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German Pages 447 [224] Year 2004
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Dokumente und Analysen zur russische sowietischen
lngo Crabowsky
å:Ï; Agitprop in der Sowjetunion Die Abteilung frir ngitation Herausgegeben von Karl Eimermacher und Klaus Waschik
.
und
Propaganda 1920-1928
projektvorlng.
Bibliografische lnformation Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeich net diese Publikation in der Deutschen
Nationalbibliografi e; detailliefte bibliografische Daten sind im lnternet über abrufbar.
lngo Grabowsky, geb. 1971, studiefte Slavistik, Geschichte und Germanistik in Bochum, Zagreb und Jaroslawl. Er lehrte an Universitäten in Münster, Barnaul und Jaroslawl. ln zahlreichen Veröffentlichungen setzt er sich mit kulturwissenschaftlichen und zeithistorischen Fragen a
useinander. Derzeit ist er wissenschafttich er Volontä r der Stiftu ng derGeschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn.
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íÆnhaltsverzeichnis
Einleitung
11
1.1 1.2 1.3
Problemstellung
11
Quellenlage und Forschungsstand Formale Erläuterung
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Die organisatorische Entwicklung des Agitprop
19
2.1
19
2.2
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2.3
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lsBN 3-89733-701.-2 O projekt verlag, Boch um/Freiburg 2004 e-m
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Vertrieb
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Gründung und Struktur des CK-Apparates 2.7.I Die Gründung der wichtigsten CK-Organe 2.7.2 Zur Struktur des CK-Apparates Die Gründung des Agitprop . 2.2.I Die Struktur der Abteilung bis 1920
2.2.2 2.2.3
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lnternet: www.projektverlag.de Druck: Zeitdruck, Dortmund Gedruckt auf 100% Recyclingpapier
18
2.4
Mechanismen der Führung . .
.
19
20 24 26 29
Die personelle Entwicklung des Agitprop und der Presseab-
teilung Der Agitprop und die staatlichen Behörden . 2.3.1 Farallelstrukturen im Staatsapparat 2.3.2 Die Schaffung des Glaupol'itprosuet 2.3.3 Der X. Parteitag 2.3.4 Die Beziehung von parteilichen und staatlichen Institutionen nach dem X. Parteitag 2.3.5 Stalin im Agitprop und die Neugründung der Abteilung Die Struktur des Agitprop 1921 2.4.I Die Unterabteilung Agitation 2.4.2 Die Unterabteilung Propaganda 2.4.3 Die Unterabteilung Presse Die Unterabteilung nationale Minderheiten tr
46
47 48 50 52
58 63
7t a1
73
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2.5
76
2.5.I
Die Unterwerfung von Rosta Die Unterabteilung Presse und ihre Autorität in der Pres-
76
3.2.1, Agitprop, Glaupol'itprosuet und das parteiliche Schulungs-
sekrise
80
3.2.2
Der Agitprop auf dem XI. Parteitag Díe Reorganisation von .Rosúa
86
2.5.2 2.5.3 2.5.4
2.6
2.7
2.8
Die Struktur des Agitprop 1922 2.6.1 Die Neuordnung der Unterabteilung Presse 2.6.2 Pläne für ein Pressekomitee . 2.6.3 Die Auseinandersetzung mit der Prauda Der Agitprop 1922 . . 2.7.I Der Aufbau des Bereiches Erfassung lokaler Erfahrung 2.7.2 Das Büro für Betriebspropaganda . 2.7.3 Ausbau der Unterabteilung Bibliotheken und Verbreitung von Literatur 2.7.4 Die antireligiöse Kommission Die Struktur des Agitprop 1922-1924
2.8.1 2.8.2
89 91
zwanziger Jahre
98
t02
113
IIÐ 116 119
Propaganda
135
131
Die Bedeutung von Agitation und Propaganda in der kommunistiIJÐ 6
161
Die Situation
167
Die Situation im Schulungswesen zu Anfang der
NEP
Bundesebene in der Provinz .
I70
Die Situation
180
Herrschaftsinstrumentes
184
Das Leninaufgebot und der Leninismus in den ParteischuIen
189
Die Ergebnisse der Leninismus-Kampagne
200 202
Die Auseinandersetzung mit der neuen Opposition auf Bundesebene
202
Der Kampf mit der Opposition auf lokaier Ebene
2t7
Literaturpolitik
2L5
4.1 Die Phasen der Literaturpolitik in den zwanziger Jahren 4.2 Die Beziehung der literaturpolitischen Institutionen zueinander 4.2.I Die Ausbildung der Institutionen bis 1921 4.2.2 Zensur - die Gründung von Glaali,t 4.2.3
170
Die Situation auf
Die Auseinandersetzung mit der neuen Opposition
3.6.1
215
218 278 220
Der Agitprop und die staatlichen Zensurorgane auf lokaler Ebene
t22
.
161
3.6.2 111
744
Bundesebene in der Provinz
3.5.2
3.6
Schulungsnetzes
Die Situation auf
3.5.1
100
102
l4l
Die quantitative Entwicklung des
Leninismus. Die Entstehung eines
100
724
schen Ideologie
140
Die ideologische Situation im Schulungswesen während des Übergangs zur Neuen Ökonomischen Politik
3.4.1 3.4.2
98
2.11 Die Reorganisation des CK 1928: Wiedervereinigung des Agitprop und der Presseabteilung . 2.72 Die Struktur des Agitprop 1930
3.1
J-¿1
96
108
2.10.3 Die Partei und die staatlichen Presseorgane l 2.I0.4 Der Agitprop und Glaupoli,tprosaet in der zweiten Hälfte der
Der Aufbau des parteilichen
3.3.1 3.3.2
89
run8
2.10.2 Schwächen in der Arbeit der Presseabteilung
3.3
87
103
Die Entwicklung des CK-Apparates bis 1924 2.10 Die Struktur der Presseabteilung und des Agitprop 1924 (nach dem XIII. Parteitag) 2.10.1 Konflikte zwischen dem Agitprop und der Presseabteilung
3.2
\el,z
Die Schaffung der Presseabteilung Die Schaffung der Unterabteilung Erfassung lokaier Erfah-
2.9
3
Schulungsnetzes
Die Entwicklung des Agitprop bis zum XL Parteitag
4.2.4
Die Beziehung des Agitprop zu den Organen der Staatssicherheit
4.3
228
Die Politik gegenüber den literarischen Vereinigungen
4.3.1
Das Politbüro als Schiedsinstanz kompros
4.3.2 4.3.3
-
.
232
die Beziehung von /før-
undGeheimpolizei
.. .. i.
232
Die Institutionalisierung der Literaturpoiitik
247
Bis zur Literaturresolution
¿oõ
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4.3.4 4.3.5 4.3.6 4.3.7
4.4
Nach der Resoìution: Auf dem Wege zur Vereinigung der Schriftsteller Die Partei und die neue Führung der VAPP Der Kongreß der proletarischen Schriftsteller und die Neuausrichtung der Literaturpolitik Die Literaturpolitik auf lokaler Ebene
276
282
292
Die Verlagspolitik Die Verlagspolitik im Politbüro 4.4.2 Die Kontrolle des Verlagsrvesens 4.4.3 Die Presseabteilung und der ,,Massenleser 4.4.4 Das Konzept des Agitprop vom,,Massenleser" . 4.4.5 Die Radikalisierung der Verlagspolitik zu Ende der zwanzí-
297
4.4.I
298 318
20. Jahrhunderts" a,m Lotman-Institut für russische und sowjetische Kultur der Ruhr-universität Bochum. Die Referenten der Dissertation waren Prof. Dr. Karl Eimermacher und Prof. Dr. Bernd Uhlenbruch. Ihnen bin ich in besonderer weise
322
verpflichtet.
311
Schluß
325
5.1 5.2 5.3 5.4
2.)x
Die Entwicklung der apparativen Strukturen des Agitprop Die Propagandapolitik Die Literaturpolitik
330
Folgerungen
.)ó.)
F\rßnoten
B
Verzeichnis der Abkürzungen und Institutionen
Meine Arbeit entstand im Rahmen des Graduiertenkollegs ,,Kulturelles Bewußtsein und sozialer Wandei in der russischen und sowjetischen Gesellschaft des
297
ger Jahre
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Vorwort
285
Für die Gewâhrung eines dreijährigen Stipendiums, in dessen Rahmen ich die Möglichkeit zu vier mehrmonatigen Forschungsaufenthalten in der Russischen Föderation hatte, bin ich der Deutschen Forschungsgemeinschaft sehr dankbar. Ich
328
danke den'Mitarbeitern der Archive in Moskau, Vologda und NiZnij Novgorod, die mir die bestdenkbaren Recherchemöglichkeiten sicherstellten. Bei der Organisation meiner Aufenthalte halfen mir in Nloskau in besonderer Weise Herr
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C Die strukturelle Entwicklung der Abteilung
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für Agitation und
Propaganda: Organigramme
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Unwegsamkeiten. Frau Dr. Ursula Justus leistete unschätzbare organisatorische Unterstützung. Allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Lotman-Instituts ich für organisatorische und fachliche Ratschläge zu tiefem Dank verpflichtet. Eine große Hilfe waren die Vorarbeiten, die im Rahmen des DFG-Archiv-Proiekts ,,iir'am Lotman- Institut geleistet wurden.
Für fachliche Gespräche danke ich den Mitgiiedern des Graduiertenkollegs in Bochum. Die Diskussionen im Kolleg befeuerten mich in meinem wissenschaftl! i,ehen Eifer. Den Gesprächen mit Dr. Bordjugov in Bochum und Moskau sowie mit iËrof. Dr. Michail Zelenov in NiZnij Novgorod verdanke ich ebenfalls außerordenti¡&ich viel. Die Küchensitzungen werden mir unvergeßlich bleiben.
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Dimoni in Vologda für die Unterstützung am Ort. In NiZnij Novgorod half mir Prof. Dr. Michail Zelenov mit seiner Familie bei der Bewältigung mancher
'lil Herr 4L3
D Bibliographie
D.1
405
Ðr. Gennadij Bordjugov sowie Anna und Michail Geng. Auch meine Freunde vom trnstitut für europäische Kulturen, vor allem Herr Dr. Arkadij Perlov, stanclen mir bei der Lösung von Alltagsproblemen stets zur seite. Ich danke Frau Dr. Tatiana
436 4óO ,414
Fär ihre Korrekturen bin ich Frau Dr. Ursula Justus und Herrn Reinhard Lerch,
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die meine Arbeit jeweils zu großen Teilen lasen, sehr verbunden. Vor allem und besonders habe ich dafür auch Frau Dorothée von Diepenbroick-Grüter und Herrn Uli Grabowsky meinen Dank auszusprechen, die beide sehr viel Zeit und Mühe aufwandten, damit mein Manuskript seine druckreife Form gewann. Uli war mir zudem bei alien tech¡ischen Problemen eine große Hilfe. Herrn Prof. Dr. Karl Eimermacher und Herrn Dr. Waschik danke ich dafür, daß sie meine Arbeit in ihre Reihe aufnehmen.
Mein Vater, Herr Uwe Grabowsky, weiß, wofür ich ihm danke. Ohne ihn wäre die rasche Drucklegung der Dissertation nicht möglich ger¡/esen. Zu guter Letzt danke ich meiner Mutter Brigitte und meiner Frau lra, die mir den Rücken freihielten und mich zur raschen Fertigstellung der Dissertation
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Kapitel
1
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,,'Einleitung ¡.
i.1
1r
Problemstellung
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anspornten.
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Redaktionsschluß der Arbeit war der 27.J:¡;ni 2002. 1¡Í. danach erscheinende Literatur gehe ich in meinen Ausführungen nicht ein.
!. Nach der Eroberung der Macht durch die Bol'ðeviki im oktober 1917 lag es im ,. rordringlichen Interesse der neuen Regierung, die politische Macht in Rußland den von ihm beherrschten Gebieten zu verteidigen und die Wirtschaft des ;,,, Landes nach sozialistischen Kriterien umzugestalten. Obschon hier die Schwer:punkte der politischen und militärischen Tätigkeit der Bol'Éeviki lagen, gab es
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mit dem militärischen Erfolg stetig wichtiger werdende sogenannte 1, den Kampf Front" um die umgestaltung des kulturellen Lebens und um ,,þitte ,,die schafiung des sogenannten ,,neuen Menschen".2 Die dritte Front teilte sich
i''daneben die
¿n mehrere Abschnitte,
an denen sozusagen verschiedene Regimenter kämpften, in der Diktion der damaligen Machthaber zu bleiben. Neben dem Versuch, li:,rSiê klassischen und neuen Künste (wie Literatur, Musik, Theater, Kino, Bildende Kunst) zu erobern und im sinne der kommunistischen ldeologie umzuformen, gab a¡m
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Bestrebungen, das ganze Land oder zumindest große Bevölkerungsgruppen mit &ommunistischem Geist zu durchsetzen und zum sozialistischen Aufbau zu be-
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Dub"i war die sogenannte ideologische ,,Erziehung,,, die diesem Zweck , nie bloß von weltanschaulichen, sondern stets auch von rein politischen f1i?esichtspunkten des Machterhaltes bestimmt. Hier wurde zwar mit ideolosischen rmeln gearbeitet, diese wechselten jedoch schnell in Abhängigkeit von der Taitik, das heißt für die zwanziger Jahre: in Abhängigkeit von der Lage im lichen Machtkampf. Die Schlacht an der
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dritten Front hátte, vereinfachend gesagt, vier Teilneh-
Zu nennen sind erstens die staatlichen (sowjetischen) Einrichtungen: Das issariat für Aufklärung unter Lunaðarskij und die ihm teilweise for-
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10
11
mal, teilweise realiter untergeordneten Institutionen wie Staatsverlag (Gosi,zd'at), Hauptkomitee für politische Aufklärun g (Glaupoli,tprosuet), Hauptverwaltung fùr
Literatur- und Verlagsangelegenheiten (GIauIi,t), Komitee für RepertoirekontrolIe (Glaurepertkom), Hauptkomitee für Papier (Glaubum), Geheimpolizei (die CK und ihre Nachfolgeorganisationen GPU und OGPU), Volkskommissariat für innere Angelegenheiten (NKVD) und andere Behörden, die auf politischem oder wirtschaftlichem Wege in Angelegenheiten der Kunst eingriffen'
nunmehr vorliegenden Material deduktiv plausibel gemacht werden können. Ein Beispiel für eine solche Umgestaltung sind die Prozesse, die zur Gründung der Presseabteilung des CK im Jahre 1924 führten.
Die Wirkungsweise einer Institution ist transparent zu machen, deren Einfluß auf das'kulturelle Bewußtsein in Rußland bzw- der Sowjetunion im zwanzigsten Jahrhundert kaum zu überschätzen ist. Der Agitprop wirkte unmittelbar ein auf
kulturelle Prozesse, die sich in Druckerzeugnissen aller
Art (Belletristik,
wissen-
Neben den staatlichen gab es gewerkschaftliche organisationen (die scheidewand freilich zwischen diesen beiden war durchlä,ssig) wie die Gewerkschaft der Kunstarbeiter (Rabi,s) und die Kulturabteilung des vcsPs (kul'totdel), die mit
schaftliche Literatur, Presse, Plakate usw.) manifestierten; er r¡/ar mit der Organisation von Massenveranstaltungen betraut und in seinen Kompetenzen den
der Bildungsarbeit unter Arbeitern befaßt war. Ein dritter Teilnehmer an der kulturpolitischen Auseinandersetzung waren die Krinstler- und Freiwilligenorganisationen. Für die Jahre von Bürgerkrieg und Neuer Ökonomischer Politik sind unter unzähligen anderen zu nennen der Proletkul't (der bald in die staatlichen Strukturen einging), die Schriftstellerverbände VAPP (Allrussische Assoziation der Proletarischen Schriftsteller, später RAPP)
geordnet. Wie zu zeigen ist, kam die Beziehung zwischen Agitprop und den Behörden und verbänden nicht ohne störungen aus. Die Abteilung mußte sich ihr Gewicht erst über zahlreiche Auseinandersetzungen erarbeiten, teilweise, wie im &,11e von Glavlit, wurde sie von den apparativen Rahmenbedingungen dazu ge-
Kuznica (Schmiede), oktjabr' und andere. Zum bol'Sevikischen Konzept im Kulturkampf gehörte die Schaffung sogenannter Freiwilligenorganisationen wie etwa des Bnndes der Gottlosen (Sojuz Bezboàni.kou) oder der Osoau'iach'im, der Gesellschaft zur Förderung der Verteidigung und des luftfahrt-chemikalischen Aufbaus. Die vierte Struktur, die - immer in Interferenzen mit den anderen oben genannten Gruppen
-
kulturpolitisch tätig war, ist die Abteilung für Agitatioh und
Propaganda des Zentralkomitees der Russischen Kommunistischen Partei - kurz: Agitprop - und ihre verschiedenen Nachfolgeorganisationen. Im Zentrum der vorliegenclen Arbeit stehen Entwicklung, Strukturen und Funktion dieser Abteilung
unter den Bedingungen der Neuen Ökonomischen Politik und ihr Wechsel- und
mit den anderen oben genaúnten Institutionen. Dabei ist der Schwerpunkt auf die Plausibilität bzw. Nichtplausibilität der verschiedenen Entwicklungsstufen der Organe des Agitprop und ihrei Substrata zu legen. Es ist zu zeigen, daß die Einrichtungen, Strukturen und Personen, die mit der Implementierung und Instrumentalisierung ideologischer Lenkungsund Steuerungsmechanismen befaßt waren, keinesfalls immer unter reinen Effizienzgesichtspunkten umgruppiert wurden, sondern daß hier Prozesse innerhalb des Apparates wirkten, die aufgrund der bislang bestehenden Forschungsmöglichkeiten nur von außen induktiv erschlüsselt werden konnten, die jedoch mit dem Gegenspiel
t2
entsprechenden sowjetischen Behörden wie etwa der Zensurbehörde Glavlit über-
æötigt, Kompetenzen an andere zu delegieren.
I
Die Entwicklung der Strukturen von Agitprop und ihre Motivationen nachzuArbeit. In weiteren Schritten ist die Arbeit :rrder Abteilung an zwei Beispielen transparent zu machen. Zum einen ist die ideoãogische Politik der Abteilung innerhalb der Partei zu rekonstruieren. Ihr Zweck twa¡ die Produktion sogenannter ,,Kader", das heißt kommunistischen Personals, ldas in die.Lage versetzt werden sollte, auf mittlere Sicht die Kontrolle ùber die :åaãchtparteilichen Strukturen im Sowjetstaat zu übernehmen. Kern der Arbeit war 'l&!er seit 1924 ailerdings nicht die vermittlung von Fachkenntnissen, die für die z-ollziehen ist das erste Hauptziel dieser
iilbü¡okratische Arbeit notwendig gewesen wären, sond.ern die Durchsetzung eines instrumentes, das der führenden Clique im CK um Stalin den Sieg im
rparteilichen Machtkampf ermöglichte: der manicháischen Reißbrettideologie Len'inismus. s Hauptsächliches Objekt dieser.Politik war die Masse gemeiner F.arteimitglieder, in ihrer Hauptsache vielleicht keine einfach zu behandein de ZieI, jedoch eine, die zu den Stützen des Systems heranreifte. Aus ihr gingen ionäre, sogenannte uyduiàency, hervor, die über kurz oder lang clie Alten 'Seviki aus den Funktionärsämtern verdrängten.
Eine Zielgruppe, deren Behandlung größere Schwierigkeiten mit sich brachte, aus den sowjetischen Schriftstellern. Der Literaturpolitik der Abteilune
.{gitation und Propaganda ist das dritte Großkapitel dieser Arbeit gewidmet. Arbeit mit den Schriftstellern brachte inhaltlich, wenn auch nicht logistisch, 13
erheblich größere Schwierigkeiten mit sich als die Schulung des Parteinachwuchses, und die Erfolge waren in der aktiven Politik hier weitaus geringer als die in der
Propagandapolitik.
'äbergeordneten Stelle (meist Orgbüro oder Sekretariat) getroffen werden. Ihre Protokolle enthalten zum Teil auch die vorbereitenden Papiere des Agitprop (die sogenannten Materialien). Für diese Arbeit wurden Akten aus dem Verzeichnis
Agitprop, des Politbüros und dem gemeinsamen Verzeichnis von Orgbüro und Sekretariat eingesehen. Neben diesen Verzeichnissen wurden in kleinerem Umfang die Bestände von Lenin (Fonds 5) und Stalin (Fonds 558) sowie beispielsweise der
des
1.2
Quellenlage und Forschungsstand
Die Öfinung der russischen Archive vollzog sich seit der Perestrojka, vor allem seit 1987, schwerfällig und widersprüchlich. Diesem Umstand ist es unter anderem geschuldet, daß bis heute keine Gesamtdarstellung der Abteilung für Agitation und Propaganda und ihrer Politik vorliegt. Das Forschungsinteresse ist zudem in den Sachgebieten, die in dieser Arbeit behandelt werden, unterschiedlich. Es gibt zwar
kleile Zahl von Wissenschaftlern, die sich mit der sowjetischen Literaturpolitik auseinandersetzen, die Beschâftigung mit dem zentralen Parteiapparat jedoch war einige Jahre gänzlich aus der Mode, und erst in allerjüngster Zeit behandeln eine
wieder einige wenige russische Historiker dieses Thema.
Im Gegensatz zu frtiheren Arbeiten, die sich mit Agitation und Propaganda
in der Sowjetunion auseinandersetzteî, war
es möglich, umfassend Einblick in
russische Archive zu nehmen. Das für die Arbeit wichtigste Archiv ist das ehema-
6 lige Zentrale Parteiarchiv (RGASPI) in Moskau. Fonds 17 enthält den Bestand des Zentralkomitees für die zwanzigü Jahre, mit Ausnahme einiger Bestände des Politbüros, die im nach wie vor unzugänglichen Präsidentenarchiv, dem früheren Stalinarchiv, lagern. Relevant sind hier in erster Linie das Verzeichnis 60, in dem die Akten der Abteilung für Agitation und Propaganda und der PresseabteiIung von 1920 bis 1928 gesammelt sind. Schwächen dieses Verzeichnisses liegen zum einen in der chaotischen Sammlung von Akten in den Jahren 1920 und 1921 (die Nogin auf dem XII. Parteitag 1g23 rügte7). Zum anderen sind die Jahre ab 1925 nur noch in dünnen Beständen vorhanden, fij.t 1927 und 1928 gibt es kaum noch Dokumente, und die vorhandenen betreffen fast ausschließlich wenige Aspekte der Arbeit der Presseabteilung. Für die ldeologiepolitik der Unteial¡teiIung Propaganda gibt es Material noch für 1926. Jedoch sind nur wenige Quellen erhalten, die Aufschluß über die Literaturpolitik und die strukturelle Entwick-
lung des Agitprop liefern. Abhitfe schaffen hier zum Teil die anderen Bestände des Zentralkomitees, das heißt in erster Linie die Akten von Politbüro, Orgbüro und Sekretariat. Die meisten Entscheidungen des Agitprop mußten von einer 74
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Alter Bol'Seviki (Fonds 724), der zum Teil Angaben über das bei Agitprop arbeitende Personal bereithält, genutzt. Lücken wurden mit *Iilfe der beim Lotman-Institut für russische und sowjetische Kultur der RuhrFonds der Gesellschaft
{Jniversität Bochum gesammelten Bestände aus dem Staatsarchiv der Rußländi-
jllæh"tt Föderation (GARF)8 und dem Rußländischen Staatsarchiv für Literatur /:,,È¡¡d Kunst (RGALI) e geschlossen. Auch Archive in der sogenannten Provinz enthalten Bestände, die wertvolle lilAufschlüsse nicht nur über die Arbeit der lokalen Parteiapparate, sondern auch Ì,¡:.,,,äber die Tätigkeit des Zentralkomitees geben. Häufig sind hier Teile des Brieflitw*t erhalten, die der zentrale Agitprop mit seinen regionalen Dependancen ""t hielt. Zirkulare, Protokollauszüge, Telegramme und andere Anweisungen Zentrums (etwa Mitschriften von Telephongesprächen), die in den Moskauer ven nicht mehr aufzufinden sind, haben die Verwerfungen des Terrors der iger Jahre und des Zweiten Weltkrieges oft unbeschadet überstanden. Für Zweckedieser Arbeit wurden das ehemaliee Partei- 10 und das Staatsarchiv 11 l{iZnij Novgorod sowie das ehemalige Parteiarchiv in Vologda 12 hera.rgezogen.
wichtigsten Akten der Parteiarchive waren in den Beständen der jeweiligen ntalen Parteikomitees (Gubkomy) zu finden, das Staatsarchiv in NiZnij hatte Akten des Komitees für politische Aufklärung (Gubpoli,tprosaet) der regionalen Zensurbeh ör de Gubli,t beizusteuern. Eiue weitere wichtige Quelle bilden die Veröffentlichungen des CK-Agitprop seiner regionalen Pendants, die der Anleitung von Parteifunktionären in der dienten. Zu nennen sind hier Vestni,k agi,taci,i ,i propagandy, Kommunireaoljuc'ija, Krasnaja peðat', Sprauoðnik part'ijnogo rabotnika, Izuesttja rnd Part'ijnoe stroitel'stuo. Gerade zu Beginn der zwanziger Jahre - etwa bis
''l-enins
Tod - zeichnen sich die abgedruckten Außeruneen durch eine bemerrte Offenheit und Heterogenität aus. Der Erkenntniswert dieser Quellen
mit der zunehmenden Zentralisierung und Bürokratisierung des ParteiappaImmerhin finden sich jedoch in der parteiinternen Presse, die zum Großteil 15
-':-l-ì..'.,
in westeuropäischen Bibiiotheken nicht vorhanden ist
-
sie wurde daher bislang
auch kaum ausgewertet-, vergieichsweise offene Äußerungen und Auseinanderset-
zungen
mit Zielen und Problemen der bol'Sevikischen Politik. Weitere wichtige
und der PresQuellen sind die nichtperiodischen Veröffentlichungen des Agitprop 13 oder Darstellunseabteilung, etwa Lehranweisungen für das Parteischulw"."n la gen einzelner Politikfelder. Eine weitere relevante zeitgenössische Quelle sind die Stenogramme der Parteitage und Parteikonferenzen. Hier wurde auf die jeweils greifbaren Versionen
zurückgegriffen. Zumeist waren dies die Neuauflagen der sechziger Jahre, die nicht nur, wie Schröder ausführt, die Originalstenogramme korrekt wiedergeben, sondern zudem auch Textausgaben enthalten, die in der Erstausgabe nicht abgedruckt sind. 15 Lediglich für den XIV. Parteitag mußte die Ausgabe von 1926 genutzt werden. In jüngerer Zeit sind einige wichtige Quellensammlungen mit Dokumenten der verschiedenen Moskauer Archive erschienen. Wichtig ist hier vor allem das In16 Abe. auch zur Literaturpolitik haltsverzeichnis der Protokolle des Politbüros.
i7
Oft drucken diese und zur Zensur gibt es einige bemerkenswerte Sammlungen. russiverschiedenen in Jahren neunziger in den die Anthologien Dokumente ab, 18 Nicht zu vergèssen sind Editionen aus Soschen Fachzeitschriften erschienen. 19 und Stalin 20 (die mittlerweile auch Lenin von wjetzeiten wie die Werkausgaben im
21) sowie die zeitgenössischen Ausgaben bol'Sevikischer Internet einzusehen ist
Führer und Funktionäre wie Vardin, Varejkis, Jakovlev und anderer' In der sowjetischen und russischen Forschung gibt es bislang keine verläßliche Gesamtdarstellung des cK-Apparates der zwanziger Jahre, geschweige denn der Abteilung für Agitation und Propaganda und ihrer Politik' Zu Sowjetzeiten unterIag die Struktur des Apparates ofienkundig der Geheimhaltung, so daß es in den entsprechenden Darstellungen nur kurze Hinweise auf die Existenz einer Abteilung für Agitation und Propaganda des Zentralkomitees gibt. Die verhäitnismäßig umfangreichste Darstellung der kultursteuernden Strukturen ist bei Ermakov zu finden. Das Schwergewicht liegt hier jedoch auf den staatlichen Strukturen.22 Bedeutend für die Struktur des Zentralkomitees und auch des Agitprop in den zwanziger Jahren ist die Habilitationsschrift von Michail Zelenov über den CK-
Apparat. Zelenov untersucht die Arbeit des Apparates allerdings unter dem engen Blickwinkel ihrer Einwirkung auf die Zensur, und hier besonders auf die Zensur der Geschichtswissenschaft, so daß das Werk für die Zwecke dieser Darstellung 16
nur teilweise nutzbar ist. 23 Eine ebenfalls nützliche (allerdings sehr viel kürzere) Abhandlung über die strukturen der Machtausübung in den zwanzíger Jahren A DÁ bletet lilna l'avlova. "= Auch in der westlichen Forschung wurde die Tätigkeit des Agitprop bislang eher oberflächlich behandelt. Allerdings sind in den sechziger, siebziger und achtziger Jahren einige exzellente Darstellungen erschienen, die Maßstäbe für jede weite-
¡e Auseinandersetzung mit dem CK-Apparat setzten. Zu nennen sind hier Ali, Fainsod, schapiro und vor allem auch Schröder, dessen sozialgeschichte der Komnunistischen Partei in den zwanziger Jahren in weiten Teilen bis heute Gültigkeit 25
hat.
'
Zur bol2Sevikischen Propagandapolitik im eigentlichen Sinne gibt es eine vielzahl sowjetischer Abhandlungen, die allerdings meist nur quantitative Darstellungen enthalten und wenig Aufschluß über die innere Entwicklung, die ideologische ,|¡'"Arbeit und die Auseinandersetzung
mit der innerparteilichen opposition geben. 26 i.Ðie parteiliche Propagandapolitik ist seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion 'iri Rußland nicht mehr behandelt worden. Auch im Westen wurde das System der Parteischulung in den zwanziger Jahren bislang nur gestreift. Einzelne Dar(Kenez, Schröder, Carr) widmen ihm ein paar Seiten.27 Die oft von 'r,;*íellungen r&[/idersprüchen und Anachronismen begleitete Entwicklung des Systems blieb bis-
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-
auch aufgrund der Quellenlage - im dunkeln. .:irr Anders ¡ieht es in der wissenschaftlichen Bearbeitung der sowjetischen Literaiåarpolitik aus. Bereits zu Sowjetzeiten sind gute Darstellungen entstanden, die
ich nicht über den vorgegebenen ideologischen Rahmen hinausgehen konnetwa was die Rolle der Gegner der Partei anging. In der Bewertung wadie sowjetischen Forscher häufig dazu gezwungen, das bol'Sevikische Schema egen. Zt nennen ist in erster Linie Se5ukov, dessen Studie über die prolehen Schriftstellerorganisationen der zwanzíger Jahre immer noch wertvolle ise bietet. 28 Seit 1991 sind mehrere Arbeiten russischer Forscher lBIium.
in, Babiðenko) entstanden, die das Bild von Literaturpolitik und Zensur der NEP-Phase vervollständigen.29 An den neueren russischen Darstellungen mitunter, daß sie häufig unkritisch ideologische Voreinstellungen der Sowjetübernehmen und die alten Fragen lediglich unter Austausch der Vorzeichen o. 30 Grrte und umfangreiche Darstellungen zur sowjetischen Litera-
itik
liegen seit langem im Westen vor. Die wichtigen Arbeiten von Eimer, Fox, Beyrau, Maguire und auch Fitzpatrick (welche die Quellen allerdings 77
T. t:
häufig den eigenen Thesen anpaßt) konnten jedoch noch nicht auf die umfangreichen Archivquellen zurückgreifen, die inzwischen zugängiich sind.31 Daher ist gerade die entscheidende Einwirkung der Abteilung für Agitation und Propaganda auf den Literaturbetrieb außer acht geblieben. Die Rekonstruktion der bislang unaufgearbeiteten Tätigkeit dieser Abteilung ist das Ziel der vorliegenden Arbeit.
1.3
Ðie organisatorische Entwicklung des Agitprop
Formale Erläuteruns
Bei der Schreibung der Namen russischer Institutionen herrscht in den Quellen einige Unordnung, vor allem hinsichtlich der Unterscheidung von Groß- und Kleinschreibung. Für die gouvernementalen Parteikomitees etwa findet sich sowohl die
Schreibung gubleom als auch díe Schreibung Gubkom, ähnlich sieht es beí soupartËkolg rnð, Soupartikoly und den meisten anderen Institutionen tns. Ëür die
Arbeit wurde die Orthographie (außer in den Zitaten) zugunsten einer konsequenten Großschreibung, die den Gewohnheiten des deutschsprachigen Lesers Rechnung trägt, vereinheitlicht. Diese findet sich auch im Verzeichnis der russischen Begrifie und Institutionen wieder. Russische Termini werden im Zwecke dieser
Text konsequent kursiv wiedergegeben. Ausnahmen biiden lediglich im Deutschen gebräuchliche Begriffe wie Agitprop, Bol'Éeviki, Kreml oder Sowjet. Bis zur Grrindung der Sowjetunion waren sowohl in Rußland als auch im Westen verschiedene Begriffe zur Bezeichnung des neuen Staates bzw. der neuen Regiërung
üblich. Diese werden auch hier variabel verwendet (Sowjetstaat, Sowjetrepublik, Sowjetmacht). Bei der Schreibung der russischen Begriffe wurde mit Ausnahme eingebürgerter Begriffe (wie Sowjet) die wissenschaftliche Transliteration verwendet. Dies gilt stets für Namen wie Tlockij, PreobraZenskij usw. Hervorhebungen im Zitat stammen stets aus dem Originaltext, der Verfasser hat darauf verzichtet, hier etwas hinzuzufügen. Zítate aus den Quellen wurden
vom Verfasser der Arbeit ins Deutsche übersetzt. Das russische Original ist bei längeren Zitaten in der Fußnote zu finden. Im Verweis auf die Archive werden die russischen Kürzel verwendet: f.:fond (Bestand); op.:opis'(Verzeichnis); d. : delo (Akte); L : Iist (Blatt). Die im Deutschen nicht übliche Pluralform ,,11." wurde durchgängig durch ,,1." ersetzt.
18
2.I
Gründung und Struktur des CK-Apparates
',,..:eJ.l Di,e Gùünd,ung der wi,chtigsten CK-Organe ,l:
Machtgewinn im oktober 1917 stellte die Bol'seviki vor Aufgaben, denen sie i,allein aufgrund ihrer organisatorischen Schwäche kaum gewachsen waren. 1917 r*erfügte die Partei über etwa 23.600 Mitglieder, 1918 waren es dann bereits .,,Ðer
I
Das Bildungsniveau der meisten Parteimitglieder war niedrig - zuþrm erschwerten Probleme wie Alkoholismus, Ausschweifungen, Korruption und l.ï-erantwortungslosigkeit eine organisation der Parteimitglieder -, so daß Zahl end Qualität der sogenannten Kader kaum ausreichten, um auch nur die Spitzen |þr wichlísen staatlichen, gewerkschaftlichen und anderen organisationen mit Bol'Seviki zu besetzen. 2 Hauptstütze der neuen Machthaber waren die sogenannten komi,tetði,ki,- Bol'5e*iki wie z. B. Stalin, die im Gegensatz zu den prominenten Figuren der Emigration :fue Lenin, zinov'ev oder Trockij) in Rußland geblieben waren und die geheimen 3 ZwZeitpunkt des Oktoberumsturii-Parteizellen organisiert und geführt hatten. ,,' gu¡ es etwa 1.050 Parteikomitees auf dem Gebiet Rußlands, davon entfielen aar die Gebiete (oblasti.), 24 a;uf die Gouvernements, 334 auf einzelne siädte, 1-&'2 auf Kreise (Rajony) und ihnen untergeordnete Einheiten. Ein Großteii der ?15.000.
.ffiómitees (350) hatte sich
in der Armee organisiert. Die Zahlen sind für diesen rEeitpunkt wenig zuverldssig und daher mit Skepsis zu betrachten. Der sowjetische Sistoriker Andruchov verweist darauf, daß andere Autoren für den oktober 1g1z Zahl von 32 Gouvernements- und 35 Bezirkskomitees nennen. a Nach dem 19
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Oktober entwickelte sich der Apparat schnell. Bereits ein Jahr später, im November/Dezember 1918, gab es 1.472weitere Komitees. Nun existierten Komitees in 48 Gouvernements und 350 Bezirken. s Die Leitung des zentralen Parteiapparates lag anfangs in den Händen von Jakov Sverdlov, der zwar ein fähiger Organisator war und mit einem kleinen Stab von Mitarbeitern (zum Zeitpunkt seines Todes waren es 15 6) auskam und kein schriftliches Archiv über seine Politik, seine Personalpolitik vor allem, führte.7 Als Sverdlov am 16. März 1919, kurz vor dem VIII. Parteitag, plötzlich starb, stand die Partei vor dem Problem, ihre Zentrale neu aufbauen zu müssen. Dies erschien umso notwendiger, als das Zentrum bis dahin kaum eine Kontrolle über die örtliche Parteiarbeit hatte. Bis 1919 bestand zur Hälfte der Komitees keinen Kontakt. s Während des Bürgerkrieges lösten sich die lokalen Parteiorganisationen zudem häufig in den sowjetischen Machtinstitutionen (den Sowjets und ihren Exekutivkomitees) auf. Selbst Sverdlov, der auch Vorsitzender des Allsowjetischen Zentralen Exekutivkomitees (kurz: VCIK) war, neigte dazu' seine Macht mit Hilfe der sowjetischen Institutionen und nicht des Parteiapparates auszuüben. I Die Parteikomitees drohten daher, zu,,Agitationsabteilungen der örtlichen Sowjets" herabzusinken, wie es ein Funktionär ausdrückte, ein Umstand, der in 10
erster Linie ihrer finanziellen Abhángigkeit von den Sowjets geschuldet war. Mit dem Wegfall Sverdlovs als Nahtstelle zwischen Partei und Staat, stellte sich die Organisationsfrage umso dringlicher. Der VIIL Parteitag beschloß, daß clie Partei in den Organen der Sowjets die ungeteilte politische Vorherrschaft gewinnen müsse. 11 Folgerichtig entschied er sich für eine Form, die dem Streben
der Partei als Machtzentrum Rechnung trug und - bei einzelnen Veränderungen in den folgenden Jahren - im wesentlichen bis zum Ende der Sowjetunion Bestand hatte.
2.1.2 Zur
Strulctur des CK-Apparates
AIs höchste Institution der Partei firmierte weiterhin der Parteitag der RKP(b)' In den Perioden zwischen den Parteitagen bildete das höchste Gremium wie auch i2 bisher das CK-Plenum, das aus 19 Mitgliedern und acht Kandidaten bestand und regelmäßig tagen sollte. Tatsächlich traf sich das CK-Plenum in dem halben Jahr nach der Umstrukturierung des Apparates jedoch nicht, wie vorgeschrieben, sechzehnmal, sondern ledigtich sechsmal.
13
20
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Zwischen den Plenen wiederum lag die höchste Entscheidungsgewalt beim politbüro, das schnell zur höchsten politischen Macht im Land aufstieg. Das poiitbüro entschied wichtige politische Fragen, die zwischen den Plenen auftraten und deren '':,:.åösunl keinen Aufschub duldete. Dies waren in
erster Linie wirtschaftliche, milirlrftäiische oder außenpolitische Fragen, aber schon bald kam auch die Kulturpoìitik hinzu. Das Politbüro hatte zu diesem Zeitpunkt fünf Mitglieder. Ihm gehörten
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vIII. Parteitag Lenin, Trockij, stalin, Kamenev und Krestinskij an. Buarin, Zinov'ev und Kalinin wurden zu seinen Kandidaten gewählt. la Den CKMitgliedern, die dem Politbüro nicht angehörten, wurde das Recht gewährt, an *einen sitzungen - allerdings nur mit beratender stimme - teilzunehmen. Zudem wurde das Politbüro (ebenso orgbüro und sekretariat) verpflichtet, dem plenum
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alle zwei wbchen Bericht über seine Tätiekeit zu erstatten. 15 Dies warert zugeständnisse an die Kritik, die auf dem Parteitag am geplanten cK-umbau
geübt worden ,rar.
16
rirr' Dem orgbüro als nachgeordnetem Gremium wies der Parteitae keine fest umrissenen Kompetenzen zu. Es sollte mindestens dreimal die woche tagen; jedes seiner Mitglieder war für einen Themenkomplex verantwortlich. 17 Mitglieder des l,rûrsbüros waren zu diesem Zeitpunkt Beloborodov, Krestinskij, serebrjakov, starrí:'3iu "::::'&e
und stasova; als Kandidat firmierte Muranov. Am 2g.November 1919 wurntsàtzlich Kalinin vom cK-Plenum in das Gremium gewählt. 18 Lenin faßte
ildi* Atb"itrteilung zwischen den beiden Institutionen später so zusammen, daß l'ldie eigentliche Hauptaufgabe des Orgbüros die Verteilung der Parteikräfte wur-
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mit den politischen Fragen beschäftigte".19 Orgbüro ¡¡/ar außerdem für die Verbindung zu den lokaien Parteiorganisaå.ionen und für Pressefragen zuständig. obschon es im ersten Jahr der Tätiekeit |i@ Ots¡üros zu einigen Kursschwankungen kam, ist der Meinung Schapiros zu.,.t:',,i: stimmen, der feststellt, daß sich das Orgbüro ,,zu einer Art untergeordnetem entwickelte".20 Dazt trug unter anderem die wahl stalins in das Gre,,,.þtituriro li@um bei. stalin baute es zu einer Machtbasis aus, lange bevor er rg22 z..m i*e, während das Politische Büro sich
llìr'']i',']Ðas
ílrÆeneralsekretär gewählt wurde.
21
'ilr p* dritte
ständig tagende Institution des cK war das sekretariat. Im März li'#u¡de vorerst Stasova zur sekretärin bestimmt, das cK-Plenum kooptierte am 'llll:29, November zusätzlich Krestinskii. Das Sekretariat beschäftiete sich ebenso wie das orgbüro mit laufenden Kaderfragen und politischen Entscheidungen unteriii,tþ'eordneter
wichtigkeit.22 Daneben r¡/ar es für die vorbereitung der sitzungen 27
der höherangeordneten Institutionen zuständig (also in der Hauptsache für die Vorbereitung von Politbüro- und Orgbüro-Sitzungen). Dem Sekretariat wurden durch d.en Parteitag eine Reihe von Abteilungen zugeordnet.23 Unmittelbar im April 1g19 waren dies die Abteilung Information und statistik (Informotdel), die Abteilung organisation und Instruktion (orgotdel), die Abteilung unterla-
in an. Das Sekretariat rekrutierte sich aus dem Orgbüro (schon früh verlor sich die Trennschärfe zwischen den beiden Institutionen). Das Plenum vom 5. April Ite Krestinskij (der vermutlich so etwas wie ein Nachfolger Sverdlovs werden ,Éollte, mit der Aufgabe jedoch nicht zurechtkam), PreobraZenskij und Serebrjakov
gen und Zuweisungen (uðraspred), die Instruktions- und Reiseabteilung und die Allgemeine Abteilung (Obíðzi otdel) des CK. Bis Dezember kamen die Abtei24 Das lung für Arbeit auf dem Dorfe und die Frauenabteilung (Ùenotdet) hinzu.
Auch wenn es dem CK bis Ende 1919 gelang, eine Verbindung zit 90 Prozent Æer Kreiskomitees herzustellen, war die Parteispitze mit dem Erreichten nicht Q] -. ,zufrieden. "' Nach dem IX. Parteitag kam es - abgesehen von der Schaffung des ågitprop - zu weiteren wichtigen Veränderungen in der Struktur des Sekretariats. i{uf einem Treffen von Gublcom-Sekretáren mit PreobraZenskij am |2.Oktober wurde ein allumfassendes Chaos in der Oreanisaton der örtlichen Parteikoáitees, festgestellt: Sekolov schrieb, es habe bis Ende 1919 nicht zweí Gubleomy
iicîr
Reiseinspektorat wurde aufgelöst, die Allgemeine Abteilung wurde in eine Fi25 nanzabteilun g (Finotdel) und eine Sachverwaltu ng (tJpraulenie delami,) geteilt. Daneben unterstanden dem Sekretariat mehrere Büros (1920 waren es i5) für nationale Minderheiten, die sich hauptsächlich mit Propaganda und Agitation beschäftigten.
;úer
26
munistischem Personal. Hauptinhalt seiner Arbeit war-mithin die sogenannte -
Die neugeschaffenen Institutionen entwickelten sich zwischen den beidèn Parteitagen schnell, unter anderem wuchs die Personalstärke der Organe rapide an. Im Dezember 1919 hatte das cK 80, im März 1920 150 und im März 1921 bereits 602 Mitarbeiter.27 Die Führungsorgane entfalteten eine lebhafte Tätigkeit: Das Politbüro traf sich zwischen dem VIIL und dem IX. Parteitag nt 72, Orgbüro und Sekretariat zu insgesamt 138 Sitzungen.28 Du. Plenum sank in beiner exekutiven Bedeutung immer weiter herab. Es tagte zwischen April und September 1g20 lediglich fünfmal und behandelte 99 Fragen, während das Politbüro auf 40 29 Sitzungen 629 Fragen und das Orgbüro auf 55 Sitzun gen I.728 Fragen erörterte. Auf dem IX. Parteitag (29.Marz - 5.April 1920) wurde das CK neu gewählt
(die Führungsgremien wurden nach dem Parteitag aus dem CK heraus bestimmt). Das Politbüro wurde in Gänze wiedergewählt. Das Orgbüro, das sich nach Ansicht der Parteiführung nicht völlig bewährt hatte, wurde zu großen Teilen neu-
gewählt, ihm gehörten nun Krestinskij, PreobraZenskij, Rykov, Serebrjakov und 22
3o
tJezdkornE gegeben, die gleich
strukturiert
gewesen seien.32
Ðie Versammlung beschloß, den bis dato vielfältigen Aufbau der örtlichen Par-
Eine Stelle, die sich mit der Koordination von Agitation und Propaganda be' faßt hätte, wurde einstweilen nicht geschaffen. Man überließ diesen Aufgabenbereich vorerst den sowjetischen und militärischen Institutionen. Im Zentrum selbst existierten zunâchst lediglich Abteilungen für die Organisation der als problematisch angesehenen Gruppen (Bauern, Frauen und nationale Minderheiten). Das Hauptproblem, vor das sich der Apparat gestellt sàh, war der Mangel an komT,'^l^--^l:+:ì-tt ,,r\duur PUrrur^
seinen Sekretären.
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itees zu vereinheitlichen. ,,Grundlegende Abteilungen" der Gubkomy waáien: Eine Abteilung für Organisation und Instruktion, ein Agitprop und eine riA.llgemeine Abteilung. AIs ,,spezialabteilungen" führte die Versammlung eine Fcauenabteilung und - je nach Lage - spezielle Büros für die nationalen Minderheiten beim Agitprop auf. Die Abteilungen für Arbeit auf dem Dorfe sollten aerfgelöst werden.33 A* 27.Januar faßte das CK einen Beschluß, der die Vorstel:ãirngen der Gubkom-Vertreter übernahm und sie etwas präzisierte. 34 Allerdings Satschied sich das CK vorerst gegen eine Auflösung der lokalen Abteilungen für 'A¡beit auf dem Dorfe. 35 Das CK wiederholte sich mit diesem Beschluß. Bereits ¡:&øMilz 1920 hatte es ein Zirkular ähnlichen Inhalts über die innere Oreanisation 'åer Gubkomy verschickt. Offenkundig war seine Autorität allerdings zu diesem
Eeitpunkt noch so gering, daß es nirgendwo Beachtung gefunden hatte. 16 Auf dem X. Parteitag (8.-16. Màrz 1921) wurden die bisherigen CK-Sekretäre lK¡estinskii, PreobraZenskij und Serebrjakov abgelöst, da sie in der Gewerkschaftsdiskussion die Partei Trockijs gegen Lenin ergrifien hatten. An ihrer Statt wurden ,!r' ichajlov, Molotov und Jaroslavskij ins Sekretariat gewählt. Die letzten beiden bildeten dort eine Art Vorhut für Stalin, dem es auf diese Weise bereits vor seiner r*ahl zum Generaisekretär gelang, Einfluß auf das Parteisekretariat auszuüben. 37 'Ða¡über hinaus nutzte Stalin seine Position im Orebüro für den Ausbau seines Machtbereiches.
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Im Juli 1921 beschloß das Orgbüro die Schaffung einer Statistischen Abteilung 23
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(statotdel).38 Gleichzeitig bemühte sich das Sekretariat darum, die Verbindung
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CK m Provínz zu verstä,rken. CK-Sekretär Jaroslavskij beschrieb in einem Leitartikel des Vestn'ik ag'itac'i'í i propagand,y (Anzeiger für Agitation und Propaganda), mit welchen Problemen das CK zu kämpfen hatte. Auf die telegraphische des
Anfrage des Sekretariats (die zudem in der Praud,ø abgedruckt wurde), wie sich die Bevölkerung zu den Dekreten über die Neue Ökonomische Politik verhalte, antworteten lediglich vier Parteiorganisationen. Auch eine zweite Anfrage erzielte keine besseren Ergebnisse. Jaroslavskij forderte die Parteikomitees dazu auf, Kontakt mit dem Zentrum aufzunehmen, da andernfalls keine effektive Möglich39
keit zur Planung von Agitationskampagnen bestehe' Die Arbeit des Sekretariats gewann immer mehr Struktur' Am 12. September 1921 beschloß das Orgbüro, die seit Oktober 1920 als Teil der Sachverwaltung existierende Geheime Operationsabteilung in ein Sekretariatsbüro (Bjuro .Selçretariata) umzuwandeln. 40 Das Büro erledigte die sogenannte technische Arbeit der übergeordneten Instanzen. Es führte den geheimen Briefwechsel, und seine Mitarbeiter bereiteten die Sitzungen von Sekretariat, Orgbüro und Politbüro vor. Außerdem durchlief die gesamte geheime Information der untergeordneten Partei-
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al die Kontrolle darüber bot mithin ein enormes komitees das Sekretariatsbüro Potential, um die Tätigkeit der übergeordneten Institutionen zu beeinflusseni zumal wenn man in Rechnung stellt, daß circa 95 Prozent der von den Abteilungen eingebrachten Vorschläge in den übergeordneten Institutionen angenommen wurden. Das ist kaum verwunderlich, bedenkt man, daß Sekretariat und Orþbüro
4.
AprlI 1922 und dem 1. März 1923 6.312 Tagesordnungpunkte 42 behandelten, deren Zahl in den folgenden Jahren kaum kieiner wurde' spätestens ab 1922 nahm stalin das Büro wie auch den gesamten zentralen Parteiapparat unter seine Kontrolle und schuf sich damit ,,eine wohiverschanzte Position" fFainsod) für die sBätere Alleinherrschafb.43 zwischen dem
.
2.2 Die Gründung
des Agitprop
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Nachdem der Ì
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IX. Parteitag (29.Màrz -5.April 1920) Fragen von Agitation und
Propaganda keine größere Aufmerksamkeit geschenkt hatte, wie es noch der vIII teitag tat, ging die Partei nichtsdestominder daran, diese wichtigen Bereiche ihrer Arbeit in organisatorische Formen zu bringen. Auf lokaler Ebene existierten vie-
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*erorts schon während des Bürgerkrieges parteiliche Agitabteiiungen. Sie waren $edoch unterschiedlich organisiert, und neben ihnen gab es eine Menge anderer ',rlnstitutionen, die ähnliche Funktionen wahrnahmen wie der spätere Agitprop. aa nach dem IX. Parteitag wurde die Leitung der neu zu gründenden Agit45, ll,.'Þtopabteitr-,ng an PreobraZenskij übertragen
d". sich seit dem Bürgerkrieg mit &ulturpolitischen Fragen beschäftigte. Die Gründung des Agitprop im CK-Apparat war beschlossene Sache. Daher i|áugt" der Vorschlag Vorovskijs, des Leiters von Gos,izd,aú (dem Staatsverlag),
lltan Lenin vom 17. Mai 1920, alle Aufgaben der Agitation und Propaganda bei Gos'izd,at anzusiedeln, letztlich erfolglos bleiben46, sieht man davon ab, daß der
,.,þbildete und gut erzogene" Vorovksij kaum die erforderlichen Eigenschaften mitlbrachte, die notwendig waren, um die immer wieder geforderte Konzentration zn þwährleisten.
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Diese kiar festgeiegte Rolienverteilung, das heißt die unbedingte Dominanz der
"|Paúeivor alien anderen staatlichen oder gesellschaftlichen Einrichtungen, belegen fÐokumente auf gouvernementaler Ebene. Ein Beschluß des Gubkom-Präsidiums 4fologdà vom 4. August 1920 häIt bspw. die Notwendigkeit fest, die sowjetischen i|"',Fresseorgane durch die Agitabteilungen der Kreise zu führen. 47
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10.
Mai
1921
'¡þafen sich in NiZnij Novgorod die Vertreter der Agitprop-Abteilungen des Gouverlløe*"tt r, also die Leiter der entsprechenden Abteilungen in den Parteikomitees í€.¡lf Kreis- oder Bezirks-Ebene. a8 Die Funktionäre sprachen sich dafür aus, so s-iele Vollmachten wie möglich bei den lokalen Parteiorganisationen zu belassen. Z¡v-ar waren sie sich der Schwierigkeiten bewußt, die vor aliem im Mangel an 1''&bi'Sevikischem Personal begründet lagen. Daher war die Versammlung bereit, Farteiiose in der Bildungsarbeit zuzulassen. Dennoch sollte die Führung in jedem ill,,&ll ln Händen der Parteiabteilung bleiben: ag Es ist unabdingbar, die Zweiteilung de¡ A.rbeit in der Agitationsarbeit der Agitprosvety und Agitabteilungèn zu vernichten. Eine Verbindung ist unabdingbar, es ist ver-
früht, die Parteiarbeit den sowjetischen Organen zu übertragen. Kontakt herstellen, gemeinsam die Kräfte nutzen, damit sich der Führungsapparat in den Händen der Parteikomitees befinde. Die führende Beobachtung, die Kontrolle ve¡bleibt bei den Parteiorganen, das muß man taktvoll durchführen, jedweder Paralleiismus oder Zersplitterung de¡ Kräfte sind in Zukunft nicht zulässig 50
2.2.1
1
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D'ie Struktur der Abtei,lunq bis 1920
Sekretär für den Agitprop und behielt die aligemeine Aufsicht über dessen Arbeit, er wurde jedoch von einem Teil der Arbeit durch Katanjan entlastet. Mit Katan-
Am 25. Juni 1920 - zweí Monate nach der Ernennnung PreobraZenskijs zum Leiter der Abteilung - legte das Orgbüro Teile der künftigen Organisationsstruktur des Agitprop fest. Zum ersten wurde die bis dato unabhängig existierende CKAbteilung für nationale Minderheiten als Unterabteilung in den Agitprop überführt. Zrm zweiten wurde als leitendes Organ der gesamten Agitprop-Arbeit das ,,Kollegium für Agitation und Propaganda" eingerichtet, dem der Leiter von Agitprop (als Sekretär) vorstand, dem ferner Vertreter der CK-Abteilungen fùr Arbeit auf dem Dorfe und für Frauen und ein Vertreter des Jugendbundes (^9o7zz molodeãi.), des künftigen Komsomol, angehörten.
51
Diese beiden institutionellen Entscheidungen hatten die zwanziger Jahre über
Bestand. Das Kollegium von Agitprop etablierte sich als höchste Instanz der Abteilung, die alle wichtigen Entscheidungen passieren mußten, insonderheit jerie, die aufgrund ihrer Bedeutung den höheren Institutionen des CK (Sekretariat, Orgbüro und Politbüro) vorgelegt wurden. Das Agitprop-Kollegium wurde zur leitenden Instanz in Fragen von Agitation und Propaganda allein aufgrund der Tatsache, daß die übergeordneten Institutionen bei der Fülie der behandelten Fragen nicht die Möglichkeit hatten, alle Agitprop-Eingaben eingehend zu prüfen. Zwischen dem 15. November 1922 und dem 15. Januar 1923 etwa behandeiten Orgbüro und Sekretariat gemeinsam 126 vom Agitprop formulierte Tagesordnungspunkte 52, aufs Jahr hochgerechnet entschieden sie mithin r-rm die 750 Fragen, die Agitation und Propaganda betrafen. 95 Prozent der Anträge des Agitprop wurden in seinem Sinne entschieden 53 Was über die unmittelbare Tagespolitik hinausging (diese wurde in den Unterabteilungen geführt), wurde in der Regel vom Kollegium behandelt. Einzuräumen
ist dabei, daß genaue Parameter fehlen, die bestimmen, was als Frage besonderer
jan wurde ein vergleichsweise unbekannter Apparatði.lt an die Spitze der Abteilung gestelit. Er - wahrscheinlich ein Jurist - wechselte aus der Politischen Abteilung der Roten Armee (PUR) zu Agitprop. ss Der Wechsel von der militärischen in die parteiliche Institution wirft ein Schlaglicht auf die neuen Prioritäten und Verschiebungen im Machtgefüge, die gegen Ende des Bürgerkrieges zu beobachten sind. 56
Am 17. Juli 1920 wurde die Gründung des Agitprop offiziell bekanntgegeben. Im Bericht des CK für den Zeitraum vom 15. Mai bis 15. Juli wurde erklärt, warum sich die unmittelbar nach dem Parteitag beschlosserie Organisation der Abteilung über fast drei Monate hinzog. Der mit dieser Aufgabe betraute PreobraZenskij hatte aufgrund von Erkrankungen der beiden anderen CK-Sekretäre Krestinskij und Serebrjakov die gesamte laufende Arbeit des CK zu erledigen. Außerdem behinderten sogenannte ,,technische Bedingungen" die apparative Tätigkeit:
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[Dlie unwahrscheinlich enge und unbequeme Unterbringung und der Mangel an ve¡antwortlichen und technischen Mitarbeitern [. . . ] haben es unmöglich gemacht, die Arbeit irgendwiebedeutsam auszuweitensT
Es fehlte nicht nur an den nötigen Büroräumen und - noch wichtiger - an qualifiziertem Personal, das das CK bemüht r¡/ar, aus der Provinz - sofern dort vorhanden
- nach Moskau zu kommandieren, es fehlte im Bürgerkrieg und danach an der grundlegenden Versorgung der Mitarbeiter, an Schuhen, Mänteln, anderer
Kleidung, Tabak 58 und an den unabdingbaren Arbeitsmaterialien. In einer Bitte der Wirtschaftlichen Unterabteilung (Chozjajstuennyj Pod,otdel) des CK (verfaßt
in der zweiten Jahreshälfte 1920) an den Leiter von Agitprop heißt es, man möge
mit Schreibwaren umgehen, vor allem mit Papier, das eng und beidseitig zu beschreiben sei.59 Politische Autorität und materielle Organisation der neuen Abteiiung entsprachen einander in keiner Weise, wobei auch jene zu diesem Zeitpunkt vorläufig nur auf dem Papier stand.
spa,rsam
Bedeutung angesehen wurde. Hier regierte häufig das Ressortinteresse der Mitarbeiter und Leiter, weÌche Entscheidungen auf welcher Ebene getroffen wuîden. Der Agítprop erhielt keine zweifelsfrei definierten Kompetenzen, ein Problem, das wohl im außerkonstitutionellen und außerrechtlichen Status des CK begündet lag, aber auch in clen Interessen einzelner Politbüromitglieder wie Lenin oder Trockij, die die Initiative in kulturpolitischen Fragen häufig an sich rissen. Die dritte am 25. Juni getroffene Entscheidung war die Ernennung von Ruben Katanjan zum Leiter des Agitprop. 54 PreobraZenskij blieb zwar zuständiger CK-
wie oben beschrieben - der allgemeinen Leitung eines der CK-Sekretäre (konkret also vorerst PreobraZenskij). Dieser stand auch dem Agitprop-Kollegium vor, das nicht nur die Arbeit des Agitprop, sondern darüber hinaus die der Frauenabteilung, der Abteilung für Arbeit auf dem Dorf
26
27
Wenn es zu Beginn der zwanziger Jahre auch an der Umsetzung oder überhaupt der Möglichkeit dazu mangeln mochte: Die organisatorische Form der Abteilung war geschafien. Agitprop unterlag
-
und die des späteren Komsomol anleitete, deren Vertreter-ebenfalls im'Koliegium sa,ßen.60 Fe.n", gehörten dem Kollegium ein vertreter der,,Außerschulischen Abteilung,, des volkskommissariates für Aufklärung (Narkompros) und prominente..Theoretiker und Literaten" der Partei an (Bucharin, Skvorcov' Pokrovskij, Radek, sosnovskij u.a.). Die Partei war bemüht, sachverstand und politische Potenz in die neue Abteilung zu bringen. Diese Versuche waren allerdings nicht von langer Dauer, schon ab 1921 fehlen in den Anwesenheitslisten Politiker mit nicht unmittelbar definierten Aufgaben. Auf den unteren als den CK-Ebenen dürfte es den Versuch zur Einbeziehung Intellektueller kaum gegeben haben. In NiZnij Novgorod existierte ein sogenanntes Agitkollegium lange vor der Gründung des zentralen Agitprop. Ein Dokument vom 20. Februar weist hier allerdings nur Vertreter von Institutionen auf, die unmittelbar etwas mit Agitation, Propaganda oder Ideologiepotitik zu tun hatten: Es sind dies Vertreter des örtlichen Centrag'it, der städtischen Filiale des Volkskommissariates für Aufklärung, d. h. der Abteilung für volksbildung (Gorotnarob), des centropeðat" des lokalen Ag'itpunlct, des Gouvernementalen Exekutivkomitees (Gubi,spolkom) und der parteilichen Agitabteilung. 61 In Vologda wurde ein ähnliches Kollegium geschaffen, das sich jedoch in seiner Struktur stark vom entsprechenden CK-Gremium unterschied' Aus einer aligemeinen Versammlung von Agitatoren, Prgpagandisten und Journalisten des Gouvernements (zu der immerhin 58 Personen kamen) wurde ein dreiköpfiges Kollegium für Agitation und Propaganda gewählt, das in seiner Arbeit sowohl 62 d.em Gubkom als auch dem Propagandistenplenum verantwortlich sein solltê. Es erscheint kaum verwunderlich' daß es nicht lange Bestand hatte' In den lzuestija CK wurde die erste Organisationsstruktur des Agitprop veröffentlicht. Die Abteilung hatte vorerst vier Unterabteilungen: 1) Die Unterab-
teilung für Parteischulen; 2) die Unterabteilung für schriftliche Agitation, die für die Leitung von lokalen Organen und Agitationsliteratur zuständig war; 3) die Unterabteilnng für Publikation, zuständig für die Herausgabe det Izuest'ija CK, der Parteihandbücher und des cK-organs vestni,k agita,cü, i propagandg, das als Leitmedium für die lokalen, mit Agitation und Propaganda befaßten Organedienen sollte; 4) die Unterabteilung für nationale Minderheiten, die die Kompetenzen der ehemaligen nationalen CK-Büros an sich zclg.63 Die geplante überführung der CK-Abteilungen für Frauen und für Arbeit auf 6a
fand zwar in dieser Form nicht statt, dies dem Dorf (beschlossen am 30. April) tat aber der Konzentration der Kompetenzen im Parteiapparat keinen Abbruch. 28
'Entgegen den Plänen des Orgbüros konnten Frauen- und Dorfabteilung ihre Kom-
þetenzen wahren, die sie auf gouvernementaier Ebene vermutlich schon an den Agitprop verloren hatten. In NiZnij Novgorod jedenfalls forderten Vertreter der gouvernementalen Agitabteilung bereits 1920 eine Unterordnung der FrauenabËeilung. Das Argument war die bol'Sevikische opinio communis, daß die Existenz
der Frauenabteilung zeitlich ohnehin sehr begrenzt sei; letzten Endes sollte die Befreiung der Frau gemeinsam mit der des Proletariates stattfinden. Bei einer zu selbständigen Frauenabteilung befürchteten die Agitprop-Strategen Abweichungen vom rechten Kurs; Die Agitabteilung kontrolliert, daß die Arbeit unter Frauen nicht vom Kurs abkommt, und ma1 in Sufiragismus, mal in Feminismus ausartet 65
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Zu diesem Zeitpunkt (drei Monate nach der Gründung) befand sich der Agitijrop noch in der Organisationsphase, die noch fast zwei weitere Jahre in Anspruch aahm. Die Unterabteilungen waren auf dem Papier zwar geschaffen, sie funktioaierten aufgrund ,,technischer Hindernisse" jedoch kaum, bislang verfügte noch aicht einmal jede Unterabteilung über einen Leiter.66
'
Kaum ein paar Tage nach der Veröffentlichung des Gründungsbeschlusses über Agitprop drücf