlich nicht verschwinden, sich aber in struktureller Hinsicht vereinfachen. Denn auch in einem Ministerium neuer Art dürfte die Notwendigkeit bestehen bleiben, zentrale Planungseinheiten zur Bearbeitung der Grundsatzprobleme und der abteilungsübergreifenden Angelegenheiten sowie für Koordinierungsaufgaben zu unterhalten. Die Zusammenarbeit mit diesen Einheiten dürfte sich allerdings einfacher regeln lassen wie zur Zeit. Das Verhältnis zwischen Führungsebene und Fachabteilungen würde sich in den Ministerien neuer Art wegen der zu erwartenden Entlastung des Ministers einerseits und der völligen Konzentration der Tätigkeit der Fachabteilungen auf die politischen Aufgaben andererseits voraussichtlich wesentlich vereinfachen. Ein gewisses Spannungsverhältnis dürfte allerdings wohl - und sollte vielleicht auch - bestehen bleiben. Was endlich die Binnenstruktur der Fachabteilungen in den Ministerien neuen Typs angeht, so wird man sie sich wohl als eine Art von nach dem Teamprinzip arbeitenden größeren Gruppen vorzustellen haben. 37 Zu denken ist hier an Entscheidungsbefugnisse, deren Ausübung ausschließlich auf der Anwendung wissenschaftlicher bzw. technologischer Erkenntnisse und Methoden beruht, also um ausschließlich rational determinierte Entscheidungsprozesse nach Vorgabe bestimmter Wertentscheidungen durch die hierfür berufenen politischen Instanzen.

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VIII. Thesen I.

1. Der - intraministeriellen - Abgrenzung der Aufgabengebiete der Fachabteilungen ist im allgemeinen das Prinzip der Zusammenfassung größerer sachlich zusammenhängender Teile des Geschäfstbereichs zugrunde zu legen. Die Zusammenfassung aller Rechtsangelegenheiten eines Ressorts in einer Rechtsabteilung erscheint theoretisch prinzipiell erwünscht, da die Bearbeitung von Rechtsfragen in den Ministerien der Sache nach grundsätzlich weisungsfrei gestellt werden sollte und dieses Ziel sich am besten in der Form einer aus der allgemeinen hierarchischen Struktur herausgelösten Rechtsabteilung erreichen läßt. Inwieweit die Zusammenfassung aller Rechtsangelegenheiten eines Ressorts in einer Rechtsabteilung praktikabel ist, bedarf allerdings eingehender Prüfung in jedem Einzelfall. Möglicherweise ist die Frage für einzelne Ressorts verschieden zu beantworten. 2. Interministerielle überschneidungen der Aufgabengebiete der Fachabteilungen sollten grundsätzlich vermieden werden. Wenn erstrebt wird - wie z. B. bei der Bearbeitung von Verfassungsrechtsfragen -, eine besonders exakte und unabhängige Prüfung zu gewährleisten, so sollte die Aufgabe nicht konkurrierend zwei verschiedenen Fachabteilungen übertragen, sondern statt dessen versucht werden, sie durch eine personell besonders sachadäquat besetzte, evtl. zum Teil nach dem Gruppenprinzip arbeitende und weisungsfrei gestellte Fachabteilung wahrnehmen zu lassen. 3. Grundsätzlich sollten alle Fachreferate jeweils einer Fachabteilung eingegliedert sein, Direktunterstellungen von Fachreferaten unter die Führungsebene also vermieden werden (Prinzip der "Flächendeckung" der Aufgabengebiete der Fachabteilungen im Hinblick auf den Gesamtgeschäftsbereich des Ressorts). 4. Die gegenwärtig bestehenden Unterabteilungen sollten kritisch daraufhin überprüft werden, inwieweit es in jedem Fall ihrer Beibehaltung auf die Dauer bedarf oder ob es sich nicht empfiehlt, statt der Untergliederung in Unterabteilungen entweder die Institution eines Ständigen Vertreters des Abteilungsleiters einzuführen oder die Abteilung in mehrere selbständige Abteilungen aufzuteilen. Soweit die Unterteilung in Unterabteilungen aufrecht erhalten wird, sollte eine Direktunterstellung von Referaten unter den Abteilungsleiter prinzipiell vermieden werden.

5. Den Leitern der Fachabteilungen sollte in der Geschäftsordnung ausdrücklich das Recht eingeräumt werden, die personellen und organisatorischen Verhältnisse innerhalb ihrer Abteilung vorübergehend durch Schwerpunktbildung oder Einrichtung von ad-hoc-Arbeitsgruppen den

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jeweils zu erfüllenden Aufgaben anzupassen. Außerdem sollte dem Abteilungsleiter eine kleine personelle Reserve aus keinem Referat zugeteilten Beamten für derartige Zwecke zur Verfügung stehen (Prinzip der personellen und organisatorischen Flexibilität). 6. Von der Institution eines Ständigen Vertreters des Abteilungsleiters sollte in den nicht in Unterabteilungen gegliederten Fachabteilungen mehr als bisher Gebrauch gemacht werden. II. 1. Es bedarf einer Klarstellung des Verhältnisses zwischen der in den Fachabteilungen zu leistenden Planungsarbeit und der Tätigkeit der in den einzelnen Ressorts bestehenden zentralen Planungseinheiten sowie der Planungsbeauftragten.

2. Die Programmplanung sollte den Fachabteilungen vorbehalten bleiben. Aufgabe der zentralen Planungseinheiten der Ressorts sowie der Planungsbeauftragten sollte es sein, Methoden und allgemeine Grundlagen für die Fachplanungen zu erarbeiten, Grundsatzfragen, die mehrere Fachabteilungen in bezug auf Planungsprobleme gleichermaßen berühren, zu behandeln und die Fachplanungen der Abteilungen zu Ressort- bzw. Regierungsplänen zusammenzufassen bzw. Regierungspläne in Ressort-Teilpläne aufgliedern zu helfen. 3. Für die Zusammenarbeit zwischen Fachabteilungen und zentralen Planungseinheiten bzw. Planungsbeauftragten sollten unter Verwendung der bereits vorhandenen Ansätze geeignete Institutionen und Verfahren entwickelt werden. 4. Das Planungspotential der Fachabteilungen sollte verstärkt werden. Abgesehen von geeigneten Ausbildungsmaßnahmen kommen hier sowohl die Einstellung wissenschaftlicher Spezialkräfte in die Fachabteilungen sowie die Schaffung ressorteigener wissenschaftlicher Einrichtungen als auch die Herstellung einer institutionalisierten Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Einrichtungen des gesellschaftlichen Raums, ggf. nach Art eines Verbundsystems, in Betracht. Dort wo bisher in einer Fachabteilung noch kein Grundsatz- bzw. Planungsreferat existiert, sollte geprüft werden, ob es sich nicht empfiehlt, ein solches Referat zu errichten. Möglicherweise wird es zweckmäßig sein, zentrale Planungseinheiten der Ressorts künftig teils aus Angehörigen der Grundsatz- bzw. Planungsreferate der Fachabteilungen, teils aus lediglich mit Querschnittaufgaben der Planung befaßten Beamten zu bilden (Integrierte zentrale Planungseinheiten). 5. Die vorhandenen Ansätze eines Informationssystems (Datenblattverfahren) und einer längerfristigen Aufgabenplanung sollten in geeigneter Weise weiter entwickelt werden.

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IIr. 1. Soweit das Ministerium den Minister in seiner Eigenschaft als Regierungsmitglied berät und unterstützt, ist im Zusammenhang mit dem Ausbau der Planungsorganisation anzustreben, geeignete Einrichtungen und Verfahren zu schaffen, die gewährleisten, daß die politischen Zielvorstellungen der Führungsebene und die fachlichen Gesichtspunkte der Führungszwischenschicht auf möglichst hoher Ebene miteinander konfrontiert werden und soweit möglich eine Integration von Politik und Sachverstand stattfindet. Eine befriedigende Lösung dieser Problematik dürfte sich allerdings möglicherweise nur im Rahmen einer systemverändernden Reform der gesamten Regierungs- und Ministerialorganisation erreichen lassen. 2. Soweit das Ministerium als oberste Verwaltungsbehörde tätig wird, sollte geprüft werden, ob nicht stärker als bisher von der Möglichkeit einer Delegation von Entscheidungsbefugnissen von der Führungsebene auf die Führungszwischenschicht Gebrauch :gemacht werden kann. 3. Die Direktunterstellung von Fachabteilungen unter Parlamentarische Staatssekretäre sollte vermieden werden. 4. Rechtsabteilungen sollten nach Möglichkeit keinem Staatssekretär unterstellt werden, sondern über ein jederzeitiges direktes Vortragsrecht beim Minister verfügen und in der Sache grundsätzlich keiner Weise unterliegen. 5. Die Institution der Abteilungsleiterbesprechungen sollte unter systematischer Auswertung der bisherigen im Staatsapparat und im Unternehmensbereich gemachten Erfahrungen sowie unter Nutzbarmachung der einschlägigen Erkenntnisse der Organisationswissenschaften ausgebaut werden. 6. Zur Verbesserung des Informationsflusses sollte auch festgelegt werden, welche Informationen der Führungsebene an die Führungszwischenschicht weiterzuleiten sind und in welcher Form dies zu geschehen hat.

IV. 1. Soweit in den Fachabteilungen Funktionen des Ministeriums als einer obersten Verwaltungsbehörde wahrgenommen werden, sollte geprüft werden, inwieweit nach dem Hamburger Modell verfahren und die gegenwärtige Regelung des Zeichnungsrechts dahingehend umgekehrt werden kann, daß grundsätzlich derjenige den Entwurf - ohne den Zusatz "Im Auftrag" - schlußzeichnet, der ihn angefertigt hat und den Vorgesetzten die Schlußzeichnung nur in Ausnahmefällen vorbehalten wird. 14 Speyer48

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2. Soweit die Fachabteilungen in Beratung und Unterstützung des Ministers in seiner Eigenschaft als Mitglied der Regierung tätig werden, wird zu prüfen sein, inwieweit es sich empfiehlt, anstelle des bisherigen rein hierarchischen Strukturprinzips zu einer Mischform überzugehen, die hierarchische Organisationsprinzipien mit Gruppenelementen in einer der jeweiligen Aufgabenstellung der Fachabteilung angepaßten Weise miteinander verbindet. 3. Die Institution der Abteilungsbesprechungen sollte unter systematischer Auswertung der bisherigen im Staatsapparat und im Unternehmensbereich gesammelten Erfahrungen sowie unter Nutzbarmachung der einschlägigen Erkenntnisse der Organisationswissenschaften weiter entwickelt werden.

V. Im Falle einer systemverändernden Reform der gesamten Regierungsund Ministerialorganisation, etwa nach dem schwedischen Modell, würden sich möglicherweise folgende Veränderungen ergeben: 1. Grundsätzlicher Verzicht auf die Bildung von Unterabteilungen

2. Starke Verminderung der Zahl der Referate und der personellen Besetzung der Fachabteilungen 3. Wesentliche Vereinfachung der Zusammenarbeit zwischen zentralen Planungseinheiten bzw. Planungsbeauftragten und Fachabteilungen 4. Erleichterung der Kommunikation zwischen Führungsebene und Führungszwischenschicht 5. Umstrukturierung der Fachabteilungen nach dem Gruppenprinzip.

2. Diskussion unter der Leitung von Alfred Faude Kölble: Ich glaube am besten so vorzugehen, daß ich ganz kurz einen Auszug der Thesen vortrage, die ich am Schluß meines Referates aufgestellt habe, und zwar noch einmal pointiert zusammengefaßt: 1. Zunächst eine Gruppe von Thesen, die die Organisation der Fachabteilungen im engeren Sinne betreffen. 1. Gesichtspunkte für die Abgrenzung von Fachabteilungen können nur solche der Zusammengehörigkeit eines Sachgebiets sein, also nicht andere Gesichtspunkte etwa territorialer, methodischer oder sonstiger Art. Die Einrichtung von Rechtsabteilungen - vorbehaltlich der Berücksichtigung etwa entgegenstehender praktischer Erfahrungen im Einzelfall - ist grundsätzlich zu begrüßen. 2. überschneidungen der Aufgabengebiete von Fachabteilungen sollten sowohl intra- als interministeriell grundsätzlich vermieden werden. Es sollten insbesondere keine Zuständigkeits-Konkurrenzen geschaffen, also zwei Abteilungen, oder gar noch mehr, mit der gleichen Aufgabe betraut werden. Beispiel einer im Bereich der Bundesregierung geübten problematischen Praxis dieser Art: die Wahrnehmung derselben Verfassungs angelegenheiten durch die Verfassungsabteilungen zweier Bundesressorts. 3. Grundsätzlich sollten alle Fachreferate einer Abteilung eingegliedert sein; es sollte also keine "freischwebenden" Referate oder andere Stellen geben, die unmittelbar der Führung des Hauses unterstehen. Dies gilt wohlgemerkt nur für den Fachbereich. 4. Die gegenwärtig bestehenden Unterabteilungen sollten kritisch daraufhin überprüft werden, inwieweit es ihrer Beibehaltung auf die Dauer in jedem Falle bedarf. Es wird also abzuwägen sein zwischen den Vorteilen, die diese Strukturform hat und den N achteilen, die sie aufweist. 5. Den Leitern der Fachabteilungen bzw. Unterabteilungen sollte ausdrücklich in der Geschäftsordnung das Recht eingeräumt sein, Hilfsreferenten und Sachbearbeiter vorübergehend zwischen den Referaten umzusetzen, sowie Schwerpunkte auch organisatorischer Art in Gestalt von Arbeitsgruppen zu bilden, die nach einer

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gewissen Zeit wieder aufgelöst werden (personelle und organisatorische Flexibilität). Die Institution eines echten, ständigen Vertreters des Abteilungsleiters sollte - jedenfalls in Fachabteilungen ohne Unterabteilungen - mehr praktiziert werden, als dies bisher der Fall ist. H. Ich komme zur zweiten Thesengruppe, und zwar derjenigen, die sich mit dem Verhältnis der Fachabteilungen - genauer gesagt der in ihnen zu leistenden Planungsarbeit - zu den zentralen Planungseinheiten der Ressorts befaßt. 1. Dieses Verhältnis bedarf grundsätzlicher Klarstellung, an der es bisher weitgehend fehlt.

2. Die Programmplanung sollte grundsätzlich den Fachabteilungen vorbehalten bleiben. Die zentralen Planungseinheiten der Ressorts sollten sich im allgemeinen auf die Entwicklung allgemeiner Planungsmethoden und -grundlagen beschränken, sowie auf solche Probleme, die mehrere Fachabteilungen gleichermaßen, also ohne Schwerpunkt bei einer Fachabteilung, berühren. 3. Die vorhandenen Ansätze einer institutionalisierten Zusammenarbeit zwischen Fachabteilungen und zentralen Planungseinheiten sollten sorgsam weiterentwickelt werden. 4. Es bedarf einer Verstärkung des Planungspotentials der Fachabteilungen. Dies kann auf verschiedene Weise geschehen. Zu denken ist zunächst an Ausbildungsmaßnahmen sowie des weiteren an die Schaffung ressorteigener wissenschaftlicher Einrichtungen und bzw. oder die Herstellung einer institutionalisierten Zusammenarbeit mit dem wissenschaftlichen Potential in der Gesellschaft außerhalb des staatlichen Bereichs. Im allgemeinen sollten in den Fachabteilungen Grundsatz- bzw. Planungsreferate existieren. 5. Das Planungsinformationssystem bedarf einer Verbesserung, und zwar in allen drei in Betracht kommenden Richtungen. 6. Schließlich bedarf es eines Ausbaues der längerfristigen Aufgabenplanung. IH. Die dritte Gruppe von Thesen betrifft die Zusammenarbeit zwischen den Fachabteilungen - also der Führungszwischenschicht i. e. S. und der Führungsebene. 1. Die Frage der Zusammenarbeit zwischen Führungszwischenschicht und Führungsebene ist z. Z. in der Bundesregierung nicht optimal gelöst. Der Hauptfehler besteht darin, daß es an einer organisierten Form der Konfrontation und der Integration zwi-

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schen politischen Zielvorstellungen auf der einen und fachlichen Gesichtspunkten auf der anderen Seite fehlt. 2. Soweit das Ministerium oberste Verwaltungsbehörde ist, sollte geprüft werden, ob nicht ein Teil der Verwaltungsentscheidungen, die heute in der Führungsebene getroffen werden, auf die Führungszwischenschicht hinunter verlagert werden könnte. 3. Die Direktunterstellung von Fachabteilungen unter parlamentarische Staatssekretäre sollte vermieden werden. 4. Rechtsabteilungen sollten nach Möglichkeit in der Sache keiner Weisungsbefugnis der Führungsschicht unterliegen. 5. Die Institution der Abteilungsleiterbesprechungen, also der Besprechungen der Führungsebene mit der Führungszwischenschicht, sollte ausgebaut werden. Sie ist zur Zeit in sehr verschiedener Form entwickelt, teils finden solche Zusammenkünfte regelmäßig und relativ gut organisiert statt, teils ist das keineswegs der Fall. 6. Der Informationsfiuß bedarf vor allem in der Richtung Führungsschicht-Führungszwischenschicht der Verbesserung. IV. Die vierte Gruppe von Thesen betrifft die Binnenstruktur der Fachabteilungen. 1. Soweit in den Fachabteilungen Funktionen der Ministerien als

oberster Verwaltungsbehörden wahrgenommen werden, sollte auch auf der Bundesebene geprüft werden, inwieweit nach dem Hamburger Modell verfahren werden kann, also in dem Sinne einer Umkehrung der gegenwärtigen Regelung des Zeichnungsrechts, daß derjenige, der den Entwurf anfertigt, grundsätzlich nicht zeichnet in das entgegengesetzte Prinzip, daß der Entwerfende grundsätzlich auch schlußzeichnet, soweit nicht die Zeichnung einer höheren Ebene vorbehalten ist, was nicht ausschließt, daß intern eine Beteiligung der höheren Ebenen auch bei Schlußzeichnung auf einer unteren Stufe stattfinden kann. 2. Soweit es sich um den zweiten großen Aufgabenbereich der Ministerien, also die Vorbereitung von Regierungsentscheidungen, handelt, und damit zum großen Teil um wissenschaftliche Beratung und Unterstützung des Ministers, wird zu prüfen sein, inwieweit es sich empfiehlt, das bisherige prinzipiell hierarchische System durch ein anderes mehr kollektiv orientiertes Aufbauprinzip zu ersetzen. Hierzu wurde heute morgen schon gesagt, daß das hierarchische Prinzip ja eigentlich ein Entscheidungsprinzip ist, während es sich bei der Unterstützung der politischen

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Josef Kölble Führung nicht um Entscheidung, sondern um etwas ganz anderes, nämlich um Beratung und Vorbereitung von Entscheidungen handelt. 3. Die Institution der Abteilungsbesprechungen, d. h. der internen im Abteilungsbereich mit den Unterabteilungsleitern, den Referenten, den Hilfsreferenten und gegebenenfalls auch den Sachbearbeitern durchgeführten Besprechungen, sollte systematisch ausgebaut werden. Z. Z. ist die Situation eine außerordentlich unterschiedliche.

V. Soviel zu den Thesen systemimmanenter Art, also denen, die davon ausgehen, daß die Gesamtorganisation der Ministerien unverändert bleibt. Nun noch ein paar kurze Worte zu den Möglichkeiten einer systemverändernden Reform der Ministerialverwaltung. Sie ist in dreifacher Hinsicht vorstellbar: 1. Zunächst im Sinne einer Herausverlagerung sämtlicher Verwaltungsfunktionen oder eines gewissen Teils derselben aus dem Ministerium, was wiederum auf zwei verschiedene Weisen geschehen könnte:

a) Entweder hintunter auf weisungsgebundene Oberbehörden oder b) Hinausverlagerung in zentrale Behörden ohne Ministerialcharakter. 2. Denkbar wäre ferner, daß auch aus dem Regierungsbereich Funktionen aus den bisherigen Ministerien hinausverlagert werden, und zwar insbesondere a) Querschnittfunktionen der Beratung und Entscheidungsvorbereitung b) oder noch weitergehend sogar die Herausverlagerung bestimmter Entscheidungsbefugnisse aus dem ministeriellen Bereich nach dem Vorbild etwa der Bundesbank. Stellt man sich eine solche systemsprengende Reform vor, dann würden selbstverständlich die vorhin entwickelten Thesen eine Abwandlung erfahren müssen, und zwar etwa in folgenden Punkten: Unterabteilungen würde es in den Ministerien der neuen Art kaum noch zu geben brauchen. Die Zahl der Referate und der personellen Besetzung der Fachabteilungen könnte wahrscheinlich stark vermindert werden. Die Zusammenarbeit zwischen den zentralen Planungseinheiten und den Fachabteilungen würde sich wesentlich vereinfachen.

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Die Kommunikation zwischen der Führungsebene und der Führungszwischenschicht würde einen großen Teil der Problematik verlieren, die sie heute aufweist.

Die Fachabteilungen würden voraussichtlich überwiegend nach dem Gruppenprinzip umzustrukturieren sein. Siedentopf: Ich möchte in meiner Intervention zu dem Punkt und zu dem Teil des Referates von Herrn Kölble Stellung nehmen, der sich beschäftigt mit dem Verhältnis der Fachabteilungen zur Führungsebene, insbesondere zu dem Punkt im Text, in dem Herr Kölble sehr eindrucksvoll darstellt das Dilemma in diesem Verhältnis, was von beiden Seiten in folgender Weise empfunden wird: einerseits fühlt der Minister, daß die Fachabteilungen mit ihrem Sachverstand ihn nicht hinreichend in seinen jeweiligen Zielsetzungen unterstützen und andererseits in den Fachabteilungen selbst die Unkenntnis über die politische Zielsetzung des Ministers und die strategischen und taktischen Erwägungen auf der Führungsebene. Ich möchte die Frage stellen: 1. Warum es so ist, und 2. ob man es unbedingt als einen Mangel empfinden muß, ob man nicht vielleicht gar dazu kommen kann, daß zwischen diesen beiden Ebenen eine volle Harmonie herbeigeführt werden kann. Meine Antwort auf diese Frage gliedert sich in folgende drei Punkte: 1. Ich meine, daß dieser Konflikt zu tun hat mit den verschiedenen Funktionen, die der Minister wahrnimmt und die Herr Böckenförde in der Diskussion gestern nachmittag aufgeteilt hat in die Funktion als Ressortchef, die Funktion als Regierungsmitglied und die Funktion als Parteipolitiker. Diese Dreiteilung könnte man sicherlich noch differenzieren, aber es fehlen uns jegliche Anhaltspunkte, bis zu welchem Anteil diese jeweiligen Funktionen die Arbeit und die Tätigkeit des Ministers in Anspruch nehmen. Eins aber läßt sich feststellen, daß von allen drei Funktionen der Minister für die Funktionswahrnehmung des Regierungsmitgliedes personell am schlechtesten ausgestattet ist. Ich spreche nicht von dem Kabinettreferenten. Alle drei Funktionen aber fließen - so scheint es mir - in jede Entscheidung oder nahezu in alle Entscheidungen des Ressorts ein.

2. Punkt: Für die Beratung des Ministers als Regierungsmitglied kann das Ressort nur eine partielle Sachberatung stellen. Das ergibt sich aus der Beschränkung des Blickwinkels der Ressortmitglieder, der Ressortbürokratie. Diese Funktion, die ressortbezogene Funktion des Ministers in seiner Eigenschaft als Kabinettsmitglied, als Regierungsmitglied macht aber nur einen Teil seiner möglichen Stellungnahmen aus, und er wird es schwer haben, in einzelnen Fällen zu unterscheiden, wo die Position seines Hauses mit der Position, die er als Regierungsmitglied beziehen sollte, nicht übereinstimmt. Ich darf erinnern, daß gestern nachmittag Herr

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Pusic darauf hingewiesen hat, daß es auch mehr oder weniger legitime Interessen des Hauses, der Bürokratie, des Ressorts gibt, die in die Entscheidungen einfließen, aber kaum oder selten aufgedeckt werden. 3. Punkt: Was könnte man sich als eine mögliche Lösung vorstellen? Ich glaube, die Lösung findet sich nicht in einer Verbesserung des Informationsflusses oder des Planungsapparates. Wir haben gerade in Deutschland erlebt, daß offensichtlich eine Diskrepanz besteht zwischen der Vermehrung der Planungskapazität und dem, was ich die individuelle politische Vitalität eines Ministers nennen möchte. Dies führte dazu, daß Ressortpläne Freitag Nachmittag bekanntgegeben wurden, um noch rechtzeitig in die Wochenendzeitungen zu kommen. Diese Pläne waren nicht abgesprochen mit der interministeriellen Planung. Ich glaube, daß die Konfrontation, die Gegenüberstellung dieser verschiedenen Funktionen des Ministers, sich nicht in einer Harmonie aufheben läßt, weil sie in unserer Verfassung und in unserem politischen System angelegt ist. Vielleicht sollte man sogar suchen, diese Konfrontation zu institutionalisieren. Konfrontation und Konflikt haben sich als ein mögliches "Organisationsprinzip" herausgestellt, und es ist durchaus nicht erwiesen, daß für bestimmte Angelegenheiten Konfrontation und Konflikt nicht durchaus brauchbare Ergebnisse bringen können. Es wäre also daran zu denken, daß ein Hilfsorgan für den Minister in seiner Funktion als Regierungsmitglied innerhalb des Ressorts oder neben dem Ressort zur Verfügung gestellt wird. Tatsächlich wird dies auch in der Bundesrepublik praktiziert und man sollte die Augen vor dieser Praxis nicht verschließen, sondern versuchen, sie organisatorisch, dienstrechtlich und personell "in den Griff" zu bekommen. Auch in anderen Ländern finden wir Ansätze in dieser Richtung, etwa in der Figur der senior policy advisors im FultonReport. Herr d'Aumale hat uns gestern erklärt, daß - und jetzt komme ich auf die Qualität und auf die Personalpolitik in solchen Einheiten -, daß es dem französischen Beamtentum in seinen qualifiziertesten Gruppen gelungen ist, diese Einheiten "in den Griff" zu bekommen und personell mit eigenen Leuten zu besetzen. Ich möchte nicht weiter ausführen, welche möglichen Voraussetzungen dienstrechtlicher und personalpolitischer Art für ein funktionsgerechtes Instrument eine solche Einheit Voraussetzung sind, sonst würde ich in Gefahr geraten, mein Stecket.pferd der Cabinets ministerieIs hier zu reiten. Starosciak: Es wurden so wichtige Probleme hier schon berührt, daß man zu diesen Problemen Stellung nehmen muß.

1. Das betrifft zunächst die Allgemeinheit der Thesen. Ich verstehe, daß es die Rolle der Wissenschaft ist, zu verallgemeinern; aber ich glaube, es wäre falsch, wenn wir zu zu schönen und allgemeinen Thesen gekommen wären, die in der Praxis nicht verwertet werden könnten. Die zweite Gefahr ist die, daß die Thesen so allgemein werden, daß sie nur schemati-

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sieren. Die Schematisierung ist eine große Gefahr für die Thesen, da dann die Verwaltung ihre notwendige Elastizität und gleichzeitig ihre möglichst größte Effektivität verliert. Die zweite Bemerkung betrifft das Politische. Ich bin in der Diskussion auf der Seite derer, die gesagt haben, daß wir mit Politik dann zu tun haben, wenn wir die Wahl haben. Man kann viele Sachen berechnen. So hat Herr Wagener in seinen Arbeiten gezeigt, daß man sehr gut die optimale Gebietseinteilung berechnen kann. Aber doch ist es schwer, dies einzuführen, weil das Politik ist. Also man kann sagen, es wäre gut, die Politik gewissermaßen zu mathematisieren, also Mathematik in die Politik einführen. Das ist die Zukunft der Politik. Aber trotzdem wird es Politik bleiben. Welche Konsequenzen hat das? Alle Verwaltungsangehörigen, die Auswahl haben, sind auch gleichzeitig Politiker. Ich glaube, das Referat von Herrn Kölble muß besonders hoch geschätzt werden wegen seiner Konkretheit. Eine seiner Haupttendenzen ist die Enthierarchisierung der Fachabteilungen. Ich glaube, das ist in der Tat die Tendenz der Fachabteilung. Dies ist zu erklären wegen der technischen Spezialisierung der Verwaltung, wegen der technischen Spezialisierung der Fachbereiche. Aber für die Verwaltung ist das nicht besonders günstig. Das Entstehen von - wie man sie bei uns nennt - "schmalen organisatorischen Strukturen", sehr engen Strukturen mit engen Kompetenzen, ist bequem für die Zentralbehörden; aber sie sind nicht gut für die Effektivität der Verwaltung, denn sie erfordern eine sehr große Anstrengung zu koordinieren, also unnötige Arbeit. Dann sind sie unbequem für diejenigen, die ausführen, nämlich für die Territorialbehörden. Also im Effekt ist diese Strömung zur Spezialisierung in der Zentralbehörde für die ganze Verwaltung m. E. nach gefährlich. Seit ungefähr fünf Jahren haben wir bei uns Gegenströmungen: Wir bilden möglichst "breite Strukturen" mit breiten Kompetenzen. Die Folgen der Tendenz zur Spezialisierung haben nämlich auf dem Rechtsgebiete dazu geführt, daß wir nicht nur die sog. Ministerialgesetze, sondern gleich auch Departementalgesetze hatten. Diese Spezialisierung der Verwaltung hat also die Einheit der Rechtsordnung bedroht und zur Zersplitterung des Rechtssystems geführt. 2. Nun zur Planung in den Ministerien, zur Position der Planungsabteilungen: Wir haben die gesamte staatliche Lenkung auf eine zentrale Behörde übertragen, die Planungskommission. Welche Rolle haben die ministeriellen Abteilungen? Sie haben Vorschläge zu machen; dann wird das als Staatsplan zusammengefaßt, dann gelangt der Plan zur Ausführung in die Ministerien. 3. Eine weitere Bemerkung betrifft die Position der Rechtsbüros. Ich stimme vollkommen überein mit der Ansicht des Herrn Referenten, daß

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die Rechtsabteilung in den Ministerien grundsätzlich weisungsfrei gestellt werden sollte. Anders könnte man im Rechtsbüro überhaupt nicht arbeiten. Aber es gibt auch Gefahren, und zwar bei uns jedenfalls ist die Pression der Fachabteilungen auf das Rechtsbüro so stark, daß dieses Rechtsbüro sich überhaupt nicht gegen diese Departemente verteidigen kann. Und so haben wir die Situation gehabt, daß wieder enge Spezialgesetze entstehen, und dies ist schädlich für die ganze Verwaltung. Eine solche Situation haben wir gehabt vor dem Jahre 1958. Wir haben gegen diese Gefahr gearbeitet, indem wir eine zentrale Kommission der Verwaltungslegislation gebildet haben. Diese Kommission arbeitet beim Regierungschef; sie überwacht die Arbeit der rechtlichen Ressortbüros. Diese werden unterstützt von der zentralen Rechtskommission, und diese also stärkt ihre Position gegenüber den Fachabteilungen. Dann bekommt man eine größere Einheit des ganzen Systems des Rechtes. 4. Und nun noch einige Worte zur Methode der Einführung der verschiedenen Vorschläge zu Neuerungen: Das ist, so glaube ich, eine der schwersten Sachen. Es gibt zwei Wege: auf einmal oder stufenweise. Natürlich ist es nicht wichtig, Vorschriften über das Funktionieren der Verwaltung auszugeben; es ist wichtig, daß die Verwaltung nach einem neuen Stil funktioniert, und der neue Stil kann nicht mit Verordnungen aufgesetzt werden, sondern muß nachwachsen. Das ist kein Automodell, das man so oder so produzieren kann. Das System der Verwaltung entsteht und kann nicht eher verändert werden, bevor sich die Leute auf die neue Organisation vorbereitet haben. Also man muß die großen Perspektiven haben, die von den neuen Aufgaben der Verwaltung ausgehen. Aber die großen Perspektiven müssen evolutionär realisiert werden. Böckenförde: Aus der Vielzahl der Probleme, die das Referat von Herrn Kölble anschneidet, möchte ich hier zwei herausgreifen. Das erste ist die Frage der Unterabteilungen. Im Hinblick auf die Darstellung im Referat habe ich den Eindruck, daß an einer Stelle vielleicht des Sängers Höflichkeit geschwiegen hat, nämlich bei der Funktion der Unterabteilung. M. E. muß man hier noch eine zweifache Funktion erwähnen, nämlich einmal die, Beförderungsstellen zu erhalten, und zum andern die, gegebenenfalls neue Verwendungsmöglichkeiten zu erschließen. Das hängt mit der Gestaltung unseres Beamten- und Besoldungsrechts zusammen. Der "politische" Beamte, der zur Disposition gestellt werden kann, beginnt beim Ministerialdirektor; aber auch Ministerialdirigenten nehmen oft Funktionen wahr, die in einem sehr engen Konnex zur politischen Leitung oder zum politischen Blickpunkt des Ministers stehen. Das kann dazu führen, daß man bei einem Regierungswechsel neue Verwendungsmöglichkeiten braucht und daher neue Aufgaben in Form von Unterabteilungen schafft.

Was die Reformvorschläge angeht, so halte ich Herrn Kölbles Vorschlag für sehr erwägenswert, statt von Unterabteilungen mehr von der

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Institution eines ständigen Vertreters des Abteilungsleiters Gebrauch zu machen. Dadurch wird die Abteilungsleitung verstärkt; sie ist in der Lage, eine größere Koordinationsebene zusammenzuhalten und zu überblicken, so daß die Zahl der Referate über sechs oder acht hinausgehen kann, ohne daß ein Effektivitätsverlust eintritt. Außerdem erübrigt sich eine Hierarchiestufe innerhalb des Ministeriums. Ein ähnliches Problem stellt sich nun bei der nächsten Koordinationsebene, nämlich von den Abteilungen zur Spitze des Ministeriums hin. Hier möchte ich noch einmal auf die gestrige Diskussion zurückgreifen und die Frage stellen, ob es nicht möglich und sinnvoll ist, die politische Leitung des Ressorts mit einem Stab zu versehen, der selbst quasi Abteilungscharakter hat, also eine Leitungsabteilung zu schaffen. Wir haben jetzt so etwas im Bundesverteidigungsministerium, wo der Führungsstab der Bundeswehr eine koordinierende und leitende Abteilung gegenüber den Führungsstäben der drei Teilstreitkräfte ist. Ich weiß aus näherer Kenntnis der Dinge, wie schwierig das war, nicht nur den Generalinspekteur persönlich, sondern die Abteilung den Führungsstäben der Teilstreitkräfte überzuordnen. Hier liegt ein interministerielles Hierarchieproblem, aber gleichwohl bleibt die Frage, ob für die Stärkung der Ressortleitung nicht dadurch etwas bewirkt werden kann, daß diese über eine Art Leitungsabteilung verfügt, die ihr nahe zugeordnet ist und die Koordinationsaufgaben wahrnimmt. Dann braucht die Spitze selbst nicht zu groß zu werden. In diesem Zusammenhang hätte ich noch einige Fragen an unseren französischen Kollegen, M. d'Aumale. Ich habe sie auf S. 70 f. meines Votums zu dem Referat von Herrn Wagen er formuliert. Wieweit kann uns hier das cabinet ministeriel in Frankreich eine Anregung geben, ist hier eine Art Leitungsabteilung entstanden beim Minister? Sie haben ja gesagt, M. d'Aumale - und ich fand, das war ein großes Wort -, die Koordination würde bei Ihnen in Frankreich klappen, und zwar sowohl die Koordination vom Ressort hin auf die Spitze als auch die Koordination der Ressorts untereinander, die Seitenabstimmung. Zum zweiten Problem: systemändernde Reformen. Ich habe Bedenken gegen die von Herrn Kölble nicht direkt vertretene, aber doch illustrierte Möglichkeit, die Ministerien sehr weitgehend von Verwaltungsaufgaben zu entlasten. Das ist möglich und richtig, soweit es sich um Ausführungsaufgaben handelt - man könnte das Bundesverwaltungsamt noch mit mehr Aufgaben versehen -, aber soweit es sich um Verwaltungsaufgaben handelt, die dem Ressort sein Wissen vermitteln und das Wissen dort präsent halten, habe ich Bedenken. Diese Aufgaben lassen sich nicht von den Ministerien abgliedern, ohne daß ihnen die Verfügung über das Wissen entgleitet, das gerade heute notwendig ist, um politische Entscheidungen vorzubereiten. Wenn man davon ausgeht, daß Politik und Verwaltung heute sehr eng miteinander verzahnt sind, dann stellt sich von

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daher die Frage der Ausgliederung und Abschichtung anders. Es macht einen nicht geringen Unterschied, ob man, um Informationen zu bekommen, sich an eine andere Behörde wenden muß oder ob man sich im eigenen Haus - evtl. auch informell - schnell Informationen beschaffen und darauf bezogene Arbeitsgruppen bilden kann usw. Die heutigen Regierungsaufgaben ziehen also der Trennung von Regierung und Verwaltung im Bereich der Ministerien deutliche Grenzen. König (Paris): Zur Information des Ministers als Regierungsmitglied: Zumindest die großen Ressorts verfügen über spezielle Beobachtungsreferate, die unter dem Blickwinkel des Fachressorts die Politiken anderer Ressorts betrachten; Beispiel: Referate für wirtschaftspolitische Fragen der Wissenschaftspolitik, der Sozialpolitik usw. Aber das läßt in der Tat noch einen Punkt offen, nämlich den der Information beispielsweise des Wirtschaftsministers zur Frage der Reform des Familienrechts oder des Strafverfahrensrechts; hier helfen ihm das Rechtsreferat oder der Kabinettsreferent, hilfsweise der Fachreferent des Kanzleramtes, der ihm ja auch zur Verfügung steht. Ich bin im Zweifel, ob man dafür noch eine besondere Einheit, beispielsweise wiederum beim Kanzleramt, einrichten sollte. Zum Problem des direkten Vortragsrechts des Rechtsreferenten: Man würde vielleicht zu einer Inflation der direkten Vortragsrechte gelangen, nachdem wir zwei Positionen dieser Art im geltenden Recht kennen, einmal das Vortragsrecht des Organisationsreferenten beim Staatssekretär und zweitens die Sonderstellung des Sachbearbeiters des Haushalts. Soweit ich sehe, hat das erste niemals richtig funktioniert, denn der Abteilungsleiter des Organisationsreferenten sieht beileibe nicht ein, warum sein Referent an ihm vorbei dem Staatssekretär Vortrag halten soll in Fragen, in denen er, der Abteilungsleiter, natürlich auch die Politik seines Organisationsreferenten bestimmen und koordinieren muß. Der Sachbearbeiter des Haushalts wiederum hat gewisse Vetorechte, gewisse Eingriffsrechte, auch dies, wenn man die Vorschrift eng auslegt, am Abteilungsleiter vorbei. Eine vernünftige Praxis interpretiert jedoch diese Vorschrift weit und sagt, Sachbearbeiter des Haushalts sei auch der Abteilungsleiter, wenn auch nur zu einem Teil seiner Kapazität.

Zur Stellung der Unterabteilungsleiter: Die Institution des Unterabteilungsleiters ist - soweit ich sehe - geboren aus der Aufgabenfülle beim Abteilungsleiter und aus einem Koordinationsbedürfnis innerhalb von Teilen von Abteilungen, und sicherlich nicht aus hierarchischen Gründen im Sinne einer Vermehrung der Durchgangsstationen zwischen der Ebene der Referate und der Leitung. Letzten Endes ist die Frage, welches der hier angebotenen Modelle man wählt, personenabhängig und damit je nach personeller Situation zu entscheiden. Ich halte alle Modelle einschließlich der Gründung selbständiger Abteilungen für brauchbar. Un-

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klar scheint mir nur die Rolle des Ständigen Vertreters bei Anwesenheit des zu Vertretenden zu sein. Wird von unten her dann alles beim Ständigen Vertreter landen, der dann entweder nichts weitergibt, weil er sagt, er vertrete ja ständig, oder aber nur eine Durchgangsstation ist, dann aber nicht vertritt? Vielleicht sollte man stattdessen von Vertretung kraft Delegation sprechen. Zur Personenabhängigkeit: Man kann sich einen koordinierenden Unterabteilungsleiter dann sparen, wenn die Unterabteilung nur aus idealen, von sich aus koordinierungsfreundlichen Referenten besteht. Dann sollte man lediglich dem Abteilungsleiter einen Unterabteilungsleiter etwa für einen Teilbereich hinzugeben. Zur Frage der Ausgliederung von wissenstragenden Einheiten aus einem Ministerium: Dies ist in zwei Richtungen hin praktikabel, nämlich erstens, wenn die Wissensträgerschaft an eine nachgeordnete Behörde im selben Ressort delegiert wird. und zweitens. wenn das Wissen übertragen wird an eine Institution, die gemeinsam mehreren Ressorts dient; in diesem letzteren Sinne wäre beispielsweise denkbar eine gemeinsame Datenbank des Auswärtigen Amtes, des Wirtschaftsministers und des Entwicklungshilfeministers als Basis für die Bearbeitung von Fragen der Außenwirtschafts- und Entwicklungspolitik gegenüber dritten Ländern. Eine solche Institution wäre durch schlichte Ressortvereinbarung zu schaffen. Letzter Punkt - Personalreserven: Im Prinzip möchte ich sie bejahen. Wir haben eine solche Reserve im Auswärtigen Dienst vorgesehen, um diesem zu ermöglichen, Beamte auf spätere spezielle - etwa sprachliche - Qualifikationen vorzubereiten. Ich würde im Interesse einer geordneten Personalwirtschaft jedoch warnen vor Personalreserven bei einzelnen Fachabteilungen, weil sie einem Ministerium dort weit teurer zu stehen kämen als bei zentraler Verfügung, die mehr Flexibilität im Einsatz der Mittel bewahren würde.

Laux: Es schwebt der Gedanke über den Erörterungen, daß die primäre Funktion eines Ressorts diejenige ist, den Minister bei seiner Funktion in der Regierung zu beraten und zu unterstützen. Das entspricht so nicht den Realitäten. In den einzelnen Fachbereichen der Ressorts wird geplant, werden Vorentscheidungen getroffen, dort wird vollzogen. In einem föderalen System wird die wichtige Aufgabe täglich praktiziert. den föderalen Verbund im Fachlichen darzustellen und zu garantieren. Das sind Dinge, die den Minister in seiner Funktion doch nur gelegentlich beschäftigen. In der obersten Führungsebene sollten im wesentlichen nur die politischen Leitlinien gesetzt werden, dort muß interpretiert werden, was politische Leitlinie ist, dort werden Impulse und Anregungen gegeben, dort muß im feed-back eine Erfolgskontrolle praktiziert werden. Dazu bedarf es einer Führungshilfeorganisation. Und um diese unmittelbare Führungshilfe braucht man sich nicht zu viele Reformgedanken zu

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machen. Es gehören dazu der persönliche Referent, eine Stelle für Öffentlichkeitsarbeit und kleine Gruppe, die die oberste Führungsebene unterstützt, politische Leitlinien zu formulieren, diese in operable Größenordnungen zu bringen und Planungskoordination zu praktizieren. Pläne sollten dort nicht erarbeitet werden. Das kann mit verhältnismäßig kleinen Organisationen von hochqualifizierten Mitarbeitern geleistet werden (Führungsstab). Die Hauptarbeit im Ministerium bleibt im Bereich der Fachbereiche, und es wird so bleiben müssen, je größer der Spezialisierungsgrad wird. Der Minister muß in seiner Funktion innerhalb des Gesamtsystems gesehen werden. Von ihm und seiner Funktion allein hängt keineswegs die Wirkungsweise des gesamten Hauses ab, wohl dessen Gewicht im Kabinett und Parlament. Für den Führungsprozeß ist entscheidend die Kooperation zwischen den Fachbereichen, unterstützt und von Stabseinheiten für Personal, Organisation und Finanzierung. Weiter ist noch nicht ausdiskutiert worden, ob nicht eine organisierte Kooperation der Fachbereichsleiter den Führungsprozeß erheblich verbessert (Steuerungsgruppe). Fachbereiche dürfen nicht erst in der obersten Führungsebene koordiniert werden. Eine Ebene zur Koordinierung unterhalb des Ministers wäre verhältnismäßig einfach dort einzurichten, wo die Funktion des Staatssekretärs in den Ministerien nicht so ausgeformt ist, wie im Bund und in den norddeutschen Ländern, also beispielsweise in der bayerischen Organisation mit dem Staatssekretär als Second Minister bzw. Junior Minister. Doch ist es möglich, eine Koordinationsebene in der Führungszwischenschicht einzurichten mit dem "Amtschef" als primus inter pares, der für diese Kooperation verantwortlich ist. Theis: Ich wollte mich eigentlich dem anschließen, was Herr König ausführte. 1. Wir sollten uns über die Figur oder über die Funktion des Dauerstellvertreters des Abteilungsleiters vom Referenten vielleicht doch noch einiges sagen lassen, weil ich meine, daß die Konturen zu wenig herauskommen, weil ich ein wenig fürchte, daß diese Dauerstellvertreter sehr schnell wieder in die Rolle der Unterabteilungsleiter hineinwachsen. Das aber nur eingangs. Ich meine, daß wir vielleicht auch ein paar andere Punkte des Referates in die Diskussion einbeziehen sollten. So auf S. 188 den Hinweis etwa, daß im Bereich der Fachplanung schon immer dann, wenn Planungsprobleme über den Bereich einer Abteilung hinaus oder gar eines Ressorts hinausgegangen sind, wir Koordinierungsmechanismen innerhalb der Fachabteilung oder aber auch zwischen den Ressorts hatten. Wenn man dies am Beispiel des Bundesraumordnungsprogramms darstellt, sollte man betonen, daß es sich hier um eine Querschnittsplanung mit differenzierter Organisation handelt, die noch nicht als allgemein gültiges Beispiel betrachtet werden kann. Die Ausführungen des Referen-

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ten können uns auch Anlaß geben, Herrn Prof. Dror zu bitten, uns einige Worte dazu zu sagen, was nun aus den Plänen im Zusammenhang mit der Bildung des "Domestic Council" in den USA und den dort vorgesehenen Planungsinstitutionen geworden ist. Wenn wir uns etwa an die Ausführungen von Mr. Ash erinnern, die er vor dem Repräsentantenhaus gemacht hat, als er die Vorlage des Präsidenten zur Bildung des "Domestic Council" begründete, so würde uns heute natürlich interessieren, was aus dieser differenzierten und in den organisatorischen Verästelungen dem Raumordnungsprogramm durchaus gleichwertigen Planungsorganisation geworden ist. 2. Aufgrund der bisherigen Erfahrungen mit ressortübergreifenden Querschnittsplanungen bin ich nicht ganz so optimistisch wie der Referent. In sehr vielen Fällen, und das gilt auch für andere westeuropäische Staaten, hat sich gezeigt, daß zumindest, soweit mehrere Fachabteilungen eines Ressorts oder aber mehrere Ressorts berührt waren, man sehr häufig der Versuchung erlegen ist, die wir einmal als "Negativkoordinierung" bezeichnet haben, d. h. daß man sich bei der Definition der einzelnen Probleme und der Erarbeitung der Lösungsansätze auf den kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt hat. Oder aber - auch das begegnet uns in allen westeuropäischen Ländern - daß der Referent oder der Abteilungsleiter bei der Koordinierung nur den "Gipfel des Eisbergs" gezeigt hat und die Beteiligten erst im Laufe der Jahre merkten, was für einem "Ungetüm" sie im Bereich der interministeriellen Koordinierung zugestimmt hatten. Das soll kein Vorwurf gegen die Ausführungen des Referats sein, sollte uns aber Anlaß geben, gerade dem Problem der Negativkoordinierung unsere Aufmerksamkeit zu schenken, weil ich glaube, daß es sich hier um ein zentrales Problem der Organisationsreform, vor allem im interministeriellen Bereich handelt. 3. Zur S. 190 möchte ich anmerken: Alle Finanzplanungen, auch die Ansätze, wie wir sie etwa in den Vereinigten Staaten finden, sind bisher ausgabenorientierte Aufgabenplanungen gewesen. Wir sollten deshalb weniger sagen, daß es zu einer Verbindung kommen müsse zwischen Finanzplanung und Aufgabenplanung, als mehr diese Form der Finanzplanung in Frage zu stellen. 4. Zur S. 191 wollte ich mir den weiteren Hinweis erlauben, daß die Frage der Verbindung der Planungsbeauftragten mit dem Bundeskanzler an sich ein generelleres Problem betrifft, das wir in der einen oder anderen Form in mehreren westeuropäischen Regierungen finden. Wie Prof. Scheuner heute morgen schon betont hat, können wir in den letzten Jahren feststellen, daß die eigentlichen politisch brisanten Probleme gar nicht so sehr Ressortprobleme waren, sondern Probleme, die zwischen den Ressorts lagen. Nehmen Sie die Bildungsfragen, die Umweltprobleme, die

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Raumordnung. Hier hat man es mit komplexen Gebilden zu tun, bei denen zwar immer Teilbereiche im einzelnen Ressort durchaus bearbeitet werden, bei denen aber die eigenartige Kumulierung des Unbehagens in der öffentlichen Meinung von der Sektoralorganisation der Ressorts nicht mehr richtig erfaßt werden kann. Wo die Sektoralorganisation der Ressorts nicht mehr ausreicht, um die politische Brisanz ressortübergreifender politischer Aufgaben zu erkennen, muß man sich die Frage vorlegen, ob nicht das Kabinett selbst über eigene Planungs einrichtungen verfügen müßte. Auch hier scheint mir ein Weg, den man in Großbritannien mit der Einrichtung eines zentralen Planungsstabs beim Cabinett Office gegangen ist, sehr beachtenswert zu sein, weil es sich hier um eine Planungseinrichtung handeln soll, die ressortunabhängig ist und allen Kabinettsmitgliedern gleichermaßen zur Verfügung steht. Das sind nur einige Bemerkungen, von denen ich meine, daß wir sie in die künftige Diskussion mit einbeziehen sollten und daß wir das dann aufnehmen sollten, was auf S. 193 gesagt worden ist, nämlich den Versuch einer integrierten Planung, einer integrierten, zwischen den Fachabteilungen und von den Fachabteilungen getragenen Planung in den Ressorts. Nur, Herr Kölble, Herr Oe ding war heute morgen der Meinung, daß sich dieses Experiment im Verkehrsministerium jedenfalls bis jetzt noch nicht bewährt hat. Dror: Ich werde nur die konkrete Frage zu beantworten versuchen.

Jeder Vergleich mit den Vereinigten Staaten ist irreführend. Das Land ist viel zu groß für unsere Begriffe, viel zu komplex. Die föderale Struktur ist zehn-, zwanzig-, dreißigmal komplexer als in Ihrem Lande, das auch nicht so einfach ist. Deshalb sind Vergleiche mit den Vereinigten Staaten sehr riskant, wenn man sie nicht auf Grundprinzipien reduziert. Aber es ist interessant, und ich werde deshalb die Frage zu beantworten versuchen. Wenn ich mich nur auf die letzten 10 Jahre beziehe, so ist ein großer Erfolg in der Integrierung der höheren Politik in den Vereinigten Staaten durch den National Security Council unter Henry Kissinger zu sehen. Ich betrachte das als eines der höchst interessanten Kapitel in der modernen Verwaltungsgeschichte, die nicht offen zu studieren sind. Informationen sind nicht leicht zu bekommen. Aber das ist ein unglaublicher Erfolg in der Richtung einer Integrierung von Verteidigungspolitik und Außenpolitik. Eine Frage, die meistens unlösbar ist, weil Verteidigungspolitik zu Generalstab und Verteidigungsministerium, Außenpolitik zu den diplomatischen Traditionen des Außenministeriums gehört, und die zwei treffen sich weniger als Osten und Westen. In den meisten Ländern oder in den Ländern, in denen ich es untersucht habe, treffen sich diese Sachen niemals, mit dem Resultat, daß ein ungeheurer Unterschied zwischen Kriegsplanung und der politischen Planung, wie man Kriege beenden soll,

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besteht. Clausewitz' Diktum bleibt ein Diktum. Jedenfalls ist das ein großer Erfolg in den Vereinigten Staaten; deshalb gibt es konstante Versuche, es in der Innenpolitik zu imitieren. Zuerst in der Form des Urban Council, dessen Direktor Moynihan war. Vor vier Jahren wurde ein diesbezüglicher Versuch mit dem sogenannten National Goals Research Staff einschließlich eines Sonderberaters des Präsidenten unternommen. Dieser Stab sollte langfristige Ziele darstellen. Der erste Report wurde vor eineinhalb Jahren veröffentlicht und war der letzte Report. Diese Institution wird aufgelöst. Das Hauptproblem ist - das ist ganz klar -, daß ein Report, der vom Büro des Präsidenten veröffentlicht wird, politische Bedeutung hat. Deshalb muß er strikt kontrolliert werden; was z. B. über Rassenbeziehungen drinnen steht, hat politische Bedeutung. Deshalb wurde die Facharbeit über Zukunftsforschung beendigt durch politische Notwendigkeiten. Die Implikation ist, und das wird heute gemacht, daß eine so langfristige Ziel erforschung besser durch öffentliche, aber nicht durch Staatsinstitute unternommen wird. Das soll besser eine Independant Policy Research Organisation machen, dann kommen die Ideen an die Öffentlichkeit als ein wichtiger Input, aber nicht vom Präsidenten unterschrieben. Sie helfen besserem policy making, aber verpflichten politisch die Exekutive nicht. Das ist ein Beispiel. Ich werde morgen, hoffe ich, Gelegenheit haben, etwas über die Wichtigkeit von neuen Formen von policy making institutions zu sagen, die nicht dieselbe Exekutivverantwortung haben wie ein Ministerium, aber die die Kapazität haben, wichtige substantive Inputs in den policy making process einzubringen. Der vollständige Ash-Report wurde niemals veröffentlicht, wie Sie wissen. Es ist ein vertrauliches, halb geheimes Dokument in den Vereinigten Staaten. Eine der Hauptrekommendationen ist, daß das Bureau of the Budget wieder zum Bureau of Management and Budget wird. Auch Hoover hatte schon diese Idee. Wie es funktionieren soll, weiß man noch nicht. Das ist eine interessante, aber schwierige Idee. Das Bureau of the Budget muß vom Begriff her Geld sparen. Besseres Management heißt manchmal oder öfters, am richtigen Ort mehr Geld ausgeben. Wie diese Spannung gelöst werden wird, weiß man noch nicht. Der Domestic Council hat einstweilen noch keinen großen Einfluß gehabt. Ich glaube, es wäre richtig, wenn ich sage, daß Zweifel bestehen, wie er arbeiten kann, auch weil die Differenzierung von Innenproblemen größer ist als bei der Außenverteidigung und der politische Druck innen viel stärker ist. Das ist eine Information, die soweit ich kann, die Frage beantwortet. Johnson: Ich glaube, es wäre vielleicht nützlich, einiges über die praktischen Aspekte der Problematik der Abteilungsebene in Großbritannien zu sagen. Ich bitte um Entschuldigung, eigentlich wollten Sie, daß wir 15 Speyer 48

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jetzt an die generellen Aspekte dieses Themenbereiches kommen, aber andererseits habe ich nach dieser Diskussion den Eindruck, daß wir vielleicht etwas zu einseitig nach den typisch deutschen Verhältnissen die Sache diskutiert haben, und wie ich kurz andeuten werde, sind eigentlich die Probleme der Gestaltung der Abteilung, der Bestimmung ihrer Funktionen und ihrer Beziehungen zu den anderen Teilen des Systems wesentlich anders in den britischen Verhältnissen. Und was natürlich das Auffallendste ist, das ist der Unterschied in der Größenordnung. In dem Referat von Herrn Kölble wird erwähnt, daß es in den Bundesministerien im Augenblick 67 Abteilungen gibt. In Whitehall dagegen muß man davon ausgehen, daß es mindestens 300 Abteilungen gibt, daß heutzutage die Zahl der stellvertretenden Staatssekretäre, der sog. Deputy Secretaries, die eine Zwischenstufe zwischen dem permanenten Staatssekretär und den Abteilungsleitern darstellen, schon 78 erreicht hat. Und ich muß noch hinzufügen, daß es neben den etwas 300 Abteilungen, die sich hauptsächlich im Bereich der allgemeinen Verwaltung, policy making, policy management, Finanzplanung, Gesetzgebung, Einzelentscheidung befinden, noch mindestens etwa 270 Stellen gibt, die dem Rang nach gleichzusetzen sind, und die einen mehr technischen Charakter haben oder wie wir es oft auf Englisch sagen: professional character. Ich spreche jetzt von Architekten, Ingenieuren, Ärzten, Psychologen, Volkswirten usw. und ja auch von Juristen. Das heißt, wenn man von dieser Abteilungsleiterschicht spricht, muß man bei den britischen Verhältnissen davon ausgehen, daß sie etwa '600 Leute einbezieht, obwohl in manchen Fällen diese Leute keine große Organisation im Sinne einer Abteilung hinter sich haben. Aber immerhin muß man mit etwa 500 Organisationen bzw. Einheiten, die ungefähr einer Abteilung entsprechen, rechnen, Wie ist diese Situation eigentlich entstanden? Vor dem Krieg gab es seine Abteilung in dem heutigen Sinne. Die Assistant Secretaries, die ich in meinem Referat heute als die Inhaber der Basiseinheitenstellen bezeichnet habe, erfüllten damals im Grunde die Funktionen von Abteilungsleitern. Mit der Expansion des Staatsapparates während des Krieges und nachher empfand man offensichtlich ein Bedürfnis, eine Koordinierungsstelle zwischen den Assistant Secretaries, den damaligen Referenten, und der Verwaltungs spitze einzurichten. Diese Zwischenstufe hatte zuerst Koordinierungsfunktionen, hat sich aber allmählich verstärkt. Wegen dieses Aufwärtstrends bei der Durchführung der Arbeit, den ich in meinem Referat schon erwähnt habe, haben allmählich die Abteilungsleiter, die Undersecretaries, diese 300 in der allgemeinen Verwaltung, noch zusätzlich eine wichtige Beteiligung an die policy formulation und policy management an sich gezogen. Insofern es das "personell management "innerhalb der Abteilungen betrifft, liegen diese Aufgaben heutzutage immer noch zum größten Teil bei den Assistant Secretaries, d. h. auf der Referentenebene. Da man schon vor

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einigen Jahren eine Situation erreicht hatte, in der verschiedene Ministerien, mindestens 12 oder vielleicht sogar 15, Abteilungsleiter hatten, empfand man dann auch das Bedürfnis, eine Zwischenstufe gleich unter dem Staatssekretär zu entwickeln, nämlich die des stellvertretenden Staatssekretärs. Dadurch hat man heute gelegentlich den Eindruck, daß die Einheit oder die Organisationsstufe, die mehr dem deutschen Abteilungsleiter entspricht, jetzt im britischen Falle als die des stellvertretenden Staatssekretärs zu bezeichnen ist! Diese Situation, die ich keineswegs empfehlen würde, hat sich in den letzten Jahren noch weiter zugespitzt, indem man eine Vorliebe für die Zusammenlegung von Ressorts entwickelt hat. Viele von Ihnen werden wissen, daß die gegenwärtige Regierung vor einem Jahre diese Tendenz zur Zusammenlegung von Ressorts weitergetragen hat, indem sie in zwei bedeutenden Fällen, Umweltfragen und Handel und Industrie, mehrere Ressorts zusammengelegt hat. Um dieses Problem der Größenordnung zu unterstreichen, das heutige Environment Department in London hat etwa - ich habe die genaue Zahl nicht bei mir - 45 Abteilungsleiter, noch dazu 7 stellvertretende Staatssekretäre über dieser Ebene und nebenbei mehr als 40 technische Beamte, die den gleichen Rang wie die Undersecretaries haben, so daß die höchste Schicht unter dem Staatssekretär jetzt rund 100 Mann zählt. Was ich hinzufügen möchte, ist folgendes. Man merkt einen Unterschied in den Größenordnungen, wenn man auf der einen Seite diese Expansion der ganzen Hierarchie, des ganzen Mechanismus und auf der anderen Seite die Unterentwicklung hinsichtlich der Planungsstellen oder Policy Advisory units in Betracht zieht. Dadurch entsteht die Gefahr, in ihrem Verhältnis zu diesem sehr großen und komplizierten Apparat wenig Gewicht haben können. Die Ressorts, und das ist vielleicht auch ein deutsches Phänomen, die Ressorts haben eine bedeutende Unabhängigkeit in sehr vielem. Damit würde ich nicht leugnen, daß das Finanzministerium, vor allem in bezug auf die globale Finanzplanung, einen großen Einfluß hat, aber immerhin in den policy management und auch im personnel management, haben die großen Ressorts eine verhältnismäßig große Unabhängigkeit und außerdem läuft die Verbindung zum Kabinett in erster Linie über den Minister. Natürlich gibt es andere, mehr informelle, Verbindungen, aber ich glaube, bis jetzt kann man sich kaum vorstellen, daß policy advisory units oder etwas dgl. eine so enge Verbindung mit der Zentral stelle haben, daß sie kraft dieser Verbindung dann die Gestaltung der policy in den einzelnen Ressorts wesentlich beeinflussen können. Wahrscheinlich liegt die einzige Hoffnung in der Ansicht, daß sie allmählich ein Gewicht innerhalb des Ministeriums entwickeln, was vielleicht dann dazu führen wird, daß auch eine einflußreiche Verbindung mit dem Zentrum beim Regierungschef und Kabinett geschaffen werden kann. 15*

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Um jetzt diese Informationsbemerkungen zum Schluß zu bringen, möchte ich erwähnen, daß die Tendenz zum Ausbau der Hierarchie und zur Zusammenlegung der Ressorts, die notwendigerweise zu einer Verkomplizierung der internen Organisation der betreffenden Ministerien führt, mindestens drei Aspekte hat, die sehr große Probleme darstellen: Erstens das Problem der Koordination, das keineswegs nur auf der Referentenebene besteht, sondern auch auf der Abteilungsebene. 2. das Problem der Planung, das Herr Dror eben erwähnt hat. Ich gl~ube, eine Lösung dafür wird durch Heranziehung von besonderen, von den Abteilungen getrennten Planungsstäben dadurch erschwert, daß die Zahl der interessierten Abteilungen jetzt so groß ist, daß man sich kaum vorstellen kann, daß ein einzelner Stab ausreichen würde, um einen bestimmenden Einfluß innerhalb der größeren Ministerien zu haben. Und zuletzt: Ich fürchte, die Probleme für die politische Führung können durch diese Zusammenlegung von Ministerien auch verkompliziert werden. Es war früher möglich, daß ein Minister und auch natürlich der beamtete Staatssekretär einen verhältnismäßig engen persönlichen Kontakt zu den Abteilungsleitern haben konnten, was heutzutage offensichtlich in vielen Fällen nicht mehr möglich ist. Wenn z. B. Herr Walker, der Secretary of State für Environment, nicht nur die etwa ein Dutzend zählenden Beamten auf dem höchsten Rang bei sich hat, sondern auch etwa 50 Abteilungsleiter, dann ist er natürlich außerstande, einen persönlichen Kontakt mit diesen Leuten zu gewinnen. Wenn Sie mich danach fragen würden, ob es Lösungen zu diesen Problemen im allgemeinen gibt, würde ich ziemlich kurz sagen, daß es das dringendste Bedürfnis in der britischen Verwaltung sei, eine viel radikalere Dezentralisierung der Ausführungsaufgaben in Betracht zu ziehen, als wir es bis jetzt überhaupt ins Auge gefaßt haben. d' Aumale: Ich möchte drei Punkte anschneiden. Ich hoffe, daß ich in 10 Minuten alles sagen kann, was ich sagen möchte. Der erste Punkt betrifft ein Thema, das von Herrn Kölble bereits behandelt wurde, und zwar die Fachabteilungen. Bis vor kurzem waren die Fachabteilungen die Grundzelle, in der Entscheidungen administrativer Art getroffen werden konnten und manchmal sogar mit politischen Auswirkungen. Die augenblickliche Tendenz, die in allen Ministerien sichtbar wird, ist der Rückgang der Wichtigkeit dieser Büros bei der Entscheidungsfindung. Die Erklärung dafür kann sein: Diese Büros waren zu spezialisiert und damit nicht mehr in der Lage, komplizierte Probleme wirklich anzugehen. Das ist der erste Grund für dieses Phänomen. Der zweite Grund ist das Anwachsen der Ministerkabinette, die die Tendenz haben, immer mehr Entscheidungen von politischer Bedeutung an sich zu ziehen. Der dritte Grund ist besonders wichtig, weil es da um die administrative Organisation geht. Eine gewisse perfektionistische Tendenz hat sich allmählich

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durchgesetzt, ganz besonders in den juristischen Abteilungen, in den juristischen Büros. Auf dem Gebiet der Verordnungen haben diese eine Phantasie entwickelt, die alles übersteigt, was man sich vorstellen kann. Vor allem aus diesem Grund sind die Büros immer bedeutungsloser geworden. Der Zuwachs von Verordnungen ist so geworden, daß man letzten Endes das alles gar nicht mehr ausführen konnte und daß schließlich die Bevölkerung, die Bürger, völlig außerstande waren, die Entwicklung der Texte überhaupt zu verfolgen. Auch die Minister selbst verstanden sie überhaupt nicht mehr. Das galt aber manchmal auch für die technischen Abteilungen, wenn es sich darum handelte, technische Normen auszuarbeiten, für Lastwagen z. B., für den Straßenverkehr, für den Straßenbau. Perfektionistische Tendenzen führten dazu, daß man völlig nicht zu verwirklichende technische Normen aufstellte, die oft sogar außerodentlich stupide waren. Das ist letzten Endes der Grund, der die Daseinsberechtigung des Büros, der Hang zum Perfektionismus, die Abteilung als Grundzelle der Zentralverwaltung in Frage stellt. Ein anderer Grund ist folgender: Angesichts dieses Perfektionismus haben sich im privaten Sektor spezialisierte Büros entwickelt, die die Absicht hatten, die vorherigen spezialisierten Büros zu schlagen. Es hat sich dann gezeigt, z. B. daß die Steuerbüros oft viel kompetenter waren als die alten Büros. Das wurde für den Minister eine sehr schwierige Situation. Zwei weitere Elemente können die beschriebene Tendenz noch erklären: Die Büros schafften sich allmählich eine gewisse Kundschaft. Sie entwickelten sich oft zu kleinen Interessengruppen mit ganz gehörigen Druckmitteln innerhalb ihrer Verwaltung und wurden schließlich auf der Ebene der Entscheidungen sehr bedeutend, weil es sich herausstellte, daß sie für einen bestimmten Personenkreis die Fragen, die zu behandeln waren, in einem ganz bestimmten Sinn regeln wollten. Das führte zu gewissen Reibungen mit den Verwaltungsstellen. Es gab Amtsmißbräuche, Überschreitungen der Amtsgewalt aller Art. Ein letztes nun, und ich komme allmählich zur Synthese dessen, was bisher gesagt wurde. Sie waren eine Bremse für wirkliche Neuerungen, für wirkliche Reformen. Sie hatten zwar oft sehr kompetente Leute, diese hatten allerdings nicht die ausreichende Entscheidungsgewalt und oft auch nicht die nötige Information, um auf einem bestimmten Bereich auch wirksam zu handeln. Wegen der Bürochefs ist die Segelschiffahrt bisher in Frankreich aufrecht erhalten worden, das ist eine der karikaturistischen Auswüchse dieser Situation. Ich bin einer Meinung mit dem, was unser polnischer Kollege kürzlich sagte: Das Problem auf der Ebene der zentralen Verwaltung besteht darin, ausreichend große Stellen zu haben, die wirklich Projekte durchführen können; auch Reformprojekte, die mittel- oder langfristig angelegt sind, und zwar in einem Rahmen wirklicher Neuerungen; die außerdem fähig sind, komplexe Probleme zu erfassen. Deshalb bin ich

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durchaus für das, was unser polnischer Kollege vorgeschlagen hat, nämlich Zellen auf der Ebene der zentralen Verwaltung zu schaffen, die groß genug sind, um Leute mit verschiedener Ausbildung, mit verschiedenen Fähigkeiten zusammenzufassen. Das war mein erster Punkt. Zum zweiten Punkt möchte ich folgendes sagen: Die Planungsfunktionen sind in der französischen Verwaltung wenig entwickelt, und ich bin der erste, der das bedauert. Aber es gibt Ansätze dazu. Die tatsächliche Situation ist folgende: Die Planungszellen, wie ich sie nennen möchte, sind unabhängig, denn diejenigen, die praktisch eine Abteilung des Ministeriums ausmachten, funktionierten nicht sehr lange, und zwar aus folgendem Grund. Der Minister findet sich vor dem Dilemma: Entweder hat er einen Planungsdirektor, der sehr mächtig ist, dann wird er sehr bald mächtiger als der Minister. Das zweite Hindernis, das sich vielleicht daraus ergibt, könnte sein, daß dieser Planungsdirektor im traditionellen administrativen Rahmen beratende Funktionen ausführt, was auf die Dauer ein Scheitern aller größeren angelegten Planungsprojekte bedeutet. Ich habe also gesagt, daß diese Planungszellen nicht lange in unserer Verwaltung funktionieren. Neben diesen Planungszellen in der Verwaltung haben sich unabhängige Zellen entwickelt, die nicht dem Ministerium angehören und die dem ähneln, was die Amerikaner auch kennen, eine Planung auf lange Sicht. Wir haben ein Plankommissariat in Frankreich, das langfristige Planungen und Voraussagen vornimmt. Diese Dienststelle ist sehr langlebig; das ist schon ein gewisser Erfolg. Es konnte sich eine innere Struktur schaffen, die es ihm ermöglicht, neue Ideen auszuarbeiten und in die Tat umzusetzen. Durch zahlreiche Unternehmungen ist es ihm gelungen, seine Ideen, auch seine Sorgen auf Ministerebene und auf der Ebene der Dienststellen durchzusetzen. Um diesen Punkt der Planung abzuschließen, möchte ich zweierlei sagen. Die unabhängigen Stellen, wie z. B. das Plankommissariat, sind nützlich und funktionieren relativ gut in der französischen Verwaltung, während die Planstellen innerhalb der Ministerien im allgemeinen zum Scheitern verurteilt sind. Die Planungstätigkeit ist, sobald sie innerhalb dieser Dienststelle stattfindet, letzten Endes Angelegenheit des Direktors und des Kabinettschefs. Im französischen Verwaltungsprozeß kann man nur führen, kann man nur leiten, wenn man das Geld hat. Was nun den dritten Punkt betrifft, möchte ich über die Rolle des Ministerkabinetts präzisieren. Von den Vorrednern wurden mir mehrere Punkte vorgelegt. Ich werde diese Punkte nun nacheinander behandeln. Der erste Punkt ist derjenige des Informationsflusses zwischen dem Kabinett und der Leitung. Zu diesem Punkt ist es sehr schwierig, allgemeine Angaben, die überall Gültigkeit haben, zu machen. Ich möchte trotzdem wagen, folgendes zu sagen: Ein Direktor wendet sich an das

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Kabinett in folgenden Fällen. Die erste Gelegenheit z. B. ist dann gegeben, wenn er dem Minister ein Papier zur Unterschrift vorzulegen hat. Bevor er das Papier zur Unterschrift vorlegt, muß er sich mit den technischen Beratern zusammensetzen, um den Gegenstand des Papiers zu erläutern, so daß der Minister oder der Kabinettsdirektor informiert darüber werden, was sie unterzeichnen. Aus diesem Grunde ist der Informationsfluß von unten nach oben so bedeutend. Es ist ein erster hierarchischer Punkt. Der zweite Grund, und der ist nicht zu unterschätzen, betrifft die Regelung von Streitfragen in einem Ministerium. Wenn sich zwei Dienststellen nicht einigen, können sie das Kabinett bitten, Stellung zu beziehen. Das war der erste Typ einer Streitfrage. Es gibt auch die Streitfälle zwischen zwei Ministerien, wenn also zwei ganz verschiedene Verwaltungsressorts sich über irgendeine Frage nicht einigen können. Sie werden dann ihr jeweiliges Kabinett über dieses Problem unterrichten und versuchen, die Frage regeln zu lassen. Ein dritter Fall für die Notwendigkeit dieses Informationsflusses zwischen Direktor und Kabinett wäre im Fall der freien Initiative der Direktoren zu sehen. D. h. jeder Gegenstand, der ihnen kurzfristig wichtig erscheint, wird dem Kabinett vorgelegt. Je nach der Meinung, die sie sich von der Bedeutung des Problemes machen, werden sie es also tun oder nicht. Der vierte Punkt. Die Ernennung von Personal und damit verbundene Fragen, Besoldungsfragen usw., können Gegenstand einer Anfrage beim Kabinett sein. Von oben nach unten wäre noch folgendes zu nennen: Die Richtlinien politischer Natur, die Orientierung der allgemeinen Politik einer Dienststelle. Diese Informationen haben recht allgemeinen Charakter und sind wenig präzise. Die Kommunikationsform ist vor allem mündlicher Art. Auf schriftlichem Wege wird nur bei sehr wichtigen Gegenständen verhandelt, die sehr schnell zu einer Entscheidung führen. Was den zweiten Punkt betrifft, so handelt es sich darum, wie das Kabinetteam zusammenarbeitet. Ist jedes Mitglied eines Kabinetts auf einem, irgendeinem Gebiet spezialisiert, oder ist es eine wirkliche Teamarbeit? In der Praxis findet man natürlich beides gemischt, aber ich könnte Ihnen einige Anhaltspunkte geben, einige Schwerpunkte nennen. Eine erste Feststellung bezüglich der Arbeitsmethoden im Kabinett. Diese Arbeitsmethoden hängen weitgehend vom Minister und vom Kabinettsdirektor ab. Es ist also eine persönliche Frage und nicht eine Grundsatzfrage. Ein Kabinett kann sehr verschiedene Arbeitsmethoden haben, je nachdem, ob Herr X oder Herr Y an der Spitze steht. Es gibt Kabinette, in denen die technischen Berater auf einem Gebiet, das ihnen zugewiesen wurde, alleine arbeiten. Nehmen wir z. B. das Kabinett des Finanzministers; dort könnte es eine Person geben, die sich mit allen Fragen internationaler Wirtschaft beschäftigt. Herr X z. B. ist beauftragt, alle internationalen Wirtschaftsfragen zu behandeln; infolgedessen ist er gegenüber den anderen Kabinettsmitglie-

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dem der einzig Zuständige und der einzige Richter für solche Fragen. In anderen Fällen gibt es ein wirkliches Kabinettskollektiv, wirkliche Teamarbeit; alle Vorschläge an den Minister werden kollektiv erarbeitet. Ein solches Kabinett tritt dann sehr oft zu Arbeitssitzungen zusammen, oft sogar mehrmals am Tage. In anderen Fällen sind solche Zusammenkünfte nur einmal in der Woche. Was die Integration der spezialisierten Arbeit der technischen Berater betrifft, so hängt es jeweils von der Persönlichkeit des Ministers und des Kabinettsdirektors ab, wie diese vonstatten geht. Was die Kompetenz der Kabinettsmitglieder betrifft, so kann man sagen, daß außerhalb der politischen Kompetenz des Ministers gewisse Kompetenzen der Kabinettsmitglieder wichtig sind, z. B. die finanzielle Kompetenz. Ein technischer Berater, hatte ich Ihnen gesagt, kann mit bestimmten finanziellen Fragen beauftragt werden, z. B. mit Haushaltsfragen, mit Finanzkontrolle oder irgend etwas anderem. Der zweite Zuständigkeitsbereich, der immer vorhanden ist, ist der der Personalverwaltung. Der dritte Bereich ist der Bereich der territorialen Aufteilung eines Ministeriums und seiner Dienststellen. Der vierte Bereich ist jener der speziellen Techniken; das Postministerium hat z. B. immer einen technischen Berater, der Experte in Fragen der Femmeldeeinrichtungen ist. Im Verteidigungsministerium gibt es immer einen technischen Berater, der Experte auf dem Gebiet von Rüstungsfragen ist usw. Ich brauche diese Beispiele nicht zu häufen. Neben diesen Kompetenzbereichen, die immer von einer bestimmten Person wahrgenommen werden, gibt es andere Bereiche, für die mehrere Personen zuständig sind. Das gilt z. B. für das Innenministerium, wo Fragen der territorialen Organisation entscheidend sind; hier sind mehrere Personen für Fragen der Organisation bei den Gebietskörperschaften zuständig. Eine Frage wurde mir noch gestellt, und zwar über die Kommunikation zwischen den einzelnen Kabinetten. Ich glaube, das ist sehr wichtig, vielleicht der wichtigste Punkt der Kabinettsarbeit überhaupt, denn der sehr elastische Organisationsmodus der Zusammenarbeit zwischen den Kabinetten ist hier ausschlaggebend. Wenn man will, kann man einen Gesetzesentwurf in zwei Tagen herausbringen, weil die Kabinettsmitglieder sich persönlich kennen, von einem Kabinett zum anderen, und sie keine besonderen hierarchischen Vorschriften brauchen, um miteinander in Kontakt zu treten und die nötigen Informationen vertraulich zu bekommen. Außerdem sind diese Beziehungen zwischen den Kabinetten dazu geeignet, Neuerungen einzuführen. Sie erlauben keine Planungen, denn das Kabinett hängt viel zu sehr vom Arbeitsrhythmus des Ministers ab, um sich mit mittel- und langfristigen Problemen zu befassen, aber es ermöglicht immerhin kurzfristige Neuerungen. Es können also z. B. Experimente in Gang gesetzt werden für Änderungen, die schnell vorgenom-

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men werden müssen. Man kann, glaube ich, sagen, daß alle Neuerungen in der französischen Verwaltung, die wirklich schnell zu etwas führen, ihren Ursprung in der dynamischen Haltung der Kabinette haben. Das wäre zur Kabinettsorganisation zu sagen. Diese ist sehr reichhaltig hinsichtlich der Ergebnisse und auch sehr wirksam, was die Koordinierung zwischen den Kabinetten betrifft, und auch hinsichtlich der Neuerungen auf kurzfristiger Basis. Nun zwei weitere Fragen. Ein psychologischer Aspekt: Zwischen einem jungen Kabinettsmitglied und einem alten Verwaltungsdirektor kann es zu psychologischen Schwierigkeiten kommen. Das wäre ein extremer Fall. Zweifellos können sich Probleme in den Beziehungen zwischen solchen Personen ergeben: zwischen dem jungen schwungvollen Mann und dem alten Kabinettsdirektor, der seit 40 Jahren dort arbeitet und alles im einzelnen kennt und sich natürlich nichts sagen lassen will von seiten junger Mitarbeiter. Diese Schwierigkeiten waren zu Beginn unserer Praxis, d. h. zu Beginn der Existenz der Kabinette, sehr ausgeprägt und haben sich inzwischen etwas arrangieren lassen. Wieso ist es da zu einer Besserung gekommen? Zunächst, weil die Kabinettsmitglieder Beamte sind und keine Politiker; ich komme auch darauf noch zu sprechen. Beamte also, die eine Auffassung von ihrem Beruf haben, die sich doch von der der Politiker unterscheidet. Außerdem ist ihre Beziehung zu den Kabinettsdirektoren viel stärker als die zu Politikern. Das ist ein erstes Element. Das zweite Element: Sehr oft hängen die technischen Berater, was ihre zukünftige Laufbahn betrifft, von den betreffenden Kabinettsdirektoren ab. Da ist man natürlich, um die Empfindlichkeit der einen oder anderen zu schonen, auf Rücksichtnahme gezwungen, von der einen Seite und von der anderen. Die Beziehungen zwischen diesen beiden Ebenen sind auch nicht hierarchischer Art, nicht die Beziehungen vom Untergebenen zum Vorgesetzten. Ein dritter Punkt, der diese psychologischen Schwierigkeiten erklärt, und auch erklärt, daß sie letzten Endes nicht wesentlich sind: Die Kabinettsdirektoren arbeiten gern unter dem Schutz des Kabinetts, wenn es um schwierige Entscheidungen geht. Es ist natürlich bequem, auf einen jungen Mitarbeiter, der vielleicht nicht immer sehr kompetent ist, die Verantwortung abzuwälzen, wenn es um eine schwierige Sache mit unsicherem Ausgang geht. Schwierigkeiten dieser Art sind nicht sehr häufig; wenn der technische Berater nur einige menschliche Qualitäten hat, gibt es überhaupt keine Schwierigkeiten. Wenn er aber keinerlei menschliche Qualitäten hat, um den Kabinettsdirektor in seinen täglichen Sorgen zu verstehen, dann ist es natürlich klar, daß es zum Scheitern jedes Unternehmens kommen muß. Ein solches Scheitern fällt letzten Endes auf den technischen Berater zurück und nicht auf den Kabinettsdirektor. Ein letzter Punkt betrifft die Auswahl der Kabinettsmitglieder, und damit bin ich dann auch fertig. Das ist keine einfache Frage. Der einzige

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feste Punkt, den wir da finden, ist der, daß die Kabinettsmitglieder fast alle Beamte sind. Also ihre Einstellung geht nach dem Beamtenrecht vonstatten. Das ist der einzige Anhaltspunkt hier. Außerdem gibt es zwei Einstellungsverfahren. Das erste: Die Auswahl bestimmter Beamtencorps delegieren in ein Ministerkabinett. Das wäre die erste Möglichkeit der Einstellung. Die zweite Möglichkeit: Ein Kabinettsdirektor schickt einen Vertreter in ein Ministerkabinett. Das wäre die zweite Möglichkeit. Eine dritte Möglichkeit entwickelt sich immer mehr: Die Wahl durch den Minister, der zum Beispiel einen technischen Berater bestimmt, dessen besondere Fähigkeit auf dem einen oder anderen Gebiet er vielleicht kennt, weil dieser technische Berater schon Forschungen unternommen hat, Veröffentlichungen hat, Arbeiten durchgeführt, die der Minister zufällig kennt, bei dieser oder jener Gelegenheit kennengelernt hat. Das wären die wesentlichen Möglichkeiten. Die Zusammensetzung der Ministerkabinette unterlag einer raschen Entwicklung. Vor 10 Jahren gab es noch viele staatsrechtliche Berater im Ministerkabinett, während es diese jetzt nur in Ausnahmefällen gibt. Umgekehrt ist die Finanzinspektion, also die finanzielle Kompetenz gegenüber der juristischen Kompetenz, ein Gebiet, das sich immer weiter ausgedehnt hat. Die letzte Tendenz, die sich bemerkbar gemacht hat, war die Entwicklung der Einstellung technischer Experten für bestimmte Bereiche. Dieser Bereich nimmt an Bedeutung im Ministerkabinett ständig zu. Und damit möchte ich schließen, und ich hoffe, daß ich in etwa auf die Fragen, die mir gestellt wurden, geantwortet habe. von Oertzen: Ich möchte einmal versuchen, Überlegungen für einen konkreten Lösungsvorschlag bei der Führungszwischenschicht anzustellen. Dabei sollte jedoch bedacht werden, was bei der Diskussion der Grundorganisationseinheit angesprochen wurde, daß es nämlich in organisatorischer Sicht nicht nur eine mögliche Lösung gibt, sondern sicherlich mehrere. Ein Ziel von Lösungsvorschlägen sollte aber sein, die Vielfalt der Vertikalstufen im Ministerium zu reduzieren. Die Funktionsfähigkeit und die Stärke der Führungszwischenschicht wird mit davon abhängen, wieweit es gelingt, die Zahl der Vertikalstufen zu verringern.

Ich gehe davon aus, daß die Führungszwischenschicht folgende Funktionen hat: eine Leitungs- einschließlich Entscheidungsfunktion in ihrem Aufgabenbereich, eine Koordinierungsfunktion für ihren Aufgabenberech und schließlich als vielleicht wichtigste Funktion, Bindeglied zu sein zwischen Ressortleitung und Grundorganisationseinheit, und zwar sowohl im Entscheidungsprozeß wie im Informationsftuß. Insbesondere für die Bindeglied-Funktion wäre es von Vorteil, wenn die Führungszwischenschicht nur noch eine Stufe darstellen würde. Wie könnte man dies erreichen?

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Mit der Führungszwischenschicht sind angesprochen Abteilungsleiter, Unterabteilungsleiter und auch Hauptabteilungsleiter, wo sie vorhanden sind. Man könnte daran denken, Aufgabenteilungen zwischen diesen einzelnen Funktionsträgern vorzunehmen. Ich möchte darauf nicht weiter eingehen, sondern eigentlich das am weitesten gehende Modell ansprechen, nämlich die kollektive Führung. In Bereichen, in denen nicht nur ein Abteilungsleiter vorhanden ist, sondern außer diesem noch mehrere Unterabteilungsleiter, müßten diese als eine Einheit zusammengefaßt die Leitung der Abteilung bilden. Für die Ressortleitung und die Grundorganisationseinheiten wäre dann nur eine Instanz im Bereich der Führungszwischenschicht vorhanden; der inneren Organisation dieser Instanz bliebe es überlassen, den internen Informationsfluß zu regeln und unter sich Zuständigkeiten zu verteilen, und zwar Zuständigkeiten für die Entscheidung, für die Vertretung und für alle Fälle, in denen sich die beteiligten Personen als Kollegium mit einer Sache zu befassen hätten. Der kollektiven Leitung der Abteilung könnte das Grundsatzreferat der Abteilung oder eine andere Einheit als Sekretariat dienen. Ich möchte dieses Beispiel nicht weiter ausführen. Es sollte nur deutlich machen, daß es auch für Lösungsmöglichkeiten im Bereich der Führungszwischenschicht ein breites Spektrum gibt. Welche der Lösungen dann im Einzelfall angewandt werden kann, hängt - wie bei den Grundorganisationseinheiten - nicht allein von organisatorischen überlegungen ab; bei der Entscheidung für eine kollektive Leitung der Abteilung kommt dem personellen Aspekt sicherlich die größte Bedeutung zu. Wenger: Ich möchte zu Herrn Kölbles Referat und Thesen nur ein paar kurze Bemerkungen machen. Fürs erste mag es logisch und organisationstechnisch durchaus ideal erscheinen, innerhalb eines Ressorts größere sachlich zusammenhängende Aufgabenbereiche in einer Abteilung zusammenzufassen (These VI). Ich frage mich daher, ob dies gerade für die "Rechtsangelegenheiten" eines Wirtschaftsressorts überhaupt realisierbar sein kann. Wenn ein Ministerium, wie z. B. das österreichische Bundesministerium für Handel, Gewerbe und Industrie, nicht nur sog. Planungsaufgaben zu erfüllen hat, sondern auch, ja vielleicht sogar primär als letzte Instanz in Verwaltungsverfahren tätig wird, so setzt das eine subtile Kenntnis sowohl der in Betracht kommenden rechtlichen Regelungen als auch der technisch-wirtschaftlichen Zusammenhänge der einschlägigen Fachgebiete bei den mit der Entscheidung befaßten Beamten voraus. Das gilt sowohl für die in dem genannten Ministerium eingerichtete Gewerbesektion als auch für die ebenfalls dort eingerichtete Oberste Bergbehörde und für die dortige Gruppe Straßenverkehr. Ähnliches ist m. E. auch für die gerade in einem Rechtsstaat eng mit jeder Planungstätigkeit verbundene legistische Arbeit zu bedenken.

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Auf Grund meiner früheren Erfahrungen sowohl in der Staats- als auch in der beruflichen Selbstverwaltung bin ich auch skeptisch, ob sich die in These I/2 geforderte Vermeidung interministerieller Überschneidungen der Fachabteilungen verwirklichen läßt. Ja, ob die Realisierung einer solchen Forderung im modernen Wirtschafts- und Sozialstaat überhaupt wünschenswert wäre. Ich möchte dies im Beispiel der geltenden ministeriellen Zuständigkeitsordnung für Außenhandels fra gen in Österreich zu verdeutlichen versuchen. Wir haben eine für Außenhandelsfragen zuständige Sektion nicht nur im Bundesministerium für Handel, Gewerbe und Industrie, sondern auch eine handelspolitische Sektion im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft und schließlich eine gleichfalls mit handelspolitischen Agenden befaßte wirtschaftspolitische Sektion im Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten. Diese Dreigleisigkeit mag fürs erste unrationell erscheinen. Wenn man aber berücksichtigt, daß heute sowohl in der Industrie- und Gewerbepolitik als auch in der Agrarpolitik und nicht zuletzt in der eigentlichen Außenpolitik in einem stark außenhandelsabhängigen Land dem Warenverkehr mit dem Ausland eine zentrale Rolle zukommt, dann sieht die Sache schon etwas anders aus. Es sind nämlich jeweils sachlich verschiedene Aspekte der Außenhandelspolitik zu koordinieren. Diese Koordination erhält noch eine verstärkte Bedeutung, wenn man die seit Jahrzehnten eingespielte Kooperation zwischen den Fachministerien und den beruflichen Interessenverbänden, hier also der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft und der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern, mit ins Kalkül zieht. Bis zum Jahre 1966 war ich selbst geneigt, die Verbindungen der Ministerien zu den Verbänden primär aus der Parteizugehörigkeit der Minister zu erklären. Seit dem Ende der Koalition der bei den Großparteien im Jahre 1966, insbesondere aber seit Beginn der SPÖ-Alleinregierung im Jahre 1970, hat sich jedoch gezeigt, daß diese Kooperation Ministerien - Verbände doch viel stärker von der Sache her bestimmt ist, als man fürs erste annehmen mochte. Ich glaube, wir sollten ruhig zur Kenntnis nehmen, daß es sehr wohl im Sinne einer Gesamtentscheidung liegen kann, die möglichst allen nun einmal pluralistisch verteilten Interessen gerecht wird, wenn bestimmte Sachgebiete von verschiedenen Stellen gleichzeitig behandelt werden. Freilich nur, sofern diese Stellen sowohl von ihrem Gesamtaufgabenbereich als auch von ihren institutionellen Bindungen und Verbindungen her hinreichend gewährleisten, daß insbesondere bei komplexen Problemen deren verschiedene Sachaspekte gesehen und berücksichtigt werden. Denken Sie aber auch, um ein anderes Gebiet zu nennen, an die Arbeitsmarktförderung. Bei dieser seit 1969 in einem eigenen Bundesgesetz geregelten Materie haben wir im wesentlichen eine Doppelkompetenz: Das Bundesministerium für soziale Verwaltung, dem die Arbeits-

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marktbehörden unterstellt sind und das gleichzeitig Aufsichtsbehörde der Kammer für Arbeiter und Angestellte ist, hat in erster Linie die Auswirkungen auf dem Arbeitsmarkt i. e. S. zu beurteilen. Das für Industrie- und Gewerbepolitik zuständige Bundesministerium für Handel, Gewerbe und Industrie, das gleichzeitig Aufsichtsbehörde der Kammer der gewerblichen Wirtschaft ist, dagegen hat die strukturpolitischen Auswirkungen arbeitsmarktfördernder Maßnahmen zu prüfen und bei seinen Entscheidungen zu berücksichtigen. Auch hier also ein Fall von Koordination, wo man sich fragt, ob sie sich durch eine fachliche Konzentration wirklich sinnvoll ersetzen läßt. Und nun noch ein paar Anmerkungen zu den Thesen III/2 und IV/2. Ich möchte sie mit der Überschrift "Ministerverantwortlichkeit" versehen. Die österreichische Bundesverfassung verankert für die Bundesverwaltung eindeutig das monokratische System. Soweit ich sehe, ist diese Tendenz viel stärker als etwa in der BRD, wo das Grundgesetz für die Bundesregierung auch starke Anklänge an das Kollegialsystem zum Tragen bringt. Nach dem österreichischen B-VG ist nicht nur der Regierungschef, sondern auch jeder Minister direkt dem Parlament verantwortlich; auch für die Entscheidungen, die er als Chef der obersten Instanz in einem Verwaltungsverfahren trifft. Wenn ein Staat nur eine einstufige, zentralisierte und im wesentlichen nur kassatorische Verwaltungsgerichtsbarkeit, dafür aber einen mehrstufigen, regelmäßig beim Minister endenden administrativen Instanzenzug kennt, ist es sehr fraglich, ob es sich mit dem Grundsatz einer demokratischen Verwaltung vereinbaren läßt, die letzte Entscheidung in einer Verwaltungs sache auch formell einem Beamten unterhalb der Ministerebene zu übertragen. Dies gilt um so mehr, als gerade in den für die moderne Wirtschaftsverwaltung typischen Ermessensfällen oft auch starke politische Elemente hereinspielen. Denken Sie nur an Fälle wie die Betriebsanlagengenehmigung einer Pipeline oder an die amtliche Festlegung von Höchstpreisen etwa für Grundnahrungsmittel, elektrischen Strom oder die Tarifgenehmigungen für Straßenbahnen oder Kraftfahrlinien. Auch wenn derartige Entscheidungen im "Sinne des Gesetzes" erfolgen müssen, so wird ihr Inhalt oft nicht zuletzt von den wirtschaftspolitischen Grundvorstellungen des Entscheidenden abhängen, die in den Gesetzen selbst nicht immer eindeutig zum Ausdruck kommen und daher einer politischen Legitimation i. e. S. bedürfen, sohin in der Demokratie auch politisch zu verantworten sind. Wenn ich aus diesen bewußt an praktischen Beispielen anknüpfenden Anmerkungen ein Resurne ziehen darf, so dieses: Bei Überlegungen über eine Reform der Verwaltungsorganisation kommt es nicht nur darauf an, die formale Organisationsstruktur als solche zu analysieren. Ebenso

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wichtig ist es, zu untersuchen, unter welchen Voraussetzungen diese Organisationsstruktur gleichsam gewachsen ist. Diese Voraussetzungen sind teils gesellschaftlicher, teils staatsrechtlicher, teils sogar sozialpsychologischer Natur. Wenn man aber diese Elemente mit berücksichtigt, wird man wahrscheinlich in der Organisationstechnik nur zu einer Kompromißlösung kommen können. Leemans: Einen Punkt möchte ich erwähnen, der heute nachmittag noch nicht erwähnt wurde, obwohl heute morgen es doch ein wichtiger Aspekt zu sein schien: das Personal. Es scheint, daß es eine Reihe wichtiger Faktoren gibt, die die personelle Situation der Beamten des höheren Dienstes eines Ministeriums und die Rolle innerhalb der Führungsschicht des jeweiligen Ministeriums anbelangen. Es gibt zwei oder vielleicht drei Variable, die ich hier betonen möchte. Erstens einmal gibt es das Problem der politischen Struktur der Führungsschicht der Ministerien. Ganz gewiß ist dies sehr wichtig für das Funktionieren der höheren Beamtenschicht, in welchem Ausmaße es eine politische Führung gibt. Gibt es einen "deputy"-Minister oder einen parlamentarischen Staatssekretär, dann ist es wahrscheinlich, daß dies die Rolle der Beamten beeinflussen wird. Auch die technische Abteilung wird es beeinflussen. Die Rolle wird nicht allzu politisch sein, die Formulierung von Zielvorstellungen wird nicht so wichtig sein wie in einem Falle, wo es nur einen politischen Chef, den Minister, gibt. Zweitens scheint mir auch sehr wichtig, was die Gestaltung der höheren Dienste der führenden Abteilung eines Ministeriums angeht. Es gibt zweierlei Kategorien oder Klassifizierungen dieser Führungsschicht. Erstens einmal gibt es eine Unterscheidung zwischen den Generalisten und den Spezialisten. Wie wir alle wissen, hat Großbritannien das Muster der Generalisten im höheren Beamtendienst. In anderen Ländern dagegen, wie in Holland, haben wir ein anderes Muster. Hier gibt es viel mehr spezialisierte Abteilungen und Spezialisten in allen Dienstgraden, die dann auch zu führenden Positionen aufsteigen. Diese kommen also immer mehr in die Generalistenpositionen. Dennoch haben sie all die Qualitäten der Spezialisten, und zwar zusammen mit den Qualitäten der Generalisten. Ich glaube also, daß in diesem Falle das Verhältnis zwischen der politischen Führungsschicht oder dem politischen Führer des jeweiligen Ministeriums und den führenden Beamten ganz gewiß beeinflußt sein wird von der Frage, ob die führenden Beamten Spezialisten oder Generalisten sind. Wenn sie Spezialisten sind, dann meine ich, ist doch die Tendenz zu einer stärkeren Beeinflussung der Zielvorstellung und der politischen Affären gegeben. In Holland hat es sich gezeigt, daß in vielen Fällen die Minister sehr stark beeinflußt wurden von dieser Kombination von Generalisten und Spezialisten unter den höheren Beamten. Vielleicht sehr viel mehr von den Spezialisten beeinflußt als von den Generalisten.

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Eine weitere Klassifizierung ist die Unterscheidung zwischen den Juristen als höheren Beamten und wiederum den Spezialisten. In der europäischen Tradition nun - und dies schließt Frankreich, England, die Niederlande, Deutschland und Belgien ein - glaube ich, daß allgemein Juristen als Generalisten angesehen wurden, weil sie meistens Führungspositionen einnahmen, weil sie Menschen waren, die eine weite Bildung hatten und am besten gerüstet waren für weiten Informationsumfang und für politische Aufgaben. Ich glaube, daß wir nun zur Schlußfolgerung gekommen sind, daß dies ein sehr großes Vorurteil ist, trotz der Tatsache, daß nun die meisten Juristen in diese Positionen vorgerückt sind. Nun möchte ich noch auf einen Bericht aufmerksam machen, der in Holland veröffentlicht wurde. Ungefähr vor drei Jahren hat die Regieru,ng einen Ausschuß gebildet, der aus verschiedenen Personen aus den verschiedenen Fachdisziplinen bestand. Die Aufgabe dieses Ausschusses war es, eine ideale Gestaltung der Ressortverteilung für das Kabinett nach den Wahlen 1971 aufzustellen. Die Regierung war sehr optimistisch, weil sie glaubte, daß dies möglich wäre und tatsächlich die politische Wirklichkeit und auch die Struktur der politischen Koalitionsregierung, die wir in Den Haag haben, beeinflussen würde. Ich muß noch hinzufügen, daß die Schlußfolgerung des Berichtes war, daß die Anzahl der Ministerien gleichbleiben sollte, daß aber vielleicht ein Ministerium sogar ganz beseitigt werden sollte, und zwar jenes der Landwirtschaft. Der einzige Grund, weswegen das Ministerium jedoch erhalten blieb, war der Blickwinkel des internationalen Prestiges; es schien für die Verhandlungen in Brüssel einfach notwendig, daß auch die Landwirtschaft in Brüssel von einem Minister vertreten sei. Es ist sehr interessant zu sehen, wie die internationalen Beziehungen und die internationale Organisation die Struktur einer Regierung innerhalb eines Landes beeinflussen können. Es erwies sich aber als sehr schwierig, eine Koalition zu bilden. Die einzige Lösungsmöglichkeit für eine Kabinettsgestaltung war eben, die Ministerienanzahl um zwei zu erhöhen. Das heißt also, daß der Bericht nicht den Erfolg hatte, den man glaubte. Die finanziellen Folgen waren erheblich: man hatte kalkuliert, daß die Aufstellung eines neuen Ministeriums für Soziale Ordnung und Gesundheit und dazu auch noch für Umwelt ungefähr 11/2 Mill. Mark kosten würde. Ich glaube, der Bericht ist sehr relevant für unsere Diskussion hier, weil nämlich der Ausschuß einen Umriß gegeben hat für fünf verschiedene Modelle der politischen Führungsebene eines Ministeriums. Das erste Modell ist, daß es nur einen Minister geben soll. Das zweite Modell sagt, daß es einen Minister geben soll mit einem oder zwei parlamentarischen Staatssekretären, die jeweils spezialisiert sind. - Ich sollte hinzufügen, daß wir in Holland Minister und Staatssekretäre haben, die außerhalb des Parlaments er-

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nannt werden können. - Jeder Staatssekretär sollte dann eine spezielle Sektion unter seiner Führung haben. Modell 3: Ein Minister mit einem Parlamentarischen Staatssekretär, der die Verantwortung trägt über das ganze Ministerium und somit zu einem Junior-Minister wird. Modell 4 schlägt vor: Ein Minister mit einem Junior-Minister und einem oder mehreren spezialisierten Parlamentarischen Staatssekretären. Und schließlich als fünftes Modell: Ein Minister mit einem Parlamentarischen Staatssekretär für jede der verschiedenen Hauptabteilungen des jeweiligen Ministeriums. Ich werde nicht allzu sehr die Vor- und Nachteile hier aufzählen, jedoch ist es sehr interessant zu sehen, daß Vorschläge gemacht wurden für alle Ministerien und man zu dem Ergebnis kam, daß für alle Ministerien dasselbe Modell nicht praktikabel wäre, daß vielmehr ein Modell anwendbar wäre für ein besonderes Ministerium gemäß seiner Struktur und seiner Aufgaben. Dies also sind die Richtlinien. Ich glaube wir brauchen nicht eine starre Struktur, sondern vielmehr eine flexible Struktur und eine Anpassung der Struktur an die politische Führungsschicht und an die höheren Beamten. Kölble: Ich will hier vor allem nur noch zu zwei Punkten etwas sagen, zu denen hier Fragen oder Gegenthesen gestellt bzw. entwickelt worden sind. 1. Stichwort: Stellvertreter des Abteilungsleiters. Es ist hier durchaus mit Recht eine gewisse Skepsis geäußert worden, dahingehend, ob es wohl einen Sinn hätte, diese Einrichtung auszudehnen, wenn sich am Schluß doch nur so etwas wie eine neue Form eines Unterabteilungsleiters ergeben würde. Selbstverständlich ist nicht an so etwas gedacht. Der ständige Vertreter des Abteilungsleiters hat überhaupt nur dann einen Sinn, wenn ein Teil der Entscheidungsprozesse bei ihm endet und ein anderer Teil beim Abteilungsleiter. Sonst hat die Sache keinen Zweck! Dabei muß es dem Abteilungsleiter überlassen werden, ob er sich selbst mehr den Routineangelegenheiten widmet und die Schwerpunktaufgaben dem ständigen Vertreter überläßt oder aber, ob er umgekehrt sich selbst den Schwerpunktaufgaben zuwendet und die Routineangelegenheiten den ständigen Vertreter erledigen läßt. Auf jeden Fall hätte dies den Vorteil, daß eine Hierarchiestufe gespart wird, weil der Referent im Einzelfall nur noch mit einer Führungsstufe zu tun hat, je nachdem wie der Abteilungsleiter sich die Geschäfte mit seinem ständigen Vertreter teilt. Diese Art der Teilung wird im übrigen auf der Referatsebene schon mit Erfolg praktiziert. Denn es wird seit langem vielfach schon so verfahren, daß der Referent, wenn ein größerer Gesetzentwurf im Referat zu entwickeln ist, dies entweder selbst - ggf. mit Unterstützung von Hilfskräften - tut und seinen Hilfsreferenten die anderen Referatsgeschäfte erledigen läßt oder aber umgekehrt die Entwurfsarbeit dem Hilfsreferenten überläßt. Es handelt sich also um eine Praxis, die auf

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der unteren Ebene bereits durchaus eingespielt ist und die es eigentlich jetzt nur gelten würde - natürlich mit den gebotenen Modifikationen mehr als bisher auf die nächsthöhere Hierarchiestufe zu übertragen. Es ist auch gefragt worden, was denn der ständige Vertreter für einen Sinn hätte, wenn der Abteilungsleiter anwesend wäre. Ich glaube, das habe ich damit beantwortet. Denn der Abwesenheitsvertreter ist eigentlich gar kein ständiger Vertreter in dem hier vorgeschlagenen Sinne. 2. Und nun noch ein Wort zu der hier aufgeworfenen Frage, was denn eigentlich mit der Autonomie des Abteilungsleiters gemeint sei. Ich habe eine Autonomie des Abteilungsleiters nur in einem ganz beschränkten Sinne vorgeschlagen, nämlich in zwei Punkten: Einmal hinsichtlich der Frage, ob die Hilfsreferenten und Sachbearbeiter starr an die Referatsgrenzen gebunden sein sollen, oder ob es dem Abteilungsleiter überlassen bleiben muß, dann, wenn in einem Referat besonders vordringliche oder umfangreiche Arbeit zu leisten ist, einen Sachbearbeiter oder einen Hilfsreferenten vorübergehend aus dem einen Referat in das andere hinüberzunehmen. Praktisch wird das ja auch vielfach schon gemacht. - Ich kann jedenfalls für meinen Bereich sagen, daß dort seit langem entsprechend verfahren wird. Sobald man feststellt, daß in einem Referat besonders große oder vordringliche Arbeiten anfallen, während in einem anderen Referat vorübergehend weniger zu tun ist, nimmt man vorübergehend den einen oder anderen aus dem Referat heraus und teilt ihn dort zu, wo der Schwerpunkt liegt oder die dringliche Aufgabe zu erfüllen ist. Ich habe auch nie erfahren, daß das bei den Betroffenen Schwierigkeiten gemacht hätte. In meiner Unterabteilung gibt es z. B. eine Hilfsreferentin, die buchstäblich alle 8 Referate der Unterabteilung kennt, weil sie in allen schon einmal ausgeholfen hat, und die das durchaus gerne tat. Die andere Art von Autonomie würde bedeuten, daß für Aufgaben, für die sich eine solche Form anbietet, der Abteilungsleiter die Möglichkeit haben muß, gewissermaßen neben seinen ständigen Referaten vorübergehend eine Arbeitsgruppe aus Mitgliedern dieser Referate zu bilden - etwa für eine Querschnittaufgabe bis diese erledigt ist. An eine weitere Autonomie habe ich nicht gedacht. Ich glaube, eine solche würde bei den Organisationsreferaten auf erheblichen Widerstand stoßen und kaum Aussicht haben, von den Zentralabteilungen hingenommen zu werden. 3. Dann ist hier noch die Frage aufgeworfen worden, ob es nicht auch eine haushaltsrechtliche Autonomie des Abteilungsleiters geben sollte. Hierzu bedauere ich nichts sagen zu können, weil ich mir diese Frage noch nicht vorgelegt habe. Ich habe in meinem Bereich ein Bedürfnis danach auch noch nicht feststellen können. 16 Speyer 48

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4. Schließlich noch eine letzte Bemerkung, die Sie mir bitte gestatten wollen: Es ist hier bezweifelt worden, ob es sinnvoll wäre, die Verwaltungsfunktionen ganz aus dem Ministerium herauszunehmen, weil die Gefahr bestehe, daß dann das Wissen der Ministerialverwaltung von den Fakten und ihre praktische Erfahrung zu gering werden und damit das Niveau der wissenschaftlichen Beratung der Politik und der Unterstützung der Regierung leiden würde. Diese Gefahr ist selbstverständlich da, und ich bin der letzte, der sie leugnet oder auch nur bagatellisiert. Man muß ihr begegnen, und ich meine: Hier gibt es ein geeignetes Mittel, das leider in unserer Verwaltung fast nicht praktiziert wird, vielleicht zum Teil aus verfassungsrechtlichen oder besser gesagt föderalistischen Gründen auch nicht praktiziert werden kann. Ich denke an die ständige Rotation zwischen demjenigen, der im Ministerium - neuen Stils - sitzt und dem, der draußen in der Verwaltung ständig den Wind der Praxis um die Ohren wehen spürt. Ohne eine solche Rotation würde allerdings eine derartige Lösung, also Trennung sämtlicher Verwaltungsfunktionen von den eigentlichen regierungsunterstützenden Funktionen, wohl in der Tat zu einem Zustand führen, in dem oben ein Defizit an Verwaltungswissen, an praktischer Erfahrung besteht. Hegelau: Ich darf anknüpfen an das, was Herr von Oertzen hier auf die Tagesordnung gebracht hat und wozu Herr Kölble eben nochmals Stellung genommen hat. Ich darf aber vielleicht eine Vorbemerkung vorausschicken: Wenn ich hierhergekommen wäre, um mir bestätigen zu lassen, daß alle die Mängel, die ich im beruflichen Alltag empfinde, auch von anderen empfunden werden, und daß andere sogar noch viel mehr Mängel empfinden, dann wäre ich voll auf meine Kosten gekommen. Bei der Analyse der Ursachen bietet sich schon ein etwas differenzierteres Bild und bei den Verbesserungsvorschlägen ist eine breite Skala von Möglichkeiten aufgezeigt worden, wobei allerdings die behutsamen Vorschläge die Oberhand haben. Ich habe sehr viel Verständnis für diese Behutsamkeit des Vorgehens. Es gibt dafür auch eine ganze Reihe von sehr triftigen Gründen. Es ist davon gesprochen worden, daß man beim Personal ansetzen muß, daß man bei der einen oder anderen es sind letztlich alle genannt worden - strukturellen Einheit und Ebene - ansetzen müsse. Es ist die Frage diskutiert worden, was die Aufgabe des Referats sein soll und was gegebenenfalls an der derzeitigen Referatsstruktur geändert werden könnte. Es ist leider weniger davon gesprochen worden, daß vielleicht auch mit dem vorhandenen Apparat bei anderen Einstellungen und Verfahrensweisen andere, um nicht zu sagen bessere, Ergebnisse erzielt werden könnten. Nun die Frage, was ist zu tun: Man kann natürlich eine Sammlung aller Aspekte anlegen, die man für eine gute Organisation berücksichtigen müßte. Es wird viele - auch einander widersprechende - Aspekte geben, so daß man von da aus

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kaum zu einem Ergebnis kommt. Ich würde es vorziehen, eine Auswahl der Aspekte zu treffen, eine relativ geringe Auswahl, denen man die größte Priorität zuweisen will. Vor allem müßte in etwa die Generalrichtung erkennbar sein, der die jetzt vorzunehmenden und in Zukunft vorzunehmenden Änderungen folgen sollten. Was den Bereich der Planung betrifft, so würde ich es nicht wagen, jetzt - auf irgendeiner Ebene - eine halbwegs endgültige Organisation, eine neue Organisation, vorschlagen zu wollen. Mir schwebt als Wunschvorstellung vielmehr eine Lösung vor, die den Apparat instand setzt, die künftigen Aufgaben frühzeitiger, konkreter zu erkennen und künftig weniger reaktiv, sondern innovativ vorausschauend die Organisation laufend auf die Lösung dieser zukünftigen Aufgaben einzurichten. Das alles würde voraussetzen, daß wir uns sehr viel breiter als bisher mit den künftigen Verfahrensweisen, Verhaltensweisen, Methoden auseinandersetzen, als das bisher geschehen ist. Eine andere Frage: Für mich steht es ganz außer Zweifel, daß die Fachplanungen in den Ressorts gemacht und nicht von irgendeiner zentralen Stelle vorgenommen werden können. Es ist so viel Sachverstand in den Ressorts vorhanden, der genützt werden kann, genützt werden muß und der unmöglich dupliziert werden kann oder noch verbessert werden kann in einer zentralen Einheit. Die Frage ist aber: Wer plant denn die künftigen Fachplanungen? Ist es eigentlich ganz selbstverständlich, daß die Dinge, die jetzt schon geplant werden, auch weitergeplant werden und vor allem wie, sollen künftige Planungen geplant werden? Herr Kölble hat darauf hingewiesen, die Planungsbeauftragten sollen eher mit dem Bundeskanzler zusammenarbeiten. Ich würde es für besser halten, wenn wir sagen, die Planungsbeauftragten sollen besser mit dem Kabinett zusammenarbeiten, darauf hat ja Herr Theis auch schon hingewiesen. Wenn wir jetzt entsprechend Ihrem Thesenkatalog behutsame Änderungen vornehmen würden, wäre für mich die Frage, passen denn diese Änderungen auch dann noch, wenn wir später methodisch und verfahrensmäßig weiter sind? Sie haben sehr richtig angemerkt, daß neue Verfahren entwickelt werden müssen. Nur die Frage von wem und wo? Ich würde für organisatorische Änderungen einen Einstieg wählen, der an den Engpässen, an denen wir jetzt im Moment am meisten leiden, und das sind wohl die Hausleitungen und es sind 2. die Abteilungsleiter, daß wir da ansetzen, um eine möglichst große Entlastungmöglichkeit zu schaffen, um Zeit zu gewinnen für laufende Diskussionen mit Referenten, Arbeits- und Projektgruppen, Planungsstäben usw.

VIERTER TEIL

Die Organisation der Querschnittsaufgaben (Organisation, Haushalt, Personal)

I. Institutionelle Tätigkeiten: Organisation, Personal, Finanzen und Haushalt Von Eugen Pusie

Einführende Bemerkungen über die Terminologie Der vorgeschlagene Titel dieses Referates lautete in Deutsch: Die Organisation der Querschnittsaufgaben (Organisation, Personal, Haushalt) Der Begriff "Querschnittsaufgaben" ist riskant zu übersetzen. Verschiedene "Querverbindungen" in den Abteilungen oder Ministerien der zentralen Verwaltung sind möglich, und es ist zu erwarten, daß jede ein anderes Ergebnis hervorbringt. Der Untertitel erleichtert jedoch die Aufgabe. Was wäre eine zutreffende gemeinsame Bezeichnung für die Tätigkeiten, die "Organisation, Personal, Finanzen und ,housekeeping'" genannt werden (wenn angenommen wird, daß das Wort ,Haushalt' die letzteren erfaßt)? In der klassischen englischen und amerikanischen Verwaltungsliteratur scheinen drei Begriffe am häufigsten benutzt zu werden: staff, auxiIiary und institutional activities. Der Begriff "staff activities" wird immer mehr kritisiert, weil er zu weit und zu ungenau ist; und tatsächlich wird er immer weniger benutzt. ,Auxiliary activities', obwohl von überzeugenden Meinungen vertreten, scheint unnötigerweise eine geringschätzige Beschreibung von ,Arbeit' zu sein, die von Natur aus weder besser noch schlechter, im Prinzip weder mehr noch weniger wichtig ist als in anderen Funktionen, die in einem großen Verwaltungssystem ausgeübt werden. Der Begriff ,institutional activities', der ebenso achtbar ist - er geht zurück auf W. F. Willoughbys "Principles of Public Administration" (Washington D. C. 1927) -, scheint zu überleben, weil die anderen Begriffe von der Benutzung ausgeschlossen werden. Eine sehr klärende Auseinandersetzung der entsprechenden terminologischen Probleme in Deutsch findet man in: Klaus Dammann, Stäbe, Intendanturund Dacheinheit; Die deutschen Verwaltungen und der Ertrag der Stabsdiskussion (earl Heymanns Verlag, Köln 1968), u. a. S. 28, 48, 58. In der sowjetischen zentralen Verwaltung unterscheidet man drei Typen von Funktionen: Funktionen der allgemeinen Organisation (Koordination, Vorbereitung von Entscheidungen, Kontrolle), spezialisierte Funktionen (Planung,

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Lieferung und Verkäufe, Personalpolitik etc.) und Hilfsfunktionen wie Buchhaltung und andere routinemäßige Bestandteile der Finanzverwaltung, gewöhnlicher Bürobetrieb. (Vgl. W. G. Wischnajkow, Die innere Struktur des sowjetischen, staatlichen Leitungsorgans, in: Fragen der wissenschaftlichen Organisation der staatlichen Leitung in der UdSSR, Band I - Deutsche Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft "Walter Ulbricht", Potsdam-Babelsberg, AG/602/54/70.)

A. Beachtenswerte Tendenzen in der öffentlichen Verwaltung Die Tendenzen, die einen erheblichen Einfluß auf die Verwaltung der Abteilungen der Zentralregierungen im allgemeinen und auf institutionelle Tätigkeiten im besonderen ausüben, müssen gesondert betrachtet werden für die entwickelten Länder von Europa und Nordamerika und den Fernen Osten einerseits und für die Entwicklungsländer der Dritten Welt andererseits. Der Unterschied in Bedarf und Kapazität der Länder und folglich in der Realität des institutionellen Funktionierens muß stärker in Rechnung gestellt werden, weil die Namen der Organisationen, die organisatorischen Diagramme, die formellen Regeln oft sehr ähnlich sind. I. Tendenzen in entwickelten Ländern In den höchst entwickelten Bereichen befindet sich die Verwaltung auf der Schwelle zu einem wichtigen übergang, von der traditionellen Form des hierarchischen Organisationsprozesses zu "fast zerlegbaren Systemen" (Sirnon), in denen teams zu untereinander abhängigen Netzen integriert werden. Mit der wachsenden Automation von routinemäßigen Aktivitäten steigt das Durchschnittsniveau von Kenntnis und Schulung, das für die nichtroutinemäßigen Tätigkeiten erforderlich ist, die von den Mitgliedern der Organisation durchgeführt werden. Die frühere hierarchische überwachung wird weniger notwendig, beschwerlicher für alle Beteiligten und stärker übelgenommen von den Spezialisten, die darunter leiden. Die Bedeutung der Information als Drehpunkt von kooperativer Arbeit wächst, und die Leitungskapazität der Organisation als ein System der Kommunikation ist von zentraler Bedeutung. Die Pyramide der Hierarchie verengt die Komunikationskanäle gen au dort, wo ein maximaler Informationsfluß gebraucht wird, an der Spitze, wo die Entscheidungen gefällt werden. Die teams, die jetzt nur anfangen, die hierarchischen Ordnungen zu ersetzen, sind auf ein relatives Informationsmonopol jedes Mitglieds gegründet. Ihre innere formelle Struktur ist minimal, um jedem Mitglied die Möglichkeit zu geben, eine maximale Informationsrate beizutragen. Die teams sind in ein Netz integriert auf der Grundlage einer parametri-

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schen Interdependenz, und jedes team setzt einige Parameter fest für die Tätigkeit der anderen. Die teams, die das durchführen, was traditionsgemäß als institutionelle Tätigkeiten bekannt ist, beschäftigen sich mit irgendeiner von vielen spezialisierten Aufgaben in dem Arbeitsnetz. Der Unterschied zwischen institutionellen und "funktionellen" Tätigkeiten verliert seine frühere Bedeutung. Dieses idealtypische Bild sollte die Koordinaten für die Entwicklungslinie liefern, auf der jede tatsächliche Organisation ihren Platz finden muß. In der Regierung werden sich die alten hierarchischen Formen in der Regel länger halten als irgendwo anders. Die Tendenz zum Dienstleistungsstaat hat sicherlich das relative Vertrauen auf die Vollstreckung, und andere Methoden, die sich von dem Staatsmonopol des legalen Gebrauchs von physischer Stärke und organisierter Gewalt ableiten, geschmälert. Das System der öffentlichen Verwaltung ist auch größer, komplexer und technischer geworden. Die Betonung der institutionellen Tätigkeiten hat sich verstärkt, und man kann erwarten, daß sie sich weiter ausbreiten wird. Im ganzen bleibt die ,Linie' jedoch mindestens strikt hierarchisch. Wenn es eine Bewegung zu gruppenähnlichen Formen der Kooperation gibt, sollten ihre Ergebnisse genau in dem Bereich der institutionellen Aktivitäten gesucht werden und dann nur in den neueren Phasen ihrer Entwicklung. Der Trend zur Dezentralisierung in organisatorische Beziehungen kann jederzeit umgekehrt werden auf wachsenden Druck der Unsicherheit hin. Eine unruhige Umgebung wird größere Anforderungen an die Energie des Systems stellen und es zu einfacheren strukturellen Alternativen zwingen. In der notwendigerweise weiten Organisation wie in der Regierung bedeutet das fast immer Zentralisation, eine Wiederbetonung der Überwachung und Befehlseinheit. Abhängig von der Situation der Welt befinden sich auch Regierungen fast kontinuierlich in einer turbulenten Lage. Ihre Evolution von der Hierarchie zu teams wird ganz wahrscheinlich auch aus diesem Grunde langsamer vonstatten gehen. H. Simon definiert ein fast zerlegbares System durch zwei Charakteristika: a) das kurzfristige Verhalten eines zugehörigen Untersystems ist fast unabhängig und b) das Verhalten irgendeiner Komponente auf lange Sicht hängt nur kumulativ von dem Verhalten anderer Komponenten ab. (Herbert A. Simon, The Architecture of Complexity, Proceedings of the American Philosophical Society, Vol. 106, No. 6, December 1962, pp. 474.) überwachung hat das Charakteristikum, daß sie nicht nur die Zeit des überwachers, sondern auch die des überwachten beansprucht. Weil die Kontrollspanne sich verengt mit wachsender Komplexität der durchgeführten Arbeit und mit höherem Ausbildungsstand der Organisationsmitglieder, die überwacht werden sollen, wenn traditionelle Methoden der hierarchischen überwachung weiter benutzt werden, steigt die für die überwachung verwendete Zeit innerhalb eines fixen, zur Verfügung stehenden Zeitraums unerbittlich. Auf diese Weise nähert sich die Hierarchie einem Punkt, an dem aus rein technologi-

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schen Gründen sich die Effektivität verringert. Jeder, der in einer großen Organisation arbeitet und sich selbst gezwungen sieht, die Arbeit, die überlegung erfordert, am Spätnachmittag oder an den Wochenenden zu leisten, kann bezeugen, daß der größte Teil seiner Dienstzeit für Kommunikation und überwachung gebraucht wird, auf empfangender wie auch auf gebender Seite. Eine interessante Frage ist der relative Betrag von institutionellen Tätigkeiten in der öffentlichen Verwaltung. Wagen er schätzt für die voraussichtliche Entwicklung in Deutschland 20 Ofo als wahrscheinliche Grenze. Es ist jedoch nicht ganz klar, ob dies als Vorausasge oder als Vorschrift gemeint ist. (Frido Wagener, Voraussehbare Veränderungen der inneren Struktur der öffentlichen Verwaltung auf Grund technischer und sozialökonomischer Entwicklungen, in: Verwaltung im modernen Staat, Berliner Beamtentage - Berlin 1969, S.188.) Die Reaktion auf die radikale Veränderung, die der Verwaltung in entwickelten Ländern gegenübersteht, besteht hauptsächlich, wie normalerweise zu erwarten, in Gefühlen der Unsicherheit und Anspannung. G. Braibant schreibt für Frankreich: "Man hat das Gefühl, daß in der Verwaltung eine Art von wissenschaftlicher und technischer Revolution vonstatten geht, die normalerweise tief eingreifende Verwaltungsreformen erfordern würde und daß diese Verwaltungsreformen nicht genügend durchdacht sind." (Guy Braibant, L'informatique dans l'administration, Revue internationale des sciences administratives, No. 4, 1968, p. 341.) Anderson und andere äußern dieselbe Stimmung für die USA: "Die Sicherheiten und das Versprechen des POSDCORB-Modells sind verschwunden; die Tiefen der Verhaltensforschung wurden nur oberflächlich erforscht; die neue große Welt des decisionmaking durch mathematische Präzision ist noch nicht aufgetaucht. Es herrscht eine weitverbreitete Unruhe ... (Desmond L. Anderson, Kent M. Lloyd und Kendall o. Price, Crisis in Education of American Public Executive, Revue internationale des sciences administratives, No. 2, 1966, p.145.)

11. Tendenzen in Entwicklungsländern Entwicklungsländer sind heutzutage fast überall durch die Diskrepanz und gleichzeitige Spannung zwischen verwaltungsmäßigen Wünschen und möglichen Mitteln, sie zu verwirklichen, charakterisiert. Die oft erwähnte "Revolution der wachsenden Sehnsüchte" hat bzgl. der Verwaltung die Folge, daß die Namen von Organisationen und Regierungsbehörden nicht zu unterscheiden sind von den in den Ländern jüngst eingeführten, die über weit wichtigere Quellen verfügen. Und so sind die Gesetze und Verordnungen, oft wörtlich von dem Regierungssystem eines entwickelten Landes übernommen, die Bezeichnung von Stellungen, die Beschreibung von Verfahren, die formelle Aufstellung des Haushaltsplanes. Diese Ähnlichkeit in der Terminologie verbirgt die Tatsache, daß Regierungsorganisationen in Entwicklungsländern einer völlig anderen Situation gegenüberstehen. Sie befinden sich oft in der Phase, eine Nation aufzubauen und versuchen eine starke und allseits anerkannte Regie-

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rung als Teil dieser Aufgabe zu bilden. Ausgehend von vorhierarchischen Formen der Organisation, bei denen der Schwerpunkt auf persönlichen Beziehungen und persönlicher Loyalität lag, auf "sala" und "Kantinen"methoden der Verwaltung - in Riggs' "prismatischem" Modell beschrieben - streben sie zur Einheit, Autorität, ordnungsmäßigen Verfahren und anderen Idealen, die in entwickelten Ländern traditionell waren und nun allmählich zurückgelassen und ersetzt werden durch eine pluralistischere Vorstellung. In Entwicklungsländern müssen sich progressive Änderungen in der Verwaltung notwendigerweise auf weniger komplex aufgebaute Formen stützen, besonders auf eine natürliche Begabung zur Führung, auf Eigenschaften, ohne übermäßige strukturelle Kosten anzuspornen und zu integrieren. Von der zentralen Rolle der Führung in der Verwaltung kann zunächst erwartet werden, daß die Grenze zwischen institutionellen und "funktionellen" Tätigkeiten in der Regierung sich verwischt, dort, wo eine zentrale Leitung dazu neigt, so wenig wie möglich den Tätigkeiten von Beamten und anderen nachzugeben, die die Fülle der persönlichen Macht der Führer verringern. Y. Chapel malt ein ziemlich schlechtes Bild von dem, was er als "le sousdeveloppement administratif" bezeichnet. In dem Bereich der Organisation ... dominieren 2 Elemente: mangelnde Kohärenz und mangelnde Ordnung. Im Bereich der Funktion und der Wandlung treten noch 2 andere charakteristische Elemente auf ... die verwaltungsmäßige Impotenz in vielen Bereichen ... und Korruption. (Yves Chapel, Le sous-developpement administratif, Revue internationale des sciences administratives, No. 3, 1966, S. 212 - 213.)

B. Langfristige Trends in der Entwicklung internationaler Tätigkeiten Die drei Bereiche internationaler Tätigkeiten, auf die wir unsere Aufmerksamkeit lenken - Organisation, Personal, Finanzen und Haushalt müssen in ihrer Entwicklung getrennt betrachtet werden, obwohl sie in der Vergangenheit und auch heute oft organisatorisch miteinander verbunden sind. In ihrer Entwicklung sind sie von verschiedenen Einflüssen abhängig. Schon ihre Geburtsdaten sind verschieden. Wenn wir die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts als die Zeit des Auftauchens der zentralen Regierungsverwaltung in unserem heutigen Sinne verstehen, dann sind die Finanzen schon von Anfang an als Sorgenkind vorhanden. Das Personalproblem beginnt andererseits - als systematische und abgesonderte zentrale Regierungstätigkeit - nicht vor dem Ende des 19. Jahrhunderts, während Organisation und Arbeitsmethoden ein Produkt des 20. Jahrhunderts sind. Unsere Ausführungen folgen dieser chronologischen Ordnung.

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E. Barker versucht, den Zeitpunkt des Beginns der Zentralverwaltung genauer festzulegen und wählt das Jahr 1660; ungefähr zu dieser Zeit fanden in Frankreich, Großbritannien und Preußen wichtige Reformen der Zentralregierung statt. (Ernest Barker, The Development of Public Services in Western Europe 1660 - 1930, Oxford University Press, 1944.)

I. Finanzen Drei verschiedene Bereiche können unterschieden werden, innerhalb denen der "input" der Geldmittel in die öffentlichen Tätigkeiten reguliert wird. Die drei Systeme folgen einander chronologisch und logisch in dem Sinn, daß jedes von ihnen Reaktion auf die Einseitigkeit der vorhergehenden Methode ist, sogar in einer rein technischen Bedeutung, überdies noch Ausdruck einer radikalen Änderung im sozialen und politischen Bereich. 1. Die Entwicklung der politischen Führung von der Hofhaltung des Herrschers, seinem ,oikos', hatte ihre anhaltendste Wirkung in der Identität von öffentlichem Haushalt und privaten Gütern der politisch wichtigen führenden Schicht. Von den Diktaturen der Antike, über die römischen Magistrate und die "Regierung durch Privatunternehmen" in der Feudalzeit, zu den vielen Verschiedenheiten, öffentlich Bedienstete zu bezahlen, indem ihnen erlaubt wurde, für ihren privaten Gebrauch einen Teil der Gelder zurückzuhalten, die sie in öffentlicher Funktion angenommen hatten, war die patrimoniale Idee herrschend, die Regierung mit dem Eigentum der Regierenden und umgekehrt zu finanzieren.

2. Als Reaktion auf die übertriebene Dezentralisation und das geringe Einkommen mit einer Methode, die es jedem Verwalter erlaubte, seine eigenen Mittel der Verwaltung zu haben und als Ausdruck einer neuen politischen Realität des souveränen Staates wurden die Einnahmen der Regierung in die gesetzliche Form des öffentlichen Eigentums zusammengefaßt. Das private Eigentum des Regierungspersonals wurde mehr und mehr strikt getrennt von jeglichen Anlagen, Instrumenten oder Geld, die es in seiner öffentlichen Funktion benutzen könnte. 3. Mit dem Ausbreiten des öffentlichen Dienstes beginnt sich die Situation wieder zu ändern. Die Einnahmen, die durch die Regierungskanäle fließen, wachsen nicht nur absolut, sondern auch im Verhältnis zum gesamten nationalen Einkommen und üben eine große Wirkung auf das nationale Einkommen im ganzen aus. Die Diensttätigkeiten sind zur selben Zeit in verschiedener Lage, abhängig von den Möglichkeiten und Bedürfnissen ihrer Finanzierung. In beiden Fällen sind das strenge Modell des Regierungseigentums und die harten Regeln der Finanzverwaltung, die darin impliziert sind, nicht genügend anpassungsfähig, um die Bedürfnisse der allgemeinen Wirtschaftspolitik wie auch die Eigenarten jeder Dienstleistung zu berücksichtigen. Neue und differenziertere Auf-

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stellungen in der Finanzierung von öffentlichen Tätigkeiten tauchen auf, nehmen die Betonung der Eigentumsfrage weg und setzen den Akzent mehr auf Rationalität, Effektivität und Elastizität. Den drei Stufen in der Entwicklung der Einrichtungen entsprechen zwei Übergänge, einer älter, einer neuer und zwei Hauptgesichtspunkte für die Finanzierung der Regierungstätigkeit: a) Die Funktion der öffentlichen Finanzen, wie sie sich mit dem Auftauchen der modernen zentralen Regierungsverwaltung entwickelt hat, dient primär dazu, den öffentlichen Charakter der öffentlichen Gelder zu garantieren, sie wirksam zu trennen von dem privaten Eigentum des Regierungspersonals. Dies ist der Ursprung und der Sinn des Budget. Die Instrumente, um Einkommen anzuhäufen und die Ausgaben zu kontrollieren, sind mit dem Ziel geschaffen worden, eine größtmögliche Kontrolle in der Handhabung der materiellen Ressourcen des Staates zu sichern und die Verantwortung für jede finanzielle Maßnahme unzweideutig auf einen bestimmten Beamten zu übertragen. b) Mit wachsender Sorge über die wirtschaftlichen Auswirkungen der öffentlichen Ausgaben und über die Vielfalt der zu behandelnden Probleme, in denen verschiedene Dienstleistungen funktionieren und bezahlt werden müssen, scheinen die alten Instrumente weniger befriedigend zu sein. Neue Methoden werden entwickelt für den Vergleich der Kosten und der Effektivität von Verwaltungsprogrammen, neue Wege werden gefunden, um Einnahmen zu bekommen und Ausgaben flexibler zu gestalten, um verschiedene Aufgaben zu erfüllen; neue Kriterien werden entwickelt, um öffentliche Ausgaben mit ihren allgemeinen wirtschaftlichen Auswirkungen in Beziehung zu setzen, neue Ideen werden angenommen bezüglich einer größeren Besonnenheit, die verschiedene teams und Gruppen im öffentlichen Dienst haben sollten in finanziellen Fragen, sogar einschließlich ihres eigenen Lohnes. B. Gross schreibt über die Entwicklung der öffentlichen Finanzen in den USA; er sieht vier Schritte.in dem Wechsel von Zielen der finanziellen Planung: 1. input-Kosten und Budgetzyklen, 2. die spezifischen Tätigkeiten, wofür Geld ausgegeben wird, 3. die wirtschaftlichen Auswirkungen der gesamten öffentlichen Ausgaben, 4. die Auswirkungen der spezifischen Programme und alternativen Wege auf dieselben oder verbesserten Ziele (Bertram M. Gross, The New Systems Budgeting, Public Administration Review, No. 2, March/April 1969, S. 113).

Die erste Stufe ist verbunden mit dem klassischen Budget, die anderen drei mit der schrittweisen Evolution der modernen Methoden, die in dem "PlanningProgramming-Budgeting-System" gipfelten, von D. Waldo als "wahrscheinlich als ,happening' des Jahrzehnts in der öffentlichen Verwaltung" begrüßt (Dwight Waldo, A Symposium: Planning-Programming-Budgeting System Re-

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examined: Development, Analysis, and Criticism, Public Administration Review, No. 2, March/April 1969, S.l11). 11. Das Personal Die Evolution der Stellung des Regierungspersonals kann über drei oder vielleicht vier Stufen verfolgt werden. Hier ist der Wechsel jedoch mehr eine Änderung der Betonung als ein völliges Ersetzen eines Systems durch ein anderes. 1. Die historisch älteste Sicht ist die des Regierungsbeamten, gleich welchen Ranges, als eines persönlichen Trägers und Teilhabers politischer Macht in dem staatlichen Monopol legitimierter Gewalt. Der römische Magistrat ist hier wieder ein typisches Beispiel.

2. Parallel entwickelt sich die Vorstellung, daß Regierungsdienst eine Quelle von materiellem Wohlstand bedeutet. Das Leihen und Kaufen von Positionen in der Regierung wie auch die verschiedenen Arten der Ämterteilung sind eine Folge dieser Haltung. 3. Ein neueres Stadium ist das Verständnis von öffentlicher Beschäftigung als eine öffentliche Anvertrauung und Verantwortlichkeit. Das Leistungssystem und die meisten der heutigen Institutionen, die mit dem Regierungspersonal zusammenhängen, gründen sich auf diese Konzeption. 4. Letztlich gibt es eine aufkommende Vorstellung des öffentlich Bediensteten als Fachmann, der eine fachliche Arbeit nach den Regeln seiner Erfahrung durchführt, wobei der Regierungscharakter der Umgebung, in der er arbeitet, weniger wichtig als vorher wird. Jedes neuere Stadium in dieser Entwicklung jedoch beinhaltet einige Elemente der früheren Ansichten. Der heutige Regierungsbeamte hat einige Befugnisse, wenn sie auch beschränkt und vorgeschrieben sind, eng verbunden mit der Durchführung seiner offiziellen Tätigkeiten, limitiert und eingegrenzt durch verschiedene Formen der erlaubten Verantwortlichkeit, jedoch Befugnisse, die nicht anders als Teile und Ausflüsse des Machtmonopols des Staates verstanden werden können. Er genießt auch einige Rechte und Vorteile bezüglich materieller Gewinne, sozialer Sicherheit für ihn und seine Familie, Status und Stellung in der Gemeinschaft, Nebengewinne dieser oder jener Art, was zeigt, daß Regierungsarbeit immer noch eine einträgliche Beschäftigung ist, auch wenn die Festlegung und Verwertung der Gelder nicht dem Beamten selbst überlassen ist. Die Verfassungsprinzipien des gleichen Zugangs zu öffentlichen Ämtern und eine verhältnismäßige Berufssicherheit im Beamtendienst, wie auch die Institutionen der Lohnaushandlung und der Gewerkschaften für Beamte sind moderne überbleibsel der Vorstellung

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von der Regierungstätigkeit als einer Quelle des materiellen Wohlstandes. Die spezifische Ethik des öffentlichen Dienstes ist dort, wo sie vorkommt, das Resultat der Ausrichtung auf eine soziale Verantwortung, und die wachsende Sorge über die Erziehung und die Personalentwicklung während der Zeit des Regierungsdienstes ist ein Anzeichen dafür, daß Haltungen, die als charakteristisch für Regierungsarbeit eine fachmännische Leistung ansehen, die Oberhand gewonnen haben. Die Tendenzen in der Regierungspersonalarbeit entsprechen dem Punkt auf der Entwicklungslinie, der oben skizziert wurde, und der in den Personalsystemen jedes Landes erreicht wurde. Im ganzen ist es der Übergang zu universellen Kriterien und dem Leistungssystem, der charakteristisch für Entwicklungsländer ist, während in entwickelten Systemen die Tendenzen komplexer und mannigfaltiger sind. a) Die erste Tendenz geht auf eine positivere Politik der Einstellung und Auswahl. Es ist noch ein Überbleibsel - öffentlicher Dienst als eine Quelle des persönlichen Gewinnes anzusehen - zu erwarten, daß immer genügend Kandidaten für alle Posten vorhanden sind und daß folglich die beste Auswahlpolitik diejenige ist, die Voraussetzungen so hoch und schwierig festzusetzen, daß der Eintritt nur den Fähigsten erlaubt wird. Von dieser Haltung bis zu der Vorstellung, aktiv die geeignetsten Kandidaten anzulocken, ihren Eintritt in den öffentlichen Dienst zu erleichtern und für jeden den optimalen Platz auf der Grundlage einer toleranteren, realistischeren und vielfältigeren Ansicht der menschlichen Fähigkeiten zu finden, ist der Weg lang, gewunden und von Land zu Land verschieden. Und sogar in den höchst entwickelten und höchst progressiven Personalsystemen gibt es manchmal eine verständliche Sehnsucht nach der Anwendung alter und erprobter Methoden, "mittelmäßige Subjekte auszumerzen", wie es von Friedrich H. von Preußen mit erfrischender Direktheit ausgedrückt wurde. b) Die zweite Tendenz reicht von der Beschäftigung "intelligenter Amateure", einer Politik, die ihre Befürworter sogar immer noch in höchst entwickelten Ländern findet, mindestens für gewisse Teile des Regierungsdienstes, bis zur Organisation einer ständigen Schulung als eines integrierenden Teiles des Personaldienstaufbaus. Auch hier gibt es wieder Wahlmöglichkeiten und Schwierigkeiten bei jedem Schritt. Sollte Erziehung, die persönliche Sorge jedes Beamten sein, die nur den indirekten Anreiz durch eine geeignete Beförderungs- und Belohnungspolitik erfordert oder sollte es eine aktive Sorge des Regierungspersonaldienstes sein, nicht nur Abwesenheitsbescheinigungen zu erteilen, sondern selbst die notwendigen Ausbildungsverfahren und -einrichtungen zu schaffen? Welcher Ausbildungstyp ist der beste für die Verwaltung, besonders bei den höheren Beamten? Gibt es eine Lösung für das höchst

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wichtige Problem, wie man die Resultate jeglicher Art der Schulung und Ausbildung bewerten kann? c) Die dritte Tendenz reicht von der altehrwürdigen Ermahnung, "seinen Rücken vor seinem Chef zu beugen", bis zur größeren Gleichheit, Mitbestimmung und echter Kooperation überall in der Verwaltung. Auch hier sind die Fortschritte verschieden. Von einer merkwürdig dauerhaften Aufrechterhaltung von hierarchischer Distanz und elitären Ideologien im öffentlichen Dienst einerseits bis zur systematischen Einführung von Arbeiterselbstbestimmungsmethoden in Regierungsbehörden andererseits.

d) Schließlich gibt es überall eine erkennbare Bewegung für die Schaffung von spezialisierten Regierungspersonaldiensten, die eine zentrale Personalbehörde auf Minister- oder Kabinettsebene einschließen. III. Organisation

Die Hauptänderungen in der Zentralregierungsorganisation während des 20. Jahrhunderts sind mit dem Entstehen des Wohlstandsstaates verknüpft. Die fünf klassischen zentralen Regierungsministerien, die die Reformen des frühen 19. Jahrhunderts verkörpern und mit den Zielen der äußeren und inneren Staatssicherheit verbunden sind - Verteidigung, Außenbeziehungen, Justiz, Innenpolitik und Finanzen - schlossen damals alle Regierungstätigkeit ein. Das Innenministerium - wenn man seine Verantwortlichkeiten negativ definiert als das, was nicht zu einem anderen Ministerium gehört - war zuständig für alle anderen Ordnungsaufgaben und einfachen Dienstleistungen, z. B. öffentliche Gesundheit, wozu die Regierung es für kompetent hielt. Nur allmählich haben sich neue Ministerien entwickelt, die nicht direkt mit der Sicherheit des Staates verbunden waren. Der Prozeß der Differenzierung der zentralen Regierungsverantwortlichkeiten geriet nicht vor dem 20. Jahrhundert in Bewegung. Um die Klassifikation zu vereinfachen, können die neu entstandenen Ministerien in weitere fünf Gruppen eingeteilt werden: Wirtschaft, Sozialwesen, Technik, Information, Kommunalwesen. In der Mitte des 20. Jahrhunderts standen sich die dienstleistungsorientierten Ministerien und die sicherheitsausgerichteten im Verhältnis fünf oder zehn zu eins gegenüber. 1950 z. B. bestand die Zentralregierung der UdSSR aus 70 Ministerien, von denen 50 zu dem Bereich der wirtschaftlichen Tätigkeit gerechnet werden können. Die Hauptfolgerungen dieser Entwicklung, bezeichnend für die organisatorische Struktur der Zentralregierung, als Ganzes und für das wachsende Interesse an Organisationsproblemen, stehen in Beziehung zu der wachsenden Größe der Regierung, zu den sich ändernden Arbeits-

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techniken in den zentralen Ministerien und zu der anwachsenden Komplexität der Zusamenhänge in dem Verwaltungssystem. 1. Ein großes Volumen, das sich wiederholende standardisierte Arbeitsprozesse einschließt mit gleichen Elementen in verschiedenen Abteilungen, tendiert dahin, "economics of scale" zu erreichen (Verbilligung und Verbesserung durch Vergrößerung und Rationalisierung). Das setzt jedoch ein systematisches Überdenken der Organisationsstrukturen voraus, der Folgen der Arbeitsprozesse, der Produktionskapazität, des Herstellens von Tabellen und des Programmierens. Was auch der Ausgangspunkt war, der bescheidene Wunsch, die Regierungsarbeit so ökonomisch wie möglich zu gestalten, oder das ehrgeizige Ziel, die einzige, beste Lösung für die Ausführung von Unternehmungen zu finden - das "organization-and-methods"-Denken hat begonnen.

2. Die allmähliche Verlagerung des Schwerpunktes in der Regierung von der Sicherheit auf die Dienstleistungen beinhaltet eine Veränderung der vorhandenen Methoden. Regieren ist von der Natur der Sache her kaum etwas anderes als organisierte Gewalt. Diese Tatsache zeigt sich in allen Tätigkeiten, auch in denjenigen, die wir nicht mit der Ausübung von Gewalt verbinden. Sogar Ziele der öffentlichen Gesundheit z. B. werden dadurch befolgt, daß Patienten mit ansteckenden Krankheiten gewaltsam isoliert werden, daß in Quarantäne befindlichen Passagieren verboten wird, ihr Schiff zu verlassen, daß Gebiete abgeschlossen werden und Ein- und Ausgang verboten werden. In früheren Stadien stützt sich eine Regierung auf Gewalt als der einfacheren Methode, ohne irgendetwas von Erziehung oder Ausstattung zu bedürfen außer gutgebauten Männern, die entsprechend der Technologie ihrer Zeit bewaffnet sind. Schließlich sind sogar öffentliche Einrichtungen zur Gewalt gezwungen gegenüber widerwilligen Klienten in armen Vierteln, die Angst vor der Impfung haben oder denken, daß die Kinder eher im Hause als in der Schule sitzen sollten. All das ändert sich mit der Entwicklung, mit dem wachsenden politischen Druck, die Anwendung von Gewalt durch die Regierung zu begrenzen, besonders aber durch die veränderten Techniken der Regierungsarbeit. Die öffentlichen Einrichtungen müssen sich mehr und mehr auf Experten stützen, auf Leute, die erzogen und ausgebildet wurden und die ihre Arbeit auf ihre Art und ohne den Druck der Regierung machen. Das wachsende Ansehen des Experten und der Glaube in die Fachkraft als Hauptquelle der Legitimation der Regierungsarbeit dehnt sich natürlich aus auf die Arbeit, ein Regierungskonzept zu entwerfen. Die Organisation wird als ein Gebiet von Wissen und an gewandten Fähigkeiten angesehen, das Leuten vermittelt werden kann, die dann die Verantwortung des Schaffens, des Aufsichtführens und - wenn nötig - der Änderung der Strukturen und Prozesse der Regierung haben. 17 Speyer 48

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3. Die Komplexität der Verbindungen in der Regierung ist die Folge der steigenden Verschiedenheit der Funktionen, innerhalb und zwischen den Ministerien, die in ein System zu integrieren ist und in diesem Land alle Behörden zu koordinieren hat, welcher Art ihre Funktion, ihre Verantwortlichkeit und ihre technischen Aufgaben sein mögen. Mit steigender Differenzierung wächst die Zahl der notwendigen strukturellen Neuerungen in dem System. Dadurch ändert sich die organisatorische Arbeit von unterbrochenen Bemühungen um Reformen zu einem ständigen Interesse, das laufend Aufmerksamkeit und Vorsicht erfordert. Das wachsende Interesse der Organisation und Arbeitsmethoden in der Regierung wird nicht durch die Tatsache beeinflußt, daß manchmal 0 & MBehörden außerhalb der Regierung auch mitbetroffen sind. Das ist nur ein anderes Beispiel für das wachsende "task-environment" - um mit J. D. Thompson zu sprechen - von jeder Organisation. In diesem Sinne können "organization and methods work" definiert werden als "die Tätigkeiten von Gruppen von Personen in der Regierung oder anderen öffentlichen Körperschaften oder in privaten Firmen, die aufgefordert sind, die Verwalter oder Manager in Organisationsfragen und -methoden zu beraten, wie auch die Effizienz der Arbeit, für die der Manager verantwortlich ist, zu vergrößern, entweder durch einen besseren Service, oder einen billigeren, oder beides." (S. O'ConailZ, Towards Greater Efficiency in the Irish Civil Service, Revue internationale des sciences administratives, No. 1, 1968, S. 21.)

C. Typologie der institutionellen Tätigkeiten Es sind nicht nur die verschiedenen Länder in den zwei großen Gruppen, die gewöhnlich mit "entwickelt" und "unterentwickelt" bezeichnet werden, auf verschiedenen Punkten einer Entwicklungslinie angeordnet, sondern es bestehen auch große Unterschiede in der Qualität unter den Ländern, die derselben Gruppe zugeordnet werden. Es gibt darüber hinaus Unterschiede - wenn auch weniger deutlich ausgesprochen zwischen den Ministerien der Zentralregierung in demselben Staat. Die bestehenden Unterschiede sind verwischt dadurch, daß der formelle Rahmen und die Terminologie ähnlich aussehen, was als "demonstration effect" bezeichnet werden kann. Es gibt schließlich die dynamische Natur der heutigen Entwicklung in der Regierung, die wachsende Rate der Verwaltung, die jegliche Information zur Geschichte macht, bevor sie verbreitet werden kann. In dieser Situation ist es fast unmöglich, einen gemeinsamen Nenner zu finden, worauf man eine analytische Beschreibung basieren kann. Trotzdem muß irgendeine Typologie angestrebt werden. Es gibt kaum eine andere Art, die Gesamtheit der sonst beziehungslosen Daten verständlich zumachen. In dieser Darstellung werden wir uns an eine chronologische Ordnung halten. Wir hoffen, daß dadurch die Rolle der Abteilung oder des Finanz-

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ministeriums verständlicher wird, nicht nur in bezug auf die Verwaltung von materiellen Einnahmen, sondern auch oft in Personal- und Organisationsfragen, zumindest bevor der Prozeß der Differenzierung weiterging. I. Finanzen und Haushalt

Wenn wir den oben erwähnten, hauptsächlichen, langfristigen Trends folgen, von den klassischen Methoden, einen Regierungshaushalt herzustellen mit ihrer Betonung der Legalität der Ausgaben bis zu den neuen Konzepten der Finanzplanung durch die Regierung, bei denen größere Bedeutung auf die Rationalität des Gebrauchs der Geldmittel angestrebt wird, dann müssen wir uns mit Ideal-Typen beschäftigen. Es gibt kaum ein Land heute, das seinen öffentlichen Haushalt streng gemäß einem dieser beiden Ziele organisiert hat. In der Praxis ist es immer eine Frage eines Mehr oder weniger, ein Problem, diesen oder jenen Grundzug der Finanzplanung einzuführen, während die klassischen Methoden in anderen Bereichen beibehalten werden. Das Element der Zeit ist hier besonders wichtig; Anordnungen, durch Gesetz oder Verordnung formal vorgeschrieben und verkündet, sind gewöhnlich obsolet, bevor sie international verbreitet werden können. Ein anderer Strukturunterschied ist wichtig in dem Bereich der Finanzen und des Haushalts, obwohl es unmöglich ist, ihn als bedeutungsvollen Trend aufzuzeigen. Im Prinzip leitet sich die historische, ältere Haltung von der Situation her, daß fast alle Regierungseinnahmen für die Aufrechterhaltung der Regierungsmaschinerie ausgegeben werden. Die strukturelle Konsequenz ist, daß die Verwaltung der Ein- und Ausgaben des Staates zusammengelegt und hauptsächlich wie ein und dieselbe Sache behandelt wird. Ein anderes Organisationsprinzip folgt jedoch aus der Tatsache, daß der größere Teil der öffentlichen Gelder für die Finanzierung der Regierungstätigkeit und öffentlichen Dienstleistungen gedacht ist, die von einem weitaus größeren Kreis von Organisationsträgern verrichtet werden als von den Abteilungen der Zentralregierung alleine. Die organisatorische Folgerung sollte sein, daß die Finanzierung der Regierungsverwaltung strukturell getrennt wird von der Verwaltung der öffentlichen Gelder im allgemeinen. In vielen Ländern wurden - im Wechsel - die beiden Aspekte der Finanzverwaltung getrennt, wieder vereinigt und wieder getrennt, ohne klare Bezugnahme gegenüber dem allgemeinen Stand der Entwicklung. Wir werden deshalb, um das Bild nicht zu komplizieren, beispielhaft verschiedene Alternativen aufzeigen, da wir als Haupttypen die klassische Haushaltsführung und die Finanzplanung ansehen. Die Trennung der Haushaltsführung von der Finanzplanung der Verwaltung ist bedeutsam auch aus politischer und verfassungsmäßiger Sicht. 17·

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,,1. Wie und mit welchem Zweck Steuern, Darlehen und andere flüssige Aktivposten benutzt werden können, ist eine Sache der Haushaltsführung, d. h. eine Sache des Parlamentes. Die Detailplanung von Verwaltungstätigkeiten ist keine Angelegenheit des Haushalts im verfassungsmäßigen Sinne des Begriffs; sie ist mehr eine Frage der internen, vorbereitenden Kalkulation innerhalb der Verwaltung. 2. Anderes, der Verwaltung verfügbares Vermögen (Anlagen, Maschinen, Material und andere Ausstattung) wurde durch Kapital finanziert, das in früheren Haushaltsjahren bewilligt wurde. Wie dieses Geld angelegt wird, ist eine Frage der Verwaltungsplanung und nicht des Haushalts. 3. Die Form der Programmfinanzierung, die innerhalb der Verwaltung eine vollständige Kostenaufstellung zum Ziel hat, wird so mehr eine Angelegenheit des Verwaltungsplanungs- als des normalen Staatshaushaltes im verfassungsmäßigen Sinne des Begriffes." (Carl A. Murray, Classical Principles in Modern Government Budgeting, Revue internationale des sciences administratives, Nr. 2,1970, S. 113). Auch andere Haushaltstätigkeiten folgen keinen Trends, außer vielleicht einer generellen Tendenz zur Differenzierung, die charakteristisch für alle organisierten Systeme ist. Die Differenzierung erfordert eine gleichzeitige Integration, und je größer die Zahl der eindeutigen Tätigkeiten ist, die in den allgemeinen Sektor des Haushalts fällt, desto stärker ist die Tendenz, sie zu verbinden in einer Art von allgemeiner Dienstleistungsverwaltung - nach einer angemessenen Abwartezeit und unter Beachtung anderer Besonderheiten des Ortes und der Geschichte. Die bestehenden Einrichtungen werden durch Beispiele erläutert.

1. Klassischer Haushaltstyp

Die finanzielle Verwaltung in jeder zentralen Abteilung oder jedem Ministerium wird hinsichtlich dieses Typs zu einer Organisationseinheit zusammengefaßt, die durch besondere Verbindungen der Überwachung und Verantwortlichkeit mit der Abteilung oder dem Finanzministerium verknüpft ist. Die Verantwortlichkeiten der Finanzabteilung oder des Finanzministeriums schließen in der Regel folgendes ein: a) Die Vorbereitung der Haushaltsentwürfe in Zusammenarbeit mit allen Abteilungen der Zentralregierung und auf der Grundlage ihrer individuell vorgelegten Voranschläge, bevor es - im Namen der gesamten Regierung - den politischen Gremien zur endgültigen Entscheidung vorgelegt wird. Die Finanzabteilung schreibt die Stichtage des jährlichen Haushaltszyklus vor und bezeichnet die Verfahren, die von allen Abteilungen bei der Vorbereitung ihrer Entwürfe befolgt werden müssen. Das klassische Haushaltsjahr dauert 12 Monate, stimmt aber nicht in allen Ländern mit dem Kalenderjahr überein. Gegenüber 61 Ländern, in denen das

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Haushaltsjahr am 1. Januar beginnt und bis zum 31. Dezember dauert, gibt es 18 Länder, die das Haushaltsjahr am 1. April beginnen, unter ihnen England, Indien, Dänemark und Japan; 18 Länder beginnen am 1. Juli, unter ihnen USA, Italien, Schweden; 4 Länder beginnen am 1. Oktober und 6 Länder haben seltsame Daten, unter ihnen Nepal, das sein Haushaltsjahr "um den 16. Juli" beginnt. (K. L. Handa, Rationale of the Indian Financial Year, The Indian Journal of Public Administration, No. 2, April- June 1970, S. 225 - 227.) Der Haushalt folgt grundsätzlich einer organisationsmäßigen Aufteilung, die ein besonderes Kapitel für jede Abteilung der Regierung vorsieht. Innerhalb eines Kapitels sind die vorgesehenen Ausgaben durch "inputs" in Personal und Material eingeteilt, ohne Beachtung der Tätigkeiten oder Dienste, die von der einzelnen Abteilung oder dem Ministerium durchgeführt werden sollen. b) Die Erfüllung des Haushalts, wie er von den politischen Gremien genehmigt wurde. Der Haushalt ist auf vierteljährliche oder monatliche Zuteilungen aufgeteilt, innerhalb deren die jeweilige Abteilung ihre fixen Ausgaben festlegt und ihre Aufwendungen einführt. In diesen drei Schritten - Zuteilungen, Ausgaben und Aufwendungen - variiert die Befugnis der Finanzabteilung von einem Recht der vorherigen Zustimmung bis zur späteren Kontrolle oder Intervention in schwierigen Fällen. In der einzelnen Abteilung gibt es ein System von vorgeschriebenen Funktionen über die Durchführung des Haushalts. Der Beamte, der für die Beantragung der Aufwendungen zuständig ist, wird von dem für die Ausgaben verantwortlichen Beamten überwacht. Tatsächliche Ausgaben von öffentlichen Geldern können innerhalb eines Abteilungshaushalts in der Regel nur getätigt werden, wenn die bei den über die Zulässigkeit der Ausgabe einer Meinung sind. Der für die Ausgaben zuständige Beamte steht unter doppelter Verantwortlichkeit: gegenüber dem Chef der Abteilung, wo er arbeitet, und gegenüber dem Finanzministerium, das ihn für verantwortlich hält für jede Aufwendung, die er in der einzelnen Abteilung genehmigt hat, obwohl eine spätere Kontrolle die Zulässigkeit verneint hat. Wenn der für die Ausgaben zuständige Beamte mit dem Beamten, der eine Aufwendung beantragt, nicht übereinstimmt, muß er trotzdem einem wiederholten Antrag nachgeben, gewöhnlich schriftlich, aber er muß das Finanzministerium benachrichtigen, das die endgültige Entscheidung hat. Die Abrechnungen werden in jeder Abteilung oder in der Finanzabteilung oder in beiden gehalten. In jedem Fall hat die Finanzabteilung die Befugnis, alle Vorgänge vorzuschreiben, die mit finanzieller Buchführung und Berechnung für alle Abteilungen zusammenhängen und das Einhalten ihrer Vorschriften durch eine besondere Inspektion zu überwachen. c) Das Management der Eigentümerrechte und die Repräsentation der Eigentümerinteressen für alle Abteilungen. Die entsprechenden Dienste

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in den einzelnen Abteilungen werden koordiniert und überwacht von der Finanzabteilung. Die tatsächliche Vertretung von Regierungseigentum und anderen Interessen vor dem Gerichtshof wird manchmal einem besonderen Organ übertragen, dem öffentlichen Anwalt, oder einem ähnlichen Amt. d) Das übernehmen von vertraglichen Verpflichtungen für die Regierung. Auch wenn der einzelne Abteilungschef ermächtigt ist, Verträge zu unterzeichnen, so schreibt die Finanzabteilung doch die Vertragsregeln vor, führt ein Register aller Verträge oder hat das Recht, Verträge zu genehmigen, bevor sie unterzeichnet werden können. e) Die Regel der Kontrolle der Vorräte. Auch wenn der tatsächliche Kauf dezentralisiert ist auf die jeweiligen Abteilungen oder zentralisiert in einer anderen speziellen Hilfsbehörde, ist die Finanzabteilung verantwortlich für allgemeine Vorschriften in dieser Sache und für die überwachung der normalerweise verwickelten Verfahren. f) Die finanzielle Kontrolle der überwachten territorialen oder funktionalen Behörden. Als der Kreis der Regierungsfinanzierung sich ausweitete und andere Behörden, außerhalb der zentralen Regierung selbst finanziert wurden, ganz oder teils, von dem Zentralhaushalt - durch Subventionen, Hilfsgelder oder in anderer Weise -, wurden die Techniken oder Verfahren durch die Zentralfinanzabteilungen vorgeschrieben und das ganze Programm, auf der Seite der Zentralregierung, von ihr durchgeführt. g) Kontrolle und endgültige Genehmigung der jährlichen Kostenaufstellungen aller Abteilungen der Zentralregierung. Weil dies die letzte Gelegenheit zur Kontrolle der Legalität jeder Einzelheit der Ausgaben ist - das Hauptziel des klassischen Finanzhaushaltstyps -, ist die überprüfung der Kostenaufstellungen oft sogar den Händen der Finanzabteilung entzogen und einem besonderen Gerichtshof oder gerichtsähnlichen Organisation übertragen, während die Genehmigung der endgültigen jährlichen Kostenaufstellungen formal in den Händen der Legislative liegt. Das Finanzhüro innerhalb der einzelnen Abteilung genießt deshalb eine eigenartige Position. Es ist funktionell und oft durch formelle Bande mit der Finanzabteilung verknüpft. Infolgedessen sieht es sich selbst und wird von der Abteilung, innerhalb der es eingegliedert ist, als Wachhund der zentralen Finanzverwaltung über die Legalität des finanziellen Verhaltens in "seiner eigenen" Abteilung angesehen. Das gibt dem Finanzbüro innerhalb der Abteilung größeres Gewicht als anderen Behörden, und der Finanzbeamte oder Chef des Finanzbüros hat gewöhnlich eine enge Arbeitsbeziehung zum Chef der Abteilung.

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Das stimmt sogar in Systemen, in denen der Unterschied zwischen ,line' und Personal in der Zentralregierung bedeutungsvoll ist, und das Finanzbüro wird zu den Personaleinheiten gezählt. Eine Anzahl von Zentralregierungsabteilungen in der UdSSR koordiniert und verwaltet, direkt oder durch territorial oder funktionell dezentralisierte Direktorate ein ganzes Netz von Institutionen, produktiven Unternehmen und Dienstleistungsbehörden. Das Finanzbüro in der Zentralabteilung, zu den Personaleinheiten gezählt, "funktionelle Teile" genannt, sollte keine Befehle oder verbindliche Direktiven in seinem eigenen Namen geben, sondern nur über die Unterschrift des Abteilungsleiters (I. N. Ananov, Ministerstva v SSSR, Gosiurizdat, Moskva 1960, S. 200 - 202). Die engen Verbindungen zwischen den jeweiligen Ministerien und dem Finanzministerium, wie auch die vertikalen Verbindungen, die das zentrale Finanzministerium mit den Ministerien der vereinigten Einheit zu einem integrierten System der Finanzverwaltung verbinden, sprechen für einen beträchtlichen Einfluß dieser Zentralverwaltung und ihrer Befürworter, den Finanzbüros in den Abteilungen, weit über ihre formale "Ratgeber- oder Personalstellung" hinaus (M. I. Piskotin, Les nouvelles techniques de preparation et d'amenagement du budget en URSS, Revue internationale des sciences administratives, No. 1, 1966, S. 16 - 22). Dieser strukturelle Aufbau beeinflußt die Methode und den Inhalt des Verfahrens der Haushaltsvorbereitung. Der starke Einfluß des Finanzministeriums, das auf die Legalität achtet und unfähig ist, die Einzelheiten der Programme der anderen Abteilungen zu überblicken, trägt dazu bei, die Betonung in der Diskussion auf den Gesamtbetrag der geforderten Ausgaben zu verlegen. Der normale Weg, die Unsicherheit zu reduzieren, die mit diesen Entscheidungen zusammenhängt, ist, den Betrag des letzten Jahres als Ausgangspunkt zu nehmen. Solange die einzelne Abteilung sich nicht vergrößern will und sich selbst zufrieden erklärt mit der Zuteilung des letzten Jahres, die normalerweise erhöht wird durch einen zentral bestimmten Prozentsatz infolge von Preis- und Lohnerhöhungen, hat ihre Haushaltsforderung nichts zu befürchten; es gibt darüber keinen Streit. Wenn die Abteilung auf der anderen Seite eine Vergrößerung plant, die jedoch bezüglich des Programmes gerechtfertigt ist, steht sie ernsthaften, manchmal formalen, Schwierigkeiten gegenüber. Etwas von der ständigen Macht des klassischen Haushaltstyps, seine Tendenz, sich selbst zu reproduzieren trotz geäußerter Absichten, ihn zu rationaler Finanzplanung zu ändern, leitet sich von diesem Mechanismus der Haushaltsvorbereitung ab, der die Betonung auf die Routine des Haushaltsverfahrens legt und jeden Versuch bestraft, grundsätzlichere Fragen zu stellen. Andere Haushaltstätigkeiten, soweit sie materielle oder finanzielle Interessen und Verpflichtungen beinhalten, sind, in dem klassischen Haushaltstyp, unter einem genauso starken Einfluß der zentralen Finanzverwaltung. Lieferungen erfolgen nach öffentlicher Ausschreibung in einem genau vorgeschriebenen Verfahren. Gebäude sind allgemeines Regierungseigentum. Wie auch diese Tätigkeiten innerhalb der einzelnen Ab-

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teilungen organisiert sind, wird das Finanzbüro einen Einfluß darauf haben und eine formelle Verantwortlichkeit für die Gesetzmäßigkeit ihrer Durchführung gegenüber der zentralen Überwachungsbehörde. Die Macht des Finanzministeriums ist manchmal so groß, daß irgendeine Art der Verkleinerung dieser Macht, sogar ohne Dezentralisation, ein Gewinn in liberaler Hinsicht zu sein scheint. Das Beispiel stammt aus der Situation nach dem 2. Weltkrieg in Japan. "Das mächtige Finanzministerium (Okurasho) wurde weiter gestärkt, Haushalts- und deshalb Verwaltungsmanagement blieb noch in den Händen seines Haushaltsbüros. Die Reformer der öffentlichen Verwaltung hofften offensichtlich, daß das Büro in dasjenige des Premierministers überführt würde ... " (Paul M. A. Linebarger, Djan Chu, Ardath W. Burks, Far Eastern Governments and Politics, China and Japan, D. Van Nostrand Co., Princeton 1954, S. 531). 2. Finanzplanungstyp

Die Verlagerung der Betonung von der Legalität zur Rationalität der Ausgaben, von voller Verantwortlichkeit zu optimalen Ergebnissen bei der Anwendung der finanziellen Mittel ist ein allmählicher Prozeß, der in den höchst entwickelten Regierungssystemen noch im Gang ist und noch keine endgültige Form erreicht hat. Zwei zusammenhängende Konsequenzen dieses Prozesses sind jedoch schon klar erkennbar: Größere Betonung der wesentlichen Aspekte der Tätigkeiten, die finanziert werden,und größere Bedeutung der jeweiligen Abteilungen, über die Ausgaben zu bestimmen. Die Grundlage des Finanzplans ist das Arbeitsprogramm jeder Abteilung. Das Programm kann global oder mehr detailliert sein, kombiniert oder geteilt entsprechend zeitlicher Gesichtspunkte, Zwecke, voraussichtlicher Geldquellen oder anderer Kriterien; aber jedenfalls beginnt die finanzielle Diskussion nicht mit den Gesamtbeträgen und dem Versuch, sie durch formal ausgedrückte Anforderungen zu rechtfertigen - Zahl derBeamten, Budget des letzten Jahres etc. -, sondern mit den Tätigkeiten, indem man versucht, ihren finanziell entsprechenden Wert festzustellen. Das Arbeitsprogramm hängt ab von dem Spezialwissen, das in jeder Abteilung konzentriert ist, und deswegen muß die jeweilige Abteilung eine auffallendere Rolle in der Finanzplanung spielen als in dem klassischen Haushaltstyp. Was auch die zentral organisierten Dienste sein mögen, Kontrollbehörden oder Formen der Koordination, die eigentliche Abteilung muß ihre Ziele und Verfahren deutlich machen, und, indem sie das tut, auch ihre organisatorische Struktur, bevor irgendein umfassender Finanzplan für die Regierung angestrebt werden kann. Die allmähliche Entwicklung der Finanzplanung auf der Grundlage der Arbeitsprogramme kann verschiedene Stufen durchlaufen, da den Planern ihrerseits verschiedene wichtige Aspekte der Finanzierung bewußt werden: die

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Tätigkeiten, die finanziert werden, die alternativen Methoden, dasselbe Ziel zu erreichen, die Auswirkungen von sehr gewichtigen Regierungshandlungen auf die Wirtschaft im Ganzen. B. Grass beschrieb diese Entwicklung für die USA mit folgenden Schritten: l. input-Kosten und Haushaltszyklen

2. die spezifischen Tätigkeiten, für die Geld ausgegeben wird 3. die wirtschaftlichen Auswirkungen der gesamten öffentlichen Ausgaben 4. die Auswirkungen von speziellen Programmen und alternativen Wegen auf dieselben oder verbesserten Ziele (Bertram M. Grass, The New Systems Budgeting, Public Administration Review, No. 2, March/Aprill969, S. 113). Die gegenwärtig höchst entwickelte Stufe, das Planning-ProgrammingBudgeting-System (PPBS) schließt folgendes ein: Programmemoranda, von jeder Abteilung und Behörde vorgelegt, die ihre Ziele und die Methoden, sie zu erreichen, umreißen Mehrjährige Programme und Finanzpläne, die die langfristigen, finanziellen Folgen der gegenwärtigen Verpflichtungen versuchen vorherzusehen Spezielle Studien, die Material zur Unterstützung der Programmemoranda enthalten und Vorschläge für mehr objektiv-orientierte Organisations- und Programmstrukturen einschließen, die Kalkulation von Verlusten durch das Verfehlen von alternativen Gelegenheiten etc. (B. Grass, ibid., S. 113137). Das RCB-System (rationalisation des choix budgetaires), das in Frankreich praktiziert wird, hat grundsätzlich dieselben Ziele, fügt aber noch weitere Schritte zu dem Prozeß hinzu: a) die Vorbereitung von Entscheidungen, die die Bedingungen, die zu treffen sind, herausfindet und vorhersieht, die die Ziele untersucht, die befolgt werden könnten, um diese Bedingungen zu erreichen und die effektivsten und wirksamsten Handlungen um diese Ziele zu erreichen; b) decision-making, das darin besteht, die Notwendigkeiten herauszusuchen, die zu erreichenden Ziele, die durchzuführenden Tätigkeiten und die bereitzustellenden Mittel; c) die Durchführung der kurzfristigen Pläne für Handlungen und Entscheidungen, in bezug auf die Resultate, die mit den bereitgestellten Mitteln erreicht werden sollen; d) die Kontrolle der Durchführung, sicherzustellen, daß die Ziele erreicht wurden mit den vorhergesehenen Mitteln; falls irgendwelche Unterschiede auftauchen, wird diese "regulierende" Kontrolle zu verbesserten Entscheidungen führen (J. P. Jacqmotte, Tentative Comparative Study of RCB in France and PPBS in Belgium, RISA, No. 1/1970, S. 47 - 48). Diese Systeme wurden jedoch in verschiedenen Punkten kritisiert: weil sie die politischen und Interessenfragen, die in dem Regierungsfinanzprozeß mitbeinhaltet sind und den wahrscheinlichen Widerstand von politischen Gebilden gegenüber der wachsenden Transparenz des Finanzierungsverfahrens unterschätzt (Politiker werden vermutlich "ehrliche Antworten auf die Frage, wer bevorzugt und wer benachteiligt wurde, übelnehmen", B. Grass, ibid., S. 122), oder wegen seiner Komplexität und Unzugänglichkeit ("no one knows how to do program budgeting", A. WHdavsky, Rescuing Policy Analysis from PPBS, Public Administration Review, Nr. 2/1969, S. 193). Der meist gehörte Einwand

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ist jedoch, daß die neuen Methoden in der Praxis nicht so verschieden von den alten sind, wie es ihre theoretische Darstellung uns glaubhaft machen möchte (vgl. z. B. Edwin L. Harper, Fred A. Kramer, Andrew M. Rouse, Implementation and Use of PPB in 16 Federal Agencies, Public Administration Review, No. 6, November/Dezember, 1969, S. 623 - 632). Seit 1964 beginnt in Jugoslawien der finanzielle Zyklus der Zentralregierungsabteilungen mit der Vorbereitung eines Arbeitsprogrammes durch jede Abteilung für das kommende Jahr. Dieses Programm muß die politischen Erklärungen der politischen Gremien berücksichtigen - Bundesversammlung und Bundesvollzugsrat - die zu seinem Verantwortungsbereich gehören, aber es ist selbständig darin, die konkreten Tätigkeiten zu formulieren wie auch die Ziele in Bereichen, die von den politischen Erklärungen nicht beinhaltet waren. Das Programm wird dann in einem Finanzplan ausgedrückt, der auch von der jeweiligen Abteilung vorbereitet wird, und beide Dokumente werden dem Vereinigten Exekutivrat vorgelegt und von diesem der Bundesversammlung. Die politischen Körperschaften, die den Plan jeder Abteilung diskutieren und beschließen, können, nachdem sie die technischen Überlegungen der Kalkulation der Abteilung akzeptiert haben, noch den geforderten Betrag verweigern. Aber dann müssen sie aufzeigen, welcher Teil des vorgeschlagenen Programms für eine bestimmte Zeit fallen gelassen werden muß und die politische Verantwortlichkeit für diese spezifische Entscheidung übernehmen, anstatt die Änderung der Abteilung zu überlassen. Der finanzielle Bedarf der Abteilung wird dann in einer Gesamtsumme ausgedrückt, geteilt durch Entscheidungen innerhalb der Abteilung in 5 Beträge: für die Finanzierung von regulären Tätigkeiten, für Ausstattung, für besondere Zwecke, für gewöhnliche Zwecke der Arbeitskollektive und eine Reserve (vgl. E. Pusit, Upravni sistemi, Ir. dio, Zagreb 1967, S. 476 - 478). Die Verfahren, die charakteristisch für die Finanzplanung sind, beeinflussen den Aufbau innerhalb jeder Abteilung. Die stark spezialisierte institutionelle Einheit, das Finanzbüro, das die zentrale finanzielle Verwaltung und seine überwachende Verantwortlichkeit darstellt, wird durch ein flexibleres System von Arbeitsgruppen, die sich aus Mitgliedern der verschiedenen Abteilungen zusammensetzen, ersetzt und verkörpert die wirklichen Programmeinheiten innerhalb der Abteilungen nicht weniger als seine spezialisierten finanziellen und buchhaltungsmäßigen Gruppen. Zwischenabteilige, zentrale, koordinierende Tätigkeiten im finanziellen Planungstyp neigen dazu, von finanziellen zu wirtschaftlichen Planungsabteilungen, zu unabhängigen Behörden oder sogar zu gemischten Regierungs- und außerregierungsmäßigen Formen der Organisation verlagert zu werden. Das System der Programmveranschlagung wird in Schweden seit 1963 praktiziert. In jedem der 12 Ministerien der Zentralregierung gibt es eine Arbeitsgruppe, die verantwortlich ist für die Vorbereitung der Programmfinanzierung und eine Kontrollgruppe, ein internes Kontrollgremium, verantwortlich für die Überwachung seiner Durchführung. Die Arbeitsgruppen sind technisch koordiniert vom Finanzministerium, während die Kontrollgruppen mit einer unabhängigen Behörde, dem National Bureau of the Controler, verbunden sind

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(Sven Ivar Ivarson, Effets de l'informatique et du budget-programme sur

l'administration publique, Revue internationale des sciences administratives, No. 2, 1970, S. 115 - 121). Das französische RCB-System ist in den französischen Wirtschaftsplan eingelagert (J. P. Jacqmotte, op. cit., S. 48). In Brasilien werden sowohl Haushalt wie auch der Plan vom Ministerium für Planung und wirtschaftliche Koordination hergestellt (Sebastiao de Sant'Anna e Silva, Le plan economique du gouvernement et le budget, Revue internationale des sciences administratives, No. 1, 1966, S. 58 - 63). In Italien wurde 1947 ein Ministerium "deI Bilancio" den bestehenden Finanz- und Schatzministerien hinzugefügt (Ministero delle Finanze, deI Tesoro), mit dem Ziel, u. a. eine Koordination von Wirtschaftsund Finanzpolitik zu erreichen (Ettore Rotelli, Ministeri Finanziari, Archivio delI Istituto per la Scienza dell'amministrazione pubblica, Vol. I, Milano, 1962, A. Giuffre, S. 144). In Belgien wurde das PPB-Programm der Regierung "dem Institut Administration-Universite anvertraut, einer unabhängigen Behörde, die ... dafür verantwortlich ist, in enger Zusammenarbeit mit dem Ministry of Civil Service Affairs für die Koordination der Arbeit der verschiedenen Universitätszentren im Bereich der Lehre und Forschung in der öffentlichen Verwaltung zu sorgen" (J. P. Jacqmotte, op. cit., S. 51). Buchhaltung und Kostenaufstellung wird oft als vertragliche Leistung von Behörden und Organisationen außerhalb der jeweiligen Abteilung organisiert. Vorratshaltung und andere Haushaltstätigkeiten tendieren dahin, in Hilfsabteilungen der Zentralregierung zentralisiert zu werden. Elektronische Datenverarbeitung wird immer häufiger in der Finanzverwaltung benützt. Obwohl sie einen technischen zentralisierenden Einfluß ausübt, wird dieser Einfluß nicht notwendigerweise in eine Zentralisierung des decision-making umgeformt, weil EDV-Systeme als neutrale Leistungstätigkeiten organisiert werden können, unabhängig von der Verteilung der decision-making-Verantwortung. In Jugoslawien gibt es innerhalb der Zentralregierung eine unabhängige Behörde, die Abteilung für Kostenaufstellung und finanzielle Angelegenheiten, die unter Vertrag die Durchführung dieser institutionellen Verantwortlichkeiten für die Zentralregierungsorganisationen und Behörden durchführt. Die General Services Administration in der Bundesverwaltung der USA schließt ein: den Federal Supply Service, das Property Management und den Disposal Service, den Public Buildings Service, den National Archives and Records Service (United States Government Organization Manual, 1968 - 69, Office of the Federal Register, Washington D. C. 1968, S. 471 - 484).

11. Personal Die traditionelle Hauptrolle des Finanzministeriums als Zentralbehörde, die für die allgemeine Überwachung und Koordinierung der Zentralregierung in allen Fragen in Zusammenhang mit Ausgaben ver-

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antwortlich ist, hatte die Wirkung, daß in den meisten Ländern die ersten organisierten Anstrengungen, sie in der Regierung mit der Personalfrage zu beschäftigen, auch in der Finanzabteilung stattfanden. Diese Bemühungen beginnen mit der Feststellung, daß Qualität notwendig oder minstens nützlich für das Regierungspersonal ist. Was getan werden sollte, um Leute von Qualität im Regierungsdienst zu haben, wie soll Qualität bei dem schon vorhandenen Regierungspersonal entwickelt werden und welche Implikationen Qualität auf die Position des Regierungspersonals haben sollte - das sind die Kriterien, die benutzt werden, um 3 Alternativen in der Organisation des Dienstes des Regierungspersonals zu unterscheiden. Alternativen, die wieder als Idealtypen für Klassifikationszwecke zu verstehen sind. Tatsächlich erscheinen sie in verschiedenen übergangs- und Mischformen und neigen, mal mehr oder mal weniger, zu diesem oder jenem Charakteristikum. In der ersten Alternative, dem Auswahl-Typ, basiert der Personaldienst funktionell auf der Vorstellung, daß die Menschen gleichen Zugang zu öffentlichen Ämtern haben und daß, unter Achtung darauf, daß mehr Bewerber da sind als zugelassen werden können, die Leute einem Auswahlverfahren unterworfen werden, um unter geeigneten fairen Bedingungen die besten Kandidaten zu bestimmen und sie in den Regierungsdienst einzustellen. In der zweiten Alternative, dem Ausbildungstyp, ist die Leitidee, daß die Regierung eine größere Zahl von Spezialisten braucht, als sie nur durch Auswahl zu finden hoffen kann. Während die Auswahlverfahren beibehalten werden, wird so die Aufmerksamkeit darauf konzentriert, Methoden zu entwickeln, um fähige Leute zur Regierung zu ziehen und u. a. Methoden, um Kandidaten, bevor sie in den Regierungsdienst eintreten und während sie im Dienst sind, zum vollen Einsatz ihrer Fähigkeiten zu schulen und auszubilden. Der dritte Fall, der Mitbestimmungstyp, ist keine Alternative, sondern tatsächlich eine Ergänzung zu der steigenden Bedeutung von Qualitätspersonal in der Regierung. Es ist nur natürlich, anzunehmen, daß hochqualifizierte Leute nicht zufrieden sind, als Mittel benutzt zu werden, sondern ein Maß von Autonomie und decision-making power bei ihrer Arbeit und ihrem Dienstrang haben möchten. Im Mitbestimmungstyp ist das Personalystem auf das Prinzip der Autonomie und gleichmäßigen Verteilung von Entscheidungen auf einige Klassen aufgebaut. Die drei Typen können nicht als Stufen einer Entwicklung verstanden werden. Während das allgemeine Niveau der Ausbildung, das in dem Land vorherrscht, einer der Faktoren ist, der zu der Wahl des einen oder des anderen Typs beiträgt, gibt es eine Anzahl von anderen Einflüssen - Tradition, politische überzeugungen, Personalbedarf, Möglichkeit, das

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Regierungssystem isoliert von anderen Bereichen der Beschäftigung in der Gesellschaft zu betrachten -, all das kann das Ergebnis völlig ändern. 1. Auswahltyp

Die Haupteigenschaften des Auswahltyps im Personal system sind: a) Zentrale Bestimmung des in der Regierung benötigten Personals, ausgedrückt in Zahlen und geforderten Eigenschaften, zentrale Einrichtung eines allgemeinen Systems der Beamteneinstufung - nach Beschäftigungstypen oder persönlichen Eigenschaften der Beamten -, ein Gehaltssystem, Verfahren für die Einstellung, Beförderung und Ämterteilung und möglicherweise andere Sachen. Traditionsgemäß gehört dies alles in den Verantwortungsbereich des Finanzministeriums, aber andere zentrale Behörden von ähnlichem Rang können seine Stelle einnehmen. b) Zentrale Überwachung der Anwendung der Regeln, die das Personal und die Durchführung des bestehenden Personalsystems betreffen, unter Betonung der Falrneß gegenüber den Kandidaten und Beamten und strenger Legalität, unter Ausschluß aller Privilegien und Einzeldiskriminierungen. Das gehört normalerweise zur Verantwortung eines unabhängigen Gremiums, das in Verbindung zu den politischen Organen der Regierung oder einer gerichtsähnlichen Organisation steht. c) Technische Verwaltung von Personalangelegenheiten in jeder zentralen Regierungsabteilung durch einen Personalbeamten, der direkt dem Chef der Abteilung oder dem Büro für Allgemeine Verwaltung, einer Personalgruppe oder - in größeren Organisationen - einem Personalbüro unterstellt ist. Persönliche Angelegenheiten in der Abteilung schließen folgendes ein: die Vorbereitung von formellen Verfügungen in Personalangelegenheiten in Zusammenhang mit den einzelnen Beamten, die Verwaltung der Löhne und Gehälter, Verhältnis zwischen den Beamten und Beschwerdeverfahren, persönliche Akten und Papiere. In Irland ist der Generalsekretär des Finanzministeriums der tatsächliche Chef der Verwaltung. Alle Einstellungen und Beförderungen, außer denen der Verwaltungsleiter, erfordern eine vorherige Zustimmung durch den Finanzminister. Das Finanzministerium ist verantwortlich für: Die Organisation und überwachung der Verwaltung, die Einstufung, Wiedereinstufung und Kontrolle der Anzahl der Arbeitsplätze in der Verwaltung, die Festlegung der Gehaltshöhe, die Regulierung der Beschäftigungs- und Beförderungsbedingungen der Beamten, die Auszahlung der Renten." Das System kennt auch Kommissare, die, von der Regierung oder dem jeweiligen Minister ernannt, zu jedem Ministerium gehören, aber unabhängig

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von ihm und seinem Chef und verantwortlich für die Werbung von Beamten auf der Grundlage einer öffentlichen Ausschreibung. (Jan Finlay, La Fonction publique irlandaise, Revue internationale des sciences administratives, No. 1, 1968, S. 25 - 31.) In Spanien hat die Hohe Kommission für Perwnalfragen, die 1964 geschaffen wurde, ihren eigenen Verwaltungsdienst, Generalsekretariat genannt, der das Register der Beamten führt (Luis Fernando Crespo Montes, Organization y Resultados deI Registro de Personal en la Administraci6n espafiola, Revue internationale des sciences administratives, No. 3, 1967, S. 251 - 256). Costa Rica hat einen Generaldirektor der Beamtenschaft und einen Beamtengerichtshof für die Rechtsprechung von Streitigkeiten in Personalangelegenheiten. Columbia ist besonders reich ausgestattet mit Zentralbehörden für Personalfragen: eine Verwaltungsabteilung der Beamtenschaft, eine nationale Kommission für die Beamtenschaft, ein Senat für Beamtenangelegenheiten im Staatsrat, ein Sekretariat für die Organisation und Inspektion der öffentlichen Verwaltung, verantwortlich für die überwachung des Personal systems, schließlich auch eine Höhere Schule der Öffentlichen Verwaltung, ein Element eines verschiedenartigen Typs von Personalsystem insgesamt. In Panama ruhen die Hauptverantwortlichkeiten für Personalangelegenheiten bei der Personalabteilung, aber gewisse Bereiche werden innerhalb der Zuständigkeit des Generaldirektoriums für Planung und Verwaltung und der Abteilung für Verwaltungsorganisation wahrgenommen. Ekuador hat eine nationale Personalbehörde, eine Kommission für Beschwerden (Reclamaciones) und Personalbüros in den Abteilungen der Zentralregierung. (A. Fonseca Pimentel, La Administraci6n de Personal en America Latina, Revue internationale des sciences administratives, No. 3, 1966, S. 197210.) 2. Ausbildungstyp

Bei dem Ausbildungstyp des Personalsystems liegt die Betonung auf der Schulung und Ausbildung der Beamten und parallel dazu auf einer aktiven Politik der Anwerbung, und Anregung von geeigneten Kandidaten, die dann Beamte werden sollen. Schulung und Ausbildung ist auf einer Basis vor und nach der Einstellung, in Schulen außerhalb der Beamtenschaft wie auch durch innerdienstliche Methoden organisiert. In den weiter entwickelten Systemen wird Schulung und Ausbildung als permanenter, selbständiger Prozeß verstanden, in dem die Verwaltung nur ihre Mittel zur Verfügung stellt, um ihren Mitgliedern zu helfen, die auf die Entfaltung ihrer Fähigkeiten auf ihre eigene Initiative und entsprechend ihrer persönlichen Pläne hinarbeiten. Aufbaumäßig überwacht eine zentrale Personalabteilung, die die Verantwortlichkeiten, die bei dem ersten Typ aufgezählt wurden, einschließt, die systematischen Bemühungen der Schulung und Ausbildung. Sie wird oft kombiniert mit einem Institut oder einer Schule der öffentlichen Verwaltung oder ist lockerer mit einer ähnlichen zentralen Schule von autonomem Charakter verbunden.

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Personalbüros in den jeweiligen Abteilungen der Zentralverwaltung sind groß im Vergleich zu dem früheren Typ und haben die Ver antwortlichkeiten ausgedehnt, die außer den früheren Zielen folgende einschließen: a) eine aktive und spezifische Anwerbungspolitik b) Bewertung der wachsenden Fähigkeiten jedes Mitgliedes der Organisation in Zusammenarbeit mit dem funktionellen Chef c) Ausbildung und Entwicklung des Personals, d. h. Herausfinden von Methoden der Schulung und Ausbildung und ihrer Effektivität Planung und Organisation spezifisch innerdienstlicher Formen der Schulung und Ausbildung Aufrechterhaltung von Kontakten mit außerdienstlichen Schulungsinstitutionen und gemeinsame Planung mit ihnen Vorbereitung von Ausbildungsmaterial d) Gemeinschaftliche Beziehungen, besonders Aufbau eines attraktiven Bildes der Organisation im Hinblick auf die Anwerbung. Der Grund für die Verlagerung der Betonung im Personaldienst ist die wachsende Bedeutung der öffentlichen Bürokratie im sozialen Leben im allgemeinen und von ausgebildeten Leuten innerhalb der Verwaltung im besonderen. "Ohne die Bedeutung, Notwendigkeit oder den großen Eindruck der Legislative und des Entscheidungsverfahrens der Regierung herabzuwürdigen, können wir nicht die Tatsache leugnen, daß die größte Neuerung dieses Jahrhunderts in der Politik die ständig wachsende Rolle der Bürokratie als Quelle nicht nur von Tatsachen und Erfahrungen, sondern auch von Ideen und Entscheidungen von öffentlichen Problemen war. In der Tat geht in einigen Bereichen sogar die Initiative häufig von den Verwaltungsbehörden der Regierung aus." (0. Glenn Stahl, World Political Developments and their Implications for Public Administration, Revue internationale des sciences administratives, Nr. 2, 1970, S.135.) Und" ... das Zentrum unserer politischen Bühne wird nun übernommen von einer neuen Machtgruppe: eine berufsmäßige, technische und managerhafte Mittelklasse - sehr jung, wohlhabend, gewöhnt an große Berufssicherheit und gut ausgebildet". (Peter Drucker, cit. in D. L. Anderson, K. M. Lloyd, and K. 0. Price, Crisis in Education of American Public Executives, Revue internationale des sciences administratives, No. 2, 1966, S. 150.) In Frankreich wurde 1945 zur selben Zeit das "Centre des hautes etudes administratives" und die "Ecole nationale d'administration" geschaffen, beide für die Ausbildung sowohl von Personal in der Verwaltung, als auch für Studenten, die noch nicht in den öffentlichen Dienst eingetreten sind, das ,Centre' mehr zu innerverwaltungsmäßiger Ausbildung und die ,Ecole' mehr zur Schulung vor dem Eintritt hin tendierend. Die Arbeit des Centre wurde 1963 unterbrochen und in der Zwischenzeit wird die Schaffung eines "Institut de haute administration" erwogen, was noch vom Staatsminister für Verwaltung abhängt.

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In Brasilien besteht das "Departemento Administrativo deI Servieio Publieo (DASP) mit der Verantwortung einer zentralen Personalabteilung und schließt eine Schule der Verwaltung ein (A. Fonseca Pimentel, loeo cit.; J. E. Godehot, Formation permanente des eadres superieurs de la fonction publique in Franee, Revue internationale des seienees administratives, No. 1, 1970, S. 18 - 21). Wie wir im Fall von Columbien gesehen haben, gibt es dort Kombinationen des Auswahl- und des Ausbildungstyps im Personalsystem. Das ist besonders häufig in Entwicklungsländern, die zur selben Zeit bezwecken, ein Leistungssystem in den öffentlichen Dienst einzuführen und Leute auszubilden in kürzerer Zeit, um die Stellen zu besetzen. In der Türkei wurde die Verantwortung für die zentrale Personalpolitik 1960 vom Finanzministerium auf eine neue Staatspersonalabteilung übertragen. Die Ziele der neuen Abteilung beinhalten die Ausbildung von Beamten (Tahir Aktan, The New State Personnel Department in Turkey, Revue internationale des scienees administratives, No. 2, 1967, S. 151 - 154). In Indien ist die übertragung der zentralen Personalbelange vom Schatzministerium auf eine neue Personalabteilung unter dem Kabinettssekretär noch im Vorschlagsstadium (K. N. Butani, Personnel Administration - a Muffled Cry for Change by the Administrative Reforms Commission, The Indian Journal of Publie Administration, No. 1, January/March, 1969, S. 11 - 31). In Somalia wurde das Beamtensystem 1962 revidiert. Die Verantwortung für Personalangelegenheiten wurde zwischen einem Zentraldirektorium für Versorgung und Personal und einem zentralen Planungsdirektorium geteilt, beide unter Führung des Ratsministers und beinhaltet das "Somali Institute of Publie Administration", ein Ausbildungszentrum, das mit Unterstützung von UN-Beratern arbeitet. Daneben gibt es eine öffentliche Verwaltungskommission, der Zentralregierung angegliedert (Lawrence L. Barber, The Revision of the Somali Civil Service, Revue internationale des scienees administratives, No. 2, 1966, S. 134 - 144). 3. Mitbestimmungstyp

Ideen von Beamtenmitbestimmung tauchten langsamer auf und waren u. a. langsamer in die Praxis umzusetzen im öffentlichen Dienst, im Vergleich mit ähnlichen Tendenzen in außerregierungsmäßigen Organisationen. Die besondere Stellung der Regierungsbürokratie als Instrument und gleichzeitig Teil des Staatsmonopols der organisierten Gewalt, ihre Verantwortung gegenüber den politischen Körperschaften schien lange Zeit jegliche Versuche auszuschließen, Regierungsbeamte an den Entscheidungen über Regierungsprogramme und -methoden teilhaben zu lassen. Im Gegenteil, eine Anzahl von Ländern hielt es für notwendig, die Rechte der Beamten gegenüber einer Organisation und Tätigkeit in Gewerkschaften wie auch ihre Freiheit, an Formen der politischen Betätigung teilzunehmen, die allen anderen Bürgern offenstehen, zu beschränken, um die Kontinuität des öffentlichen Dienstes zu garantieren und öffentlich Bedienstete sogar von der Erscheinung einer Parteinahme abzuschirmen.

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Die tatsächliche Verbesserung der Stellung des Regierungsbeamten, sein wachsender Einfluß auf die getroffenen Entscheidungen und die ganze Richtung der Verwaltung fand als tatsächliche Entwicklung ohne große formale Änderungen statt, dank des wachsenden Expertentums der Regierungsbeamten und der steigenden Abhängigkeit des technischen öffentlichen Dienstes von Experten. Die ganze Bewegung für größere Autonomie des Arbeiters an seinem Arbeitsplatz konnte jedoch nicht völlig den öffentlichen Sektor umgehen. Angestellte fingen an, an Entscheidungen über Beschwerden, über Arbeitsbedingungen, über Personalangelegenheiten teilzunehmen. Daß die Gewerkschaften über Löhne und Gehälter in der Regierung verhandeln können, wurde formell anerkannt. Verschiedene Formen von vereinigten Räten zwischen Repräsentanten der Regierungshierarchie und Repräsentanten der Angestellten wurden langsam eingerichtet. All das ist noch ziemlich entfernt von echter Mitbestimmung, nicht zu sprechen von Selbstverwaltung. Das Problem des Konfliktes von Verantwortlichen zwischen der politisch verantwortlichen Regierungsabteilung und den möglichen decision-making-Körperschaften der Angestellten hat sogar in der Theorie noch keine befriedigende Lösung gefunden. Die strukturellen Folgerungen dieser Entwicklung sind schrumpfende Verantwortlichkeiten des Regierungspersonals, neue Arten der Beratung und des decision-making der Beamten in jeder Abteilung, ein allgemein lockereres und elastischeres System, besonders in bezug auf Löhne und Gehälter. Wenn wir hier das jugoslawische Beispiel anführen, ist uns klar, daß wir einen atypischen Fall diskutieren. Einige der Probleme des Mitbestimmungstyps werden jedoch deutlicher in einem konkreten, wenn auch weniger vergleichbaren Fall, als wenn man darüber abstrakt spricht, besonders weil dieser Typ relativ weniger entwickelt ist als die anderen. Die Verfassung der Sozialistischen Föderalen Republik Jugoslawiens vom 7. April 1963 nennt das Recht auf Selbstbestimmung an seinem eigenen Arbeitsplatz unter den Grundrechten des Menschen und des Bürgers. Es schließt Leute ein, die für die Regierung arbeiten. Die Selbstverwaltung in Regierungsbehörden wurde allgemein eingeführt durch das Allgemeine Gesetz über die Selbstbestimmung der Arbeiter in Verwaltungsorganen (Amtsblatt No. 46, 1964). Die Selbstbestimmung in Regierungsbehörden wird begrenzt durch Gesetz auf interne Beziehungen, darunter: Entscheidungen über die interne Organisation der Behörde, Schaffen von Bedingungen für Berufsentwicklung, Verbesserung von Arbeitsbedingungen, Regulierung von wechselseitigen Beziehungen am Arbeitsplatz, Entscheidungen über persönliches Einkommen. Diese allgemeinen Formeln in konkrete Verantwortlichkeiten zu übertragen, ist Sache der internen allgemeinen Ordnung, auch Sache der Selbstverwaltung. Es gibt jedoch Differenzierungen in den aufgezählten Verantwortlichkeiten. Manche Entscheidungen können die Beamten alleine treffen, andere zusammen 18 Speyer 48

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mit dem Chef der Abteilung. Bei Nichtübereinstimmung entscheidet die Regierung als Ganzes den Streit, einer juristischen Kontrolle nur bezüglich der Legalität des angewendeten Verfahrens unterworfen. Die erste Kategorie beinhaltet: die Zuteilung von Geldern für persönliches Einkommen, d. h. Löhne und Gehälter, den Gebrauch von Geldern, zugeteilt für "allgemeine Zwecke der gesamten Arbeiterschaft", Schulung und Ausbildung, die Gründung des Rates der Arbeiterschaft. Alles andere wird zusammen von Beamten und dem Chef der Abteilung beschlossen. Wo immer möglich werden Selbstverwaltungsvorrechte von allen Beamten einer Behörde zusammen, der Gesamtarbeiterschaft, ausgeübt. Wenn diese Körperschaft zu groß ist, wird ein Komittee gewählt, Rat der Gesamtarbeiterschaft genannt, für 2 Jahre mit mindestens 5 Mitgliedern, von denen keiner ein zweites Mal gewählt werden darf. Zur Zeit sind die tatsächlichen Änderungen als Folge der Einführung einer begrenzten Form der Selbstverwaltung in Regierungsbehörden geringer, als es uns der Gesetzestext glauben machen könnte. Alte Angewohnheiten sind immer noch tief verwurzelt, und ernsthafte Konflikte, die von der Anwendung der Selbstverwaltung herrühren, sind nicht häufig. Ein Verfahren ist jedoch eingeleitet worden und zeigt eine doppelte Konsequenz: die bestehenden Personaldienste verschwinden allmählich, und die Haltung der höheren Schichten und der besser ausgebildeten Regierungsbediensteten beginnt sich in Richtung auf eine größere Verantwortlichkeit und Selbstbehauptung hin zu ändern. 111. Organisation

Ein systematisches Befassen mit der Organisation in der Zentralregierung begann in den 30er Jahren. In diesem Bereich sind keine verschiedenen Typen zu unterscheiden. Es ist zu früh dafür, davon zu sprechen, daß eine klare Differenzierung entstanden ist, und der internationale und untereinander verbundene Charakter von Ideen und Praktiken, der mit der Organisation zusammenhängt, scheint stärker zu sein als die verschiedenen Traditionen und anderen Elemente von Mannigfaltigkeit, die die Entwicklungen beeinflussen. Es ist jedoch möglich, von einem früheren und einem späteren Stadium zu sprechen und in der Organisationsarbeit, weil die anfängliche Einfachheit der Arbeitsmethoden ersetzt wird durch eine stärkere Geistigkeit und eine komplexere Technik, die neue Horizonte von revolutionärer Änderung eröffnet. Organisation und Arbeitsmethoden in der Zentralregierung sind nicht auf die wirtschaftlich und technisch entwickelten Länder beschränkt. In den gerade entstandenen Ländern wird dem oft große Bedeutung beigemessen. Der rationale Grund dafür ist, daß die neuen Länder, die ihren Zentralregierungsaufbau von Grund auf gestalten müssen, mehr von einem technisch gesunden Herangehen an dieses Ziel profitieren können und eingefleischte Gewohnheiten und althergebrachte organisatorische Interessen bekämpfen müssen als die älteren Länder. Es gibt auch noch

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andere Gründe - weniger rational, könnte man sagen von Schaueffekten und den Reiz einer komplizierten und teuren Maschinerie. Damit soll nicht gesagt werden, daß Computer keine Anwendung in Entwicklungsländern finden können. Der folgende Text der UNO illustriert ein ausgewogenes Herangehen an diese Frage: "Die Computertechnik wird immer wichtiger in der Verwaltung von allen Hauptentwicklungsfunktionen - (Landwirtschaft, Erziehung, Gesundheitswesen, Wohnwesen, Arbeit, Hilfsmittel und Transport) wie auch in der Bereitstellung von statistischen Diensten und in der allgemeinen Regierungsverwaltung auf allen Ebenen (z. B. Finanzen, Personal und Materialverwaltung und Führungsinformationssysteme). Man kann erwarten, daß seine Anwendung sich in den Entwicklungsländern in den 70er Jahren schnell verbreiten wird ... Zur selben Zeit sollte die Verschwendung, die aus dem frühzeitigen und übermäßigen Kauf von Ausstattungen resultiert, vermieden werden." (Public Administration in the Second United Nations Development Decade - Report of the Second Meeting of Experts, United Nations, New York, 1971, S. 66.) 1. Erstes Stadium

Was Organisation und Arbeitsmethoden am Anfang wirklich bedeutet haben, ist Vorurteilslosigkeit, Konzentration der Aufmerksamkeit auf ein spezielles Strukturproblem, zusammen mit Erfahrung und einer gewissen natürlichen Begabung für organisatorisches Denken. Es gründet sich auf die Überzeugung, die später Gegenstand einer vielseitigen Kritik ist, daß für jede Aufgabe und Situation eine organisatorische Lösung gefunden werden kann, die eindeutig besser als jede andere Alternative ist und daß relativ einfache Prinzipien und Kriterien entwickelt werden können, um als verläßliche Leitlinien für eine optimale Lösung dienen zu können. Die Prinzipien der Einheit der Führung, Verhältnis von Macht und Verantwortung, Eindeutigkeit der Rangstufen wie auch das Kriterium der Homogenität in der Gruppierung von Arbeitskräften zu organisatorischen Einheiten, die Spannweite der Kontrolle als Grenze für organisatorische Differenzierung sind Beispiele einer klassischen Organisationstheorie. In der jeweiligen Abteilung der Zentralregierung gibt es manchmal einen Personalbeamten oder eine kleine Gruppe, die dem Chef der Abteilung, dem Finanzbüro oder dem Büro für allgemeine Angelegenheiten angegliedert sind. Aber genauso oft sind Organisation und Arbeitsmethoden außerregierungsmäßigen, halbautonomen und völlig unabhängigen Behörden und beratenden Führungsorganisationen anvertraut. Die Hauptmethode, an organisatorische Probleme heranzugehen, ist eine umfassende Übersicht über die Führung. Seine wichtigsten spezialisierten Werkzeuge sind die formalisierten Verfahren der Arbeitsanalyse, Zählen der geleisteten Arbeit, Arbeitsbemessung und Arbeitseinteilung. Von Anfang an entwickelten Spannungen zwischen dem befehlenden und befehlsempfangenden Teil der Organisations- und Arbeitsmethodenabtei18·

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lungen. Die Grundlage dieses Konflikts ist der natürliche Unterschied der Lösung der Strukturprobleme zwischen dem Organisations- und Methodenexperten, der an allgemeine Strukturprinzipien und -kriterien glaubt, und den funktionell spezialisierten Gruppen, deren Mitglieder bloß die spezischen Eigenheiten ihrer Arbeitssituation sehen und der ausgleichenden und gleichmachenden Haltung des Organisators widerstreben. Die relativ bescheidenen Resultate der Organisations- und Methodenarbeit während des ersten Stadiums sind die Folge dieses Konflikts. Zentrale überwachung und Koordination der Organisations- und Arbeitsmethodenbemühungen in der Regierung wird im ersten Stadium in der Abteilung für Finanzen oder der Haushaltsabteilung konzentriert, wenn die letztere verschieden und getrennt von der ersteren ist. 2. Spätere Entwicklungen

Die Ausbreitung und allmähliche Umwandlung der Organisationsund Methodenarbeit hängt zusammen mit der Informationsrevolution der 50er und 60er Jahre, mit dem Aufkommen der Computer und der Automation. In mancher Hinsicht ist die Kontinuität mit früheren Stadien ungebrochen. Arbeitsmethodenplanung wird mathematisch verfeinert zur Netzarbeitsplanung, ergänzt durch graphische Darstellungstheorie, Entscheidungsreihenfolgen, "queuing", systematisiert in der Programmbewertung und Techniken der Nachprüfung (PERT). Lineares und nichtlineares Programmieren, die Methoden, die in dem operations research mitinbegriffen sind, decisions-making unter dem Gesichtspunkt der Wahrscheinlichkeit und Ungewißheit, die Anwendung der Spieltheorie wären undenkbar ohne die neue Entwicklung in der Theorie und Technologie. Eine strukturelle Konsequenz dieser neuen Entwicklungen ist die Einrichtung und Ausweitung von entsprechenden Zentraldiensten in der Regierung. Computer mit ihrer großen Fähigkeit, Daten und Informationen selbst zu bearbeiten, üben einen zentralisierenden Einfluß aus. Man braucht auch hochspezialisiertes Personal, das schwer zu finden und schwierig in dezentralisierter Stellung zu überwachen ist; ebenso ist es erforderlich, gelerntes Hilfspersonal auszubilden, das als Bindeglied zwischen dem spezialisierten Zentrum und der jeweiligen Abteilung nötig ist. Der normale Weg, diese Personalgruppe für ihre Aufgaben vorzubereiten. ist der einer innerverwaltungsmäßigen Ausbildung, weil das benötigte Personal Leute mit Kenntnis der tatsächlichen Verhältnisse der Verantwortlichkeiten jeder Abteilung und etwas Wissen über die neuen Tech-

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niken und Methoden der informellen Integration sein sollen. Deshalb schließen die für die ganze Regierung eingerichteten Zentren in der Regel auch Ausbildungsmöglichkeiten ein. In der jeweiligen Abteilung der Zentralregierung ist andererseits die Lage im Begriff, sich grundsätzlich zu ändern. Während die alten Organisations- und Arbeitsmethodengruppen versuchen, sich mit dem wachsenden Strom der Neuerungen zurecht zu finden oder sich dagegen zu wehren, werden neue Gruppen gebildet, die sich hoffentlich einem zukünftigen System des Management durch informelle Integration anpassen. Diese neuen Gruppen würden beinhalten: a) Eine Informations- oder Datenbank für die Abteilung oder die gesamte Regierung, mit allen möglichen Benutztern durch gegenseitige Leitung verbunden, so daß das neue "Managementprinzip" zufriedengestellt werden kann, d. h. das decision-making den Informationsquellen näherzubringen. b) Eine operations-research-Gruppe, die jede Aufgabe und Lage analysiert mit dem Ziel, klare Alternativen festzustellen, aus denen die Leute wählen können, und jede Operation zu standardisieren, wo dies vorteilhaft ist, um die decision-making-Zentren für außerroutinemäßige Angelegenheiten freizuhalten. c) Eine Operationskontrollgruppe oder ein Monitorsystem, um jeden Vorgang und jede Operation zu verfolgen und die Resultate auf andere Elemente des Systems weiterzugeben. d) Eine Organisationsentwicklungsgruppe, die sich konzentriert auf menschliche und psychologische Aspekte der Kooperation, Erleichterung der Zusammenarbeit, Mitbestimmung, steigende Selbstkontrolle und Selbstführung und die negativen Auswirkungen der Arbeitsteilung neutralisiert. 1959 wurde in Frankreich ein neuer zent.raler Organisations- und Arbeitsmethodendienst geschaffen und dem Ministerium für Finanzen und wirtschaftliche Angelegenheiten angegliedert. Die Zentrale beinhaltet: die Ausbildung und Schulung von 0 & M-Personal Durchführung von 0 & M-Arbeit in der jeweiligen Abteilung Einleitung und Teilnahme an Forschungsprojekten über Probleme der Organisation die Vorbereitung von Dokumenten und Informationsverteilung bzgl. 0 & M. Die Zentrale wird von einem Generalinspektor des Nationalen Institutes für Statistik und wirtschaftliche Studien geführt und hat eine kleine Kerntruppe von ständigem Fachpersonal, kombiniert mit einem größeren Kreis von Exper-

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ten, die zeitweise an Projekten arbeiten (Traite de Science Administrative, Mouton & Co., 1966, Den Haag, S. 581 - 584). o & M wurde 1940 in der Regierung von Irland eingeführt. Es gibt dort o & M-Büros in allen Ministerien, koordiniert von einer 0 & M-Gruppe im Finanzministerium. Die Abteilungsgruppen sind jedoch verantwortlich nur den Chefs ihrer Abteilung. Es gibt keine doppelte Verantwortlichkeit wie in finanziellen Angelegenheit. Die Zentrale 0 & M-Gruppe im Finanzministerium kann nur Maßnahmen empfehlen und Personal für die Abteilungsgruppen ausbilden. Zusammen mit klassischer Arbeitsbemessung und Arbeitsstudienmethoden gibt es eine Operationsforschungsgruppe (O.R.Gruppe) in der Abteilung für Transport und Energie und 4 andere Abteilungen haben autonomische Datenverarbeitungssysteme installiert. Das Finanzministerium hat sowohl zentrale O.R. wie aus ADP-Gruppen (S. O'Conaill, op. cit., S. 22 - 24). Organisationsentwicklung, um mit den Worten von Alexander Winn zu sprechen, "impliziert eine normative Wiederausbildungsstrategie, die Systeme des Glaubens, der Werte und Haltungen innerhalb der Organisation beeinflussen soll, so daß sie sich besser an die beschleunigten Änderungen in der Technologie, in unserer industriellen Umgebung und der Gesellschaft im allgemeinen anpassen kann. Sie schließt auch formelle organisatorische Restruktuierung ein, die häufig von normativen und Verhaltensänderungen eingeleitet, gefördert und verstärkt wird" (cit. in: Robert T. Golembiewski, Organization Development in Public Agencies: Perspectives on Theory and Practice, Public Administration Review, No. 4, July/August, 1969, S. 367 - 377). Es werden sogar manchmal Befürchtungen geäußert, daß die häuflge Benutzung von außerregierungsmäßigen Organisationen für 0 & M-Aufgaben in der Regierung den öffentlichen Charakter der öffentlichen Behörden beeinträchtigen könnte (Guy Braibant, op. cit., S. 342). Wie keine andere institutionelle Tätigkeit hat die 0 & Vorstellung der Öffentlichkeit beeinflußt. Die Zukunft der einschließlich Regierungsorganisation, wird als Teil der und blinkenden Computer gesehen, was für positive und fühle die Vision auch immer verursachen könnte.

M-Arbeit die Organisation, schwirrenden negative Ge-

Zur Zeit scheint jedoch eine zurückhaltendere Beurteilung der Auswirkungen des Computers naheliegender zu sein. Regieren ist jetzt und wahrscheinlich auch in Zukunft eine menschliche Angelegenheit. Und deshalb sollten die Bemühungen, es menschlicher zu gestalten, sicherlich dem Bestreben vorgehen, seine Technologie esoterischer zu machen.

2. Schriftliche Bemerkungen a) Personalprobleme in der Organisation der Verwaltungsspitze Von Georges Langrod 1. Um die Hauptlinien des beachtlichen Beitrages von Herrn Pusic besser zu verstehen - insbesondere was die Untersuchung und die Aufrechterhaltung des Gleichgewichts angeht, das das Überleben der Verwaltungsorganisation gewährleistet, oder die Bedeutung der Modelle der Selbstverwaltung und die Entwicklung von nach-Weberschen Ideen über die Bürokratie -, so verfügt man über sein 19"68 in Zagreb erschienenes Werk ("Samoupravljanje - prilozi teoriji i prakticni problemi"). Da aber die Sprachbarrieren den Zugang zu diesem Werk erschweren, wird man sich insoweit mit den mündlichen Erläuterungen des Berichterstatters im Verlauf der Diskussion zu seinem Bericht begnügen müssen. 2. Was dennoch schon jetzt im Rahmen der schriftlichen Diskussionsbeiträge, die den Teilnehmern der Tagung vor der mündlichen Diskussion zugestellt werden sollen, unterstrichen zu werden verdient, ist der gesamte Problemkomplex, der das Personal betrifft, vom Berichterstatter auf den S. 267 ff. des Berichts behandelt. Dabei handelt es sich in der Tat um eine wirklich entscheidende Frage, von der zum großen Teil der Fortschritt in der Verwaltung abhängt, diese nicht nur als technischer Apparat begriffen, als Inbegriff koordinierter Werkzeuge, die dazu bestimmt sind, aufgestellte Ziele zu verwirklichen, sondern auch als sozio-kulturelles Subsystem im Kontext des gegebenen sozialen Systems. Der Berichterstatter unterstreicht zu Recht die Bedeutung des menschlichen Aspekts in und für die Verwaltungsorganisation; er geht weiter und versucht eine Art "Typologie" herauszuschälen, die drei koexistente und in Interaktion befindliche Kategorien umfaßt: die Typen sind charakterisiert durch die Auswahl, die Aus- und Fortbildung und die Mitbestimmung. Es versteht sich von selbst, und Herr Pusic versäumt nicht darauf hinzuweisen, daß es sich bei diesen Kategorien nicht um Entwicklungsabschnitte bei der Entwicklung des Zugangs zum allgemeinen Problem des Verwaltungspersonals handelt. Verschiedene Faktoren tragen zum Übergewicht des einen oder anderen Lösungstyps bei, aber im Grunde sind alle schicksalhaft komplementär. Könnte es hier wohl die Freiheit einer Wahl geben? 3. Nun denn, meine erste Bemerkung geht in die Richtung, daß man unter diesen drei Lösungstypen nicht wählen kann. Herr Pusic ist gleicher

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Ansicht, aber sein Text könnte vielleicht eine abweichende Vorstellung entstehen lassen. Tatsächlich ist keine Rekrutierung und keine Auswahl vorstellbar ohne eine angemessene Information und eine vorherige Ausbildung, sogar darüber hinaus ohne spätere periodische Weiterbildung, die im allgemeinen derzeit ziemlich im argen liegt; keine Gesundung der ,menschlichen Beziehungen' im öffentlichen Dienst, kein wirksamer Versuch, eine Art von ,Leistungsprinzip' (meritocratie)" im Amt zu schaffen, kann realisiert werden ohne eine Form von Mitbestimmung, über die der Berichterstatter mehrere zutreffende Dinge ausführt (S. 272 ff.). Alles das gehört zusammen in diesem Bereich und man darf nicht glauben, daß es sich hier um eine "Alternative" handelt, auch wenn der Berichterstatter diesen Ausdruck gebraucht. Sobald man die Basis rein theoretischer oder vor allem historischer überlegungen verläßt, muß man sich um jeden Preis, ohne daß eine Ausflucht möglich wäre, von der fundamentalen Interdependenz dieser Phänomene Rechenschaft geben. Wie auch immer im konkreten Falle das in einem bestimmten Land bestehende Verwaltungs system aussieht, welches seine eigenständigen Traditionen seien, wie auch immer das allgemeine politisch-ökonomische System sei - überall und immer stellt man die integrale Verbindung zwischen diesen drei "Typen" fest. Man hat insbesondere immer zu tun mit a) dem Zuwachs an konkreten Anforderungen sowohl hinsichtlich der menschlichen Qualitäten wie auch der beruflichen Fähigkeiten von Kandidaten für den öffentlichen Dienst, die wachsende Komplexität von Verwaltungsaufgaben und der Umwelt gibt sie schicksalhaft vor; b) der Notwendigkeit der adäquaten persönlichen Auswahl eines jeden Kandidaten und dem gewissenhaften Aufrechterhalten seiner Befähigungen, in Beziehung auf seine aufeinanderfolgenden Verwendungen, und zwar für die gesamte Dauer seines Dienstes, die Forderung der Funktionsmobilität trägt hier nachdrücklich dazu bei. c) der kategorischen Ablehnung der alten Methode, die Angelegenheiten des Verwaltungspersonals einseitig - und autoritär - zu behandeln, mit der Unsicherheit und den Folgeerscheinungen des "regime de bon plaisir" (Gefälligkeitsregimes), die sich damit verbinden. Herr Pusic unterstreicht zu Recht, S. 273, die Qualität der Experten, an die hier zu denken ist; hinzufügen müßte man dem die "Professionalisierung" der Beamtenschaft, ihre "Proletarisierung" als Folge ihrer Menge und des fortschreitenden Abbaus der alten, von der Bevölkerung isolierten, "Festung" Verwaltung, ihre "Syndikalisierung" nach Art der Beschäftigungen auf privatem Sektor. Ohne die Notwendigkeit eines solchen globalen Zugangs zur Gesamtproblematik des Personals zur Geltung zu bringen, läuft man Gefahr ein

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Bild zu präsentieren, das nicht genau den wirklichen Bedürfnissen entspricht. Die wirkliche Modernisierung des öffentlichen Dienstes hat diesen Preis. Es ist zutreffend, daß dies alles bei Herrn Pusic mit einbegriffen zu sein scheint; aber erstens könnte der oberflächliche Leser des Berichts vielleicht zu dem Irrtum verleitet werden, diese Modernisierung auf technische Verbesserungen der Organisation und der Methoden zu beschränken, von denen der Berichterstatter auf den S. 277 ff. spricht. Ohne die Bedeutung von Neuerungen in Richtung auf Automation und Fortschritt von Kommunikationen aller Art zu unterschätzen, muß man wohl begreifen, daß man ohne die Verbesserung der menschlichen Qualität und Sachkenntnis in einem circulus vitiosus bleibt. Und zweitens, selbst wenn sich dies alles von selbst versteht, ist es nicht überflüssig festzustellen, daß es sicher besser geht, wenn man es klar am Anfang sagt. 4. Man kann nicht mit Erfolg das Problem der Verwaltungsorganisation in unserer Epoche anschneiden, die im übergang ist, im übergang zwischen den alten Formen, die sich noch durch das Gesetz der Trägheit aufrechterhalten und wegen des Widerstandes gegen den Wandel, und den modernen Lösungen, die durch die Entwicklung der Bedingungen der Verwaltungsarbeit auferlegt sind, ohne die Gesamtproblematik des öffentlichen Dienstes genau in den Kontext einer globalen Politik hinsichtlich der menschlichen Ressourcen zu stellen. Das Fehlen einer solchen Politik, "Makro-Politik", deren Projektion auf die individuelle Ebene sich als "Mikro-Politik" der Verwaltung der Angelegenheiten eines jeden manifestieren würde, stellt einen der hauptsächlichen Gründe der schlechten oder mittelmäßigen Verwendung der menschlichen Arbeitskraft in der Verwaltung dar. Was die Arbeitskraft angeht, bedarf es einer operationellen Strategie im Hinblick auf die sich ständig ändernden Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes. Man findet in dem Bericht Beweise dafür, daß Herr Pusic sich dessen voll bewußt ist, aber ohne hier ausdrücklich den Akzent hinzusetzen. Solange man nicht über gesicherte Informationen verfügte, selbst dort, wo die qualifizierte Arbeitskraft als relativ sehr selten, also besonders wertvoll erscheint, war diese Situation erklärlich. Aber zu unserer Zeit, wo wir dank der modernen Methoden über eine Masse von Fakten verfügen, zum Aufnehmen, Weiterleiten, Umwandeln und Zurückschicken, ist diese Unzulänglichkeit nicht mehr entschuldbar. Ihre Schäden sind dauerhaft und offensichtlich. Die Umwälzungen in der Handlungsweise und der Organisation der Verwaltung, die seit der Mitte unseres Jahrhunderts erfolgt sind, erlauben die Voraussicht, daß die Entwicklung von jetzt zum Jahr 2000 folgerichtig nur in Richtung auf die Erarbeitung und Verwirklichung einer solchen Personalpolitik gehen kann. Die organisatorischen Rückwirkungen dieses Sachverhaltes springen ins Auge. Die Rolle der "Personalbüros" im Schoße der Ministerien und

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anderer Zentralorgane wird sicherlich an Bedeutung zunehmen; sie als Übermittlungsorganismen zu betrachten, als Art "Briefkästen", gehört entschieden zu einer endgültig verstrichenen Vergangenheit. Die Rolle der Planungsorganismen in den Personalangelegenheiten, Beratungsgremien des öffentlichen Dienstes, ist ebenfalls zu unterstreichen, und es ist wahrscheinlich, daß ihre künftige Aufgabe sich nicht mehr auf eine bloße Beratung beschränken wird, sondern schlicht und einfach auf Vorschläge hinausläuft. Eine besondere interministerielle Zusammenarbeit, auf der Ebene des Einsatzes und der Beobachtung des Arbeitsmarktes, wird die Schaffung verschiedener "Steuerungsstellen (passerelles)" erfordern. Die von Herrn Pusic zitierten ausgezeichneten praktischen Beispiele verdienten deshalb durch eine "in die Zukunft gerichtete" Blickweise eher vervollständigt zu werden, im Hinblick auf die Entwicklung, die bereits stattgefunden hat und die neue, aber vorhersehbare Bedürfnisse schafft. 5. Diese Beispiele verdienten vielleicht auch zur vergleichenden Illustration vervollständigt zu werden durch zwei andere Modelle, deren Tragweite die Grenzen der betreffenden Länder und sogar des europäischen Kontinents überschreitet, da mehrere ehemalige Kolonialländer diesen Beispielen in Analogie folgen. Es handelt sich insbesondere: a) einerseits um das britische Beispiel im Lichte der Vorschläge des Fulton-Ausschusses von 1968 (Cmnd. 3638), die schon teilweise verwirklicht sind, sowie im Lichte der nachfolgenden Debatten. Bei der britischen Tradition, die in diesem Bereich mehr als 100 Jahre alt und tief verwurzelt ist, haben diese Änderungen ein besonderes Gepräge und verdienen Aufmerksamkeit. Die Schaffung des Civil Service Department, 1969, des Civil Service College, 1970, eine gewisse Reorientierung von mehreren klassischen Konzeptionen im Lichte der ausländischen Beispiele sind ebenfalls greifbare Fakten, die man in diesem Zusammenhang in Erwägung ziehen muß, indem man sie als symptomatisch für die Tendenzen der Zeit betrachtet. b) andererseits um das französische Beispiel, das von Herrn Pusic unter dem Blickwinkel der Verwirklichung von Ausbildung, ENA, angeführt wird, aber nicht unter dem der Mitwirkung. Was die Ausbildung von Beamten angeht, wäre es angezeigt, mehrere andere bestehende Realisierungen anzufügen: die regionalen Instituts d'Administration; l'Institut national de l'Administration scolaire et universitaire; les Ecoles nationales: de Douanes, du Tresor, de la Sante publique, des Ponts et Chaussees, de la Securite sociale, etc.; l'Institut international d'Administrati on publique und andere. Was aber die Mitbestimmung angeht, besteht Anlaß, auf die schon 1946 geschaffenen Formen der Mitverwaltung der Personalangelegenheiten einzugehen, so da sind die "Paritätischen

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Kommissionen" und die "Technischen paritätischen Ausschüsse", deren Rolle im Schoße einer jeden Verwaltungsbehörde keineswegs übersehen werden darf, insbesondere was Beförderungen, Bezüge, Disziplin, Organisationsprobleme etc. angeht. Die gewählten Vertreter des Personals, mit entscheidendem Einfluß auf die Wahlen der "Action syndicale pluraliste", beeinflussen so den ganzen Verlauf der "Karriere", wobei der ebenfalls paritätisch besetzte oberste Rat des öffentlichen Dienstes dieses Gebäude krönt. Auf diese Weise spielt das Verwaltungspersonal in Frankreich, auf allen Ebenen und für alle Dienstgrade, eine ernstzunehmende Rolle bei der Verwaltung seiner Angelegenheiten; selbst wenn diese Lösung nicht vollkommen ist, darf man sie nicht vergessen, wenn man Formen der Selbstverwaltung in der öffentlichen Verwaltung behandelt. 6. Herr Pusic unterstreicht zu Recht die augenscheinliche und formelle Ähnlichkeit von strukturellen Lösungen in der Verwaltung entwickelter Länder einerseits und derjenigen von Entwicklungsländern andererseits, trotz ihrer unterschiedlichen Handlungsbedingungen. Man hat hier zu tun mit, zum Teil unbewußten, Rezeptionen, mit Folgeerscheinungen der Kolonialepoche und schließlich mit dieser eingewurzelten Vorstellung, es gäbe tatsächlich "one best way". Daraus resultieren häufig schwere Enttäuschungen, die bedauerlicherweise den allgemeinen Entwicklungsprozeß verlangsamen. Der Hauptunterschied zwischen diesen beiden Typen von Regimen ist in diesem Zusammenhang vor allem das Phänomen "Karriere". Unter Zuhilfenahme des Einflusses des amerikanischen Systems, mit allen etymologischen, logischen, psychologischen und wirtschaftlichen Mißverständnissen, die damit verbunden sind, weist man in manchen Ländern die Idee der "Karriere" in der Verwaltung zurück, da sie die Stabilität schafft, die Kontinuität im Dienst, oft auf Lebenszeit, ein hohes Maß an Unabhängigkeit der Beamten gegenüber der "Politik" und gegenüber Privilegien aller Art. Nun, der öffentliche Dienst, der, wie der Berichterstatter feststellt, ein Beruf geworden ist, der als "Beschäftigung" ebenso aussieht wie die des privaten Sektors (selbst wenn er den Stempel des öffentlichen Dienstes behält), kann nicht zum Amateurismus und zur Improvisation verdammt bleiben, zum totalen Belieben in der Gewalt der Regierenden, zu den irrationellen Bedingungen von Amtsverleihungen. Ausgehend von einer einheitlichen Konzeption, bestimmt von einer Politik für das Ganze, betrachtet als ein Sektor der allgemeinen Arbeitskräfte-Politik, bildet er eine Laufbahn; befreit von Vettern- und Günstlingswirtschaft, nicht mehr abhängig von irgendeinem Druck der Ereignisse, muß er in den logischen und chronologischen Rahmen gestellt werden, der für den normalen Ablauf des Dienstes vorgesehen ist und der den rechtlichen Schutz gegen auftretenden Machtmißbrauch genießt. Der

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Begriff der Karriere wird so eine Art von differentia specifica der modernen Konzeption des öffentlichen Dienstes. So bedauerlich das sein mag, ist nun in diesen Ländern (die als Entwicklungsländer angesehen werden) die Situation in der Mehrzahl der Fälle toto orbe unterschiedlich. Alles scheint dem freien Ermessen der Macht und/oder dem Zufall überlassen. Dort wo der Staat meistens der einzige Unternehmer auf dem Arbeitsmarkt ist, oder jedenfalls der wichtigste, wird es schwierig, brauchbare Kandidaten für den so aufgefaßten öffentlichen Dienst zu gewinnen und sie dort zu behalten, bei gleichzeitigem Kampf gegen das "Pantoffeltum". Die Existenz mehr oder weniger perfekter rechtlicher Vorschriften genügt kaum; man muß angesichts der Verschiedenartigkeit der Ämterkategorien und der entsprechenden Fähigkeiten - das Problem "von oben herab" angehen, indem man alles in eine "Karriere" integriert, die als echter Beweis für die Reife eines Unternehmens erscheint. Alles hängt damit davon ab von der Kontinuität, die den regulären Ablauf der Dienste bedingt, und dem Platz, der dem Gefühl von Berufung, von Hingabe für den Dienst an der Gemeinschaft, von beruflicher Verantwortung und auch von sittlicher Verpflichtung eingeräumt wird. Es ist keineswegs erstaunlich, daß man es unter diesen Bedingungen oft mit "blockierten" Organismen, mit der, wenn auch seltenen, Vergeudung der software, mit ungerechtfertigtem Aufwand zu tun hat. Kein echtes merit system, ohne daß man die Notwendigkeit einer elastischen aber festen Politik von "Karrieren" begreift, mit notwendigen Vorgriffen und Vorausplanungen, die die Gesamtheit von Operationen integriert wie: Rekrutierung, Auswahl, Ausbildung, Verwendung, Versetzung, Weiterbildung, Beförderung, Besoldung, Disziplin, Ruhestand. Es versteht sich von selbst, daß diese Überlegungen einen bestimmenden Einfluß auf die Querschnittsstrukturen der Verwaltungsspitze haben müssen, und es scheint mir angezeigt zu sein, dies zu unterstreichen. 7. Der Berichterstatter unterläßt es, in seinem Expose dem Phänomen "Beratung" einen Platz einzuräumen. Dennoch beweisen deutlich sowohl die Verwaltungsgeschichte wie auch der Vergleich der gegenwärtigen Lösungen, daß die Beratung mit allen ihren Formen zu einem der fundamentalen Züge der modernen Entwicklung wird. Man hat sogar sagen können, daß die Vervielfältigung der Beratungsorgane "eines der hervorstechenden Fakten der Verwaltungsgeschichte im XX. Jh." darstelle (vgl. B. Chenot, Vizepräsident des Conseil d'Etat, in "Les institutions administratives fran